a Ch yee PORTS n * Gy 679 ,, „ 1 ie 7 ty f | ATT ANTM NMC OT Monalsſchrift et Fs Für die me . N l g 5 N „ gelatin Naturwiſenſchaften 9) Herausgegeben . von 0 i 9 A 8 y Prof. Dr. G. Rrebs. 6 10 Dierter Sahrgung. . Stuttgart 2 Verlag von Ferdinand Enke. | 1855. l 792 2.9.9 MRR N igs ae 10 4 Stuttgart. röner. 4 Gebrüder 2 c 5 Dru N N von 3G * Jubalts-Verjzeidwis. 1 OAT ae. Prof. Dr. G. H. Theodor Eimer: Ueber die Zeichnung der Tiere. I. 35 Abbildungen) Prof. Aug. Je Aus wiſſenſchaftlichen Grenzgebieten . e Prof. Dr. J. Roſenthal: Die allgemeinen Erſcheinungen der Lebeweſen Me Dr. W. Kobelt: Erkurſionen in Nord-Tunis. I. (Mit Abbildung) 8 Dr. J. van Bebber: Glaube und Aberglaube in der Witterungskunde. I. . Prof. Dr. J. Roſenthal: Die allgemeinen Erſcheinungen der Lebeweſen. (Schluß) Dr. J. van Bebber: Glaube und Aberglaube in der Witterungskunde. (Schluß) Prof. Dr. G. H. Theodor Eimer: Ueber die Zeichnung der Tiere. II. (Mit abitoungen : Prof. Dr. H. Fiſcher: Ueber die ſogenannten Flachbeile. (Mit Abbildungen). Dr. W. abel Grfurjionen in Nord-Tunis. II. (Mit Abbildungen) Prof. Dr. T. F. Hanauſek: Ueber moderne Verfälſchungen unſerer Nahrungs- und Genußmittel. (Mit Abbildungen) Prof. Dr. F. Standfeſt; Die Bewegungen der Erdrinde. (Mit Abbildungen) . Prof. Dr. J. G. Wallentin: Ueber Plantés Erklärung einiger kosmiſchen und meteorologiſchen Phänomene unter der Annahme von dynamiſcher Elektricität im N hoher e Te Dozent Dr. William Marſhall: Unſer Hausgeflügel . ie . Dr. Theodor Peterſen: Die Arlbergbahn. (Mit Abbildunnß d Prof. Dr. K. W. v. Dalla Torre: Die Bienenbauten. J. (Mit Abbildung) Prof. Dr. Leo Liebermann: Ueber Leichenalkaloide (Ptomaine) und Leichengifte Dr. J. H. Baas: Der Augenſpiegel. (Mit Abbildungen) Prof. Dr. J. G. Wallentin: Ueber Plantés Erklärung einiger kosmiſchen und meteorologiſchen Boinomene unter der Annahme von dynamiſcher Elektricität im Zuſtande hoher Spannung. 1 Dozent Dr. C. Fiſch: Die Schauapparate der Pflanzen . Ingenieur Th. Schwartze: Die Bedeutung des Staubes und die ſtaubfreien Räume . Prof. Dr. R. Wiedersheim: Ueber die Vorfahren der pee Be (Mit Abbildungen) of Alois Schwarz: Schlagende Wetter. .. „ Dr. Franz Höfler: Neu-Guinea. (Mit Abbildung) j Prof. Dr. K. W. v. Dalla Torre: Die Bienenbauten. Schluß) . Prof. Dr. A. v. Laſaulx: Die Erdbeben von Adaluſien. (Mit Abbildung) . Prof. Dr. G. Haberlandt: Die Sorge für die Brut im Pflanzenreich. (Mit Abbildungen) Prof. Dr. Leopold Dippel: Das zuſammengeſetzte Mikroſkop und die 5 e iL bildungen) . 8 5 Dr. W. Breitenbach: Cin Beitrag zur Blumentheorie H. Müllers Ewald Paul: Eine neue Stadt 3 fe Prof. Dr. J. Roſenthal: Die Differenzierung der Lebeweſen. Pflanzen und Tiere. I, Prof. Dr. Leopold Dippel: Das zuſammengeſetzte Mikroſkop und die n 5 Bilbereugung. Abbildungen) : Dr. W. Stricker: Die Feuerzeuge der Griechen und Römer 5 Dr. Th. Noack: Elfenbeinhandel, Elfenbein und verwandte Produkte auf dem fünften beutien Geogeaphentan in Hamburg 0 Prof. Dr. Auguſt Vogel: Ueber das Nahrungsbedürfnis der Feldmaus (Arvicola agrestis) Prof. Dr. J. J. Rein: Coca und Cola Prof. Dr. J. Roſenthal: Die Differenzierung der Lebeweſen. Pflanzen und Tiere. Schluß) Privatdocent Dr. C. Keller: Die Farben der Meerestiere Prof. Dr. Leopold Dippel: Das zuſammengeſetzte Mikroſkop und die mikroſkopiſche Bilderzeugung. (Mit Abbildungen) Dr. Fr. Biedermann: Zur Geſchichte der Naturwiſſenſ chaften Dr. Paul Lehmann: Aus der Kometenwelt. J.. Privatdocent Dr. IJ. E. Weiß: Die niederen ih in ihrer Beziehung zum Einmachen und Konſervieren der Früchte 3 3 Dr. W. Kobelt: Exkurſionen in Nord⸗Tunis. II. (mit Abbildungen) 8 Dr. Emil Deckert: Die Inſel Cherſo. (Mit Abbildung) . 5 Dr. Paul Lehmann: Aus der Kometenwelt. (Schluß) K. Poſtrat C. Grawinkel: Einrichtung einer elektriſchen Beleuchtung unter Verwendung von Glühlicht. Abbildungen) Dr. Wilhelm Breitenbach: Land und Leute in Süd⸗ Braſilien Prof. Dr. M. Braun: Die niederen Tiere des Finniſchen Meerbuſens Prof. Dr. J. Partſch: Die barometriſche Höhenmeſſung, ihre . die Grenzen ihrer Zuverläſſigkeit und ihr Wert für den Wanderer im Hochgebirg Prof. Dr. G. H. Theodor Eimer: Ueber die Zeichnung der Tiere. I. (Mit Abbildungen) . K. Poſtrat C. Grawinkel: Einrichtung einer elektriſchen Beleuchtung unter Verwendung von Glühlicht. (Mit Abbildungen) O po O vo — S S A A Bw IV Inhalts⸗Verzeichnis. Jortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. phyſik Referent: Herr Profeſſor G. Krebs in Frankfurt a. M. 1. Bericht: Lenkbares Luftſchiff. Abſorption des Schalles durch Reſonatoren. Unterſuchungen über Radiometer. Darſtellung magnetiſcher Kurven. Sicherung vor Blitzſchlag. (Mit Abbildungen) „ 2. Bericht: Abſorption von Wärme durch Waſſerdampf. Ueber das Leuchten der Flamme. Anwendung von Brom in der galvaniſchen Kette. (Mit Abbildungen.) Verbeſſerung des e an Induktionsapparaten. Geringe Abſorptionsfähigkeit der Metalle für Wärmen. : Meteorologie. Referent: Herr L. Ambronn an der deutſchen Seewarte in Hamburg. Die Meteorologie als Wiſſenſchaft. Gründung der deutſchen meteorologiſchen Geſellſchaft. Vulkaniſcher Ausbruch in der Sundaſtraße. Köppen, die Wärmezonen der Erde und Gang der Temperatur in Norddeutſch—⸗ land. Die Eismännerfrage. Wintertypen. Meſſungen über die Höhe des Nordlichts. Die Bewölkung in Württemberg. Niederſchlagskarten für Aſien und Afrika. Synoptiſche Karten. e des Sonnen⸗ ſcheins. Ueber Luftbewegung. Repertorium der deutſchen Meteorologie Technik. Referent: Herr Ingenieur Th. Schwartze in Leipzig. 1. Bericht: Flußeiſen und Flußſtahl. Beſſemer- und Martin-Siemensprozeß. Entphosphorung des Roheiſens. Manganbronze. Aluminium und Iridium. Neue Heizmethode für Regenerativ-Gasöfen. Rauchloſe Feuerungsanlagen. Dampfkeſſel und Dampfmaſchine. Brücken- und Eiſenbahnbau bo Kraftübertragung mittelſt Druckwaſſers. Beförderung mittelſt des Kanalverkehrs Elektrotechnik. Referent: Herr Dr. V. Wietlisbach in Bern. 1. Bericht: Das Princip von Wilh. Weber. Die elektromagnetiſche Theorie des Lichtes und die neueren An— ſichten über das Weſen der Elektricität 2. Bericht: Telegraphie: Die internationale Telegraphenkonferenz. Der Typendrucker von Sughes. Die Auto- maten. Das Gegenſprechen. Die Multipelapparate. (Mit Abbildungen) . A ſtronomie. Referent: Herr Profeſſor Dr. C. F. W. Peters in Kiel. 1. Bericht: Siemens, Ueber die Erhaltung der Sonnen-Energie. Planeten-Entdeckungen. Jupiter. Saturn. Mars. Durchmeſſer des Mondes. Kometen. Valentiner, Die Kometen und Meteore. e Veränderliche Sterne. Photographieen von Fixſternen Das Lick Observatory . 1 8 2. Bericht: Ueber kosmiſche kleine Körper und die durch ſie bewirkte Aenderung der Maße der Erde. Neu⸗ entdeckte Planeten und Kometen. Parallachſen von Fixſternen. Veränderliche Sterne. Neuer Veränder⸗ licher im großen Andromedanebel. Photographieen größerer Sterngruppen „ Chemie. Referent: Herr Dr. Th. Peterſen in Frankfurt a. M. 1. Bericht: Organiſche Chemie. Teerfarbſtoffe. Methylenblau. Thiophene. Orthochromatiſche Photographieen. Chinolinkörper und Alkaloidbaſen. Neue Antipyretika. Unterſuchung auf Mikro-Organismen 2. Bericht: Unorganiſche und techniſche Chemie. Soda-Induſtrie. Flüſſige und feſte e und > Kohlen. oryd. Metalle. Aluminium. Iridium. Papierfabrikation. (Mit Abbildungen) Geologie. Referent: Herr Profeſſor Dr. v. Laſaulx in Bonn. Metamorphismus, Kontaktmetamorphoſe und regionaler Metamorphismus. Glaciale Geologie: Gletſcherſpuren in Norddeutſchland, in den bayeriſchen Alpen und der bayeriſchen Hochebene, e der Gletſcher, Urſachen der Eiszeit, Alternieren und Periodieität derſelben ; E Mineralogie und r d phie. Referent: Herr Profeſſor Dr. v. Laſaulx in Bonn. Das Kryſtallſyſtem des Leucit. Optiſche Anomalien bei dieſem, Boracit, Tridymit, Rutil, Korund u. a Optiſche Störungen an Kryſtallen infolge von elektriſchen Spannungen, durch künſtlichen Druck, Erwärmung, natür⸗ liche Preſſungen in Geſteinen. Mineraloptiſche Apparate und Methoden F Botanik. Referent: Herr Profeſſor Dr. E. Hallier in Halle a. S. 1. Bericht: Verſchiedene Disciplinen der Botanik. Gegenwärtiger Stand der Syſtematik, der Kryptogamenkunde, der Morphologie, der Zellenlehre, der Organologie, der Phyſiologie, der Abſtammungslehre, der An— paſſungserſcheinungen. Atmung. Reizbewegungen. Variation und Kreuzung 5 ua 8, (ope pet eo, 0 2. Bericht: Floriſtik. Syſtematik. . eee M Basa) NE: Phyſiologie. Biologie. Geſchichte des Pflanzenreichs 8 8 PFE Soologie. Referent: Herr Profeſſor Dr. William Marſhall in Leipzig. Gruber, Ueber Amöben. Neuere Arbeiten über die ſyſtematiſche Stellung der Spongien. Crinoiden der Challenger-Expedition. Leuckarts Unterſuchungen von Sphaerularia. Die Sinneswerkzeuge dev aa ſchnecken. Rauber, Ueber den Einfluß der Schwerkraft auf die Cifurdung . „Bericht: Hydrauliſcher Cement. Feuerfeſte Materialien. Heizung. Gasbeleuchtung. Gettrfie Beleuchtumg. Seite 28 320 119 195 116 287 Inhalts-Verzeichnis. V 2 5 Seite Pbyſiologie. Referent: Herr Docent Dr. J. Steiner in Heidelberg. 1. Bericht: Eimer, Zawarykin: Fettaufnahme im A rr J. Munk: Reſorption von Fettſäuren. Neucki: Häminkryſtalle. Hüfner: Methämoglobin. J. Bernſtein: Auflöſung roter Blutkörperchen. Cohnſtein: Unterſuchungen über Blut und Atmung des Neugeborenen. Tarchanoff: Eiweiß der Neſt— hocker und Neſtflüchter. Pflüger: Einfluß der Schwere auf die Entwickelung der Eizelle Bodländer: Ueber den Alkohol . . 157 2. Bericht: Tarchanoff, Willtürliche Acceleration der Herzſchläge. Otto, Gehalt des Blutes an Zucker 2c. M. Rubner, Gaswechſel des ruhenden Säugetiermuskels. Pflüger und Bohland: Eiweißumſatz beim Menſchen. J. Munk, Fettbildung aus Kohlehydraten beim Hunde. v. Braſal, Wie entledigt ſich das Blut von überſchüſſigem Traubenzucker? Seegen, Zucker im Blute rc. Worm-Müller, Zuckerausſcheidung im Harn des geſunden Menſchen 2c. Braſſe, Amylaſegehalt der Blätter e. Buchner, Einfluß des Sauerſtoffs auf Gärungen. Engelmann, Ueber Bewegungen der Zapfen und Pigmentzellen der Netz— haut unter dem Einfluſſe des Lichtes und des e Hermann und Gendre, e Eigenſchaften des bebrüteten Hühnereis .. Mei SE kia EEA Tayi , 403 Bygieine. Referent: Herr Dr. med. Steffan in Frankfurt a. M. H. Magnus, Die Blindheit, ihre N und 125 e E. e Die eee und die Ver- hütung der Blindheit 16 365 see ODS bo Referent: Herr Dr. M. Alsberg in Kaffel. 1. Bericht: Eiszeit und ältere Steinzeit. Anſichten Pencks. Steppenklima Norddeutſchlands in poſtglacialer Zeit. Neolithiſche Höhlenfunde im oſtbaltiſchen Gebiet Löſung der Nephritfrage. Ergebniſſe von Schliemans letzten Ausgrabungen auf Hiſſarlik. Die Trojaner ein indogermaniſches Volk. Baby— loniſche Kultur Slions vermittelt durch die Hittiten. Prähiſtoriſche Kultur Griechenlands. 154 2. Bericht: Die Frage nach der Exiſtenz der Menſchen während der Tertiärzeit, beantwortet durch Schaaffhauſens Unterſuchung der durch v. Dücker geſammelten Hipparionsknochen. Wo ſind die Spuren und Reſte des Tertiärmenſchen zu ſuchen? Die „niederen Bildungen“ in ihrer Beziehung zu den in der körperlichen Organiſation des Menſchen vor ſich gegangenen Veränderungen. Albrecht: Ueber die ehemalige Zahl der oberen Schneidezähne und die Bildung des Kinnes beim Menſchen. Beweiſe, daß das Weib den tieriſchen Vorfahren des Menſchen näher ſteht als der Mann. Verſchwinden des Weisheitszahnes. Dop⸗ pelter Weg, auf dem die aſiatiſche Bronzekultur nach Europa gelangte. Uebereinſtimmung zwiſchen ſibiriſchen und ungariſchen Bronzen. Die len a der . in malate wahrſcheinlich ein Volk altaiſch-ugriſchen Stammes.. e e 4 thnologie. Referent: Herr Dr. W. Kobelt in Schwanheim a. M. Zahngröße als Raſſenunterſchied. Penkas Origines Ariacae. Verteilung der Arier. Iſt der Herthakultus ſlaviſch? Italiener im Ausland. Die Cagots. Sumero-Akkader. Ainas sn . 161 Geographie. Referent: Herr Dr. Franz Höfler in Frankfurt a. M. 1. Bericht: Polarforſchung. Südgeorgien. Labrador. Kap Horn. Die Lenamündung. Point Barrow. Greelys i d b cn VVVCVVVVVVVCCCCCC TA eye Seas ie oer Npbos 2. Bericht: Neue Forſchungen in der Südſee. (Mit Abbildungen.) Die Marſchallinſeln. Jaluit. Die Karolinen. Ponapé. Kuſaie. Yap. Palao. Kingsmillarchipel. Lizardinſeln. Broomerinſel. Teſteinſel. Blanchard— und Heathinſel. Chinaſtraße. Mehelineyinſel. Paples- und Didymusinſeln. Jurieninſel. Jouveneyinſel— Duke of York. Georgskanal. Makada. Myet- und Utuaninſel. Neubritannien. Gazellenhalbinſel. Matupi. Blanchebai, neues Eiland in der Blanchebai. Materpert. Duportailinſel. Neu-Irland .. 323 Kolonifation. Referent: Herr Dr. W. Kobelt in Schwanheim a. M. 1. Bericht. Ackerbaukolonieen. Unſer natürliches Ausdehnungsgebiet. Graf Behr in Uſangara. Die Wörmann— ſchen Plantagen. Lüderitzland. Handelskolonieen. Der Kongo. Johnſtons River Congo. Niger und Benué. Cameruns. Italieniſche Beſtrebungen Die Sta. Lucia-Bai. Kapland. Polyneſien. Süd— braſilien. Borneo. Neu-Guinea. Inneraſien. Sachalin .. K „ 2 2. Bericht. Die Geſundheitsverhältniſſe der Tropenländer und die kropiſche Fruchtbarkeit. Weſt-Afrika. Das Togogebiet. Capitay. Die Cameruns. Flegel wieder am Venue. Lüderitzland. Der Kongo-Staat. Spanien an der Saharaküſte und auf Fernando Po. Oſt-Afrika. Die deutſch-oſtafrikaniſche Geſellſchaft. Zanzibar. Denhardt. Die Italiener in Maſſauah. Die Reblaus in Algerien. Madagaskar. Formoſa. Auſtralien. Neuguinea. Neubritannien. Neue Hebriden. Nord-Auſtralien. Queensland. Süd— id PIM t Neue Apparate für Anterricht und Praxis. Vorleſungsverſuche über die Beziehung zwiſchen dem durch Reflexion und dem durch Brechung erzeugten polari— ſiertem Licht. (Mit Abbildung) ee 37 Lambrechts Patent⸗Hygrometer. (Mit Abbildung) BS a 38 Lambrechts Patent: Wetterau ger eee (Mit Abbildung) 38 Neue Blitzableiter . . 121 Ein vollkommenes Filter e eee 121 Elektriſche Säule und Lampe von Trouvs. (Mit Abbildung) 122 VI Inhalts⸗Verzeichnis. Seite Eine neue Form der Platin-Lichteinheit. (Mit Abbildung) FFV 122 Eine neue Methode zur ſchnellen und leichten Beſtimmung des inecifjen Servis. (Mit Wbbiloung) . . 123 Elektriſcher Leitungswiderſtand einiger Metalle und . See „„ „ aria, duct oe ete = LOS) Stativ für Flaſchenzüge. (Mit Whbilbung) . . . . . F l Apparat für den Satz vom Bodendrud . . J l Siemensſcher Induktor für Läutewerk und Motorbetrieb. (Mit Abbildungen) 1 5 00 Körtings Waſſerſtrahl-⸗Luftpumpe für Laboratorien und Apotheken. (Mit 2obitbumngen) 4 a 5 ge een em OIL Desinfektion und Reinigung von Luft und Wohnräumen. (Mit Abbildungen) r 22 Das Trigonometer. (Mit Abbildung) „ 5) SAS: H. Rohrbecks Trockenapparat für Laboratorien mit Ventilation. (Mit Abbildungen) 39808 Wimshurſts Doppel ⸗Influenzmaſchine (Mit Abbildunnn ffn 1 Demonſtrationsbarometer und Heberapparat. (Mit Abbildungenñ- . . . . . . . . . . . 453 Titterariſche Nundſchau. Allgemeines. eee Dermiſchtes. Edv. Hjelt, Bruchſtücke aus den Briefen F. Wöhlers an J. Berzelius e Fr. von Hellwald, Kulturgeſchichte in ihrer natürlichen 1 bis zur Gegenwart e Ludwig Büchner, Der Fortſchritt in Natur und Geſchichte . 41 G. O. Widemann, Schlüſſel zur Erkenntnis des höchſten Geſetzes, unter welchem Natur und beſcichte ſehen 43 Ernſt Krauſe, Herrmann Müller von Lippſtadt : 82 Schwarz, Stoff und Kraft in der menſchlichen Arbeit oder die Fundamente der Produktion e G. Bräuer, Ueber den Untergang der Welt, ſeine Möglichkeit, Wahrſcheinlichkeit und N ie Hayek, Großer Atlas der Naturgeſchichte aller drei Reiche. 3533535 A ORIG} Kirchner u. Blochmann, Die mikroſkopiſche Pflanzen- und Tierwelt des Süßwaſſers 7 M. Faraday, e ee einer Kerze, zweite Auflage, deutſch von e TEMES r e C. M. Starcke, Ludwig Feuerbach. 0 ee Bericht über die Senckenbergiſche naturforſchende Gefellſchaft 1884 e e , ease oe 5. GOD oe zu wiſſenſchaftlichen Beobachtungen auf Alpenreiſe n 383 T. Huxley, Phyſiographie . r wales nyse d CUS} 17 0 de Candolle, Histoire des S0 085 et des 4 808 depuis deux 20058 8 „ Aas Alexander Brauns Leben nach ſeinem handſchriftlichen ace N von C. Mettenius il Bi, ae W. Heß, Das Süßwaſſeraquarium und ſeine Bewohner.. eee Meena 9 O) Phpſik, phpfikaliſche Geographie, Meteorologie. Phyſikaliſches Jahrbuch. Herausgeg. vom Breslauer phyſikal. Verein. oe or FFF wos Goer. SC) Com. Hoppe, Geſchichte der Elektricität .. 5 . co og on, Ce Gaston Planté, recherches sur I'Electricite de 1859 a 1879 5 8 W. W. Zenger, Die Spannungselektricität, ihre Geſetze, Wirkungen und technischen Awendungen > Tiana) EOE Carl Ackermann, Beiträge zur phyſiſchen . der 1 Bate sath Rigs bie eft Max Jüllig, Die Kabeltelegraphie . F238 Auguſt Heller, Geſchichte der Phyſik. II. Bd ee (6S A. Oppel, Landſchaftskunde ares ‘ e e ane! elena) es LAU H. J. Klein, Praktiſche Anleitung zur Vorausbeſtimmung des Wetters „ Gud de CAN Kießling, Die Dämmerungserſcheinungen im Se 1883 und 5 povfifaifie Gxt oe Wat 228 Eduard Suef, Das Antlitz der Erde .. . 55 oso, eee A. Heim, Handbuch der Gletſcherkunde . n G. Leipoldt, Phyſiſche Erdkunde, nach den hinterlaſſenen Manuſkripten d Oskar Peſchels ſelbſtändig bearbeitet und Herd gegeben : Se Se Hee ee Rear ces og CHIL E. Mach, Die Mechanik in ihrer Entwicklung hiſtoriſch⸗ ckritiſch dargeſtellt e i W. J. van Bebber, Handbuch der ausübenden Witterungskunde. I. Bd. e J. G. Wallentin, Lehrbuch der Phyſik . VFC S. Günther, Lehrbuch der Geophyſik und phyſikaliſ gen Geographic. II. Bd. eae A. eden Grundzüge der phyſiſchen Erdkunde : i e Gamal Dieie Ueber Steppen und Wümme 6 boo on eo eae ee ol Bll A ſtronomie. &, Geexjijel, Levikon der Aſtronoemim fn [ oe Mie! Ehemie. A. Claſſen, Handbuch der analytijden Chemie. Dritte Auflage. Dei 295 E. Ebermayer, Die Beſchaffenheit der Waldluft, zugleich eine ‘ive Devfelung | des _ gegerlitigen Standes der Kohlenſämefrage 5 334 Robert Holſtein, Iſomorphismus und Polymorphismus „C c i Lothar Meyer, Die modernen Theorieen der Chemie. . . S ee Lender, Die Gaſe und ihre Bedeutung für den menſchlichen Organismus ER e Mineralogie, Geologie, Geognoſie, Paläontologie. Eugen Huſſak, Anleitung zum Beſtimmen der geſteinsbildenden Mineralien. e E. Freiherr von Tröltſch, Fundſtatiſtik der vorrömiſchen Metallzeit im Rheingebiete sees 122 Wilhelm Langsdorf, Ueber den Zuſammenhang der Gangſyſteme von Klausthal und Andreasberg. 8 127 Derſelbe, Geologiſche Karte der Gegend zwiſchen e e e dem e und Sferode 127 Quenſtedt, Handbuch der Petrefaktenkunde .. 285 5 185 Jnhalts-Verzeidnis. VI Seite C. J. Wagner, Die Beziehungen der Geologie zu den Sngenieurwiffenfdaften . . . . . . - 2 ess 203 Alois SCAN Iſomorphismus und Polymorphismus der Mineralien.. 206 A. B. Meyer, Die Nephritfrage kein ethnologiſches Pro blen 455 Botanik. Alfonſe de Candolle, Der Urſprung der Kulturpflanzen .. VJ T. F. Hanauſek, Die Nahrungs⸗ und Genußmittel aus dem Pflanzenreich CCC W. e Schulbotanik .. 8 W. Rattke, Die . der Pflanzen im allgemeinen und beſonders in Bezug auf Deutschland n Ed. Strasburger, Das kleine botaniſche Praktikum für Anfänger . 85 Schmidlin- Zimmermann, Illuſtrierte Botanik oder gemeinfaßliche Anleitung zum Studium der Pflanzen und des Pflanzenreichs. Vierte gänzlich neu bearbeitete Auflage von Dr. O. E. R. Zimmermann 85 Leunis, Synopſis der Pflanzenkunde. Dritte Aufl., bearbeitet von A. B. erent 2 H. von Saliſch, Forſtäſthetik . e 2 6 % e, ai eae A. Hanſen, Die Ernährung der Pflanzen ‘ ER et RM Re Pett se ee, ks Se AUD P. Seen und C. Mylius, Botaniker— Kalender 1 „ „ 0 8 Phyſiologie, Entwicklungsgeſchichte, Anthropologie, Boologic, Ostar Ga ig, Die Symbioſe oder das Genoſſenſchaftsleben im e . 339 A. Brak, Die tieriſchen Paraſiten des Menſchen .. 0 FFV e Ehlers und Neelſen, Unterſuchungen über den Rauſchbrandpilz Rey J 124 Eduard Tylor, Einleitung in das Studium der Anthropologie und Givitfation. Deutſche autoriſ. Aus gabe von Siebert 5 b 28 Arnold, Illuſtrierter Kalender für Bogeltebhaber n und Gefigetsieter Oe Bare ae MAO Me tam ate e Michelet, Die Welt der Vögel.. Meee , e A. Rauber, Urgeſchichte des Menſchen .. JVC 204 Fr. von Hellwald, Naturgeſchichte des Menſchen. Zwei Bände. (Mit Abbildungen s © « W. Preyer, Spezielle Phyſiologie des Embryo 295 A. Rauber, Homo sapiens ferus oder die Zuſtände der Verwilderten und ie Bedeutung fur Wi iffenift, Politit und Schule i 375 H. Ploß, Das Weib in der Natur- und Völkerkunde. Anthropologiſche Studien 5 Geographie, Ethnographie, e e A. von Schweiger-Lerchenfeld, Afrika, der dunkle Erdteil im Lichte unſerer Bett . . . . . .. 163 Wilfred Powell, Unter den Kannibalen von Neubritannien. (Mit Abbildungen . . . . . . 163 Oskar Lenz, Timbuktu, Reiſe durch Marokko, die Sahara und den Su dans 164 Philipp Paulitſchke, Die geographiſche Erforſchung der Adälländer .. 3205 Philipp Paulitſchke, Die Sudanländer nach dem i Stande der Kenntnis. 200 Friedrich Meyer von Waldeck, Rußland... 27•öͥͥͤꝗĩjʃ!' LL enn Hen nO cy aes greet 337 Friedrich Kayſer, Aegypten einft und jetzt.. ))) 8 Otto Stoll, Zur Ethnographie der Republik Guatemala c ee , One bey Ae 376 N. Zwickh, Führer durch die Oetzthaler Alpen.. JJV W143 Damian Freiherr von Schütz-Holzhauſen, Der Amazonas. Wanderbilder aus Peru, Bolivia und Nord— ; braſilien .. J)) 13 Hugo Zöller, Forſchungsreiſen in der deutſchen K Kolonie Camerun i 8 Bibliographie. Bericht vom 1.—15. November 1884 S. 43. — Vom 16. November bis 31. Dezember 1884 S. 86. — Vom Januar 1885 S. 128. — Vom Februar 1885 S. 167. — Vom März 1885 S. 206. — Vom April 1885 S. 257. — Vom Mai 1885 S. 295. — Vom Juni 1885 S. 337. — Vom Juli 1885 S. 377. — Vom Auguſt 1885 S. 416. — Vom September 1885 S. 456. — Vom Oktober 1885 S. 491. Witterungsüberſicht für Central⸗Europa. 1.— 15. November S. 44. — November zweite Hälfte und Dezember 1884 S. 87. — Januar 1885 S. 129. — Februar 1885 S. 168. — März 1885 S. 208. — April 1885 S. 258. — Mai 188 5 S. 296. — Juni 1885 S. 338. — Juli 1885 S. 378. — Auguſt 1885 S. 417. — September 1885 S. 457. — Oktober 1885 S. 493. : Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Januar 1885 S. 45. — Im Februar 1885 S. 89. — Im März 1885 S. 130. — Im April 1885 S. 169. — Im Mai 1885 S. 209. — Im Juni 1885 S. 259. — Im Juli 1885 S. 298. — Im Auguſt 1885 S. 339. — Im September 1885 S. 379. — Im Oktober 1885 (fiel aus). — Im November 1885 S. 458. — Im Dezember 1885 S. 494. Neueſte Mitteilungen. Afrikaforſchung — Ein neuer Krater — Verluſt einer koſtbaren Sammlung — Feind der Vanille — Ein elek— triſcher Rochen (Torpedo marmorata) — Einiges über Orchideen. 46 Orange, Citrone oder Paradiesapfel — Ein papierner Dom — Zunahme des Regenfalles in den Vereinigten Staaten. — Die Entſtehungszeit der Sahara e ee e . Oo ae eee by) Meteorologiſches. (Mit Abbildungen) — Kohle in Algerien .. 48 Giraud — Projekt einer Kongoeiſenbahn — Große Silberlager in Auſtralien — Neu⸗ Guinea - — Mangan! in den Pflanzen- und Tierkörpern — Statiſtiſches aus Indien — Der Erzbergbau in Bosnien .. 90 Ein Ueberfluß an Perlen — Die Aluminium-Kappe des Waſhington-Denkmals — Neues Element — Das größte VIII Inhalts -Verzeichnis. Ausſtellungsgebäude — Elektriſche Straßenbeleuchtung in e — Nicaragua-Kanal — Die Hehe ſäureinduſtrie im Brohlthale . Indiſche Litteratur — Kryſtalliſiertes Gold in prismatiſcher Form -- Die „Bad⸗ Lands“ (Böſes Land) — Das geologiſche Alter der akadiſchen Fauna — + Dr. Alfred Brehm; Dr. „ Kolbe; Dr. Eduard Rüppel 0 ; Segelhandbuch für den Atlantiſchen Ocean — Timbuktu — Tertiäre erratiſche Blöcke — Hotel des Neufchatelois — Putnam River — Ueber die Trimorphie von 1102 — Eine intereſſante Beobachtung über die Ent⸗ ſtehung von Zwillingslamellen im Kalkſpat — i Miſſionen — . der Phylloxera in Frankreich — Eiſenbahn-Jubiläum . Ein merkwürdiges Phänomen — Ethnologiſches aus Innerafrika — Bevölkerung von Indien — Zwei Ameiſen⸗ pflanzen — Flachs- und Hanfbau in Rußland — Ein neues e Prisma — Karl von Sontlar; Dr. Friedr. von Stein Die Wirkung der Gaſe auf Inſekten — Funde aus der Steinzeit = Ueber Farbenempfindungen = Ferſchungen im Turgai-Gebiet — Rieſen-Orchidee 5 ; Produktion von Edelmetallen — Die Forſchungen des „Albatroß“ an der Weſtküſte von Nordamerika — Ueber: tragung der Elektrieität — Fährten vorweltlicher Inſekten . . Kleinſte Orchideen — Bakterien an Bäumen — Schädlichkeit der Schachtelhalme — Die Vogelſammlung des amerikaniſchen Nationalmuſeums — Die Kompoſiten Braſiliens — Heliometerbeſtimmungen der Stern- Parallaxe auf der ſüdlichen Hemiſphäre — Symbioſe zwiſchen Tieren und iene „ Papiererzeugung und Papierverbrauch é Ueber dem Duftapparat von Hepialus Humuli — —Stinkapparat von Lacon murinus — Ueber das Bripavieven von Mollusken — Ein Inſekt im Mittelſilur 2 Anſtehender Nephrit in Deutſchland — Dampfkeſſel und Dampfmaſchinen in Preußen — Lake Lahonton — Ueber das Verhältnis zwiſchen e und Potentialdifferenz — Neues Vorkommen von Queckſilber — Größte Dichtigkeit des Waſſers Die Bevölkerung der Vereinigten Staaten von Amerika nach der Höhe ihrer Wohnfitze über dem Meeresſpiegel geordnet — Fallen der Oſtſee — Ein eigentümliches ee — Prähiſtoriſche Spuren in 1 = Kanal von Korinth — Regenhöhe in Kanſas : Die einſtigen Landfloren der Alten und der Neuen Welt — Stellung der Sigilarien = Rongoftaat - — Die Weltausſtellung in Antwerpen — Ausbruch des Veſuv — St. Vincent — e deutſcher Philo⸗ logen und Schulmänner : . Die Gemſe der nordamerikaniſchen Felſengebirge — Die Vulkane der Hawaiiſchen Inſeln — Der V. W Geographentag in Hamburg 8 Molluskenfauna des Tanganyika — Equiſetum ſchon in der Seenot = Auſternkultur in Nordamerika = Auf- bewahrung von Eis im kleinen : Fortpflanzungsgeſchwindigkeit der Erderſchutterungswelle bei Erdbeben — Preisverzeichnis Nr. 10 über phyſikaliſche und chemiſche Apparate von F. Ernecke in Berlin — Eine giftige Spinne — Die Sammlungen der Herren Salvin und Godman — Megaitiide sels in e — e des e = He Cephalopoden : 8 Eierlegende Säugetiere . Ausnutzung der Erdwärme — Luchſe in den Karpathen — Schneeflocken vor der Sonnenſcheibe im Fernrohr ſichtbar — Die Elefanten des zoologiſchen Gartens in Berlin — Eine fiſchfreſſende Pflanze 8 Strandung von Seetieren — Die Allgegenwart des Bacillus virg. . Abhängigkeit des Hausſchwammes von der Fällzeit des Holzes — Schwefeltohlenſtoff zur Desinfektion und zur Vernichtung der Reblaus — Ueber Seewellen — Die Mineralſchätze von Britiſch-Nord-Borneo — Erd— beben in Amerika im Jahre 1884. Die heiligen Hunde . : Die meſozoiſche Flora des kanadiſchen Anteils am Felſengebirge. — Gewitterbeobachtungen in Rußland Die 68. Jahresverſammlung der ſchweizeriſchen naturforſchenden Geſellſchaft — Ueber die Tiefe, bis zu welcher noch das Tageslicht ſowohl in e Seen als im Meere einzudringen 97 1 5 — Der Sternſchnuppen⸗ ſchwarm vom 27. November 8 Edelweiß — Expeditionen nach Alaska — Ein neuer Komet — Neueſte Reſultate über die pelagiſche Fauna unſerer europäiſchen Landſeen — Korea. Der älteſte Baum in Nordamerika — Amerikaniſches Petroleum — Größte Waſſerkraft — Ein neuer Guttapercha⸗ Baum — Eine ſchwediſche Expedition nach dem Kongo — Die Holmſche Expedition — Dr. Fiſcher — Flegel — Ein deutſche Borneo⸗ Compagnie — Die hanſeatiſchen Exporthäuſer in Zanzibar — Die eng- liſche Expedition in Neu-Guinea — Franzöſiſche wiſſenſchaftliche Expeditionen — Preisaufgabe — Tiefſtes Bohrloch — Die Bedingungen für die Bildung von gediegenem Schwefel Niederſchlags-Beobachtungsſtationen im Oſtindiſchen Archipel — Eine wiſfenſchaftliche Expedition nach dem Amur — Die British Association for the Advancement of Science — Die größte Vogelſammlung — Prze— walsky — Zur Förderung der geographiſchen Wiſſenſchaft — Profeſſor A. Agaſſiz — Das Alter und die Herkunft des Menſchen in Amerika und Europa — Die nordamerikaniſchen Hunderaſſen : ; Die Unterſuchung von undurchſichtigen Mineralien unter dem Mikroſkop — Eisberge im Atlantiſchen Ocean — Zur Patentſtatiſtik — Einwirkung des Sonnenlichtes auf Glas — Verſchwundener See — Zahnradbahn auf den Pilatus — Neuentdeckte Schwefellager im Kaukaſus — Der Monoſee in Kalifornien — Der älteſte Gelehrte a Reisdenkmal in Gelnhauſen — Verwendung von “Magnesium — Ueber das Guunnniferment Ein vegetabtijcher Kochkeſſel — Reptilien mit Kiemen — Unterſeeiſches Erdbeben Eine foſſile Haifiſchgattung lebend — Silberminen in Neu-Südwales — Alpengletſcher — Eigentümliche Schutz⸗ färbung einer tropiſchen Taubenart — Edmund Boiſſier — John Muirhead — 99 5 0 von Erd⸗ beben — Die in Ceylon wachſenden Blütenpflanzen und Farne : Die internationale Telegraphenkonferenz — Bei den elektriſchen Maſchinen — Shmmwerfalkhung — Wernehring der Spaltpilze — Rieſenmeteor — Siluriſche Inſekten e 9 8 Seite 91 92 131 132 170 171 172 209 210 211 495 496 497 498 499 500 Ueber die Seichnung der Tiere. J. Allgemeine Geſetze. Die Seichnung der Katzen und über die Verwandtſchaft und Abſtammung der Hauskatze und der Wildkatze. Von Dr. G. H. Theodor Eimer, o. Profeſſor der Soologie in Tübingen. Beiſpiele dafür. an hatte bis dahin den Zeichnungen J) der Tiere, d. i. den Flecken und Strei— Ifen, welche fic) auf ihrer Haut, auf 2 der nackten Haut z. B. der Lurche wie der Fröſche, auf dem Schuppenkleid der Kriechtiere wie der Schlangen, auf dem Haarkleid der Säuge— tiere und am Gefieder der Vögel finden, von wiſſen— ſchaftlicher Seite wenig Beachtung geſchenkt. Wohl bewunderte jedermann die reizende Zuſammenſtellung von Flecken und Streifen, von Punkten und Augen— zierden auf den Flügeln von Schmetterlingen, an Raupen und Vögeln, welche ſelbſt ohne Verbindung mit glänzenden Farben ſo viel zum Schmuck der Tiere beitragen; aber die Wiſſenſchaft verhielt ſich dieſen Zierden gegenüber völlig teilnahmslos: man hielt die Einzelheiten derſelben für mehr oder weniger zufällige, in hohem Grade und zwar ohne Geſetz— mäßigkeit abändernde Erſcheinungen, die deshalb für die Feſtſtellung der verwandtſchaftlichen Beziehungen der Tiere keinen maßgebenden Wert hätten. Zu dieſer Annahme mochte viel das ſo bedeutende, ſchein— bar durchaus regelloſe Abändern der Zeichnung unſerer Haustiere, noch hervorgehoben durch entſprechendes Abändern der Farbe, beitragen. Aber abgeſehen davon, muß ſich vielleicht ein großer Teil der heutigen Ge— lehrten den Vorwurf gefallen laſſen, daß ſie eine gewiſſe Scheu davor haben, volkstümlich — „po— pulär“ — zu erſcheinen, und daß ſie demgemäß Gegenſtände, welche oberflächlich vor aller Augen freiliegen, aller Augen ſpielend ergötzen mögen, nicht als ihrer Teilnahme hervorragend würdig erachten wollen. Dieſer Vorwurf trifft allerdings die deut— Humboldt 1885. ſchen Gelehrten mehr als diejenigen in England, wo— ſelbſt die erſten Forſcher ſich ein Vergnügen daraus machen, mit ihrer Wiſſenſchaft unter das Volk zu treten und dieſelbe ſo unmittelbar zu verwerten. Durch Beob— achtung einfachſter äußerer Erſcheinungen der Tier- und Pflanzenwelt iſt Darwin zur Aufſtellung ſeiner Er— klärung von der Entwickelung der Formen gelangt, nicht durch anatomiſche, embryologiſche oder hiſtologiſche Studien: es iſt gut und recht, daß ſeine deutſchen Nachfolger das Gebiet der letzteren zur Feſtigung jener Erklärung ausbeuten, aber es iſt ſehr charakteri— ſtiſch, daß ſie ſich ausſchließlich darauf beſchränken, jene einfache äußere Naturbeobachtung — auf dem Gebiete der Zoologie die Berückſichtigung der äuße— ren Form und die Biologie — jedoch faſt durch— aus verſchmähen, ja daß es unter deutſchen Bota— nikern und Zoologen beinahe „guter Ton“ geworden iſt, um die Kenntnis der Arten ſich nicht mehr zu kümmern. In vollem Gegenſatz hierzu ſcheint es mir vielmehr richtig, hinzuweiſen auf die Wichtigkeit, welche die genaue Kenntnis und Vergleichung der äußeren Eigenſchaften für die Feſtſtellung der Entwickelungsreihen jedenfalls der Tiere hat. Wenn ich aber dazu gelangt bin, eine feſte Geſetzmäßigkeit in dem Beſtand und der Umwandlung der Zeichnung der Tiere aufzufinden, ſo freue ich mich darüber beſonders auch deshalb, weil ich dabei mit einem Gegenſtand in genaue Be— rührung gekommen bin, welcher hervorragend dazu angethan iſt, das Verſtändnis der Entwickelungslehre in weiteren Kreiſen zu fördern, während er anderer— ſeits auf das nachdrücklichſte hinweiſt auf den Ge— 1 2 Humboldt. — Januar 1885. winn, der aus genauer Beobachtung des Alltäg⸗ lichen, des ſcheinbar Einfachſten für den Naturforſcher nicht nur, ſondern für den Naturfreund überhaupt zu ziehen ijt, nicht zu reden von der Freude, welche gerade dieſe Behandlung der Dinge gewährt. In einer im Jahre 1881 veröffentlichten Schrift“) habe ich zuerſt darauf hingewieſen, daß nichts in der Zeichnung der Tiere zufällig oder zufälligen Schwan⸗ kungen unterworfen fet, daß vielmehr ſelbſt der ſchein⸗ bar unbedeutendſte Fleck am Kleide eines Tieres ſeine Bedeutung habe. Ferner, daß alle Abände— rungen der Zeichnung, wie ſie bei verſchiedenen In— dividuen auftreten können, keineswegs zufällig, ſondern vielmehr nach ganz beſtimmten Richtungen, vollkommen geſetznäßig, vor ſich gehen. Weiter, daß alle die ſcheinbar ſo mannigfaltigen und verſchiedenartigen Bildungen der Zeichnung auf drei Grundformen, nämlich auf Längsſtreifung, auf Fleckung und Quer⸗ ſtreifung oder Tigerzeichnung zurückzuführen ſind. Und zwar hat ſich von dieſen drei Zeichnungsarten die letzte aus der zweiten und dieſe aus der erſten entwickelt, während aus der Tigerzeichnung, zuweilen aber auch ſchon aus der Fleckung, zuletzt häufig Zeich⸗ nungsloſigkeit hervorgeht, worauf die Tiere oft und zwar vorzüglich die Männchen — z. B. die Mann- chen mancher Raubvögel — glänzende Farben (Schmuck⸗ farben) entwickeln. Es iſt demnach die Längsſtreifung die urſprüngliche Art der Zeichnung. Die Entwicke⸗ lung der zwei anderen geſchah oder geſchieht aus ihr durch in ganz beſtimmter Richtung vorgeſchrittene bezw. vorſchreitende Umbildung: nichts iſt zufällig in dieſer Umbildung, alles geſchieht in ſtrengſter Ge⸗ ſetzmäßigkeit, wie nach einem vorgeſchriebenen Plane. Auch nicht das kleinſte, unſcheinbarſte Fleckchen, welches uns am Körper eines Tieres begegnet, iſt zufällig: jedes läßt ſich vielmehr auf das allgemeine Schema der Zeichnung zurückführen, durch dasſelbe erklären. Bei jeder verwandten Tiergruppe, d. i. bei allen denjenigen Tieren, deren Zeichnung ſich auf dasſelbe Grundſchema zurückführen läßt und welche dadurch als blutsverwandt erkannt werden können — und dieſe Verwandtſchaftsbeziehungen gehen, wie wir ſehen werden, ungemein weit — iſt es eine ganz beſtimmte Anzahl von typiſch gelagerten Längsſtreifen, welche ſich als urſprünglicher Ausgangspunkt der Zeichnung erweiſt. Ueberall finden ſich Arten, welche heute noch den urſprünglichen Typus einfacher Längsſtreifung zeigen, während die ihnen nächſtverwandten Arten gefleckt, die entfernter verwandten getigert, noch andere einfarbig geworden ſind. Sehr bemerkenswert iſt die Thatſache, daß die Formen der amerikaniſchen Tierwelt in der Regel auf einer tieferen Stufe der Entwickelung ſtehen ge- blieben ſind, als ihre Verwandten auf der öſtlichen Unterſuchungen über das Variieren der Mauer— eidechſe, ein Beitrag zur Theorie von der Entwickelung aus konſtitutionellen Urſachen, ſowie zum Darwinismus, Berlin, Nicolai'ſche Buchhandlung und Archiv für Natur- geſchichte 1881. Halbkugel: ſo finden ſich in Amerika Verwandte unſerer gefleckten Eidechſen, welche zeitlebens längsgeſtreift ſind und zwar erweiſen ſie ſich auch darin als ur⸗ ſprüngliche, daß ihre Streifen noch zahlreicher ſind, als je bei den unſerigen oder ſo zahlreich, wie ſie bei den unſerigen nur noch in früher Jugend vor⸗ kommen. Dasſelbe gilt nach Weismann für die Schmetterlingsraupen. Dies führt uns auf ein höchſt bemerkenswertes Entwickelungsgeſetz. Es iſt als allgemeine Thatſache zu verzeichnen, daß die Arten mit höheren Zeichnungsſtufen im Laufe ihrer individuellen Entwickelung die niederen mehr oder weniger ausgeſprochen durchmachen, d. h., getigerte Arten ſind in der Jugend gefleckt und noch früher längsgeſtreift und, ungezeichnete Arten machen in der Jugend oft alle drei Zeichnungs⸗ ſtufen durch. Allerdings iſt zuweilen der Verluſt der Zeichnung erfolgt, bevor Querſtreifung aufgetreten war — es iſt alſo Zeichnungsloſigkeit unmittelbar aus der Fleckenzeichnung hervorgegangen. Daraus iſt zu ſchließen, daß in früheren Zeiten überhaupt weſentlich längsgeſtreifte, nicht aber gefleckte oder quergeſtreifte Formen exiſtiert haben und daß die anders gezeichneten allmählich aus ihnen entſtanden find. Denn wir haben in den bezüglichen Thatſachen eine neue und intereſſante Beſtätigung des bioge— netiſchen Geſetzes, welches beſagt, daß ſich in der Entwickelungsgeſchichte des Individuums kurz und raſch die Ahnengeſchichte wiederholt, fo daß wir aus den Stufen der erſteren auf den Zuſtand von Formen ſchließen können, welche in früheren Zeiten gelebt haben. Wir dürfen alſo, im Verein mit anderen Thatſachen, daraus, daß z. B. irgend eine Katzenart, welche erwachſen faſt einfarbig iſt, in der Jugend quergeſtreift, in noch früherer Jugend gefleckt und zuerſt längsgeſtreift war, ſchließen, daß ſie von einer quergeſtreiften, dieſe von einer gefleckten, dieſe von einer längsgeſtreiften Art abſtammt und daraus er- geben ſich, wie wir ſehen werden, oft wunderbare Aufſchlüſſe über die Verwandtſchaft der Tiere. Es gilt aber, wie ich in jener Abhandlung zeigte, ferner das Geſetz, daß überall das weibliche Geſchlecht in der Regel jugendlichere Zeichnungsarten beibehält, daß es alſo länger auf einer tiefe— ren Stufe der Entwickelung ſtehen bleibt als das männliche und daß umgekehrt das Männ— chen es iſt, welches jeweils den neuen Fort— ſchritt in der Umbildung zuerſt annimmt, um denſelben allmählich auf das ganze Geſchlecht zu vererben, zu übertragen, dieſem gewiſſermaßen aufzupfropfen. Ich bezeichnete dieſes Geſetz als das der männlichen Präponderanz. Ferner machte ich darauf aufmerkſam, daß die Umbildung der Zeichnung in ganz beſtimmter Richtung am Körper geſchieht, in der Regel von hinten nach vorn (Poſtero-anteriore Entwickelung), ſo daß jeweils neue Eigenſchaften zuerſt am hinteren Teil des Körpers auftreten, um dann von da nach vorn über denſelben vorzuſchreiten, ſich auszubreiten, während ſich die alten am längſten vorn erhalten. Humboldt. — Januar 1885. 3 So finden wir häufig Stirn oder Stirn und Hals von erwachſenen Tieren noch längsgeſtreift, während der Schwanz ſchon quergeſtreift iſt. In der Jugend erſtreckte ſich aber die Längsſtreifung viel weiter nach hinten. Da nun ſehr verſchiedene Stufen in der Weiſe über die Art hingegangen ſein (Ge— ſetz der wellenförmigen Entwickelung oder Undulationsgeſetzm). Uebrigens erhält ſich bei vielen Tieren die alte Zeichnung am längſten zugleich auf dem Rücken in 4 Umbildung der verſchiedenen Zeichnungsarten beſtehen, von welchen die älteren, vorderen ſtets durch neuere, hinten auftretende erſetzt werden, während die erſteren nach vorn rücken oder ſchließlich verdrängt werden, ſo werden im Laufe der individuellen Ent— der Mittellinie, während unten an den Seiten die neuen entſtanden ſind. Es wird gut ſein, wenn ich gleich für dieſe Ge— ſetze bezw. Thatſachen einige ſprechende Beiſpiele an— führe und zwar von allgemein bekannten Tieren. Fig. 2. wickelung Eigenſchaften gewiſſermaßen wellenförmig von hinten nach vorn über den Körper eines Tieres hingehen müſſen — ſie werden aber — auf Grund berechtigter An— wendung des biogenetiſchen Geſetzes dürfen wir dies ſchließen — im Lauf der Zeiten in derſelben Köpfe junger Löwen Kürzlich ſah ich im zoologiſchen Garten in Amſter— dam eine Löwin mit drei prächtigen, ſchon faſt halb— gewachſenen Jungen. Es war, nebenbei geſagt, eine Freude, zu ſehen, wie die Mutter mit den Kindern ſpielte, wie ſie, auf dem Rücken oder auf der Seite liegend, das eine 4. Humboldt. — Januar 1885. ſcherzhaft mit der mächtigen Pfote ſchlug, dann wieder leckte, zum Erſatz für ſeine vergeblichen Verſuche an die Zitzen zu kommen, an welchen die beiden anderen allen Platz eingenommen hatten, bis ſie ſich ſchließ— lich herumwarf, wodurch die letzteren unbeholfen um- kugelten und das erſte nun Gelegenheit erhielt, die Stelle eines derſelben einzunehmen — ein Spiel, welches ſich in der reizendſten Weiſe immer wieder— holte, ſo daß jedem der Kleinen auf die zarteſte Weiſe zu ſeinem Recht verholfen wurde. Dieſe jungen Löwen waren ſo ſchön gezeichnet, wie ich es nie zuvor geſehen hatte. Ihre Schwänze zeichnet, ſtellt unſere erſte Abbildung dar (Fig. 1). Die folgende Abbildung gibt die Köpfe zweier junger Löwen mit der Stirn- und Geſichtszeichnung wieder (Fig. 2). Eine Vergleichung dieſer Abbildungen mit den ſpäter folgenden anderer Katzenarten, z. B. unſerer Haus⸗ katze, wird ergeben, daß der Löwe in ſeiner Jugend im weſentlichen dieſelben Zeichnungen hat wie dieſe. Aus dieſen Thatſachen ſchließen wir nun nach dem biogenetiſchen Geſetz, daß die Ahnen des Löwen quergeſtreift geweſen ſind, ähnlich der Hauskatze. Dieſer Hauskatzenzeichnung ging aber — ſo ſchließen wir Hand in Hand mit anderen Thatſachen und auf AAA kei Hafner Zer. Stel? Fig. 3. zeigten deutlich Querſtreifung, die Keulen waren faſt ſo ſchön getigert, wie bei geſtreiften Hauskatzen, ebenſo waren die Beine quergeſtreift und auch am Rumpfe löſten ſich die Querſtreifen der Keulen mehr und mehr in Flecken auf und die Stirn zeigte nahezu vollkommen reine Längsſtreifen, das Geſicht im übri— gen einige ausgeſprochene Hauskatzenzeichnungen. In der Regel ſind ſelbſt bei ſehr jungen Löwen auf der Stirn in Längsreihen geſtellte Flecke vorhanden. Es iſt alſo dann die urſprünglichſte Zeichnung ſchon ge— ſchwunden. Dasſelbe gilt für den Rücken, auf welchem gebrochene Längslinien ſich finden. Einen ſolchen, im übrigen gleichfalls quergeſtreiften jungen Löwen, nach einem Stück der Stuttgarter Sammlung ge— Alte Wildkatze mit Jungen. Grund derſelben — eine Fleckenzeichnung und dieſer Längsſtreifung voraus: frühere Ahnen des Löwen müſſen gefleckt und noch frühere längsgeſtreift ge— weſen ſein. Die Wahrſcheinlichkeitsbeweiſe für dieſe Schlüſſe können ſich übrigens erſt aus der Summe des folgenden Materials ergeben. Da auch die Haus— katze, wie aus weiter zu Schilderndem hervorgehen wird, gefleckte und längsgeſtreifte Ahnen gehabt haben muß, ſo werden die gemeinſamen Vorfahren des Löwen und der Hauskatze in ſolchen längsgeſtreiften Katzen zu ſuchen ſein. Nicht vergeſſen darf ich — was allerdings ſelbſt— verſtändlich ijt — hervorzuheben, daß bei Feſtſtellung der Verwandtſchaft durch die Eigenſchaften der Zeichnung Humboldt. — Januar 1885. 5 eine ganz parallele Verwandtſchaft der inneren Organi⸗ ſation vorausgeſetzt wird, daß beide ſtets die Probe aufeinander geſtatten müſſen, wenn wir auf jene ſichere Schlüſſe ziehen wollen. Die folgenden Abbildungen von Wildkatzen bie— ten gleichfalls ein hübſches Beiſpiel für einige unſerer Geſetze dar. Die erſte (Fig. 3), aus der Mutter mit ihren zwei Jungen beſtehend, iſt gezeich— net nach einer in der Tübinger Sammlung befind— lichen, von meinem Präparator ausgeſtopften Gruppe. Die Tiere ſind in dem uns benachbarten an Wildkatzen reichen Wald, dem „Schönbuch“ bei Bebenhauſen, nicht der Fall; hier ſind dieſe Streifen vollkommen ſcharf, beſonders auf der Stirn, erhalten (val. die Gruppe). Es nimmt demnach darin, wie auch in dem Vorhandenſein deutlicherer Zeichnung überhaupt, die weibliche Wildkatze der männlichen gegenüber eine tiefere — urſprünglichere — Stufe ein. Sehr bemerkens— wert iſt aber weiter das Verhalten der Zeichnung der beiden Jungen: beide ſind ſehr kräftig gezeichnet, ähnlich einer Hauskatze, das eine (rechts) iſt aber viel vollkommener quergeſtreift als das andere (man vergleiche die Keulen). Das letztere, welches mehr gefleckt iſt und alſo wiederum die frühere, urſprüng— Fig. 4. unweit Tübingen, vor einigen Jahren geſchoſſen worden. Die Wildkatze ſtellt, gleich dem Löwen, in— ſofern unſerer quergeſtreiften Hauskatze gegenüber eine vorgeſchrittenere Form bezüglich der Zeichnung dar, als dieſe mehr zurückgetreten, im Schwinden begriffen iſt. Dies gilt beſonders für die Männchen, und zwar hervorragend für die alten. Die Einzel— abbildung ſtellt eine ſolche männliche Wildkatze, gleich— falls nach einem Stück unſerer Sammlung dar (Fig. 4). Dieſe Abbildung zeigt auch, daß bei letzterer, beim „Kuder“ die Längsſtreifen auf Stirn und Rücken, welche mit den deutlichſten Teil der noch vorhandenen Zeichnung bilden, mehr oder weniger in Flecken auf— gelöſt ſind. Dies iſt bei der weiblichen Wildkatze Männliche Wildkatze. lichere Zeichnung unter beiden einnimmt, iſt weiblichen, das erſtere, vorgeſchrittenere, männlichen Geſchlechts. Es zeigt ſich alſo hier die männliche Präponderanz ſehr hübſch bei zwei gleichzeitig geborenen Jungen. Richt allein kräftiger und überhaupt ausgebildeter iſt die Zeichnung bei der Hauskatze, Felis domestica, als bei der Wildkatze, Felis catus, es find im Alter bei dieſer letzteren viele Einzelheiten der Zeichnung vollkommen verloren gegangen, welche dann bei jener noch vorhanden ſind. Ich mache in dieſer Beziehung zunächſt beſonders aufmerkſam auf die Ringzeichnung des Schwanzes: der Schwanz der Hauskatze hat 11 bis 14 Ringzeichnungen, jener der wilden nur 7. Die jungen Wildkatzen haben deren mehr als die alten, aber 6 Humboldt. — Januar 1885. nicht ſo viele als die alten Hauskatzen. Im übrigen ent⸗ ſpricht ihre Zeichnung, insbeſondere die Querſtreifung, ungefähr jener der Hauskatze, was die Zahl der Striche angeht. Nach allem dem würden wir ſchließen, daß die Wildkatze gegenüber der zahmen die vorgeſchrit— tenere Form iſt, daß ſie aus einer Art hervorgegangen, welche der letzteren ähnlich, wenn ſie nicht mit ihr identiſch war; eine Auffaſſung, die in vollfomme- nem Gegenſatz zu der oft vertretenen anderen ſteht, es ſei die Wildkatze der Stammvater der Hauskatze. Wieweit jene Auffaſſung durch andere Thatſachen geſtützt wird, werden wir ſpäter ſehen. Bemerkens— wert iſt nun aber weiter, daß die ganz junge Haus- katze mehr (beſonders am Rumpf) und vollkommenere Querſtreifen hat, als die alte, wie dies die Ver⸗ gleichung der zwei folgenden Zeichnungen darthun mag. Ein Unterſchied iſt insbeſondere der, daß dieſe der Zeichnung an einem beſtimmten Beiſpiel hinzu⸗ weiſen und damit Material für ein Urteil über die Verwandtſchaftsbeziehungen der Katzen zu ſchaffen. Bevor ich jedoch darin weitergehe, will ich noch einige andere ſprechende Beiſpiele für die erwähnten Geſetze hervorheben. Unter den Huftieren ſei zunächſt an die Zeichnung des Zebra und ſeiner Verwandten erinnert: beim Zebra (Equus zebra) haben wir auf der Stirn Längsſtreifung, ebenſo auf der Mittellinie des Rückens einen Längsſtreifen, im übrigen Querſtreifung. Beim Quagga (Equus quagga) iſt hinten Einfarbigkeit aufgetreten, dann folgt am Halſe Querſtreifung, am Kopfe (Stirn) Längsſtreifung (poſtero⸗anteriore Entwickelung). Auch der Eſel und häufig das Pferd haben auf dem Rücken eine dunkle Längsmittellinie und die Kreuzzeichnung des Eſels iſt offenbar auf ſie e | e , Fig. 5. Junge Hauskatze. Streifen bei ihr ganz durchgehen, nicht geteilt ſind wie bei der alten (Fig. 5). Die gleichalterige Wild- katze erreicht dieſe Streifenzahl der jungen Hauskatze nicht. Ebenſo hat ſchon die junge Wildkatze weniger Ringe am Schwanze als die alte Hauskatze (Fig. 6). Wir ſchließen aus dieſen Thatſachen, daß ſelbſt die junge Wildkatze ſchon vorgeſchrittener iſt als die alte Hauskatze und ferner, daß die Vorfahren der Hauskatze zahlreichere und vollſtändigere Querſtreifen gehabt haben werden, als ſie. Dasſelbe Verhältnis gilt, was die reichlichere Querſtreifung angeht, für manche an— dere Katzenarten, z. B. für den Stiefelluchs, Felis caligata. So iſt zu ſchließen, daß die Stammform mehrerer Katzenarten zahlreichere Querſtreifen gehabt haben wird, als die heutige Hauskatze. Meine nächſte Aufgabe ſoll nun allerdings vor— zugsweiſe die ſein, durch ins einzelne gehende Be— handlung der Zeichnung einiger Katzenarten auf die Beſtändigkeit und die Geſetzmäßigkeit der Umbildung in Verbindung mit dem Reſt eines Querſtreifens zurückzuführen. Es können nun Kreuzzeichnung und Querſtreifung aber auch beim Pferde auftreten — als Rückſchlag, hinweiſend darauf, daß die Vorfahren des Pferdes gleichfalls quergeſtreift geweſen ſein werden, ebenſo wie das zeitweilige Auftreten von zwei Afterklauen beim Pferde zu beiden Seiten der Hufe auf ſeine Abſtammung von einer dreizehigen Form hinweiſt, wie ſie als Hipparion in den jüngſten ausgeſtorbene Tiere führenden Erdſchichten noch vor- kommt. Wir dürfen alſo ſchließen, daß die Vor⸗ fahren des Pferdes quergeſtreift und dreizehig geweſen ſind. Aber heutzutage tritt die Querſtreifung beim jungen Pferde als vorübergehende Erſcheinung nicht mehr auf — ſie iſt in der Regel gänzlich verloren gegangen. Ein noch viel ſchöneres Beiſpiel ſolchen Auftretens der Ahnenzeichnung im jugendlichen Zuſtande als wir es bei der Wildkatze und bei der Hauskatze ſchon Humboldt. — Januar 1885. 7 kennen gelernt haben, bieten uns einige andere Huf- tiere dar. Das Hausſchwein iſt der Nachkomme des wilden. Einen Beweis für die urſprüngliche Zuſammen— gehörigkeit beider liefert u. a. die Zeichnung: beide ſind in der Jugend in gleicher Weiſe längsgeſtreift. Eine Flecken- oder Tigerzeichnung kommt hier nicht vor — es ſcheint alſo auf die Längsſtreifung un— mittelbar Zeichnungsloſigkeit gefolgt zu fein. Intereſſant iſt nun aber, daß die Tapire, nahe Verwandte der Schweine, in der Jugend gleichfalls Längsſtreifung zei— gen, und zwar eine ſolche, welche derjenigen der Schweine im weſentlichen entſpricht. Bei beiden iſt ſie gelblich weiß, heller als die übrige Farbe, im Gegenſatze zu den Pferdeartigen, wo ſie dunkler als dieſe, braun bis ſchwarz iſt. Beim Tapir find aber einige Längs— ſtreifen in Flecken aufgelöſt und fo würde, wenn ſich nicht ein ähnliches Verhältnis bei genauerer Auf— merkſamkeit darauf auch bei Schweinen finden ſollte, ſind alſo die Längsſtreifen faſt vollſtändig oder voll— ſtändig in Flecken aufgelöſt — die niederſte Entwicke— lungsſtufe iſt ſelbſt in der Jugend faſt vollſtändig verloren gegangen, Querſtreifung tritt nicht auf. Aber wir finden fie bei einigen Antilopen. Antilope scripta vereinigt Längs- und Querſtreifung und Fleckung, A. strepsiceros iſt meiſt quergeſtreift mit weißer Mittelrückenlinie. Auch bei vielen Nagetieren, wie bei Mus pumilio parm., der geſtreiften Zwergmaus vom Kap, ferner bei Mus vittatus Wag., der eben— dort lebenden Striemenmaus, haben wir ausgebildete Längsſtreifung. Auch Eichhörnchen, Sciurus- und Tamias-Arten ſind längsgeſtreift. Bei anderen, wie bei Zieſelarten und bei dem dreizehnſtreifigen Murmel— tier: Arctomys tredecimlineata u. a. find die Längsſtreifen in Flecken aufgelöſt. Die Spring- maus Dipus tamaricinus iſt quergeſtreift u. ſ. w. Oft iſt bei Nagern, wie auch bei anderen Ordnungen der Säugetiere, z. B. bei Raubtieren (Herpestes- Fig. 6. Hauskatze (Männchen). eine Abſtammung des Schweins von tapirähnlichen Formen in gerader Linie auf Grund der Zeichnung nur dann angenommen werden dürfen, wenn man zu ſchließen berechtigt wäre, daß jene Zwiſchenſtufe beim Schwein verloren gegangen iſt. Und da jene Fleckenreihen des jungen Tapirs zwiſchen denjenigen Längslinien liegen, die den Längslinien der jungen Schweine entſprechen, ſo gewinnt ſolche Annahme immerhin an Wahrſcheinlichkeit. Arten u. a.) zu beobachten, daß helle oder dunkle Spritzung des Felles, beruhend auf beſonderer Fär— bung der Haarſpitzen, auf das allmähliche Verſchwinden der Zeichnung zurückzuführen iſt. Man kann in ſolchen Fällen oft bei gewiſſer Anſicht der Haarklei— dung, bei Ueberblicken derſelben bei beſtimmter Be— Bei Edelhirſch, Reh und Verwandten haben wir in der Jugend — deutlicher beim Edelhirſch als beim Reh — Längsreihen von weißen Flecken. Damwild bleiben dieſe Flecken im Alter mehr oder weniger erkennbar beſtehen — und zwar deutlicher beim Weibchen. weißer Längsſtreifen angedeutet. Zeitlebens iſt in Nach unten an der Seite iſt ſogar ein Beim leuchtung, noch deutlich die Spuren ehemaliger Zeich— nung, beſonders von Querſtreifung erkennen. Dies iſt z. B. auch vom Schwanz des Fuchſes zu ſagen, an welchem Querſtreifung oft noch ſehr deutlich hervortritt. Wie es ſich nun mit der Entwickelung der Zeichnung der zuletzt genannten Arten, beſonders der Nager, ver— hält, kann ich nicht ſagen, weil es ſich dabei um aus— ländiſche Formen handelt, deren Junge ich nicht kenne und von denen mir im ausgewachſenen Zuſtande nicht entſprechender Weiſe der Axishirſch (Cervus axis) alle Formen, durch welche Zwiſchenſtufen ausgefüllt gezeichnet und zwar auch der männliche: ſein Rumpf werden könnten, bekannt ſind. Ich wollte im vor— ijt mit weißen Flecken beſetzt, welche nach unten ftehenden nur noch Beiſpiele aufführen dafür, daß mehr und mehr in Längsreihen angeordnet ſind die Zeichnung zunächſt der Säugetiere bei den ver— (infero-juperiore Umbildung). Bei dieſen Tieren ſchiedenſten Ordnungen derſelben auf jene der Grund— 8 Humboldt. — Januar 1885. formen der Längsſtreifung, Fleckung und Tigerzeich— nung zurückzuführen iſt. Und dieſe Beiſpiele könnte ich noch ſehr vermehren, insbeſondere könnte ich ihrer auch für die Beuteltiere aufſtellen. Noch viel lehrreicher als die Säugetiere ſind aber in dieſer Beziehung, ebenſo wie in Beziehung auf die männliche Präponderanz, die Vögel, wie ich dies in der ſchon erwähnten Schrift, ſowie in einer Abhandlung „Ueber die Zeichnung der Vögel und Säugetiere,“ gedruckt in den Jahresheften des Vereins für vater— ländiſche Naturkunde in Württemberg 1883, ſchon aus- geführt habe. Ich will ſpäter in dieſer Zeitſchrift durch Abbildungen den Beweis für das dort Mitgeteilte liefern und will hier nur einige Geſichtspunkte und einige derjenigen Beiſpiele hervorheben, welche wegen ihrer Alltäglichkeit jedermann zum einleuchtenden Be- weis für die von mir aufgeſtellten Geſetze dienen und einſtweilen zu eigener Beobachtung, wie fie gewiſſer—⸗ maßen auf Weg und Steg zu machen iſt, anregen mögen. In der ſoeben erwähnten Abhandlung habe ich mich bezüglich der Vögel folgendermaßen ausgeſprochen: Junge Vögel von verwandten Gattungen oder Arten haben dieſelbe Zeichnung und dieſelben Farben ſelbſt dann, wenn ſie im Alter in beiden Geſchlechtern, oder wenn, jedenfalls ihre Männchen im Alter von den Jungen ſehr verſchieden ſind. Die Weibchen behalten gewöhnlich mehr oder weniger die gemeinſamen, be— ziehungsweiſe die Jugendeigenſchaften, die Männchen der verſchiedenen Arten dagegen weichen am meiſten voneinander ab. Man nehme zum Beweis ver— wandte Gattungen oder Arten irgendwelcher Vogel— gruppe! heraus, z. B. Amſeln und Droſſeln oder die verſchiedenen Würgerarten: in dieſen und in ſehr zahlreichen anderen Fällen iſt zugleich zu beobachten, daß das Jugend-, bezw. das bleibende weibliche Kleid durch der Länge des Tierkörpers nach verlaufende ſtrichartige Flecke gezeichnet iſt, dasjenige des er⸗ wachſenen Männchens durch ſolche Flecke, welche der Quere nach gerichtet ſind oder durch Mangel der Zeichnung, im letzteren Falle aber durch beſondere Färbung. Geradezu auffallend erſcheinen dieſe Beziehungen bei den Raubvögeln: die Jungen faſt aller unſerer einheimiſchen Raubvögel haben nach Abwerfen der Dunen ein Jugendkleid, welches braun gefärbt und mit ſchwarzen Längsſpritzern gezeichnet iſt, die zu— weilen ſo aneinander gereiht ſind, daß ſie ſchwarze Längslinien darſtellen, ſpäter aber in längsgerichtete Flecken ſich auflöſen. Die Weibchen behalten dieſes Kleid häufig. Zuweilen wird es aber auch bei ihnen, wenigſtens im Alter, in ein quergeſtreiftes umge⸗ wandelt. Dies iſt die Regel beim Männchen ſchon zur Zeit ſeiner Reife. Die Längsſtreifung erhält ſich am längſten an der Unterſeite; der Rücken da⸗ gegen verliert, wieder zuerſt beim Männchen, ſpäter⸗ hin die Zeichnung, während die Querſtreifung, wenig⸗ ſtens in Form von Querbinden an der Unterſeite des Schwanzes und der Flügel oder an der ganzen Unterſeite, beſtehen bleiben kann. Zuletzt wird auch die Unterſeite einfarbig. Zugleich ändern ſich die Farben aus Braun in Braunrot, in Grau, Graublau, Blau, zuweilen in Schwarz und Weiß. Die letztere Farbe iſt, wenn fie am ganzen Tiere, auch am Rücken auftritt, wohl mit Ausnahme der Fälle, in welchen es ſich um Anpaſſung an das Weiß des Schnees handelt (Schneeeule, isländiſcher Falke), eine Alters- erſcheinung, gleich dem Bleichen der Haare des Men— ſchen. Dagegen treten die Farben Grau und Blau, Braunrot, Rotbraun, Schwarz zuerſt bei Männchen auf und zwar zuerſt am Rücken (beſonders Flügel⸗ decken). Zahlreiche Thatſachen beweiſen aber, daß ſich die jugendliche Zeichnung am längſten im Vorder— teile des Körpers erhält, daß die neue zuerſt im hinteren Teile desſelben auftritt. Zuweilen trifft man alle Stufen der Umbildung zugleich am Körper eines und desſelben Vogels: Kehle längsgeſtreift, Bruſt längsgefleckt, nach unten in kurze, abgeriſſene Fleckenzeichnung übergehend, welche den Uebergang zur Querſtreifung bildet, die am Schwanze ausge— ſprochen iſt, während die ganze Rückenſeite ſchon ein⸗ farbig geworden. Genaue Unterſuchung der Umbil— dung der Kleider aber zeigt, daß das Geſetz der wellenförmigen Entwickelung hier außerordentlich deut— lich ausgeſprochen iſt. Ich empfahl zur Prüfung meiner Angaben demjenigen, welchem eine Sammlung nicht unmittelbar zur Verfügung ſtehen ſollte, einen Blick auf die Abbildungen von Rieſenthal: „Die Raubvögel Deutſchlands“ zu werfen. Es wird dev- ſelbe wohl ohne weiteres nach den aufgeſtellten Regeln junge Tiere und Weibchen von den Männchen zu ſcheiden imſtande ſein und wird auch für die übrigen meiner Geſetze hinreichend Belege finden. Ich muß es mit dieſem Hinweis für heute be— wenden laſſen und will das nächſte Mal zu meiner beſonderen Aufgabe übergehen, nämlich zur Behand— lung der Zeichnung der Katzenarten, wobei ich wiederum vorzüglich Rückſicht nehmen will auf die Thatſachen, welche ſich für mich bezüglich der viel— beſprochenen Frage von der Verwandtſchaft der Haus- katze mit der Wildkatze ergeben haben. (Fortſetzung folgt.) Humboldt. — Januar 1885. Aus wiſſenſchaftlichen Grenzgebieten. Don Prof. Aug. Heller in Budapeft. Im Laufe einer Jahrtauſende hindurch fortgeſetzten Beſchäftigung mit den Wiſſenſchaften haben ſich die einzelnen Kreiſe von Kenntniſſen in immer ſchärferer Weiſe voneinander geſondert und abgegrenzt. Der Vater der Wiſſenſchaft, Ariſtoteles, macht den großartigen Verſuch, das Geſamtgebäude der menſch— lichen Wiſſenſchaft aufzurichten und ſieht ſich dabei veranlaßt, die einzelnen Zweige derſelben von einander zu trennen. Weite Gebiete hat der raſtlos forſchende Menſchengeiſt inzwiſchen erſchloſſen, unſer Wiſſen über die Vorgänge in der Natur hat fic) vertaufend- | facht, neue Reiche und Wiſſensbezirke mußten aus⸗ ſchaft, ausgeſchieden aus der allgemeinen Erſcheinungs— lehre, der im weiteren Sinne genommenen Phyſik. Seither hat man den Umkreis der Lehre von den Naturerſcheinungen ſchärfer gezogen. Nichtsdeſto— weniger bleibt es eine ſchwierige Aufgabe, in kurzen Worten eine Definition der Phyſik zu geben. Im weiteren Sinne genommen, erſtreckt ſie ſich über das ganze Gebiet der ſinnlichen Erſcheinungen. Jedoch der an die einfachere Geſetzmäßigkeit der Erſcheinungen in der unbelebten Natur gewöhnte Forſcher ſcheut vor der ihm ganz fremden Forſchungsarbeit zurück, wie ſie die Vorgänge des organiſchen Lebens bieten. An die Stelle der Phyſik tritt die Phyſiologie, welche wohl die Methoden der phyſikaliſchen Forſchung ge— braucht, jedoch ihren eigenen Weg geht, als ſelb— ſtändige Wiſſenſchaft. Auch die Lehre vom Welt— gebäude, inſofern ſie beſchreibende Elemente enthält, hat ſich als eigene Disciplin von der Phyſik Los- gelöſt. Die Entwickelungsgeſchichte unſerer Wiſſenſchaft weiſt uns eine Erſcheinung, die geeignet iſt, unſere Aufmerkſamkeit in vollem Maße auf ſich zu ziehen. Durch alle die früheren Perioden jener Geſchichte ſind die größten Forſcher auf dieſem Gebiete der menſchlichen Erkenntnis — mit geringen Ausnahmen — zugleich bedeutend auf dem Gebiete der Wiſſenſchaft par excellence: der Philoſophie. In der neueſten Zeit hingegen haben ſich die Vertreter der Phyſik von der Philoſophie faſt vollſtändig abgewendet. Es trat eine Verſtimmung ein gegen die Philoſophie des 19. Jahrhunderts, welche allerdings durch die Art, wie ſie den Naturwiſſenſchaften gerecht zu werden verſuchte, deren Vertreter durchaus nicht befriedigen konnte. Es gab jedoch noch andere Gründe, welche werkſtelligten. Vor allem iſt es die rapid anwachſende Menge des Materiales, welche eine gewiſſe Reſerve auferlegt. Als fernere Urſache iſt die Art der experi— mentellen Forſchung, wie ſie gegenwärtig betrieben wird, zu nennen. Während die Phyſik der verfloſſe— nen Jahrhunderte es mit der allgemeinen Form der | Erſcheinungen zu thun hatte, um fo zu fagen die Um— riſſe zu fixieren, iſt fie in unſeren Tagen mit der feineren Ausarbeitung jenes Abbildes, das wir von den Vorgängen der Natur in unſerem Verſtande entwerfen wollen, beſchäftigt und kann ihren Zweck nur durch genaue Meſſungen der verſchiedenen Fak— geſchieden werden, wollte man nicht den Ueberblick über die einzelnen Kreiſe von Kenntniſſen verlieren. So entſtand z. B. die Chemie als ſelbſtändige Wiſſen- toren der Phänomene erreichen. Die Aneignung dieſer Beobachtungskunſt erfordert ſo viele Zeit; die Welt der phyſikaliſchen Inſtrumente bietet ſo viel des Intereſſanten und notwendig Scheinenden dar, daß der experimentierende Forſcher davon nur zu leicht ganz und gar abſorbiert wird. In ähnlicher Weiſe geht es dem mathematiſchen Phyſiker. Auch ſein Apparat iſt kompliziert und deſſen Handhabung kann erſt durch langjährige Uebung und Schulung an— geeignet werden. Infolgedeſſen iſt die Menge jener Forſcher, welche die Gaben und Fertigkeiten beſitzen, die experimentelle und die mathematiſche Richtung in ſich zu vereinigen und beide mit gleichem Erfolge zu hand— haben, eine verhältnismäßig geringe. Noch um vieles geringer iſt naturgemäß die Anzahl derjenigen hoch— begabten Denker, welche mit den beiden Methoden der modernen phyſikaliſchen Forſchung die Anlage und das Vermögen zu einer philoſophiſchen Auf— faſſungsweiſe ihrer Wiſſenſchaft mitbringen. — Die Menge des zur Erweiterung der Wiſſenſchaft Produ— zierten iſt eine ſehr große. Ein faſt beängſtigendes Gefühl ergreift uns, wenn wir die raſch anwachſen— den Reihen unſerer naturwiſſenſchaftlichen Journale betrachten und beobachten, wie deren von Jahr zu Jahr anſchwellende Bände Unmaſſen experimenteller Details und anderer Erfahrungsthatſachen bringen: Bauſteine für die Wiſſenſchaft der Zukunft von oft- mals ſehr problematiſcher Verwendbarkeit. Wenn wir hierbei bedenken, daß die Zahl der Arbeiter in ſteter Vermehrung begriffen iſt, ſo will es uns ſchier ge— mahnen, als würde es von Jahr zu Jahr unmög— licher, die ganze Litteratur auch nur eines Wiſſens— faches zu überblicken, als müſſe der endliche Geiſt in der Bewältigung dieſer grenzenloſen Aufgabe er— lahmen. Wenn wir den, vom Standpunkte der Wiſſenſchaft an ſich höchſt erfreulichen Fortſchritt von dem eben ausgeführten Geſichtspunkte betrachten, ſo die Iſolierung der Phyſik von der Philoſophie be- ſcheint das Bedürfnis nach Zuſammenfaſſung und Humboldt 1885. 9 10 Humboldt. — Januar 1885. Aufarbeitung der Maſſen ein immer dringenderes zu werden. Die Phyſik iſt in ihrer gegenwärtigen Entwicke⸗ lungsphaſe eine glückliche und erfolgreiche Wiſſenſchaft. Zwar gibt es gewiſſe Probleme, über deren Löſung ihr jeglicher Aufſchluß verſagt ſcheint; ſeit Jahr⸗ hunderten pocht ſie an gewiſſe Pforten, die ihr hart- näckig verſchloſſen bleiben. Desungeachtet hat die Wiſſenſchaft von den Erſcheinungen im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte ſtaunenswerte Fortſchritte gemacht. Dieſe Fortſchritte manifeſtieren ſich vor allem in der Aufrichtung und der Befeſtigung unſerer mechaniſchen Weltanſchauung, ferner finden dieſelben ihren all— gemein fühlbaren Ausdruck in den großartigen tech— niſchen Anwendungen unſerer Kenntniſſe von den Naturvorgängen. — Es mag nun einigermaßen kühn erſcheinen, wenn jemand jene Wiſſenſchaft, welche ſo große, ſo bedeutende Reſultate aufzuweiſen hat, die den geiſtigen Beſtrebungen unſeres Jahrhunderts in gewiſſer Beziehung die bezeichnende Signatur gibt, eines bedeutenden Mangels zeiht. Die Naturwiſſenſchaft der Neuzeit iſt ein mit fabelhafter Geſchwindigkeit und Haſt errichtetes Ge— bäude. Als nach langem Kampfe diejenigen Faktoren, welche dem Ausbau der Kenntniſſe über die Natur widerſtrebt hatten, beſeitigt waren, als man den rich— tigen Weg zu erfolgreicher Forſchung eingeſchlagen hatte, da wurde von vielen Händen das Werk rüſtig gefördert. Mit einer gewiſſen Haſt ſtrebt der Bau in die Breite und in die Höhe und wenige kümmern ſich um die inzwiſchen in Verfall geratenen Funda— mente, ſeit ſich die Naturforſcher von der Philoſophie abgewendet haben. Das Mißtrauen, das die Ver— treter der Naturwiſſenſchaften gegen die Verfechter jener philoſophiſchen Syſteme hegten, welche zu An— fang des Jahrhunderts die deutſchen Univerſitäten beherrſchten, war jedenfalls ein gerechtes, jedoch gegen— wärtig ſind jene Syſteme längſt auf ihr gehöriges Maß zurückgeführt worden und es ſcheint die Zeit gekommen, da die Naturwiſſenſchaft wieder zur Philo— ſophie zurücklenken muß, um ſich mit ihren heutigen Mitteln an der Löſung des alten Problemes von den letzten erkennbaren Grundlagen der Erſcheinungswelt zu verſuchen. Die Naturwiſſenſchaften, vor allem jedoch die Phyſik, können der hypothetiſchen Annahmen nun einmal nicht entraten, da aus dem Materiale der unmittelbaren Erfahrung kein wiſſenſchaftliches Syſtem aufgebaut werden kann. if nicht darauf ankomme, ob fic) die verſchiedenen Hypo- theſen untereinander vertragen. Es ijt wohl kaum nötig, die gänzliche Haltloſigkeit einer ſolchen Be- hauptung zu erörtern, die ſich mit dem Ernſte des wiſſenſchaftlichen Denkens im allgemeinen nicht ver⸗ trägt. Das Endziel der Naturwiſſenſchaft iſt, ſoweit dies die Beſchränktheit unſeres Erkenntnisvermögens geſtattet, eine der Wirklichkeit entſprechende, wider— ſpruchsloſe Erklärung der Naturvorgänge zu geben, nicht aber einen widerſpruchsvollen Schein derſelben. Das ptolemäiſche Weltſyſtem entſprach vollkommen den Erſcheinungen, wie fie am Himmelsgewölbe beob- achtet werden konnten, und bildete eine komplizierte, jedoch vollſtändige mathematiſche Hypotheſe; wenn Coppernicus es nichtsdeſtoweniger unternahm, dieſe Anſicht zu beſeitigen und durch eine den Erſchei— nungen vorerſt viel weniger entſprechende zu erſetzen, ſo war es das Streben, dem eigentlichen Weſen der Dinge gerecht zu werden, welches ihn hierzu antrieb, welches Streben nun einmal das unverlierbare Kenn⸗ zeichen aller wahren und wirklichen Wiſſenſchaft bildet. Die erſten Vertreter der phyſiſchen Wiſſenſchaft haben fic) ſtets mit den Grundfragen derſelben be- ſchäftigt. Als Newton der kühne Wurf gelungen war, durch ſeine Gravitationsmechanik die Bewegungen der Himmelskörper auf die Wirkungen einer durch das ganze Weltall ſich erſtreckenden Anziehungskraft zurückzuführen, da erkannte er wohl die Schwierig— keit einer Erklärung, welche die unvermittelte Aktion durch den Raum, unabhängig von der Zeit, annahm. Er wich deshalb auch allen Fragen, wie er ſich die Attraktionswirkung vorſtelle, aus und berief ſich bloß darauf, daß der mathematiſch-dynamiſche Ausdruck für die Größe der Kraft genau den beobachteten Er— ſcheinungen entſpreche. Seine Nachfolger waren viel weniger ſkrupulös, die Wirkung in die Ferne wurde den Phyſikern nachgerade ganz und gar geläufig. Man übertrug dieſelbe, als man die erſten meſſenden Verſuche an der Elektricität und am Magnetismus angeſtellt hatte, ohne weiteres auf die Aeußerungen von, ihrem Weſen nach unbekannten, Agentien und wendete ſie in der Folge auf alle Erſcheinungen an. Jedoch gelang dieſe Verallgemeinerung nicht überall mit der gleichen Leichtigkeit. Bei den Wirkungen galvaniſcher Stromleiter aufeinander, ſowie bei an- deren Erſcheinungen gelangt man bloß auf ziemlich Die gegenwärtig geltenden Annahmen laſſen an vielen Stellen die der Philoſophie gegenüber eingetretene Entfremdung durch— fühlen. In der That, wenn jemand die Materie mit allen jenen Attributen ſich vorſtellt, wie ſie Phyſik und Chemie zur Erklärung der verſchiedenen Vorgänge annimmt, ſo kommt ein höchſt widerſpruchsvolles Weſen zum Vorſchein. Man hat wohl auch hie und da die Meinung ausgeſprochen, die Beſtimmung einer phyſikaliſchen Hypotheſe beſtehe bloß darin, daß ſie als Grundlage eines mathematiſchen Kalkuls diene, mittels deſſen man imſtande iſt, die Erſcheinungen eines gewiſſen Kreiſes darzuſtellen, wobei es dann komplizierte Weiſe zu einem Reſultate. Es iſt von dem engliſchen Forſcher Faraday eine andere Er- klärung der elektriſchen und magnetiſchen Phänomene angeregt worden, um die Hypotheſe der Fernwirkung zu vermeiden, allein dieſelbe kann derzeit noch nicht als allgemein angenommene Hypotheſe für dieſe Er— ſcheinungskreiſe gelten. Der Begriff einer unver- mittelten, zeitloſen Wirkung in die Ferne iſt unſerem Denken ſo wenig angemeſſen, daß ſich ſchon frühe einzelne Gelehrte fanden, welche ſich für eine von Körper zu Körper vermittelte Wirkung entſchieden, | die zu ihrer Fortpflanzung eine gewiſſe Zeit bean⸗ ſprucht. Es gehören in die Reihen jener Theorieen die Anſichten Leſages u. a., welche das Gravitations⸗ Humboldt. — Nanuar 1885. 11 phänomen auf die Strömungserſcheinungen eines gegen die Körper ſtoßenden, hypothetiſchen Weltäthers zurückführten. Steht es ſo bei den eben beſprochenen Erſcheinungen, wo ſich die Wirkung über meßbare Diſtanzen erſtreckt, ſo wird die Erklärung noch um vieles ſchwieriger, wo es ſich um Wirkungen aus unendlich kleinen, unmeßbaren Entfernungen handelt, wie z. B. bei der Kapillarität SB bei ähnlichen molekularen Vorgängen. Es gibt eine Reihe von wiſſenſ e Fragen, von deren Unlösbarkeit, da ſie über alle Erfahrung hinausgehen, man von vornherein überzeugt iſt und an die man deshalb auch nicht rührt. Es fragt ſich nun, ob das Problem von der Konſtitution der Materie und von der gegenſeitigen Wirkung der einzelnen Teile derſelben aufeinander ebenfalls in den Bereich jener unlösbaren Probleme gehört. Unſere heutige Naturanſchauung hat zwei Funda— mentalhypotheſen, auf welcher ſie ruht. Die erſte iſt diejenige, nach welcher ſämtliche Naturerſcheinungen auf Bewegungsphänomene zurückführbar ſind, der zu— folge ſomit die ganze Phyſik in ihrer weiteſten Be— deutung als Mechanik aufgefaßt werden kann. Die zweite Hypotheſe bezieht ſich auf die Konſtitution der Materie; es iſt dies die atomiſtiſche Theorie. Die Bedeutung dieſer beiden Hypotheſen für unſere phy— ſiſche Weltanſchauung iſt eine ſehr verſchiedene; wäh— rend die mechaniſche Theorie von den Zeiten der Griechen in ſteter Entwickelung ſich ein Gebiet von Erſcheinungen nach dem anderen erobert hat, haben die Anſichten über die Konſtitution der Materie ſeit der Aufrichtung dieſer Anſicht durch Demokritos von Abdera und Leukippos verſchiedenemale ge— wechſelt. Nachdem die Atomtheorie am Ausgange des Mittelalters teilweiſe in Vergeſſenheit geraten und durch die Anſicht von der kontinuierlichen Raum— erfüllung verdrängt worden war, wurde der franzöſi— ſche Forſcher Gaſſendi nebſt anderen der Erneuerer dieſer höchſt fruchtbaren Theorie. Seither haben ſich hauptſächlich die mechaniſche Wärmetheorie und die ſämtlichen chemiſchen Theorieen auf dieſer Grundlage entwickelt. Nichtsdeſtoweniger iſt dieſe Theorie durch— aus nicht unentbehrlich. Es könnte immerhin auf Grund einer anderen Anſicht ein Syſtem der Natur— erſcheinungen durchgeführt werden, in welchem von der Atomtheorie abgeſehen würde. Eine Reihe einfacher Eigenſchaften der Materie bildet die unüberſteigbare Grenze unſerer ſinnlichen Wahrnehmung. Es ſind dies die Undurchdringlichkeit, die Trägheit u. a. Alle jene Theorieen, welche wir über die gegenſeitige Wirkungsweiſe materieller Teilchen aufeinander aufſtellen mögen, müſſen von der einen oder Diejenige Annahme, Weſen der Materie beſſer anſchmiegt, wird die größere Wahrſcheinlichkeit für ſich haben. — Hier ge— langen wir nun auf das Grenzgebiet zwiſchen der Phyſik und der Philoſophie. Wir ſehen uns Fragen gegenüber, die nur vom erkenntnistheoretiſchen Stand— anderen dieſer Grundeigenſchaften ausgehen. welche von einer weſentlicheren Eigenſchaft ausgeht und ſich ſomit dem innerſten punkte beantwortet werden können. In unſerem Stre— ben, die Zergliederung der Erſcheinungen bis auf jene letzten Elemente zu verfolgen, welche unſerem Ver— ſtande im allgemeinen noch zugänglich ſind, gelangen wir, vermöge der Beſchränktheit unſerer ſinnlichen Wahrnehmungen, überall auf ſolche Erſcheinungen, deren weitere Zergliederung für das Verſtändnis des Vorganges unumgänglich notwendig, jedoch, eben der Beſchränktheit unſerer Sinnesorgane wegen, nicht aus— führbar iſt. Dieſe Notwendigkeit iſt die Urſache ſämtlicher phyſikaliſcher Hypotheſen. Mit dieſen An— nahmen über Dinge, welche ſich der ſinnlichen Beob— achtung entziehen, überſchreiten wir zugleich die Grenze der Erfahrungswiſſenſchaften, jedoch nicht zugleich die der Phyſik. Wir begeben uns bloß auf jenes Gebiet, das der Phyſik und der Philoſophie gemeinſchaftlich iſt. Die letztere der beiden Wiſſenſchaften vollzieht eine bedeutende Arbeit durch die kritiſche Unter— ſuchung und Reviſion der phyſikaliſchen Hypotheſen, eine Arbeit, welche jedoch nur von einem philoſophiſc ; gebildeten Phyſiker gelöſt werden kann. Es kann offenbar nur von Vorteil ſein, wenn wir die fruchtbare Methode des Kritizismus auf dieſe Grundlagen unſerer Wiſſenſchaft anwenden. Die Thätigkeit des menſchlichen Geiſtes iſt nun ein— mal eine ſolche, daß ſie der Kontrolle nicht entbehren kann, da ſie ſonſt durch einſeitiges Verfolgen irgend einer Richtung unfehlbar auf Abwege führt. Wenn wir die wiſſenſchaftlichen Polemieen mit Aufmerkſam— keit verfolgen, welche in den Spalten unſerer phyſi— kaliſchen Journale und in den Sitzungsſälen der ge— lehrten Geſellſchaften ausgetragen werden, ſo ſehen wir, daß ſich der Streit faſt ſtets um die Inter— pretation eines mathematiſchen Ausdruckes dreht, um die Anwendbarkeit eines Kalkuls auf einen beſtimm— ten Fall oder aber ſich auf die Deutung von Ver— ſuchsreſultaten bezieht. Gleichwie an der Peripherie der Wiſſenſchaft, ſo muß nun auch im Mittelpunkte derſelben, im Gebiete der Fundamentalhypotheſen die Methode der Kritik angewendet werden, in jenem Gebiete, wo ſich das Fundament des ganzen phyſika— liſchen Lehrgebäudes befindet, deſſen Widerſpruchs— loſigkeit unerläßlich iſt. Es iſt der Zukunft vorbehalten, ein Syſtem der Naturphiloſophie aufzuſtellen, welches in jeder Be— ziehung dem Bedürfniſſe unſeres Denkvermögens zu entſprechen geeignet iſt: dem Verlangen, die Vor— gänge in der Außenwelt als nach logiſchen und mathematiſchen Geſetzen geordnete Prozeſſe darzu⸗ ſtellen, d. h. als ſolche, welche die Natur als im Einklange mit dem menſchlichen Denkvermögen be— findlich zeigen. Auf dem Wege nach dieſem Ziele werden auch die Gegenſätze, welche ſich zwiſchen der Philoſophie und der raſch fortſchreitenden Natur— wiſſenſchaft gebildet, ausgeglichen werden. Nur in der Harmonie aller Wiſſenskreiſe kann das Ideal des menſchlichen Wiſſens liegen. Wo wir ein fremdes oder gar feindſeliges Entgegenſtehen von Wiſſens— bezirken wahrnehmen, dort können wir mit Sicher— heit eine bedenkliche Lücke in unſerem Erkennen vor— 12 Humboldt. — Januar 1885. ausſetzen, eine Kluft, welche von beiden Ufern aus überbrückt werden muß. — So bildet die Philoſophie dasjenige Gebiet, in dem ſämtliche Zweige unſeres Wiſſens ſich berühren. Nur im Vereine mit allen anderen Wiſſenſchaften kann die Lehre von den Natur⸗ erſcheinungen ihr letztes hohes Ziel, die Aufrichtung einer, unſeren Geiſt vollſtändig befriedigenden Welt⸗ anſchauung, erreichen. Die allgemeinen Erſcheinungen der Lebeweſen. Von Dr. J. Rofenthal, ord. Profeffor der Phyſiologie in Erlangen. 1. Der Verſuch, eine kurze und erſchöpfende Defi- nition des Begriffs „Leben“ aufzuſtellen, ſcheitert an der ungemein großen Verwicklung der Erſcheinungen, welche mit dem Lebensvorgang verbunden ſind. Zwiſchen den Lebenserſcheinungen eines Pilzes und denen des Menſchen ſcheint eine Vergleichung kaum möglich. Und doch muß es etwas Gemeinſames ſein, was uns veranlaßt, dieſen ſo außerordentlich ver— ſchiedenen Weſen Leben zuzuſchreiben. Um nun dieſes Gemeinſame zu finden, wird es am vorteilhafteſten ſein, das Leben zunächſt an denjenigen Formen zu erforſchen, welche möglichſt einfache Verhältniſſe dar— bieten, und dann erſt die an dieſen gewonnene An— ſchauung zur Erkenntnis der verwickelteren Erſchei— nungen zu verwerten. Dieſer Weg iſt nicht derjenige, auf welchem die Wiſſenſchaft in ihrer hiſtoriſchen Entwicklung fort— geſchritten iſt. Vielmehr haben die Lebenserſchei— nungen am Menſchen ſelbſt und den ihm zunächſt ſtehenden höheren Tieren ſchon lange die Aufmerk— ſamkeit gefeſſelt, ehe man noch etwas von der Exiſtenz jener einfachſten Lebeweſen wußte, die uns heute gleichſam als Paradigmata für die Darſtellung dienen. Aber die Beſchreibung dieſer einfacheren Lebensformen und ihrer Erſcheinungen erleichtert doch ungemein das Verſtändnis der verwickelteren und bringt Licht in den Zuſammenhang ſcheinbar ganz unvermittelt neben- einander ſtehender Thatſachen. Die ungeheuere Mannigfaltigkeit der Formen, in denen lebende Weſen uns entgegentreten, zeigt eine faſt ununterbrochene Stufenleiter von den einfachſten zu den höchſt verwickelten, wie ſie als kompliziert ge— baute Pflanzen und Tiere bis hinauf zum Menſchen bekannt ſind. Unter den einfachſten Formen gibt es einige, welche ſich als belebt hauptſächlich dadurch ausweiſen, daß ſie ſelbſtändige Bewegungen aus— führen. Unter dieſen wollen wir diejenigen heraus— greifen, welche zum Studium beſonders geeignet ſind. In dem Schlamm ſtehender Gewäſſer ſieht man bei mikroſkopiſcher Beobachtung häufig ſolche kleine Weſen, die ſich ſelbſtändig bewegen. Die Zoologen nennen ſie Amöben und rechnen ſie zu den nieder— ſten Tierformen oder Protozoen. Neben den Amöben des ſüßen Waſſers gibt es auch andere, welche im Meere leben, und noch andere kommen als Schmarotzer in den Leibeshöhlen größerer Tiere vor. Eine ſolche Amöbe erweiſt ſich als ein Klümpchen belebter organiſcher Subſtanz, deſſen Leben zunächſt nur an ſeiner Bee wegung erkannt wird. Die Subſtanz, aus welcher die Amöbe beſteht, ihr Leib, wie wir es in Analogie zu anderen, kom— plizierter gebauten Lebeweſen nennen, iſt kein ein⸗ facher chemiſcher Körper von konſtanter Zuſammen⸗ ſetzung, ſondern ein Gemenge verſchiedener Stoffe. Die Hauptmaſſe derſelben iſt aber offenbar eine or— ganiſche, alſo kohlenſtoffhaltige Verbindung, welche, ſoweit dies durch mikrochemiſche Reaktionen erkannt werden kann, zu der Klaſſe der Eiweißkörper gehört, vielleicht auch noch komplizierter gebaut iſt als die eigentlichen Eiweißkörper, indem ſie zu der Gruppe von Stoffen gehört, welche aus einer Verbindung von Eiweißſubſtanzen mit anderen Atomgruppen ent— ſtanden ijt. Daneben ſcheinen auch Lecithin, Fette und andere organiſche Subſtanzen vorhanden zu ſein, ſowie eine geringe Menge anorganiſcher Verbindungen (Salze, Gaje), welche letztere in dem Waſſer, welches einen ſehr großen Prozentſatz des Leibes ausmacht, gelöſt, bezw. abſorbiert ſind. Dieſes Stoffgemenge zeigt jenen eigentümlichen, zwiſchen feſter und flüſſiger Form die Mitte haltenden Aggregatzuſtand, welchen man als feſtweich bezeichnet und als charakteriſtiſch für die Leibesſubſtanz der Lebeweſen anſehen kann. Die Hauptmaſſe der Leibesſubſtanz ijt offenbar un— löslich in Waſſer, da letztere in der umgebenden Waſſermaſſe ihre Selbſtändigkeit behauptet, ſich nicht in derſelben durch Diffuſion verteilt. Sie iſt aber durch und durch von Waſſer durchtränkt, welches einen ſehr erheblichen Teil der Maſſe ausmacht. Denn wenn das Waſſer, in welchem die Amöbe lebt, verdunſtet, ſo ſchrumpft dieſelbe zuletzt erheblich zuſam— men, und es bleibt ein Reſt trockener Subſtanz zurück, welcher viel kleiner iſt als die urſprüngliche Amöbe. In dieſer feſtweichen Maſſe, welche ſich durch ihr ſtärkeres Lichtbrechungsvermögen von dem umgebenden Waſſer ſcharf abhebt, ſieht man eine große Zahl kleinerer und größerer Körnchen, aber nicht gleich— mäßig verteilt, ſondern an einzelnen Stellen des Amöbenleibes dichter gedrängt, an anderen ſehr ſpär— Humboldt. — Januar 1885. 13 lich oder ganz fehlend. Manche von dieſen Körnchen ſind ſtark glänzend und ſehen aus wie Fetttröpfchen, die in einer wäſſerigen Flüſſigkeit ſuſpendiert ſind, andere wieder ſind eckig, undurchſichtig; kurz ſie zeigen die allergrößten Verſchiedenheiten. Zuweilen, aber durchaus nicht immer, ſieht man an einer Stelle einen größeren, bläschenartigen Körper, den ſoge— nannten Kern, innerhalb deſſen ein kleineres Bläs— chen, das Kernkörperchen ſichtbar iſt. Häufig kann man einen äußeren, hyalinen Saum unter— ſcheiden, in welchem ſich keine Körnchen befinden. Eine Membran aber, welche das Weſen einhüllt, iſt in der Regel nicht vorhanden, und die Ausnahms— fälle, wo eine ſolche Umhüllung vorkommt, ſchließen wir von unſerer Betrachtung vorläufig ausdrücklich aus. Die Miſchung chemiſcher Stoffe, welche den Amöbenleib bildet, deren Grundlage wir als eine den Eiweißarten verwandte anſehen, deren genauere Zuſammenſetzung wir aber nicht kennen, hat man mit dem Namen Protoplasma belegt. Wir be— gegnen einer ganz ähnlichen Maſſe nicht nur auch als Leibesſubſtanz anderer niederer Lebeweſen, welche der Amöbe auch in anderen Beziehungen gleichen, ſondern auch als Hauptmaſſe von Teilen komplizierterer Lebeweſen. Und wir werden ſpäter ſehen, daß dieſe komplizierten Lebeweſen in der That als eine Viel— heit ſo einfacher Gebilde, wie ſie uns in der Amöbe als ſelbſtändiges Lebeweſen entgegentritt, aufgefaßt werden können, gleichſam als eine Kolonie oder ein Staat von ſolchen einfachen Lebeweſen, von denen einzelne noch ganz ihre urſprünglichen Formen und Eigenſchaften beibehalten haben, andere dagegen er— hebliche Veränderungen in Form und Eigenſchaften erfahren haben. Demgemäß betrachten wir das Protoplasma als die Grundform, in welcher die lebende Materie auftritt, und die Amöbe als ein einfaches und zur Beobachtung gut geeignetes Beiſpiel, um die Grundeigenſchaften des lebenden Protoplasmas kennen zu lernen. 2. Dieſes Protoplasma iſt alſo mit der Fähig— keit ſelbſtändiger Bewegung begabt. Beobachten wir die Amöbe unter dem Mikroskop, fo ſehen wir, daß ſie ihre Form fortwährend ändert. Hier oder da ſchiebt ſich aus der Maſſe ein Fortſatz oder Arm hervor. Derſelbe iſt anfangs ganz klar und durch— ſichtig, bald aber ſtrömt die Körnchen führende Sub— ſtanz in ihn hinein, ſo daß er ausſieht wie der übrige Leib. Ein ſolcher Fortſatz kann eine beträchtliche Länge erreichen und die Form eines dünnen Fadens annehmen. Häufig aber wird er wieder eingezogen; die Maſſe ſtrömt wieder rückwärts, die Oberfläche rundet ſich an dieſer Stelle wieder ab. Dafür tritt dann aber an einer andern Stelle ein Fortſatz her- vor, oder auch an mehreren Stellen zugleich oder doch kurz nacheinander, fo daß ein fortwährender Wechſel der Leibesform ſtattfindet. Bald iſt der Leib ganz abgerundet kugelig, meiſt aber vielzackig, mit zum Teil ſehr langen Fortſätzen, welche bei den verſchie— denen Amöbenarten die mannigfaltigſten Formen zeigen. wirkſamſten aber find elektriſche Ströme, ſich befindet. In vielen Fällen rückt die Leibesmaſſe in einen ſolchen ausgeſtreckten Fortſatz nach, und daraus er— gibt ſich dann eine vollſtändige Ortsveränderung des ganzen Tiers. Die Amöbe kriecht mit Hilfe ihrer Fortſätze, welche ſie ausſtreckt und wieder einzieht, auf der Unterlage um— her. Die Richtung dieſer Bewegung wechſelt, je nachdem ein neuer Fortſatz ausgeſtreckt wird, ohne daß man darin irgend eine Regel beobachten kann. Die Geſchwindigkeit dieſer Bewegung iſt immer ſehr gering; ſie iſt bei verſchiedenen Tieren ſehr verſchie— den, hängt auch ſehr von der Temperatur ab; bei Tem— peraturen von 35—40° ijt fie meiſtens ſehr lebhaft, während ſie bei niederen Temperaturen träger wird. Man kann dieſe Bewegungen auch künſtlich herbei— führen. Sticht man eine Amöbe irgendwo mit einer Nadel, ſo bewirkt dies in der Regel eine Einziehung des betreffenden Teiles. Plötzlicher Druck hat mei— ſtens ſtarke Bewegungen zur Folge. Ebenſo wirken plötzliche Temperaturſchwankungen, Zuſatz von ſchwachen Kochſalzlöſungen, ſehr verdünnten Säuren oder Al— kalien und ſonſtigen chemiſchen Subſtanzen. Am namentlich bei der Schließung (weniger gut bei der Oeffnung) und beſonders Induktionsſtröme. Sie veranlaſſen lebhafte Zuſammenziehungen des Protoplasmas an den Stellen, wo die Stromdichte groß genug iſt. Schickt man ſtärkere Induktionsſchläge hintereinander durch den Amöbenleib, ſo ballt ſich derſelbe kugelig zuſammen und bleibt ſo noch längere Zeit kontrahiert, ehe die gewöhnlichen Bewegungen wiederkehren. Dieſe Empfindlichkeit des Protoplasmas gegen äußere Einflüſſe nennt man Reizbarkeit, und alles, was imſtande iſt, eine Bewegung des Protoplasmas zu veranlaſſen, nennt man einen Reiz. Die Reiz— barkeit iſt eine der hervorragendſten ee der lebenden Subſtanz. 3. Wenn die Amöbe bei ihren Bewegungen auf irgend ein feſtes Körperchen ſtößt, welches ſich in dem umgebenden Waſſer befindet, ein kleineres Lebe— weſen etwa aus der Gruppe der niederſten Pflanzen oder auf ein Bruchſtück irgend eines zerſtörten Lebe— weſens oder auch auf irgend einen unorganiſchen Körper, der ſich zufällig in der Nähe befindet, dann tritt etwas ganz Eigentümliches ein. Man ſieht dann in der Regel, wie die Leibesſubſtanz der Amöbe um das Hindernis herumfließt und es gleichſam mit zwei Armen umklammert. Sobald ſich dieſe aber berühren, fließen ſie zuſammen, und der Fremdkörper iſt dann ganz von dem Protoplasma umſchloſſen. Jetzt wird gewöhnlich der ausgeſtreckte Fortſatz wieder ein— gezogen und ſo gelangt der Fremdkörper zu den an— deren Körnchen, welche ſchon in der Leibesſubſtanz vorhanden ſind. Will man dieſe Aufnahme von Fremdkörpern beobachten, ſo thut man gut, abſichtlich leicht erkennbare Körperchen, z. B. fein zerriebene chineſiſche Tuſche oder beſſer noch Indigo oder Karmin dem Waſſertropfen zuzufügen, in welchem die Amöbe Man wird dann ſehen, wie die an ihrer Farbe leicht kenntlichen Körnchen von den 14 Humboldt. — Januar 1885. Amöben aufgenommen, wenn wir ſo ſagen dürfen, gefreſſen und mitgeſchleppt werden. Sind die Stoffe, welche ſo in das Innere der Amöbe gelangen, unlöslich (wie z. B. die Indigo-, Karmin⸗ oder Tuſchkörnchen), fo werden fie über kurz oder lang von dem Protoplasma wieder aus— geſtoßen. Sie gelangen bei den Bewegungen, welche dieſes ausführt, irgendwo an den Rand; das Proto— plasma bewegt ſich dann weiter und läßt den Fremd⸗ körper liegen. Die dadurch entſtandene Wunde ſchließt ſich, den Eigenſchaften der kolloiden?) Maſſe entſprechend, ohne eine Spur zu hinterlaſſen. Iſt aber der in die Amöbe hineingeratene Körper ganz oder wenigſtens zum Teil löslich, wie dies nament— lich bei organiſchen Subſtanzen der Fall iſt, dann zerfließt er und die Stoffe verbreiten ſich im Amöben— leib, ſo daß gar nichts oder nur die unlöslichen Reſte ausgeſtoßen werden. Es ſcheint ſogar, als ob dem Amöbenprotoplasma die Fähigkeit zukomme, orga— niſche Subſtanzen, die an ſich unlöslich ſind, in lös— liche Stoffe umzuwandeln, ſozuſagen zu verdauen. Die Ausdrücke freſſen und verdauen, welche wir auf dieſe Vorgänge angewandt haben, ſind nicht bloß im bildlichen Sinne gemeint. Vielmehr ſind die beſchriebenen Vorgänge in der That den allerdings viel verwickelteren Vorgängen, welche bei höheren Lebeweſen die ſogenannte Ernährung aus— machen, ſehr verwandt; ſie ſtellen dieſe Vorgänge in ihrer einfachſten Geſtaltung dar. Denn auch bei den höheren Lebeweſen beſteht die Ernährung in der Aufnahme von Stoffen, Aneignung des Brauchbaren und Wiederausſcheidung des Unbrauchbaren. Die Aneignung des Brauchbaren, d. h. die innige Miſchung des Aufgenommenen mit den ſchon vorhandenen Leibes— teilen, hat natürlich eine Zunahme der Leibesmaſſe, ein Wachſen, zur Folge. Und in der That ſehen wir an der Amöbe dieſes Wachſen gerade ſo gut oder wegen der einfacheren Verhältniſſe noch beſſer als bei irgend einem höheren Weſen, ſei es Pflanz oder Tier. Die Amöbe iſt nach der Einverleibung der aufgenommenen Maſſe, die wir nun wohl füglich als ihre Nahrung bezeichnen dürfen, größer als ſie früher war. Dieſe Nahrung iſt aber nicht bloß aufgenommen, ) Kolloidſubſtanzen oder Kolloide (von Colla, Leim), nannte Graham ſolche Subſtanzen, welche in Waſſer aufquellen und gallertartige, feſtweiche Maſſen bilden, deren Aggregatzuſtand gleichſam eine Uebergangs— ſtufe vom feſten zum flüſſigen darſtellt. Im Gegenſatz dazu ſind die Kryſtalloide Subſtanzen, welche im Waſſer ſich ganz löſen, alſo einfach in den rein flüſſigen Zuſtand übergehen. Sie haben ihren Namen davon, daß die Mehr— zahl von ihnen aus ihren Löſungen in gut ausgebildeten Kryſtallen ſich ausſcheiden. Obgleich die von Graham vorgeſchlagene Unterſcheidung nicht ſtreng durchgeführt werden kann, ſo iſt doch die Bezeichnung der Kolloide eine ſo treffende und die von ihm hervorgehobene Eigentüm— lichkeit des Aggregatzuſtandes eine ſo wichtige für das Verſtändnis der Lebenserſcheinungen, daß ſie mit Vorteil angewandt wird. ſie hat ſich ſchließlich auch mit der ſchon vorhanden geweſenen Leibesſubſtanz ſo vermiſcht, daß beide nun ein und dasſelbe Protoplasma bilden. Die Moleküle der Nahrung haben ſich nicht bloß äußerlich an die Moleküle der ſchon beſtehenden Amöbe angelegt, ſondern ſie ſind zwiſchen dieſelben eingedrungen und zu einer gemeinſamen, gleichmäßigen Maſſe ver⸗ ſchmolzen. Das Wachſen der Amöbe erfolgt alſo nicht, wie etwa das Wachſen eines Kryſtalls, durch Anlagerung oder Juxtapoſition, ſondern durch Einlagerung oder Intusſusception. Und die eingelagerte Maſſe iſt außerdem ſo mit der ſchon vorhanden geweſenen verſchmolzen, daß fie teil- nimmt an allen Eigenſchaften derſelben. Deshalb bezeichnet man dieſen Vorgang ſehr treffend mit dem Ausdruck Aſſimilation. Die Amöbe wächſt alſo durch Aſſimilation geeigneter Subſt anz; und dies gilt von allen Lebeweſen, denn ohne Aſſimilation iſt überhaupt Leben unmöglich. 4. Neben dieſen Vorgängen der Nahrungsauf⸗ aufnahme und Aſſimilation, durch welche der Amöben— leib an Maſſe zunimmt oder wächſt, verlaufen aber in ihm auch Prozeſſe anderer Art, durch welche er an Maſſe verliert. Bei dem geringen Umfang der Amöben und der dadurch bedingten geringen Intenſi⸗ tät der in ihm ſich abſpielenden chemiſchen Verände— rungen iſt es zwar unmöglich, dies direkt nachzuweiſen, aber die Analogie mit Vorgängen, welche in den maſſigeren Lebeweſen beſſer beobachtet werden können, zwingt uns zu der Annahme, daß die Amöbe fort- während Sauerſtoff aufnimmt, und daß dieſer ſich mit der kohlenſtoffhaltigen Grundſubſtanz des Proto— plasmas verbindet, und Kohlenſäure und andere Zerſetzungsprodukte liefert. Soweit dieſe löslich und leicht diffundierbar ſind, treten ſie aus dem Proto— plasma aus und verbreiten ſich in dem umgebenden Waſſer, gehen auch, ſoweit ſie gasförmig ſind, durch Abdunſten in die Atmoſphäre über. Der Prozeß iſt, wie geſagt, wegen ſeiner Geringfügigkeit nicht unmittelbar zu beobachten; aber wir können doch Thatſachen anführen, welche den aus Analogie mit anderen Lebeweſen gezogenen Schluß beſtätigen. Bringt man lebende Amöben mit dem Waſſer— tropfen, in welchem ſie ſich bewegen, in eine kleine Kammer und leitet durch dieſelbe einen Strom von Waſſerſtoffgas, ſo daß man nach und nach allen Sauerſtoff, welcher in dem Waſſer und im Amöben— leib vorhanden iſt, verdrängt, ſo ſtellen die Amöben schließlich ihre Bewegungen ein, nehmen eine kugelige Form ohne alle Ausläufer und Zacken an und ver— bleiben in dieſer Stunden lang. Man muß aber, um dieſen, Zuſtand herbeizuführen, den Waſſerſtoff— ſtrom ziemlich lange durchleiten und es ſcheint, als wenn der Sauerſtoff in dem das Protoplasma durch— tränkenden Waſſer nicht bloß einfach abſorbiert, ſon— dern an einen Beſtandteil des Protoplasmas in irgend einer Weiſe, wenn auch nur locker, chemiſch gebunden iſt, ſo daß er ſchwerer entfernt werden kann, als einfach abſorbierter Sauerſtoff. Leitet man wieder Sauerſtoff zu, ſo beginnen die Bewegungen des Humboldt. — Januar 1885. 15 2 "es Protoplasmas bald wieder und erfolgen ganz in der früheren Weiſe. Schneller als durch Waſſerſtoff kann man durch einen Strom von Kohlenſäure die Bewegungen der Amöben zum Verſchwinden bringen. Entweder iſt Kohlenſäure beſſer wie Waſſerſtoff imſtande, den Sauerſtoff aus dem Amöbenleib zu verdrängen, oder aber, und das iſt das wahrſcheinlichere, die Kohlen— ſäure wirkt, wenn ſie in einer gewiſſen Menge das Protoplasma durchſetzt, hindernd auf die Lebens— erſcheinungen desſelben ein. Vielleicht iſt auch das eine und das andere der Fall. Verdrängt man dann wieder die Kohlenſäure durch einen Strom ſauerſtoff— haltiger Luft, ſo kehren die Protoplasmabewegungen auch wieder, wenn die Kohlenſäure nicht allzulange eingewirkt hat. Dieſe Verſuche beweiſen jedenfalls ſo viel, daß die Anweſenheit von Sauerſtoff notwendig iſt für den regelmäßigen Ablauf der Lebens— erſcheinungen im Protoplasma. Daß dieſer Sauerſtoff ſich mit den Beſtandteilen des Protoplas— mas verbindet und Kohlenſäure bildet, iſt ſchwieriger zu beweiſen. Zwar findet man immer Kohlenſäure in dem Waſſer, in welchem Amöben leben, aber daß ſie gerade aus dieſen ſtammt, iſt ſchwer nachzuweiſen. Dennoch müſſen wir auch dieſes wegen der Analogie mit anderen Lebeweſen annehmen. Dieſe Aufnahme von Sauerſtoff und Abgabe von Kohlenſäure kann man als Atmung des Proto- plasmas bezeichnen. Wo größere Mengen desſelben beobachtet werden können, iſt dieſelbe ſtets mit voller Sicherheit nachweisbar. Mit der Kohlenſäure, welche aus dem Protoplasma entweicht, geht aber auch immer ein Teil des feſten Stoffes, aus welchem jenes beſtand, fort; der Amöbenleib muß alſo durch dieſen Prozeß abnehmen und würde ſchließlich ganz aufgezehrt werden, wenn nicht durch den oben ge— ſchilderten Prozeß der Nahrungsaufnahme und Aſſi— milation wieder Erſatz geſchaffen würde. Die beiden Vorgänge zuſammen, die Atmung?) einerſeits und aus, was wir den Stoffwechſel nennen, und ohne welchen das Leben des Protoplasmas undenk— bar iſt. 5. Das erwähnte Wachſen des Amöbenleibes kann nach dem Geſagten nur inſoweit ſtattfinden, als die Stoffaufnahme durch Aſſimilation die Stoffabgabe durch Atmung übertrifft. Das Verhältnis zwiſchen beiden muß aber in der Zeit ſchwanken, denn die Atmung findet, ſoviel wir wiſſen, ſtetig, wenngleich mit wechſelnder Intenſität ſtatt, die Nahrungsauf— nahme nur zeitweilig. Könnten wir das Gewicht einer Amöbe in jedem Augenblick genau beſtimmen, ſo würden wir offenbar eine ſtetige langſame Ab— nahme desſelben in den Zeiten zwiſchen zwei Nah— ) Daß neben Kohlenſäure wahrſcheinlich auch noch andere, nicht gasförmige Produkte aus dem Protoplasma entſtehen und durch Diffuſion entfernt werden, iſt oben ſchon angedeutet worden. rungsaufnahmen finden, und eine plötzliche Zunahme bei der letzteren. Das iſt freilich unausführbar; aber bei größeren Tieren verhält es, fic) in der That fo, und bei der kleinen Amöbe iſt es gewiß nicht anders. Wenn die Nahrungsaufnahme den Stoffverluſt erheblich überſteigt, dann muß natürlich eine dauernde Gewichtszunahme eintreten, und mit ihr eine Volums⸗ zunahme, welche wir ſehen. Aber ins Unendliche fort geht dieſe Zunahme auch nicht. Beobachtet man nämlich größere Amöben andauernd, ſo ſieht man häufig, daß ſich der Leib ſpaltet oder teilt, und daß die beiden Teile fortfahren, ſich zu bewegen, ganz wie vorher das ungeteilte Weſen. Aus der einen Amöbe find zwei geworden; die Amöbe hat ſich ver— mehrt und zwar durch Teilung.“) Das ijt der gewöhnliche Vorgang. In einzelnen Fällen aber ſind die beiden Teile, in welche ſich die Amöbe ſpaltet, von ſehr ungleicher Größe. Die Amöbe treibt einen Fortſatz, der ſich abſchnürt und in Geſtalt eines kleinen runden Tropfens ſelbſtändig wird, um dann nach— träglich durch Stoffaufnahme zu wachſen. Dieſe letz⸗ tere Art der Vermehrung, bei welcher nur ein kleiner Teil des Leibes zum Urſprung des neuen Lebeweſens wird, kommt bei anderen einfachen Lebeweſen noch häufiger vor und wird dann als Vermehrung durch Knoſpung bezeichnet. 6. Die Vermehrung geht aber nicht ſo ins Unend— liche fort. Sonſt müßte ja die Zahl der Amöben eine unendliche werden und alle Sümpfe und Meere müßten von ihnen wimmeln. Was dieſer Vermeh— rung ins Unendliche entgegenarbeitet, das iſt der Umſtand, daß ſtets wieder einzelne von ihnen zu Grunde gehen. Beobachtet man lange die in einem Waſſertropfen vorhandenen Amöben, ſo wird man immer einzelne finden, welche unbeweglich daliegen und keine Spur von Lebenserſcheinungen zeigen; oder auch, man wird Gelegenheit haben, zu ſehen, wie eine Amöbe, welche früher lebhafte Bewegungen ausführte, Nah— rung aufnahm, kurz alles das zeigte, was in den die Aſſimilation andererſeits, machen zuſammen das vorhergehenden Paragraphen geſchildert worden iſt, träge wird, ihre Fortſätze einzieht, ohne neue aus— zuſtrecken, ſich zu einer Kugel zuſammenzieht und fortan in dieſem unbeweglichen Zuſtande verharrt. Iſt dieſer Zuſtand eingetreten, dann gehen auch bald ſichtbare Veränderungen an dem Protoplasma vor. Wo dasſelbe klar iſt und nicht zu ſehr mit Körnchen beladen, da ſieht man, daß es trübe und feinkörnig wird, etwa wie eine ſchwache Eiweißlöſung, welche gerinnt. Später zerfällt der Leib in Stücke, die Trümmer löſen ſich auf oder können anderen Lebe— weſen zur Nahrung dienen. Im Gegenſatz zu dem Leben, welches wir an der Amöbe beobachtet haben, werden wir den Zuſtand, den wir jetzt an ihm kennen gelernt haben, als Tod bezeichnen müſſen. Die Amöbe iſt geſtorben. Was den Tod herbeigeführt hat, ob es äußere Schädlich— In den Fällen, wo ein Kern vorhanden iſt, pflegt die Teilung von dieſem auszugehen. 16 Humboldt. — Januar 1885. keiten ſind, welche verderblich eingewirkt haben, ob auch ohne ſolche für jede Amöbe eine Zeit kommt, wo die Lebenserſcheinungen ein Ende nehmen, wir wiſſen es nicht. Offenbar iſt das letztere, wenn wir die Analogie mit anderen Lebeweſen bedenken, ſehr wahrſcheinlich. Das ſicherſte Zeichen des eingetretenen Todes iſt es, wenn die oben (§ 2) erwähnten Reize nicht mehr wirkſam ſind. Ganz unbedingt zuverläſſig iſt es aber auch nicht. Denn es kommt vor, daß eine Amöbe, welche durch beſondere Umſtände in dieſen Zuſtand der Reaktionsloſigkeit geraten iſt, wenn wir fo ſagen dürfen, wieder auflebt. dann füglich als Scheintod bezeichnen. Von den mancherlei Umſtänden, welche das Leben deren jedoch ſind dieſe Teile verſchiedenartig, und während einzelne Teile den Amöben ähnlich ſein können, ſind andere ganz abweichend. Und in dieſen finden wir dann ſtets nur einzelne Eigenſchaften des Amöbenleibs vertreten, ſo daß das Ganze wieder in ſeiner Totalität alle oder doch die meiſten Erſchei⸗ nungen des Lebens, und meiſtens in viel höherem Grade zeigt. 8. Da wo es möglich iſt, die Entſtehung eines ſolchen Lebeweſens von ſeinem Anfang an zu ver⸗ folgen, ſehen wir in der weitaus überwiegenden Mehrzahl der Fälle, daß es ſeinen Urſprung von Wir können jenen Zuſtand einem Gebilde nimmt, welches in ſeinem Ausſehen und in ſeinen Grundeigenſchaften der Amöbe außer⸗ der Amöben bedrohen und den Tod herbeiführen, ſind einige bekannt. töten, wenn man fie auf 40 oder höchſtens 45° C. erhitzt, ja manche ſterben ſchon bei Temperaturen So kann man ſie z. B. ſicher der Amöbe geſehen haben. zwiſchen 35 und 40. Säuren, wenn fie nicht außer- ordentlich verdünnt ſind, wirken gleichfalls tödlich, Kohlenſäure nur bei längerer Einwirkung. Von Giften wirkt beſonders Veratrin, ſelbſt in äußerſter Verdünnung, ſehr energiſch tödlich. 7. Was in den vorhergehenden Paragraphen von der Amöbe berichtet wurde, das kehrt im weſentlichen bei allen Lebeweſen wieder und die geſamte Phyſio— logie iſt nichts weiter als die genauere Ausführung, in welcher Weiſe dieſe Erſcheinungen bei den ver- ſchiedenen Lebeweſen ſich geſtalten. So bieten die einfachen Beobachtungen an der Amöbe gleichſam eine Lebenslehre in einfachen, großen Grundzügen. Bei dieſer wichtigen Bedeutung derſelben wird es gut ſein, die einzelnen Erſcheinungen noch von einem etwas allgemeineren Geſichtspunkte aus zu behandeln, und ihren Zuſammenhang mit den allgemeinen Natur- geſetzen zu beleuchten. Es wird dabei nicht nötig fein, ſich ſtreng an die Betrachtung der Amöben zu halten, ſondern wir können auch andere Lebeweſen, an denen oder an deren Teilen die gleichen Erſchei— nungen auftreten, gleich mit berückſichtigen. In der That gibt es noch viele einfache Lebe— weſen, an denen alle Erſcheinungen in gleicher oder doch ähnlicher Weiſe auftreten wie an den Amöben. Meiſtens aber ſieht man, daß einige derſelben in viel höherem Grade, andere dagegen in geringerem Grade ſich bethätigen. So iſt die Fähigkeit, ſich zu bewegen, bei vielen ſolchen einfachen Lebeweſen in höherem Grade vorhanden, bei anderen aber ſo gering, daß man ſie kaum noch nachweiſen kann, und daß man dieſe nur darum zu den Lebeweſen rechnen muß, weil die anderen charakteriſtiſchen Erſcheinungen, die Aufnahme und Aſſimilierung von Stoff z. B., das Wachstum und die Vermehrung durch Teilung oder Knoſpung, ihnen zukommen. Die große Mehrzahl von Lebeweſen aber bietet überhaupt nicht die Einfach— heit der Amöbe dar. Sie beſtehen vielmehr aus Teilen, welche bei einzelnen von ihnen untereinander gleichartig und dann in ihren Eigenſchaften nicht weſentlich von der Amöbe verſchieden ſind; bei an— ordentlich ähnlich iſt. Dieſes Gebilde, welches bei den höheren Lebeweſen den Namen Ei oder auch Eizelle führt, teilt ſich gerade ſo, wie wir es bei Statt aber, daß die Teile ſich trennen und ſelbſtändig werden, bleiben fie bei- einander; die Teilung wiederholt fic) mehrfach und es entſteht ſo zunächſt ein Zellhaufen, der zunächſt noch aus lauter untereinander gleichen Zellen beſteht. Ein ſolcher Zellhaufen kann nun ein Lebeweſen bilden, deſſen einzelne Teile alſo untereinander ganz gleich—⸗ artig ſind. Meiſtens aber ändern einzelne dieſer Zellen ihre Form; zugleich lagern ſie ſich in verſchiedener Weiſe aneinander, und indem die Formveränderung der einzelnen Zellgruppen in verſchiedener Weiſe ver- läuft, entſteht ein Weſen, das aus einzelnen ganz verſchieden ausſehenden Gebilden aufgebaut ift*). Dieſe Entſtehung eines Lebeweſens aus ſeinen Anfängen bezeichnet man als ſeine Entwickelung und die Beſchreibung der aufeinander folgenden Stufen, die Veränderungen, welche die Gebilde durch— laufen bis zur Ausbildung der fertigen Form, als die Entwickelungsgeſchichte des Weſens oder Ontogenie. Indem die einzelnen Zellen, welche durch Teilung der Eizelle entſtanden ſind, ſich in verſchiedener Weiſe entwickeln, oder wie man ſagt, ſich differenzieren, entſtehen Gebilde, welche man als Gewebe bezeichnet. Mit dieſer nach verſchiedenen Richtungen gehenden Entwickelung der Formen ſind aber auch Aenderungen der Lebenserſcheinungen ver— bunden. Was in den urſprünglichen Zellen vorgeht, das kommt in den einzelnen, aus ihnen durch Diffe— renzierung entſtandenen Geweben in verſchiedener Weiſe zur Erſcheinung. In dem einen Gewebe z. B. entwickelt ſich die Fähigkeit der Bewegung zu einem beſonders hohen Grade, in einem anderen das der Reizbarkeit u. ſ. w. Was in dem Protoplasma der urſprünglichen Zelle im Keim vorhanden war, das lernen wir an den einzelnen Geweben in einſeitiger ) Für die einfachſten Lebeweſen, welche nur aus einer, dem Amöbenleib analogen Protoplasmamaſſe be— ſtehen, hat man den Namen Monoplaſtiden eingeführt. Im Gegenſatz dazu heißen alle anderen Polyplaſtiden; und dieſe zerfallen wieder in Homoioplaſtiden und Heteroplaſtiden, je nachdem die Teile gleichartig blei— ben oder ſich in verſchiedener Weiſe entwickeln. Humboldt. — Januar 1885. 17 Ausbildung gleichſam, dafür aber auch in deſto Nerven, Bindegewebe u. ſ. w. beteiligt find. In der größerer Vervollkommnung kennen. Während die Regel überwiegt in jedem Organ ein Gewebe über Unterſuchung und Beſchreibung der Formen, in die anderen, in der Leber z. B. das Drüſengewebe. denen die Gewebe auftreten, den Hauptgegenſtand Inſofern zeigt ein ſolches Organ nähere Beziehungen des Wiſſenszweiges ausmachen, welchen man als zu anderen, in denen gleichfalls dasſelbe Gewebe Gewebelehre oder Hiſtologie bezeichnet, iſt die vorwiegt, als zu anderen. Man faßt dann alle dieſe Unterſuchung der Lebenserſcheinungen der Gewebe die verwandten Organe wohl zuſammen und nennt dies Grundlage und der Hauptteil der Phyſiologie. ein Syftem. In dieſem Sinne ſpricht man von Die Entwickelung der Lebeweſen aus der Eizelle einem Knochenſyſtem, Nervenſyſtem u. ſ. w. bleibt aber nicht bei der Differenzierung zu Geweben Eine ſolche Zuſammenfaſſung hat ſowohl für die ſtehen. Dieſe durchdringen einander und vereinigen anatomiſche Beſchreibung wie für die phyſiologiſche ſich zu in ſich abgeſchloſſenen Gebilden, welche man Auseinanderſetzung viele Vorteile, indem fie Wieder— Organe nennt. Die Leber z. B. iſt ein ſolches holungen zu vermeiden geſtattet und die Ueberſicht Organ, an deſſen Bildung Drüſengewebe, Gefäße, erleichtert. (Schluß folgt.) hee n rd un Von Dr. W. Kobelt in Schwanheim a. M. 15 sR Reiſende, welcher von der Provinz Konftantine Im Juni kann man gewöhnlich am Mittelmeer aus nach Tunis zu gehen beabſichtigt, hat jetzt auf ſtilles Wetter rechnen, aber dieſes Jahr war ab— die Wahl zwiſchen zwei gleich bequemen Wegen; er norm; noch in den erſten Junitagen hatten wir ſogar kann von Duvivier an der Linie Bone-Guelma in Biskra Gewitter gehabt, und auch in Bone kam ab die Bahn über Suk-Arras und Ghardimaou noch am 7. Juni ein tüchtiges Wetter, und als wir das Thal der Medjerda hinab benützen oder er kann am 8. an Bord gingen, war der Dſchebel Edough nach Bone hinunterfahren und den allwöchentlich ab- bis tief herab mit Wolken verhangen und blies ein gehenden Dampfer der Compagnie générale ſcharfer Nord, der für die Fahrt längs der Küſte transatlantique nehmen, der gegen drei Uhr nicht viel Gutes verſprach. Der Kanal zwiſchen abgeht und am anderen Vormittage ſchon ſehr zeitig Sicilien und Nordafrika ſteht ja überhaupt nicht im in la Goletta einläuft. In der erſten Juniwoche 1884 Rufe ſonderlicher Friedfertigkeit; durch die Senkung konnte aber der erſtere Weg für jemand, der Gepäck zwiſchen den beiderſeitigen Bergen weht faſt immer ein mit ſich führte, gar nicht in Frage kommen, denn ſcharfer Wind, und bald müſſen die von Oſten, bald die die Bahn zwiſchen Suk Arras und Ghardimaou war von Weſten kommenden Segelſchiffe mühſam lavieren noch nicht fertig, die notdürftige Straße aber, auf oder hinter einem vorſpringenden Kap beſſeres Wetter welcher ſeither eine Diligence die Verbindung unter- abwarten. Das war im Altertum von großer Wich— halten hatte, war durch die übermäßig ſtarke Be- tigkeit; die Karthager konnten deshalb, als ſie Pantel— nutzung zum Transport von Baumaterialien und die leria, Gozzo, Malta und an der ſiciliſchen Küſte abnorm lange anhaltenden Regengüſſe des Frühjahrs Motye beſaßen, den Griechen den Weg nach den ſchließlich fo zugerichtet worden, daß fie ſelbſt für eine Schätzen des Weſtens hermetiſch ſchließen und zwangen algeriſche Diligence nicht mehr paſſierbar war. Für ſie ſo, durch die Meerenge von Meſſina oder über die wenigen Monate bis zur Eröffnung der Bahn die langgeſtreckte Halbinſel Kalabriens ſich neue Wege wollte man aber die Reparaturkoſten um ſo weniger nach Etrurien und Gallien zu ſuchen. Auch heute anwenden, als die Straße durch ein vollſtändig un- noch gehört die Küſtenſtrecke vom Kap Roſa am bebautes Waldgebiet läuft und völlig veröden wird, Eingang des Buſens von Bone bis zum Ras Addar ſobald die Lokomotive pfeift, und ſo ſtellte man ein- oder Kap Bon zu den gefürchtetſten des Mittel— fach den Verkehr ein und überließ es den Reiſenden, meers; ſtarke Strömungen führen im Winter die die Strecke mit einem Maultier zurückzulegen, ſo gut Schiffe oft erheblich von ihrem Kurs ab und plötz⸗ es ging. Ein zwölfſtündiger Ritt in der glühenden liche Windſtöße laſſen ſie an den ſteilen Felſenküſten Juniſonne, verbunden mit oftmaligem Kreuzen der zerſchellen. ſchlammigen Medjerda iſt aber keine ſonderliche An— Der neue Hafen von Bone ift einer der vorzüg— nehmlichkeit, wenn man eine Dame bei ſich hat, und lichſten am Mittelmeer; ſchon die Reede, durch den ſo blieb uns nur der Seeweg. | hohen Edough und das weit vorgreifende Cap de Humboldt 1885. 3 18 Humboldt. — Januar 1888. Garde nach Norden und Weſten geſchützt, nur nach Nordoſten offen, war gut, aber nun hat man durch gewaltige Steindämme zwei geräumige, völlig um— ſchloſſene Becken geſchaffen, denen ſelbſt die ſchwerſten Stürme nichts anhaben können und von denen ſelbſt das Innere noch tief genug iſt, um den größten Dampfern das Ankern dicht am Quai zu geſtatten. Die Zukunft der Stadt iſt damit geſichert; am Wus- gang des üppigen Seybuſethals gelegen, in welchem die Weinkultur jetzt einen ſo wunderbaren Aufſchwung nimmt?), durch Eiſenbahnen mit den fruchtbarſten Teilen der Provinz Konſtantine und mit Tunis ver⸗ bunden, hofft die Stadt binnen kurzem ſelbſt Oran und Algier zu überflügeln und die würdige Nach— folgerin des alten Hippo regium, der Nebenbuhlerin Karthagos, zu werden; die freundlichſte und ele— ganteſte Stadt Algeriens iſt ſie heute ſchon, aber auch die am wenigſtens mauriſche, und gerade auf letztere Eigentümlichkeit ſind die Bönenſer am ſtolze⸗ ſten und können nicht begreifen, daß der Fremde dieſes Gefühl nicht teilt. Der „Charles V.“ nahm von Bone aus die Rich⸗ tung direkt auf das Kap Roſa und dann der ſteil abfallenden Küſte entlang nach la Calle, wo wir bei beginnender Dämmerung anlangten. Das Land iſt wenig intereſſant; ſteil abfallende Falaiſen s) wech— ſeln mit kurzen Dünenſtrecken; im allgemeinen ſind die Berge hübſch bewachſen. Hier beginnt das große Korkeichengebiet, das ſich bis ins Land der Chmirs — Khrou mirs ſchreiben die Franzoſen — erſtreckt, und eben von einer franzöſiſchen Aktiengeſellſchaft aus- gebeutet wird. Dieſe ganze Küſtenſtrecke von Bone bis Tabarka iſt ja der Schauplatz der älteſten franz zöſiſchen Handelsunternehmungen in Afrika, die zu⸗ nächſt ein Meeresprodukt herbeilockte, das man früher wenigſtens nirgends ſo reich und ſchön fand wie hier, die Koralle. Seit man zur Zeit des Plinius zu— erſt begann, dieſe als Schmuck und beſonders auch zu Amuletten zu verwenden, haben dieſe Meeresſtriche die Hauptmaſſe geliefert. Die Fiſchereien wurden anfangs von den Mauren betrieben, aber ſchon 1439 finden wir ſie in den Händen unternehmender Kata— lanen und 1446 wußte ein Kaufmann aus Barcelona ſich von den einheimiſchen Fürſten das Monopol zu verſchaffen und verlangte von den Fiſchern ein Drittel ihrer Beute. Seitdem gab die Verpachtung dieſes Monopols immer eine Haupteinnahmequelle für die Herrſcher ab, 1507 erhielten es die Gebrüder Benoiſt, franzöſiſche Konſuln in Kairo und Alexandrien, und 1524 erwarben zwei Marſeiller, Charles Didier und Thomas Linches, das Monopol in den Ge— wäſſern von la Calle und gründeten nicht weit von dieſer Stadt Baſtion de France, den erſten In 1881 belief ſich die mit Reben bepflanzte Fläche im Arrondiſſement Bone auf 500 ha, in dieſem Jahre auf 7500 ha, in zwei Jahren wird ſie ſich noch einmal verdoppeln. ) Dieſer Ausdruck verdient wohl die Aufnahme in die phyſikaliſch-geographiſche Terminologie. franzöſiſchen Handelspoſten, aus dem ſpäter die be⸗ rühmte Compagnie royale d' Afrique er⸗ wuchs, die ſich mit mannigfachen Schickſalen und Wechſel⸗ fällen bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts erhielt. Das Monopol der Korallenfiſcherei an der ganzen Küſte, das zuerſt 1390 Louis de Clermont, duc de Bourbon, von einem Sultan erhalten haben ſoll, hatte die franzöſiſche Regierung unter Henri IV. vom Sultan Murad neu erworben, ließ es aber durch die Compagnien ausbeuten. Dieſe gründeten Handels- poſten in Bone, am Kap Roſa und in Baſtion de France, und als die beiden letzteren der Un⸗ geſundheit wegen aufgegeben werden mußten, verlegte ſie ihren Hauptſitz nach dem 1628 erworbenen la Calle. Sie betrieb neben der Korallenfiſcherei namentlich auch den Getreidehandel, und Jahrhun— derte hindurch war Nordafrika die Kornkammer, aus welcher die Provence ſich verproviantierte; daneben wurden Häute, Wachs, Honig, Eichenrinde und Pferde ausgeführt, und als zu Ende des vorigen Jahr⸗ hunderts die übermäßig befiſchten Bänke erſchöpft waren und kaum mehr Korallen genug ergaben, um dem Dey von Algier die jährlich abzugebenden beiden Kiſten (à 120 Pfd.) zu liefern, konnte die Geſellſchaft aus ihrem Getreidegeſchäft reichliche Dividenden zah— len. Selbſt die Revolution, die alle Privilegien ver- nichtete, ließ die Compagnie d'Afrique noch ein paar Jahre beſtehen, und die Eingeborenen waren ſo daran gewöhnt und hielten den Handel für ſo wichtig, daß die Hanencha, der mächtigſte Stamm, ſich gegen den Dey erhob, ſobald derſelbe die Privilegien der Geſellſchaft antaſten wollte. Als 1831 der bekannte General Nuſſuf mit fünfzig Reitern vor den Trüm⸗ mern von la Calle erſchien, fand er von den um— wohnenden Stämmen den freundlichſten Empfang, und ſie übergaben ihm, was noch vorhanden war, als altes Eigentum der franzöſiſchen Regierung. Seit alten Zeiten war vor den Thoren von la Calle alle Donnerstag ein Markt abgehalten worden, ſeit dreißig Jahren hatte er nicht mehr ſtattgefunden, aber am erſten Donnerstage nach der Beſitzergreifung ſtrömten die Eingeborenen wieder von allen Seiten mit ihren Waren herbei, ein Beweis, wie treulich bei den Arabern die Tradition alles überliefert. Freilich kamen auch ebenſo die Häuptlinge am beſtimmten Tage und verlangten den herkömmlichen Tribut, und als dieſer verweigert wurde, verſuchten ſie Gewalt, mußten ſich aber bald überzeugen, daß ſie nicht mehr mit der alten Compagnie zu thun hatten, und ver— halten ſich ſeitdem ruhig. La Calle hat trotzdem noch keinen beſonderen Aufſchwung genommen. Die Korallenbänke haben allerdings in den Revolutions- und Napoleoniſchen Kriegen, wo die Engländer ſich der ehemaligen Eta— bliſſements der Compagnie d' Afrique bemächtigt hatten, Zeit gefunden, ſich zu erholen; ſie gaben reichliche Ernten und zahlreiche neue wurden an Stellen entdeckt, deren Unterſuchung die eiferſüchtigen Türken in Algier nicht geſtattet hatten. Trotzdem hat die Korallenfiſcherei ſich nur langſam erholt und Humboldt. — Januar 1885. 19 die Provengalen haben ſich merkwürdigerweiſe gar nicht wieder beteiligt, wie auch die Verarbeitung der Korallen in Marſeille ganz aufgehört hat. Anfangs war die Mode ungünſtig, dann ſtörten die Kriege im Orient den Abſatz, und jetzt, nachdem ein paar Jahre hindurch die Reſultate günſtig geweſen, hat die Entdeckung der großen Korallenbank von Sciacca, die binnen drei Jahren von 1878—81 eirka 88 000 Ctr. Korallen im ungefähren Wert von 37 Mill. Franken lieferte, die italieniſchen Fiſcher alle abgezogen und die Preiſe der Korallen ſo gedrückt, daß der Wert der 1879 von 212 Booten erlangten Korallen ſich nur noch auf 53000 Franken belief, ſomit bei weitem nicht die Ausrüſtungskoſten deckte. Algerien wie Frankreich haben allerdings von der Fiſcherei, die ausſchließlich von Italienern betrieben wird, nicht den geringſten Vorteil gehabt. Ebenſowenig von dem ſchwunghaft betriebenen Fiſchfang, der ganz in den Händen der Italiener iſt; ſelbſt den Fang für die Fiſchmärkte der Küſtenſtädte betreiben nur Italiener, die ja einen ſehr beträchtlichen Teil der europäiſchen Bevölkerung in der Provinz Konſtantine und in Tunis ausmachen; die Hochſeefiſcher ſind Leute aus Trapani, aus Mazza am Golf von Neapel oder aus Bari in Apulien, die wenig oder gar nicht an Land gehen und, ſobald ſie ihre Ladung haben, zurückkehren. Selbſt die großen Etabliſſements, wie die mit drei Dampfern betriebene Tonnara des Grafen Raffo am Kap Bon und die großartige Sardellenfiſcherei bei Mehdia find infremden Händen; nur ein paar Aufſeher wohnen ſtändig da; das übrige Perſonal kommt zum Beginn der Saiſon aus Italien, die Produkte werden an Ort und Stelle zu Konſerven verarbeitet und gleich wieder mit hinweggenommen, faſt ohne das Land zu berühren. Algerien hat im Gegenteil ent— n Nachteil, denn die Italiener machen, wenn ſie an Land kommen, namentlich in ſchwach bevölkerten Diſtrikten nicht immer ſcharfe Unterſchiede zwiſchen Mein und Dein, verwüſten Felder und Wälder und kümmern ſich ſehr wenig um die zum Schutz der Fiſcherei erlaſſenen ſcharfen Verordnungen; Klagen über ſie ſind im Sommer eine ſtändige Rubrik der algeriſchen Lokalblätter. La Calle iſt unter dieſen Umſtänden nur auf den Export der Landesprodukte angewieſen und ſein Handel iſt bei der ſchwachen Beſiedelung dieſes Landesteiles nicht ſehr bedeutend; nur die Bleiminen von Kef-um— Tebul, die in geringer Entfernung dicht an der tuniſiſchen Grenze liegen und mit mehreren hundert Arbeitern betrieben werden und die Exportation des Korks aus der Konzeſſion du Bouchage und de Montebello beleben den Export einigermaßen. Man hatte große Hoffnungen auf die Stadt geſetzt, wollte auch den gänzlich ungenügenden Hafen ver— beſſern oder einen neuen bei Boulif anlegen, oder nach einem anderen Projekte die ſchmale Landenge zwiſchen dem See Guelta el Malah und dem Meer durchſtechen und ſo einen großartigen, unbedingt ſicheren Kriegshafen ſchaffen, aber mit der Beſetzung von Tunis ſind alle dieſe Projekte hinfällig gewor— den, denn Bizerta bietet, wenn man von der Bahira zwiſchen Goletta und Tunis abſehen wollte, in jeder Beziehung viel günſtigere Bedingungen, vorteilhaftere Lage, bequemere Zugänglichkeit, reicheres Hinterland, und wird bei der Konkurrenz wohl den Vorzug er— halten. Der gegenwärtige Hafen von la Calle ift für größere Schiffe abſolut unzugänglich; kleineren hat man durch einen Steindamm einigen Schutz ge— ſchaffen, aber wenn man ſie nicht, wie die Boote der Korallenfiſcher, auf den Strand ziehen kann, muß man ſie bei drohendem Sturm vorn und hinten an— binden, wozu am Strand Kanonenröhren eingegraben und in der Bucht die Felſen entſprechend behauen ſind. Die meiſten Schiffe halten ſich aber, den Hoch— ſommer ausgenommen, an die alte Vorſchrift, welche die Compagnie d' Afrique ihren Kapitänen mitgab, bleiben im Hafen von Bona, bis die Ladung voll— ſtändig vorbereitet iſt, laden dann ſo raſch als mög— lich ein und ſuchen das offene Meer wieder. Wir ankerten ziemlich weit draußen; eine Anzahl Paſſagiere gingen in Booten ans Land, Waren waren weder ein- noch auszuladen, trotzdem mußten wir uns drei Stunden lang ſchaukeln laſſen, da die Herren von der Poſt ihre Briefſäcke nicht vor neun Uhr, der reglementsmäßigen Abfahrtszeit, ſchickten. Im Anfang konnten wir wenigſtens das Städt— chen betrachten, das am Abhang recht freundlich im Grünen liegt — die alte Stadt lag auf der Halb— inſel —, dann wurde das Warten aber doch etwas langweilig und die Poſt wurde in allen Tonarten und Hauptſprachen verwünſcht. Endlich kam aber doch die Abfahrtszeit und dann ging es nordöſtlich dem Kap Roux zu, das uns ſeither etwas vor dem Seegang gedeckt hatte. Auf der anderen Seite war es etwas ſtürmiſcher; doch hielt ſich das Schiff brav. Bald ſahen wir zur Rechten ein Licht, den Leucht— turm von Tabarka, der einſtigen Nebenbuhlerin von la Calle. Dieſe Inſel wurde von dem großen Soliman an die Genueſer Familie der Lomellini abgetreten, als Löſegeld für den berüchtigten Korſaren Dragut, den ein Lomellino 1540 an der Küſte von Korſika gefangen genommen. Karl V. baute dort eine Citadelle aus den Steinen der gegenüber— liegenden Römerſtadt Tabarka und unterhielt gegen eine Abgabe von 5% vom Korallenfang auch eine Beſatzung da, aber ſeinen Nachfolgern wurde das zu koſtſpielig und ſie überließen den Lomellini die volle Souveränetät. Dieſe behielten ſie bis 1741, ſie wurden wohl manchmal ſchikaniert und hatten oft den Raubſchiffen Geſchenke zu machen, aber ihr vom Sultan erlangtes Eigentumsrecht wurde — ein echt arabiſcher Zug — niemals in Frage geſtellt. Zu Peyſſonels Zeiten hatten ſie 100 Soldaten und gegen 500 Korallenfiſcher dort, aber bald nachher begannen die Korallenbänke nachzulaſſen, im Handel mit den Khroumirs machte die Compagnie d' Afrique den Genueſen immer mehr Konkurrenz, und ſo ent— ſchloß ſich Giacomo de Lomellini, ſeinen Beſitz an die Franzoſen zu verkaufen. Das war aber dem Dey von Algier, der damals Tunis in einer gewiſſen 20 Humboldt. — Januar 1885. Abhängigkeit hielt, durchaus nicht nach ſeinem Sinn, da er ein Feſtſetzen der Franzoſen auf der leicht zu verteidigenden Inſel fürchtete. Mit Beziehung auf das ſpaniſche Oran, das ihm ſehr unbequem war, ſchrieb er ſeinem Vaſallen: „Ich habe ſchon einen böſen Zahn im Munde, den ich nicht herausziehen kann; willſt du mir nun noch einen zweiten hinein— ſetzen, damit ich gar nicht mehr beißen kann?“ Und dahinter folgte die Drohung, daß er nötigenfalls bald den Bey von Konſtantine mit einer Armee vor Tunis ſchicken und dem Bey von Tunis eine ſeidene Krawatte anlegen laſſen werde. Dieſer wollte es nicht darauf ankommen laſſen; im Frühjahr 1741 erſchienen ein | eine ſchwache Garniſon verlaſſen, die Korallenfiſcherei ganz eingeſtellt, und ſo iſt es bis in die neueſte Zeit geblieben. Die Aufſchließung des Khroumirlandes und ſeiner Metallſchätze wird ihr vielleicht neues Leben bringen, da der Ankerplatz leidlich iſt und demnächſt eine Bahn von ihm nach den reichen Eiſen⸗ ſteingruben im Lande der Uled Nefza angelegt werden ſoll. Von Tabarka ab hielt das Schiff ſich weiter von der Küſte entfernt, da hier ein paar Klippen Vor⸗ ſicht gebieten, doch ließen wir das Licht der faſt un- bewohnten Felſeninſel la Galita weit zur Linken. Dieſe Inſel hat ſeltſamerweiſe niemals zur ſtändigen Arabiſcher Ziehbrunnen bei Goletta. paar Korſarenſchiffe bei der Inſel, angeblich um Waſſer einzunehmen, wie das oft geſchah, und auf dem Feſtland lagerte gleichzeitig der Sohn des Bey, um, wie alljährlich, von den Khroumirs die Steuern zu erheben. Der Gouverneur und die Offiziere gingen unbedenklich an Bord der Schiffe und wurden gefeſſelt, dann wurde die Inſel überfallen, das Eta— bliſſement geplündert und die Mannſchaften als Sklaven verkauft. Um aber die Inſel für die Zukunft un— ſchädlich zu machen, ließ der Bey den ſeichten Meeres— arm, der ſie vom Feſtlande trennte, ausfüllen und ſie ſo in eine Halbinſel verwandeln. Die Citadelle wurde noch eine Zeitlang unterhalten und ein Verſuch der Franzoſen unter de Saurins, ſie durch Ueberfall zu nehmen, mit ſchwerem Verluſt vereitelt; in dem ſchmählichen Frieden von 1742 blieb die Inſel bei Tunis. 1785 fand ſie Desfontaines bis auf Beſetzung angeregt, obſchon ſie guten Ankergrund hat und im Sommer von Korallenfiſchern oft be— ſucht wird; ſie hat etwa acht Stunden im Umfang. Weiterhin ſcheuchte mich das immer ſtärkere Schwanken des Schiffes in meine Koje; als ich am Morgen zeitig wieder aufs Deck kam, lag rechts wie links Land, links in einiger Entfernung eine kegelförmige Felſeninſel, Zembra, ſchon in blauer Ferne ver— ſchwimmend, und ſcheinbar damit zuſammenhängend das Kap Ras Ad dar mit den landeinwärts laufenden Bergzügen, rechts in ganz geringer Entfernung die Dünenwüſte des Kap Kamart, daran ſich unmittel— bar anſchließend im üppigen Grün zerſtreut die weißen Häuſer von la Marſa, und etwas weiter auf einem höheren Kap die glänzende Häuſermaſſe des heiligen Städtchens Sidi bu Said. Einen Augenblick ſpäter umfuhren wir die letztgenannte Spitze und Humboldt. — Januar 1885. 21 nun lag der reizende Buſen vor uns, den man im Altertum nach Karthago und heute nach Tunis be— nennt. Umſonſt ſpähten wir nach den Reſten der einſtigen Meeresherrſcherin, ſie ſind nur aus nächſter Nähe ſichtbar, aber die herrliche Ausſicht entſchädigte uns. Zur Linken erhebt ſich der doppelgipfelige Bu Kornein unmittelbar vom Meere aus über den weißen Häuſern von Hamman el Enf; an ihn ſchließt ſich ſüdwärts die phantaſtiſche Silhouette des Bleiberges Dſchebel R'ſas und ganz weit im Süden ragt, im Nebel verſchwimmend, der Zaghuan, der Wohlthäter von Nordtunis, von dem das bez lebende Naß bis zur Meeresküſte herübergeleitet wird. Zur Rechten liegt Sidi bu Said, dann wechſeln der Küſte entlang kahle rötliche Steinhänge und vom üppigſten Grün halb verhüllte Landhäuſer, bis zu dem gerade vor uns im Meeresniveau liegenden Städtchen la Goletta. Hinter dieſem dehnt ſich aber noch einmal meeresartig ein blauer See, und wo ihn ein paar niedrige Hügel gegen den Horizont abgrenzen, ſchimmert eine weiße Maſſe von einigen Minarets überragt, unſer Reiſeziel Tunis. Die Reede von la Goulette — denn von einem Hafen kann man noch nicht reden, da der als ſolcher fungierende Verbindungskanal zwiſchen dem See und dem Meere nur für Fiſcherboote Raum bietet — iſt ziemlich ſeicht und die Dampfer müſſen ungefähr einen Kilometer vom Lande ab ankern; ſie ſind oben— drein der ganzen Wut des Nordwindes ausgeſetzt, und gar nicht ſelten kommen Strandungen vor; 1820 wurde die ganze damals noch ziemlich bedeu— tende Kriegsflotte von Tunis in einer Nacht ver— nichtet. Man hatte uns vor der Prellerei beim Aus— ſchiffen angſt gemacht, aber die Konkurrenz war groß, und ein Italiener brachte uns gerne für einen Franken die Perſon inkluſive Gepäck in die Mündung des Boghaz, des Kanales, vor das Zollhaus. Auch dort haben die Franzoſen Ordnung geſchafft; die Beamten, meiſtens Italiener, ließen unſer Handgepäck ohne den geringſten Anſtand paſſieren, ebenſo auch ſpäter den Koffer, den ich vorausgeſandt hatte, und in weniger als einer Viertelſtunde waren wir beim Kaffee in dem ganz leidlichen Hotel de France. Goletta hat in neuerer Zeit einen bedeutenden Aufſchwung genommen und iſt jetzt ein ganz hübſches Städtchen, das allerdings keinen arabiſchen Charakter hat, ſondern ganz den italieniſchen Küſtenſtädten gleicht. Die Bevölkerung iſt, von den eingeborenen Juden abgeſehen, rein italieniſch, und überall hört man nur italieniſch ſprechen, in den Läden ſogar wird franzöſiſch meiſt gar nicht verſtanden. Maltzan, dem Goletta ſehr ſchlecht gefallen haben muß — man leſe nur das erſte Kapitel ſeines Werkes über Tunis _ und Tripolis nach — hat der Civilbevölkerung von Goletta einen ſehr ſchlechten Namen gemacht, indem er ſagt, außer Zoll- und Polizeibeamten, die eigens zur Plage der Reiſenden erſchaffen ſeien, wohnten dort nur Leute, die entweder auf eine Galeere ge— hörten, oder von einer ſolchen entſprungen ſeien. Wir fanden ſie nicht anders als ſonſtwo auch, und die öffentliche Sicherheit läßt eben nichts zu wünſchen übrig. Früher allerdings hat ſich hier mancherlei Raubzeug herumgetrieben, der Juſtiz nur ſchwer er- reichbar, denn als Europäer ſtanden ſie nur unter der Gerichtsbarkeit ihrer Konſuln, und Angehörige von Nationen, die durch keinen Konſul vertreten wurden, waren überhaupt unangreifbar. Das be— nutzten in den ſiebziger Jahren beſonders eine Anzahl edler Hellenen, die eine förmliche Räuberbande bil— deten und die ganze Gegend terroriſierten, bis end— lich die griechiſche Regierung ſich bewegen ließ, wieder einen Konſul in Tunis zu ernennen. Die tuniſiſche Regierung ſandte damals eine eigene Geſandtſchaft nach Athen, um ihren Dank abzuſtatten und Orden zu verteilen, und Seine Majeſtät der König von Hellas ſoll ein einigermaßen verwundertes Geſicht ge— macht haben, als der Geſandte von Tunis ſeine Dank— rede mit den Worten begann: „Seit Ihrer Majeftat Konſul das Land betreten hat, haben wir keine Spitz— buben mehr.“ Aber auch wo Konſuln vorhanden waren, drückten dieſe oft lieber beide Augen zu, ehe ſie ſich zur Einleitung einer umſtändlichen und lang— wierigen Kriminalunterſuchung entſchloſſen, und ſo iſt es kein Wunder, daß die Moral der hier ſchon länger wohnenden Europäer eine etwas laxe iſt und man, wenn man ſich nach jemand erkundigt, gar manchmal die Antwort erhält: „Er iſt nach hieſigen Begriffen ein ehrlicher Mann.“ Nach dem Einrücken der Franzoſen hat ſich der Zuſtand zunächſt nicht ſonderlich gebeſſert, das Land wurde geradezu über— ſchwemmt von Glücksjägern, die in Algier ihre Rech— nung nicht gefunden, und die Geſchäftsverhältniſſe ſind darum noch recht unerquicklich und erfordern große Vorſicht und genaue Lokalkenntnis. Doch hat ſich in der letzten Zeit ſchon viel gebeſſert, und die Aufhebung der Konſulargerichtsbarkeit und Einfüh— rung franzöſiſcher Gerichtshöfe, denen bei Civilſtreitig— keiten mit Eingeborenen auch dieſe unterworfen werden — ſie ſind mit dem 1. Juni vorigen Jahres in Wirkſamkeit getreten — wird dazu beitragen, die Zuſtände in Tuniſien bald den algeriſchen gleich zu machen. Alt⸗Goletta liegt zu beiden Seiten des Kanals, den die Italiener Gola, die Türken Boghaz, die Araber Half ef Ued nennen; man hat es oft mit Venedig verglichen, aber außer dem Kanal hat es mit der Königin der Adria auch nicht die geringſte Aehnlichkeit. Dieſer ſelbſt läuft ziemlich genau von Oſten nach Weſten; ſüdlich liegt das Militärquartier, nördlich das eigentliche Goletta, das ſich auf der Landzunge, welche zu den Hügeln von Karthago führt, von Tag zu Tag weiter ausdehnt. Die einſt wertloſe Sandfläche hat ſich ein tuniſiſcher General früher einmal ſchenken laſſen, er läßt ſich die Bau— plätze jetzt ſehr teuer bezahlen und verpachtet ſie meiſtens nur gegen eine bedeutende Rente, was ſeiner Familie für alle Zeiten ein fürſtliches Einkommen ſichert, denn eine Ablöſung iſt nur in den erſten drei Jahren geſtattet. Wie wenig die meiſten Leute hier noch zu rechnen verſtehen, mag der Umſtand 22 Humboldt. — Januar 1885. beweiſen, daß faſt niemand, ſelbſt notoriſch reiche Juden nicht, von dem Ablöſungsrecht Gebrauch ge— macht hat. : Goletta wird immermehr das faſhionable See- bad der europäiſchen Kolonie in Tunis, während die Mauren ſich mehr nach la Marſa ziehen, wo der Bey wohnt. Doch begnügen ſich die meiſten damit, täglich mit der Bahn hinauszufahren, da die Woh— nungen in Goletta ſehr teuer und nicht ſonderlich komfortabel ſind. Den ganzen Strand entlang ziehen ſich Badeanſtalten, unter denen la Rotonde wenig— {tend in den Reſtaurationspreiſen den feinſten euro- päiſchen Seebädern nicht nachſteht. Eine ſehr eigen— tümliche Erſcheinung wird aber am Strande in dieſem Jahre beobachtet, ein Vordringen des Meeres und eine Senkung des Grundes, ſo rapid, daß ich in einem Zwiſchenraum von höchſtens vier Wochen ein Zunehmen der Waſſertiefe um mindeſtens einen halben Fuß konſtatieren konnte. Die Senkung iſt auf einen Raum von vielleicht einigen hundert Schritt Breite beſchränkt; weder am Eingang des Kanals, wo ſie ſehr erwünſcht wäre, noch an dem pracht— vollen Kheireddinſchen Garten bemerkt man die ge— ringſte Veränderung, aber an den Badeanſtalten wird das Waſſer raſch tiefer und die Entfernung zwiſchen dem Meeresſpiegel und der Plattform nimmt in dem— ſelben Maße ab; auch an den benachbarten Haufern zeigen ſich Sprünge und der Weg dem Strande ent— lang iſt völlig unterbrochen. Dabei iſt das Merk— würdige, daß kein Pfahl des Badeetabliſſements aus dem Winkel gekommen iſt, die Senkung alſo ganz gleichmäßig erfolgt. Dieſe Erſcheinung einer lokal beſchränkten raſchen Senkung ohne Störung der hori— zontalen Lage ſcheint mir von großer Wichtigkeit und fordert zu großer Vorſicht auf bei Beobachtungen, aus denen man auf eine ſäkulare Hebung und Senkung zu ſchließen pflegt; ich habe meine Freunde in la Goletta darauf aufmerkſam gemacht und hoffe von Zeit zu Zeit Nachricht darüber zu erhalten). Eine Senkung von 3 bis 4 würde hinreichen, dem See von Tunis einen zweiten oder richtiger einen dritten Eingang zu ſchaffen, denn ein zweiter, von Fiſcherbooten viel benutzter und durch eine Brücke überſpannter findet ſich ſüdlich der Stadt auf dem Wege nach Rades. Gerade dieſer, den Fremden kaum bekannte Eingang würde eine große Rolle ſpielen, wenn man Ernſt mit dem Projekt machte, den Hafen, deſſen Anlage für Tuniſien eine unbedingte Notwendigkeit iſt, nach Tunis und nicht nach la Goulette zu legen. Gegenwärtig findet über dieſes Projekt ein er⸗ bitterter Streit ſtatt. Der Regierung liegen zwei völlig ausgearbeitete Pläne vor. Der eine will aus der Reede von Goletta durch mächtige Dämme einen Hafen ſchaffen, wie man in Oran, Algier und Bona ) Ich bemerke bei dieſer Gelegenheit, daß man in Bone von dem Verſinken eines ganzen Berges, des Dſchebel Naiba, wovon die Nachricht neuerdings durch die deutſchen Zeitungen lief, nicht das geringſte wußte und das Ganze für eine Ente erklärte. gethan, und dieſem Plane ſtehen durchaus keine be- ſonderen Schwierigkeiten entgegen; das benötigte Material könnte vom Bu Kornein ſehr bequem herübergeſchafft werden, aber die mächtige Eiſenbahn⸗ Compagnie Bone-Guelma, welche ſich durch den Einfluß des früheren franzöſiſchen Generalkonſuls Rouſtan das Monopol aller tuniſiſchen Bahnen ver⸗ ſchafft hat, ſetzt alle Hebel gegen das Goletta-Projekt in Bewegung, weil ſie keine Verbindung mit Goletta hat und ſich auch keine Bahnverbindung dorthin ſchaffen kann. Es iſt das eine ſchnurrige Geſchichte, eine Folge der Eiferſucht zwiſchen Frankreich und Italien. Die Bahn zwiſchen Goletta und Tunis wurde ſeiner Zeit von einer engliſchen Geſellſchaft, der Tunisian Railway Company, erbaut und koſtete 40000 Pfund St., gab aber infolge erbärmlicher Verwaltung nur ſehr ſchlechte Reſultate, und die Eigentümer waren gern bereit, ſie mit Schaden zu veräußern. Als die Bahn von Duvivier herüber angefangen wurde, fanden ſich Lieb— haber; einerſeits die Compagnie Bone-Guelma, anderer- ſeits der alte Rubattino, der damals den Dampfer⸗ verkehr von Tunis ganz in Händen hatte und ſich natürlich die Verbindung mit Tunis nicht erſchweren laſſen wollte. Die Franzoſen blieben anfangs Sieger und erſtanden die Bahn für 105 000 Pfund St., aber Rubattino veranlaßte durch ein Nachgebot einen Aktionär, die Sache in London vor die Chancery Division of the High Court zu bringen — to throw, into the Chancery, wie die Engländer ſagen —, und der Gerichtshof annullierte den Vertrag und beraumte eine öffentliche Verſteigerung an. In dieſer blieb Rubattino, der ganz Italien hinter ſich hatte, Meiſt— bietender mit 165 000 Pfund St., einſchließlich der not- wendigen Verbeſſerungen und Anſchaffungen koſtet ihn die Bahn ſomit gegen 180 000 Pfund St., gewiß ein ſchöner Preis für eine inkluſive aller Neben— geleiſe 40 km lange Bahn, die nicht die kleinſte Kunſtbaute nötig gemacht hat. Rubattino iſt durch eine Zinsgarantie von 6%ñ bis zum Betrag von 180 000 Franken ſeitens der italieniſchen Regierung ge— deckt, zum Glück, denn an eine Rentabilität aus dem Betrieb iſt nicht zu denken; aber in der Konzeſſion iſt die Verpflichtung enthalten, daß innerhalb 99 Jah⸗ ren keine Konkurrenzlinie angelegt werden darf, und ſomit iſt die franzöſiſche Linie vom Meere abgeſperrt. Dagegen iſt rechtlich nichts zu machen und deshalb drängt die Eiſenbahngeſellſchaft darauf, den Hafen vor Tunis anzulegen und dazu einen Kanal durch die ganze Bahira zu graben. — Gegen dieſes Projekt legt nun die Bevölkerung von Tunis energiſch Ver— wahrung ein, weil ſie die Miasmen des auszubag— gernden Schlammes fürchtet, und ſo bleibt die An— gelegenheit immer noch in der Schwebe und man begnügt ſich mit einigen unbedeutenden Baggerarbeiten am Eingang des Kanals von Goletta. Goletta an und für ſich bietet dem Fremden keine Sehenswürdigkeiten und wird darum nur ſelten zu längerem Aufenthalt benutzt. Nur als Ausgangs— punkt für die Beſichtigung der Ruinen von Karthago liegt es bequemer als Tunis, doch kann man auch Humboldt. — Januar 1885. 23 dieſe mit der Eiſenbahn von Tunis aus leicht in einer halben Stunde erreichen. Nur der dicht am Strande liegende Palaſt des früher allmächtigen Miniſters Kheireddin, verdient einen Beſuch, iſt aber gegenwärtig, wo er noch als Spital dient, nur mit beſonderer Erlaubnis zugänglich. Wir hatten zufällig Gelegenheit, ihn zu beſuchen. Durch die Ver- mietung an die Franzoſen iſt er der Gefahr ent— gangen, nach dem Sturz ſeines Erbauers dem Ruin anheimzufallen. Es iſt ein Prachtbau im italieniſchen Stil, nach dem Meere hin mit einer doppelten Loggia, von denen die obere mit Glasfenſtern geſchützt iſt, innen alles aus Marmor, das Ganze wie gemacht zu einem Winterkurort für Bruſtleidende und viel— leicht noch mehr für ſolche, deren Nerven durch Ueberanſtrengung angegriffen ſind. Von den Loggien aus hat man einen wunderbaren Blick über das blaue Meer und die Hügel, auf denen einſt Karthago lag, und gegenüber ſtrecken ſich die Berge der Halb— inſel Dak'hela bis zum Kap Bon, das neben Zembras) als Inſel erſcheint, ein Landſchaftsbild, wie man es ſelbſt in Italien nicht ſchöner findet. Nach der Landſeite zu iſt der Palaſt völlig maskiert durch einen Park, der ſeinesgleichen in Tunis nicht hat und überall die Hand eines tüchtigen Landſchafts— gärtners verrät; er iſt von einem Elſäſſer Namens Weber angelegt, der leider vor einigen Jahren ge— ſtorben iſt; dank einer Waſſerleitung, die Waſſer von Zaghuan, das ja auch Goletta verſorgt, in überreichem Maße in den Garten führt und die Bewäſſerung jedes einzelnen Baumes geſtattet, iſt es möglich ge— weſen, mitten im Dünenſand in kaum zwanzig Jah— ren dieſe wunderbare Anlage zu ſchaffen, gewiß ein ſprechender Beweis für die zauberhafte Macht des Waſſers in dieſen Ländern. Der Garten wird übrigens binnen kürzeſter Friſt von der franzöſiſchen Spital— verwaltung geräumt werden, da dieſe in ein neues ausgedehntes Gebäude, ebenfalls dicht am Meer, aber weiter nach Karthago hin, überfiedeln wird, und die franzöſiſche Geſellſchaft, die Kheireddins ſämtliche Liegenſchaften erworben hat, würde gern bereit ſein, den Palaſt, der mehrere Millionen gekoſtet hat, für 300 000 Franken abzugeben. Das Straßenleben in Goletta bietet für gewöhn— Samstag das Straßenleben zu einem äußerſt bunten und mannigfaltigen machen. In ihren knapp anlie— genden Hoſen, den bunten Seidenbluſen, welche die Beine bis zur Mitte des Oberſchenkels zeigen, und den goldgeſtickten, ſpitzen Kappen ſtehen ſie dann an den Straßenecken oder ſitzen am Meeresſtrand, den Klängen der Muſik lauſchend, die auf der neuange— legten Piazza oder auf der Rotunde ſpielt. Der Fremde muß bei ihrem Anblick unwillkürlich an Kunſtreiterinnen oder Seiltänzerinnen denken, die wir in Europa allein in einem ähnlichen Koſtüm zu ſehen gewöhnt ſind. Zum Glück ſind ſie meiſtens ſchöner anzuſehen, als ihre Glaubensgenoſſinnen in Algerien, und die jüngeren ſehen nicht übel, Kinder von 12 bis 14 Jahren ſogar ganz reizend aus, aber es iſt immer eine harte Probe, wenn man eine alte dicke Dame in dieſem Koſtüm dahinwatſcheln ſieht und doch — nicht lachen darf. Die Goletta umgebende Ebene iſt fruchtbar und jetzt auch ziemlich gut angebaut; Getreide gedeiht hier ohne weitere Bewäſſerung, wenn nicht gerade einmal die Winterregen ausbleiben; für die Gemüſe— kultur dagegen iſt, wie überall in der Orangenregion der Mittelmeerländer, künſtliche Berieſelung nötig. Man ſieht hier nicht die ſonſt gebräuchlichen Norias Spaniens (oder, wie ſie in Aegypten heißen, Sakie), ſondern eine viel primitivere, aber nicht unpraktiſche Anſtalt, die unſere Abbildung darſtellt. Am Rande des Brunnens erhebt ſich ein Geſtell aus drei Baum— ſtämmen oder auch aus Mauerwerk und trägt oben zwei oder drei Rollen von ziemlich ſtarkem Durch— meſſer, unten entſprechende Walzen von geringerem Durchmeſſer. Ueber die Rolle läuft das Zugſeil, an welchem der Waſſerſchlauch befeſtigt wird, ein halbkugeliger Ledereimer, der unten in ein Rohr aus Segeltuch oder Leder ausgeht; an dieſes Rohr iſt ebenfalls eine Leine befeſtigt, welche über die Walze läuft und ſich mit dem Zugſeil verbindet. Zieht nun das Ochſenpaar, mit welchem ein ſolcher Ziehbrunnen gewöhnlich betrieben wird und welches vor demſelben im Schatten eines Dorfes ſich bewegt, lich wenig Fremdartiges; das arabiſche Element tritt ganz zurück und es kann nichts Falſcheres geben als das Bild in der „Gartenlaube“ dieſes Jahres, das als „Am Hafen von Goletta“ Araber und Kabylen mit Kamelen zur Darſtellung brachte. Richtig iſt auf dieſem Bild nur das Koſtüm der im Vordergrund ſtehenden Jüdin, und die Jüdinnen ſind es, die am ) Dieſe Inſel, das Corſura der Alten, führt auf den Karten die verſchiedenſten Namen: Zembra, Zembrone, Kamela, Karmela; bei Kiepert heißt ſie el Djamur. Sie ijt, wie der Bu Kornein und der R'ſas, ein Kalkberg mit Bleigängen. an, ſo hebt ſich der gefüllte Schlauch, und zwar raſcher als das über die Walze laufende Ausfluß— rohr, und ſobald er eine gewiſſe Höhe erreicht hat, fließt ſein Waſſer von ſelbſt durch das Rohr ins Reſervoir. Das Zugvieh iſt ſo gewöhnt, daß es zurückgeht, ſobald es das Rauſchen des Waſſers vernimmt, und ſo genügt ein Kind, das ſie an— treibt, zum Bedienen des Apparats. Aehnliche Ein— richtungen ſind auch in Griechenland im Gebrauch, noch primitivere, aber auf demſelben Prineip be— ruhende beſchreibt Sachau aus Meſopotamien; ſie liefern natürlich weniger Waſſer, als die Norias, ſind aber in der Anlage viel einfacher und billiger. Die Tuniſer haben, ſoviel ich erfahren konnte, keinen eigenen Namen für ſie, ſondern nennen ſie Bir, Brunnen. 24 Humboldt. — Januar 1885. Glaube und Aberglaube in der Witterungsfunde*). Eine hiſtoriſche Skizze. Von Dr. J. van Bebber, Abteilungs- Vorſtand der deutſchen Seewarte in Hamburg. . außerordentliche Einfluß der Witterungserſchei⸗ nungen auf die materiellen und geiſtigen Inter— eſſen der Menſchen, die merkwürdigen und ſcheinbar launenhaften Umwandlungen derſelben, welche ſich bald langſam und ſucceſive, bald im großartigen Kampfe der Elemente, unter dem Toben des alles vor ſich niederſchmetternden Sturmes oder unter dem Rollen des Donners und Zucken der Blitze vollziehen, bald freundlich, bald feindlich den menſchlichen Bedürfniſſen, mußten ſchon frühzeitig die Aufmerkſamkeit und Be⸗ wunderung der Menſchen erregen und das Beſtreben wachrufen, den Schleier, welcher das Getriebe der atmoſphäriſchen Vorgänge geheimnisvoll verhüllt, zu lüften. Daher reicht die Geſchichte der Witterungs⸗ kunde in die Urzeit zurück. Auf ſie ſind die Uranfänge der ganzen phyſikaliſchen Wiſſenſchaft zurückzuführen, indem der Menſch in den Witte- rungsphänomen zuerſt phyſikaliſche Erſcheinungen be- achtete und zum Gegenſtande ſeines Nachdenkens machte. Und doch, ſo alt auch die Witterungskunde iſt und fo ſehr auch aller menſchliche Scharfſinn an⸗ | geſtrengt worden iſt, eine genügende Erklärung des Zuſammenhanges der Witterungserſcheinungen ſich zu verſchaffen, ſo dürfte es doch kaum einen Zweig der Naturwiſſenſchaften geben, in welchem ſo viel Dunkel— heit und Irrtum geherrſcht haben und noch herrſchen, wie in der Meteorologie. Bis noch vor etwa zwei Jahrhunderten entbehrte die Meteorologie der zur exakten Forſchung notwendigen Hilfsmittel, nämlich der Meßapparate für Luftdruck und Wärme, und erſt ſpät konnte man daran gehen, feſte und wiſſenſchaft— liche Zielpunkte für die Forſchung feſtzulegen. Aber der Boden, auf welchem ſich jetzt die ernſte Wiſſen⸗ ſchaft entwickeln ſollte, war hierzu wenig vorbereitet, ſondern mit Unkraut aller Art überwuchert, welches durch die Länge der Zeit faſt unvertilgbare Wurzeln geworfen hatte, ſo daß der Samen richtiger Forſchung nur ſehr kärglich aufkeimen konnte. Denn teils ſuchte man die Urſachen der Witterungserſcheinungen außer- halb der Erde als in einer Zauberwelt, deren Sym: | ptome ſich in unſerem Erdenleben bemerkbar machen ſollten, teils verzweifelte man überhaupt daran, Ge⸗ ſetze aufzufinden, wodurch der Gang der Witterung geregelt werde. Während daher die übrigen Wiſſen— über dieſen Gegenſtand von demſelben Verfaſſer. ) Aus dem größeren demnächſt erſcheinenden Werke ſchaften faſt alle Hand in Hand mit der fortſchreiten⸗ den Kultur ſich weiter entwickelten und ſich nach und nach in feſte Syſteme einfügten, blieb die Meteoro⸗ logie jahrtauſendelang in der erſten Kindheit, und erſt der allerneueſten Zeit war es vorbehalten, die ſcheinbar zur ewigen Unfruchtbarkeit Verurteilte wieder zu beleben und empfänglich zu machen und ihr eine den übrigen Wiſſenſchaften ebenbürtige Stellung zu verſchaffen. Indeſſen werden wir über den langſamen Ent⸗ wickelungsgang der Witterungskunde nicht ſo ſehr mehr erſtaunt ſein, wenn wir bedenken, daß die Witterungsphänomene außerordentlich komplizierter Art ſind, indem zu ihrem Zuſtandekommen viele Elemente in Wechſelwirkung treten und dazu noch in Regionen, die unſerer Beobachtung nicht, oder doch ſehr ſchwer zugänglich ſind; ferner, daß die Methoden, wodurch die Experimentalphyſik ſo viele und großartige Er— folge erzielte, in der Meteorologie faſt durchweg nicht anwendbar ſind, und endlich, daß die Urſachen, welche die Witterungsänderungen bedingen, nicht auf be- ſchränktem Gebiete zu ſuchen ſind, ſondern einen außerordentlich großen Wirkungskreis haben. War es bei den ſcheinbar unüberwindlichen Schwie— rigkeiten, welche fic) der Forſchung der atmoſphäri— ſchen Erſcheinungen entgegenſtellten, ganz natürlich, daß die Kenntniſſe in der Witterungskunde nur einen langſamen Fortgang zeigen konnten, fo trugen noch andere Umſtände dazu bei, die Entwickelung dieſer Wiſſenſchaft zu verzögern, ja ſie oft für längere Zeit ganz brach zu legen. Vor allem aber war es das unſelige Problem, die Vorherbeſtimmung des Wetters, welches früher der Entwickelung der Meteorologie ſo verhängnisvoll entgegentrat und ihr in den Augen beſonnener Männer fo ſehr an Würde ſchädigte. Ob- wohl dieſes Problem ſchon vom graueſten Altertum her allen Angriffen getrotzt hatte, ſo gab es doch zu allen Zeiten viele, welche durch die verlockende Aus— ſicht auf hohen Ruhm, mehr noch auf materiellen Gewinn, verleitet wurden, den ſichereren empiriſchen Boden zu verlaſſen, um mit einemmal die Schranken zu überſpringen, welche nur langſam der mühevollen Arbeit weichen. Insbeſondere lag der Gedanke nahe, die Witterungserſcheinungen, deren periodiſcher Ver⸗ lauf innerhalb des Jahres ſo ſehr hervorſtach, durch Analogieſchlüſſe von dem unzweifelhaften Einfluſſe der Sonne auch auf die übrigen Weltkörper zu über— Humboldt. — Januar 1885. 25 tragen. Wurde in erſter Linie die Sonne als die Urſache der jährlichen Periode angeſehen, ſo mußten alle diejenigen Witterungserſcheinungen, insbeſondere die unperiodiſchen, ungewöhnlichen, die man aus ihren Bewegungen nicht abzuleiten vermochte, naturgemäß dem Einfluſſe der übrigen Geſtirne zugeſchrieben werden. Vorzüglich mußte der Mond, der ja in ſeinen wechſelnden Geſtalten den launenhaften Charakter des Wetters gewiſſermaßen ſymboliſierte, die Rolle eines Wettermachers übernehmen. Und wie leicht läßt ſich nicht aus ſeinen verſchiedenen Phaſen und Stellungen ein Syſtem von Wetterprophezeiungen zuſammen— ſtellen und ſo einrichten, daß dasſelbe allen mög— lichen Anforderungen entſpricht, wenn man die Sache nur nicht zu ſkrupulös nimmt. Dieſer uralte Aber— glaube, welchen die Schriftſteller des Altertums in Poeſie und Proſa der Nachwelt überliefert haben, dauerte durch Altertum und Mittelalter hinaus, bis in die helle Zeit unſeres Jahrhunderts fort und die Wetterregeln des hundertjährigen Kalenders, ſowie alle übrigen auf den Einfluß des Mondes und der anderen Himmelskörper aufgeſtellten Wettervorher— ſagungen ſind bleibende Monumente einer naiven Naturanſchauung, die nicht der Erfahrung, ſondern einer grillenhaften Willkür entſpringt. Waren auch mit der Erfindung des Baro- und Thermometers und der Einführung dieſer Inſtru— mente in die Wiſſenſchaft die Bedingungen zu er— folgreichem Forſchen gegeben, ſo wirkte doch immer noch ein Umſtand dem raſchen Aufblühen der Witte— rungskunde ſehr hemmend entgegen. Die Hoffnungen, welche man an den Erfolg der Meßinſtrumente in der Meteorologie knüpfte, hatten bald eine große An— zahl Beobachtungen in den verſchiedenen Ländern hervorgerufen; allein dieſe Beobachtungen mit mangel— haften, nicht, oder ungenügend verglichenen Inſtru— menten, nach meiſt willkürlicher Methode angeſtellt und der feſten Zielpunkte entbehrend, waren mitein— ander nicht vergleichbar und daher wenig geeignet, gerade in der letzten Zeit die Meteorologie außer— ordentlich große Fortſchritte gemacht hat, ſo daß wir jetzt zu der Hoffnung berechtigt ſind, daß nach und nach das langerſehnte Ziel, eine hinreichend ſichere Vorausbeſtimmung des Wetters auf kürzere oder längere Zeit voraus, erreicht werden wird. Die Meinungen über die den Witterungserſchei— nungen zu Grunde liegenden Urſachen können in zwei Gruppen geſchieden werden, je nachdem man annimmt, daß das Wetter durch übernatürliche Kräfte und höhere Weſen willkürlich geregelt werde oder daß dasſelbe, wie alle übrigen Naturerſcheinungen, ewigen unwandelbaren Geſetzen unterworfen iſt, deren ungeſtörter Ablauf ebenſo im voraus erkenn— bar iſt, als die einfacheren Erſcheinungen, beiſpiels— weiſe in der Bewegung der Himmelskörper, die ſich auf Jahrtauſende vorausſagen laſſen. In beiden Fällen kann die Anſicht beſtehen bleiben, daß die Witterungserſcheinungen einer weltregierenden Vor— ſicht entfließen, nur mit dem Unterſchiede, daß im erſteren Falle die Wetteränderungen durch jedesmalige neue willkürliche Entſchließungsakte hervorgerufen werden, im letzteren die Aufeinanderfolge der Witte— rungserſcheinungen von vornherein ganz beſtimmten Geſetzen unterworfen, und der Ablauf derſelben nach ewigem Plane geregelt iſt, ſo daß alſo die Gott— heit als Naturgeſetz, als die unabänderliche % das Univerſum durchdringt. Es kann hier der Ort nicht ſein, zu unterſuchen, welche von dieſen Anſchauungen die richtige iſt; dieſes läßt ſich auch mit abſoluter Gewißheit nicht beſtimmen; nur ſoviel ſteht feſt, daß die erſtere in dem Maße weichen wird, je mehr Ein— ſicht in den Mechanismus der Witterungserſcheinungen der menſchliche Geiſt durch fortgeſetztes Studium ſich verſchaffen wird und dann, daß jede Wiſſenſchaft, Geſetze für die atmoſphäriſchen Erſcheinungen abzu- leiten. „Der meteorologiſchen Armee,“ bemerkt de Taſtes, „haben nicht die Soldaten, ſondern die Anführer ge— fehlt, nicht die Anzahl hat gemangelt, ſondern die Organiſation. Der Eifer der Truppen bedurfte nur eines wiſſenſchaftlichen Anführers und eines tüchtigen Generalſtabes. Die Elemente dazu waren in ge— nügendem Maßſtabe vorhanden, aber erſt der neue— ſten Zeit war es beſchieden, dieſelben mit einheitlichem Bande zu vereinigen.“ Jeder, welcher ſich mit Meteorologie nur etwas eingehend beſchäftigt hat, weiß nur zu gut, daß unſere Kenntniſſe über den Zuſammenhang der atmoſphäri— ſchen Vorgänge noch ſehr lückenhaft ſind, und daß es noch langer und angeſtrengter Arbeit bedarf, all— gemein gültige Geſetze für die Hauptwitterungsphä— nomene aufzuſtellen, ſo daß die eine Wetterlage aus der vorhergehenden urſächlich abgeleitet werden kann; aber nichtsdeſtoweniger muß anerkannt werden, daß Humboldt 1885. welche fortſchreiten will, notwendig unabänderliche Geſetze annehmen und jede Willkür ausſchließen muß. Die früheſte Geſchichte der verſchiedenen Völker kann zuſammenhängende naturwiſſenſchaftliche Kennt— niſſe, trotz der mannigfachen ſagenhaften Ueberliefe— rungen, nicht aufweiſen, ebenſowenig als diejenigen Völker, welche noch jetzt auf der niedrigſten Kultur— ſtufe ſtehen, Kenntniſſe über die Urſachen der ſie von jeher umgebenden Naturerſcheinungen haben. Erſt als die Bedürfniſſe der Menſchen ſich mehrten, als die Völker von dem Nomadentum dem Ackerbau ſich zuwandten und auf feſte Wohnſitze angewieſen waren, als die Menſchen, auf immer engeren Raum beſchränkt, größere und vielſeitigere Bedürfniſſe fühlten und die Befriedigung derſelben immer ſchwieriger wurde, da mußten die Kräfte des Körpers und des Geiſtes immer mehr angeſtrengt werden, der Menſch mußte aufmerkſam werden auf das Walten der ihm nütz— lichen und ſchädlichen Naturerſcheinungen und ſie zum Gegenſtand ſeines Nachdenkens machen. So konnte es nicht fehlen, daß er über gewiſſe Naturerſcheinungen, welche mit ſeinen Bedürfniſſen in nahem Zuſammen— hange ſtanden, oder ihm beſonders auffallend erſchienen, beſondere Erfahrungen machte, welche er mit der Zeit immer mehr bereicherte und gewiſſermaßen einem 4 26 Humboldt. — Januar 1885. Syſteme einordnete. Auf dieſem Boden der Crfah- rung wäre die Witterungskunde langſam aber un⸗ unterbrochen und ſicher fortgeſchritten, allein ſchon frühzeitig, noch ehe die Keime richtiger Naturanſchau⸗ ungen aufgegangen waren, trat eine andere in der menſchlichen Natur tiefbegründete Richtung auf, welche durch Jahrtauſende hindurch ſich breit machte und den Gang der Wiſſenſchaften hemmte. Unvermögend, bei den ihn umgebenden Natur— erſcheinungen Urſache und Wirkung klar zu erfaſſen, und gewohnt, die Aenderungen in der Körperwelt nur lebenden Weſen zuzuſchreiben, gelangte der Menſch im rohen Naturzuſtande zu dem Glauben, daß tiber- natürliche Kräfte, höhere Geiſter unmittelbar die Witterungserſcheinungen hervorbrächten. Bei dieſem Glauben verließ der Menſch den ſicheren Boden der Erfahrung und indem er ſich ſo dem zügelloſen Spiele ſeiner Phantaſie hingab, war ein Fortſchritt un- denkbar. Bei allen Völkern des Altertums treffen wir dieſen Glauben an. Wenden wir uns zunächſt zu dem auserwählten Volk, den Israeliten, nach deren geläuterten Religionsanſichten Jehovah über aller Not⸗ unbeſchränkter Machtvollkommenheit die Witterungs- erſcheinungen lenkt und regiert. Dieſer Macht be— diente er ſich, um auf die Menſchen je nach ihrem ſittlichen Zuſtande bald erquickenden Regen, bald ver— ſengende Sonnenglut, bald Segen und Fruchtbarkeit, bald die Strafgerichte der empörten Elemente herab— zuſchicken. Als Jehovah ſeinem Volke die Gebote gab, ſetzte er hinzu: „Wenn ihr in meinen Satzungen wandelt, und meine Gebote haltet, ſo will ich euch Regen geben zu ſeiner Zeit, das Land ſoll ſein Gewächs bringen und die Bäume ſollen voll Früchte ſein.“ Aber gleich darauf drohte er nicht allein mit Nicht— erfüllung ſeiner Verheißungen, ſondern mit Regen— loſigkeit und Unfruchtbarkeit, wenn ſeine Gebote nicht erfüllt würden: „Wenn ihr mir nicht gehorchet, will ich um eurer Sünden willen eure Strafen ſiebenfach vermehren und den Stolz eurer Hartnäckigkeit brechen. Ich will euch einen Himmel geben wie Eiſen und eine Erde wie Erz, vergeblich werdet ihr eure Arbeit anwenden, die Erde wird euch kein Gewächs hervor— bringen und die Bäume werden keine Früchte tragen.“ Dieſe Drohungen Jehovahs wurden zwar ſelten, aber dennoch ausgeführt, wie wir in der Bibel an vielen Stellen leſen können. Alle Naturkräfte hat Jehovah in ſeiner Gewalt: „Alles, was er will, macht der Herr im Himmel, auf Erden und in allen Tiefen, Feuer, Hagel, Schnee, Sturmwind richten ſein Wort aus, durch ſeinen Befehl läßt er den Schnee herbei— eilen und beſchleunigt die Sendung ſeiner rächenden Blitze. In ſeiner Kraft macht er die Wolken, daß Hagelſteine hervorbrechen, vor ſeinem Angeſichte beben die Berge und nach ſeinem Willen wehet der Süd- wind, die Stimme ſeines Donners erſchüttert die Erde, des Nordwindes Wetter und der Wirbelwind.“ Auch im Neuen Bunde nehmen die Naturkräfte | willig die Befehle Gottes an. Ein Stern zeigt den Weiſen des Morgenlandes nach der niedrigen Hütte, wo der Erlöſer geboren, und als dieſer mit Hölle, Sünde und Tod am Kreuze ringt und ſeine Seele aushaucht, da zieht zum Schauſpiel der ganzen Welt die Sonne ihre Strahlen zurück, die Erde bebt, Felſen ſpalten ſich, Tote ſtehen wieder auf. Auf ein Wort Chriſti ſchweigt der heulende Sturm, die tobenden Meereswellen legen ſich, über die Waſſerfluten wan— delt er dahin. Von den älteſten Zeiten des Chriſtentums bis zur Jetztzeit wird in der Kirche der Glaube feft- gehalten, daß die Naturerſcheinungen durch göttliche Vorſehung geleitet werden, ihr natürlicher Verlauf von dieſer nach Willkür abgeändert werden kann. Daher wurden von alters her von der Kirche Ge— bete und Bittgänge um günſtige Witterung, geſegnete Ernten 2c. angeordnet und dabei namentlich die Für⸗ ſprache der Heiligen angerufen. Daß die Wahl dieſer Heiligen nicht gleichgültig ſei, dafür ſpricht die Er⸗ zählung, daß in der Gegend der Riviera di Ponente die benachbarten Kirchenſpiele ſich darüber ſtritten, ob die eigentlich importierte Madonna von Lampeduſa in wendigkeit der Naturgeſetze erhaben erſcheint, der mit Bezug auf Fürbitte und Regen zuverläſſiger fet, als die Madonna de la Guardia oder nicht. Zu zeigen, wie es thut, wenn eine Bitte nicht gewährt wurde, ſollen die Bewohner des ſüdlichen Italiens ihre läſſi⸗ gen Heiligen, glücklicherweiſe nur in effigie, tagelang dem Regen oder der Sonnenhitze ausgeſetzt haben). Wie das auserwählte Volk, ſo übertrugen auch die heidniſchen Völker in ihrer urſprünglichen Natur⸗ auffaſſung die Sorge um die Witterungserſcheinungen den Göttern. Bei den Griechen war der oberſte der Götter auch der oberſte Beherrſcher des ganzen Uni— verſums mit allen ſeinen Naturkräften. Das Werk⸗ zeug ſeiner die ganze Welt beherrſchenden Macht iſt der Blitz. Wenn Zeus den Blitz mit der Rechten ſchleudert und mit der Linken die Aegis ſchüttelt, dann verbreitet er Furcht und Entſetzen unter den Sterblichen. Auf den Bergesſpitzen, insbeſondere auf dem Gipfel der lyceiſchen Berge, ſammelt Zeus die Feuchtigkeit der Luft, ballt ſie zur Wolke und läßt dieſe auf das Flehen der opfernden Prieſter als er⸗ quickenden Regen auf die ſchmachtenden Fluren herab- fallen. Daher wurde er von den Griechen auch der Wolkenſammler (spec Lebe) genannt. Wie rein menſchlich die Griechen ihre Götter ſich dachten, geht deutlich aus den Erzählungen des Homer hervor, wonach die Götter ſich gegenſeitig bekämpfen, ſich zu überliſten ſuchen und wonach die Geſchicke der Sterblichen von den Launen der Götter abhängen. Beiſpielsweiſe läßt Homer im 20. Geſange der Ilias Zeus die Götter in den Kampf der Troer und Archiver herabſchicken mit der Weiſung: „Beiden möget ihr helfen, wie das Herz es gebietet;“ dann erregt er unermeßliche Kriegeswut und läßt zur Be⸗ lebung der Scenerie von oben her gewaltig donnern, *) Vgl. Kopp: Einiges über Witterungsangaben. Seite 66. Humboldt. — Januar 1885. 27 während unten ſein Bruder Poſeidon die Erde er nur mit großer Mühe durch die vereinten Anſtren— ſchüttert, ſo daß ſelbſt der Schattenfürſt von ſeinem Throne bebend aufſpringt. Derſelbe Zeus war auch bei den Römern der oberſte Wettergott unter dem Namen Jupiter. Als Obergott beherrſchte er ſämtliche Witterungserſchei— nungen, insbeſondere Donner und Blitz. Von dieſer Eigenſchaft wurden ihm verſchiedene Namen beigelegt, z. B. Jupiter tonans, Fulgurator, Fulminator, Eli- eius u. ſ. w. Er auch war es, der Wolken und Regen formeln und Zauberkünſte von Gott ſelbſt erlernte, ſpendete, der aber auch den Himmel aufheiterte und Licht brachte. „Die Geſchichte hat uns viele Fälle aufbewahrt,“ erzählt Plinius, „daß die Blitze durch Opfer und Gebete abgewandt oder auch herbeigerufen werden können. Nach einer alten Sage hat man ſie ſich in Etrurien erbeten, als ein Ungeheuer, welches man Volta nannte, die Aecker verheerte und ſich ſchon Volhynien näherte. Porſenna, der König dieſes Landes, hat auch den Blitz angerufen, und ſchon vor ihm hat es Numa oft gethan, wie ſchon Piſo, ein glaub— würdiger Schriftſteller, erzählt. Tullus Hoſtilius hatte dieſen auf eine unſchickliche Weiſe nachahmen wollen, wurde aber darüber vom Blitze erſchlagen.“ Es würde zu weit führen, hier die Anſichten aller alten Kulturvölker über die Beziehung der Götter zu den Witterungserſcheinungen ausführlich zu beſprechen; ich will nur noch erwähnen, daß auch von den alten nordiſchen Völkern die Einrichtung getroffen war, daß nur dem Obergotte Thor die Macht zukam, Blitz und Donner auf die Erde zu ſchleudern. So gewaltig iſt der Eindruck der Gewittererſcheinungen auf das menſchliche Gemüt. Das furchtbare Werkzeug Thors iſt der Donnerhammer, der, geſchleudert, ſein Ziel nie verfehlte und ſtets von ſelbſt zur Hand des Gottes zurückkehrte. Neben dieſem uralten Glauben, daß die Witte— rungserſcheinungen von den Göttern willkürlich ge— leitet werden, war auch von alters her die Anſicht verbreitet, daß es gewiſſe geheimnisvolle Kräfte und Weſen gebe, wodurch gewiſſe Naturerſcheinungen her— vorgerufen werden könnten, welche von den Göttern geduldet wurden oder geduldet werden mußten. Dieſer Glaube entfloß hauptſächlich dem Dualismus der Religionen, indem wir in dieſem faſt überall den Gegenſatz von guten und böſen Geiſtern ausgeſprochen im Abendlande eine große Verbreitung und wurde gungen des Staates und der Kirche nach und nach beſchränkt. Indeſſen hatte dieſe Irrlehre doch den Erfolg, daß die Lehre vom Teufel und den böſen Geiſtern im Chriſtentum weiter entwickelt wurde und andererſeits die Heiligen und Schutzengel immer mehr zur Geltung kamen. Sowohl die Juden als die Chriſten glaubten an Zauberei, aber während z. B. Salomo ſeine Zauber— hielt man im Chriſtentum die Zauberei für ein Werk des Teufels und der böſen Geiſter, mit welchen man die heidniſchen Götter identifizierte. Als die germa— niſchen Völker zum Chriſtentum bekehrt waren, dauerte wohl noch lange Zeit der heidniſche Gottesdienſt und der Gebrauch der Zaubermittel fort. Hauptſächlich war es das ſchöne, vom Teufel leichter verführbare Geſchlecht, welches ſich mit Arzneimitteln, Wahrſagen, auch mit Wettermachen und allerhand anderen Zaube— reien beſchäftigte und ſo entſtand der Hexenglaube, welcher bis zum vorigen Jahrhundert ſich erhielt und durch die Hexenprozeſſe zu einer traurigen Berühmt— heit gelangte, welche den dumpfen Fanatismus un— wiſſender und herrſchſüchtiger Prieſter und der be— thörten Menge charakteriſiert. Sehr alt iſt der Glaube an das Wetter- und Hagelmachen, daher die Verordnungen und Geſetze der chriſtlichen Kaiſer und des kanoniſchen Rechtes gegen die Hagel- und Wettermacher; jedoch waren von Konſtantin dem Großen gewiſſe Arten von Hagel-, Wind- und Regenbannereien erlaubt. Der Glaube, welcher den bunten Wechſel der Witterungserſcheinungen in die Willkür der Götter, der guten und böſen Geiſter legte, war wenig ge— ſinden und entſpricht auch der großen Mannigfaltig- keit der wohlthätigen und ſchädlichen Naturerſchei— nungen und dem wunderbaren und wechſelvollen Kampfe der ſegenbringenden mit den zerſtörenden Naturkräften, wie auch im Menſchen ſelbſt die Nei— gung zum Beſſeren mit derjenigen zum Böſen in ſtetem Widerſtreite liegt. Deutlich ſpricht fic) dieſes in der Zentaveſta, der Lehre des Zoroaſter, aus, welcher ungefähr tauſend Jahre v. Chr. lebte. Dieſe Lehre ging mit Modifikationen auf das Judentum und dann auf das Chriſtentum über, fo daß der jüdiſch⸗chriſtliche Satan beiſpielsweiſe aus dem Ahriman entſtanden iſt. In den erſten Jahrhunderten des Chriſtentums erhielt die Lehre des Zoroaſter durch die Manichäer eignet, den Drang nach Erkenntnis, der dem Men— ſchen innewohnt, zu befriedigen und ſo zog man alle möglichen Kräfte und Einwirkungen als Urſachen der Witterungsphänomene heran und ſo entſtanden die wunderlichſten Hypotheſen. Vor allem waren es, wie ſchon erwähnt, die Erſcheinungen am Himmel, welche mit unabänderlicher Regelmäßigkeit ſich ab— ſpielten, und welche ſchon früh die Aufmerkſamkeit der Menſchen auf ſich gezogen haben müſſen. Unter den Himmelskörpern nahm die Sonne die erſte Stelle ein; ſie war für den Menſchen durch ihre gewaltige Wirkung von der hervorragendſten Bedeutung und daher war es ganz natürlich, daß man ihr die höchſte Verehrung zuwandte. In ewiger, unabänderlicher Ordnung durchwandert die Sonne jahraus, jahrein den Sternenhimmel, während gleichzeitig in den Witterungserſcheinungen eine jährliche, leicht erkenn— bare Periode ſich vollzieht, die mit dem Sonnenlaufe offenbar verknüpft iſt. Der Einfluß der Sonne auf unſere Witterungserſcheinungen lag ſo nahe, daß der— ſelbe ſofort erkannt werden mußte und dieſer Schluß mußte naturgemäß zu dem analogen führen, daß auch die übrigen Himmelskörper ebenſo Einflüſſe auf die Witterung ausübten, welche denjenigen der Sonne ähnlich waren. Es iſt unſchwer einzuſehen, daß die 28 Humboldt. — Januar 1885. Wirkungen der Sonne von der Stellung derſelben zur Erde abhängig ſind und dieſe Verhältniſſe mußten dann auch für die übrigen Himmelskörper maßgebend ſein. Aber nicht allein auf die Witterungsverhält⸗ niſſe bezog man den Einfluß der Geſtirne, ſondern auch, ja noch viel mehr auf die Geſchicke der Völker und der einzelnen Menſchen und hierdurch wurde das Verlangen noch reger gemacht, aus dem Laufe der Sterne den Schleier der Zukunft zu lüften. So glich ae der glänzende, im Altertum und Mittelalter großen be Buche, in welchem die Ge- ſchicke der Menſchen mit allen ihren Wechſelfällen und der wirre Verlauf der Naturerſcheinungen mit wunderbaren Lettern eingeſchrieben waren. Es lag in der Natur der Sache, o hoch verehrte Sternenhimmel einem daß der Menſch ſich alle ſchub leiſtete. Mühe gab, dieſe geheimnisvolle Schrift zu verſtehen und bei dieſen trügeriſchen Verſuchen wirkte alles, was ſeine Phantaſie erregte: Furcht, Hoffnung, reli⸗ giöſe Anſchauungen, alte Ueberlieferungen, ſo daß bei dieſem bunten Zauber der nüchterne Verſtand nicht aufkommen konnte. Meiſtens beruhten dieſe wahnwitzigen Ideen auf Selbſttäuſchung, welche teils aus dem Vertrauen an die Vertreter dieſer Lehre und der Verehrung der uralten Ueberlieferungen ſelbſt, teils aus der ver- lockenden Ausſicht, in das Dunkel der Zukunft ein⸗ zudringen, hervorging; aber vielfach war es auch eigennütziger Betrug, welcher der Ausübung der ge— heimen Kunſt zu Grunde lag und der Fortbeſtehung und der Verbreitung dieſes Glaubens fo großen Vor- (Schluß folgt.) Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. hy ſik. Von Prof. Dr. G. Krebs in Frankfurt a. M. TLenkbares Luftſchiff. Abſorption des Schalles durch Beſonatoren. Unterſuchungen über Radiometer. Darſtellung magnetiſcher Kurven. Sicherung vor Blitzſchlag. Schon ein Jahrhundert iſt verfloſſen, ſeit die Gebrüder Montgolfier den erſten Luftballon hergeſtellt, und doch find bis jetzt namhafte Fortſchritte, beſonders was die Sicherheit des Fahrens und die Lenkbarkeit der Ballons bei beliebiger Windſtärke betrifft, ganz abgeſehen von einer regelmäßigen Verwendung des intereſſanten Luftfahr— zeuges, nicht zu verzeichnen. Die Luft iſt eben ein zu leicht beweglicher Körper, welcher die verſchiedenartigſten Geſchwindigkeiten, fortſchreitende und drehende, annehmen kann. Erde bewegen und nur durch die ſtärkſten Stürme aus dem Geleiſe geworfen werden können; während die Dampf— ſchiffe im Waſſer fahren, welches wohl durch die Luft in Bewegung verſetzt werden kann, doch aber nicht in eine ſolche, welche der der Luft irgend gleichkommt, fahren die Ballons in dem Mittel ſelbſt, welches jeden Augenblick in den heftigſten Aufruhr geraten kann; ſie haben keinen Halt an der feſten Erde, noch an dem, Schutz gewährenden Waſſer. Wie ſollte es da möglich ſein, halbwegs regelmäßige Fahrten nach beſtimmten Richtungen und mit annähernd gleichen Geſchwindigkeiten zu reichen? Uebrigens wollen wir bemerken, daß die Weronauten neueſten Datums ziemlich beſcheiden ſind und keine Ver— ſprechungen machen, welche von vornherein als unerfüllbar bezeichnet werden könnten. Sie gehen in ihren Behauptungen nicht weiter, als daß ſie imſtande ſeien, bei hinlänglich ſchwacher Luftbewegun g mit dem Ballon nach einer er⸗ punkt zurückzukehren. Kriegszwecke. Während nun die Eiſenbahnzüge ſich auf der feſten wenn auch geringeren gegebenen Richtung zu fahren und wieder zum Ausgangs- Auch vindizieren jie dem Ballon zu— nächſt nur eine, freilich ſehr wichtige, Verwendung für Und in der That, auch ehe man in der Lenkbarkeit des Ballons nennenswerte Fortſchritte gemacht, haben die Franzoſen im Kriege mannigfaltige Vorteile durch die Luftfahrzeuge erreicht. In dem Kriege von 1870 ſind 64 Ballons aufgeſtiegen, welche ſich in dem belagerten Paris niederlaſſen wollten; davon ſind fünf den Deutſchen in die Hände und zwei ins Meer gefallen; 64 Luftſchiffer und 91 „Paſſagiere“ nebſt 365 Brieftauben und 9000 ke Depeſchen, welche 3 Millionen Schriftſtücke repräſentieren, ſind von den Ballons befördert worden; immerhin ein Er— folg, welcher hoch angeſchlagen werden muß. Bei der Frage der Lenkbarkeit des Ballons kommt vor allem die Form und das Gewicht desſelben, ſowie das Ge— wicht des Motors (nebſt Zubehör) in Betracht, welcher den Ballon fortbewegen ſoll. Daß man das Gewicht des Ballons und namentlich des Motors möglichſt klein machen muß, verſteht ſich von ſelbſt; auch die Form des Ballons, wenn es ſich um Fortbewegung durch einen Motor und nicht durch die Luft ſelbſt handelt, iſt nicht ſchwer zu finden; der Ballon muß, um die Luft leicht durchſchneiden zu können, an den Enden zugeſpitzt und überhaupt nicht zu breit fein, weil er ſonſt zu viel Widerſtand an der Luft, fände; daraus ergibt fic) ohne weiteres die „Cigarren— form“ (Fig. 1), wie ſie allgemein von den neueren Luft— ſchiffern, welche Lenkbarkeit anſtreben, adoptiert worden iſt. Humboldt. — Januar 1885. 29 Was nun den Motor angeht, ſo hat der bekannte Ingenieur Giffard ſchon vor 30 Jahren Guletzt im Jahre 1855), freilich mit unzulänglichem Erfolge, eine Dampfmaſchine benutzt, während etwas ſpäter Dupuy de Lame ſich eines durch Menſchenhand zu bewegenden eine Schwenkung und verſchiedene Evolutionen und ließen ſich ſchließlich genau auf ihrem Ausgangspunkt wieder nieder — ein Reſultat, welches von keinem der früheren Luftſchiffer erreicht worden iſt. Die 7 km legten ſie in 23 Minuten zurück. W Fig. 1. Räderwerks bediente. maßen längere Reiſen ſelbſtredend unbrauchbar und der erſtere hat ſich bis jetzt nicht von ſo geringem Gewicht herſtellen laſſen, daß eine größere Geſchwindigkeit des Ballons zu erreichen geweſen wäre. Beſſer fielen die Verſuche aus, welche die Gebrüder Tiſſandier (Gaſton & Albert) machten, indem ſie eine Dynamomaſchine benutzten; ein ſolcher Motor nebſt der zugehörigen galvaniſchen Batterie läßt ſich ſchon ſo leicht machen, daß eine hinlänglich raſche Bewegung des Ballons bei ruhiger Luft erreichbar iſt. Auf dem von den Gebrüdern Tijjandier betretenen Wege gingen nun die Kapitäne Charles Renard und Arthur Krebs weiter, indem fie ſich bemühten, möglichſte Leichtigkeit des Ballons und namentlich des elektriſchen Motors zu erreichen. Die den Motor in Bewegung ſetzende Batterie beſteht aus 32 Elementen, wahrſcheinlich Chromſäure- elemente — die Einzelheiten werden von den Aeronauten geheim gehalten. Die Dynamomaſchine überträgt auf die große Welle, an welcher ſich die Schiffsſchraube befindet, 8 Pferdekräfte. Das Steuer iſt mit beſonderer Sorg— falt konſtruiert. Der Ballon ſelbſt iſt 50% m lang, 81/2 m breit und faßt 1864 chm; er wiegt, ſamt Umhüllung und Verbindungsſeilen mit der Gondel, 496 kg; die Gondel wiegt 452, das Steuer 46, die Schraube 41, die Dynamo— maſchine 98, Geſtell und Räderwerk 47, große Welle 30, Batterie und Zubehör 435 ½, die Luftſchiffer 140, der Ballaſt 214, das Ganze 2000 kg. Die Kapitäne Renard und Krebs erhoben ſich am 9. Auguſt 1884 bei Chalais und fuhren, während der Wind eine ſehr geringe Geſchwindigkeit, etwa 1 m, hatte, auf das 3½ km entfernte Villacoublay zu, machten Der letztere Motor iſt für einiger- | Lenkbares Luftſchiff. Nachſtehende Figur 2 mag noch erläutern, in welcher Richtung der Ballon fahren muß, wenn er etwa nach dem belagerten Orte B, von einem Orte A aus, wo eine Er— ſatzarmee ſich befindet, fahren muß, wenn der Wind die Geſchwindigkeit und Richtung AC hat, während der Ballon B D 7 7 N 1 / 1 / , f „ „C 1 „ / m EN x | N A Fig. 2. Konſtruktion. in abſolut ruhiger Luft eine Geſchwindigkeit beſitzt, deren Größe durch die Länge der Linie m angegeben wird. Um die Richtung zu finden, in welcher der Ballon fahren muß, nehme man m in den Zirkel und ſchlage von C einen Bogen, welcher die Linie AB in D treffen mag; fährt man 30 Humboldt. — Januar 1885. nun von A aus in der Richtung AE, welche CD paz rallel iſt, ſo kommt man in einer Sekunde, weil der Wind den Ballon in der Richtung 40 fortführt, nicht nach E, ſondern nach D; mit anderen Worten, der Ballon fährt in der Richtung AD. Auf dieſe Art iſt es möglich, eine Stadt zu erreichen, wenn auch der Wind nicht direkt nach ihr hinweht. Ebenſo iſt es möglich, von B wieder nach A zurückzukehren. Uebrigens ſind neuerdings auch in dem Kieler Hafen von Dr. Wölfert Verſuche mit einem lenk⸗ baren Ballon gemacht worden. Eine ſehr intereſſante Entdeckung auf dem Gebiete der Akuſtik hat vor etwa 2 Jahren Profeſſor Arthur fort“). wagrecht. Die Schwingungen, welche die ſingende Flamme erz regt, übertragen ſich auf die Luft im Reſonator. Ebenſo verſtummt eine ſingende Flamme ſofort, wenn man dem oberen oder unteren Ende der Glasröhre den Refonang- faften einer Stimmgabel nähert, welche genau denſelben Ton wie die Flamme geben kann (Fig. 4). Ohne Gabel wirkt der Kaſten ſchon von größerer Entfernung her abſor— bierend. Befindet ſich die mit der Flamme uniſono ſchwingende Gabel auf dem Kaſten, ſo hört die Flamme zu ſingen auf, Man hält den Reſonator am beſten annähernd Fig. 4. Fig. 3. Singende Flamme. Chriſtiani in Berlin gemacht, über welche er in der Sitzung der phyſikaliſchen Geſellſchaft am 15. Dezember 1883 Vortrag hielt: Die Abſorption des Schalles durch Reſonatoren. Referent hat die betreffenden Verſuche wiederholt und beſtätigt gefunden. Es handelt ſich haupt— ſächlich um die Abſorption des Schalles ſingender Flammen. Bekanntermaßen erhält man eine ſingende Flamme, wenn man aus einer in eine Spitze ausgezoge— nen engen Glasröhre Gas ſtrömen läßt, dasſelbe entzündet und ein weiteres Glasrohr darüber hält, ſo daß die Flamme noch bis zu einer gewiſſen Tiefe in dasſelbe taucht (Fig. 3). Hält man nun einen Reſonator, welcher genau auf den Ton der ſingenden Flamme abgeſtimmt iſt, mit ſeiner weiten Oeffnung in die Nähe des oberen (oder unteren) Endes der Glasröhre und verſchließt die enge Oeffnung mit dem Finger, ſo verſtummt die ſingende Flamme ſo— Stimmgabel. Radiometer. Fig. 5. aber die Gabel tönt für einen Augenblick nach; es find die Schwingungen der Flamme auf ſie übertragen worden, und dieſe dauern noch kurze Zeit fort, während die Luft im Kaſten für ſich oder die in einem Reſonator nicht nach— ſchwingt oder nachklingt. Iſt die Gabel mit der Flamme nicht genau uniſono, ſind ſie um 2—4 Schwingungen verſchieden, geben ſie alſo, beide ins Tönen verſetzt, 2—4 Schwebungen in der Sekunde, ſo iſt der Kaſten ſamt Gabel nicht imſtande, ) Ein Reſonator, meiſt von der Form eines aus Zinkblech ge— fertigten Kegels, welcher an beiden Enden offen iſt, nimmt nur einen beſtimmten Ton an; ſteckt man das ſpitze Ende ins Ohr, während in der Nähe verſchiedene Töne erregt werden, ſo hört man nur einen beſtimmten Ton oder gar keinen, wenn in dem Tongemiſch gerade der Ton fehlt, welcher die Luft in dem Reſonator ins Schwingen bringen kann. Je nach der Größe nimmt der Reſonator einen höheren oder tieferen Ton an. Humboldt. — Januar 1888. 31 die Flamme zum Schweigen zu bringen, wohl aber ohne Gabel. Sind Gabel und Flammen nicht genau unijono und umfaßt man die nach unten gerichtete Gabel ſanft mit den Händen, während man den Kaſten an das obere Ende der Glasröhre ſchiebt, ſo tritt ſelbſt in nächſter Nähe keine Abſorption ein; dagegen fühlt man die Zinken der Gabel leiſe in den Fingern zittern. Entfernt man den Kaſten etwas und preßt plötzlich die Zinken feſt mit der Hand, ſo tritt Abſorption ein; es iſt in der That überraſchend, daß man durch den Druck der Hand die Flamme ver— ſtummen machen kann. Ueber die genaue theoretiſche Erklärung aller Einzel— einem gewiſſen Grade, ſo bleibt das Kreuz ſtehen; man nennt dieſen Grad der Verdünnung den neutralen Punkt. Pringsheim unterſucht mittels eines Radiometers, welches nur ein Glimmerblättchen s (Fig. 6) hat, das an einem Glasfaden k hängt und durch ein Gegengewicht n äquilibriert iſt, die verſchiedenen Einflüſſe, welche die Ro— tation bedingen. Der Glasfaden f ijt an dem eingeriebenen Stöpſel g befeſtigt und die ſeitlichen, durch Hähne ver— ſchließbaren Röhren xr, und ry dienen, das eine zum Ein— laſſen irgend eines Glaſes, das andere zum Auspumpen, jo daß nur noch eine geringe Menge Gas in der Glas— hülle verbleibt. Zunächſt galt es, die Einwirkung der Glashülle zu Fig. 7. Magnetiſche Kurven. a b d c — h ö e € —.— e f n s Fig. 6. a c Pringsheims Radiometer. Fig. 8. heiten iſt Herr Chriſtiani ſelbſt noch nicht vollſtändig im klaren. Neuerdings ſind von E. Pringsheim Unterſuchungen über die Radiometer angeſtellt worden, deren Reſultate wir hier mitteilen wollen. Bekanntlich beſteht ein Radiometer (Fig. 5) aus einem bis zu einem hohen Grad luftleer gemachten Glasgefäß, in welchem ſich ein Kreuz aus vier dünnen Glimmerblätt— chen, welche alle einſeitig, in derſelben Ordnung, mit Ruß geſchwärzt ſind, auf einer Spitze drehen kann. Wird der Apparat einer Licht- reſp. Wärmequelle (Sonnenlicht, Gasflamme, Drummondſches Licht u. ſ. w.) ausgeſetzt, jo dreht ſich das Kreuz und zwar mit den nicht berußten Flächen voraus, ſo daß es ſcheint, als würden die be- rußten Seiten von den Licht- reſp. Wärmeſtrahlen ab— geſtoßen. Im lufterfüllten Raume erfolgt die Drehung in der umgekehrten Richtung; verdünnt man die Luft nur bis zu Apparat zur Herſtellung magnetiſcher Kurven. Radiometer fällt. Fig. 9. Zweigſtröme. unterſuchen. Iſt das Glimmerblättchen auf beiden Seiten blank, ſo bewegt es ſich nicht, wenn Sonnenlicht oder Drummondſches, lebhaft aber, wenn Gaslicht auf das Jedenfalls iſt anzunehmen, daß das dünne Glimmerblättchen durchweg (auf beiden Seiten) gleich warm wird, einerlei, welche Flamme das Radiometer beſcheint. Es muß alſo wohl die Glaswand einen Einfluß ausüben, wenn Gaslicht auffällt. Das Sonnenlicht und das Drummondſche enthalten ſehr wenige Wärmeſtrahlen, welche vom Glas abſorbiert werden, das Gaslicht dagegen eine erhebliche Menge; ſtellt man zwiſchen das Radiometer und die Gasflamme einige Glasplatten, ſo abſorbieren dieſe bereits die Wärmeſtrahlen, welche das Glas über— haupt abſorbieren kann, die Glashülle des Radiometers bleibt kalt und man kann ſich nun durch den Verſuch über— zeugen, daß jetzt auch bei Gaslicht das Radiometer ſtillſteht. Daß das beiderſeits blanke Glimmerblättchen durch— weg gleichwarm iſt, reſp. daß etwa eine verſchiedenartige Erwärmung des Blättchens nicht an der Drehung ſchuld ſein kann, zeigt Pringsheim auf die Art, daß er die 32 Humboldt. — Januar 1885. eine Hälfte des Radiometers in Schatten ſtellt und das Glimmerblättchen ſo dreht, daß es ebenfalls im Schatten und zwar dicht an der Grenze der beleuchteten Hälfte ſich befindet; auch hier erzeugt Sonnenlicht oder Drummond— ſches keine Bewegung, wohl aber Gaslicht, wenn nicht im letzteren Fall Glasplatten zwiſchen die Gasflamme und die Glashülle des Radiometers geſtellt worden waren. Es fragt ſich nun, ob die erwärmte Glaswand durch Strahlung gegen das Glimmerplättchen wirkt. Wäre dies der Fall, jo müßte, wenn man die eine Seite des Glimmer- blättchens berußt und es wie vorhin in den Schatten bringt, eine raſchere Bewegung eintreten, wenn die be— rußte Seite, da dieſe am beſten die Wärme abſorbiert, der heißen Hälfte der Glashülle gegenüberſtände. Nun zeigt aber der Verſuch gleichſtarke Ablenkung, einerlei, ob dieſe oder jene Seite des Glimmerblättchens dem heißen Teil der Glashülle zugewandt iſt. Hieraus erhellt, daß die Glaswand ihre Wärme an die im Innern befindlichen Gasmoleküle durch Leitung abgibt und daß dieſe auf die eine, dem heißen Teil der Glashülle gegenüberliegende Seite des Glimmerblättchens einen ſtärkeren Stoß ausüben als die hinteren Luftmoleküle auf die andere Seite, wobei es dann gleichgültig iſt, ob dieſelbe mit Ruß überzogen iſt oder nicht. Pringsheim weiſt ferner nach, daß die Gasmole— küle nicht oder nur unweſentlich durch die Flamme direkt erwärmt werden; läßt man nämlich von oben Licht ein— fallen, ſo daß das erwärmte Stück der Glaswand weit von dem Glimmerflügel entfernt iſt, ſo findet keine Drehung ſtatt, wenn der Flügel Den weſentlichſten Einfluß auf die Bewegung hat natiir- lich die ungleiche Erwärmung der Glimmerflügel ſelbſt, wenn die eine Seite berußt iſt, da dieſe bedeutend mehr Wärme abſorbiert als die andere, und man kann auch wohl annehmen, daß ſie heißer wird, als die Glaswand, um ſo mehr als der Ruß alle Arten von Strahlen abſorbiert, das Glas aber nur ſolche von beſtimmter Wellenlänge. Der ganze Vorgang läßt ſich hiernach folgendermaßen erklären: Die Gasmoleküle prallen gegen die Seiten der Glimmerflügel; in der Nähe der berußten Seite angekommen, werden ſie ſtärker erwärmt, üben alſo auch einen ſtärkeren Stoß aus als auf der blanken Seite, ſo daß ſich die be— rußte Seite vom Licht wegbewegt. Bei ſolchen Flammen, welche die Glashülle merklich erwärmen (Gaslicht), trägt die Wärme des Glaſes, namentlich auf der der Flamme zugewandten Seite, dazu bei, die Bewegung der Gasmoleküle zu vergrößern. Daß im lufterfüllten Raume die Bewegung umgekehrt iſt, ſchreibt man dem Umſtand zu, daß ein großer Teil der vielen Moleküle in der Nähe der heißen berußten Seiten aufwärts ſtrömt, ſo daß hier ein verdünnter Raum entſteht, infolgedeſſen die größere Stärke der Stöße der an— prallenden Moleküle durch die geringere Zahl derſelben mehr als kompenſiert wird. Bei einem gewiſſen Grad der Verdünnung, dem „neutralen Punkt“, halten ſich beide Einflüſſe das Gleichgewicht und das Radiometer ſteht ſtill. Um die ſogen. magnetiſchen Kurven oder mag⸗ netiſche Kraftlinien (Fig. 7) recht hübſch darzuſtellen, auf beiden Seiten blank iſt. das Waſſer abſolut ruhig iſt; iſt von Frankenbach vorgeſchlagen worden, einen Magnet unter Waſſer zu legen und Eiſenfeile vorſichtig auf das Waſſer zu ſtreuen. An der Oberfläche des Waſſers finden die Feilſpäne nur einen geringen Reibungswiderſtand, ſo daß ſie ſich regelmäßiger lagern können. Dieſes Verfahren führt aber nur dann zu einem günſtigen Reſultat, wenn andernfalls werden die Figuren denn doch beſſer, wenn man ein Blatt Papier auf den Magnet legt und Eiſenfeile aufſtreut. Am ſicher⸗ ſten ſcheint mir folgendes Verfahren zu ſein: In ein recht⸗ eckiges Brett abed, 30 em lang, 15 cm breit, iſt eine Rinne efgh eingeſchnitten, in welche fic) ein etwa 18 em langer, 2 em breiter Magnetſtab legen läßt, deſſen obere Fläche mit der des Brettes in eine Ebene fällt. Auf das Brett legt man nun ein ſtarkes Blatt glatten Papieres, oder eine möglichſt dünne Glastafel von denſelben Dimen⸗ ſionen und ſtreut mittelgrobe Eiſenfeile darauf. Klopft man nach dem Beſtreuen mehrmals leiſe mit dem Finger auf das Papier oder Glas, ſo werden die Figuren be— ſonders hübſch. 5 Man kann übrigens auch die Figuren fixieren, wenn man eine mit Schellack beſtrichene Glastafel anwendet und nach Aufſtreuung der Eiſenfeile eine heiße Platte darüber hält; die Eiſenfeile kleben alsdann an dem erweichten Schellack. In der gleichen Weiſe kann man die Eiſenfeile an Wachspapier haften machen. Man kann übrigens auch die Figuren photographiſch aufnehmen. Ein anderes Verfahren, auf eigentümlich präpariertem Papier die Figuren herzuſtellen und dieſes dann dem Sonnenlicht und ſchließlich Anilindämpfen auszuſetzen, wird ſeiner Umſtändlichkeit halber wohl wenig benutzt werden. Beiläufig bemerken wir noch, daß das Aufſtreuen von Eiſenfeile auf Waſſer, welche in der That größtenteils liegen bleiben und nicht unterſinken, wohl dazu benutzt werden kann, um das „Flüſſigkeitshäutchen“ zu demon— ſtrieren, d. h. darzulegen, daß die oberſte Schicht jeder Flüſſigkeit dichter iſt als das Innere, ſich alſo wie eine dichte Haut oder eine dünne Eisdecke verhält, welche ſich über dem unteren Waſſer ausbreitet. Um ein Haus möglichſt vor dem Blitzſchlag zu ſichern, hat Melſens vorgeſchlagen, dasſelbe vollſtändig mit einem Netz von Drähten zu umſchließen. Er ſtützt ſich dabei auf den Satz, daß die Elektricität ſich nur über die Obe r= flächſe der Körper verbreite, als welche hier das Draht— netz zu nehmen iſt. Setzt man unter einen Drahtkorb Tiere und läßt auf denſelben ſtarke Funken einer Batterie Leid- ner Flaſchen ſchlagen, ſo haben die Tiere keine Empfindung davon. Selbſt wenn man von zwei Stellen des Drahtkorbs je einen Draht nach dem Innern führt und zwiſchen die nur um wenig voneinander abſtehenden Drahtenden Knall— ſilber bringt, ſo explodiert es nicht, wenn ein Funke auf den Drahtkorb ſchlägt, obwohl Knallſilber durch die ge— ringſte Menge Elektricität zum Explodieren gebracht wird. Trotzdem erklärt Mach, daß — theoretiſch genommen — das Innere des Korbes nicht abſolut elektricitätsſicher ſei, weil der Satz, daß die Elektricität ſich nur über die Humboldt. — Januar 1885. Oberfläche der Körper verbreite, lediglich für ſtatiſche Elektricität gelte. Iſt ein Körper mit Elektricität ge— laden und befindet ſich dieſelbe im Zuſtand des Gleichgewichts (der Ruhe), ſo iſt ſie in der That nur über die Oberfläche verbeitet und übt keine Wirkung nach innen aus. Befindet ſich aber die Elektricität im Zuſtand der Bewegung (dynamiſche Elektricität), wie dies ſtattfindet im Moment, wo eine Batterie entladen wird oder ein galvaniſcher Strom durch einen Körper fließt, ſo gilt der Oberflächenſatz nicht mehr; die dynamiſche Elektrieität geht auch durch das Innere der Körper; der galvaniſche Strom fließt durch den ganzen Querſchnitt eines Kupferdrahts und der Entladungsſchlag einer Batterie ſchmilzt einen Eiſendraht nicht bloß an der Oberfläche, ſondern durchaus. Wenn alſo ein Blitz auf ein 33 Drahtnetz ſchlägt, ſo können ſich ſehr wohl Zweigſtröme nach dem Innern hin entwickeln, aber Mach zeigt, daß dieſelben ſehr ſchwach ſind, wenn der Draht, aus welchem das Netz (reſp. der Korb) gemacht iſt, gut leitet. Um dies zu zeigen, hat Mach an einem Drahtkorb, welcher durch das Viereck abe d (Fig. 9) vorgeſtellt fein mag, zwei Zweigleitungen bed und be’d angebracht; bei e und e“ iſt eine Unterbrechungsſtelle; bringt man bei e oder e Knallſilber an, ſo wird bei gutleitenden Hauptdrähten keine Exploſion des Knallſilbers erfolgen, wohl aber, wenn der Drahtkorb aus weniger gutleitendem Material beſteht. Uebrigens bemerkt Mach, daß die Gefahr des Einſchlagens ins Innere, obwohl ſie theoretiſch nicht ausgeſchloſſen ſei, praktiſch als nicht beachtenswert betrachtet werden dürfe. Geographie. Don Dr. Franz Höfler in Frankfurt a. M. Polarforſchung. Südgeorgien. Labrador. Hap Horn. Die Lenamündung. Point Barrow. Greelys Entdeckungen. Das Jahr 1882 eröffnete eine neue Aera der For— ſchung in den Polarregionen, die, wie es den Anſchein hat, von großer Tragweite für die Kenntnis jener hochnordiſchen Regionen zu werden verſpricht. Es iſt dies die Er— richtung von Cirkumpolarſtationen. Der geiſtige Urheber derſelben iſt der leider für die Wiſſenſchaft viel zu früh verſtorbene Schiffskapitän Weyprecht. Weyprecht, den Führer der öſterreichiſchen Nordpolexpedition, hatten die geringen Erfolge im Verhältnis zu dem ungeheuren Koſten- und Kraftaufwande aller bisherigen Expeditionen in die arktiſche Region zu der Einſicht gebracht, daß ſo lange von der arktiſchen Landerwerbung und dem Streben, den Pol zu erreichen, abzuſehen ſei, als man über die großen wiſſenſchaftlichen Fragen in Beziehung auf Magnetismus, Elektricität und Meteorologie jener hochnordiſchen Gebiete im Dunkeln ſei oder nur mangelhaften Aufſchluß darüber habe. Um nun aber dieſen zu erlangen, ſchlug er ein einheitliches und gemeinſames Vorgehen vor, und zwar ſollten ſich alle Nationen, die auf der Höhe der Kultur zu ſtehen behaupten, zu dieſem vereinigen und gleichzeitige Expeditionen nach verſchiedenen Punkten des Polargebietes entſenden, welche mit gleichen Inſtrumenten und auch gleichen Inſtruktionen mindeſtens einjährige Beobachtungs— reihen ſchaffen ſollten. Dieſes Programm erweiterte Weyprecht auf der 48. Verſammlung deutſcher Naturforſcher und Aerzte zu Graz noch dahin, daß ein Gürtel von Beobachtungs— ſtationen um das ganze arktiſche Gebiet, womöglich in der Nähe der Centren magnetiſcher Intenſität und an leicht zugänglichen Punkten gezogen werden ſolle. Zugleich wurde es als wünſchenswert erachtet, daß auch eine oder die andere Beobachtungsſtation im antarktiſchen Gebiete zu er— richten wäre, da dadurch die Bedeutung der gewonnenen Humboldt 1885. Reſultate erhöht würde. — Obwohl dieſes Programm an— fangs heftige Gegner fand, ſo nahm die Idee doch bald greifbare Geſtalt an und führte zur Berufung einer be— ſondern Polarkonferenz im Oktober 1879 nach Hamburg, zu der die Hauptſtaaten Europas Vertreter entſendet, die Vereinigten Staaten von Nordamerika aber ſchriftlich ihren Beitritt zu den Beſchlüſſen der Konferenz erklärt hatten. Die Konferenz ging auf die Idee Weyprechts ein und beſchloß die Beſetzung von acht Punkten um den Nordpol und von fünf auf der ſüdlichen Hemiſphäre. Als Aus— führungsjahr wurde 1881 oder 1882 vorgeſchlagen; auf der zweiten Polarkonferenz zu Bern im Auguſt 1880 aber das Jahr 1882 definitiv als das Beobachtungsjahr feſt— geſetzt, und zwar um Zeit zu gewinnen, da nach der Ham— burger Konferenz vier Staaten ihre Zuſage zurückgezogen oder ſich wenigſtens nicht endgültig entſchieden hatten. Unter den letzteren war auch Deutſchland. Da ſtellte Virchow im deutſchen Reichstage am 22. April 1881 mit 29 Genoſſen den Antrag auf Bewilligung von 300 000 Mark. zur Kreierung von zwei arktiſchen Beobachtungsſtationen. Der Antrag fand Genehmigung und in einer ad hoc in Berlin zuſammengetretenen Konferenz wurden Südgeor— gien und Cumberland als zu beſetzende Stationen vorge— ſchlagen. In der dritten zu St. Petersburg im Auguſt 1881 verſammelten Polarkonferenz wurde endlich die Idee zur That. Die Hauptſtaaten Europas hatten ihre Beteiligung zugeſagt, nur Spanien und Italien verhielten ſich ab— lehnend; das letztere Land wohl hauptſächlich deshalb, weil es erſt kürzlich die koſtſpielige und ziemlich reſultatlos ver— laufene Südpolarexpedition unter Do ve ausgerüſtet hatte. Als zu beſetzende Punkte auf der Nordhemiſphäre wurden feſtgeſetzt: 1. Lenamündung und als Filiale desſelben 9 34 Humboldt. — Januar 1885. 2. Karmakuli in der Möllenbucht auf Nowaja-Semlja durch Rußland; 3. der Dickſonhafen auf Weſt-Taimyr (Aſien), durch Holland; 4. Kap Thardſen im Eisfjord auf Weſt-Nowaja-Semlja, durch Schweden; 5. Boſſekop bei Alten, durch Norwegen; 6. in der Mary-Muß-Bai auf Jan Mayen, durch Oeſterreich; 7. Godthaab auf Weſt-Grönland, durch Dänemark; 8. Discovery-Bai im Lady-Franklin-Sund, durch die Vereinigten Staaten von Nordamerika; 9. Kingawafjord auf Cumberland, durch Deutſchland; 10. Fort Rae am Großen Sklavenſee, durch England; 11. Sodankylä in Lappland, durch Finnland; 12. Point Barrow (Nordamerika), durch die Vereinigten Staaten von Nordamerika. Im antarktiſchen Gebiete waren als Stationen Süd— georgien, das Deutſchland, und Kap Horn, das Frankreich beſetzen ſollte, auserſehen. — Zugleich war in der St. Peters— burger Konferenz beſtimmt worden, daß ſämtliche Expe— ditionen längſtens Auguſt 1882 an Ort und Stelle ſein und ihre Stationen nicht vor dem September 1883 ver— laſſen ſollten. Auch wurden noch die einzelnen Details für die wiſſenſchaftlichen Beobachtungen feſtgeſetzt, dieſe ſelbſt in obligatoriſche und unobligatoriſche geteilt und für die erdmagnetiſchen und meteorologiſchen ſogenannte Termin— tage eingeführt, an welchen ein ganzes Jahr hindurch Tag und Nacht zu jeder vollen Stunde die betreffenden Juſtru— mente abgeleſen werden mußten. Für gewiſſe Termintage mußte das Ableſen der meteorologiſchen und erdmagne— tiſchen Inſtrumente ſogar während einer Stunde von fünf zu fünf Minuten und zwanzig zu zwanzig Sekunden ge— ſchehen. Die Ausführung der Beobachtungen hatte an allen Stationen um den Pol herum nach Göttinger Zeit zu erfolgen. — Die mittlerweile von den betreffenden Staaten ausgerüſteten Schiffe hatten nun das Perjonal der einzelnen Stationen an Ort und Stelle zu bringen, was auch allen mit Ausnahme der „Varna“, welche die holländiſchen Expeditionsmitglieder in den Dickſonhafen an der Jeniſſeimündung bringen ſollte, unter größeren oder geringeren Schwierigkeiten gelang. Die „Varna“ hatte Anfang Juli 1882 Amſterdam verlaſſen und war in der Jugorſtraße auf Eis geſtoßen und von demſelben bis zum 21. Juli, wo es zerquetſcht wurde, feſtgehalten worden. Die Expeditionsmitglieder wurden von dem däniſchen Ex— peditionsſchiffe „Dijmphna“ aufgenommen, verließen das— ſelbe am 1. Auguſt wieder in der Abſicht, das Feſtland zu erreichen, was ihnen aber nicht gelang. Sie entdeckten aber die „Buys-Ballot-Inſel“ unter dem 70.“ 25“ n. Br. In der Jugorſtraße traf ſie der Bremer Dampfer „Louiſe“, der ſie nach Norwegen brachte, von wo ſie glücklich ihre Heimat erreichten. Nach einem Berichte ihres Führers Dr. Snellen konnten, da das Eis während der Einſchließung nicht feſt blieb, diemagnetiſchen Beſtimmungen nicht ausgeführt werden; die übrigen Beobachtungen wurden dagegen vom 9. Oktober 1882 an bis 1. Auguſt 1883 regelmäßig angeſtellt mit einer Unterbrechung von nur 14 Tagen. lich ausgefallen, da man beinahe die ganze Zeit auf Eis Die botaniſchen Sammlungen find nur ſpär⸗ zubrachte, dagegen wurden bedeutende zoologiſche gemacht, die mit der „Dijmphna“ nach Hauſe gelangten. Was nun ſpeciell Deutſchland anbelangt, ſo hatte ſich dieſes, wie erwähnt, für die Beſetzung eines Punktes auf Süd⸗ georgien entſchieden; gleichzeitig ſollte auch eine Station im Kingawafjord des Cumberlandſundes errichtet werden und zu derſelben einige Nebenſtationen der mähriſchen Brüdergemeinde auf Labrador gehören, die unter Leitung Dr. Kochs geſtellt wurden. — Die Mitglieder der ant⸗ arktiſchen Station auf Südgeorgien unter der Leitung Dr. Schraders wurden durch die Korvette „Moltke“ an den Ort ihrer Beſtimmung gebracht. Die Station wurde im Moltkehafen (54° 31“ ſ. Br. und 365“ w. v. Gr.) errichtet, begann ihre Thätigkeit am 20. Auguſt 1882 und ſetzte dieſelbe ohne Unterbrechung bis zum 5. September 1883 fort; an dieſem Tage wurde die Rückreiſe auf der Korvette „Marie“ angetreten, die trotz ſtürmiſchen Wetters günſtig verlief; am 25. September landete man in Monte⸗ video. Dr. E. Moſthaff und Dr. H. Will veröffent— lichten im Band VII der „Deutſchen geographiſchen Blatter” einige intereſſante Details über jene Inſel im antarktiſchen Gebiet. Danach liegt ſie unter dem 54.“ und 55.“ ſ. Br. und 36.“ und 38.“ w. v. Gr.; ihre Länge beträgt 15 km und ihre Breite, die ſich faſt überall gleich bleibt, 7 km; auch ſcheint fie, wie Falkland und Feuerland, der älteſten geolo- giſchen Formation anzugehören. Die Inſel iſt gebirgig und die Gebirge ſind Kammgebirge und ſehen von ferne wie zerriſſenes Mauerwerk aus. Das Hochland ſteigt von der Royal-Bai aus ziemlich raſch in die Höhe und erreicht im Weſten der Station 2000 m. Schmale Thaler durch— ziehen dasſelbe und ſchroffe Felswände mit langgedehnten Berggraten ſchließen ſie ein; die Thäler werden von wilden, reißenden Gebirgsbächen durchfloſſen. Die Höhen ſind ſämtlich vergletſchert und reicht die Stirn der Ferner oft bis ans Meer. Einer der gewaltigſten Gletſcher, deſſen Beſteigung wiederholt verſucht wurde, aber wegen los— brechender Stürme nie vollſtändig gelang, liegt im Süd— oſten der Royal-Bai. Die Küſte zeigt fjordartige Buchten, dieſelben finden ſich hauptſächlich im Norden der Inſel, während der Weſten ohne Strand ift. Die Gletſcher be— finden ſich, ſoweit dies ermittelt werden konnte, ſämtlich im Rückgange. Die Flora iſt im Verhältnis zu der auf den Falklandinſeln viel dürftiger; während dieſe noch 150 Gefäßpflanzen aufweiſen, hat Südgeorgien viel weniger. Es gibt dort 50 Arten Landpflanzen und 12 Arten Blätter— pflanzen, darunter 4 Arten Gräſer. Die Laubmooſe ſind überwiegend. Aber kein Baum, kein Strauch erfreut das Auge, nur Raſen von Daktylis bedeckt in 1½ m hohen Garben die Oberfläche. In der Fauna dominiert die Vogelwelt, und hier wieder die Pinguine, von denen mehrere Abarten auf der Inſel einheimiſch ſind oder wenig— ſtens das Brutgeſchäft dort beſorgen. Dagegen ſcheint die Pelzrobbe, die früher auf Südgeorgien vorkam, ausgerottet zu ſein; dafür finden ſich noch Seeelefanten und der See— leopard. — Intereſſant wegen der Genauigkeit der bei den Beobachtungen auf der Inſel benützten Inſtrumente iſt die Bemerkung, daß der regiſtrierende Ebbe-Flutmeſſer die Kurve der durch den Ausbruch des Vulkans Kraka— taua an der Sundaſtraße erzeugten Flutwelle vollkommen deutlich anzeigte, ebenſo der Barograph die Luſftwelle. Humboldt. — Januar 1885. 35 Günſtige Reſultate lieferte auch die Beobachtung des Venusdurchganges am 6. Dezember 1882. Die Tempe— ratur der Luft bewegte ſich im Laufe der Beobachtungs— zeit zwiſchen — 14° und + 19° C. Dagegen war die Bewegung im Luftraume keine jo ebenmäßige. In 290 Tagen herrſchten an 90 Tagen Stürme, teilweiſe von orkanartiger Gewalt. — Um die Oberflächengeſtaltung der Inſel, die Flora und Fauna, zu erforſchen, wurden 40 Ex— kurſionen zu Lande unternommen, auf denen ein großes wiſſenſchaftliches Material geſammelt ward. Die Miſſion war eine durchaus erfolgreiche. — Die axktiſche Station, deren Leiter Dr. Gieſe war, hat am 15. September 1882 bis 9. September 1883 gearbeitet; das Hamburg -St. Peters— burger Programm wurde, ſofern ſich dasſelbe auf obliga— toriſche Arbeiten bezieht, durchgeführt. Die Mitglieder der Expedition erfreuten ſich immer günſtiger Geſundheit. Auch die Reſultate dieſer Station ſind ſehr befriedigende. — Die zu dieſer Station gehörigen Nebenſtationen an der Küſte von Labrador richtete die Deutſche Seewarte ein; ſie werden nicht aufgehoben, ſondern auch fernerhin in Thätigkeit bleiben und dürften der ſynoptiſchen Arbeit auf dem Atlan— tiſchen Oceane ſowohl, als auch der Klimatologie eine nicht unerhebliche Stütze gewähren. Dr. Koch, der ein ganzes Jahr lang in Nain, der Miſſionsſtation, beobachtete, hat vor allem auch die Küſte Labradors und ihre Bewohner zum Gegenſtande eingehender Unterſuchungen gemacht. Er ſtieg bei Hoffenthal ans Land, konnte aber ſchon vor der Landung einen Einblick in die primitiven Lebensverhält— niſſe der Eskimobevölkerung thun. In einem einzigen Segelboote, das dem Schiffe an der Küſte begegnete, hatten zwei Eskimofamilien ihr dürftiges Unterkommen gefunden und zwar mit Zelten, Hausrat, zehn Hunden, Kindern und einem drei viertel Jahr alten Säugling, der als Schnuller ein Stück Seehundsſpeck im Mäulchen hatte! Die Küſte Labradors erſcheint öde und traurig, unzählige Inſeln und Klippen machen ſie für die Schiffahrt zu einer äußerſt gefährlichen. Sie zeigen faſt alle ohne Ausnahme eine kugelige, abgerundete Geſtalt der Spitzen, als Zeichen einer früheren allgemeinen Vergletſcherung. Die Vegetation iſt ſpärlich. Uebrigens ſind nur die äußeren Inſeln ſo kahl und öde, im Innern der Buchten ziehen ſich auf den Thal— ſohlen ſchöne Tannen- und Lärchenwaldungen hin, die tief— dunkle Seen umrahmen. Der Wald verſchwindet erſt gegen die Berge hin und zwar infolge der Winterſtürme und der häufig unzureichenden Sommerwärme ?). Das Geſtein der Inſeln und der Küſte iſt zum größten Teile Gneis der Lau— rentiſchen Periode; in Rama (56° 33“ n. Br., 61° 41’ w. L.) kommt auch eine Art Schiefer in den Spaltungsflächen mit Eiskryſtallen beſetzt vor. Während die Küſte bei Hoffenthal eigentlich noch wenig gebirgigen Charakter zeigt, tritt der— ſelbe landeinwärts allmählich hervor. Südlich von Hebron nehmen die Berge bereits alpinen Charakter an, ohne es aber zu einer eigentlichen Gletſcherbildung zu bringen. Bemerkenswert iſt die Erſcheinung, daß alle Berge, die niedriger als 1500 — 2000 Fuß find, die Spuren der ehemaligen Vergletſcherung tragen, die höheren aber davon ausgenommen ſind, die ſich hinwieder durch die Zerriſſen— ) Die Küſte Labradors und ihre Bewohner. Deutſche geographiſche Blätter, Bd. VII, Heft 2. heit ihrer Gipfel hervorthun. Auch die Flüſſe Labradors ſcheinen von beſonderer Eigentümlichkeit. Sie durchfließen von der Quelle bis kurz vor der Mündung eine größere Anzahl von Seen, beim Austritt aus denſelben und auf dem Zwiſchenlaufe meiſt Katarakte bildend. Dr. Koch vindi— ziert dieſen Charakter allen Flüſſen, wenigſtens ſoweit ſie ſich in den Atlantiſchen Ocean ergießen. Die Urſache der Seenbildung ſucht er in der zu geringen erodierenden Wirkung des Waſſers während des kurzen Sommers. Von anderen geologiſchen Daten erwähnt Dr. Koch noch der Strandlinien in der Höhe von 10-30 m als Beweis einer ſäkularen Hebung des Landes und kommt ſchließlich in Bezug auf die Urgeſchichte Labradors zu den Schlüſſen, daß zur Zeit der Vergletſcherung des Landes die Küſte mehr erhoben geweſen ſein müſſe als jetzt, worauf ein Sinken gefolgt zu ſein ſcheint, was die alten Strandlinien andeuten, und dieſem dann wieder in neuerer Zeit eine langſame He— bung. Das Tierleben Labradors iſt ein ziemlich entwickeltes. Es finden ſich in großen Mengen Renntiere, Seehunde, Schneehühner, Waldhühner, Hajen; Füchſe, Hermeline, Vielfraße, Wölfe, Ottern, Bären u. a. Von den Fiſch⸗ ſorten ſind für den Eskimo der Kabeljau, die Lachsforelle und der Salm von großer Wichtigkeit; ſie liefern ihnen das hauptſächlichſte Nahrungsmittel. Die Eskimos find die Bewohner der Küſte Labradors; im Süden der Halb— inſel ſind außer dieſen noch die ſogenannten Settler, d. i. Engländer oder Kanadier, die ſich an der Küſte nieder— gelaſſen haben, in ihrem ganzen Weſen aber wenig von den Eskimos abweichen. Die Seelenzahl der letzteren wird auf 1200 veranſchlagt; ſie ſind im Ausſterben begriffen, während die Zahl der Settler zunimmt. Während des Sommers und überhaupt während der Jagdzeit, d. i. vom Mai bis Dezember, leben die Eskimos zerſtreut; iſt dieſe vorüber, verſammeln ſie ſich mit ihren Familien wieder in den Winterhäuſern in der Nähe der Miſſionsſtationen. Nun beginnt für die Jugend die Zeit des Lernens, für die Erwachſenen die des Ausruhens und der kirchlichen Feſte. Die Eskimos find faſt alle durch die Miſſionäre der Brüdergemeinde zum Chriſtentume bekehrt. Sie ſind gelehrig, zeichnen ſich durch außerordentliches Gedächtnis aus und haben viel Sinn für Muſik. — Was die öſterreichiſche Station in der Maria-Muß⸗ Bai (70° 59“ n. Br. und 826“ w. v. Gr.) anbelangt, fo verweiſen wir diesbezüglich auf die in dieſer Zeit- ſchrift bereits gemachte längere Mitteilung. Die Expedi— tion beobachtete auf Jan Mayen bis 4. Auguſt 1883. Das Programm wurde ganz durchgeführt; man hatte 124 Nordlichtnächte. i Ein umfangreiches Material in Beziehung auf die obligatoriſchen Beobachtungen wie nicht minder auf die fakultativen lieferte auch die franzöſiſche Expedition nach dem Kap Horn. Die Zeitſchrift „Deutſche geo— graphiſche Blätter“, Bd. VI, Heft 2, bringt darüber einen vorläufigen Bericht, dem wir folgendes entnehmen: Die „Romanche“ unter dem Kommando des Fregattenkapi— täns F. Martial verließ Cherbourg am 17. Juli 1882 und traf am 6. September in der Orange-Bai der Inſel Hofte ein, wo die Beobachtungsſtation (auch zugleich für den Venusdurchgang) errichtet wurde. Die „Romanche“ kreuzte ſodann in den Gewäſſern des Magellan-Archipels 36 Humboldt. — Januar 1885. bis zu den Falklandsinſeln, der Stateninſel und Diego— Ramirez zum Zwecke naturwiſſenſchaftlichen und hydro— graphiſchen Forſchungen. Die Station war drei Meilen vom Pacifiſchen Ocean und 35 Meilen vom Kap Horn entfernt und wurde ihre Lage zu 55° 31“ ſ. Br. und 70 „25“ 5. v. Gr. beſtimmt. Ueber das Klima in dem Beobachtungsgebiet ſagt der Bericht, daß ſich dasſelbe in zwei Regionen ſcheiden laſſe. Die eine umfaßt den nord—⸗ öſtlichen Teil des Feuerlandes und das Ufer des Beagle— Kanals im Oſten der Murray-Meerenge, die andere die Inſel Hoſte, die Naſſau-Bai, den Kap Horn-Archipel und die weſtliche Küſte des Feuerlandes. In den erſten iſt das Klima weniger beſtändig, die Atmoſphäre weniger feucht als in der andern Region, welche ſich durch ein im höchſten Grade maritimes und neutrales Klima ohne ſcharf geſchiedene Jahreszeiten charakteriſiert. In jedem Monat gab es durchſchnittlich 25 Regentage, ſonnige Tage ſind äußerſt ſelten, ob Winter oder Sommer, faſt immer regnet oder ſchneit es. Die Temperatur iſt faſt beſtändig die Oktober- und November-Temperatur der Meere von Schottland und Norwegen, die Windrichtung eine faſt immer weſtliche. Das Land ſelbſt iſt voller Berge und Hügel, zwiſchen die ſich Meeresarme drängen und deren Thäler von Sümpfen und Moräſten bedeckt ſind. Das vorherrſchende Geſtein iſt Schiefer und Granit. Die ant- arktiſche Buche wächſt bis 600 m Höhe. Die Wälder be— finden ſich nur an Stellen, die von Weſtwinden geſchützt ſind. Reptilien und froſchartige Tiere leben nicht im Süden des feuerländiſchen Archipels. Von Vögeln gibt es 40 Arten. Die Bewohner, etwa 130 Individuen, ge— hören zu dem Stamm der Teheenika von Fitz Roy, von den engliſchen Miſſionären Yahgane genannt. Sie ſprechen eine agglutinierende Sprache. Das Zählen erſtreckt ſich nur bis drei, darüber hinaus ſagt man mehrere oder viele. Die Nahrung der Feuerländer iſt eine ausſchließlich tie— riſche. Die Speiſen werden gekocht oder halbgeröſtet ge— geſſen. Die Sinne ſind im allgemeinen normal ent— wickelt. Das Tättowieren iſt nicht gebräuchlich. Als Kleidungsſtück dient dem Feuerländer ein über die Schulter geworfenes Seehundsfell, das am Halſe befeſtigt wird. Ihr Charakter iſt munter, luſtig und beweglich, aber wenig mitteilſam. Von Kannibalismus war nirgends eine Spur vorhanden, ſie kennen ihn auch nicht nach der Tradition. Ob der Feuerländer irgend welche Art der Gottesver— ehrung kennt, konnte nicht feſtgeſtellt werden. Sie leben in kleinen Kolonien ohne Oberhaupt, einen Unterſchied der Stände gibt es nicht, ebenſowenig wie Sklaven. Die Expedition beobachtete bis 1. September 1883 in der Hauptſtation und Nebenſtation Uſchmoia und kehrte am 3. September wieder zurück. Die engliſch-kanadiſche Expedition zu Fort Rae am Großen Sklavenſee unter 62° 30 n. Br. und 115° 40! w. v. Gr. traf zu ſpät an ihrem Beſtimmungsorte ein und konnte erſt im Oktober mit ihren Beobachtungen be— ginnen. Die Reſultate ſind günſtige. Die Monate No— vember, Dezember und Januar waren die kälteſten; das Thermometer fiel im Januar auf — 50° F. Dänemark beſetzte die Station Godthaab an der Weſt— küſte von Grönland, ſtatt das urſprünglich vorgeſehene, nördlicher gelegene Godhavn. Die Beobachtungen begannen erſt im September. Auch Schweden konnte die Moſel-Bai auf Spitzbergen infolge ungünſtiger Eisverhältniſſe nicht er⸗ reichen; die Expedition blieb auf Kap Thardſen am Eisfjord. Die norwegiſche Station zu Boſſekop bei Alten be- gann ihre Beobachtungen am 1. Auguſt und ſetzte ſie bis zum Schluſſe mit günſtigem Erfolge fort. Verſuche, Photo⸗ graphien von Nordlichtern, die faſt jede Nacht beobachtet werden konnten, zu erlangen, mißglückten. 5 Rußland hatte zwei Hauptſtationen, die eine an der Lenamündung unter 73° n. Br. und 124° 40“ 5. L., die andere in der Karmakuly-Bai an der Weſtküſte von Nowaja-Semlja (72° 30“ n. Br.). Der dieſer Station beigegebene Naturforſcher Dr. Grinewezki durchwanderte die Südinſel Nowaja-Semlja ihrer ganzen Länge nach. — Die Expedition an der weſtlichen Lenamündung hatte be— ſchloſſen, noch ein Jahr auszuharren und die Rückreiſe im Sommer anzutreten. Im Sommer 1883 wurden drei Expeditionen zur Erforſchung des Lenadeltas unternommen, zwei Mündungsarme aufgenommen und an der Landungs— ſtelle de Longs eine 8 m hohe hölzerne Pyramide errichtet und mit einer deutſchen und einer ruſſiſchen Inſchrift ver⸗ ſehen. Am 19. September 1883 bedeckte ſich der Fluß wieder mit Eis und der Sommer war zu Ende. Der Himmel war faſt immer bewölkt und beſtändig herrſchte Nebel bei ſcharfem Winde. Die mittlere Lufttemperatur im Sommer betrug + 3,25 C. Die Sonne kam während der ganzen Zeit nur viermal zum Vorſchein. Die niedrigſte Tempe⸗ ratur war im Februar 1883; fie betrug — 41 C. Die Expedition hat ihre Station Ende Juni 1884 verlaſſen und iſt unterdeſſen glücklich zurückgekehrt. Die amerikaniſche Station in Point Barrow unter Lieutenant Ray konnte ihre Arbeiten erſt am 17. Oktober beginnen und zwar mit den meteorologiſchen Beobachtun- gen, mit den magnetatiſchen aber erſt am 1. Dezember. Am 29. Auguſt 1883 wurden ſie wieder beendigt. Aus dem Berichte des Lieutenants Ray geben die „Deutſchen geographiſchen Blätter“, Bd. VII, einen kurzen Auszug. Da⸗ nach war in der Zeit vom September bis Mai faſt in jeder Nacht Nordlicht zu ſehen. Der Ebbe- und Flutmeſſer zeigte, daß der arktiſche Ocean bei Point Barrow fo gut wie gar keine Ebbe und Flut hat; vom Japaniſchen Meere erfolgt kein Einſtrömen wärmeren Waſſers in das dortige Meer. Die Erde war ſehr tief gefroren. Ende November verſchwand alles tieriſche Leben am Lande. Nach dem Pole hin war das Meer mit Trümmereis bedeckt; in der Nähe der Station hat das Eis bei ruhigem Waſſer eine Dicke von 7 Fuß, bei Stürmen türmte es ſich bis zu 50 und 100 Fuß auf. — Einen traurigen Verlauf nahm die andere amerikaniſche Expedition unter Lieutenant Greely an der Lady-Franklin-Bai. Schon im Sommer 1881 hatte Lieutenant Greely zu Fort Conger (64° 58“ w. L. v. Gr. und 8120“ n. Br.) die Station errichtet, da ihm günſtige Eisverhältniſſe ein raſches Vor— dringen bis zu jenem hoch im Norden gelegenen Punkte ermöglichten. Die Fahrt von St. Johns aus hatte kaum ſechs Wochen in Anſpruch genommen. Das Schiff, der „Proteus“, kehrte zurück. Zugleich war die Beſtimmung getroffen worden, daß Greely, im Falle ungünſtige Eis— verhältniſſe ſeine Abholung unmöglich machen ſollten, Humboldt. den ſüdlicher gelegenen Smith-Sund zu erreichen trachten ſollte. Die Proviantvorräte waren auf 3 Jahre be— rechnet geweſen. Der im Sommer 1882 ausgeſandte Dampfer „Neptun“ konnte Lady-Franklin-Bai nicht er— reichen und mußte umkehren; im Sommer 1883 wurde der Dampfer „Proteus“ ausgeſandt, um Greely aufzu— ſuchen; er wurde im Eis des Smith-Sundes zerquetſcht, die Mannſchaft rettete fic) auf Booten an die Küſte Grön— lands. Da man gerechte Beſorgniſſe wegen des Schickſals der Expedition zu hegen begann, jo wurden energiſchere Maßregeln ergriffen. Die engliſche Regierung ſtellte den „Alert“ zur Verfügung und die Regierung der Vereinigten Staaten ſelbſt rüſtete drei Schiffe aus. Die Rettungs— fahrzeuge gingen am 24. April 1884 von New Pork ab. Unter dieſen gelang es der „Thetis“ unter Schley, bei Kap Sabine, wohin ſich Greely mit der Mannſchaft nach einer langen Fahrt auf Eisſchollen geflüchtet hatte, den Reſt derſelben, Greely und ſieben Leute, aufzufinden und zu retten. Sämtliche Aufzeichnungen und Inſtrumente wurden gerettet. Ueber die gemachten geographiſchen Entdeckungen der Januar 1885. 37 Greelyſchen Expedition berichteten , Dr. A. Petermanns Mit⸗ teilungen“, 8. Heft, in Kürze folgendes: Am 13. Mai 1882 wurde als nördlichſte Breite unter 44° 5“ w. L. v. Gr. und 83° 24’ n. Br. die Lockwood -Inſel erreicht. Die von Kapitän A. Markham 1876 erreichte Breite iſt um 4 Minuten überholt worden. Von einem 2000 Fuß hohen Punkte der Inſel war nach Norden und Nordweſt kein Land zu ſehen, nach Nordoſt erſtreckte ſich Grönland bis ca. 83° 35’ und 38. w. v. Gr.; offenes Waſſer verhin— derte das weitere Vordringen von Lieutenant Lockwood, mit genauer Not entging er der Gefahr, ins offene Meer hinauszutreiben. Dr. Pavy machte dieſelbe Erfahrung; an Stelle von Kapitän Nares' paläokryſtiſchem, d. i. Jahr— hunderte altem Eiſe, fand er auf Markhams Route im Norden von Kap Joſef-Henry offenes Waſſer, vor welchem er nur mit Mühe ſich flüchten konnte. Das offene Polarmeer Dr. Petermanns fände damit ſeine Beſtäti— gung. Im Innern von Grinnell-Land entdeckte Lieute— nant Greely im Frühjahr 1882 den großen See Hayen, 60 engl. Meilen lang und 10 breit; 1883 durchkreuzte Lockwood Grinnell-Land bis zur Weſtküſte. Neue Apparate für Unterricht und Praxis. Vorleſungsverſuche über die Beziehung zwiſchen dem durch Reflexion und dem durch Prechung er— zeugten polariſterten Licht; von Prof. Dr. G. Krebs. In den Lehrbüchern der Phyſik, ſelbſt in den größeren, findet man keinen einfachen Verſuch, durch welchen nach— gewieſen wird, daß wenn gewöhnliche Lichtſtrahlen unter dem Polariſationswinkel auf einen durchſichtigen Körper fallen, der reflektierte Teil ſenkrecht zu dem ge— brochenen polariſiert ijt. Wohl läßt man bereits polari— ſiertes Licht auf eine Glasplattenſäule fallen und zeigt, daß dasſelbe in der einen Stellung der polariſierenden Vorrichtungen reflektiert und in der dazu ſenkrechten durch— gelaſſen werde. Es iſt übrigens leicht, Verſuche anzugeben, welche zeigen, daß, wenn gewöhnliches Licht auf einen durch— ſichtigen Körper, etwa auf eine Glasplattenſäule fällt, der reflektierte Teil ſenkrecht zum durchgelaſſenen polariſiert ſei. 1. Man legt unter eine Glasplattenſäule, welcher man die bekannte geneigte Stellung gegeben (und etwa auf den Nörrembergſchen Polariſationsapparat geſetzt hat), einen Pappdeckelſtreifen ab (Fig. 1 und 2); derſelbe iſt mit Papier überzogen, welches in der Mitte ein weißes Qua— drat von 1—2 em Seite hat, ſonſt aber mit Tuſche ge— ſchwärzt iſt. Sieht man von vorn in die Glasplattenſäule hinein, ſo erblickt man das Bild des weißen Quadrates, und ebenſo ſieht man das weiße Quadrat auch, wenn man in vertikaler Richtung von oben durch die Glas— plattenſäule blickt. — Hält man aber ein Turmalinplätt⸗ chen“) vor das Auge, jo iſt nur das eine oder das andere Bild ſichtbar, je nachdem die Achſe der Turmalinplatte ſenk— recht zur Reflexionsebene ſteht oder in dieſelbe fällt. *) Daß ein Turmalinplättchen ſtatt des Zerlegungsſpiegels benutzt werden kann, läßt ſich ſchon nach dem erſten Grundverſuch über Polari- ſation (mittels zweier Spiegel) zeigen. 2. Es iſt übrigens gar nicht nötig, durch die Glas- plattenſäule hindurchzuſehen, wenn man den Verſuch in etwas anderer Weiſe anſtellt: Man ſchiebt unter die Glasplattenſäule einen langen Pappdeckelſtreifen (Fig. 3 und 4), welcher, ſoweit er unter, reſp. vor der Glasplattenſäule ſich befindet, gerade ſo beſchaffen iſt, wie vorhin beſchrieben (weißes Quadrat auf ſchwarzem Grund), der aber, ſoweit er ſich hinter der Glasplattenſäule befindet, in einer Erſtreckung von 15 bis 20 cm, rein weiß iſt. Sieht man nun mittels des Tur— malinplättchens ſchief gegen die Glasplattenſäule, ſo wird beim Drehen des Turmalinplättchens bald das kleine weiße Quadrat in voller Klarheit ſichtbar, während das Papier ac wie getuſcht ausſieht, bald aber verſchwindet das kleine weiße Ouadrat, während der Streifen ac vollkommen hell erſcheint. Dieſer Verſuch iſt allerdings nicht mehr ſo rein und fo unmittelbar beweiſend wie der erſte; denn man ver— gleicht jetzt das von dem kleinen weißen Quadrat aus— gehende und an der Vorderfläche der Glasplattenſäule reflektierte mit dem von der hinteren weißen Fläche ac ausgehende und von der Glasplattenſäule durchgelaſſene Licht, und nicht den reflektierten mit dem durchgelaſſenen Teil der von derſelben Lichtquelle, dem weißen Quadrat, ausgehenden Strahlen. 3. Man kann den Verſuch 2 auch ſo umgeſtalten, daß man die Turmalinplatte beiſeite läßt, reſp. durch einen ſchwarzen Spiegel erſetzt. Auf den unteren (den Po— lariſationsſpiegel) legt man eine Glasplattenſäule (von annähernd gleicher Größe), was einfach dadurch bewerk— ſtelligt werden kann, daß man an der einen Seite der Faſſung der Glasplattenſäule zwei Haken anbringt, mittels deren man ſie an die obere Kante des Spie— gels hängt. Auf das Fußgeſtell des Nörremberg— ſchen Apparates legt man alsdann den langen Papier— 38 Humboldt. — Januar 1885. ſtreifen (Fig. 4), jo daß das geſchwärzte Stück ab gerade unter der Glasplattenſäule und das weiße Stück ac hinter derſelben ſich befindet. Stellt man nun oben auf den Nörrembergſchen Apparat einen geſchwärzten Spiegel, ſo wird beim Dre⸗ hen desſelben bald das kleine weiße Quadrat, ringen Größe mit Hilfe ſehr genaue einem Direktor des Central-Obſervatoriums in Petersburg, er⸗ einer beſonderen Juſtierung Reſultate liefert. Eine Prüfung mit Pſychrometer durch Herrn Profeſſor Wild, gab höchſtens eine Abwei⸗ chung von + 2,5% , ein Reſultat, wel⸗ ches als recht günſtig bezeich⸗ bald die hin⸗ net werden tere weiße Flä⸗ kann. — Das che ac hervor- Co Say eg SERN aE RET Inſtrument treten. Zweck⸗ j kann zum Ste⸗ ee 1515 M hen 11 ae weiße Fläche gen (Fig. ac dem Tages- eingerichtet und lichte zugekehrt. mit Thermo⸗ 4. Um die meter und Ane⸗ Erſcheinung ob- roidbarometer jektiv darzu⸗ verbunden 19 55 ſtellen, läßt den. — Bue man elektri⸗ gleich wird eine ſches oder Son— Reduktions⸗ nenlicht durch 4 : b Ne tabelle beigege⸗ eine runde Fig. >. Oil a ben, durch wel⸗ Oeffnung von ca. 6 mm Durchmeſſer und noch durch eine zweite ebenſolche, welche um 2 bis 3 m von der erſten ab- ſteht, auf eine Glasplattenſäule fallen. Man fängt dann das eine Mal das reflektierte, das andere Mal das durchgelaſſene Strahlenbündel auf einem Schirm auf, wenn man nicht als Schirm die Decke und die gegenüberliegende Wand des Zimmers be— nutzen will, und dreht jedesmal ein Turmalin⸗ plättchen in dem Strahlen⸗ bündel um. Iſt an der Faſſung des Turmalin⸗ plättchens in der Richtung der kryſtallographiſchen Achſe rechts und links ein che man ohne Rechnung leicht den Taupunkt finden kann. Preis des Inſtrumentes 20 bis 30 / Kr. Sambredts Vatent⸗ Wetteranzeiger (Ther- mohygroſtop). Unter dieſem Namen hat Herr Lambrecht (Göttingen) einen Apparat konſtruiert, welcher durch eine Ver⸗ bindung von Thermometer und Hygrometer die abſo— lute Feuchtigkeit der Luft mehrere Centimeter langer Stift eingeſetzt, ſo kann der Zuſchauer leicht er⸗ kennen, bei welcher Lage der Achſe das eine und das andere Strahlenbündel III verſchwindet. Daß künſtliches und Sonnenlicht ſchon einmal Brechung oder Reflexion erfahren, ehe es auf die Glasplattenſäule gefallen, wird dabei ebenſowenig beachtet, wie daß das Licht, welches von dem weißen Papier ausgeſtrahlt wird, auch kein direktes, ſondern re— flektiertes Licht iſt. Tambrechts Vatent- Hygrometer. Dieſes Inſtru— ment iſt ein Haarhygrometer, welches trotz ſeiner ge— angeben und alſo dazu die— nen kann, um vorauszube⸗ ſtimmen, ob das Wetter in der nächſten Zeit trocken oder regneriſch werden wird (Fig. 2). Jedem Apparat ſind Wetterregeln beigegeben, welche darthun, auf welche Art aus der Stellung des Zeigers die künftige Witterung erſchloſſen werden kann. Die Schraube auf der rechten Seite des Inſtrumentes dient dazu, um den Zeiger auf den Null— punkt zurückzubringen, falls er am Ende der Teilung an⸗ gekommen iſt. Preis des Inſtrumentes 20 KH g Humboldt. — Januar 1885. 39 i che u n OF (cy a u. Oskar Hertwig, Die Symbiofe oder das Genoffen- ſchaftsleben im Tierreich. Vortrag auf der 56. Verſammlung Deutſcher Naturforſcher und Aerzte zu Freiburg i. B. am 18. Sept. 1883. Mit einer Tafel in Farbendruck. Jena, Guftav Fiſcher. 1883. Preis 1 MH 80 J. Eine der wichtigſten Anregungen, welche der Darwi— nismus dem Studium der organiſchen Welt gegeben hat, zeigt ſich in dem immer lebendiger und fruchtbarer werden— den Beſtreben, die verwickelten Wechſelbeziehungen zwiſchen den verſchiedenſten Organismen aufzudecken. Die gegen— ſeitige Abhängigkeit zwiſchen Inſekten und Blüten zum Zwecke der für die Pflanzen ſo notwendigen Kreuzbefruch— tung iſt die bekannteſte ſolcher Wechſelbeziehungen. In den letzten Jahren hat indes die Zoologie eine ganze Reihe von Fällen eines noch innigeren Zuſammenwirkens von Tier und Tier oder Tier und Pflanze entdeckt, welche man allgemein mit dem Ausdruck „Symbioſe“ bezeichnen kann. Die Muſchel und der Muſchelkrebs (Pimnotheres), welcher friedlich zwiſchen ihren Schalen wohnt, der Einſiedlerkrebs, welcher eine Aktinie als Freundin auf ſeinem Hauſe herum— trägt und ihr von ſeiner Beute mitteilt, um dafür den Schutz ihrer Neſſelkapſel zu genießen, illuſtrieren am beſten ein ſolches Zuſammenleben, deſſen Weſen und Bedeutung der Verfaſſer des vorliegenden Vortrags in klarer und an— ſprechender Form einem weiteren Leſerkreiſe verſtändlich machen will. Beſonders ausführlich behandelt Hertwig jene merkwürdigſte aller Symbioſen, nämlich das Zuſammen— leben gewiſſer einzelliger Algen mit verſchiedenen niederen Tieren, namentlich aus den Kreiſen der Quallenpolypen und Seeroſen, ſowie der Radiolarien; bei den letzten beiden Tiergruppen ſind dieſe einzelligen Algen ſchon lange als ſogenannte „gelbe Zellen“ bekannt, in ihrer wahren Eigenſchaft als ſelbſtändige Organismen jedoch erſt in neue— ſter Zeit gewürdigt worden. Die Wechſelbeziehung zwiſchen ihnen und den von ihnen bewohnten Tieren ſind durch— aus gleicher Art wie die zwiſchen gewiſſen Algen und Pilzen, welche in ihrem ſtreng geregelten Zuſammenleben die große Gruppe der ſogenannten Flechten bilden. Hier wie dort unterſtützen ſich ſauerſtoffproduzierende, chloro— phyllhaltige Algen und kohlenſäureproduzierende Tiere, rejp. Pilze gegenſeitig in ihrem Stoffwechſel, um dadurch größere Lebenskraft und Widerſtandsfähigkeit zu erlangen. O. Hert— wig hat im Verein mit ſeinem Bruder ſelbſt weſentlich zur Aufklärung dieſer Verhältniſſe beigetragen, ſo daß der Leſer die Garantie hat, hier das Neueſte und Beſte dar— über zu erfahren. Oldenburg. Dr. Friedrich Heincke. Phyſikaliſches Jahrbuch. Herausgegeben vom Bres— lauer Phyſikaliſchen Verein. Erſtes Heft. Bres— lau, J. U. Kern (Max Müller). 1884. Preis 1 , 50 g. Der phyſikaliſche Verein zu Breslau hat ſich die Auf— gabe geſtellt, die ſämtlichen Naturerſcheinungen auf Grund der von ihm als allgemeines wiſſenſchaftliches Glaubens— bekenntnis angenommenen Theorie des Maſſendruckes aus der Ferne zu erklären und durch dieſe Fundamentalhypotheſe die anziehenden und abſtoßenden Kräfte der Phyſik zu er— ſetzen. In ſeinem Streben nach einer einheitlichen Natur— auffaſſung hat der Verein für das verfloſſene Winter— ſemeſter 1883/4 eine Aufforderung zur Beteiligung an ſeinen Arbeiten ergehen laſſen, die am Anfange des vor— liegenden Heftes wieder abgedruckt wurde. In derſelben wird als Ausgangspunkt für die Vertreter der verſchiede— nen naturwiſſenſchaftlichen Disciplinen ein aus Humboldts „Kosmos“ ſtammender Satz gegeben, deſſen weitere Aus— führung angeſtrebt werden ſoll. Der Satz lautet folgen— dermaßen: „Was durch die Berührung feuchter und un— „gleichartiger Teile erweckt, in allen Organen der Tier- „und Pflanzenwelt umtreibt, was die weite Himmelsdecke „dauernd entflammt, was Eiſen an Eiſen bindet und „den ſtillen, wiederkehrenden Gang der leitenden Nadel „lenkt, alles, wie die Farbe des geteilten Lichtſtrahls, fließt „aus einer Quelle, alles ſchmilzt in eine ewige, allver— „breitete Kraft zuſammen.“ Den Inhalt des vorliegenden Heftes bilden die Vor— träge der verſchiedenen Fachgelehrten, welche das gegebene Thema immer auf Grund der „Drucktheorie“ in ihren ver— ſchiedenen Disciplinen ausführen; es ſind dies die folgenden Abhandlungen: 66 Sätze aus den Anſchauungen der Lehre vom Maſſendrucke in die Ferne von Aurel Andersſohn, dem Vorſitzenden des phyſikaliſchen Vereins, die Erſchei— nungen des Sehaktes vom Standpunkte der Drucktheorie aus betrachtet, mit einem hiſtoriſchen Rückblick von Magnus, die Lebenserſcheinungen am tieriſchen (menſchlichen) Organis— mus vom Standpunkte der Drucktheorie von Dr. R. Krauſe, Vortrag über die Mechanik des Pflanzenwachstums von Dr. Schwarz, über das Weſen des Magnetismus von A. Andersſohn. Dem ganzen Hefte geht eine Samm— lung von Sätzen aus Humboldts „Kosmos“ voran, welche beſtimmt iſt, die Bedeutung dieſes Gelehrten für die Auffaſſung einer einheitlichen Urſache aller Naturkräfte nachzuweiſen. Wie aus dieſer kurzen Inhaltsangabe erſichtlich iſt, arbeitet der Verein nach einem feſten Programm. Er be— ſteht aus einer Vereinigung von Männern, die ſich um eine gewiſſe wiſſenſchaftliche Ueberzeugung gruppiert haben und die Aufrichtung einer einheitlichen phyſiſchen Welt— anſchauung anſtreben. Es kann jedoch hier begreiflicher— weiſe auf die Würdigung der aufgeſtellten Fundamental— hypotheſe nicht näher eingegangen werden. Budapeſt. Prof. Auguſt Heller. Edv. Hjelt, Bruchſtücke aus den riefen J. Wöh⸗ lers an 3. J. Berzelius. Berlin, Robert Oppenheim. 1884. Preis 1 AH Allen Jüngern und Freunden der chemiſchen Wiſſen— ſchaft iſt gewiß noch die ausführliche Lebensbeſchreibung Friedrich Wöhlers in Erinnerung, welche A. W. Hof— mann in dem Jahrgang 1882 der Berichte der Deutſchen chemiſchen Geſellſchaft veröffentlicht hat. Jene zeigte uns den vor nunmehr zwei Jahren Verewigten nicht allein als unermüdlichen Forſcher, ſondern auch als edlen Menſchen. Dieſes wird beſonders durch zahlreiche mitgeteilte Briefe illuſtriert, welche das Freundespaar Wöhler und Liebig gewechſelt hat. Das vorliegende kleine Schriftchen des Profeſſors Hjelt in Helſingfors iſt ein äußerſt intereſſantes Pendant zu Hof manns oben erwähnter Arbeit, welche es ergänzt, indem es uns durch eine Reihe von Briefen Wöhlers an Berzelius das Verhältnis des erſteren zu ſeinem großen Lehrer und Freunde vor Augen führt. Die ſämtlichen von Wöhler an Berzelius gerichteten Briefe, 230 an der Zahl, find Eigentum der ſchwediſchen Akademie der Wiſſenſchaften in Stockholm. Es war dem Verfaſſer vergönnt, dieſelben durchzuſehen und teilweiſe in der vorliegenden Broſchüre veröffentlichen zu können. Letztere enthält für die Geſchichte der Chemie äußerſt wichtige, bis— her noch nicht gekannte Dokumente. Dieſes gilt beſonders von dem Briefe Wöhlers an Berzelius vom 22. Fe⸗ bruar 1828, in welchem von dem epochemachenden Exeigniſſe der erſten Syntheſe eines im Organismus erzeugten orga- niſchen Körpers, des Harnſtoffs, die Rede iſt. Ich kann es mir nicht verſagen, dieſen wichtigſten aller Briefe, der nach verſchiedenen Richtungen hin unſer Intereſſe erregen muß, vollſtändig hier zum Abdruck zu bringen. 40 Humboldt. — Januar 1885. Berlin, 22. Februar 1828. Lieber Herr Profeſſor! Obgleich ich ſicher hoffe, daß mein Brief vom 12. Ja⸗ nuar und das Poſtſkript vom 2. Februar bei Ihnen ange- langt ſind, und ich täglich oder vielmehr ſtündlich in der gejpannten Hoffnung lebe, einen Brief von Ihnen zu er— halten, ſo will ich ihn doch nicht abwarten, ſondern ſchon wieder ſchreiben, denn ich muß Ihnen erzählen, daß ich den Harnſtoff machen kann, ohne dazu Nieren oder über— haupt ein Tier, ſei es Menſch oder Hund, nötig zu haben. Das cyanſaure Ammoniak it Harnſtoff. Vielleicht erin⸗ nern Sie ſich noch der Verſuche, die ich in der glücklichen Zeit, als ich noch bei Ihnen arbeitete, anſtellte, wo ich fand, daß immer, wenn man Cyanſäure mit Ammoniak zu verbinden ſucht, eine kryſtalliſierte Subſtanz entſteht, die ſich indifferent verhielt und weder auf Cyanſäure noch auf Ammoniak reagierte. Beim Durchblättern meines Journals fiel mir dies wieder auf und ich hielt es für möglich, daß durch die Vereinigung von Cyanſäure mit Ammoniak die Elemente, zwar in derſelben Proportion, aber auf eine andere Art, zuſammentreten könnten und hierbei vielleicht z. B. eine vegetabiliſche Salzbaſe oder etwas Aehnliches gebildet werden könne. Ich machte mir dies daher zum Gegenſtand einer für meine beſchränkte Zeit paſſenden kleinen Unterſuchung, mit der ich, Gott ſei Dank, keinen einzigen Wägungsverſuch zu machen hatte. — Das ver— meintliche cyanſaure Ammoniak erhielt ich ſehr leicht durch Behandlung von cyanſaurem Blei mit kauſtiſchem Ammo— niak. Man erhält es auch mit cyanſaurem Silber und Sal— miak. Ich bekam es in Menge ſchon kryſtalliſiert und zwar in klaren rechtwinklig vierſeitigen Säulen. Mit Säuren entwickelt es keine Kohlenſäure oder Cyanſäure und mit Kali keine Spur von Ammoniak. Aber mit Salpeterſäure gab es eine in glänzenden Blättern leicht kryſtalliſierende Verbindung mit ſehr ſauren Charakteren, die ich ſchon für eine neue Säure zu halten geneigt war, da ſie beim Er— hitzen keine Salpeter- oder ſalpetrichte Säure, ſondern viel Ammoniak entwickelte — als ich fand, daß fie beim Sat- tigen mit Baſen ſalpeterſaurer Salze nur das urſprüngliche ſogenannte cyanſaure Ammoniak wiedergab, das ſich mit Alkohol ausziehen ließ. Nun war ich au fait, und es be— durfte weiter nichts als einer vergleichenden Unterſuchung mit Harn⸗Harnſtoff und dem Cyan-Harnſtoff. Wenn nun, wie ich nicht anders ſehen konnte, bei der Zerſetzung von cyanſaurem Blei durch Ammoniak kein anderes Produkt als Harnſtoff entſtanden war, ſo mußte endlich, zur völligen Beſtätigung dieſer paradoxen Geſchichte, der Harn-Harnſtoff genau dieſelbe Zuſammenſetzung haben wie das cyanſaure Ammoniak. Und dies iſt in der That nach Prouts Analyſe der Fall, nach welcher der Harnſtoff 4A N + 20 + 8H + 20, das heißt cyanſaures Ammoniak mit einem Atom Waſſer. Dieſer Waſſergehalt iſt freilich ſup— poniert, aber doch wohl ſo gut als gewiß. — Dies wäre alſo ein unbeſtreitbares Beiſpiel, daß zwei ganz verſchiedene Körper dieſelbe Proportion von denſelben Elementen ent— halten können, nur daß nur die ungleiche Art der Ver— einigung die Verſchiedenartigkeit in den Eigenſchaften her— vorbringt. Ich will hiermit ſagen, daß bei dieſer Art von Aufeinanderwirken von Cyanſäure und Ammoniak Harn— ſtoff entſteht, daß es aber eine andere Art geben kann (wie z. B. wenn es möglich wäre, direkte Verbindung von Cyan— ſäure mit Ammoniak), wodurch wirkliches cyanſaures Am— moniak entſteht, woraus ſich wieder Baſe und Säure ab— ſcheiden laſſen. Dies wäre dann auch eine Beſtätigung von Gay-Luſſaes Anſicht von der Cyanſäure und von Faradays zwei Kohlenwaſſerſtoffarten. Aus dieſen That— ſachen ſcheint mir auch die Unrichtigkeit der Anſicht hervor— zugehen, den Akohol z. B. als aus Kohlenwaſſerſtoff und Kohlenſäure oder ölbildendem Gas und Waſſerdampf zu— ſammengeſetzt zu betrachten. — So gut man durch bloße Rechnung hätte finden können, daß cyanſaures Ammoniak und Harnſtoff gleiche Zuſammenſetzung haben, ſo ließe ſich vielleicht noch bei manchen anderen Subſtanzen ein ähn— liches Verhältnis nachweiſen, wie z. B., daß manche oder alle vegetabiliſche Salzbaſen durch die Vereinigung von Ammoniak mit gewiſſen organiſchen Säuren entſtehen, was noch plauſibler wäre, wenn man den ſalpeterſauren Harnſtoff als ein Salz betrachten darf. Was mag ent⸗ ſtehen, wenn man ein knallſaures Salz mit Ammoniak zer⸗ ſetzt? Vielleicht richtiges cyanjaureds Ammoniak. Dieſe künſt⸗ liche Bildung von Harnſtoff, kann man fie als ein Beiſpiel von Bildung einer organiſchen Subſtanz aus unorganiſchen Stoffen betrachten? Es iſt auffallend, daß man zur Her— vorbringung von Cyanſäure (und auch von Ammoniak) immer doch urſprünglich eine organiſche Subſtanz haben muß, und ein Naturphiloſoph würde ſagen, daß ſowohl aus der tieriſchen Kohle als auch aus den daraus berei— teten Cyanverbindungen das Organiſche noch nicht ver— ſchwunden und daher immer noch ein organiſcher Körper daraus wieder hervorzubringen ſei. — Darf ich recht bald einige Zeilen von Ihnen über dieſe Geſchichte erwarten? Ihr Wöhler. Leider iſt uns die Antwort auf dieſen Brief noch nicht zugänglich, da die Briefe von Berzelius an Wöhler, welche von der ſchwediſchen Akademie verwahrt werden, nach einer Beſtimmung Wöhlers bis zum Jahre 1900 verſiegelt bleiben ſollen. Beſonders intereſſant ſind auch diejenigen Briefe von Wöhler an Berzelius, welche ſich auf das Verhältnis beider zu Liebig beziehen. In betreff derſelben muß ich aber auf die Schrift Hjelts ſelbſt verweiſen, die allen Freunden der Wiſſenſchaft nur auf das wärmſte empfohlen werden kann. Berlin. Dr. Guſtav Schultz. Ir. von Hellwald, Kulturgeſchichte in ihrer natür⸗ lichen Entwickelung bis zur Gegenwart. 3. neu bearbeitete Aufl. Augsburg, Lampart u. Co. 1883/84. 21 Lieferungen a 1 A. Schon der Umſtand, daß in kaum neun Jahren eine dritte Auflage des vorliegenden Werkes nötig geworden iſt, ſpricht für deſſen Brauchbarkeit und Güte. Der Vexfaſſer will, wie es in der Ankündigung heißt, „im Gegenſatz zu den meiſt einen vorgefaßten politiſchen Parteiſtandpunkt feſthaltenden Werken, welche in der Kulturgeſchichte eine Beſtätigung ihrer Lehren ſuchen und zu dieſem Behufe die Erſcheinungen im Völkerleben in der von ihnen beliebten Parteifärbung darſtellen — die kulturhiſtoriſchen Phäno⸗ mene ohne Rückſicht auf irgend eine Partei der Gegen- wart oder Vergangenheit objektiv beleuchten und auf ein⸗ fache Geſetze zurückführen“. Die einfachen Geſetze, welchen der Verfaſſer hierbei folgt, ſind die der Naturwiſſenſchaften, ſoweit fie übereinſtimmen mit Darwin und ſeiner Descendenz—⸗ theorie. Daß der Verfaſſer mit dieſem Princip Ernſt macht, beweiſt unter anderem ſchon gleich die Widmung: das Werk iſt Ernſt Häckel zugeeignet. Nun kann man mit dem Verfaſſer über das Prine cip ſtreiten, nach dem die Kulturſchichte ſich aufbaut und demgemäß darzuſtellen iſt, und offen gejagt, wir hul— digen ſeiner Theorie durchaus nicht, aber abgeſehen davon, und das Werk nun einmal genommen tale quale, ein Lob darf dem Verfaſſer vor allem nicht vorenthalten werden, daß ſeine Arbeit ganz eminentes Quellenſtudium verrät. Der Verfaſſer iſt in der einſchlägigen Litteratur zu Hauſe, das merkt man ihm überall an; er hat ſeit Jahren nichts, was auf die Kulturgeſchichte Bezug hat und ganz ſpeciell nach ſeinem Princip einzelne Fragen behandelt, überſehen. Es ſind oft nur Schlagworte, die dieſe Bekanntſchaft dofu- mentieren, obgleich nirgends die Quellen unerwähnt bleiben; aber wer auch nur auf irgend einem Gebiete der Kultur- geſchichte gearbeitet oder die betreffende Litteratur ver— folgt hat, dem tritt überall des Verfaſſers ganz eminente Beleſenheit entgegen. Trotz dieſer erſchöpfenden Litteratur= kenntnis ſind dennoch einzelne Abſchnitte lückenhaft, wir erwähnen namentlich den über die ſemitiſchen Kulturvölker Vorderaſiens, den über die Hellenen, Makedonier und Alexandriner, während andere geradezu Muſter erſchöpfender Behandlung genannt werden dürfen. Doch das ſind ver— Humboldt. — Januar 1885. 41 ſchwindend kleine und unbedeutende Mängel im Vergleich zu der großen Geſamtleiſtung. Freilich iſt es dem Verfaſſer nicht gelungen, überall die „natürliche Entwickelung“, wie er es will, darzuthun, ebenſowenig vermag er es, die hiſtoriſche Entwickelung allenthalben als reine Naturprozeſſe darzuſtellen, obgleich die Verſuche dazu recht geiſtvoll ſind. Es iſt ja nicht zu leugnen, es beſticht ungemein, daß alle Kulturbeſtrebungen des Individuums ſowohl wie der Raſſe auf beſonderer Organiſation beruhen ſollen, aber Beweiſe für die Richtig— keit oder Haltbarkeit ſeiner Meinung bringt der Verfaſſer nicht bei. Er kann ſie auch niemals beibringen, denn das Geiſtesleben und deſſen Entwickelung iſt und bleibt ein Problem, dem mit aller Descendenztheorie nicht bei— zukommen ſein wird. Das ſind ſo im großen und ganzen einige Ausſtände, die wir an der ſonſt vortrefflichen Arbeit des Verfaſſers zu machen haben. Das Werk wird auch in dritter Auflage ſich viele Freunde erwerben, die alten aber erhalten. Frankfurt a. M. Dr. Gotthold. Alfonſe de Candolle, Der Arſprung der Kultur- pflanzen. Aus dem Franzöſiſchen überſetzt von Edmund Goeze. Internationale wiſſenſchaftliche Bibliothek. Leipzig, F. A. Brockhaus. 1884. Preis 9 A. Schon 1855 hatte Verfaſſer in ſeinem berühmten Werke ,Géographie Botanique raisonnée* in einem Raz pitel das Thema über den Urſprung der Kulturpflanzen be- handelt. Jetzt aber gibt er uns ein ziemlich umfangreiches Werk, da die zahlreichen neueren Entdeckungen von Reiſenden, Botanikern und Archäologen eine ausgedehntere und ganz neue Beſprechung dieſes Gegenſtandes als wünſchenswert erſcheinen ließen. Verfaſſer läßt uns ſchon in der Vorrede ahnen, welche Schwierigkeiten bei dieſer Arbeit zu über— winden waren, wie vielfach auch bei den botaniſchen Schrift— ſtellern (die Mehrzahl der Angaben Linnés z. B. über das Vaterland der Kulturpflanzen ſind als ungenau zu bezeichnen) Irrtümer vorkamen, welche zum Teil erſt in neuerer Zeit berichtigt wurden. Ebenſo ſind auch die Be— richte der Reiſenden über das ſpontane Vorkommen ge— wiſſer Kulturpflanzen einer ernſten Kritik zu unter— werfen u. ſ. w. Alle die Nachrichten, welche das Studium der Botanik, die Archäologie und Paläontologie, Geſchichte und Sprachforſchung uns bieten, müſſen auf ihren Wert geprüft werden, um den Urſprung der verſchiedenen Kultur— pflanzen nachzuweiſen. Nicht weniger als 247 Arten von Kulturpflanzen werden in dieſer Weiſe vom Verfaſſer beſprochen. Jeder Artikel legt uns hierbei Zeugnis ab, mit welch großartiger Ueberſicht über die zahlreiche und ſo verſchiedenartige Litteratur, mit welch kritiſchem Scharfblicke Verfaſſer dieſe Frage behandelt hat. Jede Seite zeigt uns, welche Fülle von Thatſachen hier auf gedrängtem Raume vereinigt iſt, wie vielleicht nur ein einziges Wort im Texte das Einſehen und die kritiſche Beurteilung einer ganzen Reihe von Schriften verlangte. Für jeden, welcher ſich über dieſe ſo intereſſante und in neueſter Zeit mehr in den Vordergrund tretende Frage unterrichten will, wird dieſes Buch des Verfaſſers ebenſo feſſelnd als belehrend ſein, für den Fachmann aber als bahnbrechende Arbeit auf dieſem Gebiete unentbehrlich. Den Schluß des Werkes bildet ein allgemeines Ver— zeichnis der Kulturpflanzen mit Angabe ihres Urſprungs und der Zeitperiode ihres Kultuxanfangs, ſowie allgemeine Bemerkungen über die Regionen, aus welchen dieſe Kultur— pflanzen hervorgegangen ſind, über die im wilden Zu— ſtande bekannten (reſp. nicht bekannten), über die in ge— wiſſen Regionen ausſterbenden (reſp. ausgeſtorbenen) Arten u. ſ. w. Frankfurt a. M. Geyler. A. Brak, Die tieriſchen Varaſiten des Men— ſchen. Im Anhang Tabellen, enthaltend die wichtigſten Merkmale der Paraſiten, Diagnoſen Humboldt 1885. und Angaben über die Therapie der durch die Paraſiten hervorgerufenen pathologiſchen Erſchei— nungen. Mit 6 lith. Tafeln. Kaſſel, Th. Fiſcher. 1884. Preis 5 , Jahrzehntelang beſaßen wir nur große Werke über die tieriſchen Paraſiten des Menſchen, die trotz ihrer Vor— züglichkeit nur wenig in das ärztliche Publikum gedrungen ſein dürften; ſeit einem Jahr iſt dem fühlbaren Mangel eines kleineren Handbuches der Parafitentunde für Stu— dierende und Aerzte gleich von zwei Seiten abgeholfen worden und von beiden Seiten aus demſelben Grunde, dem eben erwähnten Mangel. Das Werkchen des Unter— zeichneten (Würzburg, A. Stubers Verlag) erſchien ein Jahr vor dem hier zu beſprechenden, das den gleichen Stoff behandelt und denſelben Titel trägt. Freilich iſt die Be— handlung des Stoffes bei Braß eine andere als bei dem Referenten; Braß ſtellt ſich auf den rein praktiſchen Standpunkt (man vergleiche z. B. nur die Anordnung der Ceſtoden) und beſchreibt die Paraſiten des Menſchen allein, auf andere Formen kaum Rückſicht nehmend; dadurch wird natürlich die ganze Darſtellung einſeitig, ſie büßt zu Gunſten der menſchlichen Paraſiten ein, wenn ſie auch noch ſo gut iſt. Wir können uns damit nicht einver— ſtanden erklären und befinden uns darin in Uebereinſtim— mung ſelbſt mit tüchtigen Medizinern. Teilt man den rein praktiſchen Standpunkt, ſo wird man der Arbeit von Braß, die einiges Neue bringt, die Anerkennung nicht ver— ſagen können; es iſt in der That im Text das Weſent— liche von den Paraſiten des Menſchen mitgeteilt, dabei auf die Infektionsquelle ſtets Rückſicht genommen und auch die Therapie in Grundzügen erörtert worden. Ein Vorzug des Buches liegt in den auf 6 Taſeln beigegebenen Ab— bildungen; etwas ſtiefmütterlich ſind auf letzteren die Arthropoden und im Text die Protozoen behandelt. Beim Durchſehen ſind wir auf manche Ungenauigkeiten geſtoßen, die hätten vermieden werden können, z. B. heißt es S. 50: Das Leben des Europäers kommt durch dieſe Paraſiten (Distoma hepaticum) häufig in Gefahr, und in der Tabelle III erfahren wir, daß Dist. hep. beim Menſchen ſelten iſt; ferner wird öfters auf den Nachtrag ver— wieſen, z. B. S. 53, auf der von der Entwickelung von Dist. hep. die Rede iſt, doch ſteht im Nachtrag kein Wort davon, u. dergl. m. Auch fehlt nicht ſelten im Text die Angabe des geographiſchen Vorkommens mancher Para— ſiten, auch ſolcher, die ſpäter in den Tabellen nicht berück— ſichtigt ſind, jo daß man darüber ſchließlich gar nichts erfährt, und anderes mehr. Trotz dieſer Ausſtellungen möchten wir doch dem Buche von Braß eine weite Ver breitung wünſchen, weil es dazu beitragen wird, zahlreiche irrige Anſchauungen, denen ſelbſt manche Mediziner hul digen, zu zerſtreuen. Dorpat. Prof. Dr. M. Braun. Tudwig Büchner, Der Jortſchritt in Natur und Geſchichte. Ein Vortrag. Stuttgart, Schweizer bart. 1884. 1 & 20 f. Ein klarer, trefflich ſtiliſierter Vortrag des bekannten Verfaſſers von „Kraft und Stoff“, welcher ſich gegen jene wendet, die allen Fortſchritt in Natur und Geſchichte leug nen, die ihn nicht erkennen, weil ſie das Weſen des Fort ſchrittes falſch auffaſſen. Nur die neue, durch Darwin inaugurierte Weltanſchauung vermag uns eine richtige Vor ſtellung von dem wirklich beſtehenden Fortſchritt zu geben, ſie belehrt uns aber auch zugleich, daß der Menſch trotz aller großen Errungenſchaften der letzten Jahrhunderte „ſich noch in den erſten Anfängen der Kultur, gewiſſer maßen in den Kinderſchuhen des Fortſchrittes bewegt“. Dieſe Anſchauung des Verfaſſers, ſowie die Hoffnung, daß die Zukunft noch weit Größeres in ihrem Schoße birgt, als die Vergangenheit bereits geleiſtet hat, werden wohl die meiſten Naturforſcher teilen. Oldenburg. Dr. Friedrich Heincke. 42 Humboldt. Januar 1885. Die Nahrungs- und Genußmittel aus dem Pflan zenreich. Nach den Grundſätzen der wiſſenſchaft⸗ lichen Warenkunde. Für die Praxis und zum Studium bearbeitet von Dr. T. F. Hanauſek. Mit 100 in den Text eingedruckten, meiſt anato- miſchen Holzſchnitten. Kaſſel, Theodor Fiſcher. 1884. Preis 6 % Das litterariſche Unternehmen, durch die Firma Theodor Fiſcher in Kaſſel ins Leben gerufen, welches be— abſichtigt, eine allgemeine Warenkunde und Rohſtofflehre zu ſchaffen, hat vor kurzem einen neuen Zuwachs zu den bereits mit Recht begrüßten und allgemein günſtig beur— teilten Erſcheinungen geliefert. Vor uns liegt das fünfte Bändchen. Die Nahrungs- und Genußmittel aus dem Pflanzenreiche von Dr. T. F. Hanauſeck, in welchem der Verfaſſer den Verſuch macht, ein Thema in mono— graphiſcher Behandlung, den Anforderungen der Praxis und Wiſſenſchaft entſprechend, zu geben, welches wohl zu den ſchwierigſten der Rohſtofflehre gehört. Sind es doch gerade die Nahrungs- und Genußmittel, welche erſt ſeit etwa zehn Jahren mit erneuter Aufmerkſamkeit in kom- merzieller, botaniſcher und chemiſcher Hinſicht geprüft wer— den, um die unendlich vielen Lücken auszufüllen und vor allem eine zuverläſſige Kritik über wahre Beſchaffenheit dieſer Pflanzenſtoffe geben zu können. — Mit in jeder Hinſicht anerkennenswerter Ausdauer iſt die ſchwierige Aufgabe von dem Herrn Verfaſſer durchgeführt worden, der mit Geſchick und feinem Verſtändnis, vor allem die botaniſche und anatomiſche Charakteriſtik der hier vor— kommenden Pflanzen- und Pflanzenteile nebſt ihren durch mechaniſche Verarbeitung daraus erzeugten Produkten feſt— ſtellte, die kommerziellen Fragen in gedrängter Kürze gibt und beſtrebt ijt, alles Nebenſächliche zu beſeitigen. Ver⸗ miſſen wir hinſichtlich des allgemein pharmakognoſtiſchen Teiles vielleicht auch hie und da manche beachtenswerte Thatſache, was wohl auf Nichtberückſichtigung oft ſchwer zugänglicher Litteratur zurückzuführen iſt, ſo muß dennoch der ganzen Behandlung des botaniſch-pharmakognoſtiſchen Teiles die vollſte Anerkennung ausgeſprochen werden und namentlich hervorgehoben werden, daß eine Reihe neuer Thatſachen auf Grund eingehender ſelbſtändiger Unter— ſuchungen hier mitgeteilt werden. Zu bedauern bleibt es, daß bei der Behandlung des chemiſchen Teiles manches Neue, Beachtenswerte, das die Litteratur der letzten Jahre ge— bracht hat, unberückſichtigt geblieben iſt, dadurch auch ſelbſt— verſtändlich die kritiſche Arbeit hierbei leiden mußte. In betreff der Beurteilung der Reinheit, Verfälſchungen der einzelnen Nahrungs- und Genußmittel finden wir ſorg— fältige Charakteriſtik und Auswahl, wenn auch bei der Angabe der Verfälſchungen, die vorkommen ſollen, viel— leicht die Kritik etwas vernichtender hätte vorgehen können. Ueber die Anordnung des Stoffes, wobei die Ha— gerſche Gruppierung der Nahrungs- und Genußmittel angenommen wurde, die Verfaſſer ſelbſt für anfechtbar hält, möge hier, da dieſe Frage zu den nebenſächlichen gehört, keine weitere Diskuſſion ſtattfinden. Das Werk wird von der Praxis und Wiſſenſchaft die ihm gebührende Beachtung und Verbreitung finden. Erlangen. Prof. Dr. A. Hilger. Edm. Hoppe, Geſchichte der Elektricität. Leipzig, Joh. Ambr. Barth. 1884. Preis 13 / 50 Unter allen Erſcheinungskreiſen, welche den Gegen— ſtand der Phyſik bilden, iſt es ohne Zweifel jener der Elektricität, welcher ſeit Beginn des gegenwärtigen Jahr— hunderts, wenigſtens was die Reichhaltigkeit der entdeckten Thatſachen betrifft, mit dem größten Erfolge bearbeitet wird. In fortwährend geſteigertem Maße beſchäftigt ſich Theorie und Praxis: die Wiſſenſchaft und die Technik mit elektriſchen Entdeckungen und Erfindungen, welche ſeit der Entdeckung des Galvanismus ſich einander faſt überſtürzen. Unter ſolchen Umſtänden müſſen wir ein Unternehmen wie das des Verfaſſers mit Freuden begrüßen, welches uns eine Entwickelungsgeſchichte der Lehre von der Elektrieität und von deren Anwendungen in Ausſicht ſtellt. Der Ver—⸗ faſſer will weder eine ſchematiſche, nach Jahren geordnete Regiſtrierung der einzelnen Fortſchritte der Elektricitäts⸗ lehre geben, noch auch jeden Zweig derſelben für ſich von den erſten Anfängen bis zur Jetztzeit verfolgen, ſondern er iſt bemüht, durch Vereinigung der beiden Methoden dem Leſer einen klaren Ueberblick über ein weites Feld erfolg— reicher Geiſtesarbeit zu geben. Als Abſchluß des ganzen, bis zur Jetztzeit fortſchreitenden Werkes dient jenes monu— mentale wiſſenſchaftliche Ereignis, welches in der Formu⸗ lierung eines, die geſamte Erſcheinungswelt umfaſſenden Naturgeſetzes beſteht, nämlich in der Aufrichtung des Satzes von der Erhaltung der Kraft. Allerdings kann hier nicht fo ſehr die Entdeckung dieſes Geſetzes und deſſen Ver- öffentlichung durch Robert Mayer im Jahre 1842 ge⸗ meint ſein, ſondern vielmehr das Erſcheinen jener Arbeit von Helmholtz im Jahre 1847, mit welchem dasſelbe in der Elektricitätslehre eine Rolle zu ſpielen begann. Es iſt ferner der Schluß mit einer beſtimmten Jahreszahl im allgemeinen nicht buchſtäblich zu nehmen, da der Verfaſſer oft genötigt iſt, um zu einem Abſchluſſe gelangen zu können, Probleme über jenes Jahr hinaus zu verfolgen. Aus eben dieſem Grunde ſchließt jener Teil des Buches, der ſich mit den techniſchen Anwendungen der Elektrieität beſchäftigt, nicht mit dem vorgenannten Jahre, ſondern ſchreitet bis zur Jetztzeit fort. Das ganze Werk beſteht aus ſechs Abteilungen, von denen ſich die fünf erſten mit der Entwickelung der theo— retiſchen Elektricitätslehre beſchäftigen, während der ſechſte den techniſchen Anwendungen derſelben gewidmet iſt. Wir geben im folgenden eine kurze Inhaltsanzeige des Buches: J. Von der älteſten Zeit bis auf Franklin. 1. Ein⸗ leitung. Gilbert bis Hawksbee (1600-1729). 2. Von Gray bis zum Auftreten Franklins (1729 — 1747). — II. Das Zeitalter Franklins und Coulombs (1747 bis 1789). 1. Franklin und ſeine Zeitgenoſſen. 2. Tur⸗ malin- und Pyroelektricität. 3. Die Symmerſche Theorie und die Nachfolger Franklins. 4. Coulomb. — III. Von der Entdeckung des Galvanismus bis zum Jahre 1819. 1. Galvani und Volta. 2. Von 1801-1819. — IV. Be⸗ ziehung zwiſchen Elektricität und Magnetismus, von Oerſted bis Nobili. 1. Ablenkung der Magnetnadel durch den Strom und Magnetiſierung durch denſelben. 2. Ampères Cnt- deckungen und analoge Beobachtungen. 3. Thermoſtröme. 4. Abſchluß der Unterſuchungen dieſes Zeitraums. — V. Von Ohm bis zum Geſetz der Erhaltung der Kraft. 1. Das Ohmſche Geſetz. 2. Uebergangswiderſtand und Polariſation. 3. Chemiſche Wirkungen. 4. Konſtante Ele— mente. 5. Sekundäre Elemente und Galvanoplaſtik. 6. Die Theorie des galvaniſchen Stromes. 7. Wärme und Elek— tricität. 8. Reibungselektricität. 9. Die Potentialtheorie. 10. Tieriſche Elektrieität. 11. Meßapparate und Meß—⸗ methoden. 12. Induktion. 13. Das Weberſche Geſetz. 14. Das Geſetz von der Erhaltung der Kraft. — VI. Die techniſchen Anwendungen der Elektricität. 1. Die elektriſche Beleuchtung (A. das Bogenlicht, B. das Glühlicht). 2. Die Strommaſchine. 3. Geſchichtliche Entwickelung der Tele— graphie. Wir können ſchon aus dieſem Verzeichniſſe einen Schluß ziehen auf den überaus reichhaltigen Inhalt des Buches. Mit völliger Beherrſchung des faſt unabſehbaren Gebietes und einer ſeltenen Kenntnis des ganzen einſchlägigen Materiales hat der Verfaſſer ſich an die Löſung ſeiner großen Aufgabe gemacht und hierdurch für einen höchſt wichtigen Kreis von phyſikaliſchen Erſcheinungen eine Dar- ſtellung des Entwickelungsganges unjerer Kenntniſſe über denſelben gegeben. Bei dem großen Intereſſe, welches ſich für die elektriſchen Vorgänge eben in unſeren Tagen be— thätigt, muß ein ſolches Werk, das uns ein ſo vollſtän— diges Bild der Entſtehung und des Fortganges dieſes Zweiges der menſchlichen Erkenntnis gibt, in hohem Grade willkommen ſein. Infolge der großen Menge von That⸗ ſachen, der ungeheuer ausgebreiteten Litteratur des Gegen— Humboldt. — Januar 1885. 43 ſtandes und vermöge des Umſtandes, daß die Quellen des Studiums über einen Zweig der naturwiſſenſchaftlichen Forſchung oft ſehr ſchwer zugänglich ſind, finden wir ſehr häufig in Werken ähnlicher Richtung falſche oder entſtellte Angaben über die Anſichten der ee Forſcher, ſowie über deren biographiſche und andere Verhältniſſe. Es iſt nun ein nicht genug zu betonender Vorzug des vor— daß es mit der größten Gewiſſen— haftigkeit allen derartigen Verſtößen auszuweichen ſucht. — Nach allem dieſem können wir nicht umhin, das vor— liegende reichhaltige, wichtige Werk der Aufmerkſamkeit aller jener wärmſtens zu empfehlen, die ſich für die Lehre von der Elektricität, ſowie für Phyſik im allgemeinen inter— eſſieren. Budapeſt. liegenden Buches, Prof. Aug. Heller. G. Otto Widemann, Schlüſſel zur Erkeuntuis des höchſten Geſetzes, unter welchem Natur und Geſchichte ſtehen. Plauen i. V. Dem etwas wunderlichen Titel entſpricht der Inhalt, welcher „Thatſachen wiſſenſchaftlicher Forſchung, die das höchſte Geſetz ꝛc. zur Erkenntnis gelangen laſſen“, enthalten ſoll. Wenn der Verfaſſer meint, daß „die goldenen Worte Erkenne dich ſelbſte hierdurch in Erfüllung gehen“, fo iſt er wohl etwas im Irrtum. Trotzdem iſt es immerhin ein ganz leſenswerter Verſuch, aber freilich mehr als ein ſolcher iſt es eben doch nicht. Der beigegebene „Schlüſſel“, welcher zwiſchen poſitiver und negativer Empfindung ſcheidet, ſtatuiert n der einen eine Progreſſion von Freiheit — Wollen, Bewegung, Recht, Pflicht, Können, Thun, Leben, Gebot (Geſetz) — Wiſſen, Bewußtſein, innerhalb der negativen Empfindung aber Zwang — Sollen, Ruhe, Un— recht, Pflichtverletzung, Nichtkönnen, Nichtthun, Tod, Ver— bot — Glauben, Unbewußtſein, und mag ſo in der That ein Schlüſſel der Art der Ideengänge des Verf, fein. Etwas wunderlich iſt die Anwendung dieſes Schlüſſels, die der Verf. in den folgenden Abſchnitten verſucht und die ihn zu ganz merkwürdigen Sätzen gelangen läßt. Frankfurt a. M. Dr. Gotthold. Me Bibliographie). Bericht vom 1. bi⸗ 15. November 1884. Biographieer Geſellſchaft zu Chen, 1 faſſend 31. Aug. 1884. Chemnitz, M. Bit; Allgemeines. Bericht, 9., der naturwiſſenſchaftl. die Zeit vom 1. Jan. 1883 bis M. 6. Clauſius, R., Ueber den Zuſammenhang zwiſchen den großen Agentien der Natur. Bonn, M. Cohen & Sohn. M. 1. Denkſchriften, neue, der allgemeinen ſchweizeriſchen Geſellſchaft f. d. ge— ſammten Nafurwiſſenſchaften. 29. Band. 1. Abtheilung. Baſel, H. Georg Verlag. M. 10. Mittheilungen des naturwiſſenſchaftlichen Vereins für Steiermark. Jahr— gang 1883. Red. v. A. V. Mojsisovics. Graz, Leuſchner & Lue bensky. M. 6. Revue der Fortſchritte der Naturwiſſenſchaften. Red.: H. J. Klein. (13. Band]. Neue Folge. 5. Band. Nr. 1 pro cplt. 1-6. M. 9 Köln, C. H. Mayer. Schriften der naturforſchenden Geſellſchaft in Danzig. Neue Folge 6. Band. 1. Heft. Leipzig, W. Engelmann. M. 8. PWhHovfik, Phyſiſtaliſche Geographie, Meteorologie. Blum, L., Lehrbuch der Phyſik und Mechanik für gewerbliche Fortbil⸗ dungsſchulen. 3. Aufl., bearbeitet von R. Blum. Leipzig, C. F Winter'ſche Verlagsbuchhandlung. M. 5. Bibliothek, elektro-techniſche. 25. Band. Inhalt: Die Mehrfach-Tele— graphie auf einem Drahte. Von A. E. Granfeld. Wien, A. Hart⸗ leben's Verlag. M. 3.; geb. M. 3. 80. Graetz, L., Die Elektrizität und ihre Anwendungen zur Beleuchtung. Kraftübertragung, Metallurgie, Telephonie und Telegraphie. 2. Aufl Stuttgart, J. Engelhorn. M. 7. Hochegger, Ph. R., Die geſchichtliche Entwickelung des Innsbruck, Wagner'ſche Univ.-Buchh. M. 3. 20. Huth, E., Das periodiſche Geſetz der Atomgewichte und das natürliche Syſtem der Elemente. Berlin, R. Friedländer & Sohn. M. 1. 20. Farbenſinnes. Wiederholt machen wir darauf aufmerkſam, daß Lieferungswerke, inſoweit es ſich nicht um größere, ſelten erſcheinende Abteilungen handelt, nur in der 1, Lieferung und nach Vollendung als komplette Bände angezeigt werden. Wen Elektrotechniker. Jahrgang 1885. Wien, M. Perles: Gef 5 Leonhardt, E. N., Die internationale elektriſche Ausſtellung Wien 1883. Freiberg, Cra} & Gerlach. M. 5. Sitzungsberichte der mathematiſch-phyſikaliſchen Claſſe der k. b. Akademie der Wiſſenſchaften zu München. Jahrg. 1881. 3. Heft. München, G. Franz'ſche Verlagsbuchhandlung. M. 1. 20. Aſtronomie. Klein, H. J., Aſtronomiſche Abende. Allgemein verſtändliche Unterhal— tungen über Geſchichte u. Reſultate der oun 5 Berlin, Allgemeiner Verein für deutſche Literatur. M. Nachrichten, aſtronomiſche. Herausg.: A. Krüger. 110. Band (24 Num⸗ mern) Nr. 2617. Hamburg, W. Mauke Söhne, pro cplt. M. 15. Vierteljahresſchrift der aſtronomiſchen Geſellſchaft. Herausg, von E. Schönfeld und H. Seeliger. 19. Jahrgang. 2. Heft. Leipzig, W. Engelmann. M. 2. Wolf, J. Th., Photometriſche Beobachtungen an Fixſternen aus den J. 1876 bis 1883. Berlin, G. Reimer. Geb. M. 10 Chemie. Gumprecht, O., Wie ſtudiert man Chemie und die beſchreibenden Natur— wiſſenſchaften? Leipzig, Roßberg'ſche Buchh. M. —. 60. Handwörterbuch der Chemie. Herausgegeben v. Ladenburg. 2. Band. Breslau, E. Trewendt. M. 16. Jahresbericht über die Fortſchritte der Chemie und verwandter Theile anderer Wiſſenſchaften. Herausg. v. F. Fittica. Für 1883. 1. Heft. Gießen, J. Ricker. M. 10, Zeitſchrift für phyſiologiſche Chemie, herausgegeb. v. F. Hoppe-Seyler. 9. Band. 1. Heft. Straßburg, K. J. Trübner. pro cplt. M. 12. Mineralogie, Geologie, Geognoſte, Valäontologie. Abhandlungen zur geologiſchen Specialkarte v. Elſaß-Lothringen. 4. Bd. 2. Heſt. Straßburg, R. Schultz & Co. M. 5. Wagner, C. J., Die Beziehungen der Geologie zu den Ingenieur— Wiſſenſchaften. Wien, Spielhagen & Schurich. Zeitſchrift für Seyftallogeaphic und Mineralogie, herausg. v. P. Groth. 9. Band. 5. u. 6. Heft. Leipzig, W. Engelmann. M. 11. Zittel, K. A., und K. Haushofer, paläontologiſche Wandtafeln und geologiſche Landſchaften zum Gebrauche an Univerſitäten und Mittel- ſchulen. 3. Lieferung. [Taf. 10—12 à 4 Blatt. Fol. Mit Text.] Kaſſel, Th. Fiſcher. M. 8.; für Aufziehen jeder Tafel M. 3. DBotanik. Arndt, C., Verzeichniß der in der Umgegend von Bützow bisher beobad- teten wildwachſenden! Gefäßpflanzen u. der häufigſten Culturgewächſe. 2 2. Aufl. Bützow, S. Berg. M. 1. Höck, F., Die nutzbaren Pflanzen und Thiere Amerikas und der alten Welt, verglichen in Bezug auf ihren Kultureinfluß. Leipzig, W. Engelmann. M. 1. 20. Jahrbuch, l für Gartenkunde und Botanik. Herausg. unter Red. v. Bouché u. R. Herrmann. 1. Jahrg. Bonn, E. Strauß, Verlag. M. 12.; geb. M. 13. 50. Jahrbücher, botaniſche, für Syſtematik, paz und Pflanzen- geographie, herausg. v. A. Engler. 6. Band. 1. Heft. Leipzig, W Engelmann. M. 5. : d Jahresbericht, botaniſcher. Syſtematiſch geordnetes Repertorium der Herausg. v. L. Juſt. 9. Jahrgang Berlin, Gebrüder Born— botan. Literatur aller Länder. [1881]. 2. Abtheilung, 2. (Schluß-)Heft. träger. M. 18. Kaufmann-Bayer, R., Geb. M. 2 Kerner, A., Schedae ad floram exsiccatam austro-hungaricam III. Wien, W. Frick. M. 2. 80. Lennis, J., Schul⸗Naturgeſchichte. 2. Theil. bearbeitet v. A. B. Frank. Hannover, Hahn'ſche Buchh. M. 4. Oberny, A., Flora von Mähren und öſterreich. Schleſien. 2. Theil. Die Apetalen und Gamopetalen. Brünn, C. Winiker. M. 6. Rabenhorſt's, L., Kryptogamen-Flora von Deutſchland, Oeſterreich und der Schweiz. (2. Aufl.) 1. Band, 2. Abtheil. Pilze, v. G. Winter. 16. Lieferung. Leipzig, E. Aan M. 2. 40. Rabenhorstii, L., Fungi europaei et extraeuropaei exsiccati. Klotzschii herbarii vivi mycologici continuatio. Ed, nova. Series 2. Centuria 31 et 32. Cura G. Winter. Dresden, G. A. Kaufmann's Sort. Cart. M. 24. Rabenhorstii, L., Bryotheca europaea et extraeuropaea. Heraus- gegeben von G. Winter. Fasc. 28 et 29. Dresden, G. A. Kauf— mann's Sort.-Buchh. Cart. a M. 12. Verhandlungen d. botaniſchen Vereins d. Prov. Brandenburg. 21. Jahr⸗ gang 1883. Red. u. herausg. v. Aſcherſon, E. Koehne, F. Diet⸗ rich. Berlin, R. Gärtner's Verlag. M. 5. 60. Zoologie, Phyſtologie, Entwickelungsgeſchichte. Anthropologie. Bergel, J., Die Medicin der Talmudiſten. Nebſt einem Anhang. Anthropologie der alten Hebräer. Leipzig, W. Friedrich. M. 2. Carus, J. V., Prodromus faunae mediterraneae sive descriptio animalium maris mediterranei incolarum Pars I. Stuttgart, E. Schweizerbart'ſche Verlagsbuchh. M. 12. Darwin, Ch., Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menſchen Schweizer Flora. Frauenfeld, J. Huber. Botanik.. 10. Aufl. neu E und den Thieren. Ueberſetzt v. J. V. Carus. 4. Aufl. Stuttgart, E. Schweizerbart'ſche Verlagsbuchh. M. 10. Eucyclopädie der Naturwiſſenſchaften. 1. Abtheilung, 40. Lieferung. 1 b 13. Lie⸗ M. Handwörterbuch d. Zoologie, Anthropologie 1 ferung. Breslau, E. Trewendt. Subjer.-P Erichſon, W. F., Naturgeſchichte der Inſecten Deutſch lands. 1. Ubih. Coleoptera. 6. Band. Bearbeitet v. J. Weiſe. 3. Liefg. Berlin, Nicolai'ſche Verlags-Buchhandle M. 6. Grünhagen, A., Lehrbuch der Phyſiologie. 7. Hamburg, L. Voß. M. 3. Auflage. 3. Lieferung 44 Humboldt. — Januar 1885. Handwörterbuch der Zoologie, Anthropologie und Ethnologie. Heraus⸗ gegeben v. A. Reichenow. 3. Bd. Breslau, E. Trewendt. M. 16. Hofmann, E., Die Schmetterlinge Europas. 1. Lieferung. Stuttgart, Hoffmann'ſche Verlagsbuchhandl. M. 1. Wee Jahrbücher für wiſſenſchaftliche Botanik. Herausgegeben v. N. Prings⸗ heim. 15. Band, 3. Heft. Berlin, Gebrüder Bornträger. M. 12. Jahresbericht, zoologiſcher f. 1883. Herausgegeb. von der zoologiſchen Station zu Neapel. 2. Abtheil. Arthropoda. Red. v. P. Mayer und W. Giesbrecht. Leipzig, W. Engelmann. M. 13. Köllicker, A., Grundriß der Entwickelungsgeſchichte des Menſchen und der höheren Thiere. 2. Aufl. Leipzig, W. Engelmann. M. 10.; Einband M. 1. 50. Leuckart, R., und H. Nitſche, Zoologiſche Wandtafeln zum Gebrauche an Univerſitäten u. Schulen. 9. Lieferung, Tafel 23 — 25 a 4 Blatt. Lith. u. color. Fol. Mit Text. Kaſſel, Th. Fiſcher. M. 9. Leunis, J., Synopſis der drei Naturreiche. 1. Theil. Zoologie. 3. Aufl. von H. Ludwig. 2. Band, 1. Abtheilung. Hannover, Hahn'iſche Buchhandlung. M. 8. Löwis, O. v., Die Reptilien Kur-, Liv- u. Eſtlands. mel's Buchhandl. M. 2. Miller, K., Die römiſchen Begräbnißſtätten in Württemberg. Stuttgart, Wildt'ſche Buchhandl. M. 1. 40. Pabſt, M., Die Groß-Schuppenflügler [Macrolepidoptera] der Um⸗ gegend von Chemnitz u. ihre Entwickelungsgeſchichte. 1. Theil Rho- paldcera Tagfalter, Heterdcera A., Sphinges Schwärmer, B. Bom- byces Spinner. Chemnitz, C. Brunner'ſche Buchhandl. M. 2. Ploß, H., Das Weib in der Natur- u. Völkerkunde. Anthropologiſche Studien. 8. (Schluß-) Lieferung. Leipzig, Th. Grieben's Verlag. M. 2.5 cplt. M. 16.; geb. M. 19. Rieſenthal, O. v., Die Kennzeichen unſerer Raubvögel nebſt kurzer An⸗ leitung zur Jagd u. Fang. Berlin, R. Friedländer K Sohn. M. 1. Schenkling, C., Die deutſche Käferwelt. Allgemeine Naturgeſchichte der Käfer Deutſchlands. 1. Lieferung. Leipzig, O. Leiner. M. 1. 25. Zeitſchrift für wiſſenſchaftliche Zoologie, herausgegeben von C. Th. v. Seibold und A. v. Kölliker unter Red. von E. Ehlers. 41. Band, 1. Heft. Leipzig, W. Engelmann. M. 12. Riga, N. Kym⸗ Geographie, Ethnographie, Reifewerke. Baenitz, C., u. Kopka, Lehrbuch der Geographie. 1. Theil. 1. Kurs. Untere Stufe. 2. Abdr. Bielefeld, Velhagen u. Klaſing. M. 1. Dielitz u. Heinrichs, Grundriß der Geographie für höhere Lehranſtalten. an Aufl., beſorgt von J. E. Heinrich. Altenburg, H. A. Pierer. t. 2. 40. Hochſtetter's, F. v., geſammelte Reiſe-Berichte von der Erdumſegelung der Fregatte „Novara“ 1857—1859. Wien, E. Hölzel's Verlag. M. 5. Jahresbericht, 6., der geographiſchen Geſellſchaft v. Bern. 1883-1884. ue v. G. Reymond le Brun. Bern, Rydegger & Baumgart. 50 Krauß, F. S., Sitte u. Brauch der Siidjlaven. Wien, A. Hölder. M. 13. Mechow, A. v., Karte der Kuango-Expedition. 1: 81,200. 26 Blatt. Chromolith. Berlin, A. Aſher & Co. In Mappe M. 6. Mittheilungen der deutſchen Geſellſchaft für Natur und Völkerkunde Oſtaſiens. 31. Heft. September 1884. Yokohama. Berlin, A. Aſher & Co. M. 6. Müller, F., Ethnologiſcher Bilder-Atlas für Volks-, Bürger- u. Mittel⸗ ſchulen. Nach Originalen v. A. Geraſch in Farbendruck ausgeführt. Blott 4: Hottentotten. Wien, R. Lechner's Verlag. M. 5. Oberländer, R., Deutſch-Afrika. Land und Leute, Handel und Wandel in unſeren Kolonieen. Leipzig, W. Friedrich. M. 5.; geb. M. 6. Oberländer, R., Livingſtones Nachfolger. Afrika quer durchwandert v. Stanley, Cameron, Serpa Pinto, Wißmann u. a. 2. Aufl. Leipzig, O. Spamer. M. 4.; geb. M. 5. Oberländer, R., Von Ocean zu Ocean. Kulturbilder und Naturſchil— derungen aus dem fernen Weſten v. Amerika. Leipzig, O. Spamer. M. 4. 50; geb. M. 5. 50. Peterſen, W., Aus Transkaukaſien und Armenien. Reiſebriefe. Leipzig. Duncker & Humblot. M. 3. Weißbach, A., Die Serbokroaten der adreatiſchen Küſtenländer. [Beite ſchrift f. Ethnologie 1884. Suppl.] Berlin, A. Aſher & Co. M. 3. Zeitſchrift für wiſſenſchaftliche Geographie, herausgeg. v. J. Kettler. 5. Band (6 Hefte). 1. Heſt. Wien. E. Hölzel's Verl. pro cplt. M. 8. Witterungsüberſicht für Centraleuropa. 1. bis 15. November ). Die erſte Hälfte des Monats November iſt cha— rakteriſtiſch durch ruhiges, trockenes, vorwiegend hei— teres, jedoch vielfach nebeliges Wetter mit durch— ſchnittlich nahezu normalen Temperaturverhältniſſen. Ein hohes barometriſches Maximum von über 780 mm lag am Anfange des Monats über dem Innern Rußlands, ſeinen Einfluß weſtwärts über Centraleuropa und Frank— reich ausbreitend, wo bei ſchwacher ſüdöſtlicher Luftſtrömung allenthalben heiteres und trockenes, jedoch vielfach nebeliges Wetter herrſchte. Indeſſen bewegten ſich über dem hohen Nordweſten Europas tiefe Depreſſionen, welche über den Britiſchen Inſeln, ſowie über dem nördlichen Nordſee— gebiete vielfach ſtarke ſüdweſtliche Luftbewegung hervor- brachten. Am 3. hatte ſich über der ſüdöſtlichen Nordſee ein Teilminimum entwickelt, welches oſtwärts fortſchritt und am 4. eine ſelbſtändige Depreſſion über dem öſtlichen Deutſchland bildete, während weſtlich von den Britiſchen Inſeln ein tiefes Minimum vom Ocean heranrückte. Indem dieſes nordoſtwärts nach Finnmarken fortſchritt, friſchten im Nordſeegebiete die Winde auf und erreichten ſtellen— weiſe einen ſtürmiſchen Charakter. Dabei fielen an der weſtdeutſchen Küſte allenthalben leichte Niederſchläge. Im Binnenlande Centraleuropas dagegen blieb das Wetter ruhig, trocken und vorwiegend heiter. Vom 3. bis zum 5. kamen im nordöſtlichen Deutſchland vielfach Nacht— fröſte vor. Ein neues tiefes Minimum erſchien am 7. nördlich Die Witterungsüberſicht über die 2. Hälſte des November folgt mit der über den Monat Dezember 1884 im nächſten Heft. von Irland und ſchritt dann raſch nordoſtwärts nach Finnmarken fort, gefolgt von einer neuen Depreſſion, welche dieſelbe Bahn einſchlug. Während bei ihrem Vor— übergang über den Britiſchen Inſeln und im nördlichen Nordſeegebiete ſtürmiſche, ſüdweſtliche Winde zur Ent— wickelung kamen, wurde hiervon Centraleuropa, der äußerſte Norden ausgenommen, nicht berührt, ſondern hier dauerte der ruhige, heitere und trockene, jedoch viel— fach nebelige Witterungscharakter fort. Die Temperatur lag faſt überall über dem Normalwerte, und Nachtfröſte wurden am 6., 7. und 8. nur aus dem ſüdlichen Bayern gemeldet. Den Charakter der Beſtändigkeit erhielt die Witte— rung durch die Entwickelung eines barometriſchen Mapi— mums, welches am 9. über Oeſterreich, am 10. ſüdlich von der Nordſee lag und dann ſeinen Wirkungskreis über faſt ganz Europa ausdehnte. Da dieſes Maximum die höchſten Barometerſtände im Norden Centraleuropas hatte, ſo herrſchten auf dieſem Gebiete beſtändig öſtliche, meiſt ſchwache Winde vor, unter deren Einfluß die Tem— peratur erniedrigt wurde und vielfach unter den Gefrier— punkt herabging. Am 12. lag morgens ein Froſtgebiet über Oſtdeutſchland, am 13. über Weſt- und Süddeutſch—⸗ land, am 14. wurde die Nordoſthälfte Frankreichs in dasſelbe aufgenommen und am 15. dehnte ſich die Frojt- grenze über faſt ganz Frankreich aus. Vom 14. auf den 15. ſchritt eine Depreſſion vom Schwarzen Meere am Südrande des hohen Luftdrucks nordweſtwärts fort und verurſachte im öſtlichen Deutſch— land Regen- oder Schneefälle. Hamburg. Dr. J. van Bebber. Humboldt. — Januar 1885. 45 Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Jannar 1885. (Mittlere Berliner Zeit.) 1 Gb gm 1 2 Su Zi e . N BAC 287213 19% A II E 13" 25 A 190mg. n.) & Caueri 2 8b 29” f. (. 6 204 5m. d. 5 4 3 78 i Tauri 125 555 5 A 01 151 U Cephei | 3 4 771 S Cancri 7 54m A @ Il 11" 58” A TIT A 15 9 F. h. (35 Sent. 1820 U Coronæ 4 10> 51™ 16553 f. J.) 6 b | 5 1813 U Ophiuchi 5 7 € 657 „ Tauri 7 zh Zim x h 1 gb Am 2 8 115 215 A @1) 1448 U Cephei 205 225 | Ie! 8 9 15 18" 9 1 E 15 56" II E 9 Oh m { 15 Saen 5 11 516 J Tauri 9" 46" A I E 12" 25" A III E 1570 Algol 10" 28" (A ell Tal} 1577 U Corone |13" 24™ § 3 45 U Cephei 3 14 1158 Algol | 14 1 19 56 ¢ 15 2 22h 16 ( A. el | 16 1620 U Ophiuehi 145 In A IV E L EMOTE 8 an e I sk 16 17 886 Algol 14" 25™ | 9 01 17 16 45™ § 18 11 40™ AI E 1384 U Coron 1481 U Cephei 13" 1”? ) 16> 23" A III E 18 | 151 57" je IT) 19 8b 5 5m 19 | 115 135 5 A el 20) 584 Algol 20 21 6 322 . d. B40 57 1628 U Ophiuchi 21 7 45m J. h. 64/2 0 22 6" 260 E. d. (e Pisc. | 6 13m 22 7 40 A. h. 5½ | gh 54m (A 1 | 23 3 683 8 Cancri 378 U Cephei 19 5m A TK 23 24 18 395 01 | Venus nalle bei Merkur 24 22 Zu 39m ) i. Sh 34m | | 95 | 25) 130 337 A I E 185 31 A 011 | | >| 26 Sn Gm BE. d. 2 BAG 526 10h 47m Nel 1725 U Ophiuchi! | Merkur in grösster 26 | d 42m f. h. H 6 130 7m westl. Ausweichuug 27 S Im A I E 95 31 . d.) BAC 1930 10 26" 9) II EL 27 r 10 23 f. h. 5 6 ½ 28 13.4 U Cephei 15 16" E. d. (7. Gemin. 28 16 14 Ah 4 29 h 51m OC 0 e eee eee ee ie 30, @ 0 47 f. l.) 4 30 | 30 5 12 100 52 f. l. 5 6% | | 31 6 46 F. . ) Lecnis 18.3 U Ophiuchi 31 | 17 9 E. lu.) BAC 3529 18913" 7u 28 J. J. K 5 18˙ 13 A. d. 6 20132 Ae Merkur kommt am 3. in untere Konjunktion mit der Sonne und am 26. in ſeine größte weſtliche Ausweichung von der Sonne, bleibt aber gleichwohl wegen ſeiner großen ſüdlichen Deklination dem freien Auge unſichtbar. Venus durchwandert die Sternbilder des Schlangenträgers und des Schützen; fie geht anfangs um 5½, zuletzt um 6 Uhr morgens auf. Merkur und Venus gehen am 24. mittags in zwei Monddurchmeſſer Abſtand aneinander vorüber; an dieſem und dem folgenden Morgen wird Merkur durch dieſe Nähe der Venus für Liebhaber mit kleinen Fernröhren leicht auffindbar ſein. Mars iſt wegen ſeiner unmittelbaren Nähe bei der Sonne unſichtbar. Jupiter iſt rückläufig im Löwen; er geht anfangs um 9, zuletzt um 65/4 Uhr abends auf. Saturn ijt rückläufig im Stier und bildet am Ende des Monats mit den Sternen 8 und € Tauri ein gleichſeitiges Dreieck. Mit Beginn der Nacht ſteht er ſchon hoch am Himmel; fein Untergang erfolgt anfangs um 6 , zuletzt um 4 Uhr morgens. Uranus in der Nähe von Virginis wird am 6. rückläufig; er geht anfangs um 11, zuletzt um 9 Uhr abends auf. Neptun an der 1 von Stier und Widder kommt am 30. in Stillſtand und wird wieder rechtläufig. — Unter den Veränderlichen des Algoltypus bietet 5 Libra noch kein Lichtminimum zu einer günſtigen Morgenſtunde für die Beobachtung dar. Die Lichtminima von % Tauri am 3., 7. und 11. find bis zum Auguſt die letzten Beobachtungsgelegenheiten. — Die Verfinſterungen des III. Jupitertrabanten am 4., 11. und 18. und vorzüglich die des IV. Trabanten am 16. ſind beſonderer Beachtung zu empfehlen. Dorpat. Dr. E. Hartwig. 46 Humboldt. — Januar 1885. Wee we jie Miß ein Ge a Afrikaforſchung. Der Lieutenant Van Gele, Kommandant der Aequatorſtation, ſendete neulich einen Bericht über einen Nebenfluß des Congo, deſſen Name, Lage und Bedeutung noch nicht genau feſtgeſtellt war. Es iſt der von der linken Seite zufließende Rouki, welcher ſich 5 km ſtromaufwärts von der Station mit dem Congo vereinigt. Nach den bis jetzt von Stanley ſelbſt wieder— holt gelieferten Nachrichten hatte man den Namen „Iké— lemba“ dem Strome gegeben. Stanley hatte ſeinerzeit darüber berichtet: „Es iſt ein ungeheurer Fluß, welcher eine Breite von mehr als tauſend Metern und deſſen tiefes und reißendes Waſſer die Farbe des ſchwarzen Thees hat. Er iſt der beträchtlichſte aller Zuflüſſe des Congo, welchen wir bis dahin getroffen haben. Nachdem er ſich ergoſſen hat, vermeidet er es ſeltſam, ſich mit dem Strome zu miſchen und ſcheint allein über die Hälfte des Fluß— bettes zu verfügen; die Linie der Trennung iſt ganz deut— lich im Zickzack gezeichnet, als ob beide Ströme darüber kämpften, wer den anderen beherrſchen ſoll. Wenn ſich der Aronbouini und die Löhona vereinigten, würden ſie dieſen ungeheuren Fluß nur um wenig überragen. Durch ihre faſt ſchwarze Färbung ſtechen dieſe Gewäſſer von denen des Congo, die weißlich braun ſind, ſehr ab. Der Ikélemba iſt der größte aller linkſeitigen Zuflüſſe des Congo; er iſt der unter dem Namen Kaſſa auf dem Wege von Angola nach Cazembé bekannte Strom.“ Seitdem hat ſich Stan— leys Anſicht geändert, nachdem er den gewaltigen Zuſammenfluß des Loülemgon, gegen 125 km mehr ſtromaufwärts gelegen, entdeckt hat. Letzterer Strom iſt der Kaſſar. Der Lieutenant Van Gele bringt nun neue Nachrichten über dieſe Hydrographie. Stromaufwärts von der Aequatorſtation nimmt der Congo auf ſeinem linken Ufer zwei große Zuflüſſe auf; zuerſt 5 km von der Station den Rouki und 3 km nördlicher den Ikélemba. Der Rouki allein iſt „der große Tributpflichtige“, während der Iké— lemba nichts weiter iſt als ein Zufluß, wie ihn der Congo zu Hunderten zählt. An manchen Stellen ijt der Routi ſo breit wie der Congo ſelbſt und wie dieſer mit Inſeln beſät. Er faßt immer ganz ungeheure Waſſermaſſen. Stanley glaubt, daß alle bedeutenderen linkſeitigen Zu— flüſſe des Congo aus mächtigen Sümpfen entſpringen, die im Norden des Reiches von Muata-Yamro gelegen find und den durch Cameron bezeichneten See Sankouron bilden. Dieſe Moräſte ſollen nach ihm den Gewäſſern dieſer Ströme eine ſchwärzliche Färbung geben. Nach dem Lieutenant Van Gele entſpringt der Routt nicht aus einem See. Das hat ihm auch ein Eingeborener verſichert, welcher ſeinen Lauf verfolgt und ihm die Namen von 21 großen Dörfern genannt, die längs ſeines linken außerordentlich reichbevölkerten Ufers bis zu zehn Tagemärſchen belegen ſind. Der Rouki empfängt ſelbſt zahlreiche Zuflüſſe, die ein weites Gebiet entwäſſern. Eine jetzt unternommene Erforſchung ſoll ergeben, ob der Kaſſar der Anfangsarm des Routt oder des Ikélemba iſt. Was den Ikelemba anlangt, ſo hat er an ſeiner Mündung nur eine Breite von 100 m; ſeine Waſſer ſind ſchwärzer als die des Rouki. Im Gebiete beider Flüſſe gibt es zahlreiche Elefanten. (,, Mono-Géogr.*) Wa. Ein neuer Krater. Am 23. Oktober d. J. hat ſich am Fuße des Aetna ein neuer Krater von 500 m im Durchmeſſer gebildet. Die von demſelben ausgeworfenen Schlammmaſſen ſtrömen nach dem Monte Frumento und dem Fichtenwalde von Biancavilla zu. (,Secolo*.) Wa: Verluſt einer koſtbaren Sammlung. An Bord des Dampfers „City of Mérida“, der vor kurzem im Hafen von Habana in Brand geriet, befanden ſich u. a. 240 Ballen, welche eine koſtbare Sammlung enthielten, die im Laufe vieler Jahre in Mexiko zuſammengebracht und zur Welt— ausſtellung nach New Orleans geſchickt worden war. Alle dieſe ſeltenen Gegenſtände, bisher von Botanikern nicht unterſuchte Pflanzen, ausgeſtopfte Vögel mit prachtvollem Gefieder und viele andere Gegenſtände aus allen Natur— reichen, deren Kenntnis die Wiſſenſchaft bereichert haben würde, ſind mit verbrannt. Wa. Feind der Vanille. Bei Arbeitern, die ſich mit dem Umpacken und Sortieren von Vanille beſchäftigten, wurde ein puſtelartiger Ausſchlag an Händen und Geſicht beobachtet, deſſen Entſtehung auf eine kleine Milbe zurück— geführt wird, welche an den Enden der Vanilleſchoten ſitzt. Dieſe Milbe bewirkt ſchon durch das bloße Berühren der Haut eine Entzündung, die durch die reizende Einwirkung der Vanillinkryſtalle, welche an den Schoten in Geſtalt feiner Nadeln haften, geſteigert wird. Da das künſtliche Vanillin, welches die Chemie bekanntlich aus dem Baſtſafte der Tannen bereitet, weder Milben hat, noch giftige Eigenſchaften zeigt, wie zuweilen die natürliche Vanille, ſo ſteigt das Kunſt— produkt in ſeiner Bedeutung. Wa. Ein elektriſcher Rochen (Torpedo marmorata) wurde kürzlich zu Porthleven in der engliſchen Grafſchaft, Cornwall gefangen. Derſelbe hatte eine Länge von 33/2 Fuß und ein Gewicht von 55 Pfund. Man hat eine Leine an ſeinen Schwanz gebunden und hält ihn lebendig in Tief— waſſer. Zur Prüfung ſeiner galvaniſchen Stärke wurden intereſſante Experimente angeſtellt. Ein Herr ſetzte ſeinen Fuß einen Augenblick lang auf den Rücken des Fiſches, worauf er ſofort eine heftige Erſchütterung verſpürte. Eine mit dem Fiſche in Verbindung gebrachte elektriſche Glocke wurde deutlich, aber nur für kurze Zeit, in Bewe— gung geſetzt. Wa. Einiges über Orchideen. In Fitzgeralds Werk über auſtraliſche Orchideen finden ſich einige höchſt inter— eſſante Mitteilungen über die Befruchtung dieſer Pflanzen. Der genannte Forſcher beobachtete, daß von 104 Species, welche er im erſten Bande ſeines Werkes beſchreibt, nur 10 ſich ſelbſt befruchteten, daneben aber, daß die Arten, welche ſich ſelbſt befruchten, einen bei weitem höheren Be— trag an Samen lieferten. Welche Schwierigkeiten die Be— fruchtung einzelner Gattungen hat, zeigt die Thatſache, daß ein prächtiges Exemplar von Dendrobium Hillii im botaniſchen Garten zu Sidney, obgleich es den Inſekten vollſtändig zugänglich war, aus ſeinen auf 190 Blütenſtiele verteilten auf ungefähr 40 000 geſchätzten Blüten nicht einen Samen produzierte. In einem anderen Falle fand Fitzgerald auf einer Blüte von Dendrobium spe— ciosum eine kleine Raupe, welche eine benachbarte Blüte angefreſſen hatte; er kennzeichnete die letztere, und es ſtellte ſich heraus, daß ſie auf der ganzen Pflanze die einzig fruchtbare wurde. Es ſteht ſo ganz feſt, daß viele Arten an ganz beſondere, vielleicht lokal eingegrenzte, befruchtende Inſekten gebunden find. Sarcochilus parviflorus bringt in ſeiner Heimat, den Blauen Bergen, oft Samen hervor; in Sidney blüht die Pflanze, liefert aber nur bei künſtlicher Befruchtung Samen. Während die auf der Erde wachſenden Orchideen ſehr zahlreich in Auſtralien vertreten ſind, finden ſich Epiphyten unter den Orchideen dort verhältnismäßig ſelten, da dieſe letzteren ja meiſt Bewohner der feuchtwarmen Wälder tro— piſcher oder ſubtropiſcher Gegenden ſind. So ſind nur etwa ½ aller von Fitzgerald abgebildeten Arten Epi— Humboldt. — Januar 1885. 47 phyten, faſt ſämtlich Angehörige der Gattungen Sarco- chilus und Dendrobium, welche letztere etwa 2—300 meiſt in den indochineſiſchen Gebieten einheimiſche Arten um— faßt. Andererſeits liegt nach Fitzgeralds Meinung das Centrum der auf der Erde wachſenden Orchideen in Sidney, wo er auf einer Fläche von einer Meile Halbmeſſer 62 Orchideenarten fand, von denen 57 auf der Erde wuchſen, eine Zahl, wie ſie wohl auf ähnlich kleinem Areal nirgends ſonſt in der Welt angetroffen werden dürfte. 5 Be. Orange, Citrone oder Baradiesapfel. Der Rab— biner, Herr Dr. Lewin, Koblenz, bezieht ſich in einem an die Redaktion des „Humboldt“ gerichteten Schreiben (18. 9. 84) auf meinen im Septemberheft dieſes Blattes nach A. de Candolle veröffentlichken Aufſatz über das Vaterland der in Europa angebauten Früchte und zwar auf folgenden Paſſus: „Bekanntlich herrſcht noch heutzu— tage bei den Juden der Brauch, am Laubhüttenfeſte die Synagoge mit einer Citrone in der Hand zu betreten“ (S. 322), und führt folgende Gründe dagegen an: „daß der Ethroz oder Eßroz keine Citrone iſt, dürfte Ihnen (näm— lich Herrn Profeſſor Dr. Krebs in Frankfurt a. M.) ein Blick in das Geſchäft von Kaufmann dort ſagen. Levy chald. Wörterbuch Nal TAN jagt, das Wort iſt das perſiſche Turundsch, das arabiſche utruddsch „Orangen— baum‘: Orangen, beſonders die zum Strauße des Hütten— feſtes verwendeten Paradies oder Adamsäpfel.“ Es liegt nun wohl außer allem Zweifel, daß der Sinn hebräiſcher Wörter ein ziemlich problematiſcher iſt, ſobald es ſich um ſehr ähnliche Früchte handelt, die im Alten Teſtament nicht beſchrieben ſind. Immerhin iſt es möglich, daß neuere jüdiſche Autoren von Wörterbüchern ſich in dem einen Sinne ausgeſprochen haben, ohne dafür ſichere Beweiſe in Händen zu haben. Die Citrone (Citrus medica) war den Hebräern aller Wahrſcheinlichkeit nach früher bekannt, als die anderen Citrusarten, wie beiſpielsweiſe die Orange, weil ſelbige ſeit alters in den Ländern verbreitet war, mit welchen dieſes Volk häufige Beziehungen hatte. Herrn Dr. Lewin zufolge bedienen ſich die deutſchen Juden beim Laubhüttenfeſte der Orangen, auch das möchte ich beſt reiten, nachdem ich mir von einem hieſigen Juden dieſe „Ethroz“ genannte Frucht habe zeigen laſſen — dieſelbe unterſchied ſich nur von der gewöhn— lichen Citrone, daß ſie etwas ſpitzer an dem einen Ende auslief und außerdem ſehr eigentümlich gefurcht war —, von Orange war an ihr keine Spur zu entdecken; Riſſo (Traité du Citrus, S. 195) und Targioni (Cenni storichi, S. 194), welche Nizza und Florenz be— wohnten, berichten ebenfalls, daß die Juden immer mit einer Citrone in der Hand bei jenem Feſte auftreten. Riſſo ſpricht ſogar von einer Varietät der Citrus medica unter dem Namen Cedro giudaico, ocedro dagli ebrei. Beide Autoren ſtützen fic) auf eine alte ſamaritaniſche Medaille, welche eine Citrone (eiförmige Frucht), an den Zweigen des Palmenbaums befeſtigt, darſtellt. Die Juden der Neuzeit haben vielleicht, je nach den Ländern, welche ſie bewohnen, bald die eine und bald die andere Frucht hierzu verwendet, gleichwie die Katholiken am Palm— ſonntage Palmenwedel in ſüdlichen Ländern, im Norden dagegen Blätter von anderen Bäumen, ſelbſt Weiden in Anwendung bringen. Ich verweiſe übrigens auf Riſſo, der ſich mit dieſer Frage ausführlich beſchäftigt hat und ſehr zuverläſſig iſt. Gze. Ein papierner Dom für das aſtronomiſche Obſer vatorium von „Columbia-College“ iſt kürzlich von Wa— ters & Sons in Troy, im Staate New Pork, angefertigt worden. Dies iſt der vierte ſeiner Art; den erſten beſitzt das „Troy⸗Politechnic-Inſtitute“, den zweiten und größten die Kadettenſchule zu „Weſt-Point“, den dritten das „Beloit College“. Das Verfahren zur Präparierung des Papiers wird geheim gehalten. Jeder Dom beſteht aus 24 Sek— tionen, die auf einem Holgzgeſtell befeſtigt werden. Das Papier hat eine Dicke von 2 Zoll und iſt fo ſteif wie Blech. Die Dome ſind ſo leicht, daß ſie mit einer Hand gedreht werden können. Der von „Columbia-College“ iſt 20 Fuß weit, 11 Fuß hoch und ſteht 100 Fuß über der Erde. Gr. Zunahme des BRegenfalles in den Vereinigten Staaten. Wir finden in einer St. Louiſer Zeitung eine intereſſante und durch Zahlen ziemlich gutbegründete Behauptung, die weitere Beachtung verdient. Anknüpfend an die Thatſache, daß vor 20 Jahren das Land weſtlich vom 100. Meridian für kaum kultivierbar und die Teile von Dakota, Nebraska und Kanſas weſtlich vom 101. Mexidian für eine regenloſe Wüſte erklärt wurden, während heute dort die Bodenkultur immer größere Fortſchritte macht und das Land mit wogenden Weizen- und Kornfeldern bedeckt iſt, kommt das Blatt zu dem Schluß, daß mit der Kultur in jenen baumloſen Diſtrikten der durchſchnittliche jährliche Regenfall wächſt. Dafür führt man die offiziellen Regen— karten der Ver. Staaten-Wetterbureaus als Beweis an und ſagt: „Der ſorgfältig gearbeitete Atlas zum Cenſus— werke des Jahres 1870 gibt z. B. für Oſt-Dakota auf 12 Zoll an. Gerade fo viel wie für die glühenden Hoch— ebenen Arizonas. Das neueſte Cenſuswerk berichtet hin— gegen für Oſt-Dakota 20—25 und für Weſt-Dakota 15 bis 20 Zoll jährlich atmoſphäriſchen Niederſchlages. In Nebraska fielen um 1870 nur 15—24 Zoll Regen im Jahre, während 1880 bereits 16—35 regiſtriert werden konnten. Kanſas rühmte ſich 1870 eines atmoſphäriſchen Niederſchlages von 20— 24 Zoll; 10 Jahre ſpäter hatte ſich derſelbe auf 20—35 Boll gefteigert.” Gr. Die Entſtehungszeit der Sahara, ihr geologiſches Alter, iſt bisher meiſt falſch beurteilt worden; man ift allgemein geneigt geweſen, dieſelbe als den Boden eines Meeres anzuſehen, das erſt neuerdings ausgetrocknet ſei. Daß dem nicht ſo iſt, wurde neuerdings in den Comptes rendus gezeigt. Es wird dort darauf hingewieſen, daß der ganze Norden der Sahara cretaceiſch iſt; daß der Weſten (die marokkaniſche Sahara) ebenſo wie der Süden devoniſchen Alters ſind. Es bleiben alſo nur noch kleine Strecken übrig, für die das quaternäre Alter nachzuweiſen iſt. Dieſe bedecken den größten Teil der algeriſchen Sahara; in jenen Gegenden könnte das Mittelmeer allein ſich nach Süden erſtreckt haben, und es wäre demnach das hypo— thetiſche Saharameer eine ganz lokale Bildung. Aber ſelbſt für dieſe Strecken läßt ſich nachweiſen, daß ſie nur Brack— waſſerbildungen ſind. Einmal nämlich zeigt die Zuſammen— ſetzung der zurückgebliebenen Salze, daß ſie nicht dem Meere entſtammen, ſondern Ueberbleibſel von Landſeen ſind; dann aber ſind die dort vorgefundenen Foſſilien nicht derart, daß man ſie als Beweis für die marine Ent— ſtehung der Gegend anführen könnte; denn cardium edule ijt nicht rein marin, ſondern gehört vorwiegend dem Brackwaſſer an, eine Annahme, die noch dadurch be— kräftigt wird, daß ſie in der Sahara meiſt mit Fluß muſcheln vergeſellſchaftet vorkommt. Was von echten See— muſcheln dort vorkommt, iſt wahrſcheinlich erſt nachträglich dorthin geſchwemmt worden. Als drittes Argument kommt noch hinzu, daß das geſamte Niveau beträchtlich über dem Meeresſpiegel liegt. Das iſt zwar an und für ſich kein Beweis; aber am nördlichen Teil des Atlas erkennt man, daß ſeit dem Quaternär die Erhebungen ſo wenig be— deutend geweſen find, daß das Meer nicht über den Atlas und in die algeriſche Sahara oder gar in die Depreſſionen von Gabé oder Melrir hätte eindringen können. Aus dieſem allen ergibt ſich, daß ſeit dem Beginn der Tertiär— zeit die Sahara feſtes Land darſtellte, mit Ausnahme eines verhältnismäßig kleinen Teils im Nordweſten, der noch vom eocänen Meer bedeckt war; am Schluß der miocänen Periode war ganz Nord-Afrika dem Meere ent— ſtiegen und ſeit der Pliocän- und Ouaternärperiode hat ſich die nördliche Küſtenlinie nicht weſentlich verändert. Itfm. 48 Humboldt. — Januar 1885. Meteorologiſches. Wie ſchon erwähnt, hat ſich am 4. April d. J. jene Dämmerungserſcheinung, die Reflexion roten bis gelben Sonnenlichts in der oberen Atmoſphäre etwa 45 Minuten vor Sonnenaufgang und nach Sonnen— untergang, in Form von großen Säulen gezeigt. Obwohl nun die Röte, beſonders in Bezug auf ihre Frequenz, in ſteter Abnahme begriffen iſt, hat ſich doch das erwähnte Phänomen Anfang September noch einmal ſchwach, am 27. desſelben Monats aber wieder ausgeprägter gezeigt. | | der Erſcheinung von Lichtbanden an Wolken und von Kometen mit der in der Dämmerung. An demſelben Abende, dem 27. September er., und zwar um 6" 50“ beobachtete ich noch ein anderes tnter- eſſantes Phänomen. Es zog nämlich von Weſten her in ziemlich hohen Regionen eine Nebelſchicht über den gerade im erſten Viertel ſtehenden Mond. Um den Mond bildete ſich deshalb ein Hof, jedoch von eigenartiger Beſchaffenheit. Der Hof hatte von der Mondperipherie ab bis zur eigenen Ich beobachtete die Erſcheinung um 6 15“ von Schwerte a. d. Ruhr aus und gebe davon eine kleine Skizze bei, Fig. 1. Zu bemerken iſt hierbei noch, einer gelben Färbung des betr. Himmelsteiles (Weſtens) auftrat und daß ebenſo die vor— handenen Wolken erſt gelb, darauf ſchön roſa leuchteten — ein Fall, den ich ſchon öfter auf— treten ſah. Die radien— förmige Anordnung der Säulen iſt ſelbſt— redend nur optiſch; die roten Bande ſind an ſich abſolut parallel und in ihrem Ver— Peripherie eine Breite von etwa 1½ Vollmondsbreiten, von welcher Fläche innen eine Vollmondsbreite von der Mond— daß die Strahlung nach peripherie ab intenſiv gelbe Färbung zeigte und außen eine 9 U 9 S g 3 halbe Vollmondsbreite rot erſchien. Als jedoch der Nebel mit ſeiner Grenze über die Mond— ſcheibe vorrückte, er— ſchien die erſtere ſo ſcharf, als ſei ſie mit einem Meſſer geſchnit— ten. Die beigegebene Zeichnung, Fig. 2, nahm ich auf um 6» 52“. Von dieſem Phänomen wurde auch bereits im vorigen Winter in verſchiede— einigungspunkte, d. h. nen Zeitungen — aller: alſo am Horizonte, ca. dings ganz unwiſſen— 100 Meilen weit ent- ſchaftlich, aber doch be— fernt ſichtbar. Ein hüb⸗ zeichnend — geſchrie— ſches Analogon bieten ben, daß „es mit dem die bekannten radien— förmigen Lichtbanden, welche entſtehen, wenn die Sonne bei dunſtiger Luft durch die Lücken der Wolken ſcheint, und welche gleich— falls unter ſich abſolut parallel ſind. Ob vielleicht auch Kometenſchweife, vor allem mehrfache, mitunter dem gleichen optiſchen Geſetze unterliegen? Gewiß kann man dies zum Teil behaupten. — In jedem der beiden letzten Fälle iſt, wie wir ſehen, die Hauptſache das Vorhandenſein kleiner materieller Teilchen: bei den Sonnenlichtbanden an Wolken ſind es Dünſte und Staub in der Luft, bei den Kometen Meteoriten und kosmiſche Staubmaſſen. Es folgt daraus in kauſaler Beziehung mit Beſtimmtheit die Kongruenz Fig. 2. Beobachtet zu Schwerte a. d. Ruhr am 27. Monde auch nicht mehr ganz richtig jet’. Stl. Seplember 188k um 6 Uhr 52 Min. Kohle in Algerien. Nach einer Mitteilung in der Revue scientifique vom 21. Juni find bei Bu Saada in Südalgerien Kohlenlager gefunden worden; fie ſollen ca. Im mächtig ſein und in der Kreideformation liegen. Drei Verſuchsſchächte, welche Herr Pinard im Thal des Usd Bu Saada niedergetrieben hat, ſcheinen ihre Er— ſtreckung über ein ziemlich bedeutendes Terrain anzu— deuten. Ko. Die allgemeinen Erſcheinungen der Lebeweſen. Von Dr. J. Rofenthal, ord. Profeffor der Phyſiologie in Erlangen. (Schluß.) 9. Die Zuſammenſetzung der meiſten Lebeweſen aus ſolchen Gebilden, welche Organe genannt werden, und welche in ihren Verrichtungen oder Funktionen ineinander greifen, hat veranlaßt, daß man dieſelben als Organismen bezeichnete, indem man eben dieſen Aufbau aus Organen als beſonders charakte— riſtiſch anſah. Es kann freilich darüber geſtritten werden, ob dieſe Bezeichnung gerade das Allerweſent— lichſte getroffen hat. Denn das Gleiche treffen wir auch bei den von Menſchenhand gebauten Maſchinen, Uhren, Dampfmaſchinen u. dgl. Dieſe beſtehen auch aus einzelnen Teilen, Hebeln, Rädern, Schrauben u. ſ. w., die zu einem Ganzen verbunden ſind, deſſen Teile ineinander greifen, ſo daß die Wirkungsweiſe des Ganzen von allen Teilen und die jedes Teils von den anderen abhängt und bedingt iſt. Zum Unterſchied von den Organismen bezeichnet man ſolche von Menſchen konſtruierten Gebilde als Mechanis— men; aber es ijt klar, daß Mechanismen und Organis— men vieles miteinander gemein haben. Wir können deshalb auch den Organismus eines Tieres z. B. mit dem Mechanismus einer Dampfmaſchine in Ver— gleich bringen und zeigen, daß ſie in vielen Stücken ſich ganz gleich verhalten. Wir können aus dem— ſelben Grunde auch Mechanismen konſtruieren, welche in vielen Stücken die Erſcheinungen eines Organis- mus nachahmen, wenngleich meiſtens nur in ober— flächlicher Weiſe, wie dies bei den ſogenannten Auto— maten der Fall iſt, z. B. der früher ſo berühmten Vaucanſonſchen Ente, welche lief, ſchnatterte, fraß und ſogar ſcheinbar verdaute ). Die Liebhaberei für Automaten war im vorigen Jahrhundert ſehr verbreitet. Vaucanſon (1709 — 1771) fertigte außer ſeiner Ente noch einen Flötenſpieler, der Humboldt 1885. branöſen Zungen hervorgebracht, Auf der anderen Seite gebraucht man den Aus— druck Organismus auch für Verhältniſſe, die in an— derer Weiſe das, was bei Lebeweſen beobachtet wird, das Ineinandergreifen von Teilen zu einem in ſich geſchloſſenen Ganzen, zeigen. So ſpricht man von einer Fabrik oder von einem Staatsweſen als einem Organismus und auch, wenngleich mehr bildlich, von dem Organismus einer Sprache. Aus ſolchen ver— ſchiedenen Anwendungen desſelben Ausdruckes wird uns der wahre Sinn desſelben klarer, als wenn wir ihn nur in einer Bedeutung kennen lernen. 10. Verſtehen wir alſo unter Organismus ein Lebeweſen, welches aus einzelnen, miteinander ver— bundenen Organen beſteht, ſo müſſen wir dem ver— bundenen Ganzen eine gewiſſe in ſich geſchloſſene Einheit, eine Individualität, zuſchreiben, in welche die Teile aufgehen, ſo daß ſie keine eigene Selb— ſtändigkeit mehr beſitzen. Dies trifft aber in voll— kommener Weiſe nur für einen Teil der Organismen zu, beſonders für die ſogenannten höher entwickelten. Bei niederen iſt dies viel weniger der Fall. So zwölf Stücke blaſen konnte, und einen Trommler, der mit der rechten Hand trommelte und zugleich auf einer in der linken Hand gehaltenen Schäferpfeife blies. Alle dieſe Automaten ſind reine Spielereien. Dennoch haben ſie der Wiſſenſchaft Dienſte geleiſtet, indem ſie Veranlaſſung gaben, die Mechanik gewiſſer phyſiologiſcher Vorgänge zu erforſchen. Dies gilt z. B. von van Kempelens Sprech— maſchine, welche einzelne Wörter ſprach durch Nachahmung des Mechanismus, der auch bei unſerer Sprache ſtattfindet. Der Klang wurde in ihr durch ein Zungenwerk mit mem— ganz wie in unſerm Kehlkopf, und die Klänge erhielten ihre beſondere, den einzelnen Lauten entſprechende Klangfarbe durch ein Schall— rohr, welches unſerer Mund- und Naſenhöhle entſprach. 7 50 Humboldt. — Februar 1885. ſehen wir z. B. bei Polypen, daß wir einen Teil z. B. einen Tentakel oder ſogenannten Arm abtrennen können, und daß dieſer dann nicht bloß weiter lebt, ſondern fic) ſogar zu einem ganzen Polypen aus- bilden kann. In der That iſt hier die Differenzierung der Gewebe noch ſo wenig fortgeſchritten, daß der ab— getrennte Teil im weſentlichen alles enthält, was das ganze Tier zuſammenſetzt und deshalb ganz gut für ſich beſtehen kann. Aber auch bei den höchſt entwickelten Tieren be— halten die Teile immer noch einen gewiſſen Grad von Selbſtändigkeit, wie dadurch bewieſen wird, daß ſie durch die Loslöſung von dem Geſamtorganismus nicht ſofort ihre Lebenseigenſchaften einbüßen, die— ſelben ſogar bei Herſtellung günſtiger Bedingungen ziemlich lange behalten können. Gehen wir aber auf die letzten Elemente zurück, an denen wir ſolche Selb— ſtändigkeit wahrnehmen können, ſo ſind dies eben die Zellen, welche durch Teilung der Eizelle ent— ſtanden ſind. Diejenigen unter dieſen Zellen, welche am wenigſten ihr Ausſehen geändert haben, kommen in den meiſten Stücken dem, was wir an der Amöbe kennen gelernt haben, ſehr nahe; bei den anderen Zellen und ihren Derivaten ſind meiſtens nur noch einzelne der Erſcheinungen zu ſehen, welche der Amöbe zukommen. Dieſe Zellen können wir alſo als die letzten Elemente anſehen, aus denen ſich die Lebeweſen zuſammenſetzen, gleichſam als die Moleküle der Lebe— weſen. Denn wie wir das Molekül im phyſikali— ſchen Sinne definieren als den kleinſten Maſſenteil eines Körpers, an welchem alle Eigenſchaften des ganzen Körpers vertreten ſind, ſo iſt analog die Zelle der kleinſte Maſſenteil eines Lebeweſens, an welchem ſchon die Lebenserſcheinungen ausgeprägt ſind. Wie alſo z. B. ein Stück Kreide aus Molekülen zuſammen— geſetzt iſt, die alle ſchon Kreide ſind, ſo beſteht ein Lebeweſen aus Teilen, die alle ſchon leben, und dies ſind eben die Zellen. Und wie wir das Kreidemole— kül nicht weiter zerlegen können, ohne daß die Teile aufhören, Kreide zu ſein, ſo kann auch die Zelle nicht weiter zerlegt werden, ohne daß ihre Teile aufhören zu leben ). Noch deutlicher aber in mancher Beziehung wird das Verhältnis der Zellen zum Geſamtlebeweſen durch Vergleichung mit dem Organismus eines Staates. Auch dieſer beſteht aus einzelnen lebenden Perſonen, welche bis zu einem gewiſſen Grade ſelbſtändig ſind und losgelöſt vom Ganzen fortleben können, welche Dies widerſpricht nicht den Erſcheinungen der Ver— mehrungen durch Teilung, welche an Amöben und Zellen vorkommt. Denn bei dieſer handelt es ſich um einen Lebensakt, bei welchem jeder Teil, der aus dem Ganzen hervorgeht, alle Eigenſchaften einer ganzen Zelle hat. Das lebende Molekül, welches wir Zelle nennen, unterſcheidet ſich eben von nicht belebten Molekülen dadurch, daß es ſich vermehren kann. Aber eine paſſive Teilung in einfachere Beſtandteile, welche der Zerlegung der Kreide in ihre Ele— mente Calcium u. ſ. w. analog wäre, hat unbedingt den Verluſt der Lebenseigenſchaften zur Folge. aber, ſo lange ſie dem Ganzen angehören, Glieder des Geſamtorganismus ſind und ſich gegenſeitig in ihren Lebensäußerungen beeinfluſſen. Und gerade ſo wie die verſchiedenen Lebeweſen, zeigen auch die ver— ſchiedenen Staatsweſen Unterſchiede in dem Verhalten der einzelnen Teile zu einander und zum Ganzen. Die einfachen Verhältniſſe eines Zuſammenlebens von Wilden ſind grundverſchieden von dem verwickelten Getriebe unſerer ziviliſierten Geſellſchaftsordnungen. Dort ſehen wir ein Zuſammenleben untereinander faſt vollkommen gleichartiger Individuen; ein jeder treibt alles und iſt alles zugleich: Jäger, Ackerbauer, Handwerker, Soldat u. ſ. w. Hier aber hat ſich eine weitgehende Differenzierung herausgebildet; jedes Glied wirkt nur in einer beſtimmten Richtung, hat eine beſondere Fähigkeit bis zu einem hohen Grade ausgebildet, andere dagegen ganz oder teilweiſe ver- loren. Dieſe Arbeitsteilung hat die Leiſtungs— fähigkeit des Einzelnen und damit auch die der Geſamtheit ungeheuer gehoben. Und zu alledem. weiſen die Organismen vollkommene Analogien auf. Es gibt Lebeweſen, welche nichts weiter ſind als ein Haufen untereinander faſt vollkommen gleicher Zellen, gleichſam eine Kolonie von lauter Amöben, locker zuſammengehalten durch eine gemeinſame Hülle. Solche Organismen können keine ſehr erhebliche Größe er— reichen; denn wenn die Zahl der verbundenen Indi— viduen bis zu einer gewiſſen Größe gewachſen iſt, ſo erweiſt ſich das Band, welches ſie zuſammenhält, zu ſchwach und ſie fallen auseinander. Auch hierin gleichen ſie ganz den primitiven Staatsweſen. Im Gegenſatz dazu zeigen die höher entwickelten Orga— nismen die allergrößten Verſchiedenheiten in der Ent— wickelung und dementſprechend in den Lebenserſchei— nungen der ſie zuſammenſetzenden Elemente. 11. Kehren wir nun nach dieſer Abſchweifung zur Betrachtung der an der Amöbe beobachteten Lebenserſcheinungen zurück. Das erſte, was uns an ihr auffiel, war ihre Fähigkeit ſich zu bewegen. Ohne dieſelbe hätten wir ſie vielleicht gar nicht für lebendig gehalten, und wenn wir uns überzeugen, daß die Bewegungen dauernd und für immer aufgehört haben, dann halten wir die Amöbe für tot. So innig ſind unſere Begriffe von Leben und Bewegung miteinander verknüpft, trotzdem wir doch einer ganzen großen Klaſſe von Lebeweſen, den Pflanzen, auch Leben zu— ſchreiben, ohne daß ſie in dem Sinne wie die Tiere ſich bewegen. Wir dürften alſo wohl geneigt ſein, Leben ohne Bewegung, nicht aber Bewegung ohne Leben anzuerkennen, abgeſehen natürlich von ſolchen Fällen, wo ſich die Bewegung ſofort als eine paſſive, durch äußere Kräfte veranlaßte, darſtellt, z. B. beim Fallen eines Steines oder bei der Bewegung leichter Körper durch den Wind. Tiere, denen dieſe Einſicht in den Zuſammenhang der Ereigniſſe abgeht, urteilen offenbar ganz ähnlich, indem ſie alles Bewegte für lebendig anſehen. Man braucht nur einmal zu be— obachten, wie ein Hund auf einen Stein losfährt, der einen Bergabhang herunterrollt, wie er denſelben mit lautem Bellen verfolgt und endlich, wenn der Humboldt. — Februar 1885. 51 Stein zur Ruhe gekommen iſt, offenbar verdutzt da— ſteht und nicht weiß, was er aus der Sache machen ſoll, um zur Ueberzeugung zu gelangen, daß er ihn, ſolange er ſich bewegte, für lebendig, für ein Tier gehalten hat. Und ähnliche Beobachtungen kann man fortwährend an allen möglichen Tieren machen. Dieſe enge Verknüpfung von Leben und Bewegung in unſerem Bewußtſein rührt offenbar von der Selbſt— beobachtung her, daß wir jederzeit imſtande ſind, ſelbſt Bewegungen auszuführen. Wir müſſen aber dabei unterſcheiden zwiſchen dem Willensakt, durch welchen wir die Bewegungen veranlaſſen, und der Ausführung der Bewegung ſelbſt. Daß beide nicht unbedingt miteinander verknüpft ſind, dafür gibt es mannigfache Beweiſe. Wohl jeder hat einmal an ſich die Beobachtung gemacht, daß der Wille unter Umſtänden nicht imſtande iſt, die gewollte Bewegung auch wirklich zu veranlaſſen. Im Traum z. B. hat man eine derartige Empfindung der Ohnmacht unſeres Willens nicht ſelten, und an eingeſchlafenen Gliedern kann man ſie auch im wachen Zuſtand haben. Von gelähmten Menſchen erfahren wir dasſelbe. Die Er— zählung endlich von Scheintoten, welche alles, was um ſie herum vorging, empfanden, aber trotz aller Willensanſtrengung nicht imſtande waren, die geringſte Bewegung auszuführen, kommen uns durchaus glaub- würdig vor, weil wir die Möglichkeit einer ſolchen Trennung anerkennen. Auf der anderen Seite aber wiſſen wir, daß es auch unwillkürliche Bewegungen gibt, Bewegungen, welche nicht der Ausfluß bewußter Willensakte ſind. Alles, was wir vom Willen wiſſen, wiſſen wir alſo nur durch Selbſtbeobachtung. Wir wiſſen, daß wir Willen haben, durch die unmittelbare Empfindung davon. Es iſt dies ja überhaupt die unmittelbarſte Art des Wiſſens, welche es gibt. Aber jeder weiß das nur von ſich. Daß auch andere Menſchen Willen haben, ſchließen wir nur aus Analogie, und wir werden darin beſtärkt durch die Mitteilungen, welche ſie uns über ihre Empfindungen machen und welche mit den unſerigen ſo vollkommen übereinſtimmen. So wie wir aber zu den Tieren übergehen, ſelbſt zu den uns nächſtſtehenden, wird der Schluß ſchon zweifelhaft, da er ſich dann nur noch auf eine nicht mehr ganz vollkommene Analogie gründet, und er wird um ſo unſicherer, je verſchiedener die Verhält— niſſe ſich von den unſeren geſtalten. 12. Wir ſind alſo durchaus nicht berechtigt, aus den Bewegungen der Amöbe zu ſchließen, daß die— ſelbe Willen beſitze. Nur die Frage, wie dieſe an uns ſelbſt beobachtete Fähigkeit wohl entſtanden ſein könne, kann uns zu der Hypotheſe veranlaſſen, daß dieſelbe eine allgemeine Eigenſchaft der belebten Materie ſei, eine Hypotheſe, die freilich das Rätſel der Willensthätigkeit nicht im geringſten unſerem Ver— ſtändnis näher bringt. Und dasſelbe gilt von der in neuerer Zeit wieder ſehr beliebten noch allgemei— neren Hypotheſe, daß überhaupt alle Materie ſchon mit Willen begabt ſei, eine Hypotheſe, welche ſchon bei den griechiſchen Philoſophen ihre Vertreter hatte, und in der Geſchichte der Philoſophie unter dem Namen Hylozoismus bekannt iſt. Ganz dasſelbe gilt von der Frage nach dem Be— wußtſein überhaupt, welches in uns als Bewußtſein von der eigenen Exiſtenz im Gegenſatz zur Außen— welt und von den jeweiligen Zuſtänden unſeres Körpers durch unmittelbares Wiſſen von dieſen Zu— ſtänden vorhanden iſt. Von den Bewußtſeinszuſtänden anderer Menſchen erhalten wir Kenntnis durch ihre Mitteilungen; auf diejenigen der höheren Tiere können wir, freilich nur vage, Schlüſſe aus Analogie ziehen. Ob aber in einem fo einfachen Lebeweſen, wie es die Amöbe darſtellt, etwas Aehnliches vorgeht, darüber können wir nichts Beſtimmtes ausſagen. Möglich iſt es jedoch, daß dieſe Fähigkeit der höheren Tiere, ebenſo wie die anderen für ſie charakteriſtiſchen, ſich ſchon bei der Amöbe vorfinden, daß ſie in irgend einer Weiſe, von der wir uns allerdings keine ge— nauere Vorſtellung machen können, ſchon in der ein— fachen belebten Protoplasmamaſſe vorhanden iſt. In dieſem Falle, d. h. wenn in irgend einer Weiſe durch äußere Einwirkungen Aenderungen des Bewußtſeins— zuſtandes zuſtande kommen, dann kann ſich auch die Unterſcheidung des eigenen Zuſtandes von der Außen— welt, das Bewußtſein des Ich entwickeln, und wir hätten dann die Grundlage der bei den höheren Weſen vorhandenen Leiſtungen des Centralnerven— ſyſtems gegeben. Daß dieſe in ihrem Weſen des— wegen aber nicht verſtändlicher geworden ſind, und daß auch die Annahme, Empfindung und Bewußtſein komme nicht nur der belebten Materie, ſondern jeder Materie überhaupt zu, gehöre zu den Grundeigen— ſchaften der Atome, das Verſtändnis dieſer ſogenannten pſychiſchen Vorgänge nicht vertieft, bedarf keiner weiteren Auseinanderſetzung. Es gilt hier eben alles, was wir ſoeben vom Willen geſagt haben, in ganz gleicher Weiſe. Worauf es uns bei dieſer Auseinanderſetzung allein ankommt, das iſt die Er— örterung der Frage, wie weit es möglich ſei, die Erſcheinungen, welche höhere Lebeweſen zeigen, ſchon an den einfacheren Formen nachzuweiſen. Soweit dieſer Nachweis gelingt, ſo weit iſt auch die Behaup— tung berechtigt, daß durch die Differenzierung der Zellen zu Geweben und durch den Aufbau von Or— ganen und Organismen aus ſolchen differenzierten Zellen die Eigenſchaften des lebenden Protoplasmas entwickelt und geſteigert und zu den erſtaunlichen Leiſtungen, welche wir an den höheren Organismen kennen, befähigt werden, daß aber die Grundlagen aller dieſer Fähigkeiten dem lebendem Protoplasma als ſolchem zukommen. 13. War nun das Ergebnis dieſer Unterſuchung, ſoweit es ſich um den Willen und das Bewußtſein handelt, ein negatives oder doch wenigſtens ein unent— ſchiedenes, ſo gilt doch der Satz unzweifelhaft von allen anderen Eigenſchaften, die das Protoplasma der Amöbe zeigt. Am nächſten an die eben be— ſprochenen Fähigkeiten ſchließt ſich diejenige an, welche wir als Reizbarkeit bezeichnet haben, die Fähigkeit, auf äußere Einwirkungen durch Bewegungen zu rea— 52 Humboldt. — Februar 1885. gieren. Man kann häufig zweifelhaft fein, ob fic) zwiſchen den äußeren Eindruck und die ſchließlich er— folgende Bewegung die beiden anderen Zuſtände, der des Bewußtſeins und des Willens als Zwiſchenglieder einſchieben. Dies iſt ja unzweifelhaft ſehr häufig der Fall, z. B. wenn mir der Beſuch eines Freundes ge— meldet wird, und ich dann ihm entgegengehe und ihn willkommen heiße. Aber bei der unmittelbaren Einwirkung auf die mit der Fähigkeit der Bewegung begabten Gebilde, dem Protoplasma der Amöbe, den Muskeln der höheren Tiere, iſt ein ſolcher mittel— barer Zuſammenhang nicht notwendig, aus vielen Gründen ſogar unwahrſcheinlich. Wir haben gar keinen Grund zu der Annahme, daß dem Muskel— gewebe die Fähigkeiten des Bewußtſeins und des Willens in der Weiſe, wie wir fie aus unſerer Selbjt- beobachtung kennen, zukommen; wenn die einfache Zelle, von welcher das Muskelgewebe abſtammt, dieſe Fähigkeiten beſeſſen haben ſollte, ſo müſſen ſie im Laufe der Entwickelung abhanden gekommen ſein. Wenigſtens iſt dies ſicher für den Willen der Fall, ſofern dieſer ſich durch Ausübung einer Thätigkeit ohne nachweisbare äußere Einwirkung kennzeichnet, denn iſolierte Muskeln geraten von ſelbſt niemals in Thätigkeit). Die Amöbe hat alſo die Fähigkeit, durch äußere Einwirkungen zur Bewegung veranlaßt zu werden; ſie iſt reizbar. Es gibt mechaniſche, thermiſche, chemiſche und elektriſche Reize. gleichende Unterſuchung ausreichenden Anhalt zur Beurteilung gewährt, erweiſt ſich das Verhalten der Amöbe gegen Reize ganz gleich dem Verhalten an— derer protoplasmatiſcher Gebilde, und auch diejenigen Gewebe, bei welchen die Reizbarkeit beſonders ent- wickelt iſt, insbeſondere die Muskeln, zeigen in allem Weſentlichen das gleiche Verhalten. Von dieſer Reizbarkeit aber müſſen wir die Fähig— keit der Bewegung als etwas Beſonderes trennen, und wir bezeichnen ſie als Kontraktilität. Zwar ſind ſehr wahrſcheinlich kontraktile Gebilde immer auch reizbar, aber es gibt jedenfalls Gewebe, welche reizbar ſind, ohne kontraktil zu ſein. Dies iſt im höchſten Grade der Fall bei dem Nervengewebe, in welchem durch Reize die Vorgänge veranlaßt werden können, die als Empfindung und Bewußtſein auftreten, aber auch Vorgänge, welche ihrerſeits auf kontraktile Gebilde einwirken und in dieſen die Be— wegungen veranlaſſen. Ob auch andere Gewebe reiz— bar ſind, müßte verneint werden, wenn man den Begriff der Reizbarkeit nur auf die Erzeugung von Bewegungen und Empfindungen beſchränkt. Doch iſt *) Man könnte dagegen einwenden, daß Muskeln niederer Tiere, z. B. der Vorticellen, dies doch thun. Aber bei dieſen iſt die Differenzierung zwiſchen Muskel— gewebe und Nervengewebe noch nicht zur Ausbildung ge— langt. Wenn wir aber die einzelnen Eigenſchaften der Lebeweſen ſtudieren wollen, ſo müſſen wir die Fälle, wo ſie getrennt auftreten, ebenſo berückſichtigen, wie die, wo ſie noch vereinigt ſind. dation entſtehen müſſen. Soweit die ver: | man wohl berechtigt, Erſcheinungen derart, daß auf äußere Einwirkungen Aenderungen im Wachstum, Zufluß von Säften zu der gereizten Stelle u. dgl. eintreten, Erſcheinungen, welche bei allen Lebeweſen in großer Mannigfaltigkeit beobachtet werden, auch unter den Begriff der Reizbarkeit zu faſſen. In dieſem allgemeineren Sinne können wir dann ſagen, daß alle lebende Subſtanz reizbar ſei, d. h. daß ſie auf äußere Reize mit Aenderungen ihrer Mtolefular- zuſtände reagiert; mögen dieſe nun ſich als ſichtbare Bewegung darſtellen, wie es bei den kontraktilen Subſtanzen der Fall iſt, oder auf andere, eben be- zeichnete Weiſe. 14. Die nächſte Erſcheinung, welche wir an der Amöbe freilich nur unvollkommen beobachten konnten, die Aufnahme von Sauerſtoff und die Abgabe von Kohlenſäure iſt ſicher eine allgemeine Eigenſchaft alles lebenden Protoplasmas. Denn überall da, wo dieſes in größerer Menge vorhanden iſt, können wir die Thatſache mit voller Sicherheit konſtatieren. Es iſt aber ohne weiteres klar, daß bei einer ſo komplizierten Subſtanz, wie ſie das Protoplasma darſtellt, neben Kohlenſäure auch noch andere Produkte bei der Oxy— Dieſe chemiſchen Vorgänge des Stoffwechſels näher zu ſtudieren, iſt hier nicht der Ort. Worauf es uns zunächſt ankommt, das iſt die all- gemeine Thatſache, daß die Lebensvorgänge mit einer Aufnahme von Sauerſtoff und einer Oxydation der Leibesſubſtanz verbunden ſind. Nun iſt es ja allgemein bekannt, daß bei jeder Oxydation Bewegungsenergie frei wird, entweder in Form mechaniſcher Bewegung, oder als Wärme, elektriſche Strömung u. ſ. w. Und daraus ergibt ſich denn der naheliegende Schluß, daß die Bewegung, welche wir an den Lebeweſen beobachten, als Folge jener Oxydation anzuſehen ſei, welche nur durch die beſonderen Eigenſchaften des Protoplasmas in der beſonderen Form auftritt, wie ſie durch die Kontraktilität bedingt wird. Die Beobachtung an den Muskeln lehrt aber ferner, daß neben der mecha— niſchen Bewegung auch immer freie Wärme auftritt. Es iſt wohl geſtattet, anzunehmen, daß dies auch bei den anderen kontraktilen Gebilden der Fall iſt. Und wo keine ſichtbare Bewegung auftritt, da muß die durch Oxydation freiwerdende Energie ganz und gar in Form von Wärme auftreten. Wärmeproduk— tion müſſen wir deshalb als eine allgemeine, allem Protoplasma zukommende Begleiterſcheinung des Lebens anſehen. Dieſelbe iſt allerdings in vielen Fällen wegen ihres geringen Betrages nicht nachweis— bar, wird auch häufig durch andere Vorgänge, welche ſogenannte Wärmebindung veranlaſſen (Verdunſtung u. dgl.), verdeckt. Wo aber die Unterſuchung möglich iſt, hat ſie ſtets der Vorausſetzung entſprochen. Es wäre nun vom Standpunkt des Geſetzes von der Erhaltung der Energie aus notwendig, zu unter- ſuchen, ob die Summe dieſer beiden Energieen, mechaniſche Leiſtung und Wärmeproduktion, ſtets äquivalent ſei dem aus der Oxydation zu berechnen— den Aufwand chemiſcher Energie. In der Mehrzahl der Fälle ſtellen ſich der Durchführung einer ſolchen Humboldt. — Februar 1885. 53 Meſſung und Berechnung unüberwindliche Schwierig— keiten entgegen. winden laſſen, hat ſich wenigſtens nirgends ein Widerſpruch gezeigt, und es kann jedenfalls ſo viel mit Sicherheit geſagt werden, daß jenes Grundgeſetz aller Naturvorgänge auch in den Erſcheinungen des Lebens ſeine Geltung behält. Wenn wir ſehen, daß eine reizbare und kontraktile Subſtanz durch irgend einen Reiz zu einer Bewegung veranlaßt wird, dann können wir nur zwei Dinge annehmen: Entweder der Reiz hat die Bewegung unmittelbar veranlaßt, oder er hat es auf einem Um— wege gethan, indem ſich irgendwelche Vorgänge da— zwiſchen geſchoben haben. Wäre das erſtere der Fall, dann müßten wir irgend eine geſetzmäßige Beziehung zwiſchen der Energie des Reizes und der Energie der Bewegung nachweiſen können. Dem widerſpricht aber die Erfahrung. Ein geringfügiger Reiz, ein Nadelſtich, ein ſchwacher elektriſcher Schlag, hat oft die heftigſten Bewegungen zur Folge, welche große Arbeitsleiſtungen darſtellen, während in anderen Fällen viel ſtärkere Reize ſehr viel ſchwächere Be— wegungen zur Folge haben. Nehmen wir aber an, daß ſich zwiſchen Reiz und ſeinen ſchließlichen Effekt irgendwelche andere Wirkungen einſchieben, ſo braucht natürlich eine feſte Beziehung zwiſchen beiden nicht zu beſtehen. Ein einfaches Beiſpiel wird das Geſagte klarer machen. Wenn ein Gewicht von einer gewiſſen Höhe fällt, ſo erlangt es eine beſtimmte Geſchwindig— keit und iſt einer gewiſſen Arbeitsleiſtung fähig. Wir bezeichnen dieſe als ſeine Energie, und die Mechanik lehrt uns, daß die ſo erlangte Energie direkt pro— portional iſt dem halben Produkt aus der Maſſe in das Quadrat der erlangten Geſchwindigkeit, alſo ausgedrückt wird durch die Formel E = m vy” Nun wollen wir annehmen, das Gewicht befinde ſich am Rande eines Tiſches, und ich bringe es durch einen ſchwachen Stoß zum Fallen. Es erlange nun gleichfalls, bis es auf dem Boden anlangt, die Ge— ſchwindigkeit v und damit die Energie /e mye. Dann wäre es derſelben Leiſtung fähig. Aber dieſe Leiſtung braucht in keinem feſten Verhältnis zu ſtehen zu der Energie, welche ich aufgewandt habe, um es über den Tiſchrand zu ſchieben und es zum Fallen zu bringen. Dieſe Leiſtung war hier gleichſam der Reiz, die ſchließlich erlangte Energie aber hängt nicht von dieſem, ſondern von den Einflüſſen ab, welche ſich zwiſchen den Reiz und den ſchließlichen Effekt ge— ſchoben haben, und dieſe waren hier die Beſchleu— nigung durch die Schwere, welche dem Gewicht die Geſchwindigkeit v mitgeteilt hat. Vorgänge dieſer Art bezeichnet man als Aus— löſung von Energie. Im Gegenſatz zur Ueber— tragung, bei welcher die Energie ihrem Maße nach unverändert bleibt, können bei der Auslöſung die ſchließlichen Effekte ſehr erheblich größer oder kleiner ſein als die zur Auslöſung verwandte Energie. Eines der hervorragendſten Beiſpiele von Aus löſung bieten die Entzündungen exploſibler Körper. Das glimmende Zündholz, welches in ein Pulverfaß Soweit aber dieſe fic) haben über fällt, der elektriſche Funke, welcher ein Knallgas— gemenge zur Exploſion bringt, ſtellen außerordentlich ſchwache Energieen vor im Vergleich zu den von ihnen ausgelöſten. Was hier ausgelöſt wird, iſt offenbar die Energie der chemiſchen Verwandtſchaft zwiſchen den Kohlenpartikelchen des Schießpulvers und dem Sauerſtoff des beigemengten Salpeters, bezw. zwiſchen den Waſſerſtoff- und Sauerſtoffmole— külen in dem Knallgasgemenge. Und ſolche chemiſche Verwandtſchaft zwiſchen den kohlenſtoffhaltigen Mole— külen des Protoplasmas und dem ihm beigemiſchten Sauerſtoff wird auch durch den Reiz, der auf das lebende Protoplasma wirkt, ausgelöſt. Zwiſchen der Menge des oxydierten Stoffes und der geleiſteten Arbeit muß eine feſte Beziehung beſtehen. Daß dies wirklich der Fall iſt, läßt ſich in der Mehrzahl der Fälle allerdings nicht ſtreng beweiſen. Aber da dies durch die außerordentlichen Schwierigkeiten der ver— wickelten Umſtände, unter denen die Lebenserſchei— nungen vor ſich gehen, bedingt iſt, und da kein ein— ziger Fall bekannt geworden iſt, welcher der voraus— geſetzten Proportionalität widerſpricht, ſo ſind wir berechtigt, die Richtigkeit der Vorausſetzung anzu— nehmen und den Satz aufzuſtellen: Das Geſetz von der Erhaltung der Energie gilt für das lebende Protoplasma ebenſo wie in der unbelebten Natur. 15. Früher oder ſpäter erliſcht, wie wir geſehen haben, die Reizbarkeit der Amöbe; ſie ſtirbt. Und dies gilt, ſoweit unſere Kenntnis reicht, für alle Lebe— weſen. Zwar kennen wir Beiſpiele ungeheuer langer Lebensdauer, beſonders bei Pflanzen, aber doch iſt auch für dieſe der ſchließliche Tod zu erwarten. Dieſen Thatſachen gegenüber haben wir zu unter— ſuchen: 1) wodurch unterſcheidet ſich der Zuſtand des toten Protoplasmas von dem des lebenden? und 2) was iſt die Urſache, welche den Tod herbeiführt? Die zweite dieſer Fragen gliedert ſich weiter in zwei Unterfragen. Handelt es ſich um ein einzelnes, be— ſtimmtes Lebeweſen, ſo iſt es häufig ſehr leicht nach— zuweiſen, woran dasſelbe geſtorben iſt; dieſer oder jener, zum Leben notwendige Stoff, z. B. Sauerſtoff hat gefehlt; oder irgend eine Schädlichkeit hat ein— gewirkt. Viel ſchwieriger dagegen iſt es zu ſagen, warum überhaupt die Lebeweſen ſterben, warum nicht das Leben ewig währen kann, oder ob dies, wenn alle Lebensbedingungen in unveränderter Weiſe fort— beſtehen, unter Umſtänden nicht doch der Fall ſein könnte. Das Anſehen einer toten Amöbe unterſcheidet ſich ſo wenig von dem einer lebenden, daß wir häufig zweifelhaft ſein werden, ob wir es mit dem einen oder anderen Zuſtand zu thun haben. Solange die Form nicht zerfällt, haben wir nur das eine ſichere Kriterium: Mangel der Reizbarkeit. Nicht anders iſt es bei zuſammengeſetzten Lebeweſen; ja deshalb iſt es bei ſolchen Lebeweſen, bei denen Reize keine in die Augen fallenden Erſcheinungen zur Folge haben, häufig ſehr ſchwer, die Entſcheidung zu treffen. Wenn wir nach einem jener verderblichen Nachtfröſte des Mai unſere 54 Humboldt. — Februar 1885. Obſtbäume beſichtigen, können wir es den Blüten nicht anſehen, welche erfroren ſind und welche nicht; erſt wenn ſie in der Entwickelung nicht fortſchreiten, wenn der Fruchtknoten ſchwarz wird und die Blüte abfällt, dann ſehen wir den Tod. Einem Gamen- korn kann man es ebenſowenig anſehen, ob es noch lebendig, d. h. keimfähig iſt oder nicht. Erſt der Verſuch, es zum Keimen zu bringen, entſcheidet; und auch dieſer iſt nicht ganz ſicher, denn das Korn kann noch lebendig geweſen und erſt nachträglich geſtorben ſein. Bei höheren Tieren iſt die Entſcheidung meiſt leichter, weil dieſelben während des Lebens leicht zu beobachtende Erſcheinungen: Puls, Atembewegungen, Reaktion der Pupillen auf Lichteinfall u. ſ. w. zeigen. Und dennoch beweiſen die Fälle von Scheintod, daß ſelbſt hier Irrtümer möglich ſind. Noch öfter kommen ſolche bei niederen Tieren vor. Reptilien und Am— phibien, alſo doch ſchon hochentwickelte Tiere zeigen oft keine Spur der gewöhnlichen Lebenserſcheinungen und leben doch, d. h. die Lebenserſcheinungen kehren ſpäter wieder. Und tot dürfen wir ein Lebeweſen nur nennen, wenn es auch nicht mehr die Fähigkeit hat, wieder zum normalen Leben zurückzukehren. Im anderen Fall iſt es nur ſcheintot. Im Scheintod ruhen einige Lebenserſcheinungen vollkommen, andere ſind auf ein Minimum reduziert; daher iſt der alte Name vita minima für dieſen Zuſtand ganz bezeichnend. Aber im wirklichen Tode iſt es nicht anders. Denn eine der Haupterſcheinungen des Lebens, die fortwährende Oxydation der Leibes— ſubſtanz, geht unaufhörlich fort, ſolange Sauerſtoff zutreten kann. Nur eines fehlt unter allen Um⸗ ſtänden, die Aſſimilation von Nahrung. Und darum führt die Oxydation zu einem allmählichen Zerfall der Leibesſubſtanz, deren Hauptbeſtandteile als Kohlenſäure und Waſſerdampf ſich verflüchtigen, während die feſten Beſtandteile, namentlich die un— organiſchen Stoffe, meiſtens in ſehr geringer Menge, als Aſche zurückbleiben. Dieſe langſame Verbrennung geht entweder in der Form der Verweſung oder in der der Fäulnis vor ſich, nicht ſelten arbeiten auch beide abwechſelnd an dem Zerſtörungswerk. Welcher von dieſen beiden chemiſchen Prozeſſen Platz greift, das hängt hauptſächlich von dem Grade der Waſſerdurch— tränkung der Leichenteile ab; denn die Fäulnis iſt an einen bedeutenden Waſſergehalt gebunden, außer— dem auch an das Vorhandenſein gewiſſer niederer Organismen aus der Klaſſe der Spaltpilze, welche aber ſo verbreitet ſind, daß ſie überall ihre Thätig— keit entfalten, wo ſich die Gelegenheit dazu findet. 16. Wenn alſo auch nach dem Tode noch Oxy— dation ſtattfindet, ſo liegt es nur an dem Mangel der Reizbarkeit, daß dieſe nicht in die Form der Be— wegung übergeht, welche das Leben charakteriſiert, ſondern ganz in Form freier Wärme, wie auch ſonſt bei Verbrennungen, auftritt. Nun haben wir ge— ſehen, daß die Reize für die lebenden Gewebe die Rolle einer Auslöſung ſpielen derart, daß die ver— brennliche organiſche Subſtanz und der zur Verbren— nung dienende Sauerſtoff plötzlich in Verbindung treten, und daß dadurch in kurzer Zeit ein verhaltnis- mäßig großer Betrag von Energie frei werden kann. Eine ſolche Auslöſung ſetzt aber einen Zuſtand labilen Gleichgewichts voraus, ſo daß ein geringer Anſtoß ausreicht, die Bewegung einzuleiten, die zu der Arbeitsleiſtung führt. Das Gewicht am Rande des Tiſches, die Kohlenſtoff- und Sauerſtoffteilchen im Schießpulver, die Waſſerſtoff- und Sauerſtoff⸗ moleküle im Knallgas ſind Beiſpiele ſolcher Fälle von labilem Gleichgewicht. In dem erſten Beiſpiel iſt es die Anziehung durch die Schwere, in den an— deren die Anziehung durch die chemiſche Verwandt— ſchaft, welche ausgelöſt wird, und die Körper aus der labilen Gleichgewichtslage in eine ſtabile über⸗ führt. Wir müſſen daher annehmen, daß auch im lebenden Protoplasma ein ſolches labiles Gleichgewicht zwiſchen den oxydablen Stoffen und dem Sauerſtoff beſteht. Eine ſolche kann, wie das Beiſpiel des Schießpulvers und des Knallgaſes zeigt, durch innige Miſchung herbeigeführt werden. Und wir haben gute Gründe anzunehmen, daß eine derartige innige Miſchung in dem lebendem Protoplasma wirklich be- ſteht. Die Molekularſtruktur der kolloiden Subſtanzen iſt eine derartige, daß jie ganz und gar von Waſſer durch⸗ tränkt ſind, in welches der Sauerſtoff durch Diffuſion eindringt. Es ſcheint mir aber, daß wir den Beſtand— teilen des Protoplasmas die Fähigkeit zuſchreiben müſſen, den Sauerſtoff noch feſter anzuziehen, in die Form einer lockeren chemiſchen Bindung überzuführen, ſo daß er gleichſam (wie etwa im Nitroglycerin) in demſelben Molekularkomplex mit dem oxypdablen Kohlenſtoff und Waſſerſtoff enthalten iſt. Dieſe Bindung iſt freilich eine fo lockere, daß ſie durch ge- ringe, phyſikaliſche Einflüſſe diſſociiert werden kann, daß Druckverminderung, gelinde Erwärmung u. dgl. den Sauerſtoff ſchon aus der Verbindung loslöſen. Iſt dieſe Vorſtellung richtig, dann würde der Tod als Folge einer chemiſchen Veränderung des Protoplasmas angeſehen werden können, durch welche dasſelbe die Fähigkeit zur molekularen Bin- dung des Sauerſtoffes verliert. Dieſe Veränderung ſcheint dadurch zuſtande zu kommen, daß ſich die Subſtanzen des Protoplasmas zu anderen, weniger leicht orydabeln, feſtern Molekularverbindungen ver— einigen. Für dieſe Auffaſſung ſpricht, daß mit dem Tode des Protoplasmas nachweisbare chemiſche Ver— änderungen verbunden ſind. Das Protoplasma trübt ſich, indem ein Teil desſelben aus dem halbflüſſigen in den feſten Zuſtand übergeht, was man mit dem Namen Gerinnung bezeichnet. Man hat die Ver— mutung aufgeſtellt, daß dieſer Vorgang eine Bildung komplexerer Moleküle durch Vereinigung mehrerer einfacher, auf dem Wege der Anhydriſierung, d. h. unter Waſſeraustritt fei. Wie dem auch fet, jeden- falls können wir uns denken, daß in dieſen feſten Partikelchen, welche ungeheuer groß ſein müſſen, im Vergleich mit den Molekülen des halbflüſſigen Zu— ſtandes die Miſchung mit Sauerſtoff eine viel weniger innige iſt. Der Sauerſtoff findet noch Zutritt zu den Partikeln an ihrer Oberfläche, er kann daher Humboldt. — Februar 1885. 55 noch immer oxydierend wirken, Kohlenſäure und Waſſer bilden, wie es bei der Verweſung und Fäul— nis geſchieht. Aber es kann nicht plötzlich eine größere Menge von Energie durch die ganze Sub— ſtanz des Protoplasmas hindurch frei werden, wie es bei den Wirkungen der Reizung am lebenden Protoplasma geſchieht. Mit dieſer Auffaſſung iſt es auch in Ueberein— ſtimmung, daß alles, was die Gerinnung des Proto- plasmas bewirkt, den Tod herbeiführt: Erwärmung, Einwirkung von Säuren, Metallſalzen u. ſ. w. Außerdem aber muß der Tod natürlich herbeigeführt werden durch alle noch ſtärkeren Einwirkungen, welche den Molekularbeſtand der Protoplasmaſubſtanzen voll— kommen zerſtören. Uebrigens ſind nicht alle Lebeweſen gleich empfind— lich gegen derartige Eingriffe. Die meiſten Proto— plasmaſubſtanzen gerinnen ſchon bei Erwärmung bis auf 45° oder wenig darüber. Hoppe-Seyler hat jedoch gefunden, daß in den heißen Dämpfen der Fumarolen von Caſamicciola auf Ischia Algen bei einer Temperatur von 64,7“ leben können, während in heißem Waſſer die höchſte Temperaturgrenze, in welcher er noch lebende Pflanzen fand, bei 53° lag. Niederſte Organismen, wie Spaltpilze, ertragen Er— wärmungen bis zu 80° und darüber kurze Zeit; fie ſterben jedoch ſchon bei niederer Temperatur, wenn dieſelbe lange genug einwirkt. Je niederer die Tempe— ratur, deſto länger muß ſie andauern, um ſicher zu töten. Das ſind aber Ausnahmen. Von tieriſchem Protoplasma iſt kein Fall bekannt, wo Temperaturen über 50° ertragen werden. 17. Das Spiel des Sauerſtoffs, auf welchem, wie es ſcheint, die Lebenserſcheinungen beruhen, kann nur ſtattfinden, wenn die freie Bewegung der Moleküle möglichſt unbehindert iſt. Und dazu bedarf es vor allen Dingen zweier Umſtände: eines genügenden Waſſergehaltes und einer paſſenden Temperatur. Da die Subſtanz des Protoplasmas in Waſſer un— löslich iſt, ſeine Moleküle aber in demſelben verteilt ſind, gleichſam darin ſchweben, ſo kann der Sauerſtoff zu denſelben nur Zutritt finden, indem er ſich auf dem Wege der Diffuſion durch das Waſſer hindurch bewegt. Nach den Anſchauungen, welche die neueren Theorieen über das Weſen der Wärme ausmachen, gehen ferner alle Molekularbewegungen um ſo leb— hafter vor ſich, je höher die Temperatur iſt. Es muß deshalb für jedes Lebeweſen eine untere Grenze des Waſſergehalts und eine untere Grenze der Tempe— ratur geben, bei welcher die Lebenserſcheinungen auf— hören. Deshalb gehört welche am ſicherſten zu denjenigen Einwirkungen, den Scheintod herbeiführen, Waſſerentziehung. Niedere Organismen, wie Amöben, ſehr viele Infuſorien, Spalt- und Sproßpilze, können durch Eintrocknen in einen Zuſtand verſetzt werden, in welchem ſie jahrelang ausdauern können, ohne zu ſterben. Noch auffälliger iſt dies bei den Samen der Pflanzen und bei den Sporen der Pilze (Dauer— ſporen) der Fall. Man hat Samenkörner aus ägyp— tiſchen Mumiengräbern noch keimfähig gefunden. In dieſen Zuſtand können die Lebeweſen nur verſetzt werden, wenn ſie bei niederer Temperatur ihr Waſſer abgeben, denn höhere Temperaturen wirken ja tödlich. Sind ſie aber erſt trocken, dann vertragen ſie ſtärkere Erwärmung, einzelne ſelbſt bis zu 100° und dar— über, ohne zu ſterben. In ähnlicher Weiſe wirkt aber auch Herabſetzung der Temperatur. Protoplasmatiſche Gebilde ſtellen meiſtens ihre Bewegungen bei etwa 4— 5 über dem Gefrierpunkt ein und beginnen dieſelben wieder bei Erwärmung. Beim Gefrieren gehen die meiſten von ihnen, namentlich die waſſerreichen, zu Grunde; waſſerärmere dagegen vertragen das Einfrieren und leben bei vorſichtigem, langſamem Auftauen wieder auf, was ſogar an Fröſchen beobachtet worden iſt. Selbſt hochorganiſierte Weſen, Mollusken, Inſekten, Amphibien und Reptilien verfallen durch Abkühlung in eine Art von Scheintod (Starre); in der Regel ſuchen dieſelben beim Herannahen der kalten Jahres- zeit Orte auf, an denen die Temperatur zwar nahe an den Gefrierpunkt, aber doch nicht unter denſelben ſinkt, indem ſie ſich in Höhlen oder im Schlamm vergraben. Daß etwas Aehnliches ſogar bei manchen Säugetieren vorkommt, iſt hinlänglich bekannt (Winter— ſchlaf). Bei manchen Organismen kehrt ein Zuſtand des Scheintodes regelmäßig in einer beſtimmten Lebens— periode ein, z. B. bei Inſekten, welche ſich verpuppen. Die Lebenserſcheinungen ſind hierbei auf ein ſehr geringes Maß herabgeſetzt und einzelne, z. B. die Nahrungsaufnahme, können ganz fehlen. Je energiſcher die Lebensprozeſſe vor ſich gehen, deſto leichter führen ſolche Eingriffe, ſtatt zum Schein— tode, zum wirklichen Tode. Einzelne Organe der Warmblüter können durch Sauerſtoffentziehung, durch Temperaturherabſetzung, durch Waſſerentziehung auch in Scheintod verſetzt werden; iſt aber die Einwirkung zu energiſch oder dauert ſie zu lange, ſo ſterben ſie ganz ab. Dasſelbe gilt von dem ganzen Organis— mus, nur iſt dieſer noch empfindlicher. Kaltblüter vertragen dieſelben Einwirkungen weit länger. Viele freilebende, nackte Protoplasmazellen um— geben ſich zuweilen mit einer Hülle oder Schale, und ſind dann in dieſem encyſtierten Zuſtand in einer Art von Scheintod, in welchem ſie lange verharren können und in dem ſie gegen Schädlichkeiten wie Waſſerentziehung, Sauerſtoffmangel u. dgl. viel weniger empfindlich ſind als im freien Zuſtande. Die Herab— ſetzung der Lebensthätigkeit ijt bei den eneyſtierten Zellen zuweilen nur eine geringe, zuweilen geht ſie bis zum wirklichen Scheintod. Auch die Zellen der zuſammengeſetzten Organismen, welche mit Hüllen umgeben ſind, zeigen häufig eine weit geringere Lebensthätigkeit als die im nackten Zuſtand ver— bliebenen. In manchen Fällen geht nach der En— cyſtierung noch eine weitere Reihe von chemiſchen Veränderungen im Protoplasma vor ſich, durch welche die Lebensthätigkeit der Zelle in ganz neue Bahnen gelenkt wird. 56 Humboldt. — Februar 1885. 18. Bei jedem zuſammengeſetzten Lebeweſen haben wir wohl zu unterſcheiden zwiſchen dem Leben des Geſamtorganismus und dem ſeiner einzelnen Teile, insbeſondere der Zellen. Viele derſelben haben eine engbegrenzte, im Vergleich zum Leben des Gefamt- organismus ſehr kurze Lebensdauer. Fortwährend gehen einzelne Zellen zu Grunde und werden durch neue, durch Teilung entſtandene erſetzt. Am bekann⸗ teſten iſt dies von den Zellen der Oberhaut und der Schleimhäute, deren oberſte Lagen fortwährend ab- | geſtoßen werden, während in den tieferen Schichten eine fortwährende Neubildung ſtattfindet. Dasſelbe findet aber auch in anderen Geweben ſtatt. Lymph— und Blutkörperchen werden fortwährend neugebildet, in Muskeln und Nerven ſcheinen Zerfall und Neu— bildung fortwährend ſtattzufinden, und wahrſcheinlich gilt dasſelbe, wenn auch in verſchiedenem Grade, von allen Geweben. Auf der anderen Seite aber überleben die Ge— webe den Organismus, welcher aus ihnen aufgebaut iſt. Wir nennen einen Menſchen tot, wenn ſein Herz nicht mehr ſchlägt, wenn keine Atembewegungen mehr erfolgen, wenn er keine willkürlichen Bewe— gungen mehr macht, und wenn auf ſtarke ſenſible Reize keine Reaktionen erfolgen. Aber ſelbſt mehrere Stun— den nach dem Eintritt dieſes Todes haben die Mus— keln ihre Kontraktilität noch nicht eingebüßt, reagieren noch auf elektriſche Reizung, ſind alſo noch lebendig. Noch länger dauert dieſes Ueberleben der einzelnen Gewebe bei Kaltblütern, deren Gewebe nicht ſo em— pfindlich gegen das Aufhören der normalen Blut— zufuhr ſind; und dieſe ihre Unabhängigkeit ſetzt uns in den Stand, die Leiſtungen einzelner abgetrennter Organe beſſer zu ſtudieren. Bei einem ſolchen zuſammengeſetzten Organismus hat alſo der Ausdruck „Tod“ eine etwas andere Be— deutung als bei einer iſolierten Zelle, möge ſie nun als freies Lebeweſen für ſich beſtanden haben oder aus einem zuſammengeſetzten Organismus ſtammen. Wenn der letztere geſtorben iſt, dann leben viele ſeiner Zellen noch eine Zeitlang weiter. Und ebenſo bedeutet der Ausdruck „Scheintod“ bei beiden Klaſſen nicht ganz dasſelbe. Ein Scheintod beim Menſchen kann z. B. nicht beſtehen in Aufhören aller Herz— und Atmungsbewegungen; denn in dieſem Falle würden Gehirn, Muskeln u. ſ. w. bald ſterben, der Scheintod würde alſo bald in wirklichen Tod über— gehen. Der Scheintod kann alſo nur beſtehen in einer ſehr erheblichen Herabſetzung dieſer Thätigkeiten und Aufhören aller willkürlichen Bewegung, wäh— rend z. B. die Muskeln gegen elektriſche Reizung vollkommen empfindlich bleiben. Und dieſes letztere Verhalten würde uns z. B. neben dem Fehlen der Fäulniserſcheinungen und ſonſtigen Todeszeichen ein ſicheres Unterſcheidungsmerkmal des Scheintodes vom wahren Tode abgeben. Was wir dagegen bei der Amöbe und ähnlichen niederen Organismen, auch den mehrzelligen aber noch weſentlich einfach gebauten, Scheintod nennen, das iſt eine wirkliche Einſtellung, ein wirkliches Ruhen aller Lebensthätigkeit, unterſcheidet ſich alſo vom Tode nur durch den einen Umſtand, daß die Wiederher- ſtellung möglich iſt. In andern Fällen wieder ſind nicht alle Lebenserſcheinungen abhanden gekommen, ſondern einige gehen, wenngleich in geringerm Grade noch fort, wie dies z. B. bei der Eneyſtierung der Fall iſt. 18. Aus dem allem geht alſo hervor, daß zwiſchen Leben und Tod nur ein wirklich unterſcheidendes Merkmal beſteht, der Mangel der Reizbarkeit, dieſes Wort in der allgemeineren Bedeutung genommen, wonach es nicht nur das Entſtehen ſichtbarer Bewegung infolge von Reizen, ſondern auch diejenigen Molekular— bewegungen begreift, welche mit der Aſſimilation zuſammenhängen. Im Scheintod kann zwar die letz— tere auch ruhen, aber doch nur ſo lange als die Ver— luſte durch die fortdauernde Oxydation nicht zu einer Zerſtörung der vorrätigen Gewebe führen, oder wenn (wie es bei der Eintrocknung und bei niederen Tem— peraturen der Fall iſt) auch die Oxydation ſtockt. Die Fähigkeit der Reizbarkeit iſt aber an eine beſtimmte chemiſche Beſchaffenheit des Protoplasmas gebunden, welche wir freilich nicht genauer definieren können. 19. So ſind wir denn mit dem Verſtändnis der Lebenserſcheinungen eben noch nicht ſehr weit gediehen. Wir können nicht die chemiſche Konſtitution angeben, welcher das lebende Protoplasma die Fähigkeit der Reizbarkeit verdankt, durch welche es ſich vom toten unterſcheidet. Dieſe Unwiſſenheit hat dazu geführt, daß man eine beſondere Lebenskraft angenommen hat, durch welche alle Lebenserſcheinungen erklärt werden ſollten. Aber dies bringt die unklare Sache unſerm Verſtändnis nicht näher. Wir können uns eine Kraft nicht als etwas Selbſtändiges vorſtellen. Was wir Kraft nennen, iſt nur der Ausdruck von Eigenſchaften, die wir beobachten. Die Kraft eines Menſchen iſt ſeine Fähigkeit, Arbeit zu leiſten. Indem wir das auf andere Naturerſcheinungen übertragen, ſprechen wir von Kräften, wie Gravitation, Magnetismus u. ſ. w. in dem Sinne, daß durch ſie Bewegungen veranlaßt werden. Wenn wir aber die Gravitation erklären als eine Anziehung zwiſchen Maſſenteilen z. B. der Erde und dem Mond, ſo können wir doch unmöglich meinen, daß der Erde oder dem Mond nun durch Hinzutreten von etwas Neuem, das ge— trennt davon beſtehen könnte, die Fähigkeit der An— ziehung verliehen werde. Sondern die gegenſeitige Anziehung iſt eine Eigenſchaft der Materie, ohne welche dieſelbe uns nicht bekannt iſt, und nur inſo— fern dieſe Eigenſchaft zu gewiſſen Bewegungserſchei— nungen führt, bezeichnen wir ſie als Kraft. Wenn wir nun in dieſem Sinne von einer Lebenskraft ſprechen wollten, ſo würde dies nur ſo viel heißen, daß wir mit dieſem Worte die Summe der Eigenſchaften bezeichnen, welche der lebenden Materie als ſolcher zukommen. Eben aber, weil es ſich hier um eine Summe von Eigenſchaften handelt, kann eine befrie— digende Erkenntnis nicht durch einen ſolchen Sammel— namen gewonnen werden, ſondern nur durch Zer— legung in die einzelnen Summanden und durch Zurückführung derſelben auf die analogen Erſchei— Humboldt. — Februar 1885. 57 nungen in anderen Gebieten der Naturerſcheinungen. dem neuen lebenden Weſen abgibt. Eine ſolche Zerlegung haben wir im Vorſtehenden verſucht. zu überſchreiten die unvollkommene Kenntnis der Einzelthatſachen uns verhindert. Es wird erſprießlicher ſein, den Fortſchritt der Wiſſenſchaft auf dem Wege der Einzelforſchung zu ſuchen, als ſich über die mangelnde Kenntnis durch die Einführung eines Wortes fortzutäuſchen, welches unſern Geſichtskreis nicht erweitert, ſondern das Unbekannte eher mit einem Schleier bedeckt und unſerm forſchenden Auge entzieht. Soweit aber bis jetzt die Einzelforſchung vor— gedrungen iſt, hat ſich nirgends ein Widerſpruch zwiſchen den Erſcheinungen des Lebens und denen der unbelebten Natur gezeigt. Nichts ſpricht dafür, daß irgend ein Maſſenteilchen andre Eigenſchaften annimmt, wenn es Teil eines Lebeweſens iſt, als wenn es allein oder mit andern in der unbelebten Natur vorkommt. Die Verbindung des Kohlenſtoffs mit Sauerſtoff bildet dieſelbe Kohlenſäure, in den— ſelben quantitativen Verhältniſſen, und es wird dabei in gleicher Weiſe Energie in Form von Wärme oder mechaniſcher Arbeit frei, möge nun das Kohlen— teilchen innerhalb lebenden Protoplasmas oder in einem Diamanten oder im Nitroglycerinmolekül ent— halten ſein. Was dem Protoplasma ſeine beſonderen Eigenſchaften gibt, kann daher nur die beſondere Art ſein, wie das Kohlenſtoffatom mit andern Atomen zu eigenartigen Verbindungen gruppiert iſt. Könnten wir die Struktur der chemiſchen Verbindungen im Protoplasma mit annähernd derſelben Sicherheit an— geben, wie wir die Strukturformel des Nitroglycerins kennen, ſo würde vieles in den Eigenſchaften des Protoplasmas uns klarer ſein. So ſind alſo die Aufgaben, welche die Phyſiologie noch zu löſen hat, in vielen Beziehungen chemiſcher Natur. Daneben aber gehen phyſikaliſche, da von der Art der Anordnung der Moleküle ebenſoviel abhängt wie von der Atomſtruktur der Moleküle ſelbſt. Und endlich müſſen, ehe wir an Spekulationen über die molekulare Beſchaffenheit gehen können, häufig noch Fragen über die gröbere Struktur, welche uns das Mikroſkop enthüllt, gelöſt werden. Nur durch ein Zuſammenwirken aller Methoden können wir hoffen, nach und nach zu derjenigen Kenntnis zu gelangen, welche es ermöglicht, die Eigenſchaften des lebenden Protoplasmas aus ihren Elementen abzu— leiten. 20. In den vorſtehenden Erörterungen über den Tod iſt die Frage noch unberührt geblieben, warum überhaupt der Tod eintritt. Dieſe Frage hat gerade in neuerer Zeit zu intereſſanten Erörterungen geführt. Wir wollen auf dieſelbe an dieſer Stelle jedoch nicht weiter eingehen, ſondern wenden uns jetzt zu der Frage nach der Entſtehung neuer Lebeweſen. Wie wir oben (§ 5) geſehen haben, entſtehen neue Lebeweſen aus ſchon vorhandenen entweder durch Tei— lung oder durch Knoſpung. Immer iſt es ein Teil eines lebenden Weſens, welches die Grundlage zu Humboldt 1885. Wir ſtießen dabei auf eine Grenze, welche Eine andere Art der Entſtehung iſt bis jetzt, vielfacher Bemühungen ungeachtet, noch nicht nachgewieſen worden. Wir müſſen es demnach als eine durch zahlreiche Erfah— rungen geſtützte Lehre hinſtellen, daß nur auf dieſem Wege Lebeweſen entſtehen, eine Lehre, welche kurz und bündig in dem Satz ausgedrückt werden kann: Omne vivum e vivo*). So feſt begründet aber auch dieſer Erfahrungs— ſatz iſt, ſo befriedigt er uns doch nicht. Vielfache Gründe nötigen uns zu der Annahme, daß unſere Erde dermaleinſt eine feurig-flüſſige Maſſe war und erſt allmählich zu ihrer jetzigen Temperatur abkühlte. Da nun Leben bei ſo hohen Temperaturen unmög— lich beſtehen konnte, ſo muß dasſelbe auf der Erde offenbar zu irgend einer Zeit begonnen haben. Mindeſtens ein Lebeweſen muß auf irgend eine Art auf die Erde gekommen ſein, das kein anderes auf ihr zum Vorfahr hatte. Aus dieſem einen können ſich dann alle folgenden entwickelt haben. Nehmen wir an, daß andere Himmelskörper früher als die Erde in einem Zuſtand waren, welcher kein Hindernis für das Beſtehen lebender Weſen bot, ſo können wir auch die Möglichkeit zugeben, daß von dieſen das erſte oder die erſten Lebeweſen auf die Erde gelangt ſeien. Die Aſtronomen belehren uns, daß außer den eigentlichen uns bekannten Welt— körpern bedeutende Mengen ſogenannten meteoriſchen Staubes im Weltenraum vorkommen d. h. wägbare Materie in feiner Verteilung, und daß von dieſem Staub zuweilen etwas auf die Erde fällt. In dieſem könnten gelegentlich auch lebende Weſen enthalten ſein. Wir können, ſage ich, dieſe Möglichkeit zugeben, oder wir müſſen ſie zugeben, weil wir das Gegen— teil nicht beweiſen könnten. Aber befriedigen kann uns eine ſolche Annahme auch nicht. Wir würden ſtets die Frage aufwerfen, woher denn nun die Lebe— weſen auf jenen andern Weltkörpern ſtammen und darauf wäre nur die Antwort möglich, daß ſie irgend— wo und zu irgend einer Zeit entſtanden ſein müſſen oder daß ſie von Ewigkeit an vorhanden geweſen, ebenſolange als die Materie ſelbſt. Dieſen unbewieſenen und unbeweisbaren Annahmen läßt ſich immer noch mit gleichem Recht die andere Annahme gegenüberſtellen, daß die Entſtehung leben— der Weſen aus unbelebter Materie, wenngleich noch niemals beobachtet, dennoch möglich ſei. Daß wir wiſſen, auf welche Weiſe ein Füllen auf die Welt kommt, ſetzt uns in den Stand, Pferdezucht zu treiben. Wenn wir die Bedingungen nicht kennen, unter denen aus gewiſſen chemiſchen Subſtanzen eine Amöbe oder ein Pilz ſich bilden kann, ſo dürfen wir daraus doch nicht ſchließen, daß eine ſolche Bildung abſolut un— möglich ſei. Derartige Erwägungen haben immer und immer wieder die Naturforſcher veranlaßt, nach Bedingungen Der Satz iſt eine Umformung des älteren Satzes: Omne vivum ex ovo. Aber in dieſer Form kann er nicht auf allgemeine Geltung Anſpruch machen. 8 58 Humboldt. — Februar 1885. zu ſuchen, unter denen lebende Weſen aus unbelebter Subſtanz entſtehen. Vielmals glaubte man dieſelben gefunden und dieſe Entſtehung beobachtet zu haben, welche man mit dem Namen der Urzeugung, Gene— ratio spontanea oder Generatio aequivoca, in neuerer Zeit mit dem Namen Abiogeneſe, d. h. Entſtehung von etwas Lebendem aus etwas nicht Lebendem, bezeichnete. Bis jetzt waren alle Bemü— hungen vergebens. In früherer Zeit nahm man die Sache leicht. Da man häufig in Flüſſigkeiten, welche organiſche Subſtanzen enthalten, nach kürzerem oder längerem Stehenlaſſen unzählige lebende Weſen vorfand, ſo nahm man an, ſie ſeien darin entſtanden. Weil ſolche vermeintliche Urzeugung beſonders leicht in ſtets unzweifelhafte Ergebniſſe. Aufgüſſen auf Fleiſch, Heu ꝛc. gefunden wurden, nannte man die Weſen Aufgußtierchen, Infu— ſorien. Es ſind aber vorzugsweiſe Gebilde aus der Klaſſe der ſogenannten Sproß- und Spaltpilze, die heutzutage ſo viel beſprochenen Mikroben, welche als Erreger von Fäulnis, Gärung und Krankheiten berühmt geworden ſind, welche ſich in den Aufgüſſen entwickeln. Die ſorgfältigſten Unterſuchungen haben Glaube und Aberglaube Eine hiſtoriſche Skizze. jedoch dargethan, daß dieſe kleinſten Lebeweſen nur dann in den Infuſionen fic) entwickeln, wenn ent- weder einzelne von ihnen oder ihre Keime ſchon vor— her darin enthalten waren, oder wenn dieſelben von außen hineingelangen. Tötet man die etwa in den Flüſſigkeiten vorhandenen Lebeweſen durch genügend langes Kochen und verhindert man das Hineingelangen neuer durch paſſenden Verſchluß der Gefäße (Zu— ſchmelzen oder Verſtopfen mit ausgeglühter Watte), ſo entwickeln ſich niemals lebende Weſen ſelbſt in ſolchen Flüſſigkeiten, welche die allergünſtigſten Be⸗ dingungen bieten. Dieſe Verſuche ſind freilich un— gemein ſchwierig und müſſen mit großer Umſicht an⸗ geſtellt werden, wenn man nicht groben Täuſchungen ausgeſetzt ſein will. Richtig angeſtellt, geben ſie aber Und der einzige Schluß, welchen man aus ihnen ziehen kann, lautet: Die Urzeugung lebender Weſen iſt bis jetzt nicht be- wieſen worden. Wenn ſie möglich iſt, ſo kennen wir die Bedingungen ihres Zuſtandekommens nicht. Ihre Unmöglichkeit iſt jedoch ebenſowenig bewieſen und wir müſſen die Frage nach der erſten Entſtehung lebender Weſen noch als offene betrachten. in der Witterungskunde. Don Dr. 3. van Bebber, Abteilungs-Vorſtand der deutſchen Seewarte in Hamburg. (Schluß.) Die Anfänge der Aſtrologie fallen in das Dunkel der Urzeit, was ſchon daraus hervorgehen dürfte, daß viele aſtrologiſche Vorausſagungen aus der Stellung der Geſtirne gegen den Horizont abgeleitet wurden, von demjenigen Himmelskreiſe, mit welchem der Menſch zuerſt bekannt werden mußte. Die alten Schriftſteller ſind der Meinung, daß die Aſtrologie ihren Urſprung bei den Chaldäern gehabt und von dort aus unter die übrigen Völker ſich verbreitet habe. Als Verkünder der Witterungserſcheinungen galten beſonders die Planeten, welche durch ihren Auf- und Untergang, ſowie durch ihre Farben Stürme, Regen, Wärme, Kälte u. ſ. w. anzeigen ſollten. Unter den ſieben Wandelſternen des Altertums: Sonne, Mond, Saturn, Jupiter, Mars, Venus und Merkur haben die beiden erſteren Unterſtützt von Saturn, Jupiter und Merkur führt die Sonne am Tage das Regiment. Gutartig ſind Jupiter und Venus, bösartig Mars und Saturn, kaſte die Pflege der Aſtrologie anvertraut, welche hauptſächlich im Dienſte der Medizin ausgeübt wurde. Von den Aegyptern ging die Sterndeutekunſt zu den Griechen über und wurde hier weiter ausgebildet. Der älteſte griechiſche Schriftſteller, welcher uns ent- | gegentritt, ijt Hefiod, welcher ungefähr 1000 Jahre v. Chr. in Böotien lebte und ſich dort mit Weisſage— kunſt und der damit nahe verwandten Dichtkunſt be— ſchäftigte. Sein Werk s u sp, Werke und Tage, enthält unter anderem eine Reihe von Anweiſungen über Land- und Hauswirtſchaft, Schiffahrt u. ſ. w., welche aus dem Auf- und Untergang gewiſſer Sez die größere Wirkung. Merkur iſt je nach ſeinem Zuſammenwirken mit den Vorhergehenden gut oder böſe. Planeten iſt am größten, wenn dieſe in ihren eigenen Häuſern ſtehen, wie die Sonne im Löwen, der Mond im Krebs u. ſ. w. Bei den Aegyptern, deren Religion Aſtro-Theo⸗ Die Wirkung der logie genannt werden kann, war einer eigenen Prieſter ſtirne abgeleitet ſind. Hippokrates, der größte Arzt des Altertums, ſchloß aus dem Auf- und Untergang der Geſtirne auf die Aenderungen in der Natur, insbeſondere auf diejenigen, welche ihm für die Medizin wichtig er— ſchienen, z. B. bis zu 10 Tagen nach den großen Veränderungen der Jahreszeiten durfte keinerlei Arznei gebraucht werden u. ſ. w. Ariſtoteles, der berühmteſte Naturforſcher des Altertums, und ſeine Anhänger erklärten ſich ent— ſchieden gegen die Aſtrologie und auch ſpeciell | gegen die Aſtrometeorologie; denn nach ihm gehen die atmoſphäriſchen Erſcheinungen unordentlich und in regelloſer Folge vor ſich, im Gegenſatze zu den Humboldt. — Februar 1885. 59 regelmäßigen Bewegungen der Himmelskörper. Ara— tos gibt eine vollſtändige Sammlung von Wetter- zeichen an Himmelskörpern, Tieren und anderen Dingen. Seine Wetterprophezeihungen, welche meiſtens den Werken des Heſiod, Ariſtoteles und Theo— phraſt entlehnt ſind, und welche ſich auf Sonne, Mond und Sterne beziehen, gehen hauptſächlich vom Anſehen dieſer Körper aus und berückſichtigen ins— beſondere die Farbe, die Sichtbarkeit, den Glanz u. ſ. w. Die Schriften des Aratos fanden bei den Römern großen Beifall, ſo daß ſie vielfach über— ſetzt wurden. Bekannt iſt, daß Virgil dieſelben in ſeinem Lehrgedichte über den Landbau benutzt hat. Von den Römern wurden die Sterndeuter Chal— däer oder Mathematiker genannt. Die römiſchen Kaiſer waren der Aſtrologie anfänglich ſehr zugethan; ſo war der Aſtrolog Thraſyllus ein beſtändiger Begleiter des Kaiſers Tiberius; aber derſelbe Tiberius vertrieb die Aſtrologen aus Rom, als die Gewinnſucht und Betrügerei bei ihnen immer mehr überhand nahmen, und das Unweſen eine dem allgemeinen Wohle drohende Höhe erreichte. Solche Verweiſungen wiederholten ſich mehrmals, jedoch war der Erfolg nur ein vorübergehender. Was ſpeciell die meteorologiſche Aſtrologie angeht, ſo begnügten ſich die Römer als Schüler und Nachahmer der Griechen damit, die Werke der Griechen zu über— ſetzen. Insbeſondere ſtanden die Schriften des Ara— tos, wie ſchon erwähnt, bei ihnen in hohem Anſehen und wurden hauptſächlich von Cicero, Cäſar, Germanicus, Virgil, Avienus und anderen in ausgiebigſter Weiſe benutzt. Die Wetterprophe— zeiungen des Columella, welcher im erſten Jahr— hundert nach Chr. lebte, gehen vom Auf- und Unter— gang, ſowie von der Kulmination der Sterne aus und gleichen, was ihre Faſſung und Beſtimmtheit anbetrifft, denjenigen der neueren Kalender. So z. B. heißt es für den 3. Januar: veränderliches Wetter, für den 4.: Mitte des Winters, ſtarker Südwind, bisweilen Regen, für den 24.: ſchlechtes Wetter, Sturm u. ſ. w. Columella empfiehlt aber wohl— bedächtig dem Landmanne, die Sache nicht allzu genau zu nehmen, indem es häufiger vorkommen könnte, daß eine Witterungsveränderung ſich um einige Tage verfrühe oder verſpäte. Ausführliches gibt uns Plinius in ſeiner Natur— geſchichte über das Wiſſen ſeiner Zeit, welches er in ſeiner weitſchweifigen Weiſe mit eigenen richtigen An— ſchauungen und Irrtümern vermehrt. Wenn auch dasjenige, welches er über die kosmiſchen Einflüſſe geſchrieben hat, jedenfalls von hohem hiſtoriſchen Intereſſe iſt, ſo würde es doch zu weit führen, hierauf näher einzugehen. Ich will hier nur bemerken, daß einige ſeiner Ideen über den Zuſammenhang der Witterungsänderungen mit dem Mondwechſel im vorigen Jahrhundert von einem der bedeutendſten Gelehrten ſeiner Zeit, Toaldo, wieder aufgegriffen und in ein förmliches Syſtem gebracht wurden. Der Grundidee des aſtrologiſchen Glaubens, daß die Vorgänge in der Natur, im Menſchen- und Völkerleben ebenſo unwandelbaren Geſetzen unter— worfen ſeien, wie die nach unabänderlicher Ordnung ſich bewegenden Himmelskörper, und das ewige Ge— präge der göttlichen Vorſehung den Geſtirnen auf— gedrückt ſei, ſtand im ſchroffen Gegenſatze die Lehre der Kirche gegenüber, welche neben einer allgemeinen Vorſehung auch eine ſpecielle annimmt, wonach alle Weltbegebenheiten und die Schickſale der einzelnen Menſchen fortdauernd der willkürlichen Einwirkung Gottes unterworfen ſind. Der Glaube an dieſe ſpecielle Weltregierung iſt ein Hauptgegenſatz zwiſchen Chriſten- und Heidentum und dieſen Glauben, der ja allerdings in dem Vertrauen auf einen mächtigen und wohlwollenden Fürſorger den Menſchen in be— drängter Lage Troſt und Erquickung ſpenden kann, obgleich er gerade nicht die würdigſte Vorſtellung von Gott iſt, ſuchte man mit allen Mitteln zu befeſtigen. Daher trat das Chriſtentum der Aſtrologie mit allem Nachdrucke entgegen. Clemens von Alexandrien ſieht die Aſtrologie als eine Verachtung der unab— läſſigen göttlichen Fürſorge an. Origines, Auguſti— nus und andere Kirchenväter waren eifrige Be— kämpfer der Aſtrologie. Im Codex Juſtinians wurden die Sterndeuter den Verbrechern gleichgeſtellt. Deſto eifriger aber wurde die Aſtrologie im Mittel— alter von den Arabern getrieben, von welchen uns mehrere Schriften erhalten ſind, woraus hervorgeht, daß die Aſtrologie in Verbindung mit der Magie zu einem vollſtändigen Syſteme ausgebildet war. Im 14. und 15. Jahrhundert erreichte die Aſtro— logie im Abendlande ihre höchſte Blüte, die ſie ins— beſondere den Unterſtützungen hochſtehender Aſtronomen, welche nicht ſelten bei Königen und Fürſten in hohen Ehren ſtanden, verdankte. Traten zwar die An— wendungen der Aſtrologie auf die menſchlichen An— gelegenheiten immer mehr entſchieden in den Vorder— grund, ſo wurden doch die Vorausſagungen der Witterungserſcheinungen faſt ausſchließlich aus den aſtrologiſchen Lehren geſchöpft. Dieſes gilt haupt— ſächlich für die in jene Zeit fallenden Wetterprophe— zeiungen, welche man mit dem Namen Practica, Prognostica oder Bauernpraktiken bezeichnete. Die erſte größere Practica gab der Aſtrolog Johann Lichtenberger 1488 heraus. Bald darauf folgte die erſte „Pauern-Präcktik“ oder „Wetterbiechlein“ mit dem Titel: „in dieſem Biechlein wirt gefunden der Pauern Pracktik und regel darauff ſy das ganz Jahr ain auffmerken haben und halten . . . 1508.“ Wer ſich überzeugen will, wie außerordentlich raſch und ſtark ſich dieſe Art Litteratur im Laufe der Zeit bis zum 17. Jahrhundert anhäufte, der möge den ausführlichen Litteraturnachweis in Hell— manns „Repertorium der deutſchen Meteorologie“ nachleſen, er wird jedenfalls mit dem Verfaſſer zu der Ueberzeugung gelangen, daß dieſe Litteratur den ausſchließlich aſtrologiſchen Standpunkt der Meteo— rologie in damaliger Zeit kennzeichnet. Im Jahre 1597 erſchienen, ſoweit bekannt, nicht weniger als 20 folder Practica. 1591 gab Johann Colerus, Prediger zu Parchim, einen immer— 60 Humboldt. — Februar 1885. währenden Kalender heraus, welcher bis ins 19. Jahr⸗ hundert unter wechſelndem Titel viele Auflagen er- lebte. Hieran ſchloß ſich der hundertjährige Kalender, deſſen Art Wetterprophezeiungen auf Juſtus Sts ff- ler im Anfang des 16. Jahrhunderts zurückzuführen ſind. Dieſer Biedermann machte ſich dadurch bekannt, daß er auf den 2. Febr. 1524 eine Sündflut prophe- zeite, weil dann drei Planeten in den Fiſchen des Tierkreiſes zuſammentreten würden. Dieſe Prophe— zeiung beunruhigte die Leute derart, daß man in einigen Gegenden des ſüdlichen Frankreichs und des ſüdweſtlichen Deutſchlands ernſtlich daran ging, Archen zu bauen, und Leute, die am Waſſer wohnten, auf die Berge ſich zurückzogen oder ſich mit Böten ver— ſahen. Der erſte hundertjährige Kalender erſchien nach Hellmann unter den Buchſtaben: D. M. K. A. K. L. (Doktor Mauricius Knauer, Abt. Kloſter Lauchheim). Im Jahre 1704 wurde zu Kulmbach ein hundertjähriger, curieuſer Hauskalender gedruckt und unter Vorſetzung des Namens Knauer in zahl— reichen Auflagen durch ganz Deutſchland verbreitet. Die erſten Fortſetzungen wurden von dem Erfurter Arzte Hellwig beſorgt, deſſen Wetterprophezeiungen unzähligemal auch nach ſeinem Tode gedruckt wurden, und die zu allen Schichten der Bevölkerung drangen. Spätere Ausgaben dieſes Kalenders erſchienen wieder unter Knauers Namen. Obgleich dieſes Wunder— buch den ſtolzen Titel für eine hundertjährige Periode von Wetterprophezeiungen trägt, ſo liegen demſelben in Wirklichkeit doch nur Zeiträume von 7 Jahren zu Grunde, die den aſtrologiſchen Himmelskörpern entſprechen, ſo daß ſieben aufeinanderfolgende Jahr— gänge das ganze Syſtem der Wetterprophezeiungen umfaſſen. Jedem der Jahre wird einer der alten Planeten: Saturn, Jupiter, Mars, Sonne, Venus, Merkur, Mond als Jahresregent vorgeſetzt, und von der Natur dieſes Regenten hängt dann auch der Witterungscharakter dieſes Jahres ab. Hiernach iſt das verfloſſene Jahr 1884, welches unter der Herrſchaft der Sonne ſteht, durchgehends trocken, mittelmäßig warm und nur wenig feucht, Herbſt und Winter ſind erträglich trocken und ſchön, es reift und gefriert zeitig, doch mit gemäßigter Kälte, es fängt an mit rauhem, unlieblichem Wetter, wird aber bald wieder beſſer u. ſ. w. Was von einem ſolchen Mach— werk zu halten ſei, dürfte ſelbſt dem blödeſten Ver— ſtande einleuchten, allein ſo viel ſteht feſt, daß dieſe Wetterprophezeiungen mit ihrer grillenhaften Wille | kür bis zu Anfang unſeres Jahrhunderts bei der großen Maſſe in hohem Anſehen ſtanden. Ihm zur Seite ſteht in Frankreich der dreifache Almanach von Mathieu de la Drome, welcher noch jetzt in zahlreichen Exemplaren in Frankreich zum Preiſe von 50 Centimes verkauft wird. Derſelbe heißt der dreifache, weil er drei Teile enthält, nämlich einen gewöhnlichen Kalender, die Vorherſage das Wetters für das Jahr, die Monate und Tage und endlich eine Reihe kleiner Aufſätze mit Illuſtrationen zur Unterhaltung und Belehrung des Leſers. Dieſe Wetterprophezeiungen ſind mit denen des hundertjährigen Kalenders nicht identiſch und ſcheinen, da die Grundlagen, worauf dieſelben ruhen, nicht angegeben ſind, Familiengeheimnis der Erben Mathieus zu ſein, wenn überhaupt von einer ſolchen Grundlage die Rede ſein kann. Der erſte, welcher mit Gründen dem aſtrologiſchen Aberglauben entgegentrat, ſcheint der Graf Pico de Mirandola geweſen zu ſein, einer der ge— lehrteſten Philologen und Theologen ſeiner Beit. Allein der alte Aberglaube hatte ſo tiefe Wurzeln gefaßt, daß jener, überall auf Widerſpruch ſtoßend, ſeinen Gründen keinerlei Eingang verſchaffen konnte. Selbſt der berühmte Aſtronom Regiomontanus unterſuchte zu dieſer Zeit in ſeinen Ephemeriden, welches die zum Aderlaſſen günſtigen Mondphaſen ſind, und welche Teile des menſchlichen Körpers durch die verſchiedenen Zeichen des Tierkreiſes am wirkſamſten beeinflußt werden. Cyprian Leo witz, Mathematiker des Pfalzgrafen Otto Heinrich, be- ſtimmte die Stellung der Fixſterne von 1349 bis 3029 und trotzdem prophezeite derſelbe den Welt— untergang auf das Jahr 1584. Es iſt bekannt, daß auch Philipp Melanchthon ein Anhänger der Aſtrologie war, er verſah die Wetterzeichen des Aratos mit einer Vorrede, mit Luther ſoll er oft über aſtrologiſche Dinge ſehr eifrig geſtritten haben. Auch das Horoſkop ſtellte er, aber wie aus einer Erzählung hervorgeht, nicht immer mit großem Er— folg. Als er einmal ſeinen Freund Melander be— ſuchte, ſtellte er deſſen halbjährigem Kinde die Maz tivität und prophezeite, das Kind würde zu einem gelehrten Manne heranreifen, worauf ihm Melander lachend zurief: „Philipp, es iſt ja ein Mädchen!“ Es iſt faſt unglaublich, wie zu einer Zeit, wo epochemachende Erfindungen und Entdeckungen den Fortſchritt der Civiliſation kennzeichneten, wo die Er— findung der Buchdruckerkunſt, die Entdeckung Amerikas und die Auffindung des Seeweges nach Oſtindien zu regiſtrieren waren, ſolche abergläubiſchen Träumereien einen ſo allgemeinen und beſtimmenden Einfluß auf alle öffentlichen und privaten Angelegenheiten aus— üben konnten. Selbſt Fürſten und hochgeſtellte Staats— männer waren nicht ſelten von dieſem Aberglauben in ſo hohem Maße befangen, daß in alle ihre poli— tiſchen Unterhandlungen die Hofaſtrologen ſich ein— miſchten und ſo oft ganze Staaten von dieſen regiert wurden. Ein Beweis dafür, welche hohe Achtung die Aſtrologen in dieſer Zeit genoſſen, iſt die That— ſache, daß der Aſtrologe Noſtradamus um die Mitte des 16. Jahrhunderts am franzöſiſchen Hofe mit allen Ehren überhäuft wurde. Am Ende des 16. Jahrhunderts machten ſich Be— ſtrebungen geltend, den thatſächlichen Verlauf der Witterungserſcheinungen mit dem Laufe der Sterne zu vergleichen. So wurde von Tycho Brahe das Wetter 15 Jahre, natürlich ohne Inſtrumente, beobachtet, welche Beobachtungen im Jahre 1876 veröffentlicht worden ſind. In demſelben Sinne arbeitete der durch ſeine Korreſpondenzen mit Kepler Humboldt. — Februar 1885. 61 bekannte Fabricius, welcher meteorologiſche Be— obachtungen anſtellte, daneben aber auch Prognoſtika für die Jahre 1615 - 1618 ſchrieb. Inwiefern Joh. Kepler der Aſtrologie zu— gethan war, dürfte ſehr ſchwer zu entſcheiden ſein. Es iſt bekannt, daß Kepler Kalender ſchrieb, welche Praktika und Prognoſtika enthielten, daß er die Aſpekte oder die charakteriſtiſchen Stellungen der Sterne noch um fünf Arten vermehrte, und daß er die Einflüſſe der Planeten auf menſchliche Geſchicke nicht direkt verwarf, allein andererſeits zu bedenken, daß Kepler ſeinen Prophezeiungen ſelbſt wenig Wert beilegte und die Abfaſſung derſelben für einen notwendigen Broterwerb anſah und daß er die Aſtro— logie für eine größtenteils unwürdige und zeitraubende Beſchäftigung hinſtellt, welche vieles eitle Zeug ent— hält. Sicher dürfen wir annehmen, daß ein ſo er— leuchteter Geiſt wie Kepler mit ſich darüber im klaren war, was von der Aſtrologie zu halten ſei, aber der Umſtand, daß er beſtändig mit Nahrungs- ſorgen zu kämpfen hatte, war der Beweggrund, neben— bei auch aſtrologiſche Künſte auszuüben, wenn dieſes auch jedenfalls mit großem Widerwillen geſchah. Die viele Jahre hindurch fortgeſetzten Beob— achtungen und Vergleichungen derſelben mit den Aſpekten, nicht minder aber das kopernikaniſche Plane— tenſyſtem, welches trotz der heftigen und unwürdigen Angriffe von ſeiten des römiſchen Stuhles nach und nach allgemein zum Durchbruche kam, ferner die ſich ſtets mehrende Anzahl gewichtiger Gegner, welche mit dem Lichte der Wiſſenſchaft die Hohlheit des aſtrologiſchen Aberglaubens aufdeckten und endlich der Mißbrauch, welcher mit dieſer Pſeudo-Wiſſenſchaft getrieben wurde, gaben im Abendlande der Aſtrologie den Todesſtoß. Allein noch nicht war dieſer Irrtum, welcher ſo tiefe Wurzeln geſchlagen und jahrtauſende— lang ernſtliche Wiſſenſchaftlichkeit überwuchert hatte, von Grund aus ausgerottet; denn nicht allein hing das ungebildete Volk noch mit Zähigkeit an den alther— gebrachten Lieblingsideen feſt, ſondern ſogar einzelne Männer von Geiſt und Stellung warfen ſich im 18., ja noch in unſerem Jahrhundert als eifrige Ver— treter der Aſtrologie auf. Als Gegner der Aſtrologie zeichnen ſich vorteil— haft aus am Ende des 17. Jahrhunderts der biedere Altorfer, Profeſſor Chriſtoph Sturm, welcher durch ſeine Vorträge ſehr viel zur Beſchränkung der Aſtro-Meteorologie beitrug, dann zu Anfang des 18. Jahrhunderts Gottlieb Nikius aus Gera, deſſen Angriffe hauptſächlich gegen Goad, Gad— bury, Grebner und auch gegen den ſonſt ſo ge— achteten Boyle gerichtet waren. Aber zu derſelben Zeit ſehen wir die aſtro-meteo— rologiſche Richtung bei einer ganzen Geſellſchaft hochgelehrter Männer, nämlich der bayeriſch-meteoro— logiſchen Geſellſchaft, in ganz auffallender Weiſe ver— treten. Auf eine Preisfrage über den Grund der Barometerſchwankungen waren verſchiedene Antworten eingelaufen, welche das merkwürdige Reſultat er— gaben, daß keiner derſelben der volle Preis zuer— kannt werden konnte, obgleich die verſchiedenſten An— ſichten vertreten waren und alle mit gleicher Entſchieden— heit ausgeſprochen wurden. Den erſten Preis, eine Medaille von 20 Dukaten, erhielt Eduard Schröter, Profeſſor der Naturwiſſenſchaft in St. Petersburg, welcher die Barometerſchwankungen und überhaupt die Witterungserſcheinungen auf der ganzen Erde abhängig machte von den Planeten und ihren Aſpekten, ſowie von dem Stande der Sonne. Den zweiten Preis, eine goldene Medaille von 12 Dukaten, er— hielt Profeſſor Kaſpar Steer, aus Neuburg a. d. Donau. Dieſer unterſchied teils, periodiſch wirkende Urſachen, wie Sonne, Mond und Planeten, teils unperiodiſch wirkende, wie Dünſte, Winde und Lufttemperatur. Durch Sonne und Mond werden nach Steer atmoſphäriſche Gezeiten ähnlich wie die Ebbe und Flut beim Meere hervorgerufen und hieraus erklärte er die Barometerſchwankungen, welche durch die Stellungen der Planeten, insbeſondere Venus, Mars und Jupiter, außerdem noch durch Kometen periodiſchen Unregelmäßigkeiten unterworfen ſeien. Obgleich die Preisaufgabe vom Phyſiker Joſeph Stark inſofern richtig gelöſt wurde, als er der An— ziehung der Sonne und des Mondes, zumal den Planeten gar keinen Einfluß auf die Barometer— änderungen einräumte, ſondern dieſe nur von der Elaſticität (Wärme) und Schwere der Luft ableitete, fo erhielt dieſer doch nur 0 dritten Preis, eine ſilberne Medaille. Eine merkwürdige Idee hatte Toaldo, Profeſſor in Padua, welche ſich in den folgenden Jahrzehnten weiter ausſpann und der Aſtro-Meteorologie zum Aufputze diente. Derſelbe äußerte, daß es nicht un— wahrſcheinlich ſei, daß während der Oppoſitionen, wo alſo die Erde das unmittelbare Glied bildet, dieſe poſitiv elektriſch würde, dagegen bei der Konjunktion die Erde als äußeres Glied negativ elektriſiert würde. Dieſe Idee wurde, wie es ſcheint, von dem Pots- damer Oberpfarrer Friedr. Stöwe aufgegriffen und praktiſch angewendet. In demſelben Sinne arbeitete ein Holländer, welcher in mehreren meteo— mene Schriften, ohne ſeinen Namen anzugeben, ähnliche Ideen ausſprach, wie Stöwe. Dieſe An— ſichten büdete Haberle zu einem vollſtändigen Syſteme um, indem er verſuchte, durch Aetheranziehungen Wärme, Licht und Elektricitätsentwicklungen, ſowie durch magnetiſche Influenz die Urſachen feſtzuſetzen, warum und in welcher Art die Himmelskörper bei der Konjunktion und Oppoſition ſo verſchiedenartige und verſchieden ſtarke Wirkungen auf die Witterungs— erſcheinungen ausüben konnten. Ferner kam der bayeriſche Akademiker Anſelm Ellinger 1814 zu dem allgemeinen Satze, daß bei allen Aſpekten eine Erhöhung der Lufttemperatur eintrete und daß eine ſolche Erhöhung auch atmo— ſphäriſche Trübungen, Niederſchläge 2c. veranlaſſe. Der letzte Gelehrte, welcher es verſuchte, den Ein— fluß der Geſtirne auf Witterungserſcheinungen wieder zur Geltung zu bringen, war J. W. Pfaff, Prof. in Erlangen. „Der pſychologiſche Hergang,“ bemerkt 62 Humboldt. — Februar 1885. Günther in einem Buche über den Einfluß der Himmelskörper auf die Witterungserſcheinungen, bei Entſtehung von Pfaffs aſtrologiſchen Schriften (aſtro— logiſche Taſchenbücher für 1822—23, der Menſch und die Sterne 1834), „wird für alle ein Rätſel bleiben, welche die ſonſtigen Leiſtungen dieſes wackeren Mannes kennen.“ Seitdem hat, wie es ſcheint, die Wiſſenſchaft über die Aſtro-Meteorologie allgemein den Stab gebrochen und ſie in dieſelbe Gruft gelegt, in welcher Alchimie und Magie bereits ſchon lange ruhen, nur beim ver— trauensſeligen Publikum iſt dieſer Aberglaube noch nicht ausgeſtorben, ſondern dieſer wuchert unverdroſſen fort und treibt nicht ſelten die wunderlichſten Blüten und Früchte, die allerdings meiſtens nicht in die große Oeffentlichkeit dringen. Ein ſolcher Auswuchs iſt das ſeltſame Vorgehen des Berliner Rechnungsrates Adolf Schneider, welcher an ſeiner Wohnung die Inſchrift anbringen ließ: „Aſtro-meteorologiſches In— ſtitut“ und ſich den alleinigen rechtmäßigen Inhaber der Aſtro-Meteorologie nannte. Bei ſeinem Tode hinterließ er (nach Hellmann) ein Kapital, deſſen Zinſen der König von Preußen einem geeigneten Manne zur Fortführung der aſtro-meteorologiſchen Arbeiten überweiſen ſollte. Jedoch wurde dieſes fonder- bare Vermächtnis auf ein Gutachten Doves hin zurückgewieſen. Einige Sätze aus den vielfachen Publi— kationen Schneiders dürften genügen, das Blödſinnige ſeiner Anſichten zu charakteriſieren: „Es gibt nicht vier Elemente, auch nicht vierundſechzig Stoffe, ſondern nur ein unvergängliches, unauflösbares, aber bis ins Unendliche teilbare Element — die Finſternis. Ge- ſteigerte Finſternis wird Kälte; in der Finſternis wurzelt die Bindekraft, welche im Magnetismus in einer Zweiheit als männliche und weibliche, nämlich Nord- und Südpol, auftreten.“ Nun hätte Schneider den Vergleich zwiſchen männlichem und weiblichem Magnetismus folgendermaßen weiter führen können: Sind beide Magnetismen ungleichnamig, wie z. B. vor der Ehe, ſo ziehen ſie ſich an, ſind ſie aber gleich— namig geworden, ſo ſtoßen ſie ſich oft gewaltig ab. „Es gibt nur einen unvergänglichen, unteilbaren Geiſt, der das unvergängliche Element da ganz umgibt, wo es faſt bis ins Unendliche geteilt iſt — das Licht. Geſteigertes Licht mit unzerſtörbarem Elemente ge— ſchwängert, wird durch den dann eintretenden Kampf — Wärme, u. ſ. w. Mit dieſem heitern Nachſpiel verlaſſen wir die Aſtro-Meteorologie im weiteren Sinne und wenden uns zu einer andern Art Aberglauben, der nicht minder vom Altertume an bis in die neueſte Zeit ſich breit machte und der nicht minder der Entwicklung der Witterungskunde hemmend entgegentrat, nämlich zu dem Glauben, daß der Mond einen entſchiedenen Einfluß auf unſere Witterungsverhältniſſe ausübe. Im Altertum wurden die Beziehungen des Mondes zum Wetter in Poeſie und Proſa mannigfach aus— geſprochen und hiernach die vorzunehmenden Arbeiten und Geſchäfte, insbeſondere in Bezug auf Landbau ein- gerichtet. Dieſe Wetterregeln, welche alle der feſten Grundlage, der Erfahrung entbehrten, und auch keiner genügenden Prüfung unterworfen wurden, haben ſich teilweiſe bis auf unſere Zeit erhalten und ſind blei— bende Monumente jenes uralten, naiven Empirismus, welchem jede Grundlage, jede genügende Methode fehlt. Von den Alten erwähne ich hier nur Aratos, welcher eine Fülle von Wetterprophezeiungen vom Monde und ſeinen wechſelnden Phaſen entlehnt. Von der Geſtalt der Hörner des Mondes am dritten und vierten Tage läßt ſich nach ihm die Witterung für den ganzen kommenden Monat beſtimmen: iſt am dritten Tage der Mond ſchmal und rein, ſo iſt heiteres Wetter zu erwarten, dagegen ſind Winde wahrſcheinlich, wenn die Mondhörner ſchmal und rötlich ausſehen. Sind die Hörner abgeſtumpft und lichtſchwach, ſo deutet dieſes auf Südwind oder Regen. Reiner Voll— mond deutet auf Heiterkeit, roter auf Wind, bleicher auf Regen u. ſ. w. Dieſe Regeln des Aratos gingen faſt unverändert auf die Nachwelt über und ſind ſelbſt in unſeren Tagen noch in vielen Bauernregeln wieder- zufinden, z. B.: „Bei Neumonds trüben dunkeln Spitzen Mag man ſich wohl vor Regen ſchützen.“ Und: „Ein neues, klares Mondeslicht Gibt von ſehr trockner Zeit Bericht.“ Ferner: „Bleicher Mond regnet gern, Rötlicher bringt Wind, Weißer bringt ſchön Wetter.“ Auch der jetzt noch bei dem Landvolke herrſchende Glaube, welcher eines gewiſſen Syſtems und der Uebereinſtimmung nicht entbehrt, weil er derſelben Quelle entfließt, nämlich, daß der ab- oder zunehmende Mond entgegengeſetzte Wirkungen habe, entſtammt dem Altertum. Bei abnehmendem Monde müſſen nach Regel der Alten die Aecker gedüngt, die Bäume zu Gebäuden gefällt, die Ernten beſorgt werden, dagegen bei zunehmendem Monde iſt es geraten, die Ausſaat zu beſtellen, die Schafe zu ſcheren, damit die Wolle wieder wachſe, das Haar zu ſchneiden, damit man nicht kahlköpfig werde, alles Regeln, wonach dem wachſenden Monde eine Wachstum bringende Kraft, dem abnehmenden dagegen eine Verminderung oder ein Abſterben zukommt. Hieran erinnert unſere etwas modifizierte Wetterregel: „Was man an Mondeswachſen ſä't, Dasſelbe meiſt ins Kraut ausgeht. Was man an Mondesabgang ſä't Dasſelbe meiſt zur Wurzel geht.“ Ferner die Regel: Wat bowen den Groond wast, by afnehmenden Mond, Wat onder de Groond wast by tonehmenden mond ta zaaien.“ Der Glaube an die Wirkung des Mondes auf unſere Atmoſphäre und die Witterung überhaupt erhielt durch die epochemachende Entdeckung Newtons, daß die Erſcheinung der Ebbe und Flut im Oceane eine unmittelbare Wirkung der Anziehungskraft der Sonne, insbeſondere des Mondes auf unſere Meere Humboldt. — Februar 1885. 63 fet, einen neuen und wie es ſchien gewichtigen Stütz— punkt. Denn dieſe Erſcheinungen, die in ſo großartiger und unverkennbarer Weiſe die Wirkungen des Mondes und der Sonne auf unſere tropfbar flüſſige Hülle manifeſtieren, mußten naturgemäß zu dem Analogie— ſchluſſe führen, daß auch dieſe beiden Himmelskörper dieſelbe Wirkung auf unſere Lufthülle äußern mußten, umſomehr, als dieſe eine viel größere Beweglichkeit beſitzt, als das Waſſer. Hiermit eröffnete ſich ein neues Feld der Forſchung, aber einer ſolſchen Forſchung, welche von allen früheren, wenn man dieſe überhaupt mit dem Namen Forſchung benennen will, dadurch vorteilhaft abſticht, daß ſich jetzt die Unterſuchungen, wenige Ausnahmen abge— rechnet, auf dem Boden der Erfahrung und ernſter Wiſſenſchaftlichkeit bewegten und die hervorragendſten Geiſter ſich daran beteiligten. Ueber ein Jahrhundert hindurch bis zur Jetztzeit hat man unverdroſſen bald mit der Schärfe der Mathe— matik, bald mit allen Hilfsmitteln der verfeinerten Statiſtik, den vermeintlichen Einfluß des unfügſamen Nachbars erforſcht und wenn auch die Akten über jene Unterſuchungen noch nicht ganz geſchloſſen ſind, ſo kann doch mit aller Beſtimmtheit das Facit gezogen werden, daß die Einwirkungen des Mondes auf unſere Witte- rung ſo verſchwindend klein ſind, daß dieſelben im Vergleich zu den übrigen Störungen völlig außer acht gelaſſen werden können und jeder Verſuch, auf den bereits ermittelten Thatſachen eine Wetterprognoſe z gründen, den aſtrologiſchen Beſtrebungen gleichgeſtellt werden muß. So lohnend es auch wäre, Schritt für Schritt den Gang der Forſchungen auf dem Gebiete der Mond— meteorologie zu verfolgen und die Richtigkeit der oben ausgeſprochenen Behauptung zu begründen, ſo erſcheint es doch weitläufig und ſchwierig, alle einſchlägige Litteratur zu berückſichtigen, welche im Laufe von mehr als hundert Jahren zu einer außerordentlichen Menge angeſchwollen iſt. Ich will mich zum Schluſſe dar— auf beſchränken, hier kurz diejenigen Epochen hervor— zuheben, welche in der Mondmeteorologie beſonders hervortreten. Die erſte Epoche beginnt mit dem Abt Toaldo, Profeſſor der Aſtronomie zu Padua und Nachfolger des berühmten Galilei. Aus vierzigjährigen Beob— achtungen leitet derſelbe ein Syſtem von Witterungs— prophezeiungen von dem Mond ab. Das hieraus hervorgehende Werk „die Witterungslehre für den Landbau“ wurde 1774 von der königlichen Akademie der Wiſſenſchaften in Montpellier preisgekrönt und fand hierdurch ſowohl, als auch durch die Berühmtheit ſeines Verfaſſers weite und allgemeine Verbreitung. „Der Mond ändert das Wetter,“ ſo lautet ſeine Lehre, „wenn er voll, wenn er neu wird; wenn er ins erſte, wenn er ins letzte Viertel tritt; wenn er in die Erdnähe und wenn er in die Erdferne, wenn er in den aufſteigenden und in den abſteigenden Knoten tritt, wenn er im tiefſten Süden und im höchſten Norden ſich wendet.“ Dieſen zehn Mond— punkten fügte Toaldo noch vier neue hinzu, nämlich die vierten Tage vor und nach dem Neu- und Vollmonde, und läßt dann noch die Willkür eintreten, daß die Witterungsänderungen einen Tag vorher oder einen Tag nachher eintreten können, ſo daß alſo auf einen Mondmonat von neunundzwanzig Tagen zweiundvierzig Tage mit Witterungsänderungen vorgeſehen ſind. Erwägt man noch, daß ſich Toaldo häufig auf die Wetterregeln eines Aratos, Virgils, Columella und Plinius beruft, ſo muß uns ein ſolches Syſtem von Wetterprophezeiungen ſchon ſehr bedenklich er— ſcheinen und daher konnte es nicht fehlen, daß bald nach Erſcheinen ſeines Werkes gewichtige Gegner ſeiner Theorie ſich erhoben. Insbeſondere wurde die Grundidee, welche Toaldo ſeiner Theorie als thatſächlich und erwieſen unter— legte, nämlich daß der Mond einen ſehr entſchiedenen Einfluß auf den Luftdruck ausübe, gewaltig erſchüttert, indem Laplace ſowohl durch Rechnung, als Beob— achtung unzweifelhaft nachwies, daß der Einfluß des Mondes auf unſere Atmoſphäre ſo gering ſei, daß derſelbe ſelbſt durch neunjährige Beobachtungen nicht nachweisbar iſt. Auch die Rechnungen ſeines Schülers Bouvard an der Hand einer zwölfjährigen Beob— achtungsreihe führten zu demſelben negativen Reſultate. Die Zeit des Laplace kann als eine zweite Epoche in der Mondmeteorologie betrachtet werden. Die dritte Epoche in der Mondmeteorologie beginnt mit dem Aſtronomen und Phyſiker Flaugergues, welcher auf Grund neunzehnjähriger Beobachtungen zu Viviers nachzuweiſen ſuchte, daß der Mond ſowohl merkbare atmoſphäriſche Gezeiten hervorruft, als auch unſere Witterungsverhältniſſe durch denſelben in her— vorragender Weiſe beeinflußt werden. So ſchien dem faſt vergeſſenen Toaldo eine Genugthuung geworden zu ſein und das alte von der Wiſſenſchaft eben ver— urteilte Syſtem wieder eine neue auf Erfahrung be— gründete Beſtätigung gefunden zu haben und zwar umſomehr, als einige andere Arbeiten hervorragender Gelehrten, wie z. B. eines Gronau, Schübler die Reſultate von Flaugergues zu beſtätigen ſchienen. Allein eine genauere Durchmuſterung dieſer Arbeiten zeigt, daß dieſelben unter ſich vielfach abweichen und die erhaltenen Reſultate jedenfalls ſehr zweifel— hafter Natur ſind, und ſelbſt bei langjährigen Beob— achtungsreihen kein endgültiges Naturgeſetz über den Einfluß des Mondes auf unſere Atmoſphäre zum Ausdruck bringen können. 5 Für dieſe drei Epochen iſt der Ausdruck Sieyes' anwendbar: „Der Mond iſt alles geweſen, iſt nichts geworden, will etwas ſein.“ Zum Schluſſe will ich noch einige Unterſuchungen kurz erwähnen, welche ein poſitives Reſultat zur Folge hatten. Bekanntlich erfolgen die Witterungs— änderungen unter den Tropen mit außerordentlicher Regelmäßigkeit, ſo daß man zu der Annahme berechtigt iſt, daß man hier am allererſten Störungen, welche durch die Anziehung der Sonne und des Mondes hervorgerufen werden, ſehr leicht erkennen könne. In der That weiſen die hauptſächlich nach der von Kreil angegebenen Methode angeſtellten Unterſuchungen von 64 Humboldt. — Februar 1885. Sabine auf St. Helena, von Elliot in Singapore, von Bergsma in Batavia und die von Neumayer in Melbourne, welches ſchon etwas entfernt vom Aequator den größeren Störungen der Südhemiſphäre ausgeſetzt iſt, entſchieden das Daſein einer täglichen atmoſphäriſchen Ebbe und Flut nach, allein die Schwan— kungen umfaſſen kaum den zehnten Teil eines Milli⸗ meters und kommen für den Charakter des Klimas ſowie für die Witterungsänderungen durchaus nicht in Betracht. So gelangen wir denn zu dem Schlußreſultate, daß weder der Mond, noch die Planeten irgend welchen bemerkbaren Einfluß auf unſere Witterungserſcheinungen ausüben, und daß wir von ihnen eine Vorausbe⸗ ſtimmung des Wetters nicht erwarten können. Steht auch dieſer Satz zweifellos feſt, ſo wird es dennoch lange dauern, ehe deſſen Gültigkeit von den Gebil⸗ deten allgemein anerkannt wird, aber für unabſehbare Zeit wird für die Maſſe des Volkes noch der Aus⸗ ſpruch des alten Lichtenbergs gelten: „Der Mond ſollte zwar keinen Einfluß auf das Wetter haben, er hat aber einen.“ Ueber die Seichnung der Tiere. Allgemeines über die Verwandtſchaft der Hauskatze und der Wildkatze. Die Seichnung der zwei genannten Katzenarten und ihrer Verwandten. Schlüſſe über die Abſtammung der Hauskatze und der Wildkatze *). Abbildungen. Hauskatze. Bemerkungen über naturgetreue Sur Geſchichte der Von Dr. G. H. Theodor Eimer, o. Profeſſor der Zoologie in Tübingen. Man hatte früher als ſelbſtverſtändlich ange— nommen, daß die Hauskatze von der Wildkatze ab— ſtamme, daß fie eine gezähmte Wildkatze fei. Neuer⸗ dings aber kam man darauf, als die Stammform der Hauskatze die in Oberägypten, Nubien, dem Sudan und in anderen Teilen des öſtlichen Afrika, dann auch in Innerafrika und ferner in Paläſtina heimiſche kleinpfötige Katze oder Falbkatze, Felis maniculata, anzuſehen, welche von Rüppel zuerſt beſchrieben und benannt worden iſt. Meine Zeichnungsſtudien, ſowie die Unterſuchung der Verhältniſſe des Schädels, bezw. des Gerippes und überhaupt des Körperbaues der drei genannten Formen führen mich zu dem Schluſſe, daß Felis domestica und maniculata eine und dieſelbe Art ſind, eine Anſicht, welche u. a. auch Brehm in ſeinem „Tierleben“ ausſpricht. Durch die Annahme der Abſtammung der Haus- katze von der Falbkatze war die Frage von den Be— ziehungen der erſteren zur Wildkatze ganz außer Be- ſprechung gekommen. Es verdient aber dieſe Frage um ſo mehr von neuem hervorgezogen zu werden, wenn Falbkatze und Hauskatze für dieſelbe Art er— klärt werden. Ich bin nun in dieſer Beziehung zu dem Schluſſe gekommen, daß, ganz im Gegenſatz zu der früheren Annahme der Verwandtſchaftsbeziehungen, Felis catus als eine aus Felis domestica, bezw. maniculata hervorgegangene Form zu erklären, daß ) Dem folgenden lege ich eine von mir im „Zoo— logiſchen Anzeiger“ 1883 und 1884 Nr. 156 bis 159 gegebene Darſtellung zu Grunde. aber alle beide, Felis catus und Felis maniculata- domestica, als Abkömmlinge längsgefleckter und zu— letzt längsgeſtreifter, wahrſcheinlich oſtindiſcher Katzen— arten, entſprechend etwa den lebenden Arten F. mi- nuta Temm. (javanensis Horsf.) und viverrina Benn., zu betrachten ſeien. Und zwar erweiſen fic) die anato- miſchen Unterſchiede zwiſchen domestica-maniculata und catus als ſo geringe, ja als ſo wenig beſtimmte, daß man berechtigt ſein dürfte, beide gleichfalls als eine und dieſelbe Art, die letztere als eine Abart der erſteren aufzufaſſen. Die Unterſchiede in der Zeichnung aber beſchränken ſich, wie ſchon hervor— gehoben, weſentlich darauf, daß catus als die mehr fortgeſchrittene Form bezüglich derſelben erſcheint. Außerdem aber ergaben ſich mir bei genauer Ver— gleichung einige Merkmale der Zeichnung, welche man, hervorragend für die ausgewachſenen Männchen, immerhin als typiſche wird bezeichnen dürfen. Ich werde die Ergebniſſe dieſer Vergleichung im folgenden geben und dabei auf die wenigen Merkzeichen der maniculata zugleich hinweiſen. Zu dieſer Darſtellung habe ich unter meiner Leitung die folgenden wie die im vorigen Aufſatze gegebenen Abbildungen nach der Natur anfertigen laſſen. Vielleicht bieten ſie, abgeſehen von Licht— bildern (Photographieen), ſelten naturgetreue bildliche Darſtellungen unſerer Tiere. Denn ſelbſt die beſten Tierzeichner haben ſolche bisher nicht zu liefern vermocht, deshalb nicht, weil ihnen die Ein— zelheiten der Zeichnung, welche ſo wichtig für die Charakteriſtik der Tiere ſind, entweder entgangen ſind oder weil ſie ihnen nicht hinreichend beachtenswert Humboldt. — Februar 1885. 65 erſchienen. Ja ich finde auf den Abbildungen gerade der hervorragendſten Künſtler die gröbſten Verſtöße gegen das Charakteriſtiſche, weil ſie jene Einzelheiten SS genauer, richtiger Ausführung dem Geſicht der Katze den entſprechenden Ausdruck der Wildheit und der Sehſchärfe, welchen jedermann von ihr im Gedächtnis hat, ohne ,, \ he i 4 Wen 2 yee N OP oy (yp Me On Fig. 1. Falbkatze, Felis maniculata, altes Weibchen. vielfach durch geniale Züge zu erſetzen ſuchen. Die genaue Darſtellung der Einzelheiten der Zeichnung aber, die Wiedergabe 5 ſelbſt der kleinſten be— merkbaren Striche und Flecke, die genaue Un— terſcheidung ſtärkerer oder ſchwächerer Aus⸗ prägung derſelben iſt es, was erſt den voll- kommenen Ausdruck z. B. des Geſichts einer Katze gibt. Ebenſo wie jedes Zuwenig, ſchadet jedes Zuviel, denn es iſt eben, wie geſagt, nichts zufällig in der Zeichnung. Die Aus— prägung und Stellung der Stirnlinien, ihr Verlauf bis über und zwiſchen die Augen herab, der Fleck über dem Auge, die kräf— tige obere Backenlinie, welche vom äußeren Augenwinkel nach hin— ten zieht, die kleinen Flecke unterhalb des Auges, die Punkte an der Schnauze, an welchen die Schnurrhaare ſitzen u. ſ. w., ſie alle geben erſt in Humboldt 1885. Fig. 2. Hauskatze. ſich der Urſachen dieſer Eigenſchaften bewußt zu ſein. Man ſtreitet vielfach darüber, wie weit genaue Nachahmung der Natur zu künſtleriſcher Aus— führung notwendig, ja wie weit ſie damit ver— träglich fet. Unſer Bei— ſpiel mag jedenfalls zeigen, wie oft der Mangel an Naturwahr— heit, ohne daß wir im einzelnen ſagen können, wo der Fehler liegt, die Urſache ſein wird, warum uns Kunſtwerke unbefriedigt laſſen und wie oft der Künſtler durch Weglaſſen von Dingen, welche ihm unweſentlich erſcheinen oder durch Ueberſehen von Dingen, welche zur harmoniſchen Bildung unumgänglich nötig ſind oder durch unnatürliche Zuſammenſtellungen, ſei es ſcheinbar unbedeutend— ſter Art, die Harmonie nicht zum Ausdruck bringen kann. Somit muß das genaueſte Studium der Natur, die bewußte Auflöſung ihrer Erſcheinungen in Einzel— 9 66 Humboldt. — Februar 1885. heiten, immer weſentliche Grundlage echt künſtleriſcher Thätigkeit ſein. Aber auch dem Beurteiler gewährt ſolche Grundlage erſt den vollen Kunſtgenuß: während andere nach dunkelm Ge⸗ fühl — und ſei es auch richtig — urteilen, weiß er durch Erkenntnis der Fehler das 4B Gebotene ent) pre- WO chend zu ergänzen, 6 an der Harmonie ay des Vollendeten 16 doppelt ſich zu wiederholten Hinweiſen das Ganze beendigt hatte, mußte er zugeſtehen, daß es ſo und nur ſo treu, wahr und vollen⸗ » det fet. So möch⸗ ö ten nun ſeine Abbildungen den Kunſtfreund ebenſo ſehr wie den Naturfreund befriedigen. Ich brauche kaum zu ſagen, daß dies nicht für das ge⸗ rade hier beige⸗ druckte Schema der Katzenzeich⸗ nung gelten ſoll! freuen. . is 17 % J Aber auch die aus⸗ Ich möchte „„ My geführten Abbil⸗ dieſe Aeußerun⸗ Ke i ib iy ZA e dungen mögen zu⸗ gen nicht als eine W 4 N „ NSN weilen der voll⸗ ungerechtfertigte r kommenen Ge⸗ Abſchweifung i a nauigkeit erman⸗ 3 9 NN = 3 von meinem ei⸗ i geln. Auf einen gentlichen Thema Fig. 3. Zwergkatze, Felis minuta. ſolchen Fehler will gelten laſſen. Bei ich aufmerkſam Gelegenheit der Anfertigung der Abbildungen habe ich mich zu ſehr von der Wahrheit der Grundlage des im vorſtehenden Ausgeſprochenen überzeugt. Der Künſtler, 2 25. Fig. 4. welcher dieſelben ausführte und welcher gerade auf dem Gebiete der Katzenzeichnung hervorragend anerkannt iſt, konnte doch nur ſchwer dahin geleitet werden, den oben als maßgebend bezeichneten Geſichtspunkten gerecht zu werden. Immer wieder fiel er in die geliebte künſtleriſche Freiheit zurück. Aber als er nach meinen unverdroſſen e, machen, weil er geeignet iſt, einen hervorragend deutlichen Beweis für die Richtigkeit der vorſtehenden Aeußerungen abzugeben: in der auf S. 69 folgenden Abbildung des Schema der Zeichnung einer quergeſtreiften Katze. Kopfes einer männlichen Wildkatze (Fig. 9) iſt der Augen— borſtenfleck (Zahl 2 des anſtehenden Schemas) weggelaſ— ſen. Man entſcheide nun durch Vergleichung dieſer Abbil— dung mit der auf S. 65 in Fig. 2 gegebenen vom Kopfe der Hauskatze, wie ſehr dieſer einzige Mangel der Abbil— dung dem Ausdruck des Katzengeſichts Eintrag thut! Humboldt. — Februar 1885. 67 Die folgende genaue Beſchreibung der Katzen— zeichnung aber hat vorzugsweiſe den Zweck, ein Beiſpiel zu geben für die Beſtändigkeit, mit welcher die Zeichnung auftritt, für die Abänderungen, welche ſie bei verwandten Formen zeigt, und ferner hat ſie die Grundlage zu liefern für die Ableitung der Ab— ſtammung der Katzen und der verwandtſchaftlichen Beziehungen der Raubtiere überhaupt. Zugleich ſoll ſie dazu dienen, die Unterſchiede der Zeichnung der drei unmittelbar verwandten Katzen, der Hauskatze, der Falbkatze und der Wildkatze feſtzuſtellen, ins— beſondere auch beſtimmte Unterſcheidungsmerkmale zwiſchen erſterer und letzterer zu geben, welche Merk— male ſo wenig ſicher hervorgehoben oder bekannt ſind, daß häu⸗ fig genug ver- wilderte Hauskatzen mit Wild⸗ katzen ver⸗ wechſelt wer— den. Nicht nur die Künſtler haben bisher die Zeichnun⸗ gen unſerer und anderer Tiere nicht richtig gege— ben, auch die Zoologen ha— ben ſie nicht genau be⸗ f ſchrieben, y IS ſchon weil fie N nicht in der Ways. Lage geweſen ſind, ſie unter gemeinſame Regeln zu bringen. Da man nicht daran dachte, daß die Zeichnungen verwandter Arten in den Grundzügen auf einander zurückführbar ſeien, ſuchte man nach ſolchen Regeln Fig. 5. Hauskatze (Weibchen). nicht — man beſchrieb jedes Tier für ſich als ein Beſonderes und fo eben ging eine der beſten Grund- lagen für die Feſtſtellung verwandtſchaftlicher Be— ziehungen verloren. Selbſt in Werken, welche die äußeren Eigenſchaften der Tiere beſonders ausführ— lich behandeln, wie bei Brehm im „Tierleben“ und bei Blaſius in den „Säugetieren Deutſchlands“ finden wir nicht nur ungenügende, ſondern weſent- lich falſche Darſtellung der Zeichnung eines Tieres wie die Wildkatze, über deren Verwandtſchaft ſo viel geſtritten worden iſt und bei der anerkanntermaßen gerade die Zeichnung mit die weſentlichſten Unter— ſcheidungsmerkmale von der Hauskatze liefert. Die Falbkatze (Fig. 1) bedarf bei der folgen— den Beſchreibung nur weniger Bemerkungen. Ihre Zeichnung iſt im weſentlichen dieſelbe wie bei unſerer quergeſtreiften Hauskatze, nur mit der Einſchränkung, daß ſie bei der erſteren im ausgebildeten Zuſtand mehr verſchwommen iſt, teilweiſe auch geſchwunden. Dies gilt beſonders für Kopf und Rumpf. Dadurch — infolge des Gegenſatzes — erſcheint ſie aber an den Gliedmaßen um ſo deutlicher. Ferner hat — und daher der Name Falbkatze — die graue Farbe einen gelblichgrauen Ton, der freilich auch bei ein— zelnen Hauskatzen ganz ebenſo vorkommt. Alle dieſe Eigenſchaften ſind aber nicht urſprüngliche, vielmehr ſind ſie offenbar nur Folge der Anpaſſung an die Verhältniſſe des freien Lebens in der Wüſte: wie alle Tagtiere der Wüſte mehr oder weniger des Sandes angenommen haben, teils weil ihnen dieſe zum Schutze vor Verfolgung dient, teils weil fie ih⸗ nen Verſteck zum Ueber⸗ fall bietet, ſo iſt dies mit den Katzen, mit dem Lö⸗ wen, der Falb⸗ katze u. a. der Fall. Iſt nun auch bei der Wildkatze die Zeichnung in der Regel im Alter (vor⸗ züglich bei alten Männ⸗ chen) im ganzen matt, ſo ſind bei ihr doch mehr typiſche Unterſchiede gegeben: gewiſſe Teile der Zeichnung ſind geſchwunden, andere treten be— ſonders kräftig hervor, andere ſind verändert. Gehen wir damit zur Beſchreibung der Zeichnung der Hauskatze und der Wildkatze über. Zum beſſeren Verſtändnis fügte ich nebenan (Fig. 4) ein Schema der Katzenzeichnung bei, deſſen Zahlen— bezeichnungen den im folgenden vorangeſtellten Zahlen bezw. den unter denſelben beſchriebenen Kennzeichen entſprechen. 1. Bei der Hauskatze (Felis domestica) (Fig. 2, 5,11) finden ſich auf Nacken und Scheitel feds Längs⸗ linien, welche auf letzterem zuweilen mehr oder weniger zu einem ſchwarzen Fleck verſchmelzen und von denen die zwei äußeren nach hinten unmittelbar um die Ohr— wurzel herum bogenförmig an den Hals gehen, während ſie im Geſicht als Stirnnaſenlinien zuerſt gerade nach abwärts, dann im Winkel nach einwärts gebrochen gegeneinander verlaufen. — Die mittleren Linien jeder— vollſtändig die Farbe 68 ſeits ziehen nebeneinander nach hinten bis in die Höhe des Schulterblattes; auf der Stirn werden ſie Humboldt. Februar 1885. eltern her und kommt demgemäß auch bei anderen Katzen im jugendlichen Zuſtande vor. Ich finde ſie mehr oder weniger in ſchwommen. Außerdem tritt an der Stirne zwi⸗ ſchen den zwei innerſten Linien, ererbt von den längsgeſtreiften Stammkatzen, zuweilen noch eine neue Linie mit kurzem Verlauf auf: Stirnmittellinie (Fig. 11), welche auch — in jener Weiſe er⸗ erbt — in der Mitte zweifach angedeutet ſein kann und in deren Fortſetzung die Rücken⸗ mittellinie liegt. Dieſe mittlere, in der Höhe des Anſatzes der inne— ren Ohrränder ſich ſpal— tende und wieder ver— einigende Stirnmittel— linie zeigt die Abbildung des Kopfes der Zwerg— katze, Felis minuta-ja- vanensis (Fig. 3) und Fig. 6. Männliche Wildkatze. Flecken aufgelöſt oder ver- [ganz ebenſo auf der Stirne von zwei Fötus des Fig. 7. Weibliche Wildkatze. Stiefelluchſes, Felis ca- ligata, aus Aegypten, welche ich der Güte des Herrn Dr. Schwein⸗ furth während meiner Anweſenheit in Kairo verdanke. Dieſe Fötus und auch halberwachſene Stücke des Stiefelluch⸗ ſes zeigen noch eine weitere Eigentümlich⸗ keit, welche zuweilen auch an der erwachſe— nen Hauskatze ausge⸗ prägt iſt: in der Höhe der vorderen Ohrränder läuft quer über die Stirn eine helle Linie, gebildet durch eine in gleicher Höhe gelegene Unterbrechung aller Stirnlängslinien, mit Ausnahme der mittel⸗ ſten. Ich will ſie als Stirnquerlinie be- ebenſo von Felis catus (Weibchen, Fig. 7) deutlich. Sie zeichnen (Fig. 5). Auch beim erwachſenen Stiefel— iſt alſo ein Ueberreſt von der Zeichnung der Stamm- luchs iſt die Stirnquerlinie noch angedeutet, geht Humboldt. — Februar 1885. 69 aber wenigſtens in dem mir vorliegenden Falle nur Die Verwandtſchaft der Löwen mit unſeren Katzen durch die inneren Stirnlängslinien (Fig. 8b). Dieſe zeigt ſich auch darin, daß bei ihnen in der Jugend 2 SM, Wp STATO AY 7, PLETE Y A, LED 25 Fig. 8. Stiefelluchs, Felis caligata, a jung, b alt. Beziehungen ſind deshalb bemerkenswert, weil man die Stirnquerlinie gleichfalls angedeutet iſt (J. Fig. 2). den Stiefelluchs Bei der Wild⸗ auch als die : katze, F. catus, Stammform un— 77 Fig. 6 u. 7, finden ſerer Hauskatze ſich auf Nacken aufgefaßt hat. und Scheitel bloß Und allerdings vier Längs⸗ iſt er der un⸗ linien, welche mittelbarſte Ver⸗ nur bis zum wandte der Hinterhals gehen Falbkatze, von und welche auf dieſer äußerlich dem Scheitel weſentlich nur nicht zuſam⸗— durch den et⸗ mengefloſſen, was buſchigeren beim Männ⸗ Schwanz und chen ſehr breit durch die ſchwa— und kräftig chen Ohrpinſel und meiſt in — welche übri⸗ mehrere gens auch bei Längsflecke unſerer Haus- gebrochen katze zuweilen ſind (Fig. 6). vorkommen — Beim Weib— unterſchieden. chen ſind die Da bei un⸗ vier Längs— ſerer Hauskatze linien im Ge— die Stirnlängs— T 1 ſicht deutlich und linien oft zu Weincwurm = Hafner Ene, Se ſcharf als folde einem großen Fig. 9. Männliche Wildkatze. ausgeprägt, auch ſchwarzen Fleck zuweilen in der zuſammengefloſſen ſind, jo wird gegebenen Falls Mitte doppelt (jugendlicheres Verhalten, Stehen— dieſer von der Stirnquerlinie durchzogen. bleiben auf früherer Entwicklungsſtufe beim Weib 70 Humboldt. — Februar 1885. chen — vergl. die Abbild. Fig. 3), beim Männchen aber in unregelmäßige Flecke aufgelöſt. Die Jungen haben ſechs Stirn- bezw. Scheitellängslinien und außerdem die, zuweilen doppelte, Stirnmittellinie. 2. Hauskatze: Ueber dem Auge, in unmittel⸗ barer Fortſetzung des oberen Teils der äußeren — nach innen gebrochenen — Stirnnaſenlinie, aber mit dieſer nicht verbunden, liegt ein kräftiger dunkler Fleck, in welchem die Ueberaugenborſten ſtehen: Augenborſtenfleck (Fig. 2, 3, 11, Fig. 12 bei 2). Wildkatze: Der Wugenborftenflect iſt bei den Alten wohl ſtets deutlich, aber meiſt nicht kräftig“), bei den Jungen kräftig. Bei letzteren ſetzt er ſich unmit⸗ telbar in den oberen Teil der Stirn⸗ naſenlinie fort, erſcheint als deren un⸗ tere, gerade Verlänge⸗ rung: es iſt dies ein Erb⸗ ſtück längsge⸗ ſtreifter Stammfor⸗ men, wie aus der Abbildung Fig. 3 im Geſicht der Zwergkatze zu erſehen iſt. Zuweilen ſah ich Haus⸗ / katzen, bei wel⸗ 70 chen der Au⸗ LH genborſten⸗ If fleck als Linie mit der Stirn⸗ naſenlinie verbunden iſt, an der Stelle, wo dieſe nach innen abbiegt, ſo daß eine Gabel gebildet wird. Auch dies ijt eine von Voreltern ererbte Cigen- tümlichkeit, welche ſich z. B. auch beim Stiefelluchſe findet (vgl. Fig. 8) und ebenſo bei jungen Wildkatzen. 3. Hauskatze: In der Richtung durch die Augenwinkel zieht die obere Backenlinie von der Naſe bis zum unteren hinteren Ohrwinkel und verbindet ſich unterhalb desſelben mit der unteren Backenlinie. Beide ſchließen das Backendreieck ein, einen Raum, welcher zuweilen vollſtändig weiß, jedenfalls ſtets hell gefärbt iſt. Die obere Backen— linie iſt ſtärker ausgeprägtals die untere. 57%, Fig. 10. In Fig. 6 iſt er zu ſehr hervorgehoben, in Fig. 9 fehlt er. Wildkatze: Backendreieck nicht heller gefärbt als die Umgebung. Untere Backen⸗ linie kräftiger als obere (bei den Jungen beide gleich ſtark oder eher wie bei domestica), Fig. 9. 4. Hauskatze: Im Backendreieck unter dem Auge findet ſich eine (beſonders rechts zuweilen zwei oder ſelbſt drei), Fig. 2 u. 11, Unteraugenlinie. Wildkatze: Nur beim Weibchen iſt eine Unter⸗ augenlinie deutlich, beim Männchen kaum, bei den Jungen aber iſt ſie ſehr deutlich. — Bei anderen Katzen⸗ arten find zuweilen ihrer mehrere, ſehr kräftige vor- handen — vgl. die Abbildung von F. minuta (Fig. 3) und F. caligata (Fig. 8). Hier, wie beim Tiger, wo ihrer bis ſechs ausge⸗ bildet ſind, tragen ſie her⸗ vorragend da⸗ zu bei, dem Tiere das grimmige Ausſehen zu verleihen (Fig. 10). 5. Haus⸗ katze: Nach außen vom Augenbor⸗ ſtenfleck findet ſich ein meiſt deutlicher Ue⸗ beraugen⸗ fleck (Fig. 2, 5,11, Fig. 12 bet 5), von welchem bei der Wild⸗ katze nur eine Spur vorhan⸗ den iſt. 6. Haus⸗ katze: Zuweilen iſt eine vom hinteren unteren Ohr— winkel bogenförmig nach dem Unterkiefer verlaufende Ohrkehllinie (Kinnbackenlinie) vorhanden, welche bei der Wildkatze ſelbſt den Jungen fehlt. 7. Hauskatze: Als Fortſetzung der äußerſten Stirnlängslinien bildet der Kehlbogen ein Hals— band an der Kehle, welches bei der Wildkatze fehlt oder nur Schatten vorhanden iſt. N 8. Hauskatze: An der Schnauze vier zierliche Bartſtreifen, welche die Bartborſten tragen. Bei der Wildkatze fehlen ſie ſogar den Jungen, ſind nur durch die Borſten angedeutet. als leiſeſter Humboldt. — Februar 1885. 71 9. Haus katze: Unter dem Kehlbogen kein weißer Halsfleck. Bei der Wildkatze dagegen iſt der weiße Hals— fleck ſehr ſchön ausgeprägt. 10. Hauskatze: Unter dem Halcsfleck findet ſich, als Fortſetzung der zweitäußerſten Stirnlangs- linie, die Haupthalsbinde (val. Fig. 11). Sie iſt bei der Wildkatze die einzige deutliche Hals— binde. Von den fol⸗ genden ſind bei ihr höch— ſtens Schatten zu ſehen. 11. Hauskatze: Ueber der Haupthals— binde finden ſich, als kurze Striche, zwei Nebenhalsſtreifen, von welchen die oberen zuweilen einen Halsring bilden. 12. Hauskatze: Ein über die Bruſt zie— hender Bogen, welcher jederſeits über die Wur⸗ zel der Vorderextremität ſchräg nach oben ver— läuft, um auf dem Rücken zu endigen, kann als Bruſtbugbogen bezeichnet werden. Er iſt bei der Wildkatze nur an den Seiten ſchwach angedeutet. 13. Hauskatze: Zwiſchen dem Bruſt— bugbogen und der Haupthalsbinde finden ſich vier bis fünf Sine den. Bei der Wildkatze ſind höchſtens Spuren von zweien vorhanden. } 14. Hauskatze: Drei Mittelrücken— linien laufen mehr oder weniger deut— lich nebeneinander her oder ſind zuſammen ver— ſchmolzen. Die mittlere von ihnen beginnt an der Grenze von Hals und Rumpf, die zwei ſeitlichen ſind unmittelbare Fortſetzungen der inneren Stirn— längslinien. f Wildkatze: Eine ſehr kräftige Mittelrücken— linie beſonders beim Männchen und hervorragend ſtark von der Höhe der hinteren Grenze der Vorder— gliedmaßen an nach hinten, davor ſchwächer. Beim Weibchen jederſeits von derſelben, vorn kräftiger, hinten in Spuren, eine weitere Längslinie, teilweiſe gebrochen. Beim Männchen fehlen dieſe letzteren von Fig. 11. der Höhe der hinteren Grenze der Vordergliednmaßen Haustahe. an, ſind aber davor außerordentlichkräftig, in Stücke gebrochen. Vordere dieſer Stücke bilden dadurch, daß ihr hinteres Ende ſich über den Bug hin mit einer Rumpfquerbinde verbindet, einen Haken und ſo eine ſehr hervorragende Zeichnung (Fig. 6). Junge: drei Mittelrückenlinien. 15. Hauskatze: Fünf bis ſechs deutliche und einige weniger deutliche oder unvollkommene Rumpf— querbinden, teilweiſe gebrochen, wodurch ſcheinbar ihrer mehr entſtehen. Wildkatze: Un- deutlich. Bei den Jun⸗ gen ſehr deutlich. 16. Hauskatze: An der vorderen Grenze der Hintergliedmaßen ein deutlicher Weichen— ſtreifen. Wildkatze: Nur zuweilen angedeutet. 17. Hauskatze: Vom Weichenſtreifen bis zur Schwanzwurzel noch etwa ſieben Binden, von welchen Andeu— tungen auch bei der Wildkatze vor— handen ſind. Eine der hinteren derſelben ver— bindet ſich bei der Hauskatze auf der Keule derart mit einem der Querſtreifen des Ober- ſchenkels, daß eine ga— belartige Zeichnung ent— ſteht: Gabelſtreifen. 18. Hauskatze: Auf dem Schwanz gewöhnlich zehn bis elf Querſtreifen, zuweilen aber bis vier— zehn. Sie ſind ſcharf nur in der hinteren Schwanzhälfte. Wildkatze: In der Regel ſieben Zeich— nungen am Schwanze. Dort wie hier iſt die Rückenmittellinie auf der vorderen Schwanzhälfte noch mehr oder weniger angedeutet. Die Querſtreifen des Schwanzes bilden hinten vollkommene Ringe (bei der Wildkatze die letzten vier, einſchließlich der ſchwarzen Schwanzſpitze). Je weiter nach vorn, deſto mehr verkümmern ſie bei der Wild— katze zu mehr und mehr verwaſchenen Flecken, welche nur noch auf der Oberſeite ſichtbar ſind. Bei der Hauskatze erhalten ſich die Ringel faſt bis zur Schwanzwurzel. Eine der vorderſten dieſer Schwanzzeichnungen iſt auf der Oberſeite des Schwanzes ſehr verſtärkt, 72 Humboldt. — Februar 1885. hervorragend ſtark ausgeprägt, bildet den Sch wan3- fleck, der beſonders bei der Wildkatze kräftig hervor⸗ tritt, übrigens bei allen katzen- und hundeartigen Raubtieren mehr oder weniger deutlich vorhanden iſt. Die Schwanzſpitze iſt bei der Wildkatze wie bei der Hauskatze ſchwarz und dieſe Zeichnung iſt ur- ſprünglich aus zwei Ringen zuſammengeſetzt. Eine Andeutung eines hellen Zwiſchenringes iſt zuweilen bei beiden Katzen Zeuge hiervon. Oefters ſieht man bei der Hauskatze, daß man urſprünglich ſogar drei Ringe zu zählen hat und bei den längsgeſtreiften Stammeltern beider ſind alle drei Zeichnungen — ſo bei Felis minuta — getrennt, ſo daß das Schwarze der Schwanzſpitze ſehr kurz iſt. — Bei den mir zu Gebote ſtehenden Jungen der Wildkatze finde 25. Bei beiden auf dem Mittelfuß vier oder fünf Querſtreifen. 26. Bei beiden Arten die Unterfläche der Füße ſchwarz. Die Zahlen des folgenden Schema entſprechen, wie geſagt, den vorſtehenden. ö Faſſen wir die weſentlichſten Eigenſchaften der Zeichnung, welche die Wildkatze von der Haus⸗ katze unterſcheiden laſſen, zuſammen, ſo ſind ſie die folgenden: W.: Nur vier Längslinien auf Nacken und Scheitel. „ Nur die Jungen haben ſechs wie die Hauskatze. Beim Männchen ſind ſie ſehr kräftig ausgeprägt und meiſt in mehrere Längsflecken gebrochen; Fig. 12. Schema der Zeichnung einer quergeſtreiften Katze. ich am Schwanze ſieben Zeichnungen, welche voll— ſtändige Ringe bilden. 19. Hauskatze: An den Vordergliedmaßen oberhalb des Ellbogens eine ſtarke Binde: Ob er— ellbogenring, bei der Wildkatze ſchwach und innen nicht immer geſchloſſen. Darunter bei der 20. Hauskatze: Außen ein ſchwarzer Querſtrich, welcher bei der Wildkatze fehlt. 21. Hauskatze: Vom Ellbogengelenk nach vor- und abwärts außen ein kräftiger Streif, welcher bei der Wildkatze nur zuweilen angedeutet iſt. 22. Bei beiden ein kräftiger Unterellbogenring, 23. darunter bei der Hauskatze noch acht mehr oder weniger deutliche Querſtreifen — bei der Wil d— katze nur Schatten davon. 24. Hauskatze: Auf den Hintergliedmaßen bis zur Ferſe ſechs Querſtreifen, welche auch bei der Wildkatze mehr oder weniger deutlich zu ſehen ſind. ſie ſind auf dem Scheitel nicht zuſammen⸗ gefloſſen. „ Der Augenborſtenfleck iſt nur bei den Jungen kräftig wie bei der Hauskatze. Die untere Backenlinie iſt kräftiger als die obere. „ Das Backendreieck iſt nicht heller gefärbt als die Umgebung. „ Unteraugenlinien ſind wenig deutlich, am wenigſten beim Männchen, ebenſo Ueber— augenfleck und ebenſo fehlen die Bartſtreifen. „ Am Hals nur eine einzige deutliche Binde, die Haupthalsbinde, da— rüber ein ſchöner weißer Halsfleck. Eine Mittelrückenlinie; nur bei den Jungen drei wie bei der Hauskatze. Beim Weibchen Spuren zweier weiterer, welche gebrochen ſind. Beim Männchen nur in der Höhe vor Humboldt. — Februar 1885. 73 den Vordergliedmaßen außerordentlich fv a f- tige Stücke davon, deren zwei einen Haken nach ab- und vorwärts bilden. Rumpfquerbinden nur bei den Jungen deut— lich wie bei der Hauskatze, überhaupt Quer- ſtreifung mehr oder weniger erloſchen. „ Schwanz nur mit ſieben Zeichnungen, auch bei den Jungen (vielleicht mehr bei ſehr jungen Thieren 2). „ Vordergliedmaßen: kräftige Zeichnung nur Unterellbogenring. Aus dieſer Darlegung geht nun auch hervor, daß die jungen Wildkatzen in den meiſten Eigenſchaften mit der ausgebildeten Hauskatze übereinſtimmen. — Dies gilt auch für die Farbe, welche bei jenen dunkler, ſchwarzgrau in den Streifen iſt, weiß in den Zwiſchen— räumen derſelben, während die alten Wildkatzen und zwar wieder am meiſten die männlichen, mehr gleich— mäßig graugelb oder gelbgrau ſind. Alles dieſes ſpricht nach unſeren Geſetzen dafür, daß die Wild— katze von einer der Hauskatze entſprechenden Form abſtammt. Berühren wir nun noch einmal die Beziehungen der Falbkatze (Fig. 1) zu unſerer Hauskatze, ſo iſt zu wiederholen, daß die Verhältniſſe der Zeichnung bei beiden im weſentlichen dieſelben ſind, nur iſt die Zeichnung bei letzterer außer an den Gliedmaßen und am hinteren Teile des Schwanzes ſehr zurück— getreten. Durch dieſen Gegenſatz erſcheint ſie an beiden letzteren Orten ganz beſonders kräftig und gibt dies dem Tier ein etwas eigenartiges Aus— ſehen. Ganz dasſelbe gilt für den Stiefel- oder Sumpfluchs, Felis caligata, welcher daher den erſteren Namen hat und welcher ſich außerdem, wie bemerkt, noch durch einen etwas buſchigen Schwanz und durch Ohrpinſel auszeichnet. Die von mir aus Nubien 1878/79 mitgebrachte alte weibliche Falbkatze, welche ich der Tübinger zoologiſchen Sammlung einverleibt habe, hat am Schwanz vor der ſchwarzen Spitze drei ſtarke Ringe, davor Andeutungen von drei ſchwachen Ringen, davor oben Andeutungen einiger Flecken. Am Hals ſind nur zwei Halsbänder vorhanden, an der Bruſt drei Binden und ein Fleck. Der Augen— borſtenfleck ijt leuchtend braun, das Backendreieck faſt weiß. Das übrige mag fic) aus der Abbildung er— geben. Auch die Maße der Hauskatze und der Falb— katze ſind ungefähr dieſelben, der Sumpfluchs wird ebenfalls ungefähr damit übereinſtimmen. Viel größer W.: als alle drei iſt die Wildkatze, auch zeichnet ſich dieſe durch ſtark buſchigen Schwanz aus. Der Schwanz hat bei allen dreien ungefähr dieſelbe verhältnis— mäßige Länge (ein Drittel des Körpers). Das Skelett iſt bei der Wildkatze viel kräftiger als bei der Haus⸗ katze, aber irgend weſentliche anatomiſche Unterſchiede läßt jedenfalls der wichtigſte Teil desſelben, der Schädel, weder zwiſchen ihnen beiden, noch zwiſchen der Hauskatze und der Falbkatze erkennen. Die Schädel der beiden letzteren ſtimmen im weſentlichen vollkommen überein. Von dem der Falbkatze, welcher in unſeren Sammlungen noch immer ſelten iſt, gebe Humboldt 1885. ich hier eine Abbildung (Fig. 13). Den Wert der zur Unterſcheidung der Schädel der Haus- und der Wild— katze geltend gemachten Merkmale habe ich in der oben erwähnten Abhandlung im „Zoologiſchen An— zeiger“ beſprochen. Keines derſelben iſt vollkommen unterſcheidend: es gibt zwar eines und das andere, welches für eine Mehrzahl der Fälle gültig iſt — indeſſen keines gilt für alle. Man wird durch dieſe Vergleichung auf dieſelbe Anſicht geführt, welche die Vergleichung der Zeichnung ergibt, auf die nämlich, daß die Wildkatze eine Felis domestica-maniculata ſei, welche im Begriffe ſteht, ſich zu einer beſonderen Art abzugrenzen, bei welcher dieſe Abgrenzung aber Schädel der Falbkatze. Fig. 13. noch nicht vollſtändig vollzogen iſt. Bekanntlich ver— miſcht ſie ſich auch fruchtbar mit der Hauskatze, wie dieſe mit der Falbkatze. Fragen wir nach den Ur— ſachen der von ihr gewonnenen Abweichung, ſo möchte man darauf kommen, dieſelben in der Lebensweiſe in weſentlich rauhen Klimaten zu ſuchen, welche einem harten Kampf ums Daſein in zugleich an Nahrung ärmeren Gegenden die Stirn zu bieten hat. Daher die bedeutende Körpergröße und Körperkraft, daher das kräftigere Knochengerüſte. Das teilweiſe Zurücktreten der Zeichnung muß wohl auf ſchützende Anpaſſung und auf die Hervorhebung von Einzelheiten derſelben zu Zierden zurückgeführt werden. Bei dem buſchigen Schwanz könnte man an Beziehungen zu dem ver— wandten Sumpfluchs denken. Ich möchte alſo die Wildkatze als eine unter rauhen äußeren Verhältniſſen erſtarkte und veränderte domestica-maniculata auffaſſen, welche indeſſen nicht als eine verwilderte europäiſche Hauskatze zu be— trachten iſt, ſondern welche urſprünglich mit der maniculata in Aſien zuſammenhing. Selbſtver— ſtändlich iſt übrigens nicht ausgeſchloſſen, daß auch 10 74 Humboldt. — Februar 1885. bei uns verwilderte Hauskatzen nach Generationen mehr und mehr die Eigenſchaften der Wildkatze an⸗ nehmen können, wobei allerdings in der Regel als⸗ bald Verbaſtardierung mit in Wirkung kommen wird. Dafür, daß die Wildkatze unmittelbar mit der Falbkatze zuſammenhängt, nicht unmittelbar mit unſe⸗ rer europäiſchen Hauskatze, ſpricht ſchon die That⸗ ſache, daß ſie, wie aus Aeußerungen z. B. römiſcher Schriftſteller zu erſchließen iſt, in Italien und wohl überhaupt in Europa ſchon vorhanden war zu einer Zeit, als die Hauskatze hier noch fehlte und als man in Italien und Griechenland zum Fangen der Mäuſe Wieſel, Iltis und Marder verwendete und dazu zähmte. Es iſt nämlich die Hauskatze erſt auffallend ſpät in Europa und ganz beſonders ſpät mit Sicherheit im Norden des Erdteils und bei uns in Deutſchland bekannt. „Wer, der es nicht weiß,“ ſagt Hehn“), „ſollte glauben, daß die Katze, die jetzt faſt in keinem Haus fehlt, ſoweit civiliſierte und unciviliſierte Menſchen leben, eine ganz junge Erwerbung der Kultur iſt? Freilich die Bewohner des Nilthales müſſen wir dabei ausnehmen. Daß das geheimnis⸗ volle, mit ſeinem Thun in die Nacht der Zeiten hinabreichende, ebenſo anziehende als abſtoßende Volk der Aegypter die Katzen in Menge erzog, ſie heilig hielt, ſie nach dem Tode einbalſamierte, melden nicht bloß die Alten, wie Herodot und Diodor, ſondern beſtätigen auch die Denkmäler und Ueber— reſte. Hartmann!) ſagt von der Hauskatze der Aegypter, fie ſtamme mit großer Wahrſcheinlichkeit von der wilden Felis maniculata Ruepp. ab, welche wild im Faijum, in den libyſchen Teilen der Wüſte von Dongola, in den Steppen der Bajada, von Kor⸗ dofan, Sennar und Weſt⸗Abeſſinien nicht ſelten ſei. Abbildungen der Hauskatze der alten Aegypter auf thebaniſchen Wandgemälden ſtimmen durchaus mit der maniculata überein. Ebenſo ſtimmen, ſagt Hart— mann weiter, die Katzenmumien mit den lebenden Falbkatzen durchaus überein. Die Hauskatze der heutigen Nilbewohner ſtammt ohne Zweifel ebenfalls von der Falbkatze her. Namentlich die Hauskatze der ſennariſchen Fung gleiche der letzteren vollſtändig. Selbſt Verſchiedenheiten in der Färbung ſeien zwiſchen beiden ſelten. Nach Fr. Lenormant***) käme übrigens die Katze erſt ſeit der zwölften Dynaſtie (ſeit etwa viereinhalbtauſend Jahren von jetzt ab gerechnet) auf ägyptiſchen Bildwerken vor, zuerſt in den Gräbern von Beni Haſſan. Die Aegypter hätten ſie ſchon gezähmt von den Bewohnern der oberen Nilländer erhalten. Brehm erwähnt gleichfalls, daß die Abbildungen Kulturpflanzen und Haustiere in ihrem Uebergang aus Aſien nach Griechenland und Italien, ſowie in das übrige Europa. 2. Aufl. 1877. »Verſuch einer ſyſtematiſchen Aufzählung der von den alten Aegyptern bildlich dargeſtellten Tiere in der Zeitſchrift für ägyptiſche Sprach- und Altertumskunde. Januar 1864. ) Die Anfänge der Kultur. Jena 1875. auf den Denkmälern in Theben und in anderen ägyptiſchen Ruinen am meiſten mit der Falbkatze übereinſtimmen, und ſie ſcheinen, ſagt er, zu beweiſen, daß dieſe es war, welche bei den alten Aegyptern als Haustier gehalten wurde. „Vielleicht brachten die Prieſter das heilige Tier von Meros in Südnubien nach Aegypten; von hier aus könnte es nach Arabien und Syrien und ſpäter über Griechenland oder Italien nach dem weſtlichen und nördlichen Europa verbreitet worden ſein.“ Es gleichen auch die Haus⸗ katzen der heutigen Aegypter im Aeußern, beſonders in der Färbung, am meiſten der Falbkatze, wenngleich zu bemerken iſt, daß ſie ähnliche Abänderungen in der Farbe und Zeichnung zeigen, wie die unſrigen — auch dreifarbige gibt es — und heute noch wird den Katzen in Aegypten die größte Hochachtung von ſeiten der Bevölkerung gezollt. In unſerm Gaſthofe, im Hotel du Nil in Kairo, hatten wir oft genug ſchlafloſe Nächte infolge der Orgien, welche von Scharen von Katzen unter den Dächern der Nachbar häuſer gefeiert wurden — mit fürchterlichem Geſchrei und Gepolter jagten die Tiere dann gleich dem wilden Heer von Dach zu Dach und niemand wollte auf Beſchwerde den Unfug als ſolchen anerkennen. Ja es ſollen Katzen in Kairo noch öffentlich verpflegt werden auf Koſten der Zinſen von für ſie geſtifteten Vermächtniſſen. Bei unſeren deutſchen Vorfahren war die Katze das Tier der Göttin Freia, melcher es den Wagen durch die Wolken zieht, aber wir wiſſen aus Geſetzes⸗ beſtimmungen von Wales aus der Mitte des zehnten Jahrhunderts, daß die Katze damals dort und ſomit wohl überhaupt im Norden Europas, noch ſehr wertvoll und deshalb wohl ſelten geweſen ſein muß; insbeſon⸗ dere geht dies aus den Beſtimmungen hervor, welche für den Verkauf einer Katze feſtgeſetzt waren. So hatte der Käufer das Recht zu verlangen, daß Augen, Ohren und Krallen an ihr vollkommen wären, daß ſie das Mauſen verſtehe und daß ſie, wenn ein Weibchen, die Jungen gut erziehe. „Wer auf den fürſtlichen Kornböden eine Katze ſtahl oder tötete, mußte ſie mit einem Schafe ſamt dem Lamm büßen oder ſo viel Weizen als Erſatz für ſie geben, wie erforderlich war, um die Katze, wenn ſie an dem Schwanze ſo aufgehängt war, daß ſie mit der Naſe den Boden berührte, vollkommen zu bedecken.“ Allmählich hat ſich die Katze von Europa aus faſt über das ganze Gebiet der von Kultur irgend beleckten Erde als Haustier verbreitet, und zwar in Europa und Aſien von Weſten nach Oſten; ſie fehlt aber heute noch in einigen Teilen des mittleren und nordöſtlichen Aſiens. Nach Deutſchland dürfte die Hauskatze jedenfalls vor dem ſechſten Jahrhundert unſerer Zeit— rechnung nicht gekommen ſein. Die Römer ſcheinen zur Zeit ihrer Anweſenheit in Deutſchland noch keine Katzen gehabt zu haben. Es wäre ſehr erwünſcht zu wiſſen, ob nicht irgendwo doch in den Reſten ihrer Niederlaſſungen Knochen von Katzen gefunden worden ſind — meines Wiſſens iſt dies indeſſen nicht der Fall und fo oft ich ſelbſt wenigſtens aus dieſen Nieder⸗ Humboldt. — Februar 1885. 75 laſſungen Reſte — z. B. erſt kürzlich aus der Nähe Tübingens, aus Rottenburg a. N. — unterſuchte, niemals fand ich Ueberbleibſel von Katzen, ſondern nur von Hunden, Schweinen, Pferd, Rind rc. In dem verſchütteten Pompeji iſt keine Spur von einer Katze gefunden worden. Plinius d. J., der bekanntlich bei dem Ausbruch des Veſuv, welcher Pompeji verſchüttete (79 n. Chr.), zu Grunde gegangen iſt — er war Befehlshaber der Flotte am Kap Miſenum und erſtickte, als er den Ausbruch beobachten wollte, in den ausgeſtoßenen Dämpfen, weil er zu dickleibig war, um raſch genug fortzukommen — Plinius ſpricht zwar im zehnten Buche ſeiner Naturgeſchichte mit Kenntnis von den Katzen. Er hebt hervor — es iſt in dem betreffenden Abſchnitte von den Sinnesempfindungen der Tiere die Rede — mit welcher Geräuſchloſigkeit, mit welcher Leichtigkeit des Ganges ſie die Vögel erhaſchen, wie ſie verborgen lauernd auf die Mäuſe losſpringen, wie ſie ihre Auswurfſtoffe mit ausgegrabener Erde be— decken — wiſſend, daß ihr Geruch fie verrathe (,in- dicem sui esse“). Mehr als anderes ſcheinen mir aber die letzten Worte darauf hinzudeuten, daß Plinius die wilde Katze, nicht die Hauskatze gemeint hat, ferner die Thatſache, daß er unmittelbar vorher von den Panthern (,pardi*) in Afrika ſpricht. Nach Plinius wäre Palladius (um die Mitte des vierten Jahrhunderts nach Chr.), wie Hehn ausführt, als der Schriftſteller zu bezeichnen, welcher auf die Be— kanntſchaft ſeiner Zeitgenoſſen mit der Hauskatze ſchließen laſſe; er ſpricht davon, daß es nützlich ſei, gegen die Maulwürfe (talpas) Katzen (catos) in den Artiſchockengärten häufig (frequenter) zu haben — die meiſten hielten gezähmte Marder. Hehn meint, es ſeien unter talpae Mäuſe, nicht Maulwürfe ver- ſtanden. Dagegen ſpricht auf das entſchiedenſte die Thatſache, daß Palladius als Mittel zur Vertreibung der talpae anführt: manche machen neben den Lagern der Maulwürfe mehrere Löcher, ſo daß die talpae erſchreckt von der Sonne die Flucht ergreifen: das kann in den Augen des Zoologen nur auf Maul- f — Zuerſt ſcheint Euagrius, der in Epiphania in Cöleſyrien lebte würfe, nicht auf Mäuſe gehen. und Kirchengeſchichte bis zum Jahre 8 594 ſchrieb, von der Hauskatze zu ſprechen: er ſagt, das Volk nennt den ailurus „catta“, Katze (catta wäre dadurch als Volksname ſtatt ailurus bezeichnet). Wir dürfen demnach aus den zoologiſchen wie aus den geſchichtlichen Thatſachen übereinſtimmend ſchließen, daß unſere Hauskatze und die afrikaniſche Falbkatze eine und dieſelbe Art und daß beide wiederum gleichwertig mit der Hauskatze der alten Aegypter ſind; daß aber die Falbkatze als die Stamm— mutter der den und unſerer Hauskatze ange— ſehen werden muß; daß 2 Wildkatze und Haus- bezw. Falbkatze gleichfalls ein und dieſelbe Art ſind; daß die Wildkatze unmittelbar von der Falbkatze abſtammt ja es geht aus ſeinen oie hervor, daß der Ausdruck catta griechiſch zu ſeiner Zeit in Vorderaſien ſchon gemein war, denn und ſich ſchon zu einer Zeit in Europa verbreitet hatte, als die Hauskatze hier noch nicht eingeführt war; daß die Wildkatze durch herben Kampf ums Daſein ſich dergeſtalt im Lauf der Zeit verändert hat, daß ſie als einer beſonderen Art naheſtehende Abart bezeichnet werden muß. Zu gunſten des letzteren Satzes, zum Beweis, daß die ſich abgrenzende Stellung der Wildkatze ſchon lange die Zeit ihres Beginnes hinter ſich hat, muß ich noch einige Thatſachen anführen. Ich meine nicht das einzige abſolut unterſcheidende anatomiſche Merkmal, welches, abgeſehen von den Maßen der Körpergröße, als ſolches zwiſchen der Hauskatze und Wildkatze mit einem gewiſſen Grad von Recht bezeichnet worden ijt: die größere Lange des Darmkanals bei der erſteren. Dieſes Merkmal iſt in gleichem Grade das einzige unterſcheidende zwiſchen Hund und Wolf. Aber wenn kürzlich ein Zoologe daraus ein ſyſtematiſch die beiden letzteren Arten trennendes Kennzeichen — in Ermangelung irgend anderer wirklich typiſcher Artkennzeichen — machen wollte, ſo möchte man dies einen letzten ver— zweifelten Verſuch nennen. Die größere Länge des Darmkanals beruht in beiden Fällen auf der Ge— wöhnung an teilweije vegetabiliſche Nahrung. Um das nötige Nahrungsmaterial aus dieſer, unſeren Raubtieren urſprünglich ungewohnten Nahrung zu ziehen, nimmt der Darm allmählich eine größere Länge an. Es handelt ſich alſo auch hier um ein veränderliches, auf phyſiologiſchen Urſachen beruhendes Merkmal, welches allerdings heute bei unſeren Hunden bezw. Katzen eine gewiſſe abſolute Bedeutung erreicht hat — vielleicht aber, was noch zu unterſuchen wäre — nicht bei den ausſchließlich von Fiſchen lebenden Hunden der Nordländer. Ich meine vielmehr die Verſchiedenheit der Zeich— nung, welche ſich zwiſchen der jungen Wildkatze und der jungen Hauskatze ſchon findet und welche darauf beruht, 1) daß die erſtere am Schwanz nicht mehr als etwa ſieben Zeichnungen beſitzt, 2) daß ſie nicht mebr § Querſtreifen am Rumpf befist als die erwachſene — im Gegenſatz zur Hauskatze und zum Sumpfluchs, bei welchen beiden dieſe Streifen in der Jugend zahlreicher ſind als ſpäter. Intereſſanterweiſe iſt es auch hier wieder der hintere Teil des Körpers, der Schwanz, welcher neue Eigenſchaften zuerſt angenommen hat, denn neu und charakteriſtiſch in der Zeichnung der Wild— katze gegenüber der Hauskatze iſt beſonders die geringe Zahl der Schwanzzeichnungen, welche ſich alſo hier ſchon auf die ganz jungen Tiere ver— erbt hat. Am Kopf dagegen und zwar am Kopf des Weibchens, haben wir noch die jugendliche Zeichnung in den Längslinien, ſogar in der zuweilen vorhandenen doppelten Stirnmittellinie. Aber nur die jungen Wildkatzen haben im übrigen noch die ſechs Stirnlängslinien der Hauskatze, bei den Alten ſind ſie auf vier zurückgegangen. Iſt jene Längs— ſtreifung und das Auftreten einer geſpaltenen Stirn— mittellinie zugleich eine Erbſchaft längsgeſtreifter 76 Humboldt. — Februar 1885. Ahnen, fo gilt dies ebenſo für die unmittelbare Ver⸗ ausgeprägt, welche oder deren unmittelbare Verwandte bindung der Stirnnaſenlinie mit dem Augenfleck, wohl als die Vorfahren der F. domestica-maniculata, wie ſie bei den jungen Wildkatzen vorkommt. caligata und damit der Wildkatze betrachtet werden Wir müſſen uns den Kopf der Ahnen unſerer Katzen dürfen, wie denn fo viele Thatſachen überhaupt darauf demnach ausgeſtattet denken mit ſechs Stirnlängslinien hinweiſen, daß wir den Urſprung von Gliedern der und mit in der Mitte geſpaltener Stirnmittellinie europäiſchen wie der afrikaniſchen Tierwelt in Aſien als ſiebenter, die äußeren Stirnlängslinien unmittel- zu ſuchen haben. Aus dieſen längsgeſtreiften Formen, bar in den Augenborſtenfleck ſich fortſetzend und von die ſich übrigens auch in Amerika finden, ſind ge— ä — — \ zy, VG — Fig. 14. Zwergkatze, Felis minuta, Weibchen. ihrem unteren Teil ſchräg nach innen eine kurze fleckte und ſchließlich auch quergeſtreifte hervorgegangen. Linie abgehend, ſo daß eine Gabel entſteht. Die So läßt ſich von vornherein erwarten, daß alle die erſtere Verbindung wird bei Felis domestica-mani- ſcheinbar verſchiedenen Längsſtreifen, Flecke und Quer⸗ culata und bei catus ſpäter aufgehoben und dadurch ſtreifen der verſchiedenen Katzen in einem ganz be- entſteht der Augenborſtenfleck; die letztere bleibt be- ſtimmten Zuſammenhang untereinander ſtehen, daß ftehen*). Bei Felis minuta z. B. bleibt umgekehrt z. B. jeder Fleck am Körper eines Panthers zu einem die äußere Verbindung beſtehen ). Außerdem müſſen Fleck einer anderen gefleckten Katze, einem Stück eines wir uns die Stammeltern unſerer Katzen gefleckt Längsſtreifens irgend einer amerikaniſchen oder aſia⸗ und noch früher längsgeſtreift denken. tiſchen Katze, einem Stück eines Querſtreifens einer In der That finden wir nun die entſprechenden Hauskatze Beziehungen hat. Und in der That löſt Verhältniſſe bei einigen oſtindiſchen Katzen, wie bei ſich die ſcheinbare Willkürlichkeit aller Zeichnung F. viverrina, F. minuta u. a. mehr oder weniger dem Kundigen in wunderbare Regel auf. Ueber —ͤä( V— alle dieſe Dinge ſoll Ausführlicheres in der nächſten Abhandlung folgen. ) Vgl. Fig. 11. *) Vgl. Fig. 3. Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Geologie. Don Prof. Dr. A. von Lafaulr in Bonn. Metamorphismus, Kontaftmetamorphoje und regionaler Metamorphismus, Glaciale Geologie: Gletſcherſpuren in Norddeutſchland, in den bayerifchen Alpen und der bayerifchen Hochebene, Erofionswirfungen der Gletſcher, Urſachen der Eiszeit, Alternieren und Periodicität derſelben. Kein Gebiet geologiſcher Forſchung hat in höherem Maße das Intereſſe erregt und zugleich größere Schwierig— A keiten einer klaren und richtigen Erfaſſung geboten als | find*). Zu keiner Zeit geologiſcher Forſchung iſt dieſe das des ſog. Metamorphismus. | > ) J. Roth verdanken wir eine wertvolle Zuſammenſtellung faſt N 5 — uy . D 9 5 8 8 85 : Wer ſich der Mühe unterziehen will, die Litteratur aller wichtigen Arbeiten und Anſichten über Metamorphismus: Ueber über dieſes Gebiet durchzugehen, der wird finden, welch eine Fülle von Arbeiten durch dieſe Frage angeregt worden Humboldt. — Februar 1885. 77 Frage unberührt geblieben, da ſie eine fundamentale Be— deutung hat für die Erkenntnis der Entſtehung einer ſo ausgedehnten und wichtigen Geſteinsgruppe, wie es die kryſtalliniſchen Schiefer ſind. Auch in den letzten Jahren ſind auf dieſem Gebiete überaus wichtige Fortſchritte zu verzeichnen und ganz beſonders ſind gerade in der allerneueſten Zeit mehrere Arbeiten erſchienen, welche die bisher noch ziemlich un— ſicheren und unklaren Begriffe über das eigentliche Weſen des Metamorphismus, über die dabei vollzogenen Um- und Neubildungen in den Geſteinen und endlich auch über die wirkſamen Urſachen klarer zu geſtalten verſprechen. Es wird zum Verſtändniſſe der Bedeutung dieſer neueſten Forſchungen nötig ſein, in Kürze die bisherigen Anſichten über den Metamorphismus zu erörtern. In der allgemeinſten Bedeutung des Wortes verſteht man unter einem metamorphoſierten Geſtein ein ſolches, das nach ſeiner erſten urſprünglichen Bildung Verände— rungen der Art erlitten hat, daß es entweder nur nach ſeiner Struktur oder auch in ſeinem Mineralbeſtande dadurch eine weſentlich andere Beſchaffenheit angenommen hat. Aber man verſtand dann doch unter Metamorphismus vorzüglich Veränderungen ganz beſtimmter Art und nicht ſolche, die nur die Folge der Verwitterung oder von Zer— ſetzungen ſind, wie ſie in weitem Umfange in allen Geſteinen, ſelbſt ſolchen, die äußerlich einen ganz friſchen Eindruck machen, ſich nachweiſen laſſen. Die beſonders charakteriſtiſchen Arten der eigentlichen Metamorphoſe gehören nicht zu dieſen. Was an den meta— morphiſchen Geſteinen, z. B. den kryſtalliniſchen Schiefern, die zu dieſen zu rechnen ſind, ganz beſonders auffällt, das iſt der ſcheinbare Gegenſatz, in dem die Struktur und die Mineralbeſtandteile erſcheinen. In den kryſtalliniſchen Schiefern ſehen wir eine mehr oder weniger vollkommene ſchiefrige Struktur mit den Mineralgemengteilen vereint, welche ſonſt vorzugsweiſe die maſſigen, die Eruptiv- oder Erſtarrungsgeſteine zuſammen— zuſetzen pflegen. Wo wir die ſchiefrige Struktur ſehen, da ſind wir gewöhnt, an die lagenweiſe fortſchreitende, ſedimentäre Bildung zu denken, wie ſie bei Thonſchiefern z. B. vorliegt. Die Schieferung macht uns eben gemeiniglich nur den Eindruck einer dünnplattigen Schichtung. In vielen Fällen iſt ſie das auch thatſächlich. Ganz anders aber iſt der Charakter der Schieferung bei den fog. kryſtalliniſchen Schiefern. Wir erkennen ſofort, daß dieſelbe nicht der Ausdruck einer nach und nach erfolgten Bildung, alſo einer Schichtung iſt. Wir ſehen in den Gemengteilen im Gegen— teile die allergrößte Uebereinſtimmung mit Erſtarrungs— geſteinen. Der Gneis, der beſte Vertreter der Gruppe der kryſtalliniſchen Schiefer, hat dieſelben Beſtandteile wie der Granit. Quarz, Feldſpat, Glimmer ſind im allge— meinen die regelmäßigen Gemengteile. Aber der Gneis iſt ſchiefrig und die Schieferung iſt bei ihm ſogar manches Mal von Abſonderungen begleitet, die mindeſtens einer Schichtung ſehr ähnlich ſehen, wenn wir ſie nicht wirklich dafür halten wollen. die Lehre vom Metamorphismus und die Entſtehung der kryſtalliniſchen Schiefer. Berlin. 1871. Das iſt ſonach einer der wichtigſten Charaktere der fog. metamorphiſchen oder kryſtalliniſchen Schiefer, daß in ihnen die Eigenſchaften zweier Arten von Geſteinen von ganz verſchiedener Entſtehung gewiſſermaßen gemengt er— ſcheinen, in der Weiſe, daß es uns nicht möglich erſcheint, ohne weiteres zu entſcheiden, ob wir, den Gemengteilen vertrauend, das Geſtein für ein Erſtarrungsgeſtein anſehen ſollen, welches dann durch irgend welche ſpätere Prozeſſe, die eben die Metamorphoſe darſtellen, eine ſonſt den Schiefern eigenartige Struktur erhalten hat, oder ob wir im Gegen— teile annehmen ſollen, daß die Struktur das Maßgebende iſt und dann folgern, daß aus einem als Sediment ent— ſtandenen und darum geſchieferten und geſchichteten Geſtein durch ſpätere Entwicklung ſeiner Gemengteile eine ſonſt den Erſtarrungsgeſteinen eigentümliche kryſtalliniſche Be— ſchaffenheit der Mineralbeſtandteile hervorgegangen ſei. Das ſind die beiden Extreme, zwiſchen denen die zahl— reichen nach und nach in der Geologie aufgeſtellten Hypo— theſen über den Metamorphismus hin und herſchwanken. Am ſicherſten unzweifelhaft waren metamorphiſche Vor— gänge da in ihrer Tragweite zu erkennen, wo von den metamoxphoſierten Geſteinen allmähliche und kontinuierliche Uebergänge zu den noch unveränderten Geſteinen ſich ver— folgen ließen. Das iſt bei der ſog. Kontaktmetamorphoſe in der Regel der Fall. Faſt überall, wo ein durch Erſtarrung entſtandenes Eruptivgeſtein durch echte, ſedimentär gebildete Schichtge— ſteine hindurchgedrungen iſt oder in den Gebirgen wenigſtens unmittelbar an ſolche angrenzend erſcheint, laſſen ſich gewiſſe Veränderungen in der gewöhnlichen Beſchaffenheit dieſer Schichtgeſteine erkennen. In ganz beſonders auffallender und regelmäßig wieder— kehrender Weiſe iſt das in der Umgebung der Granite der Fall. Dieſe find faſt überall da in den Gebirgen, wo fie als mächtige Stöcke den inneren Kern, das Maſſiv eines Gebirges bilden, von mehr oder weniger breiten Zonen umgeben, in welchen die umgebenden Sedimentgeſteine ganz beſtimmte, in ihren allgemeinen Zügen ſich immer gleich bleibende Umwandlungen erkennen laſſen. Daß es ſich hier thatſächlich um Umwandlungen handelt, vermag man daran auf das unzweifelhafteſte wahrzunehmen, daß eben die metamorphoſierten Geſteine durch ganz allmählich verlaufende Uebergänge mit den Geſteinen in Verbindung ſtehen, welche gar nicht verändert ſind, ſondern die ge— wöhnliche Beſchaffenheit der ſedimentären Schiefer auf— weiſen. Um ſo mehr aber wird das genaue Studium der in ſolchen Kontaktzonen vollzogenen ſtofflichen und ſtrukturellen Umwandlungen von Bedeutung, als in der That zwiſchen den eigentlichen Kontaktmetamorphoſen und jener andern, die ohne direkt erkennbare Beziehungen zu einem Eruptiv geſtein über weite Gebiete gewiſſermaßen ſelbſtändig ſich entwickelt hat, der regionalen Metamorphoſe, unzweifel— haft große Analogieen beſtehen. Dieſe find z. T. thatſächlich ſo auffallender Art, daß man dem Ausſpruche eines der beſten Kenner und ſorgfältigſten Erforſcher der metamor— phiſchen Erſcheinungen, K. Loſſen, recht geben kann, wenn er unter Anerkennung gewiſſer Unterſchiede die Erfahrung ausſpricht, daß ein abſoluter geologiſcher Unterſchied zwiſchen der Granitkontaktmetamorphoſe und der regionalen oder 78 Humboldt. — Februar 1885. Dislofationsmetamorphofe nicht extftiert*). neueren Arbeiten über die Erſcheinungen der Kontaktmeta⸗ morphoſe hier, wenngleich dieſelbe ſchon ein paar Jahre zurückliegt, doch wegen ihrer großen, bahnbrechenden Be- deutung noch einmal genannt werden die Arbeit von H. Roſenbuſch über die Steiger Schiefer und ihre Kontakt— zone an den Granititen von Barr-Andlau und Hoh⸗ wald), welche ein klaſſiſches Gebiet in den Vogeſen in wahrhaft erſchöpfender Weiſe behandelt. Dieſer Arbeit reiht ſich eine andere in würdiger Weiſe an, welche die Kontaktmetamorphoſe der ſiluriſchen Schiefer am Granit, namentlich dem titanitführenden Hornblende— granit des ſüdlichen Norwegens im Gebiete von Kriſtiania ſchildert“ “). Die hier aus der Kontaktmetamorphoſe hervorgegangenen Geſteine ſind im ganzen nicht weſentlich verſchieden von den anderswo beobachteten. Von beſonderem Intereſſe aber iſt es, hier eingehend den ſehr verſchiedenen Grad der Umwandlungsfähigkeit für verſchiedene Geſteine nach— gewieſen zu finden. Während einige Geſteine eine ſehr hochgradige Metamorphoſe erkennen laſſen, ſind andere faſt vollkommen unverändert, beſitzen demnach alſo eine gewiffe _ Unfähigkeit metamorphoſiert zu werden. Die Metamorphoſe der Orthocerenkalkſteine hat dieſe zu Silikathornfelſen verwandelt. Das ſind dichte, hornſtein— ähnliche Geſteine, die beſonders aus Kalkſilikaten, Wollaſtonit und Granat neben Kalkſpat, oder aus Streifen eines Gemenges von Wollaſtonit und Veſuvian oder auch von Wollajtonit und Skapolith beſtehen. Die in den meta— morphoſierten ſiluriſchen Schichten urſprünglich vorhandenen Verſteinerungen ſind mit der Metamorphoſe in der Regel ganz oder größtenteils verſchwunden. häufig genug auch Ausnahmen. Ein anderes Gebiet ausgezeichneter Kontaktmetamor— phoſe hat neuerdings auch Charles Barrois zum Gegen— ſtande ausführlicher Unterſuchungen gemacht, welche wie die vorhergehenden den Beweis liefern, daß gerade die Methode der mikroſkopiſchen Durchforſchung der Geſteine hier ganz beſonders berufen war, neue Reſultate zu fördern). Die beiden in dieſer Arbeit behandelten Granit— maſſivs und ihre Kontaktzonen find in den ſpaniſchen Provinzen Aſturien und Galicien gelegen. Beide ſind von Zonen metamorphiſcher Schiefer um— geben, in welchen die charakteriſtiſchen Glieder der Knoten— ſchiefer und glimmerreichen Chiaſtolithſchiefer regelmäßig auftreten, oft iſt die Zunahme der Metamorphoſe nach dem Granite zu nicht eine gleichmäßig fortſchreitende, ſo daß z. B. eine höher metamorphoſierte Schicht zwiſchen weniger umgewandelten auftritt, ſo ein Andaluſttſchiefer beiderſeitig von Knotenſchiefern eingefaßt. Von großem Intereſſe iſt es, daß Barrois ganz ähnliche kontaktmetamorphiſche Wirkungen auch im Um— *) K. A. Loſſen: dimentgeſteinen. 1883. Berlin. 1884. ) Straßburg. 1877. W. C. Brögger: Die ſiluriſchen Etagen 2 und 3 im Kriſtiania— gebiet und auf Ecker. Kriſtiania. 1883. +) Recherches sur les terrains anciens des Asturies et de la Lille. 1882. Studien an metamorphiſchen Eruptiv- und Se— Jahrbuch der königl. preuß. geol. Landesanſtalt für Galice. Es mag von ; Jedoch finden ſich kreiſe jüngerer eruptiver Geſteine nachzuweiſen vermochte. Es ſind die ſog. Kerſantite, Geſteine, die manchen unſerer Andeſite nahe ſtehen. So ſind denn auch in anderen Gebieten die Kontakt⸗ wirkungen anderer Eruptivgeſteine eingehender Unterſuchung unterworfen worden. Michel Levy) hat die am Kontakt mit Diabaſen umgewandelten cambriſchen Schiefer des Magonnais mikroſkopiſch unterſucht und den Kontakter⸗ ſcheinungen an den Diabaſen, welche im ſog. Lenneſchiefer der devoniſchen Formation im oberen Ruhrthale auftreten, hat A. Schenk!) eine ebenſo ausführliche als gründliche Unterſuchung zu teil werden laſſen. Die Diabaſe und einige ihrer Kontakterſcheinungen in der Umgegend von Weilburg an der Lahn behandelt eine andere Arbeit von C. Riemann ***), Ebenſoſehr iſt aber der Fleiß der Forſcher auf die Löſung der andern Seite der Frage des Metamorphismus gerichtet geweſen, die in den regional metamorphiſchen Ge— bieten vollzogenen Umwandlungen ſtofflich und ſtrukturell genauer zu ſtudieren, um daraus die Herleitung der meta⸗ morphiſchen kryſtalliniſchen Schiefer zu erkennen. Hierbei kam es, wie aus dem eingangs Geſagten ver- ſtändlich ſein wird, vornehmlich darauf an, zu zeigen, daß die kryſtalliniſchen Schiefer entweder aus ſedimentären, echten Schichtgeſteinen hervorgegangen ſeien oder aber daß fie urſprüngliche Erſtarrungsgeſteine ſeien, welche durch die Prozeſſe der Metamorphoſe weſentlich in Mineralführung und Struktur umgeſtaltet wurden oder endlich ob nicht ſowohl ſedimentäre als auch kryſtalliniſche Erſtarrungsge— ſteine einer gemeinſamen Zielen zuſtrebenden, zu nahe gleich— artigen Geſteinsformen führenden Umwandlung unterworfen ſein könnten. Daß in der That ein Teil der kryſtalliniſchen Schiefer aus ſedimentären Schichten hervorgegangen ſein muß, dafür wurde der unwiderlegliche Beweis durch die Entdeckung wohl erhaltener und beſtimmbarer Verſteinerungen in ſolchen Schiefern im ſüdlichen Norwegen erbracht. Dieſe Ent— deckung verdankt man den unermüdlichen Forſchungen der norwegiſchen Geologen Reuſch und Kjerulf ß). Die Halb- inſel Bergen und vorzüglich ihr ſüdlicher Teil umfaßt die hierdurch ſo bemerkenswerten Schichtenfolgen. Das Gebiet ſtellt ein aus ſedimentären Schiefern und Konglomeraten beſtehendes mächtiges Schichtengebäude der ſiluriſchen For— mation dar. In demſelben find mehrere Zonen von kry— ſtalliniſchen Eruptivgeſteinen den Schichten konform ein— gelagert. Sowohl die geſchichteten Geſteine, in denen die ſiluriſchen Verſteinerungen z. T. ziemlich zahlreich erhalten ſind, als auch die Eruptivgeſteine find in kryſtalliniſche Schiefer umgewandelt, der Grad der Metamorphoſierung iſt ein ſehr verſchiedener. Während die Gneiſe und Gra— nulite aus urſprünglich rein klaſtiſchen Geſteinen, z. T. aus wirklichen Konglomeraten, aus Granitgrus und dergl— hervorgegangen find, wie Reuſch meint, ſind die Diorit— ſchiefer, Sauſſuritgabros als urſprüngliche Eruptivgeſteine ) Bulletin de la Soc. géol. de France. 1883. 299. ) Die Diabaſe des oberen Ruhrthales und ihre Kontakterſcheinungen. Verhandl. des naturhiſt. Vereins für Rheinl. u. Weſtfalen. 1884. ***) Ebendaſ. 1882. 275. +) Die foffilienführenden kryſtalliniſchen Schiefer von H. H. Reuſch. Deutſche Ausgabe von R. Baldauf. Leipzig. 1883. Humboldt. — Februar 1885. 79 und deren Tuffe anzuſehen. In beiden Fällen aber erkennt man die Anzeichen, daß gewaltige Druckwirkungen an dem Umwandlungsprozeſſe weſentlich beteiligt waren, oder den— ſelben ſogar eingeleitet und bedingt haben. Die Erſchei— nungen der Streckung, der Zuſammenſtauchung, Gleitung und Verſchiebung ſind weit verbreitet. Andererſeits gibt es aber, wie Reuſch ausdrücklich hervorhebt, auch Gneiſe, die aus echt eruptiven Graniten herzuleiten ſind. Auch für ein anderes Gebiet, in welchem freilich die Metamorphoſe nicht in dem Maße hochgradig entwickelt iſt, wie im ſüdlichen Norwegen, für das ſiluriſche Maſſiv der franzöſiſchen Ardennen ſind Beiſpiele erbracht worden, die in gleicher Weiſe die Metamorphoſe für die ſedimen— tären Schichten und für die dieſen eingeſchalteten Eruptiv— geſteine darthun. Die ſog. Porphyroide ſind eigentümlich flaſerige Schiefer, aber mit porphyriſch ausgeſchiedenen Quarz- und Feldſpatkryſtallen, die darum im übrigen ganz die Charaktere von Eruptivgeſteinen an ſich tragen. Dieſelben ſind auch aus ſolchen durch mechaniſche Umformung und mineraliſche Neubildung vorzüglich von glimmerartigen Mineralien (Chlorit, Sericit) entſtanden ). Auch aus anderen Gebieten mehren ſich nun die Bei— träge, welche die regionale Metamorphoſe in ihrer Wirk— ſamkeit auf urſprüngliche Sediment- und Eruptivgeſteine mehr und mehr im einzelnen zu erforſchen, abzugrenzen und auseinander zu halten ſtreben. Loſſen wendet in Studien, die er an mikroſkopi— ſchen Bildern erläutert —, wie es ſcheint und zu hoffen iſt, die Einleitung zu einer größeren Reihe bildlicher Dar— ſtellungen von mikroſkopiſchen Geſteinspräparaten ſolcher Geſteine, — die Aufmerkſamkeit auf die metamorphiſchen Barrois beſchreibt die metamorphiſchen Geſteine der Bretagne, vornehmlich metamorphe Konglomerate und Quarzite. Er neigt ſich dabei der Annahme zu, daß auch in ſolchen Fällen, wo der Granit nicht ſichtbar zu Tage tritt, dennoch unter den metamorphoſierten Schichtgeſteinen, die nun zu kryſtalliniſchen Schiefern geworden ſind, eine granitiſche Maſſe ſich finde, ſo alſo vornehmlich auch in dem ſchon vorhin genannten Gebiete der Ardennen! ). Daran knüpft er nach dem Vorgange von J. Lehmann die Annahme, daß ein Teil der metamorphiſchen Wirkungen darauf beruhe, daß von den Graniten aus die Geſteine mit granitiſchem Material injiziert worden ſeien. J. Lehmann hat in einer umfangreichen, mit einer großen Zahl photographiſcher Abbildungen ausgeſtatteten Arbeit die Frage nach der Entſtehung der kryſtalliniſchen Schiefer im allgemeinen und insbeſondere die des klaſſiſchen ) v. Laſaulx: Ueber die Teltonit und die Eruptipgeſteine der franzöſ. Ardennen. Verhandl. des naturhiſt. Ber. für Rheinl. u. Weſtf. 1883. Oktober; und: Beiſpiele der mechaniſchen Metamorphoſe von Eruptivgeſteinen. Verhandl. der niederrhein. Geſ. für Natur- und Heil- kunde. 1884. Auguſt. s⸗ ) Dieſe Vermutung findet darin allerdings eine gewiſſe Beſtätigung, daß inzwiſchen durch v. Laſaulx der Granit unter den Schichten des Cambriums im Hohen Venn aufgefunden worden iſt, der erſte Granit im ganzen Bereiche des rheiniſch-belgiſch-franzöſiſchen, zur devoniſchen und ſiluriſchen Formation gehörigen Schiefergebirges. Verhandl. des natur⸗ hiſt. Ver. für Rheinland und Weſtfalen. 1884. Oktober Granulitgebietes in Sachſen behandelt. Die photographi⸗ ſchen Abbildungen haben hier eine ganz beſondere Bedeu— tung). Es kommt weſentlich darauf an, die Struktur— änderungen der Geſteine zu zeigen und dafür iſt die photographiſche Nachbildung, welche auch die kleinſten Einzelheiten wiedergibt, am geeignetſten. Die Abbildungen zu der Arbeit von J. Lehmann erläutern daher auch ſeine Ausführungen über die Erſcheinungen der mechani— ſchen Umformung, der Stauung und Preſſung, der Aus— walzung und Streckung unter dem Einfluſſe der gebirgs— faltenden Kräfte auf das allerweſentlichſte. So hat alſo im allgemeinen auf dieſem Gebiete der Geologie mehr wie auf einem anderen die letzte Zeit neue Reſultate gefördert. Es hat ſich ergeben, daß die meta— morphiſchen Wirkungen nicht nur die Sedimente, ſondern auch die längſt erſtarrten Eruptivgeſteine umgewandelt haben und endlich, daß überall in den regionalmetamorphi— ſchen Gebieten dieſe Umänderungen in einem unverkennbaren Zuſammenhange mit den Faltungsvorgängen in den Ge— birgen ſtehen und daß daher für dieſe Erſcheinungen der Name des mechaniſchen oder Dislokationsmetamorphismus paſſend erſcheint. Auch auf einem anderen Gebiete geologiſcher Forſchung bringt uns jeder Tag neue Beſtätigung einer Theorie, die man vor wenigen Jahren noch nicht für möglich angeſehen hat, der Gletſchertheorie zur Erklärung der Erſchei— nungen im norddeutſchen Diluvium. Die in den nord— deutſchen Tiefebenen bekanntlich in ungeheurer Verbreitung und Menge vorkommenden erratiſchen Blöcke und die da— mit in engſter Beziehung ſtehenden Erſcheinungen, die man alle unter der Bezeichnung des glacialen Phänomens zu— ſammenfaſſen kann, wurden bis vor kurzem in der Weije gedeutet, daß man annahm, der Transport der Blockmaſſen ſei durch ſchwimmende Eisſchollen ausgeführt worden. Das nannte man die Drifttheorie. Es iſt thatſächlich nicht immer leicht, die Wirkungen des Treibeiſes von denen der Gletſcher zu unterſcheiden. Vornehmlich durch das ver— gleichende Studium der glacialen Erſcheinungen in Skandi— navien wurde dann mehr und mehr die Anſchauung zur Geltung gebracht, daß alle glacialen Erſcheinungen des norddeutſchen Diluviums durch direkte Gletſcherwirkung entſtanden ſeien, und daß ſonach die Gletſcherdecke Skandi— naviens als ein gewaltiges und zuſammenhängendes In— landseis von den Küſten der baltiſch-ruſſiſchen Provinzen an bis nach Nordfrankreich hin ſich erſtreckt habe und in dieſer ganzen Breite mit variabeler Gletſcherſtirn vor— ſtoßend und ſchwindend, alle die Zeichen und charakteriſti— ſchen Bildungen hinterlaſſen habe, die man auch an jetzigen Gletſchern kennt. Das Studium der Gletſcher in den Alpen und die Erforſchung der grönländiſchen Inlands— eisdecke noch neuerdings (1883) wieder durch die Norden— ſkjöld ſche Expedition haben immer neues Material zur Ausdehnung der Gletſcherkunde geliefert. Ganz beſonders aber hat die gleichzeitig in Skandi— navien, in Großbritannien und Irland und in Deutſchland mit großem Eifer aufgenommene Erforſchung der geſamten ) J. Lehmann: Unterſuchungen über die Entſtehung der alt— kryſtalliniſchen Schiefergeſteine mit beſonderer Bezugnahme auf das ſächſ. Granulitgebirge zc. mit Atlas von 159 photogr. Abbildungen von Ober- natter in München und Grimm in Offenburg. Bonn. 1883. 80 Humboldt. — Februar 1885. glacialen Erſcheinungen die Gletſchertheorie ſehr weſentlich befeſtigt. Man fand nicht vereinzelt, ſondern in anſehnlicher Verbreitung die überaus charakteriſtiſchen Ablagerungen der ſog. Grundmoräne, jener in fein zerriebenem lehmigem oder ſandigem Material liegenden Blockanhäufungen, die auch am Boden der heutigen Gletſcher liegen. Man erkannte auch Anzeichen oberflächlicher Moränenwälle, die die Stirn der alten Gletſcherarme einſt geſäumt hatten, Blockan⸗ häufungen und Packungen von regelmäßigem Verlaufe und gewaltiger Erſtreckung. Die Bette der den jetzigen Fluß⸗ läufen entgegengerichteten alten Gletſcherbäche wurden wieder aufgefunden. Ganz beſonders aber waren von beweiſender Kraft die ſog. Gletſchertöpfe oder Strudellöcher, wie ſie an ver— ſchiedenen Stellen im norddeutſchen Tieflande nachgewieſen wurden, ſo durch Prof. Behrendt zuerſt in den Thon— lagern von Uelzen bei Hannover, dann auch an anderen Orten in Schleſien, Mecklenburg, in der Mark, und in weiter Verbreitung in der Lüneburger Heide). Endlich aber wurden auch echte Gletſcherſchliffe auf anſtehenden Ge— ſteinen in ziemlich allgemeiner Verbreitung in Norddeutſch— land nachgewieſen. Zuerſt wurden dieſelben von dem bekannten ſchwedi— ſchen Glacialgeologen O. Torell auf den Schichtenköpfen des Muſchelkalkes zu Rüdersdorf bei Berlin erkannt!). Torell hatte, von ſeinen Beobachtungen in Skandinavien und Grönland ausgehend, als einer der erſten die Anſicht ausgeſprochen, daß die einſtige Gletſcherbedeckung von dem ſkandinaviſchen Centrum ausgehend, einſt über das ge— ſamte norddeutſche Tiefland ſich erſtreckt habe. Die Beobachtung Torells über die Gletſcherſchrammen von Rüdersdorf fand ſpäter vollkommene Beſtätigung und bald vermehrte ſich die Zahl der Lokalitäten, an denen deutliche Gletſcherſchliffe zu erkennen ſind. Im Jahre 1879 fand ſie H. Credner, um die Kenntnis der glacialen Phänomene in Norddeutſchland und vornehmlich in Sachſen hochverdient, auf dem Quarz— porphyr des Dewitzer Berges bei Taucha, auf dem augit— führenden Quarzporphyr des kleinen Steinberges und auf benachbarten Kuppen. Auch die ſchon früher bekannten, viel umſtrittenen Schrammen auf den Porphyren der Hoh— burger Schweiz bei Wurzen werden nun ſicher als Gletſcher— ſchliffe erkannt. Später wurden 1880 durch Dathe auf dem Gneis— Granit von Lomatſch und 1883 auch auf einer Porphyr— kuppe bei Wildſchütz und endlich auf dem Quarzporphyr von Alt⸗Oſchatz in Sachſen Gletſcherſchrammen fonftatiert***). Ebenſo fanden fie ſich auf Septarien des Septarien— thones von Hermsdorf NNO von Berlin, und in dem— ſelben Thone öſtlich des Werbellinſees bei Joachimsthal. Aber auch weiter nach Weſten fehlen die Glacial— ſchrammen nicht. Nachdem man fie auf den Quarzporphyr⸗ kuppen der Umgegend von Halle und Landsberg gefunden, dann in der Gegend von Velpke und Danndorf NW'ö von Magdeburg, endlich, weit im Weſten von allen dieſen, auf ) Lauffer: Zeitſchr. d. deutſch. geol. Gey. 1883. 623. ) Zeitſchr. d. deutſch. geol. Geſ. 1875. 961. HZeitſchr. d. deutſch. geol. Geſ. 1883. XXXV. 831. den zur produktiven Steinkohlenformation gehörigen Sand⸗ ſteinen des Piedberges, eine Stunde nördlich von Osnabrück, ſind ſie ganz vor kurzem auch noch auf den zur Kulmformation gerechneten, in vielen Steinbrüchen ausgebeuteten Gand- ſteinen der Umgegend von Gommern und Plötzky bei Magde- burg durch F. Wahnſchaffe aufgedeckt worden). Denn die Geſchiebemergel oder die Grundmoräne lag hier un— mittelbar auf den Schichtoberflächen des harten Sandſteines und mußte daher erſt entfernt werden, um die Glacial⸗ ſchrammen zu entblößen. Auch die Beobachtungen über den Geſchiebemergel, die unter dem Eiſe von weither transportierte Grund- moräne, und die Lokalmoränen, die ſpäter durch Elbüber— ſchwemmungen umgelagert und mit ſüdlichem Geſteins⸗ material untermiſcht wurden, wie ſie Wahnſchaffe über den Sandſteinbänken zu machen Gelegenheit hatte, ſind von Wichtigkeit. Wahnſchaffe macht den erſten Verſuch, eine ver- gleichende Ueberſicht der aus den bisher bekannten Schram⸗ men ſich ergebenden Richtungen der Eisbewegung zu geben und graphiſch darzuſtellen. Dieſe Schrammenrichtungen führen auf eine vom ſkandinaviſchen Centrum divergent ausſtrahlende Bewegung und eine ebenſolche muß man notwendig annehmen, um die radiale Ausbreitung und die ſich kreuzenden Richtungen der Bewegung der unter dem Eis in der Grundmoräne transportierten Geſchiebe zu verſtehen. Es iſt leicht einzuſehen, daß, wenn ich eine größere Zahl von erratiſchen, ſkandinaviſchen Geſchieben, wie ſie in ganz außerordentlich dichter Häufung in manchen Ge— bieten vorkommen, auf ihren engbegrenzten Urſprungsort zurückzuführen vermag, ich ſo ebenfalls ein Syſtem von Strahlen erhalte, welche die heutigen Fundſtellen mit dem Urſprungsorte verbinden. Wenn ich eine größere Zahl ſolcher Linien ziehe, ſo gewinne ich aber ebenſo das Bild einer radialen Anordnung dieſer Strahlen, freilich ſehr häufig mit gegenſeitiger Durchkreuzung. Das ſetzt voraus, daß auch die Bewegungen der Eisſtrömungen ſich in den verſchiedenen Perioden geändert haben, wie dieſes ebenfalls durch neuere Unterſuchungen beſtätigt wird ). Derartige Kreuzungen ſind in den vielen eingehenden Arbeiten, welche ſich mit den Glacialgeſchieben der ver— ſchiedenen norddeutſchen Gebiete beſchäftigen, mehrfach nach— gewieſen worden. Neuerdings hat Not ling ***) den intereſſanten Nach—⸗ weis geliefert, daß die charakteriſtiſchen Silurgeſchiebe in Oſtpreußen weſentlich von eſthländiſcher, die weſtpreußiſchen dagegen vorwiegend von ſchwediſcher Abkunft ſind, und daß das Vorkommen der eſthländiſchen Geſchiebe abnimmt, je weiter man nach Weſten zu vorſchreitet, während die ſchwediſchen Geſchiebe beſtändig zunehmen und in der Mark Brandenburg das Uebergewicht erlangen. Mit ſolchen Thatſachen ſtehen denn auch die beobach— teten Schrammenrichtungen vollkommen in Uebereinſtim— mung. So deuten denn ſowohl dieſe, als auch der Transport ) Zeitſchr. d. deutſch. geol. Geſ. 1883. Litteraturangaben über alle früheren Funde. *) Wahnſchaffe, I. e. 844. ) Jahrb. der k. preuß. geol. Landesanſtalt für 1882. Berlin. 1883. XXXV. 831. Hier auch Humboldt. — Februar 1885. 81 der Geſchiebe auf einen während eines Abſchnittes der jog. Eiszeit von Schweden aus nach Süd vorrückenden und ſich fächerförmig im norddeutſchen Flachlande ausbreitenden Eisſtrom hin. Daß übrigens die Zone des erratiſchen Phänomens auch viel weiter nach Weſten ſich erſtreckt, als man bisher annahm, das beweiſt die Beobachtung des Herrn E. van den Broeck, der ein nordiſches Geſchiebe in der Ebene Flanderns gefunden hat. Für die Glacialgeologie überhaupt und insbeſondere für die Geſchichte der einſtigen Vergletſcherung der ſüd— bayeriſchen Hochebene und der bayeriſchen Alpen iſt von der größten Wichtigkeit eine umfangreiche Arbeit von A. Penks). [ Die Beobachtungen und Erörterungen ſind meiſt auch von großer Wichtigkeit für die glacialen Erſcheinungen des norddeutſchen Tieflandes. Auch aus den eingehenden Unterſuchungen, welche Penk vorzüglich am Inngletſcher ausgeführt hat, ergibt ſich die außerordentliche Wichtigkeit, welche die Grund— moräne für die Beurteilung von Glacialbildungen hat. Es wird die Ausdehnung der Grundmoräne vorzüglich als Grundlage gewonnen für die Erkenntnis der Ausbreitung ganz beſonders eines alten Inngletſchers und des früheren Zuſammenhanges aller einzelnen Eisſtröme, welche ſich in der Eiszeit in den nordwärts in die bayeriſche Hochebene aus den Alpen niedergehenden Thälerr befanden. So könnte man faſt von einer zuſammenhängenden Eisdecke reden, welche damals die ganzen ſüddeutſchen Alpen über— zog, ſo daß nur die höchſten Gipfel und Ketten darüber aufragten. Die einzelnen Eisarme, welche die bayeriſche Hoch— ebene erreichten, dehnten ſich nicht in gleichem Maße auf derſelben aus. Die Schuttablagerungen find darum keines— wegs gleichmäßig erfolgt. Am großartigſten zeigen ſich dieſelben da, wo das Ende eines Eisſtromes gelegen war, alſo in den Stirnmoränen. Hier liegt für jeden einzelnen der ſieben Gletſcher, welche bis in die Gegend der heutigen Hauptſtadt des Landes vordrangen, ein Endſaum, der aus einer vielhügeligen Moränenlandſchaft beſteht. Ganz beſonders wichtig iſt auch der Nachweis, daß die eigentlichen Endmoränen faſt ausſchließlich aus dem Materiale der Grundmoräne, d. i. alſo aus Gletſcherſchlamm und aus gekritzten Geſchieben beſtehen. Das hob ſchon Agaſſiz, der eigentlich als der Be— gründer der Lehre von der Eiszeit gelten muß (1837), als charakteriſtiſch für die Gletſcherausdehnung im Norden Europas hervor, daß der Hauptgeſteinstransport allenthalben unter dem Eiſe ſtattfindet. Eingehend werden auch die nur mittelbar mit dem Gletſcher im Zuſammenhang ſtehenden Bildungen unterſucht und erörtert, die Schotterablagerungen, wie ſie in Ver— oindung mit der Grundmoräne und infolge des Gletſcher— baches, manchmal als kegelförmige Schuttanhäufungen vor den Gletſcherenden ſich ablagern. Namentlich ſind auch von Intereſſe die Mitteilungen und Anſichten des Verfaſſers über die Bildung der ober— Die Vergletſcherung der deutſchen Alpen, ihre Urſachen, periodiſche Wiederkehr u. ihr Einfluß auf die Bodengeſtaltung. Leipzig. 1882. Humboldt 1885. bayeriſchen Seen und die Möglichkeit der glacialen Bildung von Seen überhaupt. Bekanntlich ſtehen ſich zwei Anſichten geradezu ent— gegen. Während die einen Forſcher glauben, daß das Gletſchereis gar keine ſo ſtarken Eroſionswirkungen aus— zuüben vermöge, daß man von einer Aushobelung der alpinen Seebecken durch die Gletſcher reden könne, daß vielmehr die Erfüllung eines Thales mit einem Gletſcher— ſtrome geradezu eine konſervierende, erhaltende Wirkung für dieſes habe, ſind andere Forſcher der Meinung, daß der Gletſcher thatſächlich in hohem Maße erodierend auf ſeine Unterlage wirke. Für die Seen in Oberbayern kommt der Verfaſſer zu dem Nachweiſe, daß jedenfalls die Zeit ihrer Entſtehung mit der Zeit der Gletſcherentfaltung zuſammenfalle. Hier— nach müſſen dieſelben als durch das Eis gebildet, erodiert angeſehen werden. Daß aber das Eis in der That eine erodierende Wirkung auszuüben vermöge, daß es zum Teil ſogar ſtärker exodiere, wie ein Gebirgsbach, dafür werden mancherlei Gründe angeführt. Jedoch iſt dieſe Frage noch keineswegs als abge— ſchloſſen zu bezeichnen, indem auch die von den Gegnern geltend gemachten Gründe durchaus beachtenswert er— ſcheinen. Thatſächlich ſind an den jetzigen Gletſchern Er— ſcheinungen einer Eroſion, d. i. einer wirklichen Zerſtücke— lung und Zerkleinerung des Untergrundes nicht nachzu— weiſen, der Gletſcher rundet ab und poliert, aber er zer— ſtört nicht, wie die Waſſereroſion dieſes thut. Bezüglich der Urſachen, welche zur Entwickelung einer Eiszeit mit einer ſo mächtigen Entfaltung von Gletſchern geführt haben, adoptiert Penk die von dem Engländer J. Croll neuerdings wieder in einer Reihe von Abhand— lungen dargelegte und verfochtene Anſicht, die ſchon J. Herſchel im Jahre 1830 andeutete ). Dieſe führt die großen klimatiſchen Aenderungen, wie ſie eine Eiszeit notwendig vorausſetzt, auf die Schwankungen in der Excentricität der Erdbahn zurück. Wenn die Erde eine vollſtändige Kreisbahn um die Sonne beſchriebe, ſo würde ſie in jeder Stellung ihrer Bahn in der gleichen Entfernung von der Sonne ſich be— finden. Wenn zudem die Bahn immer dieſelbe bliebe, ſo würde für beide Hemiſphären immer das gleiche Verhält— nis für Sommer und Winter obwalten. Die Bahn, welche die Erde um die Sonne beſchreibt, iſt aber eine Ellipſe und bleibt nicht immer dieſelbe, ſondern ſie ändert ſich innerhalb langer Zeitperioden. Jetzt iſt ſie ziemlich kreisähnlich, kann aber noch kreis— ähnlicher werden. Aber auch jetzt ſprechen wir von der Verſchiedenartigkeit der Stellung der Erde zur Sonne, in— dem wir ſagen, dieſelbe befinde ſich in der Sonnennähe oder Sonnenferne. Augenblicklich befinden wir uns am 1. Januar der Sonne um 670000 deutſche Meilen näher als am 1. Juli, d. h. wenn wir Winter haben, ſind wir in der Sonnennähe. Wir haben aber auch, weil ſich die Erde in der ſonnennäheren Hälfte der Bahn raſcher fort— bewegt als in der ſonnenfernen Hälfte, ein um 6 Tage kürzeres Winterhalbjahr, auf der ſüdlichen Halbkugel natürlich ) Climate and Time: a Theory of the Secular Changes of the Earth’s Climate. London. 1875, 11 82 Humboldt. — Februar 1885. ein ebenſoviel kürzeres Sommerhalbjahr. für die nördliche Halbkugel alſo milder und kürzer zugleich. Mit den Aenderungen in der Erdbahn, d. h. wenn dieſelbe die am ſtärkſten elliptiſche Geſtalt oder die größte Excentricität erreicht, kann der Fall eintreten, daß die eine Halbkugel die Sonne bis zu 36 Tagen länger über ſich hat, als die andere. Von der Einwirkung der Sonne, d. i. der Sonnen- wärme iſt aber die ganze Wärmecirkulation abhängig, wie jie in den herrſchenden Winden und den Meeresſtrömungen ſich vollzieht. Beide Bewegungen, in den Meeren und in der Atmoſphäre dienen eben nur der Verteilung und Aus— gleichung der Sonnenwärme. Wird alſo unter den vorhergehenden Vorausſetzungen die eine Halbkugel ſo beträchtlich länger von der Sonne erwärmt, als die andere, ſo müſſen auch viel größere klima— tiſche Differenzen auf beiden Halbkugeln entſtehen, als ſie 3. B. jetzt obwalten, wo die Erdbahn ziemlich kreisähnlich it. Die Meere der einen Halbkugel werden vorwiegend kalt, die der anderen vorwiegend warm ſein. Die eine Halbkugel hat dann ein kaltes Seeklima; es gewährt reich— liche Niederſchläge und niedrige Temperatur, das ſind die günſtigſten Bedingungen für die Gletſcherentfaltung. Das wäre eine Eiszeit für die eine Halbkugel. Nach abermaligem Verlaufe der Periode würden dieſelben Bedingungen für die andere Halbkugel eintreten. reer ee Der Winter iſt So müßten denn die Eiszeiten periodiſch wiederkehren und alternierend für die beiden Erdhälften abwechſeln. Wenn auch einzelne Anzeichen eine gewiſſe Periodicitat in der Gletſcherentfaltung zu ergeben ſcheinen, ſo fehlt doch der Nachweis von dem Vorhandenſein älterer Eiszeiten, als der einen, die wir in der Diluvialzeit finden, noch durchaus. Wenn auch in dieſer eine Interglacialepoche in charakteriſtiſchen Bildungen, welche zwiſchen den glactalen in der Mitte liegen, ſich erkennen läßt, ſo hat dieſe doch nur die Bedeutung einer einmaligen Schwankung und keineswegs einer regelmäßigen periodiſchen Wiederkehr. Ebenſowenig läßt ſich heute ein Alternieren der Eis⸗ zeit für die beiden Hemiſphären erweiſen. Die in Neu— ſeeland, Südamerika und anderen Theilen der ſüdlichen Hemiſphäre ſich findenden Spuren des glacialen Phano- mens zeigen zwar, daß dasſelbe auf beiden Hemiſphären eingetreten iſt, aber eine zeitliche Unterſcheidung der Bil- dungen in der Art, daß daraus ein periodiſches Alternieren mit Sicherheit zu folgern wäre, iſt einſtweilen noch nicht, möglich. Im Gegenteile machen ſie, geologiſch geſprochen, eher den Eindruck der Gleichzeitigkeit. Die Entſcheidung dieſer beiden Fragen, der periodi— ſchen Wiederkehr und des hemiſphäriſchen Alternierens der Eisentfaltung kann aber erſt die ſichere Baſis für die Feſtſtellung einer Theorie der Urſachen der Eiszeit ge— währen. e e e ee e TL 28. Bertram, Schulbotanik. Tabellen zum leichten Beſtimmen der in Norddeutſchland häufig wild wachfſenden und angebauten Pflanzen mit be— ſonderer Berückſichtigung der Ziergewächſe und der wichtigſten ausländiſchen Kulturpflanzen u. ſ. w. Zweite Auflage. Mit 200 in den Text einge— druckten Abbildungen. Braunſchweig, Bruhn. 1884. Preis 1 , 20 Verfaſſer beſpricht zunächſt die verſchiedenen Organe der Pflanzen ihrer Geſtaltung nach in zwar knapper, doch für die ſpätere Benutzung der Tabelle ausreichender Weiſe. Weniger ausführlich ſind dagegen die Kapitel über inneren Bau und das Leben der Pflanze, beide auf etwa 7 Seiten, behandelt. Der ausführlichſte Teil des Werkes iſt die Tabelle zur Beſtimmung der Blütenpflanzen, während die Kryptogamengruppen nur auf etwa 8 Seiten beſprochen werden. Für die Zwecke des Verfaſſers iſt es vollſtändig genügend, daß bei jener recht überſichtlich und praktiſch zuſammengeſtellten Tabelle die ſelteneren Arten ganz weg— gelaſſen ſind. Ebenſo iſt es gewiß recht verdienſtlich, daß hierbei auch auf die wichtigſten dem Auslande entſtam— menden Kulturgewächſe aufmerkſam gemacht wird. Nur möchte beiſpielsweiſe S. 56, 57 erwähnt werden, daß ſich die Aurantiaceen nicht an die Tiltaceen, ſondern beſſer an die Hypericageen anſchließen; die Büttneria— ceen nicht an die Hypericaceen, ſondern an die Tilia— ceen und Malvaceen, welche kurz vorher ſtehen; die Cedrelaceen mit Swietenig Mahagoni nicht an die Ampelideen. Auch die Betonung iſt wohl hie und da zu verbeſſern, wie z. B. S. 55 roséa, Trionum, S. 57 pseudoplatanus, während S. 112 richtig ſteht Plätanus. Auch möchte die Artenzahl für die Gruppe der Schmetter— lingsblätter S. 68 mit 3000 zu gering angegeben ſein u. ſ. w. Die Abbildungen ſind zwar in kleinem Maßſtabe, doch ſcharf und deutlich ausgeführt. Winke zur Anlegung eines Herbariums und Dispoſition und Beiſpiel einer Pflanzen— beſchreibung bilden den Schluß. Frankfurt a. M. Dr. H. Th. Geyler. Ernſt Krauſe, Herrmann Müller von Tipp- ſtadt. Ein Gedenkblatt. Nebſt einem Porträt Müllers in Autotypie. Lippſtadt, Rempel. 1884. Jeder Biologe wird dieſen warm geſchriebenen Lebensab- riß des berühmten Erforſchers der Wechſelbeziehungen zwiſchen Blumen und Inſekten, welcher uns leider zu früh durch den Tod entriſſen wurde, mit Intereſſe leſen. Wie H. Müller ſchon früh ſeine Lebensaufgabe erkannte und mit ſeltenem Fleiße und Energie durchführte, wird hier von Freundes— hand trefflich geſchildert und gewinnt durch Mitteilung ver— ſchiedener Briefe Darwins noch einen beſonderen Reiz. Der Ertrag der Schrift iſt beſtimmt für eine „Müller⸗ Stiftung“, welche zur Unterſtützung von Studierenden der Naturwiſſenſchaft dienen und ſo das Andenken des Verſtorbenen lebendig erhalten ſoll. Wir können daher nur auffordern, dies Gedenkblatt recht bald und recht viel zu kaufen. 5 Oldenburg. Dr. Friedrich Heincke. Wilhelm Rattle, Die Verbreitung der Pflanzen im allgemeinen und beſonders in Bezug auf Deutſchland. Hannover, Helwing. 1884. Preis 2% Anter Benutzung der einſchlagenden Arbeiten von Griſebach, Engler, H. Hoffmann, V. Hahn, v. Hoch— Humboldt. — Februar 1885. ſtetter, Thomé u. a. gibt Verfaſſer eine recht klar ge— ſchriebene, überſichtliche Darſtellung der verſchiedenen Fragen, welche mit der Verbreitung der Pflanzen überhaupt und insbeſondere für Deutſchland im Zuſammenhang ſtehen. Es werden nacheinander beſprochen die Aufgabe der Pflanzen— geographie, Vermehrungsfähigkeit, die klimatiſchen Varietäten, die Bedingungen der Verbrei— 0 „ tung und die hierzu dienenden Mittel, die Heimat der Pflanze; darauf in Bezug auf Deutſchland ſpeciell die An— ordnung aus phyſiſchen Urſachen, Verhalten der Flora zu den Nachbarländern, die alpine Flora, die Einwirkung der Menſchen und die Bereicherung der Pflanzenkultur durch fremde Völker und Länder. Der dritte und zugleich der größte Teil (S. 45— 118) ſtellt in ſyſtematiſcher Reihen— folge, von den Leguminoſen beginnend, die zahlreichen Kulturpflanzen zuſammen, welche nach Deutſchland aus anderen Ländern Europas, aus Aſien, Amerika, Afrika und Auſtralien im Laufe der Zeit gebracht worden ſind und bietet hier, zugleich unter Beifügung einer Menge intereſſanter Einzelheiten, ein bequemes Hilfsmittel, um ſich über die Abſtammung 2c. einzelner Arten zu unterrichten. Frankfurt a. M. Dr. . Th. Geyler. Gaston Planté, recherches sur l’Electricité de 1859 à 1879. Avec 89 figures dans le texte. Paris, aux bureaux de la revue de la lumiére electrique. 1883. Der berühmte franzöſiſche Phyſiker und Chemiker, der Erfinder der Accumulatoren, Profeſſor Gaſton Planté hat in dem vorliegenden Werke die Reſultate ſeiner mehr als zwanzigjährigen erfolgreichen Forſchungen auf dem Gebiete der Elektricitätslehre in ausführlicher und über— ſichtlicher Weiſe zuſammengeſtellt und dem Leſer ein ſehr klares Bild deſſen gegeben, was im Laufe dieſer Zeit ſich in dem Laboratorium Plantés in der Rue de Tour— nelles in Paris abſpielte. Das vorliegende Buch zerfällt naturgemäß in drei Abſchnitte: im erſten derſelben wird über die Accum u— lation und die Transformation der elektri⸗ ſchen Kraft der Voltaſchen Säule mit Zuhilfenahme der Sekundärbatterien gehandelt; es werden an dieſer Stelle nach einer einleitenden hiſtoriſchen Skizze über das Studium der Polariſationserſcheinungen die Reſultate, welche Planté mit Voltametern, in denen die mannigfachſten Elektroden zur Anwendung gebracht waren, erhielt, ſo eingehend als über— haupt nur möglich dargeſtellt. Wie der franzöſiſche Forſcher allmählich zur Anwendung von Bleiplatten in ſeinen Accu— mulatoren gelangte, wie dieſe Bleiplatten auf elektro— chemiſchem Wege präpariert werden müſſen (die ſogenannte „Formation“ der Elektroden), damit der beſtmög— liche Effekt erzielt werde, welche Mittel angewendet werden können, um die Accumulatoren zu laden, dies wird im zweiten Kapitel des erſten Abſchnittes gezeigt. Im dritten Kapitel desſelben Abſchnittes werden noch die Quantitäts- und Intenſitätsſchaltungen der Sekundärele— mente beſprochen und einige Inſtruktionen bezüglich des Gebrauches der Accumulatoren gegeben. Der zweite Teil des Werkes umfaßt die Dar— ſtellung der Anwendungen der Sekundärele— mente in der Medizin (Galvanokauſtik, Beleuchtung der Körperhöhlen), zur Entzündung der Minen, im häuslichen Gebrauche (briquet de Saturne), in der Erzeugung und Teilung des elektriſchen Lichtes, zur Hervorrufung phyſio— logiſcher Effekte u. ſ. w. Der Praktiker wird die hier erwähnten Anwendungen der Sekundärelemente für geringfügig anſehen gegenüber den für die Theorie und Spekulation weſentlichen Ver— ſuchen, welche Planté mit elektriſchen Strömen von äußerſt hoher Spannung (es wurden 200—800 ſeiner Accu— mulatoren in dieſen Experimenten nach Intenſität ge— ſchaltet) angeſtellt hat und deren Anordnung und Ergebnis er im dritten Abſchnitte darſtellt. Was Plants hier Migrationsfähigkeit, Vegetationscentren, die natürlichen Floren und ihre Grenzen, 83 erwähnt, iſt durchwegs originell; die Erzeugung von Kugelflammen, von Waſſerkugeln, die Hervorrufung der elektriſchen Springflut, die Volta ſche Pumpe, die elek— trodynamiſchen Spiralerſcheinungen, ſowie die krater— förmigen Durchbohrungen von angefeuchtetem Fließpapier und andere merkwürdige Erſcheinungen beanſpruchen ſicher— lich das größte Intereſſe des Experimentalphyſikers, ebenſo wie des Theoretikers. Vom letzteren überzeugt uns der nun folgende Abſchnitt, in welchem die Analogieen der betrachteten Phänomene mit einigen Naz turerſcheinungen hervorgehoben werden: durch die Aehnlichkeit der Laboratoriumserſcheinungen — um kurz zu ſein — mit den Naturphänomenen geleitet hat Plant é Schlüſſe gezogen, die für die Theorie der letztgenannten Erſcheinungen belangreich ſind. Gerade in dem Ziehen dieſer Schlüſſe zeigt ſich Planté als tiefer Denker einer— ſeits, anderſeits aber auch als mit jener Eigenſchaft be— gabt, die dem Franzoſen beſonders eigen iſt, der Phantaſie. Es jet in dieſem kurzen Referate des Plant éſchen Werkes nur erwähnt, daß die Erklärungen der Kugelblitze, des Hagels und deſſen Nebenerſcheinungen, der Tromben, Nordlichter, der Nebelſpiralen und Sonnenphänomene nichts Erzwungenes enthalten und trefflich den Beobach— tungen entſprechen. Vorzüglich auf dieſen Abſchnitt ſei die Aufmerkſamkeit der Meteorologen und Aſtrophyſiker gelenkt. Die Meinungen anderer Forſcher unterſchätzt Planté niemals, im Gegenteile citiert er dieſelben ge— wiſſenhaft an den entſprechenden Stellen. Im weiteren Verlaufe des Werkes beſchreibt Planté in eingehender Weiſe die Einrichtung und Wirkungsweiſe der von ihm konſtruierten rheoſtatiſchen Maſchine, welche im allgemeinen ein Syſtem von Kondenſatoren dar— ſtellt und eine vollſtändige Transformation der Kraft der Volta-Säule und die Erzeugung einer Spannung geſtattet, welche jener der ſtatiſchen Elektricitätsapparate gleichkommt. Insbeſondere ſind es die Lichterſcheinungen der Quantitäts- und Intenſitätsfunken der rheoſtatiſchen Maſchine, welche Planté mit großer Ausführlichkeit beſchreibt und die mannigfache neue Geſichtspunkte er— öffnen. 5 Aus ſeinen Unterſuchungen hat ſich Planté eine Anſicht über die Natur deſſen gebildet, was unter ehek— triſcher Strömung zuſammengefaßt wird. Im Schluß— abſchnitte, in welchem die Analogieen zwiſchen den elektriſchen Erſcheinungen und den Wirkungen, wie ſie durch rein mechaniſche Kräfte hervorgerufen werden, dar— gelegt werden, in welchem ferner die auf die Natur der Elektricität bezugnehmenden Schlüſſe aus den Unterſuchungen gezogen werden, ſpricht ſich Planté deutlich genug über letzteren Punkt aus: „Die Elektricität kann als eine Bewegung der ponderablen Materie be— trachtet werden und zwar — wenn es ſich um die elektriſche Entladung handelt — als eine fortſchreitende Bewegung einer ſehr geringen Maſſe, die aber eine ſehr große Geſchwindig— keit beſitzt, andererſeits aber als eine ſehr raſche Vibrationsbewegung der materiellen Moleküle, wenn es ſich um die dynamiſche Fernwirkung oder um die ſtatiſche Ladung an der Oberfläche der Körper handelt.“ So ungefähr lauten die Worte, mit welchen Planté ſeine ſchöne und ſicherlich belangreiche Schrift ſchließt. Wenn auch die Plantéſchen Accumulatoren heutigen tages überholt ſind, werden die Unterſuchungen dieſes em ſigen Forſchers nicht nur einen hiſtoriſchen Wert beſitzen, ſondern dem Elektrotechniker genug Winke bei ſeinen dies— bezüglichen Arbeiten geben. Ohne Zweifel wird das Werk von Planté dem Experimentator eine ebenſo willkom— mene Gabe darſtellen, wie dem Manne der theoretiſchen Forſchung. Die logiſch konſequenten Entwickelungen bilden gleich— zeitig ein äußerſt gelungenes Bild induktiver Forſchung. Wir wünſchen dem Buche recht viele Leſer und eine viel— fache Nachahmung der Verſuche. Wien. Prof. Dr. J. (5. Wallentin. 84 Humboldt. — Februar 1885. K. W. Zenger, Die Spannungselektricität, ihre ö Geſetze, Wirkungen und techniſchen Anwen- dungen. Mit 86 Abbildungen. Wien, A. Hart⸗ leben. 1884. Preis 3 %H Das vorliegende Buch bildet den 19. Band der im Verlage von Hartleben erſchienenen elektrotechniſchen Bibliothek und umfaßt nebſt einer hiſtoriſchen Einleitung die Darſtellung der Grundgeſetze der Spannungs- elektricität, die Beſchreibungen der vorzüglichſten Er— reger der ſtatiſchen Elektrieität (Reibungs- und Influenzelektriſiermaſchine), die Erörterung der Wir— kungen der Spannungselektricität, wobei durch— weg auf die elektrotechniſchen Anwendungen Rück— ſicht genommen wird. Der Verfaſſer hat auf die in jüngſter Zeit gemachten Beobachtungen den Leſer aufmerkſam ge— macht, ebenſo die neueſten zur Erklärung der Erſcheinungen dienlichen Hypotheſen berückſichtigt. Er iſt auch der rech— nenden Theorie nicht aus dem Wege gegangen, ſondern hat — wenn notwendig — dem Kalkül ſein Recht wider— fahren laſſen. An ſehr vielen Stellen iſt er den Forſchungen Mascarts gefolgt, welche dieſer vielſeitige Gelehrte in ſeinen Abhandlungen über ſtatiſche Elektricität publizierte. Wenn auch das vorliegende Buch keinen ausgeſpro— chenen theoretiſchen Charakter beſitzt, ſo wurde dennoch den Ergebniſſen und der Entwickelung der Theorie — wie nur billig — vollkommene Aufmerkſamkeit geſchenkt. Ebenſo ſind es die Meßinſtrumente, welche der Verfaſſer, an manchen Stellen vielleicht zu extenſiv, dem Leſer vorführt. — Gewünſcht hätte der Referent, daß dem Begriffe der Dielektricitätskonſtante und der Beſtimmung der— ſelben der Verfaſſer etwas näher gerückt wäre. Die von Faraday in die Wiſſenſchaft eingeführte Dielektricitäts— konſtante oder das ſpecifiſche Induktionsvermögen ſpielt ſowohl in theoretiſcher als auch in praktiſcher Hinſicht eine ſo wichtige Rolle, daß auch auf die neueren Beſtimmungs— methoden derſelben wenigſtens in einigen Worten hätte hingewieſen werden ſollen. Unter den techniſchen Anwendungen der Span— nungselektricität, welche allerdings in bedeutend geringerer Zahl als jene der galvaniſchen und Induktionselektricität vertreten find, findet man recht ausführlich die Min en— ſprengung behandelt und hier vorzüglich die Spreng— apparate von Baron Ebner und jene des Verfaſſers ſelbſt berückſichtigt. Die Ausſtattung des Buches iſt eine vortreffliche, zahlreiche Illuſtrationen leiſten dem Verſtändniſſe der ein— zelnen Partien Vorſchub. Wien. Prof. Dr. J. G5. Wallentin. Carl Ackermann, Beiträge zur phyſiſchen Geo- graphie der Offfee. Mit einer Tiefenkarte und fünf lithographierten Tafeln. Hamburg, Otto Meißner. 1883. Preis 10% Der großen Mehrzahl der Forſcher, welche die Reſul— tate gewiſſer phyſikaliſch-geographiſcher Einzelforſchungen ſtetig zu verwerten genötigt und doch nicht in der Lage ſind, die bezüglichen Originalwerke ſelbſt immer zu Rate zu ziehen, dürfte der Verfaſſer durch ſein Buch eine an— genehme Gabe überreicht haben. Dasſelbe zerfällt in vier, unter ſich nur äußerlich zuſammenhängende Beſtandteile. J. Morphologiſches. Die oceanographiſche Stellung der Oſtſee wird charakteriſiert, ihre „Zugangstiefen“ und „Zugangsbreiten“ werden beſtimmt, wobei wir bemerken wollen, daß der letztgenannte Begriff nicht ſowohl von Krümmel, als vielmehr von Zöppritz (in deſſen Re- cenſion der erſten Krümmelſchen Arbeit) formuliert worden iſt. Hierauf teilt der Verfaſſer das von ihm be— trachtete Areal in paſſende Untergebiete ein und gibt für jedes derſelben die genauen Tiefenverhältniſſe an. Die einzelnen Iſobathen werden ihrem ganzen Verlaufe nach beſchrieben, dagegen enthält ſich der Verfaſſer, vermutlich im Hinblick auf die Mangelhaftigkeit des Materiales mit Recht, für das geſamte Meer die mittlere Tiefe zu eruieren. II. Geologiſches. An konkreten Beiſpielen wird ge— zeigt, wie unter der Einwirkung der Brandungswoge, deren hohe geologiſche Bedeutung v. Richthofens „China“ uns erſchloſſen hat, Steinriffe ſich bilden, Landmaſſen ſich abtrennen, wie dann dieſer letztere Vorgang ſelbſt wieder die Entſtehung ſogenannter „Baumſtubben“ im Gefolge hat, wie endlich auch die Driftthätigkeit des Eiſes die Stein⸗ gründe mit herſtellen hilft. Dieſer zerſtörenden Aktion des Meeres ſteht ſeine landbildende gegenüber; wir lernen den Aufbau der Dünen, deren geographiſche Verteilung und ihre Wanderung kennen, verfolgen den Entſtehungsprozeß von Buchten und Strandſeen, reſp. Strandmooren und übertragen die hier gewonnenen Erfahrungen auch auf die Phänomene der Alluvion im offenen Meere, welcher die Sandbänke und Sandriffe ihre für den Seemann oft wenig erfreuliche Exiſtenz verdanken. Der Verfaſſer unterſucht weiter die mächtigen Wirkungen der Sturmfluten und führt eine Menge geſchichtlich intereſſanter Beiſpiele an. Dieſen ephemeren Reſultaten des niemals raſtenden Wechſelſpieles dynamiſcher Wirkungen und Gegenwirkungen werden nun— mehr die ſäkulären gegenübergeſtellt; Hebung und Senkung der einzelnen Küſtenteile werden ſorgfältig regiſtriert. Der Verfaſſer wendet ſich dann der geologiſchen Vorzeit zu, vergleicht die Drift- mit der Gletſchertheorie, welch letzterer er den Vorzug gibt, und ſucht die ehemaligen Grenzen des Baltiſchen Meeres zu ermitteln. Eine Reihe von Waſſer— anſammlungen erklärt er als Relikten-Seen, doch gibt es auch Seen, die man trotz mancher Kennzeichen nicht in dieſe Kategorie aufnehmen darf. 5 III. Phyſikaliſches. An erſter Stelle erhalten wir eine treue und detaillierte Individualbeſchreibung der Meeres— ſtrömungen, ſowohl der ſelbſtändigen, als der vom Stande der Himmelskörper abhängigen, denn auch dieſe ſind vor— handen, und es bleibt der Forſchung noch vorbehalten, den eigentlichen Grund für ihre Geringfügigkeit ausfindig zu machen. Salzgehalt und Gasgehalt der Gewäſſer der Oſtſee in deren verſchiedenen Teilen werden tabellariſch vorgeführt. Sodann ſchildert der Verfaſſer die Sturmgebiete ſeines Territoriums, die Beeinfluſſung der Strömungsverhältniſſe durch die Stürme und die vom Luftdruck abhängigen Ni— veauſchwankungen. Sehr verdienſtlich ſind ferner die ein— gehenden Unterſuchungen, welche er über die Beziehungen zwiſchen der Lage der Oſtſee und der Temperatur der um ihr Becken herumliegenden Länder anſtellt. Namentlich billigen wir es, daß auf die Vereiſung und Enteiſung der tributären Ströme Rückſicht genommen wurde, als auf einen klimatologiſchen Faktor, der in Hanns klaſſiſchem Werke ent— ſchieden zu kurz gekommen iſt. Soweit wir ſehen, ward vom Verfaſſer die vorhandene Litteratur fleißig benutzt, und wir haben als nicht berückſichtigt nur zu bemerken eine Ab— handlung des ſchwediſchen Hygieinikers Curman, in wel- cher die abnorme Krümmung der an der ſchwediſch-norwegi— ſchen Grenze verlaufenden Iſothermen kauſal begründet wird. IV. Biologiſches. Zur Beurteilung dieſes offenbar ſehr gründlich gearbeiteten tiergeographiſchen Abſchnittes fühlt ſich Referent leider nicht kompetent. Alles in allem aber kann er nur ſeiner Befriedigung darüber Ausdruck geben, daß durch das vorliegende Buch eine Fülle wichtiger Thatſachen, um deren Feſtſtellung ſich namentlich die zur Erforſchung der Oſtſee niedergeſetzte Kommiſſion (Karſten, Meyer, Moebius, Henſen) hohe Verdienſte erworben hat, weiteren Leſerkreiſen in an— genehmer Form zugänglich gemacht worden iſt. Ansbach. Prof. Dr. S. Günther. Eugen Huſſak, Anleitung zum Veſtimmen der geſteinsbildenden Mineralien. Mit 103 Holz⸗ ſchnitten. Leipzig, W. Engelmann. 1885. Seit dem Erſcheinen der letzten ausführlicheren Lehr— bücher der Petrographie iſt durch eine große Zahl von Einzelarbeiten auf dieſem Gebiete namentlich auch die Methodik der Geſteinsunterſuchung außerordentlich gefördert worden. Das vorliegende, für den Gebrauch der Studie— renden zunächſt beſtimmte Buch wird daher einem fühl— Humboldt. — Februar 1885. 85 baren Bedürfniſſe gerecht, indem es die bezüglichen Rejultate der zerſtreuten Einzelarbeiten zuſammenfaßt und für die praktiſche Verwendung bequem ordnet. Der Verfaſſer war zu der Abfaſſung um ſo mehr befähigt, als er ſelbſt durch eine Reihe petrographiſcher Arbeiten auf das vorteilhafteſte ſich bekannt gemacht hat. Das Buch zerfällt in zwei Teile. Im erſten werden die Methoden der petrographiſchen Unterſuchung zuſammen— geſtellt und ausführlich behandelt: die Darſtellung der Präparate, das Mikroſkop und ſeine Behandlung, die opti— ſchen, mikrochemiſchen und mechaniſchen Methoden der Mi— neralbeſtimmung hier in überſichtlicher und klarer Weiſe erläutert. Den Schluß des erſten Teiles bildet ein Ab— ſchnitt über die morphologiſchen Eigenſchaften der geſteins— bildenden Minerale, über Einſchlüſſe, Art der Verwachſung und Zerſetzungserſcheinungen derſelben. Der zweite Teil iſt ganz tabellariſch behandelt. Eine Tafel zur Beſtimmung der Kryſtallſyſteme macht den An— fang; daran ſchließen ſich ausführliche Tabellen zur Be— ſtimmung der Gemengteile. Dem Verfaſſer haben dabei offenbar Tabellen wie die zur chemiſchen Analyſe und chemiſchen Beſtimmung auch der Minerale gebräuchlichen vorgeſchwebt. Aber während bei dieſen doch ſtets die leich— teſten und einfachſten Erkennungszeichen zur Abzweigung der Hauptabteilungen dienen, iſt dieſes hier nur für die Hauptgruppen (A. in Dünnſchliffen undurchſichtige, B. durch— ſichtige Minerale, und dieſe letzteren J. einfach brechende, II. doppelbrechende) der Fall. Dann wird der Charakter der Doppelbrechung als weiterer Einteilungsgrund benutzt. Die Beſtimmung aber, ob ein Mineral optiſch poſitiv oder negativ ſei, wird namentlich in Geſteinsdünnſchliffen nur in ganz beſonders günſtigen Fällen leicht ſein, denn dieſe ſetzt voraus, daß man ein deutliches Interferenzbild erhält, was doch nur bei beſonderer Lage des Schnittes möglich iſt. Darauf eine Haupteinteilung zu gründen, will dem Referenten nicht recht praktiſch erſcheinen. Ueberhaupt will ihm ſcheinen, als ob das Princip der tabellariſchen Methode in ſeiner praktiſchen Verwendbarkeit für die Mineralbeſtim— mung an nicht iſolierten Mineralblättchen, alſo in Geſteins— dünnſchliffen, doch ſehr beſchränkt ſei. Es wäre vielleicht ebenſo zweckmäßig geweſen, die Minerale im zweiten Teile nach Syſtemen geordnet einfach nacheinander mit ihren wichtigſten Charakteren zu beſchreiben. Die Ueberſichtlich— keit würde dadurch eher gewonnen als verloren haben. Jedenfalls wäre viel Raum geſpart worden. Der Brauchbarkeit der überaus ſorgfältigen und fleißi— gen Zuſammenſtellung thut das keinen weſentlichen Ein— trag, da man das zur Charakteriſtik jedes Minerals Not- wendige doch auch in den Tabellen bei einander findet. Den Schluß bildet ein ausführliches Litteraturverzeich— nis, nach den Mineralen geordnet, welche in den einzelnen Arbeiten behandelt werden. Es kann dieſe „Anleitung“ den Studierenden nur an— gelegentlichſt empfohlen werden. Die Verlagsbuchhandlung hat wie immer für eine treffliche Ausſtattung geſorgt, 50 Figuren im Text und 53 auf 4 Tafeln erläutern wich— tigere Verhältniſſe der optiſchen Orientierung und Mor— phologie. Bonn. Prof. Dr. v. Laſaulx. Ed. Strasburger, Das kleine botaniſche Yrakti- Rum für Anfänger. Anleitung zum Selbſt— ſtudium der mikroſkopiſchen Botanik und Ein— führung in die mikroſkopiſche Technik. Mit 114 Holzſchnitten. Jena, Fiſcher. 1884. Preis 6 A. Während das vor ungefähr einem halben Jahre er— ſchienene „Botaniſche Praktikum“ desſelben Verfaſſers ſo wohl für den Anfänger als für den Geübteren beſtimmt war, haben wir es in dem vorliegenden Buche, das in allem auf das ausgezeichnetſte ausgeſtattet iſt, gewiſſer maßen mit einer kompendiöſeren Ausgabe zu thun, die nur den Bedürfniſſen des Anfängers Rechnung trägt. Es iſt das indeſſen nicht ſo aufzufaſſen, als ob mit ihr nur ein Auszug des größeren Werkes gegeben ſei, es iſt eine durch und durch ſelbſtändige Arbeit. Das „Kleine botaniſche Praktikum“ bietet allen in der umfaſſendſten Weiſe Ge⸗ legenheit, fic) mit den Grundlagen der wiſſenſchaftlichen Botanik vertraut zu machen, indem es gleichzeitig auf die angenehmſte Weiſe in die heutzutage fo enorm vorge- ſchrittene allgemein mikroſkopiſche Technik einführt. Es geſchieht das letztere in einer Weiſe, die nicht nur bota- niſche Rückſichten nimmt; iſt doch, wie Verfaſſer richtig hervorhebt, für jeden, deſſen Lebensberuf ein Vertrautſein mit der mikroſkopiſchen Technik erfordert, zunächſt der Be- ginn mit dem Studium botaniſcher Objekte wünſchenswert, um nicht zu ſagen naturgemäß. — Das geſamte Material iſt in unſerem Buche auf 32 Penſen verteilt (gegenüber 34 des größeren Werkes), und ſoll während eines Uni— verſitäts-Semeſters in ebenſoviel je mehrſtündigen Uebungen bewältigt werden können, was allerdings nach des Referenten Erfahrungen nicht überall durchzuführen ſein dürfte. Auch noch in dieſer Beſchränkung ſcheint dem Anfänger zu viel geboten zu werden, als daß nicht vor Einzelheiten hin und wieder der innere Zufammenhang verloren werden könnte. Es iſt das indes kein Mangel, ſondern eher ein Vorzug, da ja der Autodidakt nicht an eine ſo beſchränkte Zeit ge— bunden zu ſein pflegt und an der Hand des die mikro— ſkopiſchen Uebungen Leitenden leicht einzelne Partien über— gangen werden können. Das erſte Penſum ſetzt völlige Unkenntnis der zu benutzenden Inſtrumente voraus, die Schwierigkeiten der Aufgabe ſteigern ſich dann mit den folgenden Penſen kontinuierlich, aber ſtets in gemeſſener Abſtufung. Kaum ein wichtigeres Gebiet der mikroſkopi⸗ ſchen Botanik iſt ausgeſchloſſen. Allerdings ſind gewiſſe botaniſche Kenntniſſe vorausgeſetzt, wie ſie etwa die Be— kanntſchaft mit einem der neueren Lehrbücher oder eine Vorleſung gewähren. Die zu unterſuchenden Pflanzen oder Pflanzenteile ſind ſo ausgewählt, daß ſie faſt für jeden leicht und immer zu beſchaffen ſind, und auch die bequeme Benutzung von Alkoholmaterial wird in vielen Fällen an die Hand gegeben, unterſtützt durch Anweiſungen über den Zuſtand, in dem es zur Verwendung zu gelangen hat. Auch die nötigen Reagentien ſind genau angegeben und Bezugsquellen für dieſelben angeführt. Was dem Buch einen beſonderen Vorzug verleiht, iſt das Heranziehen der Unterſuchungsmethoden für Bakterien, die in neuerer Zeit jo ungeheure Wichtigkeit erlangt haben und zu den fompli- zierteſten Verfeinerungen gelangt ſind. Natürlich mußte dabei auf eine Erſchöpfung dieſes umfangreichen Gebietes verzichtet werden, indeſſen ſind die gemachten Angaben völlig ausreichend, um den Beobachter zu jeder Unterſuchung dieſer Art inſtandzuſetzen. Die Figuren ſind vom Verfaſſer nach der Natur ge— zeichnet; ſie decken ſich größtenteils mit denen des größeren Werkes. Die Darſtellung iſt überall eine lebhafte und äußerſt anſprechende, die Ausſtattung, wie ſchon erwähnt, eine in jeder Beziehung vorzügliche. Jedem, der mit mifro- ſkopiſchen Arbeiten zu thun hat, iſt das Buch auf das an— gelegentlichſte zu empfehlen, wie denn auch nicht zu zweifeln iſt, daß es ſehr bald ein unentbehrliches Hilfsmittel beim Unterricht und Selbſtſtudium geworden ſein wird, was durch die Niedrigkeit des Preiſes (6 M.) noch in hohem Grade erleichtert iſt. Erlangen. Dozent Dr. C. Tiſch. Schmidlin- Zimmermann, Illuſtrierte Botanik oder gemeinfaßliche Anleitung zum Studium der Pflanze und des Pflanzenreiches. Vierte gänzlich neu bearbeitete Auflage von Dr. O. E. R. Zimmermann. Zwei Teile. Mit vielen Holz— ſchnitten und 62 kolorierten Tafeln. Leipzig, Oehmigke. 1884. Preis 24 MH Die freilich ſeltene Thatſache, daß gewiſſe Werke immer und immer wieder trotz aller Fortſchritte der Wiſſenſchaften eine neue Auflage erleben, erfordert es, daß wir dieſen auch eine beſondere Aufmerkſamkeit zu wenden. Dem vorliegenden Werke gegenüber iſt man 86 Humboldt. — Februar 1885. freilich in Verlegenheit zu ſagen, wer der neuen Auflage mehr zu ihrem Anſehen verholfen hat, der Name Schmid⸗ lin, der leider ſchon längſt heimgegangene Vater des Werkes oder der Name des jetzigen Autors. Ich ſage abſichtlich Autor und nicht Herausgeber, denn Zimmer- mann, ſelber als Botaniker wohl bekannt, kann das Werk der vierten Auflage in vollem Umfange als ſein geiſtiges Eigentum bezeichnen. Die Vorteile, welche dieſes Buch namentlich bietet, beruhen in der Tendenz, die Pflanze nicht bloß als ein Ding an ſich zur Anſchauung zu bringen, ſondern auch die Kenntnis zu vermitteln von ihren mannigfachen Be— ziehungen zum Boden, der ſie ernährt; zu den Genoſſen mit, neben oder auf denen ſie vegetiert; zu den Tieren, mit welchen ſie in Berührung kommt und die ihr im Kampfe ums Daſein fördernd zur Seite oder feindlich gegenüberſtehen; zu dem Menſchen, welcher ſie ſo allſeitig verwendet und durch ſeine Züchtung in beinahe ſchöpfe— riſcher Weiſe umgeſtaltet. Dieſer Grundſatz zeigt ſich ſowohl in dem allgemeinen erſten Teil, der auf alle neuen Erforſchungen gebührend Rückſicht nimmt, als auch im zweiten Teile, der eine ſpe— cielle Botanik genannt werden kann, die ſogar zum Be— ſtimmen der Pflanzen ſehr geeignet iſt. Es iſt nämlich für Phanerogamen das ganze deutſche Gebiet faſt voll— ſtändig berückſichtigt, und dann iſt eine Reihe von Ab⸗ bildungen zum weitern Verſtändnis beigegeben, ſowohl im Texte, die namentlich für Kryptogamen wertvoll ſind, als auch für Phanerogamen auf 62 Tafeln, welche trotz ihrer zarten Kleinheit ſo glücklich den Habitus einer Pflanze treffen, daß die Ausführung geradezu eine künſtleriſche genannt werden muß. Das Werk iſt wie ſelten eines geeignet — Lenz macht ihm vielleicht in ſeiner Weiſe Konkurrenz — aus dem Stande der gebildeten Laien Botaniker heranzuziehen. Memmingen. Dr. Hans Vogel. Bibliographie. Bericht vom 16. November bis 51. Dezember 1884. Allgemeines. Viographieen. Abendroth, W., Leitfaden der Phyſik mit Einſchluß der einfachſten Lehren der Chemie und mathemat. Geographie. 2. Band. Kurſus der Unter— und Oberprima. Leipzig, S. Hirzel. M. 4. Abhandlungen der naturforſchenden Geſellſchaft zu Görlitz. 18. Band. Görlitz, E. Remer's Buchhandlung. M. 6. Acta, nova, academiae caesareae Leopoldino-Carolinae germa- nicae naturae curiosorum. — Verhandlungen der kaiſerl. Leopol- diniſch⸗Caroliniſch deutſchen Akademie der Naturforſcher. 46. Band. Halle. Leipzig, W. Engelmann. M. 35. Bericht, 4., der Commiſſion zur wiſſenſchaftlichen Unterſuchung der deutſchen Meere in Kiel f. d. Jahre 1877—1881. Herausgeg. v H. A. Meyer, K. Möbius, G. Karſten ꝛc. 7-11. Jahrg. 3. (Schluß—) Abtheilung. Berlin, P. Parey. M. 12. Denkſchriften der kaiſerl. Akademie der Wiſſenſchaften. Mathematiſch⸗ naturwiſſenſchaftl. Claſſe. 48. Band. Wien, Gerold's Sohn. M. 45. Fauna u. Flora des Golfes v. Neapel und der angrenzenden Meeres- abſchnitte. Herausgeg. von der zoolog. Station zu Neapel. 10 — 12. Monographie. Leipzig, W. Engelmann. M. 200. Kirchner, O., u. F. Blochmann, Die mikroſkopiſche Pflanzen- u. Thier⸗ welt des Süßwaſſers. 1. Theil. Braunſchweig, Gebrüder Häring. Cart. M. 10. Plüß, B., Naturgeſchichtliche Bilder f. Schule und Haus. 2. Aufl. Freiburg, Herder'ſche Verlagsbuchhandlung. M. 4. Geb. in Lein- wand. M. 6. Secchi, A., Die Einheit der Naturkräfte. Ein Beitrag zur Naturphilo⸗ 55 555 Ueberſ. v. R. L. Schulze. 2. Aufl. 5. Ifg. Leipzig. P. Frohberg. M. 2. Sitzungsberichte der kaiſerl. Akademie der Wiſſenſchaften. Mathematiſch⸗ naturwiſſenſchaftl. Claſſe. 2. Abtheilung. Enthaltend: die Abhand⸗ lungen aus dem Gebiete der Mathematik, Phyſik, Chemie, Mechanik, Metcorologie u. Aſtronomie. 90. Band. 1. u. 2. Heft. Wien, Gerold's Sohn. M. 5. 60. N Wandtafeln f. den naturgeſchichtlichen Unterricht an Volks- u. Bürger⸗ ſchulen, auf Grundlage der Leſebücher bearbeitet v. A. Hartinger. 1. Abtheilung: Zoologie. 6. Ljg. Wien, C. Gerold's Sohn. M. 8 Aufgezogen auf Pappe, gefirnißt u. mit Oeſen. M. 12. Wolf's naturwiſſenſchaftlich-mathematiſches Vademecum. Suppl. zur 3. Aufl., die Erſcheinungen der Jahre 1882-1884 umfaſſend. Leipzig, Wolf, Verlag. M. —. 80. DhHvyfik, Phyſikaliſche Geographie, Meteorologie. Chavanne, I., Phyſikaliſch⸗ſtatiſtiſcher Hand⸗Atlas v. Oeſterreich⸗Ungarn. 6. Ga. Wien, E. Hölzel's Verlag. M. 7. Fiſcher, A. L., Die Sonnenflecken u. das Wetter. 4. Heft. Beobachtungen ſeit 1. Juli 1883. Erfurt, C. Villaret. M. 1. 69. Fortſchritte, die, der Meteorologie. 1884. Köln, E. H. Mayer. M. 2. Fortſchritte, die, der Phyſik im Jahre 1878. Dargeſtellt v. der phyſikal. Geſellſchaft zu Berlin. 34. Jahrgang. Red. v. Neeſen. 3. Ab⸗ theilung, enthaltend Phyſik der Erde. Berlin, G Reimer. M. 12. Klein, H. J., Praktiſche Anleitung zur Vorausbeſtimmung des Wetters. Leipzig, G. Freytag. M. — 75. Peſchel's, O., phyſiſche Erdkunde. Nach den hinterlaſſenen Manu⸗ ſeripten ſelbſtſtändig bearb. u. herausg. v. G. Leipoldt. 2. Aufl. 7. Lieferung. Bern. J. Dalp'ſche Buchhandlung. M. 2. Repertorium der Phyſik. Herausgegeben von F. Exner. 20. Band. (12 Hefte.) 1 Heſt. München, R. Oldenbourg. Pro cplt. M. 24. Verhandlungen der vom 15. bis zum 24 October 1883 in Rom abge⸗ haltenen 7. allgemeinen Conferenz der europäiſchen Gradmeſſung, red. v. A. Hirſch und Th. v Oppolzer. Zugleich mit dem Generalbericht für das Jahr 1883 u. einem Anhang: Rapport sur les triangu- lations par A. Ferrero. Berlin, G. Reimer. M. 30. 5 Zeitſchrift zur Förderung d. phyſikaliſchen Unterrichts. 1. Jahrgang 1884/1885. (12 Hefte.) 1. u. 2. Heft. Berlin, Liſſer & Benecke. Vierteljährlich M. 3. Aſtronomie. Beobachtungen, angeſtellt am aſtrophyſikaliſchen Obſervatorium im O. Gyalla, herausgegeben von N. von Konkoly. 6. Band., enthaltend Beobachtungen vom Jahre 1883. Halle, H. W. Schmidt's Verlags- buchh. M. 18. Fortſchritte, die, der Aſtronomie. Nr. 10. Köln, E. H. Mayer. M. 2. Kalender, aſtronomiſcher, f. 1885. Herausg. v. d. k. k. Sternwarte. Neue Folge, 4. Jahrg. Wien, Gerold's Sohn. M. 1. 20. Cart. u. durchſch. M. 1. 60. Sirius. Zeitſchrift f. populäre Aſtronomie. Red. H. J. Klein. 18. Bd. od. neue Folge 13. Bd. 1885. (12 Hefte.) 1. Heft. Leipzig, K. Scholtze. Pro eplt. M. 10. = Sternfreund, G., Aſtronomiſcher Führer pro 1885. 10. Jahrg. München, Literariſch-artiſt. Anſtalt. M. 2. 40. Vierteljahresſchrift der aſtronomiſchen Geſellſchaft. Herausgegeben v. E. Schönfeld und H. Seeliger. 19. Jahrgang. 3. Heft. Leipzig, W. Engelmann. M. 2. Chemie. Baumhauer, H. Leitfaden der Chemie, insbeſondere zum Gebrauch an landwirthſchaftl. Lehranſtalten. 1. Theil. Anorganiſche Chemie. Freiburg, Herder'ſche Verlagsbuchhandlung. M. 1 0 Beilſtein, F. Handbuch der organiſchen Chemie. 2. Aufl. 1. Lieferung. Hamburg, L. Voß. M. 1. 80. 0 Jahresbericht über die Fortſchritte der Chemie und verwandte Theile anderer Wiſſenſchaften. Herausgegeben v. F. Fittica. Für 1882. 4. Heft. Gießen, J. Ricker. M. 12. te Jacobſen, E., Chemiſch techniſches Repertorium. Ueberſichtlich geordnete Mittheilungen der neueſten Erfindungen, Fortſchritte und Verbeſſe⸗ rungen auf dem Gebiete der techn. und induſtriellen Chemie, mit Hinweis auf Maſchinen, Apparate u. Literatur. 1884. 1. Halbjahr. 1. Hälfte. Berlin, R. Gärtner's Verlag. M. 3. 40. a Zeitſchrift f. analytiſche Chemie. Herausgegeb. von C. R. Freſenius u. H. Freſenius. 24. Jahrg. 1885. 1. Heft. Wiesbaden, C. W. Krei⸗ del's Verlag. Pro eplt. M. 12. Mineralogie, Geologie, Geognoſie, Valäontologie. Credner, H., Geologiſche Ueberſichtskarte d. ſächſiſchen Granulitgebirges und ſeiner Umgebung. Herausgegeben vom königl. Finanzminiſterium 1883 nach dem Aufnahmen der königl. ſächſ. geolog. Landesunter⸗ ſuchung. Chromolith. Gr. Fol. mit Text. Leipzig, W. Engelmann. M. 5 Eneyklopädie der Naturwiſſenſchaften. 2. Abtheilung. 26. Lieferung. Breslau, E. Trewendt. Inhalt: Handwörterbuch der Mineralogie, Geologie und Paläontologie. 8. Lieferung. Subſer.-Preis M. 3. Flach, K., Die Käfer der unterpleiſtocänen Ablagerungen bei Hösbach unweit Aſchaffenburg. Würzburg, Stahel'ſche Buchh. M. 1. 50. Heim, A., Handbuch der Gletſcherkunde. Stuttgart, J. Engelhorn. M. 13. 50. Huſſak, E., Anleitung zum Beſtimmen der geſteinbildenden Mineralien. Leipzig, W. Engelmann. M. 5. 7500 } Jahrbuch, neues, f. Mineralogie, Geologie und Paläontologie. Herausgeg. v. M. Bauer, W. Dames und Th. Liebiſch. Jahrgang 1889. 1. Bd. (3 Hefte.) 1. Heft. Stuttgart, E. Schweizerbart'ſche Verlagsbuchhdlg. Pro emplt M. 20. a Quenſtedt, F. A., Die Ammoniten des ſchwäbiſchen Jura. 4. u. 5. Lief. Stuttgart, G. Schweizerbart'ſche Verlagsbuchh. M. 20. Quenſtedt, F. A., Petrefaktenkunde Deutſchlands. 1. Abtheilung. 1. Bd. 6. Heft. Gaſteropoden. Leipzig, Fues's Verlag. Mit Mappe. M. 19. Speciaſkarte, geologiſche d. Königr. Sachſen. Herausgeg. vom königl. Finanzminiſterium. Bearb unter Leitung v. H. Credner. Sect. 125. Kirchberg. Bearb. v. K. Dalmer. Chromolith. mit Text. Leipzig, W. Engelmann. M. 3. a 2 Specialkarte, geologiſche, d. Königreichs Sachſen. Herausgeg vom königl. ſächſ. Finanzminiſterium unter Leitung v. O. Credner. Sect. 129 it. 151. Chromolith. mit Erläuterungen. Leipzig, W. Engelmann. M. 3. Tührach, H., Ueber das Vorkommen, mikroſcopiſcher Zirkone u. Titan⸗ mineralien in den Geſteinen. Würzburg, Stahel'ſche Buchhandlung. M. 2. 80. Dotanik. Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Herausgegeben v. F. Cohn. 4. Band. 1. Heft. Breslau, J. U. Kern's Verlag. M. 5. Humboldt. — Februar 1885. 87 Eneyklopädie der Naturwiſſenſchaften. 1. Abtheilung. 41. Lieferung. Inhalt: Handbuch der Botanik. 16. Liefg. Breslau, E. Trewendt. Subſer.-Preis M. 3. i Förſter's, C. F., Handbuch d. Cacteenkunde in ihrem ganzen Umfange. Bearbeitet v. Th. Rümpler. 2. Aufl. 3. Lieferung. Leipzig, J. T. Wöller. M. 2. Gartenflora. Monatsſchrift für Garten- und Blumenkunde. Herausg. v. B. Stein. 33. Jahrgang. 1885. 1. Heft. Stuttgart, F. Enke. Pro empl. M. 18. 5 ; Grieſebach, A., Die Vegetation der Erde nach ihrer klimatiſchen Anord- nung. 2. Aufl. 2 Bände. Leipzig, W. Engelmann. M. 20. Pro Einband M. 4. be Jahrbuch d. königl. botaniſchen Gartens u. d. botaniſchen Muſeums ju Berlin. Herausgeg. v. A. W. Eichler, A. Garcke und J. Urban. 3. Band. Berlin, Gebr. Bornträger. M. 12. 4 : Jahrbücher f. wiſſenſchaftliche Botanik. Herausgeg. v. N. Pringsheim. 15. Band. 4. Heft. Berlin, Gebrüder Bornträger. M. 7. Jahresbericht, botanijder. Syſtematiſch geordnetes Repertorium der botan. Literatur aller Länder. Herausg. v. L. Juſt. 10. Jahrgang. 1882. 1. Abtheilung. 1. Hälfte. Berlin, Gebrüder Bornträger. M. 8. Leitgeb, H., Reizbarkeit und Empfindung im Pflanzenreiche. Graz, Leuſchner & Lubensfy. M. —. 80. Luerſſen, Ch., Grundzüge der Botanik. 4. Aufl. Verlag. M. 7. Geb. M. 8. Müller, K., Praktiſche Pflanzenkunde f. Handel, Gewerbe und Haus— wirthſchaft. Stuttgart, K. Thienemann's Verlag. Cart. M. 9. Strasburger, E., Das kleine botaniſche Practicum f. Anfänger. Jena, G. Fiſcher. M. 6. Strasburger, E., Neue Unterſuchungen über den Befruchtungsvorgang bei den Phanerogamen als Grundlage f. e. Theorie der Zeugung. Jena, G. Fiſcher. M. 5. Trautvetter, E. R. v. Incrementa florae Phaenogamae rossicae. Fase. IV (Finis). Berlin, R. Friedländer & Sohn. Compl. M. 18. Wartmann, B., u. Th. Schlatter, Kritiſche Ueberſicht über die Gefäß— pflanzen der Kantone St. Gallen u. Appenzell. 2. Heft. Sympetalae. Vortrag. Leipzig, H. Häſſel. St. Gallen. A. J. Köppel. M. 1. 80. Zoologie, Phyſtologie, Entwickelungsgeſchichte. Anthropologie. Archiv f. Anthropologie. Zeitſchrift f. Naturgeſchichte u. Urgeſchichte d. Menſchen. Herausgegeben und redigirt v. A. Ecker, L. Lindenſchmit und J. Ranke. 15. Band. 4. Vierteljahrsheft. Braunſchweig, F. Vieweg & Sohn. M. 11. Blane, H., Die Amphipoden der Kieler Bucht nebſt einer hiſtolog. Dar— ſtellung der „Calccoli“. Leipzig, W. Engelmann. M. 8. Braß, A., Grundriß der Anatomie, Phyſiologie u. Entwicklungsgeſchichte des Menſchen. Leipzig, F. C. W. Vogel. M. 7. Du Bois⸗Reymond, E., Unterſuchungen über thieriſche Elektricität. 2. Band. 2. Abtheilung (Schluß-Lieferung). Berlin, G. Reimer. M. 4. Eiben, C. E., Praktiſche Schul- Naturgeſchichte des Thierreichs. 2. Theil, 2. Aufl. Hannover, Hahn'ſche Buchhandlung. M. 3. Fol, H., Lehrbuch der vergleichenden mikroskopiſchen Anatomie m. Ein- ſchluß der vergleichenden Hiſtologie u. Hiſtogenie. 1. Lieferung. Leipzig, W. Engelmann. M. 5. Häckel, E., Urſprung und Entwickelung der thieriſchen Gewebe. Ein, hiſtogenet. Beitrag zur GajtraeasTheorie. Jena, G. Fiſcher. M. 2. Hertwig, O., Das Problem der Befruchtung u. der Iſotropie d. Eies, eine Theorie der Vererbung. Jena, G. Fiſcher. M. 1. 50. Hertwig, O., u. R. Hertwig, Unterſuchungen zur Morphologie u. Phy— ſiologie der Zelle. 2. Heft. Jena, G. Fiſcher. M. 1. 50. Jahrbuch, morphologiſches. Eine Zeitſchrift für Anatomie und Ent- wickelungsgeſchichte. Herausg. v. C. Gegenbaur. 19. Band. 2. Heft. Leipzig, W. Engelmann, M. 14. Krukenberg, C. F. W., Die eigenartigen Methoden der chemiſchen Phy- ſiologie. Vortrag. Heidelberg, C. Winter's Univerſitätsbuchhandlung M. 1. 60. Leitfaden für das Aquarium der zoologiſchen Station zu Neapel. 2. Aufl. Leipzig, W. Engelmann. M. 1. 60. Mittheilungen der anthropologiſchen Geſellſchaft in Wien. 2. u. 3. Heft. Wien, A. Hölder. à M. 4. Mittheilungen der anthropologijden Geſellſchaft in Wien. Suppl. I. 1884. Wien, A. Hölder. M. 4. Mittheilungen der ſchweizeriſchen entomologiſchen Geſellſchaft. Red. v. G. Stierlin. Vol. 7. Heft 2. Bern, Huber & Co. M. 1. 80. Mittheilungen aus der zoologiſchen Station zu Neapel, zugleich Reper— torium für Mittelmeerkunde. 5. Band. 3. u. 4. Heft. Leipzig, W. Engelmann. M. 24. Ruß, K., die fremdländiſchen Stubenvögel, ihre Naturgeſchichte, Pflege und Zucht. 4. Band. Lehrbuch der Stubenvögelpflege, -Abrichtung u. ⸗Zucht. 5. Lieferung. Magdeburg, Creutz'ſche Buchhandlg. M. 3. Semper, C., Reiſen im Archipel der Philippinen. 2. Theil. Wiſſen— ſchaftliche Reſultate. 2. Band. Malacologiſche Unterſuchungen von R. Bergh. 15. Heft. Nachträge und Ergänzungen. Tritoniaden. Wies— baden, C. W. Kreidel's Verlag. M. 28. Studer, Th., Verzeichniß der während der Reiſe S. M. S. Gazelle um die Erde 1874—1876 geſammelten Aſteriden u. Euryaliden. Berlin, F. Dümmler's Verlagsbuchh. Cart. M. 4. 50. Thanhoffer, L. v., Grundzüge der vergleichenden Phyſiologie u. Hiſto— logie. Stuttgart, F. Enke. M. 16. Vogel, O., u. O. Ohmann, Zoologiſche Zeichentafeln. 2. Heft. Berlin, Winckelmann & Söhne. M. 1. 25. Wiedersheim, R., Grundriß der vergleichenden Anatomie der Wirbel— thiere. Jena, G. Fiſcher. M. 8. — Geb. M. 9. Zopf, W., Die Pilzthiere oder Schleimpilze. Breslau, E. Trewendt. M. 5. Zwick, H., Leitfaden f. den Unterricht in der Naturgeſchichte, Tierkunde. 1. Kurs. 5. Aufl. Berlin, Burmeſter & Stempell. M. 30. 14. Band, Geographie, Ethnographie, Neiſewerke. Amerika's Nordweſt-Küſte. Neueſte Ergebniſſe ethnolog. Reiſen. Aus den Sammlungen der königl. Muſeen zu Berlin herausg, von der Direktion der ethnolog. Abth. Neue Folge. Berlin, A. Aſher & Co. In Mappe M. 30. Beiträge zur Landes- u. Volkskunde d. Thüringerwaldes. 1. Herausg. v. F. Rigel. Jena, G. Fiſcher. M. 1. 50. Brehm, R. B., Das Inka⸗Reich. Beiträge zur Staats- u. Sitiengeſchichte des Kaiſerthums Tahuantinjuyu (2 Theile). 1. Theil. Jena, F. Mauke's Heft. Verlag. Pro cplt M. 12. Daniel, H. A., u. B. Volz, Geographiſche Charakterbilder. 1. Theil. Leipzig, Fues's Verlag. Cart. M. 5. Geiſtbeck, M., Leitfaden der Geographie f. Mittelſchulen. 1. u. 4. Theil. München, Expedition d. königl. Zentral-Schulbücher-Verlags. Geb. M. 1. 10. Geiſtbeck, M., Geographie für Volksſchulen. 2. Theil. Deutſchland. 3. Auflage. München, Expedition des königl. Zentral-Schulbücher— Verlags. Geb. M. — 32. Hirt's, F., Geographiſche Bildertafeln. Herausg. v. A. Oppel u. A. Lud⸗ wig. 1. Theil. Allgemeine Erdkunde. 2. Aufl. Breslau, F. Hirt, Verlag. M. 3. 60. Geb. M. 4. 75. Klöden, G. A. v., Handbuch der Erdkunde. 4. Aufl. 5. Band. 9. u. 10. Lieferung. a M. 2. 5. Band cplt. M. 10. Koſeritz, C. v., Bilder aus Braſilien. Leipzig, W. Friedrich. M. 9. Meyer, H., Eine Weltreiſe. Plaudereien aus einer zweijährigen Erd— umſegelung. Leipzig, Bibliographiſches Inſtitut. Geb. M. 6. Poljakow, J. S., Reiſe nach der Inſel Sachalin in den Jahren 18811882. Aus dem Ruſſ. überſ. v. A. Arzruni. Berlin, A. Aſher & Co. M. 4. Pütz, W., Lehrbuch der vergleichenden Erdbeſchreibung. 13. Aufl. bearbeitet v. F. Behr. Freiburg, Herder'ſche Verlagsbuchhandlung. M. 2. 80. Richthofen, F. Freiherr v., Atlas von China. Orographiſche u. geolog. Karten zu d. Verf. Werk: China. 1. Theil. Das nördl. China. 1. Hälfte. Ueberſichtsblatt, Vorerläuterungen u. Tafel I- XII. Chromolith. Berlin, D. Reimer. M. 21. Stockhorner, O. v., um's Nordkap. Eine Sommerfahrt. Heidelberg, C. Winter's Univ.⸗Buchhandlung. M. 2. Witterungsüberſicht für Centraleuropa. November zweite Hälfte und Dezember 1884. 15.—30. November. Die zweite Hälfte des Monats November iſt charakteriſiert durch naßkaltes, trübes Wetter mit häufigen Niederſchlägen und meiſt ſchwacher Luftbewegung. Um die Mitte des Monats November erſchien die Wetterlage für Entwickelung ſtrenger Kälte nicht ungünſtig: ein barometriſches Maximum von über 775 mm lag über Nordcentraleuropa, in Verbindung mit dem niedrigen Luft— drucke über dem Mittelmeer und im Südoſten, daſelbſt meiſt nördliche bis öſtliche Winde hervorrufend. Indeſſen war das Wetter über Deutſchland meiſt trübe, vielfach zu leichten Niederſchlägen geneigt, jo daß die Wärmeausſtrah— lung gehemmt wurde, und niedrige Temperaturen nicht zu— ſtande kamen. Dagegen lag vom 15. bis zum 17. ein Kältegebiet über Frankreich, wo ruhiges, heiteres Wetter die Wärmeausſtrahlung begünſtigte. In den folgenden Tagen (am 17.) verlegte ſich das barometriſche Maximum nach Weſten hin und blieb hier mit geringen Schwankungen bis zum 26. ſtationär, während eine breite von Nord nach Süd verlaufende Zone niedrigen Luftdrucks mit veränderlichen Grenzen über Europa ſich er— ſtreckte, in welcher ſich häufig Depreſſionen ausbildeten und fortbewegten. Dieſe Wetterlage ijt für manche europäiſche Winter typiſch und charakteriſiert dieſe durch naßkaltes Wetter mit häufigen Schneefällen, ohne daß die Tempera— turen tief unter den Gefrierpunkt herabgehen. Das baro— metriſche Maximum liegt alsdann im Weſten von Europa 88 Humboldt. — Februar 1885. und nimmt nicht ſelten einen außerordentlich großen Um⸗ fang ein, fo daß es ſich zuweilen mit dem großen Maxi⸗ mum, welches faſt beſtändig bei den Azoren liegt, verbindet. Bei dieſer Wetterlage erſcheinen die Depreſſionen gewöhn⸗ lich an der norwegiſchen Küſte und ſchreiten dann ſüdoſt⸗ wärts fort, gewöhnlich über Oſtdeutſchland hinweggehend, oder im ſüdöſtlichen Oſtſeegebiete nordoſtwärts nach Finn⸗ land umbiegend. Ich habe dieſe faſt nur auf den Winter beſchränkte Bahn in meinen typiſchen Witterungerſcheinungen mit „Zugſtraße III“ bezeichnet. Die oben beſprochene Art der Fortbewegung kam bis zum Monatsſchluſſe ſehr häufig vor. Betrachtet man dabei die Verteilung des Luftdrucks und der Temperatur um das Depreſſionsgebiet, ſo er— gibt ſich eine bemerkenswerte Beziehung derſelben zu der Fortpflanzungsrichtung der Depreſſionen, ſo daß die De— preſſton den höchſten Druck und die höchſte Wärme rechter Hand liegen läßt, eine Regel, die nicht allein auf dieſe Fälle paßt, ſondern von allgemeiner Gültigkeit iſt. Dem⸗ entſprechend war das Wetter kalt, trübe und zu häufigen Regen- oder Schneefällen geneigt. Die Winde waren meiſtens ſchwach, ihre Richtung variabel und durch die jeweilige Lage der Depreſſionen beſtimmt. Nur vom 26. bis 28. kamen an der deutſchen Küſte und im weſtdeutſchen Binnenlande ſtarke, ja vielfach ſtürmiſche Winde vor. Die Temperatur lag meiſtens unter dem Normal- werte, erheblich vom 23. bis 26., wo die Iſothermenkarten einen recht winterlichen Charakter zeigen; in Süddeutſch⸗ land ging die Temperatur zu dieſer Zeit über 10° C. unter den Gefrierpunkt herab, in Oſtdeutſchland ſank dieſelbe noch tiefer; auch in Frankreich herrſchte ziemlich ſtrenge Kälte. In den letzten Tagen des Monats verlegte ſich das barometriſche Maximum nach Südweſten, ſo daß jetzt der europäiſche Kontinent wieder den oceaniſchen Luftſtrömen geöffnet war, unter deren Einfluß die Temperatur wieder ſich erhob; nur im Nordoſten dauerte die ſtrenge Kälte noch fort. Dezember 1884. Der Monat Dezember iſt charakteriſiert durch trübes, feuchtes und warmes Wetter und lebhafte, häufig ſtürmiſche ſüdweſtliche und weſtliche Winde. Nur die letzte Dekade des Monats war bei ſchwacher öſtlicher und ſüdöſtlicher Luftſtrömung kalt, insbeſondere für die Südhälfte. In den erſten Tagen des Monats war die Wetterlage raſchen und ſtarken Umwandlungen unterworfen. Eine um⸗ fangreiche Depreſſion ſchritt mit raſch zunehmender Tiefe vom ſchwarzen Meere der Oſtſee zu; am 2. lag ſie bei Riga, am 3. bei Wisby, im ſüdlichen Oſtſeegebiete unruhige, ſtellenweiſe ſtürmiſche Witterung hervorrufend, während gleichzeitig ein tiefes Minimum im Nordweſten immer mehr ſeinen Ein— fluß auf Weſteuropa ausbreitete. Am 4. ſtand der größte Teil von Europa unter dem Einfluß des Depreſſionsgebietes mit beträchtlicher Tiefe im Nordweſten, und wurde von einem lebhaften oceaniſchen Luftſtrome von großer Aus⸗ dehnung überflutet, welcher bei trübem, feuchtem Wetter die Temperatur beträchtlich über die Normalwerte erhob. Am 5. war ein tiefes Minimum mit großer Ge— ſchwindigkeit von den britiſchen Inſeln oſtwärts nach Süd⸗ ſchweden fortgeſchritten und bedingte auf ſeiner Südſeite bis zu den Alpen ſtürmiſche weſtliche Winde, die an der Küſte ſich vielfach bis zum vollen Sturme ſteigerten. Während dasſelbe ſeinen Weg oſtwärts fortſetzte, erſchien am 6. im Nordweſten eine neue Depreſſion, die ihren Wirkungskreis raſch auf Weſteuropa ausdehnte, ſo daß die lebhafte ſüd— liche bis weſtliche Luftſtrömung mit warmer feuchter Witte— rung anhielt. Am 5. lag die Temperatur im ſüdlichen Deutſchland bis zu 4°, am 6. bis zu 6°, am 7. bis zu 8° am 8. bis zu 9°, am 9. bis zu 10° über dem Normal- werte; ſtrenge Kälte dagegen herrſchte andauernd im hohen Nordoſten, leichter Froſt in dem Gebiete weſtlich vom ſchwarzen Meere. Am 9. morgens lag ein wenig ausgebildetes Minimum vor dem Kanal, welches raſch oſtwärts fortſchritt, in der Nacht vom 9. auf den 10. Deutſchland paſſirte, und be- gleitet von erheblichen Regenfällen und ſtürmiſcher Luft⸗ bewegung nach dem Innern Rußlands verſchwand, wobei die Temperatur über ganz Weſtmitteleuropa erheblich herab- ging. Dieſer Abkühlung folgte indeſſen ſtarke und raſch weſtoſtwärts fortſchreitende Erwärmung, als am 10. im Nordweſten ein tiefes Minimum erſchien, welches in Ver- bindung mit dem hohen Luftdrucke im Südoſten über Centraleuropa ſtarke ſüdweſtliche Luftbewegung hervorrief. Während dieſes Minimum oſtwärts nach Finnland ſich fort— bewegte, drehten an der deutſchen Küſte (am 13.) unter dem Einfluß eines neuen Minimums im Nordweſten die Winde nach Südweſt zurück, ſo daß der lebhafte oceaniſche Luftſtrom mit warmem feuchtem Wetter unterhalten wurde. Hervorzuheben iſt die Wetterlage am 20., wo ein un⸗ gewöhnlich tiefes Minimum von etwa 725 mm über den ſüdlichen Norden ſich ausgebildet hatte, welches auf der Weſthälfte der britiſchen Inſeln, ſowie an der weſtfranzö— ſiſchen Küſte Sturm aus Nordweſt erzeugte. Dieſes und die höhere Wärme im Südweſten ſowie die äußerſt raſche Abnahme des Luftdruckes in Süddeutſchland (in 12 Stun⸗ den war das Barometer in Altkirch um 20, in Friedrichs hafen ſogar um 24 mm gefallen) ließ eine ſüdoſtwärts gerichtete Fortpflanzung des Minimums vermuten, welche in der That auch eintrat, jedoch mit ſolcher Geſchwindigkeit, daß wir am andern Morgen (21.) das Minimum über der Adria wieder finden, wo in Leſina unter ſeinem Einfluſſe Südſturm eingetreten war. Dabei fielen in Süddeutſch⸗ land beträchtliche Regenmengen: am 20. in Kaiſerslautern 18, in Wiesbaden 21 mm, am 21. in Karlsruhe 21 mm. Das eben erwähnte Minimum gab den Anſtoß zu einer ganz veränderten Wetterlage: am 22. zog ſich eine Zone hohen Luftdruckes von den britiſchen Inſeln oſtnord— oſtwärts nach Südſkandinavien hin, während der Luftdruck über dem Mittelmeer am niedrigſten war, ſo daß jetzt über Centraleuropa öſtliche und nordöſtliche Winde entſchieden vorherrſchend wurden, die zwar die Temperatur erheblich zum Sinken brachten, jedoch keine Abnahme der Bewölkung hervorbrachten. Dieſe Umwandlung der Wetterlage iſt keine ſeltene, ſondern wie ich an einer andern Stelle nach— gewieſen habe („Typiſche Witterungserſcheinungen“), iſt dann Regel, wenn eine Depreſſion von den britiſchen Inſeln oder Umgebung kommend, ſüdoſtwärts durch Frankreich oder Weſt-Deutſchland fortſchreitet, indem alsdann in der Regel keine weitere Depreſſion, ſondern ein Luftdruckmini— mum auf der Rückſeite derſelben aufzutreten pflegt. Am 23. lag die Temperatur in Deutſchland ſtellenweiſe, am 24. in den nördlichen und weſtlichen Gebietsteilen, am 25. auch in Süddeutſchland unter dem Normalwerte, während die Froſtgrenze ſucceſive ſüdweſtwärts vordrang und nach und nach Deutſchland und Frankreich in das Froſtgebiet hinüberzog. Indeſſen herrſchten über Nordeuropa, welches nördlich von der eben erwähnten Zone hohen Luftdruckes lag, weſtliche und ſüdweſtliche Winde, unter deren Einfluß im Nordoſten die ſtrenge Kälte gebrochen und die Tem— peratur dem Gefrierpunkte nahe gebracht wurde. Dieſe Wetterlage dauerte bis zum 27., an welchem Tage eine Zone hohen Luftdrucks ſich in zwei Maxima teilte, von denen das eine über den britiſchen Inſeln ver— ſchwand, das andere über Oſtdeutſchland ſich weiter ent— wickelte und dann nach Nordweſtrußland ſich verlegte. Durch dieſe Umwandlungen war zwar die Luftdruck— verteilung eine entſchieden veränderte geworden, jedoch war der Einfluß auf die Witterung, insbeſondere auf die Temperatur kein weſentlich anderer. Bei leichter meiſt ſüdöſtlicher Luftbewegung blieb das Wetter über Centraleuropa trübe und kalt. In Süddeutſchland er— reichte die Kälte ihren Höhepunkt am 30., als die Morgen⸗ temperatur bis zu 8° C. unter dem Normalwerte lag. In Friedrichshafen war das Thermometer 8, in München 11° unter den Gefrierpunkt geſunken. Hamburg. Dr. J. van Bebber. Humboldt. — Februar 1885. 89 s dee ee Himmelserſcheinungen im Februar 1885. (Mittlere Berliner Zeit.) 1 In 53m E. h. ) G Leons 160 29m E. h.) BAC 3836189 0 15 PPD eee ales tee 2 ell 1 | 9'49™ A. d. 5 17 40m A.d.§ 6 19 27 f.. 9 5.6 21" 4m 4 | 829 U Corone 1444 U Ophiuehi 1880 S Cancri_ | | 2 115 In AIV E 12h 41™ 131 U Cephei 2 15˙⁰ Im A1 | 3 9h 55m OL 1 E 13 2 9] II E | | 3 4 (aOR 16" Su E. h. / BAG 4591 4 95 yom (A 01 17 11 A. d.) 6 | 5 7 25m 14h 11™) 5 10, aim ¢ % 1 son A 6 II | 6} € 1013 Algol 1148 6 Libree 1582 U Ophiuchi 6 7 1228 U Cephei j 7 8 17" 20 NI E 8 9 | 781 Algol 14» 35m 9 | 16 som § 0 10 j11" 48m N I E 15¹ 39” 9] II E 285 185 Al 10 11 | gh 4 1620 U Ophiuchi 1724 U Corone 11 II 24% NOT | 12 Hg Bye 1281 U Ophiuchi 124 U Cephei 18d 9™ ? 12 | 12 55m f A @ Il 21» 48 jer 13) 1123 6 Libre | 13 15 19 13 AI E 15 16 | 8b 15m N III E 16" 30m 1677 U Ophiuchi 16 | 18 49 A 17 121 U Cephei 1229 U Ophinchi 135 42% 1E 187 15" N ILE 17 18 1551 UCorone 19 58" Vy) % 18 | 13% 18” J | | Oh 95m 7 h 99m c 19 | gh 35™ I IV A 12 255 (en 19 20 50 Aff A 01 8 29™ f. 19 Arietis 1019 6 Libree 1722 S Caneri 20 7h 47™ gb gm A. l. 5 }21| 10 26 9) IIA 1785 U Ophiuchi 21 | 22 6 10m E. d. 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Jupiter gelangt am 18. in Oppoſition mit der Sonne; er befindet ſich im Stern— bild des Löwen und geht anfangs um 6¾ Uhr, zuletzt um 4½ Uhr abends auf und iſt alſo faſt die ganze Nacht ſichtbar. Saturn im Sternbild des Stiers erreicht am 16. ſeinen Stillſtand und wird dann wieder rechtläufig; zu Beginn der Nacht ſchon hoch am Himmel geht er anfangs um 4 Uhr, zuletzt um 2½ Uhr morgens unter. Uranus befindet ſich weſtlich von 1 Virginis in rückläufiger Bewegung, anfangs um 94/2 Uhr, zuletzt um 7½ Uhr abends aufgehend. Neptun ſteht an der Grenze von Widder und Stier. Von den veränderlichen Sternen des Algoltypus bietet UCephei ſechs ſehr günſtige Gelegenheiten zur Be— ſtimmung des kleinſten Lichtes aus Abnahme und Zunahme dar. Von Algol laſſen ſich nur zwei Lichtminima am 6. und am 9. in noch genügender Höhe des Sterns über dem Horizont beſtimmen. Auf den Eintritt des IV Jupitertrabanten in den Schatten des Hauptkörpers am 2. und auf den Austritt am 19. ijt beſonders aufmerkſam zu machen. Dorpat. Dr. E. Hartwig. Humboldt 1885. * 90 Humboldt. — Februar 1885. Wee jie Qt tt el wa ent. Giraud. Von dem franzöſiſchen Reiſenden Giraud ſind Nachrichten aus Karema angelangt. Er hatte den Bangweoloſee glücklich e und befahren und auch die Poſition des Ausfluſſes des Luapula feſtgeſtellt. Er hatte dabei nur acht Mann mit und mußte ſchließlich, von den Eingeborenen verfolgt, ſein Boot nahe dem Katarakt von Mombottuta verlaſſen. Bei dem Häuptling der Muaumi wurde er über zwei Monate gefangen gehalten, doch ge— lang es ihm ſchließlich, zu entkommen und durch Itahua den Tanganyka und Karema zu erreichen, wo er am 14. Februar anlangte. Er wollte dort etwa einen Monat bleiben und dann ungefähr den ſechſten Breitegrad ent- lang Leopoldville und den unteren Kongo zu erreichen ſuchen. Seine Geſundheit war gut. Ko. Brojelt einer Congoeiſenbahn. Wenn auch die endgültige Konſtituierung des neuprojektierten Congo— ſtaates bis jetzt aus verſchiedenen Gründen noch nicht ſtatt haben konnte, ſo iſt deshalb doch die Thätigkeit der Association internationale du Congo nicht erlahmt, ſon— dern rüſtig fortgeſchritten. Nach den letzten in Brüſſel eingetroffenen Nachrichten iſt an der Küſte zwiſchen Kwilu und Congo die Alexandraſtation neu gegründet worden, jo daß von Banana an der Congomündung aus ſich eine Kette nahe zuſammenliegender Stationen bis nördlich über den Kwilu hinaus vorfindet. Auf die genannte neue Station folgen nordwärts Granteville und Rudolfſtadt. Neben dem belgiſchen Kapitän Hanßens, dem älteſten Genoſſen Stanleys bei ſeiner Congoforſchung, iſt außer dem jetzigen Verwaltungschef der Aſſociation am Congo, Oberſt de Minton, insbeſondere der im vorigen Jahre nach Weſt-Afrika geſandte brittiſche Generallieutenant Goldſmith für die Zwecke der Geſellſchaft thätig. Hierzu kommt das in jüngſter Zeit von Stanley vielfach beſprochene Projekt einer Congoeiſenbahn, das jetzt fertig vorliegt und zeigt, daß ſeine Ausführung keine über— mäßigen Schwierigkeiten und nicht unerſchwingliche Koſten verurſacht. — Die Association internationale du Congo hat ſich bereits der Unterſtützung der beteiligten Landes— häuptlinge verſichert und Verträge mit ihnen abgeſchloſſen, welche ihnen die Souveränität und das Beſitztum des von der Bahn durchſchnittenen Gebietes garantieren und der Eventualität vorbeugen ſollen, daß das Land etwa von Konkurrenten in Beſitz genommen wird, die, von feind— lichen Geſinnungen beſeelt, den Fluß für den internatio— nalen Handel ſchlöſſen. Die ganze 365 km lange Strecke des Congo von den Pellalafällen bei Bivi bis nach Stanley-Pool, welche wegen zahlreicher Katarakte ent— weder gar nicht oder nur mit vielfachen Unterbrechungen, ſchiffbar iſt, ſoll durch die Bahn für einen großen Verkehr praktikabel gemacht werden. Die Bahn dürfte jedoch noch eine mäßig größere Ausdehnung erhalten bis Puerta da Lenha, wohin große Seeſchiffe noch gelangen können. Nach den Anſchlägen der belgiſchen Ingenieure würde der Bau dieſer Bahn ſich auf etwa 15 Millionen Frank be— laufen; es würde eine Bahn von 75 cm Spurweite wer— den, wie ſolche Bahnen ſich in Amerika und Europa ſchon lange für Warentransport nützlich erwieſen haben. Große Silberlager in Auſtralien. In der troſtlos öden Barrier- oder Stanleykette zwiſchen Neuſüdwales und Südauſtralien ſind in jüngſter Zeit mächtige, ungemein ſilberhaltige Erzlager entdeckt worden, welche bereits die allgemeine Aufmerkſamkeit auf dieſe früher gering geſchätzte Gegend gerichtet haben. Schon ſind daſelbſt hunderte von Leuten zur Gewinnung des Silbers eingetroffen, tauſende folgen ihnen nach. Das mutmaßliche Zentrum der Silber— felder, jetzt eine regelloſe Menge von Zelten und Holz— buden, hat man Silverton genannt; ringsum iſt die Land⸗ ſchaft ſchon meilenweit in Beſitz genommen. In Sidney haben ſich drei große Geſellſchaften gebildet, um den Abbau der Erze bei Silverton zu beginnen, und die Landämter von Neuſüdwales und Südauſtralien, auf deren Gebieten ſich das Silberland ausbreitet, werden von Bewerbern um Grubenkonzeſſionen belagert. Die Regierung von Neu- ſüdwales läßt nun die Fundſtätte durch den Geologen der Kolonie unterſuchen. Wenn derſelbe die bisher aufgeſtellte Behauptung, wonach ſich die Silbererzlager über ein Areal von nahe an 100 km Länge und 30— 50 km Breite er⸗ ſtrecken ſollen, beſtätigt, ſo wird die Wirkung, welche dieſe Entdeckung auf Auſtralien ausüben muß, eine ungeheure ſein und Zeiten, wie die vielgerühmte Periode der Gold— diggings, werden wiederkehren. E. Neu-Guinea. Eine neue Forſchungsexpedition unter Wilfr ed Powell hat England Anfang März verlaſſen; ſie beſteht aus fünf Europäern, darunter ein Naturforſcher und ein Geologe, und will auf einer Dampflaunch den Aumbernoki⸗River hinauffahren und verſuchen, quer nach der Aſtrolabe-Bai auf der Südſeite durchzudringen. Ko. Mangan in den Pflanzen- und Tierkörpern. In ſeinen Unterſuchungen über das Vorkommen des Man— gans in der organiſchen Natur hat E. Maumens (Compt. rend. 48. 1416) dieſes Metall im Weizen, namentlich im löslichen Teile desſelben, im Roggen, im Reis, in der Gerſte, im Buchweizen, in der Kartoffel, in der Zuckerrübe u. ſ. w., namentlich im Kakao, im Kaffee und am meiſten im Thee (0,5 %) aufgefunden. Außer den hier erwähnten werden in ſehr großer Zahl Pflanzen aufgezählt, in denen Mangan nachgewieſen worden iſt. Im Blute jedoch wurde kein Mangan gefunden und nur ſehr geringe Spuren in den verſchiedenen tieriſchen Flüſſigkeiten und in den Knochen; die Faces enthalten die Hauptmaſſe des mit der Pflanzen- nahrung aufgenommenen Mangans. — Hieraus geht her— vor, daß dem menſchlichen Körper durch Pflanzennahrung allein das Mangan zugeführt zu werden ſcheint, während Fleiſchkoſt den Mangangehalt des Körpers nicht vermehren dürfte. E. Statiſtiſches aus Indien. Einem Regierungs- ausweiſe der indiſchen Regierung zufolge wurden im Jahre 1883 in Indien 22 905 Perſonen durch wilde Tiere und Schlangen getötet, gegen 22 125 Perſonen im Jahre 1882. Von dieſen Todesfällen entfallen 20 067 auf Schlangen- biſſe, 985 Perſonen fielen Tigern zum Opfer, 287 Wölfen und 217 Leoparden. An Rindvieh wurden 47478 Stück umgebracht, d. i. 771 Stück mehr als in 1882. Es iſt auffallend, daß, während die Mehrzahl der menſchlichen Todesfälle Schlangenbiſſen zuzuſchreiben iſt, nur 1644 Stück Rindvieh auf dieſelbe Weiſe umgekommen ſind. Im Laufe des Jahres wurden 19 890 wilde Tiere getötet, was eine Verausgabung von über 15000 Pfd. Sterl. an Belohnungen erforderte. H—e. Der Erzbergbau in Bosnien. Abgeſehen von den reichen Eiſenſteinlagern bei Bares, deren Ausbeute vor— läufig nicht in Ausſicht genommen iſt, wurde eine ganze Reihe wertvoller Erzvorkommen entdeckt und jo weit ver- folgt, daß der Abbau derſelben ſchon in Angriff genommen iſt oder unmittelbar begonnen werden kann. Von bejon- derem Intereſſe ſind die Aufſchlüſſe in dem alten Silber— bergbaue von Srbrenitza, welcher erſt von den Römern und ſpäter wieder nach langem Stillſtande im 14. und 15. Humboldt. — Februar 1885. 91 Jahrhundert von deutſchen Bergleuten ſchwunghaft betrieben wurde, dann aber zum Erliegen gekommen und ſo gänzlich in Vergeſſenheit geraten war, daß es viele Mühe koſtete, auch nur die Spuren desſelben an Ort und Stelle aufzu— finden. Nun iſt eine Zone paralleler Erzgänge, welche ſilberhaltigen Bleiglanz in abbauwürdiger Menge enthalten, auf eine Länge von 5000 Metern aufgeſchloſſen und es ſcheint hier die Ausſicht auf einen nachhaltigen gewinn— bringenden Betrieb völlig ſichergeſtellt zu ſein. Ee. Ein Aeberfluß an Verlen ſteht in Ausſicht. Die fran⸗ zöſiſche Regierung hat den Profeſſor Bonchon-Brandely nach Tahiti geſchickt, um zu unterſuchen, in welcher Weiſe der Entvölkerung der dortigen Perlauſterbänke vorgebeugt werden könne. Derſelbe hat nun feſtgeſtellt, daß die Perl— auſter ebenſo gezüchtet werden kann wie die gewöhnliche Auſter. Wird die Perlauſter losgelöſt, ſo läßt ſie ſich an— ders wohin verpflanzen, indem ſie nicht verſäumt, ſofort Fühlfäden anzuſetzen und fic) zu befeſtigen. Bonchon— Brandely hat in dieſer Weiſe ſchon eine Anzahl kleiner Bänke mit Perlauſtern beſetzt. Er läßt auch Vor— kehrungen treffen, damit die Fiſcher diejenigen Auſtern wieder anſetzen, welche beim Fang keine Perlen enthalten und bisher gewöhnlich weggeworfen wurden. Dieſelben liefern ſicher binnen einiger Zeit Perlen, wenn ſie ſorgſam wieder angeſetzt werden. Ebenſo hat der Profeſſor eine künſtliche Befruchtung bei den Perlauſtern erprobt. Die Auſtern pflanzen ſich durch eine Art Laich fort, ähnlich wie die Fiſche. Ee. Die Aluminium-Kappe des Waſhington-Denk⸗ mals iſt nunmehr fertig; ſie wiegt 117 Unzen. Man glaubt, daß damit der erſte Schritt zur Einführung eines Metalls in den Handel geſchehen iſt, welches nur das Ge— wicht von Holz hat. Es iſt ein beſſerer Elektricitätsleiter als Silber, wenn es mit 90 Prozent Kupfer gemiſcht iſt; es iſt ſtärker als Stahl, im Ausſehen glänzend und nicht dem Roſten unterworfen. Gegenwärtig koſtet dieſes Metall 1/4 Dollar per Unze, und zu dieſem Preiſe ſind große Lieferungen abgeſchloſſen worden. Friſhmuth, der ein Schüler Wöhlers, des Entdeckers von Aluminium, war, hat nach 28jährigen Verſuchen eine Methode entdeckt, um eine billige Kohlenmiſchung von Sodium als Erſatz für das koſtſpielige metalliſche Sodium herzuſtellen, deſſen Fabri— kationsprozeß jo gefährlich iſt. Auch kündigt er die Ent— deckung einer Lötung an, die er Emerſon-Foote-Metall nennt. E—e. Neues Element. Profeſſor Websky von der Ber— liner Univerſität hat ein neues Element entdeckt, dem er den Namen Idunium beigelegt hat. Cr hat es aus einem bleigelben, weſentlich aus zinkhaltigem Bleivanadat beſtehenden und aus einer Grube in La Plata herſtammen— den Erze gewonnen, das ſeinerzeit Profeſſor Bracke— buſch in Cordoba nach Europa gebracht hat. Das Idu— nium zeigt beſondere Verwandtſchaft zu dem 1830 von Sefſtröm entdeckten Vanadin. Wa. Das größte Ausſtellungsgebäude. Das Hauptgebäude der kürzlich eröffneten internationalen Induſtrie- und Baumwollenausſtellung in New-Orleans ift das größte bis jetzt errichtete Bauwerk dieſer Art. Es wird bei einer Länge von 1378 und einer Breite von 905 Fuß mit den Galerien einen Flächenraum von 1656 300 Quadratfuß beſitzen, während der Induſtriepalaſt der Londoner Aus— ſtellung von 1862 nur 1400000 und derjenige der Phila— delphia-Ausſtellung von 1878 nur 936 000 Quadratfuß Ausſtellungsraum darbot. Die große Halle, in deren Mitte man einen Konzertſaal für 600 Mitwirkende und 11000 Zuhörer erſtellt hat, wird von 15 000 elektriſchen Glüh— lampen erleuchtet. E, Elektriſche Straßenbeleuchtung in Triberg. Die kleine gewerbreiche Stadt Triberg im badiſchen Schwarz— walde beſaß ſeither in ihren Straßen eine ſpärliche Petro leumbeleuchtung, welche bei dem zunehmenden Fremden— verkehr des Orts als ungenügend erſchien. Die vorüber— fließende Gutach, welche oberhalb der Stadt die 600 Fuß hohen berühmten Waſſerfälle bildet, hat nun die treibende Kraft für eine elektriſche Straßenbeleuchtung abgegeben, die ſich ſeit kurzem im Betrieb befindet. Die vorerſt auf— geſtellten neun Bogenlichter genügen vollkommen, um die zehn Minuten lange Hauptſtraße ſamt den Seitenſtraßen hell zu erleuchten. Die Inſtallation wurde von den Herren Weill und Neumann in Freiburg ausgeführt. Triberg iſt die erſte Stadt in Deutſchland, deren Straßen nur mit elektriſchem Licht beleuchtet werden. 155 Nicaragua-Kanal. Während der Panamakanal mit allen Hilfsmitteln der modernen Technik rüſtig gefördert wird, ruhen auch ſeine Konkurrenten nicht. Eads wirkt unermüdlich für ſein Projekt einer gigantiſchen Eiſenbahn, welche die Schiffe ohne Kanal über den Iſthmus von Te— huantepek hinübertragen ſoll, und nun erſcheint auch der alte Plan, die Verbindung vermittelſt des Nicaraguaſees und des San Juanfluſſes herzuſtellen, wieder am Horizont. Der als Ingenieur wohlbekannte Kapitän Bedford Pim hat drei Jahre hintereinander die günſtige Jahreszeit zu Vermeſſungen in Nicaragua verwendet und macht nun fol— genden Vorſchlag: Er hält es für durchaus unnötig, den Kanal jo tief anzulegen, daß er den größten Oceandampfern genügende Tiefe bietet; vielmehr gedenkt er mit acht Fuß auszukommen, indem die Schiffe durch hydrauliſche Ma— ſchinen auf eine Art ſchwimmendes Dock gehoben werden ſollen, das mit einem beladenen Dampfer nur ſechs Fuß Tiefgang hat und durch Dampfmaſchinen gezogen wird. Für ſolche Fahrzeuge bieten der See und der obere Teil des Fluſſes genügend Waſſer; um die Krümmungen des unteren San Juan und die Schlammbänke an der Mün— dung zu vermeiden, will Pim einen Kanal von etwas ober— halb der Einmündung des San Carlos an direkt nach Greytown führen, wo der verſchlammte Hafen ohne allzu große Schwierigkeit gereinigt werden könnte. Das Niveau des Sees liegt 107 Fuß über dem Meere, die höchſte Stelle zwiſchen ihm und dem Stillen Ocean nur 40 Fuß höher, fo daß alſo durchaus keine übermäßig großen, Ausgrabungen nötig fein würden; bei Brito könnte mit Hilfe zweier Molen ein ausgezeichneter Hafen angelegt werden. Natürlich wäre ein ſolcher Kanal nicht ohne Schleuſen anzulegen; es ſind fünf für die Strecke vom karaibiſchen Meer bis zum See, und ſieben für die von da bis zum Stillen Ocean vorgeſehen. Der Hauptvorteil einer ſolchen Trajektanlage würde darin beſtehen, daß Segel— ſchiffe, welche ihn paſſieren, direkt in die Region der Paſſat— winde gelangen, während Panama noch in der Kalmen— zone liegt und darum Schiffe oft ſehr lange aufgehalten werden oder ſich durch Dampfſchiffe weit hinaus bugſieren laſſen müſſen, ein Umſtand, der auch für den Erfolg der Panamabahn von ſehr ſchwerwiegendem Einfluß geweſen iſt. Segelſchiffe würden deshalb auch nach Eröffnung des Panamakanals wahrſcheinlich auf den Weg um Kap Horn angewieſen bleiben und darum aus dem Verkehr zwiſchen den Oſtſtaaten und Kalifornien ebenſo verſchwinden wie ſie aus dem zwiſchen Europa und Oſtindien ſeit Eröffnung des Suezkanals verſchwunden ſind. Jedenfalls würde die Zeiterſparnis für ein Segelſchiff in der Richtung nach Kali— fornien mindeſtens 14 Tage, zurück allerdings nur vier betragen; außerdem könnte während des Trajekts das Schiff von anhaftenden Balanen u. dgl. gereinigt und da durch auch wieder an Schnelligkeit gewonnen werden. Das Baukapital würde ſich nicht halb ſo hoch belaufen wie beim Panamakanal und die techniſchen Schwierigkeiten ſeien im Vergleich zu dieſem unbedeutend. Ob es gelingen wird, die nötigen Geldmittel aufzutreiben, iſt fraglich; bei der Eiferſucht, mit welcher man in der Union das Leſſepsſche Unternehmen betrachtet, wäre es nicht unmöglich. Ko. Die Kohlenſäureinduflrie im Vrohlthale. Schon Paracelſus fand, daß beim Kalkbrennen, und Hel— mont, daß beim Gärungsprozeſſe eine beſtimmte Luft 92 Numboldt. — es 1885. 1 welche beiden Gaſe v von Black als identiſch ge- funden, von Beegmann 1757 als Säure erklärt und dann Luftſäure, Kreideſäure und endlich Kohlenſäure benannt wurden. Faraday führte bereits 1823 mehrere Gaje in die flüſſige Form über, darunter auch die Kohlenjaure.. Thilorier konſtruierte 1834 den aus den chemiſchen Laboratorien bekannten Apparat. Später wurde die Kohlen ſäure durch den Kindlerſchen Ofen oder von den Mineral— waſſerfabrikanten mittels der Karbonate des Calciums oder Magneſiums erzeugt. Die Natur läßt aber an vielen Orten Kohlenſäure aus Riſſen und Spalten der Erde ſtrömen, wie beſonders am Laacherſee und im Brohlthale bei Andernach. Eine einzige Spalte dort gibt täglich 150 000 Liter. Dieſe Kohlenſäure wurde ſchon einmal zur Fabrikation von Bleiweiß, Plumbikarbonat benutzt. In neueſter Zeit wird dort dieſelbe durch eine Dampfluft— pumpe von 30 HP in den flüſſigen Zuſtand übergeführt, wozu ein Druck von 75 Atmoſphären angewendet wird. Die dazu verwendeten ſchmiedeeiſernen Flaſchen ſind auf einen Druck von 250 Atmoſphären geprüft und enthalten 8 ke oder 2400 Liter Kohlenſäure. Es läßt ſich leicht feſte Kohlenſäure durch Ausſtrömen und Auffangen des Gaſes in einem Säckchen herſtellen, welche dann mit Aether zu einem Brei vermengt, eine Kältemiſchung von 70° ergibt. Dieſe flüſſige Kohlenſäure aus dem Brohlthale wird vor— derhand bei Bierpreſſionen ſtatt der Luft verwendet. Die— felbe bringt nicht den Staub der Städte in das Bier hin- ein, ſcheidet keinen Schlamm ab, erzeugt keine Milch- und Eſſigſäure und läßt das Bier bis zum letzten Tropfen friſch und ſchmackhaft. Das von Dr. Rhaidt aufgeſtellte Syſtem der Komprimierung der Kohlenſäure wird von einer Aktien— geſellſchaft für Kohlenſäureinduſtrie ausgeführt. Bereits ſind Verſuche im Gange, die flüſſige Kohlenſäure zu Eis— maſchinen oder zu Motoren ſtatt des Dampfes oder Leucht— gaſes zu verwenden. Die antiſeptiſche Eigenſchaft derſelben wird vielfach zur Konſervierung des Fleiſches angewendet, welches dabei ſeinen Geſchmack vollſtändig behält. Fa. Indiſche Litteratur. Nach dem Cenſus von 1881 wurden in den fünf Jahren von 1875—1880 im Pend— ſchab 5610 Bücher veröffentlicht, davon nur 227 in eng— liſcher Sprache. Die Bevölkerung des Gebietes beträgt 22 712 000 Seelen, davon die Hälfte Mohammedaner, drei Siebentel Hindu, ein Dreizehntel Sikhs, der Reſt Budd— hiſten, Jainiten, Chriſten und verſchiedene noch kaum be— kannte heidniſche Sekten unter der Urbevölkerung. Die herrſchenden Sprachen ſind: Pendſchabi, zwei Drittel der Bevölkerung; Hindi, ein Fünftel, und Sindhi, ein Elftel. Ko. Kryſtalliſiertes Gold in prismatiſcher Form. In der Nähe von Clancey, Jefferſon County, Montana, kommen nach einer Mitteilung von Blake im Juliheft v. J. des American Journal of Science am Clancey Creek kleine Goldkryſtalle vor, welche die bisher unbekannte Form eines oktaedriſchen Kerns oder Kopfes zeigen, an dem ſich nach einer Seite das Gold in bürſtenähnlicher oder prisma— tiſcher Geſtalt entwickelt hat. Die Geſamtlänge dieſer Kryſtalle geht nicht über 2—3 mm hinaus, und die Klein— heit des Querſchnitts der zarten divergierenden Prismen macht die Beſtimmung ihrer Form äußerſt ſchwierig. Sie ſind nebenbei ſehr zerbrechlich und ſcheinen in Ebenen, welche zu ihrer Längsrichtung ſenkrecht ſtehen, zu ſpalten oder zerbrechen. Unter dem Mikroſkop zeigen dieſe Pris— men drei oder mehr Flächen und ſcheinen hexagonal zu ſein; ſie laufen allmählich und gleichmäßig zu einer ſchar— fen Spitze zu und beſtehen oft aus zwei oder mehreren teilweiſe in ihrer Längsrichtung ſeitlich miteinander ver— bundenen Prismen. Be. Die „ad- Lands“ (Bofes Land). Am wichtigſten für die Viehzucht im weſtlichen Dakota find die fog. „Bad Lands“ am Kleinen Miſſouri, der nicht weit von der Montanagrenze von Süden nach Norden fließt. Sie er— ſtrecken ſich über ein Areal von 200 Meilen Länge und 40 bis 50 Meilen Breite, und auf dieſem Raum weiden mehr als 200 000 Stück Rindvieh, viele Schafe und tau⸗ ſende von Pferden. Das „böſe Land“ (es ſoll ſchon von den Indianern ſo genannt worden ſein) bildet eine der eigen⸗ tümlichſten geologiſchen Erſcheinungen. Die gewöhnliche Theorie ſeiner Entſtehung iſt die, daß es einſt ein weites Hochplateau (ungefähr 2500 Fuß über dem Meeresſpiegel) gebildet hat. Die hervorragendſten geologiſchen Formationen desſelben beſtanden aus einer gewaltigen Unterlage von Braunkohlen, mit Schwefel vermiſcht und bedeckt von hohen Lehmſchichten. Die Braunkohle hat ſich entzündet und wäh⸗ rend ſie allmählich auf vielen Stellen ausbrannte, ſtürzte die Lehmoberfläche ein, und es entſtanden tauſendfältig verſchiedene Rinnen und Einſchnitte, die dann vom Waſſer tiefer und tiefer ausgewaſchen wurden. Mehrere dieſer Braunkohlenfeuer ſind heute noch in voller Thätigkeit und man kann den Prozeß des Einſtürzens der Oberfläche ſehr deutlich betrachten. So iſt ein rieſiges Labyrinth von tiefen Schluchten entſtanden, welche ſich hunderte von Meilen in den ſeltſamſten unregelmäßigen Windungen erſtrecken. Die bunten Wände derſelben zeigen deutlich ihre geologiſchen Formationen. Was in ſeiner urſprünglichen Höhe ſtehen geblieben iſt, bildet bald kleinere und größere Plateaus, bald Pyramiden und Kegel, Türme und Pfeiler, Kuppeln und Zinnen, alle von jo phantaſtiſchen und grotesken For— men, wie ſie die wildeſte Phantaſie nur erfinden kann. Das „böſe Land“ führt daher auch den Namen „Pyra- midenpark“. Die Plateaus ſowohl wie die Schluchten ſind überall mit den beſten und nahrhafteſten Gräſern bedeckt und für den Viehzüchter ſind ſie viel wertvoller als die offene Prairie, weil ſie dem Vieh im Winter und bei ſchlechtem Wetter vortrefflichen Schutz gewähren. Baum— wuchs iſt nur wenig vorhanden. Gr. Das geologiſche Alter der akadiſchen Fauna bil⸗ dete den Gegenſtand einer Mitteilung von Matthew vor der vorjährigen Verſammlung der Britiſh Aſſociation in Montreal. Der Genannte hat verſucht, durch Vergleich mit der kambriſchen Fauna anderer Länder, beſonders der— jenigen von Wales, die Stellung der am Grunde der St. Johngruppe gefundenen Organismen genauer zu be— ſtimmen, als dies bisher geſchehen. Als Kriterium der Unterſuchung dienten die Trilobiten. Matthew zeigt, daß die akadiſche Fauna in ihren Gattungen mit der Fauna der Solvagruppe enge Verwandtſchaft aufweiſt, beſonders in den hier durch gleiche Zahlen bezeichneten Arten: Solvagruppe. . Conocoryphe solvensis, Hicks . Conocoryphe bufo, Hicks . Paradoxides harknessi, Hicks Akadiſche Fauna. 1. Ctenocephalus matthewi, Hartt 2. Conocoryphe elegans, Hartt 3. Paradoxides cteminicus, Matthew. Mit Bezug auf die Frage nach dem Alter der akadiſchen Fauna, wies Matthew darauf hin, daß zu ihrer Löſung die Betrachtung der Entwicklung der Augenlappen bei Para— doxides dienen könne, indem in den kambriſchen Schichten von Wales die Länge der Augenlappen in direktem Ver— hältnis zum Alter der Schichten ſteht, während der Para— doxides der akadiſchen Fauna mehr mit den in der Solva— gruppe gefundenen übereinſtimmt. Die Familie der Cono- coryphiden, ſoweit ſie die von Corda als Conocoryphe und Ctenocephalus beſchriebenen Arten umfaßt, bilden übri— gens charakteriſtiſche Beſtandteile dieſer frühen Fauna und Conocoryphe weiſt eine beſondere Naht auf. Be. 8 9 — + Dr. Alfred Brehm, Zoologe und Forſchungsreiſen— der, am 11. November 1884 in ſeinem Geburtsort Renthen— dorf bei Neuſtadt a. d. Orla. + Dr. Hermann Kolbe, Profeſſor der Chemie in Leipzig, zu Leipzig am 25. November 1884. + Dr. Eduard Nüppell, Afrikaforſcher u. Mitbegrün⸗ der der Senckenbergiſchen naturforſchenden Geſellſchaft zu Frankfurt a. M., zu Frankfurt a. M. am 11. Dezember 1884. Ueber die ſogenannten Don Prof. Dr. H. Fiſcher in Freiburg Flachbeile. (Baden). s wird von verſchiedenen Seiten auf die D Flachheit gewiſſer in Europa gefundenen Jadeitbeile ein beſonderes Gewicht gelegt * und dieſe Form dann — gegenüber anderen Erdteilen — als für Europa, beſonders Frankreich und Nordweſtdeutſchland charakteriſtiſch erachtet. Tab. Fig. 1. Ich hielt es für angemeſſen, hierüber auf Grund der in unſerem Freiburger Muſeum vorhandenen Originale und reichlichen Imitationen ſolcher Beile einmal eingehendere vergleichende Betrachtungen an— zuſtellen und halte es, wie aus den folgenden Zeilen und der beigegebenen ſtatiſtiſchen Tabelle hervorgehen ſoll, für leicht nachweisbar, daß die mehr weniger Humboldt 1885. Flachbeilen zukommt, von viel größerer Bedeutung erſcheinen müſſe und daß die flache Geſtalt durch eine Reihe Zwiſchenformen in die ſogen. man del— förmige übergeht, von welcher wir dann Muſter in Europa, Aſien und Amerika nachweiſen können. Vor allem wird man daran denken müſſen, daß Tab. Fig. 2. Tab. Fig. 3. wenn ſeitens der prähiſtoriſchen Völker für die Jadeit— beile die flache Geſtalt gleichſam als Mode ins Auge gefaßt geweſen wäre, wohl auch die kleinen Jadeit— beile in gleicher Weiſe behandelt worden ſein würden, was keineswegs zutrifft. Wer eben ohne Rückſicht auf die mineralogiſchen Eigenſchaften der Beilſubſtanzen, beziehungsweiſe ohne dreieckige Form, welche gleichzeitig den fraglichen Kenntnis derſelben, archäologiſche Schlüſſe zieht, ſetzt 13 94 Humboldt. — März 1885. 5 e ſich leicht der Gefahr aus, auf falſche Fährte zu ge— langen. Der Jadeit iſt ein ſo überaus zähes Mineral, daß bei ihm — nachdem einmal in den Steinbrüchen durch irgendwelche Sprengmittel größere Blöcke des— ſelben abgelöſt worden ſein mögen, die weitere Zer— kleinerung vielfach durch Sägen zu erzielen geſucht wird. Davon ſind die Arbeitsſpuren an den rohen Jadeitbrocken zu ſehen, welche mir früher die Herren Szechenyi und v. Loczy und neulichſt Herr Dr. Emil Riebeck vom Jadeitmarkt zu Bhamo in Birmah mitzubringen die Güte gehabt haben; aber auch an prähiſtoriſchen Jadeitobjekten beobachtet man Sägeſchnitte ). ) Herr Dr. Riebeck erzählte mir kürzlich, daß die Bewohner des Gebirges, wo der Jadeit vorkommt, nicht Wie dieſes Sägen geſchehe, davon habe ich, wenigſtens was die betreffende Arbeit beim Nephrit in Neuſeeland betrifft, eine direkte Meldung be- kommen, welche in einem Artikel über die Nephrit⸗ induſtrie der Maori in Neuſeeland im Archiv für Anthropologie (Bd. XV, Heft 4, S. 463 469) näher exponiert wurde. Durch ein roſtähnliches Werkzeug Tab. Fig. 9. aus etwa zehn Stäben, welches wie eine Säge hin— und hergeſchoben und fortwährend mit Waſſer und Sand übergoſſen wird, gelingt es ihnen nämlich, mächtigere Platten in dünne Stücke zu ſchneiden. Ich ſtelle mir nun vor, daß größere Jadeitbeile aus mehr weniger dünnen oder dickeren Platten her— geſtellt und die Abfälle dann zu kleineren Beilchen nur die Chineſen, ſondern auch die Birmeſen nicht in die Steinbrüche laſſen. 95 Humboldt. — März 1885. aun den p deer o ppfe joqungebqv 0B as eat apyjY pau yaquitazahqn Hiyuvgjiaa’e Jav(pl ocppis oguna pbaqungobqv jodungobqv fiyuvnaa’ javgl ayy apaag é ang yoaumraign uur é yaqunaaigu bung uajun ‘apunaabgqn 1g wage Hung neun ‘aGpyzQ uaga Siypuyy Uhu Siwy Hrzuvg burg uezun ‘apyjQ uagea agg Siguvy Syuvplavfp| dab Jequngebqv nung vc bps azoutip| xgal UII aeg paguallu(plag, | apg uapom’ ava ur HUG uogozun un nee WE Ww IG tog ur PUG udgefun un PHUG uogefun wa silvg asg uv PHUG uogeſun wr PHAGE ee un jena usgesun wr Jena uarazun un é PUG usgejun un supe wa uv PPR usta un pun usqria sig uazlaa un PHU ustapun un PUG udaago un PHUG usaopun ar Jana nden un jaflunè nenn gun uepeale un PJAK ueſnag gun uapaa’ un JPA ussopun un PHI ueagego un PAG ustaga un JOP Usffizg gun uspraa’e un HUG udaoga un PPA, Udzpag gun uaprare wr aH 19g ur apc aeg 1 Jona usgejun un JPG, usgezun un Jon aloig oat 6G 8⁰/ 8'01 Bangraag 8˙¹ 9˙⁰ 9.TII Luc 0's 9˙9 8˙81 Banguaag | 0% 0G 2˙81 uaSvquadary 9˙8 0'8 9.81 Banqraag | ud 0˙9 al uodg | 8% 0'L 0'F1 adaouuvc | 0's BG GF banque 0˙ë 8˙4 aa adaouuvch 8˙⁸ 19 80%% L unogz 8⁰⁸ 0⁰% 8•L1 uodg | a gg 0˙91 UATE 0⁰¹ 9˙9 0⁴ Luz OT 801 0'LT vag 8—6˙⁰ B'S 081 CUD IAE Gg 0'L @'81 PYUS Anz ‘Banque | ie 0'6 9.81 SanqiaaQ oF Z'8 061 uaSvqguaday 8⁰⁸ OL 861 uuogz GP gL 0⁰ uasvquaday 0˙⁰¹ 8˙9 recta noqseg 9˙⁰0 0'0T 38S Luzi | 5—8˙0 3'8 9.86 Lusp ne | 28 39 0'FS aay, 86 0'L BFS uosvquocay 0% 3'9 0˙05 IIE 0˙⁰ UL 0˙⁰8 aoaquuvc al! 22 9.96 leg 1 aoqhinyg 8˙⁸ 8'6 363 leg n aoqhunyg 6% IL 2066 Fovzliaqnyg | 155 9.61 98 Goaragk) drognaling | 41 98 9/98 uahvguoday uru qun unt gun wut aun | mo u md un wo ut | 780] youbiag svaq oat IMIG egg | opoag aglaag | obupß Ne RG | vjonkguogz uljogueluog) nozqunlg undo uogunlg (oasis) araruarg é JO(K atayg | ULI | UII gq aarwaaane | uodg sog Ayn vulvovſd W9qjualuag UIUAAIVING unaqualuag ONAING udigUyG ujaluc-uagivavy | uuogz ig usbupollogz upalug-usqiwany UvypoyN(% WdqualUuda@ unaqualuag Hanqavwve quvjooed aay g Ng wd ppoazuvas % ‘Ila z 19}29G) Sanquaddoyas | nolnvguezuvad valnogdurumag JAWUIUN|, ‘Quyjawq@ SI sog Jroqung’ oa bond 88 „ ness | vlog | 0.5 dwjapluagy, | 64 yvlog | 85 pupypuoaraygg | 428 poavy 96 JAAS 90 muvpeuoao!09 | ¥6 puvpawuaraygg | Ez uppen d 88 muvpuog 0109 18 poguy 06 Magee 6 gu; 81 mog LT Hl 91 pagny ST pupypouaraygg = FT dwapluogy | ET neos 51 paqug IT avs 01 poave 6 é 3 paguy 2 obs 9 avs 8 muvpoutogo!69 * pe f paavg 5 be I Luvilgng 96 Humboldt. — März 1885. und Meißelchen verwendet wurden, wie fic) die Stücke bei dieſer fo überaus ſchwierigen Arbeit gerade ge- ſtalten mochten. Außer den Mineralien Nephrit, Jadeit und = = SS Ss SSS = = = SS SS SSS SSS Y SS SAS Ss x SS SS SSS Tab. Fig. 17. Chloromelanit, welche Herr von Fellenberg neuerlichſt (vgl. Verhandlungen der Berliner anthrop. Geſ. v. 17. Mai 1884 S. 356ff.) meines Erachtens ſehr geſchickt unter dem archäologiſch gemeinten Kollektiv— namen „Nephritoide“ zuſammenfaßt, wurden nach meinen Erfahrungen ſowohl in, als auch wieder Tab. Fig. 15. Tab. Fig. 18. außerhalb Europas noch die Felsarten Eklogit und Thonſchiefer zu fein polierten Beilen her- geſtellt und können unter dem von mir eingeführten Namen Feinbeile auch dieſe Subſtanzen, welche = —— Tab. Fig. 19. ſich zu ſolcher Arbeit geeignet zeigten, mitinbegriffen werden. Dieſe Feinbeile zeigen nun, wenn wir den Nephrit als einen in mancher Beziehung archäologiſch ſelb— ſtändiger daſtehenden Körper ausſchließen, ſowohl in als außerhalb Europas ſehr häufig eine gleich— Humboldt. — März 1885. 97 zeichnet, wie Fig. 3, 5, 6, 7, 10, 13, 18, oder fie haben eine ſchmale Fläche, wie Fig. 1, 8, 20, 22, 23, 24, 26, welche mehr eben oder gerundet ſein kann, oder man nimmt nach dem ſpitzeren Baſal-Teil ſchenklig dreieckige Form, welche um ſo deut— licher hervortritt, wenn die Beile ſehr flach ſind, wie Fig. 2, 3, 10, 18, 19, vielfach aber auch immer noch bemerkbar genug hervortritt, wenn dieſelben mehr und a 2 = a 2 ts 85 a & ca a ts 8 Tab. Fig. 23. Tab. Fig. 24. Tab Fig. 26. Tab. Fig. 29. mehr gewölbt ſind und ſich dann zur ſogen. Mandel- eine Fläche wahr, welche nach der Schneide hin in form (3. B. Fig. 4, 9, 16, 17, 20, 21, 23, 24, 25, 26, 29, 31, 32) hinneigen. Bei dieſen letzteren ſind dann, wie dies aus unſeren Seitenanſichten der Beile genügend erſichtlich wird, die Seiten entweder wirklich kantig, d. h. durch eine ſcharfe Linie gekenn— eine Kante verläuft; fo verhält es fic) bei Fig. 14, 15. In Anbetracht dieſer Seitenflächen wolle man darauf achten, ob da, wo eine deutliche Kante aus— gebildet iſt, dieſelbe ſchon ziemlich hoch oben, wie z. B. bei Nr. 15, oder erſt tiefer unten beginnt, wie 98 Humboldt. — März 1885. bei Nr. 14, 16, 23, 24, 26, 27, 29, 31. Derartige Verhältniſſe laſſen ſich jedoch in Zeichnungen, vollends wenn wie hier ſo bedeutende Verkleinerungen des natürlichen Maßes eintreten mußten, mitunter ſchwie⸗ rig wiedergeben. Soviel wird jedoch jedem Leſer bei der Vergleichung unſerer Bilder einleuchten, daß wir es reichlich mit Uebergängen von den flachſten Formen bis zu ſtark gewölbten zu thun haben, und da es fic) mit wenigen Ausnahmen!) nur um Jadeit⸗ und Chloromelanitbeile handelt, fo bewegen fic) alle dieſe Ueber gänge eben im Be— reiche der beiden letzten Mineralien. Wenn nun auch in gewiſſen Teilen Europas gerade öfter flachere Beile gefunden wurden, ſo muß man daneben be— denken, daß das Stück aus Yucatan Nr. 12, welches allerdings von der gewöhnlichen dreieckigen Beilform abweicht und an der Baſis durchbohrt iſt, an Flach— heit gewiß nichts zu wünſchen übrig läßt, was ſich aus den Zahlenverhältniſſen in der Tabelle noch Tab. Fig. 31. deutlicher als aus der Zeichnung ergibt, ebenſo ſind die neucaledoniſchen Beile (Nr. 19) neben der (hier nicht ſchlank, ſondern kurz) dreieckigen Geſtalt tiber- aus flach; für die gewölbte, bauchige, in der Seiten— anſicht nach der Schneide hin ſpitz zulaufende Form finden wir auch in Amerika in einem New Yorfer Beil aus Diorit (Nr. 25) und in einem an der Baſis ſpitziger zulaufenden, elegant geſchliffenen Eklogitbeilchen aus Venezuela (Nr. 30) die ſchönſten Analoga. Da nun dies alles keine Beilgeſtalten ſind, welche entweder durch eine konſtante Form von Geröllen oder durch eine beſondere Struktur der Subſtanz bedingt wären, alſo etwa auch bei unabhängig von einander arbeitenden Völkern hätten entſtehen können, fo müſſen wir fie mit allen darin liegen— den Uebergängen als das Werk bewußter, frei— williger Arbeit anſehen und da wir andererſeits Beile z. B. von ziemlich gewölbter, mandelförmiger Geſtalt in größter Uebereinſtimmung in Oſtindien (Nr. 16, 28), Europa (Nr. 15, 23, 24, 26, 27, 31) und in Amerika (Nr. 25 New York, Nr. 21 Atacama, Nr. 32 Venezuela, Nr. 17 Mexiko) antreffen, fo liegt doch der Gedanke einer ein heit— ) Nr. 13 und 29 find Thonſchiefer, Nr. 16 und 28 ſind Baſalt, Nr. 32 iſt Eklogit. lichen Quelle dieſer Arbeit für uns viel näher als jeder andere *). Was nun unſere Abbildungen anbelangt, ſo mußten dieſelben, wie bereits bemerkt, mit Rückſicht auf das Format dieſer Zeitſchrift ſehr bedeutend ver- kleinert werden; wir wünſchen, daß es dem Leſer gleichwohl möglich werde, ſich eine richtige Vorſtel— lung von der Sache zu machen; auch war es un⸗ nötig, gerade alle in der Tabelle aufgeführten Beile durch Abbildungen zu erläutern; ſo ſind die Nr. 11, 28 und 30 nicht abgebildet. Als mehr oder weniger überraſchende Ueberein- ſtimmung einzelner Beile unter einander bezeichnen wir ſpeciell u. a. die Nr. 20 und 21 (Gonſenheim und Atacama), Nr. 25 und 27 (New York und Cremiere). Nachdem durch meine früheren Unterſuchungen über die zuvor ganz vernachläſſigt geweſene nähere Beſtimmung der Subſtanz der Silikat-Beile der Nachweis geliefert worden, daß — auch abgeſehen — eg — — ' Se ———— a Sos Tab. Fig. 32. von den Nephritoiden — die Wahl der prähiſto— riſchen Völker auf der ganzen Erde übereinſtimmend vor allem immer auf die zäheſten und härteſten Fels— arten (Diorit, Amphibolſchiefer, Eklogit, Diabas, Baſalt), gelegentlich auch auf ſehr dichte Thonſchiefer gefallen ſei, ſo ſchien es uns am Platze, auch bezüg— lich der Form, wie es nun im Obigen geſchehen, an einer gewiſſen Anzahl Beile und zwar in dieſem Falle an den durch Größe und Schönheit hervor— ragendſten Beilen meiſt aus Jadeit und Chloro— melanit auch eine Ueberſicht darüber zu gewinnen, inwieweit ſich hier eine Uebereinſtimmung in ver— ſchiedenen Erdteilen nachweiſen laſſe. Dafür bin ich natürlich nicht verantwortlich, daß zur Vergleichung verhältnismäßig nur eine geringe Anzahl aus anderen Erdteilen vorlag; es dürfte ſich dies auch ſchwerlich ) Es muß gewiß auffallen, daß die Gegner unſerer Anſicht a eine unſererſeits im Archiv f. Anthrop. 1884, Bd. XV, 3, S. 167 geſtellte klare Frage ſeit bald Jahr und Tag keine Antwort zu geben wußten, nämlich ob fie ſich denken, die erſten Bewohner Europas ſeien in Europa ſelbſt entſtanden oder aber daſelbſt von aus: wärts eingewandert, in welch letzterem Falle eine Uebereinſtimmung des Materials ſowohl, als der Form der Beile z. B. mit Aſien wohl ſchwer mehr abzuſtreiten wäre. — Noch nicht eine Silbe einer Erklärung auf dieſe Kern frage kam mir von dort zu Geſicht! Humboldt. — März 1885. 99 ſehr viel anders herausgeſtellt haben, wenn das Ma— terial ganz großer Muſeen dabei hätte zu Rate ge— zogen werden können, denn reichlich liegen dort meines Wiſſens die exotiſchen Feinbeile ebenfalls nicht vor und von mehreren derſelben ſtanden mir ja auch Imitationen zu Gebot. Mögen dieſe Zeilen die An— regung zu fortgeſetzten Unterſuchungen in dem ein— mal betretenen Felde geben. ür fenen in Nord unis Von Dr. W. Hobelt in Schwanheim a. M. D Bahn von Goletta nach Tunis zeichnet ſich durch ſehr bequeme, luftige und auffallend breite Wagen mit bedeckten Plattformen an beiden Seiten ſehr vorteilhaft aus und läßt an Reinlichkeit und an Pünktlichkeit des Betriebs nichts zu wünſchen übrig. Sie ſpaltet ſich kurz vor der Hafenſtadt in einen Zweig, der nach Marſa und von da weiter nach Tunis geht und in einen anderen, der dem Rande der Bahira entlang direkt nach Tunis läuft. Erſterer berührt ein paar Ortſchaften und gibt uns reiche Ge— legenheit, die Olivenwälder, den Hauptreichtum dieſer Gegend, zu betrachten. Wer die Oelbäume in Ita— lien und Spanien kennt, dem muß die eigentümliche Behandlungsweiſe der Bäume auffallen; ausnahmslos verzweigen ſie ſich kurz über dem Boden in drei, ſeltener nur in zwei Hauptäſte, die ſich dann weiter gabeln und eine lockere luftige Krone mit reichen Fruchtzweigen bilden. Sie ſind alle gut gehalten, ſorgſam geſchnitten, man ſieht nicht die langen Aſt— ſtummel, wie ſie der Italiener ſo gerne ſtehen läßt, und viele Anpflanzungen ſind offenbar noch jung. Die eigentlichen Oelwälder Tuneſiens liegen zwar weiter ſüdlich, in der ehemaligen Provinz Vyzacena, dem heutigen Sahel, aber auch hier in der Küſten— ebene und im Medjerdathal findet man Oliven ge— nug. Der Ertrag ſoll nicht allzuhoch ſein; während man im Sahel alle zwei Jahre eine gute Ernte er— hofft, rechnet man hier nur alle fünf Jahre auf eine ſolche, und außerdem war die Oelbereitung ſeither eine ſo erbärmliche, daß das Oel abſolut ungenießbar war und es noch rentierte, die Preßrückſtände nach Marſeille auszuführen und dort mit Schwefelkohlen— ſtoff auszuziehen. Wenn die Zahl der Oelbäume trotzdem nicht abgenommen hat, ſo liegt das an einem alten Geſetz, welches das Abhauen eines Oelbaumes bei ſchwerer Strafe verbietet, um die Einnahmen der Regierung nicht zu ſchmälern. Der Oelbaum wie die Dattelpalme zahlt nämlich eine Art Kopfſteuer (Kanun), je nach ſeinem Alter 4, 6, 8 Karruben jährlich, was für einen Hektar bei einem durchſchnittlichen Beſtande von 300 Bäumen 46—69—92 Franken ausmacht, und dieſe Steuer muß, ohne Rückſicht auf die Ernte, in jedem Jahre bezahlt werden. Nur die Diſtrikte lionen Frank. II. an der Nordküſte geben den Zehnten auch von den Oelbäumen und haben fo in Mißjahren wenigſtens eine Erleichterung. Allgemein hört man die Klage, daß in den Steuerliſten weit mehr Bäume ſtänden, als auf den Feldern, aber alle Petitionen um eine neue Zählung ſind von der nun glücklich verfloſſenen Finanzkommiſſion als dem Intereſſe der Staats— gläubiger zuwiderlaufend abgewieſen worden. Rechnet man zu der ſchweren Beſteuerung noch die Belaſtung des Oelhandels mit Ausfuhrzöllen und den von Jahr zu Jahr geringer werdenden Preis des Oliven— öls *), fo begreift man, warum die Kultur des Oel— baumes in Tunis keine Fortſchritte mehr macht. Die Anlage von europäiſchen Fabriken kann bei der Un— ſicherheit des Ertrages dem auch nicht abhelfen. Folgt man der direkten Bahn nach Tunis, ſo bleibt man immer dicht am Rand des Sees, nach links hat man eine prachtvolle Ausſicht über die meer— gleiche Waſſerfläche und kann das Treiben der Fla— mingos betrachten nach Herzensluſt. Zu Tauſenden ſtehen die ſtelzbeinigen Vögel da, bis weit hinaus in den ſeichten See). Man findet jie das ganze Jahr über, aber in wechſelnder Zahl. Im Winter kom— men ſie nur für ein paar Stunden, ihre Nahrung zu ſuchen, ſonſt halten ſie ſich in der hinter den Hü— geln von Tunis gelegenen Sebcha es Seldjum auf, wo ſie vor den Winterſtürmen Schutz haben. Die meiſten aber verſchwinden im Winter überhaupt und die arabiſchen Jäger behaupten ganz beſtimmt, das ſie von Aegypten herüberkommen und auch nur *) Bei dieſem Preisrückgang wirken neben der erſt beginnenden Konkurrenz Kaliforniens, wo die Olive eine zweite Heimat zu finden ſcheint, die mannigfachen Tropen— le mit, von denen das der Erdmandel (Arachis hypogaea) auch für Speiſeöle empfindlich wird. Von dieſer Frucht, die vor 30 Jahren noch kaum im Handel vorkam, expor— tierte allein der Senegal nach Lenz in 1881 für 15 Mil Die Arachis gedeiht übrigens auch am Mittelmeer in warmen Lagen ganz gut und man hat namentlich in Süd-Tunis gelungene Verſuche mit ihrem Anbau gemacht. **) Die Bahira hat nirgends über zwei, meiſt nur 1% m Tiefe, ſelbſt in der Fahrrinne. 100 Humboldt. — März 1885. dort niſten. ſich ſeit Jahren in Tunis aufhält und zeitweiſe den Flamingo gewerbsmäßig gejagt hat, verſicherte mir, er habe nur einmal im Sande in einem großen, flachen, aus weichem Seetang erbauten Neſte zwei Eier gefunden, welche im Berliner Muſeum als Flamingoeier beſtimmt wurden. Das paßt nun aller- dings nicht zu den Angaben aller Naturgeſchichten über Neſtbau und Brüten des Flamingos; aber iſt es denn wirklich erwieſen, daß er ſich ein hochkegel— förmiges Neſt baut und rittlings darauf ſitzt? Mir ſcheint es etwas problematiſch, denn der Raum zwi— ſchen den Beinen ijt bei dem dürren Flamingo fo eng, daß ein Neſt abſolut keinen Platz dazwiſchen hat. Junge, noch nicht ausgefärbte Exemplare findet man gar nicht ſelten und ſie werden faſt häufiger geſchoſſen, als die ſchlauen Alten, die man mit dem Schrotgewehr nur ſchwer beſchleichen kann. Mit der Kugel ſind ſie vom Ufer aus leicht zu erreichen, aber dann taugen ſie ſelten mehr zum Präparieren. Die Araber lauern ihnen in Schilfhütten auf, die euro— päiſchen Jagdliebhaber benutzen ſtürmiſches Wetter, wo man den vom Kampf mit den Wellen ermüdeten Vögeln mit einem Segelboot leichter beikommen kann. Auf dem Lande trifft man ſie nur ſehr ſelten, ſie ſchlafen ſogar im Waſſer. Mit dem Flamingo zuſammen kommt mitunter auch der Ibis aus Aegypten herüber, doch ſelten; häufiger iſt ein Taucher, aus deſſen Daunenkleid man Fauſthandſchuhe fertigt, doch wird auch er infolge der eifrigen Nachſtellungen und der Einführung beſſerer Gewehre auch bei den eingeborenen Jägern immer ſeltener. Halbwegs zwiſchen Goletta und Tunis hält die Bahn für einen Augenblick, um den entgegenkom— menden Zug paſſieren zu laſſen. Die wenigſten Reiſenden — die eingeborenen Israeliten ſtellen dazu immer das Hauptkontingent — mögen daran denken, daß hier faſt genau die Stelle liegt, wo Kaiſer Karl V. über die Barbaroſſen ſiegte und daß der Kaiſer von hier aus ſah, wie die empörten Chriſtenſklaven den Halbmond von der Zinne der Kasbah riſſen und das Kreuz aufpflanzten. Die Umgebung iſt troſtlos öde, denn bei Oſtſtürmen wird das Waſſer weit über die flache Ebene hinübergetrieben und vernichtet jede Ve— getation, während doch die Salzwaſſerbedeckung nicht lange genug andauert, um eine Anſiedelung von Salzpflanzen zu ermöglichen. Endlich verkündet ein penetranter Geruch, oder richtiger Geſtank die Annäherung an Tunis. Die „reizende Braut des Occidents“, wie die arabiſchen Dichter die Stadt nennen, macht von dieſer Seite, wo ihre Kloaken münden, keinen ſonderlich imponie— renden Eindruck; auf einen ſchmalen Gartenring folgen die Totenfelder, wie ſie alle mohammedaniſchen Städte umgeben, dann läuft die Bahn in die gewölbte Halle, die ganz wie andere Bahnhöfe ausſieht. Vor dem Ausgang iſt freilich ein Treiben, ſo buntſcheckig und fremdartig, wie man es außer dem Orient ſo leicht nicht wiederfindet. Mitten unter dem fremdartigen Auch der deutſche Maler Fuchs, der Volke halten hier aber moderne Trambahnwagen und die umgebenden Häuſer find vollſtändig euro⸗ päiſch. Wir ſind eben im Europäerviertel, das ſich zwiſchen der alten Maurenſtadt und dem See ent- wickelt hat und nun mit wunderbarer Schnelle ſich ausdehnt. Hier findet der Touriſt vollſtändig euro- päiſches Leben mit allen Erforderniſſen der Civiliſation, Café chantant und Sommertheater mit eingeſchloſſen, auch ein paar leidliche Hotels, die freilich dem Ruf nicht mehr entſprechen, den ſich das Hotel de Paris unter ſeinem früheren Beſitzer Bertrand erworben. Wir hatten uns durch Bekannte Zimmer in der Penſion der Madame Carcaſſonne mieten laſſen und waren damit um ſo zufriedener, als die Cholerahetze unſeren Plan, nach 14 Tagen weiter zu gehen, vereitelte und uns zu längerem Aufenthalte zwang. So unlieb uns die Störung unſeres Reiſe⸗ planes und der erzwungene Aufenthalt bei der be— ginnenden Sommerhitze war, langweilig iſt uns Tunis nicht geworden, und wäre es uns auch nicht geworden, wenn wir auch nicht eine ſo angenehme Geſellſchaft von Landsleuten gefunden hätten. Das ,hevxdc Töne“ Diodors, die Stadt der phöniziſchen Tanith, iſt heute in einem wunderbaren Umwandlungsprozeß begriffen und ein paar hundert Schritte genügen, um uns aus der Fülle modernen Lebens in das Mittel⸗ alter hinein zu verſetzen; wir brauchen nur von dem Boulevard de la Marine, aus dem einmal eine Straße werden wird, wie fie wenig Großſtädte be- ſitzen, nach dem arabiſchen Bazar zu gehen, wo das europäiſche Leben ganz verſchwindet. Aber eine Schilderung des Lebens und Treibens in Tunis ge- hört nicht in den Rahmen des „Humboldt“ und ich werde ſie an einer anderen Stelle geben. Nur über die ethnographiſchen Verhältniſſe ein paar flüchtige Bemerkungen. Tunis iſt vorherrſchend Maurenſtadt. Der Araber tritt hier vollſtändig zurück; faſt nur unter den franz zöſiſchen Spahis ſehen wir dann und wann den echten arabiſchen Typus mit den großen melancho— liſchen Augen, wie wir ihn aus Weſtalgerien kannten. Was vom Lande herein kommt und hier von den Europäern Beduinen genannt wird, iſt unverkennbar berberiſchen Urſprungs und hat mit den Arabern nur die Sprache gemein. Die Araber ſpielen überhaupt in Tunis nur eine ſehr unbedeutende Rolle, eine unvergleichlich unbedeutendere als in Algier, wo we— nigſtens die Ebenen und die Hochplateaus, ſowie der Wüſtenrand von ihnen beſetzt ſind. Woher ſollten ſie auch kommen? Als im erſten Jahrhundert der Hidſchra die Araber zum erſtenmal in den Maghreb hineinbrachen, waren es nur Männer, und ihre Zahl reichte kaum aus, um außer dem neugegründeten Kairouan die wichtigſten Städte zu behaupten. Nur mit Hilfe der wilden Bergſtämme, die von den Byzantinern nicht wieder unterworfen worden waren, und welche die Gier nach Beute in ihre Reihen trieb, konnten ſie ihre Eroberung durchführen, und Berber— ſtämme waren es, freilich zum Teil von Arabern ge— führt — aber nicht ganz, denn Tarik ben Zyad Humboldt. — März 1885. 101 war ein Berber — und von der neuen Religion fanatiſiert, welche nach Spanien hinüberbrachen und das Weſtgotenreich ſtürzten. Furcht vor den wilden Bergſtämmen hatte die Städte zur Unterwerfung und zur Annahme des Islam gebracht, aber ſobald die Eindringlinge auch dieſe zu unterwerfen ver— ſuchten, entbrannte ein furchtbarer Kampf, in welchem Damia bent Nifak, die berühmte Kahina, gar manchmal Siegerin war, bis ſie 694 dem Verrate Chalids erlag. Erſt Muſa ben Noſair vollen— dete die Unterwerfung der Berber wenigſtens in den auf die Araber ſtützte, empörten ſich die Berber bald wieder, und erhoben in den Zeiriten eine neue nationale Dynaſtie auf den Thron. Das führte zu einem zweiten und größeren Einfall der Araber. Die Kalifen hatten kurz zuvor nach ſchwerem Kampfe den Bund der arabiſchen Stämme, der Karmat, über— wunden, und nach alter orientaliſcher Deſpotenſitte die ſchlimmſten ihrer Gegner, die Goleim und die Hillal, aus ihrer Heimat in Hedſchas weggeführt und ihnen den Raum zwiſchen dem Nil und dem Roten Meer als Gefängnis angewieſen. Dort Fig. 1. zugänglicheren Gegenden, aber als die Nachricht von der furchtbaren Niederlage bei Poitiers herüberkam, erhoben ſich alsbald die Berber unter Muſſera el Medghrari und mit dem Untergang des Emirs el Koſcheri bei Tanger 741 endete die erſte Araber— herrſchaft in Nordafrika. Die beiden Dynaſtieen, welche ſich in die Trümmer des Kalifenreiches teilten, die Aghlabiten, wie die Edriſiten, waren keine Araber. Ja, ſchließlich triumphierten die Berber über die Araber auch außerhalb ihrer Heimat und er— zwangen die Anerkennung der ſchiitiſchen Fatimiden, die urſprünglich in Sedjelmaſſa, in der Sahara, dann in Tiaret ihren Sitz gehabt, als Kalifen und Herren der Gläubigen. Als aber der Fatimide el Mo sz ſeinen Sitz nach Aegypten verlegte (972) und ſich wieder ganz Humboldt 1885. Straße in Tunis. machten dieſe Raubſtämme ſich aber bald ſehr unan— genehm und es wurde immer ſchwerer, das reiche Land vor ihnen zu ſchützen. Da kam die Nachricht, daß der Emir von Kairouan ſich vom Kalifen los— geſagt, und nun riet el Mazuri, der Weſir, ſeinem Herrn, die Gelegenheit zu benutzen, um die Araber loszuwerden. „Entweder ſie ſiegen, dann haben wir Nordafrika wieder, oder ſie werden von den Berbern totgeſchlagen, dann ſind wir ſie los.“ Der heilige Krieg wurde gepredigt, zahlloſe arabiſche Abenteurer zogen ihren Verwandten zur Hilfe, und ſo kam über eine Viertelmillion Menſchen zuſammen, die ſich wie eine Meute ausgehungerter Wölfe auf das damals reiche und blühende Maghreb ſtürzten. „Vor ihnen ein prangender Garten, hinter ihnen die Wüſte“, fo durchzogen fie die Marmarica und die 14 102 Humboldt. — März 1885. Cyrenaica und warfen ſich dann auf Tunis, deſſen ziritiſche Herrſcher auch dem wilden Anſturm erlagen. Weiter vorzudringen und ſich mit den Gebirgsſtämmen zu meſſen, wagten die Araber indes vorläufig noch nicht, da ihre Pferde ihnen dort nichts nutzen konnten. Ihre Scharen ſpalteten ſich. Ein Teil zog mit Fa- milien und Herden den Südrand des Hochplateaus entlang, machte ſich den Oaſenberber zinspflichtig oder drängte ſie, wie die damals mächtigen Beni M'zab und die Tuareg, weit nach Süden, der andere ſchob ſich auf die Hochplateaus hinauf und nahm ſie in Beſitz bis zum Dſchebel Amour. Dieſe Stämme ſpielten in Nordafrika eine ähnliche Rolle, wie die Normannen in Unteritalien. Zu ſchwach, um die Berber zu unterjochen, aber ſtark genug, um bei den ewigen Bürgerkriegen den Ausſchlag zu geben, ver— mieteten ſie ihre Dienſte bald dieſer, bald jener Partei und erwarben ſich ſo allmählich eine dominierende Stellung, welche ihnen geſtattete, ſich aller der frucht— baren Ebenen zu bemächtigen und die Berber in die unzu— gänglicheren und unfruchtbaren Bergdiſtrikte zu drängen. Von dieſen Einwanderern ſtammen die Araber Nordafrikas ab und die Stammbäume der einzelnen Stämme laſſen ſich um ſo leichter bis dahin zurück— verfolgen, als die Araber ja bekanntlich großes Ge— wicht auf die Genealogie legen und ihre Dju sd (Edle) in der Regel ihren Stammbaum bis vor Mohammed zurückführen können. Bei weitem nicht alle Nomadenſtämme ſind aber Araber. Am Rande der Wüſte iſt nur nomadiſches Leben möglich, und die Mauruſier und ein Teil der Numiden waren Nomaden ſchon in der älteſten Zeit. Mit ihrer Be— kehrung nahmen dieſe, wie die Urghamma, die Faraſchiſch, die Amamra und andere in Süd— tunis auch arabiſche Tracht und zum Teil ſelbſt ara— biſche Sprache an; manche verſchmolzen auch völlig mit Abteilungen der Eindringlinge und bildeten neue Stämme. So entſtanden die mächtigen Hanencha, welche zu den Türken immer nur in einem lockeren! Vaſallenverhältnis ſtanden, aus der Verbindung eines Stammes der Wüſtenberber mit einem Teil der Soleim, ebenſo die Uled Merdéès bei Bona aus einer Miſchung der berberiſchen Ulhaſſa mit den arabiſchen Mirdas. Auch die Khroumirs ſind ein ſolcher Miſchſtamm, hervorgegangen aus vertriebenen Wüſten— arabern, die bei den Bergſtämmen an der Nordküſte fremde Element, und ſie, welche ſich immer einen be— ſtimmten feſten Centralpunkt und etwas Ackerbau be— wahrt haben, werden eher an feſte Wohnſitze zu gewöhnen der Hochebenen. Den Fatimiden brachte die Eroberung Nordafrikas keinen großen Nutzen. Die Zeiriten behaupteten ſich in einem großen Teil des Landes, und auch in Ma— rokko herrſchten die Almoraviden, echte Berber 1 aus dem Stamme der Sanhadja, die ſogar den Ge- ſichtsſchleier der Tuareg (Litham) trugen. Sie wurden 0 0 freilich von der arabiſchen Dynaſtie der Almohaden ge- ſtürzt, die ſich des Urſprungs von Mohammed rühmten, aber auch deren Nachfolger, die Meriniden waren Berber zenatiſchen Stammes. Erſt mit der jetzigen Dynaſtie in Marokko kamen wieder Schürfa, Nach— kommen des Propheten, auf den Thron, aber das arabiſche Element in der Bevölkerung hat damit nicht zugenommen und iſt den Berbern gegenüber ent— ſchieden im Rückgang begriffen. Aus vorſtehender Darſtellung ergibt ſich auch, daß nicht die Araber es waren, denen der Aufſchwung Nordafrikas und Spaniens zu danken iſt. Damit wird auch die Frage nach den Urſachen hinfällig, durch welche die einſt ſo civiliſierten und Künſten und Wiſſenſchaften zugeneigten Araber jetzt ſo ganz unempfänglich dafür geworden find. Die Bildungs- träger waren aber auch nicht die reinblütigen Berber oder Kabylen, denn dieſe ſind nie weſentlich anders geweſen als jetzt, und ihre Civiliſationszeit wird erſt noch kommen. In ihren Bergen ſind ſie dem Chriſten— tum faſt unzugänglich geblieben, kein Biſchofsverzeichnis meldet von einem Biſchof im echten Kabylenlande, auch die römiſchen Götter haben dort keine Stätte ge— funden und nur den Juden ſcheint es, vielleicht von der Cyrenaica aus, gelungen zu ſein, einzelne Stämme für den Dienſt Jehovas zu gewinnen. Die Kahina, die Führerin der ganzen Nation gegen die Araber, wird eine Jüdin genannt; auch von den Stämmen der Aures und von den Mediuna bei Moſtaganem hören wir dasſelbe. Beſſere Reſultate haben die Araber gehabt; begeiſterte Miſſionäre, meiſt Schürfa, Nachkommen des Propheten, haben ſich inmitten der Bergſtämme angeſiedelt, durch ascetiſches Leben oder durch Mildthätigkeit deren Vertrauen gewonnen und ſie allmählich zur Annahme des ſo einfachen moham— medaniſchen Glaubensbekenntniſſes bewogen. Nur die Tuareg ſind in ihrer Hauptmaſſe unzugänglich ge— blieben, ſonſt rufen alle Berberſtämme jetzt Allah an und gehören zum Teil zu ſeinen fanatiſchten Ver— ehrern; aber der Islam hat ſich ihnen auch ſehr an— paſſen müſſen, und der orthodoxe Türke und Araber ſchaut immer mit einem großen Mißtrauen auf ſie. Heiligenverehrung und religiöſe Brüderſchaften haben bei ihnen eine ganz eigentümliche Entwickelung erlangt, ſelbſt die frömmſten Kabylen haben den Koran niemals als Civilgeſetzbuch betrachtet. — Noch haben eine Zuflucht fanden. Alle ſolche Miſchſtämme nennen ſich Araber, aber meiſtens gewinnt in ihnen das ein- heimiſche Blut nach und nach die Oberhand über das dieſe Urſtämme im großen und ganzen nur an den Grenzen der Civiliſation geſeſſen, ohne ſie zu über— ſchreiten, im allgemeinen zufrieden, wenn man ſie unbehelligt ließ. Zweimal haben ſie, geführt von ſchlauen Semiten, das Abendland erſchüttert, unter den Karthagern und unter den Arabern, und beide— ſein, als die reinblütigen Stämme der Sahara und mal hat die Erhebung zu langjähriger Unterjochung geführt. Aber keinem, der die unvermiſchten Berber in ihrer Heimat ſieht, kann es entgehen, daß hier noch eine gewaltige Volkskraft unverbraucht ſchlum— mert, und daß dieſe Nation, die es noch nicht ein— mal zu einem eigenen Namen gebracht hat?) und in *) Kabyle iſt ein arabiſches Wort, das Stamm be— Humboldt. — März 1885. 103 ihrer ſtaatlichen Organiſation niemals über die Ver— bindung weniger benachbarter Stämme (Thakebilt, von den Franzoſen als Konföderation wiedergegeben) hinausgekommen iſt, noch einmal eine Rolle in der Weltgeſchichte ſpielen wird. Die Civiliſationsträger können alſo nur die Mauren geweſen ſein, aber woher ſtammen die? Auswanderer aus Spanien, wie die landläufige Ant— wort auf dieſe Frage lautet, können ſie nicht ſein, denn die Civiliſation Nordafrikas iſt ebenſo alt und ebenſo hoch entwickelt geweſen, wie die Spaniens, und die ſpaniſchen Mauren werden als Andalus oder Landalus heute noch vielfach von den afrika— niſchen unterſchieden. Viele Forſcher nennen ſie Stadt— araber, nur durch den feſten Wohnſitz von den Be— duinen unterſchieden, dem widerſpricht aber ihr ganzes Weſen, namentlich ihre Neigung zu Handel und Ge— werbe und auch zu Kunſt und Wiſſenſchaft. Ich glaubte ſie für Miſchlinge von Berbern und Arabern halten zu können, denn reine Berber können ſie ihrem ganzen Habitus nach nicht ſein, obſchon ſich ihre Charaktereigenſchaften ganz gut von den Berbern ab— leiten ließen. Jetzt ſcheint es mir aber viel wahr— ſcheinlicher, daß ſie ein Miſchvolk ſind, entſtanden aus der Verſchmelzung aller der Nationen und Stämme, die nach und nach Vertreter nach Nordafrika geſandt haben, direkte Nachkommen der Städtebewohner und der civiliſierteren Landbewohner der römiſchen Zeit, die ja von den Arabern unterworfen, aber nicht aus— gerottet worden ſind und, ob gern oder ungern, ſchon ziemlich früh den Islam angenommen haben; daß man dann keine beſtimmte Raſſe mehr nachweiſen kann, wird niemand wundern, der die ältere Ge— ſchichte Nordafrikas kennt. Wir haben über die älteſten Zeiten ein koſtbares Dokument in den Angaben, welche Salluſtius aus den verloren gegangenen Quellſchriften König Hiempſals uns aufbewahrt hat. Dieſer Schriftſteller berichtet, daß Nordafrika anfangs bewohnt geweſen ſei von Gaetulern und Libyern, noch rohen und ungebildeten Menſchen, welche ſich von Wildbret und Kräutern nährten, wie das Vieh, und keine beſtimmten Wohnſitze hatten. Zu ihnen geſellten ſich aber aſiatiſche Völker, Meder, Perſer und Armenier, welche Herkules (richtiger Melkarth) durch ganz Europa bis nach Spanien geführt hatte, ſie verſchmolzen mit ihnen zu den Völkern der Mauren im Weſten, der Numiden im Oſten; die erſteren trieben ſchon frühzeitig Handel und hatten Städte. — Dieſe ganze Erzählung er— ſcheint höchſt ſagenhaft, aber ſie hat eine unerwartete Beſtätigung erhalten durch die Hieroglyphen Aegyptens, welche die blonden, blauäugigen Tamahu oder Ta— hennu, die Nord- oder Nebelmänner, übers Meer deutet. oder Berberkabilen in Marokko, was bei der allgemeinen Annahme des Volksnamens Kabylen nicht gerade praktiſch ift.) Berber ijt dagegen das griechiſche 878998. Beide Namen ſind den damit bezeichneten Stämmen fremd und ſelbſt verhaßt. (Lenz ſpricht darum immer von Araber-Kabilen nach dem Weſtlande kommen und von dort aus Aegypten angreifen laſſen. Das ſind offenbar die— ſelben Stämme, welche die Punier als Perſer und Armenier bezeichneten, indogermaniſche Arier; ſie werden immer mit den Bewohnern Süditaliens und ſelbſt den griechiſchen Pelasgern in Beziehung ge— bracht, und die Heerfahrt des Herkules iſt ſchwerlich etwas anderes, als die Einwanderung der Italo⸗ gräken nach den Mittelmeerländern. Die Le bu und Maſchu aſch, die unter Rhamſes Meremphtah den ägyptiſchen Großſtaat in ſo große Not brachten und trotz der Siegesbulletins, die wir heute noch an den Wänden von Karnak und Medinet Abu leſen können, unter Rhamſes III. ſchließlich in Trümmer ſchlugen, verſchmolzen in den Küſtenländern mit den berberiſch⸗iberiſchen Autochthonen, und dieſes Miſch— volk bewohnte das Land als die Einwanderung der Phönizier begann. Auch dieſe iſt uralten Datums; ſie reicht mindeſtens bis zu der großen Expedition Thutmes III. zurück, wo eine mit Phöniziern, denn die Aegypter ſcheuten die Salzflut, bemannte Flotte des Pharao Nordafrika heimſuchte und das noch exiſtierende Siegeszeichen im heutigen Cherchell er— richtete. Prokopius von Cäſarea, ein geborener Phönizier, berichtet von zwei Säulen, die bei Tigiſis ſtanden und auf denen in phöniziſcher Sprache ein— gegraben ſtand: „Wir ſind diejenigen, welche vor dem Angeſichte des Räubers Jeſus (Joſchua) des Sohnes Maues geflüchtet ſind.“ Es hat alſo wahr— ſcheinlich eine bedeutendere Einwanderung von Ka— naaniten ſtattgefunden zur Zeit des Einbruchs der Israeliten in Kanaan gegen das Ende des 13. Jahr⸗ hunderts und ſo ziemlich zur ſelben Zeit, als die Tamahu gegen Aegypten drängten und mit Weib und Kind aus Numidien ausgezogen waren, um beſſere Wohnſitze zu ſuchen, ein Umſtand, der den ſeefahren— den Phöniziern wohl bekannt ſein mußte. Die Einwanderer ſcheinen bei den ſtammverwandten Urein— wohnern — denn die nahe Verwandtſchaft der Ka— naaniter und der Berber kann wohl kaum beſtritten werden — freundliche Aufnahme gefunden zu haben und entwickelten ſich zu dem zahlreichen Volke der Libyo-Phoeniken, das die Hauptſtütze der Kar— thager war, ganz Tuniſien bis zu den Aures be— herrſchte und noch zu des heiligen Auguſtinus Zeiten ſeine Sprache bewahrt hatte. Mit dieſer Einwanderung ſcheinen zwar die großen Völkerbewegungen in Nordafrika vorläufig ein Ende gefunden zu haben. Aus Phönizien aber kam eine Auswandererſchar nach der anderen, und Karthago, das nach der Zerſtörung von Tyrus durch Nebukad— nezar 574 v. Chr. das Erbe ſeiner Mutterſtadt im Weſten angetreten hatte, koloniſierte ſyſtematiſch erſt in Tuniſien und dann auch weiter in den Metago— nitenſtädten der Nordküſte und um die Säulen des Herkules herum bis an die Kapverden. Ebenſo ſandten die römiſchen Kaiſer zahlreiche Militär- und Civil— kolonien über das Mittelmeer, und ſo finden wir gegen das Ende der Römerherrſchaft zwei anſcheinend ganz verſchiedene Völker, ein hochciviliſiertes Miſch—⸗ 104 Humboldt. — März 1885. volk in den Städten, Ebenen und zugänglicheren Thä— lern und dazwiſchen in den Bergen die halbwilden Urbewohner, welche Rom wohl zur Ruhe gezwungen, aber niemals ganz unterworfen hatte. Die römiſche Geſchichte meldet zwar kaum etwas von ihnen, aber mehr als eine Inſchrift beſagt, daß ſie dem oder jenem zu Ehren er⸗ ſich lieber den Arabern in die Arme. Ein Teil der organiſierten Bevölkerung mag damals geflüchtet ſein, die Hauptmaſſe blieb im Lande, nahm den Islam an und als ihre Nachkommen haben wir die Mauren anzuſehen. Sie haben ſich allerdings vielfach mit Arabern gemiſcht und deren Sprache angenommen?), aber wenn ſie richtet ſei, der nicht die Nach⸗ ſich im Kampf . 6G . kommen der gegen die ein⸗ 5 ; civilifierten gebrochenen 2 römiſch-puni⸗ Bergſtämme = 1 ſchen Bevölke⸗ — es heißt = I rung find, fo z. B. in einer frage ich noch⸗ zu Tenes ge⸗ mals: Wo iſt fundenen, dieſe hinge⸗ dem C. Ful⸗ kommen? Die einius Qui Tradition rinus Op⸗ müßte davon tatus gewid⸗ melden, ſo meten Tafel gut wie ſie ausdrücklich von einigen inruptione, Stämmen in nicht insur— den Aures be⸗ rectione — wahrt hat, hervorgethan. daß ſie früher Wo iſt der Rumi gewe⸗ civiliſierte ſen und vor Teil der Be⸗ den Arabern völkerung in die Ge⸗ hingekom⸗ birge geflüch⸗ men? Die tet ſeien. Vandalen Nehmen haben das wir aber die⸗ Land unter⸗ ſen Urſprung jocht und die für die Mau⸗ Mauern der ren an, ſo Städte gebro⸗ kann es uns chen, aber die nicht weiter Bewohner ge- wunderbar er⸗ wiß nicht aus⸗ gerottet. Ebenſowenig die Byzanti⸗ ner. Als die Araber ein⸗ brachen, fan⸗ den ſie überall noch die Ru⸗ mi, die ro⸗ maniſierten Nord⸗ afrikaner; ſie wurden ſchwer von den unvermiſcht gebliebenen Bergſtämmen bedrängt, und die meiſten Städte öffneten den Feinden gern ihre Thore, um Schutz zu finden gegen dieſe Todfeinde. Gerade der Raſſenzwieſpalt erleichterte die Eroberung ungeheuer; die Kahina wollte, nachdem ſie mit Hilfe der Grie— chen den Emir Zobeir geſchlagen, alle byzantiniſchen K Citadellen ſchleifen laſſen, aber die Städte warfen Fig. 2. Moſchee in Tunis. ſcheinen, daß jie, vor weite— ren Völker⸗ ſtürmen ge⸗ ſchützt, einen Teil ihrer al⸗ ten Kultur er⸗ hielten und weiter ent⸗ wickelten, und daß ſie in Kunſt und Wiſſenſchaft Dinge leiſteten, welche dem Reſt des Islams gegenüber ſtaunenswert erſcheinen, daß das mauriſche Haus heute noch dem römiſchen in allen Einzelheiten ent— ſpricht und daß der mauriſche Pflug genau nach dem ) Iſt die lingua franca, die langue sabir def Franzoſen nicht eher ein Ueberbleibſel aus der Römerzeit als ein verdorbenes Italieniſch? Gar viele Worte ſtehen Humboldt. — März 1885. 105 Modell des uralten Inſtrumentes gearbeitet iſt, das die Phönizier mitgebracht. Auch der vom arabiſchen Volkscharakter ſo grundverſchiedene Charakter der Mauren erklärt ſich aus einer Miſchung von Römern und Berbern leicht. In Tunis iſt der Maure heute noch das, was er in Algier vor 50 Jahren war; die Konkurrenz der Juden undder, europäiſchen Faz briken hatihn noch nicht ins Proleta— riat gedrängt. Noch ſind die mei— ſten Handwerke und der ganze Grundbeſitzinſei— nen Händen und vielleicht hält er, allmählich auf die Konkurrenz vor⸗ bereitet, ſie beſſer aus als in Al⸗ gerien. Dem Ju⸗ den iſt er nun ein⸗ mal nicht gewach— ſen, denn es geht ihm jeder Speku⸗ lationsgeiſt ab und die Zeit weiß er nicht zu ſchätzen. Gerade die lie— benswürdigſten Seiten ſeines Charakters, die Leichtigkeit oder richtiger Leicht— fertigkeit, mit welcher ſich einer für den anderen verbürgt, werden ihm verderblich, und im Bazar fällt eine Straße nach der anderen in die Hände der klügeren Söhne Israels. Es iſt Kaufherren ſicher in allen Häfen und hatten Comptoire ſelbſt tief im Binnenlande. Erſt die Türken machten dem ein Ende und ſchufen, unterſtützt durch die aus Andaluſien vertriebenen Morisken jene Seeräuber— ſtaaten, welche das Mittelmeer verödeten. Die Landbevölkerung um Tunis herum iſt unver— kennbar berberiſchen Stammes; ſie wohnt noch in den niederen Hütten mit gekrümmten Dachſparren, welche Salluſt als Mopalia be— ſchreibt. Es ſind fleißige, bedürf— nisloſe Leute, welche unter einer beſſeren Regie— rung bald wieder die Gegendin eine Kornkammer ver— wandeln werden. Allerdings wird es dem franzöſi— ſchen Gouverne— ment nicht leicht fallen, die Eigen— tumsverhältniſſe in Ordnung zu bringen, denn einen großen Teil des Landes haben ſich hohe Beamte oder die Regie— rung auf alle mögliche Weiſe zuzueignen ge— wußt und nur in den ſeltenſten Fällen iſt in Nord-Tunis der Bauer noch freier Eigentümer. Aber die Fran— zoſen haben nicht umſonſt eine fünfzigjährige Erfahrung in Al— ſchade um den gerien hinter ſich Mauren; jo fanaz tijd) er an ſeinem Glauben hängt, iſt er doch dem Chriſten gegenüber freundlich und tole— rant und bedauert ihn eher, als daß er ihn haßt. Solange die mauriſchen Dynaſtien herrſchten, war Nordafrika dem Handel geöffnet, verkehrten italieniſche Fig. 3. dem Latein näher als dem Italieniſchen, und man findet Ausdrücke der lingua franca nicht nur an der Küſte, ſondern auch im Inneren, wohin italieniſcher Einfluß wohl nie gedrungen. Maurin im Haustleid und aus den Maß— nahmen, die Campon, der franzöſiſche Miniſterreſident, ſeit der Uebernahme des Protektorates getroffen hat, läßt ſich erkennen, daß man den richtigen Weg einzuſchlagen gedenkt. Einzeln unter den Mauren und Landberbern be— gegnet man ſchlanken, hochaufgerichteten Mannes— geſtalten mit geſträubtem, weit abſtehendem Schnurr— bart, wie ihn der Araber auch im kühnſten Traume nicht zuwege bringt. Das iſt unverkennbar Türken— blut, ein Reſt aus der Zeit, wo die türkiſchen Janit— 106 Humboldt. — März 1885. ſcharen in Tunis dieſelbe Rolle ſpielten wie in Algier. Ihre Macht wurde zwar ſchon zu Ende des vorigen Jahrhunderts gebrochen, wo der energiſche Hamud a, der bedeutendſte Fürſt, den Tunis gehabt, der ewigen Palaſtrevolutionen müde, ſich auf die einheimiſchen Milizen zu ſtützen begann und die empörten Janit⸗ ſcharen ebenſo grauſam vernichtete, wie Mahmud, der Schlächter, in Konſtantinopel. Aber Nachkommen haben ſich doch noch ziemlich zahlreich erhalten, natür— lich nur Halbblut, Kuluglis, und ſie fallen jedem einigermaßen aufmerkſamen Beobachter ſofort auf. Mit den eingeborenen Tuneſen mengen ſich auch einige fremde Typen, Berrani, wie fie der Maure nennt. Vergebens ſucht man allerdings den Biskri, den Allerweltsdiener in Algier; er verirrt ſich nicht hier herüber; Waſſerträger braucht man überhaupt nicht und als Laſtträger erſetzt ihn der Bergkabyle, der Dſchebali. Auch der Mozabite monopoliſiert hier nicht, wie in Algier, den Kleinhandel, und nur ſelten ſieht man ihn als Kohlenverkäufer und Bade— diener. Den Handel haben ſeine Verwandten von der Inſel Dſcherba inne, die Dſcherabi, ebenſo reinblütige Berber, die ſich auf ihrer Inſel eine ſelb— ſtändige Stellung erhielten und Sprache und Sitte gerade ſo rein und treu bewahrten, wie die Beni Mzab, die aus Südtuniſien nach mannhaftem Wider- ſtande in die Sahara zurückwichen und lieber im „Lande des Durſtes“ ſich eine kümmerliche Exiſtenz gründeten, als ſich den Arabern beugten. Auch die Dſcherabiya werden für halbe Heiden, für Ketzer und Hundeeſſer gehalten, ſo fromme Muſelmänner ſie auch ſind, und das bringt ſie an Orten, wo ſie keine Moſchee haben, in eine ſchlimme Situation. Ihnen genügen beim Beten die Waſchungen und das Unterlegen eines reinen Teppichs auf die vielleicht verunreinigte Erde nicht, ſie legen ſogar die Beinkleider ab, an denen möglicherweiſe eine Uneinigkeit haften könnte. Das deuten nun die Araber niederträchtigerweiſe ganz falſch und ſehen ſtatt großer Frömmigkeit darin nur die ſchnöde Abſicht, die Moſchee der Rechtgläubigen zu verunreinigen, ſobald es unbemerkt geſchehen kann. Sobald ſie einen Dſcherabi ſich zum Beten fertig machen ſehen, werfen ſie ihn darum unerbittlich hin— aus. Die Tuniſer behaupten ſogar, die Oſcherabis ſchlichen ſich manchmal in die Kaaba, um den Gläu— bigen einen ſolchen Tort anzuthun, und es ſeien eigene Wächter angeſtellt, um ſie an der Ausübung ihres ſchändlichen Vorhabens zu hindern. Dafür werden ſie in Handel und Wandel von den gerie— benen Inſulanern tüchtig übers Ohr gehauen, und in den von ihnen einmal monopoliſierten Geſchäfts⸗ zweigen kann ſelbſt der Jude nicht gegen ſie auf— kommen. Manche von ihnen ſind ſehr reich; ſelbſt eine der reichſten und angeſehenſten Familien in Tunis, die Ben Ayed, ſoll von Dſcherba ſtammen. Nächſt verwandt mit den Dſcherabi, wenn auch chriſtlicher Konfeſſion, ſind die Malteſer, die einen ſehr bedeutenden Bruchteil der tuniſiſchen Bevölkerung ausmachen. Was mit Fuhrwerken zu thun hat, iſt ſelbſtverſtändlich malteſiſchen Stammes, und ſo hoch ſie ſich auch als gute Katholiken über die Berber er⸗ haben dünken, der Unterſchied iſt ſehr gering und nicht überall zum Vorteil der Malteſer. Am meiſten fallen ihre Frauen auf in ihrer ſchauderhaften Um⸗ hüllung aus ſchwarzem Taffet, die ſie faſt wie Nonnen erſcheinen läßt. Die Juden bilden mindeſtens ein Viertel der Bewohner von Tunis. Längſt ſind ſie nicht mehr in ihre Mellah eingeſchränkt, und ſeitdem ſie geſetz— lichen Schutz genießen, geht mit unheimlicher Schnellig⸗ keit eine Straße nach der anderen und im Bazar eine Budenreihe nach der anderen in ihren Beſitz über. Sie find aber durchaus nicht bloß Händler, im Gegen- teil betreiben viele von ihnen Handwerke. Ihre Tracht iſt faſt genau die der Mauren und es bedarf ſchon einiger Uebung, um ſie zu unterſcheiden. Leider ſind ſie durch die erlangte Freiheit noch nicht reinlicher geworden und die von Juden und Malteſern bewohnten Quartiere ſtechen ſehr unangenehm ab gegen die ſau— beren Gaſſen der Maurenſtadt. : Sehr auffallend find dem Fremden die tuniſiſchen Beamten, europäiſch koſtümiert, die rote Schaſchia mit einem Meſſingſtern auf dem Haupte, häufig mit großen Ordensſternen geziert; ſie ſcheinen ſich aber in ihren engen Kleidern gar nicht ſonderlich wohl zu fühlen und ſehen mit Ausnahme der höheren Chargen meiſt recht kümmerlich und ſchäbig aus. Ihnen hat das franzöſiſche Protektorat wenig Beſſerung ge— bracht; ſie erhalten ihren geringen Gehalt zwar jetzt wenigſtens regelmäßig, was früher nie vorkam, dafür iſt es mit dem Avancement aber traurig beſtellt, denn alle höheren Stufen haben ſo viel ganz überflüſſige Beamte, daß eine ganze Menge weg- ſterben muß, ehe einmal eine Neubeſetzung nötig wird. Außerdem fallen aber die vielen Nebenſpeſen weg, durch die ſie ſich früher für den Nichteingang ihres Gehaltes reichlich entſchädigten. — Tuniſiſche Soldaten ſieht man in der Stadt wenig mehr; von einem Poſten nach dem anderen haben die Franzoſen ſie ganz ge— räuſchlos abgelöſt, und nur an ganz wenigen Stellen ſieht man ſie noch wie früher, bloßfüßig, das Ge— wehr an die Wand gelehnt, in der Hand ein Strick— zeug, das den Lebensunterhalt, zu dem der Sold nicht ausreicht, verdienen muß. — Viel ſtattlicher nehmen ſich die Kutſcher des Bey aus in ihren mit Silberlitzen benähten blauen Kapotſen; freilich haben ſie meiſt auch Offiziersrang. Die Kutſcher der reichen Mauren tragen ähnliche Burnuſſe, und nicht ſelten ſieht man recht elegante mauriſche Equipagen, zu deren Beſpannung aber der Maure wie der Spanier Maultiere den Pferden vorzieht. Das weibliche Element tritt in der inneren Stadt natürlich ſehr zurück. Auch den Jüdinnen, die ſich ebenſo koſtümieren wie in Goletta, verlaſſen ihr Haus nur ſelten und nur am Sabbath ſieht man ſie ge— putzt auf der Marina promenieren. Viel ſeltener begegnet man Maurinnen, die ganz ähnlich gekleidet ſind, aber einen ſchwarzen Schleier tragen, der nur die Augen frei läßt und ſeinen Trägerinnen ein ge— radezu unheimliches Anſehen gibt. Es ſind natürlich Humboldt. — März 1885. 107 nur Frauen aus den niederen Klaſſen, welchen man begegnet; die wohlhabende Maurin verläßt ihr Haus faſt nie und wenn ſie es thut, ſo iſt ſie in einer Weiſe verhüllt, daß man auch nicht die geringſte Spur von ihrer Figur erkennen kann; zum Ueber— fluß halten ſie noch ein Stück Zeug mit ausgebreiteten Armen vor ſich, ſo daß ſie nur einen ganz ſchmalen Streifen der Straße unmittelbar vor ihren Füßen ſehen können. Ein Anzug, wie ihn die Moresken in Algier tragen, würde heute noch in Tunis ein Aer— gernis ohnegleichen bereiten, aber ich fürchte, den frommen tuniſiſchen Mauren wird dieſer Kelch ſchwer— lich erſpart bleiben und die ſeither in beſtimmte Straßen eingeſperrten mauriſchen „Gaad“ werden ſich die neue Freiheit bald genug zu nutze machen. Tunis zieht ſich am Hang eines Hügelrückens empor, welcher die Sebcha es Seldjum von der Bahira ſcheidet; er dacht ſich nach letzterer ſanft ab, nach der Sebcha hin fällt er ſteil, ſtellenweiſe ſogar ſenkrecht ab. Oeſtlich der Stadt erhebt er ſich zu zwei höheren Spitzen, von denen die eine das Heilig— tum des Sidi bel Haſſan eſch Schaedeli trägt; ſie tritt ſo ſteil in den See hinein, daß man für die Straße nach Hamman Linf einen Weg hat abſprengen müſſen und die Bahn ſich einen Weg durch den ſeichten See geſucht hat. Tie Frankenſtadt erhebt ſich auf dem flachen Raum, der ſich durch die all— mähliche Ausfüllung der Bahira gebildet hat, faktiſch in einem ehemaligen Moraſt. Es iſt aber der ein— zige Punkt, wo eine Erweiterung der Stadt möglich iſt, denn in weitem Gürtel umſpannt die Stadt— mauer ein Ring von Totenfeldern, den man nicht anrühren darf, ſolange der Islam noch einigen Ein— fluß in Tunis hat. Die Bahira zunächſt Tunis iſt durch den Unrat der großen Stadt, der ſich ſeit Jahrtauſenden hier anſammelt, in einer Weiſe verun— reinigt, die jeder Beſchreibung ſpottet und ſich der Naſe auf eine Stunde weit bemerklich macht. Wenn Tunis trotzdem als geſund, wenigſtens als nicht un— geſund bezeichnet werden kann, ſo iſt das in erſter Linie der Leitung zuzuſchreiben, welche das köſtliche Quellwaſſer vom Zaghouan in überreicher Menge herbeiführt, dann aber auch dem Umſtand, daß in die Bahira kein Süßwaſſerfluß mündet und ſomit der See nur mit Meerwaſſer erfüllt ijt, in welchem die Krankheitskeime keinen günſtigen Boden finden. Die Peſt hat freilich mehrmals furchtbare Verhee— rungen angerichtet und auch die Cholera hat 1867 faſt ein Drittel der Bevölkerung hinweggerafft, aber in gewöhnlichen Zeiten ſind epidemiſche Krankheiten ungemein ſelten und nur die Diphtheritis macht ſich neuerdings auch hier in unangenehmer Weiſe be— merkbar. Daß für die Straßenreinigung und Straßen— polizei ſeither nur ganz ungenügend geſorgt wurde, hatte ſeinen Grund in der merkwürdigen Organi— ſation der Stadtverwaltung. Dieſelbe lag nominell in der Hand eines vom Bey ernannten Gouverneurs, und wenn derſelbe ſein Amt auch vorwiegend zu ſeiner eigenen Bereicherung zu benutzen pflegte, ſo ſorgte er doch innerhalb ſeines Machtbereiches auch einigermaßen für Reinlichkeit. Aber ſeine Macht reichte nur ſo weit, wie Mohammedaner wohnten, ſchon über die Juden gebot der Oberrabbiner, der ſich um Straßenreinigung gar nicht bekümmern konnte, und über die Europäer gab es überhaupt keine rechte Obrigkeit. Jeder einzelne war nur ſeinem Konſul unterſtellt, und für Sanitätsverhältniſſe bildeten alle Konſuln zuſammen ein Conseil géneral sani- taire, das zwar eine ungefähre Jahreseinnahme von 50000 Franken aus den Abgaben der einlaufenden Schiffe und bedeutende Befugniſſe wegen Quaran— täne u. dgl. beſaß, aber die Straßenpolizei nicht als ſeines Amtes anſah. Obendrein mußte ſeine Kaſſe irgendwo ein großes Loch haben, denn ſie war immer leer, und niemand wußte recht, wo das Geld hinkam; wie konnte man da an Pflaſtern oder Straßenreinigen denken! Die Cholerafurcht von 1884 hat dieſe Zu— ſtände in ihrer ganzen Unhaltbarkeit mit ſo erſchrecken— der Klarheit gezeigt, das der Conseil sanitaire es ſelber einſah und nicht muckſte, als die Franzoſen die Sache in die Hand nahmen, das ganze Quaran— täneperſonal kurzerhand zum Teufel jagten und auch in Tunis ernſtlich ans Reinigen und Desinfizieren gingen. Es iſt das freilich eine Arbeit, gegen welche die des Herkules im Stall des hochſeligen Königs Augias ein Kinderſpiel war, aber Not bricht Eiſen, und in ein paar Jahren wird es in Tunis, das ja jetzt auch mit einer Gemeindeverwaltung nach franzöſi— ſchem Muſter geſegnet ijt, wohl doch ein wenig beſſer ausſehen. Ueber moderne Verfälſchungen unſerer Nahrungs- und Genußmittel. Don Prof. Dr. T. F. Hanauſek in Urems a. d. Donau. yy ijt in den letzten Jahren von berufenen und lichen Genußmittel, unberufenen Kräften über jene dunklen Wege geſchrieben worden, die von der menſchlichen Gewinn— ſucht und Geldgier eingeſchlagen werden, um nicht nur die für unſere Exiſtenz mehr weniger entbehr— ſondern auch die notwendigſten Nahrungsmittel, das „tägliche Brot“ uns in einer der Geſundheit abträglichen oder das Ausgabebudget ungebührlich belaſtenden Weiſe darzubieten. Mit voller Berechtigung hat man an die Wiſſenſchaft die 108 Humboldt. — März 1885. Forderung geſtellt, durch die Feſtſtellung unwiderleg— barer und konſtant bleibender Thatſachen die Mög— lichkeit zu ſchaffen, die Verfälſchungen der Nahrungs⸗ mittel aufzudecken und nachzuweiſen, und überblicken wir die Reihe von Arbeiten, die in dieſer Richtung veröffentlicht worden ſind, ſo muß unſer Urteil dahin lauten, daß die wiſſenſchaftlichen Beſtrebungen in der That die ſchönſten Reſultate aufzuweiſen haben. Was in dieſer Hinſicht geleiſtet worden iſt, habe ich in meinem vor kurzem erſchienenen Buche „Die Nah— rungs- und Genußmittel aus dem Pflanzenreiche“ (bei Theodor Fiſcher, Kaſſel) zuſammengeſtellt und möchte nur in dieſen Zeilen über beſonders markante und Intereſſe bietende Fälle und über die modernen Hilfsmittel zur Erkennung der Verfälſchungen Mit— teilung machen. Schon die Rohſtoffe ſelbſt werden Manipulationen unterworfen, die gar wohl imſtande ſind, unſer ge— rechtes Erſtaunen zu erregen. Wie gut verſtehen es die Groß⸗Samenhändler, ihre Ware zu „verſchönern“! So iſt z. B. der Glanz (Kleearten, Getreide) ein gutes, charakteriſtiſches Merkmal friſcher und vollreifer Samen — vorausgeſetzt, daß er nicht nachgeahmt iſt. „Denn nichts iſt einfacher“, ſagt Nobbe*), „als durch Oelen den verlorenen Glanz wiederherzuſtellen, das Anſehen des Getreides und Rapſes zu verbeſſern und ſelbſt das ſpecifiſche Gewicht zu erhöhen. Man nehme in die linke Hand eine Probe matter oder durch Anhaften von Lehmſtaub unanſehnlicher Klee— ſamen, fahre mit der rechten durch das Haupthaar, welches auch ungeſalbt, wie bekannt, Spuren von Fett enthält und bearbeite die Probe zwiſchen den Hand— flächen. Man wird erſtaunen über den Erfolg.“ Mit wenigen Grammen Oel kann der Preis der Ware über ein Drittel oder die Hälfte des wahren Wertes erhöht werden und auf I hl Getreide 0,8 bis 1,21 Rüböl angewendet geben den Samen eine prächtige Friſche. Der Nachweis dieſer Ver— fälſchung gelingt unſchwer, wenn man die Getreide— körner mit warmem, ſtärkſtem (abſolutem) Alkohol ſchüttelt und das Filtrat mit reinem Waſſer verſetzt; man erhält eine milchweiße Trübung. Oder man ſchüttelt geölte Getreidefrüchte mit Natronlöſung (Lauge) und bringt infolge der eintretenden Seifen— bildung eine ſchäumende Maſſe zuwege. Viel weiter gehen jene Methoden, die für das gewünſchte Objekt ein anderes minderwertiges oder gar wertloſes unter— ſchieben. Es iſt eine bekannte Thatſache, daß man Gewürze, Kaffeebohnen u. ſ. w. künſtlich (mit Teig—⸗ maſſen) nachahmt und der echten Ware beimiſcht. — Konſul Medhurft**) in Shanghai erzählt, daß in China die jungen Blätter von Weiden im April und Mai geſammelt, auf den Dreſchtennen in Haufen geſchüttet und einer Gärung überlaſſen werden; hierauf werden ſie wie echte Theeblätter ſortiert, geröſtet, gerollt und zu 10—20 Proz. dem echten Thee beigemiſcht. Der Verbrauch von Weiden— blättern bei Hongkong allein ſoll jährlich 200000 ke betragen. In Rußland werden die Blätter des Weidenröschens (Epilobium angustifolium L.) maſſenhaft dem Thee beigemengt; im weſtlichen Europa verwendet man als wahrlich erbärmliche Erſatzmittel des Thees die Blätter von Platanen, Ahorn, Eiche, Pappel, Schlehdorn, Erdbeere, Roſe, Steinſame (böhmiſcher Thee), und in dem Gunporder (Schießpulverthee) hat man den Kot von Seiden— raupen aufgefunden! — Die Kapern, bekanntlich die in Eſſig eingemachten graugrünen, etwa Jem langen Blütenknoſpen des dornigen Kapernſtrauches (Cap- paris spinosa L.), ein ebenſo billiges, wie ange— nehmes Gewürz, unterliegen nicht ſelten recht bedenk— lichen Verfälſchungen — abgeſehen von den im Handel vorkommenden Surrogaten. Als ſolche Erſatz— mittel gelten die „deutſchen Kapern“, die Blüten— knoſpen der ſchmetterlingsblütigen Beſenpfrieme (Spartium scoparium L.), die von Holland geliefert werden, und die ſcharf und angenehm ſchmeckenden Früchte der Kapuzinerkreſſe (Tropaeolum majus L.), alſo immerhin vegetabiliſche Objekte, die einer Verwendung würdig ſind. Aber als gewiſſenlos und ſträflich iſt die Vermiſchung der Kapern mit den Knoſpen der giftigen Sumpfdotterblume (Caltha palustris L.) und den Früchten der großen Wolfsmilch (Euphorbia lathyris L.) zu bezeichnen, eine Manipulation, die in England öfters beobachtet worden iſt. — Wieviel iſt ſchon über die Verfal- ſchung des Safrans geſchrieben worden? Schon in Sebaſtian Brants Narrenſchiff vom Jahre 1494 heißt es: „Deinen ſaffran haſt zu Fenedig geſackt Und haſt rintfleiſch darunter gehackt.“ Wenn auch gegenwärtig die Verfälſchung mit Fleiſchfaſern kaum mehr geübt wird, ſo iſt doch die Beimengung von Blüten anderer Pflanzen zu Safran eine ſo gebräuchliche, daß man im Kleinhandel wohl kaum eine echte Ware antreffen wird. Von den vielen Proben der verſchiedenſten Provenienz, die ich mir zu verſchaffen gewußt habe, war auch nicht eine rein, faſt jede enthielt anſehnliche Mengen der Blüten des Safflors oder der Ringelblume, ja ſelbſt Granat- blüten. — Einer erſt in den letzten Jahren bekannt gewordenen Verfälſchung ſind die Früchte des Stern— anisbaumes unterworfen. Die echten Stern— anisfrüchte, aus China ſtammend und auch Badian genannt, durch ihren Anis-Fenchelgeruch und den ſüßaromatiſchen Geſchmack ausgezeichnet, werden in großen Poſten zur Darſtellung des athe- riſchen Oeles, zur Liqueurfabrikation u. ſ. w. ange⸗ wendet. Vor kurzem kamen nun auch die Früchte des japaniſchen Sternanisbaumes unter dem Namen Shikimi oder Shikimi-nocki von Japan in den Handel, die, obwohl kleiner, als echter Stern— anis, demſelben in hohem Grade ähnlich ſehen. Ihnen fehlt aber der Geruch und Geſchmack der echten Ware, denn fie riechen nach Kampfer und Lor- beeröl oder nach Kardamomen und Kubeben; dafür Handbuch der Samenkunde, S. 387. i thy J ) Siehe mein Buch, S. 381. enthalten jie ein ſehr gefährliches giftiges Princip, Humboldt. — März 1885. 109 Fig. 2. Fig. 6. Fig. 1. Weizenſtärke. Große und kleine Stärkekörner (a, b) und V eine Zelle mit Stärkeinhalt. Fig. 2. Roggenſtärke. Einfache (a, b), zuſammengeſetzte (z), große und kleine Körner, zum Teil mit radialen Sprüngen. Fig. 3. Querſchnitt der Weizenfrucht. A Oberhaut, B Mittelſchicht, C Querzellenſchicht, D äußere durch Lauge braungefärbte Samenhaut, k hyaline Schichte, F Kleberſchichte, G Stärkezellen, X Schlauchzellen. Fig. 4. Fruchthautſchichten aus dem Weizenmehl (Längsanſicht). C- 0 Querzellenſchicht (wie in Fig. 3), B-B Mittelſchicht. Fig. 5. Roggen. Stücke der Schale (Kleie), wie fie in feinem Mehle liegen. 1 Mittelſchichtzellen, 2 Querzellen, 3 Schlauchzellen, 4 und 5 braune Samenhaut, 7 Kleberzellſchichte. Fig. 6. Gewebeteile des Gerſtenmehles. o Oberhautzellen der Spelze von der Fläche geſehen, ki rundliche Kieſelzellen, kit halbmondförmige Kurzzeuen, q Querzellen, k Faſerzellen der Spelze mit daran⸗ liegenden Pilzſporen pi, kl Kleberzellen. Fig. 7. Olivenkernzellen. (Aus der Steinſchale der Olivenfrudt.) A Stück der Schale im Längsſchnitte, B cin zelne Steinzellen (Vergröß. 350), C eine Steinzelle in konzentr. Schwefelſäure in Zerſtörung begriffen (Vergröß. 600). Humboldt 1885. 15 110 Humboldt. — März 1885. das Eykmann“) aufgefunden und Sikimine ge- nannt hat. Vergiftungen mit japaniſchem Sternanis, die ſich in Muskelzuckungen und toniſchen Krämpfen äußern und ſelbſt einen tödlichen Verlauf genommen haben, wurden in Tokio in Japan, in Leeuwarden in Holland und in Altona beobachtet. Bis in die neueſte Zeit hat man die Verſchiedenheit der beiden Sternanisbäume angezweifelt, erſt die bedauerlichen Verwechslungen haben die Forſcher veranlaßt, das Genus IIlicium einer ausführlichen Bearbeitung zu unterziehen. An Stelle der echten Vanille, deren ziemlich hoher Preis (das Dekagramm koſtet 1—1,5 Mark) geradezu zu Verfälſchungen einladet, werden Früchte anderer Vanillaarten, z. B. das Vanillon von Vanilla pompona, das einen Kumaringeruch (Geruch der Tonkabohnen, Heugeruch) beſitzt, oder von Vanilla inodora, deren Früchte geruchlos ſind, verkauft. Am häufigſten wird aber mit echten Vanille-Früchten mant- puliert, die des wohlriechenden Stoffes (Vanillin), durch Extraktion beraubt worden ſind. Solche Früchte be— ſtreicht man mit Perubalſam (der ebenfalls mit fetten Oelen und Alkohol verfälſcht wird) und beſtreut ſie mit Benzoeſäurekryſtallen — da die Vanille cry- stallé als eine ausgezeichnete Sorte angeſehen wird. Im Handel erſcheint Anis bekanntlich niemals rein „und es mag wohl keine Ware geben, den Bade— ſchwamm **) ausgenommen, die, ſowie Anis, geradezu mit Sorgfalt mit den verſchiedenſten Dingen ver— miſcht und zum Gebrauch unfähig gemacht wird. Immer findet man erſtaunliche Mengen von Dolden— ſtückchen, Steinchen und Erde den Früchten beige— mengt. Die ſogen. Aniserde wird nach Campe in der Nähe von Wiſchau und Rausnitz in Mähren in Form kleiner thonhaltiger Körner (von Regen— würmern herrührend) geſammelt und an Droguiſten verkauft“ **). In Rußland und Holland verfälſcht man Anis mit den Früchten des giftigen gefleckten Schierlings (Conium maculatum). — Produzenten ſowohl wie Konſumenten ſind die einheimiſchen Ver— treter des echten Tabaks (Blätter von Runkelrüben, Ulmen, Nußbaum, Huflattich, Sauerampfer, Kohl) hinlänglich bekannt — fie find ja nebſt der in Wus- ſicht ſtehenden Vermehrung der Staatseinnahmen die beredten Fürſprecher für das Staatsmonopol. Einer beſonderen Fürſorge von ſeiten der Nahrungs— mittelfälſcher erfreuen ſich jene Produkte, denen in der Farbe eine „rationelle Behandlung“ zu teil werden kann. Nanning erzählt von Kaffeefälſchungen in Holland, die den Fälſchern pro Kilogramm 1,5 Cent mehr eintragen und nur 1 Cent Koſten verurſachen. Man gibt den grünen Kaffeebohnen den Anſchein einer beliebten gelben Sorte (Preanger), indem man ſie zuerſt abbrüht und dann mit Ocker gelb färbt. Mitteilungen d. deutſch. Geſellſch. f. Natur- und Völkerkunde. 1881. Heft 23. Der Badeſchwamm wird in den Hafenorten nach ſorgfältiger Reinigung mit feinem Meeresſande über— ſchüttet, ſo daß die Poren oft ganz ausgefüllt ſind. ) Siehe mein Buch S. 326. ſind. In Weſtfalen werden blaue Kaffeebohnen den gelben vorgezogen; das beirrt den Händler gar wenig; er läßt gelben Kaffee in großen Behältern mit gepulvertem Eiſen ſo lange ſchütteln, bis die Bohne das erwünſchte Blaugrau aufweiſt und guten Abſatz findet. Bleich— ſüchtige Kaffeetrinkerinnen erhalten dann ohne ihr Wiſſen die ihrem Blute fehlenden Eiſenmengen in ihren Magen, der über dieſe Einwanderung aber kaum erbaut ſein dürfte. — Trüffelfreunde machen wir auf die hübſchen Zugaben aufmerkſam, die ſie in dieſer nahrhaften Delikateſſe finden können, und die in gefrorenen Kartoffeln, Erdklößchen und ſelbſt Kieſelſteinchen beſtehen. Verfälſchungen, wie ich ſie im voranſtehenden angeführt habe, ſind im allgemeinen leicht feſtzuſtellen, und es genügt in den meiſten Fällen die Kenntnis der äußeren morphologiſchen Eigenſchaften der Roh— ſtoffe und die Vergleichung mit unzweifelhaft echter Ware, um ſich ein Urteil über die Echtheit eines vorgelegten Körpers bilden zu können. Ganz anders hingegen erſcheint der Fall, und weit größer ſind die Anſprüche an unſer Können, wenn es ſich um pulver— förmige Waren und um Fabrikate handelt, die von der morphologiſchen Beſchaffenheit des Rohſtoffes nur wenig mehr oder gar nichts erblicken laſſen. Wer wäre denn imſtande, durch das einfache Beſehen (mit freiem Auge) einen ſtärkemehlähnlichen Körper zu beſtimmen, Weizenſtärke von der des Reiſes zu unterſcheiden, die zahlreichen Zuſätze in Pfefferpulver herauszufinden u. v. a. m.? Die Verfälſchungen des Mehles, z. B. des Weizenmehles mit Roggen— mehl und umgekehrt, ſind gegenwärtig ſo allgemein ge— worden, daß für den ſicheren Nachweis einer ſolchen von Intereſſentenkreiſen ſogar Preiſe ausgeſchrieben worden So ausgezeichnete Dienſte auch die Chemie in dem von ihr berührten Gebiete leiſtet, für den Nach⸗ weis derartiger Subſtitutionen gibt es nur ein Hilfs- mittel, das Mikroſkop und die mikroſkopiſche For⸗ ſchung. „Durch die mikroſkopiſche (und mikrochemiſche) Unterſuchung werden Bau und Struktur der Pflanzen⸗ körper, die Lagerung und Art der Inhaltsſtoffe, alſo jener Subſtanzen, die vornehmlich als Nahrungs- mittel aufzufaſſen ſind, aufgeſchloſſen und das Studium dieſer unveränderlichen anatomiſchen Verhältniſſe er— möglicht eine unwandelbar genaue Charakteriſtik ..... Die Handhabung des Mikroſkops und die mikro— ſkopiſche Unterſuchung kann durch einige Uebung und unter Anleitung eines in die botaniſche Mikroſkopie einführenden Hilfsbuches ohne große Schwierigkeit erlernt werden und bietet nebſt dem Reize, den die Anſchauung der wunderbaren Mannigfaltigkeit und Geſetzmäßigkeit, die in dem Baue der Naturkörper dem ſtaunenden Auge offenkundig werden, hervorruft, auch noch die Gewähr einer richtigen Beurteilung des vorliegenden Objektes.“ Ich möchte an einigen der Praxis entnommenen Beiſpielen den Wert der mikroſkopiſchen Unterſuchung demonſtrieren. Die Subſtituierung des Roggenmehles durch Weizenmehl iſt von Rußland aus bekannt ge— worden. Durch eigentümliche Konjunkturen des Ge— Humboldt. — März 1885. 111 treidemarktes hat ſich dieſe Verfälſchung als eine ſehr rentable erwieſen, was a priori gewiß nicht leicht begreiflich erſcheinen dürfte. Wie vermag man nun in dem Mehlgemenge die beiden Mehlarten zu unter— ſcheiden? Das Mehl beſteht aus den zerkleinerten Gewebebeſtandteilen und den Inhaltskörpern der Ge- treidefrucht, alſo vornehmlich aus Stärkekörnern, ſtick— ſtoffhaltigen Beſtandteilen und Gewebefragmenten. Die Stärkekörner der Roggen- und Weizenfrucht ſehen einander ſehr ähnlich (Fig. 1 und 2), fie ſind meiſt einfache größere und kleinere Linſen mit einem meiſt erſt nach Einwirkung gewiſſer chemiſcher Reagentien (3. B. Chromſäure) ſichtbaren, central gelegenen Kern oder einer, oft ſternförmigen Kernhöhle (Fig. 2 a), um welche die Maſſe des Kornes in konzentriſchen Schichten gelagert iſt. Der Durchmeſſer eines großen Kornes beträgt für Weizen 0,02 — 0,04 mm, für Roggen 0,03—0,046 mm; die Unterſchiede find alſo von ſehr geringem Belange. An der Peripherie des Mehlkörpers der Frucht liegt eine Hülle, von ſogen. Kleberzellen gebildet, in welchen die ſtickſtoff— haltigen Kleberkörner, die, mit Waſſer vermengt, den fadenziehenden Teig konſtituieren, enthalten ſind (Fig. 3). Die Kleberkörner des Weizens find nun die größten aller Getreidefrüchte und meſſen 0,003 mm, freilich nur winzige Größen; die des Roggens aber gar nur 0,0015 0,002 mm. Da aber dieſe Größenunterſchiede konſtant und ſehr auffällig ſind, ſo kann als Grundſatz gelten, daß Mehle mit zweierlei Kleberkörnern ſtets Ge— menge darſtellen. Außerdem hat der Kleber des Weizens noch eine beſondere Kohärenzkraft, die dem Roggenkleber und dem anderer Getreidefrüchte durch— weg mangelt und die folgendermaßen erkannt werden kann. Bringt man Weizenmehl auf eine kleine Glas— platte, läßt etwas Waſſer hinzutreten und deckt mit einer zweiten Glasplatte das durchnäßte Mehl zu, ſo vereinigen ſich bei ſanftem Hin- und Herſchieben der Deckglasplatte die Kleberkörner zu kleinen wurm— ähnlichen, cylindriſchen Körpern, die, im Mikroskope beſehen, einem feinkörnigen, gallertigen Strome gleichen, der von Stärkekörnchen ringsum umgeben iſt. Auf dieſe intereſſante und von jedermann leicht zu prüfende Eigenſchaft des Weizenklebers hat zuerſt A. Tomaſchek hingewieſen. — Unterſucht man nun ſchließlich die im Mehle immer nachweisbaren Ge— webereſte, ſo findet man, daß die Oberhautzellen der Fruchtſchale des Weizens 0,116 0,160 mm Roggens 0,136—0,4 1 und die Zellen einer anderen Gewebeſchichte, die ſogen. Quer- oder Gürtelzellen (Fig. 4 u. 5) des Weizens 0,114—0,192 mm Roggens 0,72 0,09 meſſen und bei der Beſtändigkeit dieſer Zahlenwerte geeignete Momente zur präciſen Unterſcheidung der | beiden Mehlarten ergeben. ſucher wird aber nebſt der mikroſkopiſch-anatomiſchen Methode auch die chemiſche heranziehen, ſobald ſich Der gewiſſenhafte Unter- — laſſen ſich nach Profeſſor A. Vogl Gemiſche ver— ſchiedener Mehlarten aus der Färbung erkennen, die ſie einem Gemenge von 70gradigem Alkohol und 7 Prozent Salzſäure verleihen; wir wollen die Reſultate dieſer einfachen und verläßlichen Unter— ſuchung hier in Tabellenform einſchalten: Reines Weizenmehl farblos oder ſchwachgelblich, „ Roggenmehl „ 1 „ Hafermehl ſtrohgelb, „ Gerſtenmehl „ „ Kornradenmehl ) orangegelb, „ Taumellolchmehl, „ „ Wicken- und Bohnenmehl purpurrot, „ Erbſen- u. Maismehl gelb, „ Mutterkorn blutrot. Schon 5 Prozent Kornrade zu Getreidemehl geben eine orangegelbe Farbe; Weizen- und Roggenmehl mit Gerſten-, Hafer- und Maismehl verfälſcht färben die Miſchung blaßgelb. Welche unerſetzlichen Dienſte das Mikroſkop bei der Unterſuchung von Gewürzen und Genußmitteln, die in zerkleinertem Zuſtande im Handel vorkommen, leiſtet, wird jedermann erſehen können, wenn er die Liſte der verſchiedenartigen, häufig gar wenig an— ſprechenden Zuſätze wahrnimmt. Was iſt alles ſchon im Pfefferpulver, in Zimt, Senfmehl, Paprika, Kaffee u. ſ. w. gefunden worden! Brotrinde, Mehl der Getreide- und Hülſenfrüchte, Leinöl- und Palm— kernkuchenmehl, Olivenkernmehl, Mandelkleie, Eichel— mehl ſind noch erträgliche Subſtitutionsmittel; weniger angenehm oder gar gefährlich ſind Sägeſpäne, Baum— rinde, Erde, Sand, Gips, Ziegelmehl, Schwerſpat. Sehr häufig habe ich im Pfefferpulver Gerſtenmehl gefunden und die neueſte im ſüdlichen Frankreich ge— übte Verfälſchung iſt die mit Olivenkernen. Die ſonderbar gebuchteten Oberhautzellen der Gerſten— ſpelze, die Klebermaſſen und Stärkekörner der Gerſten— frucht (Fig. 6) und die Stäbchen- und Keulenform der Olivenkernzellen (Fig. 7) liefern dem Mikro— ſkopiker genügende Anhaltspunkte, um die Verfälſchung nachweiſen zu können. Ob ein Gewürzpulver mit Brot verſetzt iſt, kann jedermann ſofort an der Quellung der Brotpartikelchen erkennen, indem man eine Probe des fraglichen Pulvers auf einer Glas— platte ausbreitet und Waſſer hinzutreten läßt. Die Brotkrümelchen werden ſofort anſchwellen und über die Stäubchen des Gewürzpulvers recht erkenntlich hervorragen. Geradezu zahllos ſind die Erſatzmittel des Kaffees und von dem (ebenfalls häufig gefälſchten) Feigen— kaffee angefangen bis zu den geröſteten und gemahlenen Dattelkernen gibt es kaum einen Samenrohſtoff, kaum ein erbärmliches Wurzelgemenge, das nicht ſchon ein— mal als Kaffee figuriert hat. In den einſamſten Gebirgsdörfern im Salzburgiſchen und in Tirol habe ich in Bauerngärten große Beete mit Lupinen be— ) Die Kornradenſamen (von Agrostemma Githago L.) finden ſich dem Getreidefrüchten häufig beigemengt und dieſelbe in irgend einer Weiſe verwerten läßt. So | find wegen ihres Gehaltes an Githagin giftig. 112 Humboldt. — März 1885. pflanzt gefunden, deren Samen wie Kaffee gebrannt und genoſſen werden. Oft genug iſt mir hierbei der in der That an Kaffee erinnernde Geruch der ge— röſteten Lupinenſamen aufgefallen und es mögen die Röſtprodukte derſelben wohl eine Aehnlichkeit mit denen echten Kaffees beſitzen. Von neueren Stoffen, die als Kaffee angeſprochen werden, wären der Mogdadkaffee (die Samen von Cassia occi- dentalis), worüber J. Moeller) eine ſchätzens— werte Arbeit veröffentlicht hat, Sudankaffee von ) Dinglers Polytechniſches Journal. Heft 1, Seite 61. Band 237, Parkia africana R. Br., Kaffee von Kanivaliaſamen (Braſilien) und die als Kiſcher, Sacca- oder Sultan⸗ kaffee verwendeten Frucht- und Samenſchalen der echten Kaffeefrucht (die übrigens auch das nerven— erregende Princip der Kaffeebohne, das Coffein ent— halten) zu erwähnen. Dieſe wenigen im voranſtehenden angeführten Beiſpiele mögen genügen, um die Ausdehnung der in der Gegenwart gehandhabten Verfälſchungspraxis erkennen zu laſſen, aber auch das Fortſchreiten der Wiſſenſchaft erweiſen, die nicht raſtet und allüberall die Lüge und Untreue mit dem Lichte der Wahrheit ſiegreich bekämpft. Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Koloniſation. Von Dr. W. Kobelt in Schwanheim a. M. Ackerbaukolonieen. Unſer natürliches Ausdehnungsgebiet. Graf Behr in Uſangara. die Wörmannſchen Plantagen. Lüderitzland. Handelskolonieen. Der Kongo. Johnſtons River Congo. Niger und Benus. Cameruns. Italieniſche Beſtrebungen. Die Sta.⸗Lucia⸗— Bai. Hapland. Polynefien. Südbraſilien. Borneo. Neu-Guinea. Inneraſien. Sachalin. Mit der Gründung des deutſchen Kolonialvereins iſt auf allen noch „herrenloſen“ Gebieten eine rege Konkur- renz erwacht und ſeitdem die deutſche Regierung in An— gra Pequena und an einigen Punkten der Guineaküſte ihre Flagge entfaltet hat, ſuchen auch andere ſeefahrende Staaten ſich die Punkte anzueignen, die ihnen einigermaßen gelegen erſcheinen und die ſie anderen nicht gönnen. Vorab England, das von Kolonieen anderer Staaten, namentlich Deutſchlands, eine Beeinträchtigung ſeiner Meeresherrſchaft fürchtet. Während das Mutterland ſchon mit ſchlecht ver— hehltem Neid und mit Sorge den deutſchen Beſtrebungen gegenüberſteht, aber ſich doch nicht getraut, die Theorie, daß alles herrenloſe Land von Rechts wegen England ge— höre, ernſtlich zu vertreten, iſt in den Kolonieen, vorab am Kap und in Queensland, ein wahrer Paroxysmus ausge— brochen, welcher die komiſchſten Blaſen treibt und die Engländer in jedem harmloſen deutſchen Forſcher einen Bismarckſchen Agenten erblicken läßt, der auf Annexionen ausgeht. Noch iſt es zur Stunde unmöglich, ſich ein ge— naues Bild über die Vorgänge in Weſt- und Südafrika zu machen und über deutſche Annexionen in Oſtafrika und in Polyneſien ſind bis jetzt nur ziemlich unſichere Nach— richten bekannt geworden, aber es iſt eine zweifelloſe und erfreuliche Thatſache, daß die deutſche Regierung den tro— piſchen Gebieten jetzt eine bedeutende Aufmerkſamkeit widmet. Die lebhafte Agitation, die am eifrigſten gerade von Unberufenen und Halbwiſſenden betrieben wurde und in manchen Kreiſen einen wahren Kolonialfanatismus erzeugte, welcher die Errichtung der Lüderitzſchen Niederlaſſung in der Wüſte zwiſchen Kap und Angola, und der Beſetzung der ungeſunden Camerun-Bai als rettende Thaten für Deutſchland begrüßte, beginnt einer nüchterneren Erwägung Platz zu machen. Es iſt eine zwar fatale aber unbeſtreit— bare Thatſache, daß die germaniſche Raſſe nur in gemäßig— ten Breiten ausdauern kann und darum ein Neudeutſchland, das den Ueberſchuß unſerer Bevölkerung aufnehmen und für uns nutzbar machen könnte, nur in Ländern ge— gründet werden kann, deren Klima von dem unſeren nicht allzuweit verſchieden iſt und namentlich des Winters nicht entbehrt. Deutſchland ſteht nicht zum erſtenmal vor der Notwendigkeit, ſeiner zu raſch zunehmenden Bevölkerung neuen Raum ſchaffen zu müſſen. Die Arier wurden aus ihren Sitzen in Inneraſien durch ihre eigene Volksmenge herausgetrieben, die Ger— manen der Völkerwanderung kämpften weſentlich um Raum zu neuen Anſiedelungen, bis ihre beſte Volkskraft im Kampf mit den Römern und untereinander aufgerieben war und nach dem Untergang der edelſten Stämme, der Gothen, der Vandalen, die Ueberlebenden in dem eroberten Gallien und Norditalien Raum genug fanden und ſelbſt einen Teil ihres Erbes den geräuſchlos nachdringenden Slaven überlaſſen mußten. Als trotz der Ungarneinfälle das Land ſich wieder gefüllt hatte, ſchafften die Kreuzzüge dem Ueberſchuß Abfluß, leider ohne Gewinn für das deutſche Volkstum, aber zweihundert Jahre ſpäter war der Verluſt wieder ausgeglichen und mit unwiderſtehlicher Gewalt wurde den Slaven jenſeits der Elbe bis zur Weichſel das alt— deutſche Land wieder entriſſen und drangen deutſche Bauern und Bürger auch nach Ungarn, Siebenbürgen und Süd— öſterreich vor. Der ſchwarze Tod brach die deutſche Volks— kraft für Jahrhunderte und als das Land ſich wieder er— holt hatte und das Volk wieder ſeine Kraft zu fühlen be— gann, lähmte die religidfe Spaltung ſeine Kraft und der dreißigjährige Krieg machte Deutſchland zu einer Einöde und zu einem geographiſchen Begriff. Erſt die fünfziger Jahre dieſes Jahrhunderts haben es wieder die Bevölke— rungsdichte und den Grad von Wohlſtand erreichen laſſen, den es vor 1618 beſaß, und nun erhebt ſich ſofort wieder Humboldt. — März 1885. der Ruf nach neuem Raum. Eine geraume Zeit hat Nord— amerika faſt allein die Deutſchen angelockt, die engliſchen Kolonieen in Südafrika und Auſtralien kamen daneben kaum in Betracht, ebenſo Südbraſilien und die vereinigten Staaten am La Plata. Die auswandernden Deutſchen ſind für das Mutterland nicht nur verloren geweſen, ſie ſind ihm auch vielfach die ſchlimmſten Konkurrenten ge— worden, und gerade dieſe Erkenntnis iſt es, welche am meiſten den Ruf nach eigenen Ackerbaukolonieen bedingt hat, aber auf die Frage wo? fehlt noch immer eine ge— nügende Antwort. Die unbeſiedelten Landſtriche in andern Erdteilen ſind längſt in feſten Händen, und unſer natür— liches Ausdehnungsgebiet im Oſten, in den Ebenen Süd— rußlands, Rumäniens und der Balkanhalbinſel, wo Jahr— tauſende hindurch unſere Vorfahren ſaßen und gediehen, iſt uns durch die Slaven verſperrt. Politiſche Rückſichten geſtatten uns ja nicht einmal, unfere ſchon exiſtierenden und ſo ausgezeichnet gediehenen Kolonieen in den Oſtſee— provinzen, in Siebenbürgen und in der Dobrudjda vor der brutalſten Vergewaltigung durch Magyaren, Slaven und Rumänen zu ſchützen, wie kann man da an Neu— anſiedelungen in ſolchen Ländern denken? Auf der Balkan— halbinſel, in Kleinaſien würden noch Millionen von Deut⸗ ſchen Raum und fruchtbaren Boden finden, aber auch hier verbieten politiſche Rückſichten die ernſtliche Beſchützung der Ausgewanderten und nur mit Mühe halten ſich die württem— bergiſchen Tempelkolonieen in Paläſtina gegen die infamen Chikanen der türkiſchen Effendis. Eine große Frage iſt freilich auch noch, ob eine unter deutſcher Regierung ſtehende Ackerbaukolonie auch unter ſonſt ganz günſtigen Bedingungen den Vorzug vor Nord— amerika erhalten würde, wenn den Auswanderern nicht, derſelbe Vorteil geboten würde, der ſo viele über den Ocean hinüberlockt, die Freiheit vom Militärdienſt. Auch Frankreich hat ſich veranlaßt gefühlt, ſeinen Söhnen, die ſich in Algerien niederlaſſen, wenigſtens erhebliche Erleichte— rungen in dieſer Hinſicht zu gewähren; die gegenwärtige deutſche Regierung würde ſich dazu ſchwerlich verſtehen. Eine unter Leitung des Grafen Behr ſtehende Ko— lonialgeſellſchaft ſoll den Verſuch machen wollen, von Zan— zibar aus Kolonieen in Oſtafrika anzulegen, eine Expe— dition, beſtehend aus den Herren Graf Pfeil, Dr. Peters und Dr. Jülke befindet ſich ſchon an Ort und Stelle, aber was die Zeitungen über dieſelbe und ihre Abſicht in Uſangara Land anzukaufen berichten, klingt nicht ſehr ver— trauenerweckend. Daß Ackerbaukolonieen dort unmöglich ſind, brauchen wir unſeren Leſern wohl nicht noch einmal zu ſagen. Auch Nachrichten von den Wörmannſchen Kaffee— plantagen, welche Referent privatim erhalten, lauten ſehr wenig günſtig; auf dem durchläſſigen Lateritboden will der Kaffeebaum nicht gedeihen und fängt ſchon im zweiten Jahre an zu kümmern. Ein nennenswertes Quantum iſt bis jetzt noch nicht produziert worden und man ſpricht davon, daß die Plantagen, welche bekanntlich unter der Leitung von Dr. Soyaux ſtehen, demnächſt eingehen werden. Die „unerſchöpfliche Fruchtbarkeit“ der Tropen— länder wird eben nur an ſehr wenigen Stellen zur Wahr— heit, ſonſt würden die Neger ſich wahrhaftig nicht die Mühe machen, alle zwei Jahre ein neues Stück Wald zu klären und anzuroden. 113 Die vorläufigen Berichte aus Lüderitzland beſtätigen den Kupferreichtum namentlich in der Gegend landein der Walfiſchbai, aber auch den abſoluten Mangel an Waſſer und Vegetation; im fruchtbareren Binnenlande ſcheinen engliſche Aufhetzungen eine ungünſtige Stimmung für Deutſchland, die freilich bei ernſtem Vorgehen ohne alle Bedeutung wäre, zu erzeugen. Auf dem Gebiete der Handelskolonieen iſt die Be— wegung eine ſehr lebhafte geweſen, doch auch mehr in theoretiſcher als in praktiſcher Beziehung, da ſich immer mehr herausſtellt, wie recht Herr Konſul Meier in Bremen hatte, wenn er bei Gründung des deutſchen Kolonialvereins ſagte, daß der Kaufmann an der Meeresküſte gar wohl wiſſe, wo etwas zu verdienen ſei. Sowohl in Weſtafrika wie in Indien und Polyneſien hat der Deutſche ſchon einen ſehr erheblichen Anteil am Handel und die Be— dingungen, von denen ein weiterer Aufſchwung abhängt, die Nachfrage nach Rohprodukten, die Beſchaffung billiger Arbeitskräfte u. dergl. kann weder die Regierung noch der Kolonialverein weſentlich beeinfluſſen. Immerhin wird die Errichtung direkter Dampferlinien mit Regierungs— ſubvention, die Ernennung von Berufskonſuln an möglichſt vielen Punkten, die Veröffentlichung der Konſulatsberichte und das häufige Erſcheinen deutſcher Kriegsſchiffe an frem— den Küſten einen bedeutenden und nützlichen Einfluß aus— üben. Von ganz bedeutender Wichtigkeit ſind die Vorgänge am Kongo. Die Association africaine inter natio— nale hat unter der energiſchen Leitung Stanleys, wenn auch mit großen Opfern, ihre Stationen vorgeſchoben bis zu den Stanleyfällen und damit dem Handel ein Gebiet eröffnet, das bedeutender Produktion und Konſumtion fähig. Es gilt jetzt nur noch darum, die Trägerkolonnen zwiſchen Stanley-Pool und den erſten Kongohafen durch eine Eiſenbahn zu erſetzen, dann können europäiſche Waren bis ins Herz von Innerafrika mit relativ geringen Koſten und ohne Gefahr transportiert werden. Portugal, das ſeit Jahrhunderten nicht das Geringſte für die allerdings von einem Portugieſen entdeckte Kongomündung gethan, glaubte die Zeit gekommen, hier ein gutes Geſchäft zu machen, indem es die Oberherrlichkeit über den Unterlauf des Stromes beanſpruchte und hohe Zölle erheben wollte. England war gern bereit, ſeine Anſprüche anzuerkennen, in der Hoffnung, ſich damit die Konkurrenz vom Leibe zu halten, aber der energiſche Widerſpruch der Aſſociation fand bei anderen Staaten bereitwilliges Gehör, und gegen— wärtig tagt in Berlin eine auf Einladung der deutſchen Regierung zuſammengetretene Konferenz, welche den Han— del auf dem Kongo für alle Nationen gleichmäßig frei er— klären und der Aſſociation die Anerkennung als unab— hängiger neutraler Staat ausſprechen wird. Die erſte Handlung des neuen Staates wird die Aufnahme einer Anleihe zur Erbauung der unbedingt nötigen Eiſenbahn von Vivi nach Leopoldsville ſein und mit deren Er— öffnung beginnt eine neue Area für Innerafrika. Deutſche Forſcher ſind im Kongogebiet ſchon vielfach thätig. deutſche Kaufmann wird ihnen ſicher bald nachfolgen. Wer ſich näher über das Kongogebiet unterrichten will, dem bietet das prächtige Buch von Johnſton (the River Congo from its mouth to Bdl6b6), von dem auch Der ' 114 Humboldt. — März 1885. eine deutſche von W. von Freeden beſorgte Ueberſetzung bei Brockhaus erſchienen iſt, die beſte Gelegenheit, wenn auch vielleicht der Verfaſſer die Verhältniſſe mit etwas zu freundlichem Auge betrachtet. Die Geſundheitsverhältniſſe im Innern ſcheinen zwar in der That erheblich beſſer als an der Küſte und ſeit ein längerer Aufenthalt an dieſer nicht mehr nötig iſt, läuft ein Forſcher am Kongo kaum größere Gefahr, als in anderen Tropenländern auch. Privatnachrichten, die Referent vom Kongo erhalten, laſſen die Verhältniſſe aber weit weniger günſtig erſcheinen. Portugals Eiferſucht hat ſich auch neuerdings wieder der neuen Expedition der deutſchen afrikaniſchen Geſell— ſchaft gegenüber im glänzendſten Lichte gezeigt; die Intri⸗ guen der Regierung machten, nachdem bereits die Träger angeworben, den Aufbruch von Loanda aus unmöglich, und haben die Forſcher gezwungen, das portugieſiſche Ge— biet ganz aufzugeben und mit Umgehung desſelben die Route von Vivi am Kongo über San Salvador zu verſuchen. Auch für den Niger hat Deutſchland Neutraliſation und Unterſtellung der Strompolizei unter eine inter- nationale Kommiſſion vorgeſchlagen; aber weder England noch Frankreich haben auf ihre dominierende Stellung, erſteres am unteren, letzteres am oberen Niger verzichten wollen und ſo iſt ihnen die Strompolizei überlaſſen wor— den, aber ſie haben ſich verpflichtet, den Handel frei zu laſſen. Es iſt das für Deutſchland von Wichtigkeit, da Flegels Forſchungen die Aufmerkſamkeit neuerdings wie— der auf den von Barth entdeckten, ſeitdem ſchmählich ver— geſſenen Benus gelenkt haben. Flegel iſt vor kurzem von ſeiner großen Forſchungs— reiſe zurückgekehrt und hat zwei einflußreiche eingeborene Kaufleute mitgebracht. Sein Wunſch, direkte Handels— beziehungen zwiſchen Deutſchland und dem fruchtbaren und nicht ungeſunden Adamaua anzubahnen, geht hoffentlich in Erfüllung, da ſich bereits eine Benus-Geſellſchaft gebildet hat, welche eine halbe Million an den Verſuch unter Flegels Führung wagen will. Ob die hohe Berg— kette, welche ſich vom Camerun nach dem Innern zieht, ſich zu Anſiedelungen oder wenigſtens zum Plantagenbau geeignet erweiſen wird, wie der Reiſende hofft, und ob es möglich ſein wird, hier eine Verbindung auf dem Land— wege zu ſchaffen, muß die Zukunft lehren. An den Cameruns ſoll ein deutſcher Gouverneur ein— geſetzt und ihm eine Dampfſchaluppe für die Flüſſe und ein kleiner Küſtendampfer zur Verfügung geſtellt werden. Kundige verlangen auch als Reſidenz für ihn ein abge— takeltes Kriegsſchiff, auf dem ſeine Geſundheit weniger ge— fährdet wäre, als auf dem Lande. Was die Zeitungen bisher über die Cameruns gebracht, beſtätigt völlig unſere Angaben im zweiten Bande des Humboldt. Ob es ge— lingen wird, ohne große Opfer die Handelswege nach dem Inneren zu eröffnen und den eigennützigen Widerſtand der Duallas wie der Buſchleute im guten zu beſeitigen, wird das nächſte Jahr lehren. Ob auch der Camerun-Pik in das annektierte Gebiet einbegriffen, läßt ſich aus den veröffentlichten Dokumenten noch nicht erkennen, in polni— ſchen Blättern rühmt ſich Herr Rogozinsky — vulgo Schulz, denn dieſer Stockpole iſt deutſcher Geburt — der deutſchen Regierung zuvorgekommen zu ſein, und das Land für England in Beſitz genommen zu haben. Da der Beſitz des Berges für die Behauptung der Bai unbedingt er— forderlich iſt, wird Deutſchland dieſe Art der Annexion ſchwerlich anerkennen. Auch Italien rüſtet ſich, Anteil an der Erforſchung und Erſchließung der Nigerländer zu nehmen. Eine Ex—⸗ pedition unter Cecchi wird demnächſt nach der Niger— mündung abgehen und ihn mit einem kleinen Dampfer bis zu den Katarakten hinauf befahren. Die Regierung hat der Expedition die Kriegsdampfer Garibaldi und Ve⸗ ſpucci zur Verfügung geſtellt. An der Nordgrenze der Kapkolonie werden die Zu— ſtände immer verworrener; die Boeren dringen ſtets weiter vor und die engliſchen Proteſte haben keinerlei praktiſchen Erfolg. Ob Deutſchland wirklich an der Sta.-Lucia-Bai, der tief einſchneidenden Lagune an der Nordgrenze von Natal, feſten Fuß gefaßt hat, oder ob es dem Gouverne- ment von Natal gelungen iſt, ihm zuvorzukommen, läßt ſich bei der Abfaſſung dieſes Berichtes aus den wider— ſprechenden Depeſchen noch nicht mit Sicherheit erkennen. Auch in Kapland ſelbſt regt ſich das holländiſche Element gegen die engliſchen „Eindringlinge“ und da England ſeit der Eröffnung des Kanals von Suez an der Behauptung des Kaps kein ſonderliches Intereſſe mehr hat, iſt die Loslöſung der Kolonie wohl nur noch eine Frage der Zeit. Auch Natal hat, da man den Boeren doch die Verbindung mit dem Meere nicht mehr ſperren kann, für England keine große Wichtigkeit mehr und die Begründung einer unabhängigen ſüdafrikaniſchen Konföderation wäre für die engliſche Regierung ſchließlich geradezu eine Erleichterung. Die Gerüchte über eine bevorſtehende Annexion von Zan— zibar oder der Algoabai ſind wohl nur Ausgeburten der engliſchen Befürchtungen. Deutſchland würde bei dem faſt vollſtändigen Mangel von im Kolonialdienſt geſchulten Be⸗ amten, einem Mangel, dem guter Wille allein nicht ab⸗ helfen kann, wahrſcheinlich ſchweres Lehrgeld zahlen müſſen, wenn es irgendwie übereilt vorgehen wollte. — Die Gerüchte von der Erwerbung von Schech Said an der Südküſte Arabiens haben ſich als das plumpe Maz növer eines franzöſiſchen Spekulanten erwieſen, welches die franzöſiſche Regierung zum Ankauf des betreffenden Ge— bietes für einige Millionen aneifern ſollte. Auch über die Verhältniſſe in der Südſee ſind genaue Berichte bis zur Stunde der Abfaſſung dieſer Ueberſicht noch nicht eingetroffen. Aus den dem Reichstag vorgelegten Dokumenten geht zweifellos hervor, daß man außer auf Tonga und Samoa) die Blicke auch auf die Inſeln Melaneſiens gerichtet hat, deren Bevölkerung ſich in den letzten Jahren als zur Arbeit in den Kokosplantagen willig oder doch wenigſtens geeignet erwieſen hat. Nach einge— laufenen Depeſchen iſt auf allen größeren Inſelgruppen Me— laneſiens, insbeſondere auf Neu-Britannien, Neu-Irland, den Neuen Hebriden und auch auf der Nordküſte von Neu— Guinea die deutſche Flagge aufgehißt worden. Die Ctaz blierung einer feſten Staatsgewalt auf dieſen fruchtbaren, wenn auch nicht allzu geſunden Inſelgruppen müßte mit Freuden aufgenommen werden, denn ſie würde dem, trotz ) Die ehemals Godeffroyſchen Faktoreien auf Samoa ſind nun wieder ganz in deutſchen Händen, da ein Hamburger Konſortium die bei Baring Brothers verpfändeten zwei Millionen Aktien der „Deutſchen Handels- und Plantagengeſellſchaft der Südſee-Inſeln“ zurückerworben hat. Humboldt. — März 1885. 115 aller Ableugnung ſchwunghaft und in der niederträchtigſten Weiſe, namentlich von Queensland aus betriebenen Menſchen— raub definitiv ein Ende machen. Es würde dann aber für die deutſche Regierung ſich die Aufgabe ergeben, die kräftige, kriegeriſche, menſchenfreſſende Bevölkerung dieſer Eilande, die nichts mit den weichen, nachgiebigen, indolenten Polyneſiern gemein hat, für die Civiliſation zu gewinnen. Bei vorſichtigem, aber konſequentem und energiſchem Vor— gehen würde das vielleicht nicht unmöglich ſein, aber immer— hin eines ziemlichen Aufwandes an Geld und Menſchen bedürfen. Erfahrungen, welche die Herren Farrel und Parkinſon an der Nordküſte von Neu-Britannien ge— macht, beweiſen, daß die Eingeborenen zur Arbeit auf den Plantagen auch in ihrer Heimat willig und brauchbar ſind. Die veröffentlichten Dokumente beweiſen übrigens, daß der Plantagenbau große Riſiken mit ſich bringt, und daß die reinen Handelsunternehmungen bis jetzt weit beſſer ge— deihen als die mit der Anlage von Plantagen verbundenen. Die deutſchen Koloniſten in Südbraſilien haben leider noch immer mit den Chikanen der Portugieſen zu kämpfen, gedeihen aber trotzdem in erfreulicher Weiſe; die geplante Anlage eines Hafens, welcher den Schiffen das Einlaufen in die Lagoa dos Patos erleichtern ſoll (ekr. Humboldt, III, S. 472) wird den Kolonieen einen neuen Aufſchwung bringen. Die Beſtrebungen zur Veranlaſſung einer Maſſen— auswanderung nach Südamerika, wie ſie namentlich Haſſe vertritt, haben bis jetzt noch keinen ſonderlichen Erfolg ge— habt; die amerikaniſche Koloniſationsgeſellſchaft hat aller— dings beträchtliche Ländereien erworben, aber die Aus— wanderer ziehen nach wie vor Nordamerika vor. Freilich beſteht auch immer noch in vielen Staaten das Verbot gegen jede Beförderung der Auswanderung nach Braſilien, das, einſt berechtigt, jetzt längſt zum Anachronismus ge— worden iſt und deſſen Beſeitigung dringend zu wünſchen wäre. Auch die Anſiedelungen in Argentinien und im ſüdlichen Chile gedeihen, allem Anſcheine nach, recht gut, und es wäre nur zu wünſchen, daß die Auswanderung nach dieſen Gebieten hin eine ſtärkere würde, um den dort angeſiedelten Deutſchen die Bewahrung ihrer Nationa— lität zu erleichtern. Die deutſche Borneo-Compagnie, welche auf dem Gebiet der engliſchen North Borneo Compagny ein Terrain zur Kultivierung erworben und Plantagen auf der Inſel Bannuey angelegt hat, iſt durch falſche Maß— regeln ihrer Vertreter in einen ernſtlichen Konflikt mit den chineſiſchen Kulis geraten, der zu Blutvergießen ge— führt hat; doch ſcheint der Weiterbetrieb des Unternehmens nicht in Frage geſtellt. Die engliſche Regierung hat ſich auf Drängen der Rolonijten in Queensland veranlaßt geſehen, die ganze Südküſte von Neu-Guinea zu annektieren, unter dem Vor— behalt, daß Landerwerb von den Eingeborenen nur für die Krone erlaubt iſt und nur zu Handels- und Miſſions— zwecken ſtattfinden darf. Der bekannte Reiſende Henry O. Forbes ijt auf Koſten der British Association und London Geographical Society abgegangen, um die noch kaum bekannten neuen Erwerbungen genauer zu erforſchen und womöglich bis zur Owen-Stanley-Kette vorzudringen. Die Eingeborenen werden als freundlich und dienſtbereit geſchildert, aber die einzelnen Stämme leben in ſtändigem Kriegszuſtand, was das Reiſen ſehr erſchwert. Die Er— fahrungen, welche man in dem gegenüberliegenden Nord— auſtralien gemacht, find für den Verſuch einer Koloniſation nichts weniger als ermutigend ). Die Koloniſationsbe— ſtrebungen in den Tropen ſind durch die ausgebrochene Kriſis in der Zuckerfabrikation ja überhaupt ſchwer betroffen. Beſonders in Holländiſch-Indien iſt nicht nur die pekuniäre Exiſtenz vieler Plantagenbeſitzer, ſondern auch die der her— vorragendſten Banken und Handelsgeſellſchaften dadurch be— droht und nur dem Zuſammenſtehen holländiſcher Groß— kapitaliſten iſt es bis jetzt noch gelungen, das Schlimmſte abzuwehren. In den neuen franzöſiſchen Erwerbungen in Hinter— indien ſcheint von einer Koloniſation noch keine Rede zu ſein; Verſuche, Koloniſten aus Algerien zur Ueberſiedelung zu be— wegen, haben ein trauriges Fiasko gemacht, und von dem ohnehin unbedeutenden Handel iſt ſelbſt nach den offiziellen Berichten ein nur verſchwindend geringer Teil in franzö— ſiſchen Händen. Dagegen vollzieht ſich geräuſchlos und faſt unbemerkt in Inneraſien eine Koloniſationsbewegung von großer Wichtigkeit. Teils um den Bedrückungen der Beamten zu entgehen, teils aus religiöſen Rückſichten, teils endlich auch einfach aus Wanderluſt ſiedeln ganze ruſſiſche Gemeinden nach den neu eroberten Gebieten in Inneraſien über und begründen bis nach Chiwa, Samarkand und dem Amur hin eine ſeßhafte Slavenbevölkerung inmitten der türkiſchen Raub- und Wanderſtämme. Unter einer anderen Regierung, als der gegenwärtigen ruſſiſchen, könnte dieſes langſame Zurückwandern der Slaven für die Kulturentwickelung von großer Bedeutung werden, aber ſo folgt der Tſchinovik und der unduldſame Pope den Auswanderern und hindert die Entwickelung der neuen Anſiedelungen, während das ohnehin ſchwach bevölkerte Mutterland noch mehr verddet. Die offizielle Koloniſation des neu erworbenen Sa— chalin ſcheint große Fortſchritte noch nicht zu machen, wie das ja bei einer Strafkolonie am Ende natürlich iſt; die gezwungenen Anſiedler ſuchen nach Sibirien hinüber— zuflüchten, wo ſie wenigſtens nicht ſo ganz von der Welt abgeſchloſſen ſind. Nicht viel beſſer ergeht es der japane— ſiſchen Beſiedelung von Jezo, die ſich nach den Berichten von Braun in Heft 1 dieſer Zeitſchrift auf das möglichſte Auspreſſen der Urbevölkerung beſchränkt. *) Ueber die angeblichen engliſchen Niederlaſſungen an der Südküſte von Neu-Guinea gibt der offizielle Bericht für 1883 des Deputy Commissioner für die Angelegenheiten des weſtlichen Stillen Oceans an den High Commissioner folgende Auskunft: In Neu-Guinea leben drei Weiße, zwei Miſſionare und ein Herr Gol die, der ca. 17000 Acres Land für 1 Penny den Acre gekauft haben will. Vier andere betreiben den Trepangfang an der Küſte. Sonſt iſt europäiſches Kapital dort nicht angelegt. Die beiden „Forſchungsexpeditionen“ haben ſehr ſchlechte Reſul— tate ergeben und durch Kämpfe mit den Eingeborenen ferneres Vordringen erſchwert. Der Aye iſt nur 22 Miles, der Argus höchſtens 40 Miles von der Küſte vorgedrungen, ohne Neu zu finden. Eine zweite vom Melbourne Argus ausgerüſtete Expedition iſt auf dem Baxter 120 Miles weit eingedrungen, dann aber von den Eingeborenen zurück⸗ getrieben worden. Es ijt dabei zum Blutvergießen gekommen und fried⸗ lichen Forſchern dürfte damit der Weg für lange Zeit verſchloſſen fein. 116 Humboldt. — März 1885. Chemie. Don Dr. Theodor Peterfen, Vorſitzender im phyſikaliſchen Verein zu Frankfurt a. M. Organiſche Chemie. Teerfarbſtoffe. Methylenblau. Thiophene. Orthochromatiſche Photographieen. Chinolinkörper und Alkaloidbaſen. Neue Untipyretifa. Unterſuchung auf Mikro-Organismen. Den berühmten Altmeiſtern der Chemie in Deutſch— land, Liebig und Wöhler, iſt im letzten Jahre auch der mit jenen gleichaltrige berühmte Franzoſe Dumas (geb. am 14. Juli 1800 zu Alais, geſt. den 11. April 1884 zu Cannes) in das Jenſeits gefolgt, während ſich der faſt 100jährige Chevreul in Paris noch immer rüſtiger Ge— ſundheit zu erfreuen hat. Dumas' Verdienſte um die Chemie und Phyſik ſtehen denjenigen der genannten deut— ſchen Forſcher würdig zur Seite. Von allen anderen durch ihn gemachten Entdeckungen abgeſehen, hat er durch ſeine Subſtitutions-Theorie den Grund zu unſeren heutigen Auffaſſungen über die Konſtitution organiſcher Körper ge— legt und an die nach ihm benannte muſtergültige Methode zur Ermittlung der Dampfdichte von Gaſen wird für alle Zeiten ſein Name geknüpft fein. Auch den neueſten großen Erfolgen der Chemie in Deutſchland zollte er volle Anerkennung. So erwiderte er vor einigen Jahren bei Gelegenheit ſeines 50jährigen Jubiläums als Mitglied der franzöſiſchen Akademie, deren beſtändiger Sekretär er durch Jahrzehnte war, auf die Glückwünſche der Pariſer che— miſchen Geſellſchaft: „Den Reichtum, die Macht und die moraliſche Größe des Vaterlandes zu begründen, iſt auch teilweiſe die Aufgabe der Chemie in Frankreich. Es gab eine Zeit, wo unſere Nachbarn (in Deutſchland) uns im Gebiete dieſer Wiſſenſchaft eine Ueberlegenheit einräumten, auf welche ſie eiferſüchtig waren; heute jedoch erkennen ſie dieſelbe leider nicht mehr an.“ Mit dieſen Worten wies er auf die Erfolge der modernen Chemie in Deutſchland hin, welche zumeiſt die organiſche Chemie betreffen. Auch im letzten Jahre hat dieſe wieder bedeutende Fortſchritte zu verzeichnen, von denen wir einige der wichtigſten im folgenden etwas näher ins Auge faſſen wollen. Das unerſchöpfliche Gebiet der Benzolderivate ſteht nach wie vor in erſter Linie. Teerfarbſtoffe aller Nuancen ſind bereits zur Legion angewachſen, namentlich wird neuerdings die Gruppe der meiſt rot, gelb oder braun ge— färbten Azokörper mit Zuſammenkuppelungen von Benzol— und Naphthalin-Derivaten in allen möglichen Variationen kultiviert. Die Erfindung der Anilinfarbſtoffe iſt jetzt 25 Jahre her. Die engliſche chemiſche Geſellſchaft feierte dieſe denkwürdige Thatſache zu Ehren ihres Mitgliedes und früheren Präſidenten H. Perkins, der den erſten Anilin— farbſtoff dargeſtellt, mit einem Bankett, deſſen Vorſitz Pro— feſſor A. W. Hofmann in Berlin übertragen wurde, dem wiſſenſchaftlichen Begründer der Teerfarben-Induſtrie, in deſſen Laboratorium, als er noch in London weilte, Perkins als Aſſiſtent gearbeitet hatte. So wurde bei jenem Anlaß, wozu Vertreter der wiſſenſchaftlichen und techniſchen Chemie aus ganz England zuſammengekommen waren, Lehrer und Schüler gleichzeitig geehrt. Unter den Anilinfarbſtoffen ſei diesmal einer Gruppe ſchwefelhaltiger Körper beſonders gedacht, welche man zuerſt in dem aus Paraphenylendiamin, Schwefelwaſſerſtoff und Eiſenchlorid darſtellbaren ſogenannten Lauth ſchen Violett kennen lernte. Das raſch beliebt gewordene, von H. Caro, dem bekannten Farbtechniker der Badiſchen Anilin- und Soda-Fabrik in Ludwigshafen entdeckte Methylenblau ge- hört dieſer Gruppe an. Zu ſeiner Bereitung wird z. B. Nitroſodimethylanilin in Schwefelſäure gelöſt, Schwefelzink eingetragen, filtriert, mit Waſſer ausgezogen und mit Eiſenchlorid oxydiert, oder auch der Nitroſokörper mit Zinkſtaub reduziert, der erhaltene Diamidokörper mit Schwefelwaſſerſtoff unter höherem Druck behandelt, das Reduktionsprodukt ebenfalls mit Eiſenchlorid oxydiert, die erhaltene Chlorzinkverbindung mit Kochſalz gefällt und mit Waſſer gewaſchen. Die Schönheit und Lichtechtheit haben dem neuen Farbſtoff in der Färberei und Druckerei be⸗ deutende Anerkennung verſchafft. Die Entdeckung des aus Diphenylamin und Schwefel entſtehenden Thiodiphenyl- amins CjoHyNS durch A. Bernthſen legte nun die⸗ jem Chemiker die Vermutung nahe, daß die neue Ver- bindung die Mutterſubſtanz des Lauth ſchen Violetts und des Methylenblaus, daß die Leukobaſe des Violetts Diaz midodithiodiphenylamin und das Methylenweiß Tetra— methyldiamidothiodiphenylamin ſei. Die von Bernthſen neuerdings erhaltenen Reſultate haben deſſen Annahme beſtätigt. Das Thiodiphenylamin geht durch Einführung zweier Amidogruppen in das Lauth ſche Weiß über und die analoge Konſtitution des letzteren und des Methylen— blaus hat ſich durch Behandlung der beiden Leukobaſen mit Jodmethyl nachweiſen laſſen. Die angezogenen Verbin- dungen laſſen ſich daher folgendermaßen formulieren: Lauthſches Weiß Methylenweiß C,H3—NH Cela N(CH g < >s D 8 C.H3—NHy CgH3—N(CH3)o Lauthſches Violett Methylenblau (ſalzſaures) (ſalzſaures) CsH3—NHy C6113 -N(CH) N= 8 N< Ss CH; -NH. HCl HA NCH gz. OLS is ee / — — Ueber eine andere merkwürdige Gruppe ſchwefel— haltiger Körper, die Thiophene ), wurde von Profeſſor V. Meyer und mehreren Mitarbeitern desſelben mit Er— folg weiter gearbeitet, die Konſtitution des Thiophens feſt— geſtellt und verſchiedene Homologe, z. B. Methylthiophen, Aethylthiophen und andere abgeleitete Verbindungen, dav- unter zwei iſomere Sulfoſäuren desſelben erhalten, wie die Theorie ſie fordert. Nach der Aehnlichkeit, welche Thiophen CHI. S, Furfuran CH. O und Pyrrol CyHy. NH unter ſich und mit dem Benzol zeigen, erſcheint es einleuchtend, daß in jenen Körpern von den drei Aeetylengruppen CyHy, welche im Benzol Cells verkuppelt find, eine durch die zweiwertigen Gruppen 8, O oder NH erſetzt werden kann, ohne daß dadurch der eigentümliche Charakter des ) Siehe dieſe Zeitſchrift 1883, Seite 312 und 424. Humboldt. — März 1885. 117 Benzols und ſeiner Abkömmlinge aufgehoben wird, wie die folgenden Formeln zeigen. Thiophen Furfuran Pyrrol H.C—C.H H. C - C. H e | ll i i I BIG) (Ge EEO! Ge EGG) Gate! \ W 7 8 0 NH Thiophenſulfoſäure 3Thiophenſulfoſäure H. C C. H H.C—C.S803H Il 1 H.C C. 803-N e oel W A. N 0 0 Eine intereſſante Anwendung haben einige Teer— farbſtoffe neuerdings in der Photographie erfahren. Be— kanntlich iſt die Einwirkung der Lichtſtrahlen des Sonnen— ſpektrums auf Silberhaloidſalze eine verſchiedene; Grün, Gelb und Rot wirken faſt gar nicht, man nennt dieſen Teil des Sonnenſpektrums daher den unwirkſamen. Auch die neueren Bromſilber- Kollodium- und Gelatine-Prapa- rate ſind relativ unempfindlich gegen Grün, Gelb und Rot, ſo daß dieſe Farben gegenüber den blauen in der Reproduktion ſeither immer mehr oder weniger dunkel ausfielen und farbige Gemälde nur ſehr ſchlecht photo— graphiſch wiedergegeben werden konnten. Profeſſor H. W. Vogel in Berlin veröffentlichte allerdings ſchon vor zwölf Jahren eine Arbeit über die Lichtempfindlichkeit des Brom- ſilbers für die chemiſch unwirkſamen Farben, worin er nachwies, daß es möglich fet, Silberhaloldſalze, insbeſondere Bromſilber für jede beliebige Farbe durch Beimiſchung ge— wiſſer, jene ſchädlichen Farben abſorbierender Stoffe em— pfindlich zu machen. Es beſchäftigten ſich inzwiſchen auch eine Reihe tüchtiger Photographen mit demſelben Gegen— ſtande, aber erſt in neueſter Zeit ſind die bezüglichen Ver— ſuche, namentlich die von Profeſſor J. M. Eder in Wien von durchſchlagendem Erfolg begleitet geweſen, ſo daß nun— mehr ein weſentlicher Fortſchritt für photographiſche Repro— duktionen zu verzeichnen iſt. Zu dem Zweck dienen äußerſt, tingierende Teerfarbſtoffe wie Eoſin, Cyanin, Azalein, Azulin, Anilinviolett, Jodgrün u. a., womit die Brom⸗ ſilbergelatine-Emulſionsplatten imprägniert oder beſſer ge- badet werden. Die alkoholiſchen Farblöſungen werden nur ganz verdünnt angewendet (1: 1000 bis 1: 5000), wirken aber dennoch derartig günſtig auf die unwirkſamen Farben, daß ältere Reproduktionen gegen die neuen voll— kommen in Schatten geſtellt werden, indem die neuen ſogenannten orthochromatiſchen Bilder die Wirkung des Originals in einer der Natur bei weitem näheren Weiſe wiedergeben, wie die ſeitherigen Photographien. ſahen z. B. Wir eine farbige Stickerei, eine Landſchaft mit rotgelben Wolken bei Sonnenuntergang und andere früher kaum wiederzugebende Motive nach der neuen Methode gegenüber der alten durchaus befriedigend reproduziert. Rege Thätigkeit herrſcht fortwährend auf dem Gebiete der Chinolinkörper und Schritt für Schritt kommt man der künſtlichen Darſtellung des Chinins näher. Nachdem Skraup gezeigt hatte, daß 8-Naphthylamin in Gegenwart von Nitrobenzol bei Behandlung mit Glycerin und Schwefel— ſäure reichlich 8-Naphthochinolin liefert, war zu vermuten, Humboldt 1885. daß aus Anthramin unter denſelben Bedingungen ein Chinolin der Anthracengruppe gebildet würde. Graebe hat dieſen Verſuch ausgeführt und dabei dasſelbe Anthra— chinolin CHN gewonnen, welches er früher aus Alizarinblau durch Erhitzen mit Zinkſtaub erhalten hatte; der Zuſammenhang bekannter Teerfarbſtoffe mit Chinolin— körpern erfährt dadurch weitere Ausdehnung. Als Erſatzmittel des Chinins, ſpeciell zu dem Zwecke, die Temperatur des Fiebers herabzuſetzen, ſind dem Kafrin oder Oxymethyl- (bez. Oxyäthyl-) chinolin-Chlorhydrat von O. Fiſcher zwei ähnliche antipyretiſch wirkende Chinolin— derivate gefolgt, nämlich das von Knorr entdeckte Anti— pyrin oder Dimethyloxychinizin und neueſtens das von Skraup erhaltene Thallin oder Tetrahydroparamethyloxy— chinolin (Tetrahydroparachinaniſol), von denen das erſtere von den Höchſter Farbwerken, vorm. Meiſter, Lucius u. Brüning, das andere von der Badiſchen Anilin- und Sodafabrik in Ludwigshafen bereits in größerem Maßſtabe fabriziert wird. Das Antipyrin, welches raſch Beliebtheit in medizi— niſchen Kreiſen erfahren hat und vom Deutſchen Apotheker— verein für die Pharmakopöe in Vorſchlag gebracht it, präſentiert ſich in farbloſen ſäulenförmigen Kryſtallen oder als faſt weißes kryſtalliniſches Pulver, wie Katrin von weniger bitterem Geſchmack als Chinin; ſein Schmelzpunkt liegt bei 113°C. Seine leichte Löslichkeit in Waſſer und Alkohol (1 Teil Antipyrin löſt ſich in weniger als 1 Teil kaltem Waſſer, in 1 Teil Weingeiſt, in 1 Teil Chloroform, aber erſt in etwa 50 Teilen Aether) begünſtigt die An— wendung desſelben ſowohl innerlich wie zu ſubkutanen In— jettionen. Eine Doſierung von 2 g in der Stunde iſt als die zweckmäßigſte befunden worden (bei Kindern reicht die Hälfte oder noch weniger hin) und bewirkt dasſelbe einen wenigſtens 5—6 Stunden andauernden bedeutenden Abfall der Bluttemperatur, die ſelbſt bei der höchſten Fieber— hitze leicht auf 388° C. herabgeſetzt werden kann; mit dem Sinken der Temperatur wird auch die Pulsfrequenz herab— gemindert. Das Mittel hat keine unangenehmen Nebenwir— kungen, nur zuweilen leichtes Erbrechen zur Folge. Der Preis des Antipyrins beträgt zur Zeit noch 120 Mark per kg, alſo etwa ein Drittel weniger wie der des Chinins. Das Thallin wird als ſchwefelſaures oder weinſaures Salz in Geſtalt eines weißen Kryſtallmehls geliefert; erſteres beſitzt einen eigentümlichen, an Anisöl erinnernden Geruch, während das Tartrat nach Cumarin duftet. Beide Salze ſchmecken bitter und ſalzig, in verdünnten Löſungen jedoch angenehm aromatiſch. Das Sulfat bedarf 5 Teile, das Tartrat etwa 10 Teile kalten Waſſers zur Löſung; von Alkohol erfordert erſteres etwa 100 Teile zur Löſung, letzteres iſt noch ſchwerer darin löslich; in Aether ſind beide nur ſehr wenig löslich. Die Löſungen bräunen ſich am Licht, was von einem beigemengten Stoffe herzurühren ſcheint. Wäſſerige Thallinlöſungen geben auch bei ſehr großer Verdünnung mit Eiſenchlorid, ſowie mit Chrom— ſäure und anderen Oxydationsmitteln eine ſchön ſmaragd— grüne Färbung, die auch in dem Namen „Thallin“ ihren Ausdruck gefunden hat. Die wäſſerige Löſung des Anti— pyrins wird durch Eiſenchlorid ſchön rot, die des Kafrins zuerſt violett, dann braun gefärbt. Auch das Thallin iſt ein kräftiges Antipyreticum und Antifermentativum und 16 118 Humboldt. — März 1885. ſollen deſſen antipyretiſche Einflüſſe auf den Organismus ohne unangenehme Nebenwirkungen ſich als lange nach— haltig erweiſen. Zu den beiſtehenden Formeln der angezogenen Ver— bindungen mag noch bemerkt ſein, daß das Antipyrin einer eigentümlichen Gruppe von Körpern angehört, welche Knorr Chinizine genannt hat. Phenylhydrazin und Acet- eſſigeſter vereinigen ſich unter Austritt von Waſſer und Alkohol leicht zu Oxymethylchinizin: CHs. NyHg —— CH 1003 = HO + CoH; 0 OH + CipH{pN.0; letzteres liefert beim Erwärmen mit Jodmethyl und Methyl— alkohol Antipyrin. Chinolin Dimethyloxychinizin CyH;N (Antipyrin) CH CH CH CO YE SS ,; D HC 0 CH HC CHy | lI | | lI | HC 0 CH HC 0 C. CHg „ FF V Z| CH N CH N—N.CH; Tetrahydromethyl— Letrahydroparamethyl- oxychinolin (Kafrin) oxychinolin (Thallin) CH»: CH CH») , A, HC 0 CHy OCEg. C 0 CHy | ll | | II | HC 0 CHy HC C CH» SANE SLY C. OH N. CH z CH NH Wie Chinolin vom Naphthalin deriviert Pyridin vom Benzol. Bei Fortſetzung ſeiner Unterſuchungen über natür— liche und künſtliche Alkaloidbaſen) hat A. W. Hofmann das Contin Cs N durch Waſſerſtoffentziehung beim Erhitzen mit Zinkſtaub in eine neue, Conyrin Cs EIN genannte Baſe übergeführt, welche durch Jodwaſſerſtoff wieder in Coniin verwandelt werden kann, durch Kalium— permanganat aber zu Pikolinſäure, eine Pyridinkarbon⸗ ſäure oxydiert wird, wodurch die Zugehörigkeit des Coniins und ähnlicher Alkaloidbaſen zur Pyridingruppe aufs neue einleuchtet. Hofmann faßt daher das Coniin als Propylpiperidin auf, und zwar als ſog. Orthoderivat, da nach Skraup und Cobenzl in der Pikolinſäure Stick ſtoff und Karboxyl in der Orthoſtellung zu einander ſtehen. Schotten und Baum weiſen neuerdings noch weiter darauf hin, daß wegen der Beſtändigkeit der Propyl- gruppe im Coniin gegenüber Oxydationsmitteln die Iſopro— pylpruppe hier vorliegen dürfte. Bei dieſer Gelegenheit mag noch bemerkt ſein, daß die Identität des ſynthetiſchen Pyridins mit ſolchem aus dem Piperin des Pfeffers un— längſt von Ladenburg und Roth nachgewieſen wurde. Wir ſchreiben daher: Pyridin!) Piperidin C5H;N C5H,,N CH CH» ZN YS HC CH HyC CH» | lI I | HC CH HoC CHa Ne SO N NH ) Siehe dieſe Zeitſchrift 1882, Seite 345. ) Die neueſten Unterſuchungen, namentlich von Hantzſch, Riedel, Bernthſen und Knorr ſprechen zu Gunſten folgender Formeln für Pyridin Chinolin CH CH CH J \\ e HC CH HC 0 CH IC eat [eee a HC CH HC 0 CH | SWF SIA N CH N Conyrin Coniin CsHy,N CsH\;N CH CH» HC CH HoC CH, | Il | | ‘ HC C.C3H; HO C.C3H;.H Sv We N NH Mit Recht verwendet man in der Neuzeit auf gutes reines Trinkwaſſer in Verbindung mit möglichſter Ent⸗ fernung der Abfallſtoffe aus dem Bereiche der Wohnungen wie aus den Städten alle Sorgfalt, denn dadurch wird dem Entſtehen und der Ausbreitung der gefährlichſten anſteckenden Krankheiten am beſten vorgebeugt. Seit Dr. Kochs neuen ausgezeichneten Arbeiten über Mikro— organismen (Bakterien, Bacillen ꝛc.) als Erreger epide— miſcher Krankheiten, des Typhus und der Cholera hat die Prüfung auf derartige geſundheitsgefährliche Keime, nament⸗ lich im Trinkwaſſer erhöhte Bedeutung erlangt. In der Regel geht eine größere Menge ſolcher Organismen mit den vermehrten organiſchen Subſtanzen, welche jenen zur Nahrung dienen, Hand in Hand. Unter Hinweiſung auf die jüngſten Publikationen des Reichsgeſundheitsamts über dieſen Gegenſtand teilen wir einige Vorſchriften für die neue wichtige Unterſuchungsmethode mit. Als Baſis der— ſelben dient die ſogenannte Nährgelatine oder Fleiſch⸗ infus-Peptongelatine, welche den beſten Nährboden für jene Mikroorganismen, die ſich darin ſehr raſch vermehren und zu einzelnen Kolonien anwachſen, abgeben. Um ſolche Nährgelatine zu bereiten, verfährt man folgendermaßen: 500 g fein gehacktes rohes Rindfleiſch werden mit 500 g deſtilliertem Waſſer über Nacht an einen kühlen Ort geſtellt, das Fleiſchwaſſer anderen Tages durch Leinen filtriert, das Fleiſch abgepreßt, die durchgegangene Flüſſigkeit aufgekocht, nochmals durch Gaze filtriert, mit deſtilliertem Waſſer wieder auf 500 cem gebracht, 10 f trockenes Pepton und 5 g Kochſalz zugegeben, dann aufs neue aufgekocht. Andererſeits werden 30 g Gelatine in 500 g deſtilliertem Waſſer etwa 1 Stunde lang eingeweicht, darauf wird im Waſſerbade gekocht, bis die Gelatine gelöſt iſt. Man gießt nun beide Flüſſigkeiten in der Geſamtmenge von etwa 1! zuſammen, fügt noch ein wenig doppeltkohlenſaures Natron bis zu eben alkaliſcher Reaktion hinzu und filtriert durch Papier, am beſten unter Benutzung eines Heiß— waſſertrichters, in die ſamt aufgeſetzten Baumwollpfropfen bei 150° C. gut ſteriliſierten Gläſer. Als ſolche kann man Reagenzeylinder benutzen, deren jeder mit 10—15 cem beſchickt und ſchließlich während einiger Tage noch mehrmals aufgekocht wird. Beim Stehen wird die Gelatinelöſung dick; ſie muß auch nach längerer Zeit vollkommen klar bleiben. Zur Prüfung eines Waſſers erweicht man den Inhalt eines Probegläschens durch gelindes Erwärmen, gibt nach gehörigem Erkalten einige Tropfen bis 1 cem des zu prüfenden Waſſers unter kurzem Oeffnen des Baumwoll— Aecridin CH CH 0 NAINA HC 0 0 CH | ll ll | HC 0 0 CH 8 . SX Humboldt. — März 1885. Die pfropfens hinzu und ſchüttelt gut durch. alsdann während mehrerer Tage. Aus der Anzahl der gebildeten Kolonien wird man ſich bei einiger Uebung bald die Beurteilung eines Waſſers aneignen. Man kann ſogar zu einer annähernden Beſtimmung der gebildeten Kolonien jener Keime gelangen, wenn man eine beſtimmte kleine Waſſermenge mit der nötigen Menge Nährgelatine auf ſteriliſierten Glasplatten ausbreitet, welche unter vor Luftzutritt geſchützte Glocken gelegt werden. Wenn die Kolonienbildung erfolgt iſt, zählt man mittels eines klein quadrierten Papierſtückes eine Anzahl ab und berechnet auf das Ganze. Solche Glocken mit Zubehör werden von R. Münckes mechaniſcher Werkſtatt in Man beobachtet Berlin geliefert. Bei dem Verſuch werden die Glasplatten möglichſt horizontal gelegt, die Glocken vorher mit ver— dünnter Sublimatlöſung (1: 1000) abgeſpült und inwendig mit Fließpapier austapeziert, welches mit der wäſſerigen Sublimatlöſung getränkt iſt, um die Luft unter der Glocke feucht zu erhalten, damit die Gelatine nicht austrocknet. Auf dieſe Weiſe fand Profeſſor Tiemann in 1 cem. Waſſer der Spree bei Charlottenburg 10 Millionen ent— wicklungsfähiger Keime, in einer Spüljauche ſogar 38 Mil— lionen, während die meiſten Brunnenwaſſer Berlins doch nur 40 — 160 enthielten. Schließlich bewirken manche dieſer Bakterien bei der Entwicklung der Keimkolonien eine Ver— flüſſigung der Nährgelatine. Meteorologie. Von C. Ambronn, Aſſiſtent an der Seewarte in Hamburg. 5 Die Meteorologie als Wiſſenſchaft. Sründung der „Deutſchen Meteorologiſchen Geſellſchaft“. Vulkaniſcher Ausbruch in der Sunda-Straße. Aöppen, Die Wärmezonen der Erde. ſungen über die Höhe des Nordlichts. Häufigkeit des Sonnenſcheins. Gang der Temperatur in Vorddeutſchland. Die Bewölkung in Württemberg. Ueber Luftbewegung. Die „Eismännerfrage“. Ueber Wintertypen. Meſ— Niederſchlagskarten für Ufien und Afrika. Synoptiſche Karten. „Repertorium der Deutſchen Meteorologie.“ Ein treffliches Beiſpiel für das Zuſtandekommen und den beginnenden Ausbau einer in ſich feſt gegliederten und nach außen, ſoweit dies bei den heutigen Verhältniſſen überhaupt denkbar iſt, ſtreng begrenzten Wiſſenſchaft bietet die nach ihrem vollen Umfange gefaßte Meteorologie un— ſerer Tage. Es iſt noch gar nicht lange her, daß man die einzelnen Beobachtungen und theoretiſchen Fragmente, welche jetzt in ihren einheitlichen Beſtrebungen und Zielen eben die Wiſſenſchaft „Meteorologie“ ausmachen, in allen mög— lichen Disciplinen zerſtreut fand, ja daß dieſe Beſtrebungen von vielen nur als untergeordnete und eines eigentlichen reellen Kernes entbehrende Anhängſel betrachtet, ab und zu wohl gar beſpöttelt wurden. — Heute iſt das anders geworden. Bedeutende Männer haben die feſte Fundierung der meteorologiſchen Grundgeſetze und die Verfolgung der aus jenen zu ziehenden Konſequenzen zu ihrem Lebens— beruf gemacht. An der Hand der „exakten Wiſſenſchaften“ geht man den unter die Jurisdiktion der neuen Kollegin gehörenden Erſcheinungen zu Leibe und verſucht den Schleier zu lüften, der gegenwärtig allerdings noch viele innere Vorgänge und den urſächlichen Zuſammenhang der Vor— kommniſſe im Bereiche unſerer Atmoſphäre bedeckt. Aufgabe der folgenden Zeilen ſoll es ſein, die in dieſer Die Hinſicht gemachten Fortſchritte aufzuzählen und ſoweit es in kurzen Worten möglich iſt, dieſelben zu beleuchten, da— mit auch in weiteren Kreiſen die [wahre wiſſenſchaftliche Berechtigung und der praktiſche Nutzen der Meteorologie erkannt und verfolgt werden möge. Sehen wir uns nach einem Ausgangspunkt für unſere Betrachtung der Fortſchritte in der Meteorologie um, ſo ſerer Tage wohl die Gründung der „Deutſchen Meteorolo— giſchen Geſellſchaft“ ohne Zwang dar, welche zugleich ein Organ in Deutſchland ſchuf, welches neben der ſchon länger beſtehenden „Zeitſchrift der öſterreichiſchen Geſell— ſchaft für Meteorologie“ ſpeciell den Zwecken dieſer Wiſſenſchaft dienen ſoll. — Im November 1883 traten, nachdem ſchon ſeit längerer Zeit diesbezügliche Verhand— lungen gepflogen worden waren, eben in dem Moment als ein Unternehmen, welchem die ganze civiliſierte Welt mit Intereſſe gefolgt war, auch von Deutſchland glücklich hin— ausgeführt worden — ich meine das Syſtem der inter— nationalen Polarſtationen — eine Anzahl Vertreter der Meteorologie aus allen Teilen unſeres Vaterlandes zu— ſammen und legte den Grund zu der oben erwähnten Ge— ſellſchaft. Im Anſchluß an die „Deutſche Meteorologiſche Geſellſchaft“ haben fic) ſchon mehrere Zweigvereine von recht anſehnlicher Mitgliederzahl gebildet, um die Grund— ſätze, Beobachtungsmethoden und deren Reſultate noch leichter einem größeren Publikum zugänglich zu machen und deren Verſtändnis durch geeignete Vorträge ꝛc. zu erleichtern. Es ſind dieſes bis jetzt die Vereine in Magde— burg, welcher ſogar durch ein eigenes Organ „Das Wetter“ für weitere Verbreitung populärer meteorologiſcher Ab— handlungen zu ſorgen beſtrebt iſt, in München, Berlin, Hamburg-Altona und Rudolſtadt. Faſt ein voller Jahrgang der „Meteorologiſchen Zeitſchrift““ des Organs der Hauptgeſellſchaft, liegt heute vor und birgt viel des Bedeutenden und Inter— eſſanten. Wenden wir uns nun zu den einzelnen Ereigniſſen und Erſcheinungen auf meteorologiſchem Gebiete im ſpe— ciellen, ſo tritt zunächſt ein Vorgang von hohem Intereſſe in den Vordergrund. Es iſt dieſes der Ausbruch des Vulkanes „Krakatoa“ in der Sunda-Straße. Die Phänomene, welche denſelben begleiteten oder deren Urſprung man auf dieſen bietet ſich am geeignetſten für eine deutſche Zeitſchrift un- Ausbruch zurückzuführen ſucht, ſind von außerordentlicher Mannigfaltigkeit und haben eine große Anzahl Abhand— lungen hervorgerufen. Eine Aufzählung derſelben würde faſt unmöglich ſein, und iſt auch an dieſer Stelle unnötig, da ein ſehr ausführlicher Bericht und eine ſummariſche Ueberſicht ſowohl in der „Meteorologiſchen Zeitſchrift“, als 120 Humboldt. — März 1885. auch in den „Annalen der Hydrographie“ durch Herrn Geh.-Rath Prof. Dr. Neumayer gegeben worden ijt. Die auffallendſte Erſcheinung, welche ſich in unſerer Atmoſphäre zeigte und welche von vielen auf dieſen Aus⸗ bruch zurückgeführt wird, waren die herrlichen Dämmerungs⸗ erſcheinungen. Dieſelben gaben wiederum Veranlaſſung, daß mehrere Phyſiker, ſo unter anderen Profeſſor Kießling in Hamburg, ſich mit der Frage beſchäftigten, welche Zu— ſtände der Atmoſphäre zum Hervorbringen der beobachteten Phänomene nötig oder günſtig ſeien. Alle dieſe Unter— ſuchungen haben zu dem Reſultat geführt, daß Unmaſſen von kleineren Staubpartikelchen, welche um ſich herum ſehr leicht kleine Nebelbläschen bilden, in der Luft ſuſpendiert fein müſſen, um die erwähnten Erſcheinungen zu ermög⸗ lichen. Die andere Frage aber, woher dieſe kleinen Körper— chen gekommen und wie es möglich war, daß ſie ſich ſo lange freiſchwebend halten konnten, iſt endgültig wohl noch nicht gelöſt. Bezüglich der Temperaturverteilung und damit zu⸗ ſammenhängenden Vorkommniſſe ſind Unterſuchungen an— geſtellt worden, welche ein allgemeineres Intereſſe beanſpruchen dürften, von Dr. W. Köppen: Die Wärmezonen der Erde nach der Dauer der heißen, gemäßigten und kalten Zeit und nach der Wirkung der Wärme auf die organiſche Welt betrachtet. Meteorolog. Zeitſchrift 1884, Seite 215 mit Tafel. Der Verfaſſer gibt auf einer beigegebenen Erdkarte die Zonen, welche den folgenden Annahmen entſprechen: Tropiſcher Gürtel: Alle Monate heiß (über 20° C.). Subtropiſcher Gürtel: 4— 11 Monate über 20° C. Gemäßigte Gürtel: 4— 12 Monate gemäßigt (10° bis 20° C.). a. Konſtant gemäßigt. b. Sommer heiß. c. Sommer gemäßigt, Winter kalt. Kalte Gürtel: 1—4 Monate gemäßigt, ſonſt kalt. Polare Klimate: Alle Monate kalt, d. h. unter 10“. und ſchließt eine in vielen Beziehungen ſehr intereſſante Auseinanderſetzung daran, in welcher er das Vorkommen der Pflanzen und Tiergattungen von dieſen Zonen als im weſentlichen abhängig darſtellt, aber auch noch ferner andeutet, daß eine nähere Vergleichung der Karte mit vielen Teilen der genannten Kulturentwickelung zu be— merkenswerten Reſultaten führen dürfte. — Die eingetra- genen Zonen find, wie es für dieſe Zwecke am inſtruktivſten iſt, ihren Temperaturen nach nicht die auf ideale Meeres— oberfläche reduzierten, wodurch vielfach ihre Wirkung nicht zur Anſchauung gekommen wäre, ſondern die beobachteten Mitteltemperaturen ſelbſt. Eine eingehende Studie über den jährlichen Gang der Temperatur in Norddeutſchland von Dr. G. Hellmann gibt die Beobachtungen von 25 preußiſchen Stationen während der letzten 35 Jahre. Eine größere Anzahl Tabellen und Tafeln illuſtrieren den Text vortrefflich. Eine recht lebhafte Diskuſſion veranlaßte zu Anfang des Jahres die den Volksglauben als Hintergrund habende Frage der kühlen Tage in der zweiten Dekade des Mai, die ſogenannten „Eismänner“. Während früher von Mädler, Erman, Ste. Claire-Deville der Grund, weshalb gerade um dieſe Zeit die fraglichen Kälterückfälle eintreten ſollen, teilweiſe kosmiſchen Urſachen zugeſchrieben wurde, ſo iſt in neuerer Zeit dieſes wieder und vielleicht mit Recht beſtritten worden; namentlich haben ſich Köppen, v. Bezold, v. Bebber, Billwiller, Aſſmann ein⸗ gehend mit der Sache beſchäftigt. Während Billwiller und v. Bezold für rein terreſtriſche Urſachen ſprechen oder die ausgeſprochene Tendenz jener Zeiten für Nachtfröſte überhaupt in Zweifel ziehen und nur einen Volksglauben darin ſehen, neigt namentlich Köppen wieder der älteren Anſicht zu, oder ſagt wenigſtens, man müſſe die Frage auch nach dieſer Seite hin mindeſtens als offene betrachten. Nahe mit dieſen Arbeiten hängt auch die von Dr. v. Bebber ausgeführte Unterſuchung über Wintertypen und den Winter 1883/84 zuſammen. In einem unter dem Titel „Die Unterſuchungen von Hoffmeyer und Teiſſerene de Bort über Wintertypen und den Winter 1883/84“ erſchienenen Auf⸗ ſatze gibt Dr. v. Bebber eine eingehende Beſprechung der jüngſt erſchienenen Arbeiten von Hoffmeyer und Teiſſe— rene de Bort über dieſen Gegenſtand und widmet vor allem dem ſtrengen Winter 1879/80 ein Hauͤptaugenmerk, nachdem er die drei für Europa vorzugsweiſe wichtigen Typen (die Lage des Maximums zwiſchen Azoren, Madeira und Spanien; des Maximums in Sibirien und diejenige des Minimums, welches ſich gewöhnlich über dem Nord— atlantiſchen Ocean zu bilden pflegt) betreffs ihres Einfluſſes auf die größere oder geringere Strenge des Winters be— ſprochen hat. — Zum Schluß faßt Dr. v. Bebber die Reſultate der beſprochenen Arbeiten in nahe folgenden Worten zuſammen. Der vorherrſchende Witterungscharakter unſerer Gegen— den iſt durch die allgemeine Wetterlage gegeben und der allgemeine Gang der Witterung kann erſt dann verſtanden werden, wenn man die Umwandlungen der großen atmo- ſphäriſchen Aktionscentra in Betracht zieht. Innerhalb dieſes Rahmens vollziehen ſich aber meiſt raſch vorüber— gehende Veränderungen, die zwar auf den vorwaltenden Witterungscharakter auf größerem Gebiete keinen ſehr be— trächtlichen Einfluß haben, aber doch für die Witterungs— erſcheinungen auf kleinerem Gebiete von eingreifender Be- deutung ſind. Barometriſche Minima, meiſtens Randbildungen der großen Depreſſionscentren, gleiten oft in raſcher Auf— einanderfolge am Rande der großen Maxima fort, äußern auf Wind und Wetter des Gebietes, welche ſie durchziehen, im weiten Umkreiſe einen außerordentlichen Einfluß und drücken der Witterung den Charakter des Launenhaften auf. Weiter fährt dann Dr. v. Bebber fort: „Dieſe und ähnliche Arbeiten geben die erſten Grund— ſteine zu einer Wetterprognoſe auf längere Zeit voraus. Bauen wir an dieſem Fundamente beharrlich weiter, und denken wir daran, daß auf demſelben ein großartiges Ge— bäude von eminent praktiſcher Bedeutung aufgeführt werden ſoll; jedenfalls dürfen wir überzeugt fein, daß die Wetter— prognoſe auf längere Zeit voraus nicht zu den Unmöglich— keiten gehört, ja daß ſie ſpäterhin in ihrer Nutzbarkeit die Tagesprognoſe überflügeln werde.“ Im Zuſammenhang mit den internationalen Polar- unternehmen ſind ſowohl in Godthaab von A. Paulſen als auch in Norwegen von norwegiſchen und däniſchen Forſchern mehrere Beſtimmungen über die Höhe des Nord— Humboldt. — März 1885. lichtes gemacht worden. Die erhaltenen Reſultate ſind in ſehr weite Grenzen eingeſchloſſen, da man ſowohl ſolche beobachtete, welche nur I km über dem Erdboden ſich be— fanden, aber auch welche, die 70 und mehr Kilometer ent— fernt waren. Zu Godthaab wurden beobachtet unter 20 Fällen die Höhen von 0,61 km einmal, ſolche bis 10 km in 11, und von 10—68 km in 8 Fällen. Profeſſor S. Lemſtröm hat ſogar nachgewieſen, daß die Erſcheinungen, welche man beim Nordlicht beobachtet, ſich unter beſtimmten Verhältniſſen künſtlich erzeugen laſſen. Eine ähnliche Arbeit wie Hellmanns Zuſammen— ſtellung über die Temperaturen Norddeutſchlands iſt die— jenige über die Bewölkung im Königreich Württemberg von Dr. S. Meyer. Derſelbe gelangt zu recht intereſſanten Reſultaten hinſichtlich der lokalen Verteilung der Himmels— bedeckung und weiſt nach, daß Württemberg in dieſer Be— ziehung in drei Teile zerfalle, nämlich 1. Franken und Unterland, 2. Mittelland mit Schwarzwald und 3. Ober- land ſüdlich der Alb. Hierher gehören auch die beiden Arbeiten von J. Cha— vanne über die Niederſchlagsmengen in Afrika und Aſien, beide in „Deutſche Rundſchau für Geographie und Sta— tiſtik“. Während die erſte Zuſammenſtellung wegen des äußerſt geringen Materials als wenig die wirklichen Ver— hältniſſe darſtellend betrachtet werden muß, würde für die zweite Arbeit wohl genügend Material vorhanden geweſen ſein; doch zeigt auch dieſe noch manches, was der Berich— tigung bedürfen könnte. Eine Publikation von weitgehendſtem Intereſſe ſind die vornehmlich durch die Initiative des nun verſtorbenen verdienſtvollen däniſchen Meteorologen Hoffmeyer zu— ſammengeſtellten ſynoptiſchen Karten für den Atlantiſchen Ocean. Unter Beihilfe der deutſchen Seewarte wurden dieſe eine Ueberſicht der Witterungslage für einen beſtimmten 121 Moment jedes Tages gebenden Karten angefertigt. Es galt dabei, ein äußerſt umfangreiches Material in über— ſichtlicher Weiſe darzuſtellen, und ſo ein Mittel zu erhalten, nachträglich den Lauf der Stürme u. dgl. genau ſtudieren zu können, damit man an der Hand des ſo erkannten Geſetz— mäßigen einen Schluß zu ziehen vermöge über den wahr— ſcheinlichen Weg der Depreſſionen ꝛc. — Die Publikation wird jetzt durch die deutſche Seewarte im Verein mit dem däniſchen meteorologiſchen Inſtitute fortgeſetzt. Bis jetzt liegt vor das J. Quartal (Dezember 1880 bis Februar 1881). Eine umfaſſende Zuſammenſtellung der Häufigkeit des Sonnenſcheins auf Grund der mit „Campbells Sunshine Recorder“ in England angeſtellten Beobachtungen gibt eine unter dem Titel „Sunshine Records of the United Kingdom tor 1881“ erſchienene Abhandlung. Man ſieht daraus, daß bei geeigneter Aufſtellung das noch wenig im Gebrauch befindliche Inſtrument recht gute Reſultate zu erhalten geſtattet. Bezüglich der Luftbewegungen ſind ſowohl eingehendere theoretiſche Unterſuchungen gemacht worden, als auch neue Zuſammenſtellungen von beobachteten Daten durch Dr. A. Sprung in ſeiner Abhandlung „Die täglichen Perioden der Richtung des Windes“. Der Verfaſſer rekapituliert in „Meteorol. Zeitſchrift“ Heft 1 u. 2 zunächſt einige ſchon früher aufgeſtellte Sätze über Luftbewegung und ſchließt daran die Beleuchtung eines größeren Beobachtungsmaterials. Eine rein bibliographiſche Arbeit, welche auch eigent— lich ſchon vor dem mir geſteckten Ausgangspunkte liegt, iſt Dr. G. Hellmanns „Repertorium der deutſchen Meteo— rologie“. Das Werk enthält eine äußerſt umfaſſende Zu— ſammenſtellung von Nachweiſen über alle in Deutſchland gemachten Beobachtungen, der Beobachter und der Orte, an denen dieſelben gemacht worden, ſowie über eine Menge dahin gehörender Verordnungen und Druckſchriften. Neue Apparate für Unterricht und Praxis. Neue Blitzableiter. In den letzten Jahrzehnten haben ſich die Blitzſchäden nach ſtatiſtiſchen Aufzeichnungen von Dr. Holtz in Greifswald bedeutend vermehrt, ſtellen— weiſe faſt verdreifacht. Die Urſachen dieſer Zunahme find in der fortſchreitenden Entwaldung, dem Anwachſen der Eiſenbahnen und Telegraphenleitungen, wodurch die Ge— witter mehr nach bewohnten Orten gezogen werden, ferner in der fortgeſetzten Anlage feuergefährlicher Stücke in und an Gebäuden zu ſuchen. Verbeſſerungen an Blitzableitern können daher nur willkommen ſein. Eine ſolche liegt in dem neuen Kappen-Syſtem von W. A. Haas in Nürn— berg vor. Dasſelbe enthält eine durchgehende, ununter— brochene Leitung, welche in direkter geſchützter Verbindung mit der Spitze ſteht. Die beliebige Einſchaltung von ein oder zwei durchgehenden oder abzweigenden (Erdleitung) Seilen erfolgt durch einfaches Einlegen in die Einſchnitte des unter der Kappe der Spitze auf die Stange geſchraubten Metallkörpers, wobei die leeren Einſchnitte durch Kupfer⸗ nieten ausgebüchſt werden. Die Spitze, mit Kappe darüber geſchraubt, preßt die Leitung zu inniger metalliſcher Be- rührung unter ſich und mit der Spitze zuſammen; die Kappe ſchützt dieſe Berührungsflächen. Der Genannte liefert alle zu Blitzableitungen dienenden Materialien und Ornamente. ; Ein voTRommenes Filler. Mit Rückſicht auf die wiſſenſchaftlich hinreichend gefeſtigte Anſicht, daß das Waſſer Krankheitskeime in ſich enthalten und übertragen kann, hat man beim Auftreten von Epidemien als Trinkwaſſer natürliche Mineralwäſſer oder abgekochtes gewöhnliches Waſſer em— pfohlen. Das iſt zwar ſehr gut gehandelt, jedoch ſind Mineralwäſſer verhältnismäßig teuer, manche Leute können ſich auch nicht an den Genuß derſelben gewöhnen; anderer— ſeits hat abgekochtes Waſſer nicht mehr ſeine normale Zu— ſammenſetzung, da ein Teil der Salze, welche es vor dem Ab— kochen enthielt, ſich abgeſetzt haben und die früher in ihm auf⸗ gelöſten Gaſe vertrieben ſind, es ſchmeckt fade und iſt auch der Verdauung wenig zuträglich. Deshalb hat Chamber- land, der Direktor des Paſteur ſſchen Laboratoriums, ein Filter zuſammengeſtellt, welches das Waſſer ſicher von 122 Humboldt. — März 1885. allen in ihm enthaltenen Mikroben oder Keimen reinigt, dabei jedoch in keiner Weiſe die Salze und Gaſe aus dem Waſſer entfernt. In Paſteurs Laboratorium wird das Waſſer, in dem Mikroben kultiviert ſind, filtriert, um die⸗ ſelben von der Flüſſigkeit zu trennen; dazu wird eine kleine poröſe Porzellanröhre benutzt, durch deren Wandung das Waſſer infolge der Wirkung des atmoſphäriſchen Drucks getrieben wird, indem man rings um die Röhre mit Hilfe einen Luftpumpe Luftverdünnung herbeiführt. Man er⸗ hält fo in einigen Stunden einige Kubikeentimeter abſolut reinen Waſſers, wie die Thatfache beweiſt, daß dasſelbe ohne Gefahr Tieren eingeimpft werden kann, während die geringſte Menge der nicht filtrierten Flüſſigkeit unfehlbar den Tod herbeiführt. Dasſelbe Princip hat Chamber- land nun zur Herſtellung eines Filters angewendet, das mehr dem praktiſchen Leben dienen kann, und demgemäß gewiſſe Aenderungen des oben beſchriebenen Appa⸗ vom 29. März 1884 zufolge hat Herr Trouvé eine Sicherheitslampe konſtruiert, welche bereits praktiſche An— wendung gefunden hat. Die Säule wird am Gürtel oder über dem Rücken getragen, ähnlich den Patrontaſchen unſerer Soldaten, und die Lampe hat eine Vorrichtung, um an dem Kopf des Arbeiters oder dem Helm des Feuerwehrmannes befeftigt werden zu können, damit bei der Richtung der Augen auf einen Gegenſtand derſelbe gleichzeitig beleuchtet werde. Die Flüſſigkeit der Säule beſteht aus Kaliumbichromat. Dieſe Lampen werden zu verſchiedenen Zwecken gebraucht. Lieutenant Gerrier hat ſie bei Kriegsſchiffen auf einer Reiſe nach Tonkin verwendet, um die Lage des Schiffes während der Nacht zu beſtimmen. Ebenſo bedient man ſich derſelben auf dem meteoro- logiſchen Obſervatorium von Paris, um Barometer- und Thermometer-Ableſungen zu machen. rates erforderte. Es be— ſteht dies Filter aus einer Röhre aus Porzellan, die auf einen Ring aus emailliertem Porzellan geſetzt iſt, der unten eine Oeffnung zum Ablaufen des Waſſers beſitzt; das Ganze ſteckt in einem Metallhohlcylinder, deſſen lichte Weite etwas größer als der Durchmeſſer der Porzellanröhre iſt, der ferner oben mit dem Zu— leitungsrohr verbunden und dort mit einem Hahn verſehen iſt; das Metallrohr läßt ſich noch mittels einer unten an⸗ gebrachten Schraube, welche durch einen auf den Porzellanring geſcho— benen Kautſchukring geht, hermetiſch verſchließen. Oeffnet man den Hahn, ſo erfüllt das einſtrö— mende Waſſer den Raum zwiſchen dem Metallrohr und dem poröſen Rohr, langſam filtriert es, vom Druck getrieben, von außen nach innen, reinigt ſich dabei von allen feſten Stoffen, einſchließlich der Mikroben und Keime, und läuft durch die untere Oeffnung ganz gereinigt in ein untergeſchobenes Gefäß ab. Ein ſolcher Apparat liefert bei 2½ em Durch— meſſer und 20 em Länge des poröſen Hohleylinders bei 2 Atmoſphären Druck täglich etwa 201 reines Waſſer; natürlich wechſelt die erzielte Menge mit dem Drucke. Für den gewöhnlichen Haushalt dürfte ein ſolcher Apparat aus— reichen; für Schulen, Hoſpitäler, Kaſernen ꝛc. könnte man leicht mit Batterien von ſolchen Apparaten das nötige gerei— nigte Waſſer beſchaffen. Zur Reinigung des Apparates, in dem auf der Außenſeite des poröſen Hohleylinders die feſten Stoffe, Mikroben rc. ſich bei längerer Benutzung anſammeln, während die innere Wandung ſtets rein bleibt, wird dieſer Cylinder einfach herausgenommen und tüchtig abgebürſtet, auch kann man ihn in kochendes Waſſer legen, um die etwa in die Maſſe eingedrungenen Keime zu zerſtören, oder auch über einer Gas— flamme oder in einem gewöhnlichen Ofen ausglühen; dadurch wird die ganze organiſche Subſtanz zerſtört, und das Filter erhält ſeine ganze frühere Poroſität. Be. Elektriſche Säule und Lampe von Trouvé⸗ Der Zeitſchrift Science et Nature lere année Nr. 18, Elettriſche Lampe von Trouve. Die Herren Köchlin de Lörrach, Durand & Auguenier gebrau⸗ chen die Lampen bei der Herſtellung von Tinktu⸗ ren, die mit flüchtigen Subſtanzen, wie Aether, Schwefelkohlenſtoff ꝛc., be⸗ reitet werden. Schließlich unterſucht die „Com- pagnie du Gaze“ öfters das Innere ihrer Gaſo⸗ meter, ein Beweis, daß die Lampe durchaus un⸗ gefährlich iſt. Außerdem können Gas- arbeiter ohne Gefahr in einem mit Gas angefüll⸗ ten Raum bei Nacht ein⸗ treten, die ſchadhafte Stelle der Leitung ausbeſſern, wie am hellen Tage. (Natürlich müſſen gegen Einatmung des Gaſes Vorſichtsmaß— regeln getroffen werden.) Bei einer Luftballon- fahrt ſind ſie auch nicht von geringem Nutzen, um die Inſtrumente abzuleſen, oder um durch den weit⸗ hin ſichtbaren Lichtſchein ihre Gegenwart bemerkbar zu machen, oder um einen Gegenſtand zu erleuchten und zu erkennen. Kr. Eine neue Horm der Dlatin-Lidteinheit. In der Centralprüfungsſtation für das Pariſer Leuchtgas iſt neuerdings von Violle unter Beihilfe Leblanes ein neue Lichteinheit zur Benutzung gekommen, über welche das Journal of Gas Lighting die folgenden Notizen nebſt der beiſtehenden Abbildung bringt. Der Gegenſtand der Unterſuchung war die Beſtimmung des equivalents der Carcellampe. In der beiſtehenden Abbildung, welche den gewöhn— lichen von Deleuil konſtruierten Apparat zur Unter— ſuchung des Pariſer Leuchtgaſes mittels der Normal-Car— cellampe darſtellt, iſt C die Lampe, welche auf einem hin und herſchiebbaren Tiſche ſteht, um die Lampe von dem im Kaſten E befindlichen Schirme in mehr oder minder große Entfernung zu bringen. Die Wege der von den beiden Lichtquellen kommenden Strahlen ſind durch den Schirm K getrennt. Dieſer Apparat nebſt der Wage B zum Abwiegen der Lampe (welche ſtündlich 42 9 Rüböl verbrennen ſoll) bilden das Foucaultſche Photometer. Der Apparat der neuen Normaleinheit iſt davon getrennt aufgeſtellt. Derſelbe beſteht aus einem Schmelztiegel F mit Humboldt. — März 18858. 123 halb zurückgeſchobenem Deckel, um die Oberfläche des ge— ſchmolzenen Metalls durch das Loch im Diaphragma D betrachten zu können. Dieſes aus dünnem Platinblech be— ſtehende hohle Diaphragma wird mittels eines konſtanten durch AA fließenden Stromes kalten Waſſers kühl erhalten. Das zum Schmelzen des Platins durch den Deckel des Schmelztiegels dienende Knallgasgebläſe iſt bei O und U zu ſehen. Der Schmelztiegel iſt mit einem geſchwärzten Gehäuſe umgeben, um die von den erhitzten Flächen etwa ausgehenden ſtörenden Strahlen auszuſchließen. Die zu benutzenden Strahlen der Lichteinheitsquelle, d. i. des glühenden Platins, gehen zuerſt aufwärts nach dem Spiegel M, welcher dieſelben in gleicher Horizontalebene mit den Strahlen der Carcellampe nach dem Schirme E reflektiert. Die lineare Entfernung von der Platinfläche bis zum Spiegel iſt an einem am Stativ angebrachten Maßſtabe abzuleſen, wobei das Stativ in einer beſtimmten Diſtanz vom Schirme im Kaſten E aufgeſtellt wird. Die Verſuche mit dieſem Apparat wurden von den Beobachtern ausgeführt. Leblanc beaufſichtigte die Proben; geſchmolzenen Platins ergibt ſich daher aus dieſen Be— obachtungen gleich dem Licht von 6,882 Carcels, oder wenn man nach Violle den Carcel zu 8,91 engliſchen Normalkerzen annimmt, gleich 61,32 ſolcher Normalkerzen. Es repräſentiert demnach der Platinſpiegel eine wahrhaft brillante Lichteinheit. Für gleiche Flächen iſt das vom glühenden Platinſpiegel ausſtrahlende Licht genau elfmal jo groß, als das der Carcellampe. Schw. Eine neue Methjode zur ſchnellen und leichten Zeſtimmung des ſpeciſiſchen Gewichts wird von Dubbie angegeben (Phil. Mag. 17). Er benutzt dazu den bei— ſtehend abgebildeten Apparat. Derſelbe beſteht aus dem förmigen Rohr a mit einem weiteren und einem engeren Schenkel. Der weitere Schenkel beſteht aus einem unteren Stück und einem oberen, das mit demſelben durch einen Gummiſchlauch verbunden werden kann und an ſeinem, oberen Ende den Hahn b trägt. Die Verwendung des Apparates geſchieht nun ſo, daß man das Rohr nach Ab— nehmen des oberen Teils des dickeren Schenkels mit Waſſer eee Land eaten ee ee dt I i Platin-Lichteinheit. Caupayn, einer der ſtädtiſchen Gasprüfer, beſorgte die Einſtellung der Lampe und die Ableſungen am Schirm, während Violle den geſchmolzenen Platinſpiegel zu be— aufſichtigen hatte. Einer dieſer Beobachter wäre vielleicht entbehrlich geweſen, zwei müſſen aber notwendigerweiſe vorhanden ſein. Ueber die Reſultate der Verſuche liegt der folgende Bericht vor, worin die Bezeichnungen vorkommen: S die benutzte Oberfläche des Platins, d. h. die Flächen— größe der Diaphragmaöffnung; D die Diſtanz von dieſer Oberfläche bis zum Schirm des Photometers; d die Diſtanz der Lampe bis zum Photometer; p das Gewicht des in der Lampe ſtündlich verbrannten Oeles under der Re— flexionskoefficient des Spiegels. In der erſten Verſuchsreihe war S = 3,68 gem; D = 3,218 m; d = 1,278 m (aus dem Mittel von drei beſonderen Beobachtungen), p = 43 g und = 1,204. Hieraus folgt ein Normalcarcel C = ———. i 2,078 Bei einer zweiten Verſuchsreihe war 8. 3,96 gem; D = 3,204 mz d = 1.246 m; p = 43,4 g; = 1,204, , 1 5 woraus ſich C = = ergibt. a. wt 2,07 i Die wirkſame Reflexion von 3,96 gem Oberfläche des füllt und zwar genau bis zur Marke m; man lieſt nun an der Kubikcentimeter-Einteilung des dünneren Schenkels den Apparat zur Beſtimmung des ſpec. Gewichts. Waſſerſtand ab und wirft den gewogenen feſten Körper in das Rohr. Nach Aufſetzen des mit dem Hahn verſehenen 124 Humboldt. — märz 1885. Teils ſaugt man aus dem dünneren Schenkel mit Hilfe eines Gummiſchlauches Luft, bis das Waſſer im weiteren Schenkel wieder bis zur Marke ſteht. Nun ſchließt man L ~ Ehlers und Neelſen, Anterſuchungen über den Nauſchbrandpilz. Roſtock, 1884. Die als Rauſchbrand bekannte Krankheit iſt ſeit vielen Jahren als gefährlicher Feind der Rinderherden aufgetreten. In Deutſchland ſind es namentlich die Gegenden von Schleswig⸗Holſtein, dem nördlichen Hannover, Schleſien, Oldenburg, Franken und Oberbayern, die von dieſer Seuche befallen werden; außerdem liegen aber auch aus Holland, Frankreich, Italien, Ungarn ꝛc. Krankheitsberichte vor. Der Schaden, welcher in akuten Fällen angerichtet wird, beträgt oft 5— 10%, ja in einzelnen Fällen 20—30 % der Rinderzahl. Als wichtigſte äußere Krankheitserſcheinungen ſind wohl folgende anzuführen. Zuerſt tritt ein ſteifer Gang ein, der durch Schonung einer Extremität, eines Vorder- oder Hinterfußes bedingt wird. Bald bemerkt man dann an derſelben eine zuerſt flache, undeutlich begrenzte Ge— ſchwulſt, die ſehr ſchnell an Größe zunimmt. Sie erfüllt ſich mit Gasblaſen, die beim Darüberſtreichen ein eigen— tümliches kniſterndes Geräuſch hervorbringen; daher der Name Rauſchbrand. Seltener hat man dieſe Geſchwülſte am Kopf, am Hals oder an anderen Körperteilen beob— achtet. Beim Einſchneiden in die Anſchwellungen tritt eine ſchaumige, dunkelrot gefärbte Flüſſigkeit über die Schnitt— fläche hervor. Zu dieſer lokalen Erkrankung treten ſchwere allgemeine Erſcheinungen: Steigerung der Körperwärme, Vermehrung der Pulsſchläge und der Atemzüge; nach 12— 24 Stunden, ſelten erſt nach etwas längerer Friſt tritt der Tod ein. Eine etwas andere Form der Krankheit iſt der ſoge— nannte „inteſtinale“ Rauſchbrand, bei der die beſchriebenen Emphyſeme fehlen und als Krankheitserſcheinungen Magen— Darmkatarrh, heftiges Muskelzittern, beſchleunigtes Atmen, frequente Herzaktion ꝛc. in den Vordergrund treten. Eine anatomiſche Unterſuchung der Rauſchbrand— geſchwülſte ergibt Durchtränkung des unter der Haut, den Fascien und zwiſchen den Muskeln gelegenen Gewebes mit einer ſchaumigen, trüben und rot gefärbten Flüſſigkeit. Die Muskelmaſſen find weich, häufig verſchieden verfärbt und von Gasblaſen durchſetzt. Letztere finden ſich auch in den in der Umgebung der Geſchwülſte gelegenen Lymph— gefäßen, oft perlſchnurartig geordnet. Die Haut iſt braun— rot bis ſchwarzbraun gefärbt. Daneben finden ſich trübe Schwellung der Leber, Niere, des Herzens und häufig blutige, mehr oder weniger große Herde im Bauchfell, Herzbeutel und anderen Orten. Das Blut iſt ſtets dunkler, als im normalen Zuſtande. Der Erreger der Krankheit iſt ein Spaltpilz, der bei jedem Fall von außen in das Tier gelangt. Da als erſte Krankheitserſcheinung faſt ſtets jene Geſchwülſte auftreten, ſo iſt die Annahme zuläſſig, daß er durch die Haut in das Tier eindringt, wahrſcheinlich durch kleine Wunden an den Extremitäten, die ja faſt immer vorhanden ſind. Aller— dings müſſen dieſelben, wie Impfungen ergeben haben, bis in die Subkutis dringen. Bei der inteſtinalen Form gelangt der Pilz mit der Nahrung in den Darmtraktus und von da durch kleine Epithelwunden in die übrigen Körperteile. Beſagter Pilz gehört zu der Bakteriengattung Clostri— dium, die durch keulen- oder eitronenähnliche Anſchwellung bei der Sporenbildung ausgezeichnet iſt. Die vegetativen Generationen ſind Stäbchen, lange mit kurzen untermiſcht, 0,006 0,003 mm lang. Die Anſchwellung der ſporen— bildenden Stäbchen erreicht eine Dicke von 0,002 mm. — Im Tierkörper findet man nicht nur die Stäbchengeneration, | den Hahn, lieſt den Waſſerſtand im engeren Rohre ab und kann nun ohne weiteres aus der Differenz das fpe- cifiſche Gewicht berechnen. Hffm. Ut Oe Gi i Gs) © 20 Wl ie ©] Gh) @ UW, wie beim Milzbrand, ſondern es tritt auch ſchon konſtant die Sporenbildung auf, „es gelangen alſo hier die krank— heitserregenden Pilze aus dem funktionierenden in den Ruhezuſtand, ohne daß dadurch die eingeleitete Krankheit ſiſtiert wird.“ Er findet ſich weniger im Blute, als in derjenigen Flüſſigkeit, welche ſich in der Subkutis in der Umgebung der Geſchwülſte und der Impfſtellen bildet. In der Unterhaut liegt er in den Interſtitien des Gewebes neſterweiſe, während in den Organen ſein Vorkommen auf die Blutgefäße beſchränkt ijt, in denen er häufiger fetten- artige Verbände darſtellt. Die gewöhnlichen Färbemethoden laſſen ihn überall leicht erkennen. Sehr intereſſante Reſultate ergaben die Impfungen und Kulturverſuche, die die Verfaſſer anſtellten. Zunächſt, konſtatierten fie, daß eine direkte Uebertragung auf Meer⸗ ſchweinchen in allen Fällen unter Beibehaltung derſelben Formen eine ähnliche, ebenſo ſchnell tötende Krankheit wie beim Kalbe zur Folge habe. Indeſſen tritt die charakte— riſtiſche Gasentwickelung in den entzündeten Geweben im⸗ mer mehr zurück und bei fortgeſetzter Impfung von Meer⸗ ſchweinchen auf Meerſchweinchen verſchwand ſie zuletzt völlig. — Auch außerhalb des Tierkörpers gelang es den Ver⸗ faſſern, den Pilz zu kultivieren. Er zeigte dabei mehrere, ſehr intereſſante Eigentümlichkeiten. Der im Tierkörper nur aus Stäbchen, vegetativen und ſporenbildenden, beſtehende Entwickelungscyklus geht auf künſtlichen Nährſubſtraten in einen anderen über. Es führen nämlich die Stäbchengenerationen nicht mehr zu Sporen, ſondern durch fortgeſetzte Teilungen zu immer kürzeren Gliedern und zum Schluß zu runden Teil— ſtückchen, den Kokken, welche auf dem Nährſubſtrat das Endglied dieſes Entwickelungscyklus darſtellen. Sie ver— halten ſich, von neuem geimpft, nach dem jeweiligen Sub⸗ ſtrat verſchieden. Außerhalb des Tierkörpers entſtehen ſtets wieder zu Kokken führende Stäbchengenerationen, im Tierkörper dagegen entwickeln ſich aus den Kokken Stäb— chen, die in der oben angedeuteten Weiſe in einer keulen— oder kopfförmigen Anſchwellung Sporen bilden. — Bu dieſer Umſetzung des Entwickelungsganges kommt eine eigentümliche Empfindlichkeit oder Anpaſſungsfähigkeit dem künſtlichen Nährſubſtrat gegenüber. Direkt vom Tier ent⸗ nommenes Material läßt ſich mit Erfolg nur auf Blut- ſerum impfen; Impfungen auf Nährgelatine, die in der verſchiedenſten Weiſe hergeſtellt war, mißlangen immer vollſtändig. Erſt längere Gewöhnung an die Serumkultur disponiert ihn, auf beſagtem Subſtrat zu wachſen und zwar dann mit derſelben Ueppigkeit wie auf dem Serum. Dabei kam ſowohl mit Pepton, als mit pflanzlichem (Weizen—) Eiweiß verſetzte Gelatine in Verwendung. Dieſe Anpaſſung, ſowie die obenerwähnte Veränderung ſeiner chemiſchen Wirkſamkeit im Meerſchweinchenkörper ſcheinen einige Analogie zu den Buchnerſchen Unter- ſuchungen über die Umzüchtung des Milzbrandbacillus zu haben und ebenſo mit den Pafteur jen Angaben über Umzüchtung pathogener Pilze in Uebereinſtimmung zu ſein. Indeſſen weicht doch der Rauſchbrandpilz in ſeinem Ver— halten von dem der durch die genannten Autoren be— ſchriebenen Organismen ab. Er läßt nämlich bei keiner ſeiner Umzüchtungen auch nur die ge ringſte Einbuße an ſeiner Virulenzerkennen. „Mag er in beliebig vielen Generationen im Meerſchwein— chenkörper oder auf Nährgelatine gezüchtet ſein, bei der Uebertragung auf das Rind erzeugt er den typiſchen Rauſch— brand in derſelben Intenſität, wie bei der direkten Im— pfung von Rind auf Rind.“ Erlangen. C. Fiſch. Humboldt. — März 1885. 125 römiſchen Metallzeit im BWheingebiefe. Mit zahlreichen Abbildungen und 6 Karten in Farben⸗ druck. Stuttgart, Ferd. Enke. 1884. Preis 15 M Dieſe ſehr verdienſtvolle Arbeit nennt der Verfaſſer ſelbſt einen Verſuch, durch Zuſammenſtellung der Funde die Beziehungen der alten Kulturvölker zu einander auf zuklären. Er ſtellt keine weitläufigen Betrachtungen über Völkerzüge und Verkehrsverhältniſſe der alten Welt an, er legt einfach ein reiches Material zu ſolchen Unterſuchungen vor, welches trotz allen künftigen Fortſchritten unſeres Wiſſens auf dieſem Gebiete ſeinen unbeſtrittenen Wert behalten wird. Die zweckmäßige Einrichtung des Werkes geſtattet jedem Forſcher neue Funde einzutragen und ſo die Arbeit zu vervollſtändigen. Er nimmt vier ſtreng von- einander getrennte Typen der Metallgeräte an: 1) den einer reinen Bronzezeit mit ganz geringen Spuren von Eiſen, in den Terramaren der Po-Ebene, in den Pfahlbauten der Weſtſchweiz und in vielen vereinzelten Funden des Rheingebietes; 2) den einer älteren Eiſenzeit, aber mit Vorherrſchen der Bronze, in Hallſtatt im Salzkammergut; ) den einer etwas jüngeren Eiſenzeit mit Vorherrſchen des Eiſens, Funde von La Tene bei Marin am Neuenburger See; 4) den der altitaliſchen Funde. Das Fundgebiet iſt in geographiſche Abſchnitte geteilt, die auf den erſten Blick einen Vergleich über das Vorkommen der Hauptformen der Metallgeräte zulaſſen. Doch wird man ſich hüten müſſen, aus den leeren Stellen der Tabellen auf ein Nicht⸗ vorkommen der Gegenſtände zu ſchließen, da ſich die ver— glichenen Länder und Provinzen auch durch den Eifer und Fleiß unterſcheiden, mit dem der Boden durchforſcht wor- den iſt. Der Verfaſſer hat ſein Material geſammelt aus den Eintragungen der Vorſtände von über 80 Sammlungen in ſeine Fragebogen, aus litterariſchen Mitteilungen und aus eigenen Beobachtungen in etwa 50 Muſeen. Es ſind 17 Formen der Fibel abgebildet, 50 Ringe, 18 Geräte verſchiedener Art, 27 Schwerter und Dolche, 3 Lanzen— ſpitzen, 1 Situla, 1 Schnabelkanne, 1 Ciſte; nur 9 vor- römiſche Eiſengeräte. Die aufgeführten Metallgeräte ſind: Gewandnadeln, Arm-, Fuß⸗ und Halsringe, Schmuckſachen in Bronze, Gold und Silber, Waffen, Bronzegefäße, Helme, Schilder, Wagenräder, Pferdegeſchirr, aber auch Glas- und Bernſteinſachen, Thongefäße, Regenbogenſchüſſelchen, galliſche und etruriſche Münzen. Leider hat der Verfaſſer die Bronzekelte gänzlich ausgeſchloſſen, ſie fehlen im Rhein⸗ gebiet nicht, wiewohl ſie ſelten ſind; ſie ſchließen ſich in ihrer Form und in ihrem Gebrauch am meiſten an die Steinzeit an. Unter den Thongefäßen mit weißer Einlage hätten die ſchon im Jahre 1868 im Jahrbuch XLIV be- ſchriebenen von Ingelheim am Rhein angeführt werden müſſen. Viele noch immer als etruskiſch oder altitaliſch bezeichneten Gegenſtände ſind für griechiſche Arbeiten zu halten, ſo die zierlichen Schnabelkannen, auch die Gold— ſachen und die ſchwarz und rot gemalten Thongefäße aus dem Grabhügel bei Ludwigsburg. Lange betrachtete man die in Mittelitalien ſo häufigen bemalten Vaſen als etru— riſche, während ſie doch mit geringen Ausnahmen griechiſche Ware ſind, die in Menge nach Italien eingeführt wurde. Sind doch in der Karte über die altitaliſchen Funde bei Stuttgart auch 3 Ciſten und 1 Schnabelkanne ange— führt und zwiſchen Saar und Moſel 6 Schnabelkannen. Nicht fern davon zwiſchen Rhein und Nahe liegt auch Wald⸗Algesheim, deſſen reicher Goldſchmuck für griechiſche Arbeit gehalten werden darf. Von großem Intereſſe ſind die ſchönen Karten, welche den Tabellen folgen. Auf der erſten iſt die Verbreitung der Kupfergeräte und der Funde der Bronzezeit dargeſtellt. Auch am Rhein gibt es einige Beweiſe dafür, daß der Gebrauch des Kupfers dem der Bronze vorausging. Dahin gehört auch die von Herrn von Tröltſch nicht angeführte kupferne Lanzenſpitze aus der Höhle von Steeten. Auffallend iſt, daß die Radnadeln faſt nur in der Pfalz, in Heſſen und Naſſau vorkommen. Spricht ſich in ſolchen Dingen, die der heutigen Mode gleichen, der beſondere Geſchmack eines Volksſtammes aus Humboldt 1888. oder haben ſie vielleicht eine ſymboliſche Bedeutung? Solche Räder mit vier Speichen kommen in den ſkandinaviſchen Felſenbildern vor und werden auf die Sonne bezogen. Auf der zweiten und dritten Karte iſt die Verbreitung der Hallſtätter und der La Tene-Funde dargeſtellt. Beide Karten zeigen eine große Uebereinſtimmung, doch haben jene eine größere Verbreitung als dieſe. Die Völker, welche die Geräte beider Perioden gebrauchten, erlitten in ihren Wohnſitzen alſo während dieſer Zeit keine weſentliche Veränderung. Die vierte Karte zeigt die Verbreitung der altitaliſchen Funde, die viel weniger zahlreich ſind. Auch hier erkennt man viele Niederlaſſungen der anderen Perio⸗ den wieder. Die Fibeln Nr. 1 bis 6 werden hier als altitaliſche abgebildet, Nr. 2 iſt ſicher etruskiſch. Die For⸗ men Nr. 3 bis 6 führt der Verfaſſer auch als Hallſtätter Funde an. Man arbeitete hier alſo nach etruskiſchen Muſtern. Die fünfte Karte zeigt die Verbreitung der Guß⸗ ſtätten und der Maſſenfunde. Wenn dieſe überwiegend in der Schweiz, in Tirol und in Vorarlberg und wieder in Frankreich und Italien vorkommen, ſo folgt doch daraus, daß in dieſen Ländern vorzugsweiſe die Werkſtätten und Handelsniederlaſſungen für die Bronzewaren zu ſuchen ſind. Ueber ſolche am badiſchen Oberrhein hat kürzlich Jenny im Bonner Jahrbuch LXXVII berichtet. Die ſechſte Karte gibt die Verbreitung der vorrömiſchen Münzen. Die Regenbogen— ſchüſſelchen finden fic) nur öſtlich vom Rhein, in Frank— reich und Italien ſind ſie unbekannt. Weſtlich vom Rhein bis nach Belgien hinauf und in der Schweiz ſind die galli— ſchen Münzen verbreitet. Jene müſſen den in Deutſchland ſitzenden Kelten oder den Germanen zugeſchrieben werden und zeigen für eine gewiſſe Zeit einen deutlichen Kultur— unterſchied dieſer Kelten und der Gallier. Eine wertvolle Zugabe des Werkes iſt das Verzeichnis der prähiſtoriſchen Sammlungen im Rheingebiet und den angrenzenden Ländern und die Liſte der Fundorte in alpha— betiſcher Anordnung. Der reiche Inhalt der Schrift legt es nahe, auf dasjenige hinzuweiſen, was als die künftige Aufgabe und das Ziel der archäologiſchen Forſchung auf dieſem Gebiete bezeichnet werden kann. Die Unterſuchung muß auf die Entwickelung der Formen gerichtet ſein und uns die urſprünglichſte Geſtalt eines jeden Gerätes vor Augen ſtellen. So hat uns Montelius die Formen des Bronzekeltes erklärt. Aus dem flachen beilförmigen Kelt entwickelte ſich der mit Schaftlappen, aus dieſen, die immer größer wurden, entſtand die Tülle, welche den Schaft ganz umſchließt. Läßt ſich nicht in ähnlicher Weiſe die Geſchichte der Fibel darſtellen? Sie entſtand aus der Nadel und dieſe aus dem Dorn oder der hölzernen Pinne. Nach Tacitus trugen die Briten den Mantel über der Bruſt auf dieſe Weiſe befeſtigt. Eine ſolche Pinne fand man in einem alten Grabe zu Scarborough in Yorkſhire. Man hat ge— glaubt, die Fibel müſſe in einem kalten Lande entſtanden ſein, weil man hier den Mantel aus grobem Tuche trug. Aber die Spanier und Italiener gebrauchen heute den Mantel der kalten Nächte wegen faſt noch mehr als die Deutſchen. Deshalb kann die Fibel mit ihrem ſtarken Bügel recht wohl in einem ſüdlichen Lande entſtanden ſein. Liegt einmal die vollſtändige Reihe der Formen vor, ſo wird man ſie auseinander ableiten können. So wichtig das Verſtändnis eines einzelnen Gerätes iſt, fo müſſen wir doch nie vergeſſen, daß das Bild der alten Kultur erſt dann uns vollſtändig vor Augen tritt, wenn wir bei jedem Geräte beachten, was mit ihm zugleich gefunden worden iſt. Welcher Armring, welche Waffe, welches Thongefäß wird mit dieſer oder jener Fibel gefunden, oder welche Münze und welcher Schädel? Wir müſſen ſuchen, die Periode der Vorgeſchichte als ein Ganzes aufzufaſſen. Eine die geſamte Kultur der verſchiedenen Zeiten und Völker in ihrer Entwickelung und in ihrem Zuſammenhang er— forſchende Archäologie ſetzt aber die genaueſte Kenntnis des Einzelnen voraus. Dieſe für einen wichtigen und dunkeln Abſchnitt der Vorgeſchichte des Rheinlandes ge— fördert zu haben, darin liegt das Verdienſt der vorliegen den mühevollen Arbeit. Bonn. Prof. Dr. von Schaaffhauſen. 17 126 Humboldt. — März 1885. Max Jüllig, Die Kabeltelegraphie. Mit 90 Abbil⸗ dungen. Wien, A. Hartleben. 1884. Preis 3 % In dieſem Bande der elektrotechniſchen Biblio— thek, dem 26. der wertvollen Sammlung, wurde ein Ge— biet der praktiſchen Elektricitätslehre zur Sprache gebracht, das viel Intereſſe erweckt: die unterirdiſchen und ſubma⸗ rinen Telegraphenvorrichtungen wurden ihrer Konſtruktion und Wirkungsweiſe nach in ebenſo gelungener als aus— führlicher Weiſe dargelegt; dabei beſchränkte ſich der Autor nicht auf trockene Angabe der Geſetze der Kabelſtröme, ſondern er hat dieſelben — ſoweit es dem Zwecke einer elektrotechniſchen Arbeit entſprach — deduziert und — wie Referent wohl überzeugt iſt — einem größeren Lefer- kreiſe klar gemacht. Immerhin wird das theoretiſche Detail in dem Abſchnitte „Die elektriſchen Erſcheinungen in Kabeln“ den nicht mathematiſchen Leſer für den erſten Augenblick etwas abſchrecken, doch ſei zur Beruhigung des— ſelben bemerkt, daß ein nicht vollſtändiges Erfaſſen dieſer Partie dem Verſtändniſſe der folgenden Teile keinen be— deutenden Abbruch thut, vorausgeſetzt, daß der Leſer ſich wenigſtens die Reſultate der Theorie zu eigen gemacht hat. Im allgemeinen hätte der Autor die Theorie der elektriſchen Erſcheinungen in Kabeln, wie ſie von Sir W. Thomſon in bewundernswerter Schärfe entwickelt wurde, beſſer in einem Anhange des Buches aufgeſtellt und nur die Ergebniſſe der komplizierten Rechnung dem eigentlichen Texte einverleibt; er hätte dadurch ſowohl dem mathema— tiſch gebildeten Leſer als auch dem größeren Publikum Rechnung getragen. Doch ſei dem Verfaſſer deshalb kein Vorwurf gemacht; er hat ſicherlich den Zweck erreicht, ein nützliches Expoſé über den gegenwärtigen Stand der Kabeltelegraphie dem Leſer vorzuführen. Im erſten Abſchnitte („Die unterirdiſchen Leitungen“) werden in geſchichtlicher Reihenfolge die Verſuche mit ſolchen Leitungen beſchrieben, die Vergleichung der oberirdiſchen und unterirdiſchen Telegraphenlinien vor— genommen und die Konſtruktionselemente der Kabel mit Genauigkeit erörtert. Das Weſentlichſte aus der Praxis der unterirdiſchen Kabellinien (Legung derſelben, Schutz derſelben, Verbindung der Kabeladern u. ſ. w.) findet der Leſer in dieſem Abſchnitte ſachgemäß dargeſtellt. Der zweite Abſchnitt handelt von den unte r— ſeeiſchen Leitungen. Das geſchichtliche Detail wird auch hier wieder in den Vordergrund gerückt. Es wird insbeſondere auf die techniſchen Schwierigkeiten aufmerk— ſam gemacht, welche der Kabellegung bei großer Meeres— tiefe entgegentreten. Die Legung des atlantiſchen Kabels durch den Amerikaner Cyrus Field wird in anſchaulicher Weiſe dargelegt. In theoretiſcher Beziehung berückſichtigt in dieſem Abſchnitte der Verfaſſer die Geſtalt der Kabel— kurve und folgt diesbezüglich der Theorie von Siemens. Von den neueren atlantiſchen Kabeln, von den Kabelver— bindungen nach den engliſchen Kolonien und ſonſtigen Kabelverbindungen, die einer Bemerkung wert ſind, han— deln die letzten Teile dieſes Abſchnittes. Im dritten Abſchnitte werden nach einer Ein— leitung über die elektriſchen Einheiten, die Referent über— flüſſig hält, da jeder, der ſich mit der elektrotechniſchen Litteratur beſchäftigt, Kenntnis derſelben haben muß, die elektriſchen Erſcheinungen in Kabeln ſowohl in theoretiſcher als auch in experimenteller Beziehung illuſtriert. Es wer— den auch die wichtigſten Methoden zur Beſtimmung der Kapazität am Schluſſe dieſes intereſſanten Abſchnittes vorgeführt. Die Apparate der Kabeltelegraphie gehören dem vierten Abſchnitte an. Es muß gebilligt werden, daß der Autor der Beſchreibung der einzelnen Inſtrumente eine überſichtliche Gliederung derſelben in Gruppen voran— ſtellt. Beſondere Sorgfalt wurde der Darſtellung des Siphon-Recorder von W. Thomſon gewidmet, welcher dem Verſtändniſſe durch einige Detailzeichnungen nahe ge- rückt wird. Dieſer ſinnreiche Apparat iſt wohl auch der— jenige, der zur Regiſtrierung einer Kabeldepeſche vorzüg— liche Dienſte leiſtet. Im weiteren Verlaufe wird den Modifikationen des Heberſchreibapparates durch Jamieſon Erwähnung gethan. Der von dem Elektriker der großen nordiſchen Telegraphengeſellſchaft Laurittzen konſtruierte Undulator, der einigermaßen dem Heberſchreibapparat von Thomſon ähnelt, wird im nachfolgenden eingehend erörtert; der Rußſchreiber von Siemens, bei dem zur Bildung telegraphiſcher Zeichen die progreſſive Be— wegung einer ringförmigen Spule in einem ringförmigen magnetiſchen Felde ausgenützt wird, wird an letzter Stelle dargeſtellt. Auch dem Gegenſprechen auf Kabellinien ſind einige Bemerkungen gewidmet, und insbeſondere iſt es die von Muirhead angegebene, auf dem Principe der Wheatſtoneſchen Brücke beruhende Methode desſelben, die eingehender illuſtriert wird. Das Obige zuſammenfaſſend kann Referent das ihm vorliegende Buch allen jenen beſtens empfehlen, die über den gegenwärtigen Stand der Kabeltelegraphie ſich orien— tieren wollen; wenn auch dasſelbe auf Vollſtändigkeit nicht Anſpruch machen kann, ſo hat Referent doch nichts Weſent— liches in demſelben vermißt. Die Ausſtattung iſt dank der Opferwilligkeit der rührigen Verlagsbuchhandlung eine muſterhafte. Wien. Prof. Dr. J. G. Wallentin. Eduard Tylor, Einleitung in das Studium der Anthropologie und Civiliſation. Deutſche auto⸗ riſierte Ausgabe von G. Siebert. Braunſchweig, Friedr. Vieweg u. Sohn. 1883. Preis 10 / Von dem berühmten Ethnologen iſt nun ein zweites, größeres Werk in deutſcher Ueberſetzung ediert. Es war um ſo erwünſchter, daß die Viewegſche Verlagshandlung von dieſem, wie von ſo manch anderem engliſchen Werke von Bedeutung eine Ueberſetzung veranlaßte und dadurch dasſelbe einem größeren Kreis zur Lektüre näher gebracht und bequemer gemacht hat, da ſich der Verfaſſer in dieſem neuen Werke weniger an die Fachleute als vielmehr an die gebildete Welt überhaupt wendet. Wir finden in demſelben nicht allein das, was wir in Deutſchland unter Anthropologie im weiteſten Sinne verſtehen, in klarer, anziehender Entwickelung behandelt — der Verfaſſer greift weiter. Wenn andere Wiſſenſchaften an ſich ſcharf abgegrenzt ſind, ſind dagegen die Studien, die den Menſchen als Einzelweſen nach ſeinen ſomatiſchen und pſychiſchen Eigenſchaften, ſein Verhältnis zur übrigen belebten und unbelebten Natur in Vergangenheit und Gegenwart, dann das Verhältnis zu ſeinesgleichen 2c. als Gegenſtand haben, ſo außerordentlich vielſeitig, daß eigentliche Grenzen nicht zu ziehen ſind. Welche Wiſſen— ſchaft wäre es, die keine Beziehung zum Menſchen hätte? So nimmt denn auch die Behandlung der körperlichen Eigentümlichkeiten des Menſchen, der Forſchungen über die Vorgeſchichte desſelben den kleineren Teil des Werkes ein, während der Betrachtung der einzelnen, das phyſiſche und pſychiſche Leben und Treiben der Völker geſtaltenden Momente eine eingehendere Erörterung gewidmet iſt. Der ſpeciell ethnographiſche Teil hat eine recht erwünſchte An— ordnung. Der vergleichenden Beſprechung der Völkerraſſen und der von ihnen geſprochenen Sprachen folgen Abhand— lungen, in denen die Entwickelung der Sprachen für die Geſchichte der Völker nutzbar zu machen geſucht wird; doch führt demnach die Sprache nirgends bis an den Urſprung der großen Menſchenraſſen und noch weniger an den ge- meinſamen Urſprung des Menſchengeſchlechts zurück. Selbſt— verſtändlich ſind es vorherrſchend engliſche Verhältniſſe, ſo die engliſche Sprache, aus denen der Verfaſſer ſeine Ver- gleiche, ſeine Beiſpiele entnimmt. Auch die Schrift ſucht Tylor auf ihren Urſprung zu verfolgen und wieder aus ſolchem dieſelbe zu entwickeln. Hier befindet ſich der Ver— faſſer auf eigenſtem Forſchungsgebiet, und iſt daher die Behandlung hiervon von beſonderem Intereſſe. In größerer Ausführlichkeit ſind die Faktoren in ihrer Entwickelung verfolgt, welche der Civiliſation das Gepräge geben — Kunſt und Wiſſenſchaft. In beſonderen Kapiteln ſind die Mittel erörtert, deren Humboldt, — März 1885. 127 ſich der Menſch zur Beherrſchung der ihn umgebenden Welt bedient: die Werkzeuge und Waffen, dann diejenigen, die er zu ſeiner Erhaltung und zu ſeinem Schutz bedarf: Nahrungsgewerbe, Kriegskunſt, und endlich diejenigen, die er gebraucht, ſich gegen die äußeren Einflüſſe zu wahren. Die primitivſten Kunſtfertigkeiten, Erzeugung von Feuer, die vornehmſten Verwendungen desſelben — Erwärmen, Kochen, Beleuchten —, die Herſtellungen von Gefäßen, Gewinnung der Metalle ſind nach ihrer geſchichtlichen Ent— wickelung beſprochen. Nun folgt die geſchichtliche Behandlung der Künſte und Wiſſenſchaften, in welchen die geiſtigen Thätigkeiten des Wenſchen kulminieren. In einem Kapitel, betitelt Geiſterwelt, beſchäftigt ſich der Verfaſſer mit den religiöſen Vorſtellungen beſonders niederer Raſſen, unterſucht alſo, warum dieſelben an die Exiſtenz von Seelen und deren Fortdauer nach dem Tode glauben, weshalb an Geiſter, die Böſes und Gutes thun, ſowie an höhere Gottheiten, welche das Weltall bewegen und regieren 2c. — Auch den mündlichen Ueberlieferungen und ſchriftlichen Aufzeichnungen für die Anfänge der hiſto— riſchen Zeit iſt eine hoch intereſſante Abhandlung gewidmet. Den Schluß des ſo ungemein inhaltreichen Werkes, das nach Inhalt und Form völlig die ſich geſteckte Auf— gabe erfüllt und daher die Bibliothek jeder gebildeten Familie ſchmücken dürfte, behandelt die Grundelemente, die ſich beim geſellſchaftlichen Leben der Völker zuſammen— finden müſſen. Vielfache Abbildungen, z. B. Raſſenbilder meiſt nach Photographien hergeſtellt, ſind dem Text beigegeben. Frankfurt a. M. Dr. Friedr. Kinkelin. Wilhelm Langsdorff, Aeber den Zuſammenhang der Gangſyſteme von Klausthal und Andreas- berg. Nebſt einer geologiſchen Ueberſichtskarte des Weſtharzes und einer Detailkarte in Farbendruck. Klausthal, H. Uppenborn. 1884. Preis 4% Derſelbe, Geologiſche Karte der Gegend zwiſchen TCaubhütte, Klausthal, Altenau, dem Bruch: berge und „Oſterode. Maßſtab 1:25 000. Eben⸗ daſelbſt. In Karton. Preis 6 M 50 J. Wenn man auf der ſchönen geognoſtiſchen Ueberſichts— Karte des Harzes von Loſſen die beiden durch ihre Erz— gänge berühmten Gebiete von Andreasberg und Klausthal ins Auge faßt, ſo iſt es auffallend, daß zwiſchen die beiden Gangreviere eine breite Zone ſich einſchiebt, in welcher keinerlei Gänge eingezeichnet ſind. Die Gänge von Andreas— berg ſetzen in der ſogenannten Tanner Grauwacke, den älteſten Schichten des unteren Devons, auf, die Gänge von Klausthal in den Kulmſchichten, insbeſondere in der Kulm— grauwacke und dem Poſidonienſchiefer. Die ganz freie Zone umfaßt vornehmlich die ſogenannten Wieder Schiefer und die Quarzite der Oberharzfacies des Unterdevons. Die Frage, ob die beiden ſo getrennten Gangſyſteme einen Zuſammenhang beſitzen, und der Nachweis des Vor— handenſeins der verbindenden Gangſtücke in der Zwiſchen— zone, d. i. die Gegend zwiſchen Klausthal, Andreasberg und Oſterode iſt der Gegenſtand, welchen die obige kleine Schrift und die dazu gehörigen Karten behandeln. Offenbar mit großem Fleiße muß der Verfaſſer die Gegend durchforſcht haben, um die große Zahl der Detail— beobachtungen zuſammenzubringen, die zu ſeinen kartogra— phiſchen Aufnahmen die Grundlage boten. In der Auf— faſſung einiger der vorhandenen Formationsglieder, ihrer Verbreitung und Begrenzung kommt er zum Teil zu anderen Reſultaten als die bisherigen Erforſcher des Harzes. Ganz beſonders aber weiſt er eine große Zahl von neuen Gängen und Spalten nach. Da es ſich hierbei nicht um ſolche handelt, die durch ihre Erzführung ausgezeichnet und daher durch den Bergbau erſchloſſen und wenigſtens teilweiſe bekannt geweſen ſind, ſo werden dieſelben größten- teils aus Erſcheinungen an der Oberfläche, Abbrechen der Schichten, Felswände und Klippen, Pingen u. dergl., er⸗ mittelt. Dadurch allerdings iſt ein Teil der angenommenen Gangſpalten auch mehr oder weniger hypothetiſch. Auf— fallend iſt die große Länge einiger Spalten, die über 25 bis 30 km hin nachzuweiſen ſind. Da alle Spalten einen verwerfenden Einfluß auf die Schichten ausgeübt haben, ſo erhält die Karte des Gebietes ein vollkommen ſchachbrettartiges Anſehen, wie ein Moſaik, das aus vielen Quadern zuſammengefügt iſt. Das zeigen die Detailkarten (einzelne Teile der ſeparat erſchienenen größeren Karte), die im Maßſtabe 1: 25000 der Abhand— lung beigefügt ſind. Wenn ſich die immerhin ſehr beach— tenswerten Beobachtungen des Verfaſſers in der Ausdeh— nung beſtätigen, wie es von ihm ausgeſprochen wird, ſo dürfte er recht haben, zu ſagen, daß ein naturgetreues Bild des Weſtharzes nicht darzuſtellen iſt, wenn man die moſaikartige, durch die Gangſpalten veranlaßte Geſtaltung der Oberfläche unberückſichtigt läßt und, wie es bisher ge— ſchehen, von der Vorausſetzung eines kontinuierlichen Zu— ſammenhanges der Schichten ausgeht. Das Verdienſt, an— regend auf dieſem Gebiete der Geologie des Harzes zu wirken, kann der Arbeit des eifrig beobachtenden Verfaſſers gewiß zuerkannt werden. Bonn. Prof. Dr. v. Laſaulx. Schwarz, Stoff und Kraft in der menſchlichen Arbeit oder die Fundamente der Produktion. In 17 Lieferungen & 60 J. Naturgemäß bildet der Rohſtoff die Grundlage der Technologie, und es erleidet derſelbe, wie Exner bereits in der Darlegung ſeines technologiſchen Syſtems ausführt, durch die menſchliche Arbeit eine Umbildung, entweder durch die Veränderung der phyſikaliſchen Eigenſchaften der Subſtanz oder durch die Veränderung der Geſtalt, wobei gewiſſe charakteriſtiſche Eigenſchaften des Rohſtoffes das Verfahren und die dazu gehörigen Hilfsmittel der Bear— beitung oder kurz den Arbeitsbegriff bedingen. Auf einer ſolchen Grundlage läßt ſich wohl ein Grund— riß der Technologie in überſichtlicher Weiſe darſtellen, will man aber tiefer in das Gebiet der die Bearbeitung und Verarbeitung der Rohſtoffe umfaſſenden menſchlichen Thä— tigkeit eindringen, ſo bleibt doch wohl nichts übrig, als ſich der von Johann Beckmann (1777) angebahnten und von Karl Karmarſch zu hoher Vollkommenheit ausgebil— deten Behandlungsweiſe der Technologie anzubequemen, wo— nach wenige große Abſchnitte nach dem Princip der ſpe⸗ ciellen Technologie gebildet werden, die Einzelbehandlung aber nach der Methode der allgemeinen Technologie organi— ſiert wird, und den Details eine möglichſt eingehende Berückſichtigung zu ſchenken iſt. Selbſtverſtändlich muß bei einem für das große Publikum berechneten populären Werke hierin weiſe Maß gehalten werden, was denn auch der Verfaſſer des vorliegenden Werkes — ſoviel aus der vorliegenden erſten Lieferung zu erſehen iſt — mit voller Beherrſchung des Stoffes in ſehr geſchickter Weiſe zur Aus— n bringt. Hiernach darf man wohl annehmen, daß der Verfaſſer ſeiner ſich geſtellten Aufgabe, auch dem großen Publikum Gelegenheit zu geben, in angenehmer Weiſe ein tieferes Verſtändnis des mächtigen induſtriellen Lebens der Gegenwart zu gewinnen, vollſtändig gerecht werden wird. Leipzig. Ingenieur Th. Schwartze. G. Brauer, Weber den Antergang der Welt, ſeine Möglichkeit, Wahrſcheinlichkeit und Gewißheit. Aſtronomiſch-geologiſch-naturphilo— ſophiſche Skizze. 2. Aufl. Breslau, Maruſchke und Berendt, 1883. Preis 1 80 g. Der Verfaſſer, ein Landwirt, iſt zu ſeiner Arbeit durch einen Zeitungsartikel veranlaßt worden, in welchem der Untergang der Welt, ſeine Möglichkeit, ja Wahrſchein— lichkeit erörtert wurde. Er verſucht es in dem vorliegenden Schriftchen, die dort ausgeſprochenen Gedanken zu bekämpfen und zu widerlegen. Wie weit ihm dies gelungen, können wir nicht beurteilen, da uns der Zeitungsartikel nicht vorliegt; wir haben es daher in dieſer Beſprechung nur mit des Ver— faſſers Schrift als folder zu thun. Hervorheben müſſen 128 Humboldt. — März 1885. wir dabei gleich, daß fie ein äußerſt fleißiges Quellen⸗ ſtudium zeigt, daß dem Verfaſſer anſcheinend ſelbſt viel daran lag, über alle dieſe Fragen, die mit der einen großen Frage nach dem Weltuntergang zuſammenhängen, zur Klar— heit zu kommen, und daß ihm dies, ſoweit man darüber überhaupt zur Klarheit kommen kann, vollſtändig gelungen iſt. Dabei iſt das Schriftchen ſchön und fließend geſchrieben, nirgends trocken und daher auch weiteren Kreiſen, die ſich orientieren wollen, beſtens zu empfehlen. In neun Kapiteln behandelt der Verfaſſer das Wiſſens— werteſte über die Entſtehung der Erde (J.), über die Ko— meten (2.), die Selbſterhitzung der Erde (3.), über einen eventuellen Zuſammenprall (4.), der, wie die „Zeichen des Verfalls“, die Kometen und Aſteroiden darthun, nicht gerade zu den Unmöglichkeiten gehört, über den Sturz in die Sonne (5.), die Berſtung der Erde (6.), die Ver— dunkelung der Sonne (7.), die Erſtarrung der Erde (8.) und endlich über einen möglicherweiſe eintretenden Welt— brand (9.), „der eine gänzliche Diſſoziierung in Urgaſe und ſomit eine neue Weltenformation zur Folge haben müßte.“ — Das lieſt fic) alles hübſch und klar und orien— tiert raſch über eine Maſſe Fragen, die nicht bloß den Fachmann, ſondern jedermann intereſſieren oder wenigſtens intereſſieren ſollten. Das ganze Schriftchen geht eigentlich über die Gelegenheitslitteratur hinaus, was ihm gewiß nicht zum Nachteil gereicht. Wir haben bisher nur den eigentlichen Kern der Arbeit, der in den oben angeführten neun Kapiteln liegt, beſprochen, ohne auf die Schlußbetrachtungen des Verfaſſers Rückſicht zu nehmen. Wir haben das mit Abſicht gethan, denn un— ſerer Meinung nach ſtört das letzte Kapitel etwas den guten Eindruck, den das Ganze hinterläßt. Der Verfaſſer hat dieſes Schlußkapitel, wie er ſelbſt ſagt, hinzugefügt, um „mancher billigen Neugier gerecht zu werden, ſoweit ſich ſolche überhaupt beantworten ließ“. Das war nicht nötig, denn einesteils ſind eine Reihe von Fragen dieſer „billigen Neugier“ bereits in den vorhergehenden Kapiteln beant— antwortet, andernteils aber ſind Beantwortungen, wie ſie das letzte Kapitel in buntem Allerlei enthält, doch zum Teil auf ſehr vage Vermutungen geſtützt und wären deshalb beſſer unterblieben. Wir möchten dem Verxfaſſer raten, bei einer notwendig werdenden dritten Auflage dieſe Schluß— betrachtungen einfach wegzulaſſen, ſein Schriftchen wird dadurch nur gewinnen, der Leſer aber nichts verlieren. Frankfurt a. M. Dr. Gotthold. Bibliographie. Bericht vom Monat Januar 1885. Allgemeines. 23 Viographieen. Abhandlungen aus dem Gebiete der Naturwiſſenſchaften. Herausg, vom, naturwiſſenſchaftl. Verein in Hamburg. 8. Band. 1.—3. Heft. Hamburg, L. Friederichſen & Co. M. 13. 50. Archiv d. Vereins d. Freunde der Naturgeſchichte in Mecklenburg. 38. Jahr— gang [1884]. Güſtrow, Opitz & Co. M. 5. 50. Archiv f. Naturgeſchichte. Gegründet v. A. F. A. Wiegmann, fortgeſetzt v. W. F. Erichſon u. F. H. Troſchel. Herausg. v. E. von Martens. 48. Jahrgang 1882. 6. Heft. Berlin, Nicolai'ſche Verlags-Buch— handlg. M. 8. Dasſelbe. 50. Jahrgang 1884. 3. u. 4. Heft. M. 19. ig zu den Annalen der Phyſik und Chemie. Begründet v. Poggendorf. ee v. G. u. E. Wiedemann. 9. Band (42 Sete} 1. Heft. Leipzig, J. A. Barth. pr. compl. M. 16. Gaea, Natur und Leben. Zeitſchrift zur Verbreitung naturwiſſenſchaftl. u. geograph Kenntniſſe ꝛc. Herausq. von H. J. Klein. 21. Jahr- gang 1885. (12 Hefte.) 1. Heft. Köln, E. H. Mayer à Heft M. 1. Hofer, J., Grundriß der Naturlehre für Bürgerſchulen. 1. u. 2. Stufe Wien, C. Graeſer. Cart. M. 1. 44. Jahrbücher d. naſſauiſchen Vereins f. Naturkunde. 37. Jahrg. Wies— baden, J. Niedner. M. 8. Iſis, Zeitſchrift f. alle naturwiſſenſchaftl. Liebhabereien. Herausg. v. K. Ruß. 10. Jahrg. 1885. Nr. 1. Berlin, L. Gerſchel. Viertel— jährlich M 3. Natur u. Offenbarung. 31. Band (12 Hefte.) 1. Heft. Münſter, Aſchen— dorff'ſche Buchh. pr. compl. M. 8. Naturae novitates. Bibliographie neuer Erſcheinungen aller Länder auf dem Gebiete der Naturgeſchichte u. d. exacten Wiſſenſchaften. 7. Jahr— gang 1885. (24 Nrn.) Nr. 1. Berlin, R. Friedländer & Sohn. pr. compl. M. 4. Naturforſcher, der. Wochenblatt zur Verbreitung der Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Herausg. v. W. Sklarek. 18. Jahrgang 1885. Nr. 1. Berlin, lich M. 4. Sitzungsberichte d. kaiſerl. Akademie der Wiſſenſchaften. Mathematiſch— naturwiſſenſchaftl. Claſſe. 1. Abtheilung. Abhandlungen aus dem Gebiete der Mineralogie, Botanik, Zoologie, Geologie u. Paläonto⸗ logie. 90. Band, 1. u. 2. Heft. Wien, C Gerold's Sohn. M. 5. 80. Sitzungsberichte der phyſikaliſch⸗ mediciniſchen Societät zu Erlangen, 16. Heft. Erlangen, E. Beſold. M. 4. Umſchau⸗ naturwiſſenſchaftlich⸗techniſche. Illuſtrirte populäre Halbmonats- ſchrift über Fortſchritte auf den Gebieten der angewandten Natur⸗ wiſſenſchaft u. techniſchen Praxis. Herausg. v. Th. Schwartze. 1. Jahr⸗ gang 1885. 1. Heft. Jena, F. Mauke's Verlag. Vierteljährlich M. 3. Zeitſchrift für mathematiſchen u. eee Unterricht. peas F. Dümmler's Verlagsbuchhandlung. Vierteljähr⸗ geg. v. J. C. V. Hoffmann. Jahrg. 1885. (8 Hefte.) 1. Heft. Leipzig, B. G. Teubner. pr. 115 M. 12. PWhHvyfik, hyſikaliſche Geographie, Meteorologie. Annalen der Phyſik u. Chemie. Herausg, von G. Wiedemann. Jahr- gang 1885. (12 Hefte.) 1. Heft. Leipzig, J. A. Barth. pr. compl. M. 31. Dippel, L, Grundzüge der allgemeinen Mikroſkopie. Braunſchweig, F. Vieweg & Sohn. M. 10., geb. M. 11. Herrmann, G., die graphiſche Behandlung der mechaniſchen Wärmetheorie. Berlin, J. Springer. M. 1. 20. Mascart, E., Handbuch der ſtatiſchen Elektricität. von J. G. Wallentin. 1. Band. 2. Abtheilung. Wittwe & Sohn. M. 9. Wetter, das. Meteorologiſche Monatsſchrift f. Gebildete aller Stände. Herausg. v. R. Aßmann. 2. Jahrgang 1885. Nr. 1. Magdeburg, Faber'ſche Buchdruckerei. pr. compl. M. 6. Zeitschrift elektrotechniſche. Red. v. K. E. Zetzſche. 6. Jahrgang 1885. (12 Hefte.) 1. Heft. Berlin, J. Springer pr. compl. M. 20. Zeitſchrift f. Elektrotechnik. Red. J. Kareis. 3. Jahrgang 1885.2 (24 Hefte.) 1. Heft. Wien, A. Hartleben's V. erlag. Halbjährlich M. 8 Aſtronomie. Israel⸗Holtzwart, K., Nachträge zu dem Abriſſe der mathematiſchen Geographie u. 29790 Elementen der Aſtronomie. Wiesbaden, J. F. Berg= mann. M. Israel⸗ 518880 8. Elemente der theoretiſchen Aſtronomie. 1. Abth. oat Dev ellibt. Bewegungen und der Bahnbeſtimmung. Wiesbaden, Deutſche Bearbeitung Wien, A. Pichler's, F. Bergmann. M. 6. 40. Pohle, J., Die Sternwelten und ihre Bewohner. 1. Theil. Köln, J. P. Bachem. M. 1. 80. Siemens, Sir W., Ueber die Erhaltung der Sonnen-Energie. Ueberſetzt v. C. E. Worms. Berlin, J. Springer. M. 4 Chemie. Beilſtein, J., Ogudbuch der organiſchen Chemie. 2. Aufl. 3. Efg. Hamburg, 8 L. Voß. M. 1. 80. Beilſtein, F „Handbuch der 15 80 Chemie. 2. 1191 L. Voß. M. 80. Biedermann, R., Techniſch chemiſches Jahrbuch. Ein Bericht iber die Fortſchritte auf dem Gebiete der chem. Technologie von Mitte 1883 bis Mitte 1884. Jahrgang. Berlin, J. Springer. Geb. M. 12. Hintze, C., Ueber die Bedeutung kryſtallographiſcher Forſchung 85 die Chemie. Habilitationsrede. Bonn, E. Strauß' Verlag. M. 60. Jahresbericht über die Fortſchritte der Chemie und eee Theile Aufl. 2. Lieferung. anderer Wiſſenſchaften. Herausg. v. F. Fittica. Für 1883. 2. Heft. Gießen, J. Ricker. M. 8. 0 Langer, C., u. V. Meyer, Pyrochemiſche Unterſuchungen. Braunſchweig, F. Vieweg & Sohn. M. 4. Repertorium der analytiſchen Chemie f. Handel, Gewerbe und öffentl. Geſundheitspflege. Red. J. Skalweit. 5. 8 Jahrg. 1885. (24 Nummern.) Nr. 1. Hamburg, L. Voß. Halbjährlich M. 9. Richter, V. v., Chemie der Kohlenſtoffverbindungen od. organiſche Chemie. 4. Aufl. Bonn, M. Cohen & Sohn. M. 13. Mineralogie, Geologie, Geognoſie, Valäontologie. Jahrbuch, neues, f. Mineralogie, Geologie u. Paläontologie. Herausg. v. M. Bauer, W. Dames u. Th. Diebiſch. 3. Beilage-Band. 2. Heft. Stuttgart, E. Schweizerbart'ſche Verlagsbuchh. M. 8. Palacontographica. Beiträge zur Naturgeſchichte der Vorzeit. Herausg— v. W. Dunker u. K. A. Zittel. 31. Band. 3. Folge. 7. Band. 3. u. 4. Lieferung. Kaſſel, Th. Fiſcher. M. 48. Quenſtedt, F. A., Handbuch der Petrefaktenkunde. 3. Aufl. 19. u. 20. Lieferung. Tübingen, H. Laupp'ſche Buchhandlung. a M. 2 Specialkarte, geologiſche, d. Königreichs Sachſen. Herausg. vom Kgl. Finanz-Miniſterium. Bearbeitet unter der Leitung v. H. Credner. Sect. 152. Chromolith. Imp.-Fol. Mit Erläuterungen. Inhalt: Zwota, bearbeitet v. M. Schröder. Leipzig, W. Engelmann. M. 3. Botanik. Jahrbücher, botaniſche, f. Syſtematik, Pflanzengeſchichte u. Pflanzen— geographie, herausg. v. A. Engler. 6. Band. 2. Heft. Leipzig, W. Engelmann. M. 5. Rabenhorſt (2. Aufl.) 2. Band. 80 Meeresalgen von F. Hauck. 10. Lg. Leipzig, E. Kummer. M. Rabenhorſt's, L., § 80e un 91970 v. Deutſchland, Oeſterreich u. der Schweiz. 2. Aufl. 1. Band. Pilze von G. Winter, Regiſter der erſten Abtheilung [fg. 1—13] bearbeitet v. G. Oertel. Leipzig, E. Kummer. M. 2. 40. Zeitung, botaniſche. Red. A. de Bary. L. Juſt. 43. 11 e: 188, (52 Nrn.) Nr. 1. Leipzig. A. Felix. pr. compl. M. Zoologie, Phyſiologie, Entwickelungsgeſchichte. Anthropologie. Carus. 8. Jahrgang 1885. compl. M. 15. Anzeiger, zoologiſcher, Nr. 185. herausg. v. J. V. Leipzig, W. Engelmann. pr. Humboldt. — Bericht über die wiſſenſchaftlichen Leiſtungen im Gebiete der Entomologie während d. J. 1883. Herausg. v. Ph. Bertkau. Berlin, Nicolai'ſche Verlagsbuchh. M. 10. Bronn's, H. G., Klaſſen u. Ordnungen d. Thier-Reichs, wiſſenſchaftlich dargeſtellt in Wort und Bild. 6. Band. 4. e Vögel: Aves, fortgeſetzt v. H. Gadow. 20: Lieferung. Leipzig, C. F. Win⸗ ter'ſche Verlagsbuchh. M. 1. Brühl, C. B., Zootomie aller Thiertlaſſen f. Lernende, nach 0 ſkizzirt. Atlas. 31.—33. Lieferung. Wien, A. Hal der. à M Jahrbuch, morphologiſches. e e Anatomie u. Eniwigelunes geſchichte. Herausg. v. C. Gegenbaur. 10. Band. 3. Heft. Leipzig, W. Engelmann. M. 12. Koch, L., Die Arachniden Auſtraliens, nach der Natur beſchrieben u. abs gebildet, fortgeſetzt v. 9 E. Keyſerling. 32. Lieferung. Nürnberg, Bauer & Raſpe. Martini u. Chemnitz, Neu herausg. Syſtemaliſches Conchylien-Cabinet. 333. Lieferung. v. H. C. Küſter, W. Kobelt u. H. C. Weinkauff. Nürnberg, Bauer & Raſpe. M. 9. Nachrichten, entomologiſche. Begründet v. F. Katter, herausg. v. F. Karſch. 11. Jahrgang 1885. (24 Nrn.) Nr. 1. Berlin, R. Friedländer & Sohn. pr. compl. M. 6. Pagenſtecher, A., Beiträge zur Lepidopteren-Fauna von Amboina. Wies— baden, J. Niedner. M. 4. Sitzungsberichte der kaiſerl. Akademie der Wiſſenſchaften. 3 Abtheilung. Abhandlungen aus dem Gebiete der Fpynotogie, Anatomie u. theoz retiſchen Mediein. 90. Band. 1. u. 2. Heft. Wien, C. Gerold's Sohn. M. 4. 50. Zeitſchrift, Berliner entomologiſche. Zeitſchrift.] Red. H. J. Kolbe. 28. Band. [1884.] 2. Heft. R. Friedländer & Sohn. M. 12. Zeitſchrift f. wiſſenſchaftl. Zoologie, herausg. v. C. Th. v. Siebold u. 18751880: Deutſche entomolog. Berlin, Witterungsüberſicht März 1885. 129 A. v. Kölliker unter Red. v. E. Ehlers. 41. Band. 2. Heft. Leipzig, W. Engelmann. M. 12. Se f. Biologie. Von W. Kühne u. C. Voit. 21. Band (4 Hefte.) Heft. München, R. Oldenbourg. pr. compl. M. 20 Setting Wiener entomologiſche. Herausg. v. J. Mik, E. Reitter, 95 65 Wachtl. 4. Jahrgang 1885. (10 Hefte.) 1. Heft. Wien, A. Gbwer pr. compl. M. 8. Geographie, Ethnographie, BReifewerke. Blätter, Deutſche geographiſche. Herausg. v. der geographiſchen Geſell— ſchaft in Bremen durch M. Lindemann. 7. Band 1884. 4. Heft. Bremen, G. A. v. Halem. M. 2. Götze, K., Geographiſche Repetitionen f. d. oberſten Klaſſen der Gymnaſien und Realſchulen. 3. Aufl. Wiesbaden, C. G. Kunze's Nachf. M. 1. 50. Haltrich, J., Zur Volkskunde der Siebenbürger Sachſen. Kleinere S In neuer Bearbeitung. Herausg. v. J. Wolff. Wien, Graeſer. 02 Kirchhoff, A., Schulgeographie. Waiſenhauſes. M. Petermanns, A., Mittheilungen aus J. Perthes 00 Anſtalt. Herausg. von A. Supan. Jahrgang 1885. (12 Hefte.) 1. Heft. Gotha, J. Perthes. ue Heft M. 1. 50. Schweiger “Lerchenfeld, 9 1 Der dunkle Erdtheil im 805 unſerer Zeit. 1. Ag Wien, Hartleben's Verlag. M Studien u. Forſchungen, weralaßt durch meine Reiſen im 909 Norden. Herausgegeben v. A. E. 5 0 v. Nordenskiöld. Leipzig, F. A. Brockhaus. M. 24, geb. M. Wiſſen, das, der Gegenwart. Deutſche Univerfal-Bibtiothet f. Gebildete. 36, u. 37. Band. Inhalt: Der Welttheil Amerika in Einzeldar⸗ ſtellungen. II. u. III. Das Kaiſerreich pala v. H. W. Sellin. 2. Abtheilg. Leipzig, G. Freytag. Geb. M. 4. Aufl. Halle, Buchhandlung des für Centraleuropa. Monat Januar 1885. Der Monat Januar iſt charakteriſiert durch meiſt ruhiges, kaltes und, außer in der letzten Dekade, trübes Wetter mit geringen Niederſchlägen. Ein barometriſches Maximum von ungewöhnlicher Höhe, welches 790 mm überſchritt, lag am 1. über dem nordweſtlichen Rußland, ziemlich raſch ſüdwärts dem Schwarzen Meere zuſchreitend, während ein umfangreiches Depreſſionsgebiet im Weſten von Europa lagerte, ſo daß über Centraleuropa öſtliche und ſüdöſtliche Winde vor— herrſchend waren, welche indeſſen nur ſchwach auftraten. Auffallenderweiſe waren aber dieſe nicht von kalter und vorwiegend heiterer Witterung begleitet, ſondern das Wetter war andauernd trübe, wobei die Temperatur ſehr langſam und nicht erheblich unter den Normalwert ſank; nur in Südbayern, ſowie im äußerſten Nordoſten Deutſch— lands herrſchte am 3. und 4. ziemlich ſtarker Froſt. Während das barometriſche Maximum ſich nach Süd— oſteuropa verlegte, kam eine Depreſſion im Nordweſten zur Entwickelung, allein über Centraleuropa kam die oceaniſche Luftſtrömung, wegen der Entwickelung einer Teil— depreſſion auf der Südſeite des Minimums nördlich von Schottland, nicht zur vollen Geltung, ſo daß nur ein ſehr langſamer und wenig entſchiedener Wetterumſchlag erfolgte, um ſo weniger, als von Südweſten her ein barometriſches Maximum nach Frankreich ſich verſchob, welches in eine breite Zone hohen Luftdrucks überging, die am 8. faſt ganz Mitteleuropa bedeckte. Am 8. und 9. nahm die Kälte über Centraleuropa wieder zu und erreichte im ſüd— lichen Frankreich ſowie in Süddeutſchland —10 bis - 11 C. Hervorzuheben iſt die ungewöhnlich ſtrenge Kälte im nord— weſtlichen Rußland, am 7. meldete Archangelſk um 7 Uhr morgens — 39“, am 8. — 43%, am 9. — 40, während am letzteren Tage das Thermometer in Haparade — 35“ und in Moskau — 27“ zeigte. Zu serene der zweiten Dekade erfolgte ein ziemlich raſcher und entſchiedener Wetterumſchlag: Ein tiefes Mi— nimum war am 10. weſtlich von den Hebriden erſchienen und drang, im weiten Umkreis von ſtürmiſcher Luftbewe— gung umgeben, oſtwärts vor, am 11. lag es über der Nordſee, am 12. mit raſch abnehmender Tiefe über den däniſchen Inſeln, und am 13. war es anomalerweiſe ſüd— weſtwärts nach Holland fortgeſchritten, worauf dann eine Vereinigung mit einer Depreſſion über Südeuropa er— folgte. Ueber Deutſchland wehten am 11. und 12. bei trüber, regneriſcher Witterung ſtarke, vielfach ſtürmiſche ſüdweſtliche Winde, welche die Temperatur raſch zum Steigen brachten. Während der eben erwähnten Vereinigung der beiden Depreſſionen hatte ſich hoher Luftdruck über Nordeuropa ausgebildet, welcher ſich bis zum 19. daſelbſt erhielt, dann aber nach Oſten hin ſich verlagerte. Oeſtliche, zeitweiſe friſche Luftſtrömung wurde über Centraleuropa wieder vorherrſchend, und der Witterungscharakter erhielt wieder ein winterliches Ausſehen. Bei der Verlagerung des barometriſchen Maximums nach Oſten wurde das Wetter beſtändiger und die De— preſſionen lagen auf dem Ocean weſtlich von Europa, am Weſtrande der Anticyklone, deren Centrum über Ruß— land ſich hin und her bewegte, nordwärts fortſchreitend, ſo daß Centraleuropa (bis zum 27.) beſtändig unter dem Einfluſſe des Maximalgebietes blieb. Da nun auch das Wetter vorwiegend heiter war, ſo waren die Bedingungen günſtig zur Entwickelung ſtrenger Winterkälte: dement— ſprechend ſchmiegten ſich die Iſothermen den Küſtenfigu— rationen an, den ganzen europäiſchen Kontinent in das Froſtgebiet aufnehmend. Die Tage vom 18. bis zum 27. waren für Centraleuropa, insbeſondere für das Binnen— land ſehr kalt, in München ſank die Temperatur vom 20. bis zum 27. an allen Tagen 16 bis 19° unter den Ge— frierpunkt. Am Schluſſe des Monats erfolgte ein Witterungs— umſchlag, indem über Nordweſteuropa ein umfangreiches Depreſſionsgebiet zur Entwickelung kam und das baro— metriſche Maximum nach der Balkanhalbinſel und Italien weggedrängt wurde. Ueber Centraleuropa kamen lebhafte ſüdweſtliche Winde zur Entwickelung, unter deren Einfluß die Temperatur, weſtoſtwärts fortſchreitend, ſich raſch ſehr beträchtlich erhob, ſo daß am Monatsſchluſſe der Froſt aus ganz Deutſchland, außer aus Bayern, verſchwunden iſt. Hervorzuheben iſt die ſtarke Erwärmung am 28., welche in der Gegend von Magdeburg 15%“ erreichte. Hamburg. Dr. T. van Bebber. 130 Humboldt. — März 1885. oon er) or — Dor 10 18 20 ſichtbar. @ 5 33m Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im März 1885. 888 Algol Ah m 7 29 (A e n 1086 U Corone 1133 U Ophiuchi Or oe (A II 9 43m (A @ gh 42 A. IA Bh m gen 1221 U Ophiuehi 812 U Coron 160 Ju N I A 986 6 Libræ 1084 U Cephei h m 5 595 ( @1 Gh um 11 a A el 7» 33 OL IL A 1020 U Cephei 981 6 Libre 1085 Algol 95 34 53m toy 01 1259 15 50 (5) @ 11 773 Algol 1872 U Ophiuchi 10" 10 9} IL A 1085 U Ophiuchi 87 6 Libre BAC 3836 11> 19" E. af 6 12h 16™ A. h. 14 25 A1 A 9t3 U Cephei 8 54 A TA g 7 IIIE 1121 U Cephei 14 13" A TA 1 Ler 15 39" A IT A 1027 U Cephei 18 130 E. h. 19 3m A. d. 1625 8 Cancri 5 Sagilt. h m 1942 | @ Il 10" 367 A TA 1288-U Ophiuchi h 34m cis 295 N A ell 7 51™ f. d. BAC 481 8b 47™ J. h. (6½ 1785 U Ophiuchi 1386 U Ophiuchi 9° 37m E. d. ) 75 Tauri 10h 300 A. h. H 6 7 54m E. d. 0 III Tauri Su 50 m A. h. 5.6 7» 36™ A IIIA BAC 2872 6 h Leonis 135 39" f. 10 14 36™ A. h. 14 44™ Ed. 15° 33™ f. h. 11¹ 25™ E. d.) B40 3529 12" 20 A. h. I 6 135 14 E. d. / 75 Leonis 14h 24m A. h. [ 5.6 gh 98m | 11" 48 A @! 1521 U Ophiuchi 11> 35 A III A 4b m 1 7 6 01 h m 0% g J en 1070 6 Libræ 1589 U Ophiuchi 16" 42 1 19" Im \ 11 10™ ? 130 30m 0 N el 16%7 U Ophiuchi A 1 18" N N TA 138 5 15 opm % A 6 12 360 fl. d. 0 G Tauri 1 13 25 f. h. 1 9555 f. f. a Tauri 10h16 f. f. 5 957 U Cephei 1424 U Ophinchi“ 12 35m P. fl. )43 Leonis 13°29" A. . 6.7 14 38m P. fl. 776 Leonis 15h 14¹ ra 6 1578 S Cancri 1123 U Ophiuchi (Mittlere Berliner Zeit.) 1522 UOphiuchi 130 46 P. I. ö Obibra 14 56m Ad, ees 6287 18535 fl.. 6 18" 16" Q IIA 1 h Zm 175 4155 011 An 30m A. LA 12 37m p. f. 16915 68 (em. 13% 35m Ah, 152 Om 17 195% 1 16055 w P. J.) 7 Leonis 170 5 Im ANS 6 14 44m 17 40 6 l 1015 ../ BAC 4591 11 0 A. d.) 6 18 2 P. l. BA 5202 1922 f.,. 6 1618 U Corone 17 Y A IV E 1485 U Corone Partiale Mondfinsternis GS Oo Ee wre 31 Merkurs obere Konjunktion fällt in die Mitte des Monats (13.) und er bleibt daher dem freien Auge ganz un— land teilweiſe ſichtbar. dem hellſten Stern dieſes Sternbildes. und zuletzt kurz nach Mitternacht unter. Venus erhebt ſich raſch aus den ſüdlichen Deklinationen im Sternbild des Waſſermanns und der Fiſche und tritt am Ende des Monats in die nördliche Halbkugel des Himmels. morgens auf. Mars iſt noch nahe bei der Sonne, am 7. ſteht er zwei Monddurchmeſſer nördlich von Merkur und am 27. einen Monddurchmeſſer nördlich von! . iſt aber ſelbſt in mittleren e nicht ſichtbar. läufiger Bewegung im Sternbild des Löwen und ſteht in der Nacht des 14. 1 Sie geht anfangs um 6 ½, zuletzt um 5½ Uhr Jupiter iſt in rück⸗ 2 Monddurchmeſſer nördlich von Regulus, Dorpat. Dr. E. Hartwig. Anfangs noch die ganze Nacht über oun Horizont, geht er am Ende des Monats bereits um 4½ Uhr morgens unter. Saturn rechtläufig im Sternbild des Stiers geht anfangs um 2½ Uhr morgens Uranus, welcher am 20. in Oppoſition mit der Sonne kommt, ſteht nahe bei Virginis und geht anfangs um 7½, zuletzt um 54/4 Uhr abends auf. Neptun ſteht an der Grenze von Widder und Stier. — Von Algol läßt ſich das kleinſte Licht nicht mehr ſicher genug beſtimmen, UCephei bietet ſechs Gelegenheiten, aber bei den beiden letzten kann die Lichtabnahme nur über eine kleine Strecke ihres Verlaufs beobachtet werden. Die Minima von 6 Libre rücken jetzt in bequemere Nachtſtunden und find beſonderer Beachtung zu empfehlen. — Am 16. findet eine nur in Nordamerika ſichtbare partiale Sonnenfinſternis ſtatt. Die partiale Mondfinſternis am 30. dagegen iſt in Deutſch⸗ Der Eintritt des Mondes in den Kernſchatten der Erde findet 3 Uhr 52 Minuten Mittlere Zeit Berlin, der Austritt um 7 Uhr 3 Minuten ſtatt. Humbold:. — März | 885. e 131 Mae Mitteilungen. Segelhandbuch für den Atlantiſchen Ocean. Schon ſeit längerer Zeit wurde dieſes Werk mit Span- nung erwartet, welches jetzt als ſtattlicher Band von über 600 Seiten, nebſt großem Atlas von 36 Tafeln vor uns liegt. Die Seewarte hat ſich durch Herausgabe dieſer umfaſſenden, für die Schiffahrt und die Oceanographie hochbedeutſamen Arbeit ein bleibendes Denkmal geſetzt. Wir werden an einer anderen Stelle ein ausführliches Referat über das Werk bringen. Kr. Timbuktu iſt wieder von einem Europäer beſucht worden. Der Italiener Buonfanti hat ſich nach einem vergeblichen Verſuch, die Länder zwiſchen Benue und Congo zu erforſchen, nordwärts gewandt und es iſt ihm gelungen, während der trockenen Jahreszeit die für unmöglich ge— haltene Reiſe den Niger aufwärts nach Timbuktu durch— zuführen. Den Rückweg nahm er durch Maſſina und Bam— bura, aber in dem noch nie von Europäern betretenen Tombo wurde ſeine Karawane von Räubern überfallen und zerſprengt. Nur unter großen Entbehrungen gelang es ihm ſchließlich die katholiſchen Miſſionen in Buſſangaland zu erreichen. Ko. Tertiäre erratiſche Blöcke. In dem ſogen. Cam— pinien des belgiſchen Tertiärs hat E. van der Broek Ge— ſteine gefunden, deren Herkunft aus Skandinavien zweifel— los ijt, darunter beſonders einen größeren Granitblock ean fajt einem Meter Durchmeſſer. Stel des Neuchatelois. Das in der Gletſcher⸗ forſchung jo berühmt gewordene Hötel des Neucha— telois beſtand bekanntlich in einer Höhle, welche durch einen gewaltigen Schieferblock an der Vereinigung des Finſtergar- und des Lauteraargletſchers am ſogen. A b— ſchwung gebildet wurde. Agaſſiz und Deſor haben hier drei Sommer zugebracht und ihre klaſſiſch gewordenen Beobachtungen angeſtellt (18411843). Schon 1844 ſprengte der Froſt den ganzen Felsblock und nach einer Mitteilung von Profeſſor Forel in der „Gazette de Lauſanne“ iſt er ſeitdem von der Verwitterung ganz zerſtört worden und ſind nur ein paar Trümmer übrig, an denen noch einzelne angeſchriebene Namen erkannt werden können. Dieſe kleinen Blöcke ſind aber zum Teil durch den Gletſcher ſchon weit hinabgeführt und am Abſchwung iſt von der berühmten Stätte, an welcher ſo mancher Forſcher gaſtfreie Aufnahme gefunden, nichts mehr übrig geblieben. Ko. Putnam River. Dieſer Fluß, von dem man erſt im vorigen Jahre das Mündungsdelta in Hotham Inlet an der Küſte von Alaska ein wenig nördlich vom Polar— kreis entdeckte, iſt in dieſem Jahre von Lieutenant Stoney in einer Dampflaunch unterſucht worden und hat ſich auf 300 engliſche Meilen weit für Schiffe bis zu 6 Fuß Tiefgang fahrbar gefunden. Dann folgen kurze Stromſchnellen, aber weiterhin wird der Fluß wieder auf 80 Miles fahrbar und von dort kann man vermittelſt einer kurzen Portage (Trage— platz) in einen Nebenfluß und durch dieſen in ein paar Seen von beträchtlicher Ausdehnung gelangen. Nach Aus— ſagen der Eingeborenen entſpringt der Fluß ſieben Tage— reiſen weiter öſtlich aus einem großen See, und man kann aus ihm über kurze Trageplätze ſowohl in das Gebiet des Jukon als in das eines anderen Fluſſes gelangen, deſſen Mündung Lieutenant Ray bei Point Barrow ent— deckte. Die Quellen des Putnam ſcheinen auf engliſchem Gebiet zu liegen und dürfte die Karte hier eine erhebliche Umgeſtaltung erhalten müſſen. Das ganze Gebiet iſt bergig, mit Höhen bis zu 5000 Fuß, und gut bewaldet; Kohlen, Kupfer und Gold wurden gefunden. Es ſcheint wahr— ſcheinlich, daß der bei Kiepert als Kok angegebene Neben— fluß des Pjunatak (auf amerikaniſchen Karten Kunatut) auf ungenauen Nachrichten über den Putnam beruht, denn deſſen Zuflüſſe kommen meiſt von Norden und iſt alſo die Entwickelung eines parallelen Stromſyſtems in geringer Entfernung nicht wahrſcheinlich. Der als hypothetiſch auf den Karten eingetragene River Selanik exiſtiert nicht, wohl aber ein See Selawik, welcher durch einen Kanal mit zwei anderen Seen verbunden ijt und wenig ſüdlich von der Putnam-Mündung liegt. Die Vermeſſungen haben auch einen fünf Faden tiefen Einfahrtskanal über die Barre von Hotham Inlet ſicher geſtellt und werden bald Anſiedelungen dort zur Folge haben. Ko. leber die Trimorphie von 1102 hat Schrauf in Wien jüngſt neue Unterſuchungen angeſtellt und hat dabei durch Meſſen und Vergleichen der Winkel von Anatas, Rutil und Brookit bei verſchiedenen Temperaturen nach— gewieſen, daß die auf dieſe Weiſe erreichten Winkelän— derungen nie hinreichend wären, die Parameterſyſteme der drei Körper zu einander kommenſurabel zu machen und daß demnach der Formenunterſchied ein unſprünglicher, in der intramolekularen Anordnung der Atome begründeter und nicht durch Verſchiedenheit der Temperatur während des Bildungsaktes verurſachter iſt. (Groth. Z. f. Kryſt.) fm. Eine intereſſante Beobachtung über die Entſtehung von Zwillingslamellen im SKalkfpat veröffentlicht Lint in Straßburg im „Neuen Jahrbuch für Mineralogie und Geologie“; derſelbe fand nämlich, daß ſchon der Druck, den man bei Herſtellung von Dünnſchliffen anwendet, genügt, um in dem genannten Mineral Zwillingslamellen zu er— zeugen. Httm. Wiſſenſchaftliche Miſſionen. Das franzöſiſche Unter— richtsminiſterium hat folgende wiſſenſchaftliche Miſſionen für 1885 ausgeſandt: Herrn Brau de St. Pol Lias nach Malakka und Sumatra zum Sammeln naturhiſtoriſcher Gegenſtände; — Herrn Profeſſor Guardia nach den Balearen zum Studium des baleariſchen Dialektes; Herrn Etienne Gautier nach Kleinaſien und Perſien zu anthropologiſchen und naturhiſtoriſchen Studien; — und Herrn Profeſſor Henri Lerwis nach Norwegen zum Studium der Radeſyge. Ko. Verheerungen der Phyllokera in Frankreich. Der Präſident der Handelskammer von Bordeaux, Herr Lalland, hat kürzlich über die Lage des Weinbaus in Frankreich einen Bericht erſtattet, nach dem man ſich eine Vorſtellung von den ſeitherigen Verheerungen der Phylloxera machen kann. Danach waxen in zehn Departements des ſüdlichen Frankreichs von 871755 ha Weinpflanzungen bis zum 1. Oktober 1882 612629 ha vollſtändig zerſtört, ferner in 40 teilweiſe ergriffenen Departements von 1544231 ha zerſtört 151170 ha, zuſammen 763799 ha. Zu dieſem vollſtändig zerſtörten Areal kommen weiter 642 978 bereits affizierte Hektaren, jo daß 1406 777 ha reſultieren, in denen die Phylloxera verwüſtend aufgetreten iſt, alſo mehr als die Hälfte des Flächeninhalts aller franzöſiſchen Wein— berge. Der für Frankreich bis jetzt erwachſene Schaden wird auf über fünf Milliarden geſchätzt und Frankreich iſt heute genötigt, für 500 Millionen Franken Wein und andere Getränke einzuführen. Ein gewiſſer Troſt für dieſe Kala— mität bleibt der gute Erfolg mit dem Anpflanzen ameri— kaniſcher Reben, mit denen bereits 20000 ha bepflanzt worden ſind. Der durch das franzöſiſche Geſetz vom 22. Juli 1874 ausgeſetzte Preis von 300 000 Franken für ein wirkſames Vertilgungsmittel der Phylloxera wurde auch im letzten Jahre nicht zuerkannt. Andererſeits gibt jedoch, wie die Phylloxera-Kommiſſion konſtatierte, die Verteidigung und Wiederherſtellung von Weinbergen gute Hoffnungen für die Zukunft. Ps Cifenbahu-Subifaum. In Belgien wird man in dieſem Jahre das fünfzigjährige Jubiläum der Eröffnung der erſten belgiſchen Eiſenbahn von Brüſſel nach Mecheln, am 5. Mai 1835, feiern. Es war die erſte auf dem Feſt— lande eröffnete Eiſenbahn, denn die Nürnberg-Fürther, obwohl früher begonnen, folgte erſt am 17. Dezember des— ſelben Jahres. Die erſte mit Dampf betriebene Bahn 132 Humboldt. — März 1885. überhaupt wurde am 14. Juni 1830 von Liverpool nach Mancheſter eröffnet. IP, Ein merkwürdiges Bhanomen beobachtete am 3. No⸗ vember zu Nedanocz im Neutrathale in Oberungarn Frei⸗ herr von Frieſenhof, der daſelbſt eine meteorologiſche Beobachtungsſtation für agronomiſche Zwecke errichtet hat. Er berichtet darüber: „Als ich am genannten Tage um 3½ Uhr morgens den Hofraum durchſchritt, nahm ich einen gewöhnlichen Mondhof in Regenbogenfarben wahr. Bei— läufig fünf Minuten ſpäter war dieſe Erſcheinung weſent— lich geändert. Der Mondhof war viel größer geworden, hatte eine gelblich rotbraune Farbe und eine merkwürdige Zahnung des Randes. Der Geſamtdurchmeſſer des Hofes betrug ungefähr 10—12 Monddurchmeſſer. Ich begann die Anzahl der ſcharf ausgeprägten Zähne zu zählen und war mit 21 bereits über die Hälfte des Umfanges ge— kommen, als ihre Deutlichkeit plötzlich abnahm und ftatt des Hofes ein Strahlenkreuz in derſelben, doch etwas lichteren Färbung ſichtbar wurde. Bald verſchwanden auch die inneren Teile der vier Strahlen, und es blieben bloß die vier Enden derſelben übrig, die ſich raſch zu einem Ringe ausbildeten. Der Mittelraum innerhalb des Ringes war blendend milchweiß und betrug im Durchmeſſer cirka 7, ſeine Breite 2—4 Monddurchmeſſer. Die Mondſcheibe erſchien ungewöhnlich hell und klar. Die von Nord nach Süd vorbeiziehenden Cirri (Federwolken) verdunkelten dte- ſelbe nur unmerklich. Mittlerweile war es 4 Uhr ge— worden. Sowohl ich als unſer Aſſiſtent, welcher die Er— ſcheinung mitbeobachtete, gewannen die Ueberzeugung, daß der farbige Ring unterhalb der Wolkenſchicht gelegen ſei. Wir konſtatierten ferner, daß die Sterne vollkommen hell funkelten, daher von einem Nebel in den untern Regionen nicht die Rede ſein konnte. Um 4½ Uhr war der Ring verſchwunden und nur die Spur eines kleinen weißen Mondhofes zurückgeblieben. Die Cirri hatten ſich gegen Norden verzogen. Im Weſten bis cirka 10 Grad Höhe Strati (Schichtwolken), darüber von SW. bis NW. ein heller rotbrauner Schein von cirka 10 Grad Höhe, gegen aufwärts und ſeitwärts verſchwimmend. Um 4% Uhr war der farbige Schein vollſtändig verſchwunden. Um 5% Uhr hatte der Mond noch einen leichten weißen Hof. Die Sterne funkelten ſehr hell; es war vollkommen windſtill.“ von Frieſenhof teilt dieſe Beobachtungen mit, um etwaige an anderen Orten gemachte ähnliche Wahrnehmungen, welche die ſeinigen beſtätigen und ergänzen können, in Er— fahrung zu bringen. Wa. Ethnologiſches aus Innerafrika. Einen intereſ⸗ ſanten Beitrag zur Ethnologie Innerafrikas lieferte Krauſe in ſeinen Studien über Sprache und Geſchichte der Fulen oder Fulani. Er ſieht in dieſer von den Negern ſehr weit verſchiedenen Raſſe, deren Eroberungen beweiſen, welche Kraft noch in dem Islam liegt, ſolange ſeine Be— kenner nicht mit überlegenen Völkern zu thun haben, nicht Miſchlinge von Arabern, wie ſie ſelbſt wollen, oder gar den Madagaſſiſchen Hovas verwandte Malayen, ſondern Glieder des Nubaſtammes, aus derſelben Wurzel abzu— leiten, wie die Tuarek und die Galla; er bezeichnet ſie darum als Ur- oder Protohamiten und ſieht in wihnen die Nachkommen der Dſchabbaren oder Kel Jeru, welche die Tuarek bei ihrem Eindringen in ihre heutigen Wohngebiete vorfanden. Ko. Bevdlkerung von Indien. Der Cenſus von 1881 ergab über die Verbreitung der verſchiedenen Sprachen folgendes Reſultat: Hinduſtani oder Urdu ſprechen 82 Mill., inkluſive des Hindi; Bengali 39 Mill. in Bengalen und Aſſam; Telugu 17 Mill.; Marathi ebenfalls 17 Mill.; Pend— ſchabi 14 Mill.; Tamil 13 Mill.; Guzerati 9 Mill.; Kana⸗ reſiſch 8 Mill.; Engliſch als Mutterſprache ſprechen nur 200 000 Perſonen, davon drei Viertel geborene Engländer. Ueber die Verhältniſſe im Pendſchab, dem Fünfſtrom— land, liegt ein beſonderer Auszug aus dem Cenſus von Ibbetſon (Outlines of Punjab ethnography, Calcutta 1883) vor. Danach ſind von cirka 22¾ Mill. Einwohnern die Hälfte Mohammedaner, ½% Hindu, ½s Sikhs; der Reſt verteilt fic) auf Jainiten (42 000), Chriſten (83700) und Buddhiſten (3521), ſowie verſchiedene unbedeutende Sekten; ib ſprechen Dialekte des Pendſchabi, / Hindi, „11 Sindhi. Von 1875 — 80 erſchienen im Pendſchab 5610 Bücher, davon nur 227 engliſche. Ko. Zwei Ameiſenpflanzen. Auf den oſtindiſchen Inſeln finden ſich zwei eigentümliche Rubiaceen-Arten, welche epiphytiſch auf Bäumen wachſen: Myrmecodia echinata Gaud. und Hydnophytum montanum Bl. Der Baſal⸗ teil des Stengels iſt knollenförmig angeſchwollen, bis zur Größe eines Kinderkopfes, und finden ſich in dieſen An⸗ ſchwellungen die zahlloſen Gänge der Ameiſen. Merk— würdigerweiſe bergen dieſe Anſchwellungen, in welchen dieſe Tiere nie zu fehlen pflegen, ganz beſtimmte Sorten von Ameiſen und zwar Myrmecodia ſtets rote, Hydnophytum ſtets ſchwarze Ameiſen. (Bericht des Vereins dae Freunde zu Berlin 1883. p. 26.) Gly. Iilachs- und Hanfbau in Rußland. Unter den in Rußland angebauten Induſtriepflanzen nehmen unter den Geſpinſtpflanzen Flachs und Hanf die wichtigſte Stelle ein. Nicht allein werden die Faſern techniſch verwendet, ſondern die Samen liefern ein vielfach gebrauchtes Oel. In den letzten Jahren exportierte Rußland, trotz des ſtarken Verbrauchs im Inlande, alljährlich an Rohflachs und Roh— hanf über 100000000 Rubel. Beide Artikel machten jo etwa ¼ — ½ des Geſamtexportes aus Rußland aus. Der Flachs wurde ſchon von den alten Slaven kulti— viert und ſeine Faſern zu Geweben, die Samen aber zu Oel verwendet. Auch die Litauer bauten den Flachs in vorchriſtlicher Zeit, ja fie hatten ſogar einen Gott Waiſh⸗ gantos und eine Göttin Alabatis als Beſchützer des Flachſes und Hanfes. Peter der Große beförderte den Flachsbau bedeutend und erließ 1715 einen darauf bezüglichen Ukas. Beſonders aber entwickelte ſich die Flachskultur, nachdem Katharina II. den Export des Flachſes 1762, und 1764 den Export der Leinſaat frei gab. Zu Anfang der vier- ziger Jahre bildeten die Produkte des Flachsbaues 21 Pro⸗ zent vom Werte des Geſamtexportes und übertrafen ſogar den Wert des Getreideerportes. Der Flachsbau ruht faſt ganz in den Händen der Bauern, welche noch an alten, mangelhaften Behandlungs— methoden feſthalten. Deshalb ſteht der ruſſiſche Flachs trotz ſeiner trefflichen natürlichen Qualität im ganzen niedrig im Preiſe. Im ganzen europäiſchen Rußland mögen jähr— lich etwa 20 000 000 Bud (= 40 Pfund; 2½ Pfund = 1 Ke) Flachsfaſer und über 4000000 Pud Leinſaat geerntet werden. (Nach Berichten aus Rußland iſt für 1884 die Flachsernte hinſichtlich der Quantität tief unter Mittel ausgefallen; die Qualität iſt dagegen als kräftig zu bezeichnen.) Auch der Hanf wird in Rußland ſeit den früheſten Zeiten kultiviert, für die Bedürfniſſe des Landes bis zum 58° n. Br. Zu Handelszwecken wird der Anbau beſonders im mittleren Rußland betrieben. Im Gouvernement Orel allein werden jährlich über 1000 000 Bud gewonnen (für die ſiebziger Jahre werden für Orel ſogar 1550 000 Bud angegeben). Man darf vielleicht annehmen, daß in Ruß— land jährlich etwa 10000000 Bud zu Hanfſpinnereien verwendet werden. In den ſiebziger Jahren mögen an Hanfſamen alljährlich etwa 2½ Mill. Tſchetwert gewonnen worden ſein. (Ruſſiſche Revue. St. Petersburg. Bd. XII. Heft 7. p. 1-88). Gly. Ein neues Nicolſches Prisma. Wegen der immer mehr zunehmenden Seltenheit des isländiſchen Kalkſpats ſchlägt Bertrand vor, in folgender Weiſe für Mikroſkope Polariſationsapparate herzuſtellen. Man nehme ein Prisma aus Flintglas mit dem Brechungsexponenten 1,658, zer— ſchneide dasſelbe diagonal und klebe die polierten Schnitt— flächen mit einem Balſam von höherem Bredungserpo- nenten zuſammen, nachdem man zwiſchen dieſelben ein kleines Spatblättchen gebracht hat; außer der Erſparnis an Kalkſpat bietet dies Prisma die Vorzüge, weniger dict zu ſein und dabei ein weiteres Geſichtsfeld zu liefern. Be. + Karl von Sonklar, Naturforſcher u. Geograph, am 3. Januar zu Innsbruck. + Dr. Friedr. von Stein, Profeſſor der Zoologie in Prag, am 9. Januar zu Prag. DUO BOW) COMM BOM ede in de Don Prof. Dr. F. Standfeft in Graz. Serge und Thaler, fo wundervoll fie heute die f =) Oberfläche der Erde ſchmücken, hat es auf at) Ri iby nicht allezeit gegeben. Zwar fehlt ſelbſt— wovVerſtändlich über den Urzuſtand unſeres Planeten jede poſitive Kunde, aber der Menſch, den gerade dieſes geheimnisvolle Dunkel reizt, hat heraus- geklügelt, daß die Erde gleich anderen Himmelskörpern einmal flüſſig war und erſt ſpäter an der Oberfläche er— ſtarrte. Wie es heute in ihrem Inneren ausſehe, ob dies ſich noch in jenem Zuſtande befinde, oder ob nur eine mehr oder minder zuſammenhängende, flüſſige Schichte einen feſten Kern umſchließe, darüber haben die Forſcher noch nicht einig werden können, und für die Be— wegungen der Rinde iſt dies auch ziemlich gleichgültig. Wenn aber die Erde einſt flüſſig war, ſo mußte ſie infolge der Drehung eine Rotationsgeſtalt annehmen, und ihre erſtarrende Oberfläche war frei von Er— höhungen und Vertiefungen. Wäre ſie auch noch ſo geblieben, als ſpäter bei weiterer Abkühlung der Dunſt in der Atmoſphäre ſich größtenteils als tropfbares Waſſer auf ihre Oberfläche niederſchlug, ſo wäre ſie von letzterem in einer kontinuierlichen Schichte über— zogen worden, und es hat auch Forſcher gegeben, die das Vorhandenſein eines Feſtlandes in der Urzeit der Erde leugneten. Andere aber machen geltend, daß ſchon vorher die Erdoberfläche uneben geworden ſei und in ihre Vertiefungen das Meer aufnahm, während die Erhöhungen als die erſten Feſtländer über das Niveau des Waſſers emporragten. Wodurch konnte aber die Oberfläche der Erde uneben werden? Das oft angeführte Beiſpiel vom Apfel, der mit ſtraffgeſpannter Haut vom Baume fiel und nach längerem Liegen ſich runzelte, gibt eine Antwort auf jene Frage. Sein Waſſer iſt in Dunſtform durch die Poren der Haut zum großen Teile entwichen und ſein Inneres hat dadurch an Volumen verloren. Die Humboldt 1885. Schale jedoch, die von derberer Konſiſtenz iſt und weniger Waſſer einbüßen konnte, zog ſich auch weniger zuſammen und wurde für das Innere zu weit. Da ſie ſich andererſeits von ihrer Unterlage nicht völlig trennen konnte, ſo runzelte ſie ſich. Auch die Erde hat während des ungeheuren Zeit— raumes ihres Beſtehens an Volumen eingebüßt, da ſie fortwährend Wärme an den kalten Weltraum ab— gab und jede Abkühlung mit einer Volumverminderung verbunden iſt. Dieſe Wärmeabgabe mag urſprünglich in den äußeren Partieen, die ja unmittelbar an den kalten Weltraum grenzen, viel bedeutender gewejen- ſein als in dem geſchützten Inneren, und dort bildete ſich auch mit der Zeit eine feſte Kruſte. Freilich zer— ſprang dieſe bei weiterer Abkühlung und damit ver— bundener Kontraktion von neuem, aber in die auf ſolche Weiſe entſtandenen Spalten drang die flüſſige Maſſe des Inneren ein, füllte ſie aus, erſtarrte dort und verkittete ſo die Bruchſtücke miteinander. Nun waren die Verhältniſſe an der Erdkugel ähnlich jenen unſeres Apfels geworden. Denn war einmal eine zuſammenhängende Kruſte von beſtimmter Weite und Dicke gebildet und die Temperatur derſelben bis zu einem gewiſſen Grade geſunken, ſo verminderte ſich durch weitere Abkühlung ihr Volumen verhältnismäßig weniger als das des noch flüſſigen Inneren, da der Ausdehnungskoefficient feſter Körper kleiner als der von Flüſſigkeiten iſt. Die Erdrinde wurde für das Innere zu weit und weil die Schwere ſie an dasſelbe anpreßte, ſo mußte der tangentiale Druck, der infolge beider Urſachen eintrat, zu Faltungen führen, denn nur die gefaltete Rinde konnte auf dem kleiner ge— wordenen Erdkerne Platz finden. Die weiten, flachen Falten wurden zu Kontinenten, die engen zu Gebirgen. Letztere folgen vielfach den Rändern der erſteren. Wie aber konnte die ſtarre Erdkruſte ſich falten? 18 134 Humboldt. — April 1885. Früher einmal ſuchte man durch die Annahme, daß das Geſteinsmaterial zur Zeit der Faltung noch nicht feſt geweſen ſei, dieſe begreiflich zu machen. Wir wollen von den Argumenten, die ſich dagegen anführen laſſen, hier abſehen und nur auf die ungeheuren Zeit⸗ räume hinweiſen, die zwiſchen dem Abſatze und der Faltung der Schichten verfloſſen und die zur Erhär— tung letzterer wohl mehr als hingereicht hatten. Das Feſtwerden von Ablagerungen geht bekanntlich raſch von ſtatten und nimmt durchaus keine geologiſchen Zeiten in Anſpruch. Die Ablagerungen waren alſo bei ihrer Faltung ſchon ſtarr geweſen. Es ſind vorwiegend geſchichtete Geſteine, welche gebogen erſcheinen und das nimmt uns ſelbſtverſtändlich weniger wunder, als wenn es maſſige Felsarten wären. Aber auch die geſchichteten Geſteine ſind ſpröde, auch ihre Teilchen verlieren, wenn ſie nur um weniges gegeneinander verſchoben werden, ihren Zuſammenhang. Dieſe Sprödigkeit hat ſich übrigens auch an unzähligen großen und kleinen Sprüngen dokumentiert. Durch dieſe iſt allerorts das gebogene oder auseinander gezerrte Geſtein zerklüftet, und zwar verlaufen die Spalten in erſterem meiſt radial, in letzterem quer auf die Richtung des Zuges. Oft ſind ſie leer, oft wurden ſie nachträglich mit einer Löſung ausgefüllt, die ſpäter wieder verdunſtete und den gelöſten Körper (Quarz, Kalk u. dgl.) als feſte Subſtanz zurückließ. Das Geſtein erſcheint dann von den meiſt abweichend gefärbten Adern durchzogen. Letztere durchkreuzen ſich auch bisweilen, denn die Spalten ſind oft verſchiedenen Alters und ein Fels, welcher von einem möglicherweiſe ſchon ausgefüllten Riſſe durchſetzt wurde, zerklüftete vielleicht ſpäter in einer anderen Richtung, welche zur erſten nicht par— allel war. Riſſe von koloſſaler Ausdehnung erfolgten nicht ſelten längs des Kammes einer Falte oder quer auf die Längsachſe derſelben. War die Falte nach einer Seite geneigt und erfolgte der Spalt in erſterem Sinne, fo konnte bei fortdauerndem tangentialen Drucke der obere Bruchrand über den umgebogenen unteren ſich dar— überſchieben und letzteren ganz verdecken. Der erſtere zeigt dann die jener Lokalität eigene Schichtenfolge, während der letztere zwar dieſelben Schichten aber in umgekehrter Ordnung erkennen läßt. Das unterſte Glied der oberen Partie iſt ident mit dem oberſten der unteren. Finden die geſchilderten Ueberſchiebungen an einigen nebeneinander befindlichen und einander mehr oder weniger parallelen Falten ſtatt, ſo können ſchließlich an der Oberfläche nur die darüber geſcho— benen Partieen wahrgenommen werden, während die unterhalb liegenden vielleicht allerorts verdeckt ſind, und man bezeichnet ein derartiges Verhalten als Schuppenſtruktur. Zur Entſtehung von Querſprüngen bedarf es einer Krümmung der Faltenachſe. Dieſe kann auf mehrfache Weiſe hervorgerufen werden. Da ſich die Falten bekanntlich nicht durchkreuzen — die bereits gefaltete Erdrinde iſt ſelbſtverſtändlich gegenüber einer neuen Faltung in anderer Richtung außerordentlich widerſtandsfähig — ſo wird ein altes Feſtland, alſo eine alte Falte, das Vordringen einer neuen unmög⸗ lich machen, und letztere wird dadurch gezwungen, ſich um das ſtauende Hindernis herumzuſchlingen. Dieſen Fall beobachten wir beiſpielsweiſe am Böhmerwalde, der die Ketten der Alpen zu einer nordöſtlichen Ab— ſchwenkung nötigt. In ſolchen Krümmungen ſind nun Querbrüche eine ſehr gewöhnliche Erſcheinung. Wird durch eine andere nicht ſo deutliche Urſache das Vordringen einer Falte an einer Stelle unmöglich, während das Hindernis in der nächſten Nähe nicht beſteht, ſo ſtreicht dann die Falte in einer Sförmig gekrümmten Linie und wieder kann leicht begreiflicher Weiſe ein Zerſpringen quer auf die Längsachſe ſtatt⸗ finden. Die genannten Brüche, die nicht ſelten als reiche Mineralgänge bekannt find (Raibler-Galenit-Gänge) oder vom ſtrömenden Waſſer zu Querthälern aus⸗ gewaſchen wurden, weiſen oft nahezu lotrechte Wände auf. Oder ſolche, die nach der einen oder nach der anderen, ja ſogar abwechſelnd nach beiden Seiten ſteil geneigt ſind. Sie werden Blätter genannt und zeigen durch eine parallele Streifung an den Wän⸗ den mitunter auch eine horizontale Verſchiebung der einen Faltenhälfte gegenüber der anderen an. Aber die Spalten allein können die Krümmungen der Erdrinde vielfach doch nicht erklären. Denn denken wir uns dieſelbe in einem beſtimmten Territorium, wieder zurückgebogen, fo daß alle, auch die mikroſkopiſch kleinen Spalten ſich ſchließen würden, ſo erhalten wir gewöhnlich noch immer keine ebene Fläche, und was ſollen wir erſt von jenen Biegungen ſagen, die, wenigſtens allem Anſcheine nach, ganz bruchlos erfolgt ſind, und von deren Vorhandenſein wir uns in großen Schichtenſyſtemen ebenſogut wie an kleinen Hand- ſtücken überzeugen können? Wollen wir dieſe erklären, ſo müſſen wir eine gewiſſe Plaſticität der Geſteine vorausſetzen, und ganz fremd iſt uns dieſe Eigenſchaft ſelbſt bei ſcheinbar ſpröden Körpern nicht. Wir wiſſen beiſpielsweiſe, daß die Mauern alter Häuſer oftmals, ohne geſprungen zu ſein, wenig ebene Flächen bilden, ein Verhalten, das zwar nicht in einer Umformung der Bauſteine, wohl aber in einer Umformung des Mörtels, der doch auch ein ſpröder Körper geworden iſt, ſeinen Grund haben mag. Wir kennen auch zahlreiche Ammoniten- und Clymenien-Schalen (Fig. J), welche nicht mehr kreisrund ſondern länglich ſind und dieſe Form einer Auseinanderzerrung verdanken, die ohne Bruch an ihren ſpröden Gehäuſen ſtattgefunden hat. An der Umformung der Geſteine ohne Bildung von Spalten und Riſſen werden wir uns um fo weniger ſtoßen, je mehr wir die ungeheuren Zeit— räume in Rechnung ziehen, die ſolchen Formverände— rungen zu Gebote ſtanden. Wie viele Gegenſtände des täglichen Lebens brechen, wenn man ſie raſch zu biegen verſucht, krümmen ſich aber bruchlos, wenn die Kraft langſam und allmählich auf ſie einwirkt. Die ſpröde Siegellackſtange, die beim unbedeutendſten Ver— ſuche, ſie zu biegen, ſpringt, krümmt ſich mit der Zeit, wenn ſie nur an beiden Enden geſtützt wird, infolge Humbolot, — April 18858. 135 der Schwere mit der freien Mitte nach abwärts. Die Glaskugel eines vor langer Zeit angefertigten Ther— mometers wird durch den Druck der Atmoſphäre etwas verkleinert, und macht ſo die zu hohen Angaben des alten Inſtrumentes erklärlich. Die Biegungen in den Schichten werden jedenfalls fo langſam ſtattgefunden haben, daß das Alter des Menſchengeſchlechtes nicht hingereicht hätte, irgend welche bedeutenderen Umfor— mungen zu verfolgen, um wie viel weniger die kurze Spanne Zeit, in der man derartige Beobachtungen anſtellte. An dem Vorhandenſein einer gewiſſen Plaſticität der Geſteine wird auch von vielen Forſchern feſtge— halten und ſie kann beim Anblicke der Biegungen und Knickungen der Schichten auch nicht recht geleugnet werden, man müßte denn mit Gümbel dieſe ins— aber auch mit einer völligen Trennung verbunden, wenn der Druck nur nach einer Seite wirkt. Iſt er jedoch allſeitig, wenn auch nicht nach allen Seiten hin gleich groß, ſo können die Teilchen des gedrück— ten Körpers nicht ſo weit voneinander geraten, daß ihre gegenſeitige Anziehung nicht mehr beſtände, und der feſte Körper wird dann plaſtiſch. Ein in be— ſtimmter Richtung auf ihn ausgeübter Druck pflanzt ſich nicht mehr, wie in feſten Körpern, nur nach dieſer, ſondern nach allen Richtungen fort. Heim weiſt dies— bezüglich auf die bekannte Thatſache der ſeitlichen Verengung tief gelegener Stollen hin, die nicht mehr durch Balken geſtützt werden. Daß bei der Knickung eines und desſelben Schichtenkomplexes das eine Ge— ſtein zerbrochen, das andere bruchlos ungeformt würde, liegt in der größeren Sprödigkeit des erſteren. Daß Fig. 1. geſamt auf eine, bis ins Unendliche gehende Zer— klüftung derſelben zurückführen wollen. Ueber die Art und Weiſe jedoch, wie jene Plaſticität zuſtande kommt, ſind die Meinungen heute noch ſo differierend, daß an eine Entſcheidung gar nicht gedacht werden kann. Heim lehrte in ſeinem geiſtreichen Werke über „die Tödi-Windgällen-Gruppe“, daß jene Plafticitat nicht auf einer chemiſchen Umwandlung der Geſteine, ſondern auf rein mechaniſchen Verhältniſſen beruhe. So würden beiſpielsweiſe bei der Dehnung der Schich— ten die ſtengligen und lamellaren Elemente parallel zur Richtung des Zuges und bei der Zuſammen— preſſung ſenkrecht auf die des Druckes geſtellt werden; iſodiametriſche Teilchen würden durch dieſelben Ur— ſachen in den genannten Richtungen plattgedrückt werden. Woher rührt aber dieſe Beweglichkeit der Teil— chen? Iſt der auf das Geſtein wirkende Druck jo groß, daß er die Kohäſion der Moleküle überwindet, ſo tritt eine Verſchiebung derſelben ein. Dieſe iſt Clymenia () von Steinberg (Devon Steiermarks). aber dieſelbe Felsart durch gleich ſtarke Krümmungen das eine Mal zerklüftet, das andere Mal gebogen wird, beruht nicht auf der Natur des Geſteines, ſondern auf der Art des wirkſamen Druckes. Die Heimſche Theorie iſt nicht ohne Einwendungen geblieben. Es iſt eine Konſequenz derſelben, daß in ſehr großer Tiefe, in die ſelbſtverſtändlich kein Menſch hinabkommen kann, alles Geſtein vollkommen plaſtiſch ſei und daß demnach dort keine Spalten mehr exi— ſtieren können. Nun reichen aber die Klüfte, durch welche die heißen Quellen, noch mehr aber jene, durch welche die vulkaniſchen Maſſen empordringen, noch tiefer hinab. Auch ſtehen nach den landläufigen Anſichten die vulkaniſchen Herde unterirdiſch mit dem Meere in Kommunikation. Den ſcharfſinnigen Deduktionen Heims, welche beſtimmt ſind, trotzdem die Möglich— keit von heißen Quellen und von Eruptionen nachzu— weiſen, ſcheint es nicht gelingen zu wollen, allgemein zu überzeugen. Es mag auch Bedenken erregen, daß über allen den gekrümmten Schichten, die ſich heut— zutage an der Oberfläche finden, einſt eine ungeheure 136 Humboldt. — April 1885. Decke ſich befunden haben müßte, die ſpäter ſpurlos verſchwunden wäre. Gegen die Möglichkeit, daß durch großen allſeitigen Druck Plaſticität der Geſteine hervorgerufen werden könne, ſprechen Verſuche Pfaffs, von denen der nach— ſtehende erwähnt werden möge. Ein cylindriſches, aus ſtarkem Stahl gefertigtes Gefäß (S in Fig. 2), deſſen Hohlraum 4mm Durchmeſſer hatte, wurde in eine maſ⸗ ſive Eiſenplatte (E) geſteckt, kommunizierte aber durch einen Seitengang (a) mit der Außenwelt. Derſelbe war während des Verſuches bis auf einen ſehr kleinen Raum am äußeren Ende mit Wachs gefüllt und in den inneren Raum wurde ein genau paſſender Kalk— cylinder (KX) geſteckt, der mittels eines Stempels (P) 7 Wochen lang dem enormen Drucke von 9970 At- moſphären ausgeſetzt wurde. Man ſollte erwarten, daß der Kalk hierdurch plaſtiſch geworden und teilweiſe Fig. 2. in den von Wachs erfüllten Zugang hineingepreßt worden wäre. Doch von alledem fand ſich keine Spur, der Kalk war unverändert geblieben, und als Pfaff Stücke von ihm abſchlug und Dünnſchliffe anfertigte, zeigten dieſe auch unter dem Mikroſkope nicht die geringſte ſtattgefundene Veränderung. Reyer führt in ſeiner Abhandlung „über die Bewegung im Feſten“ die Plaſticität der Geſteine nicht allein auf den allſeitigen Druck, ſondern auch auf die Durchdringung derſelben mit der Gebirgs— feuchtigkeit zurück. Der friſch gebrochene Granit laſſe ſich leichter bearbeiten als der alte, völlig ausgetrock— nete. Auch andere Geſteine ſeien, ſolange ſie vom Waſſer durchtränkt werden, weniger ſpröde als im trockenen Zuſtande. Es laſſen ſich nicht ſchwer Gründe dafür finden, daß trotz der Zuſammenziehung des Erdkernes einzelne Teile der Rinde keinen tangentialen Druck erlitten; ſie können ja durch die Falten der Umgebung ihre überflüſſige Ausdehnung völlig eingebüßt haben. Ent— ſtand nun unter einem ſolchen ſpannungsfreien Terri- torium auf irgend eine Weiſe, ſei es durch Löſung und Wegführung von Geſtein, ſei es durch Kontraktion eines ſolchen infolge der Abkühlung, ein Hohlraum, ſo zog die Schwerkraft, welche dann ungehindert wirken konnte, das Rindenſtück lotrecht nach abwärts. Dabei braucht ſich, nach dem früher Geſagten, das ſinkende Feld, namentlich wenn es nur in geringe Tiefe ſank, von der ſtehenbleibenden Umgebung nicht loszutrennen; es wird nur ringsum von gebogenen Schichten umſäumt, deren Krümmungen Flexuren genannt werden. Häufig aber geſchah es, daß jene Scholle durch eine oder mehrere, der Peripherie folgende Spalten von der Umgebung ſich loslöſte; dieſe Spalten zeigen dann in dem einen Rande zwar dieſelbe Schichten— folge wie im anderen, die Schichten des erſten liegen aber oft höher oder tiefer als die des zweiten und wir haben das vor uns, was die Geologie eine Ver— werf ung zu nennen pflegt. Innerhalb des einen peri⸗ pheriſchen Sprunges kann ſich konzentriſch ein zweiter, und innerhalb des zweiten ein ähnlicher dritter eingeſtellt haben 2c. und jedesmal liegt der innere Spaltenrand tiefer als der äußere. Aber nicht allein peripheriſche, auch radiale oder ganz unregelmäßige Sprünge, welche letztere ſich meiſt nicht ſchneiden, kommen vor. Ober- flächlich ſind dieſelben nicht ſelten verdeckt und dann iſt ein Senkungsgebiet als ſolches ſchwer zu erkennen. In noch anderen Fällen werden oft ausgedehnte Senkungsfelder von ganz unregelmäßig verlaufenden Riſſen, die man ebendeswegen nicht als Spalten be- zeichnet, umſäumt. Zu derartigen Einbrüchen rechnet Sueß unter anderen auch das Hügelland in der Steiermark und in dem angrenzenden Ungarn, das ſich an das Oſtende der Alpen anſchließt, und in dem die weitere Fortſetzung dieſes Gebirges begraben liegt. Es bedarf kaum einer Erwähnung, daß die ver— ſchiedenen, im voranſtehenden geſchilderten Dislo— kationen ſich auch miteinander kombinieren, daß in größeren Territorien Faltungen nach zwei Richtungen auftreten, daß neben tangentialen Verſchiebungen ſich auch Senkungen finden können u. ſ. f. Daß dadurch oft ſehr verwickelte Verhältniſſe zum Vorſchein kom— men, iſt ſelbſtverſtändlich. All die berührten Bewegungen der Erdrinde gehen ſo außerordentlich langſam von ſtatten, ſie erfordern zu ihrer Vollendung ſo ungeheure Zeiträume, daß ſie, wie erwähnt, eine direkte Beobachtung von ſeiten des Menſchen vollſtändig ausſchließen. Nichtsdeſto— weniger kann aber für einen Augenblick ihr Tempo ein raſcheres werden. Der lang vorbereitete Bruch tritt plötzlich ein, die mit Einſturz drohende Decke eines Hohlraumes ſtürzt mit einem Male in die Tiefe u. ſ. f. Derartige momentane Bewegungen, die wir ſehr wohl verſpüren, ſind jene Erdbeben, welche Hoernes als tektoniſche, Toula als Dislokations- oder Strukturbeben bezeichnet und die von der fort— dauernden Kontraktion der Erde Zeugnis ablegen. In neuerer Zeit hat man fic) bemüht, herauszu⸗ finden, welche Dislokationen an den einzelnen Erd— beben ſchuld tragen. Hoernes wies z. B. unzweifel—⸗ haft nach, daß die Stoßlinie des Erdbebens von Belluno vom 29. Juni 1873 mit Querbrüchen im Gebirge zuſammenfalle und daß eine horizontale Ver— ſchiebung der beiden getrennten Gebirgszüge gegen— einander die Schuld trage. Auch in den nördlichen Oſtalpen ſind die Stoßlinien, die mehr oder minder ſenkrecht zur Achſe derſelben geſtellt ſind und bis an den Böhmerwald reichen, durch Querbrüche bedingt. > Humboldt. — April 1885. 137 Das kalabriſche Erdbeben iſt an ein großes Senkungs— feld geknüpft, deſſen Centrum die Lipariſchen Inſeln bilden und deſſen Peripherie den Aetna und den ſüd— lichen Teil der Kalabriſchen Halbinſel berührt. Die Stoßlinien fallen mit radialen Sprüngen dieſes Beckens zuſammen. Auch der Thatſache iſt ſchon früher Erwähnung geſchehen, daß durch tiefe Spalten der Erdrinde bis— weilen Subſtanz des Inneren ans Tageslicht geför— dert werde. Teils die Laſt der Schollen, welche auf die unter ihnen liegende Flüſſigkeit drücken, teils die in der heißen Umgebung aus eingedrungenem Waſſer entſtandenen Dämpfe werden hierbei als das wirkſame Agens angeſehen. Es iſt eine längſt überwundene Anſicht, daß durch derartige emporſteigende Maſſen, alſo durch vulkaniſche Eruptionen die Erdrinde zerriſſen und ihre Teile aus ihrer Lage gebracht oder gehoben wurden. Heute zweifelt niemand mehr daran, daß die Spalten das Primäre, die vulkaniſchen Erup— tionen das Sekundäre find. Die Anweſenheit vieler Vulkane an den Küſten der Kontinente wird auch dadurch begründet, daß dort, wegen der ſtärkeren Krümmung der Erdkruſte, die meiſten Sprünge der— ſelben vorhanden ſind. Nach dem Geſagten ſteht es zu erwarten, daß vulkaniſche Ausbrüche ohne alle Be— wegung der Rinde vor fic) gehen können. Das ijt auch der gewöhnliche Fall, aber ſie können auch von ſolchen begleitet werden, denn der Waſſerdampf, der in Hohlräumen der Erde eingeſchloſſen, nicht ſofort zu Tage kommen kann, vermag durch ſeine Expanſiv— kraft die Rinde zu erſchüttern. Derartige Beben, welche Hoernes die vulkaniſchen nennt, ſind aber ſelten, niemals bedeutend, und werden nur in der nächſten Umgebung des Vulkanes verſpürt. Es bleiben demnach die wichtigſten Bewegungen der Erdrinde immer diejenigen, welche mit den Kon— traktionen derſelben durch die Abkühlung zuſammen— hängen. Ueber Plantés Erklärung einiger kosmiſchen und meteorologiſchen Phänomene unter der Annahme von dynamiſcher Elektricität im Suſtande hoher Spannung. Von Prof. Dr. J. G. Wallentin in Wien. 15 aſton Planté hat in den Jahren 1859 bis 1879 eine Reihe von wertvollen Unterſuchungen mit den von ihm konſtruierten Sekundärelementen oder Accumulatoren angeſtellt und auf Grund der von ihm gewonnenen experimentellen Ergebniſſe Hypotheſen auf— geſtellt, welche fic) — wie bald gezeigt werden wird — in der Theorie einiger Naturerſcheinungen ſehr frucht— bringend erwieſen. So iſt man nach den Forſchungen des erwähnten franzöſiſchen Phyſikers heutigentages nicht mehr in Verlegenheit, die bis vor kurzem rätſel— haften Kugelblitze zu erklären, von denen Arago bereits erwähnte, daß ſie zu den am ſchwerſten zu erklärenden phyſikaliſchen Erſcheinungen gehören. Aus dem ähnlichen Verlaufe der im Laboratorium vor— genommenen Verſuche und der in der Natur beob— achteten Phänomene, einer Aehnlichkeit, die in den bezeichnet werden muß, zog Plantsé Schlüſſe, welche ſeitens der Phyſiker, Meteorologen und Aſtronomen gewiß verdiente Beachtung finden werden und deren Dar— legung dem Leſer mehrfaches Intereſſe erwecken dürfte. Bevor wir zu unſerem eigentlichen Thema über gehen, wird es ſich notwendig erweiſen, einige weſent— liche Bemerkungen, die auf den Unterſchied zwiſchen ſtatiſcher und dynamiſcher Elektricität Bezug nehmen, vorauszuſchicken. Die Elektricität, wie ſie durch die galvaniſchen Batterieen erzeugt wird und welche als dynamiſche Elektricität bezeichnet wird, beſitzt eine geringe Spannung, ihr kommt — wie man ſich wiſſenſchaftlich ausdrückt — ein verhältnis— mäßig geringes Gefälle oder Potentialdif— ferenz zu, andererſeits aber erſcheint ſie in beträcht— licher Quantität, denn die elektromotoriſche Kraft trennt immer von neuem Mengen poſitiver und nega— tiver Elektricität. — Anders verhält ſich die Elektricität auf dem Konduktor einer Elektriſiermaſchine, die ſich z. B. in der Weiſe demonſtriert, daß zwiſchen dem Konduktor und einem demſelben gegenüberſtehenden mit der Erde in leitender Verbindung ſtehenden Leiter ein elektriſcher Funke überſpringt. Der letztere ſtellt den Ausgleich der entgegengeſetzten Elektricitäten des meiſten der zu erörternden Fälle als eine ſehr weitgehende Konduktors und des zweiten ihm gegenüber befind— lichen Leiters dar. Die Elektricität in dieſem Strome hat ein ſehr ſtarkes Gefälle, ihr kommt eine große Spannung zu, doch iſt die Menge der in dieſem Doppel— ſtrome fließenden Elektricitäten eine beſchränkte, eine im Verhältniſſe zu der im früher erwähnten Strome kurſierenden geringe. 138 Humboldt. — April 1885. Planté hat nun mittes einer zweckmäßigen Kuppelung der nach ihm benannten Aceumulatoren erreicht, daß ein Strom dynamiſcher Elektricität be- deutende Spannung erhielt; er hat gezeigt, daß ſeine Sekundärelemente das Problem in bequemer Weiſe zu löſen geſtatten, Elektricität geringer Spannung, alſo Voltaſche Elektricität, in ſolche von hoher Spannung zu transformieren und dieſe Anwendung der Accumulatoren iſt es, welche wenigſtens dem Principe nach im folgenden ſkizziert werden ſoll. Bekanntlich kann ein Sekundärelement als ein Voltameter betrachtet werden, in welchem die beiden Elektroden durch einen ſogenannten Ladungsſtrom (Planté wendet einen ſolchen an, wie ihn zwei Bun ſenſche Elemente liefern) chemiſch und elektriſch different gemacht werden. Daß Plants in ſeinen Sekundärelementen Bleiplatten anwendete, welche in durch Schwefelſäure angeſäuertem Waſſer ſich befinden, daß ferner — um den möglichſt größten Effekt zu erzielen — eine eigentümliche einleitende Behandlung, die Formation oder Präparation der Bleiplatten, ſich notwendig erweiſt, iſt zur Genüge bekannt; er⸗ wähnt ſei nur, daß die elektromotoriſche Kraft eines Planté ſchen Accumulators zu 1,45 bis 1,5 der eines Elementes von Bunſen gefunden wurde, wobei aber bemerkt werden ſoll, daß dieſe Zahlen nur nach Unterbrechung des Ladungsſtromes gelten, daß aber zwei bis drei Minuten nach letztgenanntem Vorgange, auch dann, wenn der ſekundäre Strom geöffnet iſt, die elektromotoriſche Kraft des Sekundärelementes merklich geſchwächt erſcheint und ſich zu ungefähr 1,17 der eines Bunſenſchen Elementes erweiſt. Bedenkt man ferner, daß der Widerſtand eines Sekundär⸗ elementes ein ſehr geringer iſt (in den diesbezüglichen Verſuchen Plantés fand letzterer, daß der Wider- ſtand in den Sekundärelementen von verſchiedenen Dimenfionen dem von 2m bis 5 m Kupferdraht von I mm Durchmeſſer gleichkam), fo erkennt man un⸗ ſchwer, daß die Intenſität des Polariſationsſtromes, d. h. die Quantität der in der Zeiteinheit durch den Ver- bindungsdraht der beiden Pole geſchickten Elektricität eine beträchtliche iſt und daß man unter paſſend ge- wählten Schaltungen von Accumulatoren bedeutende Spannungen erzielen kann. Zur Erreichung dieſes Zweckes werden die Sekundärelemente zunächſt mit ihren gleichnamigen Polen vereinigt, d. h. auf Quantität gekuppelt, ſodann die Ladung mittels zweier Bunſenſchen Elemente vollzogen; bei der Entladung werden die ſo geladenen Elemente hinter— einander oder nach Intenſität geſchaltet, alſo mit ihren entgegengeſetzten Polen aneinander gefügt, was am bequemſten durch eine von Plants erdachte Kommutationsvorrichtung erreicht werden kann. Dabei tritt eine Addition der elektromotoriſchen Kräfte der einzelnen Sekundärelemente ein und es iſt erſichtlich, daß auf dieſe Weiſe das Problem der Transforma— tion niedergeſpannter Elektrieität in ſolche von ſtarker Spannung gelöſt werden kann. Selbſt⸗ verſtändlich iſt bei dieſem Umwandlungsprozeſſe keine Arbeit oder Energie gewonnen worden; die elektriſche Energie eines Leiters mißt man durch das halbe Produkt aus der auf demſelben befindlichen Elektrici⸗ tätsmenge und dem Potentiale desſelben. Beſitzt alſo eine Sekundärbatterie eine ungleich weit größere elektromotoriſche Kraft als die beiden ladenden Bunſenſchen Clemente, fo iſt andererſeits die Elek— tricitätsmenge, welche bet der Entladung der Sekundär— batterie in dem Stromkreiſe abfließt, geringer, der Elektricitätsfluß hält kürzere Zeit an, als bei An⸗ wendung der Bunſenſchen Elemente. Wenn alſo geſagt wird, der Effekt von einer aus 20 Elementen beſtehenden Sekundärbatterie ſei äquivalent jenem einer aus 30 Bunſenſchen Elementen zuſammen⸗ geſetzten Batterie, ſo iſt nicht gleichzeitig damit geſagt, daß eine 20elementige Sekundärbatterie, deren Ladung durch zwei Bunſenſche Elemente eine Stunde dauerte, eine Stunde hindurch bei der Entladung den Strom von 30 Bunſenſchen Elementen liefert. Planté hat auch durch mehrere ſorgfältige Verſuche feſtgeſtellt, daß bei der Ladung ungefähr 11 bis 12 Prozent chemiſche Arbeit verloren gehen oder — beſſer geſagt — im Entladungsſtrome der Sekundärbatterie nicht mehr enthalten find. Es muß bei allen diesbezüg⸗ lichen Betrachtungen daran feſtgehalten werden, daß durch die Accumulatoren keinerlei Arbeitsgewinn, ſondern nur eine Aenderung in der Form der Leiſtung bewerkſtelligt werden kann. In ſeinem Laboratorium in der Rue de Tour- nelles zu Paris hat nun Plants mittels dynamiſcher Elektricität im Zuſtande ſehr hoher Spannung (er kuppelte 200, 400, 600 ja auch 800 Sekundärelemente nach Intenſität) ſeine berühmten Verſuche gemacht, von denen in den nachfolgenden Zeilen nur jener Erwähnung geſchehen ſoll, welche ſich bei der Er— klärung gewiſſer Naturerſcheinungen, wie der Kugel- blitze, der Tromben, des Hagels, der Nord— lichter, der Sonnenflecke u. ſ. w. nutzbringend erweiſen. I Was in erſter Linie die ſeltenen Kugelblitze betrifft, ſo reichen die Beobachtungen derſelben weit zurück. Alle Beobachtungen ſind aber darin in Ueber⸗ einſtimmung, daß die Kugelblitze ſich als Feuerkugeln zeigen, welche ſich verhältnismäßig langſam bewegen und deren Erſcheinen von einem eigentümlichen Brauſen begleitet iſt. Die Umriſſe der erwähnten Feuerkugeln ſind in der Regel verſchwommen, die Größe derſelben iſt variierend, zumeiſt der einer Kanonenkugel naheſtehend. Plants hat eine Erſcheinung mittels der hoch— geſpannten Ströme hervorgerufen, welche eine Theorie der Kugelblitze in leichter Weiſe aufzuſtellen er⸗ möglichen. Es wurde ein Voltameter mit angeſäuertem Waſſer (entweder durch Schwefelſäure oder durch Salz) angewendet; der von einer aus 200 Elementen zuſammengeſetzten Sekundärbatterie kommende poſi— tive Poldraht wurde in die Flüſſigkeit zunächſt getaucht, der negative Polardraht wurde dem Niveau der Flüſſigkeit genähert; dieſer Draht wurde Humboldt. — April 1885. 139. geſchmolzen oder verflüchtigt, wobei ſich eine Art Exploſion hörbar machte und gleichzeitig eine Flamme ſich zeigte, deren Färbung von der Natur des Me— talles abhing, aus dem die Elektrode verfertigt war. Die Funken wurden an Lichtintenſität lebhafter, ihr Geräuſch nahm zu, je mehr man den Säuregehalt der Flüſſigkeit verminderte, um die vollſtändige Schmelzung des Metalles zu verhindern. — Taucht man aber zuerſt den negativen Poldraht in die Flüſſigkeit und nähert man nun dem Niveau der letzteren den poſitiven Poldraht, ſo zeigt ſich kein Schmelzen des Drahtes, ſondern es bildet ſich am Ende des letzteren eine kleine leuchtende Kugel, deren Erſcheinen von einem eigentümlichen Brauſen begleitet iſt. Dieſe Kugel wird größer, ſie erreicht ſogar einen Durchmeſſer von Lem und nimmt gleich— zeitig eine ſehr raſche Rotationsbewegung an. Infolge der letzteren erſcheint die Kugel bald als ein ab— geplattetes Ellipſoid, welches gegen den negativen Pol verlängert iſt und ſchließlich verſchwindet, wenn die beiden Elektroden eine nur geringe Entfernung haben. Iſt der negative Polardraht wenig in die Flüſſigkeit getaucht, ſo entſteht gleichzeitig an dem— ſelben ein knatternder Funke. Nachdem die Er— ſcheinung dieſe Stadien durchgemacht hat, rufen ſich dieſelben von neuem hervor, ſo daß man von einer gewiſſen Intermittenz in dem Phänomene ſprechen kann. Mit Vorteil wendete Planté zu dem er— wähnten Verſuche eine Salzlöſung ſtatt angeſäuertem Waſſer an; es wurden auf dieſe Weiſe die Säure— dämpfe vermieden, andererſeits wurde der Widerſtand im Stromkreiſe ein wenig vermehrt. — Bezüglich der Rotationsbewegung der Feuerkugel ſei noch bemerkt, daß die erſtere bald in dem einen bald in dem anderen Sinne vor ſich geht. Plants ſchreibt dieſe Er— ſcheinung einer Reaktionswirkung — ähnlich wie bei dem Segnerſchen Waſſerrade — hervorgerufen durch eine elektriſche Strömung in der Flüſſigkeit zu; die Bewegung erfolgt in der einen oder anderen Richtung je nach der Lage desjenigen Oberflächenpunktes der Kugel, an welchem ſich das erſte Ausfließen des Stromes vollzieht, welches auch mit Dampfentwicklung begleitet iſt; daß letztere bei der rotatoriſchen Be— wegung der Kugel eine wichtige Rolle ſpielt, ſcheint ſehr wahrſcheinlich zu ſein. — Das lebhafte Licht, welches die Kugel ausſtrahlt, ſtammt aus der Be— rührung derſelben mit der übrigen Flüſſigkeit. Das Brauſen beim Entſtehen der Erſcheinung verdankt ſein Entſtehen der Kondenſation des Dampfes, welcher fic) rings um die Elektrode bildet, in der Flüſſigkeit. Die früher erwähnten Intermittenzen erklären ſich leicht durch die Aſpiration der Flüſſigkeit bei der Bildung der Feuerkugel; zufolge derſelben kommt die negative Elektrode, welche ohnehin nur wenig in die Salzlöſung tauchen darf, außer Berührung mit der Flüſſigkeit; der Strom wird für einen Augenblick unterbrochen, gleichzeitig entſteht ein Unterbrechungs— funke am negativen Pole, es fällt nun die Flüſſigkeit der Kugel in das Voltameter zurück und die Er— ſcheinung tritt von neuem auf. Daß eine derartige Aſpiration der Flüſſigkeit in der That ſtattfindet, hat Planté an anderen Experimenten gezeigt; fo wurde z. B. in einer ſchmalen Röhre, welche in die Flüſſigkeit des Voltameters tauchte und die poſitive Elektrode umgab, die Flüſſigkeit in die Höhe geſaugt. Daß die in den oben erörterten für eine Theorie der Kugelblitze wichtigen Verſuchen aſpirierte Flüſſigkeit die Kugelgeſtalt annimmt, hat ſeinen Grund darin, daß die materiellen Teilchen der Flüſſigkeit ſich immer derart aneinander zu ordnen ſtreben, daß der entſtandene Tropfen die kleinſtmögliche Oberfläche beſitzt, und dies iſt bei gleicher Anzahl der aſpirierten Teilchen die Kugelfläche. An der Berührungsſtelle der Kugel und der Voltameterflüſſigkeit entwickelt ſich eine mächtige Dampfbildung, durch welche die ringsum befindliche Luft verdrängt wird; dieſem Umſtande muß es auch zugeſchrieben werden, daß der äußere mächtigere Luftdruck die Flüſſigkeit an der Berührungsſtelle in die Höhe treibt, und auf dieſe Weiſe die ſoeben be— ſprochene Aſpiration der erſteren zuſtande kommt. Die nun ausführlich beſchriebenen Stadien des Verſuches kann man auch an den Kugelblitzen beobachten. Zur Entſtehung derſelben iſt eine quan— titativ und qualitativ mächtige Elektricitätsſtrömung notwendig. Sie find nach der Anſchauung Plantés aus verdünnter glühender Luft und aus jenen Gaſen gebildet, welche ihr Entſtehen der Zerlegung des Waſſerdampfes verdanken; auch dieſe Gaſe befinden ſich im Zuſtande großer Verdünnung und in Glüh— hitze. Nach den oben erörterten Experimenten ſcheint es, daß zur Bildung der Kugelblitze eine Waſſerfläche unumgänglich notwendig iſt. In der That hat man die Beobachtung gemacht, daß feuchte Luft die Bildung dieſer Naturerſcheinung begünſtigt, daß die letztere vorzüglich dann zuſtande kommt, wenn der Boden durch einen intenſiven Regen befeuchtet oder ſogar überſchwemmt wurde. Uebrigens iſt — wie Planté experimentell erwieſen hat — das Entſtehen von elektriſchen Feuerkugeln nicht immer an eine Waſſer— oberfläche geknüpft. Die Gegenwart von Waſſer oder Waſſerdampf erleichtert aber entſchieden deren Bildung, oder veranlaßt wenigſtens ein größeres Volumen derſelben. Wie wir oben bemerkt haben, iſt die kugelförmige Aneinanderlagerung der materiellen Teilchen eine Folge der Aſpiration, welche durch den Durchgang des elek— triſchen Stromes hervorgerufen wurde. Plants ver— gleicht treffend die Feuerkugeln mit der Erſcheinung, welche im ſogenannten elektriſchen Ei erzeugt werden kann; daß der Lichtſchimmer des Phänomens ein ſo bedeutender iſt, rührt unzweifelhaft daher, daß die Quantität der ſtark geſpannten Elektricität eine große iſt; immerhin iſt es aber auch möglich, ja ſogar wahrſcheinlich, daß das Glühphänomen durch das Leuchten kosmiſcher Partikelchen vermehrt wird; außer den organiſchen Teilchen ſind es auch Mineralſtoffe, welche durch die heftige elektriſche Entladung ins Glühen geraten und ein intenſives Licht ausſtrahlen. Die Variation in der Farbe der Feuerkugeln iſt eine Folge der wechſelnden hygrometriſchen Verhältniſſe 140 zumboldt. — April 1885. * der Atmoſphäre und wohl auch der Quantität der ins Spiel tretenden Elektricität. Wenn beiſpielsweiſe der Waſſerdampf in großer Menge in der Atmoſphäre vorhanden iſt, ſo erhält die Feuerkugel eine rötliche Farbe, welche von dem glühenden durch Diſſociation entſtehenden Waſſerſtoff herrührt; dies iſt insbeſondere dann der Fall, wenn der Entladungsſtrom ſehr in— tenfiv iſt, weil dann die Diſſociation möglichſt voll- ſtändig erfolgt. Findet das letztere nicht ſtatt, dann wird die Farbe der Feuerkugel blau oder violett, herrührend von der glühenden verdünnten Luft. Wie früher betont wurde, iſt die Erſcheinung der Kugelblitze von einem eigentümlichen Brauſen begleitet, ähnlich jenem, welches in dem Experimente hörbar iſt; dieſes verdankt ſein Entſtehen der raſchen Dampfbildung. Plants hat aus der vollſtändigen Analogie der beiden Erſcheinungen, der Laboratoriumserſcheinung einerſeits, der Naturerſcheinung andererſeits den Schluß gezogen, daß die Elektricität der Feuer⸗ kugeln pofitiv iſt, alſo dasſelbe Zeichen hat, wie die Luftelektricität bei Gewittern. Die unter der Form von Feuerkugeln erſcheinenden Kugelblitze bewegen ſich langſam; die Erklärung dieſes Umſtandes hat der franzöſiſche Forſcher in folgender geiſtvoller Weiſe gegeben: Würde man die in dem Laboratoriumsverſuche dienende poſitive Elektrode be— wegen, ſo würde die am Ende der letzteren auftretende Feuerkugel ebenfalls ſich mit der Elektrode fortbewegen. Die in der Naturerſcheinung auftretende Elektrode iſt eine Säule von ſtark elektriſierter feuchter Luft und es erfolgt der Ausfluß der Elektricität aus dieſer Säule gegen die negative Erde unter der Geſtalt der Feuerkugel; begreiflicherweiſe veranlaßt die Bewegung dieſer Wolkenelektrode eine Bewegung der an ihrem Ende entſtandenen Feuerkugel und die Geſchwindigkeit der letztgenannten Bewegung iſt identiſch mit jener der Wolkenſäule. Aber auch dann, wenn keine Verrückung der elektriſierten Säule feuchter Luft ſtattfindet, kann eine langſame Bewegung der Feuerkugel zuſtande kommen. Planté hat nämlich gezeigt, daß wenn man die beiden Pole einer aus 800 Elementen be— ſtehenden Sekundärbatterie mit den Belegungen eines Kondenſators verbindet, deſſen iſolierende Subſtanz aus Glimmer iſt, derſelbe bei der Entladung Funken geben kann, welche jenen der ſtatiſchen Elektricität analog ſind, daß ferner, wenn die Glimmerſchichte eine ſehr dünne Stelle oder Riſſe beſitzt, an dieſen Orten bei der elektriſchen Entladung ein Durchbohren des Glimmers ſtattfindet, daß alsdann der Funke eine kleine, ſehr hellleuchtende Kugel bildet, welche unter eigentümlichem Geräuſch ſich langſam bewegt und auf dem Stanniol der Belegungen des Konden— ſators eine tiefe, geknickte und unregelmäßige Furche zieht. Die Wärmeintenſität dieſes Funkens iſt ſo bedeutend, daß das Metall und auch die iſolierende Subſtanz des Kondenſators ins Schmelzen gerät. Der Weg, den die leuchtende Kugel einſchlägt, iſt von dem mehr oder weniger großen Widerſtande der einzelnen Teile der iſolierenden Lamelle abhängig. Dieſes ſoeben beſchriebene Phänomen wendet Planté an, um den langſamen Gang der Kugel- blitze in einer zweiten Weiſe zu erklären. In der Atmoſphäre können nämlich die Beſtandteile eines Kondenſationsapparates vorhanden ſein: eine Schichte oder Säule von feuchter, ſtark elektriſierter Luft ſpielt die Rolle der oberen Belegung des Kondenſators, der Erdboden jene der unteren Belegung und die dazwiſchen befindliche Luftſchicht ſtellt die iſolierende Lamelle dar. Wird nun dieſe iſolierende Luftſchicht von einer Elektricitätsſtrömung durchſetzt, ſo entſteht zwiſchen dem Erdboden und der als obere Belegung fungierenden feuchten Luftſchicht eine leuchtende Blitz— kugel. Dieſelbe bewegt ſich ebenſo wie in dem vorhin erwähnten Verſuche zwiſchen der oberen und unteren Belegung des Kondenſators, ohne daß eine Verrückung der Elektroden oder der Belegungen ſtatthat. Ein Unterſchied beſteht gleichwohl zwiſchen den beiden Erſcheinungen, die miteinander verglichen wurden; in der erſten iſt es eine Kugel aus ſchmelzendem feſtem Materiale, welche zufolge des hohen Wärme— grades dem Auge als Blitzkugel erſcheint; im zweiten Falle ſind es glühende Gaſe, welche dieſelben haz nomene darbieten. Daß manche Kugelblitze mit einem eigentümlichen Brauſen, andere wieder geräuſchlos verlaufen, ſchreibt Plants einer verſchiedenen Dicke der iſolierenden Luftſchicht und einer verſchieden intenſiven Elektricitäts⸗ ſtrömung zu; iſt nämlich die iſolierende Luftſchicht zu dick und die ins Spiel tretende Elektricitätsmenge beſchränkt, ſo hört der elektriſche Abfluß bald auf und der Kugelblitz verſchwindet ohne Geräuſch; nähert ſich aber die elektriſierte Wolke der Erde oder nimmt die Elektricität der Gewitterwolken zu, dann erfolgt der Abfluß der Elektricitäten unter einem donner⸗ ähnlichen Brauſen. Zuweilen nimmt man an den Kugelblitzen eine wirbelnde Bewegung wahr; dieſelbe iſt ganz analog jener, welche Plants in ſeinen Verſuchen beobachtete; ſie reſultiert aus der Reaktion, die eine Folge des Ausſtrömens der Elektricitäten iſt. Außer den einfachen Kugelblitzen hat man manchmal Blitze geſehen, die aus einer größeren oder geringeren Anzahl von Feuerkugeln zuſammengeſetzt erſcheinen, welche perlſchnurartig aneinander gereiht ſind und die aus dieſem Grunde Planté als éclairs en chapelet bezeichnet. Wir wollen fie im nach— ſtehenden kurz „Schnurblitze“ nennen. Dieſelben entſtehen durch das Abfließen einer größeren Elek— tricitätsmenge, als ſie zur Hervorrufung gewöhnlicher Blitze notwendig iſt. Dieſe Blitze ſind meiſt von ſtarkem Donner begleitet, der eine Folge der mächtigen Verdampfung der vom elektriſchen Strome getroffenen Flüſſigkeit iſt. Plants beſchreibt mehrere Schnur— blitze, welche er teils ſelbſt beobachtete, teils von zu— verläſſiger Seite beobachtet erfuhr. Nach Planté ſcheinen die Schnurblitze den Uebergang zwiſchen den gewöhnlichen Blitzen und den Kugelblitzen zu bilden. Schon mit einer 20elementigen Sekundärbatterie konnte Plants einen Stahldraht von 0,6 m Länge ſchmelzen; 7 Humboldt. — April 1885. 141 dieſe Schmelzung iſt begleitet von der Bildung einer Schnur kleiner geſchmolzener Metallkugeln, die ſichtbar werden, wenn man den Draht mittels eines ge— ſchwärzten Glaſes betrachtet. Noch einige Bemerkungen über die öfters ſtatt— findende Unwirkſamkeit der Blitzableiter im Falle von Kugelblitzen. Das Erſcheinen eines ſolchen Blitzes deutet jederzeit den Beginn eines mächtigen und kontinuierlichen Elektricitätsabfluſſes aus der Gewitter— wolke an und zwar an einer beſonderen Stelle; es iſt leicht begreiflich, daß die durch die Nähe eines Blitzableiters erzeugte Influenzwirkung den einmal beſtimmten Elektricitätsfluß at hemmen kann. Der letztere kann Grund großer Verheerungen ſein; wenn auch in der Beſchreibung verſchiedener beobachteter Kugelblitze zumeiſt erwähnt iſt, daß dieſelben ſich äußerſt langſam bewegen, fo daß denſelben leicht ausgewichen werden kann, ſo ſind ſie — wie eben— falls die Erfahrung lehrt — von großer Gefährlichkeit für die von ihnen getroffenen Gegenſtände. Um der Bildung des an einer Stelle ſtattfindenden bedeuten— den Elektricitätsfluſſes vorzubeugen, würde es ſich empfehlen, Blitzableiter mit vielen Spitzen anzuwenden, wie ſie von Melſens und Perrot konſtruiert und mit Erfolg angewendet wurden. Einige Verſuche, welche Plants mit hochgeſpannten Strömen angeſtellt hat und von denen ſpäter die Rede ſein wird, deuten unzweifelhaft darauf hin, daß die negative Elektrieität nicht in einem einzigen Strome gegen die poſitive Elektricität, mit der ſie ſich auszugleichen ſtrebt, ab— fließt, ſondern in vielen von einer Stelle ausgehenden divergierenden Richtungen; die Blitzableiter von Melſens, welche er in Brüſſel aufſtellte, ſind dem Erwähnten entſprechend aus einem das Gebäude umhüllenden Netze, welches mit Drahtſpitzen verſehen iſt, konſtruiert. Durch dieſelben kommt man jeden— falls einer heftigen Entladung der Kugelblitze zuvor. III. Auch den Erſcheinungen des Hagels und der Erklärung derſelben wendet Planté ſeine Auf— merkſamkeit zu. Das Experiment, welches er als Analogie der Hagelphänomene betrachtet, ſtellt er in folgender Weiſe on Wenn man in einem mit Salz— löſung gefüllten Voltameter die negative Elektrode einer Sekundärbatterie von 400 Elementen zum Ein— tauchen bringt, die poſitive Elektrode ſodann auf die Oberfläche der Flüſſigkeit ſetzt, ſo entſpringen dem mit der Flüſſigkeit in Berührung ſtehenden Ende derſelben unzählige Waſſerpartikelchen, die die Form von Ovoiden haben und über die Flüſſigkeit „mehr als einen Meter hoch geſchleudert werden. Der Entladungsfunke zeigt ſich in dieſem Falle an der Flüſſigkeitsoberfläche unter der Form einer Krone oder einer Aureole, welche mit vielen aus der Oberfläche herausſtehenden Spitzen behaftet iſt. Es it, wie Plants im Laufe ſeiner Unterſuchungen nachgewieſen hat, nicht notwendig, zu dieſem Behufe eine poſitive Elektrode aus Metall anzuwenden, es Humboldt 1885. Oberfläche der erörterten elektriſchen Prozeß zu betrachten; genügt hierzu ein Platindraht, welcher an ſeinem unteren Ende ein Stück Filtrierpapier, befeuchtet mit Salzlöſung, trägt, das der Flüſſigkeit des Volta— meters nahe gebracht wird. Die eben erwähnte Aureole wird prächtiger, wenn die Tiefe der Flüſſigkeit eine ſehr geringe iſt; es treten dann an die Stelle der Flüſſigkeitsteilchen, welche von der Flüſſigkeitsober— fläche ausgeſchleudert werden, reichliche Dampfſtröme; während früher die elektriſche Energie vorzugsweiſe in mechaniſche Energie verwandelt wurde, wird nun ein Umſatz der erſteren in thermiſche Energie herbei⸗ geführt. Planté glaubt nun, daß in der Natur ein dem beſchriebenen ganz analoger Effekt ſich hervorrufen könne, wenn ein ſtark elektriſcher Luftſtrom oder eine Wolke in eine andere Wolkenmaſſe eindringt, die entweder im natürlichen Zuſtande ſich befindet oder weniger ſtark elektriſch iſt. Der Einwendung gegen dieſe Anſicht, welche leicht gemacht werden kann, daß nämlich bei dem oben beſchriebenen Verſuche eine Flüſſigkeit eine wichtige Rolle ſpielte, begegnet Plant in der Weiſe, daß er ſagt, die Kohäſion der Wolken— ſchichten in höheren Regionen, welche — wie genugſam bekannt — aus ſehr kleinen und ſehr leichten Eis— kryſtallen (man erinnere ſich an die Cirrus-Wolken unſerer Gegenden) beſtehen, komme jener einer Flüſſigkeitsmaſſe, die in der Atmoſphäre ſuſpendiert iſt, äußerſt nahe. Es ſei alſo ganz gut denkbar, daß unter dem Einfluſſe der hochgeſpannten Elektricitäts— quelle, wie ſie die Wolke darſtellt, das Waſſer der Eiskryſtalle, welche verflüſſigt und an den Stellen der elektriſchen Entladungen zerſtäubt werden, in der Form von kleinen Kügelchen, welche bei der niedrigen Temperatur der oberen Luftſchichten fofort wieder zuſammenfrieren, herumgeſchleudert wird. So könnte man den Hagel aus der Kongelation des Waſſers der zerſtäubten und durch die elektriſche Ent— ladung verdampften Wolken, welch erſtere in den hohen und kalten Regionen der Atmoſphäre erfolgt, entſtanden denken. Es hängt von der größeren oder geringeren Wolkendichte ab, ebenſo auch von der Elektricitätsmenge, ob die kaloriſchen oder die mecha— niſchen Effekte prädominieren. Der im erſteren Falle entwickelte Dampf erleidet zunächſt eine Kondenſation, das entſtandene Waſſer wird hierauf derart abgekühlt, daß Hagelkörnern entſtehen. Das Auftreten des Hagels bietet eine Reihe von Nebenerſcheinungen, und es iſt unſere Aufgabe, nach— zuſehen, ob die elektriſche Theorie des Hagels, wie fie Plants aufſtellte, imſtande iſt, auch dieſe Nebenerſcheinungen genügend aufzuklären. Die vehementen Bewegungen, denen die Hagel— wolken ausgeſetzt ſind, die meiſt ungemein raſch vor ſich gehende Verwandlung der Cirruswolken in die Nimbusform, finden ihre natürliche Erklärung in der raſchen, durch die kaloriſche Wirkung der elektriſchen Entladung bewirkten Dampfbildung; ebenſo ſind die abenteuerlichen Formen der Hagelwolken, die zackig und zerriſſen ausſehen, als ein Beweis für den oben denn 19 142 Humboldt. — April 1885. Plants hat gezeigt, daß ein mit der negativen Elek— trode einer Sekundärbatterie in leitende Verbindung gebrachtes feuchtes Filtrierpapier an der der nahe— gebrachten poſitiven Elektrode zunächſt liegenden Stelle durchbohrt und die Randungen der Oeffnung zackig aufgeworfen ſich zeigten. Die Papierzacken waren jedesmal gegen die poſitive Elektrode gerichtet. Das eigentümliche Brauſen, welches dem Hagel vorangeht oder denſelben begleitet, rührt nach der elektriſchen Theorie der Naturerſcheinung unzweifelhaft von dem Eindringen der Elektricitätsſtrömung in die Wolke und der Zerſtäubung und Verdampfung des Waſſers her. Die Hagelwetter find entweder von Blitzen be- gleitet oder es fehlen alle Anzeichen elektriſcher Mani— feſtationen. Im erſten Falle iſt die hochgeſpannte Elektricität in bedeutender Quantität vorhanden, im letzteren Falle beſitzt die Elektricität, welche die Hagel— erſcheinung hervorruft, wohl eine große Spannung, aber eine geringe Quantität. Der oben erwähnte Verſuch, welchen Planté in ſeinem Laboratorium ausführte, zeigt in der That die Abweſenheit jeder Lichterſcheinung, wenn man nur geringe Quantitäten ſtarkgeſpannter Elektricität in Anwendung bringt, die Zerſtreuung des Waſſers in kugelförmige Par— tikelchen bleibt aber dieſelbe. Der Erwärmung durch die elektriſche Entladung in Form von Blitzen iſt der häufig beobachtete Um— ſtand zuzuſchreiben, daß inmitten eines Hagelterrains nur Regen fällt; ſeitlich erfolgt das Gefrieren der Waſſerpartikelchen, während an der Stelle der heftigſten elektriſchen Funkenentladung die Temperatur des Waſſers über dem Gefrierpunkt erhalten bleibt. Daß zuweilen Intermittenzen im Hagelfalle beob— achtet werden, kann in der Weiſe erklärt werden, daß die poſitive Wolkenelektrode nur intermittierend von feuchten Wolken umgeben iſt; jedesmal, wenn eine Zerſtäubung des Waſſers erfolgt iſt, tritt wegen Mangels des letzteren eine Pauſe ein, bis durch die Luftſtrömungen neuerdings waſſer- und dampfreiche Wolken dieſer Elektrode zugeführt werden. Was die Form der Hagelkörner anbelangt, ſo ſtimmt fie im weſentlichen mit jener überein, welche Plants in ſeinen Laboratoriumsverſuchen beobachtete. Als der franzöſiſche Forſcher zu ſeinem Experimente einſt eine faſt bis zum Siedepunkte erhitzte konzentrierte Löſung von ſalpeterſaurem Kali anwendete, ſah er die in der umgebenden Luft von gewöhnlicher Temperatur erſtarrten Tropfen dieſer Löſung in derſelben Geſtalt wie die Hagelkörner. Die Struktur der letzteren, die ihrer Größe nach variieren, iſt bekanntlich entweder eine ſtrahlenartige oder von der Art, daß ſich um einen weißen opaken Kern alternierend undurchſichtige und durchſcheinende Schalen bilden. Die erſteren Hagel— körner verdanken ihre Entſtehung einem unmittel— baren Gefrieren der zerſtäubten Waſſerpartikelchen, die an zweiter Stelle erwähnten Hagelkörner zeigen durch ihre Struktur, daß ihre Entwicklung ſucceſiv vor ſich ging. Die Erklärung dieſer eigentümlichen Bau— art der Hagelkörner hat ſeit Volta, welcher ſich mit | dieſem Gegenſtande eingehend beſchäftigte, das Inter⸗ eſſe und den Scharfſinn vieler Forſcher herausgefordert. Plants hat diesbezüglich ſeine Anſichten bereits im Jahre 1875 ausgeſprochen. Er glaubt, daß die Entſtehung des Phänomens durch ſucceſive Ver— dampfungen und Erſtarrungen bedingt werde, und daß eine Wirbelbewegung damit verbunden ſei. Der opake Kern (einer Schneeflocke ähnlich) deutet in der That darauf hin, daß die Kongelation des Waſſer— dampfes plötzlich erfolgte — liegt es ja im Charakter jeder rapiden Kryſtalliſierung, undurchſcheinende Kry— ſtällchen zu bilden. — Die Wirbelbewegung innerhalb der feuchten Wolke ruft um die entſtandene Schnee— flocke eine Eisſchicht hervor, deren Bildung langſamer erfolgte und welche aus dieſem Grunde durchſcheinend iſt. Zufolge einer neuen elektriſchen Entladung findet eine zweite Ausſtrömung von Dampf ſtatt, welcher um die früher erzeugte Eisſchale ſehr raſch kongeliert und die Entſtehung einer folgenden, undurchſichtigen Eisſchale zur Folge hat u. ſ. w. Die hierbei auf- tretenden Wirbelbewegungen erklärt Plants ebenfalls durch elektriſche oder — beſſer und ſpecieller aus- gedrückt — durch elektrodynamiſche Wirkungen. Es iſt an dieſer Stelle die Anzeige des diesbezüglichen Laboratoriumverſuches, welchen der berühmte fran— zöſiſche Phyſiker ausgeführt hat, notwendig, da er die Grundlage der Erklärung mehrerer anderen ſpäter zu beſchreibenden Naturerſcheinungen bildet. Plants verwendete als poſitive Elektrode eines mit Schwefelſäurehydrat gefüllten Voltameters einen Kupferdraht. Schickte er nun durch das Voltameter einen ſtark geſpannten Elektricitätsſtrom, ſo zeigte ſich eine Zuſpitzung der poſitiven Elektrode an ihrem in die Voltameterflüſſigkeit getauchten Ende, anderer— ſeits ging von dieſer Spitze ein Strom feingeteilten Kupferoxydes aus, der ſich in der Flüſſigkeit ver— breitete. Näherte man dem Voltameter einen Magnet pol, ſo ſchlugen die Oxydteilchen Spiralbewegungen ein und zwar umgekehrt der Uhrzeigerbewegung, wenn der genäherte Pol ein Nordpol war, im Sinne der Uhrzeigerbewegung aber, wenn dieſer Pol ein Südpol war. Die beſchriebene Erſcheinung, welche auch mit dem Strome von etwa 15 Bunſenſchen Elementen hervorgerufen werden kann, wird leicht erklärt, wenn man die Ampereſchen Geſetze der Wechſelwirkung zwiſchen Strömen und Magneten ſich vor Augen hält. Run ſind die Wolken oder Säulen feuchter Luft ſehr leicht in allen Richtungen beweglich und werden unter dem Einfluſſe des großen Erdmagneten eine heftige Wirbelbewegung annehmen, in welch letztere die entſtandenen Hagelkörner mitgeriſſen werden. Es iſt zuweilen an den Hagelkörnern ein eigen— tümlicher Lichtſchein beobachtet worden, der ſein Ent— ſtehen entweder der Reflexion der elektriſchen Funken an den Eisflächen verdankt oder als ein Phosphores— cenzphänomen zu betrachten iſt. Man erſieht aus dem Vorſtehenden, daß die Er— ſcheinungen des Hagels ſich unſchwer und ungezwungen aus der von Plants aufgeſtellten elektriſchen Theorie ergeben. (Schluß folgt.) Humboldt. — April 1885. 143 ee ee e Ge fll Ge L Don Dr. William Warfhall, Privatdozent an der Univerſität Leipsig. Wie Menſchen ſind in unſerer Einſeitigkeit, um nicht zu ſagen Selbſtſucht, gewohnt, den Wert oder Unwert unſerer Mitgeſchöpfe nach dem handgreif— lichen Nutzen oder Schaden, den ſie uns bringen, zu bemeſſen und danach unſer Verhältnis zu ihnen zu geſtalten. Ein Tier, das weder nutzt noch ſchadet, iſt der großen Menge ſehr gleichgültig, ja es wird eher noch gehaßt und verfolgt, als geliebt und gehegt, — ein wirklich oder auch nur vermeintlich ſchädliches Geſchöpf gilt nun gar für vogelfrei und ihm gegen— über iſt jegliche Willkür erlaubt, — nur ein nützliches hat einer wohlwollenden (d. h. egoiſtiſchen) Rückſichts— nahme unſererſeits ſich zu erfreuen und ihm allein wird eine gewiſſe Exiſtenzberechtigung nicht abge— ſprochen. Der Nutzen (in des Wortes weiteſter Bedeutung), den die Tierwelt der Menſchheit gewährt, iſt ein zweifacher: entweder ein ökonomiſch-materieller oder ein gemütlich-ethiſcher, je nachdem die Tiere direkt und indirekt zu unſeres Leibes Nahrung und Notdurft beitragen oder unſer Gemüt ergötzen und unſeren Sinn erheitern. Von direktem, materiellem Nutzen war urſprünglich nur das jagdbare Wild und der genieß— bare Fiſch, deren Fleiſch den Urmenſchen nährte, deren Fell und Haut ihn kleidete und deren Zähne, Geweihe, Knochen und Gräten er zu mannigfachen Utenſilien ſeines primitiven Haushaltes verarbeitete; aber mit der ſich ſteigernden Geſittung und der ſich ausbreitenden Kultivierung des Landes trat mit dem Wilde eine andere Tiergruppe in immer erfolgreichere Konkurrenz — die Haustiere. Von dieſen Haustieren wollen wir hier einmal nur die Vögel betrachten, aber bevor wir zu dieſer Betrachtung übergehen, ſei der Verſuch geſtattet, uns über den Begriff „Haustier“ klar zu werden. So leicht dies auch auf den erſten Blick erſcheint, ſo hat es doch ſeine beſonderen Schwierigkeiten, was daraus wohl am beſten erhellt, daß faſt jeder Forſcher, der ſich mit dem Weſen der Haustiere eingehender befaßt hat, dieſelben in ſeiner Weiſe definiert und ihren Umfang und ihre Anzahl nach ſeiner Anſchauung verſchieden bemißt. Wir wollen uns nun nicht dabei aufhalten, den Gründen dieſer abweichenden Anſichten nachzuſpüren und ihre größere und geringere Berech— tigung abzuwägen, ſondern es genug ſein laſſen mit folgender Definition: Haustiere ſind ſolche Tiere, welche in einer mehr oder weniger ſtarken Abhängig— keit vom Menſchen und in einer mehr oder weniger engen Gefangenſchaft reſp. Sklaverei ſich regelmäßig vermehren, — durch künſtliche, willkürlich oder unwill kürlich angewandte Zuchtwahl ihre innere Organiſa— tion, ihren äußeren Habitus und ihre Lebensgewohn— heiten ändern und Raſſen bilden, — und bei denen endlich neu auftretende, zum Teil ſpontan entſtehende, zum Teil angezüchtete Eigenſchaften, die in der freien Ratur, unter den normalen Exiſtenzbedingungen der Stammart, die baldige Vernichtung des Individuums im Kampfe ums Daſein nach ſich ziehen würden, ſich von Generation auf Generation vererben und befeſtigen können. Die beiden erſten charakteriſtiſchen Punkte ſind klar und bedürfen keiner weiteren Erläuterung, anders liegt die Sache mit dem dritten, meines Erachtens ſehr wichtigen. Wir Menſchen haben uns an die verſchiedenen Eigentümlichkeiten unſerer Haustierraſſen und ihrer Miſchlinge ſo ſehr gewöhnt, daß wir ſie nur ſelten vom Standpunkte der Selektionstheorie aus auf ihren Wert als Anpaſſungen oder meinetwegen vom Stand— punkte der Teleologie aus auf ihre Zweckmäßigkeit für die Tiere ſelbſt hin (beides kommt ſchließlich auf das nämliche heraus) zu prüfen pflegen. Es iſt aber in gewiſſem Sinne lohnend, dies einmal zu thun; wir werden finden, daß bei Haustieren eine ganze Reihe abnormer, ja krankhafter Bildungen, die be— ſonders das Skelett und das Hautſyſtem betreffen, ſich vererben und ſo neue Raſſen veranlaſſen können. Verkürzungen des Schädels, beſonders des Oberkiefers ſind bei Hunden, Schweinen, auch bei Rindern, Hühnern und domeſtizierten Fiſchen teilweiſe häufig zu beob— achten und für verſchiedene Raſſen ein Hauptkennzeichen, — aber es dürfte wohl keinem Zweifel unterliegen, daß ein King-Charles-Hund ohne menſchliche Pflege bald zu Grunde gehen müßte, ja es fragt ſich ſogar, ob ein ſo kräftiges, energiſches, aber einſeitig entwickeltes Tier, wie eine Bulldogge oder Boxer im freien Zu— ſtande die Eigentümlichkeiten ſeines Schädels durch eine Reihe von Generationen rein würde vererben können, denn von praktiſchem Werte für den Nahrungs- erwerb, um den ſich ſchließlich die Exiſtenz des Indi— viduums dreht, iſt jene Mißbildung ganz gewiß nicht und natürliche Zuchtwahl würde ſie wohl kaum einem Raubtiere angezüchtet haben. Auch die verkürzten und verkrümmten Beine der Dachshunde ſind ur— ſprünglich gewiß pathologiſcher Natur, vielleicht eine Folge der ſogenannten engliſchen oder einer ähnlichen Krankheit und wenn ſie uns als eine ausgezeichnete Erwerbung der Dächſel den Anforderungen gegenüber, die an ihre Leiſtungsfähigkeit geſtellt werden, erſcheinen, ſo dürfen wir nicht Urſache und Wirkung verwechſeln: 144 Humboldt. — April 1885. nicht durch die künſtlich angezüchtete Gewohnheit des Grabens und des Eindringens in Fuchs- und Dachs— bauten ſind die Beine nach und nach modifiziert, ſondern, da ſie einmal krankhaft in dieſer Richtung verändert waren, benutzte der Menſch die ſo beſchaffenen Hunde ſeinen Zwecken entſprechend und ſuchte die ihm nützlich gewordene Krankheitserſcheinung durch Generationen zu erhalten und zu befeſtigen. Eine wilde Hundeart mit derartigen eigentümlichen Extre— mitäten ließ eine ganz andere Lebensweiſe voraus- ſetzen, als ſie irgend eine der vorhandenen wilden Hundeformen beſitzt. Aus der ganzen Haustierreihe überhaupt ſind mir nur zwei Fälle gegenwärtig, in denen einem Tiere eine ihm ſelbſt nützliche Eigenſchaft angezüchtet wurde: der eine findet ſich bet den Waſſer— hunden, zwiſchen deren Zehen fic) Schwimmhäute ent— wickelt haben; der andere Fall betrifft die Eskimo⸗ Hunde, bei denen die Pfoten, infolge beſonderer Entwicklung ihrer Haare zu einer Art Schneeſchuh differenziert erſcheinen. Es iſt mir ſehr zweifelhaft, ob dieſe beiden Eigentümlichkeiten der künſtlichen Zuchtwahl ihr Entſtehen direkt verdanken oder ob ſie nicht vielmehr auf eine ſpontane Anpaſſung zurück— zuführen ſind. Zahlreich und bekannt genug find die Verän⸗ derungen, die das Hautſyſtem der Tiere unter Do— meſtikation erlitten hat; auf die bedeutenden Ver— ſchiedenheiten des Haarwuchſes, auf die Kahlheit der Haut, die bei Säugetieren, aber gelegentlich auch bei Vögeln, z. B. Tauben, auftritt, auf die ſonderbare korre⸗ lative Entwicklung langer Federn an den hinteren Ex— tremitäten gewiſſer Tauben- und Hühnerraſſen, — alles Erſcheinungen von negativem Werte für die betreffen— den wilden Stammarten, — will ich hier nicht ein— gehen, ſondern die Aufmerkſamkeit nur auf die Färbung lenken. Wenn an einem wilden, erwachſenen Tiere ver— ſchiedene Farben vorkommen, ſo ſind ſie faſt aus— nahmslos ſymmetriſch verteilt, nur ſehr wenig Formen weiſen ungleich verteilte Zeichnungen auf, z. B. unter den Säugetieren einige Seehunde, in hohem Grade der Hyänenhund (Lycaon pictus), der gefleckte Kuskus (Phalangista maculata), von den Reptilien einige Schlangen, unter den Amphibien der Feuer— ſalamander, unter den Fiſchen ſelbſtverſtändlich die nur einſeitig gefärbten Schollen, ferner einige Haie 2c., aber unter den Vögeln iſt mir keine wilde Art, unter den Inſekten nur eine oſtindiſche Schabe (Corydia Petiveriana Lin.) mit unſymmetriſcher Färbung be— kannt. Geſcheckte Abnormitäten ſonſt gleichmäßig ge— zeichneter oder einfarbiger wilder Tiere kommen zwar vor, ſind aber ſehr ſelten; auch in dieſen Fällen (3. B. an abnorm gefärbten Flügelfedern bei Vögeln) iſt eine gewiſſe Tendenz ſymmetriſcher Verteilung unverkennbar. Ganz anders liegt die Sache bei den domeſtizierten Tieren, ja es ſcheint ſogar, daß die Farbe das erſte iſt, was bei ihnen Veränderungen erleidet, wie es denn Formen gibt, die in ihrer Geſtalt und ſonſtigen Organiſation von der Stammraſſe noch gar nicht oder nur ſehr wenig abweichen, aber doch ſchon Schecken, d. h. Individuen mit aſymmetriſcher Farbenverteilung, die meiſt auf partiellem Pigmentmangel beruht, auf- weiſen, wie z. B. Pfau, Perl- und Truthühner. Aehnlich wie mit der ſcheckigen Färbung verhält es ſich mit dem Albinismus, jener merkwürdigen Hemmung in der Entwicklung der färbenden Pigmente. Albinos kennen wir ſo gut wie Schecken von allen Haustieren, überhaupt ziemlich von allen gezähmt ſich fortpflanzenden Tieren (z. B. Mäuſen, Ratten), bei manchen ſind ſie ſeltener, bei manchen häufiger, ja bei einzelnen werden ſie mit Vorliebe gezüchtet und vererbt ſich dieſe Eigenſchaft ſehr leicht. Auch bei wilden Tieren wird totaler Pigmentmangel (Albinismus) gelegentlich beobachtet, häufiger ſogar als partieller (Weißſchecken) und wahrſcheinlich gibt es kein durch Pigment gefärbtes Tier, bei dem er abſolut ausgeſchloſſen iſt. Wie kommt es nun, daß Albinos bei wilden Tieren von ſprichwörtlicher Seltenheit ſind, während ſie bei allen Haustieren und bei manchen ſo häufig auftreten? Iſt die Urſache hiervon etwa, wie man wohl gelegentlich behaupten hört, wirklich in einer Verzärtelung oder einer Art Degeneration der domeſti⸗ zierten Tiere zu ſuchen? Ich glaube nicht, wie ich überhaupt nicht an eine allgemeine Degeneration der Haustiere glaube. — Schecken und Albinos oder Kakerlaken werden unter der Nachkommenſchaft der wilden Tiere gerade ſo oft oder ſo ſelten wie unter derjenigen der gezähmten vorkommen, aber während der Menſch bei dieſen ſich ihrer annimmt, ihnen Schutz gewährt, ja mit einer gewiſſen Vorliebe fie zu ver⸗ mehren beſtrebt iſt, erreichen die wilden nur ganz ausnahmsweiſe ein höheres Alter. Faſt alle Tiere ſind in ihrer Färbung (wenn es ſich nicht um ſogenannte Schreck- oder Trutzfarben oder um Schmuckfarben des männlichen Geſchlechtes handelt) oft bei der größten Buntheit gewiſſen umgebenden Naturobjekten derart angepaßt, daß ſie nur wenig auffallend ſind, und ſie wiſſen in ihren Bewegungen und Stellungen von dieſer Eigenſchaft inſtinktiv den beſten Vorteil zu ziehen. Für einen ganzen oder teilweiſen Albino kommt dieſer eminente Vorzug in Wegfall, er, als der auffallendere, läuft viel mehr Gefahr, nachſtellenden Feinden zur Beute zu werden, als ſeine indifferent gefärbten Geſchwiſter, wie es denn eine bekannte Thatſache iſt, daß die Raubvögel aus den Flügen gezähmter Tauben immer erſt die weißen Individuen, die ſich viel beſſer markieren, herausholen. Ein weiterer nachteiliger Umſtand liegt für die Kakerlaken auch noch darin, daß in der Regel ihre Sinne, namentlich das Geſicht aber auch das Gehör (Katzen), in der Entwicklung zurückgeblieben ſind. Aber nicht allein beuteluſtigen Feinden fallen ſolche unglückliche Geſchöpfe leichter zum Opfer — nach einem grauſamen Naturgeſetz mögen ihre eigenen Brüder, ja Eltern ſie nicht unter ſich dulden und geben fie, wie alle kränklichen Stammesgenoſſen, dem Ver- derben preis, töten ſie wohl gar ſelbſt. Und wenn nun wirllich einmal ein oder der andere wilde Albino Humboldt. — April 1885. 145 das mannbare Alter erreicht, wie ſehr gering ſind die Chancen der Vermiſchung mit einem Albino des anderen Geſchlechtes und damit die Erzielung einer reinen Albinonachkommenſchaft für ihn; denn die Nachkommen eines Albinos und eines normal ge— färbten Exemplars ſind nur ſelten wieder Albino; bei der Hausmaus ſind ſie z. B. nach Max Braun ſemmelblond mit ſchwarzen Augen. Wenn man in dieſer Weiſe die Exiſtenzbedingungen der wilden und zahmen Albinos vergleicht, wird man ſich kaum über die Seltenheit der erſteren wundern, ohne eine Dege— neration der Haustiere annehmen zu müſſen. Nach dieſem langen, aber notwendigen Exkurs über das Weſen der Haustiere im allgemeinen kehren wir zu unſerem eigentlichen Thema, zur Betrachtung der domeſtizierten Vögel zurück. Wenn wir uns die nächſtliegende und natürlichſte Frage ſtellen: wie kam denn der Menſch eigentlich darauf, Vögel, die doch ſo flüchtige Kreaturen ſind, und die alt eingefangen verhältnismäßig ſo ſelten ge— deihen, zu domeſtizieren? ſo hapert es hier ſchon mit der Antwort und müſſen wir gleich von vornherein unſere Zuflucht zur Hypotheſe nehmen. Ich glaube nicht, daß der erſte Anſtoß zur künſtlichen Züchtung der Vögel durch den eventuellen direkten Nutzen, der dem Menſchen durch ſeine Pfleglinge erwuchs, wie etwa bei dem größten Teile der Hausſäugetiere, gegeben wurde, ſondern daß gerade hier gemütlich— ethiſche Momente das primum agens waren. Der Naturmenſch, namentlich in den Tropen, ſei es der Indianer am Amazonenſtrom, der Dajak auf Borneo oder der ſchwarze Sohn Afrikas, liebt es, nach dem übereinſtimmenden Berichte der meiſten Reiſenden, ge— zähmte Tiere um ſich zu haben und er beſitzt eine merk— würdige Fähigkeit in der Kunſt, ſie zu zähmen — der Menſch auf dieſer Stufe der Kultur oder Nichtkultur und das Tier ſtehen einander gemütlich näher, man möchte ſagen, ſie verſtehen ſich beſſer. Aus der großen Zahl von Vögeln, die der Naturmenſch an ſich atta— chiert hatte, werden bald einige und, mit Rückſicht auf unſere gegenwärtigen Haustiere, vielleicht zuerſt Taube und Huhn, deren Fleiſch und Eier er von ſeinen Jagdzügen her als ſchmackhaft kennen gelernt hatte, ſeine beſondere Aufmerkſamkeit auf ſich gezogen haben, er wird, nachdem er die leichte Zähmbarkeit dieſer Tiere einmal erkannt hatte, auf den Gedanken ge— kommen ſein, ſich für ſeine Pflege und für ſeine Beſchäftigung mit denſelben eine Gegenleiſtung zu nehmen, d. h. ſie und ihre Nachkommenſchaft gelegent— lich zu verzehren. Später wird er dieſe, wahrſcheinlich ſchon ſeit Hunderten, wenn nicht Tauſenden von Jahren gezüchteten Nutztiere auf ſeinen Wanderungen — nicht auf jenen gewaltigen Völkereruptionen, ſondern auf kleineren, mehr lokalen Verſchiebungen — mit ſich genommen und an nützlichen, zuerſt durch die Jagd als beſonders wohlſchmeckend erkannten Formen neuer Faunen das Experiment, das ihm einmal ſchon gelang, wiederholt haben und mit manchen, wie mit der Gans und der Ente, iſt es ihm in Wahrheit geglückt. So hat ſich der Beſtand des Hausgeflügels der Menſchen im Laufe der Zeiten an Arten vermehrt und wird ſich wohl noch weiter vermehren; zwar nicht jede Vogelart qualifiziert ſich zur Domeſtikation, es gibt ſprödere und ſchmiegſamere, aber bei vielen würde der Verſuch gewiß lohnen. Wer weiß, ob nicht unſere Nachkommen dereinſt aus jungen Papa— geien, die in hohem Grade wohlſchmeckend ſein ſollen, ihren Wöchnerinnen Kraftſüppchen kochen! — Wenn ich oben die Tauben in erſter Linie als uraltes Haustier anſprach, ſo ſind es mehrere Gründe, die mich hierzu veranlaſſen. Einmal war ſie, wie wir poſitiv wiſſen, ſchon vor ungefähr 5000 Jahren ein Haustier der alten Aegypter, die ſie ihrerſeits höchſt wahrſcheinlich in ſchon domeſtiziertem Zuſtande von den Indern erhielten, und aus jenen grauen Tagen kennen wir mit Sicherheit keine andere Hausgeflügelart; ferner bildet keine der letzteren auch nur entfernt ſo viel Raſſen und Unterraſſen, wie die Taube, keine zeigt eine ſolche Fülle der verſchiedenſten neuerworbenen reſp. angezüchteten Charaktere des äußeren und nament— lich des inneren Baues; bei keiner andern, das ſcheint mir ſehr bedeutſam und für eine ſehr lange Zeit der Domeſtikation zu ſprechen, dürfte ſich wohl ein Organ von ſo überaus großer Wichtigkeit, wie die Bürzel— drüſe, bis zum Verſchwinden rückgebildet haben. Am Ende des Rückens der meiſten Vögel, oben auf dem Becken liegt bekanntlich ein Paket eng vereinigter Drüſen, die der alte Staufenkaiſer Friedrich II. bei den Falken ſchon kannte und die nach ſeiner Anſicht ein Gift abſondern ſollten, mit dem die Raubvögel ihre Krallen ſalbten. Dies iſt freilich ihre Funktion nicht, ſie ſondern vielmehr eine an Fett (Aether— extraktſtoffen, Oelſäure, niedere Fettſäure) reiche Gub- ſtanz ab, mit der die Vögel ihr oberflächliches Gefieder zum Abhalten der Feuchtigkeit mittels des Schnabels einſchmieren. Nach einem Geſetz der Sparſamkeit, das in der Natur weit zu herrſchen ſcheint, haben viele Taubenraſſen dieſe Drüſen eingebüßt; es ſind die betreffenden Vögel durch den Menſchen in die Lage gebracht, etwaigen Einflüſſen von Regen auf ihr Gefieder durch Unterſchlüpfen in Schläge oder ſonſtige trockene Lokalitäten zu entgehen; damit verlor die Bürzeldrüſe ihre Bedeutung und, da ſie durch Tauſende von Generationen nicht benutzt wurde, endlich auch ihre Leiſtungsfähigkeit. Es läßt ſich nun, wie ich meine, gerade für die Tauben der von mir oben aufgeſtellte Satz, daß die älteſte Domeſtikation der Vögel urſprünglich auf das gemütlich-ethiſche und nicht auf das materiell-ökono— miſche Verhältnis zurückzuführen ſei, am beſten ver— teidigen. Noch heutigestages werden die Tauben der Hauptſache nach als Zier- und Luxustiere ge— halten, ja ein anſehnlicher Bruchteil der Tauben züchtenden Menſchheit, die griechiſch-katholiſchen Ortho— doxen, halten es für ein Sakrilegium, Taubenfleiſch zu eſſen, wie es höchſt wahrſcheinlich auch bei den alten Chriſten Sitte geweſen ſein dürfte; denn es iſt natürlich genug, einen Vogel, der als Symbol eines ſo hohen, religiöſen Begriffes gilt, wie es der heilige Geiſt für das Chriſtentum iſt, gleichſalls für heilig 146 Humboldt. — April 1885. zu halten. Und wenn wir uns im Altertum umſehen, ſo werden wir finden, daß auch damals die Tauben als heilige Vögel betrachtet wurden, und daß das ſpä— tere chriſtliche Symbol damals, und zwar der durch— aus nicht unſchuldigen Taubennatur weit angemeſſener, ein Symbol der Aphrodite war. Es iſt wahrſcheinlich, daß die Hochachtung, mit der die Tauben in ver— ſchiedenen italieniſchen Städten, in denen ſonſt wahr⸗ haftig von Pietät gegen Tiere traurig wenig zu ver- ſpüren iſt, noch heute angeſehen werden, ſchon aus den Tagen des klaſſiſchen Altertums und nicht erſt aus chriſtlicher Zeit ſtammt. Von den Griechen, vielleicht mit dem Aphrodite— kult, erhielten die Römer die domeſtizierten Tauben und führten dieſelben nebſt anderen Haustieren und Nutzpflanzen mit der Ausdehnung ihres Reiches und ihrer Kultur in die unterworfenen Länder ein, von wo aus ſie ſich faſt über ganz Europa und das civili— ſierte Nordamerika im Laufe der Jahrhunderte ver— breiteten. Es unterliegt aus vielen, hier nicht näher zu erörternden Gründen zur Zeit keinem Zweifel mehr, daß die einzige Stammart aller unſerer Taubenraſſen (faſt 200) die über Südoſteuropa, Nordafrika, Klein— aſien, durch Syrien, Paläſtina bis zum Himalaya in vielen Lokalvarietäten verbreitete Felſentaube (Co- lumba livia) iff. Es hat vielleicht ſeine tiefe Be- deutung, daß gerade dieſe Taube eine der wenigen, wenn nicht die einzige iſt, die in Felslöchern niſtet, denn dieſe Eigenſchaft qualifiziert ſie in hohem Grade zur freiwilligen Gefährtin des Menſchen. In Indien lebt ſie in halbwildem Zuſtande, wie auf den grauen Türmen unſerer Städte, zu vielen Tauſenden in den alten Rieſengebäuden, den zerfallenen Spuren einer längſt entſchwundenen Kultur; vielleicht, daß ſie ſchon in den Höhlungen der ſüdweſtlichen Abhänge des Himalaya-Gebirges zuſammen mit unſerem Urahn, dem Trogloditen, lange vor dem erſten Heraufdämmern der Geſittung, hauſte und ſich damals ſchon in dunkel ſympathiſchem Triebe dem Menſchen anſchloß! Es iſt übrigens die Felstaube nicht die einzige domeſtizierte Taube; auf einem kleinen Teil der Erde, der Inſel Formoſa, iſt die Lachtaube, und merkwürdig genug eine Albinoraſſe derſelben, zum wahren Haus— tier geworden und vertritt ganz unſere gewöhnliche Haustaube. Weit ſpäter als die Taube, aber doch als zweit— älteſter Hausvogel tritt das Huhn auf. Die alten Aegypter lernten es wohl kaum vor dem 6. oder 7. Jahrhundert vor unſerer Zeitrechnung kennen, aber chineſiſche Quellen geben an, es ſei vor cirka 3000 Jahren von Weſten aus nach China importiert, und wir werden wohl nicht fehlgreifen, wenn wir annehmen, daß es ſchon Jahrhunderte vorher ein Haustier der ſüdaſiatiſchen Völker geweſen iſt. Das Huhn, der Nachkomme des über ganz Indien und den Sundainſeln verbreiteten wilden Bankiva— huhns, iſt ein echt malayiſches Haustier, aber kaum ſeines Fleiſches und ſeiner Eier wegen zuerſt von den braunen Kindern der Tropen gezüchtet. Der Grund war ein anderer, ſehr merkwürdiger — er iſt in dem Sport der Hahnenkämpfe zu ſuchen. Die Malayen ſind leidenſchaftliche Liebhaber dieſer Kämpfe, ſo ſehr, daß dieſe grauſame Leidenſchaft zu einem wahren Laſter bei ihnen ausarten kann; erzählt uns doch Profeſſor Veth in einer Note der holländiſchen Ueberſetzung von Wallaces berühmtem Buch über den Indiſchen Archipel, daß kein Vergnügen bei den malayiſchen Völkerſchaften entfernt ſo beliebt ſei wie Hahnenkämpfe. Die holländiſche Regierung habe die⸗ ſelben, bei denen oft unſinnige Wetten entriert werden, in ihren Kolonien verboten, aber auf Java werden doch häufig genug auf entlegenen Plätzen ein paar Hähne gegeneinander losgelaſſen und in gewiſſen Diſtrikten Sumatras habe die Bevölkerung angefangen, ſich zu verlaufen, weil die Beamten das Verbot mit zu großer Energie durchzudrücken verſuchten. Noch heute werden von den Malayen wilde Bankivahähne ge— zähmt, weil ſie weit gewandter und kampfluſtiger als ihre domeſtizierten Vettern ſind. Auch bei den alten Indern werden dieſe Tierturniere oder Duelle wahrſcheinlich ſtark in Schwung geweſen ſein; als Nutztier dürften ſie die Hühner kaum gehalten haben, verbieten doch, ähnlich wie bei den alten Briten, die Geſetze des Manu (eirka 1000 v. Ch.) den Genuß des Fleiſches zahmer Hühner, während das der wilden zu verzehren erlaubt war. Es iſt Sicheres darüber nicht bekannt, wie und wann das Haushuhn nach Europa kam, aber mehrere Gründe ſprechen dafür, daß es auf doppeltem Wege geſchah: erſtens im 6. Jahrhundert über Kleinaſien (cep, dhe, perſiſcher Vogel) nach Griechenland und dem übrigen Südeuropa und von Oſten her zu den Germanen und Galliern. Die große Popularität, die der Hahn bei den letzteren genießt, ſcheint erſt aus dem Mittelalter zu datieren und zunächſt aus dem Gleichklang der Namen (Gallus = der Gallier und der Hahn) entſprungen zu ſein, wenn auch nicht ge— leugnet werden kann, daß der Charakter des Franzoſen und des Hahns eine ganze Reihe von Aehnlichkeiten zeigen. Als die napoleoniſchen Adler 1870 abge— wirtſchaftet hatten, ſuchten die heutigen Gallier, wie ihre Väter und Großväter von 1830 und 1789 das alte Sinnbild wieder aus der Rumpelkammer hervor; ich habe wenigſtens Seitengewehre von Franktireurs geſehen, deren Meſſinggriffe Hals und Kopf eines, wahrſcheinlich „revanche“ krähenden Hahnes, ſelbſt— verſtändlich mit mächtig geſchwollenem Kamme, dar— ſtellten. Wenn erzählt wird, die Engländer hätten im 14. Jahrhundert unter Eduard III., um die Franz zoſen zu verſpotten, zuerſt den Windfahnen die Geſtalt der Hähne gegeben, ſo beruht dies auf einem Irrtum; Wetterhähne werden ſchon aus dem 9. Jahrhundert erwähnt und ſie ſollen ein Sinnbild der geiſtlichen Wachſamkeit ſein. Von den übrigen domeſtizierten Hühnerarten ſind die Perlhühner und namentlich die Pfauen niemals eigentliche Nutztiere geworden und ſind nicht aus dem Zuſtande, als Ziervögel gehalten zu werden, herausgetreten. Humboldt. — April 1885. 147 Es iſt nicht überraſchend, daß ein ſo ſtattlicher, farbenprächtiger Vogel, wie es der Pfau iſt, bald die Aufmerkſamkeit und den Wunſch nach Beſitz bei den Menſchen erregte; indiſche Fürſten mögen ſchon in uralter Zeit Pfauen gehalten haben, und mit anderen Schätzen orientaliſcher Herrlichkeit kam der Vogel dann an den Hof des prachtliebenden Salomo, wie es im J. Buch der Könige (X, 22) heißt: „Denn das Meerſchiff des Königs kam in drei Jahren ein— mal und brachte Gold, Silber, Elfenbein, Affen und Pfauen.“ Von den ſemitiſchen Völkerſchaften haben die Griechen den Pfau erhalten und von dieſen wahr— ſcheinlich die Römer, die den Vogel, auch in einer ſchönen Schale einen köſtlichen Kern vermutend, kulinariſch zu verwerten trachteten. Von da an erhielt ſich dieſer Braten von zweifelhaftem Wohlgeſchmack bis in das 17. Jahrhundert hinein, allerdings, wollen wir zu Ehren der Zungen unſerer Vorfahren hinzu— ſetzen, weniger des Gaumenkitzels halber, denn als Augenweide, als ein Schaugericht, dem man bei der Zubereitung den Kopf und Hals und den als Rad ausgebreiteten, präparierten Schwanz wieder anſetzte, wie man es auf alten Gemälden und Illuſtrationen häufig genug ſehen kann und wie es heutigestags mit Faſanen noch geſchieht. Es iſt mir gar nicht unwahrſcheinlich, daß dieſer Federſchmuck zum ſtehenden Inventar feiner Küchen gehörte und wohl auch anderen Braten, z. B. Truthahn oder Gans, angelegt wurde, denn ich kann nicht glauben, daß man jemals einem alten Pfauhahn Geſchmack hat abgewinnen können. Viel benutzt wurden im Mittelalter die ſchönen Federn als Helmzier der Ritter und die jungen Mädchen trugen ſie noch zu Gesners Zeit zu Kränzen ge— flochten. Auch als Schreibfedern wurden Pfauen— federn, wahrſcheinlich die Schwungfedern der Flügel, benutzt, ſo bittet 1520 Reuchlin den Willibald Pirkheimer um gutes Papier, Federmeſſer und Pfauenfedern; aber der Nürnberger Patricier ſchickte dem Gelehrten weit koſtbarere Schwanenfedern. Merkwürdig ſind die Schickſale des Perlhuhns als Hausvogel; den Griechen und namentlich den Römern war es ein wohlbekannter Ziervogel, der gelegentlich auch gegeſſen wurde, aber nach dem Zerfall der römiſchen Weltmacht verſchwindet er faſt voll— ſtändig aus Europa, um erſt im ſpäteren Mittel— alter wieder aufzutreten. Noch Gesner gedenkt ſeiner als einer großen Seltenheit und erzählt es als etwas Beſonderes, daß der Herzog von Ferrara zwei Exemplare in ſeinem Luſtgarten hielt. Jedoch werden ſporadiſch um das Jahr 1277 in engliſchen kachrichten Aves africanae oder Afrae erwähnt, die nicht leicht etwas anderes als Perlhühner geweſen ſein können. Die Römer ſcheinen übrigens 2 Arten Perlhühner gezähmt zu haben, das gewöhnliche, das jie Meleagris nennen und weiter Numida mitrata, von ihnen Gallina africana oder numida genannt. Ich finde wenigſten bei Columella (VIII, 2, 2) eine Stelle, an der von einem roten Helm (rutila galea) auf dem Kopf des Perlhuhns geſprochen wird, wie ſie das gemeine nicht, wohl aber Numida mitrata hat. Während der ſeit dem Altertum bekannte und ge— züchtete Pfau und das Perlhuhn keine Raſſen gebildet haben, ſondern nur in der Farbe von der Stammart abweichen (weiße Pfauen ſollen beiläufig zuerſt in Norwegen aufgetreten ſein), ſo hat ein anderer, viel ſpäter in Europa eingeführter Vogel, der Truthahn, ſchon angefangen ſich in mehrere gezähmte Raſſen zu differenzieren. Der Truthahn, „dieſer frembde Han auß dem New gefundenen Lande zu vns geführet“, wie Gesner ſagt, ſcheint um 1520 nach Europa gekommen zu ſein, es iſt aber ungewiß, ob zuerſt nach England oder nach Spanien; wir in Deutſchland dürften ihn erſt aus dem Süden erhalten haben, für welche Anſicht die Benennung, „welſcher Hahn“ zu ſprechen ſcheint. Wir wiſſen nicht, ob dieſer Vogel, der ſchon vor Entdeckung Amerikas von den alten Mexikanern, die ihn nach dem Zeugnis des Fer— nandez Huexolote, die Hennen aber Cihuatotolin nannten, domeſtiziert wurde und deſſen Stammart mit Sicherheit nicht bekannt iſt, zuerſt als Zier- oder als Nutzvogel gehalten wurde; unwahrſcheinlich iſt das erſtere nicht, denn die Azteken hatten bekanntlich viel Intereſſe für die Produkte ihres Landes, und haben vielleicht, wie ſie ſich an ihren ſchwimmenden Gärten (Chinampas) mit raffiniertem Luxus ergötzten, auch eine Art zoologiſcher Gärten gehabt. Bemerkens— wert iſt jedenfalls, daß der erſte Europäer, der des Truthahns in ſeinen Schriften gedenkt, Oviedo, beſonders die Schönheit dieſes „Pfaues“, wie er den Vogel nennt, hervorhebt; und in der That ein wilder Truthahn iſt ein ausgezeichnet ſchönes Tier. So wenig wir von den urſprünglichen Verhält— niſſen, unter denen der Truthahn domeſtiziert wurde, wiſſen, um ſo beſſer ſind wir über die Geſchichte eines anderen, von auswärts importierten Hausvogels, über den Kanarienvogel unterrichtet. Wir kennen genau ſeine Stammart, wenn wir auch über die Zeit ſeiner Einführung nach dem kontinentalen Europa nichts Beſtimmtes angeben können; wahrſcheinlich fand dieſe im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts, vielleicht wirklich durch einen gewiſſen Bethancourt 1578 nach Frankreich ſtatt, wo der Vogel bald populär wurde und von wo er ſich bald über ganz Europa verbreitete. Die Spanier ſollen freilich anfangs nur Männchen des „Zuckervogels“, wie der Kanarien— vogel vordem hieß, exportiert haben, um der Zucht desſelben vorzubeugen. Für dieſen Vogel kennen wir die Urſache, die ihn zu einem ſo beliebten Haus— tiere machte, beſonders genau — es iſt ein rein ethiſch-gemütlicher, die Freude nämlich an ſeinem Geſang, wozu vielleicht urſprünglich noch die Freude am Ausländiſchen, Beſonderen kam. Manche Kenner laſſen den Kanarienvogel als Haustier nicht gelten, aber meiner Meinung nach mit Unrecht; ſo will ihn Wilkens mit allen anderen Tieren, welche einem wirtſchaftlichen Zweck des Menſchen nicht entſprechen, aus der Reihe der „Haus— tiere“ ausgeſchieden wiſſen, rechnet dabei aber doch den Pfau und den Schwan zu dieſer Kategorie. tad) unſerer oben angegebenen Diagnoſe gehört weder 148 Humboldt. — April 1885. der Schwan noch der Faſan zu den eigentlichen Haus- als Ziervogel domeſtiziert wurde; ich möchte fie un- tieren, aber der Kanarienvogel ganz entſchieden: er bildet zahlreiche domeſtizierte Formen, die meiſtens allerdings nur Farbenvarietäten ſind (in 1852 zählte Jannin deren 28), aber doch auch einige wahre Raſſen, ſo die gehäubte und die fiederfüßige, beſonders aber die holländiſche und die belgiſche, die acht Zoll lang wird, während der gewöhnliche Kanarienvogel das Maß von ſechs Zoll nicht überſchreitet, eine viel geſtrecktere Geſtalt und weſentlich höhere Beine hat. Was die Farbenvarietäten betrifft, jo find dieſe auch beim domeſtizierten Kanarienvogel Schecken und Wl binos, denn der gemeine gelbe Kanarienvogel iſt nichts als ein Albino, wie denn überhaupt bei den meiſten grünen Vögeln die Albinos nicht weiß, ſondern gelb fallen; allerdings kann durch lange fortgeſetzte Inzucht ſolcher gelben Kakerlaken die Farbe immer mehr und mehr abgeſchwächt werden und ſo gibt es in der That bisweilen weiße Kanarienvögel, aber nie direkt als Nachkommen grüner und nur in ſeltenen Fällen ge— ſcheckter Eltern, ſondern immer erſt nach einer Reihe einfarbig gelber Generationen. Von allen bis jetzt von uns angeführten Vogel— arten war es mehr oder weniger wahrſcheinlich, daß die erſte Veranlaſſung zu ihrer Züchtung nicht in dem materiellen Nutzen, der dem Menſchen aus ihnen erwuchs, ſondern in der Freude, die er an ihrer Wohlgeſtalt oder ſonſtigen äußeren Eigenſchaften hatte, zu ſuchen fei, daß fie mithin urſprünglich nicht Nutz⸗, ſondern Zier- oder Luxustiere waren. Anders liegt die Sache bei den noch übrig bleibenden Hausvögeln, bei der Gans und der Ente. Die erſtere iſt ein uraltes Haustier (ſchon Vater Homer gedenkt ihrer), hat aber merkwürdig wenig Raſſen gebildet; der Menſch hat ſie eben nicht als Ziervogel geſchätzt und iſt nicht beſtrebt geweſen, ihren Habitus weſentlich zu verändern. Sehr richtig bemerkt Darwin: „Niemand hat eine beſondere Liebhaberei für die Gans; es iſt geradezu in mehr als einer Sprache der Name ſchon der Ausdruck des Tadels. Die Gans wird wegen ihrer Größe und wegen ihres Geſchmackes, wegen der Weiße ihrer Federn geſchätzt.“ Merkwürdig genug erſcheint in der Odyſſee, wie Hehn in ſeinem köſtlichen Buch „Kulturpflanzen und Haustiere in ihrem Uebergang aus Aſien nach Griechenland ꝛc.“ hervorhebt, die Gans als ein Haustier, das weniger des Nutzens halber, den es bringt, als wegen der Luſt des Anblicks, den es ge— währt, von der Herrin des Hofes, Penelope, gehegt und gepflegt wird. Mir erſcheint es indeſſen gerade für die Gans recht zweifelhaft, daß ſie urſprünglich bedingt für einen Nutzvogel halten, der im Anfang vielleicht gezähmt gehalten wurde, um ihn als Opfer⸗ tier immer zur Hand zu haben, denn wir wiſſen, daß die Gans im griechiſchen Altertum als ſolches ſehr beliebt war und ſonderbarerweiſe brachte man dieſe Opfer der Göttermutter, der Repräſentantin herber Weiblichkeit, der Here; möglich, daß der Vogel und namentlich die weiße Varietät desſelben, ſpäter vielleicht ein Sinnbild der Keuſchheit (nach Prellers römiſcher Mythologie, indeſſen der Häuslichkeit und Fruchtbarkeit) wurde und ſo über den Rang eines Nutzvogels hinaus zu Ehren kam. In Rom ſtiegen die Gänſe noch mehr in der Achtung, als ſie das Kapitol durch ihre Wachſamkeit errettet hatten. Alljährlich wurde zur Erinnerung dieſer That eine Gans in feierlicher Prozeſſion auf einer Sänfte um den kapitoliniſchen Tempel getragen, während ein Hund die Nachläſſigkeit ſeiner Vorfahren welche die heraufkletternden Gallier nicht gewittert hatten, mit dem bitteren Kreuzestod büßen mußte. Auch bei den alten Germanen war die Gans der allgemeinſte und beliebteſte Hausvogel, der die Gabe der Weisſagung zugeſchrieben wurde, und wahrſcheinlich galt ſie auch unſeren Vorfahren als beliebtes Opfertier, von welchem alten, guten Brauche vielleicht in unſerem Martinsgänschen den ſpäten Enkeln noch ein ange— nehmes Reſtchen zu gute kommt! Aus einer weit jüngeren Periode als die Züchtung der Gans, datiert die Domeſtikation ihrer Couſine, der Ente, die, obwohl ſie mehr Raſſen als jene bildet, ſicher von Anfang an als Nutzvogel gehalten wurde. Zur Zeit des Varro (50 v. Ch.) und des Columella (50 n. Ch.) war ſie noch ſo wenig eigent— liches Haustier, daß es nötig war, ſie in überdeckten Behältern aufzubewahren. Wir müſſen annehmen, daß wir die Hausente den alten Römern verdanken, mit deren Kultur ſie, deren wilde Stammraſſe, in Europa wenigſtens, überall ziemlich leicht zu haben war, ſich weiter und weiter verbreitete. So kommen wir zu dem überraſchenden Reſultate, daß mit Sicherheit ſich nur von einem unſerer Haus- vögel behaupten läßt, er ſei von allem Anfange an lediglich des direkten Nutzens halber gehalten worden, während alle anderen von dem Menſchen wahrſcheinlich aus anderen Gründen, als um ihr Fleiſch und ihre Eier zu genießen, an ſeine Perſon attachiert wurden; es war nicht der eventuelle materielle Nutzen, ſon— dern es waren ethiſch-gemütliche Momente, die zur Zähmung anregten und zur endlichen Domeſtikation führten. Humboldt. — April 1885. 149 Die ih esr g b a h n. Don Dr. Theodor Peterfen, Dorfigender im phyſikaliſchen Verein zu Frankfurt a. M. Me der Donau und der dalmatiniſchen Küſte bis zur Rhone und der Riviera im breiten Bogen ſich ausdehnend und ſo im Herzen des zum Leben des menſchlichen Geſchlechtes geeignetſten Kontinents gelegen, mit Tauſenden von himmelanſtrebenden Spitzen aufgebaut, die mit ihren maleriſchen Geſtalten und blendendem Firngewande in unvergleichlicher Groß— artigkeit daſtehen, deren Abhänge und Umgebungen, nach allen Seiten hin von gletſchergeborenen Strömen durchfloſſen, Fruchtbarkeit und Segen entfalten, über die ſich die drei großen, hochciviliſierten Völker Mittel— europas die Hand reichen, ein Land mit der reichſten Geſchichte und hochentwickelter Induſtrie — das iſt das herrliche Alpenland, alles zuſammengenommen wohl das intereſſanteſte Gebirgsland unſerer Erde, denn kein anderes, auch nicht das noch höhere, ge— gewaltige Himalayagebiet im fernen Indien bietet auf verhältnismäßig kleinem Raume ſo viel des Merk— würdigen vereinigt wie dieſes. Die Verkehrserleich— terungen unſerer Zeit haben mit dem Reiſen aber auch den Sinn für die erhabene Pracht der Alpen— welt und ihre Naturwunder mächtig gefördert. Ungeachtet der Höhe ihrer rauhen Gebirgskämme haben die Alpen ſchon in alten Zeiten keine unüber⸗ ſteiglichen Scheidewände für den Verkehr der Völker gebildet und ſelbſt ihre verſteckteſten Thalwinkel früh mit der Außenwelt in Verbindung geſtanden. So wird der mit einem großen karthagiſchen Heere aus— geführte Zug Hannibals über die Weſtalpen von Südfrankreich nach der Ebene von Oberitalien ewig denkwürdig bleiben. Nach dem Fall Karthagos zogen die Römer mehr und mehr nordwärts über die Berge, ſei es auf ſchon vor ihnen betretenen Wegen oder auf neuen kunſtvoll angelegten Straßen, und vom Col d' Argentera in den Cottiſchen Alpen bis nach Iſtrien werden heute nicht weniger wie 17 Römer— ſtraßen über die Alpenkette namhaft gemacht, von denen ſchon Livius und Polybius vier Hauptüber— gänge aus Gallia cisalpina nach Gallia transalpina aufführen, darunter die Via Taurinia aus dem Thale der Dora Riparia in das Thal des Arc über den heutigen Kleinen Mont Cenis, auf deſſen breiter Paß— höhe Hannibals Heer bei ſeinem Alpenübergang wahrſcheinlich lagerte. Auch nach dem Niedergange der römiſchen Herrſchaft blieben die Alpenſtraßen er— halten und wurden vielfach von den wandernden Völ— kerſchaften benutzt. Bald ging man ſogar zum Schutze der Reiſenden mit der Errichtung von Hoſpizen vor, deren älteſtes im 9. Jahrhundert von Ludwig dem Frommen auf dem Mont Cenis gegründet wurde; Humboldt 1885. das bekannte Hoſpiz auf dem Großen St. Bernhard ſtiftete der heil. Bernhard von Menton bereits im Jahre 962. Die ſeit dem 12. Jahrhundert bis in den hohen Norden erfolgte Ausbreitung des Chriſtentums hatte in dieſer Richtung eine große Entwickelung des Welt— handels zur Folge, der ſeinen Weg vom Mittelmeer über die Alpen nahm, wobei Venedig und Genua, Augsburg und Nürnberg emporblühten, bis die ſeit dem Ende des 15. Jahrhunderts eröffneten neuen Seewege nach Amerika und Indien das Weltmeer als allmächtiges Verkehrsmittel neben die Landwegeſſtellten. Die von Indien, Perſien und Kleinaſien nach Süd— und Nord-Europa beſtehende uralte große Waren— ſtraße wurde auf das Waſſer verlegt, und erſt das neueſte Zeitalter der großen Erfindungen, ſpeciell der Eiſenbahnen, hat den intenſiver wie je erblühten Welt— verkehr auf teilweiſe alte Wege zurückgeleitet. Die neuen Schienenwege durch Italien und über die Al— pen, die Sömmering-, Brenner- und Mont-Cenis- Bahn, beſonders aber die Gotthardbahn einerſeits und der Suez⸗Kanal andererſeits bilden heute die zweck— mäßigſte und raſcheſte Verkehrsſtraße von Aſien und Afrika nach Europa, die ebenſowohl jenen fernen Ländern wie unſerem engeren Vaterlande zu gute kommt, die dem in den letzten Jahrhunderten mehr und mehr verlaſſenen Mittelmeer ſeine hohe Bedeu— tung inmitten dreier Weltteile wiedergab. Die neuen mit den großartigſten Tunnelbauten verbundenen internationalen Schienenwege über die Alpen haben der Kultur, dem Fortſchritt und dem Weltverkehr der Völker den größten Vorſchub geleiſtet. Hand in Hand damit ging der Ausbau mehr lokaler Bahnen im Gebirge und darf in dieſer Hinſicht wohl der Salzburg-Tiroler Verbindungsbahn, welche einen ſo herrlichen Einblick in die ſchönſten Gegenden der Lande Salzburg und Tirol gewährt, hier gedacht wer— den. Eine für Oeſterreich ganz beſonders wichtige Fortſetzung hat dieſe oſt-weſtliche Gebirgsbahn in Verbindung mit der Brennerbahn neuerdings durch die Arlbergbahn nach der Schweiz erhalten, ein der kaum eröffneten Gotthardbahn raſch gefolgtes, nicht minder großartiges Rieſenwerk der modernen Technik. Am 19. November 1883, dem Namenstage der Kai— ſerin von Oeſterreich, wurde der Durchſchlag des großen Arlbergtunnels glücklich bewerkſtelligt und am 20. September v. J. die Arlbergbahn in ihrer ganzen Länge durch den Kaiſer Franz Joſeph von Oeſterreich in Perſon und in Gegenwart der höchſten ſtaatlichen Behörden Oeſterreichs feierlichſt inauguriert. Im fol— 20 150 Humboldt. — April 1885. genden ſoll nun zuerſt die gewaltige Arbeit der Bahn, ſpeciell ihr großer Tunnel, etwas näher betrachtet werden; ein Blick auf das durch ſie erſchloſſene, von der Natur mit den erhabenſten Reizen ausgeſtattete Land wird ſich anreihen. Hat der Gottharddurchbruch dem Verkehr der euro— päiſchen Nationen von Norden nach Süden und um— gekehrt neue große Bahnen eröffnet, den Deutſchen insbeſondere die Herrlichkeiten Italiens und die Schätze des Mittelmeers leicht erreichbar gemacht, ſo bringt dagegen das Geleiſe der durch den Arlberg führenden neuen weſtöſtlichen Eiſenbahnlinie Oeſterreich und die kornreichen Länder der unteren Donau, Trieſt und die Adria mit der Schweiz, Südweſt-Deutſchland und Frankreich in bequeme und nützliche Verbindung. Zum Durchſchlage des erſten großen Alpentunnels, des 12,2 km langen Mont⸗Cenis-Tunnels, des genialen Werkes der drei Ingenieure Sommeiller, Grattont und Grandis, hat man 10 Jahre, zu dem 14,9 km langen Gotthardtunnel 7 ¼ Jahre gebraucht; der 10,3 km lange Arlbergtunnel iſt in weniger als 3 ¼ Jah— ren durchgebrochen worden, dank den großen Fortſchrit— ten, welche die Tunnelbaukunſt im letzten Jahrzehnt gemacht hat, und dank den Kenntniſſen und dem Eifer der öſterreichiſchen Ingenieure, welche die am Mont Cenis und Gotthard gemachten Erfahrungen mit vielem Glück auszunutzen verſtanden haben. Am 14. Juni 1880 begannen die Vorarbeiten an der Oſtſeite, am 22. Juni an der Weſtſeite und am 19. November 1883, alſo ſchon nach drei Jahren und fünf Monaten erfolgte der Durchſchlag, wofür fünf Jahre in Ausſicht ge— nommen waren. Der Fortſchritt im Bau betrug durch— ſchnittlich 8,3 m pro Tag, beim Gotthard nur 4,6 m, die größte Monatsleiſtung im Juli 1883 382 m, beim Gotthard 1878 nur 211 m. Die neue Arbeits— leiſtung ſteht daher einzig in der Geſchichte des Berg— baues da. Die Maſſenbewegung an Ausbruchs- und Mauerungs-Material belief ſich im Arlbergtunnel auf beiläufig zwölf Millionen Kubikmeter, was durchſchnitt— lich 2000 Menſchen mit Maſchinen und Dynamit be— wirkten; die Pyramide des Cheops ſoll dagegen nach Herodot für ihre 2¼ Millionen Kubikmeter Inhalt ohne jene Hilfsmittel 100 000 Menſchen 20 Jahre lang beſchäftigt haben. Die erſte Anregung fand die Arlbergbahn ſchon 1864 im öſterreichiſchen Reichstage; das Projekt wurde dann ſeit 1870 von der Regierung ernſtlich ſtudiert, ſpeciell für den Tunnel eine längere untere und eine kürzere obere Trace ventiliert, aber erſt im März 1880 nach dreitägigen Debatten im Reichstage das v. Nörd— linger ſche längere, aber für den Betrieb vorteilhaftere Projekt angenommen. Die Verzögerung der Inan— griffnahme, wodurch der Gotthardtunnel vor dem Arlbergtunnel vollendet wurde, kann vom allgemeinen nationalökonomiſchen Standpunkte bedauert werden; andererſeits haben aber gerade die am Gotthard ge— machten Erfahrungen die Arbeit im Arlberg weſent— lich erleichtert, abgekürzt und um Millionen billiger geſtellt. Die Arlbergbahn verbindet Innsbruck mit Blu— denz, dem bisherigen Endpunkte der ſchon mehrere Jahre im Betriebe befindlichen Vorarlberger Bahn, welche ſich in Lindau an das bayeriſche Bahnnetz an⸗ ſchließt, und iſt 187 km lang. Der Koſtenaufwand für die ganze Linie beträgt 35,6 Millionen Gulden, für den Tunnel allein 16,2 Millionen. Die 73 km lange Innthaler Strecke von Innsbruck nach Landeck wurde bereits am 1. Juli 1883 eröffnet. Von Landeck, 776 m ü. M., ſteigt die öſtliche Zufahrtsſtraße, 27 km lang, zum öſtlichen Tunneleingang auf Tiro— ler Seite bei St. Anton auf 1302 m; in dem 10 270 m langen Tunnel ſteigt die Bahn nur noch wenig, nämlich auf 4102 m Länge bis zum Kulmi⸗ nationspunkte bei 13 10,6 m ü. M. mit 2 pro Mille, ſenkt fic) dann zum weſtlichen Eingang auf Vorarl- berger Seite bei Langen auf 1214 m mit 15 pro Mille Fall und iſt von da bis Bludenz nochmals 27 km lang. Der Tunnel wurde wie der Gotthardtunnel zweigeleiſig ausgeführt, die Zufahrtslinien ſollen vov- erſt eingeleiſig bleiben. Die Steigung iſt gut ver— teilt, jedoch auf der Strecke von Bludenz bis Langen ziemlich ſtark (1:33); man will deshalb hier eine zweite Strecke auf der anderen Seite des Kloſterthals erbauen, welche mit Hilfe eines ſchlingenförmigen Kehrtunnels eine geringere Steigung erhalten und in der Folge ſpeciell für den Güterverkehr dienen ſoll. Die Arlbergbahn iſt jetzt mit der neuerdings verſtaat— lichten Vorarlberger Bahn vereinigt; eine große neue Trajektanſtalt in Bregenz beſorgt ihren Anſchluß an die am Bodenſee mündenden ſüddeutſchen und ſchweizer Bahnen. Nachdem der Genfer Phyſiker, Profeſſor Colla— don, die Luftkompreſſionsmaſchine erfunden, wurden bei der Durchbohrung des Mont Cenis wie des Gott— hard ausſchließlich Perkuſſionsbohrmaſchinen nach dem Syſtem von Ferroux mit komprimierter Luft von 4 bis 5 Atmoſphären Spannkraft verwendet; im Arl— bergtunnel wurde auf Tiroler Seite durch den Unter— nehmer Ceconi ebenfalls mit dem verbeſſerten Fer— rouxſchen Stoßbohrer, auf der Vorarlberger Seite aber durch die Gebrüder Lapp mit der neuen Brandt— ſchen hydrauliſchen Drehbohrmaſchine gearbeitet. Bei dieſem von dem Hamburger Ingenieur Alfred Brandt erfundenen neuen Bohrſyſtem funktioniert Waſſer unter dem hohen Druck von 100 Atmoſphären und mehr, wobei der Bohrer in drehende Bewegung verſetzt und das Geſtein cylindriſch ausgebohrt wird. Der auf der Weſtſeite viel ſtärkere Waſſerzudrang ſtand auch den Arbeiten auf dieſer Tunnelſeite hindernd im Wege, was eine direkte Vergleichung der beiden Bohrſyſteme erſt ermöglichte, als man von beiden Seiten her ein- ander ſchon nahe gerückt war. Da zeigte es ſich denn, daß die Brandtſchen Bohrmaſchinen zwar teurer, aber leiſtungsfähiger und haltbarer ſind, als die Ferroupſchen, fo daß jene in dieſem Wettſtreite offenbar den Sieg davongetragen haben. Der Gotthardtunnel durchſetzt die mit alten Schie— fern vielfach wechſelnden Gneiſe der alpinen Central— kette. Auch der Arlberg gehört noch der Gneis- und Schieferzone an, welche von dem Tunnel durchbrochen Humboldt. — April 1885. 151 wird; nach Vorarlberg hinein ſinken die Schiefer dann bald unter jüngere feſte Kalkgebirge hinab; ſo waren auch die Tunnelgeſteine ziemlich feſte. Beim Gott— hardtunnel hatte man nach altem franzöſiſchen Brauch zuerſt den Firſtſtollen getrieben, im Arlberg hat man nach deutſcher und engliſcher Art mit dem Sohlſtollen angefangen und den Firſtſtollen folgen laſſen, was ſich als vorteilhaft erwies. Zum Betriebe der Bohr— maſchinen und der großartigen Maſchinen zur Venti— lation und Lufterneuerung dienten die reichlich vor— handenen Waſſerkräfte des Gebirges. Zur Erzeugung des bei den Sprengarbeiten maſſenhaft verwendeten Dynamits wurde auf der öden Höhe des Arlberges eine Dynamitfabrik in ſchwungreiche Thätigkeit geſetzt. Unmittelbar nach der Annahme des Arlbergbahn— projektes 1880 wurde der ausgezeichnete Ingenieur und Leiter der K. K. Direktion für Staats-Cifenbahn- bauten, Oberbaurat Julius Lott, mit der Ober— leitung des Baues betraut; dieſer ſetzte nun ſeine ganze Kraft für ein Werk ein, welches jetzt den öſter— reichiſchen Ingenieuren zu ſo hohem Ruhme gereicht. Leider war es ihm, wie dem verdienſtvollen Bauunter— nehmer des Gotthardtunnels Favre, der bei ſeiner raſtloſen Arbeit im Tunnel vom Schlage getroffen wurde, nicht vergönnt, das große Werk vollendet zu ſehen. Auf einer Inſpektioͤnsreiſe zog fic) Lott ein ſchweres Leiden zu, infolgedeſſen er vor zwei Jahren verſtarb, tief betrauert von allen, die dem bedeutenden Manne näher geſtanden; bei der Station St. Anton iſt ihm ein Denkmal geſetzt. Nach Lotts Ableben übernahm der Oberinſpektor der öſterreichiſchen Eiſenbahnen J. Poſchacher die Bauleitung und führte ſie glücklich zu Ende. Der im Ingenieurfach ſo ausgezeichnete Profeſſor Rziha in Wien war beiden ein vortreff— licher Berater. Ein beſonderes Verdienſt der Bau— leitung war deren große Sorge für das Wohl der Tauſenden von Arbeitern, meiſt Welſchtiroler, welche ſich dank den getroffenen ſanitären Vorkehrungen bei ihrer ſchweren Arbeit eines verhältnismäßig ſehr guten Geſundheitszuſtandes zu erfreuen hatten. In zahl— reichen improviſierten Baracken waren ſie längs der Bahnlinie untergebracht. Wenden wir uns nunmehr zur Betrachtung der Bahnlinie ſelbſt, ihrer wichtigſten oberirdiſchen Objekte und nächſten Umgebung, unſeren Weg vom Bodenſee her nehmend. Von der Inſelſtadt Lindau, angeſichts der grünen Vorkette der Appenzeller und Vorarlberger Alpen und hart am Seeufer hin bringt uns das Dampfroß raſch nach Bregenz, dem öſterreichiſchen Hafen am Südoſt⸗Ufer des Sees. Wer zum erſtenmal dieſe getrennt hat. Bei der Vorarlbergiſchen Hauptſtadt Feldkirch, die, in einem geſchützten Keſſel zwiſchen Vorbergen gelegen, vor Zeiten als feſtes Bollwerk zuerſt den Grafen von Montforte und ſpäter den Habsburgern diente, wird der die vorgeſchobenen Berge der Kreideformation brauſend durchbrechende Illfluß erreicht, der die diesſeitigen Gewäſſer der Rhätikonkette, des Montavons und des Arlberges in ſich vereinigt und dem Rheine zuführt. Im reizen— den Walgau weitet ſich das Thal nochmals bis Blu— denz, die mächtige Zimbaſpitze und die eisgepanzerte Sceſaplana, die Königin Vorarlbergs, ſenden ihre Grüße hernieder, dann lacht uns das prachtvolle Mon— tavoner Thal mit ſeinen üppigen Wieſengründen und reichen Obſtkulturen entgegen, das als Sommeraufent— halt immer beliebter wird. Auch die Formation des Gebirges hat ſich inzwi— ſchen weſentlich geändert. Gehörten die Vorberge am Bodenſee zur tertiären Nagelfluh und die dann fol— gende Gegend des Rheinthales der Kreideformation an, ſo ſind wir jetzt in das Gebiet triaſſiſcher Ge— ſteine getreten, die uns bis ins Innthal hinaus zur Linken begleiten und als deren Hauptrepräſentant der graue dichte Arlbergkalk in mächtiger Entwickelung zu Tage tritt, während zu unſerer Rechten die ſchroffen Häupter der Verwallgruppe aus älteren Schiefern aufgebaut wurden. Die Ausſicht auf dieſe herrliche Gebirgswelt iſt von der neuen Bahnlinie teilweiſe noch ſchöner, wie von der dem Thalgrunde folgenden Poſtſtraße. Dazu macht die grüne Landſchaft Vorarlberg den freund— lichſten und lieblichſten Eindruck. Nette, mit Schin— deln belegte Häuſer ſind überall zerſtreut, reichlich mit Fenſtern verſehen, Blumen davor und ringsum in den Gärten; alles zeugt von dem Wohlſtand und Geſchmacksſinn der Bewohner, die man vielfach noch in ihren altgewohnten Trachten ſieht, in denen be— ſonders die Montavoner Frauen mit ihren hohen Filz— hüten auffallen. Auch an Induſtrie fehlt es dem Ländchen nicht und an zahlreichen großen Etabliſſe— ments, namentlich Webereien, Spinnereien und Fär— bereien wetteifert es mit der benachbarten Schweiz. Das gewerbreiche Bludenz legt davon beredtes Zeug— nis ab. Erhebt man ſich wenige Schritte von der Stadt zu der Terraſſe neben dem Schießhauſe, ſo iſt hier freilich die unvergleichliche Ausſicht auf den Kranz Gegend bereiſt, darf einen Beſuch des nahen Geb | hardsberges und des Pfänders mit ſeiner weiten Ausſicht auf See und Alpen nicht verſäumen; die geringe Mühe wird reichlich belohnt. Zudem orien— tiert ſich der Reiſende dabei zweckmäßig für die Wei— terfahrt, welche zunächſt im Thale des Rheins erfolgt, der ſich hier eine breite Bahn durch die jüngeren nördlichen Kalkalpen geſchaffen und die Ketten der Churfirſten und des Säntis von denen Vorarlbergs der Berge ringsum das Anziehendſte, aber zwiſchen Berg und Thal erheben ſich auch ſtattliche Fabriken mit hohen Kaminen. Zu den lohnendſten Ausflügen nach allen Seiten iſt kein Ort in Vorarlberg beſſer gelegen als Bludenz. Wir verlaſſen jetzt das von Bludenz an Montavon genannte Hauptthal und biegen in das vom Alfenz— bach durchſtrömte Kloſterthal ein, an deſſen rechts— ſeitigen Abhängen ſich die Bahn nun in einer Reihen— folge von Galerien, Ueberbrückungen wilder Tobel, Tunnels und anderen Kunſtbauten mehr und mehr emporarbeitet. Das Thal wird enger; rauhe Berg— geſtalten türmen ſich auf der Seite der Bahn hoch über ihr auf, ſo der Stierkopf, das Weiße Rößl, der 152 Humboldt. — April 1885. Rogelskopf und andere wilde Geſellen, welche mit ihren jähen Felswänden, Tobeln und Waſſerfällen dem Bau große Schwierigkeiten entgegenſtellten. Sechs ſolcher Tobel, in die ſich im Winter und Frühjahr die alles mit ſich fortreißenden Lawinen herabſtürzen, mußten vor und hinter der Station Dalaas über⸗ brückt und für die Bahn unſchädlich gemacht werden, was keine kleine Aufgabe war. Die Kontraſte zwi— ſchen den rauhen Seitencouliſſen und dem prächtigen, grünen, belebten Thalboden ſind auf dieſer Strecke überaus wirkungsvoll. Hinter dem Dörfchen Klöſterle ſetzt die Bahn auf die andere Thalſeite über und tritt bei Langen in den großen Tunnel ein. Das auf dieſer Seite des Paſſes liegende Dorf Stuben wird nicht berührt. den von Langen aus auf der ausſichtsreichen, früher ſo lebhaften, jetzt natürlich einſam gewordenen Straße in wenigen Stunden über den Berg nach St. Anton zu wandern oder zu fahren und in der Region der Alpenroſen die köſtlichſte Bergluft zu atmen; es kann ja ſchon mit dem nächſten Zuge weiterge— fahren werden. Auf der öden baumloſen Paßhöhe, der Waſſerſcheide zwiſchen der Nordſee und dem Schwar⸗ zen Meere, ſteht auf Tiroler Seite das ſchon im Jahre 1586 gegründete Hoſpiz St. Chriſtoph; 455 m unter ihm führt der Tunnel durch den Berg. Beim Hinab- wege nach St. Anton eröffnet ſich zuerſt das groß— artige Verwallthal mit der Patriolſpitze im Hinter— grunde, wo auf den Geröllhalden das Murmeltier noch häufig angetroffen wird. Unterhalb St. Anton erweitert ſich das Thal und nimmt den Namen Stanzer Thal an, eine prächtige grüne Landſchaft darſtellend, auf welcher zur Rechten das ſtolze Blankahorn, zur Linken die zackige Parſeierſpitze, die höchſte Erhebung der nördlichen Kalkalpen, deren Fuß bereits vom jungen Inn beſpült wird, herabſchauen. Der Arlbergtunnel mündet auf Tiroler Seite bei den Häuſern von St. Anton. Von neuen, ſtets wechſelnden Bildern umgeben, fliegen wir ſchnell zum Inn hinab, ſeiner mutwilligen Tochter Roſanna, die auf mehreren ſchlanken Eiſenbrücken überſchritten wird, meiſt rechtsſeitig folgend. Ehe wir unten anlangen, haben wir jedoch noch eine Gegend zu paſſieren, die jedem Reiſenden den großartigſten Eindruck hinter- laſſen wird, dort, wo ſich die Roſanna mit der noch anſehnlicheren Triſanna vereinigt, welche, nachdem ſie das lange Patznauner Thal durchſtrömt, mit ihren den Gletſchern der Silvretta-Gruppe entſprungenen, ſchäumenden grünen Gewäſſern zwiſchen hohen, tan— nenbewachſenen Bergen hervorbricht und von dem Schienenwege überſchritten werden muß. Von der anderen Thalſeite, der Triſanna-Schlucht gegenüber, kann die ganze Scenerie am beſten überſehen werden. Ein 116 m weiter Rieſenbogen in luftigſter Eiſen- konſtruktion überſpannt zwiſchen zwei ſchlanken gelben Steinpfeilern, die beiderſeitig mit mehreren niedrigeren Pfeilern verbunden find, in einer Höhe von 86 m über dem Waſſer die wilde Schlucht. Vor dieſer erhebt ſich auf vorſpringendem bewaldetem Kegel das alte Schloß Wiesberg als Hüter des Thales, bei deſſen Mündung an ſteiler Halde kaum ein Sträß⸗ chen Platz hat, während uns von weiter einwärts grüne, mit zierlichen Heuſtadeln beſetzte Matten und hohe tannenbewachſene Berge entgegengrüßen. Cin neun Stockwerke hohes Holzgerüſt war zur Errich— tung dieſes Wunderwerkes der neueren Eiſenbahn— technik notwendig, deſſen zahlloſe Balkenglieder wäh⸗ rend des Baues, aus der Ferne betrachtet, ein ganz eigenartiges Bild darboten. Dieſes Bauwerk in gran⸗ dioſeſter Umgebung iſt das kühnſte und merkwürdigſte der ganzen Arlbergbahn und allein eines Beſuches wert. Es wird für vollſtändig ſicher gehalten; aber nervenſchwache Perſonen mag ſchon ein Schauder Anſtatt nun in weniger wie einer halben Stunde durch den Berg zu fliegen, empfehlen wir dem Reiſen- überkommen, wenn ſie hinüberrollen. Es geht weiter hinab; wir fahren auf 160m langer Brücke mit neun ſteinernen und einem weit geſpannten mittleren eiſernen Bogen hoch über den Inn hinüber und ſind in Landeck, einem der wich— tigſten Kreuzungspunkte im Lande Tirol, angelangt. Da der Bahnhof ziemlich weit vom Ort entfernt liegt, benutzen wir eines der bereitſtehenden Geſpanne, um in dem bekannten großen Gaſthauſe unſerer Freundin, der Frau Poſtmeiſterin, einzukehren und uns auf weitere Touren vorzubereiten oder auch längeren Auf— enthalt zu nehmen, wozu die Gegend wahrlich genug einladet. Der Ort Landeck, eigentlich nur ein Dorf, beſteht aus den beiden Teilen Angedair rechts und Perfuchs links vom Inn, von denen jener der größere und wichtigere iſt und von der ſtattlichen Burg Landeck überragt wird. Hier war es, wo Herzog Fried— rich mit der leeren Taſche, als er nach dem Konzil von Konſtanz 1416, wo er dem abgeſetzten Papſt Johann XXIII. zur Flucht verholfen, in die Reichs— acht erklärt worden, Aufnahme und Unterſtützung fand, ſo daß er ſpäter ſein Land Tirol zurückerobern konnte, worauf die Landecker noch heute nicht wenig ſtolz ſind. Einzig ſchön iſt der Blick von der Burg, von der nahen Kirche oder noch weiter oben. Dort über dem Inn, wo im Hintergrunde die ſchneedurchfurchten Zacken der Parſeierſpitze aufragen, ſchaut von den rauhen Thalwänden die Ruine Schrofenſtein neben dem ſchlanken Kirchturme von Stanz wie ein an— geklebtes Schwalbenneſt herab, während ſich unten am Inn, von fruchtbarem Gelände umgeben, das ſtatt— liche Kloſter Stams, jetzt Erziehungsanſtalt, und weiter abwärts hoch über dem Fluſſe die alte Kron— burg auf ſteilem waldigem Bergkegel präſentiert. Thal— aufwärts dringt der Blick zwar nicht ſehr weit, und die große Engadiner Straße verſchwindet ſchon hinter der erſten Thalbiegung, aber himmelhohe, prächtig geſtaltete Berge, zwiſchen denen der Inn ſeine Bahn gebrochen, erheben ſich dort in der Richtung des nach Welſchland geleitenden Finſtermünzpaſſes und des Kaun⸗ ſerthales, in welchem zu hinterſt das größte Gletſcher— gebilde der öſtlichen Alpen eingebettet liegt, der Ge— patſchferner, an deſſen Fuße das vom Schreiber dieſer Zeilen begründete, der Alpenvereinſektion Frankfurt Humboldt. — April 1885. 153 am Main gehörige Gepatſchhaus mit 18 Betten und guter Verpflegung zum Beſuch einladet. Nach dieſer hochintereſſanten, verhältnismäßig noch wenig bekann— ten Gegend der Oſtalpen mit Benutzung der neuen weide darzubieten imſtande wäre, wie deren größtes Längsthal, das des Inn. Eine ſolche Abwechſelung duftiger grüner Matten, freundlicher Ortſchaften mit ſchlanken buntgedeckten Kirchtürmen, alter Burgen 0 20 5 4 its ig Der Triſanna-Viadukt auf der Arlbergbahn. Bahn gelegentlich zu pilgern, möge dem geneigten Leſer warm empfohlen ſein. In Landeck endigt die eigentliche Arlbergbahn. Aber wie ihre Zufahrtsſtrecke vom Bodenſee, ſo bietet auch die von Innsbruck und dem Unterinnthal her ſo viel des Sehenswerten, daß das Auge zu ſchauen nicht müde wird. Gibt es doch keines unter den und Klöſter, waldiger Höhen und mächtiger Bergrieſen wird man nicht ſo leicht wieder finden. Unterhalb Landeck breitet ſich bald das fruchtbare Gelände von Imſt aus, wo die maleriſche Straße über den Fernpaß nach Oberbayern abzweigt. Die ſchlanke Pyramide des Tſchürgant ragt hoch über das Mittel— gebirge empor. Zur Linken treten dann die ſchroffen Hauptthälern der Alpen, welches eine ſchönere Augen- Kalkgebirge des Unterinnthales mit ihren weithin ſchim— 154 Humboldt. — April 1885. mernden Spitzen näher, die ſich beim Scheiden des Ta— geslichtes oftmals in glühendſtes Rot kleiden; rechts ſchauen die noch höheren, aber allmählicher anſteigenden Züge der Centralkette, die ſich aus Glimmerſchiefer, Gneis und ähnlichen älteren Geſteinen zuſammenſetzen, ernſt auf uns nieder. Dieſer bemerkenswerte Unterſchied der Gebirgsformationen auf beiden Thalſeiten trägt zur Belebung des landſchaftlichen Charakters auf der weiteren Fahrt weſentlich bei. Die Pitzthaler und die Oetzthaler Ache mit ihren grauen und trüben brauſenden Gletſcherwaſſern, welche auf langer Eiſen— brücke überſetzt werden, winken zur Einkehr in das innerſte Herz der Tiroler Alpen. Ein andermal! Unaufhaltſam geht es diesmal weiter, an der Martins— wand, der Ruine Fragenſtein und dem freundlichen Zirl vorüber nach Innsbruck, dem Ende unſerer Fahrt mit der Arlbergbahn. Bis jetzt beſtand keine direkte Eiſenbahnverbindung zwiſchen der Schweiz und Tirol. Der neue Schienen— Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. weg durch den Arlberg hat dem ſeitherigen Mangel abgeholfen, um fortan den Wechſelbeziehungen der Nationen, dem Handel und der Induſtrie und nicht zum wenigſten dem Touriſtenverkehr dienlich zu ſein; Weſttirol mit den herrlichen Landſchaften des Ober⸗ innthales wird durch die neue Bahn überhaupt erſt recht erſchloſſen und das reizende Vorarlberg, welches ſeither von dem übrigen Oeſterreich durch die rauhe Kette des Arlberges faſt abgeſchnitten war, in direkte Verbindung mit dem Mutterlande gebracht. Das geprieſene Oberengadin mit den vielbeſuchten Bädern von St. Moritz kann jetzt auch bequem mittels der Arlbergbahn beſucht werden. So wird die neue groß— artige Alpenbahn allerſeits auf das freudigſte will— kommen geheißen, und ſo begrüßen auch wir vom Standpunkte des Naturforſchers und Naturfreundes die Arlbergbahn, die zur Erſchließung der Natur⸗ wunder der unvergleichlichen Alpenwelt in ſo hohem Maße beiträgt, mit wahrer Freude und Genugthuung. Anthropologie. Don Dr. M. Alsberg in Haffel. Eiszeit und ältere Steinzeit. Anſichten Pencks. baltiſchen Gebiet. Löſung der Nephritfrage. germaniſches Volk. Steppenklima Vorddeutſchlands in poſtglacialer Seit. Ergebniſſe von Schliemanns letzten Ausgrabungen auf Hiſſarlik. Babploniſche Nultur Ilions vermittelt durch die Hittiten. Neolithiſche Höhlenfunde im oſt— Die Trojaner ein indo- Prähiſtoriſche Kultur Griechenlands. Die Anthropologie ijt vielleicht mehr wie die meiſten naturwiſſenſchaftlichen Fächer die Wiſſenſchaft zahlreicher noch ungelöſter Probleme — jener Probleme, wo es gilt, aus den undeutlichen Spuren und ſpärlichen Ueberreſten, welche längſt dahingeſchwundene Generationen von Men— ſchen hinterlaſſen haben, Schlüſſe zu ziehen bezüglich der von niedrigen Anfängen zu hoher Vollkommenheit fort— ſchreitenden Kulturentwickelung des Menſchengeſchlechts. Auch bedarf es kaum einer Erwähnung, daß die Schwierig— keiten, welche ſich der Erforſchung des prähiſtoriſchen Menſchen entgegenſtellen, um ſo größer werden, je weiter wir in die erſten Stadien des beſagten Entwickelungs— ganges zurückgreifen und daß wir über die Bedingungen, unter denen der diluviale Menſch — jener Erdenbewohner, auf deſſen Exiſtenz die in Höhlen und Anſchwemmungen der letztvergangenen Erdepoche zuſammen mit den Reſten einer zum Teil ausgeſtorbenen, zum Teil ausgewanderten Tierwelt aufgefundenen menſchlichen Skelettteile und die ebendaſelbſt ſich findenden zugehauenen Steinwerkzeuge, Horn- und Knochengerätſchaften zurückweiſen — auf un— ſerem Planeten lebte, im allgemeinen noch ſehr unvoll— kommen unterrichtet ſind. Bekanntlich fallen auch in den ſoeben erwähnten Abſchnitt unſerer Erdgeſchichte jene klima— tiſchen Veränderungen, die man gewöhnlich unter dem Namen „Eiszeit“ zuſammenfaßt und hatten gewiffe ſchon vor 10 bis 15 Jahren gemachte Funde (Schuſſenquelle in Oberſchwaben, Viktoriahöhle in England u. a.) darauf Hine gewieſen, daß die Exiſtenz des paläolithiſchen Menſchen — d. h. desjenigen Bewohners Europas, von dem die ſoeben erwähnten zugehauenen Steinwaffen und Geräte her— ſtammen — mit den beſagten klimatiſchen Veränderungen foincidiere. Nun unterliegt es aber keinem Zweifel, daß die Eiszeit nicht als die Periode einer einmaligen Ver— gletſcherung gewiſſer Gebiete aufzufaſſen iſt, daß man viel- mehr Glacialzeiten, d. h. Zeitabſchnitte, innerhalb deren die Gletſcher vorrückten, und Interglacialzeiten, d. h. Inter— valle mit wärmerem Klima, innerhalb deren die Gletſcher wieder zurückgingen, zu unterſcheiden hat, und es handelte ſich daher zunächſt darum, die chronologiſchen Beziehungen zwiſchen der paläolithiſchen Bevölkerung Europas und den einzelnen Abſchnitten der Eiszeit feſtzuſtellen. Mit der Löſung dieſes Problems hat ſich in neueſter Zeit Albrecht Penck in München beſchäftigt. Nachdem der beſagte Ge— lehrte in einem vor zwei Jahren erſchienenen Werke nach— gewieſen hatte, daß faſt überall im ehemaligen Gletſcher— gebiet der deutſchen Alpen äußere und innere Moränen (Gletſcherſchuttwälle) ſich finden — von denen erſtere einer frühen und ausgedehnten Vergletſcherung, letztere einem Abſchnitt der Eiszeit entſprechen, innerhalb deſſen die Gletſcher nicht wieder die frühere Ausdehnung erreichten —, Humboldt. — April 1885. 155 nach Feſtſtellung dieſer Thatſache geht Pend in einer im Laufe des verfloſſenen Jahres veröffentlichten Arbeit““) dazu über, die Beziehungen des paläolithiſchen Abſchnitts der Prähiſtorie zu den Glacial- und Interglacialzeiten zum Gegenſtande ſeiner Unterſuchungen zu machen. Hier ge— hört es nun zu den charakteriſtiſchten Zügen im Auftreten des älteren Steinmenſchen, daß die Spuren desſelben in jenen Gebieten, welche während des letzten Abſchnitts der Eiszeit von Gletſchern bedeckt waren, nicht angetroffen werden. Nirgends ſind bis jetzt auf dem Boden Skandi— naviens, welches ſich an Funden aus der jüngeren Stein— zeit außerordentlich reich erwieſen hat, oder innerhalb jenes Gebiets, welches ſich von dem Centralſtock der Alpen bis zu den inneren (jüngeren) Moränen erſtreckt, paläolithiſche Funde gemacht worden; andererſeits iſt es aber für die genauere Chronologiſierung der älteren Steinzeit von Wichtigkeit, daß jene Fundorte, welche für die Exiſtenz des paläolithiſchen Menſchen in Deutſchland in Betracht kom— men, faſt ſämtlich innerhalb jenes zwiſchen äußeren und inneren Moränen gelegenen Gebiets angetroffen werden. Entſprechend dem zuletzt erwähnten Umſtande wäre nach Penck die paläolithiſche Aera in die letzte wärmere Zwiſchen— periode (Interglacialzeit) und in die letzte extreme Kälte— epoche oder Glacialperiode zu verlegen. Auch iſt nach dem nämlichen Autor aus dem Umſtande, daß in jenem Gebiete, welches der Ausdehnung der Gletſcher innerhalb des letzten Kälteabſchnitts entſpricht, alſo im eigentlichen Alpenlande, ſowie in den ehedem von mächtiger Eisdecke überzogenen Länderſtrecken Norddeutſchlands und Skandinaviens paläo— lithiſche Funde bisher noch nicht gemacht wurden, mit ziemlicher Sicherheit zu folgern, daß mit dem Schluſſe der Eiszeit auch die paläolithiſche Aexa ihr Ende erreicht. Würde der Menſch der älteren Steinzeit in Europa näm— lich jünger ſein als die Vereiſung, ſo wäre nicht einzu— ſehen, warum er die von Eis befreiten Gegenden nicht beſiedelte. Daraus, daß letzteres aber nicht geſchah, daß an den Ufern der Alpenſeen und in der norddeutſchen Ebene zwar zahlreiche Funde aus der neolithiſchen Periode (Epoche der geglätteten Steinwerkzeuge), dagegen keinerlei Spuren des älteren Steinmenſchen angetroffen werden — hieraus folgert Penck mit Recht, daß der prähiſtoriſche Bewohner Nord- und Mitteleuropas, welcher ſich der be— ſagten zugehauenen Steinwerkzeuge und-Waffen bediente, den letzten Abſchnitt der Eiszeit nicht überdauert hat. — Was ferner die Erklärung dieſer Thatſache anlangt, ſo macht der verdienſtvolle Münchener Gelehrte darauf auf— merkſam, daß klimatiſche Veränderungen, die in gewiſſen, nicht allzu beſchränkten Gebieten der Erdoberfläche vor ſich gehen, nicht auf die betreffende Lokalität beſchränkt bleiben, daß dieſelben vielmehr regelmäßig durch Verſchiebung der Zonengürtel auch das Klima fernentlegener Gegenden be— einfluſſen. Wenn nun, wie dies gegen den Schluß der Eiszeit der Fall war, nordiſchen Ländern ein milderes Klima zu teil wurde, ſo mochte dies zugleich zur Folge haben, daß die am Südſaum der nördlichen ſubtropiſchen Zone gelegenen Gegenden mehr und mehr in die trockene Region der Paſſate hineingezogen wurden, daß, während die bis dahin vereiſten Länder Nord- und Mitteleuropas ) Menſch und Eiszeit. 1881. S. 211 ff. Archiv für Anthropologie, Band Xv. | dem Menſchen zugänglich wurden, gewiſſe, weiter ſüdlich gelegene Gebiete durch Verminderung des Regenfalls trocken und unbewohnbar wurden. War aber letzteres der Fall, ſo liegt es nahe, daran zu denken, daß jene klimatiſchen Veränderungen zu Wanderungen der prähiſtoriſchen, noch nicht ſeßhaften Völker den Anſtoß gaben und daß durch dieſe Wanderungen eine bereits auf etwas höherer Kultur— ſtufe ſtehende, im Beſitze polierter und vervollkommneter Steinwerkzeuge und Waffen ſich befindende und die Thon— bildekunſt ausübende Bevölkerung nach Mittel- und Nord— europa geführt und dadurch den paläolithiſchen Bewohnern dieſer Gebiete der Untergang bereitet wurde. Was letzteren Punkt anlangt, ſo ſind wir nach den Funden, wie ſie für Deutſchland vorliegen, wohl berechtigt anzunehmen, daß der ältere Steinmenſch von dem einwandernden neolithiſchen Volke entweder ausgerottet oder vertrieben wurde, indem hier die paläolithiſche Aera ſchroff und unvermittelt in die Kultur der jüngeren Steinzeit übergeht, während aller— dings in Frankreich, wo der Eiszeit- (paläolithiſche) Menſch in weit größerer Anzahl hauſte und gegenüber dem Eiszeit— menſchen Deutſchlands bereits gewiſſe Kulturfortſchritte gemacht hatte, eine allmähliche Verſchmelzung der paläo— lithiſchen und neolithiſchen Bevölkerungselemente ſtatt— gefunden zu haben ſcheint. Uebrigens dürfen wir auch den älteren Steinmenſchen Deutſchlands nicht etwa auf einer ſehr niedrigen Stufe geiſtiger Entwickelung ſtehend uns vorſtellen. Mit Recht weiſt vielmehr O. Fraas, dem wir ſo manchen wichtigen Aufſchluß über dieſe früheſte der uns bekannten menſchlichen Kulturepochen — ſo neuer— dings wieder die Erforſchung der Bockſteinhöhle im Lone— thal (Württemberg) — verdanken, darauf hin, daß der diluviale Menſch lediglich durch ſeine geiſtige Ueberlegen— heit ſich im ſchweren Kampfe ums Daſein zu erhalten und Tiere wie Mammut, Nashorn, Höhlenbär, Wiſent, Ren— tier und Pferd — letzteres kannte er nur in ungezähmtem Zuſtande und benutzte es als Nahrung — zu erlegen, reſp. in Schlingen zu fangen vermochte und daß die in den Höhlen Südfrankreichs aufgefundenen Schnitzereien in Renhorn und Mammutelfenbein ebenſo wie die aus der ſoeben erwähnten Bockſteinhöhle zu Tage geförderten Elfen— beinplatten von einem gewiſſen Kunſtſinn, reſp. einiger Kunſtfertigkeit Zeugnis ablegen. Wenden wir uns von dem paläolithiſchen Menſchen zu ſeinem Nachfolger, dem bereits erwähnten neolithiſchen Bewohner Europas, ſo wollen wir bezüglich der Pflanzen— und Tierwelt, mit welcher derſelbe auf unſerem Kontinent zuſammenlebte, bemerken, daß, wie Nehring) nachgewieſen hat, nach dem Abſchmelzen der Gletſcher weite Strecken Norddeutſchlands und wahrſcheinlich auch einzelne Gebiete Frankreichs den Charakter einer Steppe aufwieſen, daß neben einer Steppenflora eine Steppenfauna daſelbſt ſich anſiedelte und daß erſt mit der zunehmenden Milderung des Klimas und dem Vorrücken der Waldvegetation Nord— deutſchland jene Beſchaffenheit annahm, wie Cäſar und Tacitus ſie beſchreiben. — Was ferner die Kultur der jüngeren Steinzeit anlangt, ſo ſetzen uns die in den mei— ) Vergl. hierüber: „Die diluviale Fauna der Provinz Sachſen und der unmittelbar benachbarten Gebiete“ von Profeſſor A. Nehring im Tageblatt der 57. Verſammlung deutſcher Naturforſcher und Aerzte zu Magdeburg. 18. bis 23. September 1884. 156 Humboldt. — April 1885. ſten Ländern Europas gemachten neolithiſchen Grabfunde, die aus den Pfahlbauten zu Tage geförderten Waffen, Werkzeuge, Mahlzeitsbeſtandteile, Gewebsreſte u. dergl. in den Stand, uns von der Lebensweiſe und Kulturentwicke⸗ lung der betreffenden Bevölkerung ein ziemlich genaues Bild zu entwerfen. Von nicht zu unterſchätzender Wichtig— keit iſt es auch, daß aus einer Gegend, die bis vor kurzem in anthropologiſcher Beziehung noch faſt gänzlich unerforſcht war, neuerdings wichtige Unterſuchungen vorliegen. Aus jenen Höhlen, welche in dem nordweſtlich von Krakau ver— laufenden Jurahöhenzug ſich befinden, hat nämlich Oſ— ſowsky eine außerordentlich reichhaltige Sammlung von prähiſtoriſchen Fundſtücken zu Tage gefördert — Objekte, welche über die Kultur Polens und der angrenzenden Länder während der jüngeren Steinzeit wichtige Aufſchlüſſe liefern und O. Tiſchler dazu veranlaßt haben, eine be— ſondere oſtbaltiſche Gruppe der neolithiſchen Zeit abzugrenzen. Durch die beſagten Funde erlangen wir zugleich wichtige Information über jene „Höhlenperiode“ der jüngeren Steinzeit, mit der uns die von Johannes Ranke ev- forſchten Höhlen Oberfrankens zuerſt bekannt gemacht haben. Ebenſo wie die zuletzt erwähnten Unterſuchungen lehren uns die Oſſowskyſchen Funde, daß während des Zeitabſchnitts, innerhalb deſſen dieſe Höhlen zu Wohnungen dienten, Jagd und Viehzucht, Ackerbau, Weberei und Töpferei von den Bewohnern dieſer Gegenden ausgeübt wurden. In hohem Grade intereſſant ſind ferner die in den beſagten Höhlen aufgefundenen Menſchen- und Tier— figuren — Produkte einer frühzeitig im baltiſchen Gebiete auftretenden plaſtiſchen Kunſt, welche in ihrer Form an den von R. Klebs beſchriebenen, ebenfalls aus den bal— tiſchen Gebieten ſtammenden Bernſteinſchmuck der neo- lithiſchen Zeit ſich aufs engſte anſchließen — ſowie ferner die Uebereinſtimmung dieſer Tier- und Menſchenſtatuetten mit jenen keramiſchen Produkten aus der Steinzeit von Tordos und Nändor-Välya (Siebenbürgen), deren Ent— deckung wir der verdienſtvollen Anthropologin Sophie von Torma verdanken. ECbenſo wie die zuletzt erwähnten Objekte müſſen auch die den Jurahöhlen bei Krakau ent— nommenen Menſchen- und Tierfiguren aus Knochen und Tropfſtein (Kalkſinter) zum Teil als mit religiöſen oder abergläubiſchen Vorſtellungen verknüpfte Idole betrachtet werden. — Bei Beſprechung jener neueren anthropologi— ſchen Forſchungsergebniſſe, welche ſich auf die jüngere Stein— zeit beziehen, wollen wir noch des Umſtandes gedenken, daß das Problem, welches in neueſter Zeit zu den leb— hafteſten Diskuſſionen Veranlaſſung gegeben hat — näm— lich die Frage nach der Herkunft jener aus zahlreichen Fundſtätten der neolithiſchen Zeit zu Tage geförderten Nephrit- und Jadeit-Beile — nunmehr als gelöſt gelten darf. Während eine Anzahl von Forſchern — ſo vor allem der Geologe H. Fiſcher (Freiburg i. Br.) — ſich darauf berufend, daß Lagerſtätten von Nephrit in Europa nicht bekannt ſeien, Centralaſien als die Bezugsquelle dieſer ſchon durch ihre Farbe und ſorgfältige Bearbeitung von anderen Steinobjekten ſich unterſcheidenden Beile, reſp. des Materials, aus dem dieſelben gefertigt wurden, betrachteten und zugleich die vermeintliche aſiatiſche Herkunft dieſer Objekte als Beweis für die Einwanderung der Arier aus Aſien, ſowie als Zeugnis für die Exiſtenz eines aus— gedehnten Handelsverkehrs in neolithiſcher Zeit anführten — im Gegenſatz zu dieſer Anſchauung, welche bis vor kurzem noch unter den Anthropologen vorherrſchend war, wies A. B. Meyer (Dresden) in einem 1883 erſchienenen Werke auf die Unwahrſcheinlichkeit hin, daß die in den prähiſtoriſchen Sammlungen in großer Anzahl ſich finden- den Nephritäxte — reſp. das Material, welches zur Her— ſtellung derſelben gedient hat — ſämtlich aus ſo weiter Entfernung nach Europa gebracht worden ſeien. Auch ſprach der zuletzterwähnte Gelehrte die Vermutung aus, daß früher oder ſpäter in Europa Fundſtellen von Nephrit nachgewieſen werden würden. Dieſe Vorausſage hat ſich nun in der That aufs glänzendſte beſtätigt, indem inner⸗ halb des letzten Jahres ein Nephritgeſchiebe im Sannthale bei St. Peter, ferner ein ebenſolches im Thale der Mur unweit Graz nachgewieſen und endlich noch im Serpentin— gebiete des Zobtengebirges (Schleſien) ein Fund von an— ſtehendem Nephrit gemacht wurde. Auch bedarf es keiner weiteren Auseinanderſetzung, daß durch die beſagten Entdeckungen des natürlichen Vorkommens von Nephrit in Europa der Theorie vom aſiatiſchen Urſprung der Nephrit- und Jadeitbeile jedwede Baſis entzogen worden iſt. Als einen der wichtigſten Fortſchritte auf anthropo- logiſchem Gebiete hätten wir endlich noch das ins Auge zu faſſen, was die neueren Ausgrabungen Dr. Heinrich Schliemanns und die an letztere anknüpfenden Unter— ſuchungen des Engländers Sayce und des Dänen Sophus Müller ergeben haben, wobei wir jedoch, der räumlichen Be— ſchränkung dieſes Berichtes Rechnung tragend, uns damit be— gnügen müſſen, nur einige der wichtigſten Punkte hervorzu— heben. Bemerkt ſei hier zunächſt, daß zufolge der von Schlie— mann in ſeinem neueſten Werke?) gemachten Mitteilungen die zweitunterſte der an der berühmten Stätte der Troas aus— gegrabenen Anſiedelungen nicht auf die engen Grenzen des Hügels Hiſſarlik beſchränkt war, ſondern ſich bis in die Ebene erſtreckte, daß Hiſſarlik nur die Pergamos oder Citadelle darſtellte und daß nach Sayce nicht länger daran ge— zweifelt werden kann, daß dieſe nunmehr vollſtändig ausgegrabene Stadt identiſch iſt mit derjenigen, deren Belagerung und Eroberung der Haupt— gegenſtand des griechiſchen epiſchen Geſanges wurde. Als ein nicht minder wichtiges Ergebnis der in dem neueſten Werke Schliemanns mitgeteilten Unter— ſuchungen iſt ferner die Thatſache zu bezeichnen, daß die erſten Anſiedler von Hiſſarlik (die Erbauer der erſten Stadt) von Europa über den Hellespont gekommen find. Letzteres ergibt ſich aus der vollſtän— digen Uebereinſtimmung der im thrakiſchen Cherſones nach— gewieſenen alten Stadt — auf deren Bauſtelle ſpäter der Tumulus des Proteſilaos errichtet wurde — reſp. aus der Uebereinſtimmung der in der beſagten Stadt aufgefundenen keramiſchen Reſte und Steinreliquien mit denjenigen, welche Schliemann aus den unterſten Straten am Hiſſarlik zu Tage gefördert hat. — Was die Beziehungen Ilions (der zweitunterſten Anſiedelung) zur Stein- und Metallzeit ane ) Troja. Ergebniſſe meiner neueſten Ausgrabungen auf der Bau— ſtelle von Troja, in den Heldengräbern, Burnabaſchi und an anderen Orten der Troas im Jahre 1882. Mit Vorrede von Profeſſor A. H. Sayce— Leipzig, F. A. Brockhaus. 1884. Humboldt. — April 1885. 157 langt, fo ijt zu bemerken, daß in diejer Stadt eine auf— fallende Miſchung relativ hoher Kultur — welche ſich in wunderbaren Goldſchmuckſachen, Bronzen, Ausübung des Metallguſſes, Silbergeld in Form kleiner Barren, ſowie in hoher Ausbildung der Keramik äußert — mit einer da— ſelbſt noch beſtehenden Steinperiode (ohne Kenntnis des Eiſens) angetroffen wird und daß Objekte aus Elfenbein und ägyptiſches Porzellan nicht fehlen. Beſonders muß aber hervorgehoben werden, daß es eine dem indoger— maniſchen Stamme angehörende Bevölkerung — möge ſie nun als Thraker, Phryger oder Ger— manen zu bezeichnen ſein — iſt, die wir hier unter dem direkten Kultureinfluſſe Babyloniens erblicken, welcher letztere, wie Sayce glaubt, im weſentlichen nicht von der Küſte her, fondern auf dem Landwege durch jenes merkwürdige, erjt in neueſter Zeit der Geſchichte feſt eingefügte Volk der Hittiten (Cheta, Chetiter, Hittiter) der Anſiedelung auf Hiſſarlik zugeführt wurde. Die ſoeben erwähnte Annahme erhält ihre Beſtätigung durch die Identität der von Schliemann in Ilion aufgefun— denen weiblichen Idole mit der großen hittitiſchen Göttin von Karchamiſch, durch die Technik der in situ gebrannten Ziegelmauern, ſowie durch andere Umſtände, auf die wir hier nicht näher eingehen können. Andererſeits fehlen aber in der zweiten Stadt neben den hittitiſchen Kultureinflüſſen noch ganz diejenigen der ſpecifiſch phönikiſchen und aſſy— riſchen Kunſt. — Um hier zum Schluſſe noch einige Be— merkungen über die Kultur Griechenlands in prähiſtoriſcher Zeit anzuknüpfen, ſo fanden ſich unter den von Schlie— mann zu Mykenä ausgegrabenen Objekten neben zahl— reichen Stücken, welche direkt auf die Phöniker zurückgeführt werden müſſen, hier und da auch ſolche, welche auf baby— loniſch-hittitiſchen Einfluß hinweiſen. So iſt z. B. der berühmte große Siegelring aus Mykenä nach Sayce als die Kopie eines uralten babyloniſchen Cylinders zu be— trachten. Im allgemeinen unterliegt es aber nach dem ſoeben erwähnten Gelehrten und nach den Unterjuchungen von Sophus Müllers) keinem Zweifel, daß jene früheſte der uns bekannten Kulturſtufen Griechenlands, welche man bisher als die „pelasgiſche“ bezeichnet hat, nichts anderes iſt als eine Miſchung einer niedrigen vor— oder ungriechiſchen Kultur, welche noch teilweiſe der Stein— zeit angehört, und jener hohen vorderaſiatiſchen Kultur, welche durch das beſagte Handelsvolk der Phöniker den Küſten von Hellas und den Inſeln des Aegeiſchen Meeres zugeführt wurde. ) Sophus Müller, Urſprung und erſte Entwicklung der euro— päiſchen Bronzekultur, beleuchtet durch die älteſten Bronzefunde im ſüd— lichen Europa. Archiv für Anthropologie, Band XV. S. 113 ff. 1884. Bhyſiologie. Don Dr. J. Steiner in Heidelberg. Simer, FSawaryfin: Fettaufnahme im Dünndarm. J. Munk: Keſorption von Fettſäuren. Wendi: Häminkryſtalle. Hüfner: Methämo— globin. J. Bernſtein: Auflöſung roter Blutkörperchen. Tarchanoff: Siweiß der Mefthoder und Veſtflüchter. Cohnſtein: Pflüger: Einfluß der Schwere auf die Entwickelung der Eizelle. Unterſuchungen über Blut und Atmung des Neugeborenen. Bodländer: Ueber den Alkohol. Die Lehre von der Sekretion und Reſorption iſt ſeit einem Jahrzehnt etwa in vollſtändiger Umwandlung be— griffen und wird allmählich nach vielen Kämpfen und Mühen wieder in ſtabilere Form gelangen. Während nämlich die fünfziger und ſechziger Jahre dieſe Funktionen rein phyſi— taliſch betrachteten und alle Erſcheinungen auf die Geſetze der Diffuſion zurückzuführen beſtrebt waren, bringt die neuere Zeit immer mehr Beweiſe dafür, daß, wenn auch die Geſetze der Diffuſion zu Recht beſtehen bleiben, vorerſt die aktive Thätigkeit der ſecernierenden und reſorbierenden Ele— mente, die Zellen ſelbſt die vornehmſte Rolle ſpielen. Das— ſelbe Beſtreben finden wir in einer Reihe von Arbeiten, welche in letzter Zeit erſchienen ſind und ſich mit der über— aus ſchwierigen Frage beſchäftigen, wie neutrales Fett im Darme reſorbiert wird. Die Schwierigkeit liegt darin, daß die mit wäſſriger Feuchtigkeit durchtränkte Darmwand vielmehr die Aufnahme von Fett ausſchließt, als begünſtigt. Nun weiß man ſchon ſeit lange, daß namentlich die Schleim— haut des Dünndarmes einen beſonderen Bau beſitzt, daß die der Lichtung des Darmrohrs zugekehrte Seite der Humboldt 1885. Darmwand von regelmäßig angeordneten Cylinderzellen beſonderer Konſtruktion beſetzt iſt, welche die Fettaufnahme beſorgen ſollten; man weiß, daß das Fett im Darm in eine feinſte Emulſion übergeführt wird, wodurch die Fett— aufnahme zweifellos ſehr begünſtigt wird u. ſ. w., worüber ſpäter noch geſprochen werden ſoll. Dagegen kommen jetzt von mehreren Seiten Beobachtungen, welche dieſe Zellen ganz beiſeite ſetzen und erklären, beobachtet zu haben, daß bewegungsfähige, wandernde Zellen aus dem Binde— gewebe der Schleimhaut, zwiſchen den Cylinderzellen durch, an die Oberfläche kommen, dort das Fett aufnehmen, gleich— ſam freſſen ganz ähnlich, wie bei gewiſſen niederen Tieren (3. B. Rhizopoden u. a.) nach neueren Beobachtungen alle Nahrung aufgenommen wird und mit dem Fett beladen in die Milchgefäße des Darms zurückkehren, um es dort zu de— ponieren. In Bezug auf die Fettaufnahme bei den höheren Tieren bezeichnen die Autoren dieſen Modus als interepithe— liale Reſorption. An der Richtigkeit der Beobachtungen it nicht zu zweifeln, da ſie übereinſtimmend von mehreren Au— toren gemacht worden find. Trotzdem kann man fragen, ob 21 158 Humboldt. — April 1885. durch dieſe interepitheliale Aufnahme alles Fett aufgenommen wird oder nur ein Teil, ob alſo die vorhin erwähnten Cylinder- epithelzellen mit der Fettaufnahme nichts zu thun hätten. Für die Beteiligung der letzteren Elemente ſpricht aber die Thatſache, daß die Verbindungswege dieſer Zellen mit den Milchgefäßen, welche jetzt hinreichend bekannt ſind, während der Verdauungsperiode regelmäßig reichlich mit Fetttröpfchen erfüllt gefunden werden. Dazu kommt noch, daß im Darm eine Auswahl der zu reſorbierenden Stoffe ſtattfindet, daß z. B. feinſte Farbſtoffkörnchen, deren Größe gleich iſt den feinen Fetttröpfchen, niemals aufgenommen werden, während man von den Wanderzellen an anderen Stellen des Körpers im Gegenteil weiß, daß ſie ohne Bahl feinſte Subſtanzen aufnehmen. Einer der Autoren bringt die anſprechende Idee, daß für die höheren Tiere die interepitheliale Aufnahme eine Erbſchaft von den niederen Formen iſt, daß aber den höheren Tieren weſentlich die epitheliale Reſorption zukommt. Bei den Amphibien ſcheint dieſer Uebergang ſtattzufinden. Wie dieſe epitheliale Auf— nahme ſtattfindet, darüber konnte jener Autor keine neueren Angaben machen. Da im Darme der niederſten Fiſche dieſe Epithelzellen mit Flimmerhaaren beſetzt ſind, jo wurde ſchon vor etwa zehn Jahren auf Grund unzu— länglicher Beobachtungen auch für die höheren Wirbeltiere eine ähnliche Struktur der Epithelzellen poſtuliert, wobei durch die Bewegungen dieſer Flimmerhaare das Fett den Epithelien einverleibt werden ſollte. Eine Beſtätigung hat dieſe Anſicht nicht erfahren. Gelegentlich ſei noch folgender intereſſanten Thatſache gedacht: Man hatte bisher immer die Vorſtellung, daß die feinen Farbſtoffpartikelchen im Darm nicht aufgenommen werden, weil fie feſt ſind, wäh— rend das bei den Fetttröpfchen nicht der Fall iſt. Nun hat ſich aber gezeigt, daß Hammelfett, welches bei einer über der Köpertemperatur liegenden Wärme noch ſtarr iſt, trotzdem im Darme aufgenommen wird. Daß reſorbiertes Fett in gewiſſen Organen reichlich abgelagert wird, iſt bekannt; es iſt aber jüngſt gelungen, ein dem Organismus fremdes Fett als ſolches dort abzu— lagern, z. B. Hammelfett in dem Körper eines Hundes, ſo daß das Fettpolſter dieſes Hundes eben aus Hammel— und nicht aus Hundefett beſtand. Daraus folgt, was bis— her angezweifelt worden iſt, daß aufgenommenes Fett als ſolches ohne Umwandlung direkt in die Zellen des Körpers aufgenommen werden kann; es iſt hierzu nur reichliche Zufuhr nötig. Davon unabhängig iſt die Fettbildung im Körper, bei welcher aus anderen Subſtanzen, aus Eiweißen oder Kohlehydraten Fett gebildet wird. Ganz dieſelben Verſuche gelingen mit Fettſäuren, welche irgendwo auf dem Reſorptionswege zu Neutralfett umgebildet werden und als ſolches im Körper zur Ablagerung gelangen. Es ſcheint, daß dieſe Syntheſe in der Darmſchleimhaut ſelbſt vor ſich geht, denn wenn man ausgeſchnittene Darmſchleim— haut bei Bruttemperatur mit Glycerin und Fettſäure dige— riert, ſo entſteht hierbei Neutralfett. Noch eine andere ſehr wichtige Funktion ſcheint der Darmſchleimhaut zuzukommen, nämlich die Verwandlung des durch die Verdauung der Eiweißkörper gebildeten Peptons wieder in Eiweiß und zwar Serumeiweiß. Der Vorgang iſt unter anderem ſchon deshalb von Wichtigkeit, weil der Eintritt von gewiſſen größeren Mengen von Pepton ins Blut merkwürdiger— weiſe giftig wirkt. Dieſe Arbeit ſchreibt man den farb⸗ loſen Blutkörperchen oder Lymphzellen der Darmſchleimhaut zu, ſo daß dieſelben bei der Ernährung des Organismus aus Eiweiß eine ähnliche Rolle ſpielen, wie die roten bei der Atmung. Wie letztere als Träger des Sauerſtoffes fungieren, ſo fungieren jene als Träger der Peptone, die jie, ohne ihre charakteriſtiſche Eigenſchaft zu verwiſchen, toxiſch indifferent machen und ſie vor dem Uebertritt in den Harn bewahren. Es iſt ſeit lange bekannt, daß der rote Blutfarbſtoff ſchöne Kryſtalle bildet. Aber dieſe Kryſtalle ſind nur unter ſehr beſchränkten Bedingungen haltbar und laſſen ſich nur aus friſchem Blute nach einem etwas weitläufigen Verfahren in größerer Menge darſtellen. Es war daher ein ſehr glückliches Ereignis, als ſeiner Zeit Blutkryſtalle ſelbſt aus eingetrocknetem Blute (Blutpulver) mit Hilfe von Salz— ſäure und Kochſalz dargeſtellt wurden. Dasſelbe Verfahren geſtattete die Darſtellung auch in großen Mengen und die Kryſtalle ſind unbeſchränkt haltbar. Aber das ſo gewonnene Produkt iſt nicht ſehr rein und die Ausbeute im großen, wenig dankbar. Es iſt daher mit Freuden zu begrüßen, daß in letzter Zeit ein verbeſſertes Verfahren zur Dar⸗ ſtellung dieſer Kryſtalle aufgefunden worden iſt, welches ein neues Präparat und beſſere Ausbeute im großen liefert. Dasſelbe ſchließt ſich in der Benutzung der Salz⸗ ſäure dem alten Verfahren an, verwendet aber zur Extraktion des Farbſtoffes den ſchon anderweitig an anderen Farb— ftoffertrattionen mit Erfolg verwerteten Amylalkohol. Aus 31 Blut erhält man 1,5 bis 3 reine Kryſtalle, meiſten⸗ teils in dünnen, glitzernden, rhombiſchen Blättern oder auch Prismen. Bei weiterer Unterſuchung ſtellt ſich heraus, daß dieſe Kryſtalle im Molekül ſtets eine fonftante Menge Amylalkohol enthalten, welche ſich auf keine Weiſe entfernen läßt. Bei der Elementaranalyſe ergibt ſich eine Zuſammenſetzung, welche für die Kryſtalle zu der Formel (Cyg9H39NyFeO3HCl),C5Hj,O führt; man erkennt in dem Molekül dieſer Kryſtalle Amylalkohol und Salz— ſäure; nach Abſonderung dieſer Beſtandteile bleibt der Körper C32 HZONFeOg, welcher Hämin genannt werden ſoll, und ſeine ſalzſaure Verbindung entſpricht den Kryſtallen der alten Darſtellung, welche ſeiner Zeit als Häminkryſtalle bezeichnet worden find. Wenn man die neuen Hämin⸗ kryſtalle in verdünnter Natronlauge auflöſt und mit Salz⸗ ſäure fällt, ſo geht das Hämin in Hämatin über, wobei Salzſäure und Amylalkohol abgeſpalten, dafür aber Waſſer in das Molekül aufgenommen wird, entſprechend der Gleichung: (C39Ha9NyFeO3HCl);C5H;20 + (NaOH), = Häminkryſtalle Natronlauge (CszHazN FeO + C3Hj20 + (NaCl), Hämatin Amylalkohol Kochſalz. Die Thatſache, daß das Hämin leicht Doppelverbin— dungen bildet, iſt auch deshalb von großem Intereſſe, weil vielleicht die in den roten Blutkörperchen enthaltene rot gefärbte mit Eiweiß verbundene Subſtanz, Hämoglobin genannt, ſolche Doppelverbindung des Hämins mit Eiweiß— körpern darſtellen könnte. An derſelben Stelle iſt in dieſer Zeit eine andere Frage zur Entſcheidung gelangt. Bekanntlich iſt eine der wichtigſten Eigenſchaften des genuinen roten Blutfarb— Humboldt. — April 1885. 159 ſtoffes ſeine Funktion als Sauerſtoffüberträger derart, daß er ſehr leicht Sauerſtoff auf dem Wege lockerer chemiſcher Bindung aufnimmt, um denſelben ebenſo leicht wieder ab— zugeben. Man nennt dieſen Farbſtoff Oxyhämoglobin. Schon vor längerer Zeit iſt ein dieſem ſehr ähnlicher Farbſtoff aufgefunden worden, der ſich aus jenen nament— lich beim Stehen von dünnen Schichten an der Luft bildet, welchen man Methämoglobin nannte und der die abwei— chende Eigenſchaft beſaß, daß in ihm der Sauerſtoff feſt gebunden war. Ueber die Menge des im Methämoglobin enthaltenen Sauerſtoffes aber gingen die Anſichten aus— einander: die eine Reihe von Autoren behauptete, daß es ein Oxyd jenes Körpers ſei, und nannten es deshalb Peroxyhämoglobin, die andere Reihe aber ſprach ihm nur gleich viel Sauerſtoff als dem Oxyhämoglobin zu und ſah den Unterſchied gegen jenes nur in der feſten Bindung des Sauerſtoffes. Es iſt jetzt gelungen, das Methämoglobin kryſtalliniſch darzuſtellen, was man bisher nicht gekonnt hatte; dadurch iſt man in den Stand geſetzt worden, direkt gaſo— metriſche Unterſuchungen anzuſtellen, welche ergeben haben, daß das Methämoglobin genau ſo viel Sauerſtoff enthält, wie das Oxyhämoglobin, von dem es ſich nur durch feſtere Bindung unterſcheidet, indem der Sauerſtoff aus dem Methämoglobin weder im luftleeren Raume noch durch Kohlenoxyd austreibbar iſt. Die roten Blutkörperchen ſämtlicher Tiere können durch gewiſſe Agentien aufgelöſt werden, indem ihnen das Hä— moglobin entzogen wird. Man teilt dieſe Agentien in phyſikaliſche und chemiſche ein und zählt zu den erſteren wiederholte elektriſche Schläge, Wärme, Kälte u. a., zu den chemiſchen deſtilliertes Waſſer, Aether, Chloroform, nament- lich Galle u. a. In entſprechenden Verſuchsreihen hat ſich nun gezeigt, daß die Reſiſtenz gegen die phyſikaliſchen Löſungsmittel durch den Zuſatz von Salzen gegenüber dem reinen Blut erhöht wird und zwar am meiſten durch die ſchwefelſauren Salze, weniger durch die kohlenſauren Ver— bindungen und das Jodkalium, in der Mitte ſteht das Kochſalz. Dagegen wird die Reſiſtenz gegen die chemiſchen Agentien herabgeſetzt und zwar ſo, daß die ſchwefelſauren Salze die Reſiſtenz am wenigſten herabſetzen, die kohlen— ſauren Salze am meiſten. Das Kochſalz verhält ſich in beiden Fällen etwa gleich. Vergleichende Verſuche zwiſchen dem Blute von Föten, Neugeborenen und der Mutter ſind ebenſo ſchwierig als intereſſant. Die Zahl der roten Blutkörperchen iſt beim Fötus regelmäßig bedeutend geringer als bei der Mutter, aber das Neugeborene erreicht, wie es ſcheint in relativ ſchroffem Uebergange, bis zu fünf Stunden Lebensdauer nahezu ſchon die Blutkörperchenmenge ſeiner Mutter. Föten, welche geatmet haben, beſitzen im allgemeinen eine größere Blutkörperchenmenge als ſolche, welche nicht geatmet haben. Die Gaſe des Blutes ſind dieſelben wie die der Mutter, auch die Mengenverhältniſſe ſcheinen dieſelben zu ſein, aber der Verbrauch von Sauerſtoff iſt beim Fötus etwa viermal geringer, als beim Erwachſenen, daher beſitzt der Fötus eine größere Reſiſtenz gegen Sauerſtoffmangel, eine Thatſache, die ſchon früher beobachtet worden iſt. Einen ſehr einfachen Ein— blick in die Triebkraft, welche den Blutſtrom des Fötus treibt, gewährt die gleichzeitige Unterſuchung des Blutdrucks in der Nabelarterie und Nabelvene, von denen das eine Gefäß. das Blut dem Fötus zuführt, während das andere das Blut abführt. Der Verſuch iſt ausführbar bei denjenigen Föten, welche dieſe Gefäße doppelt beſitzen, alſo in Summa vier, von denen zwei zum Blutdruckverſuch verwendet werden, während die zwei anderen die Cirkulation unter— halten. Solche Verſuche ergeben durchſchnittlich in der Nabelarterie einen doppelt ſo hohen Druck als in der Nabelvene und die Druckdifferenz in den beiden Gefäßen iſt das direkte Maß für die Größe der den Blutſtrom treibenden Kräfte. In den Keimen vieler Pflanzen z. B. den Spargeln, den Runkelrüben, in Erbſen- und Bohnenpflanzen findet ſich das Aſparagin, ein Körper, welcher auch bei der Ver— dauung der Eiweißkörper im Darme gebildet wird, ſowie auch beim Kochen von Eiweißſtoffen oder Horn mit Schwefelſäure oder Salzſäure. Auf Grund gewiſſer Beob— achtungen hatte man früher ſchon Aſparagin an Tiere verfüttert und dabei gefunden, daß bei Schafen und Gänſen der Zuſatz von Aſparagin zur Nahrung in gleicher Weiſe wie der Leim ein Erſparnis an Eiweiß zur Folge hat, d. h. daß die Tiere bei gleichzeitiger Aſparaginaufnahme mit weniger Eiweiß zu befriedigen ſind. Ganz dasſelbe hatten Fütterungen an Kaninchen gelehrt. Als aber neueſtens derſelbe Verſuch am Hunde inſtalliert wurde, da zeigte es ſich, daß das Aſparagin den Eiweißzerfall be— ſchleunigt, d. h. daß der Hund nunmehr eine größere Menge an Eiweiß nötig hat, um ſeinen täglichen Bedarf zu decken. Dieſes Ergebnis ſcheint einen neuen Unterſchied im Stoffwechſel von Herbivoren und Karnivoren zu be- gründen. Es iſt bekannt, daß die hauptſächlichſten orga— niſchen Nahrungsſtoffe, wie Fett, Zucker und Stärke in der Nahrung ſich gegenſeitig vertreten können; nur das Eiweiß macht eine Ausnahme, es iſt nicht vertretbar, ſondern jede Nahrung muß ein gewiſſes Minimum an Eiweiß enthalten, wenn der Körper nicht zu Grunde gehen ſoll. Von dieſer durchaus notwendigen Eiweißmenge ſind 64 bis 80 Prozent durch gleichwertige Mengen von Fett . oder Kohlehydrate erſetzbar. Der Zerfall des Fettes kann durch Eiweißzufuhr vollkommen verhütet werden und zwar entſprechen beim Hunde 100 Teile Fett cirka 210 Teilen Eiweiß, beim Kaninchen nur cirka 200. Im allgemeinen vertritt das Eiweiß fo viel Fett, als es ſelbſt zu bilden im- ſtande iſt. Rohrzucker ſetzt beim Hunde die Eiweißzerſetzung herab und vermag den Zerfall von Fett ganz aufzuheben; 100 Teile Fett werden durch eirka 230 Teile Rohrzucker vertreten. Der Traubenzucker vertritt das Fett im Ver— hältnis von cirka 250: 100. Demnach erſcheint das früher angegebene und den entſprechenden Berechnungen zu Grunde gelegte Verhältnis der Vertretung von Fett zu Kohle— hydraten wie 100: 175 als zu niedrig, jo daß alle jene Angaben einer entſprechenden Korrektur bedürfen. Ueberraſchenderweiſe ſtellt ſich heraus, daß das Ei— weiß der Vögel, welche nackt geborene Junge haben (Neſt— hocker) einen etwas anderen Charakter hat, als das der Vögel, welche befiedert geborene Junge haben (Neſtflüchter). Zu den erſteren gehören Hänfling, Kanarienvogel, Taube, Krähe, Nachtigall, Sperling, zu den letzteren Huhn, Ente, Gans, Perlhuhn, Feldhuhn ꝛc. Der erſte Unterſchied iſt der, daß das Eiereiweiß der Neſthocker durch Hitze geronnen vollkommen durchſichtig bleibt, ſo daß nach Wegnahme der 160 Humboldt. — April 1885. Schale der Dotter durch dasſelbe zu ſehen iſt und man beliebig gedruckte Schrift durch dasſelbe leſen kann, was bei dem anderen, welches bei der Gerinnung vollkommen weiß und undurchſichtig wird, nicht der Fall iſt. Für das unverdünnte Eiweiß der Neſthocker liegt die Gerinmungs- temperatur viel höher als bei der anderen Eiweißart und bei Verdünnung auf das vier- und mehrfache Volumen mit Waſſer verſchwindet ſeine Gerinnbarkeit vollſtändig, ob⸗ gleich es ſonſt alle dem gewöhnlichen Eiweiß zukommenden Reaktionen gibt. Jenes Eiweiß ſcheint viel leichter ver— daulich zu ſein, als das andere. Es exiſtiert bisher nur eine Ausnahme von der angeführten Regel, nämlich der Kiebitz, der, obgleich zu den Neſtflüchtern gehörig, doch das Eiereiweiß vom Charakter der Neſthocker beſitzt. Wenn man dem erſteren im friſchen Zuſtande einige Tropfen konzentrierter Löſungen der Neutralſalze der alkaliſchen Baſen, des ſchwefelſauren Kalis, des ſchwefelſauren Natrons, der ſchwefelſauren Magneſia, von Salpeter und Kochſalz zuſetzt, ſo geht es in das andere undurchſichtige Eiweiß über; dasſelbe bewirkt der Zuſatz einiger Tropfen von Eſſig- oder Milchſäure, in analoger Weiſe wirkt ein kräf— tiger Kohlenſäureſtrom. Es muß aber zwiſchen den beiden Eiweißarten ein genetiſcher Zuſammenhang beſtehen, der ſich in der That auch darin zeigt, daß das Eiweiß der Eier von Neſthockern beim Brüten derſelben allmählich in das gewöhnliche Hühnereiweiß übergeht. Die Urſache der Veränderung jenes Eiweißes beim Brüten geht vom Ei— Dotter aus, denn das Eiweiß allein im Reagenzglas er— wärmt bleibt unbeeinflußt, dagegen bei Anweſenheit von Eidotter wird es fo verändert, daß es beim Erhitzen un- durchſichtiges Eiweiß gibt, wie es das gewöhnliche Hühner— eiweiß thut. Das Eidotter der Neſthocker iſt waſſerreicher als jenes der Neſtflüchter: außerdem iſt das Verhältnis zwiſchen dem Gewichte des Dotters und des Eiweißes bei jenen faſt um das Doppelte kleiner als bei dieſen. Dieſe beiden Eigenſchaften erklären den geringen Einfluß des Dotters auf das Eiweiß der Eier der Neſthocker gegenüber dem Eiweiß bei den Neſtflüchtern und endlich folgt daraus, daß die Eier der Neſthocker weniger entwickelte Gebilde darſtellen, als die Eier der Neſtflüchter. Eigenheiten der Eier erklärt ſich leicht das Erſcheinen der Neſthocker in weniger entwickeltem Zuſtande im Vergleiche zu den Jungen der Neſtflüchter. Der Sauerſtoff der Luft iſt bekanntlich das Gas, welches bei jeder Einatmung in die Lunge eindringt, um weiterhin ins Blut zu gelangen und dort die für den Beſtand des Lebens abſolut notwendigen Funktionen zu bewirken. Der Sauerſtoffgehalt der Luft beträgt 20 Prozent und man hatte ſich ſchon ſehr früh die Frage vorgelegt, ob ein Individuum, das ſich in ſauerſtoffreicherer Luft be— findet, nicht mehr Sauerſtoff aufnehmen würde, als das gewöhnlich geſchieht. Die erſten Autoren auf dieſem Ge— biete, voran Lavoiſier, hatten eine verneinende Antwort gegeben. Neuerdings hatte P. Bert behauptet, daß La— voiſier unrecht gehabt hätte. Zahlreiche Verſuche neueſten Datums bringen Lavoiſiers Angaben wieder zu Ehren und thun ſelbſt dar, daß die Sauerſtoffaufnahme in Luft, die mehr als 20 Prozent an Sauerſtoff enthält, doch keine größere iſt, als in der normalen Luft mit etwa 20 Prozent. An dieſe Verſuche ſchließen ſich eng die folgenden Aus diejen. Beobachtungen an, welche ähnliche Fragen für Hühner⸗ embryonen behandeln. Bei denſelben ſollte zunächſt ent⸗ ſchieden werden, ob Hühnereier, wenn ſie ſtatt in Luft in reinem Sauerſtoff bebrütet werden, zur normalen Ent⸗ wicklung kommen. Die Antwort, welche der Verſuch hierauf gab, iſt nicht völlig beſtimmt; allerdings kann die embryonale Entwicklung im Hühnerei mehrere Tage hin— durch ohne Beſchleunigung oder Verzögerung innerhalb der erſten zwei Inkubationswochen im Sauerſtoff fortſchreiten, aber es tritt nach dieſer Zeit häufig der Tod ein. Da man aber in der Luftkammer des Eies regelmäßig Schimmel⸗ bildung findet, ſo iſt kaum zu bezweifeln, daß es nicht der Ueberſchuß an Sauerſtoff, ſondern die Stagnation des Gaſes iſt, welche durch Begünſtigung von Fäulnisprozeſſen den Tod herbeiführt. Man kann daher mit großer An— näherung behaupten, daß das Ei unter günſtigen Um⸗ ſtänden ſich im Sauerſtoff entwickeln kann. Für die Technik anderer Verſuche folgt daraus aber mit Sicherheit, daß man bei Anwendung ſtrömenden Gaſes ſechsſtündige quan— titative Verſuche zur Ermittelung des Gaswechſels anſtellen kann ohne ſchädliche Wirkungen befürchten zu müſſen. Es ſollte nämlich weiter unterſucht werden, wie ſich die regelmäßige Kohlenſäureproduktion des Hühnerembryo in reinem Sauerſtoff geſtaltet. Quantitative ſechsſtündige Reſpirationsverſuche ergaben nun, daß das im Sauerſtoff atmende entwickelte Ei von der zweiten Woche an erheblich mehr Kohlenſäure als das ebenſoweit entwickelte Luft atmende produziert. Durch Oeffnung der in dieſen Ver- ſuchen benutzten Eier wurde feſtgeſtellt, daß der Embryo normal ausgebildet iſt, aber es zeigen ſich einige charak— teriſtiſche Veränderungen an dieſen Embryonen: Die Ge- fäße der Allantois werden etwa nach kurzer Zeit der Einwirkung intenſiv rot gefärbt, ebenſo iſt die Haut tiefrot, ebenſo die Amnionsflüſſigkeit. Die rote Farbe rührt nach— weisbar von Oxyhämoglobin her, doch ſcheint in der Am— nionsflüſſigkeit gelöſtes Blutrot zu ſein, jedenfalls fand ſich dort eine beträchtliche Menge weißer Blutzellen. Die Phyſiologie fängt ſeit einiger Zeit an, ſich angele— gentlicher auch mit Experimenten zu beſchäftigen, welche ſich auf den werdenden Organismus, ſelbſt auf die erſten An⸗ fänge desſelben beziehen. Von den mühevollen und kom— plizierten Verſuchen dieſer Art möge wegen des hohen Intereſſes und der gewonnenen präciſen Antwort auf die geſtellte Frage die Reihe mitgeteilt werden, welche den Einfluß der Schwerkraft auf die Teilung der Eizelle behandelt. Am meiſten eignen ſich für ſolche Verſuche die Eier der Batrachier, welche mit bloßem Auge ſichtbar ſind und aus einer dunklen und hellen Hemiſphäre beſtehen, ſo daß ſie eine leicht erkennbare Achſe beſitzen, und zwar nennt man denjenigen Durchmeſſer der Eikugel, welcher fymme- triſch zu beiden Hemiſphären liegt, die Achſe des Eies. Wirft man unbefruchtete Eier ins Waſſer, ſo nehmen ſie je nach Umſtänden beliebige Lagen ein, die ſie dauernd behalten; die Eiachſe macht jeden beliebigen Winkel mit der Richtung der Schwerkraft. Sobald die Eier aber durch Uebergießen mit reifem Samen befruchtet werden, drehen ſie ſich vor allem nach eirka einer halben Stunde ſo, daß die dunkle Hemiſphäre gerade nach aufwärts, die weiße nach abwärts ſteht. Die Eiachſe ſteht jetzt lotrecht und der Schwerpunkt des Eies hat ſich vom Centrum nach der Humboldt. — April 1885. ng weißen Hemiſphäre auf der Achſe verſchoben. Weiterhin [Erregung, die der Wärmeherabſetzung und die der Er— erfolgen Teilungen dieſer Zelle und zwar die erſte jo, daß ]nährung. Die erregende Wirkung des Alkohols iſt genügend die Teilungsfläche durch die Achſe des Eies geht, die zweite bekannt, ebenſo die Thatſache, daß die Aufnahme großer Teilung ſteht aufrecht darauf u. ſ. w. Es fragt ſich nun, [Mengen zum Gegenteil, zu lähmender Wirkung führt. Auch ob eine weſentliche Beziehung zwiſchen den Teilungsrich- | die zweite Wirkung tft bisher genügend feſtgeſtellt; der tungen und der Eiachſe beſteht, wie man bisher als ſelbſt- | Alkohol jest die Temperatur herab und ijt in dieſer Eigen— verſtändlich angenommen hat, oder ob die erſten Teilungen ſchaft auch in fieberhaften Krankheiten verwendet worden. nur deshalb durch die Eiachſe gehen, weil dieſe mit der Ganz anders aber ſteht es mit der dritten Wirkung, die er Richtung der Schwerkraft zuſammenfällt? Der betreffende | auf die Ernährung ausüben ſoll; über dieſen Punkt find Forſcher fand ein ſehr einfaches Mittel, um die oben beſchrie- | die Forſcher noch ſehr wenig einig. Die Entſcheidung bene Drehung des Eies nach der Befruchtung zu hindern und hängt von der Frage ab, ob von dem in den Organismus konnte zweifellos beweiſen, daß die Richtung der erſten Tei- importierten Alkohol ein anſehnlicher Teil verbrennt oder ob lung unabhängig von der Eiachſe ſtattfindet, aber ſtets der er zum größten Teil unverändert wieder abgeſchieden wird. Richtung der Schwerkraft folgend durch den lotrechten Durch- | Zur Beantwortung dieſer Frage werden der Harn, die meſſer geht. Ob ſolche Eier normale Organismen geben Produkte der Haut- und Lungenatmung und die Exkremente oder nicht, iſt von demſelben Forſcher dahin beantwortet | nach den landläufigen Methoden auf Alkohol unterſucht. worden, daß, welchen Winkel die Eiachſe mit der Schwer- Es ſtellt ſich heraus, daß von dem getrunkenen Alkohol kraft auch macht, ſchließlich fic) doch normale Tiere aus | 1,177 Prozent durch die Nieren, 0,140 Prozent durch die dieſen Eiern entwickeln. Haut, 1,598 Prozent durch die Lungen und 0,0 Prozent Der Alkohol iſt im Haushalt des Menſchen ein ſo durch den Darm zur Ausſcheidung gelangen, alſo in Summa wichtiger Faktor geworden, daß experimentelle Nachweiſe 2,915 Prozent den Organismus unverändert wieder ver— über ſeine Wirkung und ſeine Verwertung ſtets unſer laſſen. Nach dem aufgeſtellten Kriterium wäre der Alkohol Intereſſe in Anſpruch nehmen werden. Man ſchreibt dem alſo ein Nahrungsmitel, aber das Kriterium ſelbſt tft nicht un— Alkohol drei weſentliche Wirkungen zu, nämlich die der anfechtbar und der Alkohol in der That nur ein Genußmittel. Ethnologie. 8 Don Dr. W. Hobelt in Schwanheim a. M. Fahngröße als Raſſenunterſchied. Penkas Origines Ariacae. Verteilung der Arier. Iſt der Herthakultus ſlaviſch? Italiener im Ausland. Die Cagots. Sumero-Uffader. Ainos. Dr. Flower glaubt in der Größe der Zähne ein | Urſitz gehabt. Er unterſcheidet überhaupt in der ariſch neues Kennzeichen zur Unterſcheidung der Menſchenraſſen [redenden Bevölkerung Europas drei Typen, blondköpfige gefunden zu haben. Er benutzt als Maß das Verhältnis Dolichocephalen, braune Dolichocephalen und braune Brachy— zwiſchen der Entfernung vom Vorderrand des großen Hinter- | cephalen. Nur die erſteren hält er für wirkliche Arier, hauptloches zum Anſatzpunkt der Naſenbeine und der Länge | die allein in Europa, der Urheimat des Menſchen, zurück— der Zahnreihe vom Vorderrand des erſten bis zum Hinter- blieben, während die anderen Stämme vor der Eiszeit nach rand des letzten Backenzahnes; die Verhältniszahl nennt er Süden entwichen. Die braunen Dolichocephalen wohnten da— den Dentalinder. Die Ziffer ſchwankt zwiſchen 40—48; mals im Süden und Weſten Europas, und als die Arier was unter 42 liegt, wird als mikrodont bezeichnet, 42—44 dem zurückweichenden Eiſe nach Norden folgten, drangen als meſodont, was darüber als megadont. Zu den mega- brachycephale ſchwarzhaarige Stämme (der Iberier aus donten Raſſen gehören die Tasmanier, Auſtralier, Mela- Nordafrika?) in den freigewordenen Raum. Die Rück— neſier und die Bewohner der Andamanen, zu den meſo- wanderung der Arier nach Mitteleuropa fest er gegen donten die Neger, die Malaien, die Indianer und die Chi- 3000 Jahre v. Chr. Zuerſt kamen die italieniſchen und neſen, mikrodont endlich find die Ureinwohner Vorder- galliſchen Arier, dann die Griechen, dann die Arier, die indiens, die Polyneſier und die ſämtlichen ehemals als | fic) in den litauiſchen Ländern niederließen, dann die Kaukaſier zuſammengefaßten Völker. Die Wnthropoidaffen | Perſer und Inder, dann die Germanen. Auch die in find im höchſten Grade megadont, aber der Dentalinder [Skandinavien zurückbleibenden Arier zogen nach ſüdlicheren des Siamang nähert ſich entſchieden dem der Kaukaſier. Gegenden und an ihre Stelle traten Finnen und Lappen. Penka (Origines Ariacae. Linguiſtiſch-ethnologiſche! Im Süden ſtarb der ariſche Typus aus und es blieb nur Studien zur älteſten Geſchichte der ariſchen Völker und ihre Sprache übrig, welche die unterjochten braunen Raſſen Sprachen. Wien, 1884.) rüttelt wieder einmal an der angenommen. aſiatiſchen Herkunft der Arier und ſucht mit großer Gee | Unwillkürlich fällt einem dabei des alten Rudberg lehrſamkeit nachzuweiſen, daß jie in Nordſkandinavien ihren | Atland sive Manheim ein und deſſen Parodie, das frie— 162 Humboldt. — April 1885. ſiſche Oera Linda bok, welche, wenn auch weniger wiſſen— ſchaftlich, beweiſen, daß die ariſche Raſſe ihre Heimat im Norden hatte. In ſchroffem Gegenſatz zu Penkas Anſichten ſtehen die Forſchungen Ujfalvys in dem Lande, das man ge— wöhnlich als die Urheimat der Arier anſieht. (Aus dem weſtlichen Himalaya. Leipzig, 1884, Brockhaus.) Er fand auch dort ſchon die Arier teils brachycephal teils dolichocephal. Anthropologiſch ſcheidet er die Arier nörd— lich und ſüdlich vom Hindukuſch in zwei Gruppen, die iraniſche nördlich und die indiſche ſüdlich. Die Ira— nier, zu denen die Stämme im Geltſchaland, in Kara— tegin, Darwas, Schugnan, Sirikoll, Wachau und dem oberen Badakſchan gehören, find hyperbrachy— cephal, noch mehr als die turaniſchen Stämme und meiſt dunkelhaarig, die Inder, die Bewohner von Kafiriſtan, Tſchitral, und Dardiſtan find im Gegenteil hyper— dolichocephal und haben zwar auch braunes, aber nicht ſtraffes, ſondern gelocktes Haar. Unter den Iraniern ſind 8—9 Proz., unter den Indern höchſtens 2 Proz. blond. Herr Szule (rectius Schulz) hat gelegentlich der Anthropologenverſammlung in Breslau nachzuweiſen ver— ſucht, daß die Slaven ſchon ſeit Urzeiten das Land zwiſchen Elbe und Weichſel inne gehabt haben und daß namentlich alle dem Herthakultus huldi— genden Stämme, mit Ausnahme der Langobarden und Angeln, Slaven geweſen ſeien. Ganz beſonders nimmt er die Semnonen und Ligyer für die ſlaviſche Nationalität in Anſpruch, auch die mythiſchen Wanen, die er furzweg mit den Wenden identifiziert; auch der Gott Niörd und ſeine Kinder Frey und Freya waren ſomit Slaven, und von den Slaven erhielten die barbariſchen Germanen zu— erft den Ackerbau, wie denn auch die älteſten Städte inner- halb der deutſchen Grenzen ſlaviſche Gründungen find. Alle Urnengräber ſchreibt er den Slaven zu, während die Germanen ihre Leichen ſtets unverbrannt begraben haben ſollen. Den Namen Nerthus leitet er von nurt ab, was in den ſlaviſchen Sprachen die Tiefe, die Gewäſſer, im Altruſſiſchen aber auch Erde bedeutet. Die Zahl der im Ausland lebenden Italie— ner belief ſich in 1881 auf mehr als eine Million, davon entfallen auf Frankreich nebſt Algerien 270000, auf die Si tt er ae i ehe argentiniſche Republik 254000, die Vereinigten Staaten 170 000, Braſilien 82 000, Oeſtreich 44000, die Schweiz 42 000, Uruguay 40 000, England inkluſive der Kolonieen hat nur 14 500, Deutſchland nur 7000. Die rätſelhafte Pariaraſſe der Cagots in den Pyre— näen, deren Namen man von Canis gothicus ableitete und mit den kabiliſchen Schawi in den Aures in Beziehung brachte, ſind nach neueren franzöſiſchen Forſchungen von Michel, Laude und Rochas Nachkömmlinge von des Ausſatzes Verdächtigen, der Name kommt von dem alt— bretoniſchen kakod, Ausſätziger. Dadurch erklären ſich die Vorurteile gegen fie und die über fie im Umlaufe befind- lichen Sagen leicht, namentlich die Furcht vor Anſteckung (Encagotage) durch Berührung mit ihnen. Cagots finden ſich heute noch nicht nur in den Pyrenäen, ſondern in Frankreich bis in die Bretagne, in Spanien in den bas- kiſchen Provinzen; ſie halten ſich heute noch von ihren Landsleuten abgeſondert und heiraten nur unter ſich, obſchon ſie keinen geſetzlichen Beſchränkungen mehr unterliegen. Hommel (Ausland S. 34) weiſt nach, daß die viel- beſprochenen Sumero-Akkader die älteſten Bewohner Baby- loniens, wirklich altaiſchen Stammes waren. Die Anſicht, daß die von den alten Schriftſtellern hier und da erwähnten ſuſianiſchen Aethiopier dravidiſchen Stammes geweſen, wie die Brahuis in Beludſchiſtan, vertritt Delitzſch, geſtützt auf ein neuerdings aufgefundenes Thontäfelchen, welches ein koſſäiſch-ſemitiſches Gloſſar enthält. Die Koſſäer, Kaſſu der Keilinſchriften, verbreiteten ſich von ihrem Stammſitz an der mediſch-elamitiſchen Grenze, wo fie noch zu Alexan— ders Zeiten ſaßen, über ganz Meſopotamien (um 1500 v. Chr.) und bis nach Armenien hinein. (Cfr. Die Sprache der Koſſäer, Leipzig 1884.) Die Ainos, die älteſten Bewohner Japans, welche nur auf die beiden nördlichſten Inſeln beſchränkt ſind, haben die Forſchung mehrfach beſchäftigt. (Vgl. den Artikel von Brauns in Nr. 1 dieſer Zeitſchrift.) Scheube (Korreſpondenzbl. d. Geſ. f. Anthrop. S. 1) hält jie nicht für Mongolen; fie find vermutlich vom Feſtlande herüber— gewandert und am nächſten mit den Kamtſchadalen und den Bewohnern des Amurlandes verwandt. Den Bärenkultus haben ſie mit vielen nordiſchen Völkerſchaften gemein. Run dſcha u. Aug. Heller, Geſchichte der Vhyſik. Stuttgart, Ferd. Enke. Preis 18 Mm Der zweite Band der Geſchichte der Phyſik von Heller hat einen nahezu doppelt ſo großen Umfang als der erſte und umfaßt die Zeit von Descartes bis Robert Mayer. Von der richtigen Erkenntnis ausgehend, daß Naturwiſſen— ſchaft und Philoſophie in einer ſo innigen Wechſelwirkung ſtehen, daß die eine ohne die andere nicht vollkommen ver— ſtanden werden kann, hat Heller überall die philoſophiſchen Ideen der Zeit mit in die Darſtellung verwobeu, was um ſo gerechtfertigter erſcheint, als manche Philoſophen auch II. Band. auf naturwiſſenſchaftlichem Gebiete ſchöpferiſch geweſen und manche Naturforſcher bei ihren Deduktionen von rein philo- ſophiſchen Ideen ausgegangen ſind. Was den Aufbau des Werkes betrifft, ſo ergeben ſich ganz ungeſucht die Hauptabſchnitte: 1) von Galilei bis Newton; 2) von Newton bis Galvani; 3) von Galvani bis Robert Mayer. Ebenſo natürlich ſind die einzelnen Unterabteilungen geordnet; Heller faßt immer eine Anzahl gleichzeitiger Forſcher, welche ungefähr denſelben Zielen zu— ſtrebten, unter Voranſtellung des Hauptrepräſentanten der Gruppe zuſammen. Von den Koryphäen der Wiſſenſchaft wird der Lebensgang ausführlich geſchildert, dann ihre For- Humboldt. — April 1885. 163 ſchungen im Ueberblick und in chronologiſcher Ordnung gegeben und hierauf das Verzeichnis ihrer Schriften mit Inhaltsangabe aufgeführt. Da dieſe mehr biographiſche Darſtellung in gewiſſer Beziehung des organiſchen Zuſammenhangs in betreff der einzelnen Gebiete der Naturwiſſenſchaft ermangelt, jo gibt der Verfaſſer in den „Rückblicken“ noch eine nach ſachlichen Kategorieen geordnete Zuſammenſtellung. Durch dieſe doppelte Anordnungsweiſe erhält der Leſer ein vollkommen klares Bild, teils von dem Leben und den Arbeiten der Forſcher, teils von dem Fortgang der einzelnen Gebiete der Naturwiſſenſchaft ſelbſt. Löbliche Gründlichkeit und höhere philoſophiſche Auf— faſſung bei durchaus klarer und anſprechender Darſtellungs— weiſe ſind Vorzüge, welche ſich ſelten in dem Maße wie hier vereinigt finden. Und ſo zweifeln wir denn nicht, daß vorliegendes Werk nicht bloß von den Fachmännern, ſondern auch, da es leicht und gefällig geſchrieben iſt, von allen Freunden der Naturwiſſenſchaft überhaupt freudig begrüßt und gern geleſen werden wird. Frankfurt a. M. Prof. Dr. G. Krebs. H. Gretſchel, Lexikon der Aſtronomie. Leipzig, Bibliograph. Inſtitut. Preis 5 „/ 50 4, geb. 6 % Auf einem Raum von 572 Seiten behandelt der Ver— faſſer in lexikographiſcher Ordnung alles, was aus dem Gebiete der Aſtronomie wiſſenswert iſt. Da auch die wichtigſten mathematiſchen Formeln eingeflochten ſind, ſo findet der Freund der Aſtronomie, ſelbſt wenn er ſchon weitergehende Forderungen ſtellt, vollſtändig genügende Belehrung; doch iſt der mathematiſche Apparat relativ ge- ring, ſo daß auch ein mit weniger Kenntniſſen Ausge— rüſteter das Buch wohl verſtehen kann, um ſo mehr, als die Darſtellung ſehr klar und überſichtlich iſt. Somit dürfen wir das Buch allen Freunden der Aſtronomie als vorzügliches Nachſchlagewerk beſtens empfehlen. Frankfurt a. M. Prof. Dr. G. Krebs. Hayek, Großer Handatlas der Naturgeſchichte aller drei Reiche. In 120 Foliotafeln. Wien, Moritz Perles. 1884. Preis 30 %H Der Atlas wurde ſchon beim Erſcheinen der erſten drei Hefte beſprochen. Jetzt, nachdem er fertig vorliegt, läßt ſich erſt das Eigenartige desſelben überſehen und würdigen. Dadurch, daß Hayek ſich bemühte, ſonſt ſelten abgebildete Tiere und Pflanzen neben den bekannten Er— ſcheinungen in ihren Gegenſätzen zur Geltung zu bringen, darf im allgemeinen das Ziel des Werkes als wohl ge— lungen bezeichnet werden. Namentlich wird der Atlas in nicht zu großen Schulen nützlich verwendet werden können, doch würde ſich für dieſen Zweck eine Ausgabe empfehlen, wo eine Seite unbedruckt wäre, damit die Bilder aufgeſpannt werden könnten. Die farbenprächtigen Bilder — nur einzelne müſſen von dieſem Lobe ausgenommen werden — würden gewiß anregend auf die Anſchauung der Jugend wirken. Memmingen. Dr. Hans Vogel. A. v. Schweiger-Terchenfeld, Afrika, der dunkele Erdteil im Tichte unſerer Zeit. Mit 300 Illu— ſtrationen. Wien, A. Hartleben. Preis pro Heft 60 9 Von dieſem Werke ſind jetzt die drei erſten Lieferungen erſchienen, welche wiederum erkennen laſſen, mit welchem Geſchick der Autor intereſſante Fragen zu behandeln ver- ſteht. Und welche Frage wäre jetzt intereſſanter, als „der dunkele Erdteil“, der nicht bloß in wiſſenſchaftlicher Be— ziehung von allen Völkern erforſcht, ſondern auch in prak— tiſcher Beziehung umworben wird. Die erſte Lieferung enthält eine Schilderung der Entdeckung Afrikas und geht dann zur ſpecielleren Be— ſchreibung von Südafrika über, welche in den beiden folgen— den Lieferungen fortgeſetzt wird. Das ganze Werk iſt auf 30 Lieferungen berechnet und übt namentlich auch durch ſeine zahlreichen und trefflichen Illuſtrationen bei billigem Preis einen hohen Reiz aus. Frankfurt a. M. Prof. Dr. G. Krebs. Arnold, Illuſtrierter Kalender für Vogelliebhaber und Gefſlügelzüchter. München, Arnold. 1885. Preis 1 ,. Der Kalender it ein Produkt unjerer Zeit, die jetzt auf früher vernachläſſigten Gebieten, wie rationeller Obſt— bau, Geflügelzucht ꝛc., das Verſäumte mit aller Macht ein— zubringen beſtrebt iſt. Außer dem Kalendarium bietet die Schrift recht be— herzigenswerte Einzelbeſchreibungen über Lebensweiſe und Pflege von alten und neuen Vogelſorten, über Zucht von Brieftauben und Hühnerarten 2c. Wenn das Unternehmen fortgeſetzt wird, was wir ihm herzlich wünſchen, ſo wird die Arbeit in Kreiſen der Vogel— freunde gewiß dankbare Anerkennung finden. Daran möchte ich die Beſprechung und Empfehlung eines anderen eigenartigen Vogelwerkes knüpfen. Memmingen. Dr. Hans Vogel. Michelet, Die Welt der Vögel. Zweite Auflage. Von Rüdiger. Mit Illuſtrationen von Gia— comelli. Minden, Bruns. Preis 11 Maſius hat das Werk ſchon vor vielen Jahren die Apotheoſe des Vogels genannt, als die erſte Ueberſetzung im ſchmuckloſen Kleide erſchien. Es erwarte nun niemand hier eine wiſſenſchaftliche Monographie der Vögel es ſind nur philoſophiſch-poetiſche Gedanken des geiſtreichen Franzoſen und Geſchichtsforſchers Michelet, die uns um ſo intereſſanter erſcheinen, weil die deutſche Nüchternheit hier Gelegenheit hat, franzöſiſchen Eſprit in ſeiner eleganteſten Form zu bewundern. Der Reiz des Werkes wird aber in der zweiten Auflage noch erhöht durch die Illuſtrationen des bekannten Vogelzeichners Giacomelli, indem ſie die eigenartige Stimmung des Textes noch weſentlich fördern helfen. Memmingen. Dr. Hans Vogel. Wilfred Powell, Anter den Kannibalen von Neu- Britannien. Frei übertragen durch Dr. F. Schröter. Leipzig, Ferdinand Hirt u. Sohn. 1884. Preis 7M 50 g. Mit einem kleinen, fünfzig Tonnen faſſenden Schiffe fuhr W. Powell am 1. Juli 1877 in Begleitung von vier Mann, worunter ſich ein Cingeborener Neu-Britanniens befand, von Sydney ab, um den bis jetzt ſowohl in topo— graphiſcher wie ethnographiſcher Beziehung wenig bekannten Archipel von Neu-Britannien eingehend zu erforſchen. Dieſer beſteht bekanntlich aus drei Hauptinſeln, nämlich Neu— Britannien, Neu-Irland und Neu-Hannover und einer großen Anzahl kleinerer, von denen die Teſte-Heath- und Duke of York-Inſeln, ſowie Hayter, Matupi, Utnan, Maz tukanaputa und die Duportail-Inſel beſucht wurden. Forſchungsreiſende ſammelte eine große Menge wiſſen— ſchaftlichen Materials, und ſind ſeine Beobachtungen über Veränderungen des Meeresbodens und der vulkaniſchen Thätigkeit auf den genannten Inſeln ſeit deren letzter Auf— nahme, vorausgeſetzt, daß ſie mit der nötigen Sorgfalt veranſtaltet wurden, von großer Tragweite. Die Theorie von der ſäkularen Hebung und Senkung der Erdrinde würde durch die gewonnenen Reſultate um ein Erhebliches an Wahrſcheinlichkeit gewinnen und die Behauptungen Prof. Vogts und Darwins aufs neue beſtätigen. Sein Haupt— augenmerk widmete der Verfaſſer aber den Bevölkerungs— verhältniſſen. Er ſucht dies durch das raſche Verſchwinden des eingeborenen Elements vor der Berührung mit dem weißen zu begründen, eine Erſcheinung, die ſich uns über— all, ſoweit die Regionen ſüdwärts des Aequators in Be— tracht kommen, aufdrängt und wovon nur der Malayiſche Archipel ausgenommen zu ſein ſcheint. Der Kannibalis— Der 164 Humboldt. — April 1885. mus iſt nach Powell auf Neu-Britannien faſt durchweg zu Hauſe und tritt auf manchen Inſeln in geradezu haar- ſträubender Geſtalt zu Tage, indem er ſich beiſpielsweiſe auf der Gazellenhalbinſel bis zum marktmäßigen Aus⸗ ſchroten des Men— ſchenfleiſches ver— ſteigt! Neu in ethnographiſcher Beziehung iſt auch die Bemerkung, daß die Matukanaputa⸗ Männer Frauen ihres Stammes nicht heiraten dür⸗ fen, ſondern ſolche bei den anderen Stämmen rauben müſſen, wonach die erſchlagenen Män— ner der Geraubten gemeinſchaftlich verſpeiſt werden! Die Eingeborenen kennen eine Menge von Sagen, deren Inhalt aber mehr oder weniger ihre ſchen Halbinſel Pork zu ſuchen und durch Auswanderer erſt nach Neu-Britannien gekommen ſeien, wie Powell meint, läßt ſich wohl nicht mit Beſtimmtheit nachweiſen. — Leider enthält das intereſſante Werk über die zweite Inſel des Archipels, Neu-Ir⸗ land, nur einige Notizen, da der Reiſende die Inſel infolge eines An⸗ griffes der Einge— borenen, bei dem er, unter Aufgabe der Sammlungen und des leck ge— wordenen Schiffes, nur mit genauer Not das Leben rettete, nicht mehr beſuchen konnte. — In einem „An⸗ hange“ findet der Leſer noch eine reiche Sammlung wiſſenſchaftlicher Notizen, haupt⸗ ſächlich über die Sprache, von der niedrige Kultur⸗ ſtufe dokumentiert. Sie treiben wenig Ackerbau, leben vielmehr hauptſächlich vom Ertrage des Fiſchfanges und den von der tropiſchen Natur ihnen ohne Mühe erreich— baren Früchten, wie Kokosnüſſen, Aaronswurzeln, Yams u. a. Bei der Anferti⸗ gung ihrer Fiſchergerät— ſchaften verraten ſie große Kunſtfertigkeit, und manche derſelben zeigen abendlan- diſches Geſchick. — Ihre Bekehrung zum Chriften- tume, ſowie überhaupt ihre Civiliſierung macht trotz der großen Anſtren— gung der Miſſionäre wenig Fortſchritte. Powell ſucht den Grund dieſer Er— ſcheinung, ob mit Recht, laſſen wir dahingeſtellt ſein, in der Verwendung Eingeborener als Miſſio— näre. Dieſe ſeien doch ſelbſt nur erſt kürzlich dem Wildenleben entriſſen Fig. 1. Landſchaft in Neu-Britannien. (Aus „Powell, Unter den Kannibalen von Neu-Britannien“.) ſich eine der ur⸗ ſprünglichſten For⸗ men auf dieſen i ; 5 Inſeln vorfinden ſoll. — Die Ueberſetzung des Werkes von Dr. F. Schröter iſt gewandt und fließend. Die Ausſtattung des Buches, das mit einer großen Anzahl Illuſtrationen, von denen wir hier einige charakte⸗ riſtiſche beifügen, ge⸗ ſchmückt iſt, iſt eine in jeder Beziehung vorzüg— liche. Eine Karte des Neubritanniſchen Archi— pels nach der Aufnahme Wilfred Powells vermit⸗ telt in zweckentſprechender Weiſe eine raſche Orien⸗ tierung des Leſers. Frankfurt a. M. Dr. F. Höfler. Oskar Lenz, Tim ⸗ buktu. Beife durch Marokko, die Sa- Hara und den Su- dan. 2 Bände. 8°. Mit zahlreichen Ab— worden, lautet ſeine Be— hauptung, und es klebe ihnen noch viel von dem Weſen desſelben an. Auch bildungen und Kar⸗ ten. Leipzig, Brock— haus. 1884. Preis ſei bei ihnen nicht die 24 /, geb. 27/50 g. unerſchöpfliche Geduld Der lange erwartete vorauszuſetzen und auch nicht das Geſchick, wie es ein Miſſionär brauche. Ueberdies rufe ſchon ihre Fig. 2. Farbe größere Vertraulichkeit und dieſe hinwieder Verach- tung bei den Wilden hervor. Wunderbar erſcheint es jedenfalls, daß trotz nicht zu leugnender Fähigkeiten der Eingeborenen ihre Kultivierung kaum nennenswerte Fortſchritte macht, hauptſächlich auf jenen Inſeln, die durch die Armut ihrer Vegetation und durch Mangel an Lebensmitteln ſich auszeichnen. Dort an den notwendigen Lebensbedürfniſſen wohl nur ganz allein dürfte die erſte Veranlaſſung zu jener grauſamen Sitte geweſen ſein. Daß ſeine Anfänge auf der auſtrali— herrſcht ja auch allgemein der Kannibalismus und jener Mangel Eingeborner von der Duportail⸗Inſel. (Aus „Powell, Unter den Kannibalen von Neu- Britannien“.) Reiſebericht des kühnen und glücklichen Reiſenden liegt nun in zweiſtattlichen, hübſch ausgeſtatteten Bänden vor und muß unbedingt als eine der wertvollſten Bereicherungen der modernen Reiſelitteratur bezeichnet werden. Der Verfaſſer hat ſich nicht damit be— gnügt, ſeine Reiſeabenteuer aufzuzählen, ſondern er gibt uns eine eingehende Schilderung der durchreiſten Länder und der Völker, mit denen er in Berührung gekommen iſt. Lenz wurde bekanntlich 1879 von der „Afrikaniſchen Geſellſchaft in Deutſchland“ nach Marokko geſandt, um die geologiſchen Verhältniſſe des Atlas zu ſtudieren. Ein glück— licher Zufall bot ihm da Gelegenheit, unter ausnahms— weiſe günſtigen Bedingungen eine Reiſe nach Timbuktu, Humboldt. — April 1885. 165 das ſeit Barth kein Forſcher wieder erreicht hat, zu unter- nehmen. Die Hauptſchwierigkeit dafür liegt immer im Paſſieren des faktiſch vom Sultan unabhängigen Sus, des breiten Thales zwiſchen dem hohen Atlas und ſeiner neuer— dings als Antiatlas bekannter gewordenen ſüdlichen Parallel- kette, deſſen Bevölkerung, fanatiſch und noch mehr jedem Fremden mißtrauend, nen Europäer das e ſeines Gebietes unter keiner Bedingung geſtattet. Lenz lernte in Tanger einen hochangeſehenen Taleb (Schriftgelehrten) kennen, Hadſch Ali bu Taleb, einen Neffen Abdsel— Kaders, des letzten Araberſultans, der ſeinen Stammbaum wie die ganze Familie Mahiddin bis zu den fatimidiſchen Kalifen zurückführen kann und, von den Franzoſen ausge— wieſen, damals als öffentlicher Schreiber ziemlich kümmer— lich in Tanger lebte, nebenbei aber wie ſeine Vorfahren eine hochangeſehene Stelle bei der Khadriya, der religiöſen Brüderſchaft Abd-el-Kader el Ghilanis, bekleidete. Dieſer ſchlug dem Reiſenden vor, ihn, natürlich gegen eine gute Entſchädigung, nach Timbuktu zu geleiten, indem Lenz in den fanatiſchen Gegenden für einen türkiſchen Arzt gelten ſollte, den Hadſch Ali auf ſeiner Pilgerfahrt in Stambul kennen gelernt habe und als ſeinen Leibarzt mitnehme. Unter ſeinem Schutz gelangte der Reiſende auch wirklich durch die gefährlichſten Gegenden und mehrmals war es nur das energiſche Eintreten ſeines Begleiters, das ihm das Leben oder wenigſtens das Eigentum rettete. Hadſch Ali ſcheint aber vielfach etwas zu ſehr den Beſchützer herausgekehrt zu haben, denn durch die ganze Reiſebe— ſchreibung hindurch macht ſich eine ſehr gereizte Stimmung gegen ihn bemerkbar, die nicht gerade angenehm berührt. Der erſte Band beſchäftigt ſich ziemlich ausſchließlich mit Marokko und gibt eine eingehende Schilderung von Tanger, Tetuan und der zwiſchen beiden belegenen Landſchaft Andſchira. Von dort wendet ſich Lenz über Kaſr el Kebir, wo einſt die Macht der Portugieſen ihren Todesſtoß erlitt, nach Fas, der gegenwärtigen Reſidenz, vorbei an Waſan (Uéſan), dem Sitz des bekannten Scherifs, deſſen Poſition aber Lenz durchaus nicht richtig auffaßt; derſelbe verdankt ſeinen Einfluß nicht der Abkunft von Mohammed, ſondern dem Umſtande, daß er als direkter Abkömmling des großen Muley Tajeb, gegenwärtig Chef der von dieſem geſtifteten Brüderſchaft (Ikhuan) iſt. Fas wurde am letzten Dezember 1879 erreicht, aber erſt nach . Verhandlungen erhielt der Reiſende ein gutes Quartier. Die Regierung ſchien ſeinem Begleiter nicht ganz zu trauen und zu fürchten, daß derſelbe den Plan ſeines Oheims, ſich zum Herrn von Marokko zu machen, wieder aufnehmen möge. Fas hat immer noch etwas mauriſche Kultur und trotz der ſchauderhaften Mißregierung einen lebhaften Handel, für den drei Straßen von hier auslaufen: nach dem Mittelmeer, nach dem Atlantiſchen Ocean und über den Atlas nach Tafilalelt; die Umgebung iſt überreich bewäſſert, ſorgſam kultiviert, und die Ein— wohnerzahl mag fic) immer noch auf 100 000 belaufen. Miu 17. Januar ging die Reiſe weiter nach Miknäſa (Mekinez), ohne offizielle Bedeckung, aber in ziemlich zahl— reicher Geſellſchaft. Die Reſidenzſtadt iſt trotz ihrer ſchönen, fruchtbaren Umgebung arg im Verfall begriffen und der Weg dorthin kaum mehr paſſierbar. Olivenwälder liefern die hauptſächlichſten Subſiſtenzmittel. Die Bevölkerung gilt für ſehr fanatiſch und die Snuſſi haben hier eine Sauja errichtet, während ſie ſonſt in Marokko gegen den Ikhuan Muley Tajebs meiſt nicht aufkommen. Das Porträt aber, das Lenz einen Senuſi nennt, ſcheint mir eher einen Derkaoua darzuſtellen, deren freilich kaum minder fana— tiſche Sekte zu den Snuſſi ungefähr in demſelben Ver— hältnis ſteht, wie die katholiſchen Bettelorden zu den Jeſuiten. Von dem verlaſſenen, zerfallenden „marokkaniſchen Verſailles“ brach Lenz am 22. Januar nach Marrakeſch (Marokko) auf. Den geraden Weg dorthin dem Atlas entlang wagt ſelbſt der Sultan in Begleitung ſeiner ganzen Armee nicht einzuſchlagen, da dort völlig unabhängige Berber wohnen; man muß weſtlich bis nach Rabat am Atlantiſchen Ocean gehen, dann der Küſte entlang bis zum Humboldt 1885. Kaſr Fdala, und kann dann erſt ſich wieder nach dem Inneren wenden. Bei dieſer Gelegenheit wurden die Ruinen der Römerſtadt Volubilis beſucht, dann führte der Weg am Rande des ungeheuren, von ganz unabhängigen Ber— bern bewohnten Korkeichenwaldes von Mamora, deſſen Ausbeutung das unſinnige Verbot des Korkerportes ver— hindert, hin nach Rabat, das nur wenig von ſeinen letzten Ausläufern entfernt iſt. Die aufſtrebende Handelsſtadt wurde am 3. Februar verlaſſen und ohne beſondere Aben— teuer am 14. Februar Marrakeſch erreicht. Hier, wo noch vor 20 Jahren ein Chriſt ſich kaum zeigen durfte, iſt man jetzt längſt an den Anblick von Europäern gewöhnt und der Reiſende konnte ſich ungehindert die Stadt betrachten. Hier begann nun die eigentliche Entdeckungsreiſe. Auf dem Markt hatte ſich Lenz die nötigen Laſttiere gekauft, auch zwei Kamele, welche ſich aber für die Atlaspaſſage ſehr ſchlecht eigneten und für die Wüſtenreiſe ſo wenig taugten, daß ſie umgetauſcht werden mußten. Schon am 6. März konnte er die Stadt verlaſſen, mit acht Begleitern, doch ohne Bedeckung; von jetzt an hieß er Hakim Omar ben Ali. Die Ebene ſteigt langſam nach Süden an über ein aus geſchichtetem Schutt beſtehendes Plateau nach Amsmiz, dann den Wadi Nfys aufwärts. Der von hier direkt ins Sus hinüberführende Paß iſt aber für be— ladene Laſttiere kaum gangbar, und jo zog die Karawane vor, ſich weſtwärts zu wenden und das Gebirge näher dem Meere über die Bibauan von Im int janut zu über— ſchreiten. Auch dort war es noch ſchwierig genug und mußten einige Maultiere extra gemietet werden; erſt am 14. März wurde die Waſſerſcheide erreicht, ſie iſt gegen 4000 Fuß hoch und der Abſtieg, an ſteilen Felſenwänden hin, ſo ſchwierig, daß die leeren Kamele kaum fort konnten; doch ſind die Schilderungen, die Jackſon von den Gefahren dieſes Weges gibt, ſehr übertrieben. In Emnislah, dem erſten Städtchen im Sus, ſchloſſen ſich noch eine An— Zahl Reiſender an, um gemeinſam das Land der räuberiſchen Howara, die in feſten Steinhäuſern im Walde wohnen, bis nach Tarudant zu durchreiſen. Dieſe Hauptſtadt des Sus wurde am 15. März erreicht, und damit war eine der gefährlichſten Abteilungen der Reiſe zurückgelegt. Der Empfang war ſchlecht, denn man hatte Verdacht gegen den türkiſchen Hakim gefaßt; man wollte ihn nicht, in den Kasbah laſſen und das gemeine Volk drohte, den Funduk, in dem die Karawane lagerte, zu ſtürmen. Hadſch Ali brachte aber die Sache in Ordnung, und als gar die; Howara als Araber für den Abkömmling des Propheten Partei nahmen und die Stadt zu ſtürmen drohten, wenn die Berber ihn nicht anders behandelten, wurde es beſſer, aber die Weiterreiſe nach dem Land des gefürchteten, völlig unabhängigen Sidi Hedſcham bot ernſtliche Schwierig— keiten. Erſt am 27. März war eine Eskorte da und nun ging es in Begleitung eines Scherifs von Tafilalelt und einer Anzahl Howara — lauter Räuber, aber gerade des- halb die ſicherſte Eskorte — durch die Arganwälder in ſüdweſtlicher Richtung gum Thal des Wad Raz, das fic durch beſonders üppige Vegetation auszeichnet und deſſen Fluß ſogar der Paſſage Schwierigkeiten bot. Ueber eine Römerbrücke wurde am 30. März das Gebiet Sidi Hedſchams erreicht, wo ein weitbeſuchter Markt abgehalten wird. Die Beſucher haben nach uralter Kabylenſitte Frieden ſelbſt vor den Räuberſtämmen und der Fürſt ahndet jeden Raubanfall ſchwer. Sonſt aber genießt Sidi Huſſein, der gegenwärtige Scheich, nicht des beſten Rufes; aber er unternahm nichts direkt gegen Lenz, ſolange derſelbe auf ſeinem Gebiete war, da er auch ſelbſt den Marktfrieden achtete und es mit dem Sultan von Marokko und vielleicht auch mit dem Ikhuan Abd-el-Kaders nicht verderben mochte; er iſt ſelbſt ein Scherif und das Sprichwort von der Krähe gilt auch hier im Sus. Lenz mußte ihm eine Beſcheini— gung geben, daß er ihn gut behandelt, und durfte am 4. April ſeine Reiſe fortſetzen. Ein zweites ſchlimmes Hindernis war damit überwunden und ein glücklicher Zu fall ließ Lenz mit einigen Dienern des Scheich Ali von Tizgi zuſammenkreffen, deſſen Schutz er die Möglichkeit, Timbuktu zu erreichen, faſt ausſchließlich zu danken hat. 22 166 Humboldt. — April 1885. Er vermied Temenet, wohin ihn Sidi Huſſein gewieſen. und entging dadurch allein wahrſcheinlich den Nachſtellungen, welche ihm der Fürſt von Sidi Hedſcham bereitet. In Fums⸗el-Hoſſan, der Stadt Scheich Alis, fand die Kara— wane freundliche Aufnahme, und als eine Aufforderung von Sidi Huſſein kam, den Chriſten zu töten oder ihm ge— fangen zurückzuſenden, wies der Scheich dieſe Zumutung energiſch zurück. Unter ſeinem mächtigen Schutz erreichte Lenz in achttägigem Marſch glücklich Tenduf, eine neue, kaum 30 Jahre alte Stadt, von wo regelmäßig Karawanen nach dem Sudan gehen, und von nun an war von Men— ſchen wenig mehr zu fürchten, zumal der Scherif von Ten— duf den Emir Abd-el-Kader gekannt hatte und ſeinen Neffen, nachdem ſich derſelbe in einem ſcharfen Examen legitimiert, freudig begrüßte. Die Zeit der Kefla el Kebir, der großen Sudankara— wane, war längſt vorüber, aber ein uralter Händler, der den Weg ſchon fünfzigmal als Karawanenführer gemacht, erbot ſich, die aus acht Männern und neun Kamelen be— ſtehende kleine Karawane ſicher nach Arauan am Südrande der Wüſte zu bringen, und er hielt Wort. Am 10. Mai brach Lenz auf, am 10. Juni wurde Arauan erreicht. In einer troſtloſen Dünenöde gelegen, faſt ohne Vege— tation, iſt dieſer Ort durch ſeinen Reichtum an Waſſer wichtig und von hier findet ein regelmäßiger Verkehr mit Timbuktu ſtatt. Lenz konnte darum ſeine Kamele ver- kaufen und Laſttiere mieten; der Führer nahm Briefe mit zurück, die auch glücklich in Europa anlangten. Am 25. Juni konnte der furchtbar ungeſunde, täglich von Glut— winden heimgeſuchte, von Ungeziefer wimmelnde Ort ver— laſſen werden, vier Tage ſpäter betrat man den Mimoſen— wald el Azauad, die Grenze des Sudan, und um 1. Juli zog die Karawane in Timbuktu ein. Die Aufnahme in der ſeit 1854 von keinem Europäer beſuchten Stadt war nicht unfreundlich. Der Kahia Mu— hamed er-Rami, ein Nachkomme arabiſcher Mauren, eine Art erblicher Gouverneur, und Abadin, der Sohn von Ahmed el Bakay, dem Beſchützer Barths, ein Nachkomme Sidi Okbas, des Eroberers der Berberei, nahmen Hadſch Ali und ſeinen Begleiter freundlichſt auf und der Hadſch ſpielte bald eine ſo große Rolle, daß er nicht übel Luſt hatte, ganz zu bleiben. Die Zuſtände ſind aber wenig er— freulich, die Tuarek haben ihre beherrſchende Poſition ver— loren und ſtreiten mit Arabern und Fulbe um die Herr- ſchaft. Nicht einmal der Hafen Kabara am Niger konnte ohne Gefahr beſucht werden; der Handel iſt trotzdem nicht ganz unbedeutend. Achtzehn Tage brachte Lenz in der Stadt zu, meiſt vom Fieber geplagt, dann brach er mit von den Turmos-Arabern gemieteten Kamelen nach dem Senegal auf. Hadſch Ali wurde ein großartiger Abſchied bereitet, ſelbſt der große Sultan der Tuarek, Eg Fanda- gumu, der ſich ſeither zurückgehalten, erſchien und brachte dem heiligen Manne ſeine Huldigung. Im Gebiet der Turmos war alles ſicher, Lenz fand bei ihnen alle Eigenſchaften der unverdorbenen Beduinen; aber am 3. Auguſt wurde die Karawane plötzlich von einer Abteilung der Ulad-el-Aluſch, eines gefürchteten Räuber— ſtammes, überfallen und wäre bis auf die Haut ausge— plündert worden, wenn nicht Hadſch Ali ſeine ganze Heiligkeit herausgekehrt und den Räubern mit guten und böſen Worten ſo furchtbar zugeſetzt hätte, daß ſie von ihrem Vorhaben abließen und ſchließlich ſogar als Führer dienten. Mit ihnen kam die Karawane glücklich nach Baſſikunnu. Hier gab es aber Differenzen mit Hadſch Ali, der gar keine Luſt hatte, ſich unter die heidniſchen Bambara zu wagen, welche ſich um ſeine Heiligkeit und vornehme Abſtammung nicht im mindeſten kümmerten. Er ſchlug vor, längs des Südrandes der Wüſte durch den Hodh auf faſt reinem Arabergebiet bis zum Senegal zu gehen, aber Lenz wollte unbedingt die Negerländer ſehen und ſetzte eine mehr ſüd— liche Route durch. Die Folge bewies, daß der Araber nicht ganz unrecht gehabt, denn der letzte Teil der Reiſe war der unerquicklichſte, die Mittel gingen auf die Neige und einer der Reiſenden nach dem anderen erkrankte ſchwer. Die Laſttiere waren Ochſen, die auch zum Reiten dienten. Lenz ritt einen Eſel, der glücklich bis dicht vor Medina aushielt. Die Reiſe ging unter ſchweren Anſtrengungen erſt gerade ſüdlich bis Kala-Sokolo, das ſchon im Bam— baragebiet liegt und zu Segu gehört, aber eine Araber— kolonie hat, deren Scherif Hadſch Ali freundlich aufnahm. Aber erſt am 28. Auguſt konnten Ochſen zur Weiterreiſe nach Gumbu gemietet werden, zwei Tage ſpäter wurde aufgebrochen und am 6. September durch flaches, wenig fultiviertes Land Gumbu erreicht, nachdem ein kleiner Diener, der den Reiſenden ſeit Beginn der Reiſe bedient, unterwegs geſtorben. In der ziemlich bedeutenden Handels— ſtadt war die Aufnahme recht freundlich, aber der Geſund— heitszuſtand der ganzen Karawane war erbärmlich und es hielt ſchwer, weiter zu kommen, bis ſich nach zehntägigem Aufenthalt der Bruder des Scheichs entſchloß, ſie nach dem vier Tagereiſen entfernten Bakuinit zu bringen, das aber erſt nach acht ſehr unerquicklichen Märſchen erreicht wurde. Dort wieder derſelbe Aufenthalt; erſt am 6. Oktober — in dem Reiſebericht ſteht irrtümlich immer September — konnte man aufbrechen und durch die Landſchaft Kaarta, wo es ſehr viele Löwen gibt, nach der Fulbeſtadt Kame— digo marſchieren, wo der Scheich ſich erbot, den Chriſten, als den man Lenz hier ſofort erkannte, nach dem Senegal und bis Medina zu bringen, und zwar ohne Vorausbezah— lung. Er wollte bei der Gelegenheit ein paar Sklaven den Franzoſen verkaufen, — pardon! fie als Tirailleurs indigenes anwerben laſſen, was freilich auf dasſelbe her⸗ auskommt, aber den Leuten doch nach ſechs Dienſtjahren die Freiheit verſchafft. In Nioro nahm der dort reſi⸗ dierende Scheich Agib, ein Sohn des Sultans, den Rei— ſenden ab, was ſie noch hatten, hielt ſie aber nicht länger zurück; in Geſellſchaft marokkaniſcher Sklavenhändler er— reichten ſie Kuniakaru, deſſen Scheich ihnen nun beim beſten Willen nichts mehr abnehmen konnte, und ſchon am anderen Tage begegnete ihnen ein Bote mit einem Briefe und Nahrungsmitteln, welche die Franzoſen in Medina entgegengeſandt hatten, und am 2. November war Medina und damit die Grenze der Civiliſation erreicht. Es iſt das in kurzen Zügen der Faden, an den ſich eine Menge intereſſanter Mitteilungen reiht, auf die wir hier nicht weiter eingehen können. Beſonders intereſſant jind die beiden Kapitel über den Staat Marokko und das über Senegambien. Möge das inhaltreiche Buch recht viele Freunde und Leſer finden! Schwanheim a. M. Dr. Kobolt. Quenſtedt, Handbuch der Vetrefaktenkunde. Dritte Auflage, umgearbeitet und bedeutend ver— mehrt. Mit einem Atlas von 100 Tafeln und zahlreichen Holzſchnitten im Texte. Tübingen, Laupp. 1884. Preis pro Liefg. 2 % Ich habe die erſten Lieferungen dieſes Werkes vor 1 Jahren ſchon empfohlen. Das Werk, das in 25 Liefe⸗ rungen abgeſchloſſen ſein wird, erſcheint in regelmäßiger Reihenfolge und iſt jetzt bis zur 17. Lieferung gediehen. Die Wiſſenſchaftlichkeit des Inhalts braucht bei einem Autor wie Quenſtedt, der zu den erſten Autoritäten Europas auf dieſem Gebiete zählt, nicht betont zu werden. Jetzt iſt eben das in der Petrefaktenkunde ſo hochwichtige und für die Descendenztheorie ſo bedeutungsvolle Kapitel der Muſcheln in Behandlung. Gewiß hat ſchon mancher unſerer Leſer bei einem derartigen Funde das Bedürfnis empfunden, ſich über denſelben näher zu unterrichten — ich wüßte kein Werk, das ſich beſſer dazu empfehlen würde, weil es durch ſeine zahlloſen Abbildungen ſelbſt dem Nicht— fachmann eine raſche Orientierung, oft ſogar die exakte Beſtimmung des Gefundenen ermöglicht. Beſonders aber möchte ich dieſes Werk Schulen und Lehrern ſehr dringend ans Herz legen — weil gerade die Landleute mit ihren oft recht intereſſanten Funden ſich an dieſe Stellen um Aufkärung wenden; wie oft iſt es ſchon vorgekommen, daß von dieſer Seite der Wiſſenſchaft ein hochwichtiger Fund 7 Humboldt. — April 1885. 167 gerettet wurde, der ſonſt vielleicht unbeachtet geblieben wäre. Memmingen. Dr. Hans Vogel. Die mikrofkopifde Vflanzen- und Tierwelt des Süßwaſſers. Bearbeitet von O. Kirchner und F. Blochmann, bevorwortet von Bütſchli. J. Teil: Die mikroſkopiſche Pflanzenwelt des Süßwaſſers. Von O. Kirchner 4“. Mit 4 Tafeln. Braunſchweig, Häring. 1885. Preis 10 & Die vorliegende Schrift dürfte leicht zu den verdienſt— vollſten, populären naturwiſſenſchaftlichen Arbeiten gerechnet werden, die in neuerer Zeit erſchienen ſind. Die für die Wiſſenſchaft fo wichtige und ergiebige mikroſkopiſche Tier- und Pflanzenwelt war bisher dem Laien faſt vollſtändig eine terra incognita. Außer ganz allgemeinen und meiſt, wohl ziemlich eigentümlichen Vorſtellungen über ſogen. Infuſionstierchen, über Bakterien und einige kleinere Pilze und Algen hat ſich von dieſer großen, unüberſehbaren Welt wohl kaum etwas ſeinem Verſtändnis tiefer eingeprägt, viel weniger iſt das Studium derſelben irgendwie als Lieb— haberei betrieben. Und doch laſſen ſich gerade hier mit, geringer Mühe und Umſtänden geiſtige Genüſſe erlangen, die allen anderen ſich ebenbürtig an die Seite ſtellen. Dazu bietet nun das vorliegende Buch die bequemſte Handhabe. Ein einfaches Mikroſkop und einige geringe Kenntnis mikroſkopiſcher Technik ſind allerdings als Conditio sine qua non nötig. Doch ſind ja die Koſten für das erſtere und die Mittel, ſich die letztere zu erwerben, heutzutage ſo billig und leicht gemacht, daß fic) hierin einem intenſiveren Intereſſe kein Hindernis bieten dürfte. In kurzen und treffenden Zügen werden die Methoden beſprochen, nach welchen beim Sammeln und Zubereiten jener kleinen Welt vorzugehen iſt, Anleitung zum Beob— achten und genaueren Unterſuchen gegeben und auch die Herſtellung mikroſkopiſcher Dauerpräparate erwähnt. Ein beſonderer Vorzug der Darſtellung liegt darin, daß für tiefere Belehrung ſtets auf die Quellen verwieſen wird, ſo daß auch für ſchon vorgeſchrittene Beobachter ſich die Zu— ſammenſtellung zum Nachſchlagen wohl empfehlen dürfte. Eine kurze Ueberſicht orientiert außerdem über die allge— meinen morphologiſchen und biologiſchen Verhältniſſe der Algen des Süßwaſſers, die zugleich als Erklärung der termini technici dient. Dichotomiſche Schlüſſel führen zur Kenntnis der Algenklaſſen, Ordnungen und -Gat— tungen. Aufgenommen iſt alles, auf deſſen Begegnung im Freien man bei uns gefaßt fein kann, auch auf einzelne ter— reſtriſche Formen Rückſicht genommen. Daß die Beſtimmung ſelbſt mit dieſen Schlüſſeln eine leichte und müheloſe ſei, kann man nicht behaupten. Es liegt das in der Natur der Sache und würde nicht auffallen, wenn nicht durch die breitgetretenen und geiſtloſen Beſtimmungsmethoden bei höheren Pflanzen ſich gewiſſermaßen ein Maßſtab für den Wert von ſolchen Sachen gebildet hätte. Die waſſerbewohnenden Pilze, zu denen auch die Bak— terien gezählt werden, werden in gleicher Weiſe behandelt; jedoch kann Referent nicht unterdrücken, daß hier eine etwas größere Vollſtändigkeit erwünſcht geweſen wäre. Viele Arbeiten der letzten Jahre hätten noch eine reiche Aus— beute geliefert. Auf den Tafeln iſt faſt jede behandelte Gattung in einer Art und in einem charakteriſtiſchen vegetativen oder fruktifikativen Zuſtand repräſentiert. Druck, Papier rc. ſind in jeder Beziehung zu loben. Referent iſt feſt überzeugt, daß das Buch einen großen Erfolg erzielen wird; es iſt in jeder Beziehung auf das angelegentlichſte zu empfehlen. Möge die zweite Hälfte, welche die mikroſkopiſche Tierwelt des Süßwaſſers behandeln ſoll, bald folgen. Erlangen. Privatdozent Dr. C. Fiſch. Bibliographie. Bericht vom Monat Februar 1885. Allgemeines. Viographieen. Berichte über die Verhandlungen der königl. ſächſ. Geſellſchaft der Wiſſenſchaften zu Leipzig. Mathematiſch-phyſiſche Claſſe. 1884. J. II. Leipzig, S. Hirzel. M. 2. Hefte, naturhiſtoriſche. Herausg. vom ungar. National-Muſeum. Red. v. O. Herman. 8. Band. Berlin, R. Friedländer & Sohn. M. 8. Kirchhoff, J., Geſundheitslehre f. Schulen. Leipzig, Sigismund & Vol— kening. M. —. 80. cart. M. 1. Sitzungsberichte u. Abhandlungen der naturwiſſenſchaftlichen Geſellſchaft, Iſis in Dresden. Jahrgang 1884. Juli — December. Dresden, Warnatz & Lehmann. M. 3. Sitzungs⸗Verichte der Geſellſchaft naturforſchender Freunde zu Berlin. Jahrgang 1885. Nr. 1. Berlin, R. Friedländer & Sohn. pro cplt. M. 4. Stern, M. L., Philoſophiſcher u. Leipzig, Th. Grieben's Verlag. Studnicka, F. J., Bericht über die mathematiſchen und naturwiſſen⸗ ſchaftlichen Publicationen der königl. böhm. Geſellſchaft der Wiſſen— ſchaften während ihres 100jährig. Beſtandes. 1. Heft. Prag, J. G. Calve'ſche Hof- u. Univ.-Buchh. M. 1. 80. Ahyſik, Bhyfikalifhhe Geographie, Meteorologie. Archiv der Mathematik u. Phyſik. Gegründet v. J. A. Grunert, fort= geſetzt v. R. Hoppe. 2. Reihe. 2. Theil. (4 Hefte.) 1. Heft. Leipzig, C. A. Koch's Verlag. pro cplt. M. 10. 50. Bänitz, C., Phyſik f. Volksschulen. 11. Aufl. Berlin, Stubenrauch'ſche Buchhandlung. geb. M. —. 90. Schreiber, P., Beitrag zur Frage der Reduction v. Barometerſtänden, auf ein anderes Niveau. Leipzig, W. Engelmann. M. 1. 20. Segel-Handbuch f. die Nordjec. 2. Heft. Skagerrak. Herausg. vom Hydrographiſchen Amt der Admiralſtät. Berlin, D. Reimer. cart. M. 3. 50. naturwiſſenſchaftlicher Monismus. 5. Wiedemann, G., Die Lehre v. der Electricität. 4. Band. 1. Abthei— lung. Braunſchweig, F. Vieweg K Sohn. M. 15. Zeitſchrift, meteorologiſche. Herausg. v. der deutſchen meteorologiſchen Geſellſchaft. Red. v. W. Köppen. 2. Jahrgang. 1885. (12 Hefte.) 1. Heft. Berlin, A. Aſher & Co. pro cplt. M. 16. Aſtronomie. Nachrichten, aſtronomiſche. Herausg.: A. Krüger. 111. Bund. (24 Num⸗ mern.) Nr. 2641. Hamburg, W. Mauke Söhne. pro cplt. M. 15. Chemie. Bänitz, C., Lehrbuch der Chemie u. Mineralogie in populärer Dar- ſtellung. 2. Theil. Mineralogie. 3. Aufl. Berlin, Stubenrauch'ſche Buchh. geb. M. 2. Berichte der Deutſchen chemiſchen Geſellſchaft. 18. Jahrg. Berlin, R. Friedländer & Sohn. pro cplt. M. 32. Encyclopädie der Naturwiſſenſchaften. 2. Abtheilung. Handwörterbuch der Chemie. 12. Lief. Breslau, Subſer.-Pr. M. 3. Heintze, O., Kryſtallographiſche Unterſuchungen einiger organiſchen Ver⸗ bindungen. Rawitſch, R. F. Frank'ſche Buchhandlung. M. —. 75. Journal f. praktiſche Chemie. Gegründet v. O. L. Erdmann, fort- . geſetzt v. H Kolbe. Herausg. v. E. von Meyer. Jahrgang 1885. Nr. 1. Leipzig, J. A. Barth. pro cplt. M. 22. Monatshefte f. Chemie und verwandie Theile anderer Wiſſenſchaften. 6. Band. 1885. 1. Heft. Wien, C. Gerold's Sohn. pro cplt. M. 10. Mineralogie, Geologie, Geoguofie, Paläontologie. Abhandlungen, paläontologiſche, herausg. v. W. Dames u. v. E. Kayſer. 2. Band. 4. Heft. Inhalt: Die Fauna der baltijden Cenoman⸗ Geſchiebe v. F. Nötling. Berlin, G. Reimer. M. 9. Blaas, J., Ueber die Glacialformation im Innthale. I. Innsbruck, Wagner jde Univ.-Buchh. M. 2. Zeitſchrift f. Kryſtallographie und Mineralogie, herausg. v. P. Groth. 10. Band. 1. Heft. Leipzig, W. Engelmann. M. 6. Bofanik. 1885. 1. Heft. 27. Lieferung. E. Trewendt. Bänitz, C., Lehrbuch der Botanik in populärer Darſtellung. 4. Aufl. Berlin, Stubenrauch'ſche Buchhandlung. geb. M. 2. Bänitz, C., Leitfaden für den Unterricht in der Botanik. 4. Aufl. Berlin, Stubenrauch'ſche Buchhandlung. geb. M. 1. 50. Dalla Torre, K. W. v., Wörterbuch der botaniſchen Fachausdrücke. München, J. Lindauer'ſche Buchhandlung. M. 1. 40. Leunis, J., Synopſis der drei Naturreiche. 2. Theil: Botanik. 3. gänzl. umgearb. Auflage von A. B. Frank. 2. Band. Specielle Botanik. Phancrogamen. Hannover, Hahn'ſche Buchhandlung. M. 12. Monatsſchrift, deutſche botaniſche. Herausg. v. G. Leimbach. 3. Jahr⸗ gang 1885. Nr. 1 u. 2. Bielefeld, Velhagen & Klaſing. Halb- jährlich M. 3. 5 Potonié, H., Illuſtrirte Flora v. Nord- u. Mittel-Deutſchland mit einer Einführung in die Botanik. 1. u. 2. Liefg. Berlin, M. Boas. a Lief. M. —. 50. e Zoologie, Bhyfiologic, Entwickelungsgeſchichte. Anthropologie. Bänitz, C., Leitfaden für den Unterricht in der Zoologie. 3. Aufl. Berlin, Stubenrauch'ſche Buchhandlung. geb. M. 1. 75. Bänitz, C., Lehrbuch der Zoologie in populärer Darſtellung. 6. Aufl Berlin, Flügel, O M. 2 Stubenrauch'ſche Buchhandlung. geb. M. „Das Seelenleben der Thiere. Langenſalza, H. 25. 168 Humboldt. — April 1885 Ganglbauer, L., Beſtimmungs⸗Tabellen der europäiſchen Coleopteren. VIII. Cerambycidae. (Schluß.) Leipzig, F. A. Brockhaus' Sort. M. 3. 60. Garten, der zoologiſche. Red. v. F. C. Noll. 26. Jahrgang. 1885. (12 Hefte.) 1. Heft. Giant a. M. „ Mahlau & Waldſchmidt. pro eplt. M. 8. Grünhagen, A., Lehrbuch der Phyſiologie. fortgeführt v. O. Funke, neu bearb. v. A. 4. Lieferung. Hamburg, L. Voß. M. Jahrbücher der deutſchen. malakozodlogiſchen Geſelſchaſt, nebſt Nachrichts⸗ Begründet v. R. Wagner, Grünhagen. 7. Aufl. blatt. Red. v. W. Kobelt. 12. Jahrgang. 1885. 1. Heft. Frank⸗ furt a. M. M. Dieſterweg. pro cplt. M. 24. Meinhold's Wandbilder f. d. Unterricht in der Zoologie. 1. Serie. 6. Lief. Inhalt: Fuchs, Nashorn, Walroß, Faſan, Großer Ameiſe freſſer. Dresden, C. C. Meinhold & Söhne. M. 4; einzelne Blätter a M. 1. 20. Mittheilungen des ornithologiſchen Vereines in Wien. G. v. Hayek. 9. Jahrgang. 1885. (12 Nummern.) W. Frick. pro hlt. M. 12. Moſſiſovics Edler v. Mojsvar, A., Leitfaden bei zoologiſch-zootomiſchen, Präparirübungen. 2. Aufl. Leipzig, W. Engelmann. M. 8. Nowacki, A., Jagd oder Ackerbau. Ein Beitrag zur Urgeſchichte der Menſchheit. Wien, E. Schmid. M. 2. 50. Piltz, E., Wandtafeln f. den naturkundlichen Unterricht in Volks- u. höheren Schulen. 1. Abtheilung: Thierkunde, nebſt Bau d. menſchl. Redacteur: Nr. 1. Wien, Körpers. 1. Lieferung. Jena, F. Mauke's Verlag. M. 1. 20. Zeitung, Stettiner entomologiſche. Red. 05 A. Dohrn. 46. Jahrgang. 1885. Nr. 1—3. Stettin-Leipzig, F. Fleiſcher. pro eplt. M. 12. Geographie, Ethnographie, Neiſewerke. Deckert, E., Grundzüge der Handels- u. Verkehrsgeographie. Leipzig, P. Frohberg. M. 2. 40. Dronke, A., Die Geographie als Wiſſenſchaft und in der Schule. Bonn, E. Weber's Verlag. M. 1. 50. Forſchungen zur deutſchen Landes- u. Volkskunde. Herausg. v. R. Lehmann. 1. Band. 1. Heft, Inhalt: Der Boden Mecklenburgs v. E. Geinitz. Stuttgart, J. Engelhorn. M. Heimatkunde, kleine. Illuſtrirte Geographie u. Geſchichte der Schweiz f. d. oberen 7 der Primärſchule u. f. die Fortbildungsſchule. Einſiedeln, 5 5 K. & N. Benziger, cart. M. —. 75. Hohenbühel, L. gen. Heufler zu Raſen, Beiträge zur Kunde Tirols. Junsbruck, 2 Wagner ſche Buchhandlung. M. 2. Jahrbuch, geographiſches. 10. Band. 1884. 1. Hälfte. H. Wagner. Gotha, J. Perthes. pro cplt. M. 12. Keilhack, K., Reiſebilder aus Island. Gera, A. Reiſewitz Verlag. M. 3. Kolberg, J., Nach Ecuador. Reiſebilder. 3. Aufl. Freiburg, Herder'ſche Herausg. v. Verlagsbuchh. M. 8., geb. M. 10. Matzat, H., Methodik des geographiſchen Unterrichts. Berlin, P. Parey. M. 8 Paulitſchke, Ph., Die Sudanländer nach dem gegenwärtigen Stande der Kenntnis. Freiburg, Herder'ſche Verlagsbuchhandlung. M. 7., geb. M. 9. Wetzel, E., Kleines Lehrbuch der aſtronomiſchen Geographie. Berlin, Stubenrauch'ſche Buchhandlung. M. 2. Wollweber, J. G., Globuskunde zum Schulgebrauche u. Selbſtſtudium. 2. Aufl. Freiburg, Herder'ſche Verlagsh. M. 1. 50. 3. Aufl. Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat Februar 1885. Der Monat Februar iſt charakteriſiert durch mil— des, meiſt trübes Wetter mit mäßigen Niederſchlägen und meiſt ſchwacher Luftbewegung. In der ganzen erſten Dekade lag über Nordweſteuropa niedriger Luftdruck, während das Barometer über Süd— oder Oſteuropa am höchſten ſtand, jo daß die oceaniſche Luft ſich andauernd über die Nordweſthälfte Europas er— gießen konnte. Daher war das Wetter mild und nicht ſelten regneriſch. Am 1. waren die Luftdruckdifferenzen nach nordweſt— licher Richtung ungewöhnlich groß, daher die Luftbewegung ſehr lebhaft, im nordweſtlichen Deutſchland ſtellenweiſe ſtür— miſch, wobei ſich die Temperatur in Weſtdeutſchland bis zu acht Grad über den Normalwert erhob. Durch ſtarkes Fallen des Barometers im weſtlichen Deutſchland und durch die Entwickelung eines Teilminimums im Südweſten, drehten am 3. die Winde nach Südoſt zurück, das Wetter wurde trocken mit abnehmender Bewölkung, wobei die Temperatur außer im Süden überall herabging und die Froſt— grenze im Oſten die deutſche Grenze teilweiſe überſchritt Jedoch ſchon am 4. war ganz Deutſchland wieder froſtfrei. Am 8. erſchien eine tiefe Depreſſion weſtlich von Schottland, welche auf den britiſchen Inſeln ſtürmiſche Luftbewegung aus ſüdlicher und ſüdweſtlicher Richtung hervorbrachte, und welche dann nordoſtwärts verſchwand, während in den nördlichen Gebietsteilen die Winde auf— friſchten, die jedoch nur an der ſüdnorwegiſchen Küſte einen ſtürmiſchen Charakter annahmen. Das barometriſche Maximum im Oſten pflanzte ſich zu Anfang der zweiten Dekade nordwärts fort; am 11. lag es über Finnland und vereinigte ſich, ſüdweſtwärts ſich ausbreitend, mit dem barometriſchen Maximum über Südweſteuropa, ſo daß am 12. eine breite Zone hohen Luftdrucks, von Finnland nach den Pyrenäen ſich er— ſtreckend, die Depreſſionsgebiete im Nordweſten und Süd— oſten Europas trennte, welche Zone in den folgenden Tagen ſich langſam nach Südoſten verlegte. Dement— ſprechend waren auch die Aenderungen des Wetters. Vom 12. bis 14. war die Witterung ruhig, trocken, jedoch viel— fach neblig, während ein Gebiet ziemlich ſtrenger Kälte ſich raſch weſtwärts nach Centraleurxopa vorſchob. Am 11. verlief die Froſtgrenze von Hamburg nach Wien, am 12. waren nur noch die weſtlichſten Stationen des deut⸗ ſchen Binnenlandes froſtfrei, am 13. war zwar im Nord— weſten Erwärmung aufgetreten, allein in München war das Thermometer am Morgen auf — 12 gefallen. Am 14. aber fand über Südweſteuropa und dem Oſtſeegebiete Erwärmung ſtatt, die ſich raſch weiter aus— breitete, fo daß am 16. ganz Centraleuropa wieder froſt— frei war, ja im nordweſtlichen Deutſchland hatte die Tem— peratur den normalen Wert um zehn Grad überſchritten. Eigentümlich war die Wetterlage am 16., als ein barometriſches Maximum über den britiſchen Inſeln zwei Depreſſionen im Südweſten und Nordoſten trennte, wäh— rend ein Teilminimum über der ſüdlichen Nordſee ſich entwickelte. Dieſes letztere drang nach den dänischen In⸗ ſeln vor und erzeugte über Deutſchland, insbeſondere im Weſten, ſtarke bis ſtürmiſche Luftbewegung. Die erſt— genannte Depreſſion bewegte ſich oſtnordoſtwärts über den Kanal und die Odermündung hinaus nach den ruſſiſchen Oſtſeeprovinzen und erreichte hier eine ziemlich erhebliche Intenſität, ſo daß an der oſtdeutſchen Küſte die Winde beträchtlich auffriſchten und einen ſtark böigen Charakter annahmen. Beim Vorübergange dieſer Depreſſion ging die Temperatur, weſtoſtwärts fortſchreitend, bedeutend herab; am 8. erfolgte die Abkühlung hauptſächlich über Frankreich und Weſtdeutſchland, im Nordweſten lagen die Morgentemperaturen um ſieben Grad niedriger, als vor 24 Stunden; am 19. war es in Mitteldeutſchland vielfach um zehn Grad kälter als zu gleicher Tageszeit am Vor— tage. Ueber dem centralen Frankreich, Weſtmitteldeutſch— land und dem öſtlichen Deutſchland war leichter Froſt eingetreten. Am 18. abends wurden in Hamburg Graupelfalle, in Borkum Blitzen und in Wilhelmshaven magnetiſche Störung beobachtet. : Das Wetter war in der zweiten Dekade vorwiegend trübe und vielfach zur Nebelbildung geneigt, vom 14. bis 19. fielen ausgedehnte und zum Teil beträchtliche Niederſchläge. Am 20. pflanzte ſich ein barometriſches Minimum vom Biskayiſchen Buſen raſch oſtwärts durch Frankreich und Süddeutſchland fort, gefolgt von ſehr ſtarken Nieder— ſchlägen: in Nizza und Bamberg fielen 20, in Kaiſers— lautern 21 und in Karlsruhe ſogar 40 mm Niederſchlag. Am 21. lag ein ausgeprägtes barometriſches Maximum über der Nordſee, welches bis zum folgenden Tage raſch nach Oſtdeutſchland fortſchritt, während ein tiefes Mini— mum im Weſten der britiſchen Inſeln erſchien, welches, nordoſtwärts ſich fortpflanzend, über Großbritannien hef— tige Stürme aus ſüdlicher bis weſtlicher Richtung hervorrief. „Heftige Stürme,“ heißt es in einer Seitungsnott;, begleitet von Schnee und Hagel, haben in der Sonn— abend-Nacht in Schottland gewütet. In Glasgow wurden mehrere Perſonen durch herabfallende Schornſteine verletzt, und die ſonſt am Sonnabend-Abend ſo belebten Straßen Humboldt. — April 1885. 169 waren faſt ganz verödet. Ein Telegramm aus Greenock be— richtet, daß der Sturm an der Clydemündung ſo heftig war, daß keine Schiffe den Hafen verlaſſen konnten, und in Greenock viel Schaden an Eigentum verurſacht wurde. In Ayrſhire wütete ein von einem orkanartigen Winde begleiteter Schneeſturm, welcher den ganzen Diſtrikt mit tiefem Schnee bedeckte. Der Nachtzug von London wurde bei Cumnock eingeſchneit und mußte ausgegraben werden, was eine Verſpätung von 5½ Stunden herbeiführte.“ Indeſſen blieb die deutſche Küſte von unruhigem Wetter befreit. Das barometriſche Maximum verſchob ſich zuerſt (am 23.) nach Südweſt-, dann (am 24.) nach Südoſt-, und endlich nach Oſteuropa, wobei die Temperatur, welche am 21. und 22. erheblich herabgegangen war, ſich wieder beträchtlich über den Normalwert erhob. Dabei war das Wetter vom 21. an trocken und vorwiegend heiter, jedoch vielfach neblig. Hervorzuheben iſt die ungewöhnlich ſtrenge Kälte, welche vom 18. bis 24. im nördlichen Oſtſeegebiete herrſchte: am 19. meldete Haparanda — 34” C. Hamburg. Dr. J. van Bebber. 12" 46™ Q IIA | 980 U Cephei 12.2 U Coronee 11 24™ | 13" 43 ( 2 ® I 18 48 9] TA 5h 5Qm ? | gh jgm iy A. el 857 U Cephei 167 U Ophiuchi 64 380 ? 9 33 (A 1 829 U Ophiuchi 13 Zu 18m 15038 (A 83 U Cephei Th 47m) 10" Gm 0 A el 1386 U Ophiuchi | 987 U Ophiuchi h 14 12˙ gm (OI! | 727 0 Coron 12> 7 N TLE 15" 22" 9) IIA 70 OL IV 1 12¹8 989 U Coron 1527 6 Libre 1Qh 43m A. LA 16" Gin N III E | 880 U Cephei | 6" FH 2 Ii bree 15h 72m 1543 6 Libre EP, 892 2 el 11 54 . fl. 2) Gom.| 14 BT OIL I VN 125 20m A h. 1 4 | gh 42™) 12 1* A n 7S ONL AL AN {1085 U Ophiuchi 9 wf. .) BACSI22) | 105 7. l. 5 6 ½ 7m B. f.) x Leons 726 U Cephei | Su 38 A f. 5 12 5m f. l. 7 dLeonis| 114 50 0 2 1950 5 14 45 5 % gh 59™ 1521 U 0 13 34m (Nel | 9h 57 ae 10 23 fh. 1 64/2 | | gh 28m N. IVA | | > | 743 U.Cepl 1115 37m 19 7 e 0 01 5 U. Qo! libre, 1755 52m l. iy 6 11" 2m N. 1A 6 h 6™ gh 25m jen Von den Veränderlichen des § kleinſtes Licht nicht mehr beobachtet werden kann. ſich nur ein Teil der Lichtabnahme beobachten läßt. den oben angegebenen Nächten gut zu beobachten. der Lichtzunahme beſtimmt werden. } Auf die Verfinſterung des TV merkſam zu machen. Dorpat. Himmelserſcheinungen im April 1885. 1641 U Ophiuchij16" 20" 9, TA 1280 U Ophiuchij16%Z 6 Libre 15" 34 9} III A U Ophiuchi 1715 U Ophiuchi gh 805 (eln 1892 UOphiuchi 1413 UOphiuchi 9 52" A IT A 11¹e U Ophiuchi 1642 U Algoltypus find Algol und 7 Tauri ſchon fo nahe der Sonne gerückt, daß ihr Von S Cancri fällt auf den 18. Bei Libre iſt in dieſem Monat die Abnahme des Lichtes in Die Zeiten der ſechs Minima von UCephei können nur aus Jupitertrabanten am 10. Ae t e ale (Mittlere Berliner Zeit.) Merkur erreicht am 7. 3 ſeine größte öſtliche Aus-“ weichung von der Sonne, 5 und da ſeine Deklination faſt zehn Grade nördlicher 6iſt als die der Sonne, jo wird er einige Tage vor und nach dem 7. am Abend— himmel dem bloßen Auge Yſichtbar werden. Venus iſt, da ſie am 4. Mai in obere Konjunktion mit der Sonne kommt, ſchon ſehr nahe bei 2 der Sonne und daher nicht mehr mit freiem Auge zu Z ſehen. Mars iſt ebenfalls nicht ſichtbar. Jupiter ſteht bei Anbruch der Nacht ſchon hoch am Himmel, jein Untergang erfolgt anfangs um 4½, zuletzt um 2½ Uhr morgens. Er bleibt bis zum 21. in rückläufiger Bewe- gung und nähert ſich dann wieder dem hellſten Stern des Löwen, Regulus, mit welchem er erſt Ende Mai wieder in Konjunktion ge— langt. Saturn nähert ſich in rechtläufiger Bewegung dem Stern € Tauri; ſein Untergang erfolgt anfangs 230 kurz nach Mitternacht, zu— letzt um 10% Uhr abends. Uranus ſteht etwa ſieben Monddurchmeſſer weſtlich 25 von Virginis; er geht 2 : anfangs um 5 ½, zuletzt 1418 36 Libre Merkur in grösster istl, Auswelchung 15" 30" 9, IV A 26)am 3½ Uhr nachmittags auf und ſein Untergang erfolgt anfangs kurz vor 28 Sonnenaufgang und am Schluſſe des Monats um 3½ Uhr morgens. Neptun ſteht im Sternbild des Stiers nahe bei deſſen Grenze gegen das Stern bild des Widders. Coron ein Lichtminimum, von welchem und 27. iſt wegen ihrer Seltenheit beſonders auf— Dr. E. Hartwig. 170 Humboldt. — April 1885. Neueſte Mitteilungen. Die Wirkung der Gale auf Inſekten. Nach einer Mitteilung im „American Naturalist können im Sauer- ſtoff Fliegen 9—29 Stunden, Citronenfalter 12 Stunden, Nachtfalter 1 Tage, der Koloradokäfer nicht mehr als 3 Tage leben. Im Waſſerſtoff geben Fliegen meiſt nach 20 Minuten ihre Bewegungen auf, ein Nachtfalter ſtarb nach 20, eine Weſpe nach 10 Minuten. Auf den Kolorado— käfer übte das Gas keinen merklichen Einfluß. In Kohlen- ſäure ſterben Fliegen nach 10— 15 Minuten, ein Kolorado— käfer kam, nachdem er 3 Stunden ſich in dieſem Gaſe be— funden, wieder ins Leben zurück. In Kohlenoxyd ſtarben Ameiſen ſchon in weniger als einer Minute, ein Kolorado— käfer lebte dagegen in dieſem Gas noch nach / Stunden; in Chlor war der Koloradokäfer wieder das einzige Inſekt, welches bis zu einer Stunde am Leben blieb. Be. Funde aus der Steinzeit. Unterſuchungen in der Umgegend der ſibiriſchen Stadt Kraſſnojarsk durch Mit— glieder der weſtſibiriſchen Abteilung der Geographiſchen Geſellſchaft führten zur Auffindung von Gegenſtänden der Steinzeit. Bei genaueren Nachforſchungen ſtieß man auf ein menſchliches Skelett, neben dem Stein- und Knochen— geräte, Amulette und zahlreiche Gegenſtände der Steinzeit lagen. Der Fundort liegt am rechten Ufer des Jeniſſei bei der Mündung des Flüßchens Baſaichi in dieſen Fluß, 2½ Werſt oberhalb Kraſſnojarsk, und wird von den dor— tigen Bewohnern „Bor“ genannt. Es iſt ein niedriger, länglicher Hügel, der in einer Niederung liegt. Zum Je— niſſei hin iſt er mit niedrigem Wald bedeckt, auf der ent— gegengeſetzten Seite mit Sand, worin Feuerſteinpfeile, Scherben von Töpfen mit und ohne Verzierungen gefunden wurden. In der Umgegend von Kraſſnojarsk gibt es noch mehrere ſolche Hügel mit ähnlichen Ueberreſten früherer Zeit. Wa. Reber Farbenempſindungen. Dr. E. L. Nichols hat nach, Engineering“ neuerdings eine Reihe ſehr ſorgfältig ausgeführter Experimente über die Dauer von Farben— empfindungen auf der Netzhaut des Auges durchgeführt und damit die ſchon früher von Plateau angeſtellten Unter— ſuchungen kontrolliert und ergänzt. Seine Reſultate ſind in der folgenden Tabelle enthalten: Totaldauer Ungetrübte. Farbe des des Bildes Dauer des Bildes Gegenftandes in Sek. in Sek. Wei, 08 0,00796 Selb 0,35 0,00798 Rot. 0,34 0,00966 Blau 0,32 0,01229 Durch Nichols’ Studium der Dauer der mittels ver— ſchiedener Teile des Spektrums hervorgerufenen Farben— eindrücke wurden in der Hauptſache die von Plateau mittels rotierender farbiger Scheiben erhaltenen Reſultate beſtätigt. Das von Nichols benutzte Spektrum wurde mittels eines gewöhnlichen Einprisma-Spektroſkops erzeugt, wodurch ein ziemlich reines Spektrum des weißen zerſtreuten Tages— lichtes erhalten wurde, in welchem die Fraunhoferſchen Linien ſcharf hervortraten. Vor dem Schlitze des Spektro— ſkops wurde eine ſchwarze Scheibe von 240 mm Durch— meſſer mit vier ſchmalen, je 5 mm weiten ſektorenförmigen Oeffnungen mit 2 bis 3 Umdrehungen pro Sekunde in Rotation verſetzt. Nichols fand, daß das Beharrungsver— mögen des auf dieſe Weiſe erzeugten Netzhautbildes, welche eine Funktion der dasſelbe hervorbringenden Wellenlänge iſt, an den Enden des Spektrums am ſtärkſten und im gelben Lichte am ſchwächſten iſt. Dieſes Beharrungsver— mögen nimmt im umgekehrten Verhältnis zur Intenſität der dasſelbe erregenden Strahlen ab. Die relative Dauer der durch verſchiedene farbige Strahlen hervorgebrachten Empfindung iſt nicht für alle Augen dieſelbe. Jede Wellenlänge des ſichtbaren Spektrums bringt drei Primäreindrücke: Rot, Grün und Violett hervor, wovon Grün am ſchnellſten verſchwindet und Violett am beſtändig— ſten iſt. Die verſchiedenen Geſchwindigkeiten, mit denen dieſe Eindrücke hinwegſchwinden, hängen hauptſächlich von den ſubjektiven Farbentönen der bewegten Objekte ab. Die Dauer des Netzhautbildes iſt abhängig von der Länge der Zeit, während welcher das Auge der Einwirkung des Lichtes ausgeſetzt iſt; dieſe Dauer iſt ſehr lang nach kurzer Einwirkung und nähert ſich bei verlängerter Einwirkung einem beſtimmten endlichen Minimum. Schw. FJorſchungen im Turgal-Gebiet. Der mit anthro- pologiſchen und ethnographiſchen Forſchungen im Turgaiz Gebiet beſchäftigte ruſſiſche Gelehrte F. Nefedow übermittelte der Moskauer Naturforſcher-Geſellſchaſt eine Sammlung von Funden aus genanntem Gebiete nebſt einem ſehr intereſſanten Berichte über letzteres. Das Turgai-Gebtet, für den Forſcher eine ganz neue Welt, it eine unabſeh—⸗ bare Steppe, die bei den Südabhängen des Ural beginnt und, mit Kirgiſen-Auls angefüllt, bis zum Kaspi-See reicht. Seit undenkbaren Zeiten war dieſe Steppe der Durchzugs— punkt der aus Aſien kommenden, zu den Ufern der Wolga, des Kaspiſchen und Schwarzen Meeres ziehenden Völker- ſchaften. Vielleicht durchzogen ſie auch unſere Vorfahren, als ſie ihre alte Heimat verließen. Die Spuren dieſer Durchzüge und der Kultur dieſer Völker ſind in verſchie— denen Erdbefeſtigungen erhalten, die bisher höchſtens die Hand des Schatzgräbers berührte. Herr Nefedow begann die Ausgrabungen unweit des Fluſſes Ilek und fand außer menſchlichen Gebeinen eine Menge eiſerner Gegenſtände, ferner ſolche aus Knochen, Bronze, Silber, Gold, ſowie Thongefäße. Dieſe Gegenſtände ſind jetzt im Beſitz obiger Geſellſchaft. Beſondere Erwähnung verdienen: ein Amulet aus Knochen, ein menſchliches Antlitz darſtellend, zwei Münzen, eine mit der Abbildung eines Kopfes, die andere mit, wie es ſcheint, arabiſcher Inſchrift. Viele Gegenſtände zeugen von hochentwickelter Technik. Sie gehören verſchie— denen Epochen an, was man ſchon daraus erkennt, daß man hier nur Gold- und Silbergegenſtände, da nur ſolche aus Kupfer, Eiſen und Knochen fand. Herr Nefedow verſuchte, auch im Gebiete der Baſch— kiren Ausgrabungen zu machen. Hier ſtieß er jedoch auf Widerſtand, denn die Baſchkiren, von ihren Mullahs be— einflußt, halten dieſe Gräber für heilig und unantaſtbar, und widerſetzten ſich deshalb dem Vorhaben Nefedows. Die Ausgrabungen werden, ſoweit möglich, fleißig fortgeſetzt. Wa. Riefen-Ordidee. Die Herren Sanders von Saint- Albans haben ſoeben eine Orchidee nach England gebracht, welche bei einer Höhe von 1,80 m im Durchmeſſer nicht weniger als 2,10 m mißt; es iſt das größte Exemplar, welches man je gefunden. Die Pflanze ſtammt aus einem Garten in der Umgegend von Kartago (Coſta-Rica), wo ſie von einem Eingeborenen unter der Krone eines zu der Familie der Euphorbiaceen gehörigen Baumes gepflanzt wurde. Als eines Tages der bekannte Pflanzenliebhaber Roezl in dieſer Gegend ſpazieren ging, hatte er das ſeltene Glück, 1500 offene Blüten an der Orchidee zu zählen. Die Herren Sanders boten eine beträchtliche Summe und gelangten in Beſitz dieſer Seltenheit. Der Baum wurde unterhalb und oberhalb der Pflanze abgehauen und das Ganze in eine große Kiſte gepackt. Mit dem Baumſtumpf und der Verpackung war das Gewicht 600 ke. Die Herren Sanders ſahen ſich außerdem genötigt, ein beſonderes Treibhaus zu konſtruieren, in welchem der Koloß an einer Kette aufgehängt wurde. Die Cattleya Swinneri blüht von April bis Auguſt und muß in gemäßigter Treibhauswärme gehalten werden. Die Blüten ſitzen zwiſchen den Wiittern, gewöhnlich vier Humboldt. — April 1885. 171 bis acht Stück von purpurroter Farbe. (Science et Na- ture lere année 30 Aont 1884.) Kr. Vroduſttion von Edelmetallen. Nach Angaben von Boignet im Bull. de la soc, del'ind. min. ergaben fic) im Jahre 1882 folgende Ausbeuten an Gold und Silber für die hauptſächlich beteiligten Länder in Dollarwerten : Vereinigte Staaten Gold Silber von Nordamerika 32 000 000 46 800 000 Mexiko 936 000 29 937 798 Auſtralien . 28 943 217 102 878 Rußland 28 551 028 473 519 Bolivia . 12345 11 000 000 Deutſchland 249 870 8 934 652 Chili 128 869 5 081 747 Columbien. 4 000 000 1000 000 Spanien 3 096 220 Oeſterreich— Ungarn 1050 068 1958 224 Venezuela 2274 692 Afrika 1993 800 12 Die Sen des „Albatroß“ an der Weſt— ſtüſte von Nordamerika. Während des Sommers 1883 ſetzte der „Albatroß“ an der Küſte von Neu-England von Kap Hatteras bis Neu-Schottland die früher von anderen Schiffen im Auftrage der Vereinigten Staaten Fiſcherei— Kommiſſion begonnenen Forſchungen fort, welche viele neue unbeſchriebene Tierarten und Gattungen zu Tage förderten, von denen einige von hohem morphologiſchem Intereſſe ſind, während andere der gefangenen Tiere bisher nur aus anderen weit entfernten Gebieten des atlantiſchen Oceans, von ſeinen europäiſchen Küſten, den arktiſchen und antarkti⸗ ſchen Gebieten, den Küſten Südamerikas, Weſtindien oder auch aus dem indiſchen und pacifiſchen Ocean bekannt waren. Einige dieſer Tiefſee-Arten ſind zuerſt als foſſil aus den europäiſchen Tertiärgebieten beſchrieben worden; außerdem zeigte ſich, daß eine bedeutende Zahl der ameri— kaniſchen Flachſeearten viel weiter in die Tiefe geht, als man meinte, nämlich bis 500, ja bis 1000 Faden. Unter den gefangenen Tieren waren die Echinodermen äußerſt zahlreich und intereſſant, da viele der gefangenen 60 Spe— cies ganz neu oder wenigſtens für die nordamerikaniſchen Küſten neu waren. Unter den Holothurien waren zwei rieſige Arten, welche einer beſonderen Tiefſeefamilie ange— hören, von der die „Challenger“-Expedition viele Arten heimgebracht hat. Es kamen dieſe Tiere an einigen Sta— tionen in großer Zahl, meiſt in 1000 bis 1500 Faden Meerestiefe vor. Die größte und eigenartigſte Form iſt eine neue Art von Benthodytes (B. gigantea Verrill), die andere Art ijt ebenfalls neu, Euphronides cornuta V. und mit E. depressa der „Challenger“ -Expedition ver— wandt. Die Seeſterne waren ebenfalls zahlreich; am meiſten kam eine neue, große, orangerote Art von Zoroaster (Z. Diomedea V.) vor. Die gemeinſte Gattung war, wie ge— wöhnlich in ſehr tiefer See, Archaster, durch viele Arten vertreten; von denſelben ſind manche ſehr groß und ge— wöhnlich orange oder orangerot gefärbt. Eine große Art mit mächtiger Madreporenplatte (A. grandis V.) und eine merkwürdig dornige Art einer verwandten Gattung (Benthopecten spinosus V.) traten mehrmals mit Zo- roaster zuſammen auf, gewöhnlich in Tiefen von 1000 bis 2000 Faden. Die Anthozoen waren in mehr als 1000 Faden Tiefe zahlreich an Individuen wie an Arten; es wurden 40 allen Hauptgruppen angehörige Species gefangen. Unter den Pennatulaceen waren einige hochintereſſante Formen. Die merkwürdige Tiefſee-Gattung Umbellula, welche ur— ſprünglich an der grönländiſchen Küſte aufgefunden worden, jedoch bisher für die Oſtküſte Nordamerikas noch nicht nach— gewieſen war, fand ſich in mehreren großen Exemplaren, von denen einige der ſchon durch den „Challenger“ am öſtlichen Teil des atlantiſchen Oceans gefundenen Art U. Güntheri-Kölliker angehören, andere wohl eine neue Art U. Bairdii V. bilden. Eine andere neue Art aus 1362 bis 2329 Faden Tiefe gehört der Gattung Kophobelemnon (K. tenue V.) an; eine äußerſt elegante neue Species ge— hört der bisher nur aus Japan bekannten Gattung Scleroptilum K. an und wurde als 8. elegans bezeichnet; ſie kommt immer mit einer ihr dicht angeſchmiegten, wie ſie ſelbſt hell orange gefärbten Astronyx-Art (A. tenuispina V.) vor. Von ſonſtigen intereſſanten Pennatulaceen iſt Authoptilum Murrayi K. zu erwähnen, eine Art, die zu— erſt vom „Challenger“ an der Küſte von Neuſchottland ge— fangen worden iſt. Die Gorgonaceen waren durch mehrere prächtige Arten vertreten, ausgezeichnet durch Größe und Farbe. Wie immer in tiefer See war Acanella Normani in großer Zahl vorhanden. Lepidisis caryophyllia V., welche in Form von mächtigen unveräſtelten Stämmen oft 2 bis 3 Fuß lang wird, trat mehrmals lebend und noch öfter tot auf, wo ſie dann als Haftort für andere Arten von Anthozoen u. ſ. w. diente. Aus Tiefen von 1346 bis 1302 Faden wurde eine prächtige Federkoralle Dasygorgia Agassizii V. hervorgeholt, welche eine ſchlanke, iriſierende, kalkige Axe beſitzt, an welcher die Hauptzweige ſpiralförmig angeordnet ſind und die großen Polypen ſchräg ſitzen; es gehört die— ſelbe zu einer beſonderen Tiefſeefamilie, den Chryſogorgi— den, deren Angehörige ſich faſt ſämmtlich durch Eleganz der Form und Farbe auszeichnen; eine neue Art dieſer Familie, Lepidogorgia gracilis, wurde aus Tiefen von 858 bis 1735 Faden emporgefördert. Be. Alebertragung der Elektricität. Auf der mit der vorjährigen italieniſchen Landesausſtellung in Turin ver— bundenen internationalen elektriſchen Ausſtellung war ein Preis von 10 000 Franken ausgeſetzt für eine Erfindung, durch welche die praktiſche Löſung von Problemen gefördert würde, welche fic) auf die Anwendung der Elektricität zur Kraftübertragung auf größere Entfernungen, zur Beleuch— tung und Metallgewinnung beziehen. Dieſer Preis wurde Herrn Lucian Gaulard in London zuerkannt für deſſen Sekundär-Generatoren, welche hochgeſpannte, für die Ueber— tragung auf größere Entfernungen geeignete elektriſche Ströme in niedrig geſpannte ſekundäre Ströme umſetzen, wie fie für die praktiſche Verwendung ſich eignen. Die Verſuche fanden mit einer ausgedehnten Beleuchtungsanlage und den verſchiedenartigſten Lampenſyſtemen ſtatt, welche von demſelben Generator geſpeiſt wurden, wobei die große Teilbarkeit des Stromes demonſtriert und die Sekundär— Generatoren den verſchiedenſten Anſprüchen angepaßt, wurden. Die Löſung des Problems erfolgte auf Baſis der Wechſelſtröme, während gleichgerichtete Ströme die Löſung der Frage bis jetzt nicht ermöglichten. 12, Fährten vorweltlicher Sufekten. Im Jahre 1880 erſchien die intereſſante Arbeit von Nathorſt (über welche auch in Humboldt 1882 Heft 2 S. 46 eine Mitteilung ge— liefert wurde), in welcher derſelbe den Satz aufſtellte und durch Verſuche erläuterte, daß eine ganze Reihe vorwelt— licher ſog. Pflanzenarten auf die Fährten von Tieren u. ſ. w. zurückzuführen ſei. Zwar hat dieſe Anſicht auch wieder mannigfachen Widerſpruch erfahren, ſo beſonders von Sa— porta und Marion, doch ſind eine größere Anzahl ver— meintlicher Pflanzenarten auf jenen Urſprung zweifellos zurückzuführen und demnach zu ſtreichen. Eine weitere Beſtätigung erfährt nun dieſe Anſicht durch eine Unterſuchung R. Zeillers. Derſelbe bemerkte in einem halb ausgetrockneten Pfuhle bei Villers-ſur-Mer eigentümliche Spuren, welche von einem Tiere herrührten und in ihrem Ausſehen ſo lebhaft an die Algengattung Phymatoderma oder das Coniferengenus Brach y— phyllum erinnerten, daß ſie leicht damit verwechſelt werden konnten. Angeſtellte Verſuche ergaben nun, daß die Fährten der Maulwurfsgrille (Gryllotalpa vulgaris) jenen Spuren vollſtändig entſprechen. Es iſt wohl anzu— nehmen, daß dieſe Tiere während des ganzen Sommers, in welcher Zeit dieſe Pfuhle trocken liegen, hier ihrer Nahrung nachgegangen ſind. R. Zeiller, Sur des traces d'Insectes simulant des empreintes végétales iu Bulle- tin de la Soc. Géolog. ds France, Sér. III., Tome XII, Séance de 23 Juin 1884 S. 676 bis 680 mit 1 Taf.) Gr. 172 Humboldt. — April 1885. Kleinſte Orchideen. Ganz kürzlich machte Profeſſor Pfitzer (über zwergartige Bulbophyllen mit Aſſimilations— höhlen im Innern der Knollen im Bericht der deutſchen botaniſchen Geſellſchaft Band Il Heft 10, ausgegeben am 20. Januar 1885, S. 472 bis 480 mit 1 Taf.) auf zwei intereſſante winzige Orchideen aufmerkſam. Die erſte Art entdeckte R. King bei Port Jackſon und ſpäter Faweett auch am Richmond River in Auſtralien, wo ſie auf Sand— ſteinblöcken zwiſchen Mooſen gedeiht. Dieſe Art, welche Ferd. v. Müller als Bolbophyllum minutissimum nov. spec. beſchrieb, zeigt auf einem kriechenden durch paarweis geſtellte Wurzeln befeſtigten wenig verzweigten Rhizome kreisförmige, flache, horizontal ausgebreitete Organe, welche ziemlich dicht aneinander gereiht ſind und einen Durch— meſſer von nur / bis Yo Zoll (engl.) beſitzen. Dieſe Organe ſind jedoch nicht als Blätter zu betrachten, ſondern als ſcheibenförmig ausgebildete Knollen (pseudobulbi), an welchen die eigentlichen Laubblätter als äußerſt kleine nadelförmige Fortſätze ſich vorfinden. Beſonders bemerkens— wert aber iſt der Bau der ſcheibenförmigen Knollen, auf deren Oberſeite eine enge Oeffnung in einen abgeplatteten auf der Mitte der Organe befindlichen Hohlraum führt. Derſelbe iſt, wie auch die Oberſeite der Knollen, mit großen tafelförmigen Zellen begrenzt und wird von Pfitzer als Aſſimilationshöhle bezeichnet; fie tt ſtets mit Algen aus der Gruppe der Cyanophyceen erfüllt. Ganz ähnlich im Bau und in der Größe verhält ſich ine andere Orchidee, Bolbophillum Odoardo Rechb. et Pfitz., welche von Odoardo Beccari in Borneo entdeckt wurde. Beide Arten ſind nicht bloß die kleinſten bekannten Orchideen, ſondern gehören zu den winzigſten phanerogamen Pflanzen überhaupt. Gly. Bakterien an Bäumen. In den Vereinigten Staaten diesſeits der Rocky Mountains wurde ſchon ſeit Anfang dieſes Jahrhunderts eine verheerende Krankheit beobachtet, welche hauptſächlich die Kernobſtbäume ergriff. Beſonders hart litten die Birnbäume darunter, deren Kultur auf weitere Strecken ganz aufgegeben werden mußte, und die Quitten. Doch wurden davon auch Apfelbäume, Wal— nuß, Pappel, Eſche u. ſ. w. von dieſer anſteckenden Krank— heit befallen. Salisbury ſchrieb dieſelbe der Sphaero- theca pyri zu; in neuerer Zeit aber hält P. J. Burill infolge genauer Unterſuchungen eine Bakterie von 0,003 mm Länge und 0,001 mm Dicke für die Urſache dieſer Krank— heit. Sie gleicht dem Bacillus amylobacter van Tiegh und ſcheint durch Fermentation ſchädlich zu wirken. Die Krank— heit pflanzte ſich durch Impfung mit bakterienhaltiger Flüſſigkeit fort. Während hierbei bei den Apfelbäumen nur 30 % erkrankten, wurden bei den Birnbäumen 63 %, bei den Quitten ſogar ſämtliche Verſuchspflanzen infiziert. Deutſche landwirtſch. Preſſe IX. Jahrg. S. 381. Gli. Schädlichkeit der Schachtelhalme. Schon lange fino die Schachtelhalme gefürchtet, da fie als unausrottbares Unkraut feuchte Felder durchziehen und von ihren weithin kriechenden Wurzelſtöcken ununterbrochen über die Erde treiben. Neuerdings aber erwähnt Profeſſor Cohn, daß in einem 5 Fuß tief unter der Erde befindlichen Waſſer— leitungsrohre ſich ein wurzelartiges Geflecht vorfand, welches die Röhre verſtopfte. Dieſes erwies ſich als der verzweigte Wurzelſtock eines einzigen Equiſetum, von dem ein Stück von 12m Länge freigelegt werden konnte. — 61. Jahres- bericht d. ſchleſ. Geſ. f. vaterländ. Kultur 1884 S. 240. Gly. Die Vogelſammlung des amerikaniſchen National- muſeums hat nun die Zahl von 100 000 Exemplaren überſchritten. Als ſie 1851 begründet wurde, enthielt ſie nur die von Baird geſchenkte Sammlung von 3669 Exem— plaren, darunter freilich die meiſten Audubonſchen Originale. Natürlich ſind die meiſten Vogelbälge nicht öffentlich aus— geſtellt, ſondern in Schubladen aufgeſpeichert; in Glaskäſten ſtehen nur ca. 6000. Die Sammlung iſt für Nordamerika und Weſtindien die vollſtändigſte, die überhaupt exiſtiert, für Centrale und Südamerika wird fie allerdings von zwei Privatſammlungen, denen des Herrn P. L. Sclater und der Herren Salvin und Godman, übertroffen. Auſtralien, Japan und Europa ſind ebenfalls ſehr gut repräſentiert, Afrika, Inneraſien, der malayiſche Archipel und Polyneſien weiſen noch erhebliche Lücken auf, doch hofft man auch dieſe in wenigen Jahren auszufüllen. Die Direktion will außer der amerikaniſchen Hauptſammlung noch drei ver⸗ ſchiedene Kollektionen aufſtellen, die erſte aus den nächſten Verwandten der amerikaniſchen Arten, die beiden anderen Typen der in Amerika nicht repräſentierten Gattungen und die wichtigſten Gattungen überhaupt in ſyſtematiſcher Reihenfolge enthaltend. Profeſſor Baird, der Begründer der Sammlung, hatte auch das Vergnügen, ihr Nr. 100000 und Nr. 100 001 des Katalogs zu ſchenken. Ko. Die Kompoſiten Brafifiens machen nach Bakers „Flora Brasiliensis“ den zehnten Theil der Phanerogamen dieſes Landes aus, ſind alſo in normaler Zahl vorhanden; ſie umfaſſen 1280 Arten, welche ſich auf 150 Gattungen verteilen (Nordamerika 237 Gattungen mit über 1600 Arten). In ihrem Charakter unterſcheiden ſie ſich ebenſo ſehr von denen Nordamerikas wie von denen der alten Welt; das tritt beſonders in dem Umſtand hervor, daß ein Drittel der Arten den drei Gattungen Vernonia, Eupatoria und Baccharis angehört und die dann der Größe nach folgende Gattung Mikania iſt; die Eupatoriaceen haben alſo eine ſonſt nirgends in gleicher Größe beobachtete Artenzahl— An der Spitze ſtehen die Vernoniaceen mit 24 Gattungen und 289 Arten (Nordamerika 3 Gattungen mit 10 Arten), es folgen die Eupatoriaceen mit 17 Gattungen und 335 Arten (N. A. 15; 111), die Helianthoideen mit 40 Gattungen, aber nur 221 Arten (N. A. dagegen 64; 337), die Aſteroideen mit 14 Gattungen und 183 Arten (N. A. 33; 462). Von Mutiſiaceen ſind 18 Gattungen und 99 Arten, die meiſt auch in Nordamerika vorkommen, vor— handen, an Inuloideen etwa ebenſoviel wie in Nordamerika, nämlich 13 Gattungen und 40 Arten. Spärlich vertreten ſind die Senezionideen (3; 58), die Heleonideen (9; 30, während N. A. 43 G. und 214 A. hat) und beſonders die Hauptgattungen der alten Welt, jo die Cichoriaceen (4; 14), die Anthemideen (4; 6) und endlich die Cynaroideen durch eine einzige einheimiſche Art, eine Centaurea. Be. Heliometerbeſtimmungen der Sfern-Barallaxe auf der ſüdlichen Hemiſphäre. Nach den an 9 Sternen von Gill und Elkin in Kapſtadt während mehrerer Jahre aus— geführten Heliometerbeſtimmungen der Parallaxe hat jich folgende Tabelle ergeben: Parallaxe Wahrſcheinlicher Größe in Sekunden Fehler in Sekunden der Sterne o Centauri + 0,75 — 0,01 7,6 Sirius + 0,38 0,01 7,5 e Indi + 0,22 0,03 7,25 Lacaille 9352 + 0,28 0,02 7,6 oy Kridani . + 0,166 0,018 6,4 6 Centauri — 0,018 0,019 7 CTucanae. . . + 0,06 0,019 7,25 eHridani . -+ 0,14 0,020 6,4 Canopus — 0,08 0,030 8 Be. Symbiofe zwiſchen Tieren und Pflanzen. Schon früher wurde von Eſper ein eigentümlicher Organismus als Spongia cartilaginea beſchrieben, von welchem neuer— dings Semper nachgewieſen hat, daß derſelbe durch die innige Verbindung zwiſchen einem Schwamm und einer Alge hervorgerufen wird; daß alſo dieſer Organismus ſich der Gruppe der Flechten entſprechend verhalte. Schon Lieberkühn hatte darauf aufmerkſam gemacht, daß ge— wiſſe Spongienarten immer in Geſellſchaft von Algen (Florideen) vorkommen. — Semper, über Zuſammenleben von Spongien und Algen. Die natürlichen Exiſtenzbe— dingungen der Tiere. II. Teil S. 176 bis 181. Gly A HA Ui Die Bienenbauten. Don Prof. Dr. KH. W. v. Dalla Torre in Innsbruck. Der hätte nicht ſchon einmal ſeinen Blick in das Innere eines Bienenſtockes geworfen oder eine honigſchwere Wabe ihres ſüßen hnhaltes beraubt und dabei jener kleinen, unscheinbaren Inſekten gedacht, deren Ausdauer und Fleiß ſprichwörtlich geworden iſt und deren Bauten wie ſelten die eines anderen Tieres unſere Bewun— derung erregen. Sie ſind ja unſere Hausgenoſſen, und eine Glaswand an der Hinterſeite des Stockes macht ſie einer wenigſtens oberflächlichen Beobachtung leicht zugänglich. Schwerer wird uns dies bei manchen nahen Verwandten der Honigbienen, die ihnen an Körperform ziemlich gleichen und daher auch mit ihnen unter dem gemeinſamen Namen „Immen“ oder „Bie— nen“ zu einer Gruppe vereinigt werden. Sie geſtatten nicht ſo leicht einen Einblick in ihr Familienleben, und mancher, der bei ihrer Beobachtung gar zu eifrig zu Werke ging, hat ſeinen Wiſſensdurſt ſchmerzlich bereut, wenn ihm einige ſtreitbare Recken der Inſekten— welt zur Strafe für dieſen Hausfriedensbruch mit ihrer Giftwaffe Geſicht und Hände zerſtachen. Wir dürfen nun ja nicht erwarten, bei ihnen jene ausge— dehnten und regelmäßigen Gebäude bewundern zu können, durch die ſich die Honigbienen auszeichnen. Ja manche verdienen in dieſer Hinſicht kaum an ihre Seite geſtellt zu werden, ſo einfach und kunſtlos iſt ihre Wohnungsanlage gegenüber dem komplizierten Baue der Honigbiene. Aber nichtsdeſtoweniger gibt es von ihnen viel des Intereſſanten zu erwähnen, intereſſant vielleicht gerade deswegen, weil es weniger bekannt und durch eigene Beobachtung ſchwerer zu erfahren iſt. Weit davon entfernt, ein vollſtändiges Bild ihres Lebens und Treibens geben zu wollen, möge die Aufmerkſamkeit des freundlichen Leſers nur auf ein Produkt ihrer Thätigkeit, auf ihre Bauten gelenkt werden. Zu dieſem Behufe muß ich einige Humboldt 1888 Bemerkungen vorausſchicken, welche zwar nicht ſtreng in den Rahmen der Aufgabe fallen, die ich mir ge— ſtellt, die aber doch in einem ſo engen Zuſammen— hange mit derſelben ſtehen, daß ein einfaches Ueber— gehen derſelben nicht wohl geraten erſcheint. Unſere einheimiſchen Bienen, deren wir wohl an tauſend Arten zählen, während aus den Tropengegenden etwa die doppelte Zahl beſchrieben iſt, ſind Inſekten, deren Körpergröße zwiſchen der einer Stechmücke oder Gelſe und der einer Hornis wechſelt. Die größten Formen find die Hummeln, und zwar nur die weib lichen Tiere, dann die Holzbienen, ſowie die bei den erſteren paraſitierenden Kuckucksbienen, die Schmarotzer— hummeln; die kleinſten gehören den Gattungen der Scherenbiene (Chelostoma), Furchenbiene (Halictus), Grab- oder Erdbiene (Andrena) und Maskenbiene (Prosopis) an. Sie haben alſo im Mittel etwa die Größe einer Honigbiene oder Bremſe und ähneln auch vielfach der erſteren in Körpergeſtalt und Färbung. Ihre Nahrung beſteht ausſchließlich und nur mit ganz wenigen Ausnahmen, wo man ſie auch fleiſchfreſſend gefunden haben ſoll, aus Blumenſäften, und insbe— ſondere ſind es die Honiggefäße der Blumen, welche in reichſter Zahl und ſtets mit einem gewiſſen Raf— finement ausgebeutet werden. Doch verſchmähen ſie auch andere Honigquellen nicht und werden z. B. honigſuchende Bienen zu Tauſenden in den Zucker— raffinerien beutemachend angetroffen und erlegt. Doch iſt es bei ihrer hohen geiſtigen Entwickelung nicht die Erhaltung des eigenen „Ich“ allein, die ſie zur Thätig— keit antreibt und ſie vielen Mühen und Beſchwerden ausſetzt, ſondern auch die Anlage der Brutſtätten und die Pflege der Brut ſelbſt, um derentwillen man ſie vom frühen Tagesgrauen oft ſchon vor Aufgang der Sonne bis in die Abendſtunden hinein und vielfach ſogar während der Nacht, namentlich bei Mondſchein, 23 174 Humboldt. — Mai 1885. arbeiten ſieht. Sobald nämlich die Wohnung, welche Wiegenſtube und Vorratskammer in einem enthält, angelegt iſt, iſt es erſte Aufgabe des Weibchens, die einzelnen Kammern mit Nahrungsbrei für die Brut zu verſehen, und dieſer beſteht in einem Gemiſche von Blütenſtaub und Honig oder Nektar, wie erſterer in den Staubbeuteln der Blüten, letzterer in den ſoge— nannten Nektarien derſelben gefunden wird. Wie viele Hunderte von Blüten muß da ein brutpflegendes Weibchen beſuchen, um nur ein einer Zelle entſpre— chendes Quantum zuſammenzubringen! In der einen Blüte liegt die Honigſchale zu tief und der Rüſſel iſt zu kurz, um dahin zu gelangen; in einer anderen Blüte iſt der Honig bereits von einer früher ſie ausbeutenden Bienenart weggenommen worden, eine dritte Blüte iſt noch verſchloſſen, und es vermag nur auf einem Umwege, etwa durch Anbeißen von der Seite her, zum Honiggefäß zu gelangen: und ſo gibt es tauſend Hinderniſſe, die alle überwunden werden müſſen. Nur durch die muſterhafte Zähigkeit, mit der ſie ihren Geſchäften obliegen, und durch ihre außerordentliche Geiſtesanlage und Sinnesentwickelung iſt es ihnen möglich, in Kürze eine bedeutende Menge Futterbrei zu ſammeln, welchen die einen in Geſtalt der Höschen an den breitgedrückten und am Rande behaarten Bein- ſchienen, die anderen aber am dichtbehaarten Bauche nach Hauſe bringen. Um nun auf das eigentliche Thema, die Wohnungen, zurückzukommen, ſei erwähnt, daß es eine Gruppe von Bienen gibt, welche vollkommen außer den Kreis unſerer Betrachtung fallen, aus dem einfachen Grunde, weil ſie gar keine ſelbſtändigen Wohnungen und Zellen konſtruieren, ſondern nach Kuckucksſitte die Eier in die Neſter anderer Arten legen; es ſind dies die Kuckucks— oder Schmarotzerbienen. Man findet ſie ſtets in der Nähe der Wirte, bei denen ſie wohnen, nach einem unbeobachteten Augenblicke lauernd, in welchem ſie ſich in deſſen Haus einſchleichen können; vielfach geht ihr trügeriſcher Sinn ſo weit, daß ſie ſogar deſſen Kleid anziehen, um „im Drange der Geſchäfte“ vielleicht ſogar unbeeinflußt einfliegen zu können — ein evolu— tionstheoretiſch prächtiges Gebiet. Außer dieſen Schma— rotzerbienen aber ſind alle mehr oder weniger in der Baukunſt erfahren. Der einfachſte Bau beſteht wohl darin, daß Bienen die bereits an alten, morſchen Zaunpfählen, an Balken und Brettern vorhandenen Gänge von Holzkäfern u. ſ. w. ausnützen, indem ſie dieſelben ziemlich tief unter der Oberfläche in der Längsrichtung der Faſern ausbeißen und meiſt nach unten verlängern. Der Gang macht an ſeinem Ende wieder eine Wendung nach außen und tritt ſo an die Oberfläche. Manches Mal ſoll nach Reaumur auch in der Mitte des ſenk— rechten Ganges eine horizontale Röhre nach außen führen. Das untere Ende des Ganges wird nun ſorg— fältig mit Sägeſpänen verſtopft, welche vom Aus— bohren der Röhre her noch reichlich vorhanden ſind. Dann wird der unterſte Raum mit einer honigſaft— artigen Maſſe verſehen und ein Ei gelegt, darauf aus lehmiger Erde, aus Sägeſpänen und ſchleimigem, er— härtendem Speichel die erſte Zwiſchenwand, welche nicht ſelten konzentriſche Streifen zeigt, hergeſtellt, und die erſte regelmäßige Zelle mit all ihrem Zugehör und allem, was die Larve bis zu ihrer vollſtändigen Entwickelung braucht, ijt fertig. Auf dieſe Zwiſchen⸗ wand folgt wieder ein Quantum Futterbrei, dann wird wieder ein Ei gelegt, und eine weitere Zwiſchen— wand bringt auch die zweite Zelle zum Abſchluß. So erſcheinen in einem derartigen Gange nach und nach von unten nach oben 6—12 Zellen, von denen die unterſte jenes Ei enthält, welches zuerſt gelegt wurde, welches ſich alſo auch zuerſt entwickeln muß. Iſt dies geſchehen, ſo beißt ſich die Biene nach der Seite aus, indem ſie meiſt den weichen Stöpſel aus Sägeſpänen, der keinen großen Widerſtand leiſtet, benutzt, manches Mal aber auch durch das Holz ſich einen Weg ins Freie bahnt. Auf demſelben Wege kommen der Reihe nach meiſt mit großer Regelmäßigkeit auch die übrigen Bienen ans Tageslicht. Entwickelt fic) aber aus⸗ nahmsweiſe eine Biene in ihrer Zelle, ehe ſich die vor ihr liegenden erſchloſſen haben, ſo teilt auch ſie das Los der erſt ausſchlüpfenden und beißt ſich ſeit⸗ wärts durch, ohne die Nachbarn zu ſtören. Kurz, es entleert ſich der Schlauch genau in entgegengeſetzter Ordnung, als er gefüllt worden war, um einer zweiten und dritten Brut Platz zu machen. Es iſt begreiflich, daß infolgedeſſen alte Pfoſten oft völlig durchwühlt und ausgehöhlt erſcheinen und der Beobachter in ihrer Nähe in Kürze ein buntes Stück Tierwelt erblicken kann. Mehrere Bienenarten find es, welche der Haupt- ſache nach in der eben geſchilderten Weiſe für ihre Brut Sorge tragen. Die auffälligſte, größte und ſchönſte Art darunter ijt die blaue Holzbiene (Xylo- copa violacea). Schon Reaumur beobachtete, daß ſie ihre Zellen und Gänge in friſchem, feſtem Holze einbaut, und nannte ſie deshalb „abeille de bois“. Sie legt ihre Gänge in ziemlich großem Maßſtabe an. Einen bohrt ſie in ſchiefer Richtung bis auf den Kern, an dieſen ſchließt ſich eine oft handlange ſenk— rechte Röhre, welche wieder durch eine ſchiefe mit der Oberfläche in Verbindung ſteht. Ein ſolcher Bau einer Xylocopa iſt manches Mal unſchwer zu entdecken, weil die am Boden vorhandenen Holzſpäne ſein Daſein verraten. Andere Gattungen, wie namentlich die Keul— hornbienen (Ceratina), niſten in hohlen, ausgetrockneten Stengeln aller Art, in Brombeer- und Roſenſträuchern, in Holunder und Rainfarnen, Doldenpflanzen und Repsſtängeln und entſchlüpfen gleich den Holzbienen einzeln aus den niedlichen Zellen, deren Zwiſchenwände gar dünn und zart ſind. Auch bei manchen Arten der Maskenbiene (Prosopis), welche Lepeletier für paraſitiſch hielt, beobachtete man eine ähnliche Bauart; ja ſie ſoll ſogar große Eichgallen als Brutſtätten nicht verſchmähen. Alle die genannten Bienen bauen ihre Wohnungen in Holz und mit Holz. Höchſtens be— nutzen manche, wie Chelostoma und Heriades, Lehm und Erde zum Bau der Zwiſchenwände. Wenn wir nun in der Benutzung eines feſteren Baumaterials einen Fortſchritt in der Baukunſt erblicken wollen, fo müſſen wir den ſogenannten „Maurerbienen“ Humboldt. — Mai 1885. 175 entſchieden den Vorrang vor den eben beſchriebenen einräumen. Als Typus derſelben kann man einige Mitglieder der Gattung Chalicodoma und Osmia bezeichnen, welche ihre Neſter ganz nach Art der Schwalben aus Erde und Mörtel verfertigen und ihnen eine ganz erſtaunliche Feſtigkeit zu geben vermögen. Am bekannteſten iſt in dieſer Hinſicht die gemeine Mörtel- oder Maurerbiene (Chalicodoma muraria), eine auffällige Art, welcher wir namentlich im Süden der Alpenkette allerorts an Mauern, Meilenſteinen und Felswänden begegnen. Das Weibchen, gleich dem Männchen etwa 13 mm lang, iſt ſchön dunkel— ſchwarz behaart, während der Hautpanzer eine metall— blaue Stahlfarbe hat; die Bauchhaare ſind ſchön gold— glänzend bis orangerot; das ſchwächer behaarte Männ— chen dagegen zeigt einen gelbbraunen Pelz. Wenn dieſe Art an die Anfertigung eines Brutplatzes geht, ſo unterſucht ſie zuerſt durch wiederholtes Betaſten und Befliegen die zu wählende Stelle. Es iſt dies, wie ſchon bemerkt, gewöhnlich eine Wand, eine Mauer, ein hoher Fels oder ein Steinbruch u. ſ. w., der von der Sonne möglichſt lang und kräftig beſchienen wird. In die Rauheiten dieſer Unterlage bringt ſie dann Ralf und Lehmſtückchen, Kieſel- und Sandkörnchen und klebt dieſelben mit ihrem ſchnell und ſtark er— härtenden Speichel außerordentlich feſt aneinander. Jedes Steinchen, jedes Lehmkügelchen, jeder auch noch ſo kleine Beſtandteil des Neſtes muß einzeln herbei— geſchafft werden. Unausgeſetzt iſt die Biene den ganzen Tag thätig, und jo hängt nach 1½ oder 2 Monaten ein mehr oder weniger unregelmäßiger Klumpen an der Wand, den man, weil er meiſt auf rauher Unter— lage erbaut iſt und die Farbe derſelben häufig teilt, nicht ſo leicht entdeckt. Wenn wir aber einen ſolchen Bau in unſeren Beſitz gebracht und geöffnet haben, wozu ein gar nicht geringer Kraftaufwand erforderlich iſt, ſo erblicken wir im Innern 6—8 Zellen von fingerhutähnlicher Form. Die Wände derſelben ſind wohl geglättet und allfällige Unebenheiten mit einer zähen Maſſe ausgefüllt. Nach Vollendung einer Zelle ſammelt das Bienenweibchen ſo viel Futter, als eine Larve zu ihrer vollſtändigen Entwickelung bedarf, legt in dieſelbe ein Ei und verſchließt ſie dann ſobald als möglich, um vor Schlupfweſpen und Kuckucksbienen, jenen zudringlichen Gäſten, die ſich nicht ſelten in ihr Haus einſchleichen, ſicher zu ſein. Cirka zwei Monate nach dem Ablegen der Eier ſchlüpfen die erſten jungen Bienen aus. Sie ſuchen mit Vorliebe alte verlaſſene Neſter auf, beſſern ſie aus, reinigen ſie von dem Un— rat, den die Maden darin zurückgelaſſen, und erſparen ſich ſo die mühſame Arbeit eines Wohnungsbaues. Nicht ſelten, ſo berichtet uns Reaumur, kommt es während der Reſtaurationsarbeiten zu einem erbitterten Kampfe, wenn eine zweite Bewerberin erſcheint und ebenfalls Annexionsgelüſte an den Tag legt. Eine weitere Gruppe von Maurerbienen ſind die Osmia— Arten, welche an den verſchiedenſten Orten, in Mauer— ſpalten, in morſchem Holze, vielfach ſogar in leeren Schneckenhäuſern ſich häuslich einzurichten wiſſen. Ge— wöhnlich bauen jie 10—30 Zellen aus Mauer- und Mörtelſtückchen, aus Steinchen und Lehm. Lepeletier beſaß Neſter aus Oran, aus 10 Zellen beſtehend, welche im Innern einer Schneckenſchale aus Kuhmiſt und Erde errichtet waren. Smith beobachtete ein ſolches mit 230 Cocons unter einem Steine, und am Weilburger Gymnaſium befanden ſich nach Schencks Bericht mehrere Osmianiederlaſſungen zwiſchen Fenſter— rahmen und Fenſterbekleidung. Recht behaglich richten ſich die Kugel- oder Woll— bienen, die ſich durch ihren gelbfleckigen, kahlen und faſt kugeligen Hinterleib kennzeichnen, ihre Wohnung ein. Sie ſchaben den weichen Wollüberzug von den Blättern mancher Lippenblütler ab, tragen ihn in irgend eine verborgene Spalte und formen aus ihm eine Zelle, deren innere Wand ſie mit einer zähen, an der Luft erhärtenden Flüſſigkeit überziehen, und wie tief dieſer Bauſtiel in dieſem Volksſtamm inhärent geworden ijt, zeigt am beſten Anthidium montanum, eine bergbewohnende Art dieſer Gattung, welche ich wiederholt in ihrer Thätigkeit beobachtete, wenn ſie zur Gewinnung von Baumaterial das Edelweiß ab— ſchabte und dann Ballen davon zwiſchen den Beinen wegtrug; bei genauerem Verfolg fand ich die feine Wolle in deren Neſtern wieder. Schön und regelmäßig ſind die Zellen der Seiden— bienen (Colletes), welche an warmen Junitagen mit Vorliebe Kompoſitenköpfchen, beſonders Achilleen und Tanacetumarten, beſuchen. Ihre Zunge iſt, ähnlich wie bei Weſpen, ſtark ausgeſchnitten, und es klingt nicht unwahrſcheinlich, daß damit auch die Aehnlichkeit ihres Baumaterials mit dem mancher Weſpenarten zuſammenhängt. Sind wir nämlich ſo glücklich, ein Colletesneſt in dem Loche einer Mauer oder auch auf dem Boden in der Erde zu entdecken, ſo ſehen wir einen aus einer papierartigen, weißgrauen, durch— ſcheinenden Maſſe verfertigten Cylinder, der ſchon äußerlich durch Ringe in 3 bis 20 Teile zerfällt. Bei näherer Betrachtung nehmen wir wahr, daß er aus ebenſovielen, etwa 1,5 cm langen, regelmäßig gebauten, ineinander geſchobenen Zellen beſteht, ſo daß der Boden einer Zelle immer einer anderen als Decke dient. Nach Taſchenbergs Beobachtungen werden dieſelben von den ausſchlüpfenden Bienen auf der Seite geöffnet. Auch Bienen, welche die Wandungen der Baue mit einer gallertigen Subſtanz austapezieren, wurden beobachtet. Gewiß hat der eine oder andere Leſer ſchon öfters an den Blättern verſchiedener Pflanzen, beſonders der Roſen und Weiden ſehr regelmäßige, manches Mal kreisförmige, hie und da elliptiſche Ausſchnitte bemerkt. Oft mögen die Urheber derſelben Schmetterlingsraupen geweſen ſein, gewiß ebenſo oft rühren ſie aber von einer Gruppe von Bienen her, die man gerade dieſer Eigenſchaft wegen ganz zutreffend „Blattſchneider“ genannt hat. Es ſind dies mittelgroße Bienen mit dichtbehaartem Bauche, aber faſt ganz glatten Bein— ſchienen — alſo ausgeprägte ſogen. „Bauchſammler“ — welche im Frühling in ſtoßweiſem Fluge von Blüte zu Blüte fliegen und die man mit ziemlicher Sicher— heit ſchon an ihrer Stellung erkennen kann, indem 176 Humboldt. — Mai 1885. fie, auf einer Blume ſitzend, den Hinterleib nach oben richten und auch, wenn ſie gereizt werden, immer nach oben zu ſtechen verſuchen, während die übrigen Bienen den Hinterleib nach unten einziehen und ſo ihrem Feinde beizukommen ſuchen. Wenn ſich im Mai unter dem Einfluß der warmen Frühlingsſonne die erſten Weibchen entwickelt haben, ſo gehen ſie vor allem auf die Suche nach einem geeigneten Brutplatz. Iſt der⸗ ſelbe in einer Baumritze oder unter einem Steine ge— funden, freſſen ſie Blattſtücke von bereits beſchriebener | Geſtalt aus, tragen ſie zwiſchen den Beinen nach Hauſe und fügen ſie dort ſehr kunſtvoll zu einer durchaus gleich weiten Röhre zuſammen. Dieſe beſteht aber nicht etwa bloß aus einer einfachen, ſondern aus einer dreifachen Lage von zuſammengebogenen Blättern, die ſo angeordnet ſind, daß jedes Blatt, welches einer inneren Schicht angehört, auf eine Fuge zu liegen kommt, die von zwei Blättern der äußeren Schicht ge— bildet wird. Auf dieſe Weiſe erhält jede Zelle Seiten— wände aus drei Blattlagen. Am Boden werden die Seitenwände zuſammengebogen und kreisförmige Blatt- ſtücke darübergelegt. Der obere Verſchluß wird eben— falls durch einen ſolchen runden Blattausſchnitt her- geſtellt, der zugleich der nächſten Zelle als Boden dient. Zu bemerken iſt noch, daß dieſe Bienen beim ganzen Bau kein Bindemittel verwenden, ſondern daß die Blätter lediglich vermöge ihrer Elaſticität, da ſie nämlich gehindert ſind, ſich ganz auszubreiten, die cylindriſche Form annehmen; mitunter entſtehen da— durch die abſonderlichſten Formen, wie ſie erſt unlängſt von Dudich und Moeſary in dem leider ganz un— gariſchen neuen Journale Rovartani Lapok beſchrieben und abgebildet worden find. Was die weitere Thätig⸗ keit des Weibchens betrifft, ſo bedarf ſie wohl keiner Erwähnung, denn ſie iſt ziemlich ſelbſtverſtändlich. Nach Vollendung der erſten Zelle kommt in dieſelbe Futterbrei und ein Ei, ebenſo in die zweite und fo fort. Nachdem alle Zellen mit dieſem notwendigen Inhalt verſehen ſind, hat das Weibchen ſeine einzige Lebensaufgabe, die Fortpflanzung der Art erfüllt und wandert den Weg alles Zeitlichen. Eigentümlich iſt iſt es, daß man bei alten, längſt verlaſſenen Neſtern nirgends auf der Seite ein Loch oder einen Ausgang findet, durch welchen die jungen Bienen ſich entfernt haben könnten. Daraus hat man wohl mit Recht geſchloſſen, daß die Biene in der oberſten oder äußerſten Zelle ſich zuerſt entwickle, obwohl ſie eigentlich die jüngſte iſt. Wahrſcheinlich hat ſie dies dem Einfluſſe der Sonnenwärme zu verdanken, welcher ſie am meiſten ausgeſetzt iſt. Würde nämlich die unterſte Biene ſich zuerſt entwickeln und durch die Röhre ins Freie dringen, ſo würde ſie alle anderen Bewohner des Baues in ihrer Entwickelung ſtören. Erſt im nächſten Frühjahr, meiſt Ende Mai, kommen die jungen Bienen aus ihrem Schlupfwinkel hervor und beginnen die Thätig— keit ihrer Eltern. Nicht fo kunſtvoll wie bei Megachile iſt die Neſt⸗ anlage bei einer Gruppe von Bienen, die auch bei uns ſehr zahlreich vertreten ſind, bei den Grab- oder Erdbienen. Was den Ort betrifft, den ſie zur Anlage der Brutſtätten wählen, ſo hat ihn bereits ihr Name verraten. Sonnige trockene Erdabhänge, Lehmgruben, ja ſelbſt ſtark betretene Wege werden von ihnen in gleicher Weiſe benutzt. So trifft man manche Pelz— oder Schnauzenbienen (Anthophora), welche in großer Artenanzahl über ganz Europa und Nordafrika ver⸗ breitet ſind, an Rainen, die der Sonne ſtark exponiert ſind, an den Seiten der Hohlwege in lockerem, ſandigem Erdreich. Ihr ganzer Bau beſteht in einer Röhre, J Neſtbau von Megachile genalis Mor. (nach Dudich). welche ſie in die Erde hineingraben und die ſie durch Zwiſchenwände aus Erde in Zellen teilen. Die Wände derſelben werden mit einer klebrigen, ſpäter erhärtenden Flüſſigkeit ausgekleidet. Nachdem jede Zelle mit einem Ei und dem nötigen Futterbrei verſehen wurde, wird die Röhre geſchloſſen und der ganze Bau iſt fertig. Nur eine Art iſt noch ſpeciell zu erwähnen, deren Bau ſich von den übrigen nur dadurch unterſcheidet, daß die Röhre über die Erdoberfläche ein Stück ver— längert und nach abwärts gebogen wird, fo daß fie ſich, von oben betrachtet, wie ein Dächchen ausnimmt. Uebrigens bauen die Pelzbienen nicht ausſchließlich unter der Erde, ſondern auch in Mauerritzen und Holzſpalten. Typiſche und unbeſtrittene Grabbienen Humboldt. — Mai 1885. 12 ſind die Hyläen und Andrenen. Ihre Wohnung beſteht aus einer mitunter ſehr langen (bis 3 dm) Röhre, die durch eine ovale Zelle abgeſchloſſen wird. Weitere Zellen ſind am Ende von kurzen Seiten— gängen, die alle in die Hauptröhre münden, angelegt. Sämtliche Unebenheiten der Wände werden auch hier durch eine leimige Flüſſigkeit ausgefüllt, ſo daß die— ſelben vollkommen glatt erſcheinen. Die Andrenen, die eigentlichen Sandbienen, welche im Frühjahr nebſt der Honigbiene die erſten Gäſte auf Ericen und Weiden— kätzchen ſind, bauen oft zu Hunderten an ſonnigen Erdabſtürzen. Wirklich bewundernswert iſt ihr Oert— lichkeitsſinn, indem ſie unter ſo vielen ganz nahe neben— einander ſtehenden Neſtern, deren Eingänge ſich gleichen wie ein Ei dem anderen, immer das ihre zu finden wiſſen. Ein ähnliches Verhältnis zeigt auch die Gat— tung Dasypoda, über deren Baue unlängſt H. Müller eine ganz vorzügliche Monographie geſchrieben hat, die letzte wiſſenſchaftliche Arbeit dieſes geiſtvollen Au— tors. Die Neſter der Schmalbiene, die auch ſonſt der Sandbiene ziemlich nahe ſteht, ſind ihrer inneren Einrichtung nach von denen der letzteren gar nicht verſchieden. Nur bauen die Schmalbienen (Hylaeus) mit Vorliebe in feſten Boden, jo in feſtgetretene Straßen und Wege, an denen man oft ein kleines, rundes Loch mit einem Häufchen Erde daneben ſehen kann. Bei manchen Gattungen iſt es noch nicht zur Genüge feſtgeſtellt, ob ſie ſich eine eigene Wohnung bauen oder ob ſie fremde Zellen mit ihren Kuckucks— eiern beglücken und Schmarotzer ſind. So hält Le— den Bienenſtaaten beſteht. peletier die Gattung Sphecodes für ſchmarotzend, während Smiths Beobachtungen die Richtigkeit dieſer Anſicht zum wenigſten ſehr zweifelhaft erſcheinen laſſen — nach einer neueren Beobachtung Braitenbergs ijt Sphecodes gibbus zweifellos Paraſit des allver- breiteten Halictus tetrazonius Klg. (quadricinctus aut.). Eine große Anzahl von Grabbienen ſtimmt in der Bauart ſo ſehr mit den Hyläen und Andrenen überein, daß bereits Geſagtes wiederholt werden müßte, wenn der Reihe nach ihre Neſtanlage beſprochen werden ſollte. Eine Erſcheinung darf jedoch nicht unerwähnt bleiben, die uns Lepeletier ausdrücklich berichtet und beſchreibt und die bei den Grabbienen manches Mal vorkommt, nämlich die Erſcheinung, daß mehrere Bienenpaare ein gemeinſames Neſt benutzen. Lepe— letier beobachtete dies an Bienen, die der Gattung Panurgus angehörten und auf einem feſten Wege ihren Bau gegraben hatten. Derſelbe beſaß nur ein Flugloch, das fortwährend von pollentragenden Weib— chen umringt war, die der Reihe nach ſich ihrer Laſt im Innern des Neſtes entledigten und ſofort wieder auf die Suche nach neuem Nahrungsvorrat ausgingen, eine Beobachtung, die wir zu jeder Stunde gerade bei dieſer Gattung auf Fußwegen gar leicht machen können. Vielleicht können wir darin den erſten An— fang jenes großen intellektuellen Fortſchrittes erkennen, wie wir ihn nun zu verzeichnen haben werden, jenes Fortſchrittes, der in dem Uebergang vom paarweiſen Zuſammenleben der ſogenannten „Einzelbienen“ zu (Schluß folgt.) Ueber Leichenalkaloide Ptomaine) und Leichengifte. Don Prof. Dr. Leo Liebermann in Budapeft. CH geringes Aufſehen machte feiner Zeit in Rom eder plötzliche Tod des Generals Gibbone. Es war die allgemein verbreitete Meinung, daß der General ermordet worden ſei. Der Verdacht lenkte ſich auf den Diener des Verſtorbenen und ſchien in der That mehr als gerechtfertigt, als die chemiſchen Experten in Teilen von der mit negativem Erfolg obduzierten Leiche des Generals ein heftiges Pflanzen- gift, das in den Ritterſpornarten vorkommende Del— phinin (ein Gemenge verſchiedener giftiger Stoffe), gefunden hatten. Indeſſen erregte es die Aufmerkſamkeit der Richter und das Mißtrauen derſelben in die Zuverläſſigkeit des erwähnten Befundes, daß ein ſo ſeltenes, aus— ſchließlich in den Händen der Chemiker befindliches und auch von dieſen nicht eben häufig angewandtes Gift von einem Menſchen zur Ausführung eines Ver— brechens gewählt worden ſein ſollte, der offenbar auf einer nur niederen Bildungsſtufe ſtand und von dem kaum vorauszuſetzen war, daß er, ebenſowenig wie andere ſeines Standes und wie das Volk in Italien überhaupt, die giftige Wirkung der Ritterſpornarten gekannt hätte. Es wurde demnach das Obergutachten des Profeſſors Selmi in Bologna eingeholt, welches denn in der That konſtatierte, daß zwiſchen dem aus den Leichenteilen des Generals iſolierten Stoff und dem Delphinin allerdings bedeutende Aehnlichkeit ob— walte, daß ſich aber beide doch in weſentlichen Punkten voneinander unterſcheiden und daß man es hier mit einem Stoffe zu thun habe, welcher ſich wahrſchein— lich erſt in der Leiche gebildet hatte. Denſelben Stoff, den die Leiche des Generals lieferte, konnte Selmi auch aus der Leiche einer anderen, vor einem Monat verſtorbenen Perſon gewinnen. Dieſem ſenſationellen und für die Wiſſenſchaft ſowohl als auch für die Rechtspflege gleich wichtigen 178 Humboldt. — Mai 1885. Prozeß folgte, gleichfalls in Italien, ein zweiter. Zwei Perſonen waren angeklagt, die Witwe Son— zogno in Cremona vergiftet zu haben. Zwei chemiſche Experten beſtätigten durch ihre Unterſuchungen dieſe Anklage durch die Angabe, in der Leiche der nach zwölf Tagen exhumierten Sonzogno Morphin ge— ffunden zu haben. Die beiden Angeklagten wurden eingekerkert, und wieder war es Selmi, dem fie ihre Rettung dadurch zu verdanken hatten, daß derſelbe das Unbegründete des Verdachtes nachwies. Wieder hatte es ſich um einen Stoff gehandelt, welcher ſich in der Leiche gebildet hatte und der in mancher Be— ziehung dem Morphin ebenſo ähnlich war wie der Stoff aus dem Prozeſſe Gibbone dem Delphinin. Auch noch ein dritter Fall ereignete ſich in Italien, und zwar in Verona, wo auf Grund eines Gut- achtens von Profeſſor Ciotta in Padua eine Mutter angeklagt war, ihr Kind mit Strychnin vergiftet zu haben. Auch hier beſtritt Selmi, und wahrſchein— lich mit Recht, daß der Nachweis des Strychnins un— zweifelhaft erbracht worden wäre, und wies auf die Möglichkeit hin, daß auch hier ein Leichenalkaloid die Strychninvergiftung vorgetäuſcht haben konnte. Dieſe Fälle riefen nicht nur bei den Chemikern und Aerzten, ſondern auch bei Juriſten ein ſo großes Aufſehen hervor, daß die italieniſche Regierung ſich veranlaßt ſah, im Jahre 1880 im Hinblick auf die der Rechtspflege drohenden Gefahren und zur Ver— hinderung leicht möglicher Juſtizmorde eine Kom— miſſion unter den Vorſitz des leider ſchon verſtor— benen Selmi einzuſetzen, welche ſich mit der Frage dieſer, namentlich Pflanzengifte vortäuſchenden Leichen⸗ alkaloide zu befaſſen hatte. Nach dem Bekanntwerden der oben erwähnten italieniſchen Kriminalprozeſſe erinnerte man ſich auch anderwärts an Fälle, bei denen dieſe Leichenalkaloide eine Rolle geſpielt haben mochten. In einem oſt— preußiſchen Kriminalprozeſſe, der im Jahre 1868 ſtattgefunden hatte, zu einer Zeit, als man von dieſen Leichengiften noch nichts wußte, hatte es ſich ſicher um eine Verwechſelung eines ſolchen Leichengiftes mit Coniin, dem giftigen Princip des Fleckſchierlings, gehandelt. Der Fall iſt merkwürdig genug, um ihm einige kurze Zeilen zu widmen. In der Leiche des Vergifteten fand der Berliner, jetzt auch ſchon ver— ftorbene Profeſſor Sonnenſchein das Contin mit aller Beſtimmtheit und blieb bei ſeiner Meinung trotz aller Angriffe und obwohl aus der Verhandlung hervor— ging, daß der Verſtorbene abſolut kein Contin be- kommen haben konnte. Unter anderem waren es die beobachteten Vergiftungsſymptome, die gegen eine Coniinvergiftung ſprachen und die ſeit der unüber— troffenen Schilderung, die Plato über den Tod So— krates' gegeben, auf das genaueſte bekannt find. Merkwürdigerweiſe hat der Mörder ſpäter doch ein— geſtanden, dem Verſtorbenen in der Suppe Schier— ling gereicht zu haben, jedoch nicht den Fleckſchierling (Conium maculatum), welcher eben das Coniin ent— hält, ſondern den Waſſerſchierling (Cicuta virosa), deſſen giftige Wirkung ganz anderen Beſtandteilen zuzuſchreiben iſt. Es iſt alſo klar, daß Sonnen⸗ ſchein ein Leichengift in Händen gehabt hat, welches dem Coniin äußerſt ähnlich war. Auch in einem Braunſchweiger Kriminalprozeſſe hatten zwei Chemiker aus den Eingeweiden des Bäckers Krebs neben Arſen eine Subſtanz iſoliert, die ſie für Coniin hielten, von der jedoch Otto nachwies, daß ſie weder mit Coniin noch mit Nikotin iden— tiſch ſei. Einen coniinähnlichen Körper ſcheint endlich ſchon im Jahre 1865 der Medizinalaſſeſſor Marquardt in Stettin bei der Unterſuchung von Eingeweiden gefunden und als Leichenalkaloid erkannt zu haben, woraus hervorgeht, daß die Entdeckung dieſer Stoffe eigentlich Marquardt zuzuſchreiben wäre. Seine Beobachtung blieb jedoch unbekannt, weil ſie nur in einem Privatbrief mitgeteilt wurde, welcher erſt im Jahre 1875 von Hager der Oeffentlichkeit übergeben wurde. Daß Marquardt die Natur dieſes dem Contin außerordentlich ähnlichen Körpers richtig er— kannte, iſt ſchon daraus erſichtlich, daß er ihn mit dem Namen Septiein belegt hat. Otto erzählt, daß die giftige Eigenſchaft dieſer Leichenalkaloide, Ptomaine, wie ſie Selmi genannt hat, nach Taplin ſelbſt wilden Völkerſchaften be— kannt iſt. Die Narrinjeris, die Bewohner des unteren Murrai in Südauſtralien, bedienen ſich zum Töten ihrer Feinde der jauchigen Maſſe, welche bei der Fäulnis von Leichenteilchen entſteht. Sie beſtreichen Knochenſplitter mit derſelben und ritzen damit die Haut ihrer Feinde, welche dieſer unſcheinbaren Ver⸗ wundung bald unter heftigen Schmerzen erliegen. Die Beobachtung von Leichenalkaloiden bei ge— richtlichen Unterſuchungen war von nun an nichts Seltenes, und man kann nun wohl behaupten, daß man, einmal aufmerkſam gemacht, bei jeder Unter- ſuchung von Leichenteilchen dieſen Stoffen begegnet. So kann wenigſtens Schreiber dieſer Zeilen ſagen, daß er ſeit dem Jahre 1876 unter zahlreichen Fällen nicht einem einzigen begegnet iſt, wo er, bei Unter— ſuchung von Leichenteilen auf Pflanzengifte, nicht Stoffen begegnet wäre, die zu den in Rede ſtehenden Ptomainen gehören und häufig frappante, ja beun- ruhigende Aehnlichkeiten mit heftigen Pflanzengiften, namentlich mit Strychnin und Veratrin, gezeigt hätten. Bald wurde man auch auf den Zuſammenhang aufmerkſam, der zwiſchen dieſen Leichengiften und jenen giftigen Subſtanzen beſtehen muß, die ſich er— fahrungsgemäß in verdorbenen Nahrungsmitteln bilden, ſehr häufig ſchwere Erkrankungen, ja ſogar den Tod hervorrufen. Längſt bekannt iſt z. B. das Wurſtgift, welches nach Schloßberger in Schwaben allein vom Jahre 1793 bis zum Jahre 1853 400 Erkrankungen (Botulismus) veranlaßte, von denen mindeſtens 150 mit Tod endigten. Auch das Käſegift iſt bekannt, ſo fand vor nicht langer Zeit nach Huſemann in der Gegend von Heiligenſtadt eine Käſevergiftung ſtatt, an der mehrere Kinder ſtarben. Die Symptome, ja ſelbſt die anatomiſchen Veränderungen des Darms, Humboldt. — Mai 1885. 179 waren den typhöſen ſo ähnlich, daß, wie Huſemann bemerkt, eine Unterſcheidung bei unbekannter Ana— mneſe unmöglich geweſen wäre. Unter ähnlichen, ty— phöſen Erſcheinungen verlief eine durch Kalbfleiſch verurſachte Maſſenvergiftung zu Andelfingen in der Schweiz bei Gelegenheit eines Sängerfeſtes, wie man eine ſolche auch ſchon bei Genuß von Konſerven (corned beef) zu Gernsbach beobachtet hat. Beſonders häufig ſind verdorbene Fiſche Urſachen ſchwerer Erkrankungen, welche zumeiſt unter cholera— ähnlichen Anfällen verlaufen, wie die ſogenannte Barbencholera, welche beſonders in der Umgebung von Göttingen beobachtet wurde. Auch geſalzene Fiſche bieten keine volle Sicherheit, indem mit dieſen maſſenhafte Erkrankungen in Rußland vorgekommen ſind. Eine ſchwere Volkskrankheit bildet in Italien das Pellagra und verläuft ähnlich der auch bei uns vor— kommenden Kriebelkrankheit (Ergotismus), welche nach Genuß Mutterkorn (Secale cornutum) haltigen Mehles entſteht. Zwei italieniſche Forſcher, Lombroſo und Erba, fanden in faulendem Mais ein heftiges, Krämpfe erzeugendes Gift, welches ſie, da ſie es im Verein mit noch anderen, gleichfalls im Mais gefundenen Giften mit der Pellagra in Zuſammenhang bringen, Pellagrocein nennen. Man hatte früher geglaubt, daß nur der mit dem ſogenannten Verderame (Grün— ſpan) behaftete Mais Pellagra verurſache. Nach Lombroſo thut es jeder Mais, der in Zerſetzung begriffen iſt. Das beſonders heftig wirkende Gift Pellagrocein bildet ſich nur bei Einwirkung ſehr hoher Temperaturen (in der Umgebung von Mailand im Juli und Auguſt). In Zuſammenhang mit ſeinen Anſichten über Entſtehung des Pellagra wird von Lombroſo auch darauf hingewieſen, daß putride Stoffe ſehr häufig eminente Wirkung auf die Haut ausüben. Sie er— zeugen nicht nur oft leichte Hautentzündungen, Ery— theme, Neſſelausſchlag, ſondern auch Rotlauf, wie das am häufigſten nach Genuß fauler Fiſche beob— achtet wurde. Daß die Entſtehung der in Rede ſtehenden Stoffe mit der Fäulnis von Eiweißkörpern in Zuſammen— hang zu bringen ijt, hat wohl zuerſt Selmi dar— gethan, indem es ihm gelang, aus faulenden Eiweiß— ſtoffen verſchiedene dieſer Körper zu iſolieren, wiewohl nicht verſchwiegen werden kann, daß nach älteren Verſuchen des Dänen Panum die Entſtehung höchſt deletär und narkotiſch wirkender Gifte bei der Eiweiß— fäulnis bekannt war, ohne daß man freilich wie Selmi auf die Aehnlichkeit derſelben mit gewiſſen Pflanzengiften aufmerkſam geworden wäre. Was die Wirkung dieſer bei der Eiweißfäulnis entſtehenden verſchiedenen Stoffe anbelangt, ſo iſt ſie ebenſo verſchieden wie die chemiſchen Eigenſchaften, von denen ſchon erwähnt wurde, daß ſie verſchiedene Pflanzengifte vortäuſchen können. Wir ſind ſchon bis jetzt delphinin-, morphine, beſonders häufig aber contin= und ſtrychninähnlichen Körpern begegnet, und iſt mir erſt vor kurzem ein Fall vorgekommen, der mit dem angeblichen Strychninvergiftungsfall in Verona die größte Aehnlichkeit hatte. Auch ich fand in den mir zur Unterſuchung übergebenen Leichen— teilen eines Säuglings, der angeblich von feiner Mutter vergiftet worden war, einen Stoff, welcher die Strychninreaktionen in auffallender Weiſe gab, von dem ich jedoch auch ſagen mußte, daß er wahr— ſcheinlich in die Reihe der Ptomaine zu zählen ſei. Freilich iſt das Wort „wahrſcheinlich“ dem Richter, der präciſe Auskunft verlangt, in der Regel nicht ſehr willkommen, doch darf man nicht vergeſſen, wie wertvoll auch ein ſolch unbeſtimmter Befund werden kann, wenn der Unterſuchungsrichter auf anderem Wege nachweiſen kann, daß der Angeklagte zur Zeit, als das Verbrechen verübt worden ſein ſollte, ein derartiges Gift in Händen hatte. Auch ein veratrinähnliches Ptomain haben Brou— ardel und Boutmy und vor kurzem auch ich ge— funden, und ein atropinähnliches Gift haben Sonnen— ſchein und Zülzer in der Macerationsflüſſigkeit eines anatomiſchen Präparates und Selmi in Ma— cerationsflüſſigkeit von Muskelfleiſch nachgewieſen. Wie ſchon geſagt, auch die phyſiologiſche Wirkung ijt eine verſchiedene; manche wirken narkotiſch, manche krampferregend, manche aber ſind auch gänzlich un— ſchädlich. Zu dieſem letzteren gehört ein von Dupré und Bence Jones in tieriſchen Geweben aufgefun— denes, chininähnliches Ptomain, welches beſonders reichlich in den Nieren enthalten ſein ſoll und das die Entdecker animaliſches Chinoidin genannt haben. Ein ſolches nichtgiftiges, in mancher Beziehung dem Coniin ähnliches Ptomain habe auch ich vor etwa acht Jahren in einer Arſenleiche aufgefunden. Nicht giftig war auch ein ptomainartiger Stoff, der von Oeffinger aus faulendem Fiſchrogen gewonnen wurde. i Ueber das eigentliche Weſen dieſer merkwürdigen Körper beginnen erſt Unterſuchungen der jüngſten Zeit einiges Licht zu verbreiten, die ſich mit der ſyſte— matiſchen Durchforſchung der zahlreichen, bei der Ei— weißfäulnis entſtehenden Produkte befaſſen. Dieſe ſyſtematiſchen Unterſuchungen wurden allerdings mit ganz bemerkenswerten Reſultaten von Nencki, Gautier und Etard, Guareſei und Muſſo, Maaß und Willgerodt, ſowie von E. und H. Salkowski, Chemikern aus aller Herren Län— dern, begonnen, aber erſt jetzt von L. Brieger in Berlin ſoweit geführt, daß wir wenigſtens über einige dieſer Ptomaine im klaren ſind. Aus faulem Pferde- und Rind-, ſowie aus menſch— lichem Muskelfleiſch konnte Brieger eine Baſe, das Neuridin, darſtellen, welche, ſolange jie noch mit Fäulnisſtoffen verunreinigt war, giftige Wirkungen ausübte, völlig rein aber ungiftig war und von der es nicht unwahrſcheinlich iſt, daß ſie mit dem einen normalen Beſtandteil des tieriſchen Körpers, nämlich des Hirnſubſtanz bildenden Neurin oder dieſem jeden— falls nah verwandten Cholin, in irgend einem Zu— ſammenhang ſtehe. Aus denſelben Materialien konnte Brieger eine zweite, höchſt giftige und in ihrer 180 Humboldt. — Mai 1885. Wirkung dem Muskarin (Fliegengift, das giftige Princip des Fliegenpilzes) ähnliche Baſe darſtellen, deren Unterſuchung die überraſchende Thatſache feſt— geſtellt hat, daß ſie mit dem Neurin geradezu iden— tiſch iſt. Es lag nahe, nun auch das im Tierkörper ſo weit verbreitete und, wie ſchon erwähnt, dem Neurin ſehr nahe verwandte Cholin auf etwaige giftige Wir— kung zu prüfen, und es konnte wirklich konſtatiert werden, daß deſſen Wirkung, wenn auch viel ſchwächer, doch dem Fliegengift und Neurin vollkommen ähnlich ſei. Es liegt alſo der merkwürdige, wenn auch nicht alleinſtehende Fall vor, daß ein normaler Beſtandteil des tieriſchen Körpers auf dieſen ſelbſt wie ein hef— tiges Gift wirkt! Auch aus faulendem Fiſchfleiſch konnte eine wohl— charakteriſierte und ſchon längſt bekannte Baſe von giftiger Wirkung, das Aethylendiamin, ſowie wieder ein dem Muskarin ähnlicher Stoff iſoliert werden, nebſt anderen Stoffen, deren nähere Charakteriſierung noch zu erwarten iſt. Auch fauler Käſe, faule Hefe, ſowie Leim wurden der Unterſuchung unterzogen und in letzterem wieder eine Subſtanz von muskarinähnlicher Wirkung ge— funden. Bemerkt ſoll noch werden, daß die von Brieger iſolierten Stoffe die allgemeinen Reaktionen der Alkaloide zeigten, ſowie auch, daß dieſe giftigen Körper nach der Beobachtung Briegers wieder ver— ſchwinden, wenn die Fäulnis einen gewiſſen Grad erreicht hat. Es erübrigt nun noch, auf die Bedeutung hin— zuweiſen, welche dieſen bei der Zerſetzung tieriſcher Subſtanz entſtehenden Stoffen wahrſcheinlich bei den ſogenannten Infektionskrankheiten zukommen dürfte, die T. Huſemann in einer ſeiner intereſſanten Abhand— lungen über Ptomaine, denen vieles hier Angeführte entnommen wurde, mit Recht hervorhebt. Bergmann in Dorpat hat ſie mit der Septikämie (Blutzerſetzung) in Verbindung gebracht und auch Maaß hat ſich am Chirurgenkongreß in Berlin in dieſem Sinne aus- geſprochen. Es iſt wahrſcheinlich, daß viele Fälle von Starr- krampf (Tetanus) durch zerſetztes Wundſekret hervor- gerufen werden, und eine Thatſache, daß Starrkrampf nach Verletzungen in den Tropen, wo die Bedingungen für die Fäulnis organiſcher Subſtanzen noch günſtiger ſind, häufiger vorkommt als in der gemäßigten Zone. Es wird auch behauptet, daß der Tetanus ſeit der durch Liſter eingeführten antiſeptiſchen Wundbehand— lung bedeutend abgenommen habe. Zu der Anſicht, daß es ſich bei vielen Infektions⸗ krankheiten um die Wirkung eines Giftes handle, wird man durch gewiſſe Beobachtungen geradezu ge- drängt, die ſozuſagen eine Mißverhältnis zwiſchen der relativ geringen palpabeln Urſache und der überaus heftigen Wirkung aufweiſen. So iſt bei der Cholera durch die epochemachenden Arbeiten Kochs allerdings die nächſte Urſache der Erkrankung im Vorkommen des ſpecifiſchen Pilzes erkannt, doch wäre es auf- fallend, daß der ausſchließlich im Darm vorkommende Pilz eine Allgemeinerkrankung von ſolcher Hef— tigkeit hervorrufen ſollte, ohne ein leicht veforbier- bares Gift abzuſondern. In der That ſind auch in jüngſter Zeit Angaben über einen ptomainartigen Körper gemacht worden, der ſich ausſchließlich in Därmen von an Cholera Verſtorbenen finden ſoll, von dem aber bis jetzt die ſpecifiſche Wirkung nicht konſtatiert werden konnte. Ein ähnliches Mißverhältnis zwiſchen Urſache und Wirkung beſteht auch bei dem ſchon erwähnten Starr— krampf, ſowie auch bei den als gefährlich bekannten Leichenvergiftungen. In beiden Fällen genügt die geringfügigſte Verletzung, um die ſchwerſten Zufälle, eventuell den Tod herbeizuführen. Vielleicht wäre auch die große Gefahr, mit welcher Verbrennungen verbunden ſind, durch die Entſtehung eines ptomainartigen Giftes, in dieſem Fall durch die erhöhte Temperatur, vielleicht aber auch durch Zerſetzung des Wundſekretes entſtanden, zu erklären, denn auch hier iſt das Mißverhältnis zwiſchen Ur— ſache und Wirkung ein auffallendes und veranlaßte, wie ich mich entſinne, Forſcher ſchon früher zu ähn— lichen Erklärungen, nämlich zur Annahme eines durch die Verbrennung entſtehenden Giftes zu greifen. e Dr. J. H. Baas in Worms a. Rh. m 5. Juli vorigen Jahres ſtarb zu Wien der berühmte Augenarzt und Augenſpiegelkünſtler Eduard v. Jäger im 66. Lebensjahre. Er und der im Jahre 1870 bereits verſtorbene Albrecht v. Gräfe in Berlin waren die erſten, welche die Helmholtzſche Epoche in dieſer ſchufen und ihren eigenen Weltruf Erfindung, den Augenſpiegel, für die Augenheilkunde im großen Stile nutzbar machten, dadurch eine neue auf die geniale Verwertung des neuen Hilfsmittels gründeten. Der Ruhm der beiden Koryphäen ge— ſtaltete ſich im Leben aber verſchieden: Gräfes Name ward nicht allein in Fach-, ſondern auch in weiteſten Kreiſen des Publikums bekannt und geprieſen, der Jägers dagegen nahezu ausſchließlich in der ärzt— Humboldt. — Mai 1885. 181 lichen Welt. Auch das äußere Schickſal beider war verſchieden: während jener wenigſtens verhältnismäßig raſch auch zu äußeren und akademiſchen Ehren und Würden gelangte, blieb E. v. Jäger 25 Jahre lang außerordentlicher Profeſſor und erhielt — faſt möchte man es Ironie des Schickſals nennen — erſt ein Jahr vor ſeinem Tode eine ordentliche Profeſſur der Augenheilkunde und zwar nicht die erſte, ſondern die zweite an der Wiener Hochſchule! Jäger war im wahren Sinne des Wortes ein Künſtler mit dem Augenſpiegel, ja der einzige Künſtler dieſer Art, inſofern ſein unſterblicher Atlas der Oph— thalmoſkopie — dieſes vielmißbrauchte Epitheton ornans darf man dieſem Werke ohne Bedenken er— teilen, ohne Widerſpruch fürchten zu müſſen — ein wahres, echtes mediziniſches Kunſtwerk iſt, der einzige Augenſpiegelatlas unter den vorhandenen, welcher Treue der Beobachtung mit vollendeter künſtleriſcher Wiedergabe des Geſehenen verbindet. Aufopfernd, wie ein echter Künſtler, widmete Jäger dieſer ſeiner Schöpfung nicht allein Jahre ſeines Lebens, ſondern auch ein bedeutendes Vermögen. auch ein monumentales Werk geworden, inſofern die Bilder ſowohl, wie der begleitende Text Schönheit und klaſſiſche Einfachheit auf bewundernswerte Weiſe derart miteinander vereinen, daß ſie dem Wechſel der Zeit widerſtehen werden. Der Text iſt in ruhigſtem, nur das Thatſächliche berichtendem Lapidarſtile ge— ſchrieben, ſo frei von aller Theorie und hochſtrebenden Phraſen, welche ja die zweifelloſe Begeiſterung des Verfaſſers für ſeinen Gegenſtand leicht hätte herbei— führen können, daß man ihn trocken zu nennen faſt verſucht würde, fühlte man nicht heraus, wie ſchwer dieſe ſich ſelbſt beherrſchende Ruhe und Nüchternheit, dieſe wahre Objektivität dem Schriftſteller gefallen ſein mochte. Doch wir wollen ja keine Kritik des Jägerſchen Atlas ſchreiben! Aber der Gebrauch des Augenſpiegels iſt mit dieſem Werke ſo enge verknüpft, daß wir dasſelbe gleich anfangs bei Beſprechung jenes wenigſtens hervorheben zu müſſen glaubten, zumal das Laienpublikum im allgemeinen weder von Jäger, noch von ſeinem unſterblichen Werke Kenntnis haben dürfte. Zu Jägers weiteren Ehren hervorheben wollen wir aber auch noch, daß er der erſte war, der die Beſtimmung des Brechzuſtandes des Auges, der Kurz⸗ und Fernſichtigkeit des letzteren, mit Hilfe des Augenſpiegels, wenn auch nicht gefunden — das that Helmholtz —, ſo doch in bahnbrechender Weiſe geübt und eingebürgert hat. Die Erkenntnis der Erſcheinungen der inneren Augenkrankheiten und die des Brechvermögens des Auges ſind aber die Hauptgebiete des Augenſpiegels! Vornehmlich jene der inneren Augenkrankheiten, deren ſichere Erkennung vor der Erfindung des Augenſpiegels nicht möglich war; denn vor dieſer Zeit — alſo bevor Helmholtz 1851 dieſe ſeine Erfindung bekannt ge— geben hatte, konnte man nur bis zur Ebene der Pupille ſehen und nur ganz ausnahmsweiſe auch wohl ein— mal etwas von dem wahrnehmen, was hinter dieſer lag und vorging. Humboldt 1885. Dieſelbe iſt aber Es verhält ſich das folgendermaßen: Obwohl durch die Pupillaröffnung (bp) inmitten der Regenbogenhaut (i Iris) Licht in das Auge fällt, bleibt für das unbewaffnete Auge jene doch rein ſchwarz, d. h. abſolut dunkel. Der Grund dieſer bei allen a Fig. 1. a Hornhaut, b Pupille, inneres Auge, i Iris. geſunden Menſchenaugen ſich immer gleichbleibenden Schwärze der Pupille liegt nun aber einesteils darin, daß ein Teil der ins Augeninnere (0) fallenden Licht— ſtrahlen von dieſem aufgeſaugt wird, andernteils darin, daß der phyſikaliſche Bau des Auges ein derartiger iſt, daß der zurückkehrende Strahlenreſt wieder genau zu ſeinem Ausgangspunkte, zur Pupille des beobach— tenden Auges, zurückkehrt; dieſes nimmt deshalb nichts wahr, als das Abbild ſeiner eigenen Pupille, ſeines eigenen dunkeln Augeninnern. Um etwas anderes zu ſehen, muß man letzteres vor allem beleuchten. Aber auch dann, wenn man künſtliches Licht ins Augen— innere geleitet hat, ſieht man noch nichts weiteres, als das ſog. Augenleuchten, wobei die Pupille ſtatt ſchwarz gleichmäßig rötlich oder (bei Tieren) grün erſcheint. Wir ſehen von dem beleuchteten Hinter— grunde ſelbſt deshalb nichts, weil die von dieſem aus— gehenden Strahlen wieder konvergent austreten, da das Auge ja nichts anderes darſtellt, als eine mit Sammellinſeverſehene Camera obscura; fonvergierende Strahlen kann unſer Auge aber unter gewöhnlichen Verhältniſſen nicht zu einem Bilde vereinigen, ſondern nur divergierende oder parallele. Auf die ſtreng wiſſenſchaftliche Erklärung der ſo— eben angeführten Sätze, Erſcheinungen und Thatſachen, welche der Leſer wohl verlangen könnte, müſſen wir verzichten, weil ſie für den Laien doch zu ſchwer ver— ſtändlich und außerdem auch zu weit ausgreifend werden müßte. Helmholtz hat dieſelbe zuerſt ge— liefert und die Konſequenz ſeiner Beweisführung war eben die Erfindung des Augenſpiegels, deſſen Kon— ſtruktion, Wirkungsweiſe und Hauptformen wir nun— mehr zu beſprechen haben. Der Augenſpiegel iſt, wie doch die Bezeichnung erwarten läßt, kein einfacher Spiegel, ſondern ein mehr weniger zuſammengeſetztes Inſtrument. Ein Spiegel iſt nur einer der Hauptteile des letzteren; neben einem ſolchen find aber faſt immer noch Konvex— oder Konkavlinſen zu verwenden. Seine erſte Hauptleiſtung iſt die, daß er den Hintergrund des Auges mit ſeinen einzelnen Teilen deutlich ſichtbar macht; er iſt ſozuſagen ein künſtliches 24 182 Humboldt. — Mai 1885. Auge, womit der Beobachter das natürliche eines andern während des Lebens erſt vollkommen durch— forſchen kann; denn nur mittels desſelben ſieht man das Augeninnere ſcharf, entweder im aufrechten Bilde, d. h. was man oben ſieht, iſt in der That auch oben, was unten, unten u. ſ. w., oder im umgekehrten Bilde, ſo daß alles, was man unten ſieht, in Wirk⸗ lichkeit oben liegt u. ſ. w. Die Unterſuchung im aufrechten Bilde ijt die voll- kommenſte, und wollen wir deshalb das Zuſtande⸗ kommen dieſes letztern zuerſt erklären, aber auch des- halb, weil der erſte Helmholtz ſche Augenſpiegel Fig. 2. Helmholtzſcher Augenſpiegel im Durchſchnitt. g Gehäuſe und Okulartrichter, a reflektierende Glasplatten, b Konkaplinſe, L Licht, K Auge des Kranken, A Auge des Arztes. (Fig. 2), den wir im Durchſchnittsbilde nebenan dar— ſtellen, gerade das aufrechte Bild lieferte. Vorbedingung einer jeden Anwendung des Augen— ſpiegels iſt Verdunkelung des betreffenden Zimmers, weil nur in einem ſolchen das künſtliche Licht, welches man zur Beleuchtung des Spiegels reſp. zur Reflexion durch dieſen benützt, ſtark genug wirkt. Man kann zwar auch das gewöhnliche Tageslicht gebrauchen, doch iſt die Unterſuchung mit Hilfe desſelben ſchwieriger und auch durch ſtarke Bewölkung allzuoft unmöglich gemacht. Arzt und Kranker ſetzen ſich dicht gegen— über, die Beleuchtungslampe ſteht nahe hinter dem Kopfe des Kranken und auf der Seite des Auges, das unterſucht werden ſoll. Bei Unterſuchung im aufrechten Bilde muß der Arzt mit dem Spiegel bis vor das zu unterſuchende Auge rücken und dieſen ſo wenden und richten, daß der Reflex der Lampe gerade durch die Pupille des kranken Auges geworfen wird, was daraus erſichtlich iſt, daß dieſe rot erſcheint, oder wie man zu ſagen pflegt, leuchtet. Wir nehmen an, daß die Eintrittsſtelle der Seh⸗ nerven in das Augeninnere vielmehr eine beſtimmte Stelle dieſer (der Punkt a in Fig. 3) unterſucht werden ſoll. L ift das künſtliche Licht, von dem aus ein Strahlenbündel die Richtung nach der Spiegelfläche (8) nimmt, welche durch die Pfeile r'd'd“ angedeutet it. Von dieſem Strahlenbündel geht ein Teil (dd!) durch die ſpiegelnde einfache Glasplatte des Helm— holtzſchen Spiegels durch und nur ein Teil wird reflektiert und gelangt auf dem Wege der Pfeile r“ ins Auge (K), wo er den Punkt a hell erleuchtet. Von dieſem erleuchteten Punkte des Augeninnern des Kranken (K) gehen nunmehr wieder Lichtſtrahlen nach außen in der Richtung der Pfeile s und zwar durch die Wirkung des Auges K konvergent gemacht, treten fo durch den Spiegel und treffen die Konkaplinſe G. Mit Hilfe dieſer aber werden ſie nach ihrem Durch— gange s“ divergent auf das Auge des Arztes A ge— leitet und zum Schluſſe von dem letzteren wieder kon— vergent gebrochen 8“ und zwar fo, daß fie den Punkt b treffen, wo ſie als ein genaues aufrechtes Abbild des Punktes a vom Auge des Arztes wahrgenommen werden. Fügen wir ſofort den vorausgehenden kurzen op- tiſchen Darlegungen über die Unterſuchung im auf- rechten Bilde einige erläuternde Worte über die im umgekehrten Bilde an, wobei uns Fig. 4 als Schema dienen foll! Sie wird am häufigſten im praktiſchen Leben verwendet, weil ſie raſch und bequem ausgeführt werden kann. Stellung des Arztes und des Patienten, des Lichtes u. ſ. w. veranſchaulichen wir daher durch Fig. 5. Es iſt vor allem aus dieſer ſofort erſichtlich, daß der Unterſuchende ziemlich weit von dem Unter— ſuchten entfernt iſt, im Gegenſatze zu der andern Me— thode, bei der ſozuſagen Auge an Auge verfahren werden muß, ſo daß der Arzt dabei häufig über die zweckmäßige Unterbringung ſeiner Naſe in Verlegenheit kommt, was begreiflicherweiſe ſtört, ganz abgeſehen davon, daß ein fo nahes téte a téte bei Frauen ſeine Mißlichkeiten hat. Die Verſchiedenheit der optiſchen Hilfsmittel bei der Unterſuchung im umgekehrten Bilde ergibt ſich aus Fig. 4; es wird bei dieſer zur Beleuchtung ein in der Mitte zum Durchblicken mit einer kleinen Oeff— nung verſehener Hohlſpiegel verwendet und eine ſtarke Konvexlinſe von 2 bis 2¼ Zoll Brennweite nahe vor das Auge des Kranken gehalten. Den Gang der Strahlen vom Lichte (I) zum Hohlſpiegel, von dieſem durch die Linſe (Cv) zum Auge des Kranken (K), die Brechung innerhalb dieſes und die Bildung eines Zerſtreuungskreiſes (a b) auf deſſen Hintergrund, dann die Rückkehr jenes nach außen und die Herſtellung des umgekehrten, vergrößerten Abbildes zeigt die ge— nannte Figur. Auch ergibt ſich aus derſelben, daß bei dieſem Unterſuchungsverfahren nicht der Augen— hintergrund ſelbſt dem betrachtenden Auge des Arztes ſichtbar wird, ſondern das zwiſchen Linſe und Spiegel befindliche, ſozuſagen in der Luft ſchwebende Bild desſelben (a“ b)), das freilich dem erſteren völlig ent- ſpricht, nur größer iſt. Daher hat es denn auch den Humboldt. — Mai 1885. 183 gleichen diagnoſtiſchen Wert, läßt geradeſo genau hellrotem Blute gefüllt ſeien ). Die inmitten der Krankheiten erkennen, wie das aufrechte, wirkliche Bild Abbildung gelegene Rundung aber, aus der alle Blut— bei der zuerſtbeſchriebenen Unterſuchungsmethode. und Schlagadern ihren Urſprung nehmen, muß er Ohne Zweifel wird der Leſer nunmehr fragen: ſich als eine rötlich-weiße, im Zentrum etwas vertiefte wie aber ſtellt ſich denn der Augenhintergrund dar, wenn Scheibe vorſtellen: fie ſtellt die Eintrittsſtelle des aus Fig. 3. r. r bis did“ Lichtſtrahl, der bei eg die ſpiegelnde Fläche trifft, rr’, rer“ Weg des vorigen ins Auge des Kranken bis a, sss, ss‘, s“ Weg des aus dem Auge des Kranken zurückkehrenden, durch den Planſpiegel gehenden und von der Linſe C divergent gemachten, als ſolcher dann das Auge des Arztes bei b treffenden Strahles reſp. Abbildes des Punktes a. L Licht, S Spiegel, C Konkaplinſe, K Auge des Kranken, A Auge des Arztes, N Sehnerv. man ihn in der Norm und in Krankheiten mit dem dem Gehirn ins Auge tretenden Sehnervenſtranges Augenſpiegel, ſei es auf die eine oder auf die andere dar. Der daneben ſichtbare, aderfreie, feinſchraffierte Weiſe, unterſucht? Kreis dagegen mit dem dunkler umrandeten weißen Einigermaßen befriedigend wäre die Antwort Punkte in ſeiner Mitte verſinnlicht die Stelle des darauf nur mit Hilfe zahlreicher farbiger Abbildungen deutlichſten Sehens, den fog. gelben Fleck. Er iſt der H A (b Gas ä SS =—s x SSSs. ue > poe — ~ = ba 2 Se. aa 2 ä = 8 D* Re =o 535 N G Fig. 4. A Auge des Arztes, Kk Auge des Kranken, 7 Licht, U in der Mitte durchbohrter Hohlſpiegel, Cv Konvexlinſe. dd, dd Weg des Lichtſtrahls vom Lichte bis zum Hohlſpiegel, ee, ec, ec, ce Weg des Lichtſtrahls vom Spiegel durch die Konvexlinſe bis zum Hintergrunde des kranken Auges, das auf der Strecke von a—b beleuchtet wird, ff, Ff Weg des aus K zurücktehrenden, von ab ausgehenden Bildes, das zwiſchen H und Cv als vergrößertes umgekehrtes Bild (a“ bi) der Strecke ab erſcheint. zu geben; das iſt aber unmöglich. Somit müſſen wir wichtigſte Teil des ganzen Augenhintergrundes; denn uns beſcheiden und nur ein kleines Holzſchnittbild des dieſe Stelle der Netzhaut allein vermittelt uns die normalen Augenhintergrundes in Fig. 6 geben. Mit ſcharfen, klaren Bilder der äußeren Gegenſtände, Hilfe ſeiner Phantaſie wird fic) der Lefer jedoch die während im Gegenſatze dazu die Eintrittsſtelle des der Wirklichkeit entſprechende Vorſtellung aneignen Sehnerven zum Sehen ganz untauglich ijt: jedes Auge, müſſen, daß die ganze weiße, von Adern durchzogene ſelbſt das geſündeſte, iſt an dieſer Stelle völlig blind, runde Fläche in prachtvollem Roſa oder Gelbrot ihm weshalb ſie auch ſchon lange vor Erfindung des Augen— entgegenſtrahle, ebenſo daß die ſchwarzgehaltenen Aderäſte — die Blutadern — mit dunkelrotem, die heller gehaltenen — die Schlagadern — dagegen mit ) Die Fadenkreuze dienen nur zur genauen Cine teilung des ganzen Bildes. 184 Humboldt. — Mai 1885. ſpiegels von den Aerzten als „der blinde Fleck“ be- heiten des inneren Auges, jedenfalls große Uebung zeichnet ward. Bemerken müſſen wir noch, daß dieſer | verlangt. letztere in allen geſunden Augen immer ſichtbar iſt Schon Helmholtz hatte ſofort bei der erſten S SS S — Fig.5. Ausführung der Augenſpiegelunterſuchung im umgekehrten Bild. und deshalb als Orientierungspunkt bei der Unter— | Veröffentlichung ſeiner Erfindung auf die Möglichkeit ſuchung dient, wogegen der gelbe Fleck nur ſelten ſo | dieſer Leiſtung hingewieſen, eigentlich ausgebildet aber deutlich wie in der Abbildung erſcheint, ja in den hat ſie E. v. Jäger. Big. 6. „Bild ohne Farben“ des normalen Augenhintergrundes, wie man ihn durch den Augenſpiegel ſieht. meiſten Fällen während des Lebens gar nicht als Wir müſſen, um verſtändlich zu werden, etwas etwas Beſonderes auf dem Augenhintergrunde. weiter ausholen! Jetzt wollen wir noch die zweite Hauptleiſtung | Bekanntlich gibt es normalſichtige Augen, kurz— des Augenſpiegels, die Beſtimmung des Brechzuſtandes ſichtige und fernſichtige. Beim normalen Auge fällt des Auges, beſprechen, eine Leiſtung, die nicht weniger das Bild der äußeren Dinge genau auf die Netzhaut, wunderbar, aber leider nicht fo leicht und öfters nicht wie dies zum Sehen nötig ijt: man nennt ſolche Augen ſo ſicher iſt, wie die für die Erkennung der Krank- (nach Donders) emmetropiſche. Kurzſichtige Augen Humboldt. — Mai 1885. 185 brechen zu ſtark und haben eine zu lange Augenachſe; in ihnen vereinigen ſich die Bildſtrahlen zu frühe, vor der Netzhaut, weshalb man durch paſſende Konkav— brillen den zu ſtarken Brechzuſtand vermindern muß, ſo ſtark, bis künſtliche Emmetropie hergeſtellt iſt. Dagegen haben fernſichtige Augen eine zu geringe Brechkraft und zu kurze Achſe. Bei ihnen erwächſt die Aufgabe, das zu ſchwach brechende Auge durch Vorſetzen einer Konvexbrille zu verſtärken, bis das Bild nicht mehr hinter das Auge, ſondern gerade auf die Netzhaut fällt und dadurch, wie vom normalen, emmetropiſchen Auge geſehen wird. Für die Unterſuchung des Brechzuſtandes benützt man gewöhnlich die Methode des aufrechten Bildes, obwohl man auch im umgekehrten jene durchführen kann. Als feſtſtehender Satz für jene müſſen wir wiederum hinſtellen, daß, wenn das Auge des Kranken und das des Arztes normalſichtig, emmetropiſch ſind, und wenn die Accomodation des Auges, d. h. die Fähigkeit des— ſelben ſich zum Sehen für die Nähe und die Ferne abwechſelnd einzurichten, ausgeſchloſſen iſt, was am ſicherſten durch Atropineinträufelung geſchehen kann, das unterſuchende Auge des Arztes alle Teile des Augenhintergrundes des unterſuchten Auges in ihrer natürlichen Lage ſcharf ſieht, ſobald dieſes nur mittels eines Spiegels gut beleuchtet iſt. Hier ſind alſo beſſernde Glaslinſen nicht nötig, um genau zu ſehen. Sobald aber der Brechzuſtand des einen Auges, ſei es des Arztes oder des Kranken, irgendwie von der Norm, der Emmetropie, abweicht, ſo iſt, um das Gleiche zu bewirken, zuerſt durch Vorſetzen von kon— kaven oder konvexen Linſen künſtlich Emmetropie her— zuſtellen. Um die Auswahl der jeweilig paſſenden Linſe zu erleichtern, befinden ſich in beſonderen Augen- gemachter Geſichtsfehler wirklich vorhanden iſt, oder ſpiegeln fortlaufende Serien von Konver- und Konkav— gläſern. Refraktionsaugenſpiegel; ſie geben, meiſt durch Kom— bination der Gläſer, alle nötigen Nummern (der des Verfaſſers z. B. gibt deren 88 verſchiedene). Nur durch ſpecielle Beiſpiele wird es möglich ſein, es dem Nichtarzte verſtändlich zu machen, in welcher Weiſe in konkreten Fällen der Augenſpiegel zur Be— ſtimmung von Refraktionsfehlern, reſp. zur Prüfung von Geſichtsfehlern verwertet werden kann und ver— wertet wird. Nehmen wir zuerſt den Fall an, das Auge des unterſuchenden Arztes ſei kurzſichtig, etwa derartig, daß eine Konkapbrille von No. 12 — nach dem neueren Meterſyſteme von 3,5 Dioptrieen — nötig iſt, um dasſelbe zu einem normalſichtigen (emmetropiſchen) künſtlich zu machen; der Brechzuſtand des Auges des Kranken iſt unbekannt. Vor allem wird der Arzt, um dieſen herauszufinden, fein Ronfavglas No. 12 vorſetzen und dann die Pupille des zu Unterſuchenden beleuchten. Darauf ſieht er verſuchsweiſe durch die Oeffnung des Spiegels in das Augeninnere des letzteren, ob er vielleicht die Adern des Augenhinter— Solche Augenſpiegel heißen deshalb auch grundes ſcharf und deutlich wahrnimmt. Sieht er dieſe in der That nur mit No. 12 konkav ſcharf, jo ergibt ſich daraus, daß das Auge des Unterſuchten emmetropiſch ſein muß; denn es war nur nötig, die Kurzſichtigkeit des Arztes mit ſeinem Glaſe zu korri— gieren, um beiderſeitige Normalſichtigkeit (Emme— tropie) herbeizuführen, womit nach dem oben Geſagten die Bedingung erfüllt war, welche es ermöglicht, daß der Arzt den Augenhintergrund des Kranken ſieht. Wäre aber erſt z. B. mit No. 9 konkav (= 4,5 Diop- trieen) genaues Sehen des letzteren für den Arzt möglich geweſen, ſo wären, da das Auge des Arztes bekanntlich nur No. 12 erforderte, um emmetropiſch zu werden, die 3 weiteren Nummern bis herab zu No. 9 nötig geweſen, um das unterſuchte Auge em— metropiſch zu machen. Mit andern Worten: das Auge des Kranken war ebenfalls kurzſichtig und zwar in dem Grade, daß es zur Herbeiführung der Emme— tropie eine Dioptrie konkav, oder nach dem Zollſyſteme ein Glas No. 40 konkav nötig hatte, um deſſen Kurz— ſichtigkeit aufzuheben. Hätte aber der um die bekannte Nummer kurzſichtige Arzt ſein Konkavglas ganz ab— legen müſſen, um den Augenhintergrund des Kranken zu ſehen, ſo war das letztere um ebenſoviel fernſichtig (oder, was dasſelbe heißt, hatte eine um ebenſoviel zu ſchwache Brechkraft), als das Auge des Arztes kurzſichtig war (als es eine zu ſtarke Brechkraft hatte). Mit andern Worten: der Kranke, deſſen Auge auf ſeine Brechkraft geprüft worden war, hatte eine Fern— ſichtigkeit, die mit No. 12 konvex (3,5 Dioptrieen konvex) bis zur Normalſichtigkeit verbeſſert werden konnte reſp. mußte. Der Leſer wird aus dieſer kurzen Darlegung er— ſehen, ſo hoffen wir, wie wichtig der Augenſpiegel in allen Fällen iſt (3. B. bei Rekrutierungen), in denen es ſich darum handelt, feſtzuſtellen, ob ein geltend ob er ſimuliert wird; denn der Unterſuchte kommt gar nicht in die Lage, ſubjektive Angaben machen zu müſſen oder zu können, weil der Arzt, der mit Hilfe des Augenſpiegels auf den angegebenen Geſichtsfehler prüft, dieſen allein beſtimmen kann. Schließlich bemerken wir noch, daß auf den oben genauer beſchriebenen beiden Hauptformen des Augen— ſpiegels, des Helmholtzſchen für das aufrechte Bild und des zuerſt von Prof. Rüte (1852) erfundenen für das umgekehrte Bild, alle nachfolgenden, in großer Zahl vorhandenen Augenſpiegelarten beruhen und in den Principien denſelben gleichartig, nur in der Aus— führung von jenen und unter ſich verſchieden ſind. Dieſelben aber alle, oder auch nur die bekannteſten darunter zu beſchreiben und abzubilden, würde uns zu weit führen. Auch wäre dies für den Leſerkreis dieſer Zeitſchrift wohl von geringem Wert. Ihm genügt die Kenntnis der Grundformen der großen deutſchen Erfindung, die ſich in der kürzeſten Friſt nach ihrer Bekanntmachung über die ganze Welt ver— breitet hat — zur Ehre des deutſchen Namens und der deutſchen Erfinderkraft! 186 Humboldt. — Mai 1885. Ueber Plantés Erklärung einiger kosmiſchen und meteorologiſchen Phänomene unter der Annahme von dynamiſcher Elektricität im Suſtande hoher Spannung. Prof. Dr. J. G. Wallentin in Wien. (Schluß.) Iv | ihre Bewegung der ſie einhüllenden Atmoſphäre mit. : Für die elektriſche Theorie dieſer Naturerſcheinung Im Verlaufe ſeiner Unterſuchungen wendet der ſcheint ganz beſonders der Umſtand zu ſprechen, daß Verfaſſer der berühmten „Recherches surl’Elec- die rotatoriſche Bewegung der Luftſäule in den beiden tricité“ ſeine Theorie auf die Erklärung der Er- Hemiſphären im entgegengeſetzten Sinne erfolgt, was ſcheinungen der Tromben, der Cyklonen, der in ja die Theorie erfordert, da in den beiden Erdhälften den Schweizer Seen beobachteten Seichen an. die Polarität des Erdmagnetismus die entgegengeſetzte Der den Tromben entſprechende Laboratoriums- iſt. Es wurde bereits ſchon früher von einigen verſuch wurde von Planté im Jahre 1876 mittels Forſchern auf dieſe Eigenſchaft der eyklonalen Be— ſtarkgeſpannter elektriſcher Ströme ausgeführt. Er wegung aufmerkſam gemacht und die elektriſche Theorie ließ aus einem Trichter, in welchen der poſitive Pol- dieſer Erſcheinung angebahnt, in überzeugender Weiſe draht tauchte, Salzlöſung in eine oberhalb eines wurde ſie jedoch erſt durch Planté auf Grund Magnetpoles aufgeſtellte Schale fließen, in welche die genauer Experimente entwickelt. Die progreſſive Be— negative Elektrode eingeführt war. Es zeigt ſich wegung der Cyklonen hängt von den jeweiligen regel— ein Lichtfaden; am unteren Ende der Flüſſigkeitsader mäßigen Winden ab. ſpringen mit Geräuſch Funken weg; die Flüſſigkeit, Daß die Tromben gegen den Erdboden gerichtet welche den unteren Teil der Ader einhüllt, nimmt ſind, läßt ſich leicht durch eine elektroſtatiſche Anziehung eine wirbelnde Bewegung an, welche je nach der derſelben und der Erde erklären; die Tromben ſind Polarität des unter der Schale befindlichen Magnet- nämlich — das beweiſt ihre Gyrationsrichtung zur endes in dem einen oder anderen Sinne vor ſich geht; Genüge — poſitiv geladen und influenzieren die dieſe Gyrationsbewegung kann leicht ſichtbar gemacht negative Elektricität der Erde; der Wechſelwirkung werden, wenn man auf die Flüſſigkeit Kortfeilicht | diefer beiden Elektricitäten iſt die herabſteigende Form oder andere leichte Pulver gibt. der Tromben zuzuſchreiben. Gehen in der Natur von feuchten Luftſäulen oder Plants hat durch ein ſinnreiches Experiment nach— Wolken, die ſtark poſitiv elektriſch find, Entladungen gewieſen, daß ein Strom ſtarker Elektricität Flüſſig⸗ gegen Waſſerflächen, ſo wird begreiflicherweiſe ein keitsmaſſen abſtoßen und heben kann; er bezeichnet dem eben beſchriebenen ähnliches Phänomen 3ujtande | dieſes Experiment mit dem Namen elektriſche kommen, das man mit dem Namen Tromben oder | Springflut. In einem mit Salzlöſung gefüllten Waſſerhoſen bezeichnet. In der That ſtimmt die | Voltameter ſtieß die poſitive Elektrode das Waſſer Beſchreibung dieſer Naturerſcheinung mit der oben ab und letzteres erhob fic) bis zu einer Höhe von angegebenen bis in die Details. An der Stelle, wo | 1½ em ober ſeinem normalen Niveau. Befinden die Waſſerader die Oberfläche der Flüſſigkeit trifft, ſich in der Flüſſigkeit Stellen von ungleichem Wider— und um den Funken zeigt ſich neben leuchtenden ſtande, ſo kann ſich der Fluß teilen und es können Waſſerpartikelchen eine lebhafte durch die kaloriſche fic) zwei oder mehrere Waſſerhügel zeigen. Die Wirkung der Entladung hervorgerufene Dampfbildung. Erklärung dieſer Erſcheinungen ergibt ſich einfach, Die Wirbelbewegung in einer Trombe, welche nad) | wenn man an die kaloriſche Wirkung der Entladung dieſer Theorie ihr Entſtehen dem Erdmagnetismus denkt, durch welche Dampf entwickelt wird, deſſen verdankt, erfolgt in dem dieſer Theorie vollkommen [Druck eine Hebung der Flüſſigkeit hervorrufen kann. entſprechenden Sinne. Dem Erwähnten entſprechend erklärt Planté auch In ganz derſelben Weiſe laſſen ſich die gefürchteten [das Entſtehen der Seichen mittels der elektriſchen Cyklonen erklären, welche jedesmal von den heftigſten Theorie. Ein Strom atmoſphäriſcher Elektricität elektriſchen Erſcheinungen begleitet ſind und die ſich [kann Flüſſigkeitsmaſſen abſtoßen oder heben, wie ein um eine Stelle, das Auge der Cyklone, welche heftiger Wind. Für die elektriſche Theorie der Seichen, als Elektricitätsherd zu betrachten tft, bilden. Die welche von mehreren Forſchern acceptiert wurde, in Wirbelbewegung begriffenen Wolkenſäulen teilen [ſprechen unter anderem vorzugsweiſe die heftigen Humboldt. — Mai 1885. 187 elektriſchen Entladungen, welche deren Eintreten be— gleiten. Man hat denn überhaupt bei ſtark entwickelten Seichen ſehr veränderliches Wetter und niedrigen Luftdruck beobachtet. Fo rel, der ſich mit der Beob— achtung der Phänomene der Seichen längere Zeit beſchäftigte, hat ſich die Anſicht gebildet, daß die Seichen eine Interferenzerſcheinung direkt fortſchreiten— der und an den Ufern reflektierter Waſſerwellen ſei. Die Anregung zu einer derartigen Vibrationsbewegung kann nun durch Windſtöße, Tromben, Erdbeben, auch mächtigere und rapidere Luftdrucksänderungen und — wie oben dargeſtellt wurde — durch elektriſche Entladungen gegeben werden, welch letzterer Fall übrigens häufig genug vorkommen dürfte. Die Theorie von Plants ſteht keineswegs mit jener von Forel im Widerſpruche, ſie bietet nur eine Ergänzung und Erweiterung derſelben. Man hat bei den Tromben oder Waſſerhoſen eine lebhafte Aſpiration des Waſſers, ein Aufwärtsziehen desſelben beobachtet. Dieſes Phänomen folgt direkt aus der Annahme ſtark elektriſierter Säulen feuchter Luft oder Waſſerdampfes. Planté hat — um dies durch den Verſuch zu beſtätigen — den poſitiven Poldraht in eine Kapillarröhre eingeführt, ſo daß ungefähr ein Zwiſchenraum von 1½ em am Ende derſelben frei blieb, und dieſe Elektrodenröhre in ein mit Salzlöſung gefülltes Gefäß getaucht, in welches die negative Elektrode verſenkt war. Mit großer Heftigkeit ſtieg nun die Flüſſigkeit bis zu einer Höhe von 25 bis 30 em in der Röhre. Dieſes Phä— nomen entſteht zweifelsohne durch die Erzeugung und die Kondenſation des Waſſerdampfes um die Elektrode und wurde von dem franzöſiſchen Forſcher mit dem Namen „Voltaiſche Pumpe“ bezeichnet. Daß wir es mit derartigen Erſcheinungen in der Waſſeraſpi— ration von Tromben zu thun haben, iſt ſofort ein— leuchtend. V. Bevor wir zur Darlegung jener geiſtreichen und ſcharfſinnigen Theorien übergehen, welche Plants ſer— dachte, um die Erſcheinungen der ſpiralförmigen Nebel und der Sonnenflecken zu erklären, bevor wir ſeine Anſichten über den phyſiſchen Zuſtand der Sonne erörtern, wollen wir in Kürze jener intereſſanten Verſuche Erwähnung thun, welche eine große Aehn— lichkeit in ihrem Verlaufe mit den Nordlichtern aufweiſen und die Planté zu einer Theorie des Urſprunges der atmoſphäriſchen Elektricität leiteten. Brachte Planté den poſitiven Poldraht einer aus 400 Elementen zuſammengeſetzten Sekundär— batterie der Oberfläche einer ſalzhaltigen Flüſſigkeit nahe, in welche der negative Polardraht der Batterie eingeſenkt war, ſo beobachtete er je nach der mehr oder weniger großen Entfernung des poſitiven Polar— drahtes von der Flüſſigkeit eine um den Draht ge— bildete Lichtkrone oder einen leuchtenden, mit Franſen verſehenen Lichtbogen oder eine wellenartig hin und her wogende Lichtkurve. Dabei war eine reiche, mit eigentümlichem Geräuſch verbundene Dampfbildung wahrzunehmen und eine dem Stromkreiſe benachbart aufgeſtellte Magnetnadel zeigte fortwährend variierende Schwankungen an. Dieſe Erſcheinungen zeigten fic) den Nordlichtphänomenen vollkommen analog. Die Formen der gebildeten Lichtkronen, die Franſen der— ſelben, finden wir wieder in den Erſcheinungen des Nordlichtes; in beiderlei Phänomenen treffen wir das eigentümliche Geräuſch an, welches dem Eindringen des Elektricitätsfluſſes in eine flüſſige Maſſe zu ver— danken iſt. Als Folge der dadurch bedingten Dampf— bildung iſt der Fall von Regen oder Schnee anzu— ſehen, der oft die Nordlichter begleitet, ferner das Auftreten großer Winde, von denen zuweilen berichtet wird. Die Ablenkung der Magnetnadel, die zur Zeit eines Nordlichtes als ruhelos bezeichnet werden kann, tritt in den Plantéſchen Verſuchen deutlich vor Augen und hängt in denſelben von der größeren oder geringeren Entwickelung des Lichtbogens in der Flüſſigkeit ab. Aus dieſen großen Analogien reſultiert der Schluß, daß die Nordlichter durch einen Strom poſitiver Elektricität erzeugt werden. Als negative Elektrode fungiert — wie Planté annimmt — der nicht voll— kommen leere Raum der höheren Regionen und nicht die Erde, denn im letzteren Falle müßten elektriſche Ausgleichungen unter der Form von Blitzen zur Zeit des Erſcheinens eines Nordlichtes auftreten. Daß die negative Elektrode oberhalb der poſitiven Elektrode ſich befindet, wird wohl auch durch die Richtung der Strahlen erhärtet, welche von der Nordlichtkrone ausgehen. Ein Vergleich der Plantéſchen Verſuche mit den Erſcheinungen des Nordlichtes lehrt zur Ge— nüge, daß wenn man dieſe Phänomene ein und der— ſelben Urſache zuſchreibt, die negative Elektrode in den planetariſchen Räumen anzunehmen iſt. Die vorgehenden Betrachtungen leiteten Planté zu der wichtigen Frage nach dem Urſprunge der atmoſphäriſchen Elektricität, die im nachfolgenden etwas eingehender diskutiert werden ſoll. Planté macht die Annahme, daß alle Himmelskörper mit poſitiver Elektricität geladen ſeien und daß von dieſen Körpern, zu denen ſelbſtverſtändlich auch die Erde zu rechnen iſt, die poſitive Elektricität emittiert werde. Dieſe der Erde entſtrömende poſitive Elektricität iſt nach Planté weder durch den Verdampfungsprozeß, noch durch Reibung, auch nicht durch thermoelektriſche Wirkungen entſtanden, ſondern ſie iſt — wie die Erdwärme — der Erde ſeit ihrem Beſtehen eigen— tümlich und wie dieſe hat ſie das Beſtreben einer Diſſipation in den Weltraum. Wegen der geringen Verdünnung der unteren Luftſchichten wird dieſe Elektricität ſich in den Aden Regionen ſammeln und es iſt danach das von Thomſon und Mascart erhaltene Beobachtungsreſultat begreiflich, daß das Potential der atmoſphäriſchen Elektricität bei der Erhebung von der Erdoberfläche zunimmt. Es iſt ferner mit der Plantéſchen Annahme das Ergebnis des Verſuches ganz gut vereinbar, nach welchem die freie Elektricität oberhalb der Meere bedeutender als 188 Humboldt. — Mai 1885. ober der feſten Erdrinde ijt, da die ober dem Meere gebildeten Dämpfe als eine Verlängerung der flüſſigen Maſſe der Erde, welche in die Atmoſphäre ragt, betrachtet werden müſſen, und da dieſe Dampfſäulen die Diffuſion der Elektricität in die Luft erleichtern. Die bei den Ausbrüchen der Vulkane faſt immer beob- achteten heftigen elektriſchen Erſcheinungen würden nach dieſer Hypotheſe nur eine Folge der Elektricität ſein, welche der Erde eigentümlich iſt, und brauchten erſt nicht als Folgen von unterirdiſchen chemiſchen Prozeſſen betrachtet zu werden. Die tropiſchen Gegenden bieten nun in dieſer Beziehung andere Erſcheinungen als die Polargegenden dar. Die ſtark elektriſierten Wolken der Aequatorial⸗ gegenden werden durch die regulären Winde dieſer Gegenden fortgeführt und können ſich daher nicht zu bedeutender Höhe erheben; an den Polen aber iſt der Verdampfungsprozeß ein ungleich weit ſchwächerer, die Elektricitätsmenge, welche in dieſen Gegenden der Erde entſtrömt, iſt weniger mächtig, da die weniger feuchte Luft oberhalb dieſes Erdgürtels ſich weniger leicht ladet; die aufſtrömende Elektricität kann ſich aber in dieſen Gegenden bis in die höheren Regionen der Atmoſphäre verbreiten und es wird — wenn ſich dieſem Elektricitätsſtrom kein feuchter Leiter entgegen— ſtellt — eine entweder dunkle oder wenig leuchtende Entladung der Elektricität erfolgen, deren Anweſenheit durch die Schwankungen der Magnetnadel verraten wird. Wenn aber andererſeits der Elektricitätsfluß feuchte Luftmaſſen erreicht, ſo werden ſich gewaltige Lichteffekte bemerkbar machen, die wir eben als Polar— lichter bezeichnen. Dieſer Betrachtungsweiſe läßt ſich nun die Entſtehung der Gewitter entgegenſtellen. Wie ſollte denn zwiſchen den poſitiv elektriſchen Wolken einerſeits, dem in gleicher Weiſe elektriſierten Erdboden andererſeits eine Entladung ſtattfinden? Planté kommt einer derartigen ſich aufdrängenden Entgegnung zuvor, indem er darauf aufmerkſam macht, daß ein poſitive Cleftricitat ausſendendes Flächenſtück der Erde weniger poſitiv elektriſch geladen iſt, als die ober demſelben befindlichen Wolkenmaſſen, welche ſchon während ihrer Bildung in den warmen Gegenden eine bedeutende Quantität poſitiver Elektricität auf- geſpeichert haben. Die ſtärkere poſitive Ladung der Wolkengebilde hat nun eine durch Influenzwirkung erzielte entgegengeſetzte Ladung der darunter befind— lichen Erdoberfläche zur Folge und ſo kann das Ent— ſtehen der atmoſphäriſchen Entladungen, unter dem Namen Blitz bekannt, leicht erklärt werden. Wir ſehen oft zwiſchen gleichnamig elektriſierten Wolken kräftige elektriſche Entladungen vor ſich gehen; auch dieſe werden durch ein verſchiedenes Potential der Elektricität der beiden Wolken bedingt. Die Polarlichter können alſo durch Diffuſion der an den Polen vorhandenen poſitiven Elektricität in die höheren Schichten der Atmoſphäre erklärt werden, wobei der Elektricitäsſtrom feuchte Luftmaſſen trifft. Iſt das letztere nicht der Fall, ſo erfolgen dunkle, durch die Perturbationen der Magnetnadel erkennbare Entladungen. VI. Vom meteorologiſchen Gebiete wendet ſich der berühmte Phyſiker zur Erörterung einiger Fragen der kosmiſchen Phyſik, die er mit ebenſoviel Scharf— ſinn als Ueberzeugung erörtert. Es haben die von Plants diesbezüglich ſchon faſt vor einem Decennium ausgeſprochenen Anſichten nicht jene Verbreitung gefunden, welche ihnen zweifelsohne gebührt, und vorzüglich aus dieſem Grunde ſei zum Schluſſe der vorſtehenden Abhandlung dieſer aſtrophyſiſchen Speku⸗ lationen gedacht. Wir erwähnten bereits früher eines Verſuches, durch den Plants dargethan hat, daß das von der poſitiven Elektrode einer ſtarken Batterie in einem Voltameter abgegebene Kupferoxyd unter dem Ein⸗ fluſſe eines Magnetpoles eine ſpiralförmige Bewegung annimmt, welche in dem einen oder anderen Sinne erfolgt, je nachdem der nahegebrachte Magnetpol ein Nord- oder Südpol iſt. Betrachtet man dieſe Cr- ſcheinung genau und vergleicht ſie mit den Abbildungen der Nebelflecken, welche wir in aſtronomiſchen Werken antreffen, ſo drängt ſich von ſelbſt die große Analogie beider Phänomene auf. Bei manchen plane- tariſchen Nebeln, wie dem Haare der Berenice, erfolgt die Spiralbewegung umgekehrt der Uhrzeiger— bewegung, bei anderen, wie dem Nebel, der unter dem Namen der Jagdhunde bekannt iſt, erfolgt die Spiralbewegung im Sinne der Uhrzeigerbewegung. Macht man die Annahme, daß der Centralkern dieſer Nebelflecke als ein Herd elektriſcher Aktion anzuſehen iſt, von welchem ein ſtarker Elektriciätsfluß ausgeht, daß ferner die in der Nähe dieſes Nebels befindlichen Himmelskörper eine ſtarke magnetiſche Wirkung äußern, ſo ſind alle jene Bedingungen erfüllt, unter denen das Experiment Plantés zuſtande kam. Es iſt eine aſtronomiſche Frage und Sache der aſtronomiſchen Beobachtungskunſt, Weltkörper zu finden, welche durch ihre Poſition gegenüber den Spiralnebeln befähigt wären, die Erſcheinung der letzteren zu veranlaſſen. Andererſeits würde nach Wuf- findung ſolcher magnetiſcher Weltkörper die weitere Frage entſtehen, ob auf der Verbindungsgeraden des Centrums des planetariſchen Nebels und des dieſen beeinfluſſenden Weltkörpers jenſeits desſelben ein zweiter Nebelfleck ſich befände. Derſelbe müßte — weil dem entgegengeſetzten Pole des magnetiſchen Weltkörpers entgegengeſtellt — eine entgegengeſetzte Spiralbewegung beſitzen, die wir aber aus leicht begreiflichen Gründen in demſelben Sinne wie die erſte vor ſich gehen ſehen würden. In Anweſenheit von planetariſcher mit Elektricität geladener Nebelmaſſe würde wenigſtens die Theorie dieſen zweiten ſymmetriſchen Nebelfleck fordern. Jedenfalls würde durch Beobachtung einer derartigen Erſcheinung die elektriſche Theorie der Himmelskörper um ein Erhebliches gefördert werden. Es wurde an früherer Stelle der elektriſchen Durchbohrungen Erwähnung gethan, welche Plante erzielte, als er ein mit der negativen Elektrode einer Sekundärbatterie verſehenes Filtrierpapier in die Nahe Humboldt. — Mai 1885. 189 der poſitiven Elektrode brachte; letzterer gegenüber zeigte ſich ein Loch, welches faſerig aufgeworfen war, wobei die Faſern ſich gegen die poſitive Elektrode kehrten. Einige der letzteren krümmten ſich zufolge ihrer größeren Länge und ihrer augenblicklichen Aus— trocknung an ihrem Ende häkchenförmig um. Es iſt kein Zweifel, daß dieſes Phänomen ſowohl der kalo— riſchen Wirkung als auch der bedeutenden Spannung der in Anwendung gebrachten EClektricitätsquelle zu— zuſchreiben iſt; infolge der erſteren tritt eine Ver— dampfung der Flüſſigkeit und Austrocknung der feuchten organiſchen Faſern ein, infolge der letzteren erfolgt die mechaniſche Teilung der Materie, welche der Entladung unterworfen iſt, und die Anziehung der Faſern. Plants ſieht in dem eben beſchriebenen Phäno— mene eine große Aehnlichkeit mit der Form und der Bildung der Sonnenflecken. Allerdings handelt es ſich in dem Verſuche um die Teilung organiſcher Materie, während — wenn wir die Bildung der Sonnenflecken ähnlichen Urſachen zuſchreiben — die Elektricität auch auf eine feurigflüſſige mineraliſche Maſſe in derſelben Weiſe wirken müßte. Planté nimmt im weiteren Verlaufe ſeiner Betrachtungen alſo an, daß die Sonnenflecken Höhlungen ſind, welche durch weſentlich elektriſche Eruptionen zuſtande kommen; die Maſſe der Sonne müßte mit ſtarker Elektricität geladen ſein und da die faſerartigen Ab— ſtürze der Ränder einwärts gekehrt ſind, müßte die der Sonne entſtrömende Elektricität poſitiv fein. Uebrigens gibt es auch andere Verſuche, deren genaue Betrachtung und Vergleichung mit den Sonnen— phänomenen auf den elektriſchen Zuſtand der Sonne verweiſt. Wenn man 4 oder 5 Sekundärelemente nach Quantität, d. h. mit ihren gleichnamigen Polen verbindet, ſo iſt der durch dieſe Kombination hervor— gerufene Strom imſtande, dicke Eiſen- oder Stahldrähte zu ſchmelzen und man kann auf dieſe Weiſe geſchmol— zene Metallkugeln von 7 bis 8mm im Durchmeſſer erhalten. Dieſe Kugeln bieten nun eine Reihe von Erſcheinungen, welche Planté wahrnahm, als er die geſchmolzenen Kugeln während des Prozeſſes mit einem geſchwärzten Glaſe und einer Lupe beobachtete: Es fällt die lebhafte Bewegung der geſchmolzenen Oberfläche dieſer Kügelchen auf, welche außerdem eine Reihe von Flecken zeigt, welche durch die aus dem Inneren der Kugel hervortretenden Gaſe erzeugt werden. Wenn auch die Bewegung dieſer Kugeln eine äußerſt ſchnelle iſt, ſo kann man an denſelben Lichtpartieen, Halbſchatten und Schatten unterſcheiden. Die Ober— fläche der Kügelchen wird ſchließlich durchbohrt und glühende Teilchen entſtrömen heftig der Kugel. Nach der Abkühlung unterſuchte Planté die geſchmolzenen Eiſenkugeln und fand ſie an der Oberfläche riffig und hohl; die Umhüllung derſelben war um fo dünner, je | mehr Gas das Metall enthielt. Haben dieſe Kugeln ein gewiſſes Volumen erreicht, ſo reißt der Draht, durch den die Entladung geſchickt wurde, entzwei, die Kugel bleibt an dem einen Drahtende hängen und man ſieht auch jetzt noch — wenigſtens im Anfange Humboldt 1885. dieſer Erſcheinung — Flecken entſtehen und Kugeln von der Oberfläche der Hauptkugel wegſchießen. Dieſem Verſuche entſprechend macht Plants be— züglich des Hauptkörpers unſeres Planetenſyſtemes, der Sonne, folgende Annahmen: Die Sonne kann als eine elektriſierte Hohlkugel betrachtet werden, welche mit Gaſen oder Dämpfen erfüllt iſt, und mit einer geſchmolzenen und glühenden Umhüllung umgeben iſt. Die Runzeln und Falten der Oberfläche, welche man wahrzunehmen Gelegenheit hat, ſtammen jedenfalls aus der nicht unbeträchtlichen Schwingungsbewegung der flüſſigen Umhüllung. Das, was wir Sonnen— flecken nennen, ſind Durchbohrungen der Umhüllung, erzeugt durch die austretenden Gaſe und Dämpfe. Die eigentümliche Form dieſer Flecken erklärt ſich unter der bereits früher erwähnten Annahme, daß die Sonnenmaſſe und ihr Inneres, die Dämpfe, ſtark poſitiv elektriſch find. Die Fackeln betrachtet Plante als eine beſonders brillante Phaſe bei der Evolution der Gasmaſſen, ſobald dieſe ſich vor ihrem Ausbruche der Oberfläche nähern. Die Protuberanzen gehen ebenfalls aus dem Inneren der Sonne aus und ſind deshalb leuchtender, als die Atmoſphäre der Sonnen— oberfläche, weil ſie bei einer höheren Temperatur die Sonne verlaſſen. Dem eventuellen Einwande, daß die Metallkugeln zwiſchen den beiden Polen der Sekundärhatterie her— vorgerufen werden, während die Sonne im Raume iſoliert iſt, begegnet Planté mit dem aus ſeinen Beobachtungen folgenden, früher erwähnten Reſultate, daß, wenn bereits der Stahldraht, durch welchen die elektriſche Entladung ging, durch die kaloriſche und mechaniſche Wirkung des Stromes zerriſſen wurde, das an dem Ende hängende Metallkügelchen während einer allerdings ſehr kleinen Zeit glühend bleibt und noch dieſelben Oberflächenerſcheinungen darbietet, wie wenn es noch mit dem Stromkreiſe im innigen Zu— ſammenhange wäre. Plants ſchließt nun weiter, daß wenn dieſe Phänomene eine geraume Zeit an einem ſo kleinen Metallkügelchen ſich zeigen, bei einer ſo immenſen Kugel, wie die Sonne, dieſelben lange Zeit hindurch währen müſſen. Beſonderes Intereſſe wird jedenfalls die Schlußfolgerung über den elek— triſchen Zuſtand der Sonne, welche Plants in ſeinen „Unterſuchungen“ ausſpricht, erregen: Die Sonne iſt elektriſiert, aber fie erſchafft ſelbſt nicht die Elek— tricität, welche fie beſitzt, ebenſowenig, wie die Wärme und das Licht, welches ſie uns zuſtrahlt; ſie hat einen Elektricitätsvorrat aus dem Nebelringe erhalten, von dem ſie nur ein hellleuchtendes Partikelchen iſt; dieſer Nebelring würde ſich aus einer anderen elektriſchen Welle ableiten u. ſ. f. bis auf die erſte Urſache, die Erſchöpferin aller Kraft und aller Bewegung. „Von dieſem Standpunkte aus betrachtet, würde das Glühen der Sonnenkugel, erweitert auf eine lange Reihe von Jahrhunderten, an und für ſich nur ein Funke von kurzer Dauer in der Unermeßlichkeit der Zeit und des Raumes ſein.“ Dieſe Gedanken über die Weſenheit unſerer Sonne zeigen zur Genüge den philoſophiſchen Sinn Plantés 25 190 Humboldt. — Mai 1885. der aus den Reſultaten von Laboratoriumsexperimenten die weittragendſten Schlüſſe über die Vorgänge in unſerem Weltenſyſteme zieht. Plantsé hat fic) in dieſen Unterſuchungen, die mittels der von ihm kon— ſtruierten Apparate durchgeführt wurden, als exakter Forſcher und als bedeutender Denker gezeigt; ſeine Anſichten über die Vorgänge in unſerem Weltall ſind allerdings noch nicht allgemein acceptiert, wie denn überhaupt ſeine Arbeiten mittels der Sekundär— elemente und der rheoſtatiſchen Maſchine, welche die höchſten bisher erreichten elektriſchen Spannungen liefert, weniger gekannt ſind, als ſie es unzweifelhaft verdienen. Daß die Elektricität die weitverbreitetſte Naturkraft iſt, daß ſie eine weſentliche Rolle im Mikrokosmus wie im Makrokosmus ſpielt, darüber iſt heute jede Diskuſſion ausgeſchloſſen. Wir glauben, daß die vorgetragene elektriſche Theorie meteorologiſcher und kosmiſcher Phänomene aller Beachtung wert und daß auf dem von Plants betretenen Wege ſich ſicherlich neue Geſichtspunkte eröffnen werden, welche zu einer endgültigen Theorie dieſer Erſcheinungen leiten werden. Plants ſelbſt it in der Aufſtellung ſeiner Hypo- theſen von großer Beſcheidenheit; er zieht aus ſeinen mit verhältnismäßig einfachen Mitteln angeſtellten Verſuchen jene Schlüſſe, die ihm einer beſonderen Beachtung wert erſcheinen; er vergleicht ſorgfältig die einzelnen Phaſen eines Naturphänomens mit jenen ſeiner Verſuche und wägt die Zuläſſigkeit der Hypotheſen allſeitig aufs gewiſſenhafteſte ab. Seine Methode, das Streben, welches ſeine berühmten „Recherches“ durchzieht, iſt in jenen Worten zur Genüge ausgedrückt, welche er einem großen Denker entlehnt: ,Quaero, pater, non affirmo“. Die Schauapparate der Pflanzen. Von Dr. C. Fiſch, Privatdozent an der Univerſität Erlangen. ie Bedeutung des in der Ueberſchrift genannten Kunſtausdruckes wird der großen Mehrzahl un— ſerer Leſer unbekannt ſein, und doch ſind ihm eine große Menge von pflanzlichen Organen untergeordnet und von Lebenseinrichtungen, die für die allgemeine Biologie der Pflanzen von der tiefgreifendſten Be— deutung ſind. Es iſt eine ſeit Ende des vorigen und Anfang dieſes Jahrhunderts allgemein bekannt gewordene Thatſache, daß viele oder die meiſten Pflanzen von ſich aus unfähig ſind, geſunde Samen oder wenigſtens ſolche, die auf die Dauer die Form lebenskräftig fortpflanzen, zu erzeugen. Sie bedürfen dazu fremder Beihilfe, die in den meiſten Fällen von dem Heer der Inſekten geleiſtet wird. Die An— paſſung zwiſchen den betreffenden Blütenorganen und den Inſekten iſt faſt überall zu erkennen und tritt hin und wieder in Form der komplizierteſten und ſinn— reichſten Einrichtungen auf. Aber die Inſekten finden nicht immer ohne weiteres die ihrer Hilfe bedürftigen Blumen, die letzteren müſſen ſich ihnen auffallend präſentieren; es ſind beſondere Anlockungsapparate nötig, um entweder durch Geruch oder durch Färbung die Inſekten aufmerkſam zu machen. Ueber die Ein— wirkung auf die Geruchsorgane der letzteren ſind die Unterſuchungen noch ſehr wenig zahlreich. eifriger hat man ſich mit den durch ihre Farbe auf— fallenden Organen beſchäftigt, Organe, die ſich im allgemeinen in Geſtalt der buntgefärbten Blumen— kronen zeigen. Nun ſind aber dieſe in ſehr vielen Fällen nicht ausreichend, und dann müſſen einerſeits Um ſo | | | andere Blütenteile in die bezeichnete Funktion fid mit der Krone teilen oder ſie ganz übernehmen, andererſeits müſſen andere Einrichtungen getroffen werden, die denn oft unſere Bewunderung im höch— ſten Grade erregen. Alle dieſe Einrichtungen faßt man unter dem Namen „Schauapparate“ zuſammen. An der Hand einer äußerſt lehrreichen Arbeit von Johows), der namentlich auf einer Reiſe nach Weſt— indien Gelegenheit zu ſehr intereſſanten Beobachtungen hatte, wollen wir dieſe Verhältniſſe etwas genauer betrachten. In welcher Weiſe die gewöhnlich grünen Kelch— blätter zu Schauapparaten werden, zeigen uns neben manchen einheimiſchen Pflanzen (Sumpfdotterblume, Ritterſporn rc.) vor allem die Fuchſien, deren Kelche neben den Blumenkronen in den verſchiedenſten Farben— nuancen prangen. Ebenſo bieten die Paſſionsblumen und Balſaminen prägnante Beiſpiele dar, hier zugleich eine Reduktion des eigentlichen Schauapparates, der Blumenkrone, aufweiſend. Namentlich merkwürdig ſind einige tropiſche Pflanzen, die einen ihrer fünf Kelch— zipfel in Geſtalt eines großen, leuchtend gefärbten Blattes ausbilden. — Auch die Staubfäden über— nehmen nicht ſelten die Rolle von Reizmitteln, und zwar in zweierlei Weiſe, einmal indem ſie zu großer Zahl zuſammengedrängt buntgefärbte Komplexe bilden, ſo bei den Myrten und den neuholländiſchen Akazien, *) „Zur Biologie der floralen und extrafloralen Schauapparate.“ Berlin 1884, Bornträger. Humboldt. — Mai 1885. 191 dann aber auch indem fie Blumenblattform annehmen. In letzterer Form zieren ſie bei den unzähligen Cannaformen die Blumenbeete unſerer Gärten. Aehn— lich werden bei den Schwertlilien z. B. die Narben der Griffel auch als ſchön gefärbte blattartige Lappen ausgebildet und bei noch mehreren anderen Pflanzen. Andere reihen ihre kleinen Blüten zu großen, aus einer Unzahl Einzelblüten gebildeten Blütenſtänden zuſammen und erregen ſo die Auf— merkſamkeit der Inſekten (Sonnenblume, Georgine, Schneeball ꝛc.). Indeſſen noch eine große Anzahl anderer Mittel wendet die Natur an, das vorgeſteckte Ziel zu er— reichen. Viele unſerer Obſtbäume verteilen die Bil— dung des Laubes und der Blüten auf zwei Vege— tationsperioden, ſo daß alſo die Schauapparate ohne Verhüllung durch das Laub frei zu Tage treten können und die ganze Pflanze eigentlich einen einzigen großen Blütenſtand bildet. In den Tropen werfen die Bäume bekanntlich ihr Laub bei Beginn der trockenen Jahres— zeit ab; während dieſer letzteren aber entwickeln ſich die Blüten und ſind alſo ebenfalls vor Unſichtbar— machung geſchützt. Namentlich der Korallenbaum leuchtet dann mit ſeinen großen ſcharlachroten Blüten— büſcheln weit her. Wieder andere Bäume entledigen ſich ihres Laubes nur teilweiſe, ſo der Brotbaum, Kalebaſſenbaum und andere. In höchſt ſonderbarer Weiſe gehen die Wollbäume Südamerikas, ſowie der Mangobaum vor. Bei ihnen iſt immer nur eine beſtimmte Region des Baumes mit Blüten bedeckt, während gleichzeitig ein anderer Teil des Aſtwerkes Laubblätter und Früchte trägt. Blüten und Belau— bung wechſeln nun an den beiden Regionen des Baumes, die ſcheinbar nach Süden und Norden orien— tiert ſind, in regelmäßiger Folge miteinander ab, ſo daß wenn die Blüten des einen Teiles abgefallen ſind, die Laubblätter und Früchte zur Entwickelung kommen, während an der entgegengeſetzten Seite ſich der umgekehrte Wechſel vollzieht. Es leuchtet wohl ohne weiteres ein, daß dieſe Erſcheinung eine Ein— richtung zur Sichtbarmachung der Schauapparate dar— ſtellt, welche aus demſelben Princip verſtändlich iſt wie die Differenzierung beſonderer Sproßſyſteme zu Blütenſtänden bei anderen Gewächſen. Wahrſcheinlich auch in die Kategorie der von uns hier aufgezählten biologiſchen Erſcheinungen gehört die Bildung ſcheinbar adventiver Blüten, d. h. ſolcher, welche aus mehrjährigen Aeſten oder aus dem Haupt— ſtamm hervorſproſſen. Hierher gehören der Kakao— baum, Kalebaſſenbaum und andere, die allerdings zu— gleich ſehr große und ſchwere Früchte erzeugen und ſo auf eine mechaniſche Bedeutung dieſer Einrichtung zum Tragen derſelben hindeuten. Indeſſen iſt hiermit die zweite Seite der Sache keineswegs ausgeſchloſſen, daß nämlich die unſcheinbaren Blüten an einem von Blättern entblößten Orte augenfälliger hervortreten können als in den Blattbüſcheln der jungen Zweige. Der ſogenannte Kanonenkugelbaum (Couroupita guianensis) tritt in dieſer Beziehung am auffallend von einem dichten Lianengeflecht umſponnen, welches mit großen Blüten und ſehr zahlreichen kopfgroßen Früchten von beträchtlichem Gewichte behangen iſt. Bei genauerer Betrachtung ergibt ſich, daß die lianen— artige Umſtrickung dem Baume ſelbſt angehört, daß aus verſchiedenen Stellen des Hauptſtammes Zweige hervorgeſproßt ſind, welche den Mutterſtamm, wie eine Kletterpflanze ihre Stütze, umwachſen und um— ſtrickt haben, und daß die Blüten und Früchte der vermeintlichen Liane die Blüten und Früchte der Couroupita ſelbſt ſind. In der beſtändig dicht belaubten Krone gelingt es niemals, Blüten oder Früchte zu entdecken; es ſcheinen daher ausſchließlich jene lianenartigen Aeſte für das Blühen und Frucht— tragen beſtimmt zu ſein. Für das Verſtändnis der biologiſchen Bedeutung dieſer Einrichtung in unſerem Sinne iſt die Thatſache von Wichtigkeit, daß vor der Blüten- und Fruchtentwickelung die den Stamm um— wachſenden Zweige ihre Blätter verlieren und dadurch diesmal nicht nur den Inſekten, ſondern auch den Kolibris die Ausſicht auf die Blüten freigeben. Aller— dings iſt nebenbei auch hier die mechaniſche Bedeu— tung der Einrichtung ſofort augenſcheinlich. Aehnlich und ebenſo eigentümlich verhält ſich ein braſilianiſcher Baum (Anona rhizantha). Seine Blüten entſpringen nicht an den gewöhnlichen Laubzweigen, ſondern aus beſonderen Sproſſen, welche am Erdboden oder auch höher am Stamm, ſelbſt aus den unterſten dicken Aeſten hervorbrechen, im allgemeinen des Laubes ent— behren und ſich in den Boden ſenken, um unter dem— ſelben hinzulaufen und nun die Blüten auf kurzen Seitentrieben, oft 3—5 Fuß vom Stamm entfernt, aus dem Erdboden zum Vorſchein zu bringen. Dieſen Beiſpielen eigentümlicher Stellung der Schauapparate ließen ſich leicht noch viele andere bei— fügen. Indeſſen müſſen wir jetzt dazu übergehen, auch diejenigen Schauapparate kurz zu betrachten, die nicht direkt der Blüte als ſolcher angehören. Als vorläufiges Beiſpiel ſolcher Organe ſei die ſogenannte Blüte unſerer Calla genannt. — Alle Organe der Pflanzen haben ſich aber erſt allmählich zu ihrer heutigen Geſtalt und Funktion herausgebildet, ſo auch die Schauapparate, und daraus ergibt ſich eine Unterſchei— dung der nicht der Blüte direkt angehörigen erſtens in ſolche, die gleich von Anfang an die Funktion des Anlockens gehabt haben, und dann in diejenigen, welche erſt nachträglich gewiſſermaßen zur Verſtärkung der ſchon vorhandenen hinzugekommen ſind. Zu der erſteren Form der Schauapparate gehören die viel— fach gefärbten Blätter, die uns bei den Pfeffergewäch— ſen, dem Fuchsſchwanz, den Aroideen und manchen Palmen entgegentreten. Hier ſind es meiſtens Deck— blätter, entweder der einzelnen Blüte oder dem ganzen Blütenſtande angehörig, die, mit Luft erfüllt, weiß er— ſcheinen oder ſonſtwie gefärbt ſind. Namentlich die großen Scheiden der Aroideen, jo bei unſerer Topfcalla und anderen Formen bieten ſchöne Beiſpiele. Stengel— teile treten in dieſer Gruppe nur ſehr ſelten beſonders hervorſtechend auf, der einzige Fall iſt in dem gefärbten ſten hervor. Sein hohler, mächtiger Stamm iſt ſcheinbar | Gipfelteil des Kolbens mancher Arumpflanzen gegeben. 192 Humboldt. — Mai 1885. Viel zahlreicher find die nachträglich ausgebildeten Schauapparate unſerer zweiten Abteilung, die zunächſt in den wundervoll gefärbten Deckblättern mancher Bromeliaceen unſerer Gewächshäuſer uns in die Augen fallen. Bald gleichartig, bald verſchieden gefärbt, ſo daß die unterſten z. B. dreifarbig geſtreift ſind, die oberen gleichmäßig ſcharlachrot erſcheinen, bilden ſie Farbenzuſammenſtellungen, die in der Pflanzenwelt ihresgleichen ſuchen. Auch einige Orchideen haben derartige Bildungen, vor allem dann aber die große Familie der Lippenblütler, die ſogar in unſerer eigenen Flora ausgeprägte Beiſpiele darbieten, ſo die ver— ſchiedenen Formen des Wachtelweizens, der Salbei— arten u. ſ. w. Verſtärkt wird die Wirkung dieſer Organe dann noch häufig dadurch, daß ſie ſich ſchopf— artig zuſammendrängen. Nach unten am Stengel gehen die gefärbten Deckblätter meiſt in gewöhnliche Laubblätter über, und bei der Umgeſtaltung der letz— teren zu erſteren bleibt es häufig bei der Ausbildung von nur einer gefärbten Baſalpartie, ſo bei der Ananas und mehreren Verwandten. Andere Pflanzen bilden ihre Hoch-(Deck-)Blätter zu ſchlauchförmigen Honig— behältern um, die dann oft ebenfalls prachtvoll gefärbt ſind. Die ſchopfig geordneten Deckblätter führen uns dann mit einem Schritt zu den Deckblatthüllen mancher Blüten, die am ausgeprägteſten bei unſeren Jalapen und Wolfsmilcharten auftreten, ſich ſonſt auch noch bei den Doldenblütlern zeigen. Bananen und andere ähnliche Gewächſe haben keine gefärbten Blütenblätter, wohl aber wundervoll gefärbte „Spaten“, denen der maſſige Blütenkolben ſein imponierendes Aeußere ver— dankt. Die Ipecacuanhablütenſtände ſind ebenfalls mit ſolchen gefärbten Hochblättern ausgerüſtet. Die Rolle von Schauapparaten übernehmen auch häufig Blüten- und Blütenſtandſtiele, wofür Begonien, Bromeliaceen ꝛc. unſerer Gewächshäuſer Beiſpiele liefern. Zuletzt mögen dann diejenigen Fälle erwähnt ſein, in denen der geſamte Pflanzenkörper eine ge— züchtete Schaufarbe zur Anlockung der Inſekten an— genommen hat, wie das am ſchönſten die Meerdiſtel (Eryngium) mit ihrem amethyſtfarbenen Laub zeigt, außerdem auch einige Gentianen, die Schuppenwurz u. a. Dieſe kurzen Andeutungen mögen genügen, uns einen Ueberblick über eine Gruppe von Erſcheinungen zu verſchaffen, die mehr wie jede andere zeigt, wie die Natur vor allem mit den möglichen Mitteln dar- auf hinarbeitet, die Fortpflanzung der einzelnen Art zu ſichern und zu begünſtigen. Die Bedeutung des Staubes und die ſtaubfreien Räume. Ingenieur Th. Schwartze in Leipzig. nerhalb der letzten Jahre hat eine Anzahl be— deutender Phyſiker ſich mit Unterſuchungen über die Natur und Eigenſchaften des Staubes, Rauches und Nebels beſchäftigt. So unbedeutend der Gegen— ſtand auf den erſten Blick erſcheinen mag, deutet doch manches darauf hin, daß durch die hier ge— wonnenen Entdeckungen vielleicht ſehr wichtige Reſul— tate zu erzielen ſind. Mit Staub, Rauch und Nebel bezeichnet man Er— ſcheinungen verſchiedener Art, die aber inſofern ver— wandt ſind, als ihr Vorhandenſein auf einer Ver— miſchung der atmoſphäriſchen Luft mit fremdartigen Teilchen beruht. Beim Staub und Rauch ſind dieſe Teilchen im feſten Aggregatzuſtande, beim Nebel be— ſtehen ſie in der Hauptſache aus Waſſerdunſt, wobei aber das Vorhandenſein feſter Teilchen nicht aus— geſchloſſen iſt. In einem dichten Londoner Nebel wird man ſofort merken, daß außer dem Waſſer noch andere Stoffe von der Luft aufgenommen worden ſind. Der Regen unterſcheidet ſich vom Nebel nur durch die weniger feine Verteilung des Waſſers in der Luft. Nebel, Wolken und Regen werden ſtets von fallen— den Waſſerteilchen gebildet, denn das in ſeinem Ge— wicht die Luft etwa um das Achthundertfache über— treffende Waſſer muß auch bei feinſter Zerteilung in der Luft niederſinken, nur daß dieſes Sinken je nach der Kleinheit oder Größe der Teilchen langſamer oder raſcher vor ſich geht. Alle in Flüſſigkeiten fallenden, d. i. in Flüſſig⸗ keiten (alſo auch in der Luft) ſinkenden Körper er— langen infolge des ihnen entgegenwirkenden Wider— ſtandes mit der Zeit eine gleichmäßige Geſchwindig— keit, weil die Beſchleunigung der Schwere durch jenen Widerſtand aufgehoben wird. Dieſe ſogenannte End— geſchwindigkeit iſt für größere Maſſen größer als für kleinere Maſſen und folglich fällt der Regen je nach der Größe der Tropfen raſcher oder langſamer nieder und der äußerſt feine Nebel ſcheint ſich ſchwebend in der Luft zu erhalten. Die Gegenwart feſter in der Luft ſchwebender Teilchen, welche den eigentlichen Staub bilden, kann hauptſächlich auf zweierlei Weiſe erkannt werden. Zuerſt und am einfachſten durch eine paſſende Be— leuchtung und zweitens durch die vom Staube be— wirkte Kondenſation des Waſſerdampfes. Wenn die Sonnenſtrahlen durch die mit Staub erfüllte Luft ſcheinen, ſo werfen die ſchwebenden Teil— chen durch die an ihren Oberflächen ſtattfindende Humboldt. — Mai 1885. 193 Reflexion einen Teil des Lichtes in unſer Auge und ſo ſehen wir die Lichtſtrahlen. Wenn kein Staub in der Luft vorhanden wäre, ſo könnten wir das Licht nur ſehen, wenn das Auge ſich in der Richtung der Strahlen befindet, alſo durch direktes Einfallen der Strahlen in das Auge. Bei der zweiten, vom engliſchen Phyſiker Aitken empfohlenen Beobachtungsmethode wird — wie ſchon bemerkt wurde — die Kondenſation des Waſſerdampfes benützt, wobei die merkwürdige Erſcheinung zur Gel— tung kommt, daß der in ſtaubige Luft gelangende Waſſerdampf jedes von ihm berührte Staubteilchen mit einer Hülle von kondenſiertem Waſſer umgibt, wodurch eine weiße ſichtbare Wolke entſteht. In ſtaubfreier Luft findet dagegen die Kondenſation des Waſſerdampfes nicht eher ſtatt, als bis die Luft mit Waſſerdampf überſättigt iſt, worauf die Kondenſation ſich plötzlich in Form eines ſtarken Regens einſtellt. Mit Rückſicht auf dieſe Erſcheinungen iſt die Konden— ſation des Waſſerdampfes als ein ſehr ſubtiles Prüfungsmittel zur Erkennung des Vorhandenſeins von Staub in der Luft zu benützen. In der That kann Nebel nur in ſtaubiger Luft ſich bilden, und jedes Nebelteilchen beſteht aus einem mit Waſſer um— hüllten feſten Kern. Dasſelbe gilt natürlich auch von den Wolken. Eine hübſche Illuſtration der Wirkung des Staubes bei der Kondenſation von Waſſerdampf liegt in einer bekannten Spielerei vor; dieſelbe beſteht darin, daß man mit einem ſtumpfen Griffel auf eine nicht ganz friſch geputzte Fenſterſcheibe ſchreibt und dann auf das Glas haucht, wodurch die Schriftzüge in dem als matte Feuchtigkeitsſchicht ſich kondenſierenden Hauche blank zum Vorſchein kommen. Dieſe Erſchei— nung erklärt ſich folgendermaßen: durch die Berüh— rung mit dem Griffel wird der auf dem Glaſe ſitzende Staub entfernt und dadurch bewirkt, daß die Feuchtig— keit des Hauches, gemäß der oben angeführten That— ſachen, an den ſtaubfreien Stellen ſich in größeren, das Licht weniger zerſtreuenden Tropfen anſetzt, wäh— rend an den mit Staub bedeckten Stellen jedes der dicht aneinander gelagerten Staubteilchen zur Bildung eines feinen Waſſertröpfchens Anlaß gibt, wodurch die Glasfläche ein mattes Ausſehen gewinnt. Aitken macht noch auf die folgenden intereſſanten Punkte aufmerkſam: Wenn die Luft ganz ſtaubfrei wäre, ſo würde der Waſſerdunſt ſich nicht in Nebelform zu Wolken kondenſieren, ſondern die ſtaubfreie Atmoſphäre würde allmählich ſich vollſtändig mit Waſſer überſättigen und in ein Waſſermeer verwandeln, durch welches alle Gegenſtände der Erdoberfläche mit Waſſer ge— tränkt werden würden. Es kann nun die Frage aufgeworfen werden, von welcher Art dieſer atmoſphäriſche Staub iſt. gewöhnliche Staub, der unſere Städte oft einhüllt und unſere Wege bedeckt, würde hierzu nicht aus— reichend ſein. In der That iſt derſelbe viel zu grob, um ſich in die oberen Luftregionen, wo die Wolken ſchweben, erheben zu können. Zum Teil mag wohl Der dieſer feine, das ganze Luftmeer erfüllende Staub von der Erdoberfläche, ſowie von den mineraliſchen Beſtandteilen des Meerwaſſers herrühren, die vom verdunſtenden Waſſer mit emporgehoben werden; zum größeren Teil iſt aber dieſer Staub wohl kos— miſchen Urſprungs, obſchon aus irdiſchen Subſtanzen beſtehend. Seine Teilchen ſind von übermikroſkopi— ſcher Feinheit und in jedem der kleinſten Nebeltröpf— chen iſt als Kern ein ſolches Staubteilchen vorhanden. Es ſind auch dieſe Staubteilchen, denen wir das blaue Ausſehen des Himmels verdanken. Trotz ihrer Feinheit iſt man imſtande, dieſelben mittels dicht— gepackter Baumwolle aus der Luft abzuſcheiden. Es ſcheint, daß dieſer Staub für unſere Exiſtenz not— wendig iſt; ohne denſelben würden keine atmoſphä— riſchen Feuchtigkeitsniederſchläge in der Form von Tau und Regen ſtattfinden können. Aber trotzdem, daß dieſer Staub die ganze Erd— atmoſphäre durchdringt und überall vorhanden iſt, ſo kommen doch unter gewiſſen Bedingungen ſtaubfreie Räume vor, deren Exiſtenz neuerdings nachgewieſen worden iſt. Im Jahre 1870 unterſuchte der bekannte engliſche Phyſiker Dr. Tyndall ſtaubige Luft mittels eines Lichtſtrahles, in deſſen Bereich zufällig eine Spirituslampe brannte. Der genannte Forſcher be— merkte, daß von derſelben eine ſchwarze Rauchſäule aufzuſteigen ſchien. Da es nicht denkbar iſt, daß die Spiritusflamme Rauch entwickelt, ſo ſtellte Tyndall weitere Unterſuchungen über dieſe ſonderbare Erſchei— nung an, indem er unter denſelben Umſtänden eine Bunſenſche Gasflamme und eine Waſſerſtoffgas— flamme beobachtete. Auch bei dieſen Flammen, die an ſich rauchfrei ſind, kam die erwähnte Rauchſäule zum Vorſchein. Selbſt bei einem Stück glühenden Eiſen und bei einem durch den elektriſchen Strom glühenden Platindraht konnte man die erwähnte ſonderbare Erſcheinung bemerken, ebenſo auch ſogar bei einer mit heißem Waſſer gefüllten Glasflaſche. Es ſtellte ſich ſomit heraus, daß bei den verſchieden— artigſten und ſomit überhaupt wohl bei allen erhitzten Körpern, ſobald dieſelben in ſtaubiger Luft in das Bereich eines Lichtſtrahles gebracht werden, ein empor— ſteigender dunkler, ſchattenartiger Raum ſich bildet, der unmöglich mit Rauch erfüllt ſein kann, denn Rauch und Staub werden vom auffallenden Licht er— leuchtet. Der von Tyndall beobachtete dunkle Raum konnte daher weder Rauch noch Staub enthalten, viel— mehr muß darin vollſtändig reine, ſtaubfreie Luft enthalten ſein, weil feſte und flüſſige Teilchen, auch wenn ſie von winzigſter Kleinheit ſind, das Licht zu— rückwerfen, ſo daß ſie im Lichtſtrahle nach den ver— ſchiedenſten Seiten hin das Licht nach dem Auge ſenden und ſo einen Eindruck auf dasſelbe hervor— bringen. Tyndall nahm an, daß in dieſem Raum der Staub von der Wärme zerſetzt und aufgelöſt werde, während Frankland eine bloße Verdunſtung des Staubes vorausſetzte. Im Jahre 1881 nahm ein Landsmann der Ge— nannten, Lord Rayleigh, den Gegenſtand von 194 Humboldt. — Mai 1885. neuem auf, weil ihn die obigen Erklärungen nicht befriedigten. Er ſtellte deshalb weitere eingehende Unterſuchungen darüber an, wobei er ſein Augenmerk beſonders auch auf das unter ähnlichen Umſtänden eintretende Verhalten kalter Körper richtete. Auf dieſe Weiſe entdeckte er verſchiedene neue Thatſachen, indem er fand, daß der unter obigen Umſtänden von einem kalten Körper aufſteigende Raum gerade fo dunkel und ſtaubfrei war, wie der bei warmen Kör⸗ pern bemerkte. Damit waren die Annahmen der Ver⸗ brennung oder Verdampfung des Staubes in dieſem Raume als unzutreffend hingeſtellt. Es gelang jedoch Rayleigh nicht, eine andere befriedigende Erklärung jener ſonderbaren Erſcheinung zu finden. Neuerdings wurden die bezüglichen Hypotheſen von Clark und Lodge in ſcharfſinniger Weiſe kri— tiſiert und mit Hinzuziehung neuer Thatſachen eine ausreichende Erklärung verſucht. Die wichtigſte Ent- deckung der zuletzt genannten Beobachter beſteht darin, daß der von einem warmen Körper aufſteigende dunkle Raum als der aufwärtsſtrömende Teil einer jenen Körper umgebenden und beſtändig ſich erneuernden ſtaubfreien Umhüllung anzuſehen iſt. Hiernach haben alle Körper, welche eine höhere Temperatur als die umgebende Luft beſitzen, die Neigung, die Staubteilchen durch Abſtoßung von ihrer Oberfläche fern zu halten. Man kann dieſe ftaub- freie Region als einen dunkeln Ring wahrnehmen, wenn man längs eines erwärmten, ſeitlich beleuchteten Cylinders gegen einen dunkeln Hintergrund ſieht. Bei einem hohen Temperaturunterſchiede zwiſchen Körper und Luft tritt die ſtaubfreie Umhüllung breiter als bei geringerem Temperaturunterſchiede auf und bei gleicher Temperatur verſchwindet ſie ganz. Iſt der Körper kälter als die ihn umgebende Luft, fo ſetzt ſich der in der letzteren ſchwebende Staub raſch auf dem Körper ab. Schon wenn der Körper um ein bis zwei Grad wärmer iſt als die Luft, wird die ſtaubfreie Umhüllung, ſowie der ſchweifartig empor— ſteigende ſtaubfreie Raum wahrnehmbar. Man kann die Erſcheinung auch bemerken, wenn man längs eines erwärmten Cylinders gegen eine Lichtquelle blickt, indem alsdann der ſtaubfreie Raum glänzend gegen die Umgebung hervortritt. Zur Anſtellung eines bezüglichen Verſuches kann man ſich in geeig— neter Weiſe eines Kohlenſtäbchens bedienen, wie man ſolches zur Erzeugung des elektriſchen Bogenlichtes benützt; dieſes Stäbchen wird erwärmt und horizon— tal unter einer mit dichtem Rauche (z. B. Salmiat- dampf) angefüllten Glasglocke aufgehängt. Mittels einer Glaslinſe läßt ſich alsdann die ſtaubfreie Re— gion auf ein weißes Papierblatt projizieren. Ver— minderter Druck läßt die ſtaubfreie Umhüllung ſtärker auftreten, während ſie unter ſtärkerem Drucke zu— ſammenſchwindet. In Waſſerſtoffgas iſt ſie breiter und in Kohlenſäure ſchmäler als in Luft. Man hat die Erſcheinung auch in Flüſſigkeiten beobachtet, z. B. in Waſſer, worin feingepulverter Rötel ſuſpendiert war. Zur Erklärung der Erſcheinung muß man an— nehmen, daß die warmen Flächen eine Abſtoßungs— kraft auf die ihnen zu nahe kommenden Staubteilchen ausüben. Nach der dynamiſchen Gastheorie, nach welcher die Moleküle eines Gaſes ſich in ſtetig ſchwingender oder kreiſender Bewegung befinden, würde unter den beim Auftreten des ſtaubfreien Raumes obwaltenden Umſtänden ein verſchieden ſtarker Anſtoß der ſchwingenden Gasmoleküle gegen die ent- gegengeſetzten Seiten eines Staubteilchens ſtattfinden, ähnlich der Wirkung, welche mit Bezug auf die ſich drehenden Flügel einer Crookesſchen Lichtmühle angenommen wird. Bei warmen Körpern prallen die Gasmoleküle mit verſtärkter Kraft von den warmen Flächen ab; bei kalten Körpern wird dieſer Abprall geſchwächt und bei ſehr kalten Körpern hört der Ab— prall ganz auf, fo daß der Staub ſich auf der Ober- fläche ablagert. Man kann dies ſehr deutlich am Schmutzigwerden des Schnees bei eintretendem Tau— wetter, wo die Luft wärmer iſt als der Erdboden, beobachten. Ein anderer von Lodge vorgeſchlagener Verſuch beſteht darin, daß man zwei Glasfläſchchen außen mit Lampenruß ſchwärzt und dann das eine mit Eisſtückchen, das andere mit heißem Waſſer füllt und beide verkorkt. Stellt man dieſe Fläſchchen nun unter eine Glasglocke, unter welcher man etwas Magneſiumdraht verbrannt hat, ſo wird man nach Verlauf von etwa 15 Minuten finden, daß das kalte Fläſchchen mit einem weißen haarigen Ueberzuge be— deckt iſt, während auf dem warmen Fläſchchen ſich nur wenige größere Flecke von weißem Staub ab- gelagert haben, indem die abſtoßende Wirkung der Wärme die Schwere der gröberen Staubteile nicht zu überwinden vermochte. Man erſieht daraus, daß, wenn die Luft in einem Zimmer wärmer iſt als die Flächen der darin befindlichen feſten Körper — was der Fall bei der Heizung durch Lufteirkulation ſein wird —, der Staub ſich an den Wänden und Möbeln abſetzen muß; ſind dagegen die Wände und Möbel in einem Zimmer wärmer als die darin befindliche Luft — was bei der Heizung mittels ſtrahlender Wärme durch einen Kamin eintritt —, ſo werden die warmen Flächen das Abſetzen des Staubes verhindern und derſelbe wird in der Luft ſchweben bleiben. Aitken hat mit Bezug auf dieſe Thatſachen ein praktiſches Luftfilter konſtruiert, welches ſo ein— gerichtet iſt, daß die Luft zwiſchen warmen und kalten Flächen hindurchſtrömt, wobei die warmen Flächen den in der Luft ſuſpendierten Staub gegen die kalten Flächen werfen, auf welch letzteren der— ſelbe ſich ablagert. Ein anderes, noch wirkſameres Mittel der Luft— reinigung hat Lodge in der Elektrieität erkannt. Es iſt leicht, die Luft mittels der von einer Elektri— ſiermaſchine abſtrömenden Elektricität elektriſch zu laden, und es wird hierdurch bewirkt, daß der darin ent— haltene Staub ſich zu größeren Teilen zuſammenballt, welche durch ihre Schwere niederſinken. Die Urſache davon iſt leicht einzuſehen. Jedes Staubteilchen wird durch Induktion polariſiert, ſo daß dasſelbe ſich mit den benachbarten Staubteilchen, ähnlich wie die unter Humboldt. — Mai 1885. 195 magnetiſchem Einfluß ſtehenden Eiſenfeilſpäne, durch Anziehung vereinigt. In gleicher Weiſe verwandelt ſich der in einem Raume befindliche feine Waſſerdunſt durch die Einwirkung der Elektrieität in größere Waſſertropfen, die als Regen niederfallen. Lodge hat auf dieſe Weiſe die in einem Zimmer befindliche ſtark mit Rauch erfüllte Luft mittels einer kleinen Holtzſchen Induktionsmaſchine raſch gereinigt und ſpricht die Hoffnung aus, in ähnlicher Weiſe auch im großen auf die Zerteilung der ſtarken Londoner Nebel einwirken zu können. Dieſe Erſcheinung ſteht auch mit der volkstüm— lichen Anſicht in Einklang, daß Gewitter die Luft reinigen. Durch die Blitze wird unzweifelhaft Ozon erzeugt, und dieſes mag eine wohlthätige Wirkung ausüben, aber die den Staub aus der Luft treibende Kraft der Elektricität iſt wahrſcheinlich viel kräftiger. Eine leicht elektriſche Wolke wird bewirken, daß die in ihrer Nähe befindlichen Wolken ſich kondenſieren, ſo daß größere Tropfen ſich bilden, welche aber vor— läufig noch durch die elektriſche Anziehung am Herab— fallen verhindert werden, indem ſie von einer Wolke zur andern tanzen, wodurch die ſchweren, dichten Ge— witterwolken entſtehen. Das Zuſammenballen der elektriſch geladenen Tropfen verſtärkt (nach Profeſſor Taits Annahme) das Potential, ſo daß zuletzt die Entladung durch einen Blitz erfolgt, worauf ein hef— tiger Regenſchauer niederfällt. Außerdem mag die ſchnelle Hin- und Herbewegung der Tropfen zwiſchen entgegengeſetzt elektriſch geladenen Wolken dazu bei— tragen, daß dieſelben im rapiden Verdampfen gefrieren und ſomit Hagel bilden. Wenn eine Wolke elektriſch iſt, ſo wirkt ſie indu— zierend auf die Erde ein, indem ſie die entgegen— geſetzte Elektricität nach allen emporragenden Punkten zieht, und hierdurch wird eine Elektriſierung der Luft hervorgerufen. Wenn die Entladung erfolgt, ſo tritt dieſe elektriſche Atmoſphäre mit der Erde in Verbin— dung, wobei ſich die Luft klärt, indem der Staub, ſowie alle in der Luft ſchwebenden nicht gasartigen Teilchen gegen die im Bereiche der Entladung befind— lichen Flächen getrieben werden. Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Elektrotechnik. Don Dr. V. Wietlisbach in Bern. Das Princip von Wilh. Weber. Die elektromagnetiſche Theorie des Lichtes und die neueren Anſichten über das Weſen der Elektricität. Die mannigfachen Anwendungen der Elektricität auf faſt allen Gebieten der Tech nif beanſpruchen ein fo allge— meines und hervorragendes Intereſſe, daß dagegen die Fort— ſchritte, welche die Theorie der Elektricität macht, ganz in den Hintergrund gedrängt werden. Und doch ſind die Reſul— tate, welche in dieſer Richtung während der letzten Zeit erzielt wurden, für die Wiſſenſchaft ungleich wichtiger, als jene Entdeckungen, welche ſehr oft nur eine ephemere Dauer haben. Es ſcheint geradezu, als ob in kurzer Zeit die Theorie der Elektriciät entſcheidend auf die Entwicklung der Naturwiſſenſchaften eingreifen ſollte, und ich erlaube mir aus dieſem Grunde heute die Aufmerkſamkeit des geehrten Leſers auf einige der wichtigſten Thatſachen hin— zulenken, welche in der neueſten Zeit auf jenem Gebiete feſtgeſtellt wurden. Vorerſt will ich an eine Entdeckung erinnern, welche allerdings ſchon vor bald 40 Jahren gemacht wurde, deren Wichtigkeit und allgemeine Bedeutung aber auch heute noch nicht vollkommen gewürdigt und verſtanden wird. Ich meine das von Wilh. Weber aufgeſtellte Princip, daß die Wirkung zweier elektriſcher Teilchen auf— einander nicht nur von der gegenſeitigen Lage, ſondern auch von der relativen Bewegung derſelben abhänge *). W. Weber, Elektrodynamiſche Maßbeſtimmungen J. Bekanntlich hat Newton von den Bahnen der Ge— ſtirne gezeigt, daß ſie erklärt werden, wenn man den Maſſem Kräfte beilegt, welche in der Richtung der Verbindungs— linie derſelben wirken, deren Intenſitäten proportional ſind den Größen jener Maſſen, und mit dem Quadrate ihrer Entfernung abnehmen. Dieſes Geſetz iſt von den Aſtronomen mit den feinſten Inſtrumenten geprüft worden, ſo daß an ſeiner Richtigkeit kein Zweifel iſt, dasſelbe im Gegenteil als ein Fundament der ganzen Mechanik ange— ſehen wird. Newton hat ſchon die Anſicht ausgeſprochen, es möchten auch die kleinſten Teilchen, aus denen jene Geſtirne beſtehen, die Atome und Moleküle mit ähnlichen Kräften aufeinander wirken. Aber bei genauer Prüfung der Thatſachen ſtellte es ſich bald heraus, daß für dieſe kleinſten Teilchen nicht mehr dasſelbe Kraftgeſetz gültig ſein könne wie für die Weltkörper, daß die Kräfte der Elementar- beſtandteile nicht mit dem Quadrate der Entfernung, ſondern mit einer anderen höheren Potenz abnehmen müſſen. Doch ſind die Vorgänge ſo kompliziert, beſonders wo chemiſche Prozeſſe mit ins Spiel kommen, daß es noch nicht gelungen iſt, ſie theoretiſch zu verfolgen. Bei den elektriſchen Erſcheinungen zeigt ſich etwas Aehnliches. Zwei elektriſche Maſſen wirken, wie Coulomb gezeigt hat, nach dem Newtonſchen Geſetz aufeinander, aber nur ſolange als ſie in Ruhe ſind, alſo bei den elek— 196 Humboldt. — Mai 1885. troſtatiſchen Erſcheinungen. Sobald aber die Elektricität in Bewegung kommt, alſo zwei Ströme aufeinander wirken, gilt das Newtonſche Geſetz nicht mehr, ſondern es tritt dann an deſſen Stelle das Geſetz von Ampere, welches neben der Diſtanz noch eine Funktion des Winkels, den die von der Elektricität durchfloſſenen Drahtſtücke mitein- ander bilden, enthält. Es fragt ſich nun, wie zwei elek— triſche Elementarteilchen, welche jene Drahtſtücke durch- fließen, wirken müſſen, damit die reſultierende Kraft aller Teilchen aufeinander jene von Ampere durch das Crperi- ment beſtimmte Größe erhalte. Das iſt die Aufgabe, welche W. Weber durch Aufſtellung ſeines Principes löſen wollte. Es iſt ihm gelungen, einen Ausdruck zu bilden, der alle bekannten Erſcheinungen erklärt, und welcher außer durch die Diſtanz der elektriſchen Teilchen noch durch die gegenſeitige relative Bewegung derſelben beſtimmt wird. Sobald die letztere Null iſt, erhält man wieder das Newtonſche Geſetz. Betrachtet man eine große Menge elektriſcher Teilchen, welche in einer geſchloſſenen Strom— bahn cirkulieren, jo wird das Weberſche Geſetz identiſch mit dem von Ampere aufgeſtellten. Man ſollte glauben, daß eine große Willkür in der Aufſtellung eines ſolchen Geſetzes liegen müſſe. Dem iſt aber nicht ſo. Dasſelbe hat verſchiedene Bedingungen zu erfüllen. Außerdem daß es alle bekannten Thatſachen zu erklären hat, muß es in Uebereinſtimmung ſtehen mit den Principien, welche als in der Natur allgemein gültig an— erkannt werden, vor allem dem Principe der Erhaltung der Energie und allen ſeinen Folgerungen. Von Helmholtz hat gezeigt), daß durch alle dieſe Bedingungen in der That die Form des Geſetzes bis auf den Zahlenfaktor eines Gliedes vollſtändig beſtimmt iſt. Es können ſich daher die verſchiedenen Ausdrücke, welche man wählen kann, durch verſchiedene Werte dieſes Faktors unterſcheiden. Es entſteht jetzt die Frage, ob es nicht möglich ſei, jene Zahl durch Beobachtungen an der Natur zu beſtimmen. Damit hat es nun eine ganz eigene Bewandtnis. Um das Geſetz genau prüfen zu können, müßte man eigentlich mit zwei iſolierten elektriſchen Teilchen experimentieren. Man müßte dieſen Teilchen verſchiedene Entfernungen voneinander, und ver— ſchiedene relative Bewegungszuſtände erteilen können und dann die Kräfte meſſen, welche ſie aufeinander ausüben. Das iſt aber unmöglich. Wir ſind nicht imſtande, ein einzelnes elektriſches Teilchen zu iſolieren, ſondern wir beob— achten immer eine große Menge ſolcher, wir können ſagen unendlich viele. Ja noch mehr. Um eine regel— mäßige und kontinuierliche Strömung der Elektricität zu erhalten, wie ſie notwendig iſt, um eine ſcharfe Meſſung der Fernwirkung zu geſtatten, iſt man gezwungen, in ſich zurückkehrende geſchloſſene Strombahnen zu verwenden. Wenn wir nun die Wirkung zweier ſolcher aufeinander berechnen, ſo verſchwindet aus dem Ausdruck für die Kraft gerade das Glied mit dem unbeſtimmten Koefficienten. Es iſt alſo nicht möglich, durch Beobachtungen an ge— ſchloſſenen Strombahnen dieſe unbekannte Größe zu be— ſtimmen, weil ſie eben in der zu Tage tretenden Wirkung gar nicht vorhanden iſt. Meſſungen mit ungeſchloſſenen Strömen find ſehr ſchwierig auszuführen; man erhält ) Helmholtz, Ueber die Bewegungsgleichungen der Elektricität für ruhende leitende Körper. Pogg. Annalen CII. ſolche, wenn man z. B. eine feine Metallſpitze mit einer Elektricitätsquelle von hoher Spannung verbindet. Die Elektricität fließt dann ſtetig aus der Spitze ab, und es entſteht in dem Drahtſtücke zwiſchen der Spitze und der Elektricitätsquelle, etwa dem Konduktor einer Influenz—⸗ maſchine, ein kontinuierlicher Strom. Aber es iſt noch nicht gelungen mit ſolchen ungeſchloſſenen Leitern ein ent— ſcheidendes Reſultat zu gewinnen. Die ſtatiſchen Wir- kungen der ſehr hoch geſpannten Elektrieität find jo mächtig, daß dadurch die allfällig zu beobachtenden dynamiſchen Wirkungen ganz verdeckt werden. Mit Rückſicht auf theoretiſche Gründe find für dieſe Zahl verſchiedene Werte vorgeſchlagen worden, nämlich von W. Weber — 1, von Neumann +1, von Maxwell 0. Von Helm— holtz hat daher vorgeſchlagen, vorderhand, bis einmal entſcheidende Verſuche ausgeführt ſein werden, dieſe Größe unbeſtimmt zu laſſen, und fie mit k zu bezeichnen. Aller— dings werden dadurch die theoretiſchen Berechnungen etwas komplizierter, aber da man es bei allen praktiſchen An⸗ wendungen mit geſchloſſenen Strömen zu thun hat, ver- ſchwindet dieſe Konſtante k dann wieder. Wenn auch das Weberſche Princip ſchon wegen der Rolle, welche dasſelbe in der Elektricitätslehre ſpielt, ver— dient hier hervorgehoben zu werden, wird es doch in ſeiner ganzen Wichtigkeit erſt dann hervortreten, wenn es einmal gelingt, ſeine Anwendung auch auf die nicht elektriſchen Erſcheinungen zu verallgemeinern. Während das Weberſche Princip die Form des Ge— ſetzes, nach welchem zwei elektriſche Teilchen aufeinander wirken, aufzuhellen ſucht, bezieht ſich eine andere Reihe von Verſuchen, welche hier erwähnt werden ſollen, auf das Weſen der Elektrieität ſelbſt, und ſucht die letztere in Zu— ſammenhang mit den anderen Gebieten der Phyſik zu bringen. Am meiſten Beziehungen zeigt die Elektricität zur Wärme und zum Licht. Die Beziehungen zum letzteren ſind beſonders ſehr merkwürdig. Am bekannteſten iſt die Drehung der Polariſationsebene durch den gal— vaniſchen Strom. Eine Röhre, welche mit einer das Licht brechenden durchſichtigen Subſtanz gefüllt und an ihren beiden Enden mit zwei planparallelen Glasplatten verſchloſſen iſt, ume wickle man mit einem iſolierten Kupferdraht, durch welchen man einen ſtarken elektriſchen Strom durchleiten kann. Vor das eine Ende der Röhre ſtelle man ein das Licht polariſierendes Nikol, und vor das andere Ende ein zweites und zwar das letztere ſo, daß das Licht gerade ausgelöſcht wird. Im Momente nun, wo der elektriſche Strom durch den Kupfer— draht geleitet wird, erſcheint das Lichtfeld wieder hell, und man muß das eine Nikol um einen gewiſſen Winkel drehen, um das Licht von neuem auszulöſchen. Wird der Strom unterbrochen, ſo muß man das Nikol in ſeine alte Lage zurückſtellen, um ein dunkles Feld zu erhalten. elektriſche Strom hat jo die Fähigkeit, die Polariſations— ebene des Lichtes zu drehen. Aber dieſe Eigenſchaft beſitzt nicht nur der elektriſche Strom; ſtarke Magnete wirken genau ſo und zwar ganz in Uebereinſtimmung mit der Theorie von Ampère, nach welcher ein Magnet erſetzt werden kann durch ein Solenoid, das von einem durch die Stärke des Magnets beſtimmten Strom durchfloſſen wird. Dabei iſt die Beziehung zwiſchen der Stärke des magnetiſchen Der Humboldt. — Mai 1885. 197 Feldes oder des Stromes, welcher die Ablenkung bewirkt, und der Größe der Drehung eine ſo einfache und ſicher beſtimmte, daß man ſie zu einer der genaueſten Meß— methoden für die elektriſchen Ströme gemacht hat. Am Kongreß der Elektriker zu Paris, welcher das letzte Jahr ſich verſammelt hatte, wurde von dem franzöſiſchen Phyſiker H. Becquerel vorgeſchlagen ?), zur Definition der Strom— einheit, welche gemäß den Beſchlüſſen dieſer Konferenz Ampere genannt wird, die Größe der Drehung der Polariſationsebene im Schwefelkohlenſtoff zu benutzen. Nach ihm dreht eine Spirale von 5000 Windungen, welche von dem Strom ein Ampere durchfloſſen wird, die Pola- riſationsebene des gelben Natriumslichtes um 291“; der Drehungswinkel iſt genau proportional der Stromſtärke, wenn die den Schwefelkohlenſtoff umgebende Spirale wenigſtens 1,5 m lang iſt. Außerdem iſt er unabhängig von der Weite der Spirale; nur beſtimmt durch die Zahl der Windungen. Dieſe Methode hat vor den gewöhnlichen Methoden zur Beſtimmung der Stromſtärke mit Hilfe von Galvanometern den großen Vorzug, daß ſie unabhängig iſt vom Erdmagnetismus, einer Größe, welche nicht nur an den verſchiedenen Orten der Erde verſchiedene Werte hat, ſondern auch an ein und demſelben Orte mit der Zeit variiert und faſt keinen Augenblick konſtant bleibt. Es gibt allerdings noch eine andere Methode der Strommeſſung, welche ebenfalls von dem Erdmagnetismus unabhängig iſt, nämlich diejenige vermittelſt der Elektrolyſe, bei der man die Salzmenge beſtimmt, welche vom Strom in einer be— ſtimmten Zeit zerſetzt wird. Gewöhnlich verwendet man hierzu Silbernitrat. Nach den neueſten Meſſungen von Prof. Kohlrauch ſchlägt 1 Ampere in einer Sekunde 0,0011183 g Silber nieder. Wenn dieſe letzte Methode vermittelſt der Elektrolyſe auch die genaueſte von allen iſt, ſo hat ſie auf der anderen Seite doch wieder den Nachteil, daß ſie zu ihrer Ausführung eine ſehr lange Zeit in Anſpruch nimmt, welche unter Umſtänden bei ſchwachen Strömen auf Stunden ausgedehnt werden muß. Aus dieſem Grunde iſt ſie wohl für ſpecielle Fälle, unter anderem auch zur Kontrollierung des Konſums in elektriſchen Lichtanlagen zu verwenden, für die meiſten Meſſungen aber, wo es darauf ankommt, im Moment die Größe des Stromes ableſen zu können, unbrauchbar. Es erſcheint daher die optiſche Methode von Becquerel, namentlich für die Eichung anderer Inſtrumente für viele Fälle ſehr wertvoll. Es fragt ſich nun, was man ſich für eine Vorſtellung über den Grund dieſer Erſcheinung der Drehung der Pola— riſationsebene zu machen hat. Da ſie nur in diſperſieren— den Medien auftritt, in anderen aber wie in Gaſen ver— ſchwindet, ſo folgt daraus, daß die Elektricität nicht direkt auf den Aether wirkt, ſondern erſt auf die Moleküle des betreffenden diſperſierenden Mediums und dieſe mittelbar die Erſcheinung hervorrufen. Straßburg im letzten Jahrgang von Wiedemanns An— nalen veröffentlicht hat. Es geht daraus hervor, daß ſogar feſte Körper imſtande ſind, die Drehung der Polariſations— ebene hervorzubringen, ſobald nur dieſe Körper in ſo dünnen *) Conférence internationale pour unites électriques. II. Session, Paris 1884. Humboldt 1885. la determination des Für das Verſtändnis find | äußerſt wichtig die Verſuche, welche Prof. Kundt in ¢ ' Schichten erhalten werden können, daß fie nod) Licht durch— laſſen. Es iſt Herrn Kundt gelungen, entſprechend dünne Schichten verſchiedener Metalle herzuſtellen, indem er das betreffende Metall durch Elektrolyſe auf platiniertem Glaſe, welches ein Leiter der Elektricität iſt, niederſchlagen konnte. Auf dieſem Wege laſſen ſich ganz beliebig dünne Metall— ſchichten herſtellen. Erzeugt man auf einem ſolchen Glaſe eine ganz dünne Schicht von Eiſen und läßt das polari— ſierte Licht durch dasſelbe auf ein Nikol fallen, ſo kann man die Drehung der Polariſationsebene beobachten, ſobald man einen Magnet der Glasplatte nähert. Eine ähnliche Erſcheinung findet ſtatt bei Kobalt und Nickel. Kupfer dagegen bleibt wirkungslos. Es ließ ſich dieſes Reſultat mehr oder weniger vorausſehen. Nur diejenigen Metalle haben die Fähigkeit, die Polariſationsebene zu drehen, deren Moleküle ſelbſt im magnetiſchen Felde gerichtet werden. zeigen, welche ebenfalls im magnetiſchen Felde gerichtet werden, d. h. welche elektriſch polariſierbar ſind. Optiſche Diſperſion und elektriſche Polariſierbarkeit erſcheinen ſo in einer gewiſſen Beziehung zu einander, welche vom theo— retiſchen Standpunkte aus ſehr wichtig iſt, wie ſpäter noch hervorgehoben werden ſoll. Herr Kundt hat bei den oben erwähnten Verſuchen gefunden, daß für die mittleren Strahlen des Spektrums die Rotationskraft des Eiſens 30 000 mal größer iſt als die einer gleich dicken Schicht Glas. Ungefähr ebenſo groß iſt das Drehvermögen von Kobalt, während Nickel noch etwa 14000 mal ſtärker dreht als Glas. Dabei werden die roten Strahlen mehr gedreht als die blauen in Analogie mit der anormalen Diſperſion gewiſſer Körper, z. B. des Indigo. Es iſt aber nicht einmal nötig, daß das Licht die Eiſenplatte durchſetzt, es genügt, wenn es an einer ſolchen reflektiert wird. Läßt man einen Lichtſtrahl auf die polierte Fläche des Kernes eines Elektromagneten fallen, ſo daß er von der metallenen Spiegelfläche reflektiert wird, ſo beobachtet man die gleiche Erſcheinung der Drehung jedesmal, wenn der Elektromagnet erregt wird. Man kann dieſe Erſchei— nung erklären, wenn man annimmt, daß die Lichtwellen, bevor ſie bei der Reflexion ihre Richtung umkehren, auf eine ganz kurze Strecke in das Eiſen eindringen. Eine andere ſehr wichtige Beziehung zwiſchen Licht und Elektricität iſt die vollſtändige Uebereinſtimmung der Fort— pflanzungsgeſchwindigkeit beider. Nur muß man ſich ſehr klar ſein, was man unter Fortpflanzungsgeſchwindigkeit zu verſtehen hat. Um unſerer Vorſtellung entgegenzu— kommen, wollen wir die analogen Verhältniſſe beim Waſſer zur Vergleichung heranziehen. Stellen wir uns einen kleinen See vor; derſelbe ſoll in vollkommener Ruhe ſein, ſo daß ſein Spiegel eine ganz glatte Fläche bildet. Wird nun die Ruhe an irgend einem Punkte geſtört, etwa durch einen hereingeworfenen Stein, ſo bildet ſich an dem Orte, wo der Stein das Waſſer getroffen hat, eine Vertiefung, das Waſſer wird dort auf die Seite gedrängt und kom— primiert, und dieſe Störung des Gleichgewichtes pflanzt ſich von dem Erregungspunkte aus in konzentriſchen Wellen über den ganzen See fort. Dieſe Ausbreitung geſchieht mit einer gewiſſen Geſchwindigkeit, welche nur von der Konſtitution des Waſſers abhängt, ſie iſt nämlich nach Newton gleich der Quadratwurzel aus dem Ver— 26 198 Humboldt. — Mat 1885. hältnis der Druckänderung zur Dichtigkeitsänderung, und beträgt für reines Waſſer ca. 1500 m. Man kann ſie ſo be⸗ ſtimmen, daß man unter dem Waſſer eine Glocke anſchlägt, und in einer beſtimmten Diſtanz von derſelben mit einem Hörrohre, das in das Waſſer eintaucht, die Zeit beobachtet, welche verſtreicht, bis der durch das Anſchlagen erzeugte Schall hörbar wird *). Nach der Methode der Beobachtung nennt man ſie Schalles; fie iſt aber dieſelbe für alle Gleichgewichts- ſtörungen, gleichviel ob dieſe einen Schall hervorzubringen vermögen oder nicht, und hängt nur von den Elaſticitäts⸗ verhältniſſen und der Dichte des Waſſers oder des gerade unterſuchten Mediums ab. Davon nun ganz verſchieden iſt die Geſchwindigkeit, mit der das Waſſer aus dem See fließen würde, wenn derſelbe mit einem Kanal in Verbindung gebracht wäre. Das Waſſer braucht eine gewiſſe Zeit, um aus der Mün— dung bis zu einem gewiſſen von derſelben entfernten Punkte zu gelangen. Dieſe Zeit wird hauptſächlich be— ſtimmt durch die Weite des Kanales und durch ſein Ge— fälle, alſo durch Größen, welche ganz von der Anlage des Kanales, aber durchaus nicht von den phyſikaliſchen Eigenſchaften des Waſſers abhängen. Je nach der Anlage wird die Geſchwindigkeit eine ſehr große oder bei demſelben Waſſer eine ſehr kleine werden, und man erſieht, daß die erſt erwähnte Fortpflanzungsgeſchwindigkeit und die letztere Fortfließungs geſchwindigkeit zwei ganz verſchie— dene Sachen ſind, die erſtere ganz allein nur von den - phyſikaliſchen Eigenſchaften des Waſſers beſtimmt, die letztere hauptſächlich von der Beſchaffenheit der Leitung abhängig. Ganz ähnlich verhält es ſich bei der Elektrieität. Das Fortfließen derſelben in einem langen Drahte iſt durch den Querſchnitt und den Widerſtand desſelben und durch das Gefälle der Elektricität an beiden Endpunkten des Drahtes beſtimmt; ferner durch die Iſolierung und die Kapacität der Leitung. Mitbedingt wird ſie natürlich auch durch das phyſikaliſche Verhalten der Elektricität im allgemeinen. Aber davon ganz verſchieden iſt die Fortpflanzung der elektriſchen Störungen ohne gleichzeitiges Mitbewegen von elektriſchen Maßen. Allerdings kommen wir nicht dazu, dieſe direkt beobachten zu können, da ſie zu groß iſt, um unſeren Laboratoriumsapparaten zugänglich zu ſein. Dennoch ift es durch ſinnreich ausgeführte Experimente und Berech— nungen gelungen, den Wert derſelben zu beſtimmen. Das Princip dieſer Meſſungen beruht darauf, daß man erſt eine beſtimmte Elektricitätsmenge in ihrer ſtatiſchen Wirkung mit Kondenſator und Elektrometer mißt; dann beſtimmt man die dynamiſche Wirkung derſelben Menge, indem man ſie durch die Windungen eines Multiplikators um eine Magnetnadel führt, und den Ausſchlag der letzteren beobachtet. Aus dieſen beiden Meſſungen läßt ſich die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit ableiten. Die verſchiedenen Forſcher, welche ſolche Meſſungen ausgeführt haben, na— mentlich W. Weber, Kohlrauſch, Maxwell und W. Thomſon, fanden eine Geſchwindigkeit von 282000000 bis 310 740 000 m in der Sekunde, während die Licht— geſchwindigkeit nach Fizeau und Foucault 298360000 ) Colladon u. Sturm, Ann. d. Ch. et Ph. XXV. 113. die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit des. bis 314 000 000 m in der Sekunde beträgt. Die Differenzen der einzelnen Forſcher untereinander ſind alſo größer als der Unterſchied des Mittelwertes für die eine und die andere Ge- ſchwindigkeit. Aus dieſer Thatſache müſſen wir ſchließen, daß die Fortpflanzung der Elektricität in einem Medium vor ſich geht, welches ganz die gleichen Eigenſchaften wie der Lichtäther hat, und da keine Gründe dagegen ſich anführen laſſen, werden wir annehmen, daß beide Medien dieſelben ſeien, daß alſo der Lichtäther zugleich auch das Medium iſt, welches die elektriſchen Störungen fortpflanzt. Dieſe Annahme wird nun noch durch ein anderes Reſultat der Erfahrung unterſtützt. Berechnet man nämlich von dieſer Hypotheſe, welche, zuerſt von Maxwell und Lo renz aufgeſtellt wurden), ausgehend, die Fortpflanzung der elektriſchen Störungen und der Lichtwellen, ſo findet man eine Relation zwiſchen der Diſperſion des Lichtes und der elektriſchen Polariſation der Iſolatoren, auf welche Relation wir oben ſchon hingewieſen haben. Es zeigt ſich nämlich, daß der Brechungsindex einer Subſtanz gleich ſein muß der Quadratwurzel aus der Polariſationskonſtanten oder dem ſogenannten Dielektrieitätskoefficienten derſelben Subſtanz. In der That hat Boltzmann wenigſtens eine ſehr nahe Uebereinſtimmung gefunden?), z. B. für Paraffin iſt der Brechungsindex 1,536 und die Quadratwurzel der Polariſationskonſtanten 1,523 und ähnlich für andere Subſtanzen. Eine weitere Folge iſt, daß die Körper, welche für das Licht durchſichtig ſind, Nichtleiter der Elektricität ſein müſſen und umgekehrt. Die elektriſchen Leiter find Körper, welche die elektriſchen Bewegungen abſorbieren und ent- ſprechen alſo den optiſch undurchſichtigen Körpern. Es werden nun im allgemeinen diejenigen Körper, welche die optiſchen Aetherbewegungen abſorbieren, auch die elektriſchen abſor— bieren und umgekehrt. Doch dürfen wir keine genaue Uebereinſtimmung erwarten. Wie es Körper gibt, welche nur Licht von einer beſtimmten Farbe durchlaſſen, alles andere abſorbieren, ebenſo wird es Körper geben können, welche für die optiſchen Bewegungen durchlaſſend ſind, die elek— triſchen aber vollſtändig abſorbieren und auch umgekehrt. Im großen und ganzen ſtimmt auch dieſes Ergebnis mit der Erfahrung. Wir müſſen uns aber daran erinnern, daß die Elektrolyte, obgleich ſie keine Iſolatoren, doch auch keine eigentlichen Leiter der Elektricität ſind. Die Leitung kommt hier ſo zuſtande, daß der Elektrolyt unter dem Einfluß der elektriſchen Kräfte chemiſch zerſetzt wird; die Beſtandteile der zerſetzten Moleküle geben ihre Ladung an die Elektroden ab, und auf dieſe Weiſe kommt mittelbar auf eine ganz andere Weiſe als bei der metalliſchen Leitung eine Strömung der Elektricität zuſtande. Solange aber dieſe Zerſetzung nicht ſtattgefunden hat, bleibt die Ladung der Moleküle an dieſelben gebunden und der Elektrolyt verhält ſich wie ein Iſolator. Wir finden daher auch damit in Uebereinſtimmung, daß er für das Licht durchſichtig iſt, im Gegenſatz zu den eigentlichen Leitern der Elektricität, den Metallen, welche undurchſichtig ſind. Auf einen weiteren Punkt hat von Helmholtz am oben angeführten Orte aufmerkſam gemacht. Bisher hat *) Maxwell, Treatise on Electricity and Magnetism II. Lorenz, Pogg. Annal. CII. ) Boltzmann, Wiener Ber. LXVII. Humboldt. — Mai 1885. man angenommen, der Lichtäther verhalte ſich wie ein ſtarrer elaſtiſcher Körper, da die Erfahrung keine Mittel an die Hand gab, deſſen Verhalten näher zu präciſieren. Unter dieſer Annahme erhält man aber an der Grenzfläche zweier durchſichtiger Medien ganz andere Bedingungen als man braucht, um die Reflexion und Refraktion zu erklären, ſo daß die theoretiſche Optik bisher hier eine Lücke hatte. Wenn man aber die Eigenſchaften des elektriſchen Aethers, deſſen Verhalten genauer aus der Erfahrung beſtimmt werden kann, als dies für den Lichtäther möglich iſt, auch auf den letzteren überträgt, ſo verſchwindet die er— wähnte Schwierigkeit, indem man aus der Theorie die— jenigen Erſcheinungen ableiten kann, wie ſie thatſächlich ſich beobachten laſſen, ſo daß auch die Optik eigentlich erſt durch dieſe Annahme der Identität des elektriſchen und Lichtäthers einen befriedigenden Abſchluß erhält. Eine notwendige Vorausſetzung der bisherigen Be— trachtungen iſt, daß man die Elektricität nicht als einen Stoff, ſondern als eine Bewegung auffaßt. Eine be— ſtimmte Elektricitätsmenge repräſentiert nicht ein Quantum | eines Stoffes, ſondern eine Bewegungsmenge. Allerdings ſind wir ganz im Ungewiſſen, wie wir uns dieſe Bewegung vorzuſtellen haben; wir ſind darüber nicht beſſer unterrichtet als über die Bewegung der Moleküle im Queckſilberdampf, welche dieſen befähigen, Licht von 30 oder noch mehr verſchiedenen Farben auszuſenden. Unſerem Gefühle will es widerſtreben, eine ſo nahe Beziehung zwiſchen der Elektricität und dem Lichte annehmen zu müſſen, ſcheinen doch beide in unſerer Erfahrung ſo ganz verſchieden. Aber doch nur wegen der ganz eigen— tümlichen Weiſe, wie wir durch unſere Sinne von der Außenwelt Nachricht erhalten. Die Einteilung, welche wir von den Naturerſcheinungen machen, beruht ganz auf der Art und Weiſe, wie dieſelben ſich unſerer Erfahrung aufdrängen. Die Empfindlichkeit unſeres Auges begrenzt die optiſchen Erſcheinungen, unſer Ohr ſchafft die Akuſtik, das Gefühl die Wärme, vorerſt ohne auf das innere Weſen dieſer Erſcheinungen Rückſicht zu nehmen. Aber je mehr wir in der Erkenntnis vordringen und uns von dem Vor— urteile unſerer Sinne freimachen können, um ſo mehr ſehen wir ein, wie unrichtig und willkürlich dieſe Einteilung iſt. So wiſſen wir ſchon längſt, daß Licht und Wärme ſich nur quantitativ durch die Größe der Schwingungszahlen der Aetheroscillationen unterſcheiden, im übrigen aber bis zu einem gewiſſen Grade völlig miteinander identiſch ſind. Das Reſultat nun, welches aus der neuen Anſicht über das Weſen der Elektricität gewonnen wird, iſt das, daß der geſamten Erſcheinungswelt der Natur Be— wegungszuſtände zu Grunde liegen. Träger derſelben 199 ſind entweder die Moleküle der ponderablen Maſſe (Mechanik, Chemie, Akuſtik, Wärme), oder der Weltäther (Wärme, Licht, Elektro-Magnetismus). Man gelangt da— durch zu einer ſehr befriedigenden einheitlichen Auffaſſung dieſes Gebietes unſeres Erkennens, und ich glaube, daß dieſe nicht nur den Gelehrten zu gute kommen darf, ſondern ebenſo den Laien und Technikern nützlich ſein kann. Man wird die mannigfachen Anwendungen der Elektro— technik beſſer beherrſchen und nutzen können, wenn man ſich dieſes thatſächlichen Zuſammenhanges bewußt iſt, und erkennt, daß z. B. der elektriſche Lichtbogen nur eine leichte Modifikation des elektriſchen Stromes iſt, welche auf die— ſelbe Art gewonnen werden kann, wie wir etwa die Trieb— kraft einer Waſſermenge erhalten, indem wir ſie durch eine Turbine leiten und ſie zwingen, ihre Bewegungs— menge oder kinetiſche Energie an jene abzugeben. — Das iſt der Grund, weshalb ich verſucht habe, an dieſem Orte auf die wichtigen Fortſchritte zur Einſicht in das Weſen der Elektricität wenigſtens hinzuweiſen. Für die Wiſſenſchaft hat die neu gewonnene Anſicht über das Weſen der Elektrieität noch eine ganz andere Bedeutung, indem fie das Problem der actio in distans in einem ganz veränderten Lichte erſcheinen läßt. Bekannt- lich hat man nach dem Vorgange von Newton die Fern— wirkung der Kräfte als ein Axiom angeſehen, welches keiner weiteren Erklärung fähig ſei. Mit Unrecht. Denn das Newteonſche Geſetz iſt bloß eine Beſchreibung der Thatſachen, aber nicht eine Erklärung oder Definition der— ſelben. Wir vermögen nicht einzuſehen, warum die Kräfte nun gerade der zweiten Potenz der Entfernung und nicht irgend einer anderen Funktion derſelben proportional wirken ſollen, ganz unverſtändlich iſt die unvermittelte Wirkung zweier durch den leeren Raum voneinander ge— trennten Körper aufeinander. Für die elektriſchen Kräfte, welche teilweiſe ebenfalls das Newtonſche Geſetz befolgen, bedürfen wir des Prineipes der Fernwirkung nicht mehr, ſondern dieſe Kräfte werden durch den Aether von einem Punkte zu einem anderen im Raume übertragen, gerade ſo wie der Stoß auf eine Waſſermaſſe ſich nicht unvermittelt der gegenüberliegenden Gefäßwand mitteilt, ſondern er pflanzt ſich von einem Molekül auf das benachbarte fort, bis er zuletzt zu demjenigen gelangt, welches jener Wand unmittelbar anliegt und erſt jetzt kann er auf dieſe Wand wirken. Auf ganz dieſelbe Weiſe pflanzt ſich, wie wir wiſſen, das Licht durch den Weltenraum fort, und es liegt wenigſtens die Hypotheſe nahe, daß auch die Schwere auf eine ähnliche Weiſe ſich fortpflanzen möchte, ſo daß die actio in distans in der Natur ebenſowenig exiſtieren würde, als das elektriſche und magnetiſche Fluidum. Neue Apparate für Unterricht und Praxis. Elektriſcher Teitungswiderſtand einiger Metalle und Fegierungen. Die Revue industrielle“ erſtattete | unlängſt Bericht über die von L. Weiller der Société | internationale des Electriciens in Paris gemachten Mit teilungen, betreffend eine Reihe von Verſuchen, welche in der Fabrik des Genannten zu Angoulsme und in einer an— deren Fabrik von Bréguet ausgeführt worden find. Hier— nach ergeben ſich folgende Werte für das ſpecifiſche Lei— tungsvermögen von dabei beſonders in Betracht kommenden Metallen und Legierungen: 200 Humboldt. — Mai 1885. Reines Silber 100 eine Meſſingplatte, welche an dem einen Ende des Balkens Reines Kupfer . 100 der zu dem Apparat gehörigen Wage angebracht iſt. Bei Siliciumbronze⸗⸗ Telegraphendraht 5 98 dieſer Einrichtung jet ſich die Wage ſofort in Bewegung, Legierung gleicher Teile Silber und Kupfer 86,7 wenn die Glasröhre bis zu einer gewiſſen Höhe (je nach Reines Gold. .. 78 der Belaſtung der Wage) voll Waſſer gegoſſen iſt. Ven⸗ Reines Aluminium. 54,2 tile jeben ſich oft feſt, jo daß ſie nicht immer bei gleicher Siliciumbronze⸗ Telephondraht 35 Druckhöhe ſich zu ſenken beginnen. (Zeitſchrift zur Förde⸗ Reines Zink.. : 29,9 rung des phyſik. Unterrichts, Liſſer und Beneke, Heft 2.) Phosphorbronze⸗ Telephondraht ar, 29 Kr. e e Silber und Gold 125 Siemensſcher Snoukfor für Täutewerk und Mo- Reines Zinn 5 ; 15,5 forbetrieb von Schäfer und Montanus in Frankfurt a. M. Aluminiumbronze, 1Oprojentig : 12,6 Siemens-Stahl . : 12 Reines Platin 10,6 Reines OI CLs san. uc. treater 899 Reines Nice! 8 Antimon. 1 3,9 P. Stativ für Flaſchenzüge. Die gewöhnlichen Stative für Rollen und Flaſchenzüge haben den Nachteil, daß ſie ſich nicht gut transportieren laſſen, ohne daß die Schnüre hin und herſchwanken und in Unordnung geraten. Nach⸗ ſtehende Figur zeigt ein Stativ, wie es von Liſſer und Beneke gefertigt wird, bei dem die Schnüre und Rollen oder die loſen Flaſchen an Stäbchen am unteren Ende des Geſtells befeſtigt ſind. Zweckmäßig iſt es, an den Enden der Schnüre ſtets ein Gewicht hängen zu laſſen, welches die Gewichte der Rollen, ſowie der Reibung kompenſiert. (Zeit— ſchrift zur Förderung des hott 11 Verl. von Liſſer und Beneke, Berlin, 1. Heft.) Kr. Apparat für den Satz vom Vodendruck. Prof. Krebs empfiehlt den Apparat von Pascal derart zu ver— ändern, daß das untere Ende der Meſſingfaſſung, auf welche die verſchieden geftalteten Glasröhren aufgeſchraubt werden, mittels einer unten geſchloſſenen Blaſe umbunden wird, welche 3 bis 4 em tief herabhängt. Gegen dieſe drückt Fig. 1. Ein Siemens ſcher Induktor läßt ſich mittels Rad und Welle zwiſchen den Polen dreier Hufeiſenſtahlmagnete drehen. (Fig. 1.) Auf der Achſe des Induktors iſt rechts Fig. 2. ein aus zwei iſolierten Halbcylindern beſtehender Kommu— tator angebracht, an deſſen Hälften zwei Kupferfedern ſchlei— fen, welche mit den Säulchen a und b in Verbindung ſtehen. Fig. 3. Das eine Drahtende a (Fig. 2) der Induktorumwindung ſteht durch eine Schraube mit der Metallmaſſe B des In— duktors in Verbindung, mit welcher auch der eine Halb— cylinder des Kommutators leitend verbunden iſt, während das andere Ende b der Umwindung mit dem anderen Halbeylinder kommuniziert. Zugleich geht das Ende b iſo— Humboldt. — mai 1885. 201 liert durch das Innere der Achſe A des Induktors an einen Stift e, an welchem eine Feder d anliegt. Schaltet man in a und b (Fig. 1) Poldrähte ein, jo erhält man beim Drehen einen kontinuierlichen Strom von ſtets gleicher Richtung; man kann denſelben in die Rollen eines Magnetoinduktionsmaſchinchens (Fig. 3) führen, die— ſes dadurch zum Umlaufen bringen und mittels des Schnur— laufs s auf ſeiner Achſe andere Maſchinchen in Bewegung etzen. ies Man kann aber auch Wechſelſtröme hervorbringen. Zu dem Ende ſind links in Fig. 1 noch zwei Säulchen angebracht, von denen das eine c mit der Feder d, das andere, hier nicht ſichtbare, mit der Metallmaſſe des In— duktors in Verbindung ſteht. Fügt man in dieſe beiden Säulchen die Poldrähte und dreht um, jo erhält man Wech— ſelſtröme. Man kann dieſelben benutzen, um ein Läute— werk (Fig. 4) in Gang zu ſetzen. An dem oberen Schenkel eines Hufeiſenmagnetes iſt eine Achſe a angebracht, um welche ein Eiſenplättchen b, das oben einen Stift mit Klöpfel trägt, hin und herſchwingen kann. Iſt das untere Ende des Hufeiſens ein Nordpol, ſo iſt das Eiſenplättchen unten ſüdmagnetiſch; dasſelbe befindet ſich im Ruhezuſtand in der Mitte zwiſchen zwei Drahtrollen, deren Eiſenkerne durch die Einwirkung des unteren (Nord-)Poles des Stahlmagnetes an den dem Plättchen b zugewandten Enden gleichſtark nordmagnetiſch ſind. Die Drahtrollen ſind ſo gewickelt, daß beim Durchleiten eines Stromes der Magnetismus des einen Eiſenkerns verſtärkt, der des andern geſchwächt oder umgekehrt wird. Leitet man nun in die Rollen die Wechſelſtröme des Siemen s— ſchen Induktors, fo ſchwingt das Eiſenplättchen b in raſcher Folge hin und her, weshalb der Klöpfel oben bald gegen die Glocke rechts, bald gegen die links ſchlägt. Es kann vorkommen, daß die Stahlteile einer Taſchen— uhr magnetiſch werden, wenn jemand einer ſtarken elektri— ſchen Maſchine nahe kommt; alsdann fängt die Uhr an unrichtig zu gehen. Legt man nun die Uhr oder überhaupt elektriſche Stahlteile, welche unelektriſch gemacht werden ſollen, in die Spule Fig. 5 und ſchickt die Wechſelſtröme des Induktors in dieſelben, ſo verliert der Stahl ſeinen Magnetismus. Kr. Körtings Waſſerſtrahl- Luftpumpe für Tahorato— rien und Apotheken. Die Waſſerſtrahl-Luftpumpen der Motorenfabrik von Gebr. Körting in Hannover erzeugen ein faſt abſolutes Vakuum in dem zu evakuierenden Gefäße. Ihre Wirkung beruht darauf, daß ein aus einer feinen Oeffnung mit einer gewiſſen Geſchwindigkeit austretender Waſſerſtrahl die umgebende Luft anſaugt und durch das Abflußrohr mit ſich fortführt. Andererſeits können dieſe Luftpumpen auch zum Komprimieren der angeſaugten Luft auf einen geringen Druck benutzt werden, was in chemiſchen Laboratorien ebenfalls oft erwünſcht iſt. Sie haben ſich ihrer Bequemlichkeit und Leiſtungsfähigkeit wegen in phy— ſikaliſchen und chemiſchen Laboratorien wie in Fabriken raſch eingebürgert und werden nach dem Inkrafttreten der neuen Pharmakopöe, welche das Filtrieren ſämtlicher Si— rupe vorſchreibt, jetzt auch in den Apotheken mit Vorteil 202 Humboldt. — Mai 1885. zur Beſchleunigung dieſer Operation verwendet. Ihre Ein— richtung iſt aus den beiſtehenden Abbildungen erſichtlich. i Das Waſſer ſtrömt aus der zur Verfügung ſtehenden Waſſerleitung durch das Rohr E (Fig. 1) lebhaft ein, reißt dabei Luft durch den Stutzen L mit und erzeugt dadurch in dem mit L in Verbindung ſtehenden Raume ein Va⸗ kuum, deſſen Größe durch ein Vakuummeter beſtimmt wird. Waſſer und Luft fließen durch das Rohr S ab. Das ge— brauchte Waſſer kann natürlich wieder benutzt werden, wenn es wieder in die Zuleitung gebracht wird. Iſt eine Waſſer⸗ leitung A vorhanden (Fig. 2), fo braucht dieſelbe nur durch einen Gummiſchlauch mit der Luftpumpe W verbunden zu werden, um dieſe alsbald in Wirkſamkeit zu ſetzen und dabei beiſpielsweiſe in ein Gefäß B zu filtrieren, während Waſſer und Luft nach C abfließen. Steht das Laborato- rium mit einer leicht verwendbaren Waſſerleitung nicht in Verbindung, jo wird ein kleines Reſervoir oder ein Waffer- kaſten A (Fig. 3) etwa 3½ m oberhalb des Operations- tiſches aufgeſtellt und das zum Betriebe erforderliche Waſſer mit einer Handpumpe P aus einem unterhalb des Appa⸗ rates aufgeſtellten Sammelbaſſin B wieder nach oben gepumpt und ſo das nämliche Waſſer umgearbeitet. Da die Apparate nur 8 Liter Waſſer pro Minute gebrauchen (auf Wunſch werden auch Pumpen von nur 4 Liter Waſſer⸗ verbrauch geliefert), ſo bedarf dieſes Ueberpumpen des Waſſers, wenn erforderlich, einer nur ganz geringen Ar— beitsleiſtung. Der Schlauch, welcher das Waſſer abführt, ſoll ſtets unter Waſſer in dem unter dem Operationstiſche ſtehenden Gefäße B ausmünden. Die geringen Dimen- ſionen der Apparate ermöglichen deren Aufſtellung an jedem Arbeitstiſche; in ihrer Leiſtungsfähigkeit find fie den Kol- ben⸗Luftpumpen wie den früheren Strahl-Luftpumpen über⸗ legen. Der Preis der gewöhnlichen Waſſerſtrahl-Luftpumpe beträgt 15 Mark, der eines Vakuummeters 12 Mark. P. e fol e e ee Alwin Oppel, Tandſchaftskunde. Verſuch einer Phyſiognomie der geſamten Erdoberfläche in Skizzen, Charakteriſtiken und Schilderungen, zugleich als er— läuternder Text zum landſchaftlichen Teile (II.) von Hirts Geographiſchen Bildertafeln. Breslau, Ferdinand Hirt. 1884. Preis kplt. 12 , in Halbfr. 14 / 50 c. Mit Lieferung 11 und 12 iſt das Werk nun vollſtän⸗ dig in unſeren Händen und damit das Verſprechen ein— gelöſt, das die Verlagsbuchhandlung ſeiner Zeit beim Er— ſcheinen des 2. Teils der geographiſchen Bildertafeln gegeben hat. Zunächſt ſollten die Bildertafeln beſchrieben und um— ſchrieben werden, ſo war der urſprüngliche Plan; aber dieſer Plan iſt verlaſſen worden, wofür wir dem Verfaſſer von Herzen dankbar ſein müſſen; das vorliegende Werk kann ſo auch als ein ſelbſtändiges auftreten, ohne an die Bilder— tafeln gebunden zu ſein. Aus dem engen, umgrenzten Rahmen iſt der Verfaſſer herausgetreten und liefert uns Charakterbilder der einzelnen Länder und Erdteile, die wohl als vorzüglichſte Erläuterung zu den Bildertafeln zu benutzen ſind, aber auch, wo dieſe nicht zur Hand, ganz gut ſelbſtändig benutzt werden können. In dieſem erwei— terten Plan liegt das Werk jetzt vor uns. Es iſt, unſeres Wiſſens, das erſte Mal, daß es ver— ſucht wird, ſyſtematiſch Charakterbilder der ganzen Erd— oberfläche zu geben, alles, was bisher da war, beſchränkte ſich nur auf einzelne Teile, auf einzelne Länder, einzelne Kontinente. Es war daher nicht zu verwundern, daß überall das Werk bei ſeinem Erſcheinen mit Freude begrüßt wurde, daß mit Spannung der Fortſetzung und dem Schluß ent— gegen geſehen wird. Gleich die erſten Kapitel der erften Lieferung boten farbenprächtige, in ſich abgeſchloſſene Bilder in knappeſter Form, da war nirgends trockene Aufzählung, nirgends die Darſtellung durch Unweſentliches gehindert, der Lefer ſieht den Landſchaftscharakter vor ſich, wie wenn es ihm ſelbſt vergönnt wäre, mit eigenen Augen zu ſchauen. Dieſen Charakter der lebensfriſchen, warmen Schilderung hat das Werk bis zum Ende bewahrt, ſo daß man es gern | immer und immer wieder zur Hand nimmt, um fic) daraus zu belehren, um ſich von ihm angenehm unterhalten zu laſſen. Ueberall finden ſich eingeſtreut, teils Original— ſchilderungen von Reiſenden, teils Extrakte, letzteres nament- lich häufig im zweiten Buche, das die außereuropäiſchen Erdteile behandelt, wodurch die ganze Darſtellung etwas ungemein Lebendiges erhält. Wir hätten freilich auch im zweiten Buche, ſoweit es anging, lieber Originalberichte gehabt, ebenſo vermiſſen wir die deutlich hervorgehobene Quellenangabe im zweiten Buche, doch ſind die Gründe, die der Verfaſſer angibt, warum er es im zweiten Teile unterlaſſen, während fie im erſten Buche durchweg geſetzt ſind, gewiß ſtichhaltige. Das ganze Werk zerfällt, wie bereits angedeutet, in zwei Teile, zwei Bücher, Europa und die außereuropäiſchen Erdteile. Nach einer kurzen Betrachtung über das Verhältnis Europas zu den übrigen Erdteilen und über ſeinen allge— meinen Naturcharakter, führt uns der Verfaſſer zunächſt den britiſchen Archipel vor, die Küſte, die Oberfläche Groß— britanniens, um dann noch die übrigen Inſeln zu behan— deln; daran reiht ſich Skandinavien, Dänemark, die Nieder— lande, das Deutſche Reich, die Schweiz, Oeſterreich-Ungarn, Frankreich ꝛc., überall findet der Leſer dieſelbe planvolle, durchſichtige Schilderung, wie ſie uns in den erſten Kapiteln entgegengetreten iſt. Humboldt. — Mai 1885. 203 — Daher ijt das vorliegende Werk ſehr gut als Ergänzung jedes geographiſchen Hilfsbuches, als Erläuterung zu allen Atlanten zu gebrauchen, den Lehrern der Geographie zur Vereinfachung ihrer Vorbereitung, den Schülern oberer Klaſſen an höheren Lehranſtalten zur Belebung und Ver— tiefung ihrer Studien, jedem Gebildeten aber als ein prak— tiſches Hilfsbuch auf das beſte zu empfehlen. Frankfurt a. M. Dr. Gotthold. C. J. Wagner, Die Beziehungen der Geologie zu den Ingenieurwiſſenſchaften. gr. Quart. Wien, Spielhagen u. Schurich. 1885. Preis 10 %/ Dieſes eben vom Ober-Ingenieur der Arlbergbahn edierte Werk ſtellt ſich die Aufgabe, im Techniker das Be— dürfnis zu erregen, der Geologie mehr Aufmerkſamkeit entgegenzubringen, ſeinem Geiſt das nötige Wiſſen, ſeinem Auge das nötige Gefühl beizubringen, welches ihn jede Erſcheinung wahrnehmen und verwerten läßt. Bei der großen Erfahrung, die ſich der Verfaſſer in ſeiner viel— ſeitigen Praxis erworben und bei der Vornahme, nur mit Selbſterlebtem, Selbſtausgeführtem zu exemplifizieren, ent— ſtand ein Werk, das beſonders jungen Ingenieuren ſehr nützlich werden muß, das aber auch dem Geologen von großem Werte iſt, ſofern es ihn befähigt, an ſeiner Hand die praktiſchen Maßnahmen für von ihm erkannte geologiſche Verhältniſſe anzugeben oder zu veranlaſſen. Wenn das Werk die allgemein ſtratigraphiſchen Ver— hältniſſe beſpricht und auch eine kurze Beſprechung der Geſteine liefert, ſo macht es wohl nicht den Anſpruch, ganz Präciſes, beſonders in letzterem, wie ein Lehrbuch der Petrographie zu bieten, und wie es dem größeren Haupt— teile eigen tt. Wie ſchon angedeutet, wird Ingenieur und Geolog in den Kapiteln Vorerhebungen — Sondierung mit Bohrungen, Probegraben, Schlitzen, Schacht- und Stollen-Bauten, Drai— nage mit Thonröhren, Anlage offener Gräben — einen Schatz von Erfahrungen niedergelegt finden, für deren Mitteilung ſie dem Verfaſſer ſehr dankbar ſein dürfen. Die Beſprechung der Bauten, welche Wagner ſelbſt ausgeführt hat und hier nur als Beiſpiele für die vom Ingenieur ins Auge zu faſſenden Umſtände wie auch für die entſprechenden Maßnahmen aufführt, iſt der Hauptſache nach ſchon in Fachzeitſchriften publiziert. Zur Inſtruktion find im Text eine große Anzahl (65) Abbildungen (Appa- rate, Profile ꝛc.) eingefügt; außerdem ſind zur Illuſtration der Spezial-Abhandlungen — der Tunnel am Unterſee mit Einbeziehung des Terrains zwiſchen Lend und Taxenbach — Abſitzungen und Rutſchungen — Schutthalden von Ge— ſteinen älterer Formationen — Tunnelbau bei Biſchofs— hofen auf der Salzburg-Tiroler Bahn — das Gebiet des Sonnenſteins am Traunſee — das Hausruckgebirge — das Mehlburger Gebiet — geologiſche Karten, geologiſche Pro— file, Situationspläne, Darſtellungen von Tiefbauten ꝛc. in 24 Tafeln beigegeben. Die ſo zerſtreuten Publikationen ſind alſo hier vereint. In den Schlußbemerkungen hebt der Verfaſſer mit Recht hervor, daß der Ingenieur keinen Bahndurchlaß, Ufer— ſchutzbau ꝛc. als zu geringfügig halten ſoll, deſſen Baſis, auf welche er ihn ſtellen will, genau zu unterſuchen. Nicht bloß die Sicherheit des Ingenieurs und die finanzielle Seite des Unternehmens muß hierdurch weſentlich gewinnen, ſon— dern auch die Wiſſenſchaft, die Erkenntnis des geologiſchen Baues der Gegend, der Schichtenfolge, der Waſſerläufe muß ſeitens ſolcher Ingenieure ſehr gefördert werden. Viel tech— niſche und geologiſche Einſicht und Umſicht wird erfordert. Unter anderem zeigt Verfaſſer an diverſen Beiſpielen, von welchen Umſtänden es abhängig iſt, bis zu welcher Tiefe die vorzunehmenden Erhebungen nötig ſind; beſonders werden auch hier Ratſchläge zur Fundierung gegeben, auch werden die Umſtände analyſiert, die bei Geſchiebe führenden Wäſſern in Seitenthälern und ihrer Einmündung ins Hauptthal vorkommen können, und die paſſenden Maßnahmen erörtert. Frankfurt a. M. Dr. Friedr. Kinkelin. H. J. Klein, Vraktiſche Anleitung zur Voraus. beſtimmung des Wetters. Leipzig, Freytag. 1884. Preis 75 J, Auf kleinem Raume (60 Seiten) gibt der bewährte Meteorologe der, Kölniſchen Zeitung“ in genannter Broſchüre eine Anleitung zur Vorausbeſtimmung des Wetters, welche um ſo beachtenswerter iſt, als der Verfaſſer ſchon ſeit ver— ſchiedenen Jahren auf dieſem Gebiete praktiſch thätig iſt. In der Einleitung, welche eine Reihe hiſtoriſcher Be— merkungen enthält, wird erwähnt, daß Otto von Guerike der erſte geweſen iſt, welcher auf Grund ſeiner Beobach— tungen an einem Waſſerbarometer Prognoſen geſtellt und auch einen Sturm für den 9. Dezember 1060 richtig voraus— geſagt hat. Der Verfaſſer beſpricht weiter die Unzuver— läſſigkeit, namentlich des gewöhnlichen Barometers, ſowie des Verhaltens gewiſſer Tiere, wie Spinnen, Laubfröſche u. dgl. zur Vorausbeſtimmung des Wetters. Erſt die neuere Meteorologie, welche mit der Aufſtellung der Geſetze von Buijs Ballot in den ſechziger Jahren anhebt und ihre praktiſche Ergänzung durch die Errichtung der See— warte in Hamburg erhalten, hat es möglich gemacht, das Wetter auf 24 Stunden mit zufriedenſtellender Sicherheit vorauszuſagen. Doch bemängelt Klein die Prognoſen, welche von einer Centralſtelle, wie der deutſchen Seewarte, für ein ſo großes, verſchiedenartig gegliedertes Gebiet, wie das Deutſche Reich, ausgegeben worden ſind; denn da die lokalen Verhältniſſe an den einzelnen Orten nur zu verſchieden ſind, ſo iſt begreiflich, daß ſolche Prognoſen nicht aller— warts zutreffen können. — Klein gibt nur 57 %o Treffer an. Anders geſtalten ſich die Verhältniſſe, wenn die all— gemeinen Angaben der Seewarte mit den lokalen Beobach— tungen einer Centralſtation für ein kleineres, gleichartig gegliedertes Gebiet zuſammengehalten und zu einer Prognoſe verarbeitet werden. Dadurch iſt ſchon eine viel größere Sicherheit zu erwarten. Klein rechnet 85 Treffer. Wir fügen hier noch bei, daß Herr Dr. Klein in einem Aufſatz „Auswärtige und lokale Wetterprognoſen“ („Das Wetter,“ Heft 1, 1885) nach Vorgang des Herrn Profeſſor Börnſtein in Berlin der lokalen Wetterprognoſe ent— ſchieden das Wort redet. Nach ſeinen Aufſtellungen hat die auf rein lokale Beobachtungen geſtützte Wetterprognoſe über die von der Seewarte ohne Zuhilfenahme der lokalen Beobachtungen aufgeſtellte entſchieden das Uebergewicht. Nach unſerer Meinung war von vornherein klar und ijt auch ſtets von der Seewarte betont worden, daß die all— gemeine Prognoſe durch die lokalen Beobachtungen ihre Ergänzung finden müßte. Da nun manche Zeitungen es für einfacher hielten, ohne weiteres die Prognoſe der See— warte abzudrucken und nicht einen Meteorologen an Ort und Stelle zu gewinnen, welcher auf Grund lokaler Beob— achtungen die Depeſche der Seewarte ergänzen ſollte, fo hat die Seewarte, um dieſem Unfug ein Ende zu machen, die Prognoſenausgabe für die öffentlichen Blätter ein— geſtellt. Die Seewarte trifft kein Vorwurf. Unſer Wunſch wäre der, daß die Seewarte in anderer Form ihre Mit- teilungen wieder aufnähme: da ihr denn doch ein ſehr um— fängliches Material zu Gebot ſteht, da ſie eher wiſſen kann, ob etwa im ganzen Weſten von Europa die Temperatur ſich heben dürfte, ob da oder dort ein Teilminimum in der Bildung begriffen iſt u. dgl., ſo würden derartige all— gemeine und ſichere Notizen für den „Lokalwettermacher“ von großem Werte ſein, ohne daß damit Unfug von ſeiten der öffentlichen Blätter getrieben werden könnte. Die Deviſe Börnſteins: „Jeder ſein eigener Wetterprophet“ ſcheint uns mehr als gewagt. : Nad Diejer Abſchweifung bemerken wir, daß Klein auf ſeine einleitenden Bemerkungen eine Beſchreibung der gewöhnlichen meteorologiſchen Inſtrumente: Barometer, Thermometer, Pſychrometer, Regenmeſſer, Windfahne und Wolkenſpiegel folgen läßt. Darauf werden in ſehr ver— ſtändlicher Weiſe die Geſetze von Buijs Ballot be— ſprochen, deren Kenntnis für die Wetterprognoſe ſo wich— tig iſt. Sehr hübſch ſind die Bemerkungen über den Witterungs- 204 Humboldt. — Mai 1885. charakter im Gebiete eines Maximums und Minimums im Sommer und Winter. Dabei macht der Verf. eine Reihe kleiner, aber ſehr wichtiger Bemerkungen. Der Abſchnitt „die Cirruswolken und das Wetter“ verdient beſondere Beach— tung. — Nachdem Klein noch einige Benennungen erklärt, gibt er mehrere ſehr lehrreiche Beiſpiele, wie eine Wetter— prognoſe auf Grund der Depeſchen der Seewarte und der lokalen Beobachtungen aufgeſtellt werden kann. Im ganzen können wir vorliegende Schrift, als ſehr anziehend und allgemein verſtändlich geſchrieben, jedermann empfehlen, welcher ſich für Wetter und Wetterprognoſen intereſſiert. Frankfurt a. M. Prof. Dr. G. Krebs. M. Faraday, Naturgeſchichte einer Kerze. Zweite Auflage, deutſch von Richard Meyer. Berlin, Oppenheim. 1883. Preis 1 M 80 J Vorliegendes, übrigens allbekanntes Werkchen iſt aus Vorträgen entſtanden, welche Faraday, einer der bedeutend— ſten Phyſiker und geſchickteſten Experimentatoren des Jahr— hunderts, vor einem jugendlichen Auditorium gehalten hat. Es iſt bewundernswürdig, in welch geſchickter Weiſe ſich dieſer große Forſcher zu der Jugend herabzulaſſen verſtand. Es gibt wohl kaum eine Schrift, welche die induktive Forſchungsmethode in ſo klarer und zugleich ſtrenger Weiſe verſinnlicht. Sie hat deshalb für den jugendlichen Leſer, welcher auch leicht die angegebenen Experimente nachmachen kann, den bedeutenden erziehlichen Wert, daß er lernt, in welcher Weiſe eine naturwiſſenſchaftliche Frage behandelt und beantwortet werden muß. Aus dem gleichen Grunde ſollte kein Lehrer das Buch ungeleſen laſſen, da es ihm die beſten methodiſchen Fingerzeige gibt. Frankfurt a. M. Prof. Dr. G. Krebs. A. Nauber, Argeſchichte des Menſchen. Ein Handbuch für Studierende. Leipzig, F. C. W. Vogel. 1884. Preis 18 % Das vorliegende Werk zerfällt in 2 Bände, wovon der erſte — betitelt: „die Realien“ — jene auf europäiſchem Boden gemachten Funde, reſp. die daſelbſt gewonnenen Forſchungsergebniſſe behandelt, welche die Grundlage unſerer gegenwärtigen Anſchauungen über die von der Menſchheit auf der Bahn des Fortſchreitens zu hohen Zielen unter— nommenen erſten Schritte bilden. Nach einem kurzen Ueberblick über die Entwickelung der anthropologiſch-urge— ſchichtlichen Forſchung und nachdem Weſen und Aufgaben derſelben und die Unentbehrlichkeit der prähiſtoriſchen Studien für die richtige Beurteilung unſeres heutigen Kulturbeſitzes erörtert wurden, werden zunächſt jene Grenzlinien feſt— geſtellt, welche die vorgeſchichtliche Zeit von der geſchicht— lichen trennen, und bei verſchiedenen Völkern, reſp. in verſchiedenen Ländern verſchieden gelegen ſind. Weiterhin wird das Werkzeug in ſeiner Bedeutung für die menſch— liche Kulturentwickelung und zwar ebenſowohl die „vor— metalliſche“ Stufe desſelben, wie jener Abſchnitt der Prähiſtorie, während deſſen Metalle zur Herſtellung von Werkzeugen und Waffen dienten, einer Betrachtung unter— zogen. Was den zuerſt erwähnten Abſchnitt — die Stein— zeit — anlangt, ſo können wir uns mit unſerem Autor nicht einverſtanden erklären, wenn derſelbe behauptet: „Der Einfluß der Oertlichkeit, nicht aber der Einfluß einer ver— ſchiedenen Kulturſtufe bewirkt es, daß in dem einen Falle geſchlagene, in dem anderen geſchliffene Steingeräte hervorgebracht werden.“ Unſeres Exachtens dürfte vielmehr der Umſtand, daß in den Höhlen und Ablagerungen der Diluvialzeit zuſammen mit den Knochenxeſten einer unter— gegangenen Tierwelt bisher nur „geſchlagene“ (zu— gehauene) Stein-Werkzeuge und Gerätſchaften aufgefunden wurden, zu Gunſten einer ſcharfen Scheidung zwiſchen paläolithiſcher Zeit (Periode der geſchlagenen Steinwerkzeuge) und neolithiſcher Zeit (Periode der geſchliffenen Steingeräte) und zugleich dafür ſprechen, daß letztere Epoche einen weſentlichen Kulturfortſchritt bezeichnet. Andererſeits müſſen wir, wenn wir zum metalliſchen Abſchnitt der Urgeſchichte übergehen, Rauber darin beipflichten, daß die von däniſchen und britiſchen Gelehrten zuerſt aufgeſtellte Theorie, wonach der Eiſenzeit regelmäßig eine Bronzezeit vorangegangen ſein ſoll, durch die neuere Forſchung keineswegs beſtätigt wird, „daß ſich vielmehr innerhalb einer großen Eiſenzeit an manchen Orten eine Bronzekultur, entſprechend der dem neuen Stoff zukommenden Verwendbarkeit, entwickelte,“ und daß Bronze und Eiſen keineswegs Konkurrenzmetalle waren, daß die— ſelben vielmehr, entſprechend ihrer verſchiedenen Benutzung — die Bronze diente vorwiegend zu Kunſt und Schmuck, das Eiſen hauptſächlich zu praktiſchen Zwecken — zum Teil nebeneinander hergingen. Weitere Abſchnitte des erſten Bandes behandeln die Methoden der Feuergewinnung, die Entwickelung der Thonbildekunſt und die aus den keramiſchen Ueberreſten, die man in treffender Weiſe als „die Leit— muſcheln der Archäologie und Prähiſtorie“ bezeichnet hat, bezüglich des Kulturzuſtandes der Völker, welche die betr. Thongefäße herſtellten, zu ziehenden Schlüſſe, das Brennen und Färben der aus Thon gebildeten Gegenſtände, die Erfindung der Töpferſcheibe u. dergl. Ferner werden die- jenigen Subſtanzen, welche zur Ernährung des vorgeſchicht— lichen Menſchen dienten (Waſſer, Kochſalz, pflanzliche und - tieriſche Nahrung), erörtert; unter den pflanzlichen Nahrungs- mitteln wird übrigens die Hirſe nur beiläufig erwähnt, obwohl dieſelbe als das „Getreide der Vorzeit“ (V. Hehn) eine bedeutende Rolle geſpielt hat. — Die Frage, ob der Menſch urſprünglich in pflanzlicher oder in tieriſcher Nah— rung ſeinen Unterhalt geſucht habe, wird in erſterem Sinne beantwortet; erſt die Not mußte ihn dazu treiben, da, wo es an Pflanzenkoſt fehlte, nach animaliſcher Speiſe ſich um— zuſehen. Auch muß hervorgehoben werden, daß die durch den Nahrungserwerb bedingte Thätigkeit den erſten geſell— ſchaftlichen Verbänden von vornherein ihren Stempel auf— geprägt, dergeſtalt, daß wir in der Urzeit vier Kategorien, nämlich: Sammler (ſolche, welche die ſich mühelos dar— bietenden Naturerzeugniſſe einſammeln und zu ihrer Er— nährung verwenden), Jäger, Hirten und Ackerbauer zu unterſcheiden haben, wobei jedoch zu bemerken iſt, daß die vier nach der Ernährungsweiſe beſtimmten Daſeinsformen der Verbände keine Stufen ſind, die notwendig der Reihe nach aufeinander folgen müſſen. In dem Abſchnitte, welcher ſich mit der Ernährung des vorgeſchichtlichen Menſchen be— faßt, finden wir auch eine Beſchreibung jener als Mahlzeits⸗ reſte aufzufaſſenden Muſchelhaufen (Kjökkenmöddings), welche zuerſt in Dänemark, ſpäter auch in anderen Ländern nach⸗ gewieſen wurden, ſowie jener vorgeſchichtlichen Stationen, welche, wie diejenigen von Solutré, Schuſſenried u. a. beweiſen, daß Pferdefleiſch ein ſehr altes Gericht iſt. — In einem weiteren Abſchnitt wird die Bekleidung des Ur— menſchen, ſowie die zur Herſtellung von Kleidungsſtoffen dienenden Künſte des Webens und Spinnens auf ihrer früheſten Entwickelungsſtufe geſchildert und zugleich der Tättowierung und den Schmuckgegenſtänden der vorgeſchicht⸗ lichen Zeit eine Betrachtung gewidmet. In dem Kapitel „Obdach“ werden die zu Wohnungen benutzten Höhlen der verſchiedenen Länder Europas, die Grubenwohnungen (künſtliche Höhlen), die Herſtellung von Hütten aus Holz und Lehm beſchrieben und die Pfahlbautenanſiedelungen ausführlich geſchildert. Was letztere anlangt, ſo glaubt unſer Autor, daß gleichzeitig mit den Seedörfern der Schweiz das ganze Land bewohnt war, und daß die Ent— ſtehung dieſer Niederlaſſungen nicht in ſo ferne Zeit zurück— datiert, wie man bisher angenommen hat. Im Anſchluß an die Beſprechung der vorgeſchichtlichen Wohnungen wird auch die prähiſtoriſche Steinbaukunſt, über die Schliemanns Ausgrabungen wichtige Aufſchlüſſe geliefert haben, erörtert. Ein beſonders wichtiges Kapitel bilden ferner die Gräber der Vorzeit, unter denen Höhlengräber, Dolmen (im Vier— eck, Kreis oder Oval aufgeſtellte mächtige Tragſteine, auf denen ein oder mehrere große Deckſteine liegen), die Hünen— betten, Ganggräber, Hügelgräber (Tumuli) und Flachgräber zu unterſcheiden ſind. Im Anſchluß an die beſagten Grab— ſtätten werden auch die zur Erinnerung an Verſtorbene errichteten megalithiſchen Denkmale (Menhirs und Cromlechs) . Humboldt. — Mai 1885. 205 beſchrieben, das Verhältnis der Leichenbeſtattung zur Leichen— verbrennung erörtert und über die zur Aufnahme der Aſchenreſte dienenden Urnen berichtet. An die Beſprechung der Begräbnisſtätten ſchließen ſich naturgemäß jene prä— hiſtoriſchen Objekte, welche in Beziehungen ſtehen zu den religiöſen Anſchauungen (Unſterblichkeitsglaube, Ahnenkultus) und den abergläubiſchen Vorſtellungen des vorgeſchichtlichen Menſchen; unter den Kultusſtätten bieten die altertümlichen Steinbauten von Stonehenge in England, die Felsſpitze des Lochenſtein (Württemberg) u. a. ein hohes Intereſſe, während andererſeits aus den uns erhaltenen Idolen und Amuletten (Mondſichelbilder mit dem Zeichen der Svaſtika verſehene Cylinder und Kugeln, Fragmente, trepanierter Schädel u. dgl.) bezüglich gemeinſamer Gebräuche und hieraus wieder bezüglich gemeinſchaftlicher Abſtammung vorgeſchichtlicher Völker ſich wahrſcheinlich noch wichtige Aufſchlüſſe ergeben werden. Unter den Verteidigungswerken aus prähiſtoriſcher Zeit verdienen die auf Bergſpitzen ge— legenen Wallburgen, wie ſolche während der letzten Jahre in den verſchiedenſten Gegenden Deutſchlands und in anderen europäiſchen Ländern nachgewieſen wurden, ſowie jene eigentümlichen verglaſten Burgwälle (Brand- oder Schlacken— wälle), welche durch Anzünden von zwiſchen das Geſtein eingefügtem Holz hergeſtellt wurden, eine beſondere Er— wähnung. — In einem weiteren Kapitel werden die zuſammen mit den Gerätſchaften und Skelettteilen des vorgeſchichtlichen Menſchen ſich findenden tieriſchen Knochenreſte noch beſon— ders beſprochen und unter Zugrundelegung der Unter— ſuchungen Nehrings der Nachweis geführt, daß der Menſch der Prähiſtorie ſeit der Eiszeit zuſammen mit vier ver— ſchiedenen Faunen — nämlich 1) mit einer Glacialfauna, 2) einer Steppenfauna, 3) einer Weidefauna, 4) einer echten Waldfauna — Europa bewohnt hat, welche Faunen bedingt durch Veränderungen des Klimas und der Vegetation zum Teil aufeinander gefolgt ſind, zum Teil räumlich ge— trennt, in verſchiedenen Lokalitäten gleichzeitig exiſtiert haben. Auch werden jene Momente, welche zur Zähmung unſerer heutigen Haustiere geführt haben, und die Ab— ſtammung derſelben erörtert. Den Schluß des erſten Bandes bildet endlich die Beſchreibung der körperlichen Ueberreſte des vorgeſchichtlichen Menſchen ſelbſt, ſowie jene Schlüſſe, welche aus den uns erhaltenen Schädeln und ſonſtigen Skelettteilen bezüglich der geiſtigen Beanlagung des Ur— menſchen und der Entſtehung der verſchiedenen Menſchen— raſſen ſich ergeben. Während in dem erſten Bande des Rauberſchen Werkes, deſſen weſentlichen Inhalt wir im Vorhergehenden ſkizziert haben, die auf europäiſchem Boden gemachten Funde zu natürlichen Gruppen vereinigt beſprochen werden, bildet nicht die Verſchiedenartigkeit der „Realien,“ ſondern viel— mehr die Verſchiedenheit der Erdgebiete die Grundlage der Einteilung des im zweiten Bande verarbeiteten Materials. Mit einem intereſſanten Lebensbilde Dr. Heinrich Schliemanns wird zunächſt die Beſprechung deſſen, was in neueſter Zeit über die Vergangenheit der Troas feſt— geſtellt wurde, eingeleitet. An dieſen wichtigen Teil der Prähiſtorie knüpft ſich ſodann die Vorgeſchichte Babyloniens, unter deſſen Bewohnern die in älteſter Zeit zwiſchen Euphrat und Tigris anſäſſigen Sumero-Akkader, welche, nach ihrer Sprache zu urteilen, ſowohl dem indos-europäiſchen, wie dem hamito⸗-ſemitiſchen Volksſtamm fremd gegenüberſtehen, neuerdings den Gegenſtand zahlreicher Unterſuchungen ge— bildet haben. Weiterhin wird der Einfluß, welchen das Handelsvolk der Phöniker auf die Verbreitung der in Aſien und in Aegypten ſchon früh einheimiſchen Kultur ausgeübt hat, erörtert, und das wunderbare Pharaonenland ſelbſt, ſowie deſſen Stein- und Metallzeit zum Gegenſtand der Beſprechung gemacht. Weitere Abſchnitte des zweiten Bandes behandeln die Prähiſtorie des Kaukaſus, Vorderindiens, Hinterindiens, die Entwickelung der merkwürdigen chineſiſchen Kultur, ſowie die Vorgeſchichte Japans und Nordaſiens. Mit einem intereſſanten Ueberblick über die Ergebniſſe der anthropologiſch-urgeſchichtlichen Forſchungen Nordamerikas — aus denen hervorgeht, daß die Moundbuilders des weſt— lichen Kontinents als die direkten Vorfahren der heutigen Humboldt 1885. indianiſchen Stämme zu betrachten ſind — ſowie mit einer überſichtlichen Zuſammenfaſſung der aus den Einzelſtudien bezüglich des Urſprungs der Metallkultur und des Verhalt- niſſes der Bronze zum Eiſen ſich ergebenden Folgerungen ſchließt dieſer Teil des Rauberſchen Werkes. — Die letzte Abteilung desſelben (zweiter Teil des zweiten Bandes) be— handelt die Entwickelungsgeſchichte der menſchlichen Geſell— ſchaft. Es würde zu weit führen, wenn wir die in dieſem Abſchnitt erörterten Fragen hier im einzelnen aufführen wollten; bemerkt ſei hier nur, daß zunächſt die Erde als Wohnſitz des Menſchengeſchlechts und der Einfluß des Klimas und der Bodenbeſchaffenheit auf die Kulturentwicke— lung beſprochen und ſodann die Frage: Wann und wo, d. h. in welcher geologiſchen Epoche und an welchem Punkte unſeres Planeten iſt der homo sapiens zuerſt aufgetreten? eingehend erörtert wird. Hierbei geht der Verfaſſer von der Anſchauung aus, daß der Urſprung des Menſchen— geſchlechts nur ein monotopiſcher ſein, d. h. nur an einem Punkte unſeres Erdballs ſtattgefunden haben könne. Der— ſelbe bekennt ſich auch zu der Anſicht, daß es nur eine einzige Menſchenart gebe oder mit anderen Worten, daß die unterſcheidenden Merkmale verſchiedener Menſchen— gruppen nicht als Art-, ſondern als Raſſencharaktere zu betrachten ſeien An die Erörterung der Ehe und ihres Einfluſſes auf die Vermehrung des Menſchengeſchlechts werden Betrachtungen über die Bildung des „polymorphen Staates“ angeknüpft und gezeigt, daß Völker mit hohem Vermehrungsquotienten darauf angewieſen find, durch in— duſtrielle Produktion und Ausbreitung der Abſatzgebiete für ihre Induſtrieerzeugniſſe ihren Bevölkerungsüberſchuß zu ernähren — Betrachtungen, die in gegenwärtiger Zeit, wo eine deutſche Kolonialpolitik inauguriert wird, ein ganz beſonderes Intereſſe bieten. — Weiterhin werden die Wan— derungen der Völker und der Einfluß, den dieſelben auf die Entſtehung der ethniſchen Charaktere ausüben, die Raſſenbildung und die von verſchiedenen Forſchern auf— geſtellten Raſſeneinteilungen beſprochen. Unter den das geiſtige Gebiet berührenden Erwerbungen des Menſchen— geſchlechts wird zunächſt der Urſprung der Sprache in geiſtreicher Weiſe erörtert und gezeigt, daß die Linguiſtik völlig unzureichend iſt, um die Entwickelung dieſer hervor— ragenden Fähigkeit des Genus homo, deren Rudimente bereits bei vielen Tieren angetroffen werden, zu erklären. Ein „ſprachloſer Urmenſch“ hat nach Rauber nie- mals exiſtiert; es iſt vielmehr eine einzige, wenn auch eine unvollkommene Urſprache anzunehmen. Auch die in neueſter Zeit durch Schrader u. a. vervoll⸗ kommnete „linguiſtiſche Paläontologie,“ d. h. jener Zweig der Forſchung, welcher aus der in verſchiedenen Sprachen gemeinſchaftlichen Benennung eines und desſelben Objektes Schlüſſe zieht über Wohnſitze und Kulturzuſtände der be— treffenden Völker — ſo z. B. über die urſprüngliche Heimat und die früheſte Kultur der ariſchen Stämme — wird vom Verfaſſer einer Beſprechung unterzogen. Den Schluß des hochintereſſanten Rauberſchen Werkes bilden Auseinander— ſetzungen über Anfänge und Aufſchwung der Intelligenz, Religion und Moral und Betrachtungen über die Ent— ſtehung des Staates. Insbeſondere ſind es die letzteren, deren Lektüre wir einem jeden empfehlen, welcher über die zwiſchen Individuum und Individuengemeinſchaft be— ſtehenden Beziehungen, über den modernen Staatsbegriff und das Verhältnis der Kirche zum Staat ein von dog— matiſchen Anſchauungen ungetrübtes, von Irrlehren un— beeinflußtes objektives Urteil ſich verſchaffen will. Kaſſel. Dr. Moritz Alsberg. Philipp Vaulitſchke, Die geographiſche Erforſchung der Adal- Länder. Leipzig, L. Frohberg. 1884. Preis 4 / Als der berühmte Stanley ſeitens der Redaktionen des Daily Telegraph und des New York Herald aufgefordert wurde, den afrikaniſchen Weltteil zu bereiſen und Livingſtone aufzuſuchen, da begab er ſich, wie er erzählt, zu einem Londoner Antiquar und kaufte demſelben alles ab, was er von afrikaniſcher Litteratur beſaß, um daraus den Weltteil, 27 206 Humboldt. — Mai 1885. der ihm bis dahin eine noch vollkommenere terra incognita ge⸗ weſen war als anderen Sterblichen, ſo gründlich als mög— lich kennen zu lernen. Wir Deutſchen nennen eine der- artige Vorbereitung auf eine Forſchungsreiſe vielleicht eine wüſte und abenteuerliche, aber der Erfolg hat das Werk gekrönt und eine Zeitlang galt der Kongo-Entdecker ohne Zweifel den meiſten Leuten für den bedeutendſten aller Afrikareiſenden. Dr. Philipp Paulitſchke hat bei ſeinem Plane, ſeiner—⸗ ſeits auch etwas zu der wiſſenſchaftlichen Entſchleierung des dunklen Weltteils beizutragen, einen anderen Weg ein— geſchlagen wie der amerikaniſche Reiſende. Er hat ſich an unſeren vortrefflichen Schweinfurth gewandt, der in unſeren Augen als Afrikaforſcher immer etwas mehr wog als Stanley, und von dieſem hat er ſich dasjenige afrikaniſche Gebiet bezeichnen laſſen, in dem ſeiner Meinung nach eine gründliche Forſchung am meiſten not that und am meiſten Ausſicht bot; und als ihm dieſer das Hinterland von Obork, Zeila und Berbera als ſolches bezeichnete, da hat er ſich mit deutſcher Gründlichkeit und deutſcher Univerſalität daran gemacht, dieſes Land zu ſtudieren. Die geographiſchen Litteraturen Deutſchlands, Englands, Frankreichs und Italiens und die alten arabiſchen Quellen, über die Länder an dem afrikaniſchen Oſthorn, ſoweit ſie in den größeren europäiſchen Bibliotheken zu Gebote ſtanden, wurden durch— muſtert, und auf Grund der kritiſchen Prüfung derſelben liefert uns der Wiener Gelehrte eine ſchöne Monographie jener Adäl- und Hararländer, die er fic) vorgenommen hat, in Geſellſchaft des Edlen von Hardegger zu bereiſen. Auch wenn die projektierte Expedition nicht ſo blendende Erfolge haben ſollte wie die Stanley'ſchen, würden wir einen Beitrag zur wiſſenſchaftlichen Erdkunde von dieſer Art hochwillkommen heißen müſſen. Als Zweck und Ziel der Expedition wird im 8. Kapitel des Buches ein Vor— dringen bis nach Schoa, ſowie die topographiſche Aufnahme und die noch völlig brach liegende geologiſche, botaniſche, zoologiſche, meteorologiſche und anthropogeographiſche Durch- forſchung der zwiſchen Zeila, Harar und Schoa liegenden Landſchaften bezeichnet. Dresden. Dr. Emil Deckert. Philipp Vaulitſchke, Die Sudanländer nach dem gegenwärtigen Stande der Kenntnis. Mit 50 in den Lert gedruckten Holzſchnitten, 12 Ton- bildern, 2 Lichtdrucken und einer Karte. — In: „ Sllufivierte Bibliothek der Länder- und Völker— kunde.“ Freiburg, Herder. 1885. Preis 7 % Bei dem immer mehr überwiegenden Intereſſe für Innerafrika können wir ein Werk wie das vorliegende nur mit Freude begrüßen. Neues zu bringen, iſt natürlich nicht ſein Zweck, aber es gibt in ziemlich überſichtlicher Zuſammenſtellung ein Reſumé deſſen, was wir, in erſter Linie durch die Deutſchen, aber auch durch andere Reiſende liber das geheimnisvolle Land zwiſchen der Sahara und dem Kongo wiſſen, und wird jedem willkommen ſein, der ſich für Afrika intereſſiert und doch die zahlreichen Reiſe— werke, aus denen es ſchöpft, nicht ſelbſt anſchaffen kann. Die Illuſtrationen ſind reichlich und im allgemeinen recht gut gewählt; nur wäre zu wünſchen geweſen, daß überall, nicht nur bei einzelnen Kopien nach Schweinfurth, ange— geben worden wäre, woher die Illuſtration genommen. Schwanheim a. M. Dr. W. Kobelt. Alois Schwarz, Zſomorphismus und Volymorphis mus der Mineralien. Mähr.⸗Oſtrau, Julius Kittl. 1884. Unter den wiſſenſchaftlich intereſſanteſten Eigenſchaften der Mineralien ꝛc., ſofern fie die Beziehungen zwiſchen von— einander unabhängig ſcheinenden Eigenſchaften darlegen und ſo als eine der erſten Thatſachen erkannt waren, welche die derzeit weſentlich gemehrten, innigen Beziehungen phyſi— kaliſcher und chemiſcher Eigenſchaften darthaten, ſteht der Iſomorphismus und Dimorphismus obenan; mit der Er⸗ kenntnis des Iſomorphismus war ein vielverſprechender Wn- fang gemacht, alle Eigenſchaften eines Körpers in ihrer gegen— ſeitigen, geſetzmäßigen Beziehung zu erkennen. Dieſen Eigenſchaften iſt u. a. auch die Gruppierung der Mineralien zu den natürlichen Familien analogen Abteilungen zu danken. Verfaſſer gibt in der vorliegenden Abhandlung die hiſtoriſche Entwickelung dieſer für die mineralogiſche Forſchung ſo bedeutungsvollen Fragen und faßt das bisher Eruierte über Iſomorphismus und Dimorphismus reſp. Polymorphismus in zwei Tabellen überſichtlich zuſammen. Ein ſolcher Ueber— blick wird vielen erwünſcht ſein; auch an ſich iſt er eine dankenswerte Arbeit. Frankfurt a. M. Dr. Friedr. Kinkelin. Bibliographie. Bericht vom Monat März 1885. Allgemeines. Viographieen. Bail, Methodiſcher Leitfaden für den Unterricht in der W 1. u. 2. Heft. Leipzig, Fues' Verlag. cart. M. 2. Berichte über die Sitzungen der ane e zu Halle im Jahre 1884. Halle, M. Niemeyer. M. Beyer, O. W., Die Naturwiſſenſchaf ten in der Eniehungsſchule Nebſt Vorſchlägen für Schulreiſen, Tierpflege, Schulgarten, Schulwerkſtatt und Schullaboratorium. Leipzig, G. Reichardt's Verlag. M. 3. Buch's, L. v., geſammelte Schriften. Herausg. von J. Ewald, J. Roth u. W. Dames. 4. Band. 2 Theile. Berlin, G. Reimer. M. 50. Curti, Th., Die Entſtehung der Sprache durch Nachahmung des Schalles. Stuttgart, E. Schweizerbart'ſche Verlagsbuchhandlung. M. 1. 60. Handatlas, großer, der Naturgeſchichte aller drei Reiche. Herausg. von G. v. Hayek. 2. Aufl. 1. Lief. Wien, M. Perles“ Verlags-Conto. M. 1. Jäger, G., Entdeckung der Seele. 3. Aufl. Leipzig, E. Günther's Verlag. M. 2. Jahreshefte des naturwiſſenſchaftlichen Vereins für das Fürſtenthum Lüneburg. IX. 1883. 1884. Lüneburg, Herold & Wahlſtab. M. 2. Mittheilungen, mathematijd= naturwiſſenſchaftlich. herausgegeben von Böklen. 1. Heft. Tübingen, Fues, Verlagsbuchh. M. 2. Mittheilungen, mathematijde u. clic aus den Sitzungs⸗ berichten der königl. preuß. Akademie der Wiſſenſchaften zu Berlin. Jahrgang ee 1. Heft. Berlin, F. Dümmler's Verlagsbudhoig. o cplt. M. 8. Sitzungsanzeiger der kaiſerl. Akademie der Wiſſenſchaften: Mathematiſch— naturwiſſenſchaftliche Claſſe. Jahrgang 1885. (ca. 30 Nummern.) Nr. 1—4. Wien, C. Gerold's Sohn. pro eplt. M. 3. Sitzungsberichte der mathematiſch⸗ phyſikaliſchen Claſſe der k. b. Akademie der Wiſſenſchaften i in München. Jahrgang 1884. 4. Heft. München, G. Franz'ſche Verlagsbuchhandlung. M. 1. 20. Vierteljahresſchrift für Zoologie, Botanik, Mineralogie und Geologie, nebſt einer Revue f. d. Ausland. 9. Band. 1885. Nr. 1. Buda⸗ peſt, F. Kilian's Univ.-Buchhandlung. pro Gite M. 8. Wershoven, F. J., Naturwiſſenſchaftlich-techniſches Wörterbuch. 2. Theil. Deutſch⸗engliſch. Berlin, L. Sa M. 1. 50., geb. M. 1. 80.; eplt. in 1 Band geb. M. 3. Wie ſtudiert man gaben ine Phyſik? Leipzig, Roßberg'ſche Buchhandlung. M. — Zeitſchrift, Jenaiſche, für Naturwiſſenſchaft herausg. von der mediciniſch⸗ naturwiſſenſchaftlichen Geſellſchaft zu Jena. 18. Band. Neue Folge. 8. (Schluß-)Lief. 11. Band. 2. Heft. Jena, G. Fiſcher. M. 6. BV Hyfik, Bhyſikaliſche Geographie, Meteorologie. Annalen des phyſikaliſchen Central-Obſervatoriums, herausg. v. H. Wild. Jahrg. 1883. 1. u. 2. Theil. St. Petersburg⸗Leipzig, Voß! Sortiment. 1. Theil M. 10. 20., 2. Theil M. 15. 40. Albrecht, Th., Beſtimmungen der Länge des Secundenpendels in Leipzig, Dresden u. dem Abrahamſchachte bei Freiberg, in d. J. 1869—1871 ausgeführt. Berlin, Friedberg & Mode. M. 5. Arbeiten, aſtronomiſch-geodätiſche, für die europäiſche Gradmeſſung im Königr. Sachſen. 3. Abth.: Die aſtronomiſchen Arbeiten. Ausgef. unter Leitung von C. Bruhns, bearb. von Th. Albrecht. 2. Heft. Berlin, Friedberg & Mode. M. 12. Börgen, Die harmoniſche 0 der Gezeitenbeobachtungen. Berlin, E. S. Mittler & Sohn. M. Fortſchritte, die, der Phyſik. Nr. a 1884. Köln, E. H. Mayer. M. 2. Wehe die, der Phyſik im J. 1879. 35. Jahrg. Red. von Neeſen. Abtheilung. Berlin, G. Reimer. M. 8. 1 510 W. v., Barometetbuch zum Gebrauch der 990 Oldenburg, Schulze'ſche Hofbuchhandlung. M. 3., geb. M. Klein, H. I., Ergebniſſe rationeller Prüfungen v. Welter dane U. deren, Bedeutung f. 00 Praxis. Halle, H. W. Schmidt's Verlags⸗ handlung. M. Kleyer, A., Lehrbuch d. Means u. d. Erdmagnetismus. . Maier. M. 6. Stuttgart, Humboldt, — Mai 1885. 207 Kramer, A., Allgemeine Theorie der zwei- u. dreiteiligen aſtronomiſchen Fernrohr⸗Objettive. Berlin, Georg Reimer. cart. M. 10. Neumann, F., Vorleſungen über theoretiſche Optik. Herausgegeben von E. Dorn. Leipzig, B. G. Teubner. M. 9. 60. Neumann, C., u. J. Partſch, Phyſikaliſche Geographie v. Griechenland ihe beſonderer Rückſicht auf das Alterthum. Breslau, W. Köbner. 9 Obermayer, A. v., Lehrbuch der Phyſik für die k. k. Infanterie-Cadetten⸗ Schulen. 2. Aufl. Wien, W. Braumüller. geb. M. 2. 60. Peſchel's, O., phyſiſche Erdkunde. Nach den hinterlaſſenen Manuferipten ſelbſtändig bearbeitet u. herausg. von G. Leipoldt. 2. Aufl. Leipzig, Duncker & Humblot. 8. u. 9. Lieferung. à M. 2. Roth, F., Die Sonnenſtrahlung auf der nördlichen im Vergleich mit derjenigen auf der ſüdlichen Erdhälfte. Halle, H. W. Schmidt's Verlag. M. —. 50. Sumpf, K., Schulphyſik. 2. Aufl. Einband M. —. 75. Weyrauch, Das Princip von der Erhaltung der Energie ſeit Robert Mayer. Zur Orientirung. Leipzig, B. G. Teubner. M. 1. Chemie. Hildesheim, A. Lax. M. 4. 50. Beilſtein, F., Handbuch der organiſchen Chemie. 2. Aufl. 4. Liefg. Hamburg, L. Voß. M. 1. 80. Metzger, S., Pyridin, Chinolin und deren Derivate. Braunſchweig, F. Vieweg & Sohn. M. 4. Strecker, K., Ueber eine Reproduction der Siemens'ſchen Queckſilbereinheit. München, G. Franz'ſche Verlagsbuchhandlung. M. 1. 60. Oſtwald, W., In Sachen der modernen Chemie, Offener Brief an Herrn A. Rau. Riga, J. Deubner. M. —. 50. Wilbrand, F., Grundzüge der Chemie nach induktiver Methode. Hildes— heim, A. Lax. M. 1. 20., geb. M. 1. 50. Mineralogie, Geologie, Geognoſte, Valäontologie. Abhandlungen zur geologiſchen Specialkarte v. Preußen und den Thii- ringiſchen Staaten. 5. Band 4. Heft und 6. Band 1. Heft. Berlin, S. Schropp'ſche Hoflandkartenhandlung. M. 13. Inhalt: V. 4. Ueber⸗ ſicht über den Schichtenaufbau Oſtthüringens v. K. Th. Liebe. M. 6. VI. 1. Beiträge zur Kenntniß des Oberharzer Spiriferenſandſteins und ſeiner Fauna. Von L. Beushauſen. M. 7. Abhandlungen der kaiſerl. königl geologiſchen Reichsanſtalt. 11. Band 1. Abtheil. Beiträge zur Kenntniß der Flora der Vorwelt. 2. Band. Wien, A. Hölder. M. 1. 20. Inhalt: Die Carbon-Flora der Schatz⸗ larer Schichten. Von D. Stur. 1. Abtheil.: Die Farne der Carbon— Flora der Schatzlarer Schichten. Beiträge zur Paläontologie Oeſterreich-Ungarns u. d. Orients, herausg. v. E. v. Mojſſiſovics u. M. Neumayr. 5. Band. 1. Heft. Wien, A. Hölder. pro eplt. M. 40. Böhm, G., Beiträge zur Kenntniß der grauen Kalke in Venetien. Berlin, Dobberke & Schleiermacher. M. 3. Handwörterbuch der Mineralogie, Geologie u. Paläontologie, herausg. von A. Kenngott 2c. 2. Band. Breslau, E. Trewendt. M. 15., geb. M. 17. 40. : Hatle, E., Die Minerale des Herzogthums Steiermark. 4. Heft. Graz, Leuſchner & Lubensky. M. 1. Lenz, H. O., Das Mineralreich. 5. Aufl., bearb. v. O. Wünſche 2. Theil: Specielle Mineralogie. Gotha, E. F. Thienemann. M. 2. 80. Mittheilungen, geologiſche. Zeitſchrift der ungar. geolog. Geſellſchaft. Red. v. J. Pethö u. F. Schafarzik. Jahrgang 1885. (12 Hefte.) 1. u. 2. Heft. Budapeſt, F. Kilian's Univ.⸗Buchhandlg. pro eplt. M. 10. Quenſtedt, F. A., Handbuch der Petrefaltenkunde. 3. Aufl. 21. Liefg. Tübingen, H. Laupp'ſche Buchhandlung. M. 2. Schilling's, S., Grundriß der Naturgeſchichte. 3. Theil: Das Mineral- reich. Ausg. A. 13. Aufl. Herausg. v. A. Mahrenholtz. 1. Theil: Oryktognoſie. Breslau, F. Hirt. M. 1. 40. Schwarz, A., Iſomorphismus und Polymorphismus der Mineralien. Mähr.⸗Oſtrau, Prokiſch's Buchhandlung. M. —. 40. A G., Lehrbuch der Mineralogie. 2. Aufl. Wien, A. Hölder. M. 18. Verhandlungen der k. k. geologiſchen Reichsanſtalt. Jahrg. 1885. Wien, A. Hölder. pro cplt. M. 6. Bofanik. Bericht über die wiſſenſchaftlichen Leiſtungen in der Naturgeſchichte der niederen Thiere während der Jahre 1880-1881. Von M. Braun, ame u. Th. Studer. 2. Theil. Berlin, Nicolai'ſche Verlagsbuchh. M. 8. Bronn's, H. G., Klaſſen u. Ordnungen d. Thier-Reiches, wiſſenſchaftlich dargeſtellt in Wort und Bild. 6. Band. 3. Abtheilung. Reptilien. Fortgeſetzt v. C. K. Hoffmann. 43. Liefg. Leipzig, C. F. Winter'ſche Verlagsbuchhandlung. M. 1. 50. Cleſſin, S., Deutſche Excurſions⸗Mollusken⸗Faung. 2. Aufl. 4.(Schluß⸗) fg. Nürnberg, Bauer & Raspe. M. 3. Dietrich's, D. Fo lora. 6. Aufl. Von F. v. Thümen. 7. u. 8. Liefg. Dresden, W. Bänſch, Verlagsbuchharn dlung. a M. 1. 50. Hilder, E. Etiketten für Pflanzen⸗Sammlungen. Leipzig, O. Leiner. M. 1. W M., Ueber die Laminarien Norwegens. Chriſtiania, J. Dybwad. Os Hedwigia. Organ fiir ſpecielle Kryptogamenkunde. Red. v. G. Winter. Jahrgang 1885. Nr. 1. Dresden, C. Heinrich. pro cplt. M. 8. Jahresbericht, zoologiſcher, für 1883 Herausgeg. von der zoologiſchen Station zu Neapel. 1., 3. u. 1. Abth. M. 21. Inhalt: Allgemeines Nr. 1. bis Bryozoa. Red. von P. Meyer u. W. Giesbrecht. M. 9. — 3. Mollusca, Brachiopoda. Red. von P. Meyer. M. 3. — 4. Tunicata, Vertebrata. Red. von P. Meyer. M. 9. Leipzig, W. Engelmann. Jahrbücher, botaniſche, für Syſtematit, Pflanzengeſchichte und Pflanzen⸗ geographie, herausgeg, von A. Engler. 6. Band. 3. Heft. Leipzig, W. Engelmann. M. 7. Kraus, G., Ueber die Blüthenwärme bei arum italicum, 2. Abhand⸗ lung. Halle, M. Niemeyer. M. 6. Michael, P. O., Vergleichende Unterſuchungen über den Bau des Holzes ge 15 50. ten Caprifoliaceen und Rubiaceen. Leipzig, G. Fock. . „ 20) Mylius, C., Das Anlegen von Herbarien der deutſchen Gefäßpflanzen. Stuttgart, K. Thienemann's Verlag. M. 1. 80., geb. M. 2. 20. Nägeli, C. v., u. A. Peter, Die Hieracien Mittel-Europas. Mono- graphiſche Bearbeitung der Piloſelloiden mit beſonderer Berückſichtigung der mitteleurop. Sippen. München, R. Oldenbourg. M. 21. Ein- band M. 3. Rabenhorſt's, L., Kryptogamen-Flora von Deutſchland, Oeſterreich und der Schweiz. (2. Aufl.) 1. Band. 2. Abtheilung. Pilze. Von G. Winter. 17. Lieferung. Leipzig, E. Kummer. M. 2. 40. Wiesner, J., Elemente der wiſſenſchaftlichen Botanik. I. Elemente der W u. Phyſiologie der Pflanzen. 2. Aufl. Wien, A. Hölder. 7 Wiſſen, das, der Gegenwart. Deutſche Univerſal-Bibliothek für Gebildete. 38. Band. Inhalt: Die Ernährung der Pflanzen. Von A. Hanſen. Leipzig, G. Freytag. geb. M. 1. Zippel, H., Ausländiſche Handels- und Nährpflanzen zur Belehrung für das Haus und zum Selbſtunterrichte. 1. Lieferung. Braunſchweig, F. Vieweg & Sohn. M. 1. Zopf, W., Die Spaltpilze nach dem neueſten Standpunkte bearbeitet. 3. Aufl. Breslau, E. Trewendt. M. 3. Zoologie, Phyſtologie, Entwickelungsgeſchichte. Anthropologie. Archiv für Anatomie u. Phyſiologie. Herausg, v. W. His u. W. Braune u. E. Du Bois⸗Reymond. Jahrgang 1885. (12 Hefte.) 1. u. 2. Heft. Leipzig, Veit & Co. M. 50. i Encyklopädie der Naturwiſſenſchaften. 1. Abtheilung. 42. Lieferung. Handwörterbuch der Zoologie, Anthropologie u. Ethnologie. 14. Liefg. Breslau, E. Trewendt. Subſer.⸗Preis M. 3. Erichſon, W. F., Naturgeſchichte der Inſecten Deutſchlands. Fortgeſetzt von H. Schaum, G. Kraak, H. v. Kieſenwetter 2c. 1. Abtheilung, Coleoptera, 3. Theil. 2. Abtheilung. 2. Lieferung. Bearb. von E. Reitter. Berlin, Nicolai'ſche Verlagsbuchhandlung. M. 6. Hayek, G. v., Handbuch der Zoologie. 18. Liefg. Wien, C. Gerold's Sohn. M. 3. 60. Hertwig, O., und R. Hertwig, Unterſuchungen zur Morphologie und Phyſiologie der Zelle. 3. Heft. Das Problem der Befruchtung u. der Iſotropie des Eies, eine Theorie der Vererbung von O. Hertwig. Jena, G. Fiſcher. M. 1. 50. Jahrbuch, morphologiſches. Eine Zeitſchrift für Anatomie und Ent— wickelungsgeſchichte. Herausg v. C. Gegenbaur. 10. Band. 4. Heft. Leipzig, W. Engelmann. M. 11. Roth, W., Grundriß der phyſiologiſchen Anatomie für Turnlehrer— Bildungsanſtalten. 4. Aufl. Berlin, Voſſiſche Buchhandlg. M. 3. 50. Unterſuchungen zur Naturlehre des Menſchen u. der Thiere. Heraus- 99 0 v. J. Moleſchott. 13. Band. 4. u. 5. Heft. Gießen, E. Roth. 9 0 Vogt, C., u. E. Jung, Lehrbuch der praktiſchen vergleichenden Anatomie. 1. Lieferung. Braunſchweig, F. Vieweg & Sohn. M. 2. Zeitſchrift für die geſammte Ornithologie. Herausg. v. J. v. Madaräsz. 2. Jahrg. 1885. (4 Hefte.) 1. Heft. Berlin, R. Friedländer & Sohn. pro cplt. M. 8. 5 Zeitſchrift für wiſſenſchaftliche Zoologie, herausg. von C. Th. v. Siebold und A. v. Kölliker unter Red. v. E. Ehlers. 41. Band. 3. Heft. Leipzig, W. Engelmann. M. 12. Geographie, Ethnographie, BWeifewerke. Bornhaupt, K., Leitfaden für den Unterricht in der Geographie von Live, Eſt⸗ u. Kurland. 4. Aufl. Beſorgt v. H. Treumann. Riga, N. Kymmel's Verlag, cart. M. —. 60. Charakterbilder, geographiſche, für Schule und Haus. 9. Lieferung. (Mr. 25—27.] Oelfarbendruck. Subſer.-Preis M. 18; auf Deckel oder weißen Karton geſpannt M. 21; einzeln à Blatt M. 8; auf Deckel oder weißen Carton geſpannt M. 9. Wien, E. Hölzel's Verlag. Forſchungen zur deutſchen Landes- u. Volkskunde. Herausgegeben von R. Lehmann. 1. Band. 2. Heft. Stuttgart, J. Engelhorn. M. 2. Inhalt: Die oberrheiniſche Tiefebene u. ihre Randgebirge. Von G. R. Lepſius. Gerold, R. v., Ein Ausflug nach Athen u. Corfu. Wien, C. Gerold's Sohn. M. 5. Hirſchberg, J., Eine Woche in Tunis. Veit & Co. M. 2. Kozenn's, B., geographiſcher Schul-Atlas, für den Gebrauch an öſter⸗ reichiſchen Lehrerbildungs-Anſtalten eingerichtet von A. E. Seibert. Wien, E. Hölzel's Verlag, geb. M. 4. Meyer, A. B., Album von Philippinen⸗Typen. Ca. 250 Abbildungen auf 32 Tafeln in Lichtdruck. Berlin, R. Friedländer & Sohn. In Mappe M. 50. Tagebuchblätter. Leipzig, Mittheilungen der afrikaniſchen Geſellſchaft in Deutſchland. Herausg. v. W. Erman. 4. Band. 4. Heft. Berlin, D. Reimer. M. 2. 60. Mittheilungen der k. k. geographiſchen Geſellſchaft in Wien. 28. Band. 1885. (12 Hefte.) 1. Heft. Wien, E. Hölzel's Verlag. pro cplt. M. 10. Nürnberg, A., Allgemeine Geographie. Mit beſonderer Berückſichtigung Deutſchlands. 7. Aufl. Berlin, Liebel'ſche Buchhandlung. M. — 60. Peſchel, O., Völkerkunde. 6. Aufl. Bearbeitet v. A. Kirchhoff. Leipzig, Duncker & Humblot. M. 12., geb. M. 14. Petermann's, A., Mittheilungen aus J. Perthes' geographiſcher Anſtalt. — Herausg. von A. Supan. Ergänzungsheft Nr. 77. Inhalt: Die Handelsverhältniſſe Perſiens mit beſonderer Berückſichtigung der deut⸗ 208 Humboldt. — Mai 1885. ſchen Intereſſen. Von F. Stolze u. F. C. Andreas. Gotha, J. Perthes. M. 4. Riemer, G., Reiſe S. M. S. Stoſch nach China und Japan. 1881 1883. 1. Band. See: u. Schiffsbilder. 19 Taf. m. 58 Bildern in Lichtdruck. Leipzig, F. A. Brockhaus. geb. mit Goldſchnitt M. 50. Rohlfs, G., Mein erſter Aufenthalt in Marokko und Reiſe ſüdlich vom Atlas durch die Oaſen Draſa u. Tafilet. 3. Ausg. Norden, H. Fiſcher's Nachfolger. M. 8. | Rohlfs, G., Von Tripolis nach Alexandrien. Beſchreibung der im Auf- Witterungsüberſicht trage Sr. Maj. des Königs von Preußen in den J. 1868 u. 1869 ausgeführten Reiſe. 2 Bände. 3. Ausg. Norden, H. Fiſcher's Nach⸗ folger. M. 10. 50. Zeitſchrift der Geſellſchaft für Erdkunde zu Berlin. Herausg. v. W. Koner. 20. Band. 1885. (6 Hefte.) 1. Heft. Mit Gratisbeilage: Verhand⸗ lungen d. Geſellſchaft f. Erdkunde zu Berlin. 12. Band. (10 Nummern.) Nr. 1. Berlin, D. Reimer. pro cplt. M. 15., Verhandlungen ap. M. 6. | Biller, H., Die deutſchen Beſitzungen an der weſtafrikaniſchen Küſte. 1 Togoland und die Sklavenküſte. Stuttgart, W. Spemann. 0 G für Centraleuropa. Monat März 1885. Der Monat März iſt charakteriſiert durch ver⸗ änderliches, ziemlich kaltes Wetter mit mäßigen Niederſchlägen. Hervorzuheben ſind die Stürme am 26. für die deutſche Küſte. Ein barometriſches Maximum von über 765 mm, wel⸗ ches am 1. über den britiſchen Inſeln lag, wanderte in den folgenden Tagen oſtwärts nach dem finniſchen Buſen fort, am 2. lagerte dasſelbe über der Nordſee, am 3. über Südſkandinavien und am 4. über Finnland und den ruſſiſchen Oſtſeeprovinzen. Hiermit im Zuſammenhang ſteht der Uebergang der nordweſtlichen Winde in die nordöſtlichen und öſtlichen, mit aufklarendem, jedoch viel— fach nebligem Wetter. Indeſſen war ſchon am 3. ein tiefes Minimum auf dem Ocean weſtlich von Irland er— ſchienen, welches, ein Teilminimum oſtwärts entſendend, raſch ſeinen Einfluß über Centraleuropa ausbreitete, ſo daß daſelbſt ſchon am 4. überall trübes regneriſches Wetter eintrat, welches bis zum 8. andauerte. Dabei fielen in einigen Gebietsteilen des nördlichen und ſüdlichen Deutſch— lands beträchtliche Niederſchläge: vom 3. auf den 4. in München 41, vom 4. auf den 5. in Rügenwaldermünde und Karlsruhe 24, vom 5. auf den 6. in Friedrichshafen 21, in Karlsruhe 37 mm Regen. Auch vom 6. auf den 7., als ein wohlausgebildetes Minimum vom Kanal oſt⸗ wärts nach Weſtrußland mit ungewöhnlicher Geſchwindigkeit fortſchritt, fielen im deutſchen Binnenlande erhebliche Nieder- ſchläge. Beim Vorübergange der letzteren Depreſſion, welche auf der Rückſeite von einem barometriſchen Maximum ge⸗ folgt war, fand in ganz Mitteleuropa erhebliche Abkühlung ſtatt: am 6. war es im äußerſten Weſten kälter geworden, am 7. in Nordfrankreich und dem öſtlichen Oſtſeegebiete, am 8. und 9. war über Oeſterreich-Ungarn und Süd⸗ rußland die Temperatur erheblich herabgegangen, während an den beiden letzten Tagen ein Erwärmungsgebiet vom Norden nach Süden ſich ausbreitete. Vom 19. bis zum 17. war der Luftdruck am höchſten über den britiſchen Inſeln, die barometriſchen Minima be- wegten ſich über Nord- und Nordoſteuropa, ſowie über dem Mittelmeer, ſo daß Weſtmitteleuropa in dieſem Zeit⸗ raum anhaltend unter anticyclonalen Einflüſſen ſtand. Dementſprechend war bei vorwiegend nordweſtlicher bis nordöſtlicher Luftſtrömung das Wetter trocken, vorwiegend heiter, jedoch zeitweiſe neblig. Auf der Nordhälfte Central— europas war die Temperatur durchſchnittlich normal, auf der Südhälfte dagegen lag dieſelbe ziemlich erheblich unter dem Normalwerte. Am 17. erſchien nördlich von Schottland eine tiefe Depreſſion, welche nordoſtwärts nach Nordſkandinavien fortſchritt und unter deren Einfluß die weſtlichen Winde im Nord- und Oſtſeegebiete ſtark auffriſchten und ſtellen⸗ weiſe einen ſtürmiſchen Charakter annahmen. Auch auf das deutſche Binnenland hatte dieſe Depreſſion inſofern einen Einfluß, als daſelbſt am 18. vielfach Regenfälle vor⸗ kamen. An dieſem Tage trat im Nordoſten der britiſchen Inſeln ziemlich erhebliche Abkühlung ein, welche ſich in den folgenden Tagen ſüd- und oſtwärts fortpflanzte und auf ganz Mitteleuropa ausdehnte, worauf dann wieder raſche Erwärmung folgte, von den britiſchen Inſeln aus- gehend und nach Südoſt fortſchreitend. Am 19. lag wieder ein barometriſches Maximum über den britiſchen Inſeln, indeſſen hatte dieſes wenig Beſtand, indem es durch ein tiefes Minimum, welches am 20. an der norwegiſchen Küſte erſchien, nach Süden zurück— gedrängt wurde. Dabei wuchſen im Nord- und Oſtſee— gebiete die barometriſchen Differenzen bis zu einer gefahr— drohenden Höhe an, und indem die Depreſſion oſtwärts über Skandinavien hinaus nach Finnland fortſchritt, ſtei⸗ gerte ſich an der deutſchen Küſte die Windſtärke faſt allent- halben zum vollen Sturme, welcher meiſtens in heftigen Böen wehte und mancherlei Schaden anrichtete. Mit der Entfernung der Depreſſion war über den britiſchen Inſeln wieder ein Maximum des Luftdrucks aufgetreten, welches am 23. die größte Höhe erreichte, dann aber einer baro— metriſchen Depreſſion Platz machte. Durch die anhaltenden und zum Teil lebhaften nördlichen Winde, bei veränder— lichem, zu Schneefällen geneigtem Wetter, war die Tempe- ratur in Deutſchland erheblich herabgegangen, insbeſondere herrſchte am 24. morgens über faſt ganz Deutſchland und der Oſthälfte Frankreichs Froſtwetter, im deutſchen Binnen— lande lag die Temperatur bis zu 9 Grad unter dem nor— malen Werte. Vom 24. bis zum 26. beherrſchte eine intenſive De- preſſion über Italien, in Verbindung mit dem hohen Luft- drucke von Finnland die Luftbewegung über Centraleuropa, ſo daß die nordöſtliche Luftſtrömung vorherrſchend wurde, wobei jedoch die Temperatur bei trübem Wetter mit ge— ringen Niederſchlägen allenthalben wieder ſtieg und ſtellen— weiſe ihren normalen Wert wieder etwas überſchritt. — Bis zum Monatsſchluſſe war der Luftdruck im Südoſten am niedrigſten, während über den britiſchen Inſeln De- preſſionen mit barometriſchen Maxima abwechſelten, wes— halb über Centraleuropa Wind und Wetter einen fehr wechſelnden Charakter zeigten. Hervorzuheben in dieſem Monate iſt die ungewöhnliche Neigung zur Bildung der barometriſchen Maxima über den britiſchen Inſeln, eine Erſcheinung, deren genauere Unter— ſuchung jedenfalls lohnend wäre. Hamburg. Dr. J. van Bebber. Humboldt. — Mai 1885. 209 0 Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Mai 1885. (Mittlere Berliner Zeit.) — ... eee —HTmſdm — 1 1280 U Ophiuchi ib, 15" E. H. 29 0 phinch. 14% 26™ II 1] Merkur bleibt ſelbſt um 17 1½ A. i 6 fin 21 Ae die Zeit ſeiner größten 2 821 UOphiuchi 130 58™ 9} @ III 2 weſtlichen Ausweichung am 17 330 25. als Morgenſtern trotz 3 720 U Cephei 12 28 II A 144 6 Libræ Z ſſeiner nördlichen Deklina— 5 1389 U Corone 1626 U OphiuchiſI2u 300 135 322 5ition dem freien Auge un— A 17 On WOIV sn 51m ö 2 1 ſſichtbar, weil die Sonne 60 € 1228 UOOphiuchi 12 570 9, I A 6ſeine um zehn Grade höhere 7 889 UOphbiuchi 8h In el 7 Deklination hat und daher 10h 20™ 5 den Planeten ſchon bei ſei— 8 686 U Cephei Sinem Aufgange in hellſter 10 1420 6 Libre 1724 U Ophiuchi 160 7m f. h. 44 Pise. 10 Dämmerung verbirgt. Bez 16 27m . d. 6 nus iſt ſelbſt für kleine 11 1326 U Ophiuchi 11)Fernrdhre ganz unſichtbar, 12 66 20™ n 927 U Ophiuchif1126 U Corone 12\weil fie zu nahe bet der 9516 Sonne ſteht, mit welcher 13 683 U Cephei |11" 28" A III A 13ſſie am 4. in obere Kon⸗ 14 © gh 56m ö 201 14Jjunktion gelangt. Sogar 12 150 am Ende des Monats iſt 15 920% 9) A 15ſſie als Abendſtern noch 16 7 24m I f. ae 1483 UOphiuchi 16|nicht ſichtbar, da fie ſchon S207 AH. . 6 eine halbe Stunde nach der 17 1025 U Ophiuchi 1316 6 Libre 17 Sonne untergeht. Mars 19 983 U Corone 11 53ům f. d. / 4 Cancri Sh 52 A 0 fl 19ſiſt dem freien Auge noch 12 Sm g. h.) 4 11 52 nicht ſichtbar, da er auch 200 3 12 30 A IIIE 13214 F. . (6403407 20|noch gegen Ende des Mo— 14 5m f. h. 6 nats nur um eine Stunde 21 9 52m f. J.] 35 Sent. 11 50™ ü 401 1581 U Ophiuchi 21 vor der Sonne aufgeht. 10 13 fl. h. 6 14 10m Jupiter nähert ſich in recht— 22 6 31 Ae 11" 16 A A 112 U Ophiuchi 22 läufiger Bewegung dem 10 57 hellſten Stern des Löwen, 24 131 6 Libre 24 Regulus, mit welchem er 26 720 UCorone IIA 34 A @ II 15289 U Ophiuchi 26/am 30. in einer nördlichen 14> 290 Entfernung von! 4/4 Mond— 27 1220 U Ophiuchi 15 Sree 27 durchmeſſer in Konjunktion 154 5m J. 1 4.5 kommt. Die beiden Geſtirne 28 G gh 32 A II A 280bieten dann wieder den auf gh 24m fälligen, hübſchen Anblick 30 8h 14m 5 A 01 30ſwie Mitte März. Am An⸗ 10h 33 fang geht Jupiter um 21/2 31 5 56m 5) @11 127 6 Libre 31/Uhr morgens, zuletzt eine GR Bis halbe Stunde nach Mitter— nacht unter. Saturn ver- liert fic) nun raſch in den Sonnenſtrahlen; anfangs geht er um 10 Uhr, am Ende nur eine Stunde nach der Sonne unter. Am 13. geht er in rechtläufiger Bewegung zwei Monddurchmeſſer nördlich von ¢ Tauri vorüber. Uranus in rückläufiger Bewegung im Sternbild der Jungfrau geht anfangs um 3 ½, zuletzt um 1½ Uhr morgens unter. Neptun, welcher am 13. in Konjunktion mit der Sonne kommt, iſt auch für Fernröhre unſichtbar. Algol und Tauri find in den Sonnenſtrahlen verſchwunden; von 8 Cancri fällt kein Minimum auf eine günſtige Abendſtunde, und die Minima von UCephei fallen mit Ausnahme derer vom 3. und 8. Mai jo auf Tagesſtunden, daß weder das aufſteigende, noch das abnehmende Licht zur Zeit der kritiſchen raſcheſten Aenderung ſich beobachten läßt. Die auf die erſten beiden Stunden nach Mitternacht fallenden Minima von U Ophiuchi find in dieſem Monat am günſtigſten zu beobachten. Am 5. ſind die Schatten des J und IV Trabanten des Jupiter gleichzeitig auf der Oberfläche des Haupt— körpers ſichtbar. Das Ueberholen des Schattens des IV Trabanten durch den Schatten des J kann wegen des frühzeitigen Untergangs des Planeten nicht beobachtet werden. Dorpat. Dr. E. Hartwig. Neueſte Mitteilungen. Bapiererzeugung und Papierverbrauch. Die Papier- Einnahmen bei ziemlich gleichen Portoſätzen dem Papier— erzeugung iſt in Deutſchland und den Vereinigten Staaten verbrauch annähernd proportional ſind, jo kann man für von Nordamerika am größten. Sie beträgt in dieſen bei- letzteren auch aus den Poſteinnahmen der betreffenden den Ländern jetzt jährlich über 200 000 Tonnen (die Tonne | Staaten eine Schätzung ableiten. Die Poſteinnahmen be- zu 1000 kg gerechnet); dann folgt England mit ca. trugen nach der {Statistique générale du Service po- 180 000 Tonnen Produktion. Da die den einzelnen Staa- | stale* im Jahre 1882 in runden Summen in den Ver— ten des Weltpoſtvereins aus dem Poſtregal erwachſenden einigten Staaten 221, in Deutſchland 213, Großbritannien 210 Humboldt. — Mai 1885. 183, Frankreich 154, Oeſterreich-Ungarn 66, Rußland 61, Italien 33, Engliſch-Indien 24, der Schweiz 117% Spanien 15, Belgien 13, Holland 10, Japan 9, Schweden 8, Däne⸗ mark 6, Rumänien 4 und Portugal 3 Mill. Franken. P leber den Duftapparat von Hepiolus Humuli machte Bertkau neuerdings Mitteilungen in Wiegmanns Archiv. Welchem Entomologen ſollte der allgemein häufige Schmetterling nicht bekannt ſein, welcher an ſchönen Abenden im Mai und Juni an Waldrändern in einer Höhe von ungefähr Im vom Boden in einem Bogen, deſſen Ebene ſenkrecht iſt, hin und herfliegt, wobei er faſt einen Halb— kreis beſchreibt, deſſen Durchmeſſer /½ m beträgt. Es iſt ein Männchen, welches dem im Graſe verborgenen Weib— chen ſeinen Abendbeſuch abſtattet. Fangen wir es weg, ſo bemerken wir nach kurzer Unterſuchung, daß demſelben das dritte oder letzte Fußpaar fehlt. An Stelle desſelben ſteht eine eigentümliche von den Baſalgliedern getragene birn— förmige Platte, auf deren vertiefter Oberfläche ſich ein dichter Pinſel gelblicher Haare erhebt, welcher die Spitze noch weſentlich überragt. Bereits mit ſchwacher Vergröße— rung und ohne beſondere Präparation erkennt man im Innern dieſes rudimentären Beines die rieſigen mit Kern verſehenen Drüſenzellen, welche durch die Haut hindurch— ſchimmern. Sie ſind im ganzen flaſchenförmig und münden mit ihrem verengerten Halſe in einen Hautporus, aus welchem von einem Kanale durchbrochene Borſtengebilde entſpringen. Der Inhalt der Drüſen iſt ein ſchwach aro— matiſch riechendes ätheriſches Oel von gelblichgrüner Fär⸗ bung, welches an der Spitze jener blaßgelben Borſten in Tröpfchen nach außen tritt. Merkwürdigerweiſe finden wir auch in Geſtalt einer zarthäutigen Taſche zu beiden Seiten des erſten Hinterleibsringes eine Schutzvorrichtung für dieſen Apparat. Der Schmetterling iſt denn auch ſtets energiſch beſtrebt, ſein hinterſtes Fußpaar in dieſen Taſchen zu bergen. Da dieſer Apparat nur den Männchen eigen iſt, kann wohl über ſeine ſexuelle Bedeutung kein Zweifel ob— walten. Hr. Stinkapparat von Lacon murinus. Derſelbe For— ſcher macht an angegebener Stelle auch Mitteilung über ein zur Abwehr gegen die Angriffe anderer Tiere geeignetes Stinkorgan des gemeinen Schnellkäfers Lacon murinus. Wenn man im April oder Mai einen dieſer Käfer ergreift, gleichviel ob ein Männchen oder ein Weibchen, ſo wird man kein Exemplar finden, bei dem dieſer Apparat nicht am Hinterleibende und zwar an der Rückenſchiene des letzten Segmentes als ein vortretendes, kurzes, hornförmig durch— ſcheinendes Würſtchen ſichtbar wäre. Seinem Baue nach erweiſt ſich derſelbe als eine komplizierte Hautdrüſe und ſondert ein aasartig ſtinkendes Sekret ab. Analog mit dieſem Apparate ſind wohl auch die von F. Müller bei Danais Gyllippus und Erippus 7 beſchriebenen, hervor— ſtülp¾haren Pinſel am Ende des achten Hinterleibsſegmentes. Hr. leber das Braparieren von Mollusken erhalten wir von dem Engländer Watebled willkommene Anweiſungen, welche hier für die Liebhaber der bunten und formenreichen „Schneckenwelt in Kürze wiederholt werden ſollen. Für die Arten mit harter Schale und von Mittel— größe, wie Helix nemoralis, Limnaea stagnalis ete. ge⸗ nügt es, ſie während zwei oder drei Minuten in kochendes Waſſer zu werfen, worauf mit Hilfe einer ſtarken Nadel oder feinen Pincette das Tier leicht entfernt werden kann. Dabei laſſe man auf einmal nur eine kleine Anzahl Tiere ſieden, damit das Waſſer nicht vor Beendigung der Arbeit erkaltet, anſonſt das Tier abreißt und den aufgewundenen Eingeweideſack in den Windungen zurückläßt. Man hilft dieſem Uebelſtande leicht durch einen feinen, ausgeglühten Eiſendraht von der Geſtalt einer Spirale nach, welchen man am Ende in einen kurzen Widerhaken umgekrümmt hat. Auch die Lamellibranchier können durch ſiedendes Waſſer getötet werden, die Schalen öffnen ſich und das Tier trennt ſich von ſelbſt ab, wenn die Mündung nach abwärts gedreht wird. Aber es gibt noch eine raſchere und für den Konchyliologen empfehlenswertere Methode, weil ſie ihn vor dem Mitſchleppen unnützen Uebergewichtes befreit, namentlich wenn er Unio anodonta oder pon- derosa von großem Umfange gefangen hat. In dieſem Falle hat man einfach die Muſcheln auf den Boden zu legen. Nach kurzer Zeit werden ſie ſich langſam zu öffnen, beginnen; dieſes nun iſt der geeignete Augenblick, um raſch an einem der ſeitlichen Enden eine feine Meſſerklinge ein= zuführen und den einen der beiden Schließmuskeln quer zu durchſchneiden. Jetzt klaffen die beiden Hälften genügend auseinander, um das Tier zu entfernen. Man kann dann fünf bis ſechs Muſcheln ineinander ſchachteln, die kleinſten zu innerſt, die größten außen. Zu Hauſe muß ſodann jedes Exemplar mit Hilfe einer Nagelbürſte ſorgfältig ge— waſchen und geputzt werden, worauf noch die beiden Schalen mit Hilfe eines mehrfach umgeſchlungenen Fadens zuſammen— gehalten werden. Bei größeren Meermuſcheln wie Triton nodiferum oder Cassidaria echinophora etc. wäre es ganz überflüſſig, ſolche dem kochenden Waſſer auszuſetzen, das Tier ließe ſich doch niemals anders als in Stücken entfernen. Man überlaſſe ſie daher an einem ſchattigen Orte ſich ſelbſt, bis das Tier in Zerſetzung übergegangen iſt. Nun läßt es ſich ebenfalls leicht entfernen, worauf man zunächſt mit bloßem Waſſer und hernach mit Karbolwaſſer die Schale auswaſchen kann. So vermeide man auch, die Arten der Gattung Vi— trina auszuſieden, das Reſultat iſt ſelten ein gutes, indem die feine Schale beim Herausziehen des Tieres zerbricht. Man nehme vielmehr hierzu ein Gläschen mit friſchem Waſſer und werfe die Vitrinen hinein, worauf man Herz metiſch verſchließt, ſo daß der Boden des Pfropfens die Oberfläche des Waſſers berührt; auch wird man, da dieſe intereſſanten Konchylien hauptſächlich im Winter geſammelt werden, das Ganze einer konſtanten Temperatur von 15 bis 18° ausſetzen. Nach kurzer Zeit find die Tiere tod und nach 48 Stunden beginnt bereits die Zerſetzung, wo— durch der Zuſammenhang zwiſchen Tier und Schale auf— gelöſt wird. Ergreift man ſie nun beim Fuße, ſo können ſie leicht herausgezogen werden. Vitrina pellucida und major brechen nur ſelten, aber nicht jo Vitrina elongata, für welche das Nachfolgende gilt. Läßt man die Schnecken der Zerſetzung länger als angegeben exponiert, ſo wird die Schale undurchſichtig. Was endlich die ganz kleinen Arten der Gattungen Pisidium, Clausilia, Pupa, Vertigo, Ferrusacia etc., ſo⸗ wie die minimen Helices anbelangt, fo genügt, ſie in ſiedendem Waſſer abzutöten und hernach am Schatten ein— trocknen zu laſſen. Die Larven von Speckkäfern, Schlupf⸗ weſpen und Leuchtkäfern übernehmen es übrigens gerne, ſie ganz rein zu putzen; die letzteren, welche ſich nur an mittel— große Stücke machen können, müſſen in ihre Nähe gebracht werden, während dem ſich die anderen ſelbſt in die ie gehüteten Sammlungen einzuniſten wiſſen. Ein Inſekt im Mittelſtlur. Bisher waren luft⸗ atmende Gliederfüßler, überhaupt luftatmende Tiere aus dem paläozoiſchen Zeitalter faſt nur aus der Steinkohlen— formation bekannt; hier aber in größerer Zahl und in, Formen, welche verſchiedenen Abteilungen, ſowohl den Arachniden, Myriapoden und auch Inſekten angehörten; aus einer noch älteren Bildung, dem Devon, war nämlich auch eine zu den Orthopteren gehörige Eintagsfliege, die Platephemera antiqua aus Nordamerika beſchrieben. Vor kurzem hatte nun Prof. Lindſtröm in den Oberſilur— Schichten der Inſel Gotland Reſte eines Skorpions ge— funden. Dieſer Entdeckung ſcheint nun ſchnell eine andere gefolgt zu ſein, wenn die Deutung des Reſtes zutreffend iſt. Prof. Douvillé in Paris hat nämlich in dem dem Mittelſilur zugehörigen Sandſtein von Jurques (Dep. Calvados) einen Abdruck gefunden, welchen Ch. Brongniart als einer Schabenart (Blattidae) angehörig erkannte; be- kanntlich find dies Tiere, die, wie unſere Blatta orientalis, alles, was ihnen vorkommt, freſſen, und an dunkeln und trockenen Orten leben. Dieſe Entdeckungen haben deshalb Humboldt. — Mai 1885. erhöhtes Intereſſe, da fie auch Vermutungen über die Zu⸗ ſammenſetzung der atmoſphäriſchen Luft in damaliger Zeit geſtatten. Ki. Anſtehender Nephrit in Deutſchland. Der Wunſch, den wir im „Humboldt“ III, S. 158 äußerten, ſcheint ſich derweilen erfüllt zu haben. Dr. H. Traube hat im nieder— ſchleſiſchen Gebirge anſtehenden Nephrit entdeckt. In ſchmalen Bändern und größeren Einlagerungen und zwar in enger Verbindung mit ſog. „Weißſtein“, oft in über einen Fuß mächtigen Lagen den Granulit und Serpentin auf weite Strecken begleitend, tritt er im Serpentingebiete des Zobten— gebirges, in der Nähe von Jordansmühl auf. Traube beſchreibt das Geſtein als eine eigentümliche, feinſchiefrige, äußerſt zähe, hellgrünliche Maſſe, welche eine gewiſſe Aehn— lichkeit mit Nephrit beſitzt, ein ſpec. Gew. 2,987 hat, unter dem Mikroſkop ſich als aus fein verfilzter Hornblende be— ſtehend erweiſt und mehrfache Einlagerungen eines bereits etwas verwitterten Plagioklaſes von weißlich -gelbblaß bis weißer Farbe und feinkörniger Struktur enthält. Nach dem Urteile des Nephritforſchers Prof. Arzruni kommt die Struktur desſelben am nächſten dem Typus des Schwem— ſaler Nephrites. Die ſo neue Entdeckung findet ihre Er— klärung darin, daß erſt in allerneueſter Zeit durch die bis in bedeutende Tiefen geführten Steinbrüche der Nephrit bloßgelegt wurde. Ki. Dampflieſſel und Dampfmaſchinen in Preußen. Nachdem die allgemeine Gewerbezählung in Preußen vom 1. Dezember 1875 zum erſtenmale nähere Daten über die Dampfkeſſelbetriebe ergeben hatte und 1876 eine Kommiſſion von Sachverſtändigen zur Aufſtellung von Grundſätzen für die ſtatiſtiſche Aufnahme der Dampfkeſſel und Dampf— maſchinen berufen worden war, wurde am 1. Januar 1879 eine genaue Kontrollliſte aufgeſtellt und im LILI. Hefte der amtlichen „Preußiſchen Statiſtik“ veröffentlicht. Danach waren zu Anfang des Jahres 1879 in Preußen vorhanden: 32 411 feſtſtehende Dampfkeſſel, 5536 bewegliche Dampf— keſſel und Lokomobilen, 28 895 feſtſtehende Dampfmaſchinen, 702 Schiffskeſſel und 623 Schiffsdampfmaſchinen. Die Veränderungen im Beſtande der Maſchinen ſind jetzt bis zum 1. April eines jeden Jahres durch die Dampfkeſſel— reviſions-Amtsſtellen bei der ſtatiſtiſchen Centralſtelle ein— zureichen. Bis zum 1. Januar 1884 haben ſich nun folgende erhöhte Zahlen ergeben; 39 646 feſtſtehende Dampfkeſſel, 8229 bewegliche Dampfkeſſel und Lokomobilen, 36 747 feſt⸗ ſtehende Dampfmaſchinen, 1091 Schiffsdampfkeſſel und 906 Schiffsdampfmaſchinen. 12, dake Tahontan. Die Forſchungen der U. St. Geo- logical Survey haben in dem wüſten Gebiet des Great Baſin, beſonders in Nevada, die Exiſtenz der Ueberreſte einer Anzahl Seen nachgewieſen, welche in der Quaternär— zeit einen ſehr beträchtlichen Raum einnahmen und auf ein erheblich feuchteres Klima deuten. Einer der intereſſan— teſten iſt der Lake Lahontan, über welchen Ruſſell im dritten Bande des „Report of the U. St. Geological Survey“ be— richtet. Der See erfüllte das von der Central-Pacific⸗ Bahn durchſchnittene Thal des Humboldt-River; verſchiedene kleinere Seen, wie North Carſon Lake, Pyramid Lake, Winemucca Lake und andere ſind ſeine letzten Ueberreſte; außerdem deuten ausgedehnte Playas — im Sommer aus— trocknende Salzſümpfe, den nordafrikaniſchen Sebchas ent— ſprechend — auf ehemalige Seebedeckung und ebenſo die troſtloſen Wüſtenflächen Carſon Deſert und Black Rock Deſert. Der See bedeckte zur Zeit ſeines höchſten Standes eine Fläche von 260 Miles Länge und faſt derſelben Breite, war 500 Fuß tief und umſchloß eine Inſel von 150 Miles Länge. Aus dem genaueren Studium der Kalktuffe, welche der See abgeſetzt hat, ergibt ſich als zweifellos, daß er auch bei ſeinem höchſten Stande keinen Ausfluß gehabt hat, ſowie daß ſeiner Bildung eine Zeit vorausging, in welcher die Gegend zum mindeſten ſo öde und trocken war, wie gegenwärtig, und daß auch während der Exiſtenz des Sees eine trockene Periode eintrat, welche ſein Niveau ſehr er— 211 heblich erniedrigte, daß ſich alſo zwei feuchte und drei trockene Perioden in regelmäßigem Wechſel folgten. Sehr feucht kann aber das Klima nie geweſen ſein, da ſich ſonſt ein Ausfluß hätte bilden müſſen. Ruſſell hat an den Hängen der Sierra Nevada auch unverkennbare Gletſcher— ſpuren gefunden, aber noch nicht genauer erforſchen können, und glaubt, daß die feuchten Perioden zugleich auch Gletſcher— perioden geweſen ſeien. — Er hat weiter die intereſſante Beobachtung gemacht, daß Faltungen und Verwerfungen nicht nur die Terraſſen des Lahontan-Sees, ſondern auch Schuttkegel viel jüngeren Datums durchſetzen. Solche Spalten, meiſtens durch heiße Quellen bezeichnet, finden ſich namentlich am Fuß der Hauptkette der Sierra Nevada, und es ſcheint zweifellos, daß die Hebung dieſer ungeheuren Bergkette noch nicht abgeſchloſſen iſt und, wenn auch lang— fam und unmerklich, noch fortdauert. Genaue Meſſungen werden dafür bald unwiderlegliche Beweiſe erbringen. Ko. Acher das Verhältnis zwiſchen Funkenlänge und Votentialdiſferenz. Profeſſor G. C. Foſter berichtete kürzlich in der Phyſical Society zu London über die zur Entſtehung elektriſcher Funken in der Luft erforderliche Potentialdifferenz. Die Funken wurden zwiſchen zwei Meſſingkugeln von 27 mm Durchmeſſer erzeugt und die Elektricität von einer Reibungsmaſchine geliefert. Die Meſſung der Potentialdifferenz erfolgte durch einen abſolut wirkenden Attraktions-Elektrometer, bei welchem die An— ziehung der Scheibe durch einen Wagebalken mit Gewichten beſtimmt wurde. Es wurde der Ausdruck erhalten » = 102 d + 7,07, worin „ gleich der Potentialdifferenz und d gleich der Entfernung zwiſchen den Kugelkonduktoren in Centimetern iſt. Dieſe Formel hat jedoch nur Gültigkeit für Entfernungen bis zu 1 cm. Für längere Ent— fernungen fallen die danach berechneten Werte von v zu klein aus. Es ſcheint auch aus dieſen Verſuchen hervorzugehen, daß das für das Ueberſpringen eines Funkens zwiſchen den Kugeln erforderliche Maximum der elektriſchen Kraft mit der wachſenden Entfernung bis zu einem Minimal— werte abnimmt, wie aus den folgenden Beiſpielen hervor— geht. Für d = 0,142 cm war v = 154,76; für d = 0,497 cm war v = 131,66; für d = 0,9 cm. war v = 38,57; hieraus folgt, daß nach Erreichung eines Minimums die Kraft wiederum wächſt. Schw. Neues Vorkommen von Queckſilber. Queckſilber und Queckſilbermineralien werden in Europa, abgeſehen von den geringen Vorkommniſſen zu Landsberg in der Pfalz und bei Agordo im Venetianiſchen, hauptſächlich zu Idria in Krain und zu Almaden in Spanien gefunden. Hierzu it neuerlich eine andere Lokalität zu Schuppiaſtena bei Belgrad gekommen, welche Bergrat von Groddeck in Clausthal im letzten Spätſommer an Ort und Stelle näher unterſucht hat. Nach den von demſelben gemachten Mitteilungen entdeckte man das Vorhandenſein von Queck— ſilbererzen zufällig bei Eiſenbahnanlagen in Quargzgeſchieben und fand, als man letzteren in dem betreffenden Thale aufwärts nachging, das betreffende Geſtein anſtehend und zwar an einer Stelle, welche durch Stollen und Höhlen die Spuren alten, offenbar römiſchen Betriebes zu erkennen gab. Das Geſtein enthielt Adern und Druſen von Zinnober und Queckſilberhornerz neben gediegenem Queckſilber. Das Muttergeſtein iſt ein hornſteinartiger Gangquarz, während ſich das Queckſilbererz zu Almaden im ſiluriſchen Thon— ſchiefer und zu Idria in Dislokationsſpalten verſchiedener Geſteine findet. Das neue Vorkommen hat Aehnlichkeit mit dem in Kalifornien, wo ſich noch jetzt an verſchiedenen Stellen aus jungvulkaniſchen Quellen Zinnober abſetzt. Die Queckſilberminen Kaliforniens ſind die reichſten unſerer Erde. 2 Größte Didtighcit des Waſſers. Bonetti unter: ſuchte nach den „Atti Acad. dei Lincei* die Ausdehnung des Waſſers aufs neue unter Benutzung eines ca. 100 ee faſſenden Dilatometers und bei Anwendung größter Sorg— falt. Danach liegt das Maximum der Dichtigkeit des 212 Humboldt. — Mai 1885. Wafers bet + 4,01° C. und beträgt 1,00015802, wenn die Dichtigkeit bei O° gleich 1 geſetzt wird, alſo etwas mehr als ſeither angenommen wurde. P. Die Bevölkerung der Vereinigten Staaten von Amerika nach der Höhe ihrer Wohnſitze über dem Meeresſpiegel geordnet. Ein intereſſantes Cenſus-Bulletin bringt eine Aufſtellung der Landesſtrecken der Vereinigten Staaten mit Angabe ihrer Höhenlage über dem Meeres— ſpiegel, ſowie der Bevölkerung, welche in jeder Höhe lebt. Daraus iſt erſichtlich, daß beinahe ein Fünfteil aller Einwohner niedriger als 100 Fuß wohnt, das heißt un- mittelbar an der Seeküſte und in den ſumpfigen Gegenden des Südens. Ueber zwei Fünfteile wohnen unter 500 Fuß; über drei Vierteile unter 1000 Fuß, während 97 pCt. unter 2000 Fuß wohnen. Die Bevölkerung des unter 500 Fuß gelegenen Areals umfaßt ſolche, die mit der Fabrikation beſchäftigt ſind, und den größten Teil derer, welche Baumwolle, Reis und Zucker ziehen. Zwiſchen 500 und 1500 Fuß Höhe liegt der größere Teil der Prairie-Staaten und die Getreide produzierenden Gebiete des Nordweſtens. Oeſtlich vom 98. Meridian iſt 1500 Fuß eigentlich die obere Grenze der Bevölkerung, da alles Land, das höher liegt, gebirgig iſt. Die Bevölkerung des Landes zwiſchen 2000 und 5000 Fuß und mehr noch, die der zwiſchen 5000 und 6000 Fuß Woh- nenden, iſt verhältnismäßig größer als die der niederen Grade. Colorado liegt faſt vollſtändig zwiſchen 5000 und 6000 Fuß Höhe. Die über 6000 Fuß Wohnenden ſind faſt ausſchließlich Bergleute und der größere Teil derſelben lebt in Colorado, Neu-Mexiko, Nevada und Kalifornien. Faßt man den Zuwachs der Bevölkerung in den ver- ſchiedenen Landesteilen ins Auge, ſo wird man die be— trächtlichſte Vermehrung in den niedrigſten Gegenden finden, was eine Folge der bedeutenden Zuwanderung in die Seeküſtenſtädte iſt. Ein Zuwachs, wenn auch nicht ein ſo ausgeſprochener, hat in der Höhe von 100 bis 500 Fuß ſtattgefunden und ein merkbarer zwiſchen 500 und 1000 Fuß. Zwiſchen 1000 und 2000 Fuß iſt der Zuwachs eben— falls recht erheblich. In dieſer Höhe zeigt ſich die Ein— wanderung in neue und vordem unbeſiedelte Regionen, wie in Teilen von Texas, Kanſas, Nebraska, Dakota und Minneſota. Ueber 2000 Fuß iſt der Zuwachs an Zahl klein. Zwiſchen 4000 und 6000 Fuß iſt er wiederum größer, was wohl hauptſächlich eine Folge des neuerwachten Inter— eſſes für Minenunternehmungen iſt. Auf dieſe Urſache muß auch wohl die Zunahme der Bevölkerung in noch höheren Regionen zurückgeführt werden. Gr. Fallen der Offfee. In der Mitte des vorigen Jahr— hunderts entſpann ſich zwiſchen dem ſchwediſchen Aſtronomen Celſius und einigen deutſchen Gelehrten ein wiſſenſchaft— licher Streit über die Frage, ob ſich die Oſtſee hebe oder ſenke. Um Anhaltspunkte bei Entſcheidung dieſer Frage zu er— halten, brachte man im Jahre 1750 eine Menge Waſſerſtands— zeichen an von Tornea bis zur Südſpitze von Schonen herab. Dieſe Zeichen wurden im Jahre 1851 erneuert und dieſelben ſind in kurzen Zwiſchenräumen regelmäßig beobachtet worden. Kürzlich veröffentlichte nun die Aka— demie der Wiſſenſchaften die Reſultate dieſer Beobachtungen, und hat ſich daraus ergeben, daß beide Parteien recht haben. Es hat ſich nämlich herausgeſtellt, daß ſich die nördliche Oſtſeeküſte Schwedens beſtändig hebt, während die Küſten von Blekinge Län und von Schonen ſich ſenken. Die Linie, längs welcher keine Veränderung feſtgeſtellt wurde, geht über Bornholm und Laaland nach Schleswig— Holſtein. Während der 154 Jahre, in denen die bezüg— lichen Beobachtungen angeſtellt worden, hat ſich der nörd— liche Teil der ſchwediſchen Oſtſeeküſte um 7 Fuß gehoben. Dieſe Erhöhung nimmt nach Süden zu immer mehr ab, Bornholm hat noch dieſelbe Höhe wie in der Mitte des verfloſſenen Jahrhunderts. Im Durchſchnitt beträgt die Erhöhung der Küſte während des in Frage 1 Zeit⸗ raums 56 Zoll. Wa. Ein eigentümliches Phänomen wurde am Abend des 22. Januar zu Gothenburg in Schweden beobachtet. Am ſüdlichen Himmel zeigte ſich nämlich gegen 10 Uhr ein regelmäßiger, glänzender Lichtbogen, der im Oſten un⸗ gefähr 35 Grad über dem Horizont begann, nordwärts um Jupiter nach Orion und zwiſchen Beteigauze und Aldebarao ſich hinzog. Der Mittelpunkt des Bogens ſchien ſüdlich von dem Sterne Procyon und auf einer Linie zu liegen, welcher dieſen mit dem Polarſterne verbindet. Nach Weſten zu machte das ſtarke Licht des Mondes den Bogen unſichtbar. Ein Aufflammen wurde nicht beobachtet; doch ſchien das öſtliche Ende der Radiationspunkt zu ſein, und Strahlen nach Weſten zu ſenden. Das Phänomen dauerte 15 Minuten; der Schein nahm zuerſt im Oſten ab und verſchwand dann nach wenigen Sekundenz Das Thermo— meter zeigte — 12“ C. und das Barometer 775 mm. Die beachtenswerteſte Erſcheinung war die, daß während der Dauer des Phänomens die Telegraphenſtation zu Gothenburg wegen großer Luftelektricität mit dem Tele- graphieren aufhören mußte. Wa. Vrähiſtoriſche Spuren in Algerien. Bei Ternifine auf der Ebene Eghriz nahe Mascara in Algerien hat ein natürlicher arteſiſcher Brunnen mit der Zeit eine Anhäu⸗ fung von Sand bewirkt, der neuerdings zu Bauzwecken weggeſchafft wird. Man hat dabei eine Menge Knochen von Elefanten, Nilpferden, Pferden und großen Antilopen ge— funden, von denen eine ganze Anzahl des Markes halber aufgeſchlagen waren oder Spuren von Meſſerſchnitten tragen. Dabei lag ein beilförmig bearbeitetes Stück harten Kalkes. Der Elefant iſt aber nicht Elephas africanus, deſſen Knochen in dem die Thäler Nordafrikas ausfüllenden Lehm durchaus nicht ſelten ſind, ſondern anſcheinend eine eigene einem älteren Horizont angehörende Art, aber auch wieder verſchieden von dem Elefanten der ſogenannten Plages soulevées, welcher ebenfalls von den diluvialen Elefanten Europas verſchieden erſcheint und, weil mit Strombus coronatus Defr. zuſammen vorkommend, viel- leicht noch tertiären Alters iſt. Jedenfalls ſind die Menſchen⸗ ſpuren auf der Ebene Eghriz viel älter, als die der Grotten von Kap Caxine und Pointe Pescade bei Algier. Ko. Kanal von Korinth. Die Arbeiten bei der Durd)- bohrung des Iſthmus von Korinth ſchreiten raſch voran; unter Anwendung von Diamantbohrern, Dynamit und Excavatoren von 300 Pferdekraft bewältigt man durch— ſchnittlich 80 000 Kubikmeter im Monat und da Verſuchs⸗ bohrungen bis jetzt nirgends auf der Kanallinie feſte Fels- bänke, ſondern nur einzelne dünne Konglomeratſchichten angetroffen haben, rechnet man ſicher darauf, den Kanal in 1886 dem Verkehr übergeben zu können. Ko. Regenhohe in Kanſas. Nach einem von „Seience“ mitgeteilten Vortrage des Prof. Snow hat die Regen— menge im öſtlichen Kanſas ſich ſeit der Beſiedelung des Landes beträchtlich erhöht. Es wurden glücklicherweiſe ſchon vor der Anſiedelung in Fort Leavensworth und Fort Riley Verſuche angeſtellt und ſo kann man die neunzehn Jahre vor der Beſiedelung mit ebenſo vielen, ſeitdem verfloſſenen ver— gleichen. Der Durchſchnitt vor der Beſiedelung belief ſich auf 30, 96“, er iſt ſeitdem auf 36, 21“, alſo um beinahe 20 % geſtiegen, und zwar ijt die Zunahme mit den Jahren und mit der vermehrten Anpflanzung von Bäumen immer raſcher geworden. Ob auch im weſtlichen Kanſas eine ähnliche Zunahme ſtattgefunden, iſt nicht ſicher feſtgeſtellt. Die Verhältniſſe ſind dort weſentlich andere, da für dieſen Teil die Südwinde nicht mehr über den mexikaniſchen Golf kommen und ſomit trocken ſind. Gegenwärtig beträgt die Regenhöhe dort nur 15“ und geſtattet keinen regelmäßigen Anbau. Ko. TWN Th Ueber die Vorfahren der heutigen Ddgel”). Don Prof. Dr. R. Wiedersheim in Freiburg i. B. . is zum Jahr 1860 waren unterhalb des Tertiärs und der oberen Kreide keine Vogelſpuren bekannt geworden und fo galt allgemein die Anſicht, daß der Vogel— ſtamm relativ jungen Urſprunges ſei. Da — es war kurz nach Erſcheinen von Darwins Werk, alſo zur Zeit des erbittertſten Kampfes um die Berechtigung oder Nichtberechtigung ſeiner Lehre — beſchrieb der Frankfurter Paläontologe Hermann von Meyer in dem Bronn-Leonhardtſchen Jahrbuch eine Vogel— feder, welche in den Steinbrüchen zu Solenhofen in Bayern aufgefunden worden war. Mit dieſer Entdeckung, welcher anfangs mit großem Mißtrauen begegnet wurde, war das Alter des Vogel— geſchlechtes mit einemmal um eine ungezählte Reihe von Jahrtauſenden, d. h. bis in die Schichten des oberen Jura zurückgerückt. Daß es ſich dabei um keine Täu— ſchung handeln konnte, bewies ein zweiter, kurz darauf (1861) an demſelben Orte gemachter Fund, welcher die hintere Körperhälfte eines Vogels von der Bauch— ſeite darſtellte. (Fig. 1.) Das Becken, die hin— teren Extremitäten, ſowie der lange, aus einer großen Zahl von Wirbeln beſtehende, mit Federn beſetzte Schwanz waren gut erhalten; von den übrigen Ske— lettteilen fanden ſich nur einzelne zerſtreute und ſchwer zu beſtimmende Knochen, ſowie die in Unordnung ge— kommenen Flügelfedern. Ob es ſich dabei auch um Reſte des Kopfſkelettes handle, ließ ſich damals nicht mit Sicherheit entſcheiden, iſt aber ſpäter erwieſen worden. Leider blieb dieſer Fund unſerem Vaterlande nicht ) Dieſer Aufſatz lehnt ſich zum Teil an einen andern an, den ich im Jahr 1883 im „Biologiſchen Centralblatt“ veröffentlicht habe. Durch die einſtweilen publizierte Dames ſche Arbeit über den Are haeo ptery x haben ſich unſere Kenntniſſe über dieſes Tier bedeutend erweitert. Humboldt 1885. A. Archaeopteryx lithographicus. erhalten, ſondern wanderte um die Summe von 14000 Mark in das britiſche Muſeum zu London, wo er von R. Owen in den Philos. Transactions vortrefflich beſchrieben und abgebildet wurde. Eine Ergänzung der Owenfehen Arbeit lieferte John Evans. Nun verſtrich eine lange Zeit, bis man in Solenhofen auf neue Spuren des Vogels ſtieß. Dies geſchah im Jahr 1877, wo man in den litho— graphiſchen Schiefern auf dem Blumenberg bei Eichſtätt, 3 Stunden von jenem Punkte entfernt, wo der erſte Fund gemacht worden war, ein zweites Skelett auffand, welches, obwohl etwas kleiner, durch ſeinen vortrefflichen Erhaltungsgrad das erſte weit hinter ſich ließ. Vor allem waren die Vorderextre— mitäten in völlig natürlicher Lage, ſowie der Kopf in aller nur wünſchenswerten Deutlichkeit vorhanden. So konnte es nicht fehlen, daß von vielen Seiten Anſtrengungen gemacht wurden, das ſeltene Stück zu erwerben. Es waren vor allem die Herren Bolger, Zittel und Vogt? ), welche fic) in dieſer Richtung bemühten, allein niemand wollte den vom Beſitzer E. Häberlein geforderten hohen Preis be— zahlen. Da die bayeriſche Kammer den Ankauf ab— lehnte und auch die in Genf angeknüpften Unter- handlungen zu keinem Reſultat führten, ſo trat Herr Häberlein mit der engliſchen Regierung in Ver— handlung und es wurde immer wahrſcheinlicher, daß auch das zweite Exemplar des Archaeopteryx ins Ausland wandern würde. Da faßte Herr Geheimrat **) Profeſſor Karl Vogt berichtete über den neuen Archaeopteryx in der ſchweizeriſchen Naturforſcher— Verſammlung zu St. Gallen, im Auguſt 1879, und veröffentlichte ſpäter ſeinen Vortrag in der „Revue scientifique* (September 1879). Es war dieſe Schilde— rung die erſte, welche von kompetenter Seite erfolgte. 28 214 Humboldt. — Juni 1885. — Dr. Werner-Siemens in Berlin den hochherzigen Entſchluß, den Fund zunächſt für ſich privatim um die Summe von 20000 Mark anzukaufen und ihn der preußiſchen Regierung gegen Rückerſtattung des von ihm bezahlten Kaufpreiſes zur Verfügung zu ſtellen. Darauf wurde denn auch eingegangen und fo war der Archaeopteryx für unſer Vaterland ge— rettet und bildet nun eine Zierde des Berliner Muſeums. Der nun folgenden genaueren Schilderung des Tieres lege ich in allen weſentlichen Punkten eine Ar⸗ beit von Profeſſor W. Dames zu Grunde, welche letz— tes Jahr, von einer wohl gelungenen Ab— bildung begleitet, er- ſchienen iſt (Fig. 2 ſtellt eine Kopie der— ſelben dar). Was die Schluß— folgerungen betrifft, welche der oben— genannte Forſcher aus ſeinen Betrach—⸗ tungen ziehen zu müſſen glaubt, ſo kann ich mich den— ſelben nicht unbe— dingt anſchließen, doch muß ich hin— ſichtlich dieſes Punk— tes auf einen fpd- teren Paſſus dieſes Aufſatzes verweiſen. Wie oben ſchon bemerkt, iſt das Ske⸗ lett, welches in ſei— I. Das Skelett. Was nun zunächſt den Kopf betrifft, 9 iſt er, mit Ausnahme der Hinterhauptspartie, in allen ſeinen einzelnen Teilen vortrefflich konſerviert. Wie der Kopf der heutigen Vögel, ſo ſcheint auch er aus einer homogenen, rings geſchloſſenen Hirnkapſel zu beſtehen und verjüngt ſich nach vorne gegen die Schnauze zu; ein in die harte Haut des Auges eingelaſſener Ring von kleinen Knöchelchen (8) e iſt deutlich ausgeprägt. Die Augenhöhle (O) iſt ſehr geräumig. Inſoweit hätte man alſo überein⸗ ſtimmende Verhalt- niſſe, allein der Ar⸗ chäopteryykopf war bezahnt, während ſämtliche recente Vögel eines Gebiſſes bekanntlich gänzlich entbehren. Dies iſt ſehr be- merkenswert und ich werde ſpäter noch einmal darauf zu⸗ rückkommen. Die Zähne waren ein⸗ ſpitzig, von glatter Oberfläche, alle von gleicher Größe und Form und 1 mm lang; höchſtwahr⸗ ſcheinlich ſaßen ſie in richtigen Zahn⸗ höhlen (Alveolen). Ob ein Schnabel vorhanden war, läßt ſich nicht ſicher ent— nen Größeverhält— ſcheiden, es iſt mir niſſen etwa dem einer dies aber aus ſpä⸗ Holztaube oder Krähe ter zu entwickelnden entſpricht, im allge- Gründen (ſ. Ich: e,, ñß?1 Guaceti tures megs, hYOumaS) Feu um halten und die einzel— US Unterſchentel, MF Mittelfuß, 22 Zehen. wahrſcheinlich. nen Teile befinden Ein beſonderes ſich in faſt ungeſtörter Verbindung, auf einer etwa 460 mm langen und 380 mm breiten Platte Solen— hofener Schiefers. Wie ein Vergleich der Fig. 1 und 2 beweiſt, ergänzen ſich die beiden Funde in wiinfdens- | werteſter Weiſe. Offenbar wurde das Berliner Exem— plar unmittelbar nach dem Tode in den Meeres— ſchlamm eingebettet, während dem Londoner Exem— plar Wind und Wellen und wohl auch Tiere, wie z. B. Fiſche und Krebſe, arg mitgeſpielt haben mögen, ehe es, vermutlich ſchon in ſtark maceriertem Zuſtand, von dem Kalkmantel umhüllt wurde. So allein läßt ſich der verſchiedene Erhaltungszuſtand einigermaßen erklären (Dames). Intereſſe beanſprucht die Wirbelſäule, in⸗ ſofern ſie auf einer viel niedrigeren Entwickelungs— ſtufe ſteht, als diejenigen der heutigen Vögel. Kann man bei letzteren eine außerordentlich reiche Ausgeſtaltung der Wirbel nach Gelenk- und Quer⸗ fortſätzen, ſowie das Vorhandenſein von Sattel— | gelenfen zwiſchen den einzelnen Wirbelkörpern fon- ſtatieren, ſo trifft man hier gerade das Gegenteil; d. h. jene Fortſatzbildungen machen einen rudimentären Eindruck und die Wirbelkörper find an ihrem hin— teren und vorderen Ende ausgehöhlt. Sie reprajen- tieren ſomit den ſogenannten amphicölen oder bikonkaven Typus, wie er im allgemeinen die Humboldt. — Juni 1885. 215 Fiſchwirbelſäule, ſowie diejenige gewiſſer Reptilien charakteriſiert, wie er aber in der heutigen Vogel— reihe nirgends mehr angetroffen wird. Ein weiterer Unterſchied mit den heutigen Vögeln liegt darin, daß die bei letzteren mit Wirbelkörpern mehr oder weniger ſtark verwachſenen Halsrippen bei Archaeopteryx mit der Wirbelſäule wahrſcheinlich gelenkig verbunden waren und daß ſie eine lange, ſpitze Form beſaßen. Fig. 2. Auch in der Rumpfgegend zeigen ſich die Rippen ſehr fein und zart, gekrümmt und am Ende zugeſpitzt. So weichen ſie alſo von den eigentlichen Vogelrippen, welche je kus zwei Abſchnitten, einem hinteren, mit der Wirbelſäule, und einem vorderen, mit dem Brujt- bein verbundenen, beſtehen und welche ſogenannte Hackenfortſätze (Processus uncinati) beſitzen, beträcht— lich ab (vergl. Fig. 4). Auch ſind ſie nicht abgeflacht, wie dieſe, ſondern im Querſchnitt elliptiſch. Was nun aber das Intereſſanteſte iſt, das ſind die in 12— 13 Paaren vorhandenen Bauchrippen. Dieſe finden ſich bei keinem einzigen heutigen Vogel, wohl aber ſind ſie bei Krokodiliern und gewiſſen foſſilen Reptilien der Juraperiode, wie z. B. bei den Enalio— ſauriern und bei Pterodactylus gut entwickelt. Während ſich nun die Zahl der mit dem Becken verbundenen Sakralwirbel nur annäherungsweiſe auf 5 — 7 beſtimmen läßt, laſſen fic) mit Sicherheit 20 Schwanzwirbel nachweiſen. Was den Schultergürtel betrifft, ſo iſt hiervon Das zweite Exemplar des Archacopteryx litnographieus. (Berliner Muſeum.) Nach W. Dames. leider nur das Schulterblatt in ſeiner natürlichen Form und Lage erhalten und dieſes ſtimmt mit demjenigen der heutigen Vögel vollkommen überein. Der Fortſatz zur Verbindung mit dem Gabelknochen iſt gut ausgeprägt, allein von letzterem ſelbſt, ſowie auch vom Rabenſchnabelbein ſind nur unbedeutende Bruchſtücke vorhanden. Noch trauriger ſieht es mit dem Bruſtbein aus, welches nicht einmal ſpurweiſe vorliegt; höchſt wahrſcheinlich liegt es noch in der Tiefe der Geſteinsmaſſe, allein es kann im Intereſſe der Erhaltung des Geſamtſkelettes nicht freigelegt 216 Humboldt. — Juni 1885. werden. Ob es alſo eine platte Oberfläche beſaß, ähnlich wie das Bruſtbein der Laufvögel, oder ob ein für den Urſprung des Flugmuskels dienender Kamm (Crista sterni) vorhanden war, läßt ſich nicht ermitteln und dasſelbe gilt auch für die Art und Weiſe, wie es mit den Rippen verbunden ſein mochte. Nur dies ſcheint ſicher angenommen werden zu dürfen, daß es ſehr kleine Dimenſionen beſaß, denn ſonſt bliebe es unverſtändlich, wie ſich die Bauchrippen ſo weit nach vorne erſtrecken konnten. Am beſten von allen Skelettteilen zeigen ſich die Vorderextremitäten erhalten und beide ſtimmen in ihren Lagebeziehungen ſo vollkommen miteinander überein, daß man daraus die natürliche Stellung der halbausgebreiteten Flügel erkennen und auf die Art der Fortbewegung ſchließen kann. Fig. 3. Der Kopf des Archaeopteryx lithographicus. Nach W. Dames. A Augenhöhle, 8 Skleralknochenring, N Naſenloch. Der Oberarmknochen zeigt gewiſſe Unterſchiede von demjenigen der heutigen Vögel: er entbehrt des dicken Kopfes und der ſtarken Leiſte, welch letztere ſonſt zum Anſatz des großen Flugmuskels dient. Dies fällt für die Flugkraft des Archaeopteryx ſchwer ins Gewicht und reimt ſich mit der oben geäußerten An— ſicht bezüglich eines kleinen Bruſtbeines; ja vielleicht iſt von hier aus auch der weitere Schluß auf den Mangel eines Bruſtbeinkammes erlaubt. Die beiden Vorderarmknochen weichen von denjenigen der heutigen Vögel nicht ab und das Handwurzelſkelett ſcheint nur durch einen ein— zigen Knochen vertreten geweſen zu ſein. Die Hand ſelbſt beſteht in ihrem erſten Abſchnitt, d. h. im ſo— genannten Metacarpus aus drei freien, nirgends untereinander verwachſenen Knochen, wovon der zweite und dritte den erſten mehr als dreimal an Länge übertreffen. Der dritte Metacarpus ſcheint eine freiere Beweglichkeit beſeſſen zu haben, als die beiden anderen, welche wohl durch Bandmaſſen enge und unbeweglich zuſammengehalten wurden. Von den drei freien Fin— gern iſt der erſte weitaus der kürzeſte. Er beſteht aus zwei Gliedern, während der zweite Finger drei und der dritte deren vier beſitzt. Jedes Endglied iſt mit einer kräftigen, ſpitzen Kralle verſehen (vergl. Fig. 2). : Das Becken iſt an dem vorliegenden Exemplar nicht oder doch nur ſehr undeutlich zu erkennen, allein zum Glück tritt das Londoner Exemplar hier wenig⸗ ſtens inſofern ergänzend ein, als ſich ein Darm— und ein Sitzbein deutlich nachweiſen laſſen. Das erſtere beſitzt eine breite, vor der Hüftgelenkspfanne gelegene und eine ſchlankere, nach hinten gerichtete Partie. Auch das Sitzbein iſt ſchmal und ſcheint ſich an ſeinem Hinterende, ähnlich wie bei den ſtraußen⸗ artigen Vögeln, mit ſeinem Gegenſtück in der Mittel— linie verbunden zu haben. Von einem Schambein läßt ſich bis jetzt nichts nachweiſen, allein es iſt nicht unmöglich, daß es noch im Geſtein verborgen liegt. Jedenfalls beſaß das Becken nur kleine Dimenſionen. Die hintere Extremität (vergl. Fig. 1A), welche ebenfalls auf dem Londoner Exemplar beſſer erhalten iſt, ſtimmt in allen weſentlichen Punkten mit der— jenigen der heutigen Vögel überein. Es ſind im Ganzen vier bekrallte Zehen vorhanden, die von innen nach außen in der Zahl ihrer Glieder je um eines zunehmen. Die erſte ſchaut nach hinten, die drei andern nach vorne. Der Mittelfußknochen (Fig. 1A bei ME) bez ſteht aus einem einzigen Stücke, doch weiſen gewiſſe Furchen auf die frühere Trennung in einzelne Stücke zurück. Dies gilt in erſter Linie für jene Abſchnitte des Knochens, welche die erſte und zweite Zehe tragen. Es iſt bemerkenswert, daß ſich die Zahl der Zehenglieder mit derjenigen der entſprechenden Finger vollkommen deckt. II. Das Federkleid. Deutliche Abdrücke von Federn finden ſich an den Vorderextremitäten und an der Baſis der Halsregion, wo fie, wie bei gewiſſen Geiern, kranzartig angeordnet waren; ferner vom unteren Ende des Oberſchenkels dem ganzen Unterſchenkel entlang bis zum Fußgelenk. Bezüglich dieſes Punktes ſtimmte alſo der Archaeo- pteryx mit den heutigen Hühnern und Falken, welche ebenfalls derartige Federhoſen beſitzen, überein. Cnd- lich wären noch zu erwähnen die in biſerialer Weiſe angeordneten Schwanzfedern, wovon je ein Paar auf einen Wirbel kommt (Fig. 1 und 2). An den Flü—⸗ geln laſſen ſich Schwung- und Deckfedern unter⸗ ſcheiden; von den erſteren ſaßen ſechs bis ſieben an der Hand, d. h. an den Fingern und der Mittelhand, die übrigen auf der ulnaren Seite des Vorderarmes. Was den Bau der einzelnen Schwungfeder betrifft, ſo ſtimmt er mit dem heutigen Typus ganz überein, nur iſt der Kiel im Verhältnis zur Federlänge ſehr zart und fein. Der Umſtand, daß die Schwung⸗ federn auf der Verſteinerung nirgends den Knochen zu erreichen ſcheinen, iſt wohl darauf zurückzuführen, daß ſie an den betreffenden Stellen von kleineren Federn überlagert waren, welche nicht deutlich zum Abdruck gekommen ſind (Dames). Aus demſelben Grund mag auch der übrige Körper, alſo der Rumpf, der Hals und der Kopf nackt erſcheinen, während ſie urſprünglich mit einem feinen Federkleid bedeckt waren. Dies folgt ſchon, wie Profeſſor Dames ganz richtig. bemerkt, mit Notwendigkeit aus der Erwägung, daß die Federentwickelung im Bereich der Flügel und des Schwanzes ſchon eine ſehr hohe Stufe, d. h. diejenige von Konturfedern, erreicht hatte. Humboldt. — Juni 1885. 217 III. Vergleichung des Archaeopteryx mit Veptilien und Vögeln. Es wird ſich nun auf Grund obiger Schilderung die Frage erheben: Iſt der Archaeopteryx ein echter Vogel, oder iſt er ein Reptil oder f handelt es ſich um eine Mittelſtufe zwiſchen beiden? Che ich mich zur 2 0 dieſer Frage wende, ſei bemerkt, daß der erſte Verſuch, die Kluft zwiſchen Reptilien und Vögeln auf Grundlage paläontologiſcher Funde auszufüllen, von einem engliſchen Forſcher, und zwar (1868) von Profeſſor Huxley ausging. Einſt⸗ weilen hat ſich das bezügliche Material ſowie die Litteratur, namentlich auch von amerikaniſcher Seite, außerordentlich vermehrt, und heutzutage dürfte es keinen Morphologen mehr geben, der den genetiſchen Zuſammenhang der beiden Tierklaſſen in Zweifel zu ziehen geneigt wäre. Der Satz: Die Vögel ſind in ihrem Urſprung von den Reptilien abzu— leiten, kann alſo als feſtſtehend angeſehen werden. — Ziehen wir nun die Reſultate aus der obigen Beſchreibung und ſehen wir, wie ſie mit jenem Satze ſtimmen. Was zunächſt den Kopf betrifft, ſo iſt er, wie oben ſchon erwähnt, in mancher Beziehung ein Vogel— kopf, gleichwohl aber iſt ſeine große Aehnlichkeit mit dem Schädel der Flugſaurier wohl im Auge zu behalten. Wie die meiſten Vertreter dieſes unter— gegangenen Reptiliengeſchlechtes beſitzt er in ſeinen Kiefern wohl ausgebildete, echte Zähne. Solche finden ſich aber bekanntlich bei keinem heutigen Vogel, ja ſie legen ſich, ſoweit die Unterſuchungen bis jetzt reichen, nicht einmal mehr in der Embryonalzeit an und daraus folgt, daß ſie dem Vogelgeſchlecht ſchon lange verloren gegangen ſein müſſen. Prof. Dames ſcheint hierauf nicht das nötige Gewicht zu legen, denn er argumentiert folgendermaßen: bezahnte und unbezahnte Flugſaurier wurden neuerdings in einer und derſelben geologiſchen Schicht nebeneinander ge— funden, folglich ſind auch die Zähne nichts Charakte— riſtiſches mehr für das Reptil. Gewiß! und dies hat auch, ſogar bevor jener Fund gemacht wurde, nie— mand beſtritten, denn man braucht ſich ja nur der Schildkröten zu erinnern, die, obgleich unbezahnt, doch gewiß echte Reptilien ſind. Alles dieſes berech— tigt aber ſicherlich nicht dazu, den Satz umzudrehen und zu ſagen: da die Zähne nichts Charakteriſtiſches für die Reptilien ſind, ſo gilt auch dasſelbe für die Zahnloſigkeit der heutigen Vögel. Letztere iſt viel— mehr ein ſo feſtſtehender Typuscharakter, daß wir im Momente, wo derſelbe aufgegeben, d. h. wo uns ein Zahnſkelett begegnen wird, mit Notwendigkeit dazu geführt werden, auf die bezahnten Vorfahren der Vögel zurückzugreifen, und dies ſind eben die Repti— lien. Jede andere Erklärung iſt eine künſtliche, ge— ſuchte und dasſelbe gilt auch für die Wirbelſäule. Von dieſer meint Profeſſor Dames, daß eben die Entwickelung der Fortſätze an den einzelnen Wirbeln „noch nicht den Grad der Höhe erlangt habe, wie ſpäter“ und daß man nicht nur „den Hals des Archaeopteryx als einen Vogelhals an— zuſprechen,“ ſondern daß man es auch im Rumpf— abſchnitt mit „vogelähnlichen Bruſtwirbeln“ zu ſchaffen habe. Das heißt, nach meiner Anſicht, den Archaeo- pteryx künſtlich zum Vogel (im heutigen Sinne) preſſen, denn, wollte man auch von den dem Vogel— typus durchaus unähnlichen Formverhältniſſen der Halswirbel und von den, höchſtwahrſcheinlich gelenkig verbundenen, alſo freien Halsrippen ganz abſehen, ſo muß man erſtaunt ſein, mit welcher Leichtigkeit Profeſſor Dames an dem bikonkaven Wirbel— charakter, welchen er doch oft genug namhaft macht, vorübergeht! Oder glaubt er vielleicht auch auf dieſen ſeine, mit beſonderer Vorliebe geübte Me⸗ thode, den Archaeopteryx als einen perennieren— den Vogel-Embryo — darzuſtellen, anwenden zu können? — Ich will das nicht annehmen, ſondern nur betonen, daß gerade das Achſenſkelett, alſo die Wirbelſäule des Archaeopteryx eine Reptilten- Wirbelſäule darſtellt, und zwar eine von ſehr nie— derem Typus, wie er zahlreiche foſſile und einige heutige Reptilien charakteriſiert. Ganz dasſelbe gilt für den amerikaniſchen Ichthyornis, den Profeſſor Dames trotzdem für einen echten Vogel erklärt. Ich wende mich nun zu den Rippen. Sie haben mit Vogelrippen gar nichts zu ſchaffen und erinnern, ſoviel ich aus der Dames ſchen Abbildung zu ent— nehmen vermag, vielmehr an die ſogenannten falſchen Rippen gewiſſer Saurier, nur daß ſie — und das ſind nur graduelle Unterſchiede — noch viel ſchlanker und länger ſind, als jene. Dies kann uns auch nicht befremden, wenn wir die wenig konſolidierte, zum großen Teil noch aus weichem Chordagewebe be— ſtehende Wirbelſäule in Erwägung ziehen. Schon aus dieſem Grunde war die Entwickelung jenes feſten, geſchloſſenen Knochenküraſſes, wie er uns im Thorax der heutigen Vögel entgegentritt, nicht mög— lich und andererſeits läßt ſich auch die vermutlich nur ſchwache Bruſtbeinanlage genetiſch durch den rudimen— tären Charakter der Rippen erklären. Dazu kommen noch die Bauchrippen, die, wie ich dies früher ſchon ausgeführt habe, ein ſpeeifiſches Merkmal der Reptilien bilden. So nötigen alle dieſe Momente zur Annahme, daß der Archaeopteryx noch kein ausgedehntes Flugvermögen nach Art der heutigen Vögel beſeſſen, ſondern daß er ſich ſeiner Vorderextremitäten nur als eines Flatterorganes oder als eines Fallſchirmes, oder vielleicht auch als eines Geh⸗ und Aufhänge— werkzeuges bedient haben konnte. In letzterem Punkte ſtimme ich mit allen früheren Autoren auf dieſem Gebiete überein. Was nun den mit dem Becken verbundenen Ab— ſchnitt der Wirbelſäule, d. h. den Sakralteil betrifft, ſo beſteht er, wie früher ſchon erwähnt, aus einer 3— 4mal kleineren Zahl von Wirbeln, als bei den heutigen Vögeln. Darin liegt nun wieder eine An— 218 Humboldt. — Juni 1885. näherung an das Verhalten der Reptilien, und was das Becken ſelbſt anbelangt, ſo bleiben hier wie dort die einzelnen Knochenterritorien noch voneinander getrennt, während ſie bei den heutigen Vögeln zu einer einheitlichen Maſſe zuſammenfließen. Profeſſor Dames erklärt nun das Archäopteryxbecken, wie es ſcheint, weſentlich auf Grundlage der nach vorne zu ſich verbreiternden und abgerundeten Partie, gleich— wohl für ein „Vogelbecken“ und fügt hinzu, daß ja die Trennung der einzelnen Teile durch Nähte dem Vogel-Embryo ebenſogut zukomme, wie den Reptilien (Dinoſaurier). Während er nun dadurch die exquiſite Vo⸗ gelnatur des Ar- chaeopteryx zu retten glaubt, be⸗ weiſt er dadurch das Gegenteil, inſofern wir, un⸗ ter Anwendung des biogenetiſchen Grundgeſetzes, gerade in dem betreffenden Ver⸗ halten des em- bryonalen Beckens den Rep⸗ tilcharakter er⸗ kennen. Damit ſoll nicht in Ab⸗ rede gezogen wer⸗ den, daß das Ar⸗ chäopteryxbecken durch ſeine vor⸗ dere Verbreite⸗ rung und Aus⸗ dehnung bereits eine größere Wir⸗ ſondern könne jegliche Differenz zwiſchen der reichen Gliederung des Archäopteryxſchwanzes und des (ſchein— bar) viel kürzeren, einen ſehr rudimentären Eindruck machenden Schwanzes der heutigen Vögel durch fol— gende Beweisführung verwiſchen. Wenn man an⸗ nimmt, daß im letzten Abſchnitt des Vogelſchwanzes, im ſogenannten Pygoſtyl (Fig. 4 Pg), ſechs und mehr freie Schwanzwirbel aufgegangen ſein können, daß vom Becken ebenfalls eine größere Zahl, z. B. ſieben, aſſimiliert wurden und daß endlich immer noch fünf freie Schwanzwirbel vorhanden ſind, ſo würde man die Summe von urſprünglich vorhandenen achtzehn freien Schwanzwirbeln bekommen. Da⸗ mit wäre alſo die Kluft zwi⸗ ſchen hier und dem Archaeo- pteryx weſent⸗ lich verkleinert und könnte voll⸗ ends ganz aus⸗ gefüllt werden durch die Be funde von Broz feſſor M. Braun an den Embryo⸗ nen des Wellen⸗ papageies, inſo⸗ fern hier die An⸗ lage der Schwanz wirbelſäule eine relativ längere iſt, als ſie beim erwachſenen Tier zur Ausbildung gelangt. belaſſimilation Man hat alſo und jene feſte Zu⸗ die Wahl, den ſammenfügung Archaeopte— mit der Wirbel— ry x bezüglich ſei⸗ ſäule einleitet, nes Schwanzes wie ſie als ein f Big. 4. Rumpf- und Extremitäten⸗Skelett vom Au erhah n. entweder als ein Produkt der An⸗ A eee 15 8 0 Se ERTS CANA n e bleibendes Em⸗ paſſung bei der Tibia), MF Mittelfuß, 27 Zehen, Ps Pygoſtyl, k Rabenſchnabelbein, Sch Schulterblatt, bryonalſtadium allmählichen St Bruſtbein (Sternum), Cr Bruſtbeinkamm (Crista sterni), eines heutigen Uebertragung der Vogels, oder als Körperlaſt auf die hintere Extremität, unter gleichzeitiger Umwandlung der vorderen in ein Flugorgan, bekannt iſt. Dieſen Umſtand hat Profeſſor Dames richtig und ſehr ſcharf hervorgehoben und ich ſtimme ihm hierin vollkommen bei, allein von einem „Vogel— becken“ kann keine Rede ſein. Was ich oben über den Damesſchen Verſuch bezüglich der Rettung der Vogelnatur des Archaeo- pteryx durch Herbeiziehung embryologiſcher Befunde an heutigen Vögeln ſagte, gilt auch für die Schwanz— wirbelſäule. Auch hier, meint nämlich der genannte Forſcher, brauche man gar „nicht ſo weit“ zu gehen, einen Saurierſchwanz aufzufaſſen. Welche von dieſen beiden Auffaſſungen als die natürlichere, ungekün— ſtelte zu bezeichnen iſt, brauche ich nach dem Vorher— gegangenen wohl nicht erſt auseinanderzuſetzen. Wir wenden uns nun zur Beurteilung der Ex— tremitäten. Der Schultergürtel ſtimmt, ſoweit er be— kannt iſt, mit demjenigen der heutigen Vögel überein, es erſcheint mir aber gar nicht unmöglich, daß die Rabenſchnabelbeine einſt unter bedeutender Verbreiterung in der ventralen Mittellinie entweder durch ſtarke Knorpelmaſſe vereinigt waren, oder daß Humboldt. — Juni 1885. 219 ſie, wie bei den heutigen Sauriern, übereinander griffen. Es iſt dies eine reine Hypotheſe, allein ſie hat, glaube ich, ſehr viel Wahrſcheinlichkeit für ſich, denn ohne dieſe Annahme könnte man ſich, in Anbetracht der zarten Rippen und des ſicherlich nur ſchwach entwickelten Bruſtbeines, keine Vorſtellung von einer, auf die ergiebige Leiſtungsfähigkeit der mächtigen Vorderextremität berechneten, genügenden Fixation des Schultergürtels machen. Oberarm- und Vorderarmknochen und auch das Handwurzelſkelett, mag nun letzteres aus einem oder aus zwei Stücken beſtehen, weichen von den entſprechenden Bildungen der heutigen Vögel nicht LEW Fig. 5. Hintere Extremität eines Vogelembryos. OS Oberſchenkel, T und Fi die zwei Unterſchenkelknochen (Tibia und Fibula), FW Fußwurzelknochen, MF Mittelfußknochen, noch getrennt, ZZ Zehen. ab und hier wie dort mag die zweite, nur beim Embryo in freiem Zuſtand vorhandene, Handwurzel— reihe in der Baſis der Mittelhandknochen aufgegangen fein (Fig. 2 und 4). Die drei Mittelhandknochen ſind unter ſich gänzlich frei und haben alſo ein reptilienähnliches Verhalten bewahrt und da auch, wie oben ſchon be— merkt, jeder Finger an ſeinem Endglied eine Kralle: trägt, ſo ſehen wir, daß die Vorderextremität des Archaeopteryx noch viel mehr die Eigenſchaften eines Geh- und Greifwerkzeuges bewahrt hat, als dies im allgemeinen für die heutigen Vögel gilt. Bei letzteren ijt die Hand (Fig. 4 HW, MH, F) ſo⸗ zuſagen ganz im Dienſte des Flugorganes aufge— gangen und in regreſſiver Metamorphoſe begriffen. Dies prägt ſich nicht nur in der geringeren Zahl der Fingerglieder, ſondern auch in der Verwachſung aus, welche zwiſchen den einzelnen Mittelhandknochen Platz gegriffen hat. Was übrigens die Bewaffnung der Finger mit Klauen betrifft, fo liegt hierin kein ſpeeifiſches Merk— mal für Archaeopteryx, denn nicht weniger als zehn Familien der heutigen Flugvögel beſitzen jie ebenfalls. Die Hinterextremitäten ſind unſtreitig die vogelähnlichſten Teile des ganzen Skelettes; gleich— wohl iſt aber auch hier noch, in den Lagebeziehungen der beiden Unterſchenkelknochen zu einander, wie Pro— feſſor Dames richtig hervorhebt, ein Reptilcharakter zu erkennen. Ein ſolcher liegt auch in dem weiten Hinabreichen des einen der beiden Unterſchenkel— knochen, nämlich der Fibula, bis zum Tarſalge— lenk. Der Fuß ſelbſt iſt ein echter Vogelfuß, das beweiſt ſchon die Befeſtigung und Richtung der erſten Zehe (Fig. 2 und 4 2), ſowie das Fehlen aller freien Fußwurzelſtücke. In der embryonalen Zeit (Fig. 5 FW) wohl zu dreien angelegt, müſſen fie, wie dies bei den heutigen Vögeln die Regel bildet, ſpäter von den anſtoßenden Knochen, d. h. von denen des Unterſchenkels einer- und denen des Mittelfußes andererſeits aſſimiliert worden ſein, ſo daß ſich der Fuß des erwachſenen Vogels im Intertarſalgelenk bewegt (vergl. Fig. 1 A, 4 und 5). IV. Zuſammenfaſſung. So haben wir alſo im Archaeopteryx, wie dies auch alle Autoren vor Profeſſor Dames an— genommen haben, und wie dies namentlich von Carl Vogt genau präciſiert worden iſt, ein Tier zu er— blicken, das eine Zwiſchenſtellung einnimmt zwiſchen Reptil und Vogel. Dabei iſt wohl zu beachten, daß ſeine Entwickelungsſtufe — ich erinnere nur an die Bezahnung, an die Wirbelſäule, an die Rippen und Bauchrippen — noch auf eine viel tiefere Stufe des Reptilienſtammes zurückweiſt, als ſie in der Ontogenie der heutigen Vögel zum Aus— druck gelangt! Wir wollen uns einmal in die günſtige Lage verſetzt denken, die Entwickelungsgeſchichte des Archaeopteryx ſtudieren zu können; was würden ſich da für Ausblicke eröffnen und würde dann wohl Profeſſor Dames immer noch geneigt ſein, die Vogelnatur des Archaeopteryx zu verfechten? — Ich bezweifle es, denn auch jener Forſcher ſteht ja, wie er ausdrücklich betont, für einen Zuſammen— hang von Reptilien und Vögeln im allgemeinen ein und auch darin gehe ich vollkommen mit ihm einig, wenn er annimmt, daß der Archaeo- pteryx ſchon weit vom erſten, eigentlichen „Urvogel“ entfernt ſei. Dies beweiſen nicht allein gewiſſe Ske— lettcharaktere, wie vor allem die hintere Extremität, das Verhalten der Handwurzel und die Reduktion der Fingerzahl von fünf auf drei, ſondern vor allem das Federkleid, das ſchon eine ſehr hohe Aus— bildung zeigt und hinter demjenigen der heutigen Flugvögel, abgeſehen von einer ſchwächeren Ent— wickelung der Federkiele, nicht zurückſteht (ſiehe oben). Bis dieſe hohe Entwickelungsſtufe des Gefieders, welches wir auf Grundlage hiſtologiſcher und embryo— logiſcher Thatſachen in ſeinen erſten Anfängen auf die Reptilſchuppe zurückführen müſſen, erreicht war, 220 Humboldt, — Juni 1885. mögen viele Jahrtauſende verſtrichen fein und fein | Reptilformen wir uns als die Stammeltern der paläontologiſcher Fund hat uns bis jetzt von jenen Vögel vorzuſtellen haben, ſoll ſpäter, nachdem wir Zwiſchenſtufen Kunde gebracht. uns mit den amerikaniſchen „Zahnvögeln“ bekannt Ueber die letzte Frage aber, nämlich die, welche gemacht haben werden, gehandelt werden. B. Die Sahnvögel (Odontornithes) Amerikas“). An den öſtlichen Abhängen des Felſengebirges, ; ſowie in den anſtoßenden Ebenen von Kanſas und | I. Hesperornis. Colorado dehnen ſich weite, der Kreideformation | angehörige, an Foſſilien überreiche, marine Geſteins- ſchichten aus. Sie beſtehen aus einem feinen, gelben | Kalk und einem kalkigen Schieferthon, beide gleich gut geeignet zur Kon— ſervierung organiſcher Reſte. Neben den Reſten zahlreicher wirbelloſer Tiere (Ammoniten, Be— lemniten 2c.) finden ſich auch ſolche von Wirbel— tieren, unter welchen die Reptilien die Hauptrolle ſpielen. Man kann ſich von dem ungeheuren Material eine Vorſtel— lung machen, wenn man erfährt, daß allein von dem Geſchlecht der Mo— ſaſaſaurier bis zum Jahr 1880 Reſte von mehr als 1400 Indi— viduen gefunden wur— den. Daneben figurie— ren ſolche von mehr als 600 gigantiſchen Flug- ſauriern, die zum Teil eine Flügelſpann⸗ ſtößt, welche auf eine weite von nahezu 8 Verwandtſchaft mit den 25 Fuß beſeſſen haben ; 5 Pay ſtraußenartigen 1 i i ) Fig. 6. Das Skelett von Hesperornis regalis. V 6 g e [ n hinweiſen. Mitten unter dieſen untergegangenen Reptilien- Der Zwiſchenkiefer, welcher deutliche Spuren eines geſchlechtern fand nun der amerikaniſche Paläonto- früheren Hornſchnabels aufweiſt, war gänzlich zahnlos, loge Profeſſor Marſh am 13. Dezember 1870 die dagegen trug der Oberkiefer 14 und der Unterkiefer erſten ſchwachen Spuren von foſſilen Vögeln; bald 33 Zähne. Alle ſaßen in einer fortlaufenden Furche aber mehrten ſich die Funde, ſo daß bereits im Jahre und waren durch kaum merkliche Knochenleiſtchen von— 1880 die Reſte von über hundert verſchiedenen In- einander getrennt. In ihrer ſpitz-kegelartigen, ge— dividuen in Yale College-Muſeum zu New- Haven krümmten Form, ſowie in der feineren Struktur und (Connecticut) geborgen waren. Alle ſind durch den der Art und Weiſe ihres Wiedererſatzes gleichen ſie Beſitz von Zähnen charakteriſiert („Odontornithes“, denjenigen von Reptilien, wie vor allem der Moſa⸗ Marſh), zerfallen aber ihrem übrigen Skelettbau | faurter. Da ſie offenbar durch Bandmaſſe befeſtigt nach in zwei ſcharf getrennte Typen. und ſo beweglich in den Furchen eingelenkt waren, Der eine Typus wird durch das Genus Hesper- findet man fie in der Regel aus den letzteren heraus- ornis, der andere am beſten durch das Genus Ichthy- gefallen. Sehr bemerkenswert iſt, daß die beiden ornis repräſentiert. Hälften des Unterkiefers nicht zu einer einheit— lichen Knochenmaſſe verſchmolzen, ſondern daß ſie, ) Die betreffenden Abbildungen find nach den Origi⸗ wie z. B. bei Schlangen, nur durch Bandmaſſe mit⸗ nalien von Profeſſor Marſh entworfen. einander vereinigt waren. Ein weiterer Reptilien- Die Skelettteile von Hesperornis regalis (Fig. 6) ſind, abgeſehen von ein Paar Endgliedern der Zehen und von der äußerſten Schwanzſpitze, in der denkbar vollkom— menſten Weiſe erhalten, ja die einzelnen, häu⸗ fig noch in ihrer naz türlichen Lage befind— lichen Knochen erſchei-⸗ - nen ſo friſch, als wären ſie einem eben erſt getö⸗ teten Tiere entnommen. Der langgeſtreckte, ſchmale Schädel, wel— cher ſo wenig, als ir— gend ein anderer Teil des Skelettes lufthohl (pneumatiſch) war, er⸗ innert auf den erſten Anblick an denjenigen eines heutigen Tauch⸗ vogels, des Colym- bus torquatus; bei genauerer Unterſuchung jedoch wird man ge— wahr, daß jene Aehn— lichkeit eine rein äußer⸗ liche iſt, inſofern man bald auf wichtige Punkte Humboldt. — Juni 1885. 221 charakter offenbart ſich in dem Offenbleiben der Nähte zwiſchen den einzelnen Knochenterritorien des Unter— kiefers. Das Gehirn von Hesperornis (Fig. 7A) war, nach Ausgüſſen der Schädelhöhle zu ſchließen, viel reptilienähnlicher als dasjenige irgend eines heutigen Vogels und vergleicht man damit z. B. das von Colymbus (Fig. 7B), fo erſtaunt man namentlich über die Größenunterſchiede der Großhirn-Hemi— ſphären. Letztere find bei Colymbus wohl dreimal fo breit und viel ſtärker gewölbt, während ſie bei He— spevornis durch ihre Schlankheit, ſowie durch die Form- und Lageverhältniſſe der Riechnerven viel mehr an den Alligator (Fig. 70) erinnern. In Anbetracht dieſer im Gehirn und im Schädel ſich kundgebenden Reptilcharaktere iſt es auffallend genug, daß der ganze vor dem Becken liegende Ab— ſchnitt der Wirbelſäule durchweg nach dem Typus der heutigen Vögel gebildet iſt. Der Halsabſchnitt beſtand aus 17, der dahinter liegende Teil nur aus Oberarmknochen repräſentiert (Fig. 6). Alle übrigen Extremitätenknochen ſind entweder gänzlich geſchwunden, oder es finden ſich nur noch außer— ordentlich kleine, urſprünglich wohl durch Knorpel oder Bandmaſſe verbundene Stückchen, welche ſich einer ſicheren Beurteilung entziehen. Was nun den Beckengürtel betrifft, ſo ſind alle drei Knochen, alſo das Darm-, Scham- und Sitzbein, wie bei den heutigen Vögeln, zu einer ein— zigen Maſſe zuſammengefloſſen. Obgleich in ſeinen allgemeinen Umriſſen, wie namentlich durch ſeine Länge und Schmalheit an dasjenige von Podiceps und anderer Tauchvögel erinnernd, vereinigt das Becken des Hesperornis doch mehr Reptiliencha— raktere, als dasjenige irgend eines recenten Vogels, und durch eben dieſen Umſtand nähert es ſich auch in manchen Punkten dem Becken der ſtraußenartigen Vögel. Eine ganz beſondere Beachtung verdient der Schwanz des Hesperornis. Er beſteht aus zwölf ſtarkknochigen Wirbeln, eine Zahl, die, vielleicht ab— Fig. 7. RN Riechnerven, RL Riechlappen, H Hemiſphären, ZH Zwiſchenhirn, KA Kleinhirn. 6 Wirbeln; rechnet man dazu die 14, zu einer ein— heitlichen Knochenmaſſe zuſammengefloſſenen Kreuz—, ſowie die 12 Schwanzwirbel, ſo reſultiert daraus die Geſamtſumme von 49 Wirbeln, eine ſehr hohe und von wenigen Vögeln der Neuzeit erreichte Zahl. Die letzten drei Halswirbel trugen freie Rippen und erſt das am 18. Wirbel eingelenkte Rippenpaar verband ſich mit dem Bruſtbein mittels ſogenannter Sternalſtücke (vergl. Fig. 4 und 6). Letztere cha— rakteriſieren auch die weiter nach 1 liegenden ſechs Rippenpaare und indem an den Vertebralſtücken auch gelenkig verbundene Hackenfortſätze (Proces— sus uncinati) vorhanden ſind, wird die Ueberein— ſtimmung mit den Rippen der heutigen Vögel eine nahezu vollkommene. Der Schultergürtel ähnelt am meiſten dem der ſtraußenartigen Vögel einer- und der Dinoſaurier andererſeits. Die Zartheit ſeiner Formen kann nicht überraſchen, wenn man erwägt, daß die freie Extre— mität, alſo das Flugorgan, in regreſſiver Metamor— phoſe begriffen iſt. Sie iſt nämlich einzig und allein durch den dünnen, 150 mm langen Humboldt 1885. A Gehirn des Hesperornis regalis, B des Colymbus torquatus, C des Alligators. geſehen von der nahezu ausgeſtorbenen Alea im- pennis, von keinem jetzigen Vogel mehr erreicht wird. Die mittleren und hinteren Schwanzwirbel beſitzen ſehr lange, horizontal abſtehende Querfort— ſätze und dieſe laſſen mit Sicherheit darauf ſchließen, daß der an ſeinem Hinterende vermutlich einſt mit ſteifen Steuerfedern verſehene Schwanz nicht ſowohl in der ſeitlichen, als vielmehr in der vertikalen Rich— tung bewegt und dabei als ein Unterſtützungsmittel beim Tauchen und Steuern benützt wurde. Neben dieſem Schwanz war der Hesperornis in der Art und Weiſe ſeiner Fortbewegung in erſter Linie auf ſeine gewaltigen Hinterextremitäten an— gewieſen und daraus erhellt, daß er, ähnlich wie das Genus Podiceps, als ein reiner Tauch- und Waſſer— vogel durchaus auf das feuchte Element beſchränkt war. Man kann ſich leicht vorſtellen, mit welcher Kraft und Schnelligkeit der Körper durch den Rück— ſtoß der mächtigen, nach Art von Rudern wirkenden, zwiſchen den Zehen unzweifelhaft mit Schwimmhäuten verſehenen Hinterextremitäten vorwärts getrieben wer— den mußte. 29 222 Humboldt. — Juni 1885. Alles zuſammengenommen muß alſo die hintere Gliedmaſſe des Hesperornis als durchaus nach dem heutigen Vogeltypus und ſpeciell nach dem der ſtraußenartigen Vögel gebildet bezeichnet werden. Denkt man ſich das ganze Skelett des Hes per— ornis regalis in die Länge geſtreckt, fo würde dasſelbe eine Ausdehnung von ſechs Fuß erreichen. In natürlicher Stellung aber, d. h. bei gekrümmtem Hals ꝛc., mag die Höhe von drei Fuß nicht viel über— ſchritten worden ſein. Alle drei bis jetzt bekannnten Arten des Hesper- ornis lebten vermutlich von Fiſchen, an welchen die damaligen Meere Ueberfluß hatten. Daß ſie Fleiſch⸗ freſſer waren, darauf weiſt das Gebiß mit voller Sicher— heit hin und man darf annehmen, daß ſie ſich aus einer langen Reihe von carnivoren und raubluſtigen Reptilien herausentwickelt haben. Alle äußeren Umſtände waren günſtig für eine lange und gedeihliche Exiſtenz des Hesperornis; für Nahrung war, wie oben ſchon bemerkt, überreich— lich geſorgt und die über den Waſſern ſchwebenden, gigantiſchen, aber zahnloſen Flugſaurier konnten ihm nicht viel anhaben. So mochte er ſich einzig und allein durch die Moſaſaurier beunruhigt fühlen und es erſcheint nicht unmöglich, daß dieſe ihn mit der Zeit aus ſeinen Jagdgründen verſcheucht oder wohl gar ausgerottet haben (Marſh). II. Ichthyornis. Dieſe zweite Ordnung der amerikaniſchen Zahn— vögel weicht von Hesperornis in folgenden Punk— ten außerordentlich ab. Alle Vertreter waren von geringer Größe, kaum größer als eine Taube, und zeichneten ſich, ähnlich wie die Seeſchwalben, mit welchen überhaupt zahlreiche Vergleichungspunkte exi⸗ ſtieren, durch mächtige Flügel und ſehr ſchwache Hinterextremitäten aus. Ferner beſaßen ſie ähnlich, wie der Archaeopteryx, bikonkave, auf uralte Vorfahren zurückweiſende Wirbelkörper und mehr oder weniger lufthohle (pneumatiſche) Knochen, kurz, es ergeben ſich bei einem Vergleiche der beiden Ord— nungen größere Unterſchiede, als ſie irgendwo zwiſchen den heutigen Vögeln vorkommen. Daß ſich von der Ordnung Ichthyornis viel unvollkommenere Reſte erhalten haben, kann in Anbetracht des zarteren Skelettcharakters und namentlich der lufthohlen Knochen nicht befremden. Gleichwohl aber brachte Profeſſor Marſh noch ein ſehr großes, die Reſte von 77 Individuen enthalten- des Material zuſammen. g Der im Verhältnis zum übrigen Körper ſehr große Schädel nähert ſich in ſeinem Bau mehr dem des Hesperornis, als dem der heutigen Vögel. Wie bei jenem, war auch hier nur der Ober- und Unter— kiefer mit ſpitzen und ſtark gekrümmten Zähnen beſetzt und der Zwiſchenkiefer ging höchſt wahrſcheinlich leer aus. Dies weiſt darauf hin, daß auch Ichthyornis einen Hornſchnabel beſeſſen haben muß, während ein folder bei Archaeopteryx (ſ. oben), deſſen Be⸗ zahnung ſich auch auf den Zwiſchenkiefer erſtreckte, nicht. wohl vorhanden geweſen ſein kann. Die Zähne des Ichthyornis waren in förm⸗ AN | ; vel N s E 9 i j Fig, 8. lichen Alveolen oder Gruben, ähnlich wie bei Kroko— diliern, befeſtigt, und ganz wie bei den letzteren erfolgte der Wiedererſatz von unten her. Das Skelett von Ichthyornis victor. Fig. 9. A das Gehirn von Ichthyornis victor, B dasjenige der Seeſchwalbe (Sterna cantiaca). RN Riechnerven, H Hemiſphären, KH Kleinhirn. Das Gehirn (Fig. 9A) war merkwürdig klein und von ausgeprägtem Reptilientypus; im allge— meinen ähnelt es mehr dem Heſperornisgehirn Humboldt. — Juni 1885. 223 (Fig. TA), als demjenigen irgend eines recenten, daraufhin unterſuchten Vogels. Es war, was die Hemiſphären (H) anbelangt, wenigſtens viermal kleiner, als das der Seeſchwalbe (Fig. 9B). Der kräftige Schultergürtel, ſowie die gewaltige Vorder— extremität ſind bis ins einzelnſte nach dem Typus der heutigen Vögel gebaut und deshalb lohnt es ſich nicht, weiter darauf einzugehen (vergl. Fig. 4 u. 8). Wie bei Archaeo- pteryx find die ein— zelnen Teile des Beckens, d. h. die langen und ſchlanken Scham- und Sitzbeine, ſowie das Darmbein nicht mit— einander zuſammenge— floſſen, ein Verhalten, welches an die Reptilien erinnert. Das Kreuzbein beſteht aus zehn, der Schwanz dagegen nur aus ſieben Wirbeln. Die Hinterextremität weicht von derjenigen der heutigen Vögel ſo gut wie nicht ab. Im Gegenſatz zu Archaeopteryx find bet ſämtlichen Zahnvögeln Amerikas vom Federkleid nur ſchwache, auf die Befeſtigung der Federkiele am Vorderarm ſich beziehende Spuren (Gruben) vor— handen. Ueber den Charakter der Feder— Meictige Fligvégel. bildung läßt ſich N XK | 7 yes alſo nichts Sicheres N e ausſagen, doch hat : man allen Grund, a 8? Zwischentormen anzunehmen daß il dinbiltug 0 Le é W des Schwanxes. Hesperornis nur Archacopterge yy ein Dunengefieder, Ichthyornis aber wohl entwickelte, mit ſtarkem Kiel und dich— tem Bart verſehene Konturfedern beſaß. @ Amal Entroickt ung des a Getieders bei der Ahnen- Le Tere rethe des / Hoga NT 7 arlige 1 0 0 chuppt Arluphetradytung. Ein Vergleich der beiden Typen der Kreidevögel gibt ebenſo ſchroffe als unerwartete Gegen— ſätze. Dort (bei Hesperornis) die auf eine niedere Entwickelungsſtufe hinweiſende Befeſtigung der Zähne in Furchen, daneben aber die hoch differenzierten echten Vogelwirbel mit ſattelförmigen Gelenkflächen, ſowie die rudimentäre Vorder- und die gewaltige Hinter— extremität; hier (bei Ichthyornis) die primitiven bikonkaven Wirbelkörper, die auf eine hohe Stellung im Syſtem hinweiſenden Zahnfächer (Alveolen) und das dem Hesperornis gegenüber geradezu um— gekehrte Verhalten der Vorder- und Hinterextremität. Ein ſchlagenderer Beweis für die Möglichkeit einer nur partiellen Fortentwickelung gewiſſer mor— 2 Fig. 10. Ramphorhynchus phyllurus Marsh. Reſtauriert. 1 a Gemeinsame Urform. Fig. 11. phologiſcher Charaktere, ſowie für das gleichzeitige zähe Ausdauern anderer, von uralten Vorfahren her vererbter und ſo auf eine niedere Stufe zurückwei— ſender Eigentümlichkeiten kann, wie Profeſſor Marſh mit Recht betont, nicht geliefert werden. Was nun den Archaeopteryx betrifft, Jo ge— nügt der erſte Blick, um die zwiſchen ihm und ſämt— lichen Kreidevögeln Amerikas beſtehende Kluft viel tiefer erſcheinen zu laſſen, als diejenige, welche die letzteren ſelbſt vonein⸗ ander trennt. Es wird ſich deshalb die Frage erheben, in welchen ver— wandtſchaftlichen Bezie— hungen ſie zu einander ſtehen und von welchen Vorfahren ſie ſich ab— leiten laſſen. Daß alle drei dem Reptilienſtamm entſproſſen find, darüber kann heut- zutage kein Zweifel mehr exiſtieren, allein es fragt ſich, ob ſich alle drei oder, ſagen wir beſſer, ob ſich das ganze heutige Vogelgeſchlecht von einem und demſelben Zweige des Reptilienſtammes aus in direkter Linie entwickelt hat, oder ob man mehrere von einem gemeinſamen Punkt ausgehende, getrennte, einander parallel laufende Entwickelungsreihen anzunehmen habe. Ich leite die Flugvögel (Cari— naten) von lang— ſchwänzigen Repti— lien ab, deren ſau— rierartige Urform ſich wohl ſchon vor der Trias nach fol— genden drei Rich— tungen hin ent— wickelt haben muß, nämlich in die lang— und kurzſchwänzigen Flugſaurier (-Rha m- phorhynchus (Fig. 10), Ptero- dactylus) einer— und. in die Vor⸗ fahren des Ar— chaeopteryx andererſeits. Aus letzterer Form gingen dann durch ſtetige Entwickelung des Feder— kleides, des Flügels und des Bruſtbeinkammes, ſowie unter gleichzeitiger Rückbildung des Sau— rierſchwanzes alle heutigen Flugvögel hervor; dieſe aber find durch den Lehthyornis, als durch ein derſelben Entwickelungsreihe angehö— rendes Mittelglied, mit dem Archaeopteryx verknüpft. Da nun die Flugvögel bis auf den heutigen Tag in fortwährender Weiterentwickelung, beziehungsweiſe Differenzierung begriffen ſind, ſo kann es nicht be— fremden, daß ſich bei ihnen die Reptiliencharaktere Heutige Taufvoget. Hesperornis. Lwischenform., 224 Humboldt. — Juni 1885. bereits fo verwiſcht haben, daß fie zum großen Teil nur noch während der Fötalperiode zu Tage treten. Ganz anders verhält es ſich in dieſer Beziehung mit Hesperornis und den ſtraußenartigen Vögeln. Sie zeichnen ſich durch einen viel ſtabileren Charakter aus und bewahren ſo nach vielen Seiten hin die Reptiliennatur viel reiner, als die Flugvögel. In ihrem Urſprung auf das merkwürdige Geſchlecht der Dinoſaurier zurückführbar, beſaßen ſie nie das Flugvermögen, denn die Rückbildung der Vorder— extremität war ſchon bei den Vorfahren (Dinoſau— rier) angebahnt. So hätten wir alſo, wie dies aus beifolgendem Schema zu erſehen iſt, zwei parallel neben einander herlaufende Entwickelungsreihen. Mit anderen Wor⸗ ten: Die beiden großen Gruppen der heutigen Vögel, d. h. die (keiner weiteren Entwickelung fähigen) Lauf⸗ vögel einer- und die Flugvögel andererſeits, müſſen ſich, wenn auch in letzter Linie aus einer Grund- form entſprungen, weiterhin auf zwei ganz getrennten Bahnen entwickelt haben. Der Zukunft muß es nun vorbehalten bleiben, zu ermitteln, welche Reptilien den Ausgangspunkt für jene Doppelreihe gebildet haben; vorderhand fehlt uns hierüber jeder ſichere Anhaltspunkt. Schlagende Wetter. Von Prof. Alois Schwarz in Mähriſch-Oſtrau. chön iſt Bergmanns Leben, herrlich iſt ſein Loos“, ” fo beginnt ein altes Bergmannslied. Doch wer dieſe Verſe gedichtet, mag das Bergmannsleben nur vom Hörenſagen gekannt haben. Es gibt wohl keinen ernſteren, keinen ſchwierigeren Beruf, als den des Bergmanns; deshalb iſt auch der Bergmann ſelbſt meiſt ernſt und wortkarg, namentlich während der Arbeit. Bevor er ſich anſchickt, einzufahren, um tief unten in den Eingeweiden der Erde ſeinem Tag- oder Nachtwerke nachzugehen, unterläßt er nie, ſich durch ein Gebet dem Schutze des Himmels zu empfehlen, und die zurückbleibenden Genoſſen rufen ihm beim Einfahren den alten Gruß „Glück auf“ zu. Und den Schutz des Himmels, ſowie Glück bei dem ſchweren Berufe bedarf der Bergmann in höherem Maße als jeder andere; denn vielfach ſind die Gefahren, die da unten ſeiner harren. Das hängende Firſtgeſtein droht ihn im Herabſtürzen zu zerſchmettern, und bei jedem Schritt nach vorwärts muß er die Feſtigkeit der über ihm ſchwebenden, nur künſtlich geſtützten Decke prüfen. Unterirdiſche Wäſſer, die nur mit Anwendung allen menſchlichen Scharfſinns bewältigt und nach oben ge— ſchafft werden, ſchneiden dem Bergmann oft genug den Rückzug ab, wenn ihre ungebändigte Wildheit über menſchliche Kraft den Sieg davonträgt. Schlechte, durch allerhand Gaſe verunreinigte Luft bringt dem Bergmann häufig frühes Siechtum und nicht ſelten den Tod. Doch der gefährlichſte Feind des Bergmanns, der einem Würgengel gleich in einem einzigen Augen— blicke zahlreiche Exiſtenzen vernichtet, das ſind die „ſchlagenden Wetter“, welche namentlich der Kohlen— bergmann zu fürchten hat. „Schlagende Wetter!“ — Ein ſeltſamer und doch ſo charakteriſtiſcher Ausdruck der Bergmannsſprache. Der Bergmann bezeichnet überhaupt jede Luftart mit dem Namen „Wetter“ und nennt „gute Wetter“ jene, die dem Atmen und dem menſchlichen Leben zuträglich ſind, und „ſchlechte Wetter“ ſolche, in denen der Menſch nicht exiſtieren kann, und die deſſen Leben bedrohen. Zu den ſchlechten Wettern zählt der Berg— mann die Kohlenſäure, das Kohlenoxyd und den Schwefelwaſſerſtoff, welche drei bei der Zerſetzung oder Verbrennung organiſcher Stoffe entſtehen, und den Stickſtoff, den irreſpirablen Beſtandteil der Luft, der dann ſchädlich wirkt, wenn der Sauerſtoff der Luft zum größten Teile verbraucht wurde; dieſe vier Arten von „ſchlechten Wettern“ führen für den Berg- mann Erſtickungsgefahren herbei, wenn ſie auch nur in geringer Menge der Grubenluft beigemengt ſind. Die „ſchlagenden Wetter“, auch Grubengas oder feurige Schwaden genannt, bringen dem Kohlenberg— mann die größten Gefahren und ſind daher mit Recht am meiſten von ihm gefürchtet. Das Grubengas, eine chemiſche Verbindung von Kohlenſtoff und Waſſer— ſtoff, tritt meiſt in Steinkohlenflözen, ſeltener in Braunkohlenlagern und Salzbergwerken von ſelbſt auf; es iſt unzweifelhaft ein Produkt eines trockenen Deſtillationsprozeſſes, der ſich vor ungezählten Jahr— tauſenden unter dem Drucke der überlagernden Geſteins— ſchichten an den unter denſelben begrabenen Pflanzen— reſten vollzog, und als deſſen Endprodukt die Stein— und Braunkohle ſich darſtellt. In hohlen Räumen des Kohlengebirges, in den Klüften der Flöze iſt das Gas oft in ungeheuern Mengen unter großem Drucke eingeſchloſſen, und wird eine ſolche Höhlung angefahren, ſo ſtrömt das Gas mit mächtiger Gewalt hervor, in kurzer Zeit ganze Grubenräume erfüllend; ſolche Vor— kommen werden als Gasſäcke oder Bläſer bezeichnet. Doch entweicht auch das Grubengas kontinuierlich den Kohlen, und kann man in Steinkohlengruben das Humboldt. — Juni 1885. 225 Aufſteigen der Gasblaſen an den feuchten Wänden der Stollen, wie auch aus den Grubenwäſſern jeder— zeit, namentlich aber bei niedrigem Barometerſtande, beobachten. Im reinen Zuſtande iſt das Gas farblos, halb ſo ſchwer als die atmoſphäriſche Luft, und brennt mit ruhiger, bläulicher Flamme; es ſammelt ſich infolge ſeiner geringen Dichte auch meiſtens am Firſte der Grubenſtrecken, oder in den anſteigenden Strecken an. In reinem Zuſtande iſt es in den Gruben jedoch niemals vorhanden, ſondern iſt ſtets mit mehr oder weniger atmoſpäriſcher Luft gemengt, und ein ſolches Gemenge iſt eben beſonders gefährlich und wird als „ſchlagendes Wetter“ bezeichnet. Denn dieſes Ge— menge hat die gefährliche Eigenſchaft, bei Vorhanden— ſein eines beſtimmten Miſchungsverhältniſſes und bei erfolgter Entzündung unter furchtbarer Exploſion zu verbrennen, und wird ſowohl durch die Wirkungen der Verbrennung als des Schlages bei der Exploſion, ferner auch durch die bei ſeiner Verbrennung ent— ſtehenden nicht atembaren Gaſe, die nach der Exploſion die Grube erfüllen, lebensgefährlich. Die Anweſenheit von 3 bis 6% Grubengas in der Luft der Grube iſt bei Anwendung der notwen— digen Vorſicht noch zuläſſig; jedes höhere Miſchungs— verhältnis von Luft und Grubengas iſt drohend; denn in dem Maße, als mehr ſchlagende Wetter der Luft beigemengt ſind, ſteigt auch bei ſtattgefundener Ent— zündung die Rapidität der Verbrennung; die heftigſte Exploſion erfolgt bei einem Gemenge von 1 Teil Grubengas mit 10 Teilen Luft, wobei ſämtlicher Sauerſtoff der Luft zur Verbrennung des Gruben— gaſes verwendet wird, und ſich Kohlenſäure, Stickſtoff und Waſſerdampf bilden; in dieſen Gaſen, welche nach der Exploſion zurückbleiben und Nachſchwaden genannt werden, erſticken ſehr häufig die nicht von der Exploſion getroffenen, an anderen Arbeitsorten be— findlichen Bergleute. Die Wirkung einer Exploſion ſchlagender Wetter äußert ſich zunächſt in einem heftigen Schlag und in einer hohen Temperatur, durch welche Menſchen ver— brannt oder durch Anwerfen an die Wand getötet werden; die Gezimmer werden umgeworfen, die Grubenſchienen verbogen, das loſe Gebirgsgeſtein geht zu Bruche und zerſtört die Strecken. Der plötzlichen Volumsvermehrung und Ausdehnung der Luft folgt alsbald nach der Exploſion ein rapides Zuſammen— ziehen der Verbrennungsprodukte, verbunden mit einem momentanen Rückſtrömen der Wettermaſſen, das als Rückſchlag bezeichnet wird. Bei der eminenten Gefährlichkeit dieſes Gas— gemenges muß es natürlich die ſtete Sorge der Betriebsbeamten und Aufſichtsorgane bilden, die An— ſammlung der ſchlagenden Wetter in der Grube durch entſprechende Vorkehrungen unmöglich zu machen, ſo wie die etwaige Anweſenheit ſchlagender Wetter durch geeignete Erkennungszeichen zu konſtatieren, um die nötige Vorſicht eintreten zu laſſen. In jeder Strecke, in welcher ſchlagende Wetter überhaupt auftreten, iſt die Anwendung offenen Lichtes, der Gebrauch von Feuerzeugen, das Tabakrauchen ꝛc. unbedingt zu ver— bieten, und das Schießen zu Sprengzwecken nur dann zu geſtatten, wenn unmittelbar vorher die Abweſen— heit von ſchlagenden Wettern an dem betreffenden Arbeitsorte konſtatiert iſt. Statt der offenen Lampen müſſen in ſolchen Strecken ſogenannte „Sicherheits— lampen“ verwendet werden; die erſte dieſer Lampen wurde von dem engliſchen Chemiker Davy im Jahre 1815 konſtruiert und iſt deren Prinzip noch heute in Gebrauch. Es iſt dieſe Lampe mit einem Cylinder aus feinem Drahtgewebe umgeben, welcher die Eigenſchaft beſitzt, die Flamme infolge der ſtarken Abkühlung nicht durchſchlagen zu laſſen. Dieſe Lampe iſt ſeither vielfach verbeſſert worden und ſind gegenwärtig zahlreiche Syſteme derſelben in Anwendung; das Drahtnetz ſoll möglichſt feinmaſchig fein und 140 bis 190 Maſchen auf 1 gem haben. Die Sicherheitslampe darf in der Grube niemals ge— öffnet werden, und iſt mit einem geeigneten Verſchluß verſehen, deſſen Schlüſſel ſich bloß im Beſitze der zur Herrichtung der Lampen beſtimmten Organe befindet. Ausgelöſchte Lampen dürfen nicht in der Grube, ſondern nur über Tag angezündet werden. Mit Hilfe dieſer Sicherheitslampen iſt man auch imſtande, das Vorhandenſein ſchlagender Wetter zu konſtatieren; man macht zu dieſem Zwecke ein kleines Flämmchen in der Lampe und hebt letztere langſam von der Sohle der Grubenſtrecke gegen den Firſt empor; ſind ſchlagende Wetter vorhanden, ſo bildet ſich alsbald über dem Flämmchen ein kleiner blauer Flammenkegel, der aus brennenden Gaſen beſteht. Bleibt dieſer Flammenkegel konſtant 2 bis 3 mm hoch, oder verſchwindet derſelbe zeitweiſe, ſo ſind ſchlagende Wetter nur in geringer Menge, höchſtens 3%, in der Luft vorhanden, welches Gemiſch gefahrlos iſt. Wird dieſer Flammenkegel jedoch höher und ſpitzig, und erfolgen in der Lampe kleine Detonationen, ſo ſind mehr Gaſe vorhanden und bereits Vorſicht beim Schießen anzuwenden; verliſcht die Lampe jedoch in— folge dieſer Gasverpuffungen im innern, ſo iſt das Miſchungsverhältnis gefährlich, es muß der betreffende Ort ſchleunigſt verlaſſen und darf nicht wieder be— treten werden, bis für die Abführung der Wetter Sorge getragen wurde. 5 Dieſe Ableitung der ſchlechten Wetter und ihr Erſatz durch gute friſche Wetter, welche Vorkehrungen unter dem Namen „Wetterführung“ zuſammengefaßt werden, bildet denn auch die hauptſächlichſte und ſtete Sorge des Betriebsleiters eines jeden Bergwerkes, insbeſondere aber eines Kohlenbergwerks. Nicht nur die Geſundheit und das Leben der Arbeiter, ſondern auch die Sicherheit des geſamten Betriebes hängen von einer zweckmäßigen Wetterführung ab und ift dieſelbe ſowohl aus humanitären wie auch ökonomiſchen Rückſichten der größten Beachtung wert. Die Wetterführung baſiert durchgehends auf mög— lichſt kontinuierlichem, raſchem und ausreichendem Luft— wechſel in der Grube, durch welchen die daſelbſt an— geſammelten ſchlechten Wetter in Bewegung gebracht, aus der Grube entfernt und durch friſche Luft erſetzt 226 Humboldt. — Juni 1885. werden; außerdem erfolgt durch genügend ſtarke Zu— fuhr atmoſphäriſcher Luft eine Verdünnung der ſchlagenden Wetter in ſo hohem Grade, daß ſie da— durch ihre Exploſionsfähigkeit und damit auch ihre gefährlichſte Eigenſchaft verlieren. Dieſe Luftbewegung wird auf Grund des bekannten phyſikaliſchen Geſetzes eingeleitet, daß wenn von zwei miteinander kommuni— zierenden Luftſäulen die eine durch Erwärmung oder mechaniſche Kraft in Bewegung geſetzt wird, auch die zweite Luftſäule dieſer Bewegung folgen muß, und daß in den hierdurch entſtandenen, luftverdünnten Raum die äußere Atmoſphäre nachdringt. Natürlich müſſen behufs Einleitung der Wetterführung ſtets zwei mit— einander verbundene Schachte vorhanden ſein, der eine, durch welchen die ſchlechten Wetter entweichen, und der gewöhnlich Wetterſchacht heißt, und ein zweiter, durch welchen friſche Wetter einfallen können. Die Wetterführung in der Grube kann eine na— türliche oder eine künſtliche ſein, d. h. es kann die Bewegung der in der Grube befindlichen Luft— maſſen infolge der natürlichen phyſikaliſchen Verhält— niſſe, als Unterſchied der Höhen und Temperaturen der miteinander kommunizierenden Luftſäulen, ftatt- finden, oder es kann dieſe Bewegung auf künſtlichem Wege unter Anwendung phyſikaliſcher oder mecha— niſcher Hilfsmittel eingeleitet und befördert werden. Schon ein mäßiger Unterſchied der Höhen der in den beiden kommunizierenden Schachten befindlichen Luftſäulen, oder eine entſprechende, in den meiſten Fällen vorhandene Temperaturdifferenz können einen natürlichen Wetterzug bewirken, der durch mannigfache Hilfsvorrichtungen verſtärkt werden kann. Eine ſolche natürliche Wetterführung iſt jedoch nur in ſeltenen Fällen ausreichend und muß der Wetterzug meiſt auf künſtlichem Wege bewirkt werden. Dies geſchieht ent— weder durch Erwärmen der aus dem Schachte ziehen— den Luftſäule durch eigens konſtruierte, in der Grube oder über Tag angelegte Wetteröfen, oder durch Be— wegung der Grubenwetter durch Ausſaugen mittels Ventilatoren, oder endlich durch Zuleitung von kom— primierter Luft mittels Gebläſemaſchinen. Es iſt zweifellos, daß die künſtliche Wetterführung, wenn man von ihren Koſten abſieht, der natürlichen Wetter— führung gegenüber große Vorteile bietet, nachdem ſie überall ohne Rückſicht auf lokale und Witterungs— einflüſſe angewendet werden und die Regelung ihres Betriebes leicht erfolgen kann. Die häufigſte Art der in Verwendung ſtehenden künſtlichen Wetterführung iſt die durch Wetteröfen in kleineren Betrieben, und die durch Ventilatoren in größeren Betrieben; von den zahlreichen Syſtemen der Ventilatoren ſind die Flügelventilatoren und zwar die von Rittinger und Guibal am meiſten im Gebrauche. Doch genügen die erwähnten phyſikaliſchen und mechaniſchen Hilfsmittel zur richtigen Durch— führung einer guten Wetterführung nicht allein; der Erfolg hängt hauptſächlich ab von dem Zuſtande der Strecken in der Grube, von der richtigen Verteilung der Wetter in den Strecken durch geeignete Wetter— vorkehrungen, unter welchen man gewiſſe Bauten und Verſchlußvorrichtungen an geeigneten Stellen der Strecke verſteht. Nur die ſorgfältigſte Beobachtung aller dieſer Umſtände ermöglicht eine geregelte Wetter— führung und damit den geſicherten Betrieb eines Bergwerkes. Wie wichtig die Wetterführung für die Verhin⸗ derung von Grubenunglücken durch ſchlagende Wetter iſt, zeigt die von Haßlacher gegebene Zuſammen— ſtellung der Urſachen von 340 tötlichen Wettererplo- ſionen aus den Jahren 1861 bis 1881. Es wurde bei dieſen als die Urſache der Anſammlung von Gaſen ermittelt: in 219 Fällen mangelhafte Ventilation, in 46 Fällen Anhauen von Bläſern, in 42 Fällen Wn- ſammlung von Gaſen im alten Mann (d. i. in ab— gebauten verbrochenen Strecken) und in 23 Fällen Störung deve Ventilation; alle dieſe Unglücks— fälle, denen Tauſende von Menſchenleben zum Opfer fielen, hätten durch reichliche Wetterverſorgung verhindert werden können. Nicht weniger intereſſant iſt die Zuſammenſtellung der Urſachen der Entzündung ſchlagender Wetter bei derſelben Anzahl der unterſuchten Fälle; 146 wurden durch offenes Geleuchte, 44 durch unbefugtes Oeffnen der Lampe, 7 durch verbotenen Gebrauch von Feuer— zeugen; 19 durch Schadhaftwerden der Sicherheits— lampe, 11 durch Glühendwerden des Drahtnetzes, 44 infolge Durchſchlagens der Flamme; 60 durch Pulverflamme und Sprengungen, 1 durch den Wetter— ofen, 8 durch unbekannte Urſachen veranlaßt; im ganzen wurden 58 Proz. der unterſuchten Fälle durch offene Flamme, 25 Proz. durch fehlerhafte Sicherheits lampen, und bloß 18 Proz. durch Sprengungen ver— urſacht, ſo daß durch geeignete Vorſicht auch bei er— folgter Anſammlung von Wettern deren Entzündung und damit auch das Unglück ſelbſt hätte verhütet werden können. Deshalb dürfte auch das in neuerer Zeit zu Tage getretene Beſtreben, die Sprengmaterialien, z. B. Pulver und Dynamit, wenigſtens in den Kohlenbergwerken durch andere Sprengmittel, wie ungelöſchten Kalk, Zerſetzung des Waſſers ꝛc., zu er— ſetzen, welche anerkennenswerte Beſtrebungen leider bis heute ohne weſentlichen Erfolg geblieben ſind, auch noch immer nicht die Exploſionen ſchlagender Wetter vollſtändig verhüten, wenn nicht der Wetter— führung gleichzeitig die nötige Aufmerkſamkeit geſchenkt und durch hinreichende Beaufſichtigung und Be— lehrung der zumeiſt gegen Gefahr abgeſtumpften und deshalb waghalſigen Arbeiter die unvorſichtige Gebahrung mit dem Geleuchte wirkſam verhindert wird. Welche furchtbare Dimenſionen Grubenunglücke durch Exploſion ſchlagender Wetter annehmen können, ſei durch Anführung der größten Grubenunglücke der letzten Jahrzehnte illuſtriert. Am 20. Februar 1857 verunglückten im Lundhill im Sheffielder Kohlenrevier durch eine Exploſion 180 Mann; das furchtbare Un— glück in den Kohlengruben des Plauenſchen Grundes bei Dresden, die größte bekannte Grubenkataſtrophe, am 2. Auguſt 1869 forderte 279 Menſchenopfer; das am 6. März 1885 in Karwin erfolgte Unglück, Humboldt. — Juni 1885. 227 deſſen ſchauerliche Details noch aus den Berichten der Tagesblätter in Erinnerung ſind, brachte 108 braven Bergleuten den Tod; bei der letzten furchtbaren Gruben— explofion in St. Johann bei Saarbrücken in der Nacht vom 18. März verunglückten 170 Bergarbeiter. Noch ungleich größer iſt die Zahl der Opfer, welche die kleineren Unglücksfälle alljährlich aufweiſen. Für⸗ wahr, der Bergmann verdient im ſteten Kampfe mit der Naturgewalt in vollem Maße unſere Teilnahme und deshalb rufen auch wir jedem in die Tiefe zu ſeiner ſchweren unterirdiſchen Arbeit Einfahrenden zu: „Glück auf!“ Neu Guinea). Von 8 Dr. Franz Höfler in Frankfurt a. M. Mi der erſten Ueberſchreitung des Iſthmus von Darien im Jahre 1513 durch den ſpaniſchen Statthalter Basko Nunez de Balboa beginnt für die Entdeckungsgeſchichte des Mittelalters eine neue Phaſe. De Balboa hatte von der Höhe eines Berges jener Landenge den Stillen Ocean erblickt, und dieſes gewaltige Meer lud zu neuen Fahrten ein, wie ſie Columbus ſo glücklich zwei Decennien vorher inauguriert hatte. Dieſe Entdeckungen ſollten dies- mal vor allem dem Großen Ocean gelten, jenem Meere, das Mangelhaens auf ſeiner erſten Fahrt im Jahre 1520 hauptſächlich in ſeinem äquatorialen Teile ſo ruhig fand, daß es von ihm den Beinamen „des Stillen“ erhielt. Die Anſicht nämlich, daß im Süden unſeres Planeten noch ein Kontinent, die terra australis, vorhanden ſein müſſe, hatte ſich all— mählich ſo weit Geltung verſchafft, daß wiederholt größere Expeditionen von ſpaniſchen, portugieſiſchen und holländiſchen Seefahrern unternommen wurden, um den viel umfabelten Südkontinent aufzufinden. Wenn dieſe Entdeckungsfahrten auch vorerſt nicht zum gewünſchten Ziele führten, ſo eröffneten ſie doch die Kenntnis des Stillen Oceans und veranlaßten die Auffindung der bedeutendſten Inſeln desſelben. Einer ſolchen Entdeckungsfahrt nach der terra australis *) Litteratur: 1. Deutſche geographiſche Blätter, Bd. V. (Das ſüd— liche Neu-Guinea v. Oskar Baumann.) 2. Deutſche Rundſchau für Geographie und Statiſtik, Jahrg. IV. (Neu-Guinea und Madagaskar, von Dr. E. O. Hopp.) 3. „Globus“, Bd. 41. 43. 45. 46. 4. „Das Ausland“, Jahrg. 1883 u. 1884. 5. „Mitteilungen“ ꝛc. v. Dr. A. Petermann, 1876. 1878. 1879. 6. Die Expedition des Challenger, 1873-1874, v. Wobeſer. 7. Mitteilungen der deutſchen Geſellſchaft für Oſt-Aſien, 1873-1876. 8. „Gaea“, 1876 u. 1877. 9. O. P D Jeſchel, Geſchichte der Erdkunde. Wilfred Powell, Unter den Kannibalen von Neu⸗- Britannien. 5 : ‘ — = =, 11. Prof. E. Meinicke, Die Inſeln des Stillen Oceans. verdankt auch Neu-Guinea ſein erſtes Bekanntwerden. Im Jahre 1526 wollte der ſpaniſche Seefahrer Dom Jorge de Meneſes von Malakka aus nach den Molucken und der Südſee auf einem neuen Wege, nämlich im Norden von Borneo, ſich begeben. Auf der Fahrt dorthin geriet er über Celebes hinaus zu weit gegen Oſten, wurde von dem herrſchenden Monſun bis unter die Linie getrieben und genötigt, auf einer Inſel, Namens Papua, zu überwintern, d. h. den Wechſel der Jahreswinde abzuwarten. Er landete am 26. Auguſt 1526 auf derſelben und konnte erſt am 31. März 1527 ſein urſprüngliches Ziel, die Molucken, erreichen. Meneſes und ſeine Nachfolger waren von dem Inſelcharakter des neuen Landes nicht vollkommen überzeugt; man hielt es vielmehr für einen Teil der terra australis und blieb die Frage bis 1615 unentſchieden, in welchem Jahre Vaez de Torres auf einer zwei Monate andauern— den Fahrt durch die nach ihm benannte Meeres— ſtraße den Inſelcharakter Neu-Guineas feſtſetzte. Der heutige Name der neuen Inſel ſtammt aber aus dem Jahre 1546; in dieſem Jahre landete der Spanier Inigo Ortez an ihrer Südküſte, und weil er eine gewiſſe Aehnlichkeit der Eingebornen mit denen des afrikaniſchen Guinea herausgefunden haben wollte, ſo nannte er ihr Land Neu-Guinea. Die Eingebornen kennen aber weder dieſen Namen noch den von Meneſes der Inſel gegebenen; ſie heißen ihr Land Koi-lago, „das große Land“, oder auch Daude. Neu-Guinea nimmt unter den drei größten Inſeln der Erde die erſte Stelle ein; ihr Flächenraum über— ſteigt den Deutſchlands beinahe um die Hälfte, ihre Bevölkerung beträgt aber kaum zwei Millionen Seelen. Das weſtlichſte Vorgebirge iſt vom öſtlichſten 300 d. g. Meilen entfernt, der nördlichſte von dem ſüdlichſten Punkte 80 g. Meilen; dieſe Breite verringert ſich aber nach Weſten und Oſten zu ziemlich raſch, ſo daß auf beiden Seiten halbinſelartige Fortſetzungen des Rumpfes erſcheinen: im Oſten die Halbinſel Louiſiade und im Weſten Onin. Dieſe weſtliche Halbinſel wird zwiſchen der M. Cluerbai und der Geelvikbai zu einem Iſthmus von nur 6 Meilen Breite zuſammen— geſchnürt. Rätſelhaft erſcheint es, daß dieſer umfang— 228 Humboldt. — Juni 1885. reiche Landkomplex bis auf den heutigen Tag noch zu den unbekannteſten Teilen der Tropen gehört. Die Gründe hierfür ſind teils in der äußeren Um— gebung der Inſel, teils in ihrer Gliederung, ſowie in ihren Bewohnern und hauptſächlich auch in dem vor allem an den Küſten herrſchenden ungeſunden Klima zu ſuchen. Die die Inſel beſpülenden Meere im Norden, Süden, Oſten und Weſten ſind voll von gefährlichen Riffen, Sandbänken und Untiefen, Hinder— niſſen, die ſich, je näher der Küſte, noch ſteigern. Wenn auch die Gefahren ſolcher Meere für die Schiffe ſeit der Erfindung der Dampfſchiffe und der Her— ſtellung brauchbarer Seekarten ſich weſentlich verringert haben, ſo bleiben ſie in gewiſſer Beziehung doch immer beſtehen; der „Challenger“ konnte, als er ſich im Jahre 1874 bei Kap d'Urville der Küſte nähern wollte, dieſelbe wegen der Untiefen nicht erreichen und mußte in der Humboldtbai ziemlich weit vom Land entfernt endlich Anker werfen. Wenn nun ſchon in der Gegenwart trotz des Dampfes und der meift ausreichenden Seekarten den Schiffen das Befahren der papuaniſchen Meere unſägliche Schwierigkeiten bereitet, wie viel mehr mußte das erſt zur Zeit der Entdeckungsepoche mit Segelſchiffen und ohne See— karten der Fall ſein! Wohl vielleicht der weſentlichſte Grund, weshalb man jenen Meeren nach Auffindung der Inſel, mehr als wünſchenswert, fern blieb. Zu— dem hatten die reichen Funde vorzüglich an edlen Metallen in Amerika und die hierdurch wachgerufene Habgier ſie um ſo weniger begehrenswert erſcheinen laſſen, als man ja auf der neuen Inſel nicht fand, was man ſo ſehnſüchtig erhofft hatte: Gold! Wie ſehr darin auch unſere Zeit mit jener der Entdeckungs— periode Aehnlichkeit hat, zeigt die Thatſache, daß ſofort, als zufällig auf der Südweſtſeite der Louiſiaden— halbinſel Gold entdeckt worden war, ſich ein Strom von Auswanderern dahin ergoß, allerdings der Ab— ſchaum der auſtraliſchen Goldgräber, Expeditionen zur Erforſchung ausgerüſtet und alles mögliche auf— geboten wurde, in jene Gegenden einzudringen. Das Goldfieber aber hielt nicht lange nach; denn die Gruben erwieſen ſich nicht ergiebig genug; der Menſchen— ſchwarm verſchwand wieder, eines aber blieb zurück: die genauere Kenntnis der Küſte und eines Teiles des Innern jener Halbinſel und die gewonnene Ueber— zeugung von der Möglichkeit der Beſiedelung jener Gebiete durch kultivierte Anſiedler. Eine andere nicht zu unterſchätzende Urſache der Unbekanntſchaft jener Inſel iſt auch in der Bevölkerung zu ſuchen. Sie iſt nicht gut beleumundet und ſind es hauptſächlich die Miſſionäre Stone und M. Farlane, die ihren Charakter in ſehr düſteren Farben malen. Trotzdem würde dieſer Umſtand vielleicht einem Vordringen in das Innere weniger im Wege geſtanden haben, als die Thatſache, daß eine Unzahl von Sprachidiomen in ganz kleinen Bezirken ſich geltend machen. M. Farlane kon— ſtatierte in einem Diſtrikte von einigen hundert eng— liſchen Quadratmeilen neun verſchiedene Sprachen! Da die Eingebornen nun ebenfalls meiſt nur die Sprache ihres Gebietes beherrſchen, ſo liegt die Nutz— loſigkeit von mitgenommenen Führern auf der Hand. Daneben ſuchen die Bewohner die Fremden möglichſt von der Küſte fern zu halten und Landungsverſuche zu verhindern. Wenn dies Beſtreben auch an der Süd— und Weſtküſte weniger zu Tage tritt, ſo zeigt es ſich doch an der Nordoſtſeite der Inſel in auffallender Weiſe. Als im Jahre 1874 der „Challenger“ ſich den Humboldtbai näherte und vor derſelben Anker warf, erſchienen an 80 Kanoes der Eingebornen, jedes mit einem halben Dutzend mit Bögen, Pfeilen, Speeren und Steinbeilen bewaffneter Wilden bemannt. An⸗ fangs entwickelte ſich zwiſchen der Mannſchaft des „Challenger“ und den Eingebornen ein lebhafter Tauſch— handel; als aber die Mannſchaft ſich in die herab— gelaſſenen Boote begab, um einen Landungsverſuch zu machen, verwandelte ſich die anfangs friedliche Geſinnung in eine geradezu feindſelige. Die Wilden ſtahlen nicht nur alles, deſſen ſie habhaft werden konnten, ſondern ſpannten zuletzt ihre Bogen und drohten zu ſchießen, falls der Plan, ans Land zu gehen, nicht aufgegeben würde. Da man Feindfelig- keiten nicht anfangen wollte, ſo blieb nichts übrig, wenn auch aufs höchſte enttäuſcht, zum Schiff zurück—⸗ zukehren. Ein an einer andern Stelle der Bai unter⸗ nommener Landungsverſuch gelang zwar, die Bevöl— kerung geleitete die Mannſchaft ſogar bis in ein an der Küſte gelegenes Dorf und zeigte ſich ſcheinbar zuvorkommend; da dieſe Wilden aber als verräteriſch bekannt waren, ſo traute man der Ruhe nicht recht und zog es vor, wieder umzukehren und ſich an Bord zu begeben. Neben der Ungaſtlichkeit der Eingebornen iſt auch die Einförmigkeit der Küſte, ihre geringe Gliederung und ihr ungeſundes Klima mit ſchuld geweſen an der ſo lange verzögerten Erforſchung der Inſel. Die niederländiſche Regierung hatte von Zeit zu Zeit Schiffe zur Erforſchung der Küſte nach Neu-Guinea geſandt; aber faſt immer ohne Erfolg. Eine im Jahre 1828 unter den Auſpizien des niederländiſchen Statthalters in Indien, Du-Bus, ausgeſandte Flotille landete an der Tritonbai im Südweſten der Inſel und legte dort ein Fort Du-Bus an, das mit einer Beſatzung von 40 Mann verſehen wurde; während die Expedition nun die Südküſte der Inſel befuhr, begann ſich das Sumpfklima in ſchreckenerregender Weiſe an der Bemannung zu äußern; Dysenterie, Fieber und Geſchwüre an den Gliedmaßen befielen die Matroſen und Offiziere; der Befehlshaber mußte umkehren und fuhr nach Du-Bus zurück. Dort waren aber während ſeiner dreimonatlichen Abweſenheit be— reits 20 Mann der Beſatzung den Folgen des Klimas erlegen. Schon nach acht Jahren mußte man die Anſiedlung wieder aufgeben und die Beſatzung des Forts zurückziehen. Auch die in der Nähe befindliche Etnabai erwies ſich in Beziehung auf ihre klimatiſchen Verhältniſſe nicht viel günſtiger. Verhältnismäßig beſſer geſtalten ſich die Erfahrungen an der Louiſiaden— halbinſel. Sie iſt auch mit meiſt vorzüglichen Buchten und Häfen ausgeſtattet. Zu den beſten gehören die Moresbybai, die Cloudy-Orange- und vor allem die Humboldt. — Juni 1885. 229 herrliche Milnebai im äußerſten Südoſten der Halb- inſel. Hier vorbei durch die Baſiliskenſtraße führt zugleich der kürzeſte Weg aus der Südſee zu den Häfen des chineſiſchen Reiches. Auf dieſem Wege liegen die von Deutſchland in jüngſter Zeit erworbenen Inſeln von Neu-Britannien; die ihnen gegenüber liegende Küſte von Neu-Guinea mit der Htion-, Herkules- und Aſtrolabebai aber weiſt verhältnis— mäßig nur wenig günſtige Ankerplätze auf. Ein kleines Gebirge ſendet ſeine Ausläufer bis an die Küſte und macht dieſe teilweiſe ſteil und unnahbar. Tropiſcher Wald mit undurchdringbarem Pflanzen— gewirre verſperrt den Blick in das Innere. Einzelne Teile dieſer Küſtenſtrecke ſind in neueſter Zeit wieder— holt erforſcht worden. Weiter unten ſoll davon aus— führlicher die Rede ſein. Was nun den weſtlichen Teil des großen Eilandes anbelangt, ſo wetteifert dieſer in verhältnismäßig günſtiger Küſtenbildung mit dem öſtlichen. Er ragt zugleich tief in den malayiſchen Archipel hinein und wurde deshalb von den niederländiſchen Koloniſten jener Inſeln von jeher beſucht, um Handel zu treiben. Dieſer weſtliche Landſtrich ſtand ſeiner Zeit unter der Herrſchaft der Sultane von Tidore und Ambon. Nach Einverleibung der Gebiete dieſer letzteren in das holländiſche Kolonialgebiet wurde auch Neu-Guinea als integrierender Teil der beiden Sultanate bis zum 140° öſtl. v. Gr. als zur niederländiſchen Herrſchaft gehörig erklärt. Ein Koloniſationsverſuch hat aber von ihrer Seite, ausgenommen jener von 1828, nie ſtattgefunden. Die holländiſchen Regierungskommiſſäre beſchränkten ſich auf ihren Forſchungsfahrten an der Küſte meiſt nur auf das Aufhiſſen von Flaggen und die Anbringung niederländiſcher Wappen an geeigneten Küſtenpunkten. In Beziehung auf die Küſtenkon— figuration könnte man vom Nordweſten und Weſten der Inſel behaupten, daß hier der Südoſten und Oſten derſelben ſich wiederhole. Dort wie hier eine tief ins Land einſchneidende Meeresbucht, die Geelvink— bai und der Papuagolf, und ihnen gegenüber jedes— mal eine kleinere Bucht, wodurch an beiden Enden das Land auf wenige Meilen Breite zuſammengeſchnürt wird. Dazu mündet, um die Aehnlichkeit noch weiter zu vervollſtändigen, in jede der genannten großen Buchten ein waſſerreicher, weit ins Land hinein ſchiff— barer Strom, im Nordweſten der vielfach geteilte Ambernoki, im Südoſten der ähnlich beſchaffene Fly. Das Deltaland des Fly oder auch Baxter, wie das des Ambernoki bildet zum großen Teile undurch— dringliches, hauptſächlich mit Mangroves dicht be— ſtandenes Sumpfland. Beide Flüſſe luden, wie mit dem Finger zeigend, die ihren Mündungen gegenüber— liegenden Kolonien zur Beſchiffung und Erforſchung ein. Und was die niederländiſchen faſt bis auf den heutigen Tag verſäumt haben, das haben die viel thatkräftigeren auſtraliſchen, wenn auch hauptſächlich auf die Anregung engliſcher Miſſionäre hin, mit großem Eifer ſeit einer Reihe von Jahren auszuführen verſucht. Ihnen ſchloſſen ſich Forſcher aus faſt allen Nationen an; zu dieſen gehören O. Wallace, Humboldt 1885. der als einer der erſten längeren Aufenthalt auf der Inſel nahm und hauptſächlich den Nord— weſten derſelben erforſchte; ferner O. Stone und M. Farlane, die von der Miſſionsſtation Som— merſett auf der äußerſten Nordſpitze der auftra- liſchen Halbinſel Vork aus Fahrten an der Küſte des Papuagolfs und auf den in dieſen mündenden Fly, Kaſſai, Katau und Aird unternahmen. Sie wurden durch ihre Erfahrung und durch ihre Kennt— nis der Volksſtämme an der Küſte hauptſächlich be— fähigt, weitere Erforſchungen zu unternehmen und ihren Bemühungen verdanken wir die Klärung manches geographiſchen Irrtums über die Inſel. Gleichſam ihrer Schule entſproſſen iſt der italieniſche Reiſende d' Albertis zu betrachten, der von 1872 bis 1876 und neueſtens wieder Reiſen in Guinea unternahm; neben ihm ijt der Ruſſe Miklucho-Macleay, alsEr— forſcher des Katau, der Deutſche Dr. Bernſtein, der Eng— länder Moresby, ferner in jüngſter Zeit der Auſtralier Kapitän Armit und Moriſon bemerkenswert. Auch ein Engländer Lawſon wollte in den ſiebziger Jahren die Inſel auf einer großen Landtour durchquert haben; die auſtraliſchen Zeitungen brachten ſeine märchen— haften Berichte von Bergen bis zu 37000 Fuß Höhe, von Schlangen zu 30 Fuß Länge, von Rieſenſäuge— tieren und anderen ungereimten Sachen mehr. Dieſe Berichte erwieſen ſich aber ſamt und ſonders als Märchen, der gute Mann hatte ſeine Entdeckungen gefahrlos auf ſeiner Studierſtube gemacht. Was wir Zuverläſſiges über das Innere der Inſel wiſſen, verdanken wir hauptſächlich den Flußfahrten d'Albertis, Mikluchos und der Landtour des Kapitän Armit. Und trotzdem eignen ſich die Ströme nicht, ſeitdem man ſie näher kennen gelernt hat, als Straßen nach dem Innern. Alle Flüſſe ohne Ausnahme ſind in ihrem gegenwärtigen Zuſtande für größere Fahrzeuge unpaſſierbar. Sandbänke, Stromſchnellen und in den Fluß geſtürzte gewaltige Baumſtämme haben die Fahrten auf dem Fly ſowohl als auch auf dem Mai— Kaſſai und Katau gehemmt. Ihre Beſeitigung konnte aber bei der Feindſeligkeit der Eingebornen und den meiſt unzureichenden Hilfsmitteln nirgends in aus— reichendem Maße möglich gemacht werden. Dieſe Gründe bewogen M. Farlane zu dem Vorſchlage, die Flüſſe mit flach gehenden Booten zu befahren. Dieſen ſollten die Lebensmittel nachtransportiert werden, da Wild ſehr wenig vorhanden iſt und durch Jagd kaum genügende Lebensmittel zu beſchaffen wären. Für dieſe Transporte ſchlägt der Miſſionär Eingeborne der Sundainſeln vor, da Neu-Guinea keine dazu geeigneten Tiere beſitzt und die Papuanen ſelbſt, entweder aus Trägheit oder aus Furchtſamkeit, gegen keine noch ſo hohe Belohnung zu bewegen ſind, Trägerdienſte zu leiſten, dazu iſt ihnen ihr weg- und pfadloſes Land in einiger Entfernung von ihrem Wohnſitze ebenſo unbekannt, wie dem Europäer. Daneben ſchlagen Kapitän d'Albertis und Armit vor in möglichſt kleinen Geſellſchaften zu reiſen, denn größere erregten leicht den Argwohn der Ein— gebornen. Die letztere Anſicht wird durch die im 30 230 Humboldt. — Juni 1885. Jahre 1883 ausgeführte Landtour Armits voll- kommen beſtätigt, der von der Nordoſtküſte aus unter geringer Begleitung bis ins Land der Koijari vor— drang und überall freundliche Aufnahme fand. Ueber den allgemeinen Charakter der Litoralküſte, welche d' Albertis beſuchte, ſpricht dieſer Reiſende ſich dahin aus, daß ſich das Land für Koloniſation empfehle. Es fei gut bewäſſert, habe Ueberfluß an Gras und eigne ſich für Agrikulturzwecke wie für Viehweiden. Am Nikura, der in ſüdlicher Richtung reich mit Waſſer geſpeiſt zum Meere geht, beſtieg er einen 400 m hohen, frei über ſeine Umgebung emporragenden Berg, von dem aus ſein Auge über eine ausgedehnte Ebene ſtreifte, welche von Lagunen und dem Fluſſe bewäſſert war. Die Ufer des Fluſſes ſelbſt waren ſumpfig und flach, weiter landeinwärts aber ſtieg das Land allmählich an bis zu einer in der Ferne ſich zeigenden Gebirgskette. In der entgegengeſetzten Richtung, alſo dem Meere zu, bedeckten graſige Ebenen und teilweiſe Eukalyptus— wald das ganze Terrain. Die Eingebornen am Nikura nähren ſich vom Yams, Sago und Fiſchen; Gold und Silber ſind bei ihnen ganz unbekannt. Nach d' Albertis dürfte es nicht ſchwer halten, ſich unter ihnen niederzulaſſen und Land zum Kaufe zu erhalten, vorausgeſetzt, daß die Anſiedler das Cigen- tum der Eingebornen reſpektierten. Die Flüſſe des Papuagolfs bilden an der Mündung durchweg Deltas, die von ihnen dem Meere zugeführten Waſſermengen find durchaus ſehr beträchtliche. Als Stone vom Jahre 1843 bis 1845 die Küſte aufnahm, ſtellte es ſich heraus, daß drei deutſche Meilen von der Mün— dung des Mai-Kaſſai das Meerwaſſer noch vollkommen ſüß war. Der intereſſanteſte unter den ſüdlichen Flüſſen dürfte wohl der Fly ſein. Er entſpringt wahrſcheinlich in der centralen Owen-Stanley-Kette aus zwei Armen, durchſtrömt in ſüdlicher Richtung die ganze Inſel, hat im Mittel- und Unterlaufe eine mittlere Tiefe von 10 Faden und geht in einem rieſigen Delta, von dem erſt ein Arm genauer er— forſcht iſt, in den Papuagolf. Seinen Namen erhielt er nach dem engliſchen Kriegsſchiffe „Fly“, das ihn im Jahre 1840 entdeckte. Im Jahre 1875 befuhr d'Albertis mit dem Dampfer „Ellengowan“ den Fluß bis zu deſſen Gabe— lung. Um leichter mit den Eingebornen verkehren zu können, hatte man zwei Häuptlinge der Küſtenſtämme mit an Bord genommen. Der Fluß zeigte anfangs viele Untiefen, allmählich aber verminderten ſich die— ſelben und man bekam freieres Fahrwaſſer. Die Flut reichte bis acht Meilen den Strom aufwärts. Seine Strömung war eine ſehr heftige. Sechs Kanoes der Eingebornen, die ſich dem Dampfer in friedlicher Abſicht zu nähern ſuchten, konnten an denſelben infolge der ſtarken Strömung nicht herankommen; erſt am nächſten Morgen gelang ihnen der Verſuch. Sie brachten Nahrungsmittel und ſchienen nichts Böſes im Schilde zu führen. Jedoch ſchon am zweiten Tage der Fahrt änderte ſich die Situation. Als man an dieſem Tage in | eine Seitenbucht einfuhr, erſchienen vier Kanoes mit je 30 Mann, wovon zwei Drittel ruderten und ein Drittel mit Bogen und Pfeil in der Hand aufrecht ſtand. Als Kriegsrüſtung hatten ſie Helm, Schild und Armſchiene, und einige, wohl die Anführer, trugen Federn von Paradiesvögeln auf den Helmen. Der auf dem Dampfer befindliche Häuptling ſollte ſie von den friedlichen Abſichten der Expedition über⸗ zeugen, allein vergebens; ſie frugen ihn vielmehr drohend, was er, der Feind, bei ihnen zu ſuchen habe. Man gab darauf einige blinde Schüſſe ab, aber ohne Erfolg; erſt als zwei ſcharfe Schüſſe ein Boot trafen, beſannen ſie ſich eines Beſſern; die aufrechtſtehenden Krieger ſetzten ſich ebenfalls und in kurzer Zeit waren ſie aus den Augen verſchwunden. Die Ufer des Fluſſes waren dicht mit Mangroves und Palmen bewachſen, erſt am fünften Tage der Fahrt zeigten ſich freie Stellen, die mit Raſen bewachſen waren, und in der Nähe Hütten der Eingebornen, aber ſämtlich leere. Nur in einer einzigen fand man ein fterben- des altes Weib mit eingeſchlagener Hirnſchale. Im allgemeinen aber behielt das Land ſeinen ſumpfigen Charakter; eine bedeutendere Erhebung des Bodens war nirgends zu konſtatieren. Das Fahrwaſſer des Fluſſes begann nun auch ſeichter zu werden, dazu ſtellte ſich Mangel an Lebensmitteln ein, zwei Matroſen lagen am Fieber krank darnieder, nebenbei waren allen auf dem Dampfer befindlichen Europäern die Füße heftig angeſchwollen; deshalb blieb nichts anders übrig, als umzukehren, nachdem man 18 Tage land— einwärts gefahren war. Auf der Rückfahrt des „Ellen— gowan“ war aber die Geſinnung der Eingebornen noch feindlicher; Kanoes mit heftig erregten Kriegern umſchwärmten den Dampfer; dabei hatte man alle Aufmerkſamkeit auf dieſen zu richten, da man ſich gefährlichen Sandbänken näherte, und ſo beſchloß man, da die Wirkung der Flintenſchüſſe eine geringe war, eine Ladung Dynamit unter die Boote zu werfen; der Erfolg war ein überraſchender, eine mächtige Waſſerſäule fuhr in die Höhe, die in den Kanoes Stehenden wurden zu Boden geſchleudert; alle be— gannen mit Macht zu rudern und waren in wenigen Minuten verſchwunden, aber auch der Dampfer ſaß feſt. Er war auf eine der Sandbänke geraten und beim Verſuche, wieder loszukommen, der Schaft der Schraube gebrochen. Die Situation war keine erfreu— liche. Die Küſte noch 20 geogr. Meilen entfernt, ringsum die feindlichen Eingebornen, dazu keine Lebensmittel und die ganze Bemannung krank! Die Eingebornen hatten den Unfall bemerkt und begannen ſich wieder zu nähern, aber zum Glücke nicht in feind— licher Abſicht. Man lud ſie ein, auf das Schiff zu kommen, gab ihnen Tabak und andere Geſchenke und bewog ſie ſchließlich, Nahrungsmittel zu bringen. Der Dampfer wurde mit ihrer Hilfe wieder flott ge— macht und ſegelte nun langſam der Mündung und von da dem Kap Pork zu, das am 27. Dez. glücklich erreicht wurde. Nach der Anſicht d' Albertis und M. Farlanes dürfte das Land am Fly zu Kultur— zwecken ſich nicht eignen, dazu ſtehen die Stämme am U Humboldt. — Juni 1885. 231 Fluſſe, Malayen und Papuas, zu einander in feind— lichem Verhältniſſe, ſie ſind aber intelligent ausſehende und energiſche Menſchen. In etwas günſtigerem Lichte erſcheinen die Ver— hältniſſe am Katauſtrome. Macleay unternahm am 26. Juni 1875 mit dem Dampfer „Chevert“ eine Fahrt auf demſelben. Zwei Häuptlinge waren gewonnen worden, die die Reiſenden in ihr Dorf geleiteten. Die Häuſer ſind genau wie am Fly; das Dorf hatte 7 mit Schilfrohr gedeckte, etwa 100 Fuß lange Häuſer, die 6 Fuß über dem Boden errichtet waren. In jedem Hauſe wohnten etwa 50 Leute. Die Farbe der Leute iſt tiefſchwarz, fie find kräftig und gut gebaut, mit wolligem, dichte Löckchen bildenden Haare. Die Männer ſind gänzlich unbekleidet, alle haben zerſchnittene Ohr— läppchen. Frauen dürfen ſich Fremden nicht zeigen; ſie haben aber alle Arbeit zu verrichten, während die Männer nur Fiſchfang treiben und auf die Jagd gehen; zugleich ſind ſie ausgezeichnete Schützen. In ihren Booten unternehmen ſie auch weite Handels— fahrten, da ſie vorzüglich rudern. Je weiter man den Fluß aufwärts kam, deſto mehr verdichtete ſich der Wald, der endlich in einen unabſehbaren Ur— wald überging. Die Fahrt wurde ſchließlich auch hier durch in den Fluß geſtürzte Stämme unmöglich, die Verſuche, ſie hinwegzuräumen, nahmen zwei Tage in Anſpruch und hatten keinen Erfolg; mittlerweile war aber der ganze Urwald lebendig geworden, ein entſetzlicher Lärm durchdrang die vorher ſo ſtille Ein— ſamkeit und Hunderte von Wilden ſchienen losgelaſſen zu ſein. Wie fic) ſpäter herausſtellte, hatte Macleay verſäumt, die Leute von ſeiner beabſichtigten Reiſe durch ihre Gebiete zu benachrichtigen. Die am Schiffe befindlichen Häuptlinge nannten ſie Waldmänner. Man holte nun das Verſäumte ſo gut als möglich nach und nach einigen Tagen kamen die Eingebornen mit Geſchenken zum Schiffe. An eine Weiterfahrt war aber wegen der nicht zu beſeitigenden Hinderniſſe nicht zu denken, man dampfte alſo wieder ſtromabwärts und beſuchte die nach dem Naturforſcher 2) ule genannte Yule⸗Inſel. Ihre Bewohner find von hellerer Haut— farbe als die an der Küſte von Neu-Guinea, und in der Kultur ziemlich fortgeſchritten. Macleay beſtieg den höchſten Berg der 1½ d. Meilen langen, vul— kaniſchen Inſel und konnte von dem Gipfel aus deutlich die Konfiguration eines Teiles von Neu— Guinea überſchauen. Im Vordergrunde zeigte ſich flaches, ſumpfiges Land, im Hintergrunde dagegen erhob es ſich allmählich, um in weiter Ferne in einen hohen Gebirgskamm mit kraterförmigen Berggipfeln zu verlaufen. Damit tritt uns nun auch die Frage näher: Hat Neu-Guinea bedeutende Gebirge? Nachgewieſen und teilweiſe erforſcht iſt ein Hochgebirgszug, der mit der Louiſiaden-Halbinſel im äußerſten Südoſten ſeinen An— fang nimmt und in nordweſtlicher Richtung verläuft. Auf ihm erhebt ſich bis zu 4000 m der gewaltige Mount Owen-Stanley, nach dem auch die ganze Kette den Namen trägt. Sehr wahrſcheinlich, aber nicht vollkommen erwieſen iſt es, daß der Owen— Stanleyzug nach dem Innern noch weiter anſteigt, durch die ganze Inſel zieht und auf ihrer Weſtſeite mit niedrigen Vorbergen endet. Für das Vorhanden— ſein dieſes Zuges ſpricht die Verteilung der großen Flüſſe und einzelne bekannt gewordene Rücken, wie die Charles-Louis-Berge, die Aſtrolabes-Ranges, das Finiſterre-Gebirge und andere. Ob dieſes Central— gebirge ſich bis in die Schneeregion erhebt, iſt vor— läufig nicht vollkommen beſtätigt. Man will aber Schneeberge auf Neu-Guinea geſehen haben. So berichtet dem Generalgouverneur von Niederländiſch— Indien im Jahre 1881 ein Herr Oldenbourg, daß beim Paſſieren der Südküſte von Neu-Guinea Schneeberge geſehen worden ſeien. Der genannte Gouverneur gab nun den Regierungsſchiffen den Auf— trag, geeignete Beobachtungen beim Paſſieren der Küſte jenes Landes anzuſtellen. Ein Journalauszug aus einem der betreffenden Schiffe lautet folgender— maßen: „Kurs NW. gerade auf Uanata zu. Mit Tagesanbruch am 4. Januar 1881 am Steuerbord prachtvolle Ausſicht auf die in der Höhe ſehr wech— ſelnde Küſte (von Neu-Guinea), wobei die weiter landeinwärts gelegenen Berge, von denen einige ſchneebedeckte Spitzen hatten, einen wirklich ſchönen Effekt machten.“ Die Richtung der Schnee— berge wird von Nordoſt nach Nordweſt angegeben und ihre Lage zu 136° 54’ 6. L. v. Gr. u. 5° 297 ſ. Br. Die Exiſtenz der Schneeberge ſcheint alfo von den Offizieren gar nicht in Frage gezogen worden zu ſein. Wie leicht aber eine optiſche Täuſchung bei ſolchen Beobachtungen möglich tft, lehrt der Bericht der Novara— Expedition, nach welchem man ja auch auf Java Schnee— berge geſehen haben wollte. Ob jene Gebirge und das Centralgebirge von vulkaniſchen Erſcheinungen, die auf den benachbarten Inſeln fo häufig auftreten, heimgeſucht werden, läßt ſich nicht ganz mit Sicherheit behaupten. Macleay erklärt vom Mount Yule aus krater— förmige Berggipfel geſehen zu haben. Derſelbe Forſcher berichtet auch an einer anderen Stelle über vulkaniſche Erſcheinungen auf der Inſel. Als er nämlich nach einer Abweſenheit von 3½¼ Jahren im Jahre 1876 wieder in die Aſtrolabebai zurückkehrte, fand er vieles ſehr verändert, das an der Küſte ſich hinziehende Finiſterre-Gebirge zeigte Riſſe und Spalten, wie ſie früher nicht zu ſehen waren; an manchen Stellen war der Wald verſchwunden, die Flußmündungen verändert, landeinwärts eine große Anzahl von Dörfern verlaſſen und die Häuſer eingeſtürzt. Die Eingebornen erzählten, daß ein großes Erdbeben nach ſeiner Ab— reiſe ſtattgefunden habe, das die Wogen des Meeres weit ins Land getrieben, die Hütten eingeſtürzt und Teile des Landes verſchlungen habe. Die Papuas erklärten, früher keine ähnliche Erſcheinung von ſolcher Heftigkeit erlebt zu haben. Auch andere Berichte aus früheren Jahren wiſſen von Erdbeben und vul— kaniſchen Erſcheinungen zu erzählen. Wie weit die centrale Gebirgskette des Landes davon berührt wurde, 232 Humboldt. — Juni 1885. läßt fic) infolge gänzlicher Unbekanntſchaft mit der- ſelben nicht ermeſſen. Ein Fachgeologe iſt nie bis dahin vorgedrungen. Da Neu-Guinea ſüdlich vom Aequator, zwiſchen dieſem und dem 11° gelegen iſt, fo gehört es mit ſeinem Klima der Tropenregion und dem flüſſigen Niederſchlage an. Während aber die Küſte verhältnis⸗ mäßig gleichmäßige Temperaturen aufweiſt, infolge des Einfluſſes des Meeres und der herrſchenden Paſſat— winde, findet im Innern ein ſtärkerer Wechſel ſtatt und die Jahreszeiten erſcheinen ſchärfer getrennt. Trotzdem iſt von Kälte auch hier kaum die Rede. je mehr die Küſte Neu-Guineas ſich dem auſtraliſchen Kontinente nähert, um ſo ſtärker auch die auſtraliſchen Feſtlands⸗Vegetationsverhältniſſe hervortreten. Zu den charakteriſtiſchen Arten derſelben gehören die Man— groves- und Eukalyptus; ſie bilden hauptſächlich an dem litoralen Teile der Inſel dichte, weit ins Land ſich hineinziehende Waldungen. Von der Vogel— perſpektive aus würde ſich ungefähr folgendes Gefamt- bild entwickeln: Die Küſte mit dichten Mangroves bedeckt in einem Gürtel bis zu 10 Meilen Breite und an dieſen anſchließend Eukalyptusurwald mit abwechſelnd freien, grasbedeckten Ebenen landeinwärts, 130 135 140 . 145 150 (eae 7: | ARAFURA_ — — = 130 135 140 Die mittlere Jahrestemperatur des innern Flachlandes dürfte 17 bis 19° Celſius, die der Küſte nach den Angaben der oben genannten Reiſenden 26° Celſius nicht überſteigen. Daß bei ſolchen Temperaturverhält— niſſen und den häufig und in großen Mengen ſtatt— findenden Niederſchlägen die Vegetation eine außer— ordentlich üppige ſein muß, liegt auf der Hand. Sie wird hauptſächlich in den höher gelegenen Strichen als über alle Beſchreibung großartig geſchildert. Charakteriſtiſch aber iſt für die Flora der Inſel die allmähliche Abnahme in der Zahl der Arten in der Richtung von Weſten nach Oſten. Während der Weſten noch die Wälder des malayiſchen Archipels mit ihren Gewürzpflanzen, den Sagopalmen aufweiſt, werden nach Oſten zu die— ſelben immer monotoner durch das Verſchwinden vieler Arten und das häufigere Auftreten einer und derſelben Pflanzenſpecies. Man könnte fagen, daß, das Bergland nur teilweiſe bewaldet und belebter durch das Hervortreten größerer Mannigfaltigkeit in den Pflanzen-, hauptſächlich aber in den Baumvarietäten. Anders verhält es ſich mit den oben genannten Halbinſeln. In der herrlichen Milnebai der Louifiaden- halbinſel tritt der eigentliche tropiſche Urwald auf mit der Nipo- und Sagopalme, den Bananen und andern. Nur einzelne Strecken dieſer Halbinſel ſind wüſtes, unkultivierbares Land, ſo die Gebiete in der Nähe des Hallſund. Das übrige Land ſtrotzt von über— reichem Humusboden, der ſich zum Anbau von Zucker— rohr vorzüglich eignen ſoll; angeſtellte Verſuche lie— ferten ſehr günſtige Reſultate. Eine Geſellſchaft in Sidney kaufte hier 15 Acker gutes Zuckerland, den Acker zu einem Penny. Der Handel ſoll aber ſpäter von der Regierung nicht ratifiziert worden ſein, da die Eingebornen dabei hintergangen worden Humboldt. — Juni 1885. 233 waren. Eine genauere Kenntnis dieſer Halbinſel, hauptſächlich aber jenes Teiles, der zu beiden Seiten des neunten Breitegrades liegt, verdanken wir dem früheren Kapitän in der Polizei der auſtraliſchen Kolonie Queensland, Armit. Auf Koſten der in Melbourne erſcheinenden „Argus“ und „The Auſtralian“ war er 1880 nach Neu-Guinea zur Erforſchung der Inſel ausgeſandt worden. In Begleitung von 7 Euro— päern und 50 einheimiſchen Trägern brach er am 14. Juli 1883 von Port Moresby auf und reiſte von da in öſtlicher Richtung auf die Aſtrolabe-Ranges zu. Unter der Führung des Königs der Koijari er— ſtieg man die 564 m hohen Aſtrolabeberge und genoß von da aus einen herrlichen Blick in das 16 km breite Lalokithal. Die Einwohner der Ortſchaften bauten hier Zuckerrohr, Bananen, Yams, Bataten, Tabak und Kokosnüſſe. Der Boden iſt ausgezeichnet, die Bevölkerung ſcheinbar friedlich, das Thal für europäiſche Anſiedlungen vorzüglich geeignet. Ein anderes Thal, das fic) von Bootleß Inlet in 9° 30“ ſ. B. und 147° 15/ ö. v. Gr. nach den Aſtro— labebergen hin erſtreckt, zeichnet ſich durch gleiche Schönheit und Fruchtbarkeit aus. Das Lalokithal iſt gut bewäſſert und hat einen der ſchönſten Waſſerfälle der Erde, die Naunafälle. Die Waſſer ſtürzen aus einer Höhe von 82 m in einer Reihe von Kaskaden und einem letzten Fall von 24 m herab. Das Gebirge ſelbſt, ein Mittelgebirge, auf dem die Waſſer ſich ſammeln, iſt faſt ganz vulkaniſchen Urſprungs. Die Koijari bewohnen ſowohl die Höhen als auch die Abhänge desſelben. Von ähnlicher Beſchaffenheit iſt auch die Gegend bei Wabadam weiter landeinwärts, ſowie der Sugairee-Diſtrikt. Dort fand man im Geſtrüppe Erdbeeren und Himbeeren; auch der Baum— wollſtrauch findet im Sugairee gutes Fortkommen; er liefert einen langen und feinen Faden. Günſtige Bodenverhältniſſe und reiche Vegetation traf man überall bis an den Jalefluß, 193 km ſüdöſtlich von Port Moresby. Kapitän Armit iſt überzeugt, daß Europäer in den von ihm bereiſten Diſtrikten einer freundlichen Aufnahme ſicher ſein dürfen, wenn ihr Betragen danach eingerichtet iſt. Sie können dort unter billigen Bedingungen Land erwerben, ohne daß die Eingebornen dadurch eine Beſchränkung erleiden, indem letztere gerade ſolche Striche, welche für Euro— päer von beſonderem Werte ſind, nicht gerne anbauen. Sie ziehen die Berghöhen, wo ſie ſich ſicherer gegen ihre Feinde fühlen, vor, während ſie die Thäler und die Hügelſeiten größtenteils nicht weiter benutzen. Der Squatter findet grasreiches Weideland und der Pflanzer den ſchönſten Boden für Zuckerrohr, Mais, Tabak u. dgl. Für Zuckerrohrpflanzen hält Kapitän Armit den Boden viel geeigneter als jenen von Queensland. Eine eigentümliche Erſcheinung liefert die Tier— welt. Auch hierin zeigt Neu-Guinea den auſtraliſchen Typus. Von Säugetieren finden ſich nur das Känguruh, das Wildſchwein und fliegende Hunde. Eine Art Haushund wird von den Eingebornen gehalten; es ſcheint aber ein ziemlich trauriges Hundeexemplar zu ſein, denn er kann nicht bellen und wird im all— gemeinen ziemlich ſchlecht behandelt. D'Albertis wollte am Fly auch Spuren eines großen Säugetiers entdeckt haben, die Beſtätigung ſeines Vorhandenſeins blieb aber aus. Den Wildſchweinen wird von den Männern eifrig nachgeſtellt; man pflegt ſie auch zu zähmen und als Handelsobjekt zu verwerten, haupt— ſächlich beim Kaufe der Frauen. Im Gegenſatze zur auffallenden Armut an Säuge— tieren iſt die Vogelwelt auf der Inſel in einem Reichtum und einer Mannigfaltigkeit vertreten, wie kaum in irgend einem anderen Teile der Tropen. Neu-Guinea iſt die Heimat des Paradiesvogels, der in zwei Arten auf der Inſel vorkommt, der Nordoſt— küſte aber zu fehlen ſcheint. Als die Offiziere des „Challenger“ ſich am 23. Februar 1877 der Humboldt— bai näherten, erſchienen in Kanoes Eingeborne der Küſte, beladen mit allem nur erdenklichen Schmuck— werk; die Paradiesvogelfedern fehlten aber vollkommen dabei. Es iſt wohl anzunehmen, daß ſie ſich auch mit dieſen geſchmückt hätten, wenn ſie im Beſitze ſolcher Federn geweſen wären. Schmuck aus andern Vogelfedern kam häufig vor. Neben dem Paradies— vogel kommt der Kakadu in großer Menge vor; auch ſchöne Taubenarten mit herrlichem Federſchmuck beleben die Wälder der Inſel. Die größte Vogelart auf ihr iſt der Kaſuar. In den Flüſſen leben Kroko— dile und Schildkröten und große Mengen von Fiſchen. Die feuchten Uferniederungen erglühen beim Eintritte der Dunkelheit von Milliarden kleiner leuchtender Inſekten. Auf dem Lande ſcheinen gefährliche Rep— tilien nicht vorzukommen, die vorhandenen Schlangen— arten ſind durchaus harmlos. Viel Unannehmlich— keiten verurſachen dagegen Mosquitos und Sand— fliegen. Unſer lebhafteſtes Intereſſe erregt aber die Be— völkerung der Inſel und das mit Recht; denn wir finden in ihr ein Volk, in ſeiner Kultur vergleichbar mit den einſtigen Bewohnern der Pfahlbauten des mittleren Europa, ohne Kenntnis der Metalle und Steine als Werkzeuge benutzend. Sie gehört der der melaneſiſchen Raſſe an. In Beziehung auf ihre Farbe erſcheint die Thatſache eigentümlich, daß die an den Küſten und in den Niederungen wohnenden Papuanen ſowie die auf der Nordweſt-Halbinſel von hellerer Hautfarbe ſind, als die mehr landeinwärts und auf den Gebirgen angeſiedelten. Die Hautfarbe iſt jedoch auch hier ungleich und ſchwankt bei ver— ſchiedenen Individuen eines und desſelben Stammes oft zwiſchen dem lichten Braun des Südeuropäers bis zur dunklen Schokoladefarbe. In der Humboldt— und Aſtrolabebai iſt die Hautfarbe der Eingebornen dunkelbraun, ſie ſelber ſind von kurzer Statur, aber zonſt wohlgebildet. In dem Diſtrikt der Moorokkas im Dorfe Ounnoumou fand Kapitän Armit Kinder, ſo hell von Farbe, als wären ſie Miſchlinge, und doch hatten die Bewohner des Dorfes noch nie vorher einen Weißen geſehen! Dieſe Erſcheinung läßt ſich nicht gut anders erklären als durch Annahme einer Einwanderung und Vermiſchung dieſer Eingewanderten 234 Humboldt. — Juni 1885. mit der autochthonen Urbevölkerung der Inſel. Zu dieſen Eingewanderten ſcheint die ganze Küſten— bevölkerung zu gehören, ihre urſprüngliche Heimat muß auf den ſüdöſtlich von Neu-Guinea gelegenen auſtraliſchen Inſeln geſucht werden. Dieſe Einwan— derer ſcheinen ſich über die Küſtenzone der ganzen Südoſt⸗ halbinſel und teilweiſe auch tiefer ins Binnenland verbreitet zu haben. Viel ſpricht für dieſe Annahme auch noch der Umſtand, daß noch heute die Küſten— bewohner den Inländern feindlich gegenüberſtehen. Am Fly fragten die Wilden die d'Albertis be— gleitenden Häuptlinge höhniſch, „was fie, die Fein dee, denn bei ihnen zu ſuchen hätten?“ Der Hauptſtamm dieſer Eingewanderten dürfte jener der Motu ſein. Auf ſie paßt nach Kapitän Armits Anſicht nur, was Farlane von allen neuguineiſchen Wilden behauptet. „Von gutem Charakter,“ ſagt dieſer viel- gereiſte Miſſionär, „ſind nur einzelne Individuen ge— funden worden, durchſchnittlich iſt der Neuguineer furchtſam, mißtrauiſch, gierig, lügneriſch und diebiſch, auch nicht ſelten grauſam, ungefällig, eitel, träge und habſüchtig. Wenn wir einmal keine Mittel mehr hätten,“ fährt er fort, „um uns Lebensmittel einzu- kaufen, oder ſonſtwie nichts Eßbares auffinden könnten, würde das ganze Dorf in ſtummer Apathie und Gefühlloſigkeit uns mit der größten Seelenruhe ver— hungern laſſen.“ Dagegen ſchildert Kapitän Ar mit einen der Haupt— ſtämme des Binnenlandes, die Koijari, in ganz anderen Farben. Er nennt ſie arbeitliebend, tugendhaft und in jeder Beziehung ehrlich und wahrheitsliebend, den unbe— deutendſten Gegenſtand, den man verloren oder weg— geworfen hatte, lieferten ſie, wenn ſie ihn fanden, gleich wieder ab. Dabei ſind ſie nicht ohne Kultur. Ihre Häuſer verraten in der Anlage eine gewiſſe Intelligenz, ſind gut gebaut, zweckmäßig eingerichtet und dem Klima angemeſſen. Ihre Gewohnheiten zeugen von Reinlichkeit. Sie waſchen alles, bevor ſie es genießen und ebenſo ſich ſelber, wo immer ſie Gelegenheit haben. Ihre Geſetze ſind ſtreng und werden im allgemeinen gut gehalten; die Frauen ſind keuſch, weiblich und angenehm im Verkehr. Die Ehegeſetze gelten als heilig und Ehebruch wird mit dem Tode beſtraft. Mehr der Anſicht M. Farlanes zu neigt ſich auch der Bericht des „Challenger“ über die Bewohner der Humboldtküſte. „Sobald die Anker gefallen und die Boote herabgelaſſen waren,“ heißt es dort, „entwickelte ſich an der Längsſeite ein leb— hafter Tauſchhandel zwiſchen der Schiffsmannſchaft und den Eingebornen. Beim Tauſche trachteten ſie hauptſächlich Bandeiſen, Beile und andere Gegen— ſtände aus Eiſen zu erwerben und entwickelten dabei oft eine unbeſchreibliche Habgier. Ja, ſie waren bereit, alles, was ſie beſaßen, die mühſelige Arbeit vieler Tage gegen die erwähnten Gegenſtände hin— zugeben. Dabei entwickelten ſie einen Lärm, der jeder Beſchreibung ſpottet. Sie zeigten ſich beim Handeln im allgemeinen als ſehr ehrlich, wenn ſie die ausgeſuchten Gegenſtände am Ende ihres Fiſcher— ſpeeres hinaufreichten, um dafür ein Stück Bandeiſen, das namentlich geſchätzt zu werden ſchien, in Empfang zu nehmen. Auch Beile und Meſſer waren ſehr geſuchte Artikel, wogegen ſie Baumwollenzeug und Taſchentüchern, deren bunte Muſter und grelle Farben ihre Aufmerkſamkeit allerdings zeitweilig ebenfalls in Anſpruch nahmen, doch nur wenig Wert beizu— meſſen ſchienen. Als man mit den Booten ſich dem Lande näherte, um die ſich überall hin ausbreitenden Wälder zu erforſchen, rückten eine Anzahl Kanoes heran, deren Inſaſſen alles ſtahlen, deſſen ſie habhaft werden konnten. Auch ſpannten ſie die Bogen und drohten zu ſchießen, falls der Plan, ans Land zu gehen, nicht aufgegeben würde.“ Ein noch ſchlimmeres Schickſal ereilte den auf die Berichte K. Armits hin von dem Beſitzer der Mel— bourner Zeitung „Age“ im Jahre 1884 nach Neu— Guinea geſandten Mr. Morriſon. Die erſte Nach- richt, die über ihn einlief, berichtete in lakoniſcher Kürze, daß ihm vier oder fünf Stunden von der Küſte der Inſel entfernt von den Eingeborenen faſt ſeine ganze Habe geſtohlen und er zur ſchleu— nigſten Rückkehr gezwungen worden ſei. K. Armit und d'Albertis, Becari u. a. ſtellen demgegenüber die Behauptung auf, daß die Cine gebornen nur ſo lange dem fremden Eigentume ge— fährlich ſeien, als ſie feindſelig behandelt würden und die Fremden nicht ihre Gäſte ſeien. O. Wallace wohnte drei Monate zu Dorey im Nordweſten der Inſel und Macleay über ein Jahr an der Triton— bai unter ihnen, ohne den geringſten Verluſt durch Diebſtahl zu erleiden. Es ließe ſich demnach aus den verſchiedenen Anſichten über den Charakter der Neuguineer der Schluß ziehen, daß die im Binnen- lande wohnenden im allgemeinen unverdorbener er— ſcheinen, als die Litoralleute. Eine Eigenſchaft haben ſie aber alle gemein: die Sorgloſigkeit. Man könnte ſagen, dieſe iſt ihnen durch die alles leicht und bequem bietende Tropennatur anerzogen. Doch verleitet ſie dieſe Sorgloſigkeit oft ſo weit, daß ſie das Sammeln der nötigſten Lebensmittel außer acht laſſen und infolge davon ganze Ortſchaften Hunger leiden, obwohl ſie keine Koſtverächter ſind und das Gefühl des Ekels nicht kennen. So verzehren ſie mit demſelben Appetite wie den Braten des Wild— ſchweins Käfer, Spinnen, Schnecken, ja ſogar die Paraſiten ihres Hauptes! Da die Eingebornen ihren Lebensunterhalt ſich hauptſächlich durch die Jagd und den Fiſchfang verſchaffen, dieſelbe aber, wie ſchon oben erwähnt wurde, wenig ergiebig iſt, ſo mögen Fälle von Hungersnot nicht zu ſelten in ihren Dörfern vorkommen. Ackerbau treiben ſie in— folge Mangels geeigneter Werkzeuge nur in ge— ringem Umfange. In Robberttown, einem Dorfe der Koijari, fand man die Häuſer mit Gärten und dieſe wieder mit Zäunen umgeben. In den Gärten waren Bananen, Yams, Bataten, Tabak und Kokosnüſſe gepflanzt. Die Anlage der Gärten zeugte von Nach— denken und wohlgeleiteter Arbeit. a Die Umzäunungen dienen ſtets nur zum Schutze vor den Ebern; im übrigen ſcheinen ſie das Eigen— Humboldt. — Juni 1885. 235 tum ihresgleichen zu reſpektieren. Alle Werkzeuge werden aus einem im Gebirge vorkommenden bläu— lichen Stein oder auch aus Kalk- und Feuerſtein ziemlich mangelhaft hergeſtellt; Meſſer, Bogen und Pfeile aber häufig aus Bambus oder hartem Holze. Eiſen iſt ihnen faſt ganz unbekannt und bildet daher, ſeit ſie ſeinen Wert erkannt haben, einen vielbe— gehrten Tauſchartikel. Eigentümlicherweiſe wird das Bandeiſen bevorzugt, dagegen Beile und Aexte we— niger verlangt, wohl nur deshalb, weil ſie wohl manches Birminghamer Fabrikat ebenſowenig brauch— bar oder noch ſchlechter als ihre gleichen aus Stein gefertigten Artikel fanden. Die Anſiedelungen der Eingebornen könnte man in küſtenländiſche und binnenländiſche unterſcheiden. Der Küſtenbenbewohner baut nahe dem Strande oder einer Lagune, der im Binnenlande wohnende faſt ausnahmslos an Bergeslehnen, indem er die Ebene ſorgfältig vermeidet. Die Dörfer der erſteren beſtehen meiſtens aus zwei Reihen mit Matten gedeckter und auf hohen Pfählen ruhender Häuſer; die der letzteren aus we— niger regelmäßig geordneten, im übrigen beinahe auf dieſelbe Weiſe gebauten Hütten. Acht bis zehn Häuſer bilden ein Dorf, dem ein Häuptling vorſteht, deſſen Einfluß aber ziemlich gering iſt, da die Dorfgemeinde in allen wichtigeren Angelegenheiten ſich ſelbſt die Entſcheidung vorbehalten hat. In jedem Hauſe ſind die Schlafräume an die äußerſte Seite gerückt. 30—50 Individuen bilden durchſchnittlich den Ein— wohnerbeſtand eines neu-guineiſchen Hauſes. Die Erbauung der Häuſer auf Pfählen ſcheint in den klimatiſchen Verhältniſſen der Inſel ihren Grund zu haben und zugleich ſanitäre Zwecke zu verfolgen. Beweis hierfür erſcheint mir der Umſtand, daß am Hallſund das Häuschen, in dem die Toten unter— gebracht werden, nicht auf Pfählen, ſondern auf der flachen Erde ruht. In jedem Dorfe ſtehen noch 3—5 Dobos oder Baumhäuſer von 60 — 70 Fuß Höhe. Auf mehreren nebeneinanderſtehenden, ihrer Krone beraubten Palmbäumen wird nämlich eine Plattform hergeſtellt, dieſe mit einem Dache not— dürftig verſehen und als Zugang eine Art Strickleiter angebracht. Auf der Plattform häuft man Steine und Nahrungsmittel auf. Im Falle eines feindlichen Angriffes ziehen ſich nun die Bewohner des Dorfes in dieſe Dobos zurück, die Strickleitern werden ab— gemacht und der Feind mit den vorrätigen Steinen beworfen. Dieſe Dobos erinnern ſehr lebhaft an ähnliche Bauten der Malayen auf Java, nur ver— folgen ſie dort nicht den Zweck von Feſtungen. Jedes Dorf hat ferner noch ein großes Gemeinde— haus, in dem auch die Fremden in manchen Gegenden untergebracht werden; es iſt häufig „Tabu“, das heißt heilig und darf im letzteren Falle von keiner Frau betreten werden. Dieſe Gemeinde- oder Rathäuſer die erwachſenen männlichen Angehörigen der Ge— meinde und verweilen dort in vollkommener Abge— ſchloſſenheit, die oft zwei Monate dauern kann. Während dieſer ganzen Zeit wird ihnen die Nahrung durch eine in der Wand befindliche Oeffnung gereicht. — Die Kleidung der Eingebornen, wenn ſie nicht ganz nackt gehen, wie die Muottas, beſteht mei— ſtens aus einem ſchmalen, bis zu 7 Zoll breiten Gürtel von Gras oder Palmenfaſern. Dieſe letzteren werden häufig am Leibe gewoben und während der ganzen übrigen Lebenszeit nicht mehr abgenommen. Die Bewohner der Humboldtbai beſchmieren ſich ihr wolliges Haar meiſtens mit einem roten Pulver; in den großen Naſenlöchern tragen ſie die Fangzähne eines Ebers als Schmuck; häufig vertreten die Stelle der letzteren z. B. in der Gegend von Port Mo— resby auch kleine menſchliche Gelenkknochen. Ueber— haupt ſind Schmuckgegenſtände nicht ſelten, obwohl ſie ſich mehr bei den Männern als bei den Frauen finden. Armbänder, aus Muſcheln, Korallen, Hunde— zähnen oder auch aus Gras meiſt recht ſchön her— geſtellt, ſind ziemlich allgemein. Nebenbei ſchmücken ſie ſich aber auch gern mit Blumen und ſtarkriechenden Pflanzen. „Sind ſie in voller Toilette,“ ſagt der Be— richterſtatter der Challenger-Expedition, „und haben fie ſich Geſicht und Körper bepinſelt — gewöhnlich malen ſie einen breiten ſenkrechten Streifen auf die Stirn, einen Kreis um jedes Auge, einzelne Flecken um den Mund und an dem ganzen Körper, wodurch ſie ein unausſprechlich gräßliches Ausſehen bekommen — fo ſchmücken ſie ſich oft mit Gürteln und Bruſtplatten aus Kaſuar- und Hundeknochen, ſowie mit Fahnen aus Pandangblättern. Sie tragen auch verſchieden gefärbte, buſchige Perücken von krauſem Haar und dergleichen mehr. Die Männer in der Humboldtbai gehen faſt ganz nackt, die Weiber dagegen kleiden ſich mit einer Art Schürze, die etwa einen Quadratfuß groß und anſcheinend aus langen, prächtigen Federn des Pandangblattes hergeſtellt iſt. Ihr Haar iſt kurz abgeſchnitten. Ueberhaupt ſind die Männer auf Neu— Guinea putzſüchtiger als die Frauen; jie ſchnüren ſich oft die Gürtel bis auf das äußerſte Maß zuſammen und zeigen ſich vielfach als eitel und gefallſüchtig. Die Frauen ſind beſcheidener als die Männer, neh— men aber keine untergeordnete Stellung ein. Wenn auch auf ihren Schultern die ganze Arbeit ruht, ſo ſind ſie doch nicht die Sklavinnen ihres Herrn, wie bei vielen orientaliſchen Völkern. Die Frauen werden auch bei den Neuguineern gekauft und iſt es dem Manne geſtattet, mehrere zu haben. Trotzdem ſoll die Polygamie nicht die Regel ſein, viel häufiger und in den weitaus häufigſten Fällen findet ſich Monogamie. Oft herrſcht auch in zwei nahe neben— einander liegenden Diſtrikten in dieſer Beziehung ver— ſchiedene Sitte. So ſind die Sugairees nach M. Armit Polygamiſten, die an fie angrenzenden Moorokkas 4 „ 9 0 werden oft mit allegoriſchen Figuren aus Schnitzwerk geſchmückt. In vielen Dörfern vertritt es augen— ſcheinlich auch eine Art Gotteshaus. Vor beſonders wichtigen und großen Feſten verſammeln ſich darin aber Monogamiſten und ſprechen mit Abſcheu über die Polygamie der Sugairees. Die Form der Ehe ſcheint bei dieſen unciviliſierten Völkerſchaften in einer gewiſſen Beziehung zu ſtehen zu der Stellung und 236 Humboldt. — Juni 1885. dem Einfluſſe, den die Frau in den verſchiedenen Gebieten einnimmt. In manchen Dörfern iſt der Einfluß der Frauen ſehr groß, ja es ſoll Diſtrikte geben, wo ſie geradezu das Scepter führen und im vollen Sinne des Wortes regieren. Im Bezirke Naala herrſcht ſogar eine Königin über die Wilden. Eine bis jetzt wohl einzig daſtehende Thatſache. Krankheiten ſind nicht ſelten bei den Neu-Guineern. Sehr häufig kommen Hautausſchläge, Entzündungen der Augen und Elefantiaſis vor. Aerzte gibt es nicht. Der Wilde auf Papua hat weder Medizin— männer wie die Indianer, noch Regenmacher wie die Neger in Afrika. Die Heilung der Krankheit über— läßt er der Natur. Iſt die phyſiſche Konſtitution des Patienten danach angethan, ſo wird er die Krank— heit überwinden, im anderen Falle ihr erliegen. Ob die Greiſe wirklich getötet werden, wie einige Rei— ſende behaupten, läßt ſich vorderhand durch nichts beweiſen. D'Albertis fand allerdings in einer von ihren Bewohnern am Fly verlaſſenen Hütte eine ſterbende Greiſin, deren Schädel zerſchmettert war; wahrſcheinlich war es nur geſchehen, um die Alte nicht lebend in die Hände der Weißen fallen zu laſſen. Die Farbe der Trauer iſt auch bei den Neu— Guineern ſchwarz; es hängt aber von dem Grade der Verwandtſchaft ab, ob der ganze Körper oder nur Teile desſelben mit ſchwarzer Farbe beſtrichen werden ſoll. Während der Trauerzeit wird aller Schmuck abgelegt. Die Frauen des Hauſes, in dem ein Fa- milienmitglied geſtorben iſt, gelten bis zur Beerdigung des Toten für unrein. Der Miſſionär Chalmers war in Port Moresby ſelbſt Zeuge einer Scene, wo den um den Verſtorbenen herumhockenden und heulenden Weibern, nachdem ſie den ganzen Tag gefaſtet, Klöße aus Sago gereicht wurden, die ſie mittels Stäben aufſpießten und ſo zum Munde führten, da ſie die Speiſe mit den Fingern nicht berühren durften. Als Chalmers ihnen Tabak anbot, den ſie ſehr lieben, wieſen ſie denſelben ebenfalls zurück mit dem Be— deuten, daß der Geber ſonſt unrein würde. Die Gebräuche bei den Beerdigungen erinnern in mancher Beziehung an die anderer in der Kultur ebenfalls noch zurückſtehender Völkerſtämme. Sie ſind teil— weiſe geradezu abſcheulich. An der Aſtrolabebai und dem dazu gehörigen Hinterlande wird nach W. Armit die Leiche auf eine Art Sieb gelegt und dieſes über einen Trog geſtellt; hier bleibt der Leichnam liegen, bis er angeſchwollen iſt. Darauf wird ein Schnitt hineingemacht, und die Flüſſigkeit tropft in den Trog. Nun verſammeln ſich die Verwandten und Freunde des Verſtorbenen und ein ſcheußliches Freſſen beginnt. Den Kindern werden Vorkopf und Geſicht mit der Flüſſigkeit beſchmiert. In Port Moresby werden Grasbüſchel in ſie getaucht und den Ver— wandten und Freunden überreicht, die ſich damit Geſicht und Leib beſtreichen. Nach dem geſchil— derten gräßlichen Mahle wird der Leichnam in der Sonne vollkommen getrocknet, darauf in aro— matiſche Blätter gewickelt und in einer netzartigen Hängematte in einer Ecke des einzigen Raumes der Wohnung aufgehängt. Am Hallſund werden die Leichen in ein pfahlloſes Häuschen gebracht, dort einige Zeit aufbewahrt und dann beerdigt. Am Kataufluſſe findet der Tote unter den Wohnungen der Lebenden ſeine letzte Ruheſtätte, eine Sitte, die auch bei den Kameruns in Afrika heimiſch iſt. Er erhält auch Eßwaren mit ins Grab; am Flyriver hüllt man den Leichnam in Rinde und legt ihn auf ein Gerüſt im freien Felde, über das ein Schutzdach hergeſtellt wird; eine ähnliche Beſtattungsweiſe ihrer Toten iſt auch bei einigen Stämmen auf Java in Gebrauch. In einzelnen Gegenden Papuas wird der Kadaver wie bei den Tibetanern aufs freie Feld geworfen und dort ſo lange liegen gelaſſen, bis die kleinen Knochen ſich losgelöſt haben. Dieſe werden geſammelt und als Schmuck in Naſe und Ohren ge— ſteckt. — Religiöſe Gebräuche find kaum vorhanden und Gottesvorſtellungen ſchwach entwickelt. Einige kennen einen Geiſt des Berges und des Meeres, der in den aus den Waſſern aufſteigenden Nebeln ſymboliſiert erſcheint. An ihren Idolen, deren es einige gibt, hängen ſie durchaus nicht feſt und veräußern ſie ohne viel Widerſtreben. Wegen dieſes ſo gering ausge— prägten religiöſen Gefühles der Eingebornen machen natürlich die Miſſionäre nicht die gewünſchten Fort⸗ ſchritte. Seit 1855 bemühen ſich niederländiſche auf der Nordweſtſeite, engliſche (wesleyaniſche) auf der Südſeite und Oſtſeite der Inſel, das Chriſtentum zu verbreiten, aber, wie geſagt, mit ziemlich geringem Erfolge. Auch mohammedaniſche Sendboten haben im Nordweſten, wie es heißt mit günſtigerem Erfolge, ihr Glück verſucht. Deutſchland wird nicht umhin können, nachdem die Beſitzfrage des Humboldtbai⸗ und Hüonbailandes (Kaiſer-Wilhelmsland) zu ſeinen Gunſten endgültig entſchieden worden iſt, auch feiner- ſeits chriſtliche Sendboten in die zu beſiedelnden Landſtriche zu entſenden. Kaiſer-Wilhelmsland iſt nach den Darſtellungen verſchiedener Reiſenden ein ſehr fruchtbares, für den Anbau von tropiſchen Früchten in jeder Beziehung geeignetes Gebiet; ſeine Temperaturverhältniſſe aber ſubtropiſche mit allen ihren Schattenſeiten. Waſſerſucht, Dysenterie und allgemeine Körperſchwäche befallen ſehr leicht den Weißen und bereiten ihm meiſtens ein frühes Ende. Der Engländer Stone bemerkt, daß jede kleine Verletzung zu den ſchlimmſten Eiterungen und bös— artigſten Entzündungen Anlaß gibt. Das gilt natür— lich nicht nur für den genannten Teil, ſondern für das ganze Küſten- und Flachland der Inſel. Die Gefahr wird noch vermehrt beim Arbeiten im Freien und bei der Bebauung des jungfräulichen Bodens. Daher rät er den Koloniſten weiter ins Land zu gehen, in die höher gelegenen Teile, wo der Urwald verſchwindet und die Luft dünner iſt und die Fieber— ausdünſtungen des Bodens weniger vorherrſchen. Ueber die Art der Koloniſation ſcheint der Rat d'Albertis' ſehr beherzigenswert; er ſchlägt vor, mehr dem niederländiſchen als dem engliſchen Syſtem dabei zu folgen. Der Niederländer ſucht nämlich überall erſt den Eingebornen zu erziehen, um ihn Humboldt. — Juni 1885. 237 für ſeine Zwecke brauchbar zu machen, der Engländer kümmert ſich darum weniger, er reflektiert ja auch kaum auf deſſen Fähigkeiten, er führt vielmehr ſeinen Landsmann ins Land und ſucht mit dieſem über dasſelbe zu herrſchen und ſeine Produkte durch eigene Arbeit zu gewinnen. Der Eingeborene wird bei die— ſem Syſtem allmählich zur Seite geſchoben, die ver— derblichen Einflüſſe der Berührung mit dem Weißen beginnen ſich raſch zu äußern und bald iſt er vom Schauplatz ſeiner einſtigen Thätigkeit gänzlich ver— ſchwunden. Dem niederländiſchen Koloniſationsſyſtem iſt unter allen Umſtänden der Vorzug zu geben: es führt langſamer, aber damit nichtsdeſtoweniger ſicher zum Ziele, nur ſchont es die heimiſche Arbeitskraft, bis die Bebauung des fremden Bodens auch für dieſe weniger gefährlich und verderblich geworden iſt. Die Bienenbauten. Don Prof. Dr. K. W. v. Dalla Torre in Innsbruck. (Schluß.) Es ſind nur die Wohnungen eines einzelnen Bienenpaares, die wir bis jetzt betrachtet haben; und auch von dieſem Paare hat uns nur das Weib— chen intereſſiert, da das Männchen beim Neſtbau nur äußerſt wenig, man kann getroſt ſagen gar nicht beteiligt iſt. Es ſind alſo die Bauten der Einzel— bienen wirklich Bauten eines Individuums, und wir können uns alſo nicht wundern, wenn ſie nicht jene räumliche Ausdehnung erreichen, wie die der geſellig lebenden. Vergleichen wir aber die Bauten dieſer beiden Bienengruppen von einer andern Seite, näm— lich in Bezug auf ihre Schönheit und Regelmäßig— keit, ſo wird unſer Urteil nicht immer zu Gunſten der letzteren ausfallen. Ein zarter Megachilebau iſt z. B. gewiß höher zu ſtellen, als ein Hummelneſt, deſſen unregelmäßige Aufführung uns geradezu über— raſcht, wenn wir bedenken, daß die Hummeln doch nahe Verwandte der Honigbienen ſind, denen ja un— ſtreitig unter den Künſtlern der Inſektenwelt der erſte Platz gebührt. So viel über das gegenſeitige Verhältnis der Bauten der Einzelbienen zu denen der geſelligen. Die Gründung eines Bienenſtaates geht nicht etwa von einer größeren Anzahl von Paaren aus, ſondern im Grund genommen nur von einem frucht— baren Weibchen, welches allerdings bei der Honig— biene gleich eine große Schar von Gehilfen mit— bringt, zur weiteren Ausführung des Baues ebenſo— wenig beſtimmt iſt, wie die Männchen, welche auch hier ſehr arbeitsſcheu ſind; es iſt dies vielmehr Sache einer dritten Klaſſe von Formen, die man gerade aus die— ſem Grunde „Arbeiter“ nennt. Das Vorhandenſein dieſes „dritten Standes“, wie er ja in jedem Staate notwendig iſt, iſt eine charakteriſtiſche Eigentümlichkeit der geſellig lebenden Bienen und es gehören dieſer Gruppe nur zwei europäiſche Gattungen an, die Hummel (Bombus) und die Honigbiene (Apis). Die Hummeln, die Baßſinger der Inſektenwelt, mit ihrem zottigen, bärenhaften Körper und ihren Humboldt 1885. ſchwerfälligen, plumpen Bewegungen ſind wenigſtens oberflächlich auch jedem Laien bekannt, wenn er auch vielleicht andere Gattungen, die ihnen an Körper— geſtalt ſehr nahe, aber an Lebensweiſe ſehr ferne ſtehen, mit ihnen vermengt. Sie bewohnen in ziem— lich großer Artenanzahl die ganze alte Welt, ſowie die beiden Hälften Amerikas und ſind ſomit im all— gemeinen an kein beſonderes Klima gebunden. Wir treffen ſie auf den üppigen, grellfarbigen Blüten des Südens gerade ſo gut, wie auf den unſcheinbaren Kätzchen der Zwergweiden des hohen Nordens. Ihre Größe ſchwankt ſowohl mit Rückſicht auf die einzel— nen Arten, als auch auf die Geſchlechter einer und derſelben Art ſehr bedeutend. Ihre Farbe iſt ziem— lich wandelbar. Da man nun gerade dieſe beiden Merkmale, die ja am meiſten in die Augen ſpringen und ohne eingehende, mühſame Unterſuchung beob— achtet werden können, zur Artentrennung benützt hat, ſo iſt es leicht begreiflich, daß vor verhältnismäßig nicht ſehr langer Zeit gerade in Bezug auf Ab— grenzung der Bombusarten eine Konfuſion herrſchte, wie ſelten bei einer andern Gruppe der Inſektenwelt. Die Erkenntnis, daß man, um dieſem Mißſtande ab— zuhelfen, nach konſtanteren Merkmalen ſuchen müſſe, gab die Veranlaſſung, das Studium ihrer Lebens— weiſe eingehend zu betreiben. Allein auch jetzt noch gäbe es in dieſer Hinſicht gar manches zu erforſchen, und mit Recht ſagt Profeſſor Hoffer in ſeiner Ab— handlung über Hummelbauten, daß „über keine Gat— tung der geſellig lebenden Hymenopteren in Bezug auf einzelne biologiſche Erſcheinungen ſolche Unklar— heit herrſcht, wie über die Hummeln“. Allein gerade die Arbeiten dieſes Forſchers haben dazu beigetragen, viele dieſer Unklarheiten zu beheben und ich werde im folgenden Gelegenheit haben, mich mehrmals auf ſeine Beobachtungen zu berufen. Wenn wir im Frühjahre — im April oder Mai — ein eben aus der Wintererſtarrung erwachtes Hum— melsweibchen beobachten, wie es nahe, am Boden hin— 31 238 Humboldt. — Juni 1885. fliegend, nach einem zum Wohnungsbau geeigneten Orte ſucht, wie es hier das Terrain ſondiert, dort einem verlaſſenen Maus- oder Grillenloch ſeine beſondere Aufmerkſamkeit widmet, dann wieder, offenbar nicht befriedigt, brummend fortfliegt und weiterſucht, ſo müſſen wir wohl daraus ſchließen, daß es ſehr wäh— leriſch iſt und nicht ſo leicht von einem Orte zu— friedengeſtellt werden kann. Anderſeits aber haben wir wieder Belege zur Genüge, daß die Hummeln an den verſchiedenſten Orten, an denen wir ſie oft gar nicht vermuten würden, ſich häuslich einzurichten verſuchen. Sie nehmen gar nicht ſelten von ver— laſſenen Vogelneſtern Beſitz. Schenck erhielt ein ſol— ches, das auf einer hohen Fichte in einem alten Eich— hornneſt angelegt war, und Profeſſor Hoffer erzählt uns von einem Neſte von Bomb. agrorum, das ſich in einem alten zerriſſenenen Schafspelz auf dem Dach— boden eines Bauernhauſes befand. Mit Vorliebe und in der Regel bauen die Hummeln am Boden, einige unter der Erde, gewöhnlich in den verlaſſenen Woh— nungen anderer Tiere, einige zwiſchen Moos und höherem Gras, beſonders in Kleeäckern. Ein in höchſter Blüte ſtehendes Hummelneſt kann eine Ein— wohnerzahl von mehreren Hunderten erreichen. Die— ſelbe iſt natürlich einmal von der Art und dann von verſchiedenen anderen Faktoren abhängig, die der Entwickelung mehr oder weniger günſtig ſind. Meiſt ſind unterirdiſche Neſter ſtärker bevölkert als ober— irdiſche. Die Hummeln laſſen ihre Neſter faſt nie ganz unbedeckt, ſondern überdachen ſie mit fein zer— biſſenen Teilen eines Materials, das ſie in nächſter Umgebung leicht und bequem bekommen können, wie Grashalme, Moos u. ſ. w. Die Feſtigkeit und Halt— barkeit dieſer Hülle erhöhen ſie dadurch, daß ſie deren einzelne Teile mit Wachs aneinander kitten. Die- ſelbe hat offenbar den Zweck, die Inſaſſen des Neſtes vor Kälte, Regen, Näſſe und anderen elementaren Feinden zu ſchützen. Bei unterirdiſch bauenden Arten iſt dieſer Schutz beſonders in trockenen Jahren nicht ſehr nötig und fehlt daher manchesmal. Wenn wir einige Aufmerkſamkeit und Mühe ver— wenden wollen, ſo wird uns die Entdeckung eines Hummelneſtes gewiß gelingen. Entfernen wir dann die leichte, eben erwähnte Bedeckung desſelben, ſo liegt ein unregelmäßiges Gewirre von weißgelben Tönnchen vor uns, die wir anfangs für Zellen halten mögen, deren genauere Betrachtung uns aber ſofort überzeugt, daß es Puppencocons ſind, deren Anordnung oder vielmehr Unordnung und Umgebung uns ganz lebhaft an ein etwas verkleinertes Vogel— neſt mit recht vielen Eiern erinnert. Ich will nun im folgenden verſuchen, die Gründung und weitere Entwickelung eines Hummelneſtes dem freundlichen Leſer vorzuführen. Die Gründerin eines Neſtes iſt ein ſogenanntes „großes“ Weibchen, welches die Stürme und Fröſte des Winters in irgend einem Schlupfwinkel ſiegreich überdauerte, und das die wärmer ſcheinende Früh— lingsſonne aus ſeiner Erſtarrung geweckt hat. So— bald es eine geeignete Stelle zur Wohnungsanlage ſich geſucht, wird eine rundliche Zelle aus Wachs gebaut. Iſt dies geſchehen, ſo ſammelt es eifrig Pollen, ſpeichert dieſelben in der Zelle auf, legt einige Eier darauf und verſchließt endlich dieſelbe mit einem Wachsdeckel. Nach wenigen Tagen ſchlüpfen im Innern die fußloſen Larven aus und haben in- folge ihrer ziemlichen Gefräßigkeit den Vorrat, den ihnen die ſorgliche Mutter in die Zelle gelegt, bald aufgezehrt. So laſtet auf dieſer, welche inzwiſchen bereits eine neue Zelle gebaut und gefüllt hat, die nicht leichte Aufgabe, die raſch heranwachſenden Lar⸗ ven durch herbeigetragenes Futter weiter zu ernähren. Dies geht in der Weiſe vor ſich, daß das Weibchen die Zelle auf der Seite aufbeißt und in dieſelbe aus ihrem Munde Pollen ſpeit, die zuvor noch mit Honig vermiſcht wurden. Die Wachszelle wird nunmehr immer größer, ſie wird immer mehr erweitert, da ſie ja ſonſt für die ſchon ziemlich großen Larven keinen Raum mehr bieten würde, verliert dabei voll- ſtändig ihre urſprünglich regelmäßige Form und ge— winnt das Ausſehen eines unförmlichen Wachsknollens. Indeſſen verpuppen ſich die Larven mit nach abwärts gerichtetem Kopfe in ſehr zähen und feſten Cocons, und nun wird die äußere Hülle, nämlich die ver- größerte und erweiterte Zelle, vollkommen entfernt. Aus den erſten Eiern entwickeln ſich nun Arbeiter. Die Bewegungen derſelben ſind anfangs ſehr un— geſchickt, ihre Haut und ihre Flügel ganz weich, ſo daß ſie mehrere Tage im Neſte bleiben müſſen, bis ſie ſich die zu ihrer weiteren Thätigkeit nötigen Kräfte erworben haben. Dann ſorgt ein Teil für die Fütterung der Larven, ein anderer für die Ret- nigung des Neſtes, ein dritter iſt mit der Ueber— dachung desſelben beſchäftigt. Zu dieſem letzteren Zwecke werden Gräſer und Moos, mitunter ſogar Tierhaare herbeigeſchleppt, von anderen werden ſie zerbiſſen und mit Wachs aneinander geklebt. Die Kö— nigin fliegt von nun an ſeltener aus, ſie nimmt lieber an den häuslichen Arbeiten teil, wobei ſie von den Arbeitern auf das kräftigſte unterſtützt wird. In— folgedeſſen geht auch die Vermehrung der Neſtbewoh— ner von jetzt an viel ſchleuniger vor ſich, denn das Weibchen legt jeden Tag neue Eier, ja unter beſon— ders günſtigen Umſtänden ſogar des Tages zweimal. Die Puppentönnchen, welche uns bei einem geöff— neten Neſte zuerſt in die Augen fallen, und die ge— rade wie Zellen ausſehen, ſtehen ohne beſondere Ordnung nebeneinander. Sie werden von den Ar— beitern gewöhnlich am Grunde, manchesmal auch ihrer ganzen Länge nach verbunden. Ihre Größe iſt ver— ſchieden, je nachdem ſie von Arbeitern, Männchen oder Weibchen herrühren. Puppentönnchen von auf— fallender Größe, wie man ſie in Hummelneſtern gar nicht ſelten ſieht, rühren nicht von den Hummeln, ſondern von den Schmarotzerhummeln, den Pſithyrus— arten her. Die durch das Ausſchlüpfen der Tiere leer gewordenen Cocons werden nicht unbenützt ge— laſſen, ſondern zu mannigfachen Zwecken verwendet. Ein Teil derſelben wird zu den feinſten Teilen zer— biſſen, um dann dem Neſte als Unterlage zu dienen Humboldt. — Juni 1885. 239 oder beim Bau der Decke Verwendung zu finden; andere werden ſorgfältig gereinigt, im Innern mit einer Wachsſchicht überzogen und dienen als Vorrats— kammern. An ſonnigen, warmen Tagen ſpeichern die Arbeiter Honig in denſelben auf, an den regneriſchen, wo das Ausfliegen unmöglich iſt, die Larven aber doch gefüttert werden müſſen, wird dieſer Vorrat aufgezehrt. Außerdem bauen die Arbeiter noch eigene Gefäße aus Wachs, mit ſehr dünnen Wänden, die ebenfalls zum Aufbewahren des Honigs dienen. Pro— feſſor Hoffer fand in zwei Neſtern von Bombus po— morum auch Zellen, die, ebenfalls aus Wachs ge— baut, nur mit Pollen gefüllt waren. Dieſelben hatten eine längliche Geſtalt, eher vierkantig als cylindriſch, und zeichneten ſich durch ihre Größe aus. in den Zuchtkäſtchen zeigten, daß die Hummeln auch von ihnen bei kühler, regneriſcher Witterung Gebrauch machen. Bei anderen Arten hat man übrigens ſolche nur mit Pollen gefüllte Zellen noch nicht gefunden. Nachdem das Neſt mit Arbeitern zur Genüge bevöl— kert iſt, erſcheinen Männchen und ſogenannte kleine Weibchen und zuletzt große Weibchen, welch letztere zur Ueberwinterung und Gründung eines neuen Staates im nächſten Jahre beſtimmt ſind. Die Männchen ſammeln zwar nicht für die Larven, er— nähren ſich aber ehrlich durch eigene Arbeit, indem ſie — wenigſtens bei guter Witterung — den Honig aus den Blüten ſaugen; allerdings kehren die meiſten, wenn ſie das Neſt einmal verlaſſen haben, nicht mehr in dasſelbe zurück, ſondern finden, im Vollgenuſſe der Diſtelköpfe ſchwelgend, zu Beginn der rauheren Jahreszeit ihren Tod. Die kleinen Weibchen, deren Geſchlechtsorgane vollſtändig entwickelt ſind, verrichten die Geſchäfte der Arbeiter und werden daher auch große Arbeiter genannt. Die großen Weibchen, die ſich einer beſſeren Nahrung erfreuen und aus grö— ßeren Cocons ausſchlüpfen, bleiben zuerſt einige Tage im Neſte, bis ſich ihre Kräfte gänzlich entfaltet haben; dann gehen ſie ſelbſt auf die Suche nach Nahrung aus, doch ſcheint es, daß ſie Pollen in das Neſt nicht eintragen. Nach der Befruchtung ſuchen ſie einen geſchützten Platz oder bauen ſich ſelbſt eine Röhre in die Erde, wo ſie den Winter zubringen können. Mit dem Heranrücken des Herbſtes beginnt für das Hummel— neſt eine gar ſchlimme Zeit. Die kalten Herbſtnächte, welche die Blumen mit weißem Reif überziehen, die häufigen Regen treten ſeiner Entwickelung hindernd entgegen. Die Königin, die Stammmutter aller Be— wohner des Neſtes, iſt bereits tot, die Larven, die noch in den Zellen ſind, müſſen verhungern, weil die Arbeiter ſie nicht mehr zu ernähren vermögen, und auch aller übrigen Bewohner des Baues wartet dasſelbe Schickſal. Der Hummelſtaat iſt eben nur einjährig zum Unterſchied von dem der Bienen, wel— chem wir im folgenden unſere Aufmerkſamkeit wid— men wollen. Eine Unzahl von größeren oder kleineren Werken gibt es, welche dieſes unſcheinbare Inſekt, die Haus— oder Honigbiene (Apis melifica), zum Gegenſtande Verſuche haben, und wenn es trotzdem noch manche Fragen über dasſelbe gibt, die der Forſcher nicht mit der genügenden Beſtimmtheit zu beantworten vermag, ſo zeigt dies nur, daß das Leben der Honigbiene eine unerſchöpfliche Fundgrube der intereſſanteſten Er— ſcheinungen iſt. Schon der erſte Anfang eines Bienenſtaates, die Auswanderung aus dem alten Stock, vom Bienen— züchter „Schwärmen“ genannt, muß jeden, der nur einigen Naturſinn beſitzt, in Erſtaunen verſetzen. An einem niedrigen Baumaſte hängt eine dunkle, trau— bige Maſſe; kommen wir näher, ſo ſehen wir, daß ſie aus lauter Bienen beſteht, die ſich aneinander— hängen. Da krabbelt, kriecht und ſummt es, bis der Bienenzüchter mit einem Korbe erſcheint und mit freudiger Miene die Auswanderer in das Bienenhaus bringt, wo ſie dann die innere Einrichtung der neuen Wohnung ohne weitere Nachhilfe ganz allein und ſelbſtändig beſorgen. Es würde ſich die Arbeit wohl ins Endloſe ausdehnen, wollte ſie die Lebensweiſe der Bienen im allgemeinen verfolgen; es möge des— halb geradewegs auf das vorgeſteckte Ziel, die Dar— ſtellung des Zellbaues, losgeſteuert werden. Die Bienenzellen beſtehen bekanntlich aus Wachs, und es intereſſiert uns daher vor allem die Zubereitung dieſes Baumaterials. Wenn wir an einer Bienen⸗ arbeiterin das vierte, fünfte, ſechſte oder ſiebente Bauchſegment aufheben, ſo erblicken wir am Grunde des dritten beziehungsweiſe vierten, fünften und ſechſten ein dünnes, weißes Häutchen, Wachshaut genannt, das ſich von der hornigen Chitinmaſſe, welche die Hinterleibsringe bildet, ſcharf abhebt. Aus dieſer Wachshaut wird das Wachs abgeſondert und tritt in Geſtalt von ganz dünnen Blättchen — ein Zahlen— freund berechnete, daß deren 2259000 ein Pfund wiegen zwiſchen den Leibesringen hervor, ſei es, daß es durch das nachdringende Wachs herausgeſchoben wird, ſei es, daß die Bienen es mit ihren Wachs— zangen hervorziehen. Die Blättchen werden durch Kauen und durch Vermiſchung mit einem ſchaumigen Safte ſo präpariert, daß ſie die zum Zellbau nötige Geſchmeidigkeit und Elaſticität erhalten. Kehren wir wieder zum neubezogenen Stocke zu— rück und ſehen wir, in welcher Weiſe in demſelben die Arbeiten eröffnet werden. An der Decke des— ſelben drängen ſich alle Arbeiterinnen zuſammen, jede hält ſich an der ober ihr befindlichen feſt, ſo daß ein allerdings nicht ſehr regelmäßiger Kegel entſteht, deſſen Spitze nach abwärts gekehrt iſt. Es herrſcht ſcheinbar ein Durcheinander, eine Verwirrung, in Wirklichkeit aber eine fieberhafte Bauthätigkeit, denn ſchon nach kurzer Zeit kann man eine Wachsleiſte an der Decke erblicken, welche die Lage der zu bauenden Waben beſtimmt. In welcher Weiſe der Bau der eigent— lichen Zellen vor ſich geht, genau und eingehend zu beobachten, iſt wegen des herrſchenden Gedränges ſehr ſchwierig, wenn nicht unmöglich. Man hat früher die ganze Wabe durch das Aneinanderfügen der oben erwähnten Wachsblättchen entſtehen laſſen und ſomit die Anordnung und die ſtreng ſymmetriſche 240 Humboldt. — Juni 1885. Form der Zellen ganz auf Rechnung der hohen geiſtigen Entwickelung der Bienen geſetzt. Betrachten wir zunächſt eine einzelne Zelle. Dieſelbe hat die Form eines ſechsſeitigen Prismas. Ihr Boden wird gebildet durch drei Rhomben, deren Winkel an dem Scheitel, wo fie ſich ſchneiden, 109° 26“ beträgt. Denken wir uns dieſe ſechsſeitigen Prismen anz einandergereiht, ſo läßt ſich zwiſchen je drei Zell— böden gerade ein Boden einer in Bezug auf den Mitteldurchſchnitt durch die Wabe ſymmetriſch liegen— den Zelle einfügen. Genau in dieſer Weiſe ſind die Zellen der Bienenwabe angeordnet. Man hat nun mit Recht und mit Erfolg über dieſe doch ziemlich komplizierte Form der Zellen Betrachtungen angeſtellt, man hat verſchiedene Bedenken gegen die bisherige Anſicht ausgeſprochen, welche in einer erſt jüngſt er— ſchienenen Schrift von Dr. Karl Müllenhoff mit ſehr triftigen Gründen ausgeſtattet wurden. Hierbei er— leidet natürlich die vielgerühmte Intelligenz der Bie— nen den denkbar ſchwerſten Schlag, indem man ihnen gerade die kunſtvolle Zellanlage zum größten Ver— dienſte anrechnete. Müllenhoff betrachtet zuerſt die Bienenzelle vom teleologiſchen Standpunkte. Er führt an, daß unter allen Prismen die regelmäßigen ſechs— ſeitigen bei konſtantem Inhalt die kleinſte Oberfläche aufweiſen und nebſtdem noch den Vorteil haben, daß ſie ſich ohne Lücke aneinanderfügen laſſen, ſo daß die Anwendung dieſes Prismas für die Bienen außer— ordentlich praktiſch und vorteilhaft iſt. Weiter ließ ſchon Reaumur unterſuchen, durch welches Gebilde ein ſechsſeitiges Prisma abgeſchloſſen werden müſſe, damit bei gleichem Inhalt die Oberfläche möglichſt klein ſei, und ſiehe da, es zeigt ſich, daß jene For— derungen genau durch jenen Verſchluß, den wir bei den Bienen finden, genau durch jenen Winkel von 109° 26 erfüllt werden. Reaumur geriet in ge— rechtes Erſtaunen über dieſes ſeltſame Zuſammen— treffen, er ſprach von „Beweiſen für die höhere In— ſpiration der Bienen“, und die Achtung vor ihrer mathematiſchen Begabung erlitt eine gewaltige Stei— gerung. Auch noch in anderer Hinſicht iſt die Form der Bienenzelle ein fruchtbares Gebiet für Teleologen; denn ſie iſt von großer Bedeutung für die Feſtigkeit der Wabe, ſie zeigt auch hier die größtmögliche Zweck— mäßigkeit. Die Bienen würden alſo demgemäß in der praktiſchen Ausnutzung eines vorhandenen Ma— terials das denkbar Beſte zu leiſten imſtande ſein. Dem gegenüber gelangt Profeſſor Müllenhoff zum Reſultate, daß die Form der Bienenzelle nur eine Folge rein mechaniſcher Einflüſſe, ſowie gewiſſer Molekulareigenſchaften ſei, wie ſie das Wachs in flüſſigem und dünnhäutigem Zuſtande aufweiſt. Er beruft ſich dabei auf die Unterſuchungen des Phyſikers Pleteau, welcher gefunden hat, daß ſich an einer flüſſigen Kante drei Flächen unter gleichen Winkeln ſchneiden (120°) und daß ſich im Innern einer Figur immer vier Kanten ebenfalls unter gleichen Winkeln ſchneiden. Dies reicht vollkommen aus, um die Bil— dung der ſechsſeitigen Prismen und der Zellböden zu erklären. Und zwar geht dieſelbe auf folgende Weiſe vor ſich. Auf beiden Seiten der Wachsleiſte, welche an der Decke des Bienenſtockes gebaut wurde, drangen die Bienen mit ihren Köpfen gegen dieſe, indem jede möglichſt weit nach oben und nach vorn ſich begibt. Bei dieſem Vorwärtsdrängen weichen die ſich begegnenden Köpfe ſtets nach der Seite des klei— neren Widerſtandes aus, fo daß zuletzt jeder Bienen⸗ kopf auf der einen Seite in die Mitte von drei auf der andern Seite befindlichen Bienenköpfen zu liegen kommt. Die Wachsleiſte gibt dem Drucke nach und biegt ſich dieſem entſprechend. Infolge des Gedränges wird die ohnehin ſchon hohe Temperatur noch weiter erhöht und es gelangen nun jene Molekularwirkungen zur Geltung, von denen ſchon früher geſprochen wurde. Es bilden ſich die feinen, glatten, ebenen Begrenzungs— flächen der dreiſeitigen Pyramiden mit dem Winkel von 10926“ ſowie ein kleines Stück des ſechsſeitigen Prismas, indem das Wachs, wenn es ſich auch ur— ſprünglich der runden Leibesform der Biene anpaßt, durch den Druck von ſechs anderen Bienen, welche jene umſchließen, naturnotwendig in dieſe Form ge— preßt werden muß. Auf demſelben rein mechaniſchen Wege geht auch die Verlängerung der Prismen vor ſich. Die Zellwände ſind äußerſt dünne und zarte Wachshäutchen und ſo wäre die Gefahr groß, daß die Wabe das Gewicht des Honigs, der Larven 2c. nicht zu tragen vermöchte. Um dieſe zu beſeitigen, wird an den äußeren Bodenkanten des ſechsſeitigen Prismas Wachs aufgetragen. Dasſelbe geſchieht in noch größerem Maßſtabe an den Rändern der Wabe. Es erübrigt nun noch, einiger Zellen zu gedenken, welche weſentlich von den übrigen verſchieden ſind, nämlich die Zellen an den Rändern der Wabe, die die Form eines fünfſeitigen Rahmens zeigen und deren Boden ebenfalls mehr oder weniger unregel— mäßig gebildet iſt. Wenn wir uns nun erinnern, daß wir das Vorhandenſein des ſechsſeitigen Pris— mas daraus erklärt haben, daß jeder Bienenkopf von ſechs anderen umſchloſſen wird, daß aber am Rande einer Wabe der ſechſte Bienenkopf fehlt, ſo daß jeder nur zwiſchen fünf andere zu liegen kommt, ſo wird uns dieſe Abweichung geradezu ſelbſtverſtändlich er— ſcheinen. Eine zweite Gruppe von unregelmäßigen Zellen, nämlich die ſogenannten Uebergangszellen, die ſich zwiſchen den kleineren Arbeiter- und den großen Drohnenzellen befinden, entſtehen nur aus einer Verzerrung von urſprünglich regelmäßigen Zellen, welche notwendig iſt, da ſich regelmäßige ſechsſeitige Prismen von verſchiedener Größe nicht ohne Lücke aneinanderfügen ließen. Dies ſind im weſentlichen die Ausführungen Müllenhoffs über den Zellbau der Bienen. Wenn man nun näher zuſieht, welche Verdienſte dabei den Bienen zufallen, ſo iſt es klar, daß ihrer ein ungleich ungünſtigeres Urteil harrt, als noch vor wenigen Jahren. Sie liefern für die Zellen nur die Größen— maſſe, ſowie jene höhere Temperatur, welche dem Wachs die nötige Viskoſität verleiht, während ſie der Anordnung des Wachſes zu ſechsſeitigen Pris— men, ſowie dem Baue der komplizierten Mittel— Humboldt. — Juni 1885. 241 lamelle und beſonders der Wahl der Winkel gänzlich ferneſtehen. Auf dieſe Weiſe geht der Bau mit überraſchender Geſchwindigkeit vor ſich: ſchon nach kurzer Zeit iſt ein dreieckiges Wabenſtück fertig und bald wird der Bau einer zweiten und dritten Wabe begonnen. Dieſelben ſind alle zu einander parallel und nur durch einen ſo großen Zwiſchenraum ge— trennt, daß ſich die Bienen bequem in demſelben bewegen können; ſie werden nicht nacheinander voll— endet, ſondern immer mehr oder weniger gleichmäßig vergrößert. Im Frühjahr entſteht dann gewöhnlich am Rande einer Wabe eine neue Art von Zellen, die Weiſelzellen, meiſt 3—6, mitunter aber auch noch ſo viele. Sie haben, wenn ſie gedeckelt ſind, eine vollkommen eiförmige Geſtalt, ſind faſt ſenkrecht ge— ſtellt und mit großem Wachsaufwande erbaut. „Die Weiſelwiege“, ſagt Müllenhoff, „ſtellt ein Bauwerk dar, welches die Geſchicklichkeit des Architekten nicht im vorteilhafteſten Lichte erſcheinen läßt. Sie gibt uns den Beweis von der geringen Leiſtungsfähigkeit der Biene, wenn das Tier iſoliert arbeitet und ihm mechaniſche Potenzen nicht zu Hilfe kommen. Gerade die unförmliche Geſtalt der Weiſelzelle iſt uns wert— voll als Beweis gegen die Kunſtfertigkeit und für die mechaniſchen Wirkungen bei der Entſtehung der ſechs— eckigen Zellen.“ Die äußeren Wände der Weiſelwiege ſind mit mannigfachen unregelmäßigen Figuren be— deckt und von Furchen durchzogen, welche davon her— rühren, daß die beim ſogenannten Bebruten auf den Zellen ſitzenden Arbeiter ſich mit den Kiefern in das Wachs einbeißen. Die Zellen dienen bekanntlich, ebenſo wie bei den Hummeln, verſchiedenen Beſtimmungen. Die einen als Brutzellen, andere als Vorratskammern. Im erſteren Falle werden ſie immer, im letzteren meiſt gedeckelt und zwar geht die Deckelung ſo vor ſich, daß die Prismenflächen etwas verlängert und oben zuſammengebogen werden. Der Inhalt der Vorrats— zellen beſteht teils aus Honig, teils aus Pollen. Jedoch wird über die letzteren häufig noch eine Schicht Honig gelegt, um den ſchädlichen Einfluß der un— mittelbaren Berührung mit der Luft ferne zu halten. Prof. Müllenhoff bemerkt außerdem, daß die Bienen in Honigzellen, deren Inhalt nicht zum ſofortigen Gebrauche, ſondern zur Aufbewahrung beſtimmt iſt, aus ihrer Giftdrüſe einen Tropfen Ameiſenſäure entleeren, eine Erſcheinung, die offenbar mit der antiſeptiſchen Wirkung der Ameiſenſäure zuſammen— hängt. So herrſcht den ganzen Sommer über bis zum Eintritt der rauhen Jahreszeit reges Leben im Bienenſtock. Die Pflege der Brut bereitet gar viele Arbeiten; denn die Larven brauchen Futter, ſehr viel Futter und verurſachen noch manche andere Mühen; und dann ſoll man noch für den Winter ſorgen, wo Blumen und Blüten verdorrt und im tiefen Schnee begraben ſind, der Hunger ſich aber doch regt, weil die Biene nicht erſtarrt. Allein all dies wird mit Fleiß und Beharrlichkeit überwunden und im Früh— jahr ſteht der Bienenſtaat nicht nur lebensfähig da, ſondern vermag ſogar eine zahlreiche Schar von Aus⸗ wanderern zur Gründung einer neuen Kolonie zu entſenden. Unſere Honigbiene kommt höchſtens verwildert, nie aber wild vor. Ihre amerikaniſchen Verwandten, die Meliponen, haben ſich dagegen noch volle Un— abhängigkeit bewahrt und bauen in hohlen Baum- ſtämmen, Erdſpalten u. ſ. w. Ihre Neſter ſind von dem Baue unſerer Honigbiene grundverſchieden; ſie ſehen eher einem umgekehrten Weſpenneſte ähnlich. Es ſind horizontal gelegte Tafeln, durch kurze Säulen verbunden, deren Zellen ſich nach oben öffnen. Auch dieſe zeigen eine ſechseckige Form; allein man ſieht an ihnen deutlich, welche Rolle dabei ihre innige Berührung ſpielt, indem ſämtliche Randzellen mehr oder weniger cylindriſch ſind. Die Zellen dienen nur als Brutzellen. Die Vorratstöpfe ſtehen den Weiſel— wiegen der Bienen ſehr nahe, nur daß ſie nicht ſo maſſiv erbaut ſind, wie dieſe und ſind ſowohl unter— einander, als mit den Brutzellen durch Wachs ver— bunden. Die näheren Umſtände des Neſtbaues und der Neſtanlage ſind bei verſchiedenen Arten durchaus nicht übereinſtimmend; doch intereſſieren uns dieſe Einzelheiten auch weniger, da uns ein weiter Ocean von der Heimat der Meliponen trennt und, obwohl bereits mehrfache Anbauverſuche gemacht und ihre Einführung warm empfohlen worden iſt und von Tri— gona eingeführte Schwärme fic) lange erhalten haben, vorderhand keine Ausſicht vorhanden iſt, daß ſie dem Beiſpiele ſo mancher anderer Bienen, die im heißen Süden zu Hauſe ſind, folgen und als freundlich auf— genommene Gäſte in unſere deutſchen Bienenhäuſer einziehen werden, wie dies z. B. die ſogenannte ita— lieniſche, die ägyptiſche Biene u. a. gethan haben. Wenn wir nochmals all das Geſagte überblicken, ſo können wir vom Standpunkte des Naturforſchers wohl unſere Freude haben an einer Gruppe von Tieren, die dem Sammler eine ſo reiche Zahl von herrlichen Formen, dem Beobachter ſo viel Anziehendes und Bewundernswertes darbieten; allein auch der Landwirt mag ſich ihrer freuen, nicht bloß um des unmittelbaren materiellen Nutzens willen, den ihm die Honigbiene gewährt, ſondern noch mehr jenes mittelbaren Nutzens wegen, den ſie durch Befruch— tung der Blüten bringen. Und wenn die Bäume, überladen mit Obſt, ihre Aeſte zur Erde neigen, ſo denkt er nicht daran, daß die Bienen einen gewal— tigen Anteil an dieſem günſtigen Exträgniſſe haben; denn ſie wirken im Haushalte der Natur un— bewußt und geräuſchlos, aber deshalb nicht weniger erfolgreich. 242 Humboldt. — Juni 1885. Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Botanik. Don Prof. Dr. Hallier in Halle a. S. Verſchiedene Disciplinen der Botanik. Gegenwärtiger Stand der Syſtematik, der Uryptogamenkunde, der Morphologie, der Sellenlehre, der Organologie, der Phyſiologie, der Abſtammungslehre, der Anpaſſungserſcheinungen. Atmung. Reizbewegungen. Variation und Kreuzung. Jede Wiſſenſchaft hat ihre Geſchichte, auch inſofern, als während ihrer Entwickelung in der Zeit nach und nach verſchiedene Richtungen hervortreten und einander ablöſen. Das liegt in den Geſetzen der Entwickelung des menſch— lichen Erkennens überhaupt. Von Naturgegenſtänden und Naturphänomenen erwirbt ſich der Menſch nach und nach auf ganz verſchiedene Weiſe, nach verſchiedenen Geſichts— punkten und Methoden ganz verſchiedene Anſchauungsweiſen. Jede dieſer Anſchauungsweiſen hat aber ihre Berechtigung und jo entſteht aus jeder derſelben eine neue Disciplin, wodurch die Wiſſenſchaft in eine Anzahl von Unterabtei— lungen zerlegt wird. Die Natur kennt ſolche Disciplinen nicht; ſie ſind vielmehr nur ein Notbehelf unſerer Verſtan⸗ deskräfte. Zuerſt betrachtet man die Formen, wie ſie uns in der Natur als etwas ſcheinbar Beharrliches entgegentreten und es entwickelt ſich in den beſchreibenden Naturwiſſenſchaften die Syſtematik. Dieſe, von Le Vaillant, Adan— ſon, Juſſieu, Linné, De Candolle, Lindley, Endlicher, Bartling, Reichenbach und vielen an— deren Forſchern begründet, herrſchte bis in die dreißiger Jahre unſeres Jahrhunderts durchaus vor, während ſie gegenwärtig nur als Propädeutik der Botanik betrachtet wird und aller anderen botaniſchen Disciplinen zu ihrer Förderung bedarf. Bald gewahrt der aufmerkſame Beobachter in den Ge— ſtaltungen der Naturkörper eine gewiſſe Einheit. In der Pflanzenwelt werden gemeinſame Organe unterſchieden, nach einem beſtimmten Plan gebaut. Auch dieſe Organe ſind wieder aus kleineren Elementen zuſammengeſetzt. Man gibt ſich immer mehr der vergleichenden und entwickelungs— geſchichtlichen Betrachtung hin. Batſch und Goethe ent— deckten zuerſt eine Einheit im Aufbau der Pflanzenorgane, welche ſpäter durch Schleiden und zahlreiche andere For— ſcher als Ausdruck morphologiſcher Geſetze nachgewieſen wurde. Angeregt durch Robert Brown, führte Schlei— den das Princip der Entwickelungsgeſchichte in die Botanik ein und entdeckte die allgemeine Bedeutung der Zelle, welche früher ſchon als vorhanden durch Meyen, Ru— dolphi, H. v. Mohl und andere bekannt war. Ihre allgemeine Bedeutung aber als Formelement verdanken wir Schleiden, unbedingt für das Pflanzenreich, indirekt auch für das Tierreich, denn Schwann iſt erſt durch Schleiden zu ſeinen berühmten Unterſuchungen geführt worden. So entwickelte ſich nach und nach die Morpho— logie der Pflanze und ihrer Elementarorgane. Die morphologiſche Forſchung, die durch Schleiden und ſeine Zeitgenoſſen unbedingt in den Vordergrund ge— drängt war, mußte notwendig ſehr bald auf die Frage führen, durch welche Kräfte innerhalb und außerhalb des Pflanzenleibes die morphotiſchen Vorgänge veranlaßt wur— den. Es entſtand allmählich die Phyſiologie oder die Lehre von den Kräftewirkungen in der Pflanze und auf die Pflanze. Nachdem von Bouſſingault und einigen anderen Forſchern einzelne phyſiologiſche Fragen ihrer Lö— ſung näher geführt waren, war es beſonders Julius Sachs, der die Phyſiologie als beſondere Disciplin her— aushob und zuerſt nach den verſchiedenſten Richtungen hin ausgiebig bearbeitete. Syſtematik, Morphologie und Phyſiologie, im Zuſam— menhang bearbeitet, mußten notwendig zu der Frage füh— ren: Woher kommen die Pflanzen und wie iſt eine Form aus der anderen entſtanden? Die Abſtammungslehre, durch die Arbeiten von Lamarque, Schleiden und zahlreichen anderen Forſchern vorbereitet, fand in den ge— nialen und gewiſſenhaften Forſchungen Darwins einen erſten vorläufigen Abſchluß. Dadurch wurden helle Streiflichter geworfen auf die aus der Geologie ſich entwickelnde Geſchichte der Pflanzenwelt auf der Erde und nicht minder auf die durch Humboldt begründete, durch Shouw, De Can— dolle und viele andere fortgeführte und durch Griſe— bach auf ihren gegenwärtigen Höhepunkt gebrachte Pflan— zengeographie oder Lehre von der gegenwärtigen Verteilung der Gewächſe auf der Erde. Schließlich be— ſchäftigt man ſich auch mit den Krankheiten der Pflanzen, mit ihrem Verhalten zur übrigen Natur und zum Menſchen. Nach dem hier Angedeuteten wird es begreiflich erſchei— nen, daß die Abſt am mungslehre augenblicklich einen großen Teil der übrigen Disciplinen beherrſcht und durch— aus in den Vordergrund tritt. Ihre Ideen befruchten ge— wiſſermaßen die ganze botaniſche Forſchung, wenn auch nicht zu verkennen iſt, daß die einſeitige und ausſchließliche Bevorzugung derſelben hie und da zu Irrtümern und Hemm— niſſen geführt hat. Das iſt die unbedingte Folge des ein— ſeitigen Vorherrſchens irgend einer Richtung in der Wiſſen— ſchaft. Die Syſtematik, bis in das dritte Jahrzehnt unſeres Jahrhunderts nur von propädeutiſchem Wert, iſt gegen— wärtig eigentlich das Endziel aller botaniſchen Forſchung, denn wenn das Wort Syſtem überhaupt noch einen mehr als propädeutiſchen Wert beanſpruchen ſoll, ſo fällt es uns Humboldt. — Juni 1885. zuſammen mit der Frage nach dem Stammbaum des Pflan- zenreichs, mit der Frage: Wie ſind durch Variation unter verſchiedenſten äußeren Einflüſſen, durch Anpaſſung und Vererbung, durch natürliche Zuchtwahl — im Kampf ums Daſein, die jetzt auf der Erde lebenden Pflanzenformen allmählich im Verlauf der geologiſchen Epochen aus ein— fachſten Anfängen hervorgegangen? Von Darwin bis auf Eichler und Engler haben ſich zahlreiche Geologen und Botaniker mit dieſen Fragen beſchäftigt, wobei ſich immer mehr herausſtellt, daß noch lange Zeit geſammelt und im einzelnen und ſpeciellen geforſcht werden muß, bevor man es wagen kann, den Stammbaum auch nur in groben Zü— gen zu entwerfen. An dieſer Aufgabe müſſen viele unter— geordnete Disciplinen mitwirken, ſo z. B. die Floriſtik. Unſere deutſche Floriſtik geht mit gutem Beiſpiel voran, die Formen aufs genaueſte zu ſichten und vollſtändig auf— zudecken ſowie auch ihre Verteilung über das deutſche Flu— rengebiet nach klimatiſchen, orographiſchen und geologiſchen Verhältniſſen genau zu unterſuchen. Nur einzelne Männer, wie z. B. Herr v. Uech trig, können ſich der Aufgabe wid— men, das ganze große Material zu einem Gejamtbilde zu vereinigen; aber in allen Gauen unſeres Vaterlandes wir— ken einzelne Perſonen und Vereine, um mit Bienenfleiß das Material zuſammenzutragen. Aber in allen Kontinenten, ſoweit die Europäer vor— gedrungen ſind, begegnen wir demſelben Streben, das Pflanzenkleid der Erde genau kennen zu lernen; wir er— innern nur beiſpielsweiſe an Aſa Gray in Nordamerika, an Baron Ferd. v. Müller in Auſtralien, an Dr. Schweinfurth für die Nilländer u. ſ. w. Da nach der einzigen Annahme, die gegenwärtig noch Anſpruch auf Berechtigung machen darf, die Organismen der Erde aus ſehr einfachen Anfängen hervorgegangen ſind, ſo muß in der Morphologie das Studium der einfach— ſten Pflanzen, der niederen Algen, Pilze und Flechten, von ganz beſonderem Intereſſe ſein. Hier reicht die Morpho— logie der Syſtematik und der Abſtammungslehre die Hand, aber auch Zoologie und Botanik berühren ſich hier, denn die erſten Anfänge des Organismenreichs werden Protiſten ſein, aus denen ſich die Pflanzen- und Tiergruppen erſt differentiiert haben. Kein Wunder alſo, daß zahlloſe Zoo— logen und Botaniker ſich das genaue Studium der ſoge— nannten einzelligen Organismen zur Aufgabe machen. Eine wichtige Arbeit hat auf dieſem Gebiet Bütſchli den Flagellaten gewidmet, der mit Flagellen verſehenen Abtei— lung der alten Klaſſe der Infuſorien, welche einerſeits durch die Volvocineen, welche die meiſten Botaniker für ihr Gebiet in Anſpruch nehmen, andererſeits durch die mit Farbſtoffträgern (Chromatophoren) verſehenen Gattungen der Flagellaten wie z. B. die Euglenen und viele andere zum Pflanzenreich hinüberführen. Eine genaue und ſichere Grenzbeſtimmung iſt hier zur Zeit unmöglich. Durch Ver— mittelung der Chlorophyceen (Grünalgen) bringt Bütſchli die niedere Tierwelt zur höheren Pflanzenwelt in Beziehung, ebenſo hält er die Diatomeen, die Chytridieen und die Schleimpilze für Verwandte der Flagellaten. Selbſt zwi— ſchen den Schizomyeeten (Spaltpilzen) und den niedrigſten Tiergruppen ſucht er Beziehungen nachzuweiſen. Dieſe Arbeit ſtimmt, wie zahlreiche andere in neuerer Zeit, mit dem merkwürdigen Geſamtreſultat der Unterſuchung der 243 einfacheren Organismen zuſammen, daß gerade dieſe ein— fachſten Formen am allerwenigſten variabel ſind und ſich von den älteſten Epochen an bis zur Jetztzeit bisweilen, wie z. B. bei vielen Diatomeen, ganz unverändert erhalten haben, während man früher glaubte, gerade bei den ein— fachſten Formen die Geſetze der Variation am leichteſten aufdecken zu können. Syſtematiſch umfaſſend hat Stein feit einer Reihe von Jahren die „Infuſorien“ bearbeitet; zahlreiche andere Forſcher bauen die Fächer des von ihm errichteten Gebäudes detaillierter aus, ſo Klebs, Schmitz, der erſte unter anderem in einer ſehr hübſchen Arbeit über die Peridineen. Die höchſt merkwürdige Gruppe der Pilz— tiere oder Schleimpilze iſt von Zopf im Zuſammenhang bearbeitet worden mit Berückſichtigung aller früheren Ar— beiten. Derſelbe hat in allerneueſter Zeit durch Neubear— beitung ſeines Werks über die Spaltpilze, die zu den aller— kleinſten Organismenformen gehören, der Wiſſenſchaft einen großen Dienſt geleiſtet, nachdem vorher durch Cohen, Brefeld, Koch und andere emſig vorgearbeitet war. Wir erinnern daran, daß es ſich hier um die praktiſch ſo über— aus wichtige Gruppe der Gärungserreger handelt, die durch die Arbeiten von Koch endlich ſicher als die Urſachen der ſogenannten Infektionskrankheiten des Menſchen und der Tiere erkannt worden ſind. Da wir in nächſter Zeit Gelegenheit haben, über dieſen Gegenſtand ausführlich zu referieren, ſo mag dieſe kurze Andeutung bei dem be— ſchränkten Raum genügen. Es war Koch gelungen, durch Kulturen auf Gelatine reines, nur eine beſtimmte Art von Organismen beherbergendes Material zu gewinnen und da— durch den Erfolg der Impfungen zu ſichern. Die Frage, ob dieſe Formen Organismen sui generis jeter, wie De Bary und die meiſten Forſcher von vornherein annahmen, oder, wie Karſten, Hallier und andere behaupteten, Formen höher ausgebildeter Organismen, iſt immer noch nicht als endgültig gelöſt zu betrachten, doch hat die letzt— genannte Anſicht in neuerer Zeit wieder mehr Wahrſchein— lichkeit erhalten. Das ſteht ſogar für die Alkoholgärungs— pilze durch Brefelds Unterſuchungen außer allem Zweifel, durch welche die Anſicht von Rees und ſein Syſtem der Gärungspilze hinfällig geworden ſind. Die durch die Arbeiten von Schwendener, Stahl und einigen franzöſiſchen Forſchern ausgebildete Lehre von den Flechten als höheren Pilzen, welche niedere Algen in ihren Leib aufnahmen, um ſie als Aſſimilationsorgane (Gonidien) zu verwerten, iſt in neuerer Zeit immer ſorg— fältiger ausgebaut und ſichergeſtellt worden. Eins der merkwürdigſten Reſultate gibt uns Johow, welcher nach Mattirolos Vorgang nachweiſt, daß bei Hautflechten Weſtindiens (Cora pavonia) auch Baſidiomyceten an der Thallombildung teilnehmen. Die Flechten ſind eines der merkwürdigſten und auffallendſten Beiſpiele der Symbioſe d. h. der Anpaſſung ganz verſchiedener Organismen an ge— meinſame Lebensbedingungen. Wie in der Geſtaltenlehre der Pflanzengruppen (ſpe— cielle Morphologie), fo tritt auch in der allgemeinen Ge— ſtaltenlehre (allgemeine Morphologie), d. h. in der Lehre von den Elementarorganen und Geweben, ſowie von der Sproßbildung überall der befruchtende Einfluß der Ab— ſtammungslehre Darwins hervor. Seit langer Zeit be— ſchäftigt man ſich mit dem phyſikaliſchen Aufbau derjenigen 244 Humboldt. — Juni 1885. Körper, welche die Zelle zuſammenſetzen, wie z. B. die Zellwand, die Amylumkörper, das Plasma u. ſ. w. Nägeli war einer der erſten, welche in dieſer Richtung eingehende Studien gemacht haben. Er verglich die Zellwand bezüglich ihrer optiſchen Eigenſchaften mit doppelt brechenden Kry— ſtallen, eine Anſicht, welche bis in die neueſte Zeit die herrſchende war und erſt durch die jüngſten Arbeiten von Zimmermann modifiziert zu werden ſcheint. Ein end- gültiges Urteil über dieſe Frage läßt ſich zur Zeit nicht abgeben. Die Bildung der Zellwand und ihrer Schichtung hat ſeit langer Zeit viele Forſcher zu Unterſuchungen ana⸗ lytiſcher Art ſowie zu Experimenten veranlaßt. Auch hier wirkte zuerſt Nägeli durch ſeine Arbeit über das Amylum bahnbrechend. Nach ihm ſollten die Schichten der Amylum- körner nachträglich entſtehen durch modifizierte Ernährungs- und Spannungsverhältniſſe. Dichtigkeitsdifferenzen in re⸗ gelmäßigem Wechſel finden bei den Amylumkörnern ſtatt nach allen drei Dimenſionen. Aehnlichen Bau wies man ſpäter auch für die Zellwand nach. Die alte Lehre der Entſtehung derartiger Gebilde durch Appoſition erſchien dadurch beſeitigt. In neuerer Zeit jedoch ſind wieder neue Gründe für dieſelbe ins Feld geführt. Intereſſant ſind im Vergleich damit die Experimente Fam intzins über die Schichtenbildung der Myelingebilde. Auch das Plasma iſt in letzter Zeit Gegenſtand der eingehendſten chemiſchen und phyſikaliſchen Unterſuchungen geworden. Früher dachte man ſich das Plasma aus verhältnismäßig einfachen ſoge— nannten Eiweißkörpern beſtehend. Bei einigem Nachdenken über die verſchiedenen morphotiſchen Eigenſchaften des Plasmas nahe verwandter Organismen hätte freilich dieſe Anſicht ſchon längſt als unhaltbar erkannt werden müſſen. Dennoch gelang es erſt Reinke, den Nachweis zu führen, daß im Plasma von Aethalium septicum eine außeror⸗ dentlich große Anzahl von chemiſchen Verbindungen enthal— ten ſei. Außerdem unterſcheidet er von den gewöhnlichen Eiweißkörpern das ſogenannte Plaſtin, an deſſen Exiſtenz und Weſenheit ſich freilich neuerdings eine heftige Polemik geknüpft hat. Man darf jedenfalls nach dem heutigen Stande der Wiſſenſchaft annehmen, daß das Plasma eines beſtimmten Organismus von demjenigen eines noch ſo ver— wandten Nachbarorganismus auch in chemiſcher Beziehung verſchieden iſt. Von weittragender Bedeutung iſt die Entdeckung von Terletzki, Gardiner, Ruſſow und verſchiedenen an— deren, daß in den Pflanzengeweben die Plasmamaſſen von Zelle zu Zelle miteinander in Verbindung ſtehen, wodurch Schleidens Anſicht von der Individualität der Zelle weſentlich modifiziert wird, eine Anſicht, die Häckel ſogar zur Annahme einer Zellenſeele geführt hat. Schon Hof— meiſter und Sachs hatten ſich der Anſicht von dem in— dividuellen Wert der zuſammengeſetzten Pflanze zugewendet und Sachs geradezu den Zuſammenhang des Plasmas be— hauptet. Später folgten die Beſtätigungen Schlag auf Schlag. Von außerordentlicher Bedeutung ſind dieſe Ar— beiten im Hinblick auf die neueren Unterſuchungen über Reizzuſtände der Wurzel und anderer Organe. Sehr bald nach Schleidens Arbeiten über die Zelle glaubte man gefunden zu haben, daß es zwei ganz ver— ſchiedene Formen der Zellenvermehrung gebe, nämlich ſo— genannte freie Zellbildung und Zellteilung. Seit Schlei— den ſind nun in jeder Hinſicht die Anſichten über die Zelle und ihre Teile weſentlich modifiziert, ſo natürlich auch über die Bedeutung und den Wert der einzelnen Teile ſowie über die Vorgänge im Inneren der Zelle. Die Lehre von der Bildung freier Zellen im Innern ſchon vorhan— dener Zellen ohne vorhergehende Teilung des Kerns iſt immer mehr und mehr zurückgedrängt worden und beſon⸗ ders ſcheint es nach Strasburgers bahnbrechenden Ar- beiten über die Zelle und ihre Teilungsvorgänge, daß eine freie Zellbildung überhaupt gar nicht exiſtiert. Dieſe würde auch zuſammenfallen mit der Generatio spontanea. Die Lehre von der freien Zellbildung hat ſich noch am längſten den Embryoſack der Phanerogamen als Schlupfwinkel aus⸗ geſucht, aber auch aus dieſem letzten Verſteck ſcheint Stras- burger ſie vertrieben zu haben. Der Aufbau der Pflanzengewebe aus dem Meriſtem iſt im großen und ganzen ſchon von früheren Forſchern, namentlich von Hofmeiſter, Nägeli und anderen klar und vollſtändig aufgedeckt worden. Seitdem wird im ein- zelnen von zahlreichen Forſchern an dieſer Aufgabe gear- beitet. Beſonders fruchtbringend wirkt die Abſtammungslehre auf die Organologie. Man hat eingeſehen, daß die Ent⸗ wickelungsgeſchichte allein nur zur ontogenetiſchen Kenntnis eines Organismus oder eines Organs führen kann, daß aber außerdem die phylogenetiſche Unterſuchung ganz uner- läßlich iſt, weil jede Pflanze und jeder Pflanzenteil von den Voreltern überkommene Eigenſchaften mitbringt. Da nun dieſe phylogenetiſche Aufgabe, zur Zeit wenigſtens, nicht auf direktem Wege gelöſt werden kann, ſo muß man fic) ihr durch vergleichende morphologiſche Unterſuchungen ſo viel wie möglich zu nähern ſuchen. Dieſer Arbeit unter⸗ ziehen ſich zahlreiche Forſcher, wie z. B. Nägeli, Schwen— dener, Eichler, Engler u. a. Auf dieſem Wege wird man allmählich wertvolles Material gewinnen, um ſich der Aufſtellung des Stammbaums und der vollſtändigen Deu— tung der Organe anzunähern. Auch der Einfluß äußerer Kräfte auf die Form und Ausbildungsweiſe der Organe iſt ſeit langer Zeit Gegenſtand zahlreicher Unterſuchungen von Hofmeiſter, Frank u. a. bis auf Vöchting, Moliſch, Reinke, Brunchorſt, Firtſch, Wortmann, Wiesner u. ſ. w. Damit betreten wir aber bereits die Brücke zwiſchen Morphologie und Phyſiologie. Auch bei der Entſtehung der Gewebe und der Anordnung ihrer ver— ſchiedenen Elemente fragt man überall nach den erſten äußeren Urſachen und ſucht dieſelben namentlich in An⸗ paſſungserſcheinungen. So unterſcheidet man die Gewebe nicht bloß morphologiſch, ſondern auch teleologiſch nach ihrer Beſtimmung, als z. B.: mechaniſches Gewebe, Schutzgewebe, Meriſtem, Aſſimilationsgewebe, Reſerveſtoffgewebe, Leitge- webe u. ſ. w. Es könnte hier ſcheinen, als wäre die von Schleiden mit ſo großer Energie bekämpfte Teleologie wieder in die Botanik eingeführt worden, dem iſt aber nicht ſo, denn wenn auch das Wort Zweck von den Forſchern für ein Organ oder ein Gewebe nicht ſelten gebraucht wird, ſo ſind ſich dieſelben dabei ſehr wohl bewußt, daß die Er— reichung eines Zwecks in einer durch lange Zeit einwir— kende Anpaſſungsvorgänge erworbenen erblichen Eigenſchaft beruht. Das wird man in den Arbeiten von Engler, Göbel, Vöchting u. a. beſtätigt finden. ; Humboldt. — Juni 1885. Es liegt auf der Hand, daß in der eigentlichen PH y- ſiologie der Einfluß der modernen Abſtammungslehre am deutlichſten ſichtbar wird, ja hier ſehen wir bei einigen Ar— beiten den direkten Einfluß Darwins und namentlich ſeiner letzten Werke hervortreten. Ungemein lebhaft ven— tiliert man gegenwärtig die Frage nach der Urſache der Bewegungen der Wurzelſpitze. Obgleich dieſe Frage auch jetzt noch durchaus nicht vollſtändig und allſeitig gelöſt iſt, ſo läßt ſich doch nicht verkennen, daß ſeit den berühmten Knightſchen Rotationsverſuchen und ſeit den älteren Unterſuchungen von Hofmeiſter und Sachs ſich ein außer— ordentlicher Umſchwung der Anſichten vollzogen hat. Wäh— rend man früher geneigt war, das Zellgewebe der Wurzel— ſpitze zu vergleichen mit einer Anzahl von loſe in einem Säckchen befindlichen Kugeln oder wohl gar mit einem hängenden Tropfen einer zähflüſſigen Materie, ganz mecha— niſch dem Einfluß der Schwerkraft folgend, iſt man jetzt zu der Einſicht gekommen, daß die Bewegungserſcheinungen der Wurzel und anderer Pflanzenorgane ſehr komplizierter Natur ſind und von ſehr verſchiedenen Einflüſſen abhängen. Darwin ſelbſt hat durch ſeine Arbeit über die Nutation der Wurzelſpitze den erſten Anſtoß gegeben zu einer großen Anzahl von Unterſuchungen der verſchiedenſten Forſcher. Darwin war durch ſeine Experimente zu dem entgegen— geſetzten Extrem gekommen — er ſchrieb der Wurzelſpitze gewiſſermaßen ein pſychiſches Wahlvermögen und eine Art von Gehirnthätigkeit zu. Dagegen trat zuerſt Wiesner auf, welcher zeigte, daß Darwins Experimente nicht frei ſeien von Fehlerquellen. Seitdem hat ſich eine lebhafte Kontroverſe entſponnen über die Reizbarkeit der Wurzel— ſpitze und des Plasma ihrer Zellen gegen verſchiedene äußere Einflüſſe; an dieſer Aufgabe arbeiten außer Wiesner zahlreiche Forſcher, wie: Moliſch, Pfeffer, Brunchorſt, Firtſch, Wortmann, Stahl, Krabbe u. ſ. w. Es hat ſich dabei im allgemeinen das Reſultat ergeben, daß die Bewegungen der Wurzelſpitze und anderer Organe ſehr verſchiedener Natur ſind und daß ſie keineswegs bloß durch die Gravitation, ſondern auch durch eine Reihe an— derer Kräfte und Einflüſſe modifiziert wird, ſo z. B. durch Licht, Wärme, Elektricität, Feuchtigkeit, durch chemiſche Agention u. ſ. w. Man unterſcheidet demgemäß: Geotro— pismus, Heliotropismus, Aerotropismus, Galvanotropis— mus, Hydrotropismus u. ſ. w. So hat z. B. Moliſch ge— zeigt, daß die Anweſenheit oder Abweſenheit beſtimmter Gaſe auf die Wurzelſpitze poſitiv oder negativ richtenden Einfluß ausübt. Brunchorſt zeigte, daß ein ſtarker gal— vaniſcher Strom negative Krümmung der Wurzelſpitze, d. h. Krümmung derſelben gegen den negativen Pol be— wirke, ein ſchwacher Strom dagegen poſitive Krümmung zur Folge habe. Bei dekapitierten Wurzeln fand dagegen nur poſitive Krümmung und allmähliches Abſterben ſtatt. Firtſch fand, daß der Sitz der geotropiſchen Reizbarkeit im Kalyptrogen zu ſuchen ſei. Die poſitive hydrotropiſche Krümmung wurde vollſtändig nachgewieſen, ebenſo ſowohl poſitive als negative Krümmungen bei Anwendung von vorteilhaft oder giftig einwirkenden Löſungen und Gaſen. Aus allen Verſuchen ergibt ſich die Reizbarkeit der Wurzel ſpitze auf äußere Einflüſſe. Von großer Wichtigkeit ſind im Hinblick auf dieſe Ar beiten die Beobachtungen Pfeffers über lokomotoriſche Humboldt 1885. 245 Richtungsbewegungen, hervorgerufen durch chemiſche Reiz— mittel. Es handelt ſich hier um bewegliche Zuſtände des Plasmas einfacher Organismen und einfacher Formen von Organismen, Bakterien und Spermatozoiden. Die Sper— matozoiden der Farne werden von den Oogonien durch Erzeugung von Apfelſäure im Schleim vor dem Hals— kanal angelockt. Daß wirklich die Apfelſäure hier als Reizmittel auf die Bewegungsrichtung der Spermato— zoiden einwirkt, wurde von Pfeffer experimentell nach— gewieſen. Ebenſo wirkt Rohrzucker auf die Spermato— zoiden der Laubmooſe ein. Ueber den Stoffumſatz in der Pflanze wird in neuerer Zeit von zahlreichen Forſchern gearbeitet. Im allgemeinen ſtellt ſich immer mehr heraus, daß im Plasma die erſten Anſtöße zu allen ſtofflichen Veränderungen gegeben werden. Von beſonderem Wert ſind die Arbeiten von Detmer, Meyer und Wortmann über die Fermentbildung. Kleine Säuremengen wirken beſchleunigend auf den Fermentations- prozeß der Diaſtaſe ein, große Mengen dagegen hemmend. Auch die Schizomyeeten wirken durch Säurebildung auf die Umbildung des Amylum ein, nicht durch Diaſtaſebildung. Es iſt leicht erſichtlich, von welcher außerordentlichen Be— deutung dieſe Thatſachen werden im Hinblick auf die ſaure Reaktion der Zellſäfte und die Wanderung des Amylum in der Pflanze. Sogar beim Stoffwechſel in der Pflanze gelingt es hie und da ſchon jetzt, Zweckmäßigkeitseinrichtungen oder richtiger Anpaſſungserſcheinungen nachzuweiſen oder doch ſehr wahrſcheinlich zu machen. Das ſcheint z. B. Frank und Arthur Meyer gelungen zu ſein für die Gummi— bildung. Bei den Amygdaleen iſt das bei Verletzungen an der Wundfläche ausgeſchiedene und die Tracheiden ſtopfende Gummi als eine Schutzvorrichtung aufzufaſſen. Die Zellen werden zur Gummibildung direkt durch den gewaltſamen Eingriff angeregt. Damit ſteht natürlich die Thatjache durchaus nicht im Widerſpruch, daß nach Beyerinck der Gummifluß auch durch Pilze, nämlich bei den Amygdaleen durch Coryneum Beyerinckii und bei den Akazien durch Pleospora gummipara erzeugt wird. Die Funktion der Blätter ſowie der grünen Pflanzen— teile überhaupt und alles, was dazu in Beziehung ſteht, als z. B. Funktion des Chlorophylls, Atmung, Gasaus— tauſch, Aſſimilation und ihre Produkte — alle dieſe Fragen gehören zu denjenigen, welche mit am früheſten Gegenſtand phyſiologiſcher Forſchung geweſen und bis in die allerneueſte Zeit aufs lebhafteſte ventiliert worden ſind. Reinke unterſuchte neuerdings die Abhängigkeit der Blattentwickelung von der Bewurzelung und wies zwiſchen beiden einen direkten Zuſammenhang nach. Julius Sachs, dem wir die meiſten und beſten Arbeiten über die Funk— tion des Blattes, des Chlorophylls und ſeiner Produkte verdanken, wies nach, daß bei genügender Wärme zur Nachtzeit die Stärke aus dem Chlorophyll in den Blättern verſchwindet oder doch bedeutend abnimmt, während bei genügender aber nicht gerade übermäßiger Wärme im Laufe des Tages der Stärkereichtum des Blattes bis zum Abend allmählich zunimmt. Im Herbſt wandert die Stärke aus dem Meſophyll in die Nerven des Blattes. In kohlen ſäurefreier Luft bei genügender Beleuchtung und Erwär— mung verſchwindet die Stärke aus den Blättern. Ueber 90 32 246 Humboldt. — Juni 1885. den Chlorophyllfarbſtoff haben Tſchirch und Hanſen ein⸗ gehende Unterſuchungen geliefert, desgleichen ſind von Möl— ler Verſuche über die Atmung angeſtellt worden. Wir be— richten über dieſe Themata, wenn ſich die Anſichten der Forſcher erſt mehr geklärt und übereinſtimmende Reſultate geliefert haben werden. Für die Atmung im Sinne von Julius Sachs ſtellt ſich immer mehr heraus, daß ſie eine allgemeine Erſcheinung des Zellenlebens überhaupt iſt und daß in dieſer Beziehung weſentliche Unterſchiede zwiſchen Tierreich und Pflanzenreich nicht beſtehen. Engelmann wies zwiſchen Lichtabſorption und Aſſimilation ganz be— ſtimmte quantitative Beziehungen nach. Für die Ernährungsverhältniſſe der Pflanze iſt die alte Frage nach den Urſachen und mechaniſchen Einrich— tungen, welche die Bewegung des Waſſers in derſelben be— werkſtelligen, von der größten Bedeutung. Man hat bald die Kapillarität, bald die Imbibition der Zellwände, bald die Diffuſionsvorgänge als die einzige Urſache der Waſſer— bewegung bezeichnet. Immer mehr ſtellt ſich aber heraus, daß alle dieſe Kräfte in verſchiedener Weiſe Anteil daran haben. Daß durch Imbibition das Waſſer von den Zell— wänden aufgenommen und ſo von Zelle zu Zelle nach dem Grade der Dickwandigkeit jugendlicher Gewebezellen durch die ganze Pflanze geführt wird, war längſt bekannt, ebenſo daß die Verdunſtung dabei gewiſſermaßen als hebende Kraft wirkt. Den wichtigen Anteil, den die Diffuſion bei der Waſſerbewegung hat und das Vorhandenſein von Waſſer— rejervoiven in der Pflanze hat beſonders Max Scheit unterſucht. Auch der Einfluß der Druck- und Spannungs— verhältniſſe auf die Waſſerbewegung wird immer vollſtän— diger erkannt. Das Studium der Zweckmäßigkeitseinrich— tungen und der Zweckbewegungen von Pflanzen und Pflanzenteilen (richtiger: Anpaſſungsvorrichtungen und Reizbewegungen) leitet uns aus dem Gebiet der reinen Phyſiologie in dasjenige der Ab ſtammungslehre hinüber. Von großem Intereſſe iſt Stahls Nachweis des Hy— drotropismus und Rheotropismus der Plasmodien der Schleimpilze. Dieſelben bewegen ſich einer langſam und ſtetig einwirkenden Waſſerſtrömung entgegen. Ebenſo er— folgen poſitive oder negative Bewegungen auf chemiſche Reize. Die Urſachen des Windens der Schlinggewächſe wurden zuerſt von Hugo v. Mohl genauer unterſucht und dabei die Reibung als Haupturſache erkannt. F. G. Kohl gibt auf Grund neuer eingehender Forſchungen erſtens die nutierende Bewegung der wachſenden Stengelſpitze, zweitens den negativen Geotropismus derſelben und drittens die Reaktionsfähigkeit des Stengels auf einen andauernden, ſeitlich in beſtimmter Weiſe einwirkenden Druck (Reibung) an. Zahlreiche Beobachtungen verfolgen den Zweck, die Anpaſſungseinrichtungen der Blüten kennen zu lernen, das Oeffnen und Schließen von Blumen, Kelchen, Hüllkelchen (3. B. bei Taraxacum von Bencke beobachtet), auf be- ſtimmte Reize und zu beſtimmten Zwecken erfolgend, die Bewegung der Staubblätter gegen das Gynäceum oder zur Unterſtützung der Verſtäubung, die Dichogamie, Kleiſto—⸗ gamie und Chasmogamie, die Befruchtung durch Inſekten, Wind, Mollusken, durch die Lage der Genitalien zu ein- ander. Auf dieſem letzten Gebiet hat nächſt Darwin be- ſonders der der Wiſſenſchaft zu früh entriſſene Hermann Müller außerordentlich produktiv gearbeitet und zahlreiche Schüler herangebildet, welche ſeinen Spuren folgen. In ähnlicher Richtung arbeitet ſeit langer Zeit Hildebrand, deſſen neueſte ausführliche Arbeit die Anpaſſungsvorrich⸗ tungen der Blüte in der Gattung Oxalis erörtert. Unter den anderen Arbeiten über ähnliche Themata nimmt auch diejenige von Dingler über korrelative Vorgänge in der Gattung Phyllanthus und diejenige von Johow über den Einfluß des Standorts auf die Entwickelung der Laub- blätter ein beſonderes Intereſſe in Anſpruch. Die letztge— nannte Arbeit erörtert erſtlich die Anpaſſungen der Laub- blätter am Standorte verſchiedener Beleuchtungsintenſität mit Rückſicht auf die Vorgänge in den Chlorophyllkörpern, zweitens die Schutzeinrichtungen der leitenden Gewebe des Blattes gegen intenſives Licht, drittens Anpaſſungen der Laubblätter an ſonnige Standorte mit Rückſicht auf die Tranſpiration. Die Formenbildung unter dem Einfluß der Variation, der Kreuzung, der Anpaſſung, der natürlichen Zuchtwahl im Kampf ums Daſein iſt ſeit dem erſten Erſcheinen von Darwins berühmteſtem Werk ununterbrochen die Aufgabe zahlreicher Forſcher geweſen. Es arbeiten an dieſen Auf— gaben augenblicklich z. B. Männer wie A. De Candolle, Nägeli, Focke, Chriſt, Hermann Hoffmann, Ves— que u. a. Daß die Baſtarderzeugung bei der Variation eine größere Rolle ſpielt als man ihr früher hat zugeſtehen wollen und daß namentlich an den Baſtarden oft neue Eigenſchaften hervortreten und durch Erbſchaft accumuliert und bleibend werden, betont beſonders Focke, geſtützt auf ſeine ſeit langer Zeit gepflegten ſehr genauen Studien der formenreichen Gattung Rubus. Hermann Hoffmann iſt durch Züchtungsverſuche zahlreicher Pflanzen in Bezug auf veränderte äußere Bedingungen, auf Konſtanz erworbener Eigenſchaften, auf den bleibenden Wert von Art- oder Varietätsunterſchieden, auf den Wert und die Konſtanz von Standortsformen u. ſ. w. unermüdlich thätig. Es liegt in der Natur der Sache, daß Geſchichte und Geographie der Pflanzen erſt nach längeren Zeiträumen, nach unendlichen Vorarbeiten neue Geſichtspunkte von blei— bendem und bahnbrechendem Wert liefern können. Wir werden deshalb auch über einige in neuerer Zeit aufge— tauchte geologiſche und poläontologiſche Hypotheſen, über welche die Akten noch nicht geſchloſſen ſind, erſt in unſerem nächſten Bericht referieren. Humboldt. — Juni 18858. 247 Aſtronomie. Von Prof. Dr. C. F. W. Peters in Kiel. Siemens, Ueber die Erhaltung der Sonnen-Energie. Planeten-Entdeckungen. Jupiter. Saturn. Mars. Durchmeſſer des Mondes. Mometen. Dalentiner, Die Kometen und Meteore. Doppeljterne, Die Ueberſicht über die Entwickelung der Aſtronomie während des letzten Halbjahres beginnen wir mit der Er— wähnung einer Anzahl von Schriften und Diskuſſionen, die in engliſchen und franzöſiſchen Zeitſchriften während der letzten Jahre veröffentlicht und in neueſter Zeit in deutſcher Ueberſetzung geſammelt und publiziert ſind n). Es iſt be— kannt, daß die Frage zu manchen Kontroverſen geführt hat, ob die Sonne durch die fortwährende Ausſtrahlung von Wärme im Laufe der Zeit eine Abkühlung erleidet, oder ob durch Körper, die im Weltraume zerſtreut ſind und von denen vermutlich bisweilen einige in die Sonne ſtürzen müſſen, ſo viel Wärme wieder erzeugt wird, daß eine genäherte Ausgleichung des durch Ausſtrahlung ver— loren gehenden Wärmebetrages ſtattfindet. Sir William Siemens hat neuerdings eine Hypotheſe aufgeſtellt, nach welcher der große Betrag von Wärme, welcher von der Sonne ausgeht, ohne von Planeten und andern Körpern des Sonnenſyſtems aufgefangen zu werden, alſo ſcheinbar nutzlos für das Sonnenſyſtem verloren geht, durch Vor— gänge innerhalb dieſes Syſtems ſelbſt wieder zu einem großen Teile der Sonne zugeführt wird. Die Hypotheſe gründet ſich auf Verſuche über die Diſſociation von Waſſer— dämpfen und Kohlenſtoffverbindungen, die ſich in ſehr ver— dünntem Zuſtande befinden, durch die Einwirkung der Sonnenſtrahlen, und zwar fand Siemens durch Verſuche mit Glasröhren, in welche Waſſerdampf unter dem ſehr geringen Dampfdrucke von soo einer Atmoſphäre ein— geſchloſſen war, daß dieſer Dampf durch alleinige Ein— wirkung der Sonnenſtrahlen diſſociiert wurde; ähnliche Verſuche mit eingeſchloſſenem Kohlenſäure-Anhydrid ſchie— nen, allerdings mit geringerer Sicherheit, dasſelbe Reſultat zu geben. Siemens nahm nun an, daß durch die Centrifugal— kraft in der Nähe des Sonnenäquators einige Stoffe, namentlich Waſſerdämpfe und Kohlenſäure-Anhydrid oder Kohlenoxydgas in den Weltraum geſchleudert werden. Dieſe Stoffe werden in einiger Entfernung von der Sonne durch diejenigen Wärmeſtrahlen, von welchen man ſonſt annimmt, daß ſie für das Sonnenſyſtem verloren gehen, diſſociiert, und kehren wieder zur Sonne, und zwar nach den Polen, zurück. Dieſe Rückkunft wird nach Siemens dadurch hervorgebracht, daß der Weltraum nicht leer, ſon— dern mit einem Medium gefüllt iſt, welches beſtrebt iſt, jeden leeren Raum ſofort wieder auszufüllen. Es wird alſo fortwährend Waſſerſtoff, Sauerſtoff und Kohlenwaſſer— ſtoff nach den Polen hingezogen; während ſich dieſe Stoffe, die ſich in ſehr verdünntem Zuſtande und niedriger Tem— peratur befinden, der Sonne nähern, komprimieren ſie Ueber die Erhaltung der Sonnen⸗Energie. Eine Sammlung von Schriften und Diskuſſionen von Sir William Siemens. Aus dem Engliſchen überſetzt von C. E. Worms. Berlin, Julius Springer. 1885. Veränderliche Sterne. Photographieen von Fixſternen. Das Lick Observatory. ſich und nehmen eine höhere Temperatur an, bis ſie in der Nähe der Photoſphäre in Flammen ausbrechen und dort eine bedeutende Wärmemenge entwickeln. Es erzeugt ſich dabei Waſſerdampf und Kohlenſäure-Anhydrid, reſp. Kohlenoxydgas je nach der Menge des anweſenden Sauer- ſtoffs, und die Verbrennungsprodukte ſtrömen wieder nach dem Aequator, um von dort in den Raum geſchleudert zu werden. Gegen Einzelheiten in dieſer immerhin geiſtreichen Hypotheſe läßt ſich mancherlei einwenden. Es iſt hier nicht der Ort, auf die Bedenken, welche gegen ſie erhoben ſind, näher einzugehen, und wir müſſen auf die Schrift ſelbſt, in welcher ſie nebſt den Antworten des Autors ge— geben ſind, verweiſen. Mancherlei Erſcheinungen, wie z. B. die bei totalen Sonnenfinſterniſſen ſichtbar werdende Korona, auch ſelbſt die des Zodiakallichtes, dürften durch die Siemensſche Hypotheſe recht glücklich erklärt werden. Andererſeits kann nicht unerwähnt bleiben, daß die Dich— tigkeit des den Weltraum nach Siemens ausfüllenden Mediums, wenn dasſelbe ſeine Zwecke erfüllen ſoll, doch wohl nicht ſo gering angenommen werden darf, daß nicht ihre Einwirkung auf die Bewegungen der Kometen konſta— tiert werden könnte. Bekanntlich iſt aber bisher bei keinem einzigen Kometen der Einfluß eines widerſtehenden Mit— tels mit völliger Sicherheit nachgewieſen worden. Unſere Kenntnis über das Sonnenſyſtem iſt durch die Entdeckung mehrerer kleiner Planeten vergrößert worden. Am 22. September fand Paliſa in Wien den 242jten, am 29. September den 243ſten und am 14. Oktober den 244ſten dieſer kleinen Weltkörper. Am 6. Februar wurde von Pogſon in Madras der 245ſte, am 6. März von Borrelly in Paris der 246ſte und am 14. März von Luther in Düſſeldorf der 247ſte kleine Planet auf— gefunden. Alle dieſe Geſtirne waren zur Zeit der Ent— deckung von ſehr geringer Helligkeit, zwiſchen der Iten und 13½ ten Größe; nur die Anwendung ſo mächtiger Fernröhren, wie ſie in neuerer Zeit für einige Stern— warten beſchafft worden ſind, machen es möglich, ſo licht— ſchwache Objekte auffinden und beobachten zu können. Die große Zahl der bisher gefundenen kleinen Planeten, welche vorausſichtlich in den nächſten Jahren noch erheblich wachſen wird, nimmt eine bedeutende Arbeitskraft in Anſpruch und ſeit Jahrzehnten iſt von manchen Seiten dahin geſtrebt worden, die Beobachtungen und Bahnberechnungen dieſer kleinen Weltkörper, deren Durchmeſſer zum Teil wenige Kilometer nicht überſteigt und deren Maſſe ſo gering iſt, daß ein merkbarer Einfluß auf die Bewegung anderer Himmelskörper nicht mehr anzunehmen iſt, auf das aller— geringſte Maß einzuſchränken. Eine intereſſante, bisher noch nicht beantwortete Frage iſt indeſſen die, ob die kleinen Planeten in ihrer Geſamt— 248 Humboldt. — Juni 1885. heit, wenn man ſie als einen um die Sonne ſchwebenden, teilweiſe mit Maſſe gefüllten Ring betrachtet, einen Ein— fluß auf die Bewegung der übrigen Planeten und der Ko— meten üben können. Die Kopenhagener Akademie der Wiſſenſchaften hat ſich das Verdienſt erworben, zur Be— antwortung dieſer Frage durch Aufſtellung einer bezüg— lichen Preisaufgabe angeregt zu haben. Es iſt in nächſter Zeit das Urteil über die bisher eingegangenen Arbeiten zu erwarten. Unter den Hauptplaneten iſt Jupiter derjenige, wel— cher ſich durch beſonders auffallende Veränderungen ſeiner Oberfläche häufig ausgezeichnet hat. Am 17. Februar 1884 fand Weinek in Prag um 7 Uhr 32 Minuten mittlerer Zeit einen kleinen, gut begrenzten ſchwarzen Fleck auf der Oberfläche des Jupiter, der nach 10—15 Minuten ſchon etwas verwaſchen erſchien und gegen 8 Uhr verſchwunden war. Dieſe Beobachtung iſt in neuerer Zeit durch Terby in Löwen, der ſich zu der gleichen Zeit mit der Beobach— tung des Jupiter beſchäftigte, beſtätigt worden. Um 7 Uhr 38 Minuten mittlerer Prager Zeit fand dieſer Aſtronom ebenfalls den ſchwarzen Fleck, konnte ihn aber um 8 Uhr 52 Minuten nicht wieder ſehen. Die Beobachtung einer ſo raſchen Veränderung auf der Oberfläche des Jupiter muß jedenfalls zu den großen Seltenheiten gerechnet werden. Die phyſiſche Beſchaffenheit der Ringe des Saturn iſt in den letzten Monaten der Gegenſtand mehrerer inter— effanter Abhandlungen geworden. Bereits Zöllner hat in ſeinen photometriſchen Unterſuchungen darauf aufmerk— ſam gemacht, daß die Lambertſche Formel über die Menge von Licht, welche ſchräge beleuchtete Flächen nach verſchiedenen Richtungen zurückwerfen, für den Saturn— ring, wenn ſeine Oberfläche im übrigen dieſelbe Reflek— tionsfähigkeit hat wie der Hauptplanet ſelbſt, nicht zutrifft. Abgeſehen von der Zeit, wenn er der Erde oder der Sonne ſeine ſchmale Kante zuwendet und dann faſt völlig ver— ſchwindet, erſcheint er in der Regel nicht weniger hell, als der Planet ſelbſt an den Stellen ſeiner größten Hellig— keit, während er nach dem Lambertſchen photometriſchen Geſetze viel weniger Licht reflektieren müßte. Zöllner erklärte dieſe Erſcheinung dadurch, daß die Oberfläche des Ringes ziemlich rauh ſei und machte darauf aufmerkſam, daß auch der Mond infolge einer ſolchen Beſchaffenheit ſeiner Oberfläche an den Rändern heller erſcheint als in der Mitte. Nach einer anderen, zuerſt von Dominique Caſſini am Anfange des 18. Jahrhunderts aufgeſtellten Hypotheſe, deren Richtigkeit von Maxwell vor 26 Jahren, von neuem verfochten wurde, beſtehen die Saturnringe aus diskreten Teilen, etwa einer Wolke kleiner Satelliten, und eine ſolche Annahme würde ebenſogut, wie die einer rauhen Oberfläche einer zuſammenhängenden Maſſe, die verhältnismäßig große Helligkeit des Ringes erklären. Schon Laplace hat auf die Schwierigkeit hingewieſen, welche in der Erklärung des dauernden Gleichgewichts eines um einen Planeten frei ſchwebenden feſten Ringes liegt; er zeigte, daß wenn der Ring vollkommen homogen und in allen ſeinen Teilen vollkommen ähnlich ſei, das Gleichgewicht nur ein labiles ſein und durch die geringſte Kraft, z. B. die Anziehung eines Satelliten, derartig ge— ſtört werden würde, daß der Ring auf den Planeten fallen müſſe. Er ſchloß daraus auf Unregelmäßigkeiten in der Figur und der Maſſe des Ringes, führte indeſſen ſeine Unterſuchung nicht bis zu dem Nachweiſe aus, daß, wenn ſolche Unregelmäßigkeiten vorhanden find, nun wirk— lich ein ſtabiles Gleichgewicht eintritt. Seine Arbeit hat neuerdings eine intereſſante Ergänzung von einer Dame, Frau Sophie Kawalewsky in Stockholm, erfahren; indeſſen tft es nach Maxwells Unterſuchungen zweifel—⸗ haft geworden, ob die Annahme eines Zuſammenhanges der einzelnen Teile des Ringes, ſelbſt in der Weiſe, daß man den Ring als flüſſig anſieht, überhaupt noch haltbar iſt. Seeliger hat gezeigt, daß man durch genaue photo- metriſche Beobachtungen des Ringes zu einem Reſultate über ſeine phyſiſche Beſchaffenheit kommen könne; eine ſolche Beobachtungsweiſe tft ſeit dem Jahre 1878 auf dem aſtrophyſikaliſchen Obſervatorium in Potsdam begonnen und hat bereits zu intereſſanten Ergebniſſen, die mit der Maxwellſchen Theorie im weſentlichen im Einklange ſind, geführt. Einen genaueren Einblick in die Konſtitution des Ringes als durch die photometriſche Meſſung würde man erhalten können, wenn es gelänge, eine nahezu centrale Bedeckung eines helleren Fixſternes durch den Saturn wahrzunehmen; leider ſind ſolche Erſcheinungen ſo über— aus ſelten, daß wenig Hoffnung iſt, ſie in den nächſten Jahrhunderten beobachten zu können. Mit Meſſungen des ſcheinbaren Durchmeſſers des Mars hat ſich während der letzten Jahre Pritchett in Glasgow (Miſſouri) beſchäftigt, deren Reſultate in neueſter Zeit veröffentlicht ſind. Während der Oppoſition des Pla- neten 1881—1882 wurden von ihm 960 unabhängige Meſſungen in verſchiedenen Richtungen ausgeführt. Im Mittel ergab ſich für die Einheit der Entfernung der polare Durchmeſſer zu 9,394 Bogenſekunden und der äquatoreale Durchmeſſer zu 9,635 Bogenſekunden, in zwei mittleren Richtungen reſp. 9,414 und 9,449 Bogen- ſekunden. Das Mittel, mit Rückſicht auf die Gewichte der Meſſungen, ergab als Durchmeſſer 9,484 Bogenſekunden mit einem wahrſcheinlichen Fehler von - 0,036". Im Jahre 18791880 hatte derſelbe Beobachter gefunden: Polardurchmeſſer = 9,422“ Aequatorealdurchmeſſer = 9,638“ Mittlere Richtung = 9,517“ und 9,489; im Mittel = 9,486“ mit einem wahrſcheinlichen Fehler von + 0,033“. Aus beiden Meſſungen ſcheint eine Ab— plattung des Planeten mit einiger Deutlichkeit hervorzu— gehen. Den Durchmeſſer des Mondes durch Beobachtung von Sternbedeckungen bei Gelegenheit der letzten totalen Mondfinſternis vom 4. Oktober zu beſtimmen, iſt von Döllen, Aſtronom der Pulkowaer Sternwarte, angeregt worden. Die meiſten Beobachtungen von Sternbedeckungen können nur am dunkeln Mondrande geſchehen und zu ihrer Verwertung iſt die Kenntnis des Monddurchmeſſers er— forderlich. Derſelbe kann durch Meridianbeobachtungen der hellen Ränder genähert gefunden werden, wird aber ent— ſtellt durch die Irradiation ſowie durch die Unregelmäßig— keiten des Mondrandes, und die Folge davon iſt, daß wir über die mittlere Größe des ſcheinbaren Monddurchmeſſers ſowie über die Abplattung des Mondes noch nicht eine genaue Kenntnis beſitzen. Es iſt kein neuer Gedanke, die Humboldt. — Juni 1885. totalen Mondfinſterniſſe zu einer Meſſung des Mond— durchmeſſers in verſchiedenen Richtungen zu benutzen, bisher ſind dazu aber meiſtenteils nur heliometriſche Meſſungen angewandt worden. Bedeckungen von Sternen können aber, wenn man zu der Beobachtung Fernröhren von großer optiſcher Kraft gebraucht, die auch Sterne von ſehr geringer Helligkeit wahrzunehmen geſtatten, während des Verlaufes der totalen Verfinſterung in großer Zahl, gemacht werden und die Beobachtungen werden um ſo zahlreicher und genauer ausfallen, wenn für die einzelnen Sternwarten die Vorausberechnung der Sterne, welche vom Monde bedeckt werden, in möglichſter Vollſtändigkeit geſchieht. Die dazu notwendige Rechnung iſt eine recht be— deutende, das Verdienſt, für die letzte Finſternis eine ſehr umfaſſende Vorausberechnung der Bedeckungen ausgeführt zu haben, welches ſich die Pulfowaer Sternwarte erworben hat, iſt dadurch belohnt worden, daß die Witterung an zahlreichen Orten, wo die Beobachtung geſchehen konnte, günſtig war. Das aus den Beobachtungen zu ziehende Reſultat wird demnach vorausſichtlich eine recht große Zu— verläſſigkeit haben. Am Anfange des Oktober waren zwei celeſkopiſche Kometen ſichtbar, einer, der von Barnard in Naſhville am 16. Juli und ein zweiter, der von Stud. Wolf in Heidelberg am 17. September entdeckt worden iſt. Beide haben eine deutlich ausgeprägte elliptiſche Bahn von kurzer Umlaufszeit, der erſte von etwa 5, der zweite von 6½ Jahren. Letzterer iſt vielleicht noch nicht ſeit langer Zeit ein ſtändiges Mitglied unſeres Sonnenſyſtems. Im Jahre 1875 hat er ſich in ſehr geringer Entfernung vom Jupiter befunden und wahrſcheinlich durch deſſen Anziehung ſeine jetzige Bahn erhalten; zur Zeit ſeiner Sonnennähe, welche inzwiſchen im Jahre 1878 ſtattgefunden hat, iſt ſeine Stellung für die Auffindung ungünſtig geweſen. Als dritter Komet wurde gegen Ende des Jahres der Enckeſche von 3½jähriger Umlaufszeit erwartet und zuerſt von Tempel in Florenz am 13. Dezember auf— gefunden. Die Bahn desſelben iſt jetzt ſchon mit großer Sicherheit bekannt und er findet ſich ſtets ſehr nahe an der vorher berechneten Stelle. Weniger ſicher beſtimmt iſt die Bahn des Tempelſchen Kometen (II. 1867) von 6jähriger Umlaufszeit, deſſen Wiederkehr im Frühling 1885 zu erwarten ſteht. Raoul Gautier, Aſtronom in Genf, hat ſich mit ſeiner Bahnbeſtimmung neuerdings beſchäftigt und gefunden, daß die Störungen durch Jupiter eine be— trächtliche Aenderung der Excentricität und großen Axe ſeit der letzten Sichtbarkeit im Jahre 1879 bewirkt und eine Verzögerung in der Zeit des Periheldurchganges um 148 Tage hervorgebracht haben. Die Umſtände für die Sichtbarkeit ſind diesmal wenig günſtig, doch iſt es immer— hin möglich, daß er mit lichtſtarken Fernröhren wird beob achtet werden können. Ebenfalls erwartet wird der Tuttle— ſche Komet (III. 1858), von 14jähriger Umlaufzeit, deſſen letzte Erſcheinung in das Jahr 1871 fiel, und der Ko— met VII. 1873, von dem es wahrſcheinlich iſt, daß er eine 5% jährige Umlaufszeit hat. Auf der Moskauer Sternwarte ſind ſeit Jahren wich— tige Unterſuchungen über die phyſiſche Beſchaffenheit der Kometen ausgeführt worden und es iſt beabſichtigt, bei geeigneter Gelegenheit den Verſuch zu machen, mit beſon— 249 ders dazu geeigneten photographiſchen Apparaten die Bahn der Kometenſchweife zwiſchen den Fixſternen abzubilden. Dazu iſt es ſelbſtverſtändlich nötig, den Apparat mit einem Fernrohre zu verbinden, welches durch ein Uhrwerk mög— lichſt genau der täglichen Bewegung der Geſtirne folgt. Da aber die Kometen außer ihrer täglichen noch eine, wenn auch weit langſamere eigene Bewegung gegen die Fixſterne haben, fo iſt es nötig, die Expoſitionszeit mög— lichſt zu verkürzen, um korrekte Bilder zu erhalten. Wegen der häufig ſehr geringen Helligkeit der Schweife wird man daher Objektive von großer Lichtſtärke anwenden müſſen, ferner muß der photographiſche Apparat möglichſt reine Bilder geben und endlich iſt es ſehr wünſchenswert, mög— lichſt große Bildflächen zu erhalten. Es wurde daher eine Reihe verſchiedener Objektive unterſucht, unter denen ſich ein Porträtobjektiv von Dallmeyer für den genannten Zweck beſonders brauchbar erwies. Bei Anwendung des— ſelben erſchienen die Sterne vierter Größe als Scheiben von 0,2 mm Durchmeſſer, Sterne neunter Größe als Schei— ben von 0,04 mm Durchmeſſer. Die Expoſitionszeit betrug eine Stunde. Aus dem Gebiete der populären aſtronomiſchen Lit— teratur iſt ein kürzlich erſchienenes Buch zu erwähnen, welches ſich mit den Kometen und ihnen verwandten Me— teoren beſchäftigt“). Dasſelbe gibt einen Ueberblick über das was uns bisher über dieſe Himmelskörper bekannt geworden iſt, in anſchaulicher Form, und ſeine Lektüre kann allen denen, welche ſich mit den neueren Reſultaten der aſtronomiſchen Forſchungen, ſoweit ſie die genannten Körper betreffen, bekannt machen wollen, empfohlen werden. Die Betrachtung mancher Abbildungen zeigt allerdings, wie ſchwierig es iſt, durch Zeichnungen ein Bild von dem meiſt ſehr zarten Detail in der Koma und dem Schweif der Kometen wiederzugeben. Es ſei bei dieſer Gelegenheit er— wähnt, daß man ſich von dem Ausſehen des Donatiſchen Kometen des Jahres 1858 eine durchaus falſche Vorſtellung nach der Abbildung auf S. 55 machen würde. Dieſelbe ijt eine Kopie einer ziemlich mangelhaften Lithographie, in welcher Teile des Kometen, welche nur mit größter An— ſtrengung überhaupt zu erkennen waren, viel ſtärker als in der noch vorhandenen Originalzeichnung wiedergegeben ſind. Durch fortgeſetzte ſpätere Kopieen in populären Schriften iſt ſchließlich eine Figur des Kometen entſtanden, die mit dem Original nur ſehr wenig Aehnlichkeit hat. Unſere Kenntniſſe bezüglich der Firſternaſtronomie hat Berberich in Straßburg durch eine Arbeit über die Bahn des Doppelſterns T 2107 erweitert. Von dieſem Geſtirn lag eine große Beobachtungsreihe vor (die erſte Beobach— tung von W. Struve iſt aus dem Jahr 1829); während dieſer Zeit hat ſich die gegenſeitige Richtung der Sterne um 90 Grad verändert. Die Berechnung ergab eine Um— laufszeit von 186 Jahren und die halbe große Axe der wahren Bahn zu einer Bogenſekunde. Der letztere Wert iſt allerdings etwas unſicher, weil ſo kleine Diſtanzen wie die der beiden Komponenten des Doppelſterns nur mit verhältnismäßig geringer Genauigkeit gemeſſen werden In betreff eines andern Doppelſterns (L 1516) hat Berberich bemerkt, daß die bisher beobachtete relative können. ) Dr. W. Valentiner, Die Kometen und Meteore, in allgemein faßlicher Form dargeſtellt. Prag, F. Tempsky, Leipzig, G. Freytag. 1884. 250 Humboldt. — Juni 1885. Bewegung der Komponenten ſich durch eine ziemlich ſtarke eigene Bewegung des Hauptſterns, in Verbindung mit einer jährlichen Parallaxe desſelben Sterns von etwa 0,2“ erklären laſſe. Die Feſtſtellung der Lichtperiode eines vor kurzem als veränderlich erkannten Sterns (189 Schj.) iſt Dunér in Lund gelungen. Dieſelbe beträgt nahezu 311 Tage, während welcher die Helligkeit zwiſchen der ſiebenten und zehnten Größenklaſſe ſchwankt; das nächſte Maximum fällt auf den Anfang des April d. J. Auf eine merkwürdige Veränderlichkeit in dem Spek trum von 5 Lyrae hat E. v. Gothard in Herény auf: merkſam gemacht. Dieſelbe betrifft hauptſächlich die Linie D3, während andere Linien eine merkbare Veränderlichkeit nicht zeigten; es ſcheint aber, als wenn der beobachtete Licht— wechſel eine etwa 7tägige Periode hat, innerhalb welcher die Helligkeit der genannten Linie ſehr bedeutenden Aen— derungen unterworfen iſt. Ueber Photographien von Fixſterngruppen hat O. Lohſe in Potsdam eine intereſſante Mitteilung veröffentlicht. Es ſind bisher die Verſuche geſcheitert, photographiſche Auf— nahmen in ſolcher Vollkommenheit herzuſtellen, daß nach ihnen mit ähnlicher Genauigkeit die gegenſeitige Lage von Geſtirnen ermittelt werden kann, wie durch direkte mifro- metriſche Meſſung an den Objekten ſelbſt. Die Schwierig— keit liegt einmal darin, daß durch die Behandlung der photographiſchen Schicht mit Flüſſigkeiten leicht Defor- mationen derſelben eintreten, anderſeits aber die geringſten Unregelmäßigkeiten in der Bewegung des das Fernrohr treibenden Uhrwerks bewirken, daß die Bilder der Sterne zu Linien ausgezogen werden. Der erſtgenannte Uebelſtand wird dadurch teilweiſe unſchädlich gemacht, daß ein in die Phokalebene des Fernrohrs gebrachtes Netz mit quadrati— ſcher Teilung mit photographiert wird; die Unregelmäßig— keiten in der Bewegung des Uhrwerks laſſen ſich aber nicht anders paralyſieren, als durch fortwährende Feſthaltung eines der im Geſichtsfelde befindlichen Sterne auf einem Fadenkreuze mit Hilfe der mikrometriſchen Vorrichtungen am Inſtrumente. In neuerer Zeit vorgeſchlagene, dieſem Zwecke dienende Vorrichtungen haben ſich recht zweckmäßig erwieſen. Aber wenn auch die Zeit vielleicht noch nicht gekommen iſt, wo die mit Hilfe der Photographie aus⸗ geführten Meſſungen den direkten Beſtimmungen an die Seite geſtellt werden können, ſo haben photographiſche Aufnahmen von Fixſternen doch immerhin ſchon jetzt ihren Wert darin, daß durch ſie auf einfachem Wege die relative Helligkeit der Sterne in den chemiſch wirkſamen Teilen des Spectrums gewonnen wird. Lohſe hat darauf auf- merkſam gemacht, daß ſolche Beſtimmungen des Lichtes der Sterne neben photometriſchen Meſſungen deshalb von Be— deutung ſind, weil das brechbarere Ende des Spektrums für Aenderungen im Glühzuſtande und den Abſorptions— verhältniſſen der die Sterne umgebenden Atmoſphäre viel empfindlicher iſt, als das dem Auge mehr wahrnehmbare rote Ende. Es iſt daher wohl möglich, daß fortgeſetzte photographiſche Aufnahmen von veränderlichen Sternen mit ihrer Umgebung zu intereſſanten Ergebniſſen führen können. Zum Schluſſe ſei noch der nahe bevorſtehenden Voll— endung eines großartigen Unternehmens, der Erbauung des Lick Observatory auf dem Mount Hamilton, 4200 eng— liſche Fuß über dem Meeresſpiegel, in der Nähe von San Francisco, gedacht. Dasſelbe iſt infolge eines Vermächt— niſſes gebaut worden und mit großem Geldaufwande her— geſtellt. Das Hauptinſtrument wird ein Fernrohr mit 36 Zoll Objektivöffnung, der größte bisher erbaute Re- fraktor. Inwieweit es gelingen wird, die außerordent⸗ lichen, mit dem Herſtellen ſo großer Objektive verbundenen Schwierigkeiten zu beſeitigen, muß die Zukunft lehren, jedenfalls iſt die Sternwarte ſchon jetzt, vor Fertigſtellung des genannten Inſtruments, zu den am beſten ausgerüſteten wiſſenſchaftlichen Inſtituten zu rechnen. Techn i Kk. Von Ingenieur Th. Schwartze in Leipzig. Flußeiſen und Flußſtahl. Beſſemer- und Martin-Siemensprozeß. Entphosphorung des Roheifens, Manganbronze. Aluminium und Iridium. Neue Heizmethode für Regenerativ-Gasöfen. Rauchloſe Feuerungsanlagen. Dampfkeſſel und Dampfmaſchine. Brücken- und Eijenbahnbau. Als Konſtruktionsmaterialien für techniſche Zwecke ſtehen gegenwärtig Flußeiſen und Flußſtahl oben an. Es werden davon insgeſamt jährlich etwa 6 Millionen Tonnen produziert, wozu der Beſſemerprozeß das meiſte beiträgt, wogegen der Martin-Siemensprozeß nur etwa ein Sechſtel des angegebenen Quantums liefert. Während der Beſſemerprozeß ſich mit der direkten Um— wandelung des aus dem Hochofen in den birnenförmigen Beſſemerapparat, den ſogenannten Konverter zufließenden Roheiſens durch Einblaſen von Luft in ein weniger kohlenſtoffhaltiges, zwiſchen Schmiedeeiſen und Stahl ſtehen— des Produkt befaßt, beruht der Wert des Martin-Siemens— prozeſſes in deſſen Verwendung zum Umſchmelzen der von der Maſſenproduktion gelieferten Stahl- und Eiſen— abfälle, ſowie ferner und zwar hauptſächlich darin, daß dieſes Verfahren ſich für eine beſchränktere, bei Anwendung des Beſſemerprozeſſes nicht mehr lohnende Produktion eignet, deren Produkte aber durch den höheren Verkaufs— wert die höheren Produktionskoſten decken. Da der Beſſemerprozeß ſich bisher nur auf die Verarbeitung von ganz reinem Roheiſen beſchränken mußte, weil durch deſſen Verfahrungsweiſe der Phosphor nicht zu entfernen war, jo hat die Erfindung des Entphosphorungsverfah— rens durch Thomas große Wichtigkeit. Dieſe Modifikation Humboldt. — Juni 1885. 251 des Beſſemerprozeſſes beruht auf der Auskleidung des Konverters mit einem aus gebranntem Kalk und Magneſia beſtehenden und daher baſiſch wirkenden Futter, anſtatt des bisher aus kieſelſaurem Thon hergeſtellten, ſogenannten ſauren Futters. Hierdurch wird bewirkt, daß der Phosphor verbrennt und als Phosphorſäure in die baſiſche Schlacke übergeht und ſomit kann aus Roheiſen ſchlechteſter Quali— tät ein Produkt guter Qualität erzielt werden. Ein anderes für den Maſchinenbau wichtiges Material wird durch die von P. M. Parſon erfundene Mangan— bronze repräſentiert, welche ſich in alle Formen gießen läßt und die Zähigkeit, Feſtigkeit und Härte des beſten Schmiedeeiſens beſitzt. Die Herſtellungsmethode beruht auf der Bildung einer Grundſubſtanz, welche durch Zuſammen— ſchmelzen von Kupfer mit etwas Ferromangan erhalten wird; durch dieſen Prozeß wird das Kupfer von allem Oxyd gereinigt und folglich zäher und dichter; in dieſer Form dient es alsdann bei Herſtellung verſchiedenartiger Zinn- und Zinklegierungen als Zuſatz. Auch in der Herſtellung des Aluminiums, welches ſeiner vorzüglichen Eigenſchaften und ſeines maſſenhaften Vorkommens wegen als „das Eiſen der Zukunft“ bezeichnet worden iſt, wurde eine Vereinfachung durch Friſchmut in Philadelphia erzielt, indem derſelbe anſtatt des bis jetzt benutzten, auf umſtändliche Weiſe herzuſtellenden Natrium— metalls direkt Natriumdämpfe zur Reduktion des als Zwiſchenprodukt im Fabrikationsprozeſſe auftretenden Chlor— aluminiums benutzt, welche Dämpfe einfach durch Glühen von Natronſalzen mit Kohlenpulver in eiſernen Retorten erhalten werden. Mit Bezug auf das ſehr wertvolle Eigenſchaften be— ſitende Iridium-Metall, welches bisher nur in kleinen Quantitäten mittels der Knallgasflamme oder im elektriſchen Ofen geſchmolzen werden konnte, wurde von John Holland in Cincinnati ein ausgiebigeres Schmelzverfahren erfunden, welches auf dem Zuſatz von Phosphor als Flußmittel be— ruht, wodurch das neben Platin im gediegenen Zuſtande als kleine Körner aufgefundene Iridium in irdenen Schmelz— tiegeln bei gewöhnlicher Weißglut ſich ſchmelzen läßt. Der Phosphor wird hierauf durch Glühen der Gußſtücke mit Aetzkalk wieder entfernt. Von Intereſſe iſt eine von Friedrich Siemens in Vorſchlag gebrachte neue Heizmethode für Regenerativ- Gasöfen, welche als Schmelz- und Glühöfen in der In— duſtrie eine bedeutende Rolle ſpielen. Während bis jetzt in dieſen Oefen der zum Glühen und Schmelzen benutzte Raum ſo klein als möglich gehalten wurde, um die Flamme mit dem zu erhitzenden Material in innigſte Berührung zu bringen und die höchſte Temperatur zu erzielen, wird von Siemens nunmehr auf Grund ſeiner Erfahrungen der Heizraum ſo hoch und weit angelegt und eine ſolche Anordnung der Gas- und Lufteinſtrömungsöffnungen ge— troffen, daß die Flamme ſich außer Berührung mit dem Material und den Ofenwänden frei entwickeln kann und das auf der Ofenſohle befindliche Material nur ſtrahlende Wärme empfängt. Es ſoll auf dieſe Weiſe eine Brennſtoff— erſparnis von 30 bis 50 Proz. reſultieren. Dieſe Ein— richtung der Regenerativ-Gasöfen beruht auf der von F. Siemens vertretenen Anſchauung, daß der Verbrennungs— prozeß zwei Stadien oder Perioden hat, welche beziehentlich als aktiv und als paſſiv bezeichnet werden. Im erſten Stadium vollzieht ſich die rein chemiſche Verbindung der Gaſe, während welcher, ſobald die Entzündungstemperatur erreicht iſt, die ganze Wärme bei der höchſt möglichen Temperatur erzeugt wird, von welcher der größte Teil durch Strahlung wirkt; während im zweiten Stadium, nach— dem die Temperatur im Verhältnis zu der durch Strahlung abgegebenen Wärme geſunken iſt, die übrige Wärme, welche nun nicht mehr den aktiven Charakter hat, am beſten durch Leitung, das iſt in den zur Vorwärmung der Verbrennungs— luft dienenden Regeneratoren abgegeben wird. Ueberhaupt ſind die Feuerungstechniker neuerdings eifrigſt bemüht, rauchloſe Feuerungsanlagen her— zuſtellen. Es wird hierbei im allgemeinen das Princip befolgt, den Verbrennungsprozeß in zwei Stadien zu zer— legen, nämlich in das Stadium der Entgaſung, wobei durch Austreibung der in den Mineralkohlen enthaltenen flüchtigen Beſtandteile die den Rauch erzeugenden Schwel— gaſe ausgetrieben und mit Luft vermiſcht in Berührung mit dem im vorhergehenden erſten Stadium erzeugten glühenden Koks im zweiten Stadium der Verbrennung verbrannt werden. Man erhält auf dieſe Weiſe ſogenannte Halbgas— feuerungen. Eine ſchon länger eingeführte Einrichtung dieſer Art für Dampfkeſſel iſt die ſogenannte Tenbrin— feuerung, in welcher die Kohlen auf einem ſchrägen Planroſte (nicht Treppenroſte) unter einem mit dem Roſte parallel laufenden, ſchrägen Gewölbe von unten nach oben zur Verbrennung gelangen. Die hierbei aus den friſchen Kohlen ſich entwickelnden brennbaren Gaſe werden oberhalb der glühenden bereits entgaſten Kohlen mit Luft vermiſcht und dadurch zur vollſtändigen Verbrennung gebracht. Sehr deutlich tritt das oben erwähnte Princip der Zerlegung des Verbrennungsprozeſſes in zwei Stadien in einer An— zahl neuerer Feuerungsanlagen hervor, ſo in der von Wilmsmann, Heiſer, Schwartze u. a., indem hier der Feuerraum ſelbſt durch eine oberhalb des Roſtes herab— hängende Wand oder Zunge in zwei Teile geſchieden iſt, wodurch im vorderen Teile eine Anwärmung und Ent— gaſung der friſch aufgeſchütteten Kohlen und im hinteren Teile eine rauchloſe Verbrennung der Gaſe und des vorher gebildeten Kokſes erzielt wird. Was die Dampferzeuger anbelangt, ſo werden dieſelben jetzt immer häufiger als ſogenannte Waſſerrohr— oder Gliederkeſſel konſtruiert, in denen der Waſſerraum durch enge Röhren vielfach in ſchwache Waſſerſtränge zer— legt wird. Auf dieſe Weiſe wird die Aufnahme der Wärme befördert und ſomit das Verdampfungsvermögen des Keſſels erhöht; ferner ſind ſolche Keſſel beſonders für hohen Druck geeignet und werden daher auch als Sicherheitskeſſel bezeichnet. Zur Waſſerverſorgung der Dampfkeſſel benutzt man neuerdings häufig automatiſche Speiſeapparate, bei denen ein Raum abwechſelnd mit einem Waſſerbehälter und mit dem Dampfkeſſel in Verbindung gebracht wird und indem alsdann der Dampfdruck auf dem Waſſerſpiegel im Apparate zur Wirkung kommt, das Waſſer unterhalb durch ſein Gewicht in den Keſſel hinabſinkt. Dieſe Appa— rate erweiſen ſich inſofern als ſehr nützlich, indem ſie den Keſſel ziemlich kontinuierlich ſpeiſen, wodurch Waſſerſtand und Dampfdruck ſtets konſtant erhalten werden. Bezüglich 252 der ſchon länger zur Keſſelſpeiſung im Gebrauche befindlichen Injektoren iſt deren Betrieb mit dem Abdampf der Maſchine ſelbſt für Hochdruckkeſſel erwähnenswert. Es wird dieſe Wirkungsweiſe einfach durch eine bedeutende Erweiterung der im Injektor befindlichen Dampfdüſe erzielt. Unter den Motoren nimmt noch immer die Dampf— maſchine den oberſten Platz ein, obſchon auch im Großbetrieb unter gewiſſen Verhältniſſen die Gasmaſchine ihr ebenbürtig zur Seite getreten iſt. Immer mehr hat unter den Dampf— maſchinenkonſtrukteuren die Anſicht ſich verbreitet, daß die Er— kenntnis und Berückſichtigung der phyſikaliſchen Vorgänge bei der Dampfwirkung im Maſchinencylinder von maßgebendem Einfluſſe ſein muß. Um die Oekonomie im Dampfverbrauche zu verwirklichen, iſt eine ausreichende Erwärmung der Cylinderwände nötig. Dies wird durch den bereits von Watt angewendeten, ſpäter aber aus Verkennung ſeiner Bedeutung wieder verworfenen Dampfmantel erzielt, mit welchem man den Maſchinencylinder möglichſt vollſtändig umgiebt. Das Studium der Wirkung der Cylinderwände hat für die Dampfmaſchinentheorie eine wichtige Bedeutung erlangt und die Berückſichtigung dieſer Wirkung hat die Oekonomie im Dampfbetriebe ganz weſentlich gefördert. Wenn der in den Dampfmaſchinencylinder eintretende heiße Keſſeldampf gegen verhältnismäßig kühle Cylinder— wände trifft, ſo wird derſelbe an dieſen Wänden konden— ſiert, wobei das Metall ſich mit einer Waſſerhaut über— zieht. Sobald alsdann der Cylinder ſich nach dem Konden— ſator hin öffnet, tritt eine rapide Verdampfung dieſer Waſſerhaut ein, wodurch der Cylinderwand in bedeutendem Maße Wärme entzogen wird. Dieſer durch die ſogenannte Auspuffwärme erzeugte Wärmeverluſt der Cylinderwände muß durch den friſch eintretenden Dampf erſetzt werden, was wiederum nur durch eine ſtarke Kondenſation und folglich einen Verluſt dieſes Dampfes geſchehen kann. Bei Dampfmaſchinen, die mit ſtarker Expanſion arbeiten, kann dieſer Dampfverluſt ſich bis auf 50 Proz. ſteigern und derſelbe hat natürlich einen proportionalen Mehrverbrauch an Brennmaterial im Gefolge. Nur ein gut geheizter, den Maſchinencylinder allſeitig umgebender Dampfmantel kann gegen dieſen Verluſt ſchützen. Immerhin ſoll man aber die Expanſion innerhalb eines Maſchinencylinders nur in beſchränktem Maße, etwa zum drei- bis vierfachen ftatt- finden laſſen, weil ſonſt nicht nur die Temperaturdifferenzen (trotz des Dampfmantels) im Cylinder zu hohe, ſondern auch die den gleichmäßigen Gang und die Dampfdichtig— keit der Maſchine ſchädlich beeinfluſſenden Druckdifferenzen zu ſtarke werden. Um nun bei der Benutzung hochgeſpannten Dampfes, welche mit Rückſicht auf die Brennmaterialerſparnis geboten iſt, zu hohe Expanſionsgrade in einem Dampf— maſchinencylinder zu vermeiden, läßt man den Dampf ſucceſſive in mehreren, gewöhnlich nur zwei verbundenen und mit ihren Kolbenſtangen auf eine Welle arbeitenden Cylindern expandieren, wobei der Dampf mit ſeinem Voll— druck zuerſt in einen kleinen Cylinder, den Hochdruckeylinder, gelangt und nach teilweiſer Expanſion aus dieſem in den größeren Niederdructcylinder übergeht. Mitunter ſchließt ſich an dieſen zweiten Cylinder ein noch größerer an. Solche Doppelexpanſionsmaſchinen (nach der engliſchen Be— zeichnung Kompoundmaſchinen) haben in den letzten Jahren Humboldt. — Juni 1885. ihrer bedeutenden Dampfökonomie wegen eine große BVer- breitung erlangt. Was die Steuerungen der Dampfmaſchinen betrifft, ſo iſt man aus der von Corliß vor etwa zwanzig Jahren angebahnten Periode der auslöſenden, mit Federn, Luftpuffern oder Gegengewichten arbeitenden ſogenannten Präciſionsſteuerungen zu den zwangläufigen Steuerungen übergegangen, bei denen der Zuſammenhang der Steuerungsmechanismen mit der Maſchinenwelle zu keiner Zeit unterbrochen wird und hiermit iſt auch die alte Wattſche Schieberſteuerung wieder zu Ehren gekommen. Für große Maſchinen wird jedoch der geringeren Reibung und der dadurch erleichterten Selbſtregulierung wegen die zwangläufige Ventilſteuerung einzuführen geſucht, in welcher Beziehung die Collmannſche Steuerung bahnbrechend geweſen iſt. Infolge der großen Kompliciertheit derartiger mit Hebeln, Stangen und Gleitſtücken arbeitender Steue— rungen iſt man jedoch vielfach zur älteren Meyerſchen Doppelſchieberſteuerung mit Ausführung mannigfacher Modi— fikationen zum Zweck leichterer Selbſtregulierung zurück— gekehrt und hat zu dieſem Zweck auch beſonders kräftige Regulatoren konſtruiert. Ueberhaupt iſt die Benutzung eines exakt arbeitenden Regulators für die regelmäßige Wirkungsweiſe einer Dampfmaſchine durchaus notwendig, weshalb man der Konſtruktion dieſer Apparate große Auf— merkſamkeit zugewendet hat. Im Gebiete des Dampfbetriebes tft der Honigmannſche Natronkeſſel als intereſſante Neuerung der Berück— ſichtigQung wert. Die in dieſem feuerloſen Keſſel durch den Abdampf der damit verbundenen Dampfmaſchine be— wirkte Dampferzeugung beruht auf der bereits von Faraday entdeckten Thatſache, daß konzentrierte Aetznatronlauge durch eingeleiteten Waſſerdampf von 100 C. auf ihre viel höher liegende Siedetemperatur gebracht werden kann. Um dieſe merkwürdige Erſcheinung nutzbar zu machen, hat Honigmann in dem Waſſerraum eines gewöhnlichen Dampfkeſſels einen kleinen, mit konzentrierter Aetznatronlauge teilweiſe gefüllten Keſſel angebracht, in welchen der Abdampf der vom Haupt- keſſel betriebenen Dampfmaſchine eingeführt wird, nachdem zur Eröffnung des Betriebes zuerſt der Natronkeſſel durch den Dampf eines Hilfskeſſels erhitzt worden iſt. Der Natronkeſſel erzeugt dann ſo lange den zum Betriebe nötigen Dampf von 4 bis 5 Atmoſphären, bis die Natronlauge durch den hineingeleiteten und darin kondenſierten Dampf einen gewiſſen Verdünnungsgrad erlangt hat, daß die Temperatur ihres Siedepunktes zu niedrig zur Erhitzung des Keſſelwaſſers geworden iſt. Der Natronkeſſel muß alsdann entleert und wiederum mit konzentrierter Natron- lauge gefüllt werden, während die verdünnte Lauge zu neuem Gebrauche in beſonderen Heizpfannen wiederum eingedampft wird. Der in dieſem Falle in der Dampf— maſchine zur Wirkung kommende Dampf bezieht demnach ſeine Geſamtwärme unmittelbar aus dem Waſſerkeſſel, mittelbar aber von der Natronlauge, welche eine höhere Temperatur als das Waſſer beſitzt. Nachdem der Dampf in der Maſchine gearbeitet, und dabei einen verhältnis— mäßig geringen Teil ſeiner Geſamtwärme, entſprechend dem Wärmeägquivalent der geleiſteten Arbeit und den ſonſtigen unvermeidlichen Verluſten verloren hat, tritt der— ſelbe durch das Auspuffrohr der Maſchine in die Natron— Humboldt. — Juni 1885. lauge ein, von welcher er unter vollſtändiger Kondenſation ſofort abſorbiert wird. Der Vorgang iſt hierbei ein ſehr intereſſanter, indem eine doppelte Art von Wärmeerregung, nämlich eine von phyſikaliſcher und eine von demijder Natur ſtattfindet. Selbſt bei einer Temperaturdifferenz von nur 7° C. zwiſchen Natronlauge und Waſſer wird für jedes in den Keſſel einſtrömende Quantum des be— nutzten Dampfes ein mindeſtens gleich großes Quantum geſpannten Dampfes produziert. Der praktiſchen Bedeu— tung nach ſcheint der Natronkeſſel ſich ganz beſonders für kleine Lokomotiven auf Straßen- und Tunnelbahnen zu eignen, wo man Rauch und nach außen ſtrömenden Dampf vermeiden will. Unter den auf Anwendung des Dampfbetriebes be— ruhenden Unternehmungen nimmt das in ſeiner Ausführung nunmehr ſicher geſtellte Projekt des Ingenieur James Eads betreffs einer den amerikaniſchen Kontinent über— kreuzenden und die beiden, deſſen entgegengeſetzte Geſtade beſpülende Oceane verbindende Schiffseiſenbahn durch ſeine techniſche Großartigkeit und kommerzielle Be— deutung den oberſten Rang ein. Drei Landengen ſind es, welche hierbei wegen günſtiger Terrainverhältniſſe in Frage kommen konnten, die von Panama, von Nicaragua und von Tehuantepec. Ueber die erſte, ſüdlichſt gelegene, iſt bereits eine Eiſenbahn im Betriebe, welche aber durch ihre hohen Tarife dem Verkehr wenig Nutzen bringt. Neben ihr iſt unter Leſſeps' energiſcher Leitung ein Kanal im Bau begriffen, welcher trotz großer Schwierigkeiten ver— hältnismäßig raſch ſeiner Vollendung entgegengeht und für die Schiffahrt ſicher große Bedeutung erlangen wird, immerhin kommt dieſer Kanal für den Hauptverkehr Amerikas mit den übrigen Weltteilen zu weit ſüdlich zu liegen. Die Regierung der Vereinigten Staaten hat des— halb auch ſchon die Ausführung eines um 880 Kilometer nördlicher gelegenen, die Landenge von Nicaragua durch— ſchneidenden Kanales ins Auge gefaßt. Eads hat aber die nicht nur für den amerikaniſchen, ſondern auch für den geſamten Weltverkehr noch günſtiger gelegene, von Panama um 1920 km in nbdvdlicher Richtung entfernte Route über die 218,5 km breite Landenge von Tehuantepec gewählt und hofft damit jeder Konkurrenz die Spitze abzubrechen. Das Projekt iſt vollſtändig ausgearbeitet auf Grund von Verſuchen an einem großen Modell mit einem 2,5 m langen Dampfer und die bedeutendſten Fachmänner Englands und Amerikas haben ſich über deſſen Ausführbarkeit voll— ſtändig zuſtimmend ausgeſprochen. Die Bahn wird ſechs Schienenſtränge erhalten und der Transport ſelbſt der größten, vollbelaſteten Schiffe wird auf einem niedrigen, auf jedem Schienenſtrange mit 64 kleinen Rädern laufenden, alſo im ganzen mit 384 Rädern verſehenen Fuhrwerke er— folgen, auf deſſen 32 eiſernen Querſtäben das ſeitlich gehörig geſtützte Schiff ruht. Am öſtlichen Geſtade, wo das nördliche Ende der Bahn zu liegen kommt, ſchließt dieſelbe ſich bei der Stadt Minatitlon an den Coatzacoalcas-Fluß 40 km land— einwärts von deſſen Mündung an. Dieſer breite und tiefe Strom erfordert nur wenig Nachhilfe, um das Einlaufen der größten Schiffe zu geſtatten, die Bahn ſteigt dann auf einer Strecke von 56 km ſanft über, gelangt hierauf auf eine leicht wellenförmige, von einigen tiefen Thälern durch ſchnittene Hochebene bis zu 228 m über den Meerssſpiegel, Humboldt 1885. 253 worauf ſie in gleichmäßiger Senkung von 1: 100 nach dem Stillen Ocean abwärts geht. Auf der ganzen Route find drei Drehſcheiben für Ab— lenkungen der Bahnrichtung nötig, weil mit dem langen, ſteifen Fuhrwerke Kurven von weniger als 32 km Radius nicht zu durchfahren ſind. Am weſtlichen Geſtade verläuft die Bahn nahezu horizontal und ihr Ende wird bei Salina Cruz oder auf einer der Lagunen zu liegen kommen, wie es am bequemſten befunden wird. Das Klima des durch— ſchnittenen Landes wird als ſehr geſund geſchildert. Es bleibt nunmehr noch übrig, mit einigen Worten der zum Heben der Schiffe aus dem Waſſer und zu deren Auf— ſtellung auf dem Fuhrwerk, ſowie zu deren Herablaſſung in das Waſſer am anderen Bahnende zu benutzenden Vor— richtungen zu gedenken. Die an das Ende der Bahn an— fahrenden Schiffe gelangen über einen in das Waſſer eingeſenkten, viereckigen eiſernen Kaſten oder Ponton, der gleich der Eiſenbahn mit ſechs Gleiſen verſehen iſt, auf denen der zum Transport beſtimmte vielräderige Karren bereit ſteht. Der Kaſten wird dann durch Einpumpen von Waſſer gleich einer hydrauliſchen Preſſe gehoben, bis das Schiff ſich auf den Karren aufſetzt und alsdann mit dieſem bis zum Niveau der Bahn emporſteigt. Damit das Steigen und Senken des Kaſtens oder Pontons ganz gleichmäßig und horizontal erfolgt, ſind an jeder Seite des Docks, worin derſelbe ſich befindet, eine Reihe hydrauliſche Cylinder mit Kolben angebracht. Das Niederlaſſen des Schiffes findet in umgekehrter Weiſe, durch Ablaſſen des vorher unter die hydrauliſchen Kolben gepreßten Waſſers ſtatt. Mit dieſer Vorrichtung ſoll ein Schiff von 5000 Tonnen Laſt ge— hoben werden können. Auf Grund der heutigen Verkehrs- ſtatiſtik ſchätzt man, daß der Jahresverkehr auf dieſer Schiffseiſenbahn über 6 Millionen Tonnen betragen werde. Die Koſten der Bahn und der dazu gehörigen Vorrich— tungen ſind auf 15 Millionen Dollar veranſchlagt. Bei einem Tarifſatze von 3 Dollars per Tonne wird demnach ein Profit von 14½ Proz. reſultieren. Im Bau eiſerner Brücken ſind neuerdings einige bedeutende Werke zur Ausführung gekommen. Bisher war die Eaſt-River Brücke zu New York mit einer, ihrem mittleren Teile zukommenden, Spannweite von 486 m einzig in ihrer Art. Nunmehr wird dieſelbe aber durch die in der Ausführung begriffene Brücke über den Firth of Forth in Schottland übertroffen werden, indem dieſe zwei Spannweiten von 521,5 m erhalten wird. Es ſind dies die größten Spannweiten, welche man jemals mit einem einzigen Träger zu überbrücken gewagt hat. Es dürfte nicht ohne Intereſſe und für das eingehendere Verſtändnis dieſer Bauten ſogar geboten ſein, einen flüch— tigen Blick auf die Entwickelung der eiſernen Brücken— konſtruktionen zu werfen. Die erſten eiſernen Brücken von großer Spannweite wurden in der Form kaſtenartig aus Blech zuſammengenieteter Träger mit mehreren Stützpunkten auf einer Anzahl nicht allzuweit auseinander ſtehender Träger ausgeführt. Das berühmteſte und in der Geſchichte der eiſernen Brücken epochemachende Beiſpiel dieſer Art iſt die von Stephenſon über die Meerenge von Menai ausgeführte Britanniabrücke, welche zur Klaſſe der ſoge— nannten Röhrenbrücken gehört, indem ihre Träger aus hohlen, im Querſchnitt viereckigen Blechröhren beſtehen. 33 254 Humboldt. — Juni 1885. Im Vergleich zu den neueren Brücken repräſentiert dieſe Konſtruktion eine enorme Materialverſchwendung, denn das Gewicht der beiden, je 140 m langen mittleren Träger beträgt pro laufenden Meter über 11000 kg, was einer Anſtrengung von 8 kg pro Quadratmillimeter des Träger⸗ querſchnitts durch die tote Laſt entſpricht. Es iſt hiermit bereits etwa der vierte Teil des ſogenannten Bruchmoduls erreicht, d. h. derjenigen Belaſtung, bei welcher der Träger zuſammenbrechen würde. Trotz der ſcheinbar ſehr maſſiven Konſtruktion iſt demnach die Sicherheit dieſer Brücke nur eine geringe. Um das Material beſſer auszunutzen, d. h. um die größtmögliche Leichtigkeit der Konſtruktion bei vollſtändig genügender Sicherheit in allen ihren Teilen zu erhalten, werden die neueren Eiſenbrücken aus ſogenannten Fachwerkträgern, d. h. aus zickzackförmig angeordneten, teilweiſe überkreuzten, in vertikalen Ebenen liegenden Zug⸗ ſtangen und Druckſtreben angeordnet, welche zwiſchen zwei geraden oder wohl auch paraboliſch fo oder fo = gegen einander gekrümmten, aus Flach- und Winkeleiſen hergeſtellten Balken, den ſogenannten Gurtungen, einge— nietet ſind. Es entſprechen dieſe Trägerformen der Forde— rung: größte Sicherheit bei geringſtem Materialgewicht, und zwar bedingt die erſte Form Einzelträger, die mit ihren Enden nebeneinander frei auf den Pfeilern aufliegen, die zweite Form aber kontinuierliche Träger, die über den die Stützpunkte bildenden Pfeilern feſt miteinander ver- einigt ſind, ſo daß die Trägermitte, d. h. die Stelle, wo der Träger den größten Widerſtand zu leiſten hat, über die Pfeiler zu liegen kommt, während bei der erſten Form die Stelle der größten Beanſpruchung in der Mitte zwiſchen den Pfeilern ſich befindet. Es iſt leicht erſichtlich, daß die zweite Form den Vorteil einer hohen freien Durchfahrt für Schiffe bietet und deshalb iſt auch für die erwähnte Brücke über den Firth of Forth dieſes Konſtruktionsſyſtem gewählt worden. Es beſteht dieſe Brücke aus zwei je 521,5 m langen Hauptträgern, welche über den Pfeilern eine Höhe von 106,7 m und in der Mitte zwiſchen den Pfeilern eine Höhe von 15,24 m haben. Die aus Stahl hergeſtellten Träger dieſer Brücke beſtehen demnach gewiſſer— maßen aus zwei Konſolen, welche in der freien Mitte mit ihren ſchwachen Enden durch einen kleinen mittleren Gitter- balken verbunden ſind. Die Koſten dieſer Brücke ſind auf 26,5 Millionen Mark veranſchlagt. Merkwürdig in ſeiner Art iſt der als höchſte Eiſenbahnbrücke der Welt bezeich— nete Viadukt über das bis mehr als 90 m tiefe Kinzuathal in Pennſylvanien. Die auf 20 Pfeilern ruhende Brücke it tery art che iſt über 900 m lang, bietet aber außer ihren zum Teil von der tiefſten Thalſohle emporſteigenden, aus Eiſengitter⸗ werk aufgebauten, hohen ſchlanken Pfeilern keine beſonderen Konſtruktionseigentümlichkeiten. Charakteriſtiſch für die moderne Ingenieurkunſt ſind die großen Eiſenbahntunnel, von denen der älteſte durch den Mont Cenis 12,234 m, der durch den St. Gott- hard 14,912 m und der jüngſte durch den Arlberg 10 270 m Länge hat. Für den vierten, erſt im Projekt vorliegenden Simplontunnel mit ſeinen 20000 m Länge liegen dem⸗ nach genügende Erfahrungen vor. Mit Bezug hierauf hat man auch die Bauzeit, welche beim Montcenistunnel 14 Jahre betrug, auf nur 7 Jahre veranſchlagt. Dauerte doch die Ausführung des Gotthardtunnel nur etwa 9 und die des Arlbergtunnel nur 4 Jahre. Betreten wir ſchließlich noch das Gebiet der Elektro- technik, ſo bemerken wir, daß zwar nicht alle Hoffnungen ſich ſchon verwirklicht haben, daß aber ein ſtetiger Fort- ſchritt vorhanden iſt. Die Benutzung der mit großem Enthuſiasmus begrüßten elektriſchen Krafttransmiſſion, ſowie die Verwendbarkeit der elektriſchen Akkumulatoren iſt weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben, dagegen aber gewinnt die elektriſche Beleuchtung immer mehr Boden und die Telephonie entfaltet ſich in unvorhergeſehener Weiſe; auch bezüglich der Elektrolyſe ſind nicht unbedeutende Erfolge zu verzeichnen. Die elektriſche Krafttransmiſſion iſt durch die Um— gehung ſtarker koſtſpieliger Leitungen auf hochgeſpannte Ströme angewieſen, wodurch bedeutende Verluſte infolge der ſchwierigen Iſolierung entſtehen und Gefahren durch zufällige Entladungen drohen. Bezüglich der Akkumulatoren iſt das verhältnismäßig große Gewicht der Apparate und die immer noch vorhandene Unſicherheit in deren Wirfungs- weiſe ein großer Uebelſtand, ſo daß man daran denken muß, neue Mittel und Wege zu deren Herſtellung zu ent— decken. Das elektriſche Licht ſcheint bereits auf ſeinem Siegeszuge gegen das Gaslicht begriffen zu ſein und die Telephonie macht der elektriſchen Telegraphie Konkurrenz, indem ſie ihre Drahtnetze immer weiter ausſpannt. Bereits denkt man in England daran, die größeren Städte mit London telephoniſch zu verbinden und in Amerika hat die Bellcompagnie die Ausführung ſehr langer Telephonleitungen zur Verbindung der einzelnen Staaten in die Hand ge— nommen. Kaum noch zweifelt man an der Möglichkeit einer transatlantiſchen Telephonie. So ſehen wir auf dem Gebiete der Elektrotechnik ein ſehr rüſtiges Vorwärtsſtreben, wobei Amerika den Vortritt behauptet. R u n d een . Ir. von Hellwald, Naturgeſchichte des Menſchen. 2 Bde. Mit Illuſtrationen von F. Keller-Leuzinger. Stuttgart, Spemann. 1884. Preis 27 50 g. Wiederum hat uns der Verfaſſer mit einem äußerſt wertvollen Werke beſchenkt, das um ſo mehr allgemeinſte Beachtung verdient, als die Behandlung und Verarbeitung des äußerſt reichhaltigen Stoffes eine zweckentſprechende, anziehende und allgemein verſtändliche iſt. Das vorliegende Werk bietet ſowohl dem Gelehrten und Forſcher veiches Material, — in knappeſter Form alles zuſammengetragen, was er ſonſt mühſam aus den Quellen ſchöpfen müßte — als auch dem Laien allſeitige Belehrung. Nirgends wird der Verfaſſer abſtrakt trocken; überall läßt die eigene An— Humboldt. Juni 1885. 255 ſchauung, wie ſie uns die Reiſeberichte der vorzüglichſten Quellen an die Hand geben, den Menſchen vor unſeren Augen auftreten und ſeinen Sitten und Gebräuchen gemäß leben. Daß ein ſolches Werk ſich ſowohl zum tieferen Studium als auch zum raſchen Orientieren treff— Und lich eignet, wird man danach begreiflich finden. wer verſpürt heutzutage, wo die Kolo— nialpolitik Tagesfrage geworden iſt, nicht das Be⸗ dürfnis, ſich über die Völ⸗ ker des afrika⸗ niſchen Kon— tinents, der Südſeeinſeln 2c. belehren zu laſſen, ja, wer kann heutzu— tage eine Zei— tung zur Hand neh—⸗ men, ohne daß er da oder dort auf ethnologiſche Fragen ſtie— ße, über die er ſich gern be— lehren möch— te? Fig. 1. Botokuden. Es iſt nur allzu wahr, was der Verfaſſer in ſeinem Vorwort ſagt: „Ohne Völkerkunde kein vernünftiges Urteil mehr in politiſchen Dingen, ohne Völker— kunde kein Verſtändnis für die geſchichtliche Entwickelung der Naz tionen, ohne Völker— kunde keine geſunde hi— ſtoriſche Kritik, ohne Völkerkunde kein Be— greifen des eigenen Volksgeiſtes, ohne Völ— kerkunde kein Erfaſſen des idealen Strebens im Menſchengeſchlecht!“ Aus dem Inhalts- verzeichnis wird ſofort der Plan des ganzen Werkes klar. Den An— fang bilden die kultur— geſchichtlich am tiefſten ſtehenden Völker, des— halb beginnt der Ver— faſſer füglich mit den Auſtraliern, bei denen uns vielleicht am mei— ſten der Anfang aller Kultur des geſamten Menſchengeſchlechtes bewahrt iſt. Wir wan— dern alsdann über „die oceaniſche Inſelflur“ nach Amerika, zu den Eskimos, um alsdann zu dem dunklen Erdteil, zu Afrika, „aufzuſteigen“. Den Schluß bilden die kulturell am höchſten ſtehenden, die Völker Aſiens. Wenn danach Europa keine Stelle in dem Werke gefunden hat, ſo können wir dem Verfaſſer nur beipflichten: Europa erforderte ſelbſt wieder ein umfangreiches Werk, wenn es plangemäß hätte behandelt werden ſollen. Zudem iſt die europäiſche Völkerkunde Fig. 2. Vuſchmann. (Aus „Hellwald, Naturgeſchichte des Menſchen“.) (Aus „Hellwald, Naturgeſchichte des Menſchen“. weit weniger unzugänglich als die der übrigen Kontinente. Dieſer Plan iſt meiſterhaft, wie von Hellwald zu erwarten war, durchgeführt. Nirgends begegnen wir trockenem ethno— logiſchen Syſtematiſieren, überall iſt die kulturelle Seite als Hauptaufgabe des Buches in den Vordergrund geſtellt, wodurch das ganze Werk etwas außerordentlich Friſches und Leben⸗ diges erhält. Man wird nicht müde, dem Verfaſſer bis zum Ende des Buches zu folgen, und wird dasſelbe gewiß immer wieder gern zur Hand nehmen, um da oder dort nachzuleſen und ſich zu be— lehren. Dabei tritt uns auch an dieſem neueſten Werk des Verfaſſers wieder ent- gegen, was wir ſeiner Zeit bereits bei unſerer Beſprechung der Kulturgeſchichte ſo lobend hervorgehoben haben: eine ganz eminente Quellenkenntnis. Man kann getroſt be— haupten, daß die wich— tigſten Reiſebeſchrei— bungen alle benutzt worden ſind. Wie mei— ſterhaft das der Ver— faſſer verſteht, das wird ein Blick in das Buch beſtätigen können. Wenn ſomit ſchon der Inhalt, der Text des Werkes, deſſen An— ſchaffung dringend ge— raten erſcheinen läßt, ſo gewinnt dasſelbe noch an Intereſſe durch die außerordentlich ſchön, künſtleriſch fein und le— benswahr ausgeführten Illuſtrationen eines Keller-Leuzinger. Sowohl die Einzelbil— der als die Gruppen, vor allem aber auch die Zuſammenſtellungen von Waffen und Gerä— ten verraten den Mei ſter. Die hier beigege— benen Illuſtrationen werden am beſten das Geſagte beſtätigen, überall tritt das Spe— cifiſche ſofort hervor. Es ſind die Wildeſten aller Wilden Braſiliens, die uns der Künſtler hier wiedergibt, die Botokuden oder, wie ſie ſich ſelbſt nennen, die „Engeräckmung“, die mit ihren Lippen- und Ohrpflöcken ein trauriges Bild menſch— licher Verirrung — oder vielleicht, nach ihrem Begriff, menſchlichen Schönheitideals — liefern. Die Schädelbildung, die ganz eigenartige Haartracht, die kalmückenartig ein— 256 Humboldt. — Juni 1885. geſattelte Naſe gibt uns die Illuſtration in ganz aus- bezeichnen. Der Inhalt iſt durch den Titel genügend ge- kennzeichnet und braucht hier nicht näher erläutert zu gezeichneter Weiſe wieder. Nicht minder vorzüglich ſind die Idealtypen, wie die folgende Illuſtration zeigt. Das Maſſige im Knochenbau, das bei den Buſchmännern vorherrſcht, tritt uns bei dem obigen „Idealtypus“ deutlich entge— gen, ebenſo die große Breite der Stirn, das Vortreten des Unterkiefer winkels, die mä⸗ ßig aufgeworfe— nen Lippen, die unzähligen Falten im Ge— ſicht, die ſich nach der Pu⸗ bertät einſtel⸗ len ꝛc. Auch die dritte, hier beigegebene Il⸗ luſtration recht⸗ fertigt das oben geſpendete Lob. Geſtalt, Tracht, Ge— wohnheit und Sitte werden dem Beſchauer vor die Augen geführt, und er wird unſchwer die Charatteri- ſtika der Japa⸗ nerin heraus⸗ finden können. Fügen wir noch hinzu, daß die Ausſtattung des Werkes, wie von der Spe- mannſchen Ver- lagsbuchhand— lung nicht an⸗ ders zu erwar— ten war, eine geradezu opuz lente genannt zu werden ver— dient, ſo wird man uns gewiß recht geben, wenn wir die Anſchaffung desſelben für die weiteſten Kreiſe empfeh— len. Frankfurt a. M. Dr. Gotthold. Teunis, Synopfis der Pflanzenkunde. 3. Auflage, bearbeitet von A. B. Frank. II. Band. Specielle Botanik, Phanerogamen. Mit 641 Holzſchnitten. werden. Mit Ausnahme einiger kleiner und unbedeutender ſind alle Pflanzenfamilien zur Behandlung gekommen, und Fig. 3. Japanerin. Hannover, Hahn. 1885. Preis 12 * Dieſer zweite Band der Synopſis reiht fic) in jeder Hinſicht würdig dem erſten an; er iſt in jeder Beziehung als ein Meiſterwerk der beſchreibenden Pflanzenkunde zu (Aus „Hellwald, Naturgeſchichte des Menſchen“.) iſt auch überall, wo es irgend nötig erſchien, durch Hin⸗ weis auf pa⸗ läontologiſche Thatſachen ein phylogeneti⸗ ſcher Grund— gedanke, wenn ich mich jo aus⸗ drücken darf, nicht zu ver⸗ kennen. Für die deutſche Flora erſetzt der vorliegende Band alle Spe— cialfloren, in⸗ dem alle deut⸗ ſchen Pflanzen aufgeführt ſind. Nur die rein alpinen glaubte Verfaſſer aus guten Gründen weglaſſen zu dürfen. Daß neben den wirk⸗ lich einheimi⸗ ſchen Pflanzen auch alle durch Kultur oder Einwanderung bei uns einge⸗ bürgerten Auf⸗ nahme gefun— den, iſt wohl ſelbſtverſtänd⸗ lich. — Einge⸗ leitet wird der Band durch einen Schlüſſel zur Beſtim⸗ mung der Gat⸗ tungen, der — und dies dürfte der einzige Vor⸗ wurf ſein, der dem Werke zu machen iſt — noch nach dem Lin néſchen Syſtem einge— richtet iſt. Es läßt ſich zwar auch manches für ein ſolches Verfahren an⸗ führen; indeſ⸗ ſen ſollte doch ſtets die wiſſen⸗ ſchaftliche Ten— denz der Be⸗ quemlichkeit vorangehen, und für Elementarſchüler iſt die Synopſis nicht geſchrieben. Das Syſtem, nach welchem die Familien angeordnet ſind, iſt mit unbedeutenden Abweichungen dasjenige, welches Eichler in ſeinem Syllabus angenommen hat. Ein bez ſonderes Augenmerk hat Verfaſſer auf die ſogenannten Nutzpflanzen gerichtet, und da ſpeciell auf die europäiſchen. Uebrigens dürfte auch kaum eine irgendwie wichtigere und in ihrer Heimat verwandte, exotiſche Pflanze übergangen Humboldt. — Juni 1885. 257 ſein. In den betreffenden Abſchnitten iſt mit ungeheurem Fleiß und vieler Mühe über die einzelnen Pflanzen alles Wiſſenswerte zuſammengeſtellt, ja einzelne derſelben können gar wohl als kleine Monographieen bezeichnet werden. Das Buch erſetzt ſo für den gewöhnlichen Bedarf jede ſpecielle pharmaceutiſche, techniſche oder andere Waren— kunde. Auch über Zubereitung, Quantität der Produktion der einzelnen Stoffe finden ſich ſtets die orientierenden Angaben oder Hinweiſe. Eingeſchränkt gegenüber der vorigen Auflage iſt die Beachtung der Pflanzenfeinde, die in vorliegendem Buche auf die Kultur- und ſonſt wich— tigen Pflanzen beſchränkt iſt. Daß alle bezüglichen Holz— ſchnitte der früheren Auflage verſchwunden ſind, iſt viel— leicht als zu radikal zu bezeichnen, obgleich Referent im ganzen mit des Verfaſſers Begründung ſeines Verfahrens vollkommen einverſtanden iſt. Ueber die zahlreichen, ſorgfältig und vortrefflich aus— gewählten Holzſchnitte, ſowie die ſonſtige Ausſtattung des Buches iſt nur Lobendes zu ſagen. Einen beſonders mühe— vollen und dankenswerten Teil ſtellen noch die Erklärungen aller Termini technici und Pflanzennamen dar, die gar manchem äußerſt willkommen ſein werden. Faſſen wir unſer Urteil über das Buch zuſammen, jo können wir es getroſt das empfehlenswerteſte aller neueren, ſpeciellen Handbücher nennen. Durch den ungeheuren Reichtum ſeines Inhalts, der erſt durch genaues Studium einzelner Abſchnitte gewürdigt werden kann, durch die präciſe Form des Ausdrucks und Ueberſichtlichkeit der Anordnung dürfte es unerreicht, mindeſtens den beſten der vorhandenen ebenbürtig daſtehen. Namentlich die knappe, klare Sprache wird es ſchnell zum beliebteſten Nachſchlagebuche machen. Erlangen. Dr. C. Fiſch. Bibliographie. Bericht vom Monat April 1885. Allgemeines. Viographieen. Arendt's naturhiſtoriſcher Schulatlas. 5. Aufl. von F. Traumüller. Leipzig, F. A. Brockhaus. M. 2. 50; geb. M. 3. 70. Berichte, r und naturwiſſenſchaftliche, aus Ungarn. Red. von L. Fröhlich. Band. Juni 1883 bis Juni 1884.] Buda— peſt. Berlin, R. Friedländer Es Sohn. M. 8. Buſemann, L. Naturkundliche Se 1. Lieferung. ſchweig, F. Vieweg & Sohn. M. Braun⸗ Isis. Zeilſchrift für alle naturwiſſenſchaftlichen Liebhabereien. Heraus⸗ gegeben von K. Ruß. 10. Jahrgang. 1885. Nr. 14. Magdeburg, Creutz“ ide. Buchhandlung. Vierteljährlich M. 3. Meier, E., Lehrplan für den Unterricht in der Naturlehre. berg i. S., C. G. Roßberg. M. 1. Meier, E., Raturlehre für Volks⸗ und e ſchulen. 1. und 2. Gang. 2. Aufl. Frankenberg i. S., C. G. Roßberg. aM. —. 30. Mittheilungen der naturforſchenden Geſellſchaft in Bern aus dem Jahre 1884. 3. Heft. Nr. 1092-1101. Red. J. H. Graf. Bern, Huber & Co. M. 5. 40. Naturhiſtoriker, der. Franken⸗ Illuſtrirte Monatsſchrift für die Schule und das Haus. Herausg. von H. Knauer. 7. Jahrgang. 1885-1886. Nr. 1. Leipzig, O. Leiner. M. 10 Obach, E., Sir William Siemens als Erfinder und Forſcher. Vortrag. London, A. Siegle. M. 2. Sitzungsberichte der kaiſerl. Akademie der Wiſſenſchaften. Mathematiſch— naturwiſſenſchaftliche Claſſe. 2. Abtheilung. Abhandlungen aus dem Gebiete der Mathematik, Phyſik, Chemie, Mechanik, Meteorologie und eee 90. Band. 3. und 4. Heft. Wien, C. Gerold's Sohn. M. 6. Verhandlungen des naturhiſtoriſchen Vereins der preußiſchen Rheinlande und Weſtfalens. Herausg. von C. J. Andrä. 41. Jahrgang. 5. Folge. 1. Jahrgang. Bonn, M. Cohen & Sohn. M. 9. Umſchau, naturwiſſenſchaftlich-techniſche. Illuſtrirte populäre Halbmonats⸗ ſchrift über die Foriſchritte auf den Gebieten der angewandten Natur— loifen watt und techniſchen Praxis. Herausg. von Th. Schwartze. Jahrgang. 1885. 7. Heft. Jena, F. Mauke's Verlag. Viertel⸗ übdlic M. 3. 5 Zeitſchrift, Jengiſche, für Naturwiſſenſchaft, herausg. von der mediciniſch⸗ naturwiſſenſchaftlichen Geſellſchaft zu Jena. 18. Band. Neue Folge. 11. Band. 3. Heft. Jena, G. Fiſcher. M. 6 PQhHofik, Phyſiſtaliſche Geographie, Meteorologie. Fick, A., Die mediciniſche Phyſik. 3. Aufl. Braunſchweig, F. Vieweg & Sohn. M. Ss Geinitz-Roſtock, F. E., Ueber die Entſtehung der mecklenburgiſchen Seen. Güſtrow, Spit L. Co. M. —. 80 Peſchel, O., Phyſiſche Erdkunde. Selbſtändig bearbeitet und herausg. von G. Leipoldt. 25 Aufl. 10. und 11. Liefg. & Humblot. à M. eee Th., Die Bewegung der Wärme! Hagen, H. Riſel & Co. Leipzig, Dunder Situngsberichte der mathematiſch-phyſikaliſchen Claſſe der königl. bayer. Akademie der Wiſſenſchaften zu München. Jahrg. 1885. 1. Heft. München, G. Franz'ſche Verlagsbuchhandlung. M. 1. 20. Stern, P., Die meteorologiſchen 0 von Nordhauſen am Harz. Nordhauſen, C. Haacke. M. Supan, A., Karte der Jahre ⸗Fſothermen. Aequatorial-Maßſtab. 1: 30 000 000. 4 Blatt. M. 10; auf Leinwand, in Mappe M. 15, mit Stäben M. 17. Wien, E. Hölzel's Verlag. Waeber, R., Leitfaden für den Unterricht in Dey PONTE mit beſonderer Berückſichtigung der Mineralogie. 4. Aufl. Leipzig, F. Hirt & Sohn. M 1 25 Wittwer, W. C., Grundzüge der Molecular-Phyſik 1105 der mathematiſchen Chemie. Stuttgart, K. Wittwer’s Verlag. M. Zeitſchrift für wiſſenſchaftliche Mikroſkopie und fie mitroſtopiſche Technik. Herausg. von W. J. Behrens. 2 Band. 1. Heft. Braunſchweig, C. A. Schwetſchke & Sohn. pro eplt. M. 20; 1. Heſt apart M. 5 Chemie. a R., Anleitung zur quantitativen chemiſchen Analyſe. 15. Aufl. Abtheilung. Beaunjdyweig, F. Vieweg & Sohn. M. 7. 50. Grannis Otto's ausführliches Lehrbuch der Chemie. 1. Band. 3. Aufl. 1. Abtheilung. Phyſikaliſche Lehren von A. Winkelmann. Braun— ſchweig, F. Vieweg & Sohn. M. 13. Schlichting, M., Chemiſche Verſuche einfachſter Art, c. erſter Kurſus in der Chemie. 8. Aufl bearb. von A. Wilke. Kiel, E. Homann. M. 2. 60. Mineralogie, Geologie, Geognoſie, Valäontologie. Encyclopädie der Naturwiſſenſchaften. 2. Abtheil. 28. Liefg. Hand— wörterbuch der Mineralogie, Geologie und Paläontologie. 9. Liefg. Breslau, E. Trewendt Subſkr.⸗Preis M. 3. Fritſch, A., Fauna der Gaskohle und der Kalkſteine der Permformation, Böhmens. 2. Band. 1. Heft. Prag, F. Rziwnatz. In Mappe M. 32. Hatle, E., Die Minerale des Herzogthum Steiermark. 5. (Schluß-)Heft. Graz, Leuſchner & Lubensty. M. 1. Hoernes, B., und M. Auinger, Die Gaſteropoden der Meeres Ablage— rungen der 1. und 2. miocänen Mediterran-Stufe in der öſterreichiſch— ungariſchen Monarchie. 5. Liefg. Wien, A. Hözder. M. 16. Karte, geologiſche, von Preußen und den Thüringischen Staaten. 125 000. Herausg. durch das königl. preuß. Miniſterium der öffentlichen Arbeiten. 18. und 28. Lieferung. Mit Text M. 20. Inhalt: 18. Grad-Abth. 57: Nr. 20. Gerbſtedt. 21. Cönnern. 26. Eisleben. 27. Wettin. M. 8. Lieferung 28. Grad-Abth. 70: Nr. 11. Oſthauſen. 12. Kranichfeld. Grad-Abth. 71: Nr. 7. Blanken— Hain. 8. Cahla. 13. Rudolſtadt. 14. Orlamünde. M. 12. Leipzig, W. Engelmann. Mittheilungen, mineralogiſche und petrographiſche. G. Tſchermak. Neue Folge. 7. Band. 1. Heft. pro cplt. M. 16. LBS A., Die Eiszeit in den Pyrenäen. Seaway, B., auf Saufſure [1787]. Zittel, K. A. Herausgegeben von Wien, A. Hölder. Leipzig, Duncker & Humblot. Die Erſchließung der Gebirge von den älteſten Zeiten bis Leipzig, P. Frohberg. M. 8. und K. Haushofer, Paläontologiſche Wandtafeln und geo- logiſche Landſchaften. 5. Lief. Taf. 16—20 a 4 Blatt. M. 16, für Aufziehen jeder Tafel M. 3. Kaſſel, Th. Fiſcher. Botanik. Cohn, F „Kryptogamen⸗ Flora von Schleſien. 3. Band: Pilze, bearb. von J. Schweter. 1. Liefg. Breslau, J. U. Kern's Verlag. M. 3. 20 Duftſchmid, J., Die Flora von Oberöſterreich. 4. Band. Linz, F. J. Ebenhöch'ſche Buchhandlung. M. 6. 40. Fleiſcher, E., Die Schutzeinrichtungen der Pflanzenblätter gegen Ver— trocknung. Döbeln, C. Schmidt. M. 2. 50. Garcke, A., Flora von Deutſchland. 15. Auflage. Berlin, P. Parey. Geb. M. 4. Jahrbuch für Gartenkunde und Botanik. Red. von J. Bouché und R. Herrmann. 3. Jahrg. 1885-1886. 1. Heft. Verlag. a Heft M. —. 80. Rothert, W., Vergleichend-auatomiſche Unterſuchungen über die Difſe— renzen im primären Bau der Stengel und Rhizome trautiger Pha⸗ nerogamen 2c, Dorpat. Berlin, RN. Friedländer & Sohn. M. 2. Zopf, W., Zur Kenntniß der Phycomycete I. Zur Morphologie und Biologie der Ancyliſten und Chytridiaccen, zugleich ein Beitrag zur Phytopathologie. Leipzig, W. Engelmann. M. 14. Zoologie, Phyſtologie, Entwickelungsgeſchichte, Anthropologie. Arbeiten aus dem zoologiſchen Inſtitute der Univerſität Wien und der joologijdjen Station in Trieſt. Herausg. von C. Clauß. Tom. VI. 1. Heft. Wien, A. Hölder. M. 20. Archiv für Anthropologie. Zeitſchrift für Naturgeſchichte und Urgeſchichte des Menſchen. Herausgegeben von A. Ecker, L. Lindenſchmidt und J. Ranke. 15. Band. Supplement. Braunſchweig, > F. Vieweg & Sohn. M. 38. Bronn's, H. G., Klaſſen und Ordnungen des Thier-Reichs, wiſſenſchaftlich dargeſtellt in Wort und Bild. 2. Band. Porifera. Neu bearbeitet von G. C. J. Vosmaer. 7. Lief. Leipzig, C. F. Winter'ſche Verlags⸗ buchhandlung. M. 1. 50. Bronn's, H. G, Klaſſen und i des Bonn, E. Strauß' ee wiſſenſchaftlich dargeſtellt in Wort und Bild. Band. 1. Abth. Fiſche: Pisces. Fortgeſetzt von A. A. W. bubrecht und M. Sagemehl. 4, Lieferung. Leipzig, C. F. Winter'ſche Verlagsbuchhandlung. M. 1. 50. Carrière, J., Die Sehorgane der Thiere, 0 5 vergleichend anatomiſch dar⸗ geſtellt. München, R. Oldenbourg. M. 9. 258 Humboldt. — Juni 1885. Claus, C., Lehrbuch der 2 18 Marburg, N. G. Elwert'ſche Verlagsbuchhandlung! M. Claus, 15 Neue Beiträge zur Morphologieder Cru paceen: Wien, A. Hölder. M. Jahresberichte über die Fortſchritte der Anatomie und Phyſiologie. Herausg. von F. Hofmann und G. Schwalbe. 12. Band. Literatur 1883. 2. Abth.: Phyſiologie. Leipzig, F. C. W. Vogel. M. 13. Journal für Ornithologie, herausg. von J. Cabanis. a. (Jahrgang. 1885. 1. Heft. Leipzig, L. A. Kittler. pro cplt. M. Mittheilungen aus der zoologiſchen Station zu 1586 zugleich ein Repertorium für Mittelmeerkunde. 6. Band. 1. Heft. Berlin, R. Friedländer & Sohn. M. 14. Schulgin, M. A., Phylogenesis des Vogelhirnes. Jena, R. Neuenhahn. M. 1. 3. Aufl. Vogel, H., Tierkunde. Wiederholungsbuch für Schüler in Mittelſchulen und mehrklaſſigen . Leipzig, Siegismund & Volkening. —. 60; geb. M. — Zeitſchrift für die geſammte Seuithotogie. Herausg. von J. v. Madarag;. 2. Jahrgang. 1885. (4 Hefte.) 1. Heft. Berlin, R. Friedländer & Sohn. pro cplt. M. 20. Geographie, Ethnographie, Beifewerke. Blätter, deutſche geographiſche. Herausg. von der geograph. Geſellſchaft in Bremen durch M. Lindeman. 8. Band. 1885. (4 Hefte.) 1. Heft. Bremen, G. A. v. Halem. pro cplt. M. 8. Cronau, R., Von Wunderland zu Wunderland. Landſchafts- und Lebens- bilder aus den Staaten und Territorien der Union. 1. Lieferung. Leipzig, M. Spohr. M. 4. Czörnig, C. Frhr. v., Die ethnologiſchen Verhältniſſe des öſterreichiſchen Küſtenlandes nach dem richtig geſtellten Ergebniſſe der Bolle 30h lung vom 31. Decbr. 1880. Trieſt, F. H. Schimpff. M. Erdmann, J., Der geographiſche Unterricht unter beſonderer Berückſich⸗ tigung der „zeichnenden 20 Düſſeldorf, L. Schwann'ſche Verlags⸗ buchhandlung. M. 1. Fiſcher, G. A., Mehr Licht i im dunklen Welttheil. Betrachtungen über die Koloniſation des trop. Afrika unter beſonderer Berückſichtigung des fd Brier Hamburg, L. Friedrichſen K Co. M. 2. 50. Flegel, R., 3 Briefe an die Freunde deutſcher Afrika-Forſchung, colo⸗ nialer Befirebungen und der 0 des deutſchen Handels. Ham⸗ burg, L. Friedrichſen & Co. M. — Jawonski, J. L., Reiſe der ruſſiſchen Geſandtſchaft in Afghaniſtan und Buchera in den Jahren 18781879. Ueberſ. von E. Petri. 2. Bd. Jena, H. Coſtenoble. M. 8. Joeſt, W., Um Afrika. Köln, M. Du-Mont⸗Schauberg'ſche Buchhdlg. M. 8; geb. M. 10. Klein, H. J., Lehrbuch der Erdkunde für höhere 80 2. Aufl. Braunſchweig, F. Vieweg & Sohn. M. 2. Lange, 1 „Südbraſilien. Die Provinzen Sao Pedro do Rio Grande do Santa Catharina und Parana mit Rückſicht auf die deutſche Soe 2. Aufl. Leipzig, P. Frohberg. M. 8. Mittheilungen der anthropologiſchen e in Wien. 14. Band. 4. Heft. Wien, A. Hölder. M. Müller, G., Hilfsbüchlein bei dem Unterricht in der vaterländiſchen G50 10 4. Aufl. Königsberg, J. H. Bons Verlag. M. — Reiß, W., Das Todtenfeld von Ancon in Peru. Ein Beitrag zur denntniß der Cultur und Induſtrie des Inca-Reiches. 13. Lieferung. Berlin, A. Aſher & Co. In Mappe M. 30. Riebeck, E., Die Hügelſtämme von Chittagong. Ergebniſſe 50 Reiſe im Jahre 1882. Berlin, A. Aſher & Co. In Mappe M. 6 Zeitſchrift für Ethnologie. Red.: A. Baſtian, R. Hartmann, R. Virchow, A. Voß. 17. 24 e 1885. 1. Heft. Berlin, A. Aſher & Co. pro cplt. M. Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat April 1885. „ Die erſte Hälfte des Monats April iſt charak— teriſiert durch kühles, veränderliches Wetter mit häufigen und ergiebigen Niederſchlägen und vor— wiegend öſtliche Winde; die zweite Hälfte durch ruhiges, heiteres, trockenes und warmes Wetter. In den erſten Tagen des Monats wanderte ein Gebiet hohen Luftdrucks von Südweſteuropa nach Nordeuropa und blieb dort etwa bis zur Mitte des Monats ſtationär, ſo daß für die erſte Monatshälfte, wenigſtens für das Nord- und Oſtſeegebiet, öſtliche und nördliche Winde vor— herrſchend waren. Dabei lagerten beſtändig Depreſſionen über Mittel- und Südeuropa, welche eine nordwärts ge— richtete Bewegung zeigten. Am 5. lag eine Depreſſion über Italien, welche in den folgenden Tagen nordwärts fortſchritt, am 6. lag dieſelbe über den Alpen, am 7. über Süddeutſchland, am 8. und 9. über dem ſüdlichen Nordſee— gebiete, wo dieſelbe ſich ausfüllte. Noch nicht war dieſe Depreſſion verſchwunden, als (am 9.) ein neues tiefes Minimum, vom Weſten kommend, über der Adria erſchien, welches raſch oſtwärts nach der Odermündung und von dort aus nach dem nordöſtlichen Deutſchland und nach Finnland fortſchritt. Ein anderes Minimum, welches weſtlich von Italien entſtanden war, ſchlug eine öſtliche Bahn nach dem Schwarzen Meere ein. Dementſprechend war das Wetter raſchen Aenderungen unterworfen; am 6. erfolgten im ſüd— lichen Deutſchland Trübung und Niederſchläge, am 7. und 8. breitete ſich das Regenwetter auch über das nördliche Deutſchland aus, während im Süden bei abnehmendem Regenfa ll Aufklaren erfolgte, vom 9. auf den 10. fielen in ganz Deutſchland erhebliche Regenmengen (in Magde— burg 26 mm) und fanden im öſtlichen Deutſchland Ge- witter ſtatt, am 11. Aufklaren im ſüdlichen Deutſchland, während im Norden die Regenfälle fortdauerten (Hamburg 22 mm). Nach dem 11. war das Wetter trocken und viel— fach heiter. Die Temperatur lag während der erſten Monats— hälfte überall d durchſchnittlich etwas unter dem Normalwerte. Die Wärmeſchwankungen waren im allgemeinen nicht ſehr bedeutend. Vom 15. bis zum 19. war der Luftdruck über Süd⸗ ſkandinavien am höchſten. Am letzteren Tage erſtreckte ſich eine Zone hohen Luftdrucks von über 770 mm von Irland oſtwärts nach Pommern. Dieſe Zone verſchob ſich all— mählich ſüdwärts nach dem Mittelmeere hin, und blieb hier mit veränderlichen Grenzen faſt bis zum Monatsſchluſſe ſtationär. Daher dauerte vom 15. bis 19. die öſtliche Luft- ſtrömung fort, und da die Depreſſionen weit ſüdlich von den Alpen ſich fortbewegten, war das Wetter heiter und trocken, wobei die Temperatur zuerſt im Süden, nachher auch im Norden den Normalwert überſchritt. Mit der Entfernung der oben erwähnten Zone hohen Luftdrucks kamen, nord- ſüdwärts fortſchreitend, ſüdweſtliche Winde wieder zur Herrſchaft, und zwar am 20. auf dem nördlichen Gebiete, am 21. und den folgenden Tagen auch auf dem ſüdlichen. Die Depreſſionen bewegten ſich in weiter Ent— fernung im Weſten und Nordweſten Europas, und beein— flußten nur ſelten die Witterung in unſerer Gegend. So blieb das Wetter heiter, trocken und warm, wobei die Tem— peraturen ihren durchſchnittlichen Wert erheblich überſchritten. Indeſſen wurde das ruhige Wetter durch Gewitter nicht ſelten unterbrochen; ſo kamen am 23. am Nachmittage und am Abend zwiſchen Pommern und den Alpen viele Gewitter zum Ausbruche, am 25. abends fanden im ſüdweſtlichen Deutſchland elektriſche Entladungen ſtatt, am 27. entluden ſich zahlreiche Gewitter zwiſchen Kiel und Chemnitz, wobei in Kiel 22 mm Regen fielen, in der Nacht vom 29. auf den 30. wurden im weſtlichen Deutſchland vielfach Gewitter beobachtet. Die Erwärmung im letzten Monatsdrittel war nicht allein ſehr erheblich, ſondern auch von großer Ausdehnung: die britiſchen Inſeln, ganz Skandinavien, Finnland, die ruſſiſchen Oſtſeeprovinzen, Deutſchland, Oeſterreich-Ungarn hatten einen beträchtlichen Wärmeüberſchuß, dagegen war es in faſt ganz Rußland und Sibirien, ſowie im Gebiete ſüdlich von den Alpen, meiſt auch in Frankreich kälter als im Durchſchnitte. Die folgende Tabelle gibt die Abwei— chungen der Morgentemperaturen von den Normalwerten für die Zeit vom 21. bis 30. April, wobei + Wärme⸗ überſchuß, — Wärmemangel bezeichnet: Humboldt. — Juni 1885. 259 Datum Meme? Swinemünde! Hamburg | Minflee | Berlin Bresfau | A flüncken Dien Yarmouth | Patris Kom 21. F . | meeBION | m0 ON NI 22. 00 | +5,1 | +40 | +1,0 | +9,7 | +-6,1 +5,6 | +5,2 | +7,0 | +1,9 | —1,4 23. +16 | +63] 44,4 +4,2 | +52 | +4,7 | +6,0 | +25 | +20 | +1,6 | —23 24. , 8. Eo) lmestnon le 868° | sloig: | ZEoi5 | Blog 25. ee ee | 256.) e ,, e 26. e ee , 13.6) | 10) || 631 04 | 016 27. +7,1 +1,0 +1,3 +2,2 +4,6 +6,0 +5,3 +2,5 + 0,4 —0,9 42,4 28. +13,5 +3,5 +2,7 0 +5,0 stil +0,9 + 6,3 +0,4 —1,2 | +0,6 29. +0,9 +1,0 il + 0,7 + 4,6 +6,6 +0,6 +3,6 —=O)7/ —1,3 | +04 30. —3,0 —3,2 —0,4 0,0 12 +3,5 +2,2 +2,4 —0,2 — 2,6 | —0,8 Datum Bods Stodiholm | Arcdangelsh| Petersburg | Klosflau Odeſſa 1 175 Afrachan 11 Barnaul | Thutsh 21. e e 5,2 2,8 25 04 1,0 33 29, SQA) eGR) akon | Seo Sag: |) siz 0,2 12 %%% 0 23. 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(r Capric. 14 6 .d.) 6.7 gh 55™ 5 13 27 CN ll 1620 U Cephei 14% 7 mf. . c Capric. 156m fl. dl. Aſtronomiſcher Kalender. (Mittlere Berliner Zeit.) 1222 6 Libre 1520 U Cephei Merkur bleibt während des ganzen Monats dem freien Auge unſichtbar; ſeine obere Konjunktion mit der Sonne findet am 27. ſtatt. Venus iſt noch nahe ihrer Erdferne und daher zu lichtſchwach, um in der hellen Dämmerung vor ihrem Untergange als Abendſtern mit freiem Auge wahrgenommen werden zu können. Mars taucht in dieſem Monat aus den Sonnenſtrahlen auf; in den letzten Tagen erfolgt ſein Aufgang um 2 Uhr morgens. Er ſteht um dieſe Zeit ein wenig nördlich von den Hyaden. Jupiter, in den erſten Tagen noch nahe bei Regulus, entfernt ſich in rechtläufiger Bewegung von dieſem hellen Stern; er geht anfangs um 12%, zuletzt um 10 Uhr unter. Saturn iſt in den Sonnenſtrahlen verbor— gen und kommt am 18. in Konjunktion mit der in Stillſtand und wird dann rechtläufig; er geht anfangs um 1½, zuletzt um Neptun wird am Ende des Monats am Morgenhimmel wieder für Fernröhre ſichtbar. Algol, } Tauri und S Cancri find noch nahe der Sonne; von UCephei läßt fic) nur das abnehmende Licht beobachten. U Ophiuchi bietet eine Reihe von Epochen kleinſten Lichtes zu bequemen Nachtſtunden bei möglichſt Verfinſterungen der Jupiterstrabanten ſind wenige zu beobachten, weil Jupiter nur noch kurze Zeit am Beobachtbare Bedeckungen von Sternen über 6.7 Größe durch den Mond finden in dieſem Monat überhaupt Dr. E. Hartwig. 260 Humboldt. — Juni 1885. Neueſte Mitteilungen. Die einstigen Kandſtoren der Alten und der Neuen Welt. In einem Vortrage vor der British Association zu Montreal wies Dawſon darauf hin, daß in der laurentiſchen Periode das Pflanzenleben wahrſcheinlich auf beiden Seiten des Atlantiſchen Oceans durch die in gewiſſen Horizonten gefundenen Graphitlager nachgewieſen ſei. Es iſt zwar deutlich erſichtlich, daß zur Zeit, als die Lager ſich abſetzten, Land vorhanden geweſen, ob aber auch Land⸗ pflanzen exiſtierten, dafür ſind keine direkten Beweismittel vorhanden. Es kann die Kohle dieſer Lager vielleicht ganz von Waſſerpflanzen entſtanden ſein, vielleicht iſt aber auch ein Teil terreſtriſchen Urſprungs, wie einige chemiſche Argumente ſchließen laſſen. Die Löſung dieſer Frage hängt von der Entdeckung unveränderter laurentiſcher Sedi— mente ab. Die ſiluriſche Landflora ijt bekanntlich ſehr ſpärlich. Die Thatſache, daß Eopteris fic) als bloße Pyritfaſer herausgeſtellt, nimmt die Farne fort; es bleiben nur einige mit Annullaria verwandte Pflanzen, die Akrogenen der Gattung Psylophyton und die etwas fragwürdigen Pflanzen der Gattungen Pachytheca, Prototaxites und Berwynia, ſowie einige unſichere Lykopodien übrig; jedoch ſind hier wenigſtens Vorläufer der Familien der Arterophylliteen, der Lykopodiazeen und der Koniferen gegeben. Von Intereſſe iſt der Vergleich der reichen devoniſchen Floren auf beiden Seiten des Atlantiſchen Oceans. Auf beiden Kontinenten treten uns in der Fauna drei Phaſen, entſprechend dem unteren, mittleren und oberen Devon entgegen, und es herrſcht eine merkwürdige Uebereinſtim— mung derſelben in Gebieten, die ſo weit voneinander liegen wie Schottland, Belgien, Kanada, Braſilien und Auſtralien. Beiſpiele bieten hierfür die Rhizokarpeen, Lykopodien, Equiſetazeen, Farne und Koniferen. Die Zahl der zu Dadoxylon und verwandten Gattungen gehörenden Koniferen und die Fülle von Farnen, auch der baumartigen, waren beſondere Kennzeichen der mittleren und jüngeren devoniſchen Zeit. Die Flora des Devon erreichte ihre höchſte Blüte und nahm dann ab. In ähnlicher Weiſe nahm die Flora der dann folgenden Steinkohlenzeit einen kleinen Anfang, der in ſeinen Arten ganz von denen des Devon verſchieden war; fie kulminierte dann in der reichen Vege— tation der eigentlichen Steinkohlenformation, die über die ganze Erde ſich merkwürdig glich, wenn ſie auch einige intereſſante lokale Differenzen auswies, die um ſo deut⸗ licher werden, je weiter die Forſchung fortſchreitet. In der jüngeren Steinkohlenzeit nimmt die Flora an Fülle ab, und das permiſche Zeitalter zeigt, ſoweit man weiß, eher einen Niedergang als eine Zunahme neuer Formen. Während der Silurzeit ſcheinen die Bedingungen den Pflanzen nicht ſehr günſtig geweſen ju fein, jedoch zeigen die wenigen bekannten Formen zwei Typen von Akrogenen und einen auf die Gymnoſpermen leitenden, auch iſt kein Grund vorhanden, die Exiſtenz von Inſeln, die reich mit den wenigen Pflanzenformen bedeckt geweſen ſein mögen, zu bezweifeln. In der devoniſchen und in der Steinkohlenzeit ſcheinen zwei große Wellenbewegungen des Pflanzenlebens aufgetreten zu ſein, die vom Norden her ſich über die Kon— tinente bewegten, und durch eine Periode von verhältnismäßig großer Sterilität getrennt waren; jedoch führten ſie keinen weſentlichen Fortſchritt in der Pflanzenentwickelung herbei, ſo daß die Flora der ganzen paläozoiſchen Zeit eine große Einheit, ja ſogar Monotonie der Formen aufweiſt und ſich deutlich von denen der ſpäteren Perioden unterſcheidet. Noch bleiben die leitenden Familien der Rhizokarpeen, Equiſetazeen, Lykopodiazeen, Farne und Koniferen, welche in den paläozoiſchen Zeiten aufgetreten waren, und die Veränderungen, welche aufgetreten ſein mögen, beſtehen beſonders in der Abnahme der drei erſtgenannten Familien und dem Auftreten neuer Typen von Gymnoſpermen und Phanerogamen; dieſe, in der permiſchen und älteren meſo— zoiſchen Periode nur langſam und kaum bemerkbar fort⸗ ſchreitenden Veränderungen ſcheinen dann in der ſpäteren meſozoiſchen Zeit auffallend beſchleunigt zu ſein. Be. Stellung der Sigillarien. Seit langer Zeit waren die Paläontologen im Streit über die Stellung der Sigil- larien. Während die eine Hälfte der Gelehrten, wie Binney, Carruthers, Williamſon u. ſ. w. dieſelben zu den Gefäßkryptogamen in die Nähe der Lepidodendreen ſtellten, zogen ſie Renault, Grand Eury u. a. nach dem Vorgange Ad. Brongniarts zu den Phanerogamen. Renault rechnete ſie insbeſondere zu den Cycadeen. Für dieſe letztere Anſicht ſprach nach den genannten Forſchern der Umſtand, daß das Holz der Sigillarien (wie auch von Sphenophyllum) zwiefacher Art war, daß neben einem primären centripetalen Holze auch ein ſekundäres centri- fugales Holz exiſtierte. Dieſer Umſtand fällt jedoch weniger in das Gewicht, ſeit Ruſſow 1872 nachwies, daß auch bei Kryptogamen (Botrychium) ein ganz entſprechender Bau des Holzkörpers vorkommt, daß alſo die Sigillarien ganz gut zu den Kryptogamen gehören können. Für dieſe letztere Stellung ſprechen auch eine Anzahl wohlerhaltener Fruchtzapfen, welche neuerdings in den Kohlenablagerungen des nördlichen Frankreichs, wo Sigil— larien häufig vorkommen, gemacht und von R. Zeiller unterſucht wurden. An einer Art dieſer Fruchtzapfen, welcher als Sigillariostrobus Tieghemi bezeichnet wurde, finden ſich zahlreiche ſpitze Blätter. Ihre Baſis iſt deutlich erkennbar und unterhalb derſelben tritt auch das mit Querrunzeln verſehene Blattkiſſen hervor. Die Blattkiſſen, deren Um⸗ riſſe geſchlängelt find, ſtehen in vertikalen Reihen über⸗ einander. Die Blattſpur bildet hexagonale Zeichnungen, deren untere Seiten abgerundet, deren obere Hälften mehr zuſammengezogen und leicht ausgebuchtet ſind. Jedes Blatt beſitzt einen zwiſchen zwei ſehr genäherten parallelen Längs⸗ falten verlaufenden Mittelnerv. Alle dieſe Erſcheinungen deuten mit größter Wahrſcheinlichkeit auf Sigillaria. Am Ende des Stieles erſcheinen die Blattbildungen als einnervige Brakteen von eilanzettlicher Form. An ihrer Baſis zeigen ſich zahlreiche, runde, einzellige Körper— chen von 0,002 m Durchmeſſer, welche je 3 unter einem Winkel von 120° zuſammenſtoßende Streifen erkennen laſſen und ſo ganz mit den Sporen der Heteroſporen Lykopodineen (Selaginella, Isoétes), beſonders mit den Makroſporen von Isoétes übereinſtimmen. Neben jenem Sigillariostrobus Tieghemi werden noch 8. Souichi, S. nobilis, S. Goldenbergi und 8. strictus erwähnt. Glr. Kongoſtaat. Der König der Belgier iſt von den Kammern ermächtigt worden, die Souveränität über den Kongoſtaat auszuüben. Kr. Die Weltausſtellung in Antwerpen iſt e Mai feierlich eröffnet worden. Ausbruch des Veſuv. Auf dem Veſuv, ee in der letzten Zeit wieder ſehr unxuhig iſt, haben ſich ober— halb der höchſten Eiſenbahnſtation zwei Krater geöffnet, aus welchen ſich Lavaſtröme in der Richtung auf den Raum zwiſchen Torre del Greco und Pompeji ergießen. Kr. St. Vincent (Kap Verdeſche-Inſeln). Der berühmte Reiſende Generalkonſul Nachtigal iſt an Bord der „Möwe“ auf hoher See am 20. April am Wechſelfieber geſtorben und am 21. April auf Kap Palmas begraben worden. Kr. Verſammlung deutſcher Philologen und Schul- männer. Die 38. Verſammlung deutſcher Philologen und Schulmänner wird dieſes Jahr in den Tagen vom 30. September bis 3. Oktober in Gießen abgehalten werden. Präſidium: Schiller und Oncken. Kr. Die ELOweoen we mw ee e wi} ton Prof. Dr. A. von Laſaulx in Bonn. o zahlreich auch die Schilderungen der Schreckensſcenen, welche die Erdbeben von Andaluſien Ende Dezember 1884 begleitet haben, ſchon in den erſten Tagen nach se Eintritte der für fo viele Menſchen, ihre Woh— nungen und ihr Glück vernichtenden Vorgänge be— kannt wurden, und auch nachher noch durch eingehen— dere Angaben über Größe und Ausdehnung der Zer— ſtörung ergänzt wurden?), jo waren doch die meiſten in jenen Berichten enthaltenen Angaben kaum ge— eignet, die geologiſche Thatſache der Erdbeben daraus klar zu ſtellen und in ihren urſächlichen Be— ziehungen zu erkennen. Um eine zuverläſſigere Darſtellung der geologiſchen Elemente jenes Naturereigniſſes, darunter die Art der Bewegung, ihre Fortpflanzung, ihre Emergenz, die Lage der erregenden Stelle u. dergl. mehr ver— ſtanden, ſowie endlich der kauſalen Beziehungen zu Gebirgsbau, und zu anderen etwa wirkſamen Einflüſſen geben zu können, müſſen die genaueren, amtlichen und wiſſenſchaftlichen Erhebungen der Thatbeſtände abgewartet werden. Bisheran iſt darüber nichts Aus⸗ führliches publiziert worden. Aber dennoch laſſen ſich auch ſchon aus den all— gemeinen Erſcheinungen gewiſſe, keineswegs unbegrün— dete Schlüſſe auf die Urſachen der ſeismiſchen Er— regungen ziehen. An der Hand der wenigen bisher vorliegenden, aus ſpaniſchen Quellen entnommenen Angaben, be— ſonders auf Grund eines Vortrages, den der als Petrograph und Geologe rühmlichſt bekannte Don ) Vergl. z. B. die intereſſanten Schilderungen des Berichterſtatters der Kölniſchen Zeitung im Monate Fe— bruar d. J Humboldt 1885. Joſé Macpherſon im Athenäum zu Madrid im Februar d. J. gehalten hat, möge im folgenden der Verſuch gemacht werden, wenigſtens auf die wahr— ſcheinliche Urſache der gewaltigen Erſcheinung hinzu— weiſen. Das Gebiet von Spanien, in welchem die Erd— beben überhaupt gefühlt wurden, umfaßt ganz Anda— luſien und einen beträchtlichen Theil der centralen Hochebene Spaniens, welche in der carpetaniſchen Kette, jenes von O nach W ſich hinziehenden kaſti— liſchen Scheidegebirges endigt. Die äußerſten Punkte, bis zu welchen die Bewegung überhaupt noch fühlbar ſich fortgepflanzt hat, find Molena de Aragon und Madrid im Norden, Liſſabon im Weſten und Valencia im Oſten, hier noch mit einer gewiſſen Kraft, ſo daß die Waſſer aus Brunnen geſchleudert wurden). In dieſem ganzen bewegten Gebiete war natürlich die Intenſität der Erſcheinung außerordentlich verſchieden. Es laſſen ſich drei getrennte Erſchütterungszonen mit nach Süden zunehmender Stärke der Bewegung unter— ſcheiden. Die eine, nördlichſte, iſt begrenzt vom Thale des Guadalquivir und der genannten Nordgrenze des bewegten Oberflächengebietes überhaupt, der Cor— dillera Carpetana; in dieſer war die Erſchütterung nur eine geringe. Die zweite Zone umfaßt ganz Andaluſien ſüdlich vom Guadalquivir. Endlich die dritte, die Zone der größten Intenſität oder die pleiſtoſeiſte Zone, innerhalb welcher die Erſcheinung faſt überall von wahrhaft erſchreckenden Zerſtörungen gefolgt war, reicht ſüdlich an die Küſte des Mittel— ländiſchen Meeres und umfaßt das Gebiet, das einer— ſeits gegen O von der Sierra Nevada und andererſeits ) F. de Botella, Observations sur les tremble- ments de terre de ]’Andalusie. Compt. rend. 1885. 196. 34 262 Humboldt. — Juli 1885. gegen W von der Serranja de Ronda begrenzt wird. Dieſes Gebiet iſt auf der nachfolgend beigegebenen Kartenſkizze zur Darſtellung gekommen. Dieſes Ge- biet ſchiebt ſich demnach in transverſaler Richtung, das iſt ſenkrecht zur Generalſtreichlinie der Cordillera Betica in dieſe ein. Das Gebiet gehört zu den Pro— vinzen Malaga und Granada. Es iſt ein faſt durch— weg ſtark gegliedertes, ſchroffes Gebirgsland. Nörd— lich von Malaga ziehen die in ſteilen Wänden und ſcharfen Gipfeln aufragenden Ausläufer der weſtlich gelegenen Serrania de Ronda hindurch, an welche ſich dann nach kurzer Unterbrechung die Sierra Tejea und Sierra Almijara, nordöſtlich von Malaga und ſüdlich von Granada anſchließt, die Grenze zwiſchen dieſen beiden Provinzen bildend. Gerade dieſe Sierren bezeichnen, wie im folgenden gezeigt werden ſoll, das für die Erſcheinungen wichtigſte Gebiet, da letztere hier ihren Ausgang genommen. Dieſe Sierren zeigen in ihren Gipfeln einen kettenförmig von WNW bis ONO gerichteten Verlauf. Sie fügen ſich nahe der Küſte des Mittelländiſchen Meeres an die ſüdlichen Teile der Sierra Nevada an, welche man auch als die Küſtenkette dieſer bezeichnet, der Landſtrich, der unter dem Namen Las Alpujarras bekannt und ganz beſonders durch feine wilde Naturſchönheit bevorzugt iſt. In dieſem orographiſch ſo ſtark gegliederten und geologiſch ſehr verſchiedenartig zuſammengeſetzten Ge— biete, dem beſten Teile des goldenen Andaluſiens, lag der Mittelpunkt der zerſtörenden Erdbeben. In dieſem meiſterſchütterten Gebiete laſſen ſich wieder drei getrennte Zonen der Erſchütterung unter— ſcheiden. Die ſchraffierten Teile der Karte zeigen die meiſterſchütterten Zonen an. Die beiden erſten und wichtigſten ziehen ſich zu beiden Seiten der Sierras Tejea und Almijara hin, die eine nordöſtlich, die an— dere ſüdweſtlich dem Kamme derſelben folgend. Im Norden wird die Zone durch die Namen der von faſt gänzlicher Zerſtörung heimgeſuchten Orte Alhama, Santa Cruz und Arenas de Rey bezeichnet. Im Süden ſtreicht die zweite Zone, ebenfalls dem Rücken der Sierra Tejea parallel über die zerſtörten Orte: Alfarnatejo, Periana, Zafarraya, Alcaucin und Canillas de Aceituno. Die dritte Zone im Gebiete heftigſter Erregung liegt weiter nach SO, am Fuße der Sierra Nevada und wird durch die Orte Albunuelas, Murchas und Beznar bezeichnet. Von der zweiten der genannten drei Zonen aus nimmt nach SW Kfortſchreitend die Bewegung an— ſcheinend ſchnell ab. Es ſchiebt ſich, wieder in der Richtung von NW bis SO verlaufend, eine Zone geringerer Intenſität ein, welche über die Orte Col— menar, Riogordo, Vinuelas, Arenas, Sayalonga ſich erſtreckt. Aber die Abnahme iſt keineswegs eine kontinuier— liche, es folgt wieder eine Zone anſchwellender Er— regung mit überaus heftigen Wirkungen, einer wieder von NW nach SO ſich ziehenden Linie entſprechend, welche die Orte Nerja und Caſabermeja verbindet. In dieſer Zone war die Erſchütterung, wenn auch nicht ſo heftig wie auf beiden Seiten der Sierra Tejea, ſo doch immerhin noch ſtark genug, um die Zerſtörungen zu Velez Malaga, Torrox, Algarrobo, Benamargoſa, Comares und Frigiliana zu veranlaſſen. Eine weniger bewegte Zone folgt dieſer und dann wieder eine Zone anſteigender Intenſität, welche einer Linie durch die Orte Moclinejo, Benagalbon, Iznate und Totalan entſpricht, welche alle wieder bedeutende Zerſtörungen erlitten haben. Auch in der Zone, welche durch die Orte Malaga, Pizarra, Cartama und Almogia bezeichnet wird, war die Intenſität noch eine recht eindrucksvolle und zum Teil zerſtörende. Aber im allgemeinen iſt trotz der ſich wiederholenden Anſchwellung und Abſchwächung der Wirkungen doch deutlich zu erkennen, wie die Wellen der Bewegung mit im ganzen abnehmender Intenſität nach SW verlaufen. Mit der Annäherung an das Maſſiv der Serra— nia de Ronda läuft die Bewegung anſcheinend all— miählich aus oder ſcheint wenigſtens in dieſem felſigen Maſſive wirkungslos ſich zu verlieren. Aber ein be- merkenswerter Umſtand ijt der, daß nachdem die Erd— bebenwelle die Serrania de Ronda durchlaufen hat, jenſeits derſelben gewiſſermaßen ein iſolierter Herd in den Umgebungen der Orte Caſares und Eſtepona ſich bildet, in welchem die Erſchütterung doch noch einmal zu einer ſolchen Stärke wieder aufflackert, daß ſie beträchtlichen Schaden anzurichten vermag. Auf der Nordoſtſeite der Sierra Tejea, von der aus wir bisher nach der ſüdweſtlichen Seite vor— ſchritten, iſt der Verlauf der Erſchütterung über eine erſte heftigſt erſchütterte Zone hinaus nicht weiter zu verfolgen, weil hier ſehr bald das Gebirgsmaſſiv der Sierra Nevada ſich vorlegt, in welches hinein das Erdbeben nur mit geringer Intenſität eingedrungen zu ſein ſcheint und aus welchem Gebiete zudem die Beobachtungen fehlen. Vom Centrum und Urſprungs—⸗ gebiete der Bewegung aus iſt alſo das Oberflächen— gebiet oder die Propagationsform eine durchaus un- ſymmetriſche. Auf der SW.-Seite liegt die noch ſtark er— ſchütterte Zone von Caſares und Eſtepona 15 geogr. Meilen entfernt, während auf der NO -Seite bis zur Sierra Nevada kaum 8 geogr. Meilen bleiben. Die Länge der meiſterſchütterten Zone von SW bis NO beträgt ca. 25 geogr. Meilen, während die Breite kaum 8—10 Meilen betragen dürfte. Während von dem meiſterſchütterten Gebiete aus nach N die Be⸗ wegung fühlbar bis zur Schwelle der carpetaniſchen Kette, bis über Madrid hinaus, alſo über 50 geogr. Meilen weit ſich fortpflanzte, macht im Süden das Mittelländiſche Meer ſehr ſchnell, wenn nicht der Fort pflanzung der Bewegung, ſo doch ihrer Wahrnehm— barkeit ein Ende. i Jedenfalls aber gewähren die Angaben bezüglich der Propagationsform der inneren Zone des anda⸗ luſiſchen Erdbebens das Bild einer, von linear ge⸗ ſtaltetem, nahezu in einer Richtung von WNW bis 080 gelegenen Urſprungsgebiete nach beiden Seiten mit rhythmiſch anſchwellender und abnehmender In— tenſität ſich fortpflanzenden Bewegung. (Vgl. die Karte.) Von ganz beſonderer Bedeutung erſcheint es des- Humboldt. — Juli 1885. 263 halb, dieſes Urſprungsgebiet bezüglich ſeiner geo— logiſchen Beſchaffenheit und Stellung zu den Nachbar— gebieten näher ins Auge zu faſſen. Wenn man einen Blick auf eine geologiſche Karte von Spanien?) wirft, fo erkennt man fofort eine große geologiſche Scheidelinie, welche von der Nord— küſte Galiciens in der Richtung von NW bis SO durch die ganze iberiſche Halbinſel bis zu den Küſten des Mittelländiſchen Meeres verläuft. Weſtlich und öſtlich dieſer Linie iſt die geologiſche Beſchaffenheit eine weſentlich verſchiedene. Weſtlich in viel durch— furchtem Gebirgslande die ausgedehnte Verbreitung altkryſtalliniſcher und der älteſten ſedimentären, der cambriſchen und ſiluriſchen Formationen, wie ſie den größten Teil der Provinzen Galicien und Aſturien und den nördlichen Teil des Königreichs Portugal zuſammenſetzen, öſtlich die weite Hochebene von Alt— und Neukaſtilien, in welche nur ein Zweig der alt— kryſtalliniſchen Formationen, die ſchon genannte Cor— dillera Carpetana (hier vorzüglich die Sierra Guada— rama nördlich von Madrid) den nördlichen und ſüd— lichen Teil des Hochlandes ſcheidend hinübergreift, ſonſt faſt ausſchließlich bedeckt von weit ausgedehnten Ablagerungen der jüngſten geologiſchen Formation, des Tertiärs, aus welchem nur hier und da die Schichten der Kreideformation, des Jura und der Trias ſich her— vorheben. Weſtlich eine alte hochliegende kryſtalliniſche Landſcholle, öſtlich eine tief abgeſunkene Scholle, über welcher nach und nach die Sedimente aller älteren und jüngeren Formationen zu mehr oder weniger ausgedehnter Ablagerung gekommen ſind. So charakteriſiert ſich jene große, orographiſch und geologiſch deutlich hervortretende Scheidelinie als eine gewaltige Verwerfungsſpalte, welcher folgend auch die mächtigen Granitausbrüche ſich ereigneten, welche ebenfalls von Galicien bis zum Thale des Guadal— quivir faſt ohne Unterbrechung ſich hinziehen. Während die archäiſchen Schichtenſyſteme, wie ſie z. B. vorzüglich am Aufbau der Cordillera Carpe— tana beteiligt ſind, in Falten zuſammengeſchoben er— ſcheinen, welche der Streichrichtung der ganzen Kette entſprechend von NO bis SW jtreidjen, find die über dieſen folgenden und ihnen zum Teil beiderſeitig angelagerten älteſten ſedimentären Bildungen der cambriſchen und ſiluriſchen Formation in einer dazu ſenkrechten Richtung gefaltet, ſo daß alſo dieſe Falten von NW bis SO ſtreichen. Dieſes Geſetz der Fal— tung laſſen z. B. ganz beſonders die ſiluriſchen Quarzit— züge erkennen, welche einen großen Teil des Bodens der Mancha, von Eſtremadura und der Sierra Mo— rena zuſammenſetzen. Mit der Faltung dieſer Schichten— ſyſteme ſcheint auch die Bildung jener großen Ver— werfungsſpalte erfolgt zu ſein. ) Die neueſte Karte ijt: Mapa geologico de Es- pana y Portugal por Don Federico de Botella y de Hornos. Madrid, 1879. Maßſtab 1: 2000000. Nicht geol. koloriert, aber wegen des größeren Maßſtabes beſſer geeignet die erſchütterten Gebiete zu betrachten, iſt die Karte von Espana y Portugal por Don Emilio Valverde y Alvarez. Madrid, 1881. transverſal zu der Geſamtkette aufweiſt. In ihrem ſüdlichen Verlaufe trifft dieſelbe jenſeits des großen Thales des Guadalquivir auf die Kette von Gebirgen, welche unter dem Namen der Cordillera Betica zuſammengefaßt werden. Dieſe Cordillera, von recht kompliziertem Bau, iſt geologiſch in zwei ganz verſchiedene Teile zu trennen, einen äußeren nordweſtlich gelegenen und einen inneren, weil geo— logiſch den Gebirgskern darſtellend, welcher das Mittel— ländiſche Meer ſäumt. Die Verſchiedenheit iſt ſo groß, daß man wohl auch die erſtere als Cordillera Betica von der letzteren durch den Namen unter— ſchieden hat, indem man dieſe Cordillera Penibetica nannte. Die äußere oder nordweſtliche Kette iſt aus einer Reihe flacher Falten in den Schichtenſyſtemen der ſe— kundären und tertiären Formationen gebildet, welche von den weitvorſpringenden Caps de la Nao und San Antonio bis in die Provinz Cadirx ſich hinzieht. Dieſe Faltenreihe bildet eine Folge unzuſammen⸗ hängender Sierren, welche die Waſſerſcheide zwiſchen dem Guadalquivir und den Zuflüſſen des Mittellän— diſchen Meeres bilden. Die innere oder Küſtenkette der Cordillera Betica fügt ſich aus einer Reihe unabhängiger Maſſive von kryſtalliniſchen Geſteinen zuſammen, von denen in dem Teile der Küſte zwiſchen Cabo de Gata und Gibraltar drei beſondere Bedeutung und ausgeprägte ſelbſtän— dige Geſtaltung haben. Es find dieſe: das Maſſiv der Sierra de los Filabres nordöſtlich von Almeria, das der Sierra Nevada und das der Serrania de Ronda. Dieſe drei großen Gebirgsmaſſen ſind vorzüglich aus kryſtalliniſchen Schiefern der archäiſchen Formation zuſammengeſetzt. Zwiſchen den beiden letzteren liegt, wie ſchon erwähnt, das meiſterſchütterte Gebiet des Erdbebens. 8 Während alſo ſowohl die Sierra Nevada als auch die Serrania de Ronda in ihren centralen Teilen aus archäiſchen kryſtalliniſchen Geſteinen aufgebaut ſind, erſcheint in dem Raum zwiſchen ihnen eine ziemlich mannigfaltige Zuſammenſetzung aus jüngeren For— mationen verſchiedenen Alters, welche offenbar die archäiſche Formation überlagern, da dieſe in der kleinen Gebirgskette, welche als Sierra Tejea und Sierra Almijara bezeichnet wird, in der Mitte aus jenen her— vorragen. a Die Serrania de Ronda iſt aus einer Reihe ar— chäiſcher Falten aufgebaut, welche von NO bis SW alſo der Richtung der ganzen Cordillere parallel ſtreichen und welche mit mächtigen Serpentinmaſſen verbunden ſind, die aus der Umwandlung alter, olivin— reicher Eruptivgeſteine hervorgingen. Die Sierra Ne— vada zeigt in ihrem ganzen Gebirgsbau eine ähnliche Struktur, eben ſolche von NO bis SW gerichtete Faltungen. Die Gipfel der Sierren Tejea und Almijara er— ſcheinen zwar ſo angeordnet, daß dieſe kleine, aus den beiden Sierren ſich zuſammenfügende Cordillere eine Streichrichtung des Kammes von NW nad SO, alſo Aber die 264 Humboldt. — Juli 1885. Falten im inneren Bau dieſer Sierren find ebenſo angeordnet, wie in der Sierra Nevada und der Ser— rania de Ronda, d. h. fie ſtreichen von NO bis SW. So wird es ein— leuchtend, daß dieſe Bergmaſſe nur als ein iſoliertes Bruch— ſtück der Geſamtkette der Cordillera Betica anzuſehen iſt, welches ſeine transverſale Geſtaltung nur dem Umſtande verdankt, daß es zu beiden Sei— ten von transverſal durch die Cordillere hindurchſetzenden Senkungsgebieten eingefaßt iſt, welche jenes aus dem alten Zuſammenhange ge— löſt haben. Dieſe beiden Sen— kungsgebiete ſind aber durch trans— verſale Spalten be- dingt, deren Verlauf genau in die Verlän⸗ gerung jener großen tektoniſchen Linie fällt, welche vorhin erörtert wurde. In dieſen Spalten, alſo zu beiden Seiten der Sierra Tejea iſt der erregende Herd des andaluſiſchen Erdbebens gelegen und dieſes iſt demnach als ein tektoniſches oder ein Spalten— beben zu bezeichnen. Der Verlauf der Erſchütterung erfolgt in Zonen, welche zu der Streichrichtung der Gebirgsſchichten transverſal geſtellt ſind, wie dieſes im vorhergehenden aus— führlich erörtert wurde. Dagegen iſt die Fortpflanzungs— und wahrſcheinlich auch die in den einzelnen Zonen wahrgenommene Stoß— richtung eine longitudinale d. d. in der Streichrichtung der Gebirgsſchichten gelegene. Es liegt demnach ein Erd— beben vor, welches dem dritten Typus der von Heims) *) Heim, Ausland 1882, Heft 4, auch v. Laſaulx' unterſchiedenen ſchweizeriſchen Erdbeben entſpricht: transverſales Beben mit longitudinaler Stoßrichtung. Daß in der Richtung der longitudinal verlaufenden Bewegung Zonen fc : : ſtärkerer und ſchwä⸗ cherer Wirkung we- nigſtens nach der ſüd— weſtlichen Seite hin aS in mehrfacher Wie⸗ fa derholung abwech— | ſeln, dafür glaubt — | Macpherfon die je Urſache in dem Vor⸗ = handenſein einer Reihe von transver- ſalen mit der erregen— den parallel verlau⸗ 9 fenden Spalten zu ö finden. Dort wo in 2 den Tiefen des Ge⸗ — birges eine hierdurch i bedingte Löſung der io) Kontinuität obwal⸗ 2 — Ce Z tet, liegen nach ihm jedesmal die Zonen ſtärkerer Bewegung. Daß aber für die Art der Fortpflan- zung und die damit verbundene Intenſi—⸗ tät der Aeußerung nicht nur jene im In⸗ nern des Gebirgskör⸗ pers vorhandenen tektoniſchen Inter— valle, ſo möchte man ſagen, von großem Einfluſſe geweſen, ſondern daß auch die Beſchaffenheit der Oberfläche hierauf ganz bedeutend ein— gewirkt hat, das ſcheint vor allem das iſolierte und am wei— teſten nach SW Tie- gende, aber noch zur pleiſtoſeiſten Zone, ſoweit dieſe durch die Größe der Zerſtö— rung charakteriſiert iſt, zu rechnende Schüttergebiet von Eſtepona und Ca⸗ ſares zu beweiſen. Denn während die aufragende feſte Felsmaſſe der Serranjia de Ronda wie ein Grenzwall gegen die Fortpflanzung der Erſchütte— Artikel Erdbeben in Eneyklopädie der Naturwiſſ. Min. Paläont. Geol. Bd. I, S. 337. Humboldt. — Juli 1885. rung ſich verhalten hat, ſcheint dieſelbe über dem ſchmalen Raume, welchen die tertiäre Formation in einer Ablagerung von marinem Pliocän zwiſchen jener Gebirgsmaſſe und dem Mittelländiſchen Meere bildet, fortlaufend jenſeits der Serrania de Ronda die er— loſchene Kraft noch einmal wieder gewonnen zu haben und damit auch noch imſtande geweſen zu ſein, das Flußthal des Guardiaro aufwärts bis über Caſares hinauf zu ſteigen und ſo gewiſſermaßen unter dem ſüdlichen Fuße des ſerpentinreichen Maſſivs in deſſen ganzer Breite merklich und zum Teil bis zur Zer— ſtörung fühlbar, wieder aufzutauchen. Auch darin aber ſcheint das Erdbeben von Anda— luſien den Charakter eines tektoniſchen Bebens zu bewahrheiten, daß nicht ein einziger Stoß in die Er— ſcheinung trat, ſondern daß eine ganze Reihe einzelner, durch mehrere Monate und auch noch jetzt fortdauernder Stöße ſich folgte. Auch nicht zum erſtenmal iſt ge— rade das Gebiet dieſes Erdbebens heimgeſucht, ſon— dern auch in früheren Zeiten haben eine größere Zahl von Erdbeben, die einen heftiger, die anderen weniger ſtark, hier ſich ereignet. In ſeiner Erdbebenchronik führt von Hoff aus dieſem Jahrhundert ganz beſonders die Jahre 1804, 1822, 1824, 1826 an, außerdem Alexis Perrey in ſeinen wertvollen Erdbebenkatalogen noch die Jahre 1823, 1828, 1829, 1836, 1841, 1845, in welchen ſich Erdbeben in den Provinzen Granada und Ma— laga ereigneten. Im Jahre 1804 am 25. Auguſt brachte ein Erdbeben zum Teil große Zerſtörung ge— rade über dieſelben Orte, die auch dieſesmal betroffen wurden. Im Jahre 1826 folgten ſich die Erderſchüt— terungen ebenfalls durch mehrere Monate hindurch. 265 Am 21. März 1829 verurſuchte ein Erdbeben, frei— lich nicht eigentlich in den jetzt betroffenen Provinzen, ſondern weiter nach NO im Thale der Segura und in der Provinz Valencia den Einſturz von 3000 Häu— fern und den Tod von 389 Menſchen, man zählte damals bis zum 26. März 40 —50 Stöße täglich und die Erdbeben dauerten bis zum 16. April jenes Jahres fort. Auch aus früheren Jahrhunderten fehlt es nicht an Angaben über Erdbeben in dieſem Gebiete. Im Jahre 1680 ereigneten ſich ſolche mit verwüſtender Wirkung zu Malaga und im Königreich Granada. Auch im unmittelbaren Gefolge des großen Erdbebens von Liſſabon (1. Nov. 1755) wurde Andaluſien am 4. November desſelben Jahres von einem heftigen Erdbeben heimgeſucht, welches vielleicht als ein Relais— beben) des gewaltigeren vorausgegangenen bezeichnet werden kann. Perrey führt außerdem noch in den Jahren 1775, 1777, 1778, 1783, 1790 Erdbeben in den Provinzen Malaga und den Nachbargebieten auf. So wenig aber, wie das gegenwärtige Erdbeben das erſte in dem Gebiete der tektoniſchen Vorgänge der Cordillera Betica geweſen, ebenſowenig dürfte es das letzte ſein. Denn es liefert in ſeiner ganzen Er— ſcheinung den Beweis, daß die gebirgsbildenden Be— wegungen in derſelben noch keineswegs zum Abſchluß gekommen, ſondern zeitweiſe noch zu ſo beträchtlichen Spannungen im Gebirgskörper führen, daß deren Auslöſung die Werke der Menſchenhand zu Trümmern wirft gleich Kartenhäuſern und ihn ſelbſt unter den— ſelben begräbt. *) v. Laſaulx, 1. e. S. 364. Die Sorge für die Brut im Pflanzenreich. Von Prof. Dr. G. Haberlandt in Graz. Im Lebenslaufe eines jeden Organismus, der über — die erſten Anfänge der morphologiſchen Diffe— renzierung und der Anpaſſung hinaus iſt, kommen einmal oder nach beſtimmten Intervallen jene mannig— faltigen Erſcheinungen zur Geltung, welche der Aus— druck eines die Schranken der individuellen Exiſtenz durchbrechenden Lebensdranges ſind und die man, ſo— weit ſie das erſte Gedeihen der jungen Nachkommen— ſchaft gewährleiſten, als „Sorge für die Brut“ be— zeichnen kann. Selbſtverſtändlich repräſentieren alle hierher gehörigen Erſcheinungen zugleich die Sorge für die Erhaltung der Art; allein nicht alle das letzt— genannte Ziel anſtrebenden Erſcheinungen kommen auch der unmittelbaren Nachkommenſchaft des einzelnen Individuums zu gute. So ſind z. B. die verſchieden— artigen Verbreitungsmittel der Samen und Früchte, die flügel- und federartigen Anhängſel, die Schwimm— und Haftorgane, für die Ausbreitung und mithin für die Exiſtenz der ganzen Art von allergrößter Bedeutung; für das Fortkeimen der Keime ſind ſie aber oft ver— derbenbringend. Mancher Same wird vom Wind auf ein zur Keimung gänzlich ungeeignetes Subſtrat getragen, auf unfruchtbare Felſen ausgeſetzt, ins Meer geſchleudert u. ſ. f. Um ſo notwendiger wird des— halb die Sorge für die Brut, damit die Preisgabe einer nicht geringen Anzahl von Nachkommen durch ein um ſo geſicherteres Gedeihen der unter günſtige Wachstumsbedingungen gelangten Keime wieder aus— geglichen werde. Im Pflanzenreiche ſind es hauptſächlich zwei 266 Humboldt. — Juli 1885. Reihen von Erſcheinungen, welche die Sorge für die Brut repräſentieren. In die erſte Reihe gehören alle jene mannigfaltigen Einrichtungen, welche den Keim im ruhenden Zuſtande ſowie in den erſten Keimungs— ſtadien vor mechaniſchen Beſchädigungen und dem Ein— fluſſe der Atmoſphärilien ſchützen ſollen. Die zweite Reihe dagegen umfaßt jene Erſcheinungen, welche zum Zwecke haben, den jugendlichen Organismus für die erſte Zeit des Wachstums mit den hierzu notwendigen Bauſtoffen auszuſtatten. Wir wollen zunächſt jene erſte Reihe von Cin- richtungen kennen lernen. Schon bei den niedrigſten Pflanzenformen, den Bakterien oder Schizomyceten läßt ſich beobachten, daß die Fortpflanzungszellen, die „Sporen“, deren Bildung vor allem bei eintretendem Rahrftoffmangel erfolgt, mit einer zwar dünnen, doch feſten und derben Membran umgeben ſind. Ihr ver— dankt die Spore zum guten Teil jene auffällige Widerſtandskraft gegenüber ſchädlichen äußeren Ein— flüſſen, welche ſie befähigt, ein oft langes, wechſel— volles Ruheſtadium zu überdauern. Bei den Algen und Pilzen beſitzt die Sporenmembran bereits einen höheren Grad der Differenzierung. Einer farbloſen, glatten, weichen Innenhaut, dem Endoſporium, iſt eine derbe, oft in verſchiedener Weiſe gefärbte Außenhaut, des Exoſporium, aufgelagert, deren Oberfläche gewöhnlich mit nach außen vorſpringenden Warzen, Stacheln oder Leiſtchen verſehen iſt; dieſe Außenhaut iſt die eigentlich ſchützende Hülle. Aehn— lich, aber zum Teile noch komplizierter ſind die Sporen— häute der Mooſe und farnartigen Pflanzen gebaut. Nicht ſelten wird hier, wie neuerdings Leitgeb) nachwies, das eigentliche Exoſporium noch durch eine beſondere Haut verſtärkt, welche durch Metamorphoſe aus der innerſten Membran-Lamelle der ſogenannten Specialmutterzelle hervorgeht und das Exoſporium in ſeiner Funktion als ſchützende Umhüllung unter⸗ ſtützt. Bei den phanerogamen, ſamenbildenden Pflanzen ſind die ſchützenden Samen- und Fruchtſchalen bereits ganze Gewebekomplexe, deren hiſtologiſcher Bau nicht ſelten ſehr kompliziert iſt. Wenn ſich jemand das Vergnügen bereiten wollte, recht ſonderbare, intereſſante Zellformen im Pflanzenreiche aufzufinden, ſo würde man ihm in erſter Linie die eben genannten Organe zum Studium empfehlen dürfen. In der That findet man bei den höher entwickelten Pflanzen nur ſelten eine ganze Reihe bemerkenswerter Anpaſſungsmerk— male auf einen ſo engen Raum zuſammengedrängt, als wie im Gewebe der Frucht- und Samenſchalen. Eines der wichtigſten dieſer Merkmale, die Ausbil— dung einer fogenannten „Hartſchicht“, wird durch die bedeutenden Feſtigkeitsanſprüche bedingt, welchen die Frucht- oder Samenſchale genügen muß! ). Dieſe *) H. Leitgeb, Ueber Bau und Entwickelung der Sporenhäute, Graz 1884. ) Vgl. R. Marloth, Ueber mechaniſche Schutz— mittel der Samen gegen ſchädliche Einflüſſe von außen. Englers bot. Jahrbücher, Bd. IV. 1883. Inanſpruchnahme iſt in der Hauptſache eine doppelte: Es handelt ſich erſtens um die Herſtellung einer ge— wiſſen Druckfeſtigkeit, welche den Samen vor dem Zerdrücktwerden bewahrt, und zweitens iſt eine all: ſeitige Zugfeſtigkeit der Schale erforderlich, damit die- ſelbe bei der dem Keimungsprozeſſe vorausgehenden Quellung der Samen nicht vorzeitig Riſſe bekomme. Zur Herſtellung der Druckfeſtigkeit ſind die Zellen der Hartſchicht beſonders häufig in Form von ſenk— recht zur Oberfläche des Samens geſtellten Prismen ausgebildet, welche mit ihren ſtark verdickten Wan⸗ dungen ſeitlich feſt untereinander verbunden ſind und ſo eine druckfeſt gebaute Palliſadenſchicht bilden. Als Beiſpiele erwähne ich hier die Samen und Früchte der Leguminoſen, Malvaceen, Euphorbiaceen und vieler Polygoneen. — Die allſeitige Zugfeſtigkeit der Frucht- und Samenſchale kommt gleichfalls nicht ſelten durch Anwendung eines ſpeciellen Bauprincipes zuſtande. Dasſelbe beſteht darin, daß die mechaniſch wirkſamen Zellen parallel zur Oberfläche der Schale geſtreckt ſind und ſich in den verſchiedenen Schichten der letzteren kreuzen. Ein ſolches „Gewebe“ ver— dient demnach dieſen Namen in ganz beſonderem Maße. Als Beiſpiel ſei hier die Fruchtſchale des Weizen- und Roggenkornes erwähnt; ihre ſtark ver— dickten Oberhautzellen ſind in der Längsrichtung des Kornes geſtreckt, während in tieferer Lage Zellen auf— treten, welche kahnförmig und quer geſtellt ſind. (Fig. 2, o und k). Eine ringsum geſchloſſene, gleichmäßig dichte Hart ſchicht würde begreiflicherweiſe die Zufuhr von Waſſer beim Quellungsprozeſſe der Samen zu ſehr erſchweren. Wir finden deshalb, daß überaus häufig diejenigen Samen- und Fruchtſchalen, welche mit mächtigen, derben Hartſchichten ausgerüſtet ſind, an einzelnen, oftmals beſtimmten Stellen Durchbrechungen aufweiſen, welche als „Durchlaßſtellen“ für das zur Quellung nötige Waſſer fungieren. Bei den Leguminoſen, Kür⸗ bisfrüchtlern und vielen anderen Pflanzen iſt es haupt⸗ ſächlich die ſogenannte Nabelſtelle oder das Hilum, welche dem Waſſer erleichterten Zutritt gewährt. Faſt immer macht ſich an dieſer Stelle, wo der Samen mit der Mutterpflanze organiſch verbunden war, ein mehr lockerer Bau der Samenſchale bemerkbar. Nicht felten iſt hier ein mit weiten Intercellularräumen verſehenes Sternparenchymgewebe vorhanden, welches den Eintritt des Waſſers auf kapillarem Wege ver— mittelt. Wie raſch durch dasſelbe die Waſſeraufnahme erfolgt, geht aus einem Verſuche hervor, den ich mit Schminkbohnen (Phaseolus multiflorus) anſtellte“). Die eine Bohne wurde im Waſſer ſo aufgehängt, daß der Nabel unbenetzt blieb, die andere Bohne wurde ganz untergetaucht. Nach drei Stunden war die erſtere um 2,51%, die letztere dagegen um 24,14% ihres Anfangsgewichtes ſchwerer geworden. — Bei den ungefähr erbſengroßen Samen der Gat- tung Canna iſt ringsum, ſomit auch am Nabel eine *) G. Haberlandt, Die Schutzeinrichtungen in der Entwickelung der Keimpflanze. Wien, 1877. Humboldt. — Juli 1885. mächtige Hartſchicht vorhanden. Dieſelbe beſteht aus einer Schichte von dickwandigen, hohen Palliſaden— zellen, unter welchen noch 5 —6 Lagen ſklerenchymatiſch verdickter Zellen liegen. Mit freiem Auge betrachtet ſieht die Oberfläche der Samenſchale wie von einer Unzahl feinſter Nadelſtiche überſäet aus. Die mikro⸗ ſkopiſche Unterſuchung lehrt, daß jedes dieſer winzigen Grübchen einer Spaltöffnung entſpricht, unter welcher ein trichterförmiger Kanal die Palliſadenſchicht durch- ſetzt. Dies ſind die Oeffnungen, durch welche der Same von Canna beim Quellungsprozeß das hierzu nötige Waſſer bezieht. — Eine weſentlich andere, aber nicht minder intereſſante Einrichtung zum Zwecke Fig. 1. Teil eines Querſchnittes durch die Fruchtſchale der Sonnenblume (Helianthus annuus); o Oberhaut, k korkähnliche Schicht, deren unterſte Zelllage ein dunkles Pigment führt; s ſtlerenchymatiſche Hartſchicht, von zwei waſſer⸗ zuleitenden Gewebelamellen durchzogen; p Parenchym. Vergrößerung 350. erleichterter Waſſerzufuhr finden wir an den Früchten der Sonnenblume (Helianthus annuus). Die Frucht⸗ ſchale beſteht hier der Hauptſache nach aus einer mäch— tigen Schicht von ſklerenchymatiſchen Zellen (Fig. 1,8), welche parallel zur Oberfläche der Frucht und zwar in der Längsrichtung derſelben geſtreckt ſind. Ueber der Hartſchicht liegt ein Gewebe, welches durch die abgeplattete Form und die radiale Anordnung ſeiner Zellen an Korkgewebe erinnert; doch ſind die Zell— membranen mit überaus zahlreichen runden, kleinen Tüpfeln verſehen (Fig. 1, k). Darüber folgt noch die Oberhaut (Fig. 1, o). Unter der Hartſchicht dagegen liegt ein dünnwandig-parenchymatiſches Ge— webe, in welchem Gefäßbündel auftreten (Fig. 1, p). Die Hartſchicht wird nun der Länge des Samens nach von zahlreichen radialen Gewebelamellen durch— ſetzt, welche aus je einer einzigen Zelllage beſtehen, und viele Aehnlichkeit mit den Markſtrahlen der Nadel— hölzer beſitzen. Dieſe Aehnlichkeit wird noch durch die radiale Streckung der wenig verdickten und an den Quer- wie Längswänden mit zahlreichen Tüpfeln 267 verſehenen Zellen erhöht. Die naheliegende Ver— mutung, daß dieſe markſtrahlähnlichen Gewebelamellen der Zuleitung des Waſſers beim Keimungsprozeſſe dienen, läßt ſich durch Anwendung von Farbſtoff— löſungen leicht als richtig erweiſen. Bringt man die Helianthus-Frucht z. B. in eine rote Eoſinlöſung, und fertigt man nach etwa drei Stunden Querſchnitte durch die Fruchtſchale an, ſo ſieht man bei der mikro— ſkopiſchen Betrachtung der in Oel gelegten Quer— ſchnitte ſehr ſchön, wie die rote Löſung durch die radialen Gewebelamellen bereits bis zum Parenchym— gewebe der Schale gedrungen iſt, während ſelbſt die äußerſten Lagen der Hartſchicht noch vollſtändig un— gefärbt ſind. Außer der Hartſchicht ſind in den meiſten Samen— und Fruchtſchalen auch noch andere phyſiologiſch be— deutſame Zellſchichten vorhanden. So wird ſehr häu— fig eine ſogenannte Pigmentſchicht ausgebildet, welche den die charakteriſtiſche Färbung des Samens bedingenden Farbſtoff enthält. Derſelbe kann dabei als Inhaltsbeſtandteil der Zellen auftreten oder die Wandungen derſelben imprägnieren. Beim Weizen— und Roggenkorne tritt die Pigmentſchicht unterhalb der oben erwähnten „Kahnzellen“ auf und befteht aus ſehr niederen, flachgedrückten Elementen (val. Fig. 2, p). Beim Leinſamen repräſentiert die Pig— mentſchicht die innerſte Zelllage der Samenſchale und ſetzt ſich gleichfalls aus tafelförmigen Zellen zuſammen. Es kommt übrigens nicht ſelten vor, daß die Hart— ſchicht zugleich als Pigmentſchicht fungiert, oder daß, bei buntgefärbten Samen, die verſchiedenen Farbſtoffe auch in verſchiedenen Zellſchichten auftreten. In der einen wie in der anderen Hinſicht finden ſich unter den Samen der Hülſenfrüchtler mancherlei Beiſpiele. — Daß die jeweilige Färbung der Samen mit ir— gend einem biologiſchen oder phyſiologiſchen Vorteile verknüpft iſt, wird ſchon durch die ſo häufige Diffe— renzierung eigener Farbſtoffſchichten ſehr wahrſchein— lich gemacht. Doch ſind wir in Bezug auf die Natur dieſes Vorteils noch ganz und gar auf Vermutungen angewieſen. Daß die mehr oder minder bräunliche Farbe der Samen, die ja die häufigſte iſt, als Schutz— farbe zu deuten ſei, welche die Samen den Blicken der körnerfreſſenden Vögel entzieht, iſt eine nahe— liegende, doch ſchwer zu beweiſende Annahme. Na— türlich macht dann eine bunte, auffallende Färbung der Samen, welche ja gleichfalls hin und wieder vor— kommt, eine ſpecielle Erklärung notwendig. Auf die oft wirklich reizenden Farbenvarietäten unſerer gemeinen Gartenbohne braucht man freilich, da dieſelben Pro— dukte der künſtlichen Zuchtwahl ſind, nicht näher ein— zugehen. Allein auch wildwachſende Pflanzenarten vermögen Samen zu bilden, deren Farbenpracht nichts zu wünſchen übrig läßt. Ich erwähne hier nur die Roſenkranzbohne, Abrus precatorius, einen windenden Strauch aus der Familie der Leguminoſen, welcher im tropiſchen Aſien heimiſch iſt. Die Samen, in der Größe einer kleinen Gartenbohne, ſind von prächtig ſcharlachroter Farbe und beſitzen am Hilum einen großen ſchwarzen Fleck. R. A. Wallace ſpricht in 268 ſeinem anziehenden Werke „Die Tropenwelt“ in re— ſervierter Weiſe die Vermutung aus, daß die harten Samen von den Vögeln, welche ſie für Beeren halten, gefreſſen werden, doch unverdaut den Magen und den Darmkanal paſſieren. Wäre dieſe Anſicht richtig, ſo würde die bunte Farbe dieſer Samen in das weite Gebiet der Verbreitungseinrichtungen gehören; „es läge ein Fall von Nachäffung vor, eine Simulierung von Eßbarkeit, welche Vögel zum Beſten der Pflanzen— art zu täuſchen beſtimmt wäre.“ Freilich drängt ſich einem ſofort die Frage auf, ob ſich die Vögel wirk— lich täuſchen laſſen, wie ihnen nach dieſer Anſicht zu— gemutet wird. Bloß die unmittelbare Beobachtung, der ſyſtematiſch durchgeführte Verſuch könnte darüber Aufſchluß geben, wie denn überhaupt ſo manches Kapitel der Biologie, welches von den Beziehungen zwiſchen Tier- und Pflanzenwelt handelt, erſt nach Anwendung der experimentellen Methode auf Graft: heit wird Anſpruch erheben dürfen. Ueber ganz ver— einzelte, ſchüchterne Verſuche iſt man bisher in dieſer Hinſicht nicht hinausgekommen. In weſentlich anderer Weiſe hat vor kurzer Zeit ein franzöſiſcher Forſcher, A. Pouchon?), den Nutzen der Pigmentſchicht darzulegen verſucht. Von dem Einfluſſe ausgehend, welchen das Licht auf die che— miſchen Vorgänge beim Keimungsprozeſſe ausübt, be⸗ ſtimmte Pouchon die Menge des abſorbierten Sauer— ſtoffs und der ausgeſchiedenen Kohlenſäure bei im Sonnenlichte keimenden Samen, welche derſelben Species angehörten, aber von verſchiedener Färbung waren. Die Verſuche wurden hauptſächlich mit ver— ſchiedenfärbigen Bohnenſorten durchgeführt; es ſtellte ſich heraus, daß die dunklen Samen unter gleichen Bedingungen mehr Sauerſtoff aufnehmen und weniger Kohlenſäure abgeben, als die weißen. Es werden ſich demnach in erſteren gewiſſe chemiſche Stoffmeta— morphoſen, wie die Umwandlung des Legumins in Aſparagin, raſcher vollziehen, als in letzteren. Auch dieſe Anſicht hat vorläufig nur den Wert einer Hy- potheſe. Beſtimmteres als über die Bedeutung der Pigment— ſchichten läßt ſich über die Funktion der ſogenannten Quellſchichten ausſagen, welche den Samen- und Fruchtſchalen zahlreicher Pflanzen eigentümlich ſind. Die verdickten Zellwandungen dieſer Schichten be— ſitzen die Eigenſchaft, das Waſſer mit großer Kraft und in beträchtlichen Mengen an ſich zu reißen; ſie quellen dabei ſtark auf und fließen gewöhnlich zu einem formloſen Schleim zuſammen, welcher den ganzen Samen umhüllt. In der Regel bildet nämlich die Quellſchicht die äußerſte Zelllage der Frucht- oder Samenſchale, wie beiſpielsweiſe beim Lein, bei den Salbei- und Wegericharten. Welche anſehnliche Mengen von Waſſer die Quellſchicht zu ſpeichern vermag, geht aus Verſuchen hervor, die ich mit den Samen, reſp. den Früchtchen von Linum usitatissimum, Plantago *) Recherches sur le réle de la lumiére dans la germination. Annales des sciences naturelles, VI. Série, Tome X. Humboldt. — Juli 1885. Cynops und Salvia pratensis ausgeführt habe). Innerhalb einer Stunde hatten dieſelben zwiſchen naſſem Filterpapier ſo viel Waſſer aufgenommen, daß ſich ihr Gewicht um das Doppelte (Linum), Dreifache (Salvia) und Fünffache (Plantago) erhöhte. Die Hauptaufgabe der Quellſchichten dürfte übrigens nicht ſo ſehr in einer Beſchleunigung des Quellungsprozeſſes der Samen beſtehen, ſondern vielmehr in der Sicher— ſtellung desſelben. Das Anquellen des ruhenden Em— bryo, das Durchtränktwerden der Reſerveſtoffbehälter ſoll möglichſt gleichmäßig und ununterbrochen verlaufen, die eventuelle Austrocknung der keimenden Samen foll möglichſt verhindert oder verlangſamt werden. Nicht immer läßt ſich die ſchützende Rolle der Frucht⸗ oder Samenſchale auf ganz beſtimmte, ana- tomiſch und phyſiologiſch wohl charakteriſierte Gewebe— ſchichten zurückführen. Gewiſſe ſchädliche Einflüſſe werden eben durch die ganze Umhüllung des Samens unwirkſam gemacht. Dies gilt vor allem von dem ungehinderten Zutritt der atmoſphäriſchen Luft, welcher, verbunden mit dem wechſelnden Feuchtigkeitsgehalte der letzteren, die Keimkraft der Samen oft ſehr be- einträchtigt. Aus einer Hanfſamenprobe wurden 100 ganz unverſehrte und 100 ſeitlich etwas aufgeſprungene Nüßchen ausgeſucht und unter ſonſt vollkommen gleichen Verhältniſſen ins Keimbett gebracht. Von den intakten Körnern keimten 80, von denen mit aufgeſprungener Fruchtſchale bloß 54, worunter überdies noch 12 Keim⸗ linge ſchon am zweiten Tage zu Grunde gingen. Dies ſind Zahlen, welche wohl deutlich genug ſprechen. — Auch für keimende Samen kann die Frucht- oder Samenſchale unter Umſtänden zu einer wahren Lebens⸗ retterin werden. Wenn man gewöhnliche Erbſen ſorg— fältig entſchält und ausſäet, ſo entwickeln ſich aus ihnen bloß unter ſehr günſtigen Keimungsbedingungen (zu welchen vor allem das Temperatur-Optimum ge- hört) ganz kräftige und geſunde Keimpflanzen. Iſt aber die Temperatur relativ niedrig (12— 18“ C.) und das Erdreich ſtark feucht, ſo gehen die keimenden Samen durch Fäulnis vollſtändig zu Grunde. Unter denſelben Verhältniſſen keimen aber die unentſchälten Erbſen in ganz normaler Weiſe. Begreiflicherweiſe ſind auch die rein vegetativen Vermehrungsorgane der Pflanzen, wie Knollen und Zwiebeln, mit ſchützenden Häuten verſehen, wenn auch die anatomiſche Differenzierung derſelben keine ſo weitgehende iſt, wie bei den Frucht- und Samenſchalen. Jedermann kennt jene derben, trockenen Blattorgane der Küchenzwiebel, welche die darunter befindlichen ſaftigen Schuppenblätter vor allem vor Austrocknung ſchützen. Dieſelbe Hauptaufgabe kommt der dünnen, aber ſehr wirkſamen Korkhaut zu (dem „Periderm“), welche die Kartoffelknolle rings umhüllt. Wir gehen nun zu jener zweiten Reihe jener Ein— richtungen über, welche die Sorge für die Brut im Pflanzenreiche charakteriſieren und die man kurzweg als die „Proviantierungseinrichtungen“ be— zeichnen darf. *) Vgl. G. Haberlandt, J. c. S. 12. Humboldt. — Juli 1885. Wie immer auch der vom Mutterorganismus ſich loslöſende Keim geartet ſei — er mag als Spore eine einzige Zelle vorſtellen, oder bereits ein viel— zelliges Pflänzchen mit Stengel-, Wurzel- und Blatt⸗ anlagen ſein — in keinem Falle ſind die der künf— tigen ſelbſtändigen Ernährung des Keimes dienenden Organe ſchon ſo weit entwickelt, daß ſie ohne weiter— gehende Ausbildung ſich bloß zu entfalten brauchten, um alsbald ihren phyſiologiſchen Aufgaben gerecht zu werden. Es müſſen vielmehr unter allen Umſtänden vorerſt verſchiedene Wachstumsvorgänge Platz greifen, welche zur Bildung der erſten Ernährungsorgane des Keimlings führen oder dieſelben, falls ihre Anlagen ſchon im Samen vorhanden waren, bis zur voll— kommenen Funktionstüchtigkeit ſich entwickeln laſſen. Dieſe zur ernährungsphyſiologiſchen Selbſtändigkeit des jugendlichen Organismus führenden Wachstums— prozeſſe können ſelbſtverſtändlich nur auf Koſten von Bauſtoffen ſtattfinden, welche die Mutterpflanze ihrem Sprößlinge für die erſte Zeit der Entwickelung mit auf den Weg gegeben hat. Ferner müſſen dieſe den Proviant des Keimes bildenden Bauſtoffe von einer derartigen chemiſchen Beſchaffenheit ſein, daß ihre Ver— wertung bei den erſten Wachstumsvorgängen des Keimes ohne tief eingreifende Stoffmetamorphoſen erfolgen kann. Da alles Wachstum auf die Aus— bildung ſchon vorhandener und auf die Entſtehung neuer Zellen abzielt, ſo handelt es ſich alſo um Bau— ſtoffe, welche möglichſt leicht zur Bildung von Pro— toplasma und von Zellwänden verwendet werden können. Das erſtere, der eigentliche Lebensträger der Zelle, beſteht der Hauptſache nach aus eiweißartigen Subſtanzen; die Reſerveſtoffe des Keimes müſſen dem— nach zum großen Teile Eiweißſtoffe ſein. Die Zell— wände dagegen beſtehen zeitlebens oder doch in den Jugendſtadien aus einem Kohlehydrat, der Celluloſe, welche im Laufe der Entwickelung allerdings ſehr häufig verſchiedene chemiſche Metamorphoſen erfährt und ſich mit mineraliſchen Subſtanzen imprägniert. Der für die Bildung und das Wachstum der Zell— membranen beſtimmte Teil der Reſerveſtoffe beſteht demnach gleichfalls aus einem Kohlehydrate (aus Stärke, Zucker, Celluloſe), oder aus einer Subſtanz, welche durch einfache Oxydation, durch Aufnahme von Sauerſtoff, in ein Kohlehydrat verwandelt werden kann, das iſt aus einem fetten Oele). Bevor wir nun dieſe verſchiedene Art der Miſchung und Auf— ſpeicherung der Reſerveſtoffe an einigen Beiſpielen näher ſtudieren wollen, müſſen wir vorerſt nod einen anliegt. Mit Ausnahme der äußerſten Zelllage be— Blick auf die Ablagerungsorte dieſer Subſtanzen, auf die Speichergewebe, werfen. Das Zellgewebe, in dem die Aufſpeicherung der Reſerveſtoffe des Samens erfolgt, kann in morpho— logiſch-entwickelungsgeſchichtlicher Hinſicht von ſehr ver— ſchiedener Bedeutung ſein. In ſehr zahlreichen Fällen ) Nebenbei jet bemerkt, daß ein zuweilen nicht un— anſehnlicher Bruchteil der ſtickſtoffloſen Reſerveſtoffe durch den lebhaften Atmungsprozeß der keimenden Samen zu Kohlenſäure und Waſſer verbrannt wird. Humboldt 1885. 269 ſteht das Speichergewebe mit dem Keimling in keinem organiſchen Zuſammenhange; es iſt ein im Embryo— ſack der Samenknoſpe entſtehender Gewebekörper, welcher den Keimling rings umhüllt oder ihm ſeit— lich anliegt: das Endoſperm. Bei den Piperaceen und Nymphäaceen wird das nur ſchwach entwickelte Endoſperm vom ſogenannten Periſperm ergänzt, welches den zum Speichergewebe des Samens um— gewandelten Kern der Samenknoſpe vorſtellt. In all dieſen Fällen muß der ſich entwickelnde Keimling im Laufe des Keimungsprozeſſes dem Endoſperm, be— ziehungsweiſe dem Periſperm die aufgeſpeicherten Bau— ſtoffe entziehen, ein Vorgang, der nicht ſelten durch eigens hierzu beſtimmte Aufſaugeorgane vollzogen wird. Bei vielen Pflanzenarten dagegen, zu welchen gerade die phylogenetiſch höher ſtehenden gehören, er— —:r:.. — . = awe e S2 S — N Fig. 2. Peripheriſcher Teil eines Querſchnittes durch ein Weizenkorn; o Ober⸗ haut, k tabnfirmig-quergeftredte Zellen; p Pigmentſchicht, kl Kleberſchicht, s vorwiegend Stärke führende Zellen des Endoſperms. Vergrößerung 300. folgt die Aufſaugung der in die Samenknoſpe ein— wandernden Bauſtoffe ſeitens des Keimes bereits wäh— rend des Reifungsprozeſſes des Samens und als Reſerveſtoffbehälter fungieren in dieſem Falle anftatt des rudimentären oder gänzlich verdrängten Endo— ſpermgewebes die Keimblätter oder Kotyledonen des Keimlings. Dieſe Art der Bauſtoffſpeicherung kenn— zeichnet wie bemerkt eine vollkommenere Anpaſſungs— ſtufe; der Keimling erfreut ſich ſozuſagen eines ge— ſicherteren Beſitzes der für ſein Fortkommen ſo überaus wichtigen Proviantſtoffe. Wir wollen nunmehr einige Beiſpiele kennen lernen. Der „Mehlkörper“ des Weizen- oder Roggenkornes iſt nichts anderes, als das mit Reſerveſtoffen gefüllte Endoſperm dieſer Früchte. Es bildet die Hauptmaſſe des Kornes, an deſſen einem Ende der kleine Keim— ling mit ſeinem ſchildförmig entwickelten Keimblatte, dem ſpäteren Saugorgan, dem Endoſpermgewebe dicht ſteht der Mehlkörper aus zartwandigen, polyedriſch geformten Zellen, deren Inhalt hauptſächlich aus zahl— reichen linſenförmigen Stärkekörnern beſteht (Fig. 2, s). Dieſelben repräſentieren den ſtickſtoffloſen Reſerveſtoff des Kornes. Zwiſchen den Stärkekörnern treten noch zahlreiche ſehr kleine Körnchen auf, welche aus Eiweiß— ſtoffen beſtehen und als Protein- oder Aleuronkörner bezeichnet werden. Die äußerſte Zellſchicht des Endo— ſperms, welche aus regelmäßig prismatiſchen und re— lativ dickwandigen Zellen beſteht, enthält ausſchließ— lich ſolche Aleuronkörner und zwar ſo zahlreich, daß 270 Humboldt. — Juli 1885. die Zellen damit ganz dicht gefüllt erſcheinen (Fig. 2, E). Es iſt dies die ſogenannte „Kleberſchicht“ des Kornes, welche mit der Frucht- und Samenſchale ſo feſt ver⸗ wachſen iſt, daß ſie beim Mahlprozeſſe vom übrigen Teile des Endoſperms ſich ablöſt und ſo zu einem Beſtandteil der „Kleie“ wird. Die Eigentümlichkeit, einen nicht unbeträchtlichen Teil der Reſerve-Eiweiß⸗ ſtoffe in einer peripher gelegenen Zellſchicht aufzu— ſpeichern, teilen unſere Getreidearten mit allen übrigen Gräſern und mit den Cyperaceen; auch in den Samen verſchiedener Dikotylen macht ſich die Neigung geltend, den Eiweißſtoffen eine mehr peripheriſche Lagerung zuzuweiſen. Vom biologiſchen Standpunkte aus muß dies befremdlich erſcheinen, denn die für den Keimling beſonders wichtigen und deshalb am meiſten des Schutzes bedürftigen Eiweißſtoffe werden auf jene Weiſe in die exponierteſte Lage gebracht. Es müſſen hier zweifellos andere, wahrſcheinlich chemiſch-phyſio— logiſche Umſtände maßgebend ſein, welche die rein biologiſchen Rückſichten in den Hintergrund drängen. Es iſt nicht unwahrſcheinlich, daß hier die mit der peripheren Lagerung verknüpfte erleichterte Sauerſtoff— aufnahme beim Keimungsprozeſſe die entſcheidende Rolle ſpielt. Ein von dem eben geſchilderten ſehr verſchiedenes Bild der Reſerveſtoffſpeicherung zeigt uns der Same der Ricinus-Arten. Auch hier iſt ein mächtig aus- gebildetes Endoſperm vorhanden, welches den Embryo rings umſchließt. In den zartwandigen Zellen des erſteren fallen zunächſt die großen zahlreichen Protein— oder Aleuronkörner auf, deren Subſtanz aber nicht von homogener Beſchaffenheit iſt, ſondern verſchieden— artige Einflüſſe aufweiſt. Als ſolche treten vor allem ſchön ausgebildete Eiweißkryſtalle auf, welche nach Auflöſung der Hüllſubſtanz in Waſſer deutlich ſicht— bar werden. Daß auch die Eiweißſtoffe, ſobald ſie den Stoffwechſelprozeſſen entzogen ſind, zu kryſtalli— ſieren vermögen, iſt eine höchſt bedeutſame Thatſache. Sie lehrt uns nämlich, daß ſelbſt dieſe komplizierteſten organiſchen Verbindungen, deren künſtliche Syntheſe zu den kühnſten Träumen der Chemiker gehört, von denſelben formbildenden Molekularkräften beherrſcht werden, wie die kryſtalliſierenden anorganiſchen Ver— bindungen. Jeder Eiweißkryſtall iſt ein ſchwerwiegender Zeuge gegen die Exiſtenz einer beſonderen „Lebens— kraft“. Außerdem kommen in den Aleuronkörnern rundliche, traubenförmige Körperchen, die ſogenannten Globoide vor, welche anorganiſcher Natur ſind; ſie beſtehen aus einer Verbindung von Kalk und Mag— neſia mit einer gepaarten Phosphorſäure. Die Zwiſchen— räume zwiſchen den einzelnen Aleuronkörnern werden von einem fetten Oele ausgefüllt, welches die Stärke— körner vertretend den ſtickſtoffloſen Reſerveſtoff vorſtellt. Als drittes Beiſpiel wollen wir nun das Endo— ſperm der Kaffeebohne betrachten. Wenn wir durch dieſelbe einen Querſchnitt führen, ſo ſehen wir ſofort, daß das Endoſperm eine ungefähr gleichmäßig dicke Platte mit ſeitlich eingeſchlagenen Rändern vor— ſtellt (Fig. 3, B). Der ziemlich kleine Embryo iſt rings vom Endoſperm umſchloſſen und nimmt die in der beiſtehenden Figur angegebene Lage ein (Fig. 3, A). Beim Durchſchneiden der Bohne fällt uns die hornige, feſte Beſchaffenheit des Endoſpermgewebes auf; die mikroſkopiſche Unterſuchung macht uns ſofort mit der Urſache dieſer Erſcheinung bekannt: die Wandungen des Speichergewebes ſind keineswegs zart, wie beim Weizenkorne oder beim Ricinusſamen, fie zeigen viel⸗ mehr ſehr anſehnliche Verdickungen, welche aus un⸗ veränderter Celluloſe beſtehen (Fig. 3, C). Der In⸗ halt der Zellen wird von Eiweißſubſtanzen und einem Fette gebildet, worauf hier nicht näher einzugehen iſt. Uns intereſſiert vielmehr zu erfahren, daß die mit zahlreichen „Tüpfeln“ verſehenen Zellwände einen beträchtlichen Teil der ſtickſtoffloſen Reſerveſtoffe re⸗ präſentieren und beim Keimungsprozeſſe durch ein Fig. 3. A Kaffeebohne, dreimal vergrößert. Ein Teil des Endoſperms wurde entfernt, um den Embryo bloßzulegen. B Querſchnittsanſicht einer Kaffeebohne. Zwei Zellen des Endoſperms, mit den ſtark verdickten, getüpfelten Wandungen. Vergrößerung 350. vom Embryo ausgeſchiedenes Ferment allmählich ge— löſt, das heißt in Zucker verwandelt werden. Der— ſelbe merkwürdige Modus der Stoffſpeicherung läßt ſich auch bei anderen Pflanzen nicht ſelten beobachten; die Früchte unſerer einheimiſchen Verwandten des Kaffeeſtrauches, der Galium-Arten, die Samen ver— ſchiedener Irideen und Liliaceen, ſowie die Früchte der meiſten Palmen beſitzen ein infolge der aus— giebigen Zellwandverdickungen horniges Endoſperm. An den keimenden Samen der Dattelpalme hat Sachs zuerſt die Bedeutung der verdickten Celluloſewände als Reſerveſtoff nachgewieſen. Beſonders intereſſant iſt aber das weiße, beinharte Endoſperm von Phyte— lephas macrocarpa, einer im tropiſchen Südamerika einheimiſchen Pandanee. Dasſelbe bildet als „vege— tabiliſches Elfenbein“ ſeit den erſten Decennien dieſes Jahrhunderts einen nicht unwichtigen Rohſtoff, welcher von der europäiſchen Induſtrie zu den verſchiedenſten kleineren „Elfenbeinarbeiten“ verwendet wird. Da die Samen dieſer Pflanze kaſtanien- bis eigroß ſind, ſo läßt ſich in der genannten Hinſicht manches leiſten. Sowohl bezüglich der Quantität wie auch der Qualität der aufgeſpeicherten Proviantſtoffe machen ſich ſehr verſchiedenartige Anpaſſungserſcheinungen gel— tend, von welchen hier eine Anzahl zu beſprechen iſt. Humboldt. — Juli 1885. 271 Was zunächſt die Menge der geſpeicherten Stoffe betrifft, ſo iſt zu bemerken, daß die Mutterpflanze dem Keimling faſt niemals nur ſo viel an Bauſtoffen mitgibt, als eben zur Ausbildung der erſten Wurzeln und Aſſimilationsorgane notwendig iſt; faſt immer geſchieht noch ein übriges, d. h. der Same wird mit einem Ueberſchuſſe an Bauſtoffen ausgeſtattet, welche den zarten Keimling, wenn gleich derſelbe in ernäh— rungsphyſiologiſcher Hinſicht bereits auf eigenen Füßen ſteht, zu kräftigen und von der Ungunſt der Witte— rung möglichſt unabhängig zu machen beſtimmt ſind. Dieſer Ueberſchuß an Bauſtoffen, welche man als Reſerveſtoffe par excellence bezeichnen könnte, iſt meiſt ein ſo beträchtlicher, daß er ein Vielfaches von den zur Ausbildung der erſten Ernährungsorgane un— bedingt notwendigen Bauſtoffen ausmacht. Es läßt ſich das leicht in der Weiſe feſtſtellen, daß man die keimenden Samen eines Teiles ihrer Reſerveſtoffe be— raubt und zuſieht, ob ſie auch nach dieſem Eingriffe zu lebensfähigen, wenn auch nicht lebenskräftigen Pflanzen heranwachſen. So hat ſchon Bonnet in der Mitte des vorigen Jahrhunderts den Nachweis geliefert, daß man den Embryonen der Schminkbohne (Phaseolus multiflorus) die beiden mit plaſtiſchen Bauſtoffen ſo reichlich gefüllten Keimblätter nehmen kann, ohne daß die Keimlinge deshalb zu Grunde gingen. In den jugendlichen Geweben der Blatt-, Stengel- und Wurzelanlagen ſind eben genug Bau— ſtoffe aufgeſpeichert, um die Ausbildung der genannten Organe in wenn auch notdürftiger Weiſe möglich zu machen: Bonnet's Bohnenpflänzchen blieben zeit— lebens Zwerge; zur Blütezeit betrug ihre Höhe bloß 2 Zoll. — In neuerer Zeit wurden derartige Ex— perimente unter anderem von Blociczewski“) ausgeführt, dem es nach ſeinen Angaben ſogar ge— lungen iſt, die vom Endoſperm losgelöſten Keime des Roggens, Hafers und Maiſes zu blühenden und frucht— tragenden Pflanzen heranzuziehen. Der ganze Mehl— körper der genannten Früchte hätte demnach bloß die Aufgabe, zur Kräftigung des Keimpflänzchens zu dienen. Wenn nun die Sorge für die Brut jeden einzelnen Samen mit einer möglichſt großen Menge von plaſti— ſchen Bauſtoffen auszuſtatten beſtrebt iſt, ſo iſt es dagegen die Sorge für die Erhaltung der Art, welche dieſem Beſtreben bald früher bald ſpäter entſchieden Einhalt gebietet. Die von der Mutterpflanze er— zeugten und für die Brut disponiblen Bauſtoffe ſollen auf eine möglichſt große Anzahl von Samen verteilt werden; denn im Intereſſe der Erhaltung der Art liegt es, daß die Keimpflanzen unter den verſchieden— artigſten äußeren Lebensbedingungen den Kampf ums Daſein mit ihren Mitkonkurrenten aufnehmen. Um dies zu ermöglichen, iſt aber noch ein weiterer Um— ſtand erforderlich: die Verbreitungsfähigkeit der Samen darf durch ein zu großes Gewicht derſelben nicht all— zuſehr beeinträchtigt werden. — So ſtehen die beiden D Phyſiologiſche Unterſuchungen über die Keimung 2. Landwirtſch. Jahrbücher von Nathuſius und Thiel. Bd. V. 1876. genannten Principien auf dieſem Gebiete einander ſtets widerſtrebend gegenüber und die jeweilige Menge von Nährſtoffen, welche den einzelnen Samen einer beſtimmten Pflanzenwelt mit auf den Weg gegeben wird, iſt ſozuſagen das Ergebnis eines biologiſchen Kompromiſſes, welches die beiderlei „Sorgen“ in jedem einzelnen Falle eingehen. Wie verſchieden dieſes Kom— promiß ausfallen kann, lehrt uns die Thatſache, daß ſelbſt bei nahe verwandten Pflanzenformen die Samen— gewichte oft ſehr verſchieden ſind. Wie aber der Ausgleich zuſtande kommt, warum bald die eine, bald die andere Wagſchale ſinkt, dieſe Frage gehört in den meiſten Fällen in das weite Gebiet der biologiſchen Rätſel. Was nun die Anpaſſungen bezüglich der Qualität der Reſerveſtoffe betrifft“), fo muß zunächſt die Be- merkung Platz finden, daß unſere bisherigen Kennt— niſſe über die chemiſche Konſtitution der verſchiedenen Eiweißſtoffe noch viel zu mangelhaft ſind, um ſie zu biologiſchen Folgerungen in dem hier erörterten Sinne verwerten zu können. Wir müſſen deshalb unſere Betrachtungen auf die ſtickſtoffloſen Reſerveſtoffe be— ſchränken und uns die Vorteile klar zu machen ver— ſuchen, welche mit der Speicherung von Stärke, von fetten Oelen oder von Celluloſe verbunden ſind. Vor allem verdient die Thatſache Erwähnung, daß in den Samen viel häufiger Fett als Stärke geſpeichert wird. Dies gilt beſonders von den mit Flugorganen verſehenen Samen und Früchten, welche nur ausnahmsweiſe Stärke anſtatt eines fetten Oeles enthalten. Den Schlüſſel zum biologiſchen Verſtänd— niſſe dieſer Erſcheinung finden wir in der chemiſchen Zuſammenſetzung der Fette und der Kohlehydrate, beziehungsweiſe der Stärke. Die erſteren ſind weit kohlenſtoffreichere Verbindungen, als die letzteren; ſo enthält das Triolein prozentiſch ausgedrückt 77,4 Ge- wichtsteile Kohlenſtoff, die Stärke dagegen bloß 44,9 Gewichtsteile. Berückſichtigen wir das bei weitem höhere ſpecifiſche Gewicht der Stärke (1,56), ſo er⸗ gibt ſich, daß ein beſtimmtes Volumen Stärke aller— dings ungefähr ebenſoviel Kohlenſtoff enthält, als das gleiche Volumen Fett, allein das erſtere iſt dabei ca. 1,7 mal fo ſchwer als letzteres. Bei gleichem Vo— lumen und Nährwert repräſentiert demnach das Fett einen viel leichteren Bauſtoff als die Stärke und von dieſem Geſichtspunkte aus erſcheint die fo häufige Speicherung fetter Oele als eine Konzeſſion an die Verbreitungsfähigkeit der Samen. Wenn ölhaltige Samen keimen, ſo muß das Fett, da es als ſolches weder translociert werden kann, noch beim Wachstum direkt Verwendung findet, vorerſt in ein Kohlehydrat verwandelt werden. Dies geſchieht, wie ſchon oben erwähnt wurde, unter Aufnahme von Sauerſtoff, welcher das Fett oxydiert und ſchließlich in Stärke verwandelt. Die ölhaltigen Samen verbrauchen des— halb beim Keimungsprozeſſe ein viel größeres Quan: tum von Sauerſtoff, als die ſtärkeführenden Samen. *) Bol. G. Haberlandt, Phyſiologiſche Pflanzen anatomie. Leipzig, 1884. S. 284 ff. 272 Humboldt. — Juli 1885. Letztere bedürfen des Sauerſtoffes bloß zur Atmung, erſtere dagegen außerdem noch zur Oxydation des Fettes. Es iſt nun leicht einzuſehen, daß große, um— fangreiche Reſerveſtoffbehälter, wie Knollen, Zwiebeln und große Samen, z. B. edle und Roßkaſtanien, Eicheln, Bohnen, falls dieſelben als ſtickſtoffloſen Reſerveſtoff Fett enthielten, ſich bei der Keimung nur ſchwer und langſam mit den hierzu nötigen großen Sauerſtoffmengen verſorgen könnten. Denn der Sauer— ſtoff muß bei der für die Speichergewebe charakteriſti— ſchen ſpärlichen Ausbildung des Durchlüftungsſyſtems von Zelle zu Zelle in das Innere des Speicher— gewebes hineindiffundieren. Von dieſem Geſichts—⸗ punkte aus erklärt es ſich, weshalb die vorhin er— wähnten größeren Speicherorgane gewöhnlich anſtatt des Fettes Stärke oder ein anderes Kohlehydrat ent- halten. Eine intereſſante Ausnahme hievon bildet unter anderem der Rieinusſame. Wir haben bereits erfahren, daß derſelbe ölhaltig iſt und haben hier noch hinzuzufügen, daß ſeine Samenſchale ſehr dick und überaus feſt gebaut iſt. Es liegen hier demnach zwei Gründe vor, welche die Sauerſtoffaufnahme er— ſchweren und man möchte deshalb im vorhinein ein ziemlich langſames Keimen der Samen erwarten. Nun iſt es aber eine bekannte biologiſche Eigentümlichkeit der Ricinuspflanze, daß ſie ein überraſchend ſchnelles Wachstum, eine ganz üppige Vegetationskraft beſitzt. Dieſe Eigentümlichkeit iſt ſo in die Augen ſpringend, daß ſie ſogar zu einer Sage Veranlaſſung gab: In einer einzigen Nacht ſoll einſt zu Ninive dieſe Pflanze zu einem mächtigen Baume emporgeſchoſſen ſein, um dem Propheten Jonas zum Schirme zu dienen; dieſe Sage liegt auch der Bezeichnung „Wunderbaum“ für Rieinusſtaude zu Grunde. In der That fängt ſchon die Keimung des Samens ganz merkwürdig an: Das ölhaltige Endoſperm beginnt zu wachſen, es ſprengt die Samenſchale und wird zu einem weißen, flachgedrückten Sacke von 1,5 bis 2 em Länge und etwas geringerer Breite, welcher die beiden flach zu— ſammengelegten Keimblätter bis zum hypokotylen Stengelgliede umſchließt. Wie leicht kann nun das nackte und beträchtlich vergrößerte Endoſperm den nötigen Sauerſtoff aufnehmen! Die Zufuhr dieſes Gaſes wird überdies noch durch die Ausbildung eines reichen Durchlüftungsſyſtems erleichtert, welches mit Luft erfüllt iſt und durch zahlloſe Spalten und Löcher in der äußerſten Zellſchicht mit der Bodenluft kom— muniziert. Gewöhnlich wird aber ein raſches Keimen der Samen durch andere Einrichtungen unterſtützt. Zu— nächſt fällt auf, daß in ſolchen Samen als ſtickſtoff— loſer Reſerveſtoff Stärke geſpeichert wird, deren Auf— löſung durch ein vom Embryo ausgeſchiedenes Ferment in kürzeſter Friſt erfolgen kann. Von Marloth iſt ferner darauf hingewieſen worden, daß wenn Stärke im Endoſperm geſpeichert wird, der Keimling dem letzteren gewöhnlich ſeitlich anliegt oder bloß teilweiſe von ihm umſchloſſen wird; die Folge davon iſt, daß der Keim auf den leiſeſten Anſtoß von außen, welcher die Keimung einleitet, reagieren kann und daß dem— nach günſtige äußere Keimungsbedingungen ſofort aus⸗ genützt werden. Als typiſches Beiſpiel hierfür darf die Grasfrucht gelten und wenn wir bedenken, daß die meiſten Gräſer eine an das Steppenklima fo vor- züglich angepaßte Vegetationsform ſind, ſo erſcheint es begreiflich, daß ſchon in der Grasfrucht Ein— richtungen getroffen ſind, welche die volle Ausnützung der kurzen Vegetationsperiode möglich machen. Wenn wir uns nun dem anderen Extrem zuwenden und jene Pflanzen ins Auge faſſen, in deren bio- logiſchen Verhältniſſen es begründet iſt, daß die Kei— mung der Samen, die Leerung des Speichergewebes nur ſehr langſam erfolgt, ſo finden wir, daß die ſtickſtoffloſen Reſerveſtoffe ſehr häufig als Celluloſe in Form verdickter Zellwandungen geſpeichert werden; überdies wird in dieſen Fällen der Keimling rings vom Endoſperm umſchloſſen. „Die Vorteile der eben— genannten Form der Speicherung ſind unſchwer ein— zuſehen. Die verdickten Celluloſewände bieten den löſenden Fermenten eine weit geringere Angriffsfläche dar, als die zahlreichen Stärkekörner; der ganze Kei— mungsprozeß kann demnach unbeſchadet der ferneren Entwickelung viel leichter ſiſtiert werden und die Re— ſerveſtoffbehälter unterliegen trotz des monatelangen Verweilens im Boden viel weniger leicht der Ver- derbnis und den Angriffen der Inſekten und anderer Tiere. Es dürfte, kurz geſagt, nicht zu bezweifeln ſein, daß bei langſamer, oft unterbrochener Keimung die Celluloſe einen geeigneteren Reſerveſtoff vorſtellt, als die Stärke“). Bevor ich nun dieſe kurze Ueberſicht über die we— ſentlichſten Erſcheinungen, welche die Sorge für die Brut im Pflanzenreiche kennzeichnen, beſchließe, ſoll hier noch auf zwei bemerkenswerte Punkte aufmerk⸗ ſam gemacht werden, denen allerdings keine allge— meinere Bedeutung zukommt. Bei verſchiedenen Pflanzen werden die vegetativen Reproduktionsorgane nicht bloß mit plaſtiſchen Bau— ſtoffen ausgeſtattet, ſondern auch mit einem nicht un- beträchtlichen Waſſerquantum. Hierher gehören die Zwiebeln und Knollen verſchiedener Gewächſe; unſere gemeine Küchenzwiebel und die Kartoffelknolle ſind dafür die populärſten Beiſpiele. Es iſt leicht einzu⸗ ſehen, daß indem das Reproduktionsorgan zugleich als Waſſerreſervoir fungiert, das Austreiben der Knoſpen von äußerer Waſſerzufuhr ganz oder nahezu unab— hängig wird. Thatſächlich können ſelbſt frei in der Zimmerluft hängende Zwiebeln zum Austreiben ge— langen. Wie vorteilhaft eine ſolche Waſſerſpeicherung für die zur Steppenflora gehörigen Zwiebelgewächſe iſt, bedarf keiner näheren Auseinanderſetzung. Auch der beträchtliche Waſſergehalt der Kartoffelknolle, welcher im Durchſchnitt 75% des Geſamtgewichtes beträgt, dürfte von dieſem Geſichtspunkte aus zu be— trachten ſein. Die Heimat der Kartoffelpflanze iſt nämlich, wie bekannt, in dem Küſtengebiete Perus und Chiles zu ſuchen, welches wegen ſeiner Regen— ) G. Haberlandt, Phyſiolog. Pflanzenanatomie. S. 286. Humboldt. — Juli 1885. armut vollkommen den Charakter einer Steppe beſitzt. Der zweite Punkt, der hier noch kurz zu beſprechen iſt, betrifft die Entſtehung von giftigen oder doch widerlich ſchmeckenden Stoffen während des Keimungs— prozeſſes, durch welche der keimende Same vor den Angriffen verſchiedener Inſekten und anderer Tiere geſchützt wird). So entſteht z. B. in den Samen zahlreicher Amygdaleen und Pomaceen durch Spal— tung des Amygdalins Zucker, Bittermandelöl und Blauſäure. Die Spaltung wird während der Kei— mung durch ein Ferment, das Emulſin, bewirkt. In den Samen des Senfes und anderer Kreuzblütler wird die an Kali gebundene Myronſäure gleichfalls durch ein Ferment, das Myroſin, in Schwefelcyanallyl (Senföl), Zucker und ſchwefelſaures Kali zerlegt. Auch die ſcharf ſchmeckenden Stoffe der Lauch— arten (Knoblauchöl, Schwefelallyl) ſind hier zu er— wähnen. Die vorliegenden Auseinanderſetzungen, ſo frag— mentariſch dieſelben auch ſind, dürften es doch hin— ) Vgl. C. v. Nägeli, Theorie der Gährung. 1879. S. 13, 14. 273 länglich rechtfertigen, wenn zu Beginn dieſer Skizze von einer „Sorge“ um die Brut geſprochen wurde. Wie man ſich nun dieſe Sorge zu deuten habe, wie ſie ſich im Laufe der phylogenetiſchen Entwickelung des Pflanzenreiches aus unſcheinbaren Anfängen zu ſolch erfinderiſcher Vollkommenheit emporgehoben: dies iſt eine Frage, deren Beantwortung den engen Rahmen dieſes Aufſatzes bereits überſchreitet. Der Verfaſſer desſelben hat ſich ſtillſchweigend auf den Standpunkt der von Darwin begründeten Selektions— theorie geſtellt. Wem eine ſolche Art der „teleo— logiſchen“ Auffaſſung nicht zuſagt, der möge immer— hin zur Erklärung der zweckmäßigen Einrichtungen in der Natur nach metaphyſiſchen Gründen forſchen. Kein einſichtsvoller Naturforſcher wird dies für ab— ſolut unſtatthaft halten, denn je mehr wir uns den Grenzgebieten der naturwiſſenſchaftlichen Erkenntnis nähern, deſto dringlicher und berechtigter wird der Wunſch nach wechſelſeitiger Toleranz der ſo ſehr aus— einandergeratenen Meinungen. Dafür darf aber der Anhänger einer auf naturwiſſenſchaftlicher Erkenntnis beruhenden Weltanſchauung mit Recht beanſpruchen, daß die geforderte Toleranz ſich wirklich zu einer gegenſeitigen geſtalte. Das zuſammengeſetzte Mikroſkop und die mikroſkopiſche Bilderzeugung. Prof. Dr. Leopold Dippel in Darmſtadt. Il, on Tag zu Tag ſteigt die Bedeutung, welche das Mikroskop, dieſes wichtige Hilfsmittel der Natur— forſchung, für die Geſundheitslehre, Schule und Tech— nik gewinnt und es erweitern ſich ſtets die Kreiſe, für welche eine gewiſſe Bekanntſchaft mit dieſem In— ſtrumente und ſeiner Wirkungsweiſe von Intereſſe wird. Ich fürchte daher nicht fehlzugreifen, wenn ich es verſuche, an dieſer Stelle einen kurzen Ueber— blick zu geben über das Werden unſeres heutigen, auf eine ſo hohe Stufe der Vervollkommnung ge— brachten zuſammengeſetzten Mikroſkopes, ſowie über die neuere, von Profeſſor Abbe eingeführte wiſſen— ſchaftliche Betrachtungsweiſe ſeiner Eigenſchaften und der Eigenart der durch dasſelbe vermittelten Abbil— dung. Erwieſenermaßen haben ſchon die älteſten Kulturvölker, namentlich aber die Griechen und Römer die vergrößernde Kraft geeignet geſchliffener Gläſer, ſowie waſſergefüllter, kugeliger Glasgefäße gekannt und ſich dieſer Hilfsmittel zur Bewaffnung des Auges bedient. Doch mit dem Verfalle der politiſchen Macht des griechiſchen und römiſchen Reiches beginnt auch eine Periode der Geſchichte des Vergrößerungsglaſes, welche bei dem während des ſpäteren Altertums herrſchenden Chaos der geiſtigen Verwilderung in Dunkel gehüllt erſcheint. Erſt mehr als tauſend Jahre nach Chriſtus traten Anzeichen in der arabiſchen Litteratur auf, welche uns darüber belehren, daß die Araber die Kunſt des Linſenſchleifens verſtanden und die Anwendung vergrößernder Gläſer kannten. Von den Arabern ging jene Kunſt auf die chriſt— lichen Mönchsorden über und es war der wegen ſeines hervorragenden Wiſſens von der Natur durch die Kirche der Zauberei angeklagte und zu lebenslänglichem Kerker verurteilte Mönch Roger Bacon, welcher vergrößernde Linſen herſtellte und benützte. Noch war aber die Zeit nicht gekommen, wo man die Vergrößerungsgläſer als Hilfsmittel der Forſchung anwendete; man gebrauchte dieſelben vielmehr nur als eine Spielerei und als Mittel zur Beluſtigung. Mehrere Jahrhunderte mußten noch verſtreichen, ehe die Namen eines Robert Hooke, Lewenhoek, Mal pighi und Grew den beginnenden Morgen der mikroſkopi— 274 Humboldt. — Juli 1885. ſchen Forſchung kündeten. Die Inſtrumente der ge⸗ nannten Forſcher waren noch höchſt einfacher Art und es wurde die Abbildung der mikroſkopiſchen Objekte durch einfache geſchliffene Linſen oder durch äußerſt kleine Glaskugeln von oft mehrhundertfacher Vergrößerungskraft vermittelt. Dieſer letzteren waren indeſſen und namentlich mit Rückſicht auf eine mög⸗ lichſt fehlerfreie Bilderzeugung gewiſſe Grenzen ge- ſteckt und dieſe konnten erſt nach und nach über⸗ ſchritten werden, nachdem an die Stelle des „einfachen Mikroſkopes“ das „zuſammengeſetzte Mikroſkop“ ge- treten war. Um die Ehre der Erfindung des letzteren ſtreiten ſich Italiener und Holländer und die einen wie die andern ſchreiben dieſelbe verſchiedenen Perſonen zu. Von den Italienern wurden einerſeits Fontana, andererſeits der Erfinder des Fernrohres Galileo Galilei, von den Holländern bald der britiſche Hof— mathematiker Cornelius Drebbel, bald die beiden Middelburger Brillenſchleifer Hans und Zacharias Janſſen als Erfinder genannt. Würdigt man die hiſtoriſchen Thatſachen ohne alle Voreingenommenheit, ſo bleiben in dieſem Ehrenſtreite die Holländer und unter dieſen die beiden einfachen Handwerker Sieger. Nach zuverläſſigen Mitteilungen von Zeitgenoſſen der beiden Janſſen bauten dieſe gegen Ende des 16. Jahrhunderts das erſte zuſammengeſetzte Mikroſkop für den Prinzen Moritz von Oranien. Der optiſche Apparat dieſes Inſtrumentes war noch ſehr einfach und beſtand höchſt wahrſcheinlich aus zwei in einem 1½ Fuß langen Rohr angebrachten doppelt konvexen einfachen Linſen, von denen die eine als Objektiv, die andere als Okular diente. Eine Beleuchtungsvor— richtung ſcheint ebenfalls gefehlt zu haben, ſo daß man die Objekte, welche auf den Fuß aufgelegt wurden, nur mittelſt auffallenden Lichtes beobachten konnte. So einfach dieſes erſte zuſammengeſetzte Mikroskop auch gebaut war, ſo waren darin doch die Grund— züge für die Konſtruktion des Inſtrumentes ge⸗ wonnen, welches in unſern Tagen der Wiſſenſchaft von der organiſchen Natur zu ihren größten Triumphen verholfen hat. Anfangs wurde dem zuſammengeſetzten Mikro⸗ ſkope noch geringe Beachtung zu teil. Erſt die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erſchienene „Mikrographie“ von Rob. Hooke, welche ein ſtatt— liches, mit 38 Tafeln ausgeſtattetes Werk bildete und zu den Wundern der damaligen Zeit gezählt wurde, bahnte demſelben den Weg zu wiſſenſchaftlichem Ge— brauche, zu welchem es aber vor allem für die zur Beobachtung feinerer Strukturverhältniſſe unumgäng⸗ liche Beleuchtung mittelſt durchfallenden Lichtes ein⸗ gerichtet werden mußte. Die erſten derartigen Mikro— ſkope, welche ſo eingerichtet waren, daß ſie gegen den Himmel, oder gegen eine künſtliche, durch Sammel— linſen verſtärkte Lichtquelle gewendet wurden, erbauten um 1660 die Optiker Tartana und Bonnanus, wäh⸗ rend die Beleuchtung der auf einem beſonderen durch— bohrten Tiſche angebrachten Objekte von unten und mittelſt von einem beweglichen Spiegel (p und m in den beigegebenen Abbildungen) reflektierten Lichtes erſt am Anfange des 18. Jahrhunderts durch unſern Landsmann Hertel aus Halle eingeführt und bald von deutſchen wie von ausländiſchen Optikern nach— geahmt wurden. Humboldt. — Juli 1885. 275 So begegnen wir in der erſten Hälfte des letzt— genannten Zeitraumes Inſtrumenten, welche, wie die nebenſtehenden Mikroſkope von Hertel (Fig. 1) und Martin (Fig. 2), ein Urbild unſeres heutigen zuſam— mengeſetzten Mikroſkopes vorſtellen. Noch immer aber ſtand das letztere an Leiſtungsfähigkeit gegen das bei den wiſſenſchaftlichen Forſchern noch vorzugsweiſe im Gebrauche befindliche einfache Mikroskop zurück. Erſt die Einführung des beim Fernrohre ſchon länger gebräuch— lichen „Achromatiſierens“ der Objektivlinſen führte dahin, daß die ſpäter aus den Händen Dellabarres, Hoffmanns (eines Hannoveraners), Weickerts, Wagners u. a. hervorgegangenen zuſammengeſetzten Mikroſkope recht wohl den Vergleich mit jenem aus— halten konnten. Der volle Sieg des zuſammengeſetzten Mikroſkopes war dem zweiten Viertel unſeres Jahrhunderts vor— behalten und die Namen Selligue, Chevalier, Frauenhofer und Amici bezeichnen die erſte Periode des raſchen Aufſchwunges, welcher durch die ſorgfältig durchgeführte Verbeſſerung der ſphäriſchen und chromatiſchen Abweichung bei Objektivlinſen, die man für ſtärkere Vergrößerungen nun aus meh— reren ſogenannten achromatiſchen Linſenkombinationen, „Gliedern“, zuſammenzuſetzen begann, herbeigeführt wurde. Den Genannten folgten dann in gleichen Bahnen unſere Landsleute Oberhäuſer, Schieck, Plöſſlͤ eu. a. Während der dreißiger und vierziger Jahre ſtanden die Inſtrumente Wmicts, welchen wir auch wahr— ſcheinlich die für die weiteren Fortſchritte in dem Baue der Objektivſyſteme grundlegende und bedeutungsvolle Erfindung des Konſtruktionstypus mit halbkugeliger Vorderlinſe zu verdanken haben, in hohem Rufe. Neben ihnen zeichneten ſich diejenigen von Schieck, Plöſſi und Nobert, ſowie des franzöſiſchen Op— tikers Nachet aus, deren Leiſtungen indeſſen von denen Oberhäuſers überholt wurden, welcher auch die mit feſtſtehendem, um die optiſche Achſe dreh— barem Objekttiſche, an der Säule und dem Rohr wirkender Einſtellvorrichtung und nach dem Vorgang Amieis allſeitig verſtellbarem Spiegel verſehene Muſterform für unſere heutigen kontinentalen großen Stative, ſowie für unſere kleinen Stative geſchaffen hat. Den Bahnen Oberhäuſers folgte in den fünfziger Jahren zunächſt L. Béneche in Berlin, deſſen Inſtrumente ſich einer weiten Verbreitung erfreuten, während der tüchtige, früh verſtorbene Karl Kellner in Wetzlar ſeine eigenen Wege gehend Vorzügliches leiſtete, die Altmeiſter Plöſſl, Schieck, Nobert und Merz aber den gewonnenen Ruf auch im Fortſchritte zu behaupten ſuchten. Einige Zeit ſchienen in den fünfziger Jahren Amiei und die engliſchen Optiker Roß, Smith, Beck, Powell und Lealand die Leiſtungen der kontinentalen Werkſtätten inſofern in Schatten zu ſtellen, als ihre Objeftivfyjteme mit Oeffnungswinkeln von über 100° in Bezug auf das ſogenannte „Auf— löſungsvermögen“ d. h. die Fähigkeit, immer feiner werdende Streifungen, Felderungen und dergl. zur Anſchauung zu bringen, einen höheren Grad der Leiſtung erreichten, während ſie dagegen an Schön— heit und Beſtimmtheit der Bilder keineswegs einen thatſächlichen Vorrang behaupteten, ja nicht ſelten in dieſer Beziehung ſowohl, wie in Bezug auf praktiſche Brauchbarkeit hinter deutſchen Syſtemen zurückblieben. Aber auch an jenem Vermögen ſollten die kontinen— talen Erzeugniſſe nicht mehr länger hintanſtehen, als zunächſt Hartnack, der Neffe und Nachfolger Ober— häuſers und dann unſere deutſchen, ſowie die fran— zöſiſchen Optiker ſich der — allerdings mit Rückſicht auf die praktiſche Brauchbarkeit in der Folge oft all— zuweit (bis auf 150° und mehr) getriebenen — Ver— größerung des Oeffnungswinkels zuwandten. Dadurch erreichten es die deutſchen und franzöſiſchen Werkſtätten, daß ſie uns ſchon damals ſtärkere Trocken-Objektive zur Verfügung ſtellen konnten, welche den älteren mit 60° bis 80° Oeffnungswinkel gegenüber ſolche von 105° bis 120° beſaßen und Linienſyſteme — wie ſie die Natur auf den Kieſelſchalen mancher Arten der als Diatomeen bekannten einzelligen Algen hervor— gebracht, der verſtorbene Nobert mit bewunderns- werter Geſchicklichkeit auf Glastäfelchen künſtlich her— geſtellt hat — deutlich getrennt erſcheinen ließen, deren einzelne Linien etwa um 0,0004 mm von ein— 276 ander abjtehen, von denen alſo etwa 2500 auf einen Millimeter gehen. Im Gefolge der Vergrößerung der Oeffnung trat nun der bei der früheren kleinen Oeffnung nicht fühlbar gewordene, die Bildſchärfe ſchädigende Einfluß der verſchieden dicken, namentlich bei ſtärkeren Vergrößerungen zum Schutze der Ob— jektive und Objekte dienenden Deckgläschen entſchieden hervor und man beſtrebte fic) denſelben dadurch aus— zuſchließen, daß man entweder — wie es Amici gethan — feſte Objektive für beſtimmte Deckglasdicken baute, oder die von dem engliſchen Optiker James Roß erfundene und eingeführte Korrektionsvorrichtung anbrachte, welche es geſtattete, eine Linſendiſtanz der mehrgliedrigen Objektive nach Bedürfnis zu ändern. Einen höchſt bedeutenden Fortſchritt in der Vervoll— kommnung der Objektivpſyſteme bildete die von Amici ſchon im Jahr 1846 erfundene, am Ende der fünf— ziger Jahre von Hartnack weiter ausgebildete und zu weiterer Verbreitung geführte Methode der Waſſer— immerſion, wobei der bei dem Trockenſyſtem von Luft eingenommene Zwiſchenraum zwiſchen der oberen Numboldt. — Juli 1885. bildet und praktiſch durchgeführt worden iſt. Dieſe Methode, welche darauf beruht, daß zwiſchen Deck- glas und Vorderlinſe des Objektivſyſtems eine dem Crownglas an Brechungs- und Zerſtreuungsvermögen etwa gleiche Flüſſigkeit (zur Zeit dient als ſolche vielfach ausſchließlich verdicktes Cedernholzöl, oder Miſchungen aus Ricinus- und Fenchelöl) eingeſchaltet wird. Dieſelbe führt, indem ſie zugleich die Deck— glaskorrektion entbehrlich macht, einerſeits die Schwie⸗ rigkeiten der Verbeſſerung der Abweichungsfehler für Syſteme von ſehr großer Oeffnung auf diejenigen eines Trockenſyſtemes mit einem Oeffnungswinkel von etwa 112— 120 zurück und geſtattet damit eine hohe Vervollkommnung des Zeichnungsvermögens (De— finition), während andererſeits die Leiſtungsfähigkeit der beſten, wiſſenſchaftlich brauchbaren (alfo nicht einzig zum Paradieren dienenden) ſtärkeren Ob⸗ jektive dieſer Art in Bezug auf das Unterſcheidungs⸗ vermögen ſich zu denjenigen der entſprechenden Trocken— ſyſteme und Waſſerimmerſionsſyſteme wie 1,30: 0,85 reſp. 1,30: 1,15 verhält, welches Verhältnis für mitt— Deckglasfläche und der dem Objekte zugewendeten lere Syſteme (von etwa 3 bis 4 mm Brennweite) vorderen Linſe des Objek— tivs durch Waſſer ausge- füllt wird. Dieſe Methode erleichtert nicht nur die Verbeſſerung der Abwei— auf 1,40 (1,42): 1,15 (1,20) gebracht werden kann. (Ein Lichtkegel von 180° in Luft wird in der gedachten Immerſions⸗ chungsfehler bedeutend, flüſſigkeit auf einen ſolchen ſondern ermöglicht es auch, von etwa 83° verenat. 9 über den idealen Oeff— nungswinkel des Trocken— ſyſtems, d. h. über 180° ziemlich weit hinauszu⸗ Aus dieſen Verhältniſſen geht hervor, daß uns heut- zutage Linienſyſteme zu⸗ gänglich find, deren ein⸗ gehen, da ein Lichtkegel von 180° in Luft vermöge des Lichtbrechungsgeſetzes in Waſſer in einen ſolchen von etwa 97 zuſammengezogen wird (Fig. 4). So gelang es, die Leiſtungsfähigkeit des zuſammengeſetzten Mikroſkopes überhaupt, beſonders aber auch das ſogenannte Auflöſungs- oder Unter- ſcheidungsvermögen in anſehnlichem Umfange zu er— höhen. Die Immerſionsſyſteme von Hartnack aus der gedachten Epoche zeigten z. B. neben vorzüglicher Klarheit und Schärfe des Bildes den Trockenſyſtemen gegenüber bezüglich der Oeffnung ſchon ein Ueber— gewicht, welches ſich etwa durch das Verhältnis: 1,05: 0,80 ausdrücken läßt. Schon im Anfange der ſiebziger Jahre ſteigerte Karl Zeiß in Jena das erſte Glied dieſes Verhältniſſes auf 1,10, während dasſelbe in der neueſten Zeit von ihm wie von an— dern deutſchen Optikern auf 1,17 bis 1,20 gebracht worden tft. Zur höchſten Entfaltung des optiſchen Ver- mögens gelangte das Mikroſkop dann durch die früher ſchon von Amici, Gundlach und Spencer ver— ſuchte Anwendung von ſtärker brechenden Mitteln (erſterer verwendete verſchiedene Oele, letztere beiden Glycerin) als Immerſionsflüſſigkeit, welche Methode um das Jahr 1878 von J. W. Stephenſon an- geregt und von Profeſſor Abbe unter der Bezeichnung der homogenen Immerſion theoretiſch ausge— a Fig. 4. zelne Linien um etwa 0,0002 mm voneinander abſtehen, von denen alſo etwa 5000 auf Imm gehen. Damit ſind wir aber auch auf einer Höhe der — nicht allein für die Auflöſung der gedachten Linienſyſteme ſondern namentlich für die Erforſchung der, in der Geſundheitslehre eine ſo bedeutende Rolle ſpielenden kleinſten Lebeweſen (Bak— terien u. dergl.) höchſt wichtigen — Leiſtungsfähig— keit des zuſammengeſetzten Mikroſkops angelangt, welche mit Rückſicht auf das der optiſchen Kunſt und der die Deckgläſer erzeugenden Glasinduſtrie zu Ge— bot ſtehende Material kaum noch einen Spielraum für weitere Steigerung zuläßt, indem das ideelle Maß der Oeffnung für die Objektivſyſteme der homo— genen Immerſion mit 1,5 (dem Brechungsindex des Crownuglaſes) erreicht wird. Mit der Vervollkommnung der Objektivſyſteme gingen diejenigen des Statives in Bezug auf Einſtell— vorrichtungen, Beleuchtungsapparat u. ſ. w. Hand in Hand. So wurden im Anſchluß an die erwähnten Stative von Oberhäuſer unſere heutigen konti— nentalen, in ihrem Baue gegen die unbequem hohen, mit Schraubvorrichtungen u. dergl. überladenen eng— liſchen und amerikaniſchen Stative verhältnismäßig einfachen, für den wiſſenſchaftlichen Gebrauch bequemen Stative herausgebildet, von denen ein großes zum Humboldt. — Juli 1885. Ueberlegen eingerichtetes Stativ von Dr. Karl Zeiß in Jena (Fig. 5) mit dem Abbeſchen Beleuchtungs- Fig. 5. apparate (in der Figur unter dem Objekttiſche) und der gewöhnlichen, hier ſenkrecht verſtellbaren und cen— trierbaren Blendungsvorrichtung (in der Figur zur 277 Seite geſchlagen), ſowie ein feſtes kleines Stativ von E. Seitz in Wetzlar (Fig. 6), dem Leſer ein allge— Munun meines Bild gewähren mögen, da die betreffenden Stative unſerer übrigen deutſchen Werkſtätten nur in unweſentlichen Einzelheiten von ihnen abweichen. Ein Beitrag zur Blumentheorie H. Müllers ). Don Dr. W. Breitenbach in Frankfurt a. M. . vorliegende Abhandlung iſt ſeit dem leider viel zu frühen Hinſcheiden des unvergeßlichen Erforſchers der Wechſelbeziehungen zwiſchen Blumen und den ihre Kreuzung vermittelnden Inſekten die ausführlichſte, welche den ſo intereſſanten Gegenſtand behandelt, und ſagen wir es nur gleich, es iſt eine ) Beobachtungen über den Blumenbeſuch von In— ſekten an Freilandpflanzen des botaniſchen Gartens zu Berlin. Von Dr. E. Löw, Oberlehrer an der Königl. Realſchule zu Berlin. Jahrbuch des Königl. botaniſchen Gartens und des botaniſchen Muſeums zu Berlin. Bd. III. S. 69—118 und 253—296. Humboldt 1885. vortreffliche Arbeit, zu der wir dem Verfaſſer Glück wünſchen. Herr Dr. E. Löw hat es unternommen, die Hauptergebniſſe der Müller'ſchen Unterſuchungen, wie ſie namentlich in deſſen ſtatiſtiſchen Aufſtellungen über den Inſektenbeſuch bei den verſchiedenen Blumen— kategorien niedergelegt ſind, einer umfaſſenden Prü— fung zu unterziehen. Er wählte dazu ein ganz eigen— artiges Beobachtungsfeld, nämlich den botaniſchen Garten zu Berlin. Die moderne Blumentheorie, die von Müller auf eine ſo hohe Stufe der Ausbildung erhoben worden iſt, hat ſich aus der Beobachtung und Unterſuchung der gegenſeitigen Beziehungen zwiſchen einheimiſchen Blumen und den denſelben geographiſchen ob 278 Humboldt. — Juli 1885. Bezirk bewohnenden Inſekten ergeben. Gelten nun die Reſultate der bisherigen Blumenforſchung auch dann, wenn z. B. den einheimiſchen Inſekten Blumen aus ganz anderen, abweichenden geographiſchen Be— zirken unter möglichſt natürlichen Bedingungen zum Beſuch, zur Honig- und Pollenausbeute, zur Kreu⸗ zungsvermittlung dargeboten werden? Das iſt die Frage, welche Dr. Löw zunächſt durch Beobachtung des Blumenbeſuches einer großen Anzahl von Apiden zu beantworten ſucht. Während H. Müller durch ſeine ſtatiſtiſchen Erhebungen vornehmlich feſtſtellen wollte, welche Inſektengruppe eine beſtimmte Blumen⸗ ſpecies, reſp. Blumenkategorie vorzugsweiſe beſucht, hat der Verfaſſer „in Ergänzung dazu die Crmitte- lung vorzugsweiſe darauf gerichtet, welche Auswahl unter den ihr dargebotenen Blumenformen und Blumenfarben jede einzelne Inſektenart (reſp. Inſektengruppe) trifft.“ Verfaſſer hat im ganzen an 578 im Freien kulti— vierten Pflanzen etwa 200 Inſektenarten über 2000 Blumenbeſuche ausführen ſehen. In der vorliegenden Abhandlung wird nun der Blumenbeſuch von 71 Apiden beſprochen, und die aus den Beobachtungen ſich ergebenden Reſultate werden mit den entſprechenden H. Müllers verglichen. Von den 2000 Blumen- beſuchen kommen etwa 1000 auf die Apiden. Dr. Löw kommt zu dem Hauptreſultat, daß „die Ueberein— ſtimmung zwiſchen den Verhältniszahlen der Blumen- beſuche im botaniſchen Garten und den von Müller für die gleichen Inſekten angegebenen im allgemeinen eine recht befriedigende iſt“. Die in Betracht fom- menden Pflanzen wurden nach zwei Rückſichten hin in Gruppen geteilt. Nach ihrer geographiſchen Ver— breitung teilte Dr. Löw die Pflanzen in drei Gruppen. „Die erſte derſelben (Pflanzen der Zone J) umfaßt ſolche Gewächſe, die im europäiſch-aſiatiſchen Wald— gebiet mehr oder weniger weit verbreitet ſind und für deren Areal auch eine annähernde Verwandtſchaft der Inſektenfaunen angenommen werden darf. In die zweite Gruppe (Pflanze der Zone II) wurden alle Länder der mediterranen Zone und des Orients ge— bracht, deren Inſektenfauna von der des Waldgebietes in bedeutenderem Grade abweicht als die der einzelnen mitteleuropäiſchen oder nordaſiatiſchen Länder unter ſich. Die dritte Gruppe (Pflanzen der Zone III) endlich begreift alle in Amerika oder Oſtaſien (Japan, China) einheimiſchen Gewächſe, deren Heimat die von der mitteleuropäiſchen am meiſten abweichende Inſekten— fauna beherbergt“ (J. c. Seite 72). Einer zweiten Einteilung in Gruppen wurden die Blüteneinrich— tungen zu Grunde gelegt und hier adoptierte der Verfaſſer die von H. Müller vorgeſchlagene Ein— teilung in Windblüten, Pollenblumen, Blumen mit offenem, teilweiſe verſtecktem und völlig geborgenem Honig, Blumengeſellſchaften, Fliegen-, Bienen- und Falterblumen. Bei dieſer Einteilung war es mög— lich, die Ergebniſſe der eigenen Beobachtung genau mit denen der Müllerſchen Unterſuchungen zu ver— gleichen. Wir wollen uns nun zunächſt den Blumenbeſuch einiger Apiden etwas näher anſehen, um zu erkennen, bis zu welchem Grade die Reſultate der Beobachtungen Löws mit denen H. Müllers übereinſtimmen. 1. Apis mellifica L. & nebſt der Varietät Apis ligustica Spin. Von 100 Blumenbeſuchen der Honigbiene fanden folgende Beſuche ſtatt: An deutſchen inen Im een Oanerten biene An Weſpen oder Bie— nenblumen . 35,2 37,6 33,3 An Blumengeſellſchaf— deities ee 13,3 23,2 23,5 An Blumen mit völlig geborgenem Honig 20,8 19,6 15,9 An Windblüten und Pollenblumen 7,2 8,9 3,7 An Blumen mit teil- weiſer Honigber— gung 7,1 13,6 An Blumen mit offe | | | nem Hong 8,„7 3,65 7,0 An Falterblumen . | 11 | — 2,8 Die Uebereinſtimmung dieſer drei Liſten iſt, wie man ſieht, ſo vollſtändig, wie ſie ſich nur erwarten läßt. In allen drei Fällen zeigt ſich, daß die Honig—⸗ biene die Bienenblumen, die Blumen mit tiefgeborgenem Honig und die Blumengeſellſchaften bevorzugt und daß fie überhaupt eine Blumenkategorie um ſo ſel— tener beſucht, je offener der Honig derſelben liegt. Die Honigbiene verhält ſich alſo ihr völlig fremden Pflanzen gegenüber ganz in derſelben Weiſe, wie ſie es bei den einheimiſchen ſeit vielen Generationen ge— wohnt iſt. 2. Bombus Latr. Beobachtet wurden folgende neun Arten: B. hortorum L., senilis Sm., agrorum Fabr., Rajellus Kirb., silvarum L., pratorum L., lapidarius L., hypnorum L., terrestris L. Von 100 Blumenbeſuchen dieſer neun Bombus— Arten fanden folgende ſtatt: | 110 Mitte In | bons en | Deutschland den Alpen Garten An Bienenblumen . | 55,5 50,3 62,9 An Blumengeſellſchaf- ten eae 16,3 24,4 24,5 An Blumen mit völlig verſtecktem Honig. 15,6 13,5 5,9 An Blumen mit teil- weiſer Honigber— | gung Spl 3,4 3,7 An Blumen mit offe- nem Honig . 1 3,5 1,5 0,7 An Windblüten und Pollenblumen 277 1,8 1,5 An Falterblumen . 1,3 5,0 0,7 Humboldt. — Juli 1885. 279 Auch dieſe drei Liſten ſtimmen im allgemeinen gut überein. Auffallend könnte erſcheinen, daß im alpinen Gebiete die Hummeln bedeutend mehr Falter— blumen beſuchen wie im Tieflande und im botaniſchen Garten. Allein da wir durch H. Müller erfahren haben, daß auf den Alpen die Falterblumen relativ viel häufiger ſind wie im Tieflande, ſo erklärt ſich daraus auf die einfachſte Weiſe der etwas ſtärkere Beſuch dieſer Blumen von ſeiten der Hummeln. Dr. Löw bemerkt, daß im botaniſchen Garten die Blumengeſellſchaften in ſtarker Ueberzahl geweſen ſeien. Wenn wir nun trotzdem in der Liſte keinen dement— ſprechenden ſtärkeren Beſuch der Blumengeſellſchaften konſtatieren können, ſo zeigt das, daß „die Art der Blumenausleſe durch die Hummeln dennoch nicht durch die zufällige Ueberzahl der Kompoſiten (der am zahlreichſten vertretenen Blumengeſellſchaften) beſtimmt wird, die Hummeln halten ſich vielmehr nachdrücklich an die Bienenblumen, deren vorwiegende Ausbeutung eine bereits erblich gewordene Gewohnheit der lang— rüſſeligen Bombus-Arten bildet“ (J. c. Seite 93). Dieſe Bevorzugung der Bienenblumen zeichnet beſon— ders die langrüſſeligſten Hummeln aus, ſie tritt da— gegen mit dem Kürzerwerden des Rüſſels allmählich zurück, und die kurzrüſſeligen Hummeln halten ſich mehr an die leichter auszubeutenden Blumengeſell— ſchaften. So führte nach Beobachtungen Dr. Löws B. hortorum, unſere langrüſſeligſte Hummel, von 100 Blumenbeſuchen an Bienenblumen 86,2, an Blumen mit völlig geborgenem Honig 5,8, an Blumengeſell— ſchaften 3,9 Beſuche aus. B. terrestris dagegen, unſere kurzrüſſeligſte Hummel, führte von 100 Be— ſuchen an Blumengeſellſchaften 49,5, an Bienenblumen 33,3, an Blumen mit völlig geborgenem Honig 6,4 Beſuche aus. Die Beſuche der übrigen Hummelarten ſtellen entſprechend ihrer Rüſſellänge zwiſchen dieſen beiden Extremen Abſtufungen dar. Die mit der Rüſſel— länge ab- und zunehmende Ausnutzung der Bienenblumen tritt alſo auch dann hervor, wenn ſich die Hummeln fremdländiſchen, ihren beſonderen Eigentümlichkeiten nicht angepaßten Blumen gegenüber befinden. 3, Anthophora Latr. Beobachtet wurden folgende vier Arten: A. pilipes F., parietina F., furcata Pa., quadrimaculata. Die Anthophora-Arten kommen in ihrer Rüſſel— länge am meiſten den Hummeln gleich, namentlich A. pilipes ſteht in dieſer Beziehung mit einer Rüſſel— länge von 19 bis 21 mm auf derſelben Stufe mit Bombus hortorum. Wir werden beim Blumenbeſuch der Anthophora alſo auch von vornherein eine Be— vorzugung der Bienenblumen erwarten können. H. Müller konſtatierte unter 100 Blumenbeſuchen der von ihm beobachteten Anthophora 86,2 Beſuche an Bienenblumen, 6,9 an Blumen mit völlig ge— borgenem Honig, 3,4 an Blumen mit teilweiſer Honig— bergung. Löw fand, daß von 100 Beſuchen 92,8 auf Bienenblumen, 7,2 auf Blumen mit teilweiſer Honigbergung kommen. In beiden Fällen tritt die außerordentliche Bevorzugung der Bienenblumen klar zu Tage. 4. Andrena F. und Halictus Latr. Beobachtet wurden von jeder Gattung 11 Arten, die wir hier nicht namentlich aufzählen wollen. Da die Arten der beiden Gattungen ſämtlich kurzrüſſelig ſind, im höchſten Falle eine Rüſſellänge von 12 bis 15 mm erreichen, durchſchnittlich etwa 7—8 mm, fo werden wir bei ihren Blumenbeſuchen eine Bevorzugung der Blumen mit ziemlich flachlie— gendem Honig und der Blumengeſellſchaften erwarten dürfen. In der That trifft dieſe Vorausſetzung ein, wie die folgende Liſte über den Blumenbeſuch von Andrena zeigt. Nach H. Müller Nach Dr. Low S Arten mit 182 11 Arten mit 47 Beſuchen Beſuchen An Wind- und Pollen— ann ae oe 6, An offenen Honigblumen 25, An Blumen mit teilweiſer Honigbergung . . | 27, An Blumen mit völlig geborgenem Honig . 1 An Blumengeſellſchaften. 1 An Bienenblumen . 1 An Falterblumen . 6 Prozent 4,3 Prozent 3 25,3 fn v " ” 19 „ Dieſe Tabellen über den Blumenbeſuch einiger Apiden mögen zunächſt genügen, um den Grad der Uebereinſtimmung zwiſchen den Beobachtungen H. Mül— lers und denen E. Löws zu zeigen. Die folgende Tabelle gibt eine Totalüberſicht über ſämtliche im Berliner botaniſchen Garten gemachten Beobachtungen an Apiden. Blumenausleſe der Apiden (71 Arten) im botaniſchen Garten. Unter 1000 Blumenbeſuchen führten aus: | Lang⸗ e é | Kurz⸗ | rüſſelige ßen, rüſſelige Geſamt⸗ Bienen PUM | Bienen beſuche | Beſuche | Bejude | Bejuce | An Pollenblumen 5 7 3 15 An Blumen mit offenem ö Gongs ous ies vores — 14 23 37 An Blumen mit teilweiſe N geborgenem Honig . 21 25 18 64 An Blumen mit völlig 0 geborgenem Honig. 30 47 26 103 An Blumengeſellſchaften.. 168 55 79 302 An Bienen- und Hummels | Ne cual 452 An Falterblumen . .. 14 | 8 5 27 | 578 | 227 195 | 1000 Die Tabelle zeigt uns, daß die langrüſſeligen Bienen faſt ausſchließlich Bienen- und Hummelblumen 280 Humboldt. — Juli 1885. ſowie Blumengeſellſchaften beſuchen, die erſteren aber doppelt fo ſtark wie die letzteren. Die kurzrüſſeligen Bienen wenden ihre Aufmerkſamkeit den Blumen mit flachliegendem Honig in etwa demſelben Maße zu wie den Blumengeſellſchaften. Die Honigbiene nimmt, wie das ihrer Rüſſellänge ganz gut entſpricht, zwiſchen dieſen beiden Extremen eine Mittelſtellung ein. Sie beſucht hauptſächlich Bienenblumen, Blumen mit völlig geborgenem Honig und Blumengeſellſchaften, aller- dings mit erſichtlicher Bevorzugung der Bienenblumen. „In voller Uebereinſtimmung mit der Theorie Mit l= lers endlich ſteht es, daß die Beſuche jeder Bienen— kategorie an den verſchiedenen Blumenformen eine auf⸗ und abſteigende Reihe bilden, welche auf der entſprechenden Blumenanpaſſungsſtufe ihren Maximal⸗ wert erreicht. Dementſprechend bilden auch die Be— ſuche ſämtlicher Apiden an Pollen- und Falter⸗ blumen die niedrigſten Anfangs- und Endglieder jeder Reihe“ (J. c. S. 290). Wir kommen jetzt zu der Frage: Wie ſtellt ſich die Blumenausleſe der Apiden in Bezug auf die Pflanzen aus den drei oben aufgeſtellten geographiſchen Zonen? Folgende Tabelle gibt uns hierüber die er— wünſchte Auskunft. Unter je 100 Blumenbeſuchen an Pflanzen der— ſelben Zone fanden ſtatt: An Pflanzen An Pflanzen An Pflanzen der Zone I der Zone IL | der Zone III. Beſuche Beſuche Beſuche An Pollenblumen .. 179 0,6 0,6 An Blumen mit offe— nem Honig Rail 20 1,2 An Blumen mit teil—⸗ weiſe geborgenem SNOUT 6b b> Bes 8,8 5,3 = An Blumen mit vole | liger Honigbergung 12,5 7,8 6,6 An Blumengeſellſchaf— 7 eG SS 19,8 60,2 An Bienen und Hum⸗ Melblümen; 44 62,7 21,1 An Falterblumen . 192 1,1 10,2 Die Blumen der Zone II werden in derſelben Reihenfolge beſucht wie die der Zone I, nur mit einer ſtarken Bevorzugung der Bienen- und Hummel⸗ blumen; die Blumen der Zone III hingegen werden in einem ganz andern Verhältnis beſucht, indem es hier die (hellfarbigen) Blumengeſellſchaften ſind, welchen ſie ganz deutlich den Vorzug geben. Diejenigen Bienen, welche bei uns vorwiegend Bienen- und Hummelblumen angepaßt ſind, beſuchen dieſe noch ſtärker bei Pflanzen Süd⸗Europas und des Orients, vernachläſſigen ſie dagegen bei Pflanzen amerikaniſchen und japaneſiſchen Urſprungs. Dr. Löw hat nun nicht nur die Blumenbeſuche der Apiden als ſolche konſtatiert, ſondern er hat ſeine Aufmerkſamkeit auch auf die Farbenauswahl gelenkt, welche die Apiden bei ihren Blumenbeſuchen treffen. Nach der Blumentheorie H. Müllers ſollen die langrüſſeligen Bienen die dunklen Blumenfarben, die kurzrüſſeligen Bienen dagegen die hellen Farben be- vorzugen. Die Beobachtungen Dr. Löws ſtimmen, wie die in der Abhandlung aufgeſtellten Tabellen zeigen, in ſehr befriedigender Weiſe überein mit dieſer Theorie. Ich begnüge mich damit, den Leſer in dieſer Hinſicht auf die Original-Abhandlung zu verweiſen. Als eine von ihm zuerſt genauer beachtete That⸗ ſache, die durch die Müllerſche Blumentheorie keine Erklärung findet, ſtellt Dr. Löw die fogenannte Heterotropie der Bienen hin. Es hat fic) durch Bee obachtungen feſtſtellen laſſen, daß Bienen, welche nahe⸗ verwandten Species derſelben Gattung angehören, ja daß ſelbſt Männchen und Weibchen einzelner Arten in Bezug auf die Auswahl der von ihnen beſuchten Blumen in manchen Fällen ſich ſehr verſchieden verhalten, trotz gleicher Rüſſellänge. Löw unterſcheidet in dieſer Hinſicht polytrope und oligotrope Arten. Oligotrop ſind diejenigen Arten, welche im Vergleich zu anderen nahe verwandten Arten von gleicher Rüſſellänge gewiſſe Blumenformen einſeitig bevorzugen, polytrop ſind die— jenigen, welche in ihrer Blumenauswahl bedeutend viel—⸗ ſeitiger find. Bombus terrestris z. B. führt unter 100 Bez ſuchen folgende aus: An Bienenblumen 33,3, an Blumen⸗ geſellſchaften 49,5; die übrigen verteilen ſich auf die anderen Blumenkategorien. Dahingegen kommen von der oligotropen Species Anthidium manicatum von 100 Beſuchen auf Bienenblumen 93,6, auf Blumen- geſellſchaften 2,1 und die noch fehlenden 4,2 auf Falterblumen. Anthophora und Osmia ſind gleich— falls ſtark oligotrop, da ſie in ziemlich einſeitiger Weiſe die Bienenblumen vorziehen; jedenfalls in weit höherem Grade wie die ihnen in der Rüſſellänge ent— ſprechenden Bombus hortorum und Apis. Aus dieſen Beobachtungen ergibt ſich, daß die von den langrüſſe— ligen Bienen ausgeübte Blumenauswahl nicht immer lediglich durch die Rüſſellänge beſtimmt wird. Dieſe Thatſachen, die Löw bei ſehr vielen Bienengattungen nachweiſen konnte, ſtehen offenbar in einem gewiſſen Widerſpruch zur Müllerſchen Theorie, durch welche ſie keine Erklärung finden. Solche Widerſprüche finden ſich auch, wenn man die Farbenauswahl mancher Bienen bei ihren Blumenbeſuchen betrachtet. Heriades truncorum und Chelostoma nigricorne gehören zwei nahe verwandten Gattungen an, unter- ſcheiden ſich aber in Bezug auf ihren Blumenbeſuch ſehr bedeutend. Heriades truncorum iſt eine aus- geſprochen olygotrope Biene; denn 72,2 Prozent ihrer Blumenbeſuche fallen auf Blumengeſellſchaften, 16,7 Prozent auf Blumen mit völlig geborgenem Honig und je 5,5 Prozent auf Blumen mit offenem Honig und Bienenblumen. Im Gegenſatz dazu iſt Chelostoma nigricorne polytrop, denn von den Blumenbeſuchen kommen auf Blumengeſellſchaften 17,8 Prozent, auf Blumen mit völlig geborgenem Honig 32,1 Prozent, auf Bienenblumen 39,6 Prozent, auf Blumen mit teilweiſe geborgenem Honig 7 Pro— zent und auf Falterblumen 3,5 Prozent. Nach der Müllerſchen Theorie müßten nun beide Bienen die dunkelfarbigen Blumen bevorzugen. Bei Chelo- Humboldt. — Juli 1885. 281 ſtoma iſt das auch der Fall, denn 75 Prozent der Beſuche kommen auf dunkelfarbige, 25 Prozent auf hellfarbige Blumen. Bei Heriades dagegen iſt das Verhältnis ein umgekehrtes, denn nur 33,3 Prozent der Blumenbeſuche gelten dunkelfarbigen Blumen, 66,7 Prozent aber hellfarbigen. Solche Fälle konnte Löw mehrere konſtatieren. Wir haben es alſo hier mit Erſcheinungen zu thun, welche zeigen, daß außer der Rüſſellänge noch andere biologiſche Faktoren mitbeſtimmend auf die Blumen- auswahl der Bienen einwirken. Es handelt ſich nun darum, dieſe Faktoren zu erkennen, dadurch die ge— dachten Erſcheinungen der Heterotropie zu erklären und ſomit die ſcheinbaren Widerſprüche zu der Blumen— theorie p. Müllers aus dem Wege zu räumen. In einzelnen Fällen iſt es Dr. Löw gelungen, dieſe Nebenfaktoren zu erkennen und ihre Wirkung darzu— thun. „Neſtbau, frühe oder ſpäte Flugzeit, beſon— Ei n e eue dere Vorliebe der Larven oder der erwachſenen In— ſekten für Pollennahrung, vererbte Gewohnheiten 2c. — alle dieſe Momente beeinfluſſen die Art der Blumen— auswahl mindeſtens ebenſo ſehr, als ſie von der Rüſſel— ſtruktur und Rüſſellänge der Kreuzungsvermittler ab- hängt“ (I. e. S. 295). In dieſer eigentümlichen Heterotropie iſt uns ein neues, höchſt intereſſantes Beobachtungsfeld eröffnet, auf dem noch mancher wertvolle Stein zum weiteren Ausbau der modernen Blumentheorie gefunden werden kann. Somit haben wir einige der Hauptpunkte aus der ſehr intereſſanten und verdienſtvollen Arbeit Dr. E. Löws herausgehoben. Der Verfaſſer beab— ſichtigt in einer demnächſt folgenden Abhandlung auch den Blumenbeſuch der übrigen von ihm beobachteten Inſekten, Schmetterlinge, Käfer, Dipteren ꝛc. zu be— ſprechen, ſowie uns mit einer Anzahl bisher nicht erörterter Blüteneinrichtungen bekannt zu machen. a e. Nach ſpaniſchen Quellen. Don Ewald Paul in Halberſtadt. Ga Plata. — Was iſt La Plata? wird der Leſer fragen. Vielleicht glaubt er, daß ich ihm von dem gewaltigen Fluſſe Südamerikas oder der von dieſem Fluſſe durchſchnittenen Gegend, der er ſeinen Namen leiht, erzählen will. Nichts von beiden. La Plata iſt eine Stadt, eine Stadt, an die vor kurzem noch niemand dachte, deren Entſtehung nur wenige Wochen zurückdatiert und die treffend beweiſt, welche Reſultate ein Mann energiſchen Charakters erzielen kann, wenn er die Umſtände und Mittel, die zu feiner | Verfügung ſtehen, zu benutzen weiß. Dieſer Mann hat geſagt: „La Plata ſei!“ und La Plata war. Und die Stadt erhob ſich majeſtätiſch im Schoß einer Wüſte, ſo ſchnell als ein Wechſel der Dekoration in einer Feerie ſtattfindet, als ob ſie unter dem geheimnisvollen Einfluſſe eines mächtigen Geiſtes entſtände? Wie war der Urſprung dieſes über— raſchenden Werkes? Die Argentiniſche Republik hatte niemals eine beſtimmte Hauptſtadt gehabt. Vor mehreren Jahren hatte ſich Buenos-Ayres von der Konföderation ge— trennt und die Regierung ſaß in Parana. Siege von Pavon, den Buenos-Ayres über die Kon— föderierten davontrug, wurde General Mitre, der Gouverneur der Provinz war, zum Präſidenten der Seit dem Republik gewählt und die Hauptſtadt proviſoriſch nach Buenos-Ayres verlegt, das dann die Reſidenz beider Regierungen wurde. Aber der Antagonismus, der noch zwiſchen den Autoritäten der Provinz und denen der Nation be— ſtand, ſpitzte ſich immer mehr zu, bis er zum wirk— lichen Kampfe ausartete und der Bürgerkrieg von neuem entbrannte. Nach den Kämpfen, die 3000 Men— ſchen verſchlungen hatten, kam man beiderſeits zu der Ueberzeugung, daß die alleinige Urſache dieſer Störungen das Beiſammenſein beider Regierungen in einer Stadt ſei. Nun wurden die Behörden der Provinz eingeladen, Buenos-Ayres der Nation ab— zutreten, um daraus die Hauptſtadt der Republik zu machen. Man erhielt Gewähr, Buenos-Ayres wurde föderaliſiert und die Exekutivgewalt beauftragt, einen Ort für die neue Hauptſtadt der Provinz auszu— wählen. Die Gründung von La Plata war kaum angeordnet, als auch ſchon die Arbeiten begannen, und ſeitdem werden ſie mit außerordentlichem Eifer und Enthuſiasmus fortgeſetzt. Der Ex-Gouverneur der Provinz, Dr. Dardo Rocha, ein Mann von großem Einfluß und einer ausnahmsweiſen Rührigkeit, der auch über Kapitalien der Bank der Provinz disponiert, iſt der Eingeber und die Seele dieſes rieſigen Unter— nehmens, dem man ſo viel Gutes ſowohl als auch Böſes vorhergeſagt hatte. Die Entfernung La Platas beträgt ungefähr 60 km. Joſus Montevideo anſäſſiger Italiener, von Buenos⸗ E. Bordoni, beſuchte die Ayres ein in Stadt und gibt von ihr folgende Schilderung. 282 Humboldt. — Juli 1885. „Am Orte, der für die neue Stadt beſtimmt ijt, angekommen, war ich ganz erſtaunt über die Ver⸗ wirrung, in der ſich mein Geiſt befand, denn ich wußte nicht zu unterſcheiden: war ich in einer Stadt oder auf dem Lande. Ich ſah wohl hie und da die gewaltigen Maſſen unvollendeter Bauten, andererſeits aber auch die Ackerfurchen vom vergangenen Jahre und an mehreren Stellen ſogar Ueberreſte der letzten Ernte. Hie und da Pflanzenſtengel, Geſtrüpp, Gräſer, noch grünende Büſche, Mais zwiſchen Stößen von Ziegelſteinen und Haufen von Sand, die für den Mörtel beſtimmt waren, dann Raſenſtücke, die der Fortſchaffung harrten, ja ſelbſt Bäume, deren in den Schlamm geſtreckte und durch die nur halb los— geriſſenen Wurzeln noch am Boden hängende Stämme die Durchgänge verſperrten. Und überall Erntereſte, Rübenſtümpfe, weggeworfene Hülſenfrüchte, die von Hühnern aufgepickt wurden, Miſthaufen, in denen ſich Schweine mit ſichtbarem Wohlbehagen herum— tummelten. Ich geſtehe, daß das im erſten Augen— blick ein trauriger Empfang war für jemand, der eigens zur Beſichtigung dieſes Wunders faſt 200 km weit hergekommen war. Dennoch verlor ich die Faſſung nicht, und nachdem der erſte Eindruck ge— ſchwunden war, ließ ich mein Pferd im langſamen Schritt gehen und machte mich daran, die Stadt nach allen Richtungen hin zu durchſtreifen, mit dem feſten Vorſatz, meine Reiſe ſo viel als möglich auszunutzen. Es bedurfte nicht viel, um mein Urteil zu ändern und mich in gute Laune zu bringen. Eigentlich wäre es nötig, einen Entwurf zur Hand zu haben, wenn man ſich eine genaue Idee von der Lage der verſchiedenen Quartiere der zukünftigen Provinzialhauptſtadt machen will, deren Hauptſtraßen auf einen inmitten des Ganzen belegenen und von koloſſalen Gebäuden umgebenen Platz auslaufen. Ich beſchränke mich jedoch auf Anführung der hervor— ragendſten Beſonderheiten. Das Terrain iſt ganz zufällig gewählt und gewiſſe Punkte ſind bei ſtarkem Regen plötzlich überſchwemmt. Dieſer Umſtand hat die Gegner des Unternehmens veranlaßt, La Plata die Stadt der Fröſche zu nennen. Doch das iſt ein ſchlechter Scherz. Die Nivellierungsarbeiten, die mit Eifer betrieben werden und an denen Hunderte von Arbeitern beſchäftigt ſind, werden bald dieſe Unzu— träglichkeit beſeitigen. Ein zum Abfluß des Waſſers eingerichtetes Schleuſenſyſtem wird die Beſſerung vervollſtändigen. Außerdem trägt ein großer Euka⸗ lyptuswald, der nahe bei der Stadt liegt und dieſe von den Sümpfen, die ſich am Fluſſe entlangziehen, trennt, bedeutend dazu bei, durch ſeine heilſamen Ausatmungen eine mit Wohlgerüchen balſamierte Atmoſphäre zu erhalten. Ich komme nun zu den öffentlichen Gebäuden, die allein erwähnenswert ſind und ein impoſantes Ganzes bilden. Sie haben alle quadratiſche Form und das Maß einer Seite beträgt 100, bei einigen ſogar 120 m, was für die erſteren einen Flächenraum von 1 ha, für die anderen einen ſolchen von 14,400 qm ergibt. Ich zählte deren 15, die regelmäßig und in geringer Entfernung voneinander über eine Fläche von 4 qkm verteilt waren. Unter den herrlichſten bemerkt man den Regierungspalaſt, den der Bank der Provinz, der Hypothekenbank, den Palaſt der Ingenieure und das Lokal des öffentlichen Unterrichts. Der moderne einfache und ſtrenge Stil herrſcht überall vor, etliche Anomalien in den Cinzel- heiten ausgenommen, die einem gewiſſen fosmo- politiſchen Einfluſſe zuzuſchreiben ſind, der eine große Verſchiedenheit der Nuancierung bedingt. Die meiſten dieſer ungeheuren Gebäude ſind bei— nahe beendet, einige bereits ganz fertig. So haben ſich die Direktionen der beiden Banken bereits in ihren Plätzen eingerichtet, auch die Regierung hat ihren Sitz bereits ſeit dem 25. April (1884 natürlich) ein⸗ genommen und am 1. Mai empfing der neue Gouverneur der Provinz, Herr D'Amico die Inſignien der Macht aus den Händen des alten Gouverneurs, Herrn Roche. Eine kleine Kirche, die Kapelle des Sankt Pontian bezeichnet den Platz der zukünftigen Kathedrale, die in großem Maßſtabe geplant iſt und würdig an der Seite der übrigen Monumente von La Plata ſtehen wird. Die Stadt iſt von elektriſchen Lampen erleuchtet, deren Reflektoren ſich auf 25 bis 30 m hohen Holz— türmen, die durch ſolche aus Mauerwerk erſetzt werden ſollen, befinden und ein gleichförmiges und den Be— dürfniſſen des Augenblicks völlig genügendes Licht verbreiten. Ich ſage nichts von Privatgebäuden, denn, ausgenommen einige wenige vollendete Häuſer und viele im Bau befindliche, ſetzt ſich der Reſt aus Ranchos, d. h. Hütten aus Erdſchollen und mit Stroh gedeckt (gemäß der charakteriſtiſchen Landesgewohnheit) und aus kleinen ſehr ſauberen und ſehr einfachen Holzhütten zuſammen, die beſtimmt ſind, in Zukunft, ſobald ſich die neuen Bewohner gänzlich in der Stadt niederlaſſen, zu verſchwinden. Ich füge noch hinzu, daß die neue Hauptſtadt ein aſtronomiſches Obſervatorium unter der Leitung des Herrn Beuf, Direktor der argentiniſchen Seemanns⸗ ſchule, erhalten wird. Man hat dieſem Etabliſſement die Inſtrumente zur Verfügung geſtellt, die die Re- gierung der Nation für die Beobachtung des Venus- durchganges in Frankreich hatte erbauen laſſen. Endlich iſt La Plata durch einen Schienenweg mit La Enſenada verbunden, wo man jetzt emſig die Arbeiten für den neuen Hafen von wenigſtens 2 Stunden Diſtanz betreibt. Die Zahl der täglich an den beiden Punkten, La Enſenada und La Plata, beſchäftigten Arbeiter wird auf mehr als 5000 berechnet und die Ausgaben überſteigen bereits 50 Millionen Piaſter — etwa 200 Millionen Mark. Trotz der gegenteiligen Meinungen glaube ich doch, daß La Plata eine glänzende Zukunft haben wird, ſei es durch ſeine topographiſche Lage, die in Bezug auf das Territorium der Provinz beſſer gewählt iſt, ſei es durch ſeine Autonomie in Bezug auf die Hauptſtadt der Nation und auf die Abweſenheit der Hinderniſſe politiſchen und adminiſtrativen Charakters, die ſich der Entwickelung ſeiner Inſtitutionen entgegen⸗ ſtellen könnten, und endlich wegen der hygieiniſchen Humboldt. — Juli 1885. 283 Bedingungen des Ortes. Denn es iſt ſeit längerer Zeit erkannt worden, daß der Untergrund von Buenos- Ayres, mit tödlichen Subſtanzen infiziert, einen immer ſehr gefährlichen Herd bildet für den ſchrecklichen Fall neuer Epidemien, wie jener, die vor etlichen Jahren dort hauſten und durch ihre Heftigkeit und die Zahl ihrer Opfer ſo ſchmerzliche Erinnerungen zurückließen.“ Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Zoologie. Don Dr. William Marſhall, Profeffor an der Univerſität Leipzig. Gruber, Ueber Amöben. Neuere Arbeiten über die ſyſtematiſche Stellung der Spongien. Crinoiden der Challenger-Expedition. Seuckarts Unterſuchungen von Sphaerularia. Die Sinneswerkzeuge der Näferſchnecken. Rauber, Ueber den Einfluß der Schwerkraft auf die Eifurchung. Der früheren Anſicht gegenüber, daß die zahlreichen Amöbenformen vorübergehende Zuſtände einer einzigen Art wären, hat Gruber gezeigt, daß auch bei dieſen niederen Lebeweſen eine Menge verſchiedener und ſcharf ge— trennter Arten vorkommen, die durchaus nicht ineinander übergehen. Er hat Material von denſelben Oertlichkeiten monate-, ja jahrelang unterſucht und fic) vollſtändig von der Richtigkeit dieſer Behauptung überzeugt. Es hat ſich herausgeſtellt, daß die Konſiſtenz und die Bewegungser— ſcheinungen des Protoplasmas, aus dem der Amöbenleib beſteht, daß ſein mittlerer Umfang, die in ihm enthaltenen Einſchlüſſe, Vakuolen, Körnchen, Kryſtalle, ja paraſitiſche Bildungen, vor allem aber die Beſchaffenheit ſeiner Kerne vorzügliche und konſtante Charakter zur Beſtimmung der Arten abgeben. Freilich ſcheinen uns die Exiſtenzbedin— gungen für alle Amöben die gleichen zu ſein: ſie leben, teilweiſe immer, an denſelben Lokalitäten, ernähren ſich auf dieſelbe Art und trotzdem haben fie ſich nach verſchiedenen Richtungen hin entwickelt. Doch was uns gleich zu ſein ſcheint, braucht es in Wahrheit noch lange nicht zu ſein und wir verfahren nur logiſch, wenn wir annehmen, daß auch die Amöben denſelben Geſetzen unterliegen, wie die höheren Tiere, daß ſie ſich anpaſſen und daß durch natürliche Zucht— wahl die Variationen fixiert werden. Die bedeutende An— zahl dieſer Variationen lehrt uns aber wieder aufs neue, ein wie geſchmeidiges Material das Protoplasma iſt, und wenn wir ſehen, daß ſchon die leiſeſte, oft kaum nachweis— bare Veränderung ſeines Weſens hinreicht, bei ſo niederen Geſchöpfen, bei Protozoen eine neue Art in die Erſcheinung treten zu laſſen, ſo wird es uns nicht länger frappieren, wenn die vielzelligen Lebeweſen, die Metazosn, die doch ge— wiſſermaßen Staaten zahlreicher Zellen ſind, eine ſo groß— artige Verſchiedenheit in der Anpaſſung und in deren Re— ſultat, der Organiſation und ihren Leiſtungen, aufweiſen. Gruber glaubt ferner mit Sicherheit behaupten zu können, daß die Annahme einer konzentriſchen Umlagerung verſchiedener Protoplasmaſchichten bei den Amöben auf einer Täuſchung beruhe, daß ihr Körper vielmehr aus einer ein— heitlichen, gleichartigen Grundmaſſe beſtände, in der die verſchiedenen Einſchlüſſe, Körnchen, Kerne, Kryſtalle ꝛc. ſuſpendiert wären. Die Konſiſtenz des Protoplasmas kann nach den Arten ſehr verſchieden ſein und reguliert ſich hiernach die Beſchaffenheit der Anhänge, die bei dünn— flüſſigen Arten lang und fadenförmig, bei zähflüſſigen kürzer und buckelförmig ſind. Wenn auch das Verhalten der Kerne bei den Teilungserſcheinungen der vielkernigen Amöben noch nicht beobachtet werden konnte, ſo ſteht doch ſo viel feſt, daß die Vielkernigkeit ein ganz beſtimmter Charakter der betreffenden Arten und durchaus keine perio— diſch wiederkehrende, etwa nun bloß der Teilung voran— gehende Erſcheinung iſt. Von beſonderem Intereſſe ſind zarte Pilzbildungen, die ſich in Geſtalt blaſſer Fäden in gewiſſen Amöbenarten, namentlich bei einer, die ſich durch die konſtante Anhäufung chlorophyllhaltiger Nahrung aus— zeichnet, finden und von denen Gruber glaubt, daß ſie zu den Amöben in einem ganz beſtimmten Verhältnis des Mutualismus, der Aſſociation zu gegenſeitigem Vorteile ſtänden, nämlich daß die Pilzfäden von dem Sauerſtoff, den die im Amöbenleib aufgenommenen Pflanzenteile aus— ſchieden, profitierten und ihrerſeits den Amöben wieder zur Nahrung dienten. Während die meiſten modernen Unterſucher der Schwämme (Spongiae) in dieſen Weſen nach dem Vorgange Leuckarts Tiere ſahen, die zu der großen Klaſſe der Cölenteraten gehören und dieſe Anſicht nament— lich durch die Beſchaffenheit des ſogenannten cölenteriſchen Apparats begründen, der aus einer centralen Leibeshöhle, von der centrifugal die Wandungen durchſetzende und frei nach außen mündende Kanäle ausgehen, beſteht, ſo haben ſich doch andere Forſcher, wie James Clark und Sa— ville Kent, denen ſich neuerdings noch Bütſchli und J. W. Sollas angeſchloſſen haben, gegen dieſe Auffaſſung gewandt. Die genannten Gelehrten legen ein Hauptge— wicht auf die Beſchaffenheit gewiſſer Zellen und auf ihre Aehnlichkeit mit gewiſſen Protozoen. Die betreffenden Zellen, die Geißelzellen, finden ſich in den Leibeskanälen der Schwämme meiſt gruppenweiſe in beſonderen Hohl— räumen, den jog. Geißelkammern vereinigt und vermitteln die Strömungen des Waſſers durch die Spongie und damit 284 Humboldt. — Juli 1885. deren Atmung und Ernährung; ausgeſtattet find ſie mit einer anſehnlichen, in der Strömungsrichtung ſchwingenden Geißel, um deren Grund ſich das hellere Vorderteil der übrigen Zelle trichter- oder manſchettenartig erhebt und auf dieſe Weiſe das fog. Kollare bildet. Es iſt nun richtig, daß ſich eine ähnliche Bildung einer Zelle nur bei gewiſſen Protozoen, den Choanoflagellaten, im ganzen Tierreiche wiederfindet, hier aber in einer allerdings wunderbaren Aehnlichkeit, faſt Gleichheit den Hauptleib des ganzen Tieres bildend. Die erwähnten Forſcher ſehen nun in den Schwämmen Kolonien ſolcher Choanoflagellaten und halten die einzelnen Geißelzellen, die von einigen Spon- giozoen benannt werden, für das eigentlich Eſſentielle am ganzen Tiere, den übrigen Leib aber für eine Art Gehäuſe dieſer Choanoflagellaten. Saville Kent und Sollas ziehen noch die Entwicklungsvorgänge der Spon— gien mit in Betracht und behaupten, die freiſchwimmende Larve ſei auch nichts als eine Kolonie ſolcher Choano— flagellaten in Geſtalt einer ovalen Blaſe und die einzelnen Individuen dieſer Kolonie ſtänden mit ihrem Geißelende centrifugal angeordnet, und um jede Geißel befände ſich ein Kollare. Dieſe ſchwimmende Kolonie ſetze ſich dann feſt und indem ſie ſich ein Gehäuſe bilde, vermehre ſie ſich, — alle die Geißelkammern auskleidenden Zellen wären direkte Nachkommen jener Schwimmkolonie und eben die eigentlichen Tiere des Schwammſtockes. Sollas hält es nicht für möglich, daß ſo komplizierte Gebilde, wie die Geißelzellen, ſich zweimal unabhängig von einander hätten bilden können und es ſei überhaupt eigentlich nur ein Charakter des ausgebildeten Schwammes, der an die mehr— zelligen Organismen (Metazoen) erinnere, nämlich die Gegenwart von zweierlei Geſchlechtsſtoffen, doch ſei nicht zu überſehen, daß dieſe auch bei Pflanzen vorkämen und was Pflanzen und Spongien unabhängig voneinander hätten erwerben können, das könnte auch von Schwämmen und Cölenteraten einzeln und für ſich differenziert worden ſein. Der Anſicht von der Protozoennatur der Spongien gegenüber hat nun F. E. Schulze (allerdings noch kurz vor Erſcheinen der Sollasſchen Arbeit) in ſehr klarer Weiſe dargethan, daß die Spongien Metazoen ſind. Einmal wird ihr Leib aus drei Keimblättern aufgebaut, die Vor— gänge bei ihrer Entwicklung ſind typiſch für ein Metazoon und das von Saville Kent behauptete Kollare der Geißelzellen der frei ſchwimmenden Schwammlarve beruht auf einem Irrtum. Während Schulze nun zwar voll und ganz für die Metazoennatur der Spongien eintritt, ſcheint es ihm doch recht fraglich, ob es richtig ſei, ſie als Cölenteraten ſo geradehin zu bezeichnen. Allerdings laſſe ſich jetzt ſchon, obwohl unſere Kenntniſſe über die be— treffenden Verhältniſſe noch ſehr dürftig genannt werden müſſen, ſo viel behaupten, daß die Unterſchiede, die zwiſchen den ſchwimmenden Flimmerlarven der Schwämme und der übrigen inſoweit bekannten Cölenteraten auftreten, nicht be— trächtlicher ſind als die zwiſchen den verſchiedenen Spon— gienlarven untereinander. Erſt nach der weiteren Meta- morphoſe treten jene durchgreifenden Unterſchiede auf, die es leicht machen, einen Schwamm von einem Colenterat zu unterſcheiden und daraus ſchließt denn Schulze, daß die Divergenz beider Linien nicht vor dem Ahnenzuſtande auftrat, welcher der zur Metamorphoſe reifen Larve ent— ſpricht, aber er glaubt, daß damals noch kein radiärer Bau, keine indifferenten Waſſerporen und noch weniger etwa Tentakeln und Neſſelkapſeln werden vorhanden geweſen fein und daß die älteſten Spongien noch keine radiären Ausſtülpungen der Leibeshöhle beſaßen, ſondern wie ein ganz junger Kalkſchwamm, ein ſog. Olynthus, Sackform werden gehabt haben. Es iſt gewiß, das letzte Wort über die wahre ſyſte— matiſche Stellung der Spongien iſt noch nicht geſprochen; unſere Kenntniſſe über ihre Entwicklungsgeſchichte ſind noch nicht derart, daß wir feſte Schlüſſe ziehen könnten. Wunder⸗ bare, höchſt wunderbare Weſen aber ſind dieſe Schwämme, die, einſt lange Zeit Stiefkinder der Naturforſcher, ſich gegenwärtig einer beſondern Aufmerkſamkeit ſeitens der Unterſucher erfreuen und dieſe Aufmerkſamkeit reichlich be— lohnen. Bei einzelnen dieſer Geſchöpfe, die, wie wir ſahen, manche Forſcher heutigen Tages noch für Protozoenkolonien anſehen, gelang es von Lendenfeld gar ein Nerven- ſyſtem nachzuweiſen! Der genannte Gelehrte fand in dem Eingangstrichter um die Poren von Kalkſchwämmen (Sy⸗ konen) herum einen drei- bis fünffachen Ring von Sinnes- zellen mit ſpindelförmiger Geſtalt, 0,016 mm lang und 0,0014 mm dick. Dieſe Zellen gehören dem mittelſten Keimblatt an, treten bis an die Oberfläche des Schwammes und in Geftalt kleiner Höckerchen, die im Leben wahrſchein— lich Sinneshaare oder Taſtborſten trugen, ſogar über die— ſelbe hinaus. Bei anderen Kalkſchwämmen (Leukonen) lagen ähnliche Sinneszellen oberflächlich über den ganzen Schwamm unregelmäßig zerſtreut. Unſere Kenntniſſe über die Echinodermen haben durch die von Herbert Carpenter gemachte und in dem XI. Bande der herrlichen Berichte über die Challenger— Expedition publizierte Bearbeitung der während dieſer Expedition gedredgten Haarſterne (Crinoiden) eine be⸗ deutende und erwünſchte Bereicherung erfahren. Wir können aus dem umfangreichen (442 große Quartſeiten und 62 köſtliche Tafeln) Werke nur einiges von allgemeinerem In⸗ tereſſe hier hervorheben. Man kannte vor Herausgabe dieſer Abhandlung 14 meiſt erſt in neuerer Zeit, zum Teil auch vom Challenger aufgefundene, aber früher bearbeitete Arten von feſt— ſitzenden Haarſternen, dieſe Zahl iſt auf 32 geſtiegen, die ſich auf 6 Genera verteilen. Die meiſten Crinoiden, freie (Comatuliden) und feſt— ſitzende, ſcheinen geſellig zu leben, beſonders die mehr in ſeichtem Waſſer bis zu einer Tiefe von gegen 150 Faden (1 Faden engl. 1,83 m) vorkommenden; ſo wurden von einer freien Form (Antedon dentata) einmal bei einem einzigen Dredgezug an der Küſte Neu-Englands gegen 10000 Stück heraufgeholt und Agaſſiz erwähnt eines Falles, wo die Dredge durch einen ganzen Wald einer feſt— ſitzenden Haarſternart (eines Rhizocrinus) mußte hindurch— gezogen worden ſein, wenigſtens nach der Unmaſſe von Kelchen und Stielen, die in allen Größen mit heraufge— bracht wurden, zu urteilen. Und in früheren Tagen unſeres Erdballs war das nicht anders, ſchon im Silur und Devon liegen Haarſterne dicht bei einander und im Lias, beſonders aber im Muſchelkalk bilden Crinoiden und ihre Bruchſtücke ganze, große Geſteinsmaſſen. Humboldt. — Juli 1885. Die Befeſtigungsweiſe der Haarſterne iſt verſchieden: viele (die Comatuliden) ſitzen nur in der Jugend, als Larven ſozuſagen, feſt, andere wie der ſonderbare Holopus, die Arten von Bathyerinus und Rhizocrinus aber zeit— lebens; zwiſchen beiden mitten inne ſtehen gewiſſermaßen die Pentacrinusarten, die ſich öfters, freiwillig, wie ſcheint, von ihrem Stiele loslöſen und fic) dann, wie die Coma— tuliden, nur mittelſt ihrer Arme verankern. Eine merk⸗ würdige Erſcheinung iſt es, daß die alten Actinometren (gleichfalls freie Haarſterne) im Alter ihrer Arme verluſtig gehen, ohne daß dieſelben ſich aufs neue erſetzen. Die Nahrung der Crinoiden beſteht aus allerlei kleinen Organismen, Krebschen, Diatomeen, Algenſporen und, be— ſonders in tieferem Waſſer, aus Radiolarien und Fora— miniferen. Ihre geographiſche Verbreitung iſt, ſoweit wir jetzt ſchon überſehen können, eine bedeutende: die freien Comatuliden finden ſich vom 81° nördl. Br. bis zum 52° ſüdl. Br., während die feſtſitzenden Formen weder ſo hoch nach Norden noch ſo weit nach Süden gehen; die nörd— lichſte Form, die wir von ihnen kennen, Rhizocrinus lofo- tensis, findet ſich aber doch noch bei 61“ nördl. Br. Die Actinometren und Pentacrinen ſtellen fic) nur in tropiſchen Meeren ein, hier aber, wie ſcheint, faſt überall; Holopus kommt ausſchließlich in den weſtindiſchen Gewäſſern vor, wo er auch, bei Martinique, von Sander Rang in den dreißiger Jahren unſeres Jahrhunderts zuerſt gefunden worden war. Manche leben in keiner beträchtlichen Tiefe, ſo z. B. Holopus bei 100 Faden, andere, wie Actinometra, finden ſich von 2 bis 533 Faden, Metacrinus von 63 bis 630, Atelecrinus von 291 bis 510, Pentacrinus, Rhizo— crinus, Antedon u. a. treten in den verſchiedenſten Tiefen auf, ſo namentlich Antedon von 2 bis 2900 Faden! Aber häufig ſind es je nach den Tiefen verſchiedene Arten. Echte Tiefſee-Crinoiden find Bathycrinus (1050 — 2435 Faden), Hyocrinus (1600-2325) und die merkwürdige Comatulide Thaumatocrinus (1800). Auf die wichtigen Aufſchlüſſe, welche die Carpenterſche Arbeit über Bau und Syſtematik der Crinoiden und über die Verwandtſchaftsbeziehungen namentlich zu den foſſilen Formen bringt, können wir hier nur aufmerkſam machen. Der unermüdlichen Ausdauer und dem erfahrungs— reichen Scharfblick unſeres größten Helminthologen, Leuckarts, iſt es gelungen, in einen lange Zeit rätſel— haften Fall von Paraſitismus wieder einmal Licht zu bringen. Schon lange kannte man einen in der Leibes— höhle der Hummelköniginnen ſchmarotzenden, von Du— jardin entdeckten und Sphaerularia bombi genannten Organismus, der ziemlich lang geſtreckt, mit Papillen be— ſetzt und ohne beſondere Eingeweide, Darmtractus ꝛc., aber mit weiblichen Genitalien ausgeſtattet war. 1861 glaubte Lubbock das Männchen zu dieſem Paraſiten in einem dem— ſelben am hinteren Körperende anhängenden, äußerſt kleinen, freilich nicht mit Samenelementen und Begattungs— apparat verſehenen Würmchen entdeckt zu haben. Später ſprach Schneider die Vermutung aus, daß das anhängende ſogenannte Männchen wohl das eigentliche Weibchen, der bis dahin aber als Weibchen betrachtete Körper deſſen hervorgeſtülpter, ſchwangerer Uterus ſein dürfte. Daß dieſe Vermutung der Wahrheit entſpricht, hat nun Leuckart Humboldt 1885. 285 durch die direkte Beobachtung entdeckt. Nach ſeinen Unter— ſuchungen nehmen die Embryonen der Sphärularia im Freien keine Nahrung zu ſich; was ſie zu ihrer Erhaltung und Weiterentwicklung bedürfen, liefern ihnen in ihren Darmzellen aufgeſpeicherte Reſervenahrſtoffe, die ſie mit auf die Welt brachten; ſind die Tierchen voll entwickelt, ſo meſſen ſie (die Männchen etwas weniger als die Weibchen) gegen 1mm, vollziehen die Begattung und wandern nun, höchſt wahrſcheinlich, in die Hummeln beim Beginn von deren Winterſchlaf ein, woher es auch rührt, daß nur Hummel-Weibchen (ſogenannte Königinnen), die ja allein überwintern, infiziert ſind. Es wurden nur weibliche Würmer in den Königinnen aufgefunden und zwar zum Teil in größerer Menge (bis 16 und mehr); von den freilebenden Weibchen unterſchieden ſie ſich dadurch, daß ſie ungefähr ein Drittel größer und ihre Uteren ſtrotzend mit Samen gefüllt waren. Die Scheide war bereits als eine Art Aufſatz von der nämlichen, ja von bedeutenderer Größe als der Wurm aus deſſen Genitalöffnung hervorgeſtülpt, zeigte aber keine Bewegungen und auch die Bewegungen der Würmer, die teils frei in der Leibeshöhle, teils in dem Muskelbelag der äußeren Darmwandung ſich befanden, waren wenig lebhaft. Die Länge der vollſtändig ausge— ſtülpten Scheide beträgt anfangs nur 0,7 mm, aber die Zellen an ihrer Baſis wachſen, der eigentliche, mit Sperma gefüllte Uterus kommt in ihr Inneres zu liegen und endlich erreicht der Schlauch eine Länge bis von 1,5 em und ver— liert den Träger, den eigentlichen Wurm. Die Eier be— ginnen erſt zu reifen, wenn die Spharularia eine anſehn— liche Größe erreicht hat und wahrſcheinlich werden die jungen Embryonen im Sommer austreten, auf Koſten ihrer Reſervenahrſtoffe bis zur Geſchlechtsreife wachſen, und dann Ende Herbſts in die überwinternden Königinnen einwandern. Seit je haben unter den Mollusken die Chitonen oder Käferſchnecken die ganz beſondere Aufmerkſamkeit der Zoologen auf ſich gezogen. Bald als eigene Ordnung der bauchfüßigen Schnecken betrachtet, bald den Ringelwürmern, ja ſelbſt den Krebſen nahe geſtellt, bald als ganz ſelbſtändige Tierklaſſe angeſprochen, haben ſie merkwürdige ſyſtematiſche Schickſale gehabt. Und in der That, es ſind ſonderbare Tiere: Gaſtropoden, die einen teilweiſe gegliederten Bau, wenigſtens eine aus acht diskreten, beweglich mitein— ander verbundenen Teilen beſtehende Rückenſchale beſitzen, die keinen eigentlichen beſonders differenzierten Kopf haben und der Sinnesorgane, der Tentakeln, der Augen ꝛc. voll— kommen ermangeln reſp. zu ermangeln ſcheinen. Mo— ſeley hat uns nämlich gezeigt, daß dieſe Tiere ſowohl Taſt— organe wie Augen und zwar in überraſchend großer Zahl, aber allerdings an einem etwas ungewöhnlichen Ort be— ſitzen. Man hatte ſchon früher mehrfach beobachtet, daß die Schalen der Chitonen von einem Syſtem von Kanälen regelmäßig durchſetzt ſeien; dieſe Kanäle dringen von unten her in die Verwachſungsnähte der einzelnen Teile, aus denen jedes Schalenſtück beſteht (das hinterſte iſt aus 7, die übrigen aus 3 zuſammengeſetzt), verlaufen ſchräg nach oben und geben ſich manchmal verzweigende, ſenkrecht nach oben ſteigende Aeſte ab. Bevor dieſe an die Oberfläche der Schale treten, erleiden ſie eine Anſchwellung, die ſeitliche, gleichfalls direkt nach oben ſich richtende ſehr dünne Kanäl— 27 od 286 Humboldt. — Juli 1885. chen abgibt. Der Hauptkanal, der über der Erweiterung ſich wieder etwas verjüngt, iſt oben, wo er als „Megalo— porus“ die Schale durchbricht, von einem Satz ſchachteldeckel— artig ineinander ſteckender Kalkeylinderchen geſchloſſen, die feinen Seitenkanälchen enden als Mikroporen mit einer kleinen runden Anſchwellung. Dieſes Kanalſyſtem iſt ge— füllt von Nerven, deren Elemente namentlich in den An— ſchwellungen ſehr deutlich werden und hier, wie ſcheint, noch von muskulöſen Faſern begleitet ſind, die ein Zurück⸗ ziehen der über das Niveau der Schale hervorſtehenden Nervenendigungen vermitteln. Moſeley nennt die größeren Endapparate Megaläſthetes, die kleinern Mikräſthetes und ſieht fie, meiner Meinung nach mit vollem Rechte, als Taft- organe, alſo als funktionelle Repräſentanten der fehlenden Tentakeln an. Bei einer Anzahl, wie ſcheint, indeſſen nur tropiſchen, Chitonen iſt mit den Megaläſtheten eine merk— würdige Umbildung vor ſich gegangen: ſie bilden hohle Becher, die umgeben find von einer dunkeln, hornigen Sub- ſtanz, über welche die Enden der Nerven ſich ausbreiten und zwar in Geſtalt einer einfachen Lage geſtreckter, ſtäbchen⸗ förmiger Zellen, deren freies, fünf- oder ſechseckiges Ende ſich dem Megaloporus, dem Loch in der Schale zuwendet; unterhalb desſelben ſpringt die Hornkapſel ringartig vor und umfaßt einen glänzenden, abſolut durchſichtigen bi— konvexen Körper, über den, wie über den ganzen Megaloporus, ſich nun noch die, hier gleichfalls durchſichtige Schalenhaut wegzieht. Wir haben es bei dieſer Modifikation der Me— galäſtheten mit Augen zu thun! Die Hornauskleidung ijt die Augenkapſel und bildet als vorſpringender Ring zu— gleich die Iris, die den bikonvexen durchſichtigen Körper, die Linſe, umfaßt; die Nervenausbreitung ſtellt eine Retina mit den bekannten Sehſtäbchen genannten Elementen dar. Dieſe Verhältniſſe ſind aus mehr wie einem Geſichtspunkt intereſſant. Erſtens zeigen ſie den Zuſammenhang der verſchiedenen Sinnesorgane und wie alle doch nur Modifi— kationen des urſprünglichen, des Getaſtes ſind, und zweitens geben ſie einen neuen Beweis, wie falſch es iſt, Augen immer am Kopfende eines Tieres ſuchen zu wollen, wie vielmehr für die Stelle auch ihres Auftretens die äußeren Umſtände allein maßgebend ſind. Daß bei Tieren, die ſich in der Richtung ihres Kopfendes vorwärts bewegen, ſich die Augen an dieſem Ende vorfinden und vorfinden müſſen, iſt leicht verſtändlich, denn die Augen ſind der hauptſäch— lichſte Orientierungsapparat; es können nun aber Momente eintreten, bei denen es weniger auf eine Orientierung bei der Bewegung als auf mancherlei andere Leiſtungen an— kommt, ſo namentlich die Gegenwart oder das Nahen von oben, von hinten, wohl auch von unten her drohender Ge— fahren rechtzeitig wahrzunehmen. So ſehen wir, daß ge— wiſſe Fiſche, denen als ſchwimmenden Tieren auch von unten ein Feind an den Leib kann, zahlreiche Augen oder augenähnliche Organe auf dem Bauche haben. Andere Tiere, gleichfalls Mollusken und zwar Nacktſchnecken (Onchi- dium), haben, wie Semper entdeckte, ganz wie die Chitonen Augen, die etwas anders gebaut ſind, auf dem Rücken. Onchidiumarten leben in Indien, auf den Molukken u. ſ. w. unmittelbar an der Waſſergrenze des Meeres und ſie werden unter andern von Fiſchen, die das Waſſer ſpringend ver— laſſen, verfolgt. Durch die Stellung ihrer Augen können ſie aber die über ihnen ſchwebenden Feinde wahrnehmen und ſich durch das Abſondern eines ſcharfen und wider— lichen Drüſenſekrets in Verteidigungszuſtand ſetzen. Auch einem Chiton würden Augen am Kopfe nicht viel nützen; ein eigentlicher Kopf exiſtiert ja gar nicht, die ganze Rand⸗ partie des ovalen Körpers iſt eingenommen von einem kontinuierlichen, meiſt mit Kalkſtacheln beſetzten Haut- und Muskelring, dem Mantelrand — mit der Sohle kriechen die Tiere langſam auf Steinen unmittelbar an der Waſſer⸗ grenze und ſo iſt die Mundregion, wo wir doch den eigent— lichen Kopf zu ſuchen hätten, immer verſteckt, — Augen haben bei dieſer Lebensweiſe eben wirklich nur auf dem Rücken Bedeutung. Nähert man ſich einem Chiton, ſo fugelt er ſich, noch ehe man ihn berührt, wie eine Aſſel zuſammen und verſchwindet im Waſſer oder zwiſchen Steinen und Geröll, dem die meiſten Arten in der Färbung fo an— gepaßt ſind, daß ſie zuſammengerollt faſt unſichtbar werden. Die Schnecke jah mit ihren Rückenaugen die drohende Ge- fahr kommen und wußte ſich rechtzeitig zu ſalvieren. Während über die Wirkung der Schwerkraft auf die Pflanzen, namentlich auch auf den Keimprozeß ſchon ſeit Anfang des Jahrhunderts eine ganze Reihe von Unter- ſuchungen vorlagen, war man der Wirkung dieſer Kraft auf den tieriſchen Organismus niemals näher getreten, bis im Jahre 1883 der berühmte Phyſiologe Pflüger mit einer hochintereſſanten Arbeit hervortrat. Es war ſchon lange bekannt, daß in Flüſſigkeiten ſuſpendierte Eier, als Organismen, die auf der einen Seite leichter als auf der anderen ſind, ſich immer gleich, d. h. mit der leichteren Seite nach oben, lagern. Dieſe obere Seite, der bei pigmenthaltigen Eiern der Farbſtoff und bei fetthaltigen die Oelpartikelchen eingelagert ſind, nennt man die obere Hemiſphäre und die ideelle Linie, die den Mittelpunkt der obern leichtern und den der unteren, ſchwereren Hemiſphäre miteinander verbindet, heißt die Eiachſe. Die beiden erſten ſenkrecht aufeinander ſtehenden Teilungsebenen, die die Furchung des Froſcheies und damit die ganze Entwicklung einleiten, fallen in die Eiachſe ihrer ganzen Länge nach. Wurden nun Froſcheier gewaltſam in eine Lage gebracht, in der ſie ſich nicht nach ihren Gleich— gewichtsverhältniſſen lagern konnten, ſtand alſo die Eiachſe nicht ſenkrecht auf eine gedachte Erdtangente, ſondern in irgend einem Winkel zu ihr, fo fielen die erſten Furchungs—⸗ ebenen nicht mit der Eiachſe zuſammen, ſondern ſtellten ſich immer ſenkrecht, alſo entſprechend der Wirkungsrichtung der Schwerkraft; die Entwicklung aber war eine normale. Dieſe Unterſuchungen Pflügers wurden nun von verſchiedenen Seiten erweitert, berichtigt und zum Teil auch widerlegt, wobei man bis jetzt immer mit Eiern, die einer voll— ſtändigen Furchung unterliegen (Froſcheier) experimentierte. Rauber aber nahm Eier, bei denen nur ein Teil der Dotter ſich furcht, nämlich Lachs- und Forelleneier. Er konſtruierte ſich zunächſt feine Klemmpincetten un- gefähr von der Art, welche die Chirurgen ,serres-fines* nennen, und deren Arme in je einen Ring endeten, groß genug um ein Forellenei aufzunehmen. Mittelſt dieſer wurden nun die Eier in anormale Lagen gebracht und ob— wohl die Eikapſel ſich naturgemäß nicht bewegen konnte, waren doch die Dotterkugeln fortwährend der Einwirkung der Schwerkraft unterworfen und immer bemüht, den Humboldt, — Juli 18858. 287 Keimpol, als den leichteſten Teil des Eies, nach oben zu wenden und war beſtändiger Kontrolle nötig, die Eier durch Drehung der Klemmpincetten im Waſſer in der ge— wünſchten Zwangslage zu erhalten. Das Reſultat war, daß von zwölf Eiern, mit denen experimentiert worden war, nur zwei einen gefurchten Keim, der ſich über die Dotter— kugel auszubreiten begonnen hatte, aber keine Cmbryonal- anlage aufwieſen; bei den übrigen fanden ſich die Keime überhaupt nicht, oder auf das ſeltſamſte und nur in kleinen Strecken zerklüftet. Der Keim hatte dabei meiſt ſeine ur— ſprüngliche Form gewahrt, teils war er aber auch zu einer dünnen Schicht, ohne Spur von Furchung, über die Dotter— kugel weg zerfloſſen. Es wurden dann, um etwaige andere äußere Störungen erkennen zu können, Eier in ihrer nor— malen Lage zwiſchen die Ringe der Klemmpincetten ge— bracht und ſie entwickelten ſich normal, alſo war nur die Lagenumkehrung für den verderblichen Einfluß auf den Entwicklungsgang der Eier verantwortlich zu machen. Auch einen anderen Verſuch, den man früher ſchon mit Froſcheiern gemacht hatte, wiederholte Rauber mit Forelleneiern; er brachte ſie nämlich in einen rotierenden Apparat, der durch die Kraft einer Waſſerleitung 200 Um— drehungen in der Minute machte. Die Eier (40 an Zahl) waren im Anfang der Furchung, als jie in den Rotations- apparat eingeſetzt wurden und blieben 8 Tage in demſelben, ohne daß die Rotierung unterbrochen worden wäre. Als nach Ablauf dieſer Zeit die Eier herausgenommen und unterſucht wurden, ſtellte ſich heraus, daß ſämtliche Eier friſch und geſund geblieben waren, daß aber die Eiachſe (d. h. die Verbindungslinie zwiſchen dem Mittelpunkt des Keimpols und des Nahrungsdotterpols) ſich faſt wagerecht gelagert hatte und daß der leichtere Keim centripetal, der ſchwerere Nahrungsdotter centrifugal zu liegen gekommen war. Die Entwicklungsſtufe der ganz normalen und deut— lichen Embryonalanlage war die den Zeit- und Temperatur— verhältniſſen entſprechende. Aus dieſer Thatſache war erſichtlich, daß ſich die Eiachſe ſenkrecht zu der Richtung der Schwerkraft eingeſtellt hatte, daß aber die Eier denſelben Entwicklungsgang, den nor— malerweiſe allein die Schwerkraft bedingt haben würde, eingeſchlagen hatten. Damit iſt bewieſen, daß die Eier, um ſich normal zu entwickeln, durchaus nicht der Schwer— kraft unumgänglich bedürfen, daß vielmehr eine andere Kraft, wie in dieſem Falle die Centrifugalkraft, an deren Stelle treten und ihre Funktionen übernehmen kann. Eine Richtungskraft freilich muß nach Rauber vorhanden ſein. Rauber benutzte die Gelegenheit, den Einfluß der Centrifugalkraft auch auf andere Organismen zu unter— ſuchen und ging an die Beobachtung mit der Meinung, daß ſich aus den Reſultaten derſelben vielleicht Anhalts— punkte zur genaueren Beurteilung der Seekrankheit ergeben würden. Die betreffenden Weſen wurden für die Dauer von 24 Stunden, die 288000 Umdrehungen entſprach, in die Centrifuge gebracht und das Reſultat war, daß Fäulnis⸗ bakterien, Infuſorien, Plattwürmer (Planariae), Trema⸗ toden, Nematoden und Süßwaſſermollusken (Paludina vivi- para) nach Beendigung des Verſuchs keine Beeinfluſſung zeigten, daß aber Hirudineen (Nephelis), Waſſeraſſeln und Fröſche, alſo Tiere mit höher entwickeltem Nervenſyſtem, unmittelbar nach dem Aufhören der 24ſtündigen Wirkung der Centrifugalkraft, in der Energie ihrer Bewegung mehr oder weniger beeinträchtigt waren; namentlich war der Froſch ſchwer beweglich und wie betäubt, aber nach Verlauf einer halben Stunde hatte er ſich vollkommen wieder erholt und war ſo munter wie zuvor. Es unterliegt keinem Zweifel, daß warmblütige Wirbeltiere unter dem Einfluß eines derartigen Experiments ganz anders würden zu leiden, ja dasſelbe ſehr wahrſcheinlich mit dem Leben würden zu bezahlen gehabt haben. Der mechaniſchen Unterſuchungsweiſe des Baues und der Entwicklung der Tiere ſteht nach meiner Ueberzeugung noch eine große Zukunft bevor und wahrſcheinlich wird ſchon die nächſte Generation der Forſcher, wenn wir mit unſerer mikroſkopiſchen Methode zu einem gewiſſen Abſchluß werden gelangt ſein, von mathemato-dynamiſcher und, noch mehr wie bisher, auch von der chemiſchen Seite her ſich mit dem Bau und allen Lebenserſcheinungen der Tierwelt zu beſchäftigen haben. Schon mehren ſich die Anzeigen, daß das Studium der Zoologie, der Anatomie und Ent— wicklungsgeſchichte in eine neue Phaſe eintreten wird. Chemie. Don Dr. Theodor Peterfen, Vorſitzender im phyſikaliſchen Derein zu Frankfurt a. M. Unorganiſche und techniſche Chemie. Soda nduſtrie. Flüſſige und feſte Aohlenſäure und Kohlenoxyd. Metalle. Aluminium. Iridium. Papierfabrikation. Bei der glänzenden Entwickelung der organiſchen Chemie in der Neuzeit konnte naturgemäß auch die un— organiſche Chemie nicht zurückbleiben, da beide Gebiete ja auf das engſte ineinander greifen. In dieſer Hinſicht mag auf die Thatſache hingewieſen ſein, daß die größten Eta— bliſſements für Teerfarben zu eigenen Zwecken beſondere Fabriken anlegten, um ihren Bedarf an Schwefelſäure, Soda und anderen unorganiſchen Erzeugniſſen der che— miſchen Großinduſtrie nach den neueſten Methoden ſelbſt herzuſtellen. Die Verwendung des Strontians ſtatt des Kalkes bewirkte in der Zuckerinduſtrie einen großartigen Aufſchwung und in neueſter Zeit hat die Herſtellung von Papier aus Holzſtoff mit Hilfe der ſchwefeligen Säure eine förmliche Umwälzung in der Papierfabrikation her— vorgerufen. Auch hier wurden die größten Erfolge der Chemie in Deutſchland erzielt, deſſen chemiſche Erzeugniſſe immer reichlicher dem Auslande zufließen. In der Fabrikation der Soda, eines der wichtigſten 288 Produkte der chemiſchen Großinduſtrie, hat in der letzten Zeit der Solvay-Prozeß, wobei bekanntlich aus Kochſalz und Ammoniumkarbonat direkt Soda bereitet wird, immer größere Dimenſionen angenommen und würde das ältere Leblane-Verfahren wohl noch mehr verdrängt haben, wenn dieſes nicht die Herſtellung von billigem Chlorkalk ermöglichte; aber auch hierin iſt man auf der anderen Seite weiter gekommen. Um bei dem Solvay-Prozeß aus dem gebildeten Chlorammonium das Chlor nutzbar zu machen, wird dieſes nach Mond mit Schwefelſäure behandelt, dadurch Salzſäure und andererſeits gdoppelt- ſchwefelſaures Ammoniak gebildet und letzteres mit Kalk⸗ phosphat zu Düngerprodukten verarbeitet oder in neutrales ſchwefelſaures Ammoniak umgewandelt, welches leicht zu verwerten iſt. Ferner hat Weldon ſeine Verſuche, aus Chlorammonium mit Magneſia freies Ammoniak und Chlormagneſium zu bereiten, erfolgreich fortgeſetzt, ein Prozeß, welchem von der Fabrik Pechiney u. Co. in Salindres weitere Bearbeitung zu teil wurde. Dieſelbe Fabrik bereitet auch Chlor aus Salzſäure und Mangan— ſuperoxyd, welches mit Salzſäure Chlor und Mangan— chlorür liefert; wird die Löſung des letzteren zur Trockne gebracht und an der Luft erhitzt, ſo entwickelt ſich weiteres Chlor und der Rückſtand beſteht ſchließlich aus regeneriertem Manganſuperoxyd; das verhältnismäßig billig erhaltene Chlor wird auf Chlorkalk verarbeitet. Bei dem älteren Leblane-Verfahren ſind bekanntlich die Sodarückſtände, der ſogenannte Sodagips, ſehr läſtig und laſſen alle Verſuche, den Schwefel daraus zu regene— rieren, viel zu wünſchen übrig. Auch hierin ſind nicht unwichtige Neuerungen zu verzeichnen. Nach der Methode von Schaffner-Helbig wird aus dem Sodarückſtand mit Hilfe von Chlormagneſium Schwefelwaſſerſtoff entwickelt und dieſer zu ſchwefeliger Säure verbrannt. Nach einem anderen Verfahren v. Millers wird das Schwefelcalcium des Sodarückſtandes durch Behandlung mit Schwefelwaſſer— ſtoff und Waſſer als Calciumſulfhydrat gelöſt. Beim Kochen der Löſung fällt Kalkhydrat aus, während Schwefelwaſſer— ſtoff entweicht, welcher mit der richtigen Menge von Luft Waſſer und Schwefel liefert. Nach einem weiteren Vor— ſchlage v. Millers erfolgt die Zerſetzung des Caleium— ſulfhydrats ſtatt durch Kochen mit Kohlenſäure, wobei jedoch das erhaltene Schwefelwaſſerſtoffgas mit Kohlen— ſäure verunreinigt iſt. Auch die Vereinigung des Leblanc-Verfahrens mit dem Ammoniakverfahren wird gegenwärtig angeſtrebt. Weldon läßt Natriumſulfat und Ammoniumbikarbonat aufeinander einwirken. Zu dem Ende wird eine geſättigte Sulfatlöſung, welche eine entſprechende Menge von Am— moniak enthält, mit Kohlenſäure behandelt, worauf die Löſung weiteres Natriumſulfat aufzunehmen vermag. Dieſes wird in feſter Form zugeſetzt, bis eine mit Ammonium— ſulfat und Ammonium- oder Natriumbikarbonat geſättigte Lauge reſultiert, welche dann weiter verarbeitet wird. Auch bei dem Verfahren von Carey und Hurter in Widnes bei Mancheſter tritt Natriumſulfat an Stelle von Chlor— natrium. Eine warm bereitete Löſung desſelben wird zu— erſt durch Zuſatz von ein wenig Soda von Eiſenoxyd und Kalk befreit, filtriert, auf 38 C. abgekühlt und dann mit Ammoniak verſetzt, ſo daß 1 Teil auf 4 Teile Sulfat Humboldt. — Juli 1885. kommt. Die Temperatur ſoll dabei nicht unter 32° ſinken, weil ſonſt Natriumſulfat auskryſtalliſiert, aber auch nicht über 38° ftetgen, um höheren Druck zur Vollendung der Reaktion zu vermeiden. Darauf wird Kohlenſäure eingeleitet, ſchließlich unter Druck, fo daß ſich Ammonium—⸗ bikarbonat bilden kann, welches fic) weiter in Natrium- bikarbonat umſetzt, das beim Erkalten der Löſung ſich ausſcheidet und von der Mutterlauge abgepreßt wird, aus welcher man das Ammoniak wieder gewinnt. Die deutſche Sodainduſtrie hat ſeit Einführung der neuen Zollſätze und infolge der günſtigen Entwickelung des Ammoniakverfahrens ungeachtet des herabgegangenen Sodapreiſes einen nicht unbedeutenden Aufſchwung ge— nommen. Während die Geſamtproduktion an kaleinierter, kryſtalliſierter und kauſtiſcher Soda, auf 100prozentiges Karbonat bezogen, 1877 nur ca. 42000 Tonnen betrug, erhob ſie ſich 1883 bereits auf über 115000 Tonnen, wovon 56000 Leblane-Soda und 59000 Ammoniak- Soda; 1877 machte letztere kaum ein Fünftel der Ge— ſamtproduktion aus. Im Jahre 1883 produzierten ferner England und Frankreich jedes über 50000 Tonnen Am- moniakſoda; auch in Oeſterreich, Rußland und Nordamerika arbeiten bereits Solvay-Fabriken mit Erfolg. Sollten ſich die Schwefelkieſe, namentlich die ſpaniſchen, wie in Ausſicht geſtellt iſt, in der Folge weſentlich billiger ſtellen wie ſeither, jo würde das der Schwefelſäure reſp. Leblane— Soda zu ſtatten kommen; jedenfalls müſſen die Fabriken, welche nach dem älteren Verfahren arbeiten, fortwährend große Anſtrengungen machen, wenn auch von ihrem Ver— drängen vorerſt keine Rede ſein kann. Auch den zweiten Beſtandteil des kohlenſauren Natrons, die Kohlenſäure, wollen wir einer näheren Betrachtung unterziehen. Obgleich die Ueberführung der gasförmigen Kohlenſäure in den flüſſigen und feſten Aggregatzuſtand längſt allgemein bekannt tft, wurde die betreffende Ope— ration unter Anwendung erhöhten Druckes ſeither doch nur in einzelnen Laboratorien ausgeführt und die ver— flüſſigte Kohlenſäure als ſeltenes Laboratoriumspräparat angeſehen. In neuerer Zeit ſind die ihrer Darſtellung im Großen entgegenſtehenden Schwierigkeiten gehoben worden und fabrizieren gegenwärtig namentlich die Aktien— geſellſchaft für Kohlenſäure-Induſtrie in Berlin und eine Fabrik im Brohlthale am Rhein, wo das dem Boden entſtrömende kohlenſaure Gas verwendet wird, flüſſige Kohlenſäure fabrikmäßig und verſenden dieſelbe in ſtarken ſchmiedeeiſernen Flaſchen von 101 oder ca. 8 kg Inhalt, an deren Enden ſich dicke, nach außen verjüngte Platten angeſchweißt befinden, deren obere das Ausflußventil trägt. Dieſe Flaſchen werden vor der Füllung auf 250 Atmo— ſphären Druck geprüft, welcher, da flüſſige Kohlenſäure bei 0° einen Druck von 36 Atmoſphären ausübt und dieſer Druck für jeden Grad über Null nur ungefähr eine Atmoſphäre ſteigt, zum gewöhnlichen Gebrauch und zum ungefährlichen Transport vollkommen ausreicht. Lagert man eine ſolche eylindriſche Flaſche mit nach unten gekehrtem Ventil auf einem paſſenden Holzgeſtell und bringt an der ſeitlichen kurzen Ausſtrömungsröhre eine Auffangvorrichtung für den beim Ausſpritzen der flüſſigen Säure entſtehenden Kohlenſäureſchnee an, fo Humboldt. — Juli 1885. 289 kann man auch dieſen zu Verſuchen benutzen. Hierzu dient nach Profeſſor Landolts Vorſchlag zweckmäßig ein aus glattem wollenem Tuch hergeſtellter koniſcher Beutel von ungefähr 40 em Länge, deſſen weites Ende ſich mit Hilfe einer eingenähten Schnur wie ein Tabaksbeutel durch Zuſammenziehen ſchließen läßt und welcher an der ſpitzen Oeffnung eine feſtgebundene kurze Holzröhre trägt, die über das Ausſtrömungsſtück der Flaſche gezogen wird. Schraubt man das Ventil auf, ſo entweicht unter ſtarkem Ziſchen vergaſende Kohlenſäure durch die Poren des Tuches, während feſte ſich auf der Innenſeite anſetzt und nach dem Oeffnen des Beutels herausgeſchüttet werden kann. So erhaltenen weißen Kohlenſäureſchnee kann man mit Hilfe eines Hammers oder einer Preſſe in ſtarkwandige Holz— formen preſſen und jo Kohlenſäurecylinder vom Ausſehen der Schreibkreide und auch ungefähr von deren Härte er— halten, die ſich an der Luft eine Zeitlang nur wenig verändern; an feuchter Luft rauchen ſie und bedecken ſich mit einem Anflug von Reif; mit der Hand kann man ſie ohne Schaden locker anfaſſen. Mit dünnem Gummituch, dann mit Watte und Papier umhüllt, laſſen ſie ſich meh— rere Stunden aufbewahren. Das Volumgewicht ſolcher komprimierter Kohlenſäure wurde nahezu 1,2 gefunden. In Waſſer geworfen, ſinken größere Stücke unter, während kleinere durch die ſich entwickelnden Gasblaſen gehoben werden und auf dem Waſſer, ohne davon benetzt zu werden, ſchwimmen. Zu der flüſſigen Kohlenſäure uns zurückwendend, ſo bietet dieſelbe gegenüber der gasförmigen mancherlei Vor— teile. Sie nimmt im verdichteten Zuſtande einen ſehr kleinen Raum ein, denn eine Flaſche von 101 Flüſſigkeit präſentiert 4000 ! kohlenſaures Gas von gewöhnlicher Dichte. In dem verflüſſigten Gaſe iſt ferner eine bedeu— tende Kraftmenge aufgeſpeichert, welche durch einfaches Drehen des Ventils an dem Reſervoir zur Verrichtung mechaniſcher Arbeit benutzt werden kann, da das Gas mit demſelben Druck aus der betreffenden Oeffnung ausſtrömt, den es auf die Wände der Flaſche ausübt. Da das Gas bei dem Uebergang aus dem flüſſigen Zuſtand in den gasförmigen bedeutende Wärmemengen bindet, ſo kann man auch hohe Kältegrade damit hervorbringen. Von dieſen Eigenſchaften hat die Technik Gebrauch gemacht. Nach Dr. Raydts Vorſchlag wird flüſſige Kohlenſäure bereits vielfach mit beſtem Erfolg zur Hebung des Bieres an Stelle der früheren Bierdruckapparate, ferner zur Fa— brikation kohlenſaurer Getränke und künſtlicher Mineral: waſſer, zur Eisfabrikation, zum Treiben kleiner Maſchinen, zu Feuerlöſchapparaten und Dampfſpritzen, zur Hebung von Schiffen, ſowie zur Herſtellung dichter Metallgüſſe, namentlich Stahlgüſſe nach Krupps Verfahren in An— wendung gebracht. Bei dieſer letzteren Verwendung der flüſſigen Kohlenſäure wird die Form nach dem Gießen dicht geſchloſſen und die Flüſſigkeit dann aus einem an— gewärmten Behälter in die Form über das geſchmolzene Metall geleitet, deſſen Hohlräume bei der hohen Spannung des erzeugten kohlenſauren Gaſes verſchwinden. Krupp um Ringe von dienſtuntauglich gewordenen Geſchützen durch Abkühlen der Rohre zu entfernen. Durch die ſchönen Unterſuchungen von Wroblewski und Olszewski ſind wir auch mit flüſſigem Kohlenoxyd bekannt geworden, deſſen Verflüſſigung jedoch ebenſo wie die des Stickſtoffs größtmöglichen Druckes und Temperatur— erniedrigung bedarf. Olszewski fand nun unlängſt!“), daß, wenn verflüſſigtes, durchſichtiges und farbloſes Kohlen— oxyd, welches unter 35 Atmoſphären Druck bei — 139,5. ſiedet, im Vakuum zum Verdunſten gebracht wird, wobei die bis jetzt noch nicht beobachtete äußerſt niedrige Tem— peratur von — 211 C. eintreten ſoll, dasſelbe ebenfalls zu einer ſchneeigen kompakten Maſſe erſtarrt, welche bei wieder zunehmendem Druck zu einer farbloſen Flüſſigkeit ſchmilzt. Um die Verflüſſigung ſchwer kondenſierbarer Gaſe zu de— monſtrieren, beſchreibt J. Dewar**) einen eleganten Ap— parat und empfiehlt zur Abkühlung verflüſſigtes Sumpfgas. Als Dichte des verflüſſigten Sauerſtoffs fand derſelbe beim kritiſchen Punkte 0,65. Unter den Metallen wendet man in neuerer Zeit dem, allerdings ziemlich ſchwer reduzierbaren Aluminium immer größere Beachtung zu. Es gehört bekanntlich zu den ver— breitetſten Metallen unſerer Erde, da es als Thonerde in Verbindung mit Kieſelſäure eine große Reihe von Mine— ralien, namentlich die Feldſpathe und den Thon in ſeinen zahlreichen Abarten bildet. von Wöhler im Jahre 1827 durch Einwirkung von Kalium auf Chloraluminium ent— deckt, wurde es dann mit Hilfe von Natrium und des in Grönland in großen Lagern vorkommenden Kryoliths oder Aluminium-Natrium-Fluorids zwar billiger, aber immer noch zu teuer dargeſtellt; um die Koſten ſeiner Herſtellung herabzumindern, hat man es neuerdings an Verſuchen nicht fehlen laſſen und ſind dieſelben auch von Erfolg begleitet geweſen, ſo daß die Verwendung des im Vergleich mit anderen Metallen ſo ausgezeichnete Eigenſchaften zeigenden Aluminiums wohl bald eine allgemeinere werden dürfte. Die Auffindung von natürlichem Thonerdehydrat, dem Bauxit, in größeren Mengen kommt dabei ſehr zu ſtatten. Betrachten wir zuerſt einige ſeiner bemerkenswerteſten Eigen⸗ ſchaften. Das Aluminium beſitzt eine grauweiße Metallfarbe, welche zwiſchen der des Zinks und des Zinns liegt. Es iſt härter als Zinn und weicher als Zink oder Kupfer, ungefähr von der Härte des Feinſilbers und von rauhem zackigem Bruch. Sein ſpec. Gewicht beträgt 2,5 — 2,6, alſo nur etwa ein Drittel von dem des Eiſens; es ſchmilzt bei 700° C., wobei es fic) nur leicht an der Oberfläche oxydiert, und widerſteht überhaupt den atmoſphäriſchen Einflüſſen ziemlich gut. Das Metall nimmt hohe Politur an und ſteht ſein Oberflächenglanz zwiſchen dem des Sil— bers und Goldes; es kann gegoſſen, gehämmert, gewalzt, zu Draht gezogen und mit anderen Metallen legiert werden; ſeine abſolute Feſtigkeit iſt etwas geringer als die des Zinks, ſie vergrößert ſich aber beträchtlich durch Kalthämmern, wobei auch fein ſpec. Gewicht etwas zunimmt. Seine Leitungsfähigkeit für die Wärme beträgt ungefähr zwei Drittel von der des Silbers, die ſpec. Wärme 6,21; ſeine Leitungsfähigkeit für elektriſche Ströme iſt ungefähr halb fo groß wie die des Kupfers, aber Smal größer wie die des Eiſens. Das Metall widerſteht der Einwirkung von *) Compt. rend. 99. S. 606. ) Phil. Mag. 18. S. 210. = 290 Humboldt. — Juli 1885. konzentrierter Salpeterſäure felbjt beim Erwärmen; Salz—⸗ ſäure und Alkalilauge löſen es jedoch raſch auf. Von beſonderem Wert ſind die Legierungen des Alu— miniums, die ſchon bei Zuſatz von wenigen Prozenten anderer Metalle hart und bröcklig ausfallen. Mit einem Zuſatz von 5 Proz. Kupfer läßt es ſich kaum bearbeiten; mit 10 Proz. iſt es ſpröde und hart wie Glas. Eine Legierung von Kupfer mit 5— 10 Proz. Aluminium gibt jedoch eine ſchöne gelbe Bronze, härter als Münzgold und gut hämmerbar, welche vielfach zu Luxusartikeln verarbeitet wird. Auch mit einem Lot aus 80 —94 Zink, 2—8 Kupfer und 4—12 Aluminium läßt ſich das Metall gut legieren. Mit Queckſilber amalgamiert es ſich nicht, dagegen bildet es mit Zinn dichte harte und dabei dehnbare Legierungen, die ſich für viele Gegenſtände eignen, welche man ſeither aus Neuſilber herſtellte. Die Legierungen des Aluminiums mit Kupfer, Zink und Zinn, die ſogenannten Aluminium- Bronzen, ſind daher die wertvollſten, obenan die Alumi— nium⸗Kupferbronze, die ſich durch ſchöne Farbe, Zähigkeit, Schmiedbarkeit, Zugfeſtigkeit und Widerſtandsfähigkeit gegen Säuren und Alkalien auszeichnet. Auch ſchöne Ueberzüge und Dekorationen von Metallen werden bereits mit Hilfe von Aluminium hergeſtellt. Nach dem neuen patentierten Verfahren von Gehring in Landshut ſoll das Alumi— nium bei Schmiede- und Gußeiſen, Stahl, Meſſing und Neuſilber einen ſehr brauchbaren, vor Oxydation ſchützen— den Ueberzug gewähren, dabei die Farbe des fein geſchmir— gelten Eiſens behalten und noch den weiteren Vorteil bieten, daß damit überzogene Flächen leicht mit Schmelz— farben und Edelmetallen, z. B. Glanzgold, dauerhaft weiter dekoriert werden können. Dieſe aluminierten Flächen laſſen ſich mit der Kratzbürſte, dem Polier- und Gravierſtahl gut bearbeiten. Auch für feinere Meßinſtrumente dürfte ſich die Anwendung dieſes Metalles bald ſteigern. Für Metall- gegenſtände, welche nach dem Löten noch bearbeitet werden ſollen, empfiehlt Bourbouze in Paris ein Lot aus 45 Teilen Zinn und 10 Teilen oder etwas weniger Aluminium. Die Herſtellung von metalliſchem Aluminium hat in der letzten Zeit bedeutende Fortſchritte gemacht und ſind verſchiedene darauf abzielende Patente genommen worden. J. Webſter in Solihull vermiſcht Thonerdeſalze mit Steinkohlenpech und erhitzt auf 260°. Die Maſſe wird dann mit Salzſäure angefeuchtet, wodurch ſie Schwefel— waſſerſtoff entwickelt, mit Holzkohlenpulver zu Kugeln ge— formt, ausgetrocknet und in Retorten zum Rotglühen er— hitzt, während Luft und Waſſerdampf darüber getrieben wird. Die Maſſe wird ausgelaugt und die Lauge auf ſchwefelſaures Kali verarbeitet, wonach das Zurückbleibende zur Darſtellung von Chlor-Aluminium und metalliſchem Aluminium geeignet ſein ſoll. Auch J. Morris in Glas— gow erhitzt ein inniges Gemiſch von Thonerde und Kohle, während Kohlenſäure darüberſtrömt; das entſtandene Kohlen— oxyd reduziert die Thonerde zu Aluminium, welches, in Form einer ſchwammartigen Maſſe erhalten, unter einer Decke von Kochſalz oder Kryolith leicht zuſammengeſchmolzen werden kann. W. Friſchmuth in Philadelphia reduziert thonerdereiche Mineralien, namentlich Bauxit, durch Naz triumdämpfe. Beſondere Beachtung verdient das Verfahren von H. Niewerth in Hannover, welches aus beiſtehender Abbildung näher erſichtlich iſt. Von drei nebeneinander liegenden Schachtöſen werden A und B gefüllt und bei abgehobenen Deckeln P und Q durch Einleiten von Ge— bläſeluft mittels der Düſen K und J hochwarm geblaſen, dann der ebenfalls erhitzte Ofen C mit drei Gichten be- ſchickt. Die erſte beſteht aus einem Gemiſch von Natrium⸗ karbonat, Kohle, Schwefel und Thonerde, die zweite iſt ſchwefelſaure Thonerde, die dritte ein Flußmittel, z. B. Chlor⸗ natrium. Hierauf wird der Deckel P auf A geſchloſſen, Schieber G aufgezogen, Schieber F geſchloſſen und das Ge— bläſe für A abgeſtellt. Durch H läßt man nun Waſſerdampf nach A eintreten, welcher ſich dort zerſetzt. Der frei wer— dende Waſſerſtoff und das ſich bildende Kohlenoxyd treten durch D nach C. Durch die hohe Temperatur und durch die Reduktionsgaſe vor jeder Oxydation geſchützt, bilden ſich durch die Einwirkung des Schwefels auf Kohle einer- ſeits Schwefelkohlenſtoff, andererſeits durch Einwirkung des letzteren auf Thonerde und kohlenſaures Natron die betreffenden Schwefelmetalle. Auf dieſe wirkt ſchwefelſaure 7 N —— Q Fig. 1. Thonerde fo ein, daß nach Verjagung der Schwefelſäure der ſchwefelſauren Thonerde ſchweflige Säure, Natrium und Aluminium reſultiert. Da Natrium leichtflüchtig iſt, fo bleibt Aluminium zurück, welches durch N abgeſtochen wird. Nach dem Abkühlen der aus A kommenden Gaje ſchließt man den Deckel Q und arbeitet nun ebenſo mit dem Ofen B. Es erübrigt noch, das Verfahren von E. Foote in Newyork zu erwähnen. Bauxit oder ein ähnliches Material wird kaleiniert, gepulvert, mit der Hälfte ſeines Gewichtes Chlornatrium und ebenſoviel geeigneter Kohle gemiſcht, mit Waſſer angemacht, geformt, getrocknet und in einer mit Chlor gefüllten Retorte zur Rotglut erhitzt, wobei ſich Dämpfe des Doppelchlorides von Alu— minium und Natrium bilden. Während ſo eine flüchtige Aluminiumverbindung erzeugt wird, entwickelt man in einem zweiten Gefäß Natriumdampf und läßt die Dämpfe beider Stoffe in einem dritten Gefäſſe aufeinander ein- wirken, worin ſich Aluminium reduziert. Als ein entſchiedener Erfolg der metallurgiſchen In— duſtrie, insbeſondere der deutſchen, muß die elektrolytiſche Darſtellung von Leichtmetallen, ſpeciell des Magneſiums und Aluminiums nach der Methode von R. Grätzel in Hannover bezeichnet werden. Die elektrolytiſche Darſtellung von Magneſium, welches nicht nur als ausgezeichnetes Leuchtmittel, ſondern auch als eines der kräftigſten redu— zierenden Agentien alle Beachtung verdient (nach Fleit— manns Vorgang wird jetzt auch das Nickelmetall mit Magneſium raffiniert), war bisher nach Bunſen nur im kleinen bekannt; ſie wird gegenwärtig unter Benutzung des Humboldt. — Juli 1885. in Staßfurt natürlich vorkommenden Chlormagneſiums, des Carnallits, im großen ausgeführt und zwar nach dem von Grätzel erworbenen Verfahren in der Scheringſchen chemiſchen Fabrik in Berlin. Zu dem Ende wird das ent— wäſſerte Chlormagneſium und ebenſo Chloraluminium oder Aluminiumfluorid einer hohen Temperatur ausgeſetzt und mit den beiden Elektroden in Verbindung gebracht, wäh— renddem ein reduzierender Gasſtrom durch das Schmelz— gefäß geleitet wird. Solche Schmelztiegel aus Metall A, welche zugleich als negative Elektrode dienen, ſind, wie beiſtehende Zeichnung zeigt, zu mehreren in einem Ofen O angeordnet. Die poſitive Kohlenelektrode K iſt mit einem Iſoliermantel G umgeben, welcher unten an den Seiten bei g durchlöchert iſt, jo daß das ſich an derſelben ent— bindende Chlorgas getrennt von dem durch das Rohr of zu- und durch das Rohr os abgeleiteten reduzierenden Gaſe mittels des Rohres p abgeführt werden kann. Um die elektriſche Spannung zu verringern und das ſich an Salz vermindernde Schmelzbad wieder anzureichern, werden im Innern des Iſoliermantels aus Kohle und Magneſia oder Thonerde beſtehende Stangen eingeſetzt. Statt den Schmelztiegel ſelbſt als negative Elektrode zu benutzen, kann man bei der Darſtellung von Aluminium auch in Gefäße aus nichtleitendem Material z. B. Porzellan Me— talleinſätze bringen, alſo namentlich Aluminium als Elek— trode anwenden, woran ſich dann das abgeſchiedene Metall anſetzt. Der elektriſche Strom wird durch eine Dynamo— maſchine erzeugt. Das ſeither etwa 240 ME pro ke koſtende Magneſium wird jetzt ſchon für 80 Mk., Alumi— nium angeblich noch billiger abgegeben. Wie Blattgold, Blattſilber und Stanniol kommt auch bereits Blattalumi— nium von Amerika aus in den Handel, welches der Fläche nach nicht teurer ſein ſoll als Stanniol, aber leichter iſt und in der Politur als haltbarer gerühmt wird. Das größte aus Aluminium gefertigte Stück iſt eine von Friſch— muth in Philadelphia hergeſtellte kleine Aluminiumpyra— mide von 2,84 kg Gewicht, welche die Spitze des neuen Waſhington⸗Obeliskes in Waſhington bildet, des mit einer Höhe von 166 m höchſten Bauwerks der Erde. Bezüglich des mehrerwähnten Baupites oder natür— lichen Thonerdehydrats, eines früher wenig bekannten Minerals, möge noch bemerkt ſein, daß ſich derſelbe in der Umgegend von Lich und Langsdorf in Oberheſſen neuerdings reichlich gefunden hat. Er wird dort auf den Feldern geſammelt und iſt offenbar ein Verwitterungs— 291 produkt des im Vogelsberge ſo verbreiteten Baſaltes. Die nuß⸗ bis kopfgroßen abgerundeten Stücke des dortigen Baurites ſind durch Eiſenoxyd gelb bis braun gefärbt; ſie enthalten beiläufig 50 Proz. Thonerde und 25 Proz. Waſſer, der Reſt kommt hauptſächlich auf Eiſenoxyd und etwas Kieſelſäure. Unſeren Betrachtungen über das Leichtmetall Alu— minium mögen ſich noch einige Worte über das Schwer— metall Iridium anreihen, welches ſich bekanntlich in Ver— bindung mit Osmium im metalliſchen Rückſtande der mit Königswaſſer behandelten Platinerze findet; dem ähnlichen und verwandten Platin zugeſetzt, erhöht es die Feſtigkeit und Dauerhaftigkeit dieſes für den analytiſchen Chemiker ſo wichtigen Metalles. Das Iridium iſt ſehr ſchwer ſchmelz— bar und konnte ſeither nur in kleinen Mengen mittels des Knallgasgebläſes oder im elektriſchen Ofen geſchmolzen werden. Der Amerikaner J. Holland in Cincinnati, welcher dieſes Metall zur Herſtellung harter Spitzen an goldenen Schreibfedern einführte und größerer Mengen desſelben benötigte, fand nun, daß die Schmelzung des Iridiums bei Weißglühhitze leicht zu bewerkſtelligen iſt, wenn man ihm einige Prozent Phosphor zuſetzt, der ſich bei nachträglichem wiederholtem Ausglühen wieder ver— flüchtigt. So iſt auch das Iridium gut verarbeitungs— fähig geworden und findet bei ſeiner großen Härte und Widerſtandskraft gegen die ſtärkſten Säuren und andere äußere Einflüſſe zu Prismen für feine Wagen, zu elek— triſchen Kontaktſpitzen für Telegraphen, zu Heftnadeln für Chirurgen und zu anderen feinen Metallwerkzeugen bereits ziemliche Verwendung. Im Wert ſteht das Iridium zwi— ſchen Platin und Gold, wie aus der folgenden Zuſammen— ſtellung der ungefähren gegenwärtigen Preiſe in Mark von 1 kg der wichtigſten Metalle, die wir hier noch folgen laſſen, erſichtlich iſt. Gold . 2800 Kadmüum 879 Osmium 2750 Mieke 98 Iridium . 2000 Queckſilber . . 3; Platin 950 Zu; o o Wye Thallium 200 SOMMER a ao a Ay} Kalium. 170 Antimon . 0,9 Silber . 149 Men 08 Magnefium . . 80 BYR o 6 a 2 o ‘pul Aluminium 80 Ble! 9025 Kobalt AS Sta! te Make MNazum 19) Stabeijen 0,11 Wien!; lls) Roheiſen . . 0,05 Seitdem der Papierverbrauch eine jo großartige Aus— dehnung genommen hat und infolgedeſſen der Vorrat von Hadern, die früher allein den Rohſtoff für die Papiermaſſe bildeten, nicht mehr ausreichte, mußte man auf Erſatzmittel und Surrogate Bedacht nehmen. Dem Deutſchen Keller gebührt das Verdienſt, zuerſt auf die Verwendbarkeit des Holzes zu dieſem Zwecke hingewieſen zu haben; der Fran— zoſe Mellier verwandte Stroh, welches er mit verdünnter Aetznatronlauge behandelte, um dadurch reinen Faſerſtoff abzuſcheiden und die anderen Beſtandteile des Strohes zu zerſetzen und aufzulöſen. Ein ähnliches Verfahren mit ſtärkerer Aetznatronlauge und höherer Dampfſpannung 292 Humboldt. — Juli 1885. wandte dann der Engländer Houghton auf Holz an, um dieſes dadurch in ein zur Papierfabrikation geeignetes Material zu verwandeln. Dieſe Fabrikation ſtieß anfangs auf Schwierigkeiten, ſowohl hinſichtlich der Güte des er— zielten Produktes, als auch hinſichtlich der Wiedergewinnung des benutzten Alkalis; ſeit einigen Jahren hat indeſſen dieſe Bereitungsweiſe von Papierſtoff eine günſtigere Wendung genommen. In neuerer Zeit hat man mit noch beſſerem Erfolg ſchweflige Säure und Kalk zu demſelben Zweck in An— wendung gebracht. Schon im Jahre 1866 hatte ſich der Ingenieur Tilghman in England ein Verfahren paten- tieren laſſen, Holz mit einer Löſung von doppeltſchweflig— ſaurem Kalk unter erhöhtem Druck zu behandeln und in Papierſtoff zu verwandeln. Solche Sulfitcelluloſe bietet, gegenüber der Natroncelluloſe manche Vorteile, namentlich wird das ziemlich koſtſpielige Natron vermieden und das Bleichen erleichtert, dann aber auch eine feſtere Celluloſe erhalten. Jene Patente kamen aber in Vergeſſenheit, ſo daß, als vor einigen Jahren Profeſſor Mitſcherlich den Gegenſtand aufs neue eingehend behandelte und ſeine Sul— fitcelluloſe zum Patentieren anmeldete, ihm das deutſche Patent ohne weiteres erteilt wurde. Derſelbe hat dann fein Verfahren in einer Reihe von Papierfabriken ein— geführt, bis man darauf hinwies, daß ſein Prozeß mit dem Tilghmanſchen im weſentlichen übereinſtimme und das Nichtigkeitsverfahren gegen ſein Patent einleitete. Nachdem das deutſche Patentamt jenen Einwürfen zu⸗ geſtimmt, hat unlängſt auch des Reichsgericht in dieſem Patentſtreit zu Ungunſten Mitſcherlichs entſchieden, inz dem es in deſſen Patent die Bereitung von Celluloſe, Klebſtoffen und gärbaren Flüſſigkeiten, alſo die Haupt⸗ ſache geſtrichen, dagegen die bei der Behandlung des Holzes mit ſaurem ſchwefligſaurem Kalk beanſpruchte Bereitung von Gerbſtoff und Eſſigſäure aufrecht erhalten hat. Die Herſtellung von Sulfitcelluloſe iſt hierdurch wieder fret gegeben. Seit Einführung des Holzzellſtoffes in die Papter- fabrikation hat dieſe Induſtrie in Deutſchland einen be- deutenden Aufſchwung genommen, der vorausſichtlich noch wachſen wird, namentlich infolge des ſchon jetzt recht an- ſehnlichen Exportes. Immerhin mag man ſich auch hier vor Ueberproduktion hüten, wie jie in der Zuckerfabri⸗ kation eingetreten iſt. Da Sulfitfabriken ſehr viel flte- ßendes Waſſer zum Auswaſchen des Papierſtoffes bedürfen, ſo ſollten ſie nur an großen Flüſſen angelegt werden. Schließlich bemerken wir noch, daß man zur Beſchaffung der ſchwefligen Säure für die Bereitung der Celluloſe bereits die Röſtgaſe von Hüttenwerken in Ausſicht ge— nommen hat; man will ferner die ſchweflige Säure ebenſo wie Kohlenſäure kondenſieren und in geeigneten Metallbomben flüſſig zum direkten Gebrauch verſenden. Neue Apparate für Unterricht und Praxis. Desinfektion und Reinigung von Luff und Wohnräumen. In den Gewerben wie im Haushalt ift ſchweflige Säure das einfachſte Mittel zur Desinfektion dumpfiger Keller und ähnlicher Räume, ſowie zur Verhü— tung und Beſeitigung von Schimmelpilzbildung. Wie man Fäſſer ausſchwefelt, um darin enthaltene Fäulniserreger unſchädlich zu machen, ſo verfährt man in ähnlicher Weiſe, Fig. 1. um Schimmel und Moder in ſolchen Räumen zu zerſtören, indem man nach Verſtopfung der Fenſter Schwefel auf Steinen verbrennt, dann den Raum abſchließt und nach einiger Zeit gut auslüftet. Zu demſelben Zweck kann man ſich auch eines flüſſigen, käuflich zu habenden Präparates von doppeltſchwefligſaurem Kalk bedienen, welches, mit einem Pinſel auf die Wände von Kellern, Fabrikräumen, Zimmern und Ställen aufgetragen, als Mittel zur Des— infektion, gegen Anſteckungsſtoffe, Hausſchwamm rc. die beſten Dienſte leiſtet. Vor Chlor und Chlorkalk verdient die ſchweflige Säure wegen ihrer weit weniger zerſtörenden Einwirkung auf organiſche Stoffe meiſtens den Vorzug. Handelt es ſich darum, Luft oder Gaſe von Staub, Sporen, Bakterien und anderen darin ſuſpendierten Subſtan⸗ zen zu befreien, kann man ſich eines neuen Verfahrens von F. Windhauſen in Berlin bedienen, welches darin be— Fig. 2. ſteht, daß man jene Subſtanzen innerhalb einer Schicht fließenden Waſſers oder einer anderen Flüſſigkeit in Drehung verſetzt und dadurch der Einwirkung der Centrifugalkraft unterwirft, ſo daß die ſuſpendierten Subſtanzen in die Flüſ— ſigkeit geſchleudert und von dieſer weggeſchwemmt werden. Zur Ausführung dieſes Verfahrens dient nebenſtehender Apparat (Fig. 1), welcher aus der mit den Oeffnungen k und h verſehenen rotierenden Trommel a, der in letzterer eingeſchloſſenen Trommel e, den Scheidewänden d, dem Humboldt. — Juli 1885. Ventilator t, der mit Löchern verſehenen hohlen Welle be zum Einlaß von Flüſſigkeit und dem ſiphonartigen Ab— 0 n für den Ablauf der Flüſſigkeit aus der Trommel a beſteht. Zur Reinigung der Luft durch Waſchung mit Waſſer rc. bedient man ſich jetzt auch verſchiedener Zerſtäubungs— apparate, von denen ein jüngſt patentierter von E. Meſſter in Berlin in Fig. 2 abgebildet ijt. Der auf der Spitze b dreh— bare Ballon c mit den gleich den Armen eines Segnerſchen Waſſerrades gebogenen Zer— ſtäubern dd! iſt mit einem kreis- und rinnenförmigen Becken 1 zur Aufnahme der zu zerſtäubenden Flüſſigkeit vereinigt. Durch das Aus— ſtrömen des Dampfes wird dem Ballon c eine rotierende Bewegung erteilt. Das Becken ! jedoch, dem die zu zerſtäubende Flüſſigkeit ent— nommen wird, iſt behufs Er— 293 teilung iſt alſo der Drehungswinkel unmittelbar ablesbar. Vermöge dieſer Einrichtung iſt nun jeder Punkt dieſes Grad— netzes in zwei Polarkoordinaten-Syſtemen gegeben und man kann ohne weiteres auf den numerierten Parallelkreiſen die Polardiſtanz des Punktes auf den Meridianen der Pol— winkel ableſen. Daraus ergibt ſich die Anwendung zur Auflöſung ſphäriſcher Dreiecke in einfacher Weiſe. Um z. B. das Dreieck DEF aufzulöſen, von welchem die drei Seiten gegeben ſind, dreht man nach Angabe der Rand— einteilung die beiden Teile des Apparates ſo weit gegenein— ander, daß die beiden Durch— meſſer den Winkel D E eine ſchließen. Nun ſucht man den Schnittpunkt desjenigen Pa⸗ rallelkreiſes der unteren Pro— jektion, welche der Poldiſtanz von F (alſo der Länge HF) entſpricht, mit dem Parallel kreis der oberen Projektion, welche gleichfalls dem Punkt neuerung der Flüſſigkeit wäh— rend der Thätigkeit des Appa— rates ſtabil. Der Erfindungs— geiſt iſtübrigens auch auf die— jem Gebiete ſchon auf eigen— tümliche Dinge verfallen und finden wir z. B. zur Erzeu— gung von Seeluft in Wohn⸗ räumen eine wäßrige Löſung von Waſſerſtoffſuperoxyd mit einemkleinen Gehalt von Jod und Ozon, ſowie 2—3 Proz. Seeſalz empfohlen. P. Das Trigonometer, ein neues Inſtrument zur Auf— löſung ſphäriſcher Dreiecke. Das kleine und einfache In— ſtrument wird namentlich dem rechnenden Kryſtallographen willkommen ſein, weil man mit ſeiner Hilfe auf die ein— fachſte Weiſe die einzelnen Stücke eines ſphäriſchen Dreiecks durch direkte Ableſung beſtimmen kann. Die Vorrichtung beſteht aus einer perſpektiviſchen Projektion des Gradnetzes einer Halbkugel; um den Mittelpunkt derſelben iſt eine der erſten genau gleiche Vorrichtung drehbar; dieſelbe tft. auf einen durchſichtigen Stoff (durchſichtige Leinwand, Glas 2c.) aufgetragen und beſitzt an ihrem Rande eine Gradeintei— lung ähnlich einem Winkeltransporteur; auf dieſer Rand— F entſpricht (alſo der Länge DF) und hat ſomit F gefun— den; man kann nun den Wine kel 8 ſofort am Aequator der unteren Projektion ableſen: Winkel a ebenſo am Wequator der oberen. Sollten von einem Dreieck nur die drei Winkel gegeben ſein, ſo ge— lingt die Auflöſung nur mit Hilfe des Polardreiecks. — Um auch den dritten Winkel + im Inneren zu beſtimmen, nimmt man kleine durchſich— tige Lineale zu Hilfe, welche in der Länge eine gerade Linie und ſenkrecht dazu in gleicher Entfernung kleine Striche haben; man legt je ein ſolches Lineal auf jeden Schenkel des Winkels derart, daß eine der Querlinien in den Scheitel zu liegen kommt, die in gleicher Entfernung ſtehenden Punkte der geraden Linie hingegen auf die darunter lie— gende Kreislinie fallen; der mit dem Transporteur zu meſſende Winkel iſt gleich dem Winkel der Tangente des Winkels, welchen die Kreislinien in der Spitze F mitein— ander bilden. — Dieſe nützliche kleine Vorrichtung iſt kon— ſtruiert von Karl Braun in Kaloeſa und in Groths Zeitſchr. f. Kryſt. beſchrieben. Hffin. Sete eae wry Gy) e 2 M ie ey Gh ci me Prof. Kießling, Die Dämmerungserſcheinungen im Jahre 1883 und ihre phyſikaliſche Erklärung. Hamburg und Leipzig, Leop. Voß. 1885. Preis 1 A. Die prachtvollen Dämmerungserſcheinungen, welche etwa vor einem Jahre faſt auf der ganzen Erd— oberfläche, an manchen Orten viele Wochen, mit allgemeinem Intereſſe beobachtet wurden, haben bekanntlich zu zahlreichen, teilweiſe wunderlichen Hypotheſen Veranlaſſung gegeben, zu Hypotheſen, welche eine interejjante Illuſtration zu der Thatſache geben, daß nur wenige ihrer Urheber mit der Entwickelung und dem Verlaufe einer der alltäglichſten op— tijden Erſcheinungen unſerer Atmoſphäre, dem normalen 2 5 : ſelben Erſcheinungen in unmittelbarer Aufeinanderfolge Dämmerungsphänomen, vertraut waren, welches um ſo auffallender iſt, als dieſes Phänomen ſchon im Jahre 1863 von einem der kompetenteſten Phyſiker, Prof. W. v. Be— zold, in wiſſenſchaftlicher und populärer Form behandelt wurde. Aus einer umfaſſenden Bearbeitung des Dämme— Humboldt 1885. rungsphänomens gibt uns Herr Profeſſor Kießling einen Auszug, in welcher er die phyſikaliſchen Grundlagen feſt— zuſtellen ſucht, die dem Dämmerungsphänomen zu Grunde liegen, eine Schrift, die wir hier um ſo mehr hervorheben zu müſſen glauben, weil ſie in lebendiger und gemein— faßlicher Darſtellung, und unterſtützt durch phyſikaliſche Experimente, alle Umſtände klarlegt, welche bei dieſem merk— würdigen und verwickelten Phänomene in Wirkung treten. Der engliſche Aſtronom Lockyer und Prof. Forel in Morges ſprachen zuerſt die Vermutung aus, daß jene Dämmerungserſcheinungen in direktem Zuſammenhange mit den bekannten Vorgängen in der Sundaſtraße, Ende Au— guſt 1831, ſtänden und dieſe Vermutung fand in der Thatſache eine Stütze, daß bereits im Jahre 1831 die— beobachtet wurden. Zwiſchen Pantellaria und Sizilien war im Juli 1883 mitten im Meere ein Vulkan entſtanden, welcher ungefähr einen Monat lang in unausgeſetzter Thätig— keit ſich befand und mächtige Staubmaſſen in die Atmoſphäre 38 294 Humboldt. — Juli 1885. trieb, welche ſich über ganz Europa, Sibirien und Nord— amerika ausbreiteten, während in ganz Italien, Frankreich und Deutſchland die langen und farbenreichen Dämme⸗ rungserſcheinungen, ſowie die eigentümlichen blauen und violetten Sonnenfärbungen allgemeines Erſtaunen erregten, ebenſo wie dies im Sommer und Herbſt 1883 kurz nach den Ausbrüchen in der Sundaſtraße der Fall war. Um uns eine angenäherte Vorſtellung über die furcht⸗ bare Gewalt und Wirkung der Exploſionen in der Sunda— ſtraße zu machen, heben wir aus der Schilderung dieſer lange anhaltenden Aſchenausbrüche nur die Kataſtrophe am 27. Auguſt hervor: „Kurz nach 10 Uhr erfolgte der heftigſte Schlag der ganzen Kataſtrophe. Man ſah über Krakatoa ein Meer von Flammen und Blitzen; es war als ob Tauſende von Raketen die Luft durchzuckten, ſo daß trotz der Dunkelheit der Himmel minutenlang kupferfarbig erſchien. Wir ſind nicht imſtande, uns eine Vorſtellung von der Gewalt der Exploſion zu machen, denn die mecha— niſche Wirkung derſelben erſcheint uns völlig unbegreiflich. Bimsſteinblöcke von 3 bis 4m Höhe fanden wir viele Meilen weit fortgeſchleudert. Der Schall der Exploſion wurde auf den Philippinen und an der Weſtküſte von Auſtralien gehört, alſo innerhalb eines Kreiſes von 900 geogr. Meilen Durchmeſſer, etwa ſo weit wie von Ham— burg nach dem Suez-Kanal oder der Oſtküſte von Grön— land. Die durch ſelbſtregiſtrierende Barometer in Afrika, Amerika und Europa aufgezeichnete Luftwelle hat nicht weniger als 3½ mal die ganze Erdkugel genau mit der Geſchwindigkeit des Schalles umkreiſt.“ Sofort nach dieſen Aſchenausbrüchen zeigten ſich im Indiſchen Ocean und im weiteren Umkreiſe die eigentümlichen Sonnen— färbungen, während der Himmel in allen Regenbogenfarben erglühte. Das Phänomen einer vollkommen entwickelten nor— malen Dämmerung beſteht nach Kießling aus der all— mählichen Ausbildung eines über der untergehenden Sonne liegenden glänzenden Fleckes am weſtlichen Himmel, ferner aus der Entwickelung horizontal liegender Farbenſchichten im Oſten (Gegendämmerung) und im Weſten, welche nach Sonnenuntergang an Höhe über dem Horizont an Farben— kraft zunehmen, endlich aus dem bei erlöſchender Gegen— dämmerung ſchnell entſtehenden Aufleuchten des erſten Pur— purlichtes am weſtlichen Himmel, auf welchem dann noch die Entwickelung eines zweiten Purpurlichtes folgt. Die im vergangenen Winter beobachteten Dämmerungserſchei— nungen bilden inſofern eine Ausnahme von den nor— malen, als die Intenſität und Mannigfaltigkeit der Farben außerordentlich geſteigert war. Prof. Kießling verſucht, auf das Experiment geſtützt, nachzuweiſen, daß die eben beſprochenen Dämmerungs— erſcheinungen auf der Diffraktion des Lichtes in mehr oder minder homogenen Nebel- oder Dunſtſchichten beruhen, und gelangt zu folgenden Ergebniſſen. Zur Erzeugung in⸗ tenſiver Dämmerungserſcheinungen iſt die Exiſtenz eines ſehr feinen und homogenen Nebels erforderlich, welcher ſich nur dann bildet, wenn in gleichmäßig feuchter und voll— kommen geſättigter Luft ein gewiſſer äußerſt geringer Be— trag von ganz feinem Staub vorhanden iſt. Dieſer feine Staub iſt an der Erdoberfläche ſtets vorhanden und wird bei aufſteigenden Luftſtrömen, alſo bei intenſiver Erwär— mung der Erdoberfläche, in großer Menge zu beträchtlicher Höhe emporgetrieben; insbeſondere wurden bei den vul— kaniſchen Ausbrüchen die Aſchen- und Dampfmaſſen in außerordentlich hohe Schichten der Atmoſphäre geſchleudert, und daher die ungewöhnlich farbenreiche Entwickelung der über die ganze Erboberfläche verbreiteten Dämmerungs— erſcheinungen. Der Verfaſſer ſpricht auf Grund dieſer Experimente die Möglichkeit aus, daß die vulkaniſchen Staubwolken, nach monatelangem Aufenthalt in ſehr hohen Schichten der Atmoſphäre, durch fortgeſetzte Ausſcheidung der ſchwerſten Stoffteilchen nach der Erdoberfläche zu, ſelbſt ſo homogen geworden ſind, daß ſie dieſelbe optiſche Wirkung ausüben konnten, wie künſtlich erzeugter homogener Nebel. Den Schluß der Abhandlung bildet die Beſchreibung eines Nebelglüh-Apparates (mit Abbildung), welcher dazu dient, die mannigfachen Farbenbildungen, auf welchen die Dämmerungserſcheinungen beruhen, mit elektriſchem Lichte oder direktem Sonnenlichte darzuſtellen. Hamburg. Dr. J. van Bebber. C. N. Starke, Ludwig Feuerbach. Stuttgart, F. Enke. 1885. Preis 9 , In unſerer Zeit, da der ſogenannte „Monismus“, d. h. jene philoſophiſche Doktrin, nach welcher intellektuelle und phyſiſche Vorgänge auf identiſche Urſachen zurückzu⸗ führen find, im Mittelpunkte des wiſſenſchaftlichen Inter— eſſes ſteht, erſcheint es wichtig, auf einen Forſcher Rück⸗ ſicht zu nehmen, der in der Entwickelungsgeſchichte der moniſtiſchen Lehren — teilweiſe auch als Gegner — eine Her- vorragende Rolle geſpielt hat, heute aber ſelbſt in Fach—⸗ kreiſen ein faſt vergeſſener iſt. Es ſind dreizehn Jahre her, ſeit in Nürnberg der ſtille „Philoſoph vom Redhen- berg“ ins Grab gelegt wurde, damals ſchon nur noch ein ſchwaches Abbild ſeiner einſtigen großen Periode, ein Mann, deſſen kühne Schriften dreißig Jahre vorher das gelehrte und ungelehrte Deutſchland in Atem erhalten hatten. Und nicht das eigene Vaterland iſt es, welches den auf dem Titel genannten Biographen hervorgebracht hat, ſon— dern eine däniſche Inauguraldiſſertation iſt es, von der uns eine deutſche Ueberarbeitung in Buchform vorliegt. Ueberhaupt ſcheint bei unſeren nördlichen Stammesnach— barn die Feuerbach jae Philoſophie beſonderen Anklang gefunden zu haben. Den Briefwechſel des ihm perſönlich Befreundeten hat Profeſſor Bolin in Helſingfors herans- gegeben, und ihm iſt auch, wie wir erfahren, die Heraus- gabe dieſer Schrift beſonders zu danken. Die biographiſche Einleitung iſt kurz und gedrängt, und in der That iſt auch von der Außenſeite eines Lebens, das beinahe dasjenige eines Einſiedlers war, nicht viel zu berichten. Daß die Art der Charakterſchilderung das Rich— tige trifft, kann Referent, dem durch Zufall einige authen- tiſche Nachrichten zu Gebote ſtanden, nur beſtätigen. Der Verfaſſer hat wohl auch recht, wenn er der Anſicht Raum gibt, daß Feuerbachs Schickſal ſich freundlicher und ſeine Einwirkung auf die Zeitgenoſſen machtvoller geſtaltet hätte, wenn er in größeren Verhältniſſen zu leben berufen geweſen wäre?), und wir können es nur billigen, daß in der von Begeiſterung getragenen Schilderung des Philo- ſophen Feuerbach doch auch die Schwächen in dem Weſen desſelben keineswegs verſchwiegen werden. Auch den philo- ſophiſchen Mängeln in dem Syſteme ſeines Helden gegen— über iſt der Verfaſſer durchaus nicht blind, wie nament⸗ lich (Seite 280) das über die Stellung Feuerbachs zur Politik Geſagte eine wohlthuende Objektivität bekundet. Mußte es doch ſeiner unklaren ſociologiſchen Ausdrucks— weiſe halber der edle Tote über ſich ergehen laſſen, daß eine nichts weniger denn edle Geſellſchaft, die Nürnberger Demagogie, ihn auf der Bahre, als ſie vor ſeinem „Quos ego“ ſicher war, für ihre Zwecke und Abſichten reklamierte. Das hätte nicht geſchehen können, wenn nicht, wie Herr Starcke ausführt, gewiſſe Grenzen, die ſeiner gedanklichen Thätigkeit ſo zu ſagen von der Natur gezogen waren, von Feuerbach ab und zu überſchritten worden wären. Der hiſtoriſch-kritiſche Hauptteil unſerer Schrift zer— fällt in drei Abſchnitte. Im erſteren derſelben wird Feuer⸗ bach als Metaphyſiker geſchildert, und zwar werden in ſeinem bezüglichen Forſchungsgange drei Perioden unter⸗ ſchieden. Es wird dargelegt, wie ſich das Verhältnis des originellen Denkers zu anderen berühmten Philoſophen ge— ſtaltete, wie er von Hegel, der ihn als Studenten an— fänglich anzog, ſich emancipierte und von Schelling ſo— ) Folgendes find (Seite 12) die Worte des Verfaſſers: .... Die Wohnung auf Bruckberg war zwar hübſch gelegen, aber die nächſte Stadt war Ansbach mit ihren Viehmärkten! Für einen Gelehrten iſt die Stadt notwendig; er bedarf zu vieler Hilfsmittel, welche das Land ihm nicht bieten kann.“ Wir ſtimmen dieſer Bemerkung aus vollem Herzen bei, können aber doch nicht umhin, auf die kleine Schickſals-Jronie hinzuweiſen, die darin liegt, daß dem Verfaſſer, der von der mittelfränkiſchen Kreis⸗ hauptſtadt eine ſo wenig gute Meinung hat, ein Recenſent ſeiner Schrift gerade aus Ansbach erſtehen mußte, „aus Ansbach mit ſeinen Viehmärkten!“ Humboldt. — Juli 1885. 295 gar auf das äußerſte abgeſtoßen fühlte. Man erſieht aus dieſer Schilderung recht deutlich, wie Unrecht Feuerbach geſchieht, wenn man ihn ſo ohne weiteres als „Materialiſt“ bezeichnet. Dazu war ſein ganzes Gefühls- und Geiſtes— leben viel zu anthroprocentriſch eingerichtet, ſeine Auf— faſſung der Naturerſcheinungen eine, 8 wir es ehrlich, zu wenig geklärte. Darauf ſpielt auch der Verfaſſer (S. 116) deutlich an, obwohl er die Abhandlung, in welcher die Theorie des Denkprozeſſes aufgeſtellt wird, mit dem Prä— dikate vortrefflich belegt. Hätte Feuerbach die pſycho— phyſiſchen Unterſuchungen, die doch zu ſeiner Zeit bereits auf einem ganz achtbaren Standpunkte angekommen waren, mehr als er that, ſeiner Beachtung wert gehalten, ſo wäre vielleicht manches ſeiner Urteile anders ausgefallen; doch half er ſich mit kühnem Aperçu durch ſeine Scheidung einer „philoſophiſchen“ und einer „mediziniſchen“ Seele und gelangte dadurch zu einer ähnlichen Dichotomie, wie fie in Herbert Spencers pſychologiſchem Syſteme eine Rolle ſpielt. Jedenfalls wird dieſes Kapitel von jedem mit Intereſſe geleſen werden, der ſehen will, wie weit reines Denken, ohne eigentlich naturwiſſenſchaftliche Baſis, in der Erkenntnis des Wechſelverhältniſſes zwiſchen Geiſt und Körper vorzudringen imſtande iſt. — Der zweite kürzere Abſchnitt iſt der Religionsphiloſophie, der dritte der von Feuerbach ebenfalls in durchaus eigenartiger Weiſe aufgebauten Ethik gewidmet. Ueberall iſt die Dar— ſtellung klar und quellenmäßig; die kleinen Sfandinavis- men, die in der Textesfaſſung mit unterlaufen, machen inſofern eher einen angenehmen Eindruck, als man durch ſie daran erinnert wird, daß es ein Fremder iſt, der mit ſolcher Liebe eines deutſchen Forſchers Denkergebniſſe dem Publikum neu vergegenwärtigt. Ansbach. Prof. Dr. S. Günther. A. Claſſen, Handbuch der analytiſchen Chemie. 1. Theil. Qualitative Analyſe. Dritte verbeſſerte und vermehrte Auflage. Stuttgart, F. Enke. 1885. Preis 4% Abweichend von dem gewöhnlichen Gebrauch, Lehr— bücher der analytiſchen Chemie in der Weiſe zu behandeln, daß wie in der allgemeinen Chemie, ſo auch hier die ein— zelnen Elemente und ihre Verbindungen in ſyſtematiſcher Reihenfolge betrachtet werden, hatte ſchon Wöhler, von der Anſicht ausgehend, daß es bei praktiſchen Uebungen in der chemiſchen Analyſe leichter ſei, von einem beſtimmten Falle aus zu einer klaren Einſicht allgemeiner Verhältniſſe und Regeln zu gelangen, als umgekehrt ſich nach allge— meinen Regeln in ſpeciellen Fällen zurecht zu finden, vor längerer Zeit eine Mineralanalyſe in Beiſpielen ver— öffentlicht und Rammelsberg in einem Leitfaden die quantitative chemiſche Analyſe, beſonders der Mineralien und Hüttenprodukte, durch Beiſpiele erläutert. Auch Schrei— ber dieſes verfuhr in ſeiner qualitativen und quantitativen Analyſe (Berlin, Springer, 1863 und 1864) nach dem— ſelben Princip und kann es nur mit Genugthuung be— grüßen, daß inzwiſchen von anderer Seite dieſer Praxis ebenfalls gehuldigt worden iſt. Claſſen folgte dieſem Wege ſowohl bei der quantitativen wie bei der qualitativen Analyſe, in letzterer Richtung ſogar mit möglichſter Aus— dehnung in der Behandlung des Stoffes. Daß ſeine Dar— ſtellung Anerkennung gefunden, beweiſt die raſch erfolgte dritte vermehrte Auflage ſeines Handbuches, deſſen erſter Teil, die qualitative Analyſe, uns vorliegt. Darin werden zuerſt die wichtigſten unorganiſchen Salze und Metalle als praktiſche Beiſpiele zu Vorübungen herangezogen. Dann folgt der methodiſche Gang in der qualitativen unorganiſchen Analyſe mit beſonderer Berück— ſichtigung der häufiger vorkommenden Körper, zunächſt der Metalle. Es darf als beſonderer Vorzug dieſer Ab— teilung hervorgehoben werden, daß ſie dem noch Ungeübten die Erlernung der analytiſchen Fundamente ebenſo klar wie bündig vorführt. Von dem Verhalten der einzelnen unorganiſchen Säuren wird zu dem der wichtigſten organi— ſchen Säuren und Alkaloide übergegangen, wobei auch der Gang der Unterſuchung zum Nachweis von Alkaloiden in organiſchen Maſſen Berückſichtigung findet. Verhalten und Nachweiſung weiterer organiſcher Stoffe, welche im Labo— ratorium bei Unterſuchungen vorzugsweiſe benutzt werden, reihen ſich an; eine Anweiſung über die Konzentration der hauptſächlichſten Reagentien bildet den Schluß. Daß die wichtigſten einſchlägigen Reaktionen, namentlich im vorbereitenden Teile, durch Gleichungen ausgedrückt ſind, kann nur erwünſcht ſein. So iſt ein reichhaltiger Stoff in knapper und doch überall auch für den Anfänger leicht verſtändlicher Form mit großem Geſchick behandelt und wird ſich das auch äußer— lich vorteilhaft ausgeſtattete neuaufgelegte Buch unter den angehenden wie unter den geübteren Analytikern gewiß noch viele Freunde erwerben. Frankfurt a. M. Dr. Theodor Peterſen. 28. Preyer, Specielle Phyſiologie des Embryo. Lieferung 3 und 4 (Schluß). Mit 9 zum Teil farbigen Tafeln und vielen Holzſchnitten im Text. Leipzig, Th. Grieben (L. Fernau). 1884. Mit den faſt gleichzeitig ausgegebenen Lieferungen 3 und 4 liegt die Phyſiologie des Embryo vollendet vor. Zum erſtenmal iſt der wohlgelungene Verſuch gemacht, die ſtrengſten Methoden phyſiologiſcher Forſchung und Kritik auf einem bisher kaum je ſyſtematiſch erforſchten Gebiete in Anwendung zu bringen. Die Univerſalität philoſophiſcher und phyſiologiſcher Bildung des Verfaſſers hat denn auch ein Werk hervorbringen können, welches, wie mir ſcheint, hauptſächlich aus zwei Gründen volle Anerkennung verdient. Zunächſt liegt zum erſtenmal das geſamte phyſiologiſche und kliniſche Material, ſoweit es ſich auf Säugetiere bezieht, kritiſch geſichtet vor. Ferner — und dies dürfte nächſt den eigenen Unter— ſuchungen Preyers, welche das Fundament des ganzen Werkes bilden, jede weitere Empfehlung des Werkes überflüſſig machen — die Phyſiologie iſt auf Grund von Preyers Buch in den Beſitz einer großen Menge neuer und zum größten Teil beant- wortbarer Frageſtellungen gelangt. Sa Dr. Th. Weyl. Biblio graph Bericht vom Monat Mai Allgemeines. Viographieen. Archiv für die Naturkunde Live, Eſth- und Kurlands. ? gil Naturkunde. 10. Band 1. Ljg. Dorpat. Leipzig, 3. Bulent L., Naturkundliche Volksbücher. 1. Lieferung. Braunſchweig, F. 1 & Sohn. M. — 60. Chun, C., Katechis mus der Mikroskopie [Weber's illuſtrirte Katechismen Nr. 120]. Leipzig, J. Weber. Geb. M. 2. Fuchs, C. W. C., Aus ee Umgebung von Meran. Serie. Biolo⸗ K. F. Köhler. Studien über Geo— logie, Klima und Pflanzenleben. Meran, S. Pötzelberger's Buchhand— lung. M. — 80 Jahresbericht der naturforſchenden Geſellſchaft Graubündens. Neue Folge. 27. M 0 Vereinsjahr 188283. Chur, Hitz ſche Buch— handlung. M. . Mittheilungen des naturwiſſenſchaftlichen Vereines für Steiermark. Redaktion von R. Hörnes. Jahrgang 1884. Graz, Leuſchner und Lubensky. M. 6. Nördlinger, Th., Der Einfluß des Waldes auf die Luft- und Boden- wärme. Berlin, P. Parey. M. Scherrer, J., Der angehende Mikroſtopiker oder das Mikroſkop im Dienſte der höheren 200 und Bürgerſchule. St. Gallen, Scheitlin & Zolli— kofer. M. 4. 50. Situngsberichte der kaiſerlichen Akademie der Wiſſenſchaften. lung. Abhandlungen aus dem Gebiete der Mathematik, Chemie, Mechanik, Meteorologie und Aſtronomie. 90. Band. Wien, C. Gerold's Sohn. M. 7. 5 Sitzungsberichte der kaiſerl. Akademie der Wiſſenſchaften. Mathematiſch— naturwiſſenſchaftliche Klaſſe. 1. Abtheilung. Abhandlungen aus dem Gebiete der Mineralogie, 8 Zoologie und Paläantologie. 90. Band. 3—5. Heft. Wien, Gerold's Sohn. M. 7. Sitzungsberichte der Phoſtkaliſch. nichleiniſchen Geſellſchaſt zu Würzburg. Herausgegeben von J. Gad, W. Reubold, K. Rieger. Jahrgang 1884. Würzburg, Stahel'ſche Univerſite Buchhandlung. M. 4. Sitzungsberichte der Naturforſcher-Geſellſchaft bei der Univerſität Dor- 2. Abthei— Phyſik, 5. Heft. 296 Humboldt. — Juli 1885. pat, redigirt von G. Dragendorff. 7. Band 1884. 1. Heft Dorpat. Leipzig, K. F. Köhler. M. 2. Verhandlungen der phyſikaliſch-mediciniſchen Geſellſchaft zu Würzburg. Herausgegeben von J. Gad, W. Rewbold, K. Rieger. Neue Folge. IS. Band. Würzburg, Stahel'ſche Univerſitäts-Buchhdlg. M. 14. Zeitſchrift, Jenaiſche, für Naturwiſſenſchaft, herausg. von der medi⸗ einiſch-naturwiſſenſchaftlichen Geſellſchaft zu Jena. 18. Band. Neue Folge. 11. Band. 4. Heft. Jena, G. Fiſcher. M. 6. Zwick, H., Leitfaden für den Unterricht in der Naturgeſchichte. Thier⸗ kunde. 1—3 Kurs. Berlin, Burmeſter & Stempel. M. — 95. DHvyfik, Bhyſikaliſche Geographie, Meteorologie. Ambronn, H., Zur Mechanik des Windens. Leipzig, S. Hirzel. W Bs Braun, M., Phyſikaliſche und biologiſche Unterſuchungen im weſtlichen Theile des finniſchen Meerbuſens. Leipzig. K. F. Köhler. M. 3. Fortſchritte, die, der Phyſik im Ihre 1881. Dargeſtellt von der phyſikal. Geſellſchaft zu Berlin. 37. Jahrgang. Red. von Neeſen. 1. Abthei⸗ lung. Allgemeine Phyſik und Akuſtik. Berlin, G. Reimer. M. 7. Groth, P., Phyſikaliſche Kryſtallographie und Einleitung in die kry⸗ ſtallographiſche Kenntniß der wichtigeren Subſtanzen. Leipzig, W. Engelmann. M. 16. Einband M. 2. Günther, S., Lehrbuch der Geophyſik und phyſikaliſchen Geographie. 2. Band. Stuttgart, F. Enke. M. 15. Kießling, J., Die Dämmerungserſcheinungen im Jahre 1883 und ihre phyſikaliſche Erklärung. Hamburg, L. Voß. M. 1. Peſchel's, O., Phyſiſche Erdkunde. Selbſtändig bearbeitet und herausge⸗ geben von G. Leipoldt. 2. Auflage. 12. und 13. Lieferung. Leipzig, Duncker & Humblot. à M. 2. Publicationen d. aſtrophyſikaliſchen Obſervatoriums zu Potsdam Nr. 15. 4. Band. 2. Stück. Inhalt: Meteorologiſche Beobachtungen in den Jahren 1881 bis 1883. Bearb. von P. Kempff. Leipzig, W. Engel⸗ mann. M. 7. Secchi, A., Die Größe der Schöpfung. 2 Vorträge. Ueberſetzt von C. Güttler. 4. Auflage. Leipzig, E. Bidder. M. 1. 20. Wrobel, E., Die Phyſik in elementar-mathematiſcher Behandlung. Ju. III. Roſtock, W. Werther's Verlag. M. 6. 90. Aſtronomie. Jahrbuch, Berliner aſtronomiſches, für 1887 mit Ephemeriden der Planeten (1) (237) für 1885. Herausg. von F. Tietjen. Berlin, F. Dümmler's Verlagsbuchhandlung. M. 12. Oertel, K., Aſtronomiſche Beſtimmung der Polhöhen auf den Punkten Irſchenberg, Höhenſteig und Kampenwand. München, G. Franz'ſche Verlagsbuchhandkung. M. 2. Chemie. Beilſtein, F., Handbuch der organiſchen Chemie. 2. Auflage. 5. Liefe- rung. Hamburg, L. Voß. M. 1. 80. Claſſen, A., Handbuch der analytiſchen Chemie. 3. Auflage. 1. Theil. Qualitative Analyſe. Stuttgart, F. Enke. M. 4. Encyelopädie der Naturwiſſenſchaften. 2. Abtheilung. 29. Lfg. Handwörter⸗ buch der Chemie. 13. Lieferung. Breslau, E. Trewendt. Subfer. Preis M. 3. Erlenmeyer, E., Lehrbuch der organiſchen Chemie. 5. Lieferung. Red. von O. Hecht. Leipzig, C. F. Winter'ſche Verlagsbuchhdlg. M. 4. Graham-Otto's ausführliches Lehrbuch der Chemie. 1. Band. Phyſi⸗ kaliſche und theoretiſche Chemie von A. Horſtmann, H. Landolt und A. Winkelmann. 3. Auflage. 2. Abtheilung. Theoretiſche Chemie ein⸗ ſchließlich der Thermochemie von A. Horſtmann. Braunſchweig, F. Vieweg & Sohn. M. 13. Jahresbericht über die Fortſchritte der Chemie und verwandter Theile anderer Wiſſenſchaften. Herausgegeben von F. Fittica. Für 1883. 3. Heft. Gießen, J. Ricker. M. 10. Mineralogie, Geologie, Geognoſie, Valäontologie. Abhandlungen zur geologiſchen Specialkarte von Preußen und den Thüringiſchen Staaten. 5. Band 3. Heft. Berlin, P. Parey. M. 6. Abhandlungen der ſchweizeriſchen paläontologiſchen Geſellſchaft. Vol. XI. [1884.] Berlin, R. Friedländer & Sohn. M. 32. Beiträge zur geologiſchen Karte der Schweiz. 21. Lfg. Chromolith. Bern Schmid, Francke & Co. M. 13. Gümbel, K. W. v., Geologie von Bayern. 1. Theil. Geologie. 2. Lieferung. Kaſſel, Th. Fiſcher. M. 5. Hirſchwald, J., Das mineralogiſche Muſeum der königla techniſchen Hoch- Joule Berlin. Berlin, R. Friedländer & Sohn. M. 3. geb. M. 4. Karte, geologiſche, von Preußen und den Thüringiſchen Staaten. Her— ausgegeben durch das königl. preußiſche Miniſterium der öffentlichen Arbeiten. 1: 25 000. 9. Liefer. Fol. Mit Text. Berlin, S. Schropp'ſche Hofkartenhandlung. M. 20. Inhalt: Grad-Abtheilung 56. Nr. 34. Heringen. — 35. Kelbra. — 36. Sangerhauſen. — 42. Artern. — 46. Greuſſen. — 47. Kindelbrück. — 48. Schillingſtedt. Quenſtedt, F. A., Handbuch der Petrefaktenkunde. 3. Auflage. 22. Ifg. Tübingen, H. Laupp'ſche Buchhandlung. M. 2. Grundzüge der Zeitſchrift für Kryſtallographie und Mineralogie, herausgegeben von P. Groth. 10. Band 2. u. 3. Heft. Leipzig, W. Engelmann. M. 10. Botanik. Förſter's, C. F., Handbuch der Cacteenkunde in ihrem ganzen Umfange. Bearb. v Th Ruͤmpler. 2. Aufl. 5. Lfg. Leipzig, J. T. Wöller. M. 2. Gerhardt, J., Flora v. Liegnitz zugleich Exkurſionsflora von Schleſien. Liegnitz, Reisner'ſche Buchhandlung. M. 4. 50. Hoffmann, H., Reſultate der wichtigſten pflanzenphänologiſchen Beob⸗ achtungen in Europa. Gießen, J. Rider. M. 5. Jahresbericht, botaniſcher. Syſtematiſch geordnetes Repertorium der bo⸗ taniſchen Literatur aller Länder. Herausg, von L. Juſt. 10. Jahr⸗ gang [1882]. 1. Abth. 2. Heft. Berlin, Gebr. Bornträger. M. 8. Jerzykiewicz, B., Botanik f. höhere Lehranſtalten 2 Aufl. Poſen, L. Leit⸗ geber & Co. M. 2. 75. Müller, J. P., u. E. Hintzmann, Flora der Blütenpflanzen d. bergiſchen Landes. 2. Aufl. Remſcheid, H. Krumm. M. 1. 80. Thome's Flora von Deutſchland. Oeſterreich und der Schweiz in Wort und Bild. 1. Lieferung. Gera, F. E. Köhler's Verlag. M. 1. Zoologie, Phyſtologie, Entwickelungsgeſchichte, Anthropologie. Arbeiten aus dem zoologiſch-zootomiſchen Inſtitut in Würzburg. Herausg. v. C. Semper. 7. Band 3. Heft. Wiesbaden, C. W. Kreidel's Verlag. M. 13. 40. Bronn's, H. G., Klaſſen u. Ordnungen d. Thierreichs, wiſſenſchaſtlich dargeſtellt in Wort und Bild. 6. Band. 3 Abth. Reptilien. Fortgeſ. v. C. K. Hoffmann. 44. u. 45. Liefg. Leipzig, C. F. Winter'ſche Verlagshandlung. à M. 1. 50. Dombrowski, R., Ritter v., die Geweihbildung der europäiſchen Hirſch—⸗ arten mit beſonderer Berückſichtigung anatomiſcher, phyſiologiſcher, pathologiſcher und pathogeniſcher Momente. Wien, C. Gerold's Sohn. Geb. M. 32. Fleiſcher, J. M., Taſchenbuch f. Schmctterlingsſammler. Leipzig, O. Leiner. Geb. M. 2. Grünhagen, A., Lehrbuch der Phyſiologie. Begründet v. R. Wagner, fortgeführt v. O. Funke. 7. Aufl. 1. Bd. Hamburg, L. Voß. M. 12. Hontſchik, A., Menſchenreichkunde. Wien, C. Gerold's Sohn. M. 2. 40. Kobelt, W., Iconographie der ſchalentragenden europäiſchen Meeresconchy— lien. 3. Heft. Kaſſel, Th. Fiſcher. M. 4.; kolorirt M. 6. Leuckart, R., u. H. Nitſche, zoologiſche Wandtafeln zum Gebrauche an Univerſitäten und Schulen. 10. Lieferung, Tafel 26 und 27 a 4 Blatt. Lith. und kolorirt Fol. mit Text. Kaſſel, Th. Fiſcher. M. 6; für Aufziehen auf Leinwand mit Rollen à Tafel M. 3. Wiſſen, das, der Gegenwart. Deutſche Univerſal-Vibliothek f. Gebildete. 41. Band. Leipzig, G. Freytag. Geb. M. 1. Inhalt: Bilder aus dem Thierleben von O. Taſchenberg. Zeitſchrift für wiſſenſchaftliche Zoologie, herausgegeben von C. Th. v. Siehold und A. v. Kolliker unter Red. von E. Ehlers. 41. Band 4. Heſt. Leipzig, W. Engelmann. M. 14. Geographic, Elhnographie, Neiſewerke. Föhner, J., Geographiſches Taſchenbuch. Olmütz. E. Hölzel's Buchhand— lung. M. 1. 50; geb M. 2. Deutſchlands Kolonien. Mai 1885. Ueberſichtskarte der geſamten deutſchen Kolonialbeſitzungen und Schutzgebiete. 1: 8000 000. Weimar, Geo— graphiſches Inſtitut. M. — 50. Heiland, F., Das geographiſche Zeichnen. Ein Beitrag zur Methodik d. geographiſchen Unterrichts. Leipzig, G. Fock. M. 1. 80. Hübner, Freiherr v., Vortrag über ſeine Reiſe in den Südſee-Inſeln Wien, Verlag d. Oriental. Muſeums. M. 75 Jung, K. E., Deutſche Kolonien mit rückſichtigung der neueſten deutſchen Erwerbungen in Weſtafrika und Auſtralien. 2. Aufl. Leipzig, G. Freytag. M. 5. Maaß, W., Geographie v. Eſth-, Live und Kurland. Riga, Sond & Po⸗ liewsky. M. — 80. Seydlitz, E. v., Geographie. Ausgabe X.: Grundzüge der Geogrophie. 20. Bearbeitung beſorgt von E. Oehlmann. Breslau. F. Hirt. M. — 75. Seydlitz, E. v., Geographie. Ausgabe B.: Kleine Schulgeographie. 20. Be⸗ arbeitung beſorgt v. Simon u. Oehlmann. Br u, F. Hirt. M. 2. Stauley, H. M., Der Kongo und die Gründung des Kongoſtaates. Arbeit u. Forſchung. Aus dem Engl. von H. v. Wobeſer. 1. Liefg. Leipzig, F. A. Brockhaus. M. 1. Thomſon, J., Durch Moſſai-Land. Forſchungsreiſe in Ojtafrita zu den Schneebergen u. wilden Stämmen zwiſchen dem Kilima-Najaro und Victoria-Njanſa in den J. 1883 und 1884. Aus dem Engl. von W. v. Freeden. Leipzig, F. A. Brockhaus. M. 15; geb. M. 17. Zeitſchrift f. Ethnologie. Red.: A. Baſtian, R. Hartmann, R. Virchow, A. Voß. 17. Jahrgang 1885. Suppl. Inhalt: F. Bayern's Unter⸗ ſuchungen über die älteſten Gräber und Schatzfunde in Kaukaſien, herausgeg. v. R. Virchow. Berlin, A. Aſher & Co. M. 6. 2. Aufl. Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Donat Dai 1885. Der Monat Mal iſt charakteriſiert durch trübes, feuchtes und insbeſondere kaltes Wetter. Außer der ausgedehnten, anhaltenden und erheblichen Temperatur— erniedrigung iſt hervorzuheben der Witterungsum— ſchlag am Monatsſchluſſe. Der Verlauf der Witterungserſcheinungen im dies— jährigen Mai iſt überaus merkwürdig und lehrreich. Trotz— dem die Druckverteilung raſchen und anhaltenden Ver— änderungen unterworfen war, ſo hielt der naßkalte Witte— rungscharakter, welcher dieſen Monat auszeichnet, un— unterbrochen bis zu den letzten Tagen des Monats an, ſo Humboldt. — Juli 1885. 297 daß die dauernde Temperaturerniedrigung durch ſehr ver— ſchiedenartige Urſachen bedingt wurde. Eine etwas ein— gehendere Beſprechung dieſer Witterungsphänome erſcheint von nicht geringem Intereſſe, um ſo mehr, als durch dieſe Kälteepoche der Fortgang des Vegetationsprozeſſes bedeu— tend gehemmt wurde und der Gärtnerei und Landwirtſchaft daraus jedenfalls mancher Schaden erwuchs. Um nun ſofort einen Ueberblick über die räumliche und zeitliche Verbreitung der Temperaturerniedrigung zu verſchaffen, laſſen wir nachſtehend eine Tabelle für die Abweichung der Temperatur von ihren Durchſchnittswerten von 7 reſp. 8 Uhr morgens für die Zeiträume von je 5 Tagen folgen, wobei die fettgedruckten Zahlen den Wärmeüberſchuß, die übrigen den Wärmemangel in Celſiusgraden angeben. allein die Einleitung und die weitere Entwickelung der Kälte wird nicht hervorgerufen durch Depreſſionen, die in dem er— wärmten Gebiete ihren Urſprung hatten, oder in dasſelbe ein— drangen, ſondern durch ganz eigenartige, aber charakteriſtiſche Vorgänge in der Atmoſphäre, die wir hier kurz wiedergeben. Am 10. lag eine intenſive Depreſſion mitten über dev Nordſee, welche in den folgenden Tagen mit mäßiger Ge— ſchwindigkeit oſtwärts fortſchritt, während im Weſten vom Ocean her ein barometriſches Maximum den britiſchen Inſeln ſich näherte. Am 11. lag das Minimum über dem Skagerrak, am 12. über Finnland, ſo daß nach und nach ein ziemlich leb— hafter nordweſtlicher Luftſtrom nach Weſtmitteleuropa ſich vor— ſchob, welcher überall Abkühlung brachte, am 11. im nordweſt— lichen, am 12. im ſüdlichen und öſtlichen Centraleuropa. Stock- Spe . | Ohri- | Hapa- Fopen~!y po | ar zes Der- Han- Miner} » > % Karls- | ay. Zeitraum | Soda Inianfindl’ ronda’ | Rita ||" Ragen Dalentia ae Paris fa kt AMcmef 1. Jb. Berlin Preslau 11105 ſflünchen r e LGD! PLO} GU NLL Tas LN EDS LEG CDs 40 LATINOS DPON| Nae 6.--10. BS | Oba PO OO aL ala eye) e I ates ene a 2e? 22 11.—15. 2,1 0,8 ee D „s, e 32 % 1% 6, 5, 4% 6,1 5,9 16.— 20. C e Oe e ee, er r e e ee e r eee 2 25, 4 47 1,8 0/5 0,3 0,6 2,8 5,3 2,6 1/5 0,9 3,4 0,7 1,5 2,5 1,5 26.— 31. 1,1 1,8 | 0,8 2,7 1,0 0,1 0,2 | 0,3 0,1 0,9 0,5 038 | 16 2,3 | 1,9 2,7 Mittel Gef s 0% e S38) 40) e e ee 7 Her- = fiutha- Zeitraum | Tien | monn- | Lefina | Rom 11 1 0 Be Moskau! &icw 1 Heriſch n Baku | cvinen- |Tashent |Barnanf} Tomsk ad ; bura | I. 5. | 00)k7/06) 08) 77/52/72) 45/54/09) 10/8) 5 5,2 5, 05 6—10. 1,5 1,4 1,6 1,7 5,7 0,5 , 1,5 5, 2,2 2, 1,0 0,7 3,5 15 | 04 11.—15. 49 2,1 0,3 0,6 5,0 1,7] 1,3 2.6 1,2 0,6 3,6 6,1 0,1 0, 2,2 2,4 16.20. 6,2 3,7 341 3,8 0,7 11 % 14 1,1 13 6% 5,3 % 08 20| 22 21.25. 3,8 4,7 10] 3,3 6,1 5,0 4,6 1,8 0, 1,2 1,0 1,9 0% 3, 2,1 3,1 26.31. 1,0 0% 1 0,7 0% 1,4 0% 1,6 1, % | 22 1,7 4,7 26 28 61 Mittel | 26/13] 0, [ 1,6 J 411 0,0] 04] 06] 80] 08| 28/82] 01105] 1,6] 23 Aus dieſen Zahlen überſieht man ſofort die räumliche und zeitliche Ausdehnung des Kältegebietes: ganz Europa, außer dem Südoſten, ſind von demſelben aufgenommen, die Temperaturerniedrigung erſtreckt ſich weiter oſtwärts über Europa und Sibirien hinaus, und erreicht im mittleren Aſien ſeine Grenzen, wo der Wärmemangel wieder in Wärmeüberſchuß übergeht. Beſonders intenſiv iſt die Kälte über den britiſchen Inſeln, in Frankreich, Deutſchland und dem nordweſtlichen Rußland. Dagegen in den Län— dern, welche im Gebiete des ſchwarzen Meeres und des Kaſpiſee liegen, finden wir eine bemerkenswerte Erwärmung, die insbeſondere in der Gegend von Konſtantinopel außer— ordentlich hohe Werte erreicht, wo der Wärmeüberſchuß der 2. Pentade 8,6“ beträgt (am 8., 9., 3°). An der Seewarte wurden für die Kälteepochen in dem Zeitraume 1876—80 Zuſammenſtellungen gemacht, woraus ſich ergibt, daß dieſelben in den verſchiedenen Jahres— zeiten durchſchnittlich 11 bis 13 Tage umfaſſen. Dieſer Durchſchnittswert wurde im diesjährigen Mai weitaus um mehr als das Doppelte übertroffen; beiſpielsweiſe war die Dauer der Kälteepoche für Yarmouth 26, Paris 29, Per— pignan 27, Hamburg 22, Münſter i. W. 25, Berlin 20, Karlsruhe 27, Wien 16, Archangelsk 19 Tage. Hervorzuheben iſt ſowohl die Intenſität als auch die große räumliche Ausdehnung der Kälte in der 2. Dekade, ſo daß es den Anſchein hat, als wenn die geſtrengen Herren in dieſem Jahre ganz beſonders zur Geltung gekommen wären, und die vorſchriftsmäßige Zeit und das gewohnte Gebiet ihre Herrſchaft unverhältnismäßig über— ſchritten hätten. In der That hat die Wetterlage in der kritiſchen Zeit einige Aehnlichkeit mit derjenigen, wie ſie für jene Zeit durchſchnittlich angegeben wird; insbeſondere weiſt die Wetterkarte im Nordweſten ein bemerkenswertes Maximum nach, während in der 1. Dekade im ſüdöſtlichen Europa eine außerordentliche Erwärmung zu konſtatieren iſt; Es erſcheint für die Rückfälle der Kälte im Mai die Exi— ſtenz eines barometriſchen Maximums im Nordweſten cha— rakteriſch, wenigſtens noch charakteriſtiſcher als die Depreſ— ſion im Südoſten, welche zum Zuſtandekommen der Kälte— rückfälle nicht die Bedeutung zu haben ſcheint, welche man ihr vorher beizulegen geneigt war. Wenn wir die Wetterkarten früherer Jahrgänge durchmuſtern, werden wir bei Kälte— perioden in dieſem Monat faſt ſtets dieſes Maximum über den britiſchen Inſeln oder deren Umgebung entwickelt finden. Hiermit war die Temperaturerniedrigung vom An— fange der zweiten Dekade eingeleitet, welche im Binnen— lande Frankreichs und Deutſchlands ſich durch ausgedehnte und häufige Nachtfröſte manifeſtierte, insbeſondere am 12. im centralen und öſtlichen Frankreich, ſowie im weſtlichen Deutſchland. Zur Erhaltung der niedrigen Temperatur trugen andere Erſcheinungen bei, welche ſich in den Tagen vom 13. bis 22. Mai vollzogen, nämlich eine Fortpflanzung von Depreſſionen von der Adria nach dem Oſtſeegebiete. — Eine unſcheinbare Depreſſion lag am 13. morgens über der ibe— riſchen Halbinſel und ſchritt dann, an Tiefe und an Intenſität raſch zunehmend zuerſt oſtwärts nach der Adria, dann nord— warts nach Finnland fort, wo fie am 19. verſchwand, während das barxometriſche Maximum im Weſten ſich langſam ſüdoſt wärts verlegte. Dementſprechend waren nördliche Winde vor— herrſchend, welche allerdings eine Zeitlang über Centraleuropa nach Südweſt abgelenkt wurden und auch Erwärmungbrachten, als ein Teilminimum (vom 15. bis 18.) von den Shetlands nach dem ſüdlichen Nordſeegebiete ſich fortpflanzte. Noch nicht war das erſtere Minimum verſchwunden, als am 18. weſtlich von Italien ein neues Minimum erſchien, welches durch Oeſterreich— Ungarn und Oſtdeutſchland nach Mittelſchweden fortſchritt und einen abkühlenden Einfluß hauptſächlich auf die öſtlichen Ge— bietsteile geltend machte, während im Weſten die Temperaturen ihren Durchſchnittswerten ſich wieder langſam näherten. Hervorzuheben ſind die heftigen Stürme mit Regen— 298 Humboldt. — Juli 1885. und Schneefällen in Oeſterreich beim Vorübergange des oben erwähnten Minimums am 15. Hierüber geben Wiener Zeitungen folgenden Bericht: „Die drei „geſtrengen Herren“ waren noch glimpflich mit uns umgegangen. Was aber die ihnen folgende Sophia — im Volksmunde auch die Eisfrau genannt — leiſtete, ließ uns allen Frühlingszauber der vergangenen ſchönen Tage wieder raſch vergeſſen. Von morgens bis abends wütete heftiger Regenſturm durch Stadt und Land, und bei Anbruch der Dunkelheit ſteigerte ſich die Gewalt des Sturmes fortwährend. Die Paſſage wurde erheblich er— ſchwert; ein unbändiger Wirbelwind drohte, das Oberſte nach unten zu kehren, den Fußgängern peitſchte dabei kalter Regen um die Ohren und ins Antlitz, und die folgſamſten Fiakerpferde refüſierten, in dem widerwärtigen Sturm ſich in Trab zu ſetzen. Die vollbeſetzten Tramwaywaggons wurden an bedeutenderen Kreuzungspunkten von Männern mit ihren Frauen und Kindern geſtürmt, welche ſich noch den Einlaß in den ſchützenden Wagen erzwingen wollten. Um 6 Uhr fing es plötzlich, wie mitten im Winter, in der Stadt zu ſchneien an; das Schneetreiben dauerte durch mehrere Stunden an. Freilich konnte ſich dieſer ſkanda— löſe Maiſchnee, wie alle wandernden Skandalmacher, nur für kurze Zeit auf der Oberfläche halten, um bald wieder zu verſchwinden, allein als ärgerlicher Friedensſtörer hat er ſeine Schuldigkeit vollauf gethan, und in unſerer näch— ſten Umgebung mag er ſchon vollſtändige Winterbilder ge- ſchaffen haben. In den ſpäten Abendſtunden ſchien ſich die Macht des Sturmes und des Regens in der Stadt noch verdoppeln zu wollen, und der Verkehr wurde auf freieren Plätzen faſt zur Unmöglichkeit. Ueber das abnorme Wetter hat die meteorologiſche Centralanſtalt ein Bulletin erlaſſen: Ein vom Süden her über Mitteleuropa gerücktes Gebiet niederen Barometerſtandes, deſſen Centrum nach den letzten Depeſchen über Ungarn liegt, hat über ganz Mittel- und Südeuropa für die Jahreszeit ungewöhnlich ſchlechtes Wetter gebracht. Der Himmel iſt durchweg trübe, bedeckt, mit ſehr bedeutenden Niederſchlagsmengen. In der Schweiz, in Tirol und im ganzen Gebirge fällt bis zur Thalſohle Schnee. Zürich und Bregenz berichten über Schneefall in den Frühſtunden auch in der Stadt; bis 600 m Seehöhe liegt auf allen Bergen Schnee, und der Schneefall dauert an.“ Nicht minder hervorzuheben iſt ein Umſchlag der Wit⸗ terung am 28., an welchem Tage ſich ein barometriſches Maximum, welches am Vortage über der Alpengegend ge— legen hatte, nordwärts über Deutſchland verbreitete und nun daſelbſt überall wolkenloſes Wetter eintrat. Dabei ſtieg die Temperatur am Nachmittage an der deutſchen Küſte am 28. bis zu 25, am 29. bis zu 30 C., im Binnen⸗ lande am 28. und ebenſo am 29. bis zu 32° C. : Hamburg. Dr. J. van Bebber. Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Juli 1885. (Mittlere Berliner Zeit.) 1 1503 m f. h. JBa0 7774 1| Die Planeten Merkur und Venus ſtehen 16 54 m . d. ( 6.7 am Abend des 17. etwa einen halben Mond— 2 1385 U Ophiuchi 2 durchmeſſer voneinander entfernt und find | 3 9" 2Im A IV A 926 U Ophiuchi 3 mit einem kleinen Fernrohr — vielleicht 1 147 U Cephei 4 auch mit einem Feldſtecher — bei ſehr 55 € 1025 6 Libre 1287 Algol 5 klarer Luft eine halbe Stunde nach Sonnen- 7 1483 U Ophiuchi 7 untergang tief am Nordweſthorizont auf- 8 1024 U Ophiuchi 8 findbar. Merkur entfernt ſich in öſtlicher 9 143 U Cephei 9 Richtung raſch von Venus und behält die 11 8 11 letzten Tage des Monats von ihr einen 12 1021 6 Libre 157% U Ophiuchi 12 Abſtand von etwa ſechs Monddurchmeſſern. 13 50 51 90 ell 1122 U Ophiuchij/1520 U Corone |13) Am 25. geht er nahe bei Regulus vorbei, gh 20m yt 7 wird aber trotz der Nähe ſeiner größten 14 1420 U Cephei 14 Ausweichung von der Sonne dem freien } 18) Dd 11 4 B. l. 2 m irg. 1129 U Ophiuchi 18 Auge wegen der hellen Dämmerung nicht II 32 A. J 6 ſichtbar. Venus geht den ganzen Monat 19 881 U Ophiuchi} 927 6 Libree 1326 U Cephei 19 über etwa eine Stunde nach der Sonne 20 1 0 een Oh Ge II 1287 U Coronæ 20 unter und wird in der hellen Dämmerung 13 Om. H. 5 6.7 13 19™ 20 als Abendſtern mit freiem Auge noch nicht 22 Un 1 22 ſichtbar werden. Mars tft am Oſthimmel II 54 K. l.“ 6 im Sternbild des Stiers in den Morgen— 23 127 U Ophiuchi 23 ſtunden ſichtbar; er geht anfangs um 2, 24 888 U Ophiuchi)13"3 U Cephei 24 zuletzt kurz vor 1½ Uhr morgens auf. 25 144 Algol 25 Jupiter nähert ſich raſch der Sonne und 26 @ 922 6 Libra 260 bleibt nur kurze Zeit in der Abenddämme— 15" 16m rung ſichtbar; anfangs geht er um 10 ½, 27 104 U Coron 27 zuletzt um 8 Uhr unter. Saturn taucht 28 1385 U Ophiuchi 28) aus den Sonnenſtrahlen wieder auf; am 29 986 U Ophiuchi 130 U Cephei 29) Ende des Monats erfolgt ſein Aufgang 31 6 56ů 5 AG Sr 42m A IIA 31 ſchon ½ vor 2 Uhr morgens. Im letzten 913 Drittel des Monats befindet er ſich zwiſchen den beiden Sternen dritter Größe n und bp. Geminorum. Uranus in rechtläufiger Bewegung etwa acht Monddurchmeſſer weſtlich von n Virginis geht an- fangs um 11¼, zuletzt um 9½ Uhr unter. Neptun im Sternbild des Stiers kann nur in den Morgenſtunden mit Fernröhren aufgeſucht werden. Algol taucht wieder aus den Sonnenſtrahlen auf; ſein kleinſtes Licht kann aber nur einmal am 25. beob- achtet werden. Von / Tauri fallen die Lichtminima auf Tagesſtunden. Von UCephei beginnen die Zeiten ſeines kleinſten Lichtes wieder auf günſtige Nachtſtunden zu fallen. Für UOphiuchi find zwölf Gelegenheiten zur Beob- achtung ſeines Lichtwechſels vorhanden. Dorpat. Dr. E. Hartwig. Humboldt. — Juli 1885. 299 Neueſte Mitteilungen. Die Gemſe der nordamerikaniſchen Jelſengebirge. Die Rocky-Mountain-Gemſe, welche in den weſtlichen hohen Gebirgsketten von Nordamerika und namentlich in Britiſch-Kolumbien zu Hauſe iſt, war bis jetzt nur wenig bekannt und beſaßen nur einzelne Muſeen Exemplare der— ſelben. Mr. W. A. Baillie-Grohman, ein bekannter engliſcher Bergſteiger, welcher während mehrerer Jahre in jenen Gebieten jagte, iſt es endlich gelungen, einige dieſer Tiere zu erlegen und hat derſelbe Näheres darüber kürzlich im „Century illustr. monthly Magazine“ mit⸗ geteilt. Das Tier ſteht im äußeren Anſehen zwiſchen einer großen ſchweren Ziege und einer Antilope in der Mitte und beſitzt ein ſeidenweiches Haar. Eigentümlich iſt ſein Sitzen auf den Hinterbeinen. Obgleich von äußerlicher Plumpheit, entwickelt es außerordentliche Schnelligkeit im Lauf und Gewandheit im Klettern, worin es der Gemſe unſerer Alpen gleichkommt. Da es ſich oberhalb der Baumgrenze aufzuhalten pflegt und der Fuß der Gebirge ſeiner Heimat mit dichten Urwäldern bedeckt iſt, kann es nur ſchwer erreicht werden und wurde daher bis jetzt auch wenig beobachtet. 155 Die BulKane der Hawaiiſchen Inſeln. C. E. Dut⸗ ton verbreitet ſich in den Berichten der Phil. Soc. of Washington über die Geologie der Hawaiiſchen Inſeln im Pazifiſchen Ocean, welche die mächtigſten Vulkane der Erde aufzuweiſen haben. Das Volumen der Ausbrüche des Mauna Loa iſt ſehr bedeutend, diejenigen des Jahres 1855 betragen allein ſoviel wie das ganze Veſupvmaſſiv; ältere waren noch bedeutender. Der Mauna Loa iſt nicht immer thätig, zeigt aber oft äußerſt großartige Erſcheinungen. An ſeinen Abhängen laſſen ſich Strandlinien des früheren Meeresniveaus bis zu 2800 Fuß Höhe über der Waſſer— fläche beobachten. Der Kilauea iſt immer thätig und be— ſitzt förmliche Seen von flüſſiger Lava. Die Laven der Vulkane ſind baſaltiſch und baſiſch und gewiſſen Laven von Neu-Seeland ähnlich; beide zeichnen fic) durch großen Reichtum an Olivin aus. 5 Der V. deutſche Geographentag in Hamburg. Entſprechend den Abmachungen, welche ſich für den Münchener Tag gut bewährt hatten, war auch von dem Hamburger Komitee die Veranſtaltung getroffen worden, daß für gewiſſe große geographiſche Tagesfragen Referenten ernannt werden, und daß deren Referate ſo zu ſagen das Rückgrat der ganzen Verſammlung bilden ſollten. Drei Themen waren zu dieſem Zwecke ausgewählt worden: Die Frage der antarktiſchen Forſchung, die kommerzielle und wiſſenſchaftliche Erſchließung Inner-Afrikas und der Panama— Kanal. Während über dieſen letzteren durch die Herren v. Nehus und Eggert ein ſowohl die bautechniſche als auch die volkswirtſchaftliche Seite ſtreifender Bericht erſtattet ward, teilten ſich in die Behandlung der afrikaniſchen An— gelegenheit Weſterdarp und Wörmann aus Hamburg und Dr. Fiſcher aus Zanzibar. Erſterer, Teilhaber der berühmten Elfenbein-Firma H. A. Meyer, gab auf Grund vollſter Sachkenntnis Aufſchlüſſe über die Bedeutung des Handels mit Elefantenzähnen an den verſchiedenen afrika— niſchen Küſtenpunkten. Zu dieſem Vortrage lieferte der— jenige Wör manns inſofern eine Ergänzung, als darin die Uebertreibungen, welche ſich Stanley bei der Schätzung des Umſatzes im Elfenbeinhandel hatte zu ſchulden kommen laſſen, auf ihr richtiges Maß zurückgeführt wurden. Im übrigen zeichnete ſich die Darlegung eines Mannes, der die Verhältniſſe der neu erworbenen deutſchen Kolonien aus eigenſter Anſchauung kennt, durch kühle und objektive Beurteilung der einem deutſchen Koloniſten ſich etwa bie— tenden Hilfsmittel aus. War ſchon dieſer Teil des Geſamt— referates nur zu ſehr dazu geeignet, jenen maßloſen Er— wartungen, welche der deutſche Binnenländer vielfach an überſeeiſche Beſitzungen knüpft, einen Dämpfer aufzuſetzen, ſo mußte ſich dieſer Eindruck noch erheblich ſteigern, als Dr. Fiſcher das Territorium, welches ſich die „Oſtafri— kaniſche Geſellſchaft“ zu ihrem Verſuchsfelde auserſehen hat, vom Standpunkte des Arztes und des klimatologiſchen Forſchers zu ſchildern begann. Seine Ergebniſſe mögen etwa in dem kurzen Satze zuſammengefaßt werden: Ueberall, wo ein Europäer es allenfalls längere Zeit auszuhalten vermag, iſt die Gegend unfruchtbar, und überall, wo eine erfolgreiche Bodenkultur möglich wäre, wirkt das Klima auf den unter höherer Breite Geborenen abſolut verderblich. Wir ſind feſt überzeugt, daß Aufklärungen dieſer und ver— wandter Art, mögen ſie auch manche Zirkel durchkreuzen, als ein patriotiſches Verdienſt anerkannt werden müſſen. Erwähnt ſei noch, daß der bekannte Kartograph Fried— richſen u. a. eine treffliche Karte des projektierten Frei⸗ handelsgebietes am Kongo ausgeſtellt hatte und dieſelbe im Anſchluſſe an jene Vorträge eingehend erläuterte. — Die allgemeinen Fragen, welche ſich an die Aufſchließung des Südpolargürtels anſchließen, erörterte in ſeiner be— kannten geiſtreichen Weiſe der Direktor der deutſchen See— warte, Geheimerat Dr. Neumayer, indem er insbeſondere darthat, daß unſer Wiſſen in erdmagnetiſchen und meteo— rologiſchen Dingen ſo lange ein lückenhaftes und unvoll— kommenes bleiben muß, als uns die Verhältniſſe eines immerhin beträchtlichen Bruchteiles der Erdoberfläche fo gut wie ganz verborgen ſind. Da durch dieſes ausführliche und an neuen Perſpektiven reiche Expoſé ein etwas zu großer Teil der für die Abteilung vorgeſehenen Zeit in An— ſpruch genommen worden war, ſo ſahen ſich die anderen dafür beſtellten Referenten in die Notwendigkeit verſetzt, ſich auf die Diskuſſion einzelner Hauptpunkte zu be— ſchränken, was ihnen denn auch vortrefflich gelang. Pro— feſſor Ratzel vom Münchener Polytechnikum verbreitete ſich über die einſchlägigen geologiſchen und allgemein-geo— graphiſchen Momente, Privatdocent Dr. Pence von der Münchener Univerſität wies auf die Vorteile hin, welche ſich aus der Vergleichung der foſſilen Tier- und Pflanzen— reſte in jener Terra incognita mit den analogen Reſiduen anderer Länder für das Studium dereinſtiger klimatiſcher Erdumwälzungen (Eiszeit u. ſ. w.) ergeben könnten. Da⸗ gegen wäre zu wünſchen geweſen, daß Profeſſor Peters aus Kiel, der die Gradmeſſungs- und Pendelbeobachtungs-Arbeit im arktiſchen Süden ſich zum Gegenſtand erwählt hatte, etwas mehr Rückſicht auf die neueren Anſchauungen ge— nommen hätte, welche man ſich unter dem Einfluſſe ſolcher Arbeiten über die eigentliche Geſtalt des Erdkörpers ge— bildet hat. Neben dieſen zuſammenhängenden Darſtellungen gingen nun noch zahlreiche Einzelvorträge her, die wir jetzt in kurzem regiſtrieren wollen. Dr. Claus und Dr. von den Steinen, Mitglieder der deutſchen Südgeorgia-Ex— pedition, hatten auf der Rückreiſe noch die Gelegenheit benutzt, die Ufer des Xinguftromes im mittlern Braſilien viel weiter zu erforſchen, als dies bisher irgend einem Rei— ſenden gelungen war; der Erſtgenannte hatte die Gegend kartiert und aſtronomiſch fixiert, während ſein Gefährte über die im reinſten Naturzuſtande lebenden Indianerſtämme, die ſich noch völlig im Steinzeitalter befinden, höchſt in— terreſſante ethnologiſche Mitteilungen machte. Ein Gleiches that Dr. Boas für einige weſtliche Eskimohorden, unter denen er ein Jahr zugebracht hatte; zumal ſeine Angaben über die mythologiſchen Lehren dieſer Völker dürften die Aufmerkſamkeit der Kulturhiſtoriker auf ſich ziehen. — Ins anthropologiſche Gebiet ſchlugen ein die Vorträge Dr. Strebels aus Hamburg über mexikaniſche Alter— tümer und Profeſſor Dr. Welckers aus Halle über die zunächſt noch nicht ſicher zu klaſſifizierenden Schädel der Ureinwohner der Inſel Sokdtra; der zur Zeit in fo großem Anſehen ſtehenden georaphiſchen Onomatologie brachte 300 Humboldt. — Juli 1885. Dr. Rhode (Hamburg) ſeinen Tribut dar. Der durch ein reiches urkundliches Material unterſtützte Vortrag des Dr. Michow (Hamburg) über die älteſten Karten, welche der Weſten vom moskowitiſchen Reiche beſaß, gewährte die mannigfaltigſte Anregung, nicht bloß nach der rein ge— ſchichtlichen Seite hin. — Wieder auf ein anderes Arbeits⸗ feld innerhalb der ſo ungemein vielſeitigen Wiſſenſchaft führte uns Kapitän Koldewey, Abteilungsvorſtand der deutſchen Seewarte, indem er die Methoden beſchrieb, deren man ſich bedient, um die von den Eiſenteilen eines Schiffes auf die Kompaßnadel ausgeübten Anziehungen zu erkennen und unſchädlich zu machen. — Den letzten Nachmittag endlich erfüllten noch zwei Vorträge von Herrn Neumayer; in dem einen gab er Nachricht von den Schritten, welche die auſtraliſche Kolonialregierung zur Aufklärung des Schickſals des verſchollenen Reiſenden Leichhardt unternommen hat, und die uns die lange erſehnte — wiewohl traurige — Gewißheit zu bringen verſprechen; in dem zweiten kündigte er das Erſcheinen einer zweiten Auflage ſeines wohlbe— kannten Handbuchs für Forſchungsreiſende an und infor— mierte ſich über die Wünſche der Anweſenden hinſichtlich etwaiger Vervollkommnungen. — In der nämlichen Schluß⸗ ſitzung ward der Ausſchuß für den in Dresden abzuhal— tenden VI. Geographentag gewählt; derſelbe ſetzt ſich zu— ſammen aus Neumayer (Hamburg), v. Richthofen (Leipzig), Supan (Gotha), Ruge (Dresden) und Gün— ther (Ansbach). Mehr geſchäftlicher Natur waren die Verhandlungen über eine zu begründende geographiſche Bibliographie, für welche Mittel und Wege zu beſchaffen die Herren v. Richt— hofen, Supan und Th. Fiſcher (Marburg) aufge⸗ fordert wurden, und jene über die bibliographiſchen Arbeiten der Kommiſſion zur Förderung deutſcher Landeskunde. Gegen die hierbei befolgten Grundſätze war von Dr. Erman (Berlin) eine ziemlich ſcharfe Polemik eröffnet worden, gegen welche ſich die Herren Kirchhoff (Halle) und Ratzel in längerer Auseinanderſetzung wendeten. Nachdem Erman auch ſeinen Standpunkt mit Unterſtützung von Dr. G ti ß⸗ feldt (Berlin) vertreten hatte, einigte man ſich über einen zweckmäßigen Vermittelungsvorſchlag; es ſoll nämlich in die Kommiſſion ein mit der Technik bibliographiſcher Ar— beiten vertrautes Mitglied aufgenommen werden. — Die mit dem Geographentage verbundene Ausſtellung war ungemein reichhaltig. Von der gigantiſchen Sammlung von Elefantenzähnen und von den in Fülle vorhandenen geſchichtlich merkwürdigen Büchern und Karten abgeſehen, möchte Referent namentlich drei Punkte hervorheben: Die ſchöne Kollektion aſtronomiſcher und geophyſikaliſcher Appa- rate, unter welchen ein Cyklonograph mit progreſſiver und rotatoriſcher Bewegung hervorragte, eine Garnitur zweck— mäßiger Ausrüſtungsgegenſtände für Forſchungsreiſende und endlich die merkwürdigen manuellen Vorrichtungen (Segelanweiſungen), deren ſich gewiſſe polyneſiſche Stämme bei ihrer Schiffahrt bedienen, und für deren Vorführung wir uns Herrn Kapitän Schück (Hamburg) zu beſonderem Danke verpflichtet fühlen. G. Molluslienfaung des Tanganyika. Von einem der auffallendſten Typen der eigentümlichen Mollustenfauna des Tanganyika, Paramelania nassa Woodw., hat der amerikaniſche Paläontologe White ſchon im vorigen Jahre nachgewieſen, daß er zu der aus den Laramieſchichten bekannten Gattung Pyrgulifera Meek gehört. Denſelben Typus hat nun Tauſch auch in der oberen Kreide von Ajka bei Bakony in Ungarn nachgewieſen, und außerdem in der Gattung Fascinella Stache foſſile Vertreter der ebenfalls durch marinen Habitus auffallenden Tanganyika-Gattung Syrnolopsis Smith aufgefunden. Der Urſprung dieſer merkwürdigen Seefauna braucht ſomit nicht mehr in der neuen Welt geſucht zu werden. Ko. Equiſetum ſchon in der Steinkohle. Wahre Equi— ſeten waren bis jetzt mit Sicherheit aus tertiären und ſekundären Schichten bekannt. Neuerdings erhielten jedoch B. Renault und R. Zeiller aus der oberen Steinkohle von Commentry ein Stück, welches auf ein wahres Equiſetum von gigantiſcher Größe zurückzuführen iſt. Der Stamm, etwa 0,034 m breit, läßt noch 14 Stammglieder erkennen, welche nach der Baſis zu ungefähr 0,07 m Länge beſitzen. An jedem Knoten befindet ſich eine aus 28 bis 30 Blättern zuſammengeſetzte Scheide in ſpitze Zähne aus- laufender Blätter, welche bisweilen auf dem Rücken eine ſeichte zwiſchen 2 wenig vorſpringenden Leiſten verlaufende Rille zeigen, wie es auch bei lebenden Equiſeten vorkommt. Der Stamm beſaß eine Anzahl nur wenig vorſpringender Rippen, welche in der Stellung den Zähnen der Scheide entſprachen, aber in den aufeinander folgenden Internodien miteinander abwechſelten. Aſtbildungen an der Baſis der Scheiden wurden nicht beobachtet. Der Stamm war ſehr ſtark zuſammengedrückt, die Wandung alſo verhältnismäßig dünn; die centrale Höhle groß. Die neue Art wird als Equisetum Monyi bezeich- net und erinnert an Equisetides giganteus Schimp. aus der mittleren Steinkohle von England. Die Gattung Equiſetum iſt demgemäß ſchon für die Steinkohlenformation nachgewieſen. B. Renault und R. Zeiller in Comptes rendus de l’Acad. de Paris vom 5. Januar 1885. Glr. Auſternultur in Nordameriſa. Die Auſternin⸗ duſtrie an der nordamerikaniſchen Oſtküſte iſt trotz aller Bemühungen der Regierung noch immer im Rückgang be- griffen. Nach dem von Lieut. Winslow im „Bulletin der U.⸗St.⸗Fiſhery-Commiſſion“ erſtatteten Bericht produzierten in 1883 die amerikaniſchen Auſternbänke noch 22195370 Buſhels, wovon 19712320 Buſhels auf Cheſapeake Bai und Delaware Bai kamen. Der Export hat rund um eine Million Buſhels abgenommen und die ſteigenden Preiſe beweiſen, daß auch für den inländiſchen Konſum nicht mehr genug geliefert kann. Die Ausbeute iſt ſeit fünf Jahren um 4—6 Mill. Buſhels gefallen; in Virgi⸗ nien allein, deſſen Anteil an der Cheſapeake Bai mit beſonderer Schonungsloſigkeit ausgebeutet worden iſt, ging der Ertrag von 7 Millionen auf 3 Millionen zurück. Die Auſternbetten von Maryland ſind in den letzten fünf Jahren um 40 Prozent im Werte zurückgegangen. Während früher der Acker Auſterngrund einen durchſchnittlichen Jah— resertrag von 41 Buſhels lieferte, ergibt er jetzt nur noch 25, und ſchon ſehen ſich die Auſternhändler gezwungen, Ware anzunehmen, die ſie früher als nicht marktfähig un— bedingt zurückgewieſen haben würden. Nur in Connectt- cut haben ſich die Geſetze als ausreichend zum Schutz der Auſternbänke erwieſen, aber dieſer Staat beſitzt nur einen verhältnismäßig kleinen Anteil an den Auſterngründen. — Um dem Rückgang zu ſteuern, macht Winslow den Vor— ſchlag, neben eifriger Fortſetzung der ſeitherigen Beſtre— bungen in jedem Staate eine Muſterfarm (Model Oyster Farm) zu errichten, auf welcher die Beſitzer von Auſtern— bänken einen praktiſchen Kurſus durchmachen und die nö— tigen Experimente im großen angeſtellt werden können. Ko. Aufbewahrung von Eis im ſleinen. Um kleine Mengen von Eis, namentlich in der Haushaltung, gut aufzubewahren, ſind dickwandige Gefäße aus einem ſchlech— ten Wärmeleiter, alſo z. B. aus Holz erforderlich. Dicke Holzgefäße ſind jedoch ziemlich koſtſpielig und nicht ſo leicht zu beſchaffen. Man hat daher zu jenem Zweck neuerdings Torf empfohlen, der überall leicht und billig erhalten wer— den kann. Aus friſch geſtochener guter alter Torfmaſſe preßt man Gefäße mit ſehr dicken Wandungen; dieſelben trocknen zwar etwas ſchwer, leiten aber getrocknet die Wärme ſehr ſchlecht, find verhältnismäßig leicht und ſehr billig. Sie werden inwendig mit einem waſſerdichten Ueber— zug von Teer oder Asphalt verſehen und nach dem Ein— füllen des Eiſes mit einem gleichfalls aus Torfmaſſe her— geſtellten Deckel feſt verſchloſſen. Solche gegen äußere Temperatureinflüſſe ſchützende Gefäße kann man ebenſo wie zur Aufbewahrung von Eis, alſo zum Kühlhalten, auch zum Warmhalten von Speiſen rc. benutzen, ihre Anwen— dung iſt daher eine in mehrfacher Hinſicht angenehme und nützliche. 12), Die Differenzierung der Lebeweſen. Pflanzen und Tiere. Don Dr. 3. Rofenthal, ord. Profeſſor der Phyfiologie in Erlangen. 1. Die Grunderſcheinungen des Lebens, welche überall da nachgewieſen werden können, wo Lebeweſen in einfachſter oder verwickelter Geſtaltung auftreten, find: erſtens die Fähigkeit der Aſſimilation, d. h. der Aufnahme von Stoffen aus der Umgebung und Verſchmelzung dieſer Stoffe mit der eigenen Leibes— ſubſtanz unter Ausſcheidung des hierzu unbrauchbaren Anteils; zweitens die Atmung, d. h. Aufnahme von Sauerſtoff aus der Umgebung und Oxydation der Leibesbeſtandteile durch denſelben unter Abſcheidung der hierdurch erzeugten Oxydationsprodukte, namentlich von Kohlenſäure; drittens Reizbarkeit, d. h. die Fähigkeit zur Ausführung von Bewegungen, welche zuweilen nur mikroſkopiſch ſichtbar ſind, häufig aber auch zu ganz erheblichen Maſſenbewegungen führen können. Verfolgen wir dieſe Erſcheinungen etwas genauer, ſo zeigt ſich, daß die einfachſten Lebeweſen nur im Waſſer leben können, da ſie beſonderer Organe zur Aufnahme der Nahrungsſtoffe und des Sauerſtoffs entbehren. Höchſtens können ſie noch auf feuchter Unterlage gedeihen, aus welcher ſie das durch Ver— dunſtung verloren gehende Waſſer erſetzen können. In dem Waſſer, welches ſie demgemäß ganz oder doch teilweiſe einhüllt, müſſen die zur Aſſimilation erforderlichen Stoffe (die Nahrung) und bei den ganz im Waſſer lebenden Weſen auch der Sauerſtoff gelöſt, bezw. abſorbiert enthalten ſein. Die Aufnahme und Abgabe dieſer Stoffe aus dem Waſſer und in das Waſſer erfolgt dann auf dem Wege der Diffuſion. Sobald die Sauerſtoffſpannung innerhalb des Leibes geringer iſt als die im umgebenden Waſſer, wandert Sauerſtoff in den Leib des Lebeweſens hinein. Da aber dieſer Sauerſtoff im Innern immer verbraucht und gebunden wird, ſo bleibt der Spannungsunter— Humboldt 1885. ſchied beſtehen, und die Einwanderung des Sauerſtoffs dauert ununterbrochen fort. Das Entgegengeſetzte geht mit der Kohlenſäure vor ſich. Da ſie fortwährend im Leibe des Lebeweſens entſteht, ſo muß ihre Span— nung innerhalb des Leibes größer werden als im um— gebenden Waſſer und eine fortwährende Strömung in dieſer Richtung muß die Folge ſein. Ganz das Gleiche gilt von der Aufnahme der Nahrungsſtoffe aus dem Waſſer und der Abgabe der im Leibe des Lebeweſens entſtandenen Stoffe. So— weit dieſelben löslich ſind, wandern ſie durch Diffuſion in der einen oder der anderen Richtung. Zur Auf— nahme und Ausſcheidung feſter Partikel kann es aber nur kommen mit Hilfe der Kontraktilität des lebenden Protoplasmas, welches den Leib dieſer einfachſten Lebeweſen, z. B. einer Amöbe, bildet. Aber ſelbſt bei den komplizierteſten Lebeweſen ſind die Vorgänge dieſelben, wenn wir ſie nicht an dem ganzen ſogenannten Organismus im großen, ſondern an ſeinen einzelnen Teilen betrachten. Die Zellen, aus denen ſich der Leib irgend eines Tieres oder irgend einer Pflanze aufbaut, ſind im Grunde ge— nommen den einfachen Lebeweſen ganz gleichartig. Einzelne freilich haben im Laufe der Entwickelung Formen und Eigenſchaften angenommen, welche ihre Abſtammung kaum noch erkennen laſſen. Andere aber behalten Form, Ausſehen und Eigenſchaften ihres Ur— ſprungs während ihrer ganzen Lebensdauer. So finden wir z. B. im Blute aller Säugetiere Gebilde (die ſogenannten farbloſen Blutkörperchen), welche ſich ganz und gar nicht von Amöben unterſcheiden. Sie leben im Blute wie die Amöben im Sumpf- oder Meer— waſſer. Sie beziehen aus dieſem die zu ihrem Leben notwendigen Stoffe, ſie bewegen ſich ganz in derſelben Art wie die Amöben, ſie können in derſelben Weiſe 39 302 Humboldt. — Auguſt 1885. feſte Partikelchen aufnehmen und ausſtoßen; kurz, es iſt gar kein Unterſchied in der Lebensweiſe dieſer farb- loſen Blutkörperchen und der Amöben nachweisbar. Bei anderen Zellen, welche Beſtandteile zuſammen— geſetzter Lebeweſen ſind, beſtehen aber die gleichen Bedingungen. Alle Teile eines ſolchen Organismus ſind von Waſſer durchtränkt. Dieſes Waſſer, in welchem feſte Subſtanzen gelöſt und Gaſe (namentlich Sauerſtoff) abſorbiert ſind, liefert den Zellen die für ihr Leben nötigen Stoffe. Die einzelnen Zellen leben in jenem Waſſer, dem Gewebsſaft, ganz in der- ſelben Weiſe wie ein einzelliges Weſen im Meer- oder Flußwaſſer. 2. Wenn wir nun von den Erſcheinungen der Reizbarkeit, von den Bewegungen und allem, was damit zuſammenhängt, abſehen und zunächſt nur die Erſcheinungen des Stoffwechſels, die Aufnahme und Abgabe von Stoffen ins Auge faſſen, dann iſt es ſelbſtverſtändlich, daß der Lebensprozeß nur beſtehen kann, wenn das die Lebeweſen umgebende Medium imſtande iſt, Erſatz für die Stoffe zu bieten, welche bei dem Lebensprozeß verbraucht werden, alſo einer— ſeits Sauerſtoff, andererſeits die Stoffe, aus denen das Protoplasma, die Grundſubſtanz aller Lebeweſen, ſich zuſammenſetzt. Was zunächſt den Sauerſtoff betrifft, ſo ſcheint freilich der Satz, daß er zum Leben unbedingt not— wendig ſei, keine ganz allgemeine Gültigkeit in An— ſpruch nehmen zu können. Nach den Unterſuchungen Paſteurs gibt es unter den niederſten Formen der Lebeweſen, in den Klaſſen der Spalt- und Sproß⸗ pilze, einzelne Formen, welche nicht nur zu ihrem Leben und Gedeihen keines freien Sauerſtoffs be— dürfen, ſondern derſelbe ſoll ſogar für dieſe Lebeweſen ſchädlich ſein. Paſteur unterſcheidet deshalb zwei Arten von Lebeweſen: Aörobien, welche zum Leben des Sauerſtoffs bedürfen, und Anasrobien, denen der freie Sauerſtoff nicht nötig, ja ſogar ſchädlich iſt. Zu den Aörobien gehören ſämtliche Tiere ohne Aus— nahme und die überwiegende Mehrzahl der Pflanzen mit Einſchluß der Mehrzahl der niederen Pilze; zu den Anasrobien gehören nur einige wenige dieſer Pilze. Ich muß geſtehen, daß ich dieſe Unterſcheidung für noch nicht genügend begründet halte. Nach den Unterſuchungen von Engelmann haben manche Spalt— pilzformen, beſonders die Schwärmzuſtände der Fäul— nisbakterien und gewiſſe Schraubenformen ein außer— ordentliches Sauerſtoffbedürfnis. Wenn man ſolche in einem Tropfen Waſſer enthaltene kleinſte Lebe— weſen mit einem Deckglas bedeckt, unter das Mikro— ſkop bringt, ſo ſieht man, daß ſie ſich am Rande des Tropfens oder ringsum eine im Waſſer zufällig ein— geſchloſſene Luftblaſe zuſammendrängen, alſo da, wo die Sauerſtoffſpannung am größten iſt. Andere Spalt— pilzformen dagegen, z. B. gewiſſe Spirillen, bevor— zugen Orte geringerer Sauerſtoffſpannung; ſie lagern ſich unter dem Deckglas immer in einer gewiſſen Ent— fernung vom freien Rande des Tropfens. Bringt man einen Waſſertropfen, welcher ſolche Spirillen enthält, in eine kleine Gaskammer und vermindert die Sauerſtoffſpannung, z. B. indem man Waſſerſtoff durchleitet, ſo nähern ſich die Spirillen dem Tropfen⸗ rande; vermehrt man ſie hingegen durch Einleiten von Sauerſtoff, ſo weichen die Spirillen mehr nach der Mitte des Tropfens zurück. Sie ſuchen alſo die Stellen auf, wo eben gerade die ihnen zuſagende, allerdings ſehr geringe Sauerſtoffſpannung herrſcht. Manche niedere Pilze vermögen auch locker ge— bundenen Sauerſtoff ſich anzueignen. Wenn man Hefepilze mit ſauerſtoffhaltigen Blutkörperchen zu— ſammenbringt, ſo entziehen ſie dieſen den Sauerſtoff, ſo daß das Blut dunkel wird. Schütteln mit Luft bewirkt Aufhellung, weil die Blutkörperchen wieder Sauerſtoff aufnehmen; beim Stehen geht dann dieſer Sauerſtoff wieder an die Hefepilze über und das Blut wird wieder dunkel. Schützenberger, von dem dieſer Verſuch herrührt, hat gefunden, daß 1g friſcher Hefe in einer Stunde bei einer Temperatur von 30 bis 36° C. 2—10 cem Sauerſtoff zu abſor⸗ bieren vermag. Aehnliches fand Nägeli für manche Spaltpilze, welche imſtande ſind, blaue Lackmuslöſung durch Sauerſtoffentziehung zu entfärben. Aus alle dem folgt, daß niedere Organismen, welche ohne freien Sauerſtoff leben können, den Sauer⸗ ſtoff aus ſauerſtoffhaltigen Verbindungen freimachen können, daß wir alſo nicht berechtigt ſind, anzunehmen, daß es Lebeweſen gebe, welche überhaupt ohne allen Sauerſtoff zu leben imſtande ſind. Wir müſſen vielmehr bis auf weiteres den Grundſatz gelten laſſen, daß alles Leben mit Oxydation der Leibesſubſtanz verbunden iſt. 3. Um die durch dieſe Oxydation verbrauchten Stoffe zu erſetzen, gibt es offenbar zwei Möglich— keiten: entweder müſſen genau diejenigen Stoffe auf— genommen werden, welche durch den Lebensprozeß verbraucht wurden; oder aber die Organismen können jene Subſtanzen aus ihren Elementen oder aus anderen Verbindungen, in denen dieſelben Elemente enthalten ſind, zuſammenſetzen, ſo daß es genügt, wenn ſie dieſe Elemente in freiem Zuſtande oder in beliebigen Verbindungen aufnehmen. Die Erfahrung lehrt nun, daß ein großer Teil der Lebeweſen dieſe letztere Fähigkeit nicht beſitzt. Alle Tiere ohne Ausnahme bedürfen zu ihrer Ernährung der Aufnahme von Stoffen, welche als weſentliche Beſtandteile ihres Leibes betrachtet werden müſſen, nämlich der Eiweißkörper. Sie beſitzen nicht die Fähigkeit, dieſe Stoffe aus ihren Elementen oder aus anderen zuſammengeſetzten Körpern, welche dieſelben Elemente enthalten, zu bereiten. Daneben müſſen ſie auch andere Verbindungen aufnehmen, welche nicht ſtickſtoffhaltig ſind wie die Eiweißkörper, nämlich Fette und Kohlenhydrate oder doch wenigſtens eine dieſer beiden Gruppen, ferner Waſſer und ge— wiſſe anorganiſche Salze. Letztere paſſieren den Tier—⸗ leib, ohne weſentliche Veränderungen zu erleiden; die Eiweißkörper, Fette und Kohlenhydrate aber werden im tieriſchen Organismus fortwährend zerſetzt und verlaſſen denſelben in Verbindungen mit höherem Sauerſtoffgehalt. Die Fette und die Kohlehydrate, Humboldt. — Auguſt 1885. 303 welche aus den Elementen C, H und 0 zuſammen— geſetzt ſind, gehen dabei in Kohlenſäure und Waſſer über, die Eiweißkörper in eine Reihe von Körpern, die wir hier nicht weiter verfolgen wollen, die jedoch zuſammengenommen gleichfalls mehr Sauerſtoff ent— halten als die Eiweißkörper, aus denen ſie entſtanden ſind. Die Tiere verbrauchen alſo fortwährend große Maſſen von Eiweißſtoffen, Fetten und Kohlehydraten und verwandeln dieſe Subſtanzen in ſolche, welche für den tieriſchen Haushalt nicht wieder zu verwerten ſind. Wenn aber trotz des fortwährenden Verbrauchs dieſer Stoffe durch die Unzahl tieriſcher Weſen kein Mangel an denſelben eintritt, ſo kommt dies daher, weil eine fortwährende Neubildung derſelben ſtatt— findet. Und dieſe Neubildung erfolgt in den Pflanzen. Die Pflanzen beſitzen die Fähigkeit, die Beſtandteile ihres Leibes, welche im weſentlichen dieſelben ſind wie die der Tiere, aus einfacheren chemiſchen Ver— bindungen, namentlich auch unter Benutzung der Aus— ſcheidungsprodukte der Tiere zu bilden. Während im Tierleibe die ſehr zuſammengeſetzten Verbindungen in einfachere zerlegt werden, gehen in den Pflanzen ſynthetiſche Prozeſſe vor ſich, welche die zuſammen— geſetzten Produkte aus einfacheren hervorbringen. Ein ſo durchgreifender Unterſchied in der Art der Ernährung macht es erklärlich, daß man dieſelbe zur Grundlage einer Einteilung der Lebeweſen gemacht hat und daß man demgemäß die ſämtlichen Lebeweſen in zwei große Gruppen, das Tierreich und das Pflanzenreich, abteilt. Aber leider kann dieſes Ein— teilungsprincip nicht ganz ſtreng durchgeführt werden. Es gibt Lebeweſen, welche in vielen Stücken mit den Pflanzen übereinſtimmen und denen dennoch die Fähigkeit abgeht, welche wir ſoeben als charakteriſtiſch für das Pflanzenreich kennen gelernt haben. Bei ſolchen könnte man deshalb zweifelhaft ſein, ob man ſie den Pflanzen zuzählen ſolle. Dieſe Unſicherheit iſt aber nicht etwa Folge unſerer ungenügenden Kenntniſſe, ſondern fie iſt in der Natur der Sache begründet. Pflanzen und Tiere haben, da ſie Lebeweſen ſind, vieles Gemeinſame. Gerade die weſentlichen Erſcheinungen des Lebens kommen den einen wie den anderen zu. Die Art, wie dieſe Er— ſcheinungen in den verwickelten Organismen beider Reiche ſich darſtellen, bietet freilich die denkbar größten Verſchiedenheiten, und es werden die unterſcheidenden Merkmale ſich ſchon bei flüchtiger Betrachtung auf— drängen. Bei den einfacheren Organismen beider Reiche dagegen treten dieſe Beſonderheiten zurück und bei den allereinfachſten finden wir ſchließlich nur die Eigenſchaften deutlich ausgeprägt, welche den Lebe— weſen als ſolchen zukommen, ſo daß man dann dieſe Weſen ebenſowohl den Pflanzen als den Tieren zu— rechnen könnte. Dieſe Umſtände haben die Naturforſcher ver— anlaßt, neben dem Pflanzen- und dem Tierreich noch ein drittes Reich, das der Protiſten, anzunehmen, welches alle Lebeweſen umfaſſen ſoll, bei denen der ſpecifiſche Charakter, ob Tier, ob Pflanze, noch nicht zur Entwickelung gekommen iſt. Die Abgrenzung dieſes Protiſtenreichs gegen die beiden anderen Reiche ſtößt aber auch auf Schwierigkeiten. Bei einer Muſte— rung dieſer Lebeweſen findet man alle möglichen Uebergänge zu den echten Pflanzen wie zu den echten Tieren, was ja auch in der Natur der Sache be— gründet iſt. Daher kommt es auch, daß faſt jedes bisher bekannte Weſen der Protiſtengruppe bald zu dem Pflanzen-, bald zu dem Tierreich gezählt worden iſt, je nach dem Ermeſſen des Forſchers, welcher ſich mit ihnen beſchäftigte. 4. Sehen wir aber vorläufig von dieſen zweifel— haften Fällen ab und halten wir uns nur an ſolche Formen, welche über die Art ihrer Ernährung gar keinen Zweifel laſſen, dann finden wir folgendes: Echte Pflanzen binden in ihren protoplasmatiſchen Teilen gerade ſo wie die Tiere Sauerſtoff und er— zeugen durch Oxydation Kohlenſäure. Daneben aber ſpielt ſich in ihnen der entgegengeſetzte Prozeß ab. Sie können aus der Atmoſphäre Kohlenſäure auf— nehmen, dieſe zerlegen, den Sauerſtoff freimachen, den Kohlenſtoff aber in Form komplizierter Verbindungen (Eiweißarten, Fette u. ſ. w.) ablagern. Je nach den Umſtänden, welche bewirken, daß der eine oder der andere dieſer Prozeſſe überwiegt, gibt alſo die Pflanze Kohlenſäure ab wie ein Tier, oder aber ſie gibt Sauerſtoff ab. Erſteren Prozeß bezeichnet man als Atmung letzteren als Aſſimilation der Pflanzen). Dieſe Fähigkeit der Pflanzen iſt aber gebunden an das Vorhandenſein eines beſonderen, durch ſeine grüne Farbe leicht erkennbaren Stoffes, des Chlorophylls oder Blattgrüns. Wo Chlorophyll vorhanden iſt, da haben wir es alſo ganz ſicher mit einer Pflanze zu thun. Dagegen können wir aus der Abweſenheit des Chlorophylls nicht ohne weiteres auf die tieriſche Natur des Lebeweſens ſchließen, da es auch, wie wir ſehen werden, Pflanzen ohne Chlorophyll gibt. Das Chlorophyll entſteht innerhalb der Pflanzen— zellen aus dem lebendigen Protoplasma derſelben und iſt in ſeiner Wirkſamkeit an das Leben des Proto— plasmas gebunden. Alles, was die Lebenseigenſchaften des letzteren vernichtet, hebt auch die Wirkſamkeit des Chlorophylls auf, ſo z. B. Siedhitze, Einwirkung von Aether, Chloroform u. dergl. Das Chlorophyll er— ſcheint innerhalb des Protoplasmas ſelten als klare, *) Der Ausdruck Aſſimilation hat in der Pflanzen phyſiologie eine etwas andere Bedeutung als in der Tier phyſiologie, in welcher letzteren Bedeutung auch wir ihn ſchon gebraucht haben. Wir verſtanden darunter die Um formung der aufgenommenen Nahrungsbeſtandteile zu Be— ſtandteilen des lebenden Protoplasmas, ſowohl die Er— gänzung der durch den Lebensprozeß verbrauchten Leibes— ſubſtanz durch dieſe aufgenommene Nahrung als auch die Vermehrung derſelben im Wachstum. Alle dieſe Erſchei— nungen kommen dem pflanzlichen Protoplasma gerade ſo zu wie dem tieriſchen. Bei den Pflanzen aber wird mit dem Worte Aſſimilation ganz ſpeciell die Herſtellung der komplizierten organiſchen Verbindungen aus den aufge— nommenen Nahrungsbeſtandteilen (Kohlenſäure, Waſſer und Stickſtoffverbindungen) bezeichnet. 304 Humboldt. — Auguſt 1885. grüne Löſung, vielmehr in der Regel in Form von kleineren oder größeren Körnchen, welche aber nicht gleichmäßig durch die ganze Zelle verteilt ſind, ſondern meiſtens einen dünnen Belag an den Wandungen der Zelle bilden, zuweilen auch in Geſtalt ſternförmiger, vieläſtiger Figuren, welche von Protoplasma einge— hüllt und mit den Zellwandungen durch zarte, farb— loſe Protoplasmafäden verbunden ſind, oder auch wohl (bei Algen) in der Form ſpiraliger Bänder und geſchloſſener Ringe. Wenn das Protoplasma inner- halb der Zelle Bewegungen ausführt, nehmen die Chlorophyllkörnchen paſſiv an dieſen Bewegungen teil. Ueber die chemiſche Konſtitution des Chlorophylls iſt nichts Sicheres bekannt. Aus lebenden, getrock— neten, ſelbſt gekochten Blättern iſt es durch Löſungs— mittel extrahierbar. Wie weit es dabei chemiſch ver— ändert wird, iſt unſicher; doch können die Verände— rungen nicht gerade ſehr erhebliche ſein, weil die gleich zu erwähnenden Abſorptionserſcheinungen an den Löſungen und dem Chlorophyll der lebenden Blätter faſt ganz übereinſtimmen. Chlorophyll iſt löslich in Alkohol, Aether, Benzin und fetten Oelen. Uebergießt man grüne Blätter mit (waſſerhaltigem) Alkohol (man kann dieſem auch etwas Aether zuſetzen), ſo erhält man eine grüne Löſung, während die Blätter vollkommen entfärbt werden. Die ſo gewonnene, nicht ſehr konzentrierte Löſung erſcheint in durchfallendem Lichte grün; iſt die Schicht jedoch dicker oder die Löſung konzentrierter, ſo ſieht ſie rot aus. In auffallendem Licht ſieht eine kon— zentrierte Löſung ſtets rot und trübe aus. Letzteres rührt von einer ſehr intenſiven Fluorescenz her. Läßt man durch eine Linſe konzentriertes Sonnenlicht in eine verdünnte Chlorophylllöſung fallen, ſo leuchtet der ganze Strahlenkegel mit rötlichem Licht; bei kon— zentrierteren Löſungen ſieht man die Fluorescenz nur an der Oberfläche, weil diejenigen Lichtſorten, welche die ſtärkſte Fluorescenz bewirken, von dem Chlorophyll auch am ſtärkſten abſorbiert werden. Das Abſorptionsſpektrum einer verdünnten Chloro— phylllöſung zeigt einen dunkeln, ſcharf begrenzten Streifen im Rot, zwiſchen den Fraunhoferſchen Linien B und C, einen blaſſeren, verwaſchenen zwiſchen C und D, letzterer Linie näher, und ein ebenfalls verwaſchenes Band, das von F bis ans Ende des ſichtbaren Spektrums reicht. Bei konzentrierteren Löſungen fließen die beiden erſten Streifen in ein dunkles Band zuſammen, welches dann von B bis über D hinausreicht, während das zweite Band ſich nach dem roten Ende des Spektrums bis etwa zur Linie b hin verbreitert. Bei noch konzentrierteren Löſungen endlich wird alles Licht bis auf das äußerſte Rot nahe zur Linie B vollkommen abſorbiert. Aus dieſen Abſorptionserſcheinungen erklärt ſich die Ver— ſchiedenheit der Farbe dünner und dicker Schichten. Erſtere laſſen neben rotem auch noch ziemlich viel gelbes und grünes Licht durch, welche Lichtſorten ge— miſcht uns den Eindruck grün machen; dickere Schichten (oder konzentriertere Löſungen auch in dünner Schicht) laſſen nur rotes Licht durch. Aehnlichen Farben— wechſel (Dichroismus) beobachtet man bei Lackmus⸗ löſungen, bei ſauerſtofffreiem Blut, bei manchen ge— färbten Gläſern u. ſ. w. Läßt man ein durch ein Prisma erzeugtes Spektrum auf eine Chlorophylllöſung fallen, ſo ſieht man das ſtark leuchtende rote Fluorescenzlicht hauptſächlich an der Stelle, wo die roten Strahlen zwiſchen den Streifen B und C auf die Löſung fallen; weniger ſtark wird die Fluorescenz erregt durch das gelbe und violette Licht, ganz unwirkſam iſt das grüne. Zerlegt man das Fluorescenzlicht durch das Prisma, ſo zeigt ſich, daß es genau dieſelbe Brechbarkeit hat wie die zwiſchen den Linien B und (gelegenen Strahlen. Die Chloro— phylllöſung hat alſo die Eigentümlichkeit, daß ſie Licht von derſelben Wellenlänge ausſtrahlt, wie das iſt, welches ſie am ſtärkſten abſorbiert. Man kann die Abſorptionserſcheinungen des Chloro— phylls auch an lebenden grünen Pflanzenteilen beob— achten, entweder an genügend durchſcheinenden Blättern mit dem gewöhnlichen Spektroſkop oder auch an genügend dünnen grünen Pflanzenteilen mit dem Mikroſpektro⸗ ſkop. Die Fluorescenzerſcheinungen ſind am lebenden Chlorophyll nicht wahrzunehmen. Das von einem grünen Blatt zurückgeworfene Licht iſt bis zu einer geringen Tiefe eingedrungenes und dann reflektiertes Licht. Es iſt daher durch Abſorption in derſelben Weiſe verändert wie durch Abſorption in dünnen Schichten und beſteht vorzugsweiſe aus rotem, gelbem und grünem Licht. Betrachtet man grüne Blätter durch zwei aufeinander gelegte Gläſer, welche zu— ſammen Gelb und Grün abſorbieren (Kobaltglas und Kupferoxydulglas), ſo bleibt nur rotes Licht übrig und die Blätter erſcheinen prachtvoll rot gefärbt (Lommels Erythrophytoſkop). Durch ſolche Gläſer ſieht man daher das Laub rot, während der klare Himmel tief violettblau, die Wolken in zartem Purpur, das Erdreich, Felſen u. dergl. violettgrau erſcheinen. 5. Das Chlorophyll bildet ſich in der Pflanze nur unter dem Einfluß des Lichtes. Im Dunkeln wachſende Pflanzen bleiben deshalb weiß (etiolieren) und ebenſo alle unterirdiſchen, alſo nicht vom Licht getroffenen Pflanzenteile. Nur in den Kotyledonen der Koniferen und den Wedeln der Farnkräuter entſteht auch im Finſtern Chlorophyll, wenn die Temperatur hoch ge— nug iſt. Bei den anderen Pflanzen ſcheiden ſich im Dunkeln zwar auch Körnchen aus dem übrigen Proto— plasma ab, ſie bleiben aber farblos. Aber auch im Licht unterbleibt die Chlorophyllbildung, wenn die Temperatur zu niedrig oder zu hoch iſt. Bei manchen Pflanzen bleiben einzelne Stellen der Blätter frei von Chlorophyll; es entſtehen ſo Streifen oder Bänder, was die Gärtner als Panachierung bezeichnen. Bis— weilen iſt die grüne Farbe verdeckt durch andere Farb— ſtoffe, welche neben dem Chlorophyll in denſelben Zellen oder auch in den oberflächlichen Epidermiszellen abgelagert ſind. Auf dieſe Weiſe entſtehen die rot— blätterigen Varietäten des Kohls, der Blutbuche rc. Zur Erzeugung des Chlorophylls genügt eine ſehr geringe Menge zerſtreuten Tageslichts. Außer dieſem Humboldt. — Auguſt 1885. 305 und dem nötigen Wärmegrad bedarf es hierzu noch einer, freilich ſehr geringen Menge eines löslichen Eiſenſalzes. Es iſt noch nicht ausgemacht, ob das Eiſen als weſentlicher Beſtandteil in die Zuſammen— ſetzung des Chlorophylls eingeht oder ob es nur die Bedingungen herſtellt, welche zur Bildung des Chloro— phylls notwendig ſind. Etwas größere Mengen von Eiſen ſind jedoch dem Wachstum aller Pflanzen ſehr ſchädlich. Das ſo gebildete Chlorophyll iſt alſo weſentliche Bedingung für die Fähigkeit der Pflanzen, gasförmige Kohlenſäure zu zerlegen und unter Abſcheidung des Sauerſtoffs den Kohlenſtoff in Form ſauerſtoff- und waſſerſtoffhaltiger Verbindungen abzulagern. Es kann dieſe Zerlegung aber nur ausführen unter Mithilfe des Sonnenlichts. Um dieſe Thatſache zu beweiſen, verfährt man am einfachſten in folgender Weiſe: In ein weites, mit kohlenſäurehaltigem Waſſer gefülltes Cylinderglas bringt man grüne Pflanzenteile, entweder von Waſſerpflanzen (Elodea canadensis, Chara vulgaris u. dergl.) oder auch Blätter von Landpflanzen, ſtülpt über dieſelben einen umgekehrten Trichter, an deſſen Rohr ein Stück Kautſchukſchlauch mit Quetſchhahn befeſtigt iſt, und drückt denſelben bei geöffnetem Hahn ſo weit hinunter, bis Trichter und Schlauch ganz mit Waſſer gefüllt ſind. Dann ſchließt man den Hahn und führt in den Schlauch ein Glas— rohr, füllt dasſelbe ebenfalls mit Waſſer und ver— ſchließt es am oberen Ende. Man befeſtigt das Rohr ſo in einem Halter, daß ſein unteres Ende noch unter— halb des Waſſers im Cylinder ſteht, und entfernt den Quetſchhahn. Bringt man das Ganze in die Sonne, ſo ſieht man von den Blättern Gasblaſen aufſteigen, welche nach und nach das Rohr anfüllen. Verſchließt man das Rohr am unteren Ende, ſo kann man das angeſammelte Gas in eine Eudiometerröhre übertreten laſſen und nachweiſen, daß es faſt reiner Sauerſtoff iſt. Zu genaueren quantitativen Unterſuchungen bringt man Blätter in Eudiometerröhren, welche Gemenge von Kohlenſäure und atmoſphäriſcher Luft enthalten und durch Queckſilber abgeſperrt ſind, und beſtimmt durch die Gasanalyſe, wieviel Kohlenſäure verſchwunden und durch Sauerſtoff erſetzt worden iſt. Zur Einleitung der Kohlenſäurezerlegung iſt eine viel größere Lichtintenſität nötig als zur Bildung des Chlorophylls. Je intenſiver das Licht iſt, deſto lebhafter geht die Kohlenſäurezerlegung und Sauer— ſtoffbildung vor ſich, vorausgeſetzt daß die Lichtinten— ſität nicht allzu hoch ſteigt, wie es z. B. bei direkter Inſolation der Fall ſein kann. Auch gehört zu den Bedingungen der Kohlenſäurezerlegung eine gewiſſe, innerhalb beſtimmter Grenzen bleibende Temperatur. 0 Bei zu niederer und bei zu hoher Temperatur geht die Zerlegung gar nicht vor ſich; für jede Pflanze gibt es ein Temperaturoptimum, bei welchem die Kohlenſäurezerlegung unter ſonſt gleichen Bedingungen am lebhafteſten erfolgt. Von den im weißen Sonnenlicht gemiſchten Licht— ſtrahlen ſind die am ſtärkſten brechbaren blauen und violetten Strahlen faſt ganz unwirkſam. Ueber die und Kohlenſäure erzeugen. wirkſamſten Strahlen ſind die Unterſuchungen noch nicht abgeſchloſſen. Nach den Angaben einiger Forſcher ſind es die roten Strahlen der Spektralgegend zwiſchen B und C, welche am kräftigſten vom Chlorophyll abſorbiert werden. Nach anderen ſollen jedoch die gelben Strahlen wirkſamer fein als die roten. Wenn Blätter in reiner Kohlenſäure der Sonne ausgeſetzt werden, ſo iſt die Zerlegung derſelben nur unbedeutend; ſie wird erheblicher, wenn man den Druck erniedrigt, ſei es direkt oder durch Verdünnung mit Sauerſtoff, atmoſphäriſcher Luft oder reinem Stickſtoff. Die Gegenwart von freiem Sauerſtoff iſt alſo für die Wirkung des Chlorophylls nicht unbedingt notwendig. Werden die Blätter jedoch längere Zeit in ſauerſtofffreier Luft gehalten, ſo büßt das Chloro— phyll ſeine Wirkſamkeit ein. Dasſelbe geſchieht durch Eintrocknen, durch ſtarkes Erhitzen, durch Gifte (Strychnin u. a.). 6. Unterſucht man grüne Pflanzenteile, nachdem ſie der Wirkung des Sonnenlichts ausgeſetzt geweſen ſind, ſo findet man innerhalb der Chlorophyllkörner die ſogenannten Einſchlüſſe, welche hauptſächlich aus Stärke beſtehen. Dieſe bildet dann das Material, aus welchem ſich der Pflanzenleib mit allen ſeinen mannig— faltigen Stoffen aufbaut, aus welchem insbeſondere auch unter Eintritt von Stickſtoff, welchen die Pflanze nicht aus der Luft, ſondern mittels der Wurzeln aus dem Boden aufnimmt, die Eiweißkörper entſtehen. Zu dieſer Verwendung der einmal gebildeten Stärke bedarf es nicht des Lichts. Bringt man eine Pflanze, nachdem ſie im Licht ergrünt iſt, wieder ins Dunkle, ſo ſchwinden allmählich die eingelagerten Stärke— körnchen; ſie werden löslich gemacht, wandern aus den Chlorophyllkörnern, in welchen ſie entſtanden ſind, aus und dienen zum Aufbau der Organe. Wird bei andauernder Lichteinwirkung mehr Stärke gebildet, als zum Wachstum verbraucht wird, ſo werden die Nährſtoffe an verſchiedenen Stellen der Pflanze ab— gelagert (Reſerveſtoffe), z. B. in Samen, Knollen, Stengeln u. ſ. w., um dann ſpäter zum Wachstum neuer Teile Verwendung zu finden. Deswegen kann alſo ein Samenkorn, in deſſen Samenlappen (Kotyle— donen) ein Vorrat von Nährſtoffen enthalten iſt, im Dunkeln keimen und Stengel, Zweige, Blätter ent— wickeln, ſoweit als jener Vorrat reicht. Zu ihrer Weiterentwickelung aber bedarf die Pflanze des Lichts, und ſie kränkelt und ſtirbt, wenn es ihr dauernd entzogen wird. Während ſo die eigenartige Wirkung des Chloro— phylls an das Licht gebunden iſt, teilen die lebenden Pflanzenzellen mit den übrigen Lebeweſen die Eigen— ſchaft, daß ſie fortwährend Sauerſtoff verbrauchen Am Tage, wenn das Licht einwirkt, werden Sauerſtoffverbrauch und Kohlen— ſäureentwickelung von dem entgegengeſetzten, viel energiſcheren Vorgang der Kohlenſäureaufnahme und Sauerſtoffausgabe überkompenſiert. In der Nacht aber oder überhaupt im Dunkeln entwickeln alle Pflanzen— teile, auch die grünen, Kohlenſäure und verbrauchen Sauerſtoff, und dieſer Vorgang iſt um ſo lebhafter, 306 Humboldt. — Auguſt 1885. je energiſcher die Lebensprozeſſe vor ſich gehen, was in hohem Grade von der Temperatur abhängt. In allen Pflanzenteilen aber, welche des Chloro— phylls entbehren, können, ſofern ſie leben, nur die letzteren Erſcheinungen ſtattfinden. Und da jede Kohlenſäurebildung mit Wärmeproduktion einhergeht, jo wird auch in lebenden Pflanzen ſtets Wärme pro— duziert, freilich nur ſelten in ſo beträchtlicher Menge, daß ſie thermometriſch nachweisbar wird. Bekannt iſt jedoch die ſtarke Erhitzung keimender Gerſte bei der Malzbereitung, und in manchen Blüten iſt die Wärmeproduktion gleichfalls beträchtlich genug, um eine erkennbare Erwärmung der Blüten über die Um— gebungstemperatur zu bewirken. Was hier von den chlorophyllfreien Pflanzenteilen geſagt iſt, das gilt natürlich auch von chlorophyll— freien Pflanzen. Sie entbehren des Vermögens, aus der Luft oder dem Waſſer Kohlenſäure aufzunehmen und aus ihr, unter Abſcheidung des Sauerſtoffs, kohlenſtoffhaltige Verbindungen herzuſtellen. Des— wegen können aber ſolche Pflanzen ihre Ernährung auch nur in der Art bewirken, daß ſie ſchon fertig gebildete Nährſtoffe, organiſche Verbindungen des Kohlenſtoffs, aufnehmen. Sie leben deshalb entweder als Schmarotzer auf anderen Pflanzen oder auf Tieren oder auf den Reſten lebender Weſen, faulem Holz, Fleiſch u. dergl., oder ſie wachſen im ſogenannten Humus, wo ſie die organiſchen Stoffe abgeſtorbener Pflanzenteile zu ihrer Ernährung vorfinden. Inwieweit die Ernährung ſolcher chlorophyllfreier Pflanzen mit derjenigen der Tiere übereinſtimmt, werden wir ſpäter noch zu erörtern haben. (Schluß folgt.) Das zuſammengeſetzte Mikroſkop und die mikroſkopiſche Bilderzeugung. Don Prof. Dr. Leopold Dippel in Darmſtadt. Soe zuſammengeſetzte Mifrojfop ſtellt in ſeinem bild— erzeugenden Apparate eine mittels einer Meſſing— röhre, des ſogenannten Tubus, hergeſtellte Verbin— dung aus zwei kollektiven Linſenſyſtemen dar, von denen das eine, gegen das Objekt gerichtet, als Ob— jektiv, das andere, dem Auge zugekehrt, als Okular bezeichnet wird. Seine optiſche Geſamtleiſtung ſetzt ſich aus drei Einzelthätigkeiten: Strahlenaufnahme, Bildzeichnung und Vergrößerung zuſammen, von welchen dieſelbe nach Art und Maß beſtimmt wird. Die Vergrößerung dient, ohne dem mikroſko— piſchen Bilde etwas hinzuzufügen (bei höherem Maße), oder von demſelben etwas hinwegzunehmen (bei ge— ringerem Maße), ausſchließlich dazu, um dieſes auf einen größeren Sehwinkel auszubreiten und damit einem Auge von beſtimmter Sehſchärfe Einzelheiten zur Anſchauung zu bringen, welche bei kleinerem Seh— winkel nicht mehr unterſchieden werden könnten. Sie wird nach den Geſetzen der geometriſchen Abbil— dung durch Linſen und Linſenſyſteme ihrem Maße nach beſtimmt durch die Brennweiten von Objektiv und Okular und den Abſtand zwiſchen beiden, beziehentlich zwiſchen der hinteren Brennebene des erſteren und der vorderen Brennebene des letzteren, welche die ſoge— nannte optiſche Tubuslänge darſtellt und ſie hat ihren Zweck erfüllt, d. h. ſie erſcheint als förder— liche oder nutzbare Vergrößerung, ſobald das in Ziffern ausgedrückte Maß derſelben obiger Bedin— gung genügt, während ſie über dieſes Maß hinaus— II. gehend, als leere Vergrößerung erſcheint. Nach der älteren Anſchauungsweiſe nahm man an, daß das Objektiv ein nach Maßgabe ſeiner Brennweite und des Bildabſtandes vergrößertes umgekehrtes reelles Bild von dem abzubildenden Gegenſtand erzeuge und das Okular, als Lupe wirkend, dieſes etwas hinter ſeiner vorderen Brennebene entworfene Bild in Ge— ſtalt eines mit dem vorhergehenden gleichgerichteten, d. h. aufrechten, mehrmals vergrößerten Bildes in die Weite deutlichen Sehens rücke. Nach der neuen, von Prof. Abbe eingeführten Betrachtungsweiſe dagegen nimmt man an, daßinfolge einer beſtimmten theoretiſchen, hier nicht näher darlegbaren Zerlegungsweiſe des opti— ſchen Geſamtapparates das Objektiv als Lupe wirkend, von dem Gegenſtand in deutlicher Sehweite, beziehungs— weiſe für ein weitſichtiges Auge in unendlicher Ent— 92 5 : 250 fernung, ein aufrechtes virtuelles (um Ti ver⸗ größertes) Bild erzeuge, welches dem in der Weiſe eines Fernrohres wirkenden (bildumkehrenden) Ofular- apparat als Objekt diene und von dieſem nach Maß— gabe ſeiner durch Brennweite des Okulares und Tubuslänge (welche hier als Brennweite des Fern— rohrobjektives erſcheint) beſtimmten Vergrößerung A 8 8 95 5 =) in deutlicher Sehweite auf einen größeren Sehwinkel ausgebreitet werde. Dieſe letztere Be— trachtungsweiſe bleibt auf die Höhe der Vergrößerung ohne Einfluß, indem dieſe, unter der Vorausſetzung Humboldt. — Auguſt 1885. 307 der gleichen Zuſammenſetzung des Geſamtſyſtemes, in dem einen Falle die gleiche bleibt wie in dem erſten und ſowohl theoretiſch nach der Formel —250 A „ durch Rechnung beſtimmt, als praktiſch durch Meſſung hinreichend genau ermittelt werden kann, indem man das in deutlicher Sehweite projizierte Bild einer mikro— ſkopiſchen Maßheinheit y mißt und das Maß y* durch die erſtere dividiert, woraus N = Je Hätte man z. B. bei einem A von 150 mm ein Objektiv von 5 mm und ein Okular von 30 mm Brennweite be— nutzt, ſo würde ohne Berückſichtigung des Minus— zeichens, welches bekanntlich die Bildumkehrung durch den optiſchen Apparat andeutet, die Vergrößerung 150 30 = 250 fache ergeben haben. Das gleiche Reſultat würde aus der Meſſung hervor— gegangen ſein, wenn man die Bildgröße der Maß— 5 . 0 ſich als eine = 18 * 205 einheit von 0,1 mm zu 25 mm, alſo = zu 01 er⸗ U mittelt hätte. Von beſonderer Wichtigkeit wird die neuere ſchematiſche Zerlegungsweiſe des zuſammengeſetzten Mikroſkopes und die darin begründete Arbeitsteilung zwiſchen Objektiv und Okular, welche ſich nun in Objektivwirkung und Okularthätigkeit gliedert, für die zweite Thätigkeit unſeres Inſtrumentes, d. h. für die Bildzeichnung oder Definition. Dieſe Thätig— keit beruht nämlich in der geometriſchen Vollkom— menheit der Strahlenvereinigung in der Bildfläche, welche im allgemeinen die notwendige Bedingung dafür bildet, daß in dem mikroſkopiſchen Bilde Einzelheiten desſelben abgebildet werden, während im beſonderen der größere oder geringere Grad dieſer Vollkommenheit zunächſt die Grenze beſtimmt, bis zu welcher Kleinheit die in dem mikroſkopiſchen Bilde abbildbaren Einzelheiten hinabgehen können und dann für die größere oder geringere Schärfe und Reinheit des Bildes maßgebend wird. Dieſe Vollkommenheit iſt zwar nie eine abſolute, da an die Stelle mathe— matiſch ſcharfer Bildpunkte ſtets kleine Zerſtreuungs— kreiſe treten, aber es wird dieſelbe um ſo näher er— reicht, je mehr der Einfluß der Abbildungsfehler be— ſeitigt wird, welche bei der großen Oeffnung unſerer Objektivſyſteme in ſo hohem Maße ſich geltend machen und einerſeits als Abweichung sfehler im engeren Sinne: ſphäriſche Abweichung, chromatiſche Differenz der ſphäriſchen Abweichung, chromatiſche Abweichung, andererſeits als Fehler der Flächenausbreitung: verſchiedene Vergrößerung der Bilder, welche durch Strahlenkegel von verſchiedener Neigung zur Achſe erzeugt werden, verſchiedene Vergrößerung der Bilder verſchiedener Farbe (chromatiſche Differenz der Ver— größerung), ſphäriſche Abweichung außer der Achſe, Wölbung des Bildfeldes, Verzerrung des Bildes, aſtigmatiſche Differenz der Vereinigungsweiten in die Erſcheinung treten. Von dieſen Abbildungsfehlern kommen diejenigen der erſten Art, ſowie die Vergrößerungsfehler der zweiten Art, welche die ſcharfe und genaue Abbildung in der Mitte des Sehfeldes bedingen und damit die für die eigentliche Leiſtungsfähigkeit des zuſammen— geſetzten Mikroſkopes bedeutungsvollſten Faktoren bil— den, vorzugsweiſe in dem Objektive zur Geltung. Dem Okular fällt als praktiſch bedeutſam nur die Bild— vergrößerung anheim, während die übrigen Ab— weichungen im Objektiv und Okular zugleich auftreten können, aber der Vollkommenheit der Geſamtleiſtung nur inſofern eine Grenze ſtecken, als noch merkliche Reſte derſelben in der Wirkung des Objektives vor— handen geblieben ſind. Es finden ſomit alle die— jenigen Abbildungsfehler, welche auf die Wirkung des Inſtrumentes einen weſentlichen Einfluß gewinnen, ſchon ihren Ausdruck in dem virtuellen Bilde, welches das Objektiv als Lupe wirkend von den Beobachtungs— objekten erzeugt, während der aus der optiſchen Tubus— länge und dem betreffenden Linſenſyſtem zuſammen— geſetzte Okularapparat dieſen Fehlern gegenüber prak— tiſch als vollkommen fehlerfrei angeſehen werden kann, und zwar auch dann, wenn die bekannten einfachſten, aus zwei plankonvexen Linſen beſtehenden Konſtruk— tionsformen zur Anwendung gebracht werden. Daraus aber ergibt ſich, daß die möglichſte Höhe der Leiſtung des zuſammengeſetzten Mikroſkopes in Bezug auf die Bildzeichnung einzig und allein durch die vollkommene Konſtruktion der Objektive bedingt wird und es ein Irrtum iſt, wenn man meint, daß dieſelbe durch be— ſondere Okularkonſtruktionen u. dergl. in irgend einer Weiſe weſentlich beeinflußt werden könnte. Die Strahlenaufnahme wird dem Maße nach bedingt durch den Divergenzwinkel der Strahlenkegel, welche von den einzelnen Objektpunkten aus in das Objektiv eintreten können. Dieſer Winkel nun er— ſcheint ſtets als beſtimmt begrenzter und zwar wird die Begrenzung bei unſeren Objektiven bewirkt durch eine vor oder hinter denſelben, oder zwiſchen den Einzellinſen angebrachte, phyſiſche, kreisförmige Oeff— nung, welche man nach dem von Prof. Abbe ein— geführten Sprachgebrauche als Iris bezeichnet. Im erſten Falle bildet die Iris, JJ Fig. 1, ſelbſt die ge— meinſchaftliche Grundfläche aller der Strahlenkegel, welche von den verſchiedenen Objektpunkten aus in das Objektiv eintreten, im zweiten und dritten Falle dagegen wird dieſe durch ein von der Iris mittels des Objektives oder des vorderen Teiles desſelben entworfenes, entweder vor oder hinter der Objektebene liegendes, reelles PP oder virtuelles P’P’ Bild, die „Eintrittspupille,“ erſetzt. Denkt man ſich nun von dem Achſenpunkte 0 der Objektebene aus nach dem Durchmeſſer der Iris JI oder der Eintritts— pupille PP oder PP“ gerade Linien gezogen, jo ent— ſteht ein gleichſchenkliges Dreieck, deſſen Scheitelwinkel (JOJ, POP, P‘OP’) den Oeffnungswinkel des Syſtemes bildet, während die halbe Grundlinie als der Sinus des halben Oeffnungswinkels erſcheint. Wie die in das Objektiv eintretenden, ſo haben auch alle von demſelben, und ebenſo die von dem 308 Humboldt. — Auguſt 1885. Mitvojfop als Geſamtſyſtem austretenden und nach den einzelnen Bildpunkten hinzielenden Strahlenkegel eine gemeinſchaftliche von der Iris ſelbſt oder von einem aus derſelben abgeleiteten, reellen oder virtuellen Bilde, der „Austrittspupille“, dargeſtellte gemeinſchaftliche Grundfläche, durch welche dieſe Strahlenkegel ihre Begrenzung erfahren. Dieſe beiden, bei der älteren Betrachtungsweiſe nicht beachteten Oeffnungsbilder, von denen das über dem Okular gelegene, ſchließlich dem virtuellen Bilde des Objektes zugeordnete reelle Bild, d. h. die Austrittspupille des ganzen Mikroſkopes als ſogenannter Okularkreis ſchon lange bekannt war, das zweite in oder nahe an der oberen Brennebene des Objektives gelegene, beim Hinabſehen in den offenen Tubus wahrgenommen werden kann, erhalten für alle auf die Oeffnung bezüglichen, tief in die Theorie und Praxis des Mtifro- ſkopes und der mi⸗ kroſkopiſchen Wahr⸗ nehmung eingrei— fende Fragen eine hohe Bedeutung und bilden ſomit ein weſentliches Ele— ment für deren Er— ledigung. Die Menge der Lichtſtrahlen, welche von einem Objektiv aufgenommen wer— den kann, hängt, dargeſtellt (wobei vorausgeſetzt wird, daß auch das Objekt von einem Medium = n umhüllt fei, da im anderen Falle, d. h. wenn ſich Luft zwiſchen dem Objekt und dem Zwiſchenmedium beſindet, wie bei trocken eingelegten Präparaten, das Maß der Oeffnung herabgedrückt wird). Das Produkt n. sin u hat Prof. Abbe — a geſetzt und als numeriſche Wper- tur bezeichnet. Mittels dieſes Zahlenausdrucks wird es nun möglich, ſowohl Trockenobjektive unter ſich, als dieſe mit Immerſionsobjektiven in Bezug auf die Funktion der Strahlenaufnahme zu vergleichen. Hätte man z. B. ein Trockenobjektiv von 60° Oeffnungs⸗ winkel, und dann je ein Trockenobjektiv, ein Waſſer—⸗ immerſionsſyſtem und ein Syſtem für homogene Immerſion, jedes von 120° Winkelöffnung in dem betreffenden Medium, ſo würden wir als numeriſche Apertur erhalten: für das erſte Objek⸗ tiv 0,50, für die drei anderen je 0,86 (nahezu), 1,33. 0,86 , IAund 1,5. 0,86 =1,29 und es ver⸗ halten ſich demnach die Maßzahlen für die Strahlenaufnahme- fähigkeit wie 1: 1,72; 12,28 12,58 Die von dem Objektivſyſteme auf⸗ genommene Strah- lenmenge bedingt zu— von allen nebenſäch— lichen und zufälligen Umſtänden abgeſe⸗ hen, von der Größe des gegebenen objek— tiven Oeffnungsbil⸗ des d. h. von der Grundfläche des zu— gelaſſenen Lichtkegels ab, welche nach dem Voranſtehenden den Sinus des halben Oeffnungswinkels zum Radius hat. Da ſich nun Kreis— flächen verhalten, wie die Quadrate ihren Radien, ſo iſt leicht erſichtlich, daß ſich die gedachte Strahlenmenge für verſchiedene Objektive — mit Ausnahme ganz kleiner Oeffnungswinkel, für welche ihr Bogen ihrem Sinus gleich geſetzt werden kann — verhalten müſſe wie die Quadrate der Sinus ihrer halben Oeffnungswinkel. Es kann ſonach nicht, wie man nach der älteren, hie und da noch nicht aufgegebenen Anſchauungsweiſe annahm, der Oeffnungswinkel (u) ſelbſt als das Maß der „Oeffnung“ dienen, ſondern es muß dasſelbe in dem Sinus des halben Oeffnungswinkels geſucht werden. Für Luft bildet dieſer Sinus ſelbſt dieſes Maß, für ein beliebiges Medium (Luft mit dem Brechungsindex — 1 mit eingeſchloſſen) zwiſchen Objekt und Vorderfläche des Objektives wird es durch das Produkt aus dem betreffenden Brechungsindex und dem Sinus des halben Oeffnungswinkels =n. sinu nächſt die Lichtſtärke des Mikroſkopes. Das beobachtende Auge kommt nämlich ſo zu dem optiſchen Apparate zu ſtehen, daß deſſen Pupille mit der Austritts⸗ pupille des ganzen Mikroſkopes, alſo mit dem fog. Augenpunkt zuſammen— trifft. Solange nun die Durchmeſſer beider Pupillen gleich ſind, oder derjenige der letzteren größer iſt als der der erſteren — und dann in dieſem ſeine Grenze findet — iſt die Erhellung derjenigen gleich, welche bei dem Sehen mit freiem Auge erreicht wird; wird dagegen der Durchmeſſer der Austrittspupille des Mikroſkopes kleiner, als derjenige der Pupille des Auges, dann vermindert ſich die Helligkeit in dem umgekehrten Verhältniſſe der Quadrate dieſer Durchmeſſer. Würde z. B. der Durchmeſſer der Austrittspupille = 2 mm, derjenige der Augenpupille — 4 mm fein, fo würde die Lichtſtärke des Mikroſkopes auf ¼ derjenigen herabſinken, welche das Sehen mit freiem Auge ge— währt. Nun ſteht — wie ſich durch eine einfache mathematiſche Entwickelung darthun läßt — der Durch— meſſer der Austrittspupille in geradem Verhältniſſe zu der numeriſchen Apertur und im umgekehrten Ver— hältniſſe zu der linearen Geſamtvergrößerung und Humboldt. — Auguſt 1885. 309 ſomit iſt es einleuchtend, daß die Helligkeit mit Ab— nahme der numeriſchen Apertur und Zunahme der Vergrößerung eine Verminderung erfährt, namentlich aber, daß von demjenigen Punkte an, wo unter einem beſtimmten Grenzwerte der Vergrößerung der Durchmeſſer der Austrittspupille demjenigen der Augen— pupille gleich wird, alſo gerade noch die Helligkeit des freien Sehens beſteht, für dasſelbe Objektiv, alſo bei ungeändert bleibender numeriſcher Apertur die Lichtſtärke im umgekehrten Verhältniſſe mit dem Quadrate der linearen Geſamtvergrößerung abnehmen muß. Nehmen wir z. B. an, es werde jener Punkt mit einer 100maligen Vergrößerung erreicht und wir ſteigerten letztere auf 200, ſo wird die dabei ſtatt— findende Helligkeit nur // derjenigen des Sehens mit freiem Auge betragen. Bei den bisherigen Betrachtungen über die Strahlen— aufnahme wurde erſtlich eine Lichtquelle von ſolcher Ausdehnung angenommen, daß die von ihr nach dem Mikroſkope geſendeten Strahlenkegel die volle Ob— jektivöffnung ausfüllten, zweitens die Vorausſetzung gemacht, daß ſämtliche von der Lichtquelle ausgehenden Strahlen ungehindert und ohne Ablenkung durch die Objektivebenen hindurch und nach dem Objektiv hinüber— treten. Dieſe Verhältniſſe erfahren aber bei dem praktiſchen Gebrauche des Mikroſkopes eine weſentliche Aenderung. Zunächſt wird die Oeffnung der ein— tretenden, direkten Lichtkegel durch den Beleuchtungs— apparat — welcher Art derſelbe auch ſein mag — in beſtimmter Art und zwar im Sinne der Ver— engerung begrenzt und es wird innerhalb des (matten) Oeffnungsbildes das helle, ſcharfbegrenzte Bild des Spiegels oder der Blendungsöffnung aufgenommen, welches bei centraler Beleuchtung in der Achſe, bei ſchiefer außerhalb der Achſe erſcheint (Fig. 2) und nun die Durchmeſſer der für die Erhellung maßgebend werdenden, d. h. der „ſtellvertretenden“ Austritts— pupille regelt. Dann treten in der Einſtell- oder Objektivebene immer Gegenſtände auf, deren Struktur verſchiedene brechende Medien enthält und vermöge ihrer Geſtaltung mancherlei Ablenkungen der Licht— ſtrahlen durch Brechung und Beugung veranlaßt, ſo daß das Oeffnungsbild — welches, wie ſchon erwähnt, ſtets der Beobachtung zugänglich iſt — eine verſchieden— artige Umgeſtaltung erleiden kann. Sind z. B. die Struktureinzelheiten derart, daß fie keine regel— mäßige Brechung oder Beugung der Lichtſtrahlen ver— anlaſſen, dann verſchwindet das ſcharfe helle Bild der Lichtquelle und es erſcheint das Licht in größerer oder geringerer Ausdehnung und mehr oder minder regel— Fig. 2. mäßig innerhalb des objektiven Oeffnungsbildes aus— gebreitet. Im anderen Falle, d. h. bei regelmäßiger Ablenkung der Lichtſtrahlen, erſcheint das Bild des Spiegels oder der Blendung ſcharf begrenzt, und die bis zu der Grenze des halbkugelförmigen Winkel— raumes abgelenkten Strahlenbüſchel erzeugen, ſoweit ſie in das Mikroſkop gelangen, Nebenbilder der lichtgebenden Fläche, welche das Hauptbild in größe— rer oder geringerer Entfernung und in ſich abſtufen— der Lichtintenſität in Geſtalt eines Beugungsſpek— trums umgeben. Dieſe Erſcheinung wird für die Theorie des Mikroſkopes von hoher Wichtigkeit, in— dem die Fähigkeit, eine größere oder geringere Menge neuer, d. h. abgebeugter Lichtſtrahlen aufzunehmen die Hauptfunktion der Oeffnung, das Abbildungs— vermögen, und deſſen Höhe bedingt und im An— ſchluſſe an die Theorie die mikroſkopiſche Abbildung zum näheren Verſtändnis bringt. Die Feuerzeuge der Griechen und Römer. Von Dr. W. Stricker in Frankfurt a. M. (Nach einer Abhandlung vom Gymnaſialrektor und Gberſtudienrat Dr. M. Planck in Stuttgart.) ie Erfindung des Feuers ijt von folder Wichtig keit für die Entwickelung der menſchlichen Kultur, daß zu ihrer Erforſchung eine Kenntnis zahlreicher Wiſſenſchaften gehört, denn wenn die Darſtellung der verſchiedenen Arten der Feuergewinnung auch we— ſentlich phyſikaliſche und chemiſche Kenntniſſe er— fordert, ſo hat ſich andererſeits auch die Mytho— logie vieler Völker des Stoffes bemächtigt und die Feuerbereitung in den Kreis der religiöſen Vor— ſtellungen und Handlungen hereingezogen. Die Ethno— Humboldt 1885. logie lehrt uns, in welcher Ausdehnung von den älteſten Zeiten bis zur Gegenwart, von den Völkern des fernſten Aſiens und innerſten Afrikas bis zu unſeren Landsleuten über die Herkunft des Feuers und zumal über ſeine Erneuerung dieſelben Ideen vorherrſchen. Aus der Kenntnis der antiken Geſetz— gebung erſehen wir, daß Verbrecher zur Entziehung des Feuers verurteilt werden konnten, und ſo ließen die Beiſpiele ſich häufen. Aus dieſen Gründen ijt es erklärlich, daß vielfach die Schriften über dieſen 40 310 Humboldt. — Auguſt 1885. Gegenſtand einſeitiger Art waren, indem die Philo— logen der naturwiſſenſchaftlichen Kenntnis entbehrten und eine Kritik der Ueberlieferungen nicht üben konnten, während den techniſchen Schriftſtellern der weite Aus— blick auf die Geſchichte der religibſen Ideen abging, die ſich an die Herabkunft des Feuers knüpfen. Der univerſale Geiſt Oskar Peſchels hat in dem betreffen— den Kapitel ſeiner „Völkerkunde“ die umfaſſendſte Darſtellung des Gegenſtandes gegeben, doch nötigte die Natur ſeines Werkes ihn zur möglichſten Kürze. Ich habe vor zehn Jahren verſucht, in etwas weiterer Faſſung Andeutungen über beide Seiten des Gegen— ftandes zu geben in Nr. 199 der Sammlung wiſſen— ſchaftlicher Vorträge, herausgegeben von Virchow und v. Holtzendorff (Die Feuerzeuge, Berlin 1874, Habel), und begrüße mit Freude die Beſprechung einer ausgezeichneten philologiſchen Leiftung*) als Gelegen— heit, auf den ſeitdem ethnographiſch weiter geförderten Gegenſtand zurückzukommen. Ueber die Feuerzeuge der Alten iſt ſeit Salma— ſius (1689) die Planckſche Arbeit, welche neben den ſakralen auch die profanen Zwecke hervorhebt, der erſte Verſuch allſeitiger Bearbeitung, während man vielfach nur die Kultusſeite hervorgehoben und die Geſchichte der Feuerzeuge des gewöhnlichen Lebens bei Griechen und Römern darüber mißachtet hat. Allerdings war das heilige und profane Feuer nach der Anſchauung der Alten ſtreng geſchieden, aber andererſeits war doch in dem urſprünglich zugleich als Feuer der Heſtia dienenden Herdfeuer eine Verbindung beider gegeben, und Helbig (Die Italiker in der Poebene, Leipzig 1879) nimmt an, daß der Entſtehung des Veſtadienſtes die Not— wendigkeit für die Gemeinden zu Grunde lag, eine Flamme zu unterhalten, deren ſich die einzelnen Fa— milien nach Bedürfnis bedienen konnten. Auch ſpäter erſcheint der Zuſammenhang zwiſchen beiden nie ganz aufgehoben, indem man von Zeit zu Zeit das Bedürfnis fühlte, das durch den profanen Gebrauch entweihte Feuer wieder an einer reinen und heiligen Flamme neu zu entzünden. Endlich hatten die Feuer— zeuge ſelbſt auch für den Kultus, nämlich eben für die Erzeugung eines reinen Feuers, eine beſondere Bedeutung. Dieſe Erzeugung eines reinen Feuers iſt einer der merkwürdigſten Züge, welcher, wie erwähnt, durch die ganze Kulturgeſchichte der Menſchheit ſich wiederholt. Jakob Grimm hat in einer berühmten, oft wiederholten Stelle der deutſchen Mythologie (J, 571; Stricker, Feuerzeuge, S. 15; Planck, S. 40) dieſen Gedanken ſo formuliert: „Für undienſam zu heiligem Geſchäft galt Feuer, welches eine Zeitlang unter Menſchen gebraucht worden war, ſich von Brand zu Brand fortgepflanzt hatte. Wie Heilwaſſer friſch von der Quelle geſchöpft werden mußte, ſo kam es darauf an, ſtatt der profanen, gleichſam abgenutzten Flamme eine neue zu verwenden. *) Oberftudtenvat Dr. M. Planck, Rektor des Karls— gymnaſiums in Stuttgart, in dem Programm dieſer An— ſtalt für 1884 (Ueber die Feuerzeuge der Griechen und Römer). Dieſe hieß das wilde Feuer‘, gegenüber dem zahmen, wie ein Haustier eingewohnten“ 2c. Den von mir gegebenen Beiſpielen kann ich jetzt, teilweiſe aus Plancks Schrift, noch folgende hinzufügen. Auch die Japaneſen halten das durch Reibung erzeugte Feuer für das reinſte und für religiöſe Zwecke ge— eignet (Mitteilungen der deutſchen Geſellſchaft für Kunde von Oſtaſien VI, 46). Die Indier benutzen zwar ſchon ſeit langer Zeit Feuerſtein und Stahl, um für gewöhnliche Zwecke Feuer zu erzeugen, die Brahmanen dagegen bedienen ſich zur Erzeugung des heiligen Feuers für das tägliche Opfer noch des alten Verfahrens, indem ſie einen zugeſpitzten Stock in ein anderes Stück Holz hineinbohren, bis durch die Rei— bung Feuer entſteht. Auf die Frage, warum ſie dies beſchwerliche Verfahren anwenden, trotzdem daß ihnen ein bequemeres bekannt ſei, antworteten ſie: um reines und heiliges Feuer zu erhalten (Tylor, deutſche Ueberſetzung von: Einleitung in das Studium der Anthropologie, Braunſchweig 1883). Zur Zeit des heiligen Bernhard wurde auf Mariä Lichtmeß ein neues Licht mittels eines Feuerſteins hervorgebracht, an welchem man, nachdem es geweiht war, die Kerzen anzündete. Dieſe halfen dann zum Exorzismus, zum Geſundmachen, gegen Blitz rc. (Zeitſchrift für Ethno— logie 1874, S. 354). In Kärnten läßt man am Oſterſamstage im Hauſe alles Feuer ausgehen und trägt friſches nach Hauſe von jenem, welches vom Pfarrer auf dem Kirchhofe mit Stahl und Stein hervorgebracht und geweiht wurde (Wolf, Zeitſchrift für deutſche Mythologie und Sittenkunde). Im Lechrain wird das Karſamstagsfeuer mit Stahl und Stein, nie mit Schwefelfaden, auf dem Freithof angezündet. Jedes Haus bringt dazu ein Scheit von einem Wallnußbaum, welches beim Gewitter auf das Herdfeuer gelegt, zur Abwehr des Blitzſchlages dient (Leoprechting, Aus dem Lechrain). Die ſchon von Lucretius (De rerum natura 5, 1094) angenommene Möglichkeit, daß das Feuer urſprünglich entſtanden ſei durch die Reibung vom Winde heftig bewegter Aeſte: Mutua dum inter se rami stirpesque teruntur ift von A. Kuhn (Die Herabkunft des Feuers, Seite 104) adoptiert und auch von Planck (S. 20) nicht ganz verworfen worden, obgleich ſchon Peſchel (Völkerkunde, S. 145) ſie bezweifelt hat. Ich habe ſchon (Feuerzeuge, Seite 29, Anmerkung Nr. 6) darauf hingewieſen, daß ſelbſt durch den Blitz ein geſunder Baum nicht in Brand geſteckt, ſondern aus— einander geſprengt wird, daß wenigſtens ein glaub— würdiges Beiſpiel davon fehlt und daß noch weniger eine bloße Reibung von Aeſten eine Flamme hervor— rufen kann. Wenn „die Leute jenſeits des Ural be— haupten, Waldbrände entſtünden häufig dadurch, daß ein Baum durch den Sturm geknickt und auf einen anderen geworfen werde, worauf bei heftiger Hin— und Herbewegung beider Stämme Feuer zum Vor— ſchein komme“ (Kuhn), fo iſt darin nur die bequeme Ausrede der Urheber von Waldbränden zu erblicken. Planck macht darauf aufmerkſam, daß die Angabe Humboldt, — Auguſt 1888. 311 im Brockhausſchen Konverſationslexikon (13. Aufl., Bd. VI, S. 771): „Zu Tacitus' Zeiten beſtand das Feuerzeug aus einem Schwefelſtengelchen, deſſen Spitze in vermodertes Holz geſteckt und durch Reibung an einer Steinplatte in Brand geſetzt wurde,“ ohne jede Beweisſtelle daſteht und daß der ganze Vorgang ſehr unwahrſcheinlich iſt, da der Schwefel ſich durch Rei— bung nicht entzündet (Planck, S. 19, Anmerkung 2). In den natürlichen Erklärungen des Prometheus— mythus finden wir bereits die verſchiedenen Arten des Feuermachens, welche die Alten kannten: 1) durch das Schlagen von Steinen, teils Stein gegen Stein, teils Stein gegen Eiſen; 2) durch das Reiben zweier Hölzer; 3) durch Brennſpiegel. Die dritte Art, Feuer zu erzeugen, kommt wenig in Betracht; ſie wird aus älterer Zeit nur ſelten erwähnt und diente, wie es ſcheint, bloß in außerordentlichen Fällen für Kultus— zwecke, nicht aber im gewöhnlichen Leben. Was die zwei erſten Arten betrifft, ſo ſcheinen bei den Römern beide gleichermaßen im Gebrauche geweſen zu ſein, während ſich die Griechen in der hiſtoriſchen Zeit nur der Reibhölzer bedienten. Der Verfaſſer behandelt deshalb die Feuerbereitung beider Völker geſondert. Es geſchieht das mit großer Gelehrſamkeit. Wegen dieſes Teiles müſſen wir auf das Original verweiſen und fügen nur noch wenige Bemerkungen hinzu. Aus zahlreichen Stellen der Alten, welche Planck (S. 29 ff.) anführt, geht nämlich hervor, daß die Mitteilung des Feuers an andere, die darum bitten, nicht bloß als eine gewöhnliche Pflicht nachbarlicher Gefälligkeit, ſondern als eine höhere ſittlich-religiöſe Pflicht erſcheint, die man ſogar dem Feinde gegen— über zu beobachten hat und deren Nichterfüllung mit dem Fluche belegt iſt. Dem aber, der für ehrlos (atimos) erklärt war, wurde in Sparta das Feuer verſagt und auch in Athen begegnet uns die Verſagung des Feuers in Verbindung mit anderen Anordnungen, die den Menſchen von der Gemeinſchaft mit anderen ausſchließen. Wir können aus dieſer Maßregel ſchlie— ßen, daß wenn das Feuer im Hauſe erloſch, es nicht leicht war, ohne fremde Unterſtützung ſich neues zu verſchaffen. Auch das häufige Vorkommen des Ent— leihens des Feuers bei den Nachbarn, wofür Planck zahlreiche Stellen der Klaſſiker anführt, als eine ganz gewöhnliche Sitte, zeugt dafür, daß der Gebrauch der Feuerzeuge kein allgemeiner geweſen iſt. Für den gewöhnlichen Gebrauch Feuer vom Altar zu nehmen, ſcheint nicht erlaubt geweſen zu ſein, und wie man es in der Heimat für heilige Zwecke bewahrte, ſo nahm man es auch in die Fremde mit, um den gottesdienſt— lichen Zuſammenhang mit der Heimat zu bewahren. Nicht nur Koloniſten nahmen von dem heiligen Feuer der Mutterſtadt in die neu zu gründende Stadt mit, ſondern auch die ſpartaniſchen Könige nahmen einen feuertragenden Prieſter mit (pyrphoros), wenn fie ins Feld zogen. Wie die Soldaten im Felde ihr Feuer gemacht haben, geht aus den Stellen der Alten nicht hervor; hier müſſen die Feuerzeuge ihre ausgiebige Verwendung gefunden haben. Dagegen wiſſen wir für das früheſte Mittelalter, daß faſt alle männlichen Gerippe, welche Lindenſchmitt in den Frankengräbern des ſiebenten und achten Jahrhunderts zu Selzen bei Oppenheim (Rheinheſſen) gefunden hat, Feuerſtein und Stahl neben ſich liegen hatten, ebenſo in Belgien, Frankreich und England. Nach dem Geſagten erſcheint es unrichtig, wenn A. Erman (Verhandlungen der Berliner Geſell— ſchaft für Anthropologie, im 3. Bande der Zeitſchrift für Ethnologie) behauptet, der Feuerſtahl ſei eine aſia— tiſche Erfindung und auf dem Umweg über Spanien nach Mitteleuropa gelangt. Ein höchſt merkwürdiges Beiſpiel davon, wie ohne Entlehnung die verſchiedenſten Völker auf einer gewiſſen Stufe der Kultur zu dem— ſelben Verfahren gelangen, bietet die Anwendung des Drillbohrers bei der Bereitung des Feuers durch Reibung von Hölzern. Was die Griechen (Planck, S. 14) ſchon übten, läßt ſich bei Naturvölkern aller Weltteile nachweiſen, bei den Sioux, Dakota, Iro— keſen, Aleuten, Grönländern, bei den Inſulanern der Südſee und den Bewohnern Südafrikas. Eine ge— naue Beſchreibung des Verfahrens findet ſich in dem Spamerſchen Buch der Erfindungen 1866, IV, 470. Elfenbeinhandel, Elfenbein und verwandte Produkte auf dem fünften deutſchen Geographentage in Hamburg. Von Dr. Th. Voack in Braunſchweig. er vom 9. bis zum 11. April d. J. in Ham— burg abgehaltene fünfte deutſche Geographen— tag hat nach dem Urteil aller Fachgenoſſen ſeine Vorgänger ebenſowohl in Bezug auf die Bedeutung der dort gehaltenen Vorträge, als hinſichtlich des Wertes der geographiſchen Ausſtellung erheblich über- holt. Dies erſcheint beſonders erklärlich, wenn man ſich an die Bedeutung, die wiſſenſchaftliche und mer— kantile Bedeutung Hamburgs erinnert, deſſen geo graphiſche Geſellſchaft einen Flegel und Fiſcher nach Afrika geſchickt hat, deſſen hervorragendſte Han— delshäuſer durch eine großartige Ausſtellung Zeug— nis gaben, welche Förderung Hamburg imſtande iſt, auch den Naturwiſſenſchaften in merkantiler, mine— | ralogifdjer, botaniſcher, zoologiſcher und ethnographi— ſcher Beziehung angedeihen zu laſſen. Ich muß mir Humboldt. — Auguſt 1885. lichen geographiſchen Ausſtellung zu geben, die in weiten Kreiſen anregend und befruchtend wirken wird, ſondern will mich hier darauf beſchränken, aus der Fülle des Stoffs zunächſt einen Gegenſtand, das Elfen— bein, herauszugreifen, dem ein ganz vortrefflicher Vortrag des Herrn Weſtendarp in Hamburg und eine ebenſo vortreffliche Ausſtellung des großen Elfenbeinhauſes Meyer und Weſtendarp daſelbſt gewidmet war. Ich werde alſo zunächſt über den Vortrag des Herrn Weſtendarp referieren und ſo— dann über meine eigenen Studien der Elfenbein- und Gehörnausſtellung, die in bereitwilligſter Weiſe durch Angeſtellte des Hauſes Meyer und Weſtendarp gefördert wurden, berichten. Der Vortrag des Herrn Weſtendarp beſchränkte ſich hauptſächlich auf das afrikaniſche Elfenbein und wurde unterſtützt durch eine ſorgfältig ausgeführte Elfenbeinkarte Afrikas, nach welcher die Elfenbein— gebiete, begrenzt im Norden hauptſächlich durch die Wüſte Sahara und Aegypten, im Süden durch das Kapland, oder durch den 15.“ nördl. Breite und den 15.“ ſüdl. Breite, nach der Intenſität der Produktion rot ſchraffiert waren, und durch graphiſche Tabellen, welche die Bewegung des Elfenbeinhandels anſchau— lich machten. Herr Weſtendarp knüpfte ſeine Dar— ſtellung an einen 1879 in der Hamburger geographi- ſchen Geſellſchaft gehaltenen Vortrag über die Ge— biete des indiſchen und afrikaniſchen Elefanten und an die Thatſache, daß die letzten Jahre durch die vielen Vertreter des Hauſes Meyer und Weſten— darp in Afrika und durch zahlreiche Reiſen genü— gende Klarheit gebracht haben, um eine genaue Stati— ſtik des afrikaniſchen Elfenbeinhandels geben zu können. Schon im Altertum gingen die Inder von Catſch, (Nordweſten Indiens) nach der Oſtküſte Afrikas, um Elfenbein zu holen, ſpäter kam es von Aegypten nach Europa, arabiſche Händler drangen und dringen noch heute tief in das Herz des ſchwarzen Erdteils ein, und in der Neuzeit ſuchen es alle Nationen an allen Küſten Afrikas eifrig zu erlangen. Wer die Elfen— beinſchätze Afrikas heben will, muß ſich zuerſt klar werden, wie und wo dieſelben zu gewinnen ſind. Afrikas Elfenbeinreichtum liegt noch heute in dem ganzen centralen Gebiet bis zur Südſpitze, beſonders in den Gebieten der großen Seen und Flüſſe, und ſteigert ſich von den Wendekreiſen quantitativ und qualitativ nach dem Aequator hin, während der Ab— fluß des Reichtums hauptſächlich von der Oſtküſte und der Weſtküſte erfolgt, aber unter ſehr verſchiedenen Verhältniſſen; denn der Elfenbeinexport von der Oſtküſte iſt noch heute doppelt ſo groß als von der weſtlichen, obwohl die Oſtküſte ſchon ſeit mehr als tauſend Jahren durch Halbkulturvölker, wie Inder, Perſer, beſonders Araber, bearbeitet und ausgebeutet worden iſt, während die Weſtküſte erſt viel ſpäter und zwar ausſchließlich von europäiſchen Nationen in Beſitz genommen wurde. Dieſe bis dahin in Europa unbekannte Thatſache der erheblich größeren Wichtigkeit der Oſtküſte ermittelte Herr Weſtendar p auf einer vor einigen Jahren nach Indien unter— nommenen Forſchungsreiſe, ebenſo das Faktum, daß die bedeutenden aus Indien nach Europa exportierten Quantitäten, die bisher für indiſch galten, erſt aus Oſtafrika nach Indien gebracht, alſo für den euro— päiſchen Handel unnötig verteuert wurden. Durch den Beſuch der wichtigſten oſtafrikaniſchen Hafenplätze, die freilich zuverläſſiger Ausfuhrangaben entbehrten, und der indiſchen Einfuhrhäfen, wie Bombay, Madiri, Diu, wurden dann die günſtigſten Angriffspunkte für einen legitimen Elfenbeinhandel in Afrika fejt- geſtellt, wobei ſich zeigte, daß beſonders Zanzibar einen ſolchen Angriffspunkt bildet, auch deshalb, weil hier die brauchbarſten Neger, Träger und Führer für Expeditionen nach Innerafrika zu finden ſind; denn ſchon ſeit Generationen haben ſich die Zanzibariten durch Miſchung, durch Uebung, durch Umgang mit höher ſtehenden Völkern jene wertvollen Eigenſchaften erworben, die für Reiſen durch Centralafrika unum— gänglich nötig ſind. Mit ihrer Hilfe iſt Stanleys Durchwanderung des afrikaniſchen Kontinents wie Dr. Fiſchers ſo außerordentlich erfolgreiche Reiſe ins Maſſailand öſtlich vom Victoria-Nyanſſa geglückt, während die Nichtbeachtung dieſer Thatſache der haupt— ſächlichſte Grund für den Mißerfolg der größten deutſchen Expeditionen von der Weſtküſte her war. Sehr richtig erkennt Herr Weſtendarp die größte Schwierigkeit für das Vordringen nach Centralafrika nicht im Klima, ſondern im Widerſtande der Bewoh— ner: weder der Forſchungsreiſende, noch der Kaufmann, noch der Koloniſt iſt den Afrikanern ein willkommener Gaſt, und nur deutſche Energie und Hamburger Beſonnenheit haben dem Hauſe Mayer-Weſtendarp zum end— lichen Siege über dieſe Schwierigkeiten, die, wie wir gleich ſehen werden, beſonders in Chartum und in Zanzibar ſich häuften, verholfen. Trotzdem warnte Herr Weſtendarp eindring— lich vor Illuſionen, die beſonders durch übertriebene und unwahrſcheinliche Berichte Stanleys erweckt worden ſind, was auch Herr Wörmann beſtätigte. Wenn Stanley von 400 Tons Elfenbein per Jahr allein aus dem Kongobecken geſprochen hat, fo hat er irrtümlicherweiſe entweder eine Null oder das „per Jahr“ zu viel hinzugefügt, und wenn er behauptet hat, am Kongo hätten 3000 Zähne gelagert werden müſſen, weil es an Käufern fehlte, ſo finden ſich für dieſes Quantum bei mäßiger Forderung ſicher Käufer genug. Das Elfenbein iſt eben auch tief im Innern Afrikas das wichtigſte Tauſchmittel, für welches die Eingeborenen ſelbſt ihr Liebſtes, ihre Frauen, hingeben, mit Elfenbein wird der Tribut bezahlt, und wenn Stanley einen ganzen Tempel voll Kriegshörner, Keulen, Kornſchläger und Armringe aus Elfenbein gefunden hat, ſo beweiſt das nicht, daß Elfenbein am Kongo für wertlos gehalten wird. Auch Phan— taſiebilder der Gartenlaube, in denen Elfenbeinhänd— ler von Adamaua in Schwimmhoſen und ihre Frauen in ſauberen deutſchen Hemden dargeſtellt werden, wur— den von Herrn Weſtendarp mit leichtem Spott Humboldt. — Auguſt 1885. 313 gegeißelt. Billiges Elfenbein findet ſich höchſtens noch weſtlich und ſüdweſtlich von den großen Aequatorial— ſeen, es ſei denn, daß man es macht wie der ara— biſche Kaufmann, der die Sklaven raubt und das Elfenbein ſtiehlt. Der geſittete Europäer pflegt nur legitimen Elfenbeinhandel zu treiben. Folgen wir der Rundreiſe, welche Herr Weſten— darp um die Küſten Afrikas machte, um den augen— blicklichen Stand des afrikaniſchen Elfenbeinhandels zu entwickeln. Er begann mit Tripolitanien am Mit— telmeere, wo größere Quantitäten Elfenbein nach den Häfen Tripolis und Bengaſi kommen. Dieſelben ſtammen aus den Hauſſa- und Bornuländern und ſind nicht zum nahen Benuefluß und von dort zum Niger, ſondern mit Kamelen durch die Wüſte Sa— hava befördert worden, ein Transport, welcher mehr gelegentlich erfolgt, wenn Straußenfedern fehlen, und wegen vier- bis fünfmonatlicher Dauer, wegen des täglich notwendigen Umpackens und wegen der die Qualität des Elfenbeins um ca. 30 Prozent ver— ringernden heißen Wüſtenwinde ſehr unpraktiſch iit, während ein direktes Vordringen zum Benue, wie es jetzt wieder durch den Reiſenden Flegel erfolgt, nach Herrn Weſtendarps Anſicht ſehr gewinn— bringend ſein würde. Tripolis liefert jährlich 18000 ke, Bengaſi aus Wadai 5000 kg, im Werte zuſammen von ca. 345 000 Mark. Dieſe wie die folgenden Zahlen hat Herr Weſtendarp als fünfjährige Durch— ſchnittsziffern berechnet. Alexandrien und Kairo waren zeitweilig bedeu— tende Verkaufsplätze für das Elfenbeinmonopol der ägyptiſchen Regierung, doch konzentrierte ſich der ganze Elfenbeinhandel in Chartum, der einſtigen Hauptſtadt des ägyptiſchen Sudan, wo er in den Händen einiger ſyriſcher Kaufleute lag, bis Herr Weſtendarp einen eigenen Vertreter via Suakim-Berber nach Chartum ſchickte. Der Weg Suakim-Berber war damals ganz ſicher und wurde von den Leuten des Herrn Weſten— darp viermal in je neun Tagen ohne Schwierigkeit zurückgelegt, weshalb es wunderbar erſcheint, daß die engliſche Regierung nicht von hier aus ihren Vorſtoß gegen Chartum verſucht hat. Der Verſuch des Ham— burger Hauſes, in Chartum ſelbſtändig Elfenbein zu erwerben, wurde das erſte Mal durch die Schikanen des ſyriſchen Konſortiums verhindert, welches alle Zähne weit über den Preis aufkaufte. Auch ein zweiter Verſuch kam erſt direkt von Kairo aus zuſtande. Aegyptens Elfenbeinausfuhr aus Bahr-el-Ghaſal und Darfur betrug 83 000 kg, aus Bahr-el-Gebel und den ſüdlichen Provinzen 65000 kg, im Werte von 2368 000 Mark. Es folgen am Roten Meere die drei Häfen Sua— kim, Hafen des Sudan, Maſſaua, Ausfuhrhafen für Abeſſinien, und der Somalihafen Berbera. Die bei— den erſteren exportieren 19000 kg, letzteres mit eini— gen anderen kleinen Plätzen heute nur noch 7000 kg, während vor 20 Jahren, als das Hinterland noch Elfenbein lieferte, jährlich eine große Herbſtmeſſe in Berbera abgehalten wurde, zu der die Karawanen aus dem Innern und Schiffe aus Arabien und In— dien erſchienen. Auch das Monopol der arabiſchen und indiſchen Kaufleute an der Somaliküſte hat ſeitdem aufgehört, da ein Vordringen ins Innere an der Natur des Landes und dem Widerſtande der Somali ſcheiterte. Das Sultanat Zanzibar iſt noch heute für Elfen— bein das größte afrikaniſche Handelsgebiet, wo zwölf kleinere Häfen, wie Mombaſſa, beſonders Pagani, Sadani, Bagamogo 196 000 kg im Werte von 4000000 Mark und Zanzibar ſelbſt jährlich bis 980 000 kg exportieren. Erſchwerend wirkt auch hier neben dem Klima die Konkurrenz der arabiſchen Kauf— leute, beſonders aber der indiſchen Banianen, welche keinen Zeit- und Zinsverluſt kennen. Dieſe Kon— kurrenz kann erfolgreich nur durch Anlage feſter Sta— tionen von der Küſte aus bekämpft werden, welche weiter landeinwärts verſchoben werden müſſen, um das Elfenbein produzierende Hinterland zu erreichen, welches bis an die großen Aequatorialſeen reicht. Die Elfenbeinzufuhr von Zanzibar nach England hat ſich von 1840-1870 mit 300 000 kg auf 600000 ke verdoppelt, während der Preis ſtarken Schwankungen unterworfen war. 1840 — 1850 koſteten ſchwere Zähne per 50 kg 530 Mark, 1850—1870 ca. 720 Mark, 1872 1320 Mark, ſpäter bis 1879 ſind die Preiſe wieder ſtark gefallen. Uebrigens ſind auch ſonſt in Zanzibar gründliche Fachkenntniſſe nötig, um ſich vor Verluſten zu bewahren, da äußerlich ganz gleich aus— ſehende Zähne nach innerer Qualität oft um 20 Pro— zent differieren. Die portugieſiſche Mozambiqueküſte zeigt nach Herrn Weſtendarps Darſtellung ein trauriges und doch ſehr ausſichtsvolles Bild. Das ſeit 400 Jahren von einer europäiſchen, aber zur Koloniſation wenig befähigten Nation okkupierte Gebiet, heute verfallen und dem Mutterlande faſt nutzlos, würde zu ge— waltiger Blüte ſich entwickeln, wenn es für einige Millionen erworben, von einer phyſiſch kräftigen, fleißigen, genügſamen Nation bevölkert werden könnte, denn das Land liegt ſchon an der Grenze der Tropen, und wenn auch in Quilimane, dem Hauptausfuhr— hafen, das Waſſer und das Klima wegen ſchroffen Temperaturwechſels nicht geſund ſind, ſo vermag doch der Europäer bei mäßiger Lebensweiſe und körper— licher Bewegung ſich hier zu akklimatiſieren, beſonders wenn er ſeine Stationen landeinwärts verlegt, wo die Malariafieber weniger gefährlich ſind. Das Hin— terland der Mozambiqueküſte bilden die gewaltigen Gebiete des Nyaſſaſees, des Zambeſi und Schire mit gutmütigen Negerraſſen und enormer Produktions- fähigkeit, wie ſie auch der Elfenbeinhandel zeigt; denn die Elfenbeinausfuhr der Mozambiqueküſte beträgt jährlich 142 000 ke im Werte von 2840000 Mark, etwas weniger als die aus dem Sudan, erheblich mehr als die aus dem Niger- und Kongobecken. Die Stadt Mozambique ſelbſt führt wenig Elfenbein aus, das meiſte kommt aus dem wichtigen Hafen Quili— mane (nördlich von der Zambeſimündung), wo frei— lich neben dem Klima auch die Barren des Quili— manefluſſes den Verkehr erſchweren. Mit Elfenbein— handel beſchäftigt ſich, das Angenehme mit dem Nütz— 314 Humboldt. — Auguſt 1885. lichen verbindend, auch die engliſche Miſſionsgeſellſchaft Livingſtonia am Nyaſſaſee, kaufmänniſch African Lakes Comp. Limit. Glasgow genannt; außerdem erſcheint im April oder Mai jedes Jahres eine nach vielen Hunderten zählende große Elfenbeinkarawane des Ne⸗ gervolkes Matapuire in Boror, eine Tagereiſe von Quilimane; die Kaufleute aus Quilimane ziehen den Matapuires nach Boror entgegen, da letztere nicht nach dem Hafen kommen dürfen, und es entwickelt ſich dann in der ad hoe errichteten Hüttenſtadt Boror ein lebhafter Elfenbeinhandel, der freilich erſt nach Wochen in den Gang kommt, da man keine Eile hat und jeder Zahn einzeln gegen Tücher, Perlen, Meſ— ſingdraht, Gewehre, Pulver 2c. eingetauſcht wird. Das Hauptgeſchäft wird des Abends und Nachts ge— macht, wo die Kaufleute und die Matapuires ſich gegen— ſeitig an Schlauheit zu überbieten ſuchen. Die ganze Mozambiqueküſte liefert jährl. 142 000 ke = 2840 000 Mark, wovon nur 30000 kg = 1000000 Mark nach Europa kommen, während der Reſt meiſt nach In— dien geht. St. Luciabai und die Küſten der Kap⸗ kolonien ſind bereits für den Elfenbeinhandel unwichtig geworden, da mit dem früheren Wildreichtum auch der Elefant in den Hinterländern ſtark gelichtet, wenn nicht vertilgt worden iſt. Bekanntlich werden die wenigen Elefantenherden im engliſchen Kaplande heute nur noch durch ſtrenge Schongeſetze erhalten, und die Kapkolonien führen heute nur noch 29 000 kg im Werte von 500 000 Mark aus, gegen 52 000 ke in den ſiebziger Jahren. Damals verlohnte es ſich noch, Elefantenjäger mit ſchweren Ochſenwagen auf zwei bis drei Jahre zur Jagd und zum Tauſchhandel in das reiche Hinterland zu ſchicken, was heute zwecklos ſein würde. Die Wanderung des Herrn Weſtendarp geht um die Südſpitze Afrikas, vorbei an der ſandigen, waſſerloſen Küſte Angra Pequenas, welche kein Clfen- bein liefert, nach der portugieſiſchen Beſitzung Moſa— medes (15° ſüdl. Breite), die, in geſunder Lage um 1850 gegründet, 2000 ke liefert, während Benguela, ſeit dem Anfang des 17. Jahrhunderts der Haupt- hafen, 24000 kg ausführte. Auch hier, ebenſo in St. Paulo de Loanda iſt in den letzten Jahren wegen Abnahme der Elefanten und wegen hoher Zölle ein bedeutender Rückgang wahrnehmbar. Bemerkenswert erſcheint, daß das Elfenbein von Loanda und Ambriz, wie ſich aus der Qualität erkennen läßt, aus dem Kongobecken kommt, während das von Benguela, dem Oberlauf des Zambeſi entſtammend, die Reiſe von Oſten her durch Südafrika gemacht hat. Das in den letzten Jahren ſo raſch erſchloſſene Kongo— becken liefert jährlich 86000 ke = 1500000 Mark, ein Quantum, an welchem die Holländer, welche bisher im Kongo die größten Handelsintereſſen hatten, faſt mit der Hälfte, mit 30 000 —40 000 kg jährlich, beteiligt waren. Die Thatſache, daß die geſamte Elfenbein— produktion in den fünf Jahren vor der Erſchließung durch Stanley von 1875 —1879 441000 ke, in den fünf Jahren von 1879 — 1884 421000 ke betrug, beweiſt ſchlagend, daß, wenn trotz der großen An— ſtrengungen im Kongogebiet die Elfenbeinzufuhr ſogar ſich verringert hat, nicht ungemeſſene und für wertlos erachtete Quantitäten daſelbſt vorhanden ſein können. Von Kamerun und Gabun werden jährlich 64,000 ke = 1150000 Mark ausgeführt. Die Nigerküſte iſt in den letzten Jahren für den Elfenbeinhandel die wichtigſte im Weſten Afrikas geworden, da der ge— waltige Strom, durch keine Katarakte geſperrt, faſt das ganze Jahr hindurch mit flacheren Schiffen bis zu 5000 km landeinwärts befahren werden kann. Freilich haben die Preisſchwankungen des Elfenbeins ſeit 1879 nach Flegels Berichten auch am Niger bedeutende Händler ruiniert. Die größten Anſtren⸗ gungen haben hier in neueſter Zeit die Engländer ge— macht, welche durch die United Africa Company regel⸗ mäßige Dampfſchiffahrten auf dem unteren Niger un⸗ unterhalten. Der Gefamterport vom Niger-Benue, der ſeit 1876 bedeutend geſtiegen iſt, beträgt jährlich 89000 kg. Die Küſten von Ober-Guinea, welche noch in der erſten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine reiche Ausbeute an Elfenbein gewährten, die Sklaven-, Gold-, Zahn- und Pfefferküſte, ſind in ihrer Pro— duktion ſo weit zurückgegangen, daß ſie heute nur noch 14 000 kg zu liefern vermögen. Den Schluß als Elfenbeinquelle für Europa macht Senegambien mit 5000 kg, da die 8000 kg, welche Marokko jährlich von Timbuktu bezieht, nicht ausge— führt, ſondern im Lande ſelbſt zu Flintenkolben und Schmuckgegenſtänden verarbeitet werden. Ganz Afrika lieferte in den fünf Jahren von 1879—1883 jährlich von der Oſtküſte 564000 ke, von der Weſtküſte 284 000 ke, total 848,000 kg, im Werte von 15— 17000 000 Mark; dabei iſt der Ver— brauch in Afrika ſelbſt, weil nicht zu berechnen, un— berückſichtigt gelaſſen. Jährlich wurden zu dem Zweck 65000 Elefanten in Afrika abgeſchlachtet. Schnell aber werden die Zeiten nahen, wo die afrikaniſche Elfenbeinausfuhr auf viel kleinere Ziffern ſinken wird, da der wilde Elefant, wie die Südſpitze Afrikas be— weiſt, raſch vor der Kultur verſchwindet und in ab— ſehbarer Zeit vertilgt ſein wird. Haben wir doch ſchon das Gleiche am amerikaniſchen Biſon erlebt! Ob die Hoffnung des Herrn Weſtendarp ſich ver— wirklichen wird, daß es unſerer geduldigen und klugen deutſchen Nation gelingen werde, den afrikaniſchen Elefanten zu zähmen und als Haustier nutzbar zu machen? Für die Qualitätsbeſtimmung des afrikaniſchen Elfenbeins gab der Vortrag des Herrn Weſtendarp wichtige Aufſchlüſſe. Die alles bildende und treibende Wärme beſtimmt auch die Qualität des Elfenbeins, ebenſowohl in In— dien wie in Afrika. Je näher ein Elfenbeingebiet am Aequator liegt, je wärmer, tiefer und feuchter es iſt, deſto feiner und transparenter iſt das Elfenbein; je weiter das Gebiet ſich vom Aequator entfernt, je höher und trockener es liegt, deſto gröber und dichter iſt die Qualität. Der afrikaniſche Elefant lebt nicht nur in den heißen feuchten Niederungen, ſondern auch hoch im Gebirge, im Kamerungebirge bis zu 3000 m Humboldt, — Auguſt 1885. 315 am Kilimandſcharo nach Fiſchers und Johnſtons Berichten aus dem Maſſailande bis zu einer Höhe von 4200 m. Daher liefert Pagani in der Nähe des Aequators das ſchönſte und feinſte Elfenbein der Oſt— küſte, daher erhalten wir von Gabun eine ſchöne trans— parente ſogenannte grüne Qualität, während Kamerun ſchon gemiſchte, teils feine, teils gröbere Sorten ex— portiert, je nachdem ſie von Süden oder Norden kom— men. Daher iſt das Elfenbein von Senegambien das gröbſte und wertloſeſte, ebenſo das von Moſamedes von der Südgrenze der Weſtküſte. Uebrigens iſt die Qualität der Weſtküſte von der der Oſtküſte ganz verſchieden, jene iſt hart und ſpröde, außen gelb oder braun, innen hellgelb oder weißlich blau grün, dieſe weich und dunkler gelb, außen gelb— lich weiß. Das Studium der Elfenbeinausſtellung beſtätigte und ergänzte die Weſtendarpſchen Ausführungen. Sieben große Säugetiere, von denen eines ſchon aus der Reihe der Lebendigen geſtrichen iſt, während die übrigen die Ausſicht haben, in näherer oder fer— nerer Zeit das gleiche Schickſal zu teilen, liefern heute noch in ihren Zähnen den Stoff, welchen man in weiterem Sinne als Elfenbein bezeichnet: das ſibi— riſche Mammut, der afrikaniſche Elefant, der aſiatiſche Elefant, das Nilpferd, das Walroß, der Narwal und der Kaſchelot oder Pottfiſch (Catodon macrocepha- lus). Sämtliche Tierarten waren in ihren Zähnen auf der Ausſtellung reich vertreten, ob auch Zähne des weſtafrikaniſchen Nilpferdes (Hippopotamus li- beriensis, beſſer minutus oder brachycephalus) dar— unter waren, welches eine eigene Art bildet und über welches ich nach dem Studium des lebenden Tieres ſpäter im „Zoologiſchen Garten“ berichten werde, vermag ich nicht zu ſagen. Die Mammutausſtellung wurde repräſentiert durch einen prachtvoll erhaltenen und ausgebildeten Stoß— zahn, Querſchnitte von guten Zähnen und daraus gearbeitete Billardbälle und eine Reihe verwitterter Mammutzähne. Der etwa 160 em lange und 18 em ſtarke Hauptzahn zeigte wohlentwickelt die Eigenart des Mammutzahnes, ſich im Bogen nach vorn, oben und mit der Spitze nach unten und außen zu biegen, fo daß der Zahn, von oben geſehen, eine s-förmige Biegung beſchreibt. Er war, bis auf die jedem Cle- fantenzahn an der Wurzel eigene Höhlung vollſtändig maſſiv, außen von gelbbrauner Farbe, wie manche afrikaniſche Zähne, ohne weſentliche Riſſe, die Quer— ſchnitte und Bälle zeigten die mittelfeine guillochierte Struktur des aſiatiſchen Elfenbeins und weißlich gelbe Farbe und beweiſen, daß ein Teil des im Flußgebiet der Lena gefundenen ſibiriſchen Elfenbeins ſich in gleichmäßig kalter Temperatur (und jedenfalls in größerer Tiefe) ſehr wohl erhalten hat und ſo gut wie modernes Elfenbein ſich verarbeiten läßt. Die verwitterten Zähne ließen an der Oberfläche die gelb— braune Farbe auch noch erkennen, waren aber mehr— fach geſprungen und zeigten an den Bruchflächen die Ablöſung und Abbröckelung der konzentriſchen Jahres— ringe, wie man ſie an den zahlreichen Mammutzähnen des Thieder Berges bei Braunſchweig ebenfalls be— merken kann. Daß die Brücke vom heutigen Elefan— ten zum Mammut noch nicht gänzlich abgebrochen iſt, beweiſt ein von mir früher im „Zoologiſchen Garten“ beſchriebener ganz behaarter Elefant aus Ceylon; be— ſonders aber zeigten zwei zuſammengehörende Stoß— zähne der Ausſtellung aus Siam eine auffallende Aehnlichkeit mit Mammutzähnen, auch ſie waren lang bei verhältnismäßiger Schlankheit (etwa 10 em Durch- meſſer) und bogen ſich halbmondförmig mit den Spitzen nach außen. Abnorme afrikaniſche Zähne beſaßen gleichfalls ſchlanke Formen mit s-förmiger Biegung. Auch Herr Weſtendarp erkannte in ſeinem Vor— trage die Aehnlichkeit des Mammutelfenbeins mit dem ſiameſiſchen an und ſchloß wegen der Qualität und Struktur, daß an der Lena einſt ein ähnliches Klima geherrſcht haben müſſe wie heute in Siam, eine Anſicht, die wohl zu beachten iſt, da man den großen Einfluß der Wärme und Feuchtigkeit auf die Struktur des Elfenbeins bisher nicht genügend be— achtet hat. Den Glanzpunkt der Ausſtellung bildete eine große und ſehr vollſtändige Kollektion afrikaniſchen Elfen— beins. In der Mitte des Raumes erhob ſich eine gewaltige Pyramide, zuſammengeſetzt aus den größten überhaupt vorkommenden Zähnen und überragt von einem ganz geraden, etwa 146 cm langen und 12 cm ſtarken Mozambiquezahn. Die Heimat der gewaltigen Zahnrieſen ijt das Herz von Centralafrika, Bahr-el— Ghaſal, Bahr-el-Gebel, Darfur, Udjidji, Niam-Niam, Victoria-Nyanſſa, Tabora, Uganda. Sie ſind ſämt— lich gleichartig, flach gebogen, 200 bis 220 cm lang, bis 17 cm ſtark, mehr als 90 ke ſchwer. Charakteriſtiſch iſt, daß ſie ſich bis zur Spitze, die in einen rundlichen Kegel ausläuft, nur wenig verjüngen, während die kleineren Zähne nach der Spitze zu gleichmäßig dünner werden. Ihre Farbe iſt weißlich grau, ihre glatte Oberfläche von einer Menge kleiner Längen- und Querriſſe durchzogen, ein Beweis, daß dieſe Zähne, nicht erbeutet, ſondern gefunden und bereits längere Zeit an der afrikaniſchen Sonne oberflächlich verwit— tert, von Tieren herrühren, die an Altersſchwäche ge— ſtorben ſind. Dieſe Zähne repräſentieren alſo die höchſte Entwickelung, deren der Elefantenzahn fähig iſt, und man kann ſich ſchwer eine Vorſtellung machen von dem Schädel, der dieſe faſt 200 kg mit gewal— tiger Hebelkraft ſpielend trug, von den vielen Jahr— zehnten, welche nötig waren, um dieſe Zahnkoloſſe auszubilden und zu erhalten. Sie waren aber noch nicht die längſten; ein ſtärker gebogener Zahn aus Zanzibar zeigte die enorme Länge von 264 em bei 14 em Durchmeſſer! Eine zweite Klaſſe von Zähnen repräſentierte die wertvollen Qualitäten von der Weſtküſte. Sie waren alle erheblich kürzer, 100—140 em lang, 9—12 cm ſtark und ſtammten offenbar von erbeuteten Tieren. Die Farbe der Zähne von Lagos und der Zahnküſte iſt heller gelblich braun, der vom Ambriz, Kongo, Kame— run, Gabun, Niger ſchön dunkelkaſtanienbraun, von Angola faſt ſchwarz. Die braunſchwarze Färbung, 316 Humboldt. — Auguſt 1885. welche nur die harten Qualitäten der Weſtküſte be- ſitzen, dringt auch in die Oberfläche hinein und iſt offenbar ein färbendes Pigment, wie in der Haut des Negers. Die Oberfläche eines ſchönen harten Gabun⸗ zahnes war glatt und glänzend, wie poliert; eine mir vorliegende Probe der ſogenannten grünen Qualität von Gabun zeigt im Längenſchnitt außen ſpiegelblanke kaſtanienbraune Oberfläche, innen eine eigentümlich rötlich grüne Färbung mit ſtarker Transparenz an der dünnſten Stelle und fein geflochtener Struktur; bei einem Meſſer der weniger guten Qualität von Kamerun iſt die Oberfläche etwas rauher, mit Poren, in denen beſonders das gleichfalls in die Oberfläche eindringende Pigment ſitzt. Innen iſt die Färbung gelblich grau mit gröberen unregelmäßigen Adern. Die Form der Zähne von der Zahnküſte iſt dick mit kolbiger Spitze, ein Miniaturbild der Zähne von Udjidji und Niam⸗Niam; die Nigerzähne zeigen eine ſchlanke Spitze; die vom Kongo ſind im eleganten Halbkreiſe gebogen und heißen, da ſie wegen ihres runden Querſchnitts von 8 em und ihrer Claſticität ſich beſonders zu Billardbällen eignen, Ballzähne. Die Zähne der weichen Qualität von der Oſtküſte, befon- ders von Zanzibar, ſind weißlich gelb, die Oberfläche zeigt Längenfurchen mit feinen langen, nicht wie an der Weſtküſte runden Poren, die innere Struktur eines mir vorliegenden Längenſchnitts hat auffallende Aehnlichkeit mit der eines ſchräg durch Eichenholz ge— führten Schnittes, die Jahresringe ſind innen gelblich, außen weißlich gefärbt, das Flechtwerk der Adern iſt viel unregelmäßiger als an den guten Zähnen der Weſtküſte. Uebrigens tragen alle von Zanzibar kom— menden Zähne den dortigen Zollſtempel, der un— gefähr ausſieht wie ein 2 em langer Elefant ohne Rüſſel und mit kurzen Beinen, auch ſind viele mit flach eingeſchnittenen runenähnlichen Zeichen verſehen. Ein etwa 90 cm langer, 12 em dicker Zahn des ſumatraniſchen Elefanten hat großes Intereſſe, weil er in der Sammlung des Herrn Weſtendarp ein Unikum iſt und einer noch ſehr unbekannten Species angehört. Ich habe Gelegenheit gehabt, den ſuma— traniſchen Elefanten bei Herrn Hagenbeck in Ham— burg zu ſtudieren. Er unterſcheidet ſich durch die niedrigere Stirn, die, ähnlich der des afrikaniſchen Ele— fanten, ſchräger abfällt, durch die höher ſitzenden Ohren und die ſtärkeren Unterkiefer vom indiſchen, wenn auch die Unterſchiede ſich nur wenig bemerkbar machen. Denn der Schädel des indiſchen Elefanten beſitzt außer— ordentliche individuelle Verſchiedenheiten, ſo daß nicht 2 von den mehr als 20 Elefanten des Herrn Hagen— beck ſich gleichen; ein erwachſenes Weibchen aus Ceylon hatte z. B. eine ſehr ſtarke Ramsnaſe und ein ganz anderes Profil, als die übrigen. Der ſumatraniſche noch nicht ganz erwachſene Elefant des Herrn Ha— genbeck beſitzt ebenfalls Stoßzähne, aber ſie ſind erſt ca. 18 cm lang und wie bei den meiſten in der Gefangenſchaft aufgewachſenen und gehaltenen Ele— fanten ſo wenig charakteriſtiſch entwickelt, daß ſich keine Schlüſſe daraus ziehen laſſen. Ganz anders der Sumatrazahn des Herrn We— ſtendarp. Er iſt nicht ſchlank wie die Stoßzähne des indiſchen Elefanten, ſondern ziemlich ſtark ge- bogen, bis zur Spitze kolbig verſtärkt, den Zähnen von Lagos außerordentlich ähnlich. Wie ſie, gehört er der harten Qualität an, hat eine glänzend glatte Ober- fläche und im letzten Drittel eine ſchöne gelblich braune Färbung. Auch auf Sumatra bewirkt alſo der Aequa⸗ tor eine gleiche Zahnentwickelung wie an der Weitz küſte Afrikas. Sehr zahlreich waren in der Ausſtellung abnorme Elefantenzähne. Die Abnormitäten laſſen fic) ein- teilen in natürliche, krankhafte, und durch Verletzungen, beſonders Kugelſchüſſe bewirkte. Als abnorm muß ſchon der oben erwähnte ganz gerade Mozambiquezahn bezeichnet werden; ein anderer gerader Zahn von ca. 50 em Länge und 6,5 em Durchmeſſer war ſehr auf— fallend, weil er ſieben- bis achtmal ſpiralig gewunden war, ähnlich dem Narwalzahn; zwei andere Zähne waren 8-förmig gebogen, einer mit ſtarker Furchung zeigte die Biegung eines Dreiviertelkreiſes von ca. 20 em Durchmeſſer, ein anderer hatte ſogar 1¼ Schrauben- windung. Die Degenerationen des Stoßzahnes der Elefan— ten, welche man in großer Mannigfaltigkeit in der Ausſtellung ſtudieren konnte, ſind von hohem Intereſſe, weil ſie uns Aufſchluß geben über das Wachstum und die Entwickelung des Zahnes, welche die größte Aehn— lichkeit beſitzt mit der eines Baumſtammes, wie denn auch die Krankheiten des Zahnes denen des Baumes und Holzes gleichen. Schon der Längen- und Querſchnitt des geſunden Elefantenzahnes laſſen erkennen, daß die Struktur des Elfenbeins der des Holzes außerordentlich ähnlich iſt; wir ſehen, daß das Elfenbein ſich in konzentriſchen Ringen ablagert, daß härtere und weichere Streifen und Faſern mit einander abwechſeln, daß die Faſern in mehr oder weniger regelmäßiger Weiſe ineinan— der verflochten ſind, daß weichere und härtere Teile miteinander abwechſeln, worauf auch die große Elaſti— cität des Elfenbeins beruht. Ich möchte bei dieſer Gelegenheit noch auf die Notwendigkeit der genauen mikroſkopiſchen (beſonders der Dünnſchliffe) und chemi— ſchen Unterſuchung der Elfenbeinmaſſe und des Pig— mentes hinweiſen. Die verſchiedenſten Proben wür— den gewiß von Herrn Weſtendarp gern zur Ver— fügung geſtellt werden. Die Ausſtellung zeigte zunächſt eine ganze Anzahl von Zähnen, welche ohne erkennbare Urſache degene— riert waren. Man kann annehmen, daß anderweitige Krankheiten des Tieres, beſonders aber Schmarotzer und Pilze, welche von der Wurzel her den Zahn angreifen und zerſtören, die Veranlaſſung ſind. Die Krankheiten ſind Aushöhlungen des Innern, Trennung der konzentriſchen Ringe, und Wucherungen. Während beim gefunden Stoßzahn nur der Baſalteil von ½ oder ¼ Zahnlänge hohl ijt, geht bei den kranken Zähnen die Höhlung bis zur Spitze hin. Bei man— chen Zähnen war im Querſchnitt die Wandung nur noch halb ſo ſtark als der Radius des Durchmeſſers, bei anderen war die Höhlung ſo weit vorgeſchritten, Humboldt. — Auguſt 1885. 317 daß die äußere Hülle nur noch die Stärke von dickem Papier hatte; die Farbe dieſer Hülle war grauweiß, die Struktur pergamentartig, ein Beweis, daß der phosphorſaure Kalk verſchwunden war. Mehrfach ſteckten die papierdünnen Ringe ineinander. An und in der Wurzelhöhlung der Zähne fanden ſich knollige Wucherungen und ausgefreſſene Höhlungen, ein Be— weis, daß von hier aus durch Pilze oder Schmarotzer die Zerſetzung des Zahnes bewirkt worden war. Manche Zähne waren auch in der ganzen Länge von außen knollig und verwuchert, ſo ein bandartig flacher Zahn von 32 em Länge und 4,5 reſp. 2,5 em Durchmeſſer. Auch ein größerer und ſtärkerer Zahn zeigte an ſeiner ganzen Oberfläche knollige Wucherungen. Die Färbung war dann immer graugelb und krankhaft. Die Verletzungen vieler Zähne durch Kugeln be— wieſen, daß die Natur beſtrebt iſt, den Organismus des Zahnes, in dem wir uns, ſolange das Tier lebt, die Säfte bis zur Spitze durch die ganze Zahnſubſtanz cirkulierend denken müſſen, durch knollige Vernarbung der Wundränder zu heilen, ganz ähnlich wie an dem Aſtloch eines Baumes, daß aber auch in dieſem Falle Wucherungen und Difformationen eintreten. Ein großer, ca. 120 em langer und 9,5 em ftarfer Zahn war im unteren Drittel von einer großen Kugel in der Mitte getroffen, die den Zahn etwa zu / durch— bohrt hatte und jedenfalls ſpäter herausgefallen war. (Elefantenbüchſen mit einem Kaliber von ca. 3,5 cm hatte die Firma Stein in Hamburg ausgeſtellt.) Der Träger des Zahnes hatte offenbar noch viele Jahre gelebt, bis auch er dem unerbittlichen Geſchick erlegen war. Die Ränder des runden aber riſſigen Loches waren mit Wucherungen vernarbt und der Zahn von der Kugelöffnung bis zur Spitze von 9,5 em auf faſt 12 em Durchmeſſer kolbig verdickt. Auch hier war die Oberfläche höckerig. Welche Kraft und Thätigkeit hatte hier die Natur nach der Verletzung des Zahnes entwickelt! Mehrere Querſchnitte zeigten Eiſen- und Blei— kugeln in der Mitte der Zahnmaſſe: das Elfenbein hatte dann innen eine maſerige unregelmäßige Struktur mit gelben Flecken und Tüpfeln; der Umſtand, daß die Kugel bei unverletzter Wandung des Zahnes mehr— fach feſt und glatt in der Zahnmaſſe ſteckt, beweiſt, daß die Kugel beim Wachstum des Zahnes in der Längenachſe desſelben wandert und fortgeſchoben wird, ſo daß ſie ſpäter an einer ſcheinbar unverletzten Stelle ſitzt. Außerordentlich merkwürdig war eine vollſtän— dig in Elfenbeinmaſſe eingekapſelte Kugel, welche in dieſer Kapſel wieder im Zahn geſteckt hatte. Der Durchmeſſer der Kapſel war ca. 4 em, die Oberfläche rauh und zackig, die Kapſel hatte ziemlich loſe in der Höhlung gelegen. Daraus folgt, daß ſich die Elfen— beinmaſſe, geradezu als flüſſiges Sekret aus dem Zahn abgeſondert, um die Kugel gelagert haben muß. Dieſe Beiſpiele werden genügen, um die große Aehnlichkeit mit analogen Entwickelungen am Baumſtamm bei Krankheiten und Verletzungen zu beweiſen. In den Höhlungen der Zähne hat Herr Weſten— darp eine große Menge von fremdartigen Gegen— Humboldt 1885. ſtänden gefunden, welche teils zufällig hineingeraten, teils aber abſichtlich hineingeſteckt, vom mineralogiſchen, botaniſchen und ethnographiſchen Standpunkte aus intereſſant ſind. Wer glaubt, daß das von der Kultur noch unbe— rührte Innere Afrikas unverfälſchtes Elfenbein liefert, iſt im Irrtum, denn der erfindungsreiche Neger gießt, da beim Verkauf des Zahnes auch das Gewicht mit— ſpricht, Blei in die Wurzelhöhlung des Zahnes, eine Fälſchung, die, wenn man keinen Arg hat, ſchwer zu entdecken iſt, da die innere Höhlung des Zahnes dunkel iſt und das Blei an den Unebenheiten der Wandung ſehr gut haftet. Er keilt ferner eiſenhaltige Steine und Kupfererze, auch ganze Eiſen- und Kupferſtücke, um das Gewicht zu vermehren, in die Zahnhöhlung, abgebrochene Speerſpitzen kamen abſichtlich oder auch infolge des Kampfes hinein; von größtem Intereſſe war eine aus ſtarkem Eiſenblech muſchelartig zuſammen— gebogene und innen Eiſenſtücke enthaltende Schelle, weil ein ganz gleiches Inſtrument Dr. Fiſcher aus Zanzibar von ſeiner Reiſe aus dem Maſſailande weſt— lich von Victoria-Nyanſſa mitgebracht hat. In einem indiſchen Zahn fand ſich eine afrikaniſche Haarnadel aus Elfenbein, in einem afrikaniſchen Zahn ein kleiner, von einem netzartigen Geflecht umſchloſſener Beutel, getrocknete und zuſammengefaltete Blätter und Pflan— zenteile enthaltend, vielleicht ein Amulett; in vielen afrikaniſchen Zähnen ſteckten trockene Früchte und Nüſſe, unter denen ich Kolanüſſe und Erdnüſſe erkannte, während mir die übrigen unbekannt waren. So ge— währen ſelbſt die Funde in den Zähnen eine wiſſen— ſchaftliche Ausbeute, die noch einer näheren Unterſuchung wert wäre, als ich ſie in der ſehr knapp zugemeſſenen Zeit anſtellen konnte. Zahlreiche Arbeiten und Schnitzereien aus Afrika und Indien waren neben den Zähnen von Herrn Weſtendarp ausgeſtellt worden. Aus Afrika in— tereſſierten beſonders die Arm- und Beinringe, die Reis- und Fleiſchklopfer und die Trompeten und Hörner aus Elfenbein. Herr Weſtendarp bemerkte in ſeinem Vortrage mit Recht, daß die als wertvollſter Schmuck in beiden Ländern weitverbreiteten Elfen— beinringe zwiſchen Afrika und Indien einen ähnlichen Kulturabſtand zeigen, wie die indiſchen Elfenbein— arbeiten mit europäiſchen verglichen, zwiſchen Indien und Europa. In der That erſcheinen die afrikaniſchen Arbeiten plump und mühſelig gegenüber den geſchickt und gefällig gearbeiteten indiſchen Elfenbeinſachen; aber welcher Abſtand noch zwiſchen ihnen und einer in Hamburg geſchnitzten und von Herrn Weſtendarp ausgeſtellten Elfenbeinſtatuette eines Gorilla, der ſchmunzelnd in dem Buche von Darwin über die Ab— ſtammung des Menſchen lieſt, oder zwiſchen den mit kunſtvollen Reliefs geſchmückten Jagdhörnern des Abendlandes! Die afrikaniſchen Armringe ſehen aus wie recht plumpe Serviettenbänder, die Kriegstrompeten ſind mit großer Mühe aus großen Elefantenzähnen gear— beitet, die man nach der Spitze zu mühſelig ver— jüngt, der ganzen Länge nach durchbohrt und an 41 318 Humboldt. — Auguſt 1885. der Spitze mit zwei länglichen Löchern verſehen hat; bei einer Trompete war das Mundſtück ein nicht un— geſchickt geſchnitzter Negerkopf. Verziert waren die Trompeten meiſt mit Ornamenten, die aus kleinen konzentriſchen Kreiſen [e) oder ()] zuſammengeſetzt ſind. Dieſe Verzierungen ſind ſehr merkwürdig, weil wir ſie genau ſo auf vorgeſchichtlichen, auch römiſchen Elfenbeinkämmen finden: ſie beweiſen, daß noch heute in Afrika ſich eine Ornamentik des Elfenbeins erhal— ten hat, welche ſchon in grauer Vorzeit ihren Weg nach Europa fand. Der Ton der Elfenbeintrompeten, mit welchen während der Sitzungen des Geographen— tages wiederholt Unberufene unliebſame Störungen verurſachten, iſt dumpf durchdringend und gleicht auf— fallend dem eines Nebelhorns. Die afrikaniſchen dort viel gebrauchten Reis- und Fleiſchklopfer ſind 25 em lange Elfenbeincylinder mit dünnerem Griff, oben durch ſchräg ſich kreuzende Rillen eingekerbt, von gelb— brauner Farbe. Die oſtindiſchen Trompeten, viel eleganter ge— arbeitet als die afrikaniſchen, teilweiſe vergoldet und mehrfach auch mit dem erwähnten Kreis- und Punkt⸗ ornament verziert, ſtellt man in Indien aus hohlen afrikaniſchen Zähnen her, da die indiſchen Zähne nicht ſtark genug und für die Durchbohrung meiſt zu ſtark gekrümmt ſind. Ebenſo werden die indiſchen Arm- und Beinringe meiſt aus afrikaniſchem Elfenbein gearbeitet. Die in Catſch, Amritſar und Jullundhur verfer— tigten Ringe heißen Bengelringe, ebenſo die Zähne Bengelzähne. Zum Teil haben ſie eine dünne Wan— dung und find mit roten, grünen, vergoldeten Orna— menten bedeckt. Von weiterem Intereſſe waren in Indien gedrechſelte Kegel und kleinere kegelartige und durchbohrte Gegenſtände, wahrſcheinlich Schachfiguren, Büchſen, Näpfe u. dergl. Ohrknöpfe, kreisrund mit ausgezackter Peripherie, in der Mitte der Scheibe koniſch erhaben, welche man wie Manſchettenknöpfe durch die Oeffnung des Ohrläppchens ſchraubt und befeſtigt, werden in Hamburg gearbeitet und nach Afrika exportiert. Vom Nilpferde werden bekanntlich beſonders die beiden Eckzähne des Unterkiefers techniſch verwendet, außerdem die beiden vorderen Schneidezähne, weniger die Eck- und Schneidezähne des Oberkiefers. Auch hier wie beim Elefanten gilt das Geſetz, daß bei dem in Gefangenſchaft lebenden Tiere die Zähne immer unbedeutend bleiben. Die Ausſtellung enthielt be— ſonders hervorragende Exemplare von Zähnen des Unterkiefers, ſowohl normale als abnorm entwickelte. Die Färbung auch der Nilpferdzähne wird in Afrika vielfach eine rotbraune; ein ſtark gefurchter Eckzahn war °/s kreisförmig gebogen mit einem Durchmeſſer des Kreiſes von 16 em und einer Zahnſtärke von 4,2 em, ein anderer von ca. 28 em Länge zeigte die ſchraubenförmige Drehung des Mammutzahnes; von den vorderen Schneidezähnen waren Exemplare von 18 em Länge vorhanden. Narwalzähne waren in einer Anzahl von 6 bis 8 Exemplaren ausgeſtellt, doch erreichen die Tiere heute offenbar nicht mehr die Entwickelung wie in früheren Jahrhunderten, wo man bis 3m lange Zähne erbeu— tete, während die ausgeſtellten Zähne wenig über Im lang waren. Auch das berühmte Unikum, der zweizahnige Schädel eines weiblichen Nar— wals, welcher 1684 von Peterſen aus Grönland nach Hamburg gebracht wurde und welcher heute eine Hauptzierde des dortigen naturhiſtoriſchen Muſeums bildet, zeigt eine viel ſtärkere Entwickelung der beiden Stoßzähne, die ungefähr gleich lang und ſtark ſind. Bekanntlich entwickelt ſich ſonſt nur beim männlichen Narwal der linke Stoßzahn mit der Drehung von rechts nach links, während dem Weibchen die Stoß— zähne fehlen. An dem weiblichen Hamburger Schädel dreht ſich der rechte Zahn von links nach rechts. Die Walroßzähne der Ausſtellung zeichneten ſich zum Teil durch erhebliche Länge (bis 70 em) und be- deutende Stärke (bis 8 em) aus. Von Intereſſe war ein grönländiſcher Schlittſchuß aus Wallroßzahn von ca. 28 em Länge, der durch Abſchleifen der ſeitlichen Zahnflächen mit der Biegung nach unten hergeſtellt, oben an der Seite mit einem Falz verſehen war und vorn ein viereckiges Loch, in der Mitte zwei horizontal ſtehende und hinten zwei vertikal übereinander lie— gende Löcher zur Befeſtigung der Riemen und Schnüre enthielt. Die 24 Zähne im Unterkiefer des Kaſchelots be- ſitzen gleichfalls eine elfenbeinartige Struktur und werden ähnlich zu kleineren Dingen verarbeitet. Auch ſie waren in zahlreichen und zum Teil rieſigen Exem— plaren wohl vertreten. Die Zähne des Kaſchelots ſind etwa 11 em lang und haben faſt genau die Form und Größe einer Bananenfrucht, d. h. ſie ſind ſchwach gebogen und an der Wurzel und Krone koniſch ab— gerundet. Ihre Struktur iſt eine konzentriſche und maſerige, doch laſſen ſich deutlich zwei Hauptſchichten erkennen, ein gelblicher ſcharf begrenzter Kern und eine weißgelbe Umhüllung. Die Außenfläche iſt bei den kleineren Zähnen ziemlich glatt. Ein abnormer, ziemlich ſtark gebogener Zahn hatte in ſeiner inneren Biegung, wohl infolge einer Verletzung, eine ſtarke Wucherung, ähnlich der von abnormen Clefanten- zähnen. Zwei rieſige Kaſchelotzähne zeigten die Entwicke— lung, welche der Zahn dieſes Tieres erreichen kann. Sie waren 17 em lang und 5,5 em ſtark. Die ſtark abgenutzte flachrundliche Krone zeigte deutlich die bei— den Knochenkerne und war ſcharf gegen die knollig verſtärkte Wurzel abgegrenzt. Letztere hatte eine ſehr rauhe Oberfläche und ein flach abgerundetes Wurzel— ende. Ein aus aneinander gereihten Kaſchelotzähnen gebildetes Halsband, wahrlich ein recht gewichtiger Schmuck, war zum Export nach dem Innern Afrikas beſtimmt. Außer der Meyerſchen Elfenbeinausſtellung war vom zoologiſchen Standpunkt die der Firma Rams- eger von Bedeutung, welche Geweihe und Gehörne umfaßte. Darunter waren freilich viele bekanntere Formen, ſo von vielen afrikaniſchen Antilopen, meiſt in hervorragender Größe; aber auch manches Neue. Dahin rechne ich zwei Gehörne des noch ſo wenig Humboldt. — Auguſt 1885. 319 bekannten ſibiriſchen Rehs (Cervus pygargus). Die beiden ausgeſtellten Gehörne übertrafen die größten Exemplare von europäiſchen Rehgehörnen bei weitem. Die ca. 34 em langen, auf ſehr hohem Roſenſtock ſitzenden, oben ca. 20 em entfernten und ſehr ſtark geperlten Stangen zeigten in allen drei Sproſſen, auch der Augen- und Hauptſproſſe, eine entſchiedene Biegung nach rückwärts, wodurch ſie ſich erheblich von dem normalen europäiſchen Rehgehörn unter— ſcheiden. Ferner waren ſchöne Geweihe des japa— niſchen Sikahirſches mit ſchlanken dreiſproſſigen, ziem— lich nahe aneinander ſtehenden Stangen bemerkenswert. Derſelbe ſteht den ſüdoſtaſiatiſchen Hirſchen, dem Wris-, Sambur-, Schweine- und Mähnenhirſche nahe, während er von dem chineſiſchen Davidhirſche ſehr verſchieden iſt, bei dem die Augenſproſſe ſich mit einer Gabelung mächtig entwickelt, das ganze ſehr ſtarke Geweih überhaupt nach vorn drängt. Das Geweih des oſtaſiatiſchen Cervus Lithdorfii war mir augen— blicklich nicht zur Vergleichung bei der Hand. Ge— hörne des Kaffernbüffels zeigten die enorme Ent— wickelung von 26cm Durchmeſſer an der Wurzel und Im Entfernung in der äußeren Krümmung der Hörner. Eine reiche Kollektion von ſüdamerikaniſchen und afrikaniſchen Rinderhörnern reſp. -ſchädeln, welche durch photographiſche Abbildungen von Rindern aus Chili 2c. unterſtützt wurde, bewies für Veränderungen, denen das in Südamerika und Afrika domeſtizierte europäiſche Hausrind unterliegt. Die Hörner an einem Schädel von Iquique in Peru zeigten eine ſolche Glätte der Politur und eine ſolche Feſtigkeit der fein dunkelgrau und weiß marmoirierten Horn— maſſe, wie fie das europäiſche Rind nicht beſitzt. Ochſenhörner aus Rio Janeiro hatten bei verhältnis— mäßiger Kürze einen Durchmeſſer von 12 cm an der Wurzel und waren vom Schädel aus ſeitwärts nach unten und außen gebogen, alſo auch ſehr abweichend von europäiſchen Formen. Den Schädel eines ſüd— afrikaniſchen Ochſen charakteriſierten die bedeutende Verlängerung der Stirn und des Geſichts, ſowie die außerordentliche Entwickelung der faſt in gleicher Ebene mit der Stirn liegenden Hörner als Abwei— chungen, welche ſich an unſerem Hausrinde in Süd— afrika entwickeln. Die 80 em langen, nach außen, oben und mit den Spitzen wieder weit nach außen gebogenen Hörner waren mit ihren Enden 150 cm voneinander entfernt. Die angeführten Beiſpiele beweiſen wohl zur Ge— nüge den zoologiſchen und wiſſenſchaftlichen Wert, welchen auch dieſer Teil der geographiſchen Ausſtellung im Hamburg beſaß. Ueber das Nahrungsbedürfnis der Feldmaus (Arvicola agrestis). Don Prof. Dr. Auguſt Vogel in München. WES bekannter heidniſcher Sage verſchlang der alte Gott Saturnus, auch Kronos genannt, ſeine Kinder ſogleich nach der Geburt. Aehnliches weiß man heutzutage von den Schweinen; mitunter frißt das Mutterſchwein, wohl auch der Eber, die jungen Tiere. Dieſe Manier des Kinderfreſſens ſcheint bei den Schweinen ſchon vor langen Jahren Mode ge— weſen zu ſein; macht doch nach Shakeſpeare der berühmte Sir John Falſtaff dem kleinen Pagon in ſeiner Begleitung den witzigen Vorwurf: „Ich gehe hier vor dir her wie eine Sau, die ihren ganzen Wurf aufgefreſſen hat, bis auf eins.“ Minder all— gemein bekannt ſcheint es zu ſein, daß auch die Feld— tem Berichte jüngſt in Löchern auf Feldern eine einige recht flinke, lebensmutige Mäuſe. Einige Mäuſe fielen über ihre Kameraden her und fraßen dieſe bei lebendigem Leibe auf. In den meiſten Fällen fingen ſie den Fraß bei den Ohren an, welche hier— nach als beſondere Delikateſſe beliebt zu ſein ſcheinen. Die ermatteten Mäuſe ließen alles geduldig über ſich ergehen und verendeten unter den Zähnen ihrer Brü— der. Um dieſe Thatſache noch ſicherer feſtzuſtellen, fing ein Landwirt ein Dutzend Mäuſe, ſetzte ſie in ein Gefäß, aus welchem ſie nicht entwiſchen konnten, und gab ihnen keine Nahrung. Nach wenigen Stun— den ſchon begann eine allgemeine Beißerei unter ihnen. Am andern Tage waren bereits vier Stück tot, maus (Arvicola agrestis) unter Umſtänden ihr eigenes Geſchlecht vertilgt. Man fand nämlich nach verbiirg: | Menge Mäuſe, die bei ihren Nachtwanderungen hinein- gefallen waren und nicht wieder heraus konnten. Bis— weilen befanden ſich bis zu einem Dutzend in einem Lode, aber alle in auffallender Verfaſſung. Viele ohne Ohren, ohne Schwanz, von manchen noch der halbe Rumpf, einige ermattete und jedesmal auch einige matt und zerbiſſen; am dritten Tage lebten noch zwei Mäuſe und waren damit dbeſchäftigt, ihre Mitmäuſe in gleicher Weiſe wie in den Löchern zu verzehren; nach einigen Tagen ſtarb wieder eine der Mäuſe und die letzte, kräftigſte ſtarb am achten Tage, vermutlich infolge ihrer Unmäßigkeit, durch zu vielen Fleiſchgenuß. Die Freßgier der Mäuſe iſt ungeheuer. Eine kräftige Maus verzehrte an einem Tage zwei halbe Mäuſe, ſie fraß von beiden die vordere Hälfte. 320 Humboldt. — Auguſt 1885. Bekanntlich können die Mäuſe nur ganz kurze Zeit ohne Nahrung leben. Wenn einerſeits das außer⸗ ordentliche Nahrungsbedürfnis einiger Vögel als weſentlich nutzbringend für Garten und Feld mit Recht hervorgehoben wird, ſo iſt andererſeits der ganz ungewöhnliche Appetit der Feldmaus, welche, wie man weiß, wertvolle Körner u. a., nicht aber wie die Vögel ſchädliche Inſekten und Würmer verzehrt, von größtem Nachteil für die Landwirt⸗ ſchaft. Es iſt durch Wägungen feſtgeſtellt worden, daß eine Maus von 30 g Körpergewicht innerhalb 24 Stunden nicht weniger als 4 ¢ Nahrung zu ſich nahm; aus dieſem Verhältniſſe kann man ſich einen Begriff machen, welch rieſige Verwüſtungen dieſe Tiere, wenn ſie in großer Menge auftreten, in der Landwirtſchaft anrichten können. Man darf daher einigen Feinden und daher Vertilgern der Mäuſe beſonders das Wort reden: dem Igel, der Eule, dem Buſſard, der Krähe und namentlich dem Wieſel. Dieſe in mancher Beziehung ſo ſehr verleumdeten Tiere nähren ſich größtenteils von Mäuſen, und man hat wiederholt beobachtet, wie das Wieſel mit einer erbeuteten Maus im Maule nach ſeinem Baue eilt, um ſie ihren Familiengliedern vorzuſetzen. Es muß freilich zugegeben werden, daß genannte Tiere dem Jäger mitunter einigen Schaden zufügen, aber wie verſchwindend iſt dieſer kleine Nachteil gegenüber dem großen Vorteil, welchen fie der Landwirtſchaft ge- währen; dem Landwirte ſind ſie die beſten Freunde und ſollten wenigſtens von ihm nicht in ſchnöder, undankbarer Weiſe verleumdet, verfolgt und getötet werden. Aus den konſtatierten Beobachtungen zahlreicher Beiſpiele von Selbſtvertilgung der Feldmäuſe ergibt ſich übrigens die beruhigende Erwägung: Keine Mäuſeplage dauert lang, denn die Tiere freſſen ſich ſelbſt einander auf, der Hunger im Winter treibt ſie dazu. Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. hy ſik. Von Prof. Dr. G. Urebs in Frankfurt a. M. Abſorption von Wärme durch Waſſerdampf. rung des Queckſilberunterbrechers an Induktionsapparaten. Ueber das Leuchten der Flamme. Anwendung von Brom in der galvaniſchen Kette. Geringe Abſorptionsfähigkeit der Metalle für Wärnie. Verbeſſe⸗ Schon in den ſechziger Jahren haben Tyndall und Magnus Verſuche über die Abſorption von Wärme durch Waſſerdampf (und anderer Gaſe) angeſtellt, ſind aber dabei zu verſchiedenen oder eigentlich direkt widerſprechenden Reſultaten gelangt. Während Tyndall dem Waſſerdampf eine bedeutende Abſorptionsfähigkeit für Wärme zuſchrieb, leugnete Magnus dieſelbe, ſo daß die Frage lange Zeit, ja faſt bis heute eine offene blieb. Tyndall hat ſich indeſſen ſtändig bemüht, ſeine Anſicht durch neue Verſuche zu erhärten, und W. C. Röntgen in Gießen hat in den letzten Jahren vielfache Verſuche auf Grund einer durchaus veränderten Methode angeſtellt, welche zu demſelben Re— ſultat, wie es Tyndall erhalten, geführt haben. Ehe wir die Unterſuchungsmethode Röntgens näher beſchreiben, ſcheint es zweckmäßig, darauf hinzudeuten, daß die Frage nach der Abſorptionsfähigkeit des Waſſerdampfes für Wärme nicht bloß eine theoretiſche, ſondern zugleich eine ſehr bedeutende praktiſche Wichtigkeit beſitzt, ja ſogar, daß dieſe Frage bei der Aheinkorrektion in den ſiebziger Jahren eine hervorragende, um nicht zu ſagen ausſchlag— gebende Rolle geſpielt hat. Ende der ſechziger Jahre hat das Strombauamt in Koblenz auf Andringen der Dampfſchiffahrtsgeſellſchaften die Frage der Rheinkorrektion, beſonders zwiſchen Mainz und Bingen, ernſtlich ins Auge gefaßt. Der erſte Plan, welcher ausgeführt werden ſollte, beſtand darin, das Strom— bett bedeutend zu verengen, und zwar derart, daß auf der rechten (naſſauiſch-preußiſchen) Seite das Waſſer um faft : 100 m von dem bisherigen Ufer zurückgedämmt werden ſollte. Hiergegen aber erhoben die Weinbauern den ener— giſchten Widerſpruch; auf Grund ihrer praktiſchen Er— fahrungen behaupteten ſie, daß ein erhebliches Hinweg— rücken des Waſſers von den Weinbergen die verderblichſten Folgen für den Weinbau haben müßte. Ohne Rückſicht auf theoretiſche Unterſuchungen zeigt die Erfahrung aller- orten, daß nur der an Fluß- und Seeufern gezogene Wein eine hochfeine Qualität erlangt. Nachdem z. B. der Neu— ſiedlerſee in Oeſterreich ausgetrocknet worden, gedeiht dort der Wein weitaus nicht mehr in dem Maße, wie früher; nicht bloß iſt die Qualität jetzt geringer, ſondern es erfrieren auch die Reben leicht im Frühjahre, was beſonders zu beachten ift*). Wohl gibt es ja Orte, wo der Boden für die Wein— kultur ſehr geeignet iſt und auch unter dem richtigen Winkel gegen Süd und Südweſt ſo anſteigt, daß die Mit— tagsſonne ihre Strahlen ſenkrecht auf die Weinberge ſchicken kann; doch aber bringt das Fehlen des Waſſerſpiegels zwei ſchwere Uebelſtände hervor: 1) es wird die Sonnen— wärme vom Lande weitaus nicht ſo gut wie von einem großen Waſſerſpiegel reflektiert und auf die Weinberge geworfen, und 2) es fehlt der Waſſerdampf, welcher, ab— geſehen von ſeiner Abſorptionsfähigkeit für Wärme, zum Wachſen der Reben namentlich in trockenen Jahren abſolut notwendig iſt; die Pflanzen ziehen ihre Nahrung nicht ) Seit 1879 hat fic) der See wieder gefüllt. Humboldt. — Auguſt 1885. 321 minder aus der Luft, wie aus dem Boden; ſie atmen weſentlich durch die Blätter. Dazu kommt noch ein anderer Umſtand: Wenn im Herbſt, zur Zeit der Reife, der Nebel fehlt, ſo bleiben die Beeren klein und hart — „der Nebel drückt die Trauben,“ ſagen die Weinbauern. Daß hier nicht von einem eigentlichen Druck die Rede ſein kann, verſteht ſich von ſelbſt. — Ohne uns auf eine lange Er— klärung einlaſſen zu wollen, bemerken wir nur, daß die Beeren durch Abſorption des auf ihnen ſich lagernden Waſſers dünnſchalig und vollſaftig werden. Auch die ſo beliebte Edelfäule der Trauben tritt nur ein, wenn im Herbſt ſich ſtarke Nebel bilden. Auch iſt bekannt, daß der Rauenthaler, dem jeder Beigeſchmack nach Boden oder Gäre fehlt und der wie flüſſiges Feuer über die Zunge läuft, ſo daß er im Jahre 1867 auf der großen Ausſtellung in Paris den höchſten Preis vor allen Weinen der Welt erzielte, nur in ſehr heißen Jahren, wo der Waſſerdampf bis zu dem vom Rhein annähernd eine Stunde entfernten Rauenthal gelangen kann, die übrigen Kabinettsweine über— trifft, ſonſt aber oft nicht unerheblich hinter ihnen zurückbleibt. Hierzu kommt nun noch die Abſorptionsfähigkeit des Waſſerdampfs für Wärme. Auch ohne Rückſicht auf die Verſuche, welche von den Phyſikern in betreff dieſer Frage angeſtellt worden ſind, konnte man aus rein meteorolo— giſchen Beobachtungen annehmen, daß der Waſſerdampf die von der Erde (reſp. dem Waſſer) in der Nacht aus— geſtrahlte Wärme in erheblichem Maße zu abſorbieren vermag. Es war ſchon vor Decennien eine bekannte That— ſache, daß namentlich im Frühjahr die Temperatur an dem zugigen Rhein in der Nacht immer etwas höher ſtand, als in dem ſo geſchützt gelegenen, kaum eine Stunde vom Rhein entfernten Wiesbaden; auch blühen die Pfirſich— und Mandelbäume am Rhein 8— 14 Tage früher als in Wiesbaden, eine gewiß ſehr verwunderliche Sache, die wohl nicht anders erklärt werden kann, als daß der Waſſerdampf, welcher ſich im Frühjahr ſchon in anſehnlicher Menge aus dem breiten Spiegel des Aheins entwickelt, die während der Nacht ausgeſtrahlte Wärme des Waſſers und der Erde aufſaugt und das Waſſer und das umgebende Gelände wie eine warme Decke umhüllt. Allerdings ver— liert auch das Waſſer ſeine Wärme nicht ſo leicht, wie das Land; dieſer Umſtand aber kann nicht allein erklären, daß auf ziemliche Erſtreckung vom Ufer die Temperatur wäh— rend der Nacht relativ hoch bleibt. Die Temperatur im Frühjahr während der Nacht, reſp. das Minimum der Temperatur iſt aber für die Weinkultur von größter Wichtigkeit. Wenn die Reben ſchon anfangen zu treiben, kann oft ein einziger Grad Wärme zu wenig ſehr ſchädlich werden; in waſſerarmen Gegenden erfrieren die Weinſtöcke im Frühjahr leichter, als die an Fluß- oder Seeufern wachſenden. Der Wein— bau iſt ohnedies bei uns eine ſehr difficile Sache. Der Rhein liegt etwas zu nördlich: „Zwölf gute Monate braucht der Weinſtock,“ ſagen die Rheingauer. Dies wird auch durch den Umſtand beſtätigt, daß der Weinbau keineswegs ſehr einträglich iſt; ein naſſauiſcher Domänenrat, der das Erträgnis der beſten Lagen genau kannte, ſagte einmal: „Wenn die Domanialverwaltung ſeit Anfang des Jahr— hunderts Klee ſtatt Wein gezogen hätte, ſo wäre ſie pekuniär nicht ſchlechter gefahren.“ Daher ließ die Regierung ohne Skrupel, wenn auch zum Teil unter lebhaftem Proteſt der Bevölkerung, die naſſauiſche Eiſenbahn durch die beſten Lagen ſelbſt des Steinbergs gehen. Um ſo mehr mußte alſo darauf Bedacht genommen wer— den, daß dem Weinbau kein irgend wichtiger Vorteil ent— zogen würde. Dove kam damals ſelbſt nach Wiesbaden und pflog mit wiſſenſchaftlichen Sachverſtändigen und Weinguts— beſitzern längere Beratungen; er ſchien anfänglich der Anſicht von Magnus zuzuneigen, wurde jedoch durch die meteorologiſchen Thatſachen auf andere Meinung gebracht, während zugleich der vortreffliche Johannisberger ein nicht unbedeutendes Gewicht in die Wagſchale warf. „Sollte man glauben, daß ſo etwas gewachſen ſein könne? Glauben Sie wirklich, daß das Eindämmen des Rheins dem Weine ſchädlich ſein könne?“ fragte der alte Herr. Und als ihm dies, unter nochmaligem Vorhalt der Thatſachen, beſtätigt wurde, hob er ſein Glas und ſagte: „Dieſem Wein darf nichts zuſtoßen, laſſen Sie uns lieber anſtoßen auf das glückliche Gedeihen der Reben; die Herren Waſſerbaumeiſter werden ſchon Mittel und Wege finden, um die Kohlen— ſchiffe heraufzubringen, ohne den Rhein weſentlich ein— dämmen zu müſſen.“ Zur Ehre der Waſſerbaumeiſter ſei es geſagt, daß ſie in der That ein brillantes Mittel gefunden haben, um beiden Teilen gerecht zu werden. Die wenigſten, welche eine Rheinreiſe machen, bemerken, daß der Rhein an manchen Stellen eigentlich in zwei Ströme durch Wehre, welche in der Mitte und in der Richtung des Fluſſes angelegt ſind, zerlegt iſt; dadurch iſt rechts und links genügendes Fahr— waſſer ohne Verſchmälerung des Spiegels gewonnen wor— den. Uebrigens iſt die Korrektion noch nicht vollendet. Wir wollen nun, nachdem die praktiſche Wichtigkeit dieſer Frage beleuchtet worden, die Verſuchsmethode Rönt— gens zur Entſcheidung, ob der Waſſerdampf Wärme zu abſorbieren imſtande jet, kurz skizzieren: Eine dickwandige Meſſungsröhre (7 em lang, 3 em weit und von 0,6 em. Wandſtärke) iſt innen hochglanz poliert und vergoldet; am einen Ende iſt ſie durch eine polierte und pergoldete Meſſingplatte und am anderen durch eine Steinſalzplatte, welche Wärme vorzüglich durchläßt, verſchloſſen. An den beiden Enden der Röhre iſt je ein Hahn angebracht; durch den einen kann das zu unterſuchende Gas ein- und durch den anderen ausſtrömen; iſt das Gas längere Zeit durch die Röhre, welche wir die Abſorptionsröhre nennen wollen, hindurch gegangen, ſo daß dieſelbe vollſtändig nach Vertreibung der darin befindlichen Luft mit demſelben gefüllt iſt, ſo ſchließt man die Hähne. Der zweite Hahn läßt ſich mit einer ſogenannten Mareyſchen Trommel in Verbindung bringen; wird das Gas in der Abſorptions— röhre erwärmt, ſo dehnt ſich die elaſtiſche Membran der Mareyſchen Trommel aus; die Bewegung der letzteren wird auf einen Hebel übertragen, an deſſen Ende ein Schreibſtift ſich befindet, welcher die Druckſchwankungen auf einem rotierenden, mit berußtem Glanzpapier über— zogenen Cylinder regiſtriert. Die Beſtrahlung der Stein— ſalzplatte kann mittels einer Bunſenſchen Flamme, einer Knallgaslampe, eines mit ſiedendem Anilin oder Waſſer gefüllten Glaskolbens, eines mit Kältemiſchung gefüllten Becherglaſes u. ſ. w. erfolgen. 322 Humboldt. — Auguſt 1885. Vor der Steinſalzplatte befindet ſich ein Schirm mit kreisrunder Oeffnung, welche durch einen Schieber ver— ſchloſſen oder freigemacht werden kann. Die Bunſenſche Flamme wird, um ein Flackern zu verhindern, mit einem innen berußten und außen mit kaltem Waſſer abgekühlten Blecheylinder umgeben. Auf der dem Abſorptionsapparate zugewandten Seite hat der Cylinder einen Ausſchnitt. Wir übergehen die Verfahrungs— weiſen, um Luft abſolut trocken und frei von Kohlenſäure zu machen und führen nur die Reſultate an: 1. Feuchte Luft abſorbiert eine beträchtliche Menge der von der Bunſenſchen Flamme durch die Steinſalzplatte in die Abſorptionsröhre gelangenden Wärmeſtrahlen und zwar mehr als von der viel heißeren Knallgaslampe. Auch die von ſiedendem Anilin ausgehenden Strahlen werden noch ſehr merklich abſorbiert; ebenſo die von ſiedendem Waſſer ausgehenden. 2. Je mehr Waſſerdampf die Luft enthält, um ſo mehr Wärme iſt ſie imſtande zu abſorbieren; doch wächſt die abſorbierte Wärmemenge in geringerem Maße, als der Gehalt an Waſſerdampf. 3. Luft, welche bei O° mit Waſſerdampf geſättigt iſt und abſolut trockene Luft mit ihrem gewöhnlichen Gehalt an Kohlenſäure abſorbieren ungefähr gleich viel Wärme, wenn dieſelbe von der Bunſenſchen Flamme ausgeht, dagegen abſorbiert feuchte Luft mehr Wärme von der Knallgaslampe und von einem glühenden Platinblech, als trockene, kohlenſäurehaltige Luft. 4. Sonnenſtrahlen bewirken in feuchter Luft und in Kohlenſäure in der Abſorptionsröhre keine Druckerhöhung; ſelbſt wenn der Apparat 1800 m über dem Meere auf— geſtellt wurde, ließ ſich eine Abſorption nicht beobachten; wahrſcheinlich ſind durch die höheren Luftſchichten ſchon diejenigen Wärmeſtrahlen vollſtändig abſorbiert, welche der Waſſerdampf und die Kohlenſäure überhaupt abjorbieren können. 5. Die meiſte Wärme, welche der Waſſerdampf und die Kohlenſäure der Luft abſorbiert, rührt von der Erde her, und zwar abſorbiert der Waſſerdampf mehr als die Kohlenſäure. 6. Da ein Körper, welcher gut abſorbiert, auch gut ausſtrahlt, ſo könnte man die Frage, ob der Waſſerdampf oder die Kohlenſäure beſſer abſorbiert, wohl auch auf die Art löſen, daß man den Abſorptionsapparat in verſchie— denen Höhen, vor den Sonnenſtrahlen geſchützt und bald mit Waſſerdampf, bald mit Kohlenſäure gefüllt, aufſtellte und die innerhalb einer gewiſſen Zeit erfolgenden Druck— erniedrigungen mäße. Weiteres wollen wir hier nicht anführen. So viel ſcheint aber gewiß zu ſein, daß feuchte (kohlenſäurehaltige) Luft beſſer die von der Erde ausſtrahlende Wärme ab— ſorbiert, als trockene Luft. Ueber das Leuchten der Flammen hat W. Sie— mens in den „Annalen der Phyſik“ einige Mitteilungen ge— macht, welche ein beſonderes Intereſſe in Anſpruch nehmen. Brennende Gaſe haben ſtets eine gewiſſe, wenn auch nur geringe Leuchtkraft (die ſich indeſſen erheblich ſteigert, wenn feſte oder flüſſige Stoffe in der Flamme ſuſpendiert ſind). Es fragt ſich nun, ob das Leuchten der Gaſe ledig— lich durch die hohe Verbrennungstemperatur erzeugt werde. Um hierüber Gewißheit zu erlangen, beobachtete W. Sie⸗ mens die in den Regenerationsöfen ſeines Bruders Fr. Siemens bis über 1500 e C. erhitzte Luft, ohne ein merkliches Leuchten beobachten zu können. Ebenſo ließ ſich mittels einer Thermoſäule konſtatieren, daß hoch erhitzte Gaſe nur wenig Wärme ausſtrahlen. Wird eine Gaslampe durch ein Brett abgeblendet und in die Achſe des Gas— lampencylinders eine Thermoſäule in einiger Entfernung aufgeſtellt, ſo tritt zwar eine Ablenkung der Nadel des mit der Thermoſäule verbundenen Galvanometers ein; die— ſelbe iſt aber unbedeutend im Verhältnis zu derjenigen, welche man erhält, wenn man einen Draht oder einen an⸗ deren feſten Körper in den heißen Gasſtrom bringt. Wenn bei einer Flamme für genügenden Luftzutritt geſorgt wird, ſo wird der leuchtende Teil kürzer, obwohl die Temperatur höher iſt; die Verbrennungsprodukte müßten aber, wenn die Leuchtſtärke weſentlich von der Höhe der Temperatur abhinge, in dieſem Fall auf eine größere Er- ſtreckung hin Licht ausſtrahlen. Das Leuchten hört da auf, wo die chemiſche Aktion aufhört; dieſe muß alſo das Leuchten bewirken. Bei einer chemiſchen Aktion werden die Aetherhüllen der Moleküle in Mitleidenſchaft gezogen; es entſteht eine andere Lagerung der Aethermoleküle, wo⸗ bei dieſe in lebhafte Agitation (Schwingung) verjest werden. Auch bei dem Durchgang des elektriſchen Stromes durch Gaſe wird wohl das Leuchten derſelben auch durch eine Art chemiſcher Aktion, wobei oscillierende Umlagerung der Aetherhüllen eintritt, hervorgerufen. Zu dieſen Darlegungen von Siemens macht Hittorf einige intereſſante Bemerkungen. Zunächſt weiſt er auf eine frühere Abhandlung hin, in welcher er nachgewieſen, daß Gaſe ſelbſt in der Stahlſchmelzhitze noch keine merkliche Leuchtkraft beſäßen. Dann aber legt Hittorf dar, daß ſelbſt durch ſehr ſtarke kontinuierliche elektriſche Ströme Gaſe in Geißlerſchen Röhren nicht zum Leuchten gebracht werden können. Schon Wedgewood hat durch einen ein— fachen Verſuch bewieſen, daß Gaſe ſehr heiß ſein können, ohne zu glühen; er ließ Luft durch eine weißglühende Thonröhre ſtreichen; die austretende Luft zeigte keine Leucht— kraft, war aber imſtande, ein in dieſelbe gehaltenes Gold— plättchen glühend zu machen. Vielleicht werden die Moleküle der Gaſe durch die intermittierenden hochgeſpannten Induktionsſtröme in ihre Atome zerſchlagen, welche ſich dann wieder vereinigen u. ſ. w. Nachdem Kooſen früher als depolariſierende Flüſſig— keit in galvaniſchen Elementen Uebermanganſäure ftatt Salpeterſäure oder Chromſäure vorgeſchlagen hatte, weiſt er jetzt auf Brom, bezüglich Bromwaſſer hin. Uebermangan— ſäure eignet ſich nicht ſonderlich zur Wegnahme des Waſſer— ſtoffs am Platin oder der Kohle; eine mit Waſſerſtoff be⸗ ladene Platinplatte, welche in Uebermanganſäure ſteht, gibt zwar an dieſe raſch ihren Waſſerſtoff ab, allein in die zer— ſetzte Flüſſigkeit diffundiert die übrige Uebermanganſäure nur langſam, ſo daß alsbald die Depolariſierung aufhört. Bromwaſſer dagegen ſoll dieſen Uebelſtand nicht be— ſitzen und außerdem ſehr raſch und vollſtändig depolari— ſieren. Fig. 1 zeigt das von Kooſen konſtruierte Cle- ment: In einem unten verengten Glaſe A befindet ſich eine Humboldt. — Auguſt 1885. 323 poröſe Thonplatte od, welche an der Verengung von & aufliegt. Zwiſchen der Thonplatte cd und dem Boden ab des Glasgefäßes befindet ſich eine gewellte Platinplatte von der aus ein Leitungsdraht k durch die Thonplatte geht. Auf der Thonplatte ed jteht ein Thoncylinder B, in welchem fic) ein Zinkcylinder befindet. Der Raum abed wird zur Hälfte mit Brom und das Glas über der Thonzelle, ſowie dieſe ſelbſt bis zur Höhe gh mit verdünnter Schwefel— ſäure gefüllt. Auf die Flüſſigkeit gießt man noch eine 1 mm dicke Schicht Petroleum, um den Bromgeruch zu verhüten. In der in den unteren Teil des Gefäßes (zwiſchen ab und ech fließenden verdünnten Schwefelſäure Lift ſich etwas Fig. 2. Fig. 1. Brom auf, welche Löſung nur ſchwer nach oben diffundiert. Damit das Zink nicht vom Queckſilber entblößt wird, da das Zinkamalgam von Brom angegriffen wird, ſo gießt man eine Schicht Queckſilber in die Thonzelle. Das Brom— waſſer iſt ein guter Leiter der Elektricität, das Brom ſelbſt nicht, weshalb auch das Platin nicht vollſtändig vom Brom bedeckt ſein darf. Die elektromotoriſche Kraft des Elementes iſt 1,9 Volt, der innere Widerſtand iſt größer als der eines Bunſenſchen oder Groveſchen Elementes. Das Zink darf in ungeſchloſſenem Zuſtand des Elementes nicht zu lange in der Flüſſigkeit ſtehen. Das Element verbraucht wenig Brom; übrigens fojtet kg Brom nur 3 Mark. In neuerer Zeit ſind von verſchiedenen Seiten Vor— ſchläge zur Verbeſſerung des Queckſilberunterbrechers an Induktionsappaxaten gemacht worden. Wenn der am Wagnerſchen Hammer befindliche Stift in raſcher Folge in das Queckſilber eintaucht und wieder herausgeht, ſo ent— ſteht durch die kräftige Funkenbildung raſch eine Oxydation des Queckſilbers. Menges im Haag ſcheint der erſte ge— weſen zu ſein, welcher den Vorſchlag gemacht hat, das Queckſilbergefäß mit Waſſerſtoff zu füllen und zu verſchließen; der Stift ſteht feſt, das Queckſilbergefäß ſelbſt wird durch den Hammer hin und her bewegt, ſo daß das Queckſilber nur intermittierend den Stift berührt. Auf dieſe Art ſoll die Oberfläche des Queckſilbers ſtets rein bleiben. Fig. 2 gibt eine ſchematiſche Darſtellung der Vorrichtung: a und b ſind zwei in das (unten mit Queckſilber, oben mit Waſſer— ſtoff gefüllte) Glasgefäß & eingeſchmolzene Platindrähte; b iſt ſtändig, a (der Stift) nur intermittierend mit dem Queckſilber in Berührung; das Gefäß ſelbſt wird durch den Hammer hin und her bewegt. Um zu zeigen, daß Metalle die Wärme ſchlecht abſorbieren, ſchlägt W. Holtz folgenden Verſuch vor: Man beſtreiche Schreibpapier auf der einen Seite mit Kobaltchloridlöſung, während man auf der anderen an ein— zelnen Stellen echtes Blattgold (Quadrate, Dreiecke) mittels Eiweiß aufklebt. Hält man nun dieſes Papier mit der goldbelegten Seite einem heißen Körper, z. B. einer Leucht— gasflamme, gegenüber, ſo wird das Kobaltchlorid auf der Rückſeite da blau, wo auf der Vorderſeite kein Gold auf— geklebt iſt. Da nach dem Entfernen des Papiers die von der Wärmequelle blau gewordenen Stellen bald wieder ihre helle Farbe annehmen, ſo läßt ſich das Papier beliebig oft zu demſelben Verſuch benutzen; die Wärme, die auf das Gold fällt, wird von dieſem nicht abſorbiert, ſondern reflektiert; es bleibt alſo das Papier an den goldbelegten Stellen kalt. Geographie. rue Forſchungen in der Büdſee. Von Dr. Franz Höfler in Frankfurt a. M. Die Marſchallinſeln. Jaluit. Die Harolinen. Blanchard: und Heathinſel. Chinaſtraße. kanal. Makada. Mret- und Utuaninſel. Ponapé. Kufaie. Mefelineyinfel. Neu-Britannien. Materpert. Yap. Paples- und Didymusinſeln. Jurieninſel. Jouvencyinfel. Gazellenhalbinſel. Duportailinſel. Palao. Broomerinſel. Teſteinſel. Duke of Vork. Blanchebai, neues Eiland in der Blanchebai. Kingsmillarchipel. Cizardinſeln. Georgs⸗ Matupi. Neu-⸗Irland. Die Inſeln der Südſee gewinnen für den Handels— verkehr immer größere Bedeutung. Mannigfaltige Produkte in reicher Fülle laden zur Ausbeute ein, und die koloni— ſierenden Staaten des Abendlandes trachten danach, die beſonders bevorzugten Inſelgruppen ihrem Beſitze einzu— verleiben, um ihr Handels- und Abſatzgebiet zu erweitern. Dieſem Umſtande hauptſächlich verdanken wir die eingehen— dere Erforſchung einzelner Südſeearchipele und unſere heutige genauere Bekanntſchaft mit denſelben. Sehr intereſſante Details förderte in dieſer Beziehung die Reiſe des ehe— maligen Konſuls des Deutſchen Reiches auf Jaluit, Franz Hernsheim, zu Tage, der in den Jahren 1875—1880 die Südſee bereiſte. Seine Forſchungsfahrt erſtreckte ſich auf die Atolle, Palao, Yap, Kuſaie, Ponape, Jaluit und 324 Humboldt. — Auguſt 1885. Matupi. Die Reſultate derſelben ſind in den „Südſee— Erinnerungen“ der Oeffentlichkeit übergeben worden. Jaluit iſt ein Atoll der Marſchallgruppe. Dieſe nimmt mit der ihr eigentlich zugehörigen Gilbertsgruppe nach Dr. Mei- nicke“) den Raum von 3° S. bis 12° und von 161° bis 177 öſtl. L. ein und beſteht wahrſcheinlich aus 51 Inſeln, die ſich in Form einer Kette in der Richtung von SO. nach NW. ausdehnen. Sie gehören alle der Korallen— bildung an und ſind mit wenigen Ausnahmen Laguneninſeln. Sie umſpannen eine Fläche von 400 qkm und haben eine Bevölkerung von 10 000 Einwohnern. Dieſe haben durch die Berührung mit den Weißen bereits einen großen Teil ihrer Eigentümlichkeiten eingebüßt. Früher baute man dort ausgezeichnete Kanoes aus dem Holze des Brotfrucht— baums, was aber jetzt gänzlich aufgehört hat. Dr. O. Fintſch konnte auf Jaluit nur noch ein Exemplar davon erhalten **). Die Bewohner find ausgezeichnete Seefahrer, obwohl ſie von Navigation keinerlei Kenntniſſe beſitzen. Die Inſeln ſind flach und niedrig und ſtehen weit hinter den Inſeln vulkaniſchen Urſprungs in Beziehung auf Fruchtbarkeit und Ueppigkeit der Vegetation zurück. Es iſt dies eine Charakter— eigentümlichkeit aller Atolle. Der erſte Anblick derſelben mit ihren anſcheinend dicht geſchloſſenen Palmenwäldern und ihrer mächtigen Brandungswelle iſt ebenſo anziehend als überraſchend; aber ebenſoſehr enttäuſcht bei näherer Betrachtung die große Armut ihrer Fauna und Flora. Letztere gipfeln in Kokospalmen und Pandanus; der mit Korallentrümmern und Muſchelreſten bedeckte Boden bringt kaum mehr als 60 Pflanzenarten hervor, während die Tierwelt noch ärmer iſt. Außer zwei europäiſchen Ratten— arten gibt es kein Säugetier und von Vögeln nur 20 Arten, darunter nur einen einzigen Landvogel, die Fruchttaube, die aber wieder nur auf Inſeln, wo der Brotfruchtbaum einer kleinen Inſel des Atolls Jaluit, befinden ſich die Faktoreien der beiden deutſchen Häuſer Hernsheim u. Comp. und A. Capelle u. Comp.; fie bilden den Mittel— punkt des Handels von ganz Mikroneſien. Der Atoll Jaluit oder Talut, auch Bonhaminſel, iſt nach Hern s— heim eine große Laguneninſel von etwa fünf Meilen Länge und zwei Meilen Breite. Auf der ſie umgebenden ſehr un— regelmäßigen Korallenbank liegen 55 kleine Inſeln, deren keine über 600 Yards breit ijt. Nirgends erhebt ſich das Land mehr als 3 m über die Hochwaſſerlinie. Der Verfaſſer der „Südſee-Exinnerungen“ nimmt an, daß auch an Stelle dieſer Lagunen einſt bergige Inſeln gelegen haben, die ebenſo wie jetzt die letzteren, von einem Außen- oder Barrierenriff umgeben waren. Durch Senkung der Inſelkomplexe mag das Außen— riff in ebendemſelben Maße geſtiegen ſein, wie ſich das Land ſenkte, bis ſchließlich die ganze Inſel verſchwunden war und nur der ſie umgebende Korallenring übrig blieb. Dafür ſpricht auch der Umſtand, daß faſt alle ſolche Lagunen einen Korallenboden und eine Tiefe von ungefähr 25 Faden haben, während nach dem Meere zu das Riff in große Tiefen abfällt. Wo in jener Zeit der Erdumwälzung ) Dr. C. E. Meinicke, Die Inſeln des Stillen Oceans. 1876. ) Globus. ) Globus. Leipzig Bd. 43, S. 120. Bd, 43, S. 120. Bäche oder Flüßchen ihren Weg nach dem Meere ſuchten, konnte die Koralle nicht bauen; denn ſie gedeiht nur im Seewaſſer, und ſo entſtanden nach und nach Paſſagen, wodurch die Lagunen zu bequemen, guten Häfen wurden. Als die Senkungen nicht weiter fortſchritten, ſtarben die Korallen an der Meeresoberfläche ab. Die Wellen aber ſchwemmten Land und Pflanzenſtoffe an und allmählich bedeckte ſich der ſchmale Felſenring mit niedrigem Strauch- werke, bis ſchließlich günſtige Strömungen die Kokosnuß zutrugen. Die Vegetation der Inſel iſt arm; es wächſt, die Kokospalme, Pandanus, der Brotfruchtbaum, auf den nördlichen Inſeln auch der Melonenbaum; die Banane aber gedeiht kümmerlich; der ſteinige Boden der Inſel iſt mit Buſchwerk bedeckt, das durch fließendes Quellwaſſer nirgends belebt wird. Da es kein ſolches gibt, ſo wird der Regen in Gruben geſammelt. Dieſer fällt vom Rärz bis Oktober ſehr häufig, in den übrigen Monaten aber ſpärlich. Die Bewohner haben eine ſchmutzig-braune Farbe, ziemlich hohe, aber weit zurücktretende und an den Schläfen eingedrückte Stirn, aufgeworfene Lippen und ſchwarzes, gekräuſeltes Haar, das früher lang, jetzt aber nach Vorſchrift der Miſſionäre kurz getragen wird. Die Ohren werden künſtlich verlängert. Ihren Körper ziert reiche Tättowierung, die mittels der langen Schwanzfeder einer Möwenart hergeſtellt wird. Als Kleidung dient ein kurzer Baſtrock um die Lenden. Im ganzen ſind ſie freundlich und zugänglich; ſie werden von einem König, Kabua, regiert, der ein kleines Holzgebäude bewohnt. Die Eingeborenen kochen ihre Speiſen in kleinen, in der Nähe ihrer Wohnungen angebrachten Hütten. Gewürz und Salz ſind ihnen gänzlich unbekannt. Ihre Hauptnahrung bilden Side, deren es an der Küſte ſehr viele gibt, darunter finden fic) auch giftige Arten, deren Genuß ſchlimme Folgen haben kann. Ihre Kanoes werden aus einzelnen Stücken des Brotfruchtbaumes zuſammengefügt. Muſchel— und Eiſenaxt werden bei der Bearbeitung des Holzes gleichmäßig benutzt. Ihre Boote ſegeln raſch, erreichen aber nicht die oft gerühmte Geſchwindigkeit von 18 bis 20 engl. Seemeilen. In früheren Zeiten unterhielten ſie einen regen Verkehr zwiſchen allen Inſeln dieſer Gruppe und benutzten dabei eigene, aus Stöckchen und Steinen verfertigte Karten. Sie behaupten auch, bei ihren Fahrten ſich nicht bloß nach den Sternen, ſondern auch nach großen Wellen zu richten, die ſich je nach der Jahreszeit nach einer beſtimmten Richtung bewegen. Bis zu den weſtlichen Inſeln des Karolinenarchipels, alſo in einer Entfernung von etwa 1500 Seemeilen, kamen Marſchallkanoes. Seit— dem ſich ein ziemlich reger Dampfſchiffverkehr zwiſchen jenen Inſelgebieten entwickelt hat, haben die Marſchallleute ihre Kandefahrten beinahe ganz aufgegeben. Wenn oben geſagt wurde, daß die Bewohner des Marſchallarchipels ſchon ſehr viel von ihren urſprünglichen Eigentümlichkeiten eingebüßt haben, ſo gilt dies auch, wenn auch in minder hohem Grade, von den Gilberts- oder Kingmillleuten. Ihr Archipel liegt zu beiden Seiten des Aequators und hat einen Flächenraum von 12 Quadratmeilen (430 4 km); ſie zählen gegenwärtig noch 37000 Seelen. Die Gilbert— inſulaner haben beſonders durch die vielen Auswanderer von ihren Sitten und Gebräuchen verloren; trotzdem aber noch mehr Urſprünglichkeit bewahrt, als die Marſchall— 5 Humboldt. — Auguſt 1885. 325 inſulaner, denen die Gilbertsleute nicht nur körperlich, ſondern auch in vielen anderen Dingen überlegen ſind. Ihr Verderben iſt der reichlich eingeführte Branntwein, den ſie auch durch den ſelbſtgefertigten Palaſaft zu erſetzen ſuchen. Ihre Dörfer ſind wohlgepflegt, die darin befind— lichen Maneaps oder Verſammlungshäuſer zeigen koloſſale Dimenſionen. So hat das große Maneap auf Butaritar eine Länge von 250 Fuß, 114 Fuß Breite und beſteht aus Stäben, die mit Kokosfaſern zuſammengebunden ſind. Auch die Gilberts waren einſt gute und geſchickte Kanoefahrer, haben aber wahrſcheinlich aus demſelben Grunde, wie die Marſchallinſulaner ihre Fahrten gegenwärtig faſt ganz auf— gegeben. Schon oben wurde der Fahrten der Marſchallleute nach den Karolinen Erwähnung gethan. Dieſer Archipel reicht nämlich bei ſeiner großen Ausdehnung im Oſten bis an die Marſchallinſeln, worin auch die früher ſo häufig unternommenen Fahrten der Bewohner jenes Archipels nach dieſen Eilanden ihren Grund gehabt haben mögen. Sie erſtrecken ſich über einen Raum von 9 Breiten- und 32 Längengraden und bilden mit einer Fläche von 50 Quadratmeilen den größten Inſelkomplex des Stillen Ozeans und gehören ihm 51 oder 52 Inſeln an. Von den vorher erwähnten Eilanden unterſcheiden ſie ſich auch dadurch, daß ſie nicht mehr ausſchließlich Lagunen- oder Koralleninſeln ſind, ſondern die Mehrzahl davon ihre Entſtehung vulkaniſchen Kräften verdankt. Dieſe Erſchei— nung tritt übrigens um ſo auffallender hervor, je näher die Inſeln der Küſte Aſiens gelegen ſind. Auch in der Vegetation der Laguneninſeln tritt eine weſentliche Aende— rung zum Beſſeren hervor; ſie wird hier üppiger und reicher, ja in Luknor finden ſich Brotfruchtbaumwälder, die mit einem großen Gürtel von Kokos und Pandanus um— geben find*). Man unterſcheidet gewöhnlich nach ihrer Lage öſtliche, centrale und weſtliche Karolinen. Sie ſind im Beſitze der Spanier und iſt die Bevölkerung faſt durch— gängig chriſtianiſiert. Dr. O. Fintſch beſuchte im Februar und März 1880 Kuſaie und Strongsisland, ſowie die Inſel Ponape; dieſe letztere heißt auch Aſcenſion und iſt die ſchönſte des ganzen Archipels; Strongsisland oder Ualan iſt eine hohe Inſel, hat Berge bis 700 m Höhe und eine prächtige Vegetation, ihre Bevölkerung iſt ſehr zuſammengeſchmolzen und zählt kaum noch 300 Seelen. Dieſelbe ſpricht engliſch und bekennt ſich zum Chriſtentum. Manche ihrer Eigentümlichkeiten hat ſie ſeit der Berührung mit den Weißen eingebüßt; ſo tragen die Leute europäiſche Kleidung, aber unter derſelben noch immer ihre ſchönen, aus gefärbter Bananenfaſer gewebten Gürtel. Die Inſel iſt die öſtlichſte des ganzen Archipels und wurde im Jahre 1804 von den Amerikanern Crozer und Strong ent— deckt, woher der Name Strongsisland. Sie hat zwei Meilen Länge und beinahe dieſelbe Breite. Das Innere iſt bergig, hat ſchöne Thäler, die von vielen kleinen Flüſſen bewäſſert werden. Den Kulminationspunkt des Berglandes bildet der faſt 700 m hohe Mount Crozer. Im NO. liegt der ziemlich geräumige Lelahafen, urſprünglich wahrſcheinlich der Krater eines Vulkans. Im gleichnamigen Dorfe herrſcht König Tokoſa. In der Nähe des Dorfes finden ſich die ) Dr. E. Meinicke, Die Inſeln des Stillen Oceans. II. S. $45. Humboldt 1885. Ruinen großer Steinbauten. Sie bedecken beinahe die ganze Inſel; die Höhe ihrer Mauern reicht bis zu 30 Fuß, bei einer Dicke von 15 bis 18 Fuß. Sie wurden aus rieſigen Steinblöcken bis zu 5000 Pfd. Gewicht ohne Binde— mittel hergeſtellt. Wahrſcheinlich dienten dieſe Bauten als Verteidigungswerke; denn es läßt ſich ihre Beſtimmung nicht einmal durch die Sage ermitteln. Aehnliche, aber noch großartigere Ueberreſte ſolcher Steinbauten finden ſich auf der „Perle“ der Karolinen, der Inſel Ponape. Nach F. Hernsheim bedecken ſie eine Fläche von einer Quadratmeile und heißen fälſchlich die „Königsgräber“. Bis dicht an die Waſſerſtraße reicht das aus Korallen— ſteinen fonftruierte Fundament. Es hat die Form eines Vierecks, der Boden iſt fliesartig mit großen, flachen Korallenſtöcken ausgelegt, die jetzt von Moos überwuchert werden. Ein gewaltiges Portal führt durch die über 30 Fuß hohe Außenmauer aus großen Baſaltſteinen. Hinter dieſem 10 Fuß dicken Steinbollwerke läuft ein Graben und über die dahinter liegende zweite Terraſſe erhebt ſich wieder eine etwas leichter konſtruierte Mauer, deren Innenſeite bis zur Höhe ein breiter Wall umläuft. Ein kleiner Eingang führt in den inneren Raum, in deſſen Mitte man die „Königsgräber“ erblickt. Das ganze Innere iſt eine Steinzelle, um die ringsum eine Steinbank erkenn— bar iſt. Den Boden bedecken Muſcheln und Bruchſteine. Als der Forſcher Kubary den Schutt wegräumte, fand er Schädel, Knochen, Werkzeuge u. drgl. m., was ihn zur Annahme, daß man es mit Gräbern zu thun habe, veranlaßte. Zweifellos waren es aber Feſtungen, eine Annahme, die ſich aus der ganzen Art der Anlage folgern läßt. — Die Inſel Ponapé wurde Ende des 16. Jahrhunderts von den Spaniern entdeckt und liegt unter dem 7.“ nördl. Br. und 158. öſtl. L. Sie iſt bergig, wie Kuſaie, doch ohne hervorragende Gipfel und vulkaniſchen Urſprungs. Der Hafen Jokoits eignet ſich auch für größere Fahrzeuge; neben dieſem hat die Inſel noch zwei Häfen, Metalanim im Süden und Kiti im Weſten. Hier ſind auch einige deutſche Faktoreien. Die Bewohner ſind von mittlerer Größe, von dunkler Hautfarbe und haben ſchwarzes, lockiges Haar, das kurz getragen wird. Sie tättowieren nicht den ganzen Körper, ſondern nur Arme und Unterſchenkel. Früher exiſtierte eine Art Kaſtenein— teilung in vier Stände, die aber heute verſchwunden iſt. Fünf Könige beherrſchen die gegenwärtig aus etwa 2000 Seelen beſtehende Bevölkerung der Inſel. Noch vor 30 Jahren lebten dort 30000 Menſchen. In den fünfziger Jahren wurden aber durch ein engliſches Schiff die Blattern eingeſchleppt, deren verheerende Wirkung die Bevölkerung mehr als deeimierte. Die Frauen ſind ſehr reinlich, ſie baden ſich ſehr oft und tragen beſtändig einen großen Badeſchwamm bei ſich. Wie auf vielen Inſeln der Südſee bilden Hundebraten auch bei den Ponapeleuten einen viel begehrten Leckerbiſſen. Die jungen Hunde werden von den Frauen gemäſtet und bei feſtlichen Gelegenheiten, worunter hauptſächlich die gegenſeitigen Beſuche der Häupt— linge zu rechnen ſind, oft an hundert und mehr Stück ge ſchlachtet. — In der Anfertigung ihrer Kanoes zeigen die Inſulaner geringes Verſtändnis; ein ausgehöhlter Baum ſtamm, der mit Auslegern verſehen wird, bildet das ziem lich primitive Fahrzeug. Amerikaniſche Miſſionäre ſuchen 42 326 Humboldt. — Auguſt 1885. unter den Eingeborenen das Chriſtentum zu verbreiten; ihr Erfolg iſt aber kein nachhaltiger. Von den ſeit 1866 in den Schoß der Kirche aufgenommenen Ponapeeſen gehören ihr gegenwärtig nur noch 250 an. — Eine andere, auch erſt in letzter Zeit mehr bekannt gewordene Inſel der Karolinen iſt Yap oder Cap. Sie liegt unter dem 9.“ 35“ ſüdl. und 138.“ 8“/5öſtl. L. v. Gr. und hat einen Flächen— raum von vier Quadratmeilen. Urſprünglich mit Urwäldern bedeckt, ſind dieſelben heute verſchwunden und an ihre Stelle Haine mit Palmen und Fruchtbäumen getreten. Mäßiges, bis zu 200 m anſteigendes Hügelland durchzieht das ganze Eiland, nur der ſüdliche Teil verläuft in eine fruchtbare Ebene. Farnkraut und niedriges Geſträuch bedecken großenteils das hügelige Terrain. Ein großes Riff mit mehreren Kanälen umgibt die Inſel von allen Seiten. Der Hauptkanal an der Südoſtſeite führt zum Hafen Rul- Die 10 000 Einwohner leben in 67 Dörfern; es herrſcht unter ihnen faſt beſtändige Fehde. Ihre großen Verſamm— lungshäuſer erbauen die Yapleute auf weit ins Waſſer hinein— laufenden Steinpieren; dahin begeben ſie ſich auch nachts, um vor den Mosquitos Ruhe zu haben; im Falle eines feindlichen Angriffes dienen ſie zugleich als Feſtungen. Ihre Wohnungen, meiſtens im Dickicht verborgen, ſtehen in Gruppen von acht bis zehn Häuſern beiſammen und ſind von kleinen Rohrzäunen umgeben. Vor dem Hauſe des Häupt— lings oder auch anderer einflußreicher Männer ſtehen oft mühlſteinartig zugerichtete Steine. Sie repräſentieren das bewegliche Vermögen der betreffenden Beſitzer. Sie werden nämlich bei günſtigem Winde von dem 200 Seemeilen entfernten Palao geholt. Zu einem Transport ſolcher Mühlſteine find, ſagt F. Hernshetm*), 40 —50 Ein— geborene nötig. Sie bilden mit ihren Kanoes eine Linie von möglichſt großer Ausdehnung, ſo daß es möglich iſt, ſich durch Zeichen zu verſtändigen. Auf Malakau werden die Steine gebrochen und bearbeitet und erſt mit dem Wechſel des Monſuns die Rückreiſe damit angetreten. Große Steine repräſentieren einen hohen Wert, weil es ſehr ſchwer hält, ſie übers Meer zu bringen. Die kleinſten Stücke dieſes Steingeldes ſind armsdick und von der Größe eines Tellers. Etwa zwölf ſolcher genügen zur Erſtehung des jährlichen Bedarfs einer Familie an Taro und Fiſchen. Auch dieſe Inſulaner trieben früher mit ihren Kähnen einen lebhaften Tauſchhandel, hauptſächlich mit Uleai, das 300 Meilen entfernt iſt, ja bis zu den Mariannen ſollen ſich ihre Fahrten erſtreckt haben. Heute beſorgen den Warenverkehr, der in der Ausfuhr von Perlenſchalen, Schildpatt, Walroßzähnen und Kopra beſteht, die Dampf- und Segelſchiffe der ſeefahrenden Nationen. Die Einwohner von Pap kennen auch einige Sagen. Nach einer derſelben ſoll Yap nach Norden zu mit einem großen Lande in Verbindung geſtanden haben, die nach einem großen Erdbeben, bei dem auch Inſeln ver— ſchwanden, aufhörte. Auch ſollen die Ureinwohner von einem aus Süden eingewanderten Stamme überwunden und zu Sklaven gemacht worden ſein; auf der nördlichen Spitze von Palao lebe noch der Urſtamm, der den Yap- leuten in jeder Beziehung gleiche. — Eigenartig iſt auch der Gebrauch, dem ſich Frauen, die ihrer Niederkunft ent— ) Südſeeerinnerungen. gegenſehen, unterziehen müſſen. Einige Zeit vor derſelben werden ſie in eine niedrige Hütte am Meere gebracht und bleiben dort ſo lange abgeſondert, bis ſie durch lautes Schreien die erfolgte Geburt anzeigen. Nun verſammelt ſich das Volk und treibt die Wöchnerin ſamt ihrem Spröß⸗ ling dreimal ins Waſſer, worauf ſie wieder nach Hauſe zurückkehren darf. Bei epidemiſchen Krankheiten, es ſind dies eine Hals— entzündung und ein eigentümlicher Huſten, verſammeln ſich die Bewohner des zunächſt bedrohten Nachbardorfes, töten die Kranken und ſtecken das infizierte Dorf in Brand; die geſunden Bewohner werden in die Berge gejagt. Im übrigen zeichnen ſich die Inſulaner durch Gaſtfreundlichkeit aus und find gutmütigen Charakters. — Die größte Inſel— gruppe des ganzen Archipels bildet Palao oder Pelew. Sie liegen nach F. Hernsheim unter 6° 53/ und 8° 9“ nördl. Br. und 134° 20“ bis 134 45“ öſtl. L. v. Gr.; alſo in ſüdöſtlicher Richtung von den Philippinen. E. Mei⸗ nicke !) gibt in ſeinem oben eitierten Werke ihren Flächen— raum zu 18 Quadratmeilen an. Sie ſind von großen und gefährlichen Riffen umgeben; das größte iſt das 15 Meilen lange Barrierenriff, das von dem breiten Kanale von Kaſſol durchſchnitten wird. Die Palaogruppe iſt die gebirgigſte der Karolinen. Die Berge beſtehen im ſüd— lichen Teile aus Korallenkalkſtein, im mittleren und nörd— lichen aber herrſcht vulkaniſches Geſtein vor, das die höchſten Gipfel der Gruppe bildet. Der Boden iſt nament— lich auf den vulkaniſchen Inſeln ſehr fruchtbar, die Vege— tation darauf üppig, der Strand aber mit breiten Gürteln, von Mangroves bedeckt, die Bergabhänge ſind bewaldet, die Gipfel dagegen tragen nur Gras, Farn und Ge— ſträuch. Die aus Kalkfelſen beſtehenden Inſeln tragen ebenfalls ſchöne Wälder, die hauptſächlich Holz zum Schiff— bau liefern. Die Bewäſſerung erſcheint auf den erſteren reichlicher als auf den letzteren. Auf beiden aber herrſcht, verhältnismäßig günſtiges Klima. In der Nähe der Süd— ſpitze liegt die zwei Meilen lange, politiſch bedeutendſte Inſel der ganzen Gruppe, Korror, mit dem vom Oſten her leicht zugänglichen Hafen von Korror, dem beſten des Archipels. Ein anderer, der ſicherſte, heißt Malakau, nach der gleich— namigen Inſel, in den ein Kanal aus dem Korrorhafen durch das Riff führt. Von dieſer Inſel holen die Yap- leute ihr Steingeld. Sie iſt gebirgig und ein Berggipfel erhebt ſich bis zu 500 m. Sie beſitzt gutes Quellwaſſer, das in natürlichen Baſſins prächtige Badegelegenheit bietet. Die Eingeborenen des Archipels, gutmütige und freund— liche Inſulaner, nähren ſich von Früchten und Fiſchen, Kokosmilch bildet ihr Getränk. Hühner und Schweine, obwohl genügend vorhanden, werden nur ſelten geſchlachtet und zu Speiſen bereitet. Brotfruchtbaum und Kokospalme, ferner das Pfefferkraut, das ſich epheuartig am Brotfrucht— baum in die Höhe ſchlingt, ſowie Betelpalmen und Bananen bilden die Nährpflanzen der Inſel. Auch die Palaoanen haben Gemeindehäuſer in ihren Dörfern, die ebenſo ge— waltige Dimenſionen, wie auf anderen Südſeeinſeln zeigen, nur verfolgen ſie hier noch einen anderen Zweck, ſie ſind der Aufenthaltsort des jungen unverheirateten Volkes der Inſel, das nach altſpartaniſcher Sitte dort von Gemeinde ) E. Meinicke, Die Inſeln des Stillen Oceans. Bd II. Humboldt. — Auguſt 1885. 327 wegen gemeinſam abgeſpeiſt wird und in denſelben die Nächte verbringt. Verheirateten Frauen iſt der Zutritt nicht geſtattet. Der König der Inſel iſt Aba-Thule, ein wohlgenährter, ziemlich kräftiger Mann von dunkelbrauner Hautfarbe. Wie alle übrigen Eingeborenen trägt auch er nur eine ſchmale, rote Lendenbinde, ,tapa“; er reſidiert auf Korror und iſt den Schiffern beim Einbugſieren ihrer Fahrzeuge in den Hafen als Lootſe dienlich. Auch der König trägt auf ſeiner linken Schulter das in ganz Mikroneſien, übliche Beil, ohne das kein Palaoaner jemals ausgeht. Heute iſt es ein Meißel, früher war an dem aus hartem Holze verfertigten Griffe ein Stein oder eine Muſchel befeſtigt; es iſt das wichtigſte Werkzeug; mit ihm werden die größten Bäume gefällt, behauen und zu Kanoes ver— arbeitet, Kokosnüſſe geöffnet, Betelnuß geſchält, kunſtvolle Schnitzereien hergeſtellt und hundert andere Zwecke erreicht. und haben untereinander das Uebereinſtimmende, daß ſie viel länger als breit ſind. Die drei Hauptinſeln ſind Neu— Britannien, Neu-Irland und Neu-Hannover. Der jetzt in die Mode kommende Name Birara bezeichnet nach Dr. O. Fintſch !“) nur einen kleinen Küſtenſtrich, aber nicht die ganze Inſel. Nach den „Annalen der Hydrographie“ XI. Band, Heft 10, kennen die Bewohner die von den Europäern eingeführten Bezeichnungen für Neu-Britan— nien und Neu-Irland nicht. Der oben angeführte Name ſoll ſich danach lediglich auf die Landſchaft nordwärts der Gazellenhalbinſel bis Luſon Point beziehen. Dort beginnt die Landſchaft Ginegunum, bei W. Powell Kininigunum; frühere Seefahrer haben wahrſcheinlich da zuerſt gelandet, dieſen Namen der Landſchaft erfahren und auf die ganze Inſel ausgedehnt. Ebenſo dürfte es ſich mit der Bezeichnung Tomhora für Neu-Irland verhalten. 155 French I?” 02 os Sas orFaed If . Mordoce IS 5 2 up pnfer, I lou Cost? ade =. C. Ward Hant „ eee ark . "OL a Bougainville 15 ges 5 ee e Guadaleanar L Bellona I. Fig. 1. Es bildet einen Haupthandelsartikel zwiſchen Weißen und Eingeborenen. Den Austauſch der Waren vermittelt hier ein alter holländiſcher Händler, der fic) mit der Tochter des höchſten Häuptlings, die er für zwei Musketen und ein Beil vom Vater erkauft hatte, verheiratet hat. — Im Süden der Karolinen liegt der Archipel von Neu-Bri— tannien. Er beanſprucht unſer Intereſſe um ſo mehr, als er erſt in jüngſter Zeit teilweiſe in deutſchen Beſitz über— gegangen iſt. Der heutige Name der Gruppe rührt nach E. Meinicke“) von Dam pier her, der 1700 die Küſte der Hauptinſel beſuchte. Sie beſteht aus zwei großen und einer kleineren, nahe bei einander liegenden Inſeln, an die ſich noch im Norden die franzöſiſchen und im Nordoſten die hiberniſchen anſchließen. Häufig wird auch noch der Ad— miralitätsarchipel zu Neu-Britannien gerechnet. Sie ſind zuſammen dann halb ſo groß als das Königreich Bayern | Melaneſien. ) Die Juſeln des Stillen Oceans. 160 Nach W. Powell. Er bezieht ſich augenſcheinlich nur auf den der Duke of Horkgruppe gegenüberliegenden Teil der Inſel unterhalb der Roſſel-Mountains; denn die Eingeborenen gebrauchen nur in den ſeltenſten Fällen Worte, welche ſich auf die Geſamtheit des Landes beziehen. So ſagen ſie für Neu— britannien: Gunagunau, für Neu-Irland: Wiri-Wiri, für Duke of Pork: Tarainabual großes Land, d. i. alle Plätze im genannten Lande! — Unſer Wiſſen über dieſen Archipel wurde weſentlich bereichert durch die im Jahre 1877—1879 dahin ausgeführte Ni von Wilfred Powell. Sein darüber erſchienenes Werk“), dem wir die nachfolgenden Daten entnehmen, bringt eine Fülle hochintereſſanten Materials über dieſen faſt noch ganz un— erforſchten Archipel der Südſee. Mit einem kleinen Fahr— . . ) Globus. Bd. 43, S. 122. ) Globus. Bd. 45. ) Wilfred Powell, Unter den Kannibalen von Neu-Britannien. Leipzig, Ferd. Hirt u. Sohn. 328 Humboldt. — Auguſt 1885. zeuge von 15 Tonnen wurde die Reiſe von Sidney aus am 1. Juli 1877 angetreten. Man berührte zuerſt die Lizardgruppe, wo kurz zuvor die Frau und die Diener— ſchaft eines Kapitän Wat ſon, der dort eine Handels- niederlaſſung angelegt hatte, von Wilden überfallen worden waren. Die Frau war allerdings entkommen auf eine 90 km entfernte Inſel, dort aber verdurſtet. In der Nähe der Lizardinſeln liegt die Broomerinſel; ihr höchſter Gipfel iſt 202 m hoch. Hier fand man Brandung an einer Stelle, wo die Admiralitätskarte „36 m Tiefe und kein Grund“ angibt. W. Powell vermutet, daß ſich der Boden gehoben habe, ſeit die auf der Karte angegebenen Tiefenmeſſungen ausgeführt wurden. Die Eingeborenen der Inſel waren freundlich und wünſchten zu handeln; ſie ſind dunkel und von demſelben Gepräge, wie die des Papuagolfs im Südoſten von Neu-Guinea. Auch die Teſte-Inſel wurde beſucht. An ihrer Nordweſtküſte ſtehen nur wenige Häuſer, dieſelben ruhen auf 1—2 m hohen Stämmen und beſtehen eigentlich nur aus Fußboden und Dach. Im Inneren des Hauſes kann man nicht aufrecht fte- hen. Faſt an jedem auch neue Korallenbänke in 3—4 m Tiefe waren ent⸗ ſtanden. Es ſcheinen überhaupt die Riffe in der Straße zu wachſen; weiterhin fand ſich allerdings eine Untiefe von vier Faden, die auch in der Admiralitätskarte eingetragen, war. Powell ſchließt daraus, daß einzelne Riffe ſchneller wachſen. Zu Zeiten findet in der Chinaſtraße eine ſehr ſchnelle Ebbe⸗ und Flutbewegung ſtatt, welche nach ſeiner Anſicht dem Wachstum der Riffe günſtig iſt. Die in der Straße gelegenen Eilande: Mekelinny, Paples und Didy- mus ſind gänzlich unbewohnt, dasſelbe gilt auch von der folgenden Jouveney und Jurieninſel. Dieſe letztere ſteigt in Terraſſen zu einer beträchtlichen Höhe auf, gerade ſo, als ob ſie ruckweiſe aus dem Meere emporgehoben worden wäre, indem jede Terraſſe während einer gewiſſen, Zeit den Meeresſtrand bildete; in ähnlicher Weiſe repräſen— tiert fic) auch die Jouveneyinſel. Um die zwiſchen Neu-Britannien und Neu-Irland gelegene Duke of Yorke gruppe zu erreichen, muß der St. Georgskanal benutzt werden. Dieſer Kanal wurde im Jahre 1699 von Dame pier entdeckt, der damit zugleich feſt—⸗ ſtellte, daß Neu⸗ Gebäude hingen Britannien und Totenſchädel, die Neu-Irland zwei aber nicht zu er— getrennte Inſeln halten waren. Die ſind. Der erwähnte Bewohner des Ei— Kanal hat eine äu⸗ landes ſelbſt ſind geweckt und freund— ßerſt heftige Strö⸗ mung, die durch die lich und bauen leid Unebenheiten des liche Boote, die ſie mit ovalen Baſt⸗ Bodens hervorge— rufen zu ſein ſcheint. ſegeln verſehen. In der Nähe der Inſel iſt auf den Karten ein Riff verzeichnet, Fig 2. das ſich aber bei einem Blick von der Höhe eines Berges aus als ſchöne Lagune herausſtellte. Auf der Blanchard- und Heath— inſel waren nur wenige Eingeborene zu ſehen, Frauen aber gar keine. Wahrſcheinlich dürfen dieſe ſich Fremden nicht zeigen. Dieſe Inſulaner beſitzen ſehr ſchöne Stein— beile und hübſche Waffen. In der Poſſeſſionsbai liegt die Hayterinſel. Bei der Landung erſchienen etwa 300 Kahne mit Eingeborenen vor dem Schiffe, während ſich abſeits zwei Schlachtkähne, wie es ſchien zur Beobachtung und Aufrechterhaltung der Ordnung, aufſtellten. Die Männer der Inſel ſtehen faſt ausſchließlich unter der Herrſchaft ihrer Frauen; denn dieſe geben die Richtung der Fahrt an und beſtimmen zugleich die Artikel, welche eingetauſcht werden ſollen; ſie zeigen dabei im Gegenſatz zu den Männern große Ruhe und Beſonnenheit, ſowie kaufmänniſche Gewandtheit. Die Poſſeſſionsbai gehört ſeit 1873 zu England, in welchem Jahre fie durch Kapitän Moresby vom „Baſilisk“, als er die „Chinaſtraße“ entdeckte, in Beſitz genommen wurde. Sie iſt eine der ſchönſten Durchfahrten, wegen ihrer mit der üppigſten und mannigfaltigſten Flora bedeckten Ufer. Die ſogenannte „Chinaklippe“ in der Chinaſtraße war ſeit 1875 beträchtlich gewachſen. Sand- und Korallenbruch— ſtrecken haben das ehemalige Riff in eine Bank verwandelt; Powells Schiff Neubritanniſcher Kahn. wurde in demſelben während einer Nacht 48 km weit allein durch die Strömung getrieben. Eine deutſche Barke verbrauchte durch dieſen Kanal faſt 2 Monate Zeit mit Verſuchen, eine Strecke von 32 km Länge gegen die Strömung zu ſegeln; eine engliſche aber, welche mit derſelben fuhr, machte den Weg von New Caſtle (Neuſüdwalis) in 13 Tagen! Die Duke of Yorkinjel hat von Often nach Weſten eine Länge von 8 und eine Breite von 5—6 km. Die beiden im Norden vor ihr gelegenen Inſelchen Makada und Myet bilden den ziemlich guten Ferguſonshafen, in dem eine Handels— faktorei der Brüder Hernsheim und eine Miſſionsſtation iſt, die aber wegen Teilnahmsloſigkeit der Wilden ſchlechte Reſultate erzielt. Der Reiſende meint, daß auf Duke of Hork nicht zehn wirklich Bekehrte ſeien. Im Süden iſt der Miokohafen bei der Utuaninſel; dieſe Inſulaner ſind unruhig, diebiſch und gefährlich; dagegen ſind die von Duke of Pork zuverläſſiger; fie machen häufig mit ihren ſpitzen Kähnen weite Reiſen. Dieſelben laufen nach beiden Seiten ſpitz zu, die Planken ſind untereinander und an den Rippen befeſtigt und der untere Teil iſt aus einem einzigen Stamme gehauen, in welchem die Rippen feſt— gemacht werden. Die Ritzen und Fugen zwiſchen den einzelnen Teilen werden mit dem Mehle einer Nuß aus— geſtopft, das mit der Zeit eine ſolche Härte annimmt, daß Gazellenhalbinſel. Humboldt. — Auguſt 1885. 329 eher das Holz als die Kittmaſſe zerbricht. W. Powell meint, daß ſie die Kunſt, Kähne zu bauen, von den Salo- monsinſulanern erlernt haben. Die Eingeborenen erſcheinen als Miſchlinge der Neu-Britannier und Neu-Irländer. Gewiſſe Eigentümlichkeiten in der Mundart und in der Bekleidungs— weiſe berechtigen zu dieſer Annahme. Die Männer ſind ſchön gebaut, mittelgroß und kupferfarbig, das Haar wird mit Kalk beſtreut, kurz getragen und iſt wollig. Kahlköpfe gibt es unter ihnen nicht. Nur zur Zeit der Trauer werden die Schädel kahl geſchoren. Die Frauen ſind in der Jugend wohlgebildet und gerade, fie altern aber raſch und nehmen allmählich wegen der ſchweren Laſten und Arbeiten, die ihnen zugemutet werden, eine gebückte Haltung an. Die Inſulaner leiden oft an einer Hautkrankheit, „Buckwar“, die erblich iſt, aber den Weißen nicht befällt. Sie dürfte in der Schweinefleiſchnahrung und der Nicht— benutzung von Salz ih— ren Grund haben, ne— benbei vielleicht auch in den klimatiſchen Ver— hältniſſen. Auf der Inſel herrſchen meh— rere Häuptlinge, der mächtigſte unter ihnen iſt Tor Poulo, von den Weißen König „Dick“ genannt. Er iſt auch Herr des „Duck-Duck“; es iſt dies ein etne ziger vom Häupt⸗ ling dazu beſtimm— ter Mann, deſſen Körper bis über die Lenden hinunter in Blätter gehüllt iſt und deſſen Kopf und Ge— ſicht ein auf den Schultern aufſitzender großer Helm bedeckt. Der Duck-Duck iſt die perſonifizierte Juſtizverwaltung, er iſt gleichzeitig Richter, Poliziſt und Henker, ſchlichtet alle Streitigkeiten und beſtraft alle Uebelthäter. Dieſe ſonderbare Erſcheinung wandert durch den Buſch und beſucht jedes Dorf, ſagt W. Powell, und wenn jemand von ſeinem Nachbar beleidigt oder ge— ſchädigt worden iſt, ſo zahlt er dem Duck-Duck eine Summe Muſchelgeld, „Diwarra“, behufs Beilegung der Sache. Der Duck⸗Duck geht darauf zu dem Hauſe des Angeklagten und verlangt beiſpielsweiſe Rückgabe der geſtohlenen Sachen oder Schadenerſatz. Wird das eine oder das andere ver— weigert, ſo ſteckt Duck-Duck das Haus in Brand und tötet auch wohl den Geſetzesverächter. Frauen und Kinder dürfen den Duck nicht ſehen. Die männliche Bevölkerung wird nach einem gewiſſen Alter gegen Erlegung von 100 Faden Diwarra in das Duckgeheimnis eingeweiht. In gewiſſen Zeiten werden ihm zu Ehren große Feſte mit wilden Tänzen gefeiert. Ein anderer mächtiger Häuptling iſt „Toragood“, er iſt einer der ſchlimmſten Kannibalen. Vor ſeinem Hauſe fand W. Powell an einem Baume die zerlegten Beine Fig. 3. Neubritanniſcher Häuptling. eines Menſchen hängend! Der Miſſionär Brow ſtellte ihn eines Tages zur Rede, weil er einen menſchlichen Körper bei ſeinem Hauſe hängen hatte, welcher markt— mäßig ausgeſchrotet werden ſollte. „Was kann ich thun“, antwortete Torapood, „der Mann half meine Mutter eſſen!“ Die gefangenen Opfer werden häufig erſt gemartert und langſam gebraten. Die Inſulaner tragen keine Kleider, nur die Frauen von Mioko, Utuan und der ſüdlichen Halbinſel benutzen einen aus hochrot gefärbtem Graſe ge— machten Schurz. Im Fangen der Fiſche entfalten ſie große Geſchicklichkeit, ebenſo im Jagen. Eigentümlich iſt es, daß auf Duke of York weder Kafuare noch weiße Kakadus leben, obwohl die Inſel nur 22— 24 km von Neu-Britannien entfernt iſt, wo fie in großer Menge ge— troffen werden. Zu den einheimiſchen Nutzpflanzen gehören Bananen, Kokosnüſſe, Taro, Mumienäpfel, Yams und Aaronswurzel; dieſe letztere ſteht im Ge— ſchmack aber weit hin— ter den neubritanni— ſchen zurück. Eine ſehr nützliche Frucht iſt der Mumienapfel. Die Stengel und Blätter des Melonenbaumes mit der Wäſche gekocht, entfernen allen Schmutz von derſelben. Die Wäſche kommt leuch— tend, gummiguttgelb aus dem Kochkeſſel, wird aber nach dem Trocknen in der Sonne blendend weiß. Auch macht ein Stück vom Stengel oder Blatte zuſammen, mit altem Geflügel oder zähem Fleiſche gekocht, das— ſelbe ganz weich und zart. 24 km won Duke of York liegt Neu-Britan— nien. Ihren öſtlichen Teil bildet die vulkaniſche Gazellen— halbinſel, die nur mittels eines ſchmalen Iſthmus zwiſchen der Open- und Spaziousbai mit der Inſel zuſammen— hängt. Sie zerfällt in acht Diſtrikte, Birara, Kinini— gunum, Herawia an der Blanchebai, Kabakadaie, Luin, Cambira, Byning, Roterwool und Goonan. Dieſer letztere ſowie Luin und Byning laufen in bergige Halbinſeln aus. Die Gazellenhalbinſel ſelbſt beſteht im Inneren aus einem tafelförmigen Hochland, das ſich rings um den alten Vulkan Beautemps-Beaupré herumzieht; die Ränder dieſes Tafel— landes umſäumen einige Bergrücken von mäßiger Höhe. Den Goonandiſtrikt durchzieht aber ſeiner ganzen Aus— dehnung nach ein ſchmaler Gebirgszug, deſſen Ende an der Blanchebai die beiden thätigen Vulkane „Mutter und Tochter“ bilden. W. Powell durchwanderte den Goonan— diſtrikt bis Nodup. Er fand das Land faſt durchaus an— gebaut, Bananen, Yams und Aaronswurzel wuchſen faſt überall in reicher Fülle. Der Boden beſteht aus ver— witterten vulkaniſchen und pflanzlichen Stoffen und iſt 330 überall fruchtbar. Allenthalben finden ſich Dörfer der Eingeborenen, um deren Häuſer Beete angelegt und mit den farbenreichſten Waldſtauden beſtanden ſind. Die Häuſer werden aus Bambus hergeſtellt und mit Pandanus gedeckt, ſie ſind klein, nur das des Häuptlings zeichnet ſich durch größeren Umfang aus. Auf dem Marſche nach der Blanche— bai paſſierte man zwei von den beiden Vulkanen herab— kommende Bäche mit einer Waſſertemperatur von 39° R. Zwiſchen den Vulkanen „Mutter und Tochter“ fand man ein Terrain, das ſo hohl war, daß es klang, als wandelte man auf dem Dache eines Hauſes, auch war es ganz heiß infolge unterirdiſchen Feuers; aber trotzdem wuchſen darauf Gräſer und Kräuter in wilder Ueppigkeit. Die Blanchebaiküſte war mit Bimsſteinen bedeckt; nach Ausſage der Eingeborenen ſoll etwa zwölf Jahre vorher ein großer Ausbruch der genannten Vulkane ſtattgehabt haben, durch den viele Menſchen getötet wurden. Auch die in der Bai liegende Inſel Matupi hat einen 533 m hohen Krater, weshalb ſie Powell für eine vulkaniſche Schöpfung hält; ſie heißt auch Henderſon und beſitzt einen großen Vorzug vor den anderen Südſeeinſeln dadurch, daß ſie fieberfrei Humboldt. — Auguſt 1885. erſtreckt. In die engſte Stelle der Bucht mündet der Pleaſent-River, der 1800 m aufwärts noch 4—5 m Tiefe hat; 400 m von der Mündung war das Meerwaſſer noch ohne Salzgeſchmack. Da die Eingeborenen der Bucht ſich ſehr feindlich zeigten, fo wurden weitere Annäherungs— verſuche aufgegeben. Mittlerweile hatte ein großer Vulkan⸗ ausbruch in der Blanchebai ſtattgefunden. W. Powell fand bei ſeiner Rückkehr nach Duke of York das ganze Meer zwiſchen Makada und Neu-Britannien mit großen Bimsſtein⸗ blöcken bedeckt. Er ſchildert den Ausbruch des Vulkans, Mutter“ auf folgende Weiſe: „Wir landeten im Norden von Nodup und erſtiegen den Mother-Mountain, welcher vermöge der Windrichtung vor Aſche und Steinen geſchützt war. So konnten wir von unſerem Standpunkt aus in den feurigen Krater unter uns hinunterblicken. Am Abend wurde der Anblick noch großartiger — er war ſchauerlich. Alle Augenblicke kam eine ungeheure Zuckung und dann ſchienen die Eingeweide der Erde ſelbſt von dem Krater in die Luft geworfen zu werden; rieſige, rotglühende Steine von dem Umfange eines gewöhnlichen Hauſes flogen hoch empor, faſt außer Sicht, zerbarſten wie eine Rakete und Fig. 4. Openbai. iſt; infolge deſſen iſt ſie ſtark bevölkert und neueſtens eine Hauptſtation deutſcher Kaufleute; ſie eignet ſich aber nicht zum Ackerbau, weshalb die Bevölkerung ſich weſentlich vom Fiſchfange nährt. Bei einem Ausfluge in das Innere der Gazellenhalbinſel zum Berge Beautemps-Veaupré, bei dem der Reiſende 8 km vom Berge von ſeinen einge— borenen Führern treulos im Buſche im Stich gelaſſen wurde, entdeckte er auf der Nordſeite des Berges einen Süßwaſſerſee ohne Zu- und Abfluß; mitten im See lag eine bewaldete Inſel, im Waſſer lebten viele Fiſche. Die Ein— geborenen der Gazellenhalbinſel ſind Kannibalen der ſcheuß— lichſten Art. Die gefangenen Feinde werden ſtets, nachdem fie von den Frauen gemaxtert worden find, verſpeiſt. Die Frauen ſelbſt nehmen eine ſehr untergeordnete Stellung ein. Heiraten unter Verwandten ſind nicht geſtattet, ja ſogar unter den eigenen Stammesmitgliedern nicht; daher vollziehen ſie ſich meiſt zwiſchen fremden Stämmen, wobei es vorkommt, daß Frauen geraubt, die Männer erſchlagen, und die Erſchlagenen beim gemeinſchaftlichen Hochzeitsmahle verſpeiſt werden! — Im Südoſten der Gazellenhalbinſel dehnt ſich die geräumige Spaziousbai aus. Ihre Tiefe beträgt durchſchnittlich 36 mn; fie hat flaches Ufergeliinde, auf dem die Kokospalme nicht vorkommt. Eine eigentümliche Natur— merkwürdigkeit der Bai iſt ein Bogengang, welcher ſich in einer Spannung von 18 m gerade in die See hinaus Neu- Britannien. fuhren ziſchend in die See. Gleichzeitig lohten gierige Flammen auf, beinahe zur Höhe, auf der wir ſtanden, Flammen von blendendſter Helle. Dann wieder erſtarb alles in einem niedrigen Schwefeldunſte, blaue Flammen breiteten ſich über die ganze Kratermündung aus; über uns und all dem Lande ringsherum hing eine ſchwere Wolke dicken ſchwarzen Rauches, durchzuckt von den hagel— dicht herunterfallenden, rotglühenden Steinen, welche bis in einer Entfernung von 3½ km allen Pflanzenwuchs in der Windrichtung vernichteten. Gleich beim Beginn des Ausbruches erhob ſich in einer Nacht an der Weſtküſte der Blanchebai ein Eiland von 3 km Umfang und 20 m Höhe mit einem Krater voll kochenden Waſſers. Das neue Inſelchen iſt halbkreisförmig mit einem kurzen Riff an der Nordſeite und 8 km vom Vulkan entfernt. Augenzeugen auf Matupi verſichern, daß in der Nacht, in welcher der Ausbruch erfolgte, eine Flammenlinie quer durch die Blanchebai vom Vulkan aus bis zur Stelle, wo die Inſel erſchien, ſichtbar wurde. Eine dem Ausbruche folgende Flutwoge riß einen großen Teil des Matupiſtrandes hinweg. Die Thätigkeit des Kraters währte länger als einen Monat. Die ganze Blanchebai und ein großer Teil des Georgskanales waren ſo dicht mit Bimsſteinen bedeckt, daß ein Schiff gar nicht, ein Boot nur ſehr ſchwer hindurchkommen konnte, da die Humboldt. — Auguſt 1885. 331 Bimsſteine infolge der Kapillargeſetze zuſammenhängen und ſo eine mächtige, faſt undurchdringliche Fläche bilden. — Während die Südoſt- und Oſtküſte der Gazellenhalbinſel verhältnismäßig wenig gebirgiges Terrain enthält, ändert ſich dies auf ihrer Nordſeite ganz weſentlich. Die Diſtrikte Byning und Kabakadaie haben bergigen Charakter; aus dem Gebirgsland von Byning ragen ſogar einzelue weithin ſichtbare Gipfel hervor; einer hat 1500 m Höhe; er zeigt ſchroffe und ſteile Hänge. Die ganze Halbinſel dürfte vulkaniſch ſein; dem Berglande von Byning entſtrömt ein mäßiger Fluß, der gegenüber der Inſel Malapert ins Meer ſtürzt; ſein Waſſer iſt eiskalt; an ſeinem nach dem Meere zu niedrigen Ufern wohnen einige Anſiedler, die aber vom Fieber zu leiden haben, das in dem feuchten Uferlande immer zu Hauſe iſt. Zwiſchen Cambira und Byning liegt der verhältnismäßig ſehr günſtige Webber— hafen. Die Nordſpitze der Halbinſel verläuft in das felſige Kap Lambert, ihre Weſtküſte aber reicht bis Port-Powell in der Openbai. Dieſe Küſte vom Webberhafen bis Port— Powell (Nemi Sorio) begleiten kleinere, meiſtens dürftig oder gar nicht bewohnte Eilande. Eine günſtige Ausnahme davon macht das Inſelchen Mater— pert; es ijt 400m von der Küſte ent⸗ fernt, felſig und dicht bevölkert. Die Eingebornen gehö— ren einer Miſch— raſſe, aus Einwan— derern von den öſt— lichen und weſtlichen von 100 Faden der erſten Längen zuſammengelegt. Bis— weilen werden 600 Faden zuſammengebunden, aber nicht oft, da eine ſolche Menge zu maſſig iſt, wenn bei einem feindlichen Einfall die Weiber ſie raſch fortſchleppen müſſen. Dieſe Diwarragewinde werden oft ſehr nett mit Flechtwerk bedeckt, welches den Sitzen unſerer Rohrſtühle ähnelt. Die Eingebornen kennen, mit Ausnahme der Häuptlinge, die Fundſtelle der Muſcheln nicht. Eine Notiz im Globus“), der der Bericht über das Muſchelgeld entnommen iſt, nennt den Fundort Nukani an der Nordweſtküſte. Die Muſcheln werden in die Erde gegraben, damit ſie bleichen; darnach ſchlägt man mit einem Steine in ihre Spitze ein kleines Loch; alsdann wird ſie auf die Rohrſtreifen gereiht, was die Häuptlinge beſorgen dürften. — Auch die folgende Inſel, Semſigoro, iſt hoch und felſig, ihre Küſte aber flach und ſumpfig und mit Mangroves bedeckt, in denen ſich viele Krokodile aufhalten. Die Küſte von Pondo bis El Watto an der Openbai hat einige gute Hafenplätze, auch münden an derſelben zwei größere Flüſſe, von denen der Holmsriver durch einen impoſanten Waſſerfall ſich aus— zeichnet. Mit der Hixſonbai, gegenüber der Henry Reidbai hört der 6 kim breite Iſthmus, der die Gazellenhalbinſel mit dem übrigen Neubritannien ver— bindet, auf. Das Wahrzeichen der ſchönen geräumigen Bucht ſind die drei Vulkane, der „Va— ter“ 1400 m, der Inſeln gebildet, an. Sie bauen große „Nordſohn“ 400 m. und der Südſohn“ Kähne und unter— nehmen damit grö— ßere Reiſen. Das Waſſer für die Seereiſe wird in Bambusſtäben mitgeführt, ebenſo das Feuer. Eine Kokosſchale, mit der weichen fiber— artigen Fülle der Kokosnuß gefüllt, wird mit einem Brande verſehen. Die Kokosfaſer glimmt jo 3—4 Tage lang. — Tabakblätter rollen ſie in Form unſerer Cigarren zuſammen und nennen dies dann „Sogar“. — 2 km von der Byning— küſte ragt Matakunaputa aus dem Meere empor. Auch ſie gehört zu den hohen Inſeln. Ihre Bewohner treiben Seeraub; hauptſächlich gefährlich find fie der Byningküſte. Die Bewohner derſelben ſiedeln ſich deshalb mit Vorliebe fern der Küſte im Buſche an. Als Sammelplatz für ihre Raubzüge benützen die Matakunaputaleute meiſtens die nördlich vom Kap Lambert gelegenen ſechsfelſigen und un bewohnten Scillyinſeln. Bei Sulla-Sulla, einer anderen Inſel an der Küſte, holen die Neubritannier die Muſcheln für das Geld. Dieſes beſteht nämlich aus kleinen Kauri— muſcheln, die auf geſpaltenes Rohr aufgereiht werden. Das wird auf Duke of York „Diwarra“ genannt. Es wird nach Längen gemeſſen, wovon die größte bei ausgebreiteten Armen über die Bruſt weg von Hand zu Hand reicht, die kleinſte gleich der Länge eines Fingers iſt. Ein großes Schwein koſtet beiſpielsweiſe 30—40 Längen vom erſten Maße. Das Diwarra wird zur Bequemlichkeit in Gewinde Fig. 5. „Wuhp“ oder Fiſchkorb, Neubritannien. 900 m hoch. „Va— ter“ und „Süd— ſohn“ ſind thätig und haben neue Krater; die drei Berge ſind oben bis an die Krater gut bewaldet, die neuen aber nackt und pflanzlos. Der „Nordſohn“ dürfte erloſchen ſein. In ihrer Nähe finden ſich große Mengen Obſidians. Den Abſchluß des Golfes bildet nach Weſten zu die Inſel Heath; es iſt „Le Den— beur Island“ der alten Karten, hat aber keine Aehnlichkeit mit dem dort dargeſtellten Eilande. Viel größer iſt Duportail. Sie liegt von der Küſte 7½ km weit ab und bildet mit derſelben die „Expactationsſtraße“. Zwei Berge, wovon der eine ein Krater, welcher dem geöffneten Maule eines rieſigen Walfiſches ſehr ähnlich iſt, ragen weit über ihre nächſte Umgebung empor; dieſer Vulkan ſtößt Rauch aus und zwar am häufigſten nach Regen, ähnlich wie der „Vater“ bei Aufgang der Sonne. Die ganze Inſel bedeckt dichter Wald, der ſich auch beinahe bis an jene eigentümliche Spalte des Vulkans hinanzieht. Ein⸗ gebornen der Duportailinſel haben wohl noch nie einen Weißen vor Powell geſehen, was ſich aus ihrer Scheu vor dem Schiffe und den Reiſenden folgern läßt. Sie tragen nur einen Kopfputz aus Muſchelſchnüren, der ſchon den Kindern angelegt wird, und von dieſen ohne Unter— Dio Die ) Globus Bd. 46. Nr 9. 332 Humboldt. — Auguſt 1885. brechung bis zum Alter von 15 - 16 Jahren getragen wer— den muß. Der obere Teil des Kopfes erhält infolgedeſſen eine eigentümliche Zuſpitzung. — Die Küſte Neubritanniens wird von der Duyportailinjel bis zum Kap Wilſon immer niedriger und zugleich ſumpfiger, nur einmal, in der Co— modorebai, ſpringt eine gebirgige, vulkaniſche Halbinſel mit den pyramidenförmigen Kegeln von etwa 700 m Höhe ins Meer vor. Dagegen tragen die das Uferland begleitenden Inſeln Veſſy, Chard, Norton und Du Faur faſt durch— gängig gebirgigen Charakter mit kraterförmigen Bergen. Hingegen ſollen den „franzöſiſchen Inſeln“ nördlich von Birava Vulkane gänzlich fehlen. Sie wurden bekannt⸗ lich von Entrecaſteaux entdeckt und benannt und beſtehen aus zwei Gruppen. Die Eingebornen derſelben gehören derſelben Raſſe, wie die der Openbai an, die Männer ſind kriegeriſch und benutzen im Kampfe lange Wurfſpeere. Die Küſte Neubritanniens jenſeits der Comodorebat beſteht aus vollkommen flachem Lande; es iſt ſo niedrig, daß man es nur etwa 16 km weit ſehen kann; vom Kap Wilſon aber bis Kap Poueeſter bedecken ſie wieder unzählige kleine, kegelförmige Vulkane. Als Powell ſich dem letzteren Vorgebirge näherte, lag über dem ganzen Lande weithin eine rieſige Rauchwolke, welche die Ausſicht auf die Berge verhüllte. Als ſie ſich endlich zerteilt hatte, zeigte ſich, daß dieſer Rauch vielen hunderten kleiner Vulkane entſtrömte, die alle in Thätigkeit waren. In der Nacht ſchienen Flammen die Bergſpitzen zu bedecken, und ihr Licht war ſo ſtark, daß man dabei leſen konnte. Die Luft erfüllte feine Aſche, hellgrauer Staub lagerte auf Pflanzen und Kräutern und erſchwerte ſogar das Atmen. An dieſer vul— kaniſchen Thätigkeit nahmen auch die Tupinerinſeln teil. Das Getöſe der Ausbrüche glich einem ununterbrochenen dumpfen Donner. Die Bewohner des neubritanniſchen Archipels, ſagt F. Hernsheim?) find von dunkler, bei— nahe ſchwarzbrauner Hautfarbe; ſie gehen vollſtändig nackt, haben kräftigen Körperbau und dickes, wolliges Haar, das die Männer häufig ſchmücken, während die Frauen ganz ſchmucklos gehen und es kurz ſcheren. In einzelnen Di— ſtrikten raſieren die männlichen Individuen den Schädel teilweiſe mit Muſcheln kahl, indem ſie dabei bald den Vorder— kopf, bald den Hinterkopf von Haaren entblößen, auch wohl, und zwar meiſtens im Scheitel, einige Büſchel ſtehen laſſen, die dann vom Wirbel aus gleichmäßig in die Länge ge— zogen werden. Die flache, breite Naſe wird an den Flügeln durchbohrt und daran verſchiedenartiger Schmuck angebracht. Alle haben breite Lippen und einen großen Mund, ſpär— licher Bart umrahmt das männliche Geſicht; häufig werden die Barthaare durch Ausxreißen ganz beſeitigt. Das Tätto— wieren des Körpers iſt nicht allgemein gebräuchlich, auch in der Art der Tättowierung unterſcheiden ſie ſich von den übrigen Südſeeinſulanern, indem die Zeichnung nicht ein— geätzt, ſondern durch die erhabenen Narben der für dieſen Zweck angebrachten Schnittwunden hergeſtellt wird. Sie huldigen wohl ohne Ausnahme dem Kanibalismus. Ob ſie dazu durch einen früher einmal eingetretenen Mangel an Lebensmitteln oder durch religiöſe Gebräuche gekommen ſind, läßt ſich mit Sicherheit nicht ermitteln. Ihre Dörfer ) Franz Hernsheim, Südſeeerinnerungen. Berlin, A. Hof— mann u. Comp. und Felder liegen meiſt weit ab vom Strande oder auf Bergen. Die feindlichen Einfälle der benachbarten Inſu⸗ laner und vielleicht auch das landeinwärts geſündere Klima haben wohl hauptſächlich zu dieſer Verlegung der Dörfer beigetragen. Die Wohnungen beſtehen aus kleinen, läng⸗ lichen Bretterhütten, die mit zwei hohen Giebeldächern ver⸗ ſehen ſind. An dem einen ſchmalen Ende befindet ſich die Oeffnung für die Thiire; für Fenſter iſt nicht geſorgt, ebenſowenig für den Abzug des Rauches, der ſich ſeinen Weg durch die verſchiedenen Spalten des gerätloſen Hauſes ſuchen muß. Jedes Haus, von denen durchſchnittlich 6 bis 8 ein Dorf bilden, tt mit einem Garten umgeben. Das Haus des Häuptlings ijt größer als die übrigen; vor dem⸗ ſelben ſteht der mit Schweinekopfſkeletten behangene „Tabu— baum“, an dem auch die im Kriege gefangenen Feinde ſo— wie Verbrecher abgeſchlachtet und ihr Fleiſch zum Verkaufe ausgeboten wird. Alle Neubritannier find reinlich und waſchen ſich öfter im Tage. Die Mädchen verbringen oft halbe Tage im Waſſer; ſtatt der Seife benutzen ſie ein zuſammengelegtes Blatt zum Reinigen des Körpers; nur Fig. 6. Frau. Neu⸗Irland. bei einem Todesfalle werden dieſe Waſchungen unterbrochen und zwar oft monatelang. Bei Krankheiten werden ein— heimiſche Aerzte zu Rate gezogen, die oft mit großer Klug— heit ihre Patienten zu behandeln verſtehen. Die Kunſt dieſer „Aerzte“ beſteht meiſt in mehr oder weniger ge— heimnisvollen Ceremonien. Der Arzt wird für ſeine Be— mühung ſofort mit einigen Längen Diwarra bezahlt, da nach der Meinung der Inſulaner ſonſt keine Heilung erfolgen kann. Die Verſtorbenen werden in der Nähe ihrer Woh— nung in einer eigens zu dieſem Zwecke erbauten Hütte begraben. Auf Byning und Matukanaputa pflegt man ſie aber unter dem Boden des Hauſes zu beerdigen. Dieſe Wilden begeben ſich darauf etwa zwei Monate lang auf die Reiſe, wabrſcheinlich weil fie die verderblichen Folgen einer ſolchen Beſtattungsweiſe allmählich kennen gelernt haben. Ueber die Bevölkerung des Nordweſtens von Neu— irland, welche Inſel Korvettenkapitän Kuhn mit dem deutſchen Aviſo „Habicht“ im Juli 1881 beſuchte, be— richtet derſelbe“): Die Eingebornen ſind vollkommen un— ) Annalen der Hydrographie 1882 Heft 4. Humboldt. — Auguſt 1885. 333 civiliſiert und leben unter einigen einflußreichen Häupt— lingen in zahlreichen Stämmen, welche ſich unaufhörlich befehden, hauptſächlich um Kriegsgefangene zu machen, die ſie dann verzehren. Sie ſind ſämtlich Anthropophagen und kennen in Befriedigung dieſer Neigung nicht die ge— ringſte Scheu, wie ſie auch nicht unterlaſſen, die ihnen be— freundeten weißen Händler zu ſolchen Mahlzeiten jedesmal einzuladen. Ihre Stammesgenoſſen jedoch verzehren ſie nicht, ſondern begraben ſie neben ihren Hütten oder ver— brennen die Leichen. Der äußeren Erſcheinung nach unter— ſcheiden ſie ſich nur ſehr wenig von den Eingebornen von Neubritannien und führen dieſelben Waffen wie dieſe, Wurf— ſpeere, Keule und Schwerter aus Holz. Den Gebrauch des Bogens ſcheinen ſie, wie jene, nicht zu kennen. Auffallend iſt bei ihnen eine keineswegs geringe Fertigkeit in der Holzſchnitzerei; vor allen Dingen aber findet man hübſch verzierte Keulen und Kanoeverzierungen. Das Geld von Neuirland weicht ganz von dem von Neubritannien ab. L ~ U e @ iG se Ga) @ Nach Powell beſteht es aus kleinen, zweiſchaligen, blaß— roten Muſcheln, von welchen eine Anzahl durchbohrt und auf einen Faden aufgereiht wird. Von den Muſcheln wird ſo viel abgebrochen bis ſie ganz klein werden, worauf ſie mit Bimsſtein glatt und rund gemacht werden. Die Neu— irländerinnen tragen eine hellrot gefärbte Grasbekleidung, während die Männer ganz nackt gehen. Wahrſcheinlich gehören dieſe Inſulaner derſelben Raſſe an, wie die Be— wohner der Gazellenhalbinſel; ſie ſprechen auch eine ähn— liche Sprache. Dagegen dürfte dies bei den Eingebornen der Spazious- und Openbai nicht der Fall ſein. Hier iſt eine Bemerkung von Dr. Otto Finſch am Platze, welcher meint, daß nach ſeinen Beobachtungen alle noch ſo ver⸗ ſchieden erſcheinenden Stämme ſich auf zwei Hauptraſſen zurückführen laſſen, nämlich auf eine ſchlichthaarige (Polyneſier und Mikroneſier) und eine kraushaarige (Me— laneſier und Papuas), von denen es übrigens zweifelhaft iſt, ob nicht auch zwiſchen ihnen Uebergänge beſtehen. Ru n d ſſch a u. Eduard Sueß, Das Antlitz der Erde. Zweite Abteilung (Schluß des erſten Bandes), mit vier Tafeln und zahlreichen in den Text gedruckten Kartenſkizzen und Profilanſichten. Prag, F. Tempsky, und Leipzig, G. Freytag. Preis 16 % Von dem großartig angelegten Werke, welches über die Oberfläche der Erde und die Geſchichte derſelben ein ganz umfaſſendes Bild, wie es noch nie geboten wurde — es müßten denn die Principles of Geology von Charles Lyell ſein, die jedoch mit ganz verſchiedenem Plan und anderer Tendenz mehr Einzelabhandlungen darſtellen, wäh— rend das Sueßſche Werk aus einem Guſſe iſt —, zu geben beabſichtigt, erſchien eben die zweite Abteilung des erſten Bandes. Dieſelbe hängt völlig mit den zwei letzten Kapiteln der erſten Abteilung zuſammen, in welchen zum Teil in nächſter Beziehung zu den vorausgegangenen Abſchnitten: Einzelne Schüttergebiete, Dislokationen und Vulkane, in kühnem Wurfe eine Ueberſchau über das Vorland der Alpen, ſeine Beziehungen zum Alpenſyſtem und die Leit— linien des letzteren gegeben iſt. Es ſind alſo die Gebirge der Erde, welchen nach ihrer Struktur und ihren gegen— ſeitigen Beziehungen der zweite Teil des erſten Bandes gewidmet iſt. Was Sueß wohl zuvörderſt zur Abfaſſung dieſes eminenten Werkes bewogen hat, mag geweſen ſein, ſeine Anſchauungen über die in zwei Komponenten ſich zerlegende, aus der Kontraktion der äußeren Teile des Erdkörpers hervorgehende Spannung — tangentiale Faltung und vertikale Senkung — im größten Umfang zu demon— ſtrieren und in dieſem Zuſammenhang auch die neugewonnenen Anſichten über die den vulkaniſchen Erſcheinungen zu Grunde liegenden Urſachen, wie die eigentliche Natur ſo mancher als Gebirge bezeichneter Partien der Erdoberfläche, der Horſte, genauer zu präciſieren. Es handelt ſich alſo nicht bloß um eine aneinander gereihte Beſchreibung des bisher Eruierten, ſondern beſonders auch um eine Vergleichung des Baues der Gebirge, der die verſchiedenen Gebirge und Tafelländer ꝛc. zuſammenſetzenden Schichten und der rela— tiven Lagerung letzterer; hierbei ſind es hauptſächlich die mehrfachen Transgreſſionen, die, in den verſchiedenen Ge— bieten vielfach in Uebereinſtimmung angetroffen, hervor— gehoben werden. Mit dem Verfolg der Meeresufer in den verſchiedenen Epochen kommen ſo die Hauptmomente zuſtande, ſich von den einander folgenden Veränderungen des Feſten und Flüſſigen an der Oberfläche der Erde eine Humboldt 1885. Vorſtellung zu machen. Teile der Erdoberfläche, die ſich in die Erörterung der ſich räumlich aneinander ſchließenden Gebirgsketten, Tafelländer und Meere nicht einfügten, wie die arktiſchen Länder, das nordchineſiſche Tafelland und die oſtaſiatiſche Küſte, auch Auſtralien mit den paeifiſchen Inſeln, werden in ſpäteren Kapiteln beſprochen. Es iſt alſo der weiteſte Rahmen, in welchem die fundamentalen geſtaltenden Faktoren gefaßt werden können, jedoch noch nie gefaßt worden ſind. Man ſtaunt über die enorme Fülle von Material, das dem Autor hierzu ſchon zur Verfügung ſteht, noch mehr über denſelben ſelbſt, der es bewältigt. Es mag wohl dies Werk von ähnlich be— fruchtendem Einfluß werden, wie es Humboldts Kosmos, dieſer allerdings noch nach mehr Richtungen, war. Vieles bedarf ja gewiß noch der Reviſion. So fällt die Petrefakten— armut außerhalb Europa und Nordamerika auf, und doch iſt es die Geſamtlebewelt vor allem, wodurch der geologiſche Horizont mit Sicherheit beſtimmt werden kann. Manches Rätſelhafte mag ſich ähnlich löſen, wie Bücking kürzlich die ſeltſame Einlagerung ſogenannter Glimmerſchiefer in kretaciſche Kalke Griechenlands klarlegte. Eine bedeutende Etappe wird das „Antlitz der Erde von Eduard Sueß“ in der raſch fortſchreitenden Geologie für alle Zeit dar— ſtellen. Die einzelnen Abſchnitte, die meiſt mit einer rekapi— tulierenden Ueberſicht ſchließen und denen je ein Anhang für Angabe der Litteratur ſich anfügt, ſind folgende: Die adriatiſche Senkung, — Das Mittelmeer, — Die Wüſten— tafel, — Das gebrochene indiſche Feſtland, — Die indiſchen Scharungen, — Die Beziehungen der Alpen zu den aſiatiſchen Gebirgen, — Südamerika, — Die Antillen, — Nordamerika, — Die Kontinente. Bei der Beſchränktheit des zur Beſprechung gebotenen Raumes, der uns verbietet, die einzelnen Kapitel des näheren zu erörtern, mag den außerordentlichen Reichtum dieſes Bandes an Thatſachen und allgemeinen, ſie ver— bindenden Anſchauungen die ſehr gedrängte Ueberſicht er— kennen laſſen: Die Bewegungen der Erde haben eine große Mannig— faltigkeit in der Geſtaltung der Oberfläche erzeugt. Man ſieht große, flach gelagerte Tafeln, wie die ruſſiſche, die braſiliſche Tafel und die Sahara, und hohe alte Tafelländer, wie zu beiden Seiten des Indiſchen Oceans, mit ſteil ab— gebrochenen Rändern, wie die Quathlamba in Natal und die Sahyadri in Oſtindien, und vereinzelte Tafelberge, 45, 334 Humboldt. — Auguſt 1885. wie der Tafelberg am Kap und Roraima im ſüdöſtlichen Venezuela. Es ſind Horſte vorhanden, welche durch das Abſinken der Umgebung hervortreten, wie Morvan, Vogeſen, Schwarzwald, Frankenwald, die Granitmaſſe von Madagaskar und wohl auch ein guter Teil der Rocky-Mountains mit Uinta; an den Horſten ſieht man die geſunkenen Felder, wie das fränkiſch-ſchwäbiſche Senkungsfeld und das Plateau des Kolorado. Gräben ſind eingeſenkt zwiſchen parallelen Brüchen, wie das Rheinthal bei Straßburg, das Tote Meer und wohl auch Tanganyika und das ganze Rote Meer. In gänzlich niedergehobeltem alten Grundgebirgen ſind an ſam ſucht man dort kleine Spuren des Grundgebirges. Es gibt bedeutende Bergmaſſen, wie die Spaniſh-Peaks vor den Rocky-Mountains und die Henry-Mountains an dem Weſtrande des Koloradoplateaus, welche nur kuchen—⸗ förmige Intruſionen vulkaniſcher Geſteine ſind, und manche ähnlich gebaute granitiſche Maſſen und vielleicht nur die Füllung von Hohlräumen, welche der Abſtau erzeugte. Sueß unterſcheidet vier Hauptgruppen: die Tafeln, die Horſte, die Falten und die vulkaniſchen Berge — eine vielen Orten, wie an einem Teile der großen amerikaniſchen Seen bis zum See Winnipeg und in dem ſüdlichen Teile der ruſſiſchen Ebene, die Spuren großer gefalteter Gebirge erkennbar, deren äußere Geſtalt völlig verloren gegangen iſt; andere uralte Faltenzüge treten durch die Zerſtörung ihrer Decken noch in einigen Reſten ihrer urſprünglichen Geſtalt hervor, wie das Arvaligebirge in Oſtindien und der Lange Berg an dem Oſtrande der Kalaharawüſte; ſo ſind auch die Magodjaren in Südrußland ausgewaſchen aus dem Kreidemergel des Uſt-Urt, welcher ſie einſtens überdeckte. Man ſieht große Faltenzüge, welche in flachere Falten in dem ihnen gleichartigen Vorlande allmählich auslaufen und welche ſekundäre Falten im Vorlande, Parmas, bilden, wie der Ural und die Appalachien, und Oeffnung kleiner Fugen, ſonſt nichts. andere, welche mit zahlreichen, mehr oder minder paral- lelen Bogenfalten, einer Waſſerfläche gleich, anlaufen, ſpült über ſeine Ufer hinaus von Japan bis Neuſeeland innerhalb eines zweiten, in ähnlichem Sinne bewegten Faltengebietes, wie die langen und mächtigen Falten- züge des Tian-ſchan, und andere, welche mit Ueberfaltung und Umſtürzung geſtaut ſind an fremdem Vorlande, wie der Himalaya und die Alpen, und zwiſchen den Stauungspunkten der letzteren erſcheint, einer Parmabildung nicht unähnlich, das Juragebirge — und wieder gibt es ziehen. andere, welche über ihr Vorland hinausgedrängt ſind, wie die Karpathen, und zahlreiche andere, deren Vorland vom Meere bedeckt tft, wie die Anden, oder welche hinausſtreichen in das Meer, wie Vancouver und Queen-Charlotte-Archipel. Andere Stücke von Faltenzügen ſind durch die ſeitliche Drängung anderer Falten im Streichen gänzlich zerdrückt und zerbrochen, wie die ſtufenförmige Salt-Range mit dem überſchobenen Scheich-Budin, andere von querſtreifenden Falten vollends überwältigt, wie die Sudeten von den Karpathen, und andere ſind im Streichen ſelbſt gedreht, wie der rumäniſche Bogen, welcher vom Balkan zu den Karpathen zieht. Am Brahmaputra iſt die Faltungsrichtung des Himalaya jener der gegenüberliegenden burmaniſchen Ketten gerade entgegengeſetzt, und der Harz hat zweierlei aufeinander folgende faltende Bewegungen erfahren. Man ſieht Faltengebirge, welche auf ihrem Firſte Vulkane tragen, wie Alburs, Kaukaſus und die ſüdamerikaniſchen Anden, und andere große bogenförmige Faltenzüge, deren Rückland vollkommen eingeſtürzt iſt, ſo daß nur ein von innen her vielfach verengter, wohl auch unterbrochener Gebirgszug zurückbleibt, ſo in den Karpathen, dann rings um das weſt— liche Mittelmeer, in der Kordillere der Antillen und in der Kette von Arakau mit den Andomanen und Nikobaren.“ Das iſt die Dann ſtehen Vulkane auf der Innenſeite. Lage der ungariſchen Trachyte, der italieniſchen Vulkan- reihe, der Vulkane der ſpaniſchen Südküſte, der kleinen Antillen und der Vulkanreihe vom Puppa-doung am Irawadi bis Barren-Island. Andere Faltenzüge ſind von geraden Brüchen durchſchnitten, zerhackt, in Streifen niedergeſunken und von jungen Laven umfloſſen, ſo daß nicht der Verlauf der Falten, ſondern der Verlauf der Brüche und die vul- kaniſchen Ergüſſe den Umriß beſtimmen, wie in den Baſin Ranges; es liegen wohl auch die Brüche gerade quer auf den Falten, ſo daß der Umriß das Gegenteil von der Richtung der Faltung zeigt, wie im öſtlichen Theſſalien und auf Euböa; noch andere find an bogenförmigen, im Streichen liegenden Brüchen zur Tiefe gegangen und auch zum guten Teil unter Lava und Aſchen begraben, wie die Faltenzüge der iraniſch-tauriſchen Scharung in Hocharmenien; von anderen ſind faſt nur die Vulkankegel ſichtbar, welche auf ſtreichenden Brüchen ſtanden, wie auf Java, und müh— eine der wichtigſten Rollen. Scheidung, welche von Bedeutung ſein wird für den Ver— ſuch, das Weſen der oceaniſchen Transgreſſionen zu ver— folgen. Die großen vulkaniſchen Kegel, Chimborazo, Mount Rainier, Aetna, die Lavafelder des Dekkan oder jene von Oregon und Waſhington, welche viele Hunderte von Quadratmeilen bedecken, die gewaltigen Ausbrüche, wie jener des Krakatau, ſind nur Nebenerſcheinungen in jenen großen Vorgängen, durch welche die Oberfläche der Erde ſich ausgeſtaltet; ſie ſind die Anzeichen der vorübergehenden Die Sündfluten, in welchen Berge von Waſſer ſich erheben und verheerend über das Land treten, ſind auch nichts als eine untergeordnete Nebenerſcheinung. Die Annunaki, wie der alte Sündflut⸗ bericht ſie nennt, die Kräfte der Tiefe, ſind nicht zur Ruhe gegangen. Ein Zucken des Erdkörpers an der chileniſchen Küſte läßt den ganzen Pacifiſchen Ocean in ſeinem Bette ſchwanken, er brandet an den Marqueſas, an Honolulu, er fegt über die flachen Koralleninſeln hin und und bis Auſtralien. Die Spannungen zerlegen ſich in tangentiale Faltung und vertikale Senkung; durch jene Bewegung werden jene langen Faltenzüge erzeugt, welche die Weltteile von einem Ende bis zum anderen durch— Der Zuſammenbruch des Erdballes iſt es, dem wir beiwohnen. Es ſind große Schollen Hunderte, ja in einzelnen Fälle Tauſende von Fußen tief geſunken, und nicht die geringſte Stufe an der Oberfläche, ſondern nur die Verſchiedenheit der Felsarten oder tiefer Bergbau verraten das Daſein des Bruches. Die Zeit hat alles geebnet. In Böhmen, in der Pfalz, in Belgien, in Pennſylvanien zieht der Pflug ruhig ſeine Furchen über die gewaltigſten Brüche. Würden die tangentialen Spannungen in dem äußeren Felsgerüſte der Erde ſich vollkommen das Gleichgewicht halten und würde dasſelbe imſtande ſein, ſich als ein freies Gewölbe, ſelbſtändig von allen Vorgängen der Erd— tiefe aufrecht zu halten, würden keine Einbrüche und Fal- tungen eingetreten ſein, ſo würde wahrſcheinlich die Ober— fläche der Erde ein ziemlich regelmäßiges Sphäroid dar— ſtellen, allenthalben bedeckt von einer ununterbrochenen oceaniſchen Hülle. Die Einbrüche ſind es, welche die Waſſer in tiefen Weltenmeeren geſammelt haben; hierdurch erſt ſind Kontinente entſtanden und ſind Weſen möglich ge— worden, welche durch Lungen atmen. Frankfurt a. M. Dr. Friedr. Kinkelin. E. Ebermayer, Die Beſchaffenheit der Waldluft, zugleich eine überſichtliche Darſtellung des gegen— wärtigen Standes der Kohlenſäurefrage. Stutt— gart, F. Enke. 1885. Preis 2 / Im Haushalte der Natur, im Mineralreich wie im vegetabiliſchen und animaliſchen Leben, ſpielt die Kohlenſäure Beſonders unentbehrlich iſt ſie für die Pflanze, deren Wachstum und Gedeihen ja in der fortgeſetzten Verarbeitung von Kohlenſäure, Oxy— dation der Kohlenſtoffverbindungen und Wiederaufnahme von Kohlenſäure beruht, wogegen Sauerſtoff an die Atmo— ſphäre zurückgegeben und dieſe ſo für den animaliſchen Atmungsprozeß regeneriert wird, denn für die meiſten Tiere und fpeciell für den Menſchen würde die Luft durch einen größeren Kohlenſäuregehalt vergiftet werden. So hat man dem Gehalt der Luft der verſchiedenſten Orte und Räume an Kohlenſäure auch beſondere Aufmerkſamkeit geſchenkt und berückſichtigt andererſeits mit Recht immer mehr die möglichſte Erhaltung der Vegetation, namentlich des Waldes, als äußerſt wichtigen Förderer des Gedeihens Humboldt. — Auguſt 1885. 335 ganzer Völker. Entwaldung bringt allgemeinen Rückgang der betreffenden Gegenden mit ſich, wie zahlreiche Beiſpiele zeigen; in ſtark entwaldeten Ländern werden denn auch neuerdings vielfach große Anſtrengungen gemacht, den Wald zu regenerieren. Und wer kennte nicht das Wohlthuende der Waldluft aus eigener Erfahrung. Der als Forſtmann und Meteorologe wohlbekannte Verfaſſer der uns vorliegenden, ſehr zeitgemäßen Schrift behandelt in derſelben die köſtliche Lebensluft des Waldes, aber auch die Luft der verſchiedenſten Schichten überhaupt, in den Städten und Wohnungen, auf Bergen und in Ebenen, über der Meeresfläche und in der Wüſte, den Ge— halt der Luft der verſchiedenſten Orte an Kohlenſäure, deren Quellen, Schwankungen und Beſtimmung. Die Pflanzenwelt iſt eine Fabrik von unentbehrlichem Sauerſtoff, die Waldluft beſte Lebensluft. Dem inhaltreichen Schriftchen ſind zahlreiche Details über die Kohlenſäure der Luft, des Bodens, der Quellen ꝛc. eingefügt und wird dasſelbe ge— wiß allſeitig mit lebhaftem Intereſſe aufgenommen werden. Frankfurt a. M. Dr. Theodor Peterſen. Albert Heim, Handbuch der Gletſcherkunde. Mit zwei Tafeln und einer Karte. Stuttgart. J. Engelhorn. 1885. Preis 13 % 50 J In dieſem Werke liegt, da durch den raſchen Tod von Boguslawskis die Ozeanographie ein Torſo geblie— ben iſt, das dritte vollſtändige Handbuch der von Prof. Ratzel in München herausgegebenen Bibliothek vor uns. | Der Verfaſſer iſt anerkanntermaßen eine der erſten Autori— täten auf jenem Gebiete, welches Phyſik und Geologie mit einander vereinigt, und ſo war denn eine bedeutende Leiſtung von Anfang an zu erwarten. Dieſe Erwartung war denn auch eine vollberechtigte, und es iſt dem Ver— faſſer gelungen, eine monographiſche Arbeit zu liefern, welche für Jahrzehnte als Grundlage für weitere Studien und Forſchungen auf den Gebieten der glazialen Phyſik und der glazialen Geologie wird dienen können. Nachdem allgemein die Bedingungen der Inſolation für größere Höhen unterſucht find, erörtert der Verfaſſer das Weſen der Schneegrenze und ſtellt einige allgemeine Regeln auf, durch welche aus dem Klimacharakter einer be— ſtimmten Erdgegend auf die Höhenlage ihrer Schneegrenze ein Schluß gezogen werden ſoll. Die neueren Unter— ſuchungen von Stapff ſind hiebei allerdings noch nicht mitberückſichtigt. Daran ſchließt ſich eine eingehende Unter— ſuchung über Lawinen, über die Gefahren des Lawinenſturzes und über die Mittel, denſelben zu begegnen; überall tritt es hier ſchon zu Tage, daß der Verfaſſer nicht bloß auf Angaben anderer ſich verläßt, ſondern zugleich aus dem reichen Schatze ſelbſterworbener Erfahrungen ſchöpft. Im zweiten Abſchnitt beginnt die eigentliche Gletſcherlehre. Nachdem die Namen, welche in den Sprachen der verſchie— denſten Nationen unſerem Worte „Gletſcher“ entſprechen, aufgezählt jind*), wird eine detaillierte phyſiographiſche Beſchreibung derſelben gegeben, die Einteilung in Gletſcher verſchiedener Ordnungen ſtützt ſich auf genaue ſtatiſtiſche Nach— weiſungen über das Vorkommen dieſer Formen in den ein— zelnen Alpenländern. Daß aber den verſchiedenen Gletſcher— typen, die Herr Heim normiert, mit Rückſicht auf Güß— feldts chileniſche Beobachtungen noch ein weiterer Typus werde hinzugefügt werden müſſen, hat Referent bereits anderswo bemerkt. Schon hier iſt auch von den Gletſcher— ſeen die Rede. Geſtützt auf ein ziemlich ausgiebiges M terial von Daten über den Schneefall auf hohen Bergen beweiſt der Verfaſſer den unſeres Wiſſens niemals ſo be— ) Daß die Grönländer „Soak“ ſagen (Seite 39) ijt nicht richtig. Die Bezeichnung „Sermerſoak“ der Inuit bedeutet ſoviel wie „großer Gletſcher“, und zwar entſpricht „Sermer“ oder „Sermik“ dem Worte Gletſcher ſelbſt. ) An und für ſich fehlt es, wie v. Bezold in der Glajial-Debatte des IV. deutſchen Geographentages beklagte, noch ſehr an genauen Schnee- meſſungen, indem gemeiniglich nur der Stand des Ombrometers ohne Rückſicht auf deſſen wahren Inhalt verzeichnet zu werden pflegt. Direktor Billwiller in Zürich vermochte aber doch auch ſchärfere Aufzeichnungen zur Verfügung zu ſtellen. ſtimmt ausgeſprochenen Erfahrungsſatz, daß im unteren Teile der ſogenannten Schneeregion die weitaus größere Hälfte der jährlichen Niederſchlagsmenge nicht mehr als Waſſer, ſondern als Schnee zur Erde kommt. Damit iſt der Uebergang gemacht zur Charakteriſtik der verſchiedenen Zuſtände, unter welchen ſich der Schnee dem prüfenden Auge darſtellt, bis er nach und nach in Firnſchnee und Firneis fic) verwandelt. War zwiſchen dieſen letzten bei— den Zuſtandsformen noch ein deutlicher Unterſchied nicht zu verkennen, ſo verwiſcht ſich dieſer mehr und mehr bei der Verwandlung von Firneis in wirkliches Gletſchereis. Dieſem letzteren wird nun ein äußerſt gründliches Studium gewidmet; als Objekte einer ſpeciellen phyſikaliſchen Prüfung ergeben ſich die Gletſcherkörner als ſolche, die Infiltrier— barkeit des Gletſchereiſes, deſſen Schichtung, die Chevrons oder Schmutzbänder, die von Forel und Heim zuerſt unſerem Verſtändnis erſchloſſene Blaublätterſtruktur und endlich die von Hugi in ihrer Beſonderheit erkannten weißen Blätter. Nunmehr ſind die Materialien vorhan— den, um die Lehre von der Gletſcherbewegung in Angriff zu nehmen. Es wird ein Ueberblick über die Thatſachen gegeben, wie ſich dieſe auf glazial-geodätiſchem Wege all— mählich feſtſtellen ließen, und es zeigt ſich ſo, daß die Be— wegung ſowohl des geſamten Gletſchers an ſich als auch diejenige ſeiner einzelnen Beſtandteile eine äußerſt ver— wickelte und ſchwer zu analyſierende iſt. Allein indem Heim das von ſeinem früheren Kollegen Culmann erdachte Verfahren der Zerlegung eines Körpers in je ein Syſtem von Ortsflächen des größten Drucks und Zugs auch auf die fließende Eismaſſe überträgt und zugleich auf die Ana— logie der von ihm ſo genau erkundeten Bergrutſche mit der Gletſcherbewegung hinweiſt, gelingt ihm doch eine weit befriedigendere Aufklärung, als ſie ſeinen Vorgängern zu geben vergönnt war. Bislang hatte man zwiſchen zäh— und dickflüſſigen Maſſen nicht ſcharf genug unterſchieden: Heim thut dies aber und ſtellt feſt, daß der Gleſcher auf Druck außerordentlich, auf Zug aber ſo gut wie gar nicht plaſtiſch reagiert. Sodann wendet ſich unſere Vorlage zu den Faktoren, welche auf die Auflöſung eines Gletſchers beſtimmend einwirken; hier findet der ſachkundige Leſer wieder eine Fülle von neuen Gedanken. Die Höhlenbildung innerhalb des Gletſchers, die äußere und innere Schmelzung, die Entſtehung des am Gletſcherfuß ausſtrömenden Baches, aber auch die Schollen und Berge des Polareiſes kommen zur Sprache. Zur Theorie der Gletſcherbewegung über— gehend, erörtert der Verfaſſer einzeln die dabei in Frage kommenden Momente, die Verflüſſigung durch Druck, die Regelation, die Härte-, Druck und Temperaturverhältniſſe des Eiſes und unterſtellt dann die einzelnen Hypotheſen, an deren Aufſtellung ſich ihm zufolge nicht weniger als 47 Gelehrte beteiligt haben, einer ins Einzelne gehenden Kritik. Dieſelbe geſtaltet ſich zu einem ſchon an ſich ſehr ſchätzbaren Beitrag zu jenem Zweige der Mechanik, für welchen franzöſiſche Mathematiker den Namen Plaſtiko— dynamik in Vorſchlag gebracht haben, und der durch die Arbeiten von St. Venant, Tresca, Spring u. a. raſch das allgemeine Intereſſe auf ſich gezogen hat. Der Verfaſſer gewinnt durch ſeine zugleich kritiſche und poſitive Vergleichung ſchließlich die Ueberzeugung, daß die Glazial— phyſik ganz eben ſo zuerſt die Fortbewegung des einzelnen Gletſcherkorns ins Auge zu faſſen hat, wie ſich die Hydraulik in erſter Linie mit den Flüſſigkeitsatomen beſchäftigt, daß die Regelation die Aufrechterhaltung der Kornſtruktur be— fördert, und daß eben dieſe Struktur die Plaſtizität der ganzen Maſſe und damit deren Fließen bedingt. Es folgt ein ebenfalls ſehr umfangreiches Kapitel, das von den Gletſchertrümmern und Moränen handelt, wobei zu gleicher Zeit die neuerdings ſo viel ventilierte Streitfrage von der Eroſionskraft der Gletſcher geſtreift und dahin entſchieden wird, daß letztere nur geringfügig und für die Auspflügung ſelbſtändiger Hohlformen des Bodens abſolut unzulänglich ſei. Ein Verdienſt erwirbt ſich der Verfaſſer entſchieden dadurch, daß er neben der Eiseroſion auf die weit ener— giſcher ſich bethätigende ſcheuernde und abnützende Aktion des ſtrömenden Waſſers aufmerkſam macht; vgl. insbeſon— 336 Humboldt. — Auguſt 1885. dere die Seite 402 ff. gezogene Parallele zwiſchen beiden Gattungen von Zerſtörung. Daß Karrenfelder und Rieſen— töpfe für gewöhnlich nicht auf glazialen Urſprung hinweiſen, wird wohl immer allſeitiger zugeſtanden; die geologiſchen Orgeln aber, über die wir hier nicht die gewünſchte Aus— kunft erhalten, ſind genetiſch noch nicht ſo leicht zu rubri— zieren. Fauna und Flora der Gletſcherwelt werden in einem Anhang zu Abſchnitt VII ausreichend gekenn— zeichnet. Der achte Abſchnitt enthält eine genaue geo— graphiſche Durchmuſterung der einzelnen Territorien rück— ſichtlich ihrer Vergletſcherung, wobei namentlich feſtgeſtellt wird, daß iſolierte Gipfel, mag ihre Seehöhe auch eine ſo beträchtliche ſein wie ſie wolle, eine weit geringere Neigung zur Gletſcherbildung bekunden, als zuſammenhängende Ge— birge. Abſchnitt IX bringt alles bei, was wir aus alter und neuer Zeit von Gletſcherſchwankungen wiſſen; es iſt dies gerade nicht wenig, reicht aber nach Heim noch keines— wegs hin, um exakt über die Urſachen der Variationen urteilen zu können. Im Schlußkapital endlich erörtert der Verfaſſer „die Gletſcher der Vorzeit“, gibt einen gedrängten Abriß deſſen, was man heute Glazialgeologie und Lehre von der Moränenlandſchaft nennt und endet mit Betrachtungen über die Eiszeit. Daß ein ſo nüchterner Forſcher, wie Heim, den zahlloſen Eishypotheſen gegenüber nur kühle Reſerve kennt, brauchen wir nicht erſt zu betonen, und er hat in dieſem Verhalten unſere volle Sympathie für ſich; dagegen hätten uns Pencks ſchöne Unterſuchungen etwas mehr Beachtung zu verdienen geſchienen. Von figürlichen Darſtellungen enthält das Werk nur das Unumgängliche, dafür aber iſt ihm eine Karte des Aletſchgletſchers beigegeben, die in jeder Hinſicht eine Muſter— leiſtung repräſentiert. Von dem rieſigen Umfang der Lit— teratur, den der Verfaſſer verarbeitet hat, legen Proben aller Art Zeugnis ab; im Intereſſe des Handbuchs jedoch hätten wir eine weniger fonjequente Sparſamkeit in Citaten recht gerne geſehen. Freilich gilt ein gleiches auch für die ſo ſehr verdienſtlichen und gleich würdig aus— geſtatteten Werke von v. Boguslawsti und Hann. Ansbach. Prof. Dr. S. Günther. Bericht über die Henckenbergiſche naturforſchende Geſellſchaft 1884. Mit 4 Tafeln. Frankfurt am Main. Preis 2M 50 d In demſelben führt der eigentliche Jahresbericht, von Dr. Heinrich Schmidt erſtattet, dann die Protofollaus- züge der wiſſenſchaftlichen Sitzungen und die Sektionsbe— richte die vielſeitige Thätigkeit der Geſellſchaft vor Augen. In ſprechendſter Weiſe geben hiervon beſonders die jenem Bericht angeſchloſſenen Vorträge und Abhandlungen Zeugnis. In dem Feſtvortrag von Oberlehrer Dr. Ferd. Rich— ters über die Wechſelbeziehungen zwiſchen Blu— men und Inſekten hat derſelbe einem beſonders nach dieſer Richtung thätigen deutſchen Forſcher, Dr. Hermann Müller, ein verdientes Denkmal geſetzt. Die Beiträge zur Kenntnis der Hymenopterenfauna der wei— teren Umgegend von Frankfurt a. M. von Major Dr. von Heyden ſchließen ſich an zwei Mitteilungen in früheren Berichten an. — Ein bisher von Naturforſchern nicht beſuchtes Gebiet — Abchaſien auf der ſüdweſtlichen Seite des Kaukaſus bereiſte dies Jahr im Auftrage der Geſellſchaft Hofrat O. Retowskiz; in anziehender Weiſe berichtet derſelbe über ſeine Tour, die nach verſchiedenen Seiten die Wiſſenſchaft förderte; ſo fügt ſich daran eine Liſte der geſammelten Reptilien und Batrachier und der Binnenmollusken an, welche Dr. Oskar Böttger gibt. Aus dem Vortrag Dr. Friedr. Kinkelins über zwei ſüdamerikaniſche diluviale Rieſentiere ſind be— ſonders ſeine Vergleiche zwiſchen dem ſeltſamen Toxodon und der Oſteologie anderer Säugerordnungen hervorhebens— wert. Die vier folgenden Abhandlungen befaſſen ſich faſt ausſchließlich mit den geologiſchen Verhältniſſen hieſiger Gegend und in weiterer Ausdehnung des Mainzerbeckens. Aus dem Vortrag Dr. Kinkelins über Foſſilien in Braunkohlen der hieſigen Umgegend iſt u. a. von größerem Intereſſe die Beſchreibung des älteſten Dickhäuters hieſiger Gegend, eines das Hausſchwein an Größe ums Doppelte übertreffenden Waſſerſchweines Hyopotamus Seckbachensis nov. sp., aber auch neben einigen Kroko— dilen der Fund eines ſchmelzſchuppigen Fiſches in der Meſſeler Braunkohlengrube. — In Sanden und Sand⸗ ſteinen im Mainzerbecken von Dr. Kinkelin verfolgt der Verfaſſer einen von Norden kommenden Fluß aus der Tertiärzeit, in deſſen Altwaſſer bei Münzenberg die Zeugen einer reichen ſüdlichen Flora eingeweht und eingeſchwemmt wurden, durch die Wetterau herab bis Frankfurt und weiſt die Auflagerung von tertiären Laven auf den vielfarbigen Kieſen dieſer Flußterraſſe faſt im ganzen Verlaufe nach, was einen Schluß auf die Zeit dieſer vulkaniſchen Aus— brüche geſtattet. Im zweiten Teile dieſer Abhandlung wird die weite Ausbreitung einer nahezu ſubtropiſchen, der Münzenberger naheſtehenden Flora an der hohen Straße, in Offenbach, in Rheinheſſen und im Rheingau, ferner der Sandſteine, in welchen ſie erhalten iſt, beſprochen und ſchließlich als Reſultat dieſer Studien die Schichtfolge im Mainzerbecken in einer Tabelle zuſammengefaßt. — Manches teue und Intereſſante bieten die beiden Abhandlungen von Dr. Kinkelin und Dr. Böttger über die Nieder— räder Schleuſenkammer. Der erſten iſt nach der für das Muſeum geſchehenen photographiſchen Aufnahme eine Abbildung des vor der Ausmauerung ſich darbietenden, ſeltſamen Profiles beigegeben; es ſind gleich Pfeilern vertikal durch die Thonſchichten frei durchgehende Sinterſtöcke, deren Entſtehungsgeſchichte u. a. erörtert wird. Warme Kohlen⸗ ſäurequellen, wie fie in vulkaniſchen Gegenden vielfach vor- kommen — und eine ſolche war zu jener Zeit das hieſige Gebiet — hatten ſich beim Aufſteigen aus der Tiefe mit Kalk geſättigt. Zum Teil mit Hilfe von Pflanzen, welche jenes Becken bewohnten, haben dieſelben zur Abſcheidung dieſer kugelig-nierigen Sinter geführt, jeder Stock mag ſo den Austritt einer ſolchen Quelle bezeichnen. Die mannig— faltige Fauna zählt nicht weniger als 33 Nummern, unter welchen 9 neue Arten ſind. Unter dieſen letzteren heben wir zuerſt die Schuppe eines Knochenhechtes — Lepi- dostrus Strausi nov. sp. — der heute — L. osseus — in nordamerikaniſchen Flüſſen lebt, hervor. Die Säuge— tierreſte und diejenigen von Reptilien und Amphibien ge— hören nur ſehr kleinen Arten an. Ein merkwürdiger Fund iſt u. a. der verſteinerte Hinterleib der Larve oder des Weibchen eines Weichkäfers; auch kleine Früchtchen, etwa denjenigen der Waldrebe ähnlich, wurden in ziemlicher Zahl gefunden. Die Mollus— kenwelt, die, zumeiſt aus minutiöſen Landſchneckchen beſtehend, in dieſes Becken eingeſchwemmt wurde, hat ihre nächſten Verwandten heute zum Teil in Weſtindien. An der Hand der ſ. Z. im Winterhafen gefundenen Pflanzenreſte und dieſer kleinen tieriſchen Reſte entwirft Dr. Böttger ein anſprechendes Bild der hieſigen Landſchaft aus jener Zeit, der jedoch ſchon völlig rein tropiſche Pflanzen fehlen. Nach Größe und Verwandtſchaft darf man ſchließen, daß die ein— geſchwemmten Tiere nicht auf einem größeren Feſtlande, ſondern vielmehr auf einer Inſel gelebt haben. In einem intereſſant geſchriebenen Vortrag faßt der in unſerem nach— barlichen Gebirge erfahrenſte Mineralog, Herr Franz Ritter alle jene Mineralien zuſammen, die er neu im Taunus aufgefunden hat. Die Zahl der aus dem Taunus — welcher ſonſt als mineralarm gilt — bekannten Mineralien iſt nun auf 69 gebracht. Herr Ritter hat übrigens nicht allein die Zahl um mehr als 20, ſondern beſonders auch die Fundorte, die Art und Weiſe des Vorkommens der früher ſchon bekannten Mine— ralien in hohem Maße gemehrt. Nur dem fo außeror— dentlich geübten Beobachter konnte bei den meiſt außeror⸗ dentlich kleinen Vorkommniſſen ein ſolches gelingen. — Nun folgt noch eine zoologiſche Studie von Dr. Emil Buck in Konſtanz über die Entwickelungsgeſchichte der ungeſtielten Varietät eines Wurzelfüß⸗ lers (Podophrya fixa Ehb.). Den Schluß bildet die von Dr. W. Kobelt zuſammengeſtellte Liſte paläarktiſcher Säuger im Senckenbergiſchen Muſeum. Frankfurt a. M. Dr. Friedr. Kinhelin. Humboldt. — Auguſt 1885. 337 Friedrich Meyer von Waldeck, Rußland. Cin- richtungen, Sitten und Gebräuche. I. Abteilung. Das Reich und ſeine Bewohner. — Das Wiſſen der Gegenwart. 23. Bd. Leipzig, G. Freytag, und Prag, F. Tempsky. 1884. Preis geb. 1% Die Schilderungen in dem oben citierten Werke be— ziehen fic) nur auf das euxopäiſche Rußland. Der Ver- faſſer beſchränkte ſich im Hinblick auf das unermeßliche Thema „Rußland“ weſentlich darauf, das Terrain in großen Zügen zu ſkizzieren und nur dasjenige von den Einrichtungen, Sitten, Gewohnheiten und Gebräuchen zu geben, was für den ruſſiſchen Staat und die Häupter ſeiner Angehörigen, den großruſſiſchen Stamm, eigentümlich und charakteriſtiſch iſt. Alles was in der Staatsverwaltung, den Inſtitutionen des Landes, im Leben und den Beſchäf— tigungen des Volkes, in der Kultur des Bodens, wie in der Induſtrie dem Beobachter keine andere Seite darbietet, als in dem übrigen Europa, iſt unberückſichtigt gelaſſen; dasſelbe gilt auch von den Landesteilen mit ihren Bewoh— nern, welche nicht vorwiegend von Ruſſen bevölkert ſind, wie Polen, Finnland, der Kaukaſus, die baltiſchen Provinzen. Vorausgeſchickt iſt den Schilderungen ein kurzer Abriß der ruſſiſchen Geſchichte von der Gründung des Reiches bis auf die Gegenwart; er genügt für die allgemeine hiſtoriſche Orientierung vollkommen. Das umfaſſendſte Kapitel des Werkes iſt den Bevölkerungsverhältniſſen des Zaxenreiches gewidmet. Nach den drei Hauptgruppen, der indogerma— niſchen, mongoliſchen und ſemitiſchen, erfahren die hervor— ragendſten Repräſentanten derſelben in dem Werke eine durchaus ſachgemäße, eingehende Behandlung. Mit beſonderer Vorliebe verweilt der Verfaſſer auch bei der Schilderung der Verhältniſſe der im ruſſiſchen Reiche vielfach ange— ſiedelten deutſchen Koloniſten. Infolge ſeines langjährigen Aufenthaltes in jenem Reiche iſt er in der Lage, nach eigenſter Anſchauung und daher auch in wahrheitsgetreuer Weiſe den Leſer durch die oft abſichtlich oder unabſichtlich entſtellten Berichte über Land und Leute aufzuklären und zu belehren; denn die Schilderungen tragen durchaus den Charakter ſelbſtändiger Beobachtung und gewähren nebenbei durch ihre anregende Darſtellung eine angenehme und lehrreiche Lektüre. Dr. F. Höfler. Frankfurt a. M. Anleitung zu wiſſenſchaftlichen Beobachtungen auf Alpenreiſen. Herausgegeben vom Deutſchen und Oeſterreichiſchen Alpenverein. Preis 11 ◻— Seit ſeiner Gründung im Jahre 1869 hat der Deutſche, ſpäter Deutſche und Oeſterreichiſche Alpenverein, dank dem ſtetig zunehmenden Intereſſe für die herrlichen Alpenländer, deren Beſuch von Jahr zu Jahr mehr und mehr erleichtert wird, einen immer größeren Umfang genommen und ver— einigt heute in weit über 100 Sektionen in Deutſchland und Oeſterreich bereits gegen 15000 Alpen- und Natur- freunde. Zu dieſem Gedeihen haben ganz beſonders die gediegenen und vielſeitigen Publikationen des Vereins, die „Zeitſchrift“ und die „Mitteilungen“, welche jedes Mitglied unentgeltlich empfängt, beigetragen, denn ſie enthalten eine reiche Fülle von naturwiſſenſchaftlichen, hiſtoriſchen und touriſtiſchen Arbeiten und Nachrichten, von Karten und Kunſtbeilagen über das Alpengebiet, das deutſche, wie das öſterreichiſche, das ſchweizeriſche, italieniſche und franzöſiſche, ſowie über außereuropäiſche Gebirgsländer. Eine der ſchönſten beſonderen Gaben des Vereins an ſeine Mitglieder iſt die von ihm herausgegebene „Anleitung zu wiſſenſchaftlichen Beobachtungen auf Alpenreiſen“, welche in knapper, aber allgemein verſtändlicher und brauchbarer Form in 5 Heften (2 Bände, 11 Mk., für Mitglieder Mk. 5. 50) erſchienen und von den angeſehenſten Fachleuten verfaßt iſt. Die einzelnen Hefte betiteln ſich wie folgt: J. Orographie und Topographie, Hydrographie und Glet— ſcherweſen von Generalmajor C. v. Sonklar; kurze An— leitung zu geologiſchen Beobachtungen in den Alpen von Profeſſor Dr. C. W. Gümbel; II. Einführung in die Meteorologie der Alpen von Dr. J. Hann; III. Anleitung zu anthropologiſch-vorgeſchichtlichen Beobachtungen im Ge⸗ biet der deutſchen und öſterreichiſchen Alpen von Profeſſor Dr. J. Ranke; IV. Anleitung zum Beobachten der alpinen Tierwelt von Profeſſor Dr. K. W. v. Dalla Torre; V. Anleitung zum Beobachten und zum Beſtimmen der Alpenpflanzen von Profeſſor Dr. K. W. v. Dalla Torre. Auf die letztgenannte Abteilung machen wir Freunde der alpinen Pflanzenwelt, dieſer einzig ſchönen Zierde der Alpen, als Reiſebegleiter und Ratgeber beſonders aufmerk— ſam, gleichzeitig aber auch auf den ſeparat, ebenfalls vom Deutſchen und Oeſterreichiſchen Alpenverein herausgegebenen „Atlas der Alpenflora“ in 500 Blättern, nach der Natur gemalt von Anton Hartinger, Textheft und Wörterbuch der botaniſchen Fachausdrücke von Profeſſor Dr. K. W. v. Dalla Torre, zuſammen 5 Bände (Preis Mk. 74, für Mitglieder Mk. 55. 50). Frankfurt a. M. Dr. Theodor Peterſen. Bibliographie. Bericht vom Monat Juni 1885. Allgemeines. Archiv für Naturgeſchichte. gang. 1883. 6. Heft. M. 9. Biographieen. Herausg. von E. v. Martens. 49. Jahr- Berlin, Nicolai'ſche Verlagsbuchhandlung. e des Vereins für vaterländiſche Naturkunde in Württemberg. Jahrg. Stuttgart, Schweizerbarth'ſche Berlagsh. M. 7. 20. Saufen A., Jean-Jacques Rouſſeau als Botaniker. Berlin, G. Reimer. M. 8. Scheffler, H., Die Welt nach menſchlicher Auffaſſung. Leipzig, F. Fröſter. M. 13. Woſſidlo, R., Volksthümliches aus Mecklenburg. 1. Heft. Beiträge zum Thiers und Pflanzenbuch. Roſtock, W. Werther's Verlag. M. —. 50. Vhyſik, Phyſiſaliſche Geographic, Meteorologie. Bebber, W. J. van, Handbuch der ausübenden YW nt e 1. Theil. Geſchichte der Wetterprognoſe. Stuttgart, F. Enke. M. Clauſius, R., Ueber die Energievorräthe der Natur und 9 5 Ver⸗ perms zum Nutzen der Menſchheit. Bonn, M. Cohen & Sohn. M. Handl, 2. Lehrbuch der Phyſik für Pharmaceuten, Chemiker und n= gehörige ähnl. Berufszweige. Wien, A. Hölder. M. 4. Jahresbericht des Centralbureaus für Meteorologie und Hydrographie im Großherzogthum Baden zc. für das Jahr 1884. Karlsruhe, G. Braun'ſche Hofbuchh. M. 4. Jochmann, E., und O. Hermes, Grundriß der Experimentalphyſik und Elemente der Aſtronomie und 0 5b 0 Geographie. 9. Aufl. Berlin, Winckelmann & Söhne. Geb. M. 30. Krumme, W., Lehrbuch der Phyſik für höhere Schulen. Berlin, W. Grote’ ſche Verlagsbuchh. M. 3. 50. Peſchel's, fy phyſiſche Erdkunde. Nach den hinterlaſſenen Manujeripten ſelbſtändig bearbeitet und herausgegeben von G. Leipoldt. 8. Aufl. 14. u. 15. (Schluß⸗ Lieferung. Leipzig, Duncker & Humblot. M. Serpieri, A., Die mechaniſchen, elektroſtatiſchen und gicdt roman cen abſoluten Maaße, mit Anwendung auf mehrfache Aufgaben elementar abgehandelt. Aus dem Ital. von R. v. Reichenbach. Wien, A Hart— leben's Verlag. M. 3. Sohncke, L., Der Urſprung der Gewitter-Electrizität und der gewöhn— lichen Glectrigitat der Atmoſphäre. Sena, G. Fiſcher. M. 1. 50. Traumüller, F., Die Mannheimer meteorologiſche Geſellſchaft (1780 2. Auflage. bis 1795). Ein Beitrag zur Geſchichte der Meteorologie. Leipzig, Dürr'ſche Buchhandlung. M. 1. 50. Waltenhofen, A. von, Die internationalen abſoluten Maaße, insbe— ſondere die elektriſchen Maaße. M. 2. Braunſchweig, F. Vieweg & Sohn. Aſtronomie. Mayer, J., Sternkarte mit beweglichem Horizont. Lith. Mit Text: Aſtrognoſie oder Anleitung zur Kenntniß der Geſtirne nebſt einer gemeinfaßl. Darſtellung der wichtigſten Vorbegriffe der Sternkunde. Schaffhauſen, F. Rothermel. M. 4. Nachrichten, 0 Herau A. Krüger. 112. 155 (24 Nrn.). Hamburg, W. Mauke Söhne. Nr. 1. pro cplt. M. Vierteljahr ſchrift der aſtronomiſchen Geſellſchaft. Gera E. önfeld u. H. Seeliger. 19. Jahrg. 1884. 4. He W. Engelmann. M. 2. gegeben von Leipzig, Chemie. Beilſtein, F., Handbuch der organiſchen Chemie. 2. Aufl. i 6. Lieferung. Hamburg, L. Voß. M. 1. 80. Fiſcher, B., Lehrbuch der Chemie für Pharmaceuten. 1. Hälfte. Stutt⸗ gart, F. Enke. M. 6. E 1 Schlichting, M., Chemiſche Verſuche einfachſter Art. 8. Aufl., bearb. von A. Wilke. Kiel, E. Homann. M. 2. 60. 338 Humboldt. — Auguſt 1885. Mineralogie, Geologie, Geognoſte, Valäontologie. Abhandlungen der ſchweizeriſchen paläontologiſchen Geſellſchaft. Me- moires de la Société palwontologique suisse. Vol. XI. (1884.) Baſel, H. Georg Verlag. M. Jahrbuch, neues, für Mineralogie, Geologie und Paläontologie. Heraus- gegeben von M. Bauer, W. Dames und Th. Liebiſch. 3. Beilage⸗ Band. 3. Heft. Stuttgart, E. Schweizerbarth'ſche Verlagsbuchhand⸗ lung. M. 10. Safaute, A. be tapers in die Geſteinslehre. Breslau, E. Trewendt. Geb. M. Botanik. Buchenau, F., Flora von Bremen. 3. Aufl. Bremen, M. Heinjius. M. 3. Ebermayer, E., Die Beſchaffenheit der Waldluft und die Bedeutung der ee Kohlenſäure für die Waldvegetation. Stuttgart, F. Enke. M. Förſter's, C. F., Bearbeitet, von Th. J. T. Willer. M. 2 Jahrbücher, botaniſche, für Syſtematik, Pflanzengeſchichte und Pflanzen— geographie. Herausgegeben von A. Engler. 6. Band. 4. Heft. Leipzig, W. Engelmann. M. 8. Martius, C. F. Ph. de, et A. G. Eichler, Flora brasiliensis. Enumeratio plantarum in Brasilia hactenus detectarum. Fasc. 94. Leipzig, F. Fleiſcher. M. 68. Vogel, O. K., Müllenhoff, F. Kienitz-Gerloff, Leitfaden für den Unter— Hendbuch der Cacteenkunde in ihrem ganzen Umfange. Rümpler. 2. Aufl. 6. Lieferung. Leipzig, richt in der Botanik. 3 Hefte. Berlin, Winckelmann & Söhne. Kart. M. 3. 40. Zoologie, Phyſtologie, Entwickelungsgeſchichte, Anthropologie. Bericht über die wiſſenſchaftlichen Leiſtungen in der Naturgeſchichte der niederen Thiere während der Jahre 1882—1883. Von M. Braun, v. Liuſtow u. Th. Studer. 1. Theil. Berlin, Nicolai'ſche Buch— handlung. M. 9. Chriſtiani, A., Zur Phyſiologie des Gehirns. Berlin, O. Enslin. M. 6. Eneyklopädie der Naturwiſſenſchaften. 1. Abth. 43. Lieferung. Hand— wörterbuch der Zoologie, Anthropologie u. Ethnologie. 15. Liefg. Breslau, E. Trewendt. Subſkr.-Pr. M. 3. Katter, F., Monographie der europäiſchen Arten der Gattung Melos, mit beſonderer Verüctichtigung der Biologie dieſer Inſecten. 2 Theile. Leipzig, K. F. Köhler's Antig. M. 2. Mittheilungen aus dem embryologiſchen Inſtitute der k. k. Univerſität in Wien. Von S. L. Schenk. Neue Folge. 1. Heft. Wien, Urban & Schwarzenberg. M. 3. Platner, G., Die Struktur und Bewegung der Samenfäden bei den einheimiſchen Landſchnecken. Verlag. M. —. 60. Romanes, G. J. Die geiſtige Entwicklung im Thierreich nebſt einer nachgelaſſenen Arbeit: Ueber den Inſtinct von Ch. Darwin. Leipzig, E. Günther's Verlag. M. 10. Schleich, G., Der Augengrund des Kaninchens und des Froſches. Tübingen, H. Laupp'ſche Buchhandlung. M. 2. Schriften, Darwiniſtiſche, XVI. Leipzig, E. Günther's Verlag. M. 5. Geographie, Ethnographie, BRWeifewerke. Anforderungen, die, der Schule an Landkarten. Herausgeg. vom Beran f. Erdkunde in Kafſel. 2. Aufl. Braunſchw., G. Weſtermann. M. — Berlepſch, H. A., Die Alpen in Natur⸗ und Lebensbildern dargeſtellt 0 dur 155 Aufl. 2. Volksausg. Jena, H. Coſtenoble. M. 6 geb. M. Bock, C., oa Reiche d. weißen Elephanten. 14 Monate im Lande und am Hofe des Königs von Siam. Deutſch von F. M. Schröter. Leipzig, F. Hirt & Sohn. M. 8, geb. M. 10. Braſſay, Ladh A., Eine Familienreiſe von 1400 Meilen in die Tropen und durch die Regionen der Paſſate. Frei überſetzt durch A. Helms. Leipzig, F. Hirt & Sohn. M. 6. 60, geb. M. 8. 50. Chaillu, P. B., Im Lande der Mitternachtsſonne. Sommer- und Winterreiſen durch Norwegen und Schweden, . und Nord⸗ finnland. Frei überſetzt durch A. Helms. Leipzig, F. Hirt & Sohn. M. 8., geb. M. 10. Engelhardt, L. v., Ferdinand v. Wrangel und ſeine Reiſe längs der Nordſeeküſte von 5 und auf dem Eismeere. Leipzig, Duncker & Humblot. M. Meyer, F. M., Geographie der öſterreichiſch-ungariſchen Monarchie a die 5 Claſſe der 30 Prag, F. Tempsky. M. 1. 2 Einband M. —. Papouſchek, I., Die be eaphiſchn Lehrmittel und ihre Anwendung beim Unterrichte. Wien, A. Pichler's Wwe. & Sohn. M. 1. 50. Petermanns, A., Mittheilungen aus J. Perthes' geogr. Anſtalt. Her⸗ ausgegeben von A. Supan. Ergänzungsheft Nr. 78. M. 5. Inhalt: Ein Beitrag zur Geographie und Lehre vom Erdmagnetismus Aſiens und Europas. Von H. Fritſche. Saalfeld, G. A., Wegweiſer auf dem Gebiete der Eigennamen (deutſch— lateiniſch und lateiniſch⸗ peut) aus der alten, mittleren und neuen Geographie. Leipzig, C. F. Winter'ſche Verlagsbuchhandlg. M. —. 60 Schneider's Typen-Atlas. Naturwiſſenſchaftl. =geograph. Hand⸗ Atlas für Schule und Haus. 3. Aufl. Dresden, C. C. Meinhold & Söhne. M. 2. 40., geb. M. 3. 60. Stanley, H. M., Der Kongo und die Gründung des Rongojtaates. Aus dem Engliſchen von H. v. Wobeſer. 1. Band. Leipzig, F. 2 Brockhaus. M. 15., geb. M. 17. 50. Toeppen, H., 100 Tage in Paraguay. Reiſe in's Innere. im Hinblick auf deutſche Koloniſationsbeſtrebungen. Friedrichſen & Co. M. 6. Göttingen. Vandenhöck & Ruprecht's Du Paraguay Hamburg, L. Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat Juni 1885. Der Monat Juni iſt charakteriſiert durch meiſt heiteres, trockenes und durchſchnittlich warmes Wetter und ziemlich großer Gewitterhäufigkeit. Hervorzuheben iſt die ſtarke Abkühlung zu Anfang und in der Mitte der zweiten Dekade. Niederſchläge kamen haupt— ſächlich in Begleitung von Gewittern vor. In der Witterungsüberſicht für Mai wurde hervor— gehoben, daß Kälterückfälle in dieſem Monate in weitaus den meiſten Fällen an der Exiſtenz eines barometriſchen Maximums über den britiſchen Inſeln oder deren Um— gebung geknüpft ſind. Auch am Anfange dieſes Monats finden wir ein ziemlich hohes Maximum in jener Gegend, wodurch in Wechſelwirkung mit einem Depreſſionsgebiete im Nordoſten lebhafte weſtliche und nordweſtliche Luft— ſtrömung über Centraleuropa hervorgerufen wurde, unter deren Einfluß die Temperatur erheblich unter ihren Mittel— wert herabging, am 1. an der Küſte bis zu 5, im Binnen- lande bis zu 7 C. Hervorzuheben find die außerordent— lich großen Regenmengen, welche an den beiden erſten Tagen in Ungarn fielen, in Hermannſtadt am 1. 66, am 2. 25 mm Regen. Am 3. lag ein umfangreiches barometriſches Maximum von über 765 mm über Centraleuropa, welches ſich an den folgenden Tagen oſtwärts fortbewegte. Bei ſchwacher Luft— bewegung und heiterem, meiſt wolkenloſem Wetter erhob ſich raſch die Temperatur wieder über ihren Normalwert, am 4. hatte ſie denſelben bereits überſchritten, an der weſt— deutſchen Küſte bis zu 6°, im öſtlichen Deutſchland war es morgens am 5. um 9½“, am 6. um 12 ½“ wärmer, als im Durchſchnitte, während die Nachmittagstemperaturen in Deutſchland ſich vielfach bis zu 30“ erhoben. Am 6. kamen im deutſchen Binnenlande, am 7. an der deutſchen Küſte, am 8. und 9. in ganz Deutſchland Gewitter mit Regenfällen zum Durchbruche, ohne daß hierdurch allge— meine Abkühlung erfolgte. Eine durchgreifende Aenderung der Wetterlage er— folgte vom 9. auf den 10.: Eine Depreſſion war von Nordfrankreich nordoſtwärts nach dem Bottniſchen Buſen fortgeſchritten und hatte hier an Tiefe und Intenſität er— heblich zugenommen. Während gleichzeitig ein barometri— ſches Maximum über den britiſchen Inſeln erſchienen war. Dementſprechend hatte ſich nordweſtliche Luftſtrömung über Centraleuropa ausgebreitet, welche über Nordcentraleuropa einen ſtürmiſchen Charakter annahm. Intenſive Abkühlung erfolgte am 10. über Norddeutſchland (um etwa 10—12°), am 11. im Südoſten, ſo daß an dieſem Tage die Morgen— temperatur 24/2 bis 3° unter dem Normalwerte lag. Humboldt. — Auguſt 1885. 339 Das eben erwähnte Maximum breitete fic) langſam oſtwärts über Centraleuropa aus, ſo daß hier bei ruhigem meiſt wolkenloſem Wetter wieder allgemeine Erwärmung ſtattfand. Am 15. war über Centraleuropa an Stelle des Maximums eine Depreſſion getreten, während im Weſten von Irland das Barometer am höchſten ſtand. Am 16. hatte ſich das Maximum nach der Nordſee fortbewegt und gleichzeitig eine Depreſſion über dem Bottniſchen Buſen ſich vertieft, fo daß noch über Nordcentraleuxopa eine friſche bis ſtürmiſche nordweſtliche Luftſtrömung ſich entwickelte, unter deren Einfluß die Temperatur beträchtlich herabging. Am 17. und 18. herrſchte unter dem Einfluſſe einer flachen Depreſſion, welche von Nordfrankreich oſtwärts durch Deutſchland nach Rußland fortſchritt, trübes regne— riſches und kühles Wetter mit Neigung zur Gewitter— bildung. Am erſteren Tage fielen im weſtlichen, am letz— teren im öſtlichen Deutſchland beträchtliche Regenmengen. Die Epoche kühlen Wetters mit Niederſchlägen dauerte bis etwa zum 24. fort und wurde hauptſächlich durch den hohen Luftdruck im Weſten unterhalten, während die De— i preſſionen fic) über Nord- und Ofteuropa bewegten. Da— bei traten Gewitter auf am 18. im Odergebiete, am 20. in faſt ganz Centraleuropa, am 21. im nördlichen, am 22. im ſüdlichen Deutſchland. Erhebliche Erwärmung erfolgte für ganz Centraleuropa vom 23. bis zum 25., als ein barometriſches Maximum von Frankreich aus nordoſtwärts nach dem Finniſchen Buſen ſich fortbewegte und allenthalben ruhiges, heiteres und trockenes Wetter herrſchte. Am 24. hatte die Temperatur in Deutſchland die Normalwerte vielfach überſchritten, am 25. lag ſie 2— 7, am 26. bis zu 10° über dem Durchſchnitts— werte. Bis zum Monatsſchluſſe blieb das Wetter warm und ziemlich heiter bei ſchwacher Luftbewegung. Hervorzuheben ſind die Gewitter am 29. zwiſchen der Weſthälfte der deutſchen Oſtſeeküſte und dem Oberrhein, in deren Be— gleitung vielfach heftige Regengüſſe niedergingen (Wuſtrow 22, Swinemünde 26, Wiesbaden 29, Karlsruhe ſogar 48 mm). Hamburg. Dr. T. van Bebber. 888 6 Libre 8 U Corone 16 15™ E. h. ) B40 1526 16 33 Aud: 6 1121 U Ophiuchi 723 U Ophiuchi 142 U Ophiuchi 1024 U Ophiuchi tion mit . Gem. 1253 U Cephei 813 6 Libre | 1129 U Cephei 820 U Ophiuchi | 729 6 Libre 1229 Algol /1146 U Cephei 828 U Ophiuchi 12 34 E. d.) 540 6287 13" 36 A. h. 5 6 1363 1ů E. d. | p’Sagitt. 14 36 A. h. 4 715 0 Libre 986 U Ophiuchi 1129 U Ophiuchi 1621 Algol 1585 ). Tauri 1217 U Ophiuchi 13 7 ao, a 14 10m A.h.§ 6 11 U Cephei | 1883 Tauri 23 24 25 8 6618 12²¹ 1009 1085 at U Corone U Cephei U Ophiuchi 6 Libre 1211 „ Tauri de bo de S S A ſtrono miſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Auguſt 1885. Saturn in Konjunk- BAC 6292 (Mittlere Berliner Zeit.) Die größte öſtliche Aus- weichung Merkurs am 5. iſt ſeinem Sichtbarwerden für das freie Auge nicht günſtig, da er noch vor \ 1286 U Cephei Zahlreiche dem Ende der Hellen Däm— Sternschnuppen. merung untergeht. Venus iſt als Abendſtern am Weſthimmel mit unbewaff⸗ netem Auge ſichtbar. Am 5. und 6. ſteht ſie etwa einen Monddurchmeſſer nördlich von Jupiter, wel- cher aber nur kurze Zeit vor ſeinem Untergang ſichtbar wird. Mars wan— dert durch das Sternbild der Zwillinge und iſt nur in den Morgenſtunden ſichtbar; ſein Aufgang er— folgt anfangs kurz vor 1½, zuletzt gegen 1 Uhr. Am 6. ſteht er etwa drei Monddurchmeſſer nördlich von Saturn. Jupiter ver— ſchwindet in den Sonnen- ſtrahlen und iſt nur im 1414 ) Tauri cw po de de Anfang des Monats kurz vor ſeinem Untergang eben erkennbar. Saturn geht anfangs eine Viertelſtunde vor 2 Uhr, zuletzt kurz vor Mitternacht auf. Am 5. geht er in rechtläufiger Bewegung ſehr nahe bei dem Sterne dritter Größe |». Geminorum vorbei. ſüdlich von Venus. von den Plejaden und kommt am 28. in Stillſtand. Von Algol läßt ſich nur einmal das kleinſte Licht aus Abnahme und Zunahme beſtimmen, von 7 Tauri | S Caneri iſt in den Sonnenſtrahlen verborgen und 6 Libre bietet nur noch wenige Gelegenheiten zur“ Für U Cephei dagegen liegen die Zeiten ſehr günſtig. Auch U Ophiuchi bietet noch viele Gelegenheiten dar. Die Verfinſterungen der Jupiterstrabanten und die Vorübergänge ihrer können wegen der Nähe bei der Sonne nicht mehr beobachtet werden. Vom 8. bis 12. finden zahlreiche Sternſchnuppenfälle ſtatt, der ſogenannte Laurentiusſtrom oder die Perſeiden, dreimal. Beobachtung ſeines kleinſten Lichtes. deren Radiant im Sternbild des Perſeus liegt. Dorpat. 1 Uranus ſteht am Abendhimmel und befindet ſich am 24. einen halben Monddurchmeſſer Neptun wandert ſehr langſam im Sternbild des Stiers etwa 12 Monddurchmeſſer ſüdlich der ſechs beobachtbaren Minima Schatten vor der Jupiterſcheibe Dr. E. Hartwig. 340 Humboldt. — Auguſt 1885. Neueſte Mitteilungen. Jortpflanzungsgeſchwindigkeit der Erderſchütte⸗ rungswelle bei Erdbeben. Infolge einer Anfrage des Telegraphendirektors Preece in London bei dem könig— lichen Aſtronomen von England, ob während des jüngſten großen Erdbebens in Südſpanien irgend eine Störung der Magnetnadeln oder der Apparate zur Meſſung des Erd— magnetismus beobachtet worden fei, fand auf der Stern⸗ warte zu Greenwich eine Prüfung des photographiſchen Selbſtregiſtrierapparates ſtatt. Die ſorgfältige Unter⸗ ſuchung ergab, daß die Inſtrumente zwar keinerlei Be— wegung durch magnetiſche Einflüſſe erlitten hatten, aber dennoch eine Störung der Deklinationsnadeln am 25. Dez. abends 9 Uhr 15 Minuten eingetreten war. Beide hori— zontal ſchwebende Magnete, die aus ſchweren Stahlſtäben beſtehen und an langen Coconfäden aufgehängt ſind, waren zu dieſer Zeit in Schwingungen geraten, deren Amplitude zwei Bogenminuten betrug, eine Kraft, die ein Aequivalent iſt von etwa ½00 der horizontalen magnetiſchen Intenſität. Da dieſe Bewegung nicht den gewöhnlichen Charakter der Schwankungen der Magnete an ſich trug, ſo iſt ſie höchſt wahrſcheinlich durch den magnetiſchen Stoß des Erdbebens erfolgt. 10 Minuten ſpäter hatte der Regiſtrierapparat eine zweite Störung verzeichnet, von welcher die übrigen magnetiſchen Meßapparate wiederum keine Spur zeigten. Bemerkenswert iſt, daß das Erdbeben in Madrid am 25. Dezember abends 8 Uhr 53 Minuten, oder nach Green— wicher Zeit berechnet, 9 Uhr 8 Minuten eintrat. Nimmt man nun an, was kaum zu bezweifeln iſt, daß die Green— wicher Deklinationsnadeln durch den Erdbebenſtoß in Spa— nien in Schwingungen verſetzt wurden, ſo hat die Er— ſchütterungswelle die Strecke zwiſchen Madrid und Greenwich, etwa 1500 km, in einer Zeit von 7 Minuten durchlaufen, alſo mit einer Geſchwindigkeit von mehr als 3 km in einer Sekunde. Dieſe Fortpflanzungsgeſchwindigkeit iſt eine vier- bis ſechsmal größere, als man bisher bei Erdbeben an— nahm. (W. Z.) Wa. D'reisverzeichnis Nr. 10 über phyfikalifdie und chemiſche Apparate von F. Ernecke in Berlin. Die rühmlichſt bekannte Firma F. Ernecke in Verlin hat ein neues, ſehr umfangreiches Preisverzeichnis phyſikaliſcher und chemiſcher Apparate ausgegeben, welches eine große Zahl gewöhnlicher und feiner Apparate für den natur- wiſſenſchaftlichen Unterricht auf höheren Lehranſtalten (auch für Hochſchulen) großenteils in Abbildung enthält. Be— ſonders machen wir auf einige meteorologiſchen Apparate, Hygrometer mit Thermometer, zum Teil auch mit Aneroid— barometer, die übrigens auch ſchon im Humboldt beſprochen und abgebildet worden ſind und wegen ihrer eleganten Ausführung zugleich als Zimmerſchmuck dienen können, aufmerkſam. Durchweg finden wir die neueren Apparate berück— ſichtigt, die Preiſe ſind mäßig und die Ausführung iſt, wie wir aus eigener Erfahrung wiſſen, geſchmackvoll und dauerhaft. Kr. Eine giftige Spinne. In der Geſellſchaft natur— forſchender Freunde in Berlin hat Herr Bartels Mit— teilungen über eine ſehr giftige Spinne nach den Angaben der beiden Begleiter Flegels gemacht. Sie heißt Giso— giso und ſchon ihr bloßes Berühren ſoll einen Ausſchlag und langdauernde Geſchwüre mit Narbenbildung erzeugen; das Sekret des Geſchwüres an andere Stellen gebracht, veranlaßt auch hier Verſchwärung. Es bliebe nun noch zu beweiſen, daß dieſe Erkrankung wirklich mit der Spinne in Verbindung ſteht, und ob dieſe nicht in dieſelbe Kate— gorie gehört wie die Tarantel. Wir erinnern bei dieſer Gelegenheit daran, daß die Malmignatte der Mittelmeer— länder (Lathrodectis tredecimguttatus Rossi) in den ſüdruſſiſchen Steppen unter dem Namen Karakurt (ſchwarzer Wolf) entſetzlich gefürchtet wird und Menſch und Vieh — nach Köppen in 1838/39 allein 7000 Stück Rindvieh — töten ſoll, während man in Algerien und Italien, wo dieſe Art ſehr häufig tt, ſie nicht im Ent⸗ fernteſten beachtet. Der Tautau, wie die Hauſſa die durch die Spinne hervorgerufene Krankheit nennen, hat anſcheinend große Aehnlichkeit mit dem in der Sahara endemiſchen torpiden Geſchwür, das als ,clou de Biskra* bekannt iſt. Ko. Die Sammlungen der Herren Salvin und God- man ſind von ihren Beſitzern dem britiſchen Muſeum ge- ſchenkt worden. Neben der Wichtigkeit, welche ſie als Unterlagen der „Biologia Centrali- Americana“ haben, ſind beſonders die Vogelſammlung und die Inſektenſamm⸗ lung die reichſten Lokalſammlungen aus Centralamerika, welche überhaupt exiſtieren. Die Vogelſammlung, welche über 20 000 Exemplare zählt, wird geſondert aufgeſtellt bleiben. Von den Käfern hat das Muſeum einſtweilen die Cicindeliden und Carabiden erhalten, 969 Species in ca. 8000 Exemplaren, darunter über 400 Originale; der Reſt wird folgen, ſobald die entſprechenden Abteilungen der Biologia erſchienen ſind. Ko. Megalithiſche Reſtein Volyneſten. In „Science“ S. 284 macht Kapitän Herendeen Mitteilungen über eigentümliche Steinbauten auf der Inſel Ponapé. Klei⸗ nere Inſeln an den ſchiffbaren Kanälen find mit 5—6 Fuß hohen Steinmauern umgeben und innerhalb derſelben ſtehen ähnliche aus Stein erbaute niedere Häuſer, aus ſchweren Blöcken ſehr geſchickt erbaut. Die Steine ſind am Abhang eines etwas entfernten Berges gebrochen, in den Stein⸗ brüchen findet man noch zurechtgehauene Blöcke, die liegen geblieben ſind. Die meiſten der Wälle tauchen aber heute ins Waſſer, mitunter mehrere Fuß tief, ſo daß es keinem Zweifel unterliegen kann, daß hier ſeit ihrer Errichtung eine Senkung ſtattgefunden hat. Ko. Gefahr des Siſchereigewerbes. Nach den offiziellen Angaben des „Bulletin der U.-St. Fiſhery-Kommiſſion“ pro 1883 hat der Hafen von Gloucefter in Maſſachuſſets, das Centrum des Stockfiſchfanges, in den 22 letztverfloſſenen Jahren einen Verluſt von 400 Fahrzeugen und 2140 Men⸗ ſchen erlitten. In den vier Monaten von September bis Dezember 1883 gingen allein 16 Schiffe mit 205 Perſonen verloren. In den letzten zehn Jahren wurden 322 Frauen zu Witwen und 658 Kinder zu Waiſen. Der Grund für die ganz beſondere Häufigkeit von Schiffbrüchen liegt ein⸗ mal darin, daß die Hauptfiſcherei in die Wintermonate fällt, dann aber auch darin, daß die Schoner meiſt zu geringen Tiefgang haben und deshalb leicht kentern. Auch wird gar manches Fiſcherboot im Nebel auf den Bänken von Dampfern in den Grund gebohrt, ohne daß man davon hört; es wird deshalb der Vorſchlag gemacht, den Dampfern beſtimmte Routen vorzuſchreiben, welche den reichſten Fiſchereigrund unberührt laſſen. Ko. Aieſtge Cephalopoden. Das größte bis jetzt bekannt gewordene Exemplar fand nach einem Berichte von Collins im „Bulletin der U.⸗St. Fiſhery Kommiſſion“ 1884 Kapitän Keene im September 1876 tot auf der Bank von Neu— fundland, anſcheinend dem Lieblingsplatz dieſer Rieſen. Der Körper war 50 Fuß lang, die Fangarme, die unverſehrt waren, noch etwas länger. Von dem Fleiſch wurden drei Bootsladungen, über 60 Ctr., an Bord geſchafft, um als Köder zu dienen, der Reſt trieb hinweg. Daß ähnliche Un— geheuer öfter vorkommen, beweiſen einzelne koloſſale Saug— näpfe, die dann und wann von den Fiſchern gefunden werden. No. COC eee Ce lee Don Prof. Dr. J. J. 2 icht ſowohl der verwandte Namensklang, als vielmehr verſchiedene gemeinſchaftliche Züge in der Verbreitung, Anwendung und Wirkung, ſowie auch hinſichtlich unſerer Kenntnis und Beachtung dieſer beiden Stimulanten, veranlaſſen mich, denſelben hier nebeneinander eine kurze Beſprechung zu widmen. Obgleich nämlich faſt alle Reiſewerke über das ehemalige Generalkapitanat Peru, von den Zeiten der Conquiſtadores an bis zur Gegenwart des Gebrauchs der Cocablätter, und während einer faſt gleichlangen Periode viele Berichte über Weſtafrika ebenſo der Colanüſſe und ihrer höchſt bemerkenswerten Eigenſchaften gedacht haben, nahm doch bis vor wenigen Jahren weder die Geographie und Naturwiſſenſchaft, noch die Heilkunde beſondere Notiz von ihnen. Das iſt jetzt auf einmal anders geworden, ſeit Cocain als örtliches Betäubungsmittel ſich im Hand— umdrehen die Gunſt unſerer Chirurgen und insbeſondere der Augenärzte erworben hat und auch für die Colanüſſe, wie es ſcheint, die Zeit gekommen iſt, wo ihre Wert— ſchätzung nicht mehr auf die afrikaniſchen Schwarzen beſchränkt bleibt. „Das Cocablatt ijt die große Quelle der Cr: quickung und des Genuſſes für den peruaniſchen In— dianer; es iſt ihm, was Betel dem Hindu, Kawa dem Südſee-Inſulaner und Tabak der übrigen Menſch— heit. Aber ſein Gebrauch ruft belebende Wirkungen hervor, welche die andern Stimulanten nicht beſitzen.“ Mit dieſen Worten beginnt Markham ſeinen leſens— werten Artikel über den Gegenftand*). Nach über— einſtimmendem Urteil aller Beobachter üben Coca— blätter in der That auf die Nerven einen höchſt *) Markham: „Travels in Peru and India.“ London 1862, pag. 232. Humboldt 1885. Rein in Bonn a. Rh. | | auffälligen Einfluß aus, indem jie längere Zeit vor Hunger und Durſt, Ermüdung und Schlaf ſchützen und den Indianer befähigen, die Anſtrengungen weiter Märſche und verlängerter Arbeit auszuhalten und vor Atmungsbeſchwerden beim raſchen Steigen im peruaniſchen Hochlande bewahren, wie dies auch Europäer, z. B. v. Tſchudi und Markham an ſich ſelbſt erprobt haben. Die getrockneten Blätter werden zu dem Zweck gekaut, und zwar in der Regel mit einem geringen Zuſatz von pulveriſiertem gebrannten Kalk oder der mit Waſſer zu fingerlangen Stäbchen geformten Aſche der Quinoa (Chenopodium Quinoa). Daß ein übermäßiger Genuß in häufiger Wiederholung körper— lich und geiſtig zerrüttend wirken muß, leuchtet ein und wird namentlich von Tſchudi in lebhafter Weiſe geſchildert ?). Nicht minder wichtig ijt Coca als Finanzquelle für ihre Heimatländer, namentlich für Bolivia; denn ſie bildet dort, wie bei uns der Tabak, einen er— giebigen Beſteuerungsgegenſtand, der bereits vor mehr als einem Menſchenalter mit 200 000 Piaſter (etwa 800 000 M.) ungefähr ein Zwölftel aller Staats— einnahmen lieferte! ). Die Cocapflanze (Erythroxilon Coca Lamk) ijt ein 1—2 m hoher Strauch aus der Familie der Lineae mit abwechſelnd geſtellten Aeſten und Blättern, einzeln erſcheinenden kleinen, gelbweißen Blüten und ſcharlachroten Beeren. Man hat ſie mit dem Thee— ſtrauch verglichen, an welche nicht bloß die Art ihrer ) J. J. von Tſchudi: St. Gallen 1846. en) Weddel: Peru. 2. Bd. S. 305 ff. Voyage dans le Nord de la Bolivie. Paris 1858. pag. 248. 44 342 Humboldt. — September 1885. Kultur, fonder auch die Geſtalt, Größe und Ge— winnungsweiſe der ovalen Blätter erinnert. Doch ſind dieſelben ganzrandig, weniger ſteif und glänzend und außerdem durch zwei ſchwache Linien ausgezeichnet, welche parallel zum Mittelnerv laufen. Zu ihrer gedeihlichen Entwickelung bedarf die Cocapflanze eines ſubtropiſchen Klimas und vieler Feuchtigkeit, Bedin- gungen, welche Bolivia und Peru in den warmen Thälern der Oſtabhänge der Anden in 1500 bis 2200 m Höhe erfüllen, in Gebieten, wo die mittlere Jahrestemperatur zwiſchen 18° C. und 22° C. ſchwankt, Froſt unbekannt und kein Monat ohne Regen ijt. Dies gilt insbeſondere von der feucht— heißen Carabaya in Peru und den benachbarten Yungas in Bolivia, dem „Garten von La Paz“). Die Pflanzungen, Cocales genannt, bedecken hier alle Bergabhänge des verwitterten Schiefer— bodens bis zu 2200 m Meereshöhe, und zwar in aufſteigenden Terraſſen, welche durch niedrige Mauern geſchützt werden und deren jede eine Reihe Büſche trägt. Auf ebenem Lande werden dieſe in Furchen geſetzt mit kleinen Erdwällen zu beiden Seiten. Der Boden muß häufig gelockert und von Unkraut frei gehalten werden. Die Anzucht der Sämlinge, welche nach einem Jahr 40—50 cm hoch in die Cocales, und zwar je 3—4 in ein qua- dratiſches Loch, verpflanzt werden, erfolgt auf be— ſonderen Beeten. Die jungen Pflanzen erſcheinen hier 10—14 Tage nach der Ausſaat im Dezember oder Januar. Sie bedürfen des Schutzes gegen die heißen Sonnenſtrahlen durch ein leichtes Strohdach oder andere Mittel, ſowie reicher Bewäſſerung. Die erſte Blattleſe findet ein Jahr nach dem Verpflanzen in die Cocales ſtatt, in welchen man die Büſche durchſchnittlich Im hoch hält. Man erntet die Blätter jährlich zwei bis dreimal: im März, Ende Juni und im Oktober; doch iſt die erſte Leſe nach der Hauptregenzeit weitaus die ergiebigſte. Büſche im Alter von 4— 10 Jahren ſind am ertragreichſten. Man kennt indes auch Pflanzungen mit einem mehr als 40jährigen Beſtand, welche immer noch befrie— digende Ernten liefern. Die durch Frauen und Kinder eingeſammelten Blätter werden in Höfen, welche mit Schieferplatten belegt ſind, auf wollenen Tüchern ausgebreitet, bis die Sonne ſie vollſtändig getrocknet hat. Eine gute Ware zeichnet ſich durch blaßgrüne Farbe und einen eigenartigen Geruch aus, der etwas an Thee erinnert. Wurden dagegen die Blätter während des Trocknens beregnet oder ſonſt nicht ſorgfältig be— handelt, ſo zeigt dies eine braune oder ſchwarze Farbe und ein unangenehmer Geruch an. Man nennt erſt *) Nungas bedeutet in der Sprache der Einge— borenen „warme Thäler.“ Es iſt der Name desjenigen Teils der Provinz La Paz, welcher öſtlich der Sierra Oriental (mit Sorata und Illimani) gelegen, vom Beni und ſeinen Nebenflüſſen bewäſſert wird. Ein ſubtropiſches Klima und reiche Niederſchläge zeichnen ſie aus und er— möglichen auch den Anbau vortrefflichen Kaffees, der Bananen und vieler andern tropiſchen Produkte. die getrockneten Blätter Coca und verpackt ſie in Säcke aus Bananenblättern, die man noch mit einer äußeren Hülle aus grobem Wollgewebe umgibt. In den Zeiten der Incas war die Cocapflanze der Sonne geheiligt und wurden ihre Blätter von dem Oberprieſter gekaut, wenn er das Orakel befragte, und von ihm handvollweiſe in die Flammen geworfen, welche das Opfer verzehren ſollten. Bevor dann die Conquiſtadores in das Land kamen, dienten ſie u. a. ſtatt des Geldes im Verkehr. Unter der ſpaniſchen Herrſchaft breiteten ſich Kultur und Verbrauch der Coca raſch aus, da die Spanier darin eine reiche Erwerbsquelle fanden, obgleich das Konzil der Biſchöfe in Lima 1569 den Genuß der Coca verbot, weil ſie „ein unnützes, verderbliches Blatt ſei und die Behaup— tung der Indianer, daß dasſelbe ihnen Kraft verleihe, eine teufliſche Illuſion.“ Da es zur Anlage und Unterhaltung von Pflan⸗ zungen in den Yungas, in Carabaya, Huanco und andern Diſtrikten, die ſich dafür beſonders eigneten, an Arbeitern fehlte, zogen die Spanier ſolche aus der kalten Cordilliera zwangsweiſe heran. Das feucht— heiße Klima wirkte jedoch ſo verderblich auf die Ge— ſundheit dieſer Leute, daß die Centralregierung endlich infolge vieler Klagen einſchritt und die Zwangsarbeit verbot. Die Zahl der dem Cocagenuß ergebenen Süd— amerikaner wird auf mindeſtens acht Millionen ge— ſchätzt. Es ſind die Indianer Perus und Bolivias, ſowie einiger angrenzenden Gebiete. Jeder derſelben führt in der umgehängten Ledertaſche (Chuspa) ſeinen Vorrat an trockenen Cocablättern mit fic), dazu einen kleinen Flaſchenkürbis mit pulveriſiertem gebrannten Kalk, oder ſtatt deſſen ein Stäbchen aus der Quinoa- aſche. Wie man dem Bergmanne Spaniens täglich mehrmalige Erholungspauſen zum Rauchen gewährt, fo erhält derjenige in Peru und Bolivia 3—4 mal je /½— 0 Stunde Ruhe, in welcher er fic) dem Coca— kauen hingeben kann. Ein Mann verbraucht dabei im Durchſchnitt täglich 30—50 g. Als die Minen von Potoſi am ergiebigſten waren, wurden von ihren zahlreichen Bearbeitern allein gegen eine Million ke Coca jährlich gekaut. Gegenwärtig iſt der Geſamt— verbrauch an dieſem Stimulanten in Peru und Bolivia mindeſtens fünfzehn Million kg, wovon die Yungas allein mehr als den dritten Teil liefern. Zu den Indianern geſellt ſich in der letzten Zeit ein neuer Abnehmer, der Fabrikant von Cocain, deſſen Bedarf ſo gewachſen iſt, daß erſt die dies— jährige neue Ernte ihn vollſtändig decken kann. In dem Alkaloid Cocain (C. Hei NO), welches Niemann im Jahre 1860 iſolierte, hat man näm— lich denjenigen Beſtandteil der Cocablätter erkannt, welcher ihre auffallenden Wirkungen aufs Nerven⸗ ſyſtem hervorruft. Es kryſtalliſiert in farbloſen Prismen, iſt leicht löslich in Alkohol und Aether, ſchwer in Waſſer, das dagegen alle ſeine Salze leicht aufnimmt. Unter dieſen findet vornehmlich das ſalz— ſaure (Cocain hydrochloricum) ſeit einem halben Jahr große Verwendung, ſeitdem man nämlich im Humboldt. — September 1885. 343 Cocain ein anäſthetiſches (empfindungslos machendes) Mittel erſten Ranges erkannt hat. Nach dem bekannten Fabrikanten E. Merk in Darmſtadt, der die Cocapräparate darſtellt, enthalten die getrockneten Blätter, je nach ihrer ſchlechten oder ſorgfältigen Zubereitung zwiſchen 0,02 und 0,2% Cocain, die dunklen alſo wenig, die blaßgrünen am meiſten. — Cocain iſt ein Gift, das auf die Nerven— centren und andere Nervengebiete in kleinen Gaben anregend, in größeren lähmend, ſogar tödlich wirkt. Wird eine verdünnte Löſung von 2—5 9% injictert, ſo tritt beim Menſchen zuerſt Wärmegefühl, dann Unempfindlichkeit der Injektionsgegend, welche 10 bis 15 Minuten anhält, endlich Rötung der Haut ein; doch kehrt bald alles in ſeinen normalen Zuſtand zurück. Schlafbedürfnis und Hunger werden während der Wirkung des Cocains ganz verſcheucht. Dieſe vollkommene Anäſtheſie, örtlich und zeitlich begrenzt, und wie es ſcheint, ohne jede nachteilige Nachwirkung auf den Organismus, iſt offenbar die vornehmſte und ſchätzbarſte Eigenſchaft des Cocains. Verſuche, welche mit dieſem Körper im vorigen Jahr in Wien von den Profeſſoren v. Fleiſchl und Koller, ſowie von Dr. Freud angeſtellt wur— den, ergaben überaus günſtige Reſultate und bewirkten, daß Cocain in der Narkoſe bald von vielen Seiten und mit gleich günſtigem Erfolg angewandt wurde. Eine weitere Folge iſt, daß es z. B. in der Augen— und Zahnheilkunde andere Betäubungsmittel, wie Chloroform und Opium vielfach ſchon verdrängt hat. Merk faßt die Eigenſchaften dieſes überraſchend wirkenden neuen Mittels in folgender Weiſe zuſammen: 1. Cocain iſt ein Stimulant beim Marſchieren, Bergſteigen u. dgl., indem es beiträgt, die Leiſtungs— fähigkeit des Körpers zu erhöhen und — ſo fügen wir hinzu — das Atmen in bemerkenswerter Weiſe zu erleichtern. 2. Es iſt ein Magenmittel, inſofern es nach über— mäßigem Eſſen und Trinken raſch Erleichterung und neue Eßluſt zu Wege bringt. 3. Dasſelbe reguliert überhaupt Magenſtörungen und Verdauungsſchwäche. 4. Cocain kann Morphiumhunger paralyſieren, alſo als Gegengift gegen die zerrüttenden Wirkungen der Morphiuminjektionen dienen. 5. Da es unter anderm Geföhlloſigkeit der Schleimhäute bewirkt, iſt es höchſt wertvoll für die Operationen an beſonders empfindlichen Organen, wie Kehlkopf und Auge. Seit den überraſchenden Verſuchen Kollers in der Ophthalmologen-Verſammlung zu Heidelberg am 15. September v. J. iſt denn auch die Anwendung des Cocains in der Augenheilkunde ganz beſonders geſtiegen, damit aber auch der Preis dieſes noch ſeltenen Körpers, und zwar von vier Mark das Gramm auf zwanzig Mark. Ein bedeutendes Sinken desſelben iſt erſt nach Ankunft der neuen diesjährigen Ernte zu erwarten, und es wird dann auch den Alpenſteigern leicht möglich ſein, die Wirkungen des Cocains in einer andern Richtung an ſich zu erproben. Was Coca den Indianern von Peru und Bolivia, ſind die Colanüſſe ſeit vielen Jahrhunderten für den Neger eines weiten Gebietes im tropiſchen Weſtafrika: der beliebte, hochgeſchätzte Stimulant, welcher in ge— ringen Mengen gekaut, den Appetit reizt und dem ſchlechten Trinkwaſſer ſeinen unangenehmen Geſchmack nimmt, und ſomit auch den ſchädlichen Einflüſſen des Bodens und Klimas bis zu einem gewiſſen Grade entgegenwirkt, bei reichlicherem Genuß aber längere Zeit Hunger, Durſt und Schlaf ganz zurückdrängt und den Körper zum Ertragen von Strapatzen neu— belebt. So liefern die Colabäume nicht bloß in ihrer eigentlichen Heimat einem Streifen von etwa fünf— undſiebzig Meilen landeinwärts von der Küſte von Guinea, ſondern weit über Niger, Becken des Tſad— ſees und Kongo hinweg einen wichtigen Handels- und Tauſchartikel, der im Herzen Afrikas Thee, Kaffee und andere Genußmittel erſetzt und bei einigen Völkern auch gleich den Kauris an Geldes Statt dient. Unter Colanüſſen verſteht man die Samenkerne von Cola acuminata Brown (Sterculia acuminata Beauy.), einem ſtattlichen, ſchön belaubten Baum Weſtafrikas, der aus einiger Entfernung betrachtet, an einen mittelgroßen Nußbaum erinnern ſoll. Dieſe Aehnlichkeit ſchwindet in der Nähe ſofort, da Blatt-, Blüten- und Fruchtbildung damit nichts gemein hat. Die hellgrünen Blätter ſtehen abwechſelnd und lang— geſtielt um die Zweige, ſind ganzrandig, länglich oval und enden in eine ſcharfe Spitze. Die kleinen weißen Blütchen erſcheinen in lockeren, achſelſtändigen Doldentrauben. Im Januar kommen in Sierra Leone die Früchte zur Reife. Sie werden mit mittelgroßen ellipſoidiſchen Gurken verglichen und bergen in ihrem weichen rötlichen Fleiſche 3—10 Samenkerne, die Colanüſſe, deren Geſtalt und Größe ſehr variirt. Im allgemeinen vergleicht man ſie mit ausgewachſenen Roßkaſtanien, doch gibt es auch einförmige bis zu 4 em lange. Unter der braunroten Haut liegt ein roſenroter Kern. Bei einer zweiten Art (Cola ma- crocarpa) haben die Früchte die Geſtalt großer Pfir— ſiche, und die viel weniger geſchätzten Samen einen weißen Kern. Nach Heckel und Schlagdenhauffen?) beſitzen die echten roten Colanüſſe als anregendes Princip 2,348 / Coffein (gegenüber 2,25% beim Kaffee), daneben 0,585 % Fett, 6,761 % Protein, 0,023 % Theobromin, 2,875 % Zucker, 33,754 % Stärke, 3,040 % Gummi, 29,83 1% Celluloſe, 2, 561% Farbſtoff, 1,290 roten Farbſtoff (Rouge de Cola), 1,618 Tannin, 3,895 % Mineralſubſtanz, und 11,909 % Waſſer. Der Araber nennt die Colanüſſe Cahu-es-Sudan (Kaffee des Sudans), der Bewohner von Bornu Guru. Man kaut ſie, nachdem man ſie in Stücke geſchnitten hat. Dem anfangs bitteren Geſchmack folgt nach Nachtigal ein ſehr angenehmer, ſüßer Nachgeſchmack, den die Eingeborenen ſo lieben, daß ſie ihre ſonſt geſchätzteſte Habe, wie Pferde und Sklavinnen hingeben, um ſich Colanüſſe zu verſchaffen. *) Des Colas Africains. Paris 1884. 344 Humboldt. — September 1885. Der Wert ſteigt natürlich mit der Schwierigkeit, ſie friſch zu erhalten, je weiter landeinwärts und entfernt von dem Erzeugungsorte jie kommen. E. Hertz!) hebt in ſeinem hübſchen Artikel über den Gegenſtand noch beſonders hervor, wie die Colanuß mit den Sitten und Gebräuchen eng verwoben, ein ſociales Binde- mittel ſei, durch deſſen Geſchenk der fremde Reiſende ſich den guten Willen ſeines Wirtes ſichern könne, das beim Abſchied der Freunde zum Lebewohl gekaut werde u. dgl. mehr. Es iſt unter ſolchen Umſtänden leicht erklärlich, daß durch die zahlreichen Negerſklaven der Colanuß— baum auch nach Weſtindien und Braſilien kam, wie auch die Erdnuß und ſchwarze Bohne, und daß man hier den botaniſchen Charakter desſelben eher kennen lernte, als in der Heimat. Am häufigſten ſcheint der Baum in Futa Djallon am Rio Nunez, ſodann in den Quellländern des Niger, in Sierra Leone und Aſhanti vorzukommen. Die Mandingohändler bringen aus dieſen Gebieten die Nüſſe auf die Märkte des inneren Sudan. 3500 Nüſſe, in einem Korbe wohl verpackt, bilden die gewöhnliche Laſt, welche ein Negerſklave auf dem Kopfe davon— trägt. — Nachtigal erwähnt das Vorkommen der Sterculia acuminata in Adamaua, ſüdlich des Binnue, und Mann fand den Baum 1861 beim Beſteigen des Kamerungebirges. Nach Pechuöl-Löſche *) findet man die Colabäume auf der Nordſeite des Kongo zahlreich und in herrlicher Entwickelung in der Kalkſteinformation oſtwärts der Stromſchnellen von Iſangula, wo ſie manchmal kleine Haine bilden. ) Mitteilungen der Geogr. Geſellſchaft in Hamburg 18801881. S. 115-127. ) Loango-Expedition. Dritte Abteilung. Die Differenzierung der Lebeweſen. Auch im Gebiet des Kuilufluſſes hat man ſie ent⸗ deckt. Wie die vorerwähnten und viele anderen Afrika reiſenden der Neuzeit der Cola in ihren Berichten gedenken, ſo finden wir ihrer auch oft in den älteren Schriften über Weſtafrika erwähnt. Beachtenswert iſt z. B., was Major O. F. von der Gröben in ſeinem Bericht über die Gründung der Branden— burgiſchen Kolonie Groß-Friedrichsburg am Kap der drei Spitzen (Goldküſte) darüber ſagt: *) „An etlichen Orten braucht man eine Frucht, Cola genannt, welche wie Kaſtanien auf hohen Bäumen wächſt, von bunter Purpurfarbe, ein wenig weiß und bitter von Geſchmack, an Geldes Statt. Die Schwarzen eſſen davon nach der Mahlzeit etwas, nachmals trinken fie, weil die Cola dem Waſſer einen lieblichen Ge- ſchmack verurſacht. Dieſe Cola wächſt zu Sierra Liona häufig, woſelbſt die Portugieſen ſie aufkaufen, nachmals zu Rio Gambia, Suala und Cacheo Sklaven dafür handeln.“ : Der hier erwähnte Handel mit Colanüſſen von Sierra Leone nach dem Gambia beſteht noch, iſt natürlich längſt in anderen Händen und in der Neu— zeit in raſchem Aufſchwung begriffen. Ganze Deck— ladungen, in grüne Blätter eingehüllt und in Baſt⸗ körben wie bei uns das Obſt verpackt, gehen mit den engliſchen Schiffen nach der Ernte im Januar den Weg von Freetown nach Bathurſt. So kamen 1860 gegen 160 000 engl. Pfd. Cola— nüſſe von Sierra Leone zu den Bewohnern Sene— gambiens, 1870 ſchon 416 000 Pfd. und 1879 ſogar 743 000 Pfd. *) Orientaliſche Reiſebeſchreibung II. Teil. Guineiſche Reiſebeſchreibung. Marienwerder 1694. S. 15, 16. Pflanzen und Tiere. Von Durs J. Roſenthal, ord. Profeſſor der Phyſiologie in Erlangen. (Sch 7. Die großen Mengen Kohlenſtoff, welche die grünen Pflanzenteile aufſpeichern, ſtammen aſo aus der Atmoſphäre. Letztere enthält freilich nur geringe Mengen Kohlenſäure, im Mittel etwa 8 —4 Volum— teile auf 10000; bei der großen Ausdehnung der Atmoſphäre aber reicht die darin enthaltene Kohlen— ſäure, trotz der großen Verdünnung, aus, um die üppigſte Vegetation überall da, wo die ſonſtigen Be— dingungen für eine ſolche vorhanden ſind, dauernd zu unterhalten. Und der Kohlenſäurevorrat der Atmo— ſphäre kann auch durch die üppigſte Vegetation nie— mals erſchöpft werden. Denn neben der Wirkung der Pflanzen, welche Kohlenſäure aus der Atmoſphäre luß.) aufnehmen und Sauerſtoff an dieſelbe abgeben, gehen ja in der Natur fortwährend Prozeſſe vor ſich, welche mit dem entgegengeſetzten Vorgang verbunden ſind, der Bindung von Sauerſtoff und der Erzeugung von Kohlenſäure. Schon die Pflanzen ſelbſt, ſolange ſie nicht unter der Einwirkung des Sonnenlichts ſtehen, ſowie alle chlorophyllfreien Pflanzen, vor allen Dingen aber ſämtliche Tiere binden fortwährend Sauerſtoff und geben dafür Kohlenſäure an die Atmoſphäre ab. Dazu kommen dann noch die Verbrennungen, welche in unſeren Oefen, Küchenherden, Maſchinen ſtattfinden, und endlich die langſamen Verbrennungen, welche als Verweſung und Fäulnis verlaufen. Humboldt. — September 1885. Durch dieſen fortwährenden Austauſch wird alfo der Beſtand der Atmoſphäre an Gaſen ſtets nahezu auf derſelben Höhe erhalten. Nur vorübergehend kann an einem Orte die Zuſammenſetzung ſich ändern. So finden wir z. B. in der Mitte großer Städte, in überfüllten geſchloſſenen Räumen einen größeren Kohlenſäuregehalt; in letzteren ſteigt derſelbe oft auf und über 1°/,. Aber die Diffuſion der Gaſe und in größerem Maßſtabe noch die Winde ſorgen fortwährend für Ausgleichung und machen, daß die Zuſammen— ſetzung der Atmoſphäre an allen Orten und zu allen Zeiten nahezu die gleiche iſt. Die Pflanzen Insbeſondere aber findet dieſe Wechſelwirkung zwiſchen der Pflanzenwelt einerſeits und der Tierwelt andererſeits ſtatt. Und da die Pflanzen, wie wir geſehen haben, aus der Kohlenſäure den Kohlenſtoff abſcheiden, welcher die Grundlage der zur Ernährung der Tiere dienenden organiſchen Stoffe bildet, ſo findet alſo ein fortwährender Kreislauf der Stoffe ſtatt, der den Beſtand der Lebewelt im großen ganzen ſichert, wenngleich dabei fortwährend einzelne Lebeweſen in großer Zahl zu Grunde gehen. Man kann dieſen Kreislauf in folgendem Schema dar— ſtellen: Die Tiere nehmen Kohlenſäure auf, HK geben Kohlenſäure ab, geben Sauerſtoff ab und nehmen Sauerſtoff auf und lagern Kohlenſtoff ab in verbrauchen Kohlenſtoff in Form von kohlenſtoff— ae Form von kohlenſtoff— haltigen Verbindungen. Keines der beiden Reiche der Lebeweſen könnte alſo auf die Dauer für ſich allein beſtehen. Sie ergänzen und bedingen einander gegenſeitig. Wären die Tiere allein auf der Welt, ſo könnte zwar ein Teil der— ſelben von dem anderen Teil ſich ernähren. Aber indem ſie allmählich den Sauerſtoff der Atmoſphäre vermindern, den Kohlenſäuregehalt vermehren würden, erhielte dieſe ſchließlich eine Zuſammenſetzung, welche dem tieriſchen Leben nicht mehr zuträglich wäre, und gleichzeitig würde die vorhandene Nahrungsmenge fortwährend abnehmen, ſo daß ſie ſchließlich für den Reſt der Tierwelt nicht mehr ausreichen könnte. Da— gegen könnten Pflanzen ohne Tiere allein allerdings beſtehen, da die Pflanzen ſelbſt während des Lebens und nach dem Tode Sauerſtoff verzehren, Kohlenſäure abgeben und ſomit einen Teil des von ihnen aus der Kohlenſäure abgeſchiedenen Kohlenſtoffs wieder in Kohlenſäure zurückverwandeln. Es wird deshalb auch von vielen angenommen, daß die Pflanzen früher auf der Erde vorhanden geweſen ſeien als die Tiere. Doch zeigen gerade die geologiſchen Befunde, welche in den älteſten Schichten vorkommen, ſchon tieriſchen Charakter, und es laſſen ſich daher poſitive Beweiſe für jene Annahme nicht beibringen. Möglich iſt es wohl, daß in jenen entlegenen geologiſchen Epochen die Atmoſphäre viel reicher an Kohlenſäure geweſen als jetzt, und daß auf irgend eine, uns unbekannte Weiſe entſtandene Pflanzen dieſe Kohlenſäure all— mählich bis zu dem Grade vermindert haben, daß die Atmung der Tiere möglich wurde, und zugleich die— jenige Menge kohlenſtoffhaltiger Verbindungen ab— ſchieden, welche den nachfolgenden Tieren zur Nahrung dienen konnte. Wären die Tiere früher auf der Erde geweſen, ſo hätten dieſe aber ebenſogut eine Zeitlang für ſich beſtehen können, vorausgeſetzt, daß eine ge— wiſſe Nahrungsmenge vorhanden geweſen wäre. Nach Aufzehrung dieſer hätte dann freilich eine fortwährende Abnahme der Geſamtzahl eintreten müſſen, bis durch das Auftreten der Pflanzen der beſprochene Kreislauf geſtellt worden wäre. Da wir über die erſten An— haltigen Verbindungen. fänge des Lebens auf der Erde nichts wiſſen, ſo iſt auch die Frage, welcher Art dasſelbe geweſen, nicht zu entſcheiden. Was im großen ganzen von der Lebewelt gilt, das kann auch im kleinen, abgeſchloſſenen Raume nach— gewieſen werden. Halten wir Tiere in einem ge— ſchloſſenen Raume, ſo gehen ſie zu Grunde. Sollen ſie am Leben bleiben, ſo müſſen wir ihnen nicht bloß Nahrung zuführen, ſondern auch für die Entfernung der von ihnen ausgeatmeten Kohlenſäure und für Erſatz des verbrauchten Sauerſtoffes ſorgen. Jeder— mann weiß, daß Fiſche ſelbſt in einem offenen Gefäße zu Grunde gehen, wenn man das Waſſer nicht von Zeit zu Zeit erneuert; ſie erſticken, weil die Dif— fuſion allein nicht ausreicht, die Kohlenſäure ſchnell genug zu entfernen und genügenden Sauerſtoff zu— zuführen. Ebenſo erſtickt ein Vogel ziemlich ſchnell, wenn er am Boden eines engen, hohen, oben offenen Cylinderglaſes gehalten wird. In den Aquarien ſorgt man deshalb für Lufterneuerung im Waſſer, indem man einen Luftſtrom durch dasſelbe treibt; und wenn man Lufttiere in geſchloſſenen Käfigen halten will, muß man dieſelben fleißig lüften oder noch beſſer einen ſtetigen Luftſtrom durch dieſelben ſtreichen laſſen. Man kann aber Waſſertiere in Aquarien viel leichter halten, wenn man gleichzeitig grüne Pflanzen in ihnen wachſen läßt. Und wenn man Tiere und Pflanzen ſo wählt, daß erſtere ſich von letzteren nähren können, ſo könnte man die Gefäße ſogar luftdicht abſchließen, ohne das Leben darin zu gefährden. Man hätte dann im kleinen, was die belebte Natur im großen bietet, eine Welt im Glaſe, wie es Liebig genannt hat. 8. Eine ſolche Welt im kleinen ſtellt auch jeder in ſich abgeſchloſſene Landbezirk dar, ein großes Gut z. B. mit ſeinen Pflanzen und Tieren, wenn aus demſelben nichts aus- und in denſelben nichts eingeführt wird. Die Menſchen und Tiere leben von den Erzeugniſſen des Bodens, indem ſie die Pflanzen, die dort wachſen, entweder ſelbſt verzehren oder ſolche Tiere, welche in Gang gekommen und nun das Gleichgewicht her- ſich von dieſen ernährt haben. Was ſie auf dieſe Weiſe an Kohlenſtoff verbrauchen, das haben die 346 Humboldt. — September 1885. Pflanzen aus der Atmoſphäre entnommen und die Der Kot bildet deshalb die natürliche Grundlage jedes Tiere an dieſelbe abgegeben. Aber die Pflanzen haben [Düngers, indem er dem Boden und damit den Pflanzen außerdem noch Stoffe aus dem Boden aufgenommen, zurückgibt, was dieſen entnommen war, was aber die nämlich Stickſtoff und Salze. Erſteren haben Tiere nicht weiter verwerten konnten. Von der wirk— fie, mit dem Kohlenſtoff verbunden, in Form der ſo- lich verdauten und in den Tierleib übergegangenen genannten Eiweißkörper abgelagert, ohne welche keine] Nahrung nun wird der Kohlenſtoff, wie wir geſehen tieriſche Nahrung auf die Dauer ihren Zweck erfüllen haben, als Kohlenſäure der Atmoſphäre und auf dieſe kann; letztere, welche, in ſehr geringen Mengen frei- | Weife den Pflanzen wieder zugeführt. Aber aller— lich, zum Wachstum jeder Pflanze notwendig ſind, dings nicht ganz vollſtändig. Ein geringer Teil gehen mit der Pflanzenkoſt gleichfalls in den Tier- des Kohlenſtoffs verläßt den Körper der Tiere in körper über. So gering nun auch dieſe Mengen von Verbindung mit Stickſtoff, hauptſächlich in der Ver⸗ Stickſtoff und Salzen fein mögen, welche die Pflanzen bindung Harnſtoff im Harn. Dieſer Kohlenſtoff ge- dem Boden entziehen, ſchließlich müßte der Boden langt früher oder ſpäter, wenn der Harnſtoff ſich zer— doch zu arm an dieſen Stoffen werden, und der ſetzt, wieder als Kohlenſäure in die Atmoſphäre. Auf Pflanzenwuchs müßte darunter leiden, wenn nicht auf | demfelben Wege wird aller Stickſtoff ausgeſchieden, irgend eine Weiſe der Verluſt dem Boden erſetzt würde. welchen das Tier in der Nahrung aufgenommen hat. Dies geſchieht bekanntlich durch die Düngung. Jeder Endlich erſcheinen auch alle Salze, welche mit der Dünger muß, wenn er wirkſam ſein ſoll, Stickſtoff und Nahrung aufgenommen wurden, in den Ausſcheidungen die nötigen Salze enthalten. Und da nun dieſe mit wieder. Indem wir alſo dieſe Ausſcheidungen dem dem Kohlenſtoff der Nahrung zugleich in die Tiere | Kote hinzufügen, erhalten wir einen Dünger, welcher eingeführt wurden, ſo fragt es ſich, wo dieſelben dem Boden alles zurückgibt, was ihm die Pflanzen bleiben und wie fie dem Boden zugeführt werden, entzogen haben ). um wieder den Pflanzen zu gute zu kommen. Unſere Betrachtung des Kreislaufes der Stoffe Von der Geſamtmenge der Nahrung, welche ein in der belebten Welt, bei der wir zuerſt nur auf den Tier aufnimmt, geht bekanntlich immer nur ein Teil Kohlenſtoff Rückſicht genommen haben, bedarf daher wirklich in die Leibesſubſtanz über, ein größerer oder der Ergänzung, und das Schema wird ſich vervoll— geringerer Teil geht unverarbeitet als Kot wieder ab. | ſtändigt folgendermaßen geſtalten: Die Pflanzen Die Tiere nehmen Kohlenſäure aus der Luft, = geben Kohlenſäure ab an und Stickſtoff und Mineralſalze aus dem Boden nehmen Sauerſtoff auf aus der Luft, auf, geben ab geben Stickſtoff und Salze ab, Sauerſtoff an die Luft und lagern welche wieder in den Boden Kohlenſtoff und Stickſtoff, ſowie Salze in gelangen, und ihren Geweben ab. nehmen Kohlenſtoff und Stickſtoff, ſowie Salze mit der Nahrung auf. 9. In ſehr lehrreicher Weiſe wird dieſe gegen-WTſind ſelbſtändige Weſen, einzellige Algen. Dies ſeitige Abhängigkeit von Tieren und Pflanzen durch iſt ganz ſicher bewieſen. Denn erſtens kann man dieſe das Zuſammenleben einzelliger Algen mit vielen nie- Zellen durch Druck aus den Tieren herausbefördern, deren Tieren, Infuſorien u. a., erläutert. In dieſen und ſie leben außerhalb derſelben weiter; zweitens Tieren kommen nämlich Einſchlüſſe vor, welche echtes bleiben ſie auch leben, wenn das Tier, in welchem Chlorophyll enthalten, mit allen Eigenſchaften desſel- ſie wohnen, abſtirbt; drittens vermehren ſich die Zellen ben, alſo auch der Fähigkeit, unter dem Einfluſſe des durch Teilung oder durch Sporen ganz wie andere Lichtes Kohlenſäure zu zerlegen. Es iſt nachgewieſen Algen; endlich kann man die Einwanderung der Algen worden, daß dieſe Chlorophylleinſchlüſſe mehr Sauer— ſtoff erzeugen, als die Tiere zur Atmung brauchen, ſo daß dieſe grünen Tiere alſo wie Pflanzen Sauer— ) In dieſen Auseinanderſetzungen iſt, dem vorliegen— ; 8 den Zweck entſprechend, nur auf die chemiſche Zuſammen— ſtoff abgeben. Anfangs glaubte man, daß die Ein⸗ ſetzung des Bie Rückſicht g Ge derſelbe ſchlüſſe von den Tieren erzeugt werden, daß dieſen außerdem noch durch ſeine Beimengung den Boden me— alſo, ganz im Gegenſatz zu allen anderen Tieren, die chaniſch verändert, auflockert u. ſ. w., iſt für unſere Ve— Fähigkeit zukomme, welche ſonſt nur den echten Pflan- trachtung gleichgültig. In welcher Weiſe die Verhältniſſe zen eigen ijt, während ſie doch in allen übrigen Eigen-WTſich verſchieben, wenn der Betrieb nicht jo in ſich geſchloſſen ſchaften als echte Tiere ſich erweiſen. Es iſt aber iſt, als wir vorausgeſetzt haben, wenn z. B. Bodenerzeug⸗ jetzt nachgewieſen, daß die Chlorophyllkörnchen nicht niſſe, Jet es unmittelbar als mange ober Pflanzenteile frei in der Leibesſubſtanz der Tiere liegen, ſondern 51019 aot 0 fal erde, dean ke Ue acral cage 905 : (8 „Wolle sgeführ en, 0 au eine egen en Protoplasmamaſſe, daß ſie vollſtän⸗ ſelbſt ableiten. Da der in dieſen Ausfuhrſtoffen enthaltene dige, zuweilen mit einer Celluloſehülle umgebene, mit Kohlenſtoff aus der Atmoſphäre koſtenfrei erſetzt werden einem Kern verſehene Zellen ſind. Und dieſe Zellen kann, ſo hat der Landwirt offenbar nur für Erſatz des können nicht etwa als ein Organ des Tieres ange- ausgeführten Stickſtoffs und der Mineralſtoffe zu ſorgen, ſehen werden, in welchem ſie vorkommen, ſondern ſie um das Gleichgewicht im Betrieb zu erhalten. Humboldt. — September 1885. 347 in die Tiere beobachten und ſehen, wie auf dieſe Weiſe aus und beide zuſammen bereiten aus dieſen Mineral— farbloſe Tiere in chlorophyllführende umgewandelt werden. Dieſe Einwanderung erfolgt in der Regel durch den Nahrungskanal. Die Tiere freſſen die Algen. Von den ſo hineingelangten Algen gehen die meiſten zu Grunde; einige aber gelangen unverſehrt in die Leibesſubſtanz bis in die äußere Schicht, das Ekto— derm, und niſten ſich dort ein. Iſt dies geſchehen, dann leben Tier und Pflanzen zuſammen in einer Art von Genoſſenſchaftsverhältnis, von welchem beide Teile Vorteile haben. Die Pflanzen erhalten von dem Tiere Kohlenſäure, Mineralſtoffe und ſtick— ſtoffhaltige Zerſetzungsprodukte und bauen daraus unter dem Einfluß des Lichtes organiſche Subſtanzen auf; die Tiere hingegen leben auf Koſten der von den Pflanzen bereiteten Subſtanzen und atmen den von ihnen abgeſchiedenen Sauerſtoff. Ein ſolches Tier braucht daher auch nichts zu freſſen. Man ſieht wohl, daß es durch ſeine Wimpern einen fortwährenden Waſſerſtrudel in ſeine Leibeshöhle hineintreibt, aber feſte Nährſtoffe brauchen in demſelben nicht enthalten zu ſein. Deshalb kann man auch ſolche Tiere lange Zeit in filtriertem Waſſer erhalten, welches außer ihnen keine anderen Lebeweſen enthält; ja ſie gedeihen ſo— gar in ſolchem Waſſer beſſer als in nicht filtriertem. Ein ſolches Tier mit ſeinen eingeſchloſſenen Algen ſtellt alſo die Lebewelt ganz im kleinen dar. Aehnlich iſt das Genoſſenſchaftsverhältnis, welches durch die ſogenannten Flechten dargeſtellt wird. Hier ſind es Algen und Pilze, welche ſich zum gemein— ſamen Leben verbunden haben. Lange Zeit hat man die Flechten für eine beſondere Klaſſe von Pflanzen gehalten, welche gleichſam zwiſchen den Pilzen und Algen mitten inne ſtehen, welche gebaut ſind und wachſen wie die Pilze, aber ſich vermehren nach Art der Algen. Jetzt aber weiß man, daß ſie zuſammen— geſetzte Gebilde ſind, Algen, welche auf und in Pilzen leben, von den letzteren umwachſen ſind. Da die Pilze des Chlorophylls entbehren, in ihrer Er— nährung alſo, wie die Tiere, auf fertig gebildete organiſche Subſtanzen angewieſen ſind, ſo iſt das Genoſſenſchaftsverhältnis ein ganz ähnliches wie das vorhergeſchilderte. Der Pilz gewährt der Alge den Wohnplatz und Mineralſtoffe, die Alge ernährt den Pilz durch die von ihr erzeugten organiſchen Stoffe. Deshalb ſind auch die vereinigten Genoſſen in hohem Grade unabhängig von der Außenwelt. Während Pilze ſonſt nur auf organiſchem Nährboden leben können, gedeihen die Flechten auf felſigem Geſtein, ſterilem Sand, ja ſogar auf dem Eiſe. Sie ſtellen daher auch an vielen Stellen der Erde die einzige Vegetation vor; in den Polargegenden und in der Schneeregion der höchſten Gebirge, wo nichts anderes gedeiht, ſind weite Flächen mit ſolchen Flechten be— deckt. Wo ſie auf organiſchem Boden wachſen, wie z. B. auf den Rinden der Bäume, entnehmen ſie dieſen nichts als die Mineralſtoffe. Indem die Pilze am härteſten Geſtein zu haften vermögen, nutzen jie | deſſen Mineralſtoffe für die Ernährung der Algen ſtoffen und der Kohlenſäure der Luft eine beträcht— liche Menge organiſcher Subſtanzen, die wieder Tieren zur Nahrung dienen können, oder bilden, wenn ſie ſchließlich abſterben, Humus, in welchem auch andere Pflanzen Wurzel faſſen können. Man kann das Verhältnis zwiſchen Infuſorien und Algen, Pilzen und Algen als eine Art von Para— ſitismus auffaſſen. Doch unterſcheidet es ſich von dem Paraſitismus im eigentlichen Sinne hauptſäch— lich durch den Umſtand, daß beide miteinander ver— bundenen Genoſſen gegenſeitig aufeinander angewieſen ſind, daß beide ſich ergänzen und ſich gegenſeitig Dienſte leiſten. Gerade die Pilze bilden ſonſt häufig Beiſpiele von echtem Paraſitismus, wo der eine Teil ganz auf Koſten des anderen lebt, ja dieſem ſogar ſchädlich wird, wie wir gleich ſehen werden. 10. Wir haben hervorgehoben, daß Pflanzen, welche des Chlorophylls entbehren, in ihrer Ernährung auf die Aufnahme fertig gebildeter organiſcher Verbin— dungen angewieſen ſind, wie die Tiere. Dennoch würde es ein Irrtum ſein, anzunehmen, daß die Er— nährung bei ihnen ganz in derſelben Weiſe verlaufe. Die Tiere bedürfen zu ihrer Ernährung dreier Arten organiſcher Stoffe: Eiweißkörper, Fette und Kohle— hydrate, oder doch mindeſtens der Eiweißkörper und einer der beiden anderen Gruppen, indem ſie Fette aus Kohlehydraten oder aus Eiweißkörpern zu bilden vermögen. Die Chlorophyllpflanzen bereiten dieſe Körper aus den Elementen, indem fie Kohlenſtoff aus der Kohlenſäure, den Stickſtoff aus den Nitraten oder aus Ammoniakverbindungen beziehen. Die chlorophyll— freien Pflanzen, welche die Kohlenſäure nicht zu zer— legen imſtande ſind, bedürfen zu ihrer Ernährung der Zufuhr fertiger Kohlenſtoffverbindungen. Sie ſind aber imſtande, Eiweißkörper zu bilden unter Zuhilfe— nahme von Stickſtoff, welchen ſie aus Nitraten oder Ammoniakverbindungen beziehen. Ob dies freilich von allen niederen Pflanzen gilt, iſt zweifelhaft. Denn es gibt unter dieſen jedenfalls auch ſolche, die ſich von Eiweißſtoffen nähren. Einige haben ſogar die Fähigkeit, die unlöslichen Eiweiß— körper in ähnlicher Weiſe zu zerlegen, wie dies bei der Verdauung der höheren Tiere geſchieht, das heißt, ſie in die leicht löslichen und leicht diffuſibeln Peptone zu verwandeln. In dieſer Form können die Stoffe dann durch die Hüllmembranen jener kleinen Lebe— weſen dringen und dort wieder in Eiweißkörper zurück— verwandelt werden. In dieſem Falle geſchieht alſo die Ernährung ganz in derſelben Weiſe wie beim Tiere. Andere dieſer niederſten Pflanzen beſitzen das Vermögen der Eiweißverdauung nicht; ſie können aber Peptone aufnehmen und aus dieſen Eiweißkörper bilden. Auch hierbei iſt dann kein principieller Unter— ſchied von der Ernährungsweiſe der Tiere. Aber man kann in vielen Fällen das Eiweiß oder Pepton durch Nitrate oder Ammoniakverbindungen erſetzen. Und da man kein einziges echtes Tier kennt, welchem dieſe Fähigkeit zukommt, aus ſolchen Stickſtoffverbin— dungen Eiweißkörper zu bilden, ſo haben wir hierin 348 Humboldt. — September 1885. einen durchgreifenden Unterſchied anzuerkennen, welcher jene niederen Organismen von den Tieren trennt und in nähere Beziehung zu den Pflanzen bringt, mit denen ſie doch wenigſtens eine Grundeigenſchaft der Ernährung gemeinſam haben. Wir können danach die Lebeweſen in drei große Gruppen teilen: 1) Echte Pflanzen. Sie beſitzen Chlorophyll und zerlegen deshalb Kohlenſäure. Aus dem Kohlenſtoff bilden ſie Kohlehydrate, Fette und, unter Zuhilfenahme von Nitraten oder Wm- moniakverbindungen, Eiweißkörper; ſie atmen Sauerſtoff aus. Niedere Pflanzen. Sie enthalten kein Chlorophyll. Aus Kohlenſtoffverbindungen und Nitraten oder Ammoniakverbindungen bilden ſie Fette und Eiweißkörper; ſie atmen Sauerſtoff ein und Kohlenſäure aus. 3) Tiere. Sie bedürfen zu ihrer Ernährung Eiweißkörper, Kohlehydrate und Fette. Sie können keine organiſchen Subſtanz aufbauen, ſondern zerſtören die aufgenommene durch Oxydation; ſie atmen Sauerſtoff ein und Kohlenſäure aus. Dieſer letztere Umſtand iſt aber, wie wir geſehen haben, keine den Tieren ausſchließlich zukommende Eigentümlichkeit, ſondern ein Kennzeichen des Leben— digen überhaupt. Es tritt nur bei den Tieren in höherem Grade und unverdeckt durch andere Vorgänge hervor, während es bei den echten Pflanzen nur bei Ausſchluß des Lichts nachweisbar wird, und bei den chlorophyllfreien Pflanzen gleichfalls, wenngleich in geringem Grade, fortwährend erfolgt. Die Zwiſchenſtellung, welche die chlorophllyfreien Pflanzen einnehmen, prägt ſich ſehr deutlich in den Bedingungen aus, unter denen ihr Leben verläuft. Sie können nicht, wie die echten Pflanzen, in einem Boden leben, welcher nur mineraliſche Beſtandteile enthält, ſondern ſie bedürfen eines Nährbodens, der auch organiſche Stoffe führt. Die einzelnen Gruppen können wir nach ihrer Lebensweiſe folgendermaßen ordnen: 1) Humusbewohner. Durch die Verweſung und Fäulnis von Pflanzen und Tieren miſchen ſich dem Boden fortwährend organiſche und mineraliſche Stoffe bei, welche ihm zuletzt eine ſolche Beſchaffenheit verleihen, daß er einen guten Nährboden für neue Ve— getationen abgibt. So wachſen denn auf dieſem hu— moſen Boden zahlreiche Pilze, beſonders Schwämme; und da ſie wegen ihres Chlorophyllmangels des Lichtes nicht bedürfen, ſo bringen manche von ihnen einen Teil, andere (z. B. die Trüffeln) auch ihr ganzes Leben unterirdiſch in dem Boden zu, aus dem ſie Nahrung beziehen und deſſen halb zerfallene organiſche Beſtandteile fie wieder in lebende Subſtanz zurück— verwandeln, welche Tieren und Menſchen zur Nahrung dienen kann. Selbſtverſtändlich können auch Chlorophyllpflanzen von einem großen Teile der Humusbeſtandteile Nutzen ziehen, ſo daß dieſer nicht bloß den niederen Pflanzen als Nährboden dient. Von den höheren Pflanzen 2 — ſind es aber beſonders ſolche, die wenig Chlorophyll haben, z. B. manche Orchideen, welche wegen ihrer kleinen Blätter als echte Humuspflanzen niederen Pflanzen den Boden ſtreitig machen. Gleich dem humoſen Boden wirken auch die ab— geſtorbenen Teile der Borken und Rinden, in welchen die gleichen Subſtanzen vorkommen und welche des— halb ähnlichen Pflanzen als Nährboden dienen. 2) Schmarotzer. Sie leben auf oder in den Geweben lebender Pflanzen oder Tiere und ſind hier häufig die Urſache großer Zerſtörungen und Erkran⸗ kungen, ja ſelbſt des Todes. Hierher gehören die Roſtpilze der Getreidearten und viele andere, ſowie die neuerdings fo viel genannten Bakterien der Yue fektionskrankheiten, des Milzbrands, der Cholera u. ſ. w. Viele derſelben können auch außerhalb der Organis— men auf paſſendem Nährboden weiter leben, und dieſem Umſtande verdankt man die genauere Kenntnis der- ſelben, der Art ihrer Fortpflanzung u. ſ. w. Indem man dieſelben künſtlich züchtet und ihre Lebensbedin⸗ gungen erforſcht, gelangt man auch zur Kenntnis der Mittel zu ihrer Vernichtung und kann ſo hoffen, dieſer heimtückiſchen Feinde des Lebens einmal Herr zu werden. 3) Eine dritte Klaſſe endlich, für welche ich keine allgemeine Bezeichnung weiß, lebt nicht auf lebendem Nährboden, ſondern auf nicht belebter organiſcher Sub— ſtanz, ſei es nun Leiche oder Leichenteil eines Lebe— weſens, oder auf irgend welchen Kunſtprodukten, die organiſche Subſtanzen enthalten, z. B. Fruchtſäften, Zuckerlöſungen, Abkochungen oder Aufgüſſen organi— ſcher Stoffe. Hierher gehören: a) die Schimmelpilze, wie fie auf Fleiſch, Brot u. ſ. w. vorkommen; b) die Gärungserreger, z. B. die Hefepilze, welche die weinige Gärung bewirken, und ihnen ver— wandte, welche ähnliche chemiſche Umwandlungen her- vorrufen. Sie ſpielen eine wichtige Rolle in vielen Gewerben, welche auf ihre Wirkſamkeit begründet find, bei der Bier-, Wein-, Eſſigbereitung u. ſ. w.; c) Fäulniserreger, meiſt zur Klaſſe der Spalt⸗ pilze gehörig, Bakterien und verwandte Formen, vielen Schmarotzerpilzen nahe verwandt, aber in ihrer Wir— kungsweiſe dadurch unterſchieden, daß ſie in toten Stoffen die faulige Zerſetzung bewirken. Ihnen kommt die ſchon erwähnte Fähigkeit zu, auch unlös— liche Eiweißkörper zu löſen und in peptonartige Sub— ſtanzen umzuwandeln. Während ſie aber einen Teil dieſer letzteren zu ihrer Ernährung verwenden, zer— ſetzen ſie den Reſt weiter unter Entwickelung von Kohlenſäure, Schwefelwaſſerſtoff und einer großen Zahl flüſſiger oder flüchtiger Stoffe, welche meiſt ſehr üblen Geruch und teilweiſe giftige Eigenſchaften haben. 11. Aus der Chemie wiſſen wir, daß ein Volum Sauerſtoff, wenn es ſich mit Kohlenſtoff zu Kohlen— ſäure verbindet, genau ein Volum Kohlenſäure gibt. Nun haben die Verſuche von Bouſſingault ergeben, daß grüne Blätter, wenn ſie im Sonnenlichte Kohlen— ſäure aufnehmen, genau das gleiche Volum Sauerſtoff abgeben. Die Zerlegung der Kohlenſäure findet alſo Humboldt. — September 1885. 349 durch die Pflanzen vollſtändig ſtatt, der ganze Sauer— ſtoff der Kohlenſäure wird frei und der ganze Kohlen— ſtoff wird abgelagert. In welchen Verbindungen dies geſchieht, läßt ſich mit Sicherheit nicht angeben. Es iſt unbekannt, ob die in den Chlorophyllkörnern ab— gelagerten Stärkeeinſchlüſſe unmittelbar aus der Koh— lenſäure entſtehen oder auf Umwegen und ob neben Stärke auch noch andere Verbindungen gebildet werden. Nimmt man an, daß ſolche andere Verbindungen die— ſelbe prozentiſche Zuſammenſetzung haben wie die Stärke, dann kann man die Bildung derſelben durch die Formel darſtellen: 6 (0 OKH) = CgHy20, + 602, d. h. 6 Moleküle Kohlenſäurehydrat werden zerlegt in 1 Molekül ſogenanntes Kohlehydrat und 6 Mole— küle Sauerſtoff, welche letztere dasſelbe Volum haben wie 6 Moleküle Kohlenſäure. Nicht ganz in denſelben einfachen Verhältniſſen verläuft der umgekehrte Prozeß in den Tieren. Dieſe nehmen mit der Nahrung nicht bloß Kohlehydrate auf, ſondern auch noch Fette und Eiweißkörper, bei deren Verbrennung ſtets ein geringeres Volum Kohlenſäure entſteht, als der zur Verbrennung verbrauchte Sauer— ſtoff eingenommen hatte). Da die Nahrung der Tiere in ihrer Zuſammenſetzung wechſelt, fo iſt der Volumunterſchied zwiſchen dem aufgenommenen Sauerſtoff und der ausgeatmeten Kohlenſäure kein konſtanter, ſondern wechſelt fortwährend; immer aber bleibt wie bei der Verbrennung der Fette ein kleines Deficit an Kohlenſäure. Die dieſem entſprechende Sauerſtoffmenge hat zur Waſſerbildung gedient. Aber auch der in den Pflanzen in Kohlehydraten abgelagerte Sauerſtoff bleibt nicht ewig an den Kohlenſtoff und Waſſerſtoff gebunden, ſondern wird teilweiſe frei, ſo— bald in der Pflanze aus den zuerſt abgelagerten Kohle— ) Die Kohlehydrate führen ihren Namen davon, daß in ihnen mit dem Kohlenſtoff die beiden anderen Elemente Waſſerſtoff und Sauerſtoff gerade in dem Verhältnis ver— bunden ſind, wie zur Bildung von Waſſer nötig iſt. Wenn deshalb eine gewiſſe Menge Kohlehydrat verbrennt, fo kann man den Prozeß darſtellen durch die Formel: CgH i205 + 6 Og = 6002 + 6 HO, d. h. aus einem Molekül Kohlehydrat entſtehen unter Auf— nahme von 6 Molekülen Sauerſtoff genau 6 Moleküle Kohlenſäure, welche denſelben Raum einnehmen. Fette dagegen enthalten ſtets weniger Sauerſtoff, als zur Bin— dung ihres Waſſerſtoffgehaltes nötig iſt. Bei der Verbren— nung wird deshalb ein Teil des verbrauchten Sauerſtoffs zur Waſſerbildung verwandt und es entſteht deshalb weniger Kohlenſäure. Die Verbrennung des Eſſigſäure-Triglycerids kann z. B. durch die Formel dargeſtellt werden: 2(C6HiOe) + 19 02 = 18 002 + 14H20. 19 Volume Sauerſtoff liefern alſo nur 18 Volume Kohlen— ſäure. In der Regel wird freilich die Verbrennung nicht in dieſer Weiſe verlaufen. Vielmehr ſpaltet ſich meiſtens ein Teil des Kohlenſtoffs ab und bleibt unverbrannt (bei der Verbrennung in freier Luft iſt dies der Ruß). Die Verbrennung verläuft dann etwa nach folgender Formel: 2(CgH, 40s) + 1502 = 14 C02 + 14,0 + 4. Aber auch in dieſem Falle ijt ein geringeres Volum Kohlen— ſäure entſtanden, als dem verbrauchten Sauerſtoff entſpricht. Humboldt 1885. hydraten Fette oder ſonſtige Stoffe entſtehen, welche relativ zum Waſſerſtoff weniger Sauerſtoff enthalten. Die genauere Verfolgung dieſer Prozeſſe iſt bis jetzt nicht möglich. Aber wir können behaupten, daß die Zerlegung der Kohlenſäure durch die Pflanzen der Menge nach der durch Tiere oder Verbrennungen aller Art gebildeten entſprechen muß, da eine An— häufung oder Abnahme der vorhandenen Kohlenſäure— mengen nicht nachweisbar iſt. Noch viel verwickelter als der Kreislauf des Kohlenſtoffs iſt der des Stickſtoffs und der Salze, und es iſt ganz unmöglich, denſelben im einzelnen zu verfolgen, da die Mengen von Stickſtoff und Sal— zen, welche die Tiere abgeben und aufnehmen, viel größeren Schwankungen unterliegen. Nur ſo viel ſteht feſt, daß die Anteile an dieſen Stoffen, welche zu irgend einer Zeit Teile eines Tierleibes aus— machen, während des Lebens oder ſpäteſtens nach dem Tode in eine Form übergehen, durch welche ſie wieder von einer Pflanze aufgenommen werden können. Gasförmigen Stickſtoff kann die Pflanze nicht ver— werten; ſie nimmt aus der Atmoſphäre weder Stick— ſtoff auf, noch gibt fie ſolchen aus. Ebenſo indifferent verhält ſich der Stickſtoff bei dem Stoffwechſel der Tiere *). Dagegen können die Pflanzen ihren Stick— ſtoffbedarf aus Nitraten und Ammoniak entnehmen, welche als Mineralien in der Natur vorkommen, die aber auch zum großen Teil aus organiſchen Sub— ſtanzen entſtanden ſind. 12. Aus dem Geſagten geht hervor, daß der Lebens— prozeß der Tiere vorzugsweiſe mit der Oxydation von Kohlenſtoff einhergeht. Die hierbei entwickelte Energie, welche in Form von Wärme oder mechani— ſcher Bewegung auftritt, ſtellt die Energie des tieriſchen Lebensprozeſſes dar. Der Lebensprozeß der Pflanzen aber iſt im weſentlichen ein Desoxydations- oder Re— duktionsvorgang, Kohlenſäure wird zerlegt in Sauer— ſtoff und kohlenſtoffreiche Verbindungen, die ihrerſeits wieder fähig ſind, ſich mit Sauerſtoff zu verbinden und Energie auszugeben. Eine ſolche Reduktion ſtellt alſo eine negative Arbeit im Sinne der Mechanik vor, und es entſteht die Frage, woher die Energie ſtammt, welche die Arbeit in der Pflanze leiſtet. Auf dieſe Frage kann es offenbar nur eine Ant— wort geben: Dieſe Energie ſtammt aus der Sonne. Nur unter Mitwirkung des Sonnenlichts vermag die Pflanze jene Zerlegung der Kohlenſäure auszuführen. Die Sonne als eine ſehr hochtemperierte Maſſe ſtellt einen Vorrat von Energie dar. Fallen die Sonnenſtrahlen auf irgend einen Körper und wird deſſen Temperatur durch ſie erhöht, ſo bedeutet das einen Zuwachs von Energie in dieſem Körper, welcher gleich iſt der Energie der aufgenommenen Strahlen. Wenn aber dieſelben Strahlen in der lebenden Pflanze Kohlenſäure zerlegen, fo wird die Energie der Strahlen zu dieſer Zerlegung aufgewandt, Einige Forſcher glauben allerdings, daß Tiere freien Stickſtoff ausatmen; doch könnten dies jedenfalls nur ganz geringe Spuren ſein. 45 350 Humboldt. — September 1885. und an ihre Stelle tritt die Energie der Lage oder potentielle Energie, welche darin gegeben iſt, daß der abgeſchiedene Kohlenſtoff wieder die Fähigkeit beſitzt, ſich von neuem mit Sauerſtoff zu verbinden und daz bei Arbeit zu leiſten. Dieſe Beziehungen bieten eines der großartigſten Beiſpiele für das Geſetz von der Erhaltung der Energie, gerade ſo wie die Erörterungen der vorhergehenden Paragraphen das Geſetz von der Erhaltung des Stoffs erläutern. Wie die Pflanze nicht imſtande iſt, auch nur ein Molekül irgend eines Stoffes zu erſchaffen, ſondern das Material, aus dem ſie die mannigfachen in ihr abgelagerten Stoffe bildet, aus der unbelebten Natur entnimmt, ſo kann ſie auch die Energie, welche zur Zerlegung der Kohlenſäure nötig iſt, nicht aus ſich ſelbſt erzeugen, ſondern entnimmt ſie der Sonne. Die Pflanze ſtellt ein mechaniſches Syſtem dar, an welchem die Energie der Sonnenſtrahlen Arbeit leiſtet, und dieſe Arbeit erſcheint als Aufſpeicherung reduzier⸗ ter Kohlenſäure in Form kohlenſtoffreicher, brenn- barer Verbindungen. Im Gegenſatz dazu vermag das Tier keine nennens- werten Stoffe aus der unbelebten Natur zu verwerten. Es kann keine andere Kohle verbrennen als ſolche, die in Form von Kohlehydraten, Fetten oder Eiweiß— körpern zuerſt in einer Pflanze unter Mitwirkung der Sonne aus Kohlenſäure abgeſchieden worden iſt, mag es nun dieſe Stoffe unmittelbar als pflanzliche verzehren oder mittelbar, indem es ſich von Tieren nährt, welche ihrerſeits von Pflanzenkoſt gelebt haben. Und indem es dieſen Kohlenſtoff verbrennt und damit Energie erzeugt, macht es nur einen Teil der früher in der Pflanze aufgeſpeicherten Energie wieder frei. Alle Energie organiſcher Weſen ſtammt alſo von der Sonne, unmittelbar die der Pflanzen, mittelbar die der Tiere. Ohne die Sonnenſtrahlen würde kein Leben auf der Erde beſtehen können. Die Mitwirkung der Sonne kann ſogar noch weiter verfolgt werden als zu dieſer Hauptarbeit der Re⸗ duktion der Kohlenſäure. Die ſtets gleichmäßige Mi⸗ ſchung der Atmoſphäre, welche zum Leben der Tiere und Pflanzen nötig iſt, wird durch die Winde bewirkt, welche in der Sonnenwärme ihre Urſache haben; die atmoſphäriſchen Niederſchläge, welche zum Ge— deihen der Pflanzen nötig ſind, kommen ebenſo nur unter Mitwirkung der Sonne zuſtande, welche unge- heure Waſſermaſſen in Geſtalt von Waſſerdampf hebt, um ſie an anderen Stellen wieder als Regen fallen zu laſſen. Um Tiere und Menſchen in den dicht bevölkerten Gegenden der Erde zu ernähren, müſſen große Laſten von Pflanzenſtoffen aus den Gegenden, wo dieſe im Ueberſchuß vorhanden ſind, nach den erſteren hin— geführt werden. Um dem Boden die ihm durch den Pflanzenwuchs entzogenen Nährſtoffe wiederzuerſtatten, müſſen die Düngerſtoffe von den Stätten ihrer Be- reitung an die Verbrauchsſtellen geſchafft werden. Was für Kräfte aber auch zu dieſen Transporten verwandt werden mögen, ſeien es Tier- oder Menſchenkräfte, ſei es der Wind, der die Segel bläht, oder der Dampf, der Schiffe oder Lokomotiven bewegt, es ſind immer nur Teile der Sonnenenergie. Die Nahrung des Laſtpferdes wie die Steinkohle der Dampfmaſchine ſind von der Sonne abgeſchieden worden, erſtere vor kurzer Zeit, letztere vor Jahrtauſenden in jenen Urwäldern der Steinkohlenformation. Wind und Waſſer werden von der Sonne bewegt. Kurz ohne Sonne kein Leben. Die Farben der Meerestiere. Don Privat-Dozent Dr. C. Heller in Sürich. Jahlloſe Sinneseindrücke wirken von außen her 6) auf unſere Pſyche ein, aber ihre Wirkung ift außerordentlich verſchieden. Bald erregen ſie in uns den Zuſtand des Unbehagens, bald bedingen ſie einen wohlthuenden, harmoniſchen Zuſtand des menſchlichen Gemütes. Unmittelbar und machtvoll, vielleicht am macht— vollſten vermag die Muſik auf die menſchliche Seele einzuwirken. Den zweiten Rang dürfte die Erregung durch Farben einnehmen. Wenn ein herrliches Tonwerk überall Enthuſiaſten finden wird, ſo iſt dies nicht minder der Fall, wenn das Auge die vollendete Schöpfung des Malers be- wundert. Die Unmittelbarkeit beider Empfindungen wurzelt tief in der menſchlichen Natur, ſie tritt nicht erſt beim hochentwickelten Kulturmenſchen auf, ſchon das Kind und der von der Kultur noch unbeleckte Sohn der Wildnis findet Vergnügen an Muſik und bunten Farben. Aber dieſe Empfindungen ſind rein ſubjektiv und ich bin ja keineswegs davon überzeugt, ob der näm— liche Ton oder die nämliche Farbe bei meinem Nach- bar genau dieſelbe Empfindung auslöſt, wie bei mir. Mit ſeinen Ton- oder Farbenbezeichnungen verbindet er möglicherweiſe eine etwas abweichende Vorſtellung, da ſeine Organiſation nicht genau mit der meinigen übereinſtimmt. In der organiſchen Welt ſpielt die Farbe eine große Rolle und die Aeſthetik in der Natur beruht zum großen Teil auf Farbenwirkung. Dieſe Thatſache ruft einer langen Reihe von Humboldt. — September 1885. 351 Fragen, deren Beantwortung für den Naturforſcher wie für den Philoſophen von großem Intereſſe ſein muß. Wozu dienen dieſe Farben in der organiſchen Natur? Sind ſie allein für unſer menſchliches Auge wahrnehmbar? Iſt dieſe ſo unendlich feine Thätigkeit des Farbenſinnes ausſchließliches Eigentum des Men— ſchen, fehlen Farbenempfindungen und Farbenvor— ſtellungen in der tieriſchen Seele oder wird die Tier— pſyche ähnlich wie diejenige des Menſchen von der Farbenfülle tropiſcher Blumen, tropiſcher Vögel und Inſekten angeregt? Hat die Tierſeele auch eine Empfindung von dem wunderbar reichen und ver— gänglichen Farbenduft zahlreicher Fiſche des Meeres und von der ſeltſamen Pracht eines Korallengartens? Derartige Fragen ſind leicht zu ſtellen, ihre Be— antwortung erfordert die mühſame Arbeit und den größten Scharfſinn des Forſchers. Noch vor kurzer Zeit war es auf dieſem Gebiete ſehr dunkel, die beharrliche Beobachtung und das ſinnreiche Experiment haben in der neueſten Zeit viel Licht auf dasſelbe geworfen und viele dieſer Fragen in unzweideutiger Weiſe zu beantworten vermocht. Die heutige Wiſſenſchaft des organiſchen Lebens hat viele große Probleme dadurch zu löſen vermocht, daß ſie ſich an das Meer, an die Mutter des Lebens, wandte. Vieles liegt dort einfacher und klarer, als bei den Bewohnern des feſten Landes. Sie hat auch auf dem Gebiete der Farben, nach— dem ſie durch die Feſtlandsbewohner auf den richtigen Weg gelangte, am Meere und im Meere eine Fülle von Thatſachen und Problemen vorgefunden und zu enträtſeln vermocht. Aus dieſem Grunde mag hier verſucht werden, die Farbenverhältniſſe der Meereswelt darzulegen, zumal dieſelben dem Bewohner des Binnenlandes weniger genau bekannt ſein dürften. Seit man die Verbreitungsgeſetze der marinen Tiere genauer kennt, hat man drei große Wohn— gebiete unterſcheiden müſſen. Ihre Bewohner zeigen in der geſamten Organiſation gewiſſe Eigentümlich— keiten und auch mit Rückſicht auf die Farben iſt der unterſcheidende Charakter dieſer drei Wohngebiete ſehr ſcharf ausgeſprochen. Das nächſtliegende und am beſten bekannte iſt das Strandgebiet oder die littorale Zone. Es iſt der Küſtenſaum des Meeres, welcher nament— lich da, wo nicht große Ströme aus dem Innern der Kontinente herkommen, oder der Grund eine ſandige Beſchaffenheit beſitzt, in der Regel eine reiche Vegetation von Algen aufweiſt. Zahlloſe tieriſche Geſchöpfe finden hier ihre Lebensbedingungen. Oft konzentriert ſich in dieſer Region eine unglaubliche Fülle von Organismen, wovon die riffbildenden Korallen und die ausgedehnten Muſchelbänke Zeug— nis ablegen. Eine ganz eigenartige Meeresbevölkerung wohnt auf hoher See in der Nähe der Waſſeroberfläche. Es ijt dies die pela giſche Fauna. Große Zart— heit des Körpers und eine vortreffliche Ausſtattung mit Bewegungswerkzeugen bilden die hervortretenden Eigentümlichkeiten derſelben. Ein drittes Wohngebiet von gewaltiger Aus— dehnung bieten die Tiefengründe der Oceane dar. Einſt glaubte man, dieſelben ſeien völlig unbelebt. Dieſe Anſchauung iſt heute vollſtändig aufgegeben, wir wiſſen, daß das organiſche Leben in ganz ge— waltigen Tiefen noch reich entwickelt ſein kann und die Expeditionen der beiden vergangenen Jahrzehnte haben uns eine über Erwarten reiche Tiefſeefaung enthüllt. Wie Bates und Wallace, zwei hervorragende engliſche Naturforſcher, an zahlreichen Organismen des Landes nachweiſen konnten, wird die Färbung eines Tieres in ſehr weſentlicher Weiſe von der Um— gebung beeinflußt. Der Farbencharakter der Wüſten— tiere, der Polartiere, der tropiſchen Baumtiere liefert hierfür den untrüglichſten Beweis. Genau dasſelbe finden wir bei den Bewohnern des Meeres und im allgemeinen wird der Zoologe ſchon nach der Farbe angeben können, ob eine marine Form dem Strandgebiet, der pelagiſchen Region oder der Tiefſee entſtammt. Am wenigſten einförmig, oft bunt und wechſel— voll iſt das Gebiet der Küſte und demgemäß herrſcht hier die größte Mannigfaltigkeit in der Farben— bekleidung. Nicht immer, aber doch in einer überraſchend großen Zahl von Fällen iſt ſie ſympathiſch, d. h. ſie ſtimmt möglichſt getreu mit der Umgebung überein. Damit wird die Farbe ein Hilfsmittel im Kampf ums Daſein, ſie ſchützt ein Weſen gegen die Nach— ſtellungen ſeiner Feinde, indem es möglichſt wenig auffallend wird. Auch für das Raubtier muß die ſympathiſche Färbung von größtem Nutzen ſein, in— dem es ſeine Beute unbemerkt beſchleichen kann. Derartige Schutzfarben finden ſich in allen Ab— teilungen. Die niedlichen Seepferdchen und See— nadeln, welche zwiſchen Tangmaſſen leben und ſich mit ihrem zu einem Greifwerkzeug umgeſtalteten Hinterkörper an dieſe anklammern, haben braune oder braungrüne Körperfarben und werden daher ſehr ſchwer in der gleichartig gefärbten Umgebung erkannt. An den flachen und ſandigen Küſten ſind die plattgedrückten Seezungen, Schollen, Froſchfiſche, Rochen u. f. w. gemein und man iſt daher zu dem Schluſſe berechtigt, daß ſie in wirkſamſter Weiſe mit natürlichen Schutzmitteln ausgerüſtet ſind. Beobachtet man die Tiere im Leben und in der freien Natur, ſo ſieht man ſie meiſt ruhig auf dem ſandigen Boden gelagert. Sie ſchmiegen ſich mit ihrer breiten Körperfläche eng an denſelben an und erwarten das Herannahen einer Beute. Sie werden kaum bemerkt, denn ihre Ober— fläche iſt ſandfarben und ſtimmt genau mit der Um— gebung. Doch gibt es ſcheinbare Ausnahmen. Der augenfleckige Zitterroche des Mittelmeeres (Torpedo ocellata) iſt lebhaft braun gefärbt und beſitzt auf der 352 Numboldt. — September 1885. Oberfläche ſeines ſcheibenartigen Körpers fünf große Augenflecken. Da er empfindliche elektriſche Schläge entſenden kann und damit kleinere Schwimmer lähmt oder tötet, muß ſein Anblick in der Tierwelt des Meeres, welche wohl entwickelte Augen beſitzt, eine gewiſſe Furcht erregen. Der Zitterroche ſcheint dies zu wiſſen und mas— kiert ſich ſo vollſtändig als möglich. Wenn er ſich auf den Boden legt, bedeckt er raſch mit Hilfe ſeiner Floſſen die Oberſeite mit Sand und kleinen Steinchen. Er entzieht ſich damit der Beobachtung in ſo ge— lungener Weiſe, daß der Badende zuweilen mit den Füßen das Tier berührt, ohne es zu ſehen, hinter— her aber durch die elektriſchen Aeußerungen von ſeiner Gegenwart Kunde erhält. Die reiche Welt der niederen Tiere ſchützt ſich in gleicher Weiſe. Auf den Korallenriffen der wärmeren Meere treiben ſich gewiſſe räuberiſche Taſchenkrebſe herum, deren Rückenfläche eine unverkennbare Korallenzeich— nung beſitzt und die Klaſſe der Plattwürmer enthält Formen, welche ihrer Umgebung in der Färbung ſo täuſchend ähnlich ſehen, daß ſelbſt der geübte Blick des Zoologen dieſe Weſen nur ſchwer zu entdecken vermag. Gewiſſe Tierformen ſind von Natur aus ſehr gut geſchützt und beſitzen in der Tierwelt aus zum Teil noch unbekannten Gründen nur wenige Feinde. Die Seeſchwämme z. B. ſind an allen Küſten häufig, aber die zahlreichen Raubtiere verſchonen dieſe den Korallen nahe verwandten Weſen. Viele ſchutzbedürftige Formen, wie Seeſterne und Würmer, gehen daher mit ihnen ein eigentümliches Freundſchaftsverhältnis ein, erhalten ein Plätzchen für ihren Aufenthalt, wofür ſie vermutlich eine ge— wiſſe nützliche Gegenleiſtung zu übernehmen haben und daher nicht als eigentliche Paraſiten betrachtet werden dürfen. Manche Schwammkolonieen beher— bergen auf ihrem Körper eine kleine Welt von ma— rinen Organismen, Seeſternchen, Würmer, Moostiere und dergl. Hierbei wird die Färbung des Gaſtgebers oft mit überraſchender Treue nachgeahmt. Scheinbar im Gegenſatz zu den erwähnten That— ſachen ſtechen gewiſſe Arten durch eine auffallende Färbung von ihrer Umgebung ab. Die Seeroſen z. B. prangen oft in den bunteſten und herrlichſten Farben, Korallen können durch ihre weißen, ſchwefel— gelben, pfirſichblütroten Töne ihr Daſein auf größere Entfernungen hin verraten. Auch dieſe Fälle werden uns leicht verſtändlich. Berühren wir auf den Ko— rallenriffen gewiſſe rote, knollige Gebilde, ſo ver— ſpüren wir raſch ein ſchmerzhaftes Jucken und Brennen der Haut, wir haben ein Gefühl, als ob wir Brenn— neſſeln angefaßt hätten. Die herrlichen Seeroſen werden nicht ungeſtraft erfaßt, davon überzeugen uns die Flecken und ſchmerz— haften Anſchwellungen der Hand. Die Urſache hiervon iſt in mikroſkopiſchen Waffen zu ſuchen. Tauſende von Brennkapſeln dieſer zarten Weſen entladen ſich bei der leiſeſten Berührung. Kleinere Tiere des Meeres werden hierbei gelähmt, oder gar getötet und daher iſt die weithin ſichtbare Farbe ein verhängnisvolles Lockmittel. Andere Weſen, welche durch die Erfahrung gewitzigt wurden, erkennen in ihr eine Warnungsfarbe, welche ein energiſches Noli me tangere zuruft. Der Leſer mag ein Gefühl der Befriedigung empfinden, daß die Theorie ſich ſo einfach mit den Thatſachen abzufinden vermag, allein bald genug wird ſich bei ihm die leidige Skepſis zu regen be— ginnen, er wird vielleicht dieſen oder jenen Einwand erheben. Im Grunde wird ja eine Vorausſetzung gemacht, welche möglicherweiſe unrichtig iſt — die Voraus- ſetzung nämlich, daß bei den mit Augen verſehenen Meeresbewohnern ein Farbenſehen möglich iſt! Dieſe Vorausſetzung darf nicht ſo ohne weiteres gemacht werden, und wir haben die Möglichkeit, viel- leicht gar die Wahrſcheinlichkeit vor uns, daß die Fähigkeit des Farbenſehens ein ausſchließliches Beſitz— tum des Menſchen iſt. Es ſind noch nicht ſehr viele Jahre her, daß dieſe Anſicht mit vielem Scharfſinn und mit einem ge— waltigen Apparat von Gelehrſamkeit zu ſtützen ver— ſucht wurde. Man erinnert ſich noch lebhaft der ſprachver— gleichenden Ergebniſſe angeſehener Philologen und der nunmehr unhaltbar gewordenen Gladſtone— Geigerſchen Theorie, welcher zufolge die Empfindung von Blau erſt ſeit der Zeit des klaſſiſchen Altertums vom menſchlichen Bewußtſein erobert und der Ur— menſch als farbenblind angenommen wurde. Die Studien am Seeſtrande haben in die Frage des Farbenſinnes viel Licht gebracht, die vergleichend— phyſiologiſche Forſchung hat ſich am Meere die ſchönſten Reſultate geholt und den Nachweis geliefert, daß ſchon in der Klaſſe der Fiſche, ja ſogar bei einzelnen Gliedern der Weichtiere ein ausgeſprochener Farben— ſinn beſteht. Wir begegnen im Küſtengebiet ſolchen Formen, welche ähnlich wie das Chamäleon die Hautfarbe wechſeln. Die Aenderung des Farbenkleides erfolgt bald langſam, bald mit einer beinahe blitzartigen Schnelligkeit. Die Vorrichtungen, welche dies ermög— lichen, ſind überall ähnlich und im Grunde genommen ſehr einfach. Die Haut enthält zahlreiche Farbzellen oder Chromatophoren, welche mit einer großen Be— wegungsfähigkeit ausgeſtattet ſind. Es können ſchwarze, rote, blaue Farbzellen nebeneinander vorkommen und jede dieſer Farben in der Haut hervorgerufen werden, ſobald die betreffende Zellengattung fic) allein aus— dehnt. Auch Miſchfarben entſtehen in der Haut. Ein großes Intereſſe erregten in den ſiebenziger Jahren die Beobachtungen und Experimente, welche der franzöſiſche Phiſiologe Pouchet an Steinbutten machte. Dieſe flachen Fiſche beſitzen die Fähigkeit, ihre Körperfarbe ſtets nach dem Boden, auf welchem ſie leben, zu richten. Humboldt. — September [885. 353 — — Pouchet vermutete, daß hier eine Orientierung mit Hilfe der Augen im Spiele ſein möchte und die Bewegungen der Farbzellen von gewiſſen Gebieten des Nervenſyſtems aus beherrſcht werde. Es gelang in der That, die Nerven aufzufinden und ein hübſcher Zufall beſtätigte die Entdeckung. Unter vielen Exemplaren von Steinbutten im Aquarium konnte eines ſich dem Boden nicht mehr anpaſſen und blieb anders gefärbt als ſeine Gefährten. Bei näherer Unterſuchung ſtellte ſich dieſes Exemplar als blind heraus! Da haben wir doch wohl Farben— jinn. Einen ſehr vollendeten Farbenwechſel beſitzen jene merkwürdigen Weichtiere des Seeſtrandes, welche man als Kraken, Seeſpinnen, Sepien oder Tintenfiſche bezeichnet. Ihr weicher und fleiſchiger Körper wird von zahl— reichen Raubfiſchen und Krebſen des Strandes als willkommene Beute betrachtet und einen nicht zu unterſchätzenden Feind beſitzen ſie im Menſchen, welcher z. B. in Südeuropa ihnen eifrig nachſtellt. Dennoch ſind ſie im Strandgebiete ſehr zahlreich und müſſen daher von Natur aus ungewöhnlich reiche Schutzmittel beſitzen. Ihre Intelligenz ſteht wohl hoch über allen Tieren des Seeſtrandes, ſie kriechen und klettern geſchickt auf dem Geſtein des Bodens herum, ſie ſchwimmen vorzüglich und zur Zeit der Gefahr ſchützen ſie ſich durch eine tintenſchwarze Flüſſigkeit. Aber das wirkſamſte Schutzmittel iſt ein hoch ausgebildeter Farbenwechſel und Farbenſinn. Das Farbenſpiel der Haut gehört mit zu den überraſchendſten Lebenserſcheinungen. Die dunkeln Tiere können in wenigen Sekunden vollſtändig erblaſſen, da und dort treten blitzartig wiederum dunkle Flecke auf, einige Momente ſpäter iſt die Körperfarbe in ein gleichmäßiges Rot abge— ändert u. ſ. w. Vor einigen Jahren iſt es der vergleichenden Phyſiologie gelungen, den Nerveneinfluß auf die Farbzellen in durchaus überzeugender Weiſe darzu— legen. Wir wiſſen heute genau, daß im Leben die farbige Umgebung auf die Augen wirkt und daß von gewiſſen Gebieten des centralen Nervenſyſtems Faſern nach der Haut ausſtrahlen, ſo daß die Tintenfiſche mit Hilfe ihrer Augen die Farbzellen in ähnlicher Weiſe beherrſchen, wie der Muſiker die Taſten ſeines Klaviers. Nicht nur die helle oder dunkle Farbe des Ge— ſteins, ſondern auch auffällige Färbungen und Zeich— nungen werden oft mit ſolcher Treue auf der Haut hervorgerufen, daß auch das ſchärfſte Auge unter Umſtänden Mühe hat, einen ruhig daſitzenden Tinten— fiſch zu erkennen. Dieſe Erſcheinung iſt den Fiſchern recht wohl bekannt und nur ihrem durch Jahre hin— durch geübten Scharfblicke gelingt es dennoch, ihre Beute trotz der guten Verkleidung herauszufinden. Ganz andere Farbenverhältniſſe bietet uns die pelagiſche Region dar. Man hat einſt geglaubt, dieſes Wohngebiet ſei arm, dem iſt aber nicht ſo, ſondern zeitweiſe beher— bergt die Oberfläche der Oceane ganz ungeheure Mengen von tieriſchen Weſen. Man muß dies ſchon aus der Thatſache ent— nehmen, daß die Rieſen der Tierwelt, die gewaltigen Seeſäugetiere, auf das hohe Meer angewieſen ſind. Wovon ſollten dieſe Koloſſe leben, womit ſollten dieſe ihre Kräfteausgabe decken, wenn die Oberfläche der Meere arm an organiſchen Weſen wäre? Man weiß, daß die nordiſchen Wale Tag für Tag unge— heuere Quantitäten von kleinen pelagiſchen Organis— men verzehren. Wir finden auch da einen Kampf ums Dofein. Die Beſchaffenheit dieſer Waſſerwüſte iſt ſo ein— tönig als nur möglich. Es iſt die lichtvolle Ober— fläche, die reine und durchſichtige Flut, in welcher die Schickſale der Bewohner ſich abſpielen. Letztere haben ſich in ihrem optiſchen Charakter in vollendeter Weiſe angepaßt. Die Märchen erzählen uns von einer Zaubergabe, ſich unſichtbar zu machen. Ein koſtbarer Ring, in deſſen Beſitz der Glückliche gelangt, bannt für die übrige Welt die körperliche Erſcheinung, man wandelt ungeſehen und kann die Geheimniſſe der Natur und der Menſchen belauſchen. Dieſe von der kindlichen Phantaſie oft gewünſchte Zaubergabe kommt im buchſtäblichen Sinne bei zahl— loſen Bewohnern der Meeresoberfläche vor. Ihr Körper iſt klar und durchſichtig, von kryſtal— lener Beſchaffenheit. Man hat ihnen daher den Namen Glastiere gegeben. Bei gewiſſen Meduſen, Schnecken und Würmern, ebenſo bei einer großen Zahl von Krebſen iſt dieſer Glascharakter geradezu vollendet. Schöpft man die Oberfläche mit einem weiten Pokal ab, ſo erſcheint das Waſſer ſcheinbar unbelebt, aber bei näherem Zu— ſehen enthüllt ſich uns ein buntes Gewimmel dieſer zarten Weſen. Durch den großen Waſſerreichtum der Gewebe, durch das Fehlen aller Pigmente erlangt der Körper dieſe durchſichtige Beſchaffenheit, welche naturgemäß als Schutzmittel gegen tieriſche Feinde Verwendung findet. Aber auch räuberiſche Organismen machen von der gleichen Beſchaffenheit Gebrauch und beſchleichen unbemerkt ihre Beute. Oft finden wir auf hoher See Einrichtungen dieſer Art, welche einer gewiſſen Originalität nicht ent— behren. Ein höchſt drolliger Krebs des Mittelmeeres, die durchſichtige Phronima, überfällt die waſſerklaren Salpen der hohen See, ſchneidet aus dem dicken Mantel ein waſſerklares, tonnenförmiges Gehäuſe heraus, benutzt dasſelbe als Wohnung und treibt als moderner Diogenes des Meeres auf der Oberfläche dahin. Die ſieilianiſchen Fiſcher kennen den Krebs und ſein ſonderbares Treiben recht gut. Sie nennen ihn „Neapolitano“ und begründen dieſe Benennung mit der Behandlung, welche der Neapolitaner ihrer ſchönen Inſel Sicilien angedeihen läßt — eine Behandlung, 354 Humboldt. — September 1885. welche auffällig an das Verhältnis des Krebſes zur Salpe erinnert! Gewiß iſt die waſſerklare Körperbeſchaffenheit, welche den hervorſtechendſten Charakterzug der pela— giſchen Bevölkerung bildet, ein ausgezeichnetes Schutz— mittel. Allein daraus darf nicht geſchloſſen werden, daß Farben von derſelben gänzlich vermieden werden. Wir kennen vielmehr recht auffällig gefärbte Ge- ſchöpfe in der hohen See. Nicht immer läßt ſich die Bedeutung der Körper— farbe ermitteln, aber doch in gewiſſen Fällen. Die Veilchenſchnecken, die Segelquallen und Ga— leerenquallen und gewiſſe Meduſen der wärmeren Meere ſind intenſiv blau oder violblau gefärbt. Von oben geſehen, verſchmelzen dieſe Farben vollſtändig mit dem tiefen Blau der Fluten. Seevögel und Meerſchildkröten werden daher Schwierigkeiten haben, eine derart gefärbte Beute zu erkennen, anderſeits werden kleinere Geſchöpfe der tieferen Schichten angelockt und fallen zum Opfer. Wollte man an der Hand derartiger Thatſachen leugnen, daß auf hoher See ebenſogut wie am Strande die ſympathiſche Färbung Verwendung findet, ſo wird man ſich dies an einem berühmt gewordenen Fall aus dem Atlantiſchen Ocean unbedingt zugeſtehen müſſen. Auf ausgedehnten Strecken des ſüdatlantiſchen Meeres leben ſchwimmende Tangmaſſen, welche dem Schiffsverkehr hindernd in den Weg treten. Die Tange des Sargaſſomeeres ſind braungelb und zeigen zahlreiche, etwa centimeterbreite Flecken, welche von flächenartig ausgebreiteten Moostieren herrühren. Jene ſchwimmenden Sargaſſowälder beherbergen eine reiche, aber durchaus eigentümliche Tierwelt. Es ſind Arten, welche ſonſt nirgends vorkommen. Iſt es ein bloßer Zufall, oder zeugt es von einem geſetzmäßigen Walter in der belebten Natur, wenn die ſich dort herumtreibenden Schnecken, Krebſe und Fiſche vorwiegend braun gefärbt ſind und auf ihrer Körperfläche die charakteriſtiſchen weißen Flecke auf— weiſen? Noch fehlt uns ein weites Wohngebiet, jene dun— keln Gründe der Oceane, deren reiches Leben uns erſt die jüngſte Zeit beſſer zu enthüllen vermochte. Die phyſikaliſchen Bedingungen der Tiefſee ſcheinen auf den erſten Moment dem organiſchen Leben ſo feindſelig geſinnt, daß man das zäh eingewurzelte Dogma begreift, welches die Wiſſenſchaft noch vor kurzer Zeit beherrſchte und die gewaltigen Tiefen für unbelebt erklärte. Dieſes Dogma mußte vor der Wucht der That— ſachen dahinfallen und es zeugt mächtig für den un— aufhaltſamen Wandertrieb der belebten Welt, daß Milliarden von Geſchöpfen in jene ſcheinbar unwirt— lichen Nähr- und Wohngebiete vorzudringen vermochten. Die gewaltige Temperaturabnahme, der rapid ſteigende Waſſerdruck hat ſie nicht zurückgehalten. Mit zunehmender Tiefe nimmt die Beleuchtung von oben verhältnismäßig raſch ab, weil das Sonnen— licht abſorbiert wird. Wir müſſen uns vorſtellen, daß nur die aller⸗ oberſten Schichten erleuchtet werden, die echte Tiefſee iſt die Region der ewigen Nacht. Die Verſuche von Secchi und Pourtales haben zur Evidenz ergeben, daß ſchon in 80-100 m Tiefe die Beleuchtung eine ganz minime iſt. Man wird kaum fehlgehen, wenn man in den verſchiedenen Meeren die untere Grenze der Erleuch—⸗ tung in die Tiefen von 150 — 200 m verlegt. Es hat ſcheinbar gar keinen Sinn, wenn man bei Tiefſeeorganismen gewiſſe Farben vermuten wollte. Und doch ſind die Tiefſeetiere farbig, ſagen wir es ſogar ungeſcheut heraus, die herrlichſten und blen⸗ dendſten Farben finden ſich gerade in dieſer Kategorie von Geſchöpfen! So wird oft alle menſchliche Berechnung zu Schan⸗ den, und es bleibt uns nur die Erklärung dieſes ſcheinbaren Widerſpruchs übrig. Die organiſchen Thatſachen und die Naturgeſetze erleiden natürlich in der Tiefſee keine Ausnahmen. Die Bedeutung der Farben iſt dieſelbe wie überall in der Natur. In ganz bedeutenden Tiefen, ſagen wir in 500, 1000, 2000 m iſt die Purpur- oder Scharlachfarbe bei den verſchiedenſten Krebſen, Seelilien, Seeſternen und Seewalzen ſo ſehr dominierend, daß man ſchon aus dem häufigen Wiederkehren dieſer Farbe auf eine geſetzmäßige Erſcheinung ſchließen muß. In mäßigen Tiefen, welche noch etwas Licht von der Oberfläche erhalten, finden wir andere Farben. Sie find da, wo fie am intenſivſten auftreten, ſelten gemiſcht, ſondern in der Regel einfach. Es iſt das herrlichſte Rot in allen Abſtufungen, das geſättigte Orange, das leuchtende Gelb, welches uns ſo oft bei den verſchiedenen Korallen und feſt⸗ ſitzenden Schwämmen, ſowie bei den kriechenden Be— wohnern mäßiger Tiefen, den Weichtieren, Sterntieren und Krebſen begegnet. Sind dies vielleicht Warnungsfarben, welche nur deswegen ſo intenſiv ſind, weil die von oben her eindringenden Strahlen der Sonne ſpärlicher werden? Auf den erſten Moment möchte man dieſer Auf— faſſung zuneigen. Allein die phyſikaliſchen Verhältniſſe laſſen eine viel einfachere Bedeutung zu. Betrachten wir ein größeres Gewäſſer, einen Fluß, ein Seebecken oder eine ſeichtere Meeresbucht, ſo fällt uns auf, daß je nach der Tiefe die Farbe der Ober- fläche wechſelt. Am ſchönſten tritt dieſe Erſcheinung unter den Tropen zu Tage, wo die Beleuchtung an Intenſität den gemäßigten Länderſtrichen überlegen iſt. Ein Korallenriff der Küſte, das ſich langſam ins Meer verſenkt, erſcheint bis zu ſeinem Abſturz in die Tiefe grünblau, vom Abſturz an erſcheint die Wafjer- fläche tief indigoblau. Riffe des Meeres, welche in der Tiefe verborgen liegen, verraten fic) am Tage ſchon auf weite Ent⸗ fernung durch ihre ſchöne türkisblaue Waſſermaſſe. Einen weißen Porzellanteller, den wir ins Waſſer L Humboldt. — September 1885. 355 werfen, ſehen wir ſchon in mäßiger Tiefe grünblau gefärbt. Wir müſſen daraus ſchließen, daß die gelben und roten Strahlen des Sonnenlichtes vom Waſſer ziem— lich raſch abſorbiert werden und in der Tiefe grün— blaues und rein blaues Licht übrig bleibt. Das ſind nun juſt die Komplementärfarben für Rot und Orange. Jene herrlich gefärbten Organis— men müſſen daher ähnlich wie die Glastiere der pelagiſchen Region unſichtbar werden. Keine Farbe leiſtet dem Organismus ſo gute Dienſte, wie die zugehörige Komplementärfarbe, weil ſie verſchwindet. Wozu nun aber jene herrlichen Purpurfarben in den gewaltigen Gründen der Meere, welche nie vom Strahl der Sonne erreicht werden? Es iſt wahr, daß die dort lebende Welt in Nacht und Finſternis gehüllt iſt. Daher büßen auch zahlreiche Weſen ihre Seh— werkzeuge ein, denn dieſe fallen als bedeutungslos dahin. Wir kennen aus der Tiefe blinde Fiſche und blinde Krebſe in nicht geringer Zahl. Wir ſehen aus den nämlichen Urſachen dieſelben Wirkungen hervor— gehen, wie bei den meiſten Höhlentieren. Um ſo nachdenklicher muß uns die Erſcheinung machen, daß gewiſſe Fiſche und Krebſe, welche die Tiefengründe aufſuchen und dort Jagd auf verſchie— dene Tiere machen, oft mit ungeheuer großen Augen verſehen ſind. Sie müſſen alſo damit Gegenſtände ſehen können. Die berühmte Challenger-Expedition hat die Sache aufgeklärt. Die Tiefe iſt nicht abſolut finſter, ſon— dern zuweilen tritt ein Meeresleuchten auch in der Tiefe auf. Es gibt Fiſche mit Leuchtflecken, und feſt— ſitzende Korallen und Manteltiere können ein inten— ſives Licht verbreiten. Das Spektroſkop hat uns belehrt, daß jenes Tiefſeelicht vorwiegend grüne und gelbe Strahlen enthält und damit wird uns auch die herrliche Purpurfarbe der Tiefſeegeſchöpfe verſtänd— lich. Sie ſchützt am meiſten gegen den nahen Feind, weil fie die Komplementärfarbe zum grünen Licht bildet. So ſehen wir auch im Abgrunde der Meere natür— liche Schutzmittel erworben, ſie ſind notwendig ge— worden, weil auch dort der Kampf ums Daſein tobt! Die dichteriſche Phantaſie, welche einſt der be— ſchwerlichen Beobachtung vorauseilte und ſich ihr Bild vom Leben in der Meerestiefe ſchuf, erzählte uns von der „purpurnen Finſternis“ des Oceans. Auch die Wiſſenſchaft glaubte einſt daran, bis ſich die Sache als ein naturwiſſenſchaftlicher Irrtum ent— hüllte. Und dennoch ſehen wir, daß der Purpur in der Finſternis wieder eine reale Bedeutung gewinnt, freilich in einem ganz anderen Sinne, als der Dichter wollte. Schließlich ſei noch auf eine bisher unerklärt ge— bliebene Erſcheinung hingewieſen, die ſich in den wärmeren Meeren der Tropen zeigt und jeden Be— obachter in hohem Maße frappieren muß. Ich meine die Färbungen der Fiſche, welche im Küſtengebiet den Abhang der Korallenriffe beleben. An Farbenpracht übertreffen die Korallenfiſche wo— möglich die farbenreiche Inſekten- und Vogelwelt der Tropen. Man kann ſich kaum ein ſchöneres Naturidyll denken, als den Korallenabhang bei ganz ruhiger Oberfläche, wenn er von den Schwärmen der Papagei— fiſche, Lippfiſche, Acanthurus- und Chätodonarten belebt wird. Als Schmetterlinge des Meeres umſpielen dieſe Geſchöpfe die ſeltſam geformten Korallenbüſche. Kom— men ſie gegen die Oberfläche, ſo unterſcheiden wir die herrlichſten Töne: Sammetſchwarz, Grün, Grün— blau, Rot, Orange und das geſättigte Gelb. Iſt es eine Laune des Meeres oder iſt es eine geſetzmäßige Urſache, welche dieſe lebhaften Farben hervorgerufen hat? Ich glaube, es iſt dies kein launenhafter Zufall. Auch hier ſteht die Farbe im Dienſte der Oekonomie des Tieres. Sie iſt ſo gewählt, daß ſie unter ge— wiſſen Bedingungen Schutz gewährt. Hinſichtlich der Lebensweiſe müſſen wir zwei Gruppen von Korallenfiſchen unterſcheiden. Die eine Gruppe repräſentiert Kommenſalen, welche ſich mit ganz beſtimmten Korallenarten vergeſellſchaften, die andere beſteht aus Höhlenbewohnern, die nur bei ganz ruhiger See ihre Schlupfwinkel verlaſſen und an die Oberfläche kommen. Ein Korallenſtock von Stylophora oder Seria— topora, wenn man ihn aus der Tiefe holt, enthält zwiſchen den Aeſten zahlreiche Fiſchchen von grün— blauen oder grünen Arten, welche der Gattung Chäto— don zugehören. Dieſe Farbe ſtimmt mit derjenigen des Waſſers in dieſer Zone überein, iſt daher in der Tiefe am wenigſten auffallend. Andere Farben beſitzen die Höhlenbewohner. Die Riffe ſind durch und durch mit Ritzen und Höhlen durchſetzt, was bald verſtändlich wird, wenn man die Wachstumsgeſetze der Korallen näher verfolgt. Bei der leiſeſten Beunruhigung flüchten die Korallen— fiſche von der Oberfläche, ziehen in die Tiefe oder ziehen ſich in die Ritzen und Höhlen zurück, wobei ihnen der ſeitlich ſtark komprimierte Körper zu ſtatten kommt. In dieſen Höhlen herrſchen bezüglich der Licht— verhältniſſe genau dieſelben Bedingungen wie in der Tiefe. Die roten, orangen und gelben Töne, die man an der Oberfläche erkannt hat, verſchwinden. Es ſind wiederum ſchützende Komplementärfarben. 356 Humboldt. — September 1885. Das zuſammengeſetzte Mikroſkop und die mikroſkopiſche Bilderzeugung. Don Prof. Dr. Leopold Dippel in Darmſtadt. III. ie Bilderzeugung durch das zuſammengeſetzte ausgehenden Elementarwellen hervorgerufen wird, ſo Mikroſkop wurde nach der früheren Betrach- muß auch die Lichtwirkung in der der Objektebene zu— tungsweiſe als eine nach rein dioptriſchen Geſetzen ſtattfindende angeſehen, indem man annahm, daß dabei die von den einzelnen Punkten eines in der Einſtell-⸗ ebene gelegenen Flächenſchnitts des Objektes aus— fahrenden Strahlenbüſchel in der Bildebene wieder zur Vereinigung gelangten, ſomit in dem Bilde eine geometriſche, punktweiſe, genaue Wiedergabe der in dem betreffenden Flächenſchnitte des Objektes vor— handenen Luftverteilung ſtattfinde. Nun findet aber nach den Geſetzen der Wellen— theorie eine derartige punktweiſe Abbildung nur für den Fall ſtatt, als es ſich um diejenige von ſelbſt— leuchtenden Körpern handelt, ſie trifft aber nicht mehr zu, wenn mittels durchfallenden oder auffallenden Lichtes beleuchtete Objekte abgebildet werden ſollen. Der dioptriſche Abbildungsvorgang in dem zuſammen— geſetzten Mikroſkop beſchränkt ſich demgemäß auf die Erzeugung der im vorausgehenden betrachteten Oeff— nungsbilder, welche ſich bei dem Vorhandenſein einer regelmäßig oder unregelmäßig gegliederten Objekt— ſtruktur in der Einſtellebene als die durch dieſe Struktur erzeugten Beugungsſpektren der Lichtquelle darſtellen. Dagegen erſcheint die in der der Objektebene zugeordneten Bildebene auftretende Lichtverteilung, welche nach den phyſikaliſchen Bedingungen der wirk— lichen Abbildung kein eigentliches Bild vorſtellen kann, welche aber, da ſie derjenigen in dem Objekte erfahrungsgemäß mehr oder minder ähnlich iſt, als Bild des letzteren bezeichnet wird, als ein ſekundärer Abbildungsvorgang, welcher neben der in Form eines Beugungsſpektrums eintretenden Abbildung der Licht— quelle hergeht. Beide Erſcheinungen hängen von ein und derſelben Grundlage, d. h. von der Lichtbe— wegung ab, welche von der Lichtquelle ausgeht und ihre Wirkung auf zwei verſchiedene Ebenen — das eine Mal auf die der Lichtquelle zugeordnete, das andere Mal auf die der Objektebene zugeordnete — ausübt. Beide bilden ferner, da es ſich bei ihnen um den gleichen optiſchen Vorgang, nur in verſchiedenen Abſchnitten ſeines Verlaufes, handelt, Erſcheinungen von dem gleichen phyſikaliſchen Charakter. Da nun das Beu— gungsſpektrum in der der Lichtquelle zugeordneten Ebene nichts anderes vorſtellt als eine Interferenz— erſcheinung, welche in dieſer Ebene von den Licht durch— laſſenden Punkten des Objektes mittels der von ihnen geordneten Bildebene eine mit dem Beugungsſpektrum in Verbindung ſtehende Interferenzerſcheinung ſein. Damit iſt denn das mikroſkopiſche Bild zurückgeführt auf eine Interferenzerſcheinung, welche die von dem Objekte ausgeübte Beugungswirkung begleitet und es leuchtet ein, daß dasſelbe mit der Struktur und Be- ſchaffenheit des Objektes nur in mittelbarem, mit dem von dieſem erzeugten Beugungsſpektrum dagegen, ſoweit es in dem Oeffnungsbilde der Objektivöffnung auftritt, d. h. ſoweit es in dem Mikroskope Zutritt findet, in unmittelbarem Zuſammenhange ſteht und aus ihm abgeleitet werden muß. Dieſer Zuſammenhang läßt ſich auf analytiſchem, hier nicht näher verfolgbarem Wege theoretiſch nach— weiſen, kann aber auch durch an ihrer Struktur nach genau bekannten (am beſten künſtlich hergeſtellten — Abbes Diffraktionsplatte —) Objekten ausgeführte Verſuche, von denen wir einige der einfachen betrachten wollen, unwiderleglich dargethan werden. Fig. 1. Bringen wir ein Streifenſyſtem von beiſtehender Geſtalt, alſo in der einen Hälfte mit gleich breiten, abwechſelnd hellen und dunkeln, in der anderen Hälfte mit doppelt ſo weit, als die erſteren, voneinander ab— ſtehenden hellen Streifen unter das Mikroſkop und beobachten dasſelbe, indem wir es bei Tage unter Anwendung einer ſchmalen ſpaltförmigen Blendung, oder am Abend mittels der ſchmalen Seite der Flamme eines Petroleumflachbrenners beleuchten, mit Hilfe eines Objektives von etwa 30 mm Brennweite und Humboldt. — September 1885. 357 0,17 numeriſcher Apertur (20° Oeffnungswinkel), jo erblicken wir die Zeichnung in ihrer natürlichen Form. Nehmen wir nun das Okular hinweg und blicken in das Rohr auf das Oeffnungsbild — ſo ſehen wir bei centraler Stellung des Spiegels das Bild der Blendung oder der Flamme in der Mitte und zu beiden Seiten desſelben eine Anzahl von farbigen Neben— bildern (Spektren), welche für das grobgezeichnete Linienſyſtem den geringſten Abſtand beſitzen (Fig. 2 oben), für das feinere aber gerade um doppelt ſo weit voneinander abſtehen als die erſteren (Fig. 2 unten). Fig. 2. (Ein paſſendes Hin- und Herbewegen des Auges bringt abwechſelnd die eine und die andere Spektren— reihe zur Anſchauung.) Verengern wir jetzt die Oeff— nung des Objektivſyſtems durch eine über die Hinter— linſe angebrachte Blendung ſo weit, daß nur noch das Fig. 3. Bild der Lichtquelle ſichtbar iſt, die Nebenbilder der— ſelben aber verdeckt werden, ſo erblicken wir an Stelle der Streifenſyſteme nur ein mattes Band ohne allen Inhalt. Erweitern wir die Oeffnung gerade ſo weit, daß neben dem Bild der Lichtquelle zur Linken, oder zur Rechten noch eines der Spektren des groben Streifenſyſtems auftritt, ſo erblickt man dieſes letztere wie aus etwa gleich breiten hellen und dunkeln Linien beſtehend (Fig. 3), während an Stelle des feinen Streifenſyſtems 11 mattes Band bleibt, das erſt ſeinen Inhalt erhält, wenn die Oeffnung ſo weit er— Humboldt 1885. weitert wird, daß auch eines oder zwei der unteren Spektren der Fig. 2 Zutritt zu dem Mikroſkop erlangen. Wendet man eine Stegblendung mit drei Oeffnungen an, durch welche das direkte Bild, dann beiderſeits je eines der nächſtgelegenen, von dem feinen Streifen— ſyſtem erzeugten Spektren, ſowie je eines der zweiten Reihe (Fig. 2 oben) Zutritt erlangen (wobei alſo das nächſte Spektrum des groben Streifenſyſtems über— ſprungen wird), dann erblickt man eine vollkommen gleich geſtaltete Streifung über beide Hälften, d. h. man hat das feinere Streifenſyſtem in ſeiner natürlichen Ge— ſtalt, das gröbere verdoppelt vor ſich. Werden beider— | jeits alle Nebenbilder bis auf je das vierte der gröberen und je das zweite der feineren Streifung abgeblendet, ſo erſcheint das erſtere in vierfacher, das letztere in doppelter Feinheit. Man erſieht hieraus, daß ein— fache Streifenſyſteme zwar als ſolche abgebildet werden, daß dieſelben aber in 2—3—4facher Feinheit er— ſcheinen, je nachdem je eins, zwei oder drei der zwiſchen— liegenden Nebenbilder (Spektren) überſprungen werden. Noch inſtruktivere Bilder erhält man bei Beobach— tung von Kreuzgittern. Nehmen wir z. B. ein ſolches, welches aus zwei ſich rechtwinklig kreuzenden Streifen— ſyſtemen gebildet wird (Fig. 5 unten links), ſo er— blicken wir bei Beleuchtung mittels eines durch eine kreisförmige Blendung erzeugten engen Lichtkegels ein Oeffnungsbild, welches das Bild der Lichtquelle in der Mitte enthält und von einer Anzahl in Quadrate geſtellten Nebenbildern umgeben wird, deren Abſtand wie im voneinander Verhältniſſe ſteht zu dem Abſtande der ſich kreuzenden Linienſyſteme (Fig. 4, in welcher nur die nächſtliegenden Nebenbilder ge— von dem direkten Bilde und vorigen Falle in umgekehrtem zeichnet find). Schließen wir nun durch Abblendung alle Nebenbilder bis auf je eines oder zwei mit dem direkten Bilde in gerader Linie liegenden aus, ſo er— halten wir bei der Wirkſamkeit von J und 2 oder und 4 je eines der wirklichen Linienſyſteme (Fig. oben links und unten rechts), bei Wirkſamkeit von J und 5 oder I und je ein Linienſyſtem, welches 46 358 Humboldt. — September 1885. mit den erſteren einen Winkel von 45° macht (Fig. 6) und dabei in Bezug auf ſeine Feinheit ſich verhält wie /2: 1, alſo umgekehrt wie das lineare Maß der Diagonale zu dem einer Kathete des rechtwink— ligen Dreiecks, welches aus den drei direkten Bil— dern und den beiden Nebenbildern 3 und 4 gebildet wird. Laſſen wir ferner die beiden Gruppen I Fig. 5. und 1 und J und 3 in das Mikroſkop eintreten, ſo reſultiert ein in die Diagonale geſtelltes Kreuz— gitter (Fig. 7) von der gleichen Feinheit wie das diagonale Streifenſyſtem bei dem vorausgehenden Verſuche. Durch noch andere Abblendungsformen laſſen ſich noch eine ganze Anzahl neuer Linienſyſteme und Felderungen hervorrufen, welche in dem Objekte gar nicht vorhanden ſind, aber in gleicher Schärfe und Beſtimmtheit hervortreten wie die natürlichen, und ihrer Form, wie ihrem Linienabſtande nach im engſten Zuſammenhang ſtehen zu dem zur Wirk— ſamkeit gelangenden Beugungsbilde. Aehnliche Er— ſcheinungen, wie wir ſie an künſtlichen Objekten her— vorzurufen imſtande ſind, laſſen ſich an natürlichen, z. B. an den Diatomeenſchalen mit Streifungen und Felderungen, beobachten. So z. B. laſſen ſich an dem bekannten Probeobjekte Pleurosigma angulatum durch verſchiedenartige, mittels centraler und ſchiefer Beleuchtung und unter Anwendung verſchieden großer Objektivöffnungen bewirkbare Umgeſtaltung des be— kannten, aus ſechs um das direkte Bild geſtellten Nebenbildern beſtehenden Beugungsbildes (Fig. 8) ſowohl je ein einzelnes Linienſyſtem als aud) fic) durch— ſchneidende Linienſyſteme zur Anſchauung bringen, namentlich aber auch nicht weniger als ſechs neue Linienſyſteme gewinnen. So z. B. geben J und 2 oder I und 3 je ein die Längsachſe der Schale unter 30° ſchneidendes, Lund 1 oder I und 4 ein zu dieſer Achſe ſenkrechtes Linienſyſtem, je drei in gleichſeitigem Dreiecke ſtehende Spektren, z. B. I, 2 und 3 zwei, I, 3, 4 und 5 drei ſich unter 60° ſchneidende Linien ſyſteme. In gleicher Weiſe geſtaltet ſich die Felderung unter Anwendung genannter Veranſtaltung bald als eine ſechseckige, bald als eine durch helle Kreiſe auf 1 dunklem Grunde hervorgebrachte, bald als eine ſchach— brettartige u. ſ. w., von denen jede ſeiner Zeit von verſchiedenen Forſchern als die der wirklichen Geſtaltung entſprechende verteidigt wurde, während wir nur annehmen dürfen, daß ſich diejenige Felderung, bei welcher bei möglichſt großer Objektivöffnung das ganze aus dem Hauptbilde und den ſechs Nebenbildern beſtehende Beugungsbild zur Wirkſamkeit gelangt, noch am wenigſten von demjenigen Bilde entfernt, welches dem vollſtändigen Diffraktionsſpektrum — das keinem Mikroſkope zugänglich ijt — entſprechen würde. Aus den voranſtehenden Verſuchen laſſen ſich nun folgende, für die Theorie der mikroſkopiſchen Ab— bildung wichtige Schlüſſe ziehen: 1. Die Anordnung der einzelnen Neben— bilder (Einzelſpektren) des Beugungsbildes iſt eine der Anordnung der Strukturelemente des die Beugungserſcheinung bewirkenden Objektes entſprechende, und es ſteht der Ab— ſtand der Nebenbilder voneinander wie von dem direkten Bilde der Lichtquelle in umge— kehrtem Verhältniſſe zu dem Abſtande der beugenden Strukturelemente. 2. Damit in der Bildebene des Mikroſkopes Humboldt. — September 1885. irgend ein Anzeichen der vorhandenen Ob— jektſtruktur erſcheinen kann, müſſen, ſofern letztere iſolierte Beugungsbüſchel liefert, mindeſtens zwei von dieſen zu der Objektiv— öffnung Zutritt erlangen können. 3. Das mikroſkopiſche Bild jeder Objekt— ſtruktur iſt durch das von dem Objektipſyſtem in der der Ebene der Lichtquelle zugeordneten Ebene (etwa in der hinteren Brennebene des Objektivſyſtems) entworfene Beugungsbild (Beugungsſpektrum) vollſtändig beſtimmt, und zwar müſſen gleichen Beugungsbildern in der Objektivöffnung ſtets gleiche Bilder, ungleichen Beugungsbildern dagegen ſtets ungleiche Bilder entſprechen und wenn irgend einmal zwei verſchiedene Strukturen in die freie Objektivöffnung fallende übereinſtim— mende Beugungsbilder ergeben, ſo müſſen ihre Bilder gleich werden (ſo von dem einfachen Streifenſyſtem und dem quadratiſchen Gitter), wäh— rend, wenn bei ganz gleichen Strukturen die in die freie Oeffnung des Objektivſyſtems fallenden Beugungsbilderungleichwerden, die Bilder jener gleichfalls ungleich ausfallen. 4. Es beſteht nach alledem, wie ſchon oben geſagt, kein unabänderlicher und unbedingter Zuſammenhang zwiſchen dem ſichtbaren Bilde des Objektes und ſeiner wirklichen Beſchaffen— heit, ſondern dieſer ergibt ſich nur für das mikroſkopiſche Bild und das ihm zu Grunde liegende Beugungsſpektrum. Dieſes Beugungs— ſpektrum aber, d. h. der für die Bilderzeugung wirk— ſam werdende Teil des vollſtändigen, der Objektſtruktur entſprechenden Beugungsſpektrums, wird nach Aus— dehnung und Begrenzung derart beſtimmt, daß die— ſelbe mit demjenigen Punkt des erſteren gegeben iſt, für welchen der Beugungswinkel dem halben Oeff— nungswinkel gleich wird. Auf Grund dieſer Sätze kann nun die nähere Beſtimmung des mikroſkopiſchen Bildes mittels ana— lytiſcher Entwickelung durchgeführt werden, und laſſen ſich die allgemeinen Reſultate derſelben in folgendem zuſammenfaſſen: 1. Das Mikroſkop zeigt ſtets das genaue (vergrößerte) Abbild desjenigen Objektes, welches den zu dem Objeftivfyftem zugelaſ— ſenen Teil des wirklich erzeugten Beugungs— ſpektrums der beobachteten Struktur als voll ſtändiges Beugungsſpektrum liefern würde. 2. Das mikroſkopiſche Bild iſt dem Objekte immer vollkommen ähnlich, wenn das voll: | ſtändige Beugungsſpektrum in der Austritts- pupille des Objektivſyſtems auftritt, wenn alſo kein abgebeugtes Licht von merklicher Lichtſtärke verloren geht, da es nicht zwei ver— ſchiedene Objektſtrukturen geben kann, welche ein und dasſelbe vollſtändige Beugungsſpektrum liefern. Im anderen Falle dagegen zeigt das Mikroſkop das Abbild einer Struktur, deren vollſtän- diges Beugungsſpektrum verſchieden iſt von 359 dem vollſtändigen Beugungsſpektrum des der Beobachtung unterliegenden Objektes. 3. Ein je größerer Teil von dem vollſtän— digen Beugungsſpektrum einer zu beobach— tenden Objektſtruktur dem Mikroſkope ver— loren geht, deſto unähnlicher wird das ſicht— bare Bild dem Objekte werden. Im Anſchluſſe an dieſe Erörterungen läßt ſich nun die auf die Strahlenaufnahme, alſo einzig und allein auf die Funktion der Oeffnung des Objektivſyſtems beruhende, zu der numeriſchen Apertur in geradem Verhältniſſe ſtehende Fähigkeit des zuſammengeſetzten Mikroſkopes, von den zu beobachtenden Objekten entweder genau ähnliche oder nur mehr oder minder ähnliche Bilder zu liefern, d. h. das — das ſogenannte Unterſcheidungs- oder Auflöſungs— vermögen in ſich ſchließende — Abbildungsver— mögen im engeren und weiteren Sinne, näher kenn— zeichnen. Wir haben geſehen, daß die durch die Beugung abgelenkten Strahlen in einem um ſo kleineren Winkel— raume verlaufen, je gröber die Teile einer Objekt— ſtruktur ſind, daß dagegen der einfallende Strahlen— büſchel in einen um ſo weiter auseinanderfahrenden Beugungsbüſchel aufgelöſt wird, je kleiner dieſe Teile werden. Unterliegen nun Strukturen der Beobachtung, deren Teile bei ſonſt beliebiger Geſtaltung Ausmaße beſitzen, welche ein anſehnliches Vielfache der Wellen— länge betragen, alſo ſich noch in Hundertteilen des Millimeters bewegen, dann bleibt alles gebeugte Licht von noch merklicher Lichtſtärke in einem kleinen Winkel— raum um das direkte Strahlenbüſchel zuſammen— gedrängt, und es reicht ſchon eine mäßige numeriſche Apertur aus, um das der Objektſtruktur entſprechende Beugungsſpektrum möglichſt vollſtändig, d. h. bis zur Grenze verſchwindender Lichtſtärke aufzunehmen und ſomit von dieſer ein vollſtändig ähnliches Bild zu er— zeugen. Werden die Ausmaße der beugenden Elemente kleiner und kleiner und gehen bis auf einige Tauſend— teile des Millimeters herab, ſo muß die numeriſche Apertur immer größer werden, um nun noch alles ab— gebeugte Licht von merklicher Intenſität aufzunehmen und noch objektähnliche Bilder zu vermitteln. Unter dieſen Umſtänden entfaltet denn auch die Immerſionsmethode ihre Vorzüge, indem ſie die Divergenz der abgebeugten Strahlenbüſchel in beſtimmtem Verhälniſſe zu dem der Immerſionsflüſſigkeit eigenen Brechungsindex ver— mindert. Sinken endlich dieſe Ausmaße auf kleinere Vielfache oder gar auf Bruchteile der Wellenlänge herab, ſo reicht in weniger dichten Medien, wie ſolche bei der mikroſkopiſchen Beobachtung zur Anwendung kommen (über den Brechungsindex — etwa 1,5 — des Kronglaſes kann auch bei der homogenen Immerſion nicht hinausgegangen werden), der ganze Winkelraum von 180° nicht mehr aus, um das vollſtändige Beu— gungsſpektrum der Struktur zur Entwickelung zu bringen, und es muß ſohin auch die möglichſt größte numeriſche Apertur unzureichend werden, um das ganze der Struktur eigentümliche Brechungsbild aufzunehmen. Je kleiner aber der — ſich in der Regel nur auf die 360 Humboldt. — September 1885. mittlere Region beſchränkende — aufgenommene Teil wird, deſto unähnlicher wird das der Beugungs— wirkung der ſichtbaren Struktur entſprechende Spektrum dem der wirklichen Struktur angehörigen Beugungsbild und deſto weiter entfernt fic) das mikro⸗ ſkopiſche Bild von einer bloßen Projektion der Struktur und wird zu einem typiſchen, d. h. unvollſtändigen, an die Gliederung und Ausdehnung des wirkſamen Teiles eines beſtimmten Beugungsſpektrums ge— knüpften Bilde, welches möglicherweiſe ganz verſchie— denen Strukturen angehören kann, die ganz verſchiedene vollſtändige Beugungsſpektren liefern, welche nur in ihren mittleren Teilen übereinſtimmen. Was nun das Maß der Leiſtungsfähigkeit betrifft, ſo iſt zunächſt zu bemerken, daß vereinzelte Körperchen, wie Inhaltskörperchen der Zellen, Keimzellen der nie— derſten Organismen, kleine faſerartige Gebilde u. ſ. w., durch das Mikroſkop immer abgebildet werden, ſelbſt wenn ihre Ausmaße unter 1/10 der Wellenlänge hinab— gehen. Denn in dieſem Falle hängt die Sichtbarkeit einzig ab: erſtlich von dem Lichtkontraſte, welchen das Ob— jekt in dem Sehfelde hervorruft, zweitens von der größeren oder geringeren Empfänglichkeit der Retina des beobachtenden Auges für Schatteneffekte, und drit— tens von dem Grade, in welchem in dem optiſchen Apparate die Aberrationen verbeſſert ſind. Doch werden auch hierbei, ſobald die Größe um ein anſehnliches Viel— fache der Wellenlänge hinabgeht, Geſtalt und Durch— meſſer des Bildes nicht vollſtändig durch Geſtalt und Durchmeſſer des Objektes beſtimmt, ſondern hängen von der numeriſchen Apertur und der Wellenlänge ab, indem die unvollſtändige Aufnahme des abgebeugten Lichtes zunächſt eine Vergrößerung des Ausmaßes herbei— führt, welche in umgekehrten Verhältniſſe zur numeriſchen Apertur ſteht und ihren Ausdruck in einem Quotient = findet, welcher durch die numeriſche Apertur in die halbe Wellenlänge erhalten wird, während Körperchen von beliebiger Geſtalt, aber von nahezu gleichem Aus— maße in Länge und Breite ſtets als kreisförmige Scheibchen von = Durchmeſſer geſehen werden, fo- 2a 8 bald ihr wirklicher Durchmeſſer nach beiden Richtungen erheblich kleiner iſt als dieſer Quotient. Anders verhält ſich die Sache bei zuſammen— geſetzten Strukturen, welche getrennte Nebenbilder lie— fern, wie Streifungen, Felderungen u. dgl. Hier gibt es eine Grenze der Sichtbarkeit dieſer Strukturen und damit des ſogenannten Unterſcheidungsvermögens, welche durch den vorſtehenden Satz unter 2 auf S. 35 bedingt iſt. Danach ergibt ſich z. B. für eine gegebene Oeffnung und ein einfaches Streifenſyſtem der kleinſte, für die Sichtbarmachung noch zuläſſige Streifabſtand für centrale Beleuchtung, bei welcher beiderſeits neben dem direkten Bilde zwei Nebenbilder erſcheinen, in dem Quotienten aus der Wellenlänge durch die numeriſche Apertur x für äußerſt ſchiefe Beleuchtung, bei wel- cher neben dem direkten Bilde noch ein Nebenbild an der entgegengeſetzten Seite des Oeffnungsbildes auftritt, aus dem Quotienten der halben Wellenlänge durch die numeriſche Apertur = Für ſolche Struk⸗ turformen, welche als Grundformen mit beſtimmten Winkeln ſich kreuzende Streifenſyſteme ergeben und für deren Abbildung neben dem direkten Bilde der Lichtquelle noch mindeſtens zwei nicht in der gleichen Reihe gelegene Nebenbilder erforderlich werden, gehen obige Ausdrücke in andere über. So ergibt ſich für ſich unter 60“˙8ſchneidende Streifenſyſteme der äußerſte Abſtand — 6 für ein quadratiſches Netz⸗ avo * a * Mit dieſen Maßbeſtimmungen der äußerſten Grenze des Auflöſungsvermögens ſind wir an dem Punkte der Leiſtungsfähigkeit des zuſammengeſetzten Mikroſkopes angekommen, den, wie wir in der ge— ſchichtlichen Betrachtung geſehen haben, unſere heutige Technik bereits erreicht hat und der wohl kaum über— ſchritten werden kann. Dieſelben geben uns aber zu— gleich einen Fingerzeig dafür, daß wir durch eine weitere Vergrößerung der Oeffnung einen irgend be— deutungsvollen Gewinn für die Erforſchung der fein— ſten Strukturverhältniſſe der Naturgebilde nicht erzielen würden und daß diejenigen Einzelheiten von forper- lichen Strukturen, welche der Kleinheit ihres Aus— maßes halber durch unſere heutigen Mikroſkope nicht mehr abgebildet werden können, auch dann nur in unvollkommenen Bildern zur Wahrnehmung gebracht werden könnten, welche höchſtens einen um ein wenig höheren Grad der Aehnlichkeit oder eine etwas ſchärfere Zeichnung darzubieten vermöchten. Müſſen wir aus der Theorie der mikroſkopiſchen Abbildung auch den Schluß ziehen, daß nur für ſolche Objektſtrukturen die gewohnte Deutung des mikro— ſkopiſchen Bildes als direkte Abbilder beſtehen bleibt, welche in ihren Ausmaßen nicht unter etwa 4—5 (im äußerſten Falle 2—3) Tauſendteile des Milli— meters hinabgehen, ſo iſt damit doch nicht ausge— ſchloſſen, daß auch die Erforſchung von Strukturen mit noch kleineren linearen Ausmaßen gänzlich un— möglich ſei. Der Naturforſcher braucht daher den Mut nicht ſinken zu laſſen, es wird ihn vielmehr die gewonnene Erkenntnis dahin führen müſſen, die Beobachtungsmethoden mehr und mehr auszu— bilden und in entſprechender Weiſe dahin abzuändern, daß fie ihm die weiteren Aufſchlüſſe gewähren, welche in Verbindung mit dem — dann notwendig un- vollſtändigen — einfachen mikroſkopiſchen Bilde für die Beurteilung des wahren Sachverhaltes erforderlich werden. Werk Humboldt. — September 1885. 361 Sur Geſchichte der Naturwiſſenſchaften. Von Dr. R. Biedermann in Berlin. Die Sage von der Weinrebe. Die Völker des Orients wiſſen folgende Sage über die Entſtehung der Rebe zu erzählen: Als Dionyſios (Bacchus) noch ein Kind war, wanderte er durch „Hellena“, um ſich nach „Nazia“ zu begeben. Der Weg war lang, das Kind wurde müde und ſetzte ſich auf einen Stein um auszuruhen. Da bemerkte der Gott ein eben dem Boden entſproß— nes Kräutlein; es erſchien ihm ſo hübſch und zierlich, daß er beſchloß, dasſelbe mitzunehmen und zu Hauſe einzupflanzen. Er grub es ſorgfältig aus und wan— derte, das Kräutlein in der Hand haltend, weiter. Da aber die Sonne heiß ſchien, ſo fürchtete er, es würde vertrocknen, noch ehe er nach Nazia käme. Da fand er einen Vogelknochen und in die Höhlung desſelben brachte er das Pflänzchen und ſetzte ſeinen Weg fort. Die göttliche Kraft des kleinen Dionyſios ver— mehrte die Lebenskraft der Pflanze, und der Stengel wuchs ſo raſch, daß er bald aus dem Ende des hohlen Knochens herausragte. Da er noch fürchten mochte, daß er vertrocknen würde, ſo ſchaute er ſich um und bemerkte alsbald einen Löwenknochen, der groß genug war, um den Vogelknochen mitſamt der kleinen Pflanze aufzunehmen. Dieſe wuchs noch immer und wuchs bald aus beiden Enden des Löwenknochens heraus. Glücklicherweiſe fand Dionyſios da einen Eſelsknochen, der noch größer als der Löwenknochen war, ſo daß er dieſen mit ſeinem Inhalt darin verbergen konnte. So kam er nach Nazia. Alsbald wollte er das hübſche Kräutlein einpflanzen. Allein die Wurzeln hatten den Vogelknochen, den Löwenknochen und den Eſelsknochen ſo umſchlungen, daß er dieſe nicht ent— fernen konnte, ohne die Wurzeln zu beſchädigen. Er pflanzte deshalb das Kraut ſamt den Knochen ein. Die Pflanze wuchs raſch und brachte zu des Gottes großer Freude wundervolle Trauben. Er preßte ſie aus und machte den erſten Wein, den er auch den Menſchen zu trinken gab. Da ſollte Dionyſios ein Wunder erleben. An— fänglich, wenn die Menſchen den Traubenſaft tranken, fingen ſie fröhlich an zu ſingen wie die Vögel. Tranken ſie mehr davon, ſo wurden ſie mutig und ſtark wie die Löwen. Wenn ſie aber ſehr lange tranken, ſo neigten ſie die Köpfe und wurden ganz wie Eſel. So lautet die Sage. veraltet? Sie iſt uralt; aber iſt ſie Zero und Ziffer. Während kein Zweifel darüber herrſchen kann, daß das deutſche Wort Null vom lateiniſchen nullus herkommt, iſt die Etymologie des gleichbedeutenden Wortes Zero keineswegs klar. In einer kleinen Ar— beit über das Wort Zero berichtet der Fürſt Buon— compagni (Giorn. degli Eruditi e Curiosi di Pa- dova, II. 1883), daß das Wort in Italien mit Beginn des 14. Jahrhunders angewendet ſei. Es findet ſich in drei Schriften über Arithmetik aus den Jahren 1307, 1346 und 1370. Ueber die Etymologie dieſes Wortes teilt Buoncompagni drei verſchiedene Anſichten mit, ohne ſich für die eine oder andere zu erklären. Wöpke hat geglaubt, den Urſprung in dem Worte „Zephirum“ zu finden, welches von Leonardo von Piſa, dem Autor der erwähnten drei Schriften über Arithmetik gebraucht wird. Vincent leitet es ab von dem Hebräiſchen „Zer“, welches Kreis, Krone, Aureole bedeutet. Neſſelmann, Dozy und Engel— mann ſind der Anſicht, das Wort habe im Arabi— ſchen ſeinen Urſprung, wo „Sahra sifz* ein offenes Lager oder einen offenen Platz bezeichnet. Nach Devic endlich wäre „Sikr“ oder „Cikr“ genau das zuſammengezogene „Zephirum“ in den Schriften des Mittelalters. Auch der deutſche Sprachforſcher Diez gibt dieſe Ableitung. Cikr iſt offenbar auch der Stamm für das deutſche Wort Ziffer. So ſehen wir die merk— würdige Thatſache, daß aus einem und demſelben Stamm ſich zwei Wörter ableiten, die ſehr verſchiedene Dinge bezeichnen. Das Thermometer. Der bekannteſte Meteorologe Englands, Dr. R. H. Scott, Präſident der kgl. meteorologiſchen Ge— ſellſchaft, hat kürzlich in London bei Gelegenheit einer Ausſtellung von Thermometern einen Vortrag über die Geſchichte des Thermometers gehalten. Nach Scott iſt der Name des Erfinders unbekannt. Das Inſtrument werde zum erſtenmale in einem Werke des Dr. Fludd erwähnt, welches im Jahre 1633 er— ſchienen ſei, und in welchem darauf hingewieſen werde, daß das Inſtrument ſchon ſeit 50 Jahren in Ge— brauch ſei. Die erſten Thermometer waren in Wahr— heit „Barothermoſkope.“ Sie beſtanden aus einem runden Behälter, der zu /½ mit Waſſer, zur Ver— meidung des Gefrierens mit Salpeterſäure angeſäuert, angefüllt war; ſpäter wurde Alkohol als Füllflüſſig— keit benutzt. In den Behälter tauchte eine Glasröhre, an deren oberem Ende ſich eine Kugel befand. Vor dem Eintauchen war die Röhre erwärmt, ſo daß ein großer Teil der Luft aus derſelben ausgetrieben wurde, und die Flüſſigkeit nachher dieſe zum Teil 362 Humboldt. — September 1885. anfüllte. Sobald nun die in der Kugel zurückge⸗ bliebene Luft infolge von Temperaturveränderungen ſich ausdehnte oder ſich zuſammenzog, mußte die Flüſſigkeit in der Röhre ſteigen oder fallen. Pascal fand bald, daß auch der Druck der Atmoſphäre einen Einfluß auf die Höhe der Flüſſigkeitsſäule ausübe und die Temperaturangaben alſo modifiziere. Die Akademiker del Cimento in „Florenz gaben dem J ie ſtrumente die heutige Form. Die hauptſächlichſten Ver- beſſerungen an dieſem rühren 1000 Scott von Englän— dern her. Robert Hooke gab an, die Temperatur des ſchmelzenden Eiſes zur Feſtſtellung des Normalpunktes zu benutzen; Halley andererſeits das ſiedende Waſſer; auch erſetzte er den Alkohol durch Queckſilber. New— ton erwähnte die Temperatur des menſchlichen Körpers. Fahrenheit, zwar von Geburt ein Deutſcher, wurde nach England berufen und ſtarb dort. Von ihm rührt die Einteilung des noch jetzt in England gebräuch— lichen Thermometers her. Das Thermometer von Réaumur rührt urſprünglich von De Luc, einem Genfer Phyſiker, her. Das hundertteilige Thermo— meter, deſſen Erfindung gewöhnlich Celſius zuge— ſchrieben wird, wurde von Linndus erfunden und hatte urſprünglich die umgekehrte Skala, alſo den Nullpunkt bei der Temperatur des ſiedenden Waſſers und den Hundertgrad bei der des ſchmelzenden Eiſes. Herr Scott iſt Engländer. Dies berechtigt ihn aber nicht, Engländern wiſſenſchaftliche Verdienſte zu— zuſchreiben, die ihnen nicht gebühren; die Wiſſenſchaft gehört der Menſchheit, ſie kennt keinen Lokalpatrio— tismus. Die hiſtoriſche Wahrheit verlangt die Richtig— ſtellung einiger der obigen Angaben des Herrn Scott. Daß die Bemerkung über Fludd ganz unzutreffend iſt, ſollte Herr Scott ſelber wiſſen, denn er hat auf der Ausſtellung wiſſenſchaftlicher Apparate im South Kenſington Muſeum im Jahre 1876 Thermometer und darauf bezügliche en geſehen, die älter waren, als das Fluddſche Werk. Uebrigens iſt auch dieſes nicht korrekt zitiert. Sein Buch „Philo— sophia Moysaica“, in deſſen zweitem Buche das Thermometer, „vulgo speculum calendarium* beſchrieben wird, iſt nicht 1633, ſondern 1638 in Gouda herausgekommen. Hier gibt der Autor an, daß er das Inſtrument ſchon in einem mindeſtens 500 (nicht 50) Jahre alten Manufkripte gezeichnet und beſchrieben gefunden habe, ſagt aber nichts Näheres über dieſe Handſchrift. Die Franzoſen nennen faſt allgemein den Hol— länder Cornelius Drebbel als Erfinder des Thermo— meters. Es rührt dies her von der lateiniſchen Ueber— ſetzung der Schrift des Paters Leurechon (Recréation mathématique 1624), in welcher das Thermometer ,lustrumentum Drebilianum“ genannt wird. Drebbel war ein origineller Kopf, aber nicht frei von Charlatanerie. In ſeinem Buche „Traktat von der Natur der Elemente“ (1608) beſchreibt er das ſchon vor ihm von andern früher angeſtellte Experi— ment, daß in eine Retorte, deren Mündung unter Waſſer iſt, letzteres eindringt, wenn ſie erwärmt wor⸗ den iſt und fic) wieder abkühlt. Er ſah in dem In⸗ ſtrument ein Perpetuum mobile! Allein wir haben unzweifelhafte Beweiſe, daß der wahre Erfinder des Thermometers der große Galileo Galilei iſt. Der Pater Benedetto Caſtelli ſchrieb 1603, alſo 30 Jahre vor Fludd und auch früher als Drebbel, daß Galilei ihm die Her— ſtellung des Thermometers (Erwärmen eines Fläſch— chens mit langer ſehr enger Röhre und Eintauchen der Mündung der letzteren in ein Gefäß mit Waſſer) gezeigt habe und er ſchließt: „Unſer Herr Galibei ſtellte ſomit ein Inſtrument für die Prüfung der Wärme- und Kältegrade her, worüber noch vieles zu ſagen wäre.“ Viviani, ein Schüler Galileis, verſichert, daß dieſer zwiſchen 1593 und 1597 das Thermometer erfunden habe. Ein von Galilei ſelbſt angefertigtes Thermometer war von dem Königlichen Inſtitut in Florenz auf der oben erwähnten Wus- ſtellung wiſſenſchaftlicher Apparate zu ſehen. Viviani und andere Autoren berichten etwa gleichzeitig, daß das Thermometer ſeine jetzige Geſtalt durch den Groß— herzog Ferdinand II. Medici von Toskana er⸗ halten habe. Dieſer gelehrte, für die Naturwiſſen— ſchaft begeiſterte Fürſt ſtellte viele phyſikaliſche Verſuche an. Er füllte die an eine enge Röhre geblaſene Kugel mit gefärbtem Alkohol und ſchmolz dann die Röhre zu, wie es ſcheint, ohne vorher durch Sieden des Alkohols die Luft auszutreiben. Seine geſchickten Glasbläſer ſtellten bald das Thermometergefäß in den verſchiedenſten Formen her. Thermometer, deren Gefäß die Geſtalt eines kleinen Froſches hatte, dienten beſonders zur Beſtimmung der Temperatur bei Fieber— kranken. Die jetzt noch in Florenz aufbewahrten In— ſtrumente geben ein Zeugnis von der großen Kunſt— fertigkeit der damaligen Glaskünſtler. Bemerkenswert iſt es, daß um 1654 der Großherzog Ferdinand II. bereits eine Art meteorologiſchen Dienſt in Toskana einrichtete, wobei thermometriſche Beobachtungen die Hauptſache bildeten. Die Unterſuchung der übrigen von Herrn Scott gemachten Angaben iſt nicht von ſolcher Wichtigkeit wie die Mitteilung über die Erfindung des Thermo— meters. Humboldt. September 1885. 363 Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Anthropologie. Dr. M. Alsberg in Kaſſel. Die Frage nach der Exiſtenz der Menſchen während der Tertiärzeit, beantwortet durch Schaaffhauſens Unterſuchung der durch von Dücker geſammelten Hipparionsknochen. ziehung zu den in der körperlichen Organiſation des Menſchen vor ſich geqangenenen Veränderungen. der oberen Schneidezähne und die Bildung des Kinnes beim Menſchen. Wo find die Spuren und Rejte des Certidrmenfchen zu ſuchend Die „niederen Bildungen“ in ihrer Be— Albrecht: Ueber die ehemalige Fahl Beweiſe, daß das Weib den tieriſchen Vorfahren des Menſchen näher ſteht als der Mann. Verſchwinden des Weisheitszahnes. Doppelter Weg, auf dem die aſiatiſche Bronzekultur nach Europa gelangte. Ueber— einſtimmung zwiſchen ſibiriſchen und ungariſchen Bronzen. Die erſten Erfinder der Bronze in Aſien, wahrſcheinlich ein Volk altaiſch— ugrifchen Stammes. In unſerem letzten Bericht (vergl. „Humboldt“ vom April 1885) wurden die Schlüſſe beſprochen, zu denen der Münchener Geologe A. Penck bezüglich des Auftretens des paläolithiſchen Menſchen (Menſchen der älteren Steinzeit) auf dem Boden des heutigen Deutſchlands gelangt iſt und bei dieſer Gelegenheit erwähnt, daß nach der Anſicht des genannten Forſchers die paläolithiſche Aera Deutſchlands in die letzte wärmere Zwiſchenperiode der Eiszeit (Inter— glacialzeit) und in die letzte extreme Kälteperiode zu ver⸗ legen iſt. Hieraus darf jedoch keineswegs gefolgert werden, daß die beſagten Abſchnitte der Glacialepoche zugleich den— jenigen Zeitpunkt bezeichnen, während deſſen der Menſch zuerſt auf unſerem Planeten auftritt. Gewiſſe Funde, wie z. B. der neuerdings von Schaaffhauſen in einer Löß— anſchwemmung der Moſel unweit Koblenz entdeckte Moſchus— ochſenſchädel — (derſelbe weiſt von Menſchenhand produzierte Einſchnitte auf; auch ſoll der Umſtand, daß der beſagte Schädel an einer Stelle aufgefunden wurde, die noch etwas höher liegt als das diluviale Ufer, in Verbindung ge— bracht mit der Thatſache, daß der Fluß ſein Bett all— mählich vertieft hat, für das hohe Alter dieſes Fundes ſprechen) — dieſe und ähnliche Thatſachen laſſen vielmehr erkennen, daß ſchon während eines frühen Abſchnittes der als „Diluvium“ oder „Quartärzeit“ bezeichneten geologi— ſchen Epoche einzelne Gegenden Europas von Menſchen bewohnt wurden. Durch den zuletzt erwähnten Gelehrten iſt auch die Frage nach der Exiſtenz des tertiären Menſchen neuerdings wieder zur Diskuſſion geſtellt und ihrer Löſung näher gebracht worden. Bekanntlich hat es nämlich während der letzten 15 Jahre nicht an Forſchern gefehlt, welche das Auftreten des homo sapiens auf Erden bis in die Tertiär— zeit zurückverlegen wollen. So glaubt z. B. der franzöſiſche Abbé Bourgeois aus den unweit Thenay in jüngeren Tertiär-⸗(Pliocen-) Schichten aufgefundenen Steingeräten auf die Exiſtenz des tertiären Menſchen ſchließen zu müſſen, während Ribeiro aus ähnlichen Feuerſteingeräten, wie er ſie in den Pliocenablagerungen Portugals entdeckt hat, den nämlichen Schluß zieht und während auch der Ita— liener Capellini die von ihm in den Spättertiärſchichten von Poggarione (im Finethal) aufgefundenen Walfiſch— knochen — auf denen ſich Einſchnitte vorfanden, die nach ſeiner Auffaſſung nur von Menſchenhand herrühren können — ebenfalls zu Gunſten eines ſo frühen Auftretens des prähiſtoriſchen Menſchen anführt. Aber da es bezüglich der zu Thenay aufgefundenen Feuerſteine und Quarzite zweifelhaft iſt, ob dieſelben als von Menſchenhand herge— ſtellte Artefakte zu betrachten ſind, oder ob ſie die ihnen eigentümliche Form durch zufällige Zerſplitterung ange— nommen haben, da ferner betreffs der Feuerſteingeräte Ribeiros nicht mit Sicherheit feſtzuſtellen iſt, ob die Pliocenſchichten, in denen ſie aufgefunden wurden, die ur— ſprüngliche Lagerſtätte dieſer Geräte darſtellen, oder ob ſie nicht durch Erdumſtürzungen oder andere Urſachen zufällig in die Pliocenablagerungen geraten ſind und da ferner auch die Anſicht Capellinis: die oben genannten Ein— ſchnitte in den Walknochen rührten davon her, daß die pliocenen Bewohner des Inſelarchipels, der damals die Stelle des heutigen Centralitaliens einnahm, aus dem im ſeichten Waſſer geſtrandeten, auf der Seite liegenden balae- notus mit ihren Steinmeſſern ſich die Rippenſtücke heraus geſchnitten hätten, immerhin als eine ziemlich problematiſche Konjektur zu bezeichnen iſt — in Anbetracht dieſer Um— ſtände hatten wir bis jetzt kein Recht, die Exiſtenz des Menſchen zur Tertiärzeit als erwieſen anzunehmen. Neuer- dings iſt nun aber, wie bereits angedeutet wurde, zu den ſoeben erwähnten Beweisſtücken ein neues hinzugekommen und dadurch die Frage, ob der homo sapiens bereits während der Tertiärepoche unſeren Planeten bewohnt habe, in ein ganz neues Stadium getreten. Indem nämlich Schaaffhauſen jene Knochen des Hipparion (tertiärer Vorläufer des europäiſchen Pferdes), welche von Dücker i. J. 1872 zu Pikermi (Griechenland) geſammelt hat, neuer— dings einer genauen Unterſuchung unterzog, war er im— ſtande nachzuweiſen, daß einzelne dieſer Knochenreſte eines während der Quartärzeit bereits ausgeſtorbenen Tieres die Spuren von Schlägen aufweiſen, welche gegen den Knochen zu einer Zeit geführt wurden, wo derſelbe noch friſch war, daß dieſe Schläge einen tiefen Eindruck und zugleich eine Zerſplitterung der äußeren Knochenlamelle hinterlaſſen haben und daß dementſprechend an eine rein zufällige Ein— wirkung, wie ſie z. B. das Rollen im Flußbette erzeugt, in dieſem Falle nicht gedacht werden kann. Auch laſſen andere Bruchſtücke der beſagten Hipparionknochen deutlich erkennen, daß dieſelben zum Zwecke der Markgewinnung (das Knochenmark bildete bekanntlich ein Lieblingsgericht des Urmenſchen) ſeinerzeit aufgeſchlagen worden ſind. — 364 Humboldt. — September 1885. Die Bedeutung diejer Unterſuchungen liegt aber auf der Hand. Denn ganz abgeſehen davon, daß entwickelungs— geſchichtliche Erwägungen die Exiſtenz des Menſchen zur Tertiärzeit wahrſcheinlich machen (daraus, daß die Gattung: Menſch ſich nur innerhalb außerordentlich langer Zeiträume zu der hohen Stufe körperlicher Organiſation und geiſtiger Beanlagung, auf der ſie ſich gegenwärtig befindet, erheben konnte, müſſen wir auf ein ſehr hohes Alter des Menſchen— geſchlechts ſchließen) — ganz abgeſehen von dieſen theore— tiſchen Erwägungen wäre wenn die Behauptungen Schaaff— hauſens richtig ſind, woran kaum zu zweifeln iſt — durch die an den Knochen eines echten Tertiär— tieres nachgewieſenen Spuren menſchlicher Thätigkeit nunmehr der endgültige Beweis dafür erbracht, daß der Menſch als Zeitgenoſſe einer jetzt ausgeſtorbenen Tierwelt ſchon während der Tertiärperiode auf Erden lebte und daß er ein Zeuge geweſen iſt jener allmählich ſich voll— ziehenden, aber gewaltigen Veränderungen, welche ſeitdem auf der Oberfläche unſeres Pla— neten vor ſich gegangen ſind. Auch kann es, wenn wir uns die Urſachen vergegenwärtigen, auf welche die beſagten Veränderungen zurückzuführen ſind, nicht ver— wundern, daß Spuren des Tertiärmenſchen heutzutage nur ſehr ſelten angetroffen werden. Infolge der fortwährenden Denudation der Erdoberfläche exiſtiert der Boden, auf dem einſt der Tertiärmenſch lebte, gegenwärtig als ſolcher nicht mehr. Er iſt vielmehr hinabgeſchwemmt worden mit allem, was er enthielt und im Schwemmland wird man daher, wie Schaaffhauſen bemerkt, nach den Spuren und Reſten unſerer tertiären Vorfahren künftighin ſuchen müſſen. Um an unſere Erörterungen, betreffend die Exiſtenz des Menſchen während der Tertiärzeit eine Frage von nicht geringerer Wichtigkeit — nämlich diejenige nach den Ver— änderungen, welche während der jüngſten geo— logiſchen Epochen in der Körperbeſchaffenheit des homo sapiens vor ſich gegangen ſind — hier anzuknüpfen, ſo laſſen die in diluvialen Höhlen und An— ſchwemmungen bisher aufgefundenen menſchlichen Skelett— reſte allerdings keine ſehr erheblichen Verſchiedenheiten von der Schädelbildung und den Skelettformen des heutzutage lebenden Menſchen erkennen und dementſprechend neigt die Mehrzahl der Anthropologen zu der Anſchauung, daß der Menſch ſeit dem Diluvium als „Dauertypus“ zu betrachten iſt, d. h. als eine jener Lebensformen, die ſich wie zahl— reiche Gattungen der Tierwelt Jahrtauſende hindurch un— verändert erhalten haben. Indeſſen, wenn auch, wie ſchon bemerkt, erhebliche Unterſchiede zwiſchen dem Knochenbau des Diluvialmenſchen und demjenigen des gegenwärtig lebenden Menſchen nicht nachgewieſen werden können, ſo iſt es andererſeits doch in hohem Grade wahrſcheinlich, daß Veränderungen in der Organiſation des genus homo noch während einer geologiſch nicht weit zurückdatierenden Epoche vor ſich gegangen ſind. Zu dieſem Schluſſe drängt die Beobachtung, daß gewiſſe Bildungen, die eben als Reſte einer ehemaligen unvollkommeneren Kör— perorganiſation des Menſchengeſchlechts zu be— trachten ſind, bei niedrigſtehenden Menſchen— raſſen, ſowie hier und da als individuelle Eigen— tümlichkeiten auch bei den Kulturvölkern ſich er— halten haben. Zu dieſen niederen Bildungen atavifti- ſchen Urſprungs rechnet Schaaffhauſen die unten aus- geweitete, keinen eigentlichen Naſenrücken aufweiſende Naſe, das Hervortreten des Stirnwulſtes, die ſtark entwickelte Prognathie der Kiefer (Schrägſtellung des Zahnrandes), gewiſſe Beſonderheiten in der Form der Finger und Zehen, eigentümliche Behaarung der Extremitäten, im Vergleich zu dem wadenkoſen Bein kräftige Entwickelung der Bruſt— und Armmuskulatur, erhöhte Stellung der Ohrmuſchel, im Verhältnis zur Körperlänge vermehrte Spannweite der Arme, ſowie ſchließlich noch eine auffallende Schmalheit des Schädels. Auch wollen wir bezüglich der zuletzt ev- wähnten Erſcheinung noch beſonders bemerken, daß die durch die Intelligenz bedingte und mit derſelben in innigſtem Zuſammenhang ſtehende Hirnent⸗ wickelung nach der Anſicht des Bonner Gelehrten vorzugsweiſe in der Breite des Schädels zum Ausdruck kommen ſoll. — Um hier noch einige andere 5 auf die in Rede ſtehenden Fragen bezügliche Forſchungen zu erwähnen, jo hat P. Albrecht (Brüſſel) bei Gelegen heit ſeiner Unterſuchungen über die 4 Zwiſchenkieferknochen und das Weſen der Haſenſcharte den Nachweis geführt, daß die Gattung: Menſch — reſp. deſſen Vor⸗ fahren — im Oberkiefer ehedem nicht 4, ſondern 6 Schneidezähne beſeſſen hat — eine Entdeckung, die im Einklang ſteht mit den Unterſuchungen Baumes, welcher die Spuren des Rückſchlags im menſchlichen Gebiß glücklich verfolgt und gedeutet hat, indem er die Fälle von überzähligen Zähnen und von gewiſſen, in den Kieferhöhlen ſich einſtellenden zahnartigen Körpern auf frühere Bildungen zurückführte. Bemerkt jet hier ferner, daß nach P. Al⸗ brecht die Entſtehung des Kinnes beim Menſchen auf den durch verminderten Gebrauch des Kauapparates bedingten Schwund des Unterkieferzahnrandes zurückzuführen iſt und daß nach der Anſicht des nämlichen Gelehrten gewiſſe Cr- ſcheinungen — wie z. B. die geringere Körperhöhe des weiblichen Geſchlechts, ferner die beim menſchlichen Weibe häufiger als beim Manne vorkommenden hohen Grade der Dolichokephalie (Langſchädelform), ferner die häufigere und ſtärkere Prognathie der Kiefer, die beträchtlichere Breite und Ausbildung der inneren Schneidezähne, die beim weib— lichen Geſchlechte weniger häufig auftretende Verwachſung des erſten Steißbeinwirbels mit dem letzten Kreuzbein—⸗ wirbel, ſowie die beim Weibe häufiger vorkommende An- zahl von 5 Steißbeinwirbeln und einige andere Erſchei— nungen — daß dieſe Eigentümlichkeiten dafür Zeugnis ablegen, daß das menſchliche Weib unſeren tieri— ſchen Vorfahren zur Zeit noch näher ſteht als der Mann reſp. in der Entwickelung zu höherer Or— ganiſation nicht in dem Maße wie der Mann fortgeſchritten iſt. — Um auf die Veränderungen in der Zahn- und Kieferbildung beim Menſchen zurückzukommen, ſo dürfen wir wohl kaum annehmen, daß in dieſem Ver— hältnis unſerer Organiſation bereits ein bleibender Still— ſtand eingetreten iſt. Es unterliegt vielmehr keinem Zweifel, daß die Kultur infolge der geringen Anforderungen, welche bei künſtlicher Zubereitung der Speiſen an den Kauapparat geſtellt werden, eine allmähliche Verkleinerung der Kiefer zur Folge hat und daß dieſer fortſchreitende Kiefer— ſchwund beim Menſchen zunächſt das Verſchwinden Humboldt. — September 1885. 365 des fünften Backenzahnes (Weisheitszahnes) be— wirken wird — einen Vorgang, auf welchen, wie Schaaffhauſen hervorhebt, der ſpäte Durchbruch und die geringe Entwickelung dieſes Zahnes ge— genwärtig ſchon hindeutet. Werfen wir, nachdem wir einige der wichtigſten neueren Forſchungen auf dem Gebiete der ſomatiſchen Anthropologie einer Betrachtung unterzogen haben, noch einen Blick auf den archäologiſch-urgeſchichtlichen Zweig der anthropologi— ſchen Wiſſenſchaften, ſo ſind die über den Urſprung der europäiſchen Bronzekultur neuerdings angeſtellten Unter— ſuchungen inſofern von großer Wichtigkeit, als wir durch dieſelben erfahren, auf welchen Wegen den prähiſtoriſchen Völkern Europas die für die eiviliſatoriſche Entwickelung bedeutungsvolle Legierung von Kupfer und Zinn zugeführt wurde. In jener Schrift ), deren wir bereits in unſerem letzten Berichte gedachten, weiſt der däniſche Forſcher Sophus Müller, indem er die von H. Schliemann zu Mykenä gemachten Ausgrabungen ſeinen Erörterungen zu Grunde legt, zunächſt nach, daß jene Kulturſtufe Griechen— lands, die man bisher als die „pelasgiſche“ bezeichnet hat, im weſentlichen eine Miſchung iſt einer außerordentlich niedrigen — zum Teil noch der Steinzeit zuzurechnenden — autochthonen Kultur und jener hochentwickelten aſiati— ſchen Kultur, wie ſie den damaligen Bewohnern von Hellas durch das Handelsvolk der Phönicier übermittelt wurde. Weiterhin gelangt der beſagte Gelehrte zu dem Schluß, daß die Kultur des Orients, die wir in Griechenland während der pelasgiſchen Epoche mit der Steinzeit dieſer Gegenden in direkte Berührung treten ſehen, während jenes frühen Zeitabſchnitts Nord- und Mitteleuropa nur ſehr wenig beeinflußt hat. Er beweiſt ferner auch, daß die Bronzekultur der zuletzt bezeichneten Gebiete im großen und ganzen von der pelasgiſchen Metallkultur Griechen— lands nicht abgeleitet werden kann, daß der Urſprung der nord- und mitteleuropäiſchen Bronzen überhaupt nicht innerhalb der Grenzen Europas — weder in Großbri— tannien noch in Italien, noch im europäiſchen Rußland — ſondern vielmehr direkt in Aſien geſucht werden muß und daß während Kleinaſien das Bindeglied war, mit Hilfe deſſen die Bronzekultur des Oſtens den vorgeſchichtlichen Bewohnern Griechenlands ſich mitteilte, den nördlichen und mittleren Gebieten unſeres Erdteils auf einem Wege, welcher ) Sophus Müller, Urſprung und erſte Entwickelung der euro— päiſchen Bronzekultur, beleuchtet durch die älteſten Bronzefunde im ſüd— lichen Europa. Separat-Abdruck aus dem Archiv für Anthropologie, Bd. XV, Heft 3. nördlich vom Schwarzen Meere gelegene Länder berührte, die aſiatiſche Bronze zugeführt wurde. — Zu Gunſtenz der ſoeben erwähnten Anſicht laſſen ſich verſchiedene Gründe anführen, nämlich einerſeits der Umſtand, daß eine der konſtanteſten Formen der nordiſchen Bronzezeit — der charakteriſtiſche Bronzekelt — zufolge der Forſchungen H. Schliemanns in Griechenland und Kleinaſien und nach Virchow auch im Kaukaſus nicht angetroffen wird, ſowie andererſeits die Thatſache, daß wie neuere Unterſuchungen beweiſen, zwiſchen den Bronzen der weſtlichen und nörd— lichen Gegenden unſeres Erdteils und der altaiſch-ugriſchen oder ſibiriſchen Bronzekultur eine höchſt auffallende Ueber— einſtimmung beſteht. Was letzteren Punkt anlangt, fo ſpringt die Analogie zwiſchen der ſibiriſchen Bronzekultur und derjenigen Ungarns — eine Analogie, welche ſich durch die zum Teil ähnlichen, zum Teil völlig übereinſtimmenden Formen der Speerſpitzen, Meißel, Pfriemen, Aexte, Sicheln, Meſſer u. dergl. zu erkennen gibt — ganz beſonders ins Auge. Auch erhält die Theorie von der Verwandtſchaft der ungariſchen Bronzen mit denjenigen Sibiriens noch eine beſondere Stütze durch dazwiſchenliegende Funde von teils ungariſchen, teils aſiatiſchen Bronzen, welche die ſonſt ſo weit getrennten Gruppen vereinigen. — Während aber, wie ſchon bemerkt, der Norden Aſiens die eigentliche Wiege der den nördlichen und mittleren Gegenden Europas zu— geführten Bronzekultur iſt, bedarf es andererſeits kaum einer Erwähnung, daß in dieſen Gebieten durch Ausbildung einer lokalen Technik eine Weiterentwickelung und Modi— fizierung der urſprünglichen Formen ſtattgefunden hat, worauf auch die Nachbareinflüſſe der durch Vermittelung Kleinaſiens und der Phönicier mit aſiatiſcher Kultur in Berührung gekommenen Gebiete (Griechenland und Italien) eingewirkt haben werden. — Was endlich den Urſitz der für Europa ſo überaus wichtigen aſiatiſchen Bronzekultur anlangt, ſo liegt die Vermutung nahe, daß jene beiden Kulturſtröme Aſiens: der nördliche (altaiſch-ugriſche oder ſibiriſche) und der ſüdliche (babyloniſch-phöniciſche) von einem gemeinſamen Centrum — einer Kultur, die ſich wahrſcheinlich in mehr öſtlichen oder in mehr ſüdlichen Gegenden Aſiens entwickelt hat — ihren Urſprung ge— nommen haben. Auch bietet dasjenige, was die Linguiſtik durch Erforſchung der auf den älteſten Denkmälern Meſo— potamiens ſich findenden Inſchriften bezüglich der Sprache der Sumero-Akkader — der älteſten Bewohner Baby— loniens — neuerdings feſtgeſtellt hat, Grund zu der Ver— mutung, daß die erſten Erfinder der Bronze dem altaiſch— ugriſchen Stamme angehört haben. Hygieine. Don Dr. med. Steffan, Augenarzt in Frankfurt a. M. H. Magnus, Die Blindheit, ihre Entſtehung und ihre Verhütung. E. Fuchs, Die Urſachen und die Verhütung der Blindheit. Die Hygieine beſchäftigt ſich mit allen in der äußeren — ſei es natürlichen, ſei es künſtlich geſchaffenen — Um— gebung des Menſchen gelegenen Einflüſſen, die dem nor— malen Ablauf der im menſchlichen Organismus ſich ab- Humboldt 1885. | ſpielenden Lebensprozeſſe ſtörend in den Weg treten. Die Erforſchung aller dieſer ſchädlichen Einflüſſe (in Waſſer, Luft, Boden, Nahrung, Kleidung, Wohnung, Beſchäftigung) und die daraus folgende Erkenntnis ihrer Vermeidung und 47 366 Humboldt. — September 1885. Unſchädlichmachung führt zur Aufſtellung beſtimmter Hy- gieiniſcher Forderungen, durch deren Befolgung von ſeiten der ſtaatlichen und Gemeindebehörden es ermöglicht wird, eine große Zahl unſerer Mitmenſchen vor Krankheit zu bewahren, die Sterblichkeitsziffer herabzuſetzen und die Zahl der Krankheitstage zu vermindern. Die Hygieine, das jüngſte Glied in der Reihe der mediziniſchen Spezialfächer, hat ſomit eine für Jedermann eminent praktiſche Bedeutung: es iſt gewiß rationeller, dem Ausbruch einer Krankheit vorzubeugen, als ſich auf die Heilung der bereits ausge— brochenen Krankheit zu verlaſſen. Indem die Hygieine für die Erhaltung des körperlichen Wohlbefindens der Menſchen ſorgt, ſteigert ſie deren Leiſtungsfähigkeit. Es liegt auf der Hand, daß nicht nur Schädigung der allgemeinen Ge— ſundheit, ſondern auch die Vernichtung eines einzelnen für die Arbeitsfähigkeit unentbehrlichen Organes, wie z. B. des Auges, trotz beſter dabei erhaltener Allgemeingeſundheit die Produktionskraft des Staates herabſetzen kann. Ein „körperlich Toter“ belaſtet den Staat und die Gemeinde nicht mehr, ein Blinder oder „bürgerlich Toter“ belaſtet Staat und Gemeinde zeitlebens ſehr bedeutend, denn er ſelbſt produziert entweder gar nichts oder nur mangelhaft und muß zeitlebens vom Staat und der Gemeinde erhalten werden. So hat ſich in neueſter Zeit ein beſonderer Zweig der Hygieine, die Ophthalmohygieine oder die Hygieine des Auges entwickelt; ſie beſchäftigt ſich mit der Entſtehung und Verhütung der Blindheit. Seit Cohn im Jahre 1865 auf die Schulkurzſichtigkeit als eine exquiſite Schulkrankheit hingewieſen hat, wurde die Aufmerkſamkeit der Augenärzte zunächſt auf die Schulhygieine des Auges, reſp. der Pflege der Augen in der Schule, hingelenkt. Vom Jahre 1870 an hat ſich das Streben der Augenärzte auf die Erforſchung nach Entſtehung und Verhütung aller übrigen Augenübel zugewendet und die Pflege der Augen in der Schule ſtellt nunmehr nur eine Unterabteilung dieſer Geſamtpflege unſeres oberſten Sinnes, des Geſichtsſinnes, dar. Die Arbeiten von Zehender (1870), Katz (1874), J. Bremer (1873), J. Hirſchberg (1875), P. Stolte (1877), M. Landesberg (1877), O. Seidelmann (1876), Uthof (1881), Schmidt-Rimpler (1882), H. Magnus (1883) und E. Fuchs (1885) haben unſer heutiges Wiſſen über die Entſtehung und Verhütung der Blindheit (Prophylaxe der Blindheit) aufgebaut: es unterliegt keinem Zweifel, daß 40 Prozent aller Erblindungsfälle verhütbare ſind, das macht für Preußen allein 9071) unnütz blind ge- wordene unglückliche Menſchen. Ein ſolches Unglück in Zukunft zu verhüten iſt Aufgabe der heutigen Prophylaxe der Blindheit. Die bemerkenswerteſten diesbezüglichen Ar— beiten der Neuzeit ſind die von H. Magnus und E. Fuchs. Die Arbeit von Magnus zerfällt in 2 Teile, deren erfter (Kapitel 1— 11) die Entſtehung, deren zweiter (Ka— pitel 12, 13 und 14) die Verhütung der Blindheit betitelt iſt. Nachdem Magnus im 1. Kapitel den Begriff der Blindheit, wie er dem Staate gegenüber, d. h. im bürger— lichen Leben, feſtgehalten werden muß, des Näheren definiert hat (Sehvermögen von 0 bis zu höchſtens Fingerzählen in 1 Fuß und vollkommene Unheilbarkeit des Zuſtandes), ver- Es kamen 1880 in Preußen auf 27 278 911 Einwohner 22 677 Blinde oder 1 Blinder auf 1202 Sehende. Altersſtufen beſtehen. langt derſelbe im 2. Kapitel zwecks Erreichung einer juz verläſſigen, auch die Blindheitsurſachen berückſichtigende Blindenſtatiſtik: 1) Allgemeine, durch behördliche Hilfe unterſtützte und von fachmänniſch gebildeten Aerzten durch—⸗ geführte Ermittelung der Blinden im direkten Anſchluß an die Volks- und Blindenzählung mittels Zählkarten und zwar nach einem beſtimmten Schema und 2) Führung von Re- gierungsbezirksblindenliſten unter Zugrundlegung des durch jene Ermittelung zuſammengeſtellten Blindenmateriales. — Das 3. Kapitel beſchäftigt fic) mit der geographiſchen Ver- breitung der Blindheit. Für ſie gilt dasſelbe, wie für die offiziellen Blindenzählungen: ſobald es ſich nur um unzu— verläſſige Zahlen dreht, nützt uns die Sache nichts; es muß auch die Entſtehung der Erblindung berückſichtigt werden. Von höchſter Bedeutung für die Blindenzahl eines Landes find jedenfalls: die Altersverhältniſſe, die Geſamt⸗ krankheitszuſtände (Ausbreitung der Luſtſeuche, Skrofuloſe, Auftreten von Epidemien wie Maſern, Scharlach, Blattern und Typhus), die ſozialen Verhältniſſe, (Größe des Prole— tariats, Ausbreitung der Bildung, Ausbreitung des Brannt- weingenuſſes), die erwerblichen Verhältniſſe, das Klima und beſonders die leichtere oder ſchwerere Beſchaffung eines tüchtigen augenärztlichen Perſonales. — Im 4. Kapitel kommt Magnus auf die die Erblindungen erzeugenden Krankheiten des Auges zu ſprechen und ſtellt in ſeiner Generaltabelle 11 in Summa 2528 doppelſeitige Erblindungs—⸗ fälle nach ihren Urſachen zuſammen: I. Angeborene Er⸗ blindungen, II. Erworbene Erblindungen, und zwar letztere 1) infolge lokaler Erkrankungen der Augen allein, 2) in⸗ folge von Verletzungen und 3) infolge von Augenerkran— kungen, die durch Krankheiten des Geſamtorganismus be— gründet find. — In den vier folgenden Kapiteln 5—8 geht Magnus dieſe vier verſchiedenen Quellen der Erblindung durch. Ich hebe hier nur das 5. Kapitel hervor, in dem Magnus das angeborne Blindſein und die angeborne Erblindung behandelt. Hier kommt in Vez tracht: 1) die Vererbung, 2) die Blutsverwandtſchaft der Erzeuger und 3) die angeborne Belaſtung ohne Vererbung und ohne Blutsverwandtſchaft. Magnus iſt der Meinung, daß blutsverwandte Ehen zwar die Urſache von Erblin— dungen der Kinder abgeben können, daß aber das prozen— tuariſche Vorkommnis derſelben von dem für nicht bluts— verwandte Ehen gültigen nicht ſo erheblich abweicht, um das fragliche Verhältnis zu einem typiſchen und charakte— riſtiſchen ſtempeln zu dürfen (vergl. unten Fuchs). — Das 9. Kapitel geht des Näheren auf die Beziehungen ein, welche zwiſchen der Erblindung und den verſchiedenen Es intereſſiert hier ſehr die Beant—⸗ wortung zweier Fragen: Einen wie großen Gehalt an Blinden beſitzen die einzelnen Altersſtufen? und welche Neigung zur Erblindung beſitzen die einzelnen Altersklaſſen? Die erſte Frage beantwortet Magnus dahin: 1) die Blindenquote ſteigt vom erſten Lebensjahre an konſtant und zwar erfolgt dieſer Anſtieg bis gegen das 60. Lebens— jahr in einem gemäßigten Tempo, vom 60. Jahre an aber in einer ſehr beſchleunigten Gangart, 2) die Blindenquote einer jeden Lebensdekade iſt als der numeriſche Ausdruck der Wahrſcheinlichkeit des Blindſeins, nicht aber des Blind— werdens anzuſehen, 3) die Blindenquote jeder Lebensdekade wird gebildet aus der ihr ſelbſt eigentümlichen Erblindungs— Humboldt. — September 1885. 367 gefahr und den Erblindungsgefahren der früheren Lebens- dekaden. Die Antwort auf die zweite Frage lautet: J) das erſte Lebensluſtrum beſitzt die größte Erblindungsgefahr (infolge Erblindung durch Bindehautſchleimfluß der Neu— gebornen im erſten Lebensjahre), 2) vom 5. bis 20. Jahre iſt die Erblindungsgefahr relativ am geringſten, 3) vom 20. bis 50. Jahre ſteigt die Erblindungsgefahr konſtant, aber nicht in beſchleunigter Weiſe, 4) vom 50. bis 70. Jahre ſteigt die Erblindungsgefahr raſch an, 5) vom 70. Jahre an ſcheint die Erblindungsgefahr zu ſinken. — Das 10. Ka— pitel behandelt die Verteilung der Blindheit auf beide Ge— ſchlechter. Das männliche Geſchlecht zeigt eine größere Neigung zum Schwund der Sehnerven (fogen. ſchwarzen Staar), das weibliche Geſchlecht zu Glaukom (jogen. grünen Staar). — Der Verſuch von Magnus im 11. Kapitel die Abhängigkeit der Blindheit von der Berufsthätigkeit nachzuweiſen, ſcheitert an dem Mangel jedweder Berufs— ſtatiſtik. — Die 3 Schlußkapitel (12, 13 und 14) der Magnusſchen Arbeit find, wie geſagt, der Blindheits— prophylaxe ſpeziell gewidmet. Obwohl ſich das Beſtreben, die menſchliche Geſellſchaft vor dem traurigen Loſe der Blindheit zu bewahren, als ein Gebot der Moral, der Hu— manität und der geſamten Staatswohlfahrt — berechnet doch Magnus den Schaden, den der preußiſche Staat all— jährlich durch ſeine Blinden erleidet, auf rund zwanzig Millionen Mark — darſtellt, ſo hat ſich gleichwohl die Lehre, wie und auf welchem Wege man die Blindheit am eheſten beſchränken könne, bis zu dieſem Augenblicke nur des allerbeſcheidenſten Erfolges zu rühmen. Ein unbeſtritten treffliches Feld für die prophylaktiſchen Beſtrebungen der Erblindung bieten 1) der Bindehautſchleimfluß der Neu— gebornen, 2) die übrigen anſteckenden Augenerkrankungen (die ſogen. ägyptiſche Augenkrankheit), 3) das Glaukom (der ſogen. grüne Staar), 4) die Verletzungen. Dann wäre noch eine Beſchränkung wöglich bei den Erblindungen durch Blattern, durch Schwund der Sehnerven, ſoweit er auf Tabak- und Branntweinmißbrauch beruht, ferner bei Er— blindungen infolge der Luſtſeuche. Der erſte Schritt zu jeder Blindheitsprophylaxe muß der ſein, daß jedem armen Augenkranken von Gemeindewegen die Möglichkeit geboten wird, ſachgemäße, d. h. augenärztliche Hilfe zu finden (Gründung von Provinzialaugenheilanſtalten). In Bezug auf den Bindehautſchleimfluß der Neugebornen als Er— blindungsquelle muß gefordert werden: 1) geſetzliche An— zeigepflicht der Hebammen für jeden ſolchen Fall und 2) Behandlungszwang unter eventuell umſonſt zu gewährender ärztlichen Hilfe. Weit ſchwieriger iſt der ägyptiſchen Augen— krankheit beizukommen; die häufig unendliche Dauer des Leidens macht die vollkommene Abſonderung der Kranken bis zu ihrer Heilung faſt zur Unmöglichkeit. Dazu kommt der Koſtenpunkt. Die Kranken ſelbſt müßten Monate lang, ja Jahre hindurch in den Spitälern zurückgehalten werden, und wer ſorgte unterdeſſen für die auf ſolche Weiſe nur zu oft ihres an der betreffenden Krankheit leidenden Er— nährers beraubten Familie, oder wer ſorgte für die Kinder zu Hauſe, wenn die Erkrankung an der ägyptiſchen Augen— krankheit die Familienmutter trifft? Trotz alledem kann die ägyptiſche Augenkrankheit ohne Abſchluß der Erkrankten von den Geſunden bis zur vollkommenen Heilung nicht aus der Welt geſchafft werden. Freilich erforderte dieſer Abſchluß auch die Anzeigepflicht dieſer Erkrankung von ſeiten der Aerzte, Familienvorſtände, Lehrer und Anſtalts— direktoren; denn ohne Kenntnis der an der ägyptiſchen Augenkrankheit Leidenden gibt es auch keine Abſperrung derſelben. In Bezug auf die Verletzungserblindungen findet das Tragen von Schutzbrillen bei Arbeiten, die durch Ab— ſpringen von Stücken, ſei es der Werkzeuge, ſei es der be— arbeiteten Stoffe, den Augen der Arbeiter Gefahr bringen, immer noch nicht die gehörige Würdigung. Die Arbeiter ſind zu leichtſinnig und bequem dazu, um ſich die Unbe— quemlichkeit der Schutzbrillen im Intereſſe ihres Augen— lichtes gefallen zu laſſen. Ohne geſetzlichen oder von den Verſicherungsgeſellſchaften auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausgeübten Druck ſind dergleichen Verletzungsblindheiten nicht zu beheben. Einäugige Arbeiter dürften bei den hier in Rede ſtehenden Beſchäftigungen überhaupt keine Ver— wendung finden. Neben den eben angezogenen Berufs— arbeitern liefert das Kindesalter ein beſonderes Kontingent von Verletzungserblindungen. Wann werden leichtſinnige Eltern aufhören, ihren Kindern gefährliches Spielzeug, wie Gewehre, Zündhütchen, Pulver, Scheeren, Meſſer u. ſ. f. in die Hände zu geben? oder wann wird es gewinnſüchtigen Händlern unterſagt werden, einer leichtfertigen Jugend dergleichen Spielzeug hinter dem Rücken ihrer nichts ahnen— den Eltern zu verkaufen? — Soweit Magnus. Während dieſe zuerſt erſchienene Arbeit von Magnus auf der eigenen Initiative und dem ſelbſtgeſchaffenen Plane des Autors beruht, baſiert die Arbeit von Fuchs auf der Beantwortung einer mit beſtimmt vorgeſchriebenem Pro— gramm geſtellten Preisfrage, wobei die bereits vorhandene Magnusſche Arbeit zur Benutzung vorlag und auch reich— lich herangezogen wurde (häufige Citation, Anfügen der ganzen Magnusſchen Erblindungstabelle u. ſ. f.)) Magnus ſelbſt mußte fatalerweiſe infolge des vorzeitigen Erſcheinens ſeiner eigenen Arbeit auf die Mitbewerbung um den Preis verzichten. Die ſichere Erkenntnis, daß eine ſehr große Zahl von Blinden ganz unnützerweiſe ihrem traurigen Schickſal erlegen iſt, hatte in England zur Gründung der „Society for the prevention of blindness and the improvement of the physique of the blind“ geführt. Auf Veranlaſſung des Herrn Dr. Roth in London, des Schatzmeiſters und Sekretärs dieſer Geſellſchaft, ſetzte die— ſelbe einen Preis von 2000 Franks für das beſte Werk über Urſache und Verhütung der Blindheit aus. Der vierte internationale Kongreß für öffentliche Geſundheitspflege in Genf (September 1882) wurde mit der Aufſtellung des Programms der Arbeit, ſowie mit der Zuſammenſtellung eines internationalen Preisgerichtes betraut, welches bei Ge— legenheit des fünften internationalen Kongreſſes für Hy— gieine in Haag (September 1884) den Preis vergeben ſollte. Das in Genf aufgeſtellte Programm der Preisaufgabe lautete: 1. Urſache der Blindheit: a) Einflüſſe der Erblichkeit, Krankheiten der Eltern, blutsverwandte Ehen u. ſ. f. p) Augenkrankheiten der Kindheit, diverſe Ent— zündungen. c) Schul- und Lehrzeit, progreſſive Myopie u. 7. f- d) Allgemeine Krankheiten, Diatheſen, verſchiedene Fieber, Intoxikationen u. ſ. f. 368 Humboldt. — September 1885. e) Einfluß der Berufsarten, Unfälle und Verwun⸗ dungen, ſympathiſche Augenentzündungen. f) Soziale und klimatiſche Einflüſſe, anſteckende Augenleiden, ungeſunde, überfüllte, ſchlechterleuch— tete Wohnräume u. ſ. f. g) Mangelhafte oder ganz fehlende Behandlung der Augenleiden. 2. Für jede dieſer Gruppen von Blindleitsurſachen ſind die zweckmäßigſten Verhaltungsmaßregeln anzugeben: a) Maßregeln der Geſetzgebung. b) Hygieiniſche und profeſſionelle Maßregeln. c) Pädagogiſche Maßregeln. d) Aerztliche und philanthropiſche Maßregeln. Von ſieben eingegangenen Arbeiten (vier in deutſcher, zwei in engliſcher und eine in franzöſiſcher Sprache) trug die Arbeit von Profeſſor E. Fuchs in Lüttich bei Ge— legenheit des Kongreſſes in Haag (1884) den Preis davon und erſchien im Jahre 1885 im Drucke. Nachdem Fuchs in einer Einleitung den Begriff der Blindheit in etwas weiterer Grenze wie Magnus definiert (Sehvermögen von 0 bis zu Fingerzählen in 1 m Diſtanz) und die Statiſtik der Erblindungen nach Cohn-Seidel— mann und Magnus kurzer Hand erledigt hat, zerfällt die weitere Arbeit in neun Abſchnitte. Der erſte Abſchnitt behandelt die Augenkrankheiten auf erblicher Grundlage. Es können ſich Augenkrankheiten der Eltern auf die Kinder vererben, oder es können konſtitutionelle Krankheiten der Eltern auf die Kinder übergehen und bei dieſen Urſachen von Augenkrankheiten werden (Skrofuloſe, Tuberkuloſe, Luſtſeuche), oder die Blindheit beruht auf Blutsverwandt— ſchaft der Eltern. Nach Fuchs findet ſich Blindheit bei Kindern aus Ehen unter Blutsverwandten 30mal häufiger als bei Kindern aus anderen Ehen. Das wäre alſo un— günſtiger als Magnus meint (ſ. oben). Der zweite Ab— ſchnitt, Augenkrankheiten des Kindesalters umfaſſend, kommt nochmals auf die Skrofuloſe und angeborne Luſtſeuche der Kinder zu ſprechen. Der dritte Abſchnitt, Augenkrankheiten der Schul- und Lehrzeit, beträgt / des ganzen Buches und befaßt ſich eingehend mit der Hygieine des Auges in der Schule: Lage und Bau des Schulgebäudes, natürliche Tages- und künſtliche Beleuchtung, Subſellienfrage, der ge— ſamte Naharbeitsunterricht (Leſen, Schreiben, Zeichnen und Handarbeiten), Dauer und Einteilung des Unterrichtes, Ueberbürdungsfrage, Gebrauch von Brillen in der Schule, ärztliche Ueberwachung der Schulen. Der vierte Abſchnitt handelt von den Augenkrankheiten infolge von allgemeinen Krankheiten. Mit Rückſicht auf die Möglichkeit einer Blind— heitsprophylaxe wären hier beſonders die Erblindungen infolge von Blattern (Bedeutung der Impfung und Wiederimpfung!), ferner von Luſtſeuche, von Tabak- und Alkoholmißbrauch und von Bleivergiftung hervorzuheben. Der fünfte Abſchnitt geht auf die Beſprechung der anſtecken— den Augenkrankheiten über: Schleimfluß der Bindehaut, beſonders bei den Neugebornen, und ägyptiſche Augen⸗ krankheit. Der Wichtigkeit der Sache gemäß — denn hier hat die Prophylaxe der Blindheit das dankbarſte Gebiet und muß vor allem mit Energie ihre Hebel anſetzen — iſt dieſer Abſchnitt der umfangreichſte der ganzen Arbeit: er beträgt / derſelben. Anzeigepflicht und im Gefolge derſelben ſtrenge Abſonderung und Behandlung der Kranken bis zur vollkommenen Heilung bieten die einzige Möglichkeit, dieſer Plage beſonders des unbemittelten Mannes Herr zu werden. Im ſechſten Abſchnitt, betreffend Einfluß des Be- rufes auf die Erkrankungen des Auges, behandelt Fuchs die Verletzungen des Sehorganes; ſie können direkt oder durch ſympathiſche Affektion des zweiten geſunden Auges zur Erblindung führen; direkt können ſie durch den Beruf (Metallarbeiter, Steinarbeiter, Maurer, Minenarbeiter u. ſ. f., Kriegsverletzungen) oder einen unglücklichen Zufall oder Leichtſinn bedingt ſein oder abſichtlich beigebracht werden. Am bedauerlichſten ſind die häufigen Erblindungen von Kindern durch unpaſſendes Spielzeug. Verfaſſer hebt die Wichtigkeit des Tragens von Schutzbrillen bei vielen Berufs⸗ arten hervor und drängt auf deren zwangsweiſes Tragen, ferner mahnt er an die Wichtigkeit der Verſicherung gegen Krankheit und Unglücksfälle, ſchließlich bedauert er jede Cr- blindung durch ſympathiſche Augenentzündung, da durch rechtzeitige Entfernung des urſprünglich verletzten, erſt— erkrankten Auges alle dieſe Erblindungsfälle zu vermeiden geweſen wären. Der ſiebente Abſchnitt befaßt ſich mit dem Einfluß der ſozialen Verhältniſſe auf die Augenkrankheiten: Armut (infolgedeffen mangelhafte Nahrung und ſchlechte Wohnung mit ungenügender Beleuchtung) und Bildungs— mangel ſpielen hier ihre Rolle. Der vorletzte achte Ab— ſchnitt handelt vom Einfluß des Klimas und der Raſſe auf die Leiden des Sehorgans; hervorzuheben iſt hier das Faktum, daß Juden mehr dem grünen Staar ausgeſetzt ſind als Chriſten. Der letzte neunte Abſchnitt geht auf die Behandlung der Augenkrankheiten des Näheren ein. Jedem Augenkranken muß die Möglichkeit einer ſachver— ſtändigen, d. h. augenärztlichen Behandlung geboten werden, alſo Schaffung von Augenhoſpitälern unter ſpecialiſtiſcher Leitung von ſeiten der Städte oder Kreiſe oder Pro— vinzen. Ohne dies kann von einer wirkſamen Pro— phylaxe der Blindheit nicht die Rede ſein. „Noch iſt ſo „gut wie alles auf dieſem Gebiete zu thun. Alle müſſen „zuſammenwirken, um den Kampf gegen Unwiſſenheit, „Aberglauben und Nachläſſigkeit zu führen. Die Hygieiniker „und die Augenärzte, die Nationalökonomen und Staats— „männer, ja alle Menſchenfreunde müſſen bei dieſem Werke „zuſammenhelfen — viribus unitis.“ Mit dieſen Worten ſchließt Fuchs ſeine Arbeit, und ihnen ſchließt ſich der Schreiber dieſes mit der gleichen Ueberzeugung an. Möchten die Arbeiten von Magnus und Fuchs ihre guten Früchte tragen und Erblindungen infolge durchaus heilbarer Augen— leiden recht bald zur Unmöglichkeit werden! Humboldt. — September 1885. 369 Mineralogie und Kryſtallographie. Von Prof. Dr. A. von Lafaulr in Bonn. Das Urpyſtallſyſtem des Leucit. Optiſche Anomalien bei dieſem, Boracit, Tridymit, Rutil, Korund u. a. infolge von elektriſchen Spannungen, durch künſtlichen Druck, Erwärmung, natürliche Preſſungen in Geſteinen. Optiſche Störungen an Kryftallen Mineraloptiſche Apparate und Methoden. Als vor nunmehr 13 Jahren (1872) G. vom Rath an den mit ſpiegelnden Flächen verſehenen aufgewachſenen Kryſtallen von Leucit die Entdeckung machte, daß dieſe Kryſtalle nicht die geometriſchen Eigenſchaften der Kryſtalle des regulären Syſtems beſitzen, bereitete dieſes den meiſten Mineralogen eine gewiſſe Ueberraſchung und ein Gefühl der Enttäuſchung und Unſicherheit. Die Form der Kry— ſtalle von Leueit, welche man das reguläre Icoſitetraéder oder Trapezosder nennt, war bisher als eine jo typiſch reguläre erſchienen, daß man ſie auch geradezu als das reguläre Leucitoéder bezeichnet hatte. Der Nachweis, daß die Geſtalt der Leueitkryſtalle nicht dem regulären Kryſtallſyſtem angehöre, baſierte vor— nehmlich auf genaueren Winkelmeſſungen, wie ſie gut re— flektierende Kryſtallflächen geſtatteten. Es wurde durch vom Rath konſtatiert, daß die Winkel der Kanten, welche am regulären Kryſtall als gleichwertig gelten müſſen, hier erhebliche, bis zu 4° betragende Differenzen aufweiſen. Als Ergebnis ſeiner ſcharfſinnigen Unterſuchung deutete vom Rath die Geſtalt des Leueit als die Kombination einer quadratiſchen Pyramide mit einer achtflächigen Pyra— mide. Aus den auch äußerlich über die Flächen ſichtbar verlaufenden Knickungen und Streifungen, deren Lage und Verlauf ebenfalls mit der regulären Symmetrie nicht übereinſtimmen, ſchloß er auf Zwillingsverwachſungen, die mit dem ſchon früher am Leueit erkannten ſeltſamen opti— ſchen Verhalten nunmehr in Einklang gebracht ſchienen. Es hatte nämlich ſchon 50 Jahre vorher Brewſter und nachher Biot erkannt, daß der Leueit ſich optiſch nicht ſo verhalte, wie dieſes einem regulären Minerale zukomme. Reguläre Mineralien ſind bekanntlich einfach lichtbrechend oder optiſch iſotrop. Das war nun der Leucit nicht. Er zeigte eine Zuſammenſetzung aus ſich kreuzenden Syſtemen optiſch doppelbrechender Lamellen. Dieſe Lamellenbildung gab Veranlaſſung, die abweichenden Polariſationserſcheinungen als eine beſondere „polaxisation lamellaire“ anzunehmen. Nach der Entdeckung vom Raths ſchien nun die früher angenommene optiſche Anomalie im quadratiſchen Kryſtallſyſtem und der lamellaren Zwillingsbildung ihre geſetzmäßige Erklärung zu finden. Dieſelbe war ſchon früher auch von anderen Forſchern, z. B. Scheerer, Descloize aux, Zirkel, beobachtet, aber nicht als Zeichen einer nicht regulären Form erkannt worden. Infolge der Unterſuchungen vom Raths ſchien nun die Frage entſchieden. Zwar erhoben ſich auch Wider— ſprüche gegen deſſen Deutung des Leucit als quadratiſches Mineral, und vornehmlich boten die von Hirſchwald vorgebrachten Bedenken, wenngleich ſie darin zu weit gingen, daß jie den Leuctt, fo wie er vorliegt, nach wie vor als reguläres Mineral feſthalten wollten, manches ſehr Beherzigenswerte, das erſt ſpäterer Aufklärung auch ſeine Beſtätigung verdankte. Die Zeit, in welche die Leueitfrage fiel, war auch die Zeit, in der man anfing, weſentlich geleitet durch die mikroſkopiſche Geſteinsunterſuchung und die dadurch be— dingten optiſchen Methoden der Mineralbeſtimmung, eine größere Zahl von Mineralien mikroſkopiſch-optiſch zu unter— ſuchen. Da fand es ſich, daß die Anomalien, wie man ſie bisher nur an wenigen Mineralien gekannt hatte, keineswegs ſo vereinzelt ſeien, ſondern daß eine große Zahl von Mineralien in den verſchiedenen Kryſtallſyſtemen ein von den Regeln des Syſtems, dem ſie anzugehören ſchienen, abweichendes optiſches Verhalten zeigen. Die optiſchen Anomalien, ihr Studium und ihre Erklärung wurde eine der wichtigſten Aufgaben der neueren Mineralogie. Auch der Leucit wurde nun Gegenſtand mehrfacher optiſcher Unterſuchung. Descloizeaux und Tſchermak beſtätigten beide ausdrücklich die Annahme, daß dev Leuctt nicht dem regulären Kryſtallſyſtem angehöre. Die Doppel— brechung wurde genau erkannt und ihr Sinn ſogar beſtimmt. Baumhauer beſtätigte durch eine von ihm vorzugs— weiſe geübte Methode der Forſchung dieſelbe Auffaſſung. Durch Aetzen der Flächen des Leucit kam dieſer Forſcher ebenfalls zu der Anſicht, daß die verſchiedenen Flächen der Geſtalt phyſikaliſch verſchieden ſich verhalten, nämlich eine ungleiche Löslichkeit dem Aetzmittel gegenüber zeigen, wäh— rend ſie nach dem Geſetze der regulären Symmetrie auch phyſikaliſch gleichwertig ſein müßten. Er führte die Zwil— lingslamellierung auf die vom Rathſche Auffaſſung zurück und rechnete demnach alle Leucite dem quadratiſchen Syſteme zu. So wurde denn unter den Mineralogen nach und nach allgemein die Thatſache als ſolche zugeſtanden, daß der Leucit quadratiſch kryſtalliſiere, und die meiſten Forſcher außer den ſchon genannten, ſo auch Groth, v. Laſaulx, Roſenbuſch, Zirkel u. a., ſprachen fic) in dieſem Sinne aus. Eine abweichende Anſicht über das Kryſtallſyſtem des Leucit ſprach aber 1876 Mallard aus. Auf Grund von Winkelmeſſungen erkannte dieſer Forſcher eine rhombiſche Symmetrie der Flächenlage, während die optiſche Unter— ſuchung eher auf ein monoklines Kryſtallſyſtem hinzuweiſen ſchien. In ähnlicher Weiſe ſprach ſich Weisbach 1880 auf Grund von Meſſungen aus, welche Treptow am Leucit des Albaner Gebirges vorgenommen hatte. Tſchermak führt in ſeinem Lehrbuche der Mineralogie jedenfalls folgerichtig den Leucit als ein Beiſpiel der fog. 370 Humboldt. — September 1885. mimetiſchen Kryſtalle auf. Darunter verfteht man ſolche, äußerlich oft anſcheinend einfache Kryſtalle, deren Geftalt durch eine vielfache Zwillingsverwachſung eine höhere Symmetrie nachahmt, als ſie den in dieſer Geſtalt durch Zwillingsverwachſung vereinigten Einzelindividuen zukommt. Eine neue und ebenfalls überraſchende Wendung nahm die Leucitfrage, als im Jahre 1884 K. Klein entdeckte, daß der Leucit durch Erwärmen iſotrop wird, demnach wie ein regulärer Körper ſich verhält, und daß auch nach dem Erkalten die urſprünglich in ihm zu beobachtende Zwillingslamellierung geändert erſcheint. Daraus ſchloß Klein, der Leueit habe ſich bei der hohen Temperatur, bei der er aus dem Schmelzfluſſe durch Erſtarrung feſt wurde, als reguläres Mineral gebildet, und es ſei demnach ſein jetziger Zuſtand nur eine Folge von Spannungen und Aenderungen ſeiner urſprünglichen Mo— lekularanordnung, die mit dem Sinken der Temperatur Platz gegriffen habe. Auch ſpätere Beobachtungen von Kreutz an Leucit— kryſtallen in den Veſuvlaven von 1881 und 1883 boten eine Beſtätigung dieſer Auffaſſung. Sie zeigten unter anderem Einſchlüſſe im Leucit, welche über die Zwillings— grenzen weggreifen. Daraus wäre wohl auch auf die ſekundäre Entſtehung der optiſchen Erſcheinungen zu ſchlie— ßen. In einer ausführlichen neueren Arbeit erörtert K. Klein) nochmals alle optiſchen Verhältniſſe eingehend. Es kann hier auf die Details dieſer intereſſanten Arbeit nicht näher eingegangen werden. Unterſucht wurden Leucite von den verſchiedenſten Fundſtätten und in mög— lichſt verſchieden orientierten Schnitten. Das Reſultat der Unterſuchung beſtätigt durchweg die Annahme, daß die jetzt im Leucit vorhandene Struktur und die damit zuſammenhängenden optiſchen Erſcheinungen erſt nach der eigentlichen Entſtehung der Kryſtalle zu— ſtande kamen. Der Leucit, ſo wie er jetzt vorliegt, muß aber, wie dieſes ſchon Mallard und Weiß bach andeuteten, als rhombiſch angeſehen werden, zeigt aber in ſeinem Ver— halten, auch optiſch, eine große Annäherung an das quadratiſche, geometriſch auch an das reguläre Syſtem. Aber bei ſeiner Entſtehung und in der hohen Temperatur, in welcher dieſe erfolgte, war er thatſächlich regulär. Er zeigt ſomit vollkommene Uebereinſtimmung mit einem anderen Mineral, welches durch ſeine optiſche Ano— malie ſchon längſt die Aufmerkſamkeit der Forſcher auf ſich gezogen und bei welchem in ganz ähnlicher Weiſe urſprünglich reguläre Form und jetzt rhombiſches Verhalten ſich vereinigen: der Boracit. Während aber beim Leucit, einem Gemengteil vul— kaniſcher Erſtarrungsgeſteine, eine große Differenz zwiſchen der Bildungstemperatur und ſeiner heutigen, die Erklärung für die nachher erfolgte molekulare Aenderung gewährt, iſt bei dem Boracit, einem unzweifelhaft aus wäſſeriger Löſung abgeſchiedenen Mineral, keineswegs ein ſo großer Unterſchied anzunehmen. Künſtlich dargeſtellter Boracit, der ſich bei einer Temperatur von über 260 C. bildet, iſt dann regulär. Jetzt fertig vorliegende, optiſch anomal, „) N. Jahrb. f. Mineral. III. Beilage-Bd. 1885. S. 522. d. i. doppelbrechende künſtliche Kryſtalle werden, wenn ſie erwärmt ſind, auch wieder iſotrop. An eine ſo hohe Temperatur iſt nun bei den natürlichen Boracitkryſtallen nicht zu denken, und ſo muß man demnach annehmen, daß eine andere Wirkung als die Wärme gleiche Urſachen hervorzubringen vermochte. Daß dieſe Wirkung auch durch Druck hervorgebracht werden kann, darf nach einer ganzen Reihe einſchlagender neuerer Beobachtungen als feſtſtehend gelten. Im folgenden werden noch einige hierauf bezüg— liche Arbeiten erwähnt werden. Mallard und Le Chatelier haben nachgewieſen, daß bei einem Druck von 2475 kg per Quadratcentimeter das hexagonal kryſtalliſierende Jodſilber bei 20 ©. ſchon regulär wird, während es dieſe Eigenſchaft unter gewöhn— lichen Druckverhältniſſen erſt bei 146° C. erlangt. Von großem Intereſſe iſt es auch, daß, wie neuerlichſt durch Roſenbuſch gezeigt worden iſt, auch die äußere Flächenlage an den Leucitkryſtallen ſich mit Erhöhung der Temperatur ändert, ſo daß ſie dann alſo nicht nur optiſch iſotrop werden, ſondern auch in den geometriſchen Ver— hältniſſen die reguläre Form zu erhalten ſcheinen. : Inzwiſchen iſt das Studium optiſcher Anomalien auch bei einer ganzen Zahl anderer Mineralien, bei denen man ſolche wahrzunehmen vermochte, zu intereſſanten Reſultaten gekommen. Als optiſch anomal, d. h. nicht ſo ſich verhaltend, wie es die geometriſchen Verhältniſſe der Kryſtalle und das aus dieſen hergeleitete Kryſtallſyſtem verlangen, ſind eine ganze Reihe von Mineralien befunden worden. Schon in früheren Arbeiten wurden als ſolche mimetiſche Mineralien beſchrieben: Analeim, Apophyllit, Chabaſit, Herſchelit, Tridymit und viele andere. Für manche dieſer Mineralien iſt es möglich geworden, eine Erklärung der optiſchen Anomalien durch Spannungen nach Art der Verhältniſſe beim Leucit zu geben. Für den Tridymit ſcheint nach den Verſuchen von Merian ebenfalls angenommen werden zu müſſen, daß er in höheren Temperaturen wirklich hexagonal iſt, während er in der in der Natur jetzt vorkommenden Form ſtets fom- plizierte Zwillingsverwachſungen triklin ſich verhaltender einzelner Teile zeigt, wie durch die Unterſuchungen von v. Laſaulx und Schuſter feſtgeſtellt worden war. Für den Rutil, für welchen Mallard ebenfalls optiſche Zweiachſigkeit und demnach mimetiſche Zwillings- bildung zu erkennen glaubte, wies v. Laſaulx !) nach, daß die ſcheinbaren Anomalien eine ganz andere Urſache haben. Sie ſind hervorgerufen durch zahlreiche Zwillings— lamellen, welche faſt allen, auch den äußerlich einfach er— ſcheinenden Kryſtallen eingelagert ſind. Zwillingsebene iſt ſowohl die Fläche der gewöhnlichen Deuteropyramide Poo, als auch die einer ſpitzeren Deuteropyramide 3 Poo. In vielen Rutilkryſtallen liegen Lamellen nach dieſen Zwillingsgeſetzen ſo reichlich, daß ſie ein ſich kreuzendes Netzwerk bilden. Ueberall, wo eine ſolche Lamelle ſo durch einen baſiſchen Schnitt eines Rutilkryſtalles hin— durchſetzt, daß ihre Subſtanz über ſolcher in der normalen Stellung des baſiſchen Schnittes erſcheint, wirkt jene Lamelle interferierend auf das einachſige Bild, und dasſelbe erſcheint infolgedeſſen geſtört und einem zweiachſigen Bilde ) Zeitſchr. f. Kryſt. 1883. VIII. 54. Humboldt. — September 1885. 371 ähnlich. Dort, wo keine Zwillingslamellen im Rutil liegen, iſt derſelbe auch optiſch vollkommen normal und einachſig. Es iſt alſo keinerlei Grund vorhanden, an ſeiner quadratiſchen Kryſtallform zu zweifeln. Ebenſo zeigte in einer neueren Arbeit derſelbe Autor, daß auch die für den Korund ?) von früheren Forſchern hervorgehobene optiſche Zweiachſigkeit zum Teil auf einge— ſchaltete Zwillingslamellen zurückzuführen iſt, zum Teil freilich auch mit Spannungen zuſammenhängt, wie ſie in dem ſchalenförmigen Bau der Kryſtalle ihren Grund haben. In den einzelnen Schalen eines zonal gebauten Korund— kryſtalles wird die Spannung und mit dieſer optiſche Störung bewirkt durch eine Kompreſſion in den einzelnen Schalen, welche, gleichviel ob die Schalen einer Rhombo— eder- oder einer Prismenfläche parallel gehen, ſenkrecht ſteht zu der Längsrichtung der Schalen. Daher tritt die ſcheinbare und meiſt nur geringe optiſche Zweiachſigkeit immer ſo ein, daß die Ebene der optiſchen Achſen parallel geſtellt iſt der Längsrichtung der Schalen. In allen Korundkryſtallen, deren eine große Zahl zur Unterſuchung kamen, ſind die optiſch einachſigen Teile ohne Ausnahme die normalen und einfachen, und der Korund bleibt dem— nach unzweifelhaft ein hexagonal kryſtalliſierendes Mineral. Nach einer anderen Richtung hin ſind die optiſchen Störungen ebenfalls in neuerer Zeit Gegenſtand intereſſan— ter Studien geweſen. Jacques und Pierre Curie ““) in Paris zeigten, daß Quarzplatten durch elektriſche Spannungen Kon— traktionen und Dilatationen erlitten, welche ebenfalls mit Aenderungen in den Verhältniſſen der Doppelbrechung des Quarzes verbunden waren. Dieſelben Vorgänge wur— den ſpäter auch durch W. C. Rontgen**) und durch A. Kundte) weiter verfolgt. Je nachdem die Zuführung poſitiver oder negativer Elektricität an beſtimmten Stellen einer Quarzplatte erfolgt, zeigen ſich im polariſierten konvergenten Lichte die ſonſt kreisförmigen Ringe des Interferenzbildes zu einer elliptiſchen Geſtalt deformiert. Daß thatſächlich die bei der Elektriſierung auf— tretenden Kompreſſionen und Dilatationen im Kryſtall zur Erklärung dieſer Phänomene dienen können, das beweiſen freilich nur indirekt auch andere Verſuche. H. Bücking ++) hatte ſchon vor einigen Jahren eine ganz ähnliche optiſche Deformierung auch durch bloßen Druck hervorgerufen, deſſen Größe meßbar war. Durch Druck wurden ebenfalls optiſch einachſige Kryſtalle zweiachſig. Aus dieſen Verſuchen ging hervor, daß bei einachſigen Kryſtallen die Größe des durch Druck entſtehenden Winkels der beiden optiſchen Achſen nicht von Anfang an proportional dem Drucke zu— oder abnimmt, ſondern daß ein verhältnismäßig geringer Druck imſtande iſt, in einer einachſigen Kryſtallplatte einen kleinen Achſenwinkel hervorzurufen, dagegen ein ſchon ziemlich ſtarker Druck nötig iſt, um eine merkliche Aende— rung des Achſenwinkels in einem zweiachſigen Teile der Platte zu erzeugen. ſcheinungen wieder zurück. ) Zeitſchr. f. Kryſtall. 1885. X. 4. S. 346. *) Compt. rend. 1881. 93. 1137. ) Ber. oberheſſ. Geſ. f. Nat. u. Heilk. 1882. 49. +) Ann. Phyſ. u. Chem. 1883. 18. 228. ++) Zeitſchr. f. Kryſtall. 1882. VII. 557. Mit aufgehobenem Drucke gingen die Er- Solche Beobachtungen machte auch Klocke) bei einer Unterſuchung über die Struktur des Eiſes. Er fand, daß eine Eisplatte, welche das normale einachſige Interferenzbild zeigte, ſchon durch einen verhältnismäßig geringen Druck ſenkrecht zur optiſchen Achſe zweiachſig wurde. Hörte der Druck auf, ſo verſchwand auch die Zweiachſigkeit. W. Klein **) unterſucht eine Reihe optiſch einachſiger und zweiachſiger Mineralien bezüglich der Veränderungen, welche ſie erleiden, wenn man dieſelben durch ungleich— mäßige Erwärmung ebenfalls in den Zuſtand von Span— nungen verſetzt. Es zeigte ſich hierbei, daß die optiſch poſitiven Kryſtalle unter ſich bezüglich der bei einſeitiger Wärmezufuhr eintretenden Erſcheinungen übereinſtimmen, daß ſie ſich aber gerade umgekehrt verhalten wie die optiſch negativen, die unter ſich wiederum übereinſtimmen. So vermögen die Erſcheinungen geradezu zur Beſtim— mung des Sinnes der Doppelbrechung verwendet zu werden, ſie bieten dann gerade das umgekehrte Verhalten wie eine Viertelundulationsglimmerplatte, wenn die Richtung der Wärmezufuhr in gleicher Weiſe bezeichnet wird wie die Lage der optiſchen Achſenebene im Glimmerblatt. Auch ſtellte derſelbe Verfaſſer intereſſante Verſuche an über die Aenderungen des optiſchen Achſenwinkels bei einigen anderen Mineralien, z. B. Cordierit, Heulandit, Brewſterit und Beaumontit, ebenfalls unter dem Einfluſſe der Erwärmung. Beim Cordierit wird eine Vergrößerung des optiſchen Achſenwinkels proportional zur Erwärmung konſtatiert. Beim Heulandit wird die ſeltſame Umlagerung der optiſchen Axenebene in eine zur urſprünglichen ſenk— rechten Stellung ſchon bei einer Temperatur von circa 150° C. erreicht, wie dieſes ſchon Mallard ebenfalls beobachtet hatte. Dieſe Umſtellung der optiſchen Achſen— ebene geht ſpäter wieder zurück, wenn die durch Erhitzung ausgetriebene Waſſermenge zum Teil wieder aufgenommen werden kann. Wird dieſes durch Luftabſchluß verhindert, ſo tritt auch die Rückbewegung der Achſenebene nicht ein. Beim Brewſterit und Beaumontit zeigen ſich zwar ähn— liche Erſcheinungen, jedoch auch hinlängliche Verſchiedenheiten, um an einer Identität dieſer beiden Mineralien mit Heulandit, wie ſie wohl angenommen wird, zu zweifeln. Sehr bemerkenswert iſt die Erſcheinung beim Brew— ſterit, bei welchem Mineral Stellen mit verſchiedener optiſcher Orientierung, die man demnach wohl für Zwillings- lamellen angeſehen hat, bei der Erwärmung auf 200 ° C. zu derſelben Orientierung geführt werden, ſo daß dann die Verſchiedenheit der einzelnen Teile verſchwindet. Das ſind alſo ganz analoge Erſcheinungen, wie ſie auch ſchon vorher vom Leucit erwähnt wurden und wie ſie z. B. in umgekehrter Weiſe auch von Mallard und ſpäter von Baumhauer am ſchwefelſauren und chrom— ſauren Kali hervorgerufen werden können. Durch Er— hitzen entſtehen in Kryſtallen dieſer beiden Verbindungen zahlreiche neue Zwillingslamellen und vollkommen einfache Kryſtalle können durch Erhitzen in ziemlich komplizierte Zwillinge verwandelt werden. Daß auch bei dieſen Er— ſcheinungen lediglich Spannungen infolge verſchieden ſtarker ) N. Jahrb. f. Min. 1880. 7) Zeitſchr. f. Kryſt. 1884. IX. 38. 372 Humboldt. — September 1885. Ausdehnung und Kontraktion in den Kryſtallen als Ur⸗ ſachen angenommen werden müſſen, erſcheint nach dem Verlaufe nicht zweifelhaft. Descloizeaur*) unterſuchte und beſchrieb die op- tiſchen Anomalien beim Prehnit. Zwar glaubt er das rhombiſche Syſtem für dieſes Mineral feſthalten zu können, da viele die Kryſtalle durchziehende Zwillingslamellen als Urſache des ſehr merkwürdigen und anomalen optiſchen Verhaltens angeſehen werden können. R. Brauns!) hat in einer Arbeit über optiſch anomale Kryſtalle ebenfalls eine Reihe intereſſanter Be- obachtungen mitgeteilt. Es ſind vornehmlich künſtliche Salze, die zu ſeinen Unterſuchungen dienten: Chlornatrium, verſchiedene iſomorphe Alaune, unterſchwefelſaures Blei (Strontium, Calcium) und Ferrocyankalium. Aus ſeinen Beobachtungen ergibt ſich ebenfalls ein Zuſammenhang der optiſchen Anomalien mit zonalem Bau, wie er früher auch ſchon an anderen Mineralien erkannt worden war. Brauns iſt der Meinung, daß die Aenderung in dem optiſchen Charakter der einzelnen Zonen, der Wechſel von normal ſich verhaltenden iſotropen mit doppelbrechenden Schichten, bedingt fet durch die in- folge iſomorpher Schichtung verſchiedenartige Zujammen- ſetzung der einzelnen Zonen. Daß ſolche Verſchieden— artigkeit der einzelnen Zonen, wie ſie beiſpielsweiſe bei den aus verſchiedenen Löſungen gewachſenen iſomorphen Alaunkryſtallen vorliegt, eine Einwirkung auch durch optiſche Differenz zu zeigen vermag, kann gewiß zugegeben wer— den. Aber in anderen Fällen, wo zwar zonaler Bau, aber keinerlei chemiſche Verſchiedenheit der Zonen ſich er— weiſen läßt, wie z. B. beim Korund, kann natürlich dieſe Erklärung nicht zutreffen. Daß auch in Geſteinen durch Druck und Preſſung gewiſſen Mineralien optiſche Anomalien zu teil werden können, haben ebenfalls mancherlei neuere Beobachtungen beſtätigt. L. van Werveke “k) glaubte eigentümliche Zwillingsbildungen an Feldſpat und Diallag auf Druck— wirkungen zurückführen zu können, und in ähnlichem Sinne ſprach ſich A. PHilippjony) über Zwillingslamellierung an Feldſpaten aus Geſteinen von den Lofoten aus. Auch optiſche Deformierung an Quarzen, die in ver— ſchiedenartigen Geſteinen gefunden wurden, brachte E. Weiß mit den Druckwirkungen in urſächlichen Zuſammenhang, denen dieſe Geſteine ausgeſetzt geweſen ſind e). H. Förſtne rect) unterſuchte die optiſchen Verände— rungen, welche Feldſpate von der Inſel Pantelleria bei künſt— licher Erwärmung und Druck erlitten, und zeigte, daß in der That zwillingsähnliche Lamellen durch Druck erzeugt wer— den können, welche von denen durch Hitze künſtlich erzeugten aber deutlich verſchieden waren. Je mehr auf dieſe Weiſe die optiſche Unterſuchung von Mineralien in den Vordergrund des Intereſſes der mineralogiſchen Forſchung überhaupt gedrängt wurde, um ſo mehr erſcheint es natürlich, daß auch die Inſtrumente, *) Bullet. Soc. minéral. de France. 1882. V. 3. ) N. Jahrb. f. Min. 1885. I. 96. ) N. Jahrb. f. Min. 1883. II. 97. +) Sitzb. niederrh. Geſ. Bonn 1881. 191. ) Zeitſchr. d. deutſch, geol. Geſ. 1884. ) Zeitſchr. f. Kryſt. IX. 1884. 333. welche ſolchen Forſchungen dienen und ſie unterſtützen ſollen, in immer ſorgfältigerer und präciſerer, das mög—⸗ lichſt große Maß von Genauigkeit gewährleiſtender Ausfüh⸗ rung von der Technik dem Mineralogen geliefert wurden. Neue, mit vielfachen Verbeſſerungen ausgeſtattete Mi⸗ kroſkope, ganz beſonders für die Zwecke mineralogiſcher Unterſuchungen, wurden von R. Fueß in Berlin und von Voigt & Hochgeſang in Göttingen konſtruiert. Das letztere Inſtrument iſt in der im vorhergehenden angeführten Arbeit von C. Klein über den Leueit aus⸗ führlich beſchrieben worden. Ueber neuere optiſche Apparate, welche von R. Fueß in Berlin konſtruiert wurden, berichtet Th. Liebiſch!) und beſchreibt dieſelben genauer. Es iſt ein verbeſſertes, nach dem Wollaſtonſchen Syſtem ausgeführtes Kohl— rauſchſches Totalreflektometer und zwei Apparate zum Meſſen der Winkel der optiſchen Achſen. Der eine der letzteren Apparate iſt nach dem Prinzip von W. G. Adams gebaut und ein aufrecht ſtehendes Inſtrument, welches durch weſentliche Vereinfachungen in den mechani— ſchen Teilen und zweckmäßige Anordnung der Linſen vor den früher in dieſer Art konſtruierten Apparaten ſich auszeichnet. Der zweite Apparat ſoll vornehmlich zu genauen Meſſungen des ſcheinbaren Winkels der optiſchen Achſen dienen. Er beſitzt einen horizontalen Teilkreis und eben ſolche Beleuchtungs- und Beobachtungsrohre, eine vertikale Achſe mit einem dem Kryſtallträger an den Gontometern von R. Fueß vollkommen gleich gebildeten Träger für die Kryſtallplatten. Das Beleuchtungsrohr, welches bei Beobachtungen im gewöhnlichen Lichte und im Lichte ein— farbiger Flammen dient, kann jedoch erſetzt werden durch ein aus zwei gegeneinander verſchiebbare Rohre mit zwiſchen⸗ ſtehendem Flintprisma gebildetes Spektroſkop. Hierdurch iſt es möglich, bei der Beobachtung des ſcheinbaren Win— kels der optiſchen Achſen Licht von beſtimmter Wellenlänge, d. h. ſolches für die verſchiedenen Frauenhoferſchen Linien des Spektrums anzuwenden nach der von G. Kirchhoff angegebenen Methode. Als eigentliche Klemm— vorrichtung zum Feſthalten der zu unterſuchenden Kryſtall— platte auf dem Kryſtallträger dient eine ſinnreiche, ein— fache Pincette, welche eine Drehung der Kryſtallplatte in ihrer Ebene ermöglicht. Auch vielfache Angaben bezüglich einzelner optiſcher Beſtimmungsmethoden ſind dem Bedürfniſſe nach ſolchen entſprechend in neuerer Zeit gemacht worden. E. Mollard !) gibt eine Methode an, durch Meſſung und Berechnung im Mikroskope aus dem ſcheinbaren Achſenwinkel den wirklichen Achſenwinkel für eine Subſtanz zu erhalten. E. Bertrand **) macht Mitteilungen über die Unterſcheidung optiſcher Anomalien, wie ſie durch Spannungen infolge von Druck oder dergleichen entſtehen, mit den Erſcheinungen der normalen Doppelbrechung. Michel-Levytz) entwickelt in einer Abhandlung die Methoden zur Beſtimmung der Doppelbrechung von Mineral— ſchnitten, wie dieſelben in den gewöhnlichen Gefteins- *) N. Jahrb. f. Min. 1885. I. S. 175. **) Bullet. Soc. minéral. de France. 1882. V. 77. ) Ebendaſ. +) Bullet. Soc. minéral. de France. 1883. 143. Humboldt. — September 1885. 373 dünnſchliffen vorliegen. Es erfolgt dieſelbe aus der Be— ſtimmung der Farbe, reſp. Lichtintenſität und der Dicke des angewandten Schliffes. Der Verfaſſer gibt zur Be— ſtimmung der Farbe ein eigenes Okular für das Polari— ſationsmikroſkop an, welches im weſentlichen in einem zweiten, ſeitlich angebrachten Polariſationsapparat beſteht. Die Verbindung vermittelſt eines Prismas geſtattet gleich— zeitig durch die beiden Polariſationsmikroſkope zu ſehen. Das Bild des zu unterſuchenden Kryſtallquerſchnittes er⸗ ſcheint dann in Koineidenz mit der Farbe, welche man durch einen Quarzkeil erhält. Durch Verſchieben des letzteren gelingt es leicht, beide Farben identiſch zu machen. Die ermittelte Verſchiebung des Quarzkeiles, welche am Apparat abzuleſen iſt, geſtattet dann in einfacher Weiſe die Berechnung der Doppelbrechung für das Mineral— plättchen. Neue Apparate für Unterricht und Praxis. H. Rohrbecks Trockenapparat für Laboraforien mit Ventilation. Das Trocknen von Niederſchlägen bei erhöhter Temperatur wird durch ungleichmäßige Erwärmung des Trockenxaumes nicht unweſentlich erſchwert. Zur Ab— hilfe dieſes Uebelſtandes gab Profeſſor Lothar Meyer eine zweckmäßige Konſtruktion an, wobei der zu erwärmende Raum bei cylindriſcher Geſtalt der Apparate nicht von unten, ſondern von den Seiten oder oben erhitzt wird, und zwar nicht direkt mit der Flamme, ſondern durch die heißen, in mehreren Abteilungen zirkulierenden Verbrennungs— gaſe. Zur Erzielung möglichſt gleichartiger Temperaturen hat nun H. Rohrbeck unter Beibehaltung eines Mantels zur gleichmäßigen ſeitlichen Erhitzung durch die Verbren— nungsgaſe, im übrigen aber durch Anheizen von unten, ſein Hauptaugenmerk auf die im Innern mit Hilfe der Ventilation hervorgerufenen Luftzirkulation und den damit verbundenen Wärmeaustauſch gerichtet. Bei zweckmäßiger Ventilation der Apparate gelingt es leicht, die Temperatur— differenzen im Innenraum bedeutend herabzumindern oder faſt ganz zu beſeitigen. Demgemäß werden die Trocken— apparate ventiliert, laſſen aber die atmoſphäriſche Luft nicht wie gewöhnlich direkt in den Apparat eintreten, ſondern zuerſt eine Vorwärmekammer paſſieren, aus der ſie in den Trockenraum und beim Austritt aus demſelben in die mit heißen Verbrennungsgaſen angefüllte, ihn umhüllende Luftſchicht gelangt. Die Anordnung des Apparates iſt demnach folgende: Der doppelwandige, mit den nötigen Tuben für Thermo— meter und Regulator verſehene Trockenſchrank wird durch eine gut ſchließende, doppelwandige Thür geſchloſſen, deren auf der ſchrägen Wandung angebrachte Oeffnungen beim Schließen mit am Apparate vorhandenen korreſpondieren und ſo die Zirkulation warmer Luft um alle vier Seiten— wände geſtatten. Der Boden des Innern iſt ſiebartig durchlöchert und kommuniziert nach unten durch eine oder mehrere Oeffnungen mit einer Vorwärmekammer, während einige oben angebrachte Oeffnungen in den Zwiſchenraum Humboldt 1885. der doppelten Wandung münden. Dieſe Vorwärmekammer beſteht aus zwei übereinander liegenden Teilen, durch deren oberen die angewärmte Luft nur hindurchſtrömt, um in den Trockenraum zu gelangen, während ſie ſich beim Paſ— ſieren des unteren niedrigen Teiles auf der von unten direkt erhitzten Bodenplatte ausbreitet und dadurch ſtark anwärmt. Die eine Seite dieſer Kammer ſteht mit der Atmoſphäre in Verbindung, während die andere die Kommunikation mit dem oberen Teile herſtellt. Es iſt zweckmäßig, dieſelbe noch mit einer oder mehreren Querwänden, ähnlich wie bet Feuerungsanlagen, zu durchſetzen, ſo daß die Luft gezwungen iſt, ſchlangenförmig hindurchzugehen. Von fünf Seiten iſt Fig. 2. der Trockenapparat von einem, event. noch mit einer Asbeſt— ſchicht bedeckten Mantel umgeben, deſſen untere Oeffnung der Flamme des Brenners geſtattet, den Boden der Vor— wärmekammer zu beſpülen. Oben hat der Mantel regu— lierbare Oeffnungen, durch welche die von demſelben ein— geſchloſſene Luftſchicht ſchneller oder langſamer um den Trockenraum zirkulieren kann. Wird der Schrank nun von unten her erhitzt, ſo ſtrömt kalte Luft in den unteren Teil der Vorwärmekammer ein, aus der ſie, wie erwähnt, warm in den Trockenraum und durch die oberen Oeffnungen, die ſeitlich unterhalb der beſagten Regulierung münden, in den Zwiſchenraum gelangt. Durch dieſe Anordnung iſt ein Stagnieren der Luft im Apparate, eine weſentliche Urſache zu Temperaturdifferenzen vermieden, indem infolge der Ventilation eine Luftbewegung im Innern und ſomit ein Wärmeaustauſch ſtattfindet, wobei der um den Trocken— raum zirkulierende Luftſtrom, je nach Stellung der Re gulierung, die Ventilation beſchleunigt. Da derartige Apparate infolge ihrer gleichmäßigen 48 374 Humboldt. — September 1885. Temperatur, verbunden mit Ventilation, die Arbeitszeit weſentlich abkürzen und die Anwendung eines Aſpirators beim Trocknen auf wenige Fälle beſchränken dürften, ſo werden fie bet chemiſchen Arbeiten nicht unwillkommene Dienſte leiſten. Die Apparate werden in verſchiedenen Größen von den Herren J. F. Luhme & Co. in Berlin angefertigt. P BWimshurfts Doppel-Influenzmaſchine. Bereits im 3. Jahrgange S. 306 des „Humboldt“ wurde der von James Wimshurſt in London konſtruierten elektroſta⸗ tiſchen Induktionsmaſchine, als eines intereſſanten Vor⸗ leſungsapparates gedacht. Neuerdings hat der Genannte dieſe Maſchine noch bedeutend verbeſ— ſert und geben wir die Beſchreibung und Abbildung die⸗ ſer Modifikation nach Engineering hier wieder. Dieſe Maſchine iſt wahr⸗ ſcheinlich die größte ihrer Art. Sie be⸗ ſteht in der Haupt- ſache aus zwei Glasſcheiben von 213 em Durch⸗ meſſer aus 9,5 mm es durch auswechſelbare Meſſingſtangen verbunden, von denen welche gerade, andere aber gekrümmt ſind, ſo daß man die Stellung der Kämme mit Bezug auf den horizontalen Scheibendurchmeſſer um etwa 200 nun nach oben oder unten verändern kann. Die Entladungsſtangen beſtehen aus Meſſingrohren von etwa 27 mm Durchmeſſer und find an den unteren Enden mit gläſernen Handgriffen, an den oberen Enden aber mit Kugeln von verſchiedenem Durch- meſſer verſehen. Die beiden Scheiben können mittels der unterhalb ge- lagerten, mit einer Kurbel verſehenen Vorgelegwelle in entgegengeſetzte Umdrehung verſetzt werden. Als hauptſäch⸗ liche Vorzüge dieſer Maſchine werden die folgenden Ei⸗ genſchaften ge⸗ rühmt: 1. ihre ſchnelle Selbſter⸗ regung bei faſt je⸗ dem Zuſtande der Atmoſphäre; 2. die Unveränderlichkeit ihrer Pole; 3. die Stärke der Ladung im Verhältnis zur Größe der Glas— ſcheiben und 4. die dickem Glaſe. Jede geringen Herſtel— Scheibe iſt in der Mitte mit einem Loche von 165 mm ; Durchmeſſer ver— i ſehen, mit welchem ſie auf dem einen Ende einer Rotguß— büchſe von 380 mm Länge befeſtigt iſt, während das an⸗ dere Ende dieſer Büchſe eine Schnur⸗ ſcheibe trägt. Dieſe beiden Rotgußbüch— ſen ſind ausgebohrt und mit leichter Reibung auf eine röhrenförmige ei— ſerne Achſe von 75 mm Durchmeſſer geſchoben, ſo daß die Scheiben ſich leicht auf derſelben drehen laſſen. Die Achſe iſt in zwei aus Eichenholz her—⸗ geſtellten Ständern befeſtigt, welche auf einer ſoliden Baſis ſtehen. Die Köpfe dieſer Ständer beſtehen aus maſſiven Rotgußſtücken, welche mit einer Hülſe zur Aufnahme der Ebonitſtangen verſehen ſind, deren Enden die Kollektor— kämme und die gekrümmten Entladungsſtangen tragen. Die hohle eiſerne Achſe ragt beiderſeits aus den Ständern heraus und auf ihren Enden ſind die Neutraliſations— ſtangen befeſtigt, deren Enden mit feinen Drahtpinſeln verſehen ſind. Die Glasſcheiben ſind mit einer alkoholi— ſchen Löſung von Schellack überſtrichen und auf ihren äußeren Flächen ſind radiale Sektoren aus Zinnfolie auf— geklebt, deren Länge 480 mm und mittlere Breite circa 41 mm beträgt. Die Kollektorkämme ſind mit den Entladungsſtangen MN 0 ö lungskoſten. Selbſt in feuch⸗ ter Atmoſphäre und in einer Umgebung N . N [ES \ 0 —— V 2 pe von leitenden Kör—⸗ pern nimmt ſie ihre Ladung noch vor Vollendung einer Umdrehung auf und giebt einen konſtanten Strom von etwa 360 mm langen Funken. Neben der abge- bildeten großen Maſchine iſt im un⸗ gefähren Größen— verhältnis noch ein kleinerer Influenz—⸗ apparat ähnlicher, aber bedeutend ver— einfachter Kon⸗ ſtruktion zu ſehen, welcher an und für ſich zwar nur als ein intereſſantes aber doch auch bei A elektriſches Spielzeug gelten kann, Vorleſungen zu benutzen iſt, um die Leichtigkeit der Elek— trizitätserzeugung nach dieſem Prinzip zu beweiſen. Bei dieſem kleinen Apparat haben die Scheiben etwa 330 mm Durchmeſſer und ſind in ähnlicher Weiſe, wie bei der großen Maſchine mit radialen Sektoren aus Zinnfolie belegt; da— bei ſitzen dieſe Scheiben ebenfalls mit langen Naben auf einer Achſe, auf welcher ſie ſich in entgegengeſetzter Rich— tung einfach mit den Fingern in Umdrehung verſetzen laſſen. Kollektorkämme und Entladungsſtangen ſind gar nicht vorhanden, trotzdem aber tritt bei der Rotation an dieſen beiden Scheiben ein lebhaftes Funkenſprühen ein, ſo daß der ganze Apparat im elektriſchen Lichte ang n Schw. Humboldt. — September 1885. 375 rn O 1d) a u. A. Rauber, Homo sapiens ferus oder die Zu⸗ ſtände der Verwilderten und ihre Bedeutung für Wiſſenſchaft, Volitik und Schule. Leipzig, Denicke. 1885. Preis 3 ./ Dickens ſchildert uns in einem ſeiner unvergleich— lichen Romane die Geſtalt eines Kindes, welches, einjam und verlaſſen in dem Gewühle der Rieſenſtadt aufge— wachſen, in ſeiner körperlichen und geiſtigen Verwahrloſung mit ergreifenden Zügen uns das Schickſal jener Ausge— ſtoßenen vor Augen ſtellt, die ſelbſt in den Centralſtätten der höchſten Civiliſation niemals der Segnungen, ſondern nur des Fluches derſelben teilhaftig werden. Dieſes Kind mit ſeiner ſcheuen Furcht vor jeder menſchlichen Annähe— rung, mit dem ſtumpfen und blöden Ausdrucke ſeines blaſſen Antlitzes, mit ſeiner tieriſchen Freßgier und in der geiſtigen Nacht einer völlig unentwickelten Intelligenz ſtellt gewiſſermaßen ein Ueberbleibſel der unglücklichen Kreaturen dar, von denen uns alte Chroniken berichten, und die man als verwilderte und vertierte Menſchen auf— gefaßt, auch wohl mit dem wiſſenſchaftlichen Namen „homo sapiens ferus“ bezeichnet hat. Was dort die ſchutzloſe Verlaſſenheit in dem Getriebe der achtlos am Elende vorübereilenden Millionen zu ſtande brachte, das erzeugte, wie uns aus alter Zeit mitgeteilt wird, hier der Zufall, dor einzelne Menſchenkinder aus der Gemeinſchaft ihrer Angehörigen herausriß und ſie zwang, Jahre oder Jahrzehnte lang in der Wildnis, in Bergwäldern und Höhlen, den Kampf ums Daſein mit Tieren und den feindlichen Mächten der Natur in völliger Vereinſamung durchzukämpfen. Dieſe „Verwilderten“ ſind es, deren Spuren in verſchollenen Hiſtorien Rauber nachgeht, um der Wiſſenſchaft ein wertvolles anthropologiſches Material wiederzuerobern, welches dieſelbe bis heute faſt gänzlich ablehnend behandelt hat. Gegenüber der abſprechenden Kritik, mit welcher ihrer Zeit Blumenbach und v. Schre— ber die vielfach anekdotenhaften Nachrichten über die Verwilderten abfertigten, ſucht Rauber auf Grund ein— gehender Quellenſtudien den Nachweis zu führen, daß es ſich hier wirklich um Thatſachen handele, denen eine weitreichende Bedeutung für die Geſamtauffaſſung der Menſchennatur zukomme. Selbſtverſtändlich laſſen ſich gegen jene Berichte mannigfache Einwände erheben. Einige derſelben ſind zweifellos mit allerlei phantaſtiſchen Zu— thaten ausgeſchmückt, welche die Einzelheiten nur ſehr be— dingt glaubwürdig erſcheinen laſſen. Faſt niemals it mit einiger Wahrſcheinlichkeit die Dauer der Iſolierung resp. das Alter der Individuen bei Beginn derſelben feſtzuſtellen, und endlich bleibt meiſtens die Frage nach dem pathologiſchen Charakter der „Verwilderten“ völlig offen. Iſt es ſicherlich nur durch ein faſt wunderbares Zuſammentreffen von günſtigen Umſtänden denkbar, daß ein ſehr junges Kind, etwa im Alter bis zu 6—8 Jahren, ſich allein im Walde ſollte am Leben erhalten können, ſo wird man unwillkürlich zu der Annahme gedrängt, daß vielleicht manche der Verwilderten Geiſteskranke, Idioten waren, die ſich im entwickelteren Lebensalter aus der menſch— lichen Gemeinſchaft zufällig oder abſichtlich entfernten und nun in relativ ſehr kurzer Zeit derjenigen pſychiſchen Degeneration anheimfielen, die Rauber als Dementia ex separatione bezeichnet. Das jugendliche Ausſehen vieler dieſer Geſchöpfe würde nicht dagegen ſprechen, da ein Zurückbleiben auf juveniler Entwickelungsſtufe bei ſolchen Individuen bekanntlich ſehr häufig iſt. Dieſer Einwand, der, wie mir ſcheint, um ſo größeres Gewicht hat, als man noch heute hier und da ähnlichen geiſteskranken Ein— ſiedlern begegnet, wenn auch natürlich nicht in fo weit— gehender Verwilderung, wird von Rauber nur ganz flüchtig berührt, obgleich er nicht allein ſchon früher er— hoben wurde, ſondern auch auf allerlei thatſächliche Er— fahrungen ſich ſtützen kann und namentlich den ſehr ver— ſchiedenen Charakter der einzelnen bekannt gewordenen Fälle ſehr gut erklären würde. Gegen dieſe Annahme würde ſich u. a. vielleicht namentlich der Fall Caſpar Hauſer anführen laſſen, der leider von Rauber in ſeiner eingehenden Schilderung der bekannten Fälle gar nicht erwähnt wird, obgleich er als relativ neu und vollſtändig beobachtet, wenn auch nicht ganz rein, doch manche wert— volle Aufſchlüſſe zu liefern geeignet erſcheint. Jedenfalls ſoll zugegeben werden, daß der geltend ge— machte Einwand ſehr wahrſcheinlich nicht überall zutreffend iſt, vor allem aber, daß durch ihn die weiteren Ausführungen Raubers nicht weſentlich alteriert werden. So vorſichtig wir an die Deutung des thatſächlichen Materials im einzelnen herangehen möchten, ſo richtig iſt ſicherlich Raubers hohe Wertſchätzung des menſchlichen Verkehrs für die pſpchiſche Ausbildung des Individuums. Ohne ihn bleibt der Menſch — dieſen Schluß zieht Rauber aus den Berichten über die Verwilderten — ein vernunft- und ſprachloſes, er hätte hinzufügen können, ein unmoraliſches Geſchöpf. Auf— fallend wird es vielleicht manchem erſcheinen, daß Rauber gerade die ſtaatliche Organiſation in ſeiner blumen- und bilderreichen Darſtellung mit einer gewiſſen Begeiſterung als die Grundlage von Vernunft und Sprache verherrlicht, indem er den Staat „biologiſch“ definiert als „die natur- gemäße Vereinigung der Einzelnen zu einem in ſich ge— ſchloſſenen lebensfähigen Organismus, mit der oberſten Aufgabe, den Menſchen aus einem vernunft-, kultur- und ſprachloſen Weſen zu einem Vernunft-, Kultur- und Sprach— weſen zu entwickeln, die Menſchheit zu erzeugen, zu er— halten und weiterzuführen.“ Es muß dahingeſtellt bleiben, ob dieſe Erweiterung des Staatsbegriffes Anerkennung finden wird; er würde ſomit auch denjenigen der Familie in ſich faſſen, deren hohe Bedeutung für die Kulturent— wickelung von Rauber hier nirgends betont wird. Ueber- dies dürfte auch ſchon der menſchliche Verkehr an ſich, ohne Zuſammenſchluß der Einzelnen zu einem ſtaatlichen Organismus, ſehr weſentliche Kulturfortſchritte hervorzu— bringen im ſtande fein. Daß das Gefühl der bedingungs— loſen Abhängigkeit des Einzelnen von der ihn umfaſſenden Gemeinſchaft immer feſtere Wurzeln im Bewußtſein der Maſſen ſchlagen muß, wollen wir indeſſen ebenſo freudig unterſchreiben, wie die bisher nur zu ſehr vernachläſſigte Forderung, daß die Kenntnis der großen Aufgaben des Staates und ſeiner Organiſation endlich auch im Rahmen unſerer Jugendbildung die ihr gebührende Stelle erhalte. Ohne hier weiter auf die Exkurſe Raubers über die philoſophiſche und die urgeſchichtliche Bedeutung der Verwilderten einzugehen, die er einerſeits als beſte Wider— legung der Lehre von den angeborenen Ideen, andererſeits als experimentelle Analoga des vorgeſchichtlichen Menſchen betrachtet, müſſen wir hier vor allem noch der pädagogiſchen Ausführungen gedenken, zu denen ihn die Betrachtung jener Geſchöpfe veranlaßt. Als den Zweck der Erziehung ſieht Rauber die Heranbildung des Menſchen zu einem „Vernunftweſen“ an, weiſt aber gleichzeitig den eudä— moniſtiſchen Standpunkt zurück, obgleich dieſer allein eine wirkliche Begründung des Erziehungszweckes zu geben vermag. Warum ſoll denn der Menſch gerade ein Ver— nunftweſen werden? Warum hat er denn Kulturaufgaben zu löſen u. ſ. f.? Keine Gewalt der Welt würde das Menſchengeſchlecht veranlaſſen können, vorwärts zu ſtreben, wenn nicht eben in dem Fortſchritte ſelbſt jenes höchſte Gut beſchloſſen wäre, welches alle Triebfedern des Menſchen— 376 Humboldt. — September 1885. herzens in Gang ſetzt: die Glückſeligkeit der inneren Be- friedigung. Aus den Erfahrungen der Urgeſchichte leitet Rauber das wichtige Reſultat ab, daß in derſelben Reihenfolge, wie die verſchiedenen Unterrichtsdisciplinen hiſtoriſch entſtanden ſind, ſie auch dem einzelnen Kinde eingeprägt werden müſſen. Gerade die hiſtoriſche Ent⸗ wickelung gibt uns eine Skala für die ſteigende Schwierig— keit der Gegenſtände an die Hand, die wir berückſichtigen müſſen, wo es ſich darum handelt, dem jugendlichen Ver— ſtändniſſe die Errungenſchaften der Jahrtauſende in einer kurzen Spanne Zeit zu übermitteln. Den Anfang bilde daher vor allem der Unterricht in den Handfertigkeiten, in der Anſchauung und Auffaſſung der Dinge, ſowie in der Erlernung und praktiſchen Beherrſchung der Sprache. Erſt in einem ſpäteren Schuljahre ſoll dann das Schreiben und Leſen folgen, ebenſo der Unterricht in der Religion und in der Grammatik. Dieſe ſehr anſprechend durchge— führten und in mehreren Stundenplänen erläuterten Ideen verdienen ohne Zweifel eingehende Berückſichtigung und praktiſche Prüfung, wie ſie für einzelne Punkte namentlich in Skandinavien auch bereits ins Werk geſetzt worden iſt. Mögen die Ausführungen über die „Kulturſchule“ auch mit dem urſprünglichen Ausgangspunkte des Ver— faſſers nur noch in ſehr lockerem Zuſammenhange ſtehen, ſo geben ſie doch einen intereſſanten Beleg dafür, wie weittragend eine naturwiſſenſchaftliche Betrachtungsweiſe ſocialer Probleme und wie fruchtbar ſie ſelbſt für ſchein— bar entlegene Gebiete zu werden vermag. Dresden. Dr. E. Kragepelin. Friedrich Kayſer, Aegypten einſt und jetzt. Mit 85 in den Text gedruckten Holzſchnitten, 15 Voll- bildern, einer Karte und einem Titelbild in Farben— druck. Freiburg im Breisgau, Herder. 1884. Preis 5 KH Im Jahre 1799 fand Kapitän Bouchard bei Roſette eine Tafel, die eine Inſchrift mit Königsnamen in hiero— glyphiſcher und demotiſcher Schrift und in griechiſcher Ueber— ſetzung enthielt. Durch dieſe Tafel war Champollion der Jüngere in den Stand geſetzt, die ägyptiſche Schrift mit der griechiſchen Ueberſetzung zu vergleichen und die einſt ſogar den Griechen und Römern geheimnisvollen Hieroglyphen zu entziffern und zu leſen. Mit der Ent zifferung dieſer geheimnisvollen Schriftzeichen kam auf einmal Leben in die ſteinernen Denkmäler aus einer längſt entſchwundenen Kulturepoche; die Pyramiden und die rieſigen Tempeltrümmer fingen an, Kunde zu geben aus der grauen Vorzeit des Wunderlandes am Nil. Und heute, nach kaum hundert Jahren, ſeit dem Funde der Tafel von Roſette, er— gänzen Forſcher und Gelehrte bereits die Berichte Herodots über die alten Aegypter, ja ſie ſind ſogar in der Lage, manches zu berichtigen, das ſich nach der Auffaſſung jenes alten Hiſtoriographen als irrtümlich oder fehlerhaft erwies. Ein nicht geringes Verdienſt um die Verbreitung der Kenntnis des alten Aegypten und ſeines Volkes haben ſich die deut— ſchen Gelehrten Athanaſius Kirchner, Ebers und Brugſch neben dem Engländer Mr. Smyth und den Franzoſen Perrot und Chiping erworben. Auch der Verfaſſer des vorliegenden Werkes erweift ſich in ſeiner Arbeit als ein in der Geſchichte und Kultur des Nillandes gewiegter und erfahrener Kenner. Dies zeigt ſich nicht nur in der glücklichen Auswahl aus dem großen vorhan— denen Materiale, ſondern auch in der Sichtung und kritiſchen Behandlung. So entbehrt ſein Werk ebenſowenig der wiſſenſchaftlichen Baſis wie einer anmutenden Darſtellung und ſachgemäßen populären Behandlung. Den Löwenanteil des Buches nehmen die Kapitel über die Religion der alten Aegypter in Anſpruch. Mit großer Vorliebe verweilt der Verfaſſer bei dieſem intereſſanten Thema und iſt die Beweis— führung“ gerade über den monotheiſtiſchen Charakter der— ſelben eine durchaus gewandte und glückliche. Während dieſer Abſchnitt, wie geſagt, eine ſehr eingehende Behand— lung erfährt, bleibt die über das Nilland ſelbſt und ſeine älteſte Kultur mehr, wie es der Sache angemeſſen ſchien eine allgemeine und überſichtliche. Dies gilt zu unſerem Bedauern auch von den Kapiteln über altägyptiſche Kunſt, obwohl auch darin viele neue Anſichten hervortreten. Der dritte Teil, „Das heutige Aegypten“, ſchildert die Gründung der islamitiſchen Herrſchaft am Nil, den Verfall der alten Kunſt und Kultur und die traurigen Folgen des moham— medaniſchen Regimes für Land und Volk. Der Verfaſſer ſchöpft hier vielfältig aus der eigenen Anſchauung, da er das Land längere Zeit bereiſte, und trägt die Darſtellung eine dementſprechende Färbung. Wenn er bei dem ſich allenthalben dem Auge darbietenden Elende, dem Verfalle aller Kunſt und der Abneigung der Islamiten vor der abendländiſchen Kultur zu dem Ausſpruche kommt, daß die Wiederaufrichtung Aegyptens nur mit der Ausrottung des Islam zuſammenhängen könne, ſo klingt dieſer Ausſpruch zwar hart, erſcheint aber nach der Lage der Dinge gerecht⸗ fertigt. Frankfurt a. M. Dr. F. Höfler. Otto Stoll, Zur Ethnographie der Republik Guatemala. Mit einer ethnographiſchen Karte von Guatemala. Zürich, Orell Füßli u. Comp. 1884. Preis 6 M In unſerer Zeit, wo die unziviliſierten Stämme im, Kampfe mit der Kultur fo raſch verſchwinden oder ent= nationaliſiert werden, iſt jeder Verſuch, ſoviel wie möglich vor ihren Eigentümlichkeiten und namentlich ihrer Sprache für die Wiſſenſchaft zu retten, mit Freuden zu begrüßen, um ſo mehr, wenn es ſich um ein verhältnismäßig ſchwer zugängliches Gebiet handelt, wie das Innere von Guatemala. Der Verfaſſer hat als Arzt mehrere Jahre dort zugebracht, und es iſt ihm gelungen, von den achtzehn mehr oder minder ſelbſtändigen Sprachen, welche in dieſem relativ kleinen Raum geſprochen werden, zehn ſelber kennen zu lernen und ausreichendes Material der— ſelben aus dem Munde von noch nicht ganz hispaniſierten Indianern zu ſammeln. Klimatiſche Fieber haben es ihm unmöglich gemacht, auch noch die Gebiete der anderen Sprachſtämme zu beſuchen, und ihn gezwungen, vorläufig nach der Heimat zurückzukehren: doch hofft er bald ſeine Forſchungen wieder aufzunehmen. Das vorliegende Werk iſt ſomit nur als vorläufige Mitteilung anzuſehen, der Monographien über verſchiedene, genauer ſtudierte Sprach— ſtämme und eine ausführliche Reiſebeſchreibung folgen werden. Von den achtzehn noch exiſtierenden Sprachen gehören vierzehn der Maya-Qu'iche -Gruppe an. Außerdem ſind noch repräſentiert: 1) Der aztekiſche Stamm durch die Pipiles, deren Verwandtſchaft mit den Azteken ſchon den Konquiſtadoren auffiel; ſie erklärten dieſe Erſcheinung durch eine Einwan⸗ derung auf Befehl des Königs Ahuitzotl (1486 1503), der auf dieſe Weiſe hatte feſten Fuß faſſen wollen. Die zahlreiche Bevölkerung kann aber unmöglich ſich in ſo kurzer Zeit entwickelt haben und auch die Eigentümlich— keiten der Sprache deuten auf viel frühere Abtrennung vom Hauptſtamm. 2) Der Mije-Stamm, repräſentiert durch die Pupuluka, deren Namen im Aztekiſchen Fremdlinge bedeutet; Stoll hat ſie nicht perſönlich kennen gelernt; 3) Der karaibiſche Stamm, Reſte der Bewohner von St. Vincent, welche die Engländer 1796 nach Ruatan überſiedelten und welche ſich von da nach der Küſte ver— breitet haben; ſie ſind ſämtlich mit Negerblut gemiſcht, ſogenannte ſchwarze Karaiben. Die Maya-Stämme ſind die eigentlichen Ureinwohner von Guatemala, über deren Ein— wanderung nicht einmal Sagen exiſtieren; von ihnen gibt der Autor ein ausgedehntes vergleichendes Vokabular und beſpricht dann die einzelnen Dialekte; die Entwickelung der— ſelben von dem älteſten, unbekannten Urſtamm wird graphiſch dargeſtellt; die Differenzierung derſelben iſt aber ſo weit vorgeſchritten, daß ſie ſämtlich als ſelbſtändige Sprachen angeſehen werden müſſen. Die intereſſanten Bemerkungen über die Verwandtſchaft der einzelnen Stämme bitten wir im Werkchen ſelbſt nachzuleſen. Schwanheim a. M. Dr. W. Kobelt. Humboldt. — September [885. 377 Bibliographie. Bericht vom Monat Juli 1888. Allgemeines. Viographieen. Harnack, A., Naturforschung 100 Naturphiloſophie. Vortrag. Leipzig, B. G. Teubner. : Naturforſcher, der. Wochenblatt zur Verbreitung der Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Herausg. von W. Sklarek. 18. Jahrg. 1885. Nr. 27. Berlin, Fr. Dümmler's Verlagsbuchh. Viertelj. M. 4. Netoliczka, A. E., Naturlehre. 14. Aufl. Wien, A. Pichler's Wwe. & Sohn. M. —. 80, geb. M. — 5 Rothe, K., Naturgeſchichte. 2. und 3. Stufe. Wien, A. Pichler's Wwe. Stufe 10. Aufl. M. 1. 20. 3. Stufe & Sohn. M. 2. 60. 2. 5. Aufl. M. 1. 40. Schindler, 00 Phyſik und Chemie für Bürgerſchulen. 1. und 2. Stufe. Leipzig, G. Freytag. a M. —. 80, Einband a M. —. 20. Sitzungsberichte der kaiſerlichen Akademie der Wiſſenſchaften. Mathem.⸗ naturwiſſenſchaftl. Claſſe. Wien, C. Gerold's Sohn. 2. Abth. Enth. die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mathematik, Phyſik, Chemie, Mechanik, Meteorologie und Aſtronomie. 91. Bd. 1. und 2. Heft. M. 5. 50. 3. Abth. Enth. die Abhandlungen aus dem Gebiete der Phyſiologie, Anatomie und theoretiſchen Medicin. 90. Bd. 3.—5. Heft. M. 5. Umſchau, naturwiſſenſchaftlich⸗techniſche, Illuſtr. populäre Halbmonat— ſchrift über die Fortſchritte auf den Gebieten der angewandten Natur- wiſſenſchaft und techniſchen Praxis. Herausg. von Th. Schwartze. 1. Jahrgang 1885. 13. Heft. Jena, F. Mauke's Verlag. Viertelj. 3 Verhandlungen der k. k. zoologiſch-botaniſchen Geſellſchaft in Wien. Jahrgang 1884. 34. Bd. 2. Halbjahr. Leipzig, F. A. Brockhaus' Sort. M. 12, eplt. M. 20. Verhandlungen des naturhiſtoriſch-mediziniſchen Vereins in Heidelberg. Neue Folge. 2. Bd. 4. Heft. Heidelberg, C. Winter's Univerſitäts⸗ buchhandlung. M. 5. Vierteljahrsſchrift der naturforſchenden i in Zürich. Redakt. B. Wolf. 30. Jahrg. Zürich, S. Höhr. 1. Heft pro cplt. M. 3. 60. Zacharias, O., Ueber gelöſte und ungelöſte Probleme der Naturforſchung. Leipzig, D Denicke's Verlag. M. 4. DWhvyfik, Phyſiſaliſche Geographie, Meteorologie. Albrecht, G., Geſchichte der Elektricität mit Berückſichtigung ihrer An⸗ wendungen. Wien, A. Hartleben's Verlag. M. 3, geb. M. 4. Frieſenhof, Frh. G., Wetterlehre oder praltiſche Meteorologie. 2. Aufl. 3. (Schluß⸗ Lieferung. Wien, W. Frick. M. 2. 40. Hoffmann, R., Leitfaden und Repetitorium der Phyſik zum Gebrauch beim Unterricht an höheren Schulen. Plauen, F. E. Neupert. M. 3, geb. M. 3. 60. Kittler, E., Handbuch der Elektrotechnik. 1. Bd. 1. Hälfte. F. Enke. M. 9 e Aſtronomie. Arbeiten, aſtronomiſch-geodätiſche, in den Jahren 1883 und 1884. Publication des königl. preußiſchen geodätiſchen Inſtitutes. Berlin, Friedberg & Mode. M. 13. 50. Forſter, A., Studien zur Entwicklungsgeſchichte des Sonnenſyſtems. Stuttgart, J. B. Metzler'ſche Buchhandlung. M. 2. 60. Hermes, O., Elemente der Aſtronomie und maibematiſchen Geographie. 3. Aufl. Berlin, Winckelmann & Söhne. M. 1. 20. Klee, F., Unſer Sonnenſyſtem. 2., mit einem Nachtrage verſehene Aufl. Mainz, F. Frey. M. 1. 75. Nachtrag apart M. —. 30. Lerſch, B. M., Ueber die ſymmetriſchen Verhältniſſe des Planetenſyſtems. 2. Aufl. Köln, E. H. Mayer. M. 1. 60. Stern⸗Ephemeriden für das Jahr 1887. Berlin, F. Dümmler's Ver⸗ lagsbuchhandlung. M. 6. Chemie. Beilſtein, F., Handbuch der organiſchen Chemie. 2. Aufl. Hamburg, L. Voß. M. 1. 80. Bernthſen, A., Studien in der Methylenblaugruppe. Winter's Univerſitäts buchhandlung. M. 4. 40. Elsner, F., Die Praxis des Nahrungs mittel, Chemikers. 3. Lieferung. Hamburg, L. Voß. M. 1. 25. Fortſchritte, die, der Chemie. Nr. 6. 188485. Köln, M. 3. 60. Jacobſen, E., chemiſch⸗techniſches Repertorium. Ueberſichtlich geordnete Mittheilungen der neueſten Erfindungen, Fortſchritte und Verbeſſe— rungen auf dem Gebiete der techniſchen und induſtriellen Chemie, mit Hinweis auf Maſchinen, Apparate und Literatur. 1884. 2. Halbj. 1. Hälfte. Berlin, R. Gaertner's Verlag. M. 2. 80. 7. Lieferung. Heidelberg, C. 3. Auflage. E. H. Mayer. Mineralogie, Geologie, Geognoſte, Valäontologie. Eneyklopädie der Naturwiſſenſchaften. Handwörterbuch der Mineralogie, Geologie und Paläontologie. 10. Lieferung. Breslau, E. Trewendt. Subſcript.⸗Preis M 3. R die, der Urgeſchichte. Nr. 9. 1883/84. Köln, E. H. Mayer. 2 2. Abtheilung. 30. Lieferung. . der k. k. geologiſchen Reichsanſtalt. 35. Bd. Jahrgang 1885. 4 Hefte.) Wien, A. Hölder. 1. Heft pro eplt. M. 16. Jahecbuch neues, für Mineralogie, Geologie und Paläontologie, herausg. von M. Bauer, W. Dames und Th. Liebiſch. Jahrg. 1885. 2. Bd. (3 Hefte.) Stuttgart, E. Schweizerbarth'ſche Verlagsbuchhandlung. 1. Heft pro cplt, M. 20. Quenſtedt, F. A., Die Ammoniten des ſchwäbiſchen Jura. 6. und 7. Liefg. mit Atlas. Stuttgart, E. Schweizerbarth'ſche Verlagsbuchh. M. 20. Quenſtedt, F. A., Handbuch der ndl 3. Aufl. Tübingen, H. Laupp' ſche Buchhandlung. M. Richthofen, F. Frh. v., Atlas von China. Orographiſch und geolog. Karten 15 des Verfaſſers Werk: China. 1. Abth. Das nördl. China. 2. Hälfte. Tafel XIII—XXVI. Chromolith. Berlin, D. Reimer. 1. Abth. cplt. M. 52, geb. M. 60. Specialkarte, geologiſche, des Königreichs Sachſen. Herausgegeben vom k. Finanzminiſterium unter Leitung von H. Credner. Section 124. Planitz-Ebersbrunn. Chromolith. Mit Text. Leipzig, W. Engel⸗ mann. M. 3. Zeitſchrift für Kryſtallographie und Mineralogie, herausg. von P. Groth. 10. Bd. 4. Heft. Leipzig, W. Engelmann. M. 6. 23. Liefg Botanik. Abromeit, J., Berichtigung des Sanio'ſchen Aufſatzes über die Zahlen verhältniſſe der Flora Preußens. Königsberg, Koch & Reimer. M. 1. Bericht über die 22. Verſammlung des preußiſchen botaniſchen Vereins. zu Marienburg in Weſtpreußen am 9. Oktober 1883. Königsberg, Koch & Reimer. M. 2. 50. Cremli, A., Excurſionsflora für die Schweiz. Methode bearbeitet. 5. Aufl. Aarau, geb. M. 5. 10. Nach der analytiſchen J. J. Chriſten. M. 4. 50, Dietrich's, D., Forſt⸗Flora. 6. Aufl. Von F. v. Thümen. 16. Lieferung. Dresden, W. Baenſch. a M. 1. 50. Förſter's, C. F., Handbuch der Cacteenkunde in ihrem ganzen Umfange. 15. und Bearbeitet von Th. Rümpler. 2. Aufl. 8. und 9. Lieferung. Leipzig, J. T. Willer. a M. 2. 590 F A. Ritter v., Die Wachsthumsgeſetze des Waldes. Wien, Frick. M. 4. Jahrbücher für wiſſenſchaftliche Botanik. 16. Bd. 1. und 2. Heft. Berlin, Gebr. Borntraeger. M. 20. Jahresbericht, botaniſcher. Syſtematiſch geordnetes Repertorium der botan. Litteratur aller Länder. Herausq. von L. Juſt. 10. Jahrg. 1882. 2. Abth. 1. Heft. Berlin, Gebr. Borntraeger. M. 15. Lange, J., Ueber die Entwicklung der Oelbehälter in den Früchten der Umbeliiferen Ronigaberg, Koch & Reimer. M. 1. Rabenhorſt's 5 Kryptogamen-Flora von Deutſchland, Oeſtreich und der Schweiz. 2. Aufl. Leipzig, E. Kummer. I. Bd. 2. Abtheilung. Pilze von G. Winter. 19. Lieferung. M. 2. 40. IV. Bd. Die Laub⸗ mooſe von G. Limpricht. 1. Lieferung. M. 2. 40. Voß, W., Verſuch einer Geſchichte der Botanik in Krain (1754-1883). 2. Hälfte. Laibach, J. v. Kleinmayr & F. Bamberg. M. 1. 20 Herausg. von N. Pringsheim. Zoologie, Phyſtologie, Entwickelungsgeſchichte, Anthropologie. Adolph, E., Die Dipterenflügel, ihr Schema und ihre Ableitung. Leipzig, W. Engelmann. M. 5. 5 Hamann, O., Beiträge zur Hiſtologie der Echinodermen. 2. Heft. Die 1 0 anatomiſch und hiſtologiſch unterſucht. Jena, G. Fiſcher. M. Heck, L., Die Hauptgruppen des Thierſyſtems bei Ariſtoteles und ſeinen Nachfolgern, ein Beitrag zur Geſchichte der 80 en Syſtematik Berlin, Roßberg'ſche Buchhandlung. M. 1. Jahrbuch, morphologiſches. Eine Zeitſchrift für Anatomie und Ent— wickelungsgeſchichte. Herausg, von C. Gegenbaur. 11. Bd. 1. Heft. Leipzig, W. Engelmann. M. 12. Kosmos, Zeitſchrift für die gejaminte Entwicklungslehre. B. Vetter. Jahrg. 1885. 2. Bd. 1. Heft. Stuttgart, E. Schweizer⸗ barth'ſche Verlagsbuchhandlung. Halbjährl. M. 12. Krukenberg, C. F. W., Vergleichend-phyſiolog. Vorträge. IV. Grund⸗ züge einer Mgleich nden Phyſiologie der thieriſchen Gerüſtſubſtanz. Heidelberg, C. Winter's Univerſitätsbuchhandlung. M. 2. 80. Kükendahl, W, Die e Technik im zoologijden Praktitum. Jena, G. Fiſcher. M. —. Meyer, A. B., Abbildungen von Vogel- Skeletten. 8. und 9. Lieferung. Berlin, R. Friedländer & Sohn. Subſeript.-Pr. M. 30, Ladenpr. M. 40. Schmiedeknecht, H. L. 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E. 378 Humboldt. — September 1885. Geographie, Ethnographie, Beifewerke. Baſtian, A,, Indoneſien oder die Inſeln des malapyiſchen Archipels. 2. Liefg. Timor und umliegende Inſeln. Berlin, F. Dümmler's Verlagshandlung. M. 6. Baur, C. F., neue Karte von Europa, dem Mittelländiſchen Meere, Nord-Afrika, Egypten, Syrien, Kleinaſien und dem Schwarzen Meer. 1. 3,000,000. 6 Blatt. Chromolith. Stuttgart, J. Maier. M. 8. Jaenicke, H., Lehrbuch der Geographie für höhere Lehranſtalten. 3 Th. Breslau, F. Hirt. M. 1. 25. Kuznik, Th., Kleine Erdbeſchreibung. 11. Aufl. Breslau, Maruſchke & Berendt. M. —. 30, kart. M. —. 40. 1 1 E., 90 Handweiſer. 2. Aufl. Stuttgart, Levy & Müller. Seyblitz, E. 5 Geographie. Ausgabe A. Grund⸗ züge der Geographie. 20. Bearbeitung von E. Oehlmann. M. —. 75. Ausgabe B. Kleine Schulgeographie. 20. Bearbeitung von Simon und E. Oehlmann. M. 2 Zaffauk Edler v. Orion, J., Die Erdrinde und ihre Formen. Gin geographiſches Nachſchlagebuch in lexikal. Anordnung nebſt einem Theſauraus in 37 Sprachen. Wien, A. Hartleben's Vrlg. Geb. M. 3. 25. Breslau, F. Hirt. Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat Juli 1885. Der Monat Juli iſt charakteriſiert durch im all⸗ gemeinen trockenes Wetter mit wechſelnder Bewölkung und vorwiegend weſtlichen und nordweſtlichen Winden. Die Temperatur war in der erſten Dekade nahezu normal, in der zweiten lag ſie über, in der dritten unter dem Normalwerte. Regenfälle waren meiſt lokal und dann ſtellenweiſe in erheblicher Menge. Die Gewitter beſchränkten ſich auf die beiden erſten Dekaden, namentlich waren ſie zahlreich in der Epoche vom 11. bis zum 16. Ein barometriſches Maximum von über 765 mm breitete ſich in den erſten Tagen des Monats von Weſt— europa nach Nordoſten aus und ging in ein umfangreiches Gebiet hohen Luftdrucks über, welches etwa bis zum 7. Beſtand hatte, ſo daß die Luftbewegung allenthalben ſchwach und aus veränderlicher Richtung war und lokale Erſchei— nungen im Witterungscharakter eine hervorragende Rolle ſpielten. Trotz des hohen Luftdruckes waren Gewitter und Regenfälle nicht ſelten. Hervorzuheben ſind die außer— ordentlich großen Regenmengen vom 1. auf den 2. in Süddeutſchland, wo die Tagesmengen in Altkirch 20, in Karlsruhe 28, in Friedrichshafen 49, in München ſogar 98 mm betrugen. Ebenſo gingen am 4. und 5. auf dem— ſelben Gebiete ſehr beträchtliche Regenmengen nieder, wäh— rend der Norden größtenteils trocken blieb. Aus Ems wird vom 5. Juli gemeldet: „Ein wolkenbruchartiger Regen ſtürzte ununterbrochen länger als 24 Stunden hernieder, und unendliche Waſſermaſſen ſauſen von den Bergen zu Thal. Geröll, Balken, Heu, alles wird wirbelnd hinab zur Lahn geriſſen, deren ſchmutziggelben Fluten von Minute zu Minute höher anſchwellen.“ Veranlaſſung zu dieſer Er— ſcheinung war eine Depreſſion, welche an dieſem Tage von Centralfrankreich kommend, über Centraldeutſchland und Oeſterreich fortſchritt. Am 7. trat eine intenſive Depreſſion nordweſtlich von Schottland auf, welche über den britiſchen Inſeln trübes Wetter mit Regenfällen und ſtark auffriſchenden ſüdweſtlichen Winden verurſachte, aber auf die Witterung Centraleuropas kaum einen Einfluß äußerte, wo bei hohem Luftdruck die Luftbewegung ſchwach und das Wetter warm, trocken und heiter war. Indeſſen fielen im ſüdöſtlichen Europa, wo vom 6. bis zum 10. beſtändig flache, umfang— reiche Depreſſionen lagerten, erhebliche Regenmengen. So wurde aus Krakau unter dem 8. Juli gemeldet: „Infolge eines heute Nacht niedergegangenen wolkenbruchartigen Regens ſind die Flüſſe Rabba, Dunayee und Weichſel drohend angeſchwollen. Der Stand der Weichſel bei Krakau iſt gefahrdrohend. Die Flüſſe Rabba und Skawa haben mehrere Brücken, darunter einige der Transverſalbahn, be- ſchädigt.“ Am 9. betrug die Tagesſumme des Regens 43 mm. In der ganzen zweiten Dekade war die Luftdruckver— teilung über Mittel- und Südeuropa regelmäßig, und die Barometerſtände entfernten ſich bei geringen Schwankun— gen nicht weit von den Mittelwerten, das Wetter vor— wiegend heiter bei ſchwacher Luftbewegung. Indeſſen wurde der ruhige Witterungscharakter häufiger durch Gewitter— erſcheinungen und Regenfälle unterbrochen: hervorzuheben iſt die Epoche vom 11. bis 16., in welcher in ganz Deutſch— land zahlreiche Gewitter niedergingen, die namentlich am 13. und 14. von ſtarken Regenfällen begleitet waren; am 13. fielen in Memel 20, in Swinemünde 24, in Karls— ruhe 30 mm, am 14. in Karlsruhe 35, in Chemnitz 26 (in 15 Minuten 25) mm Regen. Auch am 18. kamen im ſüdweſtlichen Deutſchland beträchtliche Regenmengen vor (Karlsruhe 43 mm). Die Temperatur lag zu Anfang der zweiten Dekade allenthalben über dem Normalwerte und erreichte in den Nachmittagsſtunden, insbeſondere in den öſtlichen Gebietsteilen, ungewöhnlich hohe Werte, indeſſen breitete ſich die Abkühlung, welche ſich am 11. zuerſt über Nordweſteuropa zeigte, langſam weiter oſtwärts aus, ſo daß am 17. die Morgentemperaturen in Deutſchland durch— ſchnittlich etwas unter den Normalwerten lagen. In der dritten Dekade lagerte beſtändig hoher Luft— druck von über 770 mm über Nordweſteuropa, während die Depreſſionen über Oſteuropa fortſchritten. Infolge dieſer Luftdruckverteilung waren über Centraleuropa nord— weſtliche Winde vorwiegend, welche bei wolkiger, aber ſonſt trockener Witterung die Temperatur herabdrückten und bis zum Monatsſchluſſe unter dem Normalwerte erhielten. Ausgebreitete und erhebliche Abkühlung erfolgte am 22., insbeſondere zwiſchen Bayern und Schleſien, wo unter dem Einfluſſe eines friſchen nordweſtlichen Luftſtromes die Morgentemperaturen bis zu 8° herabgingen; im mittleren Deutſchland lagen die Temperaturen an dieſem Tage bis zu 6° unter den Mittelwerten. Ausgedehntere Gewitter kamen in dieſer Dekade nicht vor. Hamburg. Dr. J. van Bebber. Humboldt. — September 1885. 379 Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im September 1885. (Mittlere Berliner Zeit.) 1 € 1110 „ Tauri Ibu m F. h. 2 / und 9“ Tauri1 10 46™ P. H. B40 1391 12 13% P. H. ( 85 Tauri 14 14% E. h. 7 & Tauri] 1 0 1 4 12 94m J. 10 5 247 10 6.7 14 0 1 2 1086 U Cephei 13 7™ E. h.) BAC 1728 2 135 32m A. d. 6 3 928 U Corone 1171 U Ophiuchi 1734 E. h. | 20 Gemin. 3 4 782 U Ophiuchi HS SEC GD Merkur kommt am 2. in ſeine 4 6 1426 Algol untere Konjunktion mit der Sonne 6 7 1082 U Cephei und am 18. in ſeine größte weſtliche 7 9 9 1850 a 0 inen 1154 Aleol Ausweichung. Um dieſe letztere Zeit 9 10 ahs U Shas 5 8 iſt er bei ſehr klarer Luft am Oſt-10 12 99 U Cephei himmel etwa 11/1 Stunde vor Son: |12 14 88 U Ophiuchi nenaufgang nahe am Horizont mit 14 17 > 925 U Cephei freiem Auge erkennbar. Venus tritt 17 19 956 U Ophiuchi| 8"59™ E. d.) c'Caprie.|10" 28™ F. J. (c Capric. als Abendſtern ſchon etwas auffälliger 19 10% 1 A. h. F 6.7 11 4 In f. h.) 5.6 | als bisher hervor; jie geht anfangs 20 eer 5 um 73/4, zuletzt um 6⅝ Uhr unter. 20 21 115 2 11 oT Mars durchwandert das Sternbild 21 1 6.7 des Krebſes. In der Nacht vom 25. 22 912 U Cephei auf 26. ſteht er in dem Stern- 22 23 8 haufen dieſes Sternbildes, der Krippe 23 24 200% 485 103 U Ophiuchi oder Præesepe. Sein Aufgang erfolgt 24 25 gh Om g. h. ( Pc. Mars in der Krippe den ganzen Monat über zwiſchen 1/21 jos 10h Im f. d. 5 und 1 Uhr morgens. Jupiter kommt 27 1879 Algo! 1185 am 8. in Konjunktion mit der Sonne Be a Jephei N 5 BAe 28 10% 47 f. b. (48 Taori19* 39 E. h.) J Tari 17 34" F. I.] b lui und taucht ſchon am Ende des Mo⸗ 28 11» 332.0. 6 13 3 m A. d.) 4 187 42 f. af. 6 nats wieder aus den Sonnenſtrahlen 29 1151 U Ophiuchiſ1321 Algol 15 75% E. ae Tauri auf. Am 30. geht er um 4½ Uhr 29 50 112 0 0 e 17 13% A. d. 5.6 [morgens auf. Die Verfinſterungen 80 2 2 Ee ſeiner Satelliten und deren Schatten: |? vorübergänge vor der Jupiterſcheibe ſind aber noch nicht zu beobachten. Saturn in den Zwillingen geht anfangs kurz vor Mitternacht, zuletzt bald nach 10 Uhr auf. Uranus kommt am 25. in Konjunktion mit der Sonne. Neptun iſt langſam rückläufig im Sternbild des Stiers. ; Algol läßt fic) dreimal im kleinſten Lichte gut beobachten; für A Tauri ift nur eine Gelegenheit vorhanden. Von S Cancri fällt kein Minimum auf eine günſtige Morgenſtunde. Das Minimum von U Corone am 3. iſt das einzige, genügend ſicher zu beſtimmende. Von U Cephei find nur die Minima im Anfang des Monats zur Beob— achtung auch des abnehmenden Lichtes günſtig. Gelegenheiten zur vollſtändigen Beobachtung des kleinſten Lichtes von U Ophiuchi ſind nur noch wenige vorhanden. Am 8. findet eine nur auf dem Stillen Ocean und vom Feſtland aus nur auf Neuſeeland ſichtbare totale Sonnenfinſternis ſtatt. Partial erſcheint ſie im Oſten von Auſtralien und im ſüdlichen Teil von Südamerika. Am 23. d. h. am Morgen des 24. bürgerlichen Datums findet eine nur für den weſtlichſten Teil von Europa teilweiſe ſichtbare partiale Mondfinſternis ſtatt. Der Mond tritt in den Halbſchatten der Erde um 5˙ 35m morgens und in den Kernſchatten um 7 S. Sein Untergang erfolgt aber ſchon um 6 Uhr. Dorpat. Dr. E. Hartwig. Weite Qe th tet Pui Gea. Eierlegende Säugetiere. Eine wiſſenſchaftliche Neuig— Die Entdeckung, durch welche die Gelehrten jenſeits keit von ſo großer Bedeutung, daß man ſie für würdig | des Kanals jo ungemein aufgeregt worden find, und welche achtete, durch das unterſeeiſche Kabel befördert zu werden, | wohl geeignet ſein dürfte, in die gegenwärtige Klaſſifikation ijt vor kurzem durch den Prof. Ziverſidge zu Sydney der Säugetiere einige Modifikationen zu veranlaſſen, be— auf Neuholland der „Geſellſchaft der Naturwiſſenſchaften ruht darauf, daß ihr Urheber, Herr Caldwell, ein Schüler in England“ mitgeteilt worden. Alle Freunde eines ſteti— des bekannten Embryologen Balfour, nach einer langen gen geſunden Fortſchritts der Wiſſenſchaft im allgemeinen Reihe von Beobachtungen endlich hat konſtatieren können, ſowie insbeſondere der Entwickelungsgeſchichte werden dieſe daß die Schnabeltiere (Monotremen) in der That Nachricht mit Freuden begrüßen. Eier legen, daß ihre ganze Entwickelung derjenigen der 380 Humboldt. — September 1885. Vögel und Reptilien gleicht, und daß ſie dadurch den letz⸗ teren Klaſſen näher ſtehen als den Säugetieren. In allen unſeren zoologiſchen Lehrbüchern leſen wir heute noch: „Die Säugetiere ſind Wirbeltiere, behaart, lebendig gebärend und mit Zitzen tragenden Brüſten ver⸗ ſehen,“ und wenn in dieſer Erklärung namentlich die Cigen- ſchaft, Junge zu gebären, als das wichtigſte Cha— rakteriſtikum der Säugetiere hervorgehoben wird, ſo ſtan— den ſeither auch alle über die verſchiedenen und bis jetzt bekannten Arten dieſer Klaſſe gemachten Studien in voller Uebereinſtimmung. Indeſſen ſind die Forſcher noch weit davon entfernt, bis heute ſchon die fremde Gruppe der Säugetiere, welche vorzugsweiſe Auſtralien und die um⸗ liegenden Inſeln bevölkern, genau erforſcht zu haben. Herr Caldwell reiſte deshalb nach dieſen Ländern in der Ab⸗ ſicht, an Ort und Stelle über die Schnabel⸗ und Beu⸗ teltiere Ergänzungsſtudien zu machen. Bald haben auch ſeine Unterſuchungen Reſultate von ſolcher Wichtigkeit er- geben, daß er es für nötig hielt, Europa ungeſäumt von denſelben in Kenntnis zu ſetzen. Durch einen beſonderen Zufall traf dieſe Nachricht ge— rade in dem Augenblick in London ein, als ein anderer hochverdienter Gelehrter, Herr Rich. Owen, die Crgeb- niſſe ſeiner letzten Unterſuchungen über „das Eierlegen der Schnabeltiere“ der Preſſe übergab. Aus dieſer Denkſchrift geht hervor, daß auch Herr Owen in Ueber⸗ einſtimmung mit Herrn Caldwell das ECierlegen dieſer Tiere beſtätigt und nachweiſt, daß die beiden Geſchlechter der Waſſer- und Landſchnabeltiere (Ornithochyn- chus und Echidna) für ſich allein die kleine bisher zu den Säugetieren gerechnete Gruppe bilden, die wirkliche Eier legen, wie die Vögel und Reptilien. Die durch Hrn. Owen an dem aus Auſtralien ihm eingeſendeten Material gemachten Beobachtungen ſowohl als auch die an Ort und Stelle durch Herrn Caldwell gemachten laſſen uns erkennen, daß das Ei der Schnabel— tiere in einem Entwickelungsſtadium, welches dem eines Küchleins von 30 Stunden entſpricht, gelegt und ſodann in einer Taſche ausgebrütet wird, die ſich vorn am Unter⸗ leibe des Muttertieres befindet. Dieſe Taſche wird durch eine Hautfalte gebildet, welche durchaus nicht mit dem inneren Organismus des Weibchens in direkter Verbindung ſteht; fie mißt bei der Echidna histrix nur 1 Zoll 10 Lin. in die Länge und kann demnach nur den Kopf und die vorderen Glieder des jungen Tierchens umfaſſen, während der Reſt durch die Haarbedeckung und den unteren Teil des mütterlichen Leibes bedeckt und geſchützt wird. Das Ei beſteht nach Hrn. Caldwells Angaben wie bei den Reptilien aus einer außerordentlich großen Dotter- maſſe und das Ganze iſt von einer weißen, ſtarken, bieg- ſamen Schale von ¼ Zoll Länge und 7/2 Zoll Breite um⸗ geben. Das Waſſerſchnabeltier legt 2 Eier, während das Landſchnabeltier nur ein einziges legt. „Man weiß,“ ſagt Hr. Halpérine in der Nature, „daß die Schnabeltiere hinſichtlich der allgemeinen Bildung ihres Skeletts, ihrer Bruſtdrüſen (doch ohne Zitzen), ihres behaarten Felles ꝛc. als Säugetiere betrachtet werden; zu— gleich aber beſitzen ſie auch charakteriſtiſche Merkmale der Vögel und Reptilien, wie die eine Kloake, das mit dem Schulterblatt verwachſene und mit dem Sternum verbun⸗ dene Coracoid, ganz ähnlich dem der Vögel. Außerdem beſitzen ſie, wie dieſe letzteren, ein beſonderes Gehörlabyrinth ohne äußeres Ohr, durch eine Nilkhaut geſchützte Augen, zahnloſe und in einen Schnabel umgebildete Kiefer, ein ebenes, nur rudimentäre Schwielen aufweiſendes Gehirn, einen fehlgeſchlagenen rechten Eierſtock, einen nur aus einer einfachen Erweiterung des Ovidukts beſtehenden Uterus und den gänzlichen Mangel einer Placenta. „Dank den Unterſuchungen der engliſchen Forſcher iſt heute die Lücke hinſichtlich der Beſchreibung der jetzt leben- den Schnabeltiere ausgefüllt, und irgend welche Bedenken ſind nicht mehr gerechtfertigt. Es ſcheint an der Zeit, daß man endlich die Anſicht Huzleys und E. Häckels acceptiere, welche die Schnabeltiere nicht als degenerierte Beuteltiere betrachten, ſondern als direkte, obſchon ziemlich modifizierte Nachkommen des Proto- typs der Säugetiere.“ Hsch. Ausnutzung der Erdwärme. In Kalifornien reichen mehrere Silberbergwerke, namentlich die Comſtockminen in ſo bedeutende Tiefe hinab, daß die aus jenen Gruben her⸗ auszuſchaffende tägliche Waſſermenge von mehreren Millionen Gallonen mit einer Temperatur von 80—90° C. an die Erdoberfläche gelangt. Dieſes warme Waſſer wird durch lange Kanäle in einen einige Meilen entfernten Fluß ge⸗ leitet. Auf dem Wege dorthin wird es nicht nur in ver⸗ ſchiedenen Badehäuſern und Wäſchereien, ſondern auch in Gewächshäuſern und zu Warmwaſſerheizungen verwendet. P. Luchſe in den Karpathen. Die in früheren Jahren in den Karpathen und ſpeciell in der Hohen Tätra in Menge vorkommenden Wölfe ſind im letzten Jahrzehnt faſt verſchwunden. Dafür hat ſich, wie dem Ungariſchen Kar⸗ pathen⸗Verein berichtet wird, der ſeltene Luchs mehr und mehr eingeniſtet. Dieſe ſchöne Katze mit Ohrbüſcheln iſt ſehr blutdürſtig, lauert auf Aeſten oder in Felsſpalten auf die nichts Böſes ahnenden Rehe und Gemſen, ſtürzt ſich auf dieſelben und erlegt ſie, indem ſie ihnen die Halsadern zerreißt. Da der Luchs ſeiner Beute hauptſächlich nur das Blut ausſaugt, jo kann er große Verheerungen im. Wildſtande anrichten, um ſo mehr, als man ihm bei ſeiner großen Vorſichtigkeit und Behendigkeit nur ſchwer und ſelten beizukommen vermag. . Schneeflocken vor der Honnenſcheibe, im Fernrohr ſichtbar. Frhr. v. Spießen teilt uns mit: Als ich am 23. März d. J. gegen 2 Uhr Nachmittags bei ganz klarem Himmel mit einem 10 em-Refraktor von ſehr guter Qua⸗ lität die Sonne mit hundertfacher Vergrößerung betrachtete, ſah ich über die Sonnenſcheibe und in deren Nähe eine Unzahl weißer Flocken hinziehen. Bald ſollte mir der Vor⸗ gang klar werden. Mit großer Schnelligkeit bezog ſich der Himmel und ein ſtarkes Schneegeſtöber begann. Das Fern- rohr zeigte die Flocken ebenſo deutlich, wie die Sonnen⸗ ſcheibe, die, nebenbei bemerkt, völlig fleckenfrei erſchien, man ſah aber ſehr deutlich die Granulation. Ke Die Elefanten des zoologiſchen Gartens in Ber- lin. Die beiden großen Elefanten des zoologiſchen Gar— tens in Berlin, Omer und Roſtom, von denen jener jetzt 13 und der andere 12 Jahre alt iſt, kamen vor 8 Jahren nach Europa und gedeihen ſehr gut. Beide ſind ſeit einem Jahre um 10 em am Widerriſt gewachſen; Omer hat um 210 und Roſtom um 130 kg in einem Jahre an Gewicht zugenommen, ſeit der Einführung erſterer in der Höhe um 64 em und im Gewicht um 1163 kg, letzterer in der Höhe um 50 em und im Gewicht um 861 kg. Omer wiegt gegenwärtig bet einer Höhe von 2,52 mu, 2550 kg, Roſtom bei einer Höhe von 2,33 m 2080 kg. 12 Eine ſiſchfreſſende Pflanze. Die fleiſchfreſſenden Pflanzen haben ſich, ſoweit die ſeitherigen Beobachtungen reichten, immer nur mit Inſekten und kleinen Kruſtaceen begnügt; neuerdings hat man eine derſelben aber auch beim Fang von Wirbeltieren attrappiert und als direkt ſchädlich erkannt. Es ijt dies Utricularia vulgaris, eine in den engliſchen Gewäſſern ſehr verbreitete Pflanze, von der man ſchon lange wußte, daß ſie mit ihren Fangblaſen kleine Waſſertiere ergreift und feſthält, bis ſie abgeſtorben ſind; ihr Fangapparat iſt von Darwin genau beſchrieben worden. Nun hat Herr G. E. Simms in Oxford beob⸗ achtet, daß ſie auch maſſenhaft junge Fiſche fängt; Moſe— ley ſah, daß ein Exemplar innerhalb ſechs Stunden über ein Dutzend junger Fiſche tötete; der Einfluß der auch in Nordamerika vorkommenden Pflanze auf die Fiſchfauna ijt alſo kein ganz geringer. Ko. DIM S WOOP en welt Don Paul Lehmann, Aſtronom des Kechen-Inſtituts der Fal. Sternwarte zu Berlin. er auch immer einen empfangliden Sinn für die erhabenen Schönheiten der Natur J beſitzt, wird an fic) erfahren haben, wel— chen ergreifenden Eindruck der Anblick eines in ungetrübter Klarheit ſtrahlenden Sternen— himmels auf das Gemüt des Beſchauers auszuüben vermag. Schweigend liegt vor dem ſpäten Wanderer, welcher den Bann der menſchlichen Behauſungen verließ, die weite Nacht. Der bleiche Mond ſcheint nicht auf ſeinen Pfad, aber eine geheimnisvolle Helle durchzittert und erfüllt dennoch den Raum und ver— anlaßt jenen von ſeinem Wege aufzuſchauen. Be- wundernd erblickt er über ſich das unermeßliche Sternen— heer, ſtrahlend in funkelnder Pracht, wie ein gewal— tiger, aus Licht gewebter Schleier die geheimnisvolle Weite des unendlichen Raumes, vor welchem die menſch— liche Einbildungskraft erſchauernd zurückbebt, dem zagenden Blicke gleichſam verbergend. Glitzernden Diamanten gleich ſenden jene zahlloſen Lichtweſen in wechſelndem Feuer- und Farbenſpiel ihre Strahlen hernieder, teils vereinzelt durch ganz beſonderen Glanz die Aufmerkſamkeit feſſelnd, teils durch ihre Gruppie- rungen zu eigenartigen Gebilden die Phantaſie mächtig erregend; und als Krone des Ganzen, gleich einem koſtbaren Diadem, überſpannt die Milchſtraße mit ihrem zauberiſchen Schimmer die Wölbung des Himmels, als ob hier die Fülle des Lichtes in einen breiten Strom ſich ergöſſe. Tiefes Schweigen herrſcht ringsum, und doch, als ob der eine Sinn allein die blickes ein Genüge findet, iſt es Sache des Forſchers, inſonderheit des Aſtronomen nach verborgeneren Reizen in dem Antlitz ſeiner angebeteten Schönen, der Urania zu ſpähen, in der Erwartung, daß ihm mit dem Offenbarwerden ſolcher der Weg ſich aufthue, welcher ihn aus dem Zuſtande der bloßen Bewun— derung in ein innigeres Verhältnis zu jener zu treten geſtatte. Wie die menſchliche Geſtalt, wenn anders der Vergleich gewagt werden darf, auch dann, wenn ſie in der ſchönſten Form, welche die Natur überhaupt zu geben vermag, erſcheint, bei aller blendenden Hoheit und Erhabenheit für unſer Empfinden die höchſte Weihe, und die Macht, um Herzen und Sinne zu bezaubern, erſt durch die Anmut und den Liebreiz ge— fälliger Bewegung erhält, ſo feſſeln auch vornehmlich die Bewegungen und Veränderungen, welche das Ge— füge des Sternenhimmels beleben, den menſchlichen Geiſt und treiben ihn nicht allein an, ſondern be— fähigen ihn auch erſt, durch die Erforſchung ihres Zuſammenhanges tiefer in das Weſen der Sternen— welt einzudringen. In dieſem Sinne konnte von jeher das Studium der Bewegungen in der Sternenwelt als die Grund— lage der Aſtronomie gelten, und wenn dabei die in den erſten Anfängen wahrgenommenen Bewegungen auch nicht wirklichen Ortsveränderungen der Geſtirne entſprachen, ſondern in ihnen andere Zuſtände, welche nur den Schein ſolcher Bewegungen annehmen, zum Ausdruck kamen, ſo waren dieſelben doch geeignet, überhaupt nur erſt einmal die Aufmerkſamkeit be— obachtender Geiſter nachhaltiger zu feſſeln, als es ſonſt der Fall geweſen wäre. Man kann annehmen, daß ſolche der oberfläch— Indeſſen wenn der naive Naturfreund in der lichſten Beobachtung ſich kundgebenden Vorgänge wie Bewunderung der hehren Pracht des genoſſenen An- die ſogenannte tägliche Bewegung der Geſtirne ſehr Humboldt 1885. 49 ſich ihm aufthuende Pracht nicht zu faſſen und zu bewältigen vermöge, glaubt auch das Ohr des Schauenden ein leiſes Tönen gleich dem fernen Widerhall himmliſcher Melodieen zu vernehmen. 382 Humboldt. — Oftober 1885. bald von jedermann erfaßt wurden, und daß in der Nutzbarmachung ſolcher Erkenntnis zu gelegentlichen, wenn auch noch ſehr rohen, Zeit- und Ortsbeftim- mungen die Aſtronomie in ihrem Entſtehen ſich zu einem Gemeingut aller geſtaltete. Andererſeits leuch⸗ tet aber ein, daß es nicht jedermanns Sache ſein konnte, dieſe erſten Verſuche aſtronomiſcher Thätig— keit allmählich zu verfeinern, indem es bei der wei— teren Entwickelung jener Wiſſenſchaft nunmehr darauf ankam, die Art der Aufeinanderfolge gewiſſer in mehr oder weniger regelmäßigen Perioden wieder- kehrender Erſcheinungen, wie z. B. die Veränderungen der Lichtgeſtalt des Mondes, der Stellung der der Planeten unter den Sternen, ſorgfältig zu merken und wenn möglich beſtimmte Geſetze in dieſer Auf— einanderfolge zu ermitteln. Nachdem die Gewohn— heit, bemerkenswertere Erſcheinungen der genannten Art regelmäßig aufzuzeichnen, ſich eingebürgert hatte, brachte es dieſelbe dann wohl mit ſich, daß auch ſeltenere Erſcheinungen, welche zunächſt ſcheinbar außerhalb jeder geſetzlichen Folge eintraten, mit auf— geführt wurden, bis dann ein findiger Kopf an der Hand ſolcher rein ſtatiſtiſchen Angaben die Entdeckung machte, daß auch in der Wiederkehr dieſer dem erſten Anſcheine nach unregelmäßig eintretenden Ereigniſſe ein gewiſſes Geſetz obwalte. So war z. B. ſchon im hohen Altertum, lange bevor die Wiſſenſchaft dahin gelangt war, Weſen und Urſache der Finſterniſſe an Mond und Sonne und die Bedingungen, unter welchen dieſelben zu ſtande kommen, zu ermitteln, bei den Indern den in die Myſterien Eingeweihten die Thatſache bekannt, daß dieſe Finſterniſſe für denſelben Ort der Erde in einer Periode von rund 54 Jahren und 33 Tagen in nahezu gleicher Weiſe ſich wiederholen. Man kann ſich leicht vorſtellen, welches Aufſehen es anfänglich unter den Unkundigen erregen mochte, als auf Grund ſolcher Kenntnis gewiſſe Finſterniſſe dem Volke ſchon vor ihrem Eintritt vorher verkün— digt wurden. Lag der Gedanke nicht nahe, daß die— jenigen, welche alſo den himmliſchen Leuchten gebieten durften, der Gottheit ſelbſt naheſtehen mußten? In der That benutzten denn auch die Magier, oder welchen Namen ſonſt jene Eingeweihten haben mochten, den Einfluß, welchen ſie durch die Erfolge ihrer ge— heimen Wiſſenſchaft über die Gemüter der leicht⸗ gläubigen Menge erlangten, zur Befeſtigung ihres Anſehens und ihrer Macht. Die Schlußfolgerung, daß denjenigen, welche die Ereigniſſe am Himmel vorherſagen konnten, auch in Bezug auf irdiſche Dinge ein Einblick in die Zukunft geſtattet ſei, lag zu nahe, als daß ſie nicht hätte ſollen gezogen werden. Von dieſem Standpunkte aus war dann nur noch ein kleiner Schritt zu der Anſicht, daß der Verlauf kommender Ereigniſſe auf Erden aus den Vorgängen am Himmel hergeleitet werden könnte, oder mit anderen Worten, daß aus der Aſtronomie die Aſtro— logie ſich entwickelte. Man weiß, wie jahrhunderte⸗ lang dieſe Abirrung von der reinen Wiſſenſchaft die Völker beherrſchte, und es muß leider hinzugefügt werden, daß es ein Irrtum wäre, zu glauben, daß dieſelbe in unſerer Zeit ſchon vollſtändig überwunden wäre, wenn auch dieſe Krankheit nur noch in milderen Formen aufzutreten pflegt. Es würde zu weit führen, dieſe Behauptung im einzelnen näher zu begründen; es wird genügen, die Thatſache anzuführen, daß der Verfaſſer ſelbſt ſich häufig genug genötigt geſehen hat, die Aufforderung ſolcher, die im Lottoſpiele ihr Glück verſuchen wollten, ihnen auf Grund ſeiner Wiſſenſchaft Gewinn verheißende Loosnummern an— zugeben, von ſich abzuwehren. Das Anſehen, deſſen die Sternkundigen früherer Zeiten genoſſen, wurde indeſſen nicht immer ohne perſönliche Gefahr aufrecht erhalten. Die Fähigkeit, gewiſſe Erſcheinungen vorherzuſehen, wurde ihnen vielfach zu einer Pflicht gemacht, und Verſehen in der Ausübung derſelben mitunter ſchwer geahndet. So wird erzählt, daß in China am Ende des dritten Jahrtauſends vor unſerer Zeitrechnung die beiden Aſtronomen Hi und Ho mit dem Tode beſtraft wurden, weil ſie die Vorherſagung einer Sonnenfinſternis verſäumt hatten; ja ſelbſt in neueſter Zeit mußten, wenn wir recht berichtet ſind, bei dem unerwarteten Erſcheinen eines großen Kometen unſere Kollegen im himmliſchen Reiche eine ſtrenge Verwarnung über ſich ergehen laſſen, weil ſie die Regierung nicht rechtzeitig auf das verhängnisvolle Ereignis vorbereitet hatten, Jo daß die in ſolchen Fällen üblichen religiöſen Ver— anſtaltungen, um das etwa dadurch angezeigte drohende Unheil abzuwenden, unterblieben waren. Wenn nun auch in den Kulturländern neueſter Zeit die Aſtronomie nicht mehr gehalten iſt, auf die Wahnvorſtellungen im Aberglauben befangener Geiſter Rückſicht zu nehmen, ſo haben doch auch bei uns gewiſſe Vorgänge am Himmel wie die genannten Finſterniſſe, wie Kometenerſcheinungen und andere eine gewiſſe allgemeine Bedeutung, weil dieſelben teils wegen ihres ſelteneren Vorkommens, teils da— durch, daß ſie auch ohne beſondere Hilfsmittel bequem wahrgenommen werden, geeignet ſind, das Intereſſe für die Wiſſenſchaft auch in den der Aſtronomie ferner ſtehenden Kreiſen neu zu beleben und rege zu erhalten. Auch dem größeren Publikum gewährt es eine Art von Befriedigung, ſich von dem pünktlichen Eintreffen ſolcher Erſcheinungen, welche nach der Vorausberechnung der Fachmänner zu beſtimmten Zeiten zu erwarten ſtehen, ſelbſt zu überzeugen. Die Vorausberechnung einer Finſternis bis auf die Genauig— keit einer Zeitminute iſt bekanntlich bei dem gegen— wärtigen Stande der Wiſſenſchaft für den Aſtronomen ohne beſondere Schwierigkeiten ausführbar, dagegen würden auch wir, gleich unſeren Kollegen in China, der Aufgabe, das Erſcheinen der Kometen im voraus zu beſtimmen, nur in den ſelteneren Fällen gewachſen ſein. Der Laie, welcher ſich dem Fachmanne gegen— über gedrungen fühlt, ſeine Teilnahme an den Ar— beiten desſelben zu bekunden, glaubt wohl in der Frage nach der nächſt bevorſtehenden Kometenerſchei— nung einen geeigneten Anknüpfungspunkt gefunden zu haben, doch kann gerade in Bezug auf ſolche Humboldt. — Oktober 1885. 383 hervorragenden Erſcheinungen, wie bei dieſer Frage ins Auge gefaßt zu werden pflegen, die Antwort nur unbefriedigend lauten. Allerdings gelten für die Bewegungen der Kometen dieſelben Geſetze, nach welchen die Planeten, über deren Sichtbarkeit bekanntlich die alljährlich erſchei— nenden Kalender regelmäßig verläßliche Angaben zu bringen in der Lage ſind, ihren Lauf unter den Sternen vollenden. Jene beſchreiben ſo gut wie dieſe unter dem Antrieb der allgemeinen Anziehung der Körper oder der ſogenannten Gravitation eine Bahn um die Sonne in einer durch den Mittelpunkt der letzteren gehenden Ebene. Aber während die Ent— fernung eines Planeten von dem Centralkörper des ganzen Syſtems nur geringen Schwankungen unter— worfen iſt, weiſt die Bewegung der meiſten bei ihrer Annäherung an die Sonne uns bekannt gewordenen Kometen auf einen Herkunftsort von ſo gewaltiger Entfernung hin, daß wir uns nur ſchwer eine Vor— ſtellung ſowohl von dieſer Entfernung als auch von der, oft nach vielen Jahrtauſenden zu bemeſſenden Zeit, in welcher dieſelbe zurückgelegt wurde, machen können. Hiernach darf man ſich nicht wundern, daß die Kometen, ganz abgeſehen davon, daß die ihnen eigen— tümliche Lichtentwickelung durch die Nähe der Sonne bedingt wird, nur in einem verhältnismäßig ſehr kleinen Teil ihrer Bahn für uns ſichtbar ſind, wäh— rend dem gegenüber die Planeten im allgemeinen an jeder Stelle ihrer Bahn wahrgenommen werden können. Allerdings lehrt uns die Geſchichte der Aſtronomie, daß unſere Kenntnis von dem Vorhandenſein eines Weltkörpers nicht durchaus an die Sichtbarkeit des— ſelben gebunden iſt. Wie die Lichtreflexe, welche wir an den Gegenſtänden um uns her wahrnehmen, das Daſein einer Lichtquelle verraten, ſelbſt wenn der unmittelbare Anblick der letzteren uns entzogen iſt, gibt auch ein noch unbekannter Weltkörper zuweilen durch gewiſſe Reflexwirkungen in die Ferne dem verſtändnisvollen Beobachter von ſich Kunde. So war in den zwanziger Jahren unſeres Jahrhunderts aus gewiſſen, ſonſt unerklärbaren Unregelmäßigkeiten, welche der Bewegung des Uranus, des damals noch äußerſten der bekannten Planeten unſeres Syſtems, anhafteten, die Vermutung entſtanden, daß jenſeits des Uranus noch ein weiterer Planet ſich befinden müſſe, und in der That wurde letzterer, welcher jetzt den Namen Neptun führt, 1846 von Galle in Berlin auf Grund einer Vorausberechnung Leverriers an der von letzterem bezeichneten Stelle aufgefunden. Ja noch mehr. In der Nachbarſchaft des ſo uner— meßlich weit von uns entfernten Sirius befindet ſich ein Sternchen, welches nur unter günſtigen Bedin— gungen mit den mächtigen Fernröhren der Neuzeit wahrzunehmen iſt. Auch von ſeinem Daſein erfuhr die Aſtronomenwelt aus gewiſſen Eigentümlichkeiten der Siriusbewegung zwei Jahrzehnte, bevor es ge— lang, denſelben wirklich zu erkennen. Von Kometen ſind nun aber bei der Geringfügig— keit ihrer Maſſen nach den bisherigen Erfahrungen Fernewirkungen oder ſogenannte Störungen auf die Bewegungen anderer Weltkörper, wie in den vorher angeführten beiden Fällen, nicht zu erwarten, ſo daß aller Wahrſcheinlichkeit nach vor der unmittelbaren Wahrnehmung durch den Geſichtsſinn keine Kunde von dem Vorhandenſein eines vorher unbekannten Kometen jemals zu uns gelangen wird; erſt auf Grund ausreichender Beobachtungen wird ſich dann die Bahn desſelben ermitteln und (im günſtigen Falle) die Frage beantworten laſſen, zu welchem Zeitpunkt eine Wiederkehr desſelben erwartet werden darf. Hierbei würde nun zu erörtern ſein, ob denn unſer Inventarium an bekannten Kometen im Laufe der Jahrhunderte nicht bereits ſo groß geworden iſt, daß ſich nicht immer eine mehr oder minder große Anzahl, deren Wiederkehr in nächſter oder naher Zeit in Aus— ſicht ſtände, darunter befinden ſollte. Die Kometen— ſtatiſtik gibt darüber folgende Auskunft. Wir kennen gegenwärtig etwa 300 Kometen, für welche es möglich war, freilich mit ſehr verſchiedenem Grade von Sicherheit, eine Bahn zu berechnen. Unter dieſen 300 Kometen ſind nur 19, deren Umlaufs— zeit um die Sonne weniger als 10 (im Durchſchnitt 5 — 6) Jahre beträgt; ferner liegt die Umlaufszeit bei 5 Kometen zwiſchen 10 — 50 Jahren G 1 50— 100 0 „ 5 Mi l 8 ais 5 HOO ee 23 fi 1000—10000 „ Un a 10000—50000 „ während bei den übrigen 225 Kometen überhaupt keine Anzeichen vorliegen, daß ſie in einer geſchloſſenen Bahn wandeln und je wieder in die Nähe der Sonne zurückgeführt werden. Unter der Vorausſetzung, daß die vorſtehenden Angaben der Wirklichkeit vollkommen entſprächen, würde man aus denſelben auf die Wiederkehr von durchſchnittlich 3 ſchon vorher bekannten Kometen in jedem Jahre ſchließen können. Es mag aber gleich hier beiläufig darauf hingewieſen werden, daß der Natur der Sache nach gerade die rechnungsmäßig ermittelten Umlaufszeiten nicht eher als zuverläſſig betrachtet werden dürfen, als dieſelben nicht in min— deſtens einer beobachteten Wiederkehr des betreffenden Kometen ihre Beſtätigung gefunden haben. So ſind von den 30 Kometen mit einer mutmaßlichen Umlaufs— dauer von unter 100 Jahren bisher nur 12 in einer zweiten Erſcheinung beobachtet worden. Wir können hiernach mit Sicherheit nur durch— ſchnittlich etwa zwei Erſcheinungen bekannter Kometen im Jahre erwarten. So ſteht beiſpielsweiſe für die nächſten Jahre die Wiederkehr folgender periodiſcher Kometen in Ausſicht, oder iſt ſchon eingetreten: Im Jahre 1885 Komet Encke, zuletzt beobachtet im Nov. 1881 Tempel, „ Mai 1879 „Tuttle, „Nov. 1871 1886 „Tempel-Swift,, 1880 Winnecke, „März 1875 1887 — 1888 Encke, ‘ Faye, „Jan. 1881 1889 Tempel, „Sept. 1878 384 Humboldt. — Gktober 1885. Man ſieht, daß unter den angeführten Umſtänden immerhin zu jeder Zeit dem danach begierigen Frager eine Kometenerſcheinung für eine nahe Zukunft ver- kündet werden könnte, wenn nicht unglücklicherweiſe die Kometen von kurzer Umlaufsdauer faſt ſämtlich ſo lichtſchwach wären, daß ſie nur mit Hülfe von hinreichend kräftigen Fernröhren wahrgenommen werden können. Nur einer unter den mit Sicherheit als periodiſch erkannten Kometen mit Umlaufszeiten unter 100 Jahren, nämlich der Halleyſche, welcher ſeinen Lauf um die Sonne in 76 ¼ Jahren vollendet und zuletzt im Jahre 1835 erſchien, wird bei ſeiner nächſten Wiederkehr im Jahre 1910—11 voraus⸗ ſichtlich dem bloßen Auge ſichtbar werden. Außerdem wurde auch die Umlaufsdauer des erſten der vier glänzenden Kometen, welche die Anfangsjahre unſeres Jahrzehntes, neben anderen weniger hellen, am Himmel aufleuchten und wieder verſchwinden ſahen, auf nur 37 Jahre angenommen, doch bleibt noch abzuwarten, ob dieſes Rechnungsergebnis thatſächlich beſtätigt werden wird. Die Geſchichte dieſes in der erſten Hälfte des Februar 1880 beobachteten Kometen und der mit demſelben in Verbindung gebrachten Erſcheinung des großen September-Kometen vom Jahre 1882 iſt für gewiſſe Vorgänge in der Kometenwelt ſo lehrreich, daß es ſich empfiehlt, näher auf dieſelbe einzugehen. Am 5. Februar des Jahres 1880 wurden die europäiſchen Sternwarten durch ein Telegramm be— nachrichtigt, daß Gould, der damalige Direktor der Sternwarte Cordoba in der Argentiniſchen Republik, den glänzenden Schweif eines augenſcheinlich nahe bei der Sonne ſtehenden Kometen, welcher ſich nach Norden zu bewegen ſcheine, geſehen habe. Alles rüſtete ſich, einen ſo ſelten geſehenen Gaſt mit den ihm gebüh— renden Ehren zu empfangen. Doch leider wußte der mit ſo hoher Spannung Erwartete die ihm entgegen— gebrachte Aufmerkſamkeit nicht zu würdigen, denn ſchon am folgenden Tage meldete ein neues Tele— gramm, daß der Komet ſich nunmehr nach Süden bewege oder mit anderen Worten, daß er für die nördliche Erdhälfte unſichtbar bleiben würde. Aber auch die ſüdlichen Erdbewohner durften ſich nicht lange mehr ſeines Glanzes erfreuen, denn ſehr bald nachdem der Komet ſeine Schwenkung um die Sonne ausgeführt hatte, nahm er zuſehends an Leuchtkraft ab, ſo daß ſchon am 19. Februar die Beobachtungen als nutzlos eingeſtellt wurden. So kurze Zeit nach der Entdeckung nun auch die Beobachtungen hatten fortgeſetzt werden können, genügten dieſelben doch, in dem Kometen eines der anziehendſten Individuen ſeiner Gattung erkennen zu laſſen. Man ermittelte nämlich, daß der Weg, auf welchem derſelbe die Sonne umkreiſt hatte, ſehr nahe übereinſtimmte mit dem Wege, welchen ſchon vor ihm im Jahre 1843 ein ebenfalls ſehr heller Komet eingeſchlagen hatte, der ſeiner Zeit ſogar am hohen Mittag war geſehen worden. Dieſe Aehnlich— keit war um ſo auffallender, als beide Kometen in ihrem kleinſten Abſtande von der Sonne der letzteren ganz außerordentlich nahe gekommenwaren, ſo nahe, daß fie ohne Zweifel jenen Theil der Sonnenatmo— ſphäre, bis zu welchem die Protuberanzen durch die im Innern des Sonnenkörpers waltenden Spann⸗ kräfte emporgeſchleudert werden, durcheilt haben mußten. Durch einen ſolchen Grad der Annäherung an den die Triebkraft aller Centralbewegung unſeres Sonnenſyſtems in fic) vereinigenden Sonnenmittel— punkt erklärt es ſich, daß der Komet von 1880 ſich in dieſem Teil ſeiner Bahn mit der ungeheueren Geſchwindigkeit von 540 km in der Sekunde be— wegte. Was lag unter dieſen Umſtänden wohl näher als die Vermutung, daß die beiden hier angeführten Er— ſcheinungen demſelben Himmelskörper angehörten? In der That teilte denn auch die Mehrzahl der Aſtronomen dieſe Anſicht, wenngleich man ſich nicht verhehlen konnte, daß dieſelbe nicht ganz einwendungs— fret fet. Wenn nämlich die in Rede ſtehende Kometen⸗ erſcheinung von 1880 wirklich eine Wiederkehr jenes Kometen von 1843 bedeutet, fo mußte er den letzten Umlauf in ſeiner Bahn in höchſtens nahezu 37 Jahren vollendet haben. Hiermit ſtand nun! allerdings das Rechnungsergebnis aus den Beobachtungen des Jahres 1880 nicht im Widerſpruch, dagegen ergab die er- ſchöpfendſte Bearbeitung der Beobachtungen von 1848 durch Hubbard eine Umlaufszeit von über 500 Jahren. Die Möglichkeit, daß auch dieſer Komet ſich in einer Bahn mit entſprechend kürzerer Umlaufs⸗ zeit bewege, war indeſſen nicht gerade ausgeſchloſſen, wenn man die Annahme größerer Fehler bei einzelnen Beobachtungen für zuläſſig halten wollte; doch mußte man ſich dabei ſagen, daß ein ſo glänzender Komet bei einer verhältnismäßig kurzen Umlaufszeit auch vor 1843 ſchon öfter hätte geſehen werden müſſen. Eine Unterſuchung von Profeſſor Weiß in Wien führte bei Annahme einer Umlaufszeit von etwa 37 Jahren bis zurück zum Jahre 1106 auf noch fünf Kometenerſcheinungen und außerdem auf die— jenige vom Jahre 371 v. Chr., welche ſich derſelben anpaſſen ließen. Aber auch ſo blieben noch ſehr große Lücken übrig, welche jene Annahme zweifelhaft machten, wenn auch das Ausbleiben des Kometen in gewiſſen Jahren ſich dadurch erklären ließ, daß ſein Standort am Himmel damals ebenfalls für die nörd— licheren Breiten der Erde, welche allein zu jenen Zeiten für die Chronik der Kometenerſcheinungen in Betracht kamen, zu weit im Süden gelegen hatte. Eine andere Erklärung verſuchte Profeſſor Klinkerfues in Göttingen. Bereits im Jahre 1843 war es aufgefallen, wie ſehr alle Umſtände in der Erſcheinung des Kometen an einen anderen im Jahre 1668 beobachteten Kometen erinnerten, welcher gleichfalls in unmittelbarer Nähe der Sonne geſtanden hatte, und deſſen Bahn in der That ebenfalls der— jenigen der beiden vorhergehend beſprochenen Kometen ſehr nahe kam. Klinkerfues meinte nun, der Komet ſei überhaupt bisher nur viermal in den Geſichtskreis der Erdbewohner oder in ſeine Sonnen— nähe gelangt, nämlich 371 v. Chr., 1668, 1843 und Humboldt. — Oktober 1885. 385 1880. Bei der ungeheueren Geſchwindigkeit, mit welcher er ſich in dieſem Teile ſeiner Bahn bewege, habe er beim Durchſchneiden der Sonnenatmoſphäre einen ſo bedeutenden Widerſtand zu überwinden, daß dadurch ſein Abſtand von der Sonne jedesmal um ein merkliches verringert werde und ſomit auch der Umfang ſeiner Bahn ſich entſprechend verkürze. Die Folge ſei, daß er ſich in einer Art Spirale bewege, welche ihn endlich geradeswegs auf die Sonne würde losſtürzen laſſen. — Der Gedanke eines widerſtehenden Mittels im Weltenraum überhaupt, welches die Wiederkehr der Kometen beſchleunigen könne, iſt nicht neu und ſpielt bekanntlich bei der Ermittelung der Bewegung des Enckeſchen Kometen eine große Rolle. Man durfte daher geſpannt darauf ſein, wie die Klinkerfues ſche Annahme in der Zukunft ſich bewähren würde. Schon im Jahre 1882 ſchien dieſelbe eine über— raſchende Beſtätigung zu finden. Anfang September des genannten Jahres erſchien wieder nahe der Sonne ein durch großen Glanz ausgezeichneter Komet, deſſen Helligkeit ſo bedeutend war, daß er mit bloßem Auge in der unmittelbaren Nähe der Sonne geſehen werden konnte. Erſt bei ſeinem Vorübergang vor der Sonnenſcheibe wurde ſein Anblick den Augen der Beobachter eine Zeitlang entzogen, ſo daß es zunächſt ſchien, als ſei der Komet von der Sonnenſcheibe ver— deckt worden in derſelben Weiſe, wie häufig Sterne vom Monde bedeckt werden. Sehr bald ergab es ſich, daß der Septemberkomet von 1882 nicht allein durch ſeinen geringen Abſtand von der Sonne an den Februarkometen von 1880 erinnerte, ſondern auch die Lage der Bahn beider Kometen zeigte nur ſehr unbedeutende Unterſchiede. Man konnte daher anfangs in der That glauben, mit einer Wiederkehr des letzteren zu thun zu haben. Später ſtellte ſich jedoch heraus, daß eine Umlaufsdauer unter mehreren hundert Jahren ſich nicht mit den Beobachtungen des zuletzt geſehenen Kometen vereinigen laſſe und der Gedanke an eine Identität der 3 Kometen von 1843, 1880 und 1882 mußte daher aufgegeben werden. Ueberdies hatte es ſich bei der Erſcheinung des letzten unter ihnen ſo günſtig gefügt, daß derſelbe ſowohl vor ſeiner Sonnennähe als auch noch lange nachher beobachtet werden konnte; es hätten mithin in dem Falle, daß wirklich in der Sonnennähe ſolche Störungen, wie Klinkerfues annahm, eingetreten wären, die— ſelben den Aſtronomen nicht entgehen können; es ſind aber keine Anzeichen für dieſelben bemerkt worden. Will man nun nicht annehmen, daß in der Auf— einanderfolge der hier beſprochenen Erſcheinungen ein, allerdings höchſt wunderbares Spiel des Zufalls walte, ſo wird man alſo nach einer Erklärung ſuchen müſſen, welche mit Ausſchluß der Identität der an— geführten Kometen dennoch einen gewiſſen durch die Natur bedingten Zuſammenhang zwiſchen denſelben erkennen läßt. Bevor wir jedoch der Löſung dieſer Aufgabe näher treten, erſcheint es geraten, uns die Eigentümlichkeiten in den Bewegungen der Kometen im allgemeinen zu vergegenwärtigen. (Fortſ. folgt.) Die niederen Pilze in ihrer Beziehung zum Einmachen und Ronfervieren der Früchte. Von Dr. J. E. Weiß, Privat-Docent an der Univerſität München. E iſt eine allgemein bekannte Thatſache, daß ein— gemachte Früchte zuweilen, und zwar gar nicht ſo ſelten, verderben. In nachfolgenden Zeilen nun möchte ich es verſuchen, die Beziehung der niede— ren Pilze zum Einmachen und Konſervieren der Früchte feſtzuſtellen und auf ſchöne Re— ſultate der Forſchung geſtützt, einige für die Praxis wertvolle Regeln zu geben, bei deren Befolgung mancher Schaden verhütet werden kann. Die Früchte, welche beim Einmachen und Kon— ſervieren in Betracht kommen, entſtammen zum weit— aus größten Teile unſeren Obſtbäumen und Obſt— ſträuchern; in geringem Maße werden ſie nicht von Kulturgewächſen entnommen, ſondern entſtammen dann wildwachſenden Kräutern und Sträuchern, wie die Erdbeeren, Heidelbeeren, Himbeeren, Preißel— beeren u. ſ. w. Wenn wir die verſchiedenen Fruchtarten etwas näher betrachten, ſo werden wir leicht erkennen, daß die einen derſelben ſehr leicht verderben, „ver— faulen,“ wie man ſich im gewöhnlichen Leben aus— zudrücken pflegt, während andere dem Verderben längere Zeit widerſtehen. So faulen Erd— beeren, Himbeeren, Brombeeren leichter als Preißelbeeren und Heidelbeeren. Nehmen wir Rückſicht auf die Beſchaffenheit der das Innere dieſer Früchte umkleidenden Schale, ſo bemerken wir leicht, daß alle jene Fruchtarten dem Verfaulen leicht preisgegeben ſind, deren Haut oder Balg ſehr zart iſt und ſomit leicht zerreißt, während beiſpiels— weiſe Preißelbeeren verhältnismäßig lange Widerſtand zu leiſten vermögen. Wir wiſſen ferner aus Er— fahrung, daß das ſogenannte Winterobſt, als Winter äpfel, Winterbirnen, lange Zeit, unter Umſtänden 386 Huinboldt. — Oktober 1885. ſogar zwei Jahre lang aufbewahrt werden kann, während Sommeräpfel ſich nicht ſo lange halten, und während Pflaumen, Reineclauden nur verhält— nismäßig kurze Zeit dem Fäulnisprozeß, der früher oder ſpäter eintritt, widerſtehen. Auch hier ſpielt die Schale eine außerordentlich große Rolle, wenn auch andere Verhältniſſe noch in Betracht zu ziehen ſind. Im allgemeinen kann man aber den Satz aufſtellen, daß das Winterobſt, welches neben derberer Beſchaffenheit der Zellwandungen eine bedeu— tend derbere Schale beſitzt als das zartſchalige Sommerobſt, deſſen Zellen nebenbei noch bedeutend feinere, weichere Wandungen beſitzen, weniger raſch angegriffen wird, als das Sommerobſt. Noch eine andere Beobachtung, die alltäglich gemacht wird, kommt in Betracht. Wir ſehen näm— lich, daß alle jene Früchte, welche auf irgend eine Weiſe verletzt ſind, deren Schalen, wenn auch noch ſo kleine Riſſe oder Sprünge bekommen, die durch Druck, Schlag u. ſ. w. geſchädigt ſind, bedeutend eher faulen als die un verſehrten makelloſen Früchte. Gehen wir näher auf die Erſcheinung ein, ſo beobachten wir, daß die einen der Früchte beim Faulen nach einiger Zeit ſich mit Schimmel über— ziehen, während andere in eine jaucheartige Maſſe zerfließen; letzteres tritt vielfach bei ſehr ſaftigen, erſteres bei den weniger ſaftreichen Früchten, bei den Aepfeln und Birnen ein. — Wir müſſen daher, wenn wir dieſe Früchte für längere Zeit genießbar erhalten wollen, nach einem Mittel ſuchen, um dem Faulen vorzubeugen und die Praxis hat die Men— ſchen ſeit langer, langer Zeit auf das Dörren oder Trocknen der Früchte gebracht und in der That wiſſen wir, daß gut getrocknete Aepfel, Birnen, Pflaumen u. ſ. f. dem Fäulnisprozeſſe einen langen, unter Umſtänden viele Jahre dauernden Widerſtand entgegenſetzen. Neben dem Dörren hat ſich aber noch eine andere Art der Fruchtkonſervierung ſeit unvordenklichen Zeiten eingebürgert, nämlich das Einmachen der— ſelben in meiſt zuckerhaltigen, ſeltener eſſig⸗ haltigen Flüſſigkeiten. Mit Stolz ſehen wir unſere Hausfrauen auf die ſtattliche Anzahl von Frucht— gläſern im Herbſte blicken. Doch dieſe letztere Art der Fruchtkonſervierung gelingt nicht unter allen Verhältniſſen. Meine Aufgabe nun iſt es, eine Erklärung für die Urſachen der Mißerfolge zu geben. Bei allen den kurz erwähnten Erſcheinungen tritt eine Zerſetzung der die Früchte zuſammenſetzenden organiſchen Stoffe ein, eine ſo weitgehende Ver— änderung in den Früchten und Fruchtſäften, daß wir dieſelben zum Genuſſe nicht mehr für tauglich halten und des meiſt widerlichen Geſchmackes halber auf den Genuß gern verzichten. Die Zerſetzung der Früchte zu verhindern, iſt nur dann möglich, wenn wir genau die Urſachen kennen, durch welche ſo tief eingreifende Verände— rungen in den Früchten und Fruchtſäften hervorgerufen werden können. Demnach handelt es fic zunächſt darum, die verſchiedenen Arten der Zerſetzung kennen zu lernen. Es gibt zweierlei Arten von freiwilligen Zer⸗ ſetzungen ), nämlich eine rein chemiſche und eine durch lebende Organismen hervorgerufene. Die rein chemiſche Zerſetzung findet überall da ſtatt, wo Sauerſtoff der Luft oder wo die Luft ſchlechtweg in Begleitung von Waſſer mit organiſchen Subſtanzen in Berührung kommt. Dieſe rein chemiſche Zerſetzung iſt nicht nur an allen abgeſtorbenen tieriſchen und pflanzlichen Organismen zu beobachten, ſie iſt auch in allen lebenden Tieren und Pflanzen thätig; dieſe rein chemiſche Zerſetzung iſt ein lang— ſames Verbrennen, d. h. eine langſame Verbin⸗ dung des Sauerſtoffes der Luft mit den organiſchen Subſtanzen, wobei vorzugsweiſe Waſſer, Kohlenſäure und bei Gegenwart von ſtickſtoffhaltigen Verbindungen noch Ammoniak entſteht. Die erſten Anfänge dieſer langſam vor ſich gehenden Zerſetzung können wir tagtäglich an unſeren Nahrungsmitteln wahrnehmen. Schneiden wir einen Apfel oder eine Kartoffel aus⸗ einander, fo beobachten wir gar bald ein Dunkel- werden der Schnittflächen. Zerquetſchen wir eine Birne oder eine Pflaume, ſo wird das weiße Fruchtfleiſch der Birne oder das gelbe der Zwetſche in einigen Stunden ſchon dunkelbraun. Das wiſſen unſere Hausfrauen längſt aus Erfahrung; ſie legen deshalb die geſchälten Kartoffeln, um die weiße Farbe zu erhalten, in Waſſer, d. h. mit anderen Worten, ſie halten den Sauerſtoff der Luft ab; in der That tritt eben bei vollſtändigem Abſchluß der Luft an geſchälten oder zerdrückten Früchten die Bräunung nicht ein. Daher legt man auch die zum Einmachen geſchälten Früchte in Waſſer und erhält ſie unter Waſſer. Dieſe rein chemiſche Zerſetzung tritt alſo nur dann ein, wenn der Sauerſtoff der Luft mit Waſſer vereint auf die Gewebe des Frucht— fleiſches einwirken kann; ſie unterbleibt, ſo lange die Früchte durch die in ihrer Schale befindliche Korkſchicht gegen die Luft abgeſchloſſen ſind. Ja, wenn ſich eine gewiſſe Verbrennungsſchicht auf der Oberfläche von Schnittflächen gebildet hat, muß ſie ebenfalls aufhören, weil dieſe Verbrennungs— ſchicht gleichfalls im hohen Grade die Fähigkeit beſitzt, den Sauerſtoff der Luft abzuhalten; die rein chemiſche Zerſetzung kann daher bei der Betrachtung der an unſeren Früchten auftretenden Zerſetzungs— erſcheinungen unberückſichtigt bleiben. 5 Da nun dieſe erſte Art der Fruchtzerſetzung, die beim Verfaulen auftretenden Verhältniſſe, wie ich ſoeben bewieſen habe, nicht hervorrufen kann, ſo iſt es notwendig, die durch Organismen hervor⸗ gebrachten Zerſetzungserſcheinungen näher ins Auge zu faſſen. Ich habe oben bereits zu bemerken Ge- legenheit gehabt, daß bei den verſchiedenen Arten des Faulens des Obſtes oder des Verderbens eingemachter Früchte merkwürdige Zuſtände zu Tage treten. Am ſaftreichen Obſte, wie bei Beerenfrüchten, finden wir ein faſt vollſtändiges Zerfließen der an⸗ gefaulten Beeren; faulende Aepfel und Birnen ) Vergl. von Naegeli: Die niederen Pilze, S. 7 ff. Humboldt. — Gktober 1885. 387 überziehen ſich früher oder ſpäter mit Schimmel; eingemachte Früchte bedecken ſich, wenn ſie in dick— flüſſigem Zuſtande ſind, mit einer Schimmelſchicht, ebenſo, wenn ſie in eſſighaltigen Flüſſigkeiten ſind; oder jene Fruchtgläſer, welche viel Flüſſigkeiten ent— halten, werden trüb. Sind endlich die Flaſchen mit Fruchtſäften feſt verkorkt, ſo werden oft unter Krachen die Korke herausgetrieben oder die Flaſchen gar zer— ſprengt. Zwei Thatſachen nun ſind es, welche uns un— widerleglich darauf hinweiſen, daß alle dieſe ver— ſchiedenen Zerſetzungsformen durch lebende Or ga— nismen hervorgerufen werden. Einmal findet man bei allen dieſen Zerſetzungen wirklich Orga— nismen und zweitens hört die Zerſetzung ſofort auf, ſobald dieſe Organismen durch Hitze oder auch durch Kälte betäubt oder gar getötet werden. — Alle dieſe Organismen nun, welche derartige Verände— rungen hervorrufen, werden nach dem gegenwärtigen Stande der Forſchung den Pilzen und zwar der niedrigſten Abteilung derſelben beigerechnet und die verſchiedenen Arten dieſer Zerſetzungspilze laſſen ſich in drei ſehr natürliche Gruppen bringen, näm— lich in Schimmelpilze, Sproßpilze und Spalt— pilze. In der That findet der Mikroſkopiker, wenn er die verſchiedenen Zerſetzungsarten der Früchte unter— ſucht, dieſe drei Formen von Pilzen vor. Will ich demnach meiner Aufgabe im vollen Umfange gerecht werden, ſo muß ich auf die Lebensverhältniſſe und Lebensbedingungen dieſer drei Pilzgruppen etwas näher eingehen, da nur die Vertrautheit mit den Lebensbedingungen dieſer Organismen allein uns in den Stand ſetzt, geeignete Vorſichtsmaß— regeln zu treffen, um den zerſtörenden Einflüſſen derſelben ein Veto entgegenrufen zu können. Die erſte Gruppe bilden die allgemein bekannten Schimmelpilze. Es ſind fadenförmige, mit bloßem Auge oft kaum deutlich erkennbare Pflänzchen, die ſich auf alten Speiſen, auf altem Brode und in feuchten Wohnungen nur zu häufig einſtellen. An— fänglich beobachtet man nur ein weißes, zartes Geflecht, wiſſenſchaftlich Mycelium genannt; nachher werden ſie, wenn ſie mit der Luft in direkter Be— rührung ſind, gelb, rot, grünlich, braun, ſchwarz und mehr oder weniger pulverig. Dieſe eigenartig gefärbten Teile des Pilzes beſtehen aus zahlloſen, winzigen Körnchen, den Samen, oder was dasſelbe iſt, den Sporen dieſer Pilze. Die Geflechte dieſer Pflanzen beſtehen bald aus verzweigten einzelligen, bald auch gegliederten, aus einer Reihe von Zellen Was nun die Wirkſamkeit der beſtehenden Fäden. Schimmelpilze betrifft, jo ijt in erſter Linie hervor- zuheben, daß dieſelbe verhältnismäßig langſam und räumlich begrenzt ijt. So können dickflüſſig ein— gemachte Früchte, wie Marmeladen, Obſtbutter und Gelees monatelang ſchimmeln. Unterhalb der und allgemein bekannte Geſchmack nach Schimmel wird vorzugsweiſe dann recht deutlich, wenn die Schim— melraſen fruktifizierten, wenn alſo eine größere Menge von Samen oder Sporen gebildet wurde. Freilich geht die Feinſchmeckerei hier und da auf Irr— wege und findet verſchimmelten Roquefortkäſe an— genehm. Alles faulende Kernobſt faſt zeigt uns die Wir— kung des Schimmels. Die Schimmelfäden durchziehen das Fruchtfleiſch und verurſachen in demſelben der— artige Veränderungen, daß wir dasſelbe für un— genießbar anſehen müſſen. Das Faulen von Aepfeln und Birnen iſt aber, richtig ausgedrückt, kein eigentlicher Fäulnisprozeß, ſondern ein Vorgang, der der Ver— moderung oder Verweſung beigezählt werden muß. Es gehört nicht in den Rahmen meiner gegen— wärtigen Abhandlung ausführlich zu erörtern, daß Holz, Brot u. ſ. w. durch Schimmel vollſtändig in Moder und Mulm verwandelt wird, daß zuletzt faſt nur mehr eine Maſſe von Schimmelfäden übrig bleiben. Die Schimmelarten bedürfen zu ihrer Exiſtenz un— bedingt des in der Luft enthaltenen freien Sauer— ſtoffes und die Fortpflanzung geſchieht regelmäßig nur über der Oberfläche von Flüſſigkeiten oder von mehr oder weniger trockenen, vom Schimmel be— fallenen organiſchen Körpern. Der Schimmel vermag einen ziemlich hohen Grad von Säure zu ertragen; wir finden deshalb den Schimmel bei eingemachten Früchten vorzugsweiſe dann, wenn Eſſig als Ein— machflüſſigkeit verwendet wird. Bei Eſſiggurken u. ſ. w. tritt Schimmelbildung ſehr häufig auf. Das Waſſer iſt dem Schimmel ebenſo durchaus notwendig, wie den anderen Organismen; vollſtändig ausgetrock— nete Gegenſtände können nicht von ihm angegriffen werden. Der Schimmel vermag übrigens, nebenbei bemerkt, in allen Flüſſigkeiten, welche organiſche Stoffe enthalten, zu leben. Die zweite Gruppe von Pilzen, welche hier in Betracht kommen, ſind die Sproßpilze, welche unter dem Namen Hefe, als Weinhefe, Bierhefe, allgemein bekannt ſind. Die Sproßpilze ſind einzeln nicht mehr mit bloßem Auge erkenntlich, ſie ſind mikro— ſkopiſch klein und werden erſt in größeren Mengen dem unbewaffneten Auge ſichtbar. Die Sproßpilze ſind Pflänzchen, welche aus einer einzigen, runden oder ovalen Zelle beſtehen, welche zuweilen in roſen— kranzförmigen Fäden oder baumartigen Ver— zweigungen zuſammenhängen. Sproßpilze werden ſie deshalb genannt, weil ihre Vermehrung vor— zugsweiſe darin beſteht, daß ganz kleine Zellen aus der Mutterzelle hervorſproſſen, fic) abſchnüren und zu ſelbſtändigen Organismen heranwachſen. Durch das längere Haftenbleiben an der Mutterzelle entſtehen dann eben die gerade erwähnten roſenkranzförmigen vorſichtig abgenommenen Schimmeldecke ijt die Sub- ſtanz unverändert. Schimmelndes Obſt und ſchim— melnde Speiſen beſitzen einen unangenehmen, zu— weilen bitteren Geſchmack. Dieſer eigentümliche oder baumartig verzweigten Hefekolonien. Ein einzi— ger Tropfen Hefe beſteht aus vielen Millionen ſolcher Zellen. Die einzige Wirkung, welche man bis jetzt von den Sproßpilzen kennt, iſt die, daß ſie Gärung verurſachen, d. h. zuckerhaltige Stoffe in Kohlenſäure und Alkohol überführen. Es ſind mithin gewiſſe Arten dieſer Sproßpilze zu den größ— 388 Humboldt. — Oftober 1885. ten Wohlthätern der Menſchheit zu rechnen; denn ohne ſie hätten wir keine weingeiſtigen Ge— tränke, ohne ſie beſäßen wir kein Bier, keinen Wein, keinen Spiritus u. ſ. w. Wie allgemein bekannt ſein dürfte, enthalten alle Obſtarten Frucht⸗ zucker in größerer oder geringerer Menge, welcher durch die Sproßpilze vergoren wird. Dieſe Pilze müſſen in der That beim Einmachen und Konſervieren, überhaupt bei der Fruchtverwertung in Betracht ge— zogen werden; ſie müſſen in Fruchtſäfte gebracht werden, ſei es ohne oder mit unſerem Zuthun, wenn die Fruchtſäfte gären ſollen. Trauben-, Apfels, Birnen- und Heidelbeerſaft u. ſ. w. kommt nur dann in Gärung, wenn Hefezellen in denſelben gelangt ſind und ſich vermehren. Verhindert man den Zutritt von Hefe, ſo bleibt der Moſt jahrelang unver— ändert, wird nicht in Wein verwandelt. Umgekehrt müſſen wir aus in Zuckerſäften eingemachten Früchten oder aus Fruchtſäften, wie Citronen-, Himbeer-, Heidelbeerſaft u. ſ. w. alle Hefenzellen entfernen, wenn dieſelben nicht verderben ſollen. Bei Außer— achtlaſſen dieſer Vorſichtsmaßregel dürfte gar mancher durch einen heftigen Knall beim Oeffnen einer Frucht— ſaftflaſche daran gemahnt werden, daß er nicht in der gehörigen Weiſe bei der Präparation vor— gegangen iſt. Die dritte Gruppe der Pilze, welche wir noch etwas in Augenſchein nehmen müſſen, bilden die Spalt pilze. Sie find es, welche die eigentliche Fäulnis bewirken, die ſich beſonders bei Gegenwart von an Stickſtoff reichen chemiſchen Verbindungen und ebenſo bei Anweſenheit von ſchwefelhaltigen Stoffen durch einen eigenartigen, höchſt widerlichen und ekelhaften Geruch erkenntlich macht. Ich erinnere nur an faulende tieriſche Organismen, an faulende Eier, recht ſaftreiche faulende Pflanzen. Während die Schimmelpilze vielfach ſaftarme Früchte verderben, haben es die Spaltpilze auf die Vernichtung der recht ſaftigen Fruchtarten und der leichtflüſſigen Fruchtſäfte abgeſehen. Spaltpilze werden ſie des— halb genannt, weil ſie ſich dadurch vermehren, daß ſie ſich in der Mitte durch eine Querwand teilen. Die Spaltpilze ſind meiſt vielmals kleiner als die bereits nur mehr mikroſkopiſch wahrnehmbaren Sproß— pilze; ihre Geſtalt iſt entweder rund oder ſie ſtellen kurze und längere oder auch hin- und hergebogene Stäbchen oder eng und weitgewundene Spiralen dar. Man bezeichnet die runden Spaltpilze als Mikro— kokken, die geraden Stäbchen ſchlechtweg als Bak— terien und die ſpiralig gewundenen als Spirillen!). Eine Eigenſchaft möchte ich hier erwähnen, die den Spaltpilzen eigenartig zukommt, daß ſie nämlich unter gewiſſen Verhältniſſen, vorzugsweiſe bei reichlicher Gegenwart von Sauerſtoff ſich ſelbſtändig in Flüſ— ſigkeiten bewegen und zwar vermittels fadenartiger an den Enden befeſtigter Fortſätze oder Geißeln. Wir Ich bemerke, daß es mir nicht möglich iſt, des be— ſchränkten Raumes halber, auf die feineren Unterſchiede der Spaltpilzgattungen einzugehen. finden dieſe Spaltpilze in den Vorratskammern und in der Küche, an Fleiſch, das einen „Hoch ge— ſchmack“ hat; wir treffen ſie an allen Speiſen, die durch Geſchmack und Geruch die beginnende Fäul— nis erkennen laſſen. Spaltpilze bewirken das Sauer⸗ werden der Milch, indem ſie den Milchzucker in Milchſäure umwandeln. Spaltpilze bewirken gewöhn⸗ lich das Sauerwerden des Bieres; Zucker wird unter gewiſſen Verhältniſſen in Schleim umgewandelt. Auch den Weinbauern iſt die Schleimbildung genügend bekannt, es entſteht dann der ſogenannte lange Wein. Das Sauerkraut, welches anfänglich rein ſauer ſchmeckt, bekommt ſpäter den eigentümlichen Beigeſchmack nach Butterſäure. Die Milch wird unter gewiſſen Ver— hältniſſen ſtatt ſauer, ganz blau oder gekochte Milch wird bitter. Es ſind dies lauter Zerſetzungen, welche den Spaltpilzen in die Schuhe zu ſchieben ſind, und ich bemerke, daß ſich noch tauſend andere Zer— ſetzungserſcheinungen und Vorkommniſſe an— führen ließen, welche durch Spaltpilze verurfacht- werden. Ich erwähne nur noch, daß recht ſaftige, beſonders Beerenfrüchte und dünnflüſſige Fruchtſäfte durch die Wirkung der Spaltpilze verfaulen reſp. verderben. Iſt durch die vorausgehenden Erörterungen der Nachweis geliefert, daß nur lebende Organismen und unter ihnen nur die Schimmel-, Sproß- und Spalt pilze ein Verderben der Früchte und der Konſerven herbeiführen können, ſo dürfte es hier am Platze fein, auf die Lebens verhältniſſe dieſer Or- ganismen etwas näher einzugehen. Es handelt ſich dabei zunächſt zu unterſuchen, von welchen Stoffen, dieſe auf der niederſten Stufe der Organiſation lebenden Pflänzchen leben. Das Ausſehen dieſer außerordentlich kleinen Weſen ſagt uns bereits, daß wir es mit Ausnahmever— hältniſſen zu thun haben. Während die meiſten Gewächſe, fie mögen hoch oder niedrig organiſiert ſein, entweder im ganzen Körper oder wenigſtens in gewiſſen Teilen desſelben, wie in den Blättern einen grünen Farbſtoff, das Chlorophyll, be— ſitzen, fehlt dieſes den Pilzen durchwegs. Damit iſt aber auch die Fähigkeit dieſen Lebeweſen ge— nommen, aus den anorganiſchen Nährſtoffen ſich ihre Nahrung unter dem Einfluße des Lichtes und der Wärme ſelbſt zu bereiten. Sie ſind alſo darauf angewieſen, aus bereits organiſierten, ſei es lebenden oder ſchon abgeſtorbenen Körpern ihre Nahrung zu ziehen, mit einem Worte, ſie ſind Schmarotzergewächſe oder Paraſiten in des Wortes vollſter Bedeutung. Nur da können ſie leben, wo organiſche Stoffe ſich befinden, wo Waſſer nicht fehlt und Sauerſtoff vorhanden iſt, wenn letzterer auch nicht unter allen Umſtänden notwendig iſt. Spaltpilze und Hefepilze ſcheinen ihn nämlich unter gewiſſen Lebensverhältniſſen entbehren zu können, während Schimmelpilze den Sauerſtoff unbedingt notwendig haben. Die Früchte nun enthalten alle nötigen Stoffe, welche dieſen Pilzen zum Aufbau ihres Körpers erforderlich ſind. Humboldt. — Oftober 1885. 389 Das Waſſer iſt für die Pilze zwar nicht Nahrung, wie das bei den chlorophyllführenden Pflanzen der Fall iſt; allein im Waſſer müſſen die Nährſtoffe ſich befinden, wenn ſie den Pilzen zugänglich ſein ſollen; ein gewiſſer Grad von Feuchtigkeit iſt ſelbſt den Schimmelpilzen zu ihren Lebensprozeſſen un— entbehrlich, weil eben alle in den Organismen vor ſich gehenden chemiſchen Prozeſſe durch das Waſſer vermittelt werden. Allein das Waſſer kann dieſen anſcheinend ſo niedrig organiſierten Weſen ohne Nachteil für ihre Lebensfähigkeit auf längere Zeit entzogen werden; ſie können den Mangel an Waſſer lange Zeit ohne Schaden ertragen, während die höheren Gewächſe an Waſſermangel zu Grunde gehen, wenn nicht beſonders vorbereitete Teile, wie z. B. Samen, vorhanden ſind, welche das Aus— trocknen auf kürzere oder längere Zeit hin ertragen. Dieſes Austrocknen der niederen Pilze ohne Nachteil für ihr Leben iſt von der größten Be— deutung. Die Lebensprozeſſe ſtehen im ausge— trockneten Zuſtande nur ſtill, die Pilze führen ein latentes Leben, welches ſofort aufhört, ſo— bald die Pilzzelle in Waſſer oder gar in geeignete Nährſtoffe gelangt. Und merkwürdigerweiſe können die Pilze eine um ſo größere Trockenheit ertragen, je kleiner die Zellen ſind; es beſteht kein Zweifel, daß Spaltpilze Jahrhunderte, ſelbſt Jahr— tauſende hindurch im lufttrockenen Zuſtande lebens— fähig bleiben. Es iſt dies eine Lebenszähigkeit, für welche wir ein Analogon ſchwerlich beſitzen dürften. Eine wichtige Rolle im Leben der niederen Pilze ſpielen die Temperaturverhältniſſe, unter denen ſie ſich befinden. Wir wiſſen zur Genüge, daß die Lebensvorgänge der höheren Pflanzen mit dem Sinken der Temperatur allmählich an Intenſität ab— nehmen und in der Nähe des Gefrierpunktes ganz aufhören. Sinkt die Temperatur zu bedeutenden Tiefen unter 0 Grad, fo iſt ein Erfrieren der Pflanzen leider nur zu wahrſcheinlich. Steigt die Temperatur von 0 Grad an nach aufwärts, fo nimmt die Lebensenergie bis zu einem gewiſſen, für jede Pflanze genau beſtimmten Maximum zu. Ueber dieſem Maximum hören die Lebensprozeſſe ſelbſt bei geringer Wärmezunahme plötzlich auf und ein noch weiteres Steigen der Wärme oder ein längeres Verweilen in dieſer erhöhten Temperatur müßte den Tod der Pflanze zur Folge haben. Aehnlich verhält es ſich nun auch bei den Pilzen, nur mit dem Unter— ſchiede, daß die Maxima und Minima der Tem— peratur viel weiter auseinander liegen. Um nur ein Beiſpiel zu erwähnen, möge bemerkt ſein, daß Spaltpilze wochenlang in Eis eingeſchloſſen ſein können, ohne den geringſten Schaden zu nehmen. Sobald ſie aus dem Eiſe frei werden, fangen ſie bei ſonſt geeigneten Lebensbedingungen ſofort wieder an zu wachſen und ſich zu vermehren. Iſt es ja doch experimentell feſtgeſtellt, daß Spaltpilze eine Temperatur von — 87 ohne Schaden ertrugen. Was würden wohl unſere Freilandpflanzen oder gar unſere Gewächshauspflanzen dabei machen? — Aehn— Humboldt 1885. lich wie bei tiefen Temperaturen verhält es ſich bei den in Betracht kommenden Pilzen und darunter be— ſonders wieder bei den Spaltpilzen mit erhöhten Temperaturen. Während die meiſten Pflanzen eine Temperatur von 40 — 50 C. nicht lange, die meiſten kaum mehr ertragen können, befinden ſich die Spalt— pilze bei 87—40° C. am allerwohlſten, ertragen eine Temperatur von 50 und 60 Grad noch ganz gut und in gewiſſen Zuſtänden, im Sporenzuſtand, ſchadet den meiſten Spaltpilzen die Siedehitze auf kurze Zeit nichts, das weiß jeder, der ſich einige Zeit mit der Kultur dieſer Organismen befaßt hat. Ja, will man abſolut ſicher gehen, daß in einem Ge— fäße, welches Spaltpilze enthält, alle dieſe Or— ganismen getötet werden, daß alſo das Gefäß pilzfrei wird, ſo muß man das Gefäß mindeſtens 1 Stunde im Dampfkeſſel auf 110. erhitzen. Es wurde wiederholt durch das Experiment erwieſen, daß ein halbſtündiges Kochen bei 110° C. gewiſſe Pilzkeime durchaus nicht tötete. Es beſitzen folg— lich auch in dieſer Hinſicht dieſe Pilze eine außer— gewöhnliche, ſonſt in der Natur nicht mehr vor— kommende Lebenszähigkeit. Wie wichtig dieſer Punkt gerade iſt, wenn es ſich um das Einmachen und Konſervieren handelt, dürfte leicht zu entnehmen ſein. Wie alle lebenden Weſen, pflanzen ſich auch die Pilze fort und zwar die Schimmelpilze hauptſäch— lich durch maſſenhaft gebildete Sporen, die Hefepilze vorzugsweiſe durch Sproſſung, indem aus der Wandung gleichſam ein Aſt hervorſproßt, ſich von der Mutterzelle abſchnürt und zuletzt lostrennt, um für ſich den gleichen Prozeß von neuem durchzu— machen. Die Spaltpilze hingegen vermehren ſich vor— zugsweiſe durch Querteilung, indem jedes Indi— viduum bis zu einer gewiſſen Länge heranwächſt, ſich dann teilt, wobei die beiden Tochterzellen ſich meiſt trennen oder noch einige Zeit miteinander zu— ſammenhängen. Dieſe Fortpflanzung nun wäre an und für ſich nichts beſonderes, ſie iſt ſelbſtverſtändlich; aber auffallend im höchſten Grade iſt die Schnellig— keit, mit welcher eine Teilung erfolgt. Unter günſti— gen äußeren Lebensverhältniſſen teilt ſich nämlich eine jede Zelle gewiſſer Spaltpilze innerhalb 20 bis 30 Minuten. Je wärmer die Luft iſt, deſto raſcher verläuft die Teilung, wenn nämlich Nährſtoffe genug vorhanden ſind. Nehmen wir nur an, daß eine Bak— terie ſich in einer Stunde teilt, und daß die Nach— kommen dasſelbe Verfahren einhalten, was keinem Zweifel unterworfen iſt, ſo haben wir am Ende der erſten Stunde 2, der zweiten Stunde 4, der dritten Stunde 8 Bakterien; in 24 Stunden hat die Nachkommenſchaft einer einzigen Bakterie be— reits die ganz reſpektable Zahl von 16777220 er— reicht; nach zwei Tagen wächſt ſie bereits zu der ungeheuren Zahl von 281½ Billionen und nach drei Tagen zu 47 Trillionen an. Nach ſieben Tagen läßt ſich ihre Menge nur durch eine Zahl von 51 Stellen ausdrücken *). ) Vergl. Cohen: Ueber Bakterien, S. 10. 50 390 Humboldt. — Oktober 1885. Dieſe ins unglaubliche gehende Vermeh— rungsfähigkeit wird leichter faßlich, wenn wir das Gewicht und die Maſſe berechnen, welche aus einer einzigen Bakterie hervorgehen kann. Nehmen wir eine ganz gemeine Stäbchenbakterie, die „ooo mm im Durchmeſſer und ‘/500 mm Länge hat, jo gehen in den winzigen Raum eines Kubikmillimeters 633 Millionen dieſer Bakterie. Am Ende des zweiten Tages würde die Nachkommenſchaft eines derartigen Weſens bereits ½ Liter oder 500000 cm ausfüllen; nach fünf Tagen würde die Nachkommenſchaft eines ſolchen Pilzes bereits im ganzen Weltmeer nicht mehr Raum haben; nach drei Tagen bereits würde die Maſſe der Abkömmlinge einer einzigen derartigen Bakterie das reſpektable Gewicht von 148 356 Centnern beſitzen. Derartige Berechnungen ſind aber nicht etwa eitle Spielerei; ſie machen uns einzig und allein die koloſſale Arbeitsleiſtung der Bakterien erklärlich. Dieſe Berechnungen machen es begreiflich, warum bei anſteckenden Krankheiten ſo außerordentlich hoch organiſierte Weſen, wie der Menſch, in ſo kurzer Zeit durch die winzigſten aller Organismen getötet werden können. In Wirt lichkeit werden freilich die durch die Berechnung gefundenen und ſoeben angeführten Werte nicht erreicht, weil den Pilzen die Nahrung zur Pro— duzierung ſo enormer Quantitäten fehlt und weil ſie ſich durch Erzeugung gewiſſer Verbindungen ſelbſt vergiften, möchte ich ſagen. — Die Hefepilze ſind bedeutend größer als die Spaltpilze; es wiegen etwa 40 Millionen derſelben 1 Kilogramm. Werden nun in geeigneten Bottichen bei hinreichender Nahrung Hefezellen gezüchtet, ſo finden wir es erklärlich, daß innerhalb eines Tages von Preßhefefabriken über 100 Zentner Preßhefe fabriziert werden können. Ich habe ſoeben andeutungsweiſe von der Größe oder beſſer geſagt, von der außerordentlichen Kleinheit der Hefe- und Spaltpilze geſprochen. Wenn man bedenkt, daß in einen Kubikmillimeter 633 Millionen von Stäbchenbakterien Platz haben und daß die Länge derſelben den 500ſten Teil eines Millimeters aus— macht, ſo finden wir es recht begreiflich, daß ſolche winzige Gebilde, gegen die die feinſten Sonnenſtäub— chen, die uns mit bloßen Augen im hereinfallenden Sonnenlichte ſichtbar werden, wahre Rieſenkoloſſe ſind, vom geringſten Windhauche fortgetragen werden; wir finden es begreiflich, daß dieſelben in der Luft bei den nie fehlenden Luftſtrömungen ſtets ſchwimmend erhalten bleiben und ſich faſt nie am Boden abſetzen, obwohl andererſeits die Anſchauung, als könnten ſolche kleine Körperchen über unſere Atmoſphäre hinausgetragen werden, mit Ent— ſchiedenheit in das Reich einer erhitzten Phantaſie zu verweiſen iſt. In den höheren und mit verdünnterer Luft ausgefüllten Regionen unſerer Erdatmoſphäre werden dieſe doch ſo winzigen Organismen mit be— deutend größerer Schnelligkeit zu Boden ſinken, als dies in den Tieflagen unſeres Erdballes der Fall iſt. Die leichte Transportierbarkeit durch ſelbſt die ver— ſchwindend leiſen Luftzüge erklärt es ferner, daß wir die drei beſprochenen Pilzgruppen in den ver⸗ ſchiedenſten Arten allüberall finden; ſie ſind in der Luft, im Waſſer, in der Erde; mit jedem Liter Luft ungefähr, den wir einatmen, bringen wir einen Keim in unſeren Körper; mit jedem Biſſen Apfel oder Birne, mit jedem Stückchen Brot, das wir zu uns nehmen, verzehren wir viele Keime; beim Ver⸗ zehren ſaurer Milch, reifen Käſes u. ſ. w. haben wir es geradezu auf die Vertilgung von rieſen— haften Quantitäten dieſer Organismen abgeſehen; ja noch mehr, wir beſitzen in und an unſerem Körper ganze Kolonien dieſer Pilze; jeder hohle Zahn ent- hält in der Höhlung zahlreiche Spaltpilze. Bemerkens⸗ wert iſt noch die Thatſache, daß von feuchten und befeuchteten Gegenſtänden, aus Flüſſigkeiten, ſelbſt bei außerordentlich großen Luftſtrömungen, die Pilzzellen ſich nicht zu entfernen imſtande ſind. Ich habe nur noch kurz das Verhalten dieſer Or- ganismen gegenüber ſchädlichen, giftigen Stoffen zu erörtern. Gibt es gewiſſe Gifte, welche die Pilze töten, das iſt eine Frage von weit⸗ gehendſter Bedeutung und dieſelbe muß mit aller Entſchiedenheit bejaht werden. Wie für alle anderen Lebeweſen gibt es für die niederen Pilze Gifte und zwar ganz energiſche. So tötet Queckſilberchlorid, Sublimat genannt, ſchon in einer Verdünnung von 1: 1000 die Pilze; ebenſo töten Karbolſäure, Sali— cylſäure und verſchiedene andere Stoffe bei größerer oder geringerer Stärke der Konzentration; allein es darf uns nach allem, was wir bereits über die Lebens⸗ erſcheinungen dieſer Pflänzchen gehört haben, nicht befremden, daß ſie ſelbſt den heftigſten Giften einen bedeutend höheren Widerſtand entgegen— ſetzen als die übrigen Lebeweſen; der Menſch z. B. kann bedeutend geringere Quantitäten von Queckſilber⸗ chlorid vertragen als ein Pilz, natürlich rückſichtlich der Körpergröße, mit anderen Worten eine Menge von Pilzen, deren Gewicht demjenigen eines Menſchen gleichkommt, kann ungleich größere Doſen von Sublimat in ihren Körper aufnehmen als ein Menſch. Dieſer Umſtand gerade iſt es, welcher den Aerzten bei der Heilung aller internen Infektionskrankheiten, aller anſteckenden Krankheiten alſo, welche innere Or— gane ergreifen, die größten Schwierigkeiten bereitet; dieſer Umſtand macht es ſogar im höchſten Grade wahrſcheinlich, daß für gewiſſe interne Pilz— krankheiten nie ein ſpeeifiſches Heilmittel gefunden werden dürfte, da ſtark giftige Arzneien, welche die Pilze zu töten vermöchten, den menſchlichen Organismus noch leichter vernichten. Doch genug davon. Wir haben nunmehr, in allgemeinen Um⸗ riſſen freilich nur, die Lebensverhältniſſe und die Exiſtenzbedingungen kennen gelernt, unter denen die drei in Betracht kommenden Pilzgruppen vegetieren können; es handelt ſich alſo noch darum, die gemachten Erfahrungen beim Einmachen und Konſervieren unſerer Früchte praktiſch zu verwerten. Ich bemerke gleich von vornherein, daß es nur zwei er— folgreiche Maßregeln gibt, nämlich entweder man entzieht den Pilzen die zu ihrem Leben er- Humboldt. — Oktober 1885. 2 391 © ? forderlichen Exiſtenzbedingungen oder man tötet ſie ſelbſt; ein dritter Weg wäre allenfalls noch der, daß man die eingemachten Früchte mit den Pilzen ſchädlichen Stoffen verſetzte. Ich werde dieſen letzteren Punkt am Schluſſe noch kurz beleuchten. Ich gehe nunmehr dazu über, die Behandlungs— weiſe des Obſtes in friſchem Zuſtande, von der Reife bis zur Verbrauchszeit, ſowie während und nach dem Konſervieren zu beſprechen. Was den erſten Punkt betrifft, ſo iſt kurz zu bemerken, daß die Früchte mit der allergrößten Vorſicht vom Baume genommen und an den Aufbewahrungs- ort verbracht werden müſſen; jede Verletzung öffnet dem Faulen, d. h. den Pilzen Thür und Thor zum Verderben der Früchte und zu unſerem Schaden. Jeder Stoß, jeder Druck, jedes Mal, wie man ſich in der Volksſprache auszudrücken pflegt, muß unbedingt vermieden werden. Der Grund hierfür iſt aus dem, was ich früher geſagt habe, leicht zu entnehmen. Die Pilze der drei beſprochenen Gruppen ſind unter den Organismen als allgegenwärtig zu betrachten; ſie kommen über— all hin und werden jede, auch die geringſte Wunde an den Früchten, die ihnen als Koſt ſo außerordentlich zuſagen, auffinden und ſofort auch ihre verderbliche Thätigkeit beginnen und zwar die Schimmelpilze in bevorzugter Weiſe, weil ſie die Fähigkeit beſitzen, die Zellwandungen zu durch— bohren und ſo das Fruchtfleiſch zu durchdringen. — Die Früchte ſind von einer bald ſtärkeren, bald ſchwächeren Haut, die meiſt, wenn nicht immer, aus einer Korkſchicht von beſtimmter Mächtigkeit beſteht, bekleidet. Dieſe Haut oder Schale ſchützt die Früchte vor dem direkten Eindringen der Pilze und zwar um ſo mehr, je mächtiger die Schale iſt, das ſehen wir an unſeren Winteräpfeln. Sobald durch Stoß, Schlag oder Druck eine Wunde erzeugt iſt, iſt dieſes Schutzmittel natürlich an der verwundeten Stelle aufgehoben. Wir ſehen in der That, daß alle jene Früchte, welche durch äußere Einflüſſe, durch Hagelkörner, Windſtöße, durch allzugroße Trockenheit oder Näſſe Wunden, Sprünge und Riſſe erhalten, faſt ſtets am Baume ſchon faulen und daß durch dieſe faulenden Früchte noch unver— ſehrte angegriffen werden. Beim Ausleeren des Obſtes und beim Verpacken muß mit der aller— größten Sorgfalt aus dem gleichen Grunde ver— fahren werden und um ſo größer muß die Vorſicht ſein, je zarter die Haut der Früchte iſt; bei Beeren— früchten, Steinfrüchten, wie Kirſchen und Pflaumen, am größten; Aepfel und Birnen ertragen eher einen leiſen Druck. Und wie wird bei uns auf dem Obſt⸗ markte, in den Läden, auf dem Transporte, beim Verpacken verfahren? Die hierbei voll— führte Arbeit ſpottet jeder Kritik. Kann man doch ganze Obſtfäſſer durchſuchen, bis man einen un— verſehrten Apfel findet. Noch lächerlicher iſt es, wenn Beerenfrüchte, wie Erdbeeren, Himbeeren u. ſ. w. in Kiſten hochaufgehäuft auf einer Schiebkarre durch die holperigen Straßen gefahren werden und wenn dann die Verkäuferinnen init ihren von Saft triefenden, ekelerregenden Händen in die Beeren fahren und abmeſſen. Da geht es nie ohne Zerquetſchung von Beeren ab, ein Grund, warum ſich ſolche Früchte kaum über Nacht mehr halten. In New Pork und beſonders in San Francisko gebraucht man die Sorg— falt, leicht zerdrückbare Früchte, wie Beeren und Steinobſt, gleich in kleine Schachteln von 1, 2, 5 Pfund abzuwiegen. Da ſieht das Obſt appetitlich und einladend aus. Die oben gemachte Andeutung über das Pflücken des Obſtes veranlaßt mich, noch eine Frage zu be— rühren, welche die rentablere Zucht von Zwerg— obſtbäumen, wie Pyramiden- und Spalierobſtbäumen, gegenüber den Hochſtämmen betrifft. Es iſt mir klar geworden, daß die Kultur der Zwergobſtbäume be— deutend rentabler iſt als jene der Hochſtämme und zwar aus folgenden Gründen. Erſtens läßt ſich das Obſt ohne Mühe mit der größtmöglichen Sorgfalt pflücken; es läßt ſich dann den Stür— men, welche die Früchte ſo ſehr ſchädigen, durch eine Gartenmauer oder durch eine Bretterwand, Abbruch thun; ferner kann ohne Mühe jede an— gegriffene Frucht ſofort entfernt und vernichtet werden. Das ſind die Gründe, welche nach meinem Vortrage für die Kultur der Zwergobſtbäume, ganz beſonders der Pyramidenbäume, ſprechen. Dazu ge— ſellen ſich noch, daß die Früchte an Zwergobſtbäumen viel gleichmäßiger, ſchöner und beſſer werden können und müſſen, als an Hochſtämmen, die unter den Zweigen und beſonders an der Nordſeite, ſtets minderwertige Früchte tragen. Wir können den Zwergobſtbäumen eine größere Sorgfalt im Be— ſchneiden, Ausputzen ꝛc. zuwenden; auf dem Raume, welchen ein Hochſtamm einnimmt, läßt ſich eine entſprechende, gleichviel tragende, da— bei aber an Qualität beſſeres Obſt liefernde An— zahl Bäume pflanzen. Der Obſtzüchter hat es an der Hand, die Fruchtbarkeit der Spalierbäume zu er— höhen; ganz beſonders durch entſprechende Düngung. Bei allen Hochſtämmen iſt die Art und Weiſe der Düngung, wie ſie vollzogen wird, zum allergrößten Teil ohne Wirkſamkeit. Man düngt nämlich nur den Boden um den Stamm; die oft ſehr weit entfernten Wurzelſpitzen, die die Nahrungsauf— nahme allein beſorgen, können dabei mit dem Dünger durchaus nicht in Berührung kommen bei Hoch— ſtämmen; aber bei Zwergobſtbäumen kann ich rationell düngen, die ganze Kraft des Düngers kommt den Bäumen wirklich zu gute. Aus dieſen Gründen iſt nur die Kultur des Zwergobſtes rationell, weil am einträglichſten und nur jener Obſtzüchter wird heute mit dem Auslande konkurrieren können, der ſich auf die Kultur von Zwergobſtbäumen verlegt. Es iſt dies ein Punkt, der bis jetzt nicht genügend hervor— gehoben wurde). Doch zu unſerem Thema zurück. Natürlich iſt die Kultur von Zwergobſt nicht für Straßenbepflanzung und für Feldbepflanzung, ſondern nur für den Obſtgarten geeignet. 392 Humboldt. — Oftober 1885. Auf die Frage, wo ſollen wir das friſche Obſt, das in richtiger Weiſe eingebracht iſt, aufbewahren, gebe ich die Antwort: an pilzfreien Plätzen. Da es aber ſolche pilzfreie Plätze nicht gibt, ſo müſſen wir uns mit trockenen Plätzen, die dem Luftzuge entzogen ſind, begnügen. Feuchte Keller und Räumlichkeiten find abſolut ungeeignet. Könn— ten wir unſer Obſt pilzfrei machen und an einem pilzfreien Platze aufbewahren, ſo wäre dasſelbe im friſchen Zuſtande jahrelang zu erhalten. — Wir haben gehört, daß in der Nähe des Eispunktes die Pilzvegetation aufhört; wer einen Eiskeller hat, der thut gut, das Obſt in den höchſtens 1 bis 2 Grad über Null warmen Eiskeller oder in Eisſchränken auf— zuheben; es läßt ſich hier ſelbſt Beerenobſt längere Zeit in gutem Zuſtande erhalten. Noch eine Be— merkung bezüglich des Pflückens ſei gemacht. Das Obſt darf nie im naſſen Zuſtande, an regneriſchen Tagen, ſondern nur bei klarem, trockenem Wetter abgenommen werden. Die Erfahrung hat uns ſeit langer, langer Zeit gelehrt, daß das Trocknen ein außerordentlich gutes Mittel iſt, um Obſt zu konſer— vieren. Es kommt mir nicht darauf an, zu zeigen, wie das Trocknen zu geſchehen hat; mich beſchäftigt jetzt nur die Frage: warum konſerviert das Dörren? Die Antwort iſt leicht. Beim Dörren wird den Früchten alles Waſſer, aber auch faſt nur aus— ſchließlich das Waſſer entzogen und damit iſt den Pilzen die Möglichkeit benommen, ſich zu ver— mehren. Die an gedörrtes Obſt kommenden Pilze ſind zu demſelben latenten Daſein verdammt, das ſie in der Luft zu führen haben. Mit dem Mangel des Waſſers ſind den Pilzen alle Exiſtenzbe— dingungen geraubt. Die beſte Art und Weiſe des Dörrens iſt nun ſelbſtredend jene, bei welcher alle Früchte der gleichen Art ganz gleichmäßig, ohne zu verbrennen, vollkommen austrocknen. Die Ameri— kaner beſitzen in ihrem Aldenapparat die hierfür ge— eignetſte Vorrichtung. Es dürfte wohl überflüſſig fein, zu bemerken, daß das gedörrte Obſt nur an [uft- trockenen, nie aber in feuchten Räumlichkeiten bis zum Verſand oder Verbrauch aufzuheben iſt. In feuchten Lokalitäten wird Feuchtigkeit angezogen und damit den Pilzen die Möglichkeit geboten, zu wachſen, ſich zu vermehren und ihre ver— nichtende Arbeit zu beginnen. Nicht in gleicher Weiſe, wie das gedörrte Obſt, können wir die in Flüſſigkeiten eingemachten Früchte, die Fruchtſäfte, die aus Obſt gefer— tigten Spirituoſen n. ſ. w. gegen die Schädigungen niederer Pilze ſchützen, weil eben hier der wich— tigſte Träger des Lebens, das Waſſer, den Pilzen in überreicher Menge geboten wird. Das Einmachen der Früchte erfordert ganz beſondere Vorſichts— maßregeln, auf welche ich auf Grund der beim Studium der niederen Pilze gemachten Beobachtungen näher eingehen muß und glücklicherweiſe näher ein— gehen kann. Aus der im erſten Teile meines Vortrages ge— gebenen Darlegung der Lebensverhältniſſe der niederen Pilze ergibt ſich, daß wir nur drei Mittel zur Fernhaltung ihrer vernichtenden Wirkung beſitzen, nämlich die Anwendung eines bedeutenden Kälte⸗ zuſtandes, wodurch dieſe Organismen zwar nicht getötet, aber in einen Erſtarrungszuſtand verſetzt werden (gleich den allermeiſten kaltblütigen Tieren), in welchem ſie alle Wirkung verlieren. Wer demnach einen Eiskeller oder einen Eisſchrank beſitzt, wird ſeine eingemachten Früchte in dieſe Lokalitäten bringen und ſich dadurch genügend vor Schaden bewahren, nur darf die Temperatur fic) nie vom Gefrier- punkte entfernen. In den allermeiſten Haus⸗ haltungen fehlen aber derartige Vorrichtungen und dann handelt es fic) darum, die Gefäße mit: ſamt den eingemachten Früchten zu ſterili⸗ ſieren, das heißt alle an den Früchten, in der Flüſſigkeit, an den Gefäß wänden befindlichen Keime durch Anwendung einer erhöhten Tempe— ratur zu töten und das Hinzutreten neuer Keime durch geeigneten pilzdichten Verſchluß zu ver- hindern. Das Töten der niederen Pilze kann auf zweierlei Weiſe durch Kochen bewerkſtelligt werden. Entweder man kocht in einem mit einem Deckel gut und feſt verſchließbaren Gefäße von Eiſen die Früchte mit den Aufbewahrungsgefäßen bei einer Temperatur, die 110 C. erreicht, eine Stunde lang. Es werden dann alle Pilzkeime getötet ſein. Im Momente des Herausnehmens müſſen die Gefäße, welche während des Kochens abſolut nicht luftdicht verſchloſſen ſein dürfen, gut und pilzdicht verſchloſſen werden. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß bei Verwendung von gläſernen und irdenen Gefäßen dieſelben nicht in kochendes Waſſer geſtellt werden dürfen, da ſie durch die raſche Erwärmung zerſprengt würden, ſie müſſen in kaltes Waſſer geſtellt und zugleich mit dem Waſſer auf die erforderliche Temperatur gebracht werden. Ich bemerke aber nochmals, ein luftdichtes Verſchließen der Gefäße würde ihre Vernichtung unbedingt herbeiführen; das Verſchluß— material darf während dieſer Behandlung nur locker aufgelegt oder ſehr locker auf den Gefäßen befeſtigt werden. Hingegen iſt es notwendig, ſofort beim Herausnehmen aus dem Dampftopf die Ge— fäße möglichſt feſt zu verſchließen, ſo feſt, daß Pilzkeime nicht mehr eintreten können. Bei Anwendung dieſer unbedingt notwendigen Vorſichtsmaßregeln garantiere ich für jah re— lange Erhaltung der Konſerven. Dieſe Me— thode der Steriliſierung läßt ſich für Fruchtſäfte und dickflüſſige Konſerven vorteilhaft verwenden. Die zweite Methode beſteht darin, daß man die zu konſervierenden Obſtarten, meiſt ganze Früchte, in den Aufbewahrungsgefäßen und mit dem Ver— ſchlußmaterial bis zur Siedehitze erwärmt und eine halbe Stunde auf dieſer Temperatur erhält, fo- dann die Gefäße herausnimmt und ſofort feſt, luft— dicht womöglich, zum mindeſten pilzdicht verſchließt. Während des Kochens dürfen ſie nicht luftdicht verſchloſſen fein, da die Luft und die Waſſer—⸗ Humboldt. — Oftober 1885. 393 dämpfe im Innern der Gefäße dieſe zerſprengen wür— den. Dieſe Operation muß aber nicht einmal, ſondern mehrere Tage hintereinander vor genommen werden, weil wir wiſſen, daß durch die Siedhitze allein noch nicht alle Pilze, wenigſtens nicht im Sporenzuſtande, in dem ſie eine ganz außerordentliche Lebenszähigkeit entwickeln, getötet werden. Auch dieſe Methode führt, richtig angewendet und an wenigſtens fünf bis ſechs aufeinander folgenden Tagen ausgeführt, zu abſolut ſicheren Reſultaten. Die Gläſer mit den Früch—⸗ ten und Verſchlüſſen ſind dann ſteriliſiert, alle Pilz— keime ſind vernichtet. Sorgfältiges Verſchließen, und zwar augenblicklich nach dem Herausnehmen aus dem kochenden Waſſer muß es geſchehen, verhindert dann das Eindringen neuer Keime und die Konſerven können, am beſten an trockenen und nicht au warmen Orten, beliebig lang aufbewahrt werden. Neben Fruchtſäften und Marmeladen können auf dieſe Weiſe die ganzen und geteilten Früchte und beſonders auch die ſüßen und nicht beſonders alkoholreichen Liqueure ſteriliſiert werden). Die erſte Me— thode ijt in kurzer Zeit abgewickelt, letztere ijt lang— wieriger, aber immerhin in den meiſten Haus— haltungen leichter durchführbar). Was ich hier von den eingemachten Früchten ge— ſagt habe, gilt in gleicher Weiſe für alle dem Ver— derben leicht ausgeſetzten Nahrungsmittel, gilt für die Gemüſe und Fleiſcharten. Die Theorie iſt ſtets dieſelbe, die praktiſche Ausführung wird je nach der Art der zu konſervierenden Gegenſtände verſchieden ſein. Es iſt Sache der Erfahrung, die beſten praktiſchen Verhältniſſe zur Konſervierung der Gemüſe und Fleiſcharten herauszufinden. — Die Art und Weiſe, wie in unſeren Haushaltungen die verſchiedenen Früchte eingemacht werden, iſt unzuläſſig, weil nie die Garantie geboten iſt, daß nicht Pilzkeime, während des Ueberbringens in die Aufbewahrungs— gefäße, hineingeraten. Die Gefäße ſelbſt ſind nie rein; jedenfalls müßten ſie vorher wenigſtens einige Stunden hindurch gekocht werden. — Was ich hier über die Art und Weiſe der Behandlung der ein— zumachenden Früchte geſagt habe, wird in Amerika in den Konſervenfabriken ausgeführt. Die mit Früchten gefüllten Zinnbüchſen kommen in einen mit Dampf erfüllten Raum und verbleiben je nach der Frucht— art längere oder kürzere Zeit in dieſem Dampf— keſſel. Sodann ſtellt man ſie acht Tage lang hin und beobachtet nach Verlauf dieſer Zeit, ob alle Flaſchen gut ſind. Die nicht guten Flaſchen werden dem gleichen Verfahren nochmals unterworfen. Frei— ) Alkoholreiche Liqueure verderben nicht leicht, da Al— kohol in ſtärkerer Konzentration für die Pilze Gift iſt. ) Es verſteht fic), daß beim Kochen der Einmach— gläſer in geeigneten Gefäßen auch die nötigen Vorſichts— maßregeln getroffen werden, damit die Gläſer nicht um fallen und ſich ihres Inhalts entleeren. Man darf ſie nicht auf den Boden ſtellen, ſondern am beſten auf ein etwas vom Boden entferntes Geſtell. Dieſes hat auch beim Kochen im Dampftopf zu geſchehen. lich haben dann am Nichtgelingen des Einmachens diejenigen Schuld, welche die Gefäße zulöten, ob— wohl in der That nur die un vollkommene Ste— riliſierung oder die nicht ſofort vorgenommene Verſchließung der, wenn auch nur kleinen, für die Entweichung der Luft in den Deckel gemachten Oeff— nung offenbar die Schuld trägt, ſicherlich in den aller— meiſten Fällen. Semmler, welcher in ſeinem vor— trefflichen Werke über die Hebung der Obſtver— wertung und des Obſtbaues, dieſe Art des Einmachens beſpricht, überhaupt zahlreiche Winke für Obſtproduzenten und Konſumenten gibt, ſchreibt dem Zutritt der Luft das Verderben zu; er er— wähnt auch nicht mit einem Worte die eigentliche Urſache des Faulens der Früchte. Die niederen Pilze, welche allein in Betracht kommen, ſcheinen ihm eine terra incognita zu ſein. Semmler hält einen luftdichten Verſchluß für notwendig. Nun ja, bei allen jenen e welche auf den Markt kom⸗ men, muß der Verſchluß das Auslaufen der Säfte verhindern, alſo luftdicht ſein. Für den Haus— gebrauch iſt ein luftdichter Verſchluß gut, weil der Verdunſtung geſteuert wird. Notwendig iſt er nicht, der Verſchluß muß nur pilzdicht ſein, er muß den, wie ich oben ſagte, ſo außerordentlich kleinen Pilzkeimen, die überall ſind, das Ein— dringen in die ſteriliſierten Gefäße verhindern, wenn die eingemachten Früchte nicht verderben ſollen. Was nun die Gefäße zum Aufbewahren der Früchte anbelangt, ſo ſind metallene Gefäße für den Hausgebrauch unter allen Bedingungen zu verwerfen. Aus Zinn gefertigte Büchſen, welche den Vorteil der Leichtigkeit und dadurch erleichter— ten Transportierbarkeit beſitzen, ſollten nur dann genommen werden, wenn man abſolut ſicher iſt, daß das Zinn chemiſch rein und nicht durch Blei oder andere giftige Metalle ver— unreinigt iſt. Kupfer und Meſſing ſind ſelbſtredend ganz und gar ausgeſchloſſen. Die allerbeſten und für den Hausgebrauch allein zu empfehlenden Gefäße find Gläſer von geringem Volumen; mehr als zwei Pfund ſoll ein Gefäß nie faſſen und die Oeffnung ſoll der leichteren und ſicheren Verſchließ barkeit halber fo eng als möglich fein; für Liqueure und Fruchtſäfte empfehlen ſich Flaſchen aus hellem Glaſe, für Mar— meladen Flaſchen mit etwas weiterem Halſe, da— mit man eben mit einem Eßlöffel hineinfahren kann, für eingemachte Früchte ſind natürlich Gefäße erforderlich, die eine Oeffnung von der Größe der Früchte beſitzen. Glasgefäße haben von den ſonſt ebenfalls guten Thongefäßen den Vorzug, daß ſie ſich beim Erhitzen vermöge der dünnen Wände leichter erwärmen und ferner, daß man von außen ſchon beobachten kann, ob die Früchte noch gut ſind oder nicht, ob die Flüſſigkeit klargeblieben iſt, oder ob eine Schimmeldecke gebildet wurde oder nicht. Jedes Oeffnen der Gefäße führt jedes— mal die Gefahr nahe, daß Pilzkeime in die Ge— fäße geraten, und deshalb hat das Oeffnen bis zum 394 Humboldt. — Gktober 1885. Verbrauch zu unterbleiben, und ſind Glasgefäße den thönernen vorzuziehen. Ich habe bereits mehrmals darauf hingewieſen, daß der Verſchluß ein guter, ein pilzdichter, das heißt, das Eindringen jeglichen Pilzkeimes ver— hindernder ſein muß, wenn ſteriliſierte Früchte nicht nachträglich verderben ſollen. Ich muß daher auch in dieſer Beziehung Vorſchläge machen. Bei den für den Verſand vielfach verwendeten Zinnbüchſen iſt das ſofort nach dem Steriliſieren vorzunehmende Verlöten der noch vorhandenen Oeffnung ein ge— nügend ſicheres Verſchlußmittel, um ſo mehr, als dieſe Büchſen ſogar luftdicht geſchloſſen werden. Die für den Hausgebrauch beſtimmten Glasflaſchen und Glasgefäße werden am beſten auf folgende Weiſe behandelt: In jedem Falle ſucht man ſich, da der Verſchluß einigermaßen auch luftdicht ſein ſoll und bei Liqueuren ſogar ſein muß, gute Korke, die den Oeffnungen der Gefäße angepaßt ſin d. Um nun in jedem Falle, ſelbſt wenn der Kork zufällig Löcher beſitzen ſollte, was bei kleineren Stöpſeln leichter, weniger leicht aber bei größeren Korken zu vermeiden iſt, einen pilzdichten Verſchluß zu erzielen, empfehle ich einen Ueberzug der Korke von reiner Watte. Dieſer Ueberzug braucht auf der Unter— ſeite und an den Seitenwänden bei enghalſigen Wein⸗ flaſchen nur gering zu ſein. Oben kann der Ueberzug fehlen, jedoch iſt es beſſer, wenn er auch da iſt. Dieſes Ueberziehen der Korke ift ſehr einfach. Die Baum⸗ wolle, wie ſie im Handel vorkommt, liegt in La⸗ gen; man nimmt eine entſprechend dünne oder dicke Lage, je nach Bedarf und umwickelt damit leicht den Kork und ſetzt ihn dann ſchon vor dem Erhitzen auf die Flaſche. Kork und Watte müſſen wie die Gläſer und die Früchteſteriliſiert werden, es darf kein Pilzkeim in lebensfähigem Zuſtande daran ſein, der zufällig durch Erſchütterung u. ſ. w. in die Flüſſigkeit gelangen könnte. Bei Gefäßen mit weiter Oeffnung gebietet es die Vorſicht, eine dickere Wattelage zu nehmen und den Kork da— mit auf der unteren und den ſeitlichen Wänden wenigſtens zu umwickeln. Durch feſtes Eindrücken des Korkes in die Oeffnung wird nun nicht nur ein abſolut pilzdichter, ſondern meiſt ſogar luft— dichter Verſchluß hergeſtellt. Ich bemerke aus— drücklich, daß durch einen Watteverſchluß, wenn eine in etwas zuſammengedrücktem Zuſtande finger— dicke Baumwolllage genommen wird, für ſich allein, ohne Kork ein pilzdichter Verſchluß erzielt wird. So verſchloſſene, ſteriliſierte, ſelbſt mit der beſten Nahrung für Pilze gefüllte Gefäße laſſen fitch jahrelang aufheben. Für dickflüſſige Konſerven genügt natürlich demzufolge bereits ein Watteverſchluß allein, nur iſt zu bedenken, daß die Konſerven dabei vor Verdunſtung nicht geſchützt ſind. Ueber alle dieſe verſchiedenartigen Verſchlüſſe ſoll ein enggewirkter Leinen- oder Baumwollenflecken gebunden werden, um ſelbſt den Staub abzuhalten, was be— ſonders dann von Bedeutung iſt, wenn man zum erſtenmale die für den Gebrauch beſtimmte Flaſche öffnet. Es dient dies dazu, um zu verhindern, daß nicht gleich beim Oeffnen größere Quanti— täten Staub und damit zugleich die zahlloſen, im Staube befindlichen Pilzkeime in die Ge⸗ fäße fallen, was natürlich zu verhindern iſt, wenn die angebrochene Flaſche nicht auf einmal Verwendung findet. Dies iſt auch der Grund, warum kleine, höchſtens 1—2 Liter faſſende Gefäße in erſter Linie, ja als einzig verwendbar zu empfehlen ſind. Daß natürlich die Inſtrumente, welche man zur Herausnahme der für den Verbrauch be— ſtimmten Konſerven verwendet, ganz rein, pilzfrei ſein müſſen, verſteht ſich von ſelbſt; wenn man ſie nicht glühen kann, was nur bei aus Platin gefer⸗ tigten Löffeln oder Gabeln gut möglich iſt, ſo em⸗ pfehle ich wenigſtens ein längeres Verweilen dieſer Inſtrumente in kochendem Wafer. Schließlich habe ich noch die eine Frage zu er— örtern, wie man ſich gegenüber den präſervierenden Subſtanzen zu verhalten habe. Es werden ja heut zutage viele chemiſche Fabrikate angeboten, welche desinfizierend, pilzwidrig, die Exiſtenz der Pilze vernichtend ſein ſollen. Aus meiner ganzen Darſtellung im erſten Teile leuchtet hervor, daß die hierbei in Betracht kommenden Pilzgruppen ein außer⸗ ordentlich zähes Leben beſitzen, ſich gegenüber den Giften ſehr reſiſtent erweiſen, reſiſtenter, als dies unſer Körper zu thun vermag. Dieſer Umſtand bedingt es auch, warum die Desinfektionsmittel gegen die Pilze in den Mengen, wie ſie bei Konſerven in Anwendung zu kommen haben, meiſt nicht ge— nügend ſteriliſieren, oder wenn ſie dies thun, unſerem Körper nachteilig wirken. Gegenwärtig iſt es die Salicylſäure, welche von chemiſchen Fabriken zum Konſervieren der Früchte angelegentlichſt empfoh- len wird. Ich warne aufs eindringlichſte vor dem Gebrauche dieſes Stoffes, welcher unſerem Körper ſchwerlich zuträglich iſt, ich warne um ſo mehr, als es nicht einmal wahrſcheinlich iſt, daß die angewandte Menge wirklich desinfiziere. Wenn die Zuthat von fremdartigen Subſtanzen zu unſeren Ge— tränken polizeilich verboten iſt, ſo muß es ebenſo auch bei unſeren Nahrungsmitteln ſein. Ich bin gerne bereit, jenes konſervierende Mittel zum Einmachen der Früchte zu acceptieren, welches ge— nügende Sicherheit für die totale Unſchädlich— machung der Pilze bietet, welches den Geſchmack der Konſerven nicht verſchlechtert und auf unſeren Köper wohlthuend, zum mindeſten aber nicht ſchädlich, wie die bis jetzt bekannten Präſervierungsmittel, wirken. So lange die chemiſche In duſtrie nicht derartige Mittel anzubieten ver— mag, weiſen wir alle fremden Ingredienzien mit aller Energie zurück, um ſo mehr, als wir durch die oben angeführten Konſervierungsmethoden, und bei genauer Befolgung der von mir angegebenen Vor— ſichtsmaßregeln vollkommen imſtande ſind, unſere Konſerven, ja ſelbſt unſere Gemüſe und unſer Fleiſch im guten, unverfälſchten und unverdor— benen Zuſtande auf lange Zeit hinaus zu erhalten. Humboldt. — Oftober 1885. 395 Efe in Nord Tunis. Don Dr. W. Kobelt in Schwanheim a. M. III. sO nähere Umgebung der Stadt Tunis war, als wir am 17. Juni dort anlangten, ſchon ziemlich kahl. Doch war auch hier der Einfluß der abnormen Witterung zu erkennen; während ſonſt Mitte Juni die Getreideernte längſt ganz eingebracht iſt, ſtand diesmal noch Weizen genug draußen. Die Gerſte war freilich geſchnit— ten, aber was ſeit Menſchengeden— ken nicht vorge— kommen, ſie hatte vom Regen ge— litten und die ohnehin ſchon we⸗ nig anſehnlichen Körner waren da⸗ durch noch unan— ſehnlicher gewor— den und kaum verkäuflich, ſo daß auch dieſe reich— liche Ernte den ſchwer geprüften und ſchwer ge— drückten tuniſi⸗ ſchen Landbauern keinen großen Nutzen brachte. Die Weizenernte kam dagegen gut ein, denn nun be— gann die Som— merhitze und man konnte faſt un⸗ mittelbar nach dem Schneiden dreſchen. Die tu— niſiſchen Eingebo— man den ärmeren Leuten gegen eine geringe Ver— gütung, ſich Stroh zu raufen, oder man treibt das Vieh hinein und läßt es weiden. Das Land um Tunis gilt ſeit alter Zeit als ſehr fruchtbar und bringt prachtvolle Weizenähren, aber ein achtfacher Ertrag gilt auf unbewäſſertem Lande für eine gute Mittelernte; ra- tionelle Kultur mit vernünftigem Düngen könnte leicht das Drei— fache erzielen. Leider iſt aber nur ein kleiner Teil des Bodens freies Eigentum ſeiner Bebauer, den größten Teil von Nordtunis hat ſich, wie ſchon früher erwähnt, entweder der Bey ſelbſt als Eigen⸗ tum angemaßt oder ſeine all— mächtigen Günſt— linge haben es per fas et nefas an ſich gebracht; große Gebiete ſind auch in den Händen der Mo— ſcheen und from— men Stiftungen und ſo dem freien Verkehr entzogen. Dieſe ſogenann— ten Habbus ſind renen haben na- von zweierlei Art. türlich noch die uralte Methode des Schneidens beibehalten; der Schnitter, durch eine Art Schurzfell vor den Diſteln geſchützt, faßt immer die Aehren eines Weizenbuſches oben zuſammen und ſchneidet ſie dicht unter der Hand ab, dann ſchlingt er einen Halm um das Bündel und legt es hin. Das Stroh kommt aber durchaus nicht zu; wo man Vieh hält, wird wenigſtens ein Teil noch nachher abgeſchnitten und als Futter für den Nachſommer — im Winter iſt ja Weide genug vorhanden — eingebracht; ſonſt geſtattet Fig. 1. Die einen ſind Tuneſiſcher Straßenmuſikant. bedingungslos geſchenkt oder durch das Erlöſchen von anfänglich beſtandenen Servituten freies Eigentum geworden; dieſe ent— ſprechen ganz dem türkiſchen Wakuf. Ihre Ver— waltung war früher das einträglichſte Amt in ganz Tunis und machte ſeinen Inhaber in wenigen Jahren zum Millionär. Jetzt haben aber die Franzoſen den ärgſten Unterſchleifen geſteuert und ſehen dem gegen— wärtigen Verwalter, dem Scheich el Ouartini, ſo ſcharf auf die Finger, daß er es ſchwerlich dahin bringen 396 Humboldt. — Oftober 1885. wird, mit 30 Millionen durchzugehen, wie ſein Vor⸗ gänger. Dieſe Klaſſe von Gütern zahlt als Steuer in die Regierungskaſſe jährlich eine Averſionalſumme von 180000 Franken. Die zweite Klaſſe von Habbus entſpricht einigermaßen unſeren Familienfideikommiſſen. Wenn ein durch Handel oder als Günſtling des Bey reich gewordener Maure ſeiner Familie für alle Zeiten ein von deſpotiſchen Launen unabhängiges Einkommen ſichern will, übergibt er ſein Vermögen einer Moſchee oder einer frommen Stiftung mit der Auflage, die Er— trägniſſe ganz oder nach Abzug einer beſtimmten Quote einem Mitgliede ſeiner Familie und deſſen Nach- kommen auszuzahlen, ſolange ſolche exiſtieren; mit dem Erlöſchen der Familie fällt das Vermögen defi— nitiv an die Moſchee. Im Unterſchied von unſeren Fideikommiſſen ſtehen aber dieſe Habbus nicht unter der Verwaltung des zum Genuß der Einkünfte Be- rechtigten; er hat vielmehr gar keinen Einfluß darauf. Der Kadi ernennt einen Verwalter (Mokaddem), der ganz ſouverän mit dem Eigentum ſchalten kann. Er darf es vermieten oder in Selbſtverwaltung nehmen, Reparaturen und Verbeſſerungen anordnen, ſelbſt, wenn der Kadi einwilligt, vertauſchen und hat nur den Reinertrag abzuliefern; nicht einmal Rechnung abzulegen kann er gezwungen werden. Das führt natürlich in der neueren Zeit, wo in der Berührung mit der abendländiſchen Civiliſation die einſt ſprüch⸗ wörtliche Redlichkeit der tuniſiſchen Mauren immer mehr in das direkte Gegenteil umſchlägt, zu den ſchwerſten Mißſtänden. Alte reiche Familien ſehen ſich durch ungetreue Mokaddems, über welche ſie nicht die geringſte Macht haben, faktiſch an den Bettelſtab gebracht. Ein Eingreifen der Regierung iſt unver— meidlich und wird wohl auch bald erfolgen, denn ſchon im vorigen Juli brachte „Tunis Journal“ einen ſehr gut geſchriebenen Leitartikel über die Habbus und das iſt immer ein Zeichen, daß Herr Campon ſich ernſtlich mit der Frage beſchäftigt. Wie ich ſeitdem erfahren, ift auch bereits eine Kommiſſion niedergeſetzt, welche ſich nicht nur mit dieſer Frage, ſondern mit der Regelung aller Eigentumsverhältniſſe befaſſen ſoll, welche ſich nicht ohne weiteres unter den Code civile ſtellen laſſen. Sie wird Arbeit genug finden, denn die Eigentumsverhältniſſe in Tunis ſind auch da, wo ſich freie Grundbeſitzer erhalten haben, verworren genug, ein Kataſter exiſtiert natürlich nicht und ge- fälſchte Beſitztitel ſollen in Menge im Umlauf fein. Die Schwierigkeit, Grundbeſitz zu erwerben, war bis zum Ende vorigen Jahres das Haupthindernis für das Aufblühen des Landes, in dem man ja nicht, wie in Algerien expropriieren und konfiszieren konnte, um für Koloniſten Raum zu ſchaffen. Die Europäer erhielten erſt 1862 das Recht, überhaupt Grundbeſitzer in Tunis zu werden, und zwar war das Vorrecht an- fänglich auf engliſche Unterthanen beſchränkt. Der erſte, der davon Gebrauch machte, war Thor wald Llewyllen Smith, der eine Domäne in Mater erwarb; er iſt derſelbe, der ſpäter unter dem Namen „Le Kroumir Smit“ eine fo große Rolle in den franzöſiſchen Blättern ſpielte. Das verkäufliche Ter— rain war und iſt aber ſehr gering, da der ſchwache Mohammed Sadok, der vorige Bey, faſt die ganze Domäne an ſeine Günſtlinge verſchleudert hat. Vielen Franzoſen wäre darum ein kleiner Aufſtand in Nord- tunis, der einen Grund zu ausgedehnten Konfiska— tionen gäbe, nicht ſo ganz unwillkommen. Auch bei den im freien Eigentum ſtehenden und darum verkäuflichen Grundſtücken ſind zahlreiche Schwierigkeiten zu überwinden. Selbſt wenn die Be- ſitztitel in Ordnung und unbeſtritten ſind, kann noch jeder Nachbar, deſſen Grundſtücke unmittelbar an das zu verkaufende Gut ſtoßen, das Recht der Schufa geltend machen, d. h. er kann erklären, daß er das Gut für den vereinbarten Preis übernehmen will?). Das zu umgehen, gibt es allerdings Mittel. Ge— wöhnlich hilft man ſich damit, daß der Kaufpreis nicht ganz genau beſtimmt wird; der Käufer zahlt eine vereinbarte Summe und gibt über dieſe hinaus noch eine Handvoll Münzen, die er nicht gezählt hat und die auch der Empfänger nicht nachzählt. So ijt es dem zur Schufa Berechtigten unmöglich, genau ebenſoviel zu zahlen. Bei großen geſchloſſenen Gütern verfährt man wohl auch in anderer Weiſe; man läßt an dem Rand der ganzen Domäne ringsum einen ſchmalen Streifen unverkauft, dann grenzt kein Nach— bar unmittelbar an das verkaufte Stück und kann fo- mit auch keiner ein Recht geltend machen. Ungemein lehrreich iſt in dieſer Hinſicht das Schick— ſal der Domäne Anfida, welche ſüdlich vom Dſche— bel Zaghuan liegt. Der Bey Mohammed hatte dieſe ſeinem erſten Günſtling, dem bekannten Khei— reddin, geſchenkt, einem Tſcherkeſſen, den Ahmed Bey hatte erziehen laſſen. Er war, beiläufig bemerkt, nicht der ſchlechteſte unter den Machthabern der letzten Jahre und die Zeit, in welcher er nach dem Sturz des berüchtigten Muſtapha Khasnadar und des Generals Ben Ayöt, der mit ſo viel geſtohlenen Millionen nach Italien durchbrannte, und dort in Lie vorno als großer Herr lebte, das Staatsruder in Händen hatte, brachte Tunis wenigſtens wieder einige Erleichterung. Er hatte ſelbſt geholfen, den Khas— nadar, ſeinen Schwiegervater, zu ſtürzen; dieſer, der Tunis an den Bettelſtab gebracht, entging dem wohl— verdienten Tod durch Henkershand nur dadurch, daß ſeine Frau, eine Tochter Ahmed Beys, als er ab— geführt werden ſollte, erklärte, fie würde ihm unver- ſchleiert und mit aufgelöſtem Haar durch die Straßen folgen, ein Skandal, vor dem ſich Mohammed Sadok doch entſetzte. Kheireddin ließ ſich das aber zun Warnung dienen; er benutzte den „ungerechten Mammon,“ um ſich Freunde zu machen, und als es dem niederträch— tigſten Schurken, der je ein Land regiert hat, Mu— ſtapha ben Is mall, gelang, ſeine Stellung zu ) Iſt das noch ein Ueberreſt des im Berbergebiet über— all geltenden Grundſatzes, daß Grund und Boden nicht an einen Ausmärcker verkauft werden darf oder doch jedem Gemeindegliede Einſpruch dagegen und Vorkaufsrecht zu— ſteht? Letzteres Recht galt bekanntlich in vielen Gauen Deutſchlands bis in die neuere Zeit. Humboldt. — Oktober 1885. 397 untergraben und ihn zu ſtürzen, kam alsbald ein Ferman vom Sultan in Konſtantinopel und forderte den Geſtürzten vor ſein Gericht, das ihn bekanntlich dazu verurteilte, Großweſir des türkiſchen Reiches zu werden. Seinen ganzen Grundbeſitz, einſchließlich des Palaſtes bei La Goletta, den ich früher beſchrieben habe, kaufte die Société franco-africaine für den Spottpreis von 2500 000 Franken; fie traf bei der An— fida auch die Vorſichtsmaßregel, einen Streifen rings— um ungekauft liegen zu laſſen. Da trat aber ein eingeborener Jude, Namens Levy, der ein Gut dicht an der Anfida beſaß, auf, mit der Behauptung, daß ihm auch ein Stück Land innerhalb der Domäne ge— Anſprüche für eine erhebliche Summe ab. Er ſoll ſich darüber ſo gefreut haben, daß er ſtarb, aber ehe das Geld an ſeine Witwe ausgezahlt wurde, traten ein paar Araber auf und beſtritten die Richtigkeit ſeiner Beſitztitel und ſo gab es einen neuen Prozeß, der erſt im vorigen Jahre zu Ungunſten der Witwe entſchieden wurde. Die Geſellſchaft kam fomit erft nach faſt zehnjährigen Streitigkeiten in den Beſitz der Domäne. Sie wird desſelben nicht froh, denn obſchon ſie für einen Spottpreis den ſchönſten Teil der zu allen Zeiten ihrer Fruchtbarkeit halber hoch— berühmten Provinz Byza cena erworben hat, zehren hohe Gehälter und große unproduktive Baulichkeiten e 0 “i 0 hi THIN Fig. 2. höre, das man beim Verkauf überſehen hatte. Er produzierte ſeine Beſitztitel und beanſpruchte das Vor— kaufsrecht; da er unter engliſchem Schutze ſtand, wurde der Kampf um die Anfida politiſch. Levy hatte ſich auf den Ausſpruch des zuſtändigen Kadi hin alsbald in Beſitz geſetzt, aber Rouſtan, der da— mals ſchon allmächtige franzöſiſche Konſul, ließ ihn ohne weiteres mit Gewalt herauswerfen. Nun ging der Pro— zeß los. Von Rechts wegen mußte er vor dem Tribunal der Hanefi verhandelt werden, und da dieſer Ritus die Schufa als Geſetz anerkennt, war Levys Sieg ſicher. Aber auf Drängen Rouſtans entzog der Bey die Angelegenheit dieſem Gerichtshof und wies ſie dem der Maleki zu, welcher über das Vorkaufsrecht andere Anſichten vertritt. Schließlich wurde Levy mit ſeinen Anſprüchen abgewieſen, aber um Weiterungen zu vermeiden, kaufte ihm die Geſellſchaft Gut und Humboldt 1885. eee eee — — Arabiſche Mühle. den ganzen Ertrag auf und die Anfida deckt kaum ihre Verwaltungskoſten. Man ſcheint jetzt entſchloſſen, es mit der Koloniſierung eines Teils der Domäne zu verſuchen und hat im vorigen Jahre eine malteſiſche Kolonie in einem neuerbauten Dorfe innerhalb der— ſelben angeſiedelt. Um ähnlichen Schwierigkeiten bei der Grunderwer— bung ein Ende zu machen, hat Herr Campon ganz neuerdings eine Radikalkur unternommen, er hat die Acte Torrens eingeführt, wie fie in den auſtraliſchen Kolonien gilt. In Zukunft braucht alſo, wer ſeinen Grundbeſitz verkäuflich machen will, nur dem Gerichts— hof die Anzeige zu machen und ſeinen Beſitztitel vor— zulegen. Dann wird ein Aufgebot erlaſſen und, falls binnen drei Monaten kein Einſpruch erfolgt, gilt der Beſitztitel als legitimiert; er wird dann in eine Liſte eingetragen, und der Beſitzer erhält eine Ur— 51 398 Humboldt. — Oftober 1885. kunde darüber. Beim Verkauf geht er mit derſelben zum Maire, — alle bedeutenderen Orte in Tunis haben ja jetzt franzöſiſche Gemeindeverfaſſung, — läßt ſeine Perſon feſtſtellen und ein einfaches Indoſſement des Dokumentes bewerkſtelligt die Uebertragung. Für ein hypothekariſches Darlehen genügt die Uebergabe des Beſitztitels und ein Vermerk im Regiſter. Ob die Durchführung dieſer Erleichterung in Tunis mög— lich ſein wird, iſt abzuwarten; Tunis dient in dieſem Falle nur als Verſuchsſtation und wenn der Verſuch gelingt, wird auch Algier von dem Druck der fran⸗ zöſiſchen Hypothekengeſetzgebung erlöſt werden, die dem Kollektiveigentum der Araberſtämme gegenüber zu den unſinnigſten Konſequenzen führt — man denke nur an die Zuſtellung der Urkunden an einen ganzen Araberſtamm und die daraus entſtehenden Koſten! Das Reiſen in Nordtunis iſt zwar noch nicht ſo bequem wie in Algerien; man kennt noch keine Dili— gencen und mit Straßenbauten macht man eben die erſten ſchüchternen Anfänge in der nächſten Umgebung der Hauptſtadt; aber das Land iſt bei weitem nicht ſo bergig und zerriſſen wie dort, und im Sommer fahren einem die malteſiſchen Kutſcher, die in Menge mit ihren Droſchken auf der Marina halten, wohin man will. Nur muß man lange mit ihnen handeln und auch den nötigen Tagesproviant mitnehmen. Für weitere Reiſen iſt allerdings aber noch ein Am'r Bey nötig, ein Dekret des Beys an die Beamten, deren Diſtrikt man zu berühren gedenkt, welches einem das Recht auf polizeilichen Schutz, freie Verpflegung und Nacht— quartier gibt. Die Erlangung dieſes Schriftſtücks macht immer einige Umſtände und koſtet Zeit, und wenn man ſieht, in welcher Weiſe die armen tuniſiſchen Unterthanen ohnehin ſchon ausgeſogen werden, trägt es nicht zu den Annehmlichkeiten des Reiſens bei, wenn man von ihnen nicht nur die Verpflegung für ſich ſelbſt, ſondern auch für die in dieſem Falle un— entbehrlichen Hambas, die Polizeiſoldaten, verlangen muß. Will man ihnen auch die gebrachte Muna, — der Inbegriff alles deſſen, was der Reiſende braucht, — bezahlen, ſo hilft das gar nichts, denn der Hamba, oder wenn der es nicht thun ſollte, der Kaid der Ortſchaft, wird ihnen das Geld alsbald wieder ab— nehmen und ſie obendrein dafür noch ſtrafen, daß ſie von einem Gaſt des Bey Bezahlung angenommen. In wenigen Jahren wird man aber dieſer Unannehm- lichkeit überhoben ſein und wenigſtens in den Städtchen wie heute ſchon in Suſa und dem heiligen Kairouan, franzöſiſche Hotels finden. Zum Schutz gegen Räuber braucht man aber in Tunis keine Polizeiſoldaten, wenigſtens im Norden läßt die Sicherheit nichts zu wünſchen übrig und man kann unbedenklich ganz allein die hervorragenden Punkte der Umgebung beſuchen. Am bequemſten iſt der Ausflug nach Hammam Linf oder Hammam el Enf, dem Bade am Fuße des die ganze Gegend von Tunis beherrſchenden zweigipfli— gen Dſchebel bu Kornein. Dorthin führt eine Lo— kalbahn, die hoffentlich in nicht allzu ferner Zeit nach den wichtigen Hafenſtädten der Byzacena, des heutigen Sahel, fortgeſetzt werden und Hammamet, Suſa und Monaſtir in Verbindung mit Tunis bringen wird. Wir hatten ſchon von La Goletta aus eine Kahnfahrt hinüber gemacht, waren aber dabei von einem ſchweren Gewitterregen erwiſcht worden und — unerhört in Tunis Mitte Juni — völlig ein⸗ geregnet; wir konnten keinen Schritt aus der Bretter- bude des alten Metzgers, welcher den Reſtaurateur für die Badegäſte macht, herausthun, und mußten ſchließ⸗ lich mit der Bahn über Tunis zurückkehren. Von Tunis haben wir dem prächtigen Berg, der uns auch eine reiche Ausbeute an ſeltenen Konchylien gewährte, mehrere Beſuche abgeſtattet. Die Badeſaiſon hatte noch nicht begonnen, — überall am Mittelmeer hält man Baden vor Juli für ungeſund, — wir waren darum, bei den erſten Fahrten wenigſtens, ſo ziemlich die einzigen Paſſagiere, welche der Frühzug, der ſchon um ſechs Uhr abgeht, mit hinausnahm. Man fährt von dem franzöſiſchen Bahnhof ab, der im Herzen des künftigen Neu-Tunis auf der Bahira abgewon- nenem Terrain liegt. Hier dehnte ſich früher ein Moraſt, von den Kloaken der Stadt durchzogen, bei dauerndem Oſtwind nicht ſelten überſchwemmt. Jetzt ſchneiden gerade, breite, hochaufgefüllte Straßen das ganze Gebiet und geben dem Fremden in der Sommer- ſonnenglut Gelegenheit genug, zu begreifen, warum die Mauren lieber in engen, krummen Gäßchen wohnen. An den Bahnhof ſchließt ſich ein ausgedehnter, von der Bahngeſellſchaft angelegter Park; er diente früher als öffentlicher Spaziergang, der einzige in Tunis, aber allerhand unangenehme Vorkommniſſe haben die Direktion veranlaßt, ihn zu ſchließen, und gegenwärtig iſt er nur noch gegen ſpecielle Erlaubnis zugänglich. Weiterhin folgen Gärten, welche, aus den Ausflüſſen der Kloaken durch die früher beſchriebenen Zieh— brunnen bewäſſert, eine ſtaunenswerte Ueppigkeit zeigen. Der Rieinus iſt den Gräben entlang zu Bäumen geworden und erſetzt den Mangel an wirk⸗ lichem Baumwuchs. Die Hauptrolle auf den Beeten ſpielt im Juni die Eierpflanze (Solanum melon- gena L.), die man im Sommer in unendlichen Quan⸗ titäten verzehrt, mit der wir uns aber auch in der franzöſiſchen Zubereitung nicht haben befreunden können. Auch die gewöhnliche Tomate (Lycopersi- cum esculentum) ſieht man häufig genug, wie überall, wo Italiener wohnen; der Spanier zieht ihr den Knoblauch vor. Große Felder ſind hier mit Kürbiſſen bedeckt, darunter eine mir noch unbekannte weißblühende Varietät mit weißgelber, langer Frucht, hier Weißkürbis genannt. Auf dem Gemüſemarkt dominiert die Schenaua oder Genaouia, die un— reife Fruchtkapſel von Abelmoschus esculentus (Gombot der Franzoſen, Bamieh der Aegypter), ein Lieblingsgemüſe der Eingeborenen; ſie iſt uns aber niemals vorgeſetzt worden. Noch innerhalb der Stadtmauer trennt die Bahn nach Hammam Linf ſich von der nach Algerien führen— den Hauptbahn und folgt nun dem Rande des Sees, durchſchneidet ſogar den äußerſten Zipfel, wo die ſteile Höhe, welche das Heiligtum des Sidi Ali bel Haſſen eſch Schadely trägt, bis in die Bahira hinein Humboldt. — Oktober [885. 399 vorſpringt. Die Gegend bleibt öde bis zur Ueber— ſchreitung des Usd Milianah, dann kommen Oliven— wälder und ein paar Dörfchen. Beduinen, aber keine reinblütigen Araber, ſondern ſtark mit Berberblut gemiſcht, haben hier ihre ärmlichen Zelte aufgeſchlagen. Für eine kurze Strecke läuft nun die Bahn wieder dem Meer entlang, dann abermals über ſumpfiges, binſenbewachſenes Alluvialland, bis ſie nach halb— ſtündiger Fahrt die Station von Hammam Linf*) erreicht. Dieſe Stelle iſt von der Natur ganz außer— gewöhnlich begünſtigt. Auf der einen Seite iſt ein ſo köſtlicher Badeſtrand, wie man ſich ihn nur denken kann, bei mäßiger Tiefe weit hinausreichend und aus ſich nicht mehr entwickelt hat, iſt ſelbſt in Tuniſien kaum begreiflich und nur dadurch erklärlich, daß die europäiſche Bevölkerung von Tunis faſt ausſchließlich aus Italienern beſteht, die kaum mehr Komfort be— anſpruchen, als die Araber. In Tunis hat eben bisher das franzöſiſche Element durchaus keine Rolle geſpielt; die ſogenannte franzöſiſche Kolonie, welche Rouſtan bei allen Gelegenheiten aufmarſchieren ließ, war fo klein, daß fie ſich, wenn fie in corpore auf— zog, beſcheidentlich ſelbſt als Deputation bezeichnete; ich habe die Herren manchmal an einem einzigen Tiſch des Café Cercle alle zuſammen ſitzen ſehen und dabei waren es noch faſt ausſchließlich in Tunis geborene demfeinſten, Italiener, gleichmäßig die unter ſich ſten Sand und in ihren beſtehend. Familien Auf der anz nur italie⸗ deren Seite niſch ſpra⸗ entſpringen chen. Seit aus dem dem Protek— Kalkſchiefer torat wird eines Aus— das anders läufers des und ich Bu Kornein die warmen Quellen, die Aquae Persia- nae, in de⸗ nen Appule— jus Heilung ſuchte. Noch ſtehen die Reſte des zweifle nicht daran, daß es in weni— gen Jahren auch in Hammam Linf anders ausſehen wird. Die Quellen ha— ben ihre alte Marmor⸗ Heilkraft be— tempels, den wahrt und Julius wirken heute P er 0 eus , Fig. 3. Beduinenzelt. noch ſo der Freund des Rhetors, dem Aeskulap errichtete. Der Friesſtein mit der Aufſchrift Aesculapio Julius Perseus condit. IIII. P. C. iſt nach Tunis verſchleppt worden und liegt gegen— wärtig im Garten des Herrn Banquier G. Krieger, wo er wenigſtens vor Zerſtörung geſchützt iſt. Sonſt iſt von dem Römerbad kaum etwas übrig geblieben und um die Tempeltrümmer ſteht eine Anzahl er— bärmlicher Steinhäuschen, unter denen nur das Land— haus des Bey und der Funduk wenigſtens durch ihre Größe ausgezeichnet ſind. Daß ein Bad mit ſo ausgezeichnet heilkräftigen Quellen, dicht bei einer Großſtadt und durch eine Bahn mit ihr verbunden, *) So wird der Name in Tunis gewöhnlich geſprochen und geſchrieben; Hammam el Enf iſt aber vielleicht richtiger; es würde nach Barth das Bad an der Naſe oder am Naſenkap bedeuten, was die Konfiguration des Bodens allerdings ſehr gut bezeichnet. günſtig bei Rheumatismen und alten Verrenkungen, wie zu den 9 Römerzeiten. Ihre Temperatur beträgt 48 — 49 C., die Hauptbeſtandteile ſind ſchwefelſaure Salze von Kalium und Natrium. Die Einrichtungen in dem großen und urſprüng— lich prächtig eingerichteten Fonduk (Logierhaus) ſind noch die alten arabiſchen und die Piscinen ſcheinen in die Römerzeit zurückzureichen. Nur am Strande hat man ein paar Bade-Etabliſſements errichtet, und im Sommer herrſcht für zwei Monate reges Leben. Sonſt ſieht man das ganze Jahr hindurch auf der Straße nur dann Bewegung, wenn die Eſel— karawanen mit dem poröſen Thongeſchirr von Nabel und die Kamelkarawanen aus dem Sahel durch— kommen. Von den Thongefäßen, die man zum Kühlen des Trinkwaſſers benutzt, werden ganz un— glaubliche Mengen verbraucht; ſie können nämlich, ganz abgeſehen von ihrer Zerbrechlichkeit, nur eine Saiſon dienen und müſſen während derſelben fort— während im Gebrauch gehalten werden, weil, ſobald 400 Humboldt. — Oftober 1885. fie einmal ganz austrocknen, das Waſſer einen ab- ſcheulichen, moderigen Geſchmack annimmt. Mit dem Beginn der kühleren Jahreszeit wirft man ſie ein— fach weg, und ſo erklärt ſich die Entſtehung der koloſ— ſalen Scherbenberge in der Umgebung der antiken Städte des Südens. Dicht hinter dem Dörfchen erhebt ſich ſteil der zweigipflige Dſchebel bu Kornein, zwar nur 750 m hoch, aber durch ſeine Lage dicht am Meer und im Flachlande und ſeine kühne, ganz an den Veſuv erinnernde Form überall auffallend. Seine Beſteigung iſt ſchwieriger als man denkt, da der größere Teil der Oberfläche mit Geröll bedeckt iſt, das unter den Füßen weicht. In neuerer Zeit hat man aber einen Reitweg nach einer am hinteren Gipfel befindlichen Bleimine angelegt, welcher den Aufſtieg bequemer macht. Die wundervolle Ausſicht über einen großen Teil von Nordtunis entſchädigt Die Bleimine ſelbſt ift nicht ſonderlich bedeutend, einer der Bleiglans- gänge, wie man fie in allen dieſen Kalkbergen Nord- Früher freilich war jede ſolche Mine einträglich, ſobald man einmal glücklich die Konzeſſion hatte; nur beutete man dann nicht das Blei, ſondern reichlich für die Anſtrengung. afrikas findet. den Bey aus. Es wurde eine Konzeſſionsurkunde aufgeſetzt mit allen möglichen und unmöglichen Klauſeln und Bedingungen, die beim beſten Willen gar nicht alle erfüllt werden konnten; beſtochene Beamte ſorgten ſchon für deren Annahme, im ſchlimmſten Fall wurde dem Miniſter ſelbſt ein Anteil verſprochen, doch war das ſelten nötig, die ſchöne Madame Elias und ihre Konſorten waren ſchon einflußreich genug, um der— gleichen durchzuſetzen. Dann wurden mit vielem Lärm die Arbeiten begonnen, auf einmal fehlten die Arbeiter oder das Holz, oder ſonſt irgend etwas, was die Regierung zu liefern verſprochen, die Arbeiten mußten eingeſtellt werden, und nun kam eine horrende Schadenrechnung, für deren Bezahlung der betreffende Konſul ſchon ſorgte. Beſonders Herr Rouſtan hat ſich in der Beziehung einen ſehr böſen Namen gemacht, obſchon er ſelbſt keinen Vorteil davon gehabt haben ſoll und faktiſch Tunis als armer Mann verlaſſen hat. Aber Madame Elias, die ihn unbedingt regierte, und eine ganze Bande von durchtriebenen Gaunern, die unter ihrer und ihres — einmal wegen der gemeinſten Unterſchlagungen infam kaſſierten, aber durch den Ein— ſind dabei zu Millionären geworden und Tunis iſt in wenigen Jahren verarmt. Haarſträubende Geſchichten werden in dieſer Hinſicht öffentlich erzählt. Campon hat dem Skandal ein Ende gemacht, aber das Land ſiſt kaum über den Meeresſpiegel erhoben; bei ſchweren wird die Folgen noch manches Jahrzehnt ſpüren. Südlich vom Bu Kornein ſpringt ein ſcharfer Grat in die Ebene vor, offenbar einſt ein Kap, gegen welches das Meer peitſchte. Seine äußerſte Spitze iſt durch eine ſcharfe Scharte, die man von Tunis a im Winter recht waſſerreichen Miliana haben die aus genau erkennt, vom Reſt geſchieden; auf dem äußerſten Kamm ſteht ein zerfallener Turm. frommen Muſelmann iſt die Stelle heilig, denn nach Dem der Legende hat Sidna Ali, der Schwiegerſohn des Propheten, die Kluft mit ſeinem Schwerte ge— hauen, als die ungläubigen Berber ihn hart bedrängten und das ins Meer vorſpringende ſteile Kap ihm den Rückzug ſperrte. Darbet mta Sidna Ali, der Hieb unſeres Herrn Ali, heißt darum die Stelle. Eine ganz ähnliche Legende iſt in Südtunis lokaliſiert, nur iſt ihr Held Sidi Okba, der Begründer von Kairouan. — Aber neben dieſen Legenden läuft noch eine andere Verſion, welche die Felsſcharten an die Perſon eines Rieſen knüpft, der bei den öffentlichen Erzählern im Ramadan eine große Rolle ſpielt, des Sidi Saiſſa, zweifellos des bibliſchen Simſon. Von ihm hörte ich in la Goletta folgende Erzählung: Sidi Saiſſa kam eines Tages auf ſeinen Fahrten auch nach Stambul, ging dort vor den Palaſt des Großſultans und ſagte zum Wächter: „Ich will den Sultan ſehen, ſage ihm, daß er morgen um zwei Uhr zu mir kommt.“ Der Wächter lachte, ſagte es aber doch dem Hofnarren und dieſer erzählte es dem Sultan, der über den ſonderbaren Kauz herzlich lachte. Am anderen Abend kam Saiſſa aber wieder und ſagte: „Warum iſt der Sultan nicht gekommen? ich habe bis drei Uhr gewartet. Sage ihm nun, daß er morgen früh um ſieben unfehlbar komme, ſonſt foll er es bereuen.“ Der Wächter meldete das wieder dem Hofnarren und dieſer dem Sultan, und der Herr der Gläubigen ſandte nun einen Boten zu Saiſſa und ließ ihm fagen, er ſolle ſofort zu ihm kommen. „Iſt der Sul- tan verrückt?“ fuhr aber der Rieſe den Boten an; „ich bin ſolche Botſchaft nicht gewöhnt, der Sultan ſoll ſofort zu mir kommen.“ Nun ſandte der Sultan ſeine Wache, aber Saiſſa warf ſie lachend zum Fenſter hinaus; eine größere Truppe ſchlug er mit einer Handbewegung zu Boden, und als nun die Janitſcharen gegen ihn anrückten, zog er ſein furchtbares Schwert und ſchlug ihnen allen mit einem Hieb die Köpfe ab. Dann aber ſtürmte er ergrimmt nach Stambul hinein vor den Konak des Sultans, warf Mauern und Thore über den Haufen und ſchlug dem Herrſcher ſelbſt den Kopf ab. Nachher aber ſteckte er ſein Schwert wieder ein und ging zurück in ſeine Heimat im Maghreb. Die Kluft machte mir faſt den Eindruck eines künſtlichen Durchbruches oder richtiger der Erweite— rung einer vorhandenen Spalte, und heute noch führt fluß Rouſtans rehabilitierten — Gemahls, des „Gene- rals“ Elias Maſulli, eines Kopten, Protektion ſtanden, ein Weg, der hinter dem Bu Kornein herüber kommt, durch ſie hindurch; ſie ſetzt aber, wenn auch enger, bis zur Ebene hinab. Es kann nicht zweifelhaft ſein, daß dieſe Ebene ganz moderner Bildung iſt, aber eine Hebung glaube ich trotzdem nicht annehmen zu dürfen; der ganze, eine Viertelſtunde breite Strand Stürmen jagen die Wellen bis an den Fuß des Felſens und die ganze Fläche ift heute noch nur mit Salſolaceen bewachſen. Ein Teil der Anſchwemmungen der ſchlammigen Medjerda, noch mehr aber die der Ebene gebildet und vergrößern ſie noch alljährlich. Die Kluft ſelbſt iſt für den Naturforſcher hoch inter— Humboldt. — Oftober 1885. 401 eſſant; an ihren dicht mit Kalkſpatkryſtallen bedeckten Wänden, namentlich am Fuß, in der Erde halb ver— borgen, lebt eine ganze Anzahl ſeltener Schnecken— arten, darunter die ſeither faſt verſchollene Clausilia Tristrami Pfr. und ein fiir die Wiſſenſchaft neuer, ſehr eigentümlicher Buliminus, den ich einem eifrigen italieniſchen Sammler, dem einzigen in Tunis, zu Ehren B. Micelii getauft habe. Auch für den Entomologen find die Umgebungen von Hammam Linf weitaus das reichſte Gebiet in Nordtunis. Der Dſchebel bu Kornein wird nach Norden hin durch eine tiefe Einſenkung von den Bergzügen ge— ſchieden, welche die Halbinfel Dakhela erfüllen und im Ras Addar oder Kap Bon auslaufen. Hier liegt in faſt unzugänglichen Schluchten ein zweites Bad, Hammam Gourbes oder Kourbes, das Aquae calidae der Römer. Die Quellen haben 64° C. und gelten für noch wirkſamer, als die von Hammam Linf, aber ſie liegen in einer ſo unzugäng— lichen Bergwildnis, daß man ſie nur durch einen anſtrengenden Ritt an gefährlichen Abgründen hin erreichen kann. So hat das Beiſpiel des Herrn Tulin de la Tuniſie, der dieſes Bad alljähr— lich beſuchte, wenig Nachahmer gefunden, obſchon er eine eigene Broſchüre darüber ſchrieb oder richtiger ſchreiben ließ, denn mit der deutſchen Sprache ſtand er, obſchon deutſcher Konſul, auf ſehr geſpanntem Fuße. Uebrigens beruhen alle neueren Angaben, die mir über Gourbes zu Geſicht gekommen ſind, auf dieſer Broſchüre. Nach Süden hin hängt der Bu Kornein mit einem anderen Kalkberge zuſammen, deſſen wunderbar ge— formte Silhouette in Nordtunis überall ſichtbar iſt, mit dem altberühmten Bleiberg Dſchebel R'ſas oder Monte Piombino. Er iſt von Tunis aus bequem zu Wagen in drei knappen Stunden zu er— reichen und man lernt dabei einen Teil der frucht— baren Ebene kennen, die fic) vom Ued Miliana zum Fuße der Berge erſtreckt. Verſchiedene ſorgſam ge— pflegte mauriſche Landgüter mit Wäldern von Oliven und Agrumen wechſeln hier mit ſchönen Weizen— feldern, und eine Wehranlage oben am Wed Miliana würde geſtatten, das Ganze in ein Paradies zu ver— wandeln. Schon von weitem ſieht man die aus— gedehnten Hüttengebäude, welche die ſardiniſche Geſell— ſchaft, die jetzt den Betrieb in Händen hat, anlegt; beſonders fällt der hohe Kamin auf einem iſolierten Felſen in die Augen, zu welchem ein gemauerter Gang in Schneckenwindungen hinaufführt. Zu unſerer Ueberraſchung wurden wir mit herzlichem „Glückauf“ empfangen; der Direktor, Sgr. Enrico Devoto, ein Sarde von Geburt, hatte ſeine Studien in Freiberg gemacht und das ſächſiſche Bergexamen mit Auszeich- nung beſtanden; er freute ſich kindlich, Deutſche bei ſich als Gäſte zu ſehen und zeigte uns gern die intereſſante, freilich noch etwas öde Umgebung des Bergwerks, hinter welchem unmittelbar der Berg ſteil bis zu ſeiner höchſten Kuppe, die den Namen des übel berüchtigten Sidi Bu Amema trägt, empor— ſteigt. Hier haben ſchon die Römer gearbeitet; in dem benachbarten Ravin, der durch Terraſſen in einen Garten umgewandelt iſt, ſtehen die Trümmer eines Tempels, dabei eine Inſchrift mit einer Widmung an Apollo und ein paar Grabſteine; dicht daneben befindet ſich, ſorgſam unterhalten, die Grabſtätte eines verehrten Lokalheiligen, des Sidi Gliaj, merk— würdigerweiſe keine Kubbah, ſondern ein Grabhügel, wie die unſrigen, aber mit Fayenceplatten gedeckt. Ein Wald hübſcher Karruben umgibt die Gebäude und auch weiter hinauf verſprechen die Gebüſche all— mählich in einen Wald überzugehen, da Sgr. Devoto beim Holzſchlagen ſorgſam die ſtärkeren Stämmchen ſchonen läßt. Der Fels iſt genau derſelbe harte Kalkſtein, wie an den Kalkbergen von Conſtantine, und Herr Devoto hat bis jetzt umſonſt nach Foſſilien geforſcht, die eine Beſtimmung des Alters ermög— lichten; er wußte darum nicht, ſollte er ihn, wie ich nach ſiciliſchen Erfahrungen annahm, zum jüngeren Jura, oder mit Stache zum Devon rechnen. In der Ebene kommen Schichten mit Nummuliten vor, aber ihr Verhältnis zur Hauptmaſſe des Berges läßt ſich nicht mit Sicherheit beſtimmen. Ich fand eine reiche Ausbeute an Schnecken; für den Botaniker dürfte die Felswand an der Nordſeite intereſſant ſein, weil ſich hier, wo die feuchten Seewinde auf— treffen, eine artenreiche Flora von Kryptogamen, Mooſen, Flechten und Farnen angeſiedelt hat, wie man ſie ſonſt in Tunis nicht findet. Vergeblich ſuchte ich aber nach der Zwergpalme, für welche das Terrain doch ganz beſonders geeignet erſchien; ſie iſt mir in ganz Nordtunis nur am Fuße des Dſchebel bu Kornein begegnet. Das ſtimmt ganz mit der ſonſtigen Verbreitung dieſer eigentüm— lichen Pflanze, die ihre Heimat offenbar im Weſten, in Nordmarokko, der Provinz Oran und in Süd— ſpanien bis nach Tarragona hinauf hat. In Algerien iſt ſie noch ein läſtiges Unkraut bis an den Iſſer oriental; weiter öſtlich verſchwindet ſie raſch und tritt nur da wieder auf, wo ſteile Kalk— kaps ins Meer hinein vortreten, wie bei Bougie und am Kap de Garde bei Bone. Noch einmal tritt ſie ſehr häufig auf im kalkigen Weſten von Sicilien, dann nur noch in Sardinien und auf einzelnen, aus Kalkfels beſtehenden Kaps der italieniſchen Weſtküſte, am Promontorio Circejo und zum letztenmal am toskaniſchen Monte Argentaro. Am ganzen Joniſchen Meere ſcheint ſie zu fehlen, und ſo macht ihre Verbreitung den Eindruck, als habe der Trans⸗ port der Samenkörner durch die Meeresſtrömung zu einer Zeit ſtattgefunden, wo Sicilien und Tunis noch landfeſt verbunden waren und die Strömung vom Kap Bon hinüber ins Tyrrheniſche Meer zog. Die Mineralien am Riſas, ſilberfreier Bleiganz und Galmei, liegen in fünf getrennten Stöcken zwiſchen den Kalkſchichten; eine mächtige, waſſerführende Kluft ſchneidet durch ſie hindurch, iſt aber offenbar jünger. Außer den Lagerſtätten ſind aber noch un— geheure Maſſen Schlacken vorhanden, welche bis zu 20 Prozent Blei enthalten und nun mit den Erzen zu— 402 Humboldt. — Oftober 1885. ſammen verhüttet werden follen. Eine Bahn von den Gruben bis zur Meeresküſte bei Hammam Linf iſt ſchon im Bau begriffen und wird die Erze hinab, die Brennmaterialien herauf bringen. Sobald die Die Sit ye tl Don Konjunktur für Bergwerke ſich einigermaßen beſſert, dürfte der Geſellſchaft, die es ernſt mit dem Unter⸗ nehmen nimmt und bedeutende Mittel zur Verfügung hat, ein gutes Reſultat ſicher ſein. Wi) @ e @ Dr. Emil Deckert in Dresden. herſo, eine der größten Quarneriſchen Inſeln, die etwa 184 qkm mißt und etwa 7000 Menſchen beherbergt, die alſo hinſichtlich ihrer Ausdehnung wie hinſichtlich ihrer Einwohnerzahl der deutſchen Oſtſee— inſel Fehmarn zu vergleichen ſein würde, iſt in geo— logiſcher und orographiſcher Beziehung gleich ihren Nachbarinſeln Veglia, Gebirge rechts und links, lehrt der flüchtigſte Blick auf das Kartenbild. In dieſen drei Momenten iſt die Geneſis der Inſel bereits auf das augenfälligſte ausgeſprochen. Bei genauerer Betrachtung bietet aber auch die große Bucht, die vom Nordweſten her in das Innere von Cherſo eingreift, und Luſſin, Pago ꝛc. ein e = ume in der fic) die Haupt- losgeriſſenes Bruchſtück 0 | = ſtadt befindet, im Ver⸗ von dem benachbarten 00 f eine mit der tiefen Bo- iſtriſch⸗dalmatiniſchen = 0e ggiore V deneinſenkung, welche die Kontinent. Noch deut- Fe | a größere Südweſthälfte licher als ihre Nachbar— | 5 der Inſel von ihrer inſeln verrät fie das . ꝶꝛ \ ee 10 kleineren Nordoſthälfte durch ihre ganze Natur. 8 2 (VEGLIA ſcheidet, noch einen deut— Genau dieſelben har: f , © eo) lichen Beweis für den ten kretaceiſchen Fels- 8 * = 0 ehemaligen Zuſammen⸗ ſchichten, wie ſie drüben Cee Vor 0 . aS hang Cherſos mit dem in Iſtrien als male— ae 8 A | © ok: benachbarten Feſtlande. riſcher Monte Mag- 88 1 — 3 8 & €= = Das öſtliche Uferland giore in den Quarnero- P D N N dieſer Bucht ſowie der kanal, und wie ſie in oc Wis Boden an dieſer Paß— Dalmatien als wildes 8 on einſenkung beftehen näm— Vellebithgebirge in den P.-Promontore © lich aus jiingerem Ge— Morlakenkanal jäh hin— N ſtein, das der Tertiär⸗ abſtürzen, ſteigen ja auf 5p aM 0 0 formation (dem Eocän) der Inſel raſch und ent— angehört, und dieſe ſchieden aus den blauen i ſchmale tertiäre Mtittel- Fluten der Adria her— ] zone der Inſel korre⸗ aus. Genau dieſelben a ſpondiert ſtreng mit ſcharfkantigen und der tertiären Mittelzone ſchwer verwitterbaren relacelsch. l eo. Iſtriens ebenſo wie mit Kalkſteinblöcke und Kalk— ſteinbruchſtücke, wie wir ſie auf dem iſtriſchen und dalmatiniſchen Karſt als ſo charakteriſtiſche Erſcheinung allenthalben ausgeſtreut finden — eine förmliche Teufelsſaat für die Bodenkultur —, bedecken auf der Inſel zu Millionen und Millionen den Boden, um der anbaufähigen rötlichen Dammerde, dem ſpärlich vorhandenen vollkommeneren Zerſetzungsprodukte des Geſteins, einen äußerſt beſchränkten Raum zwiſchen ſich übrig zu laſſen. Und daß die Streichungsrichtung der Bergrücken Cherſos dieſelbe nach Südoſten ge— richtete hereyniſche iſt, wie diejenige der feſtländiſchen Orientierungskärtchen von Cherſo. der tertiären Mittelzone der ſüdöſtlich von Cherſo gelegenen Inſel Pago und des nördlichen, flachen Dalmatien. Daß die ge— ſamte Tektonik Cherſos in ſtrengſter Abhängigkeit von derjenigen des benachbarten Feſtlandes ſteht, dürften endlich außerdem auch noch ſeine merkwürdigen hydro— graphiſchen Verhältniſſe verraten. Das bei weitem meiſte atmoſphäriſche Waſſer, welches auf die Inſel niederfällt, läuft von ihren Bergrücken in perio⸗ diſchen Rinnſalen raſch zurück zum Meere, außer ſchmalen Wildbetten und ſchwach eingegrabenen Regen— ſchluchten und außer geringfügigen Geröllſammlungen Humboldt. — Oktober 1885. 403 kaum irgend eine Spur zurücklaſſend und auch felbft ſpitzen Kalkſteinſtücke, die den Strand rings um die den Boden nur wenig befruchtend. Zur Quellen- Inſel herum, ebenſo wie ihren feſten Boden bedecken, bildung führt nur ein kleiner Bruchteil der Nieder- | und die die Anlage eines Seebades, die durch das ſchläge der Inſel. Wenn ſich nun trotzdem nahe dem milde Klima fo ſehr begünſtigt werden würde, zur Mittelpunkte der Inſel unter dem Namen Vranaſee Unmöglichkeit machen. eine ſehr bedeutende Waſſeranſammlung befindet — Da Cherſo den ſogenannten Eroſionsinſeln — der Vranaſee mißt etwa 6 qkm und enthält gegen man dürfte es wohl als eine geradezu klaſſiſche 240 Millionen Kubikmeter Waſſer — ſo deutet das Eroſionsinſel bezeichnen —, die durch die Zer— wohl mit einem hohen Grad von Wahrſcheinlichkeit trümmerung eines alten Küſtenlandes entſtanden find, auf einen Zuſammenhang der inſularen Quellſyſteme zuzuzählen iſt, ſo beſitzt es ſelbſtverſtändlich keinerlei Cherſos mit denjenigen Dalmatiens oder Iſtriens hin. eigentümliche Pflanzen- und Tierformen. Das Waſſer, das auf der Sohle des Vranaſees Der bei weitem größte Teil der Inſel iſt mit emporquillt und den großen Keſſel füllt, ſchlug ſich mög- niederem Geſtrüpp von Koniferen bedeckt, das nichts licherweiſe an dem fernen Monte Maggiore Iſtriens als Brennholz liefert, und nur an wenigen Stellen oder an einer andern Gebirgsmaſſe des Feſtlandes erhebt ſich wirklicher Baumwuchs. Dort, wo ſich aus den Wolken auf der Erdoberfläche nieder. Das- größere Strecken des lockeren Bodens durch ange— ſelbe hat ja auch eine merkwürdig niedrige und gleich- ſtrengten menſchlichen Fleiß wenigſtens teilweiſe von mäßige Temperatur und eine ſehr gleichmäßige Niveau- der läſtigen Bedeckung mit Steingeröll befreien ließen höhe, und dieſe Umſtände dürften vielleicht auch auf — beſonders bei den Orten Cherſo und Oſſero —, ſeine ferne Herkunft hindeuten. Von den lokalen finden ſich ausgedehnte Olivengärten, in denen nebenbei meteorologiſchen Verhältniſſen ſtehen Waſſerfülle und | wohl auch die Rebe einen Platz findet. Dieſelben Temperatur des Waſſers in keiner ſichtbaren Ab- bilden einen Hauptreichtum der Inſulaner. hängigkeit. Wenn viele der Inſulaner als ſehr wohlhabend Will man ſich die Frage beantworten, in welcher gelten dürfen — ſie gehören ebenſo wie die Bewohner Weiſe und durch welche Kräfte Cherſo ſich von dem von Iſtrien und Dalmatien teilweiſe den ſüdſlawiſchen, benachbarten Feſtlande losgelöſt habe, ſo muß man teilweiſe der italieniſchen Nationalität an —, ſo danken wohl in erſter Linie an die Bora, die zu den un- ſie das aber in einem weit größeren Maßſtabe als geſtümſten und wildeſten meteorologiſchen Erſcheinungen den Olivengärten und dem ſterilen, ſteinigen Inſel— unſeres Weltteils zählt, und die die Wogen des Quar- boden, dem Meere mit ſeinem unerſchöpflichen Reich— nero in furchtbarer Weiſe aufzuwühlen und gegen tum von Fiſchen jeder Art. Beſonders der Thun— den Küſtenfelſen zu ſchleudern vermag, ſowie an die fiſch, die Sardelle, der Barbone, der Scambo rc. zahlreichen Einſtürzungs- und Verwerfungserdbeben, werden von Bewohnern Cherſos eifrig verfolgt. Zu— die eine Landplage der Karſtgegend ſind, und die be- gleich ſtellen dieſe letzteren auch der öſterreichiſch-unga— kanntlich mit der dortigen Dollinenbildung Hand in riſchen Handels- und Kriegsmarine einen beträcht— Hand gehen, denken. Angeſichts dieſer mächtigen, die lichen Teil ihrer beſten Mannſchaften und Kapitäne, Erdoberfläche im Oſten der Adria umgeſtaltenden und hierin liegt die kulturgeographiſche Hauptbedeu— Faktoren dürfen andere wohl mit Stillſchweigen über- tung der Inſel. gangen werden. Die Inſel Luſſin, die nur durch einen ganz ſchmalen Die Erdbeben und Höhleneinſtürzungen lockerten Kanal — den Kanal von Oſſero — von Cherſo ge— den Fels, und die nagende Meeresbrandung führte trennt iſt, iſt in jeder Beziehung als ein Anhängſel ihn dann bruchſtückweiſe fort. Daß die Eroſions- desſelben zu betrachten. Dieſelbe ſpielt aber durch arbeit der genannten Kräfte noch heute in lebhafter die prächtige Hafenbucht von Luſſin Piccolo für den Weiſe fortgeführt wird, verraten uns die zahlloſen Verkehr eine größere Rolle als Cherſo ſelbſt. Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Bhyſiologie. Don 8 Dr. Steiner, a) Privat-Docent an ter Univerfitat Heidelberg. Tarchanoff, Willkürliche Acceleration der Hersichlage. Otto, Gehalt des Blutes an Zucker ꝛc. M. Rubner, Gaswechſel des ruhenden e e Pflüger und Bohland, Siweißumſatz beim Menſchen. J. Munk, Fettbildung aus Kohlehydraten beim Hunde. Braſal, Wie entledigt ſich das Blut von überſchüſſigem Traubenzuckerd Seegen, Zucker im Blute zc. Worm Müller, Zuckeraus— 1 im Harn des geſunden Menſchen 2c. Braſſe, Umylafegehalt der Blätter ꝛc. Buchner, Einfluß des Sauerſtoffs auf Garungen. Sngelma un, Ueber Bewegungen der Fapfen und pigmentzellen der Netzhaut unter dem Einfluſſe des Lichtes und des Nervenſpſtems. Hermann und Gendre, Elektriſche Eigenſch aften des bebrüteten Hühnereis. Es it ſchon lange bekannt, daß die Frequenz des | gehören Freude, Schmerz, Schreck u. a.; eine beſondere Herzſchlages vielfachen Schwankungen unterliegt, je nach [Kategorie bilden die Schwankungen bei Veränderungen gewiſſen inneren oder äußeren Einflüſſen. Zu den letzteren [der Atmung und des Blutdrucks. Völlig neu erſcheint 404 Humboldt. — Oktober 1885. die hier mitgeteilte Beobachtung, wonach ein junger Ruſſe durch die einfache Willensanſtrengung, wie man ſonſt Körperteile in Bewegung zu ſetzen imſtande iſt, die Fre⸗ quenz der Herzſchläge zu accelerieren vermag und zwar z. B. von 76 bis auf 110 in der Minute. Bei Wieder: holung des Verſuches ſchwächt ſich der Erfolg allmählich zuſehends ab. Während der Pulsbeſchleunigung findet, wie genaue Verſuche lehren, eine Aenderung der Atmung nicht ſtatt, dagegen ſteigt der Blutdruck und überdauert die Periode der Beſchleunigung. Der Beobachter ſchließt durch eine Reihe von Ueberlegungen den erhöhten Blutdruck als Ur— ſache der Herzbeſchleunigung aus und kommt ſomit zu dem Reſultate, daß hier in der That ein neuer Fall von Accelerierung des Herzſchlages durch Willensimpuls bewirkt vorliege. Als ein zweiter Fall derſelben Art zur Beobachtung kam, wurde bemerkt, daß ſolche Individuen auch die Fähigkeit beſitzen, gewiſſe Muskeln, die ſonſt nur ſehr mangelhaft bewegt werden, wie z. B. die Muskeln des Ohres u. a. ſehr ausgiebig zur Bewegung zu bringen. Wie der Beobachter dieſer Perſonen ſpäter mitteilte, iſt die Anſtellung ſolcher Beobachtungen nicht ohne Gefahr, indem die betreffenden Individuen in eine ſehr hochgradige Nervoſität verfallen. Nachdem allmählich immer ſicherer gegen erneute Zweifel ſich herausſtellt, daß der im Blute vorkommende Zucker Traubenzucker iſt, findet man neben dieſem Zucker eine weitere reduzierende aber nicht gärungsfähige Subſtanz, deren relative Verhältniſſe gegen den Traubenzucker folgende ſind: Während das arterielle Blut etwas reicher an Zucker iſt als das venöſe, iſt der Geſamtgehalt an reduzierender Subſtanz in beiden gleich. Bei der Morphin, Chloral—⸗ und Chloroformnarkoſe nimmt der Gehalt an reduzierender Subſtanz beträchtlich zu. Auffallenderweiſe nimmt der Geſamtzuckergehalt des Blutes bei nicht zu lange fort- fortgeſetzter Inanition zu. Der Zucker kommt wohl nur in der Blutflüſſigkeit, nicht in den Blutkörperchen vor. In Verſuchen, welche ſich vorgeſetzt hatten, den Gaswechſel des ruhenden Säugetiermuskels (Hund) zu verfolgen, konnte feſtgeſtellt werden, daß die Sauerſtoff⸗ zehrung des künſtlich durchbluteten Muskels mit ſteigender Temperatur zunimmt und umgekehrt; aber die Variation iſt nicht proportional der Temperaturſchwankung, ſondern wird erſt völlig deutlich bei Ueberſchreitung einer gewiſſen Temperaturſchwelle. Anders verhält ſich die Kohlenſäure— produktion, bei welcher ein Einfluß der Temperatur nicht konſtatiert werden konnte; höchſtens in der Nähe der Körpertemperatur konnte man eine gewiſſe Zunahme der Kohlenſäurebildung beobachten. Die Verſuche zeigen, daß man durch Einwirkung niedriger Temperaturen die Fähigkeit des Muskels, Sauer- ſtoff zu zehren, ſowie ſeine Reizbarkeit aufheben kann, doch vermag die niedrige Temperatur die Kohlenſäurebildung nicht zu hemmen. Da immer noch nicht mit genügender Sicherheit die Zahl angegeben werden kann, welche die von einer Perſon in 24 Stunden angeſetzte Eiweißmenge iſt, wenn ſie für die normale Erhaltung des Individuums ausreichen ſoll, ſo find an einer großen Reihe von geſundenMenſchen neue Be— ſtimmungen zur Ermittlung dieſer Zahl angeſtellt worden. Zur Unterſuchung gelangten neun Perſonen, deren Eiweiß⸗ umſatz auf 1 Kilo Menſch für 24 Stunden ſchwankt zwiſchen 0,715 bis 1,575 Gramm, wobei die höchſten Zahlen den jüngeren und ſich gut nährenden, die niedrigeren Zahlen denen, welche bereits die Höhe des Lebens überſchritten haben und ſolchen, die ſich weniger gut nähren, zufielen. Nimmt man das mittlere Gewicht des erwachſenen jungen Mannes (ohne Kleidung) zu 62 Kilo, ſo folgt ein täglicher Umſatz von 89,9 bis 97,6 Gramm Eiweiß. Dieſe Zahl iſt kleiner als die bisher angegebene, weshalb weitere Beobachtungen in derſelben Richtung möglichſt zur Er— kenntnis des wahren Verhältniſſes führen ſollen. Daß Fettbildung im Körper aus Eiweiß oder Fett ſtattfindet, iſt für ſämtliche Tiere, ſowohl Herbivoren als Karnivoren nunmehr genügend feſtgeſtellt. Dagegen wurde erſt in neuerer Zeit ermittelt, daß auch eine Fettbildung aus Kohlehydraten ſtattfindet, aber vorläufig nur für die Herbivoren. Um dieſe Frage auch für die Fleiſchfreſſer zu entſcheiden, wurde ein Hund unter mühſamen und ſchwierigen Bedingungen, nachdem er durch dreiwöchentliches Hungern faſt fettfrei geworden war, mit reichlichen Mengen von Kohlehydraten und wenig Fleiſch neben Waſſer gefüttert. Es ergab ſich, daß unter dieſen Bedingungen eine Fett- bildung eintritt, deren Quelle nur auf die Kohlehydrate zurückzuführen tft, fo daß dieſe Frage auch für die Karni⸗ voren in poſitivem Sinne entſchieden iſt. Aber es wird aus den überreichlich gegebenen Kohlehydraten nur 2 bis 6% Fett am Körper abgelagert, ſo daß im günſtigſten Falle die Kohlehydrate hinſichtlich der Fettbildung etwa neunmal weniger leiſten als das Nahrungsfett. Um zu beobachten, in welcher Weiſe in die Venen injizierter Traubenzucker aus dem Blute wieder verſchwindet, wurden Hunden, deren normaler Zuckergehalt 0,079 bis 0,162 % beträgt, 0,9 bis 5,3 Gramm per Kilo an Trauben- zucker injiziert. Zunächſt bemerkt man, daß durch ſolche Injektionen der Zuckergehalt des Blutes nicht in der Weiſe erhöht wird, wie es der Berechnung nach der Fall ſein müßte. Zwei Minuten nach Beendigung der Injektion beträgt der Zuckergehalt 0,805 bis 1,770 % und nach 2 Stunden war der Prozentgehalt wieder der urſprüngliche. Ein Teil des injizierten Zuckers geht in den Harn über, nämlich 18,7 bis 33% und zwar dauert die Ausſcheidung an dieſer Stelle noch fort, nachdem der Zuckergehalt des Blutes zur Norm ſchon zurückgekehrt iſt. Daß der Prozentgehalt des Blutes nach der Injektion wider Erwarten klein iſt, erklärt ſich zum Teil aus der bedeutenden Zunahme des Blutvolumens durch Endosmoſe aus den Körperſäften, ſowie zum Teil durch Uebertritt des Zuckers in die Gewebe und die Körperflüſſigkeiten; doch fehlte gleich ein Teil des Zuckers, der weder im Harn noch in den Geweben aufgefunden werden konnte. Jene Ver— dünnung des Blutes zeigte ſich auch in dem Sinken des Gehaltes an Blutfarbſtoff und an Serumeiweiß. Dieſe Veränderungen in der Blutmiſchung werden nicht durch die Lymphbahnen vermittelt, da ſie nach Ausſchaltung des großen Lymphganges noch erfolgen. Durch neue Beobachtungen iſt feſtgeſtellt worden, daß der Blutzucker Traubenzucker iſt und zwar findet ſich im Hundeblut 0,1 bis 0,15% Zucker. Weſentliche Differenzen Humboldt. — Oktober 1885. 405 zwiſchen arteriellem und venöſem Blute beſtehen nicht, da— gegen enthält das aus der Leber abfließende Blut regel— mäßig doppelt ſoviel Zucker als das, welches der Leber zuſtrömt. Der Verfaſſer berechnet, daß bei Hunden von 3 bis 41 Kilo Gewicht in 24 Stunden 179 bis 433 Gramm Zucker aus der Leber exportiert werden, der im Körper zer— ſetzt wird, ſo daß die Bildung und Ausſcheidung des Zuckers als ein weſentlicher Faktor des Stoffwechſels zu betrachten iſt. Die verſchiedenen Kohlehydrate verhalten ſich nach der Aufnahme in den Magen verſchieden in Bezug auf ihr Erſcheinen im Harn. Die Mengen der aufgenommenen Kohlehydrate betragen 50 bis 250 Gramm. Stärkehaltige Nahrung führt zu keiner Ausſcheidung von Zucker durch den Harn, ebenſowenig die Lävuloſe des Honigs, wohl aber Milchzucker, Rohrzucker und Traubenzucker. In den Blättern von Kartoffeln, Dahlia, Topinambur, Mais, Runkelrüben, Ricinus konnte Amylaſe nachgewieſen werden, d. h. ein Ferment, welches in wäſſeriger Löſung Stärkekleiſter in Zucker und Dextrin umwandelt (alſo Diaſtaſe). — Aus gekeimter Gerſte hergeſtellte Diaſtaſe verwandelt bei 34° und bei 42°, nicht bei 50 oder 57° ungekochte Stärke teilweiſe in Glukoſe; Druckvermehrung (2 Atmoſphären) ſcheint die Umwandlung zu beſchleunigen. Auf dem ſo überaus wichtigen Gebiete der Gärungs— erſcheinungen hat die Frage des Einfluſſes des freien Sauerſtoffs auf die Gärung ſeit langem ein hervorragendes Intereſſe beanſprucht, ohne daß darüber die experimentellen Daten die wünſchenswerte Uebereinſtimmung gezeigt hätten. Die vorliegende mit allen Vorſichtsmaßregeln ausgeführte Unterſuchung führte zu folgenden Reſultaten: 1) Die Ver— mehrung des Bacteriums Fitz wird durch die Anweſenheit freien Sauerſtoffs ganz weſentlich begünſtigt. 2) Bei gleich großer Ausſaat wird in der nämlichen Zeit mehr Glycerin vergoren, wenn Sauerſtoff vorhanden iſt, als ohne den— ſelben. 3) Die Bildung von Kohlenſäure, welche das Maß für ſämtliche Oxydationsvorgänge abgibt, bleibt im Ver— hältnis zum vergorenen Glycerin annähernd gleich groß, wird Sauerſtoff oder Waſſerſtoff zugeleitet. 4) Die Gär— thätigkeit, berechnet auf den einzelnen Pilz, iſt bei Anweſen— heit freien Sauerſtoffs geringer als bei Abweſenheit desſelben. Im Gebiete des Sehorganes reſp. des lichtempfind— lichen Teiles desſelben, der Netzhaut, iſt im letzten Jahre eine ungemein wichtige Beobachtung gemacht worden, die darin beſteht, daß gewiſſe Elemente dieſes Organes und zwar diejenigen, welche nach der heutigen Lehre die für das Sehen weſentlichſten ſein müſſen, daß dieſe Elemente unter dem Einfluſſe des Lichtes Bewegungserſcheinungen zeigen. Es handelt ſich hierbei nämlich um die Zapfen der Netzhaut, deren Innenglieder ſich unter dem Einfluſſe des Lichtes verkürzen und im Dunkeln ſich wieder verlängern (alſo ähnlich wie die Muskeln und andere kontraktile Elemente auf Reiz ſich verkürzen, um ſich wieder auszudehnen, wenn der Reiz aufhört!). Dieſe Bewegungserſcheinungen zeigen die Zapfen der Netzhäute aller Tiere, ſowie auch des Menſchen. Ihre Geſchwindigkeit iſt derart, daß bei im Dunkel gehaltenen Fröſchen ſchon mehrere Minuten nach Einwirkung hellen diffuſen Tageslichtes die vorher maximal geſtreckten Zapfen nahezu maximal kontrahiert ſein können. Dieſe Bewegungen ſind unabhängig von jenen der Pigment— zellen, welche vielfach denjelben Bedingungen unterworfen find. Was die Lichtart betrifft, welche beſonders wirkſam iſt, ſo wirken zwar alle Lichter bei ſichtbaren Spektren, aber die brech— bareren ſind, wie auch ſonſt, wirkſamer als die weniger brech— baren. Die Wirkung iſt eine direkte auf die Innenglieder der Zapfen und nicht von deren Außengliedern etwa zugeleitet. Nicht minder bedeutungsvoll iſt die weitere Beobachtung, daß die Bewegungen der Zapfen, aber ebenſo auch jene der Pigmentzellen unter dem Einfluſſe des Nervenſyſtems vor ſich gehen. Wird nämlich nur ein Auge belichtet, ſo treten die Bewegungen auch in dem anderen Auge auf, während nur das belichtete Auge beeinflußt wird, wenn vorher das Gehirn zerſtört worden war. Man iſt daher gezwungen, eine durch Nervenbahnen vermittelte Aſſociation der Zapfen und Pigmentzellen beider Augen, alſo ein ſympathiſches Zuſammenwirken beider Netzhäute anzunehmen. Dieſe Aſſociation kann nur durch die Sehnerven vermittelt werden, ſo daß dieſelben nicht allein centripetal, ſondern auch centri— fugal als motoriſche Nerven für Zapfen und Pigmentzellen der Netzhaut wirken. Endlich konnten jene Bewegungen auch auf reflek— toriſchem Wege erzeugt werden, wenn ausſchließlich eine ganz umſchriebene Stelle der Rückenhaut beleuchtet wurde. Die gleichen Veränderungen in den Zapfeninnengliedern und den Pigmentzellen findet man im Strychnintetanus. Wenn man ein dem Brütofen entnommenes Hühnerei mit Vorſicht öffnet und die Keim-Area in den Galvano— meterkreis ſo einſchaltet, daß die eine Elektrode den Körper des Embryo, die andere einen Punkt des Dotters berührt, ſo erhält man regelmäßig einen vom Dotter in den Embryonalkörper gerichteten Strom, d. h. der Embryo iſt poſitiv gegen den Dotter; ſeine elektromotoriſche Kraft kann bis "oo Daniell betragen. Der Strom ijt in den erſten Tagen, mindeſtens bis zum 80. Tage im Zunehmen begriffen, und nimmt dann wieder ab. Koloniſation. Don Dr. W. Hobelt in Schwanheim a. M. Die Gejundheitsverhaltniffe der Tropenländer und die tropiſche Fruchtbarkeit. Spanien an der Saharaküſte und auf Fernando po. Cüderitzland. Janzibar. Neubritannien. Der Kongo:Staat. Denhardt. Neue Hebriden. Flegel wieder am Benus. oſtafrikaniſche Geſellſchaft. Auſtralien. Neuguinea. Die Italiener in Maſſauah. Nord⸗Auſtralien. Weſt⸗Afrika. Das Cogogebict. Capitay. Die Kameruns. Oſt⸗Afrika. Die deutsch: Madagaskar. Formoſa. Braſilien. Argentinien. Die Reblaus Queensland. in Algerien. Südamerika. An die Stelle des fieberhaften Eifers, welcher im vorigen Halbjahre die Koloniſationsbewegung kennzeichnete, iſt vielfach jetzt ſchon die nüchterne Erwägung getreten, Humboldt 1885. dem Rauſch iſt ſogar ſchon hier und da der Katzenjammer gefolgt. Während damals der allgemeine Ruf lautete: Wir müſſen unbedingt Kolonien haben, fragt man 52 406 Humboldt. — Oftober 1885. ſich jetzt ſchon vielfach: Was ſollen wir nun mit den Koz lonien anfangen? und die Hauptſchwärmer haben ihre Parole, die anfangs hieß: „Ohne Kolonien iſt Deutſch⸗ land verloren“ dahin abgeändert: Wir haben nun Ko— lonien, alſo erfordert auch unſere nationale Ehre, daß wir auch die nöthigen Opfer an Gut und Blut bringen, um ſie nutzbar zu machen! Es ſind zwei Streitpunkte, die wir in unſerem vorigen Berichte bereits angedeutet haben und die ſeitdem noch mehr in den Vordergrund getreten ſind. Die erſte iſt die Frage nach den Geſundheitsverhältniſſen der Tropenländer und nach der Möglichkeit für den Deutſchen, dort über— haupt oder gar bei Feldarbeit auszudauern. Von berufenſter Seite, von Dr. G. Fiſcher, der ſieben Jahre als Arzt in Zanzibar gelebt, iſt in dieſer Beziehung ein Satz auf— geſtellt worden?), der mehr als lange Diskuſſionen klärend auf die Anſichten der großen Menge einwirkt: „Wo es in Afrika fruchtbar iſt, da iſt es ungeſund und wo es geſund iſt, da iſt es unfruchtbar.“ Die traurige Beſtätigung, welche Nachtigals Tod dieſem Ausſpruch gab, hat allen Verſuchen, Fiſchers Worte zu entkräften, die Spitze abgebrochen, und heute wird es wohl wenig Leute mehr in Deutſchland geben, welche noch Acker— baukolonien in Tropengegenden und Auswanderung in größerem Maßſtab dorthin für möglich halten. Virchow hat im Reichstag an die Reſultate der weſtindiſchen Volks— zählungen erinnert; die Zahl der Weißen betrug in den fünfziger Jahren noch 5% der Bevölkerung, in 1871 noch 2,58, in 1881 nur 2,48, iſt alſo in dreißig Jahren unter die Hälfte zurückgegangen, obwohl ſie immer aus den Reihen der Miſchlinge (Quadronen und Quinteronen) ver— ſtärkt wird, und das in einer Gegend, die noch nicht zu den ſchlimmſten gehört und in der ein guter Teil der Weißen aus Spaniern beſteht, die notoriſch das Tropen— klima viel beſſer ertragen als die Abkömmlinge der ger— maniſchen Raſſe. — Nach Yves Guyot wohnen in Cochin— china, das ja mit Frankreich nun ſchon über ein Jahr⸗ hundert in engſter Beziehung ſteht, noch nicht mehr als 1825 Franzoſen; die Sterblichkeit in der Armee, zu der man immer möglichſt Leute nimmt, die ſich in Algerien ſchon etwas aeclimatiſiert haben, beläuft fic) trotzdem auf 9 10% und bei der europäiſchen Kolonie in Saigun kamen auf 46 Geburten 102 Todesfälle. Auf Reunion, das ſeit 1638 franzöſiſch iſt und für geſund gilt, kommen immerhin noch auf 449 Geburten bei der weißen Be— völkerung 657 Todesfälle. Geradezu erſchreckende Zahlen erhalten wir aber, ſobald wir in Gebiete kommen, die mit den neuen deutſchen Kolonien bezüglich der Sanitätsver— hältniſſe ungefähr auf einer Linie ſtehen. In Senegambien kamen, abgeſehen von der Gelbfieberepidemie, welche 40% der weißen Bevölkerung mitnahm, auf 100 Geburten 391 Todesfälle, in der Strafanſtalt von St. Auguſtin in Cayenne betrug die Sterblichkeit 44¾, und von 379 in Cayenne geborenen Kindern erreichten nur 141 das ſiebente Jahr. Nicht günſtiger ſind die Reſultate in den tropiſchen Betrachtungen über die Kolo— beſonderer Berückſichtigung des Mehr Licht im dunklen Weltteil. tropiſchen Afrika unter Hamburg 1885. niſation des Zanzibargebietes. Kolonien anderer Nationen. In den vierziger Jahren machten die Holländer den Verſuch, arme Bauern in Suri⸗ nam anzuſiedeln, um dort Tabak im großen zu bauen. Im Mai 1843 ging eine Anzahl Familien aus Gelderland dorthin ab, in 1845 folgte eine Verſtärkung von weiteren 50 Familien; es waren ausgewählte Leute, alle aus einer Gegend und unter Leitung ihres Geiſtlichen. Am 1. Januar 1846 lebten von 379 Auswanderern noch 195, und dieje waren meiſt in ſolchem Zuſtand, daß ſie in die Heimat zurücktransportiert werden mußten. In dem engliſchen Lagos ſtarben innerhalb ſechs Jahren von 80 angeſiedelten Weißen 48. Selbſt in dem durchſchnittlich nicht ungeſunden Vorderindien beträgt die engliſche Civilbevölkerung heute noch nicht 30 000, und auch die Miſchlinge von Engländern und Indierinnen ſcheinen nicht zu gedeihen, denn es will nicht gelingen, aus den Soldatenkindern auch nur die Muſikbanden zu ergänzen. Gegen dieſe Zahlen können die begeiſtertſten Tiraden nichts ausrichten. Es iſt ja zweifellos, daß holländiſche Familien auf Java ſich ſeit mehreren Generationen er- halten, aber es iſt auch bekannt genug, daß das nur da— durch möglich iſt, daß die Kinder ſchon im zarten Alter nach Europa gebracht und dort erzogen werden. Im übrigen muß nach allen Diskuſſionen und Forſchungen als feſtſtehender Satz angenommen werden, daß Menſchen der weißen Raſſe (— richtiger eigentlich der hellweißen, europäiſchen im Gegenſatz zur dunkelweißen, den Arabern und verwandten —) wohl recht gut als Beſitzer oder ſelbſt Aufſeher von Ackerbauunternehmungen und Plantagen in den Tropen eine Anzahl von Jahren leben können, daß aber die ſchwere Arbeit in dieſen Klimaten nur durch Menſchen der dunklen Raſſe, durch Neger, Papuas, Ma⸗ layen und Chineſen, verrichtet werden kann. Der zweite Streitpunkt, über den ein Einvernehmen noch nicht erzielt iſt, betrifft die angebliche unerſchöpf— liche Fruchtbarkeit der Tropenländer. Ich laſſe darüber einen Mann reden, deſſen Autorität keinem Zweifel unterliegt, Georg Schweinfurthß). „Wenn man auch „bei größerem Aufwand von Mühe den Ertrag der einzelnen „Sorghumſtauden verdoppeln könnte, ſo würde die Er— „ſchöpfung des Bodens, die ſich ſchon jetzt an vielen Stellen „bereits im zweiten Jahre zu erkennen gibt, noch ſchneller „vorſchreiten. Unter ſolchen Bedingungen müſſen alle „Illuſionen ſchwinden, die man an Ameliorationen in „unſerem Sinne knüpfen möchte. Dieſe Länder (die Neger— „länder am oberen Nil) werden nie mehr Menſchen er— „nähren, als gegenwärtig in ihnen leben.“ Die Boden— verhältniſſe Innerafrikas ſind aber im großen Ganzen ſo gleichmäßig, daß dieſe für das obere Nilgebiet geſchriebenen Worte auch für das Kongobecken gelten; der eiſenſchüſſige Steppenboden wie der dürre Laterit ſind, wo nicht künſt— liche Bewäſſerung ſtattfindet, raſch erſchöpft; die Waſſer— maſſen, welche in der Regenzeit niederfallen, laugen den Boden aus und laſſen es nicht zu einer Humusbildung wie in unferen Wäldern kommen. Auch aus Stidbrajilien laſſen ſich warnende Stimmen in dieſer Beziehung hören. An vielen Stellen zeigt die Roca, die neue Rodung im Urwald, ſchon nach drei bis ) Im Herzen von Afrika, Bd. 1, S. 270. Humboldt. vier Jahren Spuren von Erſchöpfung; höchſtens nach zwölf Jahren muß ein neues Stück angerodet werden und die Roca wird zur Capoeira, einem Buſchwald, der erſt nach vielen Jahren wieder das Anroden lohnt. Daß es in anderen Gegenden nicht beſſer iſt, beweiſen die Erfahrungen, die man z. B. in Sumatra mit den Tabaksplantagen gemacht hat. An Ackerbaukolonien iſt alſo nicht zu denken; ob Plan— tagen in den neuen Kolonien rentieren werden, iſt eine Frage, welche ſchließlich nur die Aktiengeſellſchaften und Kapitaliſten angeht, die ihr Geld daran wenden wollen. Im allgemeinen ſind die Reſultate, die gegenwärtig in den ſeit Jahrhunderten koloniſierten Tropenländern erzielt werden, nicht ſonderlich ermutigend; werden ſie in neuen Gebieten mit noch ganz unentwickelten Verkehrsmitteln günſtiger ſein? Die Zahl der Produkte, welche eine un— begrenzte Steigerung vertragen können, ohne ſofort auf ein nicht mehr rentierendes Preisniveau herabgedrückt zu werden, iſt verſchwindend klein. Es iſt ein bedenklicher Irrtum, wenn man glaubt, die ſtärkemehlhaltigen Wurzeln der Tropen (Maniok, Batate, Caſſave u. dgl.) könnten den Transport nach Europa lohnen und dort mit der Kartoffel konkurrieren. Weſtafrika. — Die Häkeleien mit England ſind glück— lich erledigt. Gegen die Anerkennung der Herrſchaft über die Nigermündung hat England alle Anſprüche auf das Kamerungebiet aufgegeben. Die Gebiete nördlich von Lagos, welche das Hamburger Handelshaus Gaiſer er— worben hat, ſind wieder an England zurückgegeben worden. Dagegen bleibt das Togogebiet deutſch. Ueber dasſelbe findet man erſchöpfende Belehrung in dem Werke von Zöllner (Das Togoland und die Sklavenküſte, Stuttgart, Spemann, Mark 5), das durchaus auf eigener Anſchauung beruhend, ſich ſehr vorteilhaft von den Kompilationen über Afrika unterſcheidet, die ſeither den Büchermarkt über— ſchwemmten. Auch weiter nördlich hat das Deutſche Reich feſten Fuß gefaßt. Die „Ariadne“ hat im Januar dieſes Jahres das Gebiet von Capitay zwiſchen dem Rio Pongo und dem Bramiah unter deutſches Protektorat geſtellt. Die Firma F. Colin in Stuttgart, welche dort Faktoreien beſitzt, hat die Annexion vorbereitet und ſeitdem ihr Gebiet an eine neugegründete „Deutſch-afrikaniſche Handels— geſellſchaft in Hamburg“ übertragen, welche Handel und Plantagenbau mit einem Kapital von 600 000 Mark betreiben will; hervorragende ſüddeutſche Mitglieder des Kolonialvereins ſind dabei beteiligt. Das Land wird als nicht ſonderlich geſund geſchildert, die Exportartikel ſind Palmöl und Erdnüſſe. Franzöſiſcherſeits iſt dem Sultan von Capitay die Berechtigung zum Abſchluß von Verträgen beſtritten worden, da er durch frühere Abmachungen mit Frankreich, deſſen Beſitzungen unmittelbar angrenzen, ge— bunden ſei; doch ſcheint dieſer Proteſt keine ernſtlichen Folgen gehabt zu haben. An den Kameruns haben ſich die Schattenſeiten des Koloniſationsweſens ſehr bald gezeigt. Die Leute von Hickorytown und Josstown haben ſich gegen König Bell, der eine Art Suprematie beanſprucht zu haben ſcheint, empört und ſein Dorf überfallen und niedergebrannt. Die Mannſchaften der Schiffe „Olga“ u. „Bismarck“ haben darauf Oktober 1885. 407 Josstown und Hickorytown erſtürmt und niedergebrannt. Leider wurde der Wörmannſche Agent Pantänius von den Aufſtändiſchen weggeſchleppt und, ehe die Truppen ihn befreien konnten, ermordet. Eine energiſch aufrechterhaltene Handelsſperre zwang die Duallas bald zur Unterwerfung; ſie wurden entwaffnet und die Leute von Josstown mußten ihr Dorf verlegen, da die alte Stelle zum Sitz des deutſchen Gouverneurs beſtimmt iſt. Damit iſt der erſte Ring, welcher das Eindringen ins Innere hinderte, geſprengt, aber weitere Verwicklungen werden nicht ausbleiben. Die Errichtung einer eigenen Truppenmacht aus Angehörigen der Stämme Oberguineas erweiſt ſich als unumgänglich nötig. Die Stänkereien des edlen Polen de Rogoczinski, vulgo Schulz, haben durch den Vertrag mit der engliſchen Regierung ihr Ende gefunden. Seine geographiſchen Ent— deckungen erſcheinen in einem ſehr eigentümlichen Lichte, wenn wir aus zuverläſſigen Berichten erfahren, daß er nie tiefer als 12 Meilen ins Innere eingedrungen iſt und ſeine auf Sekunden genaue Ortsbeſtimmungen ohne In— ſtrumente gemacht hat. Flegels Plan, eine Compagnie zur Ausbeutung der Benusländer zu bilden, iſt leider geſcheitert; trotz der an— geblich die ganze Nation durchdringenden Kolonialbewegung hat es fic) unmöglich erwieſen, die nötigen Geldmittel zu— ſammenzubringen, während in England ſich raſch eine Ge— ſellſchaft gebildet hat, welche den Deutſchen zuvorkommen will. Indes hat Flegel doch vom Deutſchen Reiche 40 000 Mark und den Dampfer „Heinxich Barth“ erhalten und wird nun verſuchen, von Lagos aus durch die Küſten— lagunen zum Niger zu gelangen und dann dieſen hinauf nach Adamaua gehen. Er führt Geſchenke des Kaiſers an die eingeborenen Fürſten mit. In Adamaua beabſichtigt er, ſich vom Gros der Expedition zu trennen und den Landweg nach den Kameruns zu erforſchen. Von Lüderitzland iſt wenig Erfreuliches zu melden. Allmählich einlaufende genauere Schilderungen beſtätigen nur das, was wir in unſerem vorigen Berichte darüber geſagt. An regelmäßige Beſiedelung durch Ackerbauer iſt auch im Hinterlande bei dem dürren, zwiſchen Wüſte und Steppe ſtehenden Charakter der Gegend nicht zu denken. Viehzucht im großen würde ſich ebenſogut betreiben laſſen, wie in vielen Gegenden Auſtraliens, wenn die nötigen Summen angewendet würden, um Tränkplätze zu ſchaffen, was wenigſtens im Namalande nicht unmöglich wäre; aber die periodiſch wiederkehrenden Epidemien der Lungenſeuche, gegen die man ſich in dem uneiviliſierten Lande kaum ſchützen kann, geſtalten ein ſolches Unternehmen immer zu einer Art Hazardſpiel. Zur Anlage von Straußfarmen wäre das Terrain ſehr günſtig, aber hier ſteht die unter beſſeren Bedingungen arbeitende Konkurrenz im Kapland und in Nordamerika im Wege. Der wilde Strauß iſt beinahe, der Elefant ganz ausgerottet, und die herum— ziehenden Händler können faſt nur noch Vieh in Tauſch bekommen. Von den erhofften Mineralſchätzen hat ſich noch wenig gefunden. Ein Herr „Bergrat“ Pohle wollte zwar Kupfer, Bleiglanz und ſogar Rotgiltigerz in nächſter Nähe der Küſte entdeckt haben, aber ſeine Angaben haben ſich als blanker Schwindel erwieſen. Nach einem Briefe des bei der Expedition beteiligten Pr. Schenck an Profeſſor 408 Humboldt. — Oktober 1885. von Laſaulx in Bonn beſteht das Land vorwiegend aus Gneis, welcher durch trockene Verwitterung in einen flug— ſandartigen Grieß zerfällt, der alle Thäler ausfüllt. Hier und da finden ſich Serpentin, kryſtalliniſcher Kalkſtein, Granit, Hornblendeſchiefer und Glimmerſchiefer, und gang— artig Diorit und Quarz. Lüderitz hat mit Hilfe des Kolonialvereins nach langem Bemühen eine Aktiengeſellſchaft zuſammengebracht, welche ihm ſeine Rechte für ſchweres Geld abgenommen hat; was ſie mit dem Lande anfangen wird, ſcheint ſie ſelbſt noch nicht zu wiſſen. In Centralafrika hat die Berliner Konferenz zuerſt ein Freihandelsgebiet geſchaffen, welches mit Ausnahme der Weſtküſte ſo ziemlich das ganze Kongogebiet umfaßt; an der Oſtküſte reicht es vom Zambeſi bis zum Juba, an der Weſtküſte freilich nur vom Ogowe bis Ambriz. Die Rechte des Sultans von Zanzibar ſind vorbehalten. — Weſentlich kleiner ijt der Kongo-Freiſtgat ausgefallen. Am Meere gehört ihm nur die kurze Strecke vom Nordufer des Kongo bis zur portugieſiſchen Enclave Kabinda, dann läuft die Grenze im Bogen zum Tſchiloango und dieſen hinauf bis zu ſeiner Quelle. Von dieſer geht ſie wieder hinunter zum Kongo und folgt dieſem bis Bangala, nach anderen An— gaben bis zur Aequatorſtation; von dort geht ſie zum 4.0 n. Br. hinauf und dieſem entlang bis zur Waſſerſcheide, von dort ſüdwärts durch den Luta nzige und den Tangan— hika bis zu deſſen Südende. Mit Ausſchließung des Moero und Bangwuelo zieht ſie dann zur Waſſerſcheide des Zambeſi, folgt dieſer bis zum 24.“ 6. L. von Greenwich und dieſer Längengrad bildet nordwärts bis zum 6.“ ſ. Br. die Grenze; dann tritt der Breitegrad an ſeine Stelle, bis er bei Nokki den Kongo erreicht. Der Flächeninhalt beträgt ungefähr fünfmal ſoviel wie der des Deutſchen Reiches. König Leopold hat von dem belgiſchen Parlament die Ermächtigung erhalten, ſich hinfort Souverän des Kongoſtaates zu nennen, ein Miniſterium iſt gebildet worden, aber das neue Land findet in Belgien ſelbſt ſtatt des begeiſterten Intereſſes, auf das man hoffte, nur eiſige Kälte. Der Verſuch, in Belgien eine dringend nötige Anleihe aufzunehmen, iſt geſcheitert, und hat auch in Deutſchland bisher noch nicht zu den ge— wünſchten Reſultaten geführt. Da den Angeſtellten der belgiſchen Geſellſchaft jede Mitteilung über das Land bei ſchwerer Geldſtrafe und ſo— fortiger Entlaſſung verboten iſt, muß das von Stanley ſelbſt verfaßte und eben im Erſcheinen begriffene Werk mit einigem Mißtrauen betrachtet werden. Zöllner, der Korreſpondent der „Kölniſchen Zeitung,“ hat esöffentlich eine Reklame genannt, die man auch als ſolche nehmen müſſe. Privatbriefe vom Kongo drücken ſich etwas draſtiſcher aus und es ſcheint in der That, als ob Stanley, wie Woer— mann nachgewieſen, von dem Wert der Nullen keine rechte Idee habe und ſie ſeinen Ziffern, ohne ſie genau zu zählen, hinten anhänge. Wir werden auf ſein Werk im nächſten Berichte genauer eingehen. Die Geſellſchaft warnt übrigens ſelbſt dringend vor jedem iſolierten Verſuch einer Anſiedelung oder eines Handelsunternehmens in ihrem Gebiete; nur eine mit großen Kapitalien ausgerüſtete Geſellſchaft könne auf Erfolg hoffen. Die deutſche Expedition, deren Führer leider bereits dem Klima erlegen, hat bei Nokki ein Terrain zur An— lage einer Faktorei erworben, das etwaige deutſche Export⸗ unternehmungen unabhängig von dem dominierenden hol—⸗ ländiſchen Einfluſſe ſtellt. Auch Spanien wird von dem allgemeinen Kolonial⸗ eifer angeſteckt. Nachdem die Klauſel im Friedensvertrage von Tetuan, welche ihm das Recht gab, eine Fiſchereiſtation in St. Cruz di Mar Pequena zu errichten, zwanzig Jahre lang unerfüllt geblieben, hat nun die ſpaniſch⸗afri⸗ kaniſche Compagnie an der Saharaküſte drei Stationen, Cisneros, Puerto Badia und Mederia Gatell er— richtet und verſucht zunächſt, die aus Timbuktu kommenden Karawanen an ſich zu ziehen, und Handelsverbindungen mit Adrar anzuknüpfen. Die Verbindung von hier mit dem Sudan iſt die kürzeſt denkbare, vorausgeſetzt, daß es gelingt, den Fanatismus der Mauren nördlich vom Senegal zu beſiegen. Die Route iſt übrigens noch kaum erforſcht; Adrar iſt, ſoviel mir bekannt, nur von Panet 1850 und von Vincent 1860 beſucht worden; von dort geht die Karawanenſtraße über Walata nach Timbuktu; ſie läuft faſt ganz auf dem Hochplateau am Südrande der eigent- lichen Sandwüſte. Nach den vorliegenden nicht ſehr ge⸗ nauen Angaben liegen die Stationen 80 Lieues nördlich von Senegal zwiſchen Kap Bojador und Kap Branco; die eine ſcheint am Rio Ouro, ziemlich unter dem Wendekreiſe des Krebſes zu liegen. Dieſe ganze Küſte iſt übrigens hafenlos und ſchwer zugänglich, aber den Karawanen wäre die beſchwerliche Wüſtenreiſe erſpart, ohne daß ſie das ungeſunde Senegambien zu betreten brauchen. Die Ein— geborenen ſcheinen indes entſchieden feindlich aufzutreten, die Faktorei am Rio Ouro iſt von ihnen überfallen und zerſtört worden, wobei ſechs Spanier umkamen. Die ſpa— niſche Regierung plant einen Rachezug, der aber ſchwerlich Erfolg haben würde, da er gegen das ferne Adrar ge— richtet ſein müßte. Auch auf Fernando Po wendet Spanien jetzt große Aufmerkſamkeit. Man hat auf den Kanaren Anſiedler angeworben, die 20—25 Morgen Land erhalten, außerdem die nötigen Ackergerätſchaften, Saatfrucht, freie Ueberfahrt und für die erſten drei Jahre täglich 5 Franken. Der neue Gouverneur Don Joſé Montes de Oca iſt mit der erſten Anſiedlerkolonne bereits abgegangen, es begleiten ihn zahlreiche Miſſionäre, die auch Stationen auf Ann o— bon, auf den Corisco-Inſeln und am Kap St. Juan errichten ſollen. Es iſt das nicht der erſte Anlauf, den Spanien zur Koloniſation der reichen Inſel macht; Soyaux und Buchholz ſahen die Spuren der Anſtrengungen, die man nach der Rückerwerbung der Inſel von den Eng— ländern machte, es bleibt abzuwarten, ob bei dem ſelbſt für Spanier furchtbar ungeſunden Klima diesmal dauerndere Erfolge erzielt werden. Oſtafrika. — Der deutſch-oſtafrikaniſchen Ge— ſellſchaft iſt es trotz der Protektion der Regierung noch nicht gelungen, in größeren Kreiſen Vertrauen zu erwecken. Sie hat einſtweilen eine neue Expedition abgeſandt, die noch mehr Terrain erwerben ſoll und einen Vorſtand gleich auf fünfzehn Jahre gewählt; ihre Flagge bilden Löwe, Kreuz und Palmbaum mit den deutſchen Farben. Nach Fiſcher, der Uſangara genau kennt, it das Land nicht das un— geſundeſte, aber für Europäer immer noch ungeſund genug; bösartige Gallenfieber ſind dort zu Hauſe. Das Schlimmſte Humboldt. — Oftober 1885. 409 ift aber, daß die Gegend einſtweilen noch gar nichts pro— duziert, was den Export wert wäre; Kautſchuk kommt nicht vor, die Elefanten find ausgerottet; Kaffee könnte vielleicht gebaut werden, doch haben die franzöſiſchen Miſ— ſionäre in Bagamoyo damit keine ſonderlichen Erfah— rungen gemacht. Dr. Peters hat ſich auf der General— verſammlung zwar ſehr entſchieden gegen dieſe „Verleum— dungen“ verwahrt, aber er hat auch zugeſtehen müſſen, daß das Klima die Anſiedelung europäiſcher Ackerbauer nicht geſtatte. Wie aber bei Betrieb von Plantagen mit Negern oder Kulis angeſichts der großen Entfernung von der Küſte etwas herauskommen ſoll, iſt abſolut unbegreif— lich. Die Geſellſchaft bietet Anteilſcheine zu 500 und 1000 Mark aus und verſpricht dafür einen halben Hektar pro Mark, welchen ſich der Koloniſt ſelbſt ausſuchen kann. Solange nicht eine Eiſenbahn oder wenigſtens eine fahr— bare Straße durch das Küſtenland geſtattet, raſch dem tödlichen Küſtenklima zu entrinnen, wird das deutſche Ka— pital ſich hoffentlich von dieſem Unternehmen zurückhalten. Eine Zeitlang ſchien es, als ſollte die Compagnie Urſache zu einer Verwickelung mit dem Sultan von Zanzi— bar werden, der allerdings das Unternehmen nicht mit ſonderlich freundlichem Auge zu betrachten ſcheint. Die Angaben über Verletzung des deutſchen Gebiets durch zanzi— bariſche Truppen haben ſich aber als ſehr übertrieben herausgeſtellt. Trotzdem ſcheinen Verwickelungen nicht aus— geſchloſſen, da der Sultan, durch den engliſchen General— konſul aufgeſtachelt, Anſprüche auf das ganze Küſtenland macht und den Sultan von Witu, der ſich unter deutſchen Schutz geſtellt hat, bedroht. Die Gebrüder Denhardt haben auf Witu an der Tanamündung im Suaheligebiet die deutſche Flagge gehißt und eine Expedition zur ge— naueren Erforſchung iſt unterwegs. — Der als General— konſul nach Zanzibar entjandte Gerhard Rohlfs iſt ab— berufen worden und befindet ſich ſchon wieder auf der Heimreiſe. Italien hat an dem Roten Meere noch wenig Freude erlebt; ſeine Truppen haben zwar Beilul und das wichtige Maſſauah beſetzt, aber der Negus von Abeſſynien hat ſich ihnen entſchieden feindlich gegenübergeſtellt und man hat nicht einmal gewagt, das Plateau von Keren, das als Geſundheitsſtation für Maſſauah unentbehrlich iſt, zu be— ſetzen. So müſſen die Truppen ſich in Maſſauah vom Fieber decimieren laſſen, einen Teil hat man nach den Dahlakinſeln geſandt, wo das Klima weniger mörderiſch ſein ſoll. Von Handel iſt noch keine Rede. In Italien hat der allgemeine Unwille über die ſchwankende Politik das Miniſterium geſtürzt, aber es iſt ſehr fraglich, ob die neue Leitung Beſſerung bringen wird. Von dem franzöſiſchen Konkurrenzunternehmen kommen keine günſtigeren Nachrichten; der Streit wegen Schech Said iſt aus der Welt geſchafft worden, indem die Türken den Platz beſetzten. Die fröhlich gedeihende Provinz Algerien hat einen ſchweren Schlag erlitten; die Reblaus ijt bei Tlemcen aufgefunden worden, und ſie auszurotten oder auch zu hindern. Madagaskar. Die Franzoſen ſtehen noch immer unthätig in Tamatave, der Admiral Pierre hat höchſtens es wird ſchwer halten, nur in ihrer Verbreitung 1500 Mann zur Verfügung, die ſchwer leiden. Wie es heißt, wartet man auf Beendigung des Krieges in Tonkin, um Truppen von dort zu verwenden. Die Hovas warten ruhig ab, und da die Blokade unvollſtändig iſt, können ſie nur durch einen Vorſtoß gegen die Hauptſtadt Anta— nanarivo eingeſchüchtert werden. Dorthin führen drei Wege. Der gewöhnliche von Andévurante an der Oſt— küſte, ca. 50 Meilen ſüdlich von Tamatave aus, beträgt dreizehn Tagemärſche, iſt aber nur für Fußgänger brauch— bar und führt durch ein paar gefährliche Engpäſſe. Der zweite beginnt gleichfalls an der Oſtküſte, doch etwas weiter ſüdlich bei Mahanuru und folgt dem Thal des Manguru, um ſich bei Ambohimanga mit der erſten Route zu ver— einigen; ev erfordert fünfzehn Tagemärſche und bietet gleich— falls viele Schwierigkeiten. Dagegen iſt ein Weg von Ma— junga an der Nordweſtküſte aus dem Betſibuka entlang zwar achtzehn Märſche lang, aber offener und bequemer; Grandidier, der ihn 1870 paſſierte, nennt ihn ſogar für Karren fahrbar; eine Karawane der Herren Roux und Fraiſſinet hat ihn 1878 mit Kamelen paſſiert. Die franzöſiſchen Zeitungen ſprechen immer davon, daß die Sakalaven an der Weſtküſte und die Antankaren an der Nordſpitze ſich freiwillig unter die Oberherrlichkeit Frankreichs geſtellt haben; es muß ſehr auffallen, daß man ſie immer noch nicht organiſiert und bewaffnet hat, um mit ihrer Hilfe die Fremdherrſchaft der nur auf dem Centralplateau angeſiedelten Hovas zu brechen. Engliſche Berichte aus Madagaskar behaupten, daß zwei Vorſtöße der Franzoſen blutig zurückgewieſen worden ſeien, und daß man zum energiſcheſten Widerſtande ent— ſchloſſen fet. Die proteſtantiſchen Miſſionäxre wiſſen freilich, daß hinter den Franzoſen die Jeſuiten und Kardinal Laz vigerie ſtehen, und fürchten deren Konkurrenz. Formoſa. — Es hatte eine Zeitlang den Anſchein, als wollten die Franzoſen ſich dieſe Inſel definitiv an— eignen, und es wäre ein Gewinn geweſen, wenn ſie der europäiſchen Kultur erſchloſſen worden wäre, da das Klima dort dem Europäer durchaus nicht feindlich zu ſein ſcheint und die in den Niederungen herrſchenden Fieber nicht bös— artig ſind und bei intenſiverem Anbau wohl verſchwinden würden. Die Inſel iſt über 700 Quadratmeilen groß, der flachere weſtliche Teil, der nicht ganz die Hälfte aus— macht, hat gegen 8 Millionen Einwohner; die Anzahl der im Centrum und im öſtlichen Teile wohnenden Ureinwohner wird auf höchſtens 20 —30 000 geſchätzt. Die Produkte der Inſel ſind die der tropiſchen und ſubtropiſchen Zone; den Hauptausfuhrartikel bildete ſeither der Reis, außerdem die Steinkohle von Kelung. Es ſcheinen aber noch große Metallſchätze vorhanden, welche die mißtrauiſchen Chineſen nicht ausbeuten laſſen. Neben dem guten Klima und dem fruchtbaren Boden fällt ſehr ins Gewicht die Nähe von China, welche gute Arbeiter in beliebiger Menge zu im— portieren geſtattet, freilich auch ſtets eine ſtarke Beſatzung nötig machen wird. Die Inſel war bekanntlich ſchon ein⸗ mal in den Händen der Holländer, die aber 1661 von dem chineſiſchen Seeräuberadmiral Tſchin-tſchin-kun ver⸗ trieben wurden; ſeit 1683 iſt ſie offiziell chineſiſch und erſt 1858 wurden die Häfen Kelung, Taku, Thai— wan⸗fu und Kok-ſi-ku dem Handel geöffnet. Die Kohlengruben im Nordoſten der Inſel würden unter euro— 410 Humboldt. — Oktober 1885. päiſcher Leitung von unberechenbarer Wichtigkeit werden, da ihre Kohle für die Dampfſchiffe vollkommen brauchbar iſt. Leider iſt von den Häfen keiner eigentlich gut, ver— ſchiedene überhaupt nur während des einen Monſuns zu— gänglich, nur die Häfen an den Pescadores-Inſeln ſind immer ſicher und darum für den Beſitz von Formoſa un— entbehrlich. Der Friede mit China hat leider die Inſel den Chineſen wieder zurückgegeben. Auſtralien. — Die Nordküſte von Neu-Guinea iſt definitiv für Deutſchland gewonnen worden. Holland, England und Deutſchland teilen ſich nun in die Inſel derart, daß Deutſchland ca. 420 000 km erhält, Hol— land 391000 und England 415000. Außerdem iſt noch die Südoſtſpitze engliſch geblieben. Die deutſche Grenze beginnt am 141. Längengrad, folgt ihm bis zum 5. Breite— grad, wendet fic) dann in ſtumpfem Winkel zum Schneide⸗ punkt des 8. Breitegrads mit dem 147. Längengrad und läuft dem Breitegrad entlang bis zur Herkules-Bai. Die Entdeckung einiger guter Häfen an der Küſte, welche den Namen Kaiſer Wilhelmsland erhalten hat, wird die Anlegung von Plantagen in dem ziemlich raſch aufſteigenden Lande erleichtern, doch zeigen die neuen deutſchen Reichs⸗ bürger bis jetzt noch ſehr wenig Unterthanenverſtand und von zum Export geeigneten Produkten verlautet noch wenig. Einſtweilen hat eine deutſche Geſellſchaft (Hanſemann) einen bedeutenden Landſtrich von den Eingeborenen erworben und eine Expedition zu genauerer Erforſchung abgeſandt. Von den Annexionen in Polyneſien hat Neu⸗ Britannien oder Birara 452 Quadratmeilen, Neu- Irland oder Tombara 235, Neu-Hannover 26,8. Die Duke of Hork-Inſeln find zwar nur klein, aber gut bevölkert und ſchon teilweiſe civiliſiert. Das Klima ſcheint hier weniger ungeſund, als in den anderen neuen Kolonien. Hauptprodukt iſt Copra. — Auf Neu-Irland iſt bereits eine Expedition zur Züchtigung eines „rebelliſchen“ Stammes nötig geworden und da man die Leute nicht erreichen konnte, hat man ihre Hütten niedergebrannt und die Fruchtbäume umgehauen. Es wird das ſchwerlich das letzte Mal geweſen ſein. Die Neuen Hebriden, welche nach einem Vertrage zwiſchen England und Frankreich unabhängig bleiben ſollen, ſind unter der Hand von einer franzöſiſchen Aktiengeſell— ſchaft angekauft worden; die Société caledonienne des Nouveaux Hebrides hat auf Sandwich 80 bis 100 000 ha, auf Mallicollo 40 000, auf Eſpiritu Santo 120000, auf Ayi 20000, auf Vanicoro 20 000, alles in allem ca. 300 000 ha erworben. Eine Neuſeeländiſche Geſellſchaft, die ſich eben mit einem Aktienkapital von 1000 000 Pfd. St. zur Ausbeutung der Inſelgruppe bildet und von der Kolonialregierung eine Zinſengarantie er— hofft, dürfte ſomit zu ſpät kommen. Die Nachrichten aus Nord-Auſtralien lauten fortwährend wenig günſtig. Nur die Chineſen gedeihen dort, aber gerade dieſe will man nicht und ſucht ſie durch alle möglichen Schikanen zu vertreiben. Weiße ſind außer den Beamten und den Telegraphiſten in Port Darwin kaum da. Die Port Darwin Sugar Company und Poetts Northern Territory Company haben ſich nach ſchweren Verluſten bereits wieder aufgelöſt; dagegen iſt eben ein Deutſcher, O. Brandt, mit der Anlage einer Zucker plantage beſchäftigt. Die Minen goldhaltigen Zinns am Mac Kinlay River ſind der allzuhohen Transportkoſten wegen aufgegeben worden. Die Chineſen waſchen Gold, aber die Ausbeute iſt gering und für Weiße nicht lohnend. Trotzdem beabſichtigt die Regierung von Südauſtralien, welcher ja das Northern Territory unterſtellt iſt, eine Bahn von 240 km Länge von Port Darwin aus nach den Goldfeldern zu bauen, ein kühner Entſchluß für eine Ko— lonie von nur 315000 Seelen mit 15 Mill. Pfd. St. Staatsſchulden. In Queensland dagegen nimmt die Zuckerinduſtrie immer größeren Aufſchwung und macht Mauritius, das ſeither das Monopol für Auſtralien beſaß, immer erfolg- reichere Konkurrenz; den zum Export verfügbaren Ueber- ſchuß der Campagne von 1884 veranſchlagt man auf 40 000 Tonnen. Südamerika. — In Braſilien hat ſich auf die Initiative der Herren Blumenau, Gruber und Koſe— rit hin eine Geſellſchaft zur Beförderung der deutjden - Einwanderung gebildet, der ſich eine große Anzahl ange— ſehener Leute angeſchloſſen hat. Ihre Pläne ſcheinen aber bei dem Miniſterium keinen Anklang zu finden, während die Nationalfanatiker ihnen die entſchiedenſte Oppoſition machen. — Auch beim Kolonialverein iſt von verſchiedenen Seiten der Antrag geſtellt worden, auf Beſeitigung des in vielen Teilen Deutſchlands noch beſtehenden Verbotes der Auswanderung nach Braſilien hinzuwirken. Leider ſind die Neuwahlen zur Kammer für die Freunde der Einwanderung nicht ſonderlich günſtig ausgefallen und iſt beſonders ihr Hauptvertreter, Taunay, nicht wieder gewählt worden. Die Litteratur über Südbraſilien und Argentinien hat ſehr wertvolle Bereicherungen erfahren, auf die wir aber hier nicht näher eingehen können. Das Facit iſt, daß nur Landwirten, die ſelbſt arbeiten wollen, oder die mit einem Kapital von 12 bis 15000 Mark verſehen ſind und einer Anzahl Handwerker, nicht aber dem mittelloſen Arbeiter, die Einwanderung zu empfehlen iſt. Die ewigen finanziellen Verlegenheiten der Regierung verhindern einen raſcheren Aufſchwung, auch wechſelt die Regierungspolitik der Einwanderung gegenüber zu häufig. Der frühere Ackerbauminiſter hatte auf Drängen der Soeie— dade Central de Immigracao die Zuſage gegeben, daß Einwanderer, welche auf Einladung ſchon angeſiedelter Verwandten herüber kämen, freie Paſſage haben ſollten; als es aber zur Ausführung kam, hatte niemand daran gedacht, den Konſuln in Europa die nötigen Fonds an- zuweiſen, und das neue Miniſterium zog die Zuſage als— bald zurück. Argentinien hat leider eine ſchwere Kriſis durch— zumachen. In den vier friedlichen Jahren hat man die Erſtarkung des Staatskredits benutzt, um eine Anleihe nach der anderen aufzunehmen, und das viele dadurch zu— fließende Geld hat eine ſchwindelhafte Spekulation, zu— nächſt in Ländereien, erzeugt. Man hat für die Gründung der neuen, keinem Staate angehörenden Hauptſtadt la Plata angeblich 170 Mill. Mark ausgegeben und eine Menge un— rentabler Eiſenbahnen gebaut, außerdem auch in jedem einzelnen Geſchäfte ganz unſinnig gewirtſchaftet. Am Humboldt. — Oftober 1885. 12. Januar mußte demgemäß für die Noten der National- bank der Zwangskurs dekretiert werden und die Bankerotte folgen ſich mit unheimlicher Schnelle. Dennoch ſind die ſüdlicheren Staaten, beſonders die von Buenos Ayres ſüdlich gelegenen, noch die relativ günſtigſten Ziele für den auswandernden Ackerbauer, jedenfalls mehr zu em— pfehlen, als Paraguay, aus welchem die Nachrichten ſehr traurig lauten, und ſelbſt als Südbraſilien. Es iſt ſchade, daß dieſe Gebiete faſt ausſchließlich den Italienern zu— fallen, obſchon in den gebildeteren Klaſſen am la Plata das deutſche Element von Tag zu Tag mehr Einfluß ge— winnt. An dem Rio Negro, deſſen Thal erſt vor wenigen Jahren eigentlich wiſſenſchaftlich bekannt geworden, hat General Roca eine Kolonie begründet; die Anſiedler haben ſich verpflichten müſſen, ein Jahr lang an dem neuen Bewäſſerungskanal gegen Gewährung einer aus— reichenden Verpflegung zu arbeiten, und erhalten dann ihre Ländereien (100 ha) umſonſt. Die Kolonie ſollte urſprünglich rein franzöſiſch ſein, doch iſt man ſchließlich froh geweſen, als auch Holſteiner Familien ſich anſiedelten. Ueber die Reſultate, wie über das eines anderen ſeitens des Herrn Schultz in Stettin unternommenen Koloni— ſationsverſuches wird in den Argentiniſchen Blättern noch eine erbitterte Zeitungsfehde geführt. Das Land am Rio Negro iſt leider noch ſchwer zugänglich; der Fluß kann nur mit flachgehenden Dampf— booten befahren werden, die erſt noch zu erbauen ſind. Die Auswanderer müſſen deshalb in Bahia Blanca landen, von dort mit Küſtendampfern zum Rio Negro ſpediert werden und dieſen hinaufwandern. Das kultivier— bare Terrain iſt übrigens ſehr ſchmal und Ueberſchwem— mungen ausgeſetzt. Herr Schultz iſt ſeitdem, da das ihm angewieſene Land nicht, wie er die Bedingung geſtellt, an einem ſchiff— baren Fluſſe oder am Meere gelegen, von dem Unternehmen ganz zurückgetreten. Sie © Get Ga 411 Dagegen hat die Argentiniſche Regierung ſich jetzt entſchloſſen, in dem Dreieck zwiſchen Nenquen und Limay am Fuße der Anden (unter 40° ſ. Br.) eine neue Kolonie anzulegen, deren Kern aus Deutſchen beſtehen ſoll. Die Koloniſten werden bis nach Patagones durch Dampfer gebracht und hofft man ſie bei günſtigem Waſſer— ſtande den Rio Negro hinauf mit kleinen Dampfern bis Campana Mahuida befördern zu können. Die klima— tiſchen Verhältniſſe ſind dort ſehr günſtig. Für gewöhnlich wird die Verbindung über Mendoza gehen, das durch eine neuerdings eröffnete Eiſenbahn mit Buenos Ayres verbunden iſt; es bleibt aber immer noch eine Entfernung von ca. 70 geogr. Meilen mit Karren zurückzulegen. Das Gebiet grenzt weſtwärts an die Provinz Valdivia und wird, da ein ausgezeichneter Paß durch die Anden vor— handen, früher oder ſpäter als Durchgangsland wichtig werden. Die Zahl der Einwanderer nach Argentinien betrug in 1884 trotz der Choleraſperre über 80 000, doch jind darunter viele Italiener und Basken, die nur kommen, um ein kleines Vermögen zuſammenzuſcharren und dann nach Europa zurückzukehren. In dem einen Monat vom 15. Dezember bis 15. Januar 1885 nach Auf— hebung der Quarantäne landeten 20701 Einwanderer am la Plata. Die Auswanderung aus Deutſchland betrug nach den offiziellen Angaben des Reichskommiſſars für das Auswanderungsweſen in 1884 etwas weniger als 1883, nämlich 126511, während im ganzen über die deutſchen Häfen 195 497 Perſonen befördert wurden. Davon gingen 122798 nach Nordamerika, 728 nach Canada, 731 nach Braſilien, 680 nach Argentinien, 306 nach Chile, 219 nach anderen ſüdamerikaniſchen Staaten, 666 nach Auſtralien, 39 nach Mexiko und Centralamerika, 20 nach Weſtindien, 59 nach Peru, 35 nach Aſien. Die Auswanderer über Antwerpen ſcheinen dabei nicht mit inbegriffen. % I WM TO 1) Eh ae mM, G. Teipoldt, Phyſiſche Erdkunde, nach den hinterlaſſenen Manuſkripten Oskar Peſchels ſelb— ſtändig bearbeitet und herausgegeben. Mit zahl— reichen Holzſchnitten und lithographierten Karten. Zweite verbeſſerte Auflage. 4., 5., 6. Lieferung. Leipzig, Dunker & Humblot. 1884. Preis a Liefg. 2 J Mit den genannten Lieferungen iſt der erſte Band abgeſchloſſen. Unſer früher an dieſem Orte über deſſen erſte Hälfte abgegebenes Urteil gilt auch noch für die zweite. Das Werk im ganzen kann als ein geſchickt an— gelegtes, brauchbares Hilfsbuch' beim Studium der phyſi— kaliſchen Geographie bezeichnet werden, vor dem Supan— ſchen (ſ. d.) hat es die Berückſichtigung des litterariſchen Elements voraus, während wir hinſichtlich der Darſtellung ſelbſt allerdings das erſterwähnte vorziehen. Doch können wir, obgleich dieſe zweite Auflage manche ſchätzbare Er— weiterungen und Verbeſſerungen ihrer Vorgängerin gegen— über enthält, den Unterſchied zwiſchen beiden Ausgaben nicht für einen ſo erheblichen anſehen, als man nach der Vorrede wohl zu erwarten berechtigt wäre. Um dies zu beweiſen, regiſtrieren wir im folgenden kurz die Unter— ſchiede. Abſchnitt VI. enthält jetzt einen kurzen Bericht über die neueſten (Ritter-Zöppritzſchen) Theorien, welche man ſich von der Beſchaffenheit des Erdinneren gebildet hat, doch ſcheint ſich der Verfaſſer das Weſen der modernen Gas⸗Kinetik nicht hinlänglich klar gemacht zu haben. Sehr wenig Aenderungen finden ſich dagegen in Abſchnitt VII, wo allerdings der Unterſuchungen v. Richthofens über die chineſiſchen Kohlenſchätze, nicht jedoch der Arbeiten Naſſes u. a. über den Zuſammenhang der ſchlagenden Wetter mit meteorologiſchen Veränderungen im allgemeinen gedacht iſt. Entſchieden verbeſſert iſt der von den Niveau— ſchwankungen handelnde VIII. Abſchnitt, ſo gut wie intakt blieben die Kapitel IX, X und XI. Die „geographiſchen Homologien“ danken nur der Pietät gegen Peſchel ihre Erhaltung, denn ſo, wie ſie hier ſtehen, haben ſie nur ein recht untergeordnetes Intereſſe. Die Arbeiten von Wein— berg und Ullrich, für deren Tendenz wir ſelbſt uns freilich gar nicht zu begeiſtern vermögen, mußten, wenn man einmal auf die Sache einging, unter allen Umſtänden 412 Humboldt. Oktober 1885. Berückſichtigung ſinden, und ebenſo hätte der Verf. gegen Paul Lehmanns ſcharfe Kritik der Peſchelſchen Forſchungsmethode irgendwie Stellung nehmen ſollen. Der nun folgeude Abſchnitt hat eine natur- und ſachgemäße Vervollkommnung erhalten, indem v. Richthofens und Richard Lehmanns Arbeiten über die verſchiedenen Kraftäußerungen der Brandungswage verwertet wurden, doch mangelt noch immer die doch auch wichtige Entſtehung der Marſchen. Die Eroſion durch Gletſcher, welche man häufig mit den Fjorden in Verbindung bringt, findet in dem Verf. erfreulicherweiſe keinen Vertreter, doch unter— ſchätzt er andrerſeits die von Rütimeyer und Rein erſt in ihr volles Recht eingeſetzte Eroſionskraft des Meer⸗ waſſers, hierin mit Supa n übereinſtimmend. Die beiden von den Inſeln und ihrer Bewohnerſchaft handelnden Ab— ſchnitte gehörten ſchon früher und gehören auch jetzt noch zu den am beſten und vollſtändigſten bearbeiteten des ganzen Werks; anhangsweiſe konnte auch noch auf Hahns „Inſel— ſtudien“ verwieſen werden. Weniger konnte man das früher von dem XVI. Abſchnitte behaupten, welcher die Lehre von der Gebirgsbildung umfaßt, und auch jetzt ſteht der ſelbe, wenn auch auf Sueß und Heim einigermaßen Bedacht genommen iſt, keineswegs auf der Höhe der Wiſſenſchaft. Das Schlüßkapitel über Terraindarſtellung endlich iſt durch einige geſchichtliche Notizen bereichert worden. — In Summa möchten wir wünſchen, daß nicht bloß einzelne Zuſätze da und dort in den bereits vorhandenen Text eingeſchaltet würden, ſondern daß einzelne Teile, die nun einmal ganz anders als vor ſechs Jahren ausſehen müſſen, eine Um— arbeitung von Grund aus erführen. In der uns einſt— weilen auch vorliegenden erſten (oceanographiſchen) Liefe⸗ rung des zweiten Bandes iſt denn auch in dieſer Hinſicht etwas mehr geſchehen, nur zum Vorteil des Buches. Ansbach. Prof. Dr. S. Günther. Dr. Nobert Hollſtein, Sfomorphismus und Voly⸗ morphismus. Lüdenſcheid 1885. „Kurze Geſchichte der Lehre vom Iſomorphismus und Polymorphismus“ betitelt ſich dieſe kleine leſenswerte Schrift, welche die für den Chemiker wie für den Mineraz logen gleich wichtigen Lehren des Iſomorphismus und Poly— morphismus in ſchronologiſcher Entwickelung mit Litteratur— nachweiſen kurz beleuchtet. Sie zerfällt in drei Abſchnitte: 1) Die Vorläufer Mitſcherlichs; 2) Mitſcherlich und ſeine Entdeckungen und 3) die Nachfolger Mitſcherlichs. Lehrern und Schülern der Naturwiſſenſchaften wird das Schriftchen gute Dienſte leiſten. Frankfurt a. M. Dr. Theodor Peterſen. E. Mach, Prof. Dr., Die Mechanik in ihrer Ent. wickelung hiſtoriſch-kritiſch dargeſtellt. Leipzig, F. A. Brockhaus. 1883. Preis 8 MH Die Mechanik von Mach, welche den 59. Band der „internationalen wiſſenſchaftlichen Bibliothek“ bildet, ſoll nach des Verfaſſers Intenſion kein Lehrbuch der Mechanik ſein, ſondern den naturwiſſenſchaftlichen Inhalt der Mechanik hiſtoriſch-kritiſch prüfen. Die Mathematik iſt dabei völlig Nebenſache. Einen Vorläufer hat das Buch in gewiſſem Sinne an den „Principien der Mechanik“ von Redtenbacher, ob— wohl dieſer ſich nur mit der Erläuterung der Principien und nicht mit der hiſtoriſchen Entwickelung derſelben be— faßt. Die Mechanik hatte das Mißgeſchick, lange Zeit hin— durch von den reinen Mathematikern traktiert und man darf wohl ſagen, maltraitiert zu werden. Mit allem Eifer ſtrebt man danach, die Mechanik zu einer Disciplin der Mathematik zu geſtalten, Grundſätze — mathematiſche möglichſt — an die Spitze zu ſtellen und deduktiv von oben herunter zu entwickeln. Man ſuchte Sätze, wie z. B. den vom Parallelogramm der Kräfte aus rein mathematiſchen Principien zu erweiſen, ohne zu überlegen, daß der Mathe- matiker als ſolcher nichts von Kräften weiß und wiſſen kann, namentlich aber nichts von der Art und Weiſe, wie fie zuſammenwirken; man ſuchte etwas aus mathematiſchen, Axiomen zu deduzieren, was nur aus der Erfahrung ge— wonnen werden kann. Eine Reform dieſer mathematiſch verballhornten Mechanik konnte nur durch Männer ge— ſchehen, denen eine bedeutende naturwiſſenſchaftliche Anlage innewohnte, wie Redtenbacher und Mach. Mit feinem Geiſt hat Mach ſeine Aufgabe erfaßt und durchgeführt; an der Hand der Geſchichte zeigt er, wie die Principien der Mechanik ſich allmählich entwickelt haben, wie ſie aus den Erfahrungsthatſachen erſchaut und hier und da als Leitſtern weiterer Entwickelung dienten, ohne noch deutlich in Worten ausgeſprochen zu werden. Klar und ſcharf tritt auf ſolche Weiſe heraus, was Grund und was Folge, was Urſache und Wirkung iſt, die in vielen Büchern nur zu oft verwechſelt werden. Obwohl Mach in verſchiedenen ſeiner Schriften eine hohe philoſophiſche Beanlagung verrät, ſo bekämpft er doch, oder vielmehr gerade deswegen, unfruchtbare und in der Naturwiſſenſchaft unbrauchbare metaphyſiſche Speku⸗ lationen. Es iſt ein höchſt wohlthuendes Gefühl für jeden, der nur etwas naturwiſſenſchaftlichen Geiſt beſitzt, einen ſo hoch begabten Naturforſcher an der Arbeit zu ſehen. In⸗ ſofern hat denn auch das Buch von Mach nicht bloß den Wert in betreff der Principien der Mechanik den beſten Aufſchluß zu geben, ſondern auch jüngeren Fachgenoſſen, zu zeigen, wie auf dem Gebiet der Naturforſchung gearbeitet werden muß. Das Buch von Mach kann deshalb nicht genug allen empfohlen werden, welche ſich ernſtlich mit Mechanik oder überhaupt mit Naturwiſſenſchaft beſchäftigen wollen; nie⸗ mand wird es ohne reichen Gewinn für ſeine ſpäteren Studien und ohne lebhaftes Dankgefühl für den Vexfaſſer aus der Hand legen. Frankfurt a. M. Prof. Dr. G. Krebs. H. v. Saliſch, Jorſtäſthetik. Berlin, J. Springer. 1885. Preis 4 . Eine ſchon deshalb ſehr empfehlenswerte Schrift, weil ſie die einzige in ihrer Art iſt. Der Titel würde vielleicht treffender gelautet haben: „Landſchaftsförſterei“, wie man ſagt: „Landſchaftsgärtnerei“, oder „Landſchaftliche Forſt⸗ kunſt“; denn der Verfaſſer verzichtet auf eine philoſophiſche Begründung der Aeſthetik, er gibt alſo eigentlich deren Anwendung und die Regeln derſelben. Nicht nur der Forſtmann, ſondern jeder Gebildete kann aus dem mit der größten Beſcheidenheit abgefaßten Büchlein viel lernen. Die Aufgabe zerfällt dem Verfaſſer in drei Hauptteile: 1) Grundlagen der Forſtäſthetik, 2) Die Forſteinrichtung, 3) Die Waldpflege. Dieſen Hauptabſchnitten geht eine kurze Einleitung voran. Sehr treffend ſagt der Verfaſſer in derſelben, daß es ſich bei der Baukunſt, Forſtkunſt, Gartenkunſt um die Verſchönerung praktiſcher Einrichtungen handelt. Sehr richtig wird im erſten Abſchnitt auf jede Definition des Schönheitsbegriffes Verzicht geleiſtet, denn das Schöne iſt kein abgeleiteter Verſtandesbegriff, ſondern ein urſprünglicher, folglich nicht ableitbarer, d. h. definier⸗ barer Vernunftbegriff, alſo eine Idee. Es kann daher nur deduziert, d. h. in ſeiner notwendigen Exiſtenz in der menſchlichen Vernunft nachgewieſen werden, bedarf aber auch gar keiner Definition. Auf Seite 15, 16 deutet der Verfaſſer am Beiſpiel des goldenen Schnitts auf den Zu⸗ ſammenhang der Schönheit mit mathematiſchen Verhält— niſſen hin. Die Farbenlehre der Landſchaft wird ziemlich ausführlich beſprochen. An den Beiſpielen der Eiche, Buche und Kiefer wird der Charakter der Waldbäume entwickelt. Etwas ſehr kurz iſt der Abſchnitt: „Duft und Stimme des Waldes“ gehalten. Bezüglich der Litteratur iſt auffallend, daß Schleidens intereſſante Schrift „Ueber Wald und Baum“ unberückſichtigt geblieben iſt. Der praktiſche Teil des Buches: Forſteinrichtung und Waldpflege iſt natürlich bei weitem der wichtigſte. Mit Recht wird die ſocialpolitiſche Bedeutung der Forſten in den Vordergrund der Betrachtung geſtellt. Die nationale und ſocialpolitiſche Bedeutung kleinerer und größerer Wald— Humboldt. — Oktober 1885. 413 flächen iſt vom Verfaſſer mit großer Wärme entwickelt, was um ſo mehr Anerkennung verdient, als ſeine Vorſchläge niemals den praktiſchen Boden verlaſſen. Der Abſchnitt über Forſteinrichtung enthält folgende Kapitel: 1) Die Beſtimmung der zweckmäßigſten Art der Bodenbenutzung, 2) Der Entwurf des Wegenetzes und die Bildung der Wirtſchaftsfiguren, 3) Die Betriebsarten, 4) Die Wahl der Holzarten, 5) Die Beſtimmung des Um— triebes, 6) Die Verjüngung, 7) Die Beſtandspflege, 8) Die Nebennutzungen, 9) Das forſtliche Rechnen. Der letzte Abſchnitt, die Waldpflege, iſt eigentlich der wichtigſte von allen. Derſelbe zerfällt in die Kapitel: 1) Frei-Anlagen, 2) Wieſen, Gewäſſer und Aecker im Forſt, 3) Ausbau der Wege, Wegekreuzungen, Wegweiſer, 4) Baumpflanzungen an Wegen und Geſtellen, 5) Verſchönerung der Wald— beſtände durch altehrwürdige Bäume, 6) Verſchönerung der Waldbeſtände durch Pflege des Strauchwerks und der Boden— flora, 7) Verſchönerung der Waldbeſtände durch Verwendung von ausländiſchen Holzarten und von Spielarten der ein— heimiſchen, 8) Fernſichten. Es iſt eine Freude, beim Leſen dieſes anmutig ge— ſchriebenen Büchleins zu ſehen, wie der Verfaſſer als Forſt— beſitzer ſich über die materielle Welt der Tagesintereſſen erhebt in eine Welt des Schönen, Erhabenen und Ge— heimnisvollen, und zwar nicht für ſich allein, ſondern mit dem Gedanken an die Entwickelung der geſamten Nation und des Vaterlandes Größe und Herrlichkeit. Von ganzem Herzen wünſchen wir dem Buche Leſer, nicht nur unter den Forſtbefliſſenen, ſondern in weiteſten Kreiſen der Gebildeten. Zu dieſem Wunſch veranlaßt uns nicht nur der edle Zweck, dem der Verfaſſer dient, ſondern auch die Erwartung, daß durch großen Abſatz des Werk— chens, derſelbe in den Stand geſetzt werde, den im ganzen nur ſkizzenhaften Schilderungen recht bald in einer zweiten, erweiterten Auflage eine möglichſt vollſtändige Ausführung zu geben. Jena. Prof. Dr. Hallier. N. Zwickh, Führer durch die Hetzthaler Alpen. Gera, Amthor. 1885. Geb. Preis 4 , „Führer durch die Oetzthaler Alpen“ betitelt ſich der neueſte Band von Amthors Reiſebüchern, wie die 5. Auf— lage von Amthors Tirolerführer bearbeitet von N. Zwick. Er umfaßt das Gebiet zwiſchen dem Oberinnthal, Vintſch— gau und der Brennerbahn mit den Städten Innsbruck, Bozen und Meran, den Eintrittsrouten von Norden und der Arlbergbahn, enthält Karten der Oetzthal-Stubaier Ge— birgsgruppe, des hinteren Oetzthals und der Arlbergbahn, eine Routenüberſichtskarte und drei Panoramen. Für die Bereiſung des durch die Arlbergbahn neu aufgeſchloſſenen Weſttirols mit den gletſcherreichen Oetzthaler Alpen wird das reichhaltige Büchlein in Bädekerformat ein ebenſo an— genehmer wie nützlicher Begleiter ſein. Frankfurt a. M. Dr. Theodor Peterſen. A. Hanſen, Die Ernährung der Pflanzen. Leipzig und Prag. 1885. Das Wiſſen der Gegenwart. Bd. XXXVIII. Mit 74 Abbildungen. Preis 1% Den anerkannt vortrefflichen früheren Bänden dieſer Sammlung ſchließt ſich der vorliegende ebenbürtig an. Wie Verf. ſelbſt betont, iſt ſein Thema ohne Heranziehung von Experimenten dem Verſtändnis ſchwierig näher zu rücken. In äußerſt geſchickter Weiſe iſt aber dieſe Klippe umſchifft, teils durch die Klarheit und die Feinheit der Darſtellung ſelbſt, teils durch umſichtig ausgewählte und gut ausgeführte Abbildungen. In einer größeren Anzahl von Kapiteln wird die geſamte pflanzliche Ernährungs— phyſiologie abgehandelt, nachdem in einer kurzen Einleitung einige Vorfragen ihre Erledigung gefunden haben. Die Quelle des Kohlenſtoffs, die Organe der Kohlenſäureauf nahme, die Zerſetzung der Kohlenſäure durch die Blätter, die Bedeutung des Lichts für die Aſſimilation, das Pro dukt der Kohlenſäurezerſetzung, dieſe Abſchnitte bilden ge Humboldt 1885. wiſſermaßen den erſten Teil des Buches. Dann wird beſprochen der Stickſtoffbedarf der Pflanze, die Bedeutung der Mineralbeſtandteile für die Pflanzen, die Wurzeln, die Bewegung des Waſſers in der Pflanze, der pflanzliche Stoffwechſel, die Atmung der Pflanzen und endlich die Ernährung der chlorophyllfreien Pflanzen, der Paraſiten und Koſtrophyten. Kleine anatomiſche und morphologiſche Exkurſe ſetzen überall den Leſer auch ohne weitere Vor— kenntniſſe in den Stand, mühelos der Darſtellung zu folgen. Daß in einzelnen Kapiteln Verf. ſeinen ſpeziellen Standpunkt allein darſtellt, ohne gegenteiliger Anſchauungen zu erwähnen, könnte in einem populär gehaltenen Buche bedenklich erſcheinen. Indeſſen wird man ſich auch dabei ſagen müſſen, daß durch kritiſche Digreſſionen vielleicht dem einheitlichen Eindrucke des Ganzen geſchadet worden wäre, und ſo mag dieſe kleine Ungleichheit der Behandlung wohl durchgehen. — Die Sprache iſt, wie ſchon geſagt, klar und doch elegant, die Beiſpiele meiſt aus der nächſten Nähe genommen und anſchaulich geſchildert. Die Aus— ſtattung iſt die bekannte der Sammlung. Wir können das Buch allen, die ſich weiter in die Sache vertiefen wollen, als angenehme Lektüre auf das wärmſte empfehlen. Erlangen. C. Fiſch. 3. C. Huxley, Phyſiographie. Eine Einleitung in das Studium der Natur. Für deutſche Leſer frei bearbeitet von Hermann Jordan. Mit 182 Ab—⸗ bildungen und 8 Karten und Tafeln. Autoriſierte Ausgabe. Leipzig, F. A. Brockhaus. 1884. Wohl nur wenige Leſer werden aus dem Titel dieſes Buches des berühmten engliſchen Phyſiologen einen rich⸗ tigen Schluß auf den Inhalt zu ziehen vermögen. Es iſt eine „allgemeine Geographie“, die wir hier vor uns haben, und zwar eigentümlicherweiſe mit der mathematiſchen Erd— kunde ſchließend. Man kann mit Huxleys Anſichten über die Verwerflichkeit eines dogmatiſchen und über die Not— wendigkeit eines genetiſchen Lehrgangs ſich durchweg ein— verſtanden erklären, ohne doch es billigen zu können, daß S. 433 die Einteilung der Erdoberfläche in eine Land— und in eine Waſſerhemiſphäre gelehrt und mit den Be— weiſen für die Kugelgeſtalt des Erdkörpers erſt S. 434 begonnen wird. In methodiſcher Hinſicht gefällt uns dies und anderes nicht an einem Buche, welches durch ſeine Zugehörigkeit zur „Internationalen wiſſenſchaftlichen Bib— liothek“ doch von vornherein auf einen höheren wiſſen— ſchaftlichen Rang Anſpruch erhebt. Sehen wir hiervon ab, ſo erblicken wir in dem Werkchen ein friſch und gewandt geſchriebenes Leſebuch, das ſich ſehr gut dazu eignen möchte, von den Schülern höherer Lehranſtalten zur Selbſtbelehrung geleſen, und auch von älteren Leuten, denen es zur Durch— arbeitung folder Bücher, wie Su pan und Peſchel, an Muße oder Energie gebricht, zur Hand genommen zu werden. Von der Detailſchilderung eines Flußgeietes ausgehend, 5 uns die Darſtellung zunächſt in die Lehre von den Quellen und ſodann in diejenige von den wäſſerigen Aus— ſcheidungen der Atmoſphäre ein, um daran die allgemeinen Principien der neueren Meteorologie anzuknüpfen, hierauf wird die chemiſche Zuſammenſetzung der Gewäſſer und deren Thätigkeit bei der Erdſkulptur beſprochen, die Gletſcher und die von ihnen ſtammenden Eisberge vermitteln den Uebergang zum Meere. Dann kommen Vulkane und Erd— beben an die Reihe, es folgen die „bradyſismiſchen“ Be— wegungen, um einen treffenden Ausdruck der italieniſchen Geophyſiker zu gebrauchen, und darauf ein ausgedehnter organologiſcher Abſchnitt mit paläontologiſchen Exkurſen. Aſtronomiſche Geographie und Kartenentwurfslehre bilden, wie bereits erwähnt, den Schluß. Das erklärende Element tritt dem Zweck des Buches entſprechend allenthalben gegen das beſchreibende zurück; weitaus am meiſten entwickelt findet es ſich natürlich in der phyſiologiſchen Abteilung, dem eigentlichen Studien felde des Autors, wo denn auch für den Fachmann manch Neues zu lernen iſt. Materien, die für den exakt arbeiten 82 — 414 Humboldt. — Oktober 1885. den Geographen als phyſiſcher Unterſuchungsgegenſtand einen beſonderen Reiz haben, werden rein deſkriptiv abge— handelt, ſo z. B. die Deltabildung. Unter Umſtänden iſt eine ſolche Behandlung ſogar noch einem oberflächlichen Raiſon⸗ nement vorzuziehen, denn wenn z. B. vom Geyſir (S. 260) einfach ausgeſagt wird, „das Waſſer wird lediglich durch eine mächtige Dampfentwickelung in die Höhe getrieben,“ fo bleibt eben doch die fundamentale und von verſchiedenen Forſchern ſehr verſchieden beantwortete Frage unbeant⸗ wortet, woher denn dieſe Dampfbildung komme. Die ruhige Sicherheit, mit welcher über fo manchen zweifel— haften Punkt abgeurteilt wird, iſt leider die betreffende Fachwiſſenſchaft nicht durchweg zu teilen in der Lage. — Der Herausgeber hat ſich nicht damit begnügt, eine gute und lesbare Ueberſetzung des von Huxley ftammenden Vorleſungs-Cyklus zu liefern, ſondern er war auch bemüht, dieſem das ſpecifiſch britiſche Gewand nach Möglichkeit ab— zuſtreifen, indem er z. B. dem Einleitungskapitel über die Themſe ein ſolches über Elbe und Weſer ſubſtituierte, bei den geognoſtiſchen Schilderungen vorwiegend Deutſchland berückſichtigte u. ſ. w. Eine gewiſſe Zurückhaltung deutſchen Leiſtungen gegenüber iſt leider bei engliſchen Autoren noch recht häufig zu konſtatieren. Ansbach. Prof. Dr. S. Günther. Alphonse De Candolle, Histoire des sciences et des savants depuis deux siècles précédée et suivie d'autres études sur des sujets scienti- fiques en particulier sur Vhérédité et la sélec- tion dans Vespece humaine. Deuxieme édi- tion considérablement augmentée. Genéve-Bale. H. Georg, Libraire-Editeur. 1885. Ein eigenartiges Werk, das da vor uns liegt, und auch ein eigentümlich ſchwankes, unſicheres Gebiet des Wiſſens, welches von dem Neſtor der Pflanzenkunde feſten Fußes betreten wird! Die natürlichen, reſp. naturwiſſen⸗ ſchaftlichen Gründe und Vorbedingungen für das Ge— deihen geiſtiger Arbeit und insbeſondere für das Entſtehen geiſtig produktiver Menſchen ſollen erforſcht werden. Daß ein Mann wie der Verf. ſeine Aufgabe großartig erfaßt, verſteht ſich von ſelbſt, und ſo wird gewiß auch der von dem Inhalte des Werkes mit Intereſſe und Belehrung Einſicht nehmen, der im übrigen der Anſicht iſt, daß der über der Entwickelung des Genies lagernde Schleier auch von einem großen Naturforſcher nur ſcheinbar gelüftet werden könne. Der Verf. beginnt mit Betrachtungen über die Sta— tiſtik im Queteletſchen Sinne, diskutiert dann das Princip der Erblichkeit und der natürlichen Zuchtwahl und teilt intereſſante Zahlen und Daten mit über die Wahrnehmungen, welche er bezüglich der Fortpflanzung gewiſſer äußerlicher und innerlicher Eigenſchaften von den Eltern auf die Kinder gemacht hat. Auch die allgemeinen kulturgeſchicht— lichen Erörterungen über die Zukunft des Menſchengeſchlechts ſind anregend, nur ſcheint uns doch der ganze Inhalt des erſten Teils mit denjenigen Fragen, welchen die Unter— ſuchung hauptſächlich gilt, nur in ziemlich loſem Zuſammen— hang zu ſtehen. Um ſich Material für dieſe Unterſuchung zu verſchaffen, ſtellt der Verf. in umfänglichen Tabellen die Namen der Mitglieder einer Reihe von hochgeachteten gelehrten Geſellſchaften zuſammen; Beruf, Geburts- und Wohnort, Nationalität, Konfeſſion und Stand des Vaters werden angegeben. Aus dieſen Daten werden nun Schlüſſe aller Art gezogen, auf die wir an dieſem Orte natürlich nicht im einzelnen einzugehen in der Lage ſind, von deren Weſen jedoch ein paar Beiſpiele eine Vorſtellung geben mögen. Es zeigt fic) z. B., daß in früheren Zeiten weit mehr Würdenträger der katholiſchen Kirche ſich erfolgreich mit den exakten Disciplinen abgegeben haben, als heutzutage; während alſo eine oberflächliche Betrachtung zu der gewiß unrichtigen Folgerung verleiten könnte, daß die Stellung der Religion zu Forſchungen mathematiſcher und aſtro— nomiſcher Natur eine andere, ungünſtigere geworden ſei, zeigt der Verf., daß die Abnahme mit der immer ſeltener werdenden Sitte zuſammenhänge, den Titel eines Abbé u. ſ. w. ohne beſondere kirchliche Verpflichtungen zu ver⸗ leihen. Weiter wird ſtatiſtiſch erforſcht, wie ſich die ſoziale Stellung der Eltern zahlenmäßig zu den wiſſenſchaftlichen Erfolgen der Söhne verhält, es wird an zahlreichen und gutgewählten Beiſpielen die Richtigkeit des Erfahrungs⸗ ſatzes nachgewieſen, daß die Abkömmlinge bedeutender Gelehrter ſelbſt wieder Bedeutendes auf demſelben oder doch auf einem verwandten Felde leiſten u. ſ. w. An dem allem iſt unläugbar viel Wahres, allein die Gene— raliſation ſcheint uns doch eine zu raſche, da der Autor ſich durch die Beſchränkung auf die Mitglieder einiger weniger Akademien doch zu viele Fehlerquellen ſelbſt er- öffnet hat, die hier um jo ſchädlicher wirken, als das Ge— ſetz der großen Zahlen gewiß ſeine fehlerausgleichende Kraft noch nicht zu bethätigen vermag. Unſere Auffaſſung mag ebenfalls durch ein Beiſpiel bekräftigt werden. Herr de Candolle beruft ſich (S. 288) auf Joh. Alb. Euler, den Sohn des großen Leonhard; ſollte er aber wirklich es für wahrſcheinlich halten, daß der Erſtgenannte es zu einigem Anſehen in der Wiſſenſchaft gebracht hätte, wenn er nicht ſo überaus vorſichtig geweſen wäre in der Wahl ſeines Vaters, eines Vaters, der ihm der allgemeinen An- ſicht nach ſogar ſeine Konzepte etwas korrigierte? Dagegen ſind wiederum (S. 404) die Relativzahlen, mit denen ſich die einzelnen Schweizer Kantone an der heimiſchen Gelehrten- produktion beteiligen, außerordentlich belehrend und ganz gewiß nicht ohne reellen Hintergrund in kultureller oder politiſcher Hinſicht. Die zwanzig „ günſtigen Vorbedingungen“ ſind unter allen Umſtänden ein merkwürdiges Ergebnis dieſer neuen Statiſtik der Geiſtesgaben. — In Summa empfehlen wir das Buch, deſſen Lektüre oft unſeren ſtillen Widerſpruch, ſehr oft aber auch unſere volle Zuſtimmung forderte, jedem Freunde eigenartiger Denkweiſe; möchte es nur dem Verf. gefallen haben, ſich noch weniger ſtreng an jenem Extrakt des allgemeinen Geiſteslebens zu halten, welchen die gelehrten Societäten darbieten, und dafür noch friſcher in die Geſchichte der Wiſſenſchaft ſelbſt hineinzu— greifen. Denn wo man dieſe packt, da iſt jie auch inter— eſſant. Ansbach. Prof. Dr. S. Günther. Alexander Brauns Leben nach ſeinem handſchrift— lichen Nachlaſſe dargeſtellt von C. Mettenius. Mit 4 Brauns Bildnis. Berlin, 1882. Preis 12 . Es iſt immerhin eine höchſt ſchwierige Aufgabe für die Angehörigen eines bedeutenden Gelehrten, ſeine Bio— graphie zu ſchreiben; namentlich iſt es ſchwierig, zwiſchen dem, was die Pietät verlangt und dem, was von allge— meinem Intereſſe auch für Fernſtehende iſt, zu unterſcheiden. Ohne dieſen Geſichtspunkt könnte man leicht in den Fall kommen, das vorliegende Buch unrichtig, wo nicht gar une gerecht zu beurteilen. Vieles darin Enthaltene, ſo z. B. die Mitteilungen über die Eltern, Großeltern und ſonſtige Verwandte würde freilich eher in eine als Manuſkript ge- druckte Familienchronik gehören oder hätte wenigſtens in einen Anhang von Anmerkungen verwieſen werden können. Indeſſen kann man bei einem Manne wie A. Braun, der durch ſeinen Geiſt, ſeine Liebenswürdigkeit, ſeine reichen Verbindungen bis in die größten Fernen wirkte, wohl eine Ausnahme gelten laſſen und auch das weniger Wichtige mit in den Kauf nehmen. Das ganze Werk zerfällt in ſechs Bücher, deren erſtes die Jugendgeſchichte in Regens— burg, Freiburg und Karlsruhe behandelt. Schon in der Knabenzeit zeigt ſich die Vorliebe für die Pflanzen. Daß ein junger Menſch vor ſeinem Abgang zur Univerſität ein Herbarium von 4000 Pflanzenarten beſitzt, iſt ebenſo un— erhört, wie, daß er mit Männern wie Hoppe, Horn— ſchuch, Funke, Märklin, Döllinger u. a. korreſpon— dierte und im Tauſchverkehr ſtand. Das zweite Buch behandelt die Studienjahre in Heidel— Humboldt. — Oftober 1885. 415 berg, München und Paris (1824—1832). Ein ungeheurer Fleiß und faſt gänzliche Zurückgezogenheit vom ſtudentiſchen Leben bei angeborener Schüchternheit zeichnen dieſe Periode aus. Mit Schimper, den er ſchon vorher kannte, befreun— dete er ſich in Heidelberg aufs engſte, von ſeinen Lehrern ſchließt er ſich beſonders Biſchoff an. Dann entſpinnt ſich die intimſte Freundſchaft zwiſchen ihm und Agaſſiz. In dieſe Zeit fällt der Verluſt einer erſten, reinen Jugend— liebe, ganz ohne ſeine Schuld, da ſeine Geliebte auf den Wunſch ihrer Eltern eine Konvenienzheirat eingeht. Die Art, wie Braun ſein Leid trägt, zeugt von einer ſeltenen Reinheit des Gemütslebens. In München hatten Schelling und Oken den größten Einfluß auf Braun, auch Gotthilf Heinrich von Schubert und die Botaniker Martius und Zuccarint. Schimper wurde durch Braun, Agaſſiz und andere Freunde ver— anlaßt, nach München überzuſiedeln. Schimpers eigen— tümlicher, für ſein Fortkommen in der Welt nicht glücklich angelegter Charakter, ſowie ſeine große Begabung treten in Brauns Briefen ſehr deutlich hervor. Am 5. Sep— tember 1829 erhielt Braun von Tübingen ſein Doktor— diplom auf die ſpäter von Koch benutzte Abhandlung über Orobanche. Von größtem Einfluß wurde die Bekannt- ſchaft mit Robert Brown. Auch Nees von Eſenbeck för— derte Braun als Präſident der Leopoldina, in deren Ab— handlungen er ſeine Arbeit über die Tannenzapfen aufnahm. Höchſt anregend wirkte der Aufenthalt in Paris (1831, 1832), welcher Braun mit einer großen Anzahl franzöſiſcher Naturforſcher in Berührung brachte. Nach Karlsruhe zurückgekehrt, verlobt ſich Braun mit Mathilde Zimmer, einer Freundin ſeiner Schweſtern. Das dritte Buch ſchildert Brauns Eintritt ins öffentliche Leben in Karlsruhe (1832 bis 1846). Einen weit günſtigeren Ruf nach Zürch lehnte Braun ab, um unter ſehr beſcheidenen Verhältniſſen ſeinem Vaterlande treu zu bleiben. Seine Vorträge hatten großen Erfolg. Seiner Freundſchaft mit Agaſſiz ſetzte deſſen Trauung mit Brauns Schweſter Silly am 26. Oktober 1832 die Krone auf. Im Frühjahr 1835 verheiratete ſich Braun mit Ma— thilde Zimmer, Schimper trennte ſich von ihm nach ſchweren Kämpfen, in denen Braun entſchieden als die ſelbſtloſe und gerechte Partei erſcheint. Die Verlobung Schimpers mit Emmy Braun wurde rückgängig, auch mit Agaſſiz entzweite ſich Schimper für immer. Brauns Frau, die ihm mehrere Kinder geſchenkt und mit der er ſehr glücklich gelebt hatte, wurde ihm am 7. Januar 1843 nach der glücklichen Geburt eines Töchter— chens durch den Tod entriſſen. Er fühlte ſich ſo verein— ſamt und fand ſehr bald ſeine Kinder ſo vernachläſſigt, daß er ſich ſchon am 31. Juli 1844 aufs neue verheiratete, und zwar mit Adele Meßmer, einer Lehrerin ſeiner Kinder. Im Frühjahr 1844 folgte Braun einem Ruf an die Uni— verſität Freiburg. Den Aufenthalt in Freiburg und ſpäter in Gießen ſchildert der vierte Abſchnitt. Gewiſſermaßen epochemachend für Brauns wiſſenſchaft— liche Richtung war die Schrift „Ueber die Verjüngung in der Natur“, zu welcher er durch die Verpflichtung, ein Pro— rektoratsprogramm zu ſchreiben, angeregt wurde. Im Jahr 1850 wurde Braun nach Gießen berufen. Der dortige Aufenthalt, welcher nur ſieben Monate dauerte, war von vorübergehender Bedeutung. Es folgte bald der Ruf nach Berlin, welcher Braun einen großen, dauernden Wirkungskreis verſchaffte, über den der fünfte und ſechſte Abſchnitt berichtet. Wir müſſen es uns hier verſagen, die zahlreichen kleinen Arbeiten aufzuzählen, welche Braun während ſeines Aufenthalts in Berlin bis zu ſeinem am 29. März 1877 erfolgten Tode veröffentlichte, müſſen uns vielmehr darauf beſchränken, die Hauptrichtung ſeiner Beſtrebungen anzu— deuten. Braun war ausgegangen von der Betrachtung der Pflanzengeſtalten im einzelnen. Schon früh hatte er angefangen zu ſammeln, zu vergleichen, zu ordnen. Dabei war er nach und nach auf morphologiſche Unterſuchungen geführt, worin die enge Verbindung mit Schimper und Agaſſiz ihn weſentlich unterſtützte. Seine Beſcheidenheit und ſeine Vielgeſchäftigkeit ließen ihn zeitlebens niemals zu einer größeren, zuſammenhängen— den Arbeit gelangen. Anderen teilte er aber uneigennützig ſeine Entdeckungen mit, von denen ſie verwertet wurden. Seine Scheu vor größeren Veröffentlichungen wurde noch vermehrt durch die Eiferſucht Schimpers, welcher in jeder Veröffentlichung ähnlicher Ideen ein Plagiat und einen litterariſchen Raub erblickte und welcher gleichwohl niemals ſelbſt mit einer zuſammenhängenden Darſtellung hervortrat. Nicht mit Unrecht ward A. Braun unangenehm be— rührt durch die einſeitig hiſtologiſch-mikroſkopiſche Forſchung, ohne Berückſichtigung der äußeren Morphologie. Brauns Forſchung drängte ſtets auf Beziehung der einzelnen Beobachtung auf das Ganze der Schöpfung. Die rein mechaniſche Naturauffaſſung genügte ihm nicht; Entwickelung und Teleologie beherrſchten ſeine Studien. Es hing das zuſammen mit ſeinem tief religiöſen Sinn, welcher die Naturforſchung mit der Religion in Einklang zu bringen ſuchte. Hätte er während ſeiner Studienzeit Gelegenheit gehabt, Philoſophen verſchiedener Schulen zu hören, ſo würde er in dieſer Beziehung ſicherlich den feſten Boden erreicht haben; aber er war gänzlich und zeitlebens abhängig von den Ideen der Schellingſchen Natuxphilo— ſophie. Kein Botaniker hat wohl in unſerem Jahrhundert ſo harmoniſch gewirkt bis in die weiteſten Kreiſe, wie Alexander Braun. Man muß es dem Verfaſſer der Biographie dank wiſſen, daß er uns nicht nur in den wiſſen— ſchaftlichen Lebensgang, ſondern auch in das reiche, har— moniſche, friedliche Privatleben dieſes ausgezeichneten Ge— lehrten eingeführt hat. Niemand ſollte dieſes Buch un— geleſen laſſen. Jena. Prof. Dr. Hallier. 28. J. van Bebber, Handbuch der ausübenden Witterungskunde. Geſchichte und gegenwärtiger Zuſtand der Wetterprognoſe. I. Teil: Geſchichte der Wetterprognoſe. Stuttgart, F. Enke. 1885. Preis 8 A, Bei dem großen Einfluß, welchen die Witterungs— erſcheinungen auf die materiellen und geiſtigen Intereſſen der Menſchen ausüben und bei der hohen Bedeutung, welche die Vorausbeſtimmung des Wetters für Landwirtſchaft und Handel hat, iſt es begreiflich, daß gerade in letzter Zeit, wo die ausübende Witterungskunde ſo hervorragende Fort— ſchritte zu verzeichnen hat, ſich überall ein reges Intereſſe für die neuen Erſcheinungen auf dieſem Gebiete kundgibt. Daher wird gewiß auch das vorliegende Buch, deſſen Ver— faſſer der um die Förderung der Meteorologie hoch ver— diente Dr. J. van Bebber iſt, mit Freuden begrüßt werden, noch dazu da es ein erſtes Mal iſt, daß uns eine geſchichtliche Entwickelung der Wetterprognoſe gegeben wird. Der Verfaſſer hat es vortrefflich verſtanden, den ſo ſchwie— rigen Gegenſtand mit großer Klarheit und in gemeinver— ſtändlicher, anſprechender Weiſe zu behandeln, ohne dabei jemals den Boden reiner Wiſſenſchaftlichkeit zu verlaſſen. Was den Inhalt des Buches anbetrifft, ſo wird uns in demſelben ein Ueberblick über die geſchichtliche Entwickelung der Wetterprognoſe von den älteſten Zeiten bis auf unſere Tage gegeben. Drei Gruppen von Anſichten ſind es, welche ſich in der Geſchichte der ausübenden Witterungs— kunde beſonders geltend gemacht haben: 1) der Glaube, daß das Wetter von überirdiſchen Mächten beherrſcht werde, 2) der Glaube an einen innigen Zuſammenhang zwiſchen den Witterungserſcheinungen mit dem Lauf der Geſtirne und 3) die Anſicht, daß das Wetter außer von der Sonne nur von der Erde ſelbſt angehörigen Urſachen abhängig ſei. Beſonders intereſſant ſind die Kapitel des Buches, welche dem Einfluß des Mondes auf unſere Atmoſphäre gewidmet ſind. Der Verfaſſer ſchildert uns, wie der Mond zu allen Zeiten in Dichtung und Proſa als der Wetter- macher geprieſen wird und wie er als folder bis in unſere Tage habe dienen müſſen. Auf Grund einer großen Menge ſtatiſtiſcher Notizen wird uns dann der Beweis geliefert, 416 daß allerdings ein Einfluß des Mondes auf die Crdatmo- ſphäre vorhanden iſt, daß z. B. eine atmoſphäriſche Ebbe und Flut beſonders in niederen Breiten nicht geleugnet werden könne, daß aber doch dieſer Einfluß ſo geringfügig ſei, daß es eine durchaus irrige Anſicht wäre, wollte man darauf irgend welche Methode der Wetterprognoſe gründen. Nicht minder erwecken unſer Intereſſe die Betrach— tungen über den Zuſammenhang der Sonnenflecken mit den Witterungserſcheinungen. Aus denſelben ergibt ſich, daß zwiſchen beiden Erſcheinungen zweifellos Beziehungen beſtehen. Doch weiſt der Verfaſſer ſelbſt ſchon darauf hin, daß der periodiſche Gang der Witterungserſcheinungen in Bezug auf die Fleckenhäufigkeit der Sonne immerhin noch ſo vielen uns unbekannten Störungen ausgeſetzt ſei, daß es vorderhand wohl noch unmöglich iſt, hierauf Wetter- prognoſen mit nennenswertem Erfolge zu ſtellen. Der übrige Teil des Buches iſt der Entwickelung der neueren Meteorologie und dem heutigen Zuſtand der Wetterprognoſe gewidmet. Mit Humboldt und Dove be— ginnt eine ganz neue Aera der ausübenden Witterungs- kunde, welche frei von allem Aberglauben nur auf dem Boden reiner Wiſſenſchaftlichkeit ſich bewegt. Während man aber in früherer Zeit zur Erforſchung der Erſcheinungen in unſerer Atmoſphäre ſich allein der Beſtimmung der Mittel— werte bediente, beruht heute die ausübende Witterungs— kunde weſentlich auf der Herſtellung ſogenannter ſynop— tiſcher Karten, durch welche die ſcheinbar geſetzloſen Wit— terungserſcheinungen größerer Gebiete mit einander in Zuſammenhang gebracht werden, und ſo den Charakter des ununterbrochen Fortlaufenden erhalten. Dieſe neuere Methode hat ſehr bald zur Auffindung des bariſchen oder Buys⸗Ballotſchen Windgeſetzes geführt, welches gegenwärtig die wichtigſte Grundlage der Wetterprognoſe bildet. Noch ein Moment brachte in neuerer Zeit der Meteoro— logie einen bedeutenden Nutzen und förderte ihre allge— meine Verbreitung weſentlich, das iſt die Einführung der Telegraphie in den meteorologiſchen Dienſt. Mit der Ent— wickelung dieſer ſogenannten Wettertelegraphie in den Haupt— ſtaaten der Erde befaßt ſich das letzte Kapitel des Buches. Aus dieſer kurzen Ueberſicht des Inhaltes erkennt man deutlich, welche Fülle des Intereſſanten in dem Werke enthalten iſt, daß dasſelbe nicht nur eine Fundgrube für den Gelehrten, ſondern auch eine Quelle der Erbauung und Belehrung für den Laien iſt. Der Verfaſſer hat auch für den, welcher noch tiefer in die behandelten Gegenſtände einzudringen wünſcht, in beſter Weiſe durch eine ausführ— liche und umfangreiche Stereo geſorgt. So verdient denn dieſes Buch, das auch äußerlich gut ausgeſtattet iſt, allen Freunden der ausübenden Witterungs— kunde in jeder Weiſe empfohlen zu werden. Alle, welche dasſelbe mit Fleiß und Verſtändnis leſen, werden mit uns in voller Uebereinſtimmung zu dem Urteil gelangen, daß der Verfaſſer ſeinen edlen Zweck, welchen er mit dem Buche verbunden wiſſen will und welcher darin beſteht, den einer geſunden Entwickelung der Meteorologie ſo hinderlichen Wetteraberglauben ſo viel als möglich zu beſchränken und die Erkenntnis der Wahrheit auch auf dieſem Gebiete nach Kräften zu fördern, in hohem Maße erreicht hat. Halle a. S. W. Ale. Bibliographie. Bericht vom Monat Au guſt 1885. Allgemeines. Archiv für zt Katurgeſchichte. Biographieen. Herausg. von E. v. Martens. 51. Jahrgang 1885. 1. Heft. Berlin, Nicolai'ſche Verlagsbuchhandlung. M. 7 Bach, L., 15 Tafeln zum Gebrauch beim Unterricht in der Naturkunde. Für Elementarſchulen. Mit Text. Bernburg, J. Bacmeiſter. M. 4. 50. Jahresbericht der naturforſchenden Geſellſchaft Graubündens. Neue Humboldt. — Oktober 1885. fing 28. e Vereinsj. 1883/84. Chur, Hitz'ſche Buchhand⸗ ung Lotos, Hahrbuch für 15 0 155. Herausg. von F. 1 Maher. Neue Folge. 6. Bd. Leipzig, G. Freytag. M. 6 Mittheilungen der deutſchen Geſellſchaft für Natur- und Völkerkunde 1 0 32. Heft. Mai 1885. Yokohama. Berlin, A. Asher & Co. Mittheilungen der naturforſchenden Geſellſchaft in Bern aus dem Jahre 1885. Red.: J. Graf. 1. Heft. Bern, Huber & Co. M. 3. 60. Mittheilungen, mat ematiſch⸗ natürwiſſenſchaftliche. Herausg. von O. Böklen. 2. Heft. 1885. Tübingen, F. Fues. 2. Sattler, A., Leitfaden der Phyſik und Chemie. 4. Aufl. Braunſchweig, F. Vieweg & Sohn. M. — 80 Schriften der naturforſchenden, Geſellſchaft in Danzig. Neue Folge. 6. Bd. 2. Heft. Leipzig, W. Engelmann. M. 8 Schriften des e e Vereins für Schleswig -Gotftein. 6. Bd. 1. Heft. Kiel, E. Homann. M. 2. Sitzungsberichte der nigen Geſellſchaft zu Geiwzig. 11. Jahr⸗ gang. 1884. Leipzig, W. Engelmann. M. 1. 6 Zeitſchrift, Jenaiſche, für Ratarwiſſenſchaft 8 110 ee der mediziniſch⸗ naturwiſſenſchaftlichen Geſellſchaft zu Jena. 19. Bd. Neue Folge. 12. Bd. 1. Heft. Jena, G. Fiſcher. M. 6. e Jenaiſche, für Naturwiſſenſchaft. 19. Bd. Neue Folge: Bd. Suppl. 1. Heft. Jena, G. Fiſcher. M. 1. 20. Bhyſik, Bhyſtkaliſche Geographie, Meteorologie. Baenitz, C., Lehrbuch der Phyſik in populärer Daritelung: 9. Aufl. Berlin, Stubenrauch'ſche Buchhandlung. gebd. M. 2 2. Aufl Berlin, Baenitz, C., Leitfaden für den Unterricht in der Phyſik. Stubenrauch'ſche Buchhandlung. gebd. M. 1. 50. Bender, E., Ueber ſtehende Schwingungen einer Flüſſigkeit, welche an einer feſten Kugel ausgebreitet iſt. Kiel, Lipſius & Tiſcher. M. 1. Beobachtungen der meteorologiſchen Stationen im Königreich Bayern. Herausg. von W. v. Bezold & C. Lang. 7. Jahrgang 1885. 1. Heft. München, Th. Ackermann. pro cplt. M. 18. 8 P., 40 der Phyſik. 6. Aufl. Leipzig, Quandt & Händel. Wied braun, G., Die Lehre von der Elektrizität. Zugleich als 3. Aufl. der Lehre vom Galvanismus und Elektromagnetismus. 4. Bd. 2. Abth. (Schluß.) Braunſchweig, F. Vieweg & Sohn. gebd. M. 25. Wüllner, A., Lehrbuch der Experimentalphſik. 3. Bd. Die Lehre von der Wärme. 4. Aufl. Leipzig, B. G. Teubner. M. 12. Aſtronomie. Iſrael⸗Holzwart, K., Elemente der theoretiſchen Aſtronomie. 2. Abth. Wiesbaden, J. F. Bergmann. M. 5. 60. Krueger, A., Zonenbeobachtungen der Sterne zwiſchen 55. und 65. Grad nördlicher Deklination, angeſtellt an den Sternwarten zu e und Gotha. 2. Bd. Leipzig, W. Engelmann. Kart. M. Paulus, Ch., Tafeln zur Berechnung der Mondphaſen. Tübingen, F. Fues. M. 1. 80. Vierteljahrsſchrift der aſtronomiſchen Geſellſchaft. Herausg. von E. Schwanfeld und H. Seeliger. 20. Jahrgang 1. & 2. Heft. W. Engelmann. M. 4. Leipzig, Chemie. Bernard's, J., Repetitorium der Chemie für ſtudierende e und n ſowie zum Gebrauche bei Vorleſungen. 2. Thl. Chemie rig ae ane acme: Bearb. von J. Spenn⸗ rath. Aachen, J. A. Mayer. M. 3. 2 Eneyklopädie der Naturwiſſenſchaften 2 Abth. 31. Lieferung. Hand⸗ wörterbuch der Chemie. 14. Lieferung. Breslau, E. Trewendt. Subſcript.-Pr. M. 3 Klotz, C., Ueber Dichlortoluole und 1 e Stuttgart, H. Lindemann's Buchhandlung. M. — Pinner, A., ie corti: der anorganiſchen Chemie 6. Aufl. Berlin, R. Oppenheim. M. 7. 50.; geb. M. 8. Mineralogie, Geologie, Geognoſte, Valäontologie. Bayberger, F., Die Burghalde bei Kempten. Eine _seologild: geographiſche Skizze. enen F. Dannheimer. M. — Leonhard, G., Grundzüge der Geognoſie und ‘Geotoaie R. ene (In 3 Lieferungen.) Leipzig, C. F. lagshandlung. 1. Lieferung. M. 3. Zeitſchrift für Kriſtallographie und Mineralogie. 10. Bd. 5. Heft. Leipzig, W. Engelmann. Botanik. Arbeiten des e Inſtituts in Würzburg. Herausg. von J. Sachs. 3. Bd. 2. Heft. Leipzig, W. Engelmann. M. 4. 4. Aufl. von Winter'ſche Ver= Herausg. von P. Groth. M. 5. Förſter's, C. F., Handbuch der Cacteenkunde in ihrem ganzen Umfange. Bearb. von Th. Rümpler. 2. Aufl. 10. Lieferung. Leipzig, J. T. Wöller. M. 2. Hertwig, O., und R. e Unterſuchungen zur Morphologie und Phyſiologie der Zelle. 4. Heft. Inhalt: Experimentelle Unterſuchungen über bie dering angen der Baſtardbefruchtung. Jena, G. Fiſcher. M. 1. Jahrbücher, obige für Syſtematik, Pflanzengeſchichte und ee geographie. Herausg. von A. Engler. 6. Bd. 5. Heft. Leipzig, W. Engelmann. M. 8 Plaut, H., Beitrag zur ſyſtematiſchen 40 5 des Soorpilzes in der Botanik. Leipzig, H. Voigt. M. —. 4 Richter, K., Die botaniſche Syſtematik as Sie Verhältniß zur e und Phyſtologie der Pflanzen. Wien, G. P. Faeſy. M. 4 Unterſuchungen aus dem botanifden Inſtitut au Tübingen. Serge von W. Pfeffer. 1. Bd. 4. Heft. Leipzig, W. Engelmann. M. 6 Humboldt. — Oftober 1885. Zoologie, Phyſtologie, Entwickelungsgeſchichte, Anthropologie. Bronn's, H. G., Klaſſen und Ordnungen des Thierreichs, wiſſenſchaftlich dargeſtellt in Wort und Bild. 6. Bd. 3. Abth. Reptilien. pot geſeizt von C. K. Hoffmann. 46. und 47. Lieferung. Leipzig, C. F. Winter'ſche Verlagshandlung à M. 1. 50. Leuckart, R., Die Anatomie der Biene. Wandtafel. 4 Blatt in Farben- druck. Mit erläuterndem Text. Kaſſel, Th. Fiſcher. M. 6.; auf Leinw. mit Stäben M. 9. Marſhall, W., Die Entdeckungsgeſchichte der e Polypen. An⸗ trittsvorlefüng. Leipzig, Quandt & Händel. M. Mittheilungen aus der zoologiſchen Station zu Neapel Repertorium für Mittelmeerkunde. 6. Bd. 2. Heft. Friedländer K Sohn M. 16. Martini & Chemnitz, ſyſtematiſches Conchilien-Cabinet. von H. C. Küſter, W. Kobelt und H. C. Weinkauff. Nürnberg, Bauer & Raſpe. M. 9. SO e zoologiſches, für Studierende. N von E. Selenta) 3. Aufl. Erlangen, E. Beſold. gebd. M. 3 Wagner, E., Hügelgräber und Urnen-Friedhöfe in Baden mit beſonderer Berückſichtigung ihrer Thongefäſſe. Karlsruhe, G. Braun'ſche Hof- buchhandlung. M. 5. Zeitſchrift für wiſſenſchaftliche Zoologie, begründet von C. Th. v. Siebold und A. v. Kölliter unter Redaktion von A. v. Kölliker und E. Ehlers. 42. Bd. 2. Heft. Leipzig, W. Engelmann. M. 11. Geographie, Ethnographie, Neiſewerke. Hirſchfeld, O., und R. Schneider, Bericht über eine Reiſe in Dalmatien. Wien, C. Gerold's Sohn. M. 2. Krauſe, A., Die Tlinkit⸗ „Indianer. Ergebniſſe einer Reiſe nach der Nord— weſtküſte von Amerika und der Beringſtraße. Jena, H. Coſtenoble. M. 11. Zugleich ein Berlin, R. Neu herausg. 334. Lieferung. 417 Manteqsase, P., Indien. Aus dem Italieniſchen. Jena, H. Coftenoble. Dresden, W. Hoffmann. Mittheilungen der Geographiſchen Geſellſchaft in Hamburg. von L. Friedrichſen. A 40.8 L. Friederichſen & Co. 2. Heft M. 6.; 1884. M. Mittheilungen der Geographischen Geſellſchaft (für Thüringen) zu Jena. Herausg von G. Kurze und F. Regel. 4. Bd. 1. und 2. Heft. Jena, G. Fiſcher. pro cplt. M. 5. Nachrichten für und über Kaiſer Wilhelmsland und den Bismarck-Ar— chipel. Herausg. im Auftrage der Neu⸗ ⸗Guinea-Compagnie zu Berlin. 1. Heft. Berlin, F. Neuenhahn. M. 2. 50. be Petermann's, A., Mittheilungen aus J. Porthos’ e 14291 Herausg. von A. Supan. Ergänzungsheft Nr. 79 Inhalt: Die 1 5 B., Das Gräberfeld von Hallſtatt. Herausg. 1882-83. Strömungen des 1 00 Nordmeeres. Von H. Mohn. Gotha, J. Perthes. M. 2. ö Richter, E., Die Alpen tas H. 60 Daniel's Schilderung, neu bearb. Leipzig, Fee's Verlag. M. 1. de des Fichtelgebirgs. Ausgeführt vom topographiſchen Bureau des k. b. Generalſtabes nach Angabe der Sektion Fichtelgebirg des deutſchen und öſterreichiſchen 5 bp 4.50 in Wunſiedel. 1: 50 000 Lith. Wunſiedel, H. Nehring. M. 1. Stauley's, H. M., Reiſe durch den duntlen Welttheil. Nach Stanley's Berichten für weitere Kreiſe bearbeitet von B. Volz. 3. Aufl. Leipzig, F. A. Brockhaus. M. 5; gebd. M. 6. 50. Stanley, H. M., Wie ich Livingſtone fand. Reiſen, Abenteuer und Ent⸗ deckungen in, Central⸗ Afrika. 2 Bände. 2. Aufl. Leipzig, F. A. Brockhaus. M. 20.; gebd in 1 Bd. M. 22. 50. Wiſſen, das, der Gegenwart. Deutſche Univerſal-Bibliothek für Gebildete. 43. Bd. Inhalt: Die pyrenäiſche Halbinſel. Von M. Willkomm. 3. Abth. Oſt- und Südſpanien. Die Balearen und Pithyuſen. Leipzig, G. Freytag. gebd. M. 1. Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat Auguſt 1885. Der Monat Auguſt iſt charakteriſiert durch ver— änderliches, anhaltend kühles Wetter mit meiſt ruhiger nordweſtlicher bis nordöſtlicher Luftbewegung und ziemlich häufigen und vielfach ſtarken Regenfällen. Das andauernd kühle und veränderliche Wetter des Monats Auguſt ſteht in direktem Zuſammenhange mit der großen Beharrlichkeit der barometriſchen Maxima über Weſt⸗ und Nordweſteuropa und dem dadurch bedingten Vor— herrſchen der nordweſtlichen Winde, welche in der Regel von naßkaltem Wetter und häufig von Gewittererſchei— nungen begleitet ſind. Am Anfange des Monats lag ein Maximum von über 765 mm über den britiſchen Inſeln, welches langſam nordwärts ſich entfernte und einer Depreſſion Platz machte, welche am 6. ſüdweſtlich vor den britiſchen Inſeln erſchien, dann nach dem Nordſeegebiete fortſchritt und von hier aus am 10. raſch oſtwärts nach dem Innern Rußlands verſchwand. Hierdurch kamen zuerſt ſüdweſtliche Winde zum Durchbruch, welche die Temperatur wieder erhöhten, vielfach über den Normalwert, dann aber, auf der Rückſeite der Depreſſion, nordweſtliche und nördliche, unter deren Einfluß wieder kühle veränderliche Witterung herrſchte. Während der erſten Dekade waren Gewitter häufig und vielfach von ergiebigen Regenfällen begleitet: am 3. und 4. gingen in Süddeutſchland und in den Alpenländern, am 5. auf dem Gebiete zwiſchen der Nordſee und Schleſien, am 6. im weſtlichen, am 7. im nördlichen und mittleren, am 8. in Oſtdeutſchland zahlreiche Gewitter nieder. Un— gewöhnlich große Regenmengen fielen am 5. in Karlsruhe 28 mm; in Kaſſel 40, in Shields 43 mm, am 6. in Karlsruhe 37 mm, am 7. in Wien 21 mm, am 8. in Münſter i. W. 22, in Memel 49 mm. Am 9. waren weſtlich von Irland ein tiefes Minimum, welches in Valentia ſchweren Südſturm verurſachte und ſeinen Wirkungskreis raſch über das Nordſeegebiet aus— breitete, wo die Winde ſtark auffriſchten und ſtellenweiſe, insbeſondere über der nördlichen Nordſee einen ſtürmiſchen Charakter annahmen. Entſprechend der Verteilung des Luftdrucks und der Temperatur, welche beide vom Minimum aus nach Südoſt hin zunahmen, pflanzte ſich das Minimum nordoſtwärts fort, und war am 13. verſchwunden, um einer neuen intenſiveren Depreſſion Platz zu machen, welche ſchon am Vortage auf dem Ocean weſtlich von Irland ge— legen hatte. Beim Vorübergange dieſer Depreſſion erhob ſich in Centraleuropa bei heiterem, trockenem und meiſt ruhigem, Wetter wieder raſch die Temperatur, am 10. hatte ſie den Normalwert ſtellenweiſe erreicht und am 11. hatte ſie den ſelben meiſtens überſchritten. Das Minimum, welches am 12. weſtlich von Irland auftauchte, pflanzte ſich bis zum 13. nach dem Eingange des Skagerracks fort und nahm dann eine nökzdliche Richtung an, längs der norwegiſchen Küſte ſich bewegend und einen Ausläufer nach Süden hin entſendend. Am Abend als das Minimum die ſüdnorwegiſche Küſte paſſierte, friſchten die Winde zum ſchweren Sturme auf, und ſollen ſtellenweiſe eine orkanartige Gewalt erhalten haben. Beim Fiſcherdorfe Aaleſund ereignete ſich hierbei ein ſchweres Unglück, indem 7 Boote mit 35 Mann Beſatzung zu Grunde gingen. Weſtoſtwärts fortſchreitend breitete ſich das Sturm— feld über die ganze deutſche Küſte aus, während im Binnen— land das ruhige heitere Wetter nicht unterbrochen wurde. Indeſſen war das oben erwähnte Minimum von einem Gebiete hohen Luftdrucks gefolgt, welches über Weſteuropa bis zum Monatsſchluſſe beharrlich verweilte, und dieſes war der Grund der anhaltenden ſüdlichen Luftſtrömungen und des lang andauernden kühlen Wetters, jo daß ſelbſt in heiteren Tagen, die eben nicht ſelten waren, die Sonne keine erhebliche Erwärmung bringen konnte. Hervorzuheben iſt eine Depreſſion, welche am 16. an der mittleren norwegiſchen Küſte erſchien und nach dem ſüdlichen Oſtſeegebiete, dann nach der ſüdlichen Nordſee und endlich wieder nach der Oſtſee ſich fortbewegte, ſo daß wir dieſelbe am 30. über den ruſſiſchen Oſtſeeprovinzen noch antreffen. Dieſe mannigfachen Fortpflanzungsrichtungen, ſowie die damit verknüpften Aenderungen in der Tiefe und Intenſität ſind intereſſant und lehrreich, wenn dieſe in Anlehnung an die Luftdruck- und Temperaturverteilung betrachtet, wobei die Verhältniſſe faſt durchweg der hier 418 Humboldt. — Oktober 1885. öfters hervorgehobenen Regel über den Zuſammenhang der Fortpflanzungsrichtung mit der Mitteilung des Luft— drucks und der Temperatur entſprechen. Zur Illuſtration des eben Geſagten geben wir die Wetterkärtchen vom 18. bis 20. Auguſt wieder, wobei die Luftdruckverteilung bis S Uhr morgens durch die ausgezogenen Linien dargeſtellt wird. Die eingeſchriebenen Zahlen bezeichnen die Temperatur in °C. Nicht minder intereſſant iſt die Fortbewegung einer Depreſſion, welche am 28. über dem Biscayiſchen Buſen erſchien, am 29. in Südfrankreich lag und am 30. in Be— gleitung von ſtarken Regenfällen am Nordfuße der Alpen , zs entlang nach Oeſterreich und dann nach Südweſtrußland fortſchritt. Dieſen eigentümlichen Verhältniſſen in der Luftdruck— verteilung entſprechend war die Witterung mancherlei Schwankungen unterworfen, indeſſen war bei vorwiegend nordweſtlicher bis nordöſtlicher Luftſtrömung das Wetter meiſt regneriſch und außerordentlich kühl. Von der Mitte bis über den Schluß des Monats hinaus lag die Temperatur beſtändig und erheblich unter dem Normalwerte, nur in Süddeutſchland kamen einige ſehr wenige Ausnahmen vor, insbeſondere in der letzten Hälfte der 2. Dekade, wo die Morgentemperaturen zeitweiſe bis zu 9“ unter dem Durch- ſchnittswert ſtanden. Aus Sachſen wurde berichtet: „Die Hundstage der letzten Woche haben ihrem Renommee wenig Ehre gemacht. In der Nacht vom 14. zum 15. hat es im Gebirge an mehreren Orten gefroren, am 19. und 20. war auf dem Gebirgskamme bei Lauenſtein der Regen wiederholt mit Schneeflocken untermengt, und aus Roda im Altenburgiſchen wird gemeldet, daß auch dort in der Nacht zum Sonntag an verſchiedenen Orten die Gurken und Kürbiſſe erfroren ſeien.“ Aus Schottland meldete man am 17.: „Starker Schneefall hat ſich in den Hoch— landen von Schottland eingeſtellt. Die Spitzen des Ben Nevis und des Ben Lawers ſind mit Schnee bedeckt. Die Witterung iſt fo unwirtlich geworden, daß Touriſten maſſen— haft die Umgegend verlaſſen.“ Niederſchläge waren ſehr häufig und meiſtens ergiebig, insbeſondere in der letzten Dekade, wobei namentlich die außerordentlich großen Regen— mengen vom 28. bis 31. in Süddeutſchland hervorſtechen, welche mit der zuletzt beſprochenen Depreſſion im unrich⸗ tigen Zuſammenhang ſtehen. Am 29. fielen in Friedrichs⸗ hafen 31, in Kaiſerslautern 33, am 30. in Friedrichshafen 37, in München 45 mm Regen. Auch in Oeſterreich⸗ Ungarn und Südweſtrußland gingen an dieſen beiden letzten Tagen große Regenmengen nieder. Gewitter fanden hauptſächlich vom 19. bis zum 23. ſtatt. Im Gegenſatze zu dem andauernd kühlen Wetter in ganz Mitteleuropa herrſchte ſüdlich von den Alpen un- gewöhnlich hohe Wärme; am Ende der erſten Dekade ſtieg ſie in Süditalien und Sicilien an vielen Stellen bis über 40° C.; in Nordafrika, Algerien hatte die Temperatur um 7 Uhr morgens nicht ſelten 30° überſchritten, eine Temperatur, wie fie bei uns nur in den heißeren Nach- mittagen des Hochſommers vorkommt. In Sicilien wurden infolge der Hitze eine Menge von Menſchen vom Sonnen— ſtich befallen oder vom Schlage gerührt. Hamburg. Dr. J. van Bebber. Mele we jt ew NC vive wwe ent. Strandung von Seetieren. Auf Anregung des Profeſſor Baird hat der Superintendent des Life-Saving Service an der nordamerikaniſchen Küſte das Perjonal ſämtlicher Rettungsſtationen angewieſen, alsbald telegra- phiſche Meldung nach Waſhington zu machen, wenn ein auffallendes Seegeſchöpf an der Küſte ſtrande. Die Einrichtung hat ſich bereits vom größten Nutzen für die Wiſſenſchaft erwieſen. Gleich das erſte gemeldete Tier war ein Haifiſch, Pseudotriacis microdon, von welchem bis jetzt nur ein einziges, an der Küſte von Portugal gefangenes Exemplar bekannt war. — Gleich darauf ſtrandete an der Küſte von New-Jerſey ein flet- ner Wal, ganz wie ein Cachelot in Zwergform aus— ſehend; er erwies ſich als eine neue Art der Gattung Kogia, von der bis jetzt nur einige Exemplare aus dem Stillen Ocean bekannt waren. Noch in demſelben Monat wurde an einer anderen Stelle der Küſte ein rieſiger Ziphius cavirostris gelandet, das zweite jemals an der nordamerikaniſchen Küſte gefangene Exemplar. Außer- dem kamen in 1883 eine ganze Anzahl größerer Fiſche zur Beobachtung, die entweder ganz neu für Nordamerika waren oder doch zu den größten Seltenheiten gehören. Von allen wurden die Skelette für das Muſeum in Wa- ſhington präpariert und meiſtens auch Abgüſſe genommen. Unſere noch recht ungenügende Kenntnis der Cetaceen wird auf dieſe Weiſe raſch gefördert werden. Ko. Die Allgegenwart des Bacillus virg. Vor kurzem hat Dr. Héricourt in Lille eine Denkſchrift an die Akademie der Wiſſenſchaften gerichtet, in deren Analyſe Dr. Richet hervorhebt, daß man den Bacillus virg. von Dr. Koch in allen Fällen von Dyſenterien ebenſo wie in Lungenkrankheiten wiederfinde. Seine Unterſuchungen wei⸗ ter ausdehnend, fand der Verfaſſer den nämlichen Mikro⸗ organismus in dem Speichel des geſunden Menſchen, in den Quellen, in den Brunnen, in fließenden Waſſern. Dr. Héricourt hat in atmoſphäriſcher Luft enthaltene Keime in ſteriler Bouillon kultiviert und die Entwickelung gewiſſer Sporen bis zum vollkommen charakteriſierten Zuſtande des Bac. virg. verfolgt. — Sollten dieſe Angaben begründet ſein, woran zu zweifeln wir durchaus keine Veranlaſſung haben, ſo dürfte dieſe Entdeckung wohl geeignet ſein, das Kochſche Syſtem zu beſeitigen. Nach Dr. Richet iſt auf die Arbeit des Liller Arztes ein um ſo größeres Gewicht zu legen, als durch dieſelbe die Behauptungen des Präſi— denten der indiſchen Kommiſſion zur Unterſuchung der aſiatiſchen Cholera, des Dr. Klein, deren Publikation in Deutſchland kürzlich ſtattgefunden habe, genau beſtätigt Humboldt. — Oktober 1885. 419 werde. Bei dieſer Gelegenheit erwähnen wir zugleich die Arbeit eines ſpaniſchen Arztes, worin derſelbe anzeigt, daß er den Bac. virg. dreißig Perſonen, unter denen ſich meh— rere Studenten der Medizin befanden, eingeimpft habe und die dadurch hervorgerufenen Krankheitserſcheinungen in einem gewöhnlichen, leichten Lokalfieber von kurzer Dauer beſtanden. Hsch. Abhängigkeit des Hausſchwammes von der Fäll⸗ zeit des Holzes. Ueber die Beziehungen des Haus— ſchwammes zur Fällzeit des Holzes berichtet Prof. Poleck in der „Deutſchen Bau-Zeitung“. Derſelbe fand in der Aſche des Schwammes große Mengen von phosphor— ſauren Salzen, namentlich von phosphorſaurem Kali; der Schwamm enthält ferner reichlich Stickſtoff-Verbindungen. Je reicher daher das Holz an Phosphorſäure und Kali, ſowie an Stickſtoff iſt, um ſo raſcher wird die Entwickelung des Pilzes vor ſich gehen. Das Holz der im Saft, alſo im Frühjahr gefällten Koniferen enthält fünfmal mehr Kali und achtmal mehr Phosphorſäure und iſt reicher an Stick— ſtoff, als das im Winter gefällte Holz; das im Saft gefällte Holz muß daher den geeignetſten Nährboden für die Entwickelung des Hausſchwammes abgeben. Es gelang in der That Poleck, auf im Frühjahr gefälltem Holz den Hausſchwamm zu kultivieren, was bei Winterholz nicht mög— lich war. Zur Verhinderung der Entwickelung des Haus— ſchwammes iſt deshalb die richtige Auswahl des Bauholzes von größter Wichtigkeit und das feuchte, im Frühjahr gefällte ebenſo wie das alte ſporige Holz zu vermeiden. 155 ShwefelKohlenftoff zur Desinfektion und zur Vernichtung der Reblaus. Dank den energiſchen ſtaat— lichen Maßregeln ſcheint der Weiterverbreitung der Reblaus am Rhein Einhalt gethan zu ſein. Neuerdings hat ſich das ſchädliche Inſekt leider auch in Algier gezeigt, wo der Weinbau in den letzten Jahren ſo ſchöne Fortſchritte ge— macht hatte. In Frankreich, wo die Verwüſtung von Weinbergen große Dimenſionen angenommen hat, wird zur Vertilgung der Reblaus auf Vorſchlag von Rommier jetzt hauptſächlich Schwefelkohlenſtoff angewendet, auf deſſen kräftige antiſeptiſche Eigenſchaften neuerdings ebenfalls hingewieſen wird; er wird als Mittel gegen Cholera und alle durch Mikroben verurſachte Krankheiten, wie Typhus, Diphtheritis ꝛc. empfohlen, ebenſo in wäſſriger Löſung zum Beſprengen der Straßen und zu anderen Desinfektions⸗ zwecken. Die Löslichkeit des Schwefelkohlenſtoffs in Waſſer iſt eine ziemlich bedeutende und beträgt bis 4,52 Gramm in 1 Liter Waſſer bei gewöhnlicher Temperatur. Zur Vertilgung der Reblaus iſt die wäſſrige Auflöſung desſelben natürlich ſehr ökonomiſch, da bei Anwendung reinen Schwefelkohlenſtoffs große Mengen dieſes flüchtigen und ziemlich teuren Stoffes unbenutzt verloren gehen würden. Livache empfiehlt zu demſelben Zweck eine mit Benzin, Petroleum oder Terpentinöl verſetzte Seifenlöſung, welche mit Schwefelkohlenſtoff geſchüttelt wird, eine Emulſion, die auf 15 Teile Seife in 100 Teilen Waſſer und Petroleum mehr wie 20 Teile Schwefelkohlenſtoff aufzunehmen vermag. Beim Verdünnen mit Waſſer ſcheidet ſich kein Schwefel— kohlenſtoff aus, ſo daß ſich auf dieſe Weiſe leicht Löſungen von beſtimmtem Gehalt herſtellen laſſen. 15 Aeber Seewellen hat das hydrographiſche Bureau in Waſhington Beobachtungen angeſtellt. Danach hatte die größte eee Welle eine Länge von einer halben Seemeile und eine Dauer von 23 Sekunden; bei Stürmen im nördlichen ee Ocean erſtrecken ſich die Wellen oft bis zu einer Länge von 500 bis 600 Fuß bei einer Dauer von 10 bis 11 Sekunden. Sehr ſorgfältig aus- geführte Meſſungen lieferten als äußerſte Höhe der Wellen 44 bis 48 Fuß, die Durchſchnittshöhe großer Wellen be trägt etwa 30 Fuß. Es beziehen ſich dieſe Angaben jedoch nur auf gewöhnliche Wellen, nicht auf die durch Erdbeben oder andere außergewöhnliche Ereigniſſe hervorgerufenen Wellen. B. Die Wineralſchätze von Britiſch-Nord-Borneo. Nach den Unterſuchungen von Walker ſcheint in dem genannten Gebiete Gold in bedeutender Menge vorzu- kommen. An mehr als 30 Stellen im Sagama-Bezirk, welche Walker unterſuchte, fand derſelbe faſt überall Gold, gewöhnlich in kleinen Körnern, die jedoch groß ge— nug waren, um mit der Hand geſammelt zu werden; oft waren die Stücke auch größer, immer aber fanden ſie ſich zuſammen mit einem ſchwarzen, metalliſchen Staub und Eiſen- oder Kupfer-Pyriten. Die angetroffenen Geſteine waren Granit, Gneis, Quarz, Kalkſtein, Jaſpis, Porphyr und roter Sandſtein. Die bereits in Nord-Borneo auf— gefundenen verwendbaren Mineralien ſind außer Gold Silber, Kupfer, Chrom, Zinn, Blei, Graphit und Kohle; auch Antimon und Zinnober ſollen vorkommen. An der Weſtküſte hat man Chrom, Kupfer und Arſen, in der Nähe von Kinabalu Silbererze und Pyrite gefunden, ebenſo ein Stück reines Kupfer, ſowie ein Stück ſilber⸗ haltigen Bleiglanz, deſſen Ausbeute 115 Unzen Silber auf die Tonne ſolchen Erzes verſprechen würde. B. Erdbeben⸗Hlala. Zur Unterſcheidung der Erdbeben— Intenſität bedient ſich Rockwood in ſeinen alljährlich im „American Journal of Science“ erſcheinenden Berichten über die in Amerika ſtattgehabten Erdbeben folgender von der Roſſi-Forelſchen abweichenden Skala: 1) Sehr ſchwach ſind Erdbeben, wenigen Perſonen bemerkt, werden; Schwach ſolche, welche von den meiſten am Orte befindlichen Perſonen bemerkt werden und Fenſter in klirrende Bewegung verſetzen; 3) Mäßig ſolche, welche hängende Gegenſtände, wie Kronleuchter u. ſ. w. in ſchwingende Bewegung ver— ſetzen oder leichte, zum Umfallen günſtig geſtellte Ge— genſtände umwerfen; Stark ſolche, welche im Bewurf der Wände in den Häuſern Riſſe hervorrufen oder einzelne Steine von Schornſteinen zu Fall bringen; 5) Heftig diejenigen, welche Schornſteine oder Mauern umwerfen und einige Häuſer beſchädigen; 6) Zerſtörend ſolche, welche allgemeine Zerſtörung von Häuſern u. ſ. w. hervorrufen. B. welche nur von nicht allgemein gefühlt Erdbeben in Amerika im Jahre 1884. Im Juni— heft ds. J. des „American Journal of Science“ berichtet Rockwood über die im verfloſſenen Jahre in Nord- und Süd-Amerika und den angrenzenden Meeresgebieten ſtatt— gehabten Erdbeben, von denen im ganzen 54 beobachtet wurden. Geographiſch verteilten ſich dieſelben wie folgt: Kanadiſche Provinzen 8 Neu-England Atlantiſche Staaten 4 40 Miſſiſſippi⸗Thal außerdem noch 1 gemeinſchaftlich, Pacifiſche Küſte 21 Weſt⸗Indien 2 Central-Amerika und Kolumbia 3 Peru 2 Uruguay Ile Nach den Jahreszeiten der Beobachtung geordnet, entfallen auf den Winter 12, Frühling 15, Sommer 8 und Herbſt 19. An zwei oder mehr Tagen beobachtete man Erdbeben in Los Angeles, San Franzisco, Oakland und Eureka, ſämt— lich in Kalifornien, dann noch in Concord in New Hampſhire. Größeren Schaden richteten nur die Erdbeben an, welche am 5. November in Panama, am 6. November in Kolumbia, am 22. November in Lima und am 10. our in den mittleren Staaten ſtattfanden. Die heiligen Hunde. Auf einer phöniziſchen In— ſchrift, welche aus Citiom ſtammt und über die Ausgaben eines Tempels Rechenſchaft gibt, iſt in dem mitaufgeführten e auch die Rede von dem Aufwand der Hunde. Lange haben ſich die größten Altertumsforſcher — darunter auch Renan — den Kopf angeſtrengt, um zu erfahren, zu welchem Zwecke jene Hunde in manchen Tempeln gehalten wurden. Die ſich widerſprechendſten Anſichten traten zu Tage, bis es endlich dem Herrn Reinach gelang, aus alten Inſchriften, welche in der Nähe des 420 Tempels des Aesculap in Cpidaurus aufgefunden worden waren, nachzuweiſen, daß die dieſem Tempel geweihten Hunde dazu verwendet wurden, blinde Kinder durch Lecken ihrer Augen von der Blindheit zu heilen. Vor kurzem hat Herr Gaidoz eine Schrift veröffentlicht, worin er zeigt, daß bei einer großen Zahl von Völkern religiöſe Gewohnheiten und Glaubenslehren exiſtieren, analog den- jenigen von Epidaurus. Heute noch bilden die Hindu ſich ein, daß die Engländer die Hunde töten, um ſich eines unvergleichlichen Mittels zu bemächtigen, welches in der Zunge dieſer Tiere enthalten ſei. Dieſes Mittel nennen ſie Amarita, die Venetianer Balſam. Von Saint Roch wird erzählt, daß er mit dem Balſam, der von der Zunge ſeines Hundes herabträufelte, viele Kranke geheilt habe. In Portugal, Frankreich, Schottland gilt die Zunge des Hundes als ein bewährtes Heilmittel. Nach bibliſchem Bericht ließ der arme Lazarus ſeine brennenden Schwären von den herrenlos herumlaufenden Hunden lecken, und in den breiten Schichten des deutſchen Volkes bietet man heute noch den Hunden die Wunden zum Lecken dar, damit ſie raſcher heilen. In Böhmen läßt man ſogar von Hunden das Angeſicht der Neugeborenen lecken, um ihnen ein ſcharfes Geſicht zu geben. In Armenien glaubte man ehemals an die Exiſtenz von Gottheiten, die von Hunden abſtammten, und deren Geſchäft es war, auf den Schlachtfeldern die Wunden der Blejfierten zu lecken. In einer Scene des Ariſtophanes ſieht man Plutus in dem Tempel des Aeskulap unter der wohlthuenden Wirkung des Leckens von zwei dicken Schlangen das Geſicht wieder erlangen, welche auf den Ruf dieſes Gottes herbeigekommen waren. So verbreitet war jener Glaube über den größten Teil der Alten Welt. Hsch. Die meſozoiſche Flora des kanadiſchen Anteils am Felſengebirge. In einer früher in den Transactions der Royal Society of Canada erſchienenen Abhandlung hat Sir William Dawſon eine ganz aus Koniferen und Cycadeen beſtehende, auf den Queen Charlotte-Inſeln auf— tretende untere Kreide-Flora, ferner die Difotyledonen- Flora der mittleren Kreide aus dem an den Peace-Fluß grenzenden Gebiete, endlich die reichhaltige Flora der oberen Kreide aus der Kohlenformation der Vancouver-Inſel be— ſchrieben und dieſe drei Floren mit der der Laramiegruppe des Nordweſt-Territoriums verglichen, welche letztere er für eine die obere Kreide mit dem Eocän verbindende Ueber- gangspruppe hält. Kürzlich hat derſelbe Gelehrte in einem vor der obengenannten Geſellſchaft gehaltenen Vortrag nun auch die von Dr. G. M. Dawſon in dem Felſengebirge entdeckte juraſſiſch-cretaceiſche Flora und gewiſſe zwiſchen dieſer und der mittleren Kreide ſtehende Pflanzengruppen behandelt, wodurch die Kenntnis der Flora der unteren Kreide weſentlich erweitert und die zwiſchen ihr und der Laramie— gruppe ſtehende Pflanzenreihe vervollſtändigt worden iſt. Die älteſte dieſer Floren findet ſich in Ablagerungen, für welche der Name Kootanie⸗ Gruppe vorgeſchlagen iſt, nach einem Indianerſtamme, der in dem Gebiete derſelben in den Rocky-Mountains zwiſchen dem 49. und 52. Parallel- kreis jagt. Pflanzen dieſer Epoche ſind entdeckt an den Nebenflüſſen des Oldman-Fluſſes, am Martin-Creek, am Kohlen-Creek und an einer Stelle weit gegen Nordweſten am Suskwa⸗Fluß; die dieſe Pflanzen enthaltenden Geſteine ſind Sandſteine, Thonſchiefer und Konglomerate mit Kohlen— adern, die zuweilen anthracitiſch ſind; fie laſſen ſich 140 Meilen weit in nordſüdlicher Richtung zwiſchen den paläozoi— ſchen Formationen des Gebirges verfolgen. Es beſtehen dieſe Pflanzen aus Koniferen, Cycadeen und Farnen; ganz beſonders zahlreich ſind die Cycadeen, welche zu den Gattun⸗ gen Diconites, Zamites, Podozamites und Anomozamites gehören. Einige dieſer Cycadeen ſowie auch der Koniferen ſind mit Pflanzen identiſch, die Heer aus den juraſſiſchen Schichten Sibiriens beſchrieben hat, während andere in der unteren Breite von Grönland vorkommen. Der nahezu in der ganzen Welt verbreitete Podozamites lanceolatus iſt Humboldt. — Oktober 1885. ſehr charakteriſtiſch, dann finden fic) Blätter von Salis- burya sibirica, einer ſibiriſchen meſozoiſchen Species, und Zweige von Sequoia Smithiana, einer für die unteren Kreide von Grönland charakteriſtiſchen Art. Blätter von Dikoty⸗ ledonen haben ſich bisher in dieſen Ablagerungen noch nicht gefunden, deren Pflanzen in ſo auffallender Weiſe die ausgeſtorbenen Floren Aſiens und Amerikas und die der Jura- und der Kreidezeit verbinden. Ueber dieſen Schichten liegen andere, die neben einigen der oben erwähnten Pflanzenarten auch Blätter einiger Dikotyledonen enthalten, welche wohl den Gattungen Stercula und Laurus zuzurechnen ſind; noch höher zeigt die Formation eine Fülle von Dikotyledonenreſten. Die die letzteren führenden Ablagerungen können, obwohl ſie deutlich in zwei Abteilungen zerfallen, als Mill Creek-Gruppe bezeichnet werden und liegen etwa auf dem Horizont der Dokota⸗Gruppe, welche von der geologiſchen Landesauf— nahme der Union aufgeſtellt ijt. Die beſchriebenen Pflanzen⸗ arten unterſcheiden ſich von denen der Dunvegan-Gruppe der Peace-Fluß-Reihe und natürlich noch mehr von denen der darüber liegenden Laramie-Gruppe. Mit Bezug auf die letztere hat Dawſon noch verſchiedene Thatſachen auf— gefunden, welche ſeine Anſicht über die Lage dieſer Gruppe zwiſchen Kreide und Eocän beſtätigen und dafür ſprechen, daß einige Pflanzen, welche gewiſſe Palöontologen ins Miocän verlegt haben, wenigſtens in Kanada Foſſilien der Lamaxie— Gruppe und demnach älter ſind, als man gemi hne an⸗ genommen hat. Gewitterbeobachtungen in Nußland. a int Jahre 1871 von der ruſſiſchen Geographiſchen Geſellſchaft die Anregung zu Gewitterbeobachtungen gegeben worden war, wurden in den Jahren 1873 bis 1882 an 176 Stationen nicht weniger als 1821 regelmäßige Beobachtungen gemacht. Für 145 dieſer Stationen wurden die Jahres- und Monats- Mittel berechnet, aus denen Kloſſowski folgende höchſt in- tereſſante Folgerungen zog, für welche ihm die goldene Medaille der ruſſiſchen Geographiſchen Geſellſchaft verliehen wurde. Das Minimum an Gewittern, fünf bis ſieben jährlich, findet ſich im Norden; nach dem finniſchen Meerbuſen und an der mittleren Wolga ſteigt die Zahl bis auf 12 bis 15 jährlich, dieſelbe Zahl gilt durch faſt ganz Mittel- und Südrußland, nur in der Krim nimmt ſie etwas ab. Eine raſche Zunahme der Gewitter zeigt ſich gegen Weſtruß—⸗ land hin, beſonders in Beſſarabien (in Kiſchineff 33 jähr⸗ lich), dann auch gegen Oſten, in Tamboff, Penza und am unteren Don; das Maximum, 41 jährlich, findet ſich in Tiflis. Wie zu erwarten, ſind die Gewitter da am häufigſten, wo die Sommerregen und die relative Feuchtigkeit am ſtärkſten ſind. Das tägliche Maximum fällt in die Zeit von drei bis ſechs Uhr nachmittags, das Minimum zwiſchen drei und ſechs Uhr vormittags. Durch Betrachtung der Hofmeyerſchen ſynoptiſchen Karten für die Jahre 1874 bis 1876 iſt Kloſſowski zu dem Schluß gelangt, daß in Rußland die Gewitter ausnahmlos Cyklone begleiten, da— bei ihr Auftreten zu gleicher Zeit durch die lokalen Tempe— ratur- und Feuchtigkeitsverhältniſſe der Atmoſphäre be- einflußt wird. Maris Davy, Mohn u. a. teilten die Gewitter in cyflonifde und lokale ein und rechneten dabei die kontinentalen zur zweiten Kategorie, Kloſſowski hat jedoch nur gezeigt, daß ſelbſt in einem ſo kontinentalen Klima, wie es dasjenige Rußlands iſt, die Gewitter eben— falls direkt von Cyklonen abhängig ſind; ſie treten an den Rändern der Cyklone und zwar meiſt in den ſüdöſtlichen Quadranten derſelben auf. Weiter hat Kloſſows ki gefun⸗ den, daß die Gewitter in Rußland ſekundäre oder tertiäre Cyklone ſind, die am Rande eines Cyklons auftreten, woraus die Oscillationen des Barometers bei Gewittern, die ſchon Scott, Mascart u. a. beobachteten, erklärlich ſind. Hagelfall iſt ſicher in engem Zusammenhang mit den Ge⸗ wittern, auch er begleitet in der Zone mit 750 bis 760 Millimeter Luftdruck Cyklone und iſt immer im ſüdöſtlichen Quadranten derſelben konzentriert. B. Da das Manuſfkript zum Aſtronomiſchen Kalender pr. Oktober nicht rechtzeitig eingegangen, ſo mußte dieſe Rubrik ausnahmsweiſe in Wegfall kommen. e ee Rao net Gm wwe lt. Don Paul Lehmann, Aſtronom des Rechen-Inſtituts der Fal. Sternwarte zu Berlin. (Schluß.) ür denjenigen, welcher gewohnt iſt, Ergebniſſe aſtronomiſcher Rechnungen mit der Vorſtellung untrüglicher Zuverläſſig— keit zu verbinden, dürften die vorher— gehenden Darlegungen inſofern etwas Befremdliches gehabt haben, als er daraus entnehmen konnte, daß in der Beſtimmung der Wiederkehrzeiten der meiſten Kometen eine auffällige Unſicherheit herrſcht, ob— wohl dieſelben ſich gleich den Planeten in durchaus geſetznmäßigen Bahnen, nämlich ſogenannten Kegel— ſchnitten, bewegen. Demgegenüber iſt nun darauf hinzuweiſen, daß für die Bahnbeſtimmung der Kometen die gegebenen Verhältniſſe, mit welchen zu rechnen iſt, höchſt ungünſtig liegen. Man muß nämlich in Betracht ziehen, daß die Beobachtungen der Himmelskörper, welche allein uns bekanntlich die Grundlage für die Ermittelung der Bewegungen letzterer an die Hand geben, ſelten voll— kowmen fehlerfrei find. Mängel der Inſtrumente und anderer Hilfsmittel, ſind ſchon an und für ſich geeignet, Fehlern zu legen, betreffenden Beobachtungen ſich anſchließenden Rech— nungen anhaften müſſen, und die man bei allen Ge— legenheiten durch gegenſeitige Ausgleichung mit Hilfe einer möglichſt großen Zahl von Beobachtungen wird herabzumindern ſuchen. Bei den Kometen im beſon— deren treten zu den genannten Fehlerquellen noch diejenigen, welche ſich aus deren äußerer Erſcheinung ergeben. Unter der Bewegung eines Himmelskörpers ſchlechthin haben wir nämlich, genau genommen, die Bewegung ſeines Schwerpunktes zu verſtehen; um Humboldt 1885. den Grund zu Ungunſt der Witterung, ſowie irrtümliche Auffaſſungsweiſe der Beobachter welche dem Ergebnis der an die die dieſelbe berechnen zu können, müſſen wir alſo auch die Ortsveränderungen eben dieſes Schwerpunktes kennen. Nun bilden aber die Kometen häufig eine ſo verwaſchene und in ihren Formen ſogar veränder— liche Lichtmaſſe, daß von den verſchiedenen Beobachtern wohl ſchwerlich jedesmal derſelbe Punkt der ganzen Maſſe ins Auge gefaßt wird, und ſelbſt wenn ein beſonders hervorragender Lichtpunkt in dem Nebel— gebilde ſich darbietet, ſo bleibt es bei der Natur der Kometen immer noch zweifelhaft, ob die Lage des— ſelben nun auch wirklich der Lage des Schwerpunktes der Kometenmaſſe entſpricht. So kommt es, daß ſelbſt eine erheblich viel größere Anzahl von Beobachtungen eines Kometen, als die Theorie unter Vorausſetzung ihrer Fehlerfreiheit ver— langt, in der Regel noch nicht hinreicht, ſeine Umlaufs— zeit mit einiger Sicherheit zu beſtimmen. Daß ſich gerade in Bezug auf die Form, ins— beſondere auf die Ausdehnung der Kometenbahn, von welcher die Umlaufszeit abhängt, dem Rechner Schwierig— keiten entgegenſtellen, während die Ermittelung der Lage der Bahnebene im Raum viel weniger dem Irrtume unterworfen iſt, hat ſeinen Grund zunächſt darin, daß die Fehler, welche einer ſolchen Bahn— beſtimmung innewohnen, ſich auf einen im Verhält— nis zum Geſamtumfange nur ſehr kleinen Teil der Bahn erſtrecken und daher bei der Uebertragung auf die ganze Bahn bedeutend vervielfacht erſcheinen. — Machen wir uns die Sache an einem einfachen Bei— ſpiel klar. Geſetzt den Fall, wir hätten die Umlaufs— zeit eines Zeigers an einem von 0 bis 100 gleich— mäßig eingeteilten Zifferblatt eines Räderwerks von unbekannter aber unveränderlicher Gangart zu er⸗ 54 422 Humboldt. — Wovember 1885. mitteln. Das nächſtliegende Verfahren würde jein, daß wir zwei aufeinander folgende Durchgänge des Zeigers durch dieſelbe Ziffermarke, etwa durch 0, beobachten. Wären wir dagegen durch irgend welchen Umſtand verhindert, den vollſtändigen Umgang des Zeigers abzuwarten, ſo würde es ja allerdings auch genügen, etwa den Zeitraum zwiſchen einem Durch- gang durch 0 und den gleich darauf folgenden Durch— gang durch 1 zu beobachten; es iſt aber ohne weiteres klar, daß wenn wir in beiden Fällen denſelben Fehler in der Zeitbeſtimmung des Durchganges begehen, der zweite Verſuch für die Umlaufszeit einen 100 mal größeren Fehler als der erſte ergeben würde. Ver— hältnismäßig noch genauer als bei der zuerſt ange- führten Methode würde dagegen das Ergebnis werden, wenn wir den Zeiger nach dem erſten erſt wieder beim zehnten oder gar beim hundertſten Durchgang durch 0 beobachteten. Geſtaltet ſich nun auch die Ermittelung einer Kometenbahn in mehrfacher Be— ziehung bei weitem nicht ſo einfach wie die ſoeben erörterte Aufgabe, ſo iſt doch unſchwer zu erkennen, welcher der hier angeführten Verſuche der Sachlage dort am nächſten kommt, wenn man die kurze Zeit— dauer, welche für die Beobachtungen der Kometen in der Regel zur Verfügung ſteht, indem dieſelbe nur in ſehr günſtigen Fällen einige Monate, oft aber nur wenige Wochen beträgt, mit der ganzen Umlaufs— dauer derſelben vergleicht. Während ferner bei der eben geſtellten Aufgabe die Art der Bewegung durch die aufeinander folgenden Punkte der Zeigerbahn von vornherein als bekannt vorausgeſetzt war, haben wir über die beſondere Bewegungsform eines neu entdeckten Kometen zunächſt keine weitere Kenntnis, als daß wir im allgemeinen die Geſetze kennen, denen jene Beſonderheiten ſich anpaſſen müſſen. So wiſſen wir, daß ein in einer gegebenen Bahn um die Sonne ſich bewegender Körper in jedem Punkte derſelben in ſeiner Bewegung an eine gewiſſe Geſchwindigkeit, welche von ſeiner jeweiligen Entfernung von der Sonne abhängt, ge— bunden iſt; wir können daher umgekehrt aus der in gewiſſen, allerdings erſt zu ermittelnden Entfernungen von der Sonne beobachteten Bewegungsgeſchwindig— keiten des Körpers Schlüſſe auf die Form ſeiner Bahn ziehen. Unglücklicherweiſe unterſcheiden ſich aber, wie wir noch ſehen werden, Bahnen von ſonſt außerordentlich verſchiedener Ausdehnung gerade in der Nähe der Sonne auf der kurzen Strecke, auf welcher die Kometen vom Beobachter verfolgt werden können, ſo wenig voneinander, daß dieſe geringen Unterſchiede ſehr häufig noch innerhalb der oben er— wähnten Beobachtungsfehler liegen, alſo durch die— ſelben vollſtändig verdeckt werden können. Die überwiegende Mehrzahl der Kometen bewegt ſich in Bahnen, welche den ſogenannten Parabeln außerordentlich ähnlich ſind, und der erſten Voraus— berechnung der Stellungen eines neu entdeckten Kometen am Himmel pflegt denn auch dieſe Bewegungs— form mit Erfolg zu Grunde gelegt zu werden. Freilich iſt dies, nebenbei bemerkt, nur ein Kunſtgriff, um die erſten Rechnungen zur Weiterverfolgung des Kometen zu vereinfachen, und wenn wir auch bei Anwendung desſelben in den meiſten Fällen der Wahrheit ſehr nahe kommen, jo ijt doch eine voll- kommene paraboliſche Bewegung ebenſowenig oder noch weniger wahrſcheinlich, als wir bis jetzt eine vollkommene Kreisbewegung unter den Himmels— körpern wahrgenommen haben. Die Parabel gehört bekanntlich, gleich den Hyper⸗ beln, zu den nach einer Seite hin offenen Regel- ſchnitten im Gegenſatz zu den vollkommen geſchloſſenen Ellipſen, unter welche letztere als eine beſondere Form auch der Kreis zu rechnen iſt. Trotz jenes bemerkenswerten Unterſchiedes nähert ſich aber die Parabel in ihrer Form ſo ſehr der Ellipſe, daß ſie in der Gegend ihres Scheitelpunktes kaum von einer ſolchen zu unterſcheiden iſt. Die Parabel bildet ſomit gewiſſermaßen die Grenzform zwiſchen der Ellipſe und der Hyperbel. Aehnlich verhält es ſich mit der Bewegung in der Parabel. In jeder gegebenen Ent⸗ fernung eines um einen Centralkörper bewegten an- deren Körpers entſpricht nur ein einziger ganz be- ſtimmter Wert der Geſchwindigkeit einer paraboliſchen Bewegung, ſo daß jeder andere an derſelben Stelle mit geringerer oder größerer Geſchwindigkeit bewegte Körper notwendig, beziehungsweiſe in einer Ellipſe oder in einer Hyperbel wandeln würde. So beträgt beiſpielsweiſe in der mittleren Entfernung der Erde von der Sonne oder kurzweg in einer Sonnen— weite die paraboliſche Geſchwindigkeit für eine Be⸗ wegung um die Sonne als Centralkörper 41,85 km in der Sekunde. Erkennen wir alſo, daß ein Komet, welcher bis in die genannte Nähe gelangt, ſich da— ſelbſt langſamer als 41,85 km bewegt, ſo dürfen wir zunächſt annehmen, daß derſelbe eine geſchloſſene Bahn um die Sonne verfolgt und nach einem gewiſſen Zeitraum wiederkehren wird. Die mittlere Geſchwindigkeit der Erde beträgt 29,6 km, alſo nur etwa zwei Drittel jener Geſchwindig⸗ keit, welche ſie für immer der belebenden Einwirkung der Sonne entführen und ihre Bewohner den geheimnis— vollen Schreckniſſen des unendlichen Raumes über⸗ liefern würde. Entſprechend den geringen Aende— rungen, welche wechſelweiſe in der Entfernung der Erde zur Sonne eintreten, iſt auch der Grad jener Geſchwindigkeit nur geringen Schwankungen, zwiſchen den Grenzen von 29,35 und 29,85 km, unterworfen, oder mit anderen Worten: Die Bewegungsgeſchwindig— keit der Erde ſtimmt in allen Punkten ihrer Bahn ſehr nahe mit derjenigen Geſchwindigkeit überein, vermöge welcher ſie ihren Weg um die Sonne in Form eines Kreiſes beſchreiben würde. Nicht viel anders verhält es ſich bekanntlich mit den übrigen Planeten, und der Umſtand, daß dieſelben unter den vielen geſchloſſenen Bahnformen, welche ihnen bei ihrem Lauf um die Sonne bei freier Wahl offen ſtanden, ſämtlich eine dem Kreiſe ſich ſehr nahe an- ſchließende Ellipſe bevorzugten, ſcheint auf eine gemein— ſame ihrer Bewegung zu Grunde liegende Urſache hinzudeuten. Kant und Laplace wurden in Ver⸗ Humboldt. — November 1885. 423 folgung dieſes Gedankens auf die bekannte, die Namen ihrer berühmten Begründer tragenden Hypotheſe ge— führt, nach welcher man ſich unſer Planetenſyſtem in ſeiner jetzigen Form aus der allmählichen Verdichtung einer vordem über den ganzen dasſelbe begrenzenden Raum verteilten Stoffmaſſe entſtanden denkt. Erwägt man nun weiter, daß die Kometen ihrer— ſeits in der nahezu paraboliſchen Bewegung unter vielen tauſend anderen Bewegungsmöglichkeiten gerade einer ſolchen folgen, welche ebenfalls als Ausnahme— fall gelten muß, ſo liegt die Vermutung nahe, daß den Kometen trotz der großen Verſchiedenheit ihrer Bahnen untereinander doch in gewiſſer Beziehung eine allen gemeinſame Daſeinsbedingung eigen iſt. Die Annahme, daß dieſelben nicht als urſprüngliche Beſtandteile unſeres Planetenſyſtems zu betrachten ſeien, liegt angeſichts der Entwickelung, welche das letztere nach der oben erwähnten Theorie genommen hat, ſehr nahe. In der That folgte man im allge— meinen hierin auch bis in die neuere Zeit der Anſicht des Laplace, indem man die Kometen für ſo zu ſagen heimatlos durch den Weltenraum umherirrende Nebel— maſſen, welche zufällig in unſer Sonnengebiet hinein— geraten, anſah, ähnlich wie von den vielleicht zahl— loſen, unſer ganzes Sonnengebiet durcheilenden Meteoren auch hin und wieder einzelne Weſen der Erde ſo nahe kommen, daß ſie beim Durchſchneiden der Dunſthülle der letzteren für die Erdbewohner ſichtbar aufleuchten. Es mag hierbei gleich erwähnt werden, daß die Mehrzahl der uns bekannten Kometen erfahrungsmäßig ſich der Sonne bis auf einen Ab— ſtand von mindeſtens nahezu einer Sonnenweite ge— nähert, und daß bis jetzt bei keinem in ſeiner größten Sonnennähe die Entfernung von der Sonne mehr als zwei Sonnenweiten betragen hat. Kometen, welche vielleicht noch außerhalb unſeres Geſichtskreiſes der Sonnenanziehung folgen, ſoll hier, um nicht das Verſtändnis der folgenden Erörterung unnützerweiſe zu erſchweren, vollſtändig abgeſehen werden. Die nach der vorhergehenden Darlegung ſo auf— fällige Bahnform ſämtlicher Kometen glaubte Laplace durch die Nachweiſung des Satzes erklärt zu haben, daß unter den Umſtänden, unter welchen die Kometen Von ſolchen nach ſeiner Anſicht in das Sonnengebiet gelangen, dieſelben allen Regeln der Wahrſcheinlichkeit nach eben die Bahnform der Parabel annehmen müßten und unter tauſend Fällen kaum einmal eine merkliche Hyperbel würde beſchrieben werden. Alles auffällige in der beſprochenen Erſcheinung würde mit der Richtig— keit dieſes Satzes offenbar hinwegfallen. Demgegen— über hat nun aber Schiaparelli in ſeiner berühmt gewordenen Theorie der Sternſchnuppen auf einen Irrtum in Laplaces Beweisführung hingewieſen. Nach der überzeugenden Darſtellung Schiaparellis muß vielmehr zugegeben werden, daß ein Weltkörper, welcher aus einem anderen Fixſternſyſtem herkommend in das Sonnengebiet eindringt, bei der Geſchwindig— keit, welche wir demſelben aller Wahrſcheinlichkeit nach zuſchreiben müſſen, und in Anbetracht der großen Entfernung, in welcher die Anziehungskraft der Sonne auf ihn zu wirken beginnt, gerade eine Bahn von ausgeprägt hyperboliſchem Charakter beſchreiben und auch nur dann in unſeren Geſichtskreis gelangen würde, wenn ſeine Bewegung von vornherein faſt geradezu auf die Sonne gerichtet wäre. Daß die letztere Bedingung auch bei der Annahme einer ſehr großen Anzahl ſolcher umherirrenden Eindringlinge nur in äußerſt ſeltenen Fällen gegenüber der unend— lich großen Zahl verſchiedener Richtungen, in denen eine Bewegung überhaupt möglich iſt, erfüllt ſein wird, leuchtet ohne weiteres ein. Es beſteht, wie ſchon angedeutet wurde, kein Zweifel darüber, daß der Charakter der Bahn, welche ein in den Anziehungsbereich der Sonne geratender Körper einſchlägt, zum Teil davon abhängt, wie groß in dem für ihn ſo verhängnisvollen Augenblick ſein Abſtand von der Sonne iſt. Die Frage nach der räumlichen Ausdehnung dieſes Anziehungsbereiches liegt daher ſehr nahe. Eine erſchöpfende Antwort auf dieſe Frage zu geben, dürfte allerdings recht ſchwer fallen, indeſſen müſſen wir doch verſuchen, einige Anhaltspunkte für unſere Vorſtellung in Bezug auf dieſen hier nicht zu umgehenden Begriff aufzufinden. Streng genommen gibt es ja für die Wirkung der Gravitation überhaupt keine Grenze. Ein Körper, welcher ſich allein außer unſerer Sonne im Welten— raum befände, würde von derſelben angezogen werden, und ſeinerſeits dieſelbe anziehen, wenn der gegenſeitige Abſtand beider auch noch ſo groß wäre. Freilich würde die Geſchwindigkeit, mit welcher beide ſich einander nähern, für lange Zeit faſt unmerklich bleiben können, aber mit allmählicher Verminderung ihres Abſtandes doch nach einem beſtimmten Geſetze zunehmen. Bei der unfaßlich großen Zahl von Welten, die nun aber in Wirklichkeit den unendlichen Raum bevölkern und welche ſämtlich nach dem Ge— ſetz der Gravitation in gegenſeitiger Wechſelbeziehung ſtehen, würde ſich dem dazu befähigten Blicke ein ſolches Durcheinander ſich teils aufhebender, teils verſtärkender, in Bezug auf Richtung und Stärke von einander verſchiedener Wirkungen darbieten, daß es unmöglich erſcheinen müßte, dieſes Wirrſal zu löſen. Glücklicherweiſe haben wir es nicht nötig, uns ſo weit in die Einzelheiten des Treibens im Weltenraum zu vertiefen. Für unſere Zwecke genügt es, an der Erkenntnis feſtzuhalten, daß bei der Stellung, welche unſer Sonnenſyſtem unter den Sternenwelten einnimmt, die Annahme geſtattet iſt, daß in gewiſſen Gegenden des Raumes rings um die Sonne herum die Geſamtwirkung der übrigen Sternenwelten der Wirkung unſerer Sonne etwa das Gleichgewicht hält. In dieſe Grenzgegenden, die wir uns, je nach der Anordnung und Maſſenverteilung der außen gelegenen Weltſyſteme in mit der Richtung wechſelnder Entfernung zu denken haben, verlegen wir naturgemäß in unſerer Vorſtellung den Beginn oder die Grenze des Anziehungsbereiches der Sonne. Wenn wir nun bedenken, daß der uns nächſt ge— legene Stern, nämlich der helle Stern « im Centauren, 424 Humboldt. — November 1885. bei einer Parallaxe von 0,92 Bogenſekunden etwa 224500 Sonnenweiten von uns entfernt iſt, fo haben wir den Abſtand jener Grenze ſicher auf mindeſtens 100 000 Sonnenweiten anzunehmen und greifen aller Wahrſcheinlichkeit nach ſogar nicht zu hoch, wenn wir denſelben im allgemeinen viel größere, einem viel- fachen des oben genannten Wertes gleichkommende Werte beilegen. Um indeſſen unſere Vorſtellungen auf einen beſtimmten Punkt zu vereinigen, wollen wir uns die äußerſten Regionen des Sonnengebietes ganz allgemein 100 000 Sonnenweiten vom Mittel— punkt entfernt denken. Es gilt alſo, die Bedingungen zu ermitteln, unter denen ein Körper von der Beſchaffenheit unſerer Kometen aus dieſen entlegenen Gegenden auf dem Wege einer Parabel bis in die Nähe der Sonne gelange. Von der eigenen Bewegung der letzteren ſoll dabei zunächſt ganz abgeſehen werden. Die in Bezug hierauf anzuſtellende Rechnung ergibt, daß jener Körper ſich mit einer Geſchwindigkeit von 132 m in der Sekunde fortbewegen müſſe, wenn er überhaupt unter den vorſtehend gemachten Vorausſetzungen eine Parabel um die Sonne beſchreiben ſoll; doch kann dabei die Geſtalt dieſer Parabel noch vielfach ſo be— ſchaffen ſein, daß ſie den auf ihr wandelnden Körper niemals in eine beachtenswerte Nähe der Sonne führen würde. Damit auch dieſer letztere Fall, wie wir ihn an den uns ſichtbar gewordenen Kometen bisher beobachtet haben, zutreffe, muß ferner noch die Bedingung erfüllt ſein, daß die Richtung, in welcher jene Bewegung ſtattfindet, nur um wenige Bogen— minuten von der Richtung nach der Sonne hin abweiche. Auch hier ſtehen wir alſo, wie bei der Beſprechung der hyperboliſchen Bewegung vor einer Bedingung, deren Erfüllung auf ungezwungene Weiſe zu erklären nicht angeht, obwohl die Thatſachen, nach der großen Zahl der bekannten Kometen mit paraboliſcher Bahn, für dieſelbe zu ſprechen ſcheinen. Es bleibt uns kein anderer Ausweg aus dieſer Schwierigkeit, als daß wir die Forderung, der Komet ſolle eine Parabel beſchreiben, nicht allzu wörtlich nehmen. In der That wird ja auch die erſte Bedingung, welche, wie wir ſahen, die Geſchwindigkeit der Bewegung betrifft, nur in ſeltenen Fällen ſtreng erfüllt ſein. Nehmen wir alſo an, daß der zu erwartende Komet ſich an der oben aufgeſtellten Grenze des Sonnengebietes noch etwas langſamer als 132 m in der Sekunde bewege. Aller— dings würde er dann auf einer elliptiſchen Bahn in die Sonnennähe gelangen, aber dieſe Ellipſe würde ſich daſelbſt ſo wenig von einer Parabel unterſcheiden, daß dieſer Unterſchied ſich bei den ſorgfältigſten Be⸗ bachtungen nicht erkennen ließe. Für die Richtung der Anfangsbewegung ergibt ſich aber bei ſolcher An— nahme jeder nur wünſchenswerte Spielraum. So würde ſelbſt ein Komet, der im Anfang ſich ſenkrecht zur Richtung nach der Sonne hin bewegte, alſo gerade in ſeinem Aphel ſtände, ſich bis auf eine Sonnenweite im Perihel der Sonne nähern, wenn ſeine Geſchwindigkeit in jenem erſten Augenblick nur 0,42 m betrüge. Es wäre denkbar, um auch dieſe Möglichkeit zu berühren, daß ein Körper von der Art der Kometen ſeine Laufbahn an der Grenze des Anziehungsgebietes der Sonne im Zuſtande vollkommener Ruhe in Bezug auf letztere begönne. Das Schickſal desſelben, wie leicht einzuſehen, würde ſein, daß er geradeswegs auf die Sonne zufiele und merkwürdigerweiſe würde er, wie die Rechnung ergibt, in der Entfernung einer Sonnenweite von der Sonne mit einer Geſchwindig⸗ keit von 41,851 km, d. h. alſo mit paraboliſcher Geſchwindigkeit, ankommen. Freilich würde ſein Fall unter ſolcher Vorausſetzung mehr als das Doppelte jener Zeit erfordern, in welcher er bei entſprechender Anfangsgeſchwindigkeit die Sonnennähe in einer Parabel erreichen könnte. Nichtsdeſtoweniger iſt aus den bisherigen Erörterungen erſichtlich, daß die An— näherung eines Körpers an die Sonne mit para- boliſcher Geſchwindigkeit im großen und ganzen als ein Fall auf die Sonne zu aufgefaßt werden darf. Es muß nun daran erinnert werden, daß alle im vorhergehenden beigebrachten Angaben bezüglich der Bewegungen ſolcher Weltkörper, welche dem Geſchlechte der Kometen angehören, auf die Voraus⸗ ſetzung, daß die Sonne ſich im Ruheſtande befinde, begründet ſind. Nur für den Fall, daß dieſe Voraus⸗ ſetzung zutreffend iſt, können die genannten Bewegungs— zuſtände als Bewegungen im Raume aufgefaßt werden. In der That iſt nun aber nachgewieſen, daß die Sonne ſelbſt ihren Ort im Raume ſtetig verändert, und wenn auch die Angaben über den Grad dieſer Bewegung noch nicht als verbürgt anzuſehen ſind, ſo ſcheint doch ſo viel feſtzuſtehen, daß das ganze Sonnenſyſtem ſich annähernd durch den Raum mit derſelben Geſchwindigkeit wie die Erde in ihrer Bahn um die Sonne bewegt. Damit nun durch dieſen Umſtand nichts in den erörterten Beziehungen der Kometen zur Sonne geändert erſcheine, müſſen wir die erſteren, unbeſchadet ihrer eigenen Bewegung, auch an der Bewegung der Sonne teilnehmen laſſen. Dieſe iſt aber 200- bis 300mal größer als die größte Geſchwindigkeit, welche wir der relativen Eigen— bewegung der Kometen an der Grenze des Sonnen⸗ gebietes überhaupt zuſchreiben dürfen. Die Bedeutung dieſes Verhältniſſes iſt unſchwer zu erkennen. Der Unterſchied nämlich zwiſchen der Geſamtbewegung der Kometen am Rande des Sonnengebietes und der Be— wegung des Sonnenſyſtems ſelbſt iſt fo gering, daß wir beide nahezu als gleich und parallel annehmen dürfen. Hiernach ſind wir anſcheinend berechtigt, die Kometen überhaupt als zugehörige Beſtandteile unſeres Sonnen— ſyſtems zu betrachten. Wir ſehen uns alſo zurück— geführt auf die ſchon von Kant ausgeſprochene Vermutung, daß die Kometen gleich den übrigen Gliedern unſeres Sonnenſyſtems von jeher dem Ur— jtoff, aus welchem dasſelbe fic) bildete, angehört haben. Sie ſind gleichſam an die fernen Grenzen des Sonnengebietes vorgeſchobene Poſten, in deren Daſein die Gelegenheit, die im Mittelpunkt dieſes Organismus ſtrahlende Reſidenz der herrſchenden Humboldt. — November 1885. Gewalt aus nächſter Nähe zu ſehen, ein glanzvolles Ereignis, wenn auch von verhältnismäßig nur kurzer Dauer, doch mitunter von verhängnisvollen Folgen zu bilden berufen iſt. Der Zeitpunkt, in welchem dieſes Ereignis für jeden einzelnen der zu erwartenden Gäſte eintritt, hängt ſelbſtredend ab teils von der Geſchwindigkeit ſeiner beſonderen Bewegung, teils von der Entfernung, in welcher er dem Anziehungs— trieb der Sonne zu folgen begann. Auch wenn wir uns dieſe Entfernung noch erheblich kleiner als nach der unſerer Unterſuchung zu Grunde liegenden An— nahme vorſtellen, würde das Ergebnis dieſer Unter— ſuchung doch im weſentlichen dasſelbe bleiben. Die Zeit, in welcher die Kometen die weiten Strecken, welche ſie anfangs von der Sonne trennen, zurück— legen, würde immerhin, wegen der anfänglich nur ſehr langſam anwachſenden Bewegungsgeſchwindigkeit, viele Tauſende oder gar einige Millionen von Jahren betragen. Mit der letzteren Angabe ſcheint die Erfahrung im Widerſpruch zu ſtehen, daß viele Kometen von beträchtlich kürzerer Umlaufszeit, welche letztere bei einigen ſogar nur wenige Jahre ausmacht, in unſeren Geſichtskreis gelangt ſind. Dieſer Umſtand findet darin ſeine Erklärung, daß die Kometen bei ihrer Annäherung an die Sonne jene Gebiete durchwandern, in welchen die unter Umſtänden ſehr einflußreichen Hauptplaneten ihre Kreiſe ziehen. Bei einer hin— reichend großen Annäherung an einen der letzteren kann die von demſelben ausgeübte Anziehung derartig in die Bewegung des Kometen eingreifen, daß aus der urſprünglich ſo weit ausgedehnten Bahn desſelben eine ſolche von ſehr kurzer Umlaufsdauer ſich bildet. Ein ſehr auffälliges Beiſpiel für eine ſolche Möglich— keit bietet der berühmte Lexellſche Komet vom Jahre 1770. Die Umlaufszeit desſelben war näm⸗ lich durch die Einwirkung des Jupiter im Jahre 1767 auf 5¾ Jahre herabgeſetzt worden; bei einer zweiten Annäherung an denſelben Planeten im Jahre 1779 wurde dagegen umgekehrt die Bahn des genannten Kometen wieder ſo weit ausgeſtreckt, daß man wohl lange Zeit vergeblich auf deſſen Rückkehr gewartet haben würde, wenn nicht Lepell ſchon vorher auf die Urſache ſeines wahrſcheinlichen Ausbleibens auf— merkſam gemacht hätte. Müſſen wir es ſchon an und für ſich als ein höchſt unwahrſcheinliches Ereignis betrachten, daß fremde Weltkörper gerade unter ſolchen Bedingungen, welche ſie auf nahezu paraboliſche Bahnen in unſeren Geſichtskreis führen würden, in das Sonnenſyſtem eintreten, ſo würden wir bei ſolcher Annahme inſofern auf noch größere Schwierigkeiten ſtoßen, als wir auch die Wiederkehr ſolcher Ereigniſſe unter faſt ge— nau denſelben Umſtänden annehmen müßten. im Eingange angeführten Kometen von 1668, 1843, 1880 und 1882 liefern dafür ein ſehr lehrreiches Beiſpiel. Dieſer Fall, daß ſpätere Kometen nach kürzeren oder längeren Zwiſchenzeiten von hundert und mehr Jahren nahezu in derſelben Bahn wie ein oder mehrere Vorgänger die Sonnennähe durchlaufen, Die 425 ſteht aber durchaus nicht vereinzelt da. Eine Ver— gleichung der bekannten Kometenbahnen lehrt uns eine ganze Anzahl ſolcher Gruppen kennen. In der nachſtehenden Ueberſicht dieſer Gruppen ſind die ein— zelnen Kometen der Kürze halber einfach durch das Jahr und den Monat ihres Erſcheinens bezeichnet worden. Gruppe 1 Dezemb. 961, Auguſt 1558, Juni 1854. 2 Juli 1264, April 1556. 3 Oktober 1532, Januar 1661. 4 Oktober 1585, Septemb. 1844. , 5 Februar 1668, Februar 1848, Januar 1880, Septemb. 1882. 6 Dezemb. 1664, Februar 1853. 7 Juni 1737, Juli 1874, Mai 1881. 8 Januar 1743, Novemb. 1819, Septemb. 1881. 9 Juni 1748, Juni 1849. 10 Mai 1762, April 1877. 11 Septemb. 1780, 12 Novemb. 1783, Septemb. 1827. Novemb. 1793. e eee e Rovemb. 1867. 14 Mai 1790, Mai 1825. 15 Juli 1797, Mai 1808. 16 Septemb. 1807, Novemb. 1880, Juni 1881. 17 Septemb. 1810, Dezemb. 1863. 18 Juni 1827, April 1852, April 1877. 19 Juli 1857, Septemb. 1857. 20 Februar 1863, Dezemb. 1863. Unter dieſen 20 Gruppen iſt kaum eine, von welcher nicht unzweifelhaft nachgewieſen wäre, daß die einzelnen ihr angehörenden Kometen verſchiedene Individuen ſind, obgleich deren Bahnen zwar ungleiche Umlaufszeiten aufweiſen, aber in Bezug auf ihre Lage im Raume und zur Sonne einander außer— ordentlich ähnlich ſind. Worin liegt nun aber die Urſache ſolcher merk— würdigen Erſcheinungen, welche doch ſicher nicht als Zufälligkeiten aufgefaßt werden können? Die einfachſte Löſung dieſer Frage dürfte in der Annahme gefunden werden, daß in jenen äußeren Schichten unſeres Sonnenſyſtems, aus denen unſerer Vorſtellung nach die Kometen ſich allmählich loslöſen, von jeher gewiſſe gruppenartige Stoffanhäufungen ſich gebildet haben mögen, deren einzelne zu dichteren Maſſen zuſammen— geballte Teile, dem Geſetze der gegenſeitigen Anziehung gehorchend, als enger verbundene Syſteme unter— einander zuſammenhielten. In einer ſolchen An— nahme liegt durchaus nichts Ungewöhnliches, da ſowohl innerhalb unſeres Sonnenſyſtems die Hauptplaneten mit ihren Trabanten als in der fernen Sternenwelt die ſogenannten Doppelſterne und Sternhaufen als bekannte Beiſpiele ſolcher Syſteme im größeren Maß— ſtabe gelten können. Ueber die in einem Syſtem zukünftiger Kometen waltenden Zuſtände laſſen ſich freilich nur Ver— mutungen aufſtellen. Im allgemeinen darf man wohl annehmen, daß bei der Geringfügigkeit der Maſſen, welche hier in Betracht kommen, die Sonder— bewegungen einzelner Glieder gegenüber der gemein⸗ ſamen Bewegung des ganzen Syſtems ſehr unbedeutend ſind, ſo daß das letztere in ſeiner Geſamtheit nahezu 426 Humboldt. — November 1885. gleichförmig auf der Wanderung zur Sonne begriffen iſt. Andererſeits mag aber der Zuſammenhang zwiſchen den einzelnen Gliedern des Syſtems immerhin ein ſo loſer ſein, daß bei genügender Annäherung an die Sonne derſelbe gegenüber dem Unterſchiede an Intenſität, mit welcher die Sonne die näheren und entfernteren Teile des Syſtems anzieht, nicht mehr ſtandhält. Die Folge wird ſein, daß die erſteren einen immer größeren Vorſprung vor den letzteren gewinnen und die vordem feſt zuſammenhaltende Gruppe von der Sonne nachgerade aufgelockert wird. Nehmen wir beiſpielsweiſe an, daß zwiſchen zwei Kometen eines Syſtems, welche in einem gegenſeitigen Abſtand von etwa 3 Sonnenweiten in gleicher nahezu paraboliſcher Bahn der Sonne zuſtreben, bei einer Entfernung von der Sonne im Betrage von 100000 Sonnenweiten der frühere Zuſammenhang ſchon hin— reichend gelöſt ſei, ſo würde der eine um etwa 100 Jahre früher als der andere in unſeren Geſichts— kreis gelangen. Dieſelbe Verzögerung der Ankunft des einen gegen diejenige des anderen Kometen würde bei einer mehr elliptiſchen, dem Fall in der geraden Linie ſich nähernden Bahn unter ſonſt gleicher Voraus— ſetzung ſchon bei einem Abſtand von nur einer Sonnenweite beider Kometen eintreten. An der Fähigkeit der Sonne, in der gedachten Art ſtörend in den Organismus eines Syſtems zuſammenhaltender Maſſenteile einzugreifen, wird man nicht zu zweifeln brauchen, wenn man ſich der hin— länglich bekannten Erſcheinung der Gezeiten erinnert. Denn die Anſchwellungen der den Erdball umhüllenden Waſſermaſſe auf der dem Monde zugewandten und der ihm abgewandten Seite kommen ebenfalls dadurch zuſtande, daß in den beiden genannten Gegenden der Erdoberfläche die Intenſität der Mondanziehung um ein beſtimmtes Maß, welches bedingt wird durch den einen ganzen Erddurchmeſſer betragenden Abſtand beider, verſchieden iſt. Eine derartige Störung des Gleichgewichtes kann bei einer anderen Verteilung der dabei mitwirkenden Kräfte zu einer vollſtändigen Auflockerung des beſtehenden Zuſammenhangs führen. Sie wird um jo merkbarer werden, je geringer einer— ſeits die Geſamtmaſſe und die Dichtigkeit des Syſtems und je größer andererſeits die ſtörende Maſſe iſt und je näher dem geſtörten Syſtem dieſelbe ſich befindet. Es ſind ſogar Erſcheinungen beobachtet worden, welche dafür ſprechen, daß ſelbſt zu einem Körper vereinigte Maſſengebilde unter geeigneten Umſtänden der Auflockerung durch die Sonne unterworfen ſind. Die Geſchichte der Kometen erzählt von Beiſpielen ſolcher, in deren Innerem faſt vor den Augen des Beobachters gewiſſe Teilungen der Lichtmaſſe ſich wahrnehmbar machten. Allgemein bekannt iſt die im Jahre 1846 erfolgte Trennung des Bielaſchen Kometen in zwei durchaus ſelbſtändige Kometenweſen, deren Auflöſung, wie es ſcheint, ſeitdem noch weiter vorgeſchritten iſt; in neueſter Zeit hat der große Septemberkomet vom Jahre 1882 ebenfalls durch die Ausbildung mehrerer deutlich erkennbarer Licht— kerne in ſeinem Inneren und durch die gleichzeitige Nachbarſchaft einiger-ſchwacher ihn begleitender Nebel⸗ maſſen die Aufmerkſamkeit der Aſtronomenwelt in hohem Maße erregt. — Es darf bei dieſer Gelegen⸗ heit nicht unerwähnt bleiben, daß nach der Darlegung Schiaparellis es gar keinem Zweifel unterliegt, daß wir in den periodiſchen Sternſchnuppenſchwärmen, welche zu gewiſſen Zeiten des Jahres den Nacht— himmel in hell aufleuchtenden Bahnen durchziehen, nichts anderes erblicken als die unter der auflöſenden Kraft der Sonne in einen langen Strom oder gar ſchon in einen geſchloſſenen Ring ausgebreiteten Teilchen früherer Kometenkerne. Dieſe bei jeder er— neuten Wiederkehr zur Sonne mehr und mehr fort— ſchreitende Auflockerung eines Kometen erfolgt, nebenbei geſagt, im weſentlichen immer längs der Bahn des— felben und iſt nicht zu verwechſeln mit der die Be- wunderung auch des Nichtaſtronomen und die Auf— merkſamkeit des Fachmannes aufs höchſte in Anſpruch nehmenden glanzvollen Ausſtrahlung oder Schweif— bildung, auf deren Urſachen hier nicht näher ein- gegangen werden ſoll. Es bleibt nun ſchließlich noch der Fall zu erörtern, daß die Sonderbewegungen einzelner Glieder einer von der Sonnenanziehung ergriffenen Kometengruppe doch nicht, wie wir früher annahmen, gegen die Geſamtbewegung des Syſtems verſchwinden, ſondern bedeutend ſchnell genug ſind, um auf die Lage der Bahnen jener beſonderen Teile einen merklichen Ein— fluß auszuüben. Die Spuren der früheren Zuſammen— gehörigkeit mit anderen derſelben Gruppe können bei den Kometen, welche in ſo veränderten Bahnen wan— deln, für den erſten Blick mehr oder weniger voll— ſtändig verwiſcht ſein, und erſt einer genaueren Unterſuchung bleibt es in ſolchem Falle vorbehalten, die auf die Gemeinſamkeit des Urſprungs der be— treffenden Kometen hinweiſenden Anzeichen aufzu— finden. Eine ſolche Unterſuchung würde zunächſt ihr Augenmerk darauf zu richten haben, ob die vom Scheitelpunkt über die Sonne hinaus verlängerten Achſen mehrerer Kometenbahnen annähernd nach der— ſelben Richtung zeigen, weil etwa in dieſer Richtung offenbar jedesmal die Urſprungsgegend eines Kometen zu ſuchen iſt. Als entſcheidendes Merkmal, welches aber freilich erſt anwendbar iſt, wenn die Bahnen von drei oder mehr Kometen in Betracht kommen, würde aber auch ohne erſtgenannte Uebereinſtimmung der Umſtand zu gelten haben, daß auch die Schnitt— linien oder Knotenlinien aller zu unterſuchenden Bahnen untereinander ziemlich nahe zuſammenfallen, weil, von äußeren Störungen abgeſehen, jede Kometen— bahn in einer durch die Sonne und den Urſprungs⸗ ort des Kometen gehenden Ebene liegen muß. Es iſt das Verdienſt des verſtorbenen Aſtronomen Hoek, darauf aufmerkſam gemacht zu haben, daß in der That bei mehreren Gruppen von Kometenbahnen die oben angegebenen Bedingungen erfüllt ſind. Von den bis jetzt ermittelten 5 Gruppen dieſer Art ſind die beiden nachſtehend aufgeführten Gruppen beſonders bemerkenswert. Die denſelben angehörenden Kometen Humboldt. — November [885. 427 find hier gekennzeichnet durch die Epoche ihrer Erſchei⸗ nung und die in Länge und Breite ausgedrückte Him melsrichtung, nach welcher die Achſen ihrer Bahnen hin— weiſen (Aphel); beigefügt iſt jeder Gruppe die ebenſo bezeichnete Richtung der gemeinſamen Knotenlinie. Epoche 5 Gemeinſ. Knoten Br. Br. Juli 1596 108° — 43° 5 1781 81 50 1. Gruppe at 1825 88 Tee 73° — 51 U 5 1843 116 — 41 | April 1863 77 — 55 5 April 1785 69 — 53 Juni 1845 89 — 47 2. Gruppe ] Juli 1857 52 — 38 [ 68 — 50° Sept. 1857 54 — 43 Es iſt hierzu noch erläuternd zu bemerken, daß die jeder Gruppe beigefügte Lage des Knotenpunktes der gehörig verlängert gedachten Bahnebenen am Himmel der mittleren Lage ſämtlicher in jeder Gruppe vorkommenden Schnittpunkte entſpricht. Die erſte Gruppe umfaßt 15, die zweite 6 ſolcher Schnittpunkte. Beide Gruppen von Schnittpunkten liegen jede für ſich innerhalb eines ſehr kleinen Kreiſes mit einem Halbmeſſer, der einem Bogen von nicht mehr als 2 bis 3 Grad entſpricht. Der jeder Gruppe bei— gefügte Knotenpunkt würde alſo als die Urſprungs— gegend der zugehörigen Kometen gelten können, ob— wohl die, hier nicht mitgeteilten, Bahnelemente der letzteren untereinander zum Teil recht erhebliche Unterſchiede aufweiſen. Die große Nähe beider Knotenpunkte bei einander veranlaßte mich zu der Unterſuchung, ob ſich nicht die beiden angeführten Gruppen zu einer einzigen vereinigen ließen. In der That ſtellte ſich heraus, daß unter den 45 Schnittpunkten am Himmel, welche ſo entſtanden, nur 3 ihrer Lage nach dieſer Annahme nicht zu entſprechen ſchienen; aber auch dieſe letzteren ließen ſich durch eine nur ſehr geringe Aenderung der zugehörigen Bahnelemente bequem den übrigen an— paſſen, weil ſie von je zwei Ebenen mit äußerſt geringer gegenſeitiger Neigung, wobei die Lage der Knoten— linie ſich immer unſicher beſtimmt, gebildet werden. Es ergab ſich ſo als die mittlere Richtung für die Knotenlinien aller hier in Betracht kommenden 9 Kometenbahnen ein Ort am Himmel von 72 Grad Länge und 51 Grad ſüdlicher Breite. Bei ſolchen Ergebniſſen kann in Erwägung aller denſelben gegenüberſtehenden Möglichkeiten von einem Zufall nicht gut die Rede ſein. Es dürfte fomit kaum noch einem Zweifel unterliegen, daß in der That in gewiſſen Himmelsgegenden Kometenneſter, ſo zu ſagen, ſich vorfinden, deren Inſaſſen in un— regelmäßiger Zeitfolge teils auf nahezu denſelben, teils auf mehr voneinander abweichenden Wegen nach der Sonne zu ausſchwärmen. Nicht allen unter ihnen iſt es vergönnt, vom gewagten Fluge unver— ſehrt in das heimatliche Neſt zurückzukehren; gar mancher der flügge gewordenen Neſtlinge fällt in die Schlingen eines lauernden Planeten und wird in den der Sonne näher gelegenen Regionen zurückgehalten, wie der an den Flügeln gelähmte Zugvogel auf die Heimkehr aus dem fernen Lande verzichten muß. Welches Schickſal ſeiner dabei harrt, davon berichten die im Schweigen der Nacht in größerer oder ge— ringerer Zahl plötzlich aufleuchtenden und wieder verſchwindenden kometariſchen Ueberreſte, welche unter dem Namen „Sternſchnuppen“ allgemein bekannt ſind, und deren Sprache dem Aſtronomen kein Geheimnis mehr iſt. Wenn nun auch die Kometen in den Augen manches Leſers vielleicht in etwas von ihrem geheimnis— vollen Reiz einbüßen mögen bei der Erkenntnis, daß ſie nach der vorliegenden Erörterung nicht mehr als die Sendboten jener fernen Sternenwelten gelten dürfen, deren bloßes Daſein ſo mächtig die Einbildungs— kraft jedes denkenden Menſchen anzuregen geeignet iſt, ſo wird dieſe vermeintliche Einbuße ihres Anſehens doch reichlich dadurch aufgewogen, daß uns durch ihr Erſcheinen ein neuer Einblick in den Bau unſeres Sonnenſyſtems eröffnet wird. Wenn wir uns auch nicht verhehlen dürfen, daß die Umriſſe des hier vorgezeigten Bildes, wie es in der Natur der Sache liegt, noch ſehr unbeſtimmt ſind, ſo iſt doch zu hoffen, daß bei den Fortſchritten, welche die Inſtrumental— technik der Neuzeit aufzuweiſen hat, und bei der immer größer werdenden e welche die Anſtalten zur Ueberwachung der Vorgänge am Himmel, dank dem ſtetig wachſenden allgemeinen Intereſſe für die letzteren, gewinnen, mit der Zeit ein ſo reich— haltiges Beobachtungsmaterial herbeigeſchafft werden wird, daß es gelingen dürfte, auch nach dieſer Rich— tung hin unſere Kenntniſſe von den großartigen Wun— dern des Weltbaues zu erweitern und zu vertiefen. Einrichtung einer elektriſchen Beleuchtung unter Verwendung von Glühlicht. Von T. Grawinkel, Poſtrat in Frankfurt a. M. Solange das elektriſche Licht weſentlich dem Zwecke diente, eine intenſive Beleuchtung mittels einzelner Lampen — den ſogenannten Bogenlampen, aus zwei Kohlenſtäben beſtehend, zwiſchen deren auf geringe Entfernung genäherten Enden der le Flammen⸗ bogen ſich bildet — hervorzubringen, ſo lange konnte dasſelbe naturgemäß nur Bedeutung für die Erleuch— tung großer Räumlichkeiten oder von Straßen und 428 Humboldt. — November 1885. freien Plätzen gewinnen. Durch das Glühlicht aber — unter welchem man das durch Glühen eines in luftverdünntem Raume eingeſchloſſenen feinen, vom elektriſchen Strome durchfloſſenen Kohlenbügels ?) er⸗ zeugte Licht verſteht — hat dasſelbe begonnen, in den Verhältniſſen unſeres Lebens eine ſehr erweiterte Rolle zu ſpielen. Im Gegenſatz zu dem hauptſäch—⸗ lichen Nutzen, den das Bogenlicht mit ſich bringt — eine äußerſt intenſive Beleuchtung bei geringer Lampen- zahl zu ſchaffen — entſpringt der Nutzen des Glüh— lichtes weſentlich aus ſeiner Eigenſchaft, bei wohl— thuender mäßiger Lichtwirkung in geſchloſſenen Räu— men eine ſehr günſtige Einwirkung auf die Erhaltung unſeres Wohlbefindens auszuüben, dadurch, daß die— jenigen ſchädlichen Einflüſſe, welche durch Verbrennen organiſcher Körper in geſchloſſenen Räumen not— wendigerweiſe entſtehen, fern gehalten werden; ferner aus der Eigenſchaft, daß es ausführbar iſt, nicht allein zahlreiche Glühlichter mit einer Anlage zu betreiben, ſondern dieſelben auch für kleine Räumlich— keiten und für häusliche Zwecke mit Vorteil ver⸗ wenden zu können. Die Erörterung der Frage, wie und durch welche Mittel bei dem gegenwärtigen Stande der Technik die zweckmäßige Einrichtung einer Glühlichtbeleuchtung erreicht wird, iſt bei der fortſchreitenden Vermehrung ſolcher Anlagen daher von Intereſſe. Bei Beantwortung dieſer Frage gehen wir zu— nächſt von der Vorausſetzung aus, daß eine elektriſche Beleuchtungsanlage innerhalb eines größeren Ge— bäudes als ſelbſtändige Einrichtung fungieren möge, um dann im Anſchluß hieran einige kompliziertere Verhältniſſe zu betrachten, welche bei der Beleuchtung ganzer Gebäudekomplexe von einer Centralſtation aus beſonders in Frage kommen. Die zweckmäßige Einrichtung einer elektriſchen Glüh— lichtbeleuchtung ſetzt die Erfüllung von vier Grund— bedingungen voraus. Von jedem künſtlichen Licht, welches auf unſere Augen nicht ſchädlich einwirken und einen angenehmen Eindruck machen ſoll, ver— langen wir nämlich: 1. ruhiges Leuchten; 2. eine dem betreffenden Gebrauchszwecke ent— ſprechende und ſtets gleiche Lichtſtärke. An die Einrichtung der Anlage ſelbſt aber ſtellen wir die Anforderung, daß ſie: 1. den Gebrauchszwecken in praktiſcher Weiſe Rech—⸗ nung trage; 2. ausreichenden Schutz gegen Entſtehung von Feuer und von Gefahr für unſere Geſundheit und unſer Leben biete. Die erſte Forderung des ruhigen Lichtes weiſt uns bei der elektriſchen Beleuchtung auf die not— wendigen Eigenſchaften des Motors hin, welcher die zur Umſetzung der mechaniſchen Arbeit in elektriſche Arbeit erforderlichen Bewegungen vollzieht; die zweite ) Da die Kontaktglühlampen kaum mehr angewendet werden, ſo kann man die Bezeichnung „Glühlicht“ lediglich auf die Kohlenbügellampen anwenden. Forderung betreffs Erzielung einer genügenden ſtetigen Lichtſtärke auf die Art der Lampen und die Konſtruk⸗ tion des die Elektricität erzeugenden Motors; die dritte Forderung — praktiſche Einrichtung — auf die Führung der Leitungen, Konſtruktion der Hänge— lampen, Tiſchlampen u. ſ. w.; die vierte Forderung endlich auf die feuerſichere Anlegung der Leitungen, d. h. auf die Vorkehrungen, welche gegen das Zünden durch Verbrennen der Leitungen und auch gegen Be- ſchädigungen der Lampen durch den elektriſchen Strom zu treffen ſind, ſowie auf die Frage, ob und welche Ge— fahren die Berührung der Leitungen etwa mit ſich bringt. Die meiſten elektriſchen Beleuchtungsanlagen wer— den durch einen Gasmotor oder durch eine Dampf- maſchine betrieben, ſeltener findet ſich Gelegenheit, Waſſer als bewegende Kraft zu verwenden. Die Be⸗ wegungen der Arbeitsmaſchine werden benutzt, um den ſogenannten Anker der elektriſchen Maſchine in ſchnelle Rotation zu verſetzen und dadurch Induktions⸗ elektricität zu erzeugen, die von einem beſonderen, an. der Maſchine befindlichen Apparatteil, dem Sammler (Kommutator oder Kollektor), aufgenommen und in die Leitungen geführt wird, wo ſie dann die in den Lampen befindlichen dünnen Kohlenbügel zum Glühen bringt. Die in Bewegung befindliche, von elektriſchen Maſchinen erzeugte Elektricität kann entweder in Form von intermittierenden Strömen oder als fontinuter- licher Strom zur Verwendung kommen, je nach der Einrichtung der Maſchinen, welche entweder Wechſel— ſtrom⸗ oder Gleichſtrommaſchinen find. In den erſte⸗ ren entſteht eine Reihe raſch aufeinander folgender, in ihrer Richtung entgegengeſetzter Stromimpulſe, welche mit Hilfe des Kommutators als Ströme gleicher Richtung in die Leitung entſendet werden. Jeder der ſehr ſchnell aufeinander folgenden Strom— impulſe, oder beſſer Stromſtöße, ſteigt bis zu einem gewiſſen Maximum an und fällt dann wieder ab. Die Gleichſtrommaſchinen dagegen liefern nicht auf- einander folgende Stromſtöße, ſondern einen fontinuter- lichen Strom, welcher von einem an der Achſe des Ankers befindlichen Kollektor, auf dem Kontaktbürſten ſchleifen, aufgenommen und in die Leitung geführt wird. Gleichrichten der in Bewegung befindlichen Elektricität iſt bei ſolchen Maſchinen nicht erforder— lich. Für Glühlichtbeleuchtungen werden aus manchen Gründen die Gleichſtrommaſchinen vorgezogen, daher ſich die nachfolgenden Auseinanderſetzungen auch nur auf derartige Maſchinen beziehen. Der von einer Maſchine gelieferte Strom hängt in ſeiner Stärke von dem Geſamtwiderſtand des äußeren Stromkreiſes und der elektromotoriſchen Kraft der Maſchine, d. h. von der Intenſität des in den Elektromagneten erzeugten Magnetismus, ab. Da nun bei gleichbleibendem Widerſtand der Strom der Ma— ſchine bis zu einer gewiſſen Grenze und in gewiſſem Verhältniſſe mit der Umdrehungsgeſchwindigkeit ſich ändert, ſo ſteigt und fällt auch die elektromotoriſche Kraft in einem beſtimmten Verhältnis mit der Drehungsgeſchwindigkeit. Bei gleichbleibender Ge— ſchwindigkeit (gleicher Tourenzahl in der Zeiteinheit) Humboldt. — November 1885. 429 wird man demnach einen Strom von konſtanter elek— tromotoriſcher Kraft und Stärke erhalten, falls der Geſamtwiderſtand des Stromkreiſes derſelbe bleibt. Der Strom muß unter dieſer Bedingung ſtets gleiche Wirkung ausüben, ſo daß die Lampen mit gleich— mäßiger Lichtſtärke erglühen. Hiernach iſt klar, daß ein gleichmäßiger Gang der Arbeitsmaſchine von der größten Wichtigkeit ſein wird. Denn da mit Rück— ſicht auf die notwendige Drehungsgeſchwindigkeit der elektriſchen Maſchine jeder Umdrehung der Welle an der Arbeitsmaſchine eine größere Zahl von Um— drehungen des Ankers der elektriſchen Maſchine ent— ſpricht, ſo wird bei nicht gleichmäßigem Gange der Arbeitsmaſchine die Drehungsgeſchwindigkeit des Ankers periodenweiſe anſteigen und fallen, infolgedeſſen der innerhalb dieſer Perioden verlaufende Strom je nach der wechſelnden Geſchwindigkeit ebenfalls ſchwankt, was ſich in der ſteigenden und fallenden Gluth der Kohlenfäden bemerklich macht. Unter Umſtänden iſt man bei einiger Aufmerkſamkeit ſogar imſtande, an dem Auf- und Niederſchwanken der Glut die Zahl der Umdrehungen der Arbeitsmaſchine zu kontrol— lieren. Es muß aber nicht allein die Arbeitsmaſchine ſehr regelmäßig wirken, ſondern auch die Vorrichtung, welche mittels Riemen und durch entſprechende breite Scheibenräder die Bewegung auf die elektriſche Ma— {chine überträgt (Transmiſſion, Vorgelege). Rotiert dieſe nicht gleichmäßig oder ſtoßweiſe, gleiten oder ſtoßen die Riemen, ſo machen ſich alle Unregelmäßig— keiten durch ein Zucken der Glut in den Kohlenfäden ſofort bemerkbar und wirken um ſo unangenehmer, wenn bei dem Lichte geleſen, geſchrieben oder ſonſtige die Augen in Anſpruch nehmende Arbeit geleiſtet werden ſoll. Die gleichmäßige Bewegung wird geſichert durch gute und zweckmäßige Konſtruktion der Arbeits— maſchinen, bei Dampfmaſchinen beſonders gefördert durch eine möglichſt präciſe wirkende Reguliervorrich— tung, ferner durch ſorgfältige Herſtellung der Trans— miſſion, vorzüglich der Riemen. Als zweckmäßige Konſtruktion der Dampfmaſchine iſt die nach dem Woolfſchen Zweicylinderſyſtem mit um 90° gegen— einander verſetzten Kurbeln zu empfehlen, die ſogenannte Compoundmaſchine. Bei Gasmotoren wählt man eben— falls eine Zwillingskonſtruktion. Um die ungeachtet aller Sorgfalt ſtets vorhan— denen Ungenauigkeiten in der Riemenführung zu ver— meiden, wäre es am beſten, die elektriſche Maſchine direkt von der Arbeitsmaſchine treiben zu laſſen. Wenngleich eine ſolche Einrichtung nicht unerhebliche Schwierigkeiten macht, ſo iſt ſie doch von Ediſon bei Einrichtung der New Yorfer Beleuchtungsanlage verſucht worden. Ediſon hat dort ſogenannte Dampf— dynamos aufgeſtellt, bei denen die elektriſche Maſchine direkt mit der Welle der Dampfmaſchine durch eine zweckmäßige Kuppelung verbunden iſt. Bei der er— heblichen Umdrehungsgeſchwindigkeit, welche man in— deſſen der Dampfmaſchine geben muß — bei der Ediſonanlage beträgt dieſe 350 Umdrehungen in der Humboldt 1885. Minute — hat eine ſolche Art des Betriebes auch Nachteile im Gefolge. Soll die Anlage genügendes ſtetiges Licht geben, ſo müſſen ſowohl die Lampen gut konſtruiert ſein, als auch muß die elektriſche Maſchine den Anforde— rungen, welche je nach der Art und Zahl der Lampen in Bezug auf Stärke und Spannung des Stromes zu ſtellen ſind, voll genügen. Bezüglich der Auswahl der Lampen iſt zu bemerken, daß es ſich keineswegs um die Schaffung eines beſonders hellen Lichtes han— delt, da für die meiſten Zwecke des häuslichen und gewerblichen Lebens Lichtſtärken von 12 bis 16 Kerzen vollſtändig ausreichen und zwar auch dann, wenn ein Arbeitsplatz für mehrere Perſonen genügend erleuchtet werden ſoll. In den Apparatſälen des Telegraphen— amts in Frankfurt befinden ſich z. B. Glühlampen von 16 Kerzenſtärken und es erleuchtet jede Lampe mit ausreichender Lichtfülle einen mit vier Morſe— apparaten beſetzten Tiſch. Dagegen iſt es von großer Wichtigkeit, daß die Kohlenbügel in den Lampen von möglichſt gleicher Beſchaffenheit ſind. Die Technik leiſtet zwar bei der Lampenherſtellung bereits Vorzügliches, indeſſen iſt es bis jetzt doch nicht möglich geweſen, obigem An— ſpruch vollſtändig Genüge zu leiſten, ſo daß die Glüh— lampen eine ſehr verſchiedene Lebensdauer haben. Gewöhnlich rechnet man dieſe bei guten Lampen auf 800 Brennſtunden, d. h. wenn man nach längerer Betriebszeit die Zahl der erreichten Brennſtunden durch die Zahl der ſämtlichen Lampen leinſchl. der bereits vor Ablauf der Betriebszeit zerſprungenen) dividiert, erhält man obige Durchſchnittsziffer. Die zur Erzeugung der Elektricität für eine Glüh— lichtbeleuchtung verwendeten Gleichſtrommaſchinen ſind ſogenannte Compoundmaſchinen, bezüglich deren Be— ſchreibung und Eigenſchaften jedoch auf die im Auguſt— heft dieſer Zeitſchrift für 1884 S. 294 veröffentlichte Abhandlung des Herrn Prof. Dr. Krebs verwieſen werden muß. Für den vorliegenden ſpeciellen Zweck möchte ich nur folgende Betrachtung hinzufügen: Das Maß der elektriſchen Arbeit A wird beſtimmt durch das Produkt aus der wirkſamen Spannung (eleftro- motoriſche Kraft) E des Stromes und ſeiner Stärke 8, fo daß A = E. S iſt. E ; Da 8 Wr wenn W den Widerſtand des Strom: ; i E? kreiſes bedeutet, fo iſt A aud) = W. oder Zähler und rs 7 catty EW 8 Nenner mit W multipliziert, auch = w= SW. Das Maß der mechaniſchen Arbeit wird bekanntlich durch Pferdeſtärken beſtimmt, ſo daß eine Leiſtung, welche der Leiſtung einer Kraft entſpricht, die in einer Sekunde 75 Kilo einen Meter hoch zu heben vermag, als Leiſtung einer Pferdekraft bezeichnet wird. Die Einheit des elektriſchen Stromes iſt das „Ampere“, die Einheit der elektromotoriſchen Kraft das „Volt“. Ein Volt mal ein Ampere oder V. X. bedeutet mithin die Größe der elektriſchen Leiſtung, und die Leiſtung des Stromes in der Sekunde iſt die Einheit des Effektes. — 430 Die Vergleichung des Effektes einer Pferdekraft mit der Einheit des elektriſchen Effektes ergibt, daß eine Pferdekraft — 736 V. A iſt, d. h. die Wirkung von 736 elektriſchen Arbeitseinheiten pro Sekunde iſt gleich der Leiſtung einer Pferdekraft zu ſetzen. Dieſe elek⸗ triſche Pferdekraft bedeutet demnach den mechaniſchen Effekt eines Stromes. Hieraus iſt aber keineswegs zu ſchließen, daß man mit einer mechaniſchen Pferdekraft auch eine elektriſche (736 V. J nutzbar machen könne und zwar aus folgenden Gründen. Die Arbeit, welche zur Be— wegung einer elektriſchen Maſchine aufgewendet wird, gelangt in derſelben einesteils zum Verbrauch be— hufs Erzeugung der elektromotoriſchen Kraft, während ein anderer Teil dazu verwendet werden muß, die Reibung, den Luftwiderſtand und das Riemengleiten zu überwinden. Ein dritter Teil geht noch verloren infolge der im Inneren der elektriſchen Maſchine auf- tretenden Selbſtinduktion. Die zur Erzeugung der elektromotoriſchen Kraft aufgewendete Arbeit gelangt ferner durch den elektriſchen Strom nicht vollſtändig wieder zum nutzbaren Ausdruck, und zwar deshalb nicht, weil bis zur vollendeten Umſetzung in Licht ein weſentlicher Teil des elektriſchen Stromes in den Leitungen ſich in Wärme verwandelt und in dieſer, für den ſpeciellen Zweck nicht nutzbaren Energieform verloren geht. Außerdem geht ſtets ein Teil durch Ausgleichung verloren, weil die Iſolation der Leitun— gen niemals eine vollkommene ſein kann. Das Verhältnis der in den Lampen wirklich zu Tage tretenden elektriſchen Arbeit (das abſolute Güte⸗ verhältnis) zur aufgewendeten mechaniſchen Arbeit, welches bei einer Anzahl von Maſchinen durch viel— fache Verſuche beſtimmt worden iſt, zeigt uns, daß nur 0,63 bis 0,67 der aufgewendeten mechaniſchen Arbeit zum Ausdrucke gelangt. Da eine Pferdekraft gleich 736 V. K zu ſetzen iſt, fo beträgt das Güteverhältnis 463 bis 493 V.A In der Regel rechnet man für die Praxis 460 V. A. Wir erſehen hieraus, daß auf jede aufgewendete mechaniſche Pferdekraft rund 276 V. A Verluſt zu rechnen ſind. Wenden wir dieſe Berech— nung auf eine Glühlichtanlage an. Die Glühlampen brennen mit der ihnen zuſtehenden Lichtſtärke, wenn der den Kohlenfaden durchfließende elektriſche Strom eine beſtimmte Spannung beſitzt, welche konſtant bleiben muß und wenn jede Lampe den ihr zukommenden Stromanteil erhält. Wählt man z. B. Glühlampen von 16 Kerzenſtärken, welche 101 Volt Spannung und 0,71 Ampere Strom notwendig haben, ſo wäre die in 100 parallel geſchalteten Lampen zu leiſtende elektriſche Arbeit 100. 101. 0,71 = 7171 V. A. Um 5 F qty dieſe Arbeit zu leiſten, würden wir daher 460 Pferde⸗ kräfte notwendig haben, was rund 14 ergibt. Hier— mit könnte man demnach 16. 100 oder 1600 Kerzen— ſtärken erzeugen, ſo daß für rund 114 Kerzenſtärken je eine mechaniſche Pferdekraft notwendig wäre und man etwa 7 Lampen von je 16 Kerzenſtärken mit einer Pferdekraft betreiben kann. Aus der Berechnung geht noch eine andere, für Humboldt. — November 1885. die Oekonomie der Anlage wichtige Folgerung hervor. Die in einer der vorhin genannten Lampen auf⸗ gewendete Arbeit ijt 101 < 0,71 = rund 72 V. A. Nimmt man eine Lampe, welche 0,75 Ampere Strom und dieſelbe Spannung notwendig hat, ſo iſt die Arbeit 101 x 0,75 = rund 76 V. A. Die Ver⸗ wendung der zweiten Art Lampen würde mithin die Aufwendung einer größeren Arbeit beanſpruchen. Für die ökonomiſche Einrichtung ſind daher diejenigen Lampen vorzuziehen, welche bei gleicher Leuchtkraft und gleicher Spannung den geringſten Strom not- wendig haben, d. h. bei denen der Kohlenfaden einen hohen Widerſtand beſitzt. Wie erhebliche Unterſchiede in dieſer Beziehung oft ſind, geht daraus hervor, daß man Lampen von 16 Kerzen Leuchtkraft mit 101 Volt Spannung und 0,55 Ampere Strom haben kann, während andere 0,75 Ampere Strom erfordern. Auf eine Lampe macht dies rund 20 V. A und auf 100 Lampen 2000 V. A. aus, was einen Unterſchied von rund 4 Pferdekräften in der mechaniſchen Leiſtung ergibt. Dieſe Zahlen geben einen Anhalt, in welchen Grenzen man die Leiſtung der Arbeitsmaſchine je nach den Lampen zu wählen haben wird?). Es iſt nun klar, daß man unter Umſtänden bei einer aus⸗ gedehnten Beleuchtungsanlage nicht auskommen würde mit nur einer elektriſchen Maſchine, da die Kon— ſtruktion in Bezug auf Leiſtung nicht über eine ge— wiſſe Grenze hinausgehen kann. Beſonders iſt dies der Fall, wo es ſich um Beleuchtung ganzer Gebäude— komplexe handelt. Da für jede einzeln aufgeſtellte Maſchine eine Hin- und eine Rückleitung erforderlich wird, ſo würde die Zahl der Leitungen und damit die Koſtſpieligkeit der Anlage bedeutend wachſen. Weil aber gerade bei großen Anlagen die ungeheuren Koſten der unterirdiſchen Leitungsanlage meiſtens das weſentliche Hindernis für Herſtellung der Anlage bieten, ſo verſpricht eine Anordnung, wodurch erheb— liche Erſparniſſe in gedachter Beziehung erzielt werden, großen Erfolg. Zum vollen Verſtändnis einer ſolchen Anordnung iſt es zweckmäßig, uns zunächſt mit der Lampenſchaltung näher zu befaſſen. Wie in dem ſchon erwähnten Aufſatz des Herrn Prof. Dr. Krebs (Heft 8, 1884, S. 299 ff.) erklärt worden iſt, wendet man die Parallelſchaltung der Glühlampen an, ſo daß durch Vermehrung der Lampenzahl, d. i. durch Hinzufügung von Stromſchlüſſen in der Leitung, der Widerſtand des Stromkreiſes abnimmt, durch Ver— minderung der Lampenzahl der Widerſtand dagegen wächſt. Eine Veränderung des Widerſtandes des Stromkreiſes zieht aber eine Veränderung der Strom— ſtärke ſelbſt nach ſich, bringt damit die eleftromoto- riſche Kraft der Maſchine ebenfalls ins Schwanken, weil der Elektromagnetismus, von dem die Größe der elektromotoriſchen Kraft abhängt, von der Strom- ſtärke abhängt. Soll daher bei wechſelnder Lampen— zahl der Effekt in den Lampen ſtets gleich ſein, ſo *) Bei Maſchinen, welche für eine große Zahl Gliih- lichter konſtruiert ſind, iſt der mechaniſche Nutzeffekt ein etwas günſtigerer. Humboldt. — November 1885. muß dafür geſorgt werden, daß die Spannung in den Zuleitungen zu den Lampen ſich gleich bleibt, die Größe des Geſamtſtromes aber mit der Zahl der | Lampen fteigt und fällt, fo daß auf jede Lampe der paſſende Stromanteil wirkt. Die Compoundmaſchine (vergl. den mehrerwähnten Aufſatz) iſt ſo konſtruiert, daß dieſe Bedingungen in gewiſſen Grenzen erfüllt werden, ſomit das Produkt aus Spannung und Stromſtärke in jeder Lampe auch bei wechſelnder Lampenzahl, ſtets gleichen Wert behält, die Lampe demnach weder zu ſchwach leuchtet, noch zu ſtark in Anſpruch genommen wird. Natür— lich hat jede elektriſche Maſchine eine Grenze in be— treff der zu ſpeiſenden Lampenzahl. Das Maximum der Lampenzahl wird für eine Maſchine erreicht, wenn bei gleichbleibender beſtimmter elektromotori— ſcher Kraft (beſtimmter Tourenzahl) der äußere Widerſtand des Stromkreiſes gleich dem inneren der Maſchine iſt, weil dann die Maſchine das Maximum der Stromſtärke abgibt. Der innere Widerſtand iſt ſehr gering. Er möge für eine auf 100 Lampen berechnete Maſchine etwa 1,5 Ohm betragen. Wenn wir eine Lampe in den Stromkreis, deſſen Wider— ſtand wegen der Stärke der Zuleitungen gegenüber dem der Lampe verſchwindend klein und daher für die Praxis zu vernachläſſigen iſt, einſchalten, ſo be— trägt der Widerſtand der Lampe im heißen Zu— ſtande etwa 150 Ohm; ſchalten wir zwei, drei, vier Lampen u. ſ. w. nebeneinander, fo ſinkt der Wider- 150 150 150 : ftand auf —>-, 4 u. ſ. w. Bei 100 Lampen 3 , 30 9 955 erhalten wir 100 oder 1,5 Ohm. Bei dieſer Grenze würde die Leiſtungsfähigkeit der Maſchine erreicht ſein, wenn wir nicht zur Erzielung größerer Strom— ſtärke die elektromotoriſche Kraft der Maſchine durch Vermehrung der Tourenzahl erhöhen wollen, was weder ohne weiteres ausführbar, noch für die Lampen paſſend iſt, wenn es möglich wäre. Wollen wir z. B. bis zur doppelten Lampenzahl gehen, ſo müſſen wir entweder eine andere größere Maſchine oder noch eine zweite mit beſonderem Stromkreis in Betrieb nehmen. Da aber bei Beleuchtung ganzer Gebäudekomplexe die Zahl der jeweilig brennenden Lampen ſehr ſchwankt, ſo würde es weder zweckmäßig ſein, eine Maſchine unter der Einwirkung ſo großer Schwankungen ar— beiten zu laſſen, noch aus pekuniären Gründen ſich empfehlen, für jede Maſchine einen Stromkreis zu bilden. Auf dieſer Erwägung be— ruht das von Ediſon hergeſtellte ſogenannte Drei— leiterſyſtem. Zwei Maſchinen Dr und De werden hintereinander geſchaltet, wie die Figur angibt. Von den beiden freien Polen gehen zwei Leitungsdrähte, von den miteinander verbundenen Polen geht eine Leitung aus. Es möge bei einer beſtimmten Tourenzahl jede Maſchine v Volt Spannung entwickeln. Dann beträgt die Geſamtſpannung 2. Schaltet man zwei Lampen a und b zwiſchen die Leitungen J und III, fo wirkt die Spannung von D. allein ein, der Wider— 431 befonderen | 7 i ſtand der Lampen ift ‘gy wenn 1 den Widerſtand einer Lampe bedeutet. Der Strom in den Lampen iſt ſomit 970 wenn der Widerſtand der Leitung im Ver— hältnis zum Lampenwiderſtand ſehr gering iſt. Nimmt man die Lampe b fort und ſchaltet fie zwiſchen II und III, a b Fig. 1. ſo tritt die Maſchine De in Thätigkeit. Die Span⸗ nung wird nun 2, der Widerſtand der Lampen 21, 2 mithin der Strom a Beträgt die Spannung einer Maſchine 100 Volt, der Widerſtand einer Lampe 150 Ohm, ſo iſt der Strom im erſten Falle ae und ‘ 5 A 200 im zweiten Falle 300 oder 1,333 .. .. und 0,666 ... Ampere. Die Arbeit iſt in einem Falle v. iE = i ; 2 2 v7 21 1 alſo in beiden Fällen dieſelbe. Im zweiten Falle aber, wo wir durch die beiden Maſchinen 2 Spannung entwickelten, hatten wir nur die Hälfte des Stromes (0,666) nötig, während der Widerſtand vierfach war. Da hiermit dasſelbe Reſultat an Arbeit erzielt wird, ſo im anderen Falle 2 y. dürfte die geſamte Leitung bei zwei hintereinander geſchalteten Maſchinen ebenfalls einen zu den Lampen verhältnismäßig höheren Widerſtand und zwar nur den vierten Teil des Querſchnittes, alſo jede Leitung ½ des Querſchnittes der beiden Leitungen bei einer Ma— ſchine haben. Nimmt man nun die dritte Leitung hinzu und jest deren Querſchnitt auch auf 8 der Leitungen im erſten Falle feſt, ſo brauchen wir demnach bei zwei hintereinander geſchalteten Maſchinen den Geſamt— querſchnitt der drei Leitungen zu s desjenigen Quer- ſchnittes anzunehmen, welchen die beiden Leitungen zuſammen bei Benutzung einer Maſchine haben müſſen. 432 Humboldt. — November 1885. Das Dreileiterſyſtem bietet demnach erhebliche pefu- niäre Vorteile durch die Möglichkeit der Auswahl von bedeutend ſchwächeren Kupferdrähten. Befinden fic) im Stromkreiſe der Maſchine Di mehr Lampen als im Kreiſe der Maſchine De, ſo leiſtet die Maſchine Dr mehr Arbeit, als De und umgekehrt. Durch den mittleren Draht wird in ſolchem Falle ſtets Strom von oder zu derjenigen Maſchine hinfließen, welche die größere Arbeit leiſtet. Ein in dieſen Draht eingeſchaltetes Meßinſtrument wird durch einen Ausſchlag nach rechts oder links ſtets die Stromdifferenz für beide Maſchinen und die in Anſpruch genommene Maſchine anzeigen. Die einzelnen Häuſer des Gebäudekomplexes, welche von einem ſolchen Syſtem gekuppelter Maſchinen mit Licht verſorgt werden ſollen, werden derart an das Drei⸗ leiterſyſtem angeſchloſſen, daß ſie je nach der Zahl ihrer Lampen Verbindung mit den Leitungen J und III oder II und III erhalten, wodurch eine bequemere Regulierung bei der wechſelnden Lampenzahl ermög⸗ licht wird. Die verwendeten Compound-Dynamo-Maſchinen ſind, wie ſchon erwähnt, ſo konſtruiert, daß durch Ein⸗ und Ausſchalten von Lampen ſelbſtthätig die in der Maſchine wirkſame elektromotoriſche Kraft regu⸗ liert wird, wodurch die Elektricität in den Lampen auf einem unveränderlichen Spannungszuſtande erhalten bleibt und die geſamte Quantität der Elektricität mit der Zahl der Lampen ſteigt und fällt. Für die Praxis ift dies jedoch nur in gewiſſen Grenzen zutreffend, ſo daß ein Zuſchalten oder Ausſchalten einer größeren Zahl von Lampen doch eine Korrektur der elektromotori— ſchen Kraft der Maſchine durch andere Hilfsmittel notwendig macht. Es gibt aber noch einen anderen Grund, welcher in höherem Maße zu einer Regu— lierung nötigt. Der Widerſtand eines metalliſchen Leiters ändert ſich mit der Temperatur in mehr oder weniger erheblichem Maße. Wird z. B. der Wider⸗ ſtand eines Kupferdrahtes bei einer Temperatur von 0° C. mit der Zahl 1 bezeichnet, fo ſteigt derſelbe bei einer Erwärmung bis zu 20° Sdchon um 8% an; bei einer Temperatur von 30“ beträgt die Steige— rung 12%. Da nun der elektriſche Strom ſich, wie ſchon erwähnt, zu einem nicht unerheblichen Teil in dem Leitungskreiſe in Wärme umſetzt, ſo muß mit Zunahme der Betriebsdauer auch die Wärme in den Umwindungen einer elektriſchen Maſchine und in den Leitungen anſteigen, ſo daß der Widerſtand, bis das Maximum der Erwärmung erreicht iſt, zunimmt. Hiernach iſt einleuchtend, daß der Effekt einer Ma⸗ ſchine zu Anfang einer Beleuchtungsperiode ein ane derer ſein muß, als zu Ende derſelben, weil bei zu— nehmendem inneren und äußeren Widerſtande der Strom bezw. die elektromotoriſche Kraft abnehmen wird. Dieſe Abnahme kann man dadurch kompenſieren, daß man den Widerſtand der Elektromagnetumwin— dungen entſprechend ändert. Solchem Zwecke dient ein beſonderer, ſogenannter Stufenwiderſtand, welcher in den Stromkreis der dünnen Elektromagnetumwindungen eingeſchaltet wird. Der Widerſtand beſteht aus einem Band von nebeneinanderliegenden, aber ſich nicht berührenden Meſſingdrähten, welche in einem flachen Kaſten K ausgeſpannt ſich befinden und mittels der Kurbel D je nach deren Stellung auf den Kontaktknöpfen C nach und nach ein- oder ausgeſchaltet werden. Eine Drehung der Kurbel nach rechts ſchaltet Widerſtand ein, Drehung nach links ſolchen aus. Im erſteren Fig. 2. Falle muß die elektromotoriſche Kraft der Maſchine abnehmen, im zweiten muß ſie zunehmen. Bleibt die Tourenzahl der Maſchine nahezu unverändert, ſo läßt ſich dieſe Regulierung innerhalb gewiſſer Grenzen bequem ausführen. Beim Betriebe verfährt man in der Weiſe, daß zu Beginn desſelben, wenn die Um⸗ windungen noch kalt ſind, demnach den geringſten Widerſtand beſitzen, der Widerſtand zum größten Teile eingeſchaltet und mit zunehmender Erwärmung allmählich vermindert wird. Da der Betrag des nach und nach auszuſchaltenden Widerſtandes nicht allein von der Zunahme des Widerſtandes der Cleftromagnet- umwindungen, ſondern auch von der der Ankerumwin— dungen, ſowie von der Zahl der ab- oder zugeſchal— teten Lampen, endlich auch von kleinen Aenderungen der Tourenzahl abhängig wird, fo beruht die Regu— lierung des Stufenwiderſtandes lediglich auf der Möglichkeit, daß man zu jeder Zeit einen Ueberblick über den Spannungszuſtand im Stromkreiſe beſitzt. Dieſen Zweck erfüllt der Spannungsmeſſer. Ein ſolcher iſt in einfacher und praktiſch bewährter Form (von der Firma Siemens & Halske konſtruiert) in nachſtehender Figur dargeſtellt. Auf einem Unterſatz von Meſſing befindet ſich der mit ſehr zahlreichen und feinen Umwindungen verſehene Elektromagnet EE. Der obere Teil des Kernes P (mit rechteckigem Querſchnitt) ragt in etwas gegen die Achſe des Kernes geneigter Lage aus den Umwindungen hervor. Am unteren Ende des ge— neigten Teiles P, wo dieſer aus den Umwindungen hervortritt, iſt durch ein ſenkrecht zu P ſtehendes Stücke s eine Nuth zur Aufnahme des am unteren Teil mit einer Schneide verſehenen Eiſenſtückes Q gebildet. An demſelben befindet ſich der mit einem Humboldt. — November 1885. 433 Meſſinggewicht G verſehene Meſſingſtab 2, deſſen Ende auf einer Skala ſpielt. Nach der hinteren Seite n WII Fig. 3. (in der Figur nicht zu kennzeichnen) befindet ſich an dem Eiſenſtück Q ein zweiter gebogener Meſſingarm mit einem Balanciergewicht. Wenn kein Strom durch die Umwindungen fließt, ſo liegt infolge der Wirkung des am hinteren gebogenen Arm beſindlichen Ge— wichtes Q gegen P an. Wird aber das Inſtrument mittels einer Abzweigung in die eine von der Ma— ſchine zu den Lampen führende Leitung eingeſchaltet, ſo wird P und das aufliegende Stück gleichartig polariſch und es muß, wenn die Polarität ſtark ge— nug wird, eine Abſtoßung zwiſchen Q und P ftatt- finden. Auf der Skala lieſt man die Spannung in Volt direkt ab, da dieſelbe ſo eingerichtet iſt, daß der unter dem Einfluß des hinten liegenden Balancier— gewichtes und des vorderen Gewichtes, ſowie der polariſchen Abſtoßung erfolgende Ausſchlag des Ar— mes 2 die Größe der Spannung innerhalb einer gewiſſen Grenze angibt. Die mit R bezeichnete Vor— richtung iſt eine Richtſchnur mit einem kleinen Gewicht behufs Einſtellung des Inſtrumentes in eine horizon— tale Lage. — Die Regulierung des Stufenwider— ſtandes muß unter Beobachtung des Spannungs- meſſers erfolgen und ſo geſchehen, daß das Inſtrument ſtets die gehörige, den Lampen zukommende Span— nung anzeigt. (Schluß folgt.) anden en SO raf iter. Don Dr. Wilhelm Breitenbach in Frankfurt a. M. nter Süd-Braſilien verſtehen wir im folgenden mit Henry Lange, unſerem trefflichen Geographen, die beiden ſüdlichſten Provinzen des großen amerikani— ſchen Kaiſerreiches, Santa Catharina und Rio Grande do Sul, die für uns Deutſche noch dadurch ein ganz beſonderes Intereſſe haben, daß in ihnen eine große Anzahl meiſtens in ſehr blühendem Zuſtande befind— licher deutſcher Kolonien vorhanden ſind. Zwar gibt es auch noch in einigen anderen Provinzen Braſiliens deutſche Kolonien, ſo in Sao Paulo, Parana, Rio de Janeiro, Eſpirito Santo; allein in dieſen Provinzen ſitzen die Deutſchen doch nicht in ſolchen kompakten Maſſen zuſammen, wie in den erſtgenannten, und auch die Zukunft des Deutſchtums liegt nicht in ihnen, ſondern in Rio Grande do Sul und in Santa Catharina. Süd⸗Braſilien in dem von uns gefaßten Sinne hat einen Flächenraum von 310 709 Quadratkilometer; davon kommen auf Rio Grande do Sul 236 553, auf Santa Catharina 74 156. Dieſe letztere Angabe iſt unter einer Vorausſetzung nicht richtig, nämlich dann, wenn man das zwiſchen den Provinzen Parana und Santa Catharina ſtreitige Gebiet zwiſchen Uruguay und Iguaſſu zur Provinz Santa Catharina rechnet, wie das wohl das Richtigſte ſein dürfte. Die Grenzen — Süd⸗Braſiliens find im Oſten der Atlantiſche Ocean, im Norden die Flüſſe Sahy-Guaſſü, Negro und Iguaſſü, im Weſten der in den Iguaſſu fließende Rio Sao Antonio, der in den Uruguay fließende Pegiryguaſſu und der Uruguay, im Süden der Bach Chuy, die Lagoa Mirim, der in dieſe ſich ergießende Rio Jaguarao, der in den Uruguay mündende Qua— rahim und eine dieſe beiden letzteren Flüſſe verbindende Demarkationslinie, deren Verlauf auf der Karte nach— zuſehen iſt. Die Küſte verläuft ziemlich einfach und zeigt keine großen oder tief einſchneidenden Buchten. Im Süden aber haben wir die große Lagoa dos Patos, die in der weiter ſüdlich gelegenen Republik Uruguay in der etwas kleineren Lagoa Mirim ihr Seitenſtück hat. Die große Lagoa dos Patos, welche Brackwaſſer enthält, ſteht mit dem Ocean durch die berüchtigte Barre von Rio Grande in Verbindung; der verhältnis— mäßig ſchmale Landſtrich, welcher die Lagoa vom Ocean trennt, iſt durch eine ausgeſprochene Dünenbildung charakteriſiert, die ſich auch auf den Küſtenſtrich ſüd— lich von Rio Grande weiter fortſetzt. Zahlreiche Brackwaſſer-Seen und kleine Lagunen, die parallel der Küſte verlaufen und zum Teil noch miteinander kommunizieren, unterbrechen die Sandwüſte und deuten darauf hin, daß die ganze Bildung verhältnismäßig jungen Datums iſt. Die Barre von Rio Grande iſt das größte Hindernis für die Schiffahrt; die geringe Tiefe des Waſſerſtandes wechſelt oft von Stunde zu Stunde, der loſe Sand gibt eben den Wogen des 434 Humboldt. — November 1885. Oceans nur allzu willig nach. Wer Siid-Brajilien zuerſt von Rio Grande aus betritt, der muß ange⸗ ſichts der öden Sandwüſte, auf der hie und da nur einiges Geſtrüpp ſich angeſiedelt hat, von dieſem ſchönen Lande allerdings einen ſonderbaren Begriff bekommen. Anders iſt die Küſte von Santa Catharina; hier tritt das braſilianiſche Küſtengebirge ziemlich dicht an das Meer heran und erfreut den mit dem Dampfer dicht Vorbeifahrenden durch ſeine maleriſchen Formen. Der Küſte im großen und ganzen parallel verläuft das braſilianiſche Küſtengebirge, welches den Namen einer Serra do Mar führt. Dieſelbe ſendet ver- ſchiedene Ausläufer ſowohl nach Oſten wie nach Weſten, fo die Serra do Eſpigao im Norden von Santa Catharina nach Weſten, die Serra do Trombudo im Süden dieſer Provinz, nach Oſten bis dicht an das Meer heran. Die Serra do Mar, welche in Santa Catharina noch etwa die gleiche Höhe erreicht, wie in den weiter nördlich gelegenen Provinzen, erſtreckt ſich nach Süden etwa 150 Kilometer weit in die Provinz Rio Grande do Sul hinein und wendet ſich dann nach Weſten, um, allmählich flacher werdend, am Uruguay ihr Ende zu erreichen. Dieſen weſtlichen Teil der Serra do Mar, der ſich in verſchiedene Syſteme auflöſt, pflegt man Serra Geral zu nennen. Durch dieſelbe wird die Provinz Rio Grande do Sul in zwei weſentlich verſchiedene Regionen zerlegt, in eine nördliche und eine ſüdliche. Die nördliche iſt ein Hochplateau mit Urwald, Camp und Araucarien⸗ waldungen und wird Cima da Serra genannt; die ſüdliche iſt ein Flachland und führt den Namen der Campanha. Dieſelbe wird von einigen meiſt ſchön bewaldeten Höhenzügen durchſetzt, ſo von der Serra do Herval, der Serra dos Taipes und anderen. Dazu kommen dann noch zahlreiche Bergrücken, ſogenannte Cochilhas, von oft ſonderbarer Form. Einige haben z. B. die Geſtalt von Sargdeckeln. Die Serra do Mar, das braſilianiſche Küſtengebirge, fällt nach dem Meere zu in ziemlich ſteilen Terraſſen ab und trägt hier den herrlichſten Urwald. Das Gebirge wird durchbrochen von zahlreichen meiſt kleineren Flüſſen. Rad Weſten zu erſtreckt fic) dann ein ausgedehntes Hochplateau. Die Serra do Mar erreicht in den Provinzen Parana und Santa Catharina eine Höhe von 1600 bis 1700 m. In Rio Grande do Sul iſt das Gebirge nicht mehr ſo hoch; der höchſte Punkt auf Cima da Serra dürfte 1200 m. nicht über⸗ ſteigen. Der weſtliche Ausläufer der Serra do Mar, die Serra Geral, flacht ſich dann nach dem Uruguay noch ſehr bedeutend ab. Die Bergrücken der Campanha, alſo des ſüdlichen Teiles der Provinz Rio Grande do Sul, erreichen eine Höhe von 500 bis 600 m. Süd⸗Braſilien kann ein waſſerreiches Land ge— nannt werden; es wird von zahlreichen großen und kleinen Waſſeradern nach allen Richtungen durchſchnitten. Erſt einige derſelben ſind freilich für die wirtſchaft— liche Entwickelung des Landes — als Verkehrswege — von Bedeutung, andere werden ſpäter von Wichtig das Waldgebiet des oberen Uruguay. keit werden, wieder andere kommen aus natürlichen Gründen als Verkehrswege nicht in Betracht, ſei es, daß ſie zu klein ſind, ſei es, daß ihre Beſchaffenheit, z. B. die Anweſenheit zahlreicher Waſſerfälle, ſie zur Schiffahrt untauglich macht. Der bedeutendſte Küſten⸗ fluß iſt der Itajahy in Santa Catharina, der von ſeiner Mündung an bis zur deutſchen Kolonie Blumenau ſchiffbar iſt und thatſächlich auch von kleinern Dampfern befahren wird. In ſeinem Oberlaufe bildet der Itajahy ſowie auch ſeine Nebenflüſſe zahlreiche, zum Teil recht ſtattliche Waſſerfälle, da er ſich ſeinen Weg oft über Felſengründe bahnen muß. Die nörd⸗ liche Grenze von Santa Catharina bildet der in den Parana fließende Iguaſſü, der auf ſeinem ganzen Laufe zahlreiche Waſſerfälle bildet und daher für die Schiffahrt nicht von Bedeutung werden kann. Wie der Iguaſſu, ſo haben auch die anderen kleineren Flüſſe dieſer Gegend ein ſtarkes Gefälle, werden in ihrem Laufe von zahlreichen Stromſchnellen unter⸗ brochen, bilden viele Waſſerfälle und ſind daher nicht befahrbar. Der — bis jetzt wenigſtens — wichtigſte Fluß Süd⸗Braſiliens iſt der Jacuhy in Rio Grande do Sul mit ſeinen Nebenflüſſen Cahy, Taquarg, Rio do Sinos. Dieſe Flüſſe vereinigen ſich zu dem Guahyba, einem großen, breiten Mündungsbecken, welches ſich in die Lagoa dos Patos ergießt. In dieſe fließt außerdem noch der Rio Camaquam, der eine kurze Strecke ſchiffbar iſt. Der Schiffsverkehr auf dem Jacuhy und ſeinen Nebenflüſſen iſt ſchon ſehr ſtark entwickelt, infolge des Umſtandes, daß die Thäler ſeines Flußgebietes, namentlich auf ſeinem linken Ufer, die Region der wichtigſten deutſchen Kolonien dar⸗ ſtellen. Etwa 30 bis 40 Dampfer, ſowie eine noch weit größere Anzahl anderer Fahrzeuge, vermitteln den ſtets lebhafter werdenden Verkehr zwiſchen den Kolonien und der Provinzialhauptſtadt Porto Alegre, welche am linken Ufer des Guahyba, gegenüber der Mündung des Jacuhy, liegt. Im Norden und Weſten der Pro⸗ vinz Rio Grande do Sul fließt der mächtige Uruguay, der aber trotz ſeiner gewaltigen Waſſermengen nur ſtellenweiſe ſchiffbar iſt, da zahlreiche Stromſchnellen und Waſſerfälle ſeinen Lauf unterbrechen. Aus der Provinz fließen ihm zahlreiche, recht ſtattliche Neben— flüſſe zu, die zum Teil noch wenig erforſcht ſind, jeden⸗ falls für das wirtſchaftliche Leben der Provinz augen- blicklich keine große Bedeutung haben. Nur einer dieſer Nebenflüſſe, der Ibicuy, ſoll mit Dampfſchiffen befahrbar ſein. Wenn ſo das Stromgebiet des Uruguay, trotz ſeiner großen Ausdehnung und reichen Waſſer— fülle, nur wenige natürliche Verkehrswege darbietet ſo iſt es aber eben wegen der Waſſerfülle für die ſpätere Koloniſation des Waldgebietes um ſo wichtiger. Alle Kenner dieſes großen, bis jetzt kaum bewohnten Gebietes ſind einig in deſſen Lob. Sie rühmen die mächtigen, reichen Waldungen, den äußerſt frucht— baren Boden und das herrliche geſunde Klima; in der That, es dürfte auf der ganzen Erde nur wenig Stellen geben, die gerade für eine deutſche Koloniſation in großem Maßſtabe ſo ungemein geeignet wären wie Humboldt. — November 1885. 435 Die Lagoa dos Patos*) hat eine Länge von 130 und eine Breite von etwa 40 Seemeilen, iſt ſehr flach und daher nur für kleinere Seeſchiffe befahrbar. Mit der Lagoa Mirim ſteht fie durch den Rio Gongalo in Verbindung, auf dem eine Anzahl kleiner Dampfer fahren. Dieſelben durchkreuzen einerſeits die Lagoa Mirim, fahren andererſeits aber auch den in die Lagoa ſich ergießenden Rio Jaguarao herauf bis zu der Stadt gleichen Namens. In geologiſcher und geognoſtiſcher Beziehung iſt Süd⸗Braſilien noch wenig bekannt. Die Hauptbe— ſtandteile der Serra do Mar ſind — wenigſtens in ihrem nördlichen Teile — Gneis und Granit, in den tief eingeſchnittenen Flußthälern treten häufig trachy— ſtiſche und dolomitiſche Geſteine zu Tage. Auf dem Hochplateau von Parana und Santa Catharina, fo- wie auch an vielen Stellen in Rio Grande do Sul, finden ſich ausgezeichnete Sandſteine. In der Serra do Herval ꝛc. wird ein ſehr guter Marmor gebrochen, der z. B. in Pelotas in ausgedehnteſter Weiſe zu Bauzwecken benutzt wird. An verſchiedenen Stellen des Landes hat man Steinkohlen gefunden, ſo am Tubarao, einem kleinen Küſtenfluſſe im Süden von Santa Catharina und in der Nähe von S. Je— ronymo, einem kleinen Städtchen in der Provinz Rio Grande do Sul. Dieſe letzteren Minen werden ſchon ſeit einiger Zeit ausgebeutet. In unmittelbarer Nähe der Kohlenlager von S. Jeronymo treten ſehr ausgedehnte Felder von Brauneiſenſtein zu Tage, die aber noch der Ausnutzung harren. Aber auch noch an vielen anderen Stellen ſind große Eiſenſteinlager gefunden worden. An Kupfer- und Bleierzen iſt Süd⸗Braſilien gleichfalls reich, aber auch dieſe und noch zahlreiche andere Mineralſchätze liegen noch un— berührt im Boden. Der große Reichtum Rio Grande do Suls an herrlichen A chaten, an Topaſen und Amethyſten iſt allgemein bekannt; werden doch die berühmten Achatſchleifereien zu Idar und Oberſtein vorwiegend aus Rio Grande do Sul mit Rohmaterial verſorgt! In Lavras in Rio Grande do Sul find große goldhaltige Kupfererzlager, die zum Teil auch ſchon behufs der Goldgewinnung ausgebeutet worden find, indeſſen nur mit geringem Erfolg. Wenn erſt die projektierte Eiſenbahn von Rio Grande über Pelotas, Bage, S. Gabriel Anſchluß an die große Nordbahn Porto Alegre-Uruguayana gewonnen haben wird, ſo wird man die Kupfergewinnung in rationeller Weiſe in Angriff nehmen können und dabei das Gold als Nebenprodukt gewinnen. Bei den jetzigen Kom— munikations-⸗Verhältniſſen würde die Ausbeutung der Kupferminen nicht rentieren. Jedenfalls aber ſteht feſt, daß Süd⸗Braſilien reich ijt an mineraliſchen Schätzen, und daß alle Vorbedingungen zur Entwicke— lung einer Montan- und Eiſeninduſtrie in reichſtem In deutſchen Atlanten findet man zuweilen den Namen „Entenſee“. Nun heißen die Enten zwar patos auf portugieſiſch. Allein der Name dürfte wohl richtiger auf die Patos, einen ausgeſtorbenen Indianerſtamm, zurückzu— führen ſein, der an der Lagoa dos Patos gewohnt hat. Maße vorhanden ſind. Mit dem Ausbau, reſp. nach Vollendung des projektierten Eiſenbahnnetzes wird ſich die Induſtrie hoffentlich ſchnell entwickeln. Das Klima des Landes muß in jeder Beziehung als ein ganz vortreffliches bezeichnet werden. Für Joinville in Santa Catharina beträgt die mittlere Jahrestemperatur 20,6 C., für die Kolonie Blumenau 21,5 C., für Pelotas in Rio Grande do Sul 17,2°C., für Santa Cruz ebenda 17,2 0., für die Kolonie Neu Petropolis 19°C. Als extremſte Fälle find in Rio Grande do Sul beobachtet worden. + 38°C. im Sommer und — 1,5 C. im Winter. Im Winter (in den Monaten Juni, Juli und Auguſt) fällt auf dem Hochlande beider Provinzen nicht ſelten Schnee. In Rio Grande do Sul liegt derſelbe zuweilen oft fußhoch. Auch Eis wird in jedem Jahre beobachtet, ſogar in den flachen Gegenden. In Porto Alegre, der Hauptſtadt Rio Grande do Suls, am Guahyba, habe ich vor einigen Jahren fingerdickes Eis beobachtet. An der Küſte von Santa Catharina iſt allerdings der böſe Gaſt Braſiliens, das gelbe Fieber, zuweilen er⸗ ſchienen, ſo z. B. in Deſtero, der auf der Inſel Santa Catharina gelegenen Hauptſtadt der Provinz. Im Inneren der Provinz aber kennt man das Fieber nicht. In Rio Grande do Sul iſt das gelbe Fieber gänz— lich unbekannt. Die Vortrefflichkeit des Klimas zeigt ſich in ſchönſter Weiſe an dem auffallend reichen Kinderſegen auf den Kolonien, der ſämtlichen Reiſen— den aufgefallen iſt. Im allgemeinen dürfte das Klima dem von Nord— Italien am nächſten kommen. Sämtliche Produkte der gemäßigten Zone können mit großem Erfolg ge— zogen werden. Unſere Getreidearten, Gemüſe, Kar— toffeln, Birnen, Aepfel, Trauben 2c. gedeihen ſowohl in Santa Catharina wie auch in Rio Grande do Sul. Daneben aber geſtattet das Klima auch den Anbau einer großen Anzahl tropiſcher Pflanzen. In Santa Catharina wächſt an geeigneten Stellen die Baumwollſtaude und der Kaffeebaum, in Rio Grande do Sul gibt es namentlich in der deutſchen Kolonie Santa Cruz ausgedehnte Tabakpflanzungen. Die Orange gedeiht in einer großen Anzahl verſchiedener Sorten in Rio Grande do Sul noch ganz vortrefflich, die Banane allerdings weniger gut; dagegen reift fie noch ausgezeichnet in Santa Catharina. In letzt— genannter Provinz wird auch das Zuckerrohr mit großem Vorteil angebaut und auch in Rio Grande do Sul kommt es an vielen geſchützten Stellen noch ganz gut zur Reife. Reis wird in den Flußniederungen Rio Grandes ſchon ziemlich viel und in guter Qua— lität gezogen. Mit einem Worte, Bodenbeſchaffenheit und Klima geſtatten in Süd-Braſilien den Anbau einer ſehr großen Mannigfaltigkeit von Kultur- und Nutzpflanzen. Die Wälder Süd-Braſiliens find über— reich an brauchbaren, oft ſogar ſehr wertvollen Holz⸗ arten. Die ausgedehnten Araucarien-Waldungen bilden einen großen Reichtum des Landes. In den Waldungen des Hochlandes gedeiht auch in vortreff— lichſter Weiſe der Herva-Mate-Baum, der den ſoge— nannten Paraguaythee liefert, das eigentliche National— 436 Humboldt. — November 18858. getränk der Braſilianer. Uebrigens will ich hier auf ſchen Ausſtellung zu Porto Alegre 1882 zu Grunde die Flora und Fauna Süd-Braſiliens nicht näher eingehen, ſondern mir eine ausführlichere Darſtellung dieſer Verhältniſſe für eine andere Gelegenheit auf— ſparen. Die Bevölkerung Süd-Braſiliens ijt, wie die des Kaiſerreiches überhaupt, eine keineswegs einheitliche, im Gegenteil, ſie ſetzt ſich aus ſehr verſchiedenartigen Elementen zuſammen. Die eigentlichen Braſilianer im jetzigen Sinne ſind die Abkömmlinge der in das Land eingewanderten Portugieſen. Daneben treffen wir nun zunächſt eine große Anzahl von Menſchen gemiſchten Blutes, ſei es Abkömmlinge von einge⸗ borenen Indianern, ſei es von aus Afrika einge⸗ führten Negern. Braſilien zeichnet ſich aus durch ein ſtarkes Hervortreten der farbigen Miſchlingsraſſen. Die Braſilianer haben ſich den Eingeborenen und den Negern gegenüber keineswegs ſo exclufin verhalten, wie z. B. die Nord⸗ Amerikaner. Im Gegenteil, es hat in ausgedehnteſter Weiſe eine Vermiſchung des Blutes ſtattgefunden und findet noch immer ſtatt. Außer dieſen Elementen der Bevölkerung ſpielen dann noch Angehörige verſchiedener europäiſcher Völker eine zum Teil wichtige Rolle, vornehmlich Deutſche und Italiener. Auch Engländer, Franzoſen und andere trifft man an, jedoch nur mehr vereinzelt. Wir wollen uns nun die verſchiedenen Beſtandteile der Bevölkerung etwas genauer anſehen. Von der Indianer⸗Bevölkerung Süd-Braſiliens iſt eigentlich nicht viel zu ſagen. Der große Völker— ſtamm der Süd-Tupis oder die Guaranis iſt bis auf einzelne kleine Reſte, die in Paraguay leben, ver⸗ ſchwunden, entweder untergegangen oder durch Miſchung mit Europäern wenigſtens ſeines Charakters und ſeiner Sprache verluſtig gegangen. Auch die be— rüchtigten Botokuden ſind dem Ausſterben nahe. Einzelne kleine Horden derſelben, die ein ſelb— ſtändiges Daſein zu führen ſcheinen, treten dann und wann noch auf dem Hochlande auf. Sie halten ſich aber meiſtens in ziemlicher Entfernung von den europäiſchen Anſiedlungen und nur ſelten noch hört man, daß eine ſolche Horde einen feindlichen Angriff auf eine Kolonie oder einzelne Niederlaſſungen machte. Die Coroados ſind nach v. Martins ein Zweig der Crens und leben in einzelnen Horden in Mittel- und Süd⸗Braſilien. Ein Teil derſelben iſt bereits von der Kultur ein wenig beleckt und lebt unter der Leitung von Miſſionären in Dörfern. Solcher Dörfer gibt es einige auch in der Provinz Rio Grande do Sul. In Süd- Braſilien nennt man die Indianer allgemein Bugres und ſpricht dann von zahmen und wilden Bugres. Die Ueberreſte ausgeſtorbener In⸗ dianerſtämme findet man in reichem Maße in allen Teilen des Landes. In der Region des Urwaldes, in der Serra Geral von Rio Grande do Sul z. B. werden Steingeräte aller Art, ſowie Töpferarbeiten und andere Gegenſtände gefunden. Herr C. v. Koſeritz hatte vor einigen Jahren eine nach vielen tauſenden von Stücken zählende Sammlung von ſolchen Gegen— ſtänden, die leider beim Brande der deutſch-braſiliani⸗ gegangen it. Ich habe über einen Teil dieſer intereſſan⸗ ten Sammlung ſeiner Zeit im „Kosmos“ berichtet. An der Küſte Süd⸗Braſiliens findet man zahlreiche „Sambaquys“, Muſchelhaufen von oft enormen Dimen⸗ ſionen, in denen man Steingeräte, Waffen und Werk- zeuge, ſowie auch menſchliche Skelette antrifft. In letzter Zeit find mehrere dieſer Muſchelhaufen ein⸗ gehender unterſucht worden, ſowohl in Rio Grande do Sul als in Santa Catharina. In den Städten und kleineren Ortſchaften ſieht man häufig die ſogenannten Caboclos, wie in Bra— ſilien die Miſchraſſen der Bugres genannt werden. Es ſind Schiffsarbeiter, Laſtträger ꝛc., meiſt ſtark⸗ knochige, unterſetzte Geſtalten mit nicht gerade Ver— trauen erweckender Phyſiognomie. Im allgemeinen ſind die Caboclos aber doch nicht ſo zahlreich wie man wohl erwarten ſollte, jedenfalls treten ſie gegen die große Anzahl von Mulatten ganz er⸗ heblich zurück. Die eigentlichen Braſilianer, das heißt die Abkömm⸗ linge der ins Land eingewanderten Portugieſen, die Luſo⸗Braſilianer, wie man fie zum Unterſchied z. B. von den Teuto-Braſilianern nennt, machen natürlich den Hauptſtamm der Bevölkerung aus. Die Geſamt⸗ bevölkerung der beiden Provinzen mag etwa 800 000 Seelen betragen; von dieſen dürften etwa 350 000 Luſo⸗Braſilianer fein. Wir werden dieſelben im folgenden kurzweg als Braſilianer bezeichnen. Es iſt ſchwer, wenn nicht unmöglich, den Braſilianer als ſolchen zu charakteriſieren, die Braſilianer ſtellen eben keinen einheitlichen Typus dar. Die klimatiſchen und ſonſtigen Verhältniſſe in jenem großen Reiche ſind eben in den verſchiedenen Teilen ſo ungemein ver— ſchieden, daß ſich ein einheitliches Volk mit beſtimmtem Charakter unmöglich herausbilden kann. So iſt ſchon der Braſilianer der großen Städte ein ganz anderer Menſch, ſelbſt körperlich, wie der Bewohner des Hoch— landes. Während die Städter meiſtens hagere, kleine Geſtalten mit ungeſundem, gelblichem Teint find, be- gegnet man auf dem Hochlande recht oft ſtattlichen, kräftigen, geſunden Figuren. Silveira Martins, der große braſilianiſche Staatsmann, dem die Deutſchen Braſiliens ſo viel zu danken haben, kann als Typus der letzteren gelten; er iſt eine wahre Hünengeſtalt gegen die meiſten ſeiner Landsleute. Die körperliche Inferiorität des Stadtbewohners hat augenſcheinlich einen ihrer Hauptgründe in den ſinnlichen Aus— ſchweifungen, denen ſich die Leute nur allzugern hin— geben. Dieſelben ſind weſentlich gefördert worden durch die Sklavenwirtſchaft. Es iſt ja eine ſo allge— mein bekannte Erſcheinung, daß die Sklaverei in hohem Grade ſittenverderbend auf das Volk, nament— lich auch auf die beſſeren Schichten desſelben, ein— wirkt, daß wir das hier nicht näher zu begründen brauchen. In einem Lande, wo jeder halberwachſene Junge, der körperlich und geiſtig noch unreif iſt, ſeine „Mullattinha“ haben muß, kann man ſich kaum wundern, wenn man namentlich die jungen Männer ſchwächlich, krankhaft, ohne Blut in den Adern, dabei Humboldt. — Vovember 1885. 437 eingebildet und großſprecheriſch herumlaufen ſieht. Die Syphilis ſoll in geradezu erſchreckendem Umfange unter den jungen Braſilianern graſſieren. Dieſe degenerierend auf die Körperkonſtitution wie auf den Geiſt wirkende Mulattenwirtſchaft erſtreckt ſich bis in die höchſten Kreiſe hinein, und nicht ſelten hört man aus dieſen Regionen der guten Geſellſchaft Dinge, die man denn doch nicht für möglich gehalten hätte. Und das Schlimmſte dabei iſt dann noch, daß dieſe Skandalgeſchichten nicht ſelten durch die Zeitungen gehen; namentlich dann iſt das der Fall, wenn ſie bekannte, mißliebige Perſönlichkeiten oder Familien betreffen. Der Braſilianer hat im allgemeinen einen großen Hang zur Unthätigkeit, oder genauer ausgedrückt, er liebt keine anhaltende, angeſtrengte Thätigkeit. Während der Nord-Amerikaner raſtlos arbeitet und mit erſtaun— lichſter Energie und Ausdauer einem einmal geſteckten Ziele nachſtrebt, bis er es erreicht hat, iſt der Bra— ſilianer viel phlegmatiſcher. Was heute nicht geſchieht, geſchieht morgen oder übermorgen. „Paciencia!“ Geduld, ſo hört man jeden Tag tauſendmal, und dieſes Wort genügt, um den Braſilianer in dieſer Hinſicht vollkommen zu kennzeichnen. Offenbar hängt auch dieſe Unluſt zu regelmäßiger Arbeit mit der Sklaverei zuſammen. Die Leute ſind ſeit langer Zeit gewohnt, daß alle und jede Arbeit von Sklaven ge— leiſtet wird; den weißen Mann ſchändet die harte Arbeit, er iſt nur dazu da, ſich bedienen zu laſſen. Hiermit hängt ohne Zweifel auch die Beamtenwirt— ſchaft in Braſilien eng zuſammen. Jeder auch nur halbwegs gebildete Braſilianer will Beamter werden, um ſo mit leichteſter Mühe ſeinen Lebensunterhalt zu erwerben und eventuell auch noch Gelegenheit zu haben, etwas nebenbei zu verdienen. Die Bureaus der ver— ſchiedenen Behörden ſind überfüllt mit dazu noch meiſtens unfähigen Beamten. Das Cliquen- und Protektionsweſen iſt im braſilianiſchen Beamtenſtande zur denkbar höchſten Blüte gediehen, die Korruption iſt allgemein. Ein pflichttreuer Beamter iſt ſo ſelten wie ein weißer Rabe unter ſchwarzen, und ſicherlich hat er einen ſchweren, keineswegs beneidenswerten Stand. Die große Mehrzahl der Luſo-Braſilianer gehört dem kleinen Kaufmannsſtande an, während der Groß— handel, vorzüglich das Importgeſchäft, größtenteils in den Händen von Ausländern liegt, in den Süd— Provinzen meiſtens Deutſchen. Zum Kaufmann eignet ſich der Luſo-Braſilianer ganz gut; er iſt verſchmitzt und pfiffig und weiß ſeinen Vorteil auf jede Weiſe wahrzunehmen, ohne bei den Mitteln zuweilen allzu ſkrupulös zu ſein. Als Importeur wird der Braſilianer natürlich niemals gegen einen Engländer, Franzoſen oder Deutſchen konkurrieren können, da er ja in der Regel nicht mit den europäiſchen Induſtrie-Verhält— niſſen, alſo auch nicht mit den Bezugsquellen für ſeine Waren vertraut iſt. Induſtrielle Etabliſſements, z. B. Maſchinen⸗ fabriken, Holzſchneidereien, Hutfabriken, Ziegeleien rc. find in Süd⸗Braſilien in der überwiegenden Mehr- zahl in den Händen eingewanderter Europäer. Wenn⸗ Humboldt 1888. wpweſentliche Aenderung eintreten. gleich man dem Braſilianer mechaniſche Fertigkeiten nicht abſprechen kann, ſo iſt er doch zur Leitung und Durchführung eines induſtriellen Unternehmens wenig geeignet; es fehlt ihm eben die Energie und Ausdauer bei der Arbeit, die aber hier gerade ganz unentbehr— lich iſt. Der große Grundbeſitz, ſowie die Viehzucht, und damit verbunden die großen Schlächtereien in der Provinz Rio Grande do Sul, ſind noch faſt aus— ſchließlich in den Händen von Braſilianern. Aber das wird nicht immer ſo bleiben, und aller Voraus— ſicht nach wird ſchon in nächſter Zeit hierin eine Der Betrieb der großen Viehzucht und der Betrieb auf den Faſendas oder großen Gütern iſt weſentlich auf dem Inſtitut der Sklaverei baſiert. Da nun die Sklaverei in Süd— Braſilien in allernächſter Zeit verſchwunden ſein wird, ſo muß es überall im Lande an den nötigen, billigen Arbeitskräften fehlen, denn den freigelaſſenen Negern wird es in den meiſten Fällen gar nicht einfallen, zu arbeiten. Die Folge davon wird ohne Zweifel die ſein, daß die Großgrundbeſitzer ſich genötigt ſehen, ihren Beſitz zu parzellieren, und an Stelle des Groß— grundbeſitzes tritt der kleine bäuerliche Grundbeſitz und damit eine intenſivere und ausgedehntere Aus— nutzung des Bodens. In Rio Grande do Sul kann man den Beginn dieſes Prozeſſes ſchon jetzt deutlich wahrnehmen. Der deutſche und italieniſche Bauer tritt an die Stelle des braſilianiſchen Faſendeiro. Wenn die Unluſt zu geregelter, andauernder Thätig— keit im Charakter ein Hauptzug des Braſilianers iſt, ſo müſſen wir doch in einem Punkte davon eine Ausnahme machen; mit einer Sache beſchäftigt ſich der Braſilianer ſtets. Das iſt, charakteriſtiſch genug, die Politik. Die Politik iſt die Leidenſchaft des Braſilianers. Nament⸗ lich die jungen Advokaten und Aerzte treiben immer und überall Politik — um mit ihrer Hilfe ſchnell Carriere zu machen. In den Cafés, Barbierſtuben, in der Pferdebahn und auf der Straße, kurz überall wird politiſiert. Die beſte Zeit wird durch dieſes end— loſe Politiſieren verſchleudert. Talent zu dieſer Be— ſchäftigung kann man dem Braſilianer gewiß nicht abſprechen. Männer wie der Staatsrat Gaſpar Silveira Martins und andere würden auch im politiſchen Leben einer europäiſchen Großmacht eine große Rolle ſpielen. Im allgemeinen ſind die Braſilianer geweckte Leute, mit manchen vortrefflichen Geiſtesanlagen; ſie haben einen hellen Verſtand, eine gute Auffaſſungsgabe und könnten ohne Zweifel etwas ganz tüchtiges leiſten, wenn ſie eben nicht ſo ſehr oberflächlich wären und über alle Dinge nur flüchtig hinweggingen. Es fehlt auch hier, wie überall in Braſilien, an der nötigen Ausdauer. In geiſtiger Hinſicht ſind die Braſilianer noch immer völlig abhängig von Frankreich. Victor Hugo iſt in Braſilien ein Halbgott. Nur wenige intelligente Männer, wie Sylvio Romero und Tobias Menezes haben erkannt, daß doch nicht alles, was aus Frankreich kommt, vorzüglich iſt, ſon— dern daß deutſche Litteratur und deutſche Wiſſenſchaft 56 438 Humboldt. — November 1885. von größerem Nutzen für fie find. Vorläufig ver- hallt aber noch die Stimme dieſer Männer wie die des Predigers in der Wüſte. Wiſſenſchaftliche Leiſtungen haben denn die Braſilianer bis jetzt auch kaum auf- zuweiſen. Merkwürdig iſt, daß in einem von der Natur ſo überaus verſchwenderiſch ausgeſtatteten Lande wie Braſilien, das doch zur Naturforſchung geradezu auffordert, kaum ein einheimiſcher Naturforſcher vor— handen iſt. Abgeſehen von dem Phyſiologen Lacerda und dem Direktor des National-Muſeums Ladislau Netto, dem Anthropologen, wüßte ich keinen Braſi— lianer namhaft zu machen, der in naturwiſſenſchaft⸗ licher Hinſicht Bemerkenswertes leiſtete. Die in Bra— ſilien augenblicklich lebenden Naturforſcher find zumeiſt Deutſche, von denen ich nur unſeren geiſtreichen Fritz Müller, „The First of observers,“ wie Charles Darwin ſagte, nennen will. Zu einer erſprießlichen Thätigkeit auf naturhiſtoriſchem Gebiete fehlt den Braſilianern eben Geduld und Ausdauer. In geſellſchaftlicher Beziehung iſt der Braſilianer höflich und zuvorkommend. Die Umgangsformen des gebildeten Braſilianers ſind die eines vollendeten „Gentleman“. Namentlich im Inneren des Landes herrſcht unbedingte Gaſtfreundſchaft. Auf einer Faz ſenda kann man nicht tagelang, nein Wochen hindurch als Gaſt verweilen und ſtets wird man mit derſelben Liebenswürdigkeit behandelt und zu längerem Dableiben aufgefordert. In den Städten freilich iſt dieſe Gaſt— freundſchaft aus leicht begreiflichen Gründen nicht anzutreffen. Dem Fremden gegenüber ſcheint der Braſilianer im allgemeinen tolerant zu ſein. Allein man kann ſich in dieſer Hinſicht doch leicht täuſchen; denn dieſe ſcheinbare Toleranz dürfte mehr aus einem gewiſſen Indifferentismus als aus einer Neigung zu erklären ſein. Wenigſtens hat man ziemlich häufig Gelegenheit, zu beobachten, daß bei dem Braſilianer ein ſtark ausgeprägter Fremdenhaß zu Tage tritt; allerdings bleibt es gewöhnlich bei Worten und böſen Blicken und nur in ſehr ſeltenen Fällen kommt es zu Thätlichkeiten, wie beim Brande der deutſch-bra— ſilianiſchen Ausſtellung zu Porto Alegre 1882. Die Lebensweiſe der Braſilianer ijt ziemlich ein— fach und ſolide. Nur in den höheren Geſellſchafts— kreiſen und in den großen Städten wird ein oft ganz übertriebener Luxus getrieben. Die Herren und Damen kleiden ſich nach der neueſten Pariſer Mode. Die Damen zeigen in der Anordnung ihrer Toilette nicht ſelten einen ſehr feinen Geſchmack, jedenfalls bedeutend mehr als die Herren. Im Inneren des Landes trifft man noch überall das Nationalkoſtüm, weite Pump— hoſen, große Reiterſtiefeln, Schlapphut und Poncho. Das Familienleben kann nach braſilianiſchen Begriffen im allgemeinen ein recht gutes genannt werden, nach unſeren Begriffen freilich fehlt ihm die Innigkeit und Gemütlichkeit. Die Kindererziehung läßt vieles zu wünſchen übrig, die Schulbildung iſt, wie begreiflich, mangelhaft. Das Wiſſen, ſelbſt der gebildeten Bra— ſilianer, ſo groß es auf den erſten Blick auch zu ſein ſcheint, iſt doch nur ein ſehr oberflächliches, von allem etwas, von keinem viel. Es würde uns zu weit führen, wollten wir hier eingehend auf das Leben der Braſilianer eingehen, wir müßten dazu einen vielfach größeren Raum zur Verfügung haben, als er uns für dieſe kleine Skizze gegeben iſt. Nächſt dem luſobraſilianiſchen Element iſt das deutſche das wichtigſte in Süd-Braſilien. In den beiden Provinzen Rio Grande do Sul und Santa Catharina mögen augenblicklich 150—170 000 Deutſche und Abkömmlinge von Deutſchen wohnen. Die große Mehrzahl derſelben, über 100 000, wohnt in Rio Grande do Sul. Unſere Landsleute leben meiſt in dichten, kompakten Maſſen auf zahlreichen, meiſt blühenden Kolonien zuſammen, und eben dadurch haben ſie es vornehmlich vermocht, ihr Deutſchtum reiner und unverfälſchter zu erhalten wie irgendwo auf der Welt, außerhalb des deutſchen Sprachgebietes in Europa. Im Kolonialgebiet von Rio Grande do Sul reiht ſich Pikade an Pikade, Kolonie an Kolonie, wochenlang kann man reiſen und immer hört man deutſche Laute. In dritter, vierter Generation nun ſchon, ſprechen doch noch die Kinder den heimiſchen Dialekt ihrer Voreltern vom Hundsrück oder woher ſonſt die erſten Koloniſten gekommen ſein mögen. Heimatliche Sitten und Gebräuche werden treu er- halten und ſorgfältig gepflegt. Geſangvereine, Schützen— vereine und ſonſtige Geſellſchaften find überall vor⸗ handen und in dieſen hat die heimiſche Sitte eine treue Pflegſtätte. Zahlreiche deutſche Schulen, ſelbſt in den entlegenſten Pikaden des Urwaldes, ſorgen für die Erhaltung der Mutterſprache. Ueberall findet man warmen Patriotismus und Anhänglichkeit an das alte Vaterland. Erſt in dieſem Jahre iſt der Ge— burtstag des Fürſten Reichskanzler überall wie ein patriotiſcher Feſttag gefeiert worden, gewiß ein gutes Zeichen für die patriotiſche Geſinnung unſerer Lands⸗ leute in Braſilien. Die überwiegende Mehrzahl der Deutſchen ſind Koloniſten, Ackerbauer. Aus weiten, mit dichteſtem Urwald bewachſenen Gegenden haben ſie in verhältnis— mäßig kurzer Zeit blühende Felder geſchaffen, auf denen die verſchiedenſten Früchte gezogen werden, in erſter Linie ſchwarze Bohnen, Mais, Mandioca, dann Tabak, Weizen, Kartoffeln, Wein und vieles, vieles andere. Die meiſten der Kolonien, namentlich die älteren, wie Blumenau, Joinville, S. Leopoldo, Santa Cruz und andere, find in blühendſtem Zuſtande und zeigen aufs entſchiedenſte, daß Süd-Braſilien eines der beſten Gebiete für deutſche Ackerbaukolonien iſt. Dieſe Meinung bricht ſich ja auch in Deutſch— land mehr und mehr Bahn und hoffentlich wird es bald dahin kommen, daß durch eine etwas ſtärkere deutſche Auswanderung nach Süd-Braſilien unſeren Landsleuten neuer Zuſchuß und damit neue Kraft zur Weiterentwickelung zugeführt wird. In den Städten und auf den Kolonien leben zahlreiche deutſche Handwerker. Dieſelben treiben zum Teil recht ſchwunghafte Geſchäfte. Die Arbeit der— ſelben iſt ſehr geſucht und wird jedenfalls jeder anderen vorgezogen, was wieder ein Beweis von der Tüchtig— keit unſerer Landsleute iſt. Größere induſtrielle Unter— Humboldt. — November 1885. nehmungen, wie Maſchinenfabriken, Mühlen, Bier— brauereien, Holzſchneidereien, Ziegeleien, Tuchfa— brifen ꝛc. liegen faſt ausſchließlich in deutſchen Händen. Ganz dasſelbe gilt vom Großhandel, namentlich vom Importgeſchäft. In landwirtſchaftlicher, induſtrieller und kommerzieller Hinſicht nehmen die Deutſchen in der That die erſte Stelle in Süd-Braſilien ein. Und angeſichts dieſer Thatſache will man noch behaupten, daß Süd⸗Braſilien ein ungeeignetes Feld für deutſche Koloniſation ſei? Wahrlich, das können nur Leute, die von den thatſächlichen Verhältniſſen keine Ahnung haben! Um ſo mehr halte ich es für meine Pflicht, hier noch einmal das Gegenteil zu behaupten und darauf aufmerkſam zu machen, daß es unſere Pflicht iſt, dafür zu ſorgen, daß nicht durch Abſchneidung friſchen Zuſchuſſes aus der Heimat den ſo lebensfriſchen deutſchen Kolonien Süd-Braſiliens die Lebensader unterbunden werde. Denn bekommen die Kolonien nicht einen größeren Zuwachs aus der alten Heimat, ſo wird das deutſche Element doch ſchließlich im einheimiſchen aufgehen oder vom italieniſchen überwuchert werden. In den Italienern ſind den Deutſchen, namentlich in Rio Grande do Sul, in den letzten Jahren ſehr gefährliche Konkurrenten erwachſen, die in der That ſehr leicht zu einer großen Gefahr für die deutſchen Kolonien werden könnten. Vor kurzer Zeit hat der italieniſche Konſul in Porto Alegre, Herr Dr. Corte, eine ſtatiſtiſche Aufnahme der italieniſchen Koloniſten vorgenommen, wobei ſich herausgeſtellt hat, daß deren bereits 37000 vorhanden ſind. Und dazu kommen jähr— lich noch mehrere tauſend, während deutſche Koloniſten in Rio Grande do Sul kaum einige hundert jährlich einwandern. Man muß den italieniſchen Koloniſten — meiſtens Norditaliener oder Welſchtiroler — das Zeugnis ausſtellen, daß ſie ſehr tüchtige und fleißige Leute ſind, die in der kürzeſten Zeit die bedeutendſten Fortſchritte gemacht haben. In der That haben ſich die italieniſchen Kolonien relativ weit ſchneller ent— wickelt als die deutſchen. Es iſt ein Glück zu nennen, daß die Italiener mit den Deutſchen im beſten Einvernehmen leben. Deutſche laſſen ſich auf den italieniſchen Kolonien, Italiener auf den deutſchen Kolonien nieder. Heiraten zwiſchen Deutſchen und Italienern ſind ſchon mehr— fach vorgekommen. Es iſt kaum zu bezweifeln, daß die braſilianiſche Regierung durch das Heranziehen der Italiener, der deutſchen, alſo der germaniſchen Koloni— ſation ein romaniſches Gegengewicht entgegenſtellen wollte, wahrſcheinlich, weil ſie ein zu mächtiges An— wachſen des deutſchen Elementes fürchtete. Die Re— gierung hat ihre Abſicht nur zum allergeringſten Teil erreicht. Denn da die Intereſſen der Italiener und Deutſchen in politiſcher wie wirtſchaftlicher Hinſicht genau dieſelben ſind, ſo liegt natürlich auch kein Grund zur Anfeindung vor; im Gegenteil, ein gemeinſames Vorgehen, ein Zuſammengehen in wichtigen kolonialen oder politiſchen Angelegenheiten bringt beiden Vor— teil. In der That hat denn auch der deutſche De— putierte für den Koloniediſtrikt außer deutſchen, zahl— reiche italieniſche Stimmen bei ſeiner Wahl erhalten. 439 An gewiſſen Punkten der Kolonie, da, wo Deutſche und Italiener in größerer Menge dicht zuſammen wohnen, hat fic) bereits ein recht hübſches nachbar— liches Verhältnis herausgebildet. Ich habe eine ganze Anzahl von Italienern gekannt, welche ein leidlich gutes Deutſch ſprechen und dieſes Deutſch hatten ſie erſt auf den deutſchen Kolonien Süd-Braſiliens ge— lernt. Wenn die italieniſchen Händler und Geſchäfts— leute nach der Provinzial-Hauptſtadt Porto Alegre kommen, um Einkäufe zu machen, ſo beſorgen ſie die— ſelben mit großer Vorliebe in deutſchen Geſchäften, viel weniger dagegen in braſilianiſchen. So dürfen wir zu unſerer Freude konſtatieren, daß Deutſche und Italiener in Rio Grande do Sul friedlich neben— einander wohnen. Aber wird dies Verhältnis immer ſo bleiben? Jetzt ſind die Deutſchen noch in drei— facher Ueberzahl vorhanden. Geht aber die italieniſche Einwanderung nur zehn oder fünfzehn Jahre fo weiter, wie ſie in den letzten Jahren geweſen iſt, ſo werden ſie den Deutſchen an Zahl nahezu gleich ſein, ſie bald übertroffen haben, und dann dürfte der deutſchen Koloniſation doch eine große Gefahr drohen. Es muß daher alles aufgeboten werden, um den deutſchen Stamm in Süd-Braſilien zu kräftigen, damit er das Uebergewicht behalte, welches er jetzt noch beſitzt. Andere europäiſche Nationalitäten außer Deutſchen und Italienern find in Süd-Braſilien nur ſehr ſpär— lich vertreten, jedenfalls ſpielen ſie eine ſo unbedeutende Rolle, daß wir ſie hier gänzlich übergehen können. Einen großen Beſtandteil der Bevölkerung machen nun aber die Neger und Mulatten aus. Bekanntlich beſteht in Braſilien noch die Sklaverei. Indeſſen wird ſie in allernächſter Zeit verſchwunden ſein. In Rio Grande do Sul ſind augenblicklich nur noch ſehr wenig Sklaven vorhanden Seit einigen Jahren geht durch das braſilianiſche Volk eine mächtige Bewegung, welche darauf hinzielt, die Sklaverei aufzuheben. Durch Privatinitiative iſt es denn namentlich im Süden des Kaiſerreiches auch gelungen, die Sklaverei bis auf einen winzigen Reſt verſchwinden zu laſſen, und das jetzige Miniſterium wird den Kammern einen Geſetz— entwurf, betreffend die Aufhebung der Sklaverei ein— reichen). Da ich über den augenblicklichen Stand der Sflavenfrage in Braſilien Ende vorigen Jahres im „Globus“ ausführlich mich ausgelaſſen habe, ſo will ich hier auf den Gegenſtand nicht näher eingehen. Die Neger ſind im allgemeinen faul und arbeiten nur, wenn ſie müſſen oder wenn die Not ſie zwingt. Namentlich gilt dies von den freien Negern. Eine Beobachtung, die man in Porto Alegre ſehr häufig machen kann, illuſtriert das ſehr gut. Zahlreiche Neger üben dort das Amt eines Dienſtmannes, eines Laſtträgers aus. Sie ſitzen an verſchiedenen Stellen der Straßen, meiſt in der Nähe des Hafens vor den Thüren der Geſchäftshäuſer. Zu ihrer Bequemlichkeit haben ſie in der Regel einen kleinen Schemel, den ſie abends, wenn ſie nach Hauſe gehen, in dem Ge— ) Dieſes Geſetz iſt mittlerweile, wie die Zeitungen ge— meldet haben, von den beiden Kammern angenommen worden. 440 Humboldt. — November 1885. ſchäftslokal zurücklaſſen. Haben fie keinen Gang zu machen, ſo ſitzen ſie auf ihren Schemeln, unterhalten ſich ſehr lebhaft und flechten wohl jene großen, groben Strohhüte, die von den Arbeitern ꝛc. getragen werden. Iſt es gutes Wetter, ſo kann man Dutzende dieſer Neger auf einmal haben, wenn man irgend etwas zu beſorgen hat. Sobald es aber regnet, ſo kann man ganze Straßen abſuchen, ohne auch nur einen einzigen von dieſen faulen Kerlen zu finden. Sie gehen dann einfach nach Hauſe und kommen erſt wieder zum Vor⸗ ſchein, wenn das Wetter ſich gebeſſert hat. Uebrigens gelten dieſe Neger, wenigſtens in Süd-Braſtlien, für ſehr treu und zuverläſſig. Deutſche Kaufleute haben mich verſichert, daß man ihnen die größten Geld— ſummen anſtandslos anvertrauen könne. Die Ange⸗ wohnheit haben ſie aber in großem Maße, daß ſie nämlich ſehr gern gewaltig überfordern. Man darf ſich das natürlich nicht gefallen laſſen, auch wenn ſie noch ſo ſehr ſchimpfen. Bleibt man konſequent und gibt ihnen jedesmal dieſelbe Münze, ſo gewöhnen ſie ſich ſchließlich daran, und ſind dann auch ganz zu— frieden — wie ein eigenſinniges Kind, dem man den Willen nicht thut. Einen ſehr großen Prozentſatz der Bevölkerung bilden die Mulatten, unter denen man eine ſehr große Verſchiedenheit an Farbe und an Intelligenz beobachten kann. Während es auf der einen Seite ganz duntel- braune Mulatten gibt, iſt die Hautfarbe der anderen blaß, faſt weiß und man würde dieſelben ſchwer be— leidigen, wollte man ſie als Mulatten bezeichnen. Unter dieſen Mulatten in vierter oder noch höherer Generation trifft man viele höchſt intelligente Männer, Aerzte, Juriſten, Dichter 2c. Der unbedingt ſchärfſte Denker Braſiliens, Tobias Menezes, Profeſſor an der juriſtiſchen Akademie in Pernambuco, iſt Mulatte, dieſer Mann, der klarer wie irgend einer erkannt hat, daß nur durch die deutſche Wiſſenſchaft das brajiltani- ſche Geiſtesleben aus der Lethargie herauszureißen iſt, in der es ſich befindet. a Die Mulatten gelten allgemein für wenig zuver⸗ läſſig, für hinterliſtig und feige. Die Mulattinnen ſtellen das größte Kontingent zu den Damen der Halbwelt. Sie ſind meiſtens von ganz prächtigem Wuchs, mit Gliedern, die einen Maler und Bildhauer entzücken würden. Uebrigens wiſſen „ces dames“ ſich oft recht geſchmackvoll zu kleiden und ſie entfalten in ihren Bewegungen nicht ſelten eine Grazie, um die unſere Damen ſie wohl beneiden könnten. Man trifft die Mulattinnen auch vielfach als Dienſtmädchen oder Ammen, zum Teil auch in deutſchen Familien, wenngleich in den letzten Jahren mehr und mehr Töchter von Koloniſten als Dienſtmädchen in die Städte gekommen ſind. Die Mulatten ſind meiſtens Handwerker oder haben kleine Geſchäfte, ſogenannte „Vendas“, Kramläden, in denen geradezu alles zu haben iſt. Als Handwerker ſind die Mulatten recht geſchickt und mancher deutſche Handwerksmeiſter hat einige derſelben angeſtellt. So iſt alſo die Bevölkerung Süd-Braſiliens wie des ganzen Kaiſerreiches ein ungemein buntes Gemiſch von Raſſen, Nationalitäten und Hautfarben, ſo ver— ſchiedenartig, wie nur in irgend einem Teile der Welt. Die Raſſen ſtehen ſich hier bei weitem nicht ſo ſchroff gegenüber wie beiſpielsweiſe in Nord-Amerika. Ueberall in Braſilien haben zahlreiche Blutmiſchungen ftattge- funden und dadurch ſind eben jene endloſen Mulatten⸗ Varietäten entſtanden, welche allmählich von einer Raſſe zur anderen hinüber führen. Wer vermag zu ſagen, welches Endprodukt bei weitergehender Miſchung der verſchiedenen Volkselemente ſchließlich entſtehen wird? Soviel iſt gewiß, daß bei der Ge— ſtaltung der Dinge in der Zukunft unſere Landsleute und die Italiener eine hervorragende Rolle ſpielen werden. Die niederen Tiere des Finniſchen Meerbuſens. Von Dr. M. Braun, Profeſſor der Zoologie in Dorpat. Wie die große Oſtſee, ſo bietet auch der lang— geſtreckte Finniſche Meerbuſen keinen konſtanten Salzgehalt des Waſſers an allen Orten dar; es gilt für die Oſtſee als Regel, daß der Prozentgehalt an Salzen von Weſten nach Oſten ſchrittweiſe, jedoch nicht ganz regelmäßig an der Oberfläche abnimmt, während er an ein und derſelben Stelle von der Oberfläche nach der Tiefe allmählich zunimmt, wenigſtens zu einer gewiſſen Zeit des Jahres. Die bahnbrechenden Unter— ſuchungen, welche H. A. Meyer in Kiel begonnen und die preußiſche Miniſterialkommiſſion zur Er— forſchung der deutſchen Meere fortgeſetzt haben, laſſen dies zur Genüge erkennen. Es war meine Aufgabe, im Anſchluß an dieſe Unterſuchungen die Verhältniſſe in dem noch wenig bekannten öſtlichen Ausläufer der Oſtſee, im Finniſchen Meerbuſen zu unterſuchen, um die Bedingungen kennen zu lernen, unter denen die Tierwelt desſelben zu leben gezwungen iſt. Zu dieſem Zweck habe ich beſonders im Sommer 1883 auf kleinen, ruſſiſchen Dampfern, deren Benutzung mir vom kaiſerl. ruſſiſchen Finanzminiſterium bereitwilligſt geſtattet wurde, eine längere Reihe von Unterſuchungen angeſtellt, deren Reſultate nunmehr vorliegen?) und vielleicht auch weitere Kreiſe intereſſieren. *) Phyſikaliſche und biologiſche Unterſuchungen im weſtlichen Teile des Finniſchen Meerbuſens mit 1 Karte. Dorpat 1884. 130 S. 8°. Humboldt. — Movember 1885. 441 Aus den zahlreichen Meſſungen des Salzgehaltes und der Temperatur an verſchiedenen Punkten des Meerbuſens läßt ſich der übrigens ſchon vor mir aus— geſprochene Satz belegen, daß je weiter nach Oſten deſto geringer der Salzgehalt wird; an keiner Stelle überſteigt er an der Oberfläche 0,8%, eine Höhe, die jedoch nur am Eingange in den Buſen nördlich von der Inſel Dagd vorkommt und die auch für den ganzen öſtlichen Teil des Oſtſeebeckens ihre Gültigkeit hat. Bei Reval ſchwankt der Salzgehalt des Ober— flächenwaſſers zwiſchen 0,45 und 0,72%, bei Hoch— land findet fic) 0,47%, bei Nervö 0,35%, bei Kron— ſtadt 0,05 — 0,07%, alſo faſt ſüßes Waſſer, das auch getrunken wird. Oeftere Meſſungen an derſelben Lokalität ergeben auch ſehr bald ein fortwährendes Schwanken im Salzgehalt, das von der Richtung und Stärke des Windes abhängig iſt. Mißt man das Waſſer in verſchiedenen Tiefen an derſelben Stelle, ſo findet man allerorten eine Zunahme des Salz— gehaltes bei Abnahme der Temperatur nach der Tiefe zu, ohne daß jedoch auch hier konſtant dieſelben Zahlen vorkämen, z. B. betrug am 10. Juli 1883 (n. St.) in der Nähe der bei Reval gelegenen Inſel Carlus die Temperatur: der Salzgehalt: an der Oberfläche 16,4 C. 0,5502 9% in 5 Faden lengl.) 15,8 „ 0,5502 „ e A 1208, 0,6026 „ in 20 „ 5 3,80 0,7467 „ Am ſelben Tage wurde bei dem öſtlich von Reval gelegenen Leuchtturm Kokſcher gefunden die Temperatur: der Salzgehalt: an der Oberfläche 16,6“ C. 0,4192 % in 5 Faden. 14,4% „ 0,4847 „ i e 4,8 „ 0,6419 „ n 9e 0,7467 „ in 50 Faden — 0,8515 „Ku. ſ. f. Dieſe Zuſtände laſſen ſich jedoch nicht durch den ganzen Sommer und Herbſt verfolgen, je weiter in den Herbſt hinein, deſto mehr gleichen ſich die Unter— ſchiede in Temperatur und Salzgehalt zwiſchen ober— flächlichem und tieferem Waſſer aus; es iſt natürlich, daß mit der Zunahme der Lufttemperatur auch das Waſſer in größere Tiefen hinein erwärmt wird; ich notierte z. B. für den 18. Auguſt in der Revaler Reede Oberfläche = 15,4 C. Salzgehalt = 0,6157 % 5 Faden = 15,4% „ 06157 „ 10 „ =154°, 0,288, „ SSO 0,6419 „ 55 Ce 0,6681 „ Es iſt ferner naturgemäß, daß mit der Abnahme der Lufttemperatur im Herbſt auch das Waſſer ſich abkühlt; dabei wird aber, unterſtützt durch die infolge von Winden ſtattfindende Durchmiſchung des Waſſers, eine faſt gleiche Temperatur in allen Schichten er— reicht; z. B. Revaler Reede am 10. November 1883 Oberfläche 7,60 C. Salzgehalt = 0,6419 % 5 Faden = 7,90 „ 0,6419 „ 1 99% 0,6550 „ 20 9 IN 0,6681 „ 3090 7752 0,6943 „ 41 ‘3 > (H(A | 0,7205 „ Mit dem Ausgleich der Temperatur findet gegen den Herbſt und Winter hin, wie ſchon erwähnt, auch ein Ausgleich im Salzgehalt des Waſſers in verſchie— denen Schichten ſtatt, wofür die obigen Zahlen neben den Temperaturen als Belege dienen mögen. Es läßt ſich weiter zeigen, daß die Schwankungen im Salzgehalt und auch in der Temperatur des Ober— flächenwaſſers, welche im Beginn des Sommers recht bedeutende ſein können — fand ich doch im Juni 1883 bei Reval an der Oberfläche einmal 1,8“ C. und zwei bis drei Tage vorher ſchon 13°! — im Hexbſt immer kleiner werden, wobei die Temperatur ab-, der Salz— gehalt aber zunimmt. Unter dieſen vielfach wechſelnden Verhältniſſen lebt nun eine an Arten zwar arme, aber an Indivi— duen reiche Tierwelt, die die Fähigkeit haben muß, nicht nur den großen Sprüngen in der Temperatur des Waſſers fic) anzupaſſen, ſondern auch dem Wechſel in der Konzentration desſelben. Nun weiß man lange, daß im allgemeinen Waſſertiere gegen Veränderungen im Salzgehalt des Waſſers ziemlich empfindlich re— agieren, d. h. dieſelben ſchlecht oder gar nicht ertragen; nur wenige Arten kommen in der Natur im ſüßen wie brackigen Waſſer zugleich vor. Deshalb gewinnt die Tierwelt des Finniſchen Meerbuſens ein erhöhtes Intereſſe; ſie lebt heut vielleicht in einem Waſſer mit 0,2% Salzen und in wenigen Tagen in einem Waſſer mit viermal mehr Salzen! Dieſer bedeutende Unter— ſchied ſcheint nie ein Abſterben der Tiere in größeren Maſſen zu bewirken, wenigſtens wurde nichts in dieſer Weiſe zu Deutendes beobachtet; wir müſſen alſo eine ſo weit gehende Anpaſſungsfähigkeit den Tieren im Finniſchen Meerbuſen zuſchreiben, was noch durch die Beobachtung unterſtützt wird, daß es eine Anzahl Arten gibt, die ſowohl an der Oberfläche als in größeren Tiefen vorkommen, alſo wenigſtens im Frühjahr und Sommer verſchieden konzentriertes Waſſer bewohnen. Die wirbelloſen Tiere des Finniſchen Meerbuſens (zugerechnet iſt dabei noch die Weſtküſte von Eſthland) verteilen ſich der Artenzahl nach auf folgende Klaſſen reſp. Ordnungen: Spongiae . 1 Art. Bryozoa 1 Art. Coelenterata . 4 Arten. | Cirrhipedia Tes, Turbellaria 12 „ Copepoda . 2 Arten. Nemertini. . I GArt. Parasita 1 Art. Nematodes . 4 Arten.] Cladacera. 2 Arten. Polychaeta 4 „ Amphipoda . 12 Oligochaeta 7 „ Isopoda 4 Hirudrinea G Decapoda . 6 1 Gephyrei 1 Art. Ostracoda . Oe Rotatoria . . 31 Arten. Lamellibranchia 8 Gastrotricha. 2 „ Gastropoda 10 Summa 121 Arten. Vergleicht man die wirbelloſen Tiere des Finni— ſchen Meerbuſens mit denen aus der Oſtſee, welche die Pommeranigexpedition erbeutet hat — im Ganzen 237 Arten — ſo ergibt ſich die intereſſante That— ſache, daß beiden gemeinſam nur 50 Arten ſind, alſo 71 nur im Finniſchen Buſen vorkommen. Weiter zeigt eine Unterſuchung der letzteren 71 Arten, daß 442 Humboldt. — November 1885. von ihnen 67 Arten Süßwaſſerformen find, deren Herkunft aus dem ſüßen Waſſer um ſo ſicherer an— genommen werden muß, als ſie ſonſt im Seewaſſer nicht vorkommen; nur etwa vier Arten bleiben dem Finniſchen Buſen eigentümlich! Unter den mit der Oſtſee gemeinſchaftlichen 50 Arten ſind ebenfalls noch 11 Arten als Süßwaſſer— formen anzuſprechen, es verbleiben alſo nur 39 Arten Seetiere im Finniſchen Meerbuſen. Ueber die Herz kunft dieſer können wir, wenn wir ihren ſonſtigen Ver— breitungsbezirk ins Auge faſſen, nicht lange im Zweifel ſein; in den meiſten Fällen kommen die in Rede ſtehen— den Arten in der Nordſee vor und dort haben wir auch ihre eigentliche Heimat zu ſuchen, was in ganz gleicher Weiſe für die zahlreichen Seeformen der Oſtſee gilt. H. A. Meyer hat zuerſt in ausführlicher Weiſe begründet, daß aus der Nordſee ein kalter Strom ſalz— reichen Waſſers in die Oſtſee eindringt, wogegen ſalz— ärmeres, warmes Waſſer aus der Oſtſee hinausſtrömt; die Wirkung des kalten Unterſtromes iſt, daß erſtens das Waſſer der Oſtſee unter den jetzigen klimatiſchen und geographiſchen Verhältniſſen von Oſt nach Weſt an Salzgehalt verliert, und zweitens in der Tiefe an Salzen zu-, an Wärme abnimmt; mit dieſem Strom ſind nun auch zahlreiche Seetiere in die Oſtſee einge— drungen; die meiſten derſelben — etwa 175 Arten wirbel— loſer Tiere leben nur im weſtlichſten Teil der Oſtſee — nur etwa 60 Arten, ſind in das große Oſtſeebecken ein— gedrungen und von dieſen etwa 40 in den finniſchen Meer- buſen. In dieſem nimmt die Zahl der Seetierformen nach Oſten zu immer mehr ab reſp. hört endlich ganz auf. Die Spuren jenes Stromes aus der Nordſee laſſen ſich im finniſchen Meerbuſen auch in dem Vorkommen kälteren und ſalzreicheren Waſſers in der Tiefe erkennen. Während nun die Seeformen von Weſt nach Oſt bedeutend abnehmen, tritt in derſelben Richtung eine Vermehrung der Süßwaſſerarten ein; die Zahl dieſer ſteigt von 11 im Oſtſeebecken — im weſtlichſten Teile finden ſich keine Süßwaſſertiere — auf 67 im Finni- ſchen Meerbuſen. Wenn ſich nun auch bei genauerer mikroſkopiſcher Unterſuchung der Fauna des Oſtſee— beckens wohl noch manche Süßwaſſerart finden wird, ſo wird doch niemals die Artenzahl des Finniſchen Buſens erreicht werden, um ſo weniger, als in letzterem zahlreiche Inſektenlarven, die ebenfalls als Süßwaſſer— formen anzuſprechen ſind, nicht mitgerechnet wurden. Es fragt ſich nun, welches ſind die urſprünglichen Tiere der Oſtſee, die Süßwaſſer- oder die Seeformen ? Dieſe Frage dürfte aus den heut beſtehenden Ver— hältniſſen allein nicht zu entſcheiden ſein; geologiſche Gründe ſcheinen nun allerdings für die frühere Süß— waſſernatur des Oſtſeebeckens mit ſeinem nördlichen und öſtlichen Anhange zu ſprechen und demgemäß müſſen wir die Süßwaſſertiere als die älteren an— ſehen. Nach dem erfolgten Durchbruch der die Oſt— und Nordſee trennenden Landbrücke wanderten dann Seetiere ein, die ſich nun, je nach ihrer Fähigkeit, einen niedrigen Salzgehalt und Schwankungen in demſelben zu ertragen, weiter verbreiteten. Zugleich wurde aber die Süßwaſſerfauna, ſoweit ſie nun wieder dem vermehrten Salzgehalt ſich nicht anpaſſen konnte, vermindert und im großen Oſtſeebecken faſt ganz ver- nichtet. Eine andere, namentlich von Nilſon ver— tretene Anſchauung geht dahin, daß die Oſtſee ihre Bewohner aus dem nördlichen Eismeer erhalten hat. Jedenfalls leben nun See- wie Süßwaſſerformen in der Oſtſee unter abnormen Verhältniſſen und ſo iſt es nicht zu verwundern, wenn letztere umwandelnd auf den Habitus der Tiere eingewirkt haben. Am deutlichſten ſpricht ſich dies bei den Seetieren aus, von denen ſehr viele an Größe einbüßen; ſie ſind im wahren Sinne des Wortes zu Zwergen in dem ſüßeren Waſſer degeneriert, wofür als Beiſpiele die Maße einiger Muſcheln dienen mögen: es iſt bei Kiel bei Reval Mytilus edulis 110 mm lang, 27 mm Cardium edule 44 „ 22 Tellina baltica 23 „ N Mya arenaria 100 „ 55—77 Selbſt in der verminderten Dicke der Schalen iſt dieſe Verkümmerung der Seemuſcheln zu erkennen, obgleich das Waſſer im Finniſchen Buſen relativ kalk— reicher iſt, als an anderen Stellen. Auch die Süßwaſſertiere blieben nicht von den für ſie neuen Verhältniſſen unberührt; zahlreiche Arten, wahrſcheinlich die meiſten der urſprünglichen Fauna, ſind zu Grunde gegangen oder haben ſich nur in den ſüßeren, noch wenig gekannten Teilen des Buſens erhalten; es iſt ſchon oben erwähnt worden, daß in dem ſalzreicheren Oſtſeebecken die Zahl der Süß—⸗ waſſerformen bedeutend geringer iſt, als im Finniſchen Teile. Von den erhalten gebliebenen Arten iſt eben- falls ein Teil in ſeinen Merkmalen verändert worden, wodurch neue Formen entſtanden; auch dies läßt ſich am beſten bei gewiſſen Mollusken zeigen: Die Neri- tina fluviatilis entwickelt in der Oſtſee eine beſon— dere varietas baltica; Limnaea stagnalis, die in ſalzarmen Tümpeln an den Küſten des Finniſchen Buſens die Form ihrer Art genoſſen in den benachbar— ten ſüßen Waſſern hat, wird im ſalzreicheren Waſſer des Finniſchen Meerbuſens zu Limnaea baltica Nils. und Limnaea livonica Kob. mit mehrfachen Variationen; aud) Limnaea palustris hat in der Oſtſee eine beſon— dere Varietät gebildet und wahrſcheinlich iſt L. succinea Nils. ebenfalls eine umgewandelte Süßwaſſerform. Warum nicht alle Süßwaſſerformen im Finniſchen Buſen ſich erhalten haben, läßt ſich leicht durch die Thatſache erklären, daß die einzelnen Arten gegen entſprechende Salzlöſungen verſchieden widerſtands— fähig ſind, wie dies einige wenige Experimente, die ich machte, zur Genüge ergaben: ſo lebte Asellus aquaticus, direkt aus ſüßem Waſſer in eine 0,5% Seeſalzlöſung übertragen, noch am fünften Tage; Dendrocoelum laeteum und Planaria torva, zwei auch im Finniſchen Meerbuſen vorkommende Süß⸗ waſſerturbellarien, ertrugen 0,6% Salz fünf Tage lang ohne Schaden; dagegen ſtarben einige Mollusken ſelbſt in dünneren Löſungen bald, ebenſo verſchiedene Arten von Daphnia — übereinſtimmend damit kom— men thatſächlich die unterſuchten Arten nicht im weſt— lichen Teile des Finniſchen Meerbuſens vor. Humboldt. — November 1885. 443 Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Elektrotechnik. Von Dr. V. Wietlisbach in Bern. Telegraphie: Die internationale Telegraphenkonferenz. Das Gegenſprechen. Der Cypendruder von Hughes. Die Automaten. Die Multipelapparate. Unter den Anwendungen der Elektrieität iſt die Tele— graphie die älteſte und wichtigſte. Wir wollen uns diesmal ſpeciell mit ihr beſchäftigen. Einen Begriff von der Ausdehnung, welche die Tele— graphie bis heute gefunden hat, gibt die internationale Telegraphenkonferenz, welche ſich dieſes Jahr in Berlin verſammelt hat. Dieſe Konferenz repräſentiert über 30 Länder mit 600 Millionen Einwohnern und über 60 Millionen Quadratkilometer Flächeninhalt. Dieſe Länder beſitzen zuſammen ein Telegraphennetz mit einer Drahtlänge von über 2 Millionen km, und mit einer Linienlänge von gegen 1 bis 2 Millionen km. Mit der geſamten Drahtlänge könnte man Smal den Weg zwiſchen Mond und Erde zurücklegen, oder 50mal den Aequator der Erde umſpannen. Als Appa⸗ rate ſind auf den internatio⸗ nalen Linien der Schreib⸗ apparat von Morſe und der Druck⸗ apparat von Hughes in Gebrauch. Das Prinzip des erſteren mit ſei— nem aus Punk⸗ ten und Stri⸗ chen zuſammen⸗ geſetzten Alphabete iſt allgemein bekannt. Während bei ihm die auf dem Papierſtreifen des empfangenden Apparates ent— ſtehenden Zeichen erſt durch einen Beamten in allgemein verſtändliche Schriftzeichen übertragen werden müſſen, liefert dagegen der Hughesapparat auf dem Papierſtreifen ohne weiteres das Telegramm in der gewöhnlichen Druckſchrift, ſo daß die Uebertragung durch einen Beamten hier erſpart bleibt. Das wird erreicht durch den ſynchronen Gang zweier Uhrwerke, welche ſowohl auf der Aufgabeſtation als auf der Empfangsſtation die Apparate in ganz überein— ſtimmender Bewegung erhalten. Das Prinzip des Typen— druckers von Hughes wird durch die Fig. 1 ſchematiſch angedeutet. Die Aufgabeſtation A beſitzt in erſter Linie eine Klaviatur e, welche ſo viel Taſten enthält, als Buch— ſtaben zur Uebertragung benutzt werden. Gewöhnlich wählt man 28 Taſten. Dieſe ſtehen in Verbindung mit dem zweiten Teile des Apparates, der Stiftbüchſe s, welche ebenſo viele Löcher enthält, als die Klaviatur Taſten. In jedem Loch bewegt ſich ein Stift, welcher für gewöhnlich nicht über das Niveau des Deckels der Stiftbüchſe hervor— ragt. Wenn aber eine Taſte niedergedrückt wird, ſo hebt eine Hebelverbindung den entſprechenden Stift über den Deckel hervor. Um die Achſe der Büchſe iſt ein horizontaler Arm drehbar, welcher ein über die Löcher hingleitendes Metallſtück, den ſogenannten Kontaktſchlitten trägt. Achſe und dadurch der Kontaktſchlitten ſtehen mit der Linie in Verbindung. Die erſtere wird durch ein Uhrwerk in möglichſt gleichförmige Rotation verſetzt. Die Hebel, welche die Taſten mit den Stiften verbinden, ſtehen mit dem einen Pole einer Batterie b in Verbindung, während der andere Pol dieſer Batterie zur Erde abgeleitet iſt. Wird nun eine Taſte, z. B. diejenige des Buchſtabens a Die Fig. 1. niedergedrückt, fo hebt fic) der Stift a über die Stiftbüchſe empor, und es ſtößt in einem beſtimmten Zeitmoment der Kontakt⸗ ſchlitten an den aus der Büchſe hervorragen— den Stift; da⸗ durch wird die Linie mit der Batterie ver⸗ bunden, und es fließt der Strom in die Linie, jo- : lange der Kon— taktſchlitten bei ſeiner Rotation mit dem Stift in Berührung bleibt. Dieſer Strom gelangt auf der Empfangsſtation E in den Druckapparat. Dieſer beſteht aus einem polariſierten Elektromagnete mit einem Anker, welcher durch den perma— nenten Magnet m unter dem Kerne an demſelben feſt— gehalten wird. Ein anderer Teil des Empfangsapparates ijt das Typenrad et, welches an ſeinem Umfange in ebenſo vielen Zähnen, die 28 Buchſtaben eingeſchnitten trägt. Das— ſelbe wird ebenfalls durch ein Uhrwerk in gleichförmiger Rotation erhalten, und es verſteht ſich von ſelbſt, daß die Geſchwindigkeit des Kontaktſchlittens und des Typenrades genau miteinander übereinſtimmen müſſen. Der von der aufgebenden Station nach E kommende Strom durchfließt den Elektromagneten in einer ſolchen Richtung, daß der Magnetismus geſchwächt wird; der Anker wird von der Feder k in die Höhe geſchnellt, und preßt dabei die in ſeiner Gabel gelagerte Druckwalzeſ d mit dem Papierſtreifen p gegen das Typenrad, wodurch der gerade der Druckwalze gegenüberſtehende Buchſtabe abgedruckt wird. Damit nun 444 Humboldt. — November 1885. aber auch der richtige Buchſtabe getroffen wird, muß das Typenrad richtig eingeſtellt ſein, es muß im gleichen Zeit⸗ momente derjenige Buchſtabe vor der Druckwalze vorbei⸗ rotieren, welcher dem Loche entſpricht, über dem der Kontakt⸗ ſchlitten hingleitet. Und es muß ferner, wenn das Typenrad einmal richtig eingeſtellt iſt, Kontaktſchlitten und Typenrad mit genau gleicher Geſchwindigkeit ſich beſtändig weiter bewegen. Dieſes iſt mit den genaueſten Uhrwerken nie vollkommen erreichbar; es muß daher der Synchronismus beſtändig korrigiert werden, was gewöhnlich automatiſch durch den Apparat ſelbſt beſorgt wird. Doch würde es zu weit führen, hier auf die Details dieſer ziemlich kompli⸗ zierten mechaniſchen Einrichtung einzutreten. Neben dieſen im internationalen Verkehr zwiſchen den verſchiedenen Ländern allgemein zugelaſſenen Apparaten ſind in den einzelnen Staaten noch andere Apparate im Gebrauch, welche aber noch nicht zu dem durchgehenden Verkehr zugelaſſen ſind. Das Ziel, welches dieſe ver— ſchiedenen Apparate zu erſtreben ſuchen, beſteht darin, auf einem beſtimmten Drahte mit möglichſt wenig Beamten möglichſt viele Depeſchen zu ſpedieren. Bei den langen Telegraphenlinien werden die Hauptbetriebskoſten verurſacht durch die Amortiſation der koſtſpieligen Linienanlage und ihrer Unterhaltung, ferner durch Beiſtellung eines tüchtigen Perſonals. Daneben kommen die im allgemeinen nicht hohen Anſchaf— fungskoſten der Apparate nicht weſentlich in In der Mitte derſelben ſehen wir eine Reihe von Löchern, welche alle gleich weit voneinander abſtehen, und welche nicht zum eigentlichen Telegraphieren dienen. Ihr Zweck iſt vielmehr, dafür zu ſorgen, daß beim Abtelegraphieren der Streifen mit möglichſt gleichmäßiger Geſchwindigkeit durch den Abſendeapparat gezogen wird, was man dadurch erreicht, daß ein gezähntes Rad in dieſe Löcher eingreift, und bei ſeiner durch ein Uhrwerk überwachten Rotation den Streifen mitnimmt. Neben dieſen Löchern zur Führung des Streifens ſehen wir zu beiden Seiten desſelben zwei weitere Reihen von Löchern, welche zur Stromſendung dienen. Aus verſchiedenen Gründen, namentlich um auf langen Linien ein raſcheres Telegraphieren zu ermöglichen, werden Wechſelſtröme verwendet. Die Kontakteinrichtung, durch welche der Streifen gezogen wird, beſteht im weſentlichen aus zwei ſehr raſch vibrierenden Nadeln, von welchen die eine gegen die rechts liegende Lochreihe ſich bewegt, die andere gegen die links liegende. Die eine Nadel vermittelt die poſitiven Stromimpulſe, die andere die negativen. Wenn nämlich die Nadel gerade auf ein Loch trifft, ſo tritt ſie ein kleines Stück durch dasſelbe hindurch, bis ihr unteres mit einem Hebel verſehenes Ende an einem Stift anſtößt, welcher den Pol einer Batterie bildet. Die Nadel, welche durch die obere Lochreihe Fig. 2b tritt, kommt mit dem poſitiven Pol, Betracht. Man CBee Gaol Owe OdeG 0 6 6 solog g oa0 ane diejenige, ſucht daher 4 Se de, e e e at ae oe Rea erat e ve welche durch durch zweckmä⸗ die untere Loch⸗ Fig. 2. ßig konſtruierte Apparate jeden einzelnen Draht jo ſtark als möglich aus- zunutzen. Dies hat man auf verſchiedenen Wegen zu erreichen geſucht. Ein Haupthemmſchuh, welcher die Geſchwindigkeit der Uebertragung in ſehr engen Grenzen hält, liegt in der phyſiologiſchen Beſchaffenheit der menſchlichen Nerven- thätigkeit begründet Die Bewegung des Morſeſchlüſſels wird unſicher, ſobald der Beamte zu raſch manipuliert, weil er nicht mehr imſtande iſt, ſeine Nerventhätigkeit vollſtändig zu beherrſchen. Alle Apparate, welche zum Zweck haben, die Kapazität eines Drahtes, d. h. die auf ihm zu befördernde Depeſchenzahl zu vergrößern, müſſen alſo ſuchen, dieſen Mangel der menſchlichen Thätigkeit zu umgehen oder unſchädlich zu machen. Das erſtere geſchieht durch die ſogenannten Automaten, welche ſelbſtthätig ohne Zwiſchenkunft eines Beamten die Depeſche abſenden. Der bekannteſte derſelben ijt derjenige von Wheate— ftone, welcher namentlich in England in ausgedehntem Gebrauch ſteht. Die abzuſendenden Depeſchen werden erſt auf einen Papierſtreifen übertragen und der vorbereitete Papierſtreifen gelangt dann in den Abſendeapparat, durch welchen er mit großer Geſchwindigkeit hindurchgezogen wird, und dabei automatiſch die Stromimpulſe in die Linie ſendet. Die Zubereitung geſchieht mit Hilfe eines beſonderen kleinen Apparates und beſteht darin, daß der Streifen nach beſtimmten Regeln mit Löchern verſehen, perforiert wird. Ein perforierter Streifen iſt in Fig. 2b abgebildet. reihe tritt, mit dem negativen Pol der Batterie in Verbindung. Beide Radeln aber ſtehen mit der Linie in Verbindung. Trifft aber die Nadel auf kein Loch, ſo wird jie vom Papter- ſtreifen in ihrer Bewegung gehemmt, und der Hebel kommt nicht dazu, den Kontaktſtift zu berühren, es findet alſo auch keine Stromſendung ſtatt. Als Empfänger dient ein pola- riſiertes Relais). Es wird daher der Anker des Relais momentan angezogen und darauf unmittelbar wieder zurück⸗ geworfen, wodurch derſelbe einen Punkt notiert. Um einen Strich zu erzeugen, folgt dem poſitiven Strom erſt nach einer beſtimmten angemeſſenen Zeit ein negativer. Es wird alſo der Anker des Relais angezogen und fängt an, einen Strich zu notieren, bis der negative Strom den Anker vom Papier wieder weghebt. Auf dieſe Weiſe kommt die Schrift entſprechend den perforierten Löchern zuſtande, wie es Fig. 2 zeigt. Bei dieſem Apparate werden nur momentane Ströme in die Linie geſandt, entſprechend den raſchen Vibrationen der Nadeln. Die Länge der Striche wird nicht durch langdauernde Ströme, ſondern durch die Diſtanz der Stromimpulſe beſtimmt. Das Syſtem iſt daher beſonders vorteilhaft auf langen Linien, da einmal durch die kurzen Stromimpulſe, andererſeits durch den ſteten Wechſel der Stromrichtung die Linie immer ſehr raſch entladen wird; dieſe Apparate geben ſogar auf kleineren Kabeln, wo die Morſe-Apparate unbrauchbar werden, noch gute Reſultate. ) Um einen Punkt zu erzeugen, wird ein pojitiver Strom in die Linie geſandt, und unmittelbar darauf ein negativer. Humboldt. — November 1885. 445 Im gewöhnlichen Betriebe iſt die Leiſtungsfähigkeit des Wheateſtone Amal größer als die eines einfachen Morſe. In den ſechziger Jahren ſind verſchiedene Kombinationen vorgeſchlagen worden, um die Kapazität der Drähte zu er— höhen, welche als Doppel- und Gegenſprecher bekannt ſind. Die Vereinigung beider bildet den Doppel-Gegenſprecher oder Quadruplex-Apparat, welcher beſonders in Amerika große Verbreitung gefunden hat, und welcher geſtattet, gleichzeitig vier Depeſchen auf dem gleichen Draht, zwei nach jeder Richtung, zu ſenden. Das zuerſt von Schwendler in einfacher Form vorgeſchlagene Gegenſprechen beruht auf derEigenſchaft des ſogenannten Wheateſtoneſchen Drahtvier— eckes. Bildet man, wie in ne— benſtehender Fig. 3 angedeutet iſt, ein Drahtviereck a bed und wählt die Widerſtände der einzelnen Seiten des Vier— eckes ſo, daß das Produkt zweier Gegenſeiten gleich iſt, alſo a. d = be ez; verbindet man dann zwei Diagonalpuntte mit einer galvaniſchen Batterie und die anderen Diagonal— punkte durch einen Draht mit einer Bouſſole, ſo fließt in dem letzteren kein Strom, ſo— lange obige Bedingung erfüllt iſt; es entſteht aber ſofort ein ſolcher, wenn der eine oder andere Widerſtand abge— ändert wird, und jene Rela⸗ tion nicht mehr erfüllt bleibt. Dieſe Eigen— ſchaft benutzt man beim Ge— genſprechen, in— dem man ein Linienſchema bildet, wie Fig. 4 zeigt. Wenn die Auf— gabeſtation A ein Zeichen gibt, und ihren Schlüſſel s niederdrückt, ſo ſpielt ihr Empfangsapparat E nicht, weil er ſich in einem Wheateſtoneſchen Drahtviereck in der Diagonale befindet. Kommt aber ein Strom von auswärts, dann gilt dieſes nicht mehr, weil die Linie, welche jetzt als Batterieleitung zu betrachten iſt, nicht die zweite Diagonale, ſondern eine Seite des Vierecks bildet, und es wird der Apparat anſprechen. Damit wird alſo erreicht, ie Fig. 4. daß gleichzeitig ſowohl die Station A nach B, und die Station B nach A telegraphieren kann, ohne einander zu ſtören, indem jeder Apparat immer nur auf den von auswärts kommenden Strom anſpricht, gegen den von der eigenen Station abgeſandten Strom dagegen unempfindlich bleibt. Ein Nachteil dieſes Gegenſprechens iſt, daß natür— lich nur ein Teilſtrom den Apparat durchfließt, ein be— Humboldt 1885. äꝗ!— trächtlicher Teil aber nutzlos den Zweigleitungen folgt. Es muß daher ein bedeutend ſtärkerer Strom verwendet werden, als beim einfachen Telegraphieren. Das fruchtbarſte Syſtem, welches gegenwärtig in der Telegraphie verwendet wird, um die Kapazität der Drähte zu erhöhen, iſt das Multipelſyſtem mit der Verteiler— ſcheibe. Die Linie wird nicht direkt mit dem Apparate verbunden, ſondern wie beim Hughes-Apparate mit einer Achſe, welche einen Schlitten über eine Kontaktſcheibe führt. Jede Scheibe iſt in eine gewiſſe Anzahl, z. B. 4 vonein— 5 ander iſolierten Sektoren ge— teilt, und jeder Sektor mit einem beſonderen Apparate verbunden. Es wird alſo während einer Umdrehung jeder Sektor und alſo auch jeder Apparat während des vierten Teiles einer Um— drehungszeit mit der Linie verbunden, und dieſe Zeit muß genügen, um ein Zeichen in dieſelbe zu ſenden. Wenn | dann die Schlitten mit genau der gleichen Geſchwindigkeit über die Verteilerſcheiben hin— gleiten, ſo werden auf beiden Stationen immer die gleichen Apparate mit denſelben verbunden, und alſo das auf der Station A von dem Apparate 1 abgeſandte Zeichen auf der Station B ebenfalls immer dem Ap— parate 1 zuge— führt werden. Wäre die Um— drehungsge— ſchwindigkeit nicht genau gleich groß, ſon— dern auf der Station A etwas größer, ſo würde der Schlitten auf der Station B immer weiter nachhinken. dährend der Schlitten in A ſchon auf dem Apparate 2 iſt, würde er in B noch auf 1 ſein, und daher dieſer Apparat nicht nur das Zeichen von 1, ſondern auch noch teilweiſe das— jenige von 2 erhalten. Nach einer gewiſſen Zeit ſogar würde das Zeichen von 1 gar nicht mehr ankommen, ſondern nur noch dasjenige von 2. Später dasjenige von 3 und zuletzt von 4. Es iſt aber klar, daß auf dieſe Weiſe keine Verſtändigung möglich wäre, die Zeichen würden teilweiſe vermiſcht, durcheinander geworfen. Nur wenn die Schlitten genau ſynchron gehen, iſt eine Verſtändigung möglich. Wir wollen jetzt ſehen, auf welche Weiſe dem Tele— graphiſten ermöglicht wird, in der kurzen Zeit, während welcher der Apparat mit der Linie verbunden bleibt, ein 57 HH} Fig. 3. 446 Numboldt. — November 1885. Zeichen abzugeben. Eine der erſten Einrichtungen dieſer Art rührt von Meyer her. Die Morſezeichen, wenigſtens die gebräuchlichſten, laſſen ſich alle aus vier Punkten und vier Strichen zuſammenſetzen. Der Sender beſteht, wie beim Hughes aus einer Klaviatur C, Fig. 5, und dieſe beſitzt vier weiße und vier ſchwarze Taſten. Im ferneren iſt jeder Sektor der Verteilerſcheibe in 8 Unterabteilungen getrennt. Dieſe beſtehen aus ebenſo vielen voneinander iſolierten, abwechſelnd ſchmalen und breiten Metallſtreifen. Die breiten Streifen ſind mit den weißen Taſten verbunden und die ſchmalen mit den ſchwarzen. Wird eine Taſte niedergedrückt, fo wird dadurch die Linienbatterie b mit dem betreffenden Segment der Verteilerſcheibe verbunden; es wird bei der Rotation des Schlittens über dasſelbe ein Strom in die Linie geſandt, deſſen Dauer übereinſtimmt mit der Zeit, während welcher der Schlitten mit jenem Segment in Berührung bleibt. Will der Beamte z. B. den Buchſtaben k abſenden — . —, fo drückt er die erſte weiße Taſte, die erſte ſchwarze und die zweite weiße Taſte. Während der Schlitten über ſeinen Sektor hinweggleitet, wird dann der Reihe nach ein langer, ein kurzer und ein langer Stromimpuls in die Linie geſandt. Wie der Schlitten vorbei iſt, läßt der Beamte die Taſten los, und bereitet, während der Schlitten über die übrigen drei Sektoren weg— gleitet, ſeine Finger zum Abgeben eines neuen Buchſtabens vor. Die Stromimpulſe durchlaufen nun auf der Empfangs- ſtation einen Morſeapparat M und erzeugen auf demſelben die gewöhnliche Morſeſchrift. Allerdings ſind die Elektro— magnete desſelben ſpeciell konſtruiert, und um ein leichtes und raſches Anſprechen zu erreichen, mit polariſierten Ankern ausgerüſtet. Dieſer Apparat wurde von Scheffler und Baudot dahin vervollkommnet, daß er nicht nur Morſezeichen, ſondern wie der Hughesapparat direkt Typen druckt. Beide Apparate haben als Geber eine Klaviatur mit 5 Taſten. Es iſt möglich, 5 Zeichen auf 31 verſchiedene Arten zu kombinieren, nämlich jede Taſte einzeln für ſich gedrückt gibt 5 Zeichen, dann können zu je 2 mit denſelben 10 Kom— binationen gebildet werden, zu 3 ebenfalls 10; zu 4 gibt es 5 Kombinationen; eine letzte entſteht dadurch, daß alle Taſten gleichzeitig miteinander geſchlagen werden. Dieſe 31 Zeichen reichen für das gewöhnliche Alphabet aus. Im übrigen iſt der Sender gerade ſo wie bei Meyer eingerichtet, dagegen hat man ſtatt der kurzen und langen Strom— impulſe, nur Stromimpulſe von gleicher Länge, welche ſich aber in beſtimmter Zahl und in beſtimmten Zeit— intervallen folgen. Der Geber iſt abweichend von dem— jenigen von Meyer. Jeder Sektor iſt in 5 voneinander iſolierte Teile ge— trennt, ſo daß jeder Stromimpuls in eine beſondere Ab— teilung fließt. Jede derſelben iſt mit einem Relais verbunden, deſſen Anker gewöhnlich in der Ruhelage verharrt. Wird demſelben aber ein Stromimpuls zugeführt, ſo wird der Anker desſelben umgelegt. Nachdem der Schlitten über einen Sektor weggeglitten iſt, ſind die Anker der Elektro— magnete alle ſo geſtellt worden, daß daraus der telegraphierte Buchſtabe abgeleſen werden kann. Für den Buchſtaben a z. B. wird die 2., 3., 4. Taſte niedergedrückt, es wird deshalb der Schlitten beim Gleiten über den Sektor bei der 2., 3., 4. Abteilung einen Stromimpuls in die Linie ſenden; bei der 1. und 5. Abteilung dagegen keinen. In⸗ folge deſſen wird auch der Anker des 2., 3. und 4. Relais umgelegt, während das 1. und 5. in ihrer Ruheſtellung bleiben. Jedem Buchſtaben entſpricht ſo eine beſtimmte Stellung der 5 Relaisanker. Das Problem, welches jetzt noch zu löſen iſt, beſteht darin, die Stellung der Relais- anker in einen Buchſtaben umzuwandeln. Dieſes wird nun bei den verſchiedenen Syſtemen auf ſehr verſchiedene Arten gemacht, die Apparate dazu ſind aber ſo kompliziert, daß ſie hier nicht beſchrieben werden können. Zudem wird dieſer Teil des Apparates namentlich beim Syſtem Baudot ſtetigen Verbeſſerungen und Aenderungen unterworfen, ſo daß nach dieſer Richtung derſelbe noch nicht als abgeſchloſſen zu betrachten iſt. Am leiſtungsfähigſten ſcheint von allen bis jetzt fon- ſtruierten Apparaten derjenige von Delanay zu fein. Derſelbe beruht ebenfalls auf dem Princip der Verteiler- ſcheibe, dagegen verwendet er als Motor für die Bewegung das phoniſche Rad von Lacour. Dasſelbe beſteht befannt- lich aus einem gezahnten Rade aus Eiſen, deſſen Zähne ſehr nahe an den Polen eines Elektromagneten e, Fig. 6, vorbei rotieren können. Dieſer Elektromagnet wird durch eine elektromagnetiſche Stimmgabel G erregt. Da die in den Stationen aufgeſtellten Stimmgabeln genau abgeglichen ſind, ſo werden ſie in einer Minute genau gleich viel Stromſchlüſſe herſtellen. Bei jedem Stromſchluß gleitet das Rad um einen Zahn vor dem Pole des Elektromagneten weiter, und ſo kommt eine ſehr regelmäßige und überein— ſtimmende Rotation des Rades und des auf der Achſe desſelben ſitzenden Schlitten zuſtande. Zwei Punkte ſind beim Syſtem Delanay beſonders hervorzuheben. Die Verteilerſcheibe iſt nicht in nur wenige Sektoren, wie beim Syſtem Meyer, geteilt, ſondern in eine ſehr große Zahl, etwa 70. Wenn nun der Schlitten noch mit einer erheblichen Geſchwindigkeit, etwa 3 Rotationen in der Sekunde, ſich bewegt, ſo gleitet er in einer Sekunde über 210 Sektoren. Es kann nun natürlich keine Rede davon ſein, jeden Sektor der Scheibe mit einem beſonderen Apparate zu verbinden. Die Zeit zur Abgabe des Zeichens würde doch zu kurz ausfallen. Man verbindet etwa alle 4 oder 10 Segmente miteinander, und dann die fo ver— bundenen Segmente mit einem beſonderen Apparate. Der erſtere Fall gibt die vierfache Telegraphie, der letztere die zehnfache. Bei der vierfachen Telegraphie wird von den 210 Sektoren, welche in einer Sekunde den Schlitten paſſieren, der vierte Teil, alſo 52, demſelben Apparate angehören; jeder Apparat wird in der Sekunde 52mal mit der Linie verbunden. Die Verbindungen folgen ſo raſch aufeinander, daß auf die einzelnen Impulſe ein etwas ſchwer gebauter Elektromagnet nicht mehr anſpricht, und der Anker beſtändig angezogen bleibt. Es macht daher für den Dienſt gar keinen Unterſchied, ob die Ver— teilerſcheibe in die Linie eingeſchaltet iſt oder nicht; und es können vier Morſe auf gewöhnliche Art auf ein und derſelben Linie arbeiten, ohne ſich gegenſeitig zu ſtören. Wenn man die Zahl der arbeitenden Apparate vergrößert, ſo wird die Zahl der Verbindungen zwiſchen der Linie und den Apparaten immer kleiner, und der Telegraphiſt muß das Tempo mäßigen, um noch eine ſichere Translation zu erhalten. Was man daher an der Zahl der eingeſchalteten Humboldt, — Movember 1885. 447 Apparate gewinnt, verliert man auf der anderen Seite wieder an Geſchwindigkeit der einzelnen Uebertragungen. Ein anderer intereſſanter Punkt dieſes Syſtems betrifft die Korrektion, und es ſoll dieſelbe hier beſprochen werden, zugleich als ein Beiſpiel, wie bei den Multipelapparaten der ſynchrone Gang zu erhalten geſucht wird. Auf jeder Verteilerſcheibe iſt der Korrektion eine be— ſtimmte Anzahl von Segmenten reſerviert. Im einfachſten Falle ſind zwei Paare ſolcher nötig, welche am beſten auf diametralen Stellen der Scheibe gewählt werden. In der Figur ſollen je das oberſte und unterſte Paar hiezu dienen. ab, e d. Der Sektor a iſt mit einer Batterie B verbunden; der Sektor b iſt iſoliert; der Sektor e hat eine Verbreite— rung gegen den letzten Sektor d, welcher wie— der iſoliertiſt'). Wenn der Synchronis— mus der beiden Apparate ge— nau hergeſtellt iſt, ſo wird der Schlitten auf der Station A den Sektor a berühren, während er auf der Station B über den iſo— lierten Sektor d gleitet. Wie + nun aber die Scheibe A etwas langſamer rotieren ſollte als die Scheibe B, ſo würde bald der Schlitten des Apparates B die Verbreiterung des Sektors e berühren, während auf dem Apparate A der Schlitten noch auf dem Sektor a liegt. In dieſem Momente findet der Strom der Batterie B in A einen Weg durch die Linie, die Verbreiterung des Sektors e in den an demſelben an— geſchloſſenen Elektromagnet E zur Erde. Der Anker des letzteren wird angezogen, und ſchließt bei n eine Neben— leitung für den Strom, welcher die elektromagnetiſche Stimmgabel der Station B erregt. Es fließt nun nicht mehr der ganze Strom der Batterie durch die Windungen der Erregungsſpule derſelben, ſondern nur noch ein Teil, während der andere Teil die von dem Elektromagneten ge— ſchloſſene Zweigleitung nm pq benutzt. Infolge Schwä— Fig. 6. ) Die Lage der Sektorenpaare ab, cd auf den Stationen A und B iſt um 1800 verdreht. chung des Stromes werden auch die Elongationen der Gabel etwas ſchwächer, und da die Zahl der Vibrationen größer wird, wenn die Schwingungen kleiner werden, ſo ſtellt die Stimm— gabel in einer Sekunde mehr Stromſchlüſſe her, als vorher; das phoniſche Rad erhält raſcher aufeinander folgende Im— pulſe, ſeine Bewegung wird beſchleunigt, bis es das Rad der Station B eingeholt hat und die Korrektion nicht mehr wirkt. Würde umgekehrt die Station B langſamer gehen, ſo würde auf ganz dieſelbe Weiſe das andere Paar der zur Korrektion beſtimmten Sektoren zur Geltung kommen. Gewöhnlich werden mehr als zwei Paare von Sektoren zur Korrektion benutzt. Ihre Zahl richtet ſich natürlich nach der Zahl der Sektoren überhaupt, und nach der Ge— ſchwindigkeit, mit welcher die Scheiben rotie— ren ſollen. Im vorher- gehenden haben wir nur einige der wichtigſten Typen von Telegraphen⸗ apparaten be⸗ ſprochen; zu⸗ dem haben wir uns begnügen müſſen, je⸗ weilen auf die Principien aufz merkſam zu machen. Ein ganzes, wichti— ges Gebiet iſt unberückſichtigt geblieben, nämlich die Kabel— telegraphie. Wir haben uns dasſelbe auf eine andere Gelegen— heit aufgeſpart. In der That kommen hier wieder ganz andere Geſichtspunkte in Betracht, als bei den Apparaten, welche wir bisher beſprochen haben. Bei dieſen iſt nämlich der Grundgedanke, auf einem einzigen Drahte und auf eine möglichſt einfache Weiſe, mit einer möglichſt beſchränkten Anzahl von Beamten eine möglichſt große Anzahl von Depeſchen zu ſpedieren. Bei der Kabeltelegraphie hat man es aber mit ganz beſonderen Schwierigkeiten zu thun. Während auf einer gewöhnlichen Luftlinie die Zeit, welche nötig iſt, damit ein Zeichen von einem Orte zum anderen gelangt, immer als verſchwindend klein zu betrachten iſt und nur kleine Bruchteile von Sekunden beträgt, braucht ein elektriſcher Stromimpuls, um ein atlantiſches Kabel zu durch— laufen, ca. 4 Sekunden. Aus dieſem Grunde ſind in der Kabeltelegraphie ganz andere Principien maßgebend. 2 Botanik. Don Prof. Dr. Ernſt Hallier in Halle a. S. Aus der politiſchen Centraliſation, welche die un— mittelbare Folge der Begründung und Erſtarkung des Deutſchen Reiches war, ſchöpften manche ängſtliche Gemüter die Beſorgnis einer hemmenden Einwirkung auf die Fort— entwickelung der Künſte und Wiſſenſchaften. Dieſe Beſorg— nis hat ſich glücklicherweiſe bis jetzt als grundlos erwieſen: 448 Humboldt. — November 1885. auf allen Gebieten wiſſenſchaftlicher und künſtleriſcher Be- ſtrebungen herrſcht ein regerer Eifer als je zuvor. War doch auch bei einem ſo gründlich decentraliſierten Lande, wie Deutſchland es vor 1870 war, eine raſche Verände— rung in der Zahl und Verteilung der Bildungscentren kaum zu befürchten. Allerdings ſind der politiſchen Cen— traliſation auch centraliſierende Beſtrebungen auf wiffen- ſchaftlichen Gebieten gefolgt; ſo z. B. die Gründung der Deutſchen botaniſchen Geſellſchaft in Berlin, aber dieſe haben nach allen Seiten nur fördernd und anregend ein— wirken können; ſie haben die Forſcher einander näher gebracht, die verſchiedenen Beſtrebungen gemeinſamen Zielen zugeleitet, den Gegenſatz der Schulen und Cliquen gemildert. Für die Botanik hat zunächſt die politiſche Centraliſation und Machtſtellung Deutſchlands den großen Vorteil herbei— geführt, daß das floriſtiſche und pflanzengeographiſche Material beſſer zugänglich wird, reichlicher herbeiſtrömt und dadurch eine ausgiebigere Verarbeitung ermöglicht. Die großen Erfolge unſerer Kolonialpolitik haben auch in dieſer Hinſicht ungemein ſegensreich eingewirkt. Die pflanzen⸗ geographiſchen Beſtrebungen in Deutſchland entwickeln ſich in neuerer Zeit in doppelter Richtung, nach innen und nach außen, erfolgreich. Für die Erforſchung der deutſchen Flora hat ſich neben zahlreichen kleinen Centren, deren Zahl von Jahr zu Jahr im Zunehmen begriffen iſt, in Berlin ein großes, allgemeines Centrum gebildet, ſo daß bei der Intenſität, mit welcher hier überall gearbeitet wird, in nicht allzu langer Friſt die Aufgabe einer umfaſſenden Bearbeitung des geſamten deutſchen Florengebiets, welche in ähnlicher Weiſe bahnbrechend wirken mußte, wie einſt Kochs Syn— opſis, ihrer Löſung zugeführt wird. Die Garckeſche Flora kann nun als Taſchenbuch von Anfängern und Geübteren auf ihren Wanderungen in allen deutſchen Gauen benutzt werden, denn ſie iſt in ihrer vor kurzem erſchienenen 15. Auflage auf die Grenzen des Deutſchen Reichs er— weitert worden, da ſie auch die bayeriſche Hochgebirgsflora mit aufgenommen hat. Ueberall entſtehen Lokalfloren und füllen die bis dahin vorhandenen Lücken aus, wie z. B. Prantl die bayeriſche und badiſche Flora, Melsheimer die mittelrheiniſche Flora bearbeitet hat. Einzelne wichtige Funde werden raſch bekannt, teils durch die Berichte der Deutſchen botaniſchen Geſellſchaft, welche ungefähr monat— lich erſcheinen, teils durch die Deutſche botaniſche Monats- ſchrift, welche in Sondershauſen von Profeſſor Leimbach herausgegeben wird. So berichten in dem erſtgenannten Organ Uechtritz und Aſcherſon über das wahrſcheinlich eingeſchleppt in Deutſchland vorkommende Hypericum japonicum, F. und A. Wirtgen über Carex ventricosa in der Rheinprovinz u. ſ. w. Aber auch in anderen euro- päiſchen Ländern, in England, Frankreich, Spanien, Italien, Skandinavien, Rußland, Oeſterreich u. a. macht die Floriſtik rüſtige Fortſchritte und M. Gandoger arbeitet ſeit längerer Zeit an einer Flora von ganz Europa, von welcher vor kurzem in Paris der fünfte Band (Lineen, Malvaceen, Hypericineen, Tiliaceen) erſchienen iſt. Auch die phänologiſchen Beobachtungen machen ſtetige Fortſchritte. Wieweit man dabei ins einzelne geht, mag beiſpielsweiſe die vor kurzem von Egon Ihne heraus— gegebene Karte des Aufblühens von Syringa vulgaris in Europa zeigen. Für die Erforſchung der außereuropäiſchen Floren war Deutſchland bis jetzt auf die Arbeit ſeiner For⸗ ſchungsreiſenden angewieſen, welche nur zu oft mit großen Opfern, ja mit Lebensgefahr verbunden ijt. Gründlich gear- beitet wird in den außereuropäiſchen Kontinenten natürlicher weiſe nur in den wirklichen Kulturländern, wie namentlich Nordamerika und Auſtralien, und in den von europäiſchen Kulturländern abhängigen Kolonieen, wie z. B. Sibirien und Mittelaſien, Oſtindien, Algier und anderen franzöſiſchen Kolonieen. Um die auſtraliſche Flora iſt vor allen Baron Ferd. v. Müller unermüdlich thätig. Deutſchland ſpielte bis jetzt allen dieſen Beſtrebungen gegenüber eine mehr zuſehende und abwartende Rolle. Von nun an wird das anders werden. Deutſche Kolonieen ſind in den verſchie— denſten Gegenden der Erde unter den Schutz des mächtigen Reiches geſtellt und deutſche Induſtrie, deutſcher Handel, deutſche Wiſſenſchaft arbeiten an der Aufſchließung der Naturerzeugniſſe dieſer fernen Gegenden. Eine Bericht— erſtattung über die Reſultate der Kolonialerforſchung wird freilich erſt nach längerer Arbeit der deutſchen Pioniere der Kultur möglich ſein. Bezüglich der Beurteilung der Fortſchritte der eigent— lichen Syſtematik muß man die Betrachtung der Krypto- gamen von derjenigen der Phanerogamen trennen. Bei den Kryptogamen geht die Erforſchung der verwandtſchaft— lichen und phylogenetiſchen Verhältniſſe ſo innig Hand in Hand mit der mikroſkopiſchen und morphologiſch-phyſio⸗ logiſchen Forſchung, daß man die Syſtematik von den übrigen Forſchungsgebieten gar nicht zu trennen vermag, daß ferner das Syſtem der Kryptogamen im großen und ganzen ſchon als gut begründet zu betrachten iſt, und daß es wohl der unermüdlichen Forſchung nach und nach ge— lingen wird, es mehr und mehr auszubauen und auf phylogenetiſche Geſichtspunkte zu gründen. Ganz anders bei den Phanerogamen. Hier hat man gerade in neuerer Zeit mehr und mehr einſehen gelernt, daß wir von der Aufſtellung eines Stammbaums noch ſehr weit entfernt ſind. Selbſt die Erwartung, durch ſehr genaue hiſtologiſche Unterſuchungen über die verwandt— ſchaftlichen Verhältniſſe mehr ins klare zu kommen, hat ſich als trügeriſch erwieſen. So zeigt z. B. der anato- miſche Bau der Kompoſiten, der größten und ſehr ſcharf abgegrenzten Familie der Phanerogamen derartige Ver— ſchiedenheiten, daß der Bau mancher Formen mehr Aehn— lichkeit beſitzt mit Typen ganz anderer Familien als mit denjenigen der nächſten Verwandten. Zu einer gewiſſen Uebereinſtimmung bezüglich der anzuwendenden Merkmals— gruppen iſt man aber gleichwohl gekommen. Die jetzt herrſchenden Anſchauungen finden ihren Ausdruck beſonders in Eichlers Syllabus. In der Erforſchung einzelner Familien iſt aber auch in der letzten Zeit viel geleiſtet worden, worüber wir uns freilich hier auf Heraushebung einiger intereſſanten Bei— ſpiele beſchränken müſſen. In der Zoologie hat man ſchon ſeit Cuviers Zeit die Wichtigkeit der Hemmungsbildungen und Rückbildungen für die Beurteilung der Verwandtſchaftsverhältniſſe der Organismen erkannt und hat ſie in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr zum Verſtändnis der phylogenetiſchen Reihen benutzt. Die Botaniker dagegen ſind mit wenigen Humboldt. — November 1885. 449 Ausnahmen von der Vorausſetzung einer beſtändig fort— ſchreitenden Entwickelungsreihe ausgegangen, obgleich doch z. B. die Blüten der Phanerogamen unzählige Beiſpiele von Hemmungsbildungen darbieten, die in vielen Fällen zu wichtigen Familiencharakteren werden. Erſt in der letzten Zeit iſt man von dieſem einſeitigen Standpunkt mehr und mehr zurückgekommen und hat unter anderen namentlich Nägeli, der Vertreter der in vieler Beziehung naheliegenden polyphyletiſchen Anſicht, in dieſer Richtung erfolgreich gewirkt, aber in ähnlichem Sinn auch Eichler, Goebel und andere. Zur Erörterung der erſten Anfänge einer Gruppe von Organismen eignen ſich natürlich die einfachſten Formen am beſten. So bieten ſich die Waſſerlinſen (Lemnaceen) unter den Monokotyledonen dem Forſcher gewiſſermaßen von ſelbſt als phylogenetiſches Unterſuchungsmaterial an, und ſeit Schleiden dieſer intereſſanten kleinen Gruppe zum erſtenmal eine eingehendere ſyſtematiſche Unterſuchung widmete, welche eine Trennung der alten Linnéſchen Gattung Lemna in die Gattungen Wolfia, Spirodela, Telmatophace und Lemna zur Folge hatte, haben ver— ſchiedene Forſcher fich mit den Lemnaccen beſchäftigt. Unter ihnen befindet ſich die kleinſte aller phaneroganiſchen Pflanzen, die Wolfia microscopia, ein tropiſches, ſehr ſeltenes Vorkommnis, welches in neuerer Zeit von Hegel— maier geprüft worden iſt. Das Pflänzchen beſitzt an ſeiner Bauchfläche einen kleinen kegelförmigen Zapfen, der nach Hegelmaier vielleicht als das Rudiment eines bei den nächſten Vorfahren vermutlich noch ausgebildeten Wurzel— organs anzuſehen iſt, während er den übrigen Arten der Gattung Wolfia bereits vollſtändig verloren ging. Bei den Wolfiellien iſt vielleicht ſogar die Blütenbildung gänz— lich verloren gegangen, ſie ſcheinen apogam geworden zu ſein, während andererſeits die Verwandtſchaft zwiſchen Lemnaeeen und Aroideen bereits von Schleiden er— kannt wurde. Dieſe große und wichtige Gruppe iſt von Engler einer gründlichen Bearbeitung unterzogen worden, die derſelbe im fünften Bande ſeiner botaniſchen Jahrbücher veröffentlicht hat. Er tritt darin der für die damalige Zeit vortrefflichen ſyſtematiſchen Bearbeitung der Aroideen durch Schott und Endlicher entgegen und kommt zu einem ganz neuen, auf moderne phylogenetiſche Grundſätze geſtützten Syſtem dieſer Familie. Es zeigt ſich auch hier wieder die Richtigkeit des Ausſpruchs von Juſſieu, daß man nicht auf die Merkmale eines einzigen, wenngleich noch ſo wichtigen Organs ein Syſtem gründen könne, ſondern daß es dazu der Benutzung ſämtlicher vorhandenen Merkmalsgruppen bedürfe. Wie die einfacheren, ſo haben auch die höher entwickelten Monokotyledonen ſorgfältige Unterſuchung gefunden, wofür wir z. B. an die Arbeiten von Eichler und Fritz Müller über die Scitamineen erinnern. Wie wir bereits erwähnten, iſt Baron Ferdinand v. Müller unermüdlich für die Erforſchung der Flora des auſtraliſchen Kontinents thätig. Mit nicht minder großem Fleiß widmet er ſich aber auch der Darſtellung einzelner Pflanzenfamilien. So erſcheint von ihm ein prachtvoller Atlas der ſo zahlreich in Auſtralien und auf den benachbarten Inſeln vertretenen Gattung Eucalyptus, von welchem vor kurzem zu Melbourne die zehnte Dekade erſchienen iſt. Die Myrtaceengattung Eucalyptus, welche die rieſigſten Baumformen der Erde enthält, iſt nicht nur in ſyſtematiſcher Beziehung vom höchſten Intereſſe, ſondern auch von größter Bedeutung für Handel und Induſtrie der auſtraliſchen Kolonieen durch die vortrefflichen Hölzer und die ätheriſchen Oele. Der Eucalyptus globulus iſt überdies im letzten Jahrzehnt in hygieiniſcher und ſanitärer Beziehung faſt auf der ganzen Erde bekannt geworden. Die Engländer wetteifern mit den Franzoſen und Amerikanern in der Herausgabe prächtiger Kupferwerke über einzelne Gruppen von Organismen. So erſcheint in London von Warner & Williams ein Orchideen-Album, deſſen vierter Band ſich bereits im Buchhandel befindet. Bei uns hat Theodor Rümpler ſich das große Verdienſt erworben, das Förſterſche Handbuch der Kakteenkunde in ſchöner illuſtrierter Ausſtattung neu herauszugeben. Von monographiſchen Bearbeitungen erwähnen wir beiſpiels— weiſe die Unterſuchungen von Marié und von Adler über die Ranunkulaceen, von Tieghem und Morot über die Stylidieen, vor allem aber die Arbeiten von Nägeli, Peter und Norrlin über die Piloſelloiden der Gattung Hieracium. Insbeſondere iſt es Nägeli, der zwei Jahrzehnte hindurch ſich der Unterſuchung der formen— reichen Gattung Hieracium mit bewundernswürdiger Aus— dauer zugewendet hat. Seine Arbeit reiht ſich auf dieſem Felde den allerwichtigſten an und wird für den künftigen Syſtematiker und Floriſten noch unentbehrlicher ſein als die Bearbeitung der Roſen durch Chriſt und der Brom— beeren durch Vocke. Die Morphologie, Phyſiologie und Biologie der Zelle nimmt nach wie vor die intenſivpſte Thätigkeit zahlreicher Forſcher in Anſpruch, ſo namentlich diejenige von Stras— burger, Zacharias, Pfitzner, Famintzin, Braß, Fr. Schwarz, Guignard, Carnoy u. a. Zacharias hat ſich beſonders die Erforſchung der chemiſchen Zuſammen— ſetzung der morphologiſchen Elemente des Zellkerns und der plasmatiſchen Gebilde überhaupt zur Aufgabe gemacht, ein Feld der Unterſuchung, auf welchem ihm Reinke und andere mit großem Erfolg vorangegangen ſind. Wir müſſen vorläufig leider auf eine Beſprechung der Reſultate dieſer ebenſo ſkrupulöſen wie wichtigen Unterſuchungen verzichten, weil ſie bis jetzt kaum zu allgemein anerkannten, nach allen Seiten geſicherten und vollſtändigen Ergebniſſen ge— führt haben. Von nicht geringer Bedeutung ſcheint die Unterſuchung von Braß über das tieriſche Plasma zu ſein, falls ſich die angegebenen Reſultate beſtätigen. Aus Gründen, welche den Lebenserſcheinungen, beſonders den Bewegungsvorgängen und der Ernährung des Plasma entlehnt waren, haben Referent und andere Botaniker zwar ſchon ſeit Jahrzehnten behauptet, daß das Plasma niemals ein einfaches Gebilde, ſondern auch bei den ſcheinbar ein— fachſten Tieren und Pflanzen ein höchſt komplizierter Orga— nismus ſei, aber kein Forſcher hatte bis dahin den Verſuch gemacht, dieſe Differenzen im einzelnen nachzuweiſen, bis Reinke ſich vom chemiſchen Standpunkt der Löſung dieſer Aufgabe zu nähern ſuchte. Braß verſucht es nun vom Standpunkte der morphologiſchen Forſchung — mit welchem Glück, das kann erſt die Zukunft lehren. Er unterſcheidet, von der Peripherie nach innen fortſchreitend: Bewegungs— plasma, Atmungsplasma, Nahrungsplasma, Ernährungs- 450 Humboldt. — November 1885. plasma, Kernplasma. Seit Strasburgers bahnbrechenden Arbeiten über das Zellenleben hat ſich die von Schleiden ſchon ausgeſprochene Anſicht immer mehr Geltung ver- ſchafft, daß das morphologiſche Centrum für ſämtliche Lebenserſcheinungen der Zelle der Zellkern ſei. Die Ar— beiten von Zacharias, Pfitzner und Schwarz zeigen die Wichtigkeit des Zellkerns in erhöhtem Maße. Bei den Teilungsvorgängen gibt derſelbe, wie Pfitzner und Zacha— vias nachweiſen, ſeine Selbſtändigkeit keineswegs auf, jon- dern ſeine Subſtanz iſt die direkte Grundlage der neuen Kerne. Aus dieſer Thatſache ergeben ſich, wie wir weiter unten ſehen werden, höchſt wichtige Folgerungen für die Vererbung von Eigenſchaften von einer Zelle auf die andere, folglich für den Organismus auf ſeine Nachkommen. Ueber Wachstum und Ernährung der Kryſtalle hat Köp— pert gearbeitet und wir haben ſchon in unſerem vorigen Bericht betont, von wie hervorragender Bedeutung ſolche Unterſuchungen ſind im Hinblick auf die Zuſammenſetzung und den molekularen Bau der organiſierten Subſtanzen. Eine ſehr fleißige Bearbeitung hat das Siebröhrenſyſtem der Dikotyledonen, insbeſondere der Kukurbitaceen, ge— funden, wenn dieſelbe auch bis jetzt noch keine Reſultate von allgemeiner Bedeutung zu Tage gefördert hat. Gänz⸗ lich umgewandelt haben ſich ſeit Schleidens Zellenlehre die Anſichten über das Intercellularſyſtem und ſeit Julius Sachs zuerſt auf die Möglichkeit der Entſtehung ſolcher Zwiſchenzellräume a posteriori, nämlich durch Spannungen in den urſprünglich lückenlos verbundenen Gewebeelementen hinwies, haben ſich zahlreiche Forſcher dieſem Gebiet zu— gewendet. Ruſſow führt den Nachweis, reſp. gibt die Beſtätigung der Thatſache, daß die Intercellularräume mit Plasma ausgekleidet ſind. Ebenſo ſind die Amylumkörner von einer zarten Plasmamembran umgeben, wie ſchon von anderen behauptet worden iſt, — eine Thatſache, welche für die Beurteilung des morphologiſchen Wertes des Amylums offenbar von ganz eminenter Bedeutung iſt. Drüſen und andere Sekretbehälter ſind von verſchie— denen Forſchern genau ſtudiert worden, ſo z. B. von Volkens die Kalkdrüſen der Plumbagineen überhaupt, von Woronin die Struktur der Blätter von Statice monopetala mit ihren zierlichen Kalkdrüſen in einer ſehr ſchönen, klaren Darſtellung, von Klöppel die Sekret— behälter der Büttneriaceen, von J. Lange die Oelbehälter der Umbelliferen, von Kienaſt diejenigen in den Blättern von Hypericum, von Graßmann die Septaldrüſen. Die entwickelungsgeſchichtliche Unterſuchung einzelner Organe läßt ſich heutzutage von der experimentell phyſio— logiſchen nicht immer ſcharf getrennt halten. Das tritt z. B. in Wettſteins Unterſuchungen über die Wachstums⸗ geſetze der Pflanzenorgane hervor, von denen nun der zweite Teil, die Wurzeln betreffend, erſchienen iſt. Das Wachstum der Haupt- und Nebenwurzeln beginnt am Wurzelhals, rückt von dort aus gegen die Wurzelſpitze vor und hört auf, ſobald es dieſe erreicht hat. Dabei nimmt die Geſchwindigkeit des Vorrückens der Region des ſtärkſten Wachstums mit der Annäherung an die Wurzelſpitze ab Im allgemeinen wachſen Wurzeln in feuchter Erde und in Waſſer bei beſtimmten höheren Wärmegraden zwar ſchneller als in feuchter Luft bei niedriger Temperatur, jedoch üben Temperatur und das die Wurzeln umgebende Medium auf das obige Wachstumsgeſetz keinen Einfluß. Solange die Region des Maximalwachstums weiter als 4—5 mm von der Spitze der Wurzel entfernt iſt, beruht das Wachstum der Hauptwurzel lediglich auf Streckung der bereits im Samen angelegten Zellen, erſt bei weiterem Fortrücken jener Region von der Wurzelſpitze werden durch Teilung neue Zellen angelegt, die dann nach und nach zur Streckung kommen. Bei dem erften dieſer beiden Stadien genügt Waſſerzufuhr, wogegen beim zweiten Stadium Nahrungs⸗ zufuhr notwendig iſt. Die ſogenannte Sachsſche Krüm— mung der Wurzelſpitze iſt Folge der aſymmetriſchen Anlage der Radicula, indem die Zellenzahl auf der einen Seite größer iſt als auf der anderen, ſo daß natürlich bei der Streckung der Zellen die Seite mit der größeren Zellen— zahl konvex, die entgegengeſetzte Seite konkav wird, ähnlich wie Wieſener es bei den ſpontanen Nutationen wachſen— der Internodien nachwies. Durch A. v. Lengerken find die Befeſtigungsapparate der Ampelideen genauer unterſucht worden. Die Familie zer— fällt nach den Befeſtigungsorganen in zwei Reihen von Arten: 1) in ſolche, welche ihre Ranken nur zum Umwinden einer Stütze gebrauchen; 2) in mit ſogenannten Haftballen verſehene, welche außerdem noch Ranken beſitzen oder nicht. Die Unterſuchung der Haftballen ergibt folgende wich— tige Reſultate. Unter Waſſer kommen die Haftballen nur bei Berührung mit einem feſten Körper zur Ausbildung. Ebenſo bilden ſich im dunkeln Raum die Haftballen nur bei Berührung mit feſten Gegenſtänden aus. An den Ranken bildet ſich beim Umwinden eines Gegenſtandes der Holzkörper ſtärker aus. Das Kambium bildet nur Holz, keine Rinde aus. Dieſe verharrt jo, wie ſie einmal an- gelegt war. Von bahnbrechender Wichtigkeit ſind die Arbeiten von P. Korſchelt über das Scheitelwachstum der Phanero— gamen. Man nahm ſeit längerer Zeit an, daß die Phanerogamen am Scheitel der Achſengebilde ein Scheitel— meriſtem beſitzen, deſſen Zellen inſofern morphologiſch gleichwertig ſeien, als ihre Provenienz ſich nicht auf eine einzige Urmeriſtemzelle zurückführen laſſe. Daß man dieſe an und für ſich wenig wahrſcheinliche Anſicht ſo lange feſthielt, hatte wohl nur darin ſeinen Grund, daß die richtige Unterſuchungsmethode für dieſe Gebilde noch nicht aufgefunden war. Korſchelt hat nun wichtige Schritte gethan, dieſe Lücke auszufüllen und jenes Vorurteil zu beſeitigen. Zuerſt wird für die Gymnoſpermen nach— gewieſen, daß nur eine einzige tetraedriſche Zelle das Scheitelwachstum übernimmt, daß alſo die ganze Scheitel— region, der ſogenannte Vegetationskegel, das Zeugungs— produkt dieſer Urmeriſtemzelle iſt. Derſelbe Nachweis gelingt auch bei Elodea, Eulalia japonica, Saccharum offici- narum, Festuca rubra und capillifolia, Panicum pli- catum, Lemna minor, und ſelbſt bei Dikotyledonen, wie z. B. Ceratophyllum submersum, Myriophyllum verti- cillatum, Utricularia minor. Man darf nun vorläufig wohl mit Recht annehmen, daß ſich alle übrigen Phanero— gamen analog verhalten, und damit wäre eine hochwichtige Frage als endgültig gelöſt anzuſehen. Natürlich werden ſich die Beſtrebungen verſchiedener Forſcher auf dieſen Punkt zu konzentrieren haben. Humboldt. — November 1885. 451 Bei den Kryptogamen wird jest am meiſten über Mikroorganismen, Spaltpilze und verwandte Gruppen ge— arbeitet, wenigſtens was die Zahl der Arbeiten anbetrifft, mit welcher die theoretiſche und praktiſche Bedeutung nicht immer gleichen Schritt hält. Seit Kochs vielbeſprochenen Unterſuchungen ſind die Mikroorganismen Modegebilde geworden, aber grade ſeitdem das der Fall iſt, ſind bahn— brechende Forſchungsreſultate ſeltener zu verzeichnen. Unter den Arbeitern auf dieſem Gebiet erwähnen wir Wollny, der die Thätigkeit der niederen Organismen in der Acker— erde beleuchtet, Woronin, Hauſer, Girod, Texeira— Mandes und Duclaux. Der letztgenannte Forſcher unter— ſuchte die Mikroorganismen auf ihre Lebensfähigkeit. Er benutzte dazu Ballons mit Nährflüſſigkeit und Mikroorga— nismen, aus früheren Verſuchen von Paſteur herrührend, welche acht Jahre lang bei Luftzutritt ſich ſelbſt überlaſſen waren. Von 15 ſolchen Ballons enthielten drei keine lebenden Keime mehr. In Ballons aus den Jahren 1878 und 1879, von der Paſteurſchen Arbeit über den Käſe herrührend, waren nur die angerobiontiſchen Formen Tyro- thrix claviformis und urocephalum abgeſtorben. Von zehn Mikrokokkusarten waren nach drei Jahren neun ab— geſtorben. Aehnliches wurde von Paſteur bei Bacillus anthracis und dem Pilz der Hühnercholera beobachtet. Von 65 Kulturen, welche ſeit 1859 aufgehoben waren, enthielten 15 noch lebende Keime, darunter: Sterigmato— cystis nigra van Tieghem, Tyrothrix filiformis und tenuis. Die letztgenannte entwickelte ſich ebenſo raſch in Kulturflüſſigkeit weiter, wie wenn ſie ganz friſchem Material entnommen wäre. In allen Ballons, welche noch lebende Keime enthielten, reagierte die Flüſſigkeit ſchwach alkaliſch; iſt ſie ſtark ſauer oder alkaliſch, ſo ſind ſämtliche Keime tot. Die Tangpilze (Phycomyceten) d. h. die Chytri— Diaceen und ihre Verwandten, haben gediegene Bearbei— tungen erfahren durch Zopf und Fiſch. Fiſch iſt es zum erſtenmal gelungen, an einem Chytridium einen Kopulationsvorgang zu beobachten. Dieſe Art bildet für ihn als typiſches Euchytridium, dem die ſexuelle Funktion noch nicht verloren ging, ein willkommenes Mittelglied einer Reihe: Reesia-Chytridium-Rhizidium. Für die Ver⸗ wandtſchaft der Myxomyeeten hat H. Möller in der Plasmodiophora alni ein Seitenſtück zur Plasmodio— phora brassicae gefunden. Plasmodiophora alni be- wohnt die Wurzelanſchwellungen der Erle und ſpielt dabei eine ähnliche Rolle wie Plasmodiophora brassicae in den Anſchwellungen des Kohlſtengels. Mit der Sexualität der Uſtilagineen (Brandpilze) haben ſich Morini und Fiſch beſchäftigt. Von Doassansia sagittariae und alismatis ſtellt Fiſch die Entwickelungs— geſchichte der Fruchtkörper feſt. Auch die entwickelteren Pilzformen hat man bezüglich ihrer Wichtigkeit für das praktiſche Leben nicht außer acht gelaſſen. So erſchienen faſt gleichzeitig Unterſuchungen über die Keimung und Entwickelung des Hausſchwamms (Merulius lacrymans) von Göppert (Opus posthumum) und Robert Hartig. Sehr wichtig wäre es, wenn es ſich beſtätigen ſollte, daß die unter dem Namen Actino- bekannte menſchliche Krankheit, über welche Marchand bearbeitet hat, durch das Mycelium des Haus— ſchwamms verurſacht wird. mycosis Auch in der Flechtenkunde iſt weiter gearbeitet worden, ſo daß man auf Grund entwickelungsgeſchichtlicher Unter— ſuchungen nach und nach zu einem wirklich natürlichen Flechtenſyſtem gelangen wird. So hat Fünfſtück die Apothekien der Schildflechten (Peltigeraceen) genau unter— ſucht und ihre Entwickelung klar gelegt, während Forſſell den Gallertflechten (Glöolichenen) eine eingehende Unter— ſuchung gewidmet hat. Die Diatomeen machen den Forſchern immer noch durch den merkwürdigen Bau und die Molekularſtruktur ihrer ſogenannten Kieſelpanzer zu ſchaffen. Flögel hat ſeine wertvollen und ſkrupulöſen Unterſuchungen bis in die neueſte Zeit fortgeſetzt und ihm ſchließen ſich Cox, van Heurck und verſchiedene andere Forſcher mit gleichem Eifer an. Von den zahlreichen Unterſuchungen über Algen der verſchiedenſten Abteilungen wollen wir diejenige von Hie— ronymus über Stephanosphaera pluvialis namhaft machen. Es iſt dieſem Forſcher gelungen, die Kopulation der Mikrogonidien der intereſſanten Alge zu beobachten. Wenden wir uns nun der eigentlich phyſtologiſchen Forſchung zu, ſo heben wir zunächſt hervor, daß alle Vor— gänge, welche mit der Ernährung der Pflanzen zuſammen— hängen, fortgeſetzt die Arbeitskraft zahlreicher Forſcher in Anſpruch nehmen. Die Lehre von den Funktionen iſt durch eine Unter— ſuchung von C. Kraus bereichert worden, welcher einen Zuſammenhang nachweiſt zwiſchen der Bewurzelung und dem Wachstum von ſpontan hervorkommenden Trieben außerhalb des Erdbodens. Die Art dieſes Zuſammenhanges iſt freilich dabei verborgen geblieben. Die Bewegung des Waſſers in der Pflanze hat viele Botaniker beſchäftigt und die einſchlagenden Arbeiten haben zu lebhaften Diskuſſionen geführt. Oltmanns zeigt, daß der Centralſtrang der Laubmoosachſe nicht als Leitungsſtrang angeſehen werden dürfe, weil er bei einigen Mooſen Oeltropfen führt. Es war zwar längſt bekannt, daß die Mooſe das Waſſer von allen Seiten, mehr von oben als von unten, durch Imbi— bition der Zellwände und durch Kapillarvorrichtungen auf— nehmen und verteilen, und wir brauchen in dieſer Beziehung nur an die Darſtellungen von Karl Müller in Halle, ſowie an die des Referenten zu erinnern; immerhin aber iſt es dankenswert, daß Oltmanns dieſen Nachweis noch— mals experimentell geführt hat. Dies iſt um ſo wünſchens— werter, als man auf dieſem Gebiet von den früheſten bis zu den jüngſten Zeiten nur allzugern einſeitigen Theoremen gehuldigt hat. Immer ſollte es eine einzige, beſtimmte Kraft ſein, welche die Bewegung des Waſſers in der Pflanze verurſache, bald Kapillarität, bald Imbibition, bald Diffuſion, bald Druckverhältniſſe u. ſ. w. Es liegt auf flacher Hand, daß in dem ſo komplizierten Leib der höheren Pflanzen alle möglichen Verhältniſſe zuſammenwirken und daß es auf die Erforſchung jedes einzelnen Falles ankommt. Böhm hatte, im Gegenſatz zu Julius Sachs, die Diffuſion als den Hauptfaktor bei der Waſſerbewegung hingeſtellt. Dieſer Auffaſſung ſchließt ſich Godlewski in ſeinen ausführlichen Unterſuchungen an, nach unſerem Standpunkt in zu ein— ſeitiger Weiſe. F. G. Kohl arbeitet unter ähnlichen Ge— ſichtspunkten. Um nachzuweiſen, daß es bei der Waſſer— leitung nur auf die Zellenlumina und nicht auf die 452 Humboldt. — November 1885. Zellwandungen ankomme, wendet er ſeitlichen Druck auf die Pflanzenorgane zur Verkleinerung der Lumina an, außerdem Knickungen und Einkerbungen. Er findet dabei: 1) daß durch Knickung eines Sproſſes die Lumina ver⸗ engert, aber nie ganz unwegſam für Waſſer werden; 2) daß durch Einkerbungen des Sproſſes nach Dufour die Kontt- nuität des Waſſerſtromes nicht unterbrochen wird; 3) daß es möglich iſt, durch abwechſelnde Verkleinerung und Ver— größerung der Gefäſſe und Tracheiden in Querſchnitt die Menge des durchſtrömenden Waſſers zu verkleinern und zu vergrößern. Dabei iſt aber ganz außer acht gelaſſen, daß der wachſende Druck die Leitungsfähigkeit der Zell— wände notwendig beeinträchtigen muß. Wichtige Beiträge zur Löſung dieſer Frage haben Hanſen, Rohrbach, Weſtermaier u. a. geliefert. Sehr intereſſant iſt auch eine Unterſuchung von Kurz und Zimmermann über die Spiralzellen von Nepenthes. Dieſelben ſind bei trockener Atmoſphäre mit Waſſerdampf gefüllt und ſorgen wahr— ſcheinlich für Aufſpeicherung und gleichmäßige Verteilung des Waſſers an das Aſſimilationsgewebe. Daß die Ver— dunſtung auf die Waſſerbewegung den größten Einfluß hat, iſt längſt allgemein anerkannt. Im Licht tranſpirieren die Pflanzen ſtärker als im Dunkeln. Dieſe Thatſache haben Bonnier und Mangin nun auch für die Pilze nachgewieſen in einer Arbeit, welche für die Atmung einige wichtige Reſultate ergibt. Wir erwähnen daraus das Folgende: 1) Mit der Temperatur wächſt die Atmungs— intenſität, bis die Atmung bei beſtimmten Wärmegraden ganz aufhört; ein Optimum gibt es alſo nicht. 2) Für die Pilze wird Chriſtows Behauptung, daß bei der Aſſimilation mehr als ein Atomgewicht Sauerſtoff ver- braucht wird, beſtätigt. 3) Bei Beginn der Keimung von Samen wird gerade ein Atomgewicht verbraucht, ſpäter ſteigt der Verbrauch und kommt ſchließlich wieder auf eins zurück. Oelhaltige Blätter ergaben die Werte 0,7 0,9, ſtärkehaltige Blätter dagegen den Wert 1, was jeden— falls mit dem Sauerſtoffverbrauch bei der Oxydation der Oele zuſammenhängt. 4) Chlorophyllfreie Pflanzen atmen im Dunkeln ſtärker als im Licht, wenn auch in unbedeuten— dem Grade. Die weniger brechbare Hälfte des Spektrums wirkt wie Licht, die ſtärker brechbare wie Dunkelheit, was mittelſt Kaliumbichromat und Kupferoxydammoniak, ſowie im Spektrum nachgewieſen wird. 5) Bei größerer Feuchtig— keit der Luft wird mehr Kohlenſäure gebildet. Bezüglich der Aſſimilationsprodukte der Blätter iſt Arthur Meyer zu wichtigen Reſultaten gekommen. Böhms Verſuche, wonach ſtärkefreie Blätter von Iris, die mittelſt der Schnittfläche mit Traubenzuckerlöſung in Berührung gebracht werden, Amylum ausbilden, werden beſtätigt. Den aſſimilierenden Zellen junger Blätter werden Kohlenhydrate von anderen Pflanzenteilen zugeführt; denjenigen erwach— ſener Blätter aber nicht. Dikotyledonen lagern meiſt reichlich Amylum in den Blättern ab, Monokotyledonen weniger. Die Kompoſiten bilden im ganzen nur mäßig Amylum aus. Einige Pflanzen, wie z. B. Asclepias cornuti, Orchis fusca, ſind ſtets gänzlich ſtärkefrei. Verſuche an abgeſchnittenen Blättern zeigten, daß bei Allium, Asphodelus, Anthericum, Senecio, Astrantia, Iris die Aufhebung der Auswanderung von Reſerveſtoffen keinen weſentlichen Einfluß gehabt hatte; dagegen hatten Hemerocallis und Muscari reichlich Stärke gebildet, was in Verbindung mit der Mutterpflanze nicht der Fall iſt. Titrierverſuche mit Fehlingſcher Flüſſigkeit, denen die Blattſäfte verſchiedener Pflanzen unterworfen wurden, er— gaben, daß die meiſten Pflanzen, welche geringe oder keine Stärke aufſpeichern, relativ viel lösliche und reduzierende Subſtanz, wahrſcheinlich Glykoſen, in den Geweben führen. Seitdem man die Möglichkeit der Aufnahme organi- ſcher Nährſtoffe aus dem Boden auch fiir chlorophyllführende Organismen eingeſehen hat, find Verſuche in dieſer Rich— tung nicht mehr überflüſſig. Duclaux ſtellte Verſuche an über die Keimung in einem von Mikroorganismen freien Nährboden und fand, daß unter ſolchen Umſtänden die Verſuchspflanzen weder Milchzucker noch Kaſein aufnahmen, ebenſo invertieren die Pflanzen den Rohrzucker nicht und aſſimilieren keinen Stärkekleiſter. Ueber das Chlorophyll ſind die Unterſuchungen eifrig fortgeſetzt worden von Tſchirch, Hanſen, Reinke, Ar- thur Meyer, Mac Munn, Schunck u. a. Aus den phytochemiſchen Unterſuchungen mag hervor- gehoben werden, daß Athenſtädt das Mangan im Holz von Sedum palustre nachgewieſen hat. Daß das Plasma in allen Zellen ſeine eigentümlichen Bewegungen, alſo namentlich auch die Rotationsbewegungen ausführt, iſt eine allgemeine Annahme, auf welche längſt alle Arbeiten über das Plasma mit Notwendigkeit hin- führen mußten. Hugo de Vries iſt es nun gelungen, für viele ſchwierigere Fälle dieſen Nachweis thatſächlich zu führen. Er leitet aus ſeinen Unterſuchungen den Satz ab, daß das Plasma in allen jugendlichen Zellen rotiere, und daß keineswegs die Diffuſionsvorgänge, ſondern die Plasmabewegungen die weſentlichſte Urſache des Stoff— transports ſind. Die Reizbewegungen des Plasmas ſind von Stahl, Kohl, Leitgeb und Wortmann ſtudiert worden. Wort— mann beſchäftigte ſich eingehend mit dem Thermotropis— mus der Plasmodien und der Wurzeln. Der jetzige Standpunkt der phyſiologiſchen Pflanzen— anatomie iſt von Haberlandt in einem beſonderen Werke fixiert worden, während Schwendener die Statik und Mechanik der Gewebe zuſammenfaſſend bearbeitete. Ueber— haupt iſt auf dieſem Gebiet viel geleiſtet worden, nament⸗ lich von Tſchirch, der ſchon ſeit geraumer Zeit in dieſer Richtung arbeitet. Neuerdings faßt er auch die Sklereiden als ſpecifiſch mechaniſche Zellen auf; jedenfalls geſchieht, außer bei wirklichen Reſerveſtoffbehältern, wie z. B. Samen, die Verdickung der Wand niemals behufs Aufſpeicherung von Reſervecelluloſe. Zu Konſtruktionen gegen radialen, Druck werden die Sklereiden oftmals verwertet. Daß man es bei dem gemiſchten Ring in der Achſe der Dikotyle— donen wirklich mit einer biegungsfeſten Konſtruktion zu thun habe, zeigt ein ſehr charakteriſtiſcher Fall. Die hängen— den Zweige der Trauereſche beſitzen nämlich dieſe Tangen— tialverbände nicht, während ſie in den Zweigen unſerer gewöhnlichen Eſche ſcharf ausgeprägt ſind. Für die Entwickelungsgeſchichte des Pflanzenxeichs haben Saporta und Marion die Herausgabe der zweiten Abteilung ihres Werkes folgen laſſen, enthaltend die Phanerogamen, wobei nur zu bedauern iſt, daß die Dar— Humboldt. — November 1885. ſtellung mehr theoretiſierend als genetiſch und hiſtoriſch gehalten iſt. Die meiſten phytopaläontologiſchen Arbeiten beziehen fic) auch in jüngſter Zeit auf die Steinkohlen— formation. Schenk arbeitet über die Früchte der Sigil— larien, welche aber auch von Zeiller nachgewieſen wurden. Die Gattung Equisetum iſt von Bureau für die unteren Karbonglieder, von Renault und Zeiller für den oberen Karbon nachgewieſen worden, und zwar für den Karbon von Commentry. Dieſelben Forſcher fanden in der Kohle von Commentry Abdrücke und bei Rive-de-Giier verkieſelte vierarmige Früchte einer neuen Gnetaceengattung, die ſie Gnetopsis nennen. Die Kohle von Commentry beſitzt überhaupt einen ungeheuren Reichtum von Organismen— reſten. Vor 17 Jahren gelang es Franz Schultze zum erſtenmal, in der engliſchen Steinkohle Fragmente von Chitinhäuten von Inſekten nachzuweiſen, und gegenwärtig zählt Brogniart mehr als 1000 Arten auf allein für die Kohle von Commentry, darunter eine ungeheure Neuro- thoptera aus der Gruppe der Dictyoneura mit 0,30 bis 0,33 m langen Flügeln. Die Geſpenſtheuſchrecken ſind durch rieſige Formen vertreten von 0,5 m in der Länge und 0,7 m Flügelweite. Es wäre ſehr zu wünſchen, daß man zum näheren Verſtändnis der Steinkohlenflora dieſelbe Methode des Rückſchluſſes von der Inſektenwelt auf die Gewächſe, welche als Nahrung und Aufenthaltsort der jetzt lebenden Verwandten dienen, in Anwendung brächte, welche von Oswald Heer mit fo vielem Glück für die Tertiär— flora ausgebeutet wurde. Die Lehre von der Symbioſe von Pflanzen und Pflanzen, ſowie von Pflanzen und Tieren iſt durch zahlreiche Thatſachen gefördert worden. Um die Aufdeckung der Doppelſymbioſe zwiſchen einer phanero— gamiſchen Pflanze und einer Gallmücke einerſeits, welche dann wieder andererſeits einem Pilz den Weg bahnt, haben ſich Treleaſe und Thomas große Verdienſte erworben. Beyerinck zeigt, daß an der Galle von Cecidomyia poae 453 auf Poa nemoralis ganz normale Wurzeln entſtehen und daß man dieſe Gallen als Stecklinge verwerten kann. Aus der Hochflut von Veröffentlichungen über Orga— nismen als Erreger von Infektionskrankheiten bei Menſchen und Tieren können wir nur weniges hervorheben, was von einiger Bedeutung zu ſein ſcheint. So ſucht Bumm den urſächlichen Zuſammenhang zwiſchen der Abſceßbildung und einem Diplokokkus nachzuweiſen. Hauſer arbeitete über Fäulnisbakterien und Blutvergiftung. Duclaux weiſt nach, daß das direkte Sonnenlicht einigen Mikroorganis— men ſehr nachteilig iſt. Sporen von Tyrothrix scaber wurden nach Verdunſten der Kulturflüſſigkeit teils der Sonnenhitze, teils derſelben Temperatur in diffuſem Licht ausgeſetzt. Im erſten Fall waren nach zwei bis acht Wochen alle Individuen tot, wogegen ſie im zweiten Fall nach drei Jahren noch lebensfähig waren. Was nun endlich die Abſtammungslehre betrifft, ſo iſt auch auf dieſem Felde direkt manche intereſſante Arbeit geliefert worden. Solms Laubach hat die Geſchlechtsdifferentiierung bei den Feigenbäumen, d. h. bei der Gattung Ficus über— haupt, gründlich unterſucht, wozu ihm der Aufenthalt in tropiſchen Gegenden treffliche Gelegenheit bot. In Ueber— einſtimmung mit Fritz Müller weiſt er nach, daß Capri- ficus und Ficus differente Geſchlechtsformen der urſprüng— lichen Species darſtellen, deren eine durch die Kultur nur weiter ausgebildet wurde. Ueber die Ernährung von Bäumen durch Pilze hat Frank gearbeitet. Kurz weiſt auf An— paſſungsvorrichtungen der Blätter gegen Regen und Hagel hin und Fleiſcher auf Schutzvorrichtungen gegen Ver— trocknung. In der Vererbungslehre iſt man endlich natur— gemäß dem Verſuch des Nachweiſes näher getreten, daß das Plasma (nach Weismann) und insbeſondere das Plasma der Zellkerne (nach Kölliker) das Subſtrat und der Träger der Vererbung ſein müſſe. Neue Apparate für Unterricht und Praxis. Demonſtrationsbarometer und Heberapparat. Das im vorigen Jahre von Herrn Ferdinand Ernecke, Berlin SW ausgegebene Preisverzeichnis phyſikaliſcher Appa— rate enthält unter No. 376 u. ſ. w. folgende von mir ent⸗ worfene Schulapparate, deren Gebrauchsanweiſung hiermit geliefert wird. 1. Das Demonſtrationsbarometer geſtattet, den Atmoſphärendruck auf eine bequeme, ſchnelle und über— zeugende Art nachzuweiſen. Der Verlauf des Experimentes iſt folgender: Die Hähne A und B werden geſchloſſen, C (und reſp. auch D) dagegen geöffnet. In die Röhre J wird Queckſilber eingefüllt, bis es in der Röhre II ein wenig oberhalb des Hahnes C ſteht. Hierauf wird dieſer Hahn geſchloſſen, der Hahn B dagegen geöffnet. Das Queckſilber ſinkt nun zunächſt in der Röhre J. In dem Augenblicke, wo das Sinken des Queckſilbers in der Röhre II beginnt, beobachte man den Niveauabſtand der beiden Queckſilber— ſäulen. Noch bequemer iſt es, abzuwarten, bis das Queck— ſilber in der Röhre J auf den Nullpunkt der Skala ge— ſunken iſt. Der Niveauabſtand iſt dann ohne weiteres an der Röhre II abzuleſen. (Beide Beobachtungen werden vielleicht nicht genau übereinſtimmen. Dies erklärt ſich Humboldt 1885. jedoch ſehr einfach daraus, daß man ſich eben über alle mühevollen Umſtändlichkeiten hinweggeſetzt hat, die zur Herftellung eines genauen Barometers unumgänglich ſind, für welche aber in der Schule keine Zeit vorhanden iſt.) Vorteilhaft iſt es, ehe man Queckſilber in die Röhre J gießt, in dieſelbe eine genügend lange Glasröhre zu ſtecken. Es werden hierdurch Luftblaſen teils vermieden, teils beim Wiederherausziehen der Röhre beſeitigt. Auch für den Nachweis des Mariotteſchen Geſetzes iſt der Apparat inſofern geeignet, als man mit ihm die Abnahme der Spannkraft eines Gaſes bei der Zunahme ſeines Volumens zu zeigen vermag. Zu dieſem Behufe füllt man bei geöffnetem Hahne C Queckſilber in die Röhre I, bis es beiſpielsweiſe 90 em erreicht hat. Jetzt wird der Hahn C geſchloſſen. Die hierdurch abgeſperrte Luftſäule wird nun auf ihr doppeltes, dreifaches u. ſ. w. Volumen gebracht, indem man den Hahn A oder B öffnet. Man beobachtet nun jedesmal den Niveauunterſchied der beiden Queckſilberſäulen und macht daraus die entſprechenden Fol— gerungen. Die Spannkraft der eingeſchloſſenen Luftmenge iſt allemal gleich einer Atmoſphäre, vermindert um die überſtehende Queckſilberſäule. — Wählt man den Apparat 58 454 Humboldt. — November 1885. Nr. II (130 em) oder Nr. III (170 em), jo iſt man im⸗ ſtande, eine Luftſäule von 100 em Höhe auf ihr N Volumen zuſammenzudrücken und ſomit das Mariot te- ſche Geſetz auch nach der anderen Richtung hin nachzu— weiſen. 2. Der Apparat Nr. III (170 em) iſt natürlich für die vorſtehenden Verſuche gleichfalls verwendbar, ſein beſonderer Zweck iſt aber folgender Verſuch: Die Hähne A und B ſind geſchloſſen, C und D geöff— net. Es wird Queckſilber in die Röhre II gefüllt, bis es den Hahn P durchſtiegen hat. Nun wird der Hahn geſchloſ— ſen und durch den Hahn A Queckſilber abgelaſſen, bis es in der Röhre II auf 80 cm ſteht. In der Röhre J ſteht es dann um einen Baro- meterſtand höher, alſo auf etwa 156 em. Jetzt wird der Hahn C geſchloſſen und wiederum Queckſilber abge- laſſen, bis es in der Röhre II auf 60 reſp. 40 em geſunken iſt, die abgeſperrte Luftmenge in Röhre II alſo das doppelte reſp. dreifache Volumen er— reicht hat. Die in der Röhre! überſtehnde Queckſilberſäule giebt ohne weiteres die Spannkraft der in der Röhre II befindlichen Luft— erreicht hat. Dann wird noch ſchnell Queckſilber nachge⸗ goſſen, damit es (ohne daß ſich in der oberen Biegung eine Luftblaſe bilde) durch die Röhre IlIabfließt. Das Queck- ſilber fließt ſoweit aus, bis das Niveau in der Röhre J ſich um einen Barometerſtand unterhalb der oberen Biegung befindet; infolge des Be⸗ harrungsvermögens fließt auch wohl noch ein wenig mehr aus. Hat man nun das Gez fäß G jo unter die Röhre III geſtellt, daß dieſelbe (nach dem Entweichen der Luft aus ihr) in das Queckſilber des— ſelben eintaucht, ſo hat man nach dem Aufhören des Aus— fluſſes zwei Barometerſtände: nämlich in der mittleren Röhre und in der Röhre III. Die Röhre III bildet mit dem Gefäße G ein Gefäßbarometer, die Röhren I und II ein Heberbarometer. Senkt man nun das Gefäß G bis die Röhre III nicht mehr eintaucht, ſo ſenkt ſich auch die Queck— ſilberſäule dieſer Röhre. In⸗ folge des Beharrungsvermö— gens fließt ein kleines Teil- chen dieſer Queckſilberſäule ab, der größere Reſt wird durch den Luftdruck (der ja nun das Uebergewicht hat) empor- hoben und nach der mittleren Röhre zurückgeſchleudert. Die— ſes Emporſteigen der Queck— menge an. 3. Der Heberapparat weiſt nach, in wiefern die Wirkung des Hebers von der Größe des Luftdrucks abhängt. — Der Ablaßhahn A tft ge— ſchloſſen. In die Röhre 1 wird Queckſilber eingefüllt, bis es in der mittleren Röhre die obere Biegung nahezu ae Oe Gy ie e e ſilberſäule iſt für den Schüler ebenſo überraſchend als be- weiskräftig hinſichtlich der All— ſeitigkeit des Luftdrucks. Das Niveau der letzteren ſtellt ſich nun wieder mit dem Niveau in der Röhre J auf gleiche Höhe. Strausberg. Ernſt Schulze, Realgymnaſiallehrer. R u n d jd a u. Damian Freiherr v. Schütz⸗Holzhauſen, Der Ama- zonas. Wanderbilder aus Peru, Bolivia und Nordbraſilien. Mit 31 in den Text gedruckten Holzſchnitten und 10 Vollbildern. Freiburg im Breisgau, Herder. 1884. Preis 4 MH Vierzehn Jahre lang brachte der Verfaſſer in Peru, Bolivia und Nordbraſilien zu. Dieſer lange Aufenthalt ermöglichte es ihm, ſich nicht nur eine eingehende Kenntnis der Landesſprachen, ſondern auch und hauptſächlich durch dieſe, der Länder ſelbſt zu verſchaffen. Freiherr von Schütz hatte den Plan, in jenen Gegenden Plätze zur Anlage von Kolonien ausfindig zu machen. Es gelang ihm auch, ein geeignetes Territorium am mittleren Pozuzo, einem Neben— fluſſe des Ucayali, dafür zu erlangen. Die Gründung der Kolonie erfolgte im Jahre 1857, allerdings unter erſchwe— renden Umſtänden, da die peruaniſche Regierung ihre Zu— ſage wegen Herſtellung eines geeigneten Verkehrsweges zwiſchen der Küſte und dem für die Kolonie auserſehenen Platze nur zum Teile eingehalten hatte. Es iſt aber jeden— falls ein ſehr günſtiges Zeugnis für den Blick des Neifen- den, daß die Kolonie, nachdem ſie einmal glücklich an Ort und Stelle war, zu proſperieren begann und es bis auf den Augenblick zu einer bedeutenden Wohlhabenheit ge— bracht hat. Die Landreiſe der Koloniſten ging unter Füh⸗ rung des Freiherrn von Lima aus über die Puna nach dem Flußthale des Amazonas. Die peruaniſche Seeküſte, induſtrielle Anlagen, vor allem die gewaltige Andenbahn, die phyſiſche Beſchaffenheit Perus und Bolivias finden in anziehender Darſtellung eingehende Würdigung. Hervor— ragende naturwiſſenſchaftliche Kenntniſſe geben dem Reijen- den Gelegenheit, die mannigfaltige Flora und Fauna der durchwanderten Regionen in anregenden Bildern dem Leſer vor Augen zu führen. Vom Pozuzo aus wurde die Er— forſchung des Landes weiter fortgeſetzt und zuerſt der Ucayali befahren. Er tt bei ſeiner Vereinigung größer als der Amazonas; das von ihm durchſtrömte Land. tft noch ſehr wenig erforſcht wegen der dort hauſenden wilden Stämme der Jahuas, Oregones, Mayorunas, Omaguas und Conibos. Die Schilderung ihrer Sitten und Gebräuche Humboldt. — November 1885. 455 und Sagen bildet einen ebenſo anziehenden als lehrreichen Abſchnitt des Werkes. Bei Loreto, dem letzten peruaniſchen Dorfe, ſchiffte ſich von Schütz in einem großen, aus einem einzigen Baumſtamme gezimmerten Kande zur Er— forſchung des Amazonas ein. Er bereiſte dieſen Fluß, den die Peruaner ſchon oberhalb Nauta Amazonas, die Braſilianer aber bis zur Einmündung des Rio Negro Solimdes nennen, von dem Einfluſſe des Ucayali bis zur Mündung. Die Beſchreibung der Flußufer, ihrer land— ſchaftlichen Scenerie, der anwohnenden, meiſt wilden In⸗ dianerſtämme füllen den übrigen Raum des intereſſanten Werkes aus und gewähren in ihrer einfachen, anſprechenden Darſtellung überraſchende Einblicke in das Natur- und Völkerleben jener von der Civiliſation noch kaum berührten Ländergebiete. Da der Verfaſſer nebenbei die Koloni— ſationsfrage ſtets im Auge behält, ſo iſt das Werk auch in dieſer Hinſicht nicht ohne Bedeutung. Es enthält in dieſer Beziehung äußerſt praktiſche Anſichten und Winke, die um ſo mehr Beachtung verdienen, als ſie perſönlicher Anſchauung und jahrelanger Forſchung entſtammen. Frankfurt a. M. Dr Höfler H. Blok, Das Weib in der Natur- und Bolker- Runde. Anthropologiſche Studien. Leipzig, Grieben (Lernau). 8 Lieferungen a 2 % Wiederum hat uns der überaus fleißige Verfaſſer mit einem äußerſt ſchätzenswerten Buche beſchenkt, das nicht nur dem Arzt, nicht nur dem Freund und Forſcher auf dem Gebiete der Kulturgeſchichte, ſondern auch jedem Ge— bildeten reichſte Belehrung bieten wird. Mit wiſſenſchaft— lichem Ernſt, in guter, fließender Sprache geſchrieben, bietet es eine Natur- und Kulturgeſchichte des Weibes, eine Ergänzung jeder Ethnographie, ein belehrendes Hilfs— und Nachſchlagebuch für den Künſtler wie für den Ge— lehrten. Alle phyſiologiſchen und pathologiſchen Vorgänge finden in dem vorliegenden Werke ihre Erwähnung und ſoweit thunlich —, auch ihre Erklärung. Das ganze Leben, die ſociale Stellung des Weibes bei den einzelnen Völkern wird uns vor Augen geführt und zwar verfügt der Ver— faſſer hierin geradezu über eine ſtaunenerregende Beleſen— heit. Er beherrſcht faſt die geſamte ethnologiſche Lit— teratur, keine einigermaßen bedeutendere Reiſebeſchreibung ijt ihm entgangen, von überall her weiß er ſein Material zu ſammeln und gut zu verwerten. Dabei gibt er überall nur Poſitives, auf exakter Forſchung Beruhendes, ohne jedoch die wiſſenſchaftlichen Probleme, die ihm, dem Anthro— pologen und Arzte entgegentreten, zu vernachläſſigen. Aber hier zeigt ſich wiederum ein Vorzug des vorliegenden Werkes: Hypotheſen gegenüber, und wenn ſie noch ſo viel Wahrſcheinlichkeit für ſich haben mochten, verhält ſich der Verfaſſer äußerſt vorſichtig und er hat recht darin, lieber zu vorſichtig, als zu ſchnell, nur allſeitige Prüfung, all— ſeitige Erfahrung kann ja auch auf dem Gebiet der Anthro— pologie allein zum Ziele führen. Aus dem überaus reichen Inhalt ſeien zum Schluß noch einige Kapitel hervorge— hoben, deren Studium gewiß überall reichſte Befriedigung erwecken wird. Da iſt vor allem die anthropologiſche und äſthetiſche Auffaſſung des Weibes, ſein Bau und ſeine Pſychologie, das Schönheitsideal bei den einzelnen Völkern, auf das wir ganz beſonders verweiſen möchten. Auch die Auffaſſung des Weibes im Volks- und religiöſen Glauben bietet viel Intereſſantes u. ſ. w. Damit ſoll natürlich nicht geſagt ſein, daß uns die anderen Kapitel nicht ebenſo befriedigt hätten, am liebſten möchten wir nochmals ganz beſonders hier auf alle verweiſen, doch würde uns das den verſtatteten Raum weit überſchreiten laſſen, wollten wir alle einzelnen Teile des Buches nach Gebühr hier nochmals ausdrücklich würdigen und beſprechen. Das beſte Lob, das einem Werk zu Teil werden kann, iſt wohl das, daß die unparteiiſche Kritik zur Anſchaffung desſelben auffordert, und dieſes Lob können wir mit gutem Gewiſſen vorlie⸗ gendem Werke geben. Frankfurt a. M. Dr. Gotthold. J. G. Wallentin, Lehrbuch der Phyſik. Ausgabe für Gymnaſien. 4. Aufl. Wien, Pichlers Witwe und Sohn. Wir zeigen hiermit die 4. Auflage des Lehrbuchs von J. G. Wallentin an, welches ſchon im „Humboldt“ ein⸗ gehende Beſprechung bei Gelegenheit des Erſcheinens der 3. Auflage erfahren. Wir können das ſehr günſtige Ur— teil, welches wir damals über das Buch gefällt, nur wieder— holen, indem wir bloß hinzufügen, daß einige Neuerungen auf dem Gebiete der Elektricität, namentlich auch die neueren Maße Aufnahme gefunden haben. Wir zweifeln nicht, daß das treffliche Buch eine ſtei— gende Verbreitung finden wird. Frankfurt a. M. Prof. Dr. Krebs. 5. Günther, Lehrbuch der Geophyſikk und phyſt kaliſchen Geographie. II. Band. Stuttgart, F. Enke. 1885. Preis 15 ./ Der zweite Band von Günthers Geophyſik iſt faſt doppelt ſo ſtark wie der erſte; er zerfällt in folgende Hauptabſchnitte: Magnetiſche und elektriſche Erdkräfte; At— moſphärologie; Oceanographie und oceaniſche Phyſik; dyna— miſche Wechſelbeziehungen zwiſchen Meer und Land; das Feſtland mit ſeiner Süßwaſſerbedeckung nebſt einem Wn- hang: Biologie und phyſiſche Erdkunde in Wechſelbeziehung. Schon der große Umfang des zweiten Bandes — 656 Seiten — deutet auf ſehr ausführliche Behandlung des Stof— fes, und die große Zahl der citierten Quellenwerke auf gründ— liche Darſtellung mit Berückſichtigung des Neuen und Neueſten. Wer auch nur in dem Werke blättert und da und dort einen kleinen Abſchnitt lieſt, wird die Ueberzeugung gewinnen, daß dieſes Werk für jeden, welcher phyſiſche Erdkunde ſtudieren will, durchaus unentbehrlich iſt. Es gibt ſo vollſtändige und genaue Auskunft über alles, was auf dem Gebiete der Geophyſik wiſſenwert iſt, daß man wohl kaum etwas findet, worüber man ſich nicht zuver— läſſigen Rats erholen könnte. Aber auch der Phyſiker, der Meteorologe und ſelbſt der Freund phyſiſch-geographiſcher Studien wird dieſes Werk nicht entbehren können. Bewundernswert iſt vor allem der ungemeine Fleiß und die tiefen Kenntniſſe des gelehrten Herausgebers, der ein Werk geliefert hat, wie ein ähnliches, gleich vollſtän— diges und zuverläſſiges nicht exiſtiert. Frankfurt a. M. Prof. Dr. Krebs. A. 23. Meyer, Die Nephritfrage Rein efhnolo- giſches Problem. Berlin, Friedländer. Bekanntlich finden ſich, wie es ſcheint, über die ganze Erde verbreitet, namentlich in Pfahlbauten und alten Gräbern, ja bei einigen entlegenen Völkerſchaften noch heute benutzt, prähiſtoriſche Werkzeuge, Waffen und Schmuck— gegenſtände aus den ſehr harten und widerſtandsfähigen Mineralien Nephrit und Jadeit, welche nach einer, nament— lich von Prof. H. Fiſcher aufgeſtellten Anſicht, alle aus dem Innern von Aſien ſtammen ſollen. Eine andere An— ſicht hält eine derartige Verſchleppung über die ganze Erde für wenig wahrſcheinlich. Zu dieſer bekennt ſich auch der Verfaſſer vorliegender kleinen Schrift, deren Gegenſtand in einem Vortrage vor der anthropologiſchen Geſellſchaft in Wien?) weitere Beleuchtung erfahren hat. Verfaſſer ge— langt darin zu dem Reſultat, daß die in Europa und Amerika gefundenen alten Werkzeuge aus Nephrit und Jadeit nicht aus Aſien ſtammen, daß vielmehr ſeit Ent— deckung des anſtehenden Nephrites zu Jordansmühl in Schleſien und bei der höchſt wahrſcheinlichen Anweſenheit desſelben in der Schweiz die europäiſchen Funde wohl wirklich einheimiſche ſind. Da ferner Arzruni in den Zirkoneinſchlüſſen ein typiſches Merkmal der aſiatiſchen Jadeite nachgewieſen, müſſe auch die behauptete Identität der Jadeite aufgegeben werden. Des näheren verweijen wir auf die beiden Aufſätze. Frankfürt a. M. Dr. Theodor Peterſen. ) Mitteil. der anthropol. Geſellſchaft in Wien, 1885. Sep.⸗Abdruck. 456 Humboldt. — November 1885. Bibliographie. Bericht vom Monat September 1885. Allgemeines. Viographieen. eee herausg. vom naturwiſſenſchaftlichen Vereine zu Bremen. . 2. Heft. Bremen, C. E. Müller's Verlag. 8 urch, Hi Naturgeſchichte. Herausg. von E. v. Martens. 51. Jahrgang. 85. 2. Heft. Berlin, Nicolai'ſche Verlagsbuchhandlung. M. 7. ech allgemeine. Das Leben der Erde und ihrer Geſchöpfe. 20 05 Leipzig, Bibliographiſches Inſtitut. M. 1. Sitzung berichte der kaiſerl. Akademie der Wiſſenſchaften. Mathematiſch⸗ naturwiſſenſchaftliche Claſſe. 1. Abth. Enth.: die Abhandlungen, aus dem Gebiete der Mineralogie, Botanik, Zoologie, 1 9 80 und Paläontologie. 91. Bd. 1.—4. Heft M. 6; 5. Heft M. 3. 80. 2. Abth. Enth.: die Abhandlungen aus dem Gdiet der Mathe⸗ matik, Phyſik, Chemie 9 Meteorologie und Aſtronomie. 91. Bd. 3. Heit. 8 3. Abth. Enth.: die Abhendlangen aus dem Gebiete der Phyſio— logie, ai und theoretiſchen Medicin. 91. Bd. 3.—5. Heft. M. 5. Wien, C. Gerold's Sohn. Tageblatt der 58. Verſammlung deutſcher Sean und Aerzte in Straßburg, 18.—23. September 1885. Straßburg, K. J. Trübner. Nr. 1 pro cplt. M. 8. Thomaſſen, J. H., Bibel und Natur. Allgemein verſtändliche Studien über die Lehren der Bibel vom Standpunkte der heutigen Natur⸗ wiſſenſchaft und Geſchichte. 5. Aufl. Köln, E. H. Mayer. gebd. M. 5. Thomaſſen, J. H., Geſchichte an 7 1 der Natur. 5. Aufl. Köln, E. H. Mayer. gebd. M. Umſ. sia naturwiſſenſchaftlich⸗ bah Illuſtrirte populäre Halbmonats⸗ ſchrift über die Fortſchritte auf den Gebieten der angewandten Natur= wiſſenſchaft und techniſchen Praxis. Herausg. von Th. Schwartze. 2. Jahrgang 1885/86. 1. Heft. Jena, F. Mauke's Verlag. Viertel⸗ jährlich M. 3. Weber, Th. Emil Du Bois Reymond. Eine Kritik ſeiner Weltanſicht. Gotha, F. A. Perthes. M. 5. Phyſik, Vhyſikaliſche Geographie, Meteorologie. SURE R. Die Gewitter in Mitteldeutſchland. Halle, Tauſch & Groſſe. 3 e E., anlass, Atlas in 16 Karten. Leipzig, H. Wagner & Debes. M. 1. Debes, E., phyſikaliſche Erdlarte nach Mercator's Projettion. 8 Blatt. Chromolith. Leipzig, H. Wagner & E. Debes. M. 12; auf Leinw. mit Stäben M. 21. Ketteler, E., theoretiſche Optik, gegründet auf das 1 -Sellmeier'ſche Princip. Braunſchweig, F. Vieweg & Sohn. Konkoly, N. v., Beobachtungen angeſtellt am atrophyſtkaliſcen Obſer⸗ vatorium in SGyalla (Ungarn). 7. Bd., enthaltend die Beobach- 1 10 vom Jahre 1884. Halle, H. W. Schmidt's Verlagsbuchhdlg. Moedebeck, H., Die Luftſchifffahrt unter beſonderer Berückſichtigung 5 militäriſchen Veel 2. Lig. Leipzig, E. Schloemp. M. 2. Publicationen des aſtrophyſikaliſchen Obſervatoriums zu Potsdam. Nr. 16. Inhalt: Ueber den Einfluß der Temperatur auf die Brechung des Lichtes in einigen Glasſorten, im Kalkſpath und Bergkryſtall. Von G. Müller. Leipzig, W. Engelmann. M. 4. Röttger, R., Das Wetter und die Erde. Eine Witterungskunde nach neuen Gruündſätzen und Entdeckungen. Jena, H. Coſtenoble. M. 13. 50. Stein, S. Th., Das Licht im Dienſte wiſſenſchaftlicher Forſchung. 2. Aufl. 3. Heft. Das Licht und die Lichtbildkunſt in ihrer Anwendung auf anatomiſche, pbphicroatlde, anthropologiſche und ärztliche Unters ſuchungen. Halle, W. Knapp. M. 4. 50. Straßer, H., Ueber den Flug der B Vögel. Ein Beitrag zur Erkenntniß der mechaniſchen und folgen Probleme der activen Locomotion. Jena, G. Fiſcher. M. Chemie. Beilſtein, F., Handbuch der 1980 den Chemie. Hamburg, L. Voß. M. Elſner, F., Unſere Nahrung 9109 Genußmittel aus dem Pflanzenreiche 5 5 deren Surrogate und Verfälſchungsmittel. Halle, W. Knapp. 12. Handwörterbuch, neues, der Chemie. 2. Aufl. 8. Lieferung. Bearb. und herausg. von H. v. ve und C. Hell. 49. Lfg. Braunſchweig, F. Vieweg & Sohn. 2. 40. Schmidt, E., Anleitung zur N Analyſe. 2. Aufl. Halle, Tauſch & Groſſe. Kart. M. Mineralogie, Geologie, Geognoſte, Valäontologie. Abhandlungen zur geologiſchen Spezialkarte von Preußen und den Thü— ringiſchen Staaten. 6. Bd. 2. Heft und 7. Bd. 1. Heft. Inhalt: Bd. 6, Heft 2. Die Trias am Nordrande der Eifel zwiſchen Com— mern, Zülpich und dem Rörthale. Von M. Blanckenhorn. Bd. 7, Heft 1. Die Quartärbildungen der Umgegend von Magdeburg mit beſonderer Berückſichtigung der Börde. Von F 8. Wahnſchaffe. Berlin, S. Schropp' ie Hoflandkartenhdolg. 6. Bd. 2. Heft M. 7.; 7. Bd. 1. Heft M. Böhm, G., Ueber ſüdalpine 0. Berlin, Dobberke und Schleiermacher. M. — Jahrbuch, neues, für Mineralogie Geologie und Paläontologie, herausg. von M. Bauer, W Dames und Th. Liebiſch. 4. Beilagebd. 1. Heft. Stuttgart, E. Schweizerbart'ſche Verlagshandlung. M. 10. Quenſtedt, F. A., Handbuch der Petrefaktenkunde. 3. Aufl. 24. und 25. ee) Lieferung. Tübingen, H. Laupp'ſche Buchhandlung. Specialkarte, geologiſche, des Königreichs Sachſen. Herausg. vom K. Finanzminiſterium. Bearbeitet unter der Leitung von H. Credner. Sect. 30 u. 135. Chromolith. Mit Erläuterungen. Inhalt: 30. Oſchatz-Mügeln von Th. Siegert. — 135. 1 ba, Lengenfeld von K. Dalmer. Leipzig, W. Engelmann. a M. 39 101750 für Kryſtallographie u. Mineralogie. ben von P. Groth. 6. Heft. Leipzig, W. Engelmann. M. Botanik. Botaniker⸗Kalender für 1886. „Herausg. von P. Sydow und C. My⸗ lius. 2 Theile. Berlin, J. Springer. gebd. in Leinw. u. geh. M. 3; a in Leder u. 105 M. 3. 50. Dodel⸗ Port, Biologiſche Fragmente. Beiträge zur Entwicklungs- geſchichte 55 Pflanzen. Kaſſel, Th. Fiſcher. Kart. M. 36. Förſter's, C. F., Handbuch der Cacteenkünde in ihrem ganzen Umfange. Bearb. von Th. Rümpler. 2. Aufl. 12. Lieferung. Leipzig, J. T. Willer. M. 2. Hegelmaier, Unterſuchungen über die Morphologie der Dikotyledonen— N Leipzig, W. Engelmann. 8. Lahm, G., Zuſammenſtellung der in Weſtfalen beobachteten Flechten unter Berückſichtigung der Rheinprovinz. Münſter, Coppenrath'ſche Buch- handlung. M. 2. Martius, C. F. Ph. de, et A. G. Eichler, Flora brasiliensis. Enumeratio plantarum in Brasilia hactenus detectarum. Fasc. 95. Leipzig, F. Fleiſcher. M. 60. Rabenhorſt's, L., Kryptogamen⸗Flora von Deutſchland, Oeſterreich und der Schweiz. 2. Aufl. 4. Bd. Die Laubmooſe von K. G. Limpricht. 2. Lieferung. Leipzig, E. Kummer. M. 2. 40. Reiter, H., Die Konſolidation der rand Als Verſuch einer Oekologie der Gewächſe. Graz, Leuſchner & Lubensty. M. 6. 40. Zoologie, Phyſtologie, Entwickelungsgeſchichte, Anthropologie. Archiv für die geſammte Phyſiologie der Menſchen und der Thiere. Herausg, von E. F. Pflüger. 37. Bd. 1. u. 2. Heft. Bonn, E. ae Verlag. pro cplt. M. 20. Forel, Das Gedächtniß und ſeine Abnormitäten. Orell Füßli & Co., Verlag. M. Fricken, W. v. Naturgeſchichte der in Deutſchland einheimiſchen Käfer. ae Aufl. Werl, A. Stein'ſche Buchhandlung. M. 4. 80; gebd. 5. 60. Haushofer, K., 0 Reaktionen. weg & Sohn. M. 4. 50 Leuckart, R., und H. Nitſche, Zoologiſche Wandtafeln zum Gebrauche an Univerſitäten und Schulen. 11. 119. Tafel 28 u. 32 à 4 Blatt. Lith. und folor. mit Text. Kaſſel, Th. Fiſcher. M. 6; für Auf⸗ ziehen auf Leinwand mit Rollen a Tafel M. 3. Mittheilungen der ſchweizeriſchen entomologiſchen Seo G. Stierlin. Vol. 7. Heft 4. Bern, Huber & Co. 2 Naue, J., Die prähiſtoriſchen Schwerter. München, Atrarſſch artiſtiſche Anſtalt. M. 4. Reichenow, A., Bericht über die Leiſtungen in der Naturgeſchichte der Vögel während hee Jahres 1883. Berlin, Nicolai'ſche Berlagsbud- handlung. M. See 9 M. Wingelmüller, C., Das Anlegen von Käfer- und Schmetterlingsſamm⸗ Vortrag. Zürich, Braunſchweig, F. Vie⸗ Red. von 1. 80. Die deutſche Käferwelt. 5. Lg. Leipzig, O. Leiner. lungen. Magdeburg, Creutz'ſche Buchhandlung. M. 1. 50; gebd. M. 2. 25. 8 Geographie, Ethnographie, Beifewerke. 3. Aufl. Regensburg, G. Biedermann, G. Geggraphiſcher Leitfaden. J. Manz. M. 2. 30; geb. M. 2. 50. Carl, L., Kurze Entdeckungs 1 0 der Erdtheile. Hannover, Hahn'ſche Buchhandlung. Kart. M Marſchall⸗ Freytag, G., Karte der Caroline, und Pelew⸗Inſeln mit Detailplänen der Inſeln Jap, Ponapis, Kuſaie zc. ꝛc. Chromolith. Wien, G. Freytag. M. Haardt, V. v. „Weographiſcher Alas f für Bürgerſchulen. 3 Theile. Wien, E. Hölzel's Verlag. In 1 Bd. broſch. M. 2. 40; 1. M. —. 80; 2. M. — 90; 3. M. —. 80. Kaulen, F., Aſſyrien und Babylonien nach den neueſten Entdeckungen. 3. Aufl. Freiburg i. Br., Herder'ſche Verlagshandlung. M. 4.; gebd. M. 6. Lehmann, R., Vorleſungen über Hülfsmittel und Methode des 815975 phiſchen Unterrichts. 1. Heft. Halle, Tauſch Ss Groſſe. M. Leiſt, A., Georgien. Natur, Sitten und Bewohner. Leipzig, W. Friedrich M. 3. Mittheilungen der geographiſchen Geſellſchaft in Hamburg 1885. Herausg. von . Friederichſen. 1. Heft. Hamburg, L Friederichſen & Co. M. Spanier A. 1216 9 bie in der Volksſchule. Berlin, mann. M. 1. Th. Hof⸗ ie Humboldt. — November 1885. 457 witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat September 1885. Der Monat September iſt charakteriſiert durch veränderliches, meiſt trübes und naßkaltes Wetter mit durchſchnittlich mäßigen, vorwiegend ſüdweſtlichen bis nordweſtlichen Winden. Hervorzuheben ſind die außergewöhnlich großen Regenlagen im Alpengebiete am Monatsſchluſſe. In den erſten Tagen des Monats bewegte ſich eine ſüd⸗nordwärts gelagerte Zone hohen Luftdrucks von Weſt— nach Oſteuropa fort, gefolgt von einem Gebiete niedrigen Luftdrucks, deſſen Kern andauernd weſtlich von Schottland liegen blieb, ſo daß über Zentraleuropa die nördliche Luft— ſtrömung durch Windſtille in die ſüdliche überging, welche von heiterem, trockenem Wetter und ſteigender Temperatur begleitet war. Indeſſen zeigte ſich am 4. über dem cen— tralen Frankreich eine Teildepreſſion, welche, der Luftdruck— und Temperaturverteilung entſprechend, nordoſtwärts nach der Jütſchen Halbinſel raſch enteilte und auf dieſem Wege mit einer Tiefezunahme von nahezu 10 mm ſich zu einer ſelbſtändigen Depreſſion entwickelte, und bis zum 6. in ein Gebiet niederen Luftdruckes ſich auswandelte, das die von Schottland ſich zeigte, am 10. fic) über ganz Weft- europa ausbreitete und am 11. allenthalben eine neue Verſtärkung erhielt. Am letzten Tage lag in ganz Central— europa die Morgentemperatur zwiſchen 8 bis 12°; oder durchſchnittlich 4° unter der Temperatur, welche im Mittel dieſer Jahreszeit zukommt. Auffallenderweiſe waren an dieſem Tage über Deutſchland ſchwache ſüdöſtliche bis ſüdweſtliche Winde vorherrſchend, während bis zum folgenden Tag, wo dieſe Luftſtrömung in eine lebhaft nordweſtliche übergegangen, war, faſt überall Erwärmung erfolgte. Am 14. breitete ſich der hohe Luftdruck nordwärts über Süd- und faſt ganz Mitteleuropa aus und hielt ſich bis zum 17., fo daß für dieſe Epoche in Centraleuropa wieder ruhiges, heiteres und trockenes Wetter herrſchte und an den ſonnigen Tagen wieder hohe Temperaturen auf— traten. Am 15. lagen die Morgentemperaturen in Deutſch— land bis zu 4, am 16. bis zu 8, am 17. bis zu 5½“ über den Mittelwerten, während ſich die Nachmittagstempera— turen an dieſen Tagen im ganzen deutſchen Binnenland über 25 erhoben (2 u p. m. am 16. Chemnitz 27,6, Bres— lau 28,5, am 17. Chemnitz 28,9, Breslau 27,70). 4 0 7 E ganze Nordſee und die Südhälfte von Skandinavien ein— nahm. Der Vorübergang dieſer Depreſſion war gekenn— zeichnet durch ausgedehnte und im ſüdöſtlichen Nordſee— gebiete ergiebige Niederſchläge, und im nordweſtlichen Deutſchland durch Eintritt ſtark böiger weſtlicher und nord— weſtlicher Winde. Vom 4. auf den 5. fielen in Utrecht 24, in Rügen 25, in Cuxhaven 23, in Keitum 35, in Wile helmshaven 36mm Regen, während in Frankreich, Süd— weſtdeutſchland und in Oeſterreich ſtellenweiſe Gewitter zum Ausbruch kamen. Dieſer intereſſante Vorgang iſt durch die obigen Luftdruckkärtchen vom 4., 5. und 6. September für 8 Uhr morgens dargeſtellt. In den folgenden Tagen, etwa bis zum 14., lag der höchſte Luftdruck hauptſächlich über Südeuropa, während tiefe Depreſſionen über Nordeuropa ſich bewegten, die ihren Wirkungskreis häufig ſüdwärts über ganz Deutſchland aus— dehnten. Daher ein Vorwalten der ſüdlichen bis weſtlichen Winde, welche am 9. und 10. mäßig bis ſtark, am 13. vielfach ſtürmiſch an der weſtdeutſchen Küſte auftraten und das trübe, meiſt kühle Wetter mit häufigen, ſtellenweiſe ſtarken Niederſchlägen. Dabei waren Gewittererſcheinungen nicht ſelten, ſo am 6. im nördlichen Deutſchland, ſowie im Weſten und Innern Frankreichs, am 7. im nordweſtdeutſchen Küſtengebiete, ſowie vereinzelt in Frankreich, am 8. bez | gleiteten zahlreiche Gewitter in Norddeutſchland eine in Oſtdeutſchland nordoſtwärts fortſchreitende Depreſſion, am 9. wurden im nördlichen und ſüdweſtlichen Deutſchland Ge— witter beobachtet, ebenſo am 10. im weſtlichen Deutſchland. Bemerkenswert iſt die Abkühlung, welche am 9. zuerſt im Nordſeegebiet als Wirkung einer Depreſſion nördlich Vom 18. auf den 19. ſchritt eine Furche niederen Luftdrucks, begleitet von Regenfällen und gefolgt von nörd— lichen Winden und Abkühlung über Deutſchland weg, in— deſſen ſtellte ſich unter dem Einfluſſe eines raſch von Süd— weſt nach Nordoſt ſich ausbreitenden hohen Luftdrucks das ruhige, heitere und trockene Wetter wieder her, ſo daß am 19. die Niederſchläge aufgehört und bei aufklarendem, jedoch etwas nebligem Wetter die Temperatur den Normal— wert wieder annähernd überſchritten hatte. Größere Niederſchläge folgten wieder am 24. und 25., als über Deutſchland ſekundäre Depreſſionen hinwegſchrit— ten, wobei auch die Temperatur beträchtlich herabging. Am 24. fielen in Cuxhaven 27, in Karlsruhe 23, am 25. in Friedrichshafen 31, im München 33 mm Regen. Am 26. und 27. lagen die Morgentemperaturen in Deutſchland 2 bis 6“ unter den Mittelwerten, in Magdeburg wurde am 26. Bodenfroſt beobachtet und in Wien ging die Nach— mittagstemperatur um 13° herab. Bis zum Monatsſchluſſe dauerte das kühle, trübe und regneriſche Wetter allenthalben fort, wobei beſonders im Süden bedeutende Regenmengen fielen, ſo am 27. in Alt— kirch 23, in Friedrichshafen 27, am 28. in München 28 und in Friedrichshafen 54mm Regen. Infolge der anhaltenden Regenfälle am Monatsſchluſſe fand eine Ueberſchwemmung des oberen Rheinthales ſtatt, im St. Gallenſchen war der Waſſerſtand des Rheins höher als 1868, fo daß ſehr große Schäden hier vorkamen. Aus verſchiedenen Gegenden der Schweiz wurden koloſſale Schnee— fälle gemeldet. Hamburg. Dr. T. van Bebber. 458 | entfernt. Humboldt. — November 1885. 21 S 99h 33m Dorpat. Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im November 1885. (Mittlere Berliner Zeit.) 624 U Cephei 1720 N Tauri 17" 54» OL TE 857 U Ophiuchi 681 U Cephei 1588 „ Tauri 1529 Algol 12 52 15,4% A 0 586 U Ophiuehi 16 53" 19 tiny 61 689 S Caneri 955 Algol 1326 Tauri 524 U Cephei 6b4 Algol 1722 U Cephei 1224 Tauri 16" 9™O 1B 551 U Cephei 70 20m F. l.! O Mauri d 5m. d. 4 10h 4 Im F. h. le Tauri 1155 2 Ned al 65 Im g. h. ) Il? Tauri 729m Ad. 6 1649 U Cephei ES . SE 13h Omg. d. 0 5.6 683 U Corone 427 U Cephei 10˙2 Tauri 15 Sm 155 258 5 N 01 7h 195 0 1 I Uranus Geſellſchaft mitgeteilte Ephemeride ergeben. | 6 Librae iſt in den Sonnenſtrahlen verborgen. zunehmenden Lichte beobachten. 1823 U Cephei 15" Om 17¹ 18 J LEI 17" 47" g II E 179 U Cephei 588 U Cephei 1726 U Cephei 15 38™ A III E 624 U Ophiuchi BAC 8365 115 25 F. d. 6 2 12 280 J. h. 18h 47™ 21 4% N01 722 U Ophiuchi 7 32" Bl “ 75 Tauri Sez ee @ h 95m 15 fo, 9 1173 Tauri 18 38 F. h. / 1 Cancri 190 45m J. d. 1 6 18 2 AI E 1636 U Cephei Sie durchwandert das Sternbild 18 36™ 0 22 Am iy A. 0 IV 1287 Algol 18 44 9] IIIA 5h m fen 13h 5m 15 gan] 01 7 34™ E. h.) O Tawi 7 5I v Ad) 4 15h52 m E. h. 0 130 Tauri 16 54 A. d. 9 6 Sternschuuppen (Biela) 1771 U Corone auf. des Schützen. 1427 ) Tauri Sternschnuppen (Leoniden) gb gh 8™ Eh. 7m A. d. 185 Im 20 52 A 0 l 1750 Algol Uranus befindet ſich zwiſchen g und J Virginis. Drei Stunden vorher Dr. E. Hartwig. g 18 Merkur bleibt im ganzen Monat dem unbewaffneten Auge unſichtbar, da er ſelbſt in ſeiner größten Aus⸗ weichung von der Sonne am 30. wegen ſeiner ſehr ſüdlichen Deklination gerade bei Anbruch der Nacht untergeht. Venus iſt tief am Südweſt-Himmel ſchon bald nach Sonnenuntergang | 25/4 Stunden nach der Sonne unter. Löwen ſteht am Morgen des 4. zwiſchen « und Y Leonis, von erſterem Er geht anfangs kurz nach Mitternacht, zuletzt um 11% Uhr 5 und J Virginis, fein Aufgang erfolgt anfangs um 3", zuletzt um 14/2 Uhr morgens. Zwillinge geht anfangs um 8, zuletzt um 6 Uhr auf. kommt am 15. in Oppoſition mit der Sonne. Die Zeiten der Minima für Algol find neueren Beſtimmungen des kleinſten Lichtes entſprechend angeſetzt indem letztere eine Verfrühung von mehr als einer halben Stunde gegen die in der Vierteljahrsſchrift der Aſtr. N Tauri bietet eine Reihe günſtig zu beobachtender Minima dar. Das Minimum von S Cancri am 13. November läßt ſich nur im Auf die Bedeckung von „ Tauri (Aldebaran) durch den Mond am 22., welche ſich mit einem Opernglas leicht beobachten läßt, wird beſonders aufmerkſam gemacht. die beiden nahe bei einander ſtehenden Sterne 0! und O° Tauri bedeckt. ſichtbar; fie geht anfangs 1½, zuletzt Mars im Sternbild des etwas mehr als zwei Monddurchmeſſer Jupiter wandert langſam zwiſchen Saturn im Sternbild der Neptun „ werden Humboldt. — November 1885. 459 Ne liGtitet lu gen. Die 68. Jahresverſammlung der ſchweizeriſchen naturforſchenden Geſellſchaft fand am 11. bis 13. Auguſt in Locle, einem der beiden Hauptdörfer des Neuenburger Juras und dem Centrum der ſchweizeriſchen Uhrenfabri— kation unter dem Vorſitze von Herrn Guillocheur und Profeſſor der Geologie Jaceard Präſident und Herrn Inſpektor Jürgenſen als Vicepräſident ſtatt. Die all- gemeinen Sitzungen wurden teils am 11., teils am 13. abgehalten und zum größten Teile von allgemeinen Vorträgen ausgefüllt. Es ſprachen am erſten Tage die Herren V. Fatio aus Genf über die Coregonen der Schweiz (vergl. die ausführlichere Mitteilung); Dr. E. Yung über den Einfluß des Mittels auf die Entwickelung der Tiere; Profeſſor L. Dufour über die Attraktion des Mondes auf den Golfſtream; Forel aus Morges über die Hydrologie des Genfer Sees; — am zweiten Tage Prof. Soret aus Genf über den Schönheitsſinn der Blinden und die Anmut in den Bewegungen, zwei die Schönheits— lehre und die Phyſik berührende biologiſche Punkte; In— genieur Ritter über die unterirdiſchen Gewäſſer der Noiraigue und das ſich darauf baſierende Projekt zur Waſſer— verſorgung von La Chaux-de-Fonds; endlich Dr. Imhof in deutſcher Sprache (alle übrigen Vorträge wurden in franzöſiſcher Sprache abgehalten) über die pelagiſche Fauna der Süßwaſſerſeen und über einige mikroſkopiſche pelagiſche Tierformen der Oſtſee. Von geſchäftlichen Erörterungen teile ich zunächſt mit, daß als nächſter Feſtort einſtimmig Genf und als Jahrespräſident der bisherige Centralpräſident Soret gewählt wurde. Ferner hat die Geſellſchaft nach dem Vorgange ähnlicher Inſtitute beſchloſſen, bei einmaliger Zahlung von 150 Franken lebenslängliche Mitglieder aufzu— nehmen, ſolche gewiſſermaßen zu Ehrenmitgliedern zu machen. Die Sektionsſitzungen fanden am 12. Auguſt in den Räumlichkeiten des alten Gymnaſiums daſelbſt ſtatt. Das reich beſetzte Programm wies für drei derſelben, die übrigen konnte ich nicht erhalten, folgende Vorträge auf. 1) Phyſik und Chemie. Beiträge zur Nahrungs— mittelchemie von Dr. Schuhmacher-Kopp; Meteoro— logiſche Apparate von Prof. Sire aus Beſangon; Regen- bogen von H. Dufour aus Lauſanne; Niveau-Schwankungen in Süd⸗Kaledonien; Fortpflanzung der Elektricität in Tele- graphenſtangen von Hagenbach, Prof. in Baſel; Wärme— leitung in feſten Körpern von Prof. R. Weber in Neuenburg; über Affinitätsbeſtimmungen in feſten Körpern von Dr. Urech in Tübingen 2c. 2) Zoologie. Dr. Imhof machte Mitteilungen über Helicozoen und einige Ciſternenbewohner, ſowie über die pelagiſche Fauna des Seealpſees am Säntis, des Sees des Tailleres bei la Brévine und des Sees von Brenets; H. Fol, Prof. in Genf, über die Exiſtenzbedingungen der Waſſertiere in Beziehung auf das Tageslicht (ſiehe unſere kleineren Mitteilungen); Forel aus Zürich über den Ur— ſprung des Nervus acusticus; Prof. O. Emery aus Bologna über das Leuchtorgan der Lampyriden; Prof. Herzen aus Lauſanne über die Beobachtungen von M. Labordère über den Kopf eines Enthaupteten. 3) Botanik. Dr. Jean Dufour: Unterſuchungen über das lösbare Stärkemehl und ſeine Rolle im Pflanzen- reiche; Prof. Schröter aus Zürich: Ueber die verſchieden— artigen Formen der ſchweizeriſchen Pinus-Arten; Tripet aus Neuenburg: Veränderung der Flora des Kantons Neuenburg durch die Juragewäſſerkorrektion, zwei in den letzten 15 Jahren im gleichen Bereiche neu entdeckte Pflanzen (Cardamene trifolia L zwiſchen Cocle und dem Doubs); Dr. Schröter: Die Zuſammenſetzung der Wieſen, vom Geſichtspunkte der Botanik und Agrikultur aus unterſucht. Ueber einen neuen Fall von Gynodioccie (Anemone nemo- rosa); Pittier aus Chateau d'Oex: Ueber den Einfluß der Lokalwinde auf die Vegetation; Dr. G. Haller in Zürich demonſtriert eine Anzahl Pflanzen (Kryptogamen und Phanerogamen) von der Oſtküſte Grönlands. Die Nachmittage wurden in angenehmer Weiſe durch Spaziergänge nach den Doubsſeen von les Brenets, ſowie nach der maleriſchen Schlucht der Areuſe unterbrochen. Erwähnenswert iſt auch der wahrhaft fürſtliche Empfang, welchen die ſchweizeriſchen Naturforſcher am erſten Abend auf dem Landgute ihres Vicepräſidenten Herrn Jürgenſen fanden, der es ſich angelegen ſein ließ, ſeine Gäſte auf das beſte zu bewirten. II. Aleber die Tiefe, bis zu welcher noch das Tages- licht ſowohl in unſeren Seen als im Meere einzu- dringen vermag, machten neuerdings die Herren Saraſin und Fol, beide aus Genf, eine Anzahl von genauen Ver- ſuchen. Sie benutzten hierbei Platten von Bromſilber, welche in Käſten exponiert wurden, welche ſich in gewiſſer Tiefe automatiſch öffneten. Vermittelſt dieſer Apparate beſtimmten ſie die Tiefengrenze, bis zu welcher noch das Tageslicht einzudringen vermag, von welcher an alſo ab— ſolute Finſternis herrſchen würde, für unſere Landſeen auf 280 m, für das Mittelmeer auf 400 m. Bekanntlich wurde ſchon früher von Forel vermittelſt einer oben weiß, unten ſchwarz gefärbten Scheibe und unter vorſichtigem Abſchluß aller das Auge ablenkenden Lichtſtrahlen die Grenze, bis zu welcher das Auge ins Waſſer des Genfer Sees und ſomit auch aller anderen von unſeren Seen einzudringen vermag, auf 17 m beſtimmt; Pater Secchi, welcher die gleichen Ver— ſuche vor Neapel machte, fand dieſe Grenze für das viel durchſichtigere Mittelmeer erſt bei 34m. Hierbei muß nattir- lich immer vorausgeſetzt werden, daß das Waſſer vollkommen ruhig, klar und durchſichtig iſt. Forel fand auch wiederholt die untere Grenze für chlorophyllhaltige Algen bei ca. 25 m, aber erſt neuerdings wurden ihm durch Fiſcher aus einer Tiefe von ca. 60 m vom Grunde Steine gebracht, welche dicht mit einem dem Hypnum fontinale ähnlichen, wohl entwickelten und ſtark chlorophyllhaltigen Mooſe, dem Tamnium alopecurum bewachſen waren. Allein es kommen noch weit unter 400 m Tiere mit gut entwickelten, ja ſogar ungemein vergrößerten Augen vor und es iſt daher anzunehmen, daß ſich hier eine andere Lichtquelle befinden muß. Wie nahe liegend denkt man hierbei zuerſt an die Phosphorescenz, welche zwar bei kleinen Tieren nur dem Hausgebrauche dienen mag, bei größeren, z. B. Fiſchen, dagegen wohl auch zum Nutzen anderer dient. Diejenigen, welche die Fähigkeit nicht beſitzen, ſich im Dunkeln ein Lämpchen anzuzünden, ſind wahrſcheinlich Raubtiere, und benutzen ihre eigene Unſicht— barkeit, um, angezogen von dem Glanze ihrer Beute, ſich unbemerkt heranzuſchleichen. Auffallend bleibt es, daß ſämt— liche im ſüßen Waſſer lebende Tiere der Phosphorescenz entbehren; nur von einem Ceratium aus den Sümpfen einſchlägige Nachricht. II. Der Sternſchnuppenſchwarm vom 27. November. Alljährlich zu Ende November und Anfang Dezember zeigen ſich zahlreiche Sternſchnuppen, deren Radiationspunkt nahe dem Sterne J Andromedae ſich befindet. Beſonders merk— würdig iſt der Schwarm deshalb, weil ſeine Bahn mit der des Kometen Biela von 6,6 Jahren Umlaufszeit zuſammen— fällt. Nach der Theorie von Schiaparelli, Weiß u. a. entſteht ein Meteorſchwarm durch den Zerfall eines unſerem Sonnenſyſtem angehörigen Kometen. Hat der Zerfall ſchon vor ſehr langer Zeit begonnen, ſo wird ſich die Kometen— 460 Humboldt. — November 1885. materie nahe gleichmäßig über die ganze Bahn verteilt haben. Beſonders glänzende Erſcheinungen werden dann nicht mehr vorkommen. Bewegt ſich ein Komet erſt kurze Zeit in unſerem Syſtem, ſo wird die durch die Schweif— bildung ausgeſtrahlte Materie immer noch in beſonderer Dichtigkeit ſich nahe dem Kometen befinden, und es werden in Zwiſchenzeiten, die der Umlaufszeit des Kometen nahe gleich ſind, ſehr reiche Sternſchnuppenfälle zu erwarten fein. So verhält es ſich zum Beiſpiel mit dem Kometen 1866 J, der ſeine jetzige Bahn mit der Umlaufszeit von 33 ¼ Jahren nach Le Vervier erſt in dem Jahre 126 durch Uranus⸗ ſtörung erhalten hat. Dieſer Komet hat die Bildung des Meteorſchwarmes vom 12. November veranlaßt, der gleich⸗ falls alle 33 Jahre in ganz beſonderer Pracht auftritt, und zwar zum letztenmal im Jahre 1866, alſo kurz nach dem Erſcheinen des Kometen. In gleicher Weiſe kann man auch für den Bielaſchen Kometen annehmen, daß der Zer— fall desſelben vor verhältnismäßig kurzer Zeit begonnen hat; hierfür ſpricht noch der Umſtand, daß der Komet in den Erſcheinungen 1846 und 1852 als Doppelkomet beob- achtet wurde, ferner die Thatſache, daß man im Jahre 1866, trotz günſtiger Verhältniſſe, den Kometen nicht auffinden konnte, endlich auch noch der großartige Sternſchnuppenfall vom 27. November 1872. Nachdem einige Wochen vorher der Komet ſeine Sonnennähe hätte paſſieren ſollen, aber wiederum nicht geſehen worden war, ſchloß man aus dem ſtattgehabten Phänomen, daß ein Zuſammentreffen des Kometen mit der Erde ſich ereignet habe und Pogſon in Madras fand, durch ein Telegramm von Klinkerfues aufmerkſam gemacht, einen kleinen Kometen an der Stelle, nach der ſich die Meteorwolke bewegen mußte. Indes ſind die gemachten Beobachtungen nicht hinreichend, eine Bahn des Objekts zu berechnen; es muß dahingeſtellt bleiben, ob Pogſon den Bielaſchen Kometen wirklich beobachtet, oder ob zufällig ein anderer Komet ſich an der betreffenden Stelle befunden hat. Daran aber, daß der Sternſchnuppen⸗ ſchwarm im engſten Zuſammenhange mit dem Kometen Biela ſteht, iſt nicht zu zweifeln; es iſt dann aber auch ſehr wahrſcheinlich, daß am nächſten 27. November dies Phänomen ſich wiederholt, da der Bielaſche Komet jetzt wieder ſeinem Perihel nahe ſein muß. Es dürfte daher nicht ganz überflüſſig ſein, die Leſer auf die intereſſante und wichtige Erſcheinung aufmerkſam zu machen, wenn freilich nicht beſtimmt vorausgeſagt werden kann, ob der Sternſchnuppenfall in ähnlichem Glanze ſich zeigen wird, wie im Jahre 1872. Bb. Edelweiß, das bisher nach den Vereinigten Staaten von den Schweizer und Tiroler Alpen exportiert und drüben teuer bezahlt wurde, hat man jetzt im Tacoma⸗ gebirge im nordweſtlichen Territorium Waſhington (am Stillen Ocean) in großen Maſſen in einer Höhe von 6000 Fuß über dem Meere entdeckt. D. Gr. Expeditionen nach Alaska. Nach Alaska, dem Terri— torium der Union im äußerſten Nordweſten des Kontinents, von Aſien nur durch die Behringsſtraße getrennt, ſind vier Expeditionen innerhalb der letzten zwei Jahre geſandt worden, und es iſt ihnen gelungen, nähere Aufſchlüſſe über die Bedeutung dieſes unterſchätzten Nationalbeſitz— tums zu erlangen. Der Fiſchfang daſelbſt hat der Bundes— regierung beinahe fünf Prozent jährliche Einkünfte auf die im Jahre 1867 durch Staatsminiſter Seward für Alaska an Rußland bezahlte Summe von 7200000 Dollar ein— gebracht. Neuerdings hat es ſich aber herausgeſtellt, daß Alaska, auf deſſen Erwerb man damals keinen großen Wert legte, mächtige Flüſſe, Gebirge, Wälder und Minen von unerſchöpflichem Wert enthält. Es ſollen Spekulanten ihr Augenmerk in jüngſter Zeit dem genannten Lande mehr als ehedem zugewandt haben, und demnächſt wird ſich auch noch eine fünfte von der Regierung ausgerüſtete Expedition unter Führung des Lieutenants Georg M. Strong von San Francisco dorthin begeben. Dieſer junge Offizier iſt bereits früher an der Spitze zweier nach Alaska unternommener Expeditionen geſtanden und hat ausgezeichnete Dienſte geleiſtet. Er erforſchte im Jahre 1883 den Putnamfluß auf eine Strecke von 400 Meilen, und dieſes Jahr ſoll die Erforſchung jenes Fluſſes fortgeſetzt werden. Die Nützlichkeit derartiger Expeditionen kann nicht in Frage geſtellt werden. Alaska iſt nicht während des ganzen Jahres von Eis eingeſchloſſen, und Dampfboote können zu jeder Zeit des Jahres bis nach Point Barrow, der nördlichſten Landſpitze Alaskas, gelangen. D. Gr. Ein neuer Komet. Mr. Barnard in Nafhville entdeckte am 7. Juli d. J. einen neuen Kometen, welcher auch bald darauf in Cambridge entdeckt wurde, von wo aus man die Sternwarte in Utrecht benachrichtigte. Der Komet ſtand am 9. Juli um 12 Uhr 32 Min. 9 Sek. mittlerer Zeit in Cambridge auf 259° 27“ 6“ Rektaſcenſion und 6° 1’ 8’ ſüdlicher Deklination. Die täglich wahr⸗ nehmbare Bewegung war 30“ in Rektaſcenſion, während die ſüdliche Deklination täglich 35“ zunimmt. Der Komet iſt ſchwach und hat keinen Schweif. — Zieht man die von der holländiſchen Geſellſchaft der Wiſſenſchaften zu Haarlem ſ. Z. preisgekrönten Berechnungen des Herrn G. F. Ginzel in Wien, betreffend den Olbersſchen Kometen, der im Jahre 1886 zurückerwartet werden kann, in Betracht, ſo kommt man zu der Anſicht, daß der von Barnard beob— achtete Komet nicht der von Olbers fein kann. Der neue Komet ſteht im Sternbilde Ophiuchos, geht gegen 10 Uhr durch den Meridian und bewegt ſich nach Südweſten. Es iſt deshalb ein Komet, der noch ſehr weit entfernt iſt und ſich nach der Sonne begibt. Er kann bis dahin noch ſehr hell werden, ſich aber auch, wenn er bei ſeiner ſüdlichen Bewegung beharrt, vielleicht unſerem Auge ganz entziehen. Wa. Neueſte BRefultate über die pelagiſche Sauna unſerer europäiſchen Landſeen. Die neueſten Reſultate in dieſer Hinſicht verdanken wir den unermüdlichen For— ſchungen von Dr. Imhof aus Zürich. Bekannt mit den Fehlern der Inſtrumente ſeiner Vorgänger ſuchte derſelbe zunächſt einen Apparat zu konſtruieren, welcher, dank einem ſicher und zuverläſſig funktionierenden Klappen⸗ ſyſteme, geſchloſſen in die Tiefe gelaſſen, in gewiſſer Tiefe angelangt, leicht geöffnet, nach dem Gebrauche wieder ge— ſchloſſen und geſchloſſen wieder an die Oberfläche gezogen werden könnte. In der That entſpricht ſein neuer pela⸗ giſcher Fiſchapparat allen dieſen Anforderungen, dagegen ſinnt Imhof gleichwohl wieder auf einen noch beſſeren. Auch zur Erforſchung der Fauna auf dem Grunde unſerer Gewäſſer hat er nunmehr einen ſinnreichen Apparat er⸗ dacht, welcher ſich erſt beim Aufſtellen auf den Boden öffnet und beim Verlaſſen desſelben ſofort wieder verſchließt. Eine weitere Verbeſſerung der früheren Methoden beſteht darin, daß Imhof ſtatt der bisherigen Seile einen dünnen aber überaus feſten Stahldraht nimmt, welcher viel weniger Anlaß zur Reibung des Waſſers gibt und daher faſt ſenk— recht in die Tiefe ſteigt. Entgegen der bisherigen Anſicht hat nun Imhof gefunden, daß ſich ſämtliche Glieder der pelagiſchen Tier— welt, groß und klein, ſelbſt nachmittags 2 Uhr im grellſten Sonnenlichte herumtreiben und kolonienweiſe zuſammen— ſchwimmen. Auch nahm er ſich die Mühe, ſelbſt mitten im Winter dieſer wunderbaren Tierwelt nachzuforſchen, Beobachtungen, welche bisher meines Wiſſens noch nicht gemacht worden find. Ende Dezember 1883 beſuchte er beiſpielsweiſe die hochgelegenen Seen des Engadins, deren höchſter 1809 m hod liegt, und fand ſelbſt unter der Eisdecke, welche behufs Durchlaſſens ſeines Apparates mit, der Axt durchhauen werden mußte, ein überaus reichhaltiges Tierleben in ganz normalen Entwickelungsſtadien und aus- gewachſenen Formen. Keine Spur von Wintereiern! H. In Korea haben der Einfluß der Chineſen und das Geld der engliſchen Importeure geſiegt und die Entlaſſung unſeres Landsmannes von Möllendorff herbeigeführt. Für den deutſchen Handel dorthin wird das keine ſonder— lich angenehmen Folgen haben. Ko. Die barometriſche Höhenmeſſung, ihre Methode, die Grenzen ihrer Suverläſſigkeit und ihr Wert für den Wanderer im Hochgebirg. Don Prof. Dr. J. Partſch in Breslau. ) freudige Intereſſe an formenreichen Bergen, g welche die Länder krönen und zieren. Sie iſt ein Kind des heißen Nilthals; aber nicht die gelben Steilwände der Wüſten, die ſeinen braunen Boden ſäumen, weckten zuerſt den Wunſch, Höhen— unterſchiede genau zu kennen, ſondern die Bedürfniſſe des praktiſchen Lebens. In einem Lande mit regen— loſen Sommern, wo der Ernteertrag völlig von der Hochflut des Nils oder von künſtlicher Bewäſſerung weiter Flächen mit großen Reſervoiren, wie dem Möris— ſee, abhing, mußte die zuverläſſige Beſtimmung ſelbſt kleiner Niveauunterſchiede von der Landwirtſchaft ſchnell als unerläßliches Bedürfnis empfunden werden. Der Nil ſelbſt unterwies die alten Aegypter in der Kunſt des Nivellierens, der Kunſt: durch Viſieren in einer Horizontalebene die Höhendifferenz zweier Punkte zu beſtimmen. Sie iſt — natürlich durch ſinnreiche Er— findungen moderner Technik verfeinert — bis heute die genaueſte Methode der Höhenmeſſung geblieben. Bei den neuen Präciſionsnivellements darf der Höhenfehler für km Entfernung in ebenem Terrain nicht größer als 1 mm fein, auf bergigem nicht größer als 3 mm. Aber die Nivelliermethode iſt natürlich nur anwend— bar, wenn die ganze Strecke, über welche das Nivelle— ment geführt wird, leicht begehbar iſt, alſo am beſten auf Eiſenbahnen, Chauſſeen, immer aber nur bei mäßiger Neigung des Bodens. Das Matterhorn wird kein Menſch je zum Gegenſtand eines Nivellements erwählen. Für Punkte, welche der Meſſende nicht erreichen kann oder nicht erreichen will, Humboldt 1885. hat das Altertum ie Kunſt, Höhen zu meſſen, iſt älter als das bereits einen anderen Weg der Höhenmeſſung in Anwendung gebracht, den trigonometriſchen. Er beruht auf der Meſſung des Vertikalwinkels, welchen die Viſierlinie nach dem zu meſſenden Höhen— punkte mit der Horizontalebene des Beobachtungsortes bildet und auf der genauen Ermittelung der Ent— fernung, welche dieſen Ort von dem Gegenſtande der Beobachtung trennt. Für die Höhen ſchwer zugäng— licher Berggipfel bleibt dieſer Weg der Höhenbeſtimmung der beſte, und in der That ſind auf dieſe Weiſe faſt alle Gipfelhöhen ermittelt worden, welche wir auf den Karten genau bekannter Kulturländer eingetragen finden. Wenn es fic) aber um die Höhenbeſtimmung von Punkten handelt, die nicht hoch über dem Horizont liegen, bei denen alſo die Viſierlinie einen weiten Weg durch die unterſten, in ihrer Erwärmung und Dichtig— keit ſtark ſchwankenden Luftſchichten zurückzulegen hat, übt die atmoſphäriſche Strahlenbrechung einen ſo kräftigen und wegen ſeiner Unregelmäßigkeit ſo ſchwer zu überwachenden Einfluß auf die Winkelmeſſung aus, daß die Reſultate ſehr unſicher werden. Für ausge— dehnte Flachländer oder ſchwach welliges Hügelland verliert alſo die trigonometriſche Höhenmeſſung viel von ihrem Wert. Auch im Gebirge hat ſie ihre Schattenſeiten. In der Möglichkeit, Berge zu meſſen, ohne ſie zu beſteigen, liegt allerdings eine große Arbeitserleichterung, aber auch eine nicht zu unter— ſchätzende Fehlerquelle. Jeder Freund des Hochgebirges weiß aus eigener Erfahrung, wie ſchwierig es iſt, aus bedeutender Entfernung zwiſchen einem ganzen Gewirr von Bergnadeln eine einzelne Spitze mit voller Be— ſtimmtheit zu erkennen. Aus dieſer Unſicherheit ſind 59 462 Humboldt. — Dezember 1885. in älteren Alpenkarten Dutzende von hypſometriſchen Fehlern entſtanden, indem richtig gemeſſene Höhen anderen Gipfeln beigelegt wurden, als denen ſie zu— kamen. Andererſeits bleibt die Meſſung von Berges- höhen von tieferem Standpunkt aus gewöhnlich des⸗ halb bedenklich, weil man nicht immer die volle Gewißheit hat, daß man wirklich den oberſten Gipfel ſieht und in das Fadenkreuz des Fernrohrs bringt. Und doch iſt für hochragende Bergzinnen die Bedingung der Sichtbarkeit noch am eheſten gegeben. Wo Wald die Höhen oder weite aufzunehmende Flächen deckt und die Umſicht vom Beobachtungsorte oder das ſcharfe Erkennen der gewählten Ziele der Beobachtung ver- wehrt, kann man ſich noch mit koſtſpieligen Vor⸗ kehrungen, mit dem Errichten von Türmen oder, wie in Schweden, mit dem Aushauen von Viſierlinien helfen; aber das thut man doch nur in beſonders dringenden Fällen, und manche Punkte, verſteckt in Felſenkeſſeln liegende Seen, ſchmale, zwiſchen hohen Wänden eingeengte Paßſcharten ſind für trigono- metriſche Höhenmeſſungen ganz unerreichbar. Iſt in ſolchen Fällen auch die Anwendung eines Nivellements durch Terrainſchwierigkeiten ausgeſchloſſen, dann em— pfindet man beſonders lebhaft das Bedürfnis nach einer anderen Methode der Höhenmeſſungen, welche geringeren Schwierigkeiten unterliegt. Dieſe dritte Methode der barometriſchen Höhen— meſſungen verdient wegen der Allgemeinheit ihrer Anwendbarkeit und der Leichtigkeit ihrer Ausübung in beſonderem Grade die Aufmerkſamkeit aller Ge- bildeten. Sie erheiſcht keine ſo koſtſpieligen Inſtru⸗ mente, keine ſo ſpecielle fachmänniſche Vorbildung und Uebung, keine ſo angeſpannte, beſtändige Thätigkeit, ſie iſt nicht ſo abhängig von der Gunſt des Ortes und der Zeit. Barometerbeobachtungen können in ſtockfinſterer Nacht vorgenommen werden und auch am heißen Mittag, wenn dem Nivelleur und dem Trigonometer die Bilder im Fernrohr zittern, daß er die Arbeit aufgeben muß; der dickſte Nebel bereitet kein Hindernis. Man braucht nicht ängſtlich nach einem ebenen Platz zu ſuchen. Wo ein Menſch ſtehen | kann, da kann er auch Barometerbeobachtungen machen, und über jede Felswand, über die er hinaufklimmen kann, bringt er auch leicht ſein Barometer mit — allerdings nicht jedes Barometer. Gute Queckſilber⸗ barometer ſind zarte, nur mit Vorſicht tragbare In⸗ ſtrumente. Für ſchwierige Bergwanderungen eignen ſich mehr die Aneroidbarometer, luftleere Kapſeln aus ſehr elaſtiſchem Metall, das jeder Verſtärkung des Luftdrucks nachgebend, den Kapſeldeckel näher gegen den Kapſelboden herabſinken läßt und jede Ver⸗ minderung des Luftdruckes ausnutzend, der Kapſel eine weitere Ausdehnung ihrer Höhenachſe geſtattet. Durch verſchiedene ſinnreiche Mechanismen laſſen ſich die ſchwachen Bewegungen des ſteigenden und ſinkenden Kapſeldeckels derartig vergrößern und genau meſſen, daß ſie ein Maß für die Stärke des Luftdruckes, unter dem fie erfolgten, bieten. Dieſe Aneroidbaro— meter erſetzen allerdings ein Queckſilberbarometer nicht vollkommen. Die Ableſungen ſorgfältig angefertigter Queckſilberbarometer ſind unmittelbar untereinander vergleichbar; denn in jedem hält eine Queckſilberſäule von derſelben Höhe dem gleichen Luftdruck die Wage. Dagegen iſt jedes Aneroid ein Individuum für ſich. Die kleinſten Verſchiedenheiten in der Größe und in der Form der Kapſel, in der Elaſticität ihres Metalls, in der Vollkommenheit ihrer Luftleere, ändern ihr Verhalten gegen Temperatur und Luftdruck derartig, daß der Betrag der wechſelnden Ausdehnung und des Zuſammenſinkens bei keinem genau ſo groß iſt, wie bei dem anderen. Für jedes muß alſo eine beſondere Reduktion der Skala auf die Skala des Queckſilber⸗ barometers vorgenommen werden, eine Reduktion, die auch keineswegs konſtant bleibt, ſondern mit der Zeit, namentlich wenn man das Inſtrument ſtarken Wechſeln des Luftdrucks ausſetzt, alſo z. B. auf Hochtouren, ſich etwas ändert. Dadurch wird es — und dies iſt das Läſtigſte beim Aneroidbarometer — nötig, es öfter mit einem guten Queckſilberbarometer zu ver⸗ gleichen, um die Korrektion, welche ſein nicht ganz beſtändiges Verhalten gegen Temperatur und Luftdruck erheiſcht, genau zu kennen. Schon dieſe Thatſache allein, daß eines und dasſelbe Inſtrument nicht be⸗ ſtändig in ſeinen Angaben bleibt, kann uns lehren, daß es — ich will nicht ſagen Blendwerk, aber ſicher — ein Verzicht auf jede Genauigkeit iſt, wenn die Mechaniker auf Aneroidbarometern unmittelbar die Meereshöhen angeben, welche den verſchiedenen Barometerſtänden entſprechen ſollen. Daß dieſe Ge- wohnheit auch aus anderen Gründen irreführend iſt, erkennt man leicht bei kurzer Erwägung des Grund⸗ gedankens, auf welchem die barometriſchen Höhen— meſſungen überhaupt beruhen. Sobald man einmal die Ueberzeugung gewonnen hatte, daß die Atmoſphäre, welche den Erdball um⸗ gibt, eine gewiſſe Schwere beſitze und mit ihrem Gewicht einen Druck auf die Erdoberfläche ausübe, mußte man ſofort die Folgerung ziehen, daß dieſer Druck, je höher man in der Atmoſphäre emporſteige, immer geringer werde. Die von Pascal veranlaßte Beobachtung am Puy de Dome lieferte 1678 die Beſtätigung dafür. Es gelang dann Mariotte, das Geſetz zu ermitteln, nach welchem die Abnahme des Luftdrucks nach der Höhe zu erfolge, und ſeit man auch den Einfluß der Temperatur, der Luftfeuchtig— keit, der geographiſchen Breite auf dieſe Luftdruck⸗ verminderung nach der Höhe zu mit ausreichender Sicherheit beſtimmt hatte, konnte man in ſtrengen mathematiſchen Formeln die Luftdruckverminderung mit wachſender Höhe als Maßſtab der Höhenunter— ſchiede benutzen. Die Aufgabe, aus dem Luftdruck die Höhe eines Ortes zu beſtimmen, würde ſich nun ſehr einfach geſtalten, wenn zu allen Zeiten und überall auf der Erdoberfläche in gleicher Meereshöhe, alſo z. B. im Niveau des Meeres ſelbſt, derſelbe Luftdruck herrſchte. Dann könnte man ohne weiteres an guten unveränderlichen Barometern ſtatt der Millimeterſkala, welche die Längenänderungen der dem Luftdruck äquivalenten Queckſilberſäule bezeichnen hilft, eine Höhenſkala anbringen und vom Barometer fo Humboldt. — Dezember 1885. unmittelbar die Höhe, in der man ſich befindet, ab- leſen, wie von der Uhr die Tageszeit, in der man lebt. Nun iſt aber der Luftdruck nach Zeit und Ort ſehr erheblichen Aenderungen unterworfen. In Bres- lau, wo der mittlere Barometerſtand 748 mm beträgt, kann das Barometer bis auf 719 mm fallen oder auch bis 772 mm ſteigen. Es ſchwankt alſo hier um 53 mm. Da 1 mm Luftdruckabnahme in dieſer Höhenlage etwa einer Höhenänderung von 11 m ent- ſpricht, würden direkte Schlüſſe über Breslaus Meeres— höhe (120 m) aus den einzelnen Barometerſtänden um die Kleinigkeit von 590 m auseinandergehen können. Schwankungen des Barometers um 20 mm in einem und demſelben Monat und 3—4 mm an einem und demſelben Tage ſind nun bei uns gar nicht ſelten. Daraus folgt die Notwendigkeit, den jeweiligen Luftdruckverhältniſſen Rechnung zu tragen, alſo die eigenen Beobachtungen in Vergleich zu ſtellen mit den ſtändigen Beobachtungen einer der Höhe nach bekannten Station. Barometriſche Höhenmeſſungen geben alſo nie unmittelbar die Meereshöhe eines Ortes, ſondern liefern nur das Material zur Be— rechnung des Höhenunterſchiedes zwiſchen unſerem Standpunkt und einer korreſpondierenden Station, für welche nur bedingungsweiſe eine eigene frühere Barometerbeobachtung als Erſatz oder vielmehr als Notbehelf eintreten kann. Am glänzendſten fallen barometriſche Höhen— meſſungen aus, wenn ſie ſich auf abſolut gleichzeitige Beobachtungen einer unmittelbar benachbarten Station ſtützen können. Wenn man z. B. im Sommerquartier zu Pontereſina lebt, ſo hat man für die Berechnung der eigenen Beobachtungen in der dortigen meteoro— logiſchen Station eine herrliche Baſis. Dann können die Ergebniſſe einen Grad von Genauigkeit erreichen, der mit trigonometriſchen Aufnahmen den Vergleich nicht allzu ſehr zu ſcheuen braucht. Iſt keine Station in unmittelbarer Nähe, ſo kann ein Netz von mehreren, drei bis vier Meilen nach verſchiedener Richtung entfernten Stationen Erſatz gewähren. Die korreſpondierende Station in weiter Entfernung zu ſuchen, iſt ja in vielen Fällen, namentlich in wenig kultivierten Ländern, unvermeidlich, birgt aber immer eine ſtarke Fehler— quelle. Wie ſchwierig es iſt, die Hypſometrie weiter Kontinentalräume rein auf Grund von Barometer- beobachtungen zu ordnen, haben die Ruſſen in Sibirien erfahren. Das Nivellement lehrte ihnen, daß ſie Irkutsks Meereshöhe um 100 m unterſchätzt hatten. Von der behutſamen Methode, die dann die um— ſichtige Forſchung einzuſchlagen hat, um ſich der Wahrheit möglichſt zu nähern, gibt die Berechnung der Höhenmeſſungen Stanleys durch den fo, früh ſeiner Wiſſenſchaft entriſſenen Zöppritz ein muſter— gültiges Bild). Vor dieſer Schwierigkeit, die Luft— druckverteilung über einem weiten Erdenraum treffend zu beurteilen, ſteht der Bergtouriſt niemals. Es iſt ihm, zumal in der Nähe einer meteorologiſchen ) Petermanns Mitteilungen 1882, S. 94. 463 Station, leicht, über den Gang der Luftdruckänderungen in ſeinem Wanderbereich Klarheit zu gewinnen. Immerhin werden viele dieſe Notwendigkeit kor— reſpondierender Beobachtungen läſtig finden. Deshalb muß daran erinnert werden, daß es einen annähernd befriedigenden Erſatz dafür gibt: die mehrfache An— lehnung einer Reihe barometriſcher Höhenmeſſungen an Punkte von ſicher bekannter Höhe. In der Nähe des Meeres iſt es leicht, an dieſes große natürliche Niveau fortwährend neu anzuknüpfen und bei jeder neuen Rückkehr zu ihm Richtung und Betrag der Luftdruckänderung zu erkennen. In kultivierten Binnenländern leiſtet jeder trigonometriſch beſtimmte Höhenpunkt, jeder Punkt einer nivellierten Eiſenbahn oder Chauſſee denſelben Dienſt. Gehen wir früh von Vent im Oetzthal nach der Kreuzſpitze, ſo wiſſen wir, auf deren Höhe angekommen, mit befriedigender Sicherheit den Stand, welchen das Barometer gleich— zeitig in Vent haben müßte, da wir den Höhenunter— ſchied beider Orte auf Grund trigonometriſcher Auf— nahmen kennen. Aus dem Vergleich des Luftdrucks, den wir früh in Vent, vier Stunden ſpäter auf dem Gipfel beobachteten, läßt ſich die Luftdruckänderung, welche ſich binnen vier Stunden vollzogen hat, ſo genau ermitteln, daß dann für alle Beobachtungspunkte zwiſchen Vent und Kreuzſpitze auf Grund der Baro— meterableſungen recht gute Höhenangaben ſich er— zielen laſſen. Gerade für dieſe Einſchaltung von neuen Höhenbeſtimmungen zwiſchen ältere, bereits ſicher bekannte, ſind die barometriſchen Meſſungen auch ohne korreſpondierende Beobachtungsſtation vor— trefflich verwendbar. Sehr häufig führt uns die Wanderung in Ge— girgsgruppen, in denen wohl einzelne Gipfel gut beſtimmt ſind auf trigonometriſchem Wege, aber für Päſſe, Thäler, menſchliche Wohnplätze keine Höhen— angaben vorliegen. Auch dann kann man, voraus— geſetzt daß man günſtiges Wetter mit nicht zu ſtarken Barometerſchwankungen hat, ſelbſt ohne korreſpon— dierende Beobachtungen ſich behelfen, wenn man nur einige Tage ein feſtes Standquartier hat, nach welchem man nach der Tour täglich wieder zurückkehrt. Weilen wir z. B. im Eiſenwerk Zakopane im Nordweſten der Hohen Tatra, ſo genügen wenige Ausflüge nach dem Noſal, dem Giewont, dem Czerwony wierch, der Swinnica, um Zakopane mit vier trigonometriſchen Höhenpunkten durch barometriſche Höhenmeſſungen doppelt zu verknüpfen. Weichen die acht auf dieſe Weiſe erzielten Höhenbeſtimmungen für Zakopane nicht weit voneinander ab, dann kann man mit ihrem Mittel ſich vollkommen zufrieden geben und ſicher fein, nicht um mehr als 5 m im Schlußreſultat irre gegangen zu ſein. Die ſo gewonnene Höhe Zakopanes dient dann als unterer Stützpunkt für die ganze Zahl der auf jenen vier Wanderungen noch unterwegs gewonnenen Beobachtungen. Man kann ſo unter günſtigen Witterungsverhältniſſen auch ohne Anlehnung an eine korreſpondierende Station in drei Tagen leicht dreißig bis vierzig neue Höhenbeſtimmungen von befriedigender Zuverläſſigkeit für die Umgebung 464 Humboldt. — Dezember 1885. jenes Ortes erlangen. Vermag man aber die Zeit zu erübrigen zu einem Beſuche in der nahen meteo- rologiſchen Station des Pfarrers von Poronin und mit ihm Verabredung für gleichzeitige Beobachtungen zu treffen, ſo kann man den Beobachtungen eine ſo hohe Sicherheit geben, daß der Fehler für die Haupt⸗ ſtation Zakopane 1 m nicht überſteigt. Wenn ich barometriſchen Höhenmeſſungen eine ſo große Zuverläſſigkeit beimeſſe, ſo geſchieht dies im Einverſtändnis mit einer Autorität, wie Profeſſor W. Jordan, auf Grund einer freilich nur wenige Jahre und etwa tauſend berechnete Meſſungen um⸗ faſſenden Erfahrung, aber doch einer Erfahrung, die für eine Beleuchtung dieſer Frage nicht ganz unzu— länglich erſcheint. Man begegnet oft ſehr abfälligen Urteilen über barometriſche Höhenmeſſungen. Viele ſehen einem Wanderer, der mit dem Barometer auf dem Rücken ein Bergrevier durchſtreift, mit fo mit- leidig verwunderten Blicken nach, wie etwa einem, der heute mit einer Radſchloßflinte auf die Hithner- jagd gehen wollte. Die meiſten von ihnen haben keine Ahnung, daß die weitaus größte Zahl der Höhenbeſtimmungen, auf denen die genaueſten Höhen— ſchichtenkarten der Gegenwart beruhen, auf barome- triſchem Wege, wenn auch unter Anlehnung an trigonometriſche Höhenziffern, gewonnen iſt. Nicht nur hypſometriſche Privatarbeiten, wie die von Julius Schmidt in Griechenland, von Ko riſtka in Böhmen, Mähren und Schleſien, von Kolbenheyer in den Centralkarpathen, ſind ganz überwiegend mit dem Barometer ausgeführt worden, ſondern auch den Mappeuren aller offiziellen topographiſchen Inſtitute iſt für die Specialaufnahme eines bereits triangulierten Gebirgsterrains kaum ein Inſtrument unentbehrlicher als das Barometer. Demgemäß iſt auch die beſte praktiſche Anleitung zu barometriſchen Höhenmeſſungen aus der Feder eines öſterreichiſchen Generalſtabs— offiziers hervorgegangen, der einer der bewährteſten Topographen der Gegenwart iſt “). Man führt gegen die barometriſchen Höhen— meſſungen oft Beiſpiele von ſtarken Irrtümern ins Feld. Solche Beiſpiele kommen vor, aber ſie be— weiſen nichts. Schlechte Reſultate kann man mit jedem Inſtrument erzielen, wenn man damit ſorglos umgeht und die Beobachtungen zu flüchtig vornimmt, oder in der Berechnung handwerksmäßig ohne ein— dringende Ueberlegung zu Werke geht. Bei der Beob— achtung ſelbſt iſt dreierlei zu unterſcheiden. Die wichtigſte Aufgabe iſt die ſorgfältige Ermittelung der Lufttemperatur. Sie gewinnt man an ſchattenloſen Stellen nur durch kräftiges Schwingen eines Thermo— meters, das an einer Schnur gehalten wird. Gefahr iſt damit für ein gut gefügtes Schleuderthermometer nicht verbunden. So entrückt man das Inſtrument möglichſt vollkommen den Einwirkungen der Wärme— ſtrahlung des Bodens und der über ihn aufragenden H. Hartl, Praktiſche Anleitung zum barometri— ſchen Höhenmeſſen. (Zweiter Teil des Werkes: Die Höhen— meſſungen des Mappeurs.) 2 Aufl. Wien 1884. Gegenſtände. Immerhin kann man nicht hoffen, durch die Beobachtuug an einem Standort oder ſelbſt an zwei Beobachtungsplätzen die Temperatur der Luft⸗ ſäule ganz richtig zu ermitteln, welche die Höhen— ſchicht zwiſchen zwei miteinander zu vergleichenden Höhenpunkten füllt. Hier liegt — wie Rühlmann mit beſonderer Schärfe hervorhob ) — die ſchwächſte Seite der barometriſchen Höhenmeſſung. Ueberſchätzt man die Temperatur einer Luftſäule, ſo überſchätzt man auch ihre Höhe. Bei vorſichtigem Verhalten gegen verdächtige Lufttemperaturen, die augenſcheinlich unter der Einwirkung der Wärmeſtrahlung des Bodens nur in ſeiner unmittelbaren Nähe, nicht in der freien Luft herrſchen können, läßt ſich indes auch dieſe Ge- fahr ſehr erheblich einſchränken. Die zweite Aufgabe der Beobachtung iſt die Beſtimmung der Temperatur des Inſtruments, das ſelbſtverſtändlich während des Transports vor ſtarken Wärmeſchwankungen möglichſt geſchützt und während der Beobachtung vor Sonnen— beſtrahlung behütet werden muß. Endlich erfolgt die - genaue Einſtellung und Ableſung des Barometers. Die letzten beiden Operationen werden lieber doppelt ausgeführt. Einem Aneroidbarometer muß aus⸗ reichende Zeit gelaſſen werden, den Luftdruckänderungen zu gehorchen. Nach raſchem Anſtieg, aber namentlich nach raſchem Abſtieg nimmt das Aneroidbarometer nicht ſofort die richtige Stellung ein. Man muß ſein Inſtrument ſchon gut kennen, ehe man dahin gelangt, der elaſtiſchen Nachwirkung gebührend Rechnung zu tragen. Die Berechnung der Beobachtungsreſultate iſt in neuerer Zeit durch praktiſche Tafeln ſehr erleichtert worden. Das ſchwierige Rechnen nach Rühlmanns Formel haben Kunzes meteorologiſche und hypſo— metriſche Tafeln (Dresden 1875) ſchon ſehr verein- facht; aber auch ſie erfordern noch für jede Höhen— differenz fünf geſonderte Rechnungen mit geſonderten Tafeln. Weit einfacher und durchaus ausreichend der Genauigkeit nach ſind beſonders für das deutſche Mittelgebirge W. Jordans barometriſche Höhen⸗ tafeln (Stuttgart 1878), welche die ganze Berechnung auf eine einfache Subtraktion zweier auf einer Tafel aufzuſchlagender Ziffern beſchränken. Bei den An⸗ gaben der Aneroidbarometer hat man natürlich, ehe die Tafeln in Anwendung kommen, zuerſt ihre Reduktion auf die Skala des Queckſilberbarometers auszuführen. Mit allen Vorſichtsmaßregeln gewinnt man recht befriedigende Reſultate, wenn nicht gerade ſehr raſche Luftdruckänderungen von ungewöhnlicher Stärke ein— treten. In dieſem ſeltenen Falle hört das hypſo⸗ metriſche Intereſſe der Barometerbeobachtungen auf und das meteorologiſche tritt in den Vordergrund. Abgeſehen von ſolchen jähen Barometerſtürzen, die oft warnende Vorboten eines Unwetters ſind, kann man auf das Barometer als Höhenmeßinſtrument bei „) R. Rühlmann, Die barometriſchen Höhenmeſſun⸗ gen und ihre Bedeutung für die Phyſik der Atmoſphäre. Leipzig 1870. Humboldt. — Dezember 1885. 465 guter Behandlung fic) immer verlaſſen. Die gewöhn— lichen geringen Aenderungen des Luftdrucks in der Tagesperiode, welche in der Regel ein Maximum des Barometerſtandes gegen 10 Uhr früh, ein Minimum gegen 4 Uhr nachmittag herbeiführen, und die allge- meine ſteigende oder ſinkende Tendenz der Luftdruck— änderung merkt man bei jeder halbſtündigen oder ſtündigen Raſt durch Wiederholung der Beobachtungen am ſelben Ort, und ſo kann man noch vor der Be— endigung der Tour ſofort unterwegs wenigſtens an- nähernd die Höhen beſtimmen, welche man erreicht. Das aber hat, auch wenn man die genaue Rechnung verſchieben muß oder — wie es den meiſten ergeht — niemals ausführt, eine hohe Annehmlichkeit für jeden Bergwanderer. Jeder hat ein Intereſſe daran, zu wiſſen, wieviel er von der ihm für das Tagespenſum auferlegten Steigung überwältigt hat, der Rüſtige, um ſich ſeiner Rüſtigkeit zu freuen, der minder Kräftige, um ſeine Kraft ökonomiſch einzuteilen und aus dem, was er bereits geleiſtet, Mut zu ſchöpfen zum Weiterſtreben. Dafür allein würde ſich allerdings noch niemand ein Barometer beilegen. Aber der Vorteil, den ſolch eine ſtetige Meſſung der geſtiegenen Höhen gewährt, iſt von dauernderem Werte. Man lernt auf das Relief einer Landſchaft ganz anders achten, wird auf viele intereſſante Züge der runzligen Phyſiognomie der Mutter Erde aufmerkſam. Die genaue Auffaſſung der Oberflächengeſtaltung iſt immer der erſte Schritt zum Verſtändnis einer Landſchaft. Durch die Ge— wöhnung, unterwegs Höhen im Vorübergehen zu meſſen, gewinnt man ferner eine auf anderem Wege kaum zu erlangende Fertigkeit im Höhenſchätzen. Das iſt, wie jeder weiß, eine ſchwere Kunſt. Wer ſie im Mittelgebirge erlernt zu haben glaubt, muß ſie in den Alpen mit ihrer transparenteren, alles näher rückenden Luft von neuem zu lernen beginnen. Da iſt das Barometer der beſte Lehrmeiſter. Eine Strecke, die man mit dem Barometer — immer gelegentlich bei der Raſt annähernd rechnend — abgewandert hat, bleibt dann auch feſt der Anſchauung eingeprägt. Man bringt im Kopfe eine Menge klar erfaßter Profile mit heim, die jeder Blick ins Notizbuch wieder friſch erſtehen läßt. Der Reiſegenuß wird hierdurch tiefer, intenſiver, dauernder. Jeder Hochgebirgstouriſt hat ferner außer dem Sinn für den Geſamteindruck der Landſchaft eine be— ſtimmte einzelne Neigung, der er gern in den lieben Bergen nachgeht. Der eine iſt auf die Ausdehnung der verſchiedenen Arten der Bodennutzung, der andere auf Gletſcherſpuren begierig, den dritten locken merk— würdige Pflanzen oder Käfer, einen vierten Beob— achtungen über den Schichtenbau des Gebirges. Was man findet, hat in den meiſten Fällen nicht den Reiz voller ſachlicher Neuheit, ſondern nur Intereſſe um des Ortes willen, an dem man es findet. Die genaue Beſtimmung des Ortes allein macht dieſen Wert zum dauernden Gewinn. Dafür aber iſt in der Regel die Höhenlage das entſcheidende Moment. Sie zu er— mitteln iſt, wenn man ſich nicht mit einer ganz rohen Schätzung begnügen will, nur möglich mit Hilfe einer barometriſchen Beobachtung. Hat man dann einmal mit einem Barometer ſich befreundet, ſeinen mannigfachen Nutzen erprobt, ſo gewährt es auch manchen guten ernſten Freundſchafts— dienſt, auf den man bei ſeinem Erwerbe am wenigſten gerechnet hat. Ich wenigſtens muß geſtehen, daß ich dem Barometer auch unter den Mitteln der Orien— tierung einen beachtenswerten Platz anweiſe. Was das Senkblei in dieſer Richtung für den Seefahrer, das iſt das Barometer für den Hochgebirgswanderer. Wenn man, von trübem Wetter überraſcht, in einem fremden Gebirg herumſteigt, ohne zwanzig Schritt weit ſehen zu können, gerät man leicht in die Lage, den Punkt, an dem man ſich befindet, kaum mehr annähernd erraten zu können, da man vergebens die Blicke in den Nebel bohrt, um irgendwo eine kennt— liche Landmarke zu erſpähen. Dann kann ſehr viel darauf ankommen, wenn von den horizontalen Koor— dinaten der eigenen Lage einem keine erkennbar iſt, daß man wenigſtens die erreichte Höhenlage genau zu beſtimmen vermag. Man rettet dann vielleicht Zeit, behagliche Gemütsruhe und in ſchlimmerem Falle mehr als dieſe. Unter meinen Erlebniſſen im Geleit meines Barometers ſind mir manche Tatra— erinnerungen beſonders lebendig geblieben. Ich war von Zakopane mit einem ſtockpolniſchen Führer auf— gebrochen, hatte mit ihm die Swinnica beſtiegen und den Fiſchſee erreicht. Von da wollte ich über die Meeraugenſpitze hinübergehen auf den Südhang des Gebirges. Wir waren noch nicht hoch über dem Fiſch— ſee, als Nebel und Regen einfielen. Nach langem Aufſtieg in einer Schuttrinne begann auf ſchlüpfrigem Fels eine wenig reizvolle Kletterei. Die Felſenſimſe, an die wir uns zu halten hatten, erforderten ſo viele Wendungen, daß ich mit Mühe im Nebel die Erin— nerung der Orientierung feſthielt. Endlich ſaßen wir in einer Scharte zwiſchen zwei Spitzen und raſteten. Ich zeigte rechts fragend nach einem durch den Nebel in unſicheren Umriſſen durchſcheinenden Gipfel. „Tam Meeraugenſpitze“ meinte Jaszik. Dann wies ich links. „Tam Meeraugenſpitze“ war wieder die Antwort. Das war zu bunt. Ich zog die Karte, vergegen— wärtigte mir unſeren Gang und kam zur Ueberzeugung, daß wir etwa eine Viertelmeile weſtlich von der Meer— augenſpitze auf irgend einem Joch zwiſchen unerwünſchten Spitzen ſteckten. Ich glaubte, die Spitze zur Linken (öſtlich) müſſe die Mengsdorfer ſein, die Mengusza. Jaszik ſchüttelte den Kopf und wies weit nach Weſten. Dort hätte in der That die Mengsdorfer Spitze liegen müſſen, wenn wir an der Meeraugen— ſpitze ſaßen. Ich wurde wieder ſchwankend. Im Nebel und in durchaus fremdem Gebirg iſt man ſeiner Sache nicht ſo ſicher. Das Barometer gab die Entſcheidung. Ich berechnete die Paßhöhe, auf der ich mich befand, annähernd auf 2300 m. Der Gipfel zur Linken konnte unmöglich noch 100 m mejjen. 2373 m kannte ich nun als Höhe der Mengsdorfer Spitze. Da die Meeraugenſpitze ſowohl wie der Mönch, die einzigen in Frage kommenden Hauptgipfel, viel höher, alle anderen 466 Humboldt. — Dezember 1885. Höhen des Kammes zwiſchen ihnen viel niedriger waren als die Mengsdorfer Spitze, war ich nun meiner Sache ſicher und entſchied mich getroſt für den Abſtieg gegen Süden ins Mengsdorfer Thal. Ohne dieſe Gewißheit hätte ich vielleicht Bedenken getragen, bei dem dichten Nebel im Geleit eines offenbar ganz ſchlecht unterrichteten Führers, mit dem ich mich durch— aus nicht verſtändigen konnte, ins Blaue hinein weiterzuwandern; ich hätte mich vielleicht entſchloſſen, wieder über die bei der Näſſe entſchieden gefährlichen Wände, die wir glücklich hinter uns hatten, hinabzu— ſteigen zum Fiſchſee. Das Barometer bewahrte mich hier vor einer Unruhe, die leicht zu Mißgriffen und zum Verderben der ganzen Reiſeroute führen konnte. Ein andermal belehrte mich nur das Baro— meter rechtzeitig, daß mein Gorale, der hoch und teuer ſchwur, den Weg gut zu kennen, mich durchaus irreführte; trotz ſchlechten Wetters, ohne freie Um⸗ ſicht fand ich mit Hilfe des Barometers dann das geſuchte Ziel, einen abſeits der gebahnten Wege ver= ſteckt im Walde liegenden interaſſenten Moränenſee von bekannter Höhenlage. Nach ſolchen Erfahrungen behaupte ich wohl nicht zu viel, wenn ich das Barometer nicht nur als ein Mittel zur Vertiefung und zur Mehrung der Dauer des Genuſſes auf Gebirgsreiſen betrachte, ſondern auch als einen kleinen Talisman, der gerade bei vollſter Ungunſt des Himmels die Kobolde des Irr⸗ tums und Aergers unſchädlich machen kann, die in dichten Nebelballen um das unſichere Auge des Wanderers ihren verwirrenden Reigen führen. Ueber die Seichnung der Tiere. IONE, Zeichnung des Tigers. Entwickelungsrichtungen. Querſtreifung auf der Stirn verſchiedener Katzenarten. Beweiſe für beſtimmte Seichnung von Jaguar, Panther, Leopard, Pardelkatze u. a. Don Dr. G. H. Theodor Eimer, o. Profeffor der Zoologie in Tübingen. ur näheren Erläuterung meiner Mitteilungen über die Unterſchiede der Zeichnung der Hauskatze und der Wildkatze im Februarheft des „Humboldt“ und um den Anſchluß weiterer Behandlung meines Themas einzuleiten, ſtelle ich im folgenden zwei Abbildungen der genannten Tiere voran, welche auch durch die Vorzüge ihrer Ausführung hierzu beſonders würdig ſein dürften. Die Vergleichung dieſer Abbildungen läßt jene Unterſchiede insbeſondere in der Halszeichnung auf das deutlichſte erkennen. Man ſieht bei der Zahl 10 auf Fig. 2 das Haupthalsband der Wildkatze, ent— ſprechend demſelben Halsband der Hauskatze, während die übrigen Binden faſt gänzlich fehlen. Auch beim Tiger ſehen wir die Haupthals— binde, es ſind aber bei ihm außerdem die übrigen Halsbinden der Hauskatze vorhanden, nur noch ſtärker ausgeprägt als bei dieſer (vgl. Fig. 3). Abgeſehen von den zahlreichen und kräftigen Unteraugenſtreifen, welche den Ausdruck der Wildheit des Tigergeſichtes ſo weſentlich mitbedingen, iſt es beſonders die ſtarke Ausbildung des unteren Baden- ſtreifens, welche hierzu beiträgt, zugleich mit ebenſolcher Ausbildung der hinter demſelben gelegenen Ohrkehl— linie (Kinnbackenlinie), welche durch Vergleichung mit der in Fig. 4 gegebenen Abbildung vom Kopf der Hauskatze verſtändlich werden wird. Außerdem ſind aber beim Tiger zunächſt noch auffallend die quer gerichteten, teilweiſe gebrochenen Streifen auf der Stirn. Dieſelben finden ihre Er— klärung in den früher behandelten Unterbrechungen der Stirnlängslinien bei der Hauskatze und bei ver— ſchiedenen anderen Katzenarten, wie ſie auch beim jungen Löwen angedeutet ſind. Nach und nach ver— wachſen die einzelnen Stücke der Stirnlängslinien zu Querſtreifen. Sehr ſchöne Uebergänge in Beziehung zur Bildung dieſer Querſtreifen finden ſich auf der Stirne von Leoparden und verwandten Formen. Der Zeichner, Herr Kull, hat die in folgenden Abbildungen dar⸗ geſtellten Verhältniſſe herausgefunden. Man ſieht an der Stirn einer engliſchen Haus- katze ſchon den Beginn der Bildung von Querſtreifen, infolge von Verſchmelzung von Abſchnitten der ur— ſprünglichen Längsſtreifen (vgl. Fig. 7). Beim jungen Leoparden (Fig. 8) ſieht man die Flecke auf der Stirn deutlich in Querreihen ſtehen, entſprechend den Querſtreifen auf der Stirn des Tigers (Fig. 3), und beim Jaguar (Fig. 9) ſind ſolche Querſtreifen nahezu ausgebildet. Die ſogenannte engliſche Hauskatze iſt eine in der Zeichnung überhaupt ſehr weit vorgeſchrittene, grob quergeſtreifte Form der Hauskatze, auf welche wir noch zurückkommen werden. Sie hat es alſo in der Quer- ſtreifung fo weit gebracht, daß ſelbſt die Stirn An— fänge derſelben zeigt, wie die des Tigers. Humboldt. — Dezember 1885. 467 Man möchte ſich darüber wundern, daß beim Jaguar ſchon Hinneigung zur Ausbildung der Querſtreifung auf der Stirn beſteht, während der—⸗ ſelbe doch im übrigen gefleckt iſt und die Quer⸗ ſtreifung, allgemeiner Regel zufolge, am vorderen Teil des Körpers der Tiere zuletzt aufzutreten pflegt. Allein einmal iſt dieſelbe auf der Stirn des Jaguars ja nicht vollendet und dann iſt die Fleckenzeichnung dieſes Tieres, wie auch die des Leoparden, wie wir noch ſehen werden, an ſich eine erſt in zweiter oder SS N — ae SS SSS ie 1 7 iW 5 7 Fig. 1. Hauskatze. gar dritter Linie aus einer einfach gefleckten her— vorgegangene. Wie intereſſant iſt es, zu ſehen, wie vollkommen die halbe Querlinie auf der Stirn der Hauskatze (Fig. 5 und 7) derſelben Linie auf der Stirn des jungen Löwen (Fig. 6) und derjenigen des Tigers (Fig. 3) entſpricht! Ueberall geht ſie unmittelbar vor dem vorderen Anſatz des Ohres herüber; ſie be— zeichnet unzweifelhaft die Stelle, an welcher zuerſt die Längsſtreifung in Fleckung und Querſtreifung übergegangen iſt — denn auch bei dem Leoparden (Fig. S) und beim Jaguar (Fig. 9) iſt ſie zu erkennen. Ueberall weiſt ſie demnach auf gemeinſamen Urſprung, beziehungsweiſe auf allgemein gültiges Geſetz hin. Auch u. a. bei der amerikaniſchen Pardelkatze (Ozelot), Felis pardalis, und bei der java- niſchen Felis marmorata laſſen fic), wie die ſpäter folgenden Abbildungen dieſer Tiere zeigen, An— fänge einer Querſtreifung auf der Stirn erkennen. Auch hier haben wir ſehr vorgeſchrittene Körperzeichnung. Die übrige Zeichnung des Tigers ſcheint auf den erſten Blick ſchwer auf diejenige der Hauskatze zurück⸗ Z, fos WG A. Fig. 2. Wildkatze. zuführen zu ſein. Und doch iſt dies, wie die Ver— gleichung der Abbildungen 10 und 11 darthun mag, nicht der Fall. Es handelt ſich beim Tiger um eine Vermehrung der Querſtreifen, welche weſentlich durch Spaltung der einfachen Streifen anderer quergeſtreifter Katzen entſtanden — ſoweit ſie nicht darauf zurück— zuführen iſt, daß die urſprünglichſten quergeſtreiften Stammformen der Katzenarten — wie ich ſchon auf S. 6 gezeigt — überhaupt mehr Querſtreifen gehabt haben müſſen als die meiſten der jetzt lebenden. Der Tiger würde ſich alſo in dieſer Beziehung viel— leicht an jene Stammformen unmittelbar anſchließen. 468 Humboldt. — Dezember 1885. Andererſeits entſtanden die gefleckten Katzenarten wie Leopard, Panther, Jaguar 2c. aus längs⸗ geſtreiften dadurch, daß die Streifen der letzteren ſich in Flecke auflöſten. So kann man mehr oder weniger deutlich überall noch erkennen, daß dieſe Flecke in Längsreihen ſtehen, um ſo deutlicher, je mehr nach oben, nach dem Rücken zu. Ja, faſt überall bleibt eine ſcharfbegrenzte Längslinie als Rücken⸗ mittellinie beſtehen und zuweilen auch noch ein und das andere Längslinienpaar zu beiden Seiten dieſer Rückenmittellinie. Es hat hier alſo eine infero-ſuperiore . — —— oS Umbildung — eine Umbildung von unten nach oben — ſtattgefunden, indem der obere Teil des Rumpfes das jugendliche, urſprüngliche Verhalten am längſten beibehielt, bezw. beibehält, während der untere es zu— erſt verloren hat. Aber auch die Anzeichen der poſtero— anterioren — der von hinten nach vorn erfolgenden — Umbildung erkennen wir in vielen Fällen ſehr deutlich, indem Längslinien am Hals und am Kopf, beſonders auf der Stirn, noch beſtehen geblieben ſind, nach— dem der übrige Körper Fleckenzeichnung, der Schwanz aber ſchon Querſtreifung angenommen hat. Die Vergleichung der folgenden Abbildung mit der vorhergehenden, welche beide ein und derfelben | Art, der Zwergkatze, Felis minuta, ent: wohl aber aus verſchiedenen Gebieten ſtammend, gibt nicht nur Andeutung über die Umbildung der Längsſtreifen in Flecke — ſie weiſt zugleich darauf hin, auf welchen Urſachen das Variieren in der Zeichnung innerhalb einer und derſelben Art und inner⸗ halb desſelben Geſchlechts bei Tieren überhaupt beruht: darauf, daß das eine Individuum auf einer tieferen Entwickelungsſtufe ſtehen geblieben, das andere über dieſelbe hinausgekommen iſt. Mag die Verſchieden⸗ heit im vorliegenden Falle vielleicht immerhin mit auf einigen Unterſchied im Alter zurückzuführen ſein, ſo habe ich doch z. B. nachgewieſen, daß die zahlloſen Abarten, welche die Mauereidechſe in den ver— ſchiedenſten Gebieten ihres Vorkommens ſowohl wie da und dort in einem und demſelben Gebiete zeigt, einfach zurückzuführen ſind auf ſolch verſchiedene Ausbildung der Entwickelung in der Zeichnung. Ich komme übrigens auf dieſe hochwichtige Thatſache ſpäter zurück. Die urſprüngliche Längsſtreifung hat ſich außer bei indiſchen Katzen wie Felis viverrina, minuta ete. auch bet amerikaniſchen wie Felis colocolo u. a. er⸗ halten und iſt es ſehr bemerkenswert, daß in der amerikaniſchen Tierwelt anſcheinend dieſelbe Entwicke— lung aus längsgeſtreiften Katzen zu gefleckten, bezw. nommen ſind, beide Männchen, beide ausgewachſen, quergeſtreiften ſich nachweiſen läßt, wie in jener der alten Humboldt. — Dezember 1885. 469 Welt und es erſcheint nicht unwahrſcheinlich, daß | ftammen, daß ſolche Tiere doch ſehr ähnliche Zeich— beide Entwickelungsreihen oft ganz ſelbſtändig, unab- nung zeigen. Und dieſer Satz ijt ſehr wichtig, denn hängig voneinander fic) gebildet haben, wenn man | wir werden ſehen, daß z. B. die Zibethkatzen und berückſichtigt, daß ganz die Hyänen und Hunde, dieſelbe Parallele bei 5 obwohl ihre beſtimmt ge— anderen Tieren, z. B. 0 : zeichneten Arten nur Reptilien, im beſonderen mittelbar mit denen der bei Eidechſen u. ſ. w., Katzen verwandt ſind, doch beſteht. dieſelben Muſter der Zeich— Sie beſteht aber auch nung wie dieſe tragen. für die Individuen einer Aber freilich ſtammen ſie und derſelben Art, welche, ſämtlich, wie wir ſehen in einer und derſelben werden, aller Wahrſchein— zoologiſchen Region von- lichkeit nach zuletzt von einander iſoliert, fic) alle — We 8 0 ö einer und derſelben längs— aus früheren Zeichnungss r WAN WS geſtreiften Form ab und ſtufen zu höheren erhoben 8 WA zwar von längsgeſtreiften haben müſſen: trotz der Zibethkatzen. Iſoliertheit entſtehen Nun ſtehen aber bei immer dieſelben Abarten den gefleckten Arten der der Zeichnung. ö eigentlichen Katzen die Auch darüber ſpäter i Flecke nicht allein mehr N N SS SS \ 0 : mehr. . 6% oder weniger deutlich in Es ijt aber dieſe That- , , ik WAL Längsreihen, ſondern auch de bet, ee: WN ſache für die ganze Ent⸗ Ys N in Querreihen und zwar a en ae i Lie auc e von roßer Bedeutung, denn uerfleckenreihen im . ae 2 Fig. 4. Hauskatze. 11 aye we läßt ſchon vermuten, Grunde überall nachzu— was durch andere von mir weiſen, in welcher die feſtgeſtellte Erſcheinungen zur vollen Gewißheit wird, Querſtreifen bei der Hauskatze vorhanden ſind — daß ganz beſtimmte, in der Organiſation begründete alſo z. B. am Rumpfe zwiſchen Vorder- und Hinter— Geſetzmäßig⸗ gliedmaßen keit, daß, wie 8 fünf oder ſechs ich mich aus- welche ſich drücke, ko n⸗ aber, wie bei ſtitutio⸗ der Hauskatze, nelle Ur⸗ bezw. beim ſachen dem Tiger, durch Abändern der Spaltung Tiere und oder Teilung 5 ie anne Srunde lie— önnen. gen, ſo daß So iſt, wie die Einzel⸗ ſchon im erſten heiten dieſes Aufſatze er— Abänderns wähnt, kein niemals zu— fällige ſind, daß dieſelben vielmehr ſtets wie nach et nem beſtimm⸗ ten Plane vor ſich gehen. Es einziger Fleck am Körper eines ſolchen Tieres, noch überhaupt irgend eines Tieres zu⸗ fällig. Man läßt dieſe könnte jeden Thatſache nun 6 Fleck des auch die Mög— 5 Jaguars mit lichkeit offen, daß zwei Tiere, welche nicht un- einer beſtimmten Zahl bezeichnen und könnte dieſelben mittelbar, ſondern nur mittelbar, nämlich nur inſofern Zahlen für die Flecke irgend anderer gefleckter Katzen verwandt ſind, als ſie von gemeinſamer Urform ab- feſtſtellen. Sehr belehrend iſt es zur Verdeut— Humboldt 1888. 60 470 Humboldt. — Dezember 1885. lichung dieſes Verhältniſſes, die Längsreihen der Flecke mit beſtimmten verſchiedenen Farben anzumalen, wo⸗ durch dann auch der Zuſammenhang der Einzelheiten der Querſtreifung deutlich wird. Die Augen- oder Ringflecke von Panther und Jaguar eentſtehen durch Zerklüftung der einzelnen Flecke derart, daß dieſe zu Ringen werden mit heller Mitte. Beim aſiati⸗ ſchen Pan- ther (Felis pardus C.) find nur 6—7 Längsreihen von Flecken vorhanden, bei der Leopard (Felis leopar- dus C.) ge⸗ nannten afri⸗ kaniſchen Ab⸗ art desſelben etwa 10 Längreihen kleinerer Flecke (vgl. Fig. 17). Der Ja⸗ guar (Felis onca L.) [Fig. 15] entſpricht in der Zahl der Fleckenringe dem Panther, zeichnet ſich aber dadurch aus, daß in jedem Fleckenring, meiſt in deſſen Mitte, ein kleiner Tupfen ſitzt. Merkwürdig iſt, daß dieſe ſo ſehr vorgeſchrittene Form, der Jaguar, amerikaniſch iſt, während in Amerika doch ſonſt die auf tieferer Stufe ſtehenden Parallel⸗ formen der Tiere der alten Welt leben. Aller⸗ dings ſteht der Jaguar auf einer früheren Stufe der Entwickelung als der Leo⸗ pard, inſofern als er, wie der eigentliche Panther, nur 6—7 Längs⸗ reihen von Ringflecken hat. Dies iſt der urſprüngliche Zuſtand, entſprechend der Zahl der Längsſtreifen längsgeſtreifter Katzen, bezw. Zibethtiere, aus welchen die gefleckten Katzen hervorgegangen ſind. Für die Tübinger Sammlung habe ich kürzlich eine Langſchwanzkatze (Felis macroura Prinz von Wied) aus Braſilien angekauft, deren Zeichnung nach der Zahl 6—7 der Längsreihen der Flecke, welche gleich den Ringen des Panthers geſtaltet ſind, der Fig. 6. Junger Löwe. Fig. 8. Junger Leopard. Zeichnung des letzteren entſpricht. Aber das Innere der Ringe iſt hier noch nicht ganz hell und zeigt, wie dieſelben in dieſem Falle in der geſchilderten Weiſe entſtehen. Die in Fig. 12 abgebildete Zwergkatze verdeutlicht wohl noch eine frühere Stufe dieſer Ent⸗ ſtehung, zu deren endgültiger Feſtſtellung freilich Junge und Embryonen nötig wären, die mir fehlen. Die Abbil⸗ dung Fig. 14 einer Katze aus der Stuttgarter Sammlung, welche dort als Felis chryso- fe Temminck aus Weſt⸗ afrika bezeich⸗ net iſt und welche dem Caracal nahe ſteht oder mit ihm iden⸗ tiſch ſein ſolls), zeigt eine der Formen, aus welchen der Panther ſich entwickelt haben muß, und zwar waren auf der Seite des Tieres, welche der Zeichner leider gerade nicht abgebildet hat, in der Kreuzgegend ſchon Ringe im Entſtehen begriffen, dadurch, daß einzelne Flecke ſich in der Mitte aufhellten und am Rande zerklüfteten, ein Verhalten, auf welches ich alsbald zurückkomme. Man ſieht im übrigen bei dieſer Felis chrysothrix deutlich die Anordnung der Flecke in Querreihen, welche den Querſtreifen der Hauskatze entſprechen. Die Ent⸗ ſtehung des Leoparden mit etwa zehn Längsflecken⸗ reihen muß dagegen dadurch erklärt werden, daß die urſprüngliche Zahl derſelben ſich durch Teilung ungefähr auf das Doppelte vermehrt hat, ebenſo wie die Zahl der Quer- ſtreifen beim Tiger gegenüber der Katze, und zwar wird dieſe Teilung eingetreten ſein zu einer Zeit, da die Flecke noch einfach, noch nicht in Ringe umgebildet Fig. 7. Engliſche Hauskatze. Fig. 9. Jaguar. | *) Das in Rede ſtehende Stück hat aber keine Ohrpinſel. Humboldt. — Dezember 1885. ° waren. Die letztere Annahme hat ihren Anhalts— punkt darin, daß es Katzenarten gibt, welche in der That etwa zehn Längsreihen einfacher Flecke haben. Ein ſolches Tier iſt die in Fig. 16 abgebildete Par- dalina Warwickii aus dem Himalaya. Weiter ſieht man nun aber an dieſer Pardalina, wie die Abbildung darthut, oberhalb der Keule, in der Kreuz— gegend, den Beginn der Bildung von Ringflecken, wie ſie der Leopard hat: alſo genau an derſelben Stelle, an welcher dieſe Bildung bei der von mir be— obachteten Felis chrysothrix ſich zeigt, nur auf der linken Seite *). Dieſe geringfügig ſcheinende Thatſache des Be— ginns der Bildung derſelben Zeichnung an derſelben Stelle des Körpers von zwei Katzenarten, welche gar nichts unmittelbar miteinander zu thun 471 wird man an derſelben Stelle, wo Ringflecke bei Pardalina vorkommen: am Kreuz, dann am Rücken und oben am Halſe auf eine Entſtehung ſchließen dürfen, welche jener bei Pardalina vollſtändig gleich iſt. Oben am Halſe ſieht man bei Vergleichung mit Warwickii ſehr ſchön, wie je eine Ringfleckenreihe einem beſtimmten Längsſtreifen anderer Katzenarten entſpricht. Dieſe Längsſtreifen haben ſich in zwei geteilt, dieſe in Flecke aufgelöſt und je ein unterer und ein oberer Fleck vereinigen ſich zu einem Ringfleck. Geht die Teilung der Längslinien und ihre Auflöſung in Flecke, ab— geſehen von Hals und Kopf, über den ganzen Körper, fo erhält man das Bild der Warwickii. Zählen wir aber am Rumpfe oder an der Seite des Rumpfes bei Warwickii und beim Leoparden die Flecke, welche eine Längslinie ausmachen, ſoweit dieſe im Raum OK Fig. 10. Hauskatze. haben, ja welche in ganz verſchiedenen Erd— teilen, in verſchiedenen zoologiſchen Re— gionen wohnen, iſt für meine Auffaſſung von der Entwickelung von größter Wichtigkeit: es weiſt dieſelbe ſicher auf eine beſtimmte Entwickelungsrichtung hin, welche in der ſtofflichen Zuſammenſetzung des Körpers (in konſtitutionellen Urſachen) begründet ſein muß und welche, durch äußere Verhältniſſe begünſtigt, als An— paſſung zum Ausdruck kommen kann, welche aber auch ohne ſolche Begünſtigung wird wirkſam werden können. Betrachtet man die Entſtehung dieſer Ringflecke bei Pardalina genauer, ſo wird man finden, daß ſie nicht auf Auflöſung je eines einfachen Fleckes, ſondern auf Zuſammentreten zweier zurückzuführen ijt. Ver— gleicht man damit die Abbildung des Leoparden, ſo Ob fie bei Pardalina auch auf der linken vor— kommt, kann ich nicht ſagen, da die Abbildung ganz aus— nahmsweiſe nicht nach einem Original, ſondern nach einer logical society of London 1867 S. 394 gemacht iſt. zwiſchen vorderer und hinterer Gliedmaße liegt, ſo finden wir bei beiden Tieren deren etwa zehn. In der Höhe find der Flecke bet Warwickii einige mehr als beim Leoparden. Es muß alſo, in Anbetracht der großen Anzahl der Ringflecke des Leoparden, geſchloſſen werden, daß am größten Teil des Körpers des Leo— parden, wie dies der unmittelbare Augenſchein auch lehrt, deſſen Ringflecke nicht durch Zuſammen— treten von je zwei Fecken, ſondern durch Auflöſung eines einzigen entſtanden ſeien, daß aber die erſtere Art der Entſtehung allerdings am oberen Teil des Körpers vor ſich gegangen ſei. Ebenſo geht ſie wohl am Bug und am unteren Teil der Keule vor ſich, denn z. B. die Leoparden der Tübinger Sammlung ſind hier noch im ausgewachſenen Zuſtande mit zahl— reichen kleinen Flecken, entſprechend jenen der Parda- lina Warwickii, beſetzt. Die Vergleichung des Leoparden und der Pardalina einerſeits mit dem Jaguar andererſeits lehrt, daß letzteres Tier ſowohl nach der Längs⸗ wie nach der Darſtellung von Gray in den Proceedings of the zoo- J 4 t=) Querſtreifung, ſoweit an ihm noch genau abgelefen werden kann, dieſelbe Zahl von Ringfleckenreihen und 472 Ringflecken hat, wie fie z. B. bei Felis minuta (Fig. 13) vorgezeichnet ſind, alſo am Rumpf im Raume zwiſchen den zwei Gliedmaßen nur fünf bis ſechs, die Zahl der Querſtreifen der quergeſtreiften Katze. Hier beim Jaguar, und ebenſo beim Panther, ſind alſo die Ringflecke durch Auflöſung je eines ein⸗ fachen Flecks entſtanden. Der kleine in der Mitte eines jeden Ringes gelegene Tupfen iſt entſtanden durch Ablöſung vom Ringe. Die Zahl der Ringflecke von Jaguar und Panther muß alſo der Zahl der entſprechenden Flecke einer gefleckten Katze, die Zahl und Anordnung der Längs⸗ und Querreihen von Flecken der Zahl und An— es 2 i 2 72 Dh 2 2 25 Ze S —— SS — Humboldt. — Dezember 1885. hervorgegangen ſind, urſprünglich nur in der Zahl von etwa fünf vorhanden geweſen, und ſo müſſen ſich überall die Arten mit mehr Fleckenreihen aus ſolchen mit weniger im weſentlichen durch Spaltung der ur⸗ ſprünglichen Zeichnung entwickelt haben. Es ließen ſich nun in derſelben Weiſe am Halſe, am Kopfe, an den Gliedmaßen alle einzelnen Flecke der in Rede ſtehenden Tiere auf die Längs⸗ oder Querſtreifen anderer Katzenarten beziehen. Allein es würde mich dies zu weit führen und zur Ver⸗ deutlichung von einzelnem wäre zudem die An⸗ wendung von Farben notwendig. Indeſſen wird der Leſer durch Vergleichung der Abbildungen nach Luſt I ve . f — 7 = ss A aa erneuern & Hafner Zer. Set Fig. 11. ordnung der Längs- und Querſtreifen längs- oder quergeſtreifter Katzen entſprechen, und ſo überall mit der für Pardalina Warwickii und der Leoparden gegebenen, auf Abänderung beruhenden Beſonderheit. Wiederum gibt aber, wenn wir eine gemeinſame Stammform für Panther und Leoparden mit nur fünf bis ſechs Längsreihen von Flecken und ſomit den Panther als die auf der älteſten Stufe verharrende Form annehmen dürfen, die Thatſache, daß ganz un— abhängig vom Leoparden andere Katzenarten mit 10 bis 12 Fleckenreihen entſtanden ſind, ein Beiſpiel alſo für die Umbildung der Zeichnung aus konſtitutionellen Urſachen nach beſtimmten Richtungen hin. Offenbar ſind bei den längsgeſtreiften Katzenformen nach Maß— gabe der noch lebenden Arten von Katzen und von Zibethtieren die Längsſtreifen, aus welchen Flecke Tiger. ſelbſt die weſentlichſten Beziehungen herausfinden können. Ich mache nur darauf aufmerkſam, wie deutlich z. V. die Ringe auf der ganzen Keule des Jaguar den Querſtreifen einer Hauskatze entſprechen, wie dasſelbe für die Zeichnung der Gliedmaßen (man vergleiche die vordere rechte) für Jaguar und Leopard gegenüber der Hauskatze gilt und wie bei erſteren beiden die Fleckenreihen am Halſe noch deut— lich die Halsbänder der Hauskatze erkennen laſſen: insbeſondere gilt dies für das Haupthalsband, welches durch beſonders kräftige Flecke gebildet iſt und welches wenigſtens bei Leoparden der Tübinger Sammlung unten am Halſe als vollkommen geſchloſſener Halb— ring erſcheint. Zur Beendigung der Behandlung der Katzen füge ich im folgenden noch Abbildungen von zwei Tieren Humboldt. — Dezember 1885. 473 bei, welche mir der Zeichner, Herr Kull, infolge Jaguars vergleicht, wird man erkennen, daß fie mit des Intereſſes für unſeren Gegenſtand, wie er es im dieſer oder mit der eines ähnlichen Tieres in Beziehung Verlauf ſeiner Arbeiten über denſelben gewonnen hat, ſteht: die dunkeln Querbänder ſcheinen einfach durch ebenſo wie die der Pardalina Warwickii ſelbſtändig Verbindung von Ringflecken eines ſolchen Tiers zu Fig. 12. Zwergkatze (Felis minuta). Männchen ). ausgeführt und mir zum Schluß der von dieſer mit Querſtreifen entſtanden zu fein. Die die dunkeln Jaguar und Leopard gebildeten Reihe einzufügen vor- Bänder einfaſſenden ſchwarzen Linien würden aus Zu— geſchlagen hat: die Abbildung der quergeſtreiften ſammenflüſſen der Flecke der Jaguarzeichnung hervor— Fig. 13. Zwergtatze (Felis minuta). Männchen. Felis marmorata L. von Java und der längs- gegangen ſein. Da und dort ſieht man einzelne geſtreiften Felis pardalis L. von Südamerika. Punkte in ſolchen Streifen oder in der Mitte übrig Die Querſtreifung der Felis marmorata ——— (Fig. 18) erſcheint auf den erſten Blick als eine ſehr ) Fälſchlicherweiſe ijt dieſes Tier auf S. 76 als eigenartige. Sowie man ſie aber mit der Zeichnung des Weibchen bezeichnet. 474 Humboldt. — Dezember 1885. gebliebener großer Ringflecke, welche dem dunkeln Punkt in der Mitte der Ringzeichnung des Jaguars gleichwertig zu fein ſcheinen. Solche Ringflecke, ent⸗ ſprechend der Jaguarzeichnung, finden ſich beſonders noch im mittleren Teile der Keule. Es iſt nun höchſt bemerkenswert, daß die fünf bis ſechs an den Seiten des Rumpfes im Raume zwiſchen den zwei Gliedmaßen befindlichen, bei Felis marmorata derart aus einer Jaguarzeichnung entſtan⸗ denen dunkeln Querbänder genau den in derſelben Zahl vorhandenen wichtigſten Querbinden querge— ſtreifter Katzen entſprechen und daß dieſe Ueberein— ſtimmung nach den Angaben des Herrn Kull am vollkommenſten zum Ausdruck kommt bei der foge- Ich ſchließe mit einer Katze, deren Zeichnung mit derjenigen der vorigen in gewiſſem Sinne Beziehungen hat, die aber unter allen Katzenzeichnungen, die ich kenne, eine eigentümliche Stellung einnimmt: Felis pardalis L., die Pardelkatze oder der Ozelot aus Südamerika, auch Luiſiana und am Arkanſas. Dieſes Tier ijt an einem Teil des Körpers ebenſo längs⸗ gebändert wie das vorige quergebändert iſt, und zwar vorzugsweiſe am Rumpf, dann auch in der oberen Hälfte der Keule. Oben am Halſe und in der Mittellinie des Rückens iſt es noch längsgeſtreift, an der unteren Hälfte des Körpers, wie auch an den Gliedmaßen gefleckt. In den ſchwarz eingefaßten Längsbändern ſieht man da und dort, wie in den Ouer- Fig. 14. Felis chrysothrix Temminck. nannten engliſchen Hauskatze, welche überhaupt nur jene fünf bis ſechs Querſtreifen am bezeichneten Teile des Rumpfes beſitzt, während die übrigen geſchwunden ſind. Trotz der Umwege, welche alſo in ſolchem Falle die Entwickelung der Querſtreifung aus Fleckenzeichnung machen mußte, kam zuletzt ein im weſentlichen über— einſtimmendes Ergebnis zum Vorſchein — wiederum ein Beweis offenbar für die Bedeutung der ſtofflichen Zuſammenſetzung des Körpers für die Entwickelung, für das Herrſchen beſtimmter Entwickelungsrichtungen. Ich brauche nicht beſonders hervorzuheben, daß ich Felis marmorata nicht etwa von dem viel größeren Jaguar ableiten will, daß ihre Zeichnung in meinen Augen nur darauf hinweiſt, ſie, die Zeichnung, ſtamme von der jaguarähnlichen Zeichnung irgend einer Katzen— art ab. Ja, es geht aus der teilweiſen Längsſtreifung und der teilweiſe noch einfachen Fleckung der Felis marmorata deutlich hervor, daß die Katzenform, aus welcher dieſes Tier ſich herausgebildet hat, die Zeichnungsſtufe des Jaguars noch nicht überall erreicht haben konnte. 5 bändern der Felis marmorata, einen dunkeln Tupfen oder mehrere ſolcher hintereinander. Die Längsbänder gehen aber mehr oder weniger deutlich ausgeſprochen von vorn und oben nach hinten und unten, alſo nicht ganz parallel der Längsachſe des Körpers. Ganz ent⸗ ſprechend ift z. B. die Felis tigrina Schreb. aus Braſilien wenigſtens als junges Tier gezeichnet, wie ich es, von der Größe einer kleinen Hauskatze, in der Tübinger Sammlung vor mir habe. Es ſcheint ſich in ſolchen Fällen um eine ſekun⸗ där ausgebildete Längsſtreifenzeichnung zu handeln: aus den urſprünglichen einfachen Längsſtreifen ſind Flecke hervorgegangen, daraus Ringflecke (wie an unſerer Felis tigrina nahe der Rückenhöhe noch deut— lich zu erkennen iſt), und dieſe Ringflecke müſſen ſich zu Längsbändern angeordnet haben. An einem großen Teil des Körpers bleibt, gemäß dieſer Umbildung, die Fleckenzeichnung noch beſtehen. Da dieſe ſekundär auftretende Längszeichnung immerhin ſelten iſt, gewiſſermaßen nur ausnahms⸗ weiſe auftritt, ſich nicht in die typiſchen Vorgänge Humboldt, — Dezember 1885. 475 der Umbildung der Zeichnung einreiht, ſo dürfte ſie, als unter dem Zwang äußerer Verhältniſſe ent- ſtanden, als Anpaſſungserſcheinung aufzufaſſen ſein. Zum Beweis dafür, daß es ſich in der That in dieſer Längsbänderung um eine ſekundäre Längs— ſtreifung handelt, möchte ich hinweiſen auf eine Ab— der Zeichnung ſtehen bleiben, bald eine höhere erreichen können, und zwar gilt dies auch für aus- gewachſene Männchen — das vorgeſchrittenere unter den zwei hier in Frage kommenden Stücken, das— jenige der Tübinger Sammlung ijt nämlich ein Männ— chen. Freilich kommt in allen ſolchen Fällen immer iil Fig. 15. bildung der Langſchwanzkatze, Felis macroura, in dem jedermann zugänglichen illuſtrierten Tierleben von Brehm, I. Bd. auf S. 448 (2. Aufl.). Dieſes Tier iſt dort durch fünf Längsreihen von Flecken jederſeits gezeichnet — alſo nicht gebändert wie dasjenige der Tübinger Sammlung. Die Fleckenreihen müſſen nach Jaguar. Felis onca L. noch in Frage, inwieweit das Alter etwa mit maß— gebend ſei. Ueberhaupt können ſchon die Brehmſchen Ab— bildungen verſchiedener Katzen, ſoweit ſie zuverläſſig find — und§fie ſind es nach meinen früheren Aeuße— rungen allerdings kaum je durchaus — Beweiſe dafür Dig. 16. der allgemeinen Regel aus einfachen Längsſtreifen entſtanden ſein. Aus den Fleckenreihen kann ſich erſt die Längsbänderung bilden. Auch die Felis macroura gibt demnach den Beweis, daß innerhalb einer und derſelben Art die Tiere bald auf einer tieferen Stufe der Ausbildung Pardalina Warwickii Gray. abgeben, daß die Geſetze, welche ich in den vor— ſtehenden Abhandlungen über die Zeichnung einiger Arten von Katzen aufgeſtellt habe, für alle gelten und können dieſe Abbildungen auch ins Einzelne hinein manche dieſer Geſetze beſtätigen. Auf S. 410 ijt bei Brehm ein Jaguar abge- 476 Humboldt. — Dezember 1885. bildet, welcher fünf regelmäßige Längsreihen von Ringflecken hat — alſo urſprünglicher gezeichnet iſt als der von mir abgebildete. Dieſelben Ringflecken⸗ reihen, aber ihrer 7 oder 8 an Zahl, hat die auf S. 446 dargeſtellte Tigerkatze, Felis tigrina Schreber, e 8 ee \ N T . . = fe nung, erſcheint der Gepard, Cynailurus guttatus (S. 511). Die bei Brehm auf S. 481 dargeſtellte Felis viverrina erläutert das ſchon früher erwähnte Bei⸗ ſpiel längsgeſtreifter, bezw. gefleckt geſtreifter oſtin⸗ M. ey A 0 N AY Nos. “71 AN N Fig. 17. Leopard. Felis leopardus C. aus Südamerika. Dem Jaguar ganz entſprechend gefleckt iſt der Irbis, Felis Irbis — die aſiatiſche Parallelform des erſteren. Mit einfachen Flecken in der geringeren Zahl beſetzt, ſo daß ihr Typus den Vorgänger von Panther und Jaguar abgibt, diſcher Katzen als der Stammformen der Katzen überhaupt. Nachdem der vorliegende Aufſatz ſchon abgeſendet war, habe ich in der Stadt Urach eine Hauskatze ge- ſehen, welche ganz ähnlich dem Ozelot gezeichnet war. ic — SF iin = cradle ee ZZ Fig. 18. Marmelkatze. erſcheinen Serval, Felis Serval, aus Afrika (S. 483) und Pardelluchs, Lynx pardinus, aus Süd-Europa (Spanien) (S. 505). Auch der gemeine Luchs, Lynx vulgaris L., zeigt noch ähnliche Fleckung. Mit zahl— reichen Flecken beſetzt, ähnlich Pardalina Warwickii, nach dem Typus der Träger der Leopardenzeich— Felis marmorata Martens. Leider konnte ich dieſe Zeichnung nur im Voriiber- gehen in den Grundzügen erkennen. Die Thatſache, daß es derart gezeichnete Hauskatzen gibt, widerſtreitet der Berechtigung der von mir oben ausgeſprochenen Vermutung, es möchte die Ozelotzeichnung auf An⸗ paſſung zurückzuführen ſein, es ſei denn, daß ſolche Humboldt. — Dezember 1885. 477 Hauskatzen von anderen Katzenarten als die gewöhn- bitten, mir Nachricht über Hauskatzen mit Ozelot⸗ lichen abſtammen — nämlich eben von ſolchen mit zeichnung zu geben, welche ſie etwa beobachten. Be⸗ TEN iN ea, N RK Fig. 19. Pardelkatze. Ozelot. Felis pardalis L. Ozelotzeichnung. Auf alle Fälle iſt dieſe Thatſache ſonders wichtig wäre es auch, über die Entwicklung ſehr intereſſant und möchte ich, bevor ich dieſelbe diefer Art von Zeichnung bei den Jungen folder weiter verwerte, alle Freunde meiner Unterſuchungen | Katzen etwas zu erfahren. Einrichtung einer elektriſchen Beleuchtung unter Verwendung von Glühlicht. Don C. Grawinkel, Poftrat in Frankfurt a. M. (Schluß.) SD Leitungsführung der Anlage wird unter Be | Ein ſolches Kabel beſteht aus ſtarkem, mit einer nutzung des beſten und gut iſolierten Materiales iſolierenden Subſtanz umgebenen Kupferdraht, welches jo einzurichten ſein, daß in bequemſter Weiſe die Zu- zum Schutz gegen äußere Beſchädigungen mit einer führungen von der Hauptleitung zu den Lampen her- Bleihülle umpreßt iſt. Die beiden, die Hauptleitung geſtellt werden können. Leitungen und Zuführungs- bildenden Bleirohrkabel werden mindeſtens fo weit drähte müſſen aber auch in eine ſolche Lage gebracht geführt, als die Leitungen ohne weiteres erreichbar werden, daß ſie weder ohne weiteres zugänglich ſind, ſein würden; von dem Punkte aus, wo dies nicht noch die Räumlichkeiten verunzieren. mehr der Fall iſt, können dann ſtarke Kupferdrähte Eine nähere Beſchreibung der Lampeneinrichtungen, mit doppelter Baumwollenumſpinnung benutzt werden, welche als Kronleuchter, Hänge- oder Stehlampen welche indeſſen 5—10 cm voneinander entfernt fein hergeſtellt werden können und dem Geſchmack in Be- und vor jeder Berührung mit feuchtem Mauerwerk zug auf Konſtruktion und Ausſtattung ein weites geſchützt werden müſſen. Beſondere Vorſicht iſt an Gebiet laſſen, würde zu weit über den Rahmen dieſes Stellen anzuwenden, wo eine Leitung die andere Aufſatzes hinausgehen. kreuzt; hier muß man entweder einen Draht mit einer Die zuletzt genannte Anforderung an die Anlage entſprechenden Ausbiegung über den anderen hinweg— bezieht ſich auf ausreichenden Schutz gegen Entſtehung leiten, oder es muß die Kreuzungsſtelle mit einer von Feuer und von Gefahr für Geſundheit und Zwiſchenlage von iſolierendem Material verſehen Leben. Zur Erfüllung dieſer Bedingung werden die werden. Fortleitung blanker Drähte ohne Anwendung von der Maſchine herangeführten Leitungen am zweck- von Glas- oder Porzellan-⸗Iſolatoren ijt höchſt un⸗ mäßigſten mittelſt ſog. Bleirohrkabels hergeſtellt. zweckmäßig. Wie aus dem früher Angegebenen hervor— Humboldt 1885. 61 478 Humboldt. — Dezember 1885. geht, wird die Hauptleitung aus ſehr ſtarken Kupfer⸗ drähten hergeſtellt, weil die ganze Leitung möglichſt geringen Widerſtand haben muß. Man verwendet deshalb je nach dem Umfang der Anlage an Stelle der Bleirohrkabel iſolierte Bündel aus Kupferdrähten von einem Gefamtquerfdnitt bis zu 20 mm, auch wohl Kupferbarren mit halbkreisförmigem Querſchnitt, welche in eiſernen Röhren getrennt voneinander und gut iſoliert gelagert find. Die Berechnung des Querſchnittes der Hauptleitungen erfolgt unter Zugrundelegung der der Lampenzahl entſprechenden Stromſtärke. Die Zuleitungsdrähte zu den Lampen, welche ſehr häufig in Röhren von geringem Querſchnitt (Lampen⸗ arme) eingeſchloſſen werden und dicht nebeneinander liegen, ſonach der Gefahr, daß ein Uebergangsweg für die Elektricität ſich bildet, am meiſten ausgeſetzt ſind, werden beſonders gut iſoliert. Entſteht an irgend einer Stelle des Leitungs- netzes zwiſchen den Leitungen ein Uebergangsweg für den bei großer Lampenzahl ſehr ſtarken Strom, ſo bringt dies zuerſt Ueberſpringen von Funken, dann aber Verglühen und Schmelzen der Leitungen zu wege, ſo daß, wenn ſich brennbare Körper, z. B. Holz in unmittelbarer Umgebung befinden, leicht Feuersgefahr entſtehen kann. Würden die Zuleitungen zu einer Lampe ſchlecht iſoliert fein, fo erhitzt ſich in- folge des Verglühens der Zuleitungen das Rohr, in welchem dieſe eingeſchloſſen ſind und es kann ebenfalls leicht Feuer entſtehen. Jedenfalls wird in ſolchen Fällen die Stromſtärke durch den Ausfall von früher vorhandenem Widerſtand in dem betreffenden Leitungs- abſchnitt ſich ſteigern. Dieſen Umſtand benutzt man zur Sicherung und zwar in folgender Weiſe: An paſſenden Stellen der Leitung ſchaltet man Drähte oder Streifen aus Blei oder aus einer Legierung von Blei und Zinn (60 Prozent Blei, 40 Prozent Zinn) ein, welche, wenn der Strom zu ſtark werden ſollte, abſchmelzen müſſen und dadurch eine Unterbrechung der Leitung hervorrufen. Zunächſt wird in einem Zweige der Hauptleitung in der Nähe der elektriſchen Maſchine ein ſolcher Bleiſtreifen eingeſetzt; die Leitungen werden z. B. zu dieſem Zwecke in ein beſonders fon- ſtruiertes Käſtchen eingeführt, in welchem die Enden des durchſchnittenen einen Zweiges an ſtarken Klemmen befeſtigt find, zwiſchen denen der Bleiſtreifen liegt. Aehnliche Bleiſicherungen kann man auch an den Punkten anbringen, wo von der Hauptleitung für ein kleineres Gebiet ſchwächere Nebenleitungen abgehen. Die Stärke des Bleiſtreifens oder Bleidrahtes wird etwa ſo gewählt, daß eine Abſchmelzung eintritt, wenn ein Strom von doppelter Stärke, als not- wendig, durch ihn hindurchgeht. Um die Zuleitungen zu den Lampen zu ſchützen, wird beim Abgange einer jeden Zuleitung von der ſtarken Leitung in einen Zweig der Leitung ebenfalls eine Bleiſicherung eingeſchaltet, welche jedoch ſo ein— gerichtet iſt, daß ſie mit der möglichſten Geſchwindig⸗ keit und Bequemlichkeit die Auswechſelung eines be- ſchädigten Bleiſtreifens geſtattet. Dieſem Zwecke dient die ſogenannte Sicherheitsdoſe, welche ſtarkwandig aus Porzellan hergeſtellt und mit einem abſchraub⸗ baren Deckel verſehen iſt. Die Fig. 4 ſtellt den Unter⸗ ſatz der Doſe nach Abhebung des Deckels dar. Auf dem Unterſatz befinden ſich zwei mit Klemmſchrauben verſehene Meſſingbügel p und py. Zwiſchen dieſen liegt ein kleineres Stück py, welches bei a einen aufrecht ſtehenden Stift hat, der durch eine große runde Oeffnung in der Mitte des Deckels der Doſe hervorragt. Auf dem anderen Ende beſitzt das kleinere Stück noch einen hervorſpringenden dreikantigen Teil. kk iſt ein kleiner Kegel aus Gips, in deſſen Innerem der Bleiſtreifen s liegt und an der unteren Fläche von kk bei qq hervortritt, wo er umgebogen iſt. o iſt eine dreieckige Vertiefung, deren Größe dem dreieckigen Stift o des Stückes py in der Dole entſpricht. Setzt man den Kegel mittels ſeiner Durch—⸗ bohrung aa auf die Achſe a des Bügels pe fo ein, daß die Vertiefung o auf den ähnlichen Stift o von pi fic) einpaßt, fo liegen die Enden des Blei- ſtreifens qq auf den Enden der Stücke pp, auf und es kann der Kegel dann mittels einer auf das Ende des Stiftes a geſetzten Zugſchraube mit Unterlage feſt gegen pp, angedrückt werden. Der Bleiſtreifen bildet ſonach eine leitende Ver—⸗ bindung zwiſchen ppl. Das Stück pe nimmt einen Strang der Hauptleitung zwiſchen ſeinen beiden Klemmſchrauben auf, während an p der eine Zweig der Lampenzuleitung befeſtigt iſt. Der zweite Zweig der Zuleitung liegt am anderen Strang der Haupt: leitung. Der Strom aus der Hauptleitung nimmt ſonach den Weg über pi, s, p, zur Lampe und zurück zum anderen Strang der Hauptleitung, ſo daß ſtets der Bleiſtreifen vom Strome paſſiert wird. Die in der Figur gezeichneten Oeffnungen i dienen zum Wn- ſchrauben des Unterſatzes. Humboldt. — Dezember 1885. Sobald der Strom zu ſtark wird, ſchmilzt der Bleiſtreifen in dem Gipsknopf durch, und es iſt damit der Stromweg für die betreffende Lampe unterbrochen. Nach Beſeitigung des Fehlers wird die Schraube auf der Achſe, auf welcher der Gipsknopf geſteckt iſt, ge— löſt, der Knopf durch die in der Platte des Deckels befindliche, hinlänglich große, runde Oeffnung entfernt, ein neuer Knopf aufgepaßt und mittels der Schraube feſt angepreßt, worauf der Stromweg wieder gebildet iſt. Jede Gefahr, welche infolge des nahen Zuſammen— liegens der Zuleitungsdrähte der Lampen entſtehen könnte, wird durch die Doſe abgewendet. Schmilzt ein Streifen in der Doſe ab und wiederholt ſich dies beim Einſetzen eines neuen Gipsknopfes, ſo iſt die Vermutung ſehr begründet, daß innerhalb der Zu— leitung etwas nicht in Ordnung iſt. In gewiſſer Beziehung ſchützt die Doſe auch die Lampen vor Be— ſchädigung, da ja auch dieſe durch zu ſtarken Strom unbrauchbar werden können, jedoch iſt es nicht aus— geſchloſſen, daß ſchon vor Eintritt einer Stromſtärke, welche den Bleiſtreifen abſchmilzt, die Lampe be— ſchädigt werden kann. Jedenfalls iſt aus dem Geſagten erſichtlich, daß eine rationell angelegte elektriſche Beleuchtung mit Glühlicht eine Feuersgefahr nicht in ſich birgt, wo— gegen andererſeits hervorgehoben werden muß, daß eine Glühlichtanlage ohne gute Bleiſicherungen wegen des ſtarken Stromes bei großer Lampenzahl ſehr gefähr— lich wird. Von einer Gefahr durch Berührung der Leitungen ſeitens menſchlicher Körper kann jedoch ſchwerlich die Rede ſein, ſobald Gleichſtrommaſchinen im Betriebe ſind. Ein kontinuierlicher Strom von nicht hoher Spannung übt nur in dem Momente, wo er ge— ſchloſſen oder wieder geöffnet wird, eine unangenehme Wirkung aus, während die Stromſtöße der Wechſel— ſtrommaſchinen wegen des häufigen Entſtehens und Abnehmens gefährlich werden. Der menſchliche Körper hat gegenüber dem geringen Widerſtande der Leitungen einen ſo überaus hohen Widerſtand, daß der Teil des kontinuierlichen Stromes, welcher den Körper durchfließt, verſchwindend klein iſt. Nehmen wir z. B. eine Beleuchtungsanlage mit 150 in Thätigkeit befindlichen Lampen an, ſo beträgt der ganze Widerſtand der Leitungen etwa 1 Ohm, während der Widerſtand des Körpers mindeſtens Bei Berührung der Leitungen 2000 Ohm beträgt. würde, wenn dieſe bei der Hauptleitung ſtattfände, ein Strom im Verhältnis von 2000 : 1 durch unferen | Körper fließen, da ſich die Stromanteile umgekehrt wie die Widerſtände verhalten. Liefert die Maſchine bei 150 Lampen 150. 0,71 = 106,5 Ampere Strom, jo betrüge der durch unſeren Körper cirfulierende | Anteil etwas mehr als 1/20 Ampere. wöhnlich 100 Volt betragende Spannung wird aller— dings beim Anfaſſen und Loslaſſen der Leitungen eine unangenehme Einwirkung auf unſeren Körper ausgeübt, indeſſen iſt dieſe durchaus noch nicht lebens— gefährlicher Art. Durch die ge- | Einen je größeren Umfang Beleuchtungsanlagen 479 haben und je wechſelnder die Zahl der zeitweiſe brennenden Lampen iſt, deſto mehr erhöhen ſich die Schwierigkeiten bei Herſtellung des Leitungsnetzes und beim Betriebe desſelben. Es iſt beſonders bei der Beleuchtung ganzer Stadtviertel keine Gelegenheit gegeben, die Führung der Leitungen in den Straßen in einfacher Weiſe zu bewirken, ſondern man muß in der Regel zu einer unterirdiſchen Anlegung der Leitungen ſchreiten. Ebenſo ſind die Anſchlüſſe zu den Häuſern unterirdiſch herzuſtellen. Bei jeder unter— irdiſchen Leitung kommt die genügend bleibende Iſo— lation der Leitungen in erſter Linie in Frage. Wir kennen wohl die Mittel, um eine ſolche Anforderung in hinreichender Weiſe zu erfüllen, jedoch ſind dieſe ſtets verbunden mit einem erheblichen Koſtenaufwand. Außerdem bedingt die unterirdiſche Verlegung von Leitungen an ſich die Aufwendung nicht unbedeutender Koſten durch Herſtellung der Einbettung und die damit verbundenen Pflaſterarbeiten. Die Hauptaufgabe bei centralen Beleuchtungsanlagen für Städte liegt darin, das unterirdiſche Leitungsnetz mit möglichſt geringen Koſten, aber hinreichend geſicherter Iſolation bei ge— nügender Leitungfähigkeit und Erhaltung der ge— nannten Eigenſchaften herzuſtellen. Wie Ediſon durch Erſparnis am Querſchnitt der Leiter mit Hilfe des Dreileiterjyftems die Koſten für das Material herabzudrücken ermöglicht hat, iſt bereits früher er— läutert worden. Eine verhältnismäßig billige und doch haltbare Iſolation verſucht Ediſon dadurch her— zuſtellen, daß er zwei Kupferſtangen in Geſtalt von Kreisſegmenten erſt mit Baumwollenumſpinnung iſo— liert, dann in eiſerne Röhren bringt, in welchen die Segmente durch aufgeſetzte Pappſcheiben in gleichem Abſtande voneinander gehalten werden, endlich, nach— dem jedes Rohr möglichſt luftleer gemacht ijt, von einem Ende aus eine hauptſächlich aus Asphalt be— ſtehende geſchmolzene Iſolationsmaſſe eintreiben läßt. Es iſt aber klar, daß die Herſtellung derartiger Rohre, ihre Verlegung, Verbindung ſowie die Herſtellung der Abzweigungen von denſelben dennoch mit nicht ge— ringen Schwierigkeiten und erheblichen Koſten ver— bunden ſein muß. Auch der Regelung des Betriebes auf der Centralſtation ſtellen ſich mancherlei Schwierig— keiten entgegen. Wir haben zwar geſehen, wie durch Ein⸗ und Ausſchalten von Widerſtand bei einer Maſchine die Regelung des Stromes beziehungsweiſe der Spannung erfolgen kann, ſo daß eine ſtark wechſelnde Lampenzahl keinen Einfluß auszuüben vermag. Wo jedoch eine größere Zahl von Maſchinen im Betriebe ſich befindet, muß Sorge dafür getragen werden, daß Unregelmäßigkeiten in der Thätigkeit der Maſchinen bei ihrem Auftreten auch ſofort in auffallender hör— barer oder ſichtbarer Weiſe dem den Betrieb über— wachenden Beamten kenntlich werden. Es würde leicht möglich ſein, bei Verwendung des beſchriebenen Spannungsmeſſers dieſe Aufgabe etwa dadurch zu löſen, daß der Zeiger des Apparates, ſo— bald die Spannung die höchſte zuläſſige Grenze er— reicht oder ſobald ſie unter eine beſtimmte Grenze herabſinkt, durch Berührung eines Kontaktes ſelbſt— 480 Humboldt. — Dezember 1885. thätig einen Wecker einſchaltet, welcher dann ein hör⸗ bares Zeichen gibt. In etwas anderer Weiſe hat Ediſon die Aufgabe unter Berückſichtigung des Um⸗ ſtandes gelöſt, daß durch Veränderung des Wider- ſtandes oder der elektromotoriſchen Kraft auch die Intenſität des Stromes entſprechend wächſt oder fällt. Von den Hauptleitungen aus führen zwei Ver⸗ bindungsdrähte dd, nach der Wheatſtonſchen Brücke, in deren Zweige I und ll künſtliche Widerſtände ein⸗ geſchaltet ſind, während in den Zweigen III und IV ſich zwei Lampen befinden. Die Widerſtände wi, wa find fo abgepaßt, daß, wenn im Stromkreiſe die richtige Intenſität herrſcht, ihr Produkt gleich dem Produkt aus den Widerſtänden beider Lampen iſt. Wird nun der Strom zu ſtark, ſo erhitzen ſich die beiden Lampen in ſtärkerem Maße, der Widerſtand der Kohle ſinkt und das Produkt 1, 12 wird kleiner. Fig. 5. Da aber nach dem Geſetz der Brücke der Diagonal— zweig nur dann ſtromlos iſt, wenn wy wo = |, 12 iſt, ſo zeigt das eingeſchaltete Galvanometer einen Ausſchlag. Wird der Strom zu gering, ſo erhöht ſich der Widerſtand in den Lampen und das Produkt 1, lz iſt größer als wy wo, was zur Folge hat, daß die Nadel nach der andern Richtung ausſchlägt. Der Ausſchlag der Nadel zeigt alſo an, ob Widerſtand ein- oder auszuſchalten ijt *). Außerdem wird zur Erzielung deutlicher Signale von Ediſon bei ſeinen Anlagen noch folgender ſinn— reiche, in nachſtehender Figur ſchematiſch dargeſtellte Apparat benutzt: Der durch einen Hauptſtrang der Leitung fließende Strom durchläuft eine Abzweigung, in welcher die Umwindungen eines Elektromagneten, welcher auf einem Grundbrette G liegend befeſtigt iſt, eingeſchaltet ſind. Vor den Polen befindet ſich ein flacher Anker mit einem nach oben ſtehenden Arm, deſſen Ende zwiſchen zwei Kontakten ſpielt; Arm und Anker ſind um eine Achſe D drehbar. Die Stellung des Ankers kann durch eine Spiralfeder reguliert werden, und zwar wird dieſelbe ſo eingeſtellt, daß bei der richtigen Stärke beziehungsweiſe Spannung des Stromes das Ende des Armes zwiſchen den beiden ziemlich weit ) Vergl. Hagen, Die elektriſche Beleuchtung. voneinander entfernten Kontakten ſpielt, aber keinen derſelben berührt. Um dieſe Lage zu erleichtern, liegen gegen das oberſte Ende des Armes noch zwei Federn an, je eine von jeder Seite, wodurch erzielt wird, daß der Arm nur bei gewiſſem Zug ſich den Kontakten nähern kann. Beide Kontakte ſind mit einer Klemme je einer Lampe verbunden, während die andere Klemme mit einem Strang der Leitung in Verbindung ſteht, und der Arm mit dem anderen Strang der Leitung verbunden iſt. Spielt das Ende des Armes A zwiſchen den Kontakten e und en, ohne einen der Kontakte zu berühren, fo ſoll die Thätigkeit der Maſchine eine normale ſein, ſteigt dagegen der Strom und damit der Cleftro- magnetismus zu ſehr an, ſo zieht die Spirale den Arm nicht mehr mit genügender Kraft an, dev Clektro- magnetismus überwiegt, der Arm legt ſich gegen den Kontakt c und die Lampe a ſchaltet ſich ein. Wird der Strom zu ſchwach, ſo überwiegt die Kraft der Spiralfeder, der Arm A legt ſich gegen c, und die Lampe b ſchaltet ſich ein. Hat nun die Lampe a ein rotes, die Lampe b ein grünes Glasgehäuſe, ſo ſieht der Beamte ſofort, um was es ſich handelt und be— wirkt dann die Regelung des Stromes mittels des Widerſtandes, bis keine der beiden Lampen mehr glüht. Außer der Erteilung des ſichtbaren Zeichens durch die Lampen kann man ſehr leicht noch durch Zuſchaltung eines Weckers, welcher jedesmal ertönt, wenn der Arm A einen der Kontakte berührt, ein hörbares Zeichen erhalten. Beſonders iſt die in den Figg. 5 und 6 dargeſtellte Einrichtung notwendig, wenn, wie bei der New Yorker Anlage, Maſchinen mit einfachem Nebenſchluß, bei denen Spannung und Strom weit mehr den Einflüſſen einer durch Ab- und Zuſchalten von Lampen hervorgerufenen Aenderung des Wider— ſtandes, als bei der Kompound-Maſchine unterliegen, verwendet werden. (Vgl. die Abhandlung von Prof. Krebs in Heft 8, 1884. Seite 301.) Es iſt ferner von Wichtigkeit, daß der überwachende Beamte ſtets einen Ueberblick darüber hat, welche Zahl von Lampen ungefähr in Thätigkeit iſt. Dieſe Angabe wird durch ein in eine Abzweigung der Haupt— leitung eingeſchaltetes Galvanometer geliefert. Da der Strom proportional mit der Zahl der brennenden Lampen ſteigt und fällt, ſo iſt der Skala des Gal— vanometers durch praktiſche Verſuche eine ſolche Ein— teilung gegeben, daß der Ausſchlag der Nadel die Zahl der Lampen mit annähernder Sicherheit er- kennen läßt. Die ſchwierigſte und in pekuniärer Beziehung wichtigſte Aufgabe endlich iſt die einfache und doch ſichere Berechnung des Anteils an dem Strome, welchen jeder Konſument verbraucht, alſo die Aufgabe, durch einen Apparat, ähnlich unſeren Gasuhren, jederzeit die Menge der durch die Zuleitung gefloſſenen Elektri— cität zu meſſen. Auch dieſe Aufgabe iſt gelöſt worden. Die Löſung beruht auf dem Grundſatz, daß, wenn ein beſtimmter Bruchteil des durch die Zuleitung einem Hauſe zugeführten Stromes durch eine Zinkvitriol— löſung zwiſchen zwei Zinkplatten hindurchgeleitet wird, Humboldt. — Dezember 1885. 481 eine Aenderung in dem Gewicht der beiden Platten durch Niederſchlagung von Zink auf der einen und Auf— löſung der anderen Platte ſich zeigt und einen ſicheren Schluß auf die Menge des hindurchgeleiteten Stromes ziehen läßt. Der Strom zerſetzt das Zinkvitriol in Schwefelſäure, Zink und Sauerſtoff; das Zink ſchlägt ſich auf der einen Platte nieder, während der Sauer- ſtoff und die Schwefelſäure auf die andere Platte einwirken und Zink zu Zinkvitriol auflöſen. Die Zerſetzung findet nach dem elektrolytiſchen Geſetz (Faraday) in der Weiſe ſtatt, daß die Mengen der ausgeſchiedenen Subſtanzen proportional der Stromſtärke und proportional der Stromdauer find. So ſcheidet z. B. ein Strom von ein Ampere in der Minute 20,2 mg Zink aus einer Löſung von Zinkvitriol aus; ein Strom von mehrfacher Stärke ſcheidet in derſelben Zeit auch die mehrfache Quan— tität aus. Nach dem Eintritt der Leitungen in das Haus durchläuft der Strom in der in Fig. 7 angedeuteten Weiſe das mit Zinkvitriollöſung und zwei nahe zu— ſammenſtehenden Zinkplatten verſehene Voltameter V. Zwiſchen a und b, den Abzweigungspunkten für die Zuleitungen zum Voltameter ijt ein Widerſtand W von ſehr geringem, bekanntem Werte eingeſchaltet. Der Stromteil, welcher durch das Voltameter fließt, würde ſich ſtets gleich bleiben, wenn auch die Tempe— ratur in V fic) nicht änderte. Da dies aber unaus— bleiblich iſt, und mit ſteigender Temperatur der Widerſtand der Flüſſigkeit ſinkt, ſo iſt noch der Aus— gleichswiderſtand k vorhanden und fo bemeſſen, daß bei Temperaturveränderungen der geſamte Widerſtand WI des Voltameters V (von a über k nach b) nicht ſchwankt. Die Anteile des Geſamtſtromes 8, welche W und W, paſſieren, verhalten ſich umgekehrt wie die Wider— ſtände: find dieſe Anteile s und s,, fo iſt 8 8 W == We woraus W Wi' | Der Geſamtwiderſtand W. (einſchl. k) ſei in unſerem ſpeciellen Falle 9,73 Ohm, W = 0,01 Ohm, ſo iſt 8 0,01 1 8 SS Yo — = s Es regiſtriert der Apparat alſo Yers desjenigen Stromes, welcher durch Wefließt, d. h., wenn durch 482 Humboldt. — Dezember 1885. Wi ein Stromanteil geht, jo erhält W deren 973. Von dem geſamten Strom, welcher fic) bei b ver— zweigt, wird daher der 974. Teil durch V gehen. Die Berechnung der Konſumtion mit Hilfe des Voltameters geſchieht durch Wägung derjenigen Zink— platte, von welcher ſich Zink auflöſt, und zwar des— halb, weil aus verſchiedenen hier nicht näher zu er— läuternden Gründen die Strommenge genauer durch den Verluſt der einen Platte angezeigt wird. Aus der Gewichtsabnahme wird z. B. unter Zugrunde— legung folgender Rechnung die Konſumtion ermittelt: Auf 1000 Kerzenſtärken entfallen beim Gebrauch 5 100 16kerziger Lampen 16 62,5 Lampen, von welchen jede 0,71 Ampere Strom erfordert. Mithin beträgt die Strommenge für 1000 Kerzenſtärken = 0,71 < 62,5 = 44,375 Ampere. Da 1 Ampere in der Minute 20,2 ing Zink ausſcheidet, was pro Stunde 1212 mg ergibt, ſo beträgt das ausgeſchiedene Zink im Voltameter V für obige Strommenge 44,375 12 me, 35,218 me: 974 ae . 1000 1 mg Zink entſpricht ſomit 55,218 18,1 Ker⸗ zenſtunden. Wird der Preis für 1000 Kerzenſtunden feftge- ſetzt, ſo kann aus der Gewichtsabnahme demnach die Konſumtionsrechnung leicht aufgeſtellt werden. Der Meßapparat befindet ſich in einem Käſtchen, welches im Inneren des Hauſes an einer Stelle, wo möglichſt gleichmäßige mittlere Temperatur herrſcht, aufgeſtellt wird. Wie aus dem Schema hervorgeht, iſt unterhalb des Voltameters noch eine Lampe L angebracht, deren eine Klemme mit dem einen Zweig der Leitung in Verbindung ſteht, während die andere mit einem Kontakt verſehene Klemme für gewöhnlich iſoliert iſt. Ein Metallſtreifen 8, welcher aus einem dünnen federnden zuſammengenieteten Kupfer- und einem Stahlblättchen beſteht, trägt einen zweiten Kontakt. Sinkt die Temperatur im Kaſten unter eine gewiſſe Grenze, ſo ſucht ſich der Streifen infolge der verſchiedenen Ausdehnung der Metalle gerade zu richten. Sobald dann der Kontakt des Streifens den Lampenkontakt erreicht, ſchaltet ſich die Lampe ein und die Temperatur im Kaſten ſteigt. Dann krümmt ſich der Streifen wieder in entgegengeſetzter Richtung, der Kontakt öffnet ſich, wodurch die Lampe ausge— ſchaltet wird. In dieſer Weiſe ſoll verhindert werden, daß die Temperatur im Kaſten bis unter einen Grad fällt, bei welchem der Ausgleichswiderſtand K unwirk— ſam wird, oder die Flüſſigkeit etwa gefrieren würde. Es muß jedoch erwähnt werden, daß ein richtiges Funktionieren dieſer Lampe ſehr zweifelhaft iſt und zwar deshalb, weil, ſobald die Kontakte ſich bis auf eine gewiſſe Entfernung genähert haben, notwendig heftige Funkenbildung bezw. Abſchmelzen der Metalle ſtattfindet und dasſelbe der Fall iſt, wenn die Kon— takte ſich wieder etwas voneinander entfernen, ſo daß eine Verbrennung der Kontakte unausbleiblich wird. Ueberhaupt ſoll die Thätigkeit des Meßapparates in der Praxis nicht als ſehr befriedigend anzuſehen ſein und wäre ein zuverläſſigerer regiſtrierender Apparat für große Beleuchtungsanlagen ein noch nicht erfülltes Bedürfnis. Vorläufig wird jedoch in der angegebenen Weiſe die Konſumtion beſtimmt. Zu bemerken bleibt, daß außer dem einen Voltameter ein zweites ähnliches neben dem erſten eingeſchaltet, je⸗ doch der dieſes durchfließende Stromanteil mit Hilfe eines geringeren Nebenſchluſſes We ſo reguliert wird, daß nur der vierte Teil Zink ſich ausſcheidet. Dieſes zweite Voltameter dient zur Kontrolle der erſten und wird viermonatlich geprüft, während das erſte monat⸗ lich auf den Verbrauch an Zink unterſucht wird. Die vorſtehend erläuterten Einrichtungen find die- jenigen, durch welche einigen beſonderen Schwierig⸗ keiten des Betriebes einer großen Beleuchtungsanlage vorgebeugt wird; außerdem tritt aber eine Reihe anderer auf, z. B. Aufſuchung und Beſeitigung von Fehlern in den Leitungen, deren Hebung beſondere Sorgfalt und Umſicht erfordert, wenn Störungen vermieden oder ſchnell gehoben werden ſollen; die Erörterung derſelben würde indeſſen den Umfang vorliegender Abhandlung und das Ziel derſelben weit überſchreiten “). Der erheblichſte Nutzen des elektriſchen Lichtes iſt, wie eingangs erwähnt, in dem wohlthätigen Einfluß auf die Geſundheit begründet und es möge dieſerhalb noch auf folgende Verhältniſſe hingewieſen werden: Die ſchädliche Einwirkung des Leuchtgaſes und des Petroleums, der beiden am häufigſten zur Ver⸗ wendung gelangenden Beleuchtungsmittel, beruht nicht allein auf der Einwirkung der Verbrennungsprodukte, welche aus Kohlenſäure, Waſſerdampf, ſowie noch anderen Stoffen beſtehen, ſondern weſentlich auf einer hohen Wärmeentwickelung. Auf 100 Kerzenſtärken Gaslicht ſind bei Rundbrennern in der Stunde zu rechnen: 0,86 k Waſſer; 0,46 kbm Kohlenſäure; 4860 Wärmeeinheiten (Kalorien); bei Solaröl unter Verwendung der beſten Lampen: 0,37 k Waſſer; 0,44 kbm Kohlenſäure; 3360 Wärmeeinheiten (Kalorien). Wenn man nun bedenkt, daß eine Wärmeeinheit (Kalorie) 1 kbm Luft um etwa 312°C. erwärmt, ſo kann man ſich eine Vorſtellung machen, welche Wärme in einem geſchloſſenen Raume durch 4860 oder 3360 Kalorien, die 100 Kerzenſtärken Leuchtgas bezw. Petroleum entſprechen, trotz aller vorkommenden Verteilung an Wände und äußere Luft und trotz aller Ventilation hervorgebracht werden muß. Im Leuchtgas wirkt leuchtend bei der Ver— brennung weſentlich das ſchwere Kohlenwaſſerſtoff— gas, welches nur in Mengen von 3—5 Prozent im Gaſe enthalten iſt. Alles übrige gibt bei der Ver⸗ ) Die von Ediſon bei den Centralanlagen ange— wendeten, hier beſchriebenen Methoden und angedeuteten Apparate ſind in dem bereits genannten Werk von Hagen ausführlich geſchildert. Humboldt. — Dezember 1885. 483 brennung faft gar kein Licht, ſondern nur Wärme, ſo daß bei unſerer Gasbeleuchtung eigentlich die Er— zeugung von Licht Nebenſache, die Erzeugung von Wärme aber Hauptſache iſt. Dieſe Wärme wirkt als ſtrahlende Wärme beſonders ungünſtig auf die Augen ein. Wenn ferner die Entwickelung von Kohlenſäure nicht fo ſehr ſchädlich auf unſeren Organis- mus einwirkt, ſo treten doch ſowohl bei der Ver— brennung von Gas als auch von Petroleum eine Reihe anderer, teilweiſe nicht genau nachweisbarer ſchädlicher Gaſe auf. Elektriſche Glühlichter ver— zehren weder Sauerſtoff, entwickeln weder Kohlen— ſäure, noch andere ſchädliche Verbrennungsprodukte und erwärmen die Luft nur ſehr wenig, da auf 100 Kerzenſtärken in der Stunde höchſtens 536 Warme- einheiten zu rechnen ſind. Der Unterſchied der Einwirkung, welche die Luft in einem geſchloſſenen, mit 50 Glühlichtern erleuchteten Raume, gegenüber der Einwirkung in einem mit eben- fo vielen Gaslichtern von derſelben Leuchtkraft ausge- ſtatteten Raume auf uns macht, iſt ſo groß, daß uns der mit elektriſchem Licht beleuchtete Raum weſentlich kühler und friſch gelüftet erſcheint. In erſter Reihe iſt deshalb das Glühlicht dazu beſtimmt, Arbeitsräume, Geſellſchaftsräume, Theater, Sitzungsſäle, Schulzimmer zum geſunden und ange— nehmen Aufenthaltsorte zu machen. Aber auch unſer häusliches Leben wird in Zukunft ſicher durch allge— meinere Anwendung des Glühlichtes ſich angenehmer geſtalten. Stehen zur Zeit der allgemeineren An— wendung noch ſehr große Schwierigkeiten entgegen, ſo ſind dieſe nicht ſo ſehr Schwierigkeiten für die Praxis, da mit Hilfe der immer mächtigeren Technik ſolche verſchwinden, ſondern weſentlich Schwierigkeiten, welche durch Aufbringung der zur Herſtellung von großen ſtädtiſchen Beleuchtungsanlagen erforderlichen ſehr hohen Geldſummen entſtehen und mit Rückſicht auf die noch nicht genügenden Betriebserfahrungen und der zweifelhaften Rentabilität der Anlagen um ſo mehr ins Gewicht fallen. Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Aſtrono mie. Von Prof. Dr. C. F. W. Peters in Kiel. Ueber kosmiſche kleine Körper und die durch ſie bewirkte Aenderung der Maße der Erde. achſen von firjternen. Derdnderliche Sterne. Neuer Derdnderlicher im großen Andromedanebel. Neuentdeckte Planeten und Kometen. Parall— Photographien größerer Sterngruppen. Außer den größeren, unter dem Namen der Planeten, Satelliten und Kometen bekannten Körpern des Sonnen- ſyſtems befinden ſich in dem Bereiche der Anziehungskraft der Sonne zahlloſe kleine Körper, denen die Erde in ihrer Bahn teilweiſe begegnet. Sie erſcheinen uns als ſogenannte Feuerkugeln, Sternſchnuppen und meteoriſcher Staub, und Sternſchnuppen der Erde zugeführt wird, wahrſcheinlich weit größer iſt. Herr Joſeph Kleiber in St. Petersburg hat ſich kürzlich mit Unterſuchungen darüber beſchäftigt, welchen ſoweit ſie nicht etwa durch die Erhitzung, welche ſie in ihrer Bewegung durch die Atmoſphäre erleiden, in Gas— form übergehen, müſſen ſie dahin wirken, daß die Maſſe des feſten Teils der Erde im Verlauf der Zeit ſich allmählich ver— | größert. Es iſt nicht unwahrſcheinlich, daß ſich die genannten drei Arten von Körpern im weſentlichen nur quantitativ unter— ſcheiden; daß die größeren derſelben entweder unverſehrt auf die Erde ſtürzen oder durch die ſtarke Erhitzung ihrer Oberfläche in Stücke zerſpringen und in Bruchſtücken ver— ſchiedener Größe die Erdoberfläche erreichen, während die kleineren, deren Zahl beträchtlich größer iſt, vermutlich zum bei weitem größten Teile in der Atmoſphäre ver— brennen und nur in ſtaubförmigen Partikeln auf die Erde gelangen. Durch das Herunterfallen von Feuerkugeln oder Meteor— ſteinen kann die Maſſe der Erde nur in äußerſt geringem Maße vergrößert werden. Die Schätzung iſt ſchwerlich zu niedrig gegriffen, wonach durchſchnittlich im Jahre Meteor— ſteine im Geſamtgewicht von 1000 kg auf die Erde fallen, während die Maſſe von Subſtanz, welche jährlich durch die Zuwachs an Maſſe die Erde durch die Sternſchnuppen er— hält, und welchen Einfluß der Widerſtand der im Welt— raum zerſtreuten kleinen Körper gegen die bewegte Erde übt. Man kann annehmen, daß ein Beobachter in heiteren Nächten durchſchnittlich zehn Sternſchnuppen in der Stunde erblickt. Da aber nur ungefähr 0,232 des über dem Horizont befindlichen Teils der Himmelskugel gleichzeitig | deutlich geſehen werden kann, fo wird die durchſchnittliche Geſamtzahl der über dem Horizonte eines Beobachters er— ſcheinenden Sternſchnuppen ungefähr 4, 3Zmal fo groß ſein und etwa 43 betragen. An einem beſtimmten Punkte der Erdoberfläche ſieht man aber auch nur diejenigen Stern— ſchnuppen, welche in der Nähe des Beobachtungsortes bis zu der Entfernung einiger Meilen verbrennen, während die Geſamtzahl der auf die ganze Erdoberfläche fallenden Sternſchnuppen nach Unterſuchungen von H. Newton 10 460mal größer iſt. Es folgt daraus, daß etwa 450 000 Meteore ſtündlich auf die Erde fallen. Nimmt man nun mit A. S. Herſchel an, daß durch jede Sternſchnuppe der Erde ein Gewicht von 5 g zugeführt wird, ſo findet ſich die ſtündliche Zunahme der Maſſe der Erde zu 2250 kg. 484 Humboldt. — Dezember 1885. Man kann annehmen, daß die Wirkung der kleinen Meteore, welche den Weltraum erfüllen und ſich in allen möglichen Richtungen fortbewegen, auf die Erde, welche ſie in ihrer Bahn trifft, im Durchſchnitt dieſelbe ſein wird, als wenn die Meteore ohne Bewegung wären. In dieſem Falle ſetzen dieſelben aber der Erde einen Widerſtand in ihrer Bahnbewegung entgegen, welcher von der Geſchwindig— keit der Erde in ihrer Bahn und der Zahl der Widerſtand leiſtenden Meteore abhängig iſt, und zwar wird die Wire kung eine ähnliche ſein, als wenn eine Bewegung der Erde in einem Widerſtand leiſtenden, ſelbſt aber in Ruhe be— findlichen Medium ſtattfände, d. h. die Umlaufszeit der Erde wird ſich im Laufe der Zeit verkleinern, die Erde ſich der Sonne nähern und ſchließlich in dieſelbe hinein⸗ ſtürzen müſſen. Ein zweiter Einfluß wird auf die Bewegung der Erde um ihre Achſe ſtattfinden. Sobald die Meteore mit der Erde in Verbindung treten, müſſen ſie an der Umdrehung der Erde teilnehmen, und da eine gewiſſe Kraft dazu er⸗ forderlich iſt, ſie in Bewegung zu verſetzen, ſo muß die Drehung der Erde um ihre Achſe verlangſamt werden. Aehnliche Betrachtungen ſind ſchon ſeit langer Zeit vielfach angeſtellt worden; ſie haben inſofern nur ein ge— wiſſes theoretiſches Intereſſe, als die äußerſt langſamen Aenderungen in der Maſſe der Himmelskörper, ihrer rota- toriſchen und fortſchreitenden Bewegung, welche durch die kosmiſchen Körper hervorgebracht werden, leicht durch irgend andere Einflüſſe mehr als kompenſiert werden. Trotzdem hat vor einigen Jahren Th. v. Oppolzer den Verſuch gemacht, den bisher noch nicht erklärten Unter— ſchied zwiſchen der theoretiſch berechneten Säkularaccelera— tion der Länge des Mondes und der beobachteten, welcher etwa 5 Bogenſekunden beträgt, durch die genannten Wir— kungen zu erklären; er fand eine genügende Ueberein— ſtimmung zwiſchen der Theorie und Beobachtung unter der Annahme, daß der Niederſchlag des kosmiſchen Staubes auf die Erdoberfläche ungefähr 2,8 mm in 100 Jahren betrage. Nach Kleibers Unterſuchungen iſt dieſe Annahme bei weitem zu hoch gegriffen. Durch die kosmiſchen Körper muß nämlich ein Teil des Sonnenlichtes reflektiert werden, und es kann nachgewieſen werden, da ein einfaches Ver— hältnis zwiſchen der Dichtigkeit des interplanetariſchen Mediums in verſchiedenen Entfernungen von der Sonne beſteht, daß, wenn die Dichtigkeit der kosmiſchen Körper in der Nähe der Erdbahn ſo groß iſt, daß durch ihren Wider— ſtand die Differenz zwiſchen der berechneten und beobachteten Mondbewegung erklärt wird, ihre Dichtigkeit in der Nähe der Sonne ſo groß ſein muß, daß ſie bei totalen Sonnen— finſterniſſen einen Hof um die Sonne bilden müßten, deſſen Helligkeit die des Vollmondes mindeſtens 500mal über— ſteigt. Die ſogenannte Sonnencorona iſt aber nicht heller als der Vollmond, und es läßt ſich danach berechnen, daß die auf die Erde fallenden Meteore erſt in 10 000 Jahren eine Schicht von kaum einem Millimeter Dicke bilden können. Kleiber findet ferner, daß erſt zu einer Zeit, wo dieſe Schicht eine Dicke von 5200 km erreicht haben wird, die Wirkung des Widerſtandes der kosmiſchen Meteore gegen die Bewegung der Erde in ihrer Bahn ſich ſoweit ſummiert hat, daß die Erde mit der Oberfläche der Sonne in Be— rührung kommen kann. 4 Hierbei iſt aber vorausgeſetzt, daß die Dichtigkeit der im Weltraume zerſtreuten Meteore, welchen das Sonnen⸗ ſyſtem in ſeiner fortſchreitenden Bewegung begegnet, überall nahezu die gleiche iſt. Dieſe Annahme weicht möglicher weiſe von der Wahrheit ſehr erheblich ab, und es iſt daher nicht ganz unwahrſcheinlich, daß die thatſächlichen Verhält⸗ niſſe mit den von Kleiber ſeinen Berechnungen zu Grunde gelegten Vorausſetzungen wenig im Einklang ſind. Die Zahl der bekannten kleinen Planeten iſt während des letzten Halbjahres um drei geſtiegen. Am 5. Juni entdeckte Paliſa in Wien den 248., am 12. Auguſt C. H. F. Peters in Clinton den 249. und am 3. September Paliſa in Wien den 250. dieſer kleinen Weltkörper; die beiden erſtgenannten waren am Tage der Entdeckung von der 12., der dritte von der 11. Größe. Der verſtorbene Direktor der Wiener Sternwarte, Karl v. Littrow, hat ſich vielfach mit Unterſuchungen über phyſiſche Annäherungen der kleinen Planeten beſchäf⸗ tigt, die wegen ihrer eigentümlichen Verteilung auf einem verhältnismäßig kleinen Raume unter Umſtänden erheblich werden können. Bisher iſt indeſſen noch kein Fall bemerkt worden, wo eine gegenſeitige Störung der Bewegung der kleinen Planeten, deren Maſſe durchweg ſehr unbedeutend iſt, ſtattgefunden hätte. Nach Littrows Rechnungen ſollte ſich eine ganz beſonders große Annäherung im Juni 1884 zwiſchen den Planeten Maſſalia und Alkmene ereignen, doch hat eine neuere Unterſuchung, die von Dr. A. Galle in Berlin ausgeführt iſt, gezeigt, daß die Annäherung keines⸗ wegs ſehr bedeutend geweſen iſt. Der Enckeſche Komet, deſſen Wiederauffindung im Dezember bereits in dem vorigen Berichte erwähnt war, hat bis gegen Ende des Februar beobachtet werden können; der ebenfalls periodiſche Tuttleſche Komet iſt am 9. Auguſt auf der Sternwarte in Nizza nahe an dem von J. Rahts in Königsberg berechneten Orte aufgefunden. Am 7. Juli wurde von Barnard in Naſhyville ein teleſkopiſcher Komet entdeckt. Die bisher veröffentlichten Beobachtungen reichen bis zur Mitte des Auguſt; die Bahn weicht, entgegen einer von Faye und anderen geäußerten Vermutung, welche ſich auf den Umſtand gründete, daß die Achſe der Bahn gegen die Ebene der Ekliptik und alſo auch gegen die Bahnebene der großen Planeten wenig geneigt iſt, von der Parabel nicht merkbar ab. Am 2. September wurde von Brooks in Cambridge (Maſſachuſetts) ein neuer Komet entdeckt, der ſeine Sonnen⸗ nähe bereits am 10. Auguſt paſſiert hatte. Auch die Bahn dieſes Kometen läßt ſich durch eine Parabel völlig be— friedigend darſtellen. Die paraboliſchen Bahnelemente der beiden Kometen ſind folgende: Komet Brooks ber. v. Oppenheim. Komet Barnard ber. v. Hall. Zeit des Durchgangs durch das Perihel N 1885 Aug. 1,73 1885 Aug. 10,71 Länge des Perihels 2690 26“ 2480 287 Länge des aufſteigenden Knoten 920 15“ 2040 237 Neigung der Bahn 800 50’ 590 16° Entfernung des Kometen von der Sonne im Perihel (die mittl. Entfernung der Erde von der Sonne = 1 geſetzt ). .. 2,511 0,757 Richtung der Bewegung. . . rechtläufig. rechtläufig Humboldt. Dezember 1885. 485 Von dem zweiten Kometen des Jahres 1884 (eben- falls von Barnard entdeckt) hat H. v. Egbert in Albany kürzlich ſehr zuverläſſige elliptiſche Elemente abgeleitet, welche eine Umlaufszeit von 5,4 Jahren ergeben. Eine ſehr nützliche Arbeit hat Prof. Galle in Breslau ausgeführt, indem er ein ſchon früher von ihm aufgeſtelltes bis zum Jahre 1863 reichendes Verzeichnis der berechneten Kometenbahnen bis auf die letzte Zeit fortgeſetzt hat. Solche Verzeichniſſe ſind von großem Werte für die Beurteilung, ob neu erſchienene Kometen mit früher beobachteten identiſch ſind. Wegen der verhältnismäßig geringen Zahl von Ko— meten mit kurzer Umlaufszeit und weil die erſten, meiſt wenige Tage voneinander entfernten Beobachtungen neu— entdeckter Kometen zu der Ermittelung der Umlaufszeit ſelbſt bei ausgeprägter Elliptieität der Bahn nicht genügende Daten geben, wird ausſchließlich für ſolche Kometen zu— nächſt die Annahme einer paraboliſchen Bewegung gemacht, und erſt wenn ſich zeigt, daß die gefundenen Bahnelemente mit denen eines früher beobachteten Kometen nahe über— einſtimmen, oder wenn die Beobachtungen, nachdem fie einige Zeit fortgeſetzt ſind, ſich durch eine Parabel nicht mehr befriedigend darſtellen laſſen, geht man zur Berech— nung einer Ellipſe über. Verſuche, die häufig von Ane fängern gemacht werden, ohne die genannten Anhaltspunkte aus wenigen Beobachtungen einer einzelnen Erſcheinung eines Kometen elliptiſche Bahnen abzuleiten, die dann meiſt auf Umlaufszeiten von Jahrtauſenden führen, wenn ſich nicht etwa ſtatt der Ellipſe eine Hyperbel ergibt, können ſelbſtverſtändlich auf wiſſenſchaftlichen Wert keinen Anſpruch machen. Verſuche, die Parallachſe von Fixſternen zu meſſen, ſind in der letzten Zeit in drei Fällen gemacht worden. H. Geelmuyden in Chriſtiania hat während zweier Jahre (1878/79 und 1883/84) zahlreiche Vergleichungen des Sterns Oeltzen 11677, der ſich durch ſtarke Eigenbewegung auszeichnet, mit einem benachbarten Stern ausgeführt, und kürzlich darüber eine Mitteilung veröffentlicht. Die Arbeit hat zu keinem befriedigenden Reſultat geführt. Trotz der ſorgfältigſten Rückſichtnahme auf den Umſtand, daß nicht nur der Ort des Sterns infolge ſeiner Parallachſe, ſon— dern auch die Temperatur der benutzten Meſſungsapparate mit der Jahreszeit ſich ändert, ſcheinen ſyſtematiſche Fehler, die, wenn ſie auch von ſehr geringem Betrage ſind, doch derartige ſubtile Beobachtungen leicht ſtörend beeinfluſſen können, nicht ganz vermieden zu ſein. Einfluß der periodiſchen Temperaturänderungen geſtört, iſt vermutlich eine Beſtimmung der Parallachſe des Sterns 400 Eridani, welche Prof. A. Hall in Waſhington aus— geführt hat, und die ſich nur auf Beobachtungen im März und September bei ſehr nahe gleichen Temperaturen ſtützt. Er findet die jährliche Parallachſe zu 0,223 Bogenſekunden mit einer wahrſcheinlich geringen Unſicherheit. Bei einer dritten Parallachſenbeſtimmung, welche E. Lamp bezüglich des Sterns L 2398 auszuführen verſucht hat, iſt der Ein— fluß der Temperatur auf die Mikrometervorrichtungen des benutzten Inſtruments nicht berückſichtigt worden. Von mehreren Sternen iſt die Veränderlichkeit ihres Lichtes in letzter Zeit nachgewieſen worden. Ein Stern Weniger durch den im Walfiſch variiert nach Beobachtungen von Sawyer in Cambridgeport (Maſſachuſetts) zwiſchen der 7. und 9. Größe, Humboldt 1885. ein zweiter Stern in der Wage nach Mitteilungen von Schönfeld zwiſchen der 9. und höchſtens 13. Größe, ein dritter Stern in der Schlange nach Beobachtungen von Valentiner zwiſchen der 7½. und 8. Größe. Eine beſondere Wichtigkeit hat das Erſcheinen eines neuen Veränderlichen in dem großen Andromedanebel. Dieſer Nebel gehört zu denjenigen, welche ein kontinuierliches Spectrum zeigen, und daher vermutlich aus einem dicht— gedrängten Haufen ſchwacher Fixſterne beſtehen; in der That hat auch Bond in ihm eine äußerſt große Zahl (gegen 1500) ſchwacher Sterne ſehen können. Ungefähr in ſeiner Mitte hat der Nebel eine verdichtete Stelle, in welcher die Sterne wohl beſonders zahlreich ſind. Es iſt nicht ganz ſicher, an welchem Tage der neue Stern, welcher etwas ſeitlich von der hellſten Gegend des Nebels aufleuchtete, zuerſt bemerkt worden iſt. Nach einer Mitteilung von Dr. E. Copeland in Aberdeen hat be— reits am 19. Auguſt 11 Uhr abends der Engländer Iſaak W. Ward ihn geſehen, während es gewiß iſt, daß er am 16. Auguſt noch nicht ſichtbar geweſen iſt. Sicher iſt es ferner, daß am 25. Auguſt Max Wolf in Heidelberg einen Stern 6. Größe in dem Nebel bemerkte; dieſe Größe hat er bis etwa zum 31. Auguſt gehabt, darauf iſt er ſucceſſive ſchwächer geworden, bis er um die Mitte des September ungefähr die 9. Größe erreichte. Es iſt natürlich, daß der Nebel bei der Erleuchtung durch einen nahe in der Mitte befindlichen Stern ein anderes Ausſehen darbot als früher, ſeine ſchwächeren Partien mußten verſchwinden und ſeine Form verändert erſcheinen. Durch dieſen Umſtand ſind die erſten Nachrichten über Veränderungen in der Geſtalt des Nebels vollſtändig zu erklären, während eine wirkliche ſchnelle Geſtaltveränderung in einem dichtgedrängten Haufen von Sternen im höchſten Grade unwahrſcheinlich ſein mußte Das Aufleuchten einzelner Sterne iſt bekanntlich ſchon häufig beobachtet worden, und immer haben ſie, ganz in derſelben Weiſe wie der neue Veränderliche, raſch an Helligkeit ver- loren, um ſo raſcher, je weniger hell ſie beim erſten Auf— leuchten erſchienen. Ob der neue Stern ſich wirklich in dem Nebel ſelbſt befindet, oder ſich nur zufällig gegen ihn projiciert, kann nicht entſchieden werden; die erſtere An— nahme iſt aber mindeſtens nicht unwahrſcheinlicher als die zweite. Man hat zwei verſchiedene Erklärungen für ähn— | lide Erſcheinungen; nach der einen befindet fic) der Stern im Zuſtande der Abkühlung, die aber erſt ſoweit vorgerückt iſt, daß ſich eine verhältnismäßig dünne nichtleuchtende Schale um den glühenden Kern des Sterns gebildet hat, und das Entzünden aus dem Innern ausbrechender Gaſe auch die Oberfläche wieder in den Zuſtand intenſiven Glühens verſetzt, welches aber nach Verbrennen der Gas— atmoſphäre raſch wieder verſchwindet. — Nach der zweiten Erklärung tritt die hohe Temperatur durch den Zuſammen— ſtoß zweier Weltkörper ein; unter Umſtänden können auch wohl beide Urſachen zuſammenwirken. Es iſt natürlich kein Grund zu der Annahme vorhanden, daß ſolche Ereigniſſe bei einzeln ſtehenden Sternen leichter eintreten können als bei ſolchen, die ſich in der Nähe vieler anderer befinden. — Bei den wenigen während der letzten Jahrzehnte plötzlich ſichtbar gewordenen Sternen ſind außer dem kontinuierlichen Spectrum noch einige helle Linien ſichtbar geweſen, welche das Vorhandenſein einer glühenden Gasatmoſphäre an⸗ 62 486 Humboldt. — Dezember 1885. zeigten. Auch in dem Spectrum des neuen Sterns will Prof. Vogel einige helle Linien im Rot und Gelb be— merkt haben; ein Umſtand, der ſehr dafür ſpricht, daß auch dieſer Stern ſich in phyſiſcher Beziehung nicht von dem bisher ſpectroſkopiſch beobachteten ſogenannten neuen Ver— änderlichen unterſcheidet. In der Sitzung der Pariſer Akademie vom 15. Juni machte der Direktor des Obſervatoriums, Admiral Mou— chez, intereſſante Mitteilungen über Verſuche der Herren Paul und Proſper Henry, größere Sterngruppen in der Milchſtraße zu photographieren, und legte ein Cliché vor, auf welchem ſich die Bilder von 5000 Sternen zwiſchen der 6. und 15. Größe befanden; die abgebildete Fläche ent⸗ ſprach einer Ausdehnung des Sternhimmels von 21/1 Grad in Rektaſcenſion und 3 Grad in Deklination. Es würde eine ſehr wichtige aber auch ſehr zeitraubende Arbeit ſein, eine ähnliche Abbildung des ganzen Sternhimmels aus— zuführen. Hierzu würde es notwendig ſein, gegen 6000 ähnliche Clichss wie das in der Akademie vorgelegte her— zuſtellen, wozu für einen einzelnen Beobachter eine Arbeits⸗ zeit von etwa 34 Jahren erforderlich ſein würde, da man nicht darauf rechnen kann, mehr als 150 bis 200 in einem Jahre herzuſtellen. Bei einer Arbeitsteilung unter ſechs bis acht Sternwarten der nördlichen und ſüdlichen Halbkugel würde ſich die Zeit der Vollendung eines ſolchen Werkes entſprechend reduzieren, und es iſt zu hoffen, daß dem Wunſche des Admirals Mouchez, es mögen eine Anzahl Sternwarten ſich an der einſtweilen von der Pariſer Stern⸗ warte in Angriff genommenen Arbeit beteiligen, entſprochen wird. Te chen i Kk. Don Ingenieur Th. Schwartze in Leipzig. Hydraulifcher Cement. Feuerfeſte Materialien. Heizung. Gasbeleuchtung. Elektriſche Beleuchtung. Kraftübertragung mittels Druckwaſſers. Beförderung mittels des Hanalverfebrs. Unter den Baumaterialien des Ingenieurs nimmt der Cement eine wichtige Stelle ein, inſofern derſelbe ein dem Waſſer äußerſt widerſtändiges Material iſt. Bis vor etwa 25 Jahren lieferte nur England infolge des dort vorhandenen ausgezeichneten Rohmaterials unter der Be— zeichnung „Portlandeement“ ein allen Anforderungen ent- ſprechendes Produkt. Nach Ueberwindung vieler Schwierig⸗ keiten iſt es aber der deutſchen Induſtrie gelungen, der Alleinherrſchaft Englands auch auf dieſem Gebiete entgegen— zutreten. Mit Benutzung des an der Oder in Pommern vorkommenden Septarien-Thones, einer Thonart, die in England zur Portlandcementfabrikation benutzt wird, und der Kreide von der Inſel Wollin wurde vom Dr. Hermann Bleibtreu und dem Konſul Gutike in Zöllchow bei Stettin im Jahre 1852 eine kleine Cementfabrik errichtet, welche im Laufe der Zeit zur jetzigen großen Stettiner Portlandcementfabrik anwuchs. Der gute Erfolg der erſten kleinen Probefabrik führte zu der Errichtung anderer Cement- fabriken, und ſo entſtanden der Reihe nach die Bonner Cementfabrik bei Oberkaſſel, die Pommerſche auf der Inſel Wollin, die Grundmannſche in Oppeln, die Heynſche in Lüneburg, die Dyckerhoffſche in Amöneburg u. a. m., ſo daß man gegenwärtig gegen ſechzig große und kleine Cementfabriken in Deutſchland zählt, deren jährliche Pro- duktion auf 850 Millionen Kilogramm (5 Millionen Faß) geſchätzt wird). — Die Hauptbeſtandteile des Cements, Kalk und Thon, kommen zwar an vielen Orten in beträcht— licher Menge vor, aber nur ſehr ſelten werden dieſelben in der für die Cementfabrikation geeigneten Beſchaffenheit angetroffen, ſo daß der Technik die Aufgabe zufällt, auf ) Dr. Delbrück-Stettin in einem Vortrage vor der Hauptverſamm⸗ lung des Vereins deutſcher Ingenieure am 18. und 19. Auguſt 1885 in Stettin. ſtellen. Grund geeigneter Miſchung das paſſende Material herzu⸗ Harter Kalkſtein muß auf ſchwierige Weiſe fein gemahlen werden und durch Schlemmen wird eine innige Miſchung der Beſtandteile vor dem Brennen erreicht. Das richtige Verhältnis der Beſtandteile tft ſtets auf das ge- naueſte herzuſtellen, weil ſchon ſehr geringe Abweichungen von der normalen Miſchung einen weſentlichen Einfluß auf die Qualität des zu erzielenden Fabrikats hat, ſo daß fort⸗ dauernde chemiſche Analyſen der Rohmaterialien nötig ſind. Wichtig iſt ein praktiſches und billiges Verfahren des Ent⸗ wäſſerns der geſchlemmten Maſſe vor dem Brennen. Das Brennen der getrockneten und zu Steinen geformten Maſſe erfolgt bei höchſter Weißglut in geeignet konſtruierten Oefen, die früher als periodiſch betriebene Schachtöfen und dann als kontinuierlich betriebene Ringöfen gebaut wurden; neuer- dings wird vorzugsweiſe ein von Dietzſch in Malſtatt er⸗ fundener, als Kombination des Schacht- und Ringofens konſtruierter Ofen dazu benutzt. Die glashart gebrannte Maſſe muß zu feinem Pulver gemahlen werden, wozu man ſich bisher aller Arten von Mühlen bediente, die aber meiſt einer ſehr raſchen Abnutzung unterlagen. Gegenwärtig hat man Walzwerke als zweckmäßiger in Anwendung gebracht. Die Mahlfeinheit wird mittels Sieben geprüft, von denen das gröbſte 900, das feinſte 5000 Maſchen auf den Quadrat- centimeter hat. Guter Cement ſoll auf dem gröbſten Siebe höchſtens 5 Prozent, auf dem feinſten höchſtens 30 Prozent Rückſtand laſſen. Manche Fabriken gehen aber im Fein- mahlen noch weiter, weil die Erhärtungsfähigkeit und Binde⸗ kraft des Cements außer von der Miſchung auch von der Feinheit der Maſſe abhängig iſt, welche am beſten ein un⸗ fühlbares Pulver bilden ſoll. Guter Cement verlangt des- halb eine außerordentlich ſorgfältige Fabrikation, und Bei⸗ miſchungen von Schlackenpulver u. ſ. w., wie man ſolche neuerdings zur Herabdrückung des Preiſes in Anwendung Humboldt. — Dezember (885. 487 gebracht hat, ſind ſtets verwerflich, weil dadurch eine Un— ſicherheit in der Beurteilung der Güte des Cements herbei— geführt und die Realität des Geſchäftes beeinträchtigt wird. Die auf guten Ruf haltenden Cementfabriken haben daher ſehr ſorgfältige Prüfungsmethoden eingeführt, um ſtets den ſicheren Beweis von der guten Qualität ihres Produktes liefern zu können. Was der hydrauliſche Kalk oder Cement für den Waſſer— bau iſt, das iſt der feuerfeſte Thon und feuerfeſte Cement für den Feuerbau, das iſt für den Bau von Feuerungsanlagen. Mit der Anwendung ſteigender, die größtmöglichen Hitzegrade erreichenden Temperaturen für induſtrielle Zwecke iſt die Herſtellung möglichſt feuerfeſter Materialien naturgemäß Hand in Hand gegangen. Das Verfahren in der Herſtellung feuerfeſter Thon- und Cement— maſſen hat große Aehnlichkeit mit der Herſtellung des hydrau— liſchen Cementes, indem es ſich hier ebenfalls um Schlem— men, Brennen, Zermahlen harter Maſſen u. ſ. w. handelt. — Die Beſtandteile des Thones ſind in der Hauptſache Thonerde und Kieſelerde. Die reine Thonerde ijt ſchwerer ſchmelzbar als die reine Kieſelerde; bezüglich des pyrome— triſchen Effektes iſt es aber bemerkenswert, daß durch die chemiſche Verbindung dieſer beiden Subſtanzen ein Produkt von niederer Schmelztemperatur erzielt wird, als der Mittel— wert aus den Schmelztemperaturen der beiden Beſtandteile beträgt. Während zur Schmelzung reiner Kieſelſäure Platin— ſchmelzhitze erforderlich iſt, und reine Thonerde eine noch viel höhere Schmelztemperatur erfordert, beginnt die Schmel— zung der Verbindung angenähert bei Schmiedeiſenſchmelz— hitze. Zu berückſichtigen iſt ferner, daß amorphe Kieſel— ſäure leichter ſchmelzbar iſt als kryſtalliniſche Kieſelſäure, weshalb es bei der Darſtellung feuerfeſter Fabrikate mittelſt Kieſelerdezuſatzes durchaus nicht gleichgültig iſt, welche Quarzart dazu verwendet wird. Durch die klaſſiſchen Unter— ſuchungen der feuerfeſten Thone durch Dr. Karl Biſchof iſt hierüber erſt Klarheit erlangt worden. „Während“, wie Dr. Biſchof bemerkt?), „die Kieſelſäure nur eine relative Vermehrung der Schwerſchmelzbarkeit bei den meiſten Thonen bewirkt, ijt die Thonerde für alle Thone ein ab— ſolutes pyrometriſches Erhöhungsmittel.“ Auf dieſer Er— kenntnis beruht in der Hauptſache die Herſtellung feuer— feſter Materialien für Feuerungs- und Ofenanlagen. Die Vervollkommnung der Heizanlagen ſchreitet immer vorwärts und wird mit der zweckmäßigen Lüftung der Räume in innigſte Verbindung gebracht. Dieſes Streben wird in der Herſtellung von Centralheizungen ver- körpert. Mag auch der Koſtenpunkt für die Centralhei— zung ſich unter allen Umſtänden höher ſtellen als für die Lokalheizung (mit Oefen), fo bietet doch die Central— heizung mit Rückſicht auf Bequemlichkeit und Geſundheits— pflege bedeutende Vorteile. Freilich muß man von einer guten Centralheizung aber auch verlangen, daß die Central— feuerſtelle ohne weiteres Zuthun ſich von ſelbſt reguliert, demnach einfach und leicht zu bedienen iſt, und daß zu ihrer Feuerung nicht mehr Brennſtoff erforderlich iſt, als die zur Herſtellung der Heiztemperaturen nötige Wärmemenge an und für ſich bedingt. In zweiter Reihe darf die An— ordnung der einzelnen Apparate einer Centralheizung nicht *) Dr. Karl Biſchof, die feuerfeſten Thone, Leipzig 1876. ſtörend in die bauliche Einrichtung eines Hauſes eingreifen, ſondern es müſſen dieſe Apparate ſich den vielleicht ſchon vorhandenen oder nach Bequemlichkeit zu bauenden Räumen anpaſſen laſſen. Von ganz beſonderer Wichtigkeit iſt ferner die Regulierbarkeit der Wärmeabgabe für jeden einzelnen Raum und gewünſchten Effekt. Die Luftheizung läßt dieſe Regulierbarkeit durch Oeffnen und Schließen von Aus— ſtrömungsklappen vollſtändig erreichen, aber die Leitungs— fähigkeit der erwärmten Luft in horizontalen Kanälen iſt ſehr beſchränkt. Infolge der geringen Triebkraft der er— wärmten Luft nach horizontaler Richtung iſt die Wirkung der Luftheizung leicht Störungen durch die Windrichtungen und dem Witterungswechſel ausgeſetzt. Die Regulierung der Waſſerheizung, welche mittels Ventilen zu bewirken iſt, hat bisher noch nicht in befriedigender Weiſe erreicht werden können. Bei der Dampfheizung hat man neuerdings die unvollkommene Regulierung mittels Ventilen durch Her— ſtellung eines Heizkörpers (Kalorifers) mit wärmedichtem Mantel umgangen, wie dies in ſehr vollkommenen Central— heizſyſtemen von Bachem und Poſt in Hagen (Weſtfalen) der Fall iſt. Dieſes Syſtem beſitzt auch einen ſich in der Feuerung und Dampferzeugung ſelbſtregulierenden, abſolut ſicheren Heizkeſſel, der überall aufſtellbar iſt, und es bildet dieſes Syſtem nach der jetzt ſehr beliebten Weiſe eine Kom— bination der Warmwaſſer- und Dampfheizung, wobei für ausreichende Ventilation durch Mitbenutzung der Principien der Luftheizung geſorgt wird. Was die Fortſchritte im Beleuchtungsweſen anbelangt, ſo haben die Gastechniker den Wettkampf mit dem elektriſchen Lichte noch keineswegs gänzlich aufgegeben. Erſt neuerdings iſt von dem berühmten Friedrich Siemens, dem Gasinſtitut in London, eine neuartige Gaslampe, welche nach dem Regenerativprincip zerſtreutes Licht in möglichſt vollkommener Verteilung liefert, vorgelegt worden. Bei dieſer Lampe iſt ein gewöhnlicher Schlitzbrenner mit vier übereinander geſtülpten, enge Zwiſchenräume übrig laſſenden paraboloidiſchen Metallſchirmen verſehen, welche von innen nach außen mit a, b, e, d bezeichnet fein mögen, jo daß a der innerſte und d der äußerſte Schirm iſt, wo— bei a und b, ſowie d oberhalb durchbrochen find, a und b am unteren Rande Oeffnungen zwiſchen ſich laſſen, b und d dagegen am unteren Rande dicht verbunden ſind, während o fo zwiſchen b und d hineinragt, daß e noch nicht auf den b und d verbindenden Rand aufſtößt. Durch dieſe Anordnung wird es möglich, daß die Verbrennungsgaſe zwiſchen den Schirmen bund e niederwärts, und alsdann um den unteren Rand von e herum zwiſchen e und d wieder aufwärts ſtrömen können, um durch den auf d ſitzen— den Cylinder zu entweichen, während die zur Speiſung der Flamme dienende Luft zwiſchen a und b emporſteigt und dabei ſich vorwärmt. Um das vorzeitige Vermiſchen der friſchen, oberhalb unter den inneren Schirm à eintreten— den Luft mit den Verbrennungsgaſen zu verhüten, iſt der Schirm b an ſeiner oberen Oeffnung mit einem bis dicht über die Flammen niederwärtsgehenden koniſchen Anſatze verſehen. Der innere Schirm a wirkt hierbei noch als Reflektor. Dieſe billig herzuſtellende Lampe liefert bei ſehr bedeutender Gaserſparnis ein ſehr angenehmes Licht, und es kann dabei eine vollſtändige Abführung der Verbrennungs- produkte ſowie der läſtigen Hitze bewirkt werden. 488 Humboldt. — Dezember 1885. Für die praktiſche Ausführung elektriſcher Be- leuchtungsanlagen iſt die Verteilung der Elektricität von größter Wichtigkeit. Es iſt dabei Bezug zu nehmen, auf die Elektricitätserzeuger, auf die Leitungen und auf die Lampen in der Weiſe, daß man mit dem geringſten Koſtenaufwande ein beſtändiges und für den in das Auge gefaßten Zweck ausreichendes Licht erhält. Die Beſtändig— keit des Lichtes erfordert eine Beſtändigkeit der elettro- motoriſchen Kraft, welche heutzutage ohne Schwierigkeit herzustellen iſt, indem der Elektrotechniker über Motoren mit beſtändig regelmäßigem Gang und über Dynamomaſchinen mit ſelbſtthätiger Stromregulierung verfügen kann. Die gewöhnliche elektriſche Beleuchtung wird gegenwärtig nach drei Syſtemen der Elektricitätsverteilung zur Ausführung gebracht, nämlich entweder mit Anordnung der Lampen in einer Leitung auf durchgehenden Geſamtſtrom, oder mit Anordnung der Lampen zwiſchen zwei Leitungszweigen mit Stromteilung oder mit Sekundärgeneratoren, wobei durch hochgeſpannte Wechſelſtröme mittels Induktionsſpulen Se- kundärſtröme von mäßiger Spannung zur Speiſung der Lampen erzeugt werden. Die beiden erſten, älteren Sy- ſteme der Elektricitätsverteilung ſind mit verſchiedenen be- achtenswerten Modifikationen der Elektricitätsverteilung zur Anwendung gebracht worden. Als Beiſpiel der erſten Ver— teilungsart, welche in der Anordnung der Lampen hinter— einander in einem gemeinſchaftlichen Stromkreiſe beſteht, iſt die Beleuchtung der Londoner City mit Bruſh-Bogen— lampen anzuführen. Es ſind in dieſem Falle 40 Bogen- lampen durch einen fortlaufenden Leitungsdraht in einer Reihe miteinander verbunden, ſo daß alſo hierbei der elektriſche Strom, ähnlich wie ein Fluß, der eine große Anzahl längs ſeines Bettes angelegter Mühlen zu treiben hat, ein ſtarkes Gefälle oder eine hohe Anfangsſpannung, das iſt eine große elektromotoriſche Kraft beſitzen muß. Die übliche Anlage der Ediſon-Glühlampen liefert ein Bei⸗ piel der Anordnung in Verzweigung oder Parallelſchal— tung, wobei durch das ganze Beleuchtungsterrain zwei dicke Hauptleitungen geführt ſind, zwiſchen denen durch parallele Querdrähte die einzelnen Lampen eingeſchaltet ſind, ſo daß jede Lampe einen ihrer Leiſtung entſprechenden Teil des Stromes zugeführt erhält. — Die Anordnung der Lampen in Reihenſchaltung iſt beſchränkt, und es iſt dieſes Syſtem mit dem Uebelſtande behaftet, daß durch Auslöſchen einer einzigen Lampe alle übrigen ſofort mit ausgelöſcht werden, denn der durch den einen alle Lampen verbindenden Lei— tungsdraht gehende Strom wird von der ausgelöſchten Lampe unterbrochen; jedoch iſt dafür Abhilfe zu ſchaffen, indem man einen für dieſen Zweck beſonders konſtruierten elektromagnetiſchen Apparat an jeder Lampe anbringt, welcher ſelbſtthätig bewirkt, daß die zufällig durch irgend welche Beſchädigung außer Dienſt geſetzte Lampe aus der Leitung ausgeſchaltet und dem Strome ein anderer Weg zum un— geſtörten Fortgange nach den übrigen Lampen gebahnt wird. Das Syſtem der Reihenſchaltung verlangt hoch— geſpannte Ströme, welche bei mangelnder Vorſicht den Menſchen leicht gefährlich werden können; dagegen erhält man dadurch den Vorteil, mit ſchwachen und verhältnis— mäßig billigen Leitungen auszukommen. Für gewöhnliche Glühlampen iſt dieſes Syſtem nicht anwendbar, wohl aber kann dasſelbe bei der neuerdings von Bernſtein erfun— denen, durch ſekundäre Stromwirkung geſpeiſten Glühlampe Verwendung finden, weil dieſe einen hochgeſpannten Strom verträgt. Das zweite Syſtem, die Parallelſchaltung, iſt in theoretiſcher Hinſicht unbeſchränkt, indeſſen bedarf dasſelbe, um hochgeſpannte Ströme zu vermeiden, bei einiger Aus- dehnung ſehr ſtarker Leitungen, wodurch die Anlagekoſten enorm erhöht werden. Eine Kommiſſion bedeutender Elektro⸗ techniker hat neuerdings berechnet, daß für eine Beleuch⸗ tungsanlage von 100 000 Glühlampen zwei Kupferbänder von etwa 28 m Breite und 10 mm Dicke, das iſt von 28 000 gem Querſchnitt (was für runde Leitungskabel etwa 81 em Durchmeſſer) betragen würde. Eine ſolche Leitung würde pro Kilometer Länge etwa 2500 Tonnen (à 1000 kg) wiegen und etwa 23 Millionen Mark koſten. Der Energieverluſt des durch dieſe Leitung zur Spei— ſung der Glühlampen getriebenen Stromes würde jährlich pro Kilometer 4220 Pferdeſtärken im Werte von nahezu einer Million Mark betragen. Leiter von ſo enormen Di— menſionen und ſo erſchreckenden Verluſten machen das Zweigſchaltungsſyſtem für größere Anlagen ſchon vom finan— ziellen Standpunkte aus zur Unmöglichkeit. Dr. Hop⸗ kinſon in England und Ediſon in Amerika haben die Koſten des Verzweigungsſyſtems durch den Betrieb mittels zwei auf Spannung verbundener Dynamomaſchinen und Anbringung einer dritten Zwiſchenleitung bedeutend ver- mindert, indem durch die Verdoppelung der elektromoto— riſchen Kraft das Gewicht der Kupferleitung auf etwa drei Achtel des oben angegebenen Gewichtes gebracht wird. Die Gewichtsverminderung wird immer größer, je mehr Leitungsdrähte verwendet werden, und beträgt bei fünf etwa nur noch 82 vom Gewicht des einfachen Syſtems. Die nach Maßgabe der Entfernung von der Elektricitäts— quelle oder mit Zunahme der in Betrieb geſetzten Lampen⸗ zahl ſich vermindernde Energie jest der Elektricitätsver— teilung eine ernſte Schwierigkeit entgegen, und wenn man im Zweigleitungsſyſtem eine gleichmäßige Leiſtung erhalten will, ſo muß man in den verſchiedenen Teilen des Strom— kreiſes verſchiedene, den bemerkten Umſtänden entſprechende Lampen benutzen, welche eine mehr oder minder große elektromotoriſche Kraft erfordern. Um dieſe Uebelſtände in Wegfall zu bringen, benutzt man in der Praxis zwei Methoden für die Stromverteilung, nämlich elektromagne— tiſche Reguliervorrichtungen und Sekundärbatterien oder elektriſche Accumulatoren. Durch die elektromagnetiſche Einrichtung wird anſtatt einer etwa verſagenden Lampe ſofort ſelbſtthätig ein entſprechender Widerſtand in die Leitung eingeſchaltet, ſo daß die Stromſtärke für die übrigen Lampen ungeſtört bleibt. Die in die Zweigleitungen ein— geſchalteten Accumulatoren ſetzen dem durchgehenden Strome ebenfalls einen gewiſſen Widerſtand entgegen, und es iſt dieſer Widerſtand ſo bemeſſen, daß derſelbe den Geſamtwider— ſtand der in der Leitung befindlichen Lampen bedeutend übertrifft. Sobald durch Verlöſchen einer Lampe ein Strom⸗ überſchuß entſteht, wird derſelbe wiederum von den Accu— mulatoren aufgenommen und den Lampen ſtets nur der zu ihren normalen Betrieb erforderliche Strom zugemeſſen. Die dritte Methode der Elektricitätsverteilung erfolgt mittels der von Goulard und Gibbs erfundenen, zur Nutzbar— machung der Induktionserſcheinung dienenden Sekundär- Humboldt. — Dezember 1885. 489 generatoren. Der Zweck dieſer Apparate beſteht darin, die vom elektriſchen Primärgenerator (der Dynamomaſchine) gelieferte elektriſche Energie, deren Quantität dem Produkt: hohe elektromotoriſche Kraft mal geringer Stromſtärke ent— ſpricht, in elektriſche Ströme verſchiedener Art, aber jeden— falls von geringerer elektromotoriſcher Kraft und größerer Stromſtärke umzuwandeln, um ſo den praktiſchen Zwecken des Elektricitätsverbrauches zu entſprechen. Dieſe Sekundär— generatoren ſind alſo nichts weiter als Induktionsſpulen, die aus zwei leitenden Spiralen, eine von großem Wider- ſtand für den Primärſtrom und eine von beliebig gerin— gerem Widerſtand für den Sekundärſtrom, zuſammengeſetzt ſind, und deren Speiſung ſelbſtverſtändlich durch Wechſel— ſtröme zu erfolgen hat, ſo daß ſie auch wiederum direkt Wechſelſtröme liefern, die aber durch einen geeigneten Kom— mutator in einen kontinuierlichen Strom umgewandelt werden können, wenn dies für den Verbrauch der Elek— tricität als notwendig erſcheint. Die Benutzung der elektriſchen Kraftübertra— gung läßt wegen der im Wege ſtehenden praktiſchen Schwierigkeiten noch auf ſich warten, ſo daß man ſich vorläufig noch mit anderen Hilfsmitteln für denſelben Zweck begnügen muß. In dieſer Beziehung hat beſonders die Verwendung des hydrauliſchen Druckes bedeutende Anwen— dung in England gefunden. Schon vor etwa 30 Jahren wurde dieſe Kraftübertragungsmethode von William Arm— ſtrong im größeren Maßſtabe praktiſch zur Anwendung gebracht, indem derſelbe einen andauernd gleichmäßigen Waſſerdruck von 50 bis 55 Atmoſphären mit dem von ihm erfundenen hydrauliſchen Accumulator erzeugte. Später hat Tweddell ſich durch Erfindung geeigneter Maſchinen um die Ausbildung dieſes Betriebsſyſtems ſehr verdient gemacht, und es iſt gegenwärtig eine erwieſene Thatſache, daß die hydrauliſche Kraft infolge des dabei auftretenden geringen Effektverluſtes um ſo ökonomiſcher in ihrer An— wendung iſt, je größere Ausdehnung die damit betriebene Anlage hat. So ſind z. B. im Seemagazine von Toulon eine Anzahl hydrauliſcher Werkzeugmaſchinen in Betrieb, denen das Druckwaſſer durch dieſelbe früher den Betrieb mittels Räder- und Riementransmiſſionen beſorgende Dampf— maſchine zugeführt wird. Betriebsweiſe dieſe Maſchine eine Arbeitsleiſtung von un— gefähr 25 Pferdeſtärken zu entwickeln hatte, leiſtet dieſelbe bei dem hydrauliſchen Betrieb etwa nur noch 10 Pferde— ſtärken. Der genannte engliſche Ingenieur Tweddell faßte zuerſt den Plan, ein vollſtändiges Syſtem der Anſamm— lung, Verteilung und Anwendung des hydrauliſchen Druckes zum Betriebe von Arbeitsmaſchinen zur Anwendung zu bringen und hat ſeit 1871 bis jetzt über 700 ſolcher An— lagen bereits ausgeführt. Eine beſonders ausgedehnte Be— nutzung hat die Tweddellſche transportable hydrauliſche Während aber bei der früheren Nietmaſchine im Fache der Eiſenkonſtruktionen, wie Dampf— keſſel-, Brücken- und Schiffsbau gefunden. Von beſonderem Intereſſe iſt die Benutzung der hydrauliſchen Hebekraft zur Beförderung des Kanalverkehrs, für welche Beiſpiele in den vom Eng— länder Edwin Clark ausgeführten Anlagen zu Anderton in der Grafſchaft Cheſhire, bei Fantinolle zin Frankreich zur Ueberführung des die Häfen von Dünkirchen, Calais und Boulogne mit Paris verbindenden Nuefoſſé-Kanals über eine 4 m hohe Bodenerhebung bereits vorliegen, und welche in der jetzt im Bau begriffenen Verbindung des Charlorei-Brüſſel-Kanals bei Mons in Belgien mit dem Waſſerwege nach den Häfen des nördlichen Frankreichs, ſowie nach Paris vermittelnden Condé-Kanals über eine Bodenerhebung von 66 m eine großartige Anwendung findet. Es kommen hierbei vier doppelte hydrauliſche Apparate mit durchſchnittlich 16,5 m Hubhöhe zur Wirkung. Jeder der— ſelben beſteht aus einem in das Kanalbett eingeſenktem Cylinderpaare mit 2 m ſtarkem Kolben. Jeder der beiden Kolben trägt zur Aufnahme des Schiffes einen an beiden Enden mit waſſerdichten Thüren verſchließbaren eiſernen Waſſerkaſten von 40 m Länge, 5,6 m Breite und 0,7 m Tiefe, in welchen das Schiff einfährt und nach Schluß der Thüren ſchwimmend durch Hebung des hydrauliſchen Kolbens vom untern in den obern Kanal, oder durch Senkung vom obern in den untern Kanal befördert wird. Die obere Kanalſtrecke iſt am betreffenden Ende mit einem eiſernen Ausbau verſehen, an welchen ſich das Ende des gehobenen Kaſtens mittels Gummidichtungen waſſerdicht anlegt, worauf nach Oeffnung der beiderſeits angebrachten Thüren Kanal und Kaſten einen Waſſerſpiegel bilden. Eine andere Art der Kanalverbindung ſoll nach dem Vorſchlage des Ingenieurs Paslin mittels ähnlicher auf ſchiefen Eiſenbahnen fahr— barer Waſſerkäſten erreicht werden. Ein ſolcher etwa 40 m langer und 600 Tonnen ſchwerer Waſſerbehälter muß zur Anſchmiegung an die Bahnunebenheiten und Kurven ge— lenkig ſein und beſteht daher aus fünf mittels Gummi— dichtungen pufferartig verbundenen und nach allen Rich— tungen hin etwas beweglichen Teilen; jeder Kaſtenteil ruht auf vier Achſen mit je zwei Räderpaaren, ſo daß das ganze Fuhrwerk mit je zwanzig Räderpaaren auf zwei Schienen— paaren läuft. Die Zugkraft wird von einer ſtehenden Dampfmaſchine mittels eines endloſen, zwiſchen den beiden Bahnen auf Tragrollen laufenden Stahldrahtſeiles bewirkt. Ein noch viel großartigeres, ähnliches Projekt liegt in der vom amerikaniſchen Ingenieur James Eads entworfenen, zur Ueberfahrt großer 5000 Tonnen ſchwerer Seeſchiffe in einem fahrbaren Schwimmbaſſin über die 220 km breite Landenge von Tehuantepek beſtimmten Schiffseiſenbahn vor, deren Ausführbarkeit von einer Kommiſſion der tüchtigſten Fachleute für möglich erklärt worden iſt. 490 Humboldt. — Dezember 1885. e e OP @ e e e e A. Supan, Grundzüge der phyſiſchen Erdkunde. Mit 139 Abbildungen im Text und 20 Karten in Farbendruck. Leipzig, Verlag von Veit u. Comp. 1884. Preis 10 Dieſes Buch eignet ſich trefflich für Studierende der Naturwiſſenſchaften und der Geographie zur erſten Ein— führung in eine der wichtigſten Grenzdisciplinen. Mit Vermeidung gelehrten Apparats und in anziehender, all— gemein verſtändlicher Darſtellung führt der Verfaſſer die neueſten Ergebniſſe der Forſchung vor. Allerdings hat er verſchiedene Materien, welche ſonſt wohl auch dem von ihm behandelten Gebiete zugerechnet zu werden pflegen, grund— ſätzlich ausgeſchloſſen; die geſtaltlichen Verhältniſſe des Erdkörpers und deſſen innere Beſchaffenheit werden nur kurz geſtreift, die Geſetze des Erdmagnetismus fehlen, ſo— weit nicht das Nordlicht ihre Erwähnung notwendig machte, gänzlich, die Meteorologie findet nur inſoweit Aufnahme, als ſie bei der Löſung klimatologiſcher Fragen in Betracht kommt. Auf die Klimakunde aber iſt ſehr viel Fleiß und Sorgfalt verwendet, und da der Verfaſſer auf dieſem Ge— biete ſich ſchon mehrfach als ſelbſtändiger Forſcher hervor— gethan hat, ſo konnte man darauf rechnen, hier viel des Beachtenswerten zu finden. Es ſei insbeſondere auf die Einteilung der Erdoberfläche in „Klimaprovinzen“ hin— gewieſen, deren — von der autonomen arktiſchen Provinz abgeſehen — die Alte Welt 21, die Neue 12 in ſich auf— nimmt. Die Gletſcher werden ebenfalls in dieſem Abſchnitt mitbeſprochen, und zwar auf kleinem Raume ſehr erſchöpfend; der Verfaſſer neigt ſelbſt der Plaſtizitätstheorie zu, und wenn er meint, daß dieſelbe nicht zur Erklärung aller der komplizierten Einzelvorgänge ausreiche, ſo möchten wir mit Rückſicht auf eine Reihe moderner experimenteller Arbeiten noch hinzufügen, daß die Plaſtikodynamik ſich nunmehr, durch die ſcharfe Unterſcheidung zwiſchen den zwei grundverſchiedenen Arten ſchwerflüſſiger Körper, ihrem Ziele wieder bedeutend genähert hat. Das ſechſte Kapitel unſeres Werkes iſt dem Meere eingeräumt; mit beſonderer Vorliebe ſcheinen die Gezeiten behandelt zu ſein. Es folgt eine gründliche Diskuſſion der Eroſionsarbeit der Meeres— wogen, verbunden mit einer ziemlich ſcharfen Kritik der bisherigen Anſichten über das Steigen und Sinken der Küſten; alsdann ſchildert der Verfaſſer die Entſtehung von Abraſionsplateaus (nach v. Richthofen) und von Fjordeinſchnitten, welch letztere er nicht als lediglich eroſive Gebilde betrachtet wiſſen will. Der Dünenbildung ſchließt ſich die Inſel- und Halbinſelbildung an; Herr Supan ſteht, was die Klaſſifikation der Meeresinſeln angeht, der Hauptſache nach auf dem Standpunkte A. Kirchhoffs. Der Abſchnitt über die charakteriſtiſchen Oberflächenformen, über die Eroſions- und Denudationsarbeit, welche Luft und Waſſer ausüben, iſt, teilweiſe nach Heim, ſehr gründlich gearbeitet und durch ſchön gezeichnete Anſichten erläutert, wogegen uns das fließende Waſſer an ſich etwas zu kurz weggekommen zu ſein ſcheint. Orographie und Orogenie, Gebiete alſo, denen der Verfaſſer auch ſchon früher fein Intereſſe als Forſcher zugewandt hatte, ſind dagegen wieder mit ſichtlicher Liebe behandelt; die Lehre von den vul— kaniſchen und ſeiſmiſchen Erſcheinungen iſt gleich in jene mit verwebt worden. Faſt der vierte Teil des Ganzen aber beſchäftigt ſich mit Tier- und Pflanzengeographie, und man kann ſich denken, daß in der immerhin gedrängten Darſtellung nichts irgendwie Wichtiges unbeſprochen ge— blieben iſt, daß vielmehr die neuen und reformatoriſchen Theorien von Engler und Wallace zu gebührender Geltung gekommen ſind. Auch die „iſobromatoriſchen Linien“ Ungers dürften hier erſtmalig in einem nicht für das eigentliche Fachpublikum berechneten Werke erſcheinen. — Die beigefügten Ueberſichtskarten bringen vorzugsweiſe klimatologiſche Verhältniſſe zur Darſtellung, doch ſind auch andere Punkte berückſichtigt, und namentlich die Iſobathen— karte iſt non hohem Werte. Dagegen muß wohl jenes Mh e © ) Gh @ . Kartenbild, welches uns die Hauptrichtlinien der Erd—⸗ oberfläche vorführt, künftig durch ein Schema der Haupt⸗ bruchlinien der Erdrinde im Sinne von Eduard Sueß erſetzt werden. Ansbach. Prof. Dr. S. Günther. V. Sydow und C. Mylius. Botaniker⸗Kalender 1886. 2 Teile. 1. Teil: Kalendarium, Schreib⸗ und Notizkalender, Hilfsmittel für die botaniſche Praxis 2c. 2. Teil: Botaniſches Jahrbuch. Berlin, J. Springer. Preis 2 4 Ein äußerſt nützliches Unternehmen, beſonders für Floriſten unentbehrlich. Der erſte Teil iſt ein höchſt be⸗ quemes Taſchenbüchlein, mit einem Eiſenbahnkärtchen von Deutſchland und mit den unentbehrlichſten Geſchäftsnotizen ausgeſtattet, ſolide in Leinwand gebunden und höchſt ſauber gedruckt. Im Schreibkalender findet man Geburts- und Todestage hervorragender Botaniker verzeichnet. Die, Hilfs⸗ mittel“ enthalten: General-Regeln für Pflanzenſammler. Abkürzungen. Farbenſkala. Verzeichnis deutſcher Floren. Heilpflanzen der Pharmakopöße. Die Florenreiche nach Drude. Beſtimmungs-Tabellen über Rubus, Roja, Chara⸗ ceen, Sphagnum. Mikroſkopiſche Reagentien. Maße. Gewichte. Münzen. Zeitunterſchiede auf der Erde. Im zweiten Teil findet man biographiſche Notizen über die in den letzten beiden Jahren verſtorbenen Botaniker, ein Botantterver- zeichnis, ein ſolches von Floriſten, vom Tauſchverkehr, von botaniſchen Geſellſchaften, Unterrichtsanſtalten, botaniſchen Gärten und Sammlungen, botaniſchen Vorleſungen, ein Litteraturverzeichnis u. ſ. w. Im ganzen machen die Angaben den Eindruck der Korrektheit und Zuverläſſigkeit, aber es liegt auf der Hand, daß bei einem fo mühſamen Werk bei der erſten Heraus- gabe noch einzelne Fehler mit unterlaufen. So wird z. B. E. Reichardt als Direktor der Sammlungen des botan. Inſtituts zu Jena namhaft gemacht. Reichardt iſt Chemiker, Direktor der botaniſchen Sammlungen iſt unſeres Wiſſens E. Stahl und Kuſtos Dr. David Dietrich. Der Wohnſitz des Referenten wird nach Dresden verlegt. Solche kleine Mißgriffe, welche zuverſichtlich im nächſten Jahrgang vermieden werden, können den Wert des ganzen Unternehmens nicht beeinträchtigen. Der Abſatz iſt als völlig geſichert zu betrachten, denn keiner, der irgend für die Pflanzenwelt Intereſſe hat, wird den, Botaniker-Kalender“ entbehren können. Jena. Prof. Dr. Hallier. BS. Heß, Das Hüßwaſſeraquarium und ſeine Be. wohner. Ein Leitfaden für die Anlage und Pflege von Süßwaſſeraquarien. Mit 105 in den Text gedruckten Abbildungen. Stuttgart, Ferd. Enke. 1886. Preis 6 KH „Der durch ſeine „Bilder aus dem Aquarium“ bekannte Verfaſſer gibt in dieſem empfehlenswerten Buche eine ſehr gründliche Anweiſung für alle, welche an der Beobachtung und Pflege unſerer Süßwaſſerpflanzen und Tiere Freude haben. Die verſchiedenen, in neuerer Zeit gebräuchlichen Arten von Zimmeraquarien und die Methoden der Durch— lüftung des Waſſers werden genau und allgemeinverſtänd— lich beſchrieben. Vermißt habe ich nur eine Erwähnung der ſo äußerſt einfachen und praktiſchen Aquarien aus Holzrahmen mit eingekittetem Glasboden und Glaswänden, welche, ſoviel ich weiß, zuerſt in der Zoologiſchen Station zu Neapel gebraucht wurden und nach meiner Erfahrung allen andern vorzuziehen ſind. Der größere Teil des Buches iſt den bekannteſten Pflanzen und Tieren des Aquariums gewidmet, deren Fang, Pflege und Lebens— gewohnheiten ausführlich beſprochen werden; der Laie er— hält dadurch Belehrung und Anregung zu eigenen Beob— achtungen. Die zahlreichen erläuternden Abbildungen ſind mit wenigen Ausnahmen gut zu nennen. Im Vergleich Humboldt. — Dezember 1885. 491 mit den älteren Schriften von Roßmäßler und Graeffe iſt das Buch ein entſchiedener Fortſchritt und befriedigt durch ſeine Ausführlichkeit ein vielfach empfundenes Be— dürfnis. Oldenburg. Dr. Friedrich Heincke. Hugo Zöller, Jorſchungsreiſen in der deutſchen Kolonie Kamerun. Stuttgart, W. Spemann. 2 Bde. 1885. Preis 10 % Das neueſte, von dem Forſchungsreiſenden H. Zöller herausgegebene, dem Fürſten Bismarck gewidmete Werk betrifft die deutſche Kolonie Kamerun. Wir wollen vor— läufig, da beabſichtigt wird, eine genauere Beſprechung ſpäter folgen zu laſſen, nur bemerken, daß das Buch in eingehender Weiſe die Verhältniſſe in Kamerun mit rühm— lichſter Klarheit und lebendiger Friſche behandelt. Die litterariſchen Arbeiten des Verfaſſers haben überhaupt durch ihre offene und unumwundene Ausſprache viel zu klarer Einſicht in die Verhältniſſe der afrikaniſchen Kolonien beigetragen, ſo daß das deutſche Publikum dem kühnen Reiſenden und zuverläſſigen Berichterſtatter ſehr zu Dank verpflichtet iſt. Frankfurt a. M.] Prof. Dr. G. Krebs. Emil Tietze, Aeber Steppen und Wüſten. Ein Vortrag, gehalten im Verein zur Verbreitung naturwiſſenſchaftl. Kenntniſſe in Wien. Wien 1885. Der Autor gibt eine ſehr intereſſante Ueberſicht der neueren Forſchungen über die „Verwüſtungsfrage“. Gegen ſeine Schlußfolgerung, daß in den Wüſten und Steppen wenigſtens ſeit der hiſtoriſchen Zeit — hiſtoriſch im weite— ſten Sinne genommen — eine Verſchlimmerung der klima— tiſchen Verhältniſſe nicht ſtattgefunden habe, dürfte wenig eingewendet werden können, mehr vielleicht gegen den Verſuch, nachzuweiſen, daß das Kameel nicht erſt zur Pto⸗ lemäerzeit nach Nordafrika eingeführt worden ſei. Jeden— falls ſticht die Broſchüre durch ihren ruhigen wiſſenſchaft— lichen Ton und die erſchöpfende Behandlung ſehr angenehm ab gegen ſo manche „populäre“ Bearbeitung derſelben Frage. Schwanheim a. M. Dr. W. Kobelt. Tothar Weyer, Die modernen Theorien der Che- mie. 5. Aufl. Breslau, Maruſchke & Berendt. Das über 600 Seiten umfaſſende Werk des rühmlichſt bekannten Chemikers Lothar Meyer iſt ein für jeden Chemiker, namentlich für den Anfänger, unentbehrliches Werk, wofür auch ſchon der Umſtand ſpricht, daß es be— reits in fünfter Auflage erſchienen iſt; auch folgen die Auflagen immer raſcher aufeinander, ein Beweis, daß der Wert des Buches immer mehr gewürdigt wird. Ueber die ganze Entwickelung der neueren Theorien der Chemie gibt das Buch ausführliche Auskunft und iſt zugleich ſo klar geſchrieben, daß es mit Leichtigkeit für jeden verſtändlich iſt, der mit den Elementarkenntniſſen in Chemie und Phyſik vertraut iſt. Uebrigens iſt das Werk in ganz Deutſchland bereits ſo bekannt, daß es faſt überflüſſig erſcheint, eine beſondere Empfehlung hinzuzufügen. G. Krebs. Frankfurt a. M. Dr. Sender, Die Gaſe und ihre Bedeutung für den menſchlichen Organismus mit fpektro- fRopifden Anterſuchungen. L Teil. Breslau, Fiſchers Medizin. Buchhandlung (H. Kornfeld). 1885. Preis 6 / Der Herr Verfaſſer, wie bekannt ein wackerer Kämpe für die therapeutiſche Verwertung des Ozons und des Shnmaſſers, hat in dem vorliegenden Bande vielerlei Leſefrüchte geſammelt und unter einem Geſichtspunkte anzuordnen geſucht. Alles was Philoſophie, theoretiſche Prof. Dr. Phyſik, Chemie, Klimatologie und Medizin über die atmoſphäriſche Luft, über die wichtigſten Gaſe ermittelt haben, wird gewiſſenhaft gebracht und in eine — häufig | 1 allerdings erſt zu erweiſende — Beziehung zu Geſundheit und Krankheit gebracht. Das durchfurchte Gebiet iſt zu weitläufig, als daß überall die Spreu vom Weizen hätte geſondert werden können. Dieſer erſte Band iſt wohl als Einleitung zu betrachten. Hoffentlich werden die folgenden Teile das Syſtem des Verfaſſers deutlicher erkennen laſſen. Berlin. Dr. Th. Weyl. Bibliographie. Bericht vom Monat Oktober 1885. Allgemeines. Viographieen. Abhandlungen der deer J Geſellſchaft zu Halle. 16. Bd. 3. Heft. Halle, M. Niemeyer. 5 Bail, Methodiſcher Leitfaden für den Unterricht in der Naturgeſchichte. Zoologie. 1. Heft. (Kurſ. 1 III.) 3. Aufl. Leipzig, Fues' Ver⸗ lag. Gebd. M. 1. 50. Encyklopädie der Naturwiſſenſchaften. 32. Lfg. Breslau, E. Trewendt. Subſkr.-Preis à M. 3. Inhalt: I. Handwörterbuch der Zoologie, Anthropologie und Ethnologie. 16. Lfg. II. Handwörterbuch der Chemie. 15. Lfg. Hofmann, J., Grundzüge der Naturgeſchichte für den Gebrauch beim Unterrichte. 1. Thl. Naturgeſchichte des Menſchen und der Thiere. 6. Aufl. München, Kgl. Centralſchulbücher-Verlag. Gebd. M. 2. 20. 00 Grundriß der Naturgeſchichte. 1. u. 2. Thl. 2. Aufl. Halle, E. Anton. Inhalt: 1. Thierkunde. M. 1. 40. — 2. Pflanzen⸗ kunde. M. 1. 20. Hummel, A., Leitfaden der Naturgeſchichte. 1. u. 2. Heft. Inhalt: 1. . — 2. Pflanzenkunde. Halle, a M. — b Naturgeſchichte pes Thier-, I. Abth. 44. Lfg. und II. Abth. 11. Aufl. E. Anton. Pflanzen⸗ und Mineralreichs. 1. Abthl. 1. u. 3. Thl., 2. u. 3. Abthl. Eßlingen, J. F. Schreiber. M. 35. 50. Inhalt: I. i. 50 oats d. Sang 9. Aufl. 5. Abdr. M. 6., Einbd. M. 0. — 3. Naturgeſchichte der Amphibien, Fiſche, Weich⸗ u. Sealenigiere Inſekten, Würmer u. Strahlenthiere. 9. Aufl. 6. Abdr. M. 6.; Einbd. M. —. 50.; Thierreich. Kplt. M. 18. Einbd. M. 1. — II. b dee des Pflanzenreichs. Nach H. G. v. Schubert's Lehrbuch d. Naturgeſchichte. Hrsg. von Ch. F. Hochſtetter. Neu bearb. v. M. Willkomm. 3. Aufl. 8. Abdr. M. 13. 50., Einbd. M. —. 75. — III. Das Mineralreich in Bildern. Von J G. v. Kurr. 3. Aufl. 50 Abdr. Neu bearb. v. A. Kenn⸗ gott. M. 10. Einbd. M. — Revue der Fortſchritte der Naturwiſſenſchaften. Hrsg. v. H. J. Klein. 14. Bd. Neue Folge. 6. Bd. (6 Hefte). 1. Heft. Köln, E. H. Mayer. pro kplt. M. 9. 2 : Sitzungsberichte der kaiſerl. Akademie der Wiſſenſchaften. Mathematiſch— naturwiſſenſchaftliche Klaſſe. 2. Abtheil. Enth. die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mathematik, Phyſik, Chemie, Mechanik, Meteo— rologie u. Aſtronomie. Wien, C. Gerold's Sohn. 91. Bd. 4. u. 5. Heft. M. 8.; 92. Bd. 1. Heft. M. 5. 50. Verhandlungen der naturforſchenden 29 in Baſel. 3. (Schluß⸗ Heft. Baſel, H. Georg, Vlg. M. 8. Verhandlungen der faij. königl. 750010 botaniſchen Geſellſchaft in Wien. Jahrg. 1885. 35. Bd. 1. Halbjahr. Wien⸗Leipzig, F. A. Brock⸗ haus' Sort. M. 10. Shyfik, Bhyfikalifhe Geographie, Meteorologie. Archiv der Mathematik und Phyſik. Gegründet von J. A. Grunert, E R. Hoppe. 2. Reihe. 3. Thl. (4 Hefte). 1. Heft. Leipzig, C. A. Koch's Verlag. pro kplt. M. 10. 50. Bamberg, K K., Wandkarte von Deuiſchland für den erſten Curſus. 14. Aufl. 12 Blatt. Phyſikaliſche Ausgabe. Chromolith. Berlin, C. Chun. M. 12.; auf Leinw. in Mappe M. 16. 50., mit Stäben M. 18. Beiträge zur Hydrographie d. Großherzogth. Baden. 2. Heft. Inhalt: Die Niederſchlagsverhältniſſe d. Großherzogth. Baden. Karlsruhe, G. Braun'ſche Hofbuchh. M. 6. Hann, J., Die Temperaturverhältniſſe der W tien 05 Dees 3. (Schluß⸗ T hl. Wien, C. Gerold's Sohn. M. Krebs, G., Lehrbuch d. Phyſik f. Real- und höhere Bürgerſchulen, Ge⸗ werbeſchulen und Seminarien. 5. Aufl. Wiesbaden, J. F. Berg⸗ mann. aie 3. 60 Lehmann, O., Phyſikaliſche? gung phyſikal. Apparate. Mascart, E. netismus. Oppenheim, Wien, C. Spitaler, R., 7. Thl. Technik, ſpeciell Anleitung zur Selbſtanferti⸗ Leipzig, W. Engelmann. M. 8. und J. Joubert, Lehrbuch der Electricität und des Mag⸗ Ueber}. von L. Levy. Berlin, J. Springer. 1. Bd. M. 14. S., Ueber die Rotation u. Präceſſion e. flüſſigen Sphäroids. Gerold's Sohn. M. —. 80. Die Wärmevertheilung auf der Erdoberfläche. C. Gerold's Sohn. M. 1. 40. Statiſtik, preußiſche. LXXXII. Ergebniſſe der meteorologiſchen Beob- achtungen im J. 1884. Berlin, Verlag d. kgl. ſtatiſt. Bureaus. M. 5. 20. Wildermann, M. Anwendungen. Wien, Die Grundlehren der Eleltricität und ihre wichtigſten Freiburg i. Br., Herder'ſche Verlagshandlg. M. 7 Aſtronomie. Herz, N., Bahnbeſtimmung d. Kometen C. Gerold's Sohn. M. —. 35. Herz, N., Entwicklung der Differentialquotienten der geocentriſchen Coor⸗ dinaten nach zwei geocentriſchen Diſtanzen in einer elliptiſchen Bahn. Wien, C. Gerold's Sohn. M. —. 60. (242) Kriemhild. Wien, 492 Humboldt. — Dezember 1885. W., Jordan, Grundzüge der aſtronomiſchen Zeit- und Ortsbeſtimmung. Berlin, J. Springer. M. 10. Nachrichten, aſtronomiſche. Hrsg. v. A. Krueger. 113. Bd. (24 Nrn.) Nr. 1. Hamburg, W. Mauke Söhne. pro kplt. M. 15. Oppenheim, S., Bahnbeſtimmung des Kometen VIII, 1881. Wien, C. Gerold's Sohn. M. — 60. Pohle, J., Die Sternwelten und ihre Bewohner. Köln, J. P. Bachem. M. 3. 60. Publicationen d. aſtrophyſikaliſchen Obſervatoriums zu Potsdam. Hrsg. 9 oe Vogel. 4. Bd. 1. Thl. Leipzig, W. Engelmann. Kart. M. 17. Sternhimmel, der, zu jeder Stunde des Jahres. Ausgabe f. Deutſch⸗ land. Leipzig, Leipz. Lehrmittelanſtalt von Pr. O. Schneider. Auf⸗ gezogen mit Drehvorrichtung. M. 1. 25. 2. (Schluß⸗) Theil. Chemie. Baumhauer, H., Leitfaden der Chemie, insbeſondere zum Gebrauch an landwirthſchaftl. Lehranſtalten. 2. Thl. Organiſche Chemie. Frei⸗ burg i. B., Herder'ſche Verlagshandlung. M. —. 80. Biechele, M., Die chemiſchen Gleichungen der wichtigſten anorganiſchen und organiſchen Stoffe. Eichſtätt, A. Stillkrauth. 1. Hälfte. pro kplt. M. 13. 50. Chemiker, der, und Drogiſt. werbetreibende ꝛc. Hrsg. v. Nr. 1. Leipzig, G. Klötzſch. Vierteljährlich M. 3. Chemiker⸗Kalender 1886, von R. Biedermann. 2 Theile. Berlin, J. Springer. Gebd. in Leinw. u. geh. M. 3., gebd. in Leder u. geh. M. 3. 50. Hauptorgan f. Chemiker, Drogiſten, Ge- H. Krätzer 1. Jahrg. 1885/86. (24 Nrn.) Claſſen, A., Quantitative chemiſche Analyſe durch Elektrolyſe. 2. Aufl. Berlin, J. Springer. M. 5. Claſſen, A., Handbuch der analytiſchen Chemie. 3. Aufl. 2. Thl. Quantitative Analyſe. Stuttgart, Ferd. Enke. M. 8. Fiſcher, B., Lehrbuch d. Chemie f. Pharmaceuten. 2. Hälfte. Stutt⸗ gart, Ferd. Enke. Gorup⸗-Beſanez' Lehrbuch d. Chemie. 7. Aufl. Neu bearb. v. A. Rau. Sohn. M. 12. Hager, H., Chemiſche Reaktionen zum Nachweis des Terpentinöls in den ätheriſchen Oelen, in Balſamen ꝛc. Berlin, J. Springer. M. 4. Jacobſen, E., Chemiſch-techniſches Repertorium. Ueberſichtlich geordnete Mittheilungen der neueſten Erfindungen, Fortſchritte und Verbeſſe⸗ rungen auf dem Gebiete der techniſchen und induſtriellen Chemie, mit Hinweis auf Maſchinen, Apparate u. Literatur. 1884. 2. Halbjahr. 2. Hälfte. Berlin, R. Gärtner's Verlag. M. 4. Roscoe, H. E., u. C. Schorlemmer, Ausführliches Lehrbuch der Chemie. ee Nichtmetalle. 2. Aufl. Braunſchweig, Fried. Vieweg & Sohn. 5 ay Schorlemmer, C., Lehrbuch der Kohlenſtoffverbindungen od. der organ. Chemie. 3. Aufl. 1. Hälfte. Braunſchweig, Fried. Vieweg & Sohn. M. 7.; kplt. M. 13. 1. Bd. Anorganiſche Chemie. Braunſchweig, Fried. Vieweg & M. 7. Wagner, A., Lehrbuch der unorganiſchen Chemie f. Mittelſchulen, ſowie zum Selbſtſtudium. München, Th. Ackermann. M. 3. 60. Mineralogie, Geologie, Geognoſte, Valäontologie. Abhandlungen der großherzoglich heſſiſchen geologiſchen Landesanſtalt zu Darmſtadt. 1. Bd. 1. Heft. Inhalt: Chronologiſche Ueberſicht der geologiſchen und mineralogiſchen Literatur üb. das Großherzogthum Heſſen. Zuſammengeſtellt von L. Chelius. 1. Bd. 2. Heft m. Atlas. Inhalt: Die Fauna der Kalke von Waldgörmes bei Gießen. Von F. Maurer. Darmſtadt, A. Bergſträßer. I. Bd. 1. Heft. M. 2. 50. I. Bd. 2. Heft. M. 10. Abhandlungen, paläontologiſche. Hrsg. v. W. Dames und E. Kayſer. 3. Bd. 1. Heft. Inhalt: Ueber die innere Organiſation einiger ſiluriſcher Cephalopoden von G. Holm. Verlin, G. Reimer. M. 7. Brezina, A., Die Meteoritenſammlung d. k. k. mineralogiſchen Hof⸗ kabinetes in Wien a. 1. Mai 1885. Wien, A. Hölder. M. 9. Dechen, H. v., Geognoſtiſcher Führer zu der Vulkanreihe der Vorder— Eifel. 2. Aufl. Bonn, M. Cohen & Sohn. Gebd. M. 8. e die, der Geologie. Nr. 8. 18831884. Köln, E. H. Mayer. 2. 60. Geinitz⸗Roſtock, F. E., 7. Opitz & Co. M. 2. Haas, H., Katechismus der Geologie. (Weber's illuſt. Katechismen Nr. 42.) 4. Aufl. Leipzig, J. J. Weber. Gebd. M. 3. Hauer, F. Ritter v., u. G. Stache, Geologie Siebenbürgens. Ausg. Wien, C. Graeſer. M. 8. Inkey, B. v., Naghag u. ſeine Erzlagerſtätten. Univ⸗Buchh. M. 6. Kalkowsky, E., Elemente der Lithologie. Univ.⸗Buchh. M. 8; gebd. M. 9. 20. Kopp, H., 6 Tafeln m. Netzen zu Kryſtallmodellen zu der Einleitung in die Kryſtallographie und in die kryſtallographiſche Kenntniß der wich— tigeren Subſtanzen. Braunſchweig, Fried. Vieweg & Sohn. M. 1. 60. Beitrag zur Geologie Mecklenburgs. Güſtrow, Neue Budapeſt, F. Kilian's Heidelberg, C. Winter's Roth, J., Allgemeine und chemiſche Geologie. 2. Bd. 2. Abth. Jüngere Eruptivgeſteine. Berlin, Beſſer'ſche Buchh. M. 5. Naumann, C. F., Elemente der Mineralogie. 12. Aufl. Neu bearb. v. F. Zirkel. Leipzig, W. Engelmann. M. 14. Stapff, F. M., Geologiſche Ueberſichtskarte der Gotthardbahnſtrecke Kil. 38— 149 (Erſtfeld-Caſtione). 10 Blatt. 1: 25000. Profile. Skizzen. Chromolith. Berlin, Gropius'ſche Buchh. M. 50. Toula, F., Geologiſche Unterſuchungen in der „Grauwackenzone“ der nordöſtlichen Alpen. Mit beſonderer Berückſichtigung d. Semmering— Gebietes. Wien, C. Gerold's Sohn. M. 5. Türk, Ch., Geognoſtiſche Ueberſichtskarte d. Herzogthums Coburg u. der anſtoßenden Ländertheile. (Nach Credner.) 4 Blatt. Chromolith. Coburg, J. F. Albrecht'ſche Hofbuchh. M. 4.; auf Leinw. mit Stäben M. 6. Türk, Ch., Die geologiſchen Verhältniſſe des Herzogthums Coburg und ſeiner angrenzenden Ländergebiete, als Begleitwort zu der geognoſti⸗ ſchen Karte. Coburg, J. F. Albrecht'ſche Hofbuchh. M. —. 60. Velenovsty, J., Die Gymnoſpermen der böhmiſchen Kreideformation. Prag, F. Rziwnatz. Kart. M. 32. Botanik. Archiv f. Bracteatenkunde. Hrsg. von R. v. Höfken. 1. Bd. (4 Hefte.) Wien, W. Frick. 1. Heft. pro kptl. M. 5. Bertram, W., Flora von Braunſchweig. 3. Ausg. Braunſchweig, Fried. Vieweg & Sohn. M. 3. Förſter's, C. F., Handbuch d. Cacteenkunde in ihrem ganzen Umfange. 1 v. Th. Rümpler. 2. Aufl. 13. Lfg. Leipzig, J. T. Wöller. 8 : Boriiditte, die, der Botanik. N. 6. 1884. Köln, E. H. Mayer. 2. 40. Harz g, R., Das Holz der deutſchen Nadelwaldbäume. Berlin, J. Springer. o Jahresbericht, botaniſcher. Syſtematiſch geordnetes Repertorium der botaniſchen Literatur aller Länder. Hrsg. v. L. Juſt. 10. Jahrg. (1882). 2. Abth. 2. (Schluß⸗) Heft. Berlin, Gebr. Bornträger. M. 11. Kraus, G., Botaniſche Mittheilungen. Halle, M. Niemeyer. M. 1. 60. Rabenhorſt's, L., Kryptogamen⸗Flora von Deutſchland, Oeſterreich und der Schweiz. 2. Aufl. Leipzig, E. Kummer. 1. Bd. 2. Ahth. Pilze v. G. Winter. 20. Lfg. M. 2. 40. 3. Bd. Die Farnpflanzen od. Gefäßbündelkryptogamen, v. Ch. Luerßen. 5. Lfg. M. 2. 40. Rückert, J., Zur Keimblattbildung bei Selachiern. Ein Beitrag zur Lehre vom Parablaſt. München, M. Rieger'ſche Univ.-Buchh. M. 1. 20. e H., Biologie d. Waſſergewächſe. Bonn, M. Cohen & Sohn. 55 Wollny, E., Saat und Pflege d. landwirthſchaſtlichen Kulturpflanzen. Berlin, P. Parey. Gebd. M. 20. ; Zimmermann, O. E. R., Atlas der Pflanzenkrankheiten, welche durch Pilze hervorgerufen werden. 3. Heft. Halle, W. Knapp. M. 3. Zoologie, Phyſtologie, Entwickelungsgeſchichte, Anthropologie. Archiv f. Anthropologie. Zeitſchrift f. Naturgeſchichte u. Urgeſchichte d. Menſchen. Hrsg. u. red. v. A. Ecker, L. Lindenſchmit u. J. Ranke. 16. Bd. 1. u. 2. Vierteljahrsheft. Braunſchweig, Fried. Vieweg & Sohn. M. 21. Büchner, L., Liebe u. Liebesleben in der Thierwelt. 2. Aufl. Leipzig, Th. Thomas. Gebd. M. 5. Hauffe, G., Entwicklungsgeſchichte des menſchlichen Geiſtes. Anthropologie. Minden, J. C. C. Brun's Verlag. M. 7. Hayek, G. v., Handbuch d. Zoologie. 19. (d. III. Bdes. 6.) Lg. Wien, C. Gerold's Sohn. M. 3. 60. eke ote Süßwaſſeraquarium u. ſeine Bewohner. Stuttgart, Ferd. nke. 5 Jahresbericht, zoologiſcher, f. 1884. Hrsg. v. d. zoolog. Station zu Neapel. 2. Abth. Arthropoda. Red. v. P. Mayer u. W. Giesbrecht. Berlin, R. Friedländer & Sohn. M. 13. Krieger, R., Grundriß d. Zoologie. Für höhere Lehranſtalten, ins⸗ beſondere f. Gymnaſien. Leipzig, F. A. Brockhaus. M. 1. 60.; kart. M. 1. 80. Mayr, G., Feigeninſekten. Wien Leipzig, F. A. Brockhaus! Sort. M. 2. 50. Opel, F. M. E., Lehrbuch der forſtlichen Zoologie. Neue Ausgabe. Berlin, P. Parey, M. 5. Ornis. Internationale Zeitſchrift f. d. geſammte Ornithologie. v. R. Blaſius & G. v. Hayek. 1. Jahrg. 1885. 1. Heft. C. Gerold's Sohn. pro kplt. M. 8. Schaaffhauſen, H., Anthropologiſche Studien. Bonn, A. Marcus. M. 12. Schenkling, C., Die deutſche Käferwelt. 6. u. 7. Lfg. Leipzig, O. Leiner. a@ M. 1. 25. Vogel, O., K. Müllenhof, F. Kienitz⸗Gerloff, Leitfaden f d. Unter⸗ richt in der Zoologie. 1. Heft. 6. Aufl. Berlin, Winckelmann & Söhne. Kart. M. 1. 20. Weſterlund, C. A., Fauna der in der paläarctiſchen Region lebenden Binnenconchilien. IV. u. V. Karlskrona. Berlin, R. Friedländer & Sohn. M. 13. Inhalt: IV. Gen. Balea Prid et Clausilia Dr. — V. Fam., Succindae, Auriculidae, Limnaeidae, Cyclostomidae et Hydrocenidae. Zeitſchrift f. Entomologie. kunde zu Breslau. Neue Folge. Berendt. M. 3. Geographie, Ethnographie, Betfewerke. Baſtian, Afrika's Oſten m. dort eröffneten Ausblicken. 1. Heft. Berlin, F. Dümmler's Verlagsbuchh. M. 1. 20. is : Buchholz, P., Hilfsbücher zur Belebung des geographiſchen Unterrichts. J. Pflanzen⸗Geographie. Leipzig, J. C. Hinrichs'ſche Buchh. Gebd. M. 1. 20. Edlinger, A. v., Kleines etymologiſch-geographiſches Lexikon. München, L Finſterlin's Verlag. M. 2. 0 8 Forbes, H. O., Wanderungen eines Naturforſchers im Malayiſchen Archipel v. 1878 bis 1883. Aus dem Engl. v. R. Teuſcher. 1. Bd. Jena, H. Coſtenoble. M. 8.; gebd. M. 10. = Grube, A. W., Alpenwanderungen. Fahrten auf hohe und höchſte Alpenſpitzen. Neu bearb. durch C. Benda. 3. Aufl. Leipzig, E. Kummer. 1. Lfg. M. 1. Hummel, A., Kleine Erdkunde. Halle, E. Anton. Ausg. A. (ohne Auf⸗ gaben). M. —. 40; Ausg. B. (mit Aufgaben). M. — 56. Kiepert, H., General⸗Karte der ſüdoſt⸗europäiſchen Halbinſel (Unter⸗ Donaus und Balkan⸗Länder, Königr. Hellas). 2. Aufl. 3 Blott. 1: 1500 000. Chromolith. Berlin, D. Reimer. M. 3. 60. req. ien, Hrsg. vom Verein f. ſchleſiſche Inſekten⸗ 10. Heft. Breslau, Maruſchke & Humboldt. — Dezember 1885. Kiepert, H., Provinzial⸗Schul⸗Wandkarten: Nr. 3. Prov. Brandenburg. 2. Aufl. 9 Blatt. 1: 200000. Chromolith. Berlin, D. Reimer. M. 9. Kirchhoff, A., Schulgeographie. 5. Aufl. Halle, Buchhandlung des Waiſenhauſes. M. 2. 5 Mittheilungen der afrikaniſchen Geſellſchaft in Deutſchland. Hrsg. von W. Erman. 4. Bd. 6. Heft. Berlin, D. Reimer. M. 2. 20 Mittheilungen der deutſchen Geſellſchaft f. Natur- und Völkerkunde Oſt⸗ aſiens. 38. Heft. Auguſt 1885. Yokohama. Berlin, A. Aſher & Co. M. 6 0. a. (A Mittheilungen der geographiſchen Geſellſchaft in Lübeck. 7. Heft. In⸗ halt: Zuſammenſtellung der die Landeskunde d. Lübeckiſchen Staats⸗ gebietes betr. Litteratur. Von P. Friedrich. Lübeck, F. Grautoff. M. 1. 50. Original⸗Mittheilungen aus der ethnologiſchen Abtheilung der königl. Muſeen zu Berlin. 1. Jahrg. (4 Hefte.) 1. Heft. Berlin, W. Spe⸗ mann. pro kplt. M. 16. Richter, G., Der geographiſche Unterricht in der Volksſchule. 3. Heft: Die Erdtheile. — Globus (Skizze). Döbeln, C. Schmidt. M. 2. 50.; kplt. M. 5. 50. ; Rundſchau, deutſche, f. Geographie und Statiſtik. Oris v. F. Umlauft. 8. Jahrgang. 1885/86. (12 Hefte.). Wien, A. Hartleben's Verlag. 1. Heft. pro kplt. M. 10. Schnabl, L, Buenos-Ayres. Land und Leute am ſilbernen Strome. 493 Mit beſonderer Rückſicht auf europ. Einwanderung, Handel u. Ver⸗ kehr. Stuttgart, Levy u Müller. M. 5.; gebd. M. 6. 20. Scott, J. G., Land u. Leute auf Hainau. Eine Schilderung der Inſel und ihrer Erzeugniſſe. Deutſch v. W. Rudow. Ilfeld a H., Ch. Fulda. M. —. 50. Special⸗Karte von Oeſterreich-Ungarn. Hrsg. vom k. k militär-geogra⸗ phiſchen Inſtitute. 1: 75000. Zone IX. Col. 19. Sillein u. Waag⸗ Biſtritz. — 20. Roſenberg u. Rutka. — XI. 18. Nyitra-Zſambokrét u. Piſtyän⸗Teplitz. — XIII. 19. Léva u. Gallo. — XIV. 20. Nögräd u. Waitzen. — XV. 23. Beſenyö u. Tisza-Füred. — XVI. 22. Jasz⸗ Lädany. — 24. Püspök⸗Lädany. — XVII. 22. Szolnok. — 23. Kiſujszälläs u. Mezötur. — XXV. 18. Brod. — XXXV. 15. Sv. Petar, J. Pelagoſa u Seg. Cajola. — 16. Porto Roſſa. Wien, R. Lechner's k. k. Hof⸗ u. Univerſ.-Buchh. à M. 1. Vämbéry, H., Das Türkenvolk, in ſeinen ethnologiſchen und ethnogra— pPhiſchen Beziehungen geſchildert. Leipzig, F. A. Brockhaus. M. 18. Zeitſchrift f. Schulgeographie. Hrsg. v. A. E Seibert. 7. Jahrg. _ 1885/86. (12 Hefte.) 1. Heft Wien, A. Hölder, pro kplt. M. 6. Zieſemer, J., Kleine mathematiſche Geographie für das Bedürfniß der Schule. Breslau, F. Hirt. M. —. 80. Zöller, H., Die deutſchen Beſitzungen an der weſtafrikaniſchen Küſte. Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat Oktober 1885. Der Monat Oktober iſt charakteriſiert durch kühles, vorwiegend trübes Wetter mit häufigen Niederſchlägen und mäßiger Luftbewegung aus weſtlicher und ſüd— weſtlicher Richtung. An den erſten ſechs Tagen des Monats war die Luft— druckverteilung über Europa regelmäßig. Der höchſte Luftdruck lag über Südeuropa, während im Nordweſten von Eurapa beſtändig Depreſſionen, meiſt von großer Intenſität, nord— oſtwärts fortſchritten. Dementſprechend herrſchten während dieſer Zeit anhaltend ſüdweſtliche bis weſtliche Winde, die insbeſondere im Nordſeegebiete nicht ſelten ſtürmiſch auftraten, ſo am 2., 3. und 5. Dabei war das Wetter trübe, vielfach regneriſch und ziemlich kühl. Größere Regen— mengen fielen am 1. in Karlsruhe (27 mm), am 3. in Wiesbaden (35 mm), am 5. in München und Kaſſel (20—21 mm), am 6. in Wilhelmshafen (22 mm), und in Karlsruhe (36 mm). Elektriſche Entladungen wurden beobachtet am 1. in Weſtdeutſchland, insbeſondere an der Nordſee, am 5. im deutſchen Nordſeegebiete, am 6. an der deutſchen Küſte, hauptſächlich an der Nordſee. In den folgenden Tagen bis zur Monatsmitte lag das ganze weſtliche Europa zwiſchen zwei Gebieten hohen Luftdruckes, wovon das eine auf dem Ocean weſtlich von den britiſchen Inſeln, das andere über Rußland lagerte. Die Depreſſionen, welche in dieſem Gebiete niedrigen Luft— druckes erſchienen, zeigten unregelmäßige Bewegungserſchei— nungen, insbeſondere aber häufige und mannigfache Um— wandlungen. In 36 Stunden, vom 6. abends bis zum 8. morgens, ſchritt eine Depreſſion von England über Däne— mark hinaus bis nach Finnland fort, in Deutſchland ſtür— miſche Luftbewegung mit ergiebigen Niederſchlägen verur— ſachend, während von der Küſte vielfach voller Sturm gemeldet wurde. Noch nicht war das eben erwähnte Mini— mum verſchwunden, als (am 8.) ein neues erſchien, welches ſeinen Weg oſtſüdoſtwärts quer über die Nordſee nahm, über dem Weſten der britiſchen Inſeln und Frankreichs, ſowie am Kanal ſtürmiſche Luftbewegung aus weſtlicher bis nördlicher Richtung verurſachend. Am 11. herrſchte auf den Seillys Nordſturm, in Ile d' Aix Weſtſturm unter dem Einfluſſe eines tiefen Minimums über England, welches mit abnehmender Tiefe am folgenden Tage bis zum Main fortgeſchritten war, während andere Depreſſionen an der Adria und im öſtlichen Deutſchland lagerten; am 12. er— ſtreckte ſich eine Zone niedrigen Luftdruckes von Steier— mark nach Oſtdeutſchland, mit einer Depreſſion an der Humboldt 1888. II. Forſchungsreiſen in der diſchn. Kolonie Kamerun. 1. Bd. Das Kamerungebirge ꝛc. Stuttgart, W. Spemann. M. 5. oſtpreußiſchen Küſte und einer anderen aus Skagerack, von welchen die erſtere am andern Morgen bei der Helgo— länder Bucht und letztere am Rigaiſchen Buſen ſich befand. Dieſen mannichfachen Umwandlungen entſprechend war das Wetter über Centraleuropa veränderlich, jedoch vorwiegend trübe, mit häufigen und vielfach ergiebigen Niederſchlägen. Die Temperatur hielt ſich dabei fortdauernd unter den Normalwerten, welches offenbar mit der beſtändigen An— weſenheit des hohen Luftdruckes im Weſten zuſammenhing, indem hierdurch das Zuſtrömen warmer Luft aus niedrigen Breiten vom Weſten her verhindert wurde. Am 15. war die Wetterlage eine von den vorher— gehenden ganz verſchiedene; Centraleuropa ſtand unter dem Einfluſſe eines Minimums weſtlich von Italien und einer breiten Zone hohen Luftdruckes, die ſich von Skandi— navien ſüdoſtwärts nach dem Schwarzen Meere erſtreckte, ſo daß jetzt öſtliche Winde allenthalben vorherrſchten und jetzt trockenes Wetter eintrat. Dieſer Zuſtand hatte jedoch nur kurzen Beſtand: am 17. war der Luftdruck in Südfrank⸗ reich am höchſten, während über dem ſüdlichen Aſien eine Depreſſion erſchienen war, und dementſprechend waren in Centraleuropa wieder weſtliche Winde vorherrſchend ge— worden, welche die Temperatur meiſtens wieder vorüber— gehend zum Steigen brachten und unter deren Einfluſſe wieder allenthalben Regenfälle ſtattfanden. Am 21. erſchien über Südirland ein Minimum, welches bis zum folgenden Tage nach dem Kanal fortſchritt und hier einige Tage (bis zum 25.) faſt ſtationär blieb, wäh— rend der hohe Luftdruck beſtändig im Oſten lag. Die hierdurch hervorgerufene ſüdliche und ſüdweſtliche Luft— ſtrömung brachte Erwärmung mit trübem Wetter und Niederſchlägen; am 24. morgens lag die Temperatur ſtellenweiſe, am 25. faſt überall über dem normalen Werte, ziemlich erheblich im öſtlichen Deutſchland. Am 26. als das Minimum verſchwunden war, und dafür ein neues tiefes ſich nördlich von Schottland zeigte, erfolgte, ohne daß eine weſentliche Aenderung der Windrichtung eintrat, auf dem ganzen Gebiete erhebliche Erwärmung, insbeſon— dere im Süden, wo die Temperatur bis zu 7° niedriger ſtand, als vor 24 Stunden; dagegen über den britiſchen Inſeln war trotz der lebhaften, ſtellenweiſe ſtürmiſchen nordweſtlichen Luftbewegung Erwärmung eingetreten. Unter dem Einfluß der Depreſſionen, welche das Nord- und Oſtſeegebiet durchzogen, dauerte das kühle trübe Wetter bis zum Monatsſchluſſe fort. Hamburg. Dr. T. van Bebber. 63 Humboldt. — Dezember 1885. 494 ; Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Dezember 1885. (Mittlere Berliner Zeit.) 1 970 Tauri 1414 Algol 1 2 14 46" 9 II E 175 12™8.h, 1 2 17 52 .d 4.5 he 2 9 5 3 ieee U Cephei Meu 6 Librae 165 90 5 A0 ll 3 4 1123 Algol | 4 7h 1 h * h m i 5 779 J Tauri 1429 U Coronae 10 195 5 4 @ 1 75 6 14 24" I E | 6 7 820 Algol 7 8 1589 U Cephei | 8 9 688 N Tauri 17> 21" A ILE 7 9 10 429 Algol 1657 5 Librae 17 13"), 0 . 10 | 8 200 20% POUL € 9 A | 11 99 24 fl. d.) 8 Aauarü 12 26™ 6 i 11 1023.0 6 137 17 6A 0 | 7 12 ! 49m F. cent 7697 1226 U Coronae | 12 | 749m . b. 62/2 0 13 527 J Tauri 1585 U Cephei 16 17 NIE „ ls 14 3 155 40 ö 1 | Sternbild des Schwans mit dem 14 16 1 4 0 ed. | dec | veränderlichen Stern J Cygni. 16 15 33m f. l. f 5 17 16" 2m F. d.) Bab 741 1653 5 Librae 17 30" IVE 17 16 16 f. h. 9 63/2 18 11 55m F. d. ) BAG 937 1572 U Cephei 15 On toy e II 18 TOP SRS i e eee 17h 50m | 20 5 48™ f. d. / BAC 1526 18 3™ E. l. 1910 18 10m NIE 20 62 Zw g. . 6 18 51 e 5.6 e 55 Bae 1930 |14" 27" 9] III A 1631 Algol 15" 16" 2 9 0 90 52 7 30 f. h. H 64/2 17 3355 5 ee 23 1428 U Cephei 23 24 1289 Algol 1588 8 Librae 12 401 Leonis 24 1185 Am . d. 5.6 25 25 17 33% | 194 Smp. H. 48 Leonis © 5 20 24A @ I 29 1 0 ne Do 26 183 45 P. h. (c Leouis | 26 19 48m f. d. / 5 27 988 Algol | 27 28) 1425 U Cephei 15" 25 Of III E175 2510 17 gm I 18 25" 9) III A 28 | 18125. 4. 10 27% N 0 29 14 32m NIE | 29 30 686 Algol 155 555 2 el 30, 31 154 6 Librae 18 ꝙOm F. h.) qLibrao| 31 1910 4. f. 5.6 Merkur kommt am 18. in untere Konjunktion mit der Sonne und bleibt den ganzen Monat dem unbewaff— neten Auge unſichtbar. Venus erreicht am 8. ihre größte öſtliche Ausweichung von der Sonne, ſteht aber wegen ihrer ſehr ſüdlichen Deklination bei Beginn der Dämmerung ſchon tief am Südweſthimmel; gegen Ende des Monats tritt ſie auffälliger als Abendſtern hervor und geht erſt vier Stunden nach der Sonne unter. Sie durchwandert das Sternbild des Steinbocks. Mars verlangſamt ſeine Wanderung durch das Sternbild des Löwen; er geht an— fangs um 11½, zuletzt um 10½ Uhr Abends auf. Jupiter geht am 8. in einer Entfernung von 1/3 Mondourd- meſſer ſüdlich von „ Virginis vorbei; fein Aufgang findet anfangs um 1½ Uhr morgens, zuletzt eine Viertelſtunde vor Mitternacht ſtatt. Verfinſterungen ſeines III. und IV. Trabanten finden zu günſtigen Stunden der Nacht bei hohem Stande über dem Horizont ſtatt; die Verfinſterung des IV. am 17. verdient wegen der Seltenheit beſondere Beachtung. Saturn befindet ſich rückläufig im Sternbild der Zwillinge und kommt am 25. in Oppoſition mit der Sonne; anfangs geht er um 6, zuletzt noch vor Sonnenuntergang kurz vor 4 Uhr nachmittags auf. Uranus iſt nicht weit von Jupiter im Sternbild der Jungfrau und Neptun ſteht im Stier. ; | Von den Veränderlichen des Algoltypus bietet Algol fieben günſtige Beobachtungsgelegenheiten ſeines kleinſten Lichtes und U Cephei ſechs. Von 8 Cancri und U Ophiuchi laſſen fic) keine Lichtminima beobachten. Der im Jahre 1686 von Gottfried Kirch entdeckte veränderliche Stern y Cygni im Halſe des Schwans erreicht am Ende des Monats ſeine größte Helligkeit; er iſt um dieſe Zeit mit bloßem Auge ſichtbar. Um das Auffinden zu erleichtern und ſchon häufig vorgekommenen Verwechslungen vorzubeugen, iſt das obige Täfelchen mit den ein Kreuz bildenden Hauptſternen des Sternbildes des Schwans beigegeben. Dorpat. Dr. E. Hartwig. Humboldt. — Dezember 1885. 495 Weihe witteilhunge n. Der älteſte Baum in Nordameriſa war eine rieſige Eiche, welche in der Nähe von Rockville in Indiana ſtand; ſie war gegen ſieben Fuß ſtark und hatte ihren erſten Aſt 60 Fuß über dem Boden. Als ſie vor kurzem gefällt wurde, ergab ſich aus der Zahl der Anwachsringen, daß fie über 600 Jahre zählte. Unter allen von amerika— niſchen Forſchern genauer unterſuchten Bäumen war dieſer der einzige, deſſen Jugend bis vor Kolumbus zurückreichte. Sykomoren von demſelben Durchmeſſer auf den ange— ſchwemmten Botton-Ländereien des Weſtens gewachſen, erwieſen ſich nur 180 Jahre alt. Ko. Amerikaniſches Vetroleum. Ueber die Produktion von Petroleum in den Vereinigten Staaten Nordamerikas während der letzten 25 Jahre bringt der jüngſte Jahres— bericht der New Porker Börſe intereſſante Aufzeichnungen. Während 1859 erſt 82,000 und 1860 500,000 Faß Pe— troleum produziert wurden, erhoben ſich dieſe Zahlen 1865 auf 2½, 1870 auf nahezu 6, 1875 auf 9, 1880 auf 26 ½ und 1881 auf 31 Millionen Faß; ſeitdem iſt ein kleiner Rückgang zu verzeichnen, da 1883 die Produktion nur 24 und 1884 23½ Mill. Faß betrug. Sehr groß waren im gleichen Zeitraum die Schwankungen im Preiſe. Im Januar 1860 ſtellte ſich der Preis eines Faſſes Petroleum noch auf 20 Dollars, aber ſchon im Dezember desſelben Jahres war er auf 2 D. geſunken und erreichte im November 1861 ſeinen tiefſten Stand überhaupt mit nur 0,3 D. Im Juli 1864 wieder 14 D., betrug der Preis im Juni 1867 nur mehr 1.50 D., im Juni 1871 5.15 D., im Dezember 1874 0.45 D., im Dezember 1876 4.23 D. und im September 1878 0.78 D. Seitdem war der höchſte Preis im November 1882 mit 1.36 D. notiert. 125 Größte Waſſerkraft. Die Waſſermenge der Niagara— fälle wird auf durchſchnittlich 7700 Kubikmeter in der Sekunde geſchätzt. Bei einem Geſamtgefälle derſelben von 69 Metern würde die dadurch erzeugte Kraftwirkung der— jenigen von ca. 7 Millionen Pferdekräften, d. i. mehr wie einem Viertel aller aufgewendeten Dampfbetriebskräfte gleichkommen. Bisher wurde nur ein ſehr kleiner Teil dieſer rieſigen Betriebskraft verwendet; doch geht man jetzt damit um, dieſelbe weiter auszunützen und u. a. die Stadt Buffalo damit elektriſch zu beleuchten. 2 Ein neuer Guttapercha-Baum. Da durch rückſichts— loſe Ausbeutung der Guttapercha-Baum (Isonandra Gutta) bald ganz ausgerottet ſein wird, ſo ſchlägt M. E. Heckel vor, zur Gewinnung des techniſch ſo wertvollen Produkts den Butterſamenbaum (Butyrospermum Parkii), welcher in den Nilländern und im Gebiet des Niger ganze Wälder bildet, zu benutzen. Da derſelbe ſehr raſch wächſt und ſchon vom vierten Jahr an ausgebeutet werden kann, ſo könnte die Kultur dieſes Baumes in den deutſchen tropi— ſchen Kolonien, namentlich auf Neu-Guinea, für den deutſchen Handel von großer Bedeutung werden. Ha. Eine ſchwediſche Expedition nach dem Congo wird demnächſt aufbrechen; ihr Leiter iſt der Profeſſor H. von Schwerin. Ko. Die Holmſche Expedition iſt von Oſtgrönland glück— lich zurück; ſie hat keinerlei Spuren normänniſcher Be— ſiedelung dort gefunden. Ko. Dr. Fiſcher iſt am 2. Auguſt mit 221 Mann von Pangawi nach dem Inneren aufgebrochen. hat die engliſche Regierung durch Dr. Kirk den König von Uganda auffordern laſſen, auf engliſche Koſten eine Ex— pedition zum Entſatz Emin Beys nach Lado hin zu unternehmen. Ko. Gleichzeitig Flegel hat, nachdem er am Niger Ländereien für eine Anzahl Handelsſtationen erworben, mit dem „Heinrich Barth“ die Expedition den Benue hinauf angetreten. Seine beiden Begleiter Semon und Gürich ſind fieber— krank zurückgekehrt, dafür bringen die Herren Hartert und Staudinger die Geſchenke des Kaiſers an den Sultan von Sokoto. Ko. Eine deutſche Vorneo-Compagnie hat in dem eng— liſchen Gebiet von Nordborneo ein bedeutendes Terrain zur Anlage von Tabakspflanzungen erworben. Ko. Die hanſeatiſchen Exporthäuſer in Zanzibar haben, um unliebſame Konkurrenz zu vermeiden, mit der oſtafri— kaniſchen Geſellſchaft einen Vertrag abgeſchloſſen, der ihnen geſtattet, ohne großes eigenes Riſiko den Rahm abzu— ſchöpfen. Ko. Die engliſche Expedition nach Neu-Guinea hat durch Umſchlagen eines Bootes auf der Reede von Batavia bei— nahe ihre ganze Ausrüſtung im Wert von 2000 L St. verloren. — Dr. Finſch iſt von ſeiner Forſchungsreiſe am 3. September nach Berlin zurückgekehrt. Ko. Franzöſiſche wiſſenſchaſtliche Expeditionen. Nach einer Mitteilung in Science et Nature hat die franzöſiſche Regierung folgende wiſſenſchaftliche Expeditionen ange— ordnet: Frédérie Bordas geht zu zoologiſchen For— ſchungen nach den Maskarenen, Seychellen und Komoren; Clermont-Gann eau unterſucht die Felſeninſchriften am Golf von Akaba; Jacques de Morgan erforſcht die Geologie des Oranje-Freiſtaates und Natals; Lieute⸗ nant Palat ſoll verſuchen, vom Senegal über Timbuktu und Tuat Algerien zu erreichen; Benjamin Balanſa geht nach Tonkin und Jules Borelli nach Schöoa. Ko. Preisaufgabe. König Oskar II. von Schweden hat zur Feier ſeines ſechzigſten Geburtstages (21. Jan. 1889) einen Preis für die beſte Leiſtung in der höheren Analyſis ausgeſchrieben, der in einer goldenen Medaille im Wert von 1000 Franken und 2500 Kronen beſteht. Die Profeſſoren Weierſtraß in Berlin, Hermite in Paris und Mittag-Leffler in Stockholm fungieren als Preisrichter. Ko. Tiefſtes Bohrloch. Das gegenwärtig tiefſte Bohr— loch befindet ſich bei Schladebach nahe der Station Kötſchau in der Gegend von Merſeburg. Dasſelbe erreichte zu An— fang dieſes Jahres eine Tiefe von 1392 m, in welcher vermittelſt einer eigentümlichen Methode durch eine mit Queckſilber gefüllte, in das Bohrgeſtänge eingehängte, von äußeren Einflüſſen unabhängig gemachte Glasröhre, welche bei erhöhter Temperatur eine entſprechende Menge Queck— ſilber oben abfließen läßt, eine Temperatur von 49° C. gemeſſen wurde. Bei ſtetiger Wärmezunahme nach dem Erdinnern würde man bei ca. 3000 m Tiefe 100° C. finden. Die auf Staatskoſten betriebene Bohrung erfolgt zu Schlade— bach mit dem Diamantbohrer und Waſſerſpülung. Uebri— gens wurde auch bei anderen Bohrungen bereits eine nam— hafte Tiefe erreicht, ſo zu Lieth bei Elmshorn in Holſtein 338 m und zu Unſeburg bei Staßfurt 1293 m. Pe Die Bedingungen für die Bildung von gediege— nem Schwefel hat L. IJlosvay in Budapeſt kürzlich näher unterſucht und hat gefunden, daß namentlich ſchweflige Säure und Schwefelwaſſerſtoff ſich bei ihrem Zuſammen— treffen gegenſeitig zerſetzen. Es verbindet ſich dabei der Sauerſtoff der erſteren mit dem Waſſerſtoff des letzteren und bildet damit Waſſer. Da beide Gaſe in den Exhala⸗ tionen der Vulkane enthalten ſind, ſo iſt es wahrſcheinlich, daß auch der natürliche Schwefel auf dieſe Weiſe entſtanden iſt. Dafür ſpricht auch noch der Umſtand, daß der dabei 496 Humboldt. — Dezember 1885. ſich abſcheidende Schwefel, wie der natürliche, rhombiſch ift. Was die Temperatur, bei der dieſe Zerſetzung vor ſich gehen kann, betrifft, ſo vermögen ſich die Gaſe namentlich bei Gegenwart von Waſſerdampf ſowohl bei hoher als bei niederer Temperatur zu zerſetzen; in der Natur iſt der Prozeß vermutlich bei niederer vor ſich gegangen, wenig- ſtens ſpricht dafür die Kryſtallform. Der ganze Vorgang läßt ſich ſehr leicht durch Einleiten der zwei Lreſp. drei) Gaſe in einem Glaskolben experimentell nachweiſen. Htfm. Niederſchlags-Beobachtungsſtationen im Oſtindi⸗ ſchen Archipel. Nach dem neueſten Band der Berichte der Sternwarte zu Batavia wurden während des Jahres 1884 an 145 Stationen dauernd Beobachtungen über die Niederſchlagsmenge angeſtellt; am Ende des Jahres waren bereits 172 ſolcher Stationen eingerichtet, davon 94 auf den Inſeln Java und Madura. B. Eine wiſſenſchaftliche Expedition nach dem Amur wird nach einer Mitteilung in Petersburger Zeitungen demnächſt von der ruſſiſchen geographiſchen Geſellſchaft aus- geſchickt werden, um jenes Flußgebiet in Bezug auf ſeine geographiſchen, hiſtoriſchen und wirtſchaftlichen Verhältniſſe, ſowie ſeine Mineralſchätze eingehend zu erforſchen. B. Die British Association for the Advancement of Science, welche kürzlich in Aberdeen tagte, hat als Verſammlungsort für ihre nächſte Jahresverſammlung Bir⸗ mingham, zum Präſidenten derſelben Sir William Daw- jon in Montreal, die American Association for the Advancement of Science zu ihrem nächſt⸗ jährigen Verſammlungsort Buffalo (New Pork) und zum Präſidenten Profeſſor Morſe in Salem e gewählt. Die größte Vogelſammlung, welche wohl je angelegt iſt, dürfte die vor kurzem von Allan Hume dem „Britiſh Muſeum“ geſchenkte ſein; dieſelbe umfaßt nicht weniger als 62 000 Vogelbälge und außerdem eine ganz bedeutende Eierſammlung. B. PWryewalski, der bekannte ruſſiſche Erforſcher Central⸗ aſiens, hat von ſeinem Lager im chineſiſchen Turkeſtan die Nachricht nach Europa gelangen laſſen, daß es unmöglich ſei, durch die Keriagebirge nach Tibet vorzudringen, da die Päſſe, welche durch dieſelben führen, für Laſtvieh un⸗ brauchbar ſind, außerdem die Chineſen die Wege mit Fels⸗ blöcken verrammelt und die Brücken zerſtört haben. Den Monat Juli wollte Przewalski zwiſchen den ſchneebedeckten Bergen zwiſchen den Flüſſen Keria und Khoten zubringen, wo die Bevölkerung ihm eine freundliche Aufnahme hatte zu teil werden laſſen. Um die Mitte Auguſt gedachte er dann nach Khoten und von dort auf dem gleichnamigen Fluſſe nach Akſu vorzudringen. B. Zur Förderung der geographiſchen Wiſſenſchaft hat kürzlich auf Veranlaſſung der bataviſchen Geſellſchaft für Kunſt und Wiſſenſchaft die Regierung von Nieder⸗ ländiſch⸗-Indien einen wichtigen, auch für andere Regie— rungen zur Nachahmung empfehlenswerten Schritt gethan, indem ſie 50 Exemplare von Profeſſor de Hollanders „Handleiding bij de Beoefening der Land- en Volken- kunde van Neder-Oost-Indié“ an Beamte in allen Teilen der Kolonien verteilt und dieſelben angewieſen hat, ihre eigenen Beobachtungen mit den Angaben dieſes Werkes zu vergleichen und über die Reſultate zu berichten. B. Sroſeſſor A. Agaſſiz ſoll nach einem Telegramm der Times aus Philadelphia vom Präſidenten der Ver— einigten Staaten zum Vorſteher des „Coast Survey“ be- rufen ſein. B. Das Alter und die Herkunft des Menſchen in Amerika und Europa. Nach dem berühmten engliſchen Anthropologen Profeſſor Flower hat das verwickelte Problem, von welchem Teile der Alten Welt die Völker Amerikas herſtammen, ſeine Bedeutung verloren, ſeitdem man das weit zurückreichende Alter des Menſchen in Amerika entdeckt hat; es iſt vielleicht ebenſo hoch wie dasjenige des Menſchen in Europa, und die Völker Aſiens können daher gerade jo gut von den amerikaniſchen ab- ſtammen wie umgekehrt. („Nature“ 19. Febr.) Unter dieſen Umſtänden kann man natürlich nicht länger aus problematiſchen Wanderungen aſiatiſcher Völker nach Amerika Schlüſſe ziehen, welche die Abhängigkeit amerikaniſcher Kulturen von aſiatiſchen betreffen. Ebenſowenig aber ſteht es ſicher, daß die Völker Europas aus Aſien ſtammen, im Gegenteil, Profeſſor Schrader ſagt am Schluſſe ſeines lehr- und inhaltreichen Werkes: „Sprachvergleichung und Urgeſchichte“ (Jena 1883), er könne nicht verhehlen, daß ihm, entgegen ſeiner früheren Meinung (welche noch von der althergebrachten Vorſtellung, daß in Aſien der Aus⸗ gangspunkt der geſamten Menſchheit zu ſuchen fet, ab- hängig war), die europäiſche Hypotheſe, d. h. die Anſicht, daß der Urſprung der indogermani⸗ ſchen Völker eher weft: als oſtwärts zu ſuchen Jet, weitaus die den Thakſachen entſprechen⸗ dere zu ſein ſcheine. Dieſer Ausſpruch des gewiegten und vorſichtigen Forſchers läßt es gewiß mißlich erſcheinen, bei dem dermaligen Stande der Wiſſenſchaft, an eine problematiſche Herkunft der Völker Europas aus Aſien, ebenſowenig wie in dem gleichen Falle bezüglich Amerikas, weitgehende Schlüſſe zu knüpfen. K. Die nordamerikaniſchen Hunderaſſen hat Packard einer eingehenden Prüfung auf ihre Abſtammung unter⸗ worfen; die Frage iſt dort, wo offenbar viel weniger Völkerwanderungen ſtattgefunden haben, leichter zu löſen als in Europa. Den Eskimohund fand ſchon Fro— biſher 1577 genau ſo, wie wir ihn heute noch kennen; er unterſcheidet ſich von dem nordiſchen Wolf eigentlich nur dadurch, daß ſein Schwanz kürzer iſt und daß er ihn häufiger geringelt trägt, was übrigens der Grauwolf mit⸗ unter auch thut; ſeine direkte Abſtammung von dieſem kann keinem Zweifel unterliegen. — Der Hund der Hare Indianer (Canis familiaris var. lagopus Richards Fauna Boreale-Americana), der ſich nur im Gebiet des Mackenzie und des großen Bärenſees findet, iſt ebenſo ein Abkömmling des kleinen Prairiewolfs, wie der ſpitzohrige Hund der Carrier Indianer (Canis familiaris var. uovae Caledoniae) von einer ſpitzohrigen Lokalvarietät des Prairiewolfes ſtammt. In dem gewöhnlichen Indianerhund (Canis familiaris var. canadensis) möchte Packard das Produkt einer Kreuzung der beiden Wolfarten „vielleicht richtiger ihrer gezähmten Abkömmlinge) ſehen. Die mexikaniſchen Hunde find heute noch kaum vom Coyote (Canis latrans) zu unterſcheiden und Kreuzungen kommen immer noch ſehr häufig vor, gerade wie der jung gefangene Coyote als Haustier gezähmt wird. Die zahmen Hunde haben höchſtens eine ſchwächere Behaarung und einen weniger buſchigen Schwanz. — Ueber den Neufundländer kann leider auch Packard keine genügende Auskunft geben; er hält es für nicht unmöglich, daß dieſe Raſſe auf der Inſel einheimiſch ſei, aber er führt auch die Anſicht der Herren Hatton und Harvey auf, welche das ſehr bezweifeln. Jedenfalls find echte ſchöne Neufundländer Hunde gegen- wärtig auf der Inſel ziemlich ſelten, und die ſchönſten ſind die Nachkommen von aus Europa eingeführten Zuchthunden. Eine kleinere Raſſe findet ſich beſonders in Labrador. Es wäre ein merkwürdiger Fall, wenn eine ſo ſcharf aus⸗ geprägte, im Körperbau wie im Charakter von allen ande— ren Hundeformen verſchiedene Raſſe mit ihren Schwimm⸗ füßen, ihrer Vorliebe für das Waſſer, ihrem Paßgang, deren Kennzeichen bei Kreuzungen ſich ſo ſicher und kon— ſtant vererben und ſelbſt nach vielen Generationen oft wieder einmal ganz rein durchſchlagen, wirklich eine Baſtard⸗ raſſe ſein ſollte, hervorgegangen aus einer Kreuzung von Pudel und Fleiſcherhund. Ich wenigſtens möchte ihre Vorfahren viel lieber in einer Küſtenraſſe des großen Wolfes ſuchen, die ſich dem Strandleben angepaßt hatte, aber nun ausgeſtorben iſt. Ko. Humboldt. — Dezember 1885. Die Anterſuchung von undurchſichtigen Mineralien unter dem BWikrofkop fängt nun doch an Fortſchritte zu machen; freilich beſchränkt ſich die Auskunft des Inſtru— mentes noch auf Glanz, Farbe, Aetzfiguren und zuweilen Spaltbarkeit. So hat jetzt Baumheuer ein Buntkupfererz aus Neu-Mexiko unterſucht, indem er das Stück anſchliff und dann ätzte. Dabei trat ſchon deutlich eine kryſtalliniſche Struktur zu Tage, dadurch zur Erſcheinung gebracht, daß verſchiedene Stellen der Fläche verſchieden angegriffen wurden. Außerdem zeigten ſich Einſchlüſſe von Kupfer— glanz, welche beim Anätzen längliche Aetzfiguren lieferten, die durch ihre Lage auf das Vorhandenſein von verſchie— denen verwachſenen Individuen (vielleicht Zwillingen?) hindeuteten. Ein anderer Einſchluß, deſſen Natur nicht ſicher nachgewieſen werden konnte, der aber häufig mit dem Kupferglanz verwachſen war, nahm ſchon beim Schleifen infolge des Ausſpringens von Teilchen gemäß einer be— deutenden Spaltbarkeit viele dreieckige Vertiefungen an. Auch N Mineral zeigt Verwachſungen, wie die ver— ſchiedene Lage der Dreiecke auf den einzelnen Stellen lehrte. Hffm. Eisberge im Atlautiſchen Ocean. Soit vielen Jahren ſind die Eisberge nicht ſo häufig und ſo weit ſüd— lich und öſtlich beobachtet worden, wie in dieſem Jahr. Im Mai war der Zugang zum Lorenzgolf und dem gleich— namigen Fluſſe eine Zeitlang völlig geſperrt; ſechs Segel— ſchiffe und ein Dampfer gingen infolge des die Eisberge begleitenden Nebels völlig verloren, acht andere Dampfer wurden ſchwer beſchädigt. Der Dampfer „Alert“, welcher die neu errichteten Stationen an der Hudſonsbai friſch verproviantieren ſollte, hat gar nicht in die Bai eindringen können. — Thermometer haben ſich als Ankündiger von nahenden Eisbergen meiſtens ſehr ſchlecht bewährt; ſelbſt die empfindlichſten beginnen erſt zu fallen, wenn der Eis— berg ſchon in ſehr bedenklicher Nähe iſt. Wohl aber läßt ſich das Echo der Eisberge mit Erfolg verwenden und man hat jetzt auf den viel in gefährdeten Gegenden ver— kehrenden Schiffen eigene Gewehre ſtarken Kalibers mit einem den Schall verſtärkenden Trichter an der Mündung, die man in kurzen Zwiſchenräumen abfeuert, wenn man bei Nebel das Herantreiben von Eisbergen befürchtet; ſobald man ein Echo hört, iſt ein Berg in der Nähe. Die engliſche Admiralität wie die amerikaniſche Coast Survey veröffentlichen übrigens allmonatlich Karten, auf denen genau angegeben iſt, in welchen Breiten etwa Eis zu ere warten iſt. Ko. Zur Batentftatiftik. Nach dem Bericht des deutſchen Patentamtes für das Jahr 1884 ſind im vorigen Jahre 8607 deutſche Patente angemeldet und 4459 erteilt worden gegen 8121 angemeldete und 4848 erteilte Patente im Jahre 1883. Ende 1884 ſtanden überhaupt 10994 deutſche Patente in Kraft, während 30543 bis dahin erteilt waren, und zwar für Preußen 13524, das Ausland 8678, Sachſen 2917, Bayern 1284, Hamburg 839, Württemberg 713, Baden 700, Braunſchweig 374, Heſſen 373 und Elſaß⸗Lothringen 269. Die Geſammteinnahmen des deut— ſchen Patentamtes betrugen 1884 1265581 Mk., die Ausgaben nur 658458 Mk. Im Patentamt der Ver— einigten Staaten von Nordamerika betrug 1884 die Ein— nahme 1075798 und die Eingereicht wurden dort 34192 und erteilt 19067 Patente. Bis zum Jahre 1836 gab es in der nordamerikaniſchen 1 0 * . b darin fortkommen kann; Union 9957 Patente, nach der neuen Nummerierung im genannten Jahre 1837 110, 1838 547, 6981, 1860 ca. 26000, 1870 ca. 98000 und Ende 1884 bereits 310163 eingetragene Patente. Be Einwirkung des Sonnenlidles auf Glas. Man hat beobachtet, daß Pulver in Glasgefäßen ſich an die innere Wandung beſonders da anhängen, wo das Sonnen- licht einwirkt, nicht aber an den Stellen, welche z. B. durch die Signatur geſchützt ſind. Dieſe Erſcheinung, auf welche die „Pharm. Centralh.“ (1885, S. 293) hinweiſt, beruht auf einem elektriſchen Zuſtande des Glaſes, bewirkt durch die Sonnenſtrahlen. Manche pulverige Körper zeigen die Ausgabe 970579 Dollars. ite. 4 255 8 5755 größte Breite ungefähr 18 engliſche Meilen. 1840 1465, 1850 497 Erſcheinung oft in größerem Maße, als andere. Man nehme ein reines, trockenes Reagenzglas oder ein anderes cylindriſches farbloſes Glasgefäß, welches an einem dunklen Orte lag, ſchütte eine Portion trockenen, fein zerriebenen Tannins oder Guajakharzes hinein, verſchließe mit einem Kork und ſtelle eine Viertelſtunde in das direkte Sonnen— licht, ſo daß das Pulver von den Strahlen nicht berührt wird. Wenn man dann umſchüttelt, hängt ſich das Pulver dicht an die Gefäßwandung, ſo daß deſſen Durchſichtigkeit gehindert iſt. Dieſelbe elektriſche Einwirkung tritt bei den ätheriſchen Oelen noch kräftiger hervor, dieſe unter Ozon— erzeugung zur Oxydation disponierend. . Verſchwundener See. Bis vor einigen Monaten lag auf einer Bergkette im nordamerikaniſchen Territorium Idaho, 3200 bis 3600 m über dem Spiegel des Stillen Meeres, ein klarer See von mehreren engliſchen Meilen Länge und etwa halb ſo großer Breite; von der Anzahl der in ihm vorhandenen kleinen rötlichen Fiſche ,,Redfish- lake“ genannt, und von drei Seiten vom Urwald um— geben. Der Berg, der den See trug, beſtand aus Granit und Kalkſtein. Anfangs Mai d. J. bildete ſich in ihm eine ungeheure Oeffnung, in welcher der ganze See ſpurlos verſchwand. E. Zahnradbahn auf den Pilatus. Auf den 2133 m hohen Pilatus, der dem Rigi gegenüberliegend in gewiſſer Beziehung eine großartigere Ausſicht von ſeinem Gipfel, dem Tomlishorn, Eſel, uns gewährt, als der wegen ſeiner Ausſicht und Lieblichkeit mit Recht berühmte und ſtark beſuchte Rigi, ſoll nun auch eine Zahnradbahn gebaut werden. Das Unternehmen bietet inſofern ungleich größere Schwierigkeiten als dies beim Rigi der Fall war, da in— folge der eigenen Anlage des Berges ganz außergewöhn— liche Steigungsverhältniſſe, ſtellenweiſe bis zu 53%, mit der Bahn zu überwinden ſind. Die größte Steigung auf der Vitznau-Rigibahn beträgt nur 25 %.. — Die neue Pilatusbahn wird 4452 m lang und wird dabei eine Höhe von 1634 m überwinden. E. Neuentdeckte Schwefellager im Kaukaſus. Nach Mitteilungen der „Deutſchen geographiſchen Rundſchau“ ſind auf der Südſeite des Kaukaſus vor kurzem reiche Schwefellager aufgefunden worden. Bis jetzt wurden zehn Hügel, in welchen ſich dieſe Lager vorfinden, unterſucht und in jedem das Vorhandenſein einer Maſſe von 500 Mil— lionen Pud (8190 Millionen Kilogramm) reinen Schwefels konſtatiert. Den Mitteilungen zufolge hat ſich bereits zur Erſchließung und Ausbeutung dieſer Lager eine Ge— ſellſchaft ruſſiſcher Kapitaliſten gebildet, welche ihr Unter— nehmen, abgeſehen von der Regierung, die daſelbſt Schwefel für ihre Pulverfabrikation gewinnt, betreiben wird. Dieſer Fund iſt ſchon deshalb von großer Wichtigkeit, da in Eu— ropa ergiebige Schwefellager ſelten ſind und in Rußland, wie in den übrigen europäiſchen Staaten der Schwefel bisher nur aus Sicilien bezogen wurde. E. Der Monoſee in Kalifornien. Der Monoſee oder das „Tote Meer des Weſtens“ in Mono-County, Kali— fornien, unter 38° n. Br. und 119° w. v. Gr., an der Oſtſeite der Sierra Nevada, iſt vor kurzem wiſſenſchaftlich unterſucht worden. Seine Länge beträgt etwa 90, die Das Waſſer iſt ſo ſehr mit Alkalien geſättigt, daß kein lebendes Weſen nur eine Art Würmer hat man in demſelben gefunden. Es wirkt auf die Haut ſtark ätzend und bleicht Leinwand augenblicklich. Die Geſtade des Sees ſind rot, düſter und öde und nur einzelnes verkrüppeltes Geſträuch bedeckt den Boden; aber aus der Ferne geſehen macht der Monoſee mit den rieſigen Mauern des Bloody Cannon in ſeiner Umgebung einen großartigen Eindruck. E Der älteſte Gelehrte dürfte ohne Zweifel der be— ſonders durch ſeine Arbeiten über Fette und Farbſtoffe berühmt gewordene franzöſiſche Chemiker Profeſſor Ch ev- reul ſein, der am 31. Auguſt 1786 geboren, alſo vor kurzem in ſein hundertſtes Lebensjahr eingetreten iſt, ſich 498 Humboldt. — Dezember 1885. jedoch noch einer ſo guten Geſundheit und ſo großer Geiſtesſchärfe erfreut, daß er ſelbſt noch äußerſt ſchwierige optiſche Beobachtungen mit Erfolg hat anſtellen können, deren Bedeutung kaum vermuten läßt, daß man ſie einem Hundertjährigen verdankt. Die Pariſer Studentenſchaft hatte geplant, dem greiſen Forſcher und Lehrer bereits an dem Tage, wo er in ſein hundertſtes Lebensjahr eintrat, eine großartige Ovation darzubringen; ſpäter hat man jedoch beſchloſſen, dieſelbe bis zum 1. Januar k. J. zu verſchieben, damit dann alle Studenten an der Feier teilnehmen können, was im Auguſt wegen der Ferien nicht möglich war. Bei der vorzüglichen Geſundheit, deren fic) Chevreul erfreut, dürfte der Aufſchub kaum der Feier Abbruch thun. B. Reisdenkmal in Gelnhauſen. Dem Erfinder des Telephons, Philipp Reis (geſt. am 14. Januar 1874), wurde von der Stadt Gelnhauſen, ſeinem Geburtsorte, ein Denkmal errichtet, deſſen feierliche Einweihung am 23. Auguſt ſtattfand. Das Monument, eine Bronzebüſte auf Granitſockel, iſt auf dem Untermarkt der alten Barz baroſſaſtadt aufgeſtellt. 5 Verwendung von Magneſium. Die Herſtellung von Magneſium hat in neueſter Zeit, namentlich von ſeiten der Scheringſchen chemiſchen Fabrik in Berlin, größere Dimenſionen angenommen und wird dieſes Metall in Pulverform jetzt auch vielfach zu Miſchungen für ben⸗ galiſche Flammen und Brillantfeuer verwendet. Mit Magne- ſiumpulver präparierte Fackeln bringen einen glänzenden Lichteffekt hervor. 2 Weber das Gummiferment. Das wirkliche Mitglied der Akademie der Wiſſenſchaften in Wien, Herr Julius Wiesner, hat bei der Unterſuchung verſchiedener Gummi— arten eine für die Stoffmetamorphoſe in der Pflanze hoch— wichtige Entdeckung gemacht. Bekanntlich unterſcheidet man nach der chemiſchen Zuſammenſetzung drei Arten des in Waſſer (niemals in Alkohol) löslichen oder mindeſtens auf— quellbaren Gummi: Baſſorin, Arabin und Ceraſin führende Gummiarten. Daß die erſteren zweifellos aus Celluloſe (Zellſtoff) hervorgehen, iſt ſchon durch die zellige Struktur dieſer Körper dargethan, wie man denn 3. B. im Tragant, im Gummi von Moringa pherygo- sperma Gartn.*), im Gummi von Opuntia Ficus indica Mill.“) noch deutliche Zellen mit ſcharfen Kon⸗ turen und in allmählich verſchleimendem Zuſtande leicht nachzuweiſen imſtande iſt. Dagegen laſſen ſowohl die Ceraſin führenden Gummiarten, die von unſeren Pflaumen⸗-, Aprikoſen⸗ und Kirſchbäumen ſtammen, als auch die Ara— bin führenden, von Akaziaſträuchern herrührenden Gummi— arten keinerlei Strukturverhältniſſe erkennen und es wird ſowohl die Celluloſe, als auch die Stärke (zum mindeſten für die Ceraſingummi) als das Bildungsmaterial dieſer Körper angeſehen. Ueber die Entdeckung jenes Körpers nun, welcher nach Wiesner die Umwandlung der Cellu- loſe in Gummi bewirken ſoll, laſſen wir den Forſcher ſelbſt ſprechen: „Wird eine Löſung von arabiſchem Gummi mit Grajak⸗ tinktur verſetzt, ſo tritt nach kurzer Zeit eine intenſive Blaufürbung des ſich emulſionsartig ausſcheidenden Gujak— harzes ein. Noch raſcher, faſt augenblicklich, ſtellt ſich die Blaufärbung ein, wenn man eine Löſung von friſchem Aprikoſengummi mit dem genannten Reagens behandelt. Da nun einige (ungeformte) Fermente, z. B. Diaſtaſe, gleichfalls die Gujakemulſion bläuen, da ferner die wäſſe⸗ rigen Löſungen der Gummiarten beim Schütteln ſtark ſchäumen, eine Eigentümlichkeit, welche gleichfalls mehreren Fermenten zukommt, z. B. der Diaſtaſe, dem Myroſin de., fo wurde ich auf den Gedanken geleitet, in den Gummi— arten ein Ferment anzunehmen, welches als Begleiter des Arabins, bezw. Ceraſins und Baſſorins auftritt und mög— licherweiſe den Reſt eines bei der Entſtehung der Gummi— ) Wiesner, Die Gummiarten, Harze und Balſame. Erlangen 1869, S. 51. .) T. F. Hanauſek, Zeitſchr. d. allg. öſterr. Apoth.-Ver. 1877, Nr. 7. Daſelbſk die erſte Beſchreibung dieſer neuen Gummiart. arten beteiligten Körpers repräſentiert, eine Annahme, welche, wie die nachfolgenden Zeilen zeigen werden, durch die Beobachtung beſtätigt wurde.“ In der That gelang es Wiesner, den Nachweis zu liefern, daß der im Gummi vorhandene Körper eine fer— mentative Wirkung ausübe, daß ſich überhaupt die Gegen⸗ wart ſtickſtoffhaltiger Körper konſtatieren läßt, daß die Wirkung des im Gummi enthaltenen Fermentes eine ganz andere ſei, als die der bisher unterſuchten diaſtatiſchen Fermente; es wird nämlich unter Einwirkung des Fer⸗ mentes auf den Stärkekleiſter gar kein reduzierender Zucker gebildet, ſondern nur eine Zwiſchenſtufe, das Achroodextrin. Das Gummiferment klärt halbprozentigen Stärkekleiſter nach ca. 6 Stunden (Nachweis der Anweſenheit eines Fer⸗ mentes), es wird durch Siedehitze zerſtört, es entfärbt Jodkleiſter und es iſt die Urſache der eigentümlichen roten, ſpäter violetten Färbung, welche Gummi in Verbindung mit Orein und konzentrierter Salzſäure erfährt, wobei ſich ein tiefblau gefärbter Niederſchlag abſcheidet, welcher in Weingeiſt löslich iſt. Dieſe zuerſt von Reiche angegebene Reaktion iſt ein ganz vortreffliches Mittel, arabiſches, Kirſchgummi und Tragant von Dextrin zu unterſcheiden. Von den anderen Gummiarten ſcheinen bis auf das Gummi von Mangifera indica L. alle das Gummiferment zu beſitzen, ſie färbten das aus der Gujaktinktur ſich aus⸗ ſcheidende Harz blau, gaben die oben beſchriebene Orcin- reaktion, entfärbten den blauen Jodkleiſter und ließen die Umwandlung der Granuloſe in Dextrin erkennen. Ebenſo gelang es, dieſes neue Ferment in Schleim gebenden Geweben (Lein, Quitte, Flohſamen), im Holze aufzufinden und die Oreinreaktion gibt ein Mittel an die Hand, Gummi und Schleim in vielen Geweben zu entdecken, in denen man ſie bis nun nicht gefunden. Schließlich laſſen ſich den Unterſuchungen noch einige wichtige Bemerkungen anfügen. Wahrſcheinlich wird in den der Gummimetamorphoſe unterliegenden Geweben, welche Stärke enthalten, dieſe Stärke in Dextrin, die Cel⸗ luloſe der Zellhaut in Gummi verwandelt. Und wenn thatſächlich das Gummiferment die Stärke nicht in redu- zierenden Zucker umzuſetzen vermag, ſo würde dieſe Eigen⸗ ſchaft erklären, wie durch Gummi- und Schleimbildung das Stärkemehl aus dem normalen Stoffwechſel ausge- ſchloſſen wird. Ha. Ein vegetabiliſcher Kochkeſſel. Die Yam pa i⸗ indianer in Arizona bedienen ſich, um ihre Speiſen zu kochen, der mächtigen Kugeln der Visnaga (Echino— cactus); ſie ſengen vorſichtig die langen Stacheln ab, höhlen die Kugel von einer Seite her aus und kochen die Speiſen, indem ſie heiße Steine hineinlegen. Ko. Repfifien mit Kiemen. Der Hauptunterſchied gwt- ſchen Reptilien und Amphibien iſt verwiſcht durch die von Prof. Simon und Mr. Phelps Gage gemachte Be— obachtung, daß die amerikaniſchen weichſchaligen Schild— kröten (Aspidonectes und Amyda) den im Waſſer ent⸗ haltenen Sauerſtoff atmen und daß die Papillen ihrer Pharynxſchleimhaut ſomit als wirkliche Kiemen anzuſehen find. Durch chemiſche Unterſuchung des Waſſers, in wel- chem ſolche Schildkröten eine Zeitlang von der Luft abge- ſchloſſen waren, iſt die Thatſache außer allen Zweifel ge⸗ ſtellt. Da dieſe Schildkröten natürlich auch Lungen haben, bilden ſie ein intereſſantes Seitenſtück zu Dipnous und verſchiedenen mit doppelter Atmung ausgerüſteten Ganoid— fiſchen und zu der Gattung Ampullaria unter den Mollusken. Ko. Anterſeeiſches Erdbeben. Wir finden in „Nature“ einen Auszug aus dem meteorologiſchen Logbuche des Kapitän R. J. Calderſon am Bord des engliſchen Schiffes „Belfaſt“. Am 22. Dezember 1884, etwa 10 Minuten vor 3 Uhr nach Mitternacht nach der örtlichen Schiffszeit, oder am 21. Dezember 19 Stunden 6 Minuten nach der mittleren Greenwicher Zeit wurde das von Liverpool aus⸗ gelaufene Schiff „Belfaſt“ durch ein Erdbeben erſchüttert, welches ungefähr 7 Minuten andauerte. Das Schiff Humboldt. — Dezember 1885. 499 befand ſich zur Zeit in der nördlichen Breite von 34° 34, und in der weſtlichen Länge von 1919 und 145 See- meilen ſüdöſtlich von der Inſel Madeira entfernt. Die Erſchütterung des Schiffes war von einem lauten, pol— ternden Geräuſch begleitet, welches dem in ſeiner Kajüte verweilenden Kapitän ähnlich erklang, als wenn ein großer leerer eiſerner Wagen über das Verdeck gerollt werde, aber vom Verdeck aus gehört wie naher Donner ſich hörbar machte und die ganze Luft zu erfüllen ſchien. Da der Kapitän, welchen das Geräuſch aus dem Schlafe erweckte, den Anfang des Geräuſches nicht gehört hatte, ſo konnte derſelbe auch nicht beſtimmen, aus welcher Himmelsgegend es kam; nachher entfernte ſich dasſelbe aber raſch nach Südweſt. Die ſtärkſten Erſchütterungen des Schiffes und das lauteſte Geräuſch hatten eine Dauer von 50—60 Se— kunden. Die Erſchütterungen verloren ſich alsdann in ſchwachem Erzittern und das Geräuſch erſtarb in ſüdweſt— licher Richtung mit einem lauten Gebrüll, womit es wie unter den Horizont untertauchend verſchwand. Der Steuer— mann fühlte das Steuerrad unter ſeinen Händen heftig erſchüttert und in Kajüte und Küche klirrten Geſchirr und andere leicht bewegliche Gegenſtände durcheinander. Dieſes unterſeeiſche Erdbeben ereignete ſich drei Tage vor Beginn des ſchrecklichen Erdbebens in Andaluſien. Schw. Eine foſſtle Haiſiſchgattung lebend. Garmann hat nach einer auf der amerikaniſchen Naturforſcherver— ſammlung gemachten Mitteilung von japaniſchen Fiſchern einen Hai erhalten, welcher nicht nur zweifellos zu der in der Kohlenformation beſonders entwickelten Gruppe der Cladodonten gehört, ſondern allem Anſchein nach ſogar nicht von der bis ins mittlere Devon zurückreichenden Gat⸗ tung Cladodus getrennt werden kann. Es iſt das ein intereſſantes Seitenſtück zu der Perſiſtenz der Brachio- podengattung Lingula, ſowie der Skorpionen ſeit dem oberen, der Blatta ſeit dem mittleren Silur. Ko. Silberminen in Neu⸗Südwales. In den öden Stanley- oder Barrier-Ranges zwiſchen Meu-Siid- wales und Südauſtralien ſind zahlreiche Gänge ſilberhaltigen Bleies aufgefunden worden und iſt bereits eine vorläufig allerdings nur aus Zelten beſtehende Stadt Silverton entſtanden. Leider fehlt es ſehr an Waſſer und der Trans- port der Erze nach Port Adelaide koſtet 5 Pf. St. die Tonne, da die Entfernung gegen 500 km beträgt. Eine ſchmalſpurige Bahn nach Menindie am Darling iſt projektiert und würde wahrſcheinlich die Silberbergwerke dauernd lebensfähig machen. Ko. Alpengletſcher. Der allgemeine Rückgang der Alpen— gletſcher ſcheint vorläufig zu Ende zu fein; Forel fon- ſtatierte 1883 ſchon für 16, 1884 ſogar für 34 Gletſcher ein nachweisbares Vorrücken. Rhonegletſcher, Aargletſcher und die meiſten Gletſcher der Glarner und Graubündtner Alpen, ſowie die ſämtlichen öſterreichiſchen Gletſcher ſind noch in der Abnahme begriffen. Eine zweifelloſe Begriin- dung dieſer merkwürdigen Verhältniſſe läßt ſich aus den bis jetzt gemachten meteorologiſchen Beobachtungen noch nicht ableiten. Ko. Eigentümliche Schutzfärbung einer tropiſchen Taubenart. Auf ſeiner Reiſe nach Oſtindien beobachtete Forbes eine eigentümliche Schutzfärbung bei der weiß— köpfigen Fruchttaube auf Timor (Ptilopus cinctus). Es ſaßen dieſe Vögel in großer Zahl am hellen Tage auf weit vorſpringenden Zweigen, und doch konnte man ſie nur mit äußerſter Anſtrengung erkennen. Wer ein Exemplar dieſer Species in einem Muſeum ſieht, wird es kaum für möglich halten, daß das auffallende Gefieder dem Vogel als Schutzfarbe dienen ſoll, und doch iſt dies der Fall, indem im Strahl der Tropenſonne dieſe Farben denen der Zweige, auf welchen die Vögel ſitzen, zum Verwechſeln ähnlich ſind. B. Edmund Boiffier. Der als Verfaſſer der Flora Orientalis und vieler anderer bedeutender Werke botaniſcher Syſtematik berühmt gewordene Gelehrte Edmund Boiſſier iſt im September zu Paris geſtorben. Derſelbe war zuletzt Beobachtungen angeſtellt. mit der Herausgabe eines Supplements zu ſeinem großen Werke, der Flora Orientalis, beſchäftigt, in welches er die Reſultate der botaniſchen Forſchungen des Dr. Aetchiſon in Afghaniſtan aufnehmen wollte. Boiſſiers Laufbahn als Botaniker beginnt mit den von ihm 1837 in Spanien unternommenen Reiſen, auf welchen er das Material zu ſeinem in den Jahren 1839 bis 1845 erſchienenen reich illuſtrierten Werke „Voyage botanique dans I' Espagne“ ſammelte. Später bereiſte er zum Zweck botaniſcher For— ſchungen verſchiedene Teile des ſüdöſtlichen Europas und Kleinaſiens. Unabhängig von ſeinen größeren Werken veröffentlichte er die Beſchreibungen einer großen Anzahl bisher unbeſchriebener Pflanzenarten, die er dann in ſeine Flora Orientalis aufnahm, deren erſter Band, 1867 er— ſchien. Dieſes Werk allein iſt genügend, um den Ver— faſſer in die Reihe der berühmteſten botaniſchen Syſte— matiker zu ſtellen. Boiſſier war überaus fleißig und ging ganz in ſeiner Wiſſenſchaft auf. Unter anderen be— handelte er das zahlreiche Geſchlecht der Euphorbien in mehreren wertvollen Schriften, worunter ſich eine Mono— graphie aller Arten und ein Folioband mit den Beſchrei— bungen von 120 Arten befindet. Edmund Boiſſier war korreſpondierendes Mitglied der Linnsſchen Geſellſchaft und durch ſeine ſtete Bereitwilligkeit, anderen mit ſeinem reichen Wiſſen zu dienen, erwarb er fic) unter den Bota— nikern viele Freunde. Schw. John Muirhead, einer der wenigen Veteranen der erſten Tage der elektriſchen Telegraphie ſtarb im September im Alter von 78 Jahren. Er nahm an der Entwickelung der Telegraphie und der Elektrotechnik thätig Anteil, indem er in Verbindung mit Latimer Clark und W. M. Warden zu Birmingham vor etwa einem Vierteljahrhundert eine Fabrik zum Bau elektriſcher Apparate unter der Firma Latimer Clark, Muirhead u. Co. zu Birmingham begrün— dete. Unter ſeinem Namen iſt eine ſehr praktiſche elek— triſche Batterie, ſowie eine eigentümlich konſtruierte Dy— namomaſchine bekannt. Schw. Beobachtung von Erdbeben. M. d'Abbadin machte der Pariſer Akademie der Wiſſenſchaften Mitteilung über die von ihm auf ſeinem Grundſtück bei d'Handaye am Fuße der Pyrenäen ſeit dreißig Jahren angeſtellten Erd— bebenbeobachtungen. Um die Bewegungen des Bodens ſichtbar zu machen, ließ d' Abbadin in einen Felſen ein koniſches Loch von etwa 13m Tiefe bohren und brachte an der Oeffnung über der Achſe des Konus ein Faden— kreuz von Platindraht an, während der untere Teil der Höhlung mit Queckſilber gefüllt und darüber eine Linſe mit langer Brennweite befeſtigt wurde, welche das Bild des Fadenkreuzes auf den Oueckſilberſpiegel warf, wo man dasſelbe mit einem Mikrometermikroſkop beobachten konnte. Die Amplituden der Oseillationen des Bildes wurden zwei— mal täglich in Verbindung mit der Temperatur, dem Barometerſtand und dem Zuſtande des Meeres beobachtet; der Beobachtungsort befindet ſich 400 m vom Ufer und in 75 m Höhe über dem Meeresſpiegel. Die Oscillationen des Fadenkreuzbildes überſchritten nicht eine Sekunde und ſchienen mit dem Zuſtand des Meeres in keinem Verhält— nis zu ſtehen. Am 23. Januar d. J. zeigte der Queck— ſilberſpiegel Oseillationen von 30 Sekunden und dieſe Bewegungen dauerten abnehmend, aber ſehr unregelmäßig bis zum 4. Februar. d' Abbadin iſt der Anſicht, daß dieſe Erſcheinung mit dem ſchrecklichen Erdbeben in Spanien in Verbindung ſtand und glaubt, daß allen großen Erd— beben eine Periode der Bodenoscillationen vorangeht und nachfolgt. Er ſchlägt deshalb vor, in Frankreich ein regel— mäßiges Syſtem der ſeismiſchen Beobachtungen, ähnlich demjenigen, welches in Italien beſteht, einzurichten. Auch in Japan, wo die Erderſchütterungen ſehr häufig ſind, werden von einer wiſſenſchaftlichen Geſellſchaft regelmäßige Schw. Die in Ceylon wachſenden Blütenpflanzen und Jarne umfaſſen nach Pr. Trimen 156 natürliche Ordnungen, 1071 Gattungen, 3249 Arten und 408 Varie⸗ 500 Humboldt. — Dezember 1885. täten, von welchen einige vielleicht doch noch beſondere Arten ſein dürften. B. Die internationale Telegraphenkonferenz hat außer dem für die Handelsintereſſen ſo wichtigen und darum allgemein bekannten Beſchluß über den Tarif, auch am 15. Auguſt einen Beſchluß gefaßt, der wiſſenſchaftlich von höchſter Bedeutung iſt. Beſchloſſen wurde: „Das inter— nationale Bureau der Telegraphenverwaltungen zu ermäch— tigen, erforderlichenfalls die ſtatiſtiſchen Arbeiten auszu— führen, welche im Gebiete der Erforſchung der telluriſchen Elektricität, nämlich der ſogenannten Erdſtröme, ſowie der elektriſchen Erſcheinungen in der Atmoſphäre und des Schutzes gegen die Blitzgefahr, bei ihm auf Grund eines internationalen Uebereinkommens im Anſchluß an die Be— ratungen über die elektriſchen Einheiten verlangt werden würden.“ Prof. Förſter bemerkte dazu in der Feſtſitzung des elektrotechniſchen Vereins am 3. September mit Recht: „Die Hoffnung liegt nahe, daß der Ausdruck „ ſtatiſtiſche Ar— beiten“ hier in dem weiten Sinne gemeint iſt, in welchem man überhaupt ein ſtatiſtiſches Stadium jeder naturwiſſen— ſchaftlichen Forſchung annimmt, nämlich einer geordneten Sammlung und Sichtung des Beobachtungsmaterials ꝛc.“ Es iſt in der That zu behaupten, daß ohne eine umfaſ— ſende Behandlung des rieſenhaft angewachſenen Beobach— tungsmaterials kaum ernſtliche Fortſchritte weiter in der Kenntnis beregter Erſcheinungen gemacht werden können, aber auch, daß die Kraft eines einzelnen oder einer geo— graphiſch beſchränkten Geſellſchaft nicht dazu ausreichen würde. Daß Klarheit über dieſe Dinge zu den höchſten Zielen der Wiſſenſchaft gehört, braucht wohl nicht erſt geſagt zu werden, mit noch größerer Freude wie den einheitlichen Tarifſatz! He Bei den elektriſchen Maſchinen iſt es von höchſter Wichtigkeit, die Tourenzahl, d. h. die Anzahl der Um— drehungen in einer Minute, zu kennen, da die Stärke des erhaltenen Stromes weſentlich hiervon abhängt. Bisher bediente man fic) in der Regel eines mechaniſchen Appa- rates, welcher durch Räderwerk eine Zählung der Um— drehungen ermöglichte. In neueſter Zeit iſt ein elektriſcher Tourenzähler Dr. Horn patentiert, der auf dem alten Aragoſchen Experiment des ſogenannten Rotationsmagne— tismus beruht. Eine dickwandige Kupferkapſel umſchließt einen Iförmig um ſeinen Mittelpunkt beweglichen Eiſen— anker, in welchem durch die Pole eines kräftigen Hufeiſen— magnets ziemlich gleichmäßiger Magnetismus induziert wird. Wird die Kupferkapſel jetzt mit der Maſchine in Rotation geſetzt, fo wird der Eiſenanker nahezu propor- tional der Umdrehungsgeſchwindigkeit abgelenkt. Dieſe Ablenkung wird durch einen Zeiger auf einer Skala ange— geben, welche empiriſch nach Tourenzahlen geteilt iſt, ſo daß man bei Anbringung dieſes Apparates an den Ma— ſchinen ohne das läſtige mechaniſche Zählen ſtets eine Kontrolle über die Tourenzahl durch einen Blick auf den Zeiger erhält. Die ſeit einiger Zeit aufgetauchte Streitfrage, ob es beffer iſt, bei den Dynamomaſchinen ſolide Eiſenmaſſen für die Elektromagnete zu verwenden oder Lamellen, iſt durch eine jüngſt veröffentliche Unterſuchung von Bottone einen Schritt weiter gebracht. Er ſetzte in eine und die— ſelbe Dynamomaſchine ſolide- und Lamellen-Armaturen. Im erſten Falle war die Maſchine bei 3000 Touren imſtande, 4 Swanlampen a 5 Kerzen, im zweiten Falle bei gleicher Tourenzahl 6 gleiche Lampen zum Glühen zu bringen, während 4 Lampen bei der zweiten Armatur ſchon bei 2000 Umdrehungen geſpeiſt wurden. Die Erwärmung bei ſoliden Armaturen ſtieg in 20 Minuten um 34° C., wäh⸗ rend die Lamellen nur um 2° C. erhöht wurden in gleicher Zeit. Dagegen zeigte ſich die Spannung an den Klemm— ſchrauben, von denen der Strom in die Leitung geht, bei der Lamellenkonſtruktion doppelt ſo hoch, wie bei ſolider Armatur. Eine Erſcheinung, die ſich auch bei der Ver— gleichung der Ediſonmaſchine mit der Siemensſchen ergibt, darum begrüßen wir dieſen Beſchluß indem bei erſterer an den Kontaktbürſten keine Funken gebildet werden, während letztere leicht Funken gibt. Es wäre aber nicht gerechtfertigt, aus dieſer Erſcheinung auf eine größere Leiſtungsfähigkeit der Ediſonkonſtruktion gegen⸗ über der Siemensſchen ſchließen zu wollen. Bottones Meſſungen widerlegen eine derartige Schlußweiſe. He. Chininverfälſchung. In welchem Maße die Chinin⸗ verfälſchungen in manchen Ländern überhand genommen haben, iſt daraus zu erkennen, daß die griechiſche Regierung kürzlich der Kammer einen Geſetzentwurf vorgelegt hat, wonach der Chininhandel künftig in jenem Lande zum Staatsmonopol gemacht werden ſoll. Motiviert wird dieſer Entwurf damit, daß die fortwährenden Rückfälle der Wechſelfieber, welche die Geſundheit der Bevölkerung der meiſten Provinzen des Staates untergraben, größtenteils der ſchlechten Qualität des in den Handel kommenden Chinins zugeſchrieben werden. Ha. Vermehrung der Spaltpilze. Den Forſchungen der neueſten Zeit iſt es gelungen, die Spaltpilze immer mehr und mehr als die Erreger von Fäulnisvorgängen und ver— ſchiedenen Krankheiten zu entlarven. Daß der Menſch derartigen Krankheiten, wie Cholera, Typhus, Diphtheritis in kürzeſter Zeit erliegt, braucht bei der rieſigen Vermeh— rung der Spaltpilze nicht wunder zu nehmen. Dieſe bez ſteht bekanntlich darin, daß jede winzige Bakterie ſich in der Mitte teilt, ſpaltet — daher der Name — und zu zweien wird. Zu einer ſolchen Teilung ſind 20—30 Miz nuten erforderlich, ſagen wir eine halbe Stunde. In der nächſten halben Stunde werden daraus 4, dann 8, und fo geht die Vermehrung fort in geometriſchen Progreſſionen, jo daß nach 24 Stunden 16777220, nach 2 Tagen 281 Billionen vorhanden ſind. Um die Zahl der nach 7 Tagen entſtandenen Pilze, natürlich die zur Vermehrung 17 105 Nahrung vorausgeſetzt, ſchreiben zu können, braucht man eine Reihe von 51 Ziffern. — In einem Kubikmilli⸗ meter haben 633 Millionen dieſer Bakterien Platz, und trotzdem füllt die Nachkommenſchaft einer einzigen am Ende des zweiten Tages einen halben Liter; nach ferneren 5 Tagen würde ſie kaum im Weltmeer Raum haben; nach 3 Tagen wiegen die Sprößlinge einer einzigen Bakterie 148365 Centner. Zum Glücke ijt jedoch für eine an⸗ dauernde, regelmäßige Vermehrung dieſer Spaltpilze niv- gends genügend Nahrung vorhanden, mit Ausnahme in den Preßhefefabriken, wo die Nahrung künſtlich beſchafft wird. Der Hefepilz iſt allerdings viel größer, als dieſe Bakterien, und dennoch gehen 20 Millionen aufs Pfund. In einer Preßhefefabrik, die täglich 100 Centner Hefe her- ſtellt, züchtet man alſo Tag für Tag je 200000000000 Spalt- pilze. Wa. Aieſenmeteor. Am 26. September d. J. wurden die Bewohner von Pittsburg in Pennſylvanien am hellen Tage durch ein ungeheures Donnern und Krachen in nicht geringe Aufregung verſetzt. Anfangs war man der Mei— nung, daß dasſelbe durch einen Erdſtoß hervorgerufen worden ſei; ſchließlich aber ſtellte ſich heraus, daß ein koloſſales Meteor in der Luft zerplatzt und herabgefallen ſei. Einzelne Fragmente des Meteors wurden von Ar⸗ beitern auf de Felde gefunden und ſollen zur Begut- achtung dem Profeſſor der Geologie am Alleghany College in Meadville, Ziegler eingeſandt werden. Bis auf 30 (engl.) Meilen im Umkreis von Pittsburg konnte man das donner⸗ ähnliche Getöſe deutlich vernehmen. Wa. Siluriſche Jnſekten. Auf die Entdeckung des Skor— pions im oberen Silur von Gotland iſt raſch die eines Inſektes im mittleren Silur gefolgt. Brogniart hat in ſiluriſchen Schichten von Jurques (Dep. Calvados) den Abdruck eines Flügels gefunden, der offenbar einer Blat- tide angehört, aber in der Anordnung der Nerven von den in der Steinkohle gefundenen Gattungen Progono- blattina und Gerablattina verſchieden ijt; er be- ſchreibt das Inſekt als Palaeoblattina Douvillei. (Séance de Academie 29. Dec. 1884.) Ko. \ Inſeraten-Anhang zum „Humboldöt“. — Jahrgang 1885. — Januar. -— J. A. Kern's Verlag (Max Müller) in Breslau. Vorträge aus dem Gebiete der Botanik Die Pflanze. von Dr. Feròinanò Cohn, Profeſſor an der Univerſität zu Breslau. Eleganteſte Ausſtattung mit Illuſtrationen. Preis 11 Mk., gebunden 13 Kk. 50 Pf.“ Das Werk iſt als eine der hervorragendſten Erſcheinungen der populär -naturwiſſenſchaftlichen Literatur anerkannt und verbindet die Vorzüge der abſoluten Beherrſchung des Stoffes und meiſterhafter, edler Darſtellung. Institut Alpina. Oberstrasse bei Zürich. Eigenthümer: Dr. G. Haller. Naturforscher und Mitarbeiter dieser Zeitschrift. Empfiehlt seine Vorräthe an Naturalien aller Art, sowie von Utensilien zum Fange und zur Präpa— ration. Specialitat in Amphibien und Reptilien, sowie sämmtlichen Insekten. Verkauf von schönen Samm- lungen und Zusammenstellungen besonders auch für Schulen. Kataloge über die Specialgebiete und Auskunft gratis und postfrei. Tausch mit dem Auslande. * Verlag von Quandt & Händel in Leipzig. Zu Weihnachtageſchenken (Zu haben in allen Buchhandlungen.) 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Ab- theilung. (Schluss.) — Die Cupuliferen, Coniferen und Monocotylen. — Preis 9 Mark 20 Pf. Die Verlagshandlung erlaubt sich auf dieses, von der gesammten Fachpresse als classisch und einzig in seiner Art bezeichnete Werk auf's Neue aufmerksam zu machen. Alle Buchhandlungen nehmen Bestellungen entgegen. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Soeben ist erschienen: Lehrbuch Geophysik Physikalischen Geographie. Von Professor Dr. Siegmund Günther. ZWEI BANDE. I. Band. Mit 77 Abbildungen. gr. S. geh. Preis M. 10.— (Band Il befindet sich im Druck und erscheint Anfangs 1885.) Das ganze auf zwei Bunde berechnete Werk zerfallt in neun, systematisch aneinander sich anschliessende Hauptabschnitte; die drei ersten, welche die kosmische Stellung der Erde, ihre allgemeinen mathematischen und physikalischen Verhdltnisse und die dynamische Geologie behandeln, liegen im ersten Bande vor. Die magnetischen und elektrischen Erdkrifte, Atmosphdrologie, Ozeanographie, Ober- fltichenverdinderung, die Oberfltichenbedeckung und endlich die Orga- nismen bilden das Thema des zweiten Bandes, welcher weniger aus- fiihrlich behandelt werden wird, da fiir die meisten dieser Abthei- lungen bereits treffliche Monographien verdffentlicht sind, Als. ein fiir das Studium ins Gewicht fallenden Vorzug dieses Lehrbuches erscheinen die mannigfachen Citate eines wnfangreichen Quellen- materiales, welches in demselben verarbeitet worden ist, so dass jedem Lesen die Gelegenheit geboten wird, sich ben die eine oder andre Frage oder Theorie eingehendere Belehrung zu verschaffen. Da auch jedem Abschnitte ausfiihrliche Namenregister beigegeben sind, so verspricht das Buch ferner ein unentbehrliches Nachschlage- werk fii das Studium der Geophysik zu werden, (Geogr, Monatsbericht in Petermann’s Mitth. 1884. Heft VI.) Inſeraten-Anhang zum „Humboldt“. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Vor Kurzem ist erschienen: Handbuch der SCHULHYGIENE. Für Aercte, Sanitétsbeamte, Lehrer, Schulvorstiude und Techniker. Von Dr. Adolf Baginsky, Privatdocent der Kinderheilkunde a. d. Universitat Berlin. Zweite vollständig umgearbeitete und vielfach vermehrte Auflage. Mit 104 Holzschnitten. gr. S. geh. Preis M. 14. --. In den sechs Jahren, welche seit dem Erscheinen von Baginsky’s treff- lichem Handbuche der Schulhygiene verstrichen sind, ist in wissenschaft- licher und angewandter Hygiene im Allgemeinen. wie speciell fiir das vor- liegende Gebiet so viel gearbeitet und geschaffen worden, dass die Neubear- beitung des Handbuchs ein Bediirfniss erfiillt. Sorgfiiltige Beriicksichtiguig der reichlich zugewachsenen Literatur und der Umstand, dass Verfasser als Vorsitzender der Gruppe ,,Oeffentliche Unterrichtsanstalten“ auf der Hy- giene-Ausstellung zu Berlin eine detaillirte Kenntniss vielen die Unterrichts- anstalten betreffenden hygienischen Verbesserungen erlangen konnte, sind der zweiten Auflage zu gute gekommen. Dieselbe stellt, wesentlich vermehrt, den Jjetzigen Standpunkt der Disciplin erschipfend dar und wiederholt in Be- herrschung des Gegenstandes und guten, klarer Darstellungsweise die viel- seitig anerkannten Vorziige der ersten Bearbeitung. (Jahrbuch f. Kinderheilkunde, N. F, XXI. Band.) für Botaniker, Sprachforſcher, Apotheker u. [. w. Verlag von Philipp Cohen, Hannover. 5 Die deutſchen Volksnamen der Pflanzen. 45 Bogen. Mit Titelbild. Geh. Mk. 11.50, geb. Mk. 12.75. Von Dr. G. Pritzel & Dr. C. Zeſſen. Deutſche Excurſionsflora. Die Pflanzen des Deutſchen Reichs und Deutſch⸗Oeſterreichs. 50 Bogen. Taſchen⸗ format. 34 Holzſchnitte (circa 300 verſchiedene Ab— bildungen). Karten, Pläne u. ſ. w. Geh. Mk. 9.50, geb. M. 10.75. (Erſte Geſammtflora zu billigem Preiſe.) Von Dr. C. Zeſſen. Verlag von FERDINAND ENK E in STUTTGART. SO eee) ee eee Mikroskope Mikroskopische Präparate, Utensilien, Materialien ete. ete. Herr Professor Dr. Schwendener, Herr Professor Dr. y. Schrön, Herr Professor v. La Valette St. George und andere hervorragende Autoriti- ten, denen unsere Mikroskope, Objektivsysteme (auch homogene Oel Immersion) vorgelegen, haben sich sehr anerkennend darüber geäussert. Preis verzeichnisse franco gratis. Berlin S. Prinzenstr. 69. J. Klönne & G. Muller. eee LO Eine Untersuchung der u sil. Principien der Erkenntniss nd der Methoden wissenschaftlicher Forschung von Wilhelm Wundt, Professor an der Universitat zu Leipzig. Zwei Bande. Erster Band. Hrkenntnisslehre. er. 8. P geh. aum ist die lebhafte Diskussion verhallt, welche der erste Band | der Wundt’schen Logik erregt hatte, so werden wir durch das Er- scheinen des ziceiten Bandes erfreut. Der erste Abschnitt behande die allgemeine Methodenlehre ; ten (Physi I der Geistesivissenschaften (Geschichtswissenschaft, Gesellschaftswisser schaft, Philosophie). Besonders die im zweiten, vorliegenden, Ban behandelten Probleme, tie sie voller Schicierigkeit sind, stehen engster Verbindung mit dem tvissenschaftlichen Leben der Gegenwar Ihre Bearbeitung erfordert ausser philosophischem Sinn und logische den ziveite die Logik der Mathematik, der dritte fuhrt die Ueberschrift von der Logik der Naturicisse nschaf- Chemie, Biologie), der vierte endlich umfasst die Logi Zweiter Band. Methodenlehre, reis à Bd. M. 14. — Schdrfe noch eine betriichtliche Menge von Kenntnissen grosser und weit von einander getrennter Gebiete. Dies Werk beweist auf’s Neue, dass Wiihelm Hundt alle diese Forde rungen der Sache ganz ausge- zeichnet erfiillt. Freilich bedarf seine gründliche Vielseitigkeit nicht mehr unsren Anerkennung, sie ldésst sich nun wieder anstaunen. Wir glauben, dass diese Art philosophischer Arbeit und Darstellung nicht mw héchst sachgemédss, sondern auch vortrefflich geeignet ist, der it Ie 2 d Philosophie Ansehen zu verschaffen und die Zan derjenigen 2 ver- 1 mehren, welche von jeder beliebigen Wissenschaft aus sich i zuwenden. t. Und dieser letztere Erfolg ware gewiss hichst werthvoll. | | 5 (Deutsche Rundschau 1884, Miéirz-Heft.) 4 Inſeraten-Anhang zum „Humboldt“. eee Empfehlenswerthe Werke für Jung und Alt A. Hartleben’s Verlag in Wien. micis, Edmondo de, Marokko. Nach dem Italienischen frei bearbeitet von A. von Schweiger-Lerchenfeld. Mit 165 Original-Illustrationen. Geh, fl. 7,50 = M. 13,50, geb. fl. 9,— = M. 16,20. osegger, Ausgewählte Schriften. 8. In 20 Banden. (Pro- spect gratis.) Eleg. geh. a Bd. fl. 1,25 = M. 2.50. Com- plet fl. 25,- = M. 50,—. Eleg. geb. a Bd. fl. 1,85 = M. 3,70. Complet fl. 37,— = M. 74,—. 2 graph. Wissens für die Bedürfnisse aller Gebildeten. 7. Aufl. Herausg. v. Dr. Josef Chayanne. Mit 400 Illustr. u. 150 Karten. 3 Bde. Geh. fl. 18,— = M. 33,75. 3 Orig.- Halbtrzbde. fl. 21,60 = M. 39,60. Bex Allgemeine Erdbeschreibung. Ein Hausbuch des geo- dern in Farbendruck, 300 Illustrationen etc. gr. 8. gaa in eaten Von Ocean zu Ocean. Mit 12 Bil- Geh. fl. 9,— = M. 16,20. Geb. fl. 10,50 = M. 18,90. Südafrika. Mit 9 Illustrationen. 8. Geh. fl. 2,50 = M. 4,50. Elegant geb. fl. 3,30 = M. 6,—. B Lady. Ein Jahr aus dem Leben einer Hausfrau in 8 chweiger-Lerchenfeld, Zwischen Pontus und Adria. Skizzen von einer Tour um die Balkanhalbinsel, 8. Geh. fl. 1,65 = M. 3,-—. ermann, Alt und Neu. Vergangenheit und Gegenwart. Mit 200 Illustrationen. gr. S. Geh. fl. 7,50 = M. 13,50. Orig.- Prachtb. fi. 8,50 = M. 15,50. chweiger-Lerchenfeld, Das Frauenleben der Erde. Mit 200 Illustrationen. gr. 8. Geh. fl. 6,— = M. 10,80. Orig.- Prachtbd. fl. 7,50 = M. 13,50. lung des gesammten Seewesens. 3. Aufl. gr. 8. Geh. BB ans des er Die Marine. Eine gemeinfassliche Darstel- fl. 6,— = M. 10,80. Geb. fl. 7,50 = M. 13,50. 4 Karten etc. gr. 8. Geh. fl. 9,.— = M. 16,20. Original- F Der Orient. Mit 215 Illustrationen, Prachtband fl. 10,50 = M. 18,90. dem Natur- u. Volksleben. Mit 7 Farbenbildern, 64 Holz- schn. gr. 8. Geh. fl. 6, — = M. 10,80. Geb. fl. 7,50 = M. 13,50. Oe Ne Die Sahara oder Von Oase zu Oase. Bilder aus chweiger-Lerchenfeld, Die Adria. Land- und Seefahrten. Mit 200 Orig.-Illustrat. gr. 8. Geh. fl. 7,50 = M. 13,50. Orig.-Prachtbd. fl. 9,- = M. 16,20. Erlebnissen. Mit 6 Abbildungen. 8. Geh. fl. 1,80 = M. 3,25. Eleg. geb. fl. 2,50 = M. 4,50. 5 Da aus dem Kaukasus und der Krim. Nach eigenen chweiger-Lerchenfeld, Abbazia. Eine Idylle von der Adria. Mit 19 Illustr. 8. Cart. fl. 1,65 = M. 3,—. M. 4,50. Geb. fl. 3,35 = M. 6,—. Sterne und Menschen. Skizzen und Glossen. Geh, fl. 3,30 = M. 6,—. Geb. fl. 4,— = M. 7,20 —. Wetterbriefe. Meteorolog. Betrach- tungen. Geh. fl. 1,20 = M. 2,25. Geb. fl. 1,80 = M. 3,25. Feu. Von den Umwälzungen im Weltall. Geh fl. 2,50 = chweiger-Lerchenfeld, Das eiserne Jahrhundert. Mit 200 Original- Illustrationen, Karten etc. gr. 8. Geh. fl. 7,50 = M. 13,50. Eleganter Original-Prachtband. fl. 9,— = M. 16,20. aulmann, Illustrirte Geschichte der Schrift. Mit 14 Tafeln in Farbendruck, vielen Illustrationen ete. gr. 8. Geh. fl. 6,— = M. 10,80. Ovig.-Prachtbd. fl. 7,50 = M. 13,50. iegmund, Naturgeschichte der drei Reiche. Für das Volk bearbeitet. Mit 600 Illustr. gr. 8. Geh. fl. 8,— = M. 13,50. Geb. fl. 9, — = M. 15,50. i aulmann, Illustrirte Geschichte der Buchdruckerkunst. Mit i 12 Taf., 300 Illustr. etc. gr. S. Geh. fl. 7,50 = M. 13,50. In Orig.-Prachtbd. fl. 9. — = M. 16,20. iegmund, Untergegangene Welten. Eine populäre Dar- stellung der Geschichte der Schöpfung. Mit 288 IIlu- strationen. gr. 8. Geh. fl. 5,50 = M. 10, —. Eleg. geb. fl. 6,60 = M. 12,—. dung. Mit 200 IIIustr., 1 Karte etc. gr. 8. Geh. fl. 7,50 Ha Die Donau von ihrem Ursprung bis an die Mün- = M. 13,50. Origbd. fl. 9,— = M. 16,20. aller Stände bearbeitet. gr. 8. Mit 400 Illustrat. Geh. Neeler st Die Wunder der Physik und Chemie. Für Leser fl. 6,— = M. 10,80. Geb. fl. 7,20 = M. 13,—. esse-Wartegg, Tunis. Land und Leute. Mit 40 IIlustr. und 4 Karten. gr. S. Geh. fl. 2,75 = M. 5,—. Eleg. geb. fl. 3,65 = M. 6,50. iegmund, Durch die Sternenwelt oder Die Wunder des Himmelsraumes. Mit 154 Illustr. gr. 8. Geh. fl. 6,— = M. 10,80. Eleg. geb. fl. 7,20 = M. 13,—. edina, Um Afrika. Skizzen von der Reise Sr. Majestät Corvette Helgoland. Mit 70 IIlustr. gr. 8. Geh. fl. 4,— = M. 7,20. Geb. fl. 5,— = M. 9,—. ieee CT iegmund, Aus der Werkstätte des menschlichen und thieri- I schen Organismus. Eine populäre Physiologie. Mit 470 Illustr. gr. 8. Geh. fl. 6, — = M. 10,80. Geb. fl. 7,20 = M. 13,—. 12 Vollbildern und vielen Illustrationen. gr. 8. Geh. N el Als Eskimo unter den Eskimos. Mit 3 Karten, fl. 3,30 = M. 6,—. Geb. fl. 4,20 = M. 7,50. P. K. Rosegger. 4. Bde. 8. In 2 Bdn., eleg. gebunden Qk no Ausgewählte Dichtungen. Herausgegeben von fl. 3,30 = M. 6,—. eurer, Handbuch des Alpinen Sport. Mit 7 Illustr. und 1 Karte. 8. Elegant geb. fl. 3, — = M. 5,40. mlauft, Die ésterr.-ungar. Monarchie. Geographisch-stati- stisches Handbuch. 2. Aufl. Mit 160 Illustr. gr. 8. Geh. fl. 6,— = M. 10,80. Eleg. geb. fl. 7,50 = M. 13,50. eyer, Spaziergänge durch das Reich der Sterne. Astro- nomische Feuilletons. 8. Geh. fl. 2,20 = M. 4,—. Eleg. thanitzky, Die Elektricitat im Dienste der Menschheit. Mit 800 Illustrationen. gr. 8. Geh. fl. 6,— = M. 10,80. Eleg. geb. fl. 7,20 = M. 13,—. geb. fl. 3,— = M. 5,40. üller, Die heutigen Indianer des fernen Westens. Mit 16 Tllustrationen. 8. Geh. fl. 2,— = M. 3,60. Eleg. geb. fl. 2,50 = M. 4,50. erne, Gesammte Schriften. Octav-Ausgabe. 40 Bde. Geh. à fl. 1,50 = M. 2,70. Geb. a fl. 2,— = M. 3,50. (Ver- zeichniss gratis.) 8. Mit 5 Illustr. Geh. fl. 3,30 = M. 6,—. Eleg. geb. Ot 2 Aus fernem osten und Westen. Reisebilder. 0 40 Bde. Geh. und geb. a fl. 2,50 = M. 4,50 bis fl. 8,— Vitor Gesammte Schriften. IIlustrirte Pracht-Ausgabe. = M. 15,—. (Verzeichniss gratis.) ereira, im Reiche des Aeolus. Ein Bordleben von 100 Stunden an den liparischen Inseln. Mit 36 Ilustr. Geh. fl. 2.50 = M. 4,50. Eleg. geb. fl. 3,30 = M. 6,—. ehle, Das Buch. 8. Geh. fl. 1,50 = M. 2,70. —, Die Zeitung. 2. Aufl. 8. Geh. fl. 1,65 = M. 3,—. —, Die Reclame. 8. Geh. fl. 1,50 = 2 STITT Zu beziehen durch alle Buchhandlungen. A. Hartleben’s Verlag in Wien. Verzeichnisse gratis. IIIIIIIIIIIIIIII III YY Inſeraten-Anhang zum „Humboldt“. 2 5 In der Herder'ſchen Verlagshandlung in Frei— burg (Baden) iſt erſchienen und durch alle Buch— le bl WN Olt handlungen due . de 6 {tr Nach Ecuador. Mit einem Dr. A. Krantz 0 tty, J .) Titelbild und 140 Holzſchnitten. zu Bonn am Rhein Koblenzerstr. 121, Zweite, vermehrte Auflage. gr. 4°. (XII und gegründet 1883, : 592 S.) Mk. 12.—, in engliſcher Leinwand mit Inhaber mehrerer Ausstellungs - Auszeichnungen, reicher Deckenpreſſung Mk. 15. 5 liefert Ganz von dem natuxwiſſenſchaftlichen Geiſte unſerer Mineralien, Krystallmodelle in Holz und Glas, Ver- Zeit durchdrungen, vollkommen auf der Hobe der Beit event, oe steinerungen, Gypsabgiisse seltener Fossilien, Gebirgs- 10 7845 8 0 05 a e Bene cee e gt arten etc. — einzeln sowie in ganzen sy stematischen Reiſebildern geliefert, das wir um jo höher ſtellen, als es bei Sammlungen. — Auch werden Mineralien und Petre- wiſſenſchaftlichem SH zugleich ein eotsnopulare) ijt. a eie fakten — einzeln oder in Sammlungen — jederzeit Mita en len i Tan Le ee GRA ee Basa gekauft oder in Tausch übernommen. (Die Natur, Auf Verlangen stehen (gratis und franko) ausführliche } Verzeichnisse dariiber zu Diensten. Organ d. deutſch. Humboldtvereins.) In unſerem Verlage iſt erſchienen: Leunis Synopsis der Zoologie. Fl Freie grosse Keyptogamen-Flora! neu bearbeitet und mit vielen hundert Holzſchnitten vermehrt Von Dr. L. Rabenhorst’s Kryptogamen- § von Dr. Hubert Ludwig, #) Flora von Deutschland, Oesterreich u. der Schweiz Profeſſor an der Univerſität zu Gießen. erschien bis jetzt: i In zwei Bänden. | Band I. Die Pilze, bearbeitet von Dr. G. Win- Erſter Band mit 955 Holzſchnitten. 1883. 16 % ‘i ter in Leipzig; erschienen sind 15 Lieferun- Zweiter Band. 1. Abtheil. Bog. 1—34 mit 467 Holz—⸗ 4 gen i 2 M. 40 Pf. ſchnitten. 1884. 8 . 8 | Band II. Die Meeresalgen. bearbeitet von Dr. Die zweite Abtheilung, Schluß des Bandes und des Werkes, 1 F. Hauck in Triest; erschienen sind 8 Liefe- e im Herbſt 1885. i rungen a 2 M. 80 Pf. f <= Band III. Die Gefasskryptogamen, bearbei- Leunis Synopſis der Botanik. i tet von Dr. Chr. Leuerssen in Leipzig; er- chienen sind 3 Lieferungen à 2 M. 40 P. Dritte Auflage 5 T neu bearbeitet von Prof. Dr. A. B. Frank. Erſter Band: Allgemeine Botanik, mit 665 Holzſchnitten. gr. 8. 1883. 14 K Der zweite Band: Spezieller Theil der Phanerogamen erſcheint Ende d. Is. Hahn'ſche Buchhandlung in Hannover. eae rasches Erscheinen der Fortsetzungen wird die Verlagshandlung Sorge tragen. ö Alle Buchhandlungen des Tn: und Auslandes nehmen Bestellungen hierauf an. Leipzig. Ed. Kummer. Verlag von FERDINAND ENKE in STUTTGART. Als wesentliche Ergänzung zu jedem Lehrbuch der Physik erschien kürzlich complet Di Ph „ im Dienste der Wissenschaft, der 1e VSI Kunst und des praktischen Lebens, im Verein mit hervorragenden Fachmännern herausgeg. von Prof. Dr. G. Krebs in Frankfurt a. M. Mit 259 Holzschnitten. 582 S. gr. S. geh. M. 10.—., eleg. geb. M. 11.—. Inhalt: Photographie. — Spectral-Analyse. — Meteorologische Station. — Deutsche Seewarte. — Heizung und Ventilation. — Musik. 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Gebunden 4 AH, Inhalt: Mineralienſammlung. — Pflanzenſammlung. — Tang und Tödtung der Thiere. — Trockene Conſervirung. — Das Ausſtopfen. — Skelettſammlung. — Käferſammlung.— Schmetterlingsſammlung. — Neſter- und Eierſammlung. — Con⸗ chylienſammlung. — Lebende Organismen. — Abbildungen und Modelle. — Anatomiſche Präparate. Im Verlage von Ferdinand Enke in Stuttgart ist erschienen: Die chemische Praxis auf dem Gebiete der Cestndbeitspilege tnd gerichthichen Medicin Aerzte, Medicinalbeamte und Physikatscandidaten, sowie zum Gebrauch in Laboratorien. Von Prof. Dr. Leo Liebermann, Vorstand der chem. Staatsversuchsstation und des chem. Labora- toriums am kgl. Thierarzneiinstitute in Budapest. Zweite gänzlich umgearbeitete Auflage. Mit 25 in den Text gedruckten Holzschnitten. 8. Geh. Preis M. 6. — Verlag von FERDINAND ENKE in STUTTGART. Soeben ist erschienen und durch jede Buchhandlung zu beziehen: Gerippte Bronze-Ciste. Fund-Statistik der Vorrémischen Metallzeit an, e eee Von E. Freiherr von Tröltsch, Kgl. württemb. Major a. D. Mit zahlreichen Abbildungen und 6 Karten in Farbendruck, Quartform. Gebunden. Preis M. 15. — Prof. Dr. Paulus in Stuttgart sagt über dieses Werk im „Schwäbischen Merkur“: Eine Zusammenstellung von Funden aus der vorrimischen Metall- zeit wurde in vorliegendem Werk versucht, und zwar umschliesst das- selbe die reine Bronzezeit, die (iltere und die jiingere Visenzeit (sog. La Tene) und die altitalischen Fabrikate. Es ist eine Arbeit mancher Jahre, neu und Hie im Entwurf, trefflich in der Ausfiihrung und gewiss von bahnbrechenden Wirkungen. Grodsstmégliche Uebersichtlich- keit, Vollstdndigkeit und Genauigkeit waren die Grundsdtze, die den Verfasser bei der Abfassung leiteten. In den Tabellen ist die Länder- eintheilung so gewdllt, dass sie zugleich geographischen und ethnogra- phischen Abschnitten entspricht: Alpenland (Schweiz etc.), Oberrhein- land, linkes Ufer: Elsass-Lothringen, rechtes fen (Baden), Lander an dev ober. Donau u. oben. Neckar (Wiirttemb. u. Hohenzollern), Linder um den Kinfluss des Mains in den Rhein (Pfalz, die Hessen) wu S. 10. Das Werk düfte ein unentbehrliches Hanibuch werden fiir jede archdologische Sammlung und jeden archtiologischen Verein, iiberhaupt fiir Jeden, der sich mit Forschungen in dieser Richtung irgendwie be- fasst; auch diirfte dasselbe von Interesse sein fiir hohere Bildungs- anstalten, zur Erliéuterung der dltesten Heimatkunde u. s.w. Dass das vorliegenie Werk mit besonderer Vorliebe, miglichster Genauigkeit und Vollstdndigkeit, aber auch mit Aufwand grosser Miihe verfasst wurde, das sagen schon die iiber 4000 Fundorte, die die Statistik enthdlt. Auch die Verlagsbuchhandlung war bemiiht, das Werk in schönem Gewande erscheinen zu lassen. Die Fundangaben beruhen theils auf den Ein- trdigen den Vorstand von iiber 80 Sammlungen in versandte Frage- bigen, theils auf den eigenen Studien des Verfassers bei dem Besuch von etwa 50 Museen des deutschen und ausserdeutschen Rheingebiets. Die nach Hunderten zthlenden Abbildungen sind alle vom Verfasser selbst nach den Originalen in einfachen, aber durchaus charakteristi- scher Weise gezeichnet, so dass auch den vollstindige Laie in Alter- thumsdingen an diesen Abbildungen wnverriickbare Unterschetdungs- und Erkennungsmerkmale vor sich hat. 2 Inſeraten-Anhang zum „Bumboldt“. Im Verlage von Wilhelm Braumüller, k. k. Hof- und Universitatsbuchhandler in Wien, ist erschienen und durch alle Buch- handlungen zu beziehen: Die Geburt hal den Urvelkern. Eine Darstellung der Entwicklung der heutigen Geburtskunde aus den natürlichen u. unbewussten Gebräuchen aller Racen. Von Dr. G. J. Engelmann in St. Louis, Mo. Aus dem Englischen übertragen und mit eigenen Zusätzen versehen von Dr. C. Hennig, = Professor an der Universitat in Leipzig. = Mit 4 Tafeln und 56 Abbildungen im Texte. er. 8. 1884. Preis 10 Mark. Se ee ee Sen ee ane one Dieses originelle Buch ist nicht nur fiir Aerzte und Ethnologen, sondern auch fiir weitere Kreise von gréss- tem Interesse. Die zahlreichen Abbildungen erhihen den Werth des Buches und die fesselnde Unmittelbarkeit der Darstellung in wirksamer Weise. PC ee ae Europäische und exotische Schmetterlinge und Käfer in grosser Auswahl; vorzügliche Insectenkästen; Preislisten gratis u. franco; Ankauf frischer Insecten. Alexander Bau Berlin S., Kottbuserdamm 56. Durch alle Buchhandlungen iſt zu beziehen: Alg Mutur und Wissenschaft. Studion, Kritiken, Abhandlungen und Entgequungen von Prof. Dr. Ludwig Büchuer, Verfaſſer von „Kraft und Stoff“ zc. ꝛc. I, Band. 3. Aufl. Preis M. 6.— gebunden M. 7. — II. Band. Preis M. 6. —, gebunden M. 7. Leipzig. Th. Thomas. Verlag von Oskar Leiner in Leipzig. Beliebte Weihnachtageſchenke. Taſchenbuch für Bflanzenfanimler. 4. Aufl. e, 2. Etiketten f. Pflanzenſammlungen 1,25. Taſchenbuch für Maferfammler. 2. Auflage— j AM. 2. —. Etiketten für Käferſammlungen % 1,10. Calhenbuch für Raupen & Schmelterlings⸗ ſammler. / 2. —. Etiketten f. Schmetterlings— | ſammlungen M 1. —. Die Bändchen find in originellen hocheleganten Ein— band in Taſchenformat gebunden und erfreuen ſich in allen Kreiſen einer gleichen Beliebtheit. Die deutſche Räferwelt. Von Carl Schenkling. Das Werk erſcheint in ca. 10 Lieferungen mit ca. 25 Tafeln in Farbendruck, welche die Käfer nicht in ſchematiſcher Form vor das Auge führen, ſondern in ihrem Leben und Treiben draußen in der Natur. Lieferung 1 erſchien ſoeben und iſt zum Preiſe von AM. 1,25 durch jede Buchhandlung zur Anſicht zu be— ziehen. Verlag von Oskar Leiner, Leipzig. W Peruanische Mumie. Die wesentliche Fortschritte und so wichtige Entdeckungen, dass sich fort- sogenannte vorgeschichtliche Forschung macht tglich so wiihrend das Bediirfniss eines neuen, sie zusanimenfassenden Werkes fitilbar macht. Das den allerneuesten Standpunkt unserer Wissen- schaft vertretende und von deren Errungenschaften bis auf den heuti- gen Tag Rechenschaft ablegende Werk ist das hier angezeigte, dessen Griindlichkeit, Vollstiindigkeit und schine Ausstattung nichts zu wWiin- schen iibrig lassen. Die deutsche Bearbeitung ist eine durchaus selb- standige, fasst nicht nur eines, sondern zwei Werke des franzdsischen Verfassers zusammen, welche die Urzeit Europa’s und Amerika’s be- handein, und ist mit zahlreichen Zusiitzen und Anmerkungen der Her- ausgeber versehen. Aus dem weichen Inhalte des Buches heben wir nur das Wichtigste heraus. Es betrifft 1) die Funde der Steinzeit Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Kiirzlich ist erschienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: Die ersten Menschen und die Prähistorischen Zeiten Wit besonderer Berücksichtigung der Urbewobner Amerikas. Nach dem gleichnamigen Werke des Marquis de Nadaillac herausgegeben von „ Schlésser und Ed. Selen. Mit einem Titelbilde und 70 in den Text gedruckten Holzschnitten. Autorisirte Ausgabe. Preis Mark 12. — in fast allen europdischen Liindern, 2) die Flora und Fauna der Ur- zeit, 3) die Forschungen die in jenen grauen Zeiten lebenden Menschenmassen, 4) die megalithischen Denkmale (Dolmen, Cromilechs, | Menhirs u.s.t.), 5) die Allerthiimer von Troja und Santorin, 6) die | Funde der U Nordamerika’'s, besonders der merkwiirdigen Mounds, 7) die hochinteressanten Bauten der dltesten Bewohner Centralamerika’s, die Gruber, Mumien und andere Reste der Urzeit Peru's und des iibrigen Siidamerika’s, endlich 9) Untersuchungen tiber das Alter des | Menschengeschlechts. So wird das Werk zu einer eigentlichen Ency- | klopddie des heutigen Standes der urgeschichtlich - anthropologischen | Forschung und verdient die lebhafte Theilnahme jedes Freundes dieses | wissenschaftlichen Ziveiges. O. H. a. R. Neue Ziircher Zeitung 1884. No. 120. r. 8. geh. 2 i hen 8 Inſeraten-Anhang zum „Humboldt“. 5 e für Kunſt u. Wiſſenſchaft vorm. oe Bruckmann in nen 3 Der Berberlöwe von Fr. Specht. (Theil eines Vollbildes aus „Vogt und Specht, die Säugethiere in Wort und Bild.“) > Lovität des Vorjahres! %%%%%%«ͤ»»́ù in Wort und Bild von Tarl Vogt und Friedrich Bpecht. Folioformat. Ein ſtattlicher Prachtband von ca. 450 Seiten Text mit 505 Illuſtrationen, darunter 40 Vollbilder. In reichem Prachtbande mit Gold- und Schwarzdruck 48 Mark. In elegantem Cartoneinband mit rothem goldgepreften Leinwandrücken und Eden 45 Mark. Der berühmte Genfer Foologe Carl Vogt hat im Verein mit Friedr. Specht, dem Meiſter der n ein naturwiſſenſchaftliches Ae geſchaffen, wie es ſchön er keine Nation der Welt beſitzt. Es iſt deshalb bereits in fünf Sprachen — engliſch, franzöſiſch, italieniſch, ruſſiſch und norwegiſch-däniſch — überſetzt worden. Die „Säugethiere“ wenden ſich an jede Familie, in der Sinn für die Natur und ihre Kunde herrſcht! Im Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart erscheint: Cyrartenflora. ligemeine Monatsschrift für Garten- und Blumenkunde. Herausgegeben von Professor Dr. Engler in Breslau und Universitäts- Garten - Inspector B. Stein in Breslau. Jährlich 12 Hefte. gr. 8. Preis M. 18. Die Zeitschrift zeichnet sich durch gehaltvolle Original-Artikel und eine Fülle von neuen und inter- essanten Mittheilungen, welche sowohl für den Botaniker, als auch für den praktischen Gärtner und Gartenliebhaber werthvoll sind, aus. Die anerkannt vorzüglich ausgeführten chromolithographischen Tafeln, von denen jeder Band 24 Blätter bringt, gestalten die Zeitschrift zu einem Prachtwerk auf dem Gebiete der Garten- und Blumenkunde. Inſeraten-Anhang zum „Humboldt“. — Jahrgang 1885. — Februar. — Doerklug want Serdinand Dirt in Dreslnn- + Soeben wurde vollſtändig: e 1 E > Schild Verſuch einer Phyſiognomik der geſamten Erdoberfläche in Skizzen, Charakteriſtiken un Schilderungen, ' N zugleich als erläuternder Text zum landſchaftlichen Teile (II.) von Ferdinand Pirts Geographiſchen Bildertafeln, herausgegeben von Dr. Alwin Oppel. Broſch. 12 M., geb. 14,50 M. fi Früher erſchien folgendes, beachtenswerte Werk!: e 2 oie 15 in ſeinen charakteriſtiſchen Fügen und ſeinen Beziehungen zu Rue, Prof. I., Das deutſche Land Geſchichte und Leben der Menjchen. Dritte Bearbeitung von Prof. Dr. Koner. Broſchiert 8 M. Eleg. geb. 10,50 UI. Werlay unn Serdinund Wirt & Sohn in Leiprig- * Im Laufe des Sommers publizierten wir folgende Neuigkeiten: Ae ED ch 100 Ga) i vel anderzahre our ein wildes Land von Unter den Kannibalen von Neu- Britannien. Bitrees Power, feet abectragen dard lor . : M. Schröter. Mit vielen Illuſtrationen nach Zeichnungen des Verfaſſers und einer Karte. Broſch. 7,50 M. Geb. 9 M. x | ae: 7 Bilder und Skizzen von der Weltreiſe Sr. Maj. Unter der Kriegsflagge des Deulſchen Reichs. % cists desc ress von F. G. Wein, Maiſerlichem Marinepfarrer. Mit mehreren Karten der Reiſe. Broſchiert 6M. Gebunden 8 M. 7 * von Iſabella Bird (Mrs. Bishop). Verfaſſerin von: „Der hawaiiſche Archipel“, Der goldene Cherlones means i dne in den Rocky Mountains“, „Unbetretene Pfade in Japan“. Frei überſetzt von A. Helms. Mit 2 Karten und vielen Illuſtrationen. Broſchiert 7,50 M. Gebunden 8,50 m. Früher erſchienen folgende, ſehr beliebten, reich illuſtrierten Werke: eiſeſchilderungen der r rs. Annie Braſſey: Eine Hegelfahrt um die Welt. Honnenſchein und Sturm im Olten. Pracht⸗Ausgabe. Geb. [5 M. Broſch. 12 m. | Seefahrten und Wanderungen vom Hyde-Parf zum Goldenen Horn, Billige Ausgabe. (4. Auflage.) Geb. 8,50 M. Broſch. 6,60 M. . In Prachtband 8,50 M. Broſchiert 6,60 M. i . 7 7 Eine wiſſenſchaftliche Reife um die Welt in populärer Darſtellung von W. Sprit Expedition des Challenger. deutſch Aon D. v. Wobeſer. Reich illuſtriert. Broſchiert 12 M. Gebunden 14 K. Ar 4 Min * Sommer- und Winterreifen in Schweden, Lorwegen, Lappland und ij Im Tande der Mitternachtsſonne. Tord-Sinnland. Nach Paul B. du Chaiſcu frei überſetzt von A. Helms. Mit 48 Conbildern, ca. 200 Bolzſchnitten im Text, Harte und einer größeren Anſicht Stockholms. In 2 2 Prachtbänden 24 M. Broſch. 20 20 M. In 4 handlichen, reich illuſtrierten Prachtbänden a 20 M. liegen 1 2115 Sabah me a 80, A: Wand Saris 1 Bd. I: Norwegen, Achweden, Irland und Schottland. anderungen durch Eng- Dordland- Fahrten. land und Wales. — Bd. III. England und die Kanalinſeln. — Bd. IV: Holland und Dänemark. Die Einbände ſind nach Zeichnungen hervorragender Rünſtler hergeſtellt. Gediegene und reich illultrierte Schriften für die reifere Jugend. In Prachtband je 6 M., broſchiert je 4,50 M. neu! Gerettet aus Sibirien. nen: Das Buch vom braven Mann. ö Erlebniſſe und Abenteuer einer verbannten deutſchen Familie. Auf Bilder aus dem Seeleben. Mit beſonderer Berückſichtigung der Grund einer Erzählung von Uméro und Ciffot für die reifere deutſchen Geſellſchaft zur Rettung Schiffbrüchiger von Jugend bearbeitet von 5. Worishoffer. Mit vielen Illuſtrationen. 5. Wörishöffer. Reich illuſtriert von Joh. Gehrts. Mali, der Schlangenbändiger. Kalulu, Prinz, Künig und Sklave. Szenen aus dem indiſchen geben. Don 2 Rouffetet. Szenen aus 5 Leben in Sentral-Afrika. Von H. M. Stanley. Soeben erschien im Verlage von E. Bidder in Leipzig: Faas Oken und sein Verhältniss zur t modernen Entwickelungslehre. Ein Bei- H H trag zur Geschichte der Naturphilosophie In Carl Winter’s Universititsbuchhandlung in Heidelberg ist erschienen: (rida der organischen Chee yon Prof. Dr. Aug. Laubenheimer. Gr. S. Broch. M. 20. —. Geb. M. 21 11 diesem Lehrbuch werden bei einer jeden Gruppe von Verbindungen zunachst die all- gemeinen Bildungsweisen, dann die physikalischen läufer der Darwin’schen Descendenztheorie be— Eigenschaften, darauf die Metamorphosen in mög- trachtet wird. lichst zusammenfassender Weise erörtert, und ee ᷣ——— schliesslich wird in tabellarischer Form eine Ueber- sicht über die bis jetzt dargestellten Glieder der r ä betreffenden Reihe gegeben. Diese „Uebersichten“ lassen die Isomerieverhältuisse deutlich hervor- Verkant einer Naturalienhandiang., i ügli Bildungs- treten; die Andeutungen bezüglich der von Dr. C. Güttler. Preis 3 M. Diese Schrift enthält die erste systematische Darstellung der Naturphilosophie Lorenz Okens, der neben Goethe bekanntlich als einer der Vor- weisen der Körper dienen als Prüfstein, ob der Wegen fortdauernder Kranklichkeit suche mein Lernende die vorher besprochenen Reactionen ver- vortrefflich eingerichtetes und rühmlichst bekanntes standen und behalten hat. — Das Buch ist lediglich Naturaliengeschatt „Alpina“ mit grosser Kundschaft ein Lehrbuch, das dem Studierenden in mög- zu verkaufen. Günstige Bedingungen und billiger lichster Kürze einen Ueberblick über das reiche Preis. Antritt sofort oder auf Frühjahr. Gebiet der organischen Chemie gewähren soll. Oberstrasse bei Zürich. Dr. G. Haller, Naturforscher. 1 Inſeraten-Anhang zum „Humboldt“. EFestgeeschenk! In Carl Winter’s Universititsbuchhandlung in Heidelberg ist nun complet erschienen: Deutschlands Farne mit besonderer Berücksichtigung der angrenzenden Gebiete Oesterreichs, Frankreichs und der Schweiz. Von Heinrich Waldner. 52 Lichtdruckbilder in Folio mit deutschem, französischem, englischem und lateinischem Text. Preis M. 32. 50., elegant in grüne Leinwand gebunden M. 38. —. D Das Werk kann auch in beliebigen Zwischenrtiumen nach und nach in 13 Heften d M. 2. 50. bezogen werden. „Die prachtvollen Blatter eines Herbariums mit den Originaletiquetten auf photolithographischem Wege reproduzirt, geben eine der schénsten und zierlichsten Publicationen, die wir kennen.... Das Werk wird bei den vielen Liebhabern dieser reizenden Pflanzengruppe lebhaften Anklang finden, es verdient aber auch seinen Platz in Lehrmittelsammlungen, und seine brillante Ausführung sichert ihm auch auf dem Salontische Beachtung.“ (Neue Freie Presse.) Sammlun gen von Leitfossilien Von der Zeitschrift: „Der 28908 Garten“, redigirt von Oberlehrer Prof. Dr. F. C. Noll, Verlag bestimmt durch eine schweizerische Autorität von Mahlau & Waldschmidt in Frankfurt a. M., und von authentischen Fundorten. erschien soeben No. 9 und 10 des XXV. Jahrgangs 40 Arten aus dem oberen und mittleren Lias 35 Fres.; für 1884 mit folgendem Inhalt: 20 aus dem oberen Lias des Jura und des Elsass 18,00; 100 aus dem Dogger des Jura 85 Fres.; 10 aus den No. 9: Schichten der Trigonia naevis (Elsass) 12,50 Fres.; Eine Augenoperation an einem Lammergeier des Zoologi- 90 5 5 6 55 i 20 aus dem Oxfordien 12,50 Fres.; 15 aus dem Cal- | sehen Garten: in Hamburg: von Dr. mel ual phil. D, otek lorien 12,00; 25 aus dem Transversarius-Horizont von H. Nehrling. (Fortsetzung.) — Die wissenschaftlichen (Birmensdorf: 20,00; 20 aus den Schichten des Geiss- und die praktischen Aufgaben bei der Aufstellung unserer Na- 7 d per rain 01 turali 1 L Martin in Stuttgart. (Fort erge un rr. 1 3 hal . Uraliensammlungen; von eop. artin in u Tt. ort- 9 18 a e ines 14,00; 10 aus dem setzung.) — Das Fliegen der Fledermäuse am Tage; von Pfarrer Diceratien (Corallien) 9,00; 20 aus den Tennilobatus- Jäckel in Windsheim. — Die Springmäuse; nach Lataste. Schichten 18,00; 20 aus dem Astartien 18,00: 20 aus — Bericht über den Zoologischen Garten zu Dresden über das dem Pterocerien oder Kimmeridgien 18,00. Bei Ab- Geschattslahe yout: 155 185 50 Meme GionenaEs nahme aller 300 Arten zum Gesammtpreise von 220 Fres. SEAT DIS eRe A ea ; y Ferner von einzelnen Raritäten: Ammonites transversarius No. 10: 9 u. 12 Fres.; Amm. Ogir Opp. 7,00 Fres. Einzelne Haftapparate bei Wirbeltieren; von G. Simmermacher, seltene Ammoniten- und Cidariten-Arten von 2.50 bis = Dio wissenschallichen alle die prakilaghen Autgabentbe: Gen Qr 5 5 GG i | Aufstellung unserer Naturaliensammlungen; von Leop. Martin 3,50 Fres. Gemeine Ammoniten, Crinoideen und in Stuttgart. (Schluss.) — Ein hypneumatischer Sperling; von 8 Echinoideen à 0,70 bis 1,20 Fres. Seltenere Univalven prof. Dr. H. Landois. — Namen einiger asiatischer Wildschafe; und Bivalven a 2,00 bis 6,00 Fres. | von Dr. B. i ae 68 Die Ath EONS (Capac Rees | pannonicus Fitzinger) in der Gefangenschaft; v. Joh. v. Fischer. Oberstrasse bei Zürich. Dr. G. Haller. | — Miscellen. — Eingegangene Beiträge. — Bücher und Zeitschr. Verlag von FERDINAND ENKE in STUTTGART. Soeben ist erschienen und durch jede Buchhandlung zu beziehen: Fund-Statistik der Vorrémischen Metallzeit im Rheingebiete. Von E. Freiherr von Tröltsch, Kgl. württemb. Major a. D. Mit zahlreichen Abbildungen und 6 Karten in Farbendruck, Gerippte Bronze-Ciste. Quartform. Gebunden. Preis M. 15. — Prof. Dr. Paulus in Stuttgart sagt über dieses Werk im „Schwäbischen Merkur“: Eine Zusammenstellung von Funden aus den vorrömischen Metall- fiir Jeden, der sich mit Forschungen in dieser Richtung irgendwvie be- zeit wurde in vorliegendem Werk versucht, und zwar umschliesst das- fasst; auch diirfte dasselbe von Interesse sein fiir héhere Bildungs- selbe die reine Bronzezeit, die dltere und die jiingere Eisenzeit (sog. anstalten, zur Erliiuterung der diltesten Heimatkunde u. S. w. Dass das La Tene) und die altitalischen Fabrikate. Es ist eine Arbeit mancher vorliegente Werk mit besonderen Vorliebe, méglichster Genauigkeit und Jahre, neu und n im Entwurf, trefflich in der Ausfiihrung und Vollstiindigkeit, aber auch mit Aufwoand grosser Miihe verfasst wurde, geroiss von bahnbrechenden Wirkungen. Grdsstmogliche Uebersichtlich- das sagen schon die iiber 4000 Fundorte, die die Statistik enthdlt. Auch keit, Vollstdndigkeit und Genauigkeit waren die Grundsdtze, die den die Verlagsbuchhandlung war bemitht, das Werk in schönem Gewande Verfasser bei der Abfassung leiteten. In den Tabellen ist die Liinder- erscheinen zu lassen. Die Fundangaben beruhen theils auf den Ein. eintheilung so gewiihlt, dass sie zugleich geographischen und ethnogra- trdgen der Vorstinde von uber 80 Sammlungen in versandte Frage- phischen Abschnitten entspricht: Alpenland (Schweiz etc.), Oberrhein- bigen, theils auf den eigenen Studien des Verfassers bei dem Besuch land, linkes Ufer: Elsass-Lothringen, rechtes Ufer (Baden), Linder an von etwa 50 Museen des deutschen und ausserdeutschen Rheingebiets. der ober. Donau u. ober. Neckar (Wiirttemb. u. Hohenzollern), Liinder Die nach Hunderten ædhlenden Abbildungen sind alle vom Verfassen um den Einfluss des Mains in den Rhein (Pfalz, die Hessen) it. S. 10. selbst nach den Originalen in einfacher, aber durchaus charakteristi- JJJJJJJJJJJJJJCJVC c aici ar conte Nv gil you a schien Weise gezeichnet, so dass auch der vollstindige Laie in Alter- Das Werk diirfte ein unentbehrliches Handbuch werden fiir jede thumsdingen an diesen Abbildungen unverriickbare Unterscheidungs- * . q, . 1 7 . 27 „ 9 archiologische Sammlung und jeden archiiologischen Verein, tiberhaupt | und Erkennungsmerkmale vor sich hat. Inſeraten-Anhang zum „Humboldt“. 3 Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Soeben erschien: Grundzüge Vergleichenden Physiologie und Histologie von Prof. Dr. Ludwig von Thanhoffer in Budapest. Mit 195 Holzschnitten. 8. geheftet. Preis M. 16. — Verastelung der gröberen Gefässe im Menschen und Pferde. Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig. Neue Werke aus Th. Grieben's Verlag (L. Fernau) in Leipzig. Specielle Physiologie des Embryo. Untersuchungen Soeben erschien und ist durch alle Buchhand- lungen zu beziehen: über die Lebenserscheinungen vor der Geburt. Von Prof. Dr. W. Preyer. Mit 9 lith. Tafeln und Holzschnitten. broch. 16 M., gebd. 19 M. Die Seele des Kindes. Beobachtungen über die Die Vegetation der Erde nach ihrer klimatischen Anordnung. geistige Entwicklung des Menschen in den ersten Lebensjahren. Von Prof. Dr. W. Preyer. 9 9 nae 2. Aufl. broch. 9 M., gebd. u M. Ein Abriss der vergleichenden Das Weib in der Natur- und Völkerkunde. Anthro- Geographie der Pflanzen pologische Studien. Von Dr. H. Ploss. 2 starke von Bande. broch. 16 M., gebd. 19 M. A. Grisebach. Das Kind in Brauch und Sitte der Völker. Anthro- Zweite vermehrte und berichtigte Auflage. pologische Studien. Von Dr. H. Ploss. 2. Aufl. 2 Bande. 2 Bande. broch. 12 M., gebd. 15 M. Mit einer Uebersichtskarte der Vegetationsgebiete. 20 Mark. F Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Kiirzlich ist erschienen: Geschichte der Physik Aristoteles bis auf die neueste Zeit. Von Professor August Heller. ; Zwei Bande. I. Band: Von Avistoteles bis Galilei. Gr. 8. 1882. Geh. Preis M. 9. — II. Band: Von Descartes bis Robert Mayer. Gr. 8. 1884. Geh. Preis M. 18. — Dieses in grossem Stile angelegte und durchgefiihrte Werk ist in das richtige Licht geriickt und das obige Werk gewinnt da- Jedem, der sich fiir die physikalischen Naturivissenschaften inter- durch eine ganz besondere Bedeutung. Die Darstellung ist bis essirt, auf’s Dringendste zu empfehlen. Der Verfasser gelit zur zweiten Hiilfte unseres Jahrhunderts fortgefithrt und giebt tiberall auf die Quellen zuruck und bespricht nicht allein di- also noch die historische Entiwoickelung der Theorie von der Ener- Lebensverhdltnisse und die iwwissenschaftliche Stellung aller nur gieverwandlung, welche die allerneueste Periode der Physik ein- irgendivie bedeutenden Physiker, sondern er giebt auch durch- leitet. Moge das reichhaltige, iwichtige Werk die ihm gebiihrende gängig eine gewissenhafte Analyse ihrer iwichtigen Schriften. Verbreitung finden! | t Manches nicht allgemein bekannte Material wird auf diese Weise Gaea S4. Octoberheft. BOOS 8H 090809 0000 ,ẽe e THO DDI OGHHESSHSSHOOOD 4 Inſeraten⸗Anhang zum „Humboldt“. Im Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart erscheint;: Cyartenflora. Allgemeine Monatsschrift fur Garten- und Blumenkunde. Herausgegeben von Professor Dr. Engler in Breslau und Universitäts- Garten -Inspector B. Stein in Breslau. Jahrlich 12 Hefte. gr. 8. Preis M. 18. — Die Zeitschrift zeichnet sich durch gehaltvolle Original-Artikel und eine Fülle von neuen und inter- essanten Mittheilungen, welche sowohl fiir den Botaniker, als auch fiir den praktischen Giirtner und Gartenliebhaber werthvoll sind, aus. Die anerkannt vorziiglich ausgefiihrten chromolithographischen Tafeln, von denen jeder Band 24 Blatter bringt, gestalten die Zeitschrift zu einem Prachtwerk auf dem Gebiete der Garten- und Blumenkunde. Suenos cur cererieneresniiriiineniiniereieniiariiarieciiirierieoaninag Verlag von Gustav Fischer in Jena. Soeben erschienen : Hrnst Haeckel, O. 6. Professor der Zoologie an der Universität Jena, Ursprung und Entwickelung der thieri- schen Gewebe. Ein histogenetischer Beitrag zur Gastraeatheorie. Preis: 2 Mark. Oscar Hertwig, o. 6. Prof. d. Anatomie u. Director d. anatom. Anstalt der Universitit Jena, Das Problem der Befruchtung und der Isotropie des Eies, eine Theorie der Vererbung. Preis: 1 Mark 50 Pf. Kduard Strasburger, 0. 6. Professor der Botanik an der Universität Bonn, Neue Untersuchungen über den Befruchtungsporgang bei den Phanerogamen als Grundlage fiir eine Theorie der Zeugung. Mit zwei Pine 5 N Tafeln. PTT PITTA ieee eee eee eee Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Dendrologie. Bäume, Sträucher und Halbsträucher, welche in Mittel- und Nord-Europa im Freien cultivirt werden. Kritisch beleuchtet von Karl Koch, med. und phil. Dr., Professor der Botanik an der Friedrich- Wilhelm-Universitat zu Berlin. In zwei Banden. I. Band. — Die Polypetalen. — Preis 12 Mark. — II. Band, I. Abtheilung. — Die Mono- und Ape- talen, mit Ausnahme der Cupuliferen. — Preis 12 Mark. II. Band. 2. Abtheilung. (Schluss.) — Die Cupuli- feren, Coniferen und Monocotylen. — Preis 9 M. 20 Pl. Die Verlagshandlung erlaubt sich auf dieses, von der gesammten Fachpresse als elassisch und einzig in seiner Art bezeichnete Werk auf's Neue aufmerksam zu machen. Alle Buchhandlungen nehmen Bestellungen entgegen. Die verlagshandlung erlaubt fich wiederholt anzuzeigen, daß auch für den dritten Jahrgang des „Pumboldt“ Geſchmackvolle Einbanddecken in dunkelgrüner Leinwand mit Gold- und Schwarzpreſſung angefertigt wurden. Die Decke iſt zum Preiſe von M. J. 80. durch jede Buchhandlung zu beziehen. Auch zu den beiden erſten Jahrgängen ſind noch Decken vorrätig und können ſolche zum gleichen Preiſe nachbezogen werden. Stuttgart, im Januar 1885. Die Verlagshandlung von Ferdinand Enke. Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. Länderkunde von Europa herausgegeben unter fachmänniſcher Mitwirkung von Alfred Rirchhoff. Mit vielen Abbildungen in Schwarzdruck, ſowie Karten und Tafeln in Farbendruck. Dollſtändig in 2 Händen. I. Band: Erſcheint in ca. 50 wöchentlichen Lieferungen a 90 Pf. — 54 Rr. Europa, I. Teil. Einleitung von Prof. Dr. A. Kirchhoff. — Aberſicht über Mittel⸗Europa von Prof. Dr. A. Penk. — Das deutſche Reid) von Prof. Dr. A. Penk. — Oſterreich⸗Ungarn von Prof. Dr. A. Supan. — Die Schweiz von Prof. Dr. J. Egli, Prof. Dr. A. Heim und Direktor Dr. R. Dillwiller. — Niederlande und Belgien von Prof. Dr. A. Pent. II. Band: Erſchelnt in ca. 50 wöchentlichen Lieferungen a 90 Pf. = 54 Rr. Europa. II. Teil. Frankreich, britiſche Inſeln, Dainemark, Skandinavien und nordiſche Inſeln von Prof. Dr. A. Pens. — Rußland von Prof. Dr. 3. Rein und Dr. Ed. Petri. — Rumänien von Dr. Paul Lehmann. — Die ſüdeuropäiſchen Halbinfeln von Prof. Dr. Theobald Lifter. Afien, Afrika, Auſtralien und Amerika find im Anſchluß hieran in Ausſicht genommen. Berlag . Verlag von von G. Freytag, Leipzig. F. Tempsky, Prag. N nen ee a 7 2 ih soe — n 2 3 ISS 2 — — = 1 ! | Al 11 | i | Witte umzu wenden. Ne n eee e intr 7255 eee a 1 i n Here umnnuunmenmennnmmmp mandel SSE 3 fe eee biene eee eee ee neee ene H AREA nun ennnumon menen nnn ict c — [ow foSeSe — eee eee! J e een dennen dename enen HA Deutſchland iſt die Geburtsſtätte der modernen wiſſeuſchaftlichen Sinbertunde, A. v. Humboldt und K. Ritter haben wir dieſen Ruhm zu verdanken. Sie brachten uns beide, jeder nach ſeiner Art, in muſtergiltigen Werken zur Erkenntnis, daß die Wiſſenſchaft von den Ländern nichts Anderes ſei, als die ur ſächliche Verknüpfung unzähliger Einzel⸗ heiten, welche den Inbegriff eines jeden Landes ausmachen zu einem geordneten Ganzen. Unſere neuere Litteratur hat vorzügliche Darſtellungen einzelner Länder aufzuweisen, die im Geiſte jener beiden Altmeiſter gehalten ſind, aber eine Geſammtländerkunde der Erde, wie fie Ritter unternahm, ohne fie vollenden zu können, wurde nicht wieder verſucht. Heutzutage wäre es überdies für einen einzelnen Gelehrten unmöglich, die erſtaunlich angewachſene Maſſe des länderkundlichen Stoffs dermaßen zu bewältigen, daß ein dem gegenwärtigen Kenntuisumfang vollentſprechendes, durchaus quellenmäßig begründetes Lehrgebäude der Länderkunde daraus erſtände. Sogar vereinte Kräfte würden ſchwerlich mit gutem Erfolg ſolch Wagnis über ſich nehmen; und wieviel Bände wären hierzu erforderlich, da doch Ritter mit den 21 Bänden ſeiner monumentalen „Erdkunde“ noch nicht die Länderkunde Afrikas und Aſiens erſchöpfte! Dem vorliegenden Werke kiegt ein viel beſcheidenerer Plan als der einer Erneuerung des Ritterſchen Unternehmens zu Grunde. Es beabſichtigt nicht nur für den Geographen von Tach, ſondern auch für den weiten Kreis der Gebildeten die Erde nach der Mannigfaktigſieit ihrer Tändergeſtalten umritzweiſe, aber dabei ſtreng wiſſenſchaftlich zu ſchildern. Wir möchten dem deutſchen Volke Heimat und fremde vorführen in abgerundeten Vildern des BWefens jeglichen Candes d. h. der Grundzüge ſowohl feiner Natur als aie) der doppelten Beziehung der Bewohner zu ihr, der paſſiven wie der aktiven. Die vielen Lehr⸗ und Handbücher der Geographie werden alſo hiemit Reinesweas um ein neues vermehrt, ebenſowenig aber foll die Bahl derjenigen Werse vergrößert werden, welche ſich in einfachen Schilderungen von Fand und Leuten gefallen. Am meiſten ſchwebt uns das Beifpiel von Eliſee Reclus' Géographie universelle vor; nur wil dieſe deutſche Fänderkunde ihren Gegenſtand bei weitem nicht fo umfangreich wie das franzöſtſche Werk behandeln, aber mit gleichem Streben nach wiſſenſchaftlicher Hründlichleit und Anparteilichkeit, in gemeinver⸗ ſtändlicher Sprache, unterſtützt durch reichliche Beigabe von Karten, Candſchafts⸗ und Bolkstypen. Soweit irgend möglich, wird unſer Bud jedes Sand von einem kundigen Beobachter dargeſtellt bringen, der es aus eigener Anſchauung kennen gelernt hat. Was ihm dabei unvermeidlich an äußerer Einheitlichkelt mangeln wird, muß ihm durch die Verkäßlichkeit und Cebendigleit einer nicht auf bloßem Vücherſtudium beruhenden Schilderung zu gute lommen. Die Namen der Mitarbeiter, welche für die vorkiegende Tänderkunde gewonnen wurden, bürgen dafür, daß der Verſuch, dem oben gellennzeichneten Ideal nachzuſtreben, nicht ganz miß⸗ lingen wird. Aud wenn dasſelbe nach dem der menſchlichen Kraft geſetzten Maße ſowie nach dem derzeitigen Stand unſerer Kenntnis von der Erde auch gewiß nicht in jeder Beziehung erreicht werden kann, ſo möchte ſelbſt ein nur teilweiſes Gelingen unſerer Nation gerade jetzt willkommen fein, wo fle ernſthafter denn je beſtrebt iff, ihre alte Freude an den Herrlichkeiten der weiten Zelt zu einem eindringenderen Verſtändnis der irdiſchen Heimat in Näße und Kerne zu vertiefen. . Beſtellungen übernimmt jede Buchhandlung, und iſt Lieferung 1 in denſelben zur Einſichtnahme vorräthig. i ieee eee eee eee denun!u eee — eh eee e rrrrsdccg eder derrncctecr rr e d r de d g dd e TNT umahmnnnunnnum NRCC eee eee a A 1 1g zu vorſtehender „Länderkunde von Europa“ ijt erſchienen; Allgemeine Erdkunde von Dr. Jul. Haun, Dr. F. von Hodjftetter und Dr. A. Pokorny. Neue erweiterte Ausgabe. Lex. 85. 1010 Seiten mit vielen Abbildungen und Karten. Inhalt: J. Abſchnitt: Aſtronomiſche und phyſiſche Geographie von Dr. 3. Haun. — II. Abſchnitt: Die fefte Erdrinde nach ihrer Zuſammenſetzung, ihrem Bau und ihrer Bildung (Geologie) von Dr. Ferdinand 755 von Hochſteller. — III. Abſchnitt: Die Erde als Wohnſih der Pflanzen, Thiere und Menſchen (bio- 4 — logiſche Geographie) von Dr. Alois Voloruy. Preis geh. 45 M. = 27 fl. — In ſolidem Halbfranzbaund 52 M. S 31 fl. 20 kr. — Auch in 50 Lieferungen a 90 Pf. = 54 kr. oder in 3 Abteilungen (I. Preis 13 M. 50 Pf. = 8 fl. 10 kr., II. Preis 13 M. 50 Pf. = 8 fl. 10 kr., III. Preis 18 M. = 10 fl. 80 kr.) zu beziehen. Weſtellzettel zum Abſchneiden und Einſenden an eine Buchhandlung. 2 Unterzeichnete ſubſcribiert hiermit auf: Länderkunde von Europa herausgegeben unter ſachmänniſcher Nitwirlung von Alfred Kirchhoff. Vollſtändig in 2 Bänden (je ca. 50 Lieferungen a 90 Pf. = 54 kr.) Ort und Datum Name und Stand; K. k. Hofbuchdruckerei A. Haaſe, Prag. ‘ulaag ul siuviqigg snydos uoa alydvabojyoyd aaa px) mnie “FVATIQOE Wr QUYTAqUY goactsuohvapnng ees i ; 1. Heft. d ae Preis 1 Wark. J. Jahrgang. konatsſchriſt | für die 8 Fgeſamten Naturwiſſenſchaſten⸗ 5 Cy . erausgegeben⸗ vow Prof. Dr. & Rrebs Aununr 1885. Stuttgart. Verlag von Ferdinand Enke. ä FCC on, a eee ae Mitarbeiter. Prof. Dr. Arby in Prag. Prof. Dr. Ahles in Stuttgart. Prof. Dr. Balling in Pribram. Privat⸗ dozent Dr. Baltzer in Zürich. Dr. J. vnn Bebber, Abteilungsvorſtand der Seewarte in Hamburg. Gymnaſial⸗ lehrer Behrens in Güterslohe. Dr. J. Berger in Frankfurt a. M. Dr. Rudolf Biedermann in Berlin. Kreis⸗ arzt Dr. Biedert in Hagenau. Prof. Dr. Bopp in Stuttgart. Profeſſor Dr. M. Braun in Dorpat. Prof. Dr. Brauns in Halle a. d. S. Prof. Dr. Chavanne in Wien. Prof. Dr. Chun in Königsberg. Prof. Dr. Cb. W. von Dalla Torre in Innsbruck. Prof. Dr. Dames in Berlin. Dr. Emil Deckert in Dresden. Dr. J. F. Deichmüller, Aſſiſtent am mineralogiſchen Inſtitut in Dresden. Prof. Dr. Dippel in Darmſtadt. Prof, Dr. Dülter in Graz. Prof. Dr. Ebermayer in München. Privatdozent Dr. Edelmann in München. Ingenieur Ehrhardt-Korte in Baſel. Prof. Dr. Eimer in Tübingen. Oberlehrer H. Engelhardt in Dresden. Prof. Dr. Falak in Kiel. Privatdozent Dr. Fifty in Erlangen. Prof. Dr. H. Fiſcher in Freiburg i. B. Prof. Dr. Fleck in Dresden. Dr. Frans in Stuttgart. Prof. Dr. Freytag in Halle a. d. S. Prof. Dr. K. v. Fritſch in Halle a. d. S. Prof. Dr. Th. Fuchs in Wien. Prof. Dr. Gad in Würzburg. Prof. Dr. Gerland in Straßburg. Dr. Geyler, Dozent am Senckenbergianum in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Götte in Roſtock. Dr. Gam. Göze, Garteninſpektor in Greifswald. Prof. Dr. Graber in Graz. K. Poſtrat Grawinkel in Frankfurt a. M. Prof. Dr. H. Gretſchel in Freiberg i. S. Bergrat Dr. Albr. v. Groddeck, Direktor der Berg⸗Akademie in Clausthal. Prof. Dr. Günther in Ansbach. Dr. G. Haller in Zürich. Prof. Dr. Hallier in Halle. G. Hammer, Aſſiſtent am Polytechnikum in Stutt⸗ gart. Prof. Dr. Hanauſek in Krems a. d. Donau. Prof. Dr. Hartig in München. Dr. Hartwig, Obſervator a. d. Sternwarte in Dorpat. Medizinalrat Dr. Hedinger in Stuttgart. Dr. Er. Heincke in Oldenburg. Prof. Dr. Heller in Budapeſt. Fr. v. Hellwald in Stuttgart. Oberlehrer Henrich in Wiesbaden. Dr. Hermes, Dir. d. Aquariums in Berlin. Prof. Dr. M. Heß in Hannover. Prof. Dr. Hilger in Erlangen. Dr. Walter Hoffmann in Wurzen. Dr. Höfler in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Hoh in Bamberg. Hofgarteninſpektor Jäger in Eiſenach. H. Jordan, Aſſiſtent am phyſiologiſchen Inſtitute in Erlangen. Prof. Dr. Enemmerer in Nürnberg. Reg.⸗Baumeiſter Keller in Berlin. Dr. F. Rinkelin in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Flunzinger in Stuttgart. Dr. Friedr. Knauer in Wien. Dr. Kobelt in Schwanheim a. M. Prof. Dr. v. Krafft Ebing in Graz. Direktor Dr. Krumme in Braunſchweig. Dr. C. TF. Kunze in Halle a. d. S. Prof. Dr. Tandois in Münſter i. W. Prof. Dr. v. Taſauls in Bonn. Dr. Paul Tehmann, Aſtronom des Rechnungs⸗Inſtituts der königl. Sternwarte zu Berlin. Prof. Dr. Tepſtus in Darmſtadt. Prof. Dr. Teuckart in Leipzig. Prof. Dr. T. Tiebermann in Budapeſt. Dr. Jul. Tippert in Berlin. Prof. Dr. Tommel in Erlangen. Prof. Dr. W. Toſſen in Königsberg. Dr. Tudwig in Pontreſing. Prof. Dr. Hugo agnus in Breslau. Prof. Dr. Melde in Marburg i. H. Prof. F. Mühlberg in Aarau. Prof. Dr. Neeſen in Berlin. Prof. Dr. C. F. W. Peters in Kiel. Privatdozent Dr. A. Penck in München. Dr. Peterſen, Vorſitzender im phyſikaliſchen Verein zu Frankfurt a. M. Prof. Dr. Pisko in Wien. Prof. Dr. Prantl in Aſchaffenburg. Prof. Dr. Pütz in Halle a. d. S. Prof. Dr. Joh. Ranke in München. Prof. Dr. Reef in Erlangen. Prof. Dr. Reichardt in Jena. Dr. Veichenbach, Dozent am Senckenbergianum in Frank⸗ furt a. M. Dr. Veichenow in Berlin. Prof. G. Veichert in Freiburg i. B. Prof. Dr. P. Reis in Mainz. Prof. Dr. Noſenthal in Erlangen. Dr. Karl Ruß in Berlin. Prof. Dr. Samuel in Königsberg. Prof. Dr. Sandberger in Würzburg. Prof. Dr. Schaaffhauſen in Bonn. Dr. Schauf, Dozent am Senckenbergianum in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Schenk in Leipzig. Dr. G. Schultz in Berlin. Ingenieur Th. Schwartze in Leipzig. Prof. Dr. Alois Schwarz in Mähriſch⸗Oſtrau. Generalmajor von Sonklar in Innsbruck. Kreisarzt Dr. C. Spamer in Lauterbach i. Oberheſſen. Prof. Dr. Standfeft in Graz. Hofrat Dr. Stein in Frankfurt a. M. Prof. Dr. GE. Taſchenberg in Halle a. d. S. Major a. D. von Tröltſch in Stuttgart. Prof. Dr. W. Valentiner, Direktor der großherzogl. Sternwarte in Karlsruhe. Prof. Dr. Z. W. Vogel in Berlin. Dr. Hans Vogel in Mem⸗ mingen. Prof. Dr. A. Vogel in München. Prof. Dr. J. G6. Wallentin in Wien. Dr. D. F. Weinland in Eßlingen. Prof. Dr. T. Weis in Darmſtadt. Privatdozent Dr. J. G. Weiß in München. Prof. Dr. Wernich in Berlin. Dr. Th. Weyl in Berlin. Prof. Dr. R. Wiedersheim in Freiburg i. Br. Prof. Dr. Wiesner in Wien. Prof. Dr. Wüllner in Aachen. Prof. Dr. Wundt in Leipzig. Prof. Dr. v. Zech in Stuttgart. Prof. Dr. Zittel in München. Prof. Dr. Zöller in Wien. Prof. Dr. Zuckerkandl in Graz. Die Verla shandlung erlaubt ſich anzuzeigen, daß auch für den dritten Jahrgang Gs) 9 ſich anzuzeig i des „Humboldt“ Geſchmackvolle Einbanddecken in dunkelgrüner Leinwand mit Gold- und Schwar3zpreffung angefertigt wurden. Die Decke iſt zum Preiſe von M. J. 80. durch jede Buchhandlung zu beziehen. Auch zu den beiden erſten Jahrgängen ſind noch Decken vorrätig und können ſolche zum gleichen Preiſe nachbezogen werden. Stuttgart, Ende November 1884. Die Verlagshandlung von Ferdinand Enke. MIKROSKOPE empfiehlt als schönstes und praktischstes p \\ . al Ul N Ds . EI mista optische Werkstätte PAUL WAECHTER| BERLIN S. O., Kopnicker Strasse 115. 8 FPN = — ‘ere 2 8 Gegründet im Jahre 1872. P INio. 12 wird auf Verlangen gratis versandt. Eine eingehende Besprechung und Empfehlung der Mikroskope des Herrn . Wachter befindet sich im 12. Heft des vorigen Jahrgangs des ,,Humboldt Seite 456. Die Verlagshandlung. FCC Ba Inhalt des Sanuar-Heftes. Prof. Dr. G. H. Theodor Eimer: Ueber die Zeichnung der Tiere. I. (Mit Abbildungen). N 1 Prof. a Heller: Aus wiſſenſchaftlichen Grenzgebieten J See ee gee RRS g Prof. Dr. J. Rofenthal: Die allgemeinen Erſcheinungen der N 27277 ĩ?Vu Sue eer eee ee aay Dr. W. Kobelt: Erkürſtonen in Nörd zun (Mie Abbildung 5 o 3 Ss > 5 6 5 LT Dr. J. van Bebber: Glaube und Aberglaube in der Witterungsfunde . . . . . .... 224 Tortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Phyſik. Von Prof. Dr. G. Krebs. Lenkbares Luftſchiff. Abſorption des Schalles durch Reſonatoren. Unterſuchun⸗ gen über Radiometer. Darſtellung magnetiſcher Kurven. Sicherung vor Blitzſchlag. (Mit Abbildungen) 28 Geographie. Von Dr. Franz Höfler. Polarforſchung. es Labrador. Kap Horn. Die Lenamün⸗ ; dung. Point Barrow. Greelys Entdeckungen j a a ST coe ea Neue Apparate für Unterricht und Praxis. Prof. Dr. G. Krebs, Vorleſungsverſuche über die Beziehung zwiſchen dem durch Reflexion und dem durch Brechung erzeugten polariſierten Licht. (Mit Abbildung 37 Va m ech Patent Hygtometes (Wit Mw) 6 nn 8 Lambrechts Patent⸗Wetteranzeiger (Thermohygroſkop). (Mit Abbildunngn e 38 artena Rundſchau. Oskar Hertwig, Die Symbioſe oder das Genoſſenſchaftsleben im Tierreich 39 Phyſikaliſches Jahrbuch. Herausgegeben vom Breslauer eee Verein; Erſtes Hef S Edv. Hjelt, Bruchſtücke aus den Briefen F. Wohlers an J. J. Berzelius e Fr. von Hellwald, Kulturgeſchichte in ihrer natürlichen Entwickelung bis zur e e Alfonſe de Candolle, Der Urſprung der Kulturpflanzen 441 A. Braß, Die He Paraſiten des Menſchen j Eos: Se esi ce ah ei er EAT Ludwig Büchner, Der Fortſchritt in Natur und Geſchichte Ba Gel JJ. Secs. | ab T. F. Hanauſek, Die Nahrungs- und Genußmittel aus dem e Ree Re ERAN Src) os Ge Edm. Hoppe, Geſchichte der Elektrizität. 222 a eee ea G. Otto Widemann, Schlüſſel zur Erkenntnis des höchſten bees 1 9 00 Natur und Geſchichte ſtehen 43 Bibliographie. Bericht vom 1. bis 15. November 18884 7777 Ten Sotto AS Witterungsüberſicht für Centraleuropa. 1.— 15. November 44 Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Januar 18h 455 Neueſte Mitteilungen. Afrkaforſchuunsgdgsss m Nero cee reeeiieepe rl cee ep ep beet Ein neuer Krater f yy ta, Shecae ea one Geos SURED Gee lee ree gE CD Verluſt einer koſtbaren Sieh e d ce aaa Feind der Vanille e bese: SV ge eS FEC) Ein elektriſcher Rochen 850 1 77001 f nea Rete ae aan aakier eho Ah6 Einiges über Orchideen e Tora, Ru ]ide adie YM en edt ga Orange, Citrone oder Paradiesapfel ud Vaan my baeaceip tations eau Sete stp a] yc eet Sara Ein papierner Dm F ge) Eee oe Zunahme des Regenfalles in 980 n Staaten 7 Sse s Scag a a nſtehungszeit der Saha,ſ,ſfſfAſfs So ao oso Neeb rologiſches (Mit Abbildunged?ßd yee) ey cer ctadel trees ahi 0 presen ate) Hohle i Algeriesſ,, !; . Beiträge wolle man gefälligſt der Redaktion, Herrn Prof. Dr. Georg Krebs in Frankfurt a. M. (Elsheimerſtraße 7) einſenden. Mit einer Beilage von Ferdinand Enke, Verlagsbuchhandlung in Stuttgart. Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. 0 Preis 1 Mark. 4. Jahrgang. Luna SS : 5 ö e lonalsſchrift : 7 1 Gy |i re Für die A gelamnten Naturwiſſenſchaften . . Herausgegeben 8 } 3 Prof. Dr. & Krebs. | Py \ HFebrunr 1885. vow % @/ Stuttgart ; 7 Verlag von Ferdinand Enke. $ \ 2 5 2 eee nN 1 a beg Mitarbeiter. Prof. Dr. Aeby in Prag. Prof. Dr. Ahles in Stuttgart. Prof. Dr. Salling in Pribram. Privat⸗ dozent Dr. Baltzer in Zürich. Dr. J. van Bebber, Abteilungsvorſtand der Seewarte in Hamburg. Gymngaſial⸗ lehrer Behrens in Güterslohe. Dr. J. Berger in Frankfurt a. M. Dr. Rudolf Biedermann in Berlin. Kreis⸗ arzt Dr. Biedert in Hagenau. Prof. Dr. Bopp in Stuttgart. Profeſſor Dr. M. Braun in Dorpat. Prof. Dr. Brauns in Halle a. d. S. Prof. Dr. Chavanne in Wien. Prof. Dr. Chun in Königsberg. Prof. Dr. C. W. von Dalla Torre in Innsbruck. Prof. Dr. Dames in Berlin. Dr. Emil Deckert in Dresden. Dr. J. T. Deichmüller, Aſſiſtent am mineralogiſchen Inſtitut in Dresden. Prof. Dr. Dippel in Darmſtadt. Prof. Dr. Dülter in Graz. Prof. Dr. Gbermayer in München. Privatdozent Dr. Edelmann in München. Ingenieur Ehrhardt-Korte in Baſel. Prof. Dr. Eimer in Tübingen. Oberlehrer H. Engelhardt in Dresden. Prof. Dr. Falck in Kiel. Privatdozent Dr. Fifty in Erlangen. Prof. Dr. H. Siſcher in Freiburg i. B. Prof. Dr. Fleck in Dresden. Dr. Frans in Stuttgart. Prof. Dr. Freytag in Halle a. d. S. Prof. Dr. R. u. Fritſch in Halle a. d. S. Prof. Dr. Th. Fuss in Wien. Prof. Dr. Gad in Würzburg. Prof. Dr. Gerland in Straßburg. Dr. Geyler, Dozent am Senckenbergianum in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Götte in Roſtock. Dr. Edm. Göze, Garteninſpektor in Greifswald. Prof. Dr. Graber in Graz. K. Poſtrat Grawinkel in Frankfurt a. M. Prof. Dr. H. Gretſchel in Freiberg i. S. Bergrat Dr. Albr. v. Groddeck, Direktor der Berg-Akademie in Clausthal. Prof. Dr. Günther in Ansbach. Dr. G. Haller in Zurich. Prof. Dr. Hallier in Halle. E. Hammer, Aſſiſtent am Polytechnikum in Stutt⸗ gart. Prof. Dr. Hanaufek in Krems a. d. Donau. Prof. Dr. Hartig in München. Dr. Hartwig, Obſervator a. d. Sternwarte in Dorpat. Medizinalrat Dr. Hedinger in Stuttgart. Dr. Er. Heincke in Oldenburg. Prof. Dr. Heller in Budapeſt. Fr. v. Hellwald in Stuttgart. Oberlehrer Henrich in Wiesbaden. Dr. Hermes, Dir. d. Aquariums in Berlin. Prof. Dr. M. Heß in Hannover. Prof. Dr. Hilger in Erlangen. Dr. Walter Hoffmann in Wurzen. Dr. Höfler in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Hoh in Bamberg. Hofgarteninſpektor Jäger in Eiſenach. H. Jordan, Aſſiſtent am phyſiologiſchen Inſtitute in Erlangen. Prof. Dr. Raemmerer in Nürnberg. Reg.⸗Baumeiſter Keller in Berlin. Dr. F. Rinkelin in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Klunzinger in Stuttgart. Dr. Friedr. Knauer in Wien. Dr. Kobelt in Schwanheim a. M. Prof. Dr. v. Rrafft-Ebing in Graz. Direktor Dr. Krumme in Braunſchweig. Dr. C. FE. Kunze in Halle a. d. S. Prof. Dr. Tandois in Münſter i. W. Prof. Dr. v. Taſaulr in Bonn. Dr. Paul Tehmann, Aſtronom des Rechnungs⸗Inſtituts der königl. Sternwarte zu Berlin. Prof. Dr. Lepfius in Darmſtadt. Prof. Dr. Teuckart in Leipzig. Prof. Dr. T. Liebermann in Budapeſt. Dr. Jul. Tippert in Berlin. Prof. Dr. Tommel in Erlangen. Prof. Dr. W. Toſſen in Königsberg. Dr. Tudwig in Pontreſina. Prof. Dr. Hugs Alagnus in Breslau. Prof. Dr. Melde in Marburg i. H. Prof. F. Mühlberg in Aarau. Prof. Dr. Heefen in Berlin. Prof. Dr. C. F. W. Peters in Kiel. Privatdozent Dr. A. Penck in München. Dr. Peterſen, Vorſitzender im phyſikaliſchen Verein zu Frankfurt a. M. Prof. Dr. Pisko in Wien. Prof. Dr. Prantl in Aſchaffenburg. Prof. Dr. Pütz in Halle a. d. S. Prof. Dr. Joh. Ranke in München. Prof. Dr. Reef in Erlangen. Prof. Dr. Veichardt in Jena. Dr. Veichenbach, Dozent am Senckenbergianum in Frank⸗ furt a. M. Dr. Beichenow in Berlin. Prof. GE. Reichert in Freiburg i. B. Prof. Dr. P. Reis in Mainz. Prof. Dr. Rofenthal in Erlangen. Dr. Karl Ruf in Berlin. Prof. Dr. Samuel in Königsberg. Prof. Dr. Sandberger in Würzburg. Prof. Dr. Schgaffhauſen in Bonn. Dr. Schauf, Dozent am Senckenbergianum in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Schenk in Leipzig. Dr. G. Schultz in Berlin. Ingenieur Th. Schwartze in Leipzig. Prof. Dr. Alois Schwarz in Mähriſch⸗Oſtrau. Kreisarzt Dr. C. Spamer in Lauterbach i. Oberheſſen. Prof. Dr. Standfeſt in Graz. Hofrat Dr. Stein in Frankfurt a. M. Prof. Dr. G. Taſchenberg in Halle a. d. S. Major a. D. von Tröltſch in Stuttgart. Prof. Dr. W. Valentiner, Direktor der großherzogl. Sternwarte in Karls⸗ ruhe. Prof. Dr. H. W. Vogel in Berlin. Dr. Hans Vogel in Memmingen. Prof. Dr. A. Vogel in München. Prof. Dr. J. G6. Wallentin in Wien. Dr. D. T. Weinland in Eßlingen. Prof. Dr. T. Weis in Darmſtadt. Privatdozent Dr. J. G. Weiß in München. Prof. Dr. Wernich in Berlin. Dr. Th. Weyl in Berlin. Prof. Dr. R. Wiedersheim in Freiburg i. Br. Prof. Dr. Wiesner in Wien. Prof. Dr. Wüllner in Aachen. Prof. Me one in Leipzig. Prof. Dr. v. Zech in Stuttgart. Prof. Dr. Zittel in München. Prof. Dr. Zöller in Wien. rof. Dr. —— Verlag von J. Engelhorn in Stuttgart. Soeben ist erschienen: Die Elektricitat und ihre Anwendungen zur Beleuchtung, Kraftübertragung, Metallurgie, Telephonie und Telegraphie von Dr. L. Graetz, Privatdocent der Universitat Munchen. Zweite, vermehrte und verbesserte Auflage. —i Mit 365 Abbildungen. . Preis M. 7. — Frs. 9. 30. = 6. W. fl. 4. 20 Nkr. Allen Denjenigen, welche sich uber das heute im Vordergrunde des öffentlichen Interesses stehende Gebiet der Elekiricitdét unterrichten wollen, empfeliſen wir dieses von einem grund- lichen Kenner des Stoffes in leichtfasslicher und anzichender Darstellung geschriebene Buch. Dasselbe umfasst das ganze Gebiet der elektrischen Erscheinungen und ihrer Anwendung und ist ausfihrlich genug, um auch dem Fachmanne ein iibersichtlicher und niitzlicher Fiihrer zu sein. „Eine wahre Fluth von Schriften über Elektricitat überschwemmt den Büchermarkt. Welches Buch soll man wählen, um sich über das Wesen dieser neu gezähmten Naturkraſt zu belehren? hort man oft fragen. Als beste zusammenfassende Darstellung der Gesetze der Elektricitat und ihrer An- wendung haben wir bisher das im Titel genannte Werk des Münchener Universitäts-Docenten kennen gelernt. Es ist klar geschrieben und mit vortrefflichen Figuren ausgestattet.“ (Neue Freie Presse.) Vorrathig in allen Buchhandlungen. 1 MIKROSKOPE empfiehlt als schönstes und praktischstes di optische Werkstätte 85 E. PAUL WAECHTER| BERLIN S. O., Kopnicker Strasse 115. Sal tiaras” INI 62 a2 wird auf Verlangen gratis versandt. ie eingehende Besprechung und Empfehlung der Milcroskope des Herrn F. Wichter befindet sich im 12. Heft des vorigen Jahrgangs des ,,Humboldt Seite 456. | | I SAT E zal Die Verlagshandlung. e 1 15 Inhalt des Sebruar-Heftes. Prof. Dr. J. Roſenthal: Die allgemeinen Erſcheinungen der Lebeweſen. (Schluß) Dr. J. van Bebber: Glaube und Aberglaube in der Witterungskunde. (Schluß). Prof. Dr. G. H. Theodor Eimer: Ueber die Zeichnung der Tiere. II. (Mit Abbildungen) Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Geologie. Von Prof. Dr. A. v. Laſaulx. Metamorphismus, Kontaktmetamorphoſe und regionaler Meta⸗ morphismus. Glaciale Geologie: Gletſcherſpuren in Norddeutſchland, in den bayeriſchen Alpen und der bayeriſchen Hochebene, Eroſionswirkungen der Gletſcher, Urſachen der Eiszeit, Alternieren und Periodicität derſelben Litterariſche Rundſchau. W. Bertram, Schulbotanik et Ernſt Krauſe, Herrmann Müller von Lwpſtadt Wilhelm Rattke, Die Verbreitung der Pflanzen im algen und en in 1 0 auf Deuce Gaston Planté, recherches sur l’Electricité de 1859 à 1879 W. W. Zenger, Die Spannungselektricität, ihre Geſetze, Wirkungen und tahniſchen Ab Carl Ackermann, Beiträge zur phyſiſchen Geographie der Oſtſee Eugen Huſſak, Anleitung zum Beſtimmen der geſteinsbildenden Mineralien Ed. Strasburger, Das kleine botaniſche Praktikum für Anfänger . each arabe or ae SH midline Zimmermann, Illuſtrierte Botanik oder gemeinfaßliche Anleitung zum Studium der Pflanze und des Pflanzenreiches. Vierte gänzlich neu bearbeitete Auflage von Dr. O. E. R. Zimmermann Bibliographie. Bericht vom 16. November bis 31. Dezember 1884 8 Witterungsüberſicht für Centralenropa. November zweite Hälfte und W 1884 Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Februar 1885 Neueſte Mitteilungen. Giraud ute Projekt einer Congoeiſenbahn 5 Große Silberlager in Auſtralien . Neu⸗Guinea N Mangan in den Pſkanten⸗ und Tiertorern Statiſtiſches aus Indien Der Erzbergbau in Bosnien Ein Ueberfluß an Perlen : Die Aluminium⸗Kappe des Woſhington⸗ Denkmals Neues Element 8 : Das größte era eltineenehduve Elektriſche Straßenbeleuchtung in Triberg. Nicaragua⸗Kanal N Die Kohlenſäureinduſtrie im Brohlthale Indiſche Litteratur Kryſtalliſiertes Gold in e 50 Die „Bad⸗Lands“ (Böſes Land) . Das geologiſche Alter der akadiſchen Fauna 8 : + Dr. Alfred Brehm; Dr. Hermann Kolbe; Dr. Eduard Ruüppelt ‘ Seite 49 58 64 92 D Beiträge wolle man gefälligſt der Redaktion, Herrn Prof. Dr. Georg Krebs in Frankfurt a. M. (Elsheimerſtraße 7) einſenden. Mit einer Beilage von Zuſtus Verthes, geograph. Anſtalt in Gotha. Drud von Gebrüder Kröner in Stuttgart. Preis 1 Wark. ; A. Jahrgang. Conatslchrift Für die Fgefanute Vaturwiſſenſch S. erausgegeben⸗ Pr of. Dr. G Krebs. Nl HL 1188 Stuttgart. Verlag von Ferdinand Enke. mes TubleriptLreis pro f. color. Cofel nebſt Cert ca. 7 Pfennige ag v. Schlechtendal - Hallier’s Flora von Deutschland. 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Jahrgangs für 1884 mit folgendem Inhalt: No. 11: Luftgeschwülste bei Vögeln; von Dr. Max Schmidt. — Einiges über die Tiermärkte in Bahia und Rio de Janeiro; von Alexander von Svertschkoff. — Neues aus der Tierhandlung von Karl Hagenbeck, sowie aus dem Zoologischen Garten in Hamburg; von Dr. Th. Noack. (Fortsetzung). — Der gemeine Stachelfinger (Acanthodactylus vulgaris Dum. u. Bibron) in der Gefangenschaft; von Joh. v. Fischer. — Korrespondenzen. — Miscellen. — Litteratur. — Todesanzeigen. — Eingegangene Beiträge. — Bücher und Zeitschriften. — No. 12: Das Nilpferd des Zoologischen Gartens in Hamburg; yon dem Inspektor W. L. Sigel. (Mit zwei Abbildungen.) — Ein amerikanischer Olm; von Dr. A. Zipperlen. — Nordgrenze des Tigers in Asien; von Dr. B. Lang kavel. — Die Treppen- oder Sprossennatter (Rhinechis scalaris Schinz) in der Gefangen- schaft; von Joh. v. Fischer. — Die Herstellung von Abbil- dungen fiir unsere Zeitschrift; von dem Herausgeber. — Korrespondenzen. — Miscellen. — Litteratur. — Todesanzeige. — Personal- Veränderungen. — Eingegangene Beiträge. — Bücher und Zeitschriften. — Heinrich Boecker in Wetzlar. Institut fiir Mikroskopie empfiehlt Mikroskopische Präparate aus allen Gebieten der Natur in reichhaltigster Auswahl und bester Ausführung, ferner simmtliche Utensilien zur Mikroskopie, Deckgliser, Objecttriger, Etuis, Lacke, Tincturen, Chemicalien, Sections- instrumente u. s. W. Catalog XI ist soeben erschienen. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Soeben erschien: Grundzüge Vergleichenden Physiologie und Histologie von Prof. Dr. Ludwig von Thanhoffer in Budapest. Mit 195 Holzschnitten. 8. geheftet. Preis M. 16. — Verästelung der gröberen Gefässe im Menschen und Pferde. = MIKROSKOPE empfiehlt 0 als schönstes und praktischstes optische . FDD! || PAUL WAECHTER |; BERLIN S. O., Kopnicker Strasse 115. e e DL wird auf Verlar gratis versandt. Inhalt des März⸗ Heftes. Prof. Dr. 4. Fiſcher: Ueber die ſogenannten Flachbeile. (Mit Abbildungen Dr. W. e Exkurſionen in Nord-Tunis. II. (Mit Abbildungen) 2 Prof. Dr. T. F. Hanauſek: Ueber moderne Verfälſchungen unſerer Nahrungs⸗ a Genußmittel. (Mit Abbildungen) Fortſchritte 5 den Naturwiſſenſchaften. Koloniſation. Von Dr. W. Kobelt. Ackerbaukolonieen. Unſer natürliches Ausdehnungsgebiet. Graf Behr in Uſangara. Die Wörmann'ſchen Plantagen. Lüderitzland. Handelskolonieen. Der Kongo. Johnſtons River Congo. Niger und Benus. Cameruns. Italieniſche Beſtrebungen. Die Sta. Lucia Bai. Kapland. Polyneſien. Südbraſilien. Borneo. Neu⸗Guinea. Inneraſien. Sachalin Chemie. Von Dr. Theodor Peterſen. Organiſche Chemie. Teerfarbſtoffe. Methylenblau. Thiophene. Orthochromatiſche Photographieen. Chinolinkörper und Alkaloidbaſen. Neue Antipyretika. Unter⸗ ſuchung auf Mikro-Organismen . Spa Sea eee eee ae Meteorologie. Von L. Ambronn. Die Meteorologie als Wiſſenſchaft. Gründung der deutſchen meteorologiſchen Geſellſchaft. Vulkaniſcher Ausbruch in der Sundaſtraße. Köppen, die Wärme⸗ zonen der Erde und Gang der Temperatur in Norddeutſchland. Die Eismännerfrage. Wintertypen. Meſſungen über die Höhe des Nordlichts. Die Bewölkung in Württemberg. Niederſchlagskarten für Aſien und Afrika. Synoptiſche Karten. Häufigkeit des Sonnenſcheins. Ueber Luftbewegung. Reper⸗ torium der deutſchen Meteorologie. e ee Seah oo Oke ae Neue Apparate für Unterricht und peste: Neue Blitzableiter Ein vollkommenes Filter Elektriſche Säule und Lampe von Trouvé. (M it Abbildung) Eine neue Form der Platin⸗Lichteinheit. (Mit Abbildung) 0 3 Eine neue Methode zur ſchnellen und leichten Beſtimmung des ſpeciſiſchen Gewichts. „(Mit Abbildung) Litterariſche Rundſchau. Ehlers und Neelſen, Unterſuchungen über den Rauſchbrandpilzz . E. Freiherr von Tröltſch, Fundſtatiſtik der vorrömiſchen Metallzeit im Rheingebiete Max Jüllig, Die Kabeltelegraphie Eduard Tylor, Einleitung in das Studium der Anthropologie und Civiliſation. Deutſche autariſere Ausgabe von G. Siebert Wilhelm Langsdorf, Ueber den Zuſammenhang der Gangſyſteme von Klausthal und Andreasberg i Derſelbe, Geologiſche Karte der Gegend zwiſchen Laubhütte, Klausthal, Althenau, dem Bruchberge und 1 5 Schwarz, Stoff und Kraft in der menſchlichen Arbeit oder die Fundamente der Produktion G. Bräuer, Ueber den Untergang der Welt, ſeine e e und ae Bibliographie. Bericht vom Monat Januar 1885 Witterungsüberſicht für Centralenropa. Monat Januar 1885 Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im März 1885 Neueſte Mitteilungen. Segelhandbuch für den ee Timbuktu Tertiäre erratiſche Blöcke Hotel des Neufchatelois . Putnam River . : Ueber die Trimorphie von 110: Ocean Eine intereſſante Beobachtung über die enfehung von n Swilingstamellen i im Kaltſpat ; Wiſſenſchaftliche Miffionen . Verheerungen der Phylloxera in Frantteic Eiſenbahn⸗Jubiläum 5 Ein merkwürdiges Phänomen Ethnologiſches aus Innerafrika Bevölkerung von Indien Zwei Ameiſenpflanzen . Flachs⸗ und Hanfbau in Rußland Ein neues Nicolſches Prisma . + Karl von Sonklar; Dr. 7500 5 ¢ von S8 Beiträge wolle man gefälligſt der Redaktion, Herrn Prof. Dr. Georg Krebs in Frankfurt a. (Elsheimerftrafe 7) einſenden. Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. Seite 93 99 107 112 116 Preis 1 Wark. 4. Hahrgang. .......õ.õõõõõũũũ D 8 Nn Lonaksſchrift YOO? uach 9 2 0 1 ‘ 8 N Für die . — 2 7 . Z | . Nn „ gelamten Naturwiſſenſchaſten 0 — \ \ 8 2 Herausgegeben 2 von Stuttgart. 5 th Verlag von Ferdinand Enbe em W 2 Mitarbeiter. . Prof. Dr. Aeby in Prag. Prof. Dr. Ahles in Stuttgart. Prof. Dr. Balling in Pribram. Private dozent Dr. Baltzer in Zürich. Dr. J. van Bebber, Abteilungsvorſtand der Seewarte in Hamburg. Gymngſial⸗ lehrer Behrens in Güterslohe. Dr. J. Berger in Frankfurt a. M. Dr. Rudolf Biedermann in Berlin. Kreis⸗ arzt Dr. Biedert in Hagenau. Prof. Dr. Bopp in Stuttgart. Profeſſor Dr. M. Braun in Dorpat. Prof. Dr. Brauns in Halle a. d. S. Prof. Dr. Chavanne in Wien. Prof. Dr. Chun in Königsberg. Prof. Dr. G. W. von Dalla Torre in Innsbruck. Prof. Dr. Dames in Berlin. Dr. Emil Deckert in Dresden. Dr. J. F. Deichmüller, Aſſiſtent am mineralogiſchen Inſtitut in Dresden. Prof. Dr. Dippel in Darmſtadt. Prof. Dr. Dölter in Graz. Prof. Dr. Ghermayer in München. Privatdozent Dr. Edelmann in München. Ingenieur Ehrhardt-Korte in Baſel. Prof. Dr. Eimer in Tübingen. Oberlehrer H. Engelhardt in Dresden. Prof. Dr. Falck in Kiel. Privatdozent Dr. Fifty in Erlangen. Prof. Dr. H. Tiſcher in Freiburg i. B. Prof. Dr. Eleck in Dresden. Dr. Frans in Stuttgart. Prof. Dr. Freytag in Halle a. d. S. Prof. Dr. R. v. Fritſch in Halle a. d. S. Prof. Dr. Th. Fuchs in Wien. Prof. Dr. Gad in Würzburg. Prof. Dr. Gerland in Straßburg. Dr. Geyler, Dozent am Senckenbergianum in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Götte in Roſtock. Dr. Edm. Göze, Garteninſpektor in Greifswald. Prof. Dr. Graber in Graz. K. Poſtrat Grawinkel in Frankfurt a. M. Prof. Dr. H. Gretſchel in Freiberg i. S. Bergrat Dr. Albr. v. Groddeck, Direktor der Berg⸗Akademie in Clausthal. Prof. Dr. Günther in Ansbach. Dr. G. Haller in Zürich. Prof. Dr. Hallier in Halle. E. Hammer, Aſſiſtent am Polytechnikum in Stutt⸗ gart. Prof. Dr. Hanauſek in Krems a. d. Donau. Prof. Dr. Hartig in München. Dr. Hartwig, Obſervator a. d. Sternwarte in Dorpat. Medizinalrat Dr. Hedinger in Stuttgart. Dr. Fr. Heinze in Oldenburg. Prof. Dr. Heller in Budapeſt. Fr. v. Bellwald in Stuttgart. Oberlehrer Henrich in Wiesbaden. Dr. Hermes, Dir. d. Aquariums in Berlin. Prof. Dr. M. Heß in Hannover. Prof. Dr. Hilger in Erlangen. Dr. Walter Hoffmann in Wurzen. Dr. Hüfler in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Boh in Bamberg. Hofgarteninſpektor Jäger in Eiſenach. H. Jordan, Aſſiſtent am phyſiologiſchen Inſtitute in Erlangen. Prof. Dr. Kaemmerer in Nürnberg. Reg.⸗Baumeiſter Keller in Berlin. Privatdozent Dr. C. Keller in Zürich. Dr. E. Rinkelin in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Klunzinger in Stuttgart. Dr. Friedr. Knauer in Wien. Dr. Kobelt in Schwanheim a. M. Prof. Dr. v. Krafft-Ebing in Graz. Direktor Dr. Krumme in Braunſchweig. Dr. K. F. Kunze in Halle a. d. S. Prof. Dr. Tandois in Münſter i. W. Prof. Dr. v. Taſaulr in Bonn. Dr. Paul Tehmann, Aſtronom des Rechnungs⸗Inſtituts der kgl. Sternwarte zu Berlin. Prof. Dr. Lepfius in Darmſtadt. Prof. Dr. Teuckart in Leipzig. Prof. Dr. T. Tiebermann in Budapeſt. Dr. ul. Lippert in Berlin. Prof. Dr. Lommel in Erlangen. Prof. Dr. W. Toſſen in Königsberg. Dr. Ludwig in Pontreſina. Prof. Dr. Hugo Magnus in Breslau. Prof. Dr. Melde in Marburg i. H. Prof. . Mühlberg in Aarau. Prof. Dr. Neeſen in Berlin. Prof. Dr. C. T. W. Peters in Kiel. Privatdozent Dr. A. Penck in München. Dr. Peterſen, Vorſitzender im phyſikaliſchen Verein zu Frankfurt a. M. Prof. Dr. Pisko in Wien. Prof. Dr. Prantl in Aſchaffenburg. Prof. Dr. Pütz in Halle a. d. S. Prof. Dr. Joh. Ranke in München. Prof. Dr. Reeß in Erlangen. Prof. Dr. Veichardt in Jena. Dr. Reichenbach, Dozent am Senckenbergianum in Frank furt a. M. Dr. Reichenow in Berlin. Prof. E. Veichert in Freiburg i. B. Prof. Dr. P. Reis in Mainz. Prof. Dr. Rofenthal in Erlangen. Dr. Karl Ruß in Berlin. Prof. Dr. Samuel in Königsberg. Prof. Dr. Sandberger in Würzburg. Prof. Dr. Schaaffhauſen in Bonn. Dr. Schauf, Dozent am Senckenbergianum in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Schenk in Leipzig. Dr. G. Schultz in Berlin. Ingenieur Th. Schwartze in Leipzig. Prof. Dr. Alois Schwarz in Mähriſch⸗Oſtrau. Kreisarzt Dr. C. Spamer in Lauterbach i. Oberheſſen. Prof. Dr. Standſeſt in Graz. Hofrat Dr. Stein in Frankfurt a. M. Prof. Dr. E. Taſchenberg in Halle a. d. S. Major a. D. von Fröltſch in Stuttgart. Prof. Dr. W. Valentiner, Direktor der großherzogl. Sternwarte in Karls⸗ ruhe. Prof. Dr. H. W. Vogel in Berlin. Dr. Hans Vogel in Memmingen. Prof. Dr. A. Vogel in München. Prof. Dr. J. G. Wallentin in Wien. Dr. D. F. Weinland in Eßlingen. Prof. Dr. T. Weis in Darmſtadt. Privatdozent Dr. J. G. Weiß in München. Prof. Dr. Wernich in Berlin. Dr. Th. Weyl in Berlin. Prof. Dr. R. Wiedersheim in Freiburg i. Br. Prof. Dr. Wiesner in Wien. Prof. Dr. Wüllner in Aachen. Prof. Dr. Wundt in Leipzig. Prof. Dr. v. Zech in Stuttgart. Prof. Dr. Zittel in München. Prof. Dr. Zöller in Wien. Prof. Dr. Zuckerkandl in Graz. Deridrologie. Baume, Sträucher und Halbsträucher, welche in Mittel- und Nord-Europa im Freien cultivirt werden. Kritisch beleuchtet von Karl Koch, med. und phil. Dr., Professor der Botanik an der Friedrich-Wilhelm-Universitat zu Berlin. In zwei Binden. I. Band. — Die Polypetalen. — Preis 12 Mark. — II. Band, I. 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Glogau & Co., Leipzig. ZBücher⸗ Ankauf. Riletgezen und einzeln zu höchſten Br. T. Glogau Sohn, Hamburg, 28 Burſtah. Kataloge meines Lagers gratis! Verlag von Spielhagen § Schurich in Wien, I. Kampfgaſſe 7 Die Beziehungen der Geologie zu den Ingenieur-Wiſſenſchaften. C. J. Wagner, Ober⸗Ingenieur und Sectionsleiter des Arlberg-Tunnels. gr. 4. Mit 24 Tafeln u. 65 in den Text gedruckten Figuren. Preis 10 Mark. Soeben iſt erſchienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: Leunis Synopſis der Botanik. Dritte Auflage neu bearbeitet von Dr. A. B. Frank, Profeſſor an der landwirthſchaftlichen Hochſchule zu Berlin, in drei Bänden. Zweiter Band, Specieller Theil der Phanerogamen mit 641 Holzſchnitten (64 Bogen) 12 M. J. Band: Allgemeine Botanik mit 665 Fig., 1883 erſchienen, koſtet 14 M., der dritte Band, enth. den ſpeciellen Theil der Kryptogamen, erſcheint gegen Ende 1885. Ferner iſt von Leunis Synopſis bei uns erſchienen: Synopſis der Zoologie. 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Nehrling. — Korrespondenzen. — Miscellen. — Litteratur. — Eingegangene Beitrage. — Bucher und Zeitschriften. — Beene Make So rr mes ub ſcript.-Jreis pro f. color. Cafel nehſt Cert ca. 7 Pfennige Sag v. Schlechtendal-Hallier's Flora von Deutschland ete. Bis jetzt über 2000 Pflanzentafeln erschienen! re Bei sofortiger Lieferung der erschienenen 19 Bände franco dort gegen pmmmees Ondtliche Ratenzahlung von nur 5 H. an selbststdindige Herren; ebenso wird die Fortsetzung prompt franco stets nach Er- scheinen geliefert. — Bestellungen erbitte ich auf obiges, in meinem Verlage erscheinende botanische Gesamimtiverh. Fr. Eugen Köhler, Verlagsbuchhandlung, Gera-Untermhaus. Inhalt des April-Heftes. Prof. Dr. F. Standfeſt: Die Bewegungen der Erdrinde. (Mit Abbildungen) 3 Prof. Dr. J. G. Wallentin: Ueber Plantés Erklärung einiger kosmiſchen und 8 0 Phänomene ane Fos Annahme von dynamiſcher Elektrieität tm Zuſtande hoher Spannung Dozent Dr. William Marshall: Unſer Hausgeflügel Dr. Theodor Peterſen: Die Arlbergbahn. (Mit Abbildung) Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Anthropologie. Von Dr. M. Alsberg. Eiszeit und ältere Steinzeit. Anſichten Pencks. Steppenklima Norddeutſchlands in poſtglacialer Zeit. Neolithiſche Höhlenfunde im oſtbaltiſchen Gebiet. Löſung der Nephritfrage. Ergebniſſe von Schliemanns letzten Ausgrabungen auf Hiſſarlik. Die Trojaner ein indogermaniſches Volk. . Kultur Ilions vermittelt durch die Hittiten. Prähiſtoriſche Kultur Griechenlands Phyſiologie. Von Dozent Dr. x Steiner. Eimer, Zawarykin: Fettaufnahme im Dünndarm. ee M unt: Reſorption von Fettſäuren. Neucki: Häminkryſtalle. Hüfner: Methämoglobin. J. Bernſtein: Auf⸗ löſung roter Blutkörperchen. Cohnſtein: Unterſuchungen über Blut und Atmung des Neugeborenen. Tarchanoff: Eiweiß der Neſthocker und Neſtflüchter. 2 Einfluß der Schwere auf die Ent⸗ wickelung der Eizelle. Bodländer: Ueber den Alkohol.. 7 Ethnologie. Von Dr. W. Kobelt. Zahngröße als Raſſenunterſchied. Penkas Origines Ariacae. Ver- teilung der Arier. Iſt der Herthakultus ſlaviſch? Italiener im Ausland. Die Cagots. Sumero⸗ Akkader. Ainos d Guna Mee EA ee a RE IS o-oo Litterariſche Rundſchau. Aug. Heller, e der Phyſik H. Gretſchel, Lexikon der Aſtronomie Hayek, Großer Handatlas der Naturgeſchichte aller drei Reiche chs A. v. Schweiger-Lerchenfeld, Afrika, der dunkele Erdteil im Lichte unjerer Zei Arnold, Illuſtrierter Kalender für Vogelliebhaber und Geflügelzüchter . 5 Michelet, Die Welt der Vögel. e Wilfred Powell, Unter den Kannibalen von Neu⸗ Britannien. (Mit Abbildungen) Oskar Lenz, Timbuktu. Reiſe durch Marokko, die Sahara und den Sudan Quenſtedt, Handbuch der Petrefaktenkunde Kirchner u. Blochmann, Die mikroſkopiſche Pflanzen⸗ und Tierwelt des Suüßwaſſers Bibliographie. Bericht vom Monat Februar 1885 . Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat Februar 1885 Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im April 1885 . Neueſte Mitteilungen. Die Wirkung der Gaſe auf Inſekten Funde aus der Steinzeit 5 Ueber Farbenempfindungen Forſchungen im Turgai-Gebtet Rieſen⸗Orchidee 5 Produktion von Edelmetallen oe 8 Die Forſchungen des „Albatroß“ an der We ite von Nordamerika Uebertragung der Elektricität : Fährten vorweltlicher Inſekten Kleinſte Orchideen A Bakterien an Bäumen 5 Schädlichkeit der Schachtelhalme ö Die Vogelſammlung des amerikaniſchen N ationalmuſeums Die Kompoſiten Braſiliens é 5 Heliometerbeſtimmungen der Stern⸗ Parallaxe auf der Hbtigen ‘bemifphave Symbioſe zwiſchen Tieren und Pflanzen 0 : 166 167 167 168 169 170 170 170 170 170 171 171 171 171 172 172 172 172 172 172 172 Beiträge wolle man gefälligſt der Redaktion, Herrn Prof. Dr. Georg Krebs in Frankfurt a. M. (Elsheimerſtraße 7) einſenden. Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. 5. Heft. Preis 1 Wark. 4. Jahrgang. L donalsſehrifk Für die / gelamnten Naturwiſenſchaſten le? Herausgegeben von , ny 5 Legal fee. Mitarbeiter. Prof. Dr. Achy in Prag. Prof. Dr. Ahles in Stuttgart. Prof. Dr. Balling in Pribram. Privat⸗ dozent Dr. Balser in Zürich. Dr. J. van Bebber, Abteilungsvorſtand der Seewarte in Hamburg. Gymnaſial⸗ lehrer Behrens in Güterslohe. Dr. J. Berger in Frankfurt a. M. Dr. Rudolf Biedermann in Berlin. Kreis⸗ arzt Dr. Biedert in Hagenau. Prof. Dr. Bopp in Stuttgart. Profeſſor Dr. R. Braun in Dorpat. Prof. Dr. Brauns in Halle a. d. S. Prof. Dr. Chavanne in Wien. Prof. Dr. Chun in Königsberg. Prof. Dr. C. W. von Dalla Torre in Innsbruck. Prof. Dr. Dames in Berlin. Dr. Emil Deckert in Dresden. Dr. J. F. Deichmüller, Aſſiſtent am mineralogiſchen Inſtitut in Dresden. Prof. Dr. Dippel in Darmſtadt. Prof. Dr. Dölter in Graz. Prof. Dr. Gbermayer in München. Privatdozent Dr. Edelmann in München. Ingenieur Ehrhardt-Korte in Baſel. Prof. Dr. Eimer in Tübingen. Oberlehrer H. Engelhardt in Dresden. Prof. Dr. Falck in Kiel. Privatdozent Dr. Fifty in Erlangen. Prof. Dr. H. Fiſcher in Freiburg i. B. Prof. Dr. Fleck in Dresden. Dr. Frans in Stuttgart. Prof. Dr. Freytag in Halle a. d. S. Prof. Dr. R. v. Fritſch in Halle a. d. S. Prof. Dr. Th. Fuchs in Wien. Prof. Dr. Gad in Würzburg. Prof. Dr. Gerland in Straßburg. Dr. Geyler, Dozent am Senckenbergianum in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Götte in Roſtock. Dr. Gam. Göze, Garteninſpektor in Greifswald. Prof. Dr. Graber in Graz. K. Poſtrat Grawinkel in Frankfurt a. M. Prof. Dr. H. Gretſchel in Freiberg i. S. Bergrat Dr. Albr. v. Groddeck, Direktor der Berg⸗Akademie in Clausthal. Prof. Dr. Günther in Ansbach. Dr. G. Haller in Zürich. Prof. Dr. Hallier in Halle. G. Hammer, Aſſiſtent am Polytechnikum in Stutt⸗ gart. Prof. Dr. Hanauſek in Krems a. d. Donau. Prof. Dr. Hartig in München. Dr. Hartwig, Obſervator a. d. Sternwarte in Dorpat. Medizinalrat Dr. Hedinger in Stuttgart. Dr. Fr. Heintze in Oldenburg. Prof. Dr. Heller in Budapeſt. Fr. v. Bellwald in Stuttgart. Oberlehrer Henrich in Wiesbaden. Dr. Hermes, Dir. d. Aquariums in Berlin. Prof. Dr. M. Heß in Hannover. Prof. Dr. Hilger in Erlangen. Dr. Walter Hoffmann in Wurzen. Dr. Höfler in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Hoh in Bamberg. Hofgarteninſpektor Jäger in Eiſenach. H. Jordan, Aſſiſtent am phyſiologiſchen Inſtitute in Erlangen. Prof. Dr. aemmerer in Nürnberg. Reg.⸗Baumeiſter Keller in Berlin. Privatdozent Dr. C. Beller in Zürich. Dr. Y. Kinkelin in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Klunzinger in Stuttgart. Dr. Friedr. nauer in Wien. Dr. Robelt in Schwanheim a. M. Prof. Dr. v. Krafft-Ghing in Graz. Direktor Dr. Krumme in Braunſchweig. Dr. C. F Kunze in Halle a. d. S. Prof. Dr. Tandois in Münſter i. W. Prof. Dr. v. Taſaulr in Bonn. Dr. Paul Leymann, Aſtronom des Rechnungs⸗Inſtituts der kgl. Sternwarte zu Berlin. Prof. Dr. Tepſtus in Darmſtadt. Prof. Dr. Teuckart in Leipzig. Prof. Dr. T. Tiebermann in Budapeſt. Dr. Jul. Tippert in Berlin. Prof. Dr. Tommel in Erlangen. Prof. Dr. W. Toſſen in Königsberg. Dr. Tudwig in Pontreſina. Prof. Dr. Hugo Magnus in Breslau. Prof. Dr. Melde in Marburg i. H. Prof. E. Mühlberg in Aarau. Prof. Dr. Neeſen in Berlin. Prof. Dr. C. P. W. Peters in Kiel. Privatdozent Dr. A. Poem in München. Dr. Peterſen, Vorſitzender im phyſikaliſchen Verein zu Frankfurt a. M. Prof. Dr. Pisko in Wien. Prof. Dr. Prantl in Aſchaffenburg. Prof. Dr. Pütz in Halle a. d. S. Prof. Dr. Joh. Ranke in München. Prof. Dr. Reef in Erlangen. Prof. Dr. Reichardt in Jena. Dr. Veichenbach, Dozent am Senckenbergianum in Frank⸗ furt a. M. Dr. Reityenow in Berlin. Prof. G. Reichert in Freiburg i. B. Prof. Dr. P. Reis in Mainz. Prof. Dr. Rofentyal in Erlangen. Dr. Karl Ruß in Berlin. Prof. Dr. Samuel in Königsberg. Prof. Dr. Sandberger in Würzburg. Prof. Dr. Schaaffhauſen in Bonn. Dr. Schauf, Dozent am Senckenbergianum in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Schenk in Leipzig. Dr. G6. Schultz in Berlin. Ingenieur Th. Schwartze in Leipzig. Prof. Dr. Alois Schwarz in Mähriſch⸗Oſtrau. Kreisarzt Dr. C. Bpamer in Lauterbach i. Oberheſſen. Prof. Dr. Standfeſt in Graz. Hofrat Dr. Stein in Frankfurt a. M. Prof. Dr. G. Taſchenberg in Halle a. d. S. Major a. D. von Crültſch in Stuttgart. Prof. Dr. W. Valentiner, Direktor der großherzogl. Sternwarte in Karls⸗ ruhe. Prof. Dr. H. W. Vogel in Berlin. Dr. Hans Vogel in Memmingen. Prof. Dr. A. Vogel in München. Prof. Dr. J. G. Wallentin in Wiens Dr. D. T. Weinland in Eßlingen. Prof. Dr. T. Weis in Darmſtadt. Privatdozent Dr. J. G. Weiß in München. Prof. Dr. Wernich in Berlin. Dr. Th. Weyl in Berlin. Prof. Dr. R. Wiedersheim in Freiburg i. Br. Prof. Dr. Wiesner in Wien. Prof. Dr. Wüllner in Aachen. Prof. Dr. Wundt in Leipzig. Prof. Dr. v. Zech in Stuttgart. Prof. Dr. Zittel in München. Prof. Dr. Zöller in Wien. Prof. Dr. Zuckerkandl in Graz. r S PAA PIS SAAR REE GART D in STUT 1 1 im Dienste der Wissenschaft, der Kunst und des praktischen Lebens, heraus- gegeben im Verein mit hervorragenden Fachleuten von Prof. Dr. G. Krebs. Mit 259 Abbildungen. 8. geh. M. 10, eleg. geb. M. 11. Inhalt: Im photogr. Atelier. — Spektrum u. Spektral- Analyse. — Eine meteorolog. Station. — Auf der Dentschen Seewarte. — Heizung u. Ventilation. — Akustik u. musik. Instrumente. — Die Motoren des Kleinbetriebs. — Die elektrischen Maschinen. — Kerzen u. Lampen. — Der Kampf des elektrischen Lichts mit dem Gaslicht. — In der gal- vanoplast. Werkstätte. — Die Telephonie. — Auf der Sternwarte. Die naturwissensch. Zeitschrift „FGaea“ sagt: „Ein schönes Werk, das sich besonders zu Geschenken eignet. Der Herausgeber hat im Verein mit berufenen Forschern die wichtigsten Anwendungen der Physik in * = selbständigen Gemälden vorgeführt. Die Darstellung ist ; Kleiner Apparat für die Galvanisation. allenthalben popular und von guten Illustrationen unter- 7 (Aus dem Capitel „In der galvanoplast. Werkstitte*.) stützt.“ * D ~~ RRO Eee — r r OPERA EIS IRAE RR RRR OOOO OOO NS 8 IID \\ ies Kiirzlich ist erschienen: Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Geschichte der Physik Aristoteles bis auf die neueste Zeit. Von Professor August Heller. Zwei Bände. I. Band: Von Avistoteles bis Galilei. Gr. 8. 1882. II. Band: , Gr. 8. Dieses in grossem Stile angelegle und durchgefiihrie Werk ist Jedem, der sich fiir die physikalischen Naturwissenschaften inter- essirt, auf's Dringendste zu empfelilen. Der Verfasser gelit jiberall auf die Quellen zuriick und bespricht nicht allein die Lebensverhiiltnisse und die wissenschaftliche Stellung aller nur irgendivie bedeutenden Physiker, sondern er giebt auch durch- giingig eine gewissenhafte Analyse ihrer wichtigen Schriften. Manches nicht allgemein bekannte Material wird auf diese Weise Geh. Von Descartes bis Robert Mayer. 1884. Geh. i Preis M. 9. — Preis M. 18. — in das richtige Licht geriickt und das obige Werk gewinnt da- durch eine ganz besondere Bedeutung. Die Darstellung ist bis zur zweiten Halfte unseres Jahrhunderts fortgefiihrt und giebt also noch die historische Entwickelung der Theorie von der Ener- gieverwandlung, welche die allernenueste Periode der Physik ein- leitet. Moge das reichhaltige, wichtige Werk die ihm gebiihrende Verbreitung finden! Gaea 84, Octoberheft. Soeben erſchien: = Gehalten auf der Bolle der Beit unter freiem Himmel. zu Schimpf und Spott unſeren Feinden den Laſtern, Schwächen und Irrthümern unſerer Cultur gewidmet. 20 Bogen. Octav. Geheftet. Preis 1 fl. 25 kr. - 2 M. 50 Pf. Eleg. Original⸗Prachtband 1 fl. $5 kr. = 3 M. 70 Pf. P. K. ROSEGCER” Ausgewählte Schriften. = 20 Bände. Inhalt: (Jeder Band einzeln käuflich.) Das Buch der Novellen. 1. 2. 3. Band. — Die Schriften des Waldſchulmeiſters. — Sonderlinge. — Die Aelpler. — Volks⸗ leben in Steiermark. — Heidepeter's Gabriel. — Waldheimat. 1. 2. Band. — Feierabende. — Am Wanderſtabe. Sonntags⸗ ruhe. — Dorfſünden. — Meine Ferien. — Der Gottſucher. — Neue Waldgeſchichten. — Das Geſchichtenbuch des Wanderers. 1. 2. Band. — Bergpredigten. Preis: Geh. a Bd. 1 fl. 25 kr. = 2 M. 50 Pf. Eleg. gbd. a 1 fl. 85 kr. = 3 M. 70 Pf. 20 Bände. Geh. 25 fl. = 50 M. Eleg. gbd. 37 fl. = 74. M. A. artleben's Verlag in Wien, I., Wallſiſchgaſſe 1. Heinrich Boecker in Wetzlar Institut für Mikroskopie empfiehlt Mikroskopische Präparate aus allen Gebieten der Natur in reichhaltigster Auswahl und bester Ausführung, ferner sämmtliche Utensilien zur Mikroskopie, Deekgläser, Objecttriiger, Etuis, Lacke, Tincturen, Chemicalien, Sections- instrumente u. s. W. Catalog XI ist soeben erschienen. Wücher⸗ Ankauf. Bibliotheken und einzeln zu höchſten Pr. FK. Glogau Sohn, Hamburg, 23 Burſtah. Kataloge meines Sagers gratis! Die einfachſlen Lebensformen des Thier- und Yflanzenxeiches. Naturgeſchichte der mikroſkopiſchen Füßwaſſerbewohner bearbeitet von B. Eyferth. = Zweite vermehrte und umgearbeitete Auflage. = Mit 7 Tafeln in Lichtdruck, nach den Originalen des Verfaſſers. Dauerhaft gebunden. Preis M. 16. Das Buch will in knapper Form eine objective Dar— ſtellung der heutigen Kenntniß unſerer mikroſkopiſchen Süßwaſſerorganismen geben. Die Behandlung des Stoffes iſt abgeſehen von der zur Orientirung des Anfängers be— ſtimmten populären Einleitung durchaus wiſſenſchaftlich und möchte daher auch den Fachmann befriedigen. Bei mikroſkopiſchen Waſſerunterſuchungen wird ſich das Buch als ſehr bequem und nützlich erweiſen. Verlag von Gürißz K zu Putlitz in Braunſchweig. --Atuavien-Pabrik & Luxus-Fiseh-Zitchterei von H. Daimer in Berlin. Kochstrasse 54. Empfehle Soeben erfhtener mein grosses Terrarien, exotischen Fischen zum Einsatz und anderen Reptilien. Versandt nach dem In- und Ausland. s Lager Fischen in in Aquarien, fiir Aquarien, Teiche, Kreuzottern Von der Zeitschrift: ,,Der Zoologische Garten““, redigirt von Oberlehrer Prof. Dr. F. C. Noll, Verlag von Mahlau & Waldschmidt in Frankfurt a. M., erschien soeben No. 2 des XXVI. Jahrgangs fiir 1885 mit folgendem Inhalt: Das Walross (Trichechus rosmarus); von Dr. Max Schmidt. Mit 1 Tafel und 11 Holzschnitten, (Fortsetzung.) — Einige Beob- auchtungen an Schlangen in der Gefangenschaft; yon Otto Edm. Eiffe. — Der Goldsainger (Protonotaria citrea Baird, Prothono- Bericht über den Zoo- das Geschaftsjahr vom 1884. — Korrespondenzen. — Miscellen. Eingegangene Beiträge. — Bucher und Zeit- — Litteratur. schriften. — Inhalt des Mai-Heftes. Prof. Dr. H. W. v. Dalla Torre: Die Bienenbauten. (Mit Abbildung) Prof. Dr. Leo Liebermann: Ueber Leichenalkaloide (Ptomaine) und Leichengifte Dr. 3. . Baas: Der Augenſpiegel. (Mit Abbildungen) Prof. Dr. J. G. Wallentin: Ueber Plantés Erklärung einiger . 2 88 Phänomene ‘nner be Annahme von dynamiſcher Elektrieität im Zuſtande hoher Spannung. ey Dozent Dr. C. Fifty: Die Schauapparate der Pflanzen 3 Ingenieur Th. Schwartze: Die Bedeutung des Staubes und die e Räume 5 Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Elektrotechnik. Von Dr. V. Wietlisbach. Das Princip von Wilh. Weber. Die elektromagnetiſche Theorie des Lichtes und die neueren Anſichten über das Weſen der Elektricität e Neue Apparate für Unterricht und Praris. Elektriſcher Leitungswiderſtand einiger Metalle und een Stativ für Flaſchenzüge. (Mit Abbildung) . 5 Apparat für den Satz vom Bodendruck : Siemensſcher Induktor für Läutewerk und Motorbetrieb. (Mit Abbildungen) Körtings Waſſerſtrahl⸗Luftpumpe für Laboratorien und Apotheken. (Mit Abbildungen) Litterariſche Rundſchan. Alwin Oppel, Landſchaftskunde . C. J. Wagner, Die Beziehungen der Geologie zu den Ingenieurwiſſenſchaften H. J. Klein, Praktiſche Anleitung zur Vorausbeſtimmung des Wetters M. 508096 Naturgeſchichte einer Kerze. Zweite Auflage, deutſch von Rigard Weyer A. Rauber, Urgeſchichte des Menſchen .. Philipp Paulitſchke, Die geographiſche Erforſchung der Adal⸗Länder 5 : Philipp Paulitſchke, Die Sudanländer nach dem gegenwärtigen Stande der Kenntnis Alois Schwarz, Iſomorphismus und Polymorphismus der Mineralien 55 Bibliographie. Bericht vom Monat März 1885 . 8 Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat März 1885 Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Mai 1885 Neueſte Mitteilungen. Papiererzeugung und Papierverbrauch . 5 Ueber den Duftapparat von Hepialus Humuli 5 Stinkapparat von Lacon murinus . . 5 Ueber das Präparieren von Mollusken Ein Inſekt im Mittelſilur 8 Anſtehender Nephrit in Deutſchland Dampfkeſſel und Dampfmaſchinen in Preußen Lake Lahonton . Ueber das Verhältnis zwiſchen Funkenlänge und otentiatifferens Neues Vorkommen von Queckſilber : : 5 Größte Dichtigkeit des Waſſers 5 Die Bevölkerung der Vereinigten Staaten von Amerika nac der Site rer Wahnſke über dem Meeres⸗ ſpiegel geordnet 5 Beat ate Oe : 3 Fallen der Oſtſee Ein eigentümliches Phänomen Prähiſtoriſche Spuren in . Kanal von Korinth 6 865 Regenhöhe in Kanſas Beiträge wolle man gefälligſt der Redaktion, Herrn Prof. Dr. Georg Krebs in Frankfurt a. (Elsheimerſtraße 7) einſenden. Mit einer Beilage von Fr. Eug. Köhler in Gera-Untermbhaus. Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. Seite 173 177 180 186 190 192 M. 6. Heft. Preis 1 Wark. A. Hahrgang. g Z it i yi konatsſchrift! gelamten Naturwiſeenſch fer Herausgegeben vo Prof. Dr. G. Rreb Sumi 1885. Stuttgart. Verlag von Ferdinand Enke. 1 FEEEFFFFTTFCCCCFTCc!! Som rae OS Sey Mitarbeiter. Prof. Dr. Aeby in Prag. Prof. Dr. Ahles in Stuttgart. Prof. Dr. Balling in Pribram. Privat⸗ dozent Dr. Baltzer in Zürich. Dr. J. van Bebber, Abteilungsvorſtand der Seewarte in Hamburg. Gymnaſial⸗ lehrer Behrens in Güterslohe. Dr. J. Berger in Frankfurt a. M. Dr. Rudolf Biedermann in Berlin. Kreis⸗ arzt Dr. Biedert in Hagenau. Prof. Dr. Bopp in Stuttgart. Profeſſor Dr. M. Braun in Dorpat. Prof. Dr. Brauns in Halle a. d. S. Prof. Dr. Chavanne in Wien. Prof. Dr. Chun in Königsberg. Prof. Dr. C. W. von Dalla Torre in Innsbruck. Prof. Dr. Dames in Berlin. Dr. Emil Deckert in Dresden. Dr. J. F. Deitchmüller, Aſſiſtent am mineralogiſchen Inſtitut in Dresden. Prof. Dr. Dippel in Darmſtadt. Prof. Dr. Dölter in Graz. Prof. Dr. Ebermayer in München. Privatdozent Dr. Edelmann in München. Ingenieur Ehrhardt⸗Korte in Baſel. Prof. Dr. Eimer in Tübingen. Oberlehrer H. Engelhardt in Dresden. Prof. Dr. Falck in Kiel. Privatdozent Dr. Fifty in Erlangen. Prof. Dr. H. Tiſcher in Freiburg i. B. Prof. Dr. Fleck in Dresden. Dr. Frans in Stuttgart. Prof. Dr. Freytag in Halle a. d. S. Prof. Dr. R. v. Fritſch in Halle a. d. S. Prof. Dr. Th. Fuchs in Wien. Prof. Dr. Gad in Würzburg. Prof. Dr. Gerland in Straßburg. Dr. Geyler, Dozent am Senckenbergianum in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Götte in Roſtock. Dr. Edm. Göze, Garteninſpektor in Greifswald. Prof. Dr. Graber in Graz. K. Poſtrat Grawinkel in Frankfurt a. M. Prof. Dr. H. Gretſchel in Freiberg i. S. Bergrat Dr. Albr. v. Groddeck, Direktor der Berg⸗Akademie in Clausthal. Prof. Dr. Günther in Ansbach. Dr. G. Haller in Zürich. Prof. Dr. Hallier in Halle. G. Hammer, Aſſiſtent am Polytechnikum in Stutt⸗ gart. Prof. Dr. Hanauſek in Krems a. d. Donau. Prof. Dr. Hartig in München. Dr. Hartwig, Obſervator a. d. Sternwarte in Dorpat. Medizinalrat Dr. Hedinger in Stuttgart. Dr. Fr. Heinske in Oldenburg. Prof. Dr. Heller in Budapeſt. Fr. v. Hellwald in Stuttgart. Oberlehrer Henrich in Wiesbaden. Dr. Hermes, Dir. d. Aquariums in Berlin. Prof. Dr. M. Heß in Hannover. Prof. Dr. Hilger in Erlangen. Dr. Walter Hoffmann in Wurzen. Dr. Höfler in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Hoh in Bamberg. Hofgarteninſpektor Jäger in Eiſenach. Y. Jordan, Aſſiſtent am phyſiologiſchen Inſtitute in Erlangen. Prof. Dr. Raemmerer in Nürnberg. Reg.⸗Baumeiſter Keller in Berlin. Privatdozent Dr. C. Keller in Zürich. Dr. F. Kinkelin in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Klunsinger in Stuttgart. Dr. Friedr. nauer in Wien. Dr. Kobelt in Schwanheim a. M. Prof. Dr. v. Rrafft⸗Ebing in Graz. Direktor Dr. Krumme in Braunſchweig. Dr. C. Y. Runze in Halle a. d. S. Prof. Dr. Tandois in Münſter i. W. Prof. Dr. u. Anfaule in Bonn. Dr. Paul Tehmann, Aſtronom des Rechnungs⸗Inſtituts der kgl. Sternwarte zu Berlin. Prof. Dr. Tepſius in Darmſtadt. Prof. Dr. Teuckart in Leipzig. Prof. Dr. T. Tiebermann in Budapeſt. Dr. Jul. Lippert in Berlin. Prof. Dr. Lommel in Erlangen. Prof. Dr. W. Toſſen in Königsberg. Dr. Tudwig in Pontreſina. Prof. Dr. Huge Magnus in Breslau. Prof. Dr. Melde in Marburg i. H. Prof. T. Mühlberg in Aarau. Prof. Dr. Neeſen in Berlin. Prof. Dr. C. E. W. Peters in Kiel. Privatdozent Dr. A. Penck in München. Dr. Peterſen, Vorſitzender im phyſikaliſchen Verein zu Frankfurt a. M. Prof. Dr. Pisko in Wien. Prof. Dr. Prantl in Aſchaffenburg. Prof. Dr. Pütz in Halle a. d. S. Prof. Dr. Joh. Ranke in München. Prof. Dr. Reef in Erlangen. Prof. Dr. Veichardt in Jena. Dr. Reichenbach, Dozent am Senckenbergianum in Frank⸗ furt a. M. Dr. Reityenow in Berlin. Prof. G. Veichert in Freiburg i. B. Prof. Dr. P. Reis in Mainz. Prof. Dr. Noſenthal in Erlangen. Dr. Karl Ruß in Berlin. Prof. Dr. Samuel in Königsberg. Prof. Dr. Sandberger in Würzburg. Prof. Dr. Schaaffhauſen in Bonn. Dr. Schauf, Dozent am Senckenbergianum in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Schenk in Leipzig. Dr. G. Schultz in Berlin. Ingenieur Th. Schwartze in Leipzig. Prof. Dr. Alois Schwarz in Mähriſch⸗Oſtrau. Kreisarzt Dr. C. Spamer in Lauterbach i. Oberheſſen. Prof. Dr. Standfeſt in Graz. Hofrat Dr. Stein in Frankfurt a. M. Prof. Dr. G. Taſchenberg in Halle a. d. S. Major a. D. von Tröltſch in Stuttgart. Prof. Dr. W. Valentiner, Direktor der großherzogl. Sternwarte in Karls⸗ ruhe. Prof. Dr. Z. W. Vogel in Berlin. Dr. Hans Vogel in Memmingen. Prof. Dr. A. Vogel in München. Prof. Dr. J. G. Wallentin in Wien. Dr. D. F. Weinland in Eßlingen. Prof. Dr. T. Weis in Darmſtadt. Privatdozent Dr. J. G. Weiß in München. Prof. Dr. Wernich in Berlin. Dr. Th. Weyl in Berlin. Prof. Dr. R. Wiedersheim in Freiburg i. Br. Prof. Dr. Wiesner in Wien. Prof. Dr. Wüllner in Aachen. Prof. Dr. Wundt in Leipzig. Prof. Dr. v. Zech in Stuttgart. Prof. Dr. Zittel in München. Prof. Dr. Zöller in Wien. Prof. Dr. Zuckerkandl in Graz. Verlag von FERDINAND ENKE in STUTTGART. Soeben ist erschienen und durch jede Buchhandlung zu beziehen: auen Tudwig Feuerbach. Analytischen Chemie d. N. Starcke, Dr. Phil. gr. 8. geh. Preis M. 9. — von Professor Dr. Alexander Classen. Der Verfasser, welcher nach dem Urtheile von Dritte verbesserte und vermehrte Auflage. Fachkennern durchaus in den Geist der Feuer- 7 5 bach’schen Philosophie eingedrungen ist, gibt eine I, Theil: Qualitative Analyse. klare, erschépfende Darstellung derselben und fiillt daher eine in der philosophischen Literatur bisher 8. geh. Preis M. 4. — bestandene Liicke mit seinem Werke aus. OSEGGER gr late, Gelalten auf der Hölle der Zeil unter freiem Himmel zu Schimpf und Spott unſeren Feinden den Laſtern, Schwächen und Irrthümern unſerer Cultur gewidmet. 20 Bogen. Octav. Geheftet. Preis 1 fl. 25 kr. = 2 M. 50 Pf. Eleg. Original-Prachtband 1 fl. $5 kr. = 3 M. 70 Pf. P. K. ROSEGCER™ Ausgewählte Schriften. = 20 Bände. = Inhalt: (Jeder Band einzeln käuflich.) Das Buch der Novellen. 1. 2. 3. Band. — Die Schriften des Waldſchulmeiſters. — Sonderlinge. — Die Aelpler. — Volks⸗ leben in Steiermark. — Heidepeter's Gabriel. — Waldheimat. 1. 2. Band. — Feierabende. — Am Wanderſtabe. Sonntags⸗ ruhe. — Dorfſünden. — Meine Ferien. — Der Gottſucher. — Neue Waldgeſchichten. — Das Geſchichtenbuch des Wanderers. 1. 2. Band. — Bergpredigten. Preis: Geh. a Bd. 1 fl. 25 kr. = 2 M. 50 Pf. Eleg. gbd. à 1 fl. 85 kr. = 3 M. 70 Pf. 20 Bände. Geh. 25 fl. = 50 M. Eleg. gbd. 37 fl. = 74 M. A. Hartleben's Verlag in Wien, I., Wallſiſchgaſſe 1. Verlag von Gustav Fischer in Jena. Für botanische Excursionen. Excursionsbuch. Practische Anleitung zum Bestimmen der im deutschen Reiche heimischen Phanerogamen. Ausgearbeitet von Professor Dr. Ernst Hallier. Zweite vermehrte Ausgabe, Preis: 3 Mark. Das kleine botanische Practicum fiir Anfänger. Anleitung zum Selbststudium der mikroskopischen Botanik und Einfiihrung in die mikroskopische Technik von Dr. Eduard Stasburger, o. J. Professor der Botanik an der Universitdt Bonn. Mit 114 Holzschnitten. Preis: broschiert 6 Mark. DBR LIMBA PLD MD LLIN LOL IL LL il, Verlag von Friedrich Vieweg & Sohn in Braunschweig. (Za beziehen durch jede Buchhandlung.) Soeben erschien: Te 2 ee Naturkundliche Volksbiicher. Allen Freunden der Natur gewidmet von L. Busemann, Lehrer an der stadtischen Volksschule in Emden. In zwei Bünden, welche in ca. 30 Lieferungen a 60 Pf. erscheinen, von denen monatlich zwei Lieferungen ausgegeben werden. Mit zahlreichen Holzstichen. gr. 8. geh. Erste Lieferung. Preis 60 Pf. Ne Von der Zeitschrift: „Der Zoologische Garten““, redigirt von Oberlehrer Prof. Dr. F. C. Noll, Verlag von Mahlau & Waldschmidt in Frankfurt a. M., erschien soeben No. 3 des XXVI. Jahrgangs für 1885 mit folgendem Inhalt: Das Walross (Tvichechus rosmarus); von Dr. Max Schmidt. Mit 1 Tafel und 11 Holzschnitten, (Schluss.) — Der Jendaya- Sittich (Coms jendaya Gm.); von Eduard Rüdiger. — Schildasseln auf der Fliegenj ; von Wilhelm Haacke. — Weitere Mitteilung über di rikanischen Straussenarten; von K. G. Henke. — Der Grünsänger (Dendroica virens Baird. Black- throated Green Warbler); von H. Nehrling. — Zoologischer Garten in Basel. 1883. — Korrespondenzen. — Miscellen. — Litteratur. — Todesanzeige. — Eingegangene Beiträge. — Bücher und Zeitschriften. — Riesenthal, d. Raubvögel Deutschlands u. d. an- grenzd. Mitteleuropas. Mit Atlas von 60 Tafeln in Folio in feinstem Colorit u. Text. 1876. Orig. Prachtbande. Tadellos neu. Statt 85 M. fiir 30 NM. Reichenow, Abbildung u. Beschreibg. der Papa- geien. Aquarelle v. Miitzel. 33 Tafeln m. ca. 250 fein colorirt. Abbildgn. Folio. 1883. Orig. Prachtbd. Tadellos neu. Statt 55 M. fiir 20 M. Nur noch einige wenige Exemplare! !!Gelegenheitskauf ! ! Gefiederte Freunde. 60 Aquarelle angenehmer u. niitzl. Vögel Mitteleuropas. Gemalt v. L. P. Ro- bert, geschildert v. O. v. Riesenthal. gr. Folio. 1883. Prachtbd. Tadellos neu. Statt SO M. fiir 40 M. Grosses Lager naturwissenschaftl. Werke. S. Glogau & Co., Leipzig. NB. Versand gegen Nachnahme oder vorherige Einsendg. des Betrages. In J. U. Kern’s Verlag (Max Miiller) in Breslau ist soeben erschienen: Kryptogamen-Flora von Schlesien. Im Namen der Schlesischen Gesellschaft fiir vater- ländische Cultur herausgegeben von Prof. Dr. Ferd. Cohn. Dritter Band. Pilze, bearb. von Dr. J. Schröter. Erste Lieferung. Preis 3 M. 20 Pf. Die Abtheilung „pilze“ wird etwa 7—8 Liefe- rungen von gleichem Umfange, welche in rascher Folge erscheinen sollen, umfassen. Von hervorragender Wichtigkett fiir alle Pilzforscher, auch ausserhalb Schlesiens. Be Antiquar. Catalog Nr. 25. Naturwissenschajten, spec. Geologie, Pa- laeontol.: enthaltd. d. Bibl. d. + Hofrath Dr. R. Richter in Jena, darunter seltene und kost- bare Werke versenden gratis franco S. Glogau & Co., Leipzig. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. . Soeben erschien: Die Beschaffenheit der DV WA cet eee ae i und die Bedeutung der Atmosphiirischen Kohlensiiure fiir die Waldvegetation. Zugleich eine Uebersichtliche Darstellung des gegenwärtigen Standes der Kohlensaurefrage. Bearbeitet von Dr. Ernst Bbermayer, 0. Professor a. d. K. Universität zu München. gr. 8. geh. Preis M. 2. — Inhalt des Juni⸗ Heftes. Prof. Dr. R. Wiedersheim: Ueber die Vorfahren der heutigen Vögel. (Mit Abbildungen) Prof. Alois Schwarz: Schlagende Wetter 5 Dr. Franz Höfler: Neu-Guinea. (Mit Abbildung). 9 Prof. Dr. K. W. v. Dalla Torre: Die Bienenbauten. (Schluß). Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Botanik. Von Prof. Dr. Hallier: Verſchiedene Disciplinen der Botanik. Gegenwärtiger Stand der Syſtematik, der Kryptogamenkunde, der Morphologie, der Zellenlehre, der Organologie, der Phyſiologie, der Abſtammungslehre, der Anpaſſungserſcheinungen. Atmung. Reizbewegungen. Variation und Kreuzung r q qęq/qqę ! Aſtronomie. Von Prof. Dr. C. F. W. Peters: Siemens, Ueber die Erhaltung der Sonnen-Cnergie. Planeten⸗Entdeckungen. Jupiter. Saturn. Mars. Durchmeſſer des Mondes. Kometen. Valen⸗ tiner, Die Kometen und Meteore. Doppelſterne. Veränderliche Sterne. Photographieen von Fix⸗ ſternen. Das Lick Observatory . e oo ea Se ee ta Technik. Von Ingenieur Th. Schwartze: Flußeiſen und Flußſtahl. Beſſemer- und Martin⸗Siemens⸗ prozeß. Entphosphorung des Roheiſens. Manganbronze. Aluminium und Iridium. Neue Heiz⸗ methode für Regenerativ-Gasöfen. Rauchloſe Feuerungsanlagen. Dampfkeſſel und Dampfmaſchine. Brücken⸗ und Eiſenbahnbau Litterariſche Rundſchau. Fr. von Hellwald, Naturgeſchichte des Menſchen. Zwei Bände. (Mit Abbildungen) Leunis, Synopſis der Pflanzenkunde. Dritte Auflage, bearbeitet von A. B. Frank Bibliographie. Bericht vom Monat April 1885 . 5 Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat April 1885 Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Juni 1885 Neneſte Mitteilungen. Die einſtigen Landfloren der Alten und der Neuen Welt Stellung der Sigillarien Kongoſtaat e Die Weltausſtellung in Antwerpen Ausbruch des Veſuv . St. Vincent J Verſammlung deutſcher Philologen und Schulmänner Seite 213 224 227 237 242 247 250 254 256 257 258 259 260 260 260 260 260 260 260 Beiträge wolle man gefalliaft der Redaktion, Herrn Prof. Dr. Georg Krebs in Frankfurt a. M. (Elsheimerſtraße 7) einſenden. Mit Beilagen von Ferdinand Enke, Verlagshandlung in Stuttgart und von Denicke's Verlag in Teipzig. Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. Preis 1 Wark. 4. Jahrgang. a Monalsſchrift er Für die gelamten Na ley Herausgegeben. vow Prof. Dr. G Krebs. ult 1885. Stuttgart. Verlag von Ferdinand uke. ae Mitarbetter. Prof. Dr. Aeby in Prag. Prof. Dr. Ahles in Stuttgart. Prof. Dr. Balling in Pribram. Privat⸗ dozent Dr. Baltzer in Zürich. Dr. J. van Bebber, Abteilungsvorſtand der Seewarte in Hamburg. Gymnafial- lehrer Behrens in Güterslohe. Dr. J. Berger in Frankfurt a. M. Dr. Rudolf Biedermann in Berlin. Kreis⸗ arzt Dr. Biedert in Hagenau. Prof. Dr. Bopp in Stuttgart. Profeſſor Dr. M. Braun in Dorpat. Prof. Dr. Brauns in Halle a. d. S. Dr. W. Breitenbach in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Chavanne in Wien. Prof. Dr. Chun in Königsberg. Prof. Dr. C. W. von Dalla Torre in Innsbruck. Prof. Dr. Dames in Berlin. Dr. Emil Deckert in Dresden. Dr. J. T. Deichmüller, Aſſiſtent am mineralogiſchen Inſtitut in Dresden. Prof. Dr. Dippel in Darmſtadt. Prof. Dr. Dälter in Graz. Prof. Dr. Ebermayer in München. Privatdozent Dr. Edelmann in München. Ingenieur Ehrhardt-Rorte in Baſel. Prof. Dr. Eimer in Tübingen. Oberlehrer H. Engelhardt in Dresden. Prof. Dr. Talck in Kiel. Privatdozent Dr. Fifty in Erlangen. Prof. Dr. H. Tiſcher in Freiburg i. B. Prof. Dr. Fleck in Dresden. Dr. Frans in Stuttgart. Prof. Dr. Freytag in Halle a. d. S. Prof. Dr. F. v. Fritſch in Halle a. d. S. Prof. Dr. Th. Fuchs in Wien. Prof. Dr. Gad in Würzburg. Prof. Dr. Gerland in Straßburg. Dr. Geyler, Dozent am Senckenbergianum in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Götte in Roſtock. Dr. Gam. Göze, Garteninſpektor in Greifswald. Prof. Dr. Graber in Graz. K. Poſtrat Grawinkel in Frankfurt a. M. Prof. Dr. H. Gretſchel in Freiberg i. S. Bergrat Dr. Albr. v. Groddeck, Direktor der Berg⸗ Akademie in Clausthal. Prof. Dr. Günther in Ansbach. Dr. G. Haller in Zürich. Prof. Dr. Hallier in Halle. G. Hammer, Aſſiſtent am Polytechnikum in Stuttgart. Prof. Dr. Hanauſek in Krems a. d. Donau. Prof. Dr. Hurtig in München. Dr. Hartwig, Obſervator a. d. Sternwarte in Dorpat. Medizinalrat Dr. Hedinger in Stutt⸗ gart. Dr. Er. Heintke in Oldenburg. Prof. Dr. Heller in Budapeſt. Fr. v. Bellwald in Stuttgart. Oberlehrer Henrich in Wiesbaden. Dr. Hermes, Dir. d. Aquariums in Berlin. Prof. Dr. M. Heß in Hannover. Prof. Dr. Hilger in Erlangen. Dr. Walter Hoffmann in Wurzen. Dr. Höfler in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Hoh in Bamberg. Dr. E. Hoppe in Hamburg. Hofgarteninſpektor Jäger in Eiſenach. J. Jordan, Aſſiſtent am phyſiologiſchen Inſtitute in Erlangen. Prof. Dr. Raemmerer in Nürnberg. Reg.⸗Baumeiſter Keller in Berlin. Privatdozent Dr. C. Keller in Zürich. Dr. E. Rinkelin in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Flunzinger in Stuttgart. Dr. Friedr. Knauer in Wien. Dr. Kobelt in Schwanheim a. M. Prof. Dr. v. Krafft-Ebing in Graz. Direktor Dr. Krumme in Braunſchweig. Dr. C. F. Burge in Halle a. d. S. Prof. Dr. Tandois in Münſter i. W. Prof. Dr. v. Taſaulr in Bonn. Dr. Paul Lehmann, Aſtronom des Rechnungs⸗Inſtituts der kgl. Sternwarte zu Berlin. Prof. Dr. Tepſtus in Darmſtadt. Prof. Dr. Teuckart in Leipzig. Prof. Dr. T. Tiebermann in Budapeſt. Dr. Jul. Lippert in Berlin. Prof. Dr. Tommel in Erlangen. Prof. Dr. W. Toſſen in Königsberg. Dr. Tudwig in Pontreſina. Prof. Dr. Hugs Magnus in Breslau. Prof. Dr. W. Marſhall in Leipzig. Prof. Dr. Melde in Marburg i. H. Prof. E. Mühlberg in Aarau. Prof. Dr. Neeſen in Berlin. Prof. Dr. C. P. W. Peters in Kiel. Privatdozent Dr. A. Penck in München. Dr. Peterſen, Vorſitzender im phyſikaliſchen Verein zu Frankfurt a. M. Prof. Dr. Pisko in Wien. Prof. Dr. Prantl in Aſchaffenburg. Prof. Dr. Pütz in Halle a. d. S. Prof. Dr. Joh. Ranke in München. Prof. Dr. Reef in Erlangen. Prof. Dr. Reichardt in Jena. Dr. Reichenbach, Dozent am Senckenbergianum in Frank⸗ furt a. M. Dr. Neichenow in Berlin. Prof. E. Veichert in Freiburg i. B. Prof. Dr. P. Reis in Mainz. Prof. Dr. Rofenthal in Erlangen. Dr. Karl Ruß in Berlin. Prof. Dr. Samuel in Königsberg. Prof. Dr. Sandberger in Würzburg. Prof. Dr. Schaaffhauſen in Bonn. Dr. Schauf, Dozent am Senckenbergianum in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Schenk in Leipzig. Dr. G. Schultz in Berlin. Ingenieur Th. Schwartze in Leipzig. Prof. Dr. Alois Schwarz in Mähriſch⸗Oſtrau. Kreisarzt Dr. C. Spamer in Lauterbach i. Oberheſſen. Prof. Dr. Standfeſt in Graz. Hofrat Dr. Stein in Frankfurt a. M. Prof. Dr. E. Taſchenberg in Halle a. d. S. Major a. D. von Tröltſch in Stuttgart. Prof. Dr. W. Valentiner, Direktor der großherzogl. Sternwarte in Karls⸗ ruhe. Prof. Dr. J. W. Vogel in Berlin. Dr. Hans Vogel in Memmingen. Prof. Dr. A. Vogel in München. Prof. Dr. J. G. Wallentin in Wien. Dr. D. F. Weinland in Eßlingen. Prof. Dr. T. Weis in Darmſtadt. Privatdozent Dr. J. E. Weiß in München. Prof. Dr. Wernich in Berlin. Dr. Th. Weyl in Berlin. Prof. Dr. R. Wiedersheim in Freiburg i. Br. Prof. Dr. Wiesner in Wien. Prof. Dr. Müllner in Aachen. Prof. Dr. Wundt in Leipzig. Prof. Dr. v. Zech in Stuttgart. Prof. Dr. Zittel in München. Prof. Dr. Zöller in Wien. Prof. Dr. Zutkerkandl in Graz. Verlag von FERDINAND ENKE in STUTTGART. Soeben erschien und ist durch jede Buchhandlung zu beziehen: Handbuch Lehrbuch der der Ausibenden Witterungskunde. Geophysik und Geschichte und segenwirtiger usted der wetterbrbebs. Physikalischen Geographie. Von Von Dr. W. J. van Bebber, Prof. Dr. Siegmund Günther. Abtheilungsvorstand der deutschen Seewarte 9 78 ree tes Zwei Bände. II. Band. I. Theil: Geschicite der Wetterprognose. Mit 118 in den Text gedruckten Abbildungen. Mit 12 Holzschnitten. er. 8. geh. Preis M. 15. — er. 8. geh. Preis Mark 8. — (Preis des I. Bandes (1884) M. 19. — Verlag von Gustav Fischer in Jena. Der Ursprung der Gewitter-Elektricität und der gewöhnlichen Elektricität der Atmosphäre. Eine meteorologisch-physikalische Untersuchung Dr. Leonhard Sohncke, ord. Professor der Physik an der Universität Jena. Preis: 1 M. 50 Pf. Von der Zeitschrift: „Der Zoologische Garten““, redigirt von Oberlehrer Prof. Dr. F. C. Noll, Verlag von Mahlau & Waldschmidt in Frankfurt a. M., erschien soeben No. 4 des XXVI. Jahrgangs fiir 1885 mit folgendem Inhalt: Tierleben und Tierpflege zwischen Donau und Adria; Reise- beobachtungen von Ernst Friedel. — Aus den ersten Lebens- tagen eines zweihdckerigen Kamels; von Inspektor W. L. Sigel in Hamburg. — Ein afrikanischer Hund; von Dr. Th. Noack. (Mit 1 Abbildung.) — Eine praktische Verwertung des Meer- leuchtens; von dem Herausgeber. — Bericht des Verwaltungs- rates der Neuen Zoolog. Gesellschaft zu Frankfurt a. M. an die Generalyersammlung der Aktionäre am 4. Mai 1885. — Korrespon- denzen. — Miscellen. — Litteratur. — Bucher und Zeitschriften. — Berichtigung, betreffend die Herstellung von Zeichnungen fir unsere Zeitschrift. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Soeben ist erschienen: Lehrbuch der Chemie fiir Pharmaceuten. Mit besonderer Berücksichtigung der Vorbereitung zum Gehülfen-Ekamen von Dr. Bernhard Fischer, Assistent am Pharmakolog. Institute der Universität Berlin. I. Hälfte. Mit 20 Holzschnitten. gr. 8. geh. Preis Mark 6. — (Die II. Hälfte erscheint im Herbst dieses Jahres.) Peruanische Mumie. Die sogenanite vorgeschichtliche Forschung macht tdglich so entlich Fortschritte und so wichtige Hutdechungen, dass sich fort- wihrend das Bediirfniss eines neuen, sie zusanmenfassenden Werkes fithibar macht. Das en Stanipunkt unserer Wissen- schaft vertretende und von deren Errungenschaften bis auf den heuti- Rechenschaft ablegende Werk ist das hier angezeigte, seit, Vollstdindigkeit und schine Ausstattung ni n fibrig lassen. Die deutsche Bearbeitung ist eine durchaus selb- stdndige, fasst nicht nur eines, sondern zicei Werke des franzésische Verfassers zusammen, welche die Veit Europa’s und Amerika’s be- handeln, und ist mit zahklreichen Zusiitzen und Anmerkungen der Her- ausgeber versehen. Aus dem reichen Inhalte des Buches lieben wir aur das Wichtigs® heraus. Es betrifft 1) die Funde der Steinzeit den allernew dessen ts zu iwiin- Prahistoris Mit besonderer Berücksichtigung der Urbewohner Amerikas. Nach dem gleichnamigen Werke des Marquis de Nadaillac r. 8. geh. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Soeben erschien: Handbuch der Analytischen Chemie von Professor Dr. Alexander Classen. Dritte verbesserte und vermehrte Auflage. I. Theil: Qualitative Analyse. 8. geh. Preis M. 4. — Wie sollen wir desinticiren ? Rathschlage für das nichtärztliche Publikum bezüglich des Schutzes der Gesunden gegenüber ansteckenden Krankheiten gesammelt von Privatdocent Dr. Emanuel Kohn. 8. geh. Preis M. —. 80. Die Beschaffenheit der e e e e eee und die Bedeutung der Atmosphärischen Kohlensäure ; fiir die Waldvegetation. Zugleich eine Uebersichtliche Darstellung des gegenwärtigen Standes der Kohlensaurefrage. Bearbeitet yon Prof. Dir. Ernst Ebermayer. Aus dem chemisch-bodenkundlichen Laboratorium der Kgl. bayer. forstl. Versuchsanstalt. Preis M. 2 gr. 8. geh. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Kürzlich ist erschienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: Die ersten Menschen und die schen Z einen herausgegeben von IF. Schlössern und Ed. Selen. Mit einem Titelbilde und 70 in den Text gedruckten Holzschnitten. Autorisirte Ausgabe. Preis Mark 12. — in fast en europtiischen Lindern, 2) die Flora und Fauna der Ur- zeit, 3) die Forschungen iiber die in jenen grauen Zeiten lebenden Menschenmassen, 4) die megalithischen Denkmale (Dolmen, Cromlechs, Menhirs u. &. Alterthiimer von Troja und Santorin, 6) die Funde der Urzeit Nordamerika’s, besonders der merhmürdigen Mounds, 7) die hochinteressanten Bauten der dltesten Bewohner Centralamerika’s, 8) die Graber, Mumien und andere Reste der Urzeit Perus und des iibrigen Stidamerika's., endlich 9) Untersuchungen iiber das Alter des Menschengeschlechts. So wird das Werk zu einer eigentlichen Ency- klopidie des heutigen Standes der urgeschichtlich -anthropologischen Forschung und verdient die lebhafte Theilnahme jedes Freundes dieses wissenschaftlichen Zweiges. 0. H. a. . Neue Ziircher Zeitung 1884. No. 120. 5) die Inhalt des Juli-Heftes. Prof. Dr. A. v. Laſaulr: Die Erdbeben von Adaluſien. (Mit Abbildung) Prof. Dr. G. Haberlandt: Die Sorge für die Brut im Pflanzenreich. (Mit Abbildungen) 2 ae Prof. Dr. Leopold Dippel: Das zuſammengeſetzte Mitrojfop und die mikroſkopiſche Bilderzeugung. I. (Mit Abbildungen) Dr. W. Breitenbach: Ein Beitrag zur Blumentheorie H. Müllers. Ewald Paul: Eine neue Stadt Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Zoologie. Prof. Dr. William Marſhall: Gruber, Ueber Amöben. Neuere Arbeiten über die ſyſtema⸗ tiſche Stellung der Spongien. Crinoiden der Challenger-Expedition. Leuckarts Unterſuchungen von Sphaerularia. Die Sinneswerkzeuge der Käferſchnecken. Rauber, Ueber den Einfluß der Schwer⸗ kraft a die Eifurchung T Chemie. r. Theodor Peterſen: Aa und behniſche Chemie Soda⸗Induſtrie. Flüſſige und feſte ee und Kohlenoxyd. Metalle. Aluminium. Iridium. Papierfabrikation. (Mit Ab⸗ bildungen) Neue Apparate für Unterricht und “hese Desinfektion und Reinigung von Luft und Wohnräumen. (Mit Abbildungen) Das Trigonometer. (Mit Abbildung). Litterariſche Rundſchau. Prof. Kießling, Die Dämmerungserſcheinungen im Jahre 1883 und ihre phyſikaliſche Erklärung C. M. Starcke, Ludwig Feuerbach. c poh a a A. Claſſen, Handbuch der analytiſchen Chemie. Dritte Auflage. I. Theil W. Preyer, Specielle Phyſiologie des Embryo Bibliographie. Bericht vom Monat Mai 1885 Witterungsüberſicht für Centralenropa. Monat Mai 1885 Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Juli 1885 Neueſte Mitteilungen. Die Gemſe der nordamerikaniſchen Felſengebirge Die Vulkane der Hawaiiſchen Inſeln Der V. deutſche Geographentag in i ls fang des ang 5 8 6 oo 6 0 6G Equiſetum ſchon in der Steinkohle Auſternkultur in Nordamerika. Aufbewahrung von Eis im kleinen Seite 261 265 273 277 283: 283: 287 292 293 293 294 295 295 295 296 298 299 299) 299: 300 300 300 300: Beiträge wolle man gefälligſt der Redaktion, Herrn Prof. Dr. Georg Krebs in Frankfurt a. M. (Elsheimerſtraße 7) einſenden. Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. 8. Heft. Preis 1 Wark. 4. Jahrgang. Fra NN Conats|chrift 1 Für die gelamten Naturwiſeenſchäſten⸗ Cs Herausgegeben von Vr of. Dr. G. Rrebs Auguſt 1885. Stuttgart Verlag von Ferdinand Enke. Mitarbeiter. Prof. Dr. Ahles in Stuttgart. Prof. Dr. Balling in Pribram. Privatdozent Dr. Baltzer in Zürich. Dr. J. van Bebber, Abteilungsvorſtand der Seewarte in Hamburg. Gymngſiallehrer Behrens in Güterslohe. Dr. J. Berger in Frankfurt a. M. Dr. Rudolf Biedermann in Berlin. Kreisarzt Dr. Biedert in Hagenau. Prof. Dr. Bopp in Stuttgart. Profeſſor Dr. M. Braun in Dorpat. Prof. Dr. Brauns in Halle a. d. S. Dr. W. Breitenbach in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Chavanne in Wien. Prof. Dr. Chun in Königsberg. Prof. Dr. C. W. von Dalla Torre in Innsbruck. Prof. Dr. Dames in Berlin. Dr. Emil Deckert in Dresden. Dr. J. T. Deichmüller, Aſſiſtent am mineralogiſchen Inſtitut in Dresden. Prof. Dr. Dippel in Darmſtadt. Prof. Dr. Dölter in Graz. Prof. Dr. Ebermayer in München. Privatdozent Dr. Edelmann in München. Ingenieur Ehrhardt⸗Korte in Baſel. Prof. Dr. Eimer in Tübingen. Oberlehrer Y. Engel⸗ hardt in Dresden. Prof. Dr. Falck in Kiel. Privatdozent Dr. Tiſch in Erlangen. Prof. Dr. H. Fiſcher in Freiburg i. B. Prof. Dr. Fleck in Dresden. Dr. Frans in Stuttgart. Prof. Dr. Freytag in Halle a. d. S. Prof. Dr. B. v. Fritſch in Halle a. d. S. Prof. Dr. Th. Tuchs in Wien. Prof. Dr. Gad in Würzburg. Prof. Dr. Gerland in Straßburg. Dr. Geyler, Dozent am Senckenbergianum in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Götte in Roſtock. Dr. Gam. Göze, Garteninſpektor in Greifswald. Prof. Dr. Graber in Graz. K. Poſtrat Grawinkel in Frankfurt a. M. Prof. Dr. H. Gretſthel in Freiberg i. S. Bergrat Dr. Albr. u. Groddeck, Direktor der Berg⸗ Akademie in Clausthal. Prof. Dr. Günther in Ansbach. Dr. G. Haller in Zürich. Prof. Dr. Hallier in Halle. G. Hammer, Aſſiſtent am Polytechnikum in Stuttgart. Prof. Dr. Hanauſek in Krems a. d. Donau. Prof. Dr. Hartig in München. Dr. Hartwig, Obſervator a. d. Sternwarte in Dorpat. Medizinalrat Dr. Hedinger in Stutt⸗ gart. Dr. Er. Heincke in Oldenburg. Prof. Dr. Heller in Budapeſt. Fr. v. Hellwald in Stuttgart. Oberlehrer Henrich in Wiesbaden. Dr. Hermes, Dir. d. Aquariums in Berlin. Prof. Dr. M. Heß in Hannover. Prof. Dr. Hilger in Erlangen. Dr. Walter Hoffmann in Wurzen. Dr. Höfler in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Hoh in Bamberg. Dr. E. Hoppe in Hamburg. Hofgarteninſpektor Jäger in Eiſenach. H. Jordan, Aſſiſtent am phyſiologiſchen Inſtitute in Erlangen. Prof. Dr. Kaemmerer in Nürnberg. Reg.⸗Baumeiſter Keller in Berlin. Privatdozent Dr. C. Keller in Zürich. Dr. E. Rinkelin in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Rlunzinger in Stuttgart. Dr. Friedr. Knauer in Wien. Dr. Kobelt in Schwanheim a. M. Prof. Dr. v. Krafft-Ching in Graz. Direktor Dr. Krumme in Braunſchweig. Dr. C. F. Kunze in Halle a. d. S. Prof. Dr. Tandois in Münſter i. W. Prof. Dr. v. Taſaulr in Bonn. Dr. Paul Tehmann, Aſtronom des Rechnungs⸗Inſtituts der kgl. Sternwarte zu Berlin. Prof. Dr. Tepſius in Darmſtadt. Prof. Dr. Teuckart in Leipzig. Prof. Dr. T. Liebermann in Budapeſt. Dr. Jul. Tippert in Berlin. Prof. Dr. Tommel in Erlangen. Prof. Dr. W. Toſſen in Königsberg. Dr. Tudwig in Pontreſina. Prof. Dr. Hugo Magnus in Breslau. Prof. Dr. W. Marſhall in Leipzig. Prof. Dr. Melde in Marburg i. H. Prof. E. Mühlberg in Aarau. Prof. Dr. Meefen in Berlin. Prof. Dr. C. E. W. Peters in Kiel. Privatdozent Dr. A. Penck in München. Dr. Peterſen, Vorſitzender im phyſikaliſchen Verein zu Frankfurt a. M. Prof. Dr. Pisko in Wien. Prof, Dr. Prantl in Aſchaffenburg. Prof. Dr. Pütz in Halle a. d. S. Prof. Dr. Joh. Ranke in München. Prof. Dr. Reeß in Erlangen. Prof. Dr. Reichardt in Jena. Dr. Reichenbach, Dozent am Senckenbergianum in Frank⸗ furt a. M. Dr. Reichenow in Berlin. Prof. G. Reichert in Freiburg i. B. Prof. Dr. P. Reis in Mainz. Prof. Dr. Roſenthal in Erlangen. Dr. Karl Ruß in Berlin. Prof. Dr. Samuel in Königsberg. Prof. Dr. Sandberger in Würzburg. Prof. Dr. Bchaaffhauſen in Bonn. Dr. Schauf, Dozent am Senckenbergianum in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Schenk in Leipzig. Dr. G. Schultz in Berlin. Ingenieur Th. Schwartze in Leipzig. Prof. Dr. Alois Schwarz in Mähriſch-Oſtrau. Kreisarzt Dr. C. Spamer in Lauterbach i. Oberheſſen. Prof. Dr. Standfeſt in Graz. Hofrat Dr. Stein in Frankfurt a. M. Prof. Dr. G. Taſchenberg in Halle a. d. S. Major a. D. von Tröltſch in Stuttgart. Prof. Dr. W. Valentiner, Direktor der großherzogl. Sternwarte in Karls⸗ ruhe. Prof. Dr. H. W. Vogel in Berlin. Dr. Haus Vogel in Memmingen. Prof. Dr. A. Vogel in München. Prof. Dr. J. G. Wallentin in Wien. Dr. D. F. Weinland in Eßlingen. Prof. Dr. T. Weis in Darmſtadt. Privatdozent Dr. J. E. Weiß in München. Prof. Dr. Wernich in Berlin. Dr. Th. Weyl in Berlin. Prof. Dr. N. Wiedersheim in Freiburg i. Br. Prof. Dr. Wiesner in Wien. Prof. Dr. Müllner in Aachen. Prof. Dr. Wundt in Leipzig. Prof. Dr. v. Zech in Stuttgart. Prof. Dr. Zittel in München. Prof. Dr. Zöller in Wien. Prof. Dr. Zuckerkandl in Graz. Verlag von FERDINAND HN HH in STUTTGART. Soeben erschien und ist durch jede Buchhandlung zu beziehen: . Handbuch KES \ a lz ELEKTROTECHNIK (= A | : = earbeitet von Prof. Dr. Erasmus Kittler. 2 Bande. I. Band. I. Hilfte. Mit 226 in den Text gedruckten Holzschnitten. er. 8. geh. Preis Mark 9. — =} Verlag von FERDINAND ENKE in STUTTGART. == Soeben erschien vollständig: Lehrbuch der Geophysik PHYSIKALIS CHEN GEOGRAPHIE. Professor Dr. Si man Günther. Zwei Bunde. Gross-Oktay. Geheftet. Mit 195 in den Text gedruckten Abbildungen. Preis: I. Band M. 10. —, II. Band M. 15. — Inhalts- Uebersicht. I. Band: Geschichtlich-literarische Einführung. — Die kosmische Stellung der Erde. I. Die Kant-Laplace'sche Hypothese. II. Die physische Konstitution der Körper des Sonnensystemes. III. Die der Erde ähnlichen Planeten und der Mond. — Allgemeine mathematische und physikalische Verhältnisse des Erdkérpers. I. Die Erde als Kugel und Rotationssphäroid. II. Die Attrak- tionsphänomene und deren Anwendung zur Bestimmung der Gestalt und Dichte der Erde. III. Pas Geoid. IV. Die Bewegung der Erde im Raume. V. Die Graphik im Dienste der physischen Erdkunde. — Geophysik im engeren Sinne; dynamische Geologie. I. Die Wärme- verhältnisse des Erdinneren. II. Der innere Zustand der rde. III. Die vulkanischen Erscheinungen. IV. Erdbeben. II. Band: Magnetische und elektrische Erdkräfte. I. Magne- tismus und Elektricität in den oberflächlichen Erd- schichten. II. Der Erdmagnetismus und die drei ihn bestimmenden Elemente. III. Theorie des Erdmagnetis- mus. IV. Polarlichter. — Atmosphärologie. I. Die all- gemeinen Eigenschaften der Atmosphäre; ihre Gestalt und ihre Ausdehnung. II. Die Beobachtungs- und Be- Für die hohe wissenschaftliche Bedeutung rechnungsmethoden der Meteorologie. III. Meteoro- logische Optik. IV. Atmosphärische Elektricität; Gewitter. V. Kosmische Meteorologie. VI. Dynamische Meteoro- logie. VII. Allgemeine Klimatologie. VIII. Spezielle Klima- tologie der Erdoberfläche. IX. Säkuläre Schwankungen des Klimas. X. Angewandte Meteorologie. — Oceano- graphie und oceanische Physik. I. Die allgemeinen Eigenschaften des Meerwassers und dessen Vertheilung auf der Erdoberfläche. II. Physiographie der Meeres- becken. III. Temperatur, Salzgehalt und chemische Zusammensetzung der Meere. IV. Die Wellenbewegung des Meeres; Ebbe und Fluth. V. Die Strömungen im Meere. VI. Das Eis des Meeres. — Dynamische Wechsel- beziehungen zwischen Meer und Land. I. Dauernde Verschiebungen der Grenzlinien zwischen festem und flüssigem Elemente. II. Die Kiistenbildung. III. Charak- teristik und Klassifikation der Inseln. — Das Festland mit seiner Siisswasserbedeckung. I. Geogonie und Geognosie. II. Orographischer Bau und Bodenplastik des Festlandes. III. Schnee und Eis der Hochgebirge: glaciale Physik und glaciale Geologie. IV. Stehende und fliessende Gewässer. V. Allgemeine Morphologie der Erdoberfläche. — Biologie und physische Erdkunde in Wechselwirkung. des Werkes mögen einige in Fachzeitschriften erschienene Re- censionen über den I. Band desselben sprechen, welche die Verlagshandlung sich nachstehend abzudrucken erlaubt. — Das ganze auf zwei Bände berechnete Werk zerfällt in neun systematisch aneinander sich anschliessende Hauptabschnitte; die drei ersten, welche die kosmische Stellung der Erde, ihre allge- meinen mathematischen und physikalischen Verhältnisse und die dynamische Geologie behandeln, liegen im ersten Bande vor. Die magnetischen und elektrischen Erdkräfte, Atmosphärologie, Oceano- graphie, Oberflächen veränderung, die Oberflachenbedeckung und endlich die Organismen bilden das Thema des zweiten Bandes, welcher weniger ausführlich behandelt werden wird, da für die meisten dieser Abtheilungen bereits treffliche Monographien ver- Offentlicht sind. Als ein für das Studium ins Gewicht fallender Vor- zug dieses Lehrbuches erscheinen die mannigfachen Citate eines umfangreichen Quellenmateriales, welches in demselben verar- beitet worden ist, so dass jedem Leser die Gelegenheit geboten wird, sich über die eine oder andre Frage oder Theorie eingehendere Belehrung zu verschaffen. Da auch jedem Abschnitte ausführliche Namenregister beigegeben sind, so verspricht das Buch ferner ein unentbehrliches Nachschlagewerk für das Studium der Geophysik, za werden. (Geogr. Monatsber. in Petermann’s Mitth. 1884. Heft 6.) — Lehrbuch der Geophysik und physikalischen Geographie von Prof. Dr. Siegmund Gunther. Stuttgart, Verlag von Ferd. Enke, 1884. Der mir vorliegende erste Band dieses Werkes enthalt in pragnanter, darum aber nirgends unklarer Kürze diejenigen Lehren der allgemeinen Erdkunde, welche man als Geophysik bezeichnet. Die erste Abtheilung behandelt die kosmische Stellung der Erde, die zweite widmet sich der Oberflachenform der Erde und ihrer Be- wegung im Raume und die dritte behandelt die Warmeverhaltnisse des Erdinnern, die Vulkane und Erdbeben. Die neueren Ergebnisse der mathematischen und rein physikalischen Erdkunde sind hier in möglichst systematischem Aufbau der einzelnen Lehren zu einem einheitlichen Ganzen aufgebaut. In einer recht lehrreichen geschicht- lich-literarischen Einleitung wird die Entwicklung der physika- lischen Geographie vom Alterthum bis auf die Gegenwart verfolgt und somit in kurzen Zügen ein Bild von dem allmählichen An- wachsen und Erstarken dieser Wissenschaft, welche die Brücke zwischen der Naturlehre und Erdkunde bildet, gegeben. Neben 45 streng mathematisch-physikalischen Darstellung charakterisirt das Gunther’sche Lehlbuch noch vor allem die historische Ent- wicklung der behandelten Theoreme und die Beigabe eines ausser- ordentlich reichen Citatenschatzes am Ende jedes grösseren Ab- Schnittes, wodurch das Buch für jeden Geographen ein unentbehr- liches Nachschlagewerk wird. Deutsche geograph. Blätter 1884. Heft 3.) Professor Günther vereinigt in sich somit die Vorzüge der exakten Forschung mit eingehenden historischen Kenntnissen, sowie eine erstaunliche Vertrautheit mit der bezüglichen Literatur, der das Werk einen seiner wesentlichsten Vortheile, den werthvollen und genauen Citatenschatz, verdankt. Das Werk umfasst in zwei Bänden die physische Astronomie — nur insoweit aufgenommen, als dies mit Rücksicht auf terrest- rische Fragen nothwendig ist, — die Oberflächenform der Erde, ihre Bewegung im Raume und die dynamische Geologie. Hierauf sollen im zweiten Bande die magnetischen und elektrischen Kräfte der Erde, die Atmosphärologie, die Oceanographie, die Oberflächen- Veranderungen, welche aus dem Kampfe zwischen Meer und Fest- land entspringen, die Eigenschaften der festen Bestandtheile unserer Erdoberfläche, endlich in beschrankterer Weise die physische Geo- graphie der Organismen behandelt werden. Man ersieht hieraus den reichen Inhalt und die sorgfältige wissenschaftliche Methode des Werkes, das sicherlich allgemeine Anerkennung finden wird. Im vorliegenden ersten Bande sind nebst der trefflich geschriebenen geschichtlich- literarischen Einleitung die eigentlichen mathema- tischen und physikalischen Kapitel — Gestalt der Erde, Attrac- tionsphanomene, Bewegung der Erde und Kartenprojektion hervorzuheben. (Mitth. d. K. k. Geograph. Gesellschaft in Wien.) Dr. u. Le Monnier. — Dieses Werk gehört zu den vorzüglichsten seiner Art, es ist ganz seines Verfassers würdig. Man erkennt überall, wie dieser seine Darstellung nach reiflich erwogenem Plane auf die besten Quellen stützt und ganz aus dem V. ollen gearbeitet hat. Das Buch erfordert zu seinem gedeihlichen Studium eine gewisse Summe von tüchtigen Vorkenntnissen, vor allem auch in der Mathematik. Es bildet sonach gewissermassen ein Handbuch für den Studirenden an der Universi- tit, aber auch fur dus tiefer gehende Privatstudium. Unsere besten Wünsche begleiten dieses gediegene, ganz zur rechten Zeit kom- mende Werk! (Gaea 84. Nr. 575.) — Unser gelehrter Mitarbeiter, Herr Prof. S. Günther, hat ein Lehrbuch der Geophysik erscheinen lassen, wie es schon langst von deh Physikern und Geo yhen gewünscht worden ist. Das ausgebreitete Wissen des V ssers in physikalischen, mathema- tischen und geographischen Dingen befahigte ihn besonders dazu, diesen gewiss nicht leichten Stoff zu bewaltigen. Der erste Band enthalt drei Hauptabtheilungen: die kosmische Stellung der Erde, allgemeine mathematische und physikalische Ver- hältnisse des Erdkörpers und Geophysik im engeren Sinne. Bei dem sehr reichen Stoff ist es auf dem uns gestatteten Raume nicht möglich, auch nur ein ungefähres Bild des Inhaltes im Einzelnen zu geben. Wir bemerken nur, dass das Buch sich von einem gewöhnlichen Lehrbuch dadurch unterscheidet (und gewiss zu seinem Vortheil), dass es überall geschichtliche und literarische Nachweise die Fülle bringt und die zahlreichen Meinungen und Hypothesen Revue passiren lässt. Auf diese Art erlangt der Leser nicht eine einseitige Darstellung der Meinungen des Verfassers, sondern einen Ueberblick über die Gesammtthatigkeit der Gelehrten auf diesem Gebiete. Wir glauben desshalb nicht nothig zu haben, das Buch noch besonders zu empfehlen. Humboldt lil. Heft 7.) Frankfurt a. M. Prof. Dr. G. Krebs. Inhalt des Auguſt-Heftes. Prof. Dr. J. Rofenthal: Die Differenzierung der Lebeweſen. Pflanzen und Tiere ae Dr. Leopold Dippel: Das zuſammengeſetzte Mikroskop und die mikroſkopiſche Wild III. for Abbildungen) W. Stricker: Die Feuerzeuge der Griechen und Römer. Dr. Th. Noack: Elfenbeinhandel, Elfenbein und verwandte Produkte auf dem ‘inten eutſchen Geogreshen in Hamburg 0 Prof. Dr. Auguſt Vogel: Ueber das Spahrungabebiininia Der sein ( nets Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Phyſik. Prof. Dr. G. Krebs: Abſorption von Wärme durch Waſſerdampf. Ueber das Leuchten der Flamme. Anwendung von Brom in der galvaniſchen Kette. (Mit Abbildungen.) Verbeſſerung des Queckſilber⸗ unterbrechers an Induktionsapparaten. Geringe Abſorptionsfähigkeit der Metalle für Wärme. Geographie. Dr. Franz Höfler: Neue Forſchungen in der Südſee. (Mit Abbildungen.) Die Marſchallinſeln. Jaluit. Die Karolinen. Ponapé. Kuſaie. Yap. Palao. Kingsmillarchipel. inſeln. Broomerinſel. Teſteinſel. Blanchard- und Heathinſel. Chinaſtraße. Mehelineyinſel. und Didymusinſeln. Jurieninſel. Jouveneyinſel. Duke of York. Georgskanal. und Utuaninſel. Neu-Britannien. Gazellenhalbinſel. Matupi. Blanchebai, neues Eiland in der Blanchebai. Materpert. Duportailinſel. Neu⸗Irland Litterariſche Rundſchau. Eduard Sueß, Das Antlitz der Erde E. Ebermayer, Die Beſchaffenheit der Waldluft, zugleich eine überſichtliche Darſtellung des gegenwärtigen Standes der Kohlenſäurefrage Albert Heim, Handbuch der Gletſcherkunde ? Bericht über die Senckenbergiſche naturforſchende Geſelſchaft 1884 Friedrich Meyer von Waldeck, Rußland. : Anleitung zu wiſſenſchaftlichen Beobachtungen auf Alpenreiſen . Bibliographie. Bericht vom Monat Juni 1885 . 8 Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat Juni 1885 Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Auguſt 1885 Neueſte Mitteilungen. Fortpflanzungsgeſchwindigkeit der Erderſchütterungswelle bei Erdbeben Preisverzeichnis Nr. 10 über phyſikaliſche und chemiſche Apparate von F. Gina in Berlin. Eine giftige Spinne. e ee Ns ca Die Sammlungen der Herren Salvin und Godman Megalithiſche Reſte in Polyneſien Gefahr des Fiſchereigewerbes . Rieſige Cephalopoden 5 e e ee ee ee een e e (by 126) ee We) e (Ss) Wb) e % VIN S&S oe Ne) Beiträge wolle man gefälligſt der Redaktion, Herrn Prof. Dr. Georg Krebs in Frankfurt a. M (Elsheimerſtraße 7) einſenden. Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. 9. Heft. . Preis 1 Wark. 4. Jahrgang. bay TM 10 — 0 Monalsſehrift Für die Herausge geben von Prof. Or. G. Krebs September 1885. Stuttgart. Verlag von Ferdinand Enke. YY 1 % Mitarbeiter. Prof. Dr. Ahles in Stuttgart. Prof. Dr. Balling in Pribram. Privatdozent Dr. Baltzer in Zürich. Dr. J. van Bebber, Abteilungsvorſtand der Seewarte in Hamburg. Gymngſtallehrer Behrens in Güterslohe. Dr. J. Berger in Frankfurt a. M. Dr. Rudolf Biedermann in Berlin. Kreisarzt Dr. Biedert in Hagenau. Prof. Dr. Sopp in Stuttgart. Profeſſor Dr. M. Braun in Dorpat. Prof. Dr. Brauns in Halle a. d. S. Dr. W. Breitenbach in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Chavanne in Wien. Prof. Dr. Chun in Königsberg. Prof. Dr. C. W. von Dalla Torre in Innsbruck. Prof. Dr. Dames in Berlin. Dr. Emil Deckert in Dresden. Dr. J. F. Deichmüller, Aſſiſtent am mineralogiſchen Inſtitut in Dresden. Prof. Dr. Dippel in Darmſtadt. Prof. Dr. Nölter in Graz. Prof. Dr. Ebermayer in München. Privatdozent Dr. Edelmann in München. Ingenieur Ehrhardt-Korte in Bafel. Prof. Dr. Eimer in Tübingen. Oberlehrer Z. Gugel- Hardt in Dresden. Prof. Dr. Talck in Kiel. Privatdozent Dr. Fifty in Erlangen. Prof. Dr. H. Tiſcher in Freiburg i. B. Prof. Dr. Fleck in Dresden. Dr. Traas in Stuttgart. Prof. Dr. Freytag in Halle a. d. S. Prof. Dr. K. v. Fritſch in Halle a. d. S. Prof. Dr. Th. Tuchs in Wien. Prof. Dr. Gad in Würzburg. Prof. Dr. Gerland in Straßburg. Dr. Geyler, Dozent am Senckenbergianum in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Götte in Roſtock. Dr. Edm. Göze, Garteninſpektor in Greifswald. Bergrat Dr. Albr. v. Groddeck, Direktor der Berg⸗ in Frankfurt a. M. Prof. Dr. H. Gretſchel in Freiberg i. S. Prof. Dr. Graber in Graz. K. Poſtrat Grawinkel Akademie in Clausthal. Prof. Dr. Günther in Ansbach. Dr. G. Haller in Zürich. Prof. Dr. Hallier in Halle. G. Hammer, Aſſiſtent am Polytechnikum in Stuttgart. Prof. Dr. Hanaufek in Krems a. d. Donau. Prof. Dr. Hartig in München. Dr. Hartwig, Obſervator a. d. Sternwarte in Dorpat. Medizinalrat Dr. Bedinger in Stutt⸗ gart. Dr. Er. Heincke in Oldenburg. Prof. Dr. Heller in Budapeſt. Fr. v. Bellwald in Stuttgart. Oberlehrer Henrich in Wiesbaden. Dr. Hermes, Dir. d. Aquariums in Berlin. Prof. Dr. M. Heß in Hannover. Prof. Dr. Hilger in Erlangen. Dr. Walter Hoffmann in Wurzen. Dr. Höfler in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Hoh in Bamberg. Dr. E. Hoppe in Hamburg. Hofgarteninſpektor Jäger in Eiſenach. Z. Jordan, Aſſiſtent am phyſiologiſchen Inſtitute in Erlangen. Prof. Dr. Raemmerer in Nürnberg. Reg.⸗Baumeiſter Keller in Berlin. Privatdozent Dr. C. Keller in Zürich. Dr. F. Rinkelin in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Klunzinger in Stuttgart. Dr. Friedr. Knauer in Wien. Dr. Kobelt in Schwanheim a. M. Prof. Dr. v. Krafft-Ebing in Graz. Direktor Dr. Krumme in Braunſchweig. Dr. C. F. Kunze in Halle a. d. S. Prof. Dr. Tandois in Münſter i. W. Prof. Dr. v. Taſaulr in Bonn. Dr. Paul Tehmann, Aſtronom des Rechnungs-Inſtituts der kgl. Sternwarte zu Berlin. Prof. Dr. Tepſtus in Darmſtadt. Prof. Dr. Teuckart in Leipzig. Prof. Dr. T. Liebermann in Budapeſt. Dr. Jul. Lippert in Berlin. Prof. Dr. Tommel in Erlangen. Prof. Dr. W. Toſſen in Königsberg. Dr. Tudwig in Pontreſina. Prof. Dr. Hugo Magnus in Breslau. Prof. Dr. W. Marſhall in Leipzig. Prof. Dr. Melde in Marburg i. H. Prof. F. Mühlberg in Aarau. Prof. Dr. Neeſen in Berlin. Prof. Dr. C. E. W. Peters in Kiel. Privatdozent Dr. A, Penck in München. Dr. Peterſen, Vorſitzender im phyſikaliſchen Verein zu Frankfurt a. M. Prof. Dr. Pisko in Wien. Prof. Dr. Prantl in Aſchaffenburg. Prof. Dr. Pütz in Halle a. d. S. Prof. Dr. Joh. Ranke in München. Prof. Dr. Neeß in Erlangen. Prof. Dr. Reichardt in Jena. Dr. Reichenbach, Dozent am Senckenbergianum in Frank⸗ furt a. M. Dr. Reichenow in Berlin. Prof. E. Reichert in Freiburg i. B. Prof. Dr. P. Reis in Mainz. Prof. Dr. Rofenthal in Erlangen. Dr. Karl Ruß in Berlin. Prof. Dr. Samuel in Königsberg. Prof. Dr. Sandberger in Würzburg. Prof. Dr. Schaaffhauſen in Bonn. Dr. Schauf, Dozent am Senckenbergianum in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Schenk in Leipzig. Dr. G. Schultz in Berlin. Ingenieur Th. Schwartze in Leipzig. Prof. Dr. Alois Schwarz in Mähriſch⸗Oſtrau. Kreisarzt Dr. C. Bpamer in Lauterbach i. Oberheſſen. Prof. Dr. Standfeſt in Graz. Hofrat Dr. Stein in Frankfurt a. M. Prof. Dr. G. Taſchenberg in Halle a. d. S. Major a. D. von Tröltſch in Stuttgart. Prof. Dr. W. Valentiner, Direktor der großherzogl. Sternwarte in Karls⸗ ruhe. Prof. Dr. H. W. Vogel in Berlin. Dr. Hans Vogel in Memmingen. Prof. Dr. A. Vogel in München. Prof. Dr. J. G. Wallentin in Wien. Dr. D. T. Weinland in Eßlingen. Prof. Dr. T. Weis in Darmſtadt. Privatdozent Dr. J. E. Weiß in München. Prof. Dr. Wernich in Berlin. Dr. Th. Weyl in Berlin. Prof. Dr. R. Wiedersheim in Freiburg i. Br. Prof. Dr. Wiesner in Wien. Prof. Dr. Wüllner in Aachen. Prof. Dr. Wundt in Leipzig. Prof. Dr. v. Zech in Stuttgart. Prof. Dr. Zittel in München. Prof. Dr. Zöller in Wien. Prof. Dr. Zuckerkandl in Graz. Verlag von FERDINAND ENKE in STUTTGART. Soeben erschien und ist durch jede Buchhandlung zu beziehen: © Handbuch ELEKTROTEGHNIK. Bearbeitet von Prof. Dr. Erasmus Kittler. 2 Bande. I. Band. I. Hilfte. 2 II Mit 226 in den Text gedruckten Holzschnitten. gr. 8. geh. Preis Mark 9. — J. B. Metzlerscher Verlag, Stuttgart. Studien zur Entwicklungsgeschichte des Sonnensystems von Alfred Forster, Rittmeister der Landwehr-Kayallerie, Mit 5 Figuren. 8°. Preis M. 2,60. Diese Arbeit eröffnet vollständig neue Gesichtspunkte, insofern sie an der Hand einiger Hauptsätze der Mechanik eine Zesetzmässige Entwicklung unseres heutigen Sonnensystems aus einem Urnebel richtiger und präziser, als die Kantsche oder Laplacesche Hypothese nachweist, und, auf die neuesten pyrochemischen Forschungen sich stützend, Schlüsse auf das chemisch- physikalische Verhalten der Materie gestattet. Maimmer der Wissenschaft haben die » Studien als ungemein interessant und voraus- sichtlich von grosser Tragweite erkannt. Im Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart iſt ſoeben erſchienen: Die Dflege des eſunden und kranken Kindes von Dr. Adolf Baginsky, Dritte umgearbeitete Artflage e CARI EOE von „Wohl und Teid des Rindes.“ Mit 15 Holzſchnitten. 8. geh. Preis M. 3. —, elegant geb. M. 4, — Jede Mutter, jede Kinderpflegerin findet in dem nun ſchon in dritter Auflage vorliegenden Büchlein des bekannten und beliebten Berliner Kinderarztes eine Fülle goldener Regeln für die Pflege und phyſiſche Erziehung der Kleinen. Mit ſorgfältiger Auswahl hat Verfaſſer Alles, was zu Mißverſtändniſſen — namentlich in Krankheitsfällen — führen könnte, fort- gelaſſen, dagegen Alles, was der Laie verſtehen kann und wiſſen ſoll, aufgenommen. Das Verſtändniß dafür, warum Dieſes zu ge⸗ ſchehen habe, Jenes zu unterlaſſen ſei, wird durch die vorausgeſchickte klare Darſtellung der Lebensvor- gänge und der Entwicklung des Kindes eröffnet. Das Buch iſt berufen, in jeder Familie reichen Segen zu ſtiften. Zu beziehen durch jede Buchhandlung. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Die ersten Menschen und die Prähistorischen Zeiten Mit besonderer Berücksichtigung der Urbe wohner Amerikas. Nach dem gleichnamigen Werke des Marquis de Nadaillac herausgegeben yon . Schlésser und Ed. Seler. Mit einem Titelbilde und 70 in den Text gedruckten Holzschnitten. Autorisirte Ausgabe. Preis Mark 12, — gr. 8. g geh. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Handbuch der Austibenden Witterungskunde, Geschichte und gegenwärtiger Zustand der Wetterprognose, Von Dr. W. J. van Bebber, Abtheilungsvorstand der deutschen Seewarte. Zwei Theile. I. Theil: Geschichte der Wetterprognose. Mit 12 Holzschnitten. gr. 8. Preis Mark 8. — geh. Die Beschaffenheit der R und die Bedeutung der atmosphärischen Kohlensäure für die Waldvegetation. Zugleich eine Uebersichtliche Darstellung des gegenwärtigen Standes der Kohlensaurefrage. Bearbeitet yon Prof. Dr. Ernst Ebermayer. Aus dem chemisch-bodenkundlichen Laboratorium der Kgl. bayer. forstl. Versuchsanstalt, SS Sen re Meno m= Wie sollen wir desinficiren? Rathschläge fiir das nichtärztliche Publikum bezüglich des Schutzes der Gesunden gegenüber ansteckenden Krankheiten Ses a mmelt yon Privatdocent Dr. Emanuel Kohn. 8. geh. Preis M. —. 80. i Ludwig Feuerbach. Von C. N. Starcke, Dr. Phil. gr. 8. geh. Preis M. 9. — Inhalt des September-Heftes. Prof. Dr. J. J. Rein: Coca und Cola . 0 885 BR 0 Prof. Dr. J. Rofenthal: Die Differenzierung der bepeleh Pſsanzen 119 Tiere. (Schluß Privat⸗Dozent Dr. C. Keller: Die Farben der Meerestiere Prof. Dr. Leopold Dippel: Das zuſammengeſetzte Mikroſkop und die mitroſtopiſche 8 III. (Mit 99 89 0 Dr. Fr. Biedermann: Zur Geſchichte der Naturwiſſenſchaften Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Anthropologie. Dr. M. Alsberg: Die Frage nach der Exiſtenz der Menſchen während der Tertiärzeit, beantwortet durch Schaaffhauſens Unterſuchung der durch v. Dücker geſammelten Hipparionsknochen. Wo ſind die Spuren und Reſte des Tertiärmenſchen zu ſuchen? Die „niederen Bildungen“ in ihrer Beziehung zu den in der körperlichen Organiſation des Menſchen vor ſich gegangenen Veränderungen. Albrecht: Ueber die ehemalige Zahl der oberen Schneidezähne und die Bildung des Kinnes beim Menſchen. Beweiſe, daß das Weib den tieriſchen Vorfahren des Menſchen näher ſteht als der Mann. Verſchwinden des Weisheitszahnes. Doppelter Weg, auf dem die aſiatiſche Bronzekultur nach Europa gelangte. Uebereinſtimmung zwiſchen ſibiriſchen und ungariſchen Bronzen. Die erſten Erfinder der Bronze in Aſien, wahrſcheinlich ein Volk altaiſch-ugriſchen Stammes spate Hygieine. Dr. med. Steffan: H. Magnus, Die Blindheit, ihre Entſtehung und ihre sel E. Fuchs, Die Urſachen und die Verhütung der Blindheit : Mineralogie und Kryſtallographie. Prof. Dr. A. von Lasche Das geen des Leueit Optiſche Anomalien bei dieſem, Boracit, Tridymit, Rutil, Korund u. a. Optiſche Störungen an Kryſtallen infolge von elektriſchen Spannungen, durch künſtlichen Druck, Erwärmung, natürliche Preſſungen in Geſteinen. M ineraloptiſche Apparate und Methoden. Neue Apparate für Unterricht und Praxis. H. Rohrbecks Trockenapparat für Laboratorien mit Ventilation. (Mit Abbildungen) Wimshurſts Doppel⸗Influenzmaſchine. (Mit Abbildung) Litterariſche Rundſchan. A. Rauber, Homo sapiens ferus oder die Zuſtände der Verwilderten und ihre Bedeutung für Wiſſenſchaft, Politik und Schule . : Friedrich Kayſer, Aegypten einſt und ieee : Otto Stoll, Zur Ethnographie der Republik Guatemala Bibliographie. Bericht vom Monat Juli 1885 Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat Juli 1885 Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im September 1885 Neueſte Mitteilungen. Eierlegende Säugetiere Ausnutzung der Erdwärme Luchſe in den Karpathen Schneeflocken vor der S im 8 00 ſehtbar Die Elefanten des zoologiſchen Gartens in Berlin Eine fiſchfreſſende Pflanze. Beiträge wolle man gefälligſt der Redaktion, Herrn Prof. Dr. Georg Krebs in Frankfurt a. (Elsheimerſtraße 7) einſenden. Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. Seite 341 344 350 356 361 363 365 369 373 374 375 376 376 377 378 379 379 380 380 380 380 380 M. 10. Heft. Preis 1 Wark. A. Dahrgang. N SS SN I a WS \ 60 ii I N TMM TMM ATT SS ea ! Für die Fd ie N Naturwiſſenſchaſten wy, 2 Herausgegeben von „ 0 Prof. Dr. G. Rrebs Oktober 1885. eh 7 . — fii Stuttgart. 27 Verlag von Ferdinand Enke. f Pr Myon WE Dy ME Ly Mik ar beffe = Prof. Dr. Ahles in Stuttgart. Prof. Dr. Salling in Pribram. Privatdozent Dr. Baltzer in Zürich. Dr. J. van Bebber, Abteilungsvorſtand der Seewarte in Hamburg. Gymnaſiallehrer Behrens in Güterslohe. Dr. 3. Berger in Frankfurt a. M. Dr. Rudolf Biedermann in Berlin. Kreisarzt Dr. Biedert in Hagenau. Prof. Dr. Bopp in Stuttgart. Profeſſor Dr. M. Braun in Dorpat. Prof. Dr. Brauns in Halle a. d. S. Dr. W. Breitenbach in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Chavanne in Wien. Prof. Dr. Chun in Königsberg. Prof. Dr. C. W. von Dalla Torre in Innsbruck. Prof. Dr. Dames in Berlin. Dr. Emil Deckert in Dresden. Dr. J. F. Deichmüller, Aſſiſtent am mineralogiſchen Inſtitut in Dresden. Prof. Dr. Dippel in Darmſtadt. Prof. Dr. Dülter in Graz. Prof. Dr. Ebermayer in München. Privatdozent Dr. Edelmann in München. Ingenieur Ehrhardt-Korte in Baſel. Prof. Dr. Eimer in Tübingen. Oberlehrer Y. Engel⸗ hardt in Dresden. Prof. Dr. Falck in Kiel. Privatdozent Dr. Fifty in Erlangen. Prof. Dr. H. Tiſcher in Freiburg i. B. Prof. Dr. Fleck in Dresden. Dr. Frans in Stuttgart. Prof. Dr. Freytag in Halle a. d. S. Prof. Dr. K. v. Fritſch in Halle a. d. S. Prof. Dr. Th. Fuchs in Wien. Prof. Dr. Gad in Würzburg. Prof. Dr. Gerland in Straßburg. Dr. Geyler, Dozent am Senckenbergianum in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Götte in Roſtock. Dr. Edm. Göze, Garteninſpektor in Greifswald. Bergrat Dr. Albr. v. Groddeck, Direktor der Berg⸗ Akademie in Clausthal. Prof. Dr. Z. Gretſchel in Freiberg i.[S. Prof. Dr. Graber in Graz. K. Poſtrat Grawinkel in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Günther in Ansbach. Dr. G. Haller in Zürich. Prof. Dr. Hallier in Halle. E. Hammer, Aſſiſtent am Polytechnikum in Stuttgart. Prof. Dr. Hanaufek in Krems a. d. Donau. Prof. Dr. Hartig in München. Dr. Hartwig, Obſervator a. d. Sternwarte in Dorpat. Medizinalrat Dr. Hedinger in Stutt- gart. Dr. Er. Heincke in Oldenburg. Prof. Dr. Heller in Budapeſt. Fr. u. Bellwald in Stuttgart. Oberlehrer Henrich in Wiesbaden. Dr. Hermes, Dir. d. Aquariums in Berlin. Prof. Dr. M. Heß in Hannover. Prof. Dr. Hilger in Erlangen. Dr. Walter Hoffmann in Wurzen. Dr. Höfler in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Hoh in Bamberg. Dr. E. Hoppe in Hamburg. Hofgarteninſpektor Jäger in Eiſenach. Y. Jordan, Aſſiſtent am phyſiologiſchen Inſtitute in Erlangen. Prof. Dr. Raemmerer in Nürnberg. Reg.⸗Baumeiſter Keller in Berlin. Privatdozent Dr. C. Keller in Zürich. Dr. F. Rinkelin in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Klunzinger in Stuttgart. Dr. Friedr. Knauer in Wien. Dr. Kobelt in Schwanheim a. M. Prof. Dr. v. Krafft-Ghing in Graz. Direktor Dr. Krumme in Braunſchweig. Dr. C. F. Kunze in Halle a. d. S. Prof. Dr. Tandois in Münſter i. W. Prof. Dr. v. Taſaulr in Bonn. Dr. Paul Lehmann, Aſtronom des Rechnungs⸗Inſtituts der kgl. Sternwarte zu Berlin. Prof. Dr. Lepfius in Darmſtadt. Prof. Dr. Teuckart in Leipzig. Prof. Dr. T. Tiebermann in Budapeſt. Dr. Jul. Tippert in Berlin. Prof. Dr. Tommel in Erlangen. Prof. Dr. W. Toſſen in Königsberg. Dr. Ludwig in Pontreſina. Prof. Dr. Hugo Magnus in Breslau. Prof. Dr. W. Marſhall in Leipzig. Prof. Dr. Melde in Marburg i. H. Prof. E. Mühlberg in Aarau. Prof. Dr. Neeſen in Berlin. Prof. Dr. C. F. W. Peters in Kiel. Privatdozent Dr. A. Penck in München. Dr. Peterſen, Vorſitzender im phyſikaliſchen Verein zu Frankfurt a. M. Prof. Dr. Pisko in Wien. Prof. Dr. Prantl in Aſchaffenburg. Prof. Dr. Pütz in Halle a. d. S. Prof. Dr. Joh. Ranke in München. Prof. Dr. Reef in Erlangen. Prof. Dr. Veichardt in Jena. Dr. Reichenbach, Dozent am Senckenbergianum in Frank⸗ furt a. M. Dr. Veichenow in Berlin. Prof. E. Reichert in Freiburg i. B. Prof. Dr. P. Reis in Mainz. Prof. Dr. Rofenthal in Erlangen. Dr. Rarl Ruß in Berlin. Prof. Dr. Samuel in Königsberg. Prof. Dr. Sandberger in Würzburg. Prof. Dr. Schaaffhauſen in Bonn. Dr. Schauf, Dozent am Senckenbergianum in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Schenk in Leipzig. Dr. G. Schultz in Berlin. Ingenieur Th. Schwartze in Leipzig. Prof. Dr. Alois Schwarz in Mähriſch⸗Oſtrau. Kreisarzt Dr. C. Spamer in Lauterbach i. Oberheſſen. Prof. Dr. Standfeſt in Graz. Hofrat Dr. Stein in Frankfurt a. M. Prof. Dr. E. Taſchenberg in Halle a. d. S. Major a. D. von Tröltſch in Stuttgart. Prof. Dr. W. Valentiner, Direktor der großherzogl. Sternwarte in Karls⸗ ruhe. Prof. Dr. H. W. Vogel in Berlin. Dr. Hans Vogel in Memmingen. Prof. Dr. X. Vogel in München. Prof. Dr. J. G. Wallentin in Wien. Dr. D. F. Weinland in Eßlingen. Prof. Dr. T. Weis in Darmſtadt. Privatdozent Dr. J. E. Weiß in München. Prof. Dr. Wernich in Berlin. Dr. Th. Weyl in Berlin. Prof. Dr. R. Wiedersheim in Freiburg i. Br. Prof. Dr. Wiesner in Wien. Prof. Dr. Müllner in Aachen. Prof. Dr. Wundt in Leipzig. Prof. Dr. v. Zech in Stuttgart. Prof. Dr. Zittel in München. Prof. Dr. Zöller in Wien. Prof. Dr. Zuckerkandl in Graz. i Verlag von FERDINAND ENKE in STUTTGART. Soeben erschien und ist durch jede Buchhandlung zu beziehen: Handbuch der ELEKTROTECHNIK. Bearbeitet von Prof. Dr. Erasmus Kittler. 2 Bande. I. Band. 1. Hilfte. Mit 226 in den Text gedruckten Holzschnitten. gr. 8. geh. Preis Mark 9. — J. B. Metzlerscher Verlag, Stuttgart. Studien zur Entwicklungsgeschichte des Sonnensystems von Alfred Forster, Rittmeister der Landwehr-Kavallerie. Mit 5 Figunen. go Preis M. 2,60. Soeben ift im Verlage von BR. Schultz & Co. in Straßburg i E. erſchienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: Der Wunderbau des Weltalls oder Populäre Aſtronomie von Dr. J. P. v. Mädler. Mit dem Bildnis des Verfaſſers. Achte Auflage. Vermehrt und dem gegenwärtigen Standpunkte der Wiſſenſchaft entſprechend umgearbeitet vow Dr. Hermann J. Klein. Nebſt einem Atlas, aſtronomiſche Tafeln, Sternkarten enthaltend. Preis broſchirt M. 12. — Elegant gebunden M. 15. — Abbildungen und (Auch in 12 Lieferungen à M. 1. — nach und nach zu beziehen.) Dieſe neue Auflage des berühmten Werkes, welches trotz aller Konkurrenz in ſeiner Popularität noch heute unübertroffen daſteht, iſt von der kundigen Hand des Dr. Hermann J. Klein dem heutigen Standpunkt der Wiſſenſchaft entſprechend ſorgfältig umgearbeitet und ver— beſſert worden. Dem Bearbeiter dieſer neuen Auflage ijt es meifterhaft gelungen, der originalen Darſtellungsweiſe des ſel. Dr. von Mädler pietätvoll zu folgen und dem Werke damit alle Vorzüge zu erhalten, welche ſeine große Popularität begründet und bewahrt haben. Zugleich aber wurden die Ergebniſſe der neueren aſtronomiſchen Forſchungen einge— fügt und dasjenige aus dem früheren Text geſtrichen, was mit denſelben nicht mehr beſtehen konnte. Auf dieſe Weiſe ſind namentlich die Abſchnitte über die Sonne und die Kometen weſentlich verändert und ein Kapitel über die SEM neu eee worden. Soeben ist erschienen: Handbuch der Ausübenden Witterungskunde. Geschichte und gegenwärtiger Zustand der Wetterprognose Von Dr. W. J. van Bebber, Abtheilungsvorstand der deutschen Seewarte Zwei Theile. gr. 8. geh. Preis 6 Mark. I. Theil: Geschichte der Wetterprognose. Mit 12 Holzschnitten. Inhalt des I. Theiles: Einleitung. J. Glaube an willkürliche Einflüsse höherer Wesen und übernatürlicher Kräfte auf die Witterungserscheinun- gen. II. Astrometeorologie. III. Einfluss des Mondes auf unsere Atmosphäre, a) Einfluss des Mondes auf den Luftdruck; b) Ein- fluss des Mondes auf Witterungsanderungen überhaupt; c) Ein- Huss des Mondes auf Niederschl influss des Mondes auf die Bewölkung; e) Einfluss des? auf die Gewitter; f) Ein- fluss des Mondes auf den Wind; g) Calorischer Einfluss des Mondes. Resultate. IV. Einfluss der Kometen auf die Witterung. V. Einfluss der Meteorite auf die Witterung. VI. Einfluss der Sonnenflecken aut die Witterung. a) Einfluss der Sonnenflecken auf die Tem- peratur; b) Einfluss der Sonnenflecken auf den Luftdruck; e) Ein- fluss der Sonnenflecken auf Cyklonen und Winde; d) Einfluss der Sonnenflecken aut die Niederschläge; e) Einduss der Sonnenflecken auf die Pegelstände; 1) Einfluss der Sonnenflecken auf die Be- wolkung; g) Einfluss der Sonnenflecken auf die Gewitter; h) Ein- fluss der Sonnenflecken aut Hagelfalle. VII. Wetterregeln, Anwendung von meteorologischen Instrumenten zur Voraus- bestimmung des Wetters. VIII. Die Entwicklung der neueren Meteorologie. IX. Meteorologische Conferenzen und Congresse. X. Die Entwieklung der Wettertelegraphie in den Hauptstaaten. Literatur und Bemerkungen. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Verlag von Friedrich Vieweg & Sohn in Braunschweig. (Zu beziehen durch jede Buchhandlung.) Soeben erschien: Mikroskopische Reactionen. Eine Anleitung zur Erkennung verschiedener Elemente und Verbindungen unter dem Mikroskop als Supplement zu den Methoden der qualitativen Analyse. Von Dr. K. Haushofer, 0. Professor der technischen Hochschule, a. Mitglied der Konigl. Bayer. Akademie der Wissenschaften in München. geh. Preis 4 Mark 50 Pf. Mit 137 Illustrationen. gr. 8. Verlag von Leopold Voss in Hamburg (und Leipzig). Die Dammernngserscheimne-en im Jahre 1883 und ihre physikalische Erklärung. Von J. Kiessling, Professor am Johanneum zu Hamburg. Mit 5 Holzschnitten. gr. 8° M. 1. — Im Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart iſt ſoeben erſchienen: Mie Pflege des yaa r und kranken von Dr. ot Baginsky. Dritte umgearbeitete Auflage | von „Wohl und Zeid des Bindes.“ Mit 15 Holzſchnitten. Preis M. 3. —, elegant geb. M. 4. — 8. geh. Jede Mutter, jede Kinderpflegerin findet in dem nun ſchon in dritter Auflage vorliegenden Büchlein des bekannten und beliebten Berliner Kinderarztes eine Fülle goldener Regeln für die Pflege und phyſiſche Erziehung der Kleinen. Mit ſorgfältiger Auswahl hat Verfaſſer Alles, was zu Mißverſtändniſſen — namentlich in Krankheitsfällen — führen könnte, fort— gelaſſen, dagegen Alles, was der Laie verſtehen kann und wiſſen ſoll, aufgenommen. Das Verſtändniß dafür, warum Dieſes zu ge— ſchehen habe, Jenes zu unterlaſſen ſei, wird durch die vorausgeſchickte klare Darſtellung der Lebensvor- gänge und der Entwicklung des Kindes eröffnet. Das Buch iſt berufen, in jeder Familie reichen Segen zu ſtiften. u bestehen durg jede 2 Buchhandlung. Inhalt des Oftober-Heftes. Dr. Paul e Aus der Kometenwelt e ARETE Re er 5 5 Privatdocent Dr. J. E. Weiß: Die niederen Pilze in ihrer Beziehung zum Einmachen und Konſervieren der Früchte Dr. W. Kobelt: Exkurſionen in Nord-Tunis. III. (Mit Abbildungen). Dr. Emil Deckert: Die Inſel Cherſo. (Mit Abbildung) Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Phyſiologie. Dr. J. Steiner: Tarchanoff, Willkürliche Acceleration der Herzſchläge. Otto, Gehalt des Blutes an Zucker x. M. Rubner, Gaswechſel des ruhenden Säugetiermuskels. Pflüger und Bohland, Eiweißumſatz beim Menſchen. J. Munk, Fettbildung aus Kohlehydraten beim Hunde. v. Braſal, Wie entledigt ſich das Blut von überſchüſſigem Traubenzucker? Seegen, Zucker im Blute ꝛc. Worm-Müller, Zuckerausſcheidung im Harn des geſunden Menſchen 2. Braſſe, Amylaſe⸗ gehalt der Blätter 2. Buchner, Einfluß des Sauerſtoffs auf Gärungen. Engelmann, Ueber Be⸗ wegungen der Zapfen und Pigmentzellen der Netzhaut unter dem Einfluſſe des Lichtes und des Nerven⸗ ſyſtems. Hermann und Gendre, Clektriſche Eigenſchaften des bebrüteten Hühnereis Koloniſation. Dr. W. Kobelt: Die Geſundheitsverhältniſſe der Tropenländer und die tropiſche Frucht barkeit. Eire Das Togogebiet. Capitay. Die Kameruns. Flegel wieder am Benus. Lüderitz⸗ land. Der Kongo-Staat. Spanien an der Saharaküſte und auf Fernando Po. Oſt-Afrika. Die deutſch⸗ oſtafrikaniſche Geſellſchaft. Zanzibar. Denhardt. Die Italiener in Maſſauah. Die Reblaus in Al⸗ gerien. Madagaskar. Formoſa. Auſtralien. Neuguinea. Neubritannien. Neue Hebriden. Nord-⸗Auſtralien. Queensland. Südamerika. Braſilien. Argentinien Litterariſche Rundſchau. G. Leipoldt, Phyſiſche Erdkunde, nach den hinterlaſſenen ee Oskar 1 . bearbeitet und herausgegeben Dr. Robert Hollſtein, e a comment ahi E. Mach, Prof. Dr., Die Mechanik in ihrer N hiſtoriſch⸗ rritiſch Deval H. v. Saliſch, Forſtäſthetit ... omen ator tg, ob N. Zwickh, Führer durch die Oetzthaler Alpen A. Hanſen, Die Ernährung der Pflanzen J. T. Huxley, Phyſiographie Alphonse De Candolle, Histoire des sciences 80 des 1 Ae b 8 1 5 et suivie d'autres études sur des sujets scientifiques en particulier sur Thérédité et la sélection dans l’espéce humaine Alexander Brauns Leben nach ele handſchriftlichen Nachlaſſe e von 85 Mettenins : W. J. Bibliographie. van Bebber, Handbuch der ausübenden Witterungskunde Bericht vom Monat Auguſt 1885 Witterungsüberſicht für Centraleuropa. Monat Auguſt 1885 Git atsoitoung) Neueſte Mitteilungen. Strandung von Seetieren . Die Allgegenwart des Bacillus virg. . Abhängigkeit des Hausſchwammes von der Füllzeit des Holzes . ; Schwefelkohlenſtoff zur Desinfektion und zur Vernichtung der Reblaus Ueber Seewellen Die M ineralſchätze von Britiſch⸗ Nord- mores 8 Erdbeben⸗Skala : Erdbeben in Amerika im Jahre 1884 Die heiligen Hunde : Die meſozoiſche Flora des kanadiſchen Anteils am 0 F Gewitterbeobachtungen in Rußland Seite 381 385 395 402 403 405 411 412 412 412 415 413 413 414 414 415 416 417 418 418 419 419 419 419 419 419 419 420 420 Beiträge wolle man gefalligft der Redaktion, Herrn Prof. Dr. Georg Krebs in Frankfurt a. M. (Elsheimerſtraße 7) einſenden. Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. 11. Heft. 5 Preis 1 Wark. 4. Jahrgang. 6% %, j Y 6% UY s 75 % 76 HN — AAS donalsſchrift 5 42904 für die „ geſemten Naturwiſſenſchafte N fey Herausgegeben vow { Prof. De. G. Krebs. 7 Anuember 1885. „ a 0 2 Stuttgart. Verlag von Ferdinand Enke. ip ui ates NR Le Mitarbeiter. Prof. Dr. Ahles in Stuttgart. Prof. Dr. Salling in Pribram. Privatdozent Dr. Baltzer in Zürich. Dr. 3. van Bebber, Abteilungsvorſtand der Seewarte in Hamburg. Gymngſiallehrer Behrens in Güterslohe. Dr. J. Berger in Frankfurt a. M. Dr. Rudolf Biedermann in Berlin. Kreisarzt Dr. Biedert in Hagenau. Prof. Dr. Bopp in Stuttgart. Profeſſor Dr. M. Braun in Dorpat. Prof. Dr. Brauns in Halle a. d. S. Dr. W. Breitenbach in Frankfurt c. M. Prof. Dr. Chavanne in Wien. Prof. Dr. Chun in Königsberg. Prof. Dr. CT. W. von Dalla Torre in Innsbruck. Prof. Dr. Dames in Berlin. Dr. Gmil Deckert in Dresden. Dr. J. T. Deichmüller, Aſſiſtent am mineralogiſchen Inſtitut in Dresden. Prof. Dr. Dippel in Darmſtadt. Prof. Dr. Dölter in Graz. Prof. Dr. Ebermayer in München. Privatdozent Dr. Edelmann in München. Ingenieur Ehrhardt-Korte in Baſel. Prof. Dr. Eimer in Tübingen. Oberlehrer Y. Gugel- hardt in Dresden. Prof. Dr. Talck in Kiel. Privatdozent Dr. Fifty in Erlangen. Prof. Dr. H. Siſcher in Freiburg i. B. Prof. Dr. Fleck in Dresden. Prof. Dr. Fraas in Stuttgart. Prof. Dr. Freytag in Halle a. d. S. Prof. Dr. A. v. Fritſch in Halle a. d. S. Prof. Dr. Th. Fuchs in Wien. Prof. Dr. Gad in Berlin. Prof. Dr. Gerland in Straßburg. Dr. Geyler, Dozent am Senckenbergianum in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Götte in Roſtock. Dr. Gam. Göze, Garteninſpektor in Greifswald. Bergrat Dr. Albr. v. Groddeck, Direktor der Berg⸗ Akademie in Clausthal. Prof. Dr. H. Gretſchel in Freiberg i. S. Prof. Dr. Graber in Graz. K. Poſtrat Grawinkel in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Günther in Ansbach. Dr. G. Haller in Zürich. Prof. Dr. Hallier in Halle. G. Hammer, Aſſiſtent am Polytechnikum in Stuttgart. Prof. Dr. Hanauſek in Wien. Prof. Dr. Hartig in München. Dr. Hartwig, Obſervator a. d. Sternwarte in Dorpat. Dr. Fr. Heimke in Oldenburg. Prof. Dr. Heller in Budapeſt. Fr. v. Bellwald in Stuttgart. Oberlehrer Henrich in Wiesbaden. Dr. Hermes, Dir. d. Aquariums in Berlin. Prof. Dr. M. Heß in Hannover. Prof. Dr. Hilger in Erlangen. Dr. Walter Hoffmann in Wurzen. Dr. Höfler in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Hoh in Bamberg. Dr. E. Hoppe in Hamburg. Hofgarten⸗ inſpektor Jäger in Eiſenach. Y. Jordan in Erlangen. Prof. Dr. Kaemmerer in Nürnberg. Reg.⸗Baumeiſter Keller in Berlin. Privatdozent Dr. C. Keller in Zürich. Dr. E. Rinkelin in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Rlunzinger in Stuttgart. Dr. Friedr. Knauer in Wien. Dr. Kobelt in Schwanheim a. M. Prof. Dr. v. Krafft-Ghing in Graz. Direktor Dr. Krumme in Braunſchweig. Dr. C. F. Runge in Halle a. d. S. Prof. Dr. Tandais in Münſter i. W. Prof. Dr. u. Taſaulr in Bonn. Dr. Paul Lehmann, Aſtronom des Rechnungs⸗Inſtituts der kgl. Sternwarte zu Berlin. Prof. Dr. Lepſius in Darmſtadt. Prof. Dr. Leurkart in Leipzig. Prof. Dr. T. Liebermann in Budapeſt. Prof. Dr. Lommel in Erlangen. Prof. Dr. W. Toſſen in Königsberg. Dr. Ludwig in Pontreſina. Prof. Dr. Hugs Magnus in Breslau. Prof. Dr. W. Marſhall in Leipzig. Prof. Dr. Melde in Marburg i. H. Prof. E. lühlberg in Aarau. Prof. Dr. Neeſen in Berlin. Prof. Dr. C. E. W. Peters in Kiel. Privatdozent Dr. A. Penck in München. Dr. Peterſen, Vorſitzender im phyſikaliſchen Verein zu Frankfurt a. M. Prof. Dr. Pisks in Wien. Prof. Dr. Prantl in Aſchaffenburg. Prof. Dr. Pütz in Halle a. d. S. Prof. Dr. Joh. Ranke in München. Prof. Dr. Reichardt in Jena. Dr. Veichenbach, Dozent am Senckenbergianum in Frankfurt a. M. Dr. Reichenow in Berlin. Prof. G. Reithert in Freiburg i. B. Prof. Dr. P. Reis in Mainz. Prof. Dr. Rafentyal in Erlangen. Dr. G. Roth, Aſſiſtent am fol. botan. Muſeum in Berlin. Dr. Karl Ruß in Berlin. Prof. Dr. Samuel in Königsberg. Prof. Dr. Sandberger in Würzburg. Prof. Dr. Schgaffhauſen in Bonn. Dr. Schauf, Dozent am Senckenbergianum in Frankfurt a. M. Prof. Dr. Schenk in Leipzig. Dr. G. Schultz in Berlin. Ingenieur Th. Schwartze in Leipzig. Prof. Dr. Alois Schwarz in Mähriſch⸗Oſtrau. Kreisarzt Dr. C. Spamer in Lauter⸗ bach i. Oberheſſen. Prof. Dr. Standfeſt in Graz. Hofrat Dr. Stein in Frankfurt a. M. Prof. Dr. E. Taſchenberg in Halle a. d. S. Major a. D. von Tröltſch in Stuttgart. Prof. Dr. W. Valentiner, Direktor der großherzoglichen Sternwarte in Karlsruhe. Prof. Dr. H. W. Vogel in Berlin. Dr. Hans Vagel in Memmingen. Prof. Dr. A. Vogel in München. Prof. Dr. A. G. Wallentin in Wien. Prof. Dr. T. Weis in Darmſtadt. Privatdozent Dr. J. E. Weiß in München. Prof. Dr. Wernich in Berlin. Dr. Th. Weyl in Berlin. Prof. Dr. R. Wieders⸗ heim in Freiburg i. Br. Prof. Dr. Wiesner in Wien. Prof. Dr. Müllner in Aachen. Prof. Dr. Wundt in Leipzig. Prof. Dr. v. Zech in Stuttgart. Prof. Dr. Zittel in München. Prof. Dr. Zuckerkandl in Graz. Im Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart iſt ſoeben erſchienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: Das Süßwaſſeraquarium und ſeine Bewohner. Ein Leitfaden für die Anlage und Pflege von Süßwaſſeraquarien vont Dr. W. Heß, Profeſſor an der Königl. techniſchen Hochſchule in Hannover. Kaſtenaquarium. 8. geh. Preis M. 6. — Herderſche Perlagshandlung in l (Baben). Illuſtrierte Bibliothek der Länder- und Völkerkunde. Eine Sammlung illuſtrierter Schriften zur Känder⸗ und Bolkerkunde, die ſich durch zeitgemäßen und gediegenen Inhalt, gemeinverſtändliche Darſtellung, künſtleriſche Schönheit und ſittliche Reinheit der Illuſtration, ſowie durch elegante Ausſtattung auszeichnen ſollen. In neuer Auflage iſt ſoeben erſchienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: ra oe 7 nach den neueſten Entdeckungen. Raulen, Dr. Fr., Aſſyrien und Babylonien dane avrenſels ecwettects Auflage. Mit Titelbild, 78 in den Text gedruckten Holzſchnitten, 6 Tonbildern, einer Inſchrifttafel und zwei Karten. gr. 8°. (XII u. 266 S.) M. 4. In Original⸗Einband M. 6. Trotz Vermehrung des Umfanges und Hinzufügung von 36 neuen Illuſtrationen hat der Preis der neuen Auflage keine Erhöhung erfahren. Somit empfiehlt ſich dieſes Werk in Bezug auf Inhalt, glänzende Ausſtattung und mäßigen Preis zur weiteſten Verbreitung. — Früher ſind erſchienen: Jakob, AS Alnſere Erde. Aſtronomiſche und phyſiſche Geographie. Eine Vorhalle zur Länder- und Völkerkunde. Mit 100 Holzſchnitten, 26 Vollbildern und einer Spektraltafel in Farbendruck. gr. 8°. (XII und 485 S.) M. 8. In Original⸗Einhand M. 10. Achütz⸗Holzhauſen, Dr. von, Der Amazonas. Wanderbilder aus Peru, Bolivia und Nordbraſtlien. Mit 31 in den Text gedruckten Holzſchnitten und 10 Vollbildern. gr. 8. (XV u. 243 S.) M. 4. In Orig.⸗Einband M. 6. Kayſer, Dr. F., Aegypten einſt und jetzt. Mit 85 in den Text gedruckten Holzſchnitten, 15 Vollbildern, einer Karte und einem Titelbild („Die Pyramiden von Gizeh“, aus den berühmten „Nilbildern“ von K. Werner) in Farbendruck. gr. 8° (XII und 237 S.) M. 5. In Original-Cinband M. 7. Kolberg, A., Nach Ecuador. Reiſebilder. Dritte, umgearbeitete, und mit der Theorie der Tiefenkräfte ver- mehrte Auflage. Mit 122 Holzſchnitten, 15 Tonbildern und einer Karte von Ecuador. gr. 8°. (XX und 550 S.) M. 8. 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Boettger. — Ueber das Zahlenverhiltniss der Geschlechter bei Haien und Rochen; von Wilhelm Haacke. — Bericht tiber den Zoologi- schen Garten in Hamburg yom 3. Juni 1885. — Korrespondenzen. — Miscellen. — Todes-Anzeige. — Eingegangene Beiträge. — Biicher und Zeitschriften. — Berichtigung. Dritte verbesserte und vermehrte Auflage. II. Theil. Quantitative Analyse. Mit 73 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 8. — Mit diesem II. Theil ist das Handbuch der analyt. Chemie in dritter Auflage vollendet. Der I. Theil erschien vor 5 Monaten und kostet M. 4. — Inhalt des November-Heftes. Dr. Paul Lehmann: Aus der Kometenwelt (Schluß) K. 1 C. Grawinkel: Einrichtung einer elektriſchen Beleuchtung unter „ von Glühlicht. (Mit Abbildgn.) r. Wilhelm Breitenbach: Land und Leute in Süd⸗Braſilien Prof. Dr. M. Braun: Die niederen Tiere Fortſchritte in den Natuxwiſſenſchaften. des Finniſchen Meerbuſens Elektrotechnik. Dr. V. Wietlisbach: Telegraphie: Die internationale Telegraphenkonferenz. Der Typen⸗ drucker von Hughes. Die Automaten. Das Gegenſprechen. Die Multipelapparate. (Mit Abbildungen) Botanik. Prof. Dr. Ernſt Hallier: Floriſtik. Syſtematik. Kryptogamenkunde. Pflanzengeographie. Mor⸗ . phologie. Phyſiologie. Biologie. Geſchichte des Pylanzenretchs Neue Apparate für Unterricht und Praris. Demonſtrationsbarometer und Heberapparat. (Mit Abbildungen) Litterariſche Rundſchau. Damian Freiherr v. Schütz-Holzhauſen, Der Amazonas. Wanderbilder aus Peru, Bolivia und Nord⸗ ain 8 55 e Das Weib in der Natur- und Völkerkunde. Anthropologiſche Studien G. Wallentin, Lehrbuch der Phyſik . j 5 85 Günther, Lehrbuch der Geophyſik und phyſikaliſchen Goapele. II. Sand. A. B. Meyer, Die Nephritfrage kein ethnologiſches Problem Bibliographie. Bericht vom Monat September 1885 Witterungsüberſicht für Centralenropa. Monat September 1885. (Mit Abbildung) Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im November 1885 Neueſte Mitteilungen. Die 68. Jahresverſammlung der ſchweizeriſchen naturforſchenden Geſellſchaft Ueber die Tiefe, bis zu welcher noch das Tageslicht ſowohl in unſeren Seen als im Meere einzudringen vermag Der Sternſchnuppenſchwarm vom 27. November. Edelweiß Expeditionen nach Alaska Ein neuer Komet. Neueſte Reſultate über die pelagiſche Fauna unſerer europäiſchen Landfeen . Korea. Beiträge wolle man gefälligſt der Redaktion, Herrn Prof. Dr. Georg Krebs in Frankfurt a. M (Elsheimerſtraße 7) einſenden. Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. Seite 421 427 433 440 443 447 453 454 455 455 455 455 456 457 458 459 459 459 460 460 460 460 460 * Preis 1 Wark. LI a The Conatsfehrift | , Für die 5 80 | geſamten Naturwiſſenſchaſten 2 Herausgegeben; fa 1 N ; N 1 von vof. Dr. G. Krebs. Dezember 1885. Stuttgart. Verlag von Ferdinand Enke. 4. Jahrgang. NAN py e ye N U eee 888 _ 2 Empfehlenswerthe Weihnachtsgeschenke. Neue Werke aus dem Verlage von Ferdinand Enke in Stuttgart. 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I, Theil: Qualitative Analyse. 8. geh. Preis M. 4. — II. Theil: Quantitative Analyse. Mit 73 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 8. — Im Vorjahre erschien: Fund-Statistik der ug a a Vorrömischen Metallzeit im Rhein-Gebiete. Von E. Freiherr von Tréltsch. Mit zahtreichen Abbildungen und 6 Karten in Farbendruck. 4. gebunden. Preis M. 15. — Kzirzlich wurde vollendet: Geschichte der Physik von Aristoteles bis auf die neueste Zeit. Von Prof. August Heller. Zwei Bände. I. Band: Von Aristoteles bis Galilei. gr. 8. geh. Preis M. 9. II. Band: Von Descartes bis Robert Mayer. gr. 8. geh. Preis M. 18. — Kiirzlich erschien: Handbuch der ELEKTROTECHNIK. Bearbeitet von Prof. Dr. Erasmus Kittler. 2 BANDE. I. BAND. 1. HALFTE. Mit 226 in den Text gedruckten Holzschnitten. gr. 8. geh. Preis M. 9. — Das Werk wird im Jahr 1886 vollendet werden. Soeben erschien: Das Süsswasseraquarium und seine Bewohner. Ein Leitfaden für die Anlage und Pflege von Siisswasseraquarien. Von Prof. Dr. W. Hess. 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Die Praxis der F Ein vollständiges Lehrbuch über das Sammeln lebender und toter Naturkorper; deren Beobachtung, Erhaltung und Pflege im freien und gefangenen Zustand; Konser vation, Präpara- tion und Aufstellung in Sammlungen etc. Nach den neuesten Erfahrungen bearbeitet von Phil. Leop. Martin. In drei Teilen. Erster Teil: Taxidermie oder die Lehre vom Beobachten, Konservieren, Präparieren ete. Zweite vermehrte Auflage. Mit Atlas von 10 Tafeln. gr. 8. Geh. 6 Mk. Zweiter Teil: Dermoplastik und Museologie oder das Modellieren der Tiere und das Aufstellen und Erhalten von Naturaliensammlungen. Zweite vermehrte und verbesserte Auflage. Nebst einem Atlas von 10 Tafeln. gr. 8. Geh. 7 Mark 50 Pfge. Dritter Teil: Naturstudien. Die botanischen, zoologischen und Akklimatisationsgarten, Menagerien, Aquarien und Terrarien in ihrer gegenwartigen | Entwickelung. — Allgemeiner Naturschutz; Einbürgerung fremder Tiere und Gesundheitspflege gefangener Saugetiere und Vögel. | 2 Bünde, mit Atlas von 12 Tafeln. gr. 8. Geh. 12 Mark 50 Pfge. Preis des kompleten Werkes 26 Mark. Vorrätig irt allen Bu ch handlungen. Verlag non Hermann Coſtenable in Jena. Epochemachende Neuigkeit! Dos Wetter ind die Erde. Eine Witterungskunde nach merten Grundſätzen und Entdeckungen, begründet durch zahlreiche Einzelbeweiſe und durch die ſeit 1878 thatſächlich eingetretene! Kriſenepoche und Kataſtrophen unſeres Erdkörpers pas 3 te 5 Von R. Röttger. Ein ſtarker Band. gr. 89. Mit Zlluſtr. 13 Mk. 50 Pf. Mit größter Kühnheit bricht Autor mit einer ganzen Reihe meteorologiſcher Traditionen, fiellt dagegen ganz neue überraſchende Theorien auf, welche aus bereits vorhandenen Thatſachen abgeleitet und durch jahrelange Beobachtungen be⸗ wieſen werden. — Beweiſend, überraſchend ijt die Thatſache, daß Autor eine Wache voraus die Fluthwelle und das Erdbeben in Spanien verkündigte. | | „„ In unterzeichnetem Verlage erschien: 1 11 C., Das Anlegen von WVingelmüller, Käfer. u. Schmetter- lings Sammlungen. 112 Seiten mit 32 Abbildungen im Text. Preis: broch. 1 M. 50 Pf., geb. 2 M. 25 Pf. Lunze, Gustav, Die Hundezucht im Lichte der Darwin'schen Theorie. Preis: broch. 4 M. 50 Pf. Uber den Wetteraberglauben. chwalbe, nett 5 Preis: broch. 1 M. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen wie auch direct gegen frankirte Einzahlung des Betrages yon der Creutz’schen Verlagsbuchhdlg. in Magdeburg. BVVV VV VV VV VU TV TV VT VV IVE S. Glogau, Buchhand!ung, LEIPZIG, Neumarkt 38. Lager v. 200,000 Bdn. all. 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Jahrgangs für 1885 mit folgendem Inhalt: Susswasser-Aquarium-Anlage und Brütmaschinen-Aufstellung für den westfälischen zoologischen Garten in Münster. Mit 3 Holzschnitten und einem Plane. Von Prof. Dr. H. Landois. — Der veränderliche Schleuderschwanz (Uromastix acanthinurus Bell.) in der Gefangenschaft. Mit 1 Abbildung. Von Joh. von Fischer. — Aphorismen über Eisbären; von B. Langkavel. — Korrespondenzen. — Miscellen. — Litteratur. — Eingegangene Beiträge. — Bücher und Zeitschriften. Prof. Dr. J. Partſch: Die barometriſche Höhenmeſſung, ihre e die Grenzen ihrer e 15 ‘i Ne Wert für den Wanderer im Hodgebirg . . : 461 3 Dr. G. H. Theodor Eimer: Ueber die Zeichnung der Tiere. III. (Hit Abbildungen) 8 466 K. Poſtrat C. Grawinkel: Einrichtung einer 11 e unter N von tiie Schluß.) (Mit Abbildungen) 0 ; . 4 Fortſchritte in den 8 I Aſtronomie: Prof. Dr. C. F. W. Peters: Ueber kosmiſche kleine Körper und die durch fie bewirkte Aenderung der Maße der Erde. Meuentdeckte Planeten und Kometen. Parallaxen von Fixſternen. Veränderliche ; Sterne. Neuer Veränderlicher im großen Andromedanebel. Photographieen größerer Sterngruppen . . 485 Technik. Ingenieur Th. Schwartze: Hydrauliſcher Cement. Feuerfeſte Materialien. Heizung. Gasbeleuch⸗ tung. Elektriſche e e mittelſt Druckwaſſers. Beförderung mittelſt des Kanalverkehrs .. F eater Pe at Win rit ae i ct RL Litterariſche Rundſchau. A. Supan, Grundzüge der phyſiſchen Erdkunde j DEN ARE Ce PEO eae Oe P. 70 und C. Mylius, Botaniker⸗Kalender 1886 JJ can as ainara ae be eee Ce « SOXY) W. Heß, Das Süßwaſſeraquarium und ſeine Bewohner e ce Wisin iar aie wa ar ea RY Hugo Zöller, Forſchungsreiſen in der deutſchen Kolonie Kalter ss, eT Emil Tietze, Ueber Steppen und Wüſten I ee Davie ANCE Die modernen Theorieen der Chemie . %%% ty . Z4o)iL Lender, Dte Gaſe und ihre Bedeutung für den menſchlichen Orgasms d ee ae Bibliographie. Bericht vom Monat Oktober 1885 5 e eee ee cc. 4) I) Witterungsüberſicht für Centralenropa. Monat Oktober 1885 j Lu aet eh eo a oO Aſtronomiſcher Kalender. Himmelserſcheinungen im Dezember 1885 . . . . =... ..... .. . 494 Ueueſte Mitteilungen. Der älteſte Baum in Nordamerika ZZZ d Raa Aer tkaniſches eren boop oMoo So aig bolo tb nc 6 as eo 0 AY Größte Wal fertrafiewmesson ena ae) avs) Seer say Remusicoui ty wee, at nesses pubenuysh ae" ak a) are ea OL Ein neuer Guttapercha- Baum j d Rane oo | LOIS Eine ſchwediſche Expedition uae dem t Congo Z ES DNRC ena: deer ene ee ee a ES ee Holm) de a VEN REGS iat Ain RE ERS 2h ie Rn st meyer gc Lape Oe crpteck tee ae ae ee Fiſchen F133 ß dh inte a! bo. 44815) 80 age r Chee naa AG ORAS EST ay 3c 5 0, 4KSN5) Eine deutſche Borneo- Compagnie 8 5 %½½u u MUN Cie ma icatamm aa lyine <\o- 4G)S) Die hanſeatiſchen Exporthäuſer in Zanzibar J roe Mtn Nectar anion men Emcee ios yc 4. AICS Die englische Cieiainn: Men) Senin, 5 = 5 5 6 5 6 5 5 0 6 6 ae So oo oo ls HOE Franzöſiſche . e f a aioe NU ana or eit peO NTS sng: 44015) fee N •156J½JjJ22 Aloha ak Coa emssety og!) oo COU Tiefſtes Bohrloch. r eres asso 3 AGE) Die Bedingungen für die Bildung von gediegenem Schwefel r yet 2s Sy ae eA Niederſchlags-Beobachtungsſtationen im Oſtindiſchen Archipel. 4396 Eine wiſſenſchaftliche Expedition nach dem Amur ) na toplist ate eee eG Die British Association for the Advancement of Selens te en BNO Ge een), 0 6 6 6 60 6 b> 6 bo 0 8 og eo eo HOD Przewalsky . Rie eer crate aN ae e Bur Förderung der geographiſ chen wiffenfcaft ein i Shieh actin eee tea ne Se SO) Profeſſor A. Agaſſiz .. 777 a eee cio | GEG Das Alter und die Herkunft des Menſchen in Amerika und Europa 2 ie eee Neto a mem 9 Die nordamerikaniſchen Hunderaſſen . , ea era ca eG) Die Unterſuchung von undurchſichtigen Mineralien unter dem Mikroskop jd eee i CT Eisberge im Atlantiſchen Ocean iced jj Da eM nH MES tne Com analy’, 5 | COE Zur Patentſtatiſtik . d ae Aaa MMIC Abide sere gtr es UG o. CAS)I Einwirkung des Sonnenlichtes auf Glas e een Verſchwundener See. J ae EE ISIS Ne aN Ghat oie Nu Seciigiop) ret ase RO Zahnradbahn auf den Pilatus 9 JJ... AN aN ini ae eB oe pmretaticrcrey eo: b. | 4IOT Neuentdeckte Schwefellager im Kaukaſus e sneer Ge Ln Sd aha Ope Rete Dh, Soo eR EO Dee Dios ty alien fn, co 0 oo 8 oo Glo Go pe pS GF 497 MermaltetemOeleh rice wety tant) Met lsunnse Hedin uc eok ry ete ayer) oes ree unen ie to ele ad a c-e aa ee LOy Shoe, We GOMER 8c Go oan tp Go! r 6 6 Boas 0 of AS SHOWMAN Gate ne d r 0 og 0 9 6p a oo oA Micon. 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Nosy-nl io inmige oibGamer toe olsb ong sooo OOD Beiträge wolle man gefälligſt der Redaktion, Herrn Prof. Dr. Georg Krebs in Frankfurt a. M. (Elsheimerſtraße 7) einſenden. Mit einer Beilage pon Alphons Dürr, Verlagsbuchhandlung in Leipzig, G. Freytag in Ae und * eee Verlagsbuchhandlung in Bini. 5 7 e {| JU 3 9088 01300 284 SMITHSONIAN INSTITUTION LIBRARIES: |