ateetaee 1 im * ‘ a hes? 3 3 ens + — — 1 ob Ay ayy svat * wey wae Humboldt. Monatsſchrift für die geſamten Naturwiſſenſchaften. Herausgegeben von Dr. Otto Dammer. Neunter Fahrgang. = N28 1 >\ * : one uM onan — Stuttgart. Verlag von Ferdinand Enke. 1890. Jnbalts-Derjzcidnis. Original- 5 beh ke Seite Satke: Ueber die Urſachen der Eiszeit. . „ aw ed Pe toa . Wernich: Ueber Selbſtreinigungsvorgänge in der Natur . r ate. cgi ae eee Th. Eimer: Die Verwandtſchaftsbeziehungen der Raubſäugetiere. (Mit Abbildungen) „„ e IIe O. Dammer: Struktur des Reifes, Rauhreifes und Schnees. (Mit Abbildungen) 8 49 O. Dammer: Ueber das Alter des Torflagers bei Lauenburg an der Elbe. (Mit t a{bitbumgen) 51 P. Knuth: Die Algenflora der weſtlichen Oſtſee ae : 73 K. Günther: Der gegenwärtige Stand der Frage von der Immunität ‘ 74 J. Maurer: Zur Frage der Sternenſtrahlung . : 77 H. Engelhardt: Eine Fundſtätte foſſiler Amphibien und Reptiten 80 E. Roth: Die Pflanzen des alten Aegyptens 81 O. Dammer: Ueber Schalen- und Kalkſteinbildung F 84 G. v. Knorre: Ueber die Anwendung der Elektrolyſe in der analytiſchen Chemie. (Mit Abbildungen) 113 R. v. Lendenfeld: Die Phyſiologie der Spongien. (Mit Abbildungen) : : 116 H. Jaeger: Grundwaſſer und Typhus. : . 121 M. Alsberg: Die Sambaquis Brafiliens . 122 M. Alsberg: Terramaren in Ungarn 123 L. Paul: Die Azofarbſtoffe : 145 H. Klebahn: Die neueften Unterſuchungen über die Wurzelknöllchen 8 148 E. Ziegler: Die Entſtehung des Blutes der Wirbeltiere... n 153 R. v. Lendenfeld: Unſterbliches Keimplasma und unſterbliche Sele sue. eS 156 F. Ludwig: Ueber Sclerotinienfrantheiten der Pflanzen : : 160 M. Alsberg: Die Verteilung des blonden und briinetten opus in r Grantee 161 L. Paul: Ueber künſtlichen Moſchus. ‘ : 185 H. Klebahn: Die Tranſpiration der Pflanz tee 5 186 P. Knuth: Altes und Neues von der Inſel Sylt. (Mit Abbildungen) * 8 5 188 A. Forel: Ueber neuere Beobachtungen, die Lebensweiſe der Ameiſengäſte und gewiſſer Ameiſen betreffend : 190 E. Köhne: Die Gattungen der Pomaceen. . 217 H. Liſt: Der gegenwärtige Stand der eutocntenfrage 1 mit besonderer Rie auf die Bhagocntenfrage E. Metſchnikoffs : g 218 A. Moll: Der Hypnotismus S e eeu baat & 218. II. 276 K. Albrecht: Neue Unterſuchungen über das UltramarinblaAu l F. Henrich: Ueber die Temperaturverhältniſſe im Bohrloch zu Schladebach, dem m tiefften der Erde ; 228 G. Wallentin: Ueber pyromagnetiſche Maſchinen. (Mit Abbildungen) : 257 U. Dammer: Die Akklimatiſation ſubtropiſcher Pflanzen .. : 260 H. Klebahn: Ueber Hefereinfultur und deren Bedeutung für die Brauerei. (Mit Abbildungen)! : 262 Kiſch: Zur Frage nach den Urſachen, welche die Zahl der Konzeptionen beim Menſchen in gewiſſen Monaten des Jahres regelmäßig ſteigern é 270 G. Wallentin: Neuere Forſchungs- und Beobachtungsmethoden auf dem Gebiete der atmoſphäriſchen latente 289 E. Loew: Moorbildung und vorherrſchende Windrichtung an oſtbaltiſchen Seen 5 294 A. Forel: Eine myrmekologiſche Ferienreiſe nach Tuneſien und Oſtalgerien, nebſt einer Beobachtung des Herrn Gleadow in Indien über Aenictus. . 5 3 296 F. Mühlberg: Der Pliocänſee des Rhein- und Mainthales und die ehemaligen Mainläufe 306 Fr. Moewes: Anpaſſungserſcheinungen an Standort und Klima bei den 5 307 A. Albu: Der gegenwärtige Stand der Malariaforſchung P e L. Paul: Ueber die Zuckergruppe . „ „ ee os re ote ogee ll,: Soll Rottok: Beiträge zur Kartographie und Hydrographie Spitzbergens r „ R. Keller: Unveränderlichkeit pflanzlicher Arten während langer Jeurdume . — R. Keller: Die Pflanzenſchutzbeſtrebungen in der Schweiz . 365 E. Ziegler: Ueber den Bau und die Entwickelung der Swwbonophoren. “(amit 13 Abbildungen). 369 O. Dammer: Die Anlauffarben der Metalle. 5 . 401 = v. Lendenfeld: Korallriffe. 407 O. Zacharias: Ueber die Hochſeen des Rieſengebirges 414 Jortſchritte in den F Phyſik, von Profeſſor Dr. K. v. Fuchs I. 280 Il aie Chemie, von Dr. K. Albrecht. CCC L Aſtronomie, von Profeſſor Dr. C. F. W. Peters ‘ TR een bear es is ot. oh) ep Loe oO. Geologie und Petrographie, von Profeſſor Dr. H. Bücking % n Geophyſik, von Dr. E. Rudolph. . 124 a ge und Mineralogie, von Profeſſor Dr. Bilding FFF ttesrologie, von Dr. W. J. van Bebber e ee Botanik, von Profeſſor Dr. Ernſt Hallier . C50 F . y y . „ 194 II. 382 Phyſiologie, von Profeſſor Dr. J. Gad . ie F „„ 129 Experimentelle Pſychologie, von 55 Hugo Münſterberg 3 19 von Dr. Max e r be iias A MS 6 Anthropologic, von Dr. M. rsa . OMe. Le AA Helminthologie, von Profeſſor Dr. M. CFP NotE «vin hoes $k xR IV Inhalts⸗Verzeichnis. Kleine Mitteilungen. 3 ierende Wirkung des Waſſerſtoffs bei Gegenwart von Platin. — Waſſerſtoffſuperoxyd als Sauerſtoffquelle. — 15 den 1 5 Al Knochen aus dem Diluvium. — Beobachtungen auf dem Monde. — Meteorologiſche Beobachtungen auf dem Säntis. — Die blaue Farbe des Himmels. — Reizbarkeit der Staubfäden des Portulats. — Eine rieſige ſumatraniſche Aroidee. — Alpenflora in Neuguinea. — Zur Vererbung einer individuell erworbenen Eigenſchaft. 0 i : S. 24—26. Ablenkung des Schalles. — Zerſtäuben von Körpern durch ultraviolettes Licht — Meſſung hoher elektriſcher Spannungen. — Das Ozon. — Natriumlegierungen. — Verhalten von Lithiumſalzen zu Harnſäure. — Ueber direkte Ge⸗ winnung von kryſtalliſierter Soda und Chlor aus Kochſalz mittels des elektriſchen Stromes. — Eigentümliche Modifikationen des Silbers. — Bodenbewegung in Frankreich. — Ueber die Dauer und Haltbarkeit der Orchideen⸗ blumen. — Schmetterlingsfang der Drosera anglica Huds. Helix fructicum Mill. als Raubſchnecke. S:33—66. Das Mariotteſche Geſetz bei verdünnter atmoſphäriſcher Luft. — Größtes bis jetzt hergeſtelltes Barometer. — Reflexion der Metalle. — Abbes Dilatometer. — Selenſäure. — Veränderungen am Mondkrater Plinius. — Temperatur der Mondoberfläche. — Der am 6. Juli 1889 von Brooks in Genua entdeckte Komet. — Das blaugrüne Flämmchen. — Neue Höhlen. — Die Gattung Dinophilus. — Fadenſpinnende Schnecken. — Ungleiche Ent⸗ wickelung bei derſelben Spezies. — Zur Entwickelung der Waſſermilben. — Balistes aculeatus E., ein trommelnder Fiſch. — Beitrag zur Kenntnis vom Lebensalter der Inſekten. — Begattungszeichen bei Glieder⸗ tieren. — Die Entwickelung des Schulter⸗ und Beckengürtels. — Zur Fauna der Azoren. — Zur Süßwaſſer⸗ fauna Grönlands. — Die ſyſtematiſche Stellung der Blindwühlen. — Die Rubingruben in Birma. — Die Raſſen des alten Babyloniens. — Die Kurgane. — Die Hautpigmentierung beim neugeborenen Neger. — Hautfarbe bei Nordpolfahrern. — Ueber Träume. ; S. 94100. Zähigkeit und Sprödigkeit. — Spektrallinien. — Gasabſorption. — Verdampfungswärme nullgradigen Waſſers. — Dampfdichte. — Dilatometer. — Elektriſche Schlagweite. — Eisſegelboot. — Ueber die Einwirkung des Schwefels auf Metallſalzlöſungen. — Der Kohlenwaſſerſtoff. — Die Rotationsdauer des Merkur. — Ringnebel im Ein⸗ horn. — Mizar, ein dreifacher Stern. — Der veränderliche Stern Algol. — Komet 1862 III. — Zum Rauhreif. — Stinkkalke. — Die Auffindung von Nickelerzen. — Die warmen Quellen von Gaſtein und die Kupfererze vom Mitterberg. — Ueber den Champignonſchimmel als Vernichter von Champignonkulturen — Experimentelle Unter⸗ ſuchungen über den Einfluß des Kerns auf das Protoplasma. — Zur Vererbungstheorie. — Landplanarien. — Aeußere Geſchlechtsunterſchiede der Schmetterlinge. — Pferdebaſtard. — Ueber das Hirngewicht des Neugeborenen. — Makrobiotiſches aus Griechenland. — Grad der geiſtigen Abſpannung. S. 133140. Aräopyknometer. — Zur Erfindung des Fernrohrs. — Verdampfung von elettrijterten Flüſſigkeiten. — Elektriſches Leitungsvermögen des Waſſers. — Elektriſche Erſcheinung beim Erſtarren von Cereſin. — Ueber die Färbung eines Kohlenfeuers durch Kochſalz. — Maſſe des Saturn. — Die Durchſichtigkeit des dunkeln Saturnringes. — Anzahl der Staubteilchen in der Luft. — Ueber die Blitzſchläge in Mitteldeutſchland. — Telegraphenleitungen und Blitzgefahr. — Ein Achatwald in Nordamerika. — Ueber den Kern bei Bakterien. — Einfluß des alpinen Standortes auf die Ausbildung der Laubblätter. — Paternoſtererbſe. — Scopolia atropoides. — Thalictrum aquilegiaefolium. — Weiße Heidelbeeren. — Neue Umkehrungsverſuche an Hydra. — Der Guineawurm als tieriſcher Paraſit. — Seeigel in Geſtein bohrend. — Neue Fundorte für Leptodora. — Sack einer Pſyche. (Mit Abbildung.) — Ueber die Verbreitung der Krähenarten in Deutſchland. — Die ſiebenfingerige Grundform der Extremitäten der Wirbeltiere. — Die Kakkeékrankheit und die Zuſammenſetzung der Bevölkerung Japans. — Auſtraliſche Botenſtöcke. — Ethnographie der Balkanhalbinſel. — Symboliſche Zeichen. S. 170-177. Spezifiſches Gewicht der Gaſe. — Waſſerzerſetzung mit Strömen von ſehr großer Spannung. — Staub. — Aſtroelektrizität. — Gekeimte Samen in geſchloſſenen Früchten. — Syntheſe der Flechten. — Tellerſchnecken. — Bojanusſches Organ der Teichmuſchel. — Der Sperling in Nordamerika. — Geſchwindigkeit der Brieftauben auf großen Strecken. — Die kleine Zehe (des Menſchen). — Anilinfarbſtoffe als antiſeptiſche Mittel. — Anthropologiſche Meſſungen bei der Rekrutenmuſterung. — Die Steinkammergräber der Altmark. S. 207—211. Konſtante Temperatur in der Bogenlampe. — Photographiſcher Apparat. — Leuchten des Phosphors. — Einwirken von Säuren auf Aluminium. — Ueber das Verhalten von Kieſelſäure und ihrer Verbindungen im Phosphor⸗ ſalzglaſe. — Ueber das Entfärben mit Tierkohle. — Pyoktanin. — Leiſtungen der preußiſchen Sternwarten. — Triumph der Falbſchen Theorie. — Elmsfeuer. — Eishöhle bei Vareſch. — Miocäne Ablagerungen in Ruß⸗ land. — Ein neuer phosphoreszierender Pilz. — Milchſaft der Pflanzen als Schutzmittel. — Der Wohlgeruch der Roſen. — Scopolia atropoides. — Lilienkrankheit auf den Bermuda⸗Inſeln. — Symbioſe. — Einfluß von Wärme und Kälte. — Ueber die Eiablage bei Krokodilen. — Ueber forſtnützliche Vögel. — Wölfe in Rußland. — Anoa depressicornis H. Smith. — Ueber die Ethnographie des Peloponnes. S. 242 — 249. Geſchwindigkeit der Gravitation. — Verdampfungskalorimeter von Neeſen. — Verbrennungen unter hohem Druck. — Konzentration der Sonnenſtrahlen für chemiſche Reaktionen. — Eine neue Beſtimmung der Größe und Richtung der Bewegung der Sonne. — Rotation der Sonne. — Neue Mondphotographien. — Hyperboliſche Kometen⸗ bahnen. — Atmoſphäriſche Wärmeabſorption. — Elektriſche Eigenſchaften des Quarzes. — Ueber die Nutzpflanzen der alten Peruaner. — Zur Ernährungsphyſiologie der Protozoen. — Höhlenfauna des weſtlichen Miſſouri. — Bilder aus dem Tierleben. — Farbenblindheit. — Rechter und linker Arm nach der Geburt. — Abhängigkeit der Geburtenzahl in Indien von den dortigen Exiſtenzbedingungen. — Wachstumsverhältniſſe der Schulkinder. — Geiſtige Ueberanſtrengung. — Pſychologiſche Ausbeute aus Krankenunterſuchungen. — Ueber die Herkunft und Sprache der kaukaſiſchen Gebirgsjuden oder Dag⸗Tſchufut. — Etrusker. S. 278 — 288. Vorkolumbiſche Metallurgie in Venezuela. — Ferroſilicium und Ferroaluminium. — Ueber die Umwandlung von Oel⸗ ſäuren in feſte Fettſäuren. — Zwei neue Theorien der Corona der Sonne. — Rotation der Venus. — Meteor⸗ beobachtungen. — Eine neu entſtandene Inſel in der Südſee. — Die präglaciale Zeit in Oberitalien. — Zur Frage über die Herkunft der blaſigen Schlacke von Sylt. — Unterſchied zwiſchen Pflanzen und Tieren. — Das Auf⸗ treten der Nonne in Bayern. — Zur Befruchtung bei den Urodelen. — Flug einer Rauchſchwalbe. — Träume der Blinden. — Schwierigkeiten des Wortverſtehens. — Auffaſſung von Tondiſtanzen. S. 316 322. Schwingende Saiten. — Lichtnutzeffekt der Geißlerſchen Röhren. — Photoelektriſche Ströme. — Eine Eishöhle. — Neue Petroleumfelder. — Glacialbildungen in den Carboniferous nach Hawkesbury Series in New South Wales. — Die Flyſchalgen. — Ein neu entdeckter Unterkiefer von Dryopithecus. — Kokospalmen. — Eine Waſſermilbe als Schneckenſchmarotzer. — Verbreitung des Monotus. — Die Funktion der Madreporenplatte und des Stein⸗ kanals der Echinodermen. — Der Einfluß gewiſſer Schmarotzerkrebſe auf die äußeren geſchlechtlichen Kennzeichen ihrer Wirte. — Dreſſierte Schwalben. — Das Netzhaulbild des Inſektenauges. — Gegen die Poung⸗Helmholtzſche Farbentheorie. — Bilder aus dem Tierleben. S. 347352. Inhalts⸗Verzeichnis. V Jod unter elektriſchen Entladungen. — Das Zeichen. — Rhombiſcher Schwefel aus Schwefelwaſſerſtoff. — Entdeckung veränderlicher Sterne durch Photographie. — Zunahme der Sternhelligkeit auf hohen Bergen. — Kosmiſcher Staub. — Eine Gasquelle. — Stalaktiten in der Binoller Höhle. — Die Bewegungen der Alpengletſcher. — Vereinigte Wurmſpuren im Meeresſchlamm. — Ueber die pflanzengeographiſche Anlage im botaniſchen Garten zu Berlin. — Zwei Schmarotzer der Torfmooſe. — Pilzkrankheit der Eſſigälchen. Milben in Eſſigbildnern. — Der Totenkopf (Acherontia Atropos) in einem Bienenkorbe. — Die Raubluſt der Mantisarten. — Eine Empusa-Seuche der Pilzmücken. — Neue Beuteltierform von Auſtralien. — Die Ausrottung des Borkentieres, Rhytina Stelleri Cuv. — Die Bezahnung bei Menſchen mit abnormer Behaarung. — Ueber das Gehirn des Schimpanſe im Vergleich zu demjenigen des Menſchen. — Die Anthropologie der Taubſtummen. — Wanderung im Gebiet des Großen Ozeans. — Ornithophile Blüten. — Ueber das Perennieren des Roggens. — Eine Tintenpflanze. — Ein eßbarer Roſtpilz. — Badende Schmetterlinge. — Ueber Käferlarven im menſchlichen Darm. S. 428 — 435. Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Anternehmungen, Verſammlungen etc. Wiſſenſchaftliche Erforſchung des Bodenſees. — Landwirtſchaftliche Laboratorien. — Univerſität von St. Andrews. — Obſervatorium in Verawal. — Isländiſche naturwiſſenſchaftliche Geſellſchaft. — Anton de Barys Sammlung mikroſkopiſcher 8 — Flechtenherbarium Hazslinskys. — Ungariſche Naturwiſſenſchaftliche Geſellſchaft. — Forſchungsreiſende. S. 27. — Die 62. Verſammlung deutſcher Naturforſcher und Aerzte. S. 35 — 40. Zoologiſch⸗zootomiſches cenitifut. — — Geologiſche Landesanſtalt. — Elektriſche Beleuchtung. — Senckenbergiſche natur- forſchende Geſellſchaft. — Anatomiſches Inſtitut. — Aufſtellung von einheitlichen Regeln zur Benennung der Orchideen. — Eine Kometenmedaille für die Entdeckung je eines neuen Kometen. — Meteorologiſche Stationen. — Preisaufgabe: Verein zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen. 67. Die botaniſche Meeresſtation in Kiel. — Kartierung und Auslotung des Großen Plöner Sees. — Königl. Meteoro⸗ logiſches Inſtitut zu Berlin. — Hydrographiſche Verhältniſſe im Kattegat und Skagerak. — Salzburger Landtag. — Algäuer Alpen. — Fürſt Albert von Monaco. S. 100-103. J. internationaler mediziniſcher Kongreß. — Die Königl. Phyſikaliſch-ökonomiſche Geſellſchaft in Königsberg. — Inter— nationaler Kongreß für Völkerkunde. — Preisaufgaben. S. 177-178. Vermeſſungen am Rhonegletſcher. — Bakteorologiſches Laboratorium. — Botaniſcher Schulgarten. — Botaniſcher Garten in St. Louis. — Botaniſches Inſtitut. — Schwimmende zoologiſche Unterſuchungsſtation. — Preisaufgaben. S. 211. Der Große Plöner See. — Elektrotechniſche Verſuchsſtation. — Der Zentralausſchuß des Deutſchen und Oeſterreichiſchen Alpenvereins. — Botaniſcher Garten. — Meteorologiſche Stationen auf dem Rieſengebirge. — Geodätiſcher Conſeil in Rußland. — Sammeln des Alpenveilchens. — Norwegiſche Polarexpedition. — Zoologiſche Seeftation. — Labora— torium für marine Biologie. — Inſtitut für Pflanzen-Anatomie und-Phyſiologie. — Preisaufgaben. S 249 — 250. Zoologiſche Geſellſchaft. — Herbar und botaniſche Bibliothek. — Botaniſche Stationen in den Hochalpen. — Däniſche Admiralität. — Dr. Thoroddſen. — Elektriſches Laboratorium. — Wiſſenſchaftliche Expedition nach Spitzbergen. — Schwediſche Expedition nach Kamerun. — Botaniſches Muſeum und Laboratorium des Michigan Agricultural College. — Neue Sternwarte. — Preisaufgaben. S. 283— 284. Laboratorium für Phytobiologie. — Wiſſenſchaftliche Expedition. — Muſeum in Kalkutta. — Botaniſcher Garten in Buitenzorg. — Preisaufgaben. S. 322. Die Allgemeine Verſammlung der Deutſchen Geologiſchen Geſellſchaft. S. 352—354. Die 21. Allgemeine Verſammlung der Deutſchen Geſellſchaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeſchichte. — Die Herſtellung einer einheitlichen Nomenklatur in der Anatomie. — Botaniſches Muſeum in Berlin. — Die sfter- reichiſche Tiefſee-Expedition. — Inſtitut für Experimentalmedizin. S. 388 — 393. Biographien und Verſonalnotizen. Dr. H. Kurella: Paolo Mantegazza. (Mit Abbildung). S. 393—397. — Perſonalnotizen: S. 28. 67—68. 103 104. 140 141. 178 179. 212. 250 — 251. 284 — 285. 323. 354— 355. 434. Titterariſche Rundſchau. J. Radäny: Die Rotation der Himmelskörper. — Woeikof: Der Einfluß einer Schneedecke auf Boden, Klima und Wetter. — Geologiſche Spezialkarte von Elſaß⸗Lothringen. — A. Blytt: On variation climate in the course of the time (Christiania Videnskabs-Selskaabs ner 1886, Nr. 8). — P. Knuth: Grundzüge einer Entwickelungsgeſchichte der Pflanzenwelt in Schleswig⸗ Holſtein. — L. Lewin: Ueber Areca Catechn, Chavica Betle und das Betelfauen. — Max Sußdorf: Die Verteilung der Arterien und Nerven an Hand und Fuß der Hausſäugetiere. — Hugo S. Vries: Intracellulare Pangeneſis. — Moriz Wagner: Die Entſtehung der Arten durch räumliche Sonderung. — Otto Zacharias: Bilder und Skizzen aus dem Naturleben. S. 2832. H. Schucht: Geognoſie des Oferthals. — H. Baumhauer: Das Reich der Kryſtalle. — J. van Bebber: Lehrbuch der Meteorologie. — G. Hempel und K. Wilhelm: Die Bäume und Sträucher des Waldes. S. 68—70. J. Röll: Unſere eßbaren Pilze. — Leopold Dippel: Handbuch der Laubholzkunde. — Arthur Petry: Die Vegeta⸗ tionsverhältniſſe des Kyffhäuſer Gebirges. — J. Beuſt: Schlüſſel zum Beſtimmen aller in der Schweiz wild— wachſenden Blütenpflanzen. — Joſ. Moeller: Lehrbuch der Pharmakognoſie. — Heinrich Semler: Die tropiſche Agrikultur. — C. v. Ettingshauſen: Das auſtraliſche Florenelement in Europa. — R. Leuckart und C. Chun: Bibliotheca zoologica. — William Marſhall: Zoologiſche Vorträge. — H. Trautzſch: Das Syſtem der Zoologie. — Fiſcher-Sigwart: Das Tierleben im Terrarium. — A. Reichenow: Syſtematiſches Verzeichnis der Vögel Deutſchlands. — Bernhard Rawitz: Leitfaden für hiſtologiſche Unterſuchungen. — Adolf Lendl: Hypotheſe über die Entſtehung von Soma- und Propagationszellen. — J. Loeb: Der Heliotropismus der Tiere. — Hugo Münſterberg: Beiträge zur experimentellen Pſychologie. — Derſelbe: Gedankenüber— tragung. — Antiquités Nationales: Description Raisonnée du Musée de St. Germain-en-Laye. S. 104 109. W. Migula: Die Characeen Deutſchlands, Oeſterreichs und der Schweiz. — P. Woſſidlo: Leitfaden der Zoologie für höhere Lehranſtalten. — Adolf Baſtian: Ueber pſychiſche Beobachtungen bei Naturvölkern, und Friedrich v. Hellwald: Die Magiker Indiens. S. 141142. Fr. Kinkelin: Erläuterungen zu den geologiſchen Ueberſichtskarten der ace zwiſchen Taunus und Speſſart. — W. J. Behrens: Methodiſches Lehrbuch der allgemeinen Botanik. — E. Korſchelt und K. Heider: Lehrbuch der vergleichenden Entwickelungsgeſchichte der wirbelloſen Tiere. — G. v. Hayek: Handbuch der Zoologie. — K. W. v. Dalla Torre: Die Fauna von Helgoland. — H. Simroth: Ueber die morphologiſche Bedeutung der Weichtiere. — G. Henſchel: Praktiſche Anleitung zur Beſtimmung unſerer Süßwaſſerfiſche. — A. Weis⸗ mann: Essays upon Heredity and kindred biological problems. — E. Thévenin: Dictionnaire abrégé. VI Inhalts⸗Verzeichnis. des sciences physique et naturelles. — H. J. Kolbe: Einführung in die Kenntnis der Inſekten. — Mayr: Die Waldungen von Nordamerika, ihre Holzarten, deren Anbaufähigkeit und forſtlicher Wert für Europa im allgemeinen und Deutſchland insbeſonders. — Nöldeke: Flora des Fürſtentums Lüneburg, des Herzogtums Lauenburg und der freien Stadt Hamburg (mit Anſchluß des Amtes Ritzebüttel). 5 S. 179—181. Winckelmann: Handbuch der Phyſik. — J. E. V. Boas: Lehrbuch der Zoologie. — S. Cleſſin: Die Molluskenfaung Oeſterreich⸗Ungarns und der Schweiz. — Alfred Jörgenſen: Die Mikroorganismen der Gärungsinduſtrie. — A. Bernſtein: Naturwiſſenſchaftliche Volksbücher. N 5 S. 212—214. Carl Heck: Die Hagelſtatiſtik Württembergs. — Rudolf Falb: Von den Umwälzungen im Weltall. — H. Grujon: Phyſikaliſch⸗Aſtronomiſches. — J. G. Vogt: Entſtehen und Vergehen der Welt. — Mitteilungen der Kommiſſion für die geologiſche Landesunterſuchung von Elſaß⸗Lothringen. — Max Verworn: Pſychophyſiologiſche Protiſten⸗ ſtudien. . 7 ; S. 251— 254. Joſef Plaßmann: Die neueſten Arbeiten über den Planeten Merkur. — A. F. Möbius: Die Hauptſätze dev’ Aſtro⸗ nomie. — H. Fritz: Die wichtigſten periodiſchen Erſcheinungen der Meteorologie und Kosmologie. — A. Garcke: Flora von Deutſchland. — Albert Moll: Der Hypnotismus. — P. Paulitſchke: Die Wanderungen der Oroms oder Galla Oſtafrikas. — R. Andree: Ethnographiſche Parallelen und Vergleiche. S. 285—287. W. Steffen: Lehrbuch der reinen und techniſchen Chemie. — M. Vodujet: Grundzüge der theoretiſchen Aſtronomie. — F. Pax: Allgemeine Morphologie der Pflanzen, mit beſonderer Berückſichtigung der Blütenmorphologie. — A. B. Frank: Lehrbuch der Pflanzenphyſiologie. — M. Büsgen: Beobachtungen über das Verhalten des Gerbſtoffs in den Pflanzen. — C. Müller: Medizinalflora. — Hugo Köhler: Die Luftkurorte des Südens. — Hugo de Vries: Die Pflanzen und Tiere in den dunklen Räumen der Rotterdamer Waſſerleitung. — J. Ritzema Bos: Tieriſche Schädlinge und Nützlinge. — V. Fatio: Histoire naturelle des poissons de la Suisse. — W. Medicus: Illuſtrierter Raupenkalender. — A. Moſſo: Die Furcht. S. 323327. Siegmund Günther: Handbuch der mathematiſchen Geographie. — O. Zacharias: Zur Kenntnis der niederen Tierwelt des Rieſengebirges. — K. L. Bramſon: Die Tagfalter (Rhopalocera) Europas und des Kaukaſus. — Erwin Schulze: Fauna piscium Germaniae. — Alex. Goette: Abhandlungen zur Entwickelungsgeſchichte der Tiere. — Victor Ritter v. Tſchuſi zu Schmidhoffen: Ornithologiſches Jahrbuch. — Flügel: Die Seelenfrage. — H. Oldenberg, J. Jaſtrow, C. H. Cornill: Epitomes of three sciences. — Ad. Baſtian: Ueber Klima und Acclimatijation. — O. Dammer: Handwörterbuch der öffentlichen und privaten Geſundheits⸗ pflege. — Ernſt Hallier: Aeſthetik der Natur. — A. Hummel: Hilfsbuch für den Unterricht in der Natur⸗ geſchichte. S. 355 — 358. Martin Krieg: Die elektriſchen Motoren und ihre Anwendungen in der Induſtrie und im Gewerbe. — A. Sprock⸗ hoffs Grundzüge der Phyſik. — Hermann Frerichs: Die Hypotheſen der Phyſik. — H. Kayſer: Lehrbuch der Phyſik für Studierende. — Fricks Phyſikaliſche Technik. — W. Hergeſell: Ueber die Formel von G. G. Stokes. — Carl Funk: Aphoriſtiſcher Entwurf einer Kosmogenie. — J. Epping S. J.: Aſtronomiſches aus Babylon. — Beſſel als Bremer Handelslehrling. — H. H. Hildebrandsſon, W. Koeppen und G. Neu⸗ mayer: Wolkenatlas. — W. Migula: Bakterienkunde für Landwirte. — L. Glaſer: Taſchenwörterbuch für Botaniker. — H. Reling und J. Bohnhorſt: Unſere Pflanzen. S. 397—400. J. J. Thomſon, Anwendungen der Dynamik auf Phyſik und Chemie. — Ad. Breuer, Darſtellung der mathemati⸗ ſchen Theorien über die Disperſion des Lichtes. — Ira Remſen, Anorganiſche Chemie. — H. W. Vogel, Handbuch der Photographie. — H. Oſt, Lehrbuch der techniſchen Chemie. — Hermann J. Klein, Aſtrono⸗ miſche Abende. — J. H. Kloos, Entſtehung und Bau der Gebirge. — Rudolf Röttger, Erdbeben. — Herm. Credner, Das vogtländiſche Erdbeben vom 26. Dezember 1888. — Beiträge zur naturwiſſenſchaftlichen Erforſchung der Steiermark. — Fr. Kinkelin, Eine geologiſche Studienreiſe durch Oeſterreich⸗Ungarn. — E. Huſſak u. G. Woitſchach, Repetitorium der Mineralogie und Petrographie. — Eb. Fraas, Geologie. — J. Fr. Oſtertag, Der Petrefaktenſammler. — M. Kraß und H. Landois, Das Mineralreich in Wort und Bild. — Dieſelben, Lehrbuch für den Unterricht in der Mineralogie. — J. Probſt, Ueber einige Gegenſtände aus dem Gebiete der Geophyſik. — J. B. Nordhoff, Haus, Hof, Mark und Gemeinde Nordweſtfalens. — H. Blink, Der Rhein in den Niederlanden. — Ed. Brückner, Klimaſchwankungen ſeit 1700. — Blätter für Pflanzenfreunde. — Gotthold Hahn, Der Pilzſammler. — A. Götte, Tierkunde. — Prodromus Faunae Mediterraneae. — Emil Fiſcher, Taſchenbuch für Schmetterlingsſammler. — Etiketten für Schmetterlings⸗ ſammlungen. — H. Lachmann, Die Reptilien und Amphibien Deutſchlands. — C. G. Fridrich, Natur⸗ geſchichte der deutſchen Vögel. — A. E. Brehm, Vom Nordpol zum Aequator. — K. J. Jordan, Die Rätſel des Hypnotismus. — G. Manetho, Aus überſinnlichen Sphären. — Th. Elſenhans, Pſychologie und Logik. — Carl Stumpf, Tonpſychologie. — R. Neuhauß: Lehrbuch der Mikrophotographie; G. Marktanner⸗Turner⸗ etſcher: Die Mikrophotographie. — Gaudry: Die Vorfahren der Säugetiere in Europa. S. 435 — 441. 5 Bibliographie. Bericht vom Monat Oktbr. 1889. S. 32. — Novbr. und Dezbr. 1889. S. 70. — Januar 1890. S. 111. — Febr. S. 142. — März. S. 182.— April. S. 214.— Mai. S. 254.— Juni. S. 287.— Juli. S. 327.— Auguſt. S. 358.— Septbr. S. 441. Aus der Praxis der Naturwiſſenſchaft. Eine neue Elektriſiermaſchine. (Mit Abbildungen.) — Vorleſungsexperimente mit Salpeterſäure. — Leuchtſteine. S. 3335. Syntheſe des Brom⸗ und Jodwaſſerſtoffs. — Anlaſſen des Stahls. — Aegyptiſchblau. — Darſtellung von Knallqueck⸗ ſilber. — Leichtes und koſtenloſes Mittel zur Vertilgung der Blutlaus. — Züchtung von Apus productus. — Konſervierung von Vogelbälgen. S. 109111. Ueber das Sammeln von Ameiſengäſten. I. S. 143—144. Ueber das Sammeln von Ameiſengäſten. II. — Darſtellung eines ſehr wirkſamen Platinmohrs. — Anwendung der Photographie in der Blütenbiologie. S. 183184. Leuchtende Waſſerſtrahlen. — Künſtliche Erzeugung von Höfen. — Erſchütterungsfreie Aufſtellung der Wage. — Kriechen der Salze über den Gefäßrand. — Fällung des Zinnes durch Eiſen. — Natürliches und künſtliches Bitter⸗ mandelöl. — Pflanzenetiketten. : S. 215—216. Ueber die Anwendung des elektriſchen Lichtbogens zur Demonſtration der Gasvolumengeſetze. — Auffriſchen von Gummi⸗ artikeln. — Gravieren des Glaſes mittels Elektrizität. — Ein Mittel gegen den Mehltau der Weinſtöcke. — Taſchen⸗ oder Narrenbildung der Pflaumen. — Aquarien. S. 359—360. Verkehr. Fragen und Anregungen. — Antworten. S. 35. 112. 144. 216. 256. — Ueber die Urſachen der Eiszeit. Don Ladislaus Satfe in Carnopol. enn wir über die Urſachen der Eiszeit ſprechen ſollen, ſo iſt es unumgänglich notwendig, zuerſt zu erkennen, welche VVorderungen die Geologie und die Meteoro— logie für die Eiszeit beanſpruchen; dies wird uns als Maßſtab dienen, die bisherigen Theorien zu be— urteilen, und zugleich gewinnen wir dadurch eine ſichere Grundlage für die neue Theorie. Die neueren Unterſuchungen der Geologen be— lehren uns zuerſt, daß die Feſtländer, wenigſtens was Europa, Aſien und Nordamerika anbelangt, während der letzten Eiszeit im allgemeinen dieſelben Umriſſe beſaßen wie heutzutage, mit Ausnahme vielleicht der öſtlichen Meeresufer von Nordamerika und einiger unbedeutender Veränderungen an den Küſten der alten Welt. In der Orographie dieſer Feſtländer mußte dagegen eine viel bedeutendere Veränderung ſeit der Eiszeit eingetreten ſein, da die ungeheuren Gletſcher, ſodann die von ihnen verurſachten unge— wöhnlichen Waſſermengen die Gebirge erniedrigt und manche Thäler vertieft, andere wieder aufgehöht haben. In dem Falle aber, in welchem die Umriſſe der eiszeitlichen Feſtländer dieſelben wie die heutigen waren, muß die Meteorologie behaupten, daß auch die Luftſtrömungen im allgemeinen dieſelben waren wie heute, denn ſie hängen ja von der Verteilung der Meere und der Feſtländer ab, ſodann von der Differenz der Erwärmung des Waſſers und des Landes. Da endlich von den Luftſtrömungen auch die Meeres— ſtröme abhängig ſind, was heute ſchon als unzweifel— haft angeſehen werden kann, ſo mußten auch die letzteren dieſelben Richtungen beſitzen wie die heutigen a auch denſelben Einfluß auf ihre Umgebung aus- üben. Man iſt ſchon heute zu der Ueberzeugung gelangt, daß die Eisbedeckung ihren Urſprung nicht auf einem Humboldt 1890. von den beiden Polen gehabt hat, wie dies einige Theorien vorausgeſetzt haben; im Gegenteile ent— wickelten ſich die Gletſcher zuerſt in denſelben Ge— birgen, in denen fie noch heute vorkommen, und faft gleichzeitig entſtanden ſie auch in den Mittelgebirgen. Die Vergletſcherung erweiterte ſich ſomit von den ſkandinaviſchen, ſchottiſchen und Alpengebirgen in Europa, von den grönländiſchen und Felſengebirgen in Nordamerika; außerdem bedeckten die Gletſcher auch kleinere Gebirgsketten, wie die Pyrenäen, Vo— geſen, Schwarzwald, Alleghanies u. ſ. w. Bewieſen iſt es auch ſchon, daß die Vergletſcherung vom Weſten gegen Oſten abnahm nicht nur in Europa und Aſien, ſondern auch in Amerika; die geographiſche Entwicke— lung der Gletſcher während der Eiszeit unterſchied ſich demnach gar nicht von der heutigen, denn auch in der Gegenwart finden wir in Sibirien und im höchſten Norden von Amerika keine Gletſcher, und die Höhe der Gletſcherzungen nimmt vom Weſten gegen Oſten immer zu. Auch im Himalaya mußten die geographiſchen Verhältniſſe den heutigen ähnlich geweſen ſein, denn die Spuren der ehemaligen Gletſcher in ganz Aſien weiſen nur auf eine Potenzierung der heutigen Zuſtände. Die Unterſuchungen der ehemaligen Gletſcher auf der ſüdlichen Halbkugel ſind noch nicht ſo weit fort— geſchritten, daß wir daraus ſichere Schlüſſe ziehen könnten, denn einige Gletſcherſpuren hut man als zweifelhaft hingeſtellt, z. B. in Natal. In Neu— ſeeland aber und in Patagonien, wo auch heute Gletſcher exiſtieren, traf man auf Spuren ehemaliger Gletſcher, die auch nur auf eine größere Entwickelung der Kräfte, welche eine Vergletſcherung herbeiführen, ſchließen laſſen, aber dieſe Kräfte waren dieſelben wie die heutigen und wirkten auf dieſelbe Weiſe und an denſelben Orten. 1 9 Humboldt. — Januar 1890. Nicht minder wichtig iſt die Frage, ob die Ver⸗ gletſcherung überall zu gleicher Zeit ſich entwickelte. Für Europa beweiſen viele Thatſachen, daß die Eis⸗ zeit zu gleicher Zeit an allen Orten ihr Maximum erreichte; ſehr wahrſcheinlich iſt es ſodann, daß die amerikaniſchen Gletſcher gleichzeitig mit den euro⸗ päiſchen auftraten, ſomit dürfen wir mit Recht ſchließen, daß die Kräfte, welche die Eiszeit hervorriefen, gleich⸗ zeitig auf der ganzen nördlichen Halbkugel ſich ent⸗ wickelten. Wir haben indes keinen Beweis für die Gleichzeitigkeit der Eiszeit auf der nördlichen und ſüdlichen Halbkugel, denn dazu fehlt uns jeglicher Vergleich. Es ſind ſomit von gleichem Werte alle Theorien, welche die Vergletſcherung einer Halbkugel oder die der ganzen Erde zugleich erklären). Die Unterſuchungen der heutigen Gletſcher, ſowie auch der ſchnelle Fortſchritt auf dem Gebiete der Meteorologie geben uns noch andere Bedingungen für die mögliche Entwickelung der Gletſcher in die Hand. So ſehen wir zuerſt, daß eine tiefe Tempe⸗ ratur keinesfalls auf die Entwickelung der Gletſcher einen günſtigen Einfluß ausübt, im Gegenteil, ſie hemmt dieſelbe, denn die kälteſten Gegenden, wie die höchſten Inſeln in Nordamerika und Sibirien ſind frei von allen Gletſchern. Eine hohe Temperatur dagegen beeinflußt in der Hinſicht die Gletſcher, daß dieſelbe im Sommer das Eis und den Schnee ſchmilzt, ſomit die Gletſcher verringert. Die Eiszeit bedingt daher eine tiefere Sommertemperatur oder auch ent⸗ ſprechende Hinderniſſe, welche die Sonnenſtrahlen ab⸗ hielten, mit ihrer ganzen Kraft auf die Gletſcher zu wirken. Daraus erhalten wir noch die nächſte Be⸗ dingung, daß die Jahrestemperatur während der Eiszeit beſonders in den vergletſcherten Gegenden etwas niedriger ſein mußte als gegenwärtig, aber dieſe Differenz kann höchſtens 3—4“ betragen. Ein viel wichtigerer meteorologiſcher Faktor für die Entwickelung der Gletſcher iſt unſtreitig der Nieder⸗ ſchlag und die Verteilung desſelben auf die Jahres⸗ zeiten. Es iſt eine bewieſene Thatſache, daß, je häufiger und reichlicher der Schneefall wird, deſto mehr die Gletſcher anwachſen. Während der Eiszeit alſo mußte der Schneefall im weſtlichen Europa, in Grönland, in Nordamerika u. ſ. w. im allgemeinen, überall, wo wir Spuren einer früheren Vergletſcherung antreffen, viel reichlicher geweſen ſein als heute. Die heutigen Verhältniſſe beweiſen uns auch, daß der Sommerniederſchlag faſt gar keinen Einfluß auf die Entwickelung der Gletſcher ausübt. In Oſteuropa und in Aſien fällt das Maximum des Niederſchlags auf den Sommer, im weſtlichen Europa dagegen auf den Winter und Herbſt; im erſten Falle haben wir *) M. Martins („Les glaciers actuels et la Periode glaciaire“. Revue des deux Mondes. Mars 1. 1867) behauptet zwar, es wäre die Gleichzeitigkeit der Eiszeit auf beiden Halbkugeln geologiſch bewieſen; dieſe Behaup⸗ tung muß aber als ſehr zweifelhaft angeſehen werden, denn es iſt unmöglich, den Beweis zu führen, auch in dem Falle, daß der Unterſchied in der Zeit ſelbſt einige zehn⸗ tauſend Jahre betragen würde. gar keine Gletſcher oder ſehr unanſehnliche, im zweiten dagegen ſtrömen ſie bis in die Thäler und ſelbſt bis ins Meer hinab, wie in den Alpen und in Norwegen. Aehnlich können wir auch Grönland mit Nordaſien vergleichen. Beide liegen unter derſelben geographi⸗ ſchen Breite, und doch haben wir in Grönland 130 em, in Nordaſien 30 — 50 cm Niederſchlag. In Nord⸗ amerika wieder treffen wir Gletſcher nur in den weſtlichen Gebirgen, in den öſtlichen gibt es keine Gletſcher; aber wir haben auch in der Nähe des Stillen Oceans 150—300 em Niederſchlag und dies hauptſächlich im Winter; in der Nähe des Atlantiſchen Oceans haben wir Sommerniederſchläge n). Während der Eiszeit alſo mußten auch die Winterniederſchläge in den Gegenden vorwiegen, wo wir noch heute Gletſcher antreffen, und dieſe Niederſchläge mußten auch ſehr reichlich geweſen ſein; in den Gegenden, wo wir keine Spuren früherer Vergletſcherung vor⸗ finden, fiel größtenteils Regen im Sommerhalb jahre. Dieſe Zuſtände belehren uns zugleich, daß die Winter⸗ temperatur während der Eiszeit eine höhere ſein mußte als heutzutage, denn es iſt unzweifelhaft, daß ein ſtrenger Winter keine reichlichen Niederſchläge verſchafft. Die wichtigſte Frage bleibt jedoch, ob die Ver⸗ gletſcherung während der Eiszeit ihre Entſtehung irdiſchen oder kosmiſchen Urſachen zu verdanken hat. Wenn wir den heutigen Zuſtand der Wiſſenſchaften berückſichtigen, ſo müſſen wir zugeben, daß die gegen⸗ wärtig beſtehenden Gletſcher am wahrſcheinlichſten von irdiſchen Urſachen abhängen, d. i. von der geo⸗ und orographiſchen Lage der Gebirge, ſodann von der Verteilung von Land und Waſſer. Es iſt aber noch bis jetzt unmöglich zu entſcheiden, wovon die Oscillationen der Temperatur und des Niederſchlags abhängen, die wieder das Vor- und Zurückſchreiten der Gletſcher beeinfluſſen. Obwohl die obige Thatſache keinem Zweifel unter⸗ liegt, iſt es ſehr ſchwer zu entſcheiden, ob die unge⸗ heuere Entwickelung der Gletſcher während der Eis⸗ zeit ihre Urſache irdiſchen oder kosmiſchen Einflüſſen verdankt. Die Anhänger der irdiſchen Urſachen ſetzen eine andere Verteilung von Meer und Land voraus, und obwohl ſie ein mehrmaliges Anwachſen und Ver⸗ ſchwinden der Gletſcher zugeben, behaupten ſie doch, dieſe großen Oseillationen der Gletſcher hielten gleichen Schritt mit den Veränderungen, denen das Land und das Meer im Laufe der Zeiten unterlagen; ſie nehmen ſodann an, daß das nördliche Eismeer die Niederungen von Europa, Aſien und Nordamerika überſchwemmte, daß viele große Seen ſich in Aſien vorfanden, die unter ſich und ſelbſt mit dem nörd⸗ lichen Eismeer und dem Mittelländiſchen Meere in Verbindung ſtanden, wodurch die Luft immer ſehr ſtark mit Dampf geſättigt war. Die nördliche Halb⸗ kugel habe ſomit aus vielen Inſeln beſtanden und ſei der heutigen ſüdlichen Halbkugel ähnlich geweſen. ) Vergl. in der Hinſicht H. Mohn: Grundzüge der Meteorologie (Berlin 1887) S. 195 u. f. * Humboldt. — Januar 1890. 3 Daraus ließe ſich der Schluß ziehen, daß die Nteder- ſchläge auf der nördlichen Halbkugel immer geringer wurden, daß die trockenen Winde über die feuchten Uebergewicht erhielten, im allgemeinen, daß dieſe Halb— kugel immer trockener wurde. Die kosmiſchen Urſachen können zweifach fein: entweder wirken ſie mittelbar oder unmittelbar. Zu den letzteren gehören die Theorien, welche die Eiszeit mittels einer plötzlichen Abnahme der Sonnenwärme erklären, oder mittels einer periodiſchen, aber unge— heueren Zunahme der Sonnenflecken, oder auch mit— tels eines größeren Abſtandes der Erde von der Sonne u. ſ. w. Die mittelbar wirkenden Urſachen der Eiszeit können die folgenden ſein: Die Oscillation der Erdachſe, die Ortsveränderung der Erdpole, das Vorrücken der Tag- und Nachtgleichen und die Ver— änderlichkeit der Excentricität der Erdbahn. Unter allen dieſen Theorien erfreuen ſich heute nur die zwei letzteren vieler Anhänger, alle übrigen verwarf man bedingungslos. Nehmen wir aber als Urſache der Eiszeit das Vorrücken der Aequinoktialpunkte oder die Veränder— lichkeit der Excentricität der Erdbahn an, die periodiſch wiederkehren, ſo muß auch die Erde periodiſchen klimatiſchen Veränderungen unterliegen, oder es müßten die Eiszeiten ſich regelmäßig wiederholen und wir ſollten in den vorhergehenden geologiſchen Formationen Spuren der ehemaligen Vergletſcherungen antreffen. Die Anhänger dieſer Theorien weiſen auch wirklich auf erratiſche Blöcke und andere Spuren der Gis- wirkungen, die in verſchiedenen Formationen auf— gefunden worden, als Zeichen, daß die Eiszeit ſchon zu verſchiedenen Malen auf der Erde ſtattgefunden habe. Da dieſer Umſtand als einer der wichtigſten Belege für die periodiſchen Eiszeiten gelten kann, ſo will ich hier außer den ſchon von Croll und James Geikie angeführten Funden von erratiſchen Blöcken in den früheren Formationen) noch eine kleine Zuſammen— ſtellung anführen, welche die periodiſch wiederkehrenden Vereiſungen beweiſen ſoll. Die Unterſuchungen von Mühlberg“), Bach ***) und Hildebrandt) weiſen auf eine doppelte Ver⸗ gletſcherung in Württemberg und im ſüdlichen Bayern; ebenſo Scipion Gras tt) im Rhonethale; Taramelli im nördlichen Italien; Eſcher von der Linth ut) in ) Weitere Angaben über die erwähnten Funde findet man in Crolls: Climate and Time. Chapter XVIII (London 1875); in James Geikies: The Great Ice Age (2. Aufl., London 1877) und Prehistoric Europe (Lon- don 1881). **) Zweiter Bericht über die Unterſuchungen der er— ratiſchen Bildungen im Aargau. Mitt. d. naturf. Geſ. Aarau. 1878. Hft. 1. ) Beitrag zur Kenntnis d. geol. Verhalt. der Eis— zeit. Württemb. naturw. Jahreshefte, 1869. ) Begleitworte zur geognoſtiſchen Specialfarte von Württemberg (Stuttgart 1881). +t) Note sur la nécessité d’admettre deux épo- ques glaciaires. Arch. bibl. univ. d. Genéve. 1858. Tit) B. v. Cotta, Die Geologie der Gegenwart. S. 335. der Alpenkreide; Julien“) bewies eine doppelte Ver— gletſcherung in der Auvergne; Roujou ?“) eine drei— fache im Seinethale; Höfer “**) eine doppelte in Kärnten; Rütimeyer t) eine doppelte in} Wetzikon; 1 Ti) unterſtützt die Behauptung Heers; Wood i) bewies eine doppelte Vergletſcherung in Ae Tiedemann in England; die geologische Kommiſſion eine doppelte in Kanada; Pend *+) eine dreifache in Norddeutſchland und in den Alpen; Fugger und Kaſtner t) eine doppelte im Salz⸗ burgiſchen; Blaas***+) behauptet eine vierfache Ver⸗ gletſcherung der Umgegend von Innsbruck; endlich deutet Blytt §) an einem Querſchnitte bei Paris an, daß die Eiszeiten ſchon mehrere Male in dieſen Gegenden ſtattgehabt haben, denn die einzelnen Schichten zeugen vom Klimawechſel und von Wande⸗ rungen des Tierreichs *). Man bewies ſomit nicht nur ein doppeltes An— wachſen der Gletſcher in der Diluvialzeit, womit auch die Anhänger der Drifttheorie einverſtanden ſind, ſondern ſelbſt ein dreifaches und vierfaches; ja, man lieferte Beweiſe, nämlich Spuren früherer Eiswir— kungen, daß die Eiszeit ſchon öfters auf unſerer Erde ſtattgefunden habe, ſelbſt in früheren Formationen, daß ſomit die Eiszeiten periodiſch wiederkehren. Dies aber wäre zugleich ein Beweis vom periodiſchen Klimawechſel, daher wären die Eiszeiten von kos— miſchen Urſachen abhängig. Heim***§) bemerkt wiederholt in ſeinem Werke, daß die kosmiſchen Urſachen unmöglich die Eiszeiten bedingen konnten, und behauptet, die obigen Funde wären ungenügend, die periodiſch wiederkehrenden Vergletſcherungen zu begründen. Auch die Pflanzen— und Tierreſte derſelben Schichten ſprechen gegen die obige Behauptung; er meint endlich, daß nur derjenige die obigen Funde für beweiſend halten kann, welcher ſchon von vornherein von der Periodizität der Eiszeiten *) Phénoménes glaciaires dans le plateau central de la France et en particulier dans le Puy-de-Déme et le Cantal (Paris 1869). ) Citiert in: Les premiers hommes et les temps préhistoriques par le Marquis de Nadaillac (Paris 1881). Bd. II. S. 167. ) Neues Jahrbuch für Mineralogie. 1873. S. 128. +) Spuren des Menſchen an interglaciären Ablage— rungen in der Schweiz. 1875. ++) Revue des deux Mondes. 1875. tit) Geological Magazine. 1877. *+) Zeitſch. d. deut. geol. Geſ. Bd. XXXI. Heft 1. 1879, eh Vergletſcherung der deutſchen Alpen. Leipzig. 1882. 15 Avril. *) Verhandlungen der k. k. geol. Reichsanſtalt. 1883. Nr. 9. ) Verhandlungen der k. k. geol. Reichsanſtalt. 1884. Nr. 3. *§) Ueber die Wechſelablagerung und deren mut— maßliche Bedeutung für die Zeitrechnung der Geologie und für die Lehre von der Veränderung der Arten. Sepa⸗ ratabdr. a. d. Biologiſchen Centralblatt III. 1883. ) Vergl. auch E. Sueß: Entſtehung der Alpen. Wien. 1875. S. 117-120. *) Handbuch der Gletſcherkunde. S. 492 und 560 (Stuttgart 1885). Nl 1 4 Humboldt. — Januar 1890. überzeugt iſt. Es ſcheint jedoch, daß ſchon die an⸗ ſehnliche Anzahl dieſer Beweiſe für dieſe Anſicht ſpricht, denn es iſt faſt unmöglich anzunehmen, daß ſo viele Geologen ſich irren und Steine als Erratica anſehen könnten, die es nicht waren. Uebrigens ſollten wir wohl beachten, worauf ſchon Croll *) und Penck“) aufmerkſam machten, daß viele Spuren früherer Eiswirkungen verloren gingen in dem un⸗ geheuren Zeitraume, der uns von der Cambriſchen oder Siluriſchen Formation trennt. In jenen Zeiten exiſtierten ſicherlich Kontinente, die heute das Waſſer der Oceane bedeckt, und in dem Falle wurden alle Spuren verwiſcht, die auf eine Eiszeit deuten könnten. Die erratiſchen Blöcke wurden durch die ſpäteren un⸗ geheueren Waſſerfluten abgeſchliffen, abgeſtoßen, zer⸗ rieben, wodurch ſie ihren Charakter der Erratica völlig verloren und jetzt meiſtenteils als feiner Sand den Meeresboden bedecken. Es waren ſomit die Gewäſſer, durch welche wir der Zeugen der einſtigen Eiswirkungen in den früheren geologiſchen Formationen beraubt wurden. Wir ſollten auch bedenken, daß die Anſicht von der allmählichen Abkühlung der Erde und von den einſt nur wärmeren geologiſchen Perioden auch dazu beigetragen habe, daß die geologiſchen Schichten nicht mit der gebührenden Aufmerkſamkeit erforſcht wurden, wie dies heute geſchieht. Endlich ſtellen wir uns die Frage: Was unterſuchen die heutigen Geologen? Es iſt der Meeresboden früherer Perioden, die Tierwelt der Meerestiefen, wo der Einfluß des Klimas gar nicht gefühlt wird. Mit Recht fragt ſomit Croll *): Werden die künftigen Geologen in den Schichten unſerer Oceane die Spuren der letzten Eiszeit entdecken? ö Wenn wir außerdem noch hinzufügen, daß die terreſtriſchen Urſachen, wenigſtens für die letzte Eis⸗ zeitperiode, ſchon aus dem Grunde unzureichend find, daß ſie eine andere Verteilung von Land und Waſſer erfordern, was die neueſten Unterſuchungen verwerfen; wenn wir noch bedenken, daß man auch in Neuſee⸗ land und in Patagonien Spuren einer einſtigen größeren Vergletſcherung angetroffen hat, welche Er⸗ ſcheinung unmöglich auf terreſtriſche Urſachen zurück⸗ zuführen iſt, da dieſe Gebiete doch gegenwärtig in der für Gletſcherbildung beſtmöglichen Lage ſich be⸗ finden: fo müſſen wir zugeben, daß die terreſtriſchen Urſachen ungenügend ſind, die letzte Eiszeitperiode zu erklären. Wir haben alſo außer den vorigen noch eine Bedingung: die Eiszeit müſſen kosmiſche Vor⸗ gänge verurſacht haben. Als letzte Bedingung müſſen wir noch die an⸗ geben, daß die Urſachen, welche die Eiszeit hervorgerufen ) Climate and Time. Chapt. XVII. ) Die Vergletſcherung der deutſchen Alpen. S. 454 (Leipzig 1882). ) 1. e. Chapt. XVII: „Is it probable, that the geologist of the future will find in the rocks formed out of the now existing seabottoms more evidence of a glacial epoch during Posttertiary times than we now do of one during, say, the Miocene, the Hocene, or the Permian Period?“ haben, ſtreng den meteorologiſchen Grundſätzen an⸗ gepaßt ſein müſſen. Wenn wir alſo auf Grund der angegebenen Be⸗ dingungen jetzt die Frage ſtellen wollten: welche von den bis heute erſchienenen Eiszeittheorien oder Vermutungen ihnen Genüge thut, ſo müſſen wir antworten: keine von ihnen entſpricht unſeren Vor⸗ ausſetzungen. Alle diejenigen Theorien, die eine lokale Ent⸗ wickelung der Gletſcher erklären, ſomit die von Char⸗ pentier, Eſcher von der Linth, Petterſen, Hopkins, Schmidt, ſind zu verwerfen, da ſie die Eiszeit einer Erdhalbkugel nicht begründen können. Die Drift⸗ theorie und ſodann alle Theorien, deren Urſachen terreſtriſchen Herkommens find: von Lyell, Zittel, Sartorius von Waltershauſen, Hochſtetter, Deſor, Campbell, Woeikoff, Peſchel, Kinkelin, Vater, Czerny, de Lapparent, können auch nicht beſtehen, denn die⸗ ſelben widerſprechen der Bedingung, nach welcher un⸗ ſere Kontinente während der Eiszeit dieſelben Umriſſe hatten wie jetzt. Die Theorien von einer einmaligen Eiszeit: von de la Rive, Frankland, Ballot, Mohr, Poiſſon, Balfour, Kämtz, können auch unſeren Be⸗ dingungen nicht genügen, denn die Eiszeiten kamen öfters auf der Erde vor. Aber auch jene Theorien, die einen periodiſchen Klimawechſel auf der Erde infolge der Oscillation der Erdachſe oder der Pole annehmen: von Evans, Georges Darwin, Haughton, Carrel, Heger, Belt, Droyſon, konnten auf die Dauer den Anfechtungen nicht widerſtehen, mit denen die Geologen und Aſtronomen dieſelben überhäuften. Es verbleiben uns ſomit nur die Theorien, welche die Eiszeiten vermittelſt des Vorrückens der Aequinoktialpunkte und der Excentrieität der Erdbahn erklären. Zu den erſten gehören die Theorien von Adhémar, le Hon, Schmick, Pilar und Lang; zu den zweiten die von Croll, Murphy, Penck und Wallace. Wenn wir von den erſten Theorien, welche die Eiszeit auf Grund des Vorrückens der Aequinoktialpunkte erklären, die Theorien von Adhsmar, le Hon, Schmick und Pilar wegen ihrer falſchen Schlüſſe ausſchließen, ſo verbleibt uns nur die Theorie von Lang. Wir müſſen bekennen, dieſe Theorie?) iſt die einzige, bei der die Meteorologie in Betracht gezogen wurde, und doch ſind ihre Schlüſſe nicht ganz richtig. Wenn wir auch auf den Umſtand nicht ſpeciell ein⸗ gehen, daß der Zeitraum von 25000 Jahren für die Geologen ein viel zu geringer iſt, ſo glauben wir doch, daß das Steigen der Temperatur infolge der Lage der Erde im Perihelium und während des Sommers auf der nördlichen Halbkugel zu gering ſein wird, um die Reſultate hervorzurufen, die ſeine Theorie beanſprucht. Sodann meint er auch, daß durch die Erhöhung der Kontinentaltemperatur, ſo⸗ mit durch den geringeren Luftdruck der Niederſchlag viel reichlicher ſein und ein Anwachſen der Gletſcher verurſachen wird. Die Meteorologie lehrt uns jedoch, ) Eine klimatologiſche Studie über die Eiszeit. Von Dr. Lang in München (Das Wetter. November 1885). Humboldt. — Januar 1890. 5 daß zwar im Sommer der Niederſchlag größer wird, aber nur inmitten der Kontinente, nicht aber längs des weſtlichen Randes derſelben, wo heute noch die Gletſcher ſich befinden und auch während der Eiszeit ſich entwickelten. Im Gegenteil, die Gletſcher werden nur durch den winterlichen Niederſchlag ernährt, den ihnen ſowohl in Europa wie auch in Nordamerika die Weſt⸗ und Südweſtwinde aus dem Atlantiſchen und Stillen Ocean bringen; dieſe Winde aber werden doch nicht durch eine Depreſſion über den Kontinenten hervorgerufen. Selbſt in Mitteleuropa, wo das Maximum des Niederſchlags auf das Sommerhalb— jahr entfällt, haben die gebirgigen Gegenden dies Maximum im Winter. Sodann müſſen wir zwar bekennen, daß ein ſtrengerer Winter für die nördliche Halbkugel im Aphelium zur Erhaltung der Gletſcher viel beitragen muß, er kann jedoch auf ihre Ent— wickelung keinen Einfluß ausüben. Somit kann uns die Theorie von Lang die Erklärung der Eiszeit nicht geben. Viel wichtiger ſind unſerer Anſicht nach die Theorien von Croll ), Wallace), Penck ***) und Murphy r), welche die Entſtehung der Eiszeit auf Grund der Ex— centrieität der Erdbahn erklären. Dieſe Theorien laſſen ſich in zwei Gruppen teilen: die erſte nimmt an, die Eiszeit könne ſich entwickeln auf derjenigen Halbkugel, auf welche der Winter im Aphelium entfällt; nach der zweiten erreicht das Vorſchreiten der Gletſcher ſein Maximum, wenn dieſe Halbkugel ihren Winter im Perihelium hat. Zur erſten Gruppe gehören die Theorien von Croll, Wallace und Penck, zur zweiten die von Murphy. Die erſten drei Theorien ſind ſchon aus dem Grunde zweifelhaft, daß ſie nicht mit den Anſichten der neueren Meteorologie übereinſtimmen; denn ſie nehmen an, daß während eines langen und ſtrengen Winters die Schneeanhäufung ſo übermächtig ſein wird, daß ſelbſt ein kurzer, aber heißer Sommer die— felbe nicht zu ſchmelzen im ſtande fein wird. So—⸗ dann ſind die Anhänger dieſer Theorie der Anſicht, als ob in einem warmen Winter nur Regen, in einem froſtigen nur Schnee falle. Endlich ſteht ihre Be— hauptung mit der Meteorologie noch in der Hin— ſicht im Widerſpruche, daß ſie meinen, die nördliche Halbkugel ſei während der Eiszeit des erwärmenden Einfluſſes des Golfſtromes beraubt geweſen. In dem Falle würden wir die Frage aufſtellen, woher ſoll im allgemeinen ein reichlicher Niederſchlag ent— ſtehen, da ein langer und ſtrenger Winter und ein kaltes Meer denſelben auf keinen Fall hervorbringen *) Climate and Time in their geological re- lations. By James Croll (London 1875). **) Tsland Life. By Alfred Russel Wallace (Lon- don 1880). ***) Die Vergletſcherung der deutſchen Alpen. Ge— krönte Preisſchrift von Dr. Albert Penck (Leipzig 1882). +) On the nature and cause of the Glacial Climate. By Joseph John Murphy. The Quarterly Journal of the Geol. Soc. Vol. XXV. Part. 3. kann? Es iſt auch ſehr fraglich, ob ein heißer Sommer den während des Winters angehäuften Schnee nicht ſchmelzen würde. Zwar begründet Croll dieſe Mei— nung in der Weiſe, daß er dichte Wolken und Nebel vermutet, welche die Strahlen der Sonne verhindern würden, bis zur Oberfläche der Erde zu gelangen, wie dies heute in Grönland der Fall ſein ſoll. Aber hier treffen wir auf den Widerſpruch, daß die Wolken und Nebel, welche während des Sommers über Grön— land lagern, die Folge einer Barometerdepreſſion über den nördlichen Polarregionen ſind, und dies konnte niemals während der Eiszeit über Weſteuropa ein— treten, da hier alle Bedingungen dazu fehlten. Obwohl Croll den Einwurf Tyndalls gegen die Annahme einer zu niedrigen Temperatur wohl kannte, da er denſelben in ſeinem Werke erwähnt, ſo glaubt er doch, dieſer Einwurf beziehe ſich nicht auf ſeine Theorie „for according to it, the ice of the glacial epoch was about as much due to the nearness of the sun in perigee as to his great distance in apogee“ ). Es ift auch noch ſehr zweifelhaft, wenigſtens wiſſenſchaftlich nicht begründet, ob, wie es Pilar!) berechnet und auf Grund deſſen Pend ***) ſeine Theorie beſonders ſtützt, die Kalmenzone ſich während der größten Excentricität bis zum 20. Grad nördlich oder ſüdlich des Aequators verſchiebt. Uebrigens auch dies vorausgeſetzt, iſt der folgende Schluß unrichtig, daß die Halbkugel, deren Winter ins Aphelium fällt, ein oceaniſches Klima haben wird, denn ihre Meere werden größtenteils kalt und daher für die Entwicke— lung der Gletſcher die entſprechendſten ſein. Die heutige Meteorologie lehrt uns dagegen, daß dieſe Gegenden ein oceaniſches Klima haben, deren Winter warm und deren Sommer relativ kalt ſind, wie wir dies eben auf der ſüdlichen Halbkugel antreffen. Zwar bekennen Wallace und Penck, daß eine entſprechende Verteilung von Land und Meer einen großen Einfluß auf die Entwickelung oder eher auf die Erhaltung der Gletſcher in den nächſtfolgenden 12500 Jahren ausübt, aber dies ſchwächt unſere Ein— würfe nicht, denn während der letzten Eiszeit hatten die Kontinente wenigſtens der nördlichen Halbkugel dieſelbe Geſtalt wie heutzutage. Man könnte gegen die Anſichten von Lang, Croll, Penck und Wallace noch mehr Einwürfe erheben, aber ich beſchränke mich nur auf die obigen Punkte, die den Anſichten der Meteorologen widerſprechen, und genügend beweiſen, daß unter den angegebenen Bedingungen keine Eiszeit eintreten konnte. Entgegengeſetzter Anſicht iſt Murphy. Er nimmt an, daß eine Entwickelung der Gletſcher in der Zeit ſtattfinden konnte, als die nördliche Halbkugel während der größten Excentricität ihren Winter im Perihelium hatte. Croll tritt dagegen auf mit der Behauptung, I e S 79. **) Dr. G. Pilar. Ein Beitrag zur Frage über die Urſache der Eiszeiten (Agram 1876). S. 51 u. f. **) Rend J. c. S. 448. 6 Humboldt. — Januar 1890. daß, wenn wir heute über einen Mangel an Schnee und Eis klagen, wir dies nicht einer größeren Som⸗ merhitze, ſondern eher dem Umſtande zuzuſchreiben haben, daß wir im allgemeinen weniger und ſchwächere Schneefälle haben, denn während eines warmen Win⸗ ters kommen die Niederſchläge in Form von Regen vor und nicht in der von Schnee. Er meint auch, daß während der größten Exeentricität, wenn der Winter auf das Perihelium entfällt, wir am wahr⸗ ſcheinlichſten gar keinen Schnee haben werden!). — Dieſe Einwürfe Crolls gegen die Anſicht von Murphy ſind ungerecht. Im Gegenteil ſcheint es mir, daß von allen oben beſprochenen Theorien dies die einzig richtige iſt; man muß dieſelbe nur nach dem heutigen Stande der Wiſſenſchaft darſtellen und erklären. *) Croll. I. e. S. 66 u. 67. Ueber Selbſtreinigungsvorgänge in der Latur. Von Medizinalrat Dr. A. Wernich in Köslin. II.) ine ganz beſonders hohe wiſſenſchaftliche und prak⸗ tiſche Bedeutung für die Selbſtreinigungsvor⸗ gänge im Boden hat man mit Recht den Unter⸗ ſuchungen über das faktiſche Vorhandenſein krank⸗ heiterzeugender (pathogener) Mikroben in den ver⸗ ſchiedenen Erdſchichten beigelegt. Neben den Milz⸗ brandbacillen kamen hier beſonders die Typhus⸗ und Choleraſtäbchen, aber auch jene Mikroorganismen in Betracht, welche Blutvergiftung und Wundſtarrkrampf (Septicämie und Tetanus) erzeugen. Die Frage nach dem Verhalten der Milzbrand⸗ keime im Boden wurde durch den lebhaften Streit zwiſchen Paſteur und R. Koch (1881) weſentlich ge⸗ fördert. Der Erſtere hatte angenommen, daß im Boden ſich aus den bacillenhaltigen Abgängen der milzbrandkranken Tiere, auch im Innern der Milz⸗ brandkadaver Sporen bilden ſollten, die, in Form von Staub auf die Futterſtoffe gelangt, zur Er⸗ zeugung neuer Erkrankungen bei geſunden Tieren fähig wären. Um zwiſchen den tieferen Bodenſchichten und dem Futter der Tiere eine Vermittlung zu haben, ſchuldigte Paſteur die Regenwürmer an, die als „Messagers des germes“ die Milzbrandſporen aus der Tiefe an die Erdoberfläche transportieren ſollten. Vor den kritiſchen Verſuchen Kochs hielten dieſe An⸗ nahmen nicht Stand. Jedenfalls ſtarben die mit milzbrandſporenhaltiger Erde infizierten Verſuchstiere (Mäuſe) viel ſicherer als diejenigen, welchen der Darm⸗ inhalt ſolcher Regenwürmer eingeimpft worden war, die ſich fünf Tage in jener Erde befunden hatten. — Jedoch treten Milzbranderkrankungen erfahrungsgemäß vielfach auch an ſolchen Oertlichkeiten auf, in deren Boden niemals Milzbrandkadaver beerdigt noch Milz⸗ brandſtoffe von kranken Tieren abgeſetzt worden ſind. In tierärztlichen Berichten kehrt regelmäßig die Be⸗ obachtung wieder, daß Ueberſchwemmungsgebiete an Flußufern, auch die Aufſtauungszonen von Sümpfen und Seen äußerſt häufig zu wahren Herden von Milzbrandausbrüchen werden, ſobald Vieh auf den der Ueberſchwemmung ausgeſetzt geweſenen Strecken geweidet oder mit Futter, welches auf dieſen Stellen wuchs, gefüttert wurde. Man kann ſich das Leben der Milzbrandbacillen kaum anders als ſo vorſtellen, daß fie an See⸗ und Flußufern, an Sumpfrändern ) Vergl. Humboldt 1887 S. 209. ſich alljährlich auf ihrem Lieblingsnährboden — halb abgeſtorbenem Pflanzengewebe — während der heißen Monate aus abgelagerten Keimen entwickeln, zur Sporenbildung gelangen und dieſe neuen, allen Witterungsverhältniſſen widerſtehenden Keime im Uferſchlamm ablagern. Bei höherem Waſſerſtande und ſtärkerer Strömung des Waſſers findet eine Auf⸗ wühlung, ein Weiterſchleppen der Schlammmaſſen ftatt, die ſich an überfluteten Weideplätzen ablagern und die hier wachſenden Futterſtoffe mit Milzbrandſporen bedecken. Daß es die oberflächlich en Bodenſchichten ſind, welche den größten Reichtum an pathogenen Keimen zeigen, wurde ohnehin auch durch die auf anderweitige Arten gerichteten Nachforſchungen be⸗ ſtätigt. Für die Milzbrandbacillen gibt es in der Tiefe von 3 m keine Weiterentwickelung mehr; in der Tiefe von 2 m nur eine ausnahmsweiſe. In Erdproben, welche von ſtark verunreinigten Stellen, z. B. ſolchen, an denen Düngerjauche ver⸗ ſickert, hergenommen werden, übertreffen die runden Formen an Zahl die ſtäbchenförmigen (welche ſonſt überall, beſonders wo Garten- und Ackerbau betrieben wird, überwiegen); an ſolchen friſch verunreinigten Stellen kommen auch Schimmelpilze vor. Nach einer gewiſſen Zeit des Eintrocknens und Austrocknens ver⸗ ſchwinden die Kokken aus den Erdproben faſt gänzlich, während ſich 6—8 wohlgekennzeichnete Bacillenarten noch lange unter ſolchen Entwickelungsbedingungen konſervieren, welche den Schluß geſtatten, daß ſie ſich unter der Vermittelung von widerſtandsfähigen Dauer⸗ formen immer wieder erneuern. Bei Gelegenheit dieſer von vielen Seiten nach⸗ geprüften Forſchungen zeigte es ſich, daß durch Impfung mit manchen Erdproben bei Mäuſen, Kaninchen und Meerſchweinchen ein ſtets tödlich verlaufender Vor⸗ gang hervorgerufen werden kann, der durch die an⸗ dauernde krampfhafte Zuſammenziehung gewiſſer Muskelgruppen und heftige Streckkrämpfe als Te⸗ tanus (Spann⸗ oder Starrkrampf) ſich auswies. Feine, ſchlanke, borſtenförmige Bacillen mit deutlicher Sporenfortpflanzung wurden als die Urheber dieſes Krankheitsvorganges erkannt, der nicht mehr eintrat, wenn die Bodenproben auf über 100° erhitzt und auf dieſe Weiſe künſtlich von jenen überaus gefähr⸗ lichen Keimen befreit worden waren. Ha Cal Humboldt. — Januar 1890. : = 10 Dem Typhusbacillus war als Entwickelungs— gebiet von franzöſiſchen Unterſuchern nur eine Boden— ſchicht bis zu einer Tiefe von 50 cm zuerkannt wor⸗ den. Es hat ſich jedoch gezeigt, daß er ſowohl in einer Tiefe von 3 m nod wächſt, als auch während aller Jahreszeiten in unſerem Klima ſeine Entwicke— lungsfähigkeit bewahrt. Auch das Choleraſtäbchen (Kommabacillus) erweiſt ſich durch ſein Vorkommen in entwickelungsfähigen Kolonien bei einer Tiefe von 3m als zu den wenig empfindlichen Arten gehörig; doch ſcheint ſein Wachstum an die Wärme und die Waſſer— verhältniſſe gewiſſer Jahresmonate gebunden zu fein. Soweit die mit Beſtimmtheit im Boden er— mittelten, in ihm gewiſſermaßen verfolgten Arten pathogener Keime, die vielleicht ſämtlich zunächſt auf die Bodenoberfläche gelangen und des Augenblickes harren, in welchem ſie vermittelſt eines geeigneten mechaniſchen Vorganges in eine paſſende Tiefe und unter weitere günſtige Entwickelungsbedingungen ge— bracht werden. Beiden Erforderniſſen genügt wohl am häufigſten und vollkommenſten einſickerndes Waſſer, welches den Mikroorganismus ſowohl in die Tiefe verſchleppt, als ſich ihm — ein notwendigſtes Ernährungsbedürfnis — zur Erfüllung ſeines Wachs— tums und ſeiner Vermehrung darbietet. Vom epi— demiologiſchen Standpunkte würde ſich hier eine Be— trachtung des Malariabodens einreihen. Trotz aller auf ihn verwandten Bemühungen iſt aber der Malaria— keim noch ein hypothetiſches Weſen. Wir kennen ſeine wahre Bildung und Geſtalt noch nicht: wir können ſeinen Entwickelungsformen noch weniger als durch die menſchlichen Gewebe und durch die künſtlichen Kulturböden nachgehen auf jenen dunkeln ſchwierigen Pfaden, welche ſie etwa im Sumpfſchlamm, in den Stollen und Senkungen verſinkender Wurzelgewebe, in den Poren und Waſſeradern des klaſſiſchen Malaria⸗ bodens wandeln möchten. Vielleicht ſind es gerade dieſe hypothetiſchen Malariakeime, welche ſich mit dem Waſſer in die Höhe heben laſſen da, wo es kapillär nach aufwärts ſteigt. Soyka, der zu früh ver- ſtorbene Erforſcher der Bodenmyſterien, hat den ex— perimentellen Nachweis dafür geliefert, daß bei längerem Ausbleiben zureichender Niederſchläge, bei ſtarker Austrocknung der oberſten Bodenſchichten, in— folge der Verdunſtung, ein kapillärer, immer mäch— tiger ſich entfaltender Waſſerſtrom nach der Ober— fläche ſich erhebt. Durch ganz geringe Niederſchläge, ja ſchon durch die nächtlichen Kondenſationen in den oberſten Bodenſchichten, erhalten, erneuert, verſtärkt, fördert er auf dieſe Weiſe die Keime des Bodens aus ihrem unterirdiſchen Daſein an die Oberfläche, wo ihr Schickſal entweder beſtehen kann in einem un— heilvollen Uebertritt auf den Menſchen oder in einem folgenloſen ſchleunigen Zugrundegehen. Mit dieſen Betrachtungen ſind wir mitten in dem Mechanismus der Reinigung des Bodens von Krank— heitserregern angelangt. Austrocknung, widrige Tem- peraturen, die ihre Entwickelung hemmen, der Sauer⸗ ſtoff der Luft, die Einwirkung des Sonnenlichtes, — ſie ſind (neben der Nitrifikation im Bodenwaſſer) die feindlichen Momente, welche dem ungeheuren Ver— mehrungsdrange der pathogenen wie der gleichgültigen Mikroben des Bodens entgegenwirken und ſich in ihm ſelbſt zu mächtigen Faktoren der Selbſtreinigung aus- bilden, organiſieren und verbünden. Immerhin dürften nämlich bei der Zähigkeit der Dauerformen ſtets mehrere Vernichtungsbedingungen nötig ſein, um die angedeutete Wirkung zu erzielen. Wie leicht wirken Sonnenlicht, Ein- und Austrocknung auf Cholera- und Milzbrandkeime in Stäbchenform, — wie langſam, unzuverläſſig und ſchwierig auf die Sporen! — Wie eng begrenzt (nach oben und unten) erweiſt ſich das Temperatur-Optimum für die erſteren, welche ſelbſt der an der Erdoberfläche in tropiſchen Gegenden herrſchenden Wärme ( 50°) erliegen und noch häufiger den niederen Temperaturen beſcheidener Bodentiefen, — und wie groß iſt im Gegenſatz dazu die Widerſtandskraft der Sporen, die das Einfrieren im ſibiriſchen Eiſe wie eine der Siedehitze nahekommende Erwärmung vertragen, ohne ihre Entwickelungsfähig— keit einzubüßen! Auch die Einwirkung des Sauerſtoffes bedarf der Hilfsmomente, weil ſie an ſich nur eine bedingte iſt. Er kommt als reinigendes Agens wohl am kräftigſten bei der Auflockerung des Bodens in Wirkſamkeit und da, wo es ſich um Anasrobien handelt, die außer— halb der kompakten Erdmaſſen oder der in ihnen ſich bildenden kohlenſäurereichen Grundluft ſchnell abſterben. Für dieſe Form des Unterganges liefern die oben näher gewürdigten Tetanusſtäbchen das beſte Beiſpiel. Ein mächtiger Hilfsgenoſſe auf der Seite des Selbſtreinigungsbeſtrebens iſt die Wachstumsbegier der Fäulnis organismen im poröſen Boden: der Wettbewerb der (kurz unter dieſem Namen zuſammen⸗ gefaßten) „Saprophyten“. Sie entreißen den krank— heiterzeugenden Mikroben nicht allein zahlreiche Nähr— ſtoffe und kürzen ihnen das unentbehrliche Waſſer: ſie tragen auch zur Bildung der Kohlenſäure in der Grundluft in gleich hohem Maße bei, wie wir ſie bei der Zerlegung der vorhandenen ſtickſtoffhaltigen Boden— beſtandteile in Ammoniak, ſalpeterſaure und ſalpetrige Salze beteiligt fanden, und beteiligen ſich ſo an der Vertilgung ſolcher pathogenen Formen, welche des unzerlegten Stickſtoffs und des Sauerſtoffs bei ihrer Entwickelung notwendig bedürfen (Aörobien). Es fällt ſchwer, zu glauben, daß mit unſeren inner- halb weniger Jahrzehnte errungenen Kenntniſſen eine völlige Klärung jener Vorgänge erreicht ſei, welche ſegensreich den Verſündigungen am Boden entgegen— wirkten ſchon als weder Vorſtellungen exiſtierten über das in ihm ſich abſpielende organiſche Leben noch über die Macht, mit welcher die unterirdiſchen phyſikaliſchen Bedingungen jenes Leben hegen oder hemmen, fördern oder auslöſchen. Geſpannt erwarten wir von dieſen Forſchungen noch mehr. Nachdem in neueſter Zeit gezeigt worden iſt, daß das Grundwaſſer, auch das von einem verunreinigten Boden ſich ſammelnde, nahe— zu keimfrei iſt, — daß Schichten, welche man ſich faſt beſtehend denken ſollte aus ſchädlichen Spaltpilzen, ihrer Auslaugeflüſſigkeit faſt gar keine beſtimm— 8 Humboldt. — Januar 1890. baren Krankheitserreger mehr mitzugeben imſtande ſind, erwächſt die Wahrſcheinlichkeit, daß noch ganz ungekannte oder in ihrer Bedeutung kaum geahnte Kräfte und Kombinationen bei der Selbſtreinigung des Bodens beteiligt ſein müſſen. Einem alten Ideengange folgend würde ſich unſer Intereſſe vom Waſſer und vom Erdboden der Luft zuwenden, um auch in dieſem Gebiet, welches wir ja dichteriſch noch immer als Lebenselement bezeichnen, Vorgänge erfindlich zu machen, welche unter dem Ge⸗ ſichtspunkt der Selbſtreinigung zu betrachten wären. Nach unſeren gegenwärtigen Kenntniſſen jedoch wie nach den begrifflichen Grenzen, die dem Thema ge⸗ ſteckt wurden (Humboldt 1887, 210), entzieht ſich das Spiel der Kräfte im Luftmeere einer ſolchen An⸗ ſchauung. Das Verhalten des atmoſphäriſchen Stick⸗ ſtoffes erſcheint als ein rein paſſives; als mechaniſches Verdünnungsmittel des Sauerſtoffs erfüllt er ſeine wichtigſte Aufgabe. Dieſer letztere wird in gleichem Maß, wie er durch die atmende Tierwelt, durch ſeine Aufnahme ſeitens der chlorophyllfreien Pflanzen, durch die Oxydation abgeſtorbener organiſcher Subſtanz und unorganiſcher Maſſen, durch Verbrennung atmoſphäri⸗ ſchen Stickſtoffs in der Atmoſphäre, durch Oxydationen von Metallen ꝛc. verbraucht wird, in erſter Reihe durch das beleuchtete Chlorophyll der Pflanzen, dann durch eine faſt unüberſehbare Reihe chemiſcher und wärme⸗ elektriſcher Vorgänge — vermutungsweiſe wohl auch durch gewiſſe Mikroorganismen, welche Kohlenſäure unter Sauerſtoffabſcheidung zerlegen, erſetzt. Im Freien wird mittelſt der Winde und Niederſchläge das Soll und Haben des Sauerſtoffanteils wie des Kohlenſäure⸗ gehaltes mit ſolcher Schleunigkeit ausgeglichen, daß die örtlichen und zeitlichen Gas verunreinigungen zu ihrem Nachweiſe oft der feinſten Hilfsmittel bedürfen. Im geſchloſſenen Raume reinigt ſich die — außer Bewegung und Austauſch gedachte — Luft niemals ſelbſt; Erſatz von außen, mechaniſche Verdrängung allein ijt es, die hier das richtige Gemenge wieder herſtellt: jene Kraft, die auch ausſchließlich imſtande erſcheint zu räumen mit den zelligen, keimfähigen Organismen, die unter fördernden Bedingungen in die Luft übertreten und ſich in ihr ſchwebend erhalten. Eine ältere Selbſtreinigungslehre hatte ſich an eine längſt aufgegebene Auffaſſung der Gewitter, — eine neuere an die Entdeckung des Ozons geknüpft. Auf Grund der Cariusſchen Verſuche, laut deren das in der Luft enthaltene Ammoniak durch Ozon oxydiert und in unſchädliche Verbindungen zerlegt wird, fühlte man ſich eine Zeitlang zu weitgehenden Schätzungen der Bedeutung, welche dieſer Körper für den Haushalt der Natur im großen und für die Reinigung der Luft im beſonderen haben ſollte, ge- neigt. Mit mehr Sicherheit als Grund wurden die günſtigen Wirkungen von See-, Gebirgs-, Waldluft dem vermehrten Ozongehalt folder Oertlichkeiten zu— geſchrieben. Später hat man die nervenerregende Wirkung des Ozons und ihm ähnlicher Gasbei- mengungen von den Erforderniſſen an eine reine Luft auseinanderhalten gelernt und weiß jetzt, daß letztere auch dort erhalten und geatmet werden kann, w Ozonentſtehung nimmer anzunehmen iſt. Laſſen ſich hiernach aus dieſem Bereich unſeren Gegenſtand vertiefende Fakta nicht hernehmen, ſo bieten ſich als wunderbarſte Beiſpiele von Selbſtreinigungs⸗ prozeſſen in der organiſchen Welt die Abläufe der verſchiedenſten Infektionskrankheiten im menſch⸗ lichen Körper dar. Mit Recht unterſcheidet man ein niederes primitives Leben der Mikroorganismen auf ihren Wirten oder Nährboden, ein beſcheidenes Vegetieren, durch welches die letzteren kaum ange⸗ griffen werden, von dem innigeren Mikroparaſitismus, zu welchem man die Mehrzahl der Gährungen und Fäulnisprozeſſe bereits rechnet, welche — wenn auch langſam — ihre Nährmedien völlig verwandeln und gewiſſer chemiſcher Beſtandteile bis zur Erſchöpfung berauben. Wie es aber Gährungen gibt von ſolchem Ungeſtüm, daß einige wenige Mikroben auf das richtig gewählte Nährmedium eine Wirkung ausüben, wie ein Funken auf eine Pulvertonne, — ſo kennen wir Krankheitsbakterien von ſolcher Machtentfaltung, daß bei ihrem Eindringen und ihrer Vermehrung Blut und blutbereitende Organe, Lymphe und Drüſen⸗ flüſſigkeiten ergriffen, zerſetzt, verwandelt, — daß die feſten Gewebe verheert, die Zellen bis zur Unkennt⸗ lichkeit verändert, — die ſämtlichen normalen Lebens⸗ thätigkeiten im Fieber und Delirium nahezu abgeſchafft erſcheinen. Die Mikroben ſind da zu Millionen vor⸗ handen: fie find bereit zum Uebergang auf alle wet- teren empfänglichen Menſchen, fie rechtfertigen das Bild der gefräßigen, um ſich greifenden Flamme, wie unſere ſelbſtdichtende Sprache es in das eine Wort „Anſteckung“ gelegt hat, in jedem Punkt. Und trotz⸗ dem: waren ſie nicht in entſcheidender Ueber⸗ macht thätig an ihrem Zerſtörungswerke, ſo kommt die Stunde der Wendung; alle Körperausſcheidungen beteiligen ſich vom beſtimmten Krankheitsabſchnitte an der Ausfuhr des Fremdartigen; alle Säfte, alle Ge⸗ webe, alle Zellen werden wieder frei und rein. Sie kehren in den vorherigen normalen Zuſtand zu⸗ rück und erſcheinen nach manchen akuten Anſteckungs⸗ leiden oft widerſtandsfähiger, friſcher und leiſtungs⸗ fähiger als vor dem Anfall und ſeinem gefahrvollen Sturm. Bei ſchleichenden Infektionen, wo der An⸗ griff auf das Zellenleben langſamer, die Beſitznahme des bedrohten Leibes nicht unter Exploſionen vor fic) geht, — da braucht auch der Reinigungs- und Befreiungs⸗ vorgang ſeine Zeit; bei manchen Krankheiten, wie bei dem tückiſchen Rückfalltyphus, bei der Tuberkuloſe u. a. hat ſich der Feind gleichſam in eroberten Schanzen und Außenwerken feſtgeſetzt, lauert, bricht aus und droht noch lange mit gelegentlichem Anſturm und Vernichtung. Wo aber immer von einer Infektions⸗ krankheit auch nur je ein Fall von Heilung vorkam, bildete er einen Beitrag zur Schätzung der über⸗ wältigenden Leiſtungsfähigkeit, welche der menſchliche Organismus auf dem Gebiet der Selbſtreinigungs⸗ vorgänge an den Tag zu legen bereit iſt. Humboldt. — Januar 1890. Die berwandtſchaftsbeziehungen der Raubſäugetiere. Von Prof. Dr. G. H. Theodor Eimer in Tübingen. 1 in weſentliches Ergebnis meiner ſeit 1885 im g „Humboldt“ veröffentlichten Unterſuchungen über die Zeichnung der Raubſäugetiere ſind Schlüſſe auf die verwandtſchaftlichen Beziehungen dieſer Tiere. Ich ſchließe aus der Zeichnung, daß die Zibethkatzen (oder auch ausgeſtorbene nahe Verwandte derſelben) die Stammform der Raubſäugetiere darſtellen, ſo daß einerſeits die Katzen-, andererſeits die Hunde- und Hyänenartigen und in einer dritten Linie die Marder⸗ und vielleicht bärenartigen aus ihnen hervorgegangen ſind. Wenngleich ich bei dieſen Schlüſſen die ana— tomiſchen Verhältniſſe, insbeſondere den Bau des Gebiſſes, ſelbſtverſtändlich mit in Rechnung gezogen hatte, ſo ging ich doch in meinen bisherigen Ver— öffentlichungen darauf nicht näher ein, noch weniger auf die Thatſachen, welche die Paläontologie uns an die Hand gibt. Notwendig muß aber der Zahnbau und muß insbeſondere eben die Urgeſchichte die Probe dafür abgeben, ob meine oder ob irgendwelche andere der früher aufgeſtellten Anſichten richtig ſind. Ohne dieſe Proben haben auf die Verwandtſchaft gezogene Schlüſſe, mögen deren Vorausſetzungen noch ſo ein— leuchtend ſein, die rechte Weihe nicht erhalten. Ich werde daher im folgenden die bezüglichen Funde beſprechen. Leider iſt aber der Stoff zur Behandlung der urgeſchichtlichen Beziehungen unſerer Tiere vielfach lückenhaft und ſind die Paläontologen unter ſich über die Deutung auch der bekannten Thatſachen bisher nicht einig geweſen. Noch weniger waren es die Zoologen, welche ihr Syſtem bald mehr auf das Gebiß, bald mehr auf die Paläontologie aufbauten, und ſo findet man in den Lehrbüchern ſo verſchiedene Aufſtellungen in Beziehung auf unſere Frage, daß man wird ſagen können, es ſei darin annähernd jede mögliche Zuſammenſtellung vertreten. Deshalb werde ich von vornherein mit einigem Grund den Anſpruch erheben dürfen, daß meine Unterſuchungen über die Zeichnung bei der Beurteilung der Frage entſcheidend mit gehört werden. Betrachten wir kurz jene verſchiedenen Auf— faſſungen. Wohl die Mehrzahl der Syſtematiker ſieht als die Stammform der Raubſäugetiere die katzenartigen im engeren Sinne, die Felidae oder Felina an, ge- langt von ihnen entweder unmittelbar zu den hunde— artigen, dann zu den Hyänen und Zibethkatzen, Mar— dern und Bären, oder es werden von den eigentlichen Katzen die Zibethkatzen abgeleitet und von dieſen die übrigen Familien. Wieder andere Zoologen ſtellen die Zibethkatzen gar ganz hoch hinauf, zwiſchen Hunde und Hyänen einerſeits und Marder und Bären an— dererſeits. Humboldt 1890. Am auffallendſten aber erſcheinen die Wider⸗ ſprüche, wenn man die Sachlage an einer einzelnen Familie prüft. So ſtellt z. B. Nicholſon in ſeiner Paläontologie die Hyänen als einen Uebergang zwiſchen Zibethkatzen und Katzen hin). Giebel ſtellt die Hyänen zwiſchen Katzen und Hunde-). Oken hob die Aehnlichkeit der Hyänen mit den Hunden hervor und ſtellte die erſteren über die letzteren“). V. Carus dagegen fügt die Hyänen wie Giebel zwiſchen Hunde und Katzen ein). Gehen wir nun zuerſt an die Betrachtung des Gebiſſes und anderer Eigenſchaften der lebenden Tiere zum Zweck der Beurteilung ihrer Verwandtſchaft. Gebiß und andere Eigenſchaften der lebenden Naubſäugetiere. Als wichtigſtes Mittel für die Feſtſtellung der Verwandtſchaft der Raubſäugetiere werden die Bac: zähne angeſehen, während die Schneidezähne, deren ſich überall 6 oben und ebenſoviele unten finden, und die Eckzähne wenig Unterſcheidendes bieten. Unter den Backzähnen iſt der Reißzahn das Hauptmerkmal des Raubſäugetiergebiſſes; er iſt überall deutlich zu erkennen, nur nicht bei den Bären, bei den Waſch⸗ und Naſen-, ſowie bei den Wickelbären (Procyon, Nasua und Cercoleptes), bei welchen alle Backzähne ſtumpfhöckerig geworden ſind, — ent⸗ ſprechend der Vorliebe dieſer Tiere für Pflanzen⸗ nahrung. Nehmen wir zum Ausgangspunkt für die Be— trachtung der Bezahnung diejenige der Zibethkatzen, ſo ſind hier als beſonders bemerkenswert die zwei letzten oberen Backzähne nt) jederſeits deshalb hervor- zuheben, weil ſie ſtark quer ſtehen. In weniger auf— fallender Weiſe findet ſich dasſelbe Verhältnis bei den Hundeartigen. Bei den Mardern, Hyänen und Katzen, ſowie bei den Bären fehlt oben der letzte hintere Backzahn, der zweite iſt nicht quer geſtellt bei den Bären und u. a. bei dem dem Bären verwandten Dachs. Nicht quer ſind die beiden hinterſten oberen Backzähne auch bei der Gattung Nasua, nur etwas quer tft der hinterſte bei Procyon. Bei den Katzen fehlt oben nicht nur der hinterſte Backzahn, ſondern auch der zweithinterſte iſt ſehr klein. Bei der Fiſch— otter iſt nur ein hinterer oberer Backzahn vorhanden, welcher quer ſteht. ) Nicholſon, Manual of Palaeontology II. S. 396. ) Giebel, Säugetiere S. 853. “ Oken, Naturgeſchichte S. 1570. 7) V. Carus, Zoologie I. S. 122 und 123. i) Man vergleiche hiezu und zum Folgenden die Ab— bildungen, für die Zibethkatzen die vom Ichneumon. 2 10 Humboldt. — Januar 1890. Auf dieſe urſprünglich alſo in der Zweizahl vor⸗ handenen oberen hinteren Backzähne folgt nach vorn der Reißzahn. Dann folgen überall drei Lückenzähne: nur bei den Katzen iſt der vorderſte derſelben ver⸗ ſchwunden und bei den Bären iſt noch ein weiterer neben dem Eckzahn eingeſchoben. Unten iſt hinter dem Reißzahn überall nur ein Backzahn vorhanden, außer bei den Hundeartigen, welche deren zwei beſitzen. Lückenzähne ſind bei der Fiſchotter und bei den Hyänen nur drei vorhanden, bei den Katzenartigen gar nur zwei, ſonſt überall vier, bei den Bären aber fünf. Auch an einem Schädel des Labradorhundes der Tübinger Sammlung beſteht dasſelbe Verhältnis wie bei der Fiſchotter. Es ergeben ſich ſonach für die Backzähne die folgenden Formeln, wenn vorausgeſetzt wird, daß je die obere Zahlenreihe den oberen, die untere den unteren Backzähnen entſpricht, je die erſte Zahl oben, bezw. unten, aber die Zahl der Lückenzähne (Prämolare) die zweite (1) den Reißzahn, die dritte die hinteren Backzähne (Mahlzähne, Molare) bedeutet. Als Reißzahn iſt oben der letzte Lückenzahn, unten der erſte Mahlzahn bezeichnet. Bibethtaten: Viverra (Südeuropa, Aſien, Afrika) (Viverridae) Herpestes 5 2 5 Bassaris (Mexiko) Cynogale (Sumatra, Mexiko) Galidictis (Madagaskar) 8 Paradoxurus (Südaſien und indiſcher Archipel): e (beide quer) a. 2 1 ea 55 Hundeartige: Canis (ganze Erde): ae) ea (beide quer) bee 471.2 q 779 70 Otocyon (Kap): 3.1.3 (Giebel) 3.1.4 (Owen) 71—8 4.1.3 8 Hyänenartige: Hyaena (Afrika und angrenzendes Aſien): (Hyaenidae) Bs ih 1150 Veloce 3.1.0 9 ie Proteles (Südafrika): 4 Re 4 £ Bae Katzenartige: Felis (ganze Erde außer Neuholland) Felidae) Cynailurus (Afrika, Aſien): Heil oil . 210 7 Marderartige: Mustela (ganze Erde, außer Neuholland) (Mustelidae) Helictis (Südaſien) Gulo (Nordeuropa, Amerika): — IL 5 n 2 a Lutra (ganze Erde, außer Neuholland) Icticyon (Braſilien): 3.3.1 (bei Lutra ähnlich quer 5 I ah wie bei Canis) Ree Enhydris (nördl. großer Ozean) Putorius (ganze Erde, außer Neuholland) Rhahdogale (Afrika, Kleinaſien) Galictis (Südamerika) Mydaus (Java, Nordindien): N (Put. Rhabd. quer) as Speen 5 Mephitis (Nord- und Südamerika): — E ee (auffallend groß . 5 1 1 f Bi GH) ee Ratelus (Afrika, Oſtindien): n 4 1 5 5 855 Meles (Nördliche gemäßigte Zone); Big ths il (ſehr groß, nicht quer) beg 3 1 2 nach unſern Schädeln Ta ſonſt: . dheal 5 + 1 2 Nes indem der erſte Lückenzahn frühzeitig ausfällt. Ursus: 3.1.2 5 6 3.1.3 GEE ae Thies Zu ihnen werden geſtellt die: Procyon (Nord- und Südamerika) Nasua (Südamerika): — — (nicht quer) Ailurus (Himalaya) Arctitis (Sundainſeln, Hinterindien) Cercoleptes (Mittelamerika): —— (Cercol. nicht quer) Um einen beſſeren Ueberblick über die Zahl der Back zähne zu bekommen, gaben wir vorſtehend in der hinter⸗ ſten Reihe deren Geſamtzahl. Um aber auszudrücken, wie viele obere vordere oder hintere oder welche untere vordere oder hintere Backzähne im Verhältnis zum Viverren⸗Gebiß, das wir zum Ausgangspunkt der Vergleichung nehmen, in einem beſtimmten Gebiß mehr oder weniger vorhanden ſind, ſetzen wir im folgenden entweder vor oder hinter die Zahl, welche die oberen oder die unteren Backzähne bezeichnet, die Anzahl dieſer Zähne mit einem + oder — Zeichen bei. Es würde alfo ae ay die Formel, welche für Cercoleptes gilt, heißen, daß bei dieſem Tiere 5 obere und 5 untere Backzähne vorhanden ſind und zwar ein oberer vorderer und zwei untere vordere weniger und ein unterer hinterer mehr als bei Viverra. Bezeichnen wir die Formel für die Viverridae ; 6 mit ——, fo haben demnach Bärenartige: (Ursidae) Halbbären: (Subursidae) =o er es as Canis nom Mephitis (—1—2)3—4(—1) Labradorhund 7 CI) (1) 5 Labradorhun — = der Tübi ger abe, ses e Sammlung (1) 6 CD (ay) tb) Otocyon 7—8 (1-2) Meles 5 (—1) 8 (+2) CD 6 GY) Hyaena 5 () A ay 5 (=) A ©) oder: Tay Felis (teat) Ur: A (—2) 5 rsus 2 Mustela 5 (1) (—)) e 2 Nasua und wig Lutra 5. IO Procyon (—1) 6 (+1) (—1) 5 Cercoleptes (—1) 5 Putorius (=) _ 42 0) (—2) namic 441) G1) 5 Um dieſe Formeln für die Verwandtſchaft der einzelnen Gruppen von Raubſäugetieren ausgiebig verwenden zu können, wäre es nötig, überall auch die der Milchgebiſſe zu kennen. Denn es iſt als ſelbſt⸗ verſtändlich zu erwarten, daß die Verwandtſchaft von je mehreren jener Gruppen durch eine gemeinſame Milchgebißformel Ausdruck findet und ließe ſich durch die Kenntmis der letzteren feſtſtellen, durch welche Ver⸗ änderungen in jedem Falle das endgültige Gebiß ent⸗ ſtanden iſt. In der That haben Viverra Canis Hyaena Lutra — — — te all eee ele { Die gemeinſame Milchgebißformel 0 — e Dagegen hat Felis 0 Il Ursus . — — 18 2 bo — Procyon Nasua Cercoleptes Arctitis haben. — Humboldt. — Januar 1890. 11 Viel mehr dürfte über die Milchgebiſſe der Raub⸗ ſäugetiere nicht bekannt ſein und wir müſſen uns alſo an die endgültigen Gebiſſe halten. Aus Vorſtehen⸗ dem ziehen wir nur einſtweilen den Schluß, daß nach dem Milchgebiß Viverra, Canis, Hyaena und Lutra untereinander näher verwandt ſind als mit Felis und daß Ursus beiden Gruppen gegenüber eine be— ſondere Stellung einnimmt, endlich daß Procyon, Nasua, Cercoleptes, Arctitis, den fog. Subursidae, wiederum etwas Beſonderes zukommt. Außerdem er⸗ ſehen wir aus den bekannten Formeln von Mild- gebiſſen noch, daß Gruppen von Raubſäugetieren, deren endgültige Gebiſſe ſehr verſchieden ſind, wie z. B. Bären und Hyänen oder Bären und Katzen, doch wenig verſchiedene Milchgebiſſe haben, was auf nähere urſprüngliche Verwandtſchaft auch dieſer Gruppen ſchließen läßt. Gehen wir von urſprünglich größerer Ueberein— ſtimmung der Gebiſſe, wie fie ja unzweifelhaft vor- ausgeſetzt werden muß, wenn wir überhaupt von der Abſtammung einzelner Gruppen unſerer Tiere von anderen reden wollen, aus, ſo frägt ſich: aus welchen Urſachen find die jetzigen Verſchiedenheiten wohl ent- ſtanden? Können wir mit einiger Sicherheit auf dieſe Urſachen ſchließen, fo haben wir die beſtehenden Ver- ſchiedenheiten um ein weſentliches überbrückt und ſind der Einheit näher gekommen. Durch Vergleichung der endgültigen Zahnformeln werde ich zu dem Schluß geführt, daß die größere oder geringere Zahl der Zähne mit der Art der Er— nährung zuſammenhängt: am reichſten entwickelt iſt das Gebiß bei den von gemiſchter Koſt lebenden Bären, die wenigſten Zähne beſitzen die reißendſten Raubtiere, die katzenartigen, welche ihre aus größeren Tieren beſtehende Nahrung nur zerreißen bezw. jer ſchneiden und nicht kauen, während eben die Bären die Pflanzennahrung, die ſie neben der Fleiſchnahrung zu ſich nehmen, ausgiebig kauen müſſen. Bemerkens⸗ werterweiſe iſt auch bei der nur von Fiſchen Leben- den Fiſchotter die Zahl der Zähne im Vergleich zu den Zibethkatzen und zu ihren näheren Verwandten, den Mardern, verringert und überhaupt das Gebiß zurückgebildet: oben iſt nur ein Mahlzahn vorhanden und der vorderſte Lückenzahn iſt ſehr klein, unten finden ſich nur drei Lückenzähne und es iſt ſehr auf- fallend, daß beim Labradorhund, der gleichfalls weſent⸗ lich oder ausſchließlich von Fiſchnahrung leben wird, gegenüber dem gewöhnlichen Hund auch eine Rück— bildung des Gebiſſes dahin eingetreten iſt, daß ſich unten bei ihm, nach dem in der Tübinger Gamm- lung befindlichen Schädel zu ſchließen, ein Lückenzahn (der vordere) weniger findet. (Vergl. die Abbildung.) Indeſſen darf ich auf dieſen einen Fall — andere Schädel von Labradorhunden kenne ich nicht — kein zu großes Gewicht legen.“) Bei der im nördlichen ) Uebrigens fehlt Icticyon venaticus in Braſilien und der Untergattung Cyon, nördlich und nordöſtlich vom Altai, beide lebend, der dritte Mahlzahn des Unterkiefers und der hinterſte obere Mahlzahn derſelben iſt ſehr klein (vergl. O. Schmidt, Die Säugetiere in ihrem Verhältnis Großen Ocean lebenden, der Fiſchotter verwandten Seeotter (Enhydris) ſind vorn oben ſogar nur zwei Lückenzähne vorhanden. Auch bei den Hyänen iſt, wohl gleichfalls entſprechend der reißenden Art ihrer Ernährung gegenüber ihren nahen Verwandten, den Hunden, eine Rückbildung des Gebiſſes eingetreten und zwar wie in allen genannten Fällen (außer Canis domesticus labradoricus) auf Koſten des oberen hinteren Mahlzahnes, was eben dadurch begreiflich ſein dürfte, daß die quergeſtellten Mahlzähne vor— züglich zum ausgiebigen Kauen dienen müſſen. Es handelt ſich alſo insbeſondere bei den Katzen, nur in geringerem Grade auch bei der Fiſchotter, der Seeotter, den Hyänen, um Raubſäuger, welche ihre aus großen Tieren beſtehende Nahrung mehr zer— reißen und verſchlingen, als kauen, ſo daß ihnen wenige, aber ſehr große und ſcharfe Zähne (Reiß— und Eckzähne) genügend ſind. Indem aber die Zähne bei dieſen Raubſäugetieren weniger zahlreich werden, werden die Kiefer in der Regel kürzer und zugleich breiter. Dies gilt z. B. für Bären, Hunde, Hyänen, Marder (bezw. Fiſchotter und Fielfraß) und Katzen, wie die beifolgenden Abbildungen der Schädelunter— ſeite zeigen. Man könnte daran denken, damit den Ausdruck einer Verwandtſchaftsreihe vor ſich zu haben. Und in der That dürfte es die Vergleichung von Hyänen⸗ und Katzenſchädel in der gegebenen Anſicht geweſen ſein, welche einen unſerer Zoologen zu der Annahme geführt hat, daß dieſe zwei Schädel am meiſten unter allen unmittelbar verwandt ſeien. So⸗ wie man aber die Schädel in die natürliche Lage ſtellt, wird man erkennen, daß dies durchaus nicht der Fall ijt: der Hyänenſchädel iſt viel mehr Hunde- als Katzenſchädel — ja ſeine Hirnkapſel iſt, ganz im Gegenſatz zu jener der Katzen, viel mehr ſeitlich zuſammengedrückt als die der Hunde. Dagegen er— innert der Schädel der Katzen eher an jenen der Zibethkatzen, abgeſehen davon, daß er kürzer und gewölbter iſt. Die Aehnlichkeit von Hyänen- und Katzenſchädel wäre alſo meiner Anſicht nach nur eine äußere, in zweiter Linie durch die ähnliche Art der Ernährung im Zuſammenhang mit der erwähnten Rück⸗ bildung des Gebiſſes entſtandene. Noch ein Raub— zur Vorwelt. Leipzig 1884. S. 240). Und Profeſſor Neh- ring in Berlin ſchreibt mir, daß, nach den 700 Hunde— ſchädeln der Sammlung der dortigen landwirtſchaftlichen Hochſchule zu ſchließen, die erſten Lückenzähne denſelben häufig fehlen und daß auch überzählige vorkommen. Be— ſonders häufig ſei jenes Fehlen bei den von Nehring mehr— fach beſprochenen altperuaniſchen Inkahunden. Nehring möchte daher vorläufig nur eine große Variabilität der Zahnformel bei den Haushunden anerkennen. Aber die Antwort auf die von mir an ihn geſtellte Frage, ob bei Labradorhunden, bezw. bei nordiſchen Hunden, welche weſentlich von Fleiſch (Fiſchen) leben dürften, die vorderen Lückenzähne häufiger fehlen als bei anderen, ſcheint meine Anſicht doch zu beſtätigen. Denn unter vier Eskimohunden der Berliner Sammlung, von welchen zwei „juvenil, zwei normal ſeien“, fehle bei einem der vordere Lückenzahn oben links, bei einem anderen fehle er oben auf beiden Seiten und dazu fehle oben rechts noch der dritte Lückenzahn. 12 Humboldt. — Januar 1890. ſäugetier iſt zu erwähnen, welches gleich den Katzen,] denn auch, wie beim Fuchs, die Schnauze verhältnis⸗ Hyänen und Fiſchottern einen kurzen, breiten Ober⸗ mäßig langgeſtreckt, fo bei den Spitzmäuſen, dem kiefer und entſprechend Maulwurf, dem Igel, gebauten Schädel hat: und dementſprechend ſind der Fielfraß, Gulo bo- bei ihnen die Zähne zahl⸗ realis, bei welchem oben reich. So hat auch der nicht nur der hintere von Kleingetier in Süd⸗ quere Backzahn fehlt, afrika lebende Löffel⸗ ſondern auch die vor⸗ hund, Otocyon Lalan- dern zwei Lückenzähne dii, einen oberen und ſehr klein ſind. Endlich einen unteren Mahlzahn iſt, wie ich nicht ver⸗ (den hinterſten) mehr geſſen darf, zu erwähnen, als die Gattung Canis. der Geſichtsſchädel breit Derſelbe ſchließt ſich in und das Gebiß mehr oder ſeiner Geſtalt an die weniger verkümmert Füchſe an, wird aber bei den meiſt von Fiſchen eben wegen ſeiner Viel⸗ lebenden Floſſen⸗ i zahnigkeit als eine füßern (Pinnipedia), Urform der Hunde welche unzweifelhaft angeſehen n). Giebel von Landraubſäuge⸗ indeſſen nennt das tieren abſtammen, ſo Gebiß des Otocyon bei den Seehunden ein ſolches mit ent⸗ und anderen. ſchieden omnivorer Auf der anderen Bildung ). Seite iſt alſo die In ausgezeichne⸗ Zahl der Zähne ter Weiſe haben wir unter ſonſt gleichen den Uebergang von Verhältniſſen größer reinen Fleiſchfreſſern als bei den nächſt⸗ zu Allesfreſſern im verwandten Fleiſch⸗ Gebiß der Marder⸗ freſſern bei Raub⸗ artigen, dann der ſäugetieren, welche Dachſe und Bären nicht von reiner ausgeſprochen. Das Fleiſchkoſt leben und Gebiß der Dachſe welche viel kauen, be⸗ ſteht zwiſchen dem ſonders bei Pflan⸗ der Marder und der zenfreſſern: bei den Bären, beſonders in Bären. Bei dieſen Beziehung auf die ſind denn auch die höckerige Beſchaffen⸗ Backzähne mehr hök⸗ heit der hinteren. kerig als ſpitz und Backzähne, von wel⸗ die eigentümliche Ge⸗ chen der obere übri⸗ ſtalt der Reißzähne tritt, wie bemerkt, zurück, während um⸗ gekehrt bei den we⸗ ſentlich mit von Kleingetier lebenden Raubſäugetieren, wie beim Fuchs, ſchon gegenüber dem ver⸗ wandten Hund und Wolf die Backzähne ſpitziger ſind, eine Einrichtung, welche bei den Raubſäuge⸗ — — = 5 5 5 0 tieren unmittelbar 5 tiere S. 823. Abbil⸗ verwandten Inſektenfreſſern noch weiter ausgebildet dung des Gebiſſes vgl. Klaſſen und Ordnungen des Tier⸗ iſt. Bei dieſen von Kleingetier lebenden Räubern iſt reiches; Giebel, Säugetiere, Taf. XI, Fig. 5 u. 6. . gens auffallend groß iſt. Dasſelbe gilt für die Geſtalt des Ge⸗ ſichtsſchädels. Da⸗ gegen erſcheint es als eine nicht ſo leicht erklärbare Thatſache, daß Meles einen obe⸗ ren vorderen Lücken⸗ zahn weniger hat als Mustela und Ursus. ) Bel. O. Schmidt Humboldt. — Januar 1890. 13 Wahrſcheinlich iſt, wie ſpäter noch berührt werden ſoll, Meles eine ſeitlich abgezweigte Form. Daß die fo blutgierigen Putorius (Iltis, Wieſel, Frettchen) noch einen unteren hinteren Backzahn weniger haben, Ebenſowenig die kleine Zahl wird nicht auffallen. von Zähnen bei Mephitis, welche gleichfalls Räuber ſind. Dagegen läßt ſich aus den mitgeteilten Ge— ſichtspunkten nicht ohne weiteres erklären, daß einige andere Verwandte der Gattung Mustela, welche von gemiſchter Nahrung leben, wie z. B. Mydaus, verhält⸗ nismäßig wenige Zähne haben. Gerade bei My- daus ſind übrigens die hinteren Backzähne, be- ſonders die oberen, auf— fallend groß, vorzüglich zur Zerkleinerung von Pflanzennahrung ge— eignet, die Reißzähne für Fleiſchnahrung. Bei manchen Aus⸗ nahmen von der Re— gel könnte es ſich auch um Funktions: wechſel handeln, d. h. darum, daß die Cr- nährungsweiſe im Verlauf der Stam⸗ mesgeſchichte gewech— ſelt hat, um ſo eher, als gerade unter den in Frage ſtehenden Formen mehrfach Wl- lesfreſſer ſich finden. Die Zeichnung führte mich darauf, die gewöhnlich zu den Ursidae geſtellten Waſch⸗ und Naſen⸗ bären und ebenſo die anderen fog. Subur- sidae in die Nähe der Zibethkatzen zu ſtellen. Dagegen ſpricht auch das Ge— biß nicht. Sie ſind, wie die Bären, Alles⸗ freſſer, mit höckerigen Backzähnen. Nasua ſtimmt auch in der langgeſtreckten Geſtalt des Geſichtsſchädels mit Viverra überein. Dagegen iſt der Schädel von Pro— cyon für einen Allesfreſſer ausnahmsweiſe kurz. Beide Gattungen haben keine quergeſtellten hinteren Backzähne wie die Zibethkatzen und wären jedenfalls als eine beſondere Gruppe neben ihnen hinzuſtellen; und zwar ſind beide offenbar wieder nicht gleichwertig: Procyon Ichneumon ſcheint nach Gebiß und Geſtalt und insbeſondere auch nach der Zeichnung mehr eine einerſeits Viverren, an— dererſeits Caniden naheſtehende Form zu fein. Wie ich im VI. Aufſatz über die Zeichnung der Tiere be— merkte, hat er am Hals die Zeichnung der Zibeth— katzen, am Rumpf aber einzelne der Querbinden quer— geſtreifter Zibethkatzen und zwar dieſelben, welche auch bei Hunde— artigen vorkommen, end⸗ lich iſt ſein Schwanz wie bei Zibethtieren, Katzen und zuweilen auch beim Fuchs ge— ringelt. Die Stirnzeich— nung iſt marder- oder bärenartig. Am abweichendſten verhalten ſich Schädel und Gebiß des gleich— falls omnivoren Wickel— bären (Cercoleptes) und iſt derſelbe ſyſtema— tiſch ſchwer unterzu— bringen. Da er mit den vorigen ohne triftigen Grund ge— wöhnlich zuſammen zu den Subursidae geſtellt wird, ſo mag er mit ihnen einſt⸗ weilen verbunden bleiben, auch wenn man fie zu den Biz bethkatzen ſtellt. Zu— dem würde für ſeine Zugehörigkeit zu letz— teren ſeine Geſamt— geſtalt ſprechen. Da— gegen gehört dem Gebiß nach näher zu den vorigen der hauptſächlich von Pflanzen lebende Aretitis mit höckeri— gen Backzähnen und der von Pflanzen lebende Ailurus mit wahren Pflanzen— freſſerbackzähnen. Die auffallendſte Beſonderheit im Bau des Gebiſſes gegenüber den nächſten Verwandten zeigt Proteles Lalandii im Vergleich zu dem der gewöhn— lichen Hyänen. Das Tier hat nur noch vier obere und vier untere, faſt ſtiftförmig verkümmerte Backzähne. Dasſelbe ſoll vorzüglich von den Fettſchwänzen von Schafen leben. Die von mir vertretene Auffaſſung von den Be— ziehungen des Gebiſſes, bezw. der Nahrungsaufnahme 14 Humboldt. — Januar 1890. zu der Geftalt des Geſichtsſ der Huftiere, z. B. der Schweine, der Pferde und der Wie⸗ derkäuer, von wel⸗ chen die erſteren, wie die Bären mit höcke⸗ rigen Backzähnen, gleich dieſen von ge⸗ miſchter, die übrigen ausſchließlich von Pflanzenkoſt leben. Allein ich darf nicht unterlaſſen, zu be⸗ merken, daß noch verſchiedene andere Geſichtspunkte außer den hervorgehobenen, zur Erklärung der Geſtaltung und der Bezahnung der Kie⸗ fer mit in Betracht zu ziehen ſind, Ge⸗ ſichtspunkte, welche dann gegebenen Falls auch zur Erklärung von Ausnahmen bei⸗ gezogen werden dür⸗ fen. So können we⸗ nige ſehr große und noch dazu etwa vielſpitzige Zähne eine größere Zahl kleinerer einfacher erſetzen (Fledermäuſe, in erſterer chädels ſcheint auch noch Beziehung auch Elefant). Ferner ſpielt eine große geſtützt zu werden durch die langgeſtreckten Schädel [Rolle bei der Verlängerung der Schnauze die Aus⸗ 5 5 5 : bildung der Riechwerkzeuge: da wo das Riechver⸗ Amerikaniſcher Bar. Amerikaniſcher Bar. mögen ſehr entwickelt iſt und wo die Muſcheln lange Zugkamine zum Ein⸗ ziehen der Luft darſtellen, iſt die Schnauze ſehr lang. So bei den gut rie⸗ chenden Hunden, z. B. den Hühnerhunden im Gegenſatz zum Pinſcher und Mops u. a. und wie bei den Wiederkäuern. Auch riechen die ka⸗ ctzenartigen Raubtiere bekanntermaßen nicht entfernt ſo gut, wie die hundeartigen. Beſonders dürfte aber bei Huftieren, vorzüglich bei wieder⸗ käuenden und bei den pferdeartigen, die Länge der Schnauze mit auf den Bau der Riechwerkzeuge zurückzuführen ſein. Denn hier ſtellen die Muſcheln nicht enge, vielfach gefaltete la⸗ byrinthiſche Gänge her, ſondern einfache, lange Kamine mit glatten Wänden: durch die Länge muß hier derſelbe Zweck erfüllt werden wie dort durch die Vielzahl und Enge der Röhren. Da im übrigen ſo verſchiedene Geſichtspunkte bei Beurteilung des Gebiſſes und der Geſtalt des Geſichtsſchädels in Frage kommen, ſo iſt nicht zu erwarten, daß die von mir gel⸗ tend gemachten Be⸗ ziehungen zwiſchen Thätigkeit und Ge— ſtaltung in allen Fällen ausgezeichnet zum Ausdruck kom⸗ men. Es muß ge⸗ nügen, wenn es in der Hauptſache und für die größere Zahl der Fälle gilt und das kann nach Vorſtehendem keinem Zweifel unterliegen. Und überhaupt ergibt ſich aus dieſer Betrach⸗ tungsweiſe als ſelbſtverſtänd⸗ lich, daß nur die jeweils bei ganz nahen Ver⸗ wandten vor⸗ kommenden Verſchiedenhei⸗ ten unmittelbar durch Wirkung der Thätigkeit auf die Geſtaltung er—⸗ klärt werden dürfen: man darf alſo nur Verwandtes mit un⸗ mittelbar Verwandtem vergleichen und deſſen Form phyſiologiſch er— klären wollen. Ferner iſt als ſelbſtverſtänd⸗ lich vorausgeſetzt, daß die übrigen Teile des Gerippes unſerer Tiere in meiner Betrachtung deshalb nicht näher Be- rückſichtigung fanden, weil ſie wichtigere Merkmale als Schädel und Gebiß zur Löſung unſerer Fragen kaum zu liefern vermögen. Die dem Vorſtehenden zu Grunde gelegte Be— handlung gibt alſo Beiſpiele dafür ab, wie ſehr die phyſiologiſche Seite, die Berückſichtigung der Funktion Humboldt. — Januar 1890. 15 bei Beurteilung der Formgeſtaltung in Rechnung zu ziehen iſt — wie leicht infolge ähnlicher Thätigkeit Fielfraß. der Werkzeuge auch ganz verſchiedener, durchaus nicht unmittelbar blutsverwandter Tiere Formähnlichkeiten entſtehen können, welche imſtande ſind, Blutsverwandtſchaft vorzutäuſchen. Ich hebe dies ganz be— ſonders deshalb her- vor, weil man nach dem heutigen Stande der Behandlung der zoologiſchen Wiſſen⸗ ſchaft nur allzu leicht geneigt iſt, die auf die Wirkſamkeit der Funktion zurückzu⸗ führenden That—⸗ ſachen zu gering zu ſchätzen und Formähnlich⸗ keiten ſofort auf Blutsver⸗ wandtſchaft zu ſchieben. Wenn aber, wie aus den be⸗ handelten That— ſachen hervor⸗ geht, die Wus- bildung, bezw. Rückbildung des Gebiſſes und die Geſtal⸗ tung des Ge— ſichtsſchädels in Beziehung ſteht zur Thätigkeit (Funktion) dieſer Teile, ſo gibt es meiner Anſicht nach keine andere verniinf- tige Erklärung dieſer Beziehung als die, daß eben die Thätigkeit durch vermehrten Ner⸗ venreiz und Blut-, bezw. Ernährungszu— fluß dieſelben kräftigt und vermehrt, der Nichtgebrauch ſie da— gegen zur Verkümme— rung und ſchließlich zum Schwinden bringt — eine Erklärung, welche die Annahme der Vererbung von während des Lebens der Formen erworbenen Eigen— ſchaften, ebenfo wie von während des Lebens erlangten Rückbildungen vorausſetzt. 16 Humboldt. — Januar 1890. Jortſchritte in den Katurwiſſenſchaften. Aſtronomie. Don Profeffor Dr. C. F. W. Peters in Königsberg i. Pr. Spektrum des Saturn und ſeines Ringes Bahnbeſtimmungen früher erſchienener Kometen. des OGrionnebels. Sterne mit hellen Spektrallinien. Infolge der bereits in dem letzten Berichte (Jahrg. 1889 S. 222) erwähnten Bemerkung Lockyers, daß ſich auf einer Photographie des Ringſpektrums des Saturn helle Linien gefunden haben, iſt das Spektrum des Saturn und ſeines Ringes auf der Lick-Sternwarte (Mount Hamilton) von E. Keeler ſehr genau unterſucht worden. Während das Spektrum des Saturn außer den Linien des Sonnen⸗ ſpektrums noch einige Abſorptionsbanden zeigt, die man wohl dem Vorhandenſein einer Atmoſphäre zuſchreiben muß, haben ſich in dem Ringſpektrum außer den Linien des Sonnenſpektrums gar keine, weder helle noch dunkle Linien nachweiſen laſſen. Zu demſelben Reſultat iſt auch Huggins gelangt, der in den Jahren 1887 und 1889 zahlreiche photographiſche Aufnahmen des Spektrums des Saturn und ſeiner Ringe gemacht hat Neuere Mitteilungen über den von Terby am 6. und 12. März auf dem Saturnringe geſehenen weißen Fleck laſſen mit großer Wahrſcheinlichkeit darauf ſchließen, daß hierbei lediglich ein optiſches Phänomen und zwar eine Kontraſtwirkung des dunkeln Schattens der Kugel gegen den hellen Ring ſtattgefunden hat. Vorwiegend Beſitzer kleiner Fernröhre haben den Fleck mit Deutlichkeit er⸗ kennen wollen, während mit mächtigeren Inſtrumenten, und insbeſondere mit dem großen Refraktor der Lick⸗ Sternwarte unter den günſtigſten Verhältniſſen der Fleck nicht geſehen worden iſt. Zu den Tagen, an welchen der⸗ ſelbe ſichtbar geweſen ſein ſoll, gehören der 6., 14., 15. und 21. März, während von anderen Beobachtern gerade an dieſen Tagen nichts Auffälliges auf dem Ringe des Saturn bemerkt werden konnte. Hall in Waſhington hat erklärt, daß er den weißen Fleck häufig bemerkt, aber nie für etwas anderes als eine Kontraſtwirkung gehalten habe. In der That ſpricht für dieſe Anſicht der Umſtand, daß kein Beobachter den weißen Fleck anderswo als unmittel⸗ bar neben dem Schatten der Kugel geſehen haben will. In dem Spektrum des Uranus waren bisher die Fraunhofer'ſchen Linien des Sonnenſpektrums nicht wahr⸗ genommen, ſondern nur abwechſelnd hellere und dunklere Streifen von großer Breite. Von Lockyer iſt neuerdings die Vermutung aufgeſtellt, daß das Licht des Uranus im weſentlichen ſelbſtleuchtend, alſo völlig verſchieden von dem der innerhalb ſeiner Bahn befindlichen Planeten ſei, und daß ſein Spektrum aus einer Reihe heller Banden beſtehe, die von dunkleren Partien unterbrochen ſind. Von andern Seiten iſt dagegen die Meinung vertreten, daß das Licht des Uranus nur reflektiertes Sonnenlicht ſei, und die dunkleren Stellen Abſorptionsſtreifen darſtellen, welche durch die Atmoſphäre des Planeten bewirkt werden. Dieſe Anſicht hat eine Stütze erhalten durch ſorgfältige Unter⸗ Weißer Fleck auf dem Saturnxinge. Zunahme des Lichtes von J Argus. Anwendung der Photographie auf die Spefrralanalyfe. Spektrum des Uranus. Neue Planeten. Neue Kometen. Doppelſterne. Trapez im Nebel des Orion. Spektrum Fixſternparallaxen. ſuchungen des Spektrums, welche von E. Keeler auf dem Mount Hamilton ausgeführt ſind. Demnach fällt der eine, im roten Teile des Uranusſpektrums befindliche dunkle Streifen genau mit einem Abſorptionsſtreifen zuſammen, welcher ſich in dem Spektrum des Jupiter, Saturn und wahrſcheinlich auch des Neptun befindet, und wird unzweifel⸗ haft durch eine Atmoſphäre dieſer Planeten bewirkt. Während es hiernach ſchon wahrſcheinlich wird, daß die phyſiſche Beſchaffenheit des Uranus von denjenigen der andern Planeten nicht ſo weſentlich abweicht, wie von Lockyer ver⸗ mutet wurde, iſt hierfür noch ein direkter Beweis durch photographiſche von Huggins gemachte Aufnahmen des Uranusſpektrums gegeben, in denen ſich die hauptſächlichſten Fraunhofer'ſchen Linien des Sonnenſpektrums mit Sicher⸗ heit nachweiſen ließen. Folgende kleine Planeten ſind während des letzten Halbjahres entdeckt worden: Planet (284), entdeckt von Charlois in Nizza am 39. Mai. 4fanet (285), entdeckt von Charlois in Nizza am 3. Auguſt. Planet (286), entdeckt von Paliſa in Wien am 3. Auguſt. Planet (287), entdeckt von Peters in Clinton am 25. Auguſt. Die Größe dieſer Planeten am Tage der Entdeckung war reſp. 12, 13, 13 und 10. Bisher unbekannte Planeten von der Helligkeit des letztgenannten werden jetzt nur noch ſelten gefunden. Von dem am 31. März von Barnard entdeckten Kometen (b 1889) hat E. Milloſevich in Rom folgende Bahnelemente berechnet: Zeit des Perihels: 10. Juni 1889. Abſtand des Perihels vom aufſteigenden . 2350 58“ Länge des aufſteigenden Knoten. 3100 40“ Neigung der Bahn ar as 1630 50“ Kürzeſte Entfernung von der Sonne r 2,257. Am 23. Juni wurde von Barnard auf der Lick⸗Stern⸗ warte ein Komet (e 1889) im Sternbilde der Andromeda entdeckt, der ſeiner ſehr geringen Lichtſtärke wegen nur kurze Zeit beobachtet werden konnte. R. Spitaler fand für ihn folgende Bahnelemente: Zeit des Perihels: 20. Juni 1889. Abſtand des Mabel vom aufſteigenden ante 619 9 Länge des aufſteigenden Knoten 2740 557 Neigung der Bahn 310 29“ Kürzeſte Entfernung von der Sonne Pete a 1,124. Ferner entdeckte am 6. Juli Brooks in Geneva (N. V.) im Sternbilde des Waſſermanns einen ſchwachen Kometen (d 1889), der ſich langſam nordwärts bewegte bei zu⸗ nehmender Helligkeit. Es zeigte ſich ſehr bald, daß die Beobachtungen mit einer paraboliſchen Bahn nicht in Ein⸗ klang zu bringen waren, und daß der Komet zu denen von kurzer Umlaufszeit gehört. Von K. Zelbr iſt die folgende elliptiſche Bahn beſtimmt worden: = sala we aa des Per September 188 ei 8: em oſtand des Peribels vom nden den 3370 52° ange | des anfiteigenden ae ‘See arg © 18° 53 8 i 60 1“ 2,968 0,495. untaufszett: 7,8 Jahre. Die Bahnelemente ſind inſofern merkwürdig, als ſie eine ziemlich große Aehnlichkeit mit denen des Barnardſchen Kometen e (II) 1884 zeigen, für den von Egbert eine Umlaufszeit von 5,4 Jahren gefunden war, und deſſen Wiedererſcheinen ungefähr in dieſer Zeit erwartet wird. Indeſſen hat eine Unterſuchung von Zelbr gezeigt, daß eiden Kometen nicht identiſch ſind, ſondern ſich nur ähnlichen Bahnen bewegen. Eine urſprüngliche Zu— mmengehörigkeit derſelben wird aber dadurch ſehr wahr— einlich, daß von dem Kometen d 1889 ſich auch während ner diesjährigen Erſcheinung mehrere Teile abſonderten. Am 3. Auguſt kam eine Depeſche an die europäiſchen Sternwarten, nach welcher zwei Tage vorher Barnard be— erkt habe, daß der Komet drei von einander getrennte erne habe; am 6. Auguſt wurde auf der Wiener Stern- warte noch ein vierter Kern beobachtet, und zwar ſchienen ſämtliche Kerne, obwohl jie bereits ziemlich weit von ein⸗ ander entfernt waren, ſich in einem gemeinſamen ſchwachen Nebelrohr zu befinden. Inzwiſchen kam die Nachricht, daß auf der Lick⸗Sternwarte im ganzen fünf Sterne mit Sider- eit geſehen, und noch einige mehr vermutet worden waren. in einem gemeinſamen, die Kerne einhüllenden Nebel t d „Hes ſchienen fic) vielmehr ehrere Kometen in gemeinſamer Bahn zu bewegen ohne nen phyſiſchen Zuſammenhang zu haben. Nach dem Mond— ein ſind mit Sicherheit zwei Begleiter wieder aufgefunden, n denen der eine am 22. September nach einer in Pul⸗ toma angeſtellten Beobachtung 6 Bogenminuten vom Haupt: kometen entfernt war. Weitere Beobachtungen dieſer in- eſſanten Kometengruppe werden hoffentlich auf den mit ichtſtarten Fernröhren ausgerüſteten Sternwarten gelingen. Am 21. Juli wurde von Davidſon in Queensland uſtralien) ein heller Komet im Sternbilde des Centauren bet, der ed mit langſam abnehmender Helligkeit nord— Am 29. See Wande der 8 des Kometen er war von Zeit des Perihels: 19. Juli 1889. 2 Abſtand des Perihels vom l Knoten 3450 59“ Fe des aufſteigenden Knoten 2860 9° Neigung der Bahn 650 567 Kürzeſte Entfernung von der Sonne 1,040 Der periodiſche Faye'ſche Komet (d 1888), welcher am 10. Auguſt 1888 in Nizza aufgehutiven wurde, ae wurden können. Te nod) Nee Beobachtungszeit oH der am 2. September 1888 von Barnard entdeckte 62 ist von F. oe einer erneuten Berechnung und ein elliptiſches Elementenſyſtem abgeleitet, 17 welches eine Umlaufszeit von ungefähr 120 Jahren ergiebt. Der Komet iſt dadurch beſonders intereſſant geworden, daß an ihm zuerſt von Schiaparelli der Zuſammenhang mit einem Meteorſtrom (vom 10. Auguſt) nachgewieſen iſt. Dieſer Meteorſtrom hat eine ganz ähnliche Bahn wie der Komet, und die Umlaufszeit der einzelnen in ihm befindlichen Teile hat ſich mit großer Wahrſcheinlichkeit aus einer Zuſammenſtellung der bekannt gewordenen ſtärkeren Sternſchnuppenfälle zu etwa 108 Jahren ergeben. Der Denning'ſche Komet g (V) 1881 iſt von B. Mat⸗ thießen kürzlich neu bearbeitet worden. Derſelbe war bei ſeiner Erſcheinung im Jahre 1881 nicht beſonders hell, iſt aber merkwürdig durch ſeine kurze Umlaufszeit von 8,7 Jahren und den Umſtand, daß er ſich mehreren der Hauptplaneten ſehr bedeutend nähern kann. So beträgt z. B. ſeine kürzeſte Entfernung von der Bahn des Jupiter nur 0,15, von denen des Mars, der Erde und der Venus reſp. 0,11, 0,04 und 0,04 Erdbahnhalbmeſſer. Ob es gelingen wird, den Kometen ſchon bei ſeiner nächſten Wieder⸗ kehr im Jahre 1890 wieder zu beobachten, iſt zweifelhaft, weil ſeine Stellung gegen die Erde dann eine wenig günſtige iſt, mehr Ausſicht für eine erneute Beobachtungs⸗ reihe dürfte im Jahre 1899 vorhanden ſein. Der Komet d (II) 1882 gehört zu einer Gruppe von Kometen, welche ſich in ihrem Perihel ſehr beträchtlich der Sonnenoberfläche nähern und dabei eine bedeutende Licht⸗ ausſtrahlung haben. Der genannte, ſowie die großen Kometen von 1843 und 1880, bewegen fic) in ſehr nahe gleichen Bahnen, und haben in der Sonnennähe wegen ihrer außerordentlichen Schweifentwickelung und der Hellig— keit ihrer Koma, die ſie ſelbſt am hellen Tage dicht bei der Sonne dem freien Auge ſichtbar machte, das größte Aufſehen erregt. Der Komet d 1882 iſt überdies dadurch höchſt merkwürdig geworden, daß er der erſte Komet iſt, deſſen Vorübergang vor der Sonnenſcheibe mit Sicherheit hat beobachtet werden können, wobei ſich das auffällige Reſultat ergab, daß er, während ſeiner Berührung mit dem Sonnenrande genau beobachtet werden konnte, voll- ſtändig verſchwand, ſobald er ſich auf die Sonnenſcheibe ſelbſt projizierte. Auch dieſer Komet zeigte dieſelbe jelt- ſame Erſcheinung, wie der oben erwähnte d 1889, daß ſich von ihm mehrere neblige Gebilde während der Zeit ſeiner Sichtbarkeit abtrennten. H. Kreutz hat begonnen die großen Kometen der Jahre 1843, 1880 und 1882 zu berechnen, und zunächſt eine ſorg⸗ fältige Unterſuchung der Bahn des letzteren ausgeführt, welche eine Umlaufszeit von 772 Jahren ergab. Da der Komet ſo⸗ wohl vor als auch nach ſeinem Periheldurchgange hat beob- achtet werden können, ſo war es möglich nachzuweiſen, ob eine Störung in der Bewegung durch die große Nähe des Kometen bei der Sonnenoberfläche und ſein Durchſchneiden desjenigen Gebietes, in welchem zur Zeit totaler Sonnen⸗ finſterniſſe die Korona der Sonne ſichtbar iſt, ſtattgefunden habe. Es hat ſich indeſſen kein ſtörender Einfluß eines widerſtehenden Mittels gezeigt, ſondern es läßt ſich die ganze Reihe beobachteter Oerter durch eine einzige elliptiſche Bahn völlig befriedigend darſtellen. Mit weniger Sicherheit hat ſich die Bahn des großen am Anfange des Jahres 1887 auf der ſüdlichen Halbkugel erſchienenen Kometen beſtimmen laſſen, mit deren Berech⸗ i 3 ia mee 18 Humboldt. nung ſich H. Oppenheim beſchäftigt hat. Die Beobachtungen ̃ waren, weil der Komet keine Spur eines bemerkbaren Stern. Größe. Kernes hatte, äußerſt unſicher, und infolge deſſen haben auch die gefundenen Bahnelemente keine große Bedeutung. Groombr. 1830 6.5 Bemerkenswert iſt aber doch ihre große Aehnlichkeit mit ei Gen ae “a denen des oben erwähnten Kometen d 1882, wie folgende ii oar be j ſtellung zeigt: Komet Komet. Pal. 21258 8,5 Zuſammenſtellung zeig d 1882 a 1888. 02 Gua 4 05 ae Ubſtand des Perihels vom aufſteigenden . 690 35“ 65 225 uw Cassiop (Struve 5, e de b Knoten 3460 1‘ 3390 38 i 2 Neigung der Bahn 8 1420 0’ 1370 37“ a Centauri . 0,7 Kürzeſte Entfernung von der Sonne 0,0078 0,0055. Ru Es ſcheint demnach, daß auch dieſer Komet zu der Mittel der Gruppe vorhin erwähnten Gruppe gehört. Arg. Oeltzen 11677 0 ite 7 1 Frit i 9 Jahrg. € Eridani ee 1 Bereits in einem früheren Berichte (Humboldt 3 5 g Aenea es 19 1888 S. 386) iſt erwähnt worden, daß der merkwürdige, » 2398 90 auf der ſüdlichen Halbkugel befindliche Veränderliche Areturys acca 55 5 b Ry ‘DI Tucani 4,1 Argus nach Beobachtungen von ee neuerdings 991880558 a eine Zunahme von Licht zeigt. In der That ſcheint, wie | Groombr. 1618 6.5 aus Beobachtungen von Thome in Cordoba (Argentiniſche Mittel der Gruppe Republik) hervorgeht, der Stern das Minimum ſeines i im 3 b ret 3 8 Sirius —1,4 1,31 Lichtes im Oktober oder . 1886 . zu haben 8 8 Zuerſt wurde am 20. März 1887 eine Veränderung in Arg. -Geltzen 17416 95 127 der Farbe bemerkt, die von Dunkelſcharlach in Hellorange Peetu : 36 120 it 5 ahr ie Helligkeit di ini⸗ 70 p Ophiuchi 4,1 1,13 übergegangen war, während die ee die — 8 Mini i ae 5 : 119 9155 mums (etwa 7,6) noch nicht merklich übertraf, Am 25. April 6 (Bode) Cygni (Ball) 6,6 0,64 q 9 5 (A. Hall) 67,6 0,64 betrug ſie aber ſchon 7,0 und ftieg bis zum 23. Suni auf en e 25 171 0,64 6 ie Li veits ei nz ößen⸗ 6,6, ſo daß die Lichtzunahme bereits eine ganze Größen b 1900 klaſſe betrug. : Der Begleiter des Sirius hat ſich jetzt jo ſehr z Cassiopejac. 24 0,55 0,16 ff x + e N + 2 10 Ursae major. 4,2 0,51 0,20 dem Hauptſtern genähert, daß für mehrere Jahre die Beob- 3 e 3.2 0,50 94% achtungen, wenn überhaupt, fo nur mit den allerkräftigſten @ 1 0 Op 9725 9725 Fernröhren werden ausgeführt werden können. Es liegt 4 Lyrae 0, 0,86 016 eine Beobachtungsreihe über den Begleiter vor, welche din ae i 5 92215 hen | ſich von der Zeit ſeiner Auffindung im Jahre 1862 bis | a Tani 0 0 9 15 in die jetzige Zeit erſtreckt, und dieſelbe iſt nunmehr N Z 9 85 von J. E. Gore zu einer Bahnbeſtimmung benutzt worden. Mittel der Gruppe Danach beträgt die Umlaufszeit 58,47 Jahre, die Excentri⸗ 11 Draconis 5 9 10 0.28 mae . i i hnebene gegen v2 Draconis „ „16 „ eität der Bahn 0,4055, die Neigung der Bahr : 8 ge ee 91 9105 9440 eine auf der Geſichtslinie ſenkrechte Ebene 55°23’ der 4 Cassiopejae 7 2,25 0,05. 905 Poſitionswinkel der Knotenlinie 49 59“ (für 1880,0), und Ursae mmor. . aun 9004 990 die halbe große Axe 8,58“. Aus der Umlaufszeit und der | a Herculis . 3.2 9,0 | 0,06 5 ti 2 y Draconis . 278 0,03 0,09 halben großen Are kann man, wenn die Entfernung des „ Cassiopejae 273 9 00 0,01 Geſtirns von der Sonne bekannt iſt, die Summe der @ Argus vs pe Maſſen, ſowie die abſolute Entfernung der beiden Kompo⸗ 0,1 nenten ermitteln; die erſtere ergab ſich, unter Zugrunde⸗ legung des Gyldenſchen Wertes 0,193“ für die Sixius⸗ parallaxe, zu 26,298 (die Sonnenmaſſe = 1 geſetzt), und die mittlere Entfernung der Komponenten 44,45 mal ſo groß, wie die mittlere Entfernung der Erde von der Sonne, oder um die Hälfte mehr, als die mittlere Ent⸗ fernung des Neptun von der Sonne. Zu den ſchwer trennbaren Doppelſternen gehört der Stern + Coronae borealis, von dem jetzt aber ſchon eine Beobachtungsreihe vorliegt, die ſich über 61 Jahre erſtreckt. Der Hauptſtern iſt von der 4., der Begleiter von der 7. Größe; die Schwierigkeit der Beobachtung liegt in der geringen Entfernung der Komponenten voneinander, die im Maximum während des Zeitraumes der vorliegen⸗ den Meſſungen nur wenig über eine halbe Sekunde betrug. Nach einer von G. Celoria bevechneten Bahn beträgt die Umlaufszeit 85,3 Jahre und die halbe große Axe 0,63“, Mittel der Gruppe Mit Hilfe des großen 36zölligen Refraktors e dä hat e win n daß der Ste 11. Größe in 0,9“ Entferne Noch bei nder im Großen Bären, die bisher als einfach galten Aim Ophiuchus beſteht, wie Burnham mitteil i aus zwei Komponenten von nahe der gleichen G und 3,9), die 0,35“ voneinander entfernt ſtehen. ham einen äußerſt ſchwachen Stern f bemerkt, und einen zweiten, noch 3 8 — wahrgenommen werden können, ſo beruhen die ane gemachten vermeintlichen Beobachtungen ſolcher Sterne vermutlich auf Täuſchung. a Das Spektrum des Orionnebels iſt bekanntlich ein gasförmiges, und zwar wurden früher von Secchi und Huggins vier helle Linien darin gefunden. Neuer— dings hat Huggins auf photographiſchem Wege noch gegen 30 Linien darin nachweiſen können, und bemerkt, daß zwei der Sterne des Trapezes ein ähnliches Spektrum wie die 5 ee ſelbſt zeigen, woraus die phyſiſche Zuſammen⸗ = Be Diejer Sterne mit dem Nebel hervorgeht. Sterne mit hellen Linien im Spektrum ſind im ganzen ſelten, zu ihnen gehören, wie neuerdings von Eſpin bez merkt iſt, die Veränderlichen R Leonis, R Hydrae, y Cygni und R Andromedae. : Die Anwendung der Photographie auf die Spektralanalyſe hat in letzter Zeit zu ſehr bemertens- 8 werten Reſultaten geführt, und namentlich ſind von Vogel und Scheiner in Potsdam ſehr wichtige Unterſuchungen auf photographiſchem Wege ausgeführt. Die große Be- deutung dieſer Methode beruht darauf, daß man bei ſehr N kräftiger Zerſtreuung, welche bei direkter Betrachtung der Studien zur Individualpfrchologie. Willkürliche Bewegungen. * Ablenkung der Aufmerkſamkeit. Galvaniſche 1 8 bei pſychiſcher Er— regung. Tarchenoff?) brachte unpolariſierbare Thon- ‘Se eleftroden in Verbindung mit den verſchiedenſten Haut⸗ Es ſtellen, an der Vorder- und Rückfläche der Hände, Finger, 8 Füße, Zehen, an Naſe, Ohr und Rücken; die in der Haut 5, bei pſychiſcher Reizung entſtehenden 5 Ströme wurden dann, ſelbſtverſtändlich nach Kompenſierung der während der Ruhe beſtehenden Hautſtröme, am Magnet⸗ piegel eines überaus feinen Galvanometers abgeleſen. Leichtes Kitzeln mit einem Pinſel ruft nach einer wenige Setunden dauernden Latenzperiode anfangs eine ſchwache und langſame, dann eine beſchleunigte, überaus ſtarke lenkung hervor. Gleicher Effekt tritt bei Einwirkung heißen Waſſers ein, in geringerem Grade durch Kälte— oder Schmerzempfindung infolge von Nadelſtichen. Ebenſo verhalten ſich Schall-, Licht⸗, Geſchmack- und Geruchreize. be Nach anhaltendem Geſchloſſenſein der Lider ijt das Oeffnen der Augen ſchon allein hinreichend, um in der Hand einen Dautſtrom zu erzeugen, welcher die Nadel um 12 Winkel- oe minuten ablenkt; übrigens wirken verſchiedene Farben in x, dieſer Beziehung nicht in gleichem Grade. Beſonders Rintereſſant iſt es nun, daß in denſelben relativen Stirfe- Empfindlichkeit des Intervallſinnes. 19 Sternſpektren keinerlei Linien erkennen läßt, auf photo⸗ graphiſchem Wege eine große Anzahl von Linien in großer Deutlichkeit darſtellen und demzufolge auch ihre Lage er⸗ mitteln kann. So hat Scheiner z. B. im Spektrum des Sirius allein 43 Linien ihrer Lage nach genau meſſen können, welche dem Eiſenſpektrum angehören, und in dem Spektrum der Capella zwiſchen 412,4 und 463,8 Milliontel Millimeter Wellenlänge 255 Linien mit Linien des Sonnen⸗ ſpektrums identificiert. Die große Genauigkeit, welcher die Meſſungen fähig ſind, wird von Vogel und Scheiner zu der Beſtimmung der Bewegungsgeſchwindigkeit im Viſions⸗ radius an einer größeren Anzahl von Fixſternen benützt, über welche in Nr. 2896—97 der Aſtronom. Nachrichten ein vorläufiger Bericht gegeben iſt, der die große Zuverläſſig⸗ keit der abgeleiteten Reſultate erkennen läßt. Ein Ab⸗ ſchluß dieſer Arbeit iſt im Laufe des Jahres 1890 zu er— warten. 5 Als Feſtgabe zum 50 jährigen Jubiläum der Pulfo- waer Sternwarte hat Oudemans eine Zuſammenſtellung der in den letzten 60 Jahren ausgeführten Beſtimmungen von Fixſternparallaxen veröffentlicht. Nach den Eigenbewegungen geordnet, ergeben ſich danach die um— ſtehenden Reſultate (S. 18). Aus vorſtehenden Zahlen zieht Oudemans den Schluß, daß eine jährliche Parallaxe von 0,10“ bis 0,50“ wahr- ſcheinlich iſt, ſobald die eigene Bewegung eines Sterns 0,05 übertrifft. Experimentelle Yſychologie. Don Dr. Hugo Münſterberg in Freiburg i. Br. 5 Galvaniſche Bautſtröme bei pſychiſcher Erregung. Bedeutung des Blutumlaufs für die Seelenthätigkeit. Umfang des Bewußtſeins. Experimentelle Die ſcheinbare Größe der Gegenjtande. Elementare Farbenempfindungen. Geruchſinn bei Meertieren. graden die Hautſtröme dann entſtehen, wenn die be— treffenden Empfindungen nicht durch äußeren Reiz der Sinnesorgane, ſondern lediglich durch Phantaſie in der Erinnerung auftauchen. Die Verſuchsperſon braucht nur dauernd die Vorſtellung feſtzuhalten, ſie leide große Hitze, jo entſteht ein ſtarker Hautſtrom, deſſen Intenſität rapide fällt, wenn das fo erzeugte Hitzgefühl einem eben- falls nur von der Phantaſie hervorgerufenen Kältegefühl weicht. Bei geiſtiger Thätigkeit entſprechen die Ströme der Intenſität geiſtiger Anſtrengung. Antworten beiſpiels⸗ weiſe, für welche keine Ueberlegung nötig, ſondern die ganz mechaniſch gegeben werden, wie die Multiplikation kleiner Zahlen, rufen faſt gar keine Hautſtröme hervor; wenn dagegen irgend eine Anſtrengung nötig, etwa größere Zahlen zu multiplizieren ſind, ſo werden die galvaniſchen Erſcheinungen in hohem Grade entwickelt. Befindet ſich die Verſuchsperſon im Zuſtande geſpannter Erwartung, fo macht der Galvanometerſpiegel fortwährend unregel⸗ mäßige Schwankungen. Bezüglich willkürlicher motoriſcher Innervation zeigt ſich, daß jede willkürliche Bewegung irgend eines Körperteiles, bei abſoluter Ruhe des zu prüfenden Gliedes, in dieſem einen Hautſtrom bewirkt, der um fo ſtärker iſt, je kräftiger die willkürliche Be wegung war. Bringt man die Elektroden beiſpielsweiſe an Hand und Arm an, fo kann man einen ſtarken Strom verurſachen, dadurch daß man einen Zeh am Fuß kon⸗ trahiert oder mittels Konvergenzbewegung der Augen die Naſenſpitze fixiert; wegung, als vielmehr die zum Bewußtſein gelangte An⸗ ſtrengung, welche zur Ausführung der Muskelkontraktion erforderlich iſt. — Bei allen Verſuchen ergab ſich nun, daß bei gleich bleibender Nervenerregung die Stärke der Hautſtröme abhing von dem Maße, in welchem die ge⸗ prüfte Hautpartie mit Schweißdrüſen verſehen iſt; Haut⸗ partien mit nur ſpärlichen Schweißdrüſen, wie verſchiedene Teile des Rückens, der Oberſchenkel und Oberarme geben bei Nervenerregung faſt gar keinen Hautſtrom. Tarchanoff ſchließt daraus, daß der Verlauf beinahe jeder Art von Nerventhätigkeit, von den einfachſten Eindrücken und Em⸗ pfindungen bis zu höchſter geiſtiger Anſtrengung und will⸗ kürlichen motoriſchen Aeußerungen, von verſtärkter Thätig⸗ keit der Hautdrüſen beim Menſchen begleitet iſt. Mög⸗ licherweiſe, meint er, iſt dieſer Zuſammenhang durch Zweckmäßigkeit bedingt. Jede Nervenfunktion bedingt bekanntlich eine Temperaturſteigerung und Anhäufung von Produkten des Stoffwechſels im Körper. Infolge von Vermehrung der Schweißſekretion werden aber gün⸗ ſtige Bedingungen zur Abkühlung des Körpers und ver⸗ mehrter Ausſcheidung von Stoffwechſelproduktion durch die Haut geſchaffen. Profeſſor Leumann!) ijt der Anſicht, daß der Ein⸗ fluß der Blutzirkulation und Atmung auf unſer Geiſtesleben zu ſehr vernachläſſigt werde. Er weiſt auf den Parallelismus zwiſchen Pulsbeſchleunigung im Affekt und beſchleunigtem Ablauf geiſtiger Prozeſſe hin, auf den ſtürmiſchen Verlauf der Vorſtellungen im Fieber, und ähnliches. Nicht minder bedeutſam als die Puls⸗ ſchwankungen beim einzelnen Individuum erſcheinen ihm auch die Puls⸗ und Atemdifferenzen bei verſchiedenen Per⸗ ſonen; ſie ſollten bet allen pſychometriſchen Feſtſtellungen berückſichtigt werden. Am unmittelbarſten experimentell feſtſtellen läßt ſich, nach Leumann, dieſer Zuſammenhang bei rhythmiſchen Thätigkeiten. So ermittelte er bei Knaben des Straßburger Gymnaſiums die Schnelligkeit, mit welcher ſie Verſe ſkandierten, und gleichzeitig die Schnelligkeit des Pulſes; mit der Größe der Pulsfrequenz ſchien die Zahl der in der Minute geſprochenen Versfüße zu ſteigen. Selbſt bei einer und derſelben Perſon konnte er in einer Verſuchsreihe, die ſich von Mittag bis in den Abend hineinzog, die Abhängigkeit des normalen Leſens metriſcher Kompoſition von der Pulsfrequenz nachweiſen; die rhyth⸗ miſchen Intervalle beim Skandieren verhielten ſich wie die Pulsintervalle. Für das allgemeinſte und normalſte Liedmetrum hält Leumann daher dasjenige, deſſen Füße der Pulſation und deſſen Zeilen der Atmung entſprechen. In der That beſteht nun das indogermaniſche Urmetrum aus viermal vier Trochäen, eine Anordnung, die jener Annahme entſprechen würde; aus dieſem entſtanden erſt Nibelungenſtrophe und Hexameter. Somit wären Be⸗ mühungen, wie ſie Fechner der Ermittelung normaler Figuren und Formen entgegengebracht hat, auch der 1) Philoſophiſche Studien Bd. 5 S. 618. zuwenden; läßt fic) dev von weſentlicher Bedeutung iſt aber bei alledem nicht ſo ſehr der Grad der willkürlichen Be⸗ Bedingungen des Menſchen . . wahrſcheinlich, Daß es durch die gründung finden werde. Die Frage nach dem unfang des 0 Bewußtſein auftreten. Die moderne ae dieſe Frage experimenteller Prüfung zu unterzieh ſucht, iſt aber ſeltſamerweiſe über eine ganz eng b Frageſtellung vorläufig noch nicht hinausgekommen. Wuni nämlich warf die Frage auf: wie viel ſuccedierende Nett nomſchläge können wir als Einheit zuſammenfaſſen un mit gleichzeitig in unſerem Bewußtſein feſthalten Frage hat offenbar ihr theoretiſches Intereſſe, we auch zweifelhaft iſt, ob wir daraus i den 1 1 ae Metronomiſchlege keinenfalls ft der überhaupt im Bewußtſein gleichzeitig feſtha ſtellungen anſehen dürfen. Wenn wir bedenken, w jeden a in uns in e 1 went des Bewußtſeins vorläufig noch nicht die Rede jein Trotzdem glaubte Bechterew 0 der ee a des Wundtſchen Problems aufnehmen zu ſollen. glich aer Reihen von Metronomſchlägen, von de werden, daß die Zahl der hierbei in Betracht Vorſtellungen den Umfang Des Bewußtſei ſteigt. i der Succeſſion der Pendelſchläge ace a keine klare Auffaſſung 10 ee b bei ‘1 nahm der Umfang des Bewußtſeins ab. In Verſuchen wurde die Anordnung ſo variiert Gruppen betrug der e One meiſten komplizierten achtzehngliederigen ae ö Axel Oehrn**) veröffentlicht unter dem 2 perimentelle Studien d ( *) Rede zur Jahresfeier der Rajan} **) Differtation. Dorpat 1889. 1 "nag on hes 1 Ria jo wohlbekannt ind, einer exakteren Prüfung aber bisher kaum unter⸗ bogen wurden. Es wurden den verſchiedenen Verſuchs⸗ perſonen beſtimmte geiſtige Aufgaben geſtellt, mit der Wieiſung, dieſelben mit größtmöglicher Aufbietung ihrer iſtungsfähigkeit auszuführen. Als Maß für die einzelnen Leiſtungen wurde dann die dafür gebrauchte Zeit benutzt, indem nach je fünf Minuten durch einen automatiſchen arat ein Glockenſignal gegeben wurde, bei welchem r bezeichnen mußte, wieviel er von ſeinem Penſum dem Intervall geleiſtet. Die Aufgaben waren zunächſt Buchſtabenzählen in lateiniſcher Druckſchrift, dann Suchen nach beſtimmten Buchſtaben, dann Korrekturleſen, Aus— wendiglernen ſinnloſer Silbenreihen und Zahlenreihen, eren einſtelliger Zahlenreihen, ſchließlich Schreiben ach Diktat und Leſen. Die Verſuche wurden an zehn rjonen angeſtellt. Für das Buchſtabenzählen beiſpiels⸗ 5 veiſe iſt die Maximalleiſtung 11348, die kleinſte Leiſtung 6781 in der Stunde. Wurden je drei Buchſtaben als Gruppe zuſammengefaßt, ſo ſchwankt das Ergebnis ſogar biſchen 17000 und 8000 in der Stunde. Beim Ad⸗ ieren von je zwei einſtelligen Zahlen wurde als größte eiſtung die Addition von 4769 Zahlenpaaren in der tunde, als kleinſte 2347 gefunden. Beim Schreiben nach iktat iſt 10 866 Buchſtaben in der Stunde das meiſte, 5908 das geringſte. Geleſen wurden vom ſchnellſten Leſer 31016, vom langſamſten 20852 Silben in der Stunde. Sa Auswendig gelernt wurden in fünf Minuten 15— 71 Zahlen und 14 — — 38 Silben. Dadurch, daß ſämtliche Leiſtungen en beim Buchſtabenzählen, Addieren und den mo— chen Arbeiten ganz andere individuellen Differenzen 5 als beim Auswendiglernen. Wird für die zehn 0 en u. ſ. w. zutreffend; für das e ſſen dagegen die meiſten Glieder dieſer Reihe ihre vollkommen vertauſchen. Offenbar iſt dabei maß⸗ end, daß alle Funktionen der erſten Gruppe ein mo— riſches Element enthalten, das Lernen dagegen rein ſen— : illkurliche Bewegungen. Wenn wir bei ge— hloſſenen Augen gleichzeitig mit beiden Händen zwei e b arofe Linien, beiſpielsweiſe parallele en : en auch objektiv gleich ſein, wenn in unjerem Beifpiet die Anfangspunkte beider Handbewegungen gleich hoch n; je mehr dagegen der eine Anfangspunkt höher als der andere, deſto mehr wird unſere Abſicht, Linien gleich zu machen, vereitelt. Aehnliches zeigt wenn! wir horizontale Linien ziehen wollen und der angspunkt der einen Hand weiter von der Körper⸗ fer iſt als der Ausgangspunkt der anderen 21 Hand. Zahlreiche Verſuche in der ſkizzierten Art, über deren Einzelheiten ausführlich berichtet wird, hat neuer- dings Löb “) in umfaſſender Weiſe angeſtellt. Er kommt zu dem Ergebnis, daß die Unterſchiede der ausgeführten und der gewollten Bewegung der Größe und der Richtung nach abhängen von dem Verkürzungsgrad der die Be— wegung ausführenden Muskeln, und zwar iſt die Ab— hängigkeit ſo, daß bei dem Willen, Bewegungen von gleicher Größe auszuführen, die ausgeführte Bewegung um ſo kleiner ausfällt, je mehr die thätigen Muskeln zu Beginn der Bewegung ſchon verkürzt waren und um ſo größer ausfällt, je mehr die Muskeln zu Beginn der Be- wegung verlängert waren. Aber nur der wirkliche Ver— kürzungsgrad, nicht der Grad der Muskelſpannung be— ſtimmt dieſen Unterſchied der gewollten und der aus— geführten Bewegung. — Vom Verkürzungsgrad des Muskels hängt ſeine Reizbarkeit ab; mit zunehmender Verkürzung ſinkt die Reizbarkeit, mit zunehmender Verlängerung nimmt ſie zu. Da aber die Verkürzung einer Muskelgruppe notwendig von der Verlängerung ihrer Antagoniſten begleitet wird, ſo ſteht dem Verluſt der Reizbarkeit in der einen Richtung ein Gewinn an Reizbarkeit in der entgegengeſetzten Richtung gegenüber. — Eben durch dieſe verſchiedene Reizbarkeit bei verſchiedener Beugung kommt es, daß derſelbe Willensimpuls, alſo derſelbe Reiz, ganz verſchiedene Bewegung erzeugt. In allen Fällen nun, in denen die ausgeführte Bewegung dadurch von der gewollten verſchieden wird, täuſcht ſich die Verſuchsperſon immer in dem Sinne, daß ſie die ausgeführte Bewegung für genau der gewollten ent— ſprechend hält. Nun ſind die Unterſchiede nicht etwa gering, ſondern ganz enorm, ſo daß es beiſpielsweiſe nichts Seltenes iſt, wenn die wirklich zurückgelegte Wegſtrecke das Dreifache oder den dritten Teil der gewollten Be— wegungsgröße ausmacht. Lob glaubt daraus mit Sicher- heit folgern zu dürfen, daß die Empfindung der Größe und der Richtung unſerer willkürlichen Bewegungen ledig— lich vom Willensimpuls abhängt, aber nicht von den bei der Bewegung im thätigen Organ ausgelöſten Empfin⸗ dungen. — Wie die Abnahme der Muskelreizbarkeit wirkt Erhöhung des Widerſtandes bei der Bewegung — ſei es, daß die Antagoniſten der thätigen Muskeln ſtärker geſpannt werden, wie es dann der Fall ijt, wenn wir die Auf⸗ merkſamkeit auf das erregte Organ richten, ſei es, daß die Reibung beim Hingleiten eines Fingers über einen feſten Körper vermehrt wird. In beiden Fällen bleibt die Größe der ausgeführten hinter der Größe der ge— wollten Bewegung zurück. Auch hier ſoll für die Vor⸗ ftellung der Bewegungsgröße der Willensimpuls allein, maßgebend ſein. — Es iſt leicht erſichtlich, daß man die von Löb gefundenen Thatſachen anerkennen kann, ohne ſeine Erklärung gutzuheißen. Statt der Annahme, daß mit der Verkürzung des Muskels ſeine Reizbarkeit ab- nimmt, brauchen wir nur anzunehmen, daß, je ſtärker der Muskel kontrahiert, deſto intenſiver der Kontraftions- zuwachs empfunden wird. Bei ſtark verkürztem Muskel würde dann alſo eine Bewegung von beſtimmter Größe diejenige Intenſität der Bewegungsempfindung erzeugen, ) Pflügers Archiv für die geſamte Phyſiologie Bd. 46 S. 1. * — wg * An 22 Humboldt. — Januar |) welche bei ausgedehntem Muskel vielleicht erſt durch eine dreimal ſo große Bewegung hervorgerufen wird. Wir würden uns demgemäß nicht deshalb über die wirklich ausgeführte Bewegung täuſchen, weil die im thätigen Organ ausgelöſte Empfindung für unſere Bewegungs⸗ ſchätzung bedeutungslos und nur der Willensimpuls maß⸗ gebend iſt, ſondern deshalb, weil die im thätigen Organ ausgelöſte Empfindung je nach dem Kontraktionszuſtand des Muskels für die verſchiedenſten Bewegungsgrößen identiſch ſein kann. Die ſcheinbare Größe der Gegenſtände. Im allgemeinen erſcheinen uns bekanntlich Gegenſtände mit gleichem Geſichtswinkel gleich groß; die ſcheinbare Größe von Gegenſtänden wächſt im geraden Verhältnis zum Wachſen ihres Geſichtswinkels. Trotzdem halte ich den Bleiſtift vor meinem Auge nicht für ſo groß wie den Baum jenſeits der Straße, wenn ihr Geſichtswinkel auch ein gleicher iſt; bei verſchiedenen Entfernungen der ge⸗ ſehenen Gegenſtände alſo werden ſekundäre Motive für die Größenſchätzung maßgebend. Es entſteht die Frage, wie weit ſolche Motive auch da noch wirkſam ſind, wo lediglich der optiſche Eindruck zur Auffaſſung gelangt, ohne Erinnerung aus der Erfahrung, wie ſie offenbar bei der Vergleichung von Baum und Bleiſtift maßgebend ſein wird. Martius ſtellte zu dieſem Zweck Verſuche derart an, daß er ſchmale, glatte Holzſtäbe, an die ſich alſo kein Erfahrungsurteil anknüpfen kann, in verſchie⸗ dener Entfernung vor zwei dunklen Wandſchirmen zur Vergleichung anbrachte. Die Normalgröße war 20, 50 und 100 cm; dieſelbe hing von den Augen 0,5 m entfernt, wäh⸗ rend die Vergleichsſtäbe 3 reſp. 6 m weit entfernt waren. Stets mußte die weiter entfernte Vergleichsgröße auch ob⸗ jektiv größer ſein, um der Normalgröße gleich zu er⸗ ſcheinen, jedoch bei weitem nicht fo viel, daß die Geſichts⸗ winkel gleich wurden. Der nötige Zuwachs betrug bei 3 m Entfernung für 20 em etwa 1, für 50 em etwa 4, für 100 em etwa 8 ew. Sämtliche Verſuche zuſammen⸗ gefaßt, führen zu dem Reſultat, daß die Vergleichsgröße, welche einer gegebenen Größe bei verſchiedenen Entfer⸗ nungen gleich erſcheint, mit der Entfernung ſtetig, aber ſehr langſam anwächſt; außerdem wächſt bei gleichbleibender Entfernung mit der Normalgröße auch der abſolute Unter⸗ ſchied der ihr gleich erſcheinenden Vergleichsgröße. Die Hauptſache bleibt, daß derſelben Netzhautbildgröße in un⸗ mittelbarer Empfindung verſchiedene und mit der Ent⸗ fernung wachſende Raumbildgrößen entſprechen. In welcher Richtung die Erklärung dafür zu ſuchen ſei, kann nicht zweifelhaft ſcheinen. Der nahe wie der entfernte Stab wird fixiert; mit der Veränderung des Abſtands von den Augen verändert ſich natürlich einerſeits der Konvergenz⸗ winkel beider Augen, ſo daß die Bewegungsempfindungen der Augenmuskeln andere werden, andererſeits die Span⸗ nung des Akkommodationswinkels; unſer Größenurteil iſt aber ſtets nicht nur von der Größe des Netzhautbildes, ſondern auch von den Bewegungs⸗ und Akkommodations⸗ empfindungen des Auges abhängig. Der Menſch, der ſich von uns entfernt, ſcheint uns deshalb nicht kleiner zu werden, obgleich der Geſichtswinkel, unter dem wir ihn ſehen, ſelbſtverſtändlich ſchnell abnimmt. Elementare Farbenempfindungen. Bei allen 8 liert: bisher über den Farbenſinn man farbige Objekte von verhältn Ausdehnung in dem 1 1 be durch dieſelben gedeckt waren. Solche Bilder erifer ber vom Standpunkt jeder Theorie, welche auf dem Prinzi ſpecifiſcher Energie beruht, immer nur gemiſchte Farbe 1 empfindungen hervorrufen können. Die Young-Hel holtzſche Theorie hebt daher auch immer den unterſchi hervor zwiſchen den idealen Grundfarben, die ſie rot, grün, violett, und denjenigen Dae: farben zu ſchlichten, denn e man in der jubjet Farbenempfindung nur mit Miſchfarben zu thun hautelemente und die ſubjektiven Grundfarben z ge: winnen. — ‘Dolmpren =) hat deshalb den in iten hautreizen e daß der einzelne Reiß | nur ein Netzhautelement erregen konnte; es en dann in der That, daß den einzelnen Rune kommt. Statt aber ſeine komplizierten Verſuche ſchreiben, deren Veröffentlichung erſt begonnen iſt, einfache Beobachtung beſchrieben, die jeder leicht holen kann, und die Holmgren ſeinen exakteren 1 ſie gerade eben noch ſichtbar waren. Er irie den einen Stern, und während er den anderen, 1 8 im 1 gelegenen Stern mit indirekt erregen; es ergab ſich, daß der Stern, gle blitzend, bald rot, bald bläulich und bald g Dasſelbe zeigte ſich auch, wenn es gelang, einer Stern ſo zu beobachten, daß, anſtatt ihn zu ieren Blick um den Stern als Mittelpunkt kleine Kreiſ ſchreibt. Ablenkung der Aufmerkſamkeit. Die ſetzung dringend bedürftige Verſuchsreihe von Arr tels *) beſchäftigt ſich mit der Frage, wie ein Able unſere Wahrnehmung minimaler Sinnesreize fpectell welche Bedeutung das Intervall 4 lenkungsreiz und ſinnlicher Wahrnehmung ha beide der optiſchen Sphäre angehören. Bert einen ganz ſchwachen, eben nur noch ſichtbare tanen Lichtreiz her, welcher auf das linke Au ) Skandinaviſches Archiv für een Bd. 1 S. 152. ) Diſſertation. Dorpat 1889. 3 „ entaner Lichtreiz voraus, der, um Blendungserſchei⸗ nungen zu vermeiden, auf das andere Auge appliciert rde. Es wurde nun bei verſchiedenen Intervallen wiſchen Prüfungsreiz und Ablenkungsreiz feſtgeſtellt, wievielmal von 100 Fällen der minimale Lichtreiz wahr⸗ genommen wurde, reſp. wie oft der andere Reiz die Auf— merkſamkeit zu ſtark ablenkte, um die Wahrnehmung zu ermöglichen. Es ergab ſich, daß in der That dem erſten Reiz ablenkende Wirkung zukommt, daß aber, wenn die : Verſuchsperſon annähernd die Größe des Intervalls zwi⸗ ſchen Ablenkungs⸗ und Prüfungsreiz kennt, dem ablenkenden Reiz zugleich eine Signalwirkung zukommt. Die ablenkende a Kraft nimmt nun mit der Vergrößerung des zeitlichen 2 Abſtandes ſtetig ab; die aus der Signalwirkung reſul⸗ ierende Aufmerkſamkeitsf pannung erreicht dagegen Maximal— werte bei denjenigen Intervallen, welche Multipla von un⸗ gefähr 2 Sekunden ſind, während ſie bei den dazwiſchen— liegenden Intervallen geringere Werte annimmt. Weiß die Verſuchsperſon nicht genau, ein wie großes Intervall zwiſchen Ablenkungs- und Prüfungsreiz fie jedesmal zu erwarten hat, ſondern nur, daß dasſelbe zwiſchen zwei Grenzwerten liegen muß, ſo iſt die Aufmerkſamkeits⸗ ſpannung am größten bei den zwiſchen den Grenzwerten in der Mitte liegenden Intervallen. Der Verfaſſer ſpricht die Vermutung aus, daß jene periodiſche Zu- und Ab⸗ nahme der Signalwirkung eine Folge der Periodicität 8 nunſerer Zeitſchätzung ſei. Die Empfindlichkeit des Intervallſinnes. 2 Schon im vorigen Jahrhundert, als der Streit zwiſchen den Anhängern der gleichſchwebenden und der ungleich— schwebenden Temperatur weite Kreiſe intereſſierte, mußte man die Aufmerkſamkeit der Frage zuwenden, in welcher Grenze wir Ungenauigkeiten der Intervalle wahrzunehmen vermögen. Erſt die neuere Zeit aber hat den zahlloſen eoretijdjen Erörterungen auch praktiſche Experimente an die Seite geſtellt; Delepenne in Frankreich, Preyer in Deutſchland haben einige Intervalle, freilich nicht in ein— 7 andfreier Weiſe, näher geprüft. Neuerdings hat nun Iwan Schiſchmänow!) die Frage wieder aufgenommen ind in umfaſſender Weiſe zu beantworten geſucht. Es rf als Vorzug ſeiner Arbeit auch der Umſtand gelten, daß, während Preyer und Delepenne nur Fachmuſiker mit norm ausgebildetem Gehör prüften, jetzt an muſikaliſchen ormalmenſchen die Unterſuchung angeſtellt wurde. Als nguellen dienten Stimmgabeln. Als Normalgabel galt as e mit 256 Schwingungen; es wurde für jedes In— yall der Punkt feſtgeſtellt, bei welchem es als zu groß und der, bei welchem es als zu klein empfunden wird. erſte Stelle innerhalb der Empfindlichkeitsſkala kommt un unbedingt der Oktave zu, während Delepenne die inte noch über die Oktave ſtellen zu müſſen glaubte. er Schwellenwert beträgt nur 0,2—0,3 Schwingungen, und überdies zeichnet ſich die Oktave dadurch aus, daß ihr am häufigſten ſubjektiver und objektiver Gleichungs— nkt zuſammentrafen. Für die Quinte ſtellen ſich die mpfindlichkeitsgrenzen auf etwa 0,35 Schwingungen. D Ppiloſophiſche Studien Bd. 5 S. 588. N R N Humboldt. — Januar 1890. 23 Die Verſtimmung der Quinte in unſerer gleichſchwebenden Temperatur kann in dieſer Tonlage als gut bezeichnet werden. Das gleiche gilt für die Quarte; die Schwellen— werte dieſes Intervalls betragen etwa 0,4 Schwingungen, und gerade denſelben Wert erreicht in dieſer Tonlage die geforderte Verſtimmung. Anders dagegen verhält es ſich mit der Terz. Wenn die Empfindlichkeit für dieſelbe auch hinter der für Quinte und Quart zurücktritt, ſo iſt doch eine Verſtimmung von etwa 0,5 Schwingungen wahr⸗ nehmbar, während in dieſer Tonlage der Fehler der gleichſchwebenden Temperatur 2,5 Schwingungen beträgt. Auch für die große Sexte iſt der Schwellenwert 0,5, für die Sekunde etwa 0,6, für die kleine Terz etwas mehr als 0,6, für die kleine Sexte etwa 0,7, dasſelbe für die kleine Septime und für die große Septime erreicht er ſchließlich den hohen Wert von etwa 0,9 Schwingungen. — Im allgemeinen ſchließt fic) Schiſchmänow der beſtbegrün⸗ deten Auffaſſung an, daß wir die Reinheit der harmoni— ſchen Intervalle nach der Coincidenz der Partialtöne be— urteilen. Als ein weiteres bemerkenswertes Ergebnis der Unterſuchung iſt noch die Thatſache hervorzuheben, daß die Unterſchiedsempfindlichkeit für die Verminderung der Intervalle größer iſt, als für die Zunahme derſelben. Sehr richtig bemerkt ſchließlich der Verfaſſer, daß freilich an keinen praktiſchen Inſtrumentenverfertiger das An— ſinnen geſtellt werden kann, ſich bloß nach den für jedes Intervall ermittelten Empfindlichkeitsgrenzen zu richten, da die Empfindlichkeit des menſchlichen Gehörorgans, wie die Verſuche lehren, ſo außerordentlich hoch entwickelt iſt, daß es ihm ſchwerlich gelingen würde, die Schwellenwerte nicht zu überſchreiten; daß aber fürderhin bei der Cnt- ſcheidung der Frage, welche Temperatur die beſtmögliche ſei, nicht ausſchließlich auf die mathematiſche Spekulation das Hauptgewicht gelegt werde, ſondern das Experiment in gleichem Maße zum mindeſten korrigiernd zur Geltung gelange. Geruchſinn bei Meertieren. Der um die Er— forſchung tieriſcher Sinnesfunktionen fo verdiente V. Gra⸗ ber “) prüft ſchon ſeit längerer Zeit die Riechfähigkeit der verſchiedenſten Tiere; ſeine neueſte Unterſuchung bezieht ſich auf Meertiere, und zwar wurden Fiſche, Manteltiere, Weichtiere, Krebſe, Würmer, Stachelhäuter, Cölenteraten und Urtiere beobachtet, die kleineren in ausgeſchliffenen Objekt⸗ trägern, die größeren in flachen Glasſchalen. Die ver- ſchiedenen Riechſtoffe, wie Roſenöl, Rosmarinöl, Asa foetida, wurden an zugeſpitzten Glasſtäbchen verſchiedenen Teilen des Verſuchstieres genähert uud nun beobachtet, ob irgend eine Reaktionsbewegung ſichtbar wird, ſei es, daß der gereizte Teil oder der ganze Leib ſich von der Reizquelle entfernt oder ihr ſich nähert. Es ergaben ſich nun in der That die mannigfachſten Reaktionen, die in der Regel ſpäteſtens nach 30 Sekunden eintraten und bei denen vornehmlich das auffällt, daß nicht nur bei den verſchiedenen obengenannten Tierklaſſen, ſondern auch bei den einzelnen Repräſentanten derſelben die Art und Aus⸗ giebigkeit der Reaktion erheblich variiert. *) Biologiſches Zentralblatt Bd. 8 S. 475. umboldt. — Janua 24 | Kleine mitteilungen. ; Meduzierende Wirkung des Waſſerſtoſſs bei Gegenwart am Platin. Es tft bekannt, daß feinver⸗ teiltes Platin die Vereinigung von Waſſerſtoff mit anderen gasförmigen Körpern z. B. Sauerſtoff veranlaßt, daß es eine ähnliche Wirkung des Waſſerſtoffs auch auf gelöſte Körper herbeizuführen vermag, haben Verſuche von R. Cooke (Chem. News 58. 103) bewieſen. Waſſerſtoff allein wirkt in den allermeiſten Fällen auf in Löſung befindliche vedu⸗ zierbare Subſtanzen nicht ein, die Gegenwart von Platin genügt aber, um ihm dieſelben Eigenſchaften zu verleihen, welche der Waſſerſtoff in statu nascendi beſitzt. Cooke benutzte zu ſeinen Verſuchen eine an einem Ende ge- ſchloſſene Röhre von 30 —40 cm Länge und etwa 1.5 em Durchmeſſer. In dieſer befindet ſich ein dünnes Platin⸗ blech von gleicher Länge, welches vor Beginn des Verſuches auf elektrolytiſchem Wege mit Platinmohr überzogen wird. Die Wirkſamkeit dieſes Ueberzuges von feinverteiltem Platin erhellt deutlich, wenn man Knallgas in die Röhre bringt. Es findet dann eine ſtarke, etwa 5—6 Sekunden andauernde Kontraktion ſtatt, worauf Exploſion erfolgt. Wird das Platinblech nicht mit Mohr überzogen, ſo dauert es etwa 30 Stunden, bis das Knallgas verſchwindet. All⸗ mählich verliert das präparierte Blech ſeine reduzierende Kraft und muß dann mit einem neuen Ueberzug verſehen werden. Röhren, welche einige Monate im Gebrauch ſind, vermögen Knallgas nicht mehr zur Exploſion zu bringen. Zu den Reduktionsverſuchen wurde die Röhre mit der zu prüfenden Flüſſigkeit gefüllt und dieſe durch reinen Waſſer⸗ ſtoff verdrängt. Das gefüllte Rohr blieb dann in der Flüſſigkeit ſtehen. Koncentrierte Salpeterſäure entwickelt in dem be⸗ ſchriebenen Apparat ſofort rote Dämpfe, verdünnte (1 Bol. Salpeterſäure, 4—5 Vol. Waſſer) wird ebenfalls noch energiſch und zwar zu ſalpetriger Säure reduciert. Bei Anwendung von Normalſalpeterſäure geht die Reduktion ſchon ſehr langſam von ſtatten, ſchneller jedoch in der Wärme, fo daß auf dem Waſſerbade die Abſorption des Waſſerſtoffs in zwei Stunden faſt vollſtändig iſt. Die Flüſſigkeit zeigt dann die Reaktionen der ſalpetrigen Säure, auch Am⸗ moniak läßt ſich durch Neßler'ſches Reagens leicht nach⸗ weiſen. Mit Chlorwaſſer tritt Bildung von Chlorwaſſerſtoff ein, chlorſaures Kali wird in Chlorkalium verwandelt, dagegen wird das Ueberchlorſäureſalz nicht angegriffen. Schwefel⸗ ſäure, welche übrigens entgegen den Angaben einiger Lehr⸗ bücher durch Waſſerſtoff allein keine Reduktion erleidet, wird durch Vermittelung des Platins langſam aber konti⸗ nuierlich zu ſchwefliger Säure reduziert. Kaliumbichromat und Kaliumpermanganat werden ebenfalls reduziert, Ferri⸗ ſalze in Ferroſalze, Mercuri⸗ in Mercuroſalze, Ferricyanide in Ferrocyanide übergeführt. Schließlich teilt der Verfaſſer noch einige intereſſante Verſuche über die Einwirkung von Waſſerſtoff auf Stickoxyd bei Gegenwart von präpariertem Platin mit. Ueberläßt man ein Gemiſch von 2 Volumen Stickoxyd und 1 Volumen Waſſerſtoff über Oueckſilber der Einwirkung von Platin, jo tritt glatte Reduktion zu Stickoxydul ein; 2 NO * Hy — Na O + He O. Aus gleichen Volumen Skickoxyd und Waſſerſtoff reſultiert 1 Volumen Stickſtoff: 5 NO -+ Hy = N + HO. Bei größeren Mengen von Waſſerſtoff ijt die Reduktion noch energiſcher. Die Reaktion vollzieht ſich in wenigen Minuten unter beträchtlicher Wärmeentwickelungz es entſteht neben einer kleinen Menge Stickſtoff eine ſtark alkaliſche Flüſſigkeit, welche Ammoniak und Hydroxylamin enthält: 2 NO + 8H = NHOH + NH,OH. Die angeführten Beiſpiele genügen, um zu zeigen, daß die Wirkung des Waſſerſtoffs bei Gegenwart von Platin ꝛc. der des naseierenden Waſſerſtoffs ganz analog iſt. In ſolchen Fällen, wo ſich die Anwendung von Natriumamalgam oder Feſtigkeit. Der Höhlenlehm beſteht aus Quarzſan . ähnlicher Reduktionsmittel verbietet, dürfte aher wohl v dieſer vereinten Wirkung des Waſſerſtoffs und Plati Reduktionszwecken Gebrauch gemacht werden können. Waſſerſtoſſſuperoryd als Sauerſtoſſquell S. 114 des vorigen Jahrgangs dieſer Zeitſchrift iſt ein fahren zur Darſtellung von Sauerſtoff mitgeteilt 1 welches auf der Zerlegung von Waſſerſtoffſuperoxyd Kaliumpermanganat beruht. Noch einfacher kann der! ſtoff des Waſſerſtoffſuperoxyds nutzbar gemacht werde man, wie G. Kaſſner (Chem. Ztg. XIII. 1302 und 1338) ſchlägt, auf Waſſerſtoffſuperoxyd in alkaliſcher Löſung rot Blutlaugenſalz einwirken läßt. Verſetzt man eine Löſung vo rotem Blutlaugenſalz mit Kalilauge und dann mit Wat] ſtoffſuperoxyd, jo tritt eine lebhafte Sauerſtoffentwickelun Blau. Das rote Blutlaugenſalz iſt mithin in gelbes gewandelt worden. In neutraler oder ſaurer Löſung fi keine Reaktion ſtatt. Der Vorgang iſt folgend J. Pes Cs 150 + 2KOH = 2E 1150 (K CY . 2 = Hy : Es wirkt hier aljo das rote Blutlaugenſalz ganz w Oxyd eines edlen Metalls reduzierend auf das 2 ftoffjuperoryd, aber nur dann, wenn ihm die zur wandlung in gelbes Blutlaugenſalz nötige Menge K geboten wird. 5 Man löſt 58 g rotes Blutlaugenſalz in went auf, vermiſcht die Löſung mit 100 cem Waſſerſtoffſuperc von 3% und bringt das Gemiſch in eine Standflaſche welche mit Gasentbindungsrohr und Tropftrichter 0 iſt. Durch den Tropftrichter läßt man gewöhnliche zufließen; man reguliert den Zufluß ſo, daß die ſtoffentwickelung die gewünſchte Stärke annimmt. gewinnt ca. 2 1 reinen Sauerſtoff. Wie leicht erf permanganat vornehmen würde. Der Sauerſto l frei von fremden Gaſen und bedarf daher keiner w ter Reinigung. Das bei dem Prozeß als Nebenp a bildete gelbe Blutlaugenſalz kann leicht durch E der ausgenutzten Löſungen gewonnen werden. Aleber den Feimgehalt in Knochen aus dem vinm hat Max Müller Verſuche angeſtellt (Chem. 1336). Vor zwei Jahren wurde, wie bekan Nähe von Rübeland, am rechten Ufer der Bode, Tropfſteinhöhle gefunden, welche große Anhäuf Knochen der Höhlenbären enthielt. Die Knoch fanden ſich nirgends an primärer Lagerſtätte, d. wo ihre Träger einſt eingegangen, ſondern Wa ſchwemmten jie in Felsſpalten und tiefer gele der Höhle, jo daß nunmehr die Reſte zahlloſt duen wirr durcheinanderliegen. Wo Luft und F keit Zutritt hatten, haben die Knochen ihren Zuſa faſt völlig verloren; ſie ſind zerreiblich geworde brechen bei der leiſeſten Berührung. Die or ſtanz der Knochen iſt vollſtändig verſchwunden, ſich nicht mehr beim Erhitzen und ergeben fand jedoch auch Knochenfragmente, welche im, einer rötlichen, ſchwach plaſtiſchen Maſſe einge ſe haben trotz ihres hohen Alters ein faſt nennendes Ausſehen bewahrt und beſitzen no kohlenſaurem Kalk, phosphorſaurem Kalk (¼) ſtickſtoffhaltiger Subſtanz und etwas Eiſenox zum Teil durch die Knochen und name ſelbſt gebildet worden. Eiſene Humboldt. — Januar 1890. 25 geſchloſſenen Knochenreſte beſitzen merkwürdigerweiſe noch einen ſehr hohen Leimgehalt, dem fie ihre Feſtigkeit ver- danken. Die Analyſe eines Rückenwirbels ergab 2.76 Yo Stickſtoff, was annähernd 17% Leimſubſtanz entſprechen würde. Die feſten Röhrenknochen der Extremitäten ent⸗ halten etwas weniger Stickſtoff und leimgebendes Gewebe. Extrahiert man die anorganiſche Subſtanz mit verdünnter Salzſäure, jo hinterbleiben 12 — 15 % leimgebendes Gewebe in Form einer zuſammenhängenden Gallerte. Wird dies nach dem Auswaſchen der Säure verkocht, ſo erhält man einen Leim von denſelben Eigenſchaften und derſelben Kleb— kraft, wie er heute aus friſchen Knochen bereitet in den Handel kommt. Daß Knochen unter dem Einfluß von Luft und Feuchtigkeit ſchnell die organiſche Subſtanz verlieren, iſt bekannt; daß aber unter nicht einmal völligem Abſchluß der Luft der Leimgehalt viele Jahrtauſende faſt vollſtändig erhalten bleiben kann, dürfte auffallend und der allgemeinen Kenntnis wert ſein. Al. Beobachtungen auf dem Monde. Die Frage, ob noch gegenwärtig Neubildungen auf dem Monde vor— kommen, iſt bekanntlich zur Zeit noch unentſchieden und dürfte es auch wohl noch länger bleiben. Wie wenig die Beobachtung eines auf den gangbaren Mondkarten nicht verzeichneten Objektes dazu berechtigt, dasſelbe als neu entſtanden zu betrachten, zeigte ſich wieder bei der vom Konſul Scheffler in Dresden am 17. Mai 1888 ent- deckten und auch am 15. und 16. Juni, 15. und 17. Juli mit Sicherheit wieder erkannten, von der Weſtſeite des Kraters Godin in nordweſtlicher Richtung etwa 6,6 Meilen weit ſich erſtreckenden Rille. Wo dieſelbe einige kleine Hügelketten durchſchneidet, bildet fie in den Thälern frater- ähnliche Vertiefungen, und an ihrem Ende, bei einem ſüdweſtlichen Ausläufer des Agrippa, ſcheint ſie in einem kleinen Krater zu münden. Scheffler ſtellte ſeine Beob- achtungen mit einem ſechszölligen Aequatorial bei 180- bis 450 facher Vergrößerung an. Einer der gründlichſten Kenner der Mondoberfläche, Terby in Löwen, erkannte dieſe Rille mit ſeinem achtzölligen Grubbſchen Refraktor bei 280 facher Vergrößerung am 24. Oktober 1888 nur einen Augenblick, beſſer bei 450 facher Vergrößerung am 11. Dezember und vollkommen deutlich am 8. Januar 1889. Derſelbe bemerkt, daß dieſes Gebilde nicht eine eigentliche Rille, ſondern vielmehr ein grauer Streifen ſei, der gebildet wird durch eine Reihe voneinander ge— trennter, mit Schatten erfüllter Bodenvertiefungen. Zu⸗ gleich macht derſelbe darauf aufmerkſam, daß ſchon Trou⸗ velot jie am 16. März 1872 in Cambridge (Ver. St.) beobachtet und im 4. Bd. der Annalen der dortigen Stern- warte abgebildet hat. — Eine merkwürdige Erſcheinung beobachtete Prof. Thury in Les Pleiades bei Genf. Als derſelbe am Morgen des 13. Sept. d. J. früh 3 Uhr mit einem ſechszölligen Merzſchen Refraktor bei 265 facher Ver⸗ größerung den Mondkrater Plinius betrachtete, fand er ſtatt der gewöhnlich in der Mitte desſelben ſichtbaren bei- den Hervorragungen eine Art kreisförmiger Scheibe von ganz weißer Farbe, in der Mitte mit einem dunkeln Fleck gleich dem Krater eines Schlammvulkanes. Am 14. Sept. war das Ausſehen das gleiche, nur war der Schatten des RNingwalles entwickelter und auch der der Scheibe deutlicher. Der Durchmeſſer der letzteren betrug 4 Bogenſekunden, wuährend derjenige des Walles ungefähr 24 Sekunden be— trägt, die Höhe der Scheibe ergab ſich geringer als die des Walles. Am 15. war das Innere des Walles mit Schatten erfüllt. 61. Meteorologiſche Beobachtungen auf dem Säntis. In der Sitzung des Berliner Zweigvereins der deutſchen Meteorologiſchen Geſellſchaft vom 8. Oktober ſprach Dr. Aßmann über ſeine im Juni und Juli 1889 auf dem Säntis angeſtellten Beobachtungen. Der Berg erſcheint als höchſter Gipfel der Thuralpen wegen ſeiner Iſolierung und des ſteilen Abfalls für meteorologiſche Höhenbeobachtungen beſonders geeignet. Wegen dieſer günſtigen Verhältniſſe 7 hat auch das Meteorologiſche Inſtitut zu Zürich auf dem aR Dumboldt 1890. 2504 m hohen Gipfel des Berges ein meteorologiſches Obſervatorium mit einem Koſtenaufwande von 70000 Francs errichten laſſen. Dieſes Obſervatorium ijt auf der Nordoſtſeite in die zum Teil weggeſprengte Felsmaſſe der— artig eingebaut, daß das Dach des aus einem Erdgeſchoß und zwei Stockwerken beſtehenden Hauſes mit der Spitze des Gipfels abſchneidet. Auf dem Gipfel ſelbſt befindet ſich dann noch ein aus einem alten trigonometriſchen Signal hergerichtetes Anemometerhäuschen mit einem großen Schalenkreuz- Anemometer“). Das Obſervatorium gewährt dem Beobachter ſowie dem Wärter und deſſen Frau Wohnung; es enthält außerdem noch ein Telegraphen- zimmer, zwei Gelehrtenzimmer ꝛc. Das Inventar an Inſtru⸗ menten tft noch dürftig, und auch die Aufſtellung iſt teil- weiſe unzureichend; insbeſondere iſt die Anbringung der Thermometer das Schmerzenskind. Abgeleſen werden die Inſtrumente auf dem Säntis tagsüber zweiſtündig, während für die Nacht Umkehrthermometer vorhanden ſind. Der Regenmeſſer ſteht auf der Ecke des Daches nach Nordoſt; ſeine Angaben ſind augenſcheinlich zu niedrig; beſſer würde er auf dem Gipfel des Berges von einem Zaune umgeben ſtehen. Zur Meſſung des Luftdruckes ſind ein einfaches Gefäßbarometer und ein kleiner Barograph vorhanden. Aßmanns Aufenthalt auf dem Säntis galt beſonders der Feſtſtellung des Einfluſſes der dort vorhandenen ſtarken Sonnenſtrahlung auf das Aſpirationsthermometer. Aßmann hat dieſem von ihm erfundenen Inſtrument eine verbeſſerte Konſtruktion mit kontinuierlicher Aſpiration ge⸗ geben. Das Inſtrument trägt in ſeinem Kopfe ein 12 Minuten laufendes Uhrwerk, welches eine fortlaufende Aſpiration von Luft nach dem Prinzipe des Exhauſtors bewirkt. Das Gefäß iſt von zwei Hüllen umgeben, in der inneren ſteckt das Thermometer; beide Hüllen ſitzen an einem gemein— ſchaftlichen Stück, welches in eine Röhre ausläuft. Die oben befindlichen Scheiben, die mittelſt des Uhrwerks 15 Umdrehungen in der Sekunde machen, nehmen die Luft aus der äußeren Hülle mit und ſchleudern fie aus feit- lichen Oeffnungen hinaus; ſoviel Luft, wie oben hinaus⸗ geht, muß im Centrum wieder aufgenommen werden. Hier⸗ durch wird alſo eine ſtetige Luftzirkulation an der Thermo⸗ meterkugel bewirkt. Ein Nebenapparat bewirkt noch einen Schutz gegen zu ſtarken Wind, der ſonſt das Austreten der Luft verhindern würde. Die neue Konſtruktion hat ſich nun auf dem Säntis durchaus bewährt. Es hat ſich gezeigt, daß der Apparat von der Sonnenſtrahlung ganz unabhängig iſt, ſo daß die Höhe der angezeigten Tempe— ratur keine Aenderung erlitt, gleichviel ob der Apparat beſchattet oder beſonnt war. Ebenſo iſt eine Vermehrung der Luftdurchfuhr ohne Einfluß geblieben, endlich hat auch die äußere Hülle nur eine ganz geringe Erhöhung der Temperatur in der Sonne erfahren, die in keinem Falle 3° überſtieg. Ganz beſondere Beobachtung hat Aßmann den elektriſchen Erſcheinungen auf dem Säntis geſchenkt. Dieſelben ſind dort ungemein häufig; nur an drei Tagen fand kein Gewitter ſtatt. Gewöhnlich iſt von Mittag bis gegen Abend ringsumher Donner, der aber meiſt ſehr kurz ver- hallt, einmal, weil der Blitzſtrahl keinen ſo langen Weg zurückzulegen hat, ſodann weil das Echo fehlt. Die Ge— witter kommen meiſt ganz plötzlich, nachdem eben noch völlig heiterer Himmel war. Ganz eigentümlich war es, daß die Haare des meteorologiſchen Beobachters ſich beim Herankommen eines Gewitters ſträubten, ſo daß dies die ſicherſte Prognoſe war. Auch andere Erſcheinungen, welche die meteorologiſchen Phänomene begleiteten, waren auf- fällig. So geben bei Hagelfällen die eiſernen Stangen am Hauſe ſtets ein ziſchendes, „ſirrendes“ Geräuſch. Aß⸗ mann glaubt, daß dieſes von Lichterſcheinungen herrühre oder wenigſtens ſtets mit ſolchen verbunden geweſen fet. *) An dem Anemometer machte Aßmann die Bemerkung, daß oft, während auf dem Berggipfel ſelbſt in der Höhe des Beobachters völlige Windſtille herrſchte, das über ihm befindliche Schalenkreuz in ſtarker Um⸗ drehung begriffen war. Daß dieſe Bewegung auf elektriſche Strömungen zurückzuführen ſei, glaubt Aßmann nicht annehmen zu können, viel⸗ mehr iſt er der Anſicht, daß der Luftſtrom direkt an dem ſteilen Berge in die Höhe gehe und daß die horizontale Kongruente erſt ein Stück oberhalb des Gipfels wieder in den Vordergrund tritt. 4 26 g Numboldt. — Januar 1890. Er hat dasſelbe nämlich einmal beſonders lebhaft ver⸗ nommen in Begleitung eines ſehr intenſiven St. Elms⸗ feuers, das er in dem etwas tiefer belegenen Wirtshauſe bei einem Unwetter beobachtete. Die Eiſenſtangen, die das Haus umgaben, trugen große violett ſcheinende Lichter mit einer Art von Stiel; trat Aßmann nahe heran, jo erloſch das Licht; blieb er in einiger Entfernung von einer Stange ſtehen, die niedriger war als ſein Kopf, ſo erloſch das Licht ebenfalls und es zeigten ſich dafür an ſeinem Haupte Lichterſcheinungen, ohne daß er irgend etwas fühlte. Die Temperatur auf dem Säntis war an ſich niedrig (meiſt 05), doch hatte Aßmann nie das Gefühl des Froſtes. Die Sonnenſtrahlung war ſehr bedeutend, fie betrug im Maximum 54°; ihre Wirkung auf die Haut war ſehr empfindlich, ſo daß man ſich wie in den Tropen⸗ gegenden ſchützen mußte. D. Die blaue Farbe des Himmels. In einer Arbeit über die Begrenzung des Sonnenſpektrums, das Himmels⸗ blau und die Fluorescenz des Ozons (Nature) lehnt Hartley die Erklärung der Himmelsfarbe als der Farbe eines trüben Mediums ab und erklärt ſich für das Ozon, welches ſchon Chappuis 1880 als weſentliche Bedingung der Himmelsbläue anſah, nachdem er in Gemeinſchaft mit Hautefeuille das tief indigblaue flüſſige Ozon hergeſtellt hatte. Nach Verſuchen Hartleys genügt in einem 70 m langen Rohr ein Quantum von 2,5 mg Ozon auf 1 gem des Querſchnitts, um eine ganz himmelblaue Färbung zu erzeugen. Nun findet er auch, daß ſtark ozoniſierter Sauer⸗ ſtoff die ultravioletten Strahlen abſorbiert und ſehr ſtarke ſtahlblaue Fluorescenz zeigt. Er glaubt demnach, daß die Himmelsfarbe teils beim Durchgang der Strahlen durch das blaue Gas, teils durch Fluorescenz des Ozons ent⸗ ſteht. Lallemand hatte ſchon lange vorher die Fluores⸗ cenz als Urſache der Himmelsbläue vermutet. Die atmo⸗ ſphäriſchen Abſorptionsſtreifen, welche Hartley in Zermatt und auf dem Riffelberg beobachtet hatte, zu beiden Seiten der D-Linie, ſcheinen innerhalb der Grenzen zu liegen, welche Chappuis für die Abſorptionsbänder des Ozons angegeben hat. Einer von jenen Streifen, der minder brechbare, wird gewöhnlich durch einen andern verdeckt, der von Waſſerdampf herrührt (Regenband). Beobach⸗ tungen von Schoene im centralen Rußland bei ſtrengem Froſt und klarem Himmel vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang laſſen im Abſorptionsſpektrum der Luft die Ozonſtreifen erkennen. — Hartley glaubt, es ſei ſicher⸗ geſtellt, 1) daß die von Cornu angegebene Begrenzung des Sonnenſpektrums der Abſorptionswirkung des gemeinen Sauerſtoffs und des Ozons zuzuſchreiben iſt; 2) daß die Himmelsfarbe durch die Fluorescenz dieſer beiden Gaſe ent⸗ ſteht; 3) daß Ozon in genügender Menge in der Luft iſt, um das Abſorptionsſpektrum zu erzeugen und entfernte Gegen⸗ ſtände bläulich erſcheinen zu laſſen; 4) daß Waſſerdampf nicht den gleichen Anteil an der Färbung der Luft hat, wie das Ozon. D. Reizbarkeit der Staubfäden des Dortulaks. Nach den Unterſuchungen von Halſted (Bull. from the Bot. Dep. of the State Agricult. Coll. Ames 1888) beſitzen die fadenförmigen Staubfäden des Portulaks (Portulaca oleracea L.) eine große Reizbarkeit. Berührt man einen derſelben mit einer Borſte, ſo bewegt er ſich ſehr auffällig und raſch immer nach der gereizten Seite hin. Kriechen Inſekten zwiſchen den 10 Staubgefäßen und der Korolle, ſo biegen ſich die Staubgefäße nach außen und beladen den Inſektenkörper ebenſo mit Blütenſtaub, als wenn ſich die kleinen Beſtäubungsvermittler zwiſchen den Staub⸗ gefäßen und dem Griffel befinden. Auch bei P. grandi- flora L. findet ſich dieſe im Beſtäubungsmechanismus wichtige Reizbarkeit der Staubfäden (Botan. Centralblatt XL, S. 81). D. Eine riefige ſumatraniſche Aroidee, Amorphophallus Titanum, welche von Beccari 1878 entdeckt wurde und in den Garten von Kew gelangte, hat letztens daſelbſt ge⸗ blüht. Die Knolle hat 5 Fuß Umfang, der Stiel des ein⸗ zigen Blattes iſt 10 Fuß hoch, das Blatt hat 45 Fuß Umfang, der Schaft iſt 19 Zoll hoch, die Blütenſpatha hat 3 Fuß Durchmeſſer, und der Blütenkolben iſt nahezu 6 Fuß lang. Der von dieſem mächtigen Blütenſtand ausſtrömende Geruch iſt faſt betäubend, dauert aber nur zwei Tage. Er ſoll demjenigen faulender Fiſche gleichen. Der große Amorphophallus campanulatus aus Indien, der u. a. in Engler-⸗Prantls Werk , Die natürlichen Pflanzenfamilien“ abgebildet iſt, hat eine Knolle von mehr als 2 dm Um⸗ fang; der Blattſtiel iſt über 1 m hoch; die Spatha 3 dm lang. Ms. Alpenflora in Neuguinea. Einem Berichte Ferd. v. Müllers über die Ergebniſſe der botaniſchen Ausbeute einer Expedition Maegregors auf das Owen Stanley- Gebirge in Neuguinea (13000 Fuß) entnehmen wir fol⸗ gende intereſſante Thatſachen: In einer Höhe von 11000 bis 13000 Fuß herrſcht daſelbſt eine echte Alpenflora. Es findet daſelbſt eine außergewöhnliche und auffällige Ver⸗ miſchung von Pflanzenformen der nördlichen und ſüdlichen Erdhälfte ſtatt. Auf dem Kamme des Gebirges, über der Baumgrenze, treten, obgleich dicht unter dem Aequator, extratropiſche Gattungen auf, wie Ranunculus, Hyperi- cum, Arenaria, Potentilla, Rubus, Epilobium, Aster, Erigeron, Helichrysum, Senecio, Gentiana, Veronica, Euphrasia, Scirpus, Schoenus, Carex, Aira, Poa und Festuca. Viele derſelben nähern ſich europäiſchen Formen, einige ſind mit britiſchen geradezu identiſch und erreichen, wie es ſcheint, in Neuguinea ihre ſüdlichſte Verbreitungs⸗ grenze. Andererſeits gehören viele dieſer papuaniſchen Pflanzen viel ſüdlicheren Typen an, wie Drimys, Drapetes, Donatia, Styphelia, Phyllocladus, Libertia, Carpha, Dawsonia; ja, einige Arten ſind abſolut identiſch mit ſolchen der auſtraliſchen und neuſeeländiſchen Alpen. Eine große Rolle ſpielen in der Sammlung Erikaceen aus den Gat⸗ tungen Rhododendron, Agapetes und Vaccinium. Eine andere bemerkenswerte Thatſache iſt die Identität mehrerer Pflanzen des Owen Stanley-Gebirges mit ſolchen vom Kinu⸗Balu in Nordborneo, von einer Höhe von 8000 Fuß, z. B. Drapetes ericoides und Drimys piperita. Die vier gefundenen Koniferen find Araucaria Cunninghami, ein Podocarpus, ein Phyllocladus und eine Libocedrus- Art; letztere konnte aber nicht mit Sicherheit identifiziert werden, da Zapfen fehlten. Die Thatſache, ſagt Müller, daß die papuaniſche Alpenflora einen ſo großen Prozent⸗ ſatz auſtraliſcher Elemente beſitzt, muß zu vielen weit⸗ reichenden wiſſenſchaftlichen Verallgemeinerungen auch auf anderen Gebieten als dem der Botanik führen. . Zur Vererbung einer individuell erworbenen Eigenſchaft teilt Pfarrer Handtmann aus Seedorf bei Lenzen a. d. Elbe im „Korreſpondenzblatt der deutſchen Geſellſchaft für Anthropologie“ ein überraſchendes Beiſpiel mit. Der Fall iſt um ſo merkwürdiger, als es ſich um die Vererbung einer geiſtigen Eigentümlichkeit handelt. Der genannte Herr ſchreibt: In den Pfarrorten zu Groben, Kreis Teltow der Provinz Brandenburg, fiel mir die Unter⸗ ſchrift eines Schulvorſtehers, Bauer Löwendorf, im Jahre 1868, wo ich dort als Berliner Domkandidat einige Monate Pfarrverweſer war, dadurch auf, daß derſelbe ſtets ſchrieb: „Auſtug Löwendorf“ ſtatt „Auguſt“. Einige Jahre ſpäter hielt ich Schulreviſion und hörte ein Mädchen leſen: „Leneb“ ſtatt „Leben“, „Naled“ ſtatt „Nadel“ u. ſ. w. Auf meine Frage nach dem Namen des Kindes erfuhr ich, daß ſie Löwendorf heiße und die Tochter jenes Bauern ſei. Ich forſchte weiter: Der Vater, leider damals nicht mehr lebend, hatte den Sprachfehler, der zur Heiterkeit ſeiner Dorf⸗ genoſſen beim Sprechen vielfach zu Tage trat, als Folge eines unglücklichen Sturzes vom Scheuerbalken auf die Scheuerdiele ſich zugezogen vor der Erzeugung dieſes ſeines jüngſten Kindes. Die Schreibhefte ſowohl wie die Leſe⸗ thätigkeit dieſes Mädchens zeigten, daß demſelben der väter⸗ liche Fehler unausrottbar anhaftete. D. Humboldt. — Januar 1890. 27 Katurwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen ete. Wiſſenſchaftliche Erforſchung des Vodenſees. Vor drei Jahren wurde von ſeiten der württembergiſchen Regie— rung bei den fünf Bodenſeeuferſtaaten die Frage der wiſſenſchaftlichen Erforſchung des Bodenſees in Anregung gebracht, was den Erfolg hatte, daß im vorigen Jahr in Konſtanz ein von ſämtlichen fünf Staaten (Bayern, Württemberg, Baden, Oeſterreich, Schweiz) beſchickter ſtän— diger Ausſchuß unter dem Vorſitz des württembergiſchen ſtatiſtiſchen Landesamts zuſammentrat. Vor allem handelt es ſich um die genaue Ermittelung der Tiefenverhältniſſe des Sees. Hierzu liegen zwar, namentlich von württem— bergiſcher und ſchweizeriſcher Seite, wertvolle Vorarbeiten vor, jedoch fehlte bis jetzt der eigentliche Abſchluß und ſo befährt denn ſchon den ganzen Sommer im Auftrag jenes Ausſchuſſes eine beſonders für Tiefſeemeſſungen gebaute und eingerichtete Barke den See, um von Bregenz aus am deutſchen Ufer entlang die Meſſungen vorzunehmen. Solange die Unterſuchungen dem Ufer entlang ſich erſtrecken, werden die Bewegungen des Schiffs durch Signale vom Ufer her geregelt und überwacht. Später in der Mitte des Sees muß der Spiegelſextant aushelfen. Die Lotungen ſelber werden durch ein an einem Drahtſeil laufendes eiſernes Lot bewerkſtelligt, das fic) von einer mit Zähl— werk verſehenen Trommel abrollt und das Aufſtoßen auf den Seegrund ſelbſtthätig meldet. Was bis jetzt erreicht wurde, bedeutet vor allem verſchiedene wichtige Richtig— ſtellungen der bisherigen Tiefſeekarte. So befindet ſich die größte Tiefe des Bodenſees keineswegs zwiſchen Friedrichs— hafen und Rorſchach, ſondern etwa auf der Mitte der Linie Fiſchbach⸗Uttwyl und zwar beträgt fie unter Mittelwaſſer— ſtand 252 m, über dem Meeresſpiegel noch 143 m. Dieſe tiefſte Stelle des Sees iſt vollſtändig flach und erſtreckt ſich auf etwa 30 km. Ferner fand man mehrere lang— geſtreckte Rücken, die den Höhenzügen des Ufers parallel laufen, ſo zwiſchen Lindau und Argenmündung; dann parallel dem Pfänder zwiſchen Bregenz und Mehrerau. Man nimmt wohl mit Recht an, daß es ſich hier um Moränenbildungen handelt. Der Rhein mit ſeinem ſteilen Schuttkegel bei der Einmündung, deſſen Thalboden dem Ufer parallel und etwa 2,5 km von dieſem entfernt verz läuft, ſtößt ſich an einer ſtarken Erhöhung in der Gegend der Argenmündung, durch welche ein 178 m tiefes Becken mit dem Einfluß und dem Schuttkegel der Argen abge— ſchloſſen wird, und wendet ſich von dieſem Punkt aus gegen Weſten auf Romanshorn zu, um ſich allmählich in der Tiefſeegegend zu verlieren. Alle dieſe bisherigen und die weiteren zu erhoffenden Ergebniſſe werden nach Beendi— gung der Unterſuchung kartographiſch veröffentlicht werden. — Neben dieſen Vermeſſungsarbeiten werden fortwährend auch naturwiſſenſchaftliche Unterſuchungen angeſtellt über Flora und Fauna des Sees, über den Seeboden und ſeine Zu— ſammenſetzung in verſchiedenen Tiefen, über das Waſſer des Sees und im einzelnen auch das des einſtrömenden Rheins, über das Licht und ſeine Wirkungen in die Tiefe, die be— kannten Seeſchwankungen u. ſ. f. Schon jetzt iſt man auf überraſchende Ergebniſſe geſtoßen, fo daß das ganze Unter- nehmen ſich als ein höchſt zeitgemäßes und dankenswertes erweiſt, ſowohl im Dienſt der Wiſſenſchaft als in dem der Schiffahrt und anderer praktiſcher Intereſſen. D. Belgien hat jetzt ſieben landwirtſchaftliche Sabora- forien und zwar Gembloux, Gent, Lüttich, Haſſelt, Ant⸗ werpen, Mons und Löwen. Jede in Belgien lebende Perſon, welche nicht weniger als eine Tonne Futterſtoffe kauft, kann Proben davon in den zuſtändigen Laboratorien unentgeltlich unterſuchen laſſen. Außerdem erteilen die Anſtalten Auskunft über die rationelle Verwendung des Düngers, über die beſte Nutzungsart verſchiedener Futter⸗ ſtoffe und über andere landwirtſchaftliche Gegenſtände. Der Aniverſität von Sf. Andrews ijt eine Summe von 2000 Pfd. Sterl. überwieſen worden zur Erbauung und Einrichtung eines chemiſchen Laboratoriums, deſſen Leitung mit dem chemiſchen Lehrſtuhl an dem United College von St. Andrews verbunden werden ſoll. Der Nabob von Junagadh hat der meteorologiſchen Abteilung der indiſchen Regierung das Anerbieten ge— macht, ein Obfervatorium in Verawal zu errichten, um das Herannahen von Stürmen im Arabiſchen Meer anzu— kündigen. Die Regierung iſt darauf eingegangen und hat ein Gebäude zur Unterbringung der meteorologiſchen In— ſtrumente zur Verfügung geſtellt. Eine isländiſche Naturwiſſenſchaftliche Geſellſchaft, welche die Gründung eines naturwiſſenſchaftlichen Muſeums für Island beabſichtigt, wurde unter dem Vorſitz von B. Gröndal in Reykjavik auf Island gegründet. Man beabſichtigt nicht nur Mineralien, Pflanzen und Tiere der Heimat zu ſammeln, ſondern will auch durch Tauſch oder in anderer Weiſe Gegenſtände von außerhalb zu erhalten ſuchen. Anton de Barys Sammlung mikrofKopifher Prä- parate iſt vom Britiſh Muſeum angekauft worden. Nachdem bereits früher das Flechtenherbarium Hazslinsſiys in den Beſitz des ungariſchen Nationalmu⸗ ſeums in Budapeſt übergegangen war, hat dieſes nunmehr auch das Phanerogamenherbar dieſes Forſchers angekauft. Ebenſo wurde vom ungariſchen Nationalmuſeum die große Sammlung von Flechten, welche Loyka auf ſeiner letzten Reiſe in den Kaukaſus zuſammenbrachte, angekauft. Der Berliner Naturforſcher Frühſtorfer, welcher im Januar 1889 eine entomologiſche Reiſe durch Ceylon unternahm, hat daſelbſt mit Unterſtützung von 14 anderen Sammmlern in allen Teilen der Inſel eine gewaltige Sammlung aufgebracht. Nach oberflächlicher Schätzung ent⸗ hält dieſelbe etwa 25000 Käfer, 7000 Schmetterlinge, 3000 Orthopteren, ebenſo viele Neuropteren und 1000 Spinnen und Tauſendfüße. Er beſitzt eine große Zahl von Schmetterlingen und Orthopteren, welche ſich nicht im Muſeum zu Colombo befinden, und mehr als die dreifache Zahl von Neuropteren, welche dort zu ſehen iſt. Unter ſeinen wertvollſten Exemplaren befinden fic) die ſeltenen Blatt⸗ ſchmetterlinge, welche auf Bäumen und Sträuchern ſchwer zu entdecken ſind, da ſie die Form der Blätter nachahmen; ferner Heuſchrecken, Bockkäfer und Mantiden. Außerdem hat er eine ſchöne Sammlung von Schlangen, worunter ſich Cobras, Seeſchlangen und Exemplare der Uropeltiden be— finden; endlich eine Sammlung von Konchylien. Er ſchildert Ceylon als ein ſehr ergiebiges Feld für Natur- forſcher. M—s. Die königl. Angariſche naturwiſſenſchaftliche Gefell- ſchaft hat Dr. V. v. Borbäs mit der monographiſchen Be⸗ arbeitung der ungariſchen Kompoſiten, Dr. J. Iſtvänffi mit der monographiſchen Bearbeitung der Uredineem und Dr. Ferd. Filarszky mit der Bearbeitung der Algen der Hohen Tatra und der Umgebung von Budapeſt betraut. Die franzöſiſche Regierung ſendet folgende Jorſchungsreiſende aus: Prof. Viault aus Bordeaux in die Tafelländer Perus, Ecuadors und Bolivias, zur Fortſetzung der Unterſuchungen Paul Berts über verdünnte Luft; Bergingenieur Jacques de Morgan in diejenigen Teile Kleinaſiens, welche zwiſchen dem Süden des Kaſpiſchen Meeres, Armenien, dem Golf von Iskanderun und dem Anti⸗Taurus liegen (dieſe Reiſe iſt auf 2¼ Jahr be— rechnet); Herrn Candelier nach Columbien zu mono⸗ graphiſchen Forſchungen und zur Aufbringung von Samm⸗ lungen für den Staat. 28 Humboldt. — Januar 1890. Biographien und Perfonalnotizen. Dr. Eduard Ketteler, Profeſſor der Phyſik in Bonn, iſt in gleicher Eigenſchaft an die Akademie in Münſter verſetzt worden. Profeſſor Dr. Zincke in Marburg geht als Nachfolger Ladenburgs nach Kiel. Profeſſor Arthur König, Aſſiſtent am Phyſikaliſchen Inſtitut in Berlin, iſt zum Vorſteher der Phyſika⸗ liſchen Abteilung bei der Phyſiologiſchen Anſtalt in Berlin ernannt worden. Profeſſor Dr. Born, Proſektor an der Univerſität Breslau, wurde zum Vorſteher der Abteilung für Entwickelungs⸗ geſchichte am Anatomiſchen Inſtitut daſelbſt ernannt. Karl Fränkel, Privatdozent an der Berliner Uni⸗ verſität, iſt für die Beſetzung einer in Königsberg neu zu begründenden Profeſſur der Hygiene in Ausſicht genommen. Hans Virchow, Privatdozent an der Univerſität in Berlin, wurde zum Profeſſor in der mediziniſchen Fakultät daſelbſt ernannt. L. Rügheimer, Privatdozent an der Univerſität Kiel, iſt zum Profeſſor der pharmaceutiſchen Chemie daſelbſt ernannt worden. r. Bruno Hofer, Aſſiſtent am Zoologiſchen Inſtitut der Univerſität München, hat ſich daſelbſt als Privat⸗ dozent habilitiert. t. W. Ne rnſt hat ſich als Privatdozent für phyſikaliſche Chemie an der Univerſität in Leipzig habilitiert. r. Ferdinand Pax, Privatdozent an der Univerſität in Breslau, wurde zum Kuſtos am Botaniſchen Garten in Berlin ernannt. r. W. Pabſt, Lehrer an der Landwirtſchaftsſchule in Marggrabowa, wurde zum Kuſtos der naturwiſſen⸗ ſchaftlichen Sammlungen des Herzoglichen Muſeums in Gotha ernannt. Prorektor Kerſchner übernimmt die Proſektorſtelle an der Landeskrankenanſtalt in Brünn. Profeſſor Geza Entz in Klauſenburg wurde als Profeſſor der Zoologie an das Polytechnikum in Budapeſt be⸗ rufen. Die Direktion des Zoologiſchen Inſtituts in Klauſenburg erhielt dagegen Profeſſor A. Koch. r. Olearski, Dozent an der höheren Landwirtſchaft⸗ lichen Lehranſtalt in Dublany, wurde zum Profeſſor der Phyſik an der Techniſchen Hochſchule in Lemberg ernannt. Dr. Dr. Litterariſch Profeſſor Famintzin an der Univerſität in Petersburg iſt in Ruheſtand getreten; ſein Nachfolger iſt Pro⸗ feſſor J. Borodin. Dr. W. Palladin, Profeſſor am Inſtitut für Land- und Forſtwirtſchaft zu Nowo-Alexandria, iſt zum außer⸗ ordentlichen Profeſſor der Anatomie und Phyſiologie der Pflanzen an der Univerſität Charkow ernannt worden. Dr. Nicolas Geſechus, Profeſſor der Phyſik an der Univerſität in Tomsk, wurde zum Profeſſor der Phyſik am Technologiſchen Inſtitut in Petersburg (als Nachfolger des Profeſſor Lenz) ernannt. Dr. Wla d. Rothert in Petersburg, wurde zum etats⸗ mäßigen Privatdozenten für Anatomie und Phyſiolo⸗ gie der Pflanzen an der Univerſität Kaſan ernannt. David G. Fairchild wurde zum Aſſiſtenten der Section of vegetable pathology im the U. St. Departement of Agriculture ernannt. Dr. van Lagerheim, welcher kürzlich nach Liſſabon be⸗ rufen wurde, geht nun als Profeſſor und Direktor des Botaniſchen Gartens nach Quito. Dr. Woitſchach in Breslau tritt eine Stelle als Lehrer am Lyceo Nacional in Santiago an. Totenliſte. Vidal, Sebaſtian, Direktor des Botaniſchen Gartens zu Manila und Generalinſpektor der Philippiniſchen Forſten, der kenntnisreiche Verfaſſer zahlreicher bota⸗ niſcher Arbeiten über die Philippinen, ſtarb am 28. Juli. Oré, Profeſſor der Phyſiologie an der Faculté de Méde- eine in Bordeaux. Er hat wertvolle Unterſuchungen über die Transfuſion des Blutes geliefert. g Pater Curley S. J., Begründer und früherer Direktor des Georgetown College Obſervatory, ſtarb 96 Jahre alt. G. Aſper, Profeſſor der Zoologie in Zürich, ſtarb kürzlich. Joule, James Prescott, Phyſiker, welcher ſehr viel dazu beigetragen hat, das von Robert Mayer ent⸗ deckte Geſetz von der Erhaltung der Energie in ſeinen Einzelheiten auf feſten Grund zu ſtellen, und auch über Elektricität und Magnetismus hervorragende Arbeiten lieferte (Geſetz der Wärmeentwickelung durch galvaniſche Ströme), ſtarb im Alter von nahezu 71 Jahren am 11. Oktober in Sale, Grafſchaft Cheſter. e Rundſchau. J. Radanyi: Die Notation der Himmelskörper oder das Geſetz der Achſendrehung und Bahnbe⸗ wegung. Kronſtadt, Braſſö. 1889. Preis 70 Pf. Der Verfaſſer ſtellt die Theorie eines Zuſammenhan⸗ ges zwiſchen der Achſendrehung und Umlaufsbewegung der Planeten auf, die indeſſen bei näherer Betrachtung völlig in ſich zuſammenfällt. Er geht zunächſt von den bekannten Zeiten der Achſendrehung der Planeten aus, und führt mit dieſen Zahlen einige Rechnungsoperationen aus, welche ſich gegenſeitig vollſtändig aufheben, ſodaß ſchließlich die urſprünglichen Zahlen wieder zum Vorſchein kommen, was den Verfaſſer ſehr zu überraſchen ſcheint. Aus der Rotationsgeſchwindigkeit leitet er dann die Um⸗ laufsgeſchwindigkeit der Planeten dadurch ab, daß er For⸗ meln für die letztere aufſtellt, in welchen zwar die Ro⸗ tationszeit vorkommt, aber auch wieder eliminirt wird. Eine Anzahl hiermit nicht in unmittelbarem Zuſammen⸗ hang ſtehender Behauptungen über das Sonnenſyſtem be⸗ ruht durchweg auf unklaren und unrichtigen Ideen über die Geſetze der Bewegung. Königsberg. Prof. C. F. W. Peters. Woeikof, Der Einfluß einer Schneedecke auf Bo⸗ den, Klima und Wetter. Geographiſche Ab⸗ handlungen, Band 3, Heft 3. Wien 1889. Preis 6 Mark. Die Wichtigkeit der Schneedecke für Boden, Klima und Wetter iſt erſt in neuerer Zeit genügend gewürdigt worden, und daher hat man angefangen, planmäßige Beobachtungen über das Verhalten des Schnees zu machen, ſo zuerſt in Bayern, nachher im ruſſiſchen Reiche. Das Studium der Schneebedeckung iſt nicht allein wichtig für die Klimatologie, ſondern auch für die ſynoptiſche Meteoro⸗ logie und für die Meteorologie überhaupt. Einen ſehr wertvollen Beitrag zur Kenntnis des Verhaltens der Schnee⸗ bedeckung liefert Woeikof in der oben angegebenen Schrift, deren Hauptreſultate wir hier in Kürze wiedergeben wollen. Im erſten Kapitel behandelt der Verfaſſer die Temperatur des Schnees und deſſen Einfluß auf die Bodentemperatur. Der Schnee iſt wegen ſeiner fedrigen Struktur und der großen Menge der von ihm eingeſchloſſenen Luft ein ſchlechter Wärmeleiter, und ſo ſchützt er während der ganzen Zeit, während die Temperatur der Luft und der Schneeober⸗ Humboldt. — Januar 1890. 29 fläche unter dem Gefrierpunkte liegt, den Boden vor Abküh⸗ lung, und zwar umſomehr, je lockerer der Schnee iſt. Liegt dagegen die Bodentemperatur über dem Gefrierpunkte, ſo iſt der Einfluß entgegengeſetzt, alſo abkühlend, und es dauert dieſer abkühlende Einfluß fort auch nach der Schneeſchmelze, weil der Boden mit Waſſer von 0° angefüllt iſt, welches ſich nur langſam erwärmt. Hieraus folgt, daß die Schnee— decke im allgemeinen die Schwankungen der Bodentempe- ratur abſtumpft. Dabei iſt die erwärmende Wirkung einer Schneelage größer als deren abkühlende Wirkung, und zwar um ſo mehr, je länger die Schneedecke bei Tempe— raturen unter 0° dauert. Da der Schnee ein ſehr ſchlechter Wärmeleiter iſt und an ſeiner Oberfläche eine große Wärme— menge ausſtrahlt, fo iſt unter gleichen Umſtänden die Tem- peratur an der Schneeoberfläche niedriger als an der Ober— fläche eines ſchneefreien Bodens. Im zweiten Kapitel iſt der Einfluß einer Schneedecke auf die Lufttemperatur be— ſprochen. Dieſe muß unter ſonſt gleichen Verhältniſſen in den unteren Luftſchichten über einer Schneedecke tiefer ſein als über ſchneefreiem Boden. Die Abkühlung der Luft über einer Schneedecke iſt eine ganz bedeutende und gewöhnlich iſt die Temperatur der unterſten Luftſchichten insbeſondere an klaren, windſtillen Tagen niedriger als in den etwas höheren Luftſchichten. Eine ſolche Um— kehrung der Temperatur kommt zwiſchen Thälern und benachbarten Höhen in der Regel beim Vorhandenſein einer Schneedecke vor. Dadurch, daß die Windſtärke durch die rauhe Oberfläche des Schnees und durch die kalte darüberlagernde Luft abgeſchwächt wird, erhält die Schneedecke mehr Beſtändigkeit, indem die Wirkung wär⸗ merer Luftſtrömungen abgeſchwächt wird. Durch die ge- ringere Windſtärke und die kältere Luft wird die Bildung, ſowie die Beharrlichkeit hoher Luftdruckgebiete begünſtigt. Die ſchädliche Wirkung der Schneeſtürme (Burane) werden nicht ſo ſehr durch die Heftigkeit des Windes als durch das Schneetreiben verurſacht, welches Menſchen und Vieh ihrer Sinne beraubt. Die Verdunſtung des Schnees, welche allerdings durch die niedrigere Temperatur der Schneeoberfläche etwas gemildert wird, erhöht die relative Feuchtigkeit der Luft und iſt ſo einer Zunahme der Be— wölkung günſtig, wobei aber bei den durch die Schnee⸗ decke begünſtigenden Anticyklonen eine kleine Bewölkung die Regel iſt. „Die Unfähigkeit des Schnees fic) über 0° zu erwärmen, hat einen großen Einfluß auf die Luft- temperatur, daher ſind die Thauwetter im Winter über einer ausgedehnten Schneelage kurz, die Temperatur er- hebt ſich wenig über 0° und nur fo lange, als ein warmer Wind dauert. Beim Abflauen des Windes und Aufklären des Himmels ſinkt die Temperatur raſch unter 0° Im Frühling (in niederen Breiten auch im Winter) kommen jedoch bei Windſtille und hellem Sonnenſchein Lufttempe⸗ raturen über 0° vor, fo lange noch Schnee liegt. In dieſem Falle iſt alſo die Luft wärmer als die Oberfläche des Schnees. So lange kein Schnee liegt, iſt bekanntlich bei hellem Sonnenſchein die Oberfläche immer bedeutend wärmer als die Luft. Die oben erwähnte Erſcheinung iſt immer nur kurz dauernd und hat keinen ſehr großen Einfluß auf die mittlere Temperatur der Luft.“ Liegt die Lufttemperatur unter dem Gefrierpunkte, ſo tragen die direkten Sonnenſtrahlen zum Auftauen des Schnees ſehr wenig bei und die Schneeſchmelze beginnt erſt dann, wenn die Lufttemperatur den Nullpunkt überſchritten hat. Die Schneeſchmelze rückt auf unſerer Hemiſphäre nach und nach von nordwärts und oſtwärts weiter. Selbſt in den höchſten Breiten iſt im Sommer eine genügende Zufuhr warmer Luft vorhanden, um eine Schneeſchmelze zu be- werkſtelligen, dagegen in den ſüdlichen Polarkontinenten findet eine Schneeſchmelze nicht ſtatt. Der bedeutende Einfluß der Schneeſchmelze auf den Stand der Flüſſe iſt bekannt. Dabei iſt wohl zu berückſichtigen, ob der Boden auf eine größere Tiefe gefroren iſt oder nicht, indem im erſteren Falle faſt ſämtliches Schmelzwaſſer den Flüſſen zugeführt wird, im letzteren Falle viel Waſſer in den Boden einſickert. Auf iſolierten Bergen iſt die Schnee— decke von verhältnismäßig geringem Einfluß, dagegen an Bergkämmen fließt häufig die durch die Schneedecke er- kaltete Luft thalabwärts, wie es beiſpielsweiſe bei der Bora an den Oſtküſten der Adria und des Schwarzen Meeres der Fall iſt. Wegen der Schmelze des Firnſchnees ſind Gebirgsflüſſe ſelbſt in trockenen Jahren waſſerreich; ſelbſt ergiebige Schneefälle in der Firnregion haben aber auf den Waſſerreichtum dieſer Flüſſe wenig Einfluß. Dieſe von Woeikof gewonnenen Reſultate ſind wichtig genug, um das Studium der Schneeverhältniſſe als dringend not— wendig hinzuſtellen, und zwar nicht nur in theoretiſcher, ſondern ganz beſonders in praktiſcher Beziehung. So laſſen ſich aus der Kenntnis der Schneeverhältniſſe auf größerem Gebiete am Ende des Herbſtes und Anfang des Winters nicht unwichtige Anhaltspunkte über den Eintritt der Fröſte ableiten, wenn noch Wind und Luftdruck berück— ſichtigt werden. Auch würde die Berückſichtigung der Schneedecke bei Aufſtellung von Wetterprognoſen von hoher Bedeutung ſein. Sehr häufig wird der Betrieb der Eiſen— bahnen durch Schneeverwehungen auf großen Strecken geſtört. Dieſe Verwehungen ſind abhängig von der Beſchaffenheit des Schnees, von meteorologiſchen Zuſtänden, insbeſondere aber von der Richtung und Stärke des Windes. Es iſt dieſes ein Gegenſtand, welchem gegenwärtig die Eiſenbahn⸗ verwaltungen eine größere Aufmerkſamkeit zuwenden. Hoffentlich werden die vermehrten Anſtrengungen in unſerer Zeit in dieſer intereſſanten Frage mehr Licht bringen, dann wird es auch gelingen, weſentlichen prak— tiſchen Nutzen aus der Kenntnis der Schneeverhältniſſe zu ziehen. Hamburg. Dr. W. F. van Bebber. Geologiſche Spezialkarte von Elſaß⸗Cothringen. Blatt Sierck, Merzig, Groß-Hemmersdorf, Bu- ſendorf, Bolchen, Lubeln; herausgegeben von der Kommiſſion für die geologiſche Unterſuchung von Elſaß⸗Lothringen. Berlin, Simon Schroppſche Hof— landkartenhandlung. 1889. Die erſten zwei Blätter der geologiſchen Spezialkarte von Elſaß⸗Lothringen, welche im Jahre 1887 erſchienen, bilden mit den jetzt veröffentlichten ſechs Blättern zuſam— men ein rechteckiges Feld im nördlichen Lothringen, welches öſtlich an die preußiſche Grenze (Rheinprovinz) ſtößt. Dieſes Gebiet wird faſt ausſchließlich von der Triasformation, nur zum geringen Teile von alten Bildungen (Taunus— quarzit) oder Liasſchichten und jüngſten Formationen (Ter— tiär, Diluvium, Alluvium) eingenommen. Infolge einer zwiſchen der elſaß-lothringiſchen und preußiſchen Landes— aufnahme getroffenen Vereinbarung wurden die Grenz— blätter voll koloriert und die Abteilungsgrenzen gleichartig gezogen. Die Ausführung dieſer, ſowie der früheren Blät— ter ijt eine muſterhafte zu nennen. Die Aufnahmen wur- den von reichsländiſcher Seite durch die Herren L. van Wer— veke und G. Meyer, von preußiſcher durch die Herren H. Grebe und E. Weiß ausgeführt. Wenn auch die Aus— bildung der Triasformation in jener Gegend kaum be— merkenswerte Eigentümlichkeiten aufweiſt, ſo bieten doch die tektoniſchen Verhältniſſe einiges Intereſſe; insbeſondere wäre das Blatt Buſendorf hervorzuheben, deſſen Schichten— bau einer von Südweſt nach Nordoſt ſtreichenden Mulde ent— ſpricht, auf deren Oſtſeite der Tromborner Berg horſtartig emporragt. Freiburg. A. Blytt: On variation of climate in the course of the time (Christiania Videnskabs- Selskaabs Forhandlinger 1886. Nr. 8). Auf Grund einer Reihe von Arbeiten über die Ur⸗ ſachen der periodiſchen Aenderungen des Klimas glaubt der Verfaſſer die Anſicht ausſprechen zu können, daß die Klimaſchwankungen verurſacht werden durch das Vorrücken der Nachtgleichen, ſo daß dieſe Wirkung hinreichend ſei, alle Thatſachen zu erklären, welche bei der Theorie in Be— tracht kommen. Die Excentricität der Erdbahn fei jo raſch wechſelnd, daß zwei aufeinanderfolgende halbe Umläufe Profeſſor Dr. Steinmann. 30 Humboldt. — Januar 1890. nicht genau zuſammenfallen, und hierdurch werden die Meeresſtrömungen und das davon abhängige Klima derart beeinflußt, daß größere und andauernde Schwankungen möglicherweiſe durch dieſe Wirkungen verurſacht werden. Hamburg. Dr. W. J. van Bebber. B. Knuth, Grundzüge einer Entwickelungsge⸗ ſchichte der Pflanzenwelt in Schleswig⸗Holſtein. (Separatabdruck aus den „Schriften des natur⸗ wiſſenſchaftlichen Vereins für Schleswig⸗Holſtein VIII, 1“.) Kiel 1889. Preis M. 1. 20. Der durch ſeine Flora von Schleswig⸗Holſtein be⸗ kannte Verfaſſer ſchildert die Entwickelung der Flora ſeit der Tertiärzeit in unmittelbarem Anſchluß an die An⸗ ſchauungen Englers. Das Land befindet ſich infolge ſeiner nördlichen Lage im Verbreitungsgebiete der eiszeitlichen Gletſcher, ſo daß das Vorkommen zahlreicher Glacial⸗ pflanzen an geeigneten Orten begreiflich erſcheint; anderer⸗ ſeits war eben dieſe Lage dem Eindringen öſtlicher (pon⸗ tiſcher) Formen ungünſtig; die dem Küſtengebiete des weſtlichen Europas eigentümlichen atlantiſchen Pflanzen ſind in großer Fülle vertreten. Von beſonderem Intereſſe ſind die Ausführungen des Verfaſſers über die gegen⸗ wärtige Waldloſigkeit der Weſtküſten, während früher dieſe, ſowie auch die oſt- und nordfrieſiſchen Inſeln Wälder be⸗ ſeſſen haben. Verfaſſer bringt den Untergang jener Wäl⸗ der mit der Trennung Englands vom Kontinent in urſäch⸗ lichen Zuſammenhang, indem dadurch bei der herrſchenden weſtlichen Windrichtung die Wogen des Atlantiſchen Oceans mit voller Wucht an die entgegenſtehenden Küſten an⸗ prallten und die Wälder teils durch die hochſteigende Flut vernichteten, teils aber Gelegenheit zu ausgiebiger Bildung von Dünen gaben, die ihrerſeits durch ihr Wanderver⸗ mögen den Wald zurückdrängten. Das Holz jener Forſten findet ſich in den zum Teil unterſeeiſchen Torfmooren und wurde (früher mehr als jetzt) als Feuerungsmaterial verwertet. Von allgemeinerem Intereſſe iſt ferner die Meinung des Verfaſſers, daß bei dem bekannten Wald⸗ wechſel in jenen Gegenden (Kiefer, Eiche, Buche) die Er⸗ ſetzung der älteſten Kiefer- durch Eichenwälder deshalb nicht als eine Verdrängung der erſteren durch die letzteren betrachtet werden dürfe, weil beide gleich große Anſprüche an das Sonnenlicht machen, beide gegen Beſchattung gleich empfindlich ſind; auf engem Raume hätte daher die ſchnell⸗ wüchſige Kiefer die langſam wachſende Eiche verdrängen müſſen. Wenn nun trotzdem das Umgekehrte eingetreten, ſo müßte der Grund anderswo, vielleicht in einer größeren Empfindlichkeit der Kiefer gegen Feuchtigkeit des Bodens, geſucht werden. Die Kiefer ſei demnach nicht durch einen biologiſchen Vorzug der Eiche verdrängt worden, ſondern eine ungünſtige Eigenſchaft ihrer ſelbſt habe ſie unterliegen laſſen. Die Anſchauung des Verfaſſers als richtig voraus⸗ geſetzt, iſt eigentlich doch kein Grund zur Bemängelung der Ausdrucksweiſe: „Die Kiefer iſt durch die Eiche ver- drängt worden“, vorhanden. Denn wenn die Eiche gegen Verſumpfung des Bodens nicht ſo empfindlich iſt wie die Kiefer, beſitzt ſie eben im Kampfe ums Daſein eine, wie der Erfolg gelehrt, wirkſame Waffe gegen dieſe. Dresden. Dr. Reiche. T. Sewin, Weber Areca Catechu, Chavica Betle und das Betelkauen. Stuttgart, Ferdinand Enke 1889. Preis 6 Mark. Vor drei Jahren veröffentlichte Lewin eine inhalt⸗ reiche Arbeit über die Kawa, Piper methysticum (Ber⸗ lin 1886) und eröffnete damit eine neue Bahn, auf welcher die vorliegende Arbeit als zweite, faſt noch wertvollere Frucht umfaſſender Bemühungen erſcheint. Der Verfaſſer hebt hervor, daß die Volksmedizin der Tropenbewohner eine wenig gewürdigte Quelle für das Auffinden von Heilmitteln ſei, ein Born, aus welchem das beſte ſtammt, was wir in dieſer Beziehung beſitzen. Es erſcheint daher ſehr geboten, die tropiſchen Schätze mit den neuern Hilfs⸗ mitteln zu prüfen, und es iſt ſehr begreiflich, daß der Forſcher ſich durch die Genußmittel der Tropenbewohner in erſter Linie angezogen fühlt. Was wir in dem vor⸗ liegenden Buch erhalten, iſt ein reicher Beitrag zur Natur⸗ geſchichte zweier wichtiger Kulturpflanzen. Botaniſches, Pflanzengeographiſches, Chemiſches und Pharmakalogiſches wird in gleicher Ausführlichkeit geboten und dazu ein gutes Stück Kulturgeſchichte, welches das Intereſſe der weiteſten Kreiſe zu feſſeln geeignet iſt. Wir empfehlen die kleine Schrift, welche mit zwei lithographierten Tafeln geſchmückt iſt, unſern Leſern auf das angelegentlichſte. Friedenau. Dammer. Dr. Max Sußdorf, Profeſſor an der Kgl. Tierarznei⸗ ſchule in Stuttgart. Die Verteilung der Ar- ferien und Nerven an Hand und Juß der Hausſäugetiere. Eine vergleichend anatomiſche Studie zum Zweck der Erzielung einer ſachge⸗ mäßen Benennung derſelben. Separatabdruck aus der Feſtſchrift zur Feier des XXV. Regierungs⸗ jubiläums ſeiner Majeſtät des Königs Karl von Württemberg. Stuttgart, W. Kohlhammer 1889. Es iſt eine erfreuliche Thatſache, daß durch Erhebung von Tierarzneiſchulen zu Hochſchulen auch von maßgebender Seite das berechtigte Streben der Tierarzneikunde, ſich ebenbürtig den andern Naturwiſſenſchaften an die Seite zu ſtellen, bereits vielfache Anerkennung gefunden hat. Doch muß auch die Tierarzneikunde ſelbſt die eine oder andere von früher überkommene Gewohnheit aufgeben und neue Bahnen einſchlagen, wenn ſie mit dem An⸗ ſpruch völliger Gleichberechtigung in den Kreis der Schweſter⸗ wiſſenſchaften treten will. In den einleitenden Seiten der vorliegenden Schrift weiſt der Verfaſſer mit einer gewiſſen Bitterkeit darauf hin, daß die von den meiſten Veterinär⸗ ſchriftſtellern, und insbeſondere auch von den tierärztlichen Praktikern gebrauchte anatomiſche Nomenklatur in vielen Punkten ſo ſehr von der in der menſchlichen Medizin und vergleichenden Anatomie üblichen Benennungsweiſe ab⸗ weicht, daß die Tierarzneikunde in anatomiſchen Fragen hierdurch geradezu eine ihr nicht zum Vorteil gereichende Sonderſtellung einnimmt. Statt ſich der bei Zoologen und vergleichenden Anatomen allgemein üblichen Aus⸗ drucksweiſe zu bedienen, die das Recht der Priorität für ſich hat, halten, beſonders in der Einteilung der Hand und des Fußes unſerer Hausſäugetiere, ſelbſt neuere Veterinärſchriftſteller auch heute noch an einer veralteten Nomenklatur feſt, die nicht nur mit der allgemein üb⸗ lichen keineswegs übereinſtimmt, ſondern ſelbſt Namen enthält, unter welchen die Zoologen ganz andere Dinge verſtehen. Wenn z. B. der Tierarzt ſtatt „Mittelfuß“ „Schienbein“ ſagt und demgemäß auch von einer „Schien⸗ beinarterie“ und „Schienbeinnerven“ ſpricht, ſtatt Arteria ulnaris und nervus plantaris, ſo wird eine ſolche Be⸗ zeichnungsweiſe nicht nur eine Quelle fortwährender Miß⸗ verſtändniſſe ſein, ſondern kann auch der Tierarzneikunde den nicht ungerechtfertigten Vorwurf einer unwiſſenſchaft⸗ lichen Ausdrucksweiſe eintragen. Um den Beweis zu lie⸗ fern, daß hier Wandel geſchafft werden kann, hat der Verfaſſer in vorliegender Schrift unternommen, durch Nebeneinanderſtellung der bei Menſch, Hund, Schwein, Wiederkäuer und Pferd gegebenen anatomiſchen Verhält- niſſe eine ſachgemäße Nomenklatur der Nerven und Ar⸗ terien an Hand und Fuß dieſer Geſchöpfe aufzuſtellen, die der bei Zoologen und Anatomen geläufigen Benen⸗ nungsweiſe entſpricht. Zu Grund gelegt iſt die Einteilung. der Nerven und Gefäße an Hand und Fuß des Menſchen, da dieſe hier beſonders gut unterſucht ſind und den meiſten Säugern die fünffingerige Urform zukommt, aus welcher durch Reduktion der Zehen die minderzehigen Formen entſtanden ſind. Die Gegenüberſtellung der Innervation und Vaskulariſation von Hand und Fuß der Mehr- und Einzeher gibt zugleich einen Ueberblick über die mit der Rückbildung zu letzteren Handformen Humboldt. — Jannar 1890. 31 verbundenen Abänderungen in Verlauf und Teilung der Nerven und Gefäße. Auf Einzelheiten einzugehen kann nicht Zweck dieſer Anzeige ſein, die nur auf die in einer weniger verbreiteten Publikation erſchienene Schrift hin weiſen ſoll, in welcher ein berufener Vertreter der Tier— arzneikunde ſelbſt auf die Mängel in ſeiner Wiſſenſchaft hinweiſt, zugleich aber ſelbſt auch den Weg betritt, der zu ihrer Abſchaffung und einem immer feſteren Anſchluß an die nächſt verwandten Wiſſenſchaften führt. Stuttgart. Dr. Kurt Lampert. Hugo de Vries, Intracellulare Vangeneſis. Jena, Guſtav Fiſcher. 1889. Preis 4 Mark. Im zweiten Bande ſeines Werkes über die Variation der Tiere und Pflanzen unter dem Einfluſſe der Züchtung (1868) fühlte ſich bekanntlich Darwin zur Aufſtellung der Pangeneſistheorie einer „proviſoriſchen Hypotheſe“ ge— drängt, welche ihm zur Erklärung der Erblichkeitserſchei— nungen höchſt förderſam erſchien. Er nahm an, daß in allen der Fortpflanzung dienenden Zellenkomplexen, alſo in den Ei- und Spermazellen, wie in den Pollenkörnern und Knoſpen ſämtliche erbliche Eigenſchaften des Organis— mus durch kleinſte ſtoffliche Teilchen vertreten ſeien, denen er den Namen von Keimchen (gemmules) beilegte. Teils durch ihre Abſtammung aus früheren Keimzellen (durch Teilung derſelben), teils durch ſpätere Zufuhr aus allen Organen des Körpers erhöben ſie ſich zu einem Inbegriff aller früheren und gegenwärtigen Eigenſchaften des Körpers, um dieſe den aus ihnen entſtehenden Nachkommen weiter- zureichen. Es iſt bekannt, daß dieſe Lieblingshypotheſe Darwins in der geſamten wiſſenſchaftlichen Welt, wie er ſich einmal dem Referenten gegenüber ausdrückte, „keinen einzigen Freund“ erwarb. Sie hat nunmehr in dem Amſterdamer Profeſſor der Botanik inſofern einen Freund gefunden, als dieſer ſie in einer gewiſſen Modifikation als die beſte Erklärung der Vererbungserſcheinungen an— ſieht. Allein ich glaube nicht, daß Darwin, wenn er noch lebte, über dieſe Freundſchaſt Freude empfunden haben würde. Der Verfaſſer ſchließt ſich nämlich den Weismann⸗ ſchen Anſichten von der Nichtvererbbarkeit von außen er⸗ worbener Eigenſchaften an, und verwirft den zweiten Teil der Darwinſchen Hypotheſe, nach welcher die ſämtlichen Körperzellen in ihren verſchiedenen Entwickelungsſtadien Beiträge zu den Keimzellen liefern ſollten, gänzlich. Meines Erachtens war nun dieſe ſogen. Transporthypotheſe gerade derjenige Teil der Pangeneſis, für den, wie auch der Name wohl ausdrücken ſollte, die ganze Hypotheſe erdacht war, um nämlich dadurch die ſtändige Geſamtrepräſentation der jeweiligen Zuſtände aller Körperteile in den Fort— pflanzungszellen zu erklären. Wenn Vries nunmehr die Hypotheſe ſo modifiziert, daß er mit Verwerfung jedes Transportes von Zelle zu Zelle und durch den Körper Darwins Keimchen, die er Pan gene nennt, als Träger der erblichen Eigenſchaften innerhalb der Zelle anſieht, ſo iſt das keine eigentliche Theorie mehr, ſondern nur eine bild—⸗ liche Umſchreibung von Vorſtellungen. Jede erbliche Eigen— ſchaft, ſie mag bei noch ſo zahlreichen Species zurückge— funden werden, hat hiernach ihre beſondere Art von Pangenen, und je höher die Differenzierung der Arten ge— ftiegen iſt, um fo mehr Pangene werden fic) in den Keimzellen anhäufen. Er denkt ſich dieſe Pangene in den Zellkernen vereinigt, woſelbſt ſie ſich durch Teilung ver— mehren. Bei jeder neuen Funktion treten diejenigen Pangene, welche im Protoplasma der Zelle wirkſam werden ſollen, aus dem Kerne hervor, aber nicht aus der Zelle heraus, daher „intracellulare Pangeneſis“. Wenn nun aber kein Transport von Pangenen aus einer Zelle in die andere ſtattfindet, ſo müſſen alle darauf beruhenden Annahmen, wie die der Erblichkeit von außen her er— worbener Eigenſchaften, der Rückwirkung von Propfreiſern und fremden Pollens auf die Grundlage u. ſ. w. geleugnet werden. Aber dann, unter der Annahme nämlich, daß alle Erblichkeit auf Uebertragung durch Teilung vermehrter Pangene beruht, wäre die Erblichkeit ja eine ganz ſelbſtver⸗ ſtändliche Sache, und wir brauchten der Pangene gar nicht, denn daß durch Teilung vermehrte Weſen die gleichen bleiben, iſt ja in gewiſſen Grenzen ſelbverſtändlich. Das ſchlimmſte aller ſchlimmen Dinge ſcheinen mir aber Hypotheſen zu ſein, die nur der Ausdruck (vermeintlicher) Thatſachen ſein wollen, ohne etwas zu erklären, während Darwins Pange- neſis das weittragende Ziel verfolgte, die Erblichkeit der neuentwickelten Eigenſchaften im Verein mit dem Ent— wickelungswege zu erklären. Die hier vertretenen „neuen Wege“ ſcheinen eine bedrohliche Richtung einzuſchlagen, um wieder in die alten Anſichten von der Panjpermie- und Einſchachtelungstheorie einzumünden. Berlin. Dr. Ernſt Krauſe. Moriz Wagner, Die Entſtehung der Arten durch räumliche Sonderung. Geſammelte Aufſätze, nach letztwilliger Beſtimmung des Verſtorbenen, herausgegeben von Dr. Moriz Wagner. Baſel, Benno Schwabe. 1889. Preis 12 Mark. Die hier vereinigten Aufſätze ſind in den Jahren 1868—1886 teils in Form ſelbſtändiger Abhandlungen, teils als Beiträge für die „Augsburger Allgemeine Zeitung“, das „Ausland“ und den „Kosmos“ erſchienen; ihre Zu— ſammenfaſſung in Buchform bezweckt, von einer Mitwelt, die den darin ausgeſprochenen Anſichten ihre Zuſtimmung verſagt hat, an eine gerechtere Nachwelt zu appellieren. Der Verfaſſer, der ſeine Laufbahn als Tagesſchriftſteller von ungewöhnlicher Begabung begann, als Forſchungs— reiſender von anerkanntem Verdienſte fortſetzte und als Ehrenprofeſſor der Münchener Univerſität am 30. Mai 1887 beſchloß, war ein Anhänger der Darwinſchen Theorie bis zu dem Punkte, daß er an die Wirkung der Naturausleſe nicht glaubte, ſondern die räumliche Sonderung als das artenerzeugende Moment anſah, weil fie die Wiederver- miſchung der neuentſtandenen Varietäten oder beginnenden Arten mit den elterlichen und geſchwiſterlichen Formen am wirkſamſten verhindert und durch lokale Einflüſſe noch mehr auf Verunähnlichung hinarbeitet. Leonhard von Buch hatte ähnliche Anſichten ſchon 34 Jahre früher aufgeſtellt, und Darwin ſelbſt bereits in ſeiner „Reiſe um die Welt“ (1839), wie in ſpätern Werken den die Artbildung be— günſtigenden Einfluß der örtlichen Sonderung gebührend in Rechnung gezogen. Wenn Darwin ſpäter Wagner gegenüber brieflich anerkannte, daß er in letzterer Richtung lange nicht genug gethan, ſo war dies eine private Höf— lichkeitsbezeugung, deren Charakteriſierung als ſolche Wagner nimmermehr als die Unterſtellung eines Mangels an Auf— richtigkeit zu bezeichnen Urſache hatte (vergl. S. 452). Denn was den Erſatz der Zuchtwahltheorie durch die Migrations- oder Sonderungstheorie betrifft, jo hat weder Darwin ſelbſt, noch irgend einer ſeiner namhafteſten An— hänger trotz des redlichſten Bemühens einzuſehen vermocht, wie die Entſtehung einer zweckmäßigen Ausrüſtung oder Vervollkommnung der Naturweſen ohne natürliche Ausleſe zu erklären ſein ſollte. Mehrere der namhafteſten Darwi— niften, wie Haeckel, Oskar Schmidt, Fritz Müller, Weis- mann, Semper, Georg Seidlitz u. a. haben ſich umſtänd⸗ lich bemüht, Wagner von der Unhaltbarkeit ſeiner An⸗ ſichten zu überzeugen, allein wie dieſes Buch beweiſt, ohne Erfolg. Bei aller Pietät gegen den Verſtorbenen, der eifrig der Wahrheit nachſpürte und nur die Wahrheit ſuchte, muß dies konſtatiert werden, und ebenſo der faſt beängſtigende Eindruck, den ſeine Verſuche machen, die zweckmäßige Ausrüſtung, die Schutzmittel der Tiere u. ſ. w., welche durch die täglich zu beobachtende natürliche Ausleſe ſo leicht verſtändlich ſind, auf ſeine Weiſe zu erklären. Da ſollen z. B., was die ſympathiſchen Färbungen betrifft, die verſchiedenſten Tiere ſandgelbe, grüne und ſchneeweiße Abarten gebildet haben, von denen die ſandgelben ahnten, daß ihnen in der Wüſte ein Land blühe, wo ſie ſich vor ihren Feinden und Opfern am beſten verſtecken könnten, und ſie wanderten alleſamt dorthin aus; die weißen Abarten pilgerten ebenſo einmütig zum Pole und die grünen in den Urwald (S. 295). Der Gipfel dieſer naiven Naturdeutung iſt, daß Wagner die Raupe unſeres gelben 32 Humboldt. — Januar 1890. Ordensbandes, die in Form und Färbung den Aeſten des Schlehdornſtrauches, auf dem ſie lebt, bis auf den langen ſpitzen Dorn gleicht, den ſie auf dem achten Leibesringe trägt, ſo lange herumſuchen läßt, bis ſie dieſen Platz findet, für den ſie „geſchaffen“ iſt (S. 295). Er hätte noch hin⸗ zufügen können, daß dieſe Eulenraupe dort mit derjenigen des Schlehdornſpanners zuſammentraf, die durch ähnliche dornige Auswüchſe nach demſelben Zufluchtsort getrieben wurde. Wie einfach klingt gegen ein ſolches Herumſuchen die Erklärung der Zuchtwahltheorie, daß dieſe Raupen, wie ſo unzählige andere Tiere, ihrer gewöhnlichen Standorts⸗ umgebung in Form und Färbung ähnlich wurden, weil den Verfolgungen ihrer Feinde die ſchwererkennbaren Abarten beſſer entgingen, als die nicht angenäherten. Für das Rätſel der Mimikry, d. h. der Nachahmung durch Waffen oder ſchlechten Geſchmack gegen Verfolgung ge⸗ ſchützter Arten durch andere Tiere, die oft nicht im ge⸗ ringſten mit ihnen verwandt ſind, hat Wagner nur die Erklärung, daß die Nachbilder ihren Vorbildern (ohne irgend welche erkennbare Urſache!) ähnlich geworden ſeien und ſich dann beigeſellt hätten (S. 415). Die unzähligen Fliegen⸗, Käfer⸗, und Schmetterlingsarten, welche ſich in die Maske der Weſpen, Horniſſen und Hummeln geworfen haben, brauchen nicht einmal mit denſelben zu fliegen, weil die Vorbilder unter den Inſektenfreſſern genugſam bekannt und gemieden ſind. Als Hauptbeweisſtück für ſeine Theorie erwähnt Wagner in ſeinen an Wiederholungen überreichen Abhandlungen mehrmals (z. B. S. 307) eines nordamerikaniſchen Spinners, des ſogen. Mondvogels (Saturnia Luna), deſſen erſte auf Schweizerboden erzielte Generation ſo verſchieden von der Stammform ausfiel, daß ſie ſelbſt von Kennern unbedenklich als neue und verſchiedene Art bezeichnet worden ſein würde, wenn man ihre Herkunft nicht gekannt hätte. Wagner jah darin unbe⸗ fangen einen Einfluß der Ortsveränderung und hat damit ſogar Darwin einen Augenblick überraſchen können. Es gibt aber eine viel einfachere Erklärung, die darin liegt, daß die Raupe in Texas auf Uarya-Wrten und Juglans nigra lebt, während ſie in der Schweiz mit Blättern von Juglans regia gefüttert werden mußte. Wagner wußte offenbar nicht, was den meiſten Schmetterlingszüchtern be⸗ kannt iſt, daß man durch Fütterung mit Wallnußblättern auch aus den Raupen unſeres braunen Bären ohne alle Ortsveränderung die merkwürdigſten Abänderungen er⸗ zielt, fo daß ſein Hauptbeiſpiel weniger als nichts beweiſt. Auch die langen Exkurſe des Herausgebers über einzelne Punkte werden ſchwerlich irgend etwas an dem nur zu wohl begründeten Urteil der Fachleute über das Verfehlte in den Spekulationen ſeines Oheims ändern; ſeine Abſicht war die beſte, aber er hätte nicht ſolche Luftſprünge machen ſollen, wie in ſeiner Theorie von dem Urſprung des Lebens durch Exploſion (S. 542) oder der Zellhöhlung durch Centri⸗ fugalkraft (S. 544). Sehr angenehm lieſt ſich die ein⸗ leitende Schilderung von Wagners Leben aus der Feder ſeines Reiſegenoſſen in Nord- und Mittelamerika, Karl von Scherzer. Berlin. Dr. Ernſt Branfe. Otto Zacharias: Bilder und Skizzen aus dem Rees Ne Jena, N. Coſtenoble. 1889. Preis Mark. Den Leſern des „Humboldt“ iſt der Verfaſſer zweifel⸗ los bekannt; er hat ſich in den letzten Jahren beſonders durch Unterſuchung der auch von anderer Seite nicht ver⸗ nachläſſigten Fauna unſerer ſüßen Wäſſer bekannt gemacht, ſteht im Begriff, eine zoologiſche Station am Plöner See zu gründen und verſteht es in hohem Grade, wie zahl⸗ reiche Artikel in belletriſtiſchen, ſelbſt politiſchen Journalen beweiſen, die Früchte eigener oder fremder Studien einem größeren Leſerkreiſe mundgerecht und annehmbar zu machen. Ein Teil der früher veröffentlichten Eſſays ſowie eine An⸗ zahl neuer hat der Verfaſſer in dem vorliegenden Buche vereinigt; es ſind im Ganzen 39, ſich ſehr angenehm leſende und auch ihres Inhaltes wegen anſprechende Skiz⸗ zen, welche zum größten Teil zoologiſche, einige wenige auch botaniſche, reſp. allgemeine Fragen behandeln. Bei dieſer Mannigfaltigkeit des Stoffes iſt es keine Frage, daß das Werkchen ſchon durch den einen oder anderen Artikel viele Leſer anziehen wird, die dann ſicherlich auch den anderen Skizzen Beachtung ſchenken werden, da ſie mit großer Wärme geſchrieben und frei von dem Ballaſt wiſ⸗ ſenſchaftlichen Beiwerks ſind; ſelbſt alltägliche Erſcheinun⸗ gen, an denen die meiſten, ohne ſie näher zu beachten, vorbeigehen, behandeln ſie und gewinnen denſelben neue und intereſſante Seiten ab. Wir ſind überzeugt, daß dieſe Sammlung zur Verbreitung der Kenntniſſe über die uns umgebenden Naturgegenſtände beitragen und der Natur⸗ beobachtung neue Freunde zuführen wird. Roſtock i. M. Prof. Dr. M. Braun. Bibliographie. Bericht vom Monat Oktober 1889. Allgemeines. Abendroth, R., Das Problem der Materie. Ein Beitrag zur Erkenntnis⸗ kritik und Naturphiloſophie. Leipzig, Engelmann. M. 14. ae 5 Zur Geſchichte der Zelltheorien. Ein Vortrag. Leipzig, el. 5 Hallier, E., Kulturgeſchichte des 19. Jahrhunderts in ihren Beziehungen zu der Entwickelung der Naturwiſſenſchaften geſchildert. M. 20. Hofer, J., Grundriß der Naturlehre für Bürgerſchulen. 3 Stufen. 17., 14. u. 11. Aufl. Wien, Manz. M. 2. 08. Jahrbücher des Naſſauiſchen Vereins für Naturkunde. Herausg. von A. Pagenſtecher. 42. Jahrg. Wiesbaden, Bergmann. M. 10. Löffler, A. J., Der Unterricht in der Naturlehre an allgemeinen Volks⸗ ſchulen. Eine Sammlung von durchgeführten Themen, Winken und Andeutungen. Wien, Pichler. M. 3. Prometheus, Illuſtrierte Wochenſchrift über die Fortſchritte der ange⸗ wandten Naturwiſſenſchaften, herausg. v. O. N. Witt. 1. Jahrg. Nr. 1. Berlin, Mückenberger. Vierteljährlich M. 3. Naturhiſtoriſche Beſtrebungen Nürnbergs im 17. u. 18. Jahr⸗ Leben u. Werke ihrer Beſchützer u. Vertreter. Nürnberg, M. 1. Shyfik. Behn⸗Eſchenburg, II., Unterſuchungen über das Giltay'ſche Eiſenelektro⸗ dynamometer. Zürich, Müller. M. 2. Hertz, H., Ueber die Beziehungen zwiſchen Licht und Elektrieität. Ein Vortrag. 4. Aufl. Bonn, Strauß. M. 1. 1889/90. Spieß, E., hundert. Ballhorn. Hummel, A., Anfangsgründe der Naturlehre für Volksſchulen. 2. Aufl. Halle, Anton. M. —. 40. } Wald, F., Die Energie und ihre Entwertung. Studien üb. d. 2. Haupt: fag der mechan. Wärmetheorie. Leipzig, Engelmann. M. 2. 50. Chemie. Bunge, G., Lehrbuch der phyſiologiſchen und pathologiſchen Chemie. In 21 Vorleſungen für Aerzte u. Studierende. 2. Aufl. Leipzig, Vogel. 8 M. 8. Elbs, K., Die ſynthetiſchen Darſtellungsmethoden der Kohlenſtoffverbin⸗ dungen. 1. Band. Syntheſen mittels metallorganiſcher und mittels Cyan verbindungen; Syntheſen durch molekulare Umlagerung und durch Addition. Leipzig, Barth. M. 7. 50. f Horn, F. M., Anleitung zur chemiſch⸗techniſchen Analyſe organiſcher Stoffe. Wien, Safar. M. 5. 40. 8 Lainer, A., Lehrbuch der photographiſchen Chemie und Photochemie. 1. Tl. Anorganiſche Chemie. Halle, Knapp. M. 6. N W., Grundriß der allgemeinen Chemie. Leipzig, Engelmann. 8 Philip, M., Das Pyridin und ſeine nächſten Derivate. Stuttgart, Metzler. M. 2. 50. 3 Pohlmann, R. Repetitorium der Chemie für Studierende. 2. Teil. Hie i Chemie. (Chemie der Kohlenſtoffverbindungen.) Leipzig, irzel. 35 d E., agrikulturchemiſche Analyſe. Stuttgart, Waag. M. 6; geb. 5 (0 Humboldt. — Januar 1890. 33 Aſtronomie. Miethe, A., Zur Aktinometrie aſtronomiſch⸗photographiſcher Fixſternauf⸗ nahmen. Roſtock, Volckmann. M. 1. Geographie. Mitteilungen des Vereins ite Erdkunde zu Halle a. S. 1889. Halle, Tauſch & Groſſe. M. Müller, W., Die 1 Afrikas durch phöniziſche Schiffer ums Jahr 600 v. Chr. Geb. Rathenow, Babenzien. M. 3. Petermanns, A., Mitteilungen aus J. Perthes' geographiſcher Anſtalt. Herausg, v. A. Supan. Ergänzungsheft Nr. 95. Inhalt: Die Inſel Leukas. Eine geograph. Monographie. Von J. Partſch. Gotha, Perthes. M. 2. 60. Verhandlungen des 8. deutſchen Geographentages zu Berlin am 24., 25. und 26. April 1889. Herausg. v. J. Kollm. Berlin, Reimer. M. 5. Wittſtein, Th., Vier Briefe aus Samoa und die Bedeutung der über⸗ ſeeiſchen Kolonien für die fortſchreitende heutige ead an einem Beiſpiele nachgewieſen. Hannover, Hahn. M. — Meteorologie. Bebber, W. J. van, Lehrbuch der Meteorologie für Studierende und zum Gebrauche in der Praxis. Stuttgart, Enke. 10. Bibliothek, Internationale wiſſenſchaftliche. 68. Band. Inhalt: Die wichtigſten periodiſchen Erſcheinungen der Meteorologie u. Kosmologie. Von H. Fritz. Leipzig, Brockhaus. M. 7. Mineralogie, Geologie, Paläontologie. Baumhauer, H., Das Reich der Kryſtalle, für jeden Freund der Natur, insbeſondere für Mineralienſammler, leichtfaßlich dargeſtellt. Leipzig, Engelmann. M. 8. Groth, P., Tabellariſche Ueberſicht der Mineralien, nach ihren kryſtallo⸗ graphiſch⸗ Ha Beziehungen geordnet. 3. Aufl. Braunſchweig, Vieweg. M. 8. Kloos, J. H., Entſuhung und Bau der Gebirge, N am geolog. Bau des Harzes. Braunſchweſg, Weſtermann. M. Kraß, M., u. H. Landois, Der Menſch und die drei Reiche der Natur. 3. Tl. Inhalt: Das Mineralreich in Wort u. Bild, für den Schul⸗ unterricht in 152 6 dargeſtellt. 4. Aufl. Freiburg, Herder. M. Spezialkarte, Geologische von Preußen und den Thüringiſchen Staaten. 125,000. Herausg. v. d. k. preuß. geolog. Landesanſtalt u. Berg⸗ akademie. 37. u. 40. Lfg. Mit Erläuterungen. Inhalt: 37. Grav- abteilung 69, Nr. 18. Altenbreitungen. — Nr. 24. Oberkatz. Nr. 30. Helmershauſen. — Gradabt. 70, Nr. 19. Waſungen. — Nr. 25. Meiningen. — Gradabt. 71, Nr. 19. Saalfeld. — Nr. 20. e — Nr. 25. Probſtzella. — Nr. 26. Liebengrün. Berlin, Schropp. M. 18. Stache, G., Ueberſicht der geologiſchen Verhältniſſe der Küſtenländer von Oeſterreich-Ungarn. Mit einer geologiſchen Ueberſichtskarte. Wien, Hölder. M. 10. : Botanik. Bibliotheca Jhon e lle aus dem Geſamtgebiete der Botanik. Herausg. v. F. H. Haenlein u. Ch. Luerſſen. 15. Hft. Inhalt: Anatomische Studien über die ee v. Koniferen und dikotylen Holzgewächſen. Von C. R. G. Schumann. Kaſſel, Fiſcher. M. 10. — Abhandlungen aus dem Geſamtgebiete der Botanik. Herausg. v. F. H. Haenlein u. Ch. Luerſſen. 16. Hft. Inhalt: Beiträge zur Mor⸗ phologie und Anatomie der Dioskoreaceen. Von E. Bucherer. Raffel, Bilder M. 10. Engler, A., u. K. Prantl, Die natürlichen Pflanzenfamilien nebſt ihren Gattungen und wichtigeren Arten. insbeſondere den Nutzpflanzen. 37. Qjg. Leipzig, Engelmann. M. 1. 50. Jürgens, B., Vergleichende mikroſtopiſch⸗pharmakognoſtiſche Unter⸗ ſuchungen tiniger Ojficinellen Blätter mit Berückſichtigung ihrer Ver⸗ wechſelungen und Verfälſchungen. Dorpat, Karow. M. 1 20. Kohl, F. G., Anatomiſch-phyſiologiſche Unterſuchung der Kalkſalze und Kieſelſäure in der Pflanze. Ein Beitrag zur Kenntnis der Mineral⸗ fioffe im lebenden Pflanzenkörper. Marburg, Elwert. M. 18. Nachrichten über Kaiſer⸗Wilhelms⸗Land und den Bismarck-Archipel. 1889. Beiheft. Inhalt: Die Flora von Kaiſer-Wilhelms⸗Land v. K. Schu⸗ mann u. M. Hollrung. Berlin, Aſher. M. 4. 50. Rabenhorſt's, L., Kryptogamen⸗ Flora von Deulſchland, Oeſterreich und der Schweiz. 2. Aufl. 5. Bd. Die Characeen von W. Migula. (In 10—12 Ljgn.) 1. Lg. Leipzig, Kummer. M. 2. 40. Sammlung gemein verſtändlicher wiſſenſchaftlicher Vorträge, herausg. v. R. Virchow. Neue Folge. 83. Hft. Inhalt: Die Ameiſenpflanzen. Von K. Schumann. Hamburg, Verlagsanſtalt. M. 1. Saſſenfeld, J., Flora der Rheinprovinz. Anleitung zum Beſtimmen der Blütenpflanzen und der Gefäßkryptogamen, ſowohl der wild wachſenden als der häufig angepflanzten. Zum Gebrauch in ere, beim Selbſtunterricht und auf Ausflügen. Trier, Link. M. Hitzel. M. 2. Schmierer, A., u. J. Kammerer, Unſere wichtigſten eßbaren Pilze, nebſt 1 Abbildung des giftigen Fliegenſchwammes, f. Schule u. Haus bearb. Stuttgart, Hoffmann. M. 6. Schultheis, Gebr., Deutſches Roſenbuch. Leipzig, Voigt. M. 5. 50. Siebert, F., Zum Gedächtnis an Dr. Albert Wigand, weil. Geh. Re⸗ e Prof. Dir. 2c. Rede. Marburg, Elwert. M. —. 50. Twiehauſen, O., Kleine Pilzkunde. Eine Handreichg, für Lehrer zur unterrichtl. Behandl. der n eßbaren u. giftigen Schwämme. Leipzig, Wunderlich. M. Verhandlungen des bbianlſcher Vereins der Prov. Brandenburg. Re⸗ giſter zu Bd. I- XXX (Jahrg. 1859—1888). Von M. Gürke. Berlin, Gaertner. M. 2. Zoologie. Behrens, W., A. Koſſel u. P. Schiefferdecker, Die Gewebe des menſch⸗ lichen Körpers und ihre mifrojfopifde Unterſuchung. 1. Bd. Das Mitroſkop u. die Methoden der mikroſkopiſchen Unterſuchung. Braun⸗ ſchweig, Bruhn. M. 8. 60. Bibliotheca zoologica. Orig.-Abhandlgn. aus dem ee der Zoologie. Herausg. v. R. Leuckart u. C. Chun. cag Aa Inhalt: Beiträge zur Kenntnis der holotrichen Ciliaten. Von W. Sche⸗ wiakoff. Kaſſel, Fiſcher. M. 32. Haeckel, E., Natürliche Schöpfungsgeſchichte. Gemeinverſtändliche wiſſen⸗ ſchaftliche Vorträge über die Entwickelungslehre im Allgemeinen und diejenige von Darwin, Goethe und Lamarck im Beſonderen. 8. Aufl. M. dem Porir , 20 Taf., zahlreichen Holzſchnitten, Stammbäumen u. ſyſtemat. Tab. Berlin, Reimer. M. 10. Hummel, M., Leitfaden der Naturgeſchichte. 1. ‘Dit. 0 vom Men⸗ ſchen. Tierkunde. 15. Aufl. Halle, Anton. M. —. Leiſering, A. G. T., C. Mueller, W. Ellenberger, ron der vergleichenden Anatomie der Hausſäugetiere. 7. Aufl. Berlin, Hirſch⸗ a. 755 Lit⸗ wald. M. 20. Linſtow, O. v., Compendium der Helminthologie. teratur der Jahre 1887-1889. Hannover, Hahn. Meyer, A. B., u. F Helm, IV. Jahresbericht (1889) A arp. ſchen Beobachtungsſtationen im Königr. Sachſen. Nebſt Anhängen über das Vorkommen des Roſenſtaares in Europa im Jahr 1889 u. in früheren Jahren, ſowie über die Verbreitung der Kreuzotter im Königreich Sachſen. Berlin, Friedländer u Sohn. M. 12. — Die Wanderungen des Rojenflaares (Pastor roseus L.) nach Europa, 1 die e im Jahre 1889. Berlin, Friedländer u. ohn 5 Preisſchriften, gekeönt u. herausg. von der fürſtl. Jablonowski'ſchen Geſellſchaft zu Leipzig. Inhalt: Ueber Degenerationserſcheinungen im Tierreich, beſonders über die Reduktion des Froſchlarvenſchwanzes und die im Verlaufe derſelben auftretenden hiſtolytiſchen Prozeſſe v. A. Looß. Leipzig, Hirzel. M. 6. Ruß, K., Der Kanarienvogel. Seine Naturgeſchichte, Pflege u. Zucht. 6. Aufl. e Creutz. wae Schulze, F. E., R. v. Lendenfeld, 8 die Bezeichnung der Spon⸗ giennadeln. Berlin, Reimer. Strauch, A., Das zoologische Muſeum he kaiſerl. Akademie der Wiſſen⸗ ſchaften zu St. Petersburg in ſeinem 50jähr. Beſtehen. Bericht üb. die Entſtehung, Vergrößerung u. den gegenwärtigen Zuſtand desſelben. Leipzig, Voß. M. 6. Trautzſch, H., Das Syſtem der Zoologie mit 1 e der ver⸗ gleichenden Anatomie. Stuttgart, Enke. M. 2 Ahyſtologie. Brückner, C., Neue und naturgemäße Darlegung der Phyſiologie u. 1 logie des menſchlichen Magens. Ludwigsluſt, Hinſtorff. M. Parſeval, A. v., Die Mechanik des Vogelflugs. Wielbaden, mann, M. 5. Puhlmann, O., Die chemiſch⸗mikroſkopiſche Unterſuchung des Harns auf ſeine wichtigſten krankhaften Veränderungen. Zum Gebrauche für prakt. Aerzte und Militärlazarette. 4. Aufl., neu bearb. v. J. Borntraeger. Berlin, Hirſchwald. M. 1. Sammlung gemeinverſtändlicher und wiſſenſchaftlicher Vorträge, herausg. v. R. Virchow u. W. Wattenbach. 2. Serie. 48. Heft. ante Ueber Nahrungs- und 8 von R. Virchow. 3. Aufl. ag Hamburg, Verlagsanſtalt. M. —. Studien, Hiſtoriſche, aus dem dhe een Inſtitute der kaiſerl. Univeritat dt, herausg. v. R. Robert. I. Halle, Tauſch u. Groſſe. e Ethnologie. Achelis, Th., Die Entwickelung der modernen Ethnologie. Berlin, ues K Sohn. M. 3 Baſtian, A., Ueber Klima an Akklimatiſation nach ethniſchen Geſichts⸗ punkten.“ Berlin, Mittler & Sohn. M. 4. Merkbuch, Vorgeſchichlliche Altertümer aufzugraben und aufzubewahren. Für Bayern bearb. im Auftrage der Kommiſſton für Erforschung der Urgeſchichte Bayerns in München. Berlin, Mittler & Sohn. M. —. 60. Aus der Praxis der Katurwiſſenſchaft. Eine neue Eleſtriſtermaſchine (Liſſers Parva) ijt nach den Angaben von Prof. W. Holtz von dem phyſi— kaliſch⸗techniſchen Inſtitut von Liſſer und Benecke in Berlin konſtruiert worden. Die kleine Maſchine, von welcher wir beiſtehende Abbildung Fig. 1 geben, beſitzt zwei in ent⸗ Humboldt 1890. gegengeſetzter Richtung um eine gemeinſchaftliche Achſe drehbare Glasſcheiben von 25 em Durchmeſſer, welche mit Hilfe von Schnurrädern und einer Kurbel im unteren Teil der Maſchine in Rotation verſetzt werden. Die Scheiben ſind mit 12 radial laufenden Metallbelegungen verſehen 5 34 und über dieſe ſtreifen Pinſel aus Goldlahn, welche an den Enden diametral geſtellter Arme der Ausgleichskonduk⸗ toren ſitzen. Die Pinſel jeder Scheibe ſind leitend mit⸗ einander verbunden und die Arme find von dem Geſtell iſoliert. Die Auffangkämme, welche in der Höhe des horizontalen Durchmeſſers der Scheiben einander gegenüber Fig. J. Liſſers Parva. ſtehen, find auf Glasſäulen befeſtigt und durch den auf⸗ geſetzten Kopf derſelben mit den beweglichen Konduktoren verbunden. Der Vorgang in der Maſchine wird im „Elektrotechniſchen Anzeiger“ ungefähr folgendermaßen Fig. 2. Vorgang in Liſſers Parva angegeben. Hat die Belegung 1 (Fig. 2) eine + Ladung erhalten und gelangt bei der Rotation in die Lage von 2, alſo II gegenüber, fo wird hier — E gebunden und - E abgeſtoßen, die durch aa nach VIII gelangt. Sind auch alle nachfolgenden Belegungen, ſobald ſie den oberen Pinſel von b paſſiert haben, mit + E geladen, fo wird die Be⸗ legung II, wenn ſie beim Drehen weiter nach oben kommt, ihre Ladung beibehalten, da dieſelbe durch die + E der Humboldt. — Januar 1890. andern Belegungen feſtgehalten wird. Erſt wenn II den oberen Pinſel von b überſchritten hat und ihr nun beim weiteren Fortgang ungeladene Belegungen gegenüberſtehen, wird die gebundene — E fret und kann in den Saug⸗ kamm ki übergehen. Alsdann iſt die Belegung fo lange entladen, bis ſie an dem unteren Pinſel von a gelangt. Von dieſem erhält fie nun + E (wie oben dargelegt) und ebenſo alle nachfolgenden Belegungen, bis ſie ky paſſieren, wo die + E abgegeben wird. Die unteren Belegungen des inneren Kreiſes influenzieren nun aber die entſpre⸗ chenden des äußern. So wird VI eine — Ladung in 6 hervorrufen und es wird die + E nach dem oberen Pinſel von b getrieben, wo ſie die paſſierenden Belegungen + ladet, die Ladung derſelben alſo, welche den ganzen Vorgang ein⸗ leitete, verſtärkt. Geht 6 nun in der Richtung nach Kt weiter, fo bleibt — E gebunden, bis die Belegung VIII paſſiert hat. Alsdann wird fie frei und kann alſo in ky übergehen u. ſ. w. Die Maſchine gibt S—9, bei gutem Wetter ſelbſt 11 cm lange Funken. Sie iſt nicht entfernt ſo ſehr wie die bis⸗ her üblichen Konſtruktionen von der Feuchtigkeit der Luft abhängig und wechſelt nur ſelten die Pole. Bei geſchmack⸗ vollem Aeußern und ganz ſolider Arbeit iſt ſie ſehr billig (auf lackiertem Eiſengeſtell 33, auf poliertem Holzkaſten 30 Mark). Sie verdient ſicher die Aufmerkſamkeit der Phyſiker, der Aerzte und der Lehrer, zumal der Zuſammen⸗ hang der Vorgänge bei der Benutzung der Maſchine ver⸗ hältnismäßig einfach und durchſichtig iſt. Eine Sammlung von kleinen Nebenapparaten zur Anſtellung intereſſanter und lehrreicher Experimente liefert die genannte Firma ebenfalls zu ſehr billigen Preiſen. D. Borlefungsexperimente mit Salpeterſäure. Um die Oxydationswirkung der Salpeterſäure zu veranſchau⸗ lichen, können folgende Verſuche dienen. Man bringt auf den Boden eines weithalſigen Kolbens eine etwa 2 em hohe Schicht konzentierte Schwefelſäure und gibt dann etwa 20 g Kaliſalpeter in Kryſtallen hinzu. Er⸗ wärmt man nun die Flaſche mit einer kleinen Flamme, ſo entwickelt ſich ein raſcher Strom Salpeterſäure, welcher die Luft aus der Flaſche ſofort austreibt. In dieſer Atmo⸗ ſphäre verbrennen glimmendes Holz, Holzkohle, Uhrfedern, Phosphor, Natrium, erhitztes Magneſium ähnlich wie in Sauerſtoff. Da die Salpeterſäure zu Unterſalpeterſäure reduziert wird, ſo ſieht man die Flamme mit einem großen Hofe umgeben. Gleiche Erſcheinungen treten auf, wenn man Leuchtgas, Waſſerſtoff, Schwefelkohlenſtoff oder Aether⸗ dampf im Salpeterſäuredampf verbrennt. Beſonders hübſch iſt die Verbrennung von Ammoniakgas. Der gelbe Flammen⸗ kern iſt von einer grünen Hülle und dieſe wieder von einem roten Mantel umgeben. Zum Gelingen des Ver⸗ ſuches gehört, daß der Strom des Ammoniakgaſes ein ſehr gleichmäßiger ſei. Wird Stickoxyd in die Salpeter⸗ ſäureatmoſphäre eingeführt, ſo wird die Miſchung plötzlich rot. Feuchtes Stickoxydul erzeugt einen weißen Nebel von Ammoniumnitrat, indem der folgende Proceß verläuft. NoO + 2 HzO + HNO3 = NH,NO3 + HNOs. Al. Seudtfteine. Das Verhalten der phosphorescieren⸗ den Erdalkaliſulfide bietet manche Eigentümlichkeiten, welche bisher nicht erklärt werden konnten. Je nach der Her⸗ kunft der Mineralien oder anderen Rohſtoffe, aus welchen man ſie darſtellt und je nach der Bereitungsweiſe er⸗ hält man Präparate von ſehr verſchiedener Phosphores⸗ cenz. Klatt und Lenard, welche dieſe Verhältniſſe unter⸗ ſuchten (Annalen der Phyſik und Chemie), mußten ſich bald überzeugen, daß die phyſikaliſche Struktur der be⸗ nutzten Mineralien ohne Einfluß iſt, und wandten deshalb der chemiſchen Beſchaffenheit derſelben ihre Aufmerkſamkeit zu. Hierbei entdeckten ſie, daß ſehr kleine Beimengungen von Metallen den größten Einfluß auf die Phosphorescenz haben. Als ganz reiner kohlenſaurer Kalk, durch Glühen und darauffolgendes Erhitzen mit Schwefel in Caleium⸗ ſulfid verwandelt wurde, erhielt man einen Leuchtſtein, der nur ſehr ſchwach phosphorescierte und auch nach Zuſatz Humboldt. — Januar 1890. 35 verſchiedener Alkaliſalze keine ſtärkere Phosphorescenz zeigte. Als aber vor dem Erhitzen mit Schwefel etwas Kupferſalz hinzugefügt wurde, erhielt man eine blaugrüne Phosphorescenz, gegen welche die des reinen Calcium— ſulfids faſt verſchwand. 0,00008 Kupferoxyd auf 1 Cal⸗ ciumoxyd gibt ſehr helle Phosphorescenz, mit dem Wachſen des Kupferzuſatzes aber nimmt die Leuchtkraft ab und ſobald das Calciumſulfid durch den Gehalt an Kupferſulfid mißfarbig erſcheint, iſt die Leuchtkraft nur noch ſchwach. Zuſätze von 0,1 Natriumſulfat oder ⸗-ſulfit, ⸗hypoſulfit oder phosphat tragen dazu bei, die Phosphorescenz intenſiv her— vortreten zu laſſen. Chloride wirken ſchädlich. Stron⸗ tiumſulfid mit 0,000625 Rupferoryd und 0,03 Fluorcal⸗ cium gibt intenſiv gelbgrüne, Baryumſulfid mit ebenſo viel Kupferoxyd und 0,05 ſchwefelſaurem Kali oder 0,03 Fluorcalcium tiefrote Phosphorescenz. Auch Wismut wirkt günſtig auf die Phosphorescenz, wenngleich nicht ſo energiſch. 0,0013 Wismutoxyd und 0,1 Natriumhypoſulfit gibt in Caleiumſulfid blaue Phosphorescenz (die Balmainſche Leucht— farbe iſt eine ſolche Miſchung). Manganſalze geben mit Calciumſulfid gelbe Phosphorescenz und die Leuchtkraft wächſt bis zu einem Gehalt von 0,03 Mangan. Sie wird verſtärkt durch Zuſatz von 0,2 ſchwefelſaurem Kali. Chloride wirken hier nicht ungünſtig wie bei Kupfer und Wismut, weil das Manganchlorid wenig flüchtig iſt. Reines Schwefelcalcium phosphoresciert vielleicht gar nicht; in den aus Mineralien dargeſtellten Leuchtſteinen bedingt in der Regel Kupfer oder Mangan das Leuchten, viel ſeltener Wismut. Bringt man ein ſtark phosphores- cierendes Präparat auf einem Glimmerblättchen unterhalb zweier ring- oder plattenförmiger Elektroden in ein Glas— rohr, welches auf einer Seite mit einer Luftpumpe in Verbindung ſteht, auf der andern durch eine angekittete Glasſcheibe verſchloſſen iſt, macht das Rohr luftleer, erhitzt die Subſtanz und läßt gleichzeitig die Entladungsfunken eines Funkeninduktors durch das Rohr hindurchgehen, ſo iſt die Phosphorescenz ſo ſtark, daß ſie das Auge blendet und den Raum beträchtlich erhellt. D. Werten Aus dem Kreiſe unſerer Leſer wird uns der folgende merkwürdige Fall mitgeteilt, den wir an dieſer Stelle abdrucken, um zu weiteren ähnlichen Mitteilungen anzuregen. In Teſchen wurde einer Krähe ein etwa drei Tage altes Häschen abgejagt und lebend nach Hauſe gebracht. Die vergebliche Mühe, das kleine Ding mit Milch zu tränken, brachte die Hausfrau auf den Einfall, eine ſäugende Katze vom Dachboden herunterzuholen und ſie zu dem Häschen zu ſetzen. Was geſchah? Die Katze beroch das Häschen, drehte ſich um, lief auf den Boden, brachte ihr eigenes Junge, legte es zu dem Haſen und — ſäugte beide. Am nächſten Tage trug die beſorgte Mutter die beiden Jungen auf den Boden, wo ſie ſie in einer Kiſte bettete. Wahrſcheinlich mit der Vermehrung ihrer Familie noch nicht zufrieden, ſtahl dieſelbe Katze einer zweiten, ebenfalls im Hauſe ſäu⸗ genden Mutter ihr Junges und hatte nun der Kinder drei, ſo wie urſprünglich bei ihrem Wurfe. Die Hausfrau, welche den Diebſtahl mit angeſehen, brachte die beſtohlene Mutter in die Kiſte und nun liegt die merkwürdige Geſellſchaft, zwei Mütter und drei Kinder, im beſten Einvernehmen beiſammen. Die ganze Geſchichte klingt wie Jägerlatein, iſt aber die vollſte Wahrheit, vom Schreiber dieſer Zeilen mit er- lebt und beobachtet und verdient vom wiſſenſchaftlichen Standpunkte Aufmerkſamkeit. Daß Löwen- und Tigerjunge von Hündinnen ge— ſäugt, daß verwaiſte junge Vögel von ganz anderen Vogel— arten gefüttert werden, iſt eine bekannte Thatſache. Daß aber Katzen junge Haſen ſäugen, iſt eine Erſcheinung, die wahrſcheinlich noch nicht beobachtet wurde. Teſchen. A. Zieling, Lehrer. Herrn F. P. in W. Die höchſten Punkte der Erde, an denen Bergbau getrieben wird, dürften Leadville in der Rocky Mountains und Body Mountain in der Sierra Nevada fein; erſterer Ort liegt 10 150, letzterer 9500 Fuß über dem Meer. Die Bergwerksanſiedelungen in den ſüdameri— kaniſchen Anden liegen viel niedriger (4000 6000 Fuß über dem Meer). Das Poch- und Amalgamierwerk Böck⸗ ſtein bei Gaſtein, in welchem die Erze des 2650 m hohen Radhausberges verarbeitet werden, hat 1163 m a höhe. Die 62. Verſammlung deutſcher Naturforſcher und Aerzte wurde am 18. September d. J. im Muſeumsſaale zu Heidelberg durch den erſten Geſchäftsführer Profeſſor Quincke in Gegenwart von etwa 1800 Mitgliedern und Teilnehmern eröffnet. Auf die üblichen Begrüßungsreden und eine Anſprache Rudolf Virchows (des Vorſitzenden des im vorigen Jahre zu Köln gewählten Vorſtandes der Geſellſchaft) welche gewiſſermaßen eine Einleitung zu der für die zweite allgemeine Sitzung anberaumten Beratung der neuen Statu— ten bildete, ſprach zunächſt Prof. Viktor Meyer (Heidelberg): „Ueber chemiſche Probleme der Gegenwart.“ Die Exiſtenz der Chemie als Wiſſenſchaft datiert nicht viel weiter zurück als bis zur Zeit der franzöſiſchen Revolution; auch gilt für dieſelbe noch heute das Wort Kants, welches be- ſagt, daß die Chemie wohl eine Wiſſenſchaft ſei, nicht aber Wiſſenſchaft im höchſten Sinne des zur mathematiſchen Mechanik gediehenen Naturerkennens, wie dies für die Phyſik und Aſtronomie gilt. In der Chemie werden zur Zeit noch die größten Entdeckungen auf Grund eines eigen— tümlichen chemiſchen Gefühls oder Inſtinktes gemacht; auch iſt der Chemiker einſtweilen noch ſo ſehr mit Studien über Detailfragen beſchäftigt, daß er keine Zeit findet, der Cr- forſchung der fundamentalen Geſetze, welche den Stoff beherrſchen, ſeine Aufmerkſamkeit zuzuwenden. Es liegt vor ihm noch jenes Meer des Unbekannten, welches durch die organiſche Chemie repräſentiert wird und ehe noch eine ganze Anzahl von Vorfragen gelöſt iſt, darf man kaum erwarten, daß ſolche Grundgeſetze, wie ſie Mayer, Helm— holtz, Clauſius, Kirchhoff und Bunſen für die Phyſik feſt⸗ geſtellt haben, auch für die Chemie nachgewieſen werden. Ehe eine mathematiſch-phyſikaliſche Behandlung der Chemie möglich iſt, müſſen die Fragen beantwortet werden: Was iſt chemiſche Affinität? ſowie ferner: Was iſt ein Aequi⸗ valent? Redner gedenkt ſodann der wichtigſten chemiſchen Entdeckungen der Neuzeit, vor allem der Spektralanalyſe und ihrer Begründer Bunſen und Kirchhoff, ferner der Unterſuchungen A. W. Hofmanns über die organiſchen Stickſtoffbaſen, welche letztere die Grundlage für die Kon⸗ ſtitutionslehre der chemiſchen Stoffe ſchufen. Der Philo- ſoph in der organiſchen Chemie, Auguſt Kekulé fand die Vierwertigkeit des Kohlenſtoffs; Wislicenus hat die Art der räumlichen Lagerung der Atome zu einander auf ex⸗ perimentellem Wege erwieſen. Die einſchlägigen Unter- ſuchungen von van t'Hoff, Baeyer u. a. wurden ebenfalls erwähnt und die Auffindung des natürlichen Syſtems der chemiſchen Elemente durch Demetrius Mendelejeff und Lothar Mayer gebührend gewürdigt. Wohl zufällig, aber 36 Humboldt. — Januar 1890. immerhin merkwürdig ſei der Umſtand, daß das Syſtem gegenwärtig das Vorhandenſein von hundert Elementen andeutet, von denen einige ſiebenzig bis jetzt bekannt ſind. Dasſelbe habe eine bedeutende Anzahl von neuen zur Zeit noch ungelöſten Problemen geſchaffen; vor allem müſſe das Verſtändnis für die Beziehungen der Elemente unter einander erſchloſſen werden. Die Zerlegung der chemiſchen Elemente in weitere Urſtoffe ſei bisher nicht gelungen; wohl aber ſeien durch die Einführung der pyrochemiſchen Forſchungsmethode die Moleküle von Elementen wie Chlor, Brom, Jod, geſpalten und in Einzelatome zerlegt worden. Leider fände zur Zeit wegen des Schmelzens der Gefäſſe die pyrochemiſche Forſchung bei etwa 1700“ ihre Grenze; indeſſen ſei nicht zu bezweifeln, daß eine ganz neue Aera der Chemie anheben würde, wenn es gelingen ſollte, die Unterſuchungen bei 3000 e oder noch höheren Temperaturen auszuführen. Für die Chemie von großer Bedeutung ſeien die von van t'Hoff, Arrhenius, Oſtwald, Planck, de Brie ſo⸗ wie insbeſondere von Raoult über die Natur der Löſungen vorgenommenen Unterſuchungen !). Redner gedenkt weiter⸗ hin der Unterſuchungen über die Kieſelſäure ſowie der Oſtwaldſchen Arbeiten über das elektriſche Leitungsver⸗ mögen und ſeine Beziehungen zur chemiſchen Natur der Stoffe. Geradezu unzählig ſeien die auf dem Gebiete der organiſchen Chemie uns entgegentretenden Probleme. Hat man auch ſchon gelernt, das Alizarin, den Indigo, das Contin, die Harnſäure und zahlreiche andere Subſtanzen ſynthetiſch zu erzeugen, ſo ſei doch das bedeutſamſte der ſynthetiſchen Probleme: die künſtliche Herſtellung des Ei⸗ weißes noch nicht gelöſt und ein unendlich weiter Weg trenne uns noch von der Nachbildung des niedrigſten lebendigen organiſchen Stoffes. Der wichtigſte organiſche Vorgang, näm⸗ lich die Aſſimilation in der Pflanzenzelle, iſt leider noch völlig unklar; was die Pflanze millionenfach verrichtet, die Bil⸗ dung von Zucker und Stärke aus Kohlenſäure und Waſſer iſt dem Chemiker noch unmöglich. In der organiſchen Chemie ſtehe man vor der beſchämenden Erkenntnis, daß überhaupt nur ein winziger Bruchteil der vorhandenen Stoffe der Unterſuchung zugänglich iſt. Nur von jenen Subſtanzen haben wir einige Kenntnis, welche kryſtalliſieren oder flüchtig ſind, reſp. ſich in derartige Körper über⸗ führen laſſen. Die Zukunftsleiſtungen der Chemie hängen daher nach Redners Anſicht in erſter Linie ab von der Entdeckung neuer Unterſuchungsmethoden, welche einen Einblick in die Dinge geſtatten, die wie z. B. die be⸗ ſtrickende Pracht der Blumenfarbſtoffe für die Forſchung zur Zeit noch unzugänglich ſind. Man muß lernen die Ein⸗ heitlichkeit der Subſtanz zu prüfen und Körper zu ver⸗ einigen, auch wenn fie weder kryſtalliniſch noch flüchtig ſind. Weiterhin zur angewandten Chemie übergehend, be⸗ zeichnete Redner die Induſtrie der Teerfarbſtoffe als den glänzendſten Triumph der in die Großinduſtrie übertragenen Laboratoriumsverſuche, gedachte der Darſtellung der neueren Arzneimittel aus Steinkohlenteer, des Wettſtreites zwiſchen der Leblanc'ſchen und der Solvay'ſchen Methode der Soda⸗ fabrikation, ſowie der Erſchließung der in den Eiſenerzen vorkommenden Phosphorſäure und anderer Mineralphos⸗ phate für die Landwirtſchaft. Bei allen dieſen und andern Großthaten der Chemie ſei indes noch keine Ausſicht auf die von Cohn in Ausſicht geſtellte Löſung des Problems, aus Kohlenſäure und Waſſer Stärkemehl zu erzeugen. Wohl aber könne die Chemie in anderer Weiſe zur Ver⸗ mehrung der Nahrungsmittel beitragen, indem die Be⸗ ſtrebungen, aus Holzfaſer das iſomere Stärkemehl zu er⸗ zeugen, immerhin Erfolg verſprächen. Nehme man dazu die planmäßige Erhöhung des Eiweißgehalts der Pflanze, deren Möglichkeit Hellriegel dargethan, ſo liege darin die Löſung der Brodfrage. Schließlich kam Redner auf die mathematiſche Behandlung der Chemie zurück. Dieſe liege zwar noch in weiter Ferne; jedoch dürfe der Chemiker dieſes höchſte Ziel, welches ſeine Wiſſenſchaft anzuſtreben habe, nicht gänzlich aus dem Auge verlieren. Die Natur werde nicht eher in ihrem Weſen erfaßt, ehe man nicht ) Vergl. Humboldt 1889, S. 1. ihre Erſcheinungen auf einfache, mathematiſch verfolgbare Bewegungen zurückzuführen im ſtande ſei. Dieſes Ziel werde auch dereinſt für die Chemie erreicht werden und vorausſichtlich zu einer Wiedervereinigung derſelben mit der Phyſik führen. : Auf die geiſtvollen Auseinanderſetzungen Viktor Meyers folgte ein Vortrag von Otto Volger (Frankfurt a. M.), welcher „Das Leben und die Leiſtungen des Natur⸗ forſchers Karl Schimper“ zum Gegenſtande hatte. Dieſem in weiteren Kreiſen kaum gekannten Gelehrten, der ſeinem Zeitalter um Jahrzehnte vorausgeeilt war und der doch 1867 einſam und vergeſſen und in den traurigſten Vermögensverhältniſſen ſtarb, zur allgemeinen Anerken⸗ nung zu verhelfen — dies iſt, wie Volger ausführt, eine Ehrenpflicht der heutigen Naturforſchung. Karl Schim⸗ pers Schickſal iſt es geweſen, daß Fremde mit ſeinen Federn ſich geſchmückt, durch ſeine Entdeckungen einen klangvollen Namen in der Wiſſenſchaft erlangt haben. Er war in Mann⸗ heim geboren, wuchs in äußerſt dürftigen Verhältniſſen auf, ſtudierte in Heidelberg und München bei Oken und kehrte ſpäter nach erſterer Stadt zurück. Im Jahr 1829 wohnte Schimper zuſammen mit Alexander Braun und Louis Agaſſiz, dem ſpäteren Gegner Darwins, der wie in dieſem Jahre in Heidelberg abgehaltenen Naturforſcher⸗ verſammlung bei. Schimper war der erſte, der auf die mathematiſche Anordnung der Moleküle in den Kryſtallen hinwies; er gab auch die mathematiſchen Geſetze an, durch welche nach ſeiner Anſicht die Struktur der Pflanze be⸗ dingt iſt — eine Anſchauung, die in neuerer Zeit wenigſtens zum Teil ihre Beſtätigung gefunden hat. Von ihm rührt das bekannte Blattſtellungsgeſetz her. Von den Unter⸗ ſuchungen über die Lagerung der Schuppen am Tannen⸗ zapfen ausgehend, wirkte Schimper anregend auf die Forſchungen, welche Agaſſiz über die Lagerung der Schuppen bei den Fiſchen anſtellte. Die von letzterem in die Zoo⸗ logie eingeführte, noch jetzt allgemein gültige Einteilung der Fiſche in drei Gruppen rührt von Schimper her und an der von Agaſſiz gelieferten Beſchreibung der braſiliani⸗ ſchen Fiſche hat erſterer einen weſentlichen Anteil. Einen großen Teil ſeiner Zeit verwendete Schimper auf das Studium des erratiſchen Phänomens (Verbreitung der Findlingsſteine); er war von allen Gelehrten derjenige, der es zuerſt ausſprach, es müſſe einſt eine Eiszeit ge⸗ geben haben, und ebenſo iſt es ſein Verdienſt, die jetzt all⸗ gemein anerkannte Theorie von der Entſtehung der Ge⸗ birge durch die Faltung der erkalteten Erdrinde zuerſt erkannt zu haben. Die zuletzt erwähnte Lehre, welcher Schimper in einer auf der Naturforſcherverſammlung zu Erlangen verleſenen Abhandlung Ausdruck verlieh, fand damals deshalb keinen Anklang, weil dieſelbe im Wider⸗ ſpruch ſteht mit Anſichten, zu denen der berühmte Leopold von Buch ſich bekannte. Auch die höchſt bemerkenswerten Unterſuchungen, welche Schimper über die Kapillaritäts⸗ erſcheinungen angeſtellt hat, haben zu Lebzeiten des be⸗ ſagten außerordentlich vielſeitigen Forſchers kaum irgend welche Anerkennung gefunden und ebenſowenig ſeine Phy- sica pauperum, d. i. eine Anleitung zur Naturbeobach⸗ tung ohne Verwendung koſtſpieliger Hilfsmittel. Wie einſt Kepler würde Schimper Hungers geſtorben ſein, wenn nicht die Großherzogin von Baden von ſeinem Elende gehört und ſich ſeiner angenommen hätte. Glücklicherweiſe iſt Hoffnung vorhanden, daß der wiſſenſchaftliche Nachlaß Schimpers durch Herausgabe ſeiner Arbeiten vom Unter⸗ gange gerettet wird. — Als letzter Gegenſtand der Tages⸗ ordnung fand die Demonſtration des Ediſon'ſchen Phono⸗ graphen in Gegenwart des Erfinders ſtatt. Auf die erſte allgemeine Sitzung folgte die Ronftituierung der 32 Sek⸗ tionen, für welche nicht weniger als 500 Vorträge ange⸗ meldet waren. : Die zweite Sitzung wurde durch einen Vortrag von Prof. Heinrich Hertz (Bonn): „Ueber die Beziehungen zwiſchen Licht und Elektrieität“ eingeleitet — einen Vortrag, dem nach dem einſtimmigen Urteil der anweſen⸗ den Phyſiker eine epochemachende Bedeutung zuerkannt werden muß. Bei den Auseinanderſetzungen des Redners Humboldt. — Januar 1890. 37 handelte es ſich nicht etwa um Lichterſcheinungen, die durch Elektricität hervorgerufen werden, ſondern um phyſikaliſche Grundbegriffe, die ſowohl der Elektricität als dem Lichte eigen ſind. Durch zahlreiche, mühſame und ſorgfältige Verſuche iſt dem Vortragenden der Be— weis gelungen, daß Licht und Elektrieität in gleicher Weiſe Eigenſchaften des Weltenäthers (d. i. jener Gub- ſtanz, die nach der gewöhnlichen Annahme in außer⸗ ordentlich feiner Verteilung den Weltenraum erfüllt) dar⸗ ſtellen. Das Licht ijt eine elektriſche Erſcheinung — fo leitete Hertz ſeinen Vortrag ein — ſowohl das Licht der Sonne wie dasjenige der Wachskerze und des Glüh— wurms. Nehmt aus der Welt die Elektricität und das Licht verſchwindet, nehmt aus der Welt den lichttragenden Aether und die elektriſchen und magnetiſchen Kräfte können nicht mehr den Raum überſchreiten. Man weiß, daß das Licht eine Wellenbewegung iſt; man kennt die Geſchwindig⸗ keit dieſer Wellen, ihre Länge und ſonſtigen Eigentüm⸗ lichkeiten. Was die Elektricität anlangt, ſo herrſchen in unſeren Anſchauungen über dieſelbe noch allgemein die althergebrachten, allen geläufigen Vorſtellungen von den beiden fic) anziehenden und abſtoßenden Elektrieitäten, von denen man annimmt, daß ſie mit gewiſſen Fern- wirkungen ausgeſtattet ſeien. Letztere Anſchauung iſt das Vermächtnis einer Zeit, in welcher das Newtonſche Gravi— tationsgeſetz ſeine ſchönſten Triumphe am Himmel feierte; man glaubte durch Annahme einer ver Gravitation ähn— lichen Fernwirkung die elektriſchen und magnetiſchen Er— ſcheinungen in einfachſter Weiſe erklärt zu haben. Die Unzulänglichkeit dieſer Erklärung trat aber zuerſt hervor, als im gegenwärtigen Jahrhundert die Wechſelwirkungen zwiſchen Elektricität und Magnetismus hinzukamen, welche unendlich mannigfaltig ſind und in welchen die Bewegung, die zeitliche Aenderung eine ſo bedeutende Rolle ſpielt. Man ſuchte ſich nun dadurch zu helfen, daß man die Zahl der Fernwirkungen vermehrte, dabei ging freilich die Ein— fachheit, die phyſikaliſche Wahrſcheinlichkeit verloren und durch das Aufſuchen umfaſſender einfacher Formen — der ſogenannten Elementargeſetze — ſuchte man dieſe wieder zu erlangen. Der erſte, der den zur Wahrheit führenden Weg einſchlug, war Faraday. Unbefangen von demjenigen ausgehend, was er ſah — nicht von demjenigen, was er gehört, gelernt oder geleſen hatte — erkannte er, daß man nicht etwa, wie bis dahin allgemein geglaubt wurde, bei der Elektriſierung eines Körpers etwas in dieſen hinein— bringt, ſondern daß vielmehr die eintretenden Aenderungen ſich im weſentlichen außerhalb des Körpers bemerkbar machen. Daß die Kräfte den Raum nicht überſpringen, ſchloß er aus dem Umſtand, daß es von größtem GCin- fluß auf die Kräfte iſt, mit welchem Stoff der angeblich überſprungene Raum erfüllt iſt. Auch wurde er durch ſeine Unterſuchungen belehrt über die Unhaltbarkeit der damals verbreiteten Anſchauung, der zufolge die Fern— wirkungen nur nach geraden Linien zur Geltung kommen ſollen. So kam es, daß bei Faraday die Vorſtellungen ſich umkehrten, daß ihm die elektriſchen und magnetiſchen Kräfte als das Wirkliche erſchienen, während er die Elek— tricität und den Magnetismus als Dinge anſah, über deren Vorhandenſein oder Nichtvorhandenſein man ſtreiten könnte. Faraday erkannte bereits, daß die beſagten Kräfte — ſei es nun in Geſtalt von ſich verändernden Span⸗ nungen, Strömungen oder in anderer Form — im Raum vorhanden ſein müßten, und auf den Einwurf, wie denn im leeren Raum andere Zuſtände als vollkommene Ruhe mög— lich ſeien — hierauf entgegnete er, daß der Weltenraum keineswegs leer ſei, daß vielmehr ſchon das Licht dazu zwinge, ihn als erfüllt zu denken und daß der Aether, welcher die Wellen des Lichts leitet, auch fähig ſein könne, ſolche Aenderungen über ſich ergehen zu laſſen, bezw. fort⸗ zuleiten, welche man als elektriſche und magnetiſche Er— ſcheinungen bezeichnet. — Die im Vorhergehenden in ihren Umriſſen ange— gebenen Anſchauungen Faradays erhielten nun eine weſent— liche Stütze durch die Unterſuchungen Maxwells, welcher im Jahre 1865 ſeine „elektro magnetiſche Lichttheorie“ veröffentlichte. Letzterer richtete ſeine Aufmerkſamkeit auf den Umſtand, daß in den zwiſchen Elektricität und Magne— tismus beſtehenden Beziehungen Geſchwindigkeiten eine beſtimmte Rolle ſpielen und daß die Konſtante, welche dieſe Beziehungen beherrſcht und in denſelben beſtändig wiederkehrt, ſelbſt eine Geſchwindigkeit von ungeheurer Größe iſt. Dieſelbe war auf verſchiedenen Wegen aus rein elektriſchen Verſuchen beſtimmt worden und zeigte ſich bis auf einen geringfügigen Unterſchied, welcher vermutlich auf einen kleinen Beobachtungsfehler zurückzuführen iſt, gleich der Geſchwindigkeit des Lichts. Durch die letzterwähnte Thatſache erhielt nun die Annahme, daß auch die elek— triſchen Kräfte auf Zuſtände des Aethers zurückzuführen ſeien, einen hohen Grad von Wahrſcheinlichkeit; es fand ſich eben die wichtigſte optiſche Konſtante bei den elek— triſchen Formeln bereits vor. Auch erweiterte Maxwell letztere in der Weiſe, daß ſie alle bekannten Erſcheinungen, aber zugleich neben denſelben noch eine unbekannte Klaſſe von Erſcheinungen, nämlich elektriſche Wellen enthielten. Die Wellen wurden dann Transverſalwellen, deren Wellen— länge jeden Wert haben konnte, welche ſich aber im Aether ſtets mit gleicher Geſchwindigkeit, der Lichtgeſchwindigkeit fortpflanzten. Um der Maxwellſchen Theorie zur allge— meinen Anerkennung zu verhelfen, dazu bedurfte es aller- dings noch des direkten Nachweiſes, daß es Wellen elettri- ſcher und magnetiſcher Kraft gibt, welche ſich nach Art der Lichtwellen ausbreiten, und dieſen Nachweis glaubt der Vor⸗ tragende durch ſeine Arbeiten geliefert zu haben. Daß elektriſche und magnetiſche Wellen zu ihrer Ausbreitung Zeit brauchen, dies verſuchte man früher durch Entladung einer Leydener Flaſche feſtzuſtellen und direkt zu beobachten, ob die Zuckung eines entfernten Elektroſkops etwas ſpäter erfolgte; allein bei der ungeheuren Geſchwindigkeit der Ausbreitung war ein Zeitunterſchied zwiſchen Urſache und Wirkung nicht wahrzunehmen. Die Entladung einer Ley— dener Flaſche kann eben nur auf mäßige Entfernungen, etwa auf 10 m wahrgenommen werden und einen ſolchen Raum durchfliegt das Licht, alſo nach der Theorie. auch die elek— triſche Kraft in dem dreißigmillionſten Teil einer Se— kunde, alſo in einem Zeitteilchen, welches nicht direkt meß⸗ bar iſt. Bei ſeinen Beſtrebungen den in Rede ſtehenden Nachweis zu führen, ging nun der Vortragende von der Erkenntnis aus, daß nicht allein die Entladung einer Ley- dener Flaſche, daß vielmehr unter beſonderen günſtigen Umſtänden die Entladung jedes beliebigen elektriſchen Lei— ters zu Schwingungen Anlaß gibt. Wenn man den Kon⸗ duktor einer Elektriſiermaſchine entladet, ſo erregt man als Funken ſich zu erkennen gebende Schwingungen, deren Dauer eine außerordentlich kurze iſt. Dieſelben folgen ſich jedoch nicht in lange anhaltender Reihe, ſondern es ſind wenige ſchnell verlöſchende Zuckungen und die Möglichkeit eines Erfolges wäre ſchon vorhanden, wenn man nur zwei oder drei derſelben beobachten könnte. Letzteres wird nun dadurch bewirkt, daß man dorthin, wo man die elektriſche Kraft wahrnehmen will, einen Leiter bringt, etwa einen geraden Draht, welcher aber durch eine feine Funkenſtrecke unterbrochen iſt. Ohne auf alle Subtilitäten dieſer Gr- perimente einzugehen, ſei hier nur noch erwähnt, daß es Hertz gelang, die zeitliche Ausbreitung der elek— triſchen Wellen feſtzuſtellen; ihre Länge zu meſſen; ſie als Transverſalwellen zu beſtimmen und ihre Geſchwindigkeit als der Lichtgeſchwindig— keit entſprechend zu berechnen. Jene Anſchauungen, welche die elektriſchen Kräfte als zeitlos den Raum über⸗ ſpringende Fernwirkungen hinſtellten, ſind durch die im Vorhergehenden erwähnten Verſuche endgültig abgethan; auch hat ſich der von dem Vortragenden gelieferte Beweis betreffend die Beziehungen zwiſchen Licht und Elektricität keineswegs auf die geſchilderten Experimente beſchränkt; es iſt demſelben vielmehr gelungen, die Uebereinſtimmung zwiſchen Licht und Elektricität auch nach anderer Richtung hin zu verfolgen. Bringt man den Leiter, welcher die elektriſchen Schwingungen erregt, in der Brennlinie eines großen Hohlſpiegels an, fo werden dadurch die Wellen zu— ſammengehalten und treten als kräftig dahineilender Strahl 38 Humboldt. — Januar 1890. (den man zwar weder ſehen noch fühlen kann, deſſen Wir⸗ kung aber dadurch wahrgenommen wird, daß er Funken in den Leitern erregt, auf welche er trifft) aus dem Hohl⸗ ſpiegel aus. Bringt man leitende Körper in ſeinen Weg, ſo laſſen dieſelben den Strahl nicht durch, ſondern ſie werfen ihn zurück. Auch kann man den reflektierten elek⸗ triſchen Strahl verfolgen und ſich davon überzeugen, daß die Geſetze ſeiner Reflexion der Reflexion des Lichtes ge⸗ nau entſprechen. Ferner kann man den ellektriſchen Strahl brechen und ſogar diejenigen Erſcheinungen an ihm hervorrufen, welche bisher als ausſchließlich dem Gebiete der Optik zugehörig betrachtet wurden, nämlich die Polari⸗ ſationserſcheinungen. — Die Wichtigkeit der im Vorher⸗ gehenden erwähnten Experimente und Unterſuchungen liegt auf der Hand. Von den Erſcheinungen der Elektrieität und des Magnetismus ausgehend, iſt man Schritt für Schritt weiterſchreitend zu optiſchen Erſcheinungen gelangt, und die Herrſchaft der Optik beſchränkt ſich heutzutage nicht mehr auf Wellen, deren Länge ein Tauſendſtel oder ein Zehntauſendſtel eines Millimeters beträgt, ſondern dieſelbe erſtreckt ſich jetzt auch auf ſolche Wellen, deren Länge nach Metern und Kilometern berechnet werden muß. Wir ge⸗ langen zu der Ueberzeugung, daß die Lichterſcheinungen im Grunde genommen nur ein winziges Anhängſel der elek⸗ triſchen Erſcheinungen darſtellen, daß unſer Auge ſtreng genommen ein elektriſches Organ iſt. Es drängt ſich ferner auch die Frage auf, ob nicht vielleicht auch die Wärme als eine beſondere Erſcheinungsform jener elektriſchen Wellen aufgefaßt werden muß, ſowie die Frage nach den Eigen⸗ ſchaften des Aethers, nach ſeiner Struktur, ſeiner Ruhe und Bewegung. Es bleibt der Zukunft vorbehalten — alſo ſchloß Hertz ſeinen eine der großartigſten Errungen⸗ ſchaften der modernen Forſchung darlegenden Vortrag — es bleibt der Zukunft vorbehalten, über das raumerfüllende Medium, den Aether, etwas Genaueres in Erfahrung zu bringen und damit vielleicht auch Aufſchlüſſe zu erhalten über das Weſen der ehemaligen Imponderabilien, über die alte Materie ſelbſt und die ihr innewohnenden Eigenſchaften: die Schwere und Trägheit. Mit dem im Vorhergehenden in ſeinen Hauptumriſſen wiedergegebenen Vortrag war die wiſſenſchaftliche Tages⸗ ordnung der zweiten allgemeinen Sitzung erledigt und es erfolgte nun die Beratung über den Statutenentwurf der neu zu organiſierenden Naturforſchergeſellſchaft, deren Er⸗ gebniſſe ich weiter unten mitteile. Von den drei Städten, welche den Naturforſchern und Aerzten Einladungen für die nächſtjährige Verſammlung haben zukommen laſſen: Bremen, Halle und Weſterland⸗Sylt wurde der erſterwähnten Stadt der Vorzug gegeben und Halle für den in 1891 ab⸗ zuhaltenden Kongreß in Ausſicht genommen. Aus den Verhandlungen der dritten allgemeinen Sitzung der Naturforſcherverſammlung iſt zunächſt ein von Profeſſor Th. Puſchmann (Wien) „Ueber die Bedeu⸗ tung der Geſchichte für die Medizin und die Naturwiſſenſchaften“ gehaltener Vortrag zu erwähnen. Während die Juriſten, Theologen, Architekten, Maler, Bild⸗ hauer u. ſ. w. — alſo leitete Redner ſeine Ausführungen ein — während die Vertreter dieſer und zahlreicher anderer Berufsarten in der Geſchichte ihrer Wiſſenſchaft oder Kunſt ein wertvolles Lehr- und Bildungsmittel ihres Berufes erkennen, iſt die Mehrzahl der Naturforſcher und Aerzte der Anſicht, daß ſie aus der Geſchichte der Naturwiſſen⸗ ſchaften und Medizin keine beſondere Belehrung erhalten. Dieſe Unterſchätzung der geſchichtlichen Studien iſt im weſentlichen zurückzuführen auf die gewaltigen Fortſchritte und Umgeſtaltungen, welche die Naturwiſſenſchaften und die Medizin in unſerem Jahrhundert durchgemacht haben; dieſelben erzeugten den Gedanken, daß die Gegenwart alles, die Vergangenheit nichts ſei. Die hiſtoriſchen Studien wirken aber in dreifacher Hinſicht vorteilhaft: Sie ver⸗ vollſtändigen die Allgemeinbildung, begründen und be- feſtigen das fachmänniſche Wiſſen und fördern zugleich die Erziehung des Charakters. Das Studium der Geſchichte der Medizin und Naturwiſſenſchaften gewährt einen Aus⸗ blick auf die Geſamtentwickelung des menſchlichen Geiſtes; dasſelbe trägt auch weſentlich dazu bei, die Aerzte vor Ein⸗ ſeitigkeit zu bewahren; andererſeits hat gerade die Ver⸗ nachläſſigung dieſer Studien inſofern nachteilig eingewirkt, als infolge derſelben vor Jahrhunderten gemachte Ent⸗ deckungen und Erfindungen vollſtändig in Vergeſſenheit geraten ſind und unter Aufwendung von Zeit und Arbeit in neuerer Zeit wieder entdeckt werden mußten. Die Unterbindungen der großen Blutgefäße und die Torſion der kleinen Arterien, der Lappenſchnitt bei der Amputation, die Wendung bei anomaler Kindslage — alles dies find Errungenſchaften vergangener Jahrhunderte, an die nie⸗ mand mehr dachte und die erſt in neuerer Zeit zum zweiten⸗ male entdeckt wurden. Daß die Lungenſchwindſucht an⸗ ſteckend iſt, wurde ſchon von Hippokrates gelehrt, der auch bei Erkrankung der Atmungsorgane die phyſikaliſche Unter⸗ ſuchung der Lungen bereits in Anwendung zog; daß Leute die mager werden wollen, während der Mahlzeit nichts und nachher nur wenig trinken dürfen, wurde ſchon von Plinius gelehrt. Dem Grundgedanken der Darwinſchen Lehre von der fortſchreitenden Vervollkommnung der organiſchen Weſen hat bereits Ariſtoteles Ausdruck verliehen. Alle dieſe That⸗ ſachen wirken nun dahin, den Naturforſcher und Arzt vor Ueberſchätzung der eigenen Leiſtungen zu bewahren; die geſchichtlichen Studien ſetzen ihn in den Stand, gegenüber den ihm zur Beantwortung vorliegenden Fragen einen objektiven Standpunkt einzunehmen; ſie befördern auch zu⸗ gleich das philoſophiſche Denken. Von dem Einfluß, den ſpeciell die Medizin und die Naturwiſſenſchaften von jeher auf die Philoſophie ausgeübt haben und noch jetzt aus⸗ üben, legen Männer wie Lotze, Wundt u. a., welche von der Medizin bezw. der Naturforſchung zur Philoſophie übergegangen ſind, Zeugnis ab. — Im weiteren Verlaufe ſeines Vortrags betont Puſchmann, daß ein jeder, der ſelbſtändig forſchend auf dem Gebiete der Medizin oder der Naturwiſſenſchaften thätig ſein will, von der Geſchichte ſeiner Wiſſenſchaft unbedingt Kenntnis haben müſſe, weil er ſonſt riskiere, ſchon früher betretene Irrwege zu wan⸗ deln, bezw. eine Arbeit zu thun, die ſchon vor ihm gethan worden iſt. Er führt ferner aus, daß der großartige Auf⸗ ſchwung, den die Medizin und die Naturwiſſenſchaften in unſerem Jahrhundert genommen haben, im 16. und 17. Jahrhundert ſeine Wurzel hat. Als Beweiſe hierfür dürfen gelten die Verſuche Helmonts, welche dahin zielten, den Anteil des Bodens, der Luft und des Waſſers an der Ernährung der Pflanze feſtzuſtellen, ferner die zu eben jener Zeit angeſtellten Unterſuchungen über die Geſchwin⸗ digkeit des Schalles, über das Gewicht, die Dichtigkeit und Elaſticität der Luft, über die Verwendung des Barometers zur Beſtimmung der Höhe eines Ortes, ſowie die damals angeſtellten Beobachtungen über das Licht und die Farben. Aus dem 17. Jahrhundert ſtammen auch die erſten Unter⸗ ſuchungen über die Polariſation des Lichtes, die früheſten Verſuche zur Erzeugung von Elektricität ſowie vor allem auch die Entdeckung des Blutkreislaufes durch W. Harvey, die erſten Arbeiten über die Beſchaffenheit des Blutes, die Geſchwindigkeit der Blutbewegung, den Blutdruck u. ſ. w. Die Bakterienforſchung, welche heute die geſamte Heil⸗ kunde beherrſcht, hatte ſchon im 17. Jahrhundert in der Perſon Leeuwenhoeks ihren Vorläufer und Linne und Plencicz haben ſchon die Lehre vom Contagium animatum aufs unzweideutigſte ausgeſprochen. Wir ſtehen eben in wiſſenſchaftlicher wie in jeder anderen Hinſicht auf den Schultern unſerer Vorfahren und nur durch das Studium der Geſchichte der Wiſſenſchaft iſt der Arzt und Natur⸗ forſcher in den Stand geſetzt, gegen ſeine Vorgänger auf dem Gebiete der Forſchung Gerechtigkeit zu üben. Durch das beſagte Studium erhält die ſtudierende Jugend, wenn ihr die Lebensbilder ihrer großen Berufsgenoſſen vorge⸗ führt werden, Ideale, denen ſie nachſtreben kann; auf ſolche Weiſe wird ſie am beſten davor bewahrt, daß ſie nicht dem kraſſen Materialismus verfällt. Aus dieſen Gründen — ſo fährt Redner dann fort — müſſe man dafür ſorgen, daß der Medizin ſtudierenden akademiſchen Jugend Gelegenheit geboten werde, Vorträge über dieſen Gegenſtand zu hören und es ſei daher dringend erforder⸗ Humboldt. — Januar 1890. 39 lich, daß wenigſtens an den größeren Univerſitäten Lehr— ſtühle für Geſchichte der Medizin und der Naturwiſſen⸗ ſchaften errichtet werden. Wünſchenswert wäre es auch, daß die Geſchichte der Medizin ebenſo wie die mediziniſche Geographie, die ebenfalls zu den am meiſten vernach— läſſigten Fächern gehört, in der Prüfung der Aerzte eine Stelle erhalte; unter allen Umſtänden müſſe man aber fordern, daß diejenigen Aerzte, welche als akademiſche Lehrer wirken oder im höheren Sanitätsdienſte angeſtellt werden wollen, ſich Kenntniſſe in dieſen Fächern erwerben. Eventuell würde es ſich auch empfehlen, die Prüfung in den beſagten Fächern mit der Bewerbung um die mediziniſche Doktorwürde zu verbinden; das Doktorat würde dadurch gehoben und zum Ausdruck einer höheren wiſſenſchaftlichen Bildung gemacht werden. Daß gegenwärtig das Intereſſe an der Geſchichte der Medizin leider ein ſehr geringes iſt — dieſer Schluß ergebe ſich aus der Thatſache, daß die Verleger von hiſtoriſch-mediziniſchen Schriften ſehr ſchlechte Geſchäfte machen; darauf beruhe es, daß wir noch keine korrekte Ausgabe der Schriften Galens beſitzen und daß das Sammelwerk des Aetius, welches einen Erſatz für viele verloren gegangene mediziniſche Werke des Altertums bietet, bisher noch niemals vollſtändig im griechiſchen Original— text erſcheinen konnte. Zum Schluſſe ſeines mit leb— haftem Beifall aufgenommenen Vortrags, der in der That einen der größten Mängel des heutigen mediziniſchen Stu— diums aufdeckt, entwickelte Redner, daß fehlerfreie Text ausgaben, denen gute deutſche Ueberſetzungen beigegeben werden ſollen, eine unerläßliche Vorbedingung für eine ver- läßliche Geſchichtsforſchung ſind, und fordert zur Herſtellung eines Corpus medicum, d. i. eine Sammlung der beften mediziniſchen Werke aller Zeiten und Völker auf. Den zweiten Gegenſtand der letzten allgemeinen Sitzung bildete der Vortrag von Prof. Brieger: „Ueber Bak— terien und Krankheitsgifte“. Derſelbe wurde ein- geleitet mit einem Rückblicke auf die Entwickelung der Gärungschemie und das Studium der Mikroorganismen, welches letztere ſeinerſeits den Anſtoß gegeben hat zu jenen Maßnahmen, denen die moderne Chirurgie ihre wunder— baren Erfolge verdankt. Weiterhin gedenkt Redner der Be—⸗ deutung, welche ſpeciell die Forſchungen Robert Kochs für die Medizin haben, inſofern ſie in die der Entſtehung von Krank— heiten zu Grunde liegenden Verhältniſſe einen Einblick eröff— nen. Neben Traumen (Verletzungen) unterſcheidet man ge- genwärtig noch Infektionskrankheiten, Stoffwechſelkrankheiten und Neuroſen. Die beiden letzterwähnten Kategorien er- leiden aber eine immer größere Einſchränkung dadurch, daß Krankheiten, die man bisher nicht für Infektionskrank⸗ heiten (Krankheiten, die durch ein ſpecifiſches Gift über— tragen werden) hielt, als ſolche erkannt werden. Die In⸗ fektionskrankheiten ſind im Grunde genommen nichts anderes als Gärungsvorgänge. Letztere ſind bekanntlich an die Anweſenheit kleiner Lebeweſen gebunden und dieſe Klein⸗ lebeweſen (Mikroben) müſſen, indem ſie ſich ernähren, ihr Material aus dem Boden des ſie beherbergenden Wirtes beziehen. Sie werden alſo ſelber zu unendlich vielen chemi⸗ ſchen Laboratorien und es fragt ſich nur, ob und wie weit die Abfälle aus dieſen Werkſtätten dem Wirte ſelber ſchäd— lich werden können. Eine weitere Analogie zu den In— fektionskrankheiten bildet die Verweſung; derſelbe Spaltungs— prozeß, welcher bei der Gärung ſich vollzieht, führt auch mit dem Verſchwinden des Lebens, dem Aufhören der Zellenthätigkeit zu dem Abbau des Organismus in einer weiten abfallenden Stufenreihe. Auch dieſe Verweſungs⸗ vorgänge ſind charakteriſiert durch die Anweſenheit von Giftſtoffen, die ebenfalls nichts anderes ſind als die Pro⸗ dukte der Lebensthätigkeit ganz beſtimmter Bacillen. Eine beſonders wichtige Frage iſt die nach der Selbſtinfektion, der Selbſtvergiftung des Körpers infolge der ſich in dem⸗ ſelben unaufhörlich abſpielenden chemiſchen Prozeſſe. Die durch die krankheiterregenden Bakterien hervorgerufenen „perverſen“ Gärungen führen allerdings zu Verweſungs⸗ erſcheinungen, die dem Fortbeſtand des Lebens nicht ſelten unüberwindliche Hinderniſſe bereiten. Wenn ſchon vor einigen Jahren Hueppe die Forderung ſtellte, daß man die Unterſcheidung zwiſchen der Durchſeuchung des Körpers mit Fäulnisgift und der durch krankheiterregende Bakterien hervorgerufenen ſpecifiſchen Vergiftung endlich fallen laſſe, ſo pflichtet Redner dieſer Anſicht im allgemeinen bei, glaubt dieſelbe aber dahin erweitern zu müſſen, daß die ſpecifiſchen Giftſtoffe, die ſogenannten Toxine, der von ihnen hervor⸗ gerufenen Erkrankung auch einen ganz ſpeciſiſchen Stempel aufdrücken. In dieſer Eigentümlichkeit liegt auch der Be⸗ weis für die Wichtigkeit der von Koch mit ſolcher Ent⸗ ſchiedenheit hervorgehobenen Beſtändigkeit (Konſtanz) der Bakterienarten. Neben den eigentlichen Bakteriengiften, den ſoeben erwähnten Toxinen entſtehen bei den im menſch⸗ lichen oder Tierkörper ſich abſpielenden Fäulnis⸗, bezw. Krankheitsprozeſſen auch gewiſſe aromatiſche und baſiſche Stoffe: die Ptomaine. Von einer ganzen Anzahl von krankheiterregenden Spaltpilzen kennen wir bereits den ent- ſprechenden Giftſtoff, wir kennen denſelben beiſpielsweiſe von den Bakterien des Typhus, der Cholera, des Milzbran⸗ des, des Tetanus (Wundſtarrkrampf), der Eitervergiftung u. ſ. w. Speciell bei der Cholera bildet ſich neben dem die furchtbaren Krankheitserſcheinungen bedingenden Giftſtoffe ein purpurroter Farbſtoff. Der Tetanusbacillus, durch deſſen⸗ Ernährung und Vermehrung im Menſchen und Tierkörper der unter dem Namen Tetanin bekannte Giftſtoff erzeugt wird, ſcheint eine beſonders weite Verbreitung zu haben; der beſagte Spaltpilz iſt nämlich auch im Erdboden aufgefunden worden. Eine beſonders wichtige Frage iſt die, ob und wie weit die Vermehrung der Bakterien und das Weiterumſichgreifen des Krankheitsprozeſſes mit der Bildung der obenerwähnten Bakteriengifte Hand in Hand gehen. Mit Bezug hierauf iſt zu bemerken, daß allem Anſcheine nach eine Einſchrän⸗ kung der Vermehrung der Bakterien bewirkt wird durch die Anhäufung ihrer giftigen Stoffwechſelprodukte. Anderer— ſeits bekundet ſich die verheerende Kraft dieſer Subſtanzen in der eigentümlichen Fähigkeit, allein durch ihre Anweſen— heit im lebenden Körper manchen Krankheitserregern die Einbruchspforten ſozuſagen zu öffnen. So können z. B. Cholerabacillen, denen der unmittelbare Einzug in unſeren Körper verlegt iſt, ſofort maſſenweiſe in denſelben ein— dringen, ſobald die Stoffwechſelerzeugniſſe derſelben in den Körper hineingebracht find. Das was man als „Miſch⸗ infektion“ bezeichnet, beruht darauf, daß die Stoffwechſel— erzeugniſſe gewiſſer krankheiterregender Bakterien derartigen fremden Mikroben den Weg in unſeren Körper öffnen, der ihnen ſonſt verſchloſſen iſt. So vermögen z. B. die Spaltpilze des „malignen Oedems“ einen von Typhus- bacillen ergriffenen Körper zu überfallen, während fie einem geſunden Organismus nichts anhaben können. Zum Schluſſe ſeines überaus gehaltvollen Vortrags kommt Brieger noch auf die von Paſteur, Touſſaint u. a. mit abgeſchwächtem Giftſtoff angeſtellten Schutzimpfungen zu ſprechen. In dieſen Fragen ein entſcheidendes Wort zu ſprechen, wird nach des Redners Anſicht erſt dann möglich ſein, ſobald durch Einverleibung eines chemiſch wohl charakteriſierten bakteriellen Stoffwechſelproduktes, unter denen die Toxine und Ptomaine als die ſpeeifiſch wirkſamen voranſtehen, eine vollkommene Unempfänglichkeit gegen die betreffenden Krankheitserreger erzielt werden kann. Dann werden viel— leicht auch die auf Vervollkommnung der ſpecifiſchen Heil— methoden gerichteten ärztlichen Beſtrebungen von größerem Erfolge begleitet ſein, als dies bisher der Fall geweſen iſt. Nur eine innige Verbindung der inneren Medizin mit der exakten Chemie wird uns dereinſt in den Stand ſetzen, der durch Bakterien, bezw. Bakteriengifte hervorgerufenen Seuchen Herr zu werden. Es erübrigt noch, über die Beratung, betreffend den neuen Statutenentwurf, einige Mitteilungen zu machen. Bekanntlich iſt bereits im vorigen Jahre zu Köln, be— ſchloſſen worden, an die Stelle der bisherigen Natur— forſcherverſammlung, welche nur während der wenigen Tage ihres alljährlichen Zuſammentretens als Wanderver— ſammlung exiſtierte, eine mit feſter Organiſation, ſowie mit den Eigenſchaften einer juriſtiſchen Perſönlichkeit, mit einem permanent fungierenden Vorſtand und einem be— ſtimmten Wohnſitz ausgeſtattete Naturforſchergeſellſchaft 40 Humboldt. — Januar 1890. treten zu laſſen und war bereits auf der vorjährigen Naturforſcherverſammlung eine aus den hervorragendſten Vertretern der deutſchen naturwiſſenſchaftlichen und medi⸗ ziniſchen Forſchung beſtehende Kommiſſion eingeſetzt worden, welcher die Aufgabe obgelegen hat, den neuen Statuten⸗ entwurf auszuarbeiten. R. Virchow als Vorſitzender der beſagten Kommiſſion hielt nun zunächſt einen einleitenden Vortrag, in dem er noch einmal die grundlegenden Punkte für die Neuorganiſation der Geſellſchaft auseinander ſetzte. Im Anſchluß daran entwickelte ſich eine äußerſt lebhafte Debatte, welche leider keinen Zweifel darüber ließ, daß die Anſichten der deutſchen Naturforſcher und Aerzte, be⸗ treffend die Neuorganiſation geteilt ſind. Während Otto Volger (Frankfurt a. M.) als Wortführer jener nicht un⸗ anſehnlichen Minorität auftrat, die ſich mit der Neugeſtal⸗ tung der Verhältniſſe nicht einverſtanden erklärte, ſprachen v. Helmholtz (Berlin) und Viktor Meyer (Heidelberg) zu Gunſten der Neuordnung. Erſterer zog das Beiſpiel der großen engliſchen wiſſenſchaftlichen Geſellſchaften an, welche ihre weltbekannten Erfolge nur ihrer feſten Organiſation zu danken haben; letzterer erinnerte an die ſchweizeriſche Naturforſchergeſellſchaft, die bei einer, dem vorliegenden Statutenentwurf genau entſprechenden Organiſation blüht und gedeiht. An der weiteren Generaldiskuſſion beteilig⸗ ten ſich noch die Herren von Bergmann, von Siemens, Schwalbe, Mendel (ſämtlich zu Berlin), ferner Bresgen (Frankfurt a. M.), Graf (Elberfeld), Heidenhain (Breslau), Quincke (Heidelberg) u. a. Schließlich wurde der Statuten⸗ entwurf in der folgenden Faſſung angenommen: Statut der Geſellſchaft deutſcher Natur⸗ forſcher und Aerzte. § 1. Der Zweck der am 18 September 1822 in Leipzig von einer Anzahl deutſcher Naturforſcher und Aerzte gegründeten „Geſellſchaft deut⸗ ſcher Naturforſcher und Aerzte“ beſteht in der Förderung der Naturwiſſen⸗ ſchaften und der Medizin und in der Pflege perſönlicher Beziehungen unter den deutſchen Naturforjdern und Wergten. § 2. Der Sitz der Geſellſchaft iſt Leipzig. § 3. Mitglieder des Bering’ find diejenigen, welche durch ſchrift⸗ liche Anmeldung, Genehmigung dieſer Anmeldung ſeitens des Vorſtandes und Eintragung ihres Namens in das von dem Vorſtande zu führende Mitgliederverzeichnis die Mitgliedſchaft erwerben. § 4. Als Mitglieder find alle diejenigen aufzunehmen, welche ſich wiſſenſchaftlich mit Naturwiſſenſchaft oder Heilkunde beſchäftigen und welche die bürgerlichen Ehrenrechte beſitzen. § 5. Jedes Mitglied hat einen Jahresbeitrag von fünf Mark deſſen Erhöhung durch Beſchluß der Verſammlung der Mitglieder zuläſſig iſt, zu entrichten. § 6. Die Mitgliedſchaft wird, abgeſehen von dem Tode eines Mit⸗ gliedes, verloren: a) durch ſchriſtliche Austrittserklärung, b) durch Verluſt der bürgerlichen Ehrenrechte, c) durch Ausſchließung. Der Vorſtand löſcht ein Mitglied in dem Mitgliederverzeichnis und macht deſſen Namen in der nächſten ordentlichen Verſammlung bekannt, wenn der Jahresbeitrag nicht freiwillig bezahlt iſt und die Einziehung desſelben auch durch Poſtnachnahme ſich als unmöglich herausgeſtellt hat, ſei es daß die Einziehung verweigert, ſei es, daß die Einziehung wegen Unbekanntſchaft des Aufenthaltes mißlang. Gegen den Ausſchluß von Mitgliedern durch den Vorſtand iſt die oes an die Mitgliederverſammlung zuläſſig, welche endgültig ent⸗ heidet. § 7. Durch fein Ausſcheiden verliert das Mitglied alle Anſprüche an die Geſellſchaft und deren Vermögen. Freiwillig ausgeſchiedene Mit⸗ glieder können nach Maßgabe der für den erſten Eintritt gegebenen Be⸗ ſtimmungen (§§ 3 und 4) in die Geſellſchaft wieder eintreten, haben je⸗ doch, wenn fie infolge Nichtzahlung des Beitrags ausgeſchieden waren, den Jahresbeitrag, deſſen Nichtzahlung zum Ausſcheiden führte, nachträg⸗ lich zu entrichten. § 8. Beſondere Ernennungen zu Mitgliedern, und Ausfertigungen von Diplomen finden nicht ſtatt. § 9. Die zur Erreichung der Geſellſchaftszwecke beſtimmten Ver⸗ ſammlungen finden alljährlich ſtatt, fangen jedesmal am dritten Montag des September (bisher immer am 18. September) an und dauern immer mehrere Tage. § 10. Der Ort der Jahresverſammlungen wechſelt. Derſelbe wird in der jedesmaligen Jahresverſammlung für das nächſte Jahr beſtimmt. § 11. In dieſen Jahresverſammlungen werden die geſchäftlichen Angelegenheiten der Geſellſchaft nach Maßgabe dieſes Statuts erledigt, und ſind nur die anweſenden Mitglieder zur Teilnahme an den Bee ratungen und Beſchlußfaſſungen berechtigt. Jedes Mitglied hat eine Stimme. Alle Beſchlüſſe erfolgen durch einfache Stimmenmehrheit der Ab⸗ ſtimmenden. Bei Stimmengleichheit entſcheidet die Stimme des Vorſitzenden. 8 12. An den jährlichen Verſammlungen, ſoweit jie nicht die Ge⸗ ſchäfte der Geſellſchaft, ſondern die Förderung des Zwecks derſelben be⸗ treffen, können alle, welche ſich wiſſenſchaftlich mit Naturkunde und Medizin beſchäftigen, und den von der jedesmaligen Geſchäftsführung für die Teilnahme an der Jahresverſammlung feſtgeſetzten Beitrag entrichtet haben, teilnehmen. Die Jahresverſammlung, ſoweit ſie ſich mit dem wiſſenſchaftlichen Zwecke der Geſellſchaft befaßt, tritt in allgemeinen Verſammlungen und in Abteilungen (Sektionen) zuſammen. § 13. Der Vorſtand der Geſellſchaft beſteht aus einem Vorſitzenden, einem ſtellvertretenden Vorſitzenden, ſieben Mitgliedern, dem Schatzmeiſter, dem Generalſelretär, ſowie aus zwei zur Vorbereitung der nächſtjährigen Verſammlung alljährlich zu wählenden Geſchäftsführern, welche letztere an dem Orte der neuen Verſammlung ihren Wohnſitz haben müſſen. Dieſe ſämtlichen Mitglieder des Vorſtandes werden von der Jahres⸗ verſammlung gewählt und zwar alle bis zur nächſten Verſammlung, der Schatzmeiſter und Generalſekretär aber auf je drei Jahre. Es ſoll ſtets einer der Vorſitzenden der naturwiſſenſchaftlichen und der andere der ärztlichen Richtung angehören, wenn auch bei der Wahl der anderen Vorſtands mitglieder möglichſt auf eine gleichmäßige Berück⸗ ſichtigung der naturwiſſenſchaftlichen und ärztlichen Fächer Rückſicht zu nehmen iſt. § 14 Der Vorſtand regelt ſeine innere Thätigkeit und die Amts⸗ thätigkeit ſeiner Mitglieder ſelbſt. § 15. Der Vorſtand verivitt die Geſellſchaft in allen Rechtsange⸗ legenheiten nach außen, und verwaltet das Vermögen der Geſellſchaft. § 16. Der Vorſtand hat ein Mitgliederverzeichnis zu führen, ein Archiv der Geſellſchaft einzurichten und fortzuführen, die Jahresverſamm⸗ lungen vorzubereiten, die Programme derſelben feſtzuſtellen, für die in denſelben vorzunehmenden Wahlen zu ſorgen, ſowie auch Beſchluß zu faſſen über etwaige für die wiſſenſchaftlichen Verhandlungen zu bildenden neuen Abteilungen. § 17. Die Abteilungen haben alljährlich am Schluß ihrer Sitzungen je einen Vorſtand zu wählen, welcher das Spccialprogramm der Ab⸗ teilung für die nächſte Verſammlung vorzubereiten hat. § 18. Das Vermögen der Geſellſchaft beſteht: a) aus dem angeſammelten Beſtande, gegenwärtig 28 000 Mark, herrührend von den Ueberſchüſſen der Berliner Naturforſcherver⸗ ſammlung, b) aus den Beiträgen der Mitglieder und Teilnehmer, e) aus den etwa von dritten zu machenden außerordentlichen Zu⸗ wendungen. § 19 In der Jahresverſammlung ijt die Abrechnung über das letzte Geſchäſtsjahr durch den Vorſtand vorzulegen. Zur Verausgabung von angeſammelten Kapitalbeträgen iſt ſteis die Zuſtimmung der Bere ſammlung notwendig. § 20. Abänderungen dieſes Statuts können nur mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der in einer Verſammlung erſchienenen Mitglieder be⸗ ſchloſſen werden, nachdem der Wortlaut des betreffenden Antrags ſpäteſtens bis Ende Juli in einigen der verbreitetſten politiſchen und Fachzeitſchriften, jedenfalls aber im Reichsanzeiger bekannt gegeben iſt. § 21. Die Auflöſung der Gifellichaft, beziehentlich die Vereinigung derſelben mit einer anderen Geſellſchaft kann ebenfalls nur von zwei Dritteln der anweſenden Mitglieder beſchloſſen werden und nur, nachdem der Antrag in der Verjammlung des Vorjahres von wenigſtens 25 Mite gliedern ſchriftlich eingebracht iſt. Der Beſchluß über die Auflöſung der Geſellſchaft und über deſſen Ausführung, ſowie über die Verwendung des Vermögens bedarf der landes⸗ herrlichen Genehmigung. Die in letzterer Zeit vielfach aufgeworfene Frage, ob der nicht als Forſcher oder Schriftſteller thätige praktiſche Arzt ein Mitglied der Verſammlung werden könne, iſt durch § 12 des obigen Statuts in bejahendem Sinne entſchieden. Zum Sitz der Geſellſchaft waren Berlin, München und Leipzig in Vorſchlag gebracht; die Wahl fiel auf die zuletzt erwähnte Stadt. Zum Vorſitzenden der neuorganiſierten Deutſchen Naturforſchergeſellſchaft wurde der Chemiker W. A. Hofmann gewählt, nachdem Virchow erklärt hatte, daß er eine eventuelle Wiederwahl unter keiner Bedingung annehmen könne, und nachdem auch bekannt wurde, daß Helmholtz die eventuelle Ernennung zum Vorſitzenden nicht acceptieren würde. Zum ftellnertretenden Vorſitzenden wurde Prof. His (Leipzig), zum Generalſekretär Dr. Laſſar (Berlin), zum Schatzmeiſter der Geſellſchaft der Verlags⸗ buchhändler Dr. Lampe⸗Fiſcher (Leipzig) beſtimmt. Außer aus den zuvorerwähnten Herren ſetzt ſich der Vorſtand der Geſellſchaft zuſammen aus: Rudolf Virchow (Berlin), Leuckart (Leipzig), V. Meyer (Heidelberg), Quincke (Heidel⸗ berg), Hertz (Bonn) und von Bergmann (Berlin). Auf den Antrag Virchows wird der Vorſtand ermächtigt, die als Ueberſchuß von der 1886 zu Berlin abgehaltenen Naturforſcherverſammlung reſtierenden 28 000 Mark der Kaſſe der Naturforſchergeſellſchaft einzuverleiben; der Vor⸗ ſtand wird auch bei der königl. ſächſiſchen Regierung um ae des Korporationsrechtes an die Geſellſchaft ein⸗ ommen. ö Ueber die Urſachen der Eiszeit. Don Cadislaus Satke in Tarnopol. II. Aach meiner Anſicht würde man dieſe Theo⸗ rie ſonach in folgender Weiſe begründen können. og Während der größten Excentricität be- findet ſich die Erde im Aphelium um 3110000 Meilen weiter von der Sonne entfernt als im Perihelium, das iſt zugleich die Urſache, daß die Jahreszeiten, die in das Aphelium entfallen, um 36 Tage länger ſind, als die im Perihelium. In der Vorausſetzung, daß der Sommer der nördlichen Halbkugel auf das Aphe— lium entfällt, haben wir nachfolgende Jahreszeiten, was ihre Länge und Temperatur anbelangt: für die nördliche Halbkugel wird der Sommer lang und kühl und der Winter kurz und warm ſein, für die ſüd— liche dagegen der Winter lang und froſtig und der Sommer kurz und heiß ſein. Obwohl es ſich nicht widerlegen läßt, daß die Summe der Wärme einer Jahreszeit durch ihre längere oder relativ kürzere Dauer ausgeglichen wird, ſo muß man doch zuge— ſtehen, daß die kürzeren Jahreszeiten wärmer, die längeren kühler ſein werden als im heutigen Zu— ſtande. Es werden zwar die Unterſchiede der Tem— peratur in einer gewiſſen Lage der Erde zwiſchen den beiden Halbkugeln nicht größer ſein als heute, doch wird die längere oder kürzere Dauer der Jahres— zeiten einen bedeutenden Einfluß auf das Klima der Erde ausüben. Nehmen wir alſo den Fall an, unſere Erde be— finde ſich während der größten Excentricität im Peri— helium. Es wird alſo in einer gewiſſen Periode für die nördliche Halbkugel ein kurzer und warmer Winter und gleichzeitig für die ſüdliche Halbkugel ein kurzer, heißer Sommer entfalten. Da wir entſprechend den neueſten Unterſuchungen vorausſetzen müſſen, daß während der letzten Eiszeitperiode die Kontinente und Oceane ſo wie heutzutage geſtaltet waren, ſo dürfen Humboldt 1890. wir auch ſicherlich annehmen, daß auch die Meeres— und Luftſtrömungen dieſelbe Richtung innehielten wie die heutigen. Während des langen und froſtigen Winters auf der ſüdlichen Halbkugel wird die Polarnacht mehr als 210 Tage dauern und während der Zeit muß eine große Differenz in der Temperatur zwiſchen den Polar- und Aequatorialgegenden entſtehen. Infolge— deſſen müſſen auch die Luftſtrömungen, beſonders der Aequatorial- und Polarſtrom an Kraft zunehmen und dieſelben werden ohne Zweifel überaus ſtark ſein, daher muß auch der Südoſtpaſſat viel ſtärker werden und zugleich wieder die ſüdliche Halbkugel einer größeren Wärmemenge berauben, die der nörd— lichen zu gute kommen wird. Schon dieſer eine Umſtand müßte die Temperatur der nördlichen Oceane über die der Kontinente er— heben, da die Paſſatwinde nur über den Oceanen fühlbar ſind; aber ihr Einfluß iſt noch bedeutender. Wie bekannt, iſt die ſüdliche Aequatorialſtrömung nur eine Folge des Südoſtpaſſates, die durch Kap St. Roque im Atlantiſchen und durch Neu-Guinea im Stillen Ocean gegen Norden abgelenkt werden— Dies iſt auch die Urſache, daß die warmen Gewäſſer dieſer Strömung über den Aequator auf die nörd— liche Halbkugel fließen und dadurch die Golfſtrömung und den Kuro Siwo verſtärken. Aber wie wir ſchon oben angezeigt haben, wird der Südoſtpaſſat während der größten Excentricität ſehr ſtark ſein, es werden ſomit auch die Strömungen, durch welche der Golf— ſtrom und der Kuro Siwo verſtärkt werden, nicht nur ſtärker und raſcher, ſondern wahrſcheinlich auch viel umfangreicher ſein als heute, weil ein größerer Arm der Aequatorialſtrömung durch die ungemeine Stärke des Paſſates nach Nordweſt abgelenkt wird. Infolgedeſſen muß ſich über dem nördlichen Atlanti— 6 42 Humboldt. — Februar 1890. ſchen Ocean und Stillen Ocean eine größere Wärme⸗ menge, als über den Kontinenten anſammeln und im allgemeinen werden dieſe Meeresbecken viel wärmer ſein als in jetziger Zeit. Da aber dadurch größere Differenzen in der Temperatur zwiſchen den Oceanen und den Kontinenten entſtehen werden, ſo werden auch die Luftdruckdifferenzen viel bedeutender fein, da die letzteren von den erſteren abhängen. Es iſt aber bekannt, daß der Golfſtrom ſeine Richtung und im allgemeinen ſeine weitere Exiſtenz im Norden nur dem Barometerminimum verdankt, das faſt das ganze Jahr hindurch über dem Ocean in der Nähe von Island lagert. Dies Minimum aber wird eben durch die erhöhte Temperatur des nördlichen Atlantiſchen Oceans viel tiefer ſein, als heute; daraus muß man ſchließen, daß auch die Winde, die es verurſacht, viel heftiger und beſtändiger ſein werden, ſomit muß auch der Golfſtrom, der ſchon infolge der vorhergehenden Urſachen wärmer und größer war, noch mehr an Kraft und Geſchwindig⸗ keit gewinnen und dementſprechend auch die Folgen zunehmen). Heute verdanken Weſt⸗ und Nordweſteuropa ihre warmen Winter nur dieſer Meeresſtrömung; ehedem mußte die Temperatur dieſer Länder viel höher ſein, denn der Golfſtrom war außerordentlich ſtark und warm. Es iſt ſelbſt möglich, daß er den Nordpol erreichte, und kein Gefrieren des Polarmeeres zuließ, welches außerdem noch aus dem Grunde eine höhere Temperatur beſaß, weil der Winter viel wärmer und kürzer war und weil der Pol fic) während des Som— mers eine viel längere Zeit der erwärmenden Son⸗ nenſtrahlen erfreute. Der Einfluß dieſes über 210 Tage dauernden Sonnenſcheines und des Golfſtromes mußte ſelbſt ſo groß ſein, daß es faſt gar keinem Zweifel unterliegt, es haben dort wenigſtens während des Sommers organiſche Weſen exiſtiert, wenn wir iibri- gens noch die Dauer dieſer Periode von 6000 bis 7000 Jahren in Betracht ziehen. Derſelbe Golfſtrom ſtößt im Norden gegen Kap Farewell. Dadurch wird ein Teil von ihm nördlich abgelenkt und fließt längs der weſtlichen Küſten von Grönland. Da der ganze Golfſtrom ſtärker wird, muß dementſprechend auch dieſer Zweig an Kraft ge⸗ winnen, ſomit auch die vorherrſchende Windrichtung aus Südweſt viel heftiger ſein und beſtändiger vor⸗ walten als heute. Dieſelben Schlüſſe dürfen wir auch auf den Stillen Ocean beziehen, da die obigen Urſachen auch hier auftreten, nämlich, daß der Kuro Siwo ſtärker und wärmer, daß das Barometerminimum am Nordrande des Stillen Oceans viel tiefer und ſomit auch die vorherrſchenden Winde viel heftiger wehen werden. *) Hann, Handbuch der Klimatologie. Stuttgart. 1883. S. 130. „Je wärmer das nördliche Meeresbecken, deſto tiefer das barometriſche Minimum, das ſich im Winter (ja während des größeren Teils des Jahres) über denſelben bildet, deſto heftiger und beſtändiger die W. und SW- Winde, die das warme Waſſer auf der Weſtſeite in die höheren Breiten hinaufführen“. Dieſe großen Differenzen zwiſchen dem Luftdrucke über den Oceanen und den Kontinenten werden um fo größer fein, als ſich aus der ſüdlichen Halb— kugel, die zu der Zeit einen heißen Sommer hat, viel Luft über der nördlichen Hemiſphäre anſammeln wird und zwar mehr über den Kontinenten als über den Meeren, da die erſteren relativ kälter ſein werden. Infolge der großen Gradienten müſſen auch die Winde viel kräftiger werden, eigentlich dürfte man ſagen, es werden faſt beſtändige Stürme auftreten, deren Richtung dieſelbe ſein wird wie jetzt, nämlich: in Weſteuropa aus Südweſt und Weſt, in Spitz⸗ bergen aus Süd und Südweſt, in Weſtgrönland aus Süden und im weſtlichen Nordamerika aus Weſten. Es ſind alſo dieſelben Winde, die auch heute in dieſen Gegenden vorherrſchen, denn es iſt kein Grund vor⸗ handen, daß ſie aus einer anderen Richtung wehen ſollten, wenn dieſelben Bedingungen beſtehen; ihre Heftigkeit aber, Geſchwindigkeit und Beſtändigkeit werden wachſen, da die Tiefe der Barometerminima viel bedeutender ſein wird. Dieſe Winde jedoch bringen eine große Wärme aus den Oceanen auf die Kontinente und Inſeln, zugleich aber auch eine un⸗ geheure Menge von Waſſerdampf, der an den Küſten und beſonders an den hohen Gebirgen ſich erhebt, erkaltet und niederfällt. Es unterliegt auch keinem Zweifel, daß dieſer Niederſchlag ſehr bedeutend ſein wird in der Art, daß er vielleicht den heutigen um das Drei- und Vierfache überſchreitet, wenn wir alle die obigen Umſtände in Erwägung nehmen und be- ſonders die große Wärme über den Oceanen und die aus derſelben folgende Verdampfung über dem Atlantiſchen und Stillen Ocean. Sodann ſollten wir uns auch noch der Worte von Tyndall und Murphy erinnern: „Increase of temperature pro- motes increase of evaporation in a much greater ratio than that of the increase of temperature: and increased evaporation in the summer hemi- sphere will produce increased snowfall in the winter one“ ). Da die Richtung der ehemaligen und heutigen Winde unveränderlich bleibt, ſo wird alle dieſe Feuchtigkeit faſt ausſchließlich den weſtlichen Küſten und den von ihnen nicht zu ſehr entfernten Gebirgen zu teil. Die Unterſuchungen über die Schwankungen der heutigen Gletſcher haben zu merkwürdigen Reſultaten geführt, denn eine kaum bemerkbare Oscillation der Temperatur von 0,1°—0,5°C., eine größere oder ge- ringere Niederſchlagsmenge von einigen Millimetern ver⸗ urſacht große Veränderungen im Stande der Gletſcher. Um wie viel weiter mußte ſich die Vergletſcherung während der größten Excentricität erſtrecken, wenn die Temperatur der Oceane um 3°—4°C. ſich erhob, wenn der Niederſchlag zwei-, dreimal fo groß, oder ſelbſt noch viel bedeutender war als in unſerer Zeit). *) Murphy, I. e. S. 354. **) Sorel, Recherches sur les variations périodiques dans l'état des glaciers de la Suisse. Archives d. sc. Humboldt. — Februar 1890. 43 Zwar hat man noch vor einigen Jahren den Aus— ſpruch Tyndalls, Murphys und Blazernas als eine falſche Behauptung angeſehen, heute aber wird doch kein Meteorolog widerſprechen, daß eben eine Er— höhung der Temperatur im Winter beſonders auf den Oceanen ein Anſchwellen der Gletſcher verurſacht. Wahrſcheinlich wird der Niederſchlag in den Niede— rungen in Form von Regen auftreten, aber im Ge— birge wird er unzweifelhaft als Schnee erſcheinen. Es iſt ja auch heute der Fall, daß ein trockener Winter die Schneegrenze in die Höhe rückt, ein feuchter die— ſelbe tiefer ſetzt, ein warmer Winter erſcheint im Ge— birge als einer mit reichlichem Schneefall, ein ſtrenger dagegen iſt arm an Schnee. Dieſe Geſetze werden auch während der größten Excentricität ihre volle Be— deutung haben. Daraus folgt der unbeſtreitbare Schluß, daß zu der Zeit, wenn der Winter der nördlichen Halbkugel aufs Perihelium entfällt, eben die ent— ſprechendſte Gelegenheit zur Entwickelung der Gleiſcher eintreten wird. Aber wir ſchließen noch weiter. In gebirgigen Gegenden iſt der Niederſchlag in heutiger Zeit doppelt ſo groß, als in den benachbarten Thälern und Niederungen, was beſonders dem Umſtande zu— zuſchreiben iſt, daß die Temperatur in der Höhe viel niedriger iſt als in den Thälern. Um wie viel mehr wird der Niederſchlag in den Gebirgen im Vergleich mit dem heutigen reicher werden, wenn dieſer Unterſchied zwiſchen hoch und niedrig gelegenen Orten fein Maxi⸗ mum erreicht, und dies wird eben während unſerer ſtürmiſchen Eiszeit eintreten, denn Hann ſagt: „Bei windigem, ſtürmiſchem Wetter iſt in Gebirgsländern die Temperaturabnahme mit der Höhe am raſcheſten“ *). Man muß auch annehmen, daß der Schnee auch in unſeren Mittelgebirgen eine allgemeine und ge— wöhnliche Erſcheinung ſein wird, denn dies wird nicht nur die viel kältere Luft in der Höhe verurſachen, ſon— dern auch eine gleichmäßigere Wintertemperatur, deren Grenzen ſehr enge ſein werden, wie dies gewöhnlich während eines warmen, feuchten, windigen und be— wölkten Winters der Fall iſt. Wenn aber im allgemeinen die Winterniederſchläge reichlicher werden, ſo muß auch die Region der reich— lichſten Schneefälle viel breiter werden und in dieſelbe werden auch Gebirge hineinreichen, deren Gipfel heute darunter ſich befinden; ſie wird auch Thalkeſſel und Mulden umfaſſen, die heute teils über teils unter ihr liegen. Es werden alſo die Gletſcher aller Ge— phys. et natur. Genéve VI. 1881. S. 1-39. — Heim, Handbuch der Gletſcherkunde. Stuttgart. 1885. S. 531: „Wir müſſen geſtehen, daß uns die Schwankungen der Gletſcher gewaltig erſcheinen im Vergleich zu den Schwan— kungen der Niederſchläge um einige Prozente oder der Temperatur um Bruchteile eines Grades.“ „Dieſe Er— kenntnis zeigt uns auch, daß die Witterungserſcheinungen der Glacialzeit nicht gar ſo unerhört anders geweſen ſein müſſen, um die ee rieſenhaft anſchwellen zu machen.“ — Vergl. auch J. Partſch, Die Gletſcher der Vorzeit in den Karpathen und den Webirgen Deutſchlands. Breslau. 1882. S. 169— 177. *) Hann, |. c. S. 169. birge an reichlichen Quellen gewinnen, ſie werden auch Gebirge bedecken, die heute keine Gletſcher bilden, wie z. B. die Gebirge von Mitteldeutſchland und Frank— reich, die Tatra und die Karpathen. Da aber, wie be— kannt, die Gebirge Norwegens, Schottlands, Irlands, die Alpen, die Pyrenäen, der Schwarzwald, die? Ane der Harz ihr Maximum des Niederſchlags im Winter haben und beſonders mit den Weſtwinden, obwohl in den benachbarten Niederungen von Mitteleuropa dies Maximum auf den Sommer entfällt), fo darf man mit Recht ſchließen, daß während der größten Excentricität zugleich mit der Zunahme der Weſtwinde auch der Niederſchlag in dieſen Gebirgen viel bedeuten— der ſein wird. Einen ganz identiſchen Zuſtand müſſen wir auch für Grönland, Spitzbergen, Bäreninſel und Nord— amerika vorausſetzen, wo auch die ſtürmiſchen Winde und der Schneefall zur größten Potenz anwachſen werden; es werden ſomit die Gletſcher jeden Winter mehr anſchwellen, bis ſie nach einigen Tauſend Jahren ihr Maximum erreichen und ringsherum das Land überfluten oder ſelbſt Meeresbecken ausfüllen. Da aber alle dieſe Gegenden und alle Gebirge, in denen heute Gletſcher vorkommen, dieſelben auch nur dem Winter verdanken, ſo iſt der Zuſtand während der größten Excentricität von dem heutigen nicht was die Bedingungen und Folgen, nur was Kraft und Menge anbelangt abweichend, oder wenn wir die Worte Penck's gebrauchen, aber in einem mehr allgemeineren Sinne: „das ganze quartäre Glacialphänomen er— ſcheint lediglich als eine Steigerung des heutigen“ ?). Es wird aber nicht nur der Winter auf die Ent— wickelung der Gletſcher von Einfluß ſein, ſondern auch der nachfolgende Sommer, der zwar kühler, aber um 36 Tage länger ſein wird als der unſrige. Da gleichzeitig mit dem langen aber kühlen Sommer der nördlichen Halbkugel auf der ſüdlichen ein langer und ſtrenger Winter ſein wird, ſo werden die klimatiſchen Verhältniſſe faſt dieſelben bleiben wie jetzt, aber die Kraft aller meteorologiſchen Elemente wird größer ſein als heute. Die Barometerminima werden ſich jetzt auf den Kontinenten einfinden und hier die ſommerlichen Niederſchläge veranlaſſen. Aber dieſelben werden viel reichlicher ſein als heute, denn der ungeheuere, winterliche Niederſchlag, die große Feuchtigkeit, die in den weſtlichen Grenzländern der Kontinente herrſcht, weite Seen und große Ströme, die eben durch den vorhergehenden warmen und nieder— ſchlagsreichen Winter entſtanden, alle dieſe Umſtände werden viel Waſſerdampf in der Atmoſphäre bilden, den die Winde auffangen und im Inlande nieder— ſchlagen werden. Ein ſolcher durch Jahrtauſende be— ſtehender Zuſtand muß eine ſehr große Waſſermenge inmitten der Kontinente anſammeln, Wüſten in kultur⸗ fähiges Land verwandeln, die Oberfläche der Seen, Ströme und Flüſſe heben, im allgemeinen aus einem *) Hann, I. c. S. 482. **) Rend, Die Vergletſcherung der deutſchen Alpen. S. 439. 44 Humboldt. — Februar 1890. trockenen, heißen, in den einzelnen Jahreszeiten ver⸗ änderlichen, ein feuchtes, gleichmäßiges und der Ent⸗ wickelung der Gletſcher günſtiges Klima bewirken. Vielleicht läßt ſich auf dieſe Weiſe die Diſſikkations⸗ theorie von Whitney *) erklären, der bewies, daß ehe⸗ dem, ſchon in unſerer hiſtoriſchen Vergangenheit, die nördliche Halbkugel bedeutend mehr Feuchtigkeit beſaß als jetzt. Die große Excentricität der Erdbahn be- ſonders zur Zeit, als die nördliche Halbkugel ihren Winter im Perihelium hatte, verhalf nicht nur zum Wachstum der Gletſcher, aber zugleich zu einer großen Feuchtigkeit inmitten der Kontinente. Je mehr ſich aber die Erdbahn einem Kreiſe nähert, je mehr die Temperatur zwiſchen dem Aequator und dem Süd⸗ pole ausgeglichen wird, deſto ſchwächer werden die Südoſt⸗Paſſate, deſto langſamer werden der Golf- ſtrom und der Kuro Siwo, deſto ſchwächer und ſeltener die Weſt⸗ und Südweſtwinde in Europa und Nord⸗ amerika, deſto geringer die Niederſchläge, deſto niedriger der Stand der Flüſſe und Seen, deſto weiter er⸗ ſtrecken ſich die Wüſten, deſto kümmerlicher die Fauna und Flora. Am meiſten und eheſten fühlen dies die großen Kontinentalmaſſen wegen Mangel an bedeuten⸗ den Niederſchlägen; daher kommt es auch vielleicht, daß die langſame Austrocknung immer ihren Anfang inmitten großer Kontinente hat. Iſt aber unſer Schluß richtig, fo müſſen wir weiter folgern, daß die Diſſik⸗ kation immer weitere Fortſchritte machen wird, denn die Excentricität der Erdbahn nimmt immer mehr ab. Jetzt kommt der Schneefall in einer Höhe von 3000 m immer vor, ſowohl im Winter als auch im Sommer; in dem ehemaligen Sommer darf man wohl vorausſetzen, derſelbe ſei immer ſchon in einer Höhe von 2000 m gefallen. Jetzt geht kein Regentropfen, der auf einen Gletſcher fällt, für denſelben verloren; wievielmal reichlichere Nahrung mußte ein ehemaliger Gletſcher erhalten, wenn ein niederſchlagsreicher und nebeliger Sommer viel mehr Regen und Schnee auf ihm anhäufte als heute und beſonders da das Schmelzen des Gletſchereiſes wegen des faſt fort⸗ während bewölkten Himmels abgeſchwächt war. Außerdem muß man noch auf einen Umſtand auf⸗ merkſam machen. Da die Größe der Gletſcher von der in den Firnmulden angehäuften Schneemenge ab— hängt, da ſodann die untere Schneegrenze viel tiefer herabgeſetzt wird, wodurch viel mehr Firnmulden und Sammelbecken entſtehen werden, ſo müſſen entſprechend der unteren Schneegrenze auch die Gletſcher an Größe zunehmen und die Thaler ausfüllen. Martins *) be⸗ rechnete, daß eine Abnahme der mittleren Temperatur um 4%. die Schneegrenze bis 1950 m über die Meeresoberfläche tiefer ſetzen und der Arvegletſcher die Umgegend von Genf überſchwemmen würde. Murphy“) iſt auch der Anſicht, daß auf eine Er⸗ *) J. D. Whitney, The Climatic Changes of later geological Times. Cambridge (Mass). 1882. ) Lettres sur la révolution du globe, par A. Bertrand. Paris. De la période glaciaire par Ch. Martins. Note XX. S. 492. =A) IL e S saa, faltung des Klimas um 3 F. ein Herabſteigen der Schneegrenze um 2000 Fuß folgen müſſe und Forbes *) drückt ſich in der Hinſicht folgendermaßen aus: „Ob⸗ wohl der Raum, den der ewige Schnee in Norwegen heute einnimmt, ſehr klein iſt, ſo ſchwebt doch, wenn man ſich ſo ausdrücken darf, die Schneelinie über den Gebirgen und Hochebenen Norwegens, und die Ur⸗ ſache, die dieſe Schneelinie etwas nur herabdrücken würde, würde zugleich zur Folge haben, daß einen großen Teil des Landes ein Schneemantel umhüllen würde.“ An einem anderen Orte**): „Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß der vierte Teil Norwegens in die Schneeregion reichen würde, wenn die Temperatur um 4 F. abgenommen hätte; und dieſe ungeheuere Schneemenge würde ſein Klima verſchlimmern, be⸗ ſonders aber die Temperatur der Sommermonate ſo ſehr erniedrigen, daß ſich die Gletſcher unzweifelhaft in einen jeden Fjord des weſtlichen Norwegens er⸗ gießen würden. Dies aber würde wieder ein Herab⸗ ſteigen der Schneegrenze zur Folge haben, denn das Klima würde erkalten und die mittlere Jahrestempe⸗ ratur viel niedriger werden.“ Während dieſes langen und kühlen Sommers werden ſich aber auch die Gletſcher des ſüdlichen und mittleren Aſiens ausdehnen. Wie bekannt, verdanken die Gletſcher vom Himalaya, Gang⸗dis⸗ri, Hindu⸗ kuſch, Karakorum und Thian-⸗Schan ihre Exiſtenz nur dem Südweſt⸗Monſun ! *), der wieder infolge der Erwärmung von Inneraſien entſteht. Da die ſtarken Bedingungen dieſelben bleiben auch während der größten Excentricität, ſo wird der Südweſt-Monſun wahr⸗ ſcheinlich mit derſelben Kraft auftreten, aber ent⸗ ſprechend der Dauer des Sommers bedeutend längere Zeit wehen. Jene Gletſcher alſo werden auch über die heutigen Grenzen ſich ausdehnen müſſen. Daß die Kraft des Südweſt⸗Monſuns dieſelbe bleibt wie heutzutage, folgt aus dem Umſtande, daß die Er⸗ wärmung Inneraſiens durch die größere Entfernung der Erde von der Sonne zwar ſchwächer ſein wird, aber in demſelben Verhältniſſe auch die Temperatur des Oceans abnimmt. Es bleibt ſomit die Kraft des Monſuns gleich der heutigen, aber ſeine Dauer wird länger. Die Vergletſcherung Aſiens kann man alſo auch mittels der Potenzierung der heutigen Zuſtände erklären, ohne zu andern Kräften und ihren außer⸗ gewöhnlichen Folgen ſeine Zuflucht zu nehmen. In der Weiſe muß die Ausdehnung der Gletſcher ihr Maximum erreichen, denn dieſelbe begünſtigt nicht nur ein warmer Winter, ſondern auch der kühle Sommer, und beide Jahreszeiten wirken in derſelben Richtung, um alle Zuſtände, die das Schwinden der Gletſcher verurſachen könnten, zu ſchwächen. In dem Falle beſtehen für das Anſchwellen der Gletſcher die günſtigſten Bedingungen: ein reichlicher Niederſchlag *) Norway and its Glaciers. S. 215. **) J. C. S. 243. ) Da die Niederſchläge in dieſen Gebirgen, nament⸗ lich im Thian-Schan, zu einem guten Teil im Winter fallen, dürfte dieſe Behauptung einzuſchränken ſein. D. Hebd. Humboldt. — Februar 1890. 45 in Form von Schnee, die ſchmelzende Kraft dagegen gering, woraus die niedrigſte Schneegrenze und der tiefſte Stand der Gletſcherzungen folgt. Da ſodann ſolche Winter und Sommer durch Jahrtauſende nacheinander folgen werden, ſo werden die Gletſcher ungewöhnlich anſchwellen und weit in das Flachland und in das Meer ſich erſtrecken, und zwar in den Alpen, in Schottland, Norwegen, Ir— land, in den Mittelgebirgen Deutſchlands und Frank— reichs, in Grönland, in Nordamerika und in Mittel— aſien; ſomit überall, wo auch heute Gletſcher ſich be— finden oder wo man Spuren ehemaliger Vereiſung aufgefunden hat. Dieſer Zuſtand dauerte ſo lange, bis infolge des Vorrückens der Nachtgleichen die Jahreszeiten ausge— glichen wurden und die Temperatur der Oceane auf der nördlichen Halbkugel abnahm. Sobald aber nach Jahrtauſenden die Bedingungen, die früher auf der nördlichen Halbkugel beſtanden, auf der ſüdlichen auftraten, entwickelte ſich die Eiszeit auf dieſer. Die Vergletſcherung jedoch konnte hier nie dieſe Ausdehnung erreichen wie auf der nördlichen, denn auf der ſüdlichen als auf einer überwiegend oceaniſchen Halbkugel konnte keine ſolche Anſammlung von Wärme in geſchloſſenen Meeresbecken vorkommen wie auf der nördlichen kontinentalen; es waren doch die Luft⸗ und Meeresſtrömungen während des Winters kräftiger als in unſerer Zeit, aber ſchwächer als unter denſelben Bedingungen auf der nördlichen, und dieſe Strömungen bewirkten, daß die Gletſcher von Neu— ſeeland und Patagonien auch weiter in die Thäler herabſtiegen. Dies unterſtützten noch die kühlen Sommer, eigentlich die dichten und fortwährenden Nebel und Wolken, die ein Schmelzen des Gletſcher— eiſes nicht zuließen. Die Differenzen zwiſchen den einzelnen Jahreszeiten wurden ſehr gering und dieſen Zuſtand darf man als den günſtigſten für die Ent— wickelung der Gletſcher betrachten. In gleicher Zeit hatte die nördliche Halbkugel einen langen, froſtigen Winter und einen kurzen, heißen Sommer. Da zu der Zeit auf der ſüdlichen Halbkugel die Temperaturdifferenzen zwiſchen dem Südpol und dem Aequator geringer wurden, wurde der Südoſtpaſſat vielleicht ſo ſchwach, daß er den Golfſtrom und den Kuro Siwo nicht mehr verſtärken konnte, daß dadurch die nördliche Halbkugel der aus der ſüdlichen ſtam— menden warmen Ströme beraubt wurde; als weitere Folge, daß die Barometerminima im nördlichen Becken des Atlantiſchen und Stillen Oceans ſich verflachten, der Golfſtrom und der Kuro Siwo ſehr abgeſchwächt und erkaltet worden ſind, daß ſich das Klima von Europa und Nordamerika gänzlich geändert hat; denn wir hatten jetzt ſchwache und trockene Winde, die nur ſehr geringe und ſeltene Niederſchläge lieferten. Größtenteils herrſchen jetzt heitere und froſtige Tage, die ähnlich wie der nachfolgende heiße Sommer nur das Schmelzen und Schwinden der Gletſcher von Europa, Aſien und Nordamerika begünſtigen. Dieſer Zuſtand, der wieder einige Jahrtauſende gedauert hat, verurſachte das Zurücktreten der Gletſcher; manche von ihnen verſchwanden wohl gänzlich, woher die— ſelben erſt die nachfolgenden warmen Winter zum Vorſchreiten wieder zwangen. In der Weiſe wurde es möglich, daß die Gletſcher ſich bald auf der einen, bald auf der anderen Halbkugel zu wiederholten Malen ausdehnten und Binneneis ver— urſachten, und als die Excentricität immer kleiner wurde, ſchwächte ſich die Vereiſung allmählich ab, bis über die aſtronomiſchen Urſachen die geographiſchen den Sieg errangen, wie es heute der Fall iſt. Es ſoll damit nicht behauptet werden, daß die geographiſchen Urſachen während der größten Excentricität ohne Ein— fluß verblieben, denn ihre Wichtigkeit auch während der Eiszeit zeigt ſich uns in der größeren Ausdehnung der Vergletſcherung auf der nördlichen, kontinentalen Halbkugel, deren Grund nur in geographiſchen Ver— hältniſſen zu ſuchen iſt. ; Nach meiner Anſicht alfo ſind die wichtigſten Ur— ſachen der Eiszeiten aſtronomiſchen Urſprungs, wie die Excentricität der Erdbahn und das Vorrücken der Aequinoktialpunkte, als weitere Urſachen nehme ich die geographiſchen Verhältniſſe an, wie die Ver— teilung von Land und Waſſer und die geographiſche Lage der Gebirge. Aber es iſt damit noch nicht behauptet worden, daß jede große Excentricität ſo— gleich eine Eiszeit veranlaſſen ſollte; iſt die Ver— teilung von Land und Waſſer und die Lage der Kondenſatoren der Entwickelung der Gletſcher un— günſtig, ſo kann dieſe eine Urſache (die große Ex— centrieität nämlich) keine Eiszeit hervorrufen, wenig— ſtens nicht in dem Umfange, daß man deren Spuren in den früheren geologiſchen Formationen nachweiſen könnte. Dies erklärt uns auch zugleich, warum wir in Auſtralien in keiner Formation auf Spuren der Wirkung ehemaligen Gletſchereiſes treffen können; ſelbſt während der größten Excentrieität konnten ſich hier keine Gletſcher entwickeln und ausdehnen. Der oſtauſtraliſche Strom bringt in Auſtralien nur Sommerniederſchläge hervor, die zur Bildung der Gletſcher nichts beitragen können. In Weft auſtralien gibt es wieder keine Kondenſatoren, auf denen ſich Gletſcher bilden könnten, obwohl dort eben die winterlichen Niederſchläge vorherrſchen. Dies iſt alſo die Urſache, daß man jetzt in Auſtralien keine Gletſcher antrifft und auch in früheren Formationen keine Spuren davon auffinden konnte. Anders ſtellt ſich uns in der Hinſicht Neuſeeland vor. In den von Gebirgen nicht geſchützten Gegenden wehen während ſechs Monaten ſo ſtarke Winde, daß ſie faſt wie fortwährende Stürme erſcheinen, die öfters in Orkane ausbrechen; die Niederſchlagsmenge auf den weſtlichen Abhängen der Neuſeeländiſchen Alpen beträgt das Drei- bis Vierfache des Niederſchlages, der auf den öſtlichen Abhängen niederfällt; eine niedrige Sommertemperatur, die in den heißeſten Monaten kaum der Maitemperatur in Wien gleich— kommt; Schneefälle, die in den Gebirgen durch das ganze Jahr vorkommen; dabei eine mittlere Jahres— temperatur von 10° C. und ein warmer Winter, 46 Humboldt. — Februar 1890. währenddeſſen Pflanzen blühen: das iſt der jetzige Zuſtand von Neuſeeland :), und ein ſolcher mußte auch ehemals in Weſteuropa, in Grönland und in Nordamerika während der Eiszeit beſtehen. Dies heutige Klima von Neuſeeland iſt nur eine Folge der geographiſchen Lage dieſer Inſeln; ſollte jedoch ein ähnliches Klima auf der nördlichen kontinentalen Halbkugel herrſchen, ſo bedurfte es noch der aſtronomi⸗ ſchen Einflüſſe, die eben nur in dem Falle auftreten konnten, wenn die Erde auf ihrer längſten Ellipſe ſich bewegte und die nördliche Halbkugel ihren Winter im Perihelium hatte. Dieſe Erklärung der Eiszeit genügt, nach meiner Anſicht, allen Bedingungen, die man ihr ſtellt und die ſchon anfangs angegeben wurden. Obwohl ſie periodiſche Eiszeiten bedingt, iſt ſie doch nicht aus⸗ ſchließlich mit der größten Excentricität verbunden, da ſie auch eine entſprechende Verteilung von Land und Waſſer erfordert; ſie iſt auch rein meteorologiſch, da ſie den Grundſätzen der Meteorologie nicht wider⸗ ſpricht; außerdem ſtützt ſie ſich auf die neueſten geo⸗ logiſchen Unterſuchungen, da ſie die Umriſſe der heutigen Oceane und Kontinente nicht ändert und nur dort eine Vereiſung vorausſetzt, wo auch heute noch Gletſcher exiſtieren. Aber ſie genügt auch den Anforderungen der Paläontologie, die bis jetzt noch keine der Eiszeittheorien befriedigt hat; denn, da unſere Erklärung zur bedeutenden Abnahme der Tem⸗ peratur ihre Zuflucht nicht nimmt, ſo bedarf ſie auch keiner Vorausſetzung von der Wanderung der Tiere und Pflanzen. Im Gegenteil dürfte man ſagen, daß man aus der Gleichmäßigkeit der Temperatur wäh⸗ rend des ganzen Jahres, aus der höheren Temperatur des Winters, aus den bedeutenden Niederſchlägen ſowohl im Winter⸗ wie im Sommerhalbjahre, mehr auf eine „Regenperiode“ als auf eine „Eiszeitperiode“ ſchließen muß, wie es Lapparent**) vorausgeſetzt hat. Gleichzeitig konnten in dieſem Klima neben polaren auch äquatoriale Tiere leben und ſich entwickeln, die Gletſcherzungen konnte eine üppige Vegetation zieren, ) Hann, J. c. S. 654. Nr. 743. ) Traité de Géologie par de Lapparent. Paris. 1888. Auch Nature. Vol. 29. 1884. aus welcher im Laufe der Zeit Steinkohlenlager ſich bildeten “). Sodann genügt ſie auch vollkommen den An⸗ forderungen Dr. Pencks. In einer Vorleſung in der Geſellſchaft zur Verbreitung naturwiſſenſchaft⸗ licher Kenntniſſe in Wien vergleicht Penck die untere Schneelinie und die obere Waldgrenze in den Gez birgen Patagoniens und der Schweiz mit der Höhe dieſer Linien während der Eiszeit und ſchließt endlich, daß beſonders die Abnahme der Sommertemperatur auf die ungeheuere Ausdehnung der Gletſcher wäh⸗ rend der Eiszeit den größten Einfluß ausgeübt habe. Dieſe Erklärung widerſpricht auch den Unterſuchungen Nordenſkjölds **) und Neumayrs ) nicht, wonach es keine Spuren von periodiſcher Veränderlichkeit des Klimas geben ſoll, wenn man auf Grund der auf⸗ gefundenen Tier- und Pflanzenreſte der früheren Formationen ſchließt. Endlich ſtimmt unſere Erklärung der Eiszeit mit den Anſichten Heims f) und Peſchels t) überein, denn ſie bedient ſich keiner anderen oder in der Vor⸗ zeit anders wirkender Kräfte, ſie ſtützt ſich nur auf Vorgänge in der Natur, ſie potenziert nur die heu⸗ tigen klimatiſchen Verhältniſſe; wir haben alſo hier nicht mit der Qualität der Bedingungen, ſondern mit der Quantität derſelben zu thun. *) Heim, Handbuch der Gletſcherkunde. S. 548. „Die Miſchung arktiſch-alpiner mit gemäßigten und viel⸗ leicht ſogar ſubtropiſchen Typen kann uns indeſſen nicht befremden, wenn wir bedenken, daß in Neuſeeland auch jetzt ſubtropiſche Gewächſe bis nahe an die Gletſcher vor⸗ kommen, und daß die Gletſcher weniger auf große Kälte als vielmehr auf naſſe Winter hindeuten.“ Zugleich iſt hiermit die Vorausſetzung von Boyd-Dawkins von der Wanderung der Tiere überflüſſig (Die Höhlen und die Urein⸗ wohner Europas. Deutſch von Dr. Spengel. Leipzig 1876). % Ueber die früheren Klimate der Polarregionen. Zeitſchr. d. öſt. Geſ. f. Meteorologie. Bd. XI. Nr. 20. 1876. ) Ueber die klimatiſchen Zonen während der Jura⸗ und Kreidezeit. Denkſch. d. math. nat. Klaſſe d. k. Akad. d. Wiſſ. Bd. XLVII. 1883. I lo e S G50 TT) Phyſiſche Erdkunde von Peſchel-Leipoldt. 1885. Bd. II. S. 405. Leipzig Die Derwandtſchaftsbe ziehungen der Raubjdugetiere. Von Prof. Dr. G. H. Theodor Eimer in Tübingen. Hie Ich bin nun auf Grund meiner Unterſuchungen über die Zeichnung der Tiere, wie ich ſie in den letzten Jahren im „Humboldt“ dargelegt habe, zu einer Auffaſſung über die Verwandtſchaft der Raub⸗ ſäugetiere gekommen, welche unter Berückſichtigung der ſoeben mitgeteilten Geſichtspunkte, die ich erſt durch das Studium der Frage ſelbſt gewann, mit den anatomiſchen Merkmalen, beſonders mit der Be⸗ zahnung und mit der Bildung des Schädels ganz gut übereinſtimmt. Dieſe Auffaſſung, welche ich ſchon eingangs kurz berührt habe, iſt des näheren die folgende: Die Zibethkatzen (oder ihnen unmittelbar verwandte aus⸗ geſtorbene Tiere) bilden die Wurzel der jetzt leben⸗ den Raubſäuger. Mit den Zibethkatzen ſtehen in un⸗ mittelbarem verwandtſchaftlichem Zuſammenhang die Humboldt. — Februar 1890. 47 Marderartigen, mit dieſen die Dachſe und vielleicht die Bären. Nahe zu den Zibethkatzen, bezw. Marder— artigen, gehören auch die Subursidae: Waſchbären, Procyon, Nasua und Ailurus, welche bisher zu den Bären gerechnet worden ſind. Ebenſo ſtehen, nach anderer Richtung an ſie anſchließend, mit den Zibeth— katzen in unmittelbarem Zuſammenhang die Hyänen— und Hundeartigen — die erſteren bilden eine früh abgezweigte Seitenlinie der Caniden, bezw. der Vor— fahren derſelben überhaupt. In einer dritten Rich— tung haben ſich von den Zibethkatzen aus die Katzen— artigen entwickelt. Dieſer letztere Zuſammenhang iſt in Anbetracht der Bezahnung der am wenigſten un— mittelbare und muß zu ſeinen Gunſten die An— nahme ausgeſtorbener Zwiſchenformen zu Hilfe ge— nommen werden — um ſo inniger und unzweifelhafter iſt er aber in Anbetracht der Zeichnung. Auch die Bildung des Schädels ſpricht, wie ſchon erwähnt, nicht gegen, ſondern eher für ihn. Betrachten wir die Körpergeſtalt der lebenden Formen, ſo werden wir ſolchen Zuſammenhang gleich— falls beſtätigt finden. Die Zibethkatzen haben, wie ſchon der Name beſagt, trotz des längeren Geſichts— ſchädels, Katzenartiges in ihrer Geſtalt und in ihrer Lebensweiſe, ganz abgeſehen davon, daß die Gattungen Viverra und Herpestes zum Teil zurückziehbare Krallen beſitzen wie die Katzen. Die Marder haben, wie die Gattungen Procyon und Nasua, in der Ge— ſtalt die größte Aehnlichkeit mit den Zibethkatzen — abweichend ſind erſt die Dachſe, aber zwiſchen beiden ſtehen noch die Stinktiere, Mephitis, und Stinkdachſe, Mydaus. Die Dachſe ſind der Geſtalt nach und nach dem Bau des ganzen Skeletts kleine Bären. Auch unter den Hundeartigen leben noch Formen, welche in der Geſtalt zibethkatzenähnlich find, jo der Fuchs. Bei vielen der genannten Gattungen oder Arten ſpielt, wie bei den Zibethkatzen, der dichtbehaarte, oft buſchige Schwanz eine Rolle: ſo bei Procyon, Nasua, beim Fuchs. Wenn ich ſagte, daß die Bezahnung mit der von mir gegebenen verwandtſchaftlichen Zuſammenſtellung übereinſtimme, ſo muß wiederholt die größere Zahl der unteren Backzähne bei den Hundeartigen und auch bei den Bären hervorgehoben werden, weil ſie im Widerſpruch mit jener Zuſammenſtellung ſteht, ſowie man etwa von der Vorausſetzung ausgeht, daß die zahnreicheren Tiere die urſprünglicheren geweſen ſeien, die zahnärmeren die ſpäteren. Allein die Ver— gleichung läßt es außer Zweifel, daß die Dachſe und wohl auch die Bären mit den Mardern zuſammen— hängen — trotzdem daß die Bären mehr Backzähne haben, als die beiden erſteren, mehr untere Back— zähne überhaupt als alle übrigen Raubtiere, außer den Hunden. Man wird dieſen Reichtum an unteren Backzähnen vielleicht als Rückſchlag infolge der Auf— nahme gemiſchter Nahrung erklären dürfen, geſtützt durch die Thatſache, daß der vorderſte untere Lücken⸗ zahn der Bären erſt ſehr ſpät auftritt. Man muß alſo dieſer Auffaſſung nach an und für ſich davon ausgehen, daß die Vorfahren der Raubtiere mehr Backzähne gehabt haben, als ſelbſt die Zibethkatzen, mehr auch als die Hunde, und ich betone ausdrücklich, daß meine gegebene Auffaſſung des Stammbaumes durchaus nicht dahin geht, daß gerade die Zibeth— katzen die Stammeltern aller Raubtiere ſeien, ſondern daß ſie es ſeien oder ihnen unmittelbar derwandte Formen — oder, füge ich hinzu, beide. So könnten z. B. die Hunde von mehrzähnigen Verwandten der Zibethkatzen oder von Vorfahren beider abſtammen, die Marder aber von den Zibethkatzen ſelbſt. Alrgeſchichtliches. Sehen wir nun, wie der paläontologiſche Befund mit unſerer Aufſtellung ſtimmt. Die Zibethkatzen ſind mit den Hundeartigen die älteſten foſſil bekannten Raubſäugetiere: beide kommen im Eocän vor. Als das älteſte hundeartige Raubſäugetier wird unter dem Eocän beſchrieben Arctocyon primaevus (bei La Fere, Aisne, gefunden). Die Marder- und Katzen— artigen findet man zuerſt im Miocän, Bären- und Hyänenartige im oberen Miocän — die erſten echten Bären enthält das Pliocän. Auch eine Zwiſchen— form zwiſchen Viverren und Hyänen, das Ictithe- rium, kommt erſt im oberen Miocän vor. Wenn man bedenkt, daß nach unſerer Auffaſſung die Hyänen ſich ſehr früh von dem gemeinſamen Urſtamm hunde— artiger Tiere abgetrennt haben, ſo ſtimmt letztere That— ſache mit dem von uns aufgeſtellten Stammbaum vollkommen. Eine Zwiſchenform zwiſchen Viverren und Hunden iſt vielleicht der bei Oeningen gefundene Wieſelhund, Galecynus Owen. Eine Zwiſchenform zwiſchen Viverren und Marderartigen ijt Lutrictis. Sehr verſchieden wird von den Paläontologen die Verwandtſchaft der Katzen- und der Bärenartigen mit den übrigen aufgefaßt. Köllner), welcher im Gegen— ſatz zu anderen aus paläontologiſchen Gründen gleich mir die Viverren als den Ausgangspunkt der Raub— tiere darſtellt, hebt zwar hervor, daß ſchon die älte— ſten Feliden im Gegenſatz zu den übrigen Raubtier— familien zur Zeit ihres erſten Auftretens ſehr aus— geprägte Katzen waren, bemerkt aber, daß die Gat— tungen Dinictis und Bunaelurus mit Katze und Wieſel verwandt geweſen jind**). Nicholſon läßt die Hyänen den Uebergang zwiſchen Viverren und Katzen bilden. Was die Bärenartigen angeht, ſo ſieht Wallace die Gattung Hyaenarctos als Vorläufer der Bären und als Zwiſchenform zwiſchen Bären und Hyänen an. Als eine mit Bären und Hunden zuſammenhängende Form wird ferner wiederholt die Gattung Amphi- cyon erklärt, welche wegen ihrer Verwandtſchaft mit letzteren auch wohl für die Stammform der Hunde angeſprochen wird. Nicholſon bezeichnet dagegen dieſes Tier als eine abweichende Hundeart. ) Die geologiſche Entwickelung der Säugetiere (Wien 1882). ) Vgl. die Abbildung des Gebiſſes von Dinictis bei Bronn, Klaſſen und Ordnungen des Tierreichs, Säuge— tiere von Giebel, Taf. 51 Abb. 4. 48 Humboldt. — Februar 1890. In die Nähe der Hundeartigen ſtellt man auch die Familie der Hyaenodontidae, Gattung Hyaeno- don, mit der Backzahnformel — alſo mit ſieben Backzähnen oben und unten — eine Zahl, die unten nur noch der Bär und der Hund hat. Von dieſen Backzähnen iſt keiner höckerig — alle find ſcharf. Darin ftellt ſich Hyaenodon, ſagt Nicholſon, nahe der lebenden Beuteltiergattung Thylacinus. Hyaeno- don kommt vor im Eocän und Miocän von Europa und im Miocän von Nordamerika. Es wäre dies alſo wohl eine der vielzähnigen Urformen der Raub⸗ ſäugetiere, wie ich ſie auf Grund des Gebiſſes von Hundeartigen und Bären vorausgeſetzt habe. Alles zuſammengenommen, ſetzt der paläonto⸗ logiſche Befund den von mir auf Grund der Zeich⸗ nung aufgeſtellten Verwandtſchaftsbeziehungen nur wenig entgegen, beſtätigt dieſelben aber in allem Weſentlichen. Gern nehme ich daraus noch die nähere Verwandtſchaft der Marder und Katzen an, in der Weiſe, daß beide von einer gemeinſamen Stammlinie ausgegangen ſind, welche wieder erſt mit den Zibethkatzen zuſammenhängt. Dafür ſpricht in der That die Vergleichung des Gebiſſes ſehr. Wider⸗ ſprechend meiner Auffaſſung iſt die Annahme vom Zuſammenhang der Bären und Hyänen, bezw. von einem Zuſammenhang zwiſchen Bären und Hunden. Aber meine Anſicht, daß Hyänen und Hunde einer⸗ ſeits und Marder, Dachſe und Bären andererſeits zuſammenhängen, wird ſonſt meiſt geteilt. Auch ſtützt ſich die letztere Annahme nicht ſo ſehr auf die Zeich⸗ nung, als auf anatomiſche Merkmale. Und huldigt man der Auffaſſung Nicholſons bezüglich des Am- phicyon, jo bleibt überhaupt nur Hyaenarctos nach Wallace als Zwiſchenform zwiſchen Bären und Hyänen, welcher indeſſen nach Schloſſer (val. das Folgende) nichts mit Hyänen zu thun hat. Wie ſehr man ſich aber täuſchen kann, wenn man nur nach dem Gebiß oder gar nur nach Teilen des Gebiſſes und der Kiefer geht, zeigt z. B. die Gattung Gulo. Der Oberkiefer der⸗ ſelben und die Bezahnung ſtimmt am nächſten mit den Hyänen überein, ſo daß man nicht daran zweifeln möchte, daß beide zuſammengehören. Die Bezahnung des Unterkiefers, die Schädelform und der Bau des ganzen übrigen Tieres weiſen aber auf das beſtimm⸗ tefte auf Marder und Fiſchotter hin. Nach der Beich- nung hängen die Dachſe unbedingt mit den Marder⸗ artigen (Stinktieren) zuſammen, dieſe aber nach den anatomiſchen Eigenſchaften mit den Bären. Solcher Anſchluß ergibt ſich beſonders auch aus der Beſchaffen⸗ heit der Handwurzel und der Mittelhandknochen, welche bei Stinktieren (u. a. Mydaus), Dachſen und Bären am ähnlichſten ſind ). So ſpricht die Mehrzahl der Thatſachen für einen Zuſammenhang zwiſchen Marder⸗ und Bärenartigen. Uebrigens berührt unſere Behandlung der vorliegen⸗ den Fragen gerade dieſer Zuſammenhang am wenig⸗ ) Vgl. Giebel, Säugetiere in Bronn, Klaſſen u. Ordn. S. 530 ff. ſten, deshalb, weil bei den Bären nur noch ſehr wenig von Zeichnung übrig iſt, was auf die unmit⸗ telbare Verwandtſchaft mit anderen Raubſäugetieren ſchließen ließe: das helle Halsband von Ursus ma- layanus und Ursus tibetanus iſt, wie ich im VI. Auf⸗ ſatz über die Zeichnung der Tiere bemerkte, offenbar auf die Halszeichnung der Zibethkatzen, Katzen- und Hundeartigen zurückzuführen. Ursus ornatus hat zwei quer über die Stirne verlaufende, über der Naſe ſich vereinigende Halbringe, welche Zeichnungen des Waſch⸗ bären, Bandiltis, Iltis u. a. entſprechen und deren erſte Spuren zu ſuchen ſind in Flecken über den Augen, welche beim amerikaniſchen Dachs und beim Panda vorkommen. Es iſt auffallend, ſagte ich dort, daß die Flecke als eine neue Zeichnung bei manchen unſerer Hunde erſcheinen, ſo bei braunen und bei ſchwarzen Dachshunden und bei gewiſſen braunen Hühnerhunden. Es ſcheint mir aber eher, daß dieſe gerade bei hochgezüchteten Hunderaſſen vorkommende Zeichnung als eine ſolche aufzufaſſen ſei, welche auf Grund von phyſiologiſcher Bezüglichkeit (Korrelation) und durch Rückſchlag zu erklären iſt, ohne daß die Möglichkeit vorhanden wäre, daß ſie von dieſen ge⸗ zähmten Raſſen auf Bären übertragen worden jet. Andererſeits ſcheinen mir wirklich zwingende Beziehun⸗ gen zwiſchen dem Gebiß der Bären und der Hunde unter den lebenden Formen nicht aufzufinden zu ſein. Ich würde alſo den Stammbaum der Raubtiere in folgender Weiſe darſtellen: Bären ae 2 Dachſe Marder N Hunde Katzen O. Lutrictis 1 Hyä Hyänen, bes e YZ Va Viverren oder deren Vorfahren Dinictis Stammbaum der Raubſäugetiere. Vorſtehendes habe ich vor etwa zwei Jahren Herrn Dr. M. Schloſſer mitgeteilt, welcher bei Profeſſor Zittel in München gerade mit einer Unterſuchung der urge⸗ ſchichtlichen Verwandtſchaft der Säugetiere beſchäftigt war, mit der Bitte um Mitteilung ſeiner Meinung. Herr Schloſſer erwiderte mir, daß nach ſeiner An⸗ ſicht die Hunde, ſowie alle Raubtiere von einem Fleiſchfreſſertyppus, den ſogenannten Creodonten Copes, und zwar wahrſcheinlich von der Gattung Didelphodus ausgehen. Die erſte Umwandlung, welche dieſe Formen erlitten, beſtand in der Reduktion der hinteren, urſprünglich insgeſamt gleich großen Mola⸗ ren und erſtreckte ſich dieſer Prozeß im Oberkiefer bis zum völligen Verſchwinden der Molaren — Katzen —, während im Unterkiefer noch der vorderſte erhalten blieb — der ſogenannte Reißzahn. Es entſtanden durch Humboldt. — Februar 1890. 49 die erwähnte Reduktion der hinteren Mahlzähne For— men (in Europa ſogenannte Cynodictis, in Amerika Didymictis), die recht wohl als der Ausgangspunkt der Hunde, Bären, Marder und Zibethkatzen gelten können und in ihrem Habitus — Schädelbau, Extremi— täten, Zehenzahl — ganz gut mit den lebenden Vi— verren übereinſtimmen, jedoch mit noch einem weiteren unteren Mahlzahn verſehen waren, ſowie mit drei oberen Molaren. Was die Hunde ſelbſt betrifft, ſo ſeien ihre wirklichen Vorläufer nicht anzugeben. Im Gebiß und Schädelbau ſtimmen ſie zwar mit verſchie— denen Cynodictis, noch mehr mit gewiſſen Amphicyon überein, allein das Entſcheidende, die Extremitäten derſelben ſind nicht bekannt oder weichen ganz be— deutend in ihrer Organiſation von der der Hunde ab. Was die Bären anlangt, ſo könne über deren Herkunft von Amphicyon durchaus kein Zweifel be— ſtehen, und zwar geht die Reihe durch Dinocyon und Hyaenarctos. Aber nicht alle Amphicyon und Hyaen- arctos find Stammeltern der Bären, vielmehr ſetzten ſich dieſe beiden Gattungen ohne weitere Aenderung ihrer Organiſation — namentlich Zahnbau — bis faſt zur Gegenwart fort. Von einer näheren Verwandtſchaft der Gattung Hyaenarctos und Hyaena könne natür— lich nicht im Ernſt die Rede ſein; es hänge wohl Hyaena mit Viverra zuſammen mittels Ictithe- rium 2¢., ganz wie dies ſchon Gaudry nach Funden aus Pikermi gezeigt hat. Die Abſtammung der Katzen ſei ein vollkomme— nes Rätſel. Es habe zwar die von Filhol aufgeſtellte Stammreihe — Cynodictis, Stenoplesictis etc., Aelu- rogale — ſehr viel Beſtechendes an ſich, allein es ſeien zu viele Gegengründe vorhanden, als daß man dieſe Anſicht ohne weiteres annehmen könnte; ſo ſehen die älteſten Katzen (Kelurogale) in jeder Beziehung genau ſo aus, wie ihre lebenden Verwandten; ferner müßte ſich der ganze Umwandlungsprozeß in un— glaublich kurzer Zeit zugetragen haben 2c. Es wäre nicht unmöglich, daß ſich die Katzen ſelbſtändig von Creodonten abgezweigt hätten, etwa von Patrio— felis. Die Gattung Arctocyon fet eine ganz iſolierte Form ohne alle phylogenetiſche Bedeutung. Die Marder ſeien höchſt wahrſcheinlich auf Zibeth— katzen zurückzuführen und zwar jedenfalls mittels Formen aus den Phosphoriten. An eine nähere Verwandtſchaft mit den Katzen ſei nicht zu denken. Ob Gulo wirklich ein Marder fei, möchte Schloſſer faſt bezweifeln; er vermutet eine Verwandtſchaft mit Cephalogale-Amphicyon, alſo einem Seitenglied der Bärenreihe. Die Hyänodontiden, ein gänzlich er— loſchener Zweig der Creodonten, dürften vielleicht mit den Ahnen der Katzen einige Verwandtſchaft aufweiſen. Auch Schloſſer glaubt, daß Procyon und Ver— wandte eher zu den Viverren als zu den Bären gehören. Dieſe Anſichten ſtimmen mit den meinigen im weſentlichen überein. In ſeiner inzwiſchen erſchiene— nen Abhandlung?) iſt Schloſſer allerdings zu etwas abweichenden Anſchauungen gekommen. Insbeſondere wird dort die Verwandtſchaft von Hunden und Bären und ihre gemeinſame Abſtammung betont. Uebrigens ſind darin die Verwandtſchaftsbeziehungen, wie Schloſſer ausdrücklich bemerkt“), nur auf die Zähne gegründet, mit beſonderer Berückſichtigung der Höcker, eine Be— handlung, welche nach meinen vorſtehend ausgeſproche— nen Anſichten Irrtümer über jene Beziehungen nicht ausſchließt. Endlich wäre hervorzuheben, daß das Milchgebiß der Bären ein ganz anderes iſt als das der Hunde. So darf ich ſchließlich wiederholen, daß meine in den Aufſätzen im „Humboldt“ aus der Zeichnung der Raubſäugetiere über deren Verwandtſchaft ge— zogenen Schlüſſe durch die anatomiſchen und paläon— tologiſchen Thatſachen in allem Weſentlichen durch— aus geſtützt werden. *) M. Schloſſer, Die Affen, Lemuren, Chiropteren, Inſektivoren, Marſupialier, Creodonten und Carnivoren des europäiſchen Tertiärs und deren Beziehungen zu ihren lebenden und foſſilen außereuropäiſchen Verwandten. II. Teil. Wien 1888. s D. S. 10: Struktur des Reifes, Nauhreifes und Schnees. Man iſt gewöhnt, die Kondenſationsformen des atmo— ſphäriſchen Waſſerdampfes, welche ſich im feſten Aggregat— zuſtande befinden, ausnahmslos als kryſtalliniſch anzuſehen, indem man das ſechsſeitige Prisma, welches man als die Grundform der Schneeflocken gefunden hatte, in allen andern Fällen glaubte wiederfinden zu müſſen, trotzdem mikroſkopiſche Beobachtungen des Reifes, Rauhreifes und Glatteiſes noch fehlten. Nach der gewöhnlichen Vorſtellung ſollten aus den in der Luft ſchwebenden „Waſſerbläschen“ bei dem Herab— gehen der Temperatur auf 0° Eiskryſtalle entſtehen, welche ſich in der freien Atmoſphäre zu Schneeflocken, an feſten Gegenſtänden zu Reif oder Rauhreif gruppieren. Dabei blieb es zweifelhaft, ob der Reif durch Gefrieren eines „Tautropfens“ oder direkt als Eiskryſtall entſtände. Humboldt 1890. Zuerſt bei Gelegenheit eines Winteraufenthaltes auf dem Brocken im Jahre 1885 bemerkte Aßmann (Meteorolog. Zeitſchrift 1889, Heft 9) unter dem Mikroſkop, daß bei einer Temperatur von — 10° keine Eiskryſtalle, ſondern flüſſige Waſſertropfen — nicht hohle Bläschen — in der Luft ſchwebten, ſowie daß dieſelben bei dem Auftreffen auf einen feſten Körper — unter dem Mikroskop auf ein ausgeſpanntes feines Haar — faſt momentan zu einem Eisklümpchen ohne jede Andeutung kryſtalliniſcher Struktur erſtarrten. Vor ſeinen Augen entſtanden ſo durch reihen— weiſe Aneinanderlagerung ſolcher Eiströpfchen die zier— lichſten Rauhreiffedern, welche matrojfopijd durchaus den Eindruck von Kryſtallen hervorbrachten (Tafel Fig. 1). Bei weiterer Verfolgung derartiger Beobachtungen zeigte fic) ſpäter, daß auch der Reif unter gewöhnlichen 7 50 Humboldt. Verhältniſſen keineswegs kryſtalliniſch, ſondern aus größeren rundlichen Eisklümpchen zuſammengeſetzt iſt. Lag die Temperatur nur wenige Grade unter dem Gefrierpunkte, ſo ſchienen dieſe Eiströpfchen nicht ſelten miteinander zu⸗ ſammengefloſſen, dadurch gelegentlich regelmäßig abge⸗ rundete, blattartige Formen bildend, wie ſie Fig. 2 dar⸗ ſtellt. Dieſes auf einem Blatt aufſitzende Eisſäulchen machte dem unbewaffneten Auge durchaus den Eindruck eines Eiskryſtalles. Am 4. Januar 1889 zeigten ſich bei — 11,0“ kry⸗ ſtalliniſche Bildungen an den Kanten trockener Brettchen, Struktur des Rauhreifes. poe welche in regelmäßig ausgebildeten ſechsſeitigen Prismen, zuweilen durch Parallelflächen getrennt, beſtanden. An demſelben Tage fanden ſich auf der Erde eines Blumen⸗ topfes feine ſechseckige Platten und Säulen, ſtatt der ſonſt ſtets gefundenen amorphen Eistropfen vor. Der Rauhreif konnte erſt am 7. Mai 1889 bei — 14,50 (nächtliches Minimum — 16,0 c) beobachtet werden; derſelbe beſtand nicht, wie auf dem Brocken, aus Eisklümpchen, ſondern aus langen kryſtalliniſchen Federn, deren Seiten⸗ zweige ſtets im Winkel von 60° an die größeren Stämme angereiht und am Ende durch eine hexagonal begrenzte Platte abgeſchloſſen waren (Fig. 3 und 4). Einige ſolche Federn beſtanden faſt ganz aus hexagonalen Platten (Fig. 5). Mitten unter dieſem kryſtalliniſchen Rauhreif fand ſich aber auch an mehreren Stellen ſolcher vor, welcher aus rund⸗ Februar 1890. lichen Eistropfen, ganz dem auf dem Brocken beobachteten ähnlich, beſtand. Doch zeigte auch der letztere ein deut⸗ liches Vorherrſchen des Winkels von 60° und eine ſechs⸗ eckige Platte als Endglied jeder Feder (Fig. 6). Dieſe Beobachtungen ſcheinen zu folgenden vorläufigen Schlüſſen zu berechtigen. Reif und Rauhreif ſind nur ver⸗ ſchiedene Modifikationen desſelben Verdichtungsvorganges: iſt der Waſſerdampfgehalt der unteren atmoſphäriſchen Schichten verhältnismäßig gering, ſo daß nur die durch Ausſtrahlung bewirkte Abkühlung der unterſten, dem Erd⸗ boden unmittelbar anliegenden Luftſchicht die Kondenſation desſelben einleitet, ſo wird Eis in der Form als „Reif“ nur am Erdboden, oder an höheren, gegen den klaren Nachthimmel frei ausſtrahlenden Flächen vorkommen. Bei langſam vor fic) gehender Abkühlung iſt es wohl möglich, daß zunächſt Tau gebildet wird, welcher nachher gefriert, ohne einen Kryſtall zu bilden. Der Rauhreif entſteht, wenn der Waſſerdampf ent⸗ weder ſo reichlich vorhanden oder die Temperatur ſo niedrig iſt, daß der Dampfſättigungspunkt bis in höhere Schichten hinein erreicht iſt, ſo daß eine „Wolke“, gemein⸗ hin als „Nebel“ bezeichnet, der Erdoberfläche aufliegt. Die dieſe Wolke zuſammenſetzenden Elemente beſtehen bis zu einer Grenze von — 10°, vielleicht unter beſonderen Um⸗ ſtänden noch darunter, aus überkaltetem flüſſigen Waſſer in Tropfenform, welche Tropfen indes bei der Berührung irgend eines Gegenſtandes von annähernd derſelben Temperatur ſofort erſtarren. Bei „Reif“ iſt dieſe „Wolke aus Waſſer⸗ tröpfchen“ nicht immer ſichtbar, ſie erſtreckt ſich wohl meiſt nur wenige Decimeter über dem Erdboden nach oben; zuweilen wird nur „zwiſchen den Grashalmen“ eine Art Nebel ſichtbar. Liegt aber die Temperatur ſo tief unter dem Gefrier⸗ punkte, daß die Kondenſation des atmoſphäriſchen Waſſer⸗ dampfes in Geſtalt einer direkten Sublimation, d. h. eines unmittelbaren Ueberganges aus dem gasförmigen in den feſten Zuſtand, ſtattfindet, ſo werden auch die an die Objekte der Erdoberfläche aufliegenden Eiskryſtallchen dem Reife ſowohl, als auch dem Rauhreife eine kryſtalliniſche Struktur verleihen müſſen. „Glatteis“ dagegen, welches vielfach mit Rauhreif verwechſelt wird, beſteht aus flüſſigem, nicht oder nur wenig überkaltetem Waſſer, welches Gegenſtände berührt, deren Temperatur niedriger unter dem Gefrierpunkte liegt, als die der fallenden, meiſt größeren Regentropfen. Dieſe ſind zuweilen ſchon beim Fallen mit Eis gemiſcht und ent⸗ ſtammen dann wohl unvollkommen geſchmolzenen Schnee⸗ flocken oder Graupeln. Ein derartiger Tropfen hat, weil nicht oder nur wenig überkaltet, noch Zeit, bei der Be⸗ rührung eines Gegenſtandes ſich flächenartig auszubreiten, ehe er durch die niedrige Temperatur des letzteren zu durchſichtigem Eiſe erſtarrt, welches nun wie eine gläſerne Kruſte die Oberfläche bedeckt. Durch die beſonders nach längeren Froſtperioden vorhandene, oft recht niedrige Temperatur ſolcher Gegenſtände (3. B. Mauern) wird nun aber der unmittelbar anliegenden Luftſchicht Wärme ent⸗ zogen und ſo in dieſer Schicht Waſſerdampf kondenſiert; welcher nun recht wohl auf dem durchſichtigen Eisüberzuge noch einen weißlichen, reifähnlichen zu erzeugen vermag. Dieſen ſehen wir dann bei plötzlich eintretendem Tauwetter Humboldt. — Februar 1890. 51 Z .: eee die Mauern ungeheizter Gebäude überziehen, während auf | aud) kurze hexagonale Säulen. Makroſkopiſch ließ ſich den Straßen und an Stellen weniger niedriger Tempe- dieſer feine Eisſtaub, von den Polarfahrern meiſt als ratur durchſichtiges Glatteis vorhanden iſt. „Diamantſtaub“ bezeichnet, durch ſein intenſives Glitzern Daß in der That ſublimiertes Eis in der Atmoſphäre [ im Sonnenlichte bemerken. Gleichzeitig wurden vielfach vorkommt, beweiſen unter anderem mikroſkopiſche Beob- [ausgebildete Sonnen- und Mondringe auch in den unteren achtungen vom 15. Januar 1889, wo bei — 17,8“ (Mi- atmoſphäriſchen Schichten beobachtet, welche dieſen Eis— nimum — 19,0 ) feine ſechsſeitige Plättchen aus der Luft | kryſtallchen ihre Entſtehung verdanken. Aus Beobachtungen herabfielen, welche teils einzeln, teils mit anderen ähn- | im Luftballon iſt übrigens zu ſchließen, daß der Schnee lichen Plättchen ſternförmig gruppiert waren. Dazwiſchen ſtets durch Sublimation des Waſſerdampfes entſtehe, nicht fanden fic) auch Plättchen von parallelepipediſcher Form, | durch Gefrieren von Tropfen. D. Aeber das Alter des Torflagers bei Sauenburg an der Elbe“). Im Jahrbuche der königlich preußiſchen geologiſchen | Hier aus aber ſich über letzteren noch weiter nach Often Landesanſtalt für 1884 beſchrieb K. Keilhack ein dem Dilu- | fortſetzt, um hier vom vium von Lauenburg an der Elbe zwiſchengelagertes, alſo dmo = oberen Geſchiebemergel überlagert zu werden, interglaciales Torflager. Keilhacks Auffaſſung der dort welcher ſich in einer Mächtigkeit von 2—3 m dem Sande herrſchenden geologiſchen Verhältniſſe läßt fic) am ein- auflegt. Da dieſer letztere weiter nach Weſten zu das fachſten durch Wiedergabe und kurze Erläuterung ſeines [Hangende des Torflagers bildet, „ſo zeigen die Lagerungs— Hauptprofiles IV illuſtrieren und ſodann mit den Re- verhältniſſe ganz klar, daß das Lauenburger Diluvialtorf— ſultaten der folgenden Unterſuchungen vergleichen. lager von einer Geſchiebemergelbank überlagert und von dao einer andern unterteuft wird, d. h. daß es, nach heutiger —Auffaſſung der Geſchiebemergel, ſeinen Platz zwiſchen zwei glacialen oder Moränenbildungen hat“. „Es muß alſo Y g , während einer gewiſſen Periode der Diluvialzeit das ſkan— 1 . 7 I, W dn 487 0 dinaviſche Inlandeis fic) zurückgezogen haben, worauf auf Fig. . ine A een oe ar ge en dem eisfrei gewordenen Boden eine Landvegetation, in dl Sub ene und State dm tne gelegt te die Mulden und Rinnen des Feſtlandes ausfüllenden d Seidhicbemergel = Seen eine Waſſer- und Sumpfflora ſich anſiedelte und die Bildung mächtiger Torflager veranlaßte. Bei einer Erläuterung des Profils Fig. 1 nach Keilhack. abermaligen Invaſion des Inlandeiſes wurden die letzteren ds 1 = thoniger Mergelſand des Unterdiluviums, vor- von mächtigen Sandmaſſen überſchüttet, worauf dann der waltend aus umgelagertem Tertiärmaterial beſtehend, nach obere Geſchiebemergel zum Abſatz gelangte.“ „Da nun oben in echte nordiſche Spatſande übergehend. An einigen aber alle jene Pflanzen (welche das interglaciale Lauen— benachbarten Lokalitäten ift dieſer Mergelſand ſtellenweiſe [burger Torflager zuſammenſetzen) auch heutzutage in Nord- dicht erfüllt mit Schalen von Cardium edule und erweiſt deutſchland und ſpeciell in der weiteren Umgegend Lauen- fic) dadurch als marinen Urſprunges, und zwar als Glied | burgs ſich finden, fo iſt gewiß der Schluß gerechtfertigt, der altdiluvialen Nordſeeformation. daß die klimatiſchen Verhältniſſe zur Zeit der Bildung dm = unterer Geſchiebemergel, diskordant auf den des beſchriebenen Torflagers von den heutigen im weſent— marinen Sanden (ds), welche bei ſeiner Ablagerung be- lichen nicht verſchieden waren. Daraus ergibt ſich mit trächtliche Schichtenſtörungen erlitten haben. Notwendigkeit die Annahme zweier durch eine lange In— t = interglaciales Torflager, eine Mulde im unteren terglacialzeit getrennter Vergletſcherungen Norddeutſch— Geſchiebemergel bildend, einſchließlich ſeiner ſandigen Zwi⸗ lands.“ ſchenmittel im Muldentiefſten eine Maximalmächtigkeit von Dies alſo ſind die Beobachtungen Keilhacks im Di— 3,5—4 m erreichend und aus zwei durch ein fandiges | luvium des Lauenburger Elbufers und die für die Glacial⸗ Mittel getrennten Flözen beſtehend. Jedes der letzteren theorie fo hochwichtigen Schlüſſe, welche Keilhack aus dieſen wird gebildet zu unterſt von dünnen Schichten dicht ver- | feinen Beobachtungen zieht und welche beide — Beobach⸗ filjten Mooſes — darüber einer an Blättern und Samen tungen, wie Schlußfolgerungen —, ſeit jener Zeit ganz reichen, ebenfalls dünnſchichtigen Lage — zu oberſt von allgemein in die ſpecielle Diluviallitteratur, in die geo⸗ feſtem, mit plattgedrückten Baumſtämmen durchwirktem logiſchen Lehrbücher und in gemeinverſtändliche Werke über— Torf. Die ſämtlichen Pflanzen, welche dieſes Torflager [gegangen und darin verwertet worden ſind. Aber, ſo zuſammenſetzen (22 Arten), wachſen heute noch in der fragt es ſich, find denn dieſe Beobachtungen, die eine weiteren Umgebung von Lauenburg. derartige Tragweite beſitzen und eine ſolche Verbreitung ds 2 = unterdiluvialer, wohlgeſchichteter Spatſand, [erlangt haben, in der That ee Entſprechen ſie der welcher die Ausfüllung der zu unterſt vom Torflager aus- Wirklichkeit? Leider muß dieſe Frage verneint werden. gekleideten Mulde im unteren Geſchiebemergel bildet, von Am 30. Aug. v. J. unterwarfen Credner, Geinitz und Wahnſchaffe das Lauenburger Profil einer Unterſuchung und gewannen hierbei die Ueberzeugung: 1) daß dort nur ein einziger Geſchiebemergel auf— ) Nach einem von Herrn Bergrat Credner freundlichſt eingeſandten | Separatabdruck aus dem Neuen Jahrbuch für Mineralogie 1889. Bd. II. 52 Humboldt. — Februar 1890. tritt — ein zweiter oberer Geſchiebemergel aber gar nicht vorhanden iſt; 2) daß dieſer Geſchiebemergel unter beiden Flügeln des Torflagers und des hangenden Sandes, alſo nicht allein an der Weſt⸗, ſondern auch an der Oſtſeite des Keilhackſchen Profils Fig. 1 direkt bis zur Oberfläche ſich erhebt; 3) daß ſomit das Torflager und mit ihm der ſein Hangendes bildende Sand eine ſelbſtändige muldenförmige Einlagerung auf dem dortigen einheitlichen Geſchiebemergel repräſentiert und mit den vorhandenen Gliedern des Di⸗ luviums in keinerlei Weiſe durch Wechſellagerung ver⸗ knüpft iſt; 4) daß alſo von einer interglacialen Stellung dieſes Torflagers und der mit ihm verbundenen Sande gar nicht die Rede ſein kann. Bei einem zweiten Beſuch gelang es Geinitz durch größere Abgrabungen und Schürfungen namentlich den unteren Diluvialſand vom Weſtende unſeres Profils 2 aus, wo ihn Keilhack (vergl. Profil 1) nicht beobachtet hatte, bis zwiſchen die Miocänſchichten und den unteren Geſchiebemergel zu verfolgen, ſowie die Einheitlichkeit dieſes darauf liegenden und überhaupt einzig dort vertretenen Geſchiebemergels zu erhärten. Geinitz ließ das freigelegte Profil photographiſch aufnehmen und ergänzte nach der gewonnenen Photographie das bei der erſten Exkurſion an Ort und Stelle aufgenommene Profil Fig. 2. Die auf ſolche Weiſe von den genannten Geologen erzielten Reſul⸗ tate ſind in der nun folgenden Darſtellung und Beſchrei⸗ bung des bezüglichen Profils am Steilufer der Elbe ver⸗ körpert. is dafür aufgefaßt, „daß zu altdiluvialer Zeit das Meer ſich bis in dieſe Gegend erſtreckte“. Uns hingegen ſcheinen dieſelben wegen ihrer innigen wechſellagernden Verknüpfung mit anerkannt miocänen Thonen, mit welchen ſie auch die aufgerichtete Schichtenſtellung teilen, wahrſcheinlich dem Miocän zuzugehören. ds. Im weſtlichen Teile des Profiles ſtellen ſich im Hangenden der unter der Thalſohle und unter Abrutſch⸗ maſſen am Fuße des Steilgehänges verſchwindenden Mio⸗ cänſchichten und als Liegendes des Geſchiebemergels (dm) unterdiluviale Spatſande mit Schmitzen und Lagen von groben Granden ein = ds des Profils. Dieſelben be⸗ ſitzen hier ein gegen Nordoſt gerichtetes Einfallen. In der öſtlichen Profilhälfte hingegen ſteigt derſelbe Spatſand in Geſtalt einer 3 m mächtigen Bank über den ſein Lie⸗ gendes bildenden, vorausſichtlich miocänen Glimmmer⸗ ſanden und ⸗thonen in die Höhe, wobei jedoch die eigent⸗ liche Grenzfläche gegen fein Liegendes (m des Profils) durch Abrutſchmaſſen verdeckt iſt. In gleichbleibender Aus⸗ bildung und Mächtigkeit läßt ſich dieſe ſtetig nach Oſten anſteigende Bank von unterdiluvialem Spathſand bis jenſeits der auch von Keilhack genannten Eiche verfolgen, um dann nahe ihrem Ausſtriche an dem Gehänge des Kuhgrundes unter Abrutſchmaſſen zu verſchwinden. Dieſe unter dem unteren Geſchiebemergel gelegene Bank von Diluvialſand iſt es, welche Keilhack augen⸗ ſcheinlich für die öſtliche Fortſetzung der das Torfflöz überlagernden Sande (as des Profils) gehalten hat. Irre⸗ geleitet durch Abrutſchmaſſen des darüber lagernden Ge⸗ ſchiebemergels wurde er veranlaßt, dieſe unterdiluvialen Sande für eine Einlagerung zwiſchen zwei Geſchiebemergeln anzuſprechen. Daraus und aus der vermeintlichen Iden⸗ joe dieſer Sande (ds) mit folden im Hangenden des Torflagers (as) ergab ſich für Keilhack das interglaciale a Alter dieſes Torf- und Sandkomplexes. Die Irrtümlich⸗ W. Fig. 2. Profil am Steilufer der Elbe weſtlich vom Kuhgrunde bei Lauenburg. Das Profil ſchneidet die Schichten nicht in deren Fallrichtung; das Einfallen derſelben iſt vielmehr ein nordnordweſtliches, alſo in das Steilufer gerichtetes. m = Glimmerthone und Sande, wahrſcheinlich miocün. ds = Unterdiluviale Spat: ſande. dm = Unterer Geſchiebemergel, zuoberſt kieſig umgearbeitet. t = Torflager. as = Weiße Sande im Hangenden des letzteren. Beſchreibung des Profils Fig. 2. m = graue Glimmerthone und braune, thonig-mer⸗ gelige, ſehr feine Glimmerſande wahrſcheinlich miocänen Alters. Letztere ſtimmen petrographiſch völlig mit den öſtlich von Lauenburg anſtehenden Cardiumſanden über⸗ ein. Sie ſind von der Elbe friſch angeſchnitten und am flachen Ufer des Strombettes augenblicklich vorzüglich bloß⸗ gelegt. Sie wechſellagern hier in ſchärfſter Bankung mit den grauen Glimmerthonen und beſitzen eine ziemlich ſteile Schichtenſtellung, indem fie mit 40—45° gegen Nordnord⸗ weſt einfallen. An dem ſich über den ſchmalen Thalboden erhebenden Steilufer ſteigen ſie in der Nähe des Kuh⸗ grundes bis zur Höhe von etwa 20 m empor. An der hier eine ſenkrechte Wand bildenden Anſchnittfläche beob⸗ achtet man, wie dieſe Miocänſchichten zunächſt eine ſenk⸗ rechte Stellung annehmen, um ſich dann in ſchön ge⸗ ſchwungenen Bogen nach Weſten überzulegen. Keilhack hat die Cardiumſande als altdiluvial, als Glied der diluvialen Nordſeeformation und als Beweis 0 keit dieſer verhängnisvollen Auffaſſung geht aus der Be⸗ ſchreibung der nun folgenden Glieder des Profils mit noch größerer Sicherheit hervor. dm. Auf die im Profile mit ds bezeichneten unter⸗ diluvialen Sande folgt eine einheitliche Bank von Ge⸗ ſchiebemergel = dm, und zwar aller Wahrſcheinlichkeit nach von unterem Geſchiebemergel. Dieſelbe beſitzt in der ganzen Erſtreckung des Profils eine Mächtigkeit von 5—7 m. Da ſie dem unteren Sande konform auflagert, ſo ſteigt auch ſie ebenſo wie dieſer nach Oſten und Weſten zu flach empor, wo dann ihr Ausgehendes ſchwache Terrain⸗ erhöhungen hervorbringt. t und as. Der ſchwach muldenförmig vertieften, bis zu 1m Tiefe umgearbeiteten und deshalb kieſigen Ober⸗ fläche dieſes Geſchiebemergels ſich anſchmiegend, lagert nun ein kleines, flaches Becken von Schichten jüngeren Alters. Es ſind dies 1), und zwar zu unterſt, das von Keilhack nach ſeiner Zuſammenſetzung und Pflanzenführung genau geſchilderte und wegen der ihm zugeſchriebenen in⸗ terglacialen Stellung ſo berühmt gewordene Torflager (t) mit einer Unterlage und einem Zwiſchenmittel von humo⸗ ſem Sand; 2) darüber wohlgeſchichtete weiße Sande (as), zuweilen mit dünnen torfigen oder thonigen Zwiſchen⸗ ſchichten, im Muldentiefſten etwa 10 m mächtig. Was die Lagerungsform dieſes Flözes und der ſein Humboldt. — Februar 1890. 53 Hangendes bildenden Sande betrifft, ſo konnte mit Sicher— heit konſtatiert werden, daß dieſelbe, wie erwähnt und in beiſtehendem Profile dargeſtellt, eine flachmuldenförmige iſt und daß ſich beide durch das Steilufer angeſchnittene Flügel dem überall ihr Liegendes bildenden Geſchiebemergel auflagern. Beiderſeits keilt ſich das Flöz allmählich aus, ſo daß es zuletzt in einen dünnen Schmitzen ausläuft. Die darauf folgenden weißen Sande greifen über den Ausſtrich des Torflagers randlich hinweg und gleichen ſo die flache Mulde, deren Boden von dem Torflager gebildet wird, faſt vollkommen aus. Erſteigt man aber das Steil- ufer, ſo markiert ſich dieſelbe als eine ſchwache Bodenein— ſenkung, welche beiderſeits von dem durch die Uferwand angeſchnittenen unteren Geſchiebemergel etwas überhöht wird und nordwärts ſich in ein immer deutlicher werdendes Thal, das des Augrabens, fortſetzt. Die weißen Sande dieſer Mulde werden überzogen von einer ſchwachen Schicht ſandigen Ackerbodens, welche kleine Scherben von Feuerſteinen und Brocken anderer nordiſcher Geſteine enthält. Ein etwaiger Verſuch, dieſe Ackerkrume als Verwitterungs- und Auswaſchungsprodukt, als Reſiduum einer dünnen Decke von oberem Geſchiebe— mergel auffaſſen und damit die interglaciale Stellung des Torflagers beweiſen zu wollen, würde durchaus unzuläſſig ſein. Dieſe oberflächliche Hülle iſt vielmehr nur das auf— gelockerte, durch lange Agrikultur umgeſtaltete Ausgehende des Sandes und ihre Führung von kleinen nordiſchen Geſteinsſtücken findet ihre Erklärung durch Anfuhr der letzteren mit dem Dunge — durch deren Transport beim Pflügen und Eggen von den direkt anſtoßenden Lehnen des Geſchiebemergels her — durch Zuführung beim Mergeln der ſandigen Felder mit Geſchiebemergel aus der unmittelbar daneben gelegenen Grube. Nirgends aber in dem von Credner, Geinitz und Wahnſchaffe unterſuchten und aufgenommenen Profile werden die Schichten im Hangenden des Torflagers, alſo die weißen Sande, von Gebilden noch jüngeren Alters überlagert. In dem gewonnenen Profile fehlt jede An— deutung eines zweiten, alſo oberen Geſchiebemergels, welcher das Torflager oder die darauf folgenden Sande bedeckt und ſie dadurch zu einer interglacialen Bildung ſtempeln würde. Für eine derartige geologiſche Stellung fehlt in dem Profile am Steilufer weſtlich von Lauenburg jeder Beweis. Das— ſelbe zeigt einzig und allein, daß das Torflager und die es begleitenden Sande einem Geſchiebemergel auf— gelagert ſind — nicht aber daß dieſelben auch von einem ſolchen überlagert werden. Dieſes aber iſt ein Lagerungs— verhältnis, welches ſie mit vielen recenten Torflagern der norddeutſchen Tiefebene gemeinſam haben. Mit dem poſtglacialen Alter dieſes Lauenburger Torflagers ſteht denn auch der moderne Habitus der das— ſelbe zuſammenſetzenden Flora in vollſter Uebereinſtim— mung, — es ſind alles Pflanzen, welche „ſich auch heut— zutage in der weiteren Umgebung Lauenburgs finden“. Aus obigem ergibt es ſich, daß das von Keilhack als interglacial beſchriebene Torflager weſtlich von Lauenburg aus der Gruppe der interglacialen Gebilde geſtrichen werden muß, und daß alle Schlüſſe, welche aus der interglacialen Stellung ſpeciell dieſes Torflagers gezogen wurden, un— gültig ſind. D. Jortſchritte in den Katurwiſſenſchaften. Kryſtallographie und Mineralogie. Don Profeffor Dr. H. Bücking in Straßburg i. E. Coſungsgeſtalten von Arpſtallen. Aetzerſcheinungen am Quarz. Vicinalflächen an Adularzwillingen. Gleitflächen und künſtliche Swillings⸗ bildung am Kalfjpat, Wismut, Antimon und Diopſid. Sekundäre Abſonderungsflächen am Siſenglanz und Korund, Citanit und Rutil (Sdiſonit). Reißflächen. Homogene Deformationen (einfache Schiebungen). Fließende Aryſtalle. Zerſetzung der Eiſenſulſide. Erzgänge. Wenn die äußere Beſchaffenheit der Kryſtalle keinen näheren Aufſchluß über ihr Syſtem, über das Vorhanden— ſein einer Hemiedrie, Tetartoedrie oder einer Zwillingsbil— dung gibt und auch eine optiſche Unterſuchung nicht wohl möglich iſt, bieten die Aetzfiguren, welche man an natür— lichen und angeſchliffenen Flächen des zu unterſuchenden Kryſtalls herſtellt, ein ſehr wichtiges Mittel zur Erforſchung des feineren Baues der Kryſtalle. Die Aetzfiguren, deren Formen ſtets der Symmetrie der Fläche entſprechen, auf welcher ſie ſich bilden, ſtehen in engſter Beziehung zu den ſogenannten Löſungsgeſtalten, d. h. denjenigen Ge— ſtalten, welche ſich bei der kontinuierlichen Auflöſung eines Körpers bilden, insbeſondere bei der Auflöſung von Kugeln, welche man aus vollſtändig homogenem Material dieſes Körpers hergeſtellt hat. Während die Löſungsgeſtalten von amorphen Körpern, deren Löslichkeit nach allen Richtungen gleich groß iſt, ſtets Gismondin, Glaſerit, Gediegenes Blei. Die Erzgänge des badiſchen Münſterthals; die Blei- und Silbererze bei Rongſtock in Böhmen. Vermehrtes Wachstum und leichte Ldslichfeit längs der Fwillingsarenjen. Die Cateralſekretionstheorie und die Przibramer Kugeln ſind, erſcheinen die Löſungsgeſtalten von Kryſtallen ſtets von mehr oder weniger ebenen, Kryſtallflächen ent— ſprechenden Flächen bedeckt, aus deren gegenſeitiger Lage nicht nur die Symmetrie, alſo das Kryſtallſyſtem des Körpers, ſondern häufig ſogar die kryſtallographiſchen Elemente her- geleitet werden können. So entſteht z. B. aus einer Kalk— ſpatkugel, wie Lavizzari im Jahre 1865 und Otto Meyer 1885 (Neues Jahrb. 1883, I. 74) gezeigt haben (vgl. auch Tſcher— maks Lehrbuch der Mineralogie, 3. Aufl. 1888, S. 143), ein Körper von rhomboedriſcher Symmetrie, bedeckt von Flächen von Skalenoedern und ſpitzen Rhomboedern, welche allerdings meiſt gekrümmt find und deshalb genaue Meffun- gen nicht geſtatten. Im verfloſſenen Jahre haben O. Meyer und S. L. Penfield eine Quarzkugel, welche aus einem rechtsdrehen⸗ den Quarz angefertigt war und einen Durchmeſſer von etwa 2,44 em beſaß, mit Flußſäure in einem Bleitiegel 54 Humboldt. — Februar 1890. längere Zeit behandelt“). Schon nach einigen Stunden war mit Hilfe der auftretenden Löſungsgeſtalten eine Orien⸗ tierung an dem Quarz möglich und nach mehreren Tagen war in der Richtung der Hauptachſe eine Abplattung der Kugel eingetreten, während der vertikale Schnitt eine linſen⸗ förmige und der Querſchnitt eine dreieckige Geſtalt er⸗ halten hatte. In der Richtung der Hauptachſe war die Auf⸗ löſung am weiteſten vorgeſchritten, die beiden Enden der Nebenachſen dagegen zeigten ein verſchiedenes Verhalten, in⸗ dem das eine gar nicht, das andere Ende aber um ſo mehr von der Säure angegriffen wurde. Ebenſo erfolgte nach den Flächen des poſitiven Rhomboeders eine leichtere Löſung als nach denen des negativen Rhomboeders; an Stelle der letzteren zeigten ſich Erhabenheiten. Der geätzte Körper kann demnach durch keine Ebene in zwei ſymmetriſch, ſpiegel⸗ bildlich gleiche Teile zerlegt werden und zeigt in ſeinem Verhalten ganz die Ausbildung trapezoedriſch⸗tetartoedriſcher Kryſtalle, ſo daß, wenn wirklich noch Zweifel über das Kryſtallſyſtem des Quarzes beſtänden, dieſe durch den Ver⸗ ſuch Meyers und Penfields vollkommen beſeitigt wären. Eine goniometriſche Beſtimmung der Löſungsgeſtalt hat nicht ſtattgefunden, trotzdem ſolche, den photographiſchen Abbildungen nach zu urteilen, bis zu einem gewiſſen Grade wenigſtens möglich geweſen wäre. Jedenfalls geht aus den bis jetzt angeſtellten, aller⸗ dings nur ſpärlichen Verſuchen hervor, daß man imſtande iſt, ſogar an kleinen Bruchſtücken von Kryſtallen, wenn man ihnen eine kugelförmige Geſtalt gibt und ſie mit ge⸗ eigneten Löſungsmitteln vorſichtig behandelt, die Symmetrie, alſo das Kryſtallſyſtem, zu beſtimmen, ja in beſonders günſtigen Fällen vielleicht auch noch ihre kryſtallographi⸗ ſchen Elemente, gewiß ein außerordentlicher Fortſchritt auf dem Gebiet der Kryſtallographie. Intereſſant ſind auch die Unterſuchungen Molengraaffs über die Aetzerſcheinungen am Quarz, welche er als Fortſetzung ſeiner früher hier (Humboldt, 1889, Fe⸗ bruarheft) beſprochenen Studien veröffentlicht“ k). Er hat u. a. die ſchönen Quarze aus dem Marmor von Carrara, von Marmaroſch in Ungarn, die merkwürdigen Kryſtalle von Alexander und Burk Co. in Nord-Carolina, ſowie die eigentümlichen Quarzkryſtalle von Palombaja auf Elba näher unterſucht und erbringt insbeſondere für die letzteren den Nachweis, daß fie ihre gerundete Form der korro⸗ dierenden Wirkung von Waſſer verdanken, welches einen langen Weg durch den benachbarten verwitternden Granit zurücklegte und alkaliſche Karbonate in reichlicher Menge gelöſt enthielt. Ferner geht aus der Thatſache, daß die Kryſtalle von Palombaja ein deutliches Kappenwachstum mit oft ungenügender Raumerfüllung der Prismenflächen zeigen und die Kanten der größeren inneren Hohlräume zuweilen ebenfalls gerundet ſind, hervor, daß das Wachs⸗ tum der Kryſtalle ein periodiſches, ab und zu unter⸗ brochenes war. Das alles wird erklärt durch die Annahme, daß das dem Granit entſtrömende Waſſer außer alkaliſchen Karbonaten auch Kieſelſäure gelöſt enthielt. Durch das Vorherrſchen der Kieſelſäure oder der alkaliſchen Karbonate *) Transactions of the Connect. Academy, VIII, 1889, S. 158 2c. ) Zeitſchr. f. Kryſt. 1889, XVII, S. 137 2. in der Löſung wurden dann periodiſch die Bedingungen für Bildung oder Wiederauflöſung von Quarz geſchaffen. Daß auch Flußſäure bei manchen Quarzen als natür⸗ liches Aetzmittel gedient haben könne, wie das von Des Cloizeaux, Quenſtedt u. a. als möglich hingeſtellt worden iſt, hält Molengraaff nicht für möglich; er iſt der Anſicht, daß weder Säuren noch Baſen oder baſiſche Salze, ſondern vielmehr die neutralen, im Bodenwaſſer faſt nie fehlenden alkaliſchen Salze die Quarzätzer in der Natur find. Ebenſo findet Molengraaff, daß die eigentümlichen Flächen an den hell- und dunkelbraunen Rauchquarzen aus den Druſenräumen des Granits von Striegau in Schleſien, welche früher beſondere Schwierigkeiten bei ihrer Deutung verurſachten, durch Aetzung entſtanden ſind. Websky hatte gezeigt, daß viele von dieſen Flächen nur durch ſehr hohe Verhältniszahlen auf die einfachen, ſogen. typiſchen Flächen des Quarzes bezogen werden könnten, und deshalb angenommen, daß die Quarze von Striegau aus dünnen konzentriſchen Schalen aufgebaut ſeien, welche abwechſelnd zu einander in Zwillingsſtellung ſtehen und abwechſelnd rechts- oder linksdrehend ſind, und daß die außen vorhandenen Kryſtallflächen zum Teil durch die beim Weiterwachſen des Kryſtalls überdeckten Flächen der darunterliegenden Schalen in ihrer Lage beeinflußt oder induziert ſeien. Demgegenüber hat Molengraaff durch optiſche Unterſuchung feſtgeſtellt, daß der Bau dieſer Quarze nicht ſo kompliziert iſt, als Websky annimmt, daß vielmehr viele dieſer Kryſtalle in ihrem Wachstum mecha⸗ niſch gehemmt wurden und dadurch Druckflächen als äußere Begrenzung bekamen, auf welchen oft ſpäter, nachdem der hemmende Gegenſtand verſchwunden war, das Wachstum wieder eintrat. Wurden nun ſolche nicht vollkommen ausge⸗ heilte Kryſtalle mit vielen einſpringenden Ecken, etwa durch kohlenſaure Alkalien, welche das aus dem verwitternden Granit ſickernde Waſſer in Löſung enthielt, geätzt, ſo war dadurch Anlaß gegeben zu dem Entſtehen von ſehr ver⸗ ſchiedenen Aetzflächen, welche Rundungen oder gerundete Zuſchärfungen der vorhandenen Kanten bedingten. Indeſſen dürfen nicht alle matten oder gerundeten Flächen an Quarzkryſtallen als Aetzflächen gedeutet werden. 3. B. kommen an vielen Rauchtopaſen und Morionen von Tavetſch häufig Flächen vor, welche durch feinen ein⸗ und aufgewachſenen Chlorit matt erſcheinen. Wird der Chlorit ſpäter durch irgend welche Löſungen zerſetzt und wegge⸗ führt, ſo entſtehen matte, punktierte und teilweiſe ausgehöhlte Flächen, welche die von den Chloritblättchen herrührenden Eindrücke bei mikroſkopiſcher Betrachtung zuweilen noch deut⸗ lich zeigen, hin und wieder aber auch, wenn ſie von ätzenden Löſungen ſelbſt angegriffen ſind, ſehr verwickelte Erſchei⸗ nungen darbieten können. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß auch einige der von A. Cathrein bejdriebenen*) „neuen“ Flächen an Ame⸗ thyſtkryſtallen vom Zillerthal, welche ziemlich ſtrei⸗ fige Reflexe liefern, durch natürliche Aetzung hervorgerufen find, ebenſo mehrere der neuen Formen, welche E. Artini an den ſchönen flächenreich ausgebildeten Quarzen vom Val Malenco**) beſtimmt hat. Ueberhaupt dürfte die ) Ebenda, S. 19 2c. **) Memorie d. Reale Accad. dei Lincei, Rom, April 1888. Humboldt. — Februar 1890. 55 auffallende Erſcheinung, daß von einem fo weit verbreiteten Mineral wie Quarz, von welchem ſchon an 200 Formen bekannt ſind, immer noch neue Flächen aufgefunden wer— den und faſt jeder der flächenreichen Kryſtalle desſelben Fundortes andere ſeltene Formen aufweiſt, ihre Erklärung finden in der Annahme, daß eine unter verſchiedenen phy— ſikaliſchen Bedingungen und von verſchieden beſchaffenen Löſungen bewirkte Aetzung ſolcher Kryſtalle andere Flächen hervorzurufen imſtande iſt. Daß manche Flächen, deren Parameterverhältniszahlen hohe Werte beſitzen, insbeſondere fogen. vicinale Flächen, nicht lediglich ihren Urſprung der Aetzung der Kryſtalle verdanken, ſondern, wie dies u. a. aus den Unterſuchungen Schuſters am Danburit, Hintzes am Cöleſtin (vgl. Hum— boldt, 1887, Juli) hervorgeht, in der That als induzierte, d. h. in ihrer Lage durch gewiſſe, während des Kryſtall— wachstums wirkſame Anziehungskräfte beeinflußte Flächen aufzufaſſen ſind — wenn auch nicht gerade in der von Websky für die Quarze von Striegau angenommenen Weiſe — geht aus einer Abhandlung von V. v. Zepharovich: „Ueber Vieinalflächen an Adularzwillingen nach dem Baveno⸗Geſetze“ hervor). V. v. Zepharovich fand an einer größeren Zahl von Adularkryſtallen aus dem mittleren Teil des Oberſulzbachthales, und zwar an Zwillingskry— ſtallen nach dem Bavenoer Geſetze, nahe an der Zwillings— grenze Flächen, welche der Zone der Prismen und jener der poſitiven Hemipyramiden der vertikalen Reihe ange— hören und ſich oft durch ebenflächige Entwickelung, gegen- ſeitige ſcharfe Abgrenzung, ſowie durch ſpiegelnden Glanz auszeichnen. Er möchte dieſe immer nur an den Berüh— rungsſtellen der beiden im Zwillingskryſtall miteinander verbundenen Individuen auftretenden und mit der Zwillings— bildung in genetiſcher Beziehung ſtehenden Flächen unter— ſcheiden von den freien, d. h. nicht durch Zwillings- bildung influenzierten, ſondern lediglich durch die Wirkung der Molekularkräfte des Kryſtalls, dem ſie angehören, ent— ſtandenen Vieinalflächen. Während die letzteren in der Regel ſymmetriſch den Kryſtall bedecken, wie z. B. am Dan- burit vom Skopi und am Cöleſtin von Lüneburg, liegen an den von Zepharovich unterſuchten Kryſtallen die vici— nalen Flächen nur da, wo die Zwillingsbildung ihren Ein— fluß äußern konnte, an anderen entfernter von der Zwil— lingsgrenze gelegenen Stellen dagegen ganz normal die Flächen mit einfachen Parameterverhältniszahlen. Eine einfache geſetzmäßige Beziehung zwiſchen den ver— ſchiedenen vieinalen Flächen an den Zwillingsgrenzen der unterſuchten Adulare konnte nicht nachgewieſen werden, und gerade mit Rückſicht hierauf möchte Zepharovich mit Becke!“ “) die Vieinalflächen auffaſſen als Flächen, deren Auf— treten in äußeren Verhältniſſen des Kryſtallwachstums zu ſuchen iſt, und welche von der durch das Parametergeſetz bedingten Flächenfolge abweichen. Auch aus theoretiſchen Gründen ſcheint es nicht zweckmäßig, in den Vieinalflächen wirkliche Kryſtallflächen mit rationalen, aber hohen Para- meterverhältniszahlen zu erblicken, wie dies M. Websky früher, auch ſpeziell für ähnliche an der Zwillingsgrenze ) Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wiſſ. Wien, 98, Mai 1889. ) Tſchermats Mitteil., 1889, X, S. 137. von Adularkryſtallen beobachtete Flächen gewollt hat (Zeit⸗ ſchrift d. Deutſch. geol. Geſ. 1863, XV, S. 677 ff.). Daß gerade durch die Zwillingsbildung gern Vieinal— flächen hervorgerufen werden, welche auf ein vermehrtes Wachstum längs der Zwillingsgrenze hinweiſen, iſt übrigens ſchon lange bekannt. So tragen z. B. die Würfel— flächen der Flußſpatkryſtalle von Weardale und Alſton Moor in England immer da, wo die Würfelkanten des in Zwillingsſtellung befindlichen Kryſtalls aus ihnen heraus— treten, eine Reihe von vieinalen Tetrakishexaedern, und auch am Bleiglanz und Zinnſtein kennt man ähnliche Er— ſcheinungen. Längs der Zwillingsgrenzen findet alſo bei dem Fortwachſen der Kryſtalle ein Voraneilen des Wachs— tums ſtatt, während umgekehrt bei dem Auflöſen, alſo dem negativen Wachstum der Kryſtalle an derſelben Grenze häufig ein raſcheres Schwinden des Kryſtalls beobachtet werden kann. Wir werden auf die letztere Erſcheinung unten noch zurückkommen. : Große Aufmerkſamkeit hat man in den letzten Jahren den Gleitflächen der Kryſtalle geſchenkt, beſonders nach— dem Baumhauer gezeigt hatte, daß bei dem Kalkſpat ſehr leicht künſtlich eine Verſchiebung einzelner Teile in eine Zwillingsſtellung erzielt werden kann. Wenn man nämlich eine Meſſerklinge ſenkrecht gegen die Polkante eines Kalkſpatſpaltungsſtücks aufſetzt und in dasſelbe ein— drückt, ſo verſchiebt ſich derjenige Teil des Kalkſpats, welcher zwiſchen dem Meſſer und der Polecke des Rhom— boeders liegt, derart, daß er ſich zu der übrigen Kalkſpath— maſſe in Zwillingsſtellung nach dem Rhomboeder — / R befindet. Es gelingt ſogar, den verſchobenen Teil wieder in die frühere Lage zurückzudrücken, ohne daß ein Bruch erfolgt oder etwa die Durchſichtigkeit des hin und her ge— ſchobenen Stückes darunter leidet; nur bleiben viele feine Zwillingslamellen nach — ½ R in dem wieder in ſeine urſprüngliche Lage gebrachten Stück zurück. Auch die in der Natur ſo häufig vorkommende Erſcheinung, daß ein Kalkſpatkryſtall von zahlreichen, meiſt ſehr dünnen Zwil⸗ lingslamellen nach — ½ R durchſetzt iſt, dürfte auf einen Druck, welchem die Kryſtalle erſt nachträglich ausgeſetzt waren, zurückzuführen ſein. Außer bei dem Kalkſpat erfolgen noch bei einer großen Menge von kryſtalliſierten Subſtanzen, wie dies be— ſonders durch die Unterſuchungen Baumhauers, Mügges u. a. bekannt geworden iſt, bei Anwendung eines geeig— neten Drucks Verſchiebungen nach beſtimmten Flächen, den Gleitflächen; in der Regel entſtehen dadurch Zwillinge. In einzelnen Fällen, z. B. am Kaliumſulfat, am Chlor— baryum (BaCly + 21H20), am Anhydrit, konnten auch durch Erwärmen bis zu einer gewiſſen Temperatur Zwil— lingslamellen erzeugt werden; bei dem triklinen Feldſpat verſchwinden bei ſehr ſtarkem Erhitzen die vorhandenen, zum Teil durch Druck entſtandenen Zwillingslamellen ganz oder zum Teil, um bei Abkühlungen an anderer Stelle und in verſchiedener Zahl wieder aufzutreten. Eine künſtliche Zwillingslamellie rung erhielt Mügge beſonders am Wismut und Antimon, bei beiden Elementen nach — ½ R, ſchon durch einen bloßen Schlag auf die Polkante des Rhomboeders, dann am Di— opſid nach der Baſis, wenn er in Blei eingegoſſene Kry— ſtalle dieſes Minerals in einem Schraubſtock preßte, oder 56 Humboldt. — Februar 1890. ohne jenen Mantel einfach in einer ſpeziell für das Preſſen von Kryſtallen konſtruierten kleinen Preſſe !). Bei anderen Mineralien gelang die künſtliche Dar⸗ ſtellung von Zwillingslamellen oder Gleitflächen nicht, trotz dem einzelne ihrer natürlichen Vorkommniſſe derartige Er⸗ ſcheinungen aufweiſen und unter Verhältniſſen, welche für eine ſekundäre, d. h. erſt nachträglich durch mechaniſche Einflüſſe hervorgerufene Entſtehung jener ſprechen. So treten am Bleiglanz und, wie letzthin Brauns (Neues Jahrb. f. Min. 1889, I, S. 127) nachgewieſen hat, auch am Stein⸗ ſalz (von Staßfurt) Zwillingslamellen nach einem Triakis⸗ oftaeder, am Bleiglanz nach 40, am Steinſalz nach 20 0, auf, welche offenbar ſekundärer Entſtehung ſind, in ähnlicher Weiſe auch an vielen Kryſtallen von Korund**) und Eiſenglanz Zwillingslamellen nach dem primären Rhom⸗ boeder R. An den ſchönen Eiſenglanzkryſtallen von Elba gehen zahlreiche ſehr feine derartige Lamellen häufig von verletzten Kanten aus, ebenſo von kleinen polygonalen Eindrücken, in welchen jetzt ausgebrochene Quarzkryſtalle eingewachſen geweſen waren; ſodann kann man öfter be⸗ obachten, daß die Lamellen an Sprüngen abſetzen oder ſich an ſolchen plötzlich verbreitern. Beſonders häufig und in nicht zu verkennender Weiſe von früheren Druckwirkungen herrührend ſind die Zwillingslamellen an den in den Schiefergeſteinen eingewachſen vorkommenden RKorund-, Eiſenglanz- und Titaneiſenkryſtallen; dieſelben zeigen oft geradezu eine rhomboedriſche Abſonderung nach den Gleit⸗ flächen des Grundrhomboeders ). Dagegen iſt an den ſublimativ gebildeten, in den Druſenräumen von Laven frei ſitzenden oder in Carnallit, Steinſalz oder Feldſpat (Sonnenſtein) eingewachſenen Eiſenglanzkryſtallen niemals eine Spur ſolcher Lamellen oder Gleitflächen zu beobachten. Die eigentümlichen Abſonderungsflächen nach — 2P am Titanit, welche von Jeremejew, Williams und anderen Beobachtern beſchrieben worden ſind, haben nach Mügge r) ihren Grund in Zwillingslamellen, welche jenen Abſonderungsflächen parallel verlaufen und durch Druck entſtanden ſind. Genaue Meſſungen ergaben, daß dieſe Gleitflächen nur annähernd parallel der Fläche — 2 verlaufen; durch optiſche Unterſuchung wurde dann erkannt, daß die parallel den Gleitflächen eingeſchalteten ſehr feinen Lamellen ſich gegenüber dem Hauptindividuum in Zwillingsſtellung nach der Kante vom primären Prisma zur Baſis befinden. Daß ſie nicht primär, ſondern durch Druck entſtanden ſind, ſchließt Mügge aus dem Umſtand, daß alle die Titanite, welche jene Abſonderung und Lamel⸗ len zeigen, in Geſteinen vorkommen, welche nach anderen Anzeichen einem ſtarken Druck ausgeſetzt waren. So ſind die nordamerikaniſchen Kryſtalle von Pitcairn, Renfrew, Grenville 2c. eingewachſen in ſpätigem, von zahlloſen Zwillingslamellen parallel — ½ R durchſetztem Kalkſpath gemengt mit Augit, der ebenfalls nach OP polyſynthetiſch verzwillingt iſt. Dasſelbe gilt für die Kryſtalle von Auer⸗ bach an der Bergſtraße, auch von St. Philippe bei Mar⸗ ) Neues Jahrb. f. Min. 1886, I, S. 183 ꝛc., u. 1889, I, S. 238 ꝛc. ) Ebenda, 1884, I, S. 220, u. 1886, I, S. 146. ) Ebenda, 1884, I, S. 216; 1886, I, S. 146 u. II, S. 35; 1889, I, S. 237; ferner auch Strüver, Rendiconti d. Real. Accad. dei Lincei, Dez. 1888. +) Ebenda, 1889, II, S. 98. kirch, an welch letzterem Fundorte die Kryſtalle übrigens wohl mit Augit, aber nicht direkt mit Kalkſpat, ſondern mit Feldſpat zuſammen vorkommen. Auch die Rutilkryſtalle enthalten zuweilen zahl⸗ reiche Zwillingslamellen parallel der primären Pyramide zweiter Ordnung eingeſchaltet, von welchen Mügge es ſehr wahrſcheinlich gemacht hat, daß ſie ſekundär, durch mecha⸗ niſche Einflüſſe, entſtanden ſind. Wie dagegen gewiſſe auffallende Abſonderungsflächen nach der ſteilen Pyramide zweiter Ordnung %/2 Poo, welche an einzelnen Rutilkry⸗ ſtallen, z. B. vom Ural und von Snarum neben Zwillings⸗ lamellen nach Poo und bei unvollkommener oder fehlender Spaltbarkeit nach dem Prisma zweiter Ordnung beobachtet wurden!), zu deuten find, ob fie durch eingelagerte feine Lamellen anders orientierten Rutils hervorgerufen ſind oder vielleicht auf eine Deformation der Rutilkryſtalle in⸗ folge ſtarken Drucks zurückgeführt werden müſſen und Zwillingslamellen nach Poo an den nicht deformierten Kryſtallen entſprechen, hat noch nicht entſchieden werden können. Doch hat es den Anſchein, als ob der von Des Cloizeaux und Hidden!) beſchriebene und als rhom⸗ biſch gedeutete Ediſonit von Whiſtnant Goldmine, Polk Co., Nord⸗Carolina, ein in gleicher Weiſe deformierter und mit den gleichen Abſonderungsflächen verſehener Rutil ſei. Sehr intereſſant ſind die Unterſuchungen über das Verhalten der einzelnen Kryſtallflächen an den längs einer Gleitfläche in eine neue Gleichgewichtslage verſchobenen Kryſtallteilen. Sie beſitzen in dieſer zum Teil eine ver⸗ änderte Lage in Bezug auf die Symmetrieebenen und kommt ihnen daher auch eine andere kryſtallographiſche Bedeutung zu als an dem nicht deformierten Kryſtall. An dem Kalk- ſpat z. B. iſt das primäre Rhomboeder, das Spaltungs⸗ rhomboeder, die einzige einfache Kryſtallform, welche durch die Deformation keine Aenderung der kryſtallographiſchen Bedeutung ihrer Flächen erfährt. Dagegen entſteht aus der Baſis OR in dem deformierten Kryſtallſtück eine Fläche des Rhomboeders — 2 R; von dem Rhomboeder — R behält nur die der Gleitfläche parallele Fläche (und ihre Parallelfläche) ihre Bedeutung; die beiden anderen Flächen⸗ paare gehen in die zur Gleitfläche nicht ſenkrecht ſtehenden Flächen des Prismas zweiter Ordnung co P2 über. Von dem Prisma o P2 endlich bleibt das zur Gleitfläche ſenkrechte Flächenpaar erhalten, die beiden anderen Flächenpaare wer⸗ den in Flächen des Rhomboeders — ½ R übergeführt u. ſ. f. Selbſtverſtändlich müſſen die Flächen, welche ſich an dem deformierten Kryſtallſtück in ihrer kryſtallographiſchen Bedeutung geändert haben, auch bezüglich der Kohäſions⸗ verhältniſſe ſich dementſprechend anders verhalten als vorher und zwar ähnlich den gleichnamigen Flächen in dem nicht deformierten Kryſtall. Es müſſen alſo die beiden Flächen⸗ paare von oo P2, welche nicht zur Gleitfläche ſenkrecht ſtehen und in dem deformierten Kryſtall in — ½ R übergeführt werden, nun in dem deformirten Stück ſich auch bezüglich der Kohäſion und Gleitung genau verhalten wie die ent⸗ ſprechenden Flächen — ½ R am nichtdeformierten Kryſtall. Flächen, nach welchen Spaltungen an den Kryſtallen ) Neues Jahrb. f. Min. 1889, I, S. 231. **) Des Cloizeaux im Bull. de la Soc. fr. d. min., IX, S. 184 ꝛc., u. Hidden, Am. Journ. of Science, Okt. 1888, S. 272. Humboldt. — Februar 1890. 57 ſichtbar ſind, ohne daß indeſſen eine vollſtändige Zerteilung nach denſelben eingetreten wäre, können nach der Ver— ſchiebung eine ſolche Lage erhalten, daß ſie nicht mehr Spaltungsflächen ſind. Die vorher dieſen Flächen parallel gehenden Spaltungen werden dann wohl zuweilen geſch loſſen werden, hin und wieder aber auch nicht, und in dem letzteren Fall wird dann nach dieſen Flächen, welche nun eine andere kryſtallographiſche Bedeutung haben, eine Trennung, wenn auch nicht jo leicht als an dem nicht— deformierten Kryſtall, möglich werden. Solche Flächen, nach welchen an deformierten Kryſtallen zuweilen eine Teilung erfolgt, ohne daß ſie ſich als wirkliche Spaltungs— flächen darſtellen, werden als Reißflächen bezeichnet. Sowohl Mügge als Liebiſch haben in einer Reihe von Abhandlungen dieſe durch die Verſchiebbarkeit von Kryſtallteilen längs beſtimmter Gleitflächen entſtehende Deformation kryſtalliſierter Körper auch zum Gegenſtand einer mathematiſchen Betrachtung gemacht; ſo Mügge in verſchiedenen älteren Schriften und neuerdings ſowohl in den bereits oben erwähnten Abhandlungen, als auch be— ſonders in dem Aufſatz „Ueber homogene Defor- mationen (einfache Schiebungen) an dem triklinen Doppelſalz BaCdCl,.4H,O” im VI. Beilageband zum Neuen Jahrb. f. Min., 1889, S. 274 ꝛc., ſowie in der Abhandlung „Ueber die Kryſtallform des Brombaryums Barz. 2 H 20 und verwandter Salze und über Deformationen derſelben“ im Neuen Jahrb. f. Min., 1889, I, S. 130 ꝛc. Liebiſch iſt in ſeiner Abhandlung „Ueber eine beſondere Art von homogenen Deformationen kryſtalliſierter Körper““) zu folgendem Ergebnis gelangt: Durch eine homogene Deformation oder einfache Schiebung, wie ſie Thomſon und Tait nennen, wird eine Kugel im allgemeinen in ein dreiachſiges Ellipſoid übergeführt. Die Richtungen der beiden Kreisſchnittebenen dieſes Deformationsellipſoides ſind es, in welchen keine Verzerrung erfolgt. Außer dieſen beiden Ebenen, von welchen die eine der Gleitfläche ſelbſt pa- rallel geht, find bezeichnend für die homogenen Defor— mationen, wie fie oben beſprochen worden find, zwei aus— gezeichnete Zonen von der Beſchaffenheit, daß jede ihrer Flächen durch die Deformation in eine gleichberechtigte Fläche übergeführt wird, nämlich in eine Fläche derſelben einfachen Kryſtallform, der ſie im urſprünglichen Zuſtande des Kryſtalls angehörte. Dieſe Zonen ſind beſtimmt durch jene beiden Ebenen und die zu ihnen ſenkrechte Symmetrie— ebene. Alle übrigen Kryſtallflächen ändern infolge der Deformation ihre kryſtallographiſche Bedeutung. — Hieraus ergeben ſich die bereits oben angegebenen, von Mügge zuerſt gefundenen Thatſachen. Zwiſchen den Gleitflächen bezw. den Flächen ſekundärer Zwillingsbildung und den Löſungsflächen der Kryſtalle beſteht ein gewiſſer Zuſammenhang, auf welchen John Judd vor einiger Zeit hingewieſen hat!“). Er betont, daß bei dem Kalkſpat an den durch Druck entſtandenen Zwillingen nach — ½ R die Zwillingsebene die Fläche leichteſter Löslichkeit ſei; eine Beobachtung, welche auch durch die Angaben Mügges im Neuen Jahrb. f. Min. 1883, I, S. 45 und von Baumhauer (Zeitſchr. ) Nachrichten der Königl. Geſ. der Wiſſ. Göttingen 1887, 435 u. N. Jahrb. f. Min. Beilagenband VI, 1889, 105 2. ) Mineralog. Magaz. 7. 1887, S. 81 2x. Humboldt 1890, f. Kryſt. 1879, III, S. 590), nach welchem die durch Druck hervorgerufenen Zwillingslamellen nach — e R ſich in der gleichen Zeit mit viel zahlreicheren Aetzfiguren be— decken als der Hauptkryſtall und primäre Zwillingslamellen nach — '2 R, beſtätigt wird. Ferner macht Judd darauf aufmerkſam, daß bei dem Diallag, bei welchem die leichteſte Löslichkeit nach dem Orthopinakoid erfolgt, auch eine, allerdings weniger leichte Löslichkeit ſowohl nach der Symmetrieebene als nach der Baſis vorhanden ſei, und dieſe letztere Fläche bei dem dem Diallag ſo ähnlichen Diopſid nach Mügges Unterſuchungen eine Gleitfläche ſei, nach welcher durch entſprechenden Druck Zwillingslamellen erzielt werden können. Auch konnte Judd an einem Feldſpatkryſtall aus dem Gabbro von Humlebäk Scharf, Norwegen, beobachten, daß in den durch mechaniſche Einflüſſe am ſtärkſten ge— bogenen Teilen die meiſten Zwillingslamellen vorhanden waren und die Zerſetzung von dieſen Zwillingslamellen aus ihren Anfang nahm und derart fortſchritt, daß ſchließ— lich ausgedehnte Hohlräume entlang den Zwillingsflächen entſtanden. — O. Lehmann hat in einer kürzlich erſchienenen Ab— handlung „Ueber fließende Kryſtalle“?) darauf aufmerkſam gemacht, daß die Gleitung am Steinſalz, bei welchem, wie Reuſch früher gezeigt hat, durch entſprechenden Druck eine Verſchiebbarkeit nach den Rhombendodetacder- flächen ſtattfindet derart, daß in dem deformierten Teil die Spaltungsrichtungen nicht mehr der urſprünglichen Würfelfläche parallel verlaufen, keine bloße Parallelver— ſchiebung des deformierten Teils nach den Rhombendode— kaederflächen iſt, ſondern eher als ein Fließen aufgefaßt werden kann. Ein ſolcher durch „wahres Fließen ohne Sprungbildung und ohne Parallelverſchiebung längs be— ſtimmter Gleitflächen“ deformierter Kryſtallteil wird, wenn er in eine geeignete Mutterlauge eingeſetzt wird, zunächſt mit krummen Flächen weiter wachſen und dabei der künſtlich aufgedrungenen Form ähnlich bleiben, dann aber allmählich der ebenflächig begrenzten Form zuſtreben. Beobachtungen hierüber liegen zwar nicht bei größeren, wohl aber bei mikroſkopiſchen Kryſtallen, welche nicht durch äußere Kräfte, ſondern von ſelbſt (wahrſcheinlich durch Wirkung von Ober- flächenſpannung) ſich gekrümmt hatten, als fie noch un- gemein dünn, haarartig und lamellenartig waren, in Menge vor. Wirklich fließende Kryſtalle einer doppeltbrechenden Subſtanz, welche eine ſo geringe Feſtigkeit beſitzen, daß ſie nicht imſtande ſind, auch nur der Einwirkung des eigenen Gewichtes Widerſtand zu leiſten, ſondern wie Sirup oder flüſſiger Gummi zerfließen, ſobald ſie nicht ringsum von einer nahezu gleich ſchweren Flüſſigkeit ein⸗ geſchloſſen ſind, liegen nach Reinitzer und O. Leh mann in. dem Benzoat des Choleſteryls vor. Bei der Tem⸗ peratur von 145" wird dieſe Subſtanz flüſſig, ſtellt aber in dem Temperaturintervall von 145“ bis 178° nicht eine amorphe Flüſſigkeit, ſondern eine wirklich kryſtalliſierte, völlig einheitliche Modifikation mit deutlich erkennbarer Doppelbrechung dar. Charakteriſtiſch für dieſe Kryſtalle iſt nach Lehmann folgendes: Zeitſchr. f. phyſik. Chemie, 1889, IV. 462 2c. 8 58 Humboldt. — Februar 1890. Erwärmt man die Subſtanz auf einem Objektträger unter dem Mikroskop, deſſen Nicols gekreuzt find, bis ein klarer Schmelzfluß entſtanden iſt, und läßt ſie dann langſam abkühlen, ſo erſcheinen plötzlich allenthalben in der Flüſſig⸗ keit kleine, bläulichweiße Fleckchen ohne ſcharfe Umgrenzung, welche immer zahlreicher ſich anhäufen und ſchließlich den ganzen Raum ausfüllen, nunmehr als trüb⸗weißliche Maſſe erſcheinend. Sinkt die Temperatur weiter, ſo entſtehen da und dort Tafeln der gewöhnlichen Kryſtalle, welche raſch wachſend nach und nach die trübe Maſſe vollſtändig auf⸗ zehren und umgekehrt beim Erwärmen wieder in ſolche zerfallen. Die auffallendſte Veränderung der Maſſe tritt ein, wenn man dieſelbe durch Drücken auf das Deckglas mittelſt einer Präpariernadel in Bewegung ſetzt. Dann fließen die hellen Fleckchen zu Streifen zuſammen, welche bei fort⸗ geſetzter Bewegung immer breiter werden und ſchließlich das ganze Geſichtsfeld einnehmen können. Hell erſcheinen ſie (bei gekreuzten Nicols) allerdings nur dann, wenn ihre Längs⸗ und Querrichtung ſchief gegen die Nicolhauptſchnitte ſteht, andernfalls ſind ſie dunkel, ebenſo wie Kryſtalle, deren Schwingungsrichtungen mit denen der gekreuzten Nicols übereinſtimmen. Je nach der Dicke der Präparate kann die zu Streifen verdichtete Maſſe ſtatt weißlich, ganz wie ein Aggregat verſchieden dicker Kryſtalllamellen, in mannig⸗ faltigen Polariſationsfarben erſcheinen. Daß die doppeltbrechenden Kryſtalle der Subſtanz doch eine gewiſſe Feſtigkeit beſitzen, folgt daraus, daß ſie bei der freien Bewegung im allgemeinen ihre Form bei⸗ behalten; indeſſen iſt dieſe Feſtigkeit nur ungemein gering; denn ſchon wenn etwa durch einen ſchwachen Druck auf das Deckglas die ganze Maſſe ins Strömen gebracht wird, verzerren ſich die polariſierenden Partikelchen, ganz den Strömungslinien der Flüſſigkeit entſprechend, ſo oft dieſe durch ein Hindernis abgelenkt werden, und wäre dieſes auch nur ein äußerſt wenig widerſtandsfähiges, ja ſelbſt nur die Oberfläche einer Luftblaſe. Die rätſelhaften Kryſtalle fließen mit der Flüſſigkeit, als ob ſie nur mit Polari⸗ ſationsfähigkeit ausgeſtattete Teile dieſer ſelbſt wären. Einen Fortſchritt in der Kenntnis von dem Bau der Mineralien bezeichnen auch die Arbeiten A. A. Juliens über den Gijenties*). Julien hat beſonders die Zer⸗ ſetzung der Eiſenſulfide (Pyrit, Markaſit und Magnetkies) näher unterſucht und findet, daß dieſelbe in einer gewiſſen Beziehung ſteht zu dem ſpecifiſchen Gewicht. Dieſes ſchwankt bei dem Markaſit zwiſchen 4,60 und 4,94, bei dem Pyrit zwiſchen 4,75 und 5,19, bei dem Magnet⸗ kies zwiſchen 4,49 und 4,64. Die Schwankungen haben, wie aus der mikroſkopiſchen Unterſuchung von Dünnſchliffen hervorgeht, ihren Grund darin, daß alle natürlichen Eiſen⸗ ſulfide innige Gemenge der drei Eiſenkieſe ſind. Der normale Magnetkies hat nach Julien das ſpecifiſche Ge⸗ wicht 4,6 und beſitzt eine große Neigung zur Oxydation, namentlich aber dann, wenn ihm Markaſit beigemengt iſt. Der normale Markaſit hat das ſpecifiſche Gewicht 4,8, be⸗ ſitzt im reinen Zuſtand eine zinnweiße Farbe und pflegt ſich ebenfalls gern zu zerſetzen. Beſonders leicht zerfallen die ) Ann. of the New York Acad. of Sciences. Vol. III, p. 404 ff. TI We: WA We grünlichen Maſſen von geringerem ſpecifiſchem Gewicht. Der Pyrit hat das ſpecifiſche Gewicht 5,01 und leiſtet in reinem Zuſtande der Zerſetzung kräftigen Widerſtand. Der Markaſit und Pyrit ſind ſehr oft miteinander verwachſen, und zwar bilden ſie entweder unregelmäßig durcheinander⸗ greifende Maſſen, oder aus regelmäßig aufeinanderfolgenden Schalen aufgebaute Knollen. Gerade die leicht ſich zerſetzen⸗ den Pyrite ſind innige Gemenge von Markaſit und Pyrit. Eine große Zahl von neuen Mineralfunden hat Ver⸗ anlaſſung zu näherer Unterſuchung bereits bekannter, aber zum Teil früher noch nicht genügend beſtimmter Mineralien gegeben. Von denſelben ſeien hier nur einige wenige kurz erwähnt. Gismondinkryſtalle von ſeltener Größe hat Rinne in den Druſenräumen des Baſaltes vom Hohenberg bei Bühne in Weſtfalen aufgefunden und kryſtallographiſch und optiſch unterfudt*). Er findet, daß die pſeudotetra⸗ gonalen Kryſtalle dem monoſymmetriſchen Syſtem an⸗ gehören und in der ſcheinbar tetragonalen Pyramide Doppelzwillinge nach der Baſis und dem Prisma (in ge- wiſſer Weiſe analog den Kryſtallen von Phillipſit) ohne einſpringende Winkel, nur begrenzt von Flächen eines Klinodomas, vorliegen. Beim Erwärmen und dadurch eintretendem Waſſerverluſt werden die Kryſtalle, wie die optiſche Prüfung lehrt, zu einheitlichen rhombiſchen Pyra⸗ miden. In Douglashall bei Weſteregeln haben ſich im Früh⸗ jahr 1889) in dem Aſtrakanitgeſtein, welches, von Stein⸗ ſalz durchſetzt, eine mehrfach unterbrochene Ablagerung von wechſelnder Mächtigkeit zwiſchen Kainit und Steinſalz, in der Kieſeritregion, bildet, ſchöne große Kryſtalle von Blödit (Aſtrakanit) gefunden, welche dem Staßfurter Vorkommen ganz analog ſind; ferner Kryſtalle von Kainit, und als neu für die Staßfurter Steinſalzmulde Glaſerit. Die Kryſtalle dieſes letzteren Minerals ſind zum Teil den früher von G. v. Rath beſchriebenen Kryſtallen von Ra⸗ calmuto in Sicilien ſehr ähnlich, gehören aber nicht der rhombiſchen, ſondern wie die Glaſerit- oder Aphthaloſe⸗ Kryſtalle vom Veſuv (vgl. auch Strüver, Rendic. d. R. Accad. dei Lincei; 1889, p. 750 2c.) der rhomboedriſchen Abteilung des hexagonalen Syſtems an. Gewöhnlich zeigen die Kryſtalle, deren Zuſammenſetzung etwa der Formel 5 K2 804. 2 Nazs04 entſpricht, die Kombination eines flachen Rhomboeders (½ R) mit der Baſis und dem Prisma erſter Ordnung. Auch für den Glaſerit von Racalmuto hat Strüver nunmehr nachgewieſen, daß er dem hexagonal⸗ rhomboedriſchen Kryſtallſyſtem zugehört. Sehr ſchöne waſſerhelle und ſchwach grün gefärbte Bora citkryſtalle ſind in dem Carnallit von Douglashall im verfloſſenen Jahre vorgekommen. Bei einer im all⸗ gemeinen gleichartigen Ausbildung (Würfel mit Tetraeder) zeigten ſie mancherlei kryſtallographiſche Merkwürdigkeiten. Das ſo ſeltene gediegene Blei iſt von L. J. Igel⸗ ſtröm in einem Neotokit genannten amorphen Zerſetzungs⸗ produkte, wahrſcheinlich von Rhodonit, in der Mangan- und Eiſenerzgrube Sjögrufran in dem Kirchſpiele Grythyttan im Gouvernement Oerebro in Schweden aufgefunden *) Sitzungsber. d. Akad. d. Wiſſ. Berlin 1889. November. **) Zeitſchr. f. Kryſt. XV. 1889, 561. * Humboldt. — Februar 1890. g 59 worden. Es kommt hier in den feinſten Sprüngen und Riſſen des Neotokits in Form von ſehr feinen zuſammen— hängenden Häutchen und Blättchen von mehreren Milli— meter Ausdehnung vor, und zwar ganz friſch, unoxydiert und von rein bleigrauer Farbe. In ähnlicher Weiſe ver— hält ſich nach Igelſtröm auch das Vorkommen des ge— diegenen Bleies zu Pajsberg; nur findet es ſich hier auf den Spaltungsdurchgängen des unzerſetzten Rhodonit. Es liegen noch eine größere Zahl Unterſuchungen über neue Mineralien und über einzelne Mineralvorkommniſſe vor; auf dieſe ſoll ein andermal näher eingegangen werden. Diesmal ſei nur noch einiger Abhandlungen gedacht, welche ſich auf die Entſtehung der Erzlagerſtätten und ſpeciell der Erzgänge beziehen. Wie früher im Humboldt (März 1889, S. 112) erwähnt wurde, hatte das öſterreichiſche Ackerbauminiſterium vor einigen Jahren eine Unterſuchung der Nebengeſteine der berühmten Przibramer Erzgänge angeordnet, um die Frage zur Entſcheidung zu bringen, ob die Lateral: ſekretionstheorie, welche in neuerer Zeit in Sand— berger einen ſo eifrigen Verfechter gefunden hat, auch für das Przibramer Ganggebiet Gültigkeit beſitze. Da nach Sandbergers (oder richtiger nach der vor mehr als 30 Jahren von Forchhammer aufgeſtellten und von Sandberger wieder in Erinnerung gebrachten) Theorie die Metalle vor ihrer Konzentration auf den Erzgängen in den Silikatgemeng— teilen des Nebengeſteins in Form von Oxyden an Kieſel⸗ ſäure gebunden vorhanden geweſen und erſt durch deren Zerſetzung ausgeſchieden, nach den Gangſpalten geführt und dort in Schwefel- und Arſenverbindungen umgewandelt worden ſein ſollen, war alſo zu prüfen, ob die Przibramer Geſteine die Metalle der Theorie entſprechend wirklich als Silikate und nicht nur als Schwefelmetalle enthielten. Die Unterſuchung der Geſteine auf ihren Gehalt an Blei und Silber erfolgte nach einer von Sandberger aus⸗ gearbeiteten „Vorſchrift“. Aus den Ergebniſſen dieſer Unterſuchung zog Sandberger den Schluß, daß die WMus- laugungstheorie für die Przibramer Erzgänge in der That zutreffe; die Metalle ſeien urſprünglich als Silikate in dem Nebengeſtein und zumal in den vorzugsweiſe aus dem vom Böhmerwald herrührenden Gneisſchutt beſtehenden unterſiluriſchen Schichten vorhanden geweſen (ſie ſtammten alſo eigentlich aus dem Gneisgebiet des Böhmerwaldes), und ſeien als Erze nur in jenen Spalten konzentriert worden, deren Hangendes und Liegendes aus Geſteinen beſtünde, welche der Auslaugung durch Sickerwaſſer wäh— rend langer Zeiträume beſonders günſtig geweſen wären. Gegenüber Sandbergers Behauptungen hatte der öſter— reichiſche Oberbergrat Patera betont, daß nach ſeinen zum Teil nach Sandbergers Vorſchrift durchgeführten Analyſen es zweifelhaft bliebe, ob die Metalle der Przibramer Erz— gänge in den unterſuchten Geſteinen als Schwefelmetalle oder Silikate vorkommen, und daß die Uebereinſtimmung in der Metallführung der Erzgänge und ihrer Nebengeſteine wohl ebenſogut wie durch eine Auswanderung der Metalle aus dem Nebengeſtein nach den Gangſpalten, auch durch eine Einwanderung der Erze von den Gangſpalten in das Nebengeſtein erklärt werden könne. Neuerdings iſt A. W. Stelzner in einer Abhandlung „Die Lateralſekretionstheorie und ihre Be— deutung für das Przibramer Ganggebiet““) der Frage, ob die Przibramer Geſteine die Metalle der Erzgänge als Schwefelmetalle oder Silikate enthalten, näher getreten. Er macht darauf aufmerkſam, daß die von Sand- berger ausgearbeitete „Vorſchrift“, nach welcher die Neben— geſteine geprüft wurden, auf vielen irrigen Vorausſetzungen beruht. Sandberger hatte in dieſer „Vorſchrift“ als feft- ſtehende Thatſache hingeſtellt, daß 1) aus dem feinen Ge— ſteinspulver mechaniſch beigemengte (d. h. nicht von Sili- katen umſchloſſene, in dieſen als Einſchlüſſe vorkommende!) Schwefel- und Arſenmetalle (Kieſe), z. B. Eiſenkies, Magnet- kies, Kupferkies, Arſenkies, Bleiglanz, Zinkblende, Fahl— erz zꝛc., durch 24ſtündige Behandlung mit verdünnter Salzſäure ganz beſeitigt würden, ohne daß hierdurch die Silikate Glimmer, Augit, Hornblende, Feldſpat 2c. zerſetzt würden; und 2) daß die letztgenannten, etwa Kieſe d. h. Schwefel- und Arſenmetalle als Einſchlüſſe enthaltenden Silikate von Flußſäure aufgeſchloſſen werden könnten, ohne daß die Flußſäure jene Einſchlüſſe angriffe. Demgegenüber erbringt Stelzner, geſtützt auf die Gr gebniſſe vieler auf ſeine Anregung hin exakt durchgeführter Unterſuchungen einiger Freiberger Chemiker, den Beweis, daß 1) nicht alle Kieſe von verdünnter oder konzentrierter Salzſäure zerſetzt und ſtark angegriffen werden; 2) daß dagegen die Silikate bei gleicher Behandlungsweiſe viel- fach von der Salzſäure angegriffen und zum Teil ihrer Baſen beraubt werden, und 3) daß Flußſäure alle häufiger vorkommenden Kieſe ſehr wohl angreift, höchſtens Glaserz und Speiskobalt nur in Spuren. Es ſind demnach die von Sandberger zur Begründung ſeiner und Forchhammers Theorie angewandten Methoden ungenau und falſch, und es iſt durchaus unzuläſſig, irgend welche Schlüſſe an die mit Anwendung ſolcher Methoden erhaltenen Ergebniſſe anzuknüpfen. Ueberhaupt dürfte auf dem von Sandberger eingeſchlagenen, rein chemiſchen Wege, wie Stelzner mit Recht bemerkt, wohl niemals die Frage nach der Entſtehung der Gänge befriedigend entſchieden werden können. A. Schmidt, welcher die Erzgänge und den Berg— bau des Münſterthals im badiſchen Schwarzwald in dem III. Teil ſeiner Geologie“) jener Gegend beſchrieben hat, äußert über die Entſtehung dieſer Erzgänge keine be— ſtimmte Anſicht, hält es vielmehr für erforderlich, daß, ehe man ſich für die Lateralſekretions- oder Infiltrations⸗ theorie entſcheidet, erſt noch eingehende Unterſuchungen über die Metallführung des Nebengeſteins angeſtellt werden. Enthält das letztere in friſchem, unzerſetztem Zuſtande nicht von ſämtlichen auf den Gängen auftretenden Sdwer- metallen genügende Mengen, ſo iſt Schmidt anſcheinend zu der Annahme geneigt, daß die Erze ihrer Hauptſache nach aus der Tiefe ſtammen. Gar nicht im Einklang mit der von Sandberger ver— fochtenen Theorie ſtehen die Beobachtungen, welche kürzlich J. E. Hibſch bezüglich des Vorkommens von Blei- und Silbererzen bei Rongſtock im böhmiſchen Mittelgebirge gemacht hat““). Jene Erze, ſämtlich Schwefelmetalle, z. B. Eiſenkies, Bleiglanz, Zinkblende ) Berg: u. Hültenmänn. Jahrbuch der k. k. Bergakademie zu Leo⸗ ben u. Przibram. 37. Bd. 1889. ) Heidelberg 1889. S. 102. ) Verhdlg. d. k. k. geol. Reichsanſt. Wien 1889, Nr. 11. 60 Humboldt. — Februar 1890. Kupferglanz und Kupferkies, treten nicht gangförmig auf. Sie kommen entweder eingeſprengt in den jüngeren In⸗ truſivgängen des Doleritſtocks von Rongſtock, welcher nach der Auffaſſung von Hibſch einen Teil eines ehemaligen Kraters erfüllt, alſo in unzweifelhaften Eruptivgeſteinen vor, oder bilden Ueberzüge auf den Kluftflächen der Eruptiv⸗ geſteine oder des tertiären Sandſteins, welcher jene um⸗ gibt, oder ſie finden ſich eingeſprengt in einer Art von Breccie, welche vorzugsweiſe aus Bruchſtücken eines Kon⸗ taktgeſteins beſteht. Die reichſte Erzführung ſoll dem einſtigen Kratermantel eigen ſein. Sie iſt nach Hibſch wahrſcheinlich auf ehemalige Fumarolen- und Solfataren⸗ thätigkeit zurückzuführen. „Aus der Tiefe brachten heiße Quellen Metalllöſungen, welche dann als Schwefelverbin⸗ dungen niedergeſchlagen wurden. Das Erzvorkommen von Rongſtock würde bei dieſer Auffaſſung auf ähnliche vul⸗ kaniſche Thätigkeit zurückzuführen ſein, wie ſie beſonders durch Clarence King und G. F. Becker) teilweiſe als Urſache für die Entſtehung vieler Erzlager im Velie von Nordamerika feſtgeſtellt worden iſt. Auch R. L. Jack ““) hat von den Goldlagern des Mount Morgan in Queens⸗ land die Anſicht gewonnen, daß dieſelben durch tertiäre Geiſerthätigkeit entſtanden ſind.“ *) Amer. Journ. of Science. 1884. Vol 28, p. 209 zc. ) Berg⸗ u. Hüttenmänn. Zeitung. 1885, p. 336. Botanik. Von Profeffor Dr. Ernſt Hallier in München. Einwirkung äußerer Verhältniſſe auf die Libriformbildung. Wechſeln der Blütenfarben einer und derſelben Art in verſchiedenen Gegenden. wechſelnde Geſchwindigkeit des Degetationsrhythmus. löſungen auf lebende Pflanzenzellen. Lychnis dioica Z. durch Ustilago. Kulturverſuche mit dem Pollen von Primula acaulis. Wachstum vegetabiliſcher Zellhäute. Keimung von Gingko biloba Z, im Dunkeln. Wirkung orydierter Eiſenvitriol⸗ Wanderung des oxalſauren Halfs. Hermaphrodite Blüten von Mykorrhizenbildungen. Biologie von Erophila. Zwei Thatſachengruppen ſind es hauptſächlich, von denen nach der Abſtammungslehre die Entſtehung neuer Formen bedingt ijt: die Variation und Vererbung einer⸗ ſeits und die Anpaſſung an äußere Verhältniſſe anderer⸗ ſeits. Selbſtverſtändlich ſind auch für die Variation äußere Einflüſſe die Endurſachen, — ſie wirken aber ſo im Ver⸗ borgenen, ſind anfangs ſo unmerklich und wirken ſo all⸗ mählich, daß es der Forſchung bis jetzt in den wenigſten Fällen gelungen iſt, ſie aufzudecken. Das iſt um ſo be⸗ dauerlicher, als gerade dieſe die Variation bewirkenden Vorgänge in ihren Enderfolgen am allerauffälligſten ſind. Wir wiſſen bis jetzt faſt nur, daß ſie mit der geſchlechtlichen Fortpflanzung zuſammenhängen, daß ſie alſo erblich ſind. Inſofern könnten wir ſie als innere Urſachen bezeichnen. Raſcher und mehr in die Augen ſpringend wirken die äußeren Urſachen ein, doch iſt die Zahl der bis jetzt unter⸗ ſuchten Fälle nicht allzu groß, ſo daß jeder neue Beitrag willkommen erſcheinen muß. Im Jahre 1886 hatte Kohl durch experimentelle Forſchung den Einfluß der Tranſpi⸗ ration auf die Gewebebildung ermittelt und hatte gefunden, daß eine Veränderung des Tranſpirationsſtroms auf die Ausbildung ganzer Gewebsteile von nicht geringem Ein⸗ fluß fet*). Eine Beſtätigung und Erweiterung der Rez ſultate von Kohls Arbeit gibt neuerdings Wieler in ſeiner Unterſuchung: „Ueber Anlage und Ausbildung von Libriformfaſern in Abhängigkeit von äußeren Verhältniſſen“. (B. Z. 1889. Nr. 32, 33, 34). Nicht in allen Punkten ſtimmen die Ergebniſſe dieſer Arbeit mit den von Kohl gefundenen überein. Bei Kulturen von Urtica dioica J. in kleinen Töpfen treten, im Gegenſatz zu phosphorſäurefreien Waſſerkulturen, die zwiſchen den Gefäßbündeln liegenden Parenchyminſeln zurück, das Xylem nimmt überhand und ſeine Elemente erhalten ſtärker ver⸗ dickte Wände. Durch dieſe Beobachtungen iſt alſo wenigſtens ) F. G. Kohl, Die Transſpiration der Pflanzen und ihre Ein⸗ wirkung auf die Ausbildung pflanzlicher Gewebe. Braunſchweig 1886. im allgemeinen eine Abhängigkeit der Gewebebildung der Neſſel von den Feuchtigkeitsverhältniſſen nachgewieſen, und es mögen ſich auf ähnliche Weiſe die großen Unterſchiede im Gewebebau der Neſſeln von verſchiedenen Standorten in der freien Natur erklären laſſen. Durch ähnliche Ver⸗ ſuchskulturen zeigt Wieler, daß geſteigerte Waſſerzufuhr bei Quercus und Robinia eine Verminderung der Holz⸗ faſern (des Proſenchyms) zur Folge hat. Nicht uninter⸗ effant iſt Wielers Beobachtung, daß in Felsſpalten, alſo⸗ auf trockenerem Standort, erwachſene Wurzeln der Birke inſofern bezüglich des inneren Baues demjenigen des Stammes ähnlicher werden, als die Libriformfaſern der Wurzel ſich unter dieſen Verhältniſſen ebenſo ſtark ver⸗ dicken wie diejenigen des Stammes. 5 1 A. Kerner teilt in einem kleinen Aufſatze: „Ueber das Wechſeln der Blütenfarbe an einer und der⸗ felben Art in verſchiedenen Gegenden“ (Veftr. B. Z. 1889 Nr. 3), die intereſſante Beobachtung mit, daß auf manchen „bunten“ Wieſen keineswegs alle Blumen⸗ farben auftreten, ſondern häufig nur zwei Komplementär⸗ farben oder Kontraſtfarben. Kerner ſtellt nun die Hypo⸗ theſe auf, daß bei dieſer Erſcheinung die pollenübertragenden Inſekten urſächlich mitwirken. Dabei müßte freilich vor⸗ ausgeſetzt werden, daß die Inſektenaugen für Farben⸗ kontraſte dieſelbe oder eine noch größere Empfindlichkeit beſäßen wie das Auge des Menſchen. So wird die Blume der Arnica auffälliger werden, wenn ſich ihr eine blaue Glockenblume beigeſellt. Kerner geht aber noch weiter, indem er es für wahrſcheinlich hält, daß, wenn auf einer Wieſe eine Blume zwei Farbenſpielarten ausbildet, etwa eine Glockenblume eine weiße und eine blaue Spielart, die Inſekten am häufigſten diejenige Spielart aufſuchen werden, welche mit den übrigen Blumen der Wieſe im ſtärkſten Farbenkontraſt ſteht. Sind z. B. vorherrſchend rote Nelken vorhanden, ſo wird nach Kerner die weiße Glockenblume häufigeren Inſektenbeſuch erhalten, wogegen die blaue Spielart bevorzugt wird, wenn auf der Wieſe Humboldt. — Februar 1890. 61 die gelben Blumen vorherrſchen. — Unbedingt verdient Kerners Anſicht weitere Unterſuchung und namentlich experimentelle Erörterung. Es braucht wohl nicht hervorgehoben zu werden, daß das Vorherrſchen zweier Komplementärfarben auf den Wieſen nur für gewiſſe Lokalitäten gilt. So z. B. finden ſich auf den herrlichen Wieſen des Thüringer Saalthales im Juni faſt ſämtliche Farben der Farbentafel im bunteſten Durcheinander, ebenſo im Juli auf den Waldſchlägen des Thüringer Muſchelkalks. Auf den Schlägen des Bunt— ſandſteins dagegen herrſchen im Hochſommer rot (Fingerhut, Epilobium) und gelb (Senecio), die nicht komplementär find. Kerner macht ferner, zunächſt für das Alpengebiet, darauf aufmerkſam, daß viele Blumen in einer Gegend eine beſtimmte Farbe zeigen, in einer anderen Gegend durchweg eine davon verſchiedene. Vielleicht haben auch hierauf bisweilen die befruchtenden Inſekten Einfluß. Im ganzen Saalthal, ſoweit der Muſchelkalk reicht, blüht Ver— bascum Lychnitis gelb, im Buntſandſteingebiet vor— herrſchend weiß, im Schwarzathal (Grauwacke) ausſchließlich weiß. Sehr merkwürdig erſcheint das Vorherrſchen weißer Blumenfarben auf der Grauwacke des Thüringer Waldes. So z. B. kommen außer dem genannten Verbascum im Schwarzathal: Campanula Persicaria, Eupatorium can- nabinum und verſchiedene andere Pflanzen faſt nur weiß— blühend vor. Eine Mithilfe der Inſekten kann hier wohl kaum angenommen werden, wenigſtens nicht in dem oben angedeuteten Sinne. Eine der wichtigſten Erſcheinungen der Organismen— welt iſt ihre Periodicität, die Thatſache, daß innerhalb gewiſſer Zeiträume in regelmäßiger Folge gewiſſe Phaſen ſich abwickeln. Beſonders auffallend ſind dieſe in der Pflanzenwelt, ſo daß man mit Wiesner von einem Vege— tationsrhythmus reden kann, welcher freilich nicht für alle Pflanzen abſolut feſtſteht, ſondern von äußeren Bedingungen mehr oder weniger beeinflußt iſt. Julius Wiesner ſtellte neuerdings (Oeſtr. B. Z. 1889, Nr. 3, S. 79) Beobadh= tungen an „zur Erklärung der wechſelnden Ge— ſchwindigkeit des Vegetationsrhythmus“, nach—⸗ dem bereits früher verſchiedene andere Forſcher, beſonders aber A. Kerner *), darauf bezügliche Thatſachengruppen feſtgeſtellt hatten. Wiesner beobachtete nun bei Stipa tortilis aus dem ſüdlichen Perſien, aber auch bei Roggen und Weizen, ſowie bei der Feldwicke, daß ihre Samen bedeutend früher keimten, ſobald ſie vorher einer verhält— nismäßig hohen Temperatur ausgeſetzt wurden. Schon bei einſtündiger Erwärmung auf 50—65° C. erfolgte bet Stipa raſcherer Eintritt der Keimung. Aehnlich verhalten ſich die genannten Getreidearten und die Wicke. Man kann die Keimungsgeſchwindigkeit noch beträchtlich erhöhen, wenn man die Samen der genannten Pflanzen etwa 10 Stunden lang der Temperatur von 50—65° C. ausſetzt. Erwärmt man aber auf 70° C., fo erhält man bei einſtündiger Dauer ein ſehr gutes Reſultat, bei längerer Dauer jedoch eine Beeinträchtigung der Keimung. Höhere Temperaturen von 80—90 C. beeinträchtigen die Keimung ſehr beträcht— lich. Gewöhnlich iſt die raſchere Keimung von ftarferem | Wachstum des Stengels und der Wurzel begleitet, die *) Die Kultur der Alpenpflanzen. Innsbruck 1864. Hemmung der Keimung hat dagegen geringeres Wachstum von Stengel und Wurzel zur Folge. Charakteriſtiſch genug zeigt dagegen die einem kälteren Klima angehörige Saat- kreſſe (Lepidium sativum L.) eine große Empfindlichkeit gegen höhere Temperaturen. Merkwürdig iſt es, daß bei geringem Waſſergehalt der Samen niedere Temperatur einen beſchleunigenden Einfluß auf die Keimung ausübt, während allerdings der Prozentſatz der Keimfähigkeit herab- geſetzt wird. Auch auf die Entwickelung der Winterknoſpen unſerer Holzgewächſe hat nach Wiesner die Kälte unter gewiſſen Umſtänden eine beſchleunigende Wirkung. C. Correns ſtellte Kulturverſuche mit den Pollen vom Primula acaulis Lam. (D. B. G.“ 1889, S. 265— 272) an, deren Ergebniſſe wir nach ſeiner eigenen Zuſammenſtellung mitteilen: Beide Pollenformen treiben in gleicher Zeit gleich lange Pollenſchläuche. Die großen Körner treiben dickere Schläuche als die kleinen. Die Größe der Pollenkörner iſt keine Anpaſſung an die Länge des bei legitimer Befruchtung zurückzulegenden Griffelweges und iſt nicht die Urſache der verminderten Fruchtbarkeit der illegitimen Kreuzungen. Es laſſen ſich keine Differenzen in der Ernährbarkeit und der chemotro— piſchen Reizbarkeit zur Erklärung der Legitimität oder Illegitimität beſtimmter Kombinationen auffinden. Die Länge und Geſtalt der Narbenpapillen hat ebenfalls nichts mit der größeren oder geringeren Fruchtbarkeit beſtimmter Kreuzungen zu thun. Die kleinen Körner ſcheinen etwas kräftiger zu ſein als die großen. Stärkere Konzentration der Nährlöſung hat Verzögerung der Keimung zur Folge, dagegen iſt das Platzen der Schläuche von dieſer unab— hängig. Die Pollenſchläuche ſind chemotrop, aber weder poſitiv noch negativ aérotrop. Einen Fortſchritt unſerer Kenntnis von dem Eindringen fremdartiger Löſungen ins Innere der Zelle gewährt eine kleine Arbeit von Th. Bokorny über: „Eine bemerkens— werte Wirkung oxydierter Eiſenvitriollöſungen auf lebende Pflanzenzellen“. (D. B. G. 1889, S. 274, 275). Läßt man eine Löſung von Eiſenvitriol in Waſſer einige Zeit bei Luftzutritt ſtehen, ſo daß eine Oxydation zu baſiſchem Oxydſalz eintritt, welches ſich zum Teil aus— ſcheidet, zum Teil in Löſung bleibt, ſo übt ſolche Löſung bei einer Verdünnung von 1: 5000 bis 10000 auf lebende Spirogyren keineswegs eine letale Wirkung aus, vielmehr dringt dieſelbe in die Zellen ein und es ſcheiden ſich im wandſtändigen Plasma zwiſchen äußerer und innerer Haut— ſchicht zahlreiche Körnchen aus, ähnlich den bei Einwirkung ſehr verdünnter Ammoniaklöſungen, ſowie anderer Baſen ſich bildenden. Dieſe rundlichen Körnchen beſtehen aus aktivem Al— bumin. Es iff damit zugleich das wirkliche Eindringen des Eiſenſalzes in Plasma und Zellſaft nachgewieſen. Neben der genannten Wirkung ſtellt ſich, aber weit lang— ſamer, eine andere ein, nämlich eine Blaufärbung des Zellinnern durch gerbſaures Eiſenoxyd. Gewiſſermaßen als Reſultat dieſer Unterſuchung ergibt ſich noch der Nachweis von Waſſerſtoffſuperoxyd in lebenden Pflanzenzellen. Es ſei bei dieſer Gelegenheit noch hingewieſen auf eine frühere Arbeit von Löw und Bokorny: „über das Vorkommen von aktivem Albumin im Zellſaft und deſſen Ausſcheidung in Körnern durch Baſen.“ (B. 3. 1887 Nr. 52.) 62 Humboldt. — Februar 1890. Die Lehre von der Entſtehung der pflanzlichen Zell⸗ häute iſt inſofern in ein neues Stadium getreten, als ſich gezeigt hat, daß die beiden in früheren Zeiten beliebten Theorien, die Niederſchlagstheorie und die Intusſuſcep⸗ tionstheorie, nicht für alle Fälle paſſen, ſondern daß die Erſcheinungen bald die eine und bald die andere An⸗ Annahme verlangen. Zu dieſem Ergebnis gelangt auch Strasburger in ſeiner neuen Arbeit über das „Wachstum vegetabiliſcher Zellhäute“. (Hiſtol. Beitr. Heft 2. 1889.) Die Häute der Pollenkörner und der Sporen von Lycopodiaceen, Filices und Muscineen entſtehen aus dem Zellinhalt, und zwar die äußeren Schichten mit ihren Hervorragungen durch Innenaufnahme. Bei den Elateren von Equiſetum und den Perinien der Hydropterideen ent⸗ ſtehen ſie durch Auflagerung von außen auf Koſten des Tapetenplasma. Louis Magnin hat in ſeiner Arbeit: „Sur la constitution de la membrane des végétaux® die Arbeiten Fremys über die Pektinkörper wieder zu Ehren gebracht, indem er ſie nicht nur im allgemeinen beſtätigt, ſondern auch ihre große Bedeutung für die Entſtehung der Zellmembranen nachzuweiſen ſucht. (C. r. 1888 II. S. 144.) Bezüglich des Chemismus der Zelle und der Gewebe durfte man von vornherein annehmen, daß ſolchen Sub⸗ ſtanzen eine beſondere Bedeutung zukomme, welche faſt durch das ganze Pflanzenreich verbreitet ſind. Zu dieſen gehört auch der oxalſaure Kalk. Schleiden und einige ſeiner Zeitgenoſſen hielten dieſes Salz für ein bloßes Exkret und nahmen an, daß die Aufnahme des doppelt kohlen⸗ ſauren Kalks durch die Pflanze in erſter Linie den Zweck habe, die bei hoher Konzentration für pflanzliche und tieriſche Gewebe giftige Oxalſäure unſchädlich zu machen. Holzner) war der erſte, welcher eine Beziehung des oxalſauren Kalks zur Bildung von Eiweißſtoffen wahr⸗ ſcheinlich machte, welche ſpäter von Schimper thatſächlich nachgewieſen wurde. Seitdem hat man ſich hauptſächlich mit dem Ort der Entſtehung jenes Kalkſalzes ſowie mit der Frage ſeiner etwanigen Wanderung in den Geweben und Organen beſchäftigt. Es wurde gefunden, daß eine teil⸗ weiſe Ueberführung des oxalſauren Kalks aus den herbſtlichen Blättern in die Zweige, andererſeits im Frühjahr eine Rückwanderung in die jungen Blätter erfolgt. Eingehend beſchäftigte ſich C. Wehmer mit dieſer Frage in einer Arbeit: „Das Calcium oxalat der oberirdiſchen Teile von Crataegus oxyacantha L. im Herbſt und im Früh⸗ jahr. (D. B. G. 1889. S. 216 233.) Wir geben die Reſultate dieſer Arbeit: nach Wehmers eigener Zuſammen⸗ ſtellung. (A. a. O. S. 230 — 231.) 1. Die Knoſpen ſind im Oktober in faſt allen Teilen (beſonders ſtark in Knoſpenſchuppen und Mark) mit Caleium⸗ oxalat angefüllt, deſſen Ausſcheidung vorausſichtlich parallel mit ihrer Entwickelung ging und im Winter ſiſtiert wird. 2. Streckung und Wachstum im Frühjahr erfolgt zunächſt ohne Ausſcheidung dieſes Stoffes und überall ohne Bildung nachweisbarer Oxalſäuremengen. In dieſem Stadium geringelte Knoſpen ſterben in der Regel ab. Das im Herbſt gebildete Oxalat iſt noch unverändert vor⸗ handen. 3. Mit dem erſten Auftreten zahlreicher kleiner Druſen ) Flora 1867, S. 497. im ganzen Meſophyll gibt dieſes deutliche Nitratreaktion. In dieſer Zeit angebrachte Ringelſchnitte bewirken kein Abſterben, jedoch nur kümmerliche Entwickelung. 4. Das Größenwachstum der Meſophylldruſen erfolgt verhältnismäßig raſch; dieſelben ſind noch in abgefallenen Blättern vorhanden. Im Baſtteil und deſſen Nähe findet bis zum Herbſt Ausſcheidung von Kryſtallen in Längs⸗ reihen ſtatt. 5. Nieder- und Laubblätter werden mit dem in ihnen abgeſchiedenen und dort vorausſichtlich gebildeten Oxalat abgeworfen, ohne daß dies zuvor eine nachweisbare Ver⸗ änderung zeigt. 6. Während des erſten Wachstums der jungen Sproß⸗ achſe ſind nur im Mark vereinzelte Druſen zugegen; die im Herbſt vorhandene Häufung des Salzes an der Baſis bleibt dabei unverändert. Mit dem weiteren Wachstum entſtehen Druſen in der primären, Kryſtalle in der ſekun⸗ dären Rinde, welch' letztere im Lauf der Jahre dauernd zunehmen und im Winter bis nahe an das Kambium reichen.“ 7. Die an der Baſis des jugendlichen Sproſſes im Mark entſtandenen Oxalatmengen bleiben bei Kurztrieben noch nach Jahren deutlich nachweisbar und ſcheinbar un⸗ verändert. 8. Die Borkebildung ſcheidet einen Teil der Rinden⸗ ablagerung ab. 9. Anlage der Sproßachſe, der Laub⸗ und Nieder⸗ blätter, ſpäteres Wachstum des Blatt⸗ und Rindenparen⸗ chyms ſowie der Gefäßbündel mit Einſchluß der beſonders in der Rinde verlaufenden ſekundären Prozeſſe ſind von einer Caleiumoxalatausſcheidung begleitet. In wie hohem Grade Naturerſcheinungen völlig ver⸗ ſchiedener Art nicht ſelten in einander greifen und ſich gegenſeitig bedingen, davon gibt namentlich die genauere Unterſuchung der Organismen täglich neue Kunde. So üben bekanntlich viele paraſitiſche Pilze bedeutenden Ein⸗ fluß auf die Teratologie höherer Gewächſe. So weiſt Magnin einen weſentlichen Einfluß des Ustilago anthe- rarum auf die Geſchlechtsausbildung der Lychnis dioica L. nach: „Sur Vhermaphroditisme du Lychnis dioica atteint par 'Ustila go“. (C. r. 1888. S. 663.) Daß Lychnis dioica nicht ſelten hermaphroditiſche Blumen entwickelt, war ſchon Linné nicht entgangen. Magnin fand nun bei allen von Ustilago befallenen Blüten das Ovarium mehr oder weniger gut entwickelt, aber mit faft fehlgeſchlagenen Griffeln. Dabei ſind aber die Samen⸗ knoſpen ſtets gut ausgebildet und gelangen bisweilen zur Reife, ob aber auch zur Keimfähigkeit? Magnin ſtellt, wohl mit Recht nach analogen Vorkommniſſen, die Hypo⸗ theſe auf, daß der Pilz ſeinen Wirt zu abnormer Wachs⸗ tumsthätigkeit reize. A. Giard kommt in einer Unter⸗ ſuchung: „Sur la castration parasitaire du Lych- nis dioica L. par l’Ustilago* (a. a. O. S. 757) zu ähnlichen Reſultaten. J. R. Green hat ein neues Keimungsferment entdeckt in ſeiner Arbeit: „Germination of the tuber of the Jerusalemartishoke*. (Annals of Botany I. S. 223.) Dasſelbe kommt vor beim Austreiben der Artiſchocken⸗ knollen und bildet Zucker aus dem Inulin. Daß die Keimblätter einiger Nadelhölzer, obgleich ſie Humboldt. — Februar 1890. völlig im Dunkeln entſtehen, Chlorophyll führen, hat Ju— {ius Sachs *) bereits im Jahre 1862 bei der Kiefer und dem orientaliſchen Lebensbaum nachgewieſen, ſpäter auch bei der Pinie, der Weimutskiefer und der kanadiſchen Kiefer. Das Ergrünen der Keimblätter fand ſtatt, ſobald das Würzelchen aus dem Samen austrat, bei einer Tem— peratur von 12—15 C. Bei niedrigerer Temperatur dagegen (7—8 C.) bildete ſich das Chlorophyll entweder gar nicht oder ſehr ſchwach aus 5). Hans Moliſch hat durch Kulturverſuche, welche er bereits 1883 angeſtellt, aber erſt vor kurzem veröffentlicht hat, den Nachweis ge— führt, daß die Keimblätter von Gingko biloba L. im Finſtern weder bei gewöhnlicher Zimmertemperatur noch bei beträchtlich höherer Temperatur Chlorophyll ausbilden: „Notiz über das Verhalten von Gingko biloba L. im Finſtern (Oeſtr. B. Z. 1889. S. 98. u. 99). Dieſer Verſuch iſt von Bedeutung, weil man ſo leicht geneigt iſt, an einzelnen Arten feſtgeſtellte Ergebniſſe auf ganze Gruppen einfach nach Analogie zu erweitern. Zur Mykorrhiza-Frage hat Fritz Noack einen dankens— werten Beitrag geliefert: „Mykorrhizenbildende Pil— ze“ (B. Z. 1889 Nr. 24). Derſelbe unterſuchte haupt— ſächlich Geaster fimbriatus und fornicatus, aber auch Arten von Agaricus, Cortinarius und Lactarius. Unter Geaster fimbriatus (bei Darmftadt) fand ſich die Humus— ſchicht von korallenartigen Würzelchen der Fichten oder Kiefern durchſetzt, und zwar nur im Bereich des Myeels einer Peridie. Sie erwieſen ſich als Mykorrhizen. Reeß war vor zwei Jahren der Nachweis des Zuſammenhanges für Elaphomyces granulatus gelungen (M. Reefs und C. Fiſch: Unterſuchungen über Bau und Lebensweiſe der Hirſchtrüffel. Bibl. bot., Kaſſel 1887). Ebenſo ge— lang Noack der Nachweis der Mykorrhizenbildung für die beiden oben genannten Arten von Geaster, wogegen Ge— aster striatus F.. niemals Mykorrhizen bildet. Dringt in das Mycel von einer jener beiden Geaster- Arten eine Kiefern- oder Fichtenwurzel ein, ſo bildet ſich aus jüngeren Myeelfäden eine dichte pſeudoparenchyma— tiſche Hülle um die Spitze und dieſe tritt an die Stelle der Wurzelhaube, welche allmählich ſchwindet und die Saug⸗ haare verliert, an deren Stelle bisweilen (bei Geaster fimbriatus) abſtehende, ſpitze Mycelhaare treten. Nun wird das Würzelchen zu der bekannten korallenartigen Verzwei— gung gereizt. Von der äußeren Hülle dringen feine My— celfäden in das Innere der Wurzel, treiben die Periderm— zellen auseinander und umſpinnen ſie ſchließlich vollſtän⸗ dig. Die Endodermis erſt ſetzt ihrem weiteren Vordringen ein Ziel. Ein Eindringen in die Zellen, wie Reeß es für Elaphomyces angibt, kommt hier nicht vor. Ein ſchädlicher Einfluß auf die Wurzel wurde nicht beobachtet. Lacta— Ueber den Einfluß der Temperatur auf das Flora 1864. Nr. 32. *) Julius Sachs. Ergrünen der Blätter. 63 rius piperatus bildet Mykorrhizen an Buchen und Eichen, Agaricus (Tricholoma) terreus Schäüffen an Kiefern und Buchen, Cortinarius callisteus Fr. an Fichten, C. coeru- lescens an Buchen, C. fulmineus Fr. an Eichen. Lyco— perdon, Sclerodermu und Amanita bilden keine Myfor- rhizen. Biologiſche Forſchungen unter dem Geſichtspunkte der Abſtammungslehre müſſen der ſyſtematiſchen Zuſammen— faſſung der Organismenwelt allmählich den Boden bereiten. Hierbei kann und ſoll eine bis ins minutiöſeſte gehende Detailarbeit bezüglich der Formunterſcheidung nicht geſcheut werden. De Bary hatte ſich in der letzten Zeit ſeines Lebens eingehenden Studien über die Saprolegnieen hin— gegeben, welche ihn zu einer ſehr engen Artauffaſſung führten, indem er Vielgeſtaltigkeit und Variabilität ſtreng geſondert hielt. Zuletzt nahm er, von jener Arbeit ange— regt, die kleine Draba verna L., das überall verbreitete Hungerblümchen vor, kam aber nicht mehr zur Ausarbeitung. F. Roſen hat dieſe Arbeit wieder aufgenommen und kommt zu Reſultaten, welche de facto, wenn auch nach völlig verſchiedener Methode gewonnen, Jordans vielfach be— zweifelte und belächelte Anſichten über Draba beſtätigen. Jordan geht von der alten Anſicht aus, daß anfänglich ſo viele Arten geſchaffen wurden, wie der Idee nach mög— lich ſind. ‘ Veränderung der Arten iſt ausgeſchloſſen, ihre Zahl iſt aber ausnehmend groß. Nach Roſen zeigen die Grund— roſetten von Draba verna ſchon in frühem Entwickelungs— ftadium, namentlich aber, wenn jie faſt ausgebildet find, Verſchiedenheiten in Form, Stellung, Farbe und Behaa— rung der Blätter. Man kann in ihren Merkmalen beſtän— dige Gruppen unterſcheiden. Dagegen ſind die einzelnen zu jeder Gruppe gehörigen Arten zu dieſer Zeit meiſt noch nicht unterſcheidbar; fie laſſen fic) mit Sicherheit erſt wäh— rend der Blüte- und Fruchtzeit unterſcheiden, wogegen in dieſer Periode ſich manche Gruppencharaktere wieder ver— wiſchen. Daraus ergibt ſich: „daß die ſpeeifiſchen Merk— male ſpäter auftreten als die Gruppencharaktere, dann aber zum Teil ſo in die Augen ſpringen, daß ſie die Erkennt— nis der gemeinſamen, d. h. Gruppencharaktere erſchweren. Durch Roſens Arbeit: „Syſtematiſche und bio— logiſche Beobachtungen über Erophila verna“ (B. Z. 1889, Nr. 35, 36, 37, 38) iſt Jordans Artunter- ſcheidung vollkommen gerechtfertigt. Roſen hat aber, was ſtammgeſchichtlich von der größten Bedeutung iſt, zwiſchen den Arten und Gruppen noch mehr oder minder abwei— chende Formen aufgefunden. Bezüglich der Befruchtung findet Roſen, daß Selbſtbeſtäubung den gewöhnlichen Fall darſtellt, Inſektenhilfe verhältnismäßig ſelten iſt. Es wurden durch Kreuzung der verſchiedenen Gruppen und Arten auch Baſtarde gezogen. Von Wichtigkeit erſcheint es auch, daß die Vertreter einer Verwandtſchaftsgruppe ſich faſt immer an beſtimmten Standorten beiſammen finden. Rein MRitteilupgen. Ablenkung des Schalles. Es wurde die Anſicht ausgeſprochen, daß der Schall der Schiffsſignale bei Nebel nach oben abgelenkt wird, und darum ſelbſt in geringer Entfernung nicht mehr gehört werden kann. Diesbezüglich habe ich in Preßburg an einem ſtillen warmen Gommer- abend eine intereſſante Beobachtung gemacht. Jenſeits 64 der Donau ſpielte am Ufer, ſichtbar, die Militärmuſik⸗ kapelle; diesſeits am Ufer, in der Entfernung von etwa fünfhundert Schritten, hörte man die Muſik nur ver⸗ ſchwommen und gedämpft. In der doppelten Entfernung aber, auf dem Schloßberge, in der Höhe von einigen hundert Fuß, hörte man die Muſik ungleich reiner, und, was das auffallendſte war, nicht dort, wo man ſie ſah, ſondern zu ſeinen Füßen am diesſeitigen Ufer, wo man ſah, daß der Platz leer war. Profeſſor Dr. Fuchs. Zerſtäuben von Körpern durch ultraviolettes Licht. Lenard und Wolf haben nachgewieſen, daß die chemiſchen Strahlen (ultraviolettes Licht), welche auf ein Metall fallen, eine langſame Zerſtäubung desſelben veranlaſſen, wobei der abgeſchleuderte Metallſtaub ſtets negativ elek⸗ triſch iſt, während das feſte Metall poſitiv elektriſch wird. Das Vorhandenſein des abgeſchleuderten Staubes wurde durch den ſogenannten Aitken-⸗Helmholtzſchen Dampfſtrahl nachgewieſen. Dampf bildet nämlich nur dann Nebel, wenn in ihn Staub gerät (wie fein er auch ſein mag), an dem ſich das Waſſer kondenſieren kann. Ein Dampf⸗ ſtrahl nun, der ſehr nahe an einer Metallfläche vorbei⸗ geführt wurde, zeigte in ſeinem früher vollkommen durch⸗ ſichtigen Teile ſofort ſtarke Nebelbildung, wenn die Metall⸗ platte von ultravioletten Strahlen getroffen wurde. Ein blanker Zinkkörper, den man poſitiv elektriſch geladen hat, hält die Elektricität auch im Sonnenſchein bei genügender Iſolierung lange; eine negative Ladung aber verliert er nach wenig Sekunden — infolge der Zerſtäubung und Abführung der negativen Elektricität.) 0 Meſſung hoher elektriſcher Spannungen. Waitz hat der Seifenblaſe in der Elektricitätslehre eine ſehr hübſche Anwendung gegeben. Bekanntlich befindet ſich in einem beiſpielsweiſe poſitiv elektriſierten Körper die Elek⸗ tricität ausſchließlich an der äußerſten Oberfläche, und die Rechnung zeigt, daß die Elektricität den Körper gleichſam auszudehnen oder auseinander zu reißen trachtet, da jedes elektriſche Teilchen von allen übrigen abgeſtoßen wird (da gleichnamige Elektricitäten fic) abſtoßen). Nun ſucht eine elektriſierte Seifenblaſe ſich einerſeits vermöge der kapil⸗ laren Spannung ihrer inneren und äußeren Oberfläche zuſammenzuziehen, wodurch in der eingeſchloſſenen Luft ein Druck entſteht, den man mittels eines Manometerröhrchens ſchon vor der Elektriſierung ſehr wohl meſſen kann; anderer⸗ ſeits ſucht die Elektrieität die Kugel zu erweitern und zwar mit einer Kraft, die mit der elektriſchen Spannung wächſt; hieraus reſultiert aber wieder eine Druckverminderung im Innern, die ſich abermals am Manometer meſſen läßt. Wenn die elektriſche Spannung zu groß wird, dann wird die Seifenblaſe thatſächlich zerriſſen. — Wenn man aus den Manometerſtänden vor und nach der Elektriſierung die elektriſche Spannung genau berechnen will, dann kom⸗ pliziert ſich der Apparat allerdings ſehr. Das Ozon, dieſe merkwürdige Modifikation des Sauerſtoffes, die ſich jo lange Jahre nicht faſſen laſſen wollte, kann man heute ſogar verflüſſigen; es iſt eine dunkelblaue, faſt undurchſichtige Flüſſigkeit. Man ver⸗ flüſſigt zuerſt Sauerſtoff; dieſen läßt man in einem Röhrchen verdampfen, wodurch eine Temperatur von — 181“ ent⸗ ſteht; durch dieſes Kühlröhrchen geht ein zweites Röhrchen, durch welches man ozonreichen Sauerſtoff leitet; das Ozon verflüſſigt ſich dann, während der Sauerſtoff am anderen Ende des Röhrchens ausſtrömt. Bei — 106“ ſiedet das Ozon und verdampft (Olszewski). ine Natriumlegierungen. Von Legierungen des Na⸗ triums mit anderen Metallen war bisher nur die Queck⸗ ſilberlegierung, das ſogenannte Natriumamalgam, näher bekannt. Um die Erniedrigung des Erſtarrungspunktes des Natriums, welche durch Hinzufügen anderer Metalle hervorgerufen wird, zu prüfen, haben Heycock und Neville (Journ. Chem, Soc.) die Legierungsfähigkeit des Natriums näher unterſucht. Die Löslichkeit der Metalle in Natrium wurde ermittelt, indem Natrium unter Paraffin in einer Humboldt. — Februar 1890. Proberöhre geſchmolzen und dann kleine Mengen des fein zerteilten Metalls hinzugefügt wurden. Das Paraffin bildet auf dem Natrium eine Decke, welche das Metall vor der Oxydation ſchützt. Es wurde nun bis zum Sieden des Paraffins erhitzt und nach dem Exkalten ein blankes Stück der Legierung mit abſolutem Alkohol behandelt, wobei das gelöſte Metall ſich als feines Pulver, gewöhnlich in kleinen Kryſtällchen ausſchied. Gefälltes und geglühtes Gold wird im Natrium leicht gelöſt. 100 Atomgewichte Natrium halten etwa 3,5 Atomgewichte Gold in Löſung. Beim Behandeln der Goldnatriumlegierung mit Alkohol bleibt das Gold in Form von ſehr feinen Nadeln zurück. Die Legierungen ähneln dem Natrium ſelbſt, ſind aber etwas heller in der Farbe, ein wenig härter und oxydieren ſich viel ſchneller, wahrſcheinlich infolge Wirkung der Feuch⸗ tigkeit der Luft auf die durch Gold und Natrium gebildete Kette. Die relative Dichte einer Legierung von 85% Na⸗ trium und 15% Gold wurde zu 1,152 ermittelt, während ſich durch die Rechnung 1,141 ergibt, wenn man annimmt, daß keine Volumsveränderung beim Miſchen ſtattgefunden hat. Dies deutet darauf hin, daß ſich die Legierung beim Uebergange aus dem flüſſigen in den feſten Zuſtand ent⸗ miſcht, wofür auch ſpricht, daß die beim Auflöſen des Natriums erhaltenen Goldkryſtalle relativ groß ſind. Thal⸗ lium löſt ſich ſehr leicht in Natrium bis zu 20%, Kadmium ſchwerer um etwa 3%. Silber und Zink find in Natrium ſelbſt bei erhöhter Temperatur unlöslich. Blei löſt ſich nur ſpärlich und von den übrigen Metallen gehen keine wahrnehmbaren Mengen in Löſung. Al. Verhalten von Lithiumſalzen zu Harnſäure. Die Wirkung der Lithiumſalze bei Gicht wurde bisher dadurch erklärt, daß von dieſen eine viel kleinere Menge nötig ſei, um ein leicht lösliches harnſaures Salz zu bilden, als von den entſprechenden Salzen des Natriums und Kaliums. Wie L. Siebold (Pharm. Journ. Transakt. 20272. Chem. Ztg. Rep. XIII. 310) findet, läßt ſich indes eine ſtärker löſende Wirkung der Lithiumſalze experimentell durchaus nicht nachweiſen. Vielmehr zeigt ſich, daß die relativ löſende Wirkung von Lithium-, Natrium- und Kalium⸗ karbonatlöſungen auf ein gegebenes Gewicht Harnſäure, unter gleichen Verſuchsbedingungen genau proportional dem Molekulargewicht dieſer Löſungsmittel iſt. Aequi⸗ valente Mengen jener Salze löſen bei gleicher Verdünnung und Temperatur gleiche Mengen Harnſäure. Reine Harn⸗ ſäure und aus dem Harn abgeſchiedene Harnſäure verhalten ſich in dieſer Beziehung gleich. Lithiumchlorid oder Lithium⸗ ſulfat haben überhaupt keine löſende Wirkung auf Harn⸗ ſäure oder deren Salze. Natürliche Chlorlithiumwäſſer wirken nicht ſtärker löſend auf Harnſäure als die ſonſtigen gleich⸗ zeitig im Mineralwaſſer vorhandenen baſiſchen Verbindungen und das Waſſer allein. Schließlich ſteht der Grad der Alkalinität des Harns, welcher bei innerlicher Darreichung von mediziniſchen Doſen Lithiumeitrat und Kaliumeitrat erreicht wird, ebenfalls im ſtrikten Verhältnis der Mole⸗ kulargewichte der beiden Metalle. Al. Aeber direkte Gewinnung von Kryftalifierter Soda und Chlor aus Kochſalz mittels des elektriſchen Stromes berichtet W. Hempel in den Ber. d. D. chem. Geſ. 22, 2775. Studien über die Elektrolyſe von Metall- chloriden hatten ergeben, daß es nicht zweckmäßig iſt, Me⸗ tallchloride ſo zu zerlegen, daß ſich leicht lösliche Verbin⸗ dungen bilden, weil dann der elektriſche Strom die ge⸗ bildeten Produkte, wenn ſie ſich bis zu einem gewiſſen Grade angehäuft haben, immer wieder zerſetzt. Dies iſt z. B. der Fall bei der Zerlegung von Chlornatrium unter Bildung von Natriumhypochlorit, oder bei Anwendung eines Diaphragmas unter Zerſetzung in Chlor und Aetz⸗ natron. Dagegen iſt es wohl möglich, die Zerſetzung von Chloriden unter vollſtändiger Ausnutzung des Stromes durchzuführen, wenn dabei ſchwer lösliche Körper ent⸗ ſtehen. So läßt ſich Chlorkalium und Chlornatrium in die entſprechenden Chlorate überführen und unter Anwen⸗ dung eines Diaphragmas Chlorkaleium und Chlormag⸗ Humboldt. — Februar 1890. 65 neſium in Chlor und feſte Oxydhyd rate ſpalten. Da Soda und Natriumbikarbonat in einer geſättigten Löſung von Kochſalz ſchwer löslich ſind, ſo wurde verſucht, eine Koch— ſalzlöſung unter Einleiten von Kohlenſäure direkt in Soda und Chlor umzuſetzen. Thatſächlich läßt ſich der Prozeß ſo führen, daß ſich einerſeits Chlor, andererſeits kryſtalliſierte Soda bildet. Als Kathode dient ein durch— lochtes Eiſenblech, als Anode eine durchlochte dünne Kohlen— ſcheibe. Die Löcher find etwa 4 mm weit und ſchräg nach oben gebohrt, ſo daß Gasblaſen leicht nach oben entweichen können. Beide Elektroden ſind kreisförmig, der Rand iſt etwa 3 em breit undurchlocht, um an der ſo gebildeten Ringfläche die Abdichtung zu ermöglichen. Als Diaphragma dient eine zwiſchen die Eiſen- und Kohlenplatte geklemmte Scheibe aus Asbeſtpappe. Mittels zweier weiten Porzellan— ringe und Glasſcheibe ſind auf beiden Seiten der Elek— troden Kammern gebildet. Das Ganze wird durch Schraub— zwingen zuſammengehalten. Die Abdichtung zwiſchen Glas, Porzellan, Eiſen und Kohle erfolgt durch ganz dünne Gummiringe. In der Glasſcheibe, welche die Anoden— kammer begrenzt, iſt unten ein Loch gebohrt, in welches mittels eines Gummiringes eine gebogene weite Glasröhre geſteckt iſt. Ein Glasrohr, welches in ein Loch des Por— zellanringes der Anodenkammer paßt, führt das gebildete Chlor ab. oben eine weite Oeffnung, welche einerſeits die Einführung eines Rohres zum Einleiten der Kohlenſäure, andererſeits das Herausnehmen der ausgeſchiedenen kryſtalliſierten Soda geſtattet. Führt man nun durch das Rohr der Anoden— kammer ſo oft als nötig friſches Kochſalz in Stücken zu und erſetzt man das mit der Soda abgeſchiedene Waſſer, ſo arbeitet der Apparat kontinuierlich, es ſcheidet ſich ganz reine Soda und faſt chemiſch reines Chlor ab. Der Apparat braucht eine Spannung von 3,2 Volt zur Zerſetzung des Kochſalzes und 2,5 Volt zur Ueberwindung des Polari— ſationsſtromes, welchen die in der mit Chlor geſättigten Kochſalzlöſung ſtehende Kohlenplatte mit der in mit Soda geſättigter Kochſalzlöſung ſtehenden Eiſenplatte hervorruft. Die Geſamtſpannung war demnach 5,7 Volt. Bei einer Stromſtärke von 1,73 Ampere, die mit gewöhnlichen Bunſen⸗ elementen erzeugt waren, wurden 0,930 g Chlor pro Stunde abgeſchieden. Eine Pferdſtärke zu 680 Volt Am⸗ pere gerechnet, würde der Apparat, mit Dynamomaſchinen betrieben, 64,5 g Chlor und 259,8 f kryſtalliſierte Soda pro Pferdeſtärke und Stunde abgeſchieden haben. Al. Eigentümliche Wodifikationen des Silbers. Im Americ. Journal of Science 37, 476 und 38, 47 be- ſchreibt Carey Lea eine Reihe von Verſuchen, bei welchen Präparate erhalten werden, die faſt nur aus Silber be— ſtehen und dabei ſehr merkwürdige Eigenſchaften beſitzen. Werden verdünnte Löſungen von zitronenſaurem Eiſen— oxydul und einem Silberſalze gemiſcht, ſo entſteht eine tiefrote Flüſſigkeit; konzentrierte Löſungen dagegen werden faſt ſchwarz und es entſteht ein ſchön violetter Niederſchlag, welcher zu einer metalliſch glänzenden blaugrünen Maſſe eintrocknet (Modifikation A). Der Niederſchlag wird von reinem Waſſer leicht mit tiefroter Farbe gelöſt; er beſteht faſt nur aus Silber (97%), iſt frei von Sauerſtoff und nur mit etwas Eiſen und Zitronenſäure verunreinigt. Durch Trocknen auf dem Waſſerbade geht der violette Nieder— ſchlag in normales weißes Silber über. Läßt man das Waſchwaſſer, welches von dem Nieder— ſchlag gelöſt enthält, in eine Löſung von Magneſiumſulfat einlaufen, jo erhält man einen Niederſchlag der Modi- fikation B. Dieſelbe iſt in feuchtem Zuſtande dunkelrot— braun und wird durch fortgeſetzte Waſchungen noch dunkler. Die Modifikation B ijt nach Ausweis der Analyſe faſt reines Silber. Durch manche Salzlöſungen kann dieſelbe in lösliche Formen übergeführt werden. In Natriumborat wird ſie mit brauner, in Natriumſulfat mit rötlichgelber, in Ammoniumſulfat mit roter Farbe gelöſt. Eine dritte (0) Modifikation des Silbers, welche in feinſtem Zuſtande dunkelbronzefarben erſcheint und zu einer glänzenden goldgelben Maſſe eintrocknet, wird auf folgende Humboldt 1890. Der Porzellaͤnring der Kathodenkammer hat; Weiſe dargeſtellt. Man bereitet zwei Löſungen. Die eine ent- hält 200 cem einer 10prozentigen Löſung von Silbernitrat, 200 cem einer 20prozentigen Löſung von Seignetteſalz und 800 cem deſtilliertes Waſſer; die andere Löſung beſteht aus 107 cem einer 30prozentigen Löſung von Ferroſulfat, 200 cem der 20prozentigen Seignetteſalzlöſung und 800 cem Waſſer. Wird die letztere Miſchung, friſch bereitet, unter fortdauerndem Umrühren in die erſte gegoſſen, ſo fällt ein anfänglich rot glänzendes Pulver aus, welches raſch ſchwarz wird, auf dem Filter aber eine ſchöne Bronzefarbe zeigt. Man wäſcht es aus, wobei das Filter ſtets mit Waſſer gefüllt bleiben muß und breitet es als teigige Maſſe auf Uhrgläſern oder flachen Schalen aus. Es trocknet dann bei freiwilliger Verdunſtung des Waſſers zu Klumpen ein, welche hochpoliertem Golde gleichen. Die Analyſe eines ſolchen Präparates ergab 98,75% Silber, der Reſt beſtand aus weinſaurem Eiſenoxyd. Sämtliche drei Modifikationen des Silbers teilen die Eigenſchaft, daß ſie, in feuchtem Zuſtande auf Glastafeln oder Papier aufgetragen, zu zu— ſammenhängenden glänzenden Häuten eintrocknen. Die Modifikationen B und C nehmen dabei den Schein hoher Politur an. Schon durch gelindes Reiben werden ſie aber in feinſtes Pulver verwandelt. Gegen Licht ſind die drei Präparate empfindlich. A und B erhalten, wenn fie einige Stunden dem Sonnenlicht ausgeſetzt ſind, eine bräunliche Färbung, während C ſeine urſprüngliche rote Goldfarbe in die des rein gelben Goldes ändert, ohne jedoch an Glanz zu verlieren. Durch verdünnte Mineralſäuren und ſelbſt durch mäßig verdünnte Eſſigſäure werden die Präparate in gewöhnliches graues Silber zurückverwandelt. Auch verändern ſie ſich häufig unter nicht näher beſtimmbaren Bedingungen. Von zwei gleichzeitig erzeugten Proben der Modifikation C war die eine nach zwei Jahren in weißes Silber übergegangen, ohne an Glanz und Zuſammenhang zu verlieren, während die andere die tief goldgelbe Farbe unverändert behalten hatte. Es mag dahingeſtellt bleiben, ob die beſchriebenen Präparate, wie Darſteller meint, als Allotropieen des Silbers anzuſehen ſind; intereſſant erſcheinen die Verſuche jedoch inſofern, als es wohl denkbar wäre, daß das große Geheimnis der Alchemiſten, die Kunſt der Metallverwand— lung, auf weiter nichts, als auf ſolche oder ähnliche Reak- tionen zurückzuführen iſt. Al. Zodenbewegung in Srankreid. Auf der im Sep⸗ tember 1888 in Salzburg abgehaltenen Konferenz der permanenten Kommiſſion der internationalen Erdmeſſung machte der franzöſiſche Kommiſſar Ch. Lallemand dar— auf aufmerkſam, daß die Vergleichung des neuen franzö— ſiſchen Präziſionsnivellements mit dem vor einem Viertel— jahrhundert von Bourdalous ausgeführten einen Unter- ſchied erkennen läßt, welcher auf der weſentlich meridionalen Linie zwiſchen Marſeille und Lille von Süden nach Norden zunimmt: während er bei Marſeille nur 7 em beträgt, ſtellt ſich bei Lille eine Senkung von 78 em heraus. In Anbetracht der Größe und des ſyſtematiſchen Charakters, wie er ſich aus der Geſtalt der Linien gleicher Boden- bewegung auf der vorgelegten Karte ergibt, kann dieſer Unterſchied nicht wohl den Meſſungsfehlern zugeſchrieben werden; es iſt vielmehr wahrſcheinlich, daß derſelbe, wenig- ſtens zum größten Teil, durch das allmähliche, nach Norden zu in immer höherem Grade ſich geltend machende Herab- ſinken des Bodens erklärt werden muß. Es kann dies, wie Faye hervorhob, nicht überraſchen und entſpricht nur der viel verbreiteten Anſicht, daß die Kontinente infolge der fortſchreitenden Abkühlung der Erde ſich langſam und ſtetig bewegen. Um nun die Natur dieſer Bodenbewegung zu erkennen und um zu entſcheiden, ob dieſelbe fortſchreitend oder periodiſch iſt, hat die franzöſiſche Kommiſſion des Generalnivellements beſchloſſen, vom Jahr 1893 an ein drittes Präziſionsnivellement auszuführen, welches von dem jetzigen durch ein mittleres Zeitintervall vor zehn Jahren getrennt ſein wird. 61. Aleber die Dauer und HaliGarkeit der Ordideen- blumen gibt Koenemann in Herrenhauſen intereſſante 9 66 Humboldt. — Februar 1890. Mitteilungen. Bei Epidendrum vitellmum majus hielt ſich die Blütenriſpe 4 Monate hindurch in gleicher Friſche und Färbung. Die Blüten ſind zwar nicht ſehr groß, zeichnen ſich aber durch ihre leuchtende ziegelrote Färbung aus. Daß ſolch anhaltender Flor bei ein und derſelben Art oder Abart nicht immer ſich gleich bleibt, ſondern viel von äußeren Umſtänden, wie Jahreszeit, Temperatur, Licht und Feuchtigkeit abhängt, iſt gewiß. Es konnte dies z. B. im Berggarten an den Blüten des reinweißen Dendrobium Deari beobachtet werden. Während drei in den Wintermonaten blühende Exemplare dieſer Orchidee 4 Monate lang ihre Blumen zeigten, war eine im Sommer blühende Pflanze derſelben Spezies weit weniger an⸗ dauernd, indem ihre Blumen ſchon nach einem Monat abfielen. Auch Spathoglottis Augustorum zeigt in ſeiner Blüte eine große Ausdauer, aber in anderer Weiſe als bei den vorgenannten. Bei ihm entwickelt der Schaft faſt unaufhörlich neue Blüten, ſo daß auch ſein Flor mehrere Monate hindurch anhält, die einzelne Blume jedoch iſt von kurzer Dauer. Man iſt bei dieſer letzteren Art gezwungen, dem nicht endenwollenden Blühen durch Abſchneiden des Schaftes Einhalt zu thun, da ſonſt die Pflanze auf die Dauer zu ſehr entkräftet wird. D. Schmetterlingsfang der Drosera anglica Huds. Dem durch die Erforſchung der Flora, beſonders der Moos⸗ flora der Provinz Weſtpreußen rühmlichſt bekannten Bo⸗ taniker Dr. v. Klinggraeff gelang es, auf einer ſeiner Exkurſionen durch die Umgegend Danzigs die oben ge⸗ nannte intereſſante neue Thatſache zu konſtatieren, worüber derſelbe in der Dezemberſitzung v. J. der Naturforſchenden Geſellſchaft zu Danzig berichtete. Auf einem kleinen Moore bei Ottomin fand Dr. v. K. außer der gewöhnlichen Drosera rotundifolia L. noch Dr. obovata M. et A. und Dr. anglica in hunderten von kräftigen Exemplaren. Die Blätter aller waren — wie nicht anders zu erwarten — mit den mehr oder minder zerſtörten Leibern kleiner Käfer, Fliegen, Hautflügler und Motten bedeckt. Ueberraſchend war die überaus große Menge auf dem Moore herum⸗ ſchweifender Reſeda- und Kohlweißlinge, welche über einer Stelle kreiſten, wo gerade Dr. anglica in vielen Exemplaren üppig gedieh. Die Blätter des Sonnentaus hielten einzelne jener Falter noch feſt umſchlungen, andere Blätter, bereits wieder ausgeſtreckt, zeigten die Ueberreſte längſt getöteter auf ihrer Oberfläche; und wie ergiebig der Fang bereits geweſen ſein mußte, ließ ſich aus der großen Menge der rings umher den Boden bedeckenden weißen Flügel ent⸗ nehmen. Der Fang von mehreren Reſedafaltern konnte auch direkt beobachtet werden. Zwei Blätter teilten ſich ſtets in die Arbeit des Feſthaltens und Umklammerns des durch die glänzenden Drüſenköpfchen angelockten Tieres. In einem Falle konnte auch der Fang eines muskelkräf⸗ tigeren Schmetterlings, des Perlmutterfalters, nachgewieſen werden; hier hatten ſich gar drei Blätter gemeinſam über den argloſen Gaſt hergemacht und ihn auch ſchließlich über⸗ wältigt. Danzig. Dr. Lahpowitz. Helix fruticum Mill. als Aaubſchnecke. Ab⸗ geſehen von unſeren fleiſchfreſſenden Landſchnecken können auch Vertreter der friedlichen Vegetarianer es ſich nicht verſagen, Fleiſchkoſt aufzunehmen, wenn ſie ſich gerade bequem darbietet. Ein toter oder ſterbender Regenwurm, eine zertretene Schnecke bieten hierzu eine gar zu günſtige Gelegenheit; ſelbſt Leichen der eigenen Art werden be- kanntlich mit der größten Ruhe angefreſſen. Dieſes Ver⸗ halten kann man mit Vorteil benutzen, wenn es ſich darum handelt, die ſo ſchädliche große Wegſchnecke in Gärten zu vertilgen; man braucht dann bei feuchter Witterung nur Stücke dieſer Schnecke an geeigneten Orten auszulegen und kann ſicher ſein, nach einiger Zeit eine ganze Anzahl Artgenoſſen bei der Mahlzeit anzutreffen. Unſere Buſch⸗ ſchnecke, Helix fruticum Mii/l., weiß ebenfalls Fleiſch⸗ nahrung zu ſchätzen. Ich traf einmal eine an, welche den Pfeilſack einer verunglückten Helix pomatia eifrigſt und mit Erfolg beleckte, denn der darin eingeſchloſſene Liebes⸗ pfeil wurde ſchließlich freigelegt. Nicht wenig überraſcht war ich aber, als ich auch lebende Schnecken den Angriffen dieſer Art ausgeſetzt ſah. Da ich eine Notiz hierüber in der mir zugänglichen Litteratur nicht gefunden habe, ſo teile ich meine darauf bezüglichen Beobachtungen hier mit, indem ich dabei von der Vorausſetzung ausgehe, daß ſie auch als ev. Beſtätigung nicht unerwünſcht ſein werden. Auf einer Helix nemoralis, welche mit der Vollendung des Gehäuſes begonnen hatte, ſaß eine ausgewachſene H. fruticum und beleckte den neu gebildeten Schalenteil derſelben. Die Hainſchnecke ſuchte ihr Heil in der Flucht; ihr Gehäuſe fiel infolge des darauf laſtenden Gewichtes bald auf die rechte, bald auf die linke Seite herüber. Der ungebetene Gaſt wurde hierbei gegen Blätter und kleine Zweige geſtoßen, ohne ſich dadurch in ſeiner Thätigkeit irgendwie ſtören zu laſſen. Nach beendigter Mahlzeit kroch die H. fruticum von dannen und an der H. nemoralis war der rechte Mündungsrand in der Mitte etwa 5 mm tief ausgefreſſen, und auch der Mantel war beſchädigt worden. Bereits im Sommer 1888 überzeugte ich mich, daß ich nicht zufällig ein Fleiſchkoſt liebendes Individuum der H. fruticum angetroffen hatte, und ſpäter habe ich geſehen, daß dieſe Art jüngere Gehäuſeſchnecken nicht nur angreift und beſchädigt, ſondern vollſtändig mit der Schale aufzehrt. Am 11. April 1889 ſammelte ich vier junge Helices (nem. hort.), zwei Exemplare mit 2, eines mit 21/2 und eines mit nahezu 3 Umgängen, und brachte fie in einem Terrarium mit 3 H. fruticum zuſammen, die ich an demſelben Tage aufgeſucht hatte. Um die Buſchſchnecken nicht etwa durch Hunger zum Morde anzuregen, ſorgte ich für Pflanzenkoſt, die auch angenommen wurde. Trotzdem war am nächſten Tage eine kleine Helix mit 2 Umgängen vollſtändig aufgezehrt, und die mit 3 Umgängen zeigte eine angefreſſene Mündung und wurde noch an demſelben Tage wieder angegriffen, ohne aber getötet zu werden. Am nächſten Morgen war ſie jedoch ebenfalls vollſtändig verſchwunden, und mit ihr ein drittes Exemplar, während das vierte ſich an der rechten Mundlippe angefreſſen zeigte. In der Folge habe ich die H. fruticum wiederholt bei ihrem Zerſtörungswerke beobachten können; traf ſie auf ihrem Wege eine junge Gehäuſeſchnecke an und hatte ſie gerade Neigung, dieſelbe anzugreifen, ſo umfaßte ſie die Beute mit dem vorderen Teile des Fußes, wodurch die kleinen Helices in wirkſamer Weiſe feſtgehalten wurden, und dann begannen die Freßwerkzeuge ihre Thätigkeit. Be⸗ leckte der Räuber das Tier direkt am Kopfe, ſo zog es ſich raſch ins Gehäuſe zurück, bot aber dieſes auf die Dauer keinen Schutz mehr, ſo ſuchte das geängſtigte Tier zu ent⸗ fliehen, was indes nicht leicht gelang. Ein Exemplar ſah ich noch ſich frei machen, nachdem das Gehäuſe bereits um einen halben Umgang verkürzt war; einen erneuten An⸗ griff überlebte es nicht. Infolge der reichlichen Kalkauf⸗ nahme beim Verzehren einer jungen Gehäuſeſchnecke zeigten die entſprechenden Exkremente der H. kruticum ein leb⸗ haftes Aufbrauſen mit Salzſäure. Wie zu erwarten war, entwickelten die Tiere ihre verderbenbringende Thätigkeit vorzugsweiſe während der Nacht. Daß an den Orten, wo die Buſchſchnecke häufig iſt, die Lebensbedingungen für junge H. nemoralis und hortensis nicht beſonders günſtig ſein werden, dürfte nach dieſen Beobachtungen keinem Zweifel unterliegen. Die H. fruticum läßt übrigens auch andere Arten nicht un⸗ behelligt; am 11. Mai 1889 traf ich eine an, welche eine ausgewachſene H. lapicida beleckte, ohne fie allerdings zu beſchädigen, und dieſelbe Wahrnehmung konnte ich an in Gefangenſchaft gehaltenen Exemplaren machen. Inter⸗ eſſant wäre es, die nächſten Verwandten der H. fruticum, aus der Untergattung Fruticicola, nach dieſer Richtung hin genauer zu beobachten. Marburg. Dr. Heinr. Brochmeier. Humboldt. — Februar 1890. 67 Katurwiſſenſchaftliche Inftitute, Unternehmungen, Verſammlungen ete. Am 2. November iſt in Würzburg das neue Zoo— logiſch-zootomiſche Inſtitut eröffnet worden; einfach ein— gerichtet legt es ſeinen Schwerpunkt auf die Vorrichtungen zum Halten und zur Zucht von Tieren; ein großes Warm— haus mit tropiſchen Pflanzen dient zur Aufnahme tropi- ſcher Arten (3. B. Peripatus, Achatina aus Oſtafrika, Alligator 2¢.), eine Dunkelgrotte wird Dunkeltiere be— herbergen, und zahlreiche Aquarien, Terrarien, drei Baſſins und ein Teich ſollen Tiere der gemäßigten Zone auf— nehmen. B. In Roſtock ijt eine Geologiſche Sandesanftalt er- richtet, deren Aufgabe darin beſtehen ſoll, die bei den geologiſchen Unterſuchungen des Landes gewonnenen Er— gebniſſe aufzuzeichnen und zu ſammeln, die geologiſchen Forſchungen im allgemeinen, beſonders aber im landwirt— ſchaftlichen Intereſſe zu verwerten, Auskunft und Gutachten zu erteilen und Bodenunterſuchungen für landwirtſchaft— liche und andere Zwecke vorzunehmen. Zum Vorſtande dieſer Anſtalt iſt der Profeſſor der Mineralogie und Geo— logie an der Univerſität Roſtock, Dr. Geinitz, ernannt. Diejenigen, welche Bodenunterſuchungen, Bohrungen 2c. beantragen, haben die der Anſtalt dadurch erwachſenden Koſten zu tragen. D. Ein Teil der Inſtitute der Univerſität Roſtock (das zoologiſche, phyſikaliſche und chemiſche), ſowie das Kollegien gebäude ſelbſt find mit elektriſcher Beleuchtung verſehen worden, wohl die erſte Univerſität, welche dieſes Licht allgemein einführt; im nächſten Jahre ſollen die übrigen Inſtitute mit den gleichen Vorrichtungen verſehen werden. B Im Archiv der Senckenbergſchen Naturforſchenden Geſellſchaft in Frankfurt aM. hat der Vorſitzende der Geſellſchaft, Dr. Richters, eine Anzahl von Handſchriften und Abbildungen entdeckt, welche wert find, der Vergeſſen— heit entriſſen zu werden. Sie ſtammen von deutſchen Gelehrten des vorigen Jahrhunderts, welche ſich um die naturwiſſenſchaftliche Erforſchung Rußlands verdient ge— macht haben, und enthalten Beſchreibungen und Zeichnungen ruſſiſcher Fiſche. Die Veröffentlichung dieſes Handſchriften— fundes iſt in Ausſicht genommen. D In Innsbruck iſt am 12. November das Anatomiſche Inſtitut eröffnet worden. Aufſtellung von einheitlichen Regeln zur Be— nen nung der Orchideen. Die engliſche „königl. Garten— neue bau⸗Geſellſchaft“ zu London beabſichtigt durch einen be— fonderen aus Gärtnern und Botanikern beſtehenden Aus ſchuß ſolche Regeln aufſtellen zu laſſen, die für die Be— nennung der Pflanzen als Richtſchnur dienen können. Der Anfang ſoll mit den Orchideen gemacht werden, und iſt der Schriftführer der betreffenden Abteilung: Dr. T. Maſters, Hauptredakteur von „Gardener's Chronicle“ bereits mit den Vorarbeiten beſchäftigt. Alle darauf bezüglichen Mit— teilungen werden mit Dank von der „Royal Horticultural Society“ 117 Victoria Street, London entgegengenommen. ) Eine Kometenmedaille für die Entdeckung je eines neuen Kometen ijt von der „Astronomical Society of the Pacific“ in Amerika durch Mr. Joſeph A. Donohoe geſtiftet worden. Nach ſeiner Beſtimmung müſſen die erſten Beobachtungen jedes Kometen dem Direktor der neu ge— gründeten Lick⸗Sternwarte in Kalifornien eingeſandt wer— den. Ein Preisgericht entſcheidet ſodann über die Ver— leihung der Medaille, welche nach Verlauf von zwei Monaten nach der Entdeckung zuerkannt wird. Auch für die Wieder— auffindung teleſkopiſcher, periodiſcher Kometen ſoll die Medaille bewilligt werden. Dieſe Stiftung nimmt mit dem 1. Januar 1890 ihren Anfang und iſt eine fort— dauernde. In Rußland ſollen meteorologiſche Stationen auf allen wichtigeren Eiſenbahn- und Dampfſchiffshalteſtellen errichtet werden, nach Möglichkeit in je 150 Werſt Ent fernung. Die erſten Koſten werden auf 60 000 Rubel veranſchlagt. Zur Unterhaltung der Stationen dürften auch die Eiſenbahn- und Dampfſchiffsgeſellſchaften heran— gezogen werden. VPreisaufgabe. Der Verein zur Beförderung des Gewerbfleifes in Preußen hat in ſeiner Dezember-Sitzung folgende Preisaufgabe beſchloſſen: Die goldene Denkmünze und 3000 Mark für die beſte Arbeit über den Magnetis— mus des Eiſens. Löſungstermin bis 15. November 1893. Die Arbeit muß eine kritiſche Zuſammenſtellung der bis— herigen Beobachtungen und zur Vervollſtändigung und Prüfung der älteren Meſſungen eigene Meſſungen des Bewerbers an Stahl- und Schmiedeeiſenſtäben möglichſt verſchiedener chemiſcher Zuſammenſetzung enthalten. D. Biographien und Pperſonalnotizen. Die Berliner Akademie der Wiſſenſchaften ernannte Pro— feſſor A. Engler in Berlin zum ordentlichen Mit— glied, die Profeſſoren Cohn in Breslau, Pfeffer in Leipzig und Strasburger in Bonn zu korre— ſpondierenden Mitgliedern. Berliner Akademie der Wiſſenſchaften bewilligte in ihrer Sitzung am 24. Oktbr. 2000 Mark Herrn Pro— feſſor Ambronn in Leipzig zu Studien über die kohlenſauren Kalkgebilde in der Haut der Spongien, Synapten u. ſ. w., 3000 Mark Herrn Profeſſor Schimper in Bonn zu einer Reiſe nach Java be— hufs Unterſuchung der Lebensbedingungen der tropi— ſchen Vegetation; 1000 Mark Herrn Profeſſor Stei— ner in Köln zur Fortſetzung ſeiner Studien über die Funktionen des Zentralnervenſyſtems und ihre PHylo- geneſe; 1560 Mark Herren Profeſſoren Kayſer und Runge in Hannover zur Fortſetzung ihrer Unter— ſuchungen über die Spektren der Elemente. Königl. Akademie der Wiſſenſchaften in München er— wählte zu ordentlichen Mitgliedern Profeſſor Dr. Hert— Die Di o wig und Profeſſor Dr. Sohncke in München, zum auswärtigen Mitgliede Profeſſor Cannizzaro in ont, zum korreſpondierenden Mitglied Profeſſor Abbe in Jena. Profeſſor Dr. A. Engler in Berlin wurde von der Kgl. Geſellſchaft der Wiſſenſchaften in Upſala zum aus— wärtigen Mitglied ernannt. Profeſſor Dr. Heidenhain in Breslau erhielt vom Lon— doner College of Physicians die Baly-Denkmünze. Profeſſor Dr. Hellriegel in Bernburg erhielt von der Königl. Akademie der Wiſſenſchaften in München die große goldene Liebig-Medaille. Dr. Max Verworn in Jena erhielt von der mediziniſchen Fakultät in Göttingen das Blumenbachſche Reiſe⸗ ſtipendium und gedenkt dasſelbe zur Fortſetzung ſeiner Studien an den Küſten des Mittelmeeres und des Roten Meeres zu verwenden. Die Verwaltungsbeamten des Neuen Muſeums für Natur- kunde in Berlin. Der Verwaltungsdirektor des ganzen Muſeums, Geheimer Bergrat, Profeſſor Dr. Beyrich 68 Humboldt. — Februar 1890 iſt zugleich Direktor der geologiſch⸗paläontologiſchen Sammlung; Direktor der mineralogiſch⸗petrographi⸗ ſchen Sammlung iſt Geheimer Bergrat, Profeſſor Dr. Klein; Direktor der zoologiſchen Sammlung Geheimer Regierungsrat, Profeſſor Dr. Möbius. Die logiſch⸗paläontologiſche Sammlung hat einen Kuſtos (Profeſſor Dr. Dames), einen Aſſiſtenten (Privat⸗ dozent Dr. Koken) und einen Praparator. Einen Kuſtos (Privatdozent Dr. Denn e) hat die minera⸗ logiſch⸗pekrographiſche Sammlung nebſt zwei Aſſiſtenten (Privatdozent Dr. Rinne und Dr. Möller) und einen Präparator. Die größte der Sammlungen, die zoologi⸗ ſche, hat einen zweiten Direktor (Profeſſor Dr. von Martens), fünf Kuſtoden (Profeſſor Dr. Cabanis, Dr. Hermann Dewitz, Dr. Hilgendorf, Dr. Reichenow und Privatdozent Dr. Karſch), vier Aſſiſtenten (Kolbe, Dr. Weltner Dr. Johannes Dewitz und Tornier) und drei Präparatoren. Dr. W. Kükenthal iſt an Stelle des nach Zürich be⸗ rufenen Dr. Lang die Ritter⸗Profeſſur an der Uni⸗ verſität Jena übertragen worden. Dr. E. Lamp, Privatdozent und erſter Obſervator an der Sternwarte in Kiel iſt zum außerordentlichen Profeſſor ernannt worden. Dr. Behrends, Privatdozent der Chemie in Leipzig, iſt zum außerordentlichen Profeſſor ernannt worden. Dr. Heinrich Klinger, Privatdozent der Chemie in Bonn, wurde zum außerordentlichen Profeſſor ernannt. Dr. W. Wislicenus, Privatdozent der Chemie in Würz⸗ burg, iſt zum Profeſſor ernannt worden. Dr. Erwin Herter, Privatdozent der mediziniſchen Chemie in Berlin, iſt nach Neapel übergeſiedelt. Dr. Karl Chelius habilitierte ſich als Dozent der Mineralogie und Geſteinslehre an der Techniſchen Hochſchule in Darmſtadt. Dr. Arno Naumann ijt zum Aſſiſtenten für Botanik am Polytechnikum in Dresden ernannt worden. Dr. J. Jäggi, Direktor des Botaniſchen Muſeums in Zürich und Privatdozent am Polytechnikum, iſt zum Profeſſor hon. ernannt worden. Dr. Klercker, John af, iſt zum Privatdozent der Botanik an der Univerſität Stockholm ernannt worden. Profeſſor Dr. N. Wille in Stockholm geht als Profeſſor der Botanik an die Königl. landwirtſchaftliche Anſtalt zu Aas bei Chriſtiania. Dr. Doß, Aſſiſtent am Polytechnikum in Dresden iſt zum Dozenten der Mineralogie, Geologie und Geographie am Polytechnikum in Riga ernannt worden. Mag. chem. G. Tammann in Dorpat iff zum Pro⸗ feſſor ernannt worden. Dr. L. Courchet wurde zum Profeſſor der Botanik an der Ecole de Pharmacie in Montpellier ernannt. Dr. M. Granel iſt als Nachfolger von Planchon zum Profeſſor der Botanik an der Faculté de Médecine in Montpellier ernannt worden. Kilian W. in Clermont⸗Ferrand iſt als Nachfolger von Lory zum Profeſſor der Geologie und Mineralogie an der Faculté des Sciences in Grenoble ernannt worden. Cotenlifte. Cooke, George H., Geolog von New Jerſey, Profeſſor an Rutgers College, ſtarb 22. Septbr., 72 Jahre alt. Woods, Pater Julian E. Teniſon⸗, Naturforſcher, durch ſeine Reiſen in Aſien, Auſtralien u. der Süd⸗ ſee und als Verfaſſer geologiſcher u. geographiſcher Werke bekannt, in jungen Jahren zur katholiſchen Kirche übergetreten und zum Prieſter geweiht, ſpäter Generalvikar in Adelaide, 1832 in England geboren, ſtarb in Sydney 7. Oktober. Ball, John, Botaniker und Reiſender, verdient um die Flora von Marokko und den ſüdamerikaniſchen Anden, ſtarb 71 Jahre alt, 21 Oktober in London. Lesquereux, Leo, berühmter nordamerikaniſcher Pa⸗ läontolog und Bryolog, ſtarb in Columbus, Ohio, 25. Oktober im 89. Lebensjahre. Dr. A. Quesneville, Chemiker, Herausgeber des Moni- teur scientifique zu Paris, ſtarb 14. November, 80 Jahre alt. Weſelsky, em. Profeſſor der analytiſchen Chemie an der Techniſchen Hochſchule in Wien, ſtarb zu Saar in Mähren 14. November im 62. Lebensjahre. Roth, Samuel, Direktor der Oberrealſchule zu Leutſchau in Ungarn, Vizepräſident des ungariſchen Karpathen⸗ vereins, einer der ausgezeichnetſten Geologen Ungarns, ſtarb in Leutſchau 17. November, 37 Jahre alt. Dr. Fr. Loew, Arzt in Wien, Autorität im Fach der Cecidien, berühmter Entomolog, ſtarb 22. November in Wien, 61 Jahre alt. Profeſſor T. Chalubinsky, Bryolog (Grimmieen, Musei frondosi Tatrenses), ſtarb Ende November in Warſchau. J. B. Gehin, Koleopterolog, Verfaſſer des Catalogue des Carabides, ſtarb 2. Dezember zu Remiremont (Vosges), 73 Jahre alt. M' Rab, Dr. William Ramſay, Profeſſor der Botanik am College of Science, ſtarb in Dublin, 3. Dezbr. Stein, Wilhelm, früher Profeſſor der Chemie an der Techniſchen Hochſchule in Dresden, ſtarb in Wien, 6. Dezember, im 78. Lebensjahre. Profeſſor Lorenzo Reſpighi, Direktor der Sternwarte in Rom, bekannter Kometenforſcher, ſtarb 10. Dezember in Rom. Venus, Karl Eduard, früher Schulgeldereinnehmer und Ehrenpräſident des entomologiſchen Vereins Iſis in Dresden, weit bekannt als Lepidopterolog, ſtarb 13. Dezember in Dresden. Dr. Friedrich Auguſt Quenſtedt, ſeit 1837 Profeſſor der Mineralogie, Geologie und Paläontologie in Tü⸗ bingen, hochverdient durch ſeine Studien über die ſchwäbiſchen Sedimentformationen, ſtarb 80 Jahre alt, 21. Dezember in Tübingen. Dr. Ferdinand Hauck, Algolog, geboren 29. April 1845, ſtarb 21. Dezember in Trieſt. E. Schering, früherer Beſitzer der Grünen Apotheke in Berlin und Begründer der bekannten chemiſchen Fabrik, ſtarb 65 Jahre alt, 27. Dezember in Berlin. Dr. Ferdinand Baumſtark, Profeſſor der Chemie in Greifswald, ſtarb daſelbſt, 50 Jahre alt, 25. Dezember. Er hat ſich beſonders um die Tierchemie verdient gemacht. Litterariſche Rundſch qu. H. Schucht, Geognoſie des Okerthals. Mit einem geognoſtiſchen Profil. (Stolles Harzbibliothek Nr. 16.) Harzburg, C. R. Stolles Harzverlag. 1889. Preis 1 Mark. Das kleine Büchlein gibt in allgemein verſtändlicher Weiſe, „Geologen zur leichten Orientierung und Harzrei⸗ ſenden zur Belehrung“, eine gedrängte Ueberſicht über die in der Umgegend von Oker vorkommenden geognoſtiſchen Horizonte und die ihnen eigentümlichen Mineralien und Geſteine. Beſonders ſchätzenswert ſind die zahlreichen ge⸗ nauen Fundortsangaben und das recht umfangreiche, nach Formationsabteilungen und Fundorten angeordnete Ver⸗ zeichnis von Verſteinerungen, welche zwiſchen der Innerſte und der Radau, ſowie am Harzrande gefunden ſind. Straßburg. Profeſſor Dr. Bücking. Humboldt. — Februar 1890. 69 H. Baumbauer, Das Aeich der Kryſtalle. Für jeden Freund der Natur, insbeſondere für Mine— ralienſammler leichtfaßlich dargeſtellt. Leipzig, Wilhelm Engelmann. 1889. Preis 8 Mark. Während an reich illuſtrierten populären Werken über den Bau und das Leben der Pflanzen und Tiere kein Mangel iſt, fehlte bisher eine Schrift, welche in allgemein verſtändlicher Weiſe die Bildung, das Wachstum und den Bau der Kryſtalle etwas eingehender behandelte. Eine derartige Darſtellung ſtößt in der That auf ganz beſondere Schwierigkeiten. Es gehört eine gewiſſe, nicht bei jedem vorauszuſetzende und nicht in jedem hervorzurufende Vor— ſtellungsgabe und eine gewiſſe ſtereometriſche Begabung dazu, die mannigfachen regelmäßigen Formen der Kryſtalle und ihre geſetzmäßigen Beziehungen zu einander richtig aufzufaſſen und zu verſtehen; auch iſt bei der Beſchreibung und der Bezeichnung der verſchiedenen Kryſtallformen eine exakte mathematiſche Behandlungsweiſe, welche nicht nach jedermanns Geſchmack iſt, nicht wohl zu entbehren. Trotz dieſer Schwierigkeiten hat Baumhauer in dem vorliegenden Werk ſeine Aufgabe, die Kryſtallwelt in leichtfaßlicher Weiſe zu betrachten, ſehr gut gelöſt. An der Hand ſehr ſchöner, zum Teil von ihm ſelbſt nach der Natur angefertigter Zeichnungen behandelt er zunächſt die Bildung und das Wachstum der Kryſtalle, dann ihre allgemeinen geometriſchen, phyſikaliſchen und chemiſchen Eigenſchaften, insbeſondere die Symmetrieverhältniſſe, die Schlagfiguren, Aetzfiguren, die einfache und doppelte Lichtbrechung, den Heteromor— phismus und Iſomorphismus, die Morphotropie, ferner die Pſeudomorphoſen und das Vorkommen der Kryſtalle. In dem umfangreicheren ſpeziellen Teil werden der Reihe nach die einzelnen Kryſtallſyſteme und als Beiſpiele eine große Menge der wichtigſten kryſtalliſierten Subſtanzen in recht ausführlicher Weiſe beſprochen. Jedem, welcher an der Beſchäftigung mit dem Reich der Kryſtalle Freude em⸗ pfindet und tiefer in das Weſen derſelben eindringen will, kann das vorliegende Buch als ein bequemer, ſicherer und verſtändnisreicher Führer auf das wärmſte empfohlen werden. Straßburg. Profeſſor Dr. Bücking. 3. van Bebber, Tehrbuch der Meteorologie für Studierende und zum Gebrauch in der Praxis. Mit 120 Holzſchnitten und 5 Tafeln. Stuttgart, Ferdinand Enke. 1890. Preis 10 Mark. Vorſtehendes Lehrbuch iſt in erſter Linie für Stu— dierende beſtimmt, ſoll aber auch als Leitfaden für Vor— träge und als Nachſchlagewerk für die Reſultate der neueren meteorologiſchen Forſchungen dienen. Dabei hat es ſich der Verfaſſer zur Aufgabe geſtellt, einen Mittelweg einzu— ſchlagen zwiſchen denen, welche in den Lehrbüchern von Sprung und Mohn befolgt ſind, von welchen das erſtere die Meteorologie vom überwiegend theoretiſchen und das letz— tere mehr vom populären Standpunkt behandelt. Zu dieſem Zwecke iſt von der Entwickelung mathematiſcher Formeln und Auseinanderſetzungen abgeſehen und ſind nur die Reſultate angegeben, zu welchen die neueſten For— ſchungen auf dem Gebiete der theoretiſchen Meteorologie geführt haben. Dadurch, daß die Aufgabe, welche ſich der Verfaſſer geſtellt hat, in vollkommenſter Weiſe gelöſt iſt, wird der Leſer in den Stand geſetzt, ſich mit den Reſul— taten der neueſten meteorologiſchen Forſchungen, die ſonſt oft mühſam zuſammengeſucht werden müſſen, in dem vor— liegenden Lehrbuch aber überſichtlich zuſammengeſtellt ſind, ohne beſondere Mühe bekannt zu machen. Als Hauptwert des Werkes ließe ſich vielleicht angeben, daß in ihm ge— rade diejenigen Abſchnitte der Meteorologie ganz beſonders eingehend behandelt ſind, auf welche ſich die Forſchungen der neueſten Zeit vorzugsweiſe erſtreckt haben, wie die Abſchnitte V, VIL und IX über die Bewegung der Luft, über die elektriſchen Erſcheinungen und über die Wechſel— wirkung der meteorologiſchen Elemente. Den letzteren Gegenſtand zu behandeln war wohl niemand mehr be— rufen als der Verfaſſer, welchem es bekanntlich gelungen iſt, aus mühſamen Zuſammenſtellungen gewiſſe Zugſtraßen der barometriſchen Minima feſtzuſtellen, die teils nach der gleichzeitigen Lagerung der barometriſchen Maxima, teils nach den einzelnen Jahreszeiten verſchieden ſind. Dieſe Unterſuchungen haben den Schlüſſel geliefert zu dem XI. und letzten Abſchnitt des Lehrbuchs über praktiſche Meteo— rologie (Wettertelegraphie). Abgeſehen davon, daß der Leſer hier eine kurze Geſchichte der Wettertelegraphie und die Einrichtung der in den einzelnen Ländern (namentlich Deutſchland) eingeführten Syſteme angegeben findet, er— hält er auch eine Anleitung zum Aufſtellen von Wetter— prognoſen. An der Hand der gefundenen Vorſchriften wird gezeigt, wie aus den ſynoptiſchen Wetterkarten be— ſtimmt werden kann, welcher charakteriſtiſche Wettertypus vorhanden iſt und welche Veränderungen in der Witterung wahrſcheinlich find. Auf dieſe Weiſe iſt es dem Lefer möglich gemacht, eine den Wetterkarten entſprechende Pro— gnoſe ſelbſt aufzuſtellen und ſich von dem Werte derſelben aus eigener Erfahrung zu überzeugen. Beſonders zu rüh⸗ men iff noch an dem Werk, daß die Thatſachen durch hinz zugefügte Beobachtungen belegt und daß dieſe in überſicht⸗ lichen Tabellen zuſammengeſtellt ſind. Deshalb wird das Studium des Werkes auch namentlich für den Anfänger bildend ſein, weil derſelbe derartige Tabellen mit Verſtänd— nis leſen und aus ihnen Reſultate ziehen lernt. Aus dieſem allen ergibt ſich, daß das vorliegende Lehrbuch zu den Werken gehört, welche in keiner meteorologiſchen Bi— bliothek fehlen dürfen und welche zur Verbreitung von meteorologiſchen Kenntniſſen weſentlich beizutragen geeignet ſind. Die äußere Ausſtattung des Werkes iſt gut, die Holzſchnitte ſind deutlich und die hinzugefügten Karten über die Iſothermen des Januar und Juli, die Oberflächen- Iſothermen für Februar und Auguſt, die Iſobaren und Winde im Januar und Juli überſichtlich und den neueſten Forſchungen entſprechend. Auch dürfte die letzte Karte, welche Zeichnungen der verſchiedenen Wolkenformen ent— hält, dem Leſer erwünſcht ſein, da aus ihr erſichtlich iſt, wie ſchwierig es ſein dürfte, eine neue Nomenklatur für die Wolkenformen einzuführen, welche allen Anforderungen genügt. Eberswalde. Prof. Dr. A. Mlüttrich. G. Hempel und K. Wilhelm, Die Bäume und Sträucher des Waldes in botaniſcher und forſt⸗ wiſſenſchaftlicher Beziehung. Wien und Olmütz, E. Hölzel. 1889. In Lieferungen zu 2,70 Mark. Mit der vorliegenden erſten Lieferung beginnt ein groß angelegtes Werk zu erſcheinen, welches in weiten Kreiſen beifälliger Aufnahme ſicher iſt. Dasſelbe wendet ſich in erſter Reihe an die Forſtwirte, aber die Darſtellung iſt eine ſo feſſelnde und allgemein verſtändliche, daß auch jeder Freund des Waldes das Werk mit Freude und Nutzen leſen kann. Die erſte Lieferung gibt zunächſt eine allge— meine botaniſche Beſprechung von Baum und Strauch, be- handelt die Bedingungen des Baumlebens, die Abhängig— keit von äußern Faktoren, die Luft- und Bodennahrung, die Bedeutung von Licht, Waſſer, Wärme und beſpricht dann die Einteilung der Holzpflanzen. Die beiden folgenden, ſehr anziehend geſchriebenen Kapitel handeln vom Beftand und vom Wald, vom Urwald und Forſt, vom Wald im Dienſte der Geſamtheit, von Waldſchutz und Forftwirt- ſchaft. Damit iſt der allgemeine Teil beendet und der ſpezielle beginnt mit den Nadelhölzern und zwar mit einer Einleitung, die am Schluß der Lieferung abbricht. Das Werk erſcheint in großem Quartformat in vornehmſter Ausſtattung und bringt im Text eine Reihe mufterhaft ausgeführter Holzſchnitte, welche in dieſer Lieferung die Morphologie und Anatomie der Holzgewächſe ſehr gut illu— ſtrieren. Außerdem aber bringt die Lieferung drei farbige Tafeln, welche die wichtigſten Teile der Fichte, der Tanne und der Weimutskiefer darſtellen. Die Tafeln gehören zu dem Beſten, was in dieſer Art vorliegt, ſie ſind treu und lebenswahr mit großer Sorgfalt von W. Liepoldt aus— geführt und dürften jeden Freund des Waldes erfreuen. 70 Humboldt. — Februar 1890. Wenn die Arbeit in gleicher Weiſe fortſchreitet, ſo werden die 60 Farbendruckbilder, welche das Werk bringen ſoll, eine Leiſtung darſtellen, wie ſie in ähnlicher Vortrefflich⸗ keit bei ſo niedrigem Preiſe noch niemals geboten worden iſt. Das ganze Werk iſt auf 61 Bogen Text mit zahl⸗ reichen Abbildungen berechnet und ſoll in 20 Lieferungen erſcheinen, die pünktlich in Zwiſchenräumen von je zwei Monaten ausgegeben werden. Wir wünſchen den Ver⸗ faſſern des in ernſter, zielbewußter Weiſe dem Wohle des Waldes dienenden Werkes und auch dem Verleger, welcher ſich zu einer ſo großen Publikation entſchloß, daß das Werk in den weiteſten Kreiſen die günſtige Aufnahme finden möge, die es in ſo hohem Grade verdient. Friedenau. Dammer. Bibliographie. Bericht vom Monat November und Dezember 1889. Allgemeines. Buſemann, L., Naturkundliche Volksbücher. 2. wohlf. Ausg. 2 Bde. in 4 Halbbdn. Braunſchweig, Vieweg. A Halbbd M. 2. 50. Falb, R., Von den Umwälzungen im Weltall. 3 Bücher: In den Re⸗ gionen der Sterne. — Im Reiche der Wolken. — In den Tiefen der Erde. 3. Aufl. Wien, Hartleben. M. 4. 50. Hähn, E., Illuſtrierte Naturgeſchichte f. die Volksſchule. 4. Aufl. Mann⸗ heim, Bensheimer. M. —. 50. : Hentſchel, W., Ein naturphiloſophiſches Problem. Leipzig, Fritſch. M. —. 60, : Kauer, A., Naturlehre für Lehrer⸗ u. Lehrerinnen⸗Bildungsanſtalten. 2. Tl.: Chemie. 4. Aufl. Wien, Hölder. M. 1. 80. Löffler, C., 37 Unterrichtsſtunden in der Naturlehre. Bruhn. M. —. 40. Mühlberg, F., Der Zweck u. Umfang des Unterrichts in der Natur⸗ geſchichte am Gymnaſium. Vortrag. Aarau, Sauerländer. M. 1. Oſtwalds Klaſſiker der exakten Wiſſenſchaften. Nr. 6—8. Inhalt: 6. Ueber die Anwendung der Wellenlehre auf die Lehre vom Kreis⸗ laufe d. Blutes u. insbeſondere auf die Pulslehre v. E. H. Weber. Hrsg. von M. v. Frey. — 7. Unterſuchungen über die Linge des einfachen Sekundenpendels von F. W. Beſſel. Hrsg. v. H. Bruns. — 8. I. Verſuch einer Methode, die Maſſen der Elementarmolekeln der Stoffe u. die Verhältniſſe, nach welchen ſie in Verbindungen ein⸗ treten, zu beſtimmen, von A. Avogadro. — II. Brief des Herrn Am⸗ pere an den Herrn Grafen Berthollet, Ueber die Beſtimmung d. Ver⸗ hältniſſe, in welchen ſich die Stoffe nach der Zahl u. der wechſel⸗ ſeitigen Anordnung der Molekeln, aus denen ihre integrierenden Partikeln zuſammengeſetzt ſind, verbinden. Hrsg. v. W. Oſtwald. Leipzig, Engelmann. M. 5. 20. Schillings, S., Kleine Schul⸗Naturgeſchichte der drei Reiche. Neubearbei⸗ tung durch R. Waeber. 3 Tle. (18. Bearbeitg., 1. Druck der von R. Waeber beſorgten Neugeſtaltg.] Inhalt; I. Das Tierreich. 2. A. Das Pflanzenreich nach dem Linnéſchen Syſtem. 3. Das Mineral⸗ reich. Breslau, Hirſch. M. 3. 50. Schindler, F., Phyſik u. Chemie f. Bürgerſchulen. In 3 konzentr. Lehr⸗ ſtufen. 2. unter Mitwirkg. v. J. Mich umgearb. Aufl. Leipzig, Freytag. a M. —. 60. Schleſinger, J., Ueber das Weſen d. Stoffes u. d. allgemeinen Raumes. Wien, Hölder. M. —. 54. Settegaſt, H., Der Darwinismus in ſeinem Verhältnis zur Naturfor⸗ ſchung, Religion u. Freimaurerei. Berlin, Parey. Swoboda's Naturlehre f. Bürgerſchulen. Umgearb. v. L. Mayer. 1. u. 2. Stufe, gr. 80. I. 10. Aufl., II. 6. Aufl. Wien, Hölder. M. 1. 54. Twiehauſen, O., Der naturgeſchichtliche Unterricht in ausgeführten Lek⸗ tionen. 3. Abtlg. Oberſtufe. Leipzig, Wunderlich. M. 2. 80. Weinberg, A., Die Organiſation u. Methodik des Unterrichtes in der Warenkunde u. den Naturwiſſenſchaften an kommerziellen u. indu⸗ ſtriellen Lehranſtalten. Wien, Pichler & Sohn. 5 PB hyfik. Adler, G., Allgemeine Sätze über die elektroſtatiſche Induktion. Leipzig, Freytag. M. —. 80. Czermak, P. u. V. Hausmaninger, Feldſtärkemeſſungen an einem Ruhmkorffſchen Elektromagneten. M. 1. Geigel, R., Die Frage nach d. Schwingungsrichtung polariſierten Lich⸗ tes. Würzburg, Stahel. M. 2. Gerland, E., Beiträge zur Geſchichte der Phyſik. Fortſetzung des Ver⸗ zeichniſſes der bis auf unſere Zeit erhaltenen Orig.-Wpparate. Leip⸗ zig, Engelmann. M. —. 50. Gleichen, A., Die Haupterſcheinungen der Brechung u. Reflexion d. Lich⸗ tes, dargeſtellt nach neuen Methoden. Leipzig, Teubner. M. 1. 60. Helmholtz, R v., Die Licht⸗ u. Wärmeſtrahlung verbrennender Gaſe. Gekrönte Preisarbeit. Simion, Berlin. M. 4. Iſenkrahe, C., Ueber die Fernkraft u. das durch Paul Du Bois⸗Rey⸗ mond aufgeſtellte dritte Ignorabimus. Leipzig, Teubner. M. 1. Julius, W. H, Die Licht⸗ u. Wärmeſtrahlung verbrannter Gaſe. Ge⸗ krönte Preisarbeit. Simion, Berlin. M. 5. Kittler, E., Handbuch der Elektrotechnik. 2. Bd. 1. Hölfte. Stuttgart, Enke. M. 10. Klimpert, R., Lehrbuch der allgemeinen Phyſik [die Grundbegriffe u. Grundſätze der Phyſikl. Bearbeitet nach Syſtem Kleyer. Stuttgart, Maier. M. 8. Koller, H., Ueber den elektriſchen Widerſtand v. Iſolatoren bei höherer Temperatur. Leipzig, Freytag. M. —. 80. Meutzner, P., Lehrbuch der Phyſik im Anſchluß an Prof. Weinholds phyſikaliſche Demonſtrationen u. Vorſchule der Experimentalphyſik. Ein Leitfaden f. den phyſikal. Unterricht an höheren Lehranſtalten. 2. Aufl. Leipzig, Fues. M. 2. 50. Thomſon, J. J., Anwendungen der Dynamik auf Phyſik u. Chemie. Autoriſierte Ueberſetzung. Leipzig, Engel. M. 6. Braunſchweig, Tuma, J., Ueber Beobachtung der Schwebungen zweier Stimmgabeln mit Hilfe des Mikrophones. Leipzig, Freytag. M. —. 70. Tumlirz, an Das mechaniſche Aequivalent des Lichtes. Leipzig, Frey⸗ tag. M. —. 50. Weber, H., Elektrodynamik mit Berückſicht. der Thermoelektrizität, der Elektrolyſe u. der Thermochemie. Braunſchweig, Vieweg. 8. Weyrauch, J. J., Robert Mayer, der Entdecker d. Prinzips v. der Er⸗ haltung der Energie. Aus Anlaß der Enthüllung ſeines Stuttgarter Denkmals. Stuttgart, Wittwer. M. 1. 2. Wolff, W., Vollſtändiges Sachregiſter zu: Die Phyſik auf Grundlage d. Erfahrung v. A. Mouſſon. 3 Bde., 3. Aufl. Zürich, Schultheß. M. 2. Zimmermann, W. F. A., Naturkräfte u. Naturgeſetze. Ein populäres Handbuch der Phhſik zum Selbſtunterricht. 4. Aufl. 2. Tl., bearb. von F. Matthes. 4 Abtlan. Berlin, Dümmler. M. 8. Chemie. Arnold, C., Repetitorium der Chemie 3. Aufl. Hamburg, Voß. M. 6. Claſſen, J., Beobachtungen über die ſpezifiſche Wärme des flüſſigen Schwefels. Hamburg, Graefe. M. 1. 20. Fiſcher, E., Anleitung zur Darſtellung organiſcher Präparate. 3. Aufl. Würzburg, Stahel. M. 1. 80. Freſenins, R., Chemiſche Analyſe der Kaiſer⸗Friedrich⸗Quelle [Natron⸗ Lithionquelle] zu Offenbach am Main, unter Mitwirkg. v. E. Hintz. Wiesbaden, Kreidel. M. —. 60. Freſenius, C. R., Chemiſche Analyſe der Solquelle „Paul 1“ in der Badeanſtalt „Solquelle Paul 1“ (Paulſtr. 6), Filiale vom Admirals⸗ garten⸗Bad zu Berlin, unter Mitwirkung v. H. Freſenius. Wies⸗ baden, Kreidel. M. —. 80. Hezel, A., Beiträge zur Kenntnis d. Ketone. Königsberg, Koch. M. 1. Holtzapfel, W., I. Ueber die Gewinnung v. Thiophenolen aus Amido⸗ verbindungen. II. Azobenzo laceteſſigſäureamid. Göttingen, Vanden⸗ eae & Ruprecht. M. 1. Maiſch, H. C. C., I. Ueber die Einwirkung v. Säurechloriden auf Phe⸗ noläther. II. Zur Kenntnis des Bors. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. M. 1. Margules, M., Ueber d. Abweichung eines komprimierten Gasgemiſches vom Geſetz des Partialdruckes. Leipzig, Freytag. M. —. 50. Oſt, H., 8 der techniſchen Chemie. (1. Abt.) Berlin, Oppen⸗ eim. 11. Roß, W. A., Das Lötrohr iu der Chemie u. Mineralogie. Enth. alle bekannten Verfahren der trockenen Analyſe, viele Uebungsbeiſpiele u. Anweiſungen z. Anfertigung v. Apparaten. Nach der 2. engl. Aufl. i 0 übertragen v. B, Kosmann. Leipzig, Quandt & Hän⸗ del. 8 (Os Schachtebeck, F., Ueber einige Derivate d. Metanitrotoluols. Einwir⸗ kung von alkaliſcher Ferricyankaliumlöſung auf Meta⸗ u. Ortho⸗ methyltolylketon. Göttingen Vandenhoeck & Ruprecht. M. —. 80. Steffen, W., Lehrbuch der reinen u. techniſchen Chemie. Anorganiſche Experimental⸗Chemie. 1. Bd.: Die Metalloide. Bearb. nach Syſtem Kleyer. Stuttgart, Maier. M. 16. Welzel, A., Ueber den Nachweis d. Kohlenoxydhämoglobins. Würzburg, Stahel. M. —. 80. Aſtronomie. Broſinsky, A., Ueber die Vergrößerung d. Erdſchattens bei Mondfinſter⸗ niſſen. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. 25 Buſchbaum, C., Unterſuchungen über die Bahn d. Kometen 1886 IX (Barnard⸗Hartwig). Göttingen, Vandenhoeck. M. 2. 40. Charlier, C. V L., Ueber die Anwendung d. Sternphotographie zu Helligkeitsmeſſungen der Sterne. Publikation der Aſtronom. Geſell⸗ ſchaft XIX. Leipzig, Engelmann. M. 3. Haerdtl, E. Frhr. v., Die Bahn d. periodiſchen Kometen Winnecke in den J. 18581886. II. Tl. Leipzig, Freytag. M. 2. Israel⸗Holzwart, K., Abhandlungen aus der mathematiſchen Aſtro⸗ nomie. Halle, Schmidt. M. 2. 40. Oekinghaus, E., Ueber die Bewegung der Himmelskörper im wider⸗ ſtehenden Mittel. Halle, Schmidt. M. — 60. Pnblikationen d. aſtrophyſikal. Obſervatoriums zu Potsdam. Nr. 24. 6. Bde. 4. Stück. Inhalt; Meteorologiſche Beobachtungen in den J. 1884—1887. Bearb. v. P. Kempf. Leipzig, Engelmann. M. 8. Rebeur⸗Paſchwitz, E. v., Hilſstafeln zur Berechnung der Parallaxe f. 9 . u. Planctenbeobachtungen nach Hanſen. Karlsruhe, Braun. M. 1. Veröffentlichungen der großherzogl. Sternwarte zu Karlsruhe. Hrsg. v. W. Balentiner, 3. Hft. Karlsruhe, Braun. M. 16. Weyer, G. D. E., Kurze Azimuthtafel f. alle Deklinationen, Stunden⸗ winkel und Höhen der Geſtirne auf beliebigen Breiten. Hamburg, Fricdrichſen. M. 3. 5 Geographie. Abhandlungen, geographiſche, Hrsg. v. A. Penck. 4. Bd. 1. Hft. Wien, Hölgel. M. 5. Inhalt: Die phyſiſche Erdkunde im chriſtlichen Miſtel⸗ Humboldt. — Februar 1890. 71 alter. Verſuch einer quellenmäßigen Darſtellung ihrer hiſtor. Ent⸗ wickelung v. K. Kretſchmer. Beiträge zur Hydrographie d. Großherzogt. Baden. Hrsg. v. dem Zen⸗ tralbureau f. Meteorologie u. Hydrographie. 6. Heft. Karlsruhe, Braun. M. 25. Inhalt: Hydrographiſche u. waſſerwirtſchaftliche Beſchreibung des Flußgebietes der Hauenſteiner Alb im ſüdlichen Schwarzwald. Büttner, R., Reiſen im Kongolande. Ausgeführt im Auftrage d. 55 kan. Geſellſchaft in Deutſchland. 2. Aufl. Leipzig, Hinrichs. M. Fabricius, D., Island u. Grönland zu Anfang des 17. Jahrh., an; u. bündig nach wahrhaften Berichten beſchrieben. In eres u. Ueberſetzg. hrsg. u. m. geſchichtl. ooo verſehen v K. Tan⸗ nen. Bremen, Silomon. M. 1. Flegel, E., Vom Niger-Beniie. Briefe A Afrika. Hrsg. v. K. Flegel. Leipzig. Friedrich. M. 3. 1 ae 85 95 0 Landes- u Volkskunde. Hrsg. v. A Kirch⸗ off. 4 Hft. Stuttgart, Engelhorn. M. 8. Inhalt: Die ee ferme in deutſchen Gebirgen. Von F. Ragel. Metzger, E., Württembergiſche Forſchungsreiſende u. See des 19. Jahrh. Stuttgart, Kohlhammer. . Nordenſkiölds Vegafahrt um Aſien u. Europa. Nach N.“'s Berichten 5 F bearbeitet v. E. Erman. 2. Aufl. Leipzig, Brock⸗ aus. Petermanns, A., Mitteilungen aus J. Perthes' geographiſcher Anſtalt. Hrsg. v. A. Supan. Ergänzungsheft Nr. 96. Inhalt: Beiträge zur nähern Kenntnis der braſilianiſchen Provinz Sao Pedro do Rio Grande do Sul. Reiſen u. Beobachtgn. 9 der J. 1875—1887 v. M. Beſchoren. Gotha, Perthes. 5 Proskowetz, M. v., Vom Newaſtrande nach l Durch Ruß⸗ land, auf neuen, Geleiſen nach Inner⸗Aſien. Mit einer Einleitg. v. H. Vambéry. Wien, Hölzel. M. 12. Reiſen, die, des Chriſtoph Columbus 1492—1504. Nach ſeinen eigenen Briefen u. Berichten veröffentlicht 1536 v. Biſchof Las Caſas, ſeinem Freunde, u. Fernando Columbus, deinem Sohne. Aufgefunden 1791 u. veröffentlicht 1826 v. Don M. F. v Navarette. In das Deutſche übertragen v. Fr. Pr. Leipzig, Hinrichs. M. 5. Schmidt, W., Zum Unterrichte in der mathematiſchen Geographie am Untergymnaſtum nach dem Lehrplane u. den Inſtruktionen vom J. 1884. Wien, Hölder. M. 1. Meteorologie. phe F., Ueber den jährlichen s der meteorologiſchen Elemente ae Prag, Calve. M. 7. 2 Eiſter, J „ u. H. Geitel, Meſſungen A normalen Potentialgefälles der atmoſphär. Elektricität in abſolutem Maße. Leipzig, Freytag. M. 1. Exner, F, Beobachtungen über e äriſche Elektricität in den Tro- pen. J. Daſelbſt. M. —. 50 Exuer, K., Ueber hie. 1 Höfe und die Ringe behauchter Platten. Daſelbſt. M. — Jahresbericht d. teeta thine le f. Meteorologie u. Hydrographie im Großherzogtum Baden, nebſt den Ergebniſſen der meteorolog. Be- obachtungen u d. Waſſerſtandsaufzeichnungen am Rhein u. an ſeinen größeren Nebenflüſſen f. d. J. 1888. Karlsruhe, Braun. M. 5. 40. Jahresbericht d forſtlich⸗-phänologiſchen Stationen Deutſchlands. Hreg. im Auftrag des Vereins deutſcher forſtlicher Verſuchsanſtalten von der großh. heſſ. Verſuchsanſtalt zu Gießen. IV. Jahrg. 1888. Berlin, . ate 7 Koſtlivy, S gue die Temperatur v. Prag. Prag, Calve. M. 1. 20 Lamprecht, G., Wetter, Erdbeben u. Erdenringe. Beiträge zur aſtro⸗ nom. u. Sauna Begründung der Wetterkunde. Zittau, Pahl. 1. 50. Rothpletz, A., Das Klima v. Tenerife. Halle, Schmidt. M. —. 80. Mineralogie, Geologie, Paläontologie. Abhandlungen zur geologiſchen 5 ae a a u. den Thü⸗ ringiſchen Staaten. 8. Bd. 4. Hft., 9. Bd. 2. Hft. Inhalt: VIII, 4. Anthozoen d. rheiniſchen Mute. se oe v. C. Schlüter. — ne 1. Die Echiniden d. nord- u. mitteldeutſchen Oligocäns. Von Th. Ebert. — 2. R. Caſpary: Einige foſſile Hölzer Preußens. Nach dem handſchriftl. Nachlaſſe des Verfaſſers bearbeitet v. R. Triebel. Berlin, Schropp. M. 32. . zur geologiſchen Spezialkarte v. Elſaß⸗Lothringen. 3. Bd. Inhalt: Die Selachier aus dem oberen Muſchelkalk Loth— 1 Von O. Jaekel. Straßburg, Straßburger Druckerei. M. 4. Abhandlungen, paläontologiſche, hrsg. v. W. Dames u. E. Kayſer. Neue Folge. 1. Bd. 2. Hft. Inhalt: Beiträge zur Kenntnis d. foſ⸗ filen Flora einiger Inſeln des ſüdpazifiſchen u. indiſchen Ozeans. Von L. Grié. Jena, Fiſcher. M. 9. Auſtant, J. L., Les Parnassiens de la faune paléarctique. Leip⸗ zig, Heyne. M. 24. Bielz, E. A., Die Geſteine Siebenbürgens. M I. Biſching, A., Mineralogie u. Geologie f. Lehrer- u. Lehrerinnen-Bil⸗ dungsaußſalten 2. Aufl. Wien, Hölder. M. 1. 80. 3 Der geologiſche Bau der Inſel Kaſos. 80. Hermannſtadt, Michaelis. Leipzig, Frey⸗ ag 2 Deecke, W. Ueber Fiſche aus verſchiedenen Horizonten d. Trias. Stutt⸗ gart, Schweizerbart. 0 Gtringelauten, C. Frhr. v., Das n Florenelement in Europa. 7 J. ne u. Qubensty. M. Felix, J., u. H. Lenk, Beiträge zur b u. Paläontologie d. Re⸗ publit Beto, 1h Tl. Leipzig, Felix. 10. Gottſche, C., Kreide u. Tertiär bei Hemmoor in Nord⸗Hannover. Ham⸗ burg, Graefe. M. — 80. Haege, Th. Die Mineralien des n u. der angrenzenden Be⸗ zirke. Siegen, Montanus. M. 1. 50. iter, V.. 1 Geſteine d. galiziſchen Diluviums. Leipzig, Frey⸗ —. 70 Golzan fel, E., Die Mollusken der Aachener Kreide. II. Abt.: branchiata. Stuttgart, Schweizerbark. Mü 40. Lamelli- ( Karakaſch, N., Ueber einige Neofomablagerungen in der Krim. Leipzig, Freytag. u —. 70 Reibenſchuh, A F., Die Thermen 15 3 Steiermarks. Graz, Leuſchner & Lubensky. M. Repetitorium d. allgemeinen u. Wellen Mineralogie Nach den beſten Quellen f. Studierende der Medizin bearb. Wien, Deuticke. M. 1. Rothe, L., Kryſtallnetze zur Verfertigung der beim mineralogiſchen An- ſchauungsunterricht vorkommenden eee Kryſtallgeſtalten. 3 Taf. in Fol, Mit erläut. Text. 9. Aufl. Wien, Pichler. M. —. 60. Schmidt, A., Geologie des Münſterthals im badiſchen Schwarzwald. 3 Tl.: Erzgänge u. Bergbau. Heidelberg, Winter. M. 3. 60 Spezialkarte, geologiſche, v. Preußen u. den Thüringiſchen Staaten. 1: 25000. Hrsg. v. der k preuß. geolog. Landesanſtalt u. Berg⸗ akademie. 42. Lfg. Inhalt: Grad⸗Abt. 43, Nr. 28. Tangermünde. — Nr. 29. Jerichow. — Nr. 30. Vieritz. — Nr. 33. Schernebeck. — Nr. 34. Weißewarthe. — a 35. Genthin. — Nr. 36. Schla⸗ genthin. Berlin, Parey. M. Spezialkarte, geologische, d. Aönigr. Sachſen. Hrsg. vom k. Finanz⸗ miniſterium. Bearb. unter der Leitg. von H. Credner. Sekt. 103 Roſenthal-Hoher Schneeberg. Beard. v. F. Schalch. Leipzig, Engel⸗ mann. 3. Stefan, J., Ueber die Theorie d. Eisbildung, insbeſondere über die Eis⸗ bildung im Polarmeere Leipzig, Freytag. M. —. 40 Steinmann, G., u L. Döderlein, Elemente d. Paläontologie. 2. Hälfte. Leipzig, Engelmann. Kplt. M. 25. Ziegler, a M., Ein geographiſcher Text z. 950 dischen Karte d. Erde. Mit einem Atlas. Baſel, Schwabe. M. Botanik. Abromeit, Bericht über die 27. Geſamtſitzung des preuß. botaniſchen Vereins au Graudenz am 2. Oktober 1888. Königsberg, Koch. M. Biblivtheca, dies Abhandlungen aus dem Geſamtgebiete der Botanik. Herausg. v. F. H. Haenlein u. Ch. Luerſſen. 17. Heft. 1. Hälfte. Inhalt: Beiträge zur Kenntnis der Beſtäubungseinrich⸗ tungen u. Geſchlechtsverteilung bei den Pflanzen. Von A. Schulz. Caſſel, Fiſcher. Gigs Brick, C., Beitrag zur Kenntnis u. Unterſcheidung einiger Rothölzer, insbefondere derjenigen v Baphia nitida 4fz., Pterocarpus san- 1 L’Her. u. Pt. santalinus L. f. Hamburg, Graefe. Soa LR Burgerſtein, A., Materialien zu einer Monographie betr. die Erſchei⸗ nungen der Tranſpiration der Pflanzen. 2. Tl. Wien, Nöldert. M. 1. Büsgen, M., Beobachtungen über das Verhalten des Gerbſtofſes in den Pflanzen. Jena, Fiſcher. M. 1. 60. Engler, A., u. K. Prantl, Die natürlichen Pflanzenfamilien nebſt ihren Gattungen u. wichtigeren Arten, insbeſondere den Nutzpflanzen. 38. Lfg. Leipzig, Engelmann. M. 1. 50. Sobek A. P., Die Grundlagen der Bakteriologie. Rede. 80. ‘ea A., Repetitorium der Botanik für Mediziner, 5 u. Lehramtskandidaten. 3. Aufl. Würzburg, Stahel. M. 3 Hartig, R., Die anatomiſchen Unterſcheidungsmerkmale der cuistineéen in Deujehland wachſenden Hölzer. 3. A. München, Rieger. M. 1. Hefti, J. J., Ein Beitrag zur Kenntnis der ſpeziell in Zentraleuropa vorkommenden, ſowie der bekannteren fremden Giftpflanzen u. Pflanzen⸗ gifte, ihrer Anwendung, ſowie deren Gegengifte. Glarus, Baeſchlin. M. 2. Hintz, R., Ueber den mechaniſchen Bau des Blattrandes mit Periidjidti- gung einiger Anupaſſungserſcheinungen zur e der lokalen Verdunſtung. Leipzig, Engelmann. M. Hoffmann, F., Beiträge a Kenntnis der Gute v. Zentral⸗Oſt⸗Afrika. Sena, Dabis. M. 1. Juergenſon, K., Beiräge jut Pharmafognojie der Apocyneenrinden. Dorpat, Karow. M. I. Kara⸗Stojanow, Ch., Ueber die Alkaloide des Delphinium⸗Staphiſagria. Dorpat, Karow. ait Kärner, W., Ueber den Abbruch u. Abfall pflanzlicher Behaarung u. den Nachweis von Kieſelſäure in den Pflanzenhaaren. Leipzig, Engel⸗ mann. M. 2. Kraepelin, K., Exkurſionsflora f. Nord- u. Mitieldeutſchland. 3. Aufl. Leipzig, Teubner. Bs 5 55 K., Ueber den Einfluß des alpinen 8 auf die Ausbildung der Laubblätter. Bern, Wyß. M. —. Mayr, H., Die Waldungen v. Nordamerika, fee Holzarten, deren Anbau⸗ fähigteit u. forſtlicher Wert für Europa im allgemeinen u. Deutſch⸗ land insbeſondere. Nach im Auftrage des kgl. bayer. Staatsmini⸗ ſteriums der Finanzen unternommenen Reiſen u. Studien bearbeitet. München, Rieger. M. 18. Rottenbach, H., Zur Flora ene Landes. Meiningen, v. Eye. Schneider, G., Die Hieracien . Weſtſubeten. 1. Hft. Hirſchberg, Heilig. M. 2. 50. Schroff, C. v. Hiſtoriſche Studie über Paris quadrifolia L. Ein Bei⸗ trag ae Gedichte der Arzneimittellehre. Graz, Leuſchner & Lubensky. M. Schulze, ce u. E. Steiger, Unterſuchungen über die ſtickſtofffreien Reſerveſtoſſe der Samen v. Lupinus luteus u. über die Umwand⸗ lungen derſelben während des Keimungsprozeſſes. Berlin, Parey. M. 2. 1 3 Die Farne der böhmiſchen Kreideformation. Prag, Calve. Leipzig, Vogel. insbeſondere des Meininger Voigt, A. Lotaliſterung des ätheriſchen Ocles in den Geweben der Allium— Arten. Hamburg, Graefe. M. 1. Wagner, H., Flora des unteren Lahnthals mit beſonderer Berückſichti⸗ gung der näheren Umgebung v Ems. Zugleich mit einer Anleitung zum Beſtimmen der darin beſchriebenen Gattungen u. Arten. 2 Tle. Ems, Sommer. M. 3. 60. Wettſtein, R. v. Beitrag zur Flora des Orientes. Bearbeitung der v. Dr. A. Heider im Jahre 1885 in Piſidien u. Pamphylien geſammelten Pflanzen. Leipzig, Freytag. M. 1. 50 72 Wiesner, J., u. H. Moliſch, Unterſuchungen über die Gasbewegung in der Pflanze. eipzig, Freytag. 80. Zukal, H., Entwickelungsgeſchichtliche Unterſuchungen aus dem Gebiete der Ascomyeeten. Leipzig, Freytag. 40. Zoologie. Baranski, A., Tierproduktion. 1. Tl. der Haustiere. Wien, Perles. M. 4 Bernheimer, S., Ueber die Entwickelung u. den Verlauf der Markfaſern im Chiasma nervorum opticorum des Menſchen. Wiesbaden, Bergmann. M. 3. 60. Bertkau, Ph., u. G. H. Fowler, Bericht über die wiſſenſchaftlichen Leiſtungen im Gebiete der Entomologie während des Jahres 1888. (Cruſtacea 1887). Berlin, Stricker. M. 15. Boettger, O., Die Entwickelung der Pupa⸗Arten des e in Zeit u. Raum. Wiesbaden, Bergmann. M. Claus, C., Copepodenftudien. 1. Heft. Peltidien. Wien, Hölder. M. 28. = Zur Beurteilung des Organismus der Siphonophoren u. deren phylo⸗ genetiſcher Ableitung. Eine Kritik 80 E. Haeckels ſogen. Meduſom⸗ Theorie. Wien, Hölder. M. —. Experimente über Hin⸗ u. Rückflug er; Militärbrieftauben. Aus dem Italieniſchen überſetzt und mit einer Einleitung verſehen v. Fellmer. Berlin, Luckhardt. M. —. 60. Gegenbaur, C., Lehrbuch der Anatomie des Menſchen. 4. Aufl. (2 Bde.). Leipzig, Engelmann. Pro kompl. Bd. M. 24. Gruber, W. L., Monographie des Musculus flexor digitorum brevis pedis u. der damit in Beziehung ſtehenden Plantarmuskulatur bei dem Menſchen u. bei den Säugetieren. Leipzig, Freytag. M. 2. 80. Haller, B., Beitrage zur Kenntnis der Textur des Zentralnervenſyſtems höherer a l Wien, Hölder. M. 20. Handlirſch, A., Monographie der mit 1 5 u. Bembex verwandten ee 95 Leipzig, Freytag. M. 1. Haug, R., Ueber die Organiſationsfähigkeit 112 Schalenhaut des Hühner⸗ eies u. ihre Verwendung bei Transplantationen. Eine experimentelle chirurgiſch⸗hiſtologiſche Studie. München, Rieger. M. 4. Hayek, G. v., Handbuch der Zoologie. 4. Bd. 1. Abt. Vertebrata allantoidica: reptilia, aves. Wien, Gerolds Sohn. M. 6. EUnet, K., Die Embryonalentwickelung v. Hydrophilus piceus L. Tl. Jena, Fiſcher. M. 20. bereit R., Ueber die Konjugation der Infuſorien. M. 4 u. Raſſenlehre München, Franz His, W. Die Formentwickelung des menſchlichen Vorderhirns vom Ende des 1. bis zum Beginn des 3. Monats. Leipzig Hirzel. M. 2. 80. SRE M., u. H. Landois, Der Menſch u. die drei Reiche der Natur. Tl. Der Menſch und das Tierreich, in Wort und Bild für den Schulunterricht in der Naturgeſchichte dargeſtellt. 9. Aufl. Freiburg, Herder. M. 3. Kükenthal, W., Vergleichend⸗anatomiſche u. a ee Unterſuchungen an Waltieren. 1. Tl. Inhalt: Kap. 1. Die Haut der Cetaceen Kap. 2. Die Hand der Cetaceen. Kap. 3. Das Bentral= nervenſyſtem der Cetaceen. Gemeinſam mit Th. Ziehen. Jena, Fiſcher. M. 35. Langers, C. v., Lehrbuch der ſyſtematiſchen u. topographiſchen Ana⸗ tomie. 4. Aufl., bearb. v. C. Toldt. 1. Abt. Wien, Braumüller. Kompl. AG 14, Lilienthal, O., Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunſt. Ein Bei⸗ trag zur Syſtematik der Flugtechnik. Berlin, Gaertner. M. 10. Loeb, J., Der Heliotropismus der Tiere u. ſeine Uebereinſtimmung mit dem Heliotropismus der Pflanzen. Würzburg, Hertz. M. 4. ele — 5 90 bie 90 5 der Fibrillen des Bindegewebes. Leipzig, reytag — Medicus, W., Sflujiciectee Raupentatender, Kaiſerslautern, Gotthold. M. 2. Michaelſen, W., Die Gephyreen v. Süd⸗ 1 205 nach der Ausbeute der deutſchen Station von 1882—83, M. — e be des naturhiſtoriſchen Muſeumz 15 Hamburg. Hamburg, raefe Mitteilungen, concholvgiſche, als Fortſetzung der Novitates concho- logicae herausg. von E. v. Martens. 3. Bd. 1. u. 2. Hft. Caſſel, iſcher. M. 8. Müller, L. A., Ueber die topographiſchen Beziehungen des 1 9 5 gum Schädeldach. gr. 40. Bern, Schmid, Francke & Co. M. Nehring, A., Ueber Sus Celebensis u. Verwandte. (döhandlungen u. Berichte des kgl. zoolog. Muſeums zu Dresden 1888/89, herausg. v. A. B. Meyer, Nr. 2.) Berlin, Friedländer & Sohn. M. 6. Rehrling, H., Die nordamerikaniſche Vogelwelt. Unter künſtler Mit⸗ wirkung v. R. Ridgway, A. Goering u. G. Mützel. 1. Hft. Leipzig. Brockhaus. M. 4. Pfeffer. G., Zur Fauna v. Süd⸗Georgien. (Sonderdr.) M. 1. — Ueberſicht der v. Hrn. Dr. Frz. Stuhlmann in Aegypten, auf San⸗ Humboldt. — Februar 1890. ſibar u. dem gegenüberliegenden Feſtlande geſammelten ep ets 1 Fiſche, Mollusken u. Krebſe. Hamburg, Graefe. ae 1 0 alfaden für hiſtiologiſche Unterſuchungen. Jena, Fincher M. Rollett, . „Angiomiſche u. phyfiologijde 11 1 508 über die Muskeln der Fledermäuſe. Leipzig, Freytag. M. 1. Nubie⸗ F., Bilder aus der Tierwelt. Für Schule u. em geſammelt. Bd.: Säugetiere. Münſter, Aſchendorff. M. Leg Safer, Si, Ueber den feineren Bau foſſiler Knochen. Sah Freytag. M. II. Abt. 80. Schletterer; A., Wien, bilder. M. 2. Schultze, O., Ueber die Entwikelung der Medullarplatte des Froſcheies. Würzburg, Stahel. M. 2. Toldt, Baus u. Wachstumsveränderungen der Gekröſe des menſch⸗ lichen Darmkanals. 2. Abdr. Leipzig, Freytag. M. 6. Vogel, O., K. Müllenhoff, F. Kienitz⸗Gerloff, Leitfaden f. den Unter⸗ richt i ey 6 1. u. 2. Hft. Berlin, Winckelmann & Söhne. a M. Weber, H. . E, Das Haushuhn u. ſeine Arten. 2. Aufl. Aus deſſen Die eee der Evaniiden. Nachlaſſe gujammengeftett u. bearbeitet von C. Eberhard. 2 Bde. Hannover, Hahn. a M. Woſſidlo, P., Leitfaden der Suech f. höhere Lehranſtalten. 3. Aufl. Berlin, Weidmann. M. 3. Vhyſiologie. Beckmann, W., Experimentelle Unterſuchungen über den Einfluß des kohlenſ ſauren u. zitronenſauren Natron auf die Ausſcheidung der Al⸗ kalien. Dorpat, Karow. M. 1. 50. Danilewsky, B., Ergebniſſe weiterer en eee eee der Muskeln. Wiesbaden, Bergmann. 0 Dreher, E., Die Phyſiologie der Tonkunſt. Halle, Pfeffer. M. 2. 40. Flemmer, J., Ueber die peptiſche Wirkung des 1. beim Neus geborenen u. Fötus Dorpat, Karow. M. Großmann, M., Ueber die Atembewegungen des Kehlkopfes. I. Tl. Das Refpirationsjenteum insbeſondere des Kehlkopfes. Leipzig, Frey⸗ tag. 1 Hartmann, A., Vergleichende Unterſuchungen über den Hämoglobin⸗ gehalt in dem Blute der Arteria carotis u. der Vena jugularis Dorpat, Karow. M. 1. Horbaczewski, J., Unterſuchungen über die Entſtehung 40 Harnſäure im Säugetierorganismus. Leipzig, Freytag. M. — Kallmeyer, B., Ueber die Entſtehung der Gallenſäuren u. a Beteili⸗ gung der Leberzellen bei dieſem Prozeß. Dorpat, Karow. M. 1. Klemptner, L., Ueber die Stickſtoff⸗ u. Harnſäureausſcheidung bei Zu⸗ fuhr v. kohlensaurem reſp⸗ zitronenſaurem Natron. Dorpat, Karow. M. 1. Mantegazza, P., Die Hygieine der Lebensalter. Königsberg, Matz. M. 1. — Phyſiognomik u. Mimik. Ueberſetzt v. R. Löwenfeld. 2 Halbbde. Leipzig, Chloe: M 10. Matthieſſen, Beiträge zur 4 780 der Kryſtall⸗Linſe. 3. Folge. benen Bergmann. 15 Münſterberg, H., Beiträge zur gieren elke Psychologie. 2. Hft. Inhalt: Zeikſinn, Schwankungen der Aufmerkſamkeit. Augenmaß. Raumſinn des Ohres. Freiburg, Mohr. M. 4. Pflüger, E. F. 1 1 Die allgemeinen Lebenserſcheinungen. Rede. Strauß. M. Preyer, W., Biologiſche Zeitfragen. Darwin — Hypnotismus. Litteratur. M. 6. Sammlung kliniſcher Vorträge, Bonn, Schulreform — Lebenserforſchung = 2. Aufl. Berlin, Allg. Verein f. d. in Verbindung mit deutſchen Klinikern herausg. v. R. v. Volkmann. Nr. 346: Ueber Hypnotismus v. M. Nonne. Leipzig, Breitkopf & Härtel. M. —. 50. Schriften der Geſellſchaft f. Experimental⸗Pſychologie zu Berlin. II IV. Stück. Inhalt: II. III. Ueber pſychiſche Beobachtungen bei Natur⸗ völkern. Von A. Baſtian. — Die Magiker Indiens. Von F. v. Hellwald. — IV. Die ee u. ihre zivilrechtliche Bedeutung. Von A. v. Bentivegni. Leipzig, Günther. M. 3. Stilling, J., Pſeudo⸗iſochromatiſche Tafeln für die Prüfung des Farben⸗ ſinnes. 3. Aufl. Leipzig, Thieme. 8. Anthropologie, Elhnologie. e te R.. Ornamente der Dayaks. Vortrag. Wien, Pichler & Sohn. — Malerei 15 techniſche Künſte bei den Dayats. Wien, Hölder. M. 12. Kropf, A., Das Volk der Roſa⸗Kaffern im öſtlichen Südafrika nach 1 Geſchichte, Eigenart, Verfaſſung u. Religion. Berlin, Matthies. M. 2. Kubary, J. S., 8 une ie Beiträge zur Kenntnis des Karolinen⸗ archipels. (In s Lfgn.). 1 „fg. Leipzig, Winter. Pro kompl. M. 27. 50. Berichtigung. In der Notiz über die ſüdamerikaniſchen Grubenorte hat ſich durch Verwechſelung von Meter und Fuß eine Ungenauigkeit eingeſchlichen. Der Grubenort Cerro de Pasco in Peru liegt 4352, Huancavelica 3798 m über dem Meer, die Gruben ſelbſt liegen höher. Die Gruben am Cerro de Famatina in der Argentiniſchen Republik liegen in einer Höhe zwiſchen 40005000 m. Die De⸗ partementsſtädte Oruro und Potoſi liegen 3645, reſp. 3960 m über dem Meer, die benachbarten Gruben eben⸗ falls viel höher. Bd. VIII. S. 315 Sp. 1 Zeile 12 von unten lies: Coleophoriden ſtatt Coleopteriden. Die Algenflora der weſtlichen Oſtſee. Dr. P. Knuth in Kiel. is vor wenigen Jahren war Schleswig⸗ 9 Holſtein die botaniſch am wenigſten be⸗ kannte preußiſche Provinz. Mit einem Schlage hat ſich das geändert. Nicht nur iſt e ein erneuter Anſtoß gegeben worden, die Blüten— pflanzen dieſes Gebietes zu unterſuchen, ſondern auch den Blütenloſen iſt die Aufmerkſamkeit der Botaniker zugewandt worden. Eine vor kurzem erſchienene Arbeit von Profeſſor Reinke?) iſt die erſte Ver— öffentlichung auf dieſem Gebiete. Das auf der dieſem Werk beigefügten Vegetations— karte durch eine punktierte Linie bezeichnete Gebiet reicht von der Mitte der kanalartigen Verengerung des Kleinen Belt, von Heilsminde bis zur Mitte einer von Darſer Ort nach Gjedſer Odde gezogenen Linie. Durch letztere werden „zwei ihrem Salzgehalt nach verſchiedene Gebiete der Oſtſee voneinander getrennt mit einer Schärfe, wie ſie für keine ähnliche Be— grenzung der Oſtſee wieder hervortritt.“ Eine Arbeit, welche die Meeresalgen des ſo um— grenzten Gebietes behandelt hätte, gab es bisher nicht; doch finden ſich in einigen algologiſchen Werken hin und wieder Mitteilungen darüber. Die wichtigſte Arbeit iſt von P. Magnus in ſeinem Berichte über die botaniſchen Ergebniſſe der Expedition der Pomme— rania vom 16. Juni bis 2. Auguſt 1871 geliefert worden; doch hat die Litteratur Reinke nicht als Quelle gedient, ſondern er hat ſich lediglich auf ſeine eigenen Unterſuchungen oder auf die im Kieler Her— barium vorhandenen und kontrollierten Exemplare geſtützt. Die Aufgabe, welche gelöſt werden ſollte, *) J. Reinke, Algenflora der weſtlichen Oſtſee deutſchen Anteils. Eine ſyſtematiſch-pflan— zengeographiſche Studie. Separatabdruck aus dem VI. Bericht der Kommiſſion zur Unterſuchung der deutſchen Meere. Kiel 1889. Humboldt 1890. war eine doppelte: erſtens war zu ermitteln, welche Teile des Meeresgrundes überhaupt bewachſen waren (ſie ſind auf der Vegetationskarte rot punktiert), zweitens feſtzuſtellen, wie die einzelnen Arten in der Oſtſee verbreitet ſind. Die Abhängigkeit der aus Zoſtera und Algen beſtehenden Vegetation von der Beſchaffenheit des Meeresbodens läßt ſich zu folgendem Geſetze formu— lieren: „Feſter Meeresgrund iſt bewachſen, beweg- licher Meeresgrund iſt unbewachſen.“ Dabei bildet die Vier⸗Meterlinie im großen und ganzen eine Grenze für das Vorkommen mancher Arten. Nächſt der Bodenbeſchaffenheit iſt die Menge der im Waſſer auf— gelöſten Salze von beſtimmendem Einfluß auf den Charakter der Algenvegetation. Durch Unterſuchungen von H. A. Meyer (er iſt vor einigen Monaten in Kiel geſtorben) und durch die Pommerania-Expedition iſt nachgewieſen worden, daß der Salzgehalt des Oberflächenwaſſers von Weſten nach Oſten abnimmt, in der Tiefe dagegen viel konſtanter iſt. Das Ober— flächenwaſſer der weſtlichen Oſtſee beſitzt etwa den halben Salzgehalt des Nordſeewaſſers, während der des Waſſers größerer Tiefe ſich demjenigen der Nordſee viel weiter nähert und denſelben ſtellenweiſe ſogar erreicht. Es werden mithin in den flachen Meeresteilen nur ſolche Arten gedeihen können, die einem geringeren Salzgehalte angepaßt ſind, während diejenigen Formen, welche eines größeren Salz— gehaltes bedürfen, in der Oſtſee notwendig an die Tiefe gebannt ſind, doch wird auch der mit der Tiefe zunehmende Waſſerdruck von Einfluß auf die Ver— teilung der Algen ſein. Sodann iſt die Bewegung des Waſſers für das Pflanzenleben von Bedeutung, nicht zwar die Wellen bewegung und Brandung, wohl aber die Strömungen, welche dadurch veranlaßt werden, daß ſich Süßwaſſer aus den Flüſſen in das Meer ergießt. Hierdurch 10 74 Humboldt. — März 1890. entſteht ein ziemlich ſalzarmes Waſſer, deſſen Vege⸗ tation ſich, wie ſchon oben angedeutet, von dem ſalz⸗ reicheren unterſcheidet. f Die Algen des Gebietes ſind im ſtande, große Temperaturſchwankungen zu ertragen; in größeren Tiefen iſt die Temperatur allerdings gleichförmiger, doch ſchwankt ſie auch hier beträchtlich und betrug bei Sonderburg z. B. in einer Tiefe von 18 m faſt 14°. Die Oberfläche der Oſtſee bedeckt ſich von Zeit zu Zeit ganz oder teilweiſe mit Eis, welches an den Küſten durch mechaniſche Wirkung zahlreiche Algen vernichten kann. Der Einfluß der größeren oder geringeren Be- leuchtung, ſei es an ſonnigen oder beſchatteten Stellen, ſei es in größeren Tiefen durch die Abſorption des Lichtes durch die oberen Waſſerſchichten, ſcheint ein ſehr geringer zu ſein. Eine intereſſante Erſcheinung iſt die Verkümmerung mancher Formen, welche offenbar in ſalzreicherem Waſſer entſtanden ſind, in dem ſalzärmeren der Oſtſee. So verkümmern manche in der Nordſee kräftig entwickelte Algen in der Oſtſee und zwar um ſo mehr, je öſtlicher ſie gefunden werden. Dies gilt z. B. von Delesseria sinuosa und alata, Phyllo- phora rubens, Asperococeus echinatus, Ascophyl- lum nodosum, Phyllophora Brodaei. Nach diefen allgemeinen Bemerkungen zählt Reinke Seite 19—92 die im Gebiete beobachteten Algen auf, wobei er mitteilt, daß die Diatomeen, ſowie die früher zu den Flagellaten gerechneten Organismen mit braungelben Chromatophoren, ſowie auch einige grüne und blaugrüne, auf der Oberfläche treibende Algen ausgeſchloſſen ſind. Es werden 224 Arten mit einer großen Anzahl von Formen aufgezählt und zum Teil recht eingehend beſchrieben, ein Zeichen, ein wie reiches Arbeitsmaterial für vergleichend⸗ morphologiſche Unterſuchungen in der weſtlichen Oſtſee, ſpeziell in der Kieler Föhrde vorhanden iſt. Von den aufgefundenen Rhodophyceen und Phaeophyceen kommen 15 Arten = 12% noch im ſüdlichen Katte⸗ gat vor, nicht weiter nördlich und weſtlich. Es iſt möglich, daß einige derſelben in der Nordſee aufzu⸗ finden ſind; Reinke nimmt daher die Hälfte, 8 Arten = 6%, als im Gebiete endemiſch an. Solche Arten wären: Phyllophora Bangii, Halothrix lum- bricalis, Desmotrichum balticum und scopulorum, Gobia baltica, Halorhiza vaga, außerdem einige Formen wie Ascophyllum nodosum var. scorpioides und Asperococcus echinatus var. filiformis. Mit dem europäiſchen Anteil des nörd— lichen Atlantiſchen Ozeans nördlich von der Straße von Gibraltar teilweiſe mit Einſchluß des Mittelmeeres (atlantiſche Pflanzen) hat die weſt⸗ liche Oſtſee 33 Arten = 26 % gemeinſam; ſubark⸗ tiſche Arten, d. h. ſolche, welche ebenfalls im nörd⸗ lichen Atlantiſchen Ozean leben, nach Norden an der norwegiſchen Küſte über den Polarkreis hinübergreifen, aber noch vom Golfſtrom beeinflußt werden, ſind 26 Arten = 22,7 %; hemiarktiſche Arten, d. h. ſolche, welche im nördlichen Eismeere eine ausgedehnte Verbreitung haben, aber im grönländiſchen Meere Bürgerrecht nicht beſitzen, ſind 16 Arten = 12,5 %. Endlich find. 32 Arten = 25% ſolche Pflanzen, welche auch noch im grönländiſchen Meere wachſen und zum Teil im höchſten Norden in beſonderer Ueppigkeit auftreten, alſo eigentliche arktiſche Algen. Aus dieſen Zahlen läßt ſich eine Entwicklungs⸗ geſchichte der Algenflora der Oſtſee ableiten. Nach der heutzutage geltenden Inlandeistheorie konnte erſt nach dem Verſchwinden des erſten Inlandeiſes ſich in der Oſtſee eine Flora entwickeln, die aber durch die zweite Eisbedeckung wieder völlig zerſtört wurde. Als ſich dann das Eis zum zweitenmal und für immer nach Norden zurückzog, konnte eine dauernde Einwanderung der Algen aus den benachbarten Ge⸗ bieten ſtattfinden. Die während der Eiszeit zurück⸗ gewichenen atlantiſchen Pflanzen rückten wieder vor und miſchten ſich in der Nordſee mit denjenigen von den Gletſchern nach Süden gedrängten hochnordiſchen Formen, welche im ſtande waren, das wärmer ge- wordene Waſſer zu ertragen. Dieſe Miſchungsflora rückte in die benachbarte Oſtſee ein, fo daß ihrer Entſtehung nach die Oſtſee⸗ flora ein Ableger der Nordſeeflora iſt. Anfangs wird die Oſtſee infolge des Schmelzwaſſers der Gletſcher ein verhältnismäßig ſüßes Waſſer gehabt haben; es werden alſo anfänglich nur ſolche Arten in die Oſtſee eingedrungen ſein, welche befähigt waren, einen geringeren Salzgehalt zu ertragen. Auch mußte aus demſelben Grunde das Oſtſeewaſſer anfangs eine recht niedrige Temperatur gehabt haben; mithin werden wohl die arktiſchen Elemente der Nordſee⸗ flora früher in die Oſtſee eingewandert ſein, als die atlantiſchen. „Die Einwanderung brauchen wir uns keineswegs ſo vorzuſtellen, als ob nach dem Auftauen des weſtlichen Oſtſeebeckens die ganze Nordſeeflora, ſofern ſie jetzt auch baltiſch iſt, ſich in relativ kurzer Zeit in die Oſtſee ergoſſen habe; im Gegenteil, es iſt anzunehmen, daß der Prozeß der Einwanderung ein ſehr langſamer war, daß manche Arten erſt relativ ſpät eingedrungen ſind, und daß dieſer Prozeß in der Gegenwart fortdauert.“ Der gegenwärtige Stand der Frage von der Immunität. Don Dr. med. Karl Günther in Berlin. W ein tieriſcher Organismus für eine beſtimmte Infektionskrankheit unempfänglich iſt, ſo nennt man ihn immun gegen dieſe Krankheit. Die Im⸗ munität gegen eine beſtimmte Krankheit kann eine allgemeine Eigenſchaft aller Mitglieder der betreffenden Tierſpecies ſein; man ſpricht in dieſem Falle von Humboldt. — der natürlichen Immunität der Species. Sie kann aber auch einzelne Individuen einer im übrigen für die beſtimmte Infektionskrankheit em— pfänglichen Tierſpecies betreffen. In dem letzteren Falle handelt es ſich entweder um individuelle Immunität aus unbekannter Urſache oder um erworbene Immunität des Individuums. Das Individuum kann die Immunität gegen eine beſtimmte Infektionskrankheit auf verſchiedene Weiſe erwerben. Wenn ein Kind Scharlach überſtanden hat, ſo iſt es in der Regel für das weitere Leben gegen eine erneute Scharlacherkrankung gefeit. Hier haben wir es mit einer zufälligen Immuniſierung zu thun. Die Immuniſierung kann aber auch ab— ſichtlich zu ſtande gebracht werden, und zwar durch künſtliches Einimpfen eines beſtimmten, je nach den verſchiedenen Krankheiten verſchiedenen Infektions— ſtoffes, eines Vaceins. Wir wiſſen, daß der menſch— liche Organismus durch die Einimpfung des Bläschen— inhaltes der Kuhpocken zu einer vorübergehenden leichten, vorwiegend lokal ſich abſpielenden Erkrankung gebracht wird, und daß das Ueberſtehen dieſer Er— krankung ihn auf lange Jahre hinaus ſchützt vor der Infektion mit den ſo verderblichen Menſchenpocken. Hier iſt die Immunität gegen die eine Krankheit durch das Ueberſtehen einer anderen — mit der erſten vielleicht nahe verwandten — Krankheit hervorgebracht worden. In anderen Fällen, und zwar, wie wir weiter unten ſehen werden, bei einer Reihe von In— fektionskrankheiten, deren Erreger wir genau kennen (bei den Menſchenpocken ebenſo wie bei den Kuh— pocken kennen wir die Erreger bekanntlich nicht), geſchieht die Immuniſierung nach dem Vorgange von Paſteur durch Einimpfen des Krankheitserregers ſelbſt. Die Eigenſchaften des einzuimpfenden Krank heitserregers müſſen hier jedoch in der Weiſe ab- geändert ſein, daß eine verderbenbringende Infektion nicht etwa durch die Impfung ſelbſt ſchon erfolgt. Die erſte Entdeckung auf dieſem Gebiete wurde 1880 von Paſteur gemacht. Paſteur fand, daß Hühner — welche bekanntermaßen für die Infektion mit den ſogenannten Hühnercholerabakterien im höchſten Grade empfänglich ſind und nach der Einverleibung dieſer Bakterien in ihren Körper ausnahmslos an einer ſchweren Allgemeinerkrankung ſterben — nur lokal und vorübergehend erkranken, wenn man ihnen ſolche Hühnercholerabakterien unter die Haut bringt, welche in den künſtlichen Kulturen bereits längere Zeit (eine Reihe von Monaten) ſich ſelbſt überlaſſen geſtanden haben. Nach dem Ueberſtehen dieſer lokalen Er⸗ krankung zeigten ſich dann die Hühner gegen die Impfung mit den wirkſamſten, friſcheſten Hühner⸗ cholerabakterien immun. Durch das längere Stehen der urſprünglich ſo verderbenbringenden Bakterien⸗ kulturen haben dieſelben demnach an ihrer Heftigkeit für den Organismus des Huhns, an ihrer Virulenz, erheblich eingebüßt. Man nennt ſo veränderte Kul— turen, ſo veränderte Bakterien abgeſchwächt; und es hat ſich in der Folge gezeigt, daß eine ſolche Ab— ſchwächung, ein ſolcher Verluſt der Virulenz urſprüng— märz 1890. 75 lich virulenter Bakterien nicht allein bei den Erregern der Hühnercholera, ſondern bei einer ganzen Reihe von pathogenen Bakterienarten beobachtet werden kann. Ebenſo hat es ſich weiterhin auch gezeigt, daß die Impfung mit abgeſchwächtem Material bei einer ganzen Reihe von Infektionskrankheiten Im⸗ munität hervorbringt gegen die Impfung mit viru— lentem Material. Was iſt nun die Abſchwächung? Durch welche Einflüſſe werden virulente Bakterien abgeſchwächt? Was die letztere Frage angeht, ſo gibt es eine ganze Anzahl Methoden, mit Hilfe deren man virulente Bakterien abzuſchwächen vermag. In dem vorher erwähnten Paſteurſchen Falle war es das längere Stehen der Hühnercholerakulturen, welches die Ab— ſchwächung zuwegebrachte, und Paſteur war der Anſicht, daß der lang dauernde Einfluß des atmo— ſphäriſchen Sauerſtoffs weſentlich dabei beteiligt ſei. Es gibt außerdem eine Reihe von chemiſchen Körpern (ſehr dünne Löſungen von doppeltchromſaurem Kali, von Schwefelſäure, von Karbolſäure u. ſ. w.), die, mit virulenten Bakterienkulturen längere oder kürzere Zeit in Berührung, dieſelben abſchwächen. Auch ein längeres Austrocknen wirkt abſchwächend. Von ganz beſonderer Bedeutung aber haben ſich in dieſer Be— ziehung thermiſche Einflüſſe gezeigt. Eine kurz dauernde Erwärmung auf höhere Temperaturgrade (bei Milz— brandbacillen z. B., wie Touſſaint 1880 fand, 10 Minuten langes Erwärmen auf 55°C.) wirkt unter Umſtänden abſchwächend ein. Noch ſicherer wirkt in manchen Fällen die Kultivierung bei Tem⸗ peraturen, die zwar erheblich niedriger als die oben- genannten ſind, aber doch nahe an der Grenze liegen, unterhalb deren die betreffende Bakterienſpecies über⸗ haupt noch zu wachſen vermag. Außerdem beobachtet man eine Abſchwächung mitunter auch dann, wenn man die Bakterien durch einen für fie wenig geeig- neten Tierkörper paſſieren läßt. Alles in allem pflegen Abſchwächungsvorgänge alſo dann einzutreten, wenn man virulente Bakterien in Außenverhältniſſe verſetzt, welche ihnen ungünſtig ſind und ihrer eigent— lichen Natur wenig entſprechen. Was iſt nun das Weſen der Abſchwächung? Wie unterſcheiden fic) abgeſchwächte Bakterien, ab— geſehen von der Veränderung der Virulenz, von gleichnamigen virulenten Bakterien? Durch umfang- reiche Verſuche, welche in dem Inſtitut von Flügge in Breslau angeſtellt wurden, hat ſich als ziemlich allgemein zutreffend die Thatſache herausgeſtellt, daß der Verluſt der Virulenz mit einer allgemeinen De— generation der Bakterien verbunden iſt. Die abge⸗ ſchwächten Bakterien wachſen auf dem künſtlichen Nährboden langſamer als die virulenten, die ſporen⸗ bildenden unter ihnen zeigen ſich in dieſer Sporen⸗ bildung verlangſamt, die abgeſchwächten Kulturen ſind in jeder Beziehung weniger kräftig als die viru- lenten Kulturen. Es muß jedoch bemerkt werden, daß das genannte Geſetz ganz allgemein gültig doch nicht iſt. So befinden ſich im Kochſchen In⸗ ſtitute zu Berlin Milzbrandbaeillenkulturen, welche 76 Humboldt. — März 1890. bei erheblichſter Abſchwächung ihrer Virulenz in ihren ſonſtigen Fähigkeiten, in der Schnelligkeit des Wachs⸗ tums, der Sporenbildung u. ſ. w., ſich wie die kräf⸗ tigſten, virulenteſten Milzbrandkulturen verhalten. Es iſt an dieſer Stelle zu erwähnen, daß eine ein⸗ mal eingetretene Abſchwächung ſich bei fortgeſetzten Uebertragungen in immer friſchen Nährboden hinein entweder dauernd oder doch für längere oder kürzere Zeit zu erhalten pflegt; d. h. die einmal durch un⸗ günſtige äußere Verhältniſſe modifizierten Bakterien erlangen bei Wiederherſtellung günſtigſter Kultur⸗ bedingungen ihre früheren normalen Eigenſchaften durchaus nicht ſofort, mitunter ſogar überhaupt nicht, wieder. Durch die Impfung mit abgeſchwächten Infektions⸗ ſtoffen hat man nun gegen eine ganze Reihe von Krankheiten künſtlich Immunität zu erzeugen ver⸗ mocht. Außer der Hühnercholera war es zunächſt der Milzbrand, gegen den eine künſtliche Im⸗ muniſierung durch Einimpfen in beſtimmter Weiſe künſtlich zubereiteter Vaceins ermöglicht wurde. Touſſaint konnte, wie ſchon oben angeführt, durch 10 Minuten lange Erwärmung virulenter Milz⸗ brandbaeillen (Blut von Milzbrandtieren) auf 55°C. Vaccins erzielen. Paſteur ſtellt ſich ſeine Vaceins dar durch Kultivierung der Milzbrandbacillen in Bouillon bei einer Temperatur zwiſchen 42 und 43° C. Auch für den Rauſchbrand, eine in vielen Ge⸗ genden häufig vorkommende Krankheit der Rinder, wurde, und zwar durch Arloing, Cornevin und Tho⸗ mas, eine künſtliche Immuniſierung aufgefunden. Die genannten Autoren erhitzten das getrocknete, ſehr infektiöſe Fleiſch der an Rauſchbrand verendeten Tiere auf 100°C. und erzielten dadurch einen Vacein. Gegen den Schweinerotlauf kann man nach der Entdeckung Paſteurs Schweine dadurch immuni⸗ ſieren, daß man ihnen Schweinerotlaufbacillen ein⸗ verleibt, welche die Paſſage durch den Kaninchenkörper gemacht haben. Endlich kann man auch, wie eben— falls Paſteur gefunden hat, gegen Hundswut, deren Erreger wir im übrigen noch ganz und gar nicht kennen, Hunde durch Einimpfung abgeſchwächten Infektionsmaterials immuniſieren. Die Abſchwächung wird in dieſem Falle dadurch bewerkſtelligt, daß man kleine Stücke der nervöſen Centralorgane an Hunds⸗ wut verendeter Tiere, in welchen das noch unbekannte Gift der Hundswut enthalten iſt, längere oder kürzere Zeit in trockener Luft der Austrocknung überläßt. Faſſen wir nun diejenigen Krankheiten ins Auge, deren Erreger bekannt ſind, und bei denen durch Einimpfung der abgeſchwächten Bakterien eine künſt⸗ liche Immuniſierung des Tierkörpers gegen die In⸗ fektion mit virulenten Bakterien erfolgt, ſo drängen ſich uns mehrere Fragen auf: Was wird im Tier⸗ körper aus den demſelben eingeimpften abgeſchwächten Bakterien? Welche Veränderungen erleidet der Tier⸗ körper bei dem Immuniſierungsakte? Wodurch wird er in den Stand geſetzt, die Einimpfung virulenten Materials ſchadlos zu ertragen? Endlich: Was geſchieht mit den dem immunen Tiere eingeimpften virulenten Bakterien? Stellen wir uns behufs der Beantwortung dieſer Fragen zunächſt eine Vorfrage: Was wird überhaupt aus irgend welchen Bakterien, die dem Tierkörper einverleibt werden? Vermag der Organismus die Bakterien etwa auf dem Wege der Nieren, des Darmes, der Haut u. ſ. w. auszu⸗ ſcheiden? Nun, dies iſt nicht der Fall. Wenn es ſich um ſolche Bakterien handelt, welche für die be- treffende Tierſpecies nicht pathogen, alſo unſchädlich ſind, ſo verſchwinden dieſelben nach dem Einbringen in den Tierkörper in kürzeſter Friſt ſpurlos. Höchſt wahrſcheinlich werden ſie von den Säften des Körpers direkt abgetötet und dann, eventuell unter Vermittelung gewiſſer Zellen, aufgelöſt und endgültig vernichtet. Handelt es ſich hingegen um für die betreffende Tierſpeeies pathogene Bakterien, jo beobachtet man zunächſt zwar auch eine gewiſſe Schädigung der letzteren durch die Körperſäfte, dann jedoch gelangen die Bakterien zur Vermehrung; d. h. das Tier er⸗ krankt, um eventuell an der Infektion zu Grunde zu gehen, der Uebermacht der Bakterien zu erliegen. Die Frage, was denn aus abgeſchwächten Bakterien werde, die dem für die gleichnamigen virulenten Bakterien empfänglichen Tierkörper einverleibt werden, iſt nun ebenſo leicht zu beantworten wie die andere Frage, was denn aus den virulenten Bakterien werde, die dem künſtlich gegen die Infektion immun ge⸗ machten Tierkörper eingeimpft werden. In beiden Fällen nämlich tritt in kürzeſter Zeit eine vollſtändige Vernichtung des eingeführten Bakterienmaterials ein, dasſelbe verſchwindet ſpurlos. Anders ſteht es jedoch mit der Beantwortung der Frage, in welcher Weiſe der Tierkörper bei der Immuniſierung verändert wird, welche Vorgänge ſchließlich der Grund ſind, daß der Körper die ſpätere Einführung virulenten Infektionsſtoffes unbeſchädigt überſteht. Es ſind zur Erklärung dieſer Dinge eine ganze Reihe von Hypotheſen aufgeſtellt worden. Klebs und Paſteur waren der Anſicht, daß bei der Immuniſierung eine Erſchöpfung des Körpers an gewiſſen für die Bakterien notwendigen Nährſtoffen eintritt, und daß infolge dieſer Erſchöpfung die ſpäterhin in den Körper eindringenden virulenten Bakterien in demſelben nicht zu gedeihen vermögen (Erſchöpfungshypotheſe). Chauveau ſprach die Anſicht aus, daß bei der Immuniſterung gewiſſe Stoffwechſelprodukte der Bakterien in dem Tierkörper zurückgehalten werden (Retentionshypotheſe), die eine ſpätere Anſiedlung virulenter Bakterien verhindern. Letſchnikoff hat durch eine große Reihe von Arbeiten den Beweis zu liefern geſucht, daß gewiſſe Körper⸗ zellen (die weißen Blutkörperchen und größere Organ⸗ zellen), welchen er überhaupt die Fähigkeit zuſpricht, Bakterien aktiv anzugreifen und „aufzufreſſen“ (Pha⸗ gocytentheorte), bei dem Immuniſierungsakte ſich in der Bakterienvernichtung an den abgeſchwächten Bakterien üben und hierdurch die Fähigkeit erlangen die ſpäter eindringenden virulenten Bakterien eben⸗ falls zu vernichten. Keine der aufgezählten Hypo⸗ theſen hat einer ſorgfältigen experimentellen Kritik, Humboldt. — welche hauptſächlich von Flügge und ſeinen Schülern unternommen wurde, ſtandzuhalten vermocht. Es bleibt vorläufig noch eine offene Frage, welcher Art die Veränderungen ſind, die ſich in dem Tier— körper bei der Immuniſierung vollziehen. Eins aber hat ſich mit Sicherheit feſtſtellen laſſen, nämlich, daß es die Säfte des lebenden Körpers (ſpeziell das Blut desſelben) ſind, welche bei der Bakterien— vernichtung die erſte Rolle ſpielen. Nicht geformte Teile ſind es, welche die Bakterienvernichtung be— wirken, ſondern es ſind ohne Zweifel beſtimmte, dem lebenden Tierkörper eigentümliche chemiſche Subſtanzen, welche hier in erſter Reihe, vielleicht ausſchließlich, in Frage kommen. Nach dieſen Er— gebniſſen kann es kaum noch einem Zweifel unter— liegen, daß die Frage nach der letzten Urſache jedweder Immunität, auch der künſtlich erworbenen, auf das chemiſche Gebiet gehört. Welcher Art die chemiſchen Veränderungen ſind, die die Körperſäfte bei der Immuniſierung erleiden, dieſe Frage hat ſich bis heute allerdings der Beant— wortung entzogen. Es ſind aber auf dem Gebiete der Schutzimpfung in den letzten Jahren eine Reihe von außerordentlich wichtigen Entdeckungen gemacht worden, welche auch den letzten Zweifel beſeitigen, daß die Immunitätsfrage eine chemiſche iſt. Eine jede Bakterienart bildet bei ihrem Wachstum bekannt— lich Stoffwechſelprodukte, die ſich in der Kultur⸗ flüſſigkeit, in dem Nährboden, gelöſt vorfinden. Es hat ſich nun gezeigt, daß man durch Einimpfung der Stoffwechſelprodukte (ohne jede Mitwirkung lebenden Bakterienmaterials) Tiere immuniſieren kann gegen die ſpätere Einverleibung lebender virulenter Bakterien. Die bakterienfreien Stoffwechſelprodukte werden dadurch erhalten, daß man die Bakterien— kulturen durch Porzellan filtriert, wobei die Bakterien als feſte Teile zurückbleiben, oder daß man die Kul— turen durch ſtärkere Erhitzung von den lebenden Bakterien befreit. Eine ſolche Immuniſierung auf rein chemiſchem Wege gelang zuerſt Salmon und Smith (1887) bei Tauben gegen Schweinerotlauf, März 1890. 707 dann Foa und Bonome (1887) bei Kaninchen und Fröſchen gegen Infektion mit verſchiedenen Proteus— arten (Bakterien, welche bei manchen Fäulnisprozeſſen eine Rolle ſpielen, und die ſehr giftige Stoffwechſel— produkte bilden), ferner Chamberland und Roux (1887) bei Pferden, Eſeln, Hammeln und Hunden gegen malignes Oedem, endlich Roux bei Meer— ſchweinchen gegen Rauſchbrand. Die hier nur in ganz kurzen Zügen ſkizzierten Fortſchritte der Wiſſenſchaft in den letzten Jahren auf dem Gebiete der Immunitätsfrage find erſtaun— liche, und doch harren noch genug der wichtigſten Punkte der Erledigung. Fragen wir uns zum Schluß, wie es mit der praktiſchen Verwertung der genannten wiſſenſchaft— lichen Ergebniſſe ſteht, ſo müſſen wir uns geſtehen, daß die Verſuche, die künſtliche Immuniſierung, ſpeziell gegen Tierſeuchen, in größerem Maßſtab zur Ausführung zu bringen, nur teilweiſe den gehofften Erfolg gehabt haben. Was ſpeziell den Milzbrand anbelangt, mit dem wohl die ausgedehnteſten hier— hergehörigen Verſuche angeſtellt worden ſind, ſo hat es ſich als recht ſchwierig erwieſen, größere Mengen von Tieren erfolgreich zu vaceinieren. Damit näm— lich die Tiere in ausreichender Weiſe immun werden, iſt es notwendig, ſo ſtarke Vaceins zur Anwendung zu bringen, daß ein erheblicher Prozentſatz der Impf— linge an der Impfung ſelbſt ſchon zu Grunde geht. Von der franzöſiſchen Schule werden — und dies iſt auch bezüglich der künſtlichen Immuniſierung gegen Milzbrand der Fall geweſen — große wiſſenſchaftliche Entdeckungen ſtets ſofort in größtem Maßſtabe in die Praxis übertragen, während die deutſche Schule ſich in dieſer Beziehung erheblich reſervierter verhält und der allgemeinen praktiſchen Verwertung die nüchternſte Prüfung aller Verhältniſſe vorausgehen läßt. Hoffen wir, daß die nächſten Jahre weitere Fortſchritte zeitigen werden, die eine allgemeinere rationelle Ausübung der künſtlichen Immuniſierung gegen verderbenbringende Seuchen zum Segen der Länder und Völker möglich machen. Zur Frage der Sternenſtrahlung “). Don Dr. J. Maurer in Sürich. Theoretiſche Betrachtungen über die Größe der ſoge— nannten „Sternenſtrahlung“ oder „Himmelswärme“, d. h. derjenigen Wärmemenge, welche aus dem Weltraume vermöge der Radiation der Himmelskörper — unter Aus— ſchluß der Strahlung der Sonne — zur Erde und zur Atmoſphäre gelangt, datieren aus den Zeiten Fouriers, ) In dem obigen Artikel gibt der Herr Verfaſſer auf Wunſch der Redaktion die Hauptreſultate ſeiner in der Meteorologiſchen Zeit— ſchrift Januar 1890, S. 18 erſchienenen hochwichtigen Arbeit ohne die analytiſche Entwicklung. Wer ſich für die präziſe rechneriſche Ableitung interejfiert, wird dieſelbe leicht a. a. O. zu finden wiſſen. Poiſſons und Pouillets. Mit dieſen Betrachtungen über den Betrag der Sternenſtrahlung hing wiederum eng zu— ſammen die ebenfalls von jenen Phyſikern eingeführte Definition der „Temperatur des Weltraumes“, d. h. derjenigen Temperatur, welche eine die Wärme voll— ſtändig abſorbierende Maſſe ohne Atmoſphäre an Stelle der Erde im interplanetaren Raume einzig und allein nur unter dem Einfluſſe der direkten Wärmeſtrahlung der Geſtirne annehmen würde. Nach den Geſetzen der Strahlung wäre dieſe Temperatur auch identiſch mit derjenigen einer idealen, berußten, unſere Atmoſphäre umſchließenden 78 Humboldt. — Kugelhülle, welche uns dieſelbe Wärmemenge zuſtrahlen würde, wie die Geſamtheit der Geſtirne mit Ausſchluß der Sonne. Glücklich gewählt war jener Ausdruck „Tem⸗ peratur des Weltraumes“ jedenfalls nicht, indem er ſchon zu verſchiedentlichen Verwechslungen Veranlaſſung gegeben hat; mit der wirklichen, von Stelle zu Stelle vartieren- den Temperatur des den planetariſchen Raum erfüllenden diathermanen Mediums — und die zu kennen ja erheblich viel wichtiger wäre — hat ſie ſelbſtverſtändlich abſolut nichts gemein, da für die in letzterem Medium ſich vov- findenden und effektiv beſtehenden Temperaturverhältniſſe noch ganz andere Faktoren mitbeſtimmend ſind, als bloß jene Sternenſtrahlung allein. Nach Fouriers erſten Beſtimmungen, betreffend den zwiſchen Erde und Weltraum ſtatthabenden Wärmeaustauſch, ſollte die oben definierte Temperatur des Weltraumes „nur ſehr wenig unter der Temperatur der Erdpole liegen und ungefähr — 50e bis —60° C. betragen“, damit nichts anderes ausdrückend, als daß die vereinigte Wärmemenge, welche von ſämtlichen Himmelskörpern mit Ausnahme der Sonne aus dem Weltraum zur Erde gelangt, quantitativ derjenigen gleichzuſetzen ſei, die eine berußte, ideale Hülle, deren Temperatur in allen Teilen — 50e bis 60e ©. be⸗ trägt, zur Atmoſphäre und zur Erde herabſendet; abſolute, in Kalorien ausgedrückte Werte bezüglich der Größe der Himmelswärme gibt Fourier noch nicht, ebenſowenig wie Poiſſon. Was letzterer in ſeiner ,Théorie mathématique de la chaleur“ (Seite 520) über den Betrag der Sternen⸗ ſtrahlung beibringt, läßt nur darauf ſchließen, daß er die Himmelswärme in ihrem Einfluſſe noch erheblich über die Fourierſchen Beſtimmungen ſtellte. Am eingehendſten hat ſich in jener Zeit Pouillet mit dem Problem der Sternen⸗ ſtrahlung beſchäftigt; in ſeinem klaſſiſchen ,Mémoire sur la chaleur solaire, sur les pouvoirs rayonnants et ab- sorbants de Pair et sur la température de espace“ (Comptes Rendus 1838) gibt er die erſten abſoluten Beſtimmungen über die Größe der Strahlung des Welt- raumes, indem er berechnet, daß die geſamte Wärme des interplanetaren Raumes oder die Sternenſtrahlung, welche auf unſere Atmoſphäre auftrifft, volle von der mitt⸗ leren Strahlung der Sonne ausmachen ſoll (eirca *ho Kalorie per Quadrateentimeter und Minute), ein Wert, der dann hinwiederum auf Grund der Dulong⸗Petitſchen Formel, beziehungsweiſe des von Pouillet ſelbſt abgeleiteten erſten Theorems über die Abhängigkeit der Wärmeemiſſion von der Temperatur des ſtrahlenden Körpers zu jenem berühmten, merkwürdigen Reſultate führte, daß „. . . die Temperatur des Weltraumes ...“ 142 C. betrage. Ein aufmerkſames Durchgehen der Pouvilletſchen Rech— nungen, inſoweit ſie das Kapitel der Sternenſtrahlung und der damit zuſammenhängenden Temperatur des Welt⸗ raumes betreffen, ergibt zur Evidenz, daß dieſelben für die heutige Zeit alle und jede Bedeutung verlieren und daß alle auf die Pouilletſchen Reſultate im Laufe der Jahre von den verſchiedenſten Seiten gegründeten Speku⸗ lationen als wertlos dahinfallen. Ganz abgeſehen von den ungenügenden, gar nicht bindenden phyſikaliſchen Grundlagen, auf welchen überhaupt ſeine Rechnung, be⸗ treffend die Größe der Sternenſtrahlung ruht, wollen wir nur das eine Faktum hervorheben: Pouillet leitete ſeine märz 1890. Reſultate aus der Annahme ab, daß die Solarkonſtante, alſo diejenige Wärmemenge, welche die Sonne in einer Minute an der Grenze der Atmoſphäre auf eine Fläche von einem Quadratcentimeter bei ſenkrechter Beſtrahlung abſetzt, 1,76 Kalorien betrage. Die neuere Zeit hat nun bekanntlich dieſe letztere Größe mit Recht nicht unbeträcht⸗ lich erhöht; greifen wir einige der jüngeren Beſtimmungen heraus, ſo lieferten Violles bekannte Meſſungen für die Solarkonſtante den Wert 2,56 Kalorien, und Langley iſt ja der Anſicht, daß dieſelbe wohl 3 Kalorien, wenn nicht mehr, erreichen dürfte. Einzig und allein nur die Sub⸗ ſtitution dieſer Werte an Stelle der Pouilletſchen in die Formeln des letzteren (Mémoire 1838, Comptes Rendus Seite 61) ändert aber das Facit bezüglich der Sternen⸗ ſtrahlung und der Temperatur des Weltraumes ganz ge⸗ waltig: Mit Violles Reſultat der Solarkonſtanten fällt die letztere auf nahe - 273“, mit Langleys Angaben rückt die Temperatur des Weltraumes gar gegen — 0 hin, womit die Sternenſtrahlung dann von ſelbſt verſchwindet! Alles, was ſeit Pouillet über den Betrag der Sternenſtrahlung und die Temperatur des Weltraumes da und dort heraus⸗ gerechnet worden iſt, hält ebenſowenig ſtand vor einer ernſtlichen Kritik; die gegebenen Daten ſind gewöhnlich Zahlwerte, welche unter beſtimmten Prämiſſen und mit Zuhilfenahme mathematiſcher Suppoſitionen erhalten worden ſind, die für die wirklich beſtehenden Verhältniſſe keine Bedeutung haben und für deren Richtigkeit folglich niemand einſtehen kann. Wie ſchwer es in der That iſt, über die Größe der Energiemenge, welche uns aus dem interplanetaren Raum vermöge der Radiation von Körpern hoher und niedriger Temperatur zugeſtrahlt wird, auch nur die allererſten Näherungswerte zu erhalten, welche vorläufig die Größen⸗ ordnung derſelben feſtſtellen könnten, darüber gibt die bezügliche theoretiſche Unterſuchung hinreichenden Aufſchluß. Wir haben an einem anderen Orte (Meteorol. Zeitſchrift, Januarheft 1890) bereits nachgewieſen, daß — unter ſteter Vorausſetzung eines allgemein gültigen Strahlungs⸗ geſetzes mit ſichern Konſtanten, welches jederzeit geſtattet, die von einem Körper abſolut ausgeſtrahlte Wärmemenge aus deſſen mittlerer Temperatur zu berechnen — die Be⸗ ſtimmung reſp. Beobachtung des Betrages der an der Erd⸗ oberfläche auftreffenden Sternenſtrahlung zuſammen⸗ hängt mit der Ermittelung der eigenen Strahlung der ge⸗ ſamten, ruhenden und nicht erleuchteten Atmoſphäre und folglich dieſe Größe der Sternenſtrahlung in letzter Inſtanz notwendig abhängig ſein muß von der mittleren Tem⸗ peratur der geſamten zuſtrahlenden atmoſphäriſchen Maſſe und ferner von dem Transmiſſionskoeffizienten der letzteren für dunkle Wärmeſtrahlung. Beides ſind Größen, bei welchen die mannigfaltigſten meteorologiſchen Faktoren eine Rolle ſpielen und die deshalb einer ordent⸗ lichen Beſtimmung nur ſehr ſchwer zugänglich ſind. Ge⸗ ſetzt auch, es wären auf dem Wege der ſicheren Beobachtung zuverläſſige Werte für den Transmiſſionskoeffizienten der Atmoſphäre, bezogen auf ihre eigene Strahlung, erhältlich, ſo ſtützt ſich doch noch alles auf die vorgängige Beſtimmung der mittleren Temperatur der Atmoſphäre. Auf welche Weiſe hat aber die Ermittelung dieſer letzteren zu ge— ſchehen? Darauf iſt eine Antwort ziemlich ſchwer, da Humboldt. — März 1890. 79 uns die Theorie hier ganz im Stiche läßt; denn auf rechneriſchem Wege irgendwie verläßliche, beſtimm— ten Beobachtungsmomenten zukommende Mittelwerte für die Temperatur der atmoſphäriſchen Maſſe zu geben, welche den effektiven Thatbeſtänden nur wenigſtens nahe kommen, das vermag der Natur der Sache nach bis jetzt keine Formel, ſo viele ſolcher Formeln uns ja auch zur Verfügung ſtehen. Wer iſt im ſtande ſicher zu verbürgen, daß bei Verwendung einer ſolchen „Formel“ nicht wiederum Reſultate bloßer mathematiſcher Fiktionen zum Vorſchein kommen, welche für die momentan beſtehenden Verhältniſſe bezüglich der Temperaturverteilung in der freien Atmo— ſphäre gar keine reale Bedeutung haben? Was immer für eine Beziehung wir für die Berechnung der mittleren Temperatur der Atmoſphäre zu Grunde legen mögen, ſtets baſiert ſie auf der Vorausſetzung, daß die mittlere Temperatur der ganzen Atmoſphäre abhängig ſei von der momentan an einem einzigen Punkte der Erdoberfläche beobachteten Temperatur und auch mit der letztern variiere, was ja der Erfahrung gänzlich widerſpricht. Auf dieſem Wege — wohl dem einzigen, den die Theorie zu bieten im ſtande iſt — die Größe der Sternen— ſtrahlung, beziehungsweiſe die Strahlung des Weltraumes zu ermitteln, müſſen wir alſo vorläufig abſtrahieren. Wenn es aber gegenwärtig unmöglich iſt, die an der Erdober— fläche auftreffende Sternenſtrahlung zu beſtimmen, fo werden wir ſelbſtverſtändlich noch um ſo mehr auf die Beſtimmung der „Stellarkonſtanten“, d. h. der an der Grenze der Atmoſphäre wirkſamen Strahlung des Weltraumes verzichten müſſen; ebenſo auch darauf, wie ſich die Sternen— ſtrahlung an ſich zu derjenigen des interplanetaren Mediums allein verhält. Läßt ſich aber die Sternenſtrahlung auf dem vorigen Wege nicht berechnen, ſo iſt natürlich an direkte Beobachtung einer ſo kleinen Größe noch viel weniger zu denken. Davon hat ſelbſt Langley abſtrahiert. Denn wenn fie auch wirklich von der Größenordnung eirca 100 Kal. wäre, ſo darf ja nicht vergeſſen werden, daß bei Ausſtrahlungsmeſſungen, die nächtlich im Freien aus- geführt werden, die Unſicherheit einer einzigen Beſtimmung mit all den bezüglichen Reduktionen ſchon recht wohl jene Größenordnung erreichen kann, es daher auch auf dieſem Wege nicht möglich iſt, ein irgend ſicheres Reſultat heraus— zuſchälen. Wirkliche Thatſachen, welche beweiſen könnten, daß die Sternenſtrahlung eine irgendwie merkliche Größe beſitzt, liegen bis jetzt unſeres Wiſſens abſolut keine vor. Solange aber ſolche Thatſachen nicht exiſtieren, hat es gar keinen Zweck, von einer ſogenannten „Temperatur des Weltraumes“ im obigen Sinne zu ſprechen, überhaupt dürfte es an der Zeit ſein, mit dieſer alten, primitiven Idee einmal aufzuräumen. Wir können heute nur ſo viel ſagen: Alles deutet darauf hin, daß die Energiemenge, welche uns aus dem interplanetaren Raume vermöge der Radiation von Kör— pern hoher und niedriger Temperatur zugeſtrahlt wird, jedenfalls und namentlich im Vergleich zur Sonnenwärme und zur eigenen Strahlung der Atmoſphäre, von der ſie, obigen Erörterungen zufolge, gar nicht zu trennen, ganz belanglos iſt. Daß die Sternenwärme aber jemals zur Erklärung gewiſſer meteorologiſcher Vorgänge an der Erd— oberfläche, die eine außerirdiſche, alſo kosmiſche Urſache verlangen, mit Erfolg herbeigezogen werden könne, daran iſt noch viel weniger zu denken. Schon Pouillet ſprach es in ſeinem ,.Mémoire* (Seite 58) deutlich aus, daß „bei der nächtlichen Strahlung die Wärme des Weltraumes ſehr klein ſein müſſe in Bezug auf die von der eigenen Strahlung der Atmoſphäre herrührende Wärme“; allerdings, erhielt er dann ſpäter durch ſeine merkwürdige Rechnung gerade das Gegenteil. „Ich bin der feſten Ueberzeugung,“ ſagt ferner Langley auf Seite 122 ſeiner Researehes on Solar heat, „daß die geſamte Wärmemenge, herrührend von allen Sternen und Planeten, noch nicht einmal den 10000. Teil einer Kalorie erreicht, denn wenn wir annehmen, daß die Sonnenſtrahlung (d. i. diejenige Energiemenge, welche die Sonne per Minute an der Grenze der Atmoſphäre auf eine Fläche von einem Quadratcentimeter herabſendet) unge fähr 3 Kalorien beträgt, ſo wird die Größe der Sternenwärme 9 3 . 2 * weal ay a — 0 7 a. repräſentiert durch 75e Kal. = 0,0000000075"; noch kürzlich beſtätigte Herr Langley uns brieflich dieſe ſeine Anſicht. Eine andere kompetente Stimme, Simon Newcomb, hält ebenfalls dafür, daß der von Pouillet für die „Tem— peratur des Weltraumes“ gegebene Wert auf keiner ver— läßlichen Grundlage fuße; auch zeigen Beobachtungsthat ſachen, ſagt Newcomb in ſeiner bezüglichen Note“), daß es nicht möglich iſt, die aus dem Weltraume an der Erde auftreffende ſtrahlende Energie jemals zu beobachten, ſowohl wegen ihrer Kleinheit (kaum ein Millionſtel des entſprechen— den Betrags der Sonnenwärme), als auch insbeſondere wegen der Dazwiſchenkunft der eigenen Strahlung der Atmoſphäre in ihren unteren Partien. Das iſt ganz konform unſerer oben ausgeſprochenen Anſicht. Der Beweis, daß die Sternenſtrahlung eine be— trächtliche iſt und folglich jene ſogenannte „Temperatur des Weltraumes“ relativ hoch über dem abſoluten Null— punkt liegt, dieſer Beweis müßte erſt noch geleiſtet werden, und zwar durch ganz andere Mittel, als wie ſie ſeit den Zeiten Pouillets beigebracht worden ſind. * S. Neweomb: On some points in Climatology. A re- joinder to Mr. Croll. American Journal of Science. 80 Humboldt. — März 1890. Eine Jundſtätte foſſtler Amphibien und Reptilien. Von H. Engelhardt in Dresden. Wer von Dresden aus den Plauenſchen Grund durch⸗ ſchreitet, ſieht, nachdem er einen von hohen Syenitfelſen gebildeten Engpaß durchwandert hat, plötzlich ein Becken vor ſich, das den Bewohnern Dresdens einen Teil ihres Brenn⸗ materials, die Steinkohlen, liefert. Ungefähr in der Mitte desſelben erhebt ſich auf der rechten Seite der es durchque⸗ renden Weiſteritz ein hoher, weithin ſichtbarer, langer Berg⸗ rücken, ein Ueberreſt von dem ſich einſt viel weiter er⸗ ſtreckenden, aber durch Ab- und Auswaſchung zum Teil verſchwundenen, aus einer Reihe verſchiedener Schichten beſtehenden mittleren Rotliegenden. Einer dieſer Schichten find zwei an verſchiedenen Orten aufgeſchloſſene, ſchwache Kalkſteinbänke eingelagert, von denen man die untere bei Niederhäßlich ſeit langer Zeit abbaute, wobei auch einige foſſile Tier- und Pflanzenreſte in ihr entdeckt wurden. Neuerdings jedoch hat dieſe Stätte ein ſo maſſenhaftes Material der Wiſſenſchaft geboten, daß wir getroſt be⸗ haupten können, daß keine andere gleicher Art in Deutſch⸗ land ſich mit ihr zu meſſen vermöge. Da dieſe Funde in der geologiſchen Welt Aufſehen erregten, ſo bedarf wohl ein kurzer Hinweis auf dieſelben an dieſem Orte keiner Entſchuldigung!). Sie beſtehen in zum großen Teile ſehr wohl erhal- tenen Skeletten von Amphibien und Reptilien, welche wäh⸗ rend des Perms oder der Dyas die oben bezeichnete Loka⸗ lität bevölkerten. Am meiſten ſind die Stegocephalen oder Schuppenlurche, die früher als Labyrinthodonten bezeichnet wurden, vertreten. Ihnen gelte zunächſt unſere Betrachtung. Während bisher im Carbon und der Dyas Nord— amerikas, Englands und Böhmens eine größere Anzahl ſolcher entdeckt wurden, war die Kenntnis derſelben von deutſchem Gebiete nur eine ganz geringe zu nennen, dazu noch eine, die ſich nur ſelten auf eine Reihe von Exem⸗ plaren, meiſt nur auf einzelne Teile des Körpers, als Schädel⸗, Wirbel- und Zahnreſte gründete. Dies iſt jedoch anders geworden, ſeitdem man der Hunderttauſende von Jahren alten Grabſtätte bei Niederhäßlich die Gebeine vieler Hunderte von ſolchen Weſen entnommen hat. Sie zeigen fic) alle geſchwänzt, haben eine dachartig geſchloſſene Schädel⸗ decke, welche nur von den Augenhöhlen, den Naſenlöchern und der Scheitelöffnung (foramen parietale) unterbrochen wird, und ſind auf der Bauchſeite, zum Teil auch auf der Unterſeite der Gliedmaßen und des Schwanzes mit einem Schuppenpanzer bedeckt. N Zu ihnen gehört eine Anzahl Kranzwirbler, die ſich von den übrigen dadurch unterſcheidet, daß ihre Wirbel⸗ körper aus einem Kranze von getrennten Knochenſtücken beſtehen. Zuerſt ſei von ihnen der vom Saargebiet als ) Bearbeitet wurden jie von H. Eredner in der Zeitſchr. d. Deutſchen Geolog. Geſellſch. Jahrgänge 1881, 1882, 1883, 1885, 1886, 1888, 1889, und von H. B. Geinitz und Deichmüller in Nachträge zur Dyas. II. III. 1882, 1884. faſt ausſchließlicher Beherrſcher ſumpfiger Waſſer grauer Vorzeit bekannte Archegosaurus Decheni Goldf. genannt, welcher in denen unſeres Gebietes nicht durch Häufigkeit geglänzt zu haben ſcheint, da nur wenige Exemplare von ihm daſelbſt gefunden werden konnten. Die Knochen ſeiner Schädeldecke zeichnen ſich durch von der Mitte breit be- ginnende und nach dem Umfang zu radial verlaufende, allmählich ſich verfeinernde und zugleich verzweigende Fur⸗ chen aus, die Kiefer durch ſehr kräftige, mit Längsver⸗ tiefungen verzierte Zähne, die Wirbelſäule durch ihre ge⸗ ringe Verknöcherung, die Rippen durch verhältnismäßige Länge und Schlankheit. Ihm reiht ſich an Archegosaurus latirostris Jord., deſſen Stellung in dieſer Gattung frei⸗ lich ſo lange nicht geſichert iſt, als man außer den bisher allein gefundenen Schädeln nicht auch die zugehörige Wirbelſäule, das Becken und die Gliedmaßen kennt, ferner Archegosaurus latifrons Gein. et Deichm., der ſich vom vorigen hauptſächlich durch das ungeteilte Stirnbein unter⸗ ſcheidet, Phanerosaurus pugnax Gein. et Deichm., ſowie Zygosaurus labyrinthicus Gein., welche durch ihre Größe hervorleuchten. Andere Funde beſtimmten Credner, ein neues Geſchlecht, Discosaurus, aufzuſtellen, deſſen Haupt⸗ merkmale Wirbelkörper mit hohen, oberen Bogen und auf⸗ fallend breiten Dornfortſätzen, ſehr kräftige Gliedmaßen, ziemlich langer und ſchlanker Schwanz und ein bis an die Zehen und die Spitze des Schwanzes reichendes Schuppen⸗ kleid ſind und deſſen runde Glieder erhabene konzentriſche und quergegliederte Reifen zeigen. Er fand eine Art vor, die er Discosaurus permianus benannte. Bei ihr treten ſelbſtändige Schambeine auf, die den Amphibien der Jetzt⸗ zeit fehlen; die jedenfalls mit ihrer Unterlage nur locker verbunden geweſenen Schuppen der Unterſeite ſind denen lebender Blindwühler, ſowie einiger Fiſche ſehr ähnlich. Weiterhin muß Sparagmites areiger Cred un., leider nur in der Wirbelſäule und einigen zerſplitterten Reſten von Beckenknochen überliefert, genannt werden. Erſtere tt aus 37 Wirbeln, und zwar 17 Rumpf- und ebenſoviel Schwanzwirbeln zuſammengeſetzt und unterſcheidet ſich von der des Archegosaurus Decheni Goldf. durch ihre niedrigen halbkreisförmigen Dornfortſätze. Beſonderes Intereſſe verdienen die Gattungen und Arten der Hülſenwirbler, deren Wirbelhülſen tonnen⸗ förmig erweitert, deren Rippen kurz und gerade ſind, deren Schwanz ſich als kurz oder ſtummelförmig erweiſt. Von ihnen am beſten gekannt iſt Branchiosaurus am- blystomus Credn., weil infolge Auffindens von vielen hundert Skeletten ſowohl die Larven (Br. gracilis Credn.), als auch die Uebergänge von dieſen bis zu den ausge— wachſenen reifen Einzelweſen in zuſammenhängender Reihe nachgewieſen werden konnten, ein in der Geſchichte der paläontologiſchen Wiſſenſchaft außerordentlicher Fall. Die Larven zeigen als Atmungsorgane Kiemen, welche von vier Bogen getragen wurden, die, ſobald die Einzelweſen Humboldt. — März 1800. cine Länge von 60—70 mm (am Anfang 25 mm) er— reicht, verloren gingen, worauf Lungenatmung eintrat. Wir haben alſo eine Metamorphoſe vor uns, die auch den übrigen Leib in Mitleidenſchaft zog. Der ſtumpfe, kurze Schädel der Larven wurde im Laufe der Entwickelung ſchlanker, geſtreckter; dem Skleralring innerhalb der Augen— kapſel der Larven geſellte ſich im Reifezuſtand das Stleral- pflaſter, beſtehend aus einem Moſaik kleinſter Kalkſchüppchen, zu; die Anzahl der vor dem Becken befindlichen Wirbel erhöhte ſich von 20 auf 26, während dagegen die des Schwanzes in ihrer Zahl und in ihrem Wachstum ſtehen blieben; die Gliedmaßen wuchſen zwar wenig in die Länge fort, dafür deſto mehr in die Dicke. Während eines ſpäteren Larvenzuſtandes ſtellten ſich in der Mitte der Bauchfläche Kalkkörner und Kalkſchüppchen ein, noch vor dem Ver— luſte der Kiemenbogen aber zarte Schuppenreihen, die ſich nach und nach verſtärkten und dachziegelförmig überein— ander legten, endlich ſich in drei Schuppenreihen (Bauch-, Bruſt⸗ und Kehlflur) über die ganze Bauchfläche ausdehnten, ja am Ende ſich ſogar auf die Unterſeite der Glied— maßen und des Schwanzes erſtreckten. Hierher gehört auch Pelosaurus laticeps Credn. Er iſt ein ſalamanderähn— licher, bis 20 em langer Schuppenlurch mit einem Kopfe, der die halbe Länge des Rumpfes zeigt, kurzen ſtämmigen Gliedmaßen, einem nicht ganz kopflangen Schwanze und einem mit ſchmalen, ſträhnigen Schuppenreihen gepanzerten Bauche. Er war nicht ſelten. Dasſelbe gilt auch von Melanerpeton pulcherrimum Fritsch, von dem nur her— vorgehoben ſei, daß ſeine Länge gleich der eines aus— gewachſenen Branchiosaurus amblystomus Credn. iſt, daß ſeine Gaumenknochen durch eine dichte und allgemeine Bezahnung und ſeine Bauchhaut durch eine dichte, ord— nungsloſe Anhäufung von Kalkpünktchen ausgezeichnet ſind. Nicht allzuhäufig ſcheint, nach den bisherigen Funden zu urteilen, Acanthostoma vorax Credn. vorhanden geweſen zu ſein. Nur Schädel liegen vollſtändig vor, ſonſt bloß Reſte der Wirbelſäule und einzelne Knochen der Glied— maßen. 81 Auch ein Sanduhr wirbler, fo genannt wegen der ſanduhrförmigen Wirbelhülſen, iſt vertreten: Hylonomus Fritschi Gein. et Deichm., ein eidechſenartiger Sduppen- lurch von 70—80 em Länge, bei dem der Schädel läng— lich, der Bruſtkaſten bauchig war und der Schwanz eine der Bruſt gleiche Länge beſaß. Er zeichnet ſich vor allen anderen Genoſſen ſeiner Sippe durch einheitliche bikonkave Wirbel und lange gebogene Rippen aus; auch ſind die doppelt ſo breiten als langen Schuppen mit verdicktem Hinterrande charakteriſtiſch. Er gehört zu den ſeltenſten der ſächſiſchen Stegocephalen, da nur 12 Individuen ge- funden wurden. Weiterhin find Reſte von Reptilien in dieſer Bein- ſtätte foſſiler Tiere aufgefunden worden, wenn auch in geringer Zahl. Da iſt es zunächſt eine Art von Palaeo- hatteria Credn., welche mit der Hatteria Neuſeelands große Verwandtſchaft und Anklänge an Krokodilier und Dinoſaurier, ſowie an gewiſſe Embryonalzuſtände unſerer Eidechſen zeigt. Wegen des 250 mm langen, etwa 55 Wirbel zählenden Schwanzes wurde ſie longicaudata genannt. Ihre Geſamtlänge beträgt gegen 430 mm. Neuerdings erſt iſt die wiſſenſchaftliche Welt mit den Reſten eines anderen, mit denen von Kadaliosaurus priscus Credi., bekannt gemacht worden. Schlanker Rumpf und verhält— nismäßig ſehr lange, unter ſich gleich große Gliedmaßen, die Chorda in der Mitte einſchließende Wirbel mit flachen, niedrigen Dornfortſätzen, hohle Rippen und ein ſehr ent⸗ wickeltes Abdominalſkelett charakteriſieren dasſelbe. Dies ſind die Amphibien und Reptilien, welche man im unteren Kalkflöz von Niederhäßlich bisher nachzuweiſen vermochte. Hierbei fei zugleich erwähnt, daß Profeſſor H. Credner diejenigen Formen von Stegocephalen, welche in vollſtändiger Ueberlieferung vorliegen, auf zwei für Vorträge über Geologie beſtimmten, großen muſterhaften Wandtafeln, welche im Verlage von Engelmann in Leipzig erſchienen ſind, dargeſtellt hat. Sie ſind ein ausgezeich— netes Mittel, einen größeren Hörerkreis mit dem Skelett— bau der älteſten Tiere des Feſtlandes vertraut zu machen. Die Bflanjzen des alten Aegyptens. Von Dr. E. Roth in Berlin. Durch die herrlichen Gräberfunde Schweinfurths iſt das Intereſſe an der alten ägyptiſchen Flora wieder recht rege geworden, zumal durch die Romane von Ebers auch dem größeren Publikum Gelegenheit gegeben wurde, ſich mit dem pharaoniſchen Zeitalter vertraut zu machen. 136 Pflanzen ſind bis jetzt mit ziemlicher Sicherheit aus der altägyptiſchen Flora ermittelt; darunter befinden ſich viele in Kränzen und Guirlanden, mit denen die Mumien geſchmückt waren, unter ihnen Früchte wie Samen der Totenopfer, welche man den Leichnamen in die Gruft mit⸗ zugeben pflegte, Gräſer, welche man als Beimengſel zu den Materialien der Ziegel im Thon u ſ. w. entdeckte, ferner | Fajern vom Lein und ähnlichen Gewächſen, aus denen die Umhüllungen der Toten beſtehen, kurz eine Reihe von Humboldt 1890. a 8 Pflanzen iſt uns ſichergeſtellt, welche einen intereſſanten Blick auf den Haushalt und den Kultus der alten Aegypter werfen. Neben den aus Gräberfunden bekannt gewordenen Gewächſen ſind durch die vergleichende Sprachwiſſenſchaft andere Gewächſe nachweisbar richtig beſtimmt, z. B. ſolche, die zur Bereitung von Parfums dienten. So finden wir, um mit der die größte Zahl liefern den Familie zu beginnen, 20 Species von Grasarten, denen ſich die vier Riedgräſer anſchließen. Von dieſen iſt beſonders wichtig Cyperus papyrus L., deſſen untere Teile den ärmeren Volksklaſſen roh und gekocht als Nah— rungsmittel dienten. Die biegſamen Stengel wurden zu Körben, Käfigen und ähnlichen Sachen, ja ſelbſt zu leichten Fahrzeugen verarbeitet. Der Hauptwert beſtand aber in 11 82 Humboldt. — März 1890. der Zubereitung zu einer Art Papier, das einen großen Handelsartikel ausmachte und dem Lande großen Gewinn brachte. Von den Getreidearten ſeien hier die Hirſe er⸗ wähnt (Panicum italicum L.), verſchiedene Arten Weizen (Triticum vulgare L., Tr. turgidum L., Tr. dicoccum E., Tr. Spelta L.), die Gerfte (Hordeum vulgare E., H. hexastichum L.) und Sorghum vulgare Pers. Hervor⸗ zuheben iſt, daß auch die alten Aegypter ſchon Bier aus Gerſte brauten, welches mit dem Namen „Hagi“ bezeichnet tft. Von Palmen ſind nur vier Sorten bekannt geworden, unter ihnen in erſter Reihe die Dattelpalme; Zwiebeln werden in vier Species aufgezählt; ſie ſind in reichlichem Maße in den Gräbern gefunden worden, wie denn über⸗ haupt ihre Verwendung im Süden und im Altertum ſtärker war als bei uns. Unter den Früchten der Toten⸗ opfer fand man auch ſolche vom, Wacholder (Juniperus phoenicea L.); der ägyptiſche Name, welchen man als Ouan, Aoun, Annou, Arou, Arlou geſchrieben findet, ſcheint wegen der Mannigfaltigkeit der Bezeichnung auf einen ausländiſchen Urſprung hinzuweiſen. Häufig ſtößt uns eine Weide auf (Salix Safsaf Forsk.), deren Blätter mit dazwiſchengeſteckten Blumen zu Guir⸗ landen verarbeitet, einen Hauptſchmuck der Mumien bilden. Es iſt merkwürdig, daß man bei uns noch nicht die oft durch ihre Behaarung ſilberglänzenden und wegen ihrer Länge leicht verwendbaren Blätter unſerer heimiſchen Weidenſorten zu Kränzen und Guirlanden verwendet, ſon⸗ dern ſich damit begnügt, Zweige mit den Kätzchen in die Stuben zu ſtellen, bei uns, die wir jetzt ſo ziemlich alles, was die Natur bietet, in dieſer Hinſicht heranziehen. Die benutzten Blumen ſind verſchiedener Art. So finden ſich in einem Grabe Blumenköpfe oder ⸗quirle einer Minze (Mentha piperita L.), einer mit Ausnahme von Auſtralien ſich überall findenden Pflanze; ein anderes Grabgewölbe weiſt Zweiglein von Rosmarinus officina- lis L. auf; eine andere Guirlande iſt zum Teil von Jasmin gebildet (Jasminum Sambac Att. 2), einer Art, welche noch jetzt in Aegypten des Wohlgeruches ihrer weißen Blüten wegen angepflanzt wird. Eine unſerer Kamille ähnliche Art (Chrysanthemum coronarium L.), ein noch jetzt im ganzen Mittelmeergebiet gemeines Unkraut, diente demſelben Zwecke, was bei der hellgelben, pracht⸗ vollen Farbe der Blütenköpfe nicht wunder nimmt. Ferner finden wir Saflor (Carthamus tinctorius L.) mit zuerſt gelben, dann orangefeuerroten Blumenkronen. Aus der⸗ ſelben Familie der Kompoſiten begegnet uns Leontodon coronopifolium Desf, aus der Verwandtſchaft unſeres Löwenzahns mit gelben Blüten; die Leguminoſen lie⸗ ferten Acacia nilotica Del., eine wirkliche Akazie, und die gelben Blüten der Sesbania aegyptiaca Pers. Daß gerade dieſe ſämtlich mit gelber Farbe blühenden Gewächſe in den Kränzen und Guirlanden der Mumien gefunden ſind, darf nicht wunder nehmen, da Gelb bei den Aegyptern die Farbe der Trauer war. Aber auch andere Farben finden wir vertreten. So Ut eine Art Kornblume (Centaurea depressa Bieb.) mit blauvioletten Köpfen, welche ähnliche Standorte wie unſere Art bewohnt, gefunden, jo kehrt wiederholt Nymphaea Lotus L. mit ihren weißen, Nymphaea coerulea Sav. mit ihren blauen Blüten wieder, ſo iſt uns der rote Klatſchmohn (Papaver Rhoeas L.) in wunderſchöner Weiſe erhalten, ſo treten die dunkelvioletten Blüten einer Art Schotenweiderich oder Weidenröschen auf, welche ſich in feuchten Gebüſchen, an Gräbern, Ufern und ähnlichen Standorten Aegyptens und ganz Europas finden. Gerade dieſe Blüten ſind brillant konſerviert und bilden einen hervorragenden Schmuck der Reihen, welche Schweinfurth dem kgl. botaniſchen Muſeum in Berlin überwieſen hat. Schließlich iſt noch ein blaublühender Ritterſporn (Del- phinium orientale Gay.) und die hellrote Alcea ficifolia L. aus der Familie der Malvaceen zu erwähnen. Aber nicht nur Weidenblätter bilden das Haupt⸗ material der Kränze und Guirlanden, auch der Oelba um (Olea europaea JZ.) ſtellt ein ſtattliches Kontingent. Victor Loret nimmt an, daß dieſer Baum erſt unter der 18. Dynaſtie, alſo ca. 15. Jahrhundert vor Chriſti Geburt, nach Aegypten gekommen ſei, wie denn auch Griſebach den Oelbaum als im Mittelmeergebiet im engeren Sinne nicht einheimiſch gelten laſſen will. Myrtenzweige trugen verſchiedene Mumien in den Händen, während andererſeits in einer uns befremdlichen Weiſe ein Kranz von Sellerieblättern (Apium graveo- lens L.) mit kleinen Lotusblumen erwähnt wird. Kennt man freilich die auf Salzwieſen, am Meeresſtrande und ähnlichen Orten wildwachſende Pflanze, ſo nimmt ihr Gebrauch nicht ſo wunder, denn die Blätter unſerer kul⸗ tivierten Exemplare können mit denen der wilden in Bezug auf den Glanz nicht wetteifern; zudem mag auch dem Südländer der ſtrenge, ſich ſchwer verlierende Geruch an⸗ genehm ſein, denn auch Horaz erwähnt die Verwendung der Sellerieblätter zu Kränzen an drei Stellen ſeiner Dichtungen. Auch Weinreben ſind vielfach benutzt worden. Schlingt ſich doch jede einzelne Ranke in leichter Weiſe als Kranz um das Haupt und bildet einen unſchwer herbeizuſchaffenden Schmuck. Blätter von Citrullus vulgaris Schrad., einer Cucurbitacee mit kleinen gelappten Blättern, finden ſich in dem Sarge eines Prieſters und ſcheinen demſelben Zwecke gedient zu haben. Auch die Blätter von Mimu- sops Schimperi Schimper et Hochistetten, eine Pflanze, auf welche wir noch zurückkommen, wurden zum Winden von Kränzen verwandt. Stellen wir die intereſſanteren Samen und Früchte zuſammen, fo waren zunächſt jene ſchon erwähnten Gräſer, die Dattel, der Wacholder anzuführen. Ferner finden ſich Zapfen der Pinie (Pinus Pinea L.), und zwar in einem Grabe aus der 12. Dynaſtie, welche ca. 2200 vor Chriſti Geburt regiert hat. Feigen ſind aus einer großen Reihe von Gräberfunden bekannt, namentlich Früchte von Ficus Sycomorus L., dann aber auch von der ge⸗ wöhnlichen Art Ficus Carica L. Samen der Rieinus⸗ pflanze wurden zuerſt von Kunth in Berlin erkannt. Auch Schweinfurth hat Rieinusſamen gefunden, zweifelt aber an der Echtheit derſelben. Das Oel ſoll namentlich techniſch von den niederen Klaſſen der Bevölkerung zur Beleuchtung verwertet worden ſein. Während ſchon He⸗ rodot von Kiki, dem Wunderbaum, ſpricht, iſt der Name Victor Lovet niemals in den Hieroglyphen begegnet. Reſte eines Ziegels zeigen uns Früchte der auch bei uns wachſenden Wolfsmilch (Euphorbia helioscopia L.), Humboldt. märz 1890. 83 und des gemeinen Vogelknöterichs (Polygonum avicu- lare L.). Auch eine Art Ampfer (Rumex dentatus I.) iſt uns in einem Grabe erhalten worden, eine Pflanze, welche noch jetzt häufig in Aegypten vorkommt. Die als Un— kräuter weit verbreiteten Meldearten ſind durch zwei Species und eine verwandte Gattung vertreten (Chenopodium hybridum L., Chenopodium murale L., Blitum virga- tum L.). Von den Lippenblütlern ſind uns nur Samen von Salvia spinosa L. überkommen, einer noch heute in Aegyp— ten, Perſien, Syrien u. ſ. w. wachſenden Salbei. Zu verwundern iſt es, daß außer dem ſchon erwähnten Ros— marin und der Minze weiter keine Labiaten zu ermitteln geweſen ſind, da dieſe Familie gerade in jenem Floren— gebiete in ſtarkem Maße auftritt und ein großes Kontingent zu den ſogenannten Unkräutern ſtellt. Früchte von Mimusops Schimperi Schimper et Hochst. aus der Familie der Sapotaceen find zahlreich vorhanden. Sehr verbreitet iſt auch noch in der Jetztzeit in Aegypten Cordia Myxa L. aus der Familie der Cordiaceen, welche ſchon in den älteſten Zeiten in das Land der Pharaonen eingeführt wurde, ſo daß ihr Vorkommen in den Gräbern nicht befremdet. Samen der vielfach als Unkraut auf— tretenden Kompoſiten finden ſich nur ſparſam, desgleichen Früchte der Umbelliferen. Wichtiger iſt das Auftreten des Granatapfels, eines Baumes, über deſſen Heimat wir heute noch nicht ganz im reinen ſind. Nach A. de Candolle ſtammt er aus Perſien, andere verſetzen ſeine Heimat in das weſtliche Afrika. Feſt ſteht, daß ſchon zur Zeit der 17. Dynaſtie (ca. 1500 bis 1600 v. Chr. Geb.) der Granatapfel in Aegypten eingeführt wurde und ſich einer großen Beliebtheit zum Schmucke der Parks erfreute. Die in den Gräbern gefundenen Granatäpfel ſind kleiner als die der jetzigen Sorte. Aus ſprachwiſſenſchaftlichen Gründen ſteht feſt, daß der Apfel ((Pirus malus L.) ſchon zu Zeiten der 19. Dy— naſtie, alſo im 14. Jahrhundert vor unſerer Zeitrechnung, in Aegypten angepflanzt wurde, wohl eines der älteſten Vorkommen dieſer Frucht. Wohl die meiſten der gefundenen Samen gehören zu der Familie der Schmetterlingsblütler. So erfahren wir unter anderem, daß Schoten einer Lupine (Lupinus termis Forsk.), noch heute in Aegypten wachſend, gefunden ſind, wenn auch Schweinfurth ihr Vorkommen in der pharaoniſchen Zeit bezweifelt und die gefundenen Reſte einer neueren Periode zuſchreiben will. In Ziegeln ent— deckte man Samen vom Schotenklee (Medicago his: pida Wild.), von einem im ganzen Mittelmeergebiet noch heute gemeinen Steinklee (Melilotus parviflora Del.), einer Pflanze, welche ein Unkraut der ganzen Erde zu werden verſpricht, denn faſt alle neuerdings an Orten, mit denen Europäer in Handelsverkehr ſtehen, gemachten Sammlungen weiſen dieſe Art auf. Samen einer anderen Leguminoſe ſollen zu der Erbſe (Pisum axvense I.) gehören, ferner iſt ſicher nachgewieſen das Vorkommen der Linſe (Ervum Lens L.), der Bohnenſorten (Vicia Faba L., Vicia sativa L.) und anderer Vertreter dieſer Familie. Wein iſt in verſchiedenen Sorten vorhanden. Auch Orangen verdanken wir den Gräbern und damit einen wichtigen Anhalt für die Geſchichte der Obſtbäume. Leider läßt ſich die genaue Zeit der Mumien, in denen dieſe Früchte gefunden wurden, nicht mehr feſtſtellen, wie auch die Beſtimmung der Exemplare nicht das gleiche Reſultat in betreff der Species geliefert hat. Von den Kreuzblütlern ſind uns fünf Samen oder Schoten überkommen, welche dem gemeinen Rettich (Ra— phanus sativus L.), dem Hederich (Raphanistrum Lam- psana Gd. = Raphanus Raphanistrum I.), dem Ackerſenf (Sinapis arvensis L.) unzweifelhaft angehören. Aus der Verwandtſchaft der Gurken tritt uns zunächſt Cucumis Chate L. entgegen, welche noch heute in Aegypten anzutreffen iſt. Die Melone (Cucumis Melo L.) will Unger gefunden haben, doch ſcheint die Beſtimmung nicht unanfechtbar zu ſein. Feſtſtgeſtellt iſt das Vorkommen von Lagenaria vulgaris L., der Pflanze, welche die Flaſchen— kürbiſſe in jenen Gegenden liefert. Dieſe Gegenſtände ſind bereits in den Grabſtätten aus der 12. Dynaſtie (ca. 2200 vor Chriſti Geburt) angetroffen. 3 Plinius berichtet, daß die Aegypter die Ba uma oll ſtaude kannten, und Herodot behauptet, die Binden, mit denen die Mumien umwickelt ſeien, wären aus Baumwoll— ſtoff verfertigt. Das Mikroſkop aber zeigt, daß die meiſten Binden und Windeln nicht aus Baumwolle, ſondern aus Leinen beſtehen. Ueber die Art, welcher der gefundene Baumwollenſtoff entſtammt, iſt man bis jetzt noch nicht einig; die einen glauben Gossypium religiosum T. zu erkennen, während andere G. herbaceum L. diagnoſtizieren; da letztere Species auch noch heute in Aegypten angebaut wird, von der Kultur der anderen Baumwollenſtaude aber nichts verlautet, dürfte wohl, bis entſcheidendere Beweiſe beigebracht werden, Gossypium herbaceum . für die Pflanze angeſprochen werden, welcher die Mumienbinden zum Teil entſtammen. Den hieroglyphiſchen Namen kennt man noch nicht. Unger fand zuerſt Leinſamen in den Ueberreſten eines Ziegelſteines und ſchrieb dieſe Früchte dem bei uns gebauten Lein (Linum usitatissimum J.) zu. Schwein⸗ furth entdeckte in Gräbern der 12. und 20. Dynaſtie große Mengen Leinſaat — beinahe 15 hl — und er— kannte, daß die gefundenen Samen von Linum humile II., einer unſerer Art nahe ſtehenden Species, welche auch noch heute allein im Lande der Pharaonen gebaut wird, entſtammen. Wenden wir uns zu den Pflanzen, welche zur Be— reitung von Parfums dienten, ſo ſind wir meiſt auf die vergleichende Sprachwiſſenſchaft angewieſen. Zu den in— tereſſanten Gewächſen gehört Kalmus (Acorus Calamus L.), welcher jetzt in Aegypten nicht wild vorkommt, den Alten aber unzweifelhaft bekannt war und in faſt allen An— weiſungen zum Anfertigen von Parfums genannt wird. Auch die Zapfen von Juniperus phoenicea L. dienten demſelben Zweck; von Lorbeergewächſen finden wir Laurus Cassia L. und L. Cinnamomum Andr., welche beide wahrſcheinlich über Arabien aus Indien bezogen wurden. Eine Art Winde (Convolvulus Scoparius L., nach Loret jetzt nur von Teneriffa bekannt) tritt ebenfalls in faſt allen Rezepten auf. Eine offene Frage iſt es, ob wir das Seſamöl als den alten Aegyptern bekannt aufzählen dürfen. Philologiſche Gründe machen es wahrſcheinlich, 84 Humboldt. — März 1890. daß Früchte von Sesamum indicum DC. eingeführt worden find, wenn auch A. de Candolle meint, dieſes jet erſt nach der griechiſchen Eroberung geſchehen. Auch Lawsonia inermis L. kehrt immer wieder in den Angaben zur Bereitung von wohlriechenden Oelen und duftenden Salben. Moringa aptera Gaertn. aus der Familie der Mimoſeen möge den Beſchluß machen, eine Pflanze, welche ebenfalls von Schweinfurth aufge⸗ funden wurde. Intereſſant mag es ferner ſein, daß ſchon die Alten das Gummi von Acacia nilotica Del. verwendeten. Von dem ägyptiſchen Namen Quami gelangt man über das griechiſche 26h und das franzöſiſche gomme leicht zu unſerem Gummi. Aleber Schalen- und Kallſteinbildung. Bringt man auf einen Objektträger einen Tropfen klaren, geruchloſen, aber ſchwach alkaliſch reagierenden Ei⸗ weißes (aus einem Hühnerei) mit etwas konzentrierter Chlorcalciumlöſung, ſo ſcheiden ſich bald zahlreiche kugelige Körper aus, welche ſich in verdünnter Säure unter Brau⸗ ſen und Hinterlaſſung eines organiſchen Rückſtandes von gleicher Geſtalt löſen. Stellt man den Verſuch in größerem Maßſtabe und mit verdünnter Chlorcaleiumlöſung an, ſo bilden ſich außer den kugeligen Caleoſphäriten Zwil⸗ lings⸗ oder Vierlingskörper, Conoſtaten, feſte Kruſten oder größere Kugeln, die durch Zuſammentreten der Calco- ſphäriten entſtehen. Das Eiweiß nimmt dabei den Charakter des Konchyolin an, wird weiß und faſt ganz unlöslich in Säuren und Alkalien; nach längerem Stehen in mehrfach erneutem Waſſer färbt es ſich bräunlich wie die Konchyolin⸗ maſſen, welche die unbeſchalten Körperteile vieler Mollusken überziehen. Aehnliche Reſultate wie die hier nach Stein⸗ mann (Berichte der Naturforſchenden Geſellſchaft in Frei⸗ burg) beſchriebenen, hatte ſchon Harting unter Anwendung von kohlenſaurem Alkali erhalten und er hatte auch nach⸗ gewieſen, daß der Niederſchlag das gleiche chemiſche und optiſche Verhalten zeigt wie die Kokkolithen der Meeres⸗ abſätze, der Kreide u. ſ. w. und viele organiſche Ralf gebilde, beſonders die Porzellanſchicht der Molluskenſchalen. Denn auch dieſe beſtehen aus ſehr zahlreichen, äußerſt kleinen Kalkſpatkryſtallen, welche in ſtrahliger oder paral⸗ leler Anordnung in eine konchyolinartige Subſtanz einge⸗ bettet und durch dünne Häute derſelben voneinander ge- ſchieden ſind. Das Kalkkarbonat erhält durch dieſe Um⸗ hüllung eine bedeutende Widerſtandsfähigkeit gegen löſende Agentien. Der Unterſchied zwiſchen einem künſtlich erzeugten Caleoſphäriten und einer Orbulinen⸗ oder Globigerinen⸗ ſchale beſteht nur darin, daß letztere einen centralen Hohl⸗ raum und Wandporen beſitzen. Die Anordnung und Be⸗ ſchaffenheit der Kalkſpatkryſtalle iſt die gleiche. Zwiſchen einer Globigerinen⸗ und einer Molluskenſchale ohne Perl⸗ mutterſchicht exiſtieren aber nur formelle Unterſchiede. Ebenſo baut ſich das Kalkſkelett der Korallen aus einfachen oder gedoppelten Calcoſphäriten auf. Die Molluskenſchale entſteht bekanntlich durch Verkalkung einer ſtrukturloſen eiweißhaltigen Schleimmaſſe, welche vom Epithel des Mantels erzeugt wird. Die nachträgliche Volumzunahme der Schalenmaſſe, welche man bei Waſſermollusken beob⸗ achtet, braucht nicht notwendig als organiſches Wachstum betrachtet zu werden. Verſetzt man nämlich Chlorcalcium- löſung mit Molluskenſchleim, ſo ſcheiden ſich, einerlei, ob derſelbe an und für ſich unter natürlichen Verhältniſſen Schale bildet oder nicht, zahlreiche Calcoſphäriten aus, während derſelbe Schleim, ſich ſelbſt überlaſſen, weniger reichliche oder gar keine Kalkausſcheidungen liefert. Die Schalenſubſtanz kann alſo auch aus dem umgebenden Me⸗ dium Kalkſalze niederſchlagen und dadurch eine Volum⸗ vermehrung erfahren. Hiermit ſtimmt die relative Dick⸗ ſchaligkeit der marinen Mollusken im Vergleich mit der im allgemeinen dünnen Schale der Landmollusken überein. Die Schalenbildung der Mollusken brauchen wir uns alſo nicht als einen unmittelbar vitalen Vorgang vorzuſtellen, wir können ſie uns als das Reſultat der Einwirkung von Kalkſalzen auf die vom Organismus (oft mit den Kalk⸗ ſalzen) ausgeſchiedene Eiweißſubſtanz erklären. Die Schale der Mollusken wird vom Epithel des Mantels erzeugt, aber gewiſſe Thatſachen beweiſen, daß auch andere Körperteile Schalenmaſſe bilden können. Unter⸗ ſucht man den bräunlichen Konchyolinbelag, welcher die unbeſchalten, ſtark muskulöſen Teile des Weichkörpers vieler Mollusken überzieht, ſo findet man ſtets in Ver⸗ bindung mit dem Konchyolin mikroſkopiſche Kalkſtücke, die ſich nicht zu einer feſten Schale zuſammenſchließen, viel⸗ mehr ebenſo wie das Konchyolin periodiſch abgeſtoßen und erneuert werden. Der gleiche Vorgang ſcheint ſich auf der Körperoberfläche vieler anderer Seetiere, z. B. der Cölenteraten, wenn auch in weniger intenſivem Maßſtab abzuſpielen und es dürfte der Schalenbildungsprozeß unter den marinen Wirbelloſen in Wirklichkeit viel verbreiteter ſein, als man gewöhnlich annimmt. Nach obigem Verſuch zu ſchließen, genügt dazu die Ausſcheidung eiweißhaltiger Subſtanz an der Oberfläche des Körpers. Wo die aus- geſchiedene Schalenmaſſe ſich an ſchon früher gebildete Schalenteile oder an einen äußern Widerſtand (Teredo) anlagern kann, oder wo ein Köxpperteil längere Zeit ruhig verharrt, kommt es zur Bildung zuſammenhängender Hart- gebilde; wo aber Schalenmaſſe an einem ſtark muskulöſen und bewegten Körperteil abgeſondert wird, können die einzelnen Stücke, aus deren Zuſammenfügung die kom⸗ pakten Schalen entſtehen, ſich in der Regel nicht zuſammen⸗ ſchließen; ſie bleiben wohl eine zeitlang auf der runzeligen Oberfläche des betreffenden Körperteiles ſamt dem Konchyolin haften, gelangen aber dann in das umgebende Medium. Während ſo das Zurücktreten oder Fehlen äußerer Schalen bei gewiſſen lebenden Tiergruppen kein Hindernis abgeben darf, dieſelben mit beſchalten lebenden oder foſſilen in Zuſammenhang zu bringen, falls andre Merkmale auf einen ſolchen Zuſammenhang deuten, gibt der geſchilderte Prozeß zugleich Hinweiſungen auf geologiſche Vor⸗ gänge. Die Entſtehung der marinen Kalkſteine und Do⸗ Humboldt. — März 1890. 85 lomite iſt bis heute noch nicht aufgeklärt. Das aus dem Lebensprozeß ausgeſchaltete Eiweiß beſitzt nun aber, wie wir geſehen haben, die Eigenſchaft, den kohlenſauren Kalk aus Chlorcalcium oder ſchwefelſaurem Kalk niederzuſchlagen, und zwar in einer Form, welche die ſofortige Wiederauf— löſung durch das Meerwaſſer verhindert. Dagegen erleidet bekanntlich der kohlenſaure Kalk, welchen die Flüſſe dem Meere zuführen, eine Umſetzung in Chlorid, bezw. Sulfat; die hierzu nötige Säure liefern wahrſcheinlich die Pflanzen, indem ſie bei der Aufnahme von Alkaliſalzen die betreffende Säure abſcheiden. Solange alſo die Zuſammenſetzung des Meerwaſſers weſentlich die gleiche war wie heutzutage, kann der Abſatz von kohlenſaurem Kalk im freien Meer nur mit Hilfe der organiſierten Materie vor ſich gegangen ſein, ſei es in Form vollſtändiger Hartgebilde von be— ſtimmter Geſtalt, ſei es als kleine zuſammenhangsloſe Schalenſtückchen oder als Coccolithe. Geologiſche That— ſachen deuten darauf hin, daß die dolomitiſchen Kalkſteine und Dolomite nicht principiell anderer Entſtehung ſind als die Kalkſteine. Nach den bisherigen — noch nicht ab— geſchloſſenen — Verſuchen Steinmanns wirkt das Eiweiß auf Magneſiaſalze ebenfalls, aber weitaus ſchwächer als auf Kalkſalze ein. Aus dieſem Verhalten dürfte ſich das Ueberwiegen des Kalkes in den Abſätzen, ſein Zurücktreten im Meerwaſſer im Vergleich zur Magneſia erklären. Auch manche Schwermetalle werden durch Eiweiß leicht gefällt. Verſuche mit Eiweiß und Eiſenchlorid bezw. Eiſenoxydul— ſulfat haben eine raſche und reichliche Ausſcheidung von Eiſenhydroxyd ergeben. Ein ähnliches Verhalten dürfte vom Mangan zu erwarten ſein. Das geſchilderte Verhalten des Eiweißes liefert uns den Schlüſſel zur Erklärung zweier ſcheinbar verſchiedener, in größtem Maßſtab ſich vollziehender Prozeſſe, der Bil— dung der Kalkſchalen wirbelloſer Tiere und der Entſtehung der marinen Kalkſteine (vielleicht auch der Dolomite und einiger anderer, in geringer Menge in normalen marinen Sedimentgeſteinen verbreiteter Stoffe). Das Meerwaſſer müßte, wenn dieſe Subſtanzen nicht kontinuierlich aus demſelben gefällt würden, eine ganz andere Zuſammen— ſetzung haben, als es in Wirklichkeit beſitzt. D. Jortſchritte in den Katurwiſſenſchaften. Chemie. Von Dr. H. Albrecht in Biebrich. Darſtellung und Eigenſchaften des aſchefreien Albumins. Euxanthon. Beſtimmung der in Waſſer gelöſten Gaje. Abſorptionsvermögen des Waſſers für Sauerſtoff. Analyſe inaktiver Subſtanzen mit Hilfe des Polariſtrobometers. Cechniſche Darſtellung von Sauerſtoff aus atmo ſphäriſcher €uft. Neue Präparate: Photographiſche Entwickler, Beizmittel, Riechſtoffe. ; Nicht nur in phyſiologiſcher Hinſicht, ſondern auch für die analytiſche Unterſuchung des Albumins von größter Wichtigkeit iſt eine Arbeit von E. Harnack über die Dar— ſtellung und die Eigenſchaften des aſchefreien Albumins. (Ber. 22, 3046). Vielfache frühere Verſuche, reines aſchefreies Albumin darzuſtellen, hatten dieſes Ziel nur unvollkommen erreicht; Schrötter gelang es neuer— dings (Ber. 22, 1950), mit Hilfe von Benzoylchlorid aſche— freie in Alkohol lösliche Benzoyläther von Eiweißkörpern darzuſtellen. Nach der von Harnack befolgten Methode wird eine Löſung von möglichſt reinem Albumin, welche durch Abſcheidung der Globuline aus dem Eiweiß gewon— nen worden iſt, durch Fällen mit Kupferſalzlöſung in Kupferalbuminat übergeführt, welches durch wiederholtes Löſen und Fällen ſalzfrei gemacht wird. Eine größere Menge gut zerſchnittenes Eiweiß wurde mit Waſſer und reichlich mit Eſſigſäure verſetzt, das Filtrat genau neutra— liſiert, nochmals klar filtriert und der Eiweißkörper mit Kupfervitriollöſung gefällt. Der entſtandene blaugrüne, flockige Niederſchlag wurde nun ſorgfältigſt ausgewaſchen, ſodann in etwas Waſſer verteilt, durch möglichſt wenig Natronlauge gelöſt, und aus der Löſung durch Neutra— liſieren mit Eſſigſäure ſofort wieder gefällt. Dieſe Pro— cedur wurde nochmals wiederholt, der Kupferniederſchlag darauf in einer reichlichen Menge Natronlauge gelöſt und die dunkelviolettblaue Löſung etwa 24 Stunden ſich ſelbſt überlaſſen. Die Kupfereiweißverbindung iſt alsdann zer— legt; neutraliſiert man die Löſung mit Salzſäure, ſo er— hält man einen farbloſen flockigen im Ueberſchuß der Säure nicht mehr löslichen Eiweißniederſchlag, der ſich gut ab— ſetzt, während die alles Kupfer enthaltende Löſung leicht durch Filtrieren und Auswaſchen entfernt werden kann. Der ſo erhaltene Eiweißkörper enthält nur ca. 0,1% Aſche, kann ſomit als nahezu aſchefrei bezeichnet werden, nament- lich enthält er weder Phosphor noch Spuren eines Phos- phates oder Eiſen. Dieſes aſchefreie, alſo unverbun— dene Albumin zeigt nun zum Teil ganz andere Eigen— ſchaften als das gewöhnliche Albumin. Die bemerkens— werteſten Unterſchiede ſind die folgenden: Reines, d. h. unverbundenes Eieralbumin iſt durch Siedehitze wicht koagulierbar und ſcheint überhaupt für ſich der ſoge— nannten geronnenen Modifikation nicht fähig zu ſein. Es wird durch Alkohol, Aether, Phenol und Tannin nicht ge— fällt und bildet mit reinem kaltem Waſſer eine Quellung, die allmählich, namentlich beim Erhitzen bis zum Sieden, den Charakter einer Löſung annimmt. Aus letzterer wird das Albumin gefällt durch Neutralſalzlöſungen und durch Säuren (unlöslich im Ueberſchuß), nicht durch Alkalien. Das durch Eindampfen ſeiner Löſung bei 100° eingetrock— nete Eiweiß hat ſeine Eigenſchaften nicht verändert, quillt wieder in Waſſer, löſt ſich beim Sieden u. ſ. w. Entgegen der verbreiteten Annahme, daß reines Albumin in Waſſer unlöslich ſein werde, hat ſich alſo gezeigt, daß es in Waſſer löslich iſt, aber durch zahlreiche Einwirkungen unlöslich zu machen iſt, wenn es mit Aſchebeſtandteilen verbunden iſt; es verhält ſich alſo analog anderen kolloiden Subſtanzen 86 Humboldt. — März 1890. wie Kieſelſäure oder Thonerde, deren mit Hilfe des Dia⸗ lyſators erhaltene Löſungen auf Zuſatz einer kleinen Salz⸗ menge ſofort gerinnen. Die weitere chemiſche Unterſuchung des aſchefreien Albumins wird darzuthun haben, daß in ihm wirklich ein chemiſches Individuum vorliegt, was zwar nicht erwieſen, aber doch wahrſcheinlich iſt. Die chemiſche Unterſuchung eines in mancher Bezie— hung intereſſanten und ſchon mehrfach ſtudierten Stoffes, nämlich des als Malerfarbe bekannten „Indiſch Gelb“ iſt zum Abſchluß gekommen (Gräbe, A. 254, 265). Der weſentliche Beſtandteil dieſes Farbſtoffes iſt das Magneſium⸗ ſalz einer Säure von der Zuſammenſetzung Cg His Oln, der Euxanthinſäure. Der Urſprung des „Indiſch Gelb“ oder „Puree“ war bisher ziemlich dunkel; es hat ſich heraus⸗ geſtellt, daß dasſelbe ausſchließlich in der Stadt Monghyr in Bengalen erzeugt wird und zwar aus dem Harn von Kühen, welche mit Mangoblättern gefüttert werden. Der goldgelbe Harn der Tiere wird erhitzt, wobei ſich der gelbe Stoff ausſcheidet, das Sediment wird zu Kugeln geformt und getrocknet. Die aus dem Indiſch Gelb dargeſtellte Euxanthinſäure erleidet beim Erhitzen mit Schwefelſäure Spaltung in Euxanthon Ci3Hs 04, welches blaßgelbe, ſublimierbare Nadeln bildet und Glyeuronſäure C6 HI Or. Umgekehrt geht das Euxanthon bei innerlichen Gaben in den Harn als Euxanthinſäure über. Die Glyeuronſäure, deren Konſtitution noch unbekannt iſt, iſt ein häufiges Stoff⸗ wechſelprodukt; gewiſſe Phenole, Kampfer, Chloral werden, innerlich gegeben, als Glycuronſäureverbindungen wieder ausgeſchieden. Die Entſtehung des Puree iſt alſo jeden⸗ falls auf einen Gehalt der Mangoblätter an Euxanthon zurückzuführen. Was nun das Euxanthon ſelbſt anbetrifft, ſo haben verſchiedene Unterſuchungen dargethan, daß es als ein Dioxydiphenylenketonoxyd A COW 8 OH . Ce Hy 2 0 > Ce Hy . OH aufzufaſſen iſt, und Gräbe hat kürzlich die Konſtitution durch die Syntheſe aus 2 Reſoreylſäure und Hydrochinon⸗ karbonſäure völlig aufgeklärt (NOE be ee eee e OS) OH (2) (2) 0H (1) = 2Hy0 + COy-+ (4) OH. H <> CH. OHG) (2) Das Euxanthon läßt fic) alſo gewiſſermaßen einem Dioxyanthrachinon zur Seite ſtellen. Obgleich gelb ge— färbt, iſt es kein Farbſtoff, wohl aber beſitzt die Euxan⸗ thinſäure, welche als eſterartige Verbindung des Euxan⸗ thons mit Glycuronſäure aufgefaßt werden muß, färbende Eigenſchaften und vermag ſich auf metalliſchen Beizen zu fixieren. Das dem Farbſtoff zu Grunde liegende Chromo- gen iſt das Diphenylenketonoxyd C6 H ONS Cy Hg und es iſt wahrſcheinlich, daß dieſes Chromogen noch für eine Reihe anderer, wenig ſtudierter Farbſtoffe charakte⸗ riſtiſch iſt. Eine Reihe neuerer Arbeiten beſchäftigt ſich mit der Vervollkommnung der Methoden zur Beſtimmung der in Waſſer gelöſten Gaſe. Von Gaſen, welche natür⸗ liche Wäſſer gelöſt enthalten, ſind namentlich Sauerſtoff, Stickſtoff, Kohlenſäure und Grubengas in Betracht zu ziehen. Ihre relative Menge gibt wichtige Andeutungen über die Herkunft und die Beſchaffenheit des Waſſers, ſo⸗ wie auch über die Brauchbarkeit als Trinkwaſſer, und es iſt zu erwarten, daß bei künftigen Waſſeranalyſen auf die Beſtimmung der gelöſten Gaſe größeres Gewicht gelegt wird. Den bekannten Methoden zur Beſtimmung des Sauer⸗ ſtoffs, namentlich dem gaſometriſchen Verfahren von Bunſen und der Titrierung mittels Natriumbiſulfit nach Schützen⸗ berger, hat L. W. Winkler (Ber. 21, 2843; 22, 1714) eine neue tritrimetriſche Methode hinzugefügt, welche ſich ebenſo⸗ ſehr durch Einfachheit als durch Genauigkeit auszeichnet. Die Analyſe beruht darauf, daß durch den in einer ge- wogenen Menge Waſſer gelöſten Sauerſtoff bei Gegenwart von Alkali überſchüſſiges Manganoxydulhydrat zu Mangan⸗ oxydhydrat oxydiert wird. Fügt man danach Jodkalium und Salzſäure hinzu, ſo wird eine dem entſtandenen Man⸗ ganoxydhydrat, alſo dem vorhandenen Sauerſtoff, äqui⸗ valente Menge Jod ausgeſchieden. Dieſes titriert man auf die bekannte Weiſe mit unterſchwefeligſaurem Natron. Ent⸗ hält das Waſſer ſalpetrigſaure Salze, fo ift eine Modifi⸗ kation des Verfahrens erforderlich, weil bei der Einwir⸗ kung von ſalpetriger Säure auf Jodwaſſerſtoff neben Jod Stickoxyd entſteht, welches aus der Luft Sauerſtoff auf den Jodwaſſerſtoff zu übertragen vermag. Um den ſtören⸗ den Einfluß der ſalpetrigen Säure zu eliminieren iſt es nur nötig, mit Salzſäure anzuſäuern, bevor man das Jod⸗ kalium zugibt. Durch das entſtandene Manganchlorid wird die ſalpetrige Säure quantitativ zu Salpeterſäure oxydiert. Bei der darauffolgenden Umſetzung mit Jodkalium und Titration findet man natürlich um fo viel weniger Sauer⸗ ſtoff, als von der ſalpetrigen Säure (event. auch von vor⸗ handener organiſcher Subſtanz) in Anſpruch genommen wurde. Dieſer Betrag wird durch einen beſonderen Ver⸗ ſuch ermittelt, indem man eine gemeſſene Menge des zu prüfenden Waſſers mit überſchüſſigem Manganchlorid ver⸗ ſetzt und beſtimmt, wie viel von dem wirkungsfähigen Chlor verſchwunden iſt. Petterſon (Ber. 22, 1434) vereinfachte die gaſometriſche Methode zur Beſtimmung der gelöſten Gaſe. Die Gaſe werden durch Kochen aus dem Waſſer ausgetrieben und ſofort im Meßrohr aufgefangen. Aus dem Gasgemenge abſorbiert man zunächſt die Kohlenſäure durch Natronlauge, dann den Sauerſtoff durch alkaliſche Pyrogallusſäurelöſung. Der nicht abſorbierte Reſt ijt Stick⸗ ſtoff. Wird der Stickſtoffgehalt größer gefunden, als dem Abſorptionsvermögen des Waſſers bei der betreffenden Temperatur entſpricht, ſo iſt auch noch auf Grubengas Rückſicht zu nehmen, und es muß der Gasreſt auf die ge⸗ wöhnliche Weiſe durch Zuſatz von Sauerſtoff und Verbren⸗ nung weiter analyſiert werden. Von den Reſultaten, welche durch Anwendung der kurz ſkizzierten Methoden erhalten wurden, erwähnen wir zunächſt die endgültige Ermittelung des Abſorptions⸗ vermögens des reinen Waſſers für Sauerſtoff. Die Frage nach der Stickſtoffabſorption iſt bereits durch frühere Analyſen erledigt; hinſichtlich des Abſorptions⸗ vermögens für Sauerſtoff herrſchte indes noch Unſicherheit. Mit Luft geſättigtes Waſſer enthält hiernach in 1000 cem bet 760 mm Barometerſtand: März 1890. 87 Humboldt. — N cem O cem bei 0% 19,53 10,01 nee 16,34 8,28 ie 15,58 7,90 „ 14,10° 14,16 7,05. Sowohl Winklers als auch Petterſons Zahlen laſſen erkennen, daß die Zuſammenſetzung der gelöſten Luft von der Temperatur abhängig iſt, was aus den älteren Ana— lyſen von Bunſen nicht hervorgeht. Mit ſteigender Tem— peratur ſteigt der Stickſtoffgehalt und fällt der Sauerſtoff— gehalt. Eine möglichſt genaue Feſtſtellung des normalen Verhältniſſes von Sauerſtoff zu Stickſtoff iſt für die Be— urteilung natürlicher Wäſſer von Wichtigkeit. Schon Hum— boldt und Gay-Luſſac beobachteten, daß die relative Menge von Sauerſtoff im Fluß- und Regenwaſſer kleiner ijt als in mit Luft künſtlich geſättigtem deſtillierten Waſſer. Zur Feſtſtellung dieſes „Sauerſtoffdefizits“ bedient man fic) der ein für allemal feſtgeſetzten Relation von Stickſtoff zu Sauer- ſtoff in reinem Waſſer, indem man damit die für ein natürliches Waſſer gefundenen Zahlen vergleicht. Die Diffe— renz zwiſchen der normalen und gefundenen Menge Sauer— ſtoff in cem pro Liter iſt das Sauerſtoffdefizit. Dieſer Betrag iſt vor allen Dingen zu ermitteln bei jeder Unter— ſuchung, welche zu ſanitären Zwecken dienen ſoll. Auf die Größe des Sauerſtoffdefizits haben, wie Petterſon und Sonden konſtatierten, beiſpielsweiſe die Oxydationsvorgänge der organiſchen Subſtanzen im Waſſer einen ſehr bemer— kenswerten Einfluß. Das Stockholmer Waſſerleitungswaſſer zeigt das Maximum des Sauerſtoffdefizits: 2,8 —3,0 cem im Spätſommer, das Minimum: 1,0 1,7 cem im Winter, während die Schwankungen im Kohlenſäuregehalt ſich ge— rade in entgegengeſetzter Richtung bewegen. Das Maximum an C02: 27,4—29 cem fällt mit dem Minimum an Sauer— ſtoff im Sommer, das Minimum an C02: 16,818 cem mit dem Maximum an Sauerſtoff im Winter zuſammen. Die Urſache ijt die, daß die Orydationsprozeſſe im Waſſer in der warmen Jahreszeit viel energiſcher verlaufen als in der kalten. Eine Ueberſättigung des Leitungswaſſers mit Sauerſtoff konnte niemals wahrgenommen werden, dagegen kann eine Ueberſättigung mit Stickſtoff auf rein mechaniſchem Wege entſtehen, falls das Waſſer in Gegen— wart von Luft einem hohen Druck ausgeſetzt wird. Inter— eſſante Ergebniſſe verſprechen ferner im Gange befindliche Unterſuchungen über die Reſpiration der im Waſſer leben— den Pflanzen und Tiere, ſowie auch über die Aſſimilation des Kohlenſtoffs bei den Algen u. ſ. w. Analyſe inaktiver Subſtanzen mittels des Pola riſtrobometers. Gewiſſe optiſch aktive Körper, wie Weinſäure, Apfelſäure, Invertzucker, Kampfer u. ſ. w. zeigen die Eigenſchaft, daß ihr Rotationsvermögen ſich oft in bedeutendem Grade ändert, wenn zu ihrer Löſung noch eine andere inaktive Subſtanz hinzugeſetzt wird. Wie Landolt gezeigt hat, kann dieſer Umſtand benutzt werden, um mit Hilfe des Polariſtrobometers auch inaktive Sub— ſtanzen analytiſch zu beſtimmen. Zunächſt läßt ſich auf dieſe Weiſe der Gehalt einer Löſung ermitteln. Hier— für iſt es nötig, Vorverſuche in der Art auszuführen, daß man eine Reihe verſchieden konzentrierter Löſungen der inaktiven Subſtanz herſtellt, in jeder derſelben eine gleiche Quantität des aktiven Körpers zu dem nämlichen Volumen auflöſt und die Ablenkungen der verſchiedenen Miſchungen beſtimmt. Hat man daraus eine Formel berechnet, welche den Gehalt an inaktiver Subſtanz als Funktion des Dre- hungswinkels ausdrückt, fo laſſen ſich Löſungen von un- bekanntem Gehalt analyſieren, wenn man in dieſelben die gegebene Menge des aktiven Stoffes einträgt und im Po— lariſationsapparate prüft. Auf dieſe Weiſe kann man z. B. den Gehalt einer Löſung an Borſäure durch Zuſatz einer beſtimmten Menge von Weinſäure beſtimmen, da das Dre— hungsvermögen der Weinſäure bei ſteigendem Zuſatz von Borſäure in erheblichem Maße zunimmt, und es würde ſich vielleicht dieſes Verfahren eignen zur raſchen Beſtim— mung der Borſäure in den Soffionenwäſſern, da dieſe nur geringe Mengen anderer Beſtandteile enthalten, welche auf die Drehung der Weinſäure einwirken können. Ferner laſſen ſich Gemenge aus zwei inaktiven Körpern ana— lyſieren, wenn man die Wirkungen einer Anzahl Miſchungen von bekannter Zuſammenſetzung auf die Rotation einer aktiven Subſtanz beſtimmt und zwar unter Anwendung ſtets gleicher Quantitäten der letzteren, ſowie des gleichen Löſungsmittels. Von beſonderem Vorteil iſt die Anwen— dung der optiſchen Analyſe auf ſolche Körper, deren Be— ſtimmung oder Trennung nach den bisher bekannten Me— thoden nicht ſicher oder nur mit großem Zeitaufwand auszu— führen war. Ein ſolches Verfahren zur Analyſe eines Ge— menges von Chlorkalium und Chlornatrium iſt von F. Schütt (Ber. 21, 2586) ausgearbeitet worden. Als aktive Subſtanz wurde weinſaures Kali gewählt. Durch Zuſatz vor Chlorna- trium wird die Polariſation des weinſauren Kalis herabgeſetzt, durch Zuſatz von Chlorkalium in geringerem Maße erhöht. In einem Saccharimeter von Schmidt und Hänſch, welcher die von Ventzke für die Polariſation des Zuckers eingeführte empiriſche Skala trägt, beträgt die Drehung von 10 g reinem Chlornatrium mit 11 g weinſaurem Kali zu 50 cen gelöſt im 4 dm Rohre 62,06 Teilſtriche und für Chlor- kalium unter genau denſelben Bedingungen 73,72 Teil- ſtriche nach rechts. Durch eine Reihe von Beobachtungen, bei welchen das Chlornatrium von 5 zu 5% durch Chlor— kalium erſetzt wurde, wurde feſtgeſtellt, daß die optiſche Wirkung der beiden Chloride ihrem Mengenverhältniſſe proportional iſt. Zur Ausführung der Analyſe werden wie bei dem gewichtsanalytiſchen Verfahren die beiden Chloride zunächſt von allen anderen Subſtanzen befreit und 10 g des Gemiſches in ein Kölbchen gebracht, welches genau 50 cem faßt; hierzu fügt man alsdann 11 g völlig reines, bei 110° getrocknetes, neutrales weinſaures Kali Cy Hy Ky 05 + HzO. Die eingewogenen Salze werden nun in Waſſer gelöſt, die Löſung wird zur Marke auf-“ gefüllt, filtriert und in das Polariſationsrohr gebracht.“ Die Tabelle, welche die der gefundenen Ablenkung ent- — ſprechenden Prozente Chlorkalium und Chlornatrium direkt angibt, findet ſich in den Berichten 21, S. 2592. Die Analyſenfehler überſteigen nicht 0,5% und find in den meiſten Fällen erheblich kleiner. Wenn man erwägt, daß die gewichtsanalytiſche Trennung von Chlorkalium und Chlornatrium durch Ausfällen des Chlorkaliums als Kalium⸗ platinchlorid ſehr zeitraubend iſt, ſo dürfte wohl die leicht und ſchnell ausführbare optiſche Analyſe in manchen Fällen den Vorzug verdienen. Das Problem der Darſtellung von Sauerſtoff 88 Humboldt. — März 1890. aus atmoſphäriſcher Luft im großen Maßſtabe ſcheint jetzt ſeine Löſung gefunden zu haben. Die Londoner Fabrik von Brins Oxygen Company gewinnt heute faſt reinen Sauerſtoff unter Benutzung von Baryumoxyd als Ueber⸗ träger. Wie bekannt, machte zuerſt Bouſſignault die Be⸗ obachtung, daß Baryumoxyd bei mäßiger Rotglut Sauer⸗ ſtoff aufnimmt und in Baryumſuperoxyd übergeht, welches bei höherer Temperatur wieder in Baryumoxyd und Sauer⸗ ſtoff zerfällt. Der praktiſchen Ausführung des Verfahrens in dieſer Form ſtehen jedoch techniſche Schwierigkeiten im Wege, welche erſt überwunden wurden, als man beobachtete, daß das Baryumſuperoxyd, anſtatt auf höhere Temperatur erhitzt zu werden, auch dadurch zerlegt werden kann, daß bei gleichbleibender Temperatur der Druck vermindert wird. In der genannten Fabrik wird poröſes, durch Glühen von Baryumnitrat hergeſtelltes Baryumoxyd in ſtehenden Re⸗ torten auf etwa 800° erhitzt und kohlenſäurefreie, trockene Luft unter einem Drucke von einer Atmoſphäre hindurch⸗ gepreßt. Der Baryt wird dadurch in Baryumſuperoxyd umgewandelt. Nach genügend erfolgter Sauerſtoffaufnahme wird der Druck vermindert, bis eine Luftverdünnung, ent⸗ ſprechend etwa 700 mm Queckſilberſäule entſteht, wodurch der aufgenommene Sauerſtoff wieder abgegeben wird. Die ganze Operation der Oxydation und Sauerſtoffabgabe dauert ungefähr 10 Minuten und kann ungefähr 100 mal täglich wiederholt werden. Das Gas wird in einem Gajo- meter angeſammelt, es enthält 90 - 96 %s reinen Sauer⸗ ſtoff. Für den Verſandt wird es unter einem Druck von 120 Atmoſphären in Stahleylinder gepreßt. Der jo dav- geſtellte Sauerſtoff iſt mannigfacher Verwendung fähig. Erprobt iſt z. B. ſeine Anwendung in der Bleicherei, wo er in Verbindung mit unterchlorigſaurem Natron gute Dienſte leiſtet. Bei der Entſchwefelung des Leuchtgaſes be⸗ wirkt man die Auffriſchung des Eiſenoxyds durch Zuſatz von etwas Luft zu dem ungereinigten Gaſe. Dadurch wird jedoch infolge des eingeführten Stickſtoffs die Leuchtkraft etwas herabgedrückt, während, wenn man an Stelle von Luft Sauerſtoff anwendet, die Leuchtkraft ſogar noch etwas erhöht wird. Günſtige Reſultate ergaben ferner Verſuche zur Entfuſelung von Alkohol, ſowie zur Beſchleunigung des Ausreifens geiſtiger Getränke mittels Sauerſtoff, ferner dürfte er ſich zur Erzeugung ſehr hoher Temperaturen bei metallurgiſchen Prozeſſen mit Vorteil verwenden laſſen. (Journ. soc. chem. ind. 1889, p. 82, 517). Ein anderer Vorſchlag zur Gewinnung von Sauerſtoff iſt von G. Kaßner (Dingl. pol. Journ., Bd. 274) gemacht worden. Das Verfahren beruht auf der Beobachtung, daß Bleioxyd beim Glühen mit Aetzkalk oder kohlenſaurem Kalk unter Sauerſtoffaufnahme in das Caleiumſalz einer Blei- ſäure CagPbO, übergeht, welches unter der Einwirkung von Alkalikarbonaten oder freier Kohlenſäure ein Gemiſch von kohlenſaurem Kalk und Bleiſuperoxyd liefert: Cag PbO, 2002 = 20a C003 + PhO». Bei mäßigem Glühen dieſes Gemiſches wird der Sauer— ſtoff des Bleiſuperoxyds abgegeben, es entſteht wieder Blei- oxyd, welches beim ſtärkeren Glühen mit dem beigemengten kohlenſauren Kalk bei Gegenwart von Luft die Verbindung Cay PbO, regeneriert. Photographiſche Entwickler. Die Eigenſchaft, das latente Bild auf der photographiſchen Platte zu ent⸗ wickeln, kommt einer großen Anzahl ſtark reduzierender organiſcher Subſtanzen zu. Bis vor kurzem wurde hierfür faſt ausſchließlich Pyrogallusſäure (neben Eiſenoxyd) ver⸗ wendet. Neuerdings ſind auch die drei iſomeren Dioxy⸗ benzole auf ihre Verwendbarkeit als Entwickler geprüft worden, wobei ſich gezeigt hat, daß Hydrochinon und Brenz⸗ katechin kräftig wirken, während das Reſorein nur ein ſehr geringes Entwickelungsvermögen beſitzt. Ebenſo leiſtet das Paraphenylendiamin in ſchwach alkaliſcher Löſung gute Dienſte. Vor allen anderen verdient jedoch das von An⸗ dreſen vorgeſchlagene amido-B-naphtholfulfojaure Natron CIO HS. OH. NH. S0; Na Beachtung. Es kommt unter dem Namen Eikonogen in den Handel, iſt nicht giftig, bräunt ſich nicht an der Luft und ruft Bromſilberplatten raſch hervor. Die genannten Subſtanzen gehören ihrer Konſtitution nach ſämtlich der aromatiſchen Reihe an, von Verbindungen der Fettreihe iſt, wie M. Schwartz nachge⸗ wieſen hat, die Natriumbiſulfitverbindung des Formal⸗ dehyds als Senſibilator ſehr geeignet. Daß die einfachen Aldehyde ammoniakaliſche Silberlöſung raſch zu Metall reduzieren, iſt bekannt; ihrer Verwendung als Entwickler ſteht jedoch der Umſtand entgegen, daß ſie ſich leicht höher oxydieren oder polymeriſieren. Völlig beſtändig und kräftig entwickelnd find dagegen die Doppelverbindungen der Al- dehyde mit Natriumbiſulfit. Dieſe bilden ſich ſehr leicht beim einfachen Zuſammenbringen der Komponenten; das als Entwickler verwendete Formaldehydnatriumbiſulfit oder oxymethylſulfoſaure Natron H2C(OE) SO; Na bildet ein leicht lösliches, kryſtalliſierbares Salz. Beizmittel. Der Brechweinſtein, weinſaures Antimonoxydkali, iſt ein beſonders in der Textilinduſtrie viel benutztes Salz. Das Beſtreben, denſelben durch andere Antimonſalze zu erſetzen, hat einige neue Antimonverbin⸗ dungen zu Tage gefördert, welche in Waſſer leicht löslich ſind und ſich durch große Kryſtalliſationsfähigkeit aus⸗ zeichnen. Das eine iſt Antimonfluorid-Ammoniumſulfat Sb FI (NH) S0 4, das andere Antimonfluornatrium Sb Fg Na Fl. Als Chrombeize findet ferner ein neues Chromfluorid von der Zuſammenſetzung Cry Fp + 8H Verwendung. Es beſitzt die Eigenſchaft, ſich in wäſſeriger Löſung leicht zu diſſociieren, wenn Fajern in ſeine Löſung gebracht werden. Es ſchlagen ſich alsdann unlösliche ba⸗ ſiſche Chromfluoride auf der Faſer nieder, während freie Fluorwaſſerſtoffſäure in der Löſung zurückbleibt. Riechſtoffe. Ein neuerdings von Bauer darge⸗ ſtelltes nitriertes Butyltoluol zeichnet ſich durch ſeinen intenſiven Moſchusgeruch aus und wird als Moſchus— erſatz angewendet. Die Darſtellung des Präparates ge⸗ ſchieht nach der bekannten Methode von Friedel und Craſſo durch Kochen von Toluol mit Butylchlorid unter Zuſatz von Aluminiumchlorid. Aus dem Reaktionsprodukt wird die bei 170—180° ſiedende Fraktion iſoliert und mit Salpeter⸗ ſchweſelſäure nitriert. Das entſtandene Nitroprodukt wird nach dem Waſchen mit Waſſer aus Alkohol kryſtalliſiert und bildet gelblichweiße Kryſtalle von ausgeſprochenem Moſchusgeruch. Humboldt. — März 1890. 89 Geologie und Petrographie. Don Profeffor Dr. H. Bücking in Straßburg i. E. Natur und Entſtehung der kryſtalliniſchen Schiefer. Das kryſtalliniſche Grundgebirge der Inſel Bornholm, im Odenwald und im Speſſart. Der Nontakthof des Syenit von Meißen. Der Meißener Pechſtein, pechſteinfelſit und Dobriger Porphyr. Geologie von Mexico. Buntſandſtein der Haardt. Unterer Muſchelkalk im nordöſtlichen Deutſch-Sothringen. Aeoliſche Entſtehung des Cöß in Sachſen. Sandlöß im Elſaß. Bekanntlich gehen die Anſichten über die Natur und die Entſtehungderkryſtalliniſchen Schiefer bei den Geologen weit auseinander. Während die einen in ihnen die urſprüngliche Erſtarrungskruſte der Erde er- blicken oder ſie für echte, in den Urmeeren abgelagerte Sedimente halten, treten andere für ihre eruptive Ent— ſtehung ein und ſehen in ihnen plutoniſche, urſprünglich maſſig ausgebildete, dann aber durch Gebirgsdruck ſchieferig gewordene Geſteine, alſo ſtrukturell veränderte Granite, Diorite, Syenite und Gabbros, oder mehr oder weniger alte, durch dynamiſche Vorgänge oder im Kontakt mit Eruptivgeſteinen umgewandelte Sedimente, z. B. frühere Thonſchiefer und Konglomerate. Es läßt ſich nicht leugnen, daß alle bis jetzt geäußerten Anſichten für gewiſſe Vorkommniſſe von kryſtalliniſchen Schiefern ihre volle Berechtigung haben. Meinungsver— ſchiedenheiten ſind gewöhnlich nur dadurch hervorgerufen worden, daß viele der Autoren ihre in einzelnen Gebieten gewonnenen Erfahrungen in einſeitiger Weiſe als allgemein gültig für alle kryſtalliniſchen Schiefer anſehen zu müſſen glaubten und auch bezüglich der Definition deſſen, was als kryſtalliniſcher Schiefer zu bezeichnen iſt, nicht ſelten ganz verſchiedener Anſicht waren, ohne ſich aber darüber von vornherein ſelbſt klar auszuſprechen. Vor kurzem iſt H. Roſenbuſch, deſſen bahnbrechende Arbeiten auf dem Gebiete der Petrographie ja allbekannt ſind, auch der Frage nach der Natur und Entſtehung der kryſtalliniſchen Schiefer näher getreten und hat in einer Abhandlung, betitelt „Zur Auffaſſung des Grund— gebirges“ “) eine Reihe von Thatſachen betont, welche zwar allen, welche ſich vorurteilsfrei mit dem Studium der kryſtalliniſchen Schiefer befaßt haben, bekannt ſein dürften, aber doch wohl noch niemals in ſo präziſer Weiſe zum öffentlichen Ausdruck gelangt ſind. ; Roſenbuſch macht darauf aufmerkſam, daß kryſtalliniſche Schiefer allenthalben an der Baſis der normalen Sediment— formationen als ſogenanntes „Grundgebirge“ auftreten und zum Teil unter Verhältniſſen, welche darauf hindeuten, daß zur Zeit ihrer Bildung bereits Organismen auf der Erde vorhanden waren, wenn auch Spuren derſelben nur äußerſt ſelten beobachtet ſind und man eigentlich nur aus dem Auftreten von Lagern körnigen Kalkes oder aus dem Gehalt an Graphit oder amorpher Kohle auf ihre An— weſenheit ſchließen darf. Ferner erinnert er daran, daß auch aus zweifellos foſſilführenden Formationen, z. B. aus dem Silur der Halbinſel Bergen in Norwegen, in neuerer Zeit kryſtalliniſche Schiefer bekannt geworden ſind, welche in ihrer Struktur und in ihrer Mineralführung ſich in nichts von typiſchen Geſteinen des Grundgebirges unter— ſcheiden. Dagegen herrſchen in den tiefſten Abteilungen des ) Neues Jahrbuch f. Mineral. 1889, II, S. 81 2x. Humboldt 1890. Grundgebirges gewiſſe Gefteine, Gneiße, welche allenthalben, wo ſie an die Erdoberfläche treten, immer und immer wieder dieſelbe gleiche Ausbildung beſitzen, indem ſie ſtoff— lich und ſtrukturell eine große Aehnlichkeit mit den älteſten nachweislich eruptiven Geſteinen beſitzen. In dieſen allent: halben auf der Erdoberfläche gleichartig ausſehenden Ge- ſteinen, welche dem tiefſten überhaupt bekannten Horizont der feſten Erdrinde entſprechen, möchte Roſenbuſch die erſte Erſtarrungskruſte der Erde erblicken, für den Fall, daß ſolche überhaupt irgendwo auf der Erde zu Tage tritt. Andere kryſtalliniſche Schiefer hält Roſenbuſch, darin gleichfalls den Anſchauungen vieler Fachgenoſſen entgegen— kommend, wegen der gleichen Mineralaſſociationen in ihnen, wie in Eruptivgeſteinen, für umgewandelte, aus Eruptiv⸗ geſteinen durch mechaniſche Einflüſſe hervorgegangene Schiefer, und wieder andere (wie z. B. die Schiefer von der Halbinſel Bergen) für urſprünglich echte Sedimente, welche durch nachträgliche mechaniſche Vorgänge eine Ver⸗ änderung, insbeſondere eine teilweiſe Umkryſtalliſierung erfahren haben. Während aber für die Eruptivgeſteine die Geſetze, nach welchen ſich die aus dem Schmelzfluß nacheinander zur Ausſcheidung gelangten Mineralien an- ordnen, chemiſche, d. h. allein von der ſucceſſiven Aus⸗ ſcheidung der Geſteinsgemengteile abhängige, ſind, wenn man von den bei den Ergußgeſteinen auftretenden, erſt in zweiter Linie in Betracht kommenden Fluidalerſcheinungen abſieht, deutet die Anordnung und Verwachſung der Gemengteile der kryſtalliniſchen Schiefer auf mechaniſche Vorgänge, welche entweder auf das bereits verfeſtigte Geſtein eingewirkt haben oder ſchon bei der urſprünglichen Bildung desſelben thätig geweſen ſind. Nur bei gewiſſen Gneißen, körnigen Kalken, Amphiboliten und anderen im Gebiet der kryſtalliniſchen Schiefer mehr untergeordnet auftretenden Geſteinen, welche ſämtlich in ihrer Mineral— führung und in ihrer Struktur an Geſteine erinnern, wie fie gelegentlich in den Kontaktzonen von Eruptivmaſſen auftreten, kommen eigentümliche, durch nachträglich im ſtarren Geſtein entſtandene Mineralneubildungen hervor— gerufene, porphyrartige Strukturen vor, welche auf den erſten Blick nichts von den mechaniſchen Vorgängen er— kennen laſſen, denen das Geſtein ſein Daſein verdankt. Wohl aber läßt ſich bei eingehender Unterſuchung dieſer Geſteine in der Regel feſtſtellen, daß die Gemengteile ſich nicht nach chemiſchen Geſetzen angeordnet haben, nicht in derſelben Reihenfolge zur Bildung gelangt ſind, wie dies bei Eruptivgeſteinen der Fall ſein würde, ſondern daß ſie in ihrer Lage und Anordnung der urſprünglich im Geſtein vorhanden geweſenen Schichtung entſprechen. Gneiße, welche ſtofflich den verſchiedenen Graniten, Dioriten, Syeniten und Gabbros naheſtehen und ſich an— ſcheinend nur durch ihre Struktur von denſelben unter— ſcheiden, doch ſo, daß ſie als dynamometamorphe Granite, 12 90 Humboldt. — März 1890. Diorite ꝛc. angeſehen werden können, möchte deshalb Roſenbuſch in Zukunft als Granitgneiße, Diorit⸗ gneiße, Syenitgneiße dc. bezeichnet haben. Andere Gneiße dagegen, für welche eine Abſtammung von Tiefen⸗ geſteinen aus der Struktur ſich nicht nachweiſen läßt, bei denen vielmehr gleichmäßig Struktur und Mineral⸗ kombination auf Konglomerate, grauwackenähnliche Ge- ſteine und Thonſchiefer als urſprüngliches Material hin⸗ deuten, ſollen Konglomeratgneiße, Grauwacke— gneiße, Schiefergneiße heißen. Die eigentlichen Glimmerſchiefer ſtehen mit den Phylliten und Thonſchiefern, die Quarzite mit Sandſteinen in inniger Beziehung, find alſo durchweg ſedimentären Urſprungs. Zweifelhaft ſind nur gewiſſe Talk- und Chloritſchiefer. Ein Teil dieſer Geſteine muß jedenfalls wie aus ihrem geologiſchen Auftreten, ſowie aus ihrer ſtofflichen und ſtrukturellen Beſchaffenheit hervorgeht, als aus Diabas und Gabbro entſtanden angeſehen werden. Ebenſo ſind die in dem Gebiet der kryſtalliniſchen Schiefer mehr untergeordnet vorkommenden Amphibolite, Serpentine, Kalk⸗ und Dolomitgeſteine teils auf ſehr weitgehend um⸗ gewandelte Eruptivgeſteine, teils auf urſprüngliche Sedi⸗ mente zurückzuführen. Roſenbuſch betont mit Recht die große Seltenheit der Kalkgeſteine im eigentlichen Grundgebirge im Vergleich zu den zweifellos foſſilführenden Formationen, und möchte dies aus dem Umſtande erklären, daß die Möglichkeit und das Maß der Bildung von Karbonatgeſteinen auf der Erdoberfläche an das organiſche Leben auf derſelben ge- bunden iſt und daher um ſo ſpärlicher werden muß, in um jo ältere Perioden der Erdgeſchichte wir hinabſteigen. Am Schluſſe ſeiner Mitteilung macht Roſenbuſch noch beſonders darauf aufmerkſam, daß das aus kryſtalliniſchen Schiefern beſtehende Grundgebirge „an verſchiedenen Orten der Erde ſehr verſchiedenes Alter haben kann und haben muß. Es wird lediglich von dem Maß der an einem beſtimmten Punkte der Erde wirkenden gebirgsbildenden Kräfte, von der Belaſtung der ſich faltenden Formationen und von der Epoche des Eintritts und der Dauer der orogenetiſchen Vorgänge abhängen, wie weit hinauf in der Skala der Formationen ſich die Facies des Grund— gebirges entwickeln wird. Ebenſo erſcheint es wahr⸗ ſcheinlich, daß, wenn an irgend einem Punkte der Erde eine beſtimmte Formation die Grundgebirgsfacies ange⸗ nommen hat, keine tiefere Formation den normalen Cha⸗ rakter bewahrt haben kann.“ Spezielle Arbeiten über das kryſtalliniſche Grund⸗ gebirge ſowohl deutſcher als ausländiſcher Gebiete ſind in neuerer Zeit in großer Zahl veröffentlicht worden; auch geologiſche Aufnahmen in dem Maßſtab 1:25000, der alle wichtigen Einzelheiten mit wünſchenswerter Ge⸗ nauigkeit verfolgen läßt, haben Klarheit über den Aufbau und die Gliederung des Grundgebirges in vielen Gegenden, beſonders im ſächſiſchen Erzgebirge, im Odenwald, im Speſſart, in Thüringen und in Schleſien gebracht. E. Cohen und W. Deecke beſprechen in einer Schrift „über das kryſtalline Grundgebirge der Inſel Bornholm“ *) die dort auftretenden kryſtalliniſchen Ge⸗ ) 4. Jahresbericht d. Geograph. Geſellſchaft zu Greifswald. ſteine und gelangen auf Grund ihrer Beobachtungen an Ort und Stelle und ihrer mikroſkopiſchen Unterſuchung der geſammelten Geſteine zu der auch von Johnſtrup ge— teilten Anſicht, daß das ganze Grundgebirge als Granit anzuſehen fet und zwar als eine ihrer Entſtehung nach im weſentlichen einheitliche Maſſe. Sie verwerfen demnach die von Oerſted und Esmarch, dann von Forchhammer und Jeſperſen und zuletzt von Nathorſt gewählte Bezeich— nung „Gneiß“, da die Schieferung in dem ziemlich gleich⸗ artig ausgebildeten Grundgebirge nicht allgemein verbreitet und da, wo fie vorkommt, offenbar ſekundärer Entſtehung iſt. Das Hauptgeſtein des Bornholmer Grundgebirgs iſt ein Amphibolbiotitgranit, ein Geſtein von lichter Farbe mit weißem, rotem oder grünem Feldſpat, hellgrauen oder farbloſen Quarzkörnern und reichlichem Titanit; die baſiſchen Gemengteile, unter welchen der Biotit über die Hornblende herrſcht, treten mehr zurück. Durch Streckung und parallele Lage der im Geſtein enthaltenen Glimmer⸗ blättchen entwickeln ſich aus den regellos körnigen Gra⸗ niten, welche gewöhnlich ein mittleres, ſeltener ein grobes oder feines Korn beſitzen, ſtreifige Granite, alſo gneißartig ſtruierte Geſteine. Aus einem Vergleich der Bornholmer Geſteine mit denen des ſüdlichen Schwedens ergiebt ſich das intereſſante Reſultat, daß Bornholm nicht, wie Nathorſt früher an- genommen hatte, als eine Fortſetzung und durch Quer— verwerfungen abgeſchnittene Partie von Schonen, wo deut⸗ lich ſchieferige Gneiße herrſchen ſollen, betrachtet werden kann, ſondern vielmehr als ein Teil des ſüdöſtlichen Schwedens, welcher von der Hauptmaſſe durch das ge— ſunkene Stück der Hanö-Bucht abgetrennt wurde. Das Grundgebirge des Odenwaldes iſt von Chelius zum Teil geologiſch aufgenommen und in mehreren Mitteilungen geſchildert worden; auf die Natur und die Entſtehung der kryſtalliniſchen Schiefer geht er dabei aber nicht näher ein. Auch über die Lagerung und die Bildung des körnigen Kalks von Auerbach an der Berg— ſtraße hat F. von Tchihatcheff, der jenes Vorkommen zum Gegenſtand einer petrographiſchen Beſchreibung“) gemacht hat, keine beſtimmten Behauptungen aufſtellen können. Er hat die Frage, ob der körnige Kalk ein Lager im Gneiß des Grundgebirges bilde, wie es den Anſchein hat, oder einen Gang, unentſchieden gelaſſen, dagegen aber einige andere höchſt lehrreiche Beobachtungen machen können. Der Kalk oder Marmor wird ſtellenweiſe von zwei nie ineinander übergehenden Gruppen von Geſteinen begleitet (einem Granat-Wollaſtonitfels und gneißartigen, Amphibol, Epidot, Pyroxen oder Glimmer und Granat führenden Grenzbildungen), die ſich zwiſchen Marmor und Gneiß legen, ohne jedoch zugleich allmähliche Uebergänge nach beiden Geſteinen hin zu zeigen. Der Marmor enthält Mineralaggregate von ſtets körniger Struktur, welche ſich als Konkretionen der Nebengemengteile des körnigen Kalkes auffaſſen laſſen und weſentlich aus Silikaten bei faſt gänz⸗ licher Abweſenheit des Caleits beſtehen. Eine gewiſſe Verwandtſchaft in der mineralogiſchen Zuſammenſetzung iſt zwiſchen dem Marmor, den acceſſoriſchen Beſtandmaſſen und den Randbildungen, ja in geringerem Grade auch ) Abhandlg. d. Großh. Heſſ. Geol. Landesanſt. Darmſtadt 1888, Humboldt. — März 1890. 91 zwiſchen dieſen und dem Gneiße nicht zu verkennen. Mechaniſche Einwirkungen ſind im Marmor nur in den peripheriſchen Teilen ſtark ausgeſprochen. Sie fehlen im Wollaſtonit- und Granatfels, ſind dagegen in den gneiß— artigen Grenzbildungen ebenſo wie im Gneiße vorhanden. Ihre Intenſität nimmt in der Grenzzone mit der Zu— nahme von Mineralneubildungen ab. Die tiefſten Abteilungen des Grundgebirges, welches in dem Speſſart in der Nähe von Aſchaffenburg zu Tage tritt, ſchildert E. Goller in einer Abhandlung, in welcher hauptſächlich die Eruptivgeſteinsgänge jenes Gebietes, „die Lamprophyrgänge des ſüdlichen Vorſpeſſart“, be— ſprochen werden“). Normaler Granit, Syenit und Diorit iſt nach Goller, entgegen älteren Angaben, in der Nähe von Aſchaffenburg nicht vorhanden; wohl aber liegen an der Baſis der kryſtalliniſchen Schiefer ziemlich gleichartig aus— gebildete Gneißkomplexe, welche auf Grund ihrer minera— logiſchen Zuſammenſetzung als Granitgneiß und Diorit— gneiß bezeichnet werden, ohne daß jedoch dieſen Namen die von Roſenbuſch vorgeſchlagene Bedeutung, welche wohl auch hier vollkommen zutreffend wäre, gegeben wird. Sowohl der Granitgneiß als der ziemlich grobkörnig und im allgemeinen maſſig ausgebildete Dioritgneiß fügen ſich in ihrem Auftreten und in ihrer gegenſeitigen Begrenzung ſehr gut dem allgemeinen Streichen der jüngeren, den Dioritgneiß bedeckenden Gneißſchichten. Mechaniſche Um— formungen, zumal Biegung und vollſtändige Zertrümmerung, kann man an den Gemengteilen beider Geſteine, ſowohl am Feldſpat und Quarz als beſonders am Glimmer, wahrnehmen, ja hin und wieder begegnet man Geſteinen von geradezu breccienartiger Beſchaffenheit. Das alles würde darauf hindeuten, daß in den erwähnten Gneißen lagerartig auftretende, durch Gebirgsdruck ſchiefrig ge— wordene Granite und Diorite vorliegen. Die Umänderung hätte an der Grenze gegen die hangenden ſog. „Körnel— gneiße“ in einem durch große Feldſpateinſprenglinge porphyrartig entwickelten „Augengneiße“ ihren höchſten Grad erreicht. Auf dieſen Augengneiß, welcher linſenförmige Lager bildet, die allmählich in den liegenden Dioritgneiß über— gehen, folgt nach oben eine Zone körnig-ſtreifigen Gneißes, ausgezeichnet durch einen mannigfaltigen Wechſel von glimmerreichen und glimmerarmen Biotitgneißen, Horn— blendegneißen, Granatgneißen, Quarziten und Pegmatiten und durch Einſchluß eines Lagers von körnigem Kalk, welches, zwar nicht ſo mächtig als das Lager von Auer— bach, doch viele Analogien mit demſelben beſitzt. Wichtig iſt die Bemerkung Gollers, daß die von ihm näher unterſuchten Ganggeſteine der Lamprophyrgruppe — weſentlich Kerſantite und Uebergänge in Kerſantit zeigende Camptonite — auf das Gebiet des Dioritgneißes in ihrem Auftreten beſchränkt ſind, ja daß die Gang— geſteine nicht ſelten dieſelben acceſſoriſchen Gemengteile, Titanit und Zirkon, in ganz der gleichen Ausbildung führen, wie das ſie einſchließende Nebengeſtein. Goller glaubt dies erklären zu können entweder durch die An— nahme, daß der Dioritgneiß ein umgewandeltes Geſtein fet und ſeine Umwandlung und die Lamprophyrergüſſe *) Neues Jahrbuch f. Mineral. Beilagebd. 6, 1889, S. 485. in direktem Zuſammenhang miteinander ſtehen, oder durch die Annahme, daß der Dioritgneiß und die aller— dings ähnlich zuſammengeſetzten Lamprophyre ſubſtantiell voneinander abhängen, die Lamprophyre etwa nichts weiter als umgeſchmolzener Dioritgneiß ſeien. Eins der geologiſch intereſſanteſten Gebiete in Mittel— deutſchland, die Umgegend von Meißen, liegt ſeit kurzem von A. Sauer (Sektion Meißen) und K. Dalmer (Sektion Tanneberg) geologiſch bearbeitet?) vor. Von dent fryftal- liniſchen Schiefergebirge treten an verſchiedenen Stellen Gneiße, denen des oberen Erzgebirges zum Teil nicht un— ähnlich, zu Tage, auch Geſteine der Phyllitformation und des Cambriums ſind auf Sektion Tanneberg verbreitet. In geologiſcher Beziehung am wichtigſten ſind die mäch— tigen Stöcke von Granit und Syenit, um welche ein deutlicher Kontakthof ſiluriſcher Geſteine, etwa 2 bis 3 km breit, zu beobachten iſt, und ferner die deckenförmigen Ergüſſe und gangförmigen Injektionen verſchiedener Por— phyrgeſteine. Der Kontakthof des Syenits von Meißen, welcher, nebenbei bemerkt, dem bekannten Syenit vom Plauenſchen Grund bei Dresden vollſtändig gleicht, iſt überaus mannigfaltig zuſammengeſetzt. Die dem Syenit am nächſten gelegenen, alſo am ſtärkſten veränderten Kon— taktſchiefer beſitzen auch äußerlich ſchon ein beſonders deut— lich kryſtalliniſches Verhalten; es ſind hauptſächlich Anda— luſit⸗Quarz-Biotitgeſteine von bald mehr maſſigem, bald mehr ſchieferigem Ausſehen, die einerſeits in reine grob— ſchuppige Biotitandaluſitſchiefer, andrerſeits in mehr quar— zitiſche Abänderungen übergehen. In einer zweiten, weiter nach außen gelegenen Zone begegnet man glimmerigen Knotenſchiefern, welche, ſelbſt in der Hauptſache Quarz-Biotitgeſteine, mit einerſeits ziemlich grobſchuppigen Biotitſchiefern, andrerſeits mehr reinen Quarzitſchiefern oder ſchwarzen kohlenſtoffreichen Chiaſtolithſchiefern wechſellagern. Zum großen Teil beſteht die Subſtanz der Knoten dieſer Schiefer aus Cordierit. In allen Geſteinen der inneren wie äußeren Kontakt— zone beſitzt beſonders der Quarz gewiſſe Eigentümlichkeiten, welche ihn leicht und ſicher von dem gleichen Beſtandteile der kryſtalliniſchen Schiefer des Grundgebirges unter— ſcheiden laſſen. Er beſteht nämlich aus einfachen Indi— viduen, iſt frei von Flüſſigkeitseinſchlüſſen und umſchließt ganz regelmäßig Magnetit und Biotit in winzigen Blättchen. „Mineralogiſche und ſtrukturelle Merkmale ſcheiden alſo dieſe zweifellos metamorphen Schieferkomplexe ſchärfſtens von den Geſteinen der archäiſchen Formation.“ Bei einem Vergleich mit den unveränderten Silur— ſchichten in weiterer Entfernung vom Syenitkontakt er— gibt ſich, daß es Thonſchiefer und ſchieferige Grauwacken ſind, welche mit der Annäherung an das Syenitmaſſiv in Knotenglimmerſchiefer und Quarz-Biotitſchiefer und ſchließlich in der Nähe des Syenits in Andaluſitbiotit ſchiefer und Andaluſitglimmerfelſe übergehen. Die unter ſiluriſchen Diabastuffe werden in dünnplattige Strahlſtein— und Anthophyllitſchiefer unter gleichzeitiger Neubildung von Orthoklas und Plagioklas, die mit dieſen Tuffen eng— ) Erläuterungen zur geol. Spezialkarte des Königreichs Sachſen. Sektion Tanneberg u. Meißen. 1889. 92 Humboldt. — März 1890. verbundenen Kalklager aber in ziemlich grobkryſtalliniſchen Marmor umgewandelt. Da, wo die letztgenannten Ge⸗ ſteine aber in unmittelbare Nähe des Syenits zu liegen kamen, machten ſich, wie das bei den Miltitzer Kalklagern der Fall iſt, Kontakterſcheinungen geltend, die ganz ähnlich wie in den Kalkkontaktgebieten vom Monzoni und von Predazzo zur Neubildung von Granat, Veſuvian, Epidot, Zoiſit, Augit, Hornblende, Biotit, Cordierit und Antho⸗ phyllit führten. In dem Porphyrgebiet der Meißener Gegend beſitzen bekanntlich die Pechſteine eine ungewöhnlich große Ver⸗ breitung; ihre Zerſetzungsprodukte bilden Kaolin, der hier und da in mächtigen Lagen die verwitterten Pechſteinkuppen umgibt und Veranlaſſung zu der weltberühmten Meißener Porzellaninduſtrie gegeben hat. Aber auch ziemlich inten⸗ ſive molekulare Umwandlungen ſind in dem Pechſtein keine ſeltene Erſcheinung, und offenbar iſt die große Um⸗ wandlungsfähigkeit in dem hohen Waſſergehalt des Geſteins begründet. Es bildet ſich zunächſt, wie A. Sauer ſehr anſchaulich ſchildert, unter weiterer Waſſeraufnahme, von den zahlreichen das Geſtein durchziehenden Spalten und Spältchen aus ſehr leicht in eine felſitähnliche Maſſe um, in die Pechſteinfelſite, welche früher als urſprüng⸗ liche Ausſcheidungen aus dem Pechſteinmagma angeſehen wurden. Später gehen dieſe aus einem äußerſt dichten Gewebe winzigſter Faſern, Körnchen und Schüppchen ſehr waſſerreicher Silikate zuſammengeſetzten Pechſteinfelſite unter Waſſeraustritt in mikrokryſtalliniſche Aggregate über. „Die mit dieſem Vorgang verbundene beträchtliche Volum⸗ abnahme gibt ſich in der Bildung winzigſter zahlloſer Hohlräume kund, die dann nachträglich wieder ausgefüllt werden. Erſt mit dieſem letzten Akte wird das Geſtein in den Zuſtand übergeführt, in welchem es ſich gegenwärtig als Dobritzer Porphyr darbietet,“ als ein Geſtein, das von den früheren Forſchern als ein ſelbſtändiges Glied der Porphyrformation angeſehen wurde, nun aber als ein lokal wohl ziemlich mächtig anſchwellendes Produkt der molekularen Umwandlung des Pechſteins betrachtet wer⸗ den muß. Petrographiſche Unterſuchungen, die wenigſtens zum Teil kryſtalliniſches Grundgebirge betreffen, liegen ferner vor von C. Diener), welcher über den Gebirgsbau der Zentralmaſſe des Wallis Beobachtungen angeſtellt hat, von Walther Bergt, welcher eine von Sievers geſammelte Geſteinsſuite aus der Sierra Nevada de Santa Marta und der Sierra de Perija in der Republik Colombia in Südamerika behandelt **), von Frederic Hatch **) und J. Shearſon Hyland ef), welche Geſteine des Kilimandſcharo und ſeiner Umgebung beſchreiben, von Kloos ff), welcher von Martin aus Weſtindien mitgebrachte Geſteine und Mineralien näher unterſucht, und von vielen andern Forſchern. Auf ſie alle hier ausführlicher einzugehen, iſt nicht möglich. Nur eines großangelegten geologiſchen Werkes ſei hier noch gedacht, der von J. Felix und H. Lenk heraus⸗ ) Sitzungsber. d. k. k. Akad. d. Wiſſ., Wien 1889; 98, S. 78 2. **) Tſchermaks Mineral. u. petrogr. Mittlg. Bd. 10, 1889, S. 271 2c. ) Ebenda; Bd. 10, 1889, S. 203 2. +) Geolog. Magaz. 1888, Juni. S. 257 2c. +t) Sammlg. d. Geolog. Reihemujeums Leiden, Ser. II, Bd. 1. gegebenen „Beiträge zur Geologie und Pali ontologie der Republik Mexico“. Die Verfaſſer gedenken in demſelben die Ergebniſſe ihrer in den Jahren 1887 und 1888 ausgeführten wiſſenſchaftlichen Reiſe in das ſüdliche Nordamerika niederzulegen und dieſelben mit den in der Litteratur zerſtreuten Nachrichten über den geologiſchen Aufbau des Landes zu einer geologiſchen Be— ſchreibung von Mexico zu verweben. In dem erſt kürzlich erſchienenen erſten Teil (Leipzig, 1890) werden nach einer überſichtlichen Darſtellung der Oberflächengeſtaltung zuerſt die Reihenvulkane des zentralen Mexico und dann das Valle de Mexico in ſehr eingehender Weiſe erläutert. Ueber den Aufbau des Haardtgebirges und die an der Zuſammenſetzung desſelben teilnehmenden For⸗ mationen handelt eine Arbeit von A. Leppla*). Das Grundgebirge, welches beſonders gut im Thal der Queich bei Albersweiler, ferner zwiſchen Waldhambach und Kaiſers⸗ bacher Mühle und bei Burweiler nordnordweſtlich von Landau entblößt iſt, beſteht am erſten Orte aus einem grobkryſtalliniſchen, feldſpatreichen Biotitgneiß, durchſetzt von zahlreichen Eruptivgeſteinsgängen, an dem zweiten Punkte aus Biotitgranit und dünngeſchichteten Arkoſen und kon⸗ glomeratiſchen Sandſteinen, bei Burweiler aus dunkel⸗ grauen Schiefern und grauwackeartigen Sandſteinen. Ueber dieſen lagert, bei Albersweiler gut aufgeſchloſſen, ein zum Rotliegenden geſtelltes Konglomerat, welches weſentlich aus Rollſtücken von Granit, Gneiß, Quarzporphyr, Melaphyr und Thonſchiefer beſteht und eine Mächtigkeit bis zu 200 m erreichen kann. Es folgt auf dieſes Konglomerat, die von dieſem un⸗ ausgefüllt gelaſſenen Unebenheiten in der Oberfläche der älteren Bildungen ganz ausgleichend, eine Stufe von roten Schiefern und thonigen Sandſteinen, deren Mächtigkeit durchſchnittlich etwa 150 m beträgt, im einzelnen aber zwiſchen 50 und 190 m ſchwankt. In der Gegend von Schönau, Bundenthal, Annweiler, Dernbach und Neuſtadt a. d. Haardt kann man einen guten Einblick in dieſe Schichten gewinnen. Feſte, dunkelrote, auch wohl weiß gefleckte, feinkörnige, zu Baumaterial geeignete Sandſteine bezeichnen einen in zahlreichen Steinbrüchen entblößten Horizont etwa 40 m unter der oberen Grenze. Etwas tiefer als dieſer Bauſandſtein findet ſich nahe bei Albersweiler eine ſchmale Dolomitbank, in welcher Steinkerne von Schizodus-Arten vorkommen, die bisher als charakteriſtiſche Leitformen des oberen Zechſteins angeſehen wurden. Ihr Fund hat Leppla beſtimmt, nunmehr die ganze Abteilung der roten Schiefer und thonigen Sand⸗ ſteine, welche bis jetzt als unterer Buntſandſtein bezeichnet wurden, als ein Aequivalent des Zechſte ins zu betrachten Ueber dieſer Stufe erhebt fic), an 350 m mächtig, der Hauptbuntſandſtein. Er beginnt mit einer etwa haushohen Zone von geröllführenden, groben Sandſteinen und beſteht in ſeiner unteren, ungefähr 200 m mächtigen Abteilung aus vorherrſchend violettrot und roſenrot ge- färbten Sandſteinen mit einzelnen Geröllen und Thon⸗ gallen, die ein vorzügliches Baumaterial liefern, und in ſeiner oberen Abteilung aus geröllfreien Sandſteinen von mehr ziegelroter Farbe. Zwei Felszonen bezeichnen an ) Geognoſt. Jahreshefte. Bd. 1. Kaſſel 1888, S. 39 2c. Humboldt. — märz 1800. 93 den Bergabhängen in der Gegend von Pirmaſens die obere und untere Grenze der zu Bauzwecken nicht brauchbaren, mürben und transverſalgeſchieferten Sandſteine der oberen Abteilung. Auf die obere Felszone folgt noch eine Schichten— reihe von oft ſehr geröllreichen Sandſteinen, welche dem Hauptkonglomerat der Vogeſen entſpricht und als Grenz— horizont gegen den oberen Buntſandſtein angeſehen wird. Sehr charakteriſtiſch für die tieferen Lagen des Haupt— buntſandſteins ſind die ſcharf ausgeprägten Eroſionsformen; an die Bergabhänge angelehnt oder 30—40 m hoch über die flachgewölbten Hügel der roten Schiefer und thonigen Sandſteine frei aufſteigend, erſcheinen dichtge— drängt nebeneinander kühne, zackige und ruinenartig ge— ſtaltete Felſen, welche dem waldigen Bergland zwiſchen Annweiler, Bergzabern, Schönau und Dahn ſeinen be— ſonderen landſchaftlichen Reiz verleihen. Der obere Buntſandſtein, ein nur etwa 65-70 m mächtiger Komplex, unten von mittel- bis grobkörnigen, glimmerführenden, meiſt ſehr mürben Sandſteinen von rötlich⸗violetter Färbung, oben von feinkörnigen, dünn— plattigen, glimmerreichen Sandſteinen mit zahlreichen Pflan— zenreſten (Voltzienſandſtein) gebildet, tritt nirgends an die Rheinebene heran; er iſt vielmehr, ebenſo wie der ihn bedeckende untere Muſchelkalk (Muſchelſandſtein und Wellen— kalk) weſentlich beſchränkt auf die weſtliche Abdachung des Haardtgebirges. Am Oſtrande der Haardt, wo das Gebirge nach dem Rheinthal hin längs Verwerfungsſpalten in die Tiefe ge— ſunken iſt, macht ſich eine von dem Verlauf dieſer Ver— werfungen abhängige Entfärbung des Hauptbuntſandſteins bemerklich. Die frühere Annahme, dieſe hellen Sandſteine entſprächen einer beſonderen Stufe des Buntſandſteins, der des Haardtſandſteins, iſt demnach nicht aufrecht zu er— halten; der Haardtſandſtein iſt vielmehr nur entfärbter Hauptbuntſandſtein. Der untere Muſchelkalk des nordöſtlichen Deutſch-Lothringen hat durch E. Schumacher!) eine ſehr ſpezielle, gründliche Unterſuchung erfahren. Zahl— reiche Aufſchlüſſe in der Gegend zwiſchen Saargemünd, Pfalzburg und Weißenburg find Bank für Bank unterſucht worden, ſowohl auf ihre Foſſilführung als ihre petrogra— phiſche Beſchaffenheit hin, und dabei hat ſich ergeben, daß drei Hauptabteilungen im unteren Muſchelkalk unterſchieden werden können. Die untere beſteht aus lockeren Mergeln und Thonen mit eingeſchalteten ſandigen Bildungen, wäh— rend ſich die mittlere aus meiſt etwas feſteren, ſchieferigen Mergeln mit eingelagerten Dolomitbänken, die obere aus körnigen bis dichten Dolomiten und Kalken zuſammenſetzt. In jeder dieſer Abteilungen kehren, allenthalben an denſelben Horizont gebunden, einzelne durch ihre Petre— faktenführung und auch durch gewiſſe petrographiſche Eigen— tümlichkeiten ausgezeichnete Bänke wieder, welche nach ihren charakteriſtiſchen Merkmalen als Trochitenbänke, Myaciten— bänke, Terebratelbänke, Pentacrinusbank, Schaumkalkbank rc. bezeichnet und zur weiteren Gliederung des unteren Muſchel— kalks verwertet werden. Bei dem Vergleich der auf dieſe Weiſe genau feſt— *) Mittlgn. d. Kommiſſion f. d. geolog. Landesunterſuchung von Elſaß⸗Lothringen. Bd. 2, 1890, S. 111 2. geſtellten Entwickelung in Lothringen mit dem durch die Unterſuchungen von Benecke, Eck und Sandberger in Süd— weſtdeutſchland, von Emmrich, Frantzen und andern in Thüringen ſehr genau bekannten unteren Muſchelkalk ergab ſich eine auffallende Uebereinſtimmung. Die obere Ab— teilung, welche den beiden genannten Zonen der dolomi— tiſchen Mergelſchiefer und der Dolomite und Kalke ent— ſpricht, bleibt ſich ſogar in ihrer Geſamtmächtigkeit von 30 — 40 m von Lothringen an durch Südweſtdeutſchland bis nach Würzburg und Thüringen hin gleich, während ſich in der unteren Abteilung ein Anſchwellen von 23 m (in Lothringen) bis auf 71,5 m (in der Gegend von Meiningen) nachweiſen läßt. Die oft bis ins einzelne zu verfolgende auffallende Uebereinſtimmung in dem immer— hin ziemlich beträchtlichen Gebiet zwiſchen Lothringen und Thüringen zeugt von einer höchſt gleichmäßigen Beſchaſſen— heit des Triasmeeres, in welchem der ſüdweſtdeutſche Muſchelkalk zum Abſatz gelangte. ; Die Frage nach der Entſtehung des Löß in Norddeutſchland iſt, wie in dem letzten Bericht (Septem— ber 1889) ausgeführt wurde, noch nicht gelöſt. Es ſtehen ſich die Anſichten Wahnſchaffes, welcher dem Löß ein jungdiluviales bezw. jungglaciales Alter zuweiſt und an— nimmt, daß er bei dem Beginn der großen Abſchmelz— periode von den glacialen Schmelzwäſſern am Rande des norddeutſchen Flachlandes abgelagert wurde, und Nehrings, welcher ihn für eine ſubaeriſche Bildung hält, die unter weſentlicher Mitwirkung von Staub und Flugſand entſtanden ijt, ziemlich ſchroff gegenüber. Sehr ſchätzens— wert iſt deshalb eine Mitteilung von A. Sauer über die Erfahrungen, welche er in den letzten Jahren in Lößgebieten des Königreichs Sachſen geſammelt hat und zwar gelegentlich der geologiſchen Aufnahme des Meißener Landes“) in dem Maßſtabe 1: 25000, einem Maßſtab, welcher hinlänglich groß iſt, um geologiſche Erſcheinungen in exakter Weiſe zu verfolgen und geiſtreiche, auf Grund von nur wenigen und unvollkommenen Beobachtungen aus— geſprochene Hypotheſen auf ihre Berechtigung zu prüfen. Sauer hat beſonders den typiſchen Löß zwiſchen der Elbe und der Mulde, wo er das hügelige Terrain in einer mit den Unebenheiten des Untergrundes wechſelnden Mäch— tigkeit bis zu 20 m überkleidet, unterſucht. Die Mineral- beſtandteile dieſes Löß beſitzen eine durchſchnittliche Korn— größe von 0,05 mm und ſind vorherrſchend Quarz, dann Thon- und Kalkſubſtanz, Glimmerſchüppchen, Zirkon, Or- thoklas, Plagioklas, Mikroklin, Hornblende, Rutil, Magnetit, Epidot, alſo dieſelben, welche auch den echten glacialen Geſchiebemergel, z. B. der Leipziger Gegend, zuſammen⸗ ſetzen. Die Form dieſer Gemengteile und zumal des Quarzes iſt eine vollkommen gerundete, ſelbſt bei den kleinſten Körnchen bis zu einem Durchmeſſer von 0,003 mm herab, auch darin analog den feinen Quarzkörnern unter 0,1 mm Durchmeſſer des Geſchiebelehms. Die Verteilung der charakteriſtiſchen Konchylien im Löß iſt nach Art und Zahl eine außerordentlich unregelmäßige; ſie können an einer Stelle vollſtändig fehlen und dicht daneben gleich— mäßig (nicht ſchichtweiſe, wie Sauer ausdrücklich bemerkt) ) Zeitſchr. f. Naturw. Halle. Bd. 62, 1889, S. 3. Vergl. auch Erläuterg. z. Sektion Meißen d. geol. Specialkarte d. Königr. Sachſen, 1889. 94 Humboldt. — März 1890. durch den ganzen Löß verteilt ſein; an dem einen Ort kann die eine, gleich daneben eine andere Art in großer Menge vorkommen. Dieſes Verhalten würde dafür ſprechen, daß die Konchylien nicht durch Hochfluten von fernher ein⸗ geſchwemmt wurden, ſondern daß ſie da, wo ſie jetzt im Löß ſich finden, oder doch ganz in der Nähe lebten und ihre günſtigſten Lebensbedingungen fanden. Nach dem Erzgebirge hin geht der normale Löß ganz allmählich in den Lößlehm über, in einen durch Mangel an Kalk, durch eine geringere Korngröße, eine geradezu ſtaubartige Feinheit der Gemengteile und eine dadurch bedingte geringe Waſſerdurchläſſigkeit und etwas andere Farbe ausgezeichneten Lehm, welcher aber nach Art und Geſtalt ſeiner Mineralgemengteile dem normalen Löß durch⸗ aus ähnlich, von dem Verwitterungslehm der anſtehenden Geſteine dagegen vollkommen verſchieden iſt. Anderer- ſeits geht der Löß nach dem Tieflande hin allmählich in ein durch zunehmende Korngröße charakteriſiertes lößartiges Geſtein, ſchließlich in einen Lößſand und in reinen Sand über. Lößlehm, normaler Löß, Lößſand ſtellen ſomit von Süd nach Nord aufeinanderfolgend eine untrennbare ein— heitliche Formation dar. Wenn die von Wahnſchaffe aufgeſtellte Theorie der Lößbildung richtig wäre und die glacialen Schmelzwaſſer, durch den Rand des nordiſchen Inlandeiſes aufgeſtaut, wirklich das mächtige Becken bildeten, in welchem der Löß ſich ablagerte, ſo wäre, folgert Sauer, doch zu erwarten, daß nach dem Beckentiefſten zu, das im nördlichen Sachſen mindeſtens 300 m maß, die Lößſedimente fic) mehr und mehr verfeinerten. Aber gerade das Gegenteil iſt der Fall. Dagegen iſt vom Standpunkt der Richthofenſchen äoliſchen Theorie die geſchilderte Aufeinanderfolge der Lößablagerungen ſelbſtverſtändlich, ja notwendig; die durch den Wind aufgearbeiteten, unter Mitwirkung von Froft gelockerten Beſtandteile der Geſchiebelehmoberfläche wurden nach Maßgabe ihrer Korngröße abgelagert, die gröberen und gröbſten am Rande des Berglandes, während der feinſte Staub weit hinauf (bis 400 m Meereshöhe) in das Gebirge getragen wurde. Für dieſe Auffaſſung der Lößbildung würde auch noch eine andere Erſcheinung ſprechen, nämlich das Auftreten der vielumſtrittenen Dreikantner oder Kantenge— ſchiebe in Sachſen, wenn man bezüglich deren Ent⸗ ſtehung der Anſicht Heims und Sauers huldigt. Nach Sauers und Herrmanns Beobachtungen ſind jene Geſchiebe immer nur auf die oberſte Deckſchicht des älteren Diluviums beſchränkt, mag dasſelbe aus unterem oder oberem Ge— ſchiebemergel oder aus Sand und Kies beſtehen, und in der Regel zeigen ſie die meiſt dreiſeitige flachpyramidale Geſtalt nur auf der einen Seite, auf welcher ſie anſcheinend aus dieſer Deckſchicht hervorragten. Sauer, darin Heim folgend, führt das Vorkommen dieſer Dreikantner in der norddeutſchen Tiefebene auf Sandanblaſungen zurück und ſtützt ſich hierbei weſentlich auf die von Walter in der Galalawüſte gemachte Entdeckung, daß einzelne aus Ge⸗ rölllagen hervorſtehende Geſchiebe durch die dort herrſchen⸗ den Sandſtürme eine Glättung und Abſchleifung zu ſtumpf⸗ pyramidalen Formen erhielten. In der That ſind die in Norddeutſchland vorkommenden Kantengerölle den von Walter abgebildeten Geſchieben der Galalawüſte zum Ver⸗ wechſeln ähnlich. Eine andere Stellung als der ſächſiſche Sandlöß nimmt die mit demſelben Namen belegte elſäſſiſche Bildung ein. E. Schumacher, welcher den diluvialen Gebilden des Cl ſaſſes eine fortgeſetzt aufmerkſame Beobachtung ſchenkt, weiſt in ſeiner neueſten Abhandlung über die Verbreitung des Sand löß im Elſaß) nach, daß im ganzen Gebiet des Unterelſaß ein Löß höherer und ein Löß tieferer Lage, beide mit verſchiedener petrographiſcher und fauniſtiſcher Entwickelung, gut zu unterſcheiden ſind. Der tiefer gelegene Sandlöß iſt von dem höheren normalen Löß unterſchieden durch das Auftreten von Sand- und ſtellenweiſe auch Ge⸗ rölleinlagerungen, deren Häufigkeit und Mächtigkeit von lokalen Einflüſſen abhängig iſt, und durch eine etwas ab⸗ weichende Konchylienführung; die kleine Pupa columella, welche im oberen Löß ziemlich ſelten iſt, kommt in dem Sandlöß recht häufig vor. Wie man ſich an vielen Orten im Unterelſaß, zumal in der Nähe von Hangenbieten bei Straßburg, überzeugen kann, nimmt der Sandlöß eine Stellung zwiſchen dem typiſchen Löß und den älteren Sanden und Kieſen des Rheinthals, in welchen noch lößähnliche Bänke eingeſchaltet vorkommen, ein, hat alſo bei ſeiner tieferen Lage auch ein höheres Alter. Auf die Entſtehung des Löß und auf das Alter dieſer Bildungen, von welchen die ältere bisher als glacial, die jüngere als poſtglacial angeſprochen wurde, geht Schumacher nicht näher ein. ) Mittlgn. d. Kommiſſion f. d. geolog. Landesunterſuchung von Elſaß⸗Lothringen. Bd. 2, 1890, S. 79 ꝛc. Kleine m ee Das Mariotteſche Geſetz bei verdünnter afmo- ſphäriſcher Luft. Für jedes Gas nimmt man im all⸗ gemeinen nach dem alten Mariotteſchen Geſetz an, daß es, bei konſtanter Temperatur auf das doppelte Volumen gebracht, nur noch den halben Druck ausübt. Nach den Lehren der Gastheorie müßte das Geſetz ſtreng richtig ſein, wenn die Moleküle ausdehnungsloſe elaſtiſche Maſſen⸗ punkte ohne Molekularkräfte (ohne Anziehung oder Ab⸗ ſtoßung benachbarter Moleküle) wären. Da aber die Moleküle in Wirklichkeit eine endliche Größe haben und wahr⸗ ſcheinlich auf merkliche Entfernungen wirkende Anziehungs⸗ kräfte beſitzen, überdies aus Atomen zuſammengeſetzt und ſomit in ſich ſelbſt beweglich find, jo reſultieren Ab— weichungen von jenem idealen Geſetze, welche bei ver- dichteten Gaſen ſchon lange experimentell unzweifelhaft feſtgeſtellt und großenteils auch theoretiſch erklärt worden ſind. Van der Ven hat nun dieſes Geſetz mit beſonderer Vorſicht auch an verdünnter Luft ſtudiert und gefunden, daß hier bei Verdoppelung des Volumens der Luftdruck merklich ſtärker abnimmt, als man nach dem idealen Geſetze erwarten ſollte. F. Als größtes bis jetzt hergeſtelltes Barometer wird ein in Paris in der Tour Saint Jacques aufgerichtetes Inſtrument beſchrieben. Dasſelbe iſt 12,65 m hoch, wurde in Saint⸗Denis angefertigt und in einem ſtarken Holz— Humboldt. — März 1800. geſtell von ſechs Arbeitern behutſam nach Paris getragen. In dem Turm wurde es mittels einiger Seile in den oberen Raum aufgewunden. Dieſer Raum ſelbſt iſt 40 m hoch. Der Durchmeſſer des Barometers beträgt 2 em. Das Barometer iſt zu größeren Verſuchen beſtimmt, ſeine Füllung beſteht aus gefärbtem Waſſer, welches oben mit einer Schicht fetten Oeles abgeſchloſſen iſt, um die Ver— dunſtung zu verhindern. In London wurden 1830 von Daniell, in Kew 1870 von Jordan und 1886 in New Pork durch Mills ähnliche Rieſenbarometer errichtet, die beiden letzteren ſind jedoch mit Glycerin gefüllt. Uebrigens hat bereits vor mehr als 200 Jahren der bekannte Phyſiker Otto v. Guericke, der von 1646 bis 1681 Bürgermeiſter von Magdeburg war, an ſeinem in Magdeburg belegenen Hauſe außen ein durch mehrere Stockwerke gehendes Waſſerbarometer anbringen laſſen. Auf dem Waſſer des Gefäßes oben im Vacuum ſchwamm ein Homunculus oder Wettermännchen, ein hohle Glasfigur von menſchenähnlicher Form, welche den Stand und die Schwankungen des Barometers für jeden ſichtbar anzeigte. Nach den Be— ſchreibungen, die wir von dieſem Barometer haben, muß man annehmen, daß dasſelbe das neu konſtruierte fran— zöſiſche an Größe übertroffen hat. D. Reflexion der Metalle. Die Sonne ſendet uns Wärme, Licht und chemiſche Strahlen; jeder Körper bevor— zugt aber bei der Reflexion Strahlen von gewiſſer Wellen— länge, während er andere Strahlen wieder mehr oder we— niger vollſtändig reflektiert. Das Bolometer erlaubt uns, das Reflexionsvermögen der Körper für Strahlen von ver— ſchiedener Wellenlänge mit bisher unerreichter Genauigkeit zu meſſen. Rubens hat Strahlen leines glühenden feſten Körpers), in denen alle möglichen Wellenlängen vertreten waren, nahezu ſenkrecht auf Spiegel von Gold, Silber, Kupfer, Nickel und Eiſen fallen laſſen und auf ein Bolo— meter reflektiert, nachdem ſie mittels eines Prismas aufge— löſt, d. h. nach Wellenlängen geſondert waren, ſo daß man mit dem Bolometer ſucceſſive die Strahlen aller möglichen Wellenlängen auffangen konnte. Die aufgefangenen Strah- len wurden im Bolometer auf einer berußten Flaſche in Wärme verwandelt, und der Apparat war ſo empfindlich, daß er eine Erwärmung von zwei Milliontel Graden als einen vollen Skalenteil anzeigte, ſo daß man für die In— tenſität der reflektierten Strahlen ein ſehr genaues Maß erhielt. Es zeigte ſich, daß die genannten Metalle Wärme weit beſſer reflektierten als Licht, unter anderem zeigten die verwandten Metalle Nickel und Eiſen auch ein ſehr ähnliches Verhalten. Natürlich läßt ſich dieſe Methode auf jeden beliebigen Körper anwenden. F. Abbes Dilatometer. Abbe benutzt nach Fizeaus Vorgang die optiſchen Interferenserſcheinungen dünner Luftſchichten zu Längenmeſſungen, insbeſondere zur Be— ſtimmung des Ausdehnungskoefficienten kleiner Körper. Ohne auf die Methode näher einzugehen, wollen wir nur die außerordentliche Empfindlichkeit des Apparates an— deuten. An Glasſäulchen von etwa 1 em Höhe beſtimmte man den Ausdehnungskoefficienten, d. h. man ſtellte feſt, um wie viel ſich ein meterlanger Stab von ſolchem Glaſe bei einer Erwärmung um 1“ C. verlängern würde und beſtimmte dieſe Verlängerung bis auf 0,0000 1 mm. Das iſt etwa der fünfzigſte Teil einer Lichtwellenlänge. F. Selenſäure iſt bisher noch nicht in reinem Zuſtande erhalten worden; Berzelius gibt an, daß die ſtärkſte Säure, welche er in Händen gehabt, noch 4% Waſſer enthielt, Fabian war im ſtande, dieſelbe bis 97,4% zu konzentrieren. A. Cameron und J. Macallan (Chem. News. 59. 219) iſt es gelungen, die reine Selenſäure HoSeOy durch Aus— frieren aus ſtärkſter wäſſeriger Säure zu gewinnen. Be— kanntlich läßt ſich Schwefelſäure durch Erhitzen nur bis zu einer Stärke von 98,66 bringen, durch Abkühlen ſcheidet ſich daraus alsdann die waſſerfreie Säure ab. Auf demſelben Wege kann man die Selenſäure erhalten. Wird Selenſäure von 97,75 "/o bis auf — 50“ abgekühlt, 95 ſo ſcheiden ſich reichliche Mengen von Kryſtallen ab, welche ſich jedoch von der anhaftenden Flüſſigkeit ſchwer trennen laſſen. Beſſer gelingt die Trennung, wenn man die wäſſerige Säure im Vacuum noch weiter konzentriert. Man kann die Erhitzung im Vacuum bis auf 180° vor— nehmen, ohne daß Zerſetzung in ſelenige Säure und Sauer— ſtoff eintritt. Beim Abkühlen des Kolbens erſtarrt der Inhalt zu einer feſten Maſſe, welche 99,9% Selenſäure enthält. Die waſſerfreie Selenſäure iſt eine weiße kry— ſtalliniſche Maſſe, welche bei 58° ju einer öligen Flüſſigkeit ſchmilzt. Erſt bei 5“ erſtarrt die einmal geſchmolzene Maſſe, indem fic) die Temperatur ſofort bis auf 58° er— hebt. Die Selenſäure kryſtalliſiert in langen hexagonalen Prismen, welche denen der Schwefelſäure ſehr ähnlich ſind. Ihre Verwandtſchaft zu Waſſer, ihre ätzende Wirkung iſt der der Schwefelſäure gleich. Verdünnt man wäſſerige Selenſäure bis zu einem Gehalt von 88,96 %o und kühlt dann auf — 32 ab, jo kryſtalliſiert das Hydrat HySeO, H20 aus. Dasſelbe ſchmilzt bei 25°. Das Hydrat be— ginnt bei 205“ zu ſieden, ſchwächere Löſungen von Selen— ſäure geben beim Erhitzen ſo lange Waſſer ab, bis die dem Hydrat entſprechende Konzentration erreicht ijt? Die große Kryſtalliſationsfähigkeit dieſes Hydrates kann vor— teilhaft zur Reinigung der Selenſäure benutzt werden; man braucht nur verdünnte Löſungen ſo lange zu er— hitzen, bis die Temperatur auf 205“ geſtiegen iſt, und dann zu kühlen. Beim Einwerfen eines Kryſtalls des Hydrates erſtarrt alsdann die ganze Flüſſigkeit zu einem Kryſtallbrei des Hydrates. Al. Veränderungen am Wondkrater Plinius. Im Jahr 1882 beobachteten Elger, Gaudibert und Klein im Innern des Ringwalles dieſes Kraters zwei kleine, mit ihren Rändern ſich durchdringende Krater, den einen un— gefähr in der Mitte, den andern oſtſüdöſtlich davon. Da— gegen fand Prof. Thury in Genf, als er 14. September vor. Jahrs morgens 3 Uhr mit einem 6zölligen Merzſchen Refraktor bei 265 facher Vergrößerung den Plinius be— obachtete, an Stelle der beiden Krater eine kreisförmige, reinweiße Scheibe mit einem zentralen dunkeln Fleck gleich der Oeffnung eines Schlammvulkanes. Auch am nächſten Abend bot ſich derſelbe Anblick dar. Später trat un— günſtige Witterung ein, doch ward die weiße Scheibe auch am 3. und 12. Oktober bei bedecktem Himmel beobachtet; die zentrale Oeffnung ſchien ſich am letzten Tage etwas erweitert zu haben. Am 1. November aber waren wieder die beiden Krater ſichtbar; der Durchmeſſer der zentralen Oeffnung betrug jetzt etwa / von dem des ganzen Kraters, während er am 14. September eher weniger als mehr als Ya war. Zur Erklärung nimmt Thury an, daß das Aus— ſehen der beiden kleinen Krater im Innern des Plinius durch Gas- und Dampf⸗-Exhalationen weſentliche Aen— derungen erleidet. Wenn dabei anfangs der Waſſerdampf überwiegt, ſo entſteht durch Kondenſation desſelben eine ringförmige Schneefläche. Nachfolgende heiße Gaſe mit weniger Waſſerdampf erweitern den Eruptionsſchlund und ſchmelzen die benachbarten Teile der Schneemaſſe, ſo daß das Gebirgsſkelett ſichtbar wird, wie 1822, 1882 und i G l. Temperatur der Mondoberfläche. Man hat viel- fach angenommen, daß die Mondoberfläche während der einen halben Monat dauernden Beſtrahlung durch die Sonne ſehr ſtark erwärmt wird, und Sir John Herſchel hat aus der Analogie mit gewiſſen irdiſchen Verhältniſſen auf eine Erhitzung bis auf 2—300° Fahrenheit geſchloſſen, der dann während der langen Mondnacht eine ebenſo tiefe Erkaltung unter dem Nullpunkte entſprechen ſollte. Im Dezemberheft des American Journal of Science hat nun der amerikaniſche Aſtronom S. P. Langley einen Bericht über ſeine 1883—s7 auf der Alleghany-Sternwarte angeſtellten Unterſuchungen über die Temperatur der Mondoberfläche veröffentlicht, die ihn zu dem Ergebnis geführt haben, daß die Temperatur der von der Sonne beſchienenen Mondoberfläche ſich wahrſcheinlich nicht weſent⸗ lich über den Nullpunkt erhebt. Nach Langleys Anſicht 96 Humboldt. — März 1890. würde die von Herſchel behauptete hohe Temperatur nur, dann auf dem Monde herrſchen können, wenn derſelbe von einer Atmoſphäre umgeben wäre. Vergl. Humboldt 1887 S. 49. 0 1. Der am 6. Zuli 1889 von Brooks in Genua entdeckte Komet, welcher Anfang Auguſt in vier Teile zerfiel, hat nach S. L. Chandler eine Umlaufszeit von 7 Jahren, iſt aber erſt ſeit 1886 in ſeiner gegenwärtigen Bahn, während er vorher in 27 Jahren eine größere Ellipſe durchlief. Im genannten Jahre befand er ſich nämlich mehrere Monate in der Nähe des Jupiter, dem er ſich am 20. Mai bis auf 9 Jupitersdurchmeſſer näherte; durch die Anziehung dieſes großen Planeten kam er erſt in ſeine jetzige Bahn. Eine ähnliche Störung ſoll er auch 1779 erfahren haben. Chandler hält ihn für identiſch mit dem am 14. Juni 1770 von Meſſier entdeckten Kometen, der unter dem Namen des Lexellſchen bekannt tft. 6-1. Das blaugrüne Flämmchen. Bei Sonnenuntergang über der See zeigt ſich bisweilen die mit obigem Namen bezeichnete Erſcheinung, welche z. B. den meiſten Bade⸗ gäſten der oſtpreußiſchen Seebäder wohlbekannt iſt. Sie beſteht darin, daß der letzte Sonnenblick der eben ganz unter den Horizont tauchenden Sonne den Eindruck eines vertikalen blaugrünen Flämmchens macht. Es iſt ge⸗ legentlich die Meinung geäußert worden, dieſe Blaufärbung des letzten Strahles rühre davon her, daß er durch einen oder mehrere Wellenkämme gedrungen wäre: die Eigenfarbe des Waſſers iſt ja blau. Dieſe Deutung wird aber nach Sohncke (Meteorolog. Zeitſchrift 1889 S. 477) durch ſolche Beobachtungen ausgeſchloſſen, wie z. B. eine an einem der letzten Auguſttage 1889 von Prof. C. Lange Berlin in Warmicken bei Rauſchen an der Oſtſee (Oſtpreußen) zufällig gemacht wurde. Ziemlich nahe vor Sonnen⸗ untergang war hier die Sonne durch einen ſchmalen Wolkenſtreifen in zwei Teile geteilt, und als der oberſte Teil der Sonne eben unter dieſen Wolkenſtreifen unter⸗ tauchte, zeigte ſich das „blaue Flämmchen“. Die Erſcheinung hat alſo ihren Grund in der Atmoſphäre, nicht in der See. In der That iſt ſie einfach zu verſtehen als Er⸗ zeugnis der atmoſphäriſchen Strahlenbrechung (oder aſtro⸗ nomiſchen Refraktion). Sowie ein dem Horizont naheſtehen⸗ der Planet, durch ein gutes Fernrohr geſehen, zu einem Spektrum ausgezogen erſcheint, deſſen ſtärker gebrochenes, blauviolettes Ende höher gehoben iſt als das rote, ſo muß auch das letzte ſichtbare Stückchen der Sonne das blau⸗ violette Ende eines Spektrums liefern. Dies iſt die völlig genügende Erklärung der Erſcheinung. Intereſſant wäre es doch, die Bedingungen genauer feſtzuſtellen, die für den Eintritt der immerhin nicht allzuhäufigen Erſcheinung er⸗ forderlich find. Vielleicht bedarf es nur großer Durch- ſichtigkeit der Luft, weil nur in dieſem Fall der letzte Strahl ein auch in ſeinem blauen Bezirk hinreichend in⸗ D. tenſives Spektrum zu liefern vermag. Neue Höhlen. In der Tiefe einer bisher unter dem Namen „Heppenloch“ bekannten Felsgrotte bei Gutenberg in Württemberg haben Dr. Hedinger⸗Stutt⸗ gart und Pfarrer Gußmann⸗Gutenberg ſeit einigen Mo⸗ naten Forſchungen angeſtellt, über welche ſie bisher Still⸗ ſchweigen beobachtet hatten. Nachdem von anderer Seite eine mangelhafte Nachricht an die Oeffentlichkeit gedrungen, treten ſie jetzt mit einem vorläufigen Bericht hervor. Hier⸗ nach liegt die Entdeckung einer in eine ganze Anzahl von Hallen und Gängen geteilten, weit ausgedehnten und hohen Jura⸗Höhle vor, von welcher die Berichterſtatter ſagen, daß ſie alle anderen bisher bekannten an Schönheit und Großartigkeit übertreffe. Der Bericht gibt von den phan⸗ taſtiſchen Schönheiten derſelben eine lebhafte Schilderung. Was ſodann die prähiſtoriſchen Funde betrifft, ſo beglaubigt ſich das in engeren Kreiſen umgegangene Gerücht, daß durch dieſen Höhlenfund ein ſicherer Beweis für die Exi⸗ ſtenz des Tertiärmenſchen gefunden ſei, zunächſt nicht. Der Bericht ſagt nur: „es ſei kaum mehr in Zweifel zu ziehen, daß die Funde nicht dem Diluvium des „Hohle— felfen’, Bockſteins“ und ähnlichen angehören, ſondern wahrſcheinlich wenigſtens zum Teil im Tertiär liegen.“ Die Berichterſtatter behalten ſich weitere Darlegungen vor. Eine bisher unbekannte Höhle mit Tropfſteingebilden wurde in der Bauerſchaft Aſcheloh bei Halle in Weſt⸗ falen entdeckt. Dieſelbe ſoll ſich über 100 m in den Berg hinein erſtrecken. Bei Freiwaldau in Oeſterreichiſch-Schleſien iſt in den Kalkſteinbrüchen von Setzdorf eine noch völlig unbe⸗ rührte Tropfſteinhöhle mit prächtigen Stalaktiten und Stalagmiten entdeckt worden, welche ſich weit in die Tiefe erſtreckt. Die Gattung Dinophilns, die man anfänglich zu den Turbellaxien zu ſtellen ſich veranlaßt ſah, hat durch neuere Unterſuchungen ein erhöhtes Intereſſe gewonnen, da ſie ſich ſchließlich als zum Formenkreis der Anneliden gehörig herausgeſtellt hat. Die Entdeckung von 5 Paar Nephridien durch E. Meyer mußte ſchon dieſe Stellung rechtfertigen; allerdings bildet Dinophilus, der manche Larvencharaktere beibehalten hat, wie zahlreiche andere Formen keine Parapodien, weshalb er nicht zu den Chaeto⸗ poden zu ſtellen iſt; vielmehr bildet er mit Protodrilus, Histriodrilus 2c. die intereſſante Gruppe der Archianneliden, deren Vertreter der Ausgangspunkt der höheren Ringel⸗ würmer ſind. Von Bedeutung ſind auch die Beziehungen des fünften Nephridienpaares zu den Hoden reſp. zum Penis, da ſie eine Verbindung der erſteren mit dem letzteren dar⸗ ſtellen, ähnlich wie es bei Peripatus der Fall iſt. B. Fadenſpinnende Schnecken. Es iſt ſeit langem bekannt, daß verſchiedene Nacktſchnecken, ſo Arten von Limax und Amalia, einen ſchleimigen Faden abſcheiden und an demſelben ſich etwa von einem Blatte auf die Erde herablaſſen können. Dieſelbe Fähigkeit kommt auch Arion zu; es war dies um ſo eher zu erwarten, als dieſe Gattung bekanntlich am Hinterende eine beſondere Schleimpore be⸗ ſitzt. Tykoff, der Arion zuerſt an einem Faden ſich herab⸗ laſſen ſah, bemerkte auch, daß die Tiere ähnlich den Spinnen wieder an den Fäden heraufklettern können. B. Angleiche Entwickelung bei derſelben Spezies. Eine im Salz- und Brackwaſſer des nördlichen Europas häufig vorkommende Garneele (Palaemonetes varians) lebt bekanntlich auch im ſüdlichen Europa, beſonders in den Mittelmeerländern, hier aber faſt ausſchließlich im Süßwaſſer. Die beiden Raſſen ſtehen einander, wenn man nur die erwachſenen Tiere berückſichtigt, ſo nahe, daß man ſie eben nur als Raſſen einer Art betrachten kann, doch iſt das Ei der Süßwaſſerform nach Volumen etwa achtmal ſo groß wie das der Salzform; letztere verläßt als kiemenloſe Zoéa das Ei, durchläuft ein normales Myſis⸗Stadium und nimmt von Geburt an Nahrung auf. Die Süßwaſſerform zeigt dagegen die Erſcheinungen einer abgekürzten Entwickelung; zwar iſt ſie ebenfalls bei der Geburt eine Zosa, aber die letztere iſt ſchon weiter ent⸗ wickelt, auch wird das Myſis⸗Stadium nur in Andeutungen durchgemacht und wegen des großen Nahrungsdotters, den die Larve vom Ei her beſitzt, erfolgt eine Nahrungsauf⸗ nahme von außen her erſt ſehr viel ſpäter, weshalb auch die Mundwerkzeuge lange auf einer niederen Stufe ver⸗ harren. — Dieſer Fall beſtätigt die Anſichten, die man längſt über die Entwickelung der Süßwaſſertiere im Ver⸗ gleich zu der der marinen Stammformen gewonnen hatte; das Intereſſante an demſelben iſt die Thatſache, daß Stamm⸗ und abgeleitete Form erwachſen einander ähnlich geblieben ſind. Boas, der über dieſe Dinge in den Spengel⸗ ſchen zoologiſchen Jahrbüchern berichtet, erwähnt aus der Litteratur einen analogen Fall, der eine in Rußland lebende Fliege, Musca corvina, betrifft. Dieſe im Larvenzuſtand koprophage Fliege legt im nördlichen Rußland 24 mit einem gebogenen Fortſatz verſehene Eier, verhält ſich im ſüdlichen Rußland im Frühjahr ebenſo, gebiert jedoch im Sommer lebende Junge, welche im Uterus der Mutter aus hakenloſen Eiern hervorgehen. Humboldt. — März 1890. 97 Zur Entwickelung der Waſſermilben. Das Stu- dium der Milben wird dadurch beſonders erſchwert, daß des öfteren achtfüßige Larvenformen als ſelbſtändige Arten beſchrieben ſind. Neuerdings wird von zwei Seiten auf die Unhaltbarkeit der von Neuman aufgeſtellten Gattung Anurania hingewieſen. Sowohl Kramer (Zool. An— zeiger Nr. 317) als auch Könike (Zool. Anzeiger Nr. 323) reklamieren die Arten dieſer angeblichen Gattung als Jugendformen der Gattung Arrenurus Diuges, indem beide die Umwandlung der Larve in das Geſchlechtstier dieſer Gattung beobachten konnten. Ebenſo iſt, wie Kö— nike vermutet, wahrſcheinlich Nesaea striata Ayam. feine ſelbſtändige Form, ſondern gehört zu Hydrochoreutes ungulatus C. L. Koch. Aus ſeinen Beobachtungen über Entwickelung der Hydrachniden iſt Könike zu den all— gemeinen Schlußfolgerungen gelangt, daß in den Ent— wickelungsſtadien die Geſchlechter ſich durch Größenunter— ſchiede zu erkennen geben und daß ferner nach der letzten Häutung mit Ausnahme des Mapillarorgans, der Palpen, Epimeren, Füße und des Geſchlechtsfeldes noch ein Größen— wachstum ſtattfindet. —p. Balistes aculeatus L., ein trommelnder Tifd. Da die Fiſche des Stimmapparates entbehren, ſo find fie auch nicht im ſtande, auf dieſem Wege Töne hervorzu— bringen; ſie werden daher mit Recht als ſtumm bezeichnet. Nichtsdeſtoweniger gibt es Fiſche, welche Töne reſp. Ge— räuſche erzeugen, in nicht unbeträchtlicher Anzahl. Ver— ſchiedene Organe ihres Körpers können hierzu benutzt werden. Moſeley fing bei den Capverdiſchen Inſeln einen Hornfiſch, Balistes spec., der mit den Zähnen ein metalliſch klingendes Geräuſch hervorbrachte. Bei einem Wels, Syno— dontis, beobachtete Joh. Müller einen knarrenden Ton infolge Bewegung der großen Stachel der Bruſtfloſſe, bei gewiſſen Flughähnen, Dactylopterus volitans C. V. und orientalis, einen ähnlichen am Gelenke des Kiemendeckels. Durch die kräftig bewegte Muskulatur des Schultergürtels wird — wie L. Landois experimentell nachgewieſen hat — ein knurrendes Geräuſch erzeugt und durch Reſonanz der großen Mundrachenhöhle verſtärkt im Körper des nach dieſer Eigentümlichkeit benannten „Knurrhahns“, Cottus scorpius L. der Oſt- und Nordſee. Sörenſen beſchrieb die Entſtehung eines knarrenden Geräuſches durch ſtoß— weiſes Rückwärtsbewegen der Stacheln der vorderen Rückenfloſſe von Balistes vetula L. Nach demſelben Forſcher kann außerdem die Schwimmblaſe im Körper der Fiſche gleich einer Trommel einen Ton geben, wenn ſie von einem harten, vibrierenden Skelettteile getroffen wird: Die Stärke des erzeugten Tones hängt dann von der Stärke und Elaſticität ihrer Wandung wie von ihrer mehr oder minder engen Berührung mit dem Skelett ab. Dieſe Behauptung ſtützt fic) auf Beobachtungen und Bergliede- rungen ſüdamerikaniſcher Siluriden und Charageiniden. Die Uebertragung der Schwingungen der Schwimmblaſe auf das umgebende Medium wird dann wie z. B. bei der Dorade, Doras maculatus (. V. durch eine bewegliche, Knochenplatten enthaltende Hautpartie vermittelt, welche, nicht durch Muskelmaſſen unterlagert, unmittelbar der Schwimmblaſe aufliegt. Die Zahl dieſer anatomiſch und phyſiologiſch intereſ— ſanten Unterſuchungen wird durch eine neuerliche Beobach— tung von Möbius an Balistes aculeatus L. vermehrt. Er fing dieſes Tier in 20 em langen, prachtvoll blau gefärbten, an den Seiten gelb gebänderten Exemplaren bei ſeinem Aufenthalte auf der Inſel Mauritius 1874 im klaren Waſſer des Küſtenriffs. Auf der Hand des Beobachters erzeugte das Tier einen lauten Schall „ähn— lich dem einer Trommel mit feuchter Membran“. Gleich— zeitig war ein lebhaftes Vibrieren einer kleinen Hautſtelle dicht hinter der Kiemenöffnung zu bemerken. Von der übrigen, kleinſchuppigen Haut unterſcheidet ſich die be— zeichnete Stelle durch eingelagerte, größere Knochenplatten. Die Entſtehung des Tones iſt folgende: Durch ſchnell aufeinanderfolgende abwechſelnde Kontraktionen der hin— tern und vordern Segmente der Seitenrumpfmuskeln wird Humboldt 1890. das Poftclaviculare in tönende Schwingungen verſetzt. Dieſe werden auf die Wandung der dicht daneben liegenden Schwimmblaſe und deren Luftinhalt übertragen. Hierdurch, wie durch das Mitſchwingen der elaſtiſchen dünnen Platte der Clavicula ſelbſt, wird der vorhandene Ton verſtärkt und zugleich von der Schwimmblaſe infolge ihrer direkten Berührung mit jenen beweglichen, ſeitlichen Hautplatten auf dieſe und damit in das umgebende Medium — das Waſſer, die Luft — fortgepflanzt. Was den Wert dieſer Einrichtung bei allen erwähnten Tieren betrifft, ſo liegt die Annahme nahe, daß ſie als Furchtäußerung zur Abſchreckung von Feinden dienen ſoll, und da die Töne der ſüdamerikaniſchen Siluriden zur Zeit der Begattung am ſtärkſten und von ganzen Schwärmen dieſer Tiere abgegeben werden, ſo werden jene akuſtiſchen Leiſtungen von Sörenſen wohl mit Recht als Anlockungs— mittel zum Zwecke der Begattung gedeutet. (Möbius, Balistes aculeatus, ein trommelnder Fiſch; Sitzungsber. der Kgl. Akad. d. Wiſſenſch. Berlin, phyſ. mathem. Klaſſe, XLVI. 14. Nov. 1889.) Dr. La. Einen Beitrag zur Kenntnis vom Sebensalter der Sufekten liefert Dr. O. Nickerl (Prag) in der „Stet— tiner Entomol. Ztg.“ Der Genannte fing am 28. Juli 1884 einen weiblichen Carabus auronitens, /ab., und hielt denſelben fünf Jahre in Gefangenſchaft. Anfangs wurde das Tier mit Raupen der Graseule und der Winter— ſaateule gefüttert, ſpäter aber wollte es dieſe Nahrung nicht mehr annehmen, und erhielt nunmehr ausſchließlich friſches Fleiſch. Den Winter verbrachte der Käfer ſtets regungslos an einer geſchützten Stelle ſeines Käfigs (einem mit Sand und Steinen beſchickten und von einer Glas— glocke überdeckten tiefen Teller); Dr. Nickerl pflegte außer— dem noch das Winterlager mit Moos zuzudecken. Nach Beendigung des Winterſchlafs hatte das Tier jedesmal von ſeinem goldgrünen Metallglanz eingebüßt und dafür eine kupferrötliche Färbung angenommen. Nach den beiden erſten Ueberwinterungen ſtellte ſich der frühere Glanz bald wieder her, ſpäter wurde er nicht mehr erreicht, und die Färbung wurde immer dunkler. Der eintretende Maras— mus zeigte ſich auch darin, daß das Tier anfing, Fühler— und Tarſenglieder zu verlieren. Der Tod trat am 22. Juni 1889 ein. Bedenkt man, daß der Käfer ſchon im Freien wenigſtens zwei Jahre als Larve gelebt haben muß, ſo ergibt ſich für dieſes Individuum ein Lebensalter von ſieben Jahren. Sehr merkwürdig iſt auch die folgende von Dr. A. Speyer in derſelben Zeitſchrift mitgeteilte Beobachtung. Von zwei im Jahre 1882 gefundenen und bald darauf verpuppten Lanestris-Raupen entwickelte ſich die eine erſt nach fünfmaliger Ueberwinterung der Puppe zum (männ⸗ lichen) Schmetterling, während die andere ſogar ſieben Jahre in Ruhe verharrte; erſt im April 1889 entſchlüpfte ihr ein (weiblicher) Schmetterling von normaler Größe, Form und Farbe. Die Puppen wurden unter denſelben Bedingungen gehalten wie andere, die ſich nach Verlauf der normalen Ruhezeit entwickelten. Da die Puppe lebt, d. h. atmet, ſo ſollte man meinen, daß bei einer Aus— dehnung des nahrungsloſen Zuſtandes um die fünf- oder ſiebenfache Zeitdauer eine entſprechend größere Abnahme der Körpermaſſe ſichtbar werden müſſe. Dem widerſprechen aber nicht nur die an den oben genannten, ſondern an allen Puppen mit verzögerter Entwickelung gemachten Erfah⸗ rungen. Man muß daher ſchließen, daß der Stofſwechſel während des lethargiſchen Zuſtandes der Puppe ein ſo minimaler iſt, daß er, auch auf eine Reihe von Jahren verlängert, in einer Verkleinerung des Körpers und der Flügel nicht ſichtbar hervortritt. Ms. Begattungszeichen bei Gliedertieren. Bei einigen Schmetterlingen, z. B. der Gattung Parnassius, zeigt ſich die vollzogene Begattung beim Weibchen dadurch an, daß ſich durch ein während der Begattung vom Männchen ausgeſchiedenes erhärtendes Sekret eine Taſche am Hinter— leib des kopulierten Weibchens bildet. Es iſt ein ſolcher 13 98 Humboldt. — März 1890 Fall eines äußeren Merkmales der vollzogenen Begattung im Tierreich ſehr ſelten und daher um ſo bemerkenswerter, daß Bertkau ein analoges Vorkommnis bei einer Spinnen⸗ gattung konſtatiert (Zool. Anzeiger No. 315). Bei einer Anzahl von Spinnengattungen iſt äußerlich nur eine Geſchlechtsöffnung in Geſtalt einer Querſpalte zu ſehen, indem die Samentaſchen entweder ſich rechts und links in den Endabſchnitt der vereinigten Eileiter öffnen oder ſich zwiſchen der äußeren Körperhaut und dem unpaaren Eileiter eine nach vorn gerichtete Einſtülpung findet, an deren Grund die Samentaſchen angebracht ſind. Bei der weit größeren Zahl der Spinnen liegen indeſſen die Ein⸗ gangsöffnungen zu den Samentaſchen vor jener Quer⸗ ſpalte in einem beſonders ausgezeichneten, als Epigyne bezeichneten Feld, welches ein Zeichen der Geſchlechtsreife des Weibchens iſt, wie es der Taſterapparat für das Männchen iſt. Bei der Gattung Argenna nun, bei welcher den Eingang zu den Samentaſchen zwei große elliptiſche ſchräg geſtellte und zwar mit ihrer großen Achſe nach hinten divergierende Oeffnungen bilden, fand Bertkau die letzteren bisher ſtets durch ein flach gewölbtes Deckelchen von zart weißer oder ſchwach roſa angeflogener Farbe bedeckt. Die Deckelchen haben ebenfalls einen elliptiſchen Umriß, ſind aber ſo geſtellt, daß ihre großen Achſen nach vorn divergieren; ſie beſtehen aus einem feinkörnigen Sekret, das durch Kalilauge zerſtört wird. Die Auffindung eines noch nicht völlig entwickelten Weibchens, dem auch nach der Häutung die Deckelchen noch fehlten, und direkte Beobachtung geſtatteten Bertkau den Nachweis, daß dieſe Deckelchen während der Begattung gebildet werden, alſo Begattungszeichen ſind. Näher zu konſtatieren wird noch ſein, ob dieſe Deckelchen, wie wahrſcheinlich, vom Männchen oder vom Weibchen gebildet werden und von welchen Drüſen das Sekret ſtammt und wie lange dieſelben er⸗ halten bleiben; der Regel nach iſt dies mindeſtens bis in den Juli hinein der Fall. Nach den bisherigen Kennt⸗ niſſen ſcheinen die geſchilderten Deckel der Samentaſchen auf die Gattung Argenna beſchränkt zu ſein. Dagegen macht Leydig (Zool. Anzeiger No. 324), durch Bertkaus Publikation angeregt, darauf aufmerkſam, daß ähnliche, beim gewöhnlichen Flußkrebs, Astacus fluviatilis, ſich findende Gebilde ebenfalls als „Begattungszeichen“ ge⸗ deutet werden mögen. Schon Röſel war bekannt, daß in den Paarungsmonaten der Krebſe ſich zwiſchen den drei letzten Paaren der Gangbeine der Weibchen eine weiße, kalkartige Materie findet, die er als „Samen“ anſpricht. Dies iſt nicht der Fall, ſondern nach Leydig ſowohl wie Braun beſteht die Platte aus kleinen, glänzenden Kör— perchen, weitere Unterſuchungen aber über die Art und Weiſe der Abſonderung dieſer Maſſe und über andere ein⸗ ſchlägige Fragen ſind bisher nicht angeſtellt worden. — p. Aleber die Entwickelung des Schulter- und Becken gürtels publiziert R. Wiedersheim eine Reihe von Be⸗ obachtungen, die er gelegentlich verſchiedenſter Entwicke⸗ lungsſtadien von Selachiern, Teleoſtiern, Salamandrinen, Tritonen, Axolotl, Anuren, Lacertiliern, Cheloniern und Crocodiliern anſtellen konnte. Die gewonnenen Reſultate faßt der Verfaſſer am Ende der Arbeit in mehreren all⸗ gemeinen Schlüſſen zuſammen, deren Hauptinhalt, den Worten des Verfaſſers folgend, hier wiedergegeben fei. Beckengürtel und Schultergürtel ſind ſtreng homolog, beide beſitzen dieſelbe Anlage; ſie ſind phyletiſch und ontogenetiſch jüngere Bildungen als die freie Gliedmaße, welche als das treibende Prinzip zu betrachten iſt, unter deſſen for⸗ mativem Einfluß Spangenapparate d. h. Fixationspunkte in der Rumpfwand für die freie Extremität entſtehen mußten. Jene Apparate ſind eben Schulter- und Becken⸗ gürtel. Bei den Selachiern, ja wahrſcheinlich bei allen Fiſchen, prägt ſich die urſprüngliche Zuſammengehörigkeit jener Spangenapparate und der freien Gliedmaße onto⸗ genetiſch noch auf verhältnismäßig höherer Stufe aus, indem noch im Knorpelſtadium die freie, vordere Extre⸗ mität mit dem Schultergürtel eine einheitliche Maſſe dar⸗ ſtellt, und in gleicher Weiſe auch bei der hinteren Extremität um dieſe Zeit der noch höchſt primitive Baſalknorpelſtrahl der Bauchfloſſen noch jederſeits mit der dem Colomepithel zum Teil dicht anliegenden Beckenſpange zu einer einheit⸗ lichen Maſſe verſchmolzen iſt. Die Bildung der Gelenke, des Schultergelenks und Hüftgelenks, beginnt alſo erjt ſekundär, in einer ſpäteren Entwickelungsperiode. Von den Amphibien an iſt dieſe Zuſammengehörigkeit nur noch im Vorknorpelſtadium zu erkennen, die knorpelige Anlage erfolgt hier für jeden Bezirk bereits getrennt. Auch für die Einzelteile des Schulter- und Beckengürtels macht ſich hier das Beſtreben bemerklich, ſich im Knorpelſtadium ge⸗ trennt anzulegen, und der Zuſammenfluß erfolgt erſt ſekundär, ſo daß die Annahme eines urſprünglich einheit⸗ lichen, hyalinen Knorpelblaſtems unrichtig iſt. Im Becken⸗ gürtel ſtellt die pars ischio-pubica, im Schultergürtel die pars scapularis die phyletiſch älteſte Partie dar. Die pars iliaca erreicht bei keinem Fiſch oder Dipnoer die Wirbelſäule; dieſes tritt erſt bei ſolchen Wirbeltieren ein, die ihr ſchwimmendes Daſein ganz oder teilweiſe auf⸗ gegeben haben und ſich der hinteren Extremitäten nicht nur als Ruderorgane, ſondern auch als Stützorgane zu bedienen beginnen; denn von dieſem Augenblick an muß die Rumpflaſt in der Beckengegend durch die ſtarken Strebe⸗ pfeiler der Darmbeine, welche die Körperlaſt auf die freie hintere Extremität übertragen, eine Stütze erfahren. Der Zuſammenfluß der partes ischio pubicae beider Seiten zu einer unpaaren lamina ischio-pubica, wie er ſich bet Dipnoern, Ichthyoden und Derotremen zum Teil findet, wiederholt ſich dann und wann bei Salamandrinen während des Larvenlebens. Die pars pubica iſt nicht eine erſt bei Reptilien auftretende Neuerwerbung, ſondern charak⸗ teriſiert ſchon die Fiſch- und Amphibienbecken, wie dies ſowohl das Verhalten des nervus obturatorius, als auch die Verhältniſſe des embryonalen Chelonier- und Croco⸗ dilierbeckens aufweiſen, welche die Verhältniſſe des Uro⸗ delenbeckens ontogenetiſch repetieren. Das Becken entſteht nach den Mitteilungen Wiederheims nicht nur nicht aus einem oder mehreren Paaren von Bauchringen, ſondern der mit dieſen früher verglichene Beckenteil, die pars iliaca, iſt geradezu der phyletiſch am ſpäteſten erworbene Abſchnitt. =: Zur Fauna der Azoren. Schon oft iſt die Tier⸗ welt der atlantiſchen Inſeln Gegenſtand zoogeographiſcher Studien geworden, beſonders in ihren höheren Vertretern. Säugetiere ſind bekanntlich nur eingeführt, auch Reptilien fehlen auf den einſam im Ocean gelegenen Inſeln, was gegen eine frühere Verbindung mit dem Feſtland ſpricht; daß die Vögel europäiſchen Charakter tragen, iſt bei der Leichtbeweglichkeit dieſer Klaſſe nicht Wunder zu nehmen, und der europäiſche Charakter der Inſekten wie auch der Pflanzen läßt ſich durch Verſchleppung dieſer Organismen durch Stürme erklären. Am meiſten ſpeeifiſches Gepräge zeigen die Mollusken, die ſich von der heutigen Mollusken⸗ faung Europas charakteriſtiſch unterſcheiden, nach Kobelt jedoch eine geradezu auffallende Aehnlichkeit mit der Faung des Horizontes der Helix Ramondi im deutſchen und fran⸗ zöſiſchen Miocän beſitzen. In den letzten Jahren ſind nun auch andere niedere Tiere, beſonders die Bewohner der Süßwaſſerbecken in den Kreis der Unterſuchungen gezogen worden, hauptſächlich anläßlich der vierten, nach den Azoren gerichteten Reiſe der „Hirondelle“, des Schiffes, welches dem jetzigen Fürſten von Monaco zu wiſſenſchaftlichen Meeresexpeditionen dient. Die Unterſuchungen, die der den Fürſten (damals noch Erbprinz) auf ſeiner Fahrt be⸗ gleitende franzöſiſche Zoolog Jules de Guerne in zahl⸗ reichen Waſſerbecken und Waſſerläufen der Azoreninſeln San Miquel und Fayal anſtellte, haben zum Teil zu ſehr bemerkenswerten Reſultaten geführt. Sie ſind in mannig⸗ fachen, von verſchiedenen Autoren verfaßten, im Bull. de la Soc. zool. de France 1889 erſchienenen Publikationen und in J. de Guernes Schrift ,Hxcurcions zoologiques dans les iles de St. Miquel et Fayal“ niedergelegt, aus welcher Zacharias die bemerkenswerteſten Thatſachen über⸗ nahm (Biol. Centralbl. Bd. IX, Nr. 2,3, 4. 1889). Ziem⸗ Humboldt. — März 1890. 99 lich bedeutend ift die Anzahl der auf den Azoren, Kana— riſchen Inſeln und Madeira vorkommenden Aſſeln, deren Zahl 25 beträgt. Sie bieten manches zoogeographiſche Intereſſe; jo war z. B. bisher Tylos Latreillei And, Sav. nur an den Küſten des Mittelmeeres und Schwarzen Meeres gefunden worden und die in zahlreichen Exem— plaren in verſchiedenen Süßwaſſeranſammlungen gefundene Aſſel Jaera Guernei Dollfus iſt die erſte Süßwaſſerart der artenarmen, bisher nur aus dem Meer bekannten Gat— tung Jaera. Von Amphipodenfunden ſei erwähnt eine neue Gammarus-Art (Guernei CHerreuæ), die ſich ſtets in ſehr raſch fließendem Waſſer fand. Von niedern Kruſtern iſt Daphnella brachyura Lievin vorherrſchend; fie tritt zum Teil in größter Häufigkeit auf; außerdem findet ſich der in Mittel- u. Nordeuropa gemeine Lynceus (Chydorus) sphae- ricus Jur., Lynceus (Alona) costata G. C. Sars., Lynceus (Pleuroxus) nanus Baird ; von Muſchelkrebſen Cypris virens () Jurine, von Ruderfüßern Cyclops viridis Fischer und eine Canthocamptus-Art. Die Mollusken zeigten ſich durch eine Species von Pisidium vertreten, die Würmer durch die kleine Turbellarie Mesostoma viridatum /. Sch. und Nais elinguis O. Fr. Müll. Von Rädertieren fand J. de Guerne Asplanchna Imhofi de Gerne, Pedalium mirum Hudson und Brachionus pala Ehrb. Die be— ſchalten Wurzelfüßer ſind nach den bisherigen Befunden repräſentiert durch Difflugia pyriformis Perty, Arcella vulgaris und Centropyxis aculeata Ehrb. In der Tiefe des Lagoafunda auf Flores fand J. de Guerne auch eine üppige Flora von Diatomeen und Desmidiaceen. Dieſe Funde ſind wieder ein neuer Beweis für die enorme Verbreitung dieſer niedrigen Organismen. So iſt z. B. Mesostoma viridatum M. Sch. bekannt aus Schweizer Seen, nord— deutſchen Seen und aus der Umgegend von Dorpat; die auffallend gebaute Art Pedalion mirum aus oberitaliſchen und hochgelegenen Alpenſeen, ſowie aus dem Tiergarten von Budapeſt. —p. Zur Süßwaſſerfaung Grönlands. Unterſuchungen, die Rabot in verſchiedenen kleinen und größeren Süß— waſſeranſammlungen auf Grönland in der Nähe von God— haun, Safobshavn und an anderen Orten anſtellte, haben weitere Beiträge zur ſchon bekannten Süßwaſſerfaung Grönlands geliefert. Es wurden im ganzen etwa 25 ver- ſchiedene Arten niederer Süßwaſſertiere gefunden, dar— unter die Mehrzahl Krebſe. Auch dieſe Unterſuchungen beſtätigen die weite Verbreitung einzelner Süßwaſſer⸗ bewohner. So fand ſich auch hier unter den Krebſen die weitverbreitete Daphnia longispina Leyd. und eine Bos— mina brevirostris ſehr nahe ſtehende, B. arctica benannte Form. Erwähnenswert iſt, daß Holopedium gibberum Zad., cin Kruſter, der bis jetzt nur von der pelagiſchen Zone großer und hochgelegener Seen bekannt war, ſich in Grönland in kleinen und ſeichten, auf Meerniveau gelege— nen Süßwaſſeranſammlungen findet. Eurycercus glacialis, bis jetzt nur von der Beringsſtraße bekannt, iſt in der Umgebung von Jakobshavn und Godhavn ſehr häufig, und demnach wahrſcheinlich eine cirumpolare Form, die im hohen Norden den in Europa jo verbreiteten E. lamel- latus vertritt. Auch unter den auf Grönland gefundenen Rädertieren begegnen wir alten Bekannten, die Imhof in der Schweiz, Zacharias im nördlichen Deutſchland, und andere Forſcher in anderen Süßwaſſerbecken gefunden haben. Es find dies Asplanchna helvetica %., Anura cochlearis Gohse, A. longispina Kell., Conochilus vol- vox Ehrb. Dieſe in großer Anzahl im See von Egedesminde lebenden Rädertiere ſind in Grönland zum erſtenmale nachgewieſen (Jules de Guerne und Richard in den Compt. rend. T. 108. No. 12 vom März 1889). Auch die von Rabot auf Grönland geſammelten Spinnen bieten zoogeographiſches Intereſſe. Es find allerdings nur vier Arten; dieſes geringe Sammelreſultat rührt einerſeits von der Armut der Spinnenfauna her, andererſeits hat es ſeinen Grund in der Schwierigkeit des Sammelns, da die Spinnen ſich leicht in die Höhlungen der Cladonia ver— kriechen. Drei Arten waren ſchon von Grönland bekannt, Oligolophus alpinus Herbst, Lycosa insignita Thorell und Tordosa aquilonaris L. Koch. Die erfteren beiden erwähnten Arten find ſowohl Bewohner der arktiſchen Regionen, als der hohen Gipfel der europäiſchen Alpen, wo ſie ſich an der Schneegrenze aufhalten. Die vierte Art iſt neu und von Simon, der die kleine Spinnen— ausbeute Rabots bearbeitet hat, Hypsosinga groenlandica genannt worden. Sie gehört einer Spinnengruppe an, von der bisher in arktiſchen Gegenden kein Vertreter be— kannt war (Simon in Bull. de la Soc. zool. de France, Juni 1889, p. 289). —p. Aeber die ſyſlematiſche Stellung der Blindwühlen, der Cäcilien oder Gymnophionen hat man lange geſchwankt; wenngleich manche Autoren für eine nähere Verwandtſchaft mit den geſchwänzten Amphibien ſprachen, betonten andere Beziehungen zu Reptilien oder zu den Stegocephalen, während die meiſten fie als eine, den Anura und Urodela gleichwertige Gruppe der Amphibien betrachteten. Die Unterſuchungen, welche die Vettern Saraſin über Epierium glutinosum aus Ceylon anſtellten, brachten auch hier Licht. Die Eier beſitzen einen ſehr großen Dotter und furchen ſich infolgedeſſen wie Reptilien- und Vogeleier, doch ver halten ſich die Salamandereier ähnlich und bilden die Brücke zu den dotterärmeren Amphibieneiern, welche ſich total, aber inäqual furchen, wie das Froſchei. Der um den Dotter herumgebogene Cäcilienembryo ähnelt ſehr demjenigen des Salamanders, er trägt drei Paare äußerer Kiemen, nach deren Verſchwinden deutliche Kiemenſpalten in den Schlund führen; das Schwanzende des Embryos iſt mit einem Floſſenſaum umgeben, auch treten neben dem After zwei kleine Extremitätenſtummel auf, während dem erwachſenen Tiere Extremitäten fehlen. Doch iſt dies wie andere Eigentümlichkeiten als eine Folge der total anderen Lebensweiſe der Blindwühlen anzuſehen; letztere erweiſen ſich alſo als fußloſe Urodelen, von denen ſie ab— zuleiten ſind; ſie beſitzen jedoch einige zu den Reptilien hinleitende Verhältniſſe, jo den großen Dotter, die Fur— chung, die ſtarke Werknäherung und reiche Gliederung des Schädels, der wie bei allen Amphibien zwei Condyli be— ſitzt; auch das Gehirn iſt ſtark zuſammengeſchoben, ebenſo das Gehörorgan. B. Die Aubingruben in Birma, die in einer Curo- päern früher ſehr ſchwer zugänglichen Gegend liegen, ſind nach der britiſchen Okkupation des Landes nun auch be— kannter geworden. Die Bevölkerung der Grubendiſtrikte iſt fehr gering an Zahl — 5 bis 6000 anſäſſige und etwa 3000 fluktuierende Bewohner — und eine außerordentlich gemiſchte. Den Hauptſtock der Bevölkerung bilden birmani— ſierte Schans, die beſonders den größten Ort der Gegend, Mogok, bewohnen, und die hauptſächlichſten Grubenbeſitzer und ⸗arbeiter ſind. Auf den Hügeln der Umgegend wohnt ein halbwildes, aus China und den Schanſtaaten ver— triebenes Volk, das Mogok mit Brennholz, Gemüſe und Hühnern verſorgt. Der engliſche Autor bezeichnet ſie mit „Leeſaws“, ein Name, der vielleicht mit dem der Luſhai, Kopfabſchneider, wie ſie von Emil Ribbeck im Hinterlande von Chittagong beſchrieben worden ſind, identiſch iſt. Ferner gibt es dort birmaniſierte Hindus aus Munipur, die ſich ſchon vor Jahrhunderten hier niedergelaſſen haben und beſonders das Dorf Kathey bewohnen, und Paloungs, ein einheimiſches Volk, über deſſen nähere ethnographiſche Stellung nichts mitgeteilt wird. Die Hauptmaſſe der flottierenden Arbeiterbevölkerung bilden Maingthas, die aus den zwiſchen Birma und China liegenden Schanſtaaten kommen. Außerdem leben dort noch Chineſen und Pan— theys, letztere aus Minnan vertriebene mohammedaniſche Chineſen und Stammesgenoſſen der in Tonkin berüchtigten „ſchwarzen Flaggen“, beide als Kaufleute und Händler von Bedeutung. Eigentliche Birmanen gibt es nur ſehr wenig, obgleich ihre Sprache die herrſchende iſt. W. Aeber die Raffen des alten Babyloniens und Aſſy⸗ riens hat G. Bertin Forſchungen auf Grund der auf 100 Humboldt. — März 1890. aſſyriſchen und babyloniſchen Monumenten befindlichen Dar⸗ ſtellungen angeſtellt. Daß ſich auf ägyptiſchen Monumen⸗ ten Darſtellungen verſchiedener Völker in ethnographiſcher Treue finden, iſt bekannt; Bertin iſt der Anſicht, daß auch die Künſtler des Euphratlandes bei allem Konventio⸗ nalismus ihres Schaffens getreue Nachbildungen der ver⸗ ſchiedenen Völker ihres Landes bieten. Er teilt Kopien derſelben mit, auf denen ſich allerdings große Verſchieden⸗ heiten an Profil, Kopfbildung, Haarwuchs und Kleidung finden. Die Schlüſſe, die er daraus für die Ethnologie zieht, erſcheinen uns als zum Teil ſehr weitgehend. Am meiſten möchten wir gegen ſeine „Grundraſſe“ proteſtieren, unter der er die prähiſtoriſche Bevölkerung aller Länder zuſammenfaßt. Es iſt wohl ſchwerlich auszumachen, ob dieſe überall zu einer und derſelben beſtimmten Raſſe ge⸗ hört. Ebenſo kühn iſt es, wenn er auf babyloniſchen Monumenten ſchon die Typen der heutigen deutſchen und portugieſiſchen Juden, die ihre charakteriſtiſche Phyſiognomie nach ihm übrigens erſt dem Kontakt mit den Armeniern während Abrahams Aufenthalt in Haran verdanken, als niedere und höhere unterſcheidet. Dieſe Unterſchiede bil⸗ deten ſich doch erſt im Lauf der ſpäteren Beschuß en Entwickelung. Ueber die Kurgaue, die künſtlichen Erdhügel in 9 land und Turkeſtan, die wohl allgemein als Grabtumuli aufgefaßt wurden, ſtellt Dr. O. Heyfelder eine ebenſo neue als überraſchende Hypotheſe auf. Nach ihm find fie Merkzeichen, die bei den Wanderungen der Völker an den Heerſtraßen errichtet wurden und erſt ſekundär als Bez gräbnisſtätten dienten. Sie ſollen ſogar in regelmäßigen Abſtänden wie Meilenſteine ſtehen, was allerdings durch ſpätere Kultureinflüſſe vielfach verwiſcht ſei. Wir können uns dieſer Anſicht nicht anſchließen, obgleich ja hin und wieder auch ein Erdhügel zum Andenken an Wanderungen errichtet ſein mag. W. leber die Hautpigmentierung beim neugeborenen Neger hielt Dr. Moriſon aus Baltimore auf dem erſten internationalen Kongreß für Dermatologie und Syphilo⸗ graphie (Paris, Auguſt 1889) einen Vortrag. Nach der gewöhnlichen Anſicht würden die Neger weiß oder hell gefärbt geboren, doch lauteten die Angaben von Aerzten, die Negerinnen entbunden hätten, über dieſen Punkt ſehr widerſprechend. Das Entſcheidende fet allein die mifro- ſkopiſche Unterſuchung, und dieſe ergebe beim neugeborenen Neger ſtets das Vorhandenſein von reichlichem Hautpig⸗ ment, ſelbſt wenn die Färbung dem unbewaffneten Auge als ganz weiß erſcheine. W. Zzezüglich der Hautfarbe bei Nordpolfahrern war vielfach bemerkt worden, daß jie nach der langen Winter⸗ nacht bei der Wiederkehr des Sonnenlichts fahl, mit einem Stich ins Gelblichgrünliche erſchien. Bei der Expedition 1882 bis 1883 übernahm Gyllenereutz, der Arzt derſelben, auf Aufforderung von Holmgren die Aufgabe, die Urſache dieſer Erſcheinung zu erforſchen. (Centralbl. f. Phyſiol. II, 6, S. 142.) Das Phänomen konnte nach Holmgren entweder ſubjektiv ſein, beruhte alſo auf einer Aenderung des Farben⸗ ſinnes infolge der monatelangen Dunkelheit, oder objektiv, infolge von Veränderungen im Pigment des Bluts durch den Lichtmangel oder ſubjektiv und objektiv gleichzeitig. Die Unterſuchung des Farbenſinnes an den Mitgliedern der Expedition vor, während und nach der Polarnacht er⸗ gab keine Veränderungen. Die Blutunterſuchung beſtand in der Meſſung der Lage der Abſorptionsbänder des Hämo⸗ globins bei beſtimmter Schichtendicke und vergleichender Schätzung des Grades ihrer Dunkelheit nach Zeichnungen, welche Gyllenereutz von jedem Spektrum anfertigte; Blut⸗ körperchenzählungen wurden nicht exakt gemacht. Die Diffe⸗ renzen zwiſchen den einzelnen Meſſungsreſultaten bewegten fic) innerhalb der normalen Grenzen, jo daß eine Aende⸗ rung der Qualität des Hämoglobins ausgeſchloſſen werden kann. Die Quantität war bei einzelnen Perſonen, nach der Veränderung der Breite und Dunkelheit der Bänder zu urteilen, gegen Ende des Winters vermindert. Holmgren hatte ein Experimentum erneis vorgeſchlagen, um zu ent⸗ ſcheiden, ob das fragliche Phänomen ſubjektiv oder objektiv ſei. Es ſollte ſich eine Perſon einen Monat länger als die anderen dem Einfluſſe des Sonnenlichtes entziehen und dann ſeine Hautfarbe mit der der übrigen vergleichen. Der Ingenieur Andrée unterzog ſich freiwillig dieſer Tortur. Er zeigte thatſächlich nach dem Verlaſſen ſeines Gefängniſſes eine graugelbe Nüancierung des Teints, welche ſich als ſchlechtes Ausſehen infolge ſeiner hygieniſch ungünſtigen Lebensweiſe erklärt. Es handelt ſich alſo bei dieſer Verände⸗ rung der Hautfarbe um die Folge eines anämiſch⸗chloroti⸗ ſchen Zuſtandes, vielleicht beginnenden Skorbuts. G. Ueber Träume hat man bisher noch wenige That⸗ ſachen veröffentlicht, die den Anforderungen der heutigen Wiſſenſchaft entſprechen. Um ſo dankenswerter erſcheinen die Aufzeichnungen des Arztes Julius Nelſon in New Pork (Americ. Journ. of Psychology), über 4000 Notizen, welche ſich auf ſeine eigenen Träume beziehen. Es ergaben ſich aus dieſen Beobachtungen die folgenden Reſultate. Die am Abend entſtehenden Träume kommen nur nach ſtärkerer körperlicher oder geiſtiger Ermüdung zuſtande und knüpfen an die Erlebniſſe des Tages an. Aehnlich find die Nacht⸗ träume beſchaffen, die ſich meiſt nach heftigeren nervöſen Erregungen einſtellen, ebenfalls an die Tageserlebniſſe an⸗ knüpfen, aber dieſe meiſt in ſchreckhafter Weiſe weiter⸗ ſpinnen. Am merkwürdigſten und am angenehmſten ſind die Morgenträume, wie ſie nach völligem Ausruhen des Gehirnes eintreten. Hier findet die Phantaſie ihren wei⸗ teſten Spielraum und ſchwingt ſich in ungeahnte Fernen. Kennzeichnend find namentlich für Morgenträume die merk⸗ würdigen Perſonen- und Seelenwandlungen, die aufer- ordentliche Deutlichkeit und Umſtändlichkeit, die Lebendig⸗ keit der Erinnerung an den Traum ſelbſt und jene ver⸗ blüffende Vorahnung von Ereigniſſen, die man ſchlechthin als „Hellſehen“ bezeichnet. — Ferner hat Nelſon gefunden, daß die Lebhaftigkeit der Träume gewiſſen regelmäßigen Schwankungen von 28 Tagen (auch beim männlichen Ge⸗ ſchlecht) entſpricht, und daß auch innerhalb der Jahres⸗ zeiten regelmäßige Schwankungen ſtattfinden, ſo daß im März und April die am wenigſten, im Dezember die am meiſten lebhaften Träume eintreten. Bekanntlich ſchreibt ein alter Volksglaube den Träumen in den „heiligen zwölf Nächten“ (25. Dezember bis 6. Januar) beſondere Vorbe⸗ deutung zu; wahrſcheinlich, weil man beobachtet hatte, wae fie da am deutlichſten und lebhafteſten ſind. Katurwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen ete. Die VBotaniſche Meeresſtation in Kiel. Die in ihrer Art einzige Lage Kiels, unmittelbar an einer tiefen Meeresbucht, erheiſchte bei der Organiſation der botaniſchen Anſtalten ganz beſondere Berückſichtigung. Denn einerſeits erwächſt durch die in nächſter Nähe vor⸗ handene reiche Vegetation von Meeresalgen denſelben ein reichhaltiges Arbeitsmaterial an lebenden Pflanzen, über das ſonſt keine andere Hochſchule verfügen kann, und andererſeits entſteht hieraus dem Kieler Botaniſchen In⸗ ſtitute die Verpflichtung, ſeine Kräfte vorzüglich der Er⸗ forſchung der Meerespflanzen und ihrer noch immer ſo Humboldt. — März 1890. 101 wenig bekannten Lebensweiſe zu widmen. Die von Reinke angeregten Einrichtungen haben in aller Stille zu der Schaffung einer botaniſchen Meeresſtation geführt, welche inſofern jeder andern zur Zeit beſtehenden überlegen ſein muß, weil keiner derſelben die vollen Hilfsmittel eines in allen Einzelheiten gut ausgerüſteten Univerſitäts⸗ Inſtituts zu Gebote ſtehen. Ueber dasjenige, was Kiel in dieſer Beziehung den Botanikern zu bieten vermag, berichtet Reinke im Botan. Centralblatt 1890 Nr. 1 u. 2. Die Meeresalgen repräſentieren noch für nicht ab— ſehbare Zeit ein ungemein reiches Material für morpho— logiſche, wie für phyſiologiſche Studien aller Art. Sie ſind gegenüber den Landpflanzen bislang noch immer als ver— nachläſſigt anzuſehen. In der That iſt ihr Studium mit größeren Schwierigkeiten verknüpft, weil ſie nur an einzelnen Orten bequem im lebenden Zuſtand zu beſchaffen ſind, und weil zu ihrer Kultur nicht überall die Bedingungen ſich finden, wenn auch einzelne Arten ſich längere Zeit in den Meereswaſſer-Aquarien des Binnenlandes am Leben erhalten. Die erſte Vorbedingung für das erfolgreiche Wirken einer botaniſchen Meeresſtation iſt das Vorhandenſein eines genügenden Reichtums von Algen in unmittelbarer Nähe. Dieſe Vorbedingung iſt inſofern für Kiel gegeben, als die Kieler Föhrde zweifellos an Reichhaltigkeit der Algen— vegetation von keinem Punkte des geſamten Küſtengebietes des Deutſchen Reiches übertroffen, ja kaum von einem andern erreicht wird. Nur Sonderburg wird etwa Kiel an günſtiger Lage gleichkommen, ſonſt hat Kiel vor allen Plätzen der geſamten Oſtſeeküſte den Vorzug. . Was aber gar die deutſche Nordſeeküſte anlangt, fo iſt ſie in ihrer ganzen Ausdehnung viel ärmer an Algen als die Kieler Bucht, und nur Helgoland könnte hier in Betracht kommen, allein dort beſtehen wieder andere Schwierigkeiten, von denen die politiſchen nur einen Teil ausmachen. Man würde daher, ſelbſt wenn Kiel nicht Univerſitäts— ſtadt wäre, doch Kiel bei der Wahl des Ortes für eine botaniſche Meeresſtation den Vorrang einzuräumen haben. Ueber das in der Kieler Föhrde vorhandene Algen— material hat Reinke im einzelnen in ſeiner Flora der weſtlichen Oſtſee berichtet. An braunen Algen, die immer noch am meiſten der Bearbeitung bedürfen, iſt die nächſte Umgebung Kiels ſo reich, daß ſie an Zahl der Arten kaum hinter den reichſten Plätzen der europäiſchen Küſte zurück— ſteht. Zwar fehlt eine wichtige Ordnung gänzlich, die Dictyotaceen, dafür finden ſich aber ſchöne Repräſentanten einer anderen intereſſanten Gruppe, der Tilopterideen. An grünen Algen fehlen allerdings die großen Siphoneen des Mittelmeeres und der wärmeren Gegenden, von denen nur Bryopsis vorkommt, dafür ſind aber andere nicht un— wichtige Formen in Fülle vorhanden. Nur die roten Algen weiſen ein Defizit auf an Gattungen und Arten gegenüber dem Mittelmeer und den atlantiſchen Geſtaden Englands und Frankreichs; immerhin iſt aber auch die Rhodophyceen-Flora Kiels eine ſo reichhaltige, daß ſie noch viel Material für morphologiſche Arbeiten darbietet, wah: rend für phyſiologiſche Unterſuchungen faſt alle Vegetations— typen vorliegen, die zur Variation der Verſuche in Betracht kommen können. Auch der Umſtand, daß die Oſtſee keine Gezeiten hat und daher keine Entblößung der litoralen Region durch Ebbe beſitzt, fällt nicht ins Gewicht. Die Oſtſee teilt dieſe Eigenſchaft mit dem Mittelländiſchen Meere. Aber ſchon bei jedem ſüdlichen Winde ſenkt ſich der Waſſerſpiegel der Kieler Föhrde ſo beträchtlich, daß viele litorale Algen trocken liegen. Man hat jedoch da— durch kaum große Vorteile beim Einſammeln von Algen. Im Gegenteil, iſt das Waſſer ruhig — und in der tief eingeſchnittenen Föhrde iſt es meiſt wenigſtens an einer Seite glatt — ſo ſammelt man weit bequemer vom flachen Ruderboote aus, und der höhere Waſſerſtand iſt dann meiſtens der erwünſchtere. Sobald man über die geeig— neten Inſtrumente zum Sammeln verfügt — Harken mit Netzen daran — laſſen ſich Litoralalgen auf dieſe Weiſe am beſten gewinnen. f Für das Einſammeln der Algen im äußeren Teile der Föhrde ſowie der benachbarten offenen Oſtſee benutzt man Dampfboote. Es iſt ein beſonderer Vorzug Kiels, daß man jederzeit einen kleinen Küſtendampfer für die Ausführung einer ſolchen Exkurſion haben kann, und zwar zu relativ billigem Preiſe. Der Dampfer bringt die Bo- taniker ſchnell nach dem äußeren Teil der Föhrde, wo das mitgenommene Ruderboot dann an beſonders günſtigen Stellen der Strandregion ausgeſetzt wird, während man die Tiefen mit dem Schleppnetz direkt vom Bord des Dampfers aus unterſucht; die Standorte der wichtigeren Formen ſind durchweg ſchon alle bekannt, wodurch das Einſammeln ſehr erleichtert wird. Der Erfolg des Botaniſierens in den tieferen Re gionen hängt ganz und gar ab von der Konſtruktion des Schleppnetzes. Reinke hat ein ſolches konſtruiert, welches ſich durchaus als praktiſch erwieſen hat. Beſonders wichtig ſind daran die lanzettlichen Zähne des Randes, welche, nach Art ſtarker Meſſerklingen gebildet, die größeren Algen von den Felsblöcken abſchneiden. Das Einſammeln der mikroſkopiſchen Algen des Planktons, woran die Föhrde ſehr reich iſt, kann vom Dampfer- wie vom Ruderboote aus in einfachſter Weiſe mittels eines feinmaſchigen Netzes geſchehen. 8 Wenn die Außenarbeit des Einſammelns bewerkſtelligt iſt, kommen die Einrichtungen des Inſtituts in Betracht, um das gewonnene Material zu verwerten. Eine zweifache Aufgabe iſt hierbei dem Inſtitute ge ſtellt, wenn wir das Vorhandenſein des Gerätes zur mifro- ſkopiſchen Unterſuchung als ſelbſtverſtändlich anjehen : zweck— mäßige Einrichtungen für die Kultur der Algen zu ſchaffen und die geſamten litterariſchen Hilfsmittel darzubieten, welche für Unterſuchungen über Algen in Betracht kommen können. Die Kultur lebender Algen gelingt mit Ausnahme weniger Arten, wenn man für niedrige Temperatur des Waſſers zu ſorgen weiß. Das Wachstum der Algen geht im Winter in der Oſtſee bei einer Temperatur vor ſich, welche dem Nullpunkt ſehr nahe liegt. Auch bei den Kulturen in zweckmäßig geformten Glasbehältern, auf die hier nicht näher eingegangen werden ſoll, hat Reinke nie mals eine Störung des Wachstums durch niedrige Tem— peratur empfunden, während eine auch nur vorübergehende ſtärkere Erwärmung den Algen nachteilig iſt. So laſſen ſich die Algen während der Wintermonate ſehr leicht in den ungeheizten Räumen des Inſtitutsgebäudes ſowie im froſtfreien Kalthauſe am Leben erhalten und zur Fruktifi— kation bringen, kleinere Formen vollenden ihren ganzen Entwickelungscyklus von der keimenden Spore an; ein häufiger Wechſel des Meerwaſſers oder ein vorſichtiger Zuſatz von Nährſtoffen hat ſich als zweckmäßig erwieſen. Schwieriger ſind dagegen die Kulturen während der warmen Sommermonate. Da hat man, wenn wir von einigen gegen Temperaturſchwankungen ſehr unempfind- lichen Litoralformen abſehen, vor allem jedes Einfallen direkten Sonnenlichts, durch welches das Waſſer erwärmt werden könnte, auf das Sorgfältigſte auszuſchließen. Aber auch ſchon die Erwärmung auf Lufttemperatur wird leicht verderblich. In den nach Norden gekehrten Niſchen der Kellerfenſter im Inſtitutsgebäude, ſowie den eigens dazu eingerichteten Fenſtern im Anbau der Gewächshäuſer laſſen ſich zwar manche Algen auch im Sommer lange am Leben erhalten, allein die ſchwierigeren Arten, beſonders die aus größerer Tiefe, gehen doch zu Grunde. Um ſie zu erhalten, hat Reinke einen Eisſchrank beſonderer Konſtruktion her⸗ ſtellen laſſen. Dieſer Eisſchrank ſteht in der Fenſterniſche des kühlſten, nach Norden gelegenen Zimmers des Inſtituts: gebäudes. Seine Vorderwand beſteht aus einer großen Spiegelglasplatte, ebenſo iſt er oben mit Spiegelglas ab gedeckt; die übrigen Wände ſind diejenigen der gewöhn⸗ lichen Eisſchränke, ſie ſind nur auf der Innenſeite aus ſpiegelndem Metallblech gebildet, wodurch den Algen eine völlig ausreichende Lichtmenge zu teil wird. : Der innere Raum des Eisſchrankes ijt durch zwei Eisbehälter in drei Abteilungen gegliedert, jede Abteilung enthält zwei Stockwerke zur Aufſtellung der Kulturgefäße. 102 Die Temperatur in dieſem Kulturſchranke iſt etwa die gleiche, wie in gewöhnlichen guten Eisſchränken. Während die unmittelbar zu wiſſenſchaftlichen Arbeiten dienenden Algen auf dieſe Weiſe im Inſtitutsgebäude ſelbſt kultiviert werden, bringt Reinke noch ein anderes Verfahren zur Anwendung, welches mehr für Kulturen im großen beſtimmt iſt. Im Hafen iſt, in unmittelbarer Nähe des Botaniſchen Gartens und von dieſem aus durch ein dem Garten gehöriges Ruderboot leicht erreichbar, ein hölzernes Schwimmfloß verankert, von dem aus an 3 bis 4 Meter langen Ketten Drahtkörbe hängen, in denen Algen kultiviert werden. Dieſe Algen ſind den Strömungen und den natürlichen Temperaturſchwankungen des Meer⸗ waſſers ausgeſetzt und ihre Kultur vollzieht ſich daher unter den günſtigſten Bedingungen, namentlich während der Sommermonate. In dieſem ſchwimmenden Aquarium ſollen die Reſervevorräte von Algen aufbewahrt werden, die man von Exkurſionen heimbringt, zur Ergänzung der Kulturen im Inſtitut und zur Füllung des Schau-Aquariums von Meeresalgen, welches im nächſten Frühjahr im Bo⸗ taniſchen Garten gebaut werden wird. Es iſt zu dem letztgedachten Zwecke im Zuſammenhang mit einem Pavillon eine nach Norden geöffnete Concha aus Mauerwerk pro⸗ jektiert, in welcher die Glasbehälter mit wichtigen und charakteriſtiſchen Algen der Föhrde Aufſtellung finden ſollen. Stirbt dann im Sommer eine Art infolge zu ſtarker Er⸗ wärmung ab, ſo wird ſie von den Vorräten-des Schwimm⸗ floßes her ergänzt. Nächſt den Mitteln zum Einſammeln und zur Kultur der Algen hat dann zur Förderung algologiſcher Studien das Inſtitut die nötigen litterariſchen Hilfsmittel zu liefern, nämlich nicht nur Bücher und Abhandlungen ſondern auch ein Muſter⸗Herbarium. Denn nichts iſt ſtörender und hinderlicher bei dem Studium gerade der Algen, als das Kartierung und Auslotung des Großen Plöner Sees. Die „Zentralkommiſſion für Landeskunde von Deutſchland“ hat den Privatdozenten Herrn Dr. Willy Ule in Halle mit der Aufgabe betraut, demnächſt eine hydrographiſche und geologiſche Unterſuchung des Plöner Sees in Oſtholſtein vorzunehmen. Es handelt ſich dabei hauptſächlich um eine Ermittelung der Tiefen- und Ge⸗ ſtaltungsverhältniſſe jenes Waſſerbeckens, die als Baſis für die ſpäter dort auszuführenden zoologiſchen Arbeiten der lakuſtriſch⸗biologiſchen Station des Dr. Otto Zacharias dienen ſollen. Die Eröffnung des letztgenannten Inſtituts für das Frühjahr 1891 dürfte nicht mehr zweifelhaft ſein, da neuerdings wieder erhebliche Beiträge für den betreffen⸗ den Fonds gezeichnet worden ſind. Außerdem wird gegen⸗ wärtig der Antrag auf eine ſtaatliche Subventionierung der Plöner Station vorbereitet, und höchſtwahrſcheinlich wird derſelbe noch in dieſer Seſſion des preußiſchen Land⸗ tages von ſeiten der zuſtändigen Abgeordneten eingebracht werden. — In Italien iſt es beſonders Profeſſor Pietro Paveſi, der Erforſcher der oberitalieniſchen Seebecken, welcher ſich lebhaft für das Zuſtandekommen der erſten zoologiſchen Süßwaſſerſtation intereſſiert. A. Das Königliche Meteorologiſche Inſtitut zu Berlin hat mit Beginn dieſes Jahres einen die ganze preußiſche Monarchie umfaſſenden Beobachtungsdienſt eingeführt, und zwar in der Weiſe, daß auch an Orten, an denen phyſi⸗ kaliſche oder aſtronomiſche Inſtitute nicht beſtehen, kleinere Beobachtungsſtationen mit geringem Koſtenaufwande er⸗ richtet worden ſind. Hauptſächlich kommt es dem könig⸗ lichen Inſtitut darauf an, genaue Beſtimmungen über die jährlichen atmoſphäriſchen Niederſchläge aus allen Beobach⸗ tungsſtationen zu erhalten. Zu dieſem Zwecke iſt an den betreffenden Orten ein Regenmeſſer an einem Im hohen Pfahle aufgeſtellt. Der Apparat iſt leicht von Laien zu bedienen. Auf den preußiſchen Stationen iſt das Syſtem Hellmann in Gebrauch. Dieſer Regenmeſſer beſteht aus einem 46 em hohen und weiß angeſtrichenen Cylinder aus Zinkblech, deſſen 200 qm große Auffangfläche (Durchmeſſer Humboldt. — März 1890. Fehlen guter Abbildungen und richtig beſtimmter Vergleichs⸗ exemplare. Es iſt Reinke gelungen, eine möglichſt voll⸗ ſtändige Handbibliothek der geſamten phykologiſchen Litteratur zu ſammeln. Alle Abbildungswerke ſind vorhanden, von Gmelin bis Turner, von Stackhouſe bis Hooker, Harvey, Kützing, Bornet⸗Thuret u. ſ. w. Möglichſt vollſtändig wurden auch Ausſchnitte aus Zeitſchriften geſammelt, und faſt nur hier beſtehen noch Lücken. Daneben wurde unausgeſetzt danach geſtrebt, die Algenſammlung nach Möglichkeit zu komplettieren. Hier⸗ bei kam es hauptſächlich darauf an, nicht bloß gute, ſondern richtig beſtimmte Exemplare der einzelnen Arten zu haben, die womöglich den Wert von Originalexemplaren der Autoren beſitzen. In dieſer Hinſicht dürfte die Kieler Sammlung, wenigſtens was europäiſche Algen anlangt, jedenfalls zu den reichhaltigſten und beſten gehören, die exiftteven. Doch auch an außereuropäiſchen Arten iſt das Herbarium ſehr reich, Lücken in den Gattungen ſind kaum noch vorhanden. Aber auch nur mit ſolchen Hilfsmitteln iſt eine ſichere Beſtimmung der Algen möglich, und wenn ſich Reinke in Bibliothek und Sammlung nicht bloß auf die europäiſchen Algen beſchränkte, ſo wird dies jeder er⸗ freulich finden, der ſich einmal mit Algenbeſtimmungen beſchäftigt hat. Wenn mit der Organiſation des Botaniſchen Inſtituts in Kiel auch eine Botaniſche Station zum Studium der Meeresalgen ins Leben getreten iſt, welche allen billigen Anforderungen der Gegenwart Genüge leiſtet, ſo iſt dies in erſter Linie dem Königl. preußiſchen Kultusminiſterium zu verdanken, welches in voller Würdigung der ſpeziellen Aufgaben, welche der Botanik in Kiel durch die einzige Lage des Ortes geſtellt ſind, ſtets die erforderlichen Mittel bereitwillig gewährt hat. D. 159,6 mm) von einem ſcharfkantig abgedrehten und koniſch geformten Meſſingringe umgrenzt wird. Das ganze Gefäß, beſteht aus zwei Teilen, aus dem oberen Auffanggefäße, welches unten mit einem Trichter abſchließt, und aus dem Behälter für die Sammelflaſche, in welcher das durch den Trichter einlaufende Regen- oder Schneewaſſer bis zur Meſſung verbleibt. Die Sammelflaſche iſt derart iſoliert aufgeſtellt, daß eine Verdunſtung des in ihr befindlichen Waſſers möglichſt vermieden wird. Das Meßglas iſt fo eingeteilt, daß der Raum zwiſchen zwei aufeinanderfolgenden Teilſtrichen 0,1 mm entſpricht. Es laſſen ſich damit geringe Mengen Waſſers genau meſſen, was jeden Morgen regel⸗ mäßig um 7 Uhr geſchehen muß. Die Niederſchlagshöhe wird Tag für Tag in eine Formularpoſtkarte eingetragen und nach Ablauf eines Monats dem meteorologiſchen In⸗ ſtitut zugeſchickt. Neben der Meſſung der Niederſchläge wird auf den meiſten Stationen auch die Beobachtung der Gewitter übernommen. Dabei iſt das Augenmerk zu richten auf die Entfernung, Dauer und Stärke des Gewitters, auf die vor und nach dem Gewitter herrſchende Windrichtung, auf die Stärke und Dauer des mit dem Gewitter eintre⸗ tenden Regen- oder Hagelfalles, auf die Farbe der Blitze und die verurſachten Blitzſchäden. Dieſe Aufzeichnungen ſind im Gegenſatz zu den Niederſchlagsbeobachtungen ſofort dem Meteorologiſchen Inſtitut zu melden. D. Wie die „Gothenb. Handels- u. Sch.⸗Ztg.“ berichtet, ſoll in nächſter Zeit eine Expedition zur Unterſuchung der hydrographiſchen Verhältniſſe im Kattegat und Ska- gerak abgehen. Da alle bisher ſtattgehabten Unterſuchungen in dieſen Gewäſſern im Sommer vorgenommen wurden, über die im Winter obwaltenden phyſikaliſchen Verhältniſſe aber ſehr wenig bekannt war, ſo ſoll die von dem Pro⸗ feſſor Peterſſon an der Techniſchen Hochſchule in Stock⸗ holm angeregte Expedition dieſe Lücke in der Wiſſenſchaft auszufüllen verſuchen. Außer Profeſſor Peterſſon haben Freiherr Oskar Dickſon und zwei Seeverſicherungsgeſell⸗ ſchaften zu den Koſten beigeſteuert. Die Unterſuchungen ſollen gleichzeitig von vier Dampfern aus vorgenommen Humboldt. — März 1890. 103 werden. Der Dampfer „Skandinavien“ nimmt die Strecke Marſtrand-Skagen und Marſtrand- Norwegen; das Dampf— fanonenboot „Alfhild“ geht von einem nördlicheren Punkte an der ſchwediſchen Küſte aus; der Lootſendampfer „Göte— borg“ geht von Warberg ſüdlich um Leſſö nach Friedrichs— hafen und von dort nach Winga, und dem Dampfer „The— mis“ iſt die Strecke Gothenburg — Skagen —Chriſtianſand zugewieſen. Unter der Leitung Prof. Peterſſons wird eine größere Anzahl von Waſſerbauingenieuren und Naturſor— ſchern ſich an den Unterſuchungen beteiligen. Der Salzburger Landtag hat vor drei oder vier Jahren ein Geſetz zum Schutz des Edelweiß be— ſchloſſen. Im vorigen Jahre hat er ſich veranlaßt geſehen, auch den Enzian unter Geſetzesſchutz zu ſtellen. Der bezügliche Ausſchußbericht ſagt darüber: „Die Enzianpflanze gewinnt dadurch erhöhte Bedeutung, daß deren Wurzel nicht nur in der Heilkunde geſchätzte Verwendung findet, ſondern auch zur Bereitung eines hoch im Preiſe ſtehenden Branntweins dient und daher fleißig aufgeſucht und ge— ſammelt wird. Da die Pflanze zur Blütezeit, alſo vor Eintritt der Samenreife, aus der Erde gehoben wird, wo— durch derſelben die notwendigſten Bedingungen ihrer Er— haltung und Fortpflanzung entzogen werden, da ferner auf die Erhaltung von Samenpflanzen keinerlei Rückſicht ge— nommen wird, ſo ſteht allerdings deren gänzliche Aus— rottung nahe bevor. Von den erſtatteten Gutachten und Vorſchlägen zur Erhaltung der Gentiana dürfte am meiſten Erfolg von der Beſtimmung zu erwarten ſein, welche eine gewiſſe Stärke des Wurzeldurchmeſſers feſtſetzt, vor deren Erreichung die Wurzel nicht ausgegraben werden darf; hier— durch wird es ermöglicht, daß die jüngeren Pflanzen zur Samenreife gelangen und die Weiterverbreitung bewerk— ſtelligen können. Als geringſte Wurzelſtärke an dem An— fange des Stengels kann ein Durchmeſſer von 2 em angenommen werden, welcher beiläufig der Größe einer dreijährigen Pflanze entſpricht.“ D. Im nächſten Frühjahr ſoll im Gebiete der Algäuer Alpen der Verſuch gemacht werden, ſchwediſche Renn— tiere einzubürgern, nachdem die Prüfung der dortigen Höhengrade und der Ernährungsverhältniſſe ergeben hat, daß gerade die Algäuer Gebirgsgegend dazu die geeignetſte im Deutſchen Reiche iſt. Im Harz waren die Verſuche teilweiſe von Erfolg begleitet, denn die Tiere pflanzten ſich zwar fort, dieſelben vertrugen aber das warme Sommer— wetter nicht und einige Stück ſind infolge der Hitze ein— gegangen. D. Jürſt Albert von Monaco, der ſich bereits durch eine Reihe kleinerer Arbeiten über den Golfſtrom, die Tiefſeeforſchung u. ſ. w. günſtig bekannt gemacht, hat ein wiſſenſchaftliches Unternehmen unter Mitwirkung einer Anz zahl angeſehener Gelehrter zu veröffentlichen begonnen, deſſen erſten Teil er vor kurzem der Pariſer Académie des sciences überreichte, deren Mitglied er iſt. Das auf viele Bände berechnete Werk führt den Titel: „Resultats des campagnes scientifiques accomplies sur son Yacht par S. A. le Prince Albert I. de Monaco. Publiés sous sa direction avec le concours de M. Jules de Guerne. I. fascicle. Philippe Dautzenberg: Contribution a la faune malacologique des Iles Agores.“ Das Werk wird auf Koften des Fürſten in der Staatsdruckerei zu Monaco gedruckt und erſcheint in nur 600 Exemplaren. Von den gelehrten Mitarbeitern des Fürſten wird jeder in vollſtändiger Freiheit das ihm zugeteilte Gebiet bear— beiten. Fürſt Albert behielt ſich Hydrographie und See— kunde vor, Collet in Chriſtiania die Tiefſeefiſche, Milne— Edwards die zehnfüßigen Cruſtaceen, Studer (Schweiz! die Polypenſchwämme, Simon die Arachniden, Topſent in Reims die Schwämme, Perrier die Seeſterne, Girod in Clermont die Hiſtologie, Thoulet die Ozeanographie vom geologiſchen Standpunkt, Moniez die Paraſiten u. ſ. w. Die einzelnen Fascifel erſcheinen zwanglos und werden ſpäter zu Bänden vereinigt werden. Die Tafeln ſind künſtleriſch durchgeführt. Nebenbei bemerkt werden dem— nächſt die früher erſchienenen Abhandlungen des Fürſten in einem ſtattlichen Bande vereinigt in deutſcher Ueber— ſetzung herauskommen. D. Biographien und perſonalnotizen. Die Akademie der Wiſſenſchaften in Berlin be— willigte dem Privatdozenten Dr. Rohde in Breslau 1800 M. für ſeine Studien über das Zentralnerven— ſyſtem der Haifiſche und Stachelhäuter, dem Profeſſor Mathieſſen in Roſtock 1500 M. zu Studien im Eismeer über das Auge der Walfiſche, Dr. Schellong in Königsberg 600 M. zur Bearbeitung der anthro— pologiſchen Ausbeute ſeiner Reiſe nach Neuguinea. Dr. Th. Curtius, Privatdozent in Erlangen, iſt als Profeſſor der Chemie nach Kiel berufen worden. Dr. Conrad Dieteriei, Privatdozent in Berlin, wurde als außerordentlicher Profeſſor der Phyſik nach Bres— lau berufen. Dr. Werner von Siemens ſcheidet aus der von ihm an erſter Stelle geleiteten Weltfirma aus, um ſich ausſchließlich wiſſenſchaftlichen Arbeiten zu widmen. Mit ihm tritt auch von Hefner-Alteneck von der Firma zurück. Dr. Karl Dove habilitierte ſich als Privatdozent der Erdkunde an der Univerſität zu Berlin. Dr. Paul Drude, Aſſiſtent am Phyſikaliſchen Inſtitut in Göttingen, hat ſich daſelbſt als Privatdozent für Phyſik habilitiert. Dr. Paul Eisler habilitierte ſich in Halle als Privat— dozent der Anatomie. Dr. K. M. Heller, Aſſiſtent am Naturhiſtoriſchen Muſeum in Braunſchweig, iſt an Stelle des am 8. Juli 1889 verſtorbenen, als Koleopterolog rühmlichſt bekannten Th. Kirſch zum Kuſtos des Zoologiſchen Muſeums ernannt worden. Profeſſor Dr. von Brücke in Wien, welcher auf Erſuchen des Profeſſoren-Kollegiums in Wien noch ein Jahr über ſein 70. Lebensjahr hinaus dozirt hat, tritt jetzt in den Ruheſtand. Dr. Stephan Apathy, Privatdozent in Budapeſt, wurde zum Profeſſor der Zoologie und vergleichenden Ana— tomie an der Univerſität Klauſenburg ernannt. Dr. G. Iſtvanffi (früher J. Schaarſchmidt) in Klauſen— burg iſt zum Leiter der botaniſchen Abteilung des ungariſchen Nationalmuſeums in Buda-Peſt ernannt worden. Dr. Raoul Gauthier wurde zum Profeſſor der Aſtro— nomie und Direktor der Sternwarte in Genf ernannt. Dr. N. A. Berleſe, Aſſiſtent am Botaniſchen Garten in Padua, iſt zum Profeſſor der Botanik am Lyceum zu Ascoli-Piceno ernannt worden. Profeſſor Dr. Struve, Direktor der Nikolai-Hauptſtern— warte in Petersburg, iſt auf ſein Anſuchen ſeines Amtes enthoben worden. Dr. Chmielewski iſt als Nachfolger Palladins zum Profeſſor an der Landwirtſchaftlichen Akademie in Novo Alexandria ernannt worden. Eugene Davenport, Aſſiſtent an der botaniſchen Ab teilung der Verſuchsſtation beim Michigan Agricul- tural College, iſt zum Profeſſor der Landwirtſchaft an dieſem Inſtitut ernannt worden. Die Aſſiſtenten— ſtelle erhielt C. F. Wheeler aus Hubbardston, Michigan. Baron Ferdinand von Müller erhielt vom Groß— herzog von Mecklenburg die große goldene Ehren— münze für Künſte und Wiſſenſchaften. 104 CTotenlifte. Dr. Wilhelm Müller, ſeit 5 Jahren Profeſſor der Chemie am Polytechnikum in Rio de Janeiro, ſtarb 26. Novbr. Deslongchamps, Eugène Eudes, Profeſſor der Pa⸗ läontologie an der Faculté des sciences in Caen, hervorragender Paläontolog, ſtarb 21. Dezbr. 1889 zu Caen, 59 Jahre alt. Truan, Alfredo, ſpaniſcher Bacillartaceenforjder, ſtarb 3. Januar in Gijon. Paneth, J., Privatdozent der Phyſiologie an der Uni⸗ verſität Wien, ſtarb 4. Januar im 33. Lebensjahre. Jäger, Hermann, großherzoglicher Garteninſpektor in Eiſenach, hervorragender Gartenſchriftſteller, ſtarb, 74 Jahre alt, 5. Januar. Hirn, Guſtav Adolf, Ingenieur, durch ſeine Arbeiten über mechaniſche Wärmetheorie ꝛc. bekannt, ſtarb in Kolmar 14. Januar im 75. Lebensjahr. Steinhauſer, Anton, Geograph, ſtarb Mitte Januar, 88 Jahre alt in Wien. Humboldt. — März 1890. Frey⸗Clemens, Heinrich, Profeſſor der Zoologie in Zürich, ſtarb 17. Januar im 68. Lebensjahr. Roſenberger, Auguſt, Profeſſor der Aſtronomie in Halle, ſtarb 23. Januar im Alter von 90 Jahren. Neumayr, Melchior, Profeſſor der Paläontologie an der Univerſität Wien, ſtarb im 44. Lebensjahre 30. Januar. Buys-Ballot, Chriſtoph Heinrich Diedrich, Di⸗ rektor des Meteorologiſchen Inſtituts in Utrecht, ſtarb daſelbſt 3. Februar. Er war 1817 geboren, widmete ſich anfangs der Geologie, errichtete aber 1848 in Utrecht eine Wetterwarte, welche ſpäter von der Re⸗ gierung übernommen wurde. Buys⸗Ballot war einer der Hauptvertreter der neueren Meteorologie. Er veröffentlichte 1857 das nach ihm benannte Geſetz der Stürme, auch war er der Schöpfer der einheit⸗ lichen internationalen Regelung der Wetterbeobach⸗ tungen. Er konſtruierte das Anroklinoſkop und leiſtete auch der Schiffahrt weſentliche Dienſte. Litterariſche Rundſchau. J. Boll, Anſere eßbaren Pilze in natürlicher Größe dargeſtellt und beſchrieben, mit Angabe ihrer Zu⸗ bereitung. 2. Aufl. Tübingen, Lauppſche Buch⸗ handlung. Ohne Jahreszahl. Preis M. 2. — Man hat bekanntlich vielfach verſucht, für die Unter⸗ ſcheidung giftiger von eßbaren Pilzen Mittel aufzufinden, welche ohne Vorausſetzung botaniſcher Kenntniſſe mit Sicher⸗ heit zum Ziele führen. Alle vorgeſchlagenen Reaktionen aber haben ſich als trügeriſch erwieſen, die einzige Sicher⸗ heit gewährt die genaue botaniſche Kenntnis der Pilze. Eine ſolche zu erwerben, erweiſt ſich das vorliegende Büchlein, welches ſchon in erſter Auflage großen Beifall gefunden hat, als ganz vortrefflich geeignet. Es gibt ein⸗ fache, leicht verſtändliche und präziſe Beſchreibungen der eßbaren Pilze und Abbildungen, welche zu dem beſten ge- hören, was auf dieſem Gebiet jemals geleiſtet worden iſt. In keinem Buch von ähnlichem Preiſe findet man auch nur annähernd jo vortreffliche Abbildungen der eßbaren Pilze. Von giftigen Arten bildet Röll nur den Knollen⸗ blätterſchwamm (Agaricus phalloides) ab, der in ſeinem Jugendzuſtand mit Champignon verwechſelt werden kann. Der Anhang, welcher vom Einſammeln und der Zuberei⸗ tung der Pilze handelt, wird vielen willkommen ſein. Friedenau. Dammer. Seopold Dippel, Handbuch der TLaubholzkunde. Beſchreibung der in Deutſchland heimiſchen und im Freien kultivierten Bäume und Sträucher. Für Botaniker, Gärtner und Forſtleute bearbeitet. I. Teil. Monocotylem und Sympetale der Dico- tylee. Berlin, P. Parey. 1889. Preis 15 M. Faſt fünfzigjährige Beobachtungen ſind es, welche die Grundlage für das vorliegende, hervorragende Werk ge- bildet haben, ein Werk, welches beſtimmt iſt, auf viele Jahre hinaus als grundlegend für die deutſche Laubholz⸗ kunde zu gelten, ſowie in weiten Kreiſen anregend und fördernd zu wirken. Wer das Buch in fleißige Benutzung nimmt, wird bald inne werden, was für eine gewaltige Arbeit darin niedergelegt iſt, und wie groß ſeine Vor⸗ züge ſind gegenüber den dendrologiſchen Werken, die wir bisher in deutſcher Sprache beſaßen. Die ſehr zahlreichen Abbildungen, obgleich zum weitaus größten Teil nur Blatt⸗ zweige oder, ſo bei den Eſchen, einzelne Blätter darſtellend, erleichtern das Beſtimmen doch ſehr weſentlich, um ſo mehr als bloße Beſchreibungen doch nie ein ganz zutreffendes Bild einer Pflanze entwerfen können. Die beſonders häu⸗ figen Hinweiſe auf das Zöſchener Arboret ſtellen die hohe Bedeutung dieſer umfangreichen Gehölzſammlung für die Förderung der deutſchen Laubholzkunde in helles Licht. Wenn in dieſen wenigen dem Dippelſchen Werk gewidmeten Zeilen ein Wunſch angebracht iſt, ſo iſt es der, daß die überaus zahlreichen Druckfehler, die den erſten Teil ent⸗ ſtellen, ja ſelbſt in den Artnamen nicht fehlen und ſomit wohl vielfach in die Baumſchulen übergehen werden, in dem bald zu erwartenden zweiten Teil vermieden werden möchten. N Friedenau. Dr. E. Köhne. Arthur Petry, Die Vegetationsverhältniſſe des Kyffhäuſer Gebirges. Halle a. S., Tauſch & Groſſe. 1889. Preis 2 Mark. Die vorliegende Arbeit zerfällt in fünf Abſchnitte: Eine Einleitung, eine Litteraturüberſicht, eine Aufzählung der Pflanzenarten des behandelten Gebietes, ein Kapitel über den Einfluß des Bodens auf die Verteilung der Pflanzen und ein Kapitel über die pflanzengeographiſche Stellung der Kyffhäuſer Flora. Aus den drei erſten Ab⸗ ſchnitten, welche vornehmlich für den Floriſten Intereſſe haben, ſei erwähnt, daß auf dem geringen Areale von 75,39 km 918 wildwachſende Gefäßpflanzen vorkommen, d. h. 36,8 / aller deutſchen Arten. Bedingt wird dieſer Artenreichtum, welcher größer iſt als der mancher deutſchen Provinz, durch zweierlei Umſtände: einmal durch den ver⸗ ſchiedenen geognoſtiſchen Aufbau des Kyffhäuſer Gebirges, dann dadurch, daß eine ganze Anzahl der Arten hier ihre Verbreitungsgrenze erreicht. Dieſe beiden Faktoren bilden den roten Faden der beiden letzten und allgemein intereſſan⸗ teſten Kapitel. Verfaſſer erörtert in dem Abſchnitte über den Einfluß des Bodens auf die Verbreitung der Pflanzen kritiſch die Kontroverſen, welche bei den Pflanzengeographen beſtehen. Es iſt bekannt, daß eine Anzahl Botaniker, an ihrer Spitze Unger, der chemiſchen Beſchaffenheit des Bodens einen großen Einfluß auf die Verbreitung der Pflanzen zu⸗ ſchreiben. Beſonders wird von dieſen Autoren auf den Unterſchied zwiſchen der Vegetation kalkreicher und kalk⸗ armer Böden hingewieſen. Ihnen gegenüber ſtehen mit de Candolle an der Spitze eine Anzahl Botaniker, welche dieſen Unterſchied in der Vegetation, der auch dem un⸗ befangenſten Auge auffällt, nicht ſowohl auf die chemiſche, als vielmehr auf die phyſikaliſche, ſpeziell thermiſche und hygroſkopiſche Eigenſchaft des Bodens zurückführen. Ver⸗ faffex kommt nun zu dem Schluſſe, daß die Verhältniſſe der Kyffhäuſer Flora lediglich zu Gunſten der chemiſchen Bodentheorie ſprechen. In klarer und überzeugender Weife führt er aus, daß die Thatſachen mit der phyſikaliſchen Theorie Humboldt. — März 1890. 105 im grellſten Widerſpruche ſtehen, und nur durch die chemiſche Theorie eine und zwar vollſtändig befriedigende Erklärung finden. Der Raum dieſer Beſprechung verbietet es, näher auf Einzelheiten einzugehen. Faſt noch intereſſanter iſt das letzte Kapitel. Verfaſſer zeigt zunächſt, daß nicht weniger als 47 Arten im Kyffhäuſergebirge ihre weſtliche, nordweſtliche oder nördliche Grenze, keine einzige dagegen ihre öſtliche, ſüdöſtliche oder Südgrenze erreicht! Dieſe 47 Pflanzen bilden aber nur einen Teil einer weit größeren Gruppe, deren Vertreter untereinander alle darin über— einſtimmen, daß ſie von Nordweſtdeutſchland mehr oder weniger ausgeſchloſſen ſind und ihr Vegetationszentrum im Süden oder Oſten Europas zu beſitzen ſcheinen. Die Artenzahl der geſamten Gruppe beträgt für das Kyff— häuſergebirge mehr als hundert. Verfaſſer folgert aus dieſer Thatſache zweierlei: die Beſiedelung des Kyffhäuſers in der poſtglacialen Zeit fand von Often reſp. Süd— oſten her ſtatt. Zweitens: Man muß nach der letzten Glacialperiode für Deutſchland ein Steppenklima annehmen. In letzterem Punkte kommt er alſo mit v. Richthoffen und Nehring zuſammen, welche beide, der eine aus geologiſchen (Bildung des Löß), der andere aus zoologiſchen Gründen (Auftreten einer Steppenfauna in Deutſchland nach der Glacialzeit) zu demſelben Reſultate gelangen. Auch das Auftreten der Salzpflanzen in Deutſchland führt Verfaſſer auf die letztere Urſache zurück. Wir können das vorlie- gende, mit aller Sachkenntnis geſchriebene, von einer außer— ordentlichen Litteraturbeherrſchung zeugende, anregende Schriftchen jedem auf das angelegentlichſte empfehlen. Berlin. Dr. Udo Dammer. FJ. von Beuſt, Schlüſſel zum Beſtimmen aller in der Schweiz wildwachſenden Blütenpflanzen, ſowie der für ein Herbarium wichtigen Sporen⸗ pflanzen, nach Ordnungen und Familien des natürlichen Syſtems. Zweite Auflage. Zürich, Meyer & Zeller. 1889. Preis 1,60 Mark. Das vorliegende kleine Werkchen ſoll dem Schüler zum Beſtimmen der Ordnung und Familie der in der Schweiz wachſenden Pflanzen dienen. In anerfennens- werter Weiſe hat Verfaſſer bei der Ausarbeitung der ver— ſchiedenen analytiſchen Schlüſſel nur ſolche Merkmale in Betracht gezogen, welche von dem Schüler zwiſchen 10 bis 14 Jahren, für den das Buch beſtimmt iſt, wirklich bei aufmerkſamer Beobachtung geſehen werden können. Da ſich hierbei die rein botaniſchen Merkmale bisweilen als zu minutiös herausſtellten, ſo hat Verfaſſer auf Habitus— charaktere zurückgreifen müſſen. Wir glauben, daß das kein Nachteil, ſondern nur ein Vorteil ſein kann. Der Schüler ſoll vor allem eine klare Vorſtellung von dem Charakter der einzelnen Familie erhalten. Er ſoll einer Pflanze ohne lange Unterſuchung ſofort anſehen, zu welcher Familie die Pflanze gehört, und gerade der Habitus iſt hier ſehr oft von der tiefgreifendſten Bedeutung. In der Faſſung der Merkmale hätte fic) Verfaſſer nach unjerer Anſicht vielleicht hin und wieder etwas kürzer faſſen können. Der erſte Schlüſſel beginnt z. B.: 1. a) Pflanzen ohne Blätter, welche Sporen erzeugen. b) Pflanzen mit deutlichen, Staubgefäße und Stempel enthaltenden Blüten. Sie erzeugen Samen mit deutlichem Keim. Wir glauben, in einer Beſtimmungstabelle iſt es un— nötig, anzugeben, daß die Pflanzen unter b Samen mit deutlichem Keim erzeugen. Wenn der Schüler die blühen— den Pflanzen vor ſich hat, dann ſieht er nicht, was die Pflanze erzeugt. Er ſieht die Blüten vor ſich. Was ſpäter aus dieſen wird, iſt als Beſtimmungsmoment un— weſentlich. Sodann vermiſſen wir mehrfach eine konſe— te Durchführung der Gegenſätze. Wenn es Seite 17 heißt: 41. a) Holzgewächſe; Blüten mit 2 Staubgefäßen. p) Blüten mit 4—5 Staubgefäßen. fo haben wir daran auszuſetzen, daß Verfaſſer unter a den Hauptton auf „Holzgewächſe“ legt, unter b aber auf dieſen Humboldt 1890. Charakter gar nicht zurückkommt. Richtiger wäre die Faſſung umgekehrt, jo, daß er das Wort „Holzgewächſe“ gleichſam als ſekundären Charakter hinter „Staubgefäßen“ ſtellte. Wer ſich mit dem Beſtimmen der Pflanzen nach analytiſchen Schlüſſeln beſchäftigt hat, der weiß, wie ſtörend und erſchwerend ſolche Inkonſequenzen für den Erwachſenen ſind, wieviel mehr für das Kind im Alter von 10 bis 14 Jahren. Aus dem gleichen Grunde würden wir em- pfehlen, in allen jenen Fällen, in welchen zur Feſtſtellung zu ſekundären Charakteren gegriffen werden mußte, letztere durch anderen Druck in die Augen fallend zu markieren. Trotz dieſer Mängel, die ſich aber in einer neuen Auflage leicht beſeitigen laſſen, können wir das Büchelchen allen denen, welche einen Ueberblick über die größeren Pflanzen— gruppen erlangen wollen, warm empfehlen. Es iſt mit Freuden zu begrüßen, daß Verfaſſer von der alten Methode, gleich die Art zu beſtimmen mit Benutzung der Eſels⸗ brücke des Linnéſchen Syſtems, abgegangen iſt und vor allem dem Schüler ein Bild der großen Pflanzengruppen einprägen will. Berlin. Dr. Udo Dammer. Sof. Moeller, Sehrbud der Pharmakognofte. Wien, Alfred Hölder 1889. Preis 11 Mark. a Die vorliegende Arbeit iſt in hohem Grade, was ſie ſein will, ein Lehrbuch, welches auf breiter Grundlage in die Disziplin einführt, den Lernenden mit dem Geiſt und den Aufgaben derſelben vertraut macht und ihm den Weg der Forſchung zeigt; endlich auch die Lücken in unſerem Wiſſen aufweiſt, um die Schüler in der für ideales Streben noch empfänglicheren Studienzeit zu ſelbſtändiger Thätigkeit anzuregen. In dem bisherigen Fehlen an ſolcher Anregung erblickt der Verfaſſer die Urſache der in der That vorhandenen beklagenswerten Erſcheinung, daß die Zahl der auf pharmakognoſtiſchem Gebiet wiffen- ſchaftlich thätigen Apotheker ſo klein iſt, und daß ſich an der Feſtſtellung des Wertes alter und neuer Droguen die Apotheker in verhältnismäßig jo geringem Grade betei- ligen. Der Weg nun, den der Verfaſſer in ſeinem Lehrbuch eingeſchlagen hat, erſcheint für den Anfänger ſehr geeignet, einen gründlichen, zuverläſſigen Wiſſens— ſchatz ſich anzueignen und die Luſt zum ſelbſtändigen Ar— beiten zu erwecken. Der allgemeine Teil iſt mit großer Sorgfalt ausführlich bearbeitet und bildet den Grund, von welchem die einzelnen Droguen ſich abheben. Dieſe ſind ſo weit geſchildert, daß man ſie mit Sicherheit er— kennen und von etwaigen Verfälſchungen unterſcheiden kann. Dies wird ganz weſentlich unterſtützt durch aus- gezeichnete Abbildungen von ſo vortrefflicher Ausführung, wie man ſie nur in ſehr wenigen Werken trifft. Der Wert dieſer Abbildungen kann gar nicht überſchätzt werden. Der Verfaſſer hat bereits in ſeinem Werk über die Nah— rungsmittel eine große Zahl ähnlicher Abbildungen ge— geben, welche zuſammen mit der vorliegenden einen Schatz von botaniſchem Material repräſentieren, wie er bisher nicht zu finden war. In der Auswahl der zu berück— ſichtigenden Droguen iſt der Verfaſſer ziemlich weit ge— gangen. Er hat zahlreiche ältere Sachen aufgenommen, weil fie in den betreffenden Pharmakopöen noch geführt werden oder als Volksmittel allgemein verbreitet ſind; aber auch die neueren, nicht offizinellen Droguen, die ge— bräuchlichſten Genußmittel und die Rohſtoffe für fabrik mäßige Darſtellung offizineller Präparate ſind berück— ſichtigt. Die Notizen über Handelsbeziehungen und die hiſtoriſchen Notizen ſind recht geeignet, den Vortrag zu beleben und das Intereſſe auch für dieſe Seite der Pharma— kognoſie zu wecken. Friedenau. Dammer. Heinrich Semler, Die fropiſche Agrikultur. Ein Handbuch für Pflanzer und Kaufleute. 3 Bände. Wismar, Hinſtorffſche Hofbuchhdlg. 1886— 1888. Preis 45 Mark. Das große und bedeutſame Werk, welches wir hier jetzt noch zur Anzeige bringen, hat ſich durch ſeine Zu— 14 106 verläſſigkeit und Vielſeitigkeit bereits eine ſichere Stellung in den Kreiſen der Praxis errungen. Es verdient aber auch die Beachtung aller derjenigen, welche von vorwiegend naturwiſſenſchaftlichem Intereſſe geleitet werden, denn der Verfaſſer bringt bei der Beſprechung der einzelnen Pflanzen ſehr vieles, was man in botaniſchen und warenkundlichen Werken vergebens ſucht. Da er ſo vielfach aus eigener Anſchauung ſchöpft und, wo er dies nicht konnte, mit dem ſicheren Blick des Praktikers die richtigen Quellen zu finden wußte, ſo machen ſeine Angaben den Eindruck der Zuverläſſigkeit, der nicht geſchwächt wird, wo hie und da der wiſſenſchaftliche Ausdruck präziſer ſein könnte. Der Inhalt des Werkes iſt ungemein reich. Kaffee, Kakao, Kola, Guarana, Thee, Mate, Kota, die Palmen, die Süd⸗ früchte, die Handelsrinden, die Gewürze, die Oel- und Farbſtoffpflanzen, Kautſchuk, Guttapercha, die Wurzel⸗ gewächſe, Getreide, Zucker, Tabak und die Faſerpflanzen werden der Reihe nach beſprochen. Zuletzt finden auch die nützlichen Wüſtenpflanzen Beachtung. Der Hauptzweck des Werkes iſt wie geſagt ein praktiſcher, ſolchem genügen auch die Abbildungen, niemand aber, der botaniſche Zwecke ver⸗ folgt, wird das Werk unbefriedigt aus der Hand legen, ſich vielmehr bei zahlreichen Gelegenheiten ganz eigenartig gefeſſelt fühlen. Wir empfehlen daher die fleißige Arbeit des ſeither verſtorbenen Verfaſſers, der ſich bekanntlich auch um die Verwertung unſeres heimiſchen Obſtes ſehr ver⸗ dient gemacht hat, unſern Leſern angelegentlichſt. Friedenau. Dammer. E. v. Cffingshaufen, Das auſtraliſche Bloren- element in Europa. Graz, Leuſchner & Lubensky. 1890. Preis 1,70 Mark. Bekanntlich haben Unger, Heer und v. Ettingshauſen aus europäiſchen Tertiärſchichten Pflanzenreſte bekannt ge⸗ macht, die Gattungen angehören, welche heute vollſtändig auf Auſtralien beſchränkt ſind, wie beiſpielsweiſe Lepto- meria, Casuarina, Banksia, Dryandra, Eucalyptus u. ſ. w. Die Richtigkeit dieſer Beſtimmungen wird aber von Sa⸗ porta beſtritten. Es hat deshalb v. Ettingshauſen die frag⸗ lichen Reſte einer erneuten Unterſuchung unterzogen und ſie in der vorliegenden Schrift beſprochen und abgebildet. Um den Vergleich zu erleichtern, ſind auch Zeichnungen entſprechender Teile der lebenden oder foſſilen auſtraliſchen Gattungen beigefügt. Nach v. Ettingshauſen zeigen die tertiären Floren eine Miſchung amerikaniſcher, afrikaniſcher, aſiatiſcher und auſtraliſcher Elemente in Europa; in ähn⸗ licher Weiſe waren auch früher europäiſche Typen, wie Alnus, Quercus, Fagus in Auſtralien und Neuſeeland verbreitet. Freiburg. Profeſſor Dr. Steinmann. A. Teuckart und C. Chun: Bibliotheca zoolo- gica, Originalabhandlungen aus dem Geſamt⸗ gebiete der Zoologie. Kaſſel, Th. Fiſcher. Unter dieſem Titel werden ſeit kurzem mit Tafeln reich ausgeſtattete Monographien herausgegeben, welche ihres Umfanges wegen in den zoologiſchen Zeitſchriften keinen Platz finden konnten. Zwar ſtehen für ſolche Zwecke die Nova Acta der Leopoldiniſchen Akademie offen, doch erſcheinen dort Arbeiten ſehr verſchiedenen Inhalts und es können daher bei der immer zunehmenden Zahl von Abhandlungen nicht alle und nicht in kurzer Zeit Auf⸗ nahme finden. Von der Bibliotheca zoologica ſind uns bisher 4 Hefte zu Geſicht gekommen: die Reihe wird durch eine Arbeit des einen Herausgebers, Chun, über „die pelagiſche Tierwelt in größeren Meerestiefen und ihre Beziehungen zu der Oberflächenfauna“ eingeleitet (5 Dop⸗ peltafeln); Heft 2 bringt die intereſſante Arbeit von A. Strubell über den Bau und die Entwicklung des Rübennematoden, Heterodera Schachtii (2 Doppeltafeln), in Heft 3 behandelt E. Vanhöffen „ſemäoſtome und rhi⸗ zoſtome Meduſen“ (6 Tafeln, 1 Karte) und im 4. Heft ſchildert A. Heckert „die Lebens- und Entwicklungsge⸗ ſchichte des Distomum macrostomum” (4 Tafeln) — alle in vorzüglicher textlichen, wie bildlicher Darſtellung, die Humboldt. — März 1890, alles Lob verdient. Nur gegen die weitere Beigabe von Doppeltafeln möchten wir uns ausſprechen, da früher oder ſpäter auch bei der ſchonendſten Behandlung die in die Bruchlinie fallenden Abbildungen leiden und das Blatt an dieſer Stelle reißen kann. Roſtock. Prof. Dr. M. Braun. William Marſhall, Zoologiſche Vorträge. 1. Die Papagaien. 2. Die Spechte. 3. und 4. Die Ameiſen. Leipzig, R. Freeſe. 1889. à 1,50 Mark. Es ſcheint uns ein glücklicher Gedanke zu ſein, daß der Verfaſſer ſeine reichen Erfahrungen beſonders im Ge⸗ biete der Ornithologie und Entomologie benutzt, um in allgemein verſtändlichen, in ſich abgeſchloſſenen Darſtellungen beſtimmte Gruppen von Tieren oder ſonſtige zuſammen⸗ gehörige Erſcheinungen der Tierwelt zu behandeln. Zahl⸗ reiche Leſer kennen die friſche, anſprechende und elegante Schreibweiſe des Autors aus ſeinen früheren Schriften; dieſe werden auch in den in Rede ſtehenden zoologiſchen Vorträgen Marſhalls ihre Erwartungen nicht getäuſcht finden; für die zu gewinnenden Freunde ſei noch bemerkt, daß im Gegenſatz zu den meiſten populären Schriften über Tiere, die nicht ſelten reine Anekdotenſammlungen ſind, hier die Organiſation der Tiere betont und ihr Verhältnis zur Lebensweiſe erörtert wird. Gerade darin liegt ein großer Vorzug dieſer Vorträge, die an keiner Stelle in den trocknen, beſchreibenden Ton verfallen, ſondern ſo gehalten find, daß fie ohne weiteres einem größeren Hörer⸗ kreiſe vorgeleſen werden können. Auch der geographiſchen Verbreitung der abgehandelten Tiere iſt ein ziemlicher Raum gegönnt und der Verſuch gemacht, die nicht ſelten wunderbaren Thatſachen auf natürlichem Wege, ohne Zu⸗ hilfenahme untergegangener Kontenente u. dergl., zu erklären. Manches wertvolle Neue ſteckt in dieſen Ab⸗ ſchnitten. Zur Erläuterung derſelben dienen bei den beiden erſten Vorträgen Karten, welche in überſichtlicher Weiſe die Verbreitung der einzelnen Familien der Papageien und der Spechte zur Anſchauung bringen. Es iſt ſchwer zu ſagen, welchem der drei Vorträge man den Vorzug einräumen ſoll — wir haben aus der Lektüre aller drei manches gelernt und ſind auf Dinge aufmerkſam geworden, über die man leicht hinwegzugehen pflegt. Es iſt daher nur als rein perſönliche Meinung aufzufaſſen, wenn wir die Schilderung der Ameiſen als beſonders gelungen be⸗ trachten, ohne daß wir damit den Wert der beiden anderen Vorträge herabſetzen möchten. Nach dieſen Leiſtungen darf man wirklich auf die Fortſetzungen geſpannt ſein, welche nicht minder intereſſante Themata (Kolibri, Schmarotzer⸗ tum, Straußvögel) behandeln ſollen. — Es ſeien die Marſhallſchen Vorträge allen Freunden der Natur aufs wärmſte empfohlen, ihre Lektüre wird ihnen manche Stunde reinen Genuſſes gewähren. Roſtock. Prof. Dr. M. Braun. H. Frautzſch, Das Syſtem der Zoologie mit Be⸗ rückſichtigung der vergleichenden Anatomie. Stutt⸗ gart, F. Enke. 1889. Preis 2,80 Mark. Das uns vorliegende Werkchen ſoll dem Studierenden ein Hilfsmittel beim Hören zoologiſcher Vorleſungen ſein und ihm „das Gerippe der zoologiſchen Wiſſenſchaft in Form des Syſtemes“ darbieten, ihm alſo einen Teil der Arbeit beim Nachſchreiben und Notieren erſparen. Mit gleichen Tendenzen find ſchon 1882 eine ſyſtematiſche Ueberſicht des Tierreichs von A. v. Mojſiſoviecs und in mehreren Auflagen ein „Zoologiſches Taſchenbuch“ von E. Selenka erſchienen; dazu kommen 1887 ein Repetito⸗ rium der Zoologie von G. Riehm und 1888 ein Leit⸗ faden der Zoologie von E. Schäff — alles ganz brauch⸗ bare Werke, die ſicherlich auch ihren Nutzen geſtiftet haben. Im Prinzip ſind wir einverſtanden, wenn der Anfänger ein ſeine Studien erleichterndes Werkchen in Händen hat und freuen uns, wenn wirklich die bisher erwähnten Schriften dem Bedürfnis nicht genügt haben ſollten, daß Humboldt. — März 1890. 107 eine weitere zur Auswahl ſteht, welche von einer etwas anderen Richtung die Sache anfaßt, indem hier mehr, als namentlich bei Mojfijovics der Anatomie Platz gegönnt iſt. Doch fehlt dem „Gerippe der zoologiſchen Wiſſenſchaft“ zur Vollſtändigkeit noch manches: in allen Kollegien über Zoologie nehmen heute die Beſprechungen allgemeiner Fragen einen großen und ganz berechtigten Raum ein, z. B. Deſzendenztheorie, Zellenlehre, allgemeine Züge der Entwicklung und des Aufbaues des tieriſchen Körpers ze. Davon finden wir wenig oder nichts bei Trautzſch. Auch iſt das Werkchen nicht frei von Irrtümern reſp. Sätzen, die zu ſolchen leicht Veranlaſſung geben können; ſo wird Protomyxa als Beiſpiel eines (kernloſen) Moners ange: führt — fie beſitzt aber zahlreiche Kerne; S. 16 ſoll Redie oder Sporocyfte „mittels eines Prozeſſes innerer Knoſpung in eine geſchwänzte Form“ (Cerearia) „übergehen“; S. 18 wird den Würmern ein Blutgefäßſyſtem zugeſchrieben, aber z. B. bei den Nemathelmia S. 19 das Fehlen dieſes Sy— ſtems nicht angeführt; Myzostoma (S. 26) ijt nicht das einzige Genus der Myzoſtomiden u. ſ. w. — doch das ſind nur kleinere Fehler; mit dem Syſtem als ſolchem ſind wir, von einigen ſtrittigen Punkten abgeſehen, einverſtanden. Die Ausſtattung iſt vorzüglich, und wenn die Schrift, wie es deren Autor empfiehlt, mit Schreibpapier durchſchoſſen bei den Vorleſungen gebraucht wird, ſo wird ſie ſicher dem Beſitzer bei richtiger Anwendung manchen Vorteil ge— währen. Roſtock. Jiſcher⸗Sigwart, Das Tierleben im Terrarium. Unſer geſchätzter Mitarbeiter, Herr Fiſcher-Sigwart in Zofingen, welchem wir mehrere wertvolle Beobachtungen über das Leben von Reptilien und Amphibien verdanken, beſitzt ſeit 1880 ein Terrarium, welches auf dem zweiten Boden ſeines Hauſes gelegen, 45 qm Bodenfläche bedeckt. Es iſt belegt mit einer etwa 0,5 m dicken Schicht Erde und verſehen mit ſechs größeren und kleineren Waſſer— baſſins, wovon das größte 2 qm Waſſerfläche aufweiſt, während alle zuſammen über 5 qm einnehmen. Ein dichter Pflanzenwuchs ſtellt darin ein Stück Wildnis dar, und eine beträchtliche Anzahl paſſender Land- und Waſſertiere bevölkern dasſelbe. Das Dach und eine Wand beſtehen ganz aus Glaskonſtruktion, eine Wand, die nach dem Innern des Hauſes führt, iſt mit zwei Fenſtern und einer Glas— thür verſehen, und zwei Wände beſtehen aus Mauern. Dieſe aber enthalten Niſchen und Vorſprünge mit Erde bedeckt und mit Pflanzen beſetzt. Infolge deſſen ſind die zwei Wände mit dichtem Pflanzenwuchs überwuchert. Da die eine davon nach Süden ſieht und im Sommer faſt den ganzen Tag von der Sonne beſchienen wird, ſo dient ſie namentlich den licht- und wärmeliebenden Reptilien zum bevorzugten Aufenthalte. In dieſem Terrarium hat der Beſitzer zahlreiche Beobachtungen gemacht, welche für die Kenntnis des Lebens der Thiere um ſo wichtiger ſind, als letztere ſich in dem Terrarium unter annähernd natürlichen Verhältniſſen befinden. Das kleine Buch, welches wir hier anzeigen, enthält eine Fülle ſolcher Beobachtungen und ge— währt um ſo mehr Freude, als es mit der größten An— ſpruchsloſigkeit und Liebenswürdigkeit erzählt, was der „Kröten⸗ und Fröſchenvater“ an ſeinen Lieblingen ge— ſehen hat. Das Buch verdankt ſeine Entſtehung einem Vortrage des Verfaſſers in Aarau und der Aufforderung des Vorſtandes der „Naturforſchenden Geſellſchaft“ in Aarau, das Thema für die „Mitteilungen“ der Geſellſchaft ausführlicher zu bearbeiten. Friedenau. Prof. Dr. M. Braun. Dammer. A. Reidenow, Syſtematiſches Verzeichnis der Vögel Deutſchlands und des angrenzenden Mitteleuropas. Berlin, Verlag der Linnaea. 1889. Preis 1 Mark. Allen Freunden der Vogelwelt wird dieſe Ueberſicht, welche die neueſten Fortſchritte der Ornithologie berück— ſichtigt, ſehr willkommen ſein. Der Verfaſſer gibt die deutſchen und die wiſſenſchaftlichen Namen aller Vögel, welche in den dem deutſchen Sprachgebiet angehörenden Ländern vorkommen. Dabei befolgt er den Grundſatz, durch ſtrenge Durchführung des Prioritätsgeſetzes zu einer einheitlichen Nomenklatur zu gelangen und verbeſſert auch etymologiſch falſch gebildete oder durch Schreib- oder Druck— fehler entſtellte Namen. Bei jeder Art wird eine kurze Mitteilung über die geographiſche Verbreitung, die Zeit des eventuellen Zuges, die Brutverhältniſſe rc. gegeben. Friedenau. Dammer. Leitfaden für hiſtologiſche Bernhard Nawitz, Jena, Fiſcher. 1889. Preis Anterſuchungen. 1,80 Mark. Das Rüſtzeug des Mitkroſkopikers wächſt von Tag zu Tage und der Erfolg der Unterſuchungen hängt nicht in letzter Linie von den dabei angewandten Mitteln ab. Dieſe Verhältniſſe bedingen es, daß Sammelwerke auch in dieſer Hinſicht notwendig und unentbehrlich werden, da die einzelnen Rezepte in den verſchiedenſten Arbeiten oft geradezu verſteckt ſind. Das Werkchen von Rawitz ſtrebt Vollſtändigkeit in der Mitteilung der Methoden der Un— terſuchung an und erreicht eine ſolche beinahe, wenn man davon abſieht, daß nicht jede kleinſte Modifikation irgend eines Rezeptes mitgeteilt wird, was auch durchaus un— nötig iſt; denn im gegebenen Falle wird der um- und vorſichtige Mikroſkopiker ſelbſt die Methoden variieren, um ein möglichſt unverfälſchtes Bild zu bekommen. Die meiſten Methoden ſind für die Gewebe der Wirbeltiere angegeben und demgemäß berückſichtigt der zweite Abſchnitt: „Die Anwendung der Methoden“ beſonders höhere Tiere, da und dort auf Tracheaten oder Mollusken eingehend; in dieſem Kapitel ſcheint uns das Werkchen noch mancher Er— weiterung fähig, ja ſogar bedürftig, da derjenige, der über niedere Tiere arbeiten will, nur ganz wenig Angaben findet. Auch iſt manche Unrichtigkeit untergelaufen, fo z. B. S. 72, wo geſagt wird, daß man auf das Studium der Schnecken augen verzichten muß, wenn man die Schnecken nicht vor— her lähmt, was ganz irrig iſt, denn die meiſten, wenn nicht alle Unterſuchungen über Schneckenaugen ſind an Tieren gemacht worden, deren ausgeſtreckte Fühler, wie es Fleming zuerſt empfahl, durch einen Scherenſchlag ab- geſchnitten und raſch in irgend ein Fixirungsmittel ge— worfen wurden. Nicht unzweckwäßig wäre es unſeres Er achtens auch geweſen, durch ein Citat auf die Original— beſchreibungen der Methoden, die dem Autor meiſt vor— lagen, zu verweiſen. Roſtock. Dr. M. Braun. Adolf Tendl, Prof. Hypotheſe über die Entſtehung von Soma und Propagationszellen. Berlin, R. Friedländer K Sohn. 1889. Preis 2 Mark. In vorliegender kleiner Schrift ſtellt Verfaſſer für die vielerörterten Fragen eine neue Hypotheſe auf, deren weſentlichſte Momente im folgenden hervorgehoben ſeien. Lendl geht von den Monoplaſtiden aus, und läßt zunächſt bei deren Teilung die eine Hälfte den geſamten Ballaſt, die andere das aktive Protoplasma übernehmen; wah rend die letztere als Propagationszelle ihr Leben ſtets wieder da beginnt, wo die Mutterzelle ihren Anfang ge nommen, iſt die andere, die Somazelle, dem Tode geweiht. Der Nachteil einer jedesmaligen Opferung der Hälfte der Individuen für die Exiſtenz der Art führte aber dazu, daß auch die Somazellen durch Uebernahme aktiven Proto- plasmas lebensfähig wurden („ſekundäre Somazellen“). Wie der Ausgleich des Protoplasmas einer Monoplaſtide bei der Teilung ſo weit gehen kann, daß beide in ihrer Zuſammenſetzung faſt gleich ſind und jede Zelle für ſich allein lebensfähig, ſehen wir bei den heutigen Protozoen. Je ähnlicher ſich alle dieſe Zellen-Individuen durch Beſitz von Somaplasma ſind, um ſo häufiger muß Konjugation zur Auffriſchung eintreten. Iſt der Ausgleich zwiſchen Soma- und Propagationszelle aber gering, der Unterſchied beider markanter, ſo erweiſt ſich das Zuſammenbleiben 108 der Zellen als nützlicher: Anfang der Metazoen. Durch die Kolonienbildung iſt auch das Freiwerden der Propa⸗ gationszellen verſchoben worden, indem mit der Zunahme der Komplikation der Kolonie um ſo mehr Zellteilungen notwendig ſind, bis eine Propagationszelle frei wird. Dieſe ſteht auf der Stufe der Monoplaſtiden, ſo daß hier der Anfang des biogenetiſchen Grundgeſetzes für die Meta⸗ zoen iſt; dementſprechend vollzieht ſich auch die Reifung des Eis; die Ausſtoßung der Richtungskörperchen entſpricht der Teilung in Propagationszellen und zu Grunde gehende „primäre Somazellen“, dann muß wie bei den Mono⸗ plaſtiden eine Konjugation, die Befruchtung, eintreten, worauf entſprechend der Teilung in zuſammenbleibende Propagations⸗ und ſekundäre Somazellen die Furchung des Eis und Scheidung in animale und vegetative Zellen folgt. Hier ſchiebt dann Verfaſſer ein Kapitel über den Kampf der Teile ein und kommt des Näheren auf die Furchung und weitere Entwicklung zu ſprechen, wobei nach ihm ein prinzipieller Unterſchied zwiſchen Invagination und Delamination nicht nachzuweiſen iſt. Indem bei der Teilung die beiden Zellen zuſammengeblieben ſind, haben ſie ihre Individualität aufgegeben, worauf das Geſetz der Unterdrückung der Individuen beruht; was von den Zell⸗ individuen einer Kolonie gilt, gilt auch von anderen Teilen, z. B. den Metameren, ſo daß keine ſcharfe Grenze zu ziehen iſt zwiſchen Zelle, Organ, Individuum, Tierſtock. Auf den Kampf der Teile ums Daſein, wobei ein jeder ſich früher als der andere zu entwickeln ſucht, iſt ferner die „voreilige Entwicklung“ zurückzuführen, wofür Verf. u. a. die Strobilation und die Metamerenbildung der Inſekten als Beiſpiele anführt. Aus dem Geſetz der vor⸗ eiligen Entwicklung, dem des Kampfes der Teile ſowie dem Geſetz der Unterdrückung des Individuums er⸗ folgt von ſelbſt das Prinzip der Anpaſſung, der Arbeits⸗ teilung u. ſ. w. Wir ſind nur den hervorragendſten Ausführungen des Verf. gefolgt, meiſt iſt der Gedankengang kurz, hie und da auch zu kurz wiedergegeben und der Verf. gibt in mehreren Fällen dem Leſer durch Hinweiſe nur An⸗ deutungen, den kurz ſkizzierten Beweisgang weiter auszu⸗ führen; auch bedarf manche Frage einer weiteren Beant⸗ wortung, die übrigens der Verf, ſelbſt beabſichtigen ſoll, für eine Reihe von Erſcheinungen aber gibt die Hypotheſe unleugbar eine gute Erklärung. Stuttgart. Dr. Kurt Lampert. J. £06, Der Heliotropismus der Tiere und feine Uebereinſtimmung mit dem Heliotropismus der Pflanzen. Würzburg 1890. Preis 4 Mark. In der Botanik ſpricht man ſchon lange von Helio⸗ tropismus; eine Reihe von Biologen hat auch bei Tieren den Einfluß des Lichtes auf deren Bewegungen konſtatiert, aber, da die Tiere Willen beſitzen, die Erſcheinungen vom Standpunkte des Menſchen interpretiert; dieſer aber iſt, wie Löb von vornherein annimmt, als ein irrtümlicher zu bezeichnen. Es iſt nach Löb grundfalſch zu behaupten, daß eine angebliche Farbenvorliebe die Orientierung der Tiere gegen Strahlen verſchiedener Bvechbarkeit beſtimmt; er ſucht nachzuweiſen, daß es weder rot- noch blauliebende, noch rot⸗ reſp. blauſcheue Tiere gibt, ſondern nur ſolche, die entweder zur Lichtquelle hin oder von ihr hinweg ſich bewegen, und daß dieſe Bewegungen in gleichem Sinne unter dem Einfluſſe der ſtärker wie der ſchwächer brech⸗ baren Strahlen erfolgen, nur daß die erſteren viel wirk⸗ ſamer ſind. Weder Luſt⸗ noch Unluſtgefühle ſprechen bei Tieren mit, welche Hell oder Dunkel, Blau oder Rot bevor⸗ zugen, ſondern „ſolche Umſtände, welche auch in der übrigen unbelebten (ſoll wohl heißen: belebten?) Natur den Ablauf der Erſcheinungen beſtimmen“, d. h. mechaniſche Licht⸗ wirkungen. Weil dieſelben in gleicher Weiſe auf Pflanzen wie Tiere einwirken, können ſpezifiſche Eigenſchaften des Zentralnervenſyſtems keine Rolle ſpielen. Man mag ſich zu dem Standpunkt Löbs ſtellen wie man will, die mit⸗ geteilten Verſuche fordern zum Nachdenken und zur Kritik Humboldt. — März 1890. der bisherigen Leiſtungen in dieſem Gebiet auf, die am eheſten durch Wiederholung und Modifikation der Verſuche erreicht wird. ö Roſtock. Prof. Dr. M. Braun. Hugo Münſterberg, Beiträge zur experimentellen Bſychologie. Heft 1. Freiburg, J. C. B. Mohr. 1889. Preis 3 Mark. Die vorliegende Arbeit bildet das erſte Heft einer periodiſchen Publikation, welche diejenigen Arbeiten aus dem pſychologiſchen Laboratorium des Verfaſſers bringen ſoll, welche der Herausgeber ſelber ausgeführt hat. Das Heft enthält eine Einleitung für das ganze Unternehmen und Unterſuchungen über willkürliche und unwillkürliche Vor⸗ ſtellungsverbindung. Die Einleitung legt den pfydolo- giſchen Standpunkt und die Ziele der künftigen Arbeiten dar. Es iſt in dieſer Zeitſchrift ſchon bei Gelegenheit von Münſterbergs Schrift über die Willenshandlung darauf hingewieſen worden, daß dieſer Autor vor allem von der Tendenz geleitet wird, aus dem heutigen Beſitzſtande der phyſiologiſchen Pſychologie alles auszuſcheiden, was darin aus überwundenen metaphyſiſchen Ideen noch übrig ge— blieben iſt. Als Ziel liegt hier das Problem vor, alles pſychiſche Geſchehen auf die aſſociative Verbindung von, in letzter Inſtanz auf einfache Empfindungen reduzier⸗ baren, Vorſtellungen zurückzuführen. Wie M. das bereits für eins der ſogenannten „Seelenvermögen“, den Willen, verſucht hat, ſtellt er es in ſeiner Einleitung für das Ge⸗ fühlsleben in Ausſicht, und behandelt im zweiten Teil des vorliegenden Heftes die Frage, ob die Apperception der Vorſtellungen qualitativ verſchieden iſt von den, aus dem Bau des Gehirns und der Analyſe der Empfindungen leicht zu erklärenden Aſſociationsvorgängen, oder ob darin eine beſondere, vom Bewußtſeinsinhalt und ſeinen Bewe⸗ gungen unabhängige Funktion des Bewußtſeins zu ſehen iſt, die als ſolche ſich der phyſiologiſchen Analyſe entziehen würde. Eine ſehr weſentliche Vorfrage für dieſe Unter⸗ ſuchung erledigt er in einer Analyſe des Ich⸗Begriffs. Es iſt in dem hier disponiblen Raum nicht möglich, den außerhalb der Fachkreiſe nur wenig verbreiteten, an ſich ſchwierigen und dunkeln Begriff der Apperception klarzu⸗ legen, und doch wäre eine ſolche Darlegung die Voraus⸗ ſetzung für eine zutreffende Wiedergabe des Inhalts der Laboratoriumsverſuche und ihrer Anwendung auf das Problem. Der Referent kann nur konſtatieren, daß ſeines Erachtens M. den Beweis geführt hat, daß die Aufnahme einer Vorſtellung in den bleibenden, feſtgefügten Inhalt des Bewußtſeins, den Gefühls- und Willensbeſitz der Per⸗ ſönlichkeit (d. h. die Apperception) qualitativ von dem Aſſociationsvorgang nicht verſchieden iſt, vielmehr auf verwickelten Aſſociationsprozeſſen beruht, bei denen ge⸗ wiſſe Zwiſchenglieder zu ſchwach erregt (reſp. gehemmt) werden, um zum Bewußtſein zu kommen. Die von M. zugleich gegebene Zurückführung aller Aſſociationsformen auf die Aſſociation gleichzeitig gegebener Empfindungen ſteht und fällt mit der Annahme, daß phyſiologiſch das Weſen der Aſſociation auf die Verbindung von örtlich ge⸗ trennten Ganglienkomplexen durch Faſerſtränge zurückzu⸗ führen ſei. 5 Allenberg. Dr. H. Kurella. Hugo Münſterberg, Gedankenübertragung. Ein Vortrag. Freiburg, J. C. B. Mohr. 1889. Preis 0,80 Mark. Der klar und anziehend geſchriebene Vortrag knüpft an die neuerdings vielfach öffentlich vorgeführten Erſchei⸗ nungen an, aus denen ein geheimnisvoller Uebergang von Gedanken von einem Individuum auf andere hervorgehen ſoll, wobei Entfernungen zwiſchen London und Bombay ebenſo leicht überwunden werden ſollen, wie die zwiſchen Gedankenleſer oder Hypnotiſeur und ſeinem Opfer. M. weiſt nach, daß all dieſen Erſcheinungen, ſoweit ſie nicht auf Erinnerungstäuſchungen beruhen, die Suggeſtion von Vorſtellungen durch Worte oder mimiſch⸗-phyſiognomiſche Ausdrucksmittel zu Grunde liegt, und daß eine Reihe Humboldt. — März 1890. wohlbekannter Beziehungen des ſozialen Lebens darauf be— ruht, daß der von einer wirklichen oder vermeintlichen Autorität aufgedrängte Gedanke mit der Macht einer Wahrnehmung, eines wirklichen Vorgangs Denken und Handeln anderer beeinflußt. Allenberg. Dr. H. Kurella. Antiquités Nationales. Description Raisonnée du Musée de St. Germain-en-Laye. I. Epoque des Alluvions et des Cavernes par S. Reinach, Agrégé de l'Université, Attaché des Musées Nationaux etc. Paris, Firmin-DidotetCo. 1889. Das obige Werk erhebt zwar nur den beſcheidenen Anſpruch, eine Beſchreibung der im franzöſiſchen Muſeum zu St. Germain⸗en⸗Laye enthaltenen anthropologiſch-prä— hiſtoriſchen Sammlungen zu liefern; in Wirklichkeit bietet es aber, indem es den Leſer durch die beſagten Samm— lungen geleitet, ein höchſt anſchauliches Geſamtbild ver— gangener Kulturzuſtände der Menſchheit. Im vorliegenden erſten Bande werden die Fundſtücke aus den Höhlen und Ab— lagerungen der Diluvialperiode (Quartärzeit) behandelt, alſo jene Objekte, welche aus dem „Zeitalter des zuge— hauenen Steins“ (paläolithiſche Zeit) ſtammen. Zunächſt wird ein Bild entworfen von den klimatiſchen Zuſtänden unſeres Erdteils während jener Periode, welche mit der Vergletſcherung ausgedehnter europäiſcher Gebiete teilweiſe zuſammenfällt. Auch die diluviale Fauna wird an der Hand der Fundſtücke eingehend beſchrieben. Zu den pa⸗ läolithiſchen Geräten übergehend, beſpricht Verfaſſer die Merkmale, durch welche man das von Menſchenhand zu— gehauene Steingerät von dem zufällig zerſplitterten Stein unterſcheiden kann. Steinbeile und Steinmeißel, ſowie die Eigentümlichkeiten, Die Herſtellung und Verwendung der 109 durch welche die aus verſchiedenen Abſchnitten der paläo— lithiſchen Zeit ſtammenden Steingeräte und Waffen von— einander unterſchieden werden können, werden eingehend erörtert. Wenn Verfaſſer die Exiſtenz des Menſchen während der Tertiärzeit als noch nicht zweifellos erwieſen betrachtet, ſo können wir ihm, ſoweit Europa in Betracht kommt, wohl beipflichten, nicht aber hinſichtlich Nordamerikas, be— züglich deſſen Emil Schmidt unlängſt den Beweis geliefert hat, daß der vielumſtrittene Calaveras-Schädel wirklich aus Tertiärablagerungen zu Tage gefördert wurde. Wenn Verfaſſer die Bezeichnung: „Race de Canstatt“ in „Type de Canstatt“ umändert, fo möchten wir im Hinblick auf den Umſtand, daß die Beweiskräftigkeit des „Canſtatt— Schädels“ neuerdings von Fraas und von Hölder nicht ohne Grund angefochten wurde, die Bezeichnung „Neander— thalraſſe“ oder „Neanderthaltypus“ empfehlen. Bei Be— ſprechung der Höhlenfunde liefert Verfaſſer eine Beſchrei— bung der Lebensweiſe der höhlenbewohnenden Troglodyten jener fernentlegenen Kulturepoche. Auch der an den Ge— räten (Kommandoſtäbe u. dergl.) ſich zu erkennen gebende Kunſtſinn des paläolithiſchen Renntierjägers wird beſprochen. Zum Schluß gedenkt Verfaſſer noch jener Geräte und Artefakte, welche den Uebergang von der älteren zur jüngeren Steinzeit bezeichnen, ſowie der von Penka bezüglich der Herkunft der Arier aufgeſtellten Hypotheſe. Das Buch verrät ebenſowohl ein beſonnenes zurückhaltendes Urteil wie eine außerordentlich umfaſſende Kenntnis der anthro pologiſch-prähiſtoriſchen Litteratur. Wir empfehlen das mit 136 vorzüglichen Holzſchnitten und einer heliographiſch hergeſtellten Tafel ausgeſtattete Werk auch ſolchen Anthro— pologen, denen keine Gelegenheit ſich bietet, die Samm lungen des Muſeums von St. Germain-en-Laye perſönlich in Augenſchein zu nehmen. Kaſſel. Dr. Moritz Alsberg. Aus der Praxis der Katurwiſſenſchaft. Syntheſe des Brom- und Sodwafferfloffs. Dic Vereinigung von Chlor und Waſſerſtoff zu Chlorwaffer- ſtoff erfolgt, wie bekannt, bei gewöhnlicher Temperatur mit großer Heftigkeit, wenn das Gemenge der beiden Gaſe dem Sonnenlicht ausgeſetzt wird. Weit weniger energiſch geht die Bildung von Brom- und Jodwaſſerſtoff vor ſich, die Reaktion tritt hier erſt ein, wenn dampfförmiges Brom oder Jod mit Waſſerſtoff zuſammen erhitzt werden. Da hierbei keine Exploſion ſtattfindet, ſo kann auf dieſe Weiſe leicht die Syntheſe der Halogenwaſſerſtoffſäuren demon— ſtriert werden. Man bringt in einen Kolben (von etwa 1 1 Inhalt) etwas Brom und führt dann eine Waſſerſtoffflamme ein. Der Waſſerſtoff brennt zunächſt auf Koſten des im Kolben enthaltenen Luftſauerſtoffs weiter und an den Innen— wänden des Kolbens ſchlägt ſich Waſſerdampf nieder. Er— hitzt man jetzt das Brom raſch zum Sieden, ſo bilden ſich unter mäßigem Anſchwellen der Flamme dichte weiße Nebel von Bromwaſſerſtoff. Unterläßt man die Zuführung von Bromdampf, jo ſchrumpft die Flamme in der Bromwaſſer⸗ ſtoffatmoſphäre in dem Maße, als der Bromdampf ab nimmt, zuſammen und erliſcht ſchließlich nach einigem Flackern. Wird aber das Brom kurz vor dem Erlöſchen wiederum raſch erhitzt, jo geht auch die Waſſerſtoffbrenn⸗ flamme ſehr raſch und bis zum vollen Lodern wieder in die Höhe. Zur Syntheſe von Jodwaſſerſtoff verflüchtigt man Jod in einem Deſtillierkölbchen, leitet in den Joddampf ſtark überſchüſſigen Waſſerſtoff und dann das Gemiſch in ein kurzes Verbrennungsrohr, welches im Gasofen liegt. Das Rohr mündet in eine kalt gehaltene, doppelt tubulierte und mit Gasentwicklungsrohr verſehene Vorlage. Mit dem Jodwaſſerſtoff geht ſtets etwas unverändertes Jod durch die Röhre, jedoch um ſo weniger, je ſtärker man glüht. Will man das Gasgemiſch von Jodwaſſerſtoff und überſchüſſigem Waſſerſtoff völlig von mitgeführten Jodteil chen befreien, ſo iſt es nur nötig, dasſelbe noch durch ein mit Baumwolle gefülltes, mäßig langes Glasrohr hindurch— zuleiten. Merz und Holzmann, welche dieſe Verſuche (Ber. 22, S. 867) mitteilen, weiſen ferner auf die be— merkenswerten Unterſchiede hin, welche die drei Halogene in ihrem Verhalten gegen Natrium zeigen. Während ge— ſchmolzenes Natrium, in eine Chloratmoſphäre gebracht, unter Feuererſcheinung in Chlornatrium umgewandelt wird, kann man Brom und Natrium auf 200—300° er hitzen, ohne daß das Metall mehr als oberflächlich korrodiert wird. Bei gewöhnlicher Temperatur behält Natrium, wel ches jahrelang mit Brom in Berührung gelaſſen wird, ſeine blanke metalliſche Oberfläche. Jod und Natrium verhalten ſich gleich indifferent zu einander. Al. Aufaffen des Stahls. Man nimmt meiſtens an, daß beim Anlaſſen des Stahls zur Erzeugung einer be— ſtimmten Anlauffarbe auch eine ganz beſtimmte Tempe— ratur notwendig fei, fo für ſtrohgelb 221°, für blau 320° u. ſ. w. Neuerdings wird jedoch von verſchiedenen Seiten hervorgehoben, daß die Anlauffarben keineswegs von der Temperatur allein abhängig ſind. Auf der vorjährigen Naturforſcherverſammlung wurde in der Abteilung für Inſtrumentenkunde über Verſuche von Löwenherz berichtet, welche zeigen, daß z. B. Spuren von Fett das Auftreten der Farbenerſcheinungen weſentlich beeinfluſſen. Beſtreicht man ein Stück Stahl zur Hälfte mit einer Spur Fett und erwärmt es dann auf eine beſtimmte hohe Tempera tur, ſo wird die beſtrichene Stelle blau, die unbeſtrichene gelb. Große Stücke blau anzulaſſen, iſt ziemlich ſchwierig. Die phyſikaliſch-techniſche Reichsanſtalt hatte dieſe Schwierigkeit zu überwinden bei der Verifikation von Normalſtimmgabeln, welche blau angelaſſen werden, um ſpäter abſichtliche oder unabſichtliche Aenderungen der 110 Humboldt. — März 1890. äußeren Geſtalt konſtatieren zu können; ſie benutzt dazu einen Fockſchen Thermoſtaten mit hochſtedenden Oelen. Die Anlaßfarben ſind oft als Kennzeichen der Härte des Stahls aufgefaßt worden. Dies iſt jedoch nicht richtig, da durch lange dauernde Erhitzung auf dieſelbe Tempera⸗ tur eine andere Anlauffarbe erzielt wird als durch kurze. Zu denſelben Reſultaten gelangt Th. Turner (Chem. News 60. 190), indem er zeigt, daß durch entſprechend längeres Erhitzen die blaue Farbe bei einer Temperatur hervorgerufen werden kann, welche ſelbſt unterhalb der- jenigen liegt, die man ſonſt für nötig hält zur Erzeugung von Strohgelb. Ebenſo kann durch einige Minuten langes Erhitzen die Strohfarbe bei ca. 160° erreicht werden. Im allgemeinen ſind Stahlſorten mit höherem Kohlen⸗ ſtoffgehalt gegen die Wirkungen niederer Temperaturen empfindlicher als ſolche mit geringerem Kohlenſtoffgehalt. Al Aeber das Aegyptiſchblau. Die Römer beſaßen in den erſten Jahrhunderten der chriſtlichen Zeitrechnung eine blaue Farbe, das Aegyptiſchblau, welche heute der Induſtrie völlig unbekannt iſt. Bei Malereien, welche aus jener Zeit ſtammen, iſt dieſelbe vielfach angewandt worden; man findet ſie ziemlich häufig in Pompeji u. ſ. w. Nach Vitruvius wurde das Blau in Alexandrien erfunden und von Veſtorius in Puteoli hergeſtellt. Mit der Unterſuchung dieſer Farbe beſchäftigten ſich bereits Chaptal, Davy u. a., ohne daß man ſicheren Auf⸗ ſchluß über die Zuſammenſetzung und die Herſtellungsart derſelben erhalten hätte. Eingehendere Kenntnis verſchafft uns eine Arbeit von Fouqué (Compt. rend. 108. 325). Das Blau iſt hiernach ein Doppelſilikat von Kupfer und Calcium von der Zuſammenſetzung CaO. CuO . 4 8102. Man kann es erhalten, wenn man Kalk, Sand und Kupfer⸗ ſpäne bei Gegenwart eines Flußmittels zuſammenſchmilzt. Als ſolches bewährt ſich am beſten Kaliumſulfat; doch kann auch an Stelle desſelben Soda genommen werden. Die Subſtanz kryſtalliſiert quadratiſch und zwar in ſchönen azurblauen Blättchen von etwa 2mm Durchmeſſer und 0,5 mm Dicke. Gegen die meiſten Agentien iſt das Blau ſehr widerſtandsfähig, was ſeine vollſtändige Konſervierung erklärt. Durch Schwefelammonium wird es nicht geſchwärzt, durch Kalk erſt bei ſehr hoher Temperatur angegriffen; man kann es mit Schwefelſäure kochen, ohne daß es ver— ändert wird. Es bildet ſich aus den genannten Materia⸗ lien nur bei lebhafter Rotglut, verändert ſich aber, wenn man dieſe Temperatur weſentlich überſchreitet. Bei zu hohem Erhitzen entſteht Kupferoxydul in kleinen dendriti⸗ ſchen Kryſtallen, Wollaſtonit in langen farbloſen Prismen und ein hellgrünes Glas. Die Menge des letzteren nimmt mit ſteigender Temperatur zu, und bei rötlicher Weißglut verſchwindet der Wollaſtonit, während nur eine Art Avan⸗ turin hinterbleibt, der aus dem grünen Glaſe beſteht, 1 0 mit kleinen Kryſtallen von Kupferoxydul durch⸗ ſetzt iſt. Die Schönheit und die Echtheit des Aegyptiſchblau, welches durch Luft, Licht, Feuchtigkeit und die meiſten chemiſchen Agentien nicht verändert wird, die Leichtigkeit, mit welcher es dargeſtellt werden kann, laſſen es dem Ver⸗ faſſer wünſchenswert erſcheinen, daß die techniſche 1 ſtellung desſelben wieder aufgenommen werde. Aeber die Darſtellung von Knallqueckſilber. Eine aus der bekannten Liebigſchen Vorſchrift herausgearbeitete Methode zur Darſtellung von Knallqueckſilber, welche ſich ſtets als ſicher und gefahrlos bewährt hat, wird von E. Beckmann (Ber. d. Deutſch. Chem. Geſ. 19. 893) mit⸗ geteilt. Je 50 g Queckſilber werden bei gewöhnlicher Tempe⸗ ratur in je 600 g Salpeterſäure vom ſpez. Gewicht 1,4 gelöſt, die Löſung in einen 51 faſſenden Rundkolben, welcher weit im Halſe iſt und 79199 Temperaturwechſel verträgt, gebracht und zu derſelben bei einer Temperatur von 25—30° 550 g Alkohol von 98,5 % , welcher eben⸗ falls eine Temperatur von 25—30° beſitzt nach und nach zugefügt. Die erſte Hälfte des Alkohols kann auf einmal zugeſetzt werden; ſobald nach dem zuerſt entſtehenden, übrigens ganz ungefährlichen Praſſeln kleine Gasblaſen aufſteigen und die Flüſſigkeit aus Hellgelb in Rotbraun überzugehen beginnt, muß ſofort weiterer Alkohol nach⸗ gegoſſen werden, weil ſonſt die Reaktion leicht ſo heftig wird, daß der Kolbeninhalt herausgeſchleudert wird. Durch Zuſatz von Alkohol beruhigt ſich die Reaktion. Zu raſches Eintragen bewirkt eine Hemmung der Oxydation und Ab⸗ ſcheidung von metalliſchem Queckſilber. Die in Strömen entwickelten undurchſichtigen weißen Dämpfe leitet man zweckmäßig durch ein weites Rohr ab. Keinenfalls dürfen dieſelben mit einer Flamme in Berührung kommen, weil dadurch heftige rückwirkende Exploſionen veranlaßt werden können. Sobald die weißen Dämpfe braunen, mehr durch⸗ ſichtigen Platz machen, wird die Reaktion durch Eingießen von Waſſer unterbrochen. Nach Lobry de Bruyn, welcher, durch Beckmanns Notiz veranlaßt, ebenfalls ſeine Erfahrungen bezüglich der Dar⸗ ſtellung des Knallqueckſilbers veröffentlicht (Ber. d. Deutſch. Chem. Geſ. 19. 1370), ſoll der Prozeß noch glatter ver⸗ laufen, wenn man umgekehrt die Queckſilberlöſung in den Alkohol einträgt. Die Miſchung beider Flüſſigkeiten ift waſſerhell. Falls die Reaktion nicht ſpontan anfängt, er⸗ wärmt man den Kolben auf dem Waſſerbade, bis ſich Bläschen zu entwickeln beginnen, und ſtellt ſodann den mit einem weiten Glasrohr als Luftkühler verſehenen Kolben ins Freie. Ohne daß ſich braune Dämpfe entwickeln, geht die Reaktion ziemlich ſtürmiſch fort, indem ſich das Knall⸗ queckſilber allmählich abſetzt. Nach dieſem Verfahren ſollen fic) 300—400 g Queckſilber auf einmal verarbeiten es Ein leichtes und Roftenfofes Mittel zur Bertil- gung der Blutlaus gibt Keßler an auf Grund von Erfahrungen, die im Verſuchsgarten der Kgl. Forſtakademie zu Münden geſammelt wurden. Hier trat 1878 die Blut⸗ laus an einer großen Anzahl von auswärts bezogener Apfelſtämmchen ſo verheerend auf, daß ſchon im Sommer 1881 die ganze Anlage ausgerodet werden mußte. Nur drei Beete blieben als Verſuchsobjekte ſtehen und dienten Keßler dazu, genaue Beobachtungen über die Blutlaus anzuſtellen, die von ihm früher ſchon veröffentlicht wurden. Im Frühjahr 1886 wurde dann an den drei Beeten mit der Vertilgung des ſchädlichen Inſektes in der Weiſe be⸗ gonnen, daß an allen infizierten und infiziert geweſenen Bäumchen die Wundſtellen mit einer geeigneten Bürſte und bloßem Waſſer gereinigt wurden; der Erfolg war ein überraſchender, indem im Herbſt desſelben Jahres, zu welcher Zeit die Erſcheinungen der Blutlauskrankheit ſich am umfangreichſten zeigen, nur hie und da kleine Infek⸗ tionsſtellen bemerkt wurden. Ein erneutes Ausbürſten im Frühjahr 1887 hatte zur Folge, daß von nun ab die Blutläuſe völlig verſchwunden waren. In kurzer Zeit hat alſo dieſes einfache Mittel die Kalamität zu beſeitigen vermocht. Die Thatſache, daß die Krankheit während der ganzen Zeit lokaliſiert blieb und keine weitere Anſteckung erfolgte, führt Verfaſſer zu der Anſicht, daß die Blutlaus nicht nötig hat, zu wandern, und daß die Blutlausgefahr überhaupt nicht ſo bedeutend iſt, als vielfach angenommen wird, indem es nur darauf ankommt, zu Neuanlagen oder Ergänzungen von entſtandenen Lücken blutlausfreie Apfel⸗ bäume zu verwenden und indem, wenn die Krankheit einmal erkannt iſt, es leicht iſt, durch einfache Mittel dieſelbe zu bannen. (34. u. 35. Ber. d. Ver. f. Naturkunde z. Caſſel 1889.) —p. Züchtung von Apus productus. Nachdem ich 1889 vergeblich verſucht hatte, Apus productus (L.) aus Eiern zu ziehen, gelang mir in dieſem Winter der Verſuch voll⸗ ſtändig April und Mai 1889 ſammelte ich die Mutter⸗ tiere für die Eiablage und ſetzte ſie in mit Waſſer ge⸗ füllte Weißbiergläſer, welche alten Bodengrund mit Pflanzen⸗ wuchs beſaßen. Das Waſſer ließ ich allmählich verdunſten, die Erde aber nie ſo trocken werden, daß ſie ſtäubte; in dieſem Winter ſetzte ich ſie dem Froſt und dem Schnee in freier Luft aus. Am 16. Januar 1890 mittags 2 Uhr Humboldt. — März 1890. füllte ich das eine Glas mit Leitungswaſſer und ſtellte es auf das Fenſterbrett; am 17. Januar, alſo nach nur 24 Stunden, haftete die Nauplius-Form in der Zahl von 3—4 Dutzend an der Glaswand und die Larven hatten die Größe der ausgewachſenen Weibchen von Cyclops co- ronatus Cls. Am 22. Januar, alſo nach 5 Tagen, iſt mit gewöhnlicher Lupe die zwiſchen den beiden Schwanz— borſten ſich befindliche Platte, durch welche ſich Apus pro— ductus jo leicht von A. cancriformis unterſcheidet, deutlich zu bemerken. In dem zweiten Glaſe war die erſte Larve ſchon nach 15 Stunden dem Ei entſchlüpft. Berlin. W. Hartwig. Konſervierung von Vogelbälgen. In der letzten Sitzung der Ornithologiſchen Geſellſchaft ſprach Profeſſor Dr. Joh. Frenzel, Direktor des Zoologiſchen Muſeums an der Univerſität zu Cordoba in Argentinien, über eine neue von ihm verbeſſerte Methode der Konſervierung von Vogelbälgen durch Mumifikation. Den wiſſenſchaftlichen Reiſenden ſind gewöhnlich ſo verſchiedenartige Aufgaben geſtellt, daß ſie der Erforſchung der Tierwelt in den von ihnen beſuchten Gegenden nur einen kleinen Teil ihrer Zeit widmen können. In den ſeltenſten Fällen darf der naturwiſſenſchaftliche Begleiter einer Expedition ſeine ganze Thätigkeit dem Sammeln zoologiſcher Objekte widmen, und auch dann iſt ſeine Wirkſamkeit derart durch die ver— ſchiedenartigen Konſervierungsweiſen der verſchiedenen Klaſſen des Tierreiches angehörenden Arten ſo in Anſpruch genommen, daß für jede einzelne Abteilung verhältnis— mäßig wenig Zeit übrig bleibt. Bisher balgte man Säugetiere und Vögel ab, eine viel Uebung und Geſchick— lichkeit verlangende Arbeit. Manch wertvolles Stück fällt der in den Tropen ſehr ſchnell fortſchreitenden Fäulnis zum Opfer, mühſam präparierte Gegenſtände werden von Inſekten und Ratten zerfreſſen, da die Vergiftung der Innenſeite des Felles oft nicht genügend ſchützt. Geo— graphen und Kaufleuten gehen ſehr häufig die erforder— lichen praktiſchen Vorkenntniſſe der Konſervierung ab. Da iſt es denn ein nicht zu unterſchätzender Fortſchritt, eine Methode zu beſitzen, die einerſeits möglichſt wenig Vor— kenntniſſe erfordert und andrerſeits nur geringen Zeit— verluſt verurſacht. Profeſſor Dr. Frenzel rät nun folgen- dermaßen zu verfahren, um Vögel zu konſervieren. Man öffne durch einen Schnitt die Bauchhöhle, entferne die 111 Eingeweide und lege alsdann die Vögel in ein Gemiſch von ſtarkem Brennſpiritus und 1 bis 2% Sublimat mit Alaun. Für kleine Objekte genügt ein einfaches Eintauchen, größere bedürfen 1— 2 Stunden zur völligen Durchtränkung. Alsdann entferne man durch Ausdrücken den größten Teil der Flüſſigkeit, tupfe mit einem Tuch oder ungeleim— tem Papier die übrige Feuchtigkeit ab und hänge die Objekte an den Beinen zum Trocknen an einem luftigen, ſchattigen Orte auf. Nach einigen Stunden beſtreue man After, Schnabel und Augen mit Erde, Sand oder mit Gips vermiſchtem Sand, um Spuren von Näſſe fortzu— bringen, glätte nach Möglichkeit das Gefieder, lege zwiſchen Flügel und Körper etwas Watte oder Löſchpapier und verpacke die fertigen Objekte zwiſchen ungeleimtes Papier. Dieſe Art und Weiſe iſt einfach, verhältnismäßig wenig Zeit raubend, und die Reſultate derſelben befriedigen ſehr gut. Derartig präparierte Vögel laſſen ſich nach langer Zeit regelrecht aufweichen, abbalgen und ausſtopfen, das Skelett iſt brauchbar, und Ungeziefer geht an dieſelben nicht heran. Bei der Diskuſſion ſprach Dr. Schäff Zweifel über die Dauerhaftigkeit der Präparate aus, da Sublimat ebenſo wie Karbolſäure und Arſenik mit der Zeit ver— dunſte. Hartwig erwiderte, daß er mit Sublimat präpa⸗ rierte Fiſche beſitze, welche ſeit 15 Jahren ſich unverändert erhalten haben. Der Einwand, daß durch den benutzten Alkohol die Farbe der Federn verändert werde, wurde durch die Erklärung beſeitigt, daß die Dauer der Benetzung nur eine kurze ſei, und daß die vorgelegten Vögel aus Argentinien, welche ſo behandelt worden waren, keinerlei Veränderung in den Farben zeigten. Dr. Reichenow machte auf eine einfache Methode aufmerkſam, welche im Berliner Muſeum für Naturkunde angewendet wird, um geſchoſſene Vögel auf kürzere Zeit vor der Verweſung zu bewahren. Man ſtopft dem geſchoſſenen Vogel möglichſt viel mit ver- dünnter Karbolſäure getränkte Watte in den Rachen und After, entfernt die Augen, an deren Stelle ebenfalls ein Karbolwatte-Pfropfen tritt und hängt ſie alsdann auf oder verpackt ſie zur Verſendung in Karbolwatte oder mit Karbolſäure angefeuchtete Leinewand. Dieſe Methode iſt erprobt und ermöglicht es Förſtern und Jägern ohne große Mühe mitzuarbeiten an der Erforſchung der deutſchen Vögel. So mancher ſeltene Raubvogel wird achtlos fort— geworfen, nachdem die Fänge zur Erlangung des Schuß— geldes abgetrennt ſind. D. BI Ii o graphie. Bericht vom Monat Januar 1890. Allgemeines. Goßler, G. v., Anſprachen u. Reden. Berlin, Mittler & Sohn. M. 9. Polack, F., Illuſtrierte Naturgeſchichte der 3 Reiche in Bildern, Ver⸗ gleichungen u. Skizzen. Lehre u. Lernbuch f. gi duet Lehranſtalten, unter Mitwirkg. v. W. Machold hrsg. 6. Aufl. 1. Kurſ.: Ver⸗ treter der 3 Reiche. Wittenberg, Herroſs. M. 1. 20. Schaefer, F. E., Elementare Naturlehre, f. höhere Bürgerſchulen, höhere Mädchenſchulen, Präparandenſchulen u. verwandte Anſtalten. Leipzig, Brandſtetter. M. 2. 40. Twiehauſen, O. (Th. Krausbauer), Der naturgeſchichtliche Unterricht in ausgeführten sa etl 1. Abtlg. Unterſtufe. 2. Aufl. Leipzig, Wunderlich. M. Zet, C., Leitfaden . 115 Unterricht in der Naturkunde au höheren Mädchenſchulen, Töchterinſtituten u. erweiterten Volksſchulen. I. Tl.: Mineralogie mit Belehrgn. aus der Chemie. II. Tl.: Von der Ernährg. d. Menſchen. Freiburg, Herder. M. —. 90. Phofik. Fuchs, K., i Ableitung einiger Kapillaritätsfunktionen. Leipzig, Freytag. M. Luggin, H., Ueber die Art der Elektricitätsleitung im Lichtbogen. Leipzig, Freytag. . 80. Mach, 6. Ueber die Schallgeſchwindigkeit beim ſcharfen Schuß nach v. dem steupp’ ſchen Etabliſſement angeſtellten Verſuchen. Leipzig, Frey⸗ 40. tag. Menzel, N. Wandtafeln f. ben phyſikaliſchen Unterricht. 2. Aufl. Breslau, Morgenſtern. M. ‘ Reis, P., 5 e d. Phyſit. 7 Aufl. Leipzig, Quandt & Handel. Spregbeffs, „A., Einzelbilder aus der Phyſik. Meyer. M. —. bo, 3. Aufl. Hannover, Stefan, J., Ueber die Verdampfung u. die N als Vorgänge der D Leipzig, Freytag. M. — Winter, W., Lehrbuch der Boone zum Echuigebrauche 2. Aufl. München, Ackermann. M. 4. 8 Chemie. Grünwald, A., n Nachweis v. Spuren eines neuen, der 11. Reihe der Mendelejeff'ſchen Tafel angehörigen Elementes, welches beſonders im Tellur u. Antimon, außerdem aber auch im Kupfer vorkommt. Leipzig, Freytag. M. —. 60. Grünwald, H., Ueber einige Methoden el quantitativen Bejtimmung d. Glyjerin’. Jena, Dabis. M. —. N F., Hydroxylaminhaltige Platinbaſen. . 80. sae, M. M. Meyer, S ent Probleme der Gegenwart. Winter. M. Möhlau, R., Henne Farbſtoffe, welche in der Textilinduſtrie Ver⸗ wendung finden. Ueberſicht ihrer Zuſammenſetzg., Gewinng., Eigen ⸗ ſchaften, Reaktionen u. ihrer Anwendg. zum Färben u. Bedrucken v. Seide, Wolle u. Baumwolle. (In 2 Lign.) 1. Lfg. Dresden Bloem. M. 10. Königsberg, Koch. Ueber die elektrotechniſche Wirkung d. Broms. Jena, Dabis. Vortrag. Heidelberg, Aſtronomie. Buchholtz, F., Die einfache Erdzeit m. Stundenzonen u. fejtem Welt- meridian als Zifferblatt ohne Störung der Tageszeiten f. alle Länder u. Völker der Erde. Berlin, Conrad. M. —. 60. Gruſon, H., Phyſitaliſch⸗Aſtronomiſches. Neue gemeinverſtändl. Ab- handlg. über odiakallicht, Sonne u. Kometen nach langjähr. Be⸗ obachtgn. Magdeburg, Rathte. M. 2. ae Humboldt. — März 1890. Kielhorn, F., Tafeln zur N der Jupiter⸗Jahre nach den Regeln d. SuryasSiddhanta u. d d. Jyotiſtattwa. Göttingen, Dieterich. 40. M. 1. Schram, R., Reduktionstafeln für den Oppelzerſchen Finſterniskanon zum Uebergang auf die Ginzelſchen empiriſchen Korrektionen. Leipzig, Freytag. M. 3 60. Sellmeier, W., Die Sonne unter der Herrſchaft der drei Planeten Venus, Erde u. Jupiter. Halle, Schmidt. M. —. 60 Geographie. Biſchoff, J., Ueber das Geoid. München, Kaiſer. M. 1. Riedel, O., Die Grundlehren der aſtronomiſchen Geographie u. ihre unterrichtliche Behandlung. Wittenberg, Herroſs. M. 2 2 Al Mineralogie, Geologie, Paläontologie. Geyer, G., Ueber die 4 Brachiopoden d. Hierlatz bei Hallſtatt. Wien, Hölder. M. 2 Haberland, M., Die Gina 5 emlung in Neuſtrelitz. Neuſtrelitz, Jacoby. M. — Rodler, A., Ueber Urmiatherium Pola, eines neuen Sivatheriiden aus dem Knochenfelde v. Maragha. Leipzig, Freytag. M. 2. Stache, G., Die liburniſche Stufe u. deren Grenz⸗Horizonte. Eine Studie über die Schichtenfolgen der cretaciſch⸗eocänen od. protocänen Landbildungsperiode im Bereiche der Küſtenländer von Oeſterreich⸗ Ungarn. 1. Hft. 1. Abtlg. Geologiſche Ueberſicht u. Beſchreibg. der Faunen⸗ u. Floren⸗Reſte. Wien, Hölder. M. 32. Botanik. Engler, A., u. K. Prantl, Die natürlichen Pflanzenfamilien nebſt ihren Gattungen u. wichtigeren Arten, 550, den Nutzpflanzen. 39. Lfg Leipzig. Engelmann. M. 1. Frank, A. B., Lehrbuch der bee m. beſond. Berückſicht. : der Kullurpflanzen. Berlin, Parey. M. Jauch, Ch, Flora artefacta. Ein Lehrmitſel f. den botan. Unterricht, nach leb. Pflanzen gearb. u. hrsg. Unter wiſſenſchaftl. Kontrolle v. B. Stein. Begleitwort zu den Modellen Nr. 1—100. Modelle Nr. 1—100, 10 Serien, à Serie M. 22., einzelne Modelle zu ver⸗ ſchiedenen Preiſen. Breslau, Friebatſch. M. —. 50 Jörgenſen, A., Die Mitroorganismen Der Gärungsinduſtrie. Berlin, Parey. M. Stapf, O., Die Arten der Gattung Ephedra. 2. Aufl. Leipzig, Freytag. M. 9. Verk Iragen und Anregungen. Frage. Den wievielten Teil des Himmels— gewölbes bedeckt die Sonne bezw. der Mond? Antworl. Denken wir uns um unſer Auge als Mittelpunkt eine Kugel mit beliebigem Radius, und zu⸗ gleich alle Punkte des Sonnenrandes mit dem Auge ver⸗ bunden, ſo ſchneidet der ſo gebildete Kegel aus der Kugel eine Calotte aus, deren Oberfläche zur Oberfläche der ganzen Kugel ſich verhält wie die Höhe der Calotte zum Durchmeſſer der Kugel. Führen wir den Winkel o in die Rechnung ein, welchen die beiden, nach dem Mittel⸗ punkte der Sonne und nach einem Punkte ihres Randes gezogenen Strahlen miteinander bilden, alſo die „ſchein⸗ bare Größe des Sonnenradius”, fo ergibt ſich als Wert jenes Verhältniſſes sin ae nun iff der mittlere Wert von « für die Sonne = 16“ für den Mond = 15“ 30%¼ Daraus der Wert jenes Verhältniſſes: für die Sonne = 0,00000 541541 für den Mond = 0,00000 508 224. In gewöhnliche Brüche näherungsweiſe verwandelt: die Sonne bedeckt den 184659. bis 184658., der Mond den 196764. bis 196763. Teil des Himmels. Burg. Dr. Bochow. Die Hodfigelegenen Bergwerke. Die in Ihrem Blatt vom Januar enthaltene Aufzählung der höchſten ie werke wurde im Februarheft berichtigt, es dürfte aber Ihren Leſerkreis wohl nun eine vollſtändigere Zuſammenſtellung der höchſten Gruben intereſſieren. Jene erſte Aufzählung hat Zoologie. Anzeiger, anatomiſcher. Hrsg. v. K. Bardeleben. zum IV. Jahrg. 1889. Inhalt: Geſellſchaft auf der 3. Verſammlung in Berlin, 10.—12. Oktbr. 1889. Hrsg. v. K. Bardeleben. Jena, Fiſcher. M. 3. Bramſon, K. L., Die Tagfalter (Rhopalocera) Europas u. x Kaukaſus. Analftiſch bearb. Berlin, Friedländer & Sohn. Brauer, F., u. J. Edler v. Bergenſtamm, die welliger d. kaiſerl. Muſeums zu Wien. IV. Vorarbeiten zu einer Monographie der Muscaria schizometopa (exkl. Anthomyidae). Leipzig, Freytag. 10 Graber, V., Vergleichende Studien über die Embryologie der 01 u. insbeſondere der Musciden. Leipzig, Freytag. M. 11. Otto, A., Zur Geſchichte der älteſten Hausljere. Breslau, Preuß & Jünger. M. 1. 50. Reichenow, A., Syſtematiſches SEAM der Vögel Deutſchlands u. d. angrenzenden Mittel⸗Europas. M. Ergänzungsheft Verhandlungen der analomiſchen Reuleaux, C., Katalog f. die Heliceen⸗ ee Euparypha Hartm. u. Xerophila Held, aufgeſtellt nach C. A. Weſterlund. München, Kellerer. M. 1 50 DVhyfiologiec. Adolphi, H., Ueber das Verhalten d. Blutes bei geſteigerter Kalizufuhr. Dorpat, Karow. 1. 8 Coleman, W. M., Ueber die Muskelbewegung. Aus dem Engl. überſ. v. O. Piſchel. Berlin, Weber. M. 1. Geigel, R., Die Mechanik der 20 00 d. Gehirns. Eine Studie. Stuttgart, Enke. M. 1. Müller, H. F., Zur Frage der Plutbildung. Leipzig, Freytag. M. 3. 60. Niſſen, W. Experimentelle fannt über den Einfluß v. Alkalien a Lese ben und Zuſammenſetzung der Galle. Dorpat, Karow. i Storch, W. eg 40 Befühee am Knochengerüſt eines Rindes. Jena, Dabis. Strauch, Ph., l ae dene v. Dr. E. Freund. Dorpat, Karow. M. 1 50. Zacharias, O., Die niedere Tierwelt unſerer Binnenſeen. Verlagsanſtalt. M. 1. 20. Anthropologie, Ethnologie. Lombroſo, C., Der Verbrecher (Homo delinquens) in Wendet ärztlicher u. juriſtiſcher Beziehung. In deutſcher Bearbeitg. v O. Fränkel. 2. Bd. Hamburg, Verlagsanſtalt. M. 12. Hamburg, e h r. ja die allerhöchſte Mine gar nicht aufgeführt, nämlich Thok Dſchalung in der tibetaniſchen Provinz Gnari, wo die Bergleute in 4977 m Höhe Sommer wie Winter auf Gold graben. Zum Schutze gegen die rauhe Witterung wohnen jie 2—3 m tief unter dem Boden in Zelten, die mit QYathaaren ausgeſchlagen ſind. Nach dieſer tibe- taniſchen Grube folgen die ſüdamerikaniſchen Gruben, deren Zahlen ja nun in der Berichtigung richtig angegeben ſind. Die Höhe von Potoſi iſt etwa 4000 m (Daniell. II. Aufl. 4050 m, neuere Angaben 3960 m), die Silber⸗ grube am Cerro de Potoſi (Daniell 4875 m, neuere An⸗ gaben 4688 m) liegt aber höher, nämlich 12807“ par. = 4162 m hoch, leider liefert fie nicht mehr wie früher in der Woche 1500 Mark a 233,8 g Silber, fie iſt aber immerhin noch im Betrieb. Höher noch liegt in Peru die Grube am Cerro de Pasco. Danach ergibt ſich folgende Reihenfolge: m Thok Dſchalung in Tibet 4977 Cerro des Pasco in Peru 4352 Cerro de Potoſi in Bolivia (Grube) 4162,2 Huancavelica in Perun 3798 ruro in Bolivia (Stadt) 5 3645 Leadville in den Rody Mountains 3 093,7 Body Mountain, Sierra Nevada in f 2895,6 Silverton in Kolorado 2865 Silver Plume in Kolorado . 276577 Treaſure City, Sierra Newada 2 617,6 Knappenhaus in der Rauris 2341 Böckſtein bei Gaſtein — das Werk 1163 Die Zahlen für die ſüdamerikaniſchen Orte werden wohl mit der Zeit noch genauer feſtgeſtellt werden, auch werden in die oben gegebene Reihe noch manche Gruben einzuſchieben ſein, indeſſen dürfte die angeregte Frage durch die gegebenen Zahlen in der Hauptſache beant⸗ wortet ſein. Stuttgart. Prof. Dr. Leuze. Ueber die Anwendung der Clektrolyſe in der analptiſchen Chemie. Von Dr. G. v. Knorre in Charlottenburg. A ereits ſeit langer Zeit iſt die Zerſetzung el chemiſcher Verbindungen durch den gal- vaniſchen Strom bekannt. Im Jahre 1800 Zerlegung des Waſſers durch den Strom einer Vol— taſchen Säule in Waſſerſtoff und Sauerſtoff; dieſe Beobachtung war für die Chemie inſofern von hoher Bedeutung, als Cavendiſh zwar ſchon gezeigt hatte, daß Waſſerſtoff und Sauerſtoff ſich zu Waſſer ver— binden, aber aller Bemühungen ungeachtet die direkte Zerlegung des Waſſers noch nicht gelungen war. — Sieben Jahre ſpäter gelang es Davy, mecalliſches Kalium und Natrium durch Zerſetzung von Kalium reſpektive Natriumhydroxyd mittels eines ſtarken Stromes zu erhalten; dieſe Entdeckung war von epochemachender Bedeutung, da man bis dahin die Alkalien für einfache Körper gehalten hatte. — Nach dem Vorſchlage von Faraday nennt man die durch den galvaniſchen Strom verurſachte Zerſetzung Elek— trolyſe und den der Zerſetzung unterworfenen Körper Elektrolyt; ferner heißen die in den Elektrolyten eingeführten Poldrähte Elektroden und zwar die negative Kathode, die poſitive Anode. Bei der Elektrolyſe ſcheiden ſich an den Elektroden entweder chemiſch einfache oder zuſammengeſetzte Körper ab. Chlorwaſſerſtoff wird in Chlor und Waſſerſtoff, Chlornatrium in Chlor und Natrium zerlegt. Da— gegen ſcheidet fic) bei der Elektrolyſe des Kupfer⸗ vitriols (CuSO,) an der Kathode Kupfer und an der Anode die Gruppe SO, ab, welche ſofort in Sauerſtoff und Schwefelſäureanhydrid (803) zerfällt; letzteres bildet mit Waſſer Schwefelſäure. In ähnlicher Weiſe werden alle neutralen Salze zerſetzt, wobei ſich ſtets die Metalle (beziehungsweiſe Waſſerſtoff) an der Kathode abſcheiden. Wirkt in- deſſen das Metall auf Waſſer ein, fo tritt noch eine zweite ſekundäre Zerſetzung ein. Wird z. B. eine Humboldt 1890. Löſung von ſchwefelſaurem Natrium (Glauberſalz, Nay SO,) elektrolyſiert, fo ſcheidet ſich an der Kathode zunächſt Natrium ab, aber dieſes zerſetzt Waſſer unter Waſſerſtoffentwicklung und Bildung von Natrium- hydroxyd (NaOH). Die Endprodukte find daher am negativen Pol Waſſerſtoff und Natriumhydroxyd, am poſitiven Pol Schwefelſäure und Sauerſtoff; färbt man zuvor die Löſung mit Lackmustinktur violett, ſo wird die Flüſſigkeit an der Kathode gebläut, an der Anode gerötet. — Es ſcheint, daß flüſſige Verbindungen den gal— vaniſchen Strom überhaupt nur unter gleichzeitiger Zerſetzung zu leiten vermögen. Leitet man einen Strom durch verſchiedene Ver— bindungen, ſo findet man, daß in gleichen Zeiten äquivalente Mengen derſelben zerſetzt werden; dieſes wichtige, ſogenannte elektrolytiſche Geſetz wurde im Jahre 1834 von Faraday entdeckt. Ferner ijt die elektrolytiſche Zerſetzung propor— tional der Stromſtärke und aus dieſem Grunde kann man letztere durch die Menge des Metalls (Kupfers oder Silbers) meſſen, welches ſich in einer beſtimmten Zeit an der Kathode abſcheidet; noch bequemer iſt es, das Volumen des Sauerſtoffs und Waſſerſtoffs (Knallgaſes) zu meſſen, welches der Strom in der Zeiteinheit aus angeſäuertem Waſſer entwickelt. — Bereits ſeit geraumer Zeit findet die Zerſetzung durch den galvaniſchen Strom eine wichtige techniſche Verwendung in der Galvanoplaſtik. Jacobi in Dorpat beobachtete im Februar 1837, daß das in einer Daniellſchen Batterie am Kupferpol ausgeſchiedene Kupfer ſich in zuſammenhängender Form ablöſen läßt und auf das genaueſte die Oberflächenbeſchaffen— heit des Pols wiedergibt. Darauf gründete Jacobi ein Verfahren zur Abformung der verſchiedenſten Gegenſtände mittels des galvaniſchen Stroms und bereits ſeit dem Jahre 1840 wurde die neue Kunſt 15 114 Humboldt. — April 1890. Gemeingut aller Welt. — Neben Jacobi iſt auch Spencer in Liverpool als Entdecker der Galvano⸗ plaſtik zu betrachten, da letzterer im September 1837 ähnliche Beobachtungen anſtellte und gleichfalls bereits 1840 gute Reſultate mittels der Galvanoplaſtik er⸗ zielte. 8 Erſt viel ſpäter dachte man daran, die Elektrolyſe bei der Ausführung chemiſcher Analyſen als Hilfs⸗ mittel zu benutzen. Der bekannte amerikaniſche Che⸗ miker W. Gibbs machte im Jahre 1865 den Vor⸗ ſchlag, Kupferbeſtimmungen durch elektrolytiſche Ab⸗ ſcheidung des Metalles vorzunehmen. Gibbs brachte die Kupferlöſung, in welcher das Metall beſtimmt werden ſollte, in eine genau ge⸗ wogene Platinſchale, verband dieſelbe mit dem nega⸗ tiven Pol einer galvaniſchen Batterie und machte zur Anode einen ſtarken Platindraht, welcher in die Flüſſigkeit tauchte, ohne die Schale zu berühren. Nach einiger Zeit war die Geſamtmenge des Kupfers an der Platinſchale als feſt haftender Ueberzug aus⸗ geſchieden; wurde nun die Schale nach dem Aus⸗ ſpülen und Trocknen wieder gewogen, ſo ergab die Gewichtszunahme die Menge des in Löſung befind- lichen Kupfers. Gibbs wies ferner nach, daß ſich auf elektrolytiſchem Wege eine ſcharfe Trennung des Kupfers vom Nickel ausführen läßt, da nur erſteres Metall in angeſäuerter Löſung ausfällt. In demſelben Jahre erſchien über denſelben Gegen⸗ ſtand eine Arbeit von C. Luckow, in welcher derſelbe die Reſultate von Gibbs beſtätigte und außerdem Angaben über bie elektrolytiſche Beſtimmung von Silber, Blei, Wismut und Mangan machte. — Vier Jahre ſpäter ſchrieb die Mansfelder Ober⸗ Berg⸗ und Hüttendirektion für die beſte Unterſuchungs⸗ methode ihrer kupferarmen Schiefer einen Preis aus. Auf Veranlaſſung dieſer Ausſchreibung arbeitete nun Luckow die Methode zur elektrolytiſchen Beſtimmung des Kupfers bis in alle Einzelheiten aus, ſo daß jetzt dieſe Art der Kupferbeſtimmung als die ſchärfſte und beſte anerkannt werden muß; außerdem iſt die Handhabung der Methode leicht und ſie geſtattet die gleichzeitige Ausführung einer ganzen Anzahl von Analyſen. Die Luckowſche Methode fand bald die günſtigſte Aufnahme in allen Laboratorien, welche regelmäßig Kupferbeſtimmungen auszuführen hatten; die Mans⸗ felder Ober⸗Berg⸗ und Hüttendirektion in Eisleben hatte beiſpielsweiſe 1870 bereits 9000 Kupferbe⸗ ſtimmungen auf elektrolytiſchem Wege ausführen laſſen. — Das elegante Verfahren wurde nach und nach auch zur Beſtimmung anderer Metalle ver⸗ wertet; ſo erfolgte z. B. in der Mansfelder Hütten⸗ direktion die Abſcheidung des Kobalts und Nickels ſeit 1870 ebenfalls auf elektrolytiſchem Wege und zwar wurde die Fällung dieſer Metalle in der mit Ammoniak überſättigten, vom Kupfer befreiten Löſung vorgenommen. — 5 Noch gegenwärtig iſt man unausgeſetzt mit der weiteren Ausbildung dieſes durchaus modernen Teils der quantitativen Analyſe beſchäftigt; mit dem Stu⸗ dium desſelben haben ſich in der Neuzeit (außer Luckow) Beilſtein und Jawein, Smith, Riche, Herpin, Freſenius und Bergmann, Schweder u. a., nament⸗ lich aber Claſſen befaßt, welcher in Gemeinſchaft mit ſeinen Aſſiſtenten ſehr ausgedehnte Unterſuchungen über die elektrolytiſche Abſcheidung der Metalle an⸗ geſtellt und ſpeziell auch die Trennung der ver⸗ ſchiedenen Metalle auf elektrolytiſchem Wege aus⸗ gearbeitet hat. Claſſen hat ſeine Erfahrungen auf dieſem Gebiete in dem Werk „Quantitative chemiſche Analyſe durch Elektrolyſe“ (2. Auflage, Berlin 1886) niedergelegt. — Die Vorteile der elektrolytiſchen Beſtimmungs⸗ methoden find in die Augen ſpringend: neben größerer Einfachheit übernimmt der galvaniſche Strom die Arbeit des Analytikers, ſo daß letzterer Zeit für andere Arbeiten gewinnt. Außerdem erhält man bei richtiger Befolgung der Methode ſo genaue Re⸗ ſultate, wie ſie auch ein geübter Analytiker bei den bisherigen Methoden kaum erhalten konnte; ferner erfordert die Methode keine beſondere Geſchicklichkeit. Vor allen Dingen iſt der Umſtand, daß der Strom die Arbeit des Analytikers übernimmt, von hohem Wert für techniſche Analyſen; der Chemiker in einer Kupfer⸗ hütte braucht jetzt nur am Abend ſeinen elektrolytiſchen Apparat aufzuſtellen und am nächſten Morgen hat der galvaniſche Strom das Kupfer ausgeſchieden, welches nur gewogen zu werden braucht, ohne daß weitere analytiſche Operationen erforderlich wären. Außerdem geſtattet die Methode die gleichzeitige Aus⸗ führung einer ganzen Anzahl von Analyſen und man ſpart das Filtrieren, Auswaſchen, Trocknen, Glühen der Niederſchläge, lauter Operationen, die bei den früheren gewichtsanalytiſchen Methoden nicht zu vermeiden waren. Beiſpielsweiſe wird das Kupfer meiſt in der Weiſe gewichtsanalytiſch beſtimmt, daß man dasſelbe durch Einleiten von Schwefelwaſſerſtoff⸗ gas als Schwefelkupfer ausfällt und den Nieder⸗ ſchlag nach dem Abſitzen mit den erforderlichen Vor⸗ ſichtsmaßregeln filtriert und ſorgfältig auswäſcht; nach dem Trocknen veraſcht man das Filter, fügt die Hauptmenge des Niederſchlags hinzu, glüht im Waſſerſtoffſtrome, bis das Gewicht konſtant geworden und wägt endlich das gebildete Kupferſulfür (Cu,S). Wie viel bequemer und einfacher damit verglichen die elektrolytiſche Ausfällung des Kupfers iſt, braucht kaum hervorgehoben zu werden. — Zur Erzeugung der bei der elektrolytiſchen Ab⸗ ſcheidung der Metalle erforderlichen galvaniſchen Ströme wendet man Elemente von Bunſen, Meidinger und Leclanchs an. Handelt es ſich um die Beſtimmung von Kupfer, Nickel, Kobalt, Queckſilber, Blei u. ſ. w., wozu nur ſchwächere Ströme erforderlich ſind, ſo leiſten die Meidingerſchen Elemente vorzügliche Dienſte; dieſelben liefern lange Zeit hindurch einen konſtanten Strom, entwickeln keine beläſtigenden Gaſe und laſſen ſich leicht friſch füllen. Die früher vielfach ange- wandten und empfohlenen thermoelektriſchen Säulen von Clamond haben ſich nicht recht bewährt, weil ſie leicht ſchadhaft und unbrauchbar werden, fo daß Humboldt. — April 1890. 115 5——— — —¼T —— x ͤ ͤ —ͤü6—— . — die Anſchaffung dieſer teuren Apparate kaum zu em- pfehlen fein dürfte. — Hat man aber viel eleftro- lytiſche Beſtimmungen auszuführen und ſteht eine Dampfmaſchine zur Verfügung, ſo kann man ſich auch mit Vorteil einer kleinen dynamo⸗elektriſchen Maſchine bedienen. — Die elektrolytiſche Fällung der Metalle wird entweder in Platinſchalen oder in Glasgefäßen vor⸗ genommen. In vielen Fällen iſt es am bequemſten, den negativen Pol mit einer dünn ausgeſchlagenen Platinſchale von etwa 200 cem Inhalt und ungefähr 35 g Gewicht zu verbinden; als Anode benutzt man eine horizontal liegende ſtarke Platindrahtſpirale oder auch ein kreisförmiges Platinblech von etwa 4,5 em Durchmeſſer, welches an einem ſtarken Pla— tindraht befeſtigt iſt. — Arbeitet man in Glasge— fäßen, fo find die von der Mansfelder Ober-Berg- und Hüttendirektion benutzten, beſonders geformten alles Kupfer abgeſchieden ), fo gießt man die Flüſſigkeit ab, ſpült mit Waſſer und darauf mit Alkohol aus, trocknet einige Minuten bei 90 bis 100° im Luftbade und wiegt das ausgeſchiedene Kupfer. Um in der abgegoſſenen Flüſſigkeit das Nickel zu beſtimmen, dampft man dieſelbe ein, ſpült ſie in die vom Kupfer befreite Platinſchale, ſetzt Ammonium— ſulfat und Ammoniak im Ueberſchuß hinzu und elek— trolyſiert wiederum; es ſcheidet ſich nun alles Nickel auf der Schale ab. Zum Schluſſe ſeien noch einige allgemeine An— gaben über die elektrolytiſche Abſcheidung der Metalle mitgeteilt. Aus der angeſäuerten Löſung werden durch den galvaniſchen Strom folgende Metalle ausgeſchieden: Kupfer, Silber, Queckſilber, Blei, Wismut, Cad— mium, Platin, Gold, Zinn, Arſen und Antimon? ). Alles Blei und ein Teil des Silbers und Wismuts Fig. 1 Apparate zur elektrolytiſchen Fällung der Metalle. Platinelektroden recht empfehlenswert. Handelt es ſich um die Ausfällung geringer Mengen von Metall, ſo macht man ein eylinderförmig gebogenes Platin— blech zur negativen, einen ſtarken, ſpiralförmig auf— gerollten Platindraht zur poſitiven Elektrode. Sind größere Metallmengen abzuſcheiden, ſo benutzt man als Kathode einen konusartigen Platinmantel. Die Art der Verwendung der Elektroden ergibt ſich aus den Figuren 1 und 2. An dieſer Stelle können ſelbſtverſtändlich nicht alle Einzelheiten, welche bei der Abſcheidung der verſchiedenen Metalle zu beachten ſind, angeführt werden; die Beſchreibung eines kurzen Beiſpiels einer Analyſe durch Elektrolyſe möge genügen. Handelt es ſich z. B. um die Analyſe einer Nickel⸗ münze (Legierung aus Kupfer und Nickel), fo loft man etwa 0,2 bis 0,3 g von derſelben in der vorher beſchriebenen Platinſchale in Salpeterſäure auf, dampft auf Zuſatz von verdünnter Schwefelſäure ein, bis die Salpeterſäure entfernt iſt, löſt die Sulfate von Kupfer und Nickel in Waſſer, verdünnt auf etwa 100—150 cem und elektrolyſiert. Hat ſich ſcheiden ſich dabei an der Anode als Superoxyde ab. Das Kupfer wird auch bei Gegenwart von freier Salpeterſäure quantitativ reduziert, voraus— geſetzt, daß die Löſung nicht mehr als 8% NyO; ent- hält. Ferner fand bereits Luckow, daß bei Gegenwart von freier Säure auch das Mangan ſich an der Anode als Superoxyd quantitativ abſcheidet. — Da Nickel, Kobalt, Eiſen, Aluminium, Zink, Magne— ſium, Calcium u. ſ. w. aus ſaurer Löſung nicht ausfallen, ſo läßt ſich auf elektrolytiſchem Wege bequem eine Trennung dieſer Metalle von den oben genannten bewirken. Das Cadmium ſteht an der Grenze: es fällt aus neutralen Löſungen aus; ſind aber mehr als 1,5 bis 2% freier Mineralſäure in der Flüſſigkeit vorhanden, ſo hört die Ausſcheidung auf. *) Um darüber Gewißheit zu erlangen, neigt man die Schale etwas; es darf ſich dann an der von der Flüſſigkeit berührten friſchen Platinfläche nach einiger Zeit kein Kupfer mehr ausſcheiden. ) Dieſelben Metalle werden in ſaurer Löſung durch Schwefelwaſſerſtoff als Schwefelverbindungen ausgeſchieden. 116 Die folgenden Zahlen ſollen einen Begriff davon geben, wie genaue Ergebniſſe man auf elektrolytiſchem Wege erlangen kann: aus je 20 cem einer Nickel⸗ ſulfatlöſung von bekanntem Gehalt wurde das Nickel unter verſchiedenen Verſuchsbedingungen elektrolytiſch abgeſchieden; bei 16 Verſuchen wurde jedesmal 0,2175 o Nickel gefunden; ferner wurde aus einer Kupferſul⸗ fatlöſung das Kupfer ausgeſchieden und ſchwankte Humboldt. — April 1890. die Menge desſelben bei 12 Verſuchen von 0,2522 bis 0,2527 g. Die elektrolytiſche Beſtimmung liefert — wie erſichtlich — Reſultate, deren Genauigkeit ſich durch gewöhnliche gewichtsanalytiſche Beſtimmung kaum er⸗ reichen läßt; aus dieſem Grunde wird das elegante Verfahren ohne Zweifel immer mehr und mehr an⸗ gewandt werden und immer größere Wichtigkeit erlangen. Die Phyfiologie der Spongien Dr. R. v. Lendenfeld in Innsbruck. Ich habe neuerlich eine Reihe von phyſiologiſchen Experimenten an Spongien gemacht und möchte im folgenden einiges über die weſentlichſten Reſultate derſelben mitteilen. Doch ehe ich hierauf eingehe, will ich eine kurze Schilderung des anatomiſchen Baues der Spongien geben. Die einfachſten Spongien haben (Fig. 1) die Form eines Sackes mit ſiebförmiger, von kleinen Poren durchlöcherter Wand und einem beträchtlich großen endſtändigen Mund. Mit dem Hinterende iſt der Sack feſtgewachſen am Meeresgrund. Die Sack⸗ wand hat Papier⸗ bis Kartondicke und beſteht aus drei Gewebelagen, welche in allen Teilen des Schwam⸗ mes gleichmäßig entwickelt ſind. Die äußere Ober⸗ fläche iſt bekleidet mit niedrigem Plattenepithel, die innere Oberfläche aber mit eigenartig gebauten Ele⸗ menten, ſogenannten Kragenzellen (Fig. 8), welche aus einem länglichen, mehr oder weniger cylindriſchen Plasmaleib mit Zellkern beſtehen, deſſen oberes Ende zipfelförmig zu einer langen Geißel ausgezogen iſt. Den Urſprung der Geißel umgibt ein zarter, kelch⸗ förmiger Hautſaum, der Kragen. Das äußere Plattenepithel iſt ektodermal, das innere Kragen⸗ zellenepithel entodermal. Zwiſchen beiden liegt eine zarte Gewebelage, die Zwiſchenſchicht, die aus einer weichen, gequollenem Leim ähnlichen Grundſubſtanz beſteht, in welcher verſchiedenartige Elemente: ſtern⸗ förmige Bindegewebszellen (Figur 7, h), amöboide Wanderzellen (Figur 7, g), Eizellen, Spermaballen, kontraktile Zellen, ſkelettbildende Zellen und das Skelett, liegen. Solche einfachere Spongien ſind die Asconen unter den Kalkſchwämmen und die neuerlich von Häckel beſchriebenen Ammoconiden unter den Silicea — vorausgeſetzt, daß dieſe zweifelhaften Organismen wirklich Spongien ſind. Der erſte Schritt zu weiterer Entwicklung beſteht darin, daß die Zwiſchenſchicht ſich verdickt und die Sackwand ſich faltet (Fig. 2). Während dieſer Prozeß andauert, ziehen ſich die Kragenzellen auf die Faltenbuchten — Divertikel — der Leibeshöhle zurück. In der Wand des zentralen Teiles derſelben, des eigentlichen Gaſtralraumes, werden ſie von Platten⸗ zellen — entodermalen Plattenzellen — erſetzt (Fig. 3). Durch weitere Dickenzunahme der Zwiſchenſchicht — die Epithelien bleiben ſtets einfach und dünn — werden die Faltenbuchten zu Kanälen verengt (Fig. 4) und wir können bereits ein einführendes und ein ausführendes Kanalſyſtem unterſcheiden. Das erſtere beſteht aus zahlreichen, baumförmig verzweigten Ka⸗ nälen, die von den Hautporen nach innen abgehen und ſich hier verzweigen. Das letztere iſt zuſammen⸗ geſetzt aus dem zentralen Gaſtralraum und eben⸗ falls baumförmig verzweigten Kanälen, die von dieſem abgehen. Die Zweige der beiden Kanalſyſteme greifen ineinander. Ihre Enden ſind verbunden durch Er⸗ weiterungen — die Geißelkammern. In dieſe münden von außen die Endzweige des einführenden Syſtems ein, und von ihnen entſpringen die Endzweige — man könnte ſagen Wurzeln — des ausführenden Syſtems. Die Kragenzellen find auf die Geißel⸗ kammern beſchränkt. Eine weitere Komplikation (Fig. 5) kommt zu⸗ nächſt dadurch zu ſtande, daß an den Eingängen in die einführenden Kanalſtämme, das iſt im Umfange der Hautporen, kontraktile Sphinkter gebildet werden, welche dieſe Zugänge verengen. Bei vielen Spongien treffen wir ſtatt der ein⸗ fachen Porenſphinkter (Fig. 5) Siebe an, welche die Hautporen überbrücken (Fig. 6). Die Poren in dieſen Sieben ſind klein und kontraktil. Aehnliche Siebe entwickeln ſich an den Eingängen in die Geißel⸗ kammern (Fig. 6). Die letzeren haben bei den höheren Spongien ſtets nur eine Ausführungsöffnung, aber in der Regel mehrere Einſtrömungsporen. Die Geißelkammern, auf welche die eigentüm⸗ lichen Kragenzellen beſchränkt ſind, erſcheinen nur ſelten unregelmäßig lappig, wie bei gewiſſen Hexac⸗ tinelliden und Kalkſchwämmen (Sycandra Fig. 10). In der Regel find fie oval, wie bei Aplysilla (Fig. 6) und vielen Hexactinelliden, oder kleiner und kuglig oder birnförmig, wie bei den Leuconiden (Fig. 5), den meiſten Hornſchwämmen (Badeſchwamm, Fig. 7) und den meiſten Kieſelſchwämmen, mit Ausnahme der Hexactinelliden. Die Geißelkammern (Fig. 7) ſind die wichtigſten Organe des Schwammes. Sie werden ausgekleidet von den oben beſchriebenen Kragenzellen, deren lange Geißeln ſie, wenn ſie klein ſind, ganz ausfüllen. Faſt alle Spongien beſitzen ein Skelett. Nur einige rudimentäre Gattungen find ſkelettlos. Das Humboldt. — April 1890. 117 Skelett beſteht entweder aus zwei bis vierſtrah— ligen Kalknadeln (Kalkſchwämme), oder aus ein- bis vielſtrahligen Kieſelnadeln (Kieſelſchwämme), oder endlich aus hornartigen Faſern, welche meiſtens ein Netz bilden, wie beim Badeſchwamm (Hornſchwämme). Das Hornſkelett der letzteren enthält in der Regel Fremdkörper, Sand und dergleichen, welche vom Schwamme zum Aufbau ſeiner Faſern verwendet werden. Zuweilen ſind dieſe Fremdkörper ſo maſſen— haft, daß ſie den ganzen Schwammkörper erfüllen und faſt nichts vom Hornſkelett mehr übrig bleibt. Auch viele Kieſelſchwämme produzieren Hornſubſtanz, mittels welcher die Skelettnadeln zuſammengekittet werden. Aus dem Ei des Schwammes entwickelt ſich nach der Befruchtung ein Embryo, der eine Zeitlang frei herumſchwimmt, ſich dann feſtſetzt und zu einem Schwamme auswadft. Die Zellen, welche das Kanalſyſtem und die äußere Oberfläche des Schwammes bekleiden, tragen je eine Geißel (Fig. 7) — die Plattenzellen ſowohl als die Kragenzellen. Dieſe Geißeln nun, beſonders jene der Plattenzellen in den Kanalwänden, ſchwingen fortwährend in der Längsrichtung des Kanals. Sie ſind nach der einen Seite biegſam, nach der anderen nicht, biegen ſich daher bei ihrer pendelartigen Schwingung, wenn ſie nach der einen Richtung ſchwingen, bleiben aber geſtreckt bei der Schwingung in der entgegengeſetzten Richtung. Sie wirken des— halb ſtromerzeugend und zwar liefern ſie einen zentri— petalen Strom, weil ſie nach innen biegſam, nach außen ſtarr ſind. Der Waſſerſtrom durchzieht konſtant die Kanäle und Geißelkammern des Schwammes. In die kleinen Hautporen ſtrömt das Waſſer ein, und vom großen Munde des Sackes, dem Oskulum, ſtrömt es aus. Es iſt klar, daß dieſer Waſſerſtrom für das Leben des Schwammes von der allergrößten Bedeutung ſein muß, und daß die Ernährung des Schwammes auf demſelben beruht. Gleichwohl wußte man nicht, welche Teile des Schwammes die Nahrung aufnehmen, und in welcher Weiſe dies geſchieht; und ebenſo war man im unklaren über die Bewegungen, welche im Schwammkörper vor ſich gehen und wie ſie vollzogen werden. Um über die Lebenserſcheinungen der Spongien einige Aufſchlüſſe zu erlangen, beſchloß ich eine Reihe von phyſiologiſchen Experimenten mit ihnen anzuſtellen. Zuerſt wurden die Spongien — ich experimen: tierte mit 18 verſchiedenen Arten — mit Karmin, Stärke und Milch gefüttert, und zwar in der Weiſe, daß kleine Exemplare der zu fütternden Arten in Aquarien gebracht wurden, deren Waſſer durch einen konſtanten Luftſtrom friſch und in Bewegung er— halten wurde, ſo daß die Karmin- und Stärke— körner ſich nicht am Boden des Aquariums ab— ſetzen konnten. In dieſe Aquarien wurde dann fein zerriebener Karmin, beziehungsweiſe Stärke oder Milch (geſalzene Milch) gebracht. Die Spongien wurden 1% bis 36 Stunden in dieſen Miſchungen gehalten und dann entweder gleich gehärtet und getötet, oder vorher noch 2½ bis 72 Stunden in reinem Meer— waſſer gehalten und erſt dann getötet. Die Karminſchwämme und einige Stärkeſchwämme härtete ich in ſtarkem Alkohol. Andere Stärkeſchwämme wurden in Jodtinktur gehärtet. Die Milchſchwämme wurden mit Osmiumſäure behandelt. Sämtliche ge— fütterte Spongien wurden dann mit abſolutem Alkohol entwäſſert, in Paraffin gebettet und am Handmikro— tom in Serien abwechſelnd dicker und dünner Schnitte zerlegt. Durch Vergleichung der Schnittſerien ver— ſchieden lange gefütterter, beziehungsweiſe verſchieden lange nach der Fütterung in reinem Meerwaſſer gehaltener Exemplare erlangt man einen Einblick in die Verhältniſſe der Nahrungsaufnahme. Nachdem ich hierüber im reinen war, wendete ich mich dem Studium der Giftwirkungen auf- Spon— gien zu. Ich experimentierte mit Morphin, Strychnin, Digitalin, Veratrin, Cocain und Curare in Stärken von 1: 15000 bis 1: 100. Einige Schwämme wurden kurze Zeit (5 Minuten) einer ſtarken (1: 300 bis 1: 100) Giftlöſung ausge- ſetzt und dann in Osmiumſäure gehärtet. Die übrigen wurden vergiftet und mit Karmin gefüttert. Sie lagen mehrere Stunden in ſchwach vergiftetem Kar— minwaſſer oder wurden zuerſt kurze Zeit mit ſtarkem Gifte behandelt und dann mehrere Stunden in gift— freiem Karminwaſſer gehalten. Alle dieſe Giftkar— minſpongien wurden in ſtarkem Alkohol gehärtet. Sämtliche Giftſpongien wurden wie die einfach gefütterten in Schnittſerien zerlegt. An dem Grad der Kontraktion und der Geſtalt der Hautporen, Kanäle und Geißelkammern, an der Form und dem Erhaltungsgrade der Zellen, ſowie an der Verteilung des Karmins in den Giftfarmin- ſpognien läßt ſich die Wirkung der Gifte erkennen. Im ganzen wurden 149 Verſuche gemacht. Reſultate der Fütterungsverſuche. Obwohl ſich die Poren der in Karmin- und Stärkewaſſer gehaltenen Spongien anfänglich kontra— hieren, weil das Anſtoßen der Körnchen an die Ränder der Porenſphinkter eine Zuſammenziehung der letzteren veranlaßt, ſo gelangen dieſe Körper doch nach einigen Stunden in das Innere des Schwam— mes, weil der Waſſerſtrom nicht länger vom Schwamme entbehrt werden kann und die Sphinkterkontraktion deshalb nachläßt. Milch verurſacht in der Regel keine Porenkontraktion und die Milchkügelchen ge— langen ſogleich in das Innere. An der äußeren Oberfläche und in den Kanal- wänden haften in der Regel nur wenige der Körner oder Milchkugeln. Die Kragenzellen aber nehmen große Maſſen von ihnen auf (Fig. 9 bis 14). Nur die Stärkekörner, welche zu groß ſind, werden nicht aufgenommen. Die Kragenzellen leiden durch die Karminaufnahme, verlieren die Geißel (Fig. 11), dann auch den Kragen und ſchrumpfen ſchließlich zu unregelmäßig klumpigen Gebilden zuſammen (Fig. 9). Nach zwei Tagen etwa ſtoßen die Kragenzellen den 118 Numboldt. — April 1890. aufgenommenen Karmin wieder aus und bilden Kragen und Geißel aufs neue. | letzteren ſind beweglich, kriechen im Schwammkörper herum und beſorgen den Nahrungstransport. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 1-5. Schematiſche Darſtellung der Entwicklung eines Schwammes mit vefikulärem Kanalſyſtem aus der einfachen Urform. Längsſchnitte. Die Pfeile deuten die Richtung des Waſſerſtroms an. Die dunklen Linien bezeichnen die Lage des Kragenzellenepithels. Fig. 1. Sackförmiger Schwamm mit dünner, ſiebartig durchlöcherter glatter Wand. Die ganze Innenwand ijt mit Kragenzellen ausgekleidet (dunkel). Fig. 2. Die Sackwand faltet und verdickt ſich. Die Einſtrömungsporen gruppieren ſich. Die ganze Innenwand ijt mit Kragenzellen ausgekleidet. Fig. 3. Der Faltungs⸗ und Verdickungsprozeß ſchreitet fort. Die Kragenzellen ziehen ſich auf die Divertikel zurück, welche fie kontinnierlich bekleiden. Fig. 4. Die forkgeſetzte Faltung und Verdickung der Sackwand führt zur Bildung von ein und ausführenden Kanälen. Die Kragenzellen bekleiden nur mehr die Anfänge der ausführenden Kanäle. n ein- u! usführenden 5 en be d 0 0 Fig. 5. Fertiger Schwamm. Sphinkter ver: engen die Eingänge in die einführenden Kanalſtämme. Die Kragenzellen find auf rundliche Erweiterungen des Kanalſyſtems — Geißelkammern — beſchränkt. FHR Fig. 7. Fig. 6. Schematiſche Darſtellung eines Schnittes durch Aplysilla, ſenkrecht zur Oberfläche. Das Kragenzellenepithel (in den ovalen Geißeltammern) iſt durch dunkle Linien bezeichnet. Die Pfeile zeigen die Richtung des Waſſerſtroms an. Fig. 7. Längsſchnitt durch eine Geißelkammer des Badeſchwammes (etwa 1000 : 1). a Ektodermales Plattenepithel des einführenden Kanals. b Entodermales Plattenepithel des ausführenden Kanals. c Kragenzellen. d Kammerporen. f Kammerlumen. g Amöboide Wanderzellen. h Sternförmige Bindegewebszellen. Die Milchkügelchen werden von den Kragenzellen Reſultate der Vergiftungsverſuche. aufgenommen (Fig. 13, 14), teilweiſe verdaut und Gifte bewirken meiſt Kontraktion oder Verſchluß dann an die Wandzellen (Fig. 7, 9) abgegeben. Die der Hautporen, ſowie eine Zuſammenziehung der 1 „ 05 Fig. 6. e Kammermündung Humboldt. — April 1890. 119 oberflächlichen Schwammpartien. Beſonders ſtark zu— ſammenziehend wirkt Strychnin auch in nur 1: 15000 ſtarker Löſung. Kurz (5 Minuten) einwirkende, ſtarke Löſungen von Morphin und Digitalin, im ausgedehnteſten Maße aber von Cocain (Fig. 20) (Fig. 1 bis 520) Fig. 10. 0 ox 5 1 204 vel 985 0 5. Chee K Von 55 9 28 508 2865 OYoe20 084 00% ed nd g np Wy 0 60. 9 eee eee e de e e ye: Lite assays e e, ee Ses te eapeses 1 Cr 685 0.00) 8, 00 oe 1 oF 00 254 bo! bewirken Lähmung der Kammerporen, welche ſich dann, wenn der Schwamm in Osmiumſäure gehärtet wird, nicht zuſammenzuziehen vermögen und daher größer find als in den unvergifteten Kontrollexem— plaren (Fig. 17). Das Epithel geht an der äußeren Oberfläche ogy.20y beogsg 8 A8 8 ee esse BSR eee ee, ee ue 78 SBS Roc ee 8 10 et vt et Jos 2 7850 5 75 ee Pace 800865 5 885 x 8 7 ry i 77955 9 op 5 3 SPIES 0 bad! 20's 638885 2280 Sa euenapos po 85 040, 00 8 80 oi Wo Mabe S, 885 J 4 x 2 e ine % Gabe “Creede 8 2 yy 25 Lo ee 0 2208 „ OL 55 Sede e Ree e Bt, Jie: e Wisse e jess tice, leaaate te Py ae Pet 9855 e A 7 thes ie” (anergy at 2: 0 cory ce 57 8 4 0 N A 15 oe eben, Bere ee int Sine ff Co EA ie Hecke s ee 2 8908 es N ee e ee, ee ee ee ae Bete SSM, lee Beer whe oss | Peano 1 BU UNE BC AE Gast poe at “a Hue iia Lssieainee paged Ve . 2 N . 8 05 n eee, ee eder -e TERR 85 NB? eee Fig. 16. Fig. 1 Fig. 18. Fig. 19. Jig. 20. . ig. 8. Kragenzellen eines Kalkſchwammes (Sycandra) nach dem Leben. 1000: 1. 0 ig. 9-12. Mit Karmin gefütterte Spon ien. ig. 9. Spongelia. 15 Min. in Curarelöſung, dann 3,5 Stdn. in reinem Karminwaſſer. Schnitt durch eine Geißeltammer (600 1. Fig. 10. Sycandra. 17 Stdn. in Karminwaſſer. Querſchnitt durch den mittleren Teil des Schwam mes (30:1). Fig 11. Syeandra. 10 Stdn. in Karminwaſſer. Querſchnitt durch die Geißellammerwand Gruppe von Kragenzellen (800 : 1). Fig. 12. Sycandra, 10 Stdn. in Karminwaſſer. Flächenanſicht der Kammerwand; Kragenzellen mit einer Kammerpore (oc . Fig. 13. 14. Kragengellen einer mit Milch durch 5,5 Stdn. gefütterten und dann in Osmiumſäure gehärteten Sycandra. Fig. 13. Flächenanſicht einer Gruppe von Kragenzellen (500: /, Fig. 14. Eine Kragenzelle von der Seite (1200 : 1) Fig. 15-20. Flächenanſicht der Kammerwand von 5 Min. mit ftarfen Giften behandelten und dann in Osmiumſäure gehärteten Sycandren (200 : 1). Fig. 18. Strychnin. Fig. 16. Curare. Fig. 17. Unvergiftet ur Kontrolle). Fig. IS. Morphin. Fig. 19. Digitalin. Fig. 20. Cocain. Fig. 21-23. Kragenzellen von mit Curare vergifteten Syeandren. Fig. 21. 5 Stdn. in e in Karminwaſſer. Querſchnitt durch die Kammerwand (g 1). a Kammerlumen, b Kragenzellen, c eine Kammerpore, d Lumen des einführenden Kanals, e ettoderma Rragengelle (1000 : 1). Fig. 23. 5 Stdn. in Curarelöſung in Karminwaſſer. Eine agenzell e (1000: 1). es Plattenepithel, f ambboide Wanderzellen, g ſternförmige ee Sig. 22. 5 Stdn. in Gurarelifung in Karminwaſſer. Eine a; 120 Humboldt. — April 1890. meiſt verloren, während es in den Kanalwänden intakt bleibt. Am ſtärkſten wirkt auf dasſelbe Vera⸗ trin, am ſchwächſten Cocain. Viel ſtärker beeinflußt als die verhältnismäßig unveränderlichen Elemente des Plattenepithels ſind die Kragenzellen der Geißelkammern, beſonders jene in den oberflächlichen Kammern. In erſter Linie verurſachen die Gifte eine Bie⸗ gung und dann eine Verkürzung der Geißel, weiters faltet ſich der Kragen longitudinal, ſchrumpft dann zuſammen und geht verloren. Die Geißel erhält ſich, wenngleich ſtark verkürzt, häufig in Geſtalt eines zipfelförmigen Zellanhanges, nachdem der Kragen geſchwunden iſt. Schließlich ſchwindet auch dieſer Geißelreſt, die ganze Zelle kontrahiert ſich longitu⸗ dinal, verliert ihre regelmäßige Form und nimmt eine klumpige Geſtalt an. Die beſterhaltenen Kragen⸗ zellen werden bei Sycandra (5 Minuten in 1: 100 Cuz rare, in Osmium gehärtet) angetroffen. In der That ſind die Kragenzellen dieſer Curareſycandren viel beſſer erhalten als jene in unvergifteten Osmium⸗ präparaten. Auch bei den längere Zeit in ſchwachem, (1: 15000, 1: 5000) Curare gehaltenen Sycandren ſind die Kragenzellen ſehr ſchön erhalten; doch be⸗ merken wir bei dieſen eine Einziehung des diſtalen Geißelteils, welche zur Folge hat, daß die Geißel zur Länge des ſchlank kelchförmigen Kragens redu⸗ ziert iſt und am Ende — im Niveau des Kragen⸗ randes — eine knopfförmige Terminalverdickung trägt (Fig. 21 bis 23). i An der Oberfläche von Exemplaren, die in ver⸗ giftetem Karminwaſſer gehalten wurden, haften häufig Farbſtoffkörner: ſie iſt klebrig. Das Innere der Karmingiftſpongien iſt meiſtens frei von Farbſtoff. Bei Hircinia (½ Stunden in 1: 200 Cocain, dann 3½ Stunden in giftfreiem Karminwaſſer) finden ſich pfropfartige Karminagglomerate an vielen Hautporen. In den Kammern wird Karmin vorzüglich bei Spongelia und Sycandra angetroffen, bei Spongien alſo, deren weitklaffende Kanäle dem Zutritt des vergifteten Karminwaſſers kein Hindernis entgegen⸗ zuſetzen vermögen. Was die Verhinderung der Kar⸗ minaufnahme in den Kragenzellen der Kammern anbelangt, ſo wirkt am ſtärkſten Veratrin, dann Digi⸗ talin, Strychnin, Morphin, Cocain und am ſchwächſten Curare. Folgende Schlüſſe laſſen ſich aus dieſen Beobach⸗ tungen ziehen: Die Aufnahme der Nahrung geht nicht an der äußeren Oberfläche, ſondern im Innern des Schwam⸗ mes vor ſich. Nur die Fremdkörper, welche von vielen Hornſchwämmen und auch einigen anderen zum Aufbau des Skeletts verwendet werden, gelangen direkt, ohne einen Teil des Kanalſyſtems zu paſſieren, ins Innere des Schwammkörpers. Wohl haften öfters Karminkörner und dergleichen an den flachen Zellen der Kanalwände, aber eigentlich aufgenommen werden kleine, im Waſſer ſuſpendierte Körper (Karmin, Milchkügelchen) nur von den Kragen⸗ zellen in den Geißelkammern. Dieſe Zellen erfüllen ſich ganz mit den Karmin⸗ körnern oder Milchkügelchen, nicht aber mit Stärke⸗ körnern, welche zu groß ſind, um von ihnen aufge- nommen zu werden. Sie ſinken dann, wenn ſie ſich vollgefreſſen haben, nicht in die Tiefe, wie einige Autoren angenommen haben, ſondern bleiben an Ort und Stelle. Unbrauch⸗ bare Dinge, wie Karminkörner, werden von den Kragenzellen nach einigen Tagen wieder ausgeſtoßen, nahrhafte Subſtanzen aber, wie die Milchkügelchen, werden teilweiſe verdaut und dann an die Wander⸗ zellen der Zwiſchenſchicht abgegeben, welche den Nah⸗ rungstransport beſorgen. Die Karminkörner, welche man ausnahmsweiſe in den Wanderzellen findet, ſind nicht von den Kragenzellen an die Wanderzellen ab⸗ gegeben worden, ſondern ſind ſolche, welche an ver⸗ letzten Hautſtellen zufällig in die Zwiſchenſchicht hinein⸗ gelangt ſind. Der Schwamm kontrahiert ſeine Poren, wenn ſchädliche Dinge, wie Gifte, ſich im Waſſer in Lö⸗ ſung befinden. Die Wirkung der Gifte auf die kontraktilen Elemente des Schwammkörpers iſt ſehr ähnlich der Wirkung derſelben Gifte auf die innervierten Muskeln höherer Tiere. Beſonders auffallend iſt in dieſer Hinſicht der Krampf der Strychninſpongien und die Lethargie — anderen Reizen gegenüber — der mit hinreichend ſtarkem Cocain behandelten Schwämme. Da nun dieſe Gifte bei höheren Tieren nicht direkt auf die Muskeln, ſondern auf die Nerven, und nur indirekt, durch dieſe, auf die kontraktilen Elemente einwirken, und da bei den Spongien dieſe Gifte eine ähnliche Wirkung haben, wie bei den höheren Tieren, ſo ſcheint die Annahme wohl nicht ungerechtfertigt, daß auch die Spongien nervöſe Zellen beſitzen, welche die Muskeln zur Kontraktion veran⸗ laſſen. 0 g Die ſchlagenden Geißeln erzeugen einen Waſſer⸗ ſtrom, welcher den Schwamm, ſolange ſich dieſer wohl befindet, konſtant durchzieht. Die Kragenzellen entnehmen dem vorbeiſtrömenden Waſſer feſte und flüſſige — aufgelöſte — Sub⸗ ſtanzen: Das Unbrauchbare ſcheiden ſie wieder aus, das Brauchbare geben ſie an die Wanderzellen ab. Die Poren verhindern durch ihre Senſitivität das Eindringen ſchädlicher Subſtanzen ins Innere des Schwammes. Von allen Tieren hat der Schwamm die größte phyſiologiſche Aehnlichkeit mit einer Pflanze; wie dieſe wird der Schwamm durchzogen von einem Waſſerſtrom, welcher die Nahrung heranbringt. Humboldt. — April 1890. 121 Grund waffer und Typhus. „Grundwaſſer und Typhus“, das bekannte Stichwort im alten Streite der Kontagioniſten und Loka— liſten, hat Profeſſor Dr. Brückner in Bern zum Titel einer intereſſanten kleinen Schrift gewählt, in welcher er Licht in das Dunkel der Entſtehungsweiſe einer großen über zwei Jahre ſich erſtreckenden Typhusepidemie in Hamburg zu bringen ſucht. Bekanntlich hat Buhl auf einen merk— würdigen Zuſammenhang zwiſchen dem An- und Abſchwellen der Typhuserkrankungen in München mit den Grund- waſſerſchwankungen aufmerkſam gemacht. Derſelbe beſteht darin, daß mit Sinken des Grundwaſſers die Zahl der Typhuserkrankungen fteigt, mit ſteigendem Grundwaſſer— ſtand aber fällt. Solange man die Urſachen der In— fektionskrankheiten in gewiſſen Zerſetzungsvorgängen im Boden ſuchte, dachte man ſich die Entſtehung des Typhus auf verunreinigtem Untergrunde in der Weiſe, daß die zerſetzungsfähigen (und als ſolche krankheitserregenden) Stoffe der Zerſetzung anheimfallen und krankheitserzeugend wirken, ſobald das Grundwaſſer, welches ſie zuvor bedeckt hatte, ſich von ihnen zurückzieht (ſinkt) und ſo der Luft (Grundluft), dem für die Zerſetzung nötigen Faktor, Platz macht. Steigt das Grundwaſſer wieder höher, ſo ver— drängt dasſelbe die Luft wieder und damit müſſe der ſchädliche Zerſetzungsvorgang — die Urſache der Epidemie — ſein Ende erreichen. Ein mit München übereinſtimmen— des Wechſelverhältnis zwiſchen Grundwaſſer und Typhus wurde nun auch beſonders von Soyka für verſchiedene andere Städte, ſo für Berlin, Frankfurt a. M., Bremen, Salzburg ermittelt und Brückner konnte bezüglich der Typhusbewegung in früheren Jahren in Hamburg ein übereinſtimmendes Verhalten ermitteln, indem er in glücklicher Weiſe für die in Hamburg fehlenden Grund- waſſerſtandsmeſſungen die Flußwaſſerſtände heranzog und nachwies, daß dies bei den dortigen Verhältniſſen ein ein— wandfreies Verfahren iſt. Brückner, welcher ſelbſt völlig auf dem iokaliſtiſchen Boden ſteht, fiel nun aber ſelbſt die völlige Inkongruenz der letzten gewaltigen Hamburger Epidemie mit den Grundwaſſerſchwankungen auf. Während nämlich, vom Jahre 1838 an gerechnet, der Typhus in Hamburg ſtetig abnahm und zwar von 14 bis 19 jahr- lichen Todesfällen auf 10000 Einwohner auf 2 bis 3 Todes— fälle auf 10 000, ſtieg die Zahl ſeit 1885 bis auf 9 Todes— fälle auf 10000 Einwohner. Mit dieſer Steigerung trat eine völlige Umkehrung des Typhusganges ein; derſelbe war früher eine Sommerepidemie geweſen mit dem Maz rimum im Auguſt und wurde nun eine Winterepidemie mit dem Maximum im Dezember; die Kurve des Grund— waſſerſtandes blieb dabei in unveränderter Ueberein— ſtimmung mit den Vorjahren. Brückner hebt nun hervor, daß die Epidemie, welche ſich über die Jahre 1884—1887 Humboldt 1890. hinzog, mit dem Beginn der für den Zollanſchluß Sam- burgs zu erſtellenden Hafenbauten einſetzte und mit der Beendigung dieſer Arbeiten erloſch. Die Urſache dieſer großen Epidemie möchte Brückner in der Aufwühlung der Erde bei den erwähnten gewaltigen Erdarbeiten ſuchen, welche „enorme Maſſen von durchfeuchtetem und trocknen— dem Erdreich, den Wohnſitz zahlloſer Bakterien mit der Luft in Berührung brachten und ſo den Krankheitskeimen Gelegenheit boten, in die Nähe des Menſchen vorzudringen.“ ; Es berührt den Kontagioniſten, welcher die batterio- logiſchen Thatſachen mit der Grundwaſſertheorie in ſchroffem Widerſpruche ſieht, wohlthuend, wie ein dem heißen Streite der Meinungen ferner ſtehender Gelehrter — Brückner iſt Meteorolog — durch Nachdenken und freie Objektivität die Wahrheit da findet, wo ſie meiſtens liegt: in der Mitte. Durch die neueſten Unterſuchungen iſt feſtgeſtellt, daß die Typhusbacillen, welche ja gleich den Cholerabacillen den menſchlichen Darmkanal als Infektionspforte wählen, ſich dieſen inſofern nicht gleich verhalten, als ſie auch in ge— trocknetem Zuſtande ſich noch recht lange Zeiträume — ſelbſt Jahre ſind beobachtet — entwickelungsfähig erhalten können. Damit iſt die Möglichkeit gegeben, daß ſich die— ſelben auch in ſtaubförmigem Zuſtande verbreiten, bei— ſpielsweiſe auf die Nahrungsmittel der Menſchen nieder— fallen und, mit dieſen genoſſen, Infektion vom Darm aus bewirken können. Ob bei der Hamburger Epidemie, wo der ſeit Jahrhunderten gewiß mit Infektionsſtoffen aller Art beladene Boden nun einmal gründlich aufgewühlt und zerſtäubt wurde, der Typhus auf die von Brückner ver— mutete Weiſe entſtanden iſt, ob die Waſſerverſorgung, welche nach Brückner „ſchlecht genug, unfiltriertes Elbwaſſer mit einer reichen Fauna“ die Epidemie hervorgerufen hat, iſt hier nicht der Ort zu unterſuchen; nur ſo viel ſei dem Referenten zu ſagen verſtattet, daß es wohl keinen ſo fa— natiſchen Kontagioniſten gibt, welcher, wie Brückner meint, Verunreinigung des Trinkwaſſers „einzig und allein“ als Urſache von Typhus-Epidemien betrachtet, daß aber an der Spitze derjenigen Richtung, welche der Wafferverfor- gung einen ſehr bedeutenden Einfluß auf die Ausbreitung von Cholera und Typhus zuſchreibt, und welche die Wechſel— wirkung zwiſchen Grundwaſſer und Typhus als eine zwar noch nicht völlig aufgeklärte, aber für die Entſtehung der Epidemien ziemlich belangloſe Sache betrachten, kein ge— ringerer ſteht als Robert Koch. Durch ihn hat die durch die Pettenkoferſche Lehre lange zurückgedrängte Würdigung der kontagioniſtiſchen Anſchauung allerdings von neuem eine breite, auf exakt beobachteten Thatſachen aufgebaute Grundlage erhalten. Wie ſich die Grundwaſſertheorie damit abzufinden hat, muß die Zeit lehren. Ulm. Dr. H. Jaeger. 16 122 Humboldt. — April 1890. Die Sambaquis Brafiliens. Mit obigem Namen bezeichnet man die mit den Kjök⸗ kenmöddinger (Küchenabfallhaufen) Dänemarks in mehr⸗ facher Hinſicht übereinſtimmenden Muſchelhaufen, welche in der braſilianiſchen Provinz St. Katharina insbeſondere in der Nähe der Städte Laguna und Sao Francisko zahlreich vertreten ſind und die, obwohl ſchon ſeit geraumer Zeit zu induſtriellen Zwecken (Kalkgewinnung) ausgebeutet, doch erſt in neueſter Zeit wiſſenſchaftlich durchforſcht wurden. Nach K. von den Steinen und A. von Eye (vgl. Zeitſchrift für Ethnologie Bd. XIX S. 445 und 531 ff., ſowie Bd. XX S. 220 ff.) ſind die Sambaquis in der Regel nicht an freier See, ſondern an Lagunen und geſchützten Meerengen, hie und da wohl auch mehr landeinwärts auf flachem Terrain, deſſen Niveau ſich nur um einige Meter über den Meeresſpiegel erhebt, gelegen, ſo daß man an eine negative Strandlinienverſchiebung zu denken genötigt iſt. Sie ſind Dünen oder Felſen, deren Mehrzahl wahrſcheinlich früher Inſeln war, entweder in Form iſolierter Hügel von 4—8 m Höhe aufgelagert oder an eine ehemalige Steilküſte als ein nach unten verbrei⸗ terter Vorſprung ſich anlehnend. Sie zeigen ſich aus drei verſchiedenen Schichten zuſammengeſetzt, die im allgemeinen wohl voneinander unterſchieden werden können; nämlich: 1. Muſcheln, 2. Sand bezw. Humus, 3. eine mit Muſcheln vermiſchte Anhäufung von Fiſchgräten und anderen or⸗ ganiſchen Reſten, die in Braſilien unter dem Kollektiv⸗ begriff „Immundicia“ (d. h. Unrat) zuſammengefaßt werden. Während ein unweit Luis Alvez gelegener Sam⸗ baqui vorwiegend aus den Schalen der Corbula, einer jetzt in Brasilien ausgeſtorbenen Brackwaſſermuſchel, beſteht, liefert bei anderen eine noch jetzt lebende kleine Sypho⸗ nate, in Braſilien ,Berbigao“ genannt, die größte Maſſe der Muſchelſchicht; dagegen ſind die Auſtern und Mies⸗ muſcheln (Mytilus edulis), welche bei den däniſchen Muſchelhaufen das Hauptkontingent von Schalen geſtellt haben, in den Sambaquis im allgemeinen wenig zahlreich vertreten und die Herzmuſchel (Cardium edule) ſcheint vollſtändig zu fehlen. Auch Reſte von Säugetieren und Vögeln fehlen gänzlich; anderſeits kommen Anhäufungen von Seeigelſtacheln nicht ſelten vor. Die obenerwähnte Immundicia⸗Schicht iſt häufig von kleinen Holzkohle⸗ und Knochenkohlefragmenten durchſetzt. Für das hohe Alter der Sambaquis ſpricht neben den geologiſchen Verände⸗ rungen (Verſchiebung der Strandlinie) die in der Regel weit fortgeſchrittene Zerſetzung der Muſchelſchalen, die es mitunter unmöglich macht, die einzelnen Species genau zu beſtimmen. Auch die in den Sambaquis aufgefundenen menſchlichen Ueberreſte ſind meiſt in hohem Grade zerſetzt, die Schädel in der Regel brüchig und morſch, die Knochen häufig zu einer roten Erde verwittert. Von beſonderer Wichtigkeit iſt ein tiefgelegener vollſtändiger Schädel, an welchem auch der Unterkiefer noch erhalten iſt und der beim erſten Blick durch die niedrige Stirn, die vortretenden Augenknochen und die unverhältnismäßig großen Kau⸗ werkzeuge auf einen niedrigen Stand menſchlicher Bildung hinweiſt. Die zahlreich gefundenen Zähne zeigen ein feſtes Gefüge, ſind aber gleichmäßig glatt abgekaut. Arm⸗ und Beinknochen ſind ſo zerſchlagen, daß man dem Bruche an⸗ ſieht, das Mark ſei ausgeſchlürft worden. Es fanden ſich ſolche zum Teil angebrannt auch an Feuerſtellen, ſo daß die Vorſtellung des Kannibalismus nahe tritt. In einem Knochen fand ſich noch ein Holzſpan, welcher die Stelle des Löffels vertreten zu haben ſcheint. Da wo ſich die urſprüngliche Lagerung der Skelette noch erkennen ließ, fanden ſich dieſelben in horizontaler Lage. Weitaus die meiſten Skelette der Sambaquis wurden in den oberen Schichten der Ablagerung angetroffen. Topfſcherben wurden bisher nur in der Umgebung, nicht aber im Inneren der Sambaquis angetroffen. Steingerät wurde hauptſächlich in dem am Fuße der Ablagerung gelegenen Muſchelſchutt aufgefunden. Die Steinwerkzeuge zeigen nicht die ſtilvolle Formgebung der europäiſchen Funde, übertreffen darin aber doch bei weitem die gleichen Werkzeuge der heutigen Botokuden, welche bis vor kurzem die Küſtengegend und noch gegenwärtig das Innere der Provinz St. Katharina bewohnen. Wenn ſie auch nur notdürftig für den Gebrauch zugehauen ſind, ſo macht ſich doch das Beſtreben nach ſymmetriſcher Geſtaltung bemerkbar. Neben ſteinernen Pfeilſpitzen finden ſich nicht ſelten lange Kolben aus Stein, die als Stampfer, vielleicht auch als Keulen Verwendung gefunden haben. Beſonders bemerkenswert iſt ein Schleuder⸗ ſtein mit vier ausgeſchliffenen Spitzen, auch kommen Schleu⸗ derſteine und Schlagkugeln von rundlicher Form mit zwei abgeplatteten oder ſogar etwas vertieften Seitenflächen öfter vor. Ein geſchliffener Stein, welcher die Formen eines Schweinekopfes reproduziert, entſpricht den Kunſt⸗ werken europäiſcher vorgeſchichtlicher Fundſtätten. Gewiſſe in unmittelbarer Nähe der Muſchelhaufen am Strande anſtehende Granitblöcke ſind mit Aushöhlungen bezw. Furchen verſehen, welche erkennen laſſen, daß dieſe Fels⸗ blöcke zum Schleifen der Steinbeile gedient haben. Aus dem Umſtand, daß dieſe Schleifmarken nur etwa 0,5 bis 1 m über dem gegenwärtigen Meeresniveau an den Fels⸗ blöcken angebracht ſind, darf man wohl ſchließen, daß die Küſtenhebung während der letzten Jahrhunderte keine ſehr beträchtliche geweſen iſt. Ueber die Bevölkerung, welcher die braſilianiſchen Muſchelhaufen ihre Entſtehung verdanken, iſt bisher nichts Sicheres bekannt; indeſſen laſſen die oben⸗ erwähnten Skelettreſte darauf ſchließen, daß dieſelbe mit den gewöhnlich als „Bugres“ bezeichneten Eingeborenen von St. Katharina nichts gemein hat. Müller Schieß führt die Sambaquis auf die Guarani zurück, einen Indianer⸗ ſtamm, der ehemals die Küſten der beſagten Provinz be⸗ wohnte und der in kultureller Hinſicht den gegenwärtig daſelbſt lebenden Botokudos bedeutend überlegen war. Nach R. von Ihering werden die ſogenannten „Ankeräxte“, aus einem melaphyrartigen Geſtein hergeſtellte halbmond⸗ oder ſichelförmige, mit einem nach dem oberen Ende hin ſich verbreiternden Stiele verſehene Beile, die für gewiſſe Teile Braſiliens charakteriſtiſch ſind, in den Sambaquis beſonders häufig angetroffen. Der letzterwähnte Forſcher hält es auch für wahrſcheinlich, daß jener Stamm, welchem die braſilianiſchen Muſchelhaufen ihre Entſtehung ver⸗ danken, nur im Sommer an der Küſte ſich aufhielt, den Winter aber in einer mehr geſchützten Lokalität zubrachte. Raffel. Dr. M. Alsberg. Humboldt, — April 1890. 123 Terramaren in Wngarn*), Südöſtlich von der ungariſchen Stadt Szolnök auf dem rechten Ufer der Theiß in einer alljährlich von dieſem Fluſſe überſchwemmten ſumpfigen Niederung und dicht bei dem Dorfe Töszeg liegt eine vorgeſchichtliche An— ſiedelung, welche der ſkandinaviſche Gelehrte Ingvald Undſet beſchrieben ) hat. Wie in Oberitalien bei Anlage einer Terramare durch die Aufwerfung eines Erdwalles ein geſchloſſenes Baſſin gebildet wurde, in welchem man auf Pfählen ein Gerüſt oder eine Plattform baute, auf dem erft die Hütten angelegt wurden, hat man bei Töszeg wahrſcheinlich in 2 parallelen länglichen Gräben mehrere auf einem Pfahlgerüſt ruhende Hütten erbaut. Der hohle Raum unter dem Gerüſt diente als eine Art Kloake, in welche Abfälle aller Art geworfen wurden und wo Regen— waſſer zeitweiſe ſtehen blieb. War dieſer Raum gefüllt, ſo ließ man die alte Anſiedelung abbrennen und legte eine neue darüber an, auf neuen Pfählen gleichſam eine höhere Etage. Daß die Entſtehung der in Rede ſtehenden An— ſiedelung in der beſagten Weiſe ſtattgefunden hat, wird bewieſen einerſeits durch die in der hügelartigen Erhebung nachgewieſenen Pfähle, anderſeits durch die daſelbſt auf— gefundenen Kulturſchichten, die eine Mächtigkeit von bis zu 4 m erreichen, ſowie durch in der Kulturſchicht nach— weisbare Brandſpuren. Die Kulturſchicht ſelbſt ſetzt ſich zuſammen aus einer Menge von Tierknochen — Hochſtetter hat Reſte vom Rind (Primigeniusraſſe), Hirſch, Reh, Ziege, Schwein, Gräten von Karpfen und Gehäuſe der Teller- ſchnecke (Planorbis corneus) und der Flußmalermuſchel (Unio pictorum), ſowie die Knochen eines kleinen Nagers daſelbſt verzeichnet — ferner aus zu Geräten verarbeiteten Hörnern beſonders von Hirſcharten, zahl— reichen Steingeräten, einigen wenigen Bronzen, ſowie aus einer Menge von Gefäßen und Geräten aus Thon. In dem aus Kulturſchichten gebildeten künſtlichen Hügel, der unmittelbar auf dem gewachſenen Boden (Lößboden, der in ſeinem oberſten Teil mit einer Humusſchicht durch⸗ ſetzt war) ruhte, fanden ſich auch Maſſen von Aſche und gebranntem Thon (Hüttenbewurfſtücke u. dergl.). Unter den Fundſtücken ſind noch beſonders hervorzuheben: ſchön polierte Steinhämmer und Keile mit Schaftloch, Meißel aus Trachyt, Lydit, Quarzit u. dergl., Hängeſchmuckſtücke aus durchbohrten Tierzähnen, meiſt vom Eber, ferner eine Menge von Geräten aus Bein und Hirſchhorn, wie Pfriemen, Nadeln u. dergl.; auch ein Stück von einem Schlittſchuh aus dem Metatarſalknochen eines Pferdes. Von Bronze wurden bisher nur geringe und wenig charakteriſtiſche Reſte gefunden, ſo ein Teil eines Gußzapfens, Reſte von einer Nadel und einem Meſſer. Daß der Ackerbau eine wichtige Nahrungsquelle für die Bewohner war, beweiſen die Häufchen von verkohltem Getreide, beſonders Weizen, wahrſcheinlich Reſte von durch Feuersbrünſte zerſtörten Ge— treideſcheunen; ebenſo das häufige Vorkommen von Mahl- und Quetſchſteinen. Die Knochenreſte beweiſen, daß die Bewohner dieſer prähiſtoriſchen Anſiedelung Jagd und ) Feſtſchrift zur Begrüßung der Teilnehmer der gemeinſamen Ver⸗ ſammlung der Deutſchen und Wiener anthropol. Geſellſchaft. Wien, 1889. Fiſchfang, zugleich aber auch Viehzucht betrieben haben. Unter den Thongefäßen ſind hervorzuheben die beinahe vollſtändigen Buckelurnen, die von Virchow mit dem be— kannten „Lauſitzer Typus“ verglichen werden, ein eigen— tümliches Gefäß mit 2 Hälſen, ein anderes mit mond- ſichelförmigem Griff (ansa lunata). Die Eindrücke auf dem Unterteil einiger ganz roher Gefäße machen es wahr— ſcheinlich, daß ſie in einer Umhüllung von Stroh oder Binſen geformt wurden. Gewiſſe Verzierungen der Thon— gefäße beſtehen aus dicht nebeneinander ſtehenden Eindrücken eines Stäbchens und verleihen der Oberfläche des Gefäßes ein fiſchſchuppenartiges Ausſehen. Alle Thonware iſt aus freier Hand gemacht. Die Thonſcherben, obwohl unter— einander ſehr verſchieden, fanden ſich bis in die größte Tiefe von gleicher Beſchaffenheit, namentlich fehlten auch die feineren geglätteten ſchwarzen Stücke in der größten Tiefe der Kulturſchicht nicht. Eines der Thongefäße iſt nach Undſet deshalb beſonders bemerkenswert, weil es durch ſeine Form (nach oben ſich verjüngender Cylinder auf einem bauchigen Unterteil mit einem Henkel) an die italiſchen „Villanova-Urnen“ erinnert. An den obigen Befund knüpft Undſet einige Betrach— tungen über die Beziehungen der vorgeſchichtlichen Kultur Ungarns zu derjenigen Oberitaliens und anderer europä— iſcher Gebiete. Während in Norditalien die Dauer der eigentlichen Bronzezeit ſo ziemlich mit den Terramare— Anſiedelungen verknüpft geweſen zu ſein ſcheint, liegen dieſe Verhältniſſe in Ungarn ganz anders. Die Bronze— zeit hat hier viel länger fortgelebt, ſo daß ſie zum großen Teil der Eiſenperiode in Italien gleichalterig iſt. Ueber die Anfänge des ungariſchen Bronzealters wiſſen wir aller— dings bis jetzt herzlich wenig und iſt es zur Zeit noch unmöglich, über das Verhältnis der Terramare-Station zur ungariſchen Bronzezeit etwas Beſtimmtes zu ſagen. Von Virchow wird die Aehnlichkeit der Funde von Töszeg mit den bronzezeitlichen Grabfunden von Pilin beſonders hervorgehoben. Bezüglich des Alters warnt Virchow, der Terramaren-Station von Töszeg ein zu hohes Alter zu— zuſchreiben, dieſelbe etwa in die voretruskiſche Zeit zu ver— legen. Aus dem chronologiſchen Verhältniſſe der älteſten nordiſchen Bronzen zu den ſüdeuropäiſchen, ſowie aus dem Umſtande, daß mehrere cypriſche Kupferdolche in Ungarn gefunden find, folgert Undſet, daß in Ungarn die Bronze— zeit nicht ſpäter angefangen hat als in Oberitalien. Es iſt in hohem Grade wahrſcheinlich, daß gewiſſe uralte Völkerbewegungen, wie z. B. die Einwanderung der Italiker in die Apenninenhalbinſel, ſowie jene von Norden nach Süden ſich erſtreckende Einwanderung von Völkern in die Balkanhalbinſel, welche in der berühmten Wanderung der Dorier kulminierte, entweder von dem mittleren und unteren Donauthal ausgegangen ſind oder dasſelbe wenig— ſtens berührt haben. Für das volle Verſtändnis vorge— ſchichtlicher Ereigniſſe und Zuſtände in Mitteleuropa iſt daher eine genauere Erforſchung der prähiſtoriſchen Fund— ſtätten Ungarns und der angrenzenden Balkanländer im höchſten Grade wünſchenswert. Kaſſel. Dr. Al. Alsberg. 124 Humboldt. — April 1890. Jortſchritte in den Katurwiſſenſchaften. Geophyſik. Don Dr. Emil Rudolph in Straßburg i. E. Strandlinienverſchiebung nach den Anſichten von E. Süß und A. Blytt. Erdbebenkunde. Die ſeismiſche Karte Italiens, von T. Taramelli. welle, von R. Strachney; die Meereswelle, von Wharton. ſeismologiſchen Dienſtes in Italien. Vulkanismus. Ausbruch des Krakatau, von J. W. Judd. Die Luft⸗ Seismometrie in Japan, von J. Milne. Die Keorganiſation des In dem erſten geophyſikaliſchen Bericht (ſ. Humboldt Bd. VIII S. 145) wurde bei der Beſprechung des neueſten Werkes von E. Süß „Das Antlitz der Erde“ auf die Be⸗ deutung der Frage nach den Urſachen der ſäkularen Schwankung der Erdrinde hingewieſen und die Anſicht, welche der Verfaſſer über die Verſchiebung der Strand⸗ linie in den geologiſchen Epochen aufgeſtellt hat, näher erörtert. Von den verſchiedenartigen Veränderungen, denen die Höhe des Strandes im Verhältnis zum Feſtlande unterliegt, werden zunächſt diejenigen abgetrennt, welche in poſitivem oder negativem Sinne über die ganze Erde hin ſich bemerkbar machen; dieſe fog. euſtatiſchen Bewe⸗ gungen ſind telluriſchen Urſprungs und gehen aus dem ſtets wechſelnden relativen Größenverhältnis von Feſtland und Ozean hervor. Die Bildung neuer Meeresbecken oder die Erweiterung bereits vorhandener durch Einbruch größe⸗ rer oder kleinerer Teile der Erdrinde bedingt epiſodiſche, euſtatiſche negative Bewegungen des Waſſers, d. h. Sen⸗ kungen des Meeresſpiegels. Unausgeſetzt werden aber dem Meere durch die Flüſſe große Mengen von Sinkſtoffen zu⸗ geführt und als Sedimente am Rande der Becken abge⸗ lagert. Durch dieſe ſtetige Zunahme der Meeresablage⸗ rungen wird das Waſſer aus den ozeaniſchen Tiefen all⸗ mählich verdrängt und eine euſtatiſche poſitive Bewegung veranlaßt, d. h. ein Steigen des Meeresſpiegels. Dieſer Vorgang erklärt aber noch nicht alle Thatſachen, welche die geologiſche Erforſchung der Erdoberfläche aufgedeckt hat. Außer dem regelmäßigen Wechſel von marinen Bil⸗ dungen mit Küſten⸗ und Süßwaſſerablagerungen, welcher ſich innerhalb der großen Formationen vollzieht und eine Wiederkehr jener Bedingungen verrät, unter denen die Ablagerung der Sedimente vor ſich ging, laſſen die Schichten häufig eine Wechſellagerung von klaſtiſchen Sedimenten mit ſolchen erkennen, die ſich in gelöſtem Zuſtande im Waſſer befanden und als kohlenſaurer Kalk ausgeſchieden wurden. Auf euſtatiſche Bewegungen laſſen ſich dieſe kleineren Os⸗ zillationen ebenſowenig zurückführen wie die hochliegenden Spuren einer negativen Strandlinienverſchiebung, die ſich unter allen Breiten vorfinden. Süß hält es deshalb für wahrſcheinlich, daß eine von der euſtatiſchen Bewegung verſchiedene und unabhängige Verſetzung der Meere vor⸗ handen iſt, durch welche infolge einer abwechſelnden An⸗ häufung des Waſſers an den Polen und am Aequator poſitive und negative Phaſen aufeinander folgen. An die genannten beiden Erſcheinungen der Wechſel⸗ lagerung von mechaniſchem und chemiſchem Sediment ſo⸗ wie der regelmäßigen Folge von Tiefſeebildungen, Küſten⸗ und Süßwaſſerablagerungen knüpft nun A. Blytt an in einer intereſſanten kleinen Abhandlung), welche den Titel ) Chriſtiania Videnskabs⸗Selskabs Forhandlinger, 1889 Nr. 1. führt: „The probable cause of the displacement of beach-lines*. In derſelben macht der Verfaſſer den Verſuch, die Periodizität in den Bildungsverhältniſſen der geologiſchen Ablagerungen mit kosmiſchen Kräften in Ver⸗ bindung zu bringen und als die Fernwirkung der Prä⸗ zeſſion der Aequinoktien ſowie der wechſelnden Exzentrizität der Erdbahn nachzuweiſen. Infolge des Vorrückens der Aequinoktialpunkte variiert bekanntlich die Dauer der Jahreszeiten in der Weiſe, daß in der einen Hälfte der Periode für den Zeitraum von 10500 Jahren der Winter länger iſt als der Sommer, während in der zweiten Hälfte das Verhältnis umgekehrt iſt. Der Unterſchied zwiſchen der Anzahl der Sommer- und Wintertage wächſt mit der Exzentrizität der Erdbahn. Die ſtarke Abkühlung der Feſtlandsmaſſen in den höheren Breiten während des Winters hat nun eine Erniedrigung des Luftdrucks über dem Meere zur Folge, dieſe barometriſchen Minima ziehen ihrerſeits die Luft von den niederen Breiten an und ver⸗ anlaſſen dadurch ſüdweſtliche Winde, welche z. B. über dem Nordatlantik vorherrſchen. Tritt nun ferner der Fall ein, daß der Winter mit dem Aphel zuſammenfällt, ſo wird in derjenigen Hälfte der Periode der Präzeſſion, in welcher der Winter länger andauert als der Sommer, auch die Windgeſchwindigkeit im Jahresmittel größer ſein als in der zweiten Hälfte der Periode. Die während einer beſtimmten Zeit herrſchende Richtung und mittlere Stärke der Luftſtrömungen iſt ihrerſeits wiederum beſtimmend für den Verlauf und die Ausbreitung der großen Meeres⸗ ſtrömungen wie z. B. des Golfſtromes im Nordatlantik. Beide Phänomene, Luft⸗ und Meeresſtrömungen unter⸗ liegen ſomit entſprechend dem Vorrücken der Tag⸗ und Nachtgleichen einem periodiſchen Wechſel und werden beide an Intenſität zunehmen, je ſchärfer der Unterſchied zwiſchen dem kontinentalen und ozeaniſchen Klima ausgeprägt iſt. Für die klimatiſchen Verhältniſſe des Feſtlandes ſind aber in erſter Linie die Winde und Meeresſtrömungen maß⸗ gebend, und da dieſe beiden Elemente periodiſch wechſeln, fo werden je nach der größeren oder geringeren Intenſität der atmoſphäriſchen und ozeaniſchen Strömungen warme und regenreiche Perioden mit kalten und trockenen abwechſeln. In der erſten Periode geht die Arbeit der Denudation des Feſtlandes durch die Atmoſphärilien in raſchem Maße vor ſich, die Flüſſe führen das denudierte Material, Ge⸗ röll, Sand und feinſte Erdpartikel infolge ihrer vermehrten Waſſermaſſe ſchnell und in großen Mengen dem Meere zu und lagern es im Aeſtuarium ab. In kalten und regen⸗ armen Perioden werden die Flüſſe hauptſächlich durch Quellwaſſer genährt, das auf ſeinem unterirdiſchen Laufe in reichem Maße lösbare Subſtanzen in ſich aufgenommen hat. An Stelle der mechaniſchen Ablagerungen treten Humboldt. — April 1890. 125 nun mehr oder minder rein chemiſche Sedimente. In ſolcher Weiſe ſpiegelt ſich nach der Anſicht des Verfaſſers der durch die Präzeſſion bedingte periodiſche Wechſel des Klimas in der Wechſellagerung der Schichten wieder, in— dem jeder Periode der Präzeſſion ein Schichtwechſel ent- ſpricht. Ergänzend tritt die oben an zweiter Stelle ge— nannte kosmiſche Kraft hinzu, je größer die Exzentrizität der Erdbahn, um ſo deutlicher prägen ſich die Spuren der Periode der Präzeſſion aus. Es iſt nun die Frage, ob auch die nach den geologiſchen Epochen in ſo hohem Grade verſchiedene Ausbreitung der Meere ſich mit der wechſeln— den Größe der Exzentrizität in kauſale Beziehung bringen läßt. Die Exzentrizitätskurve, welche nach der Formel von Stockwell für den Zeitraum von 4% Millionen Jahren von Me Farland neu berechnet worden iſt, wiederholt ſich nach Verlauf von ungefähr 1¼ Millionen Jahren mit auffallender Regelmäßigkeit, alſo etwas mehr als dreimal innerhalb der angegebenen Periode. In einem ſolchen Zyklus zeigt die Kurve 16 Ausbiegungen, der mittlere Wert der Exzentrizität iſt am geringſten an der Grenze von zwei Zyklen und ſteigt nach der Mitte zu an. Für die beiden erſten Zyklen und deren Unterabteilungen iſt der mittlere Wert von s wie folgt: 8 Zyklus 1. Von 3 250 000 bis 2720000 ... 0,0304 < „ 2720000 „ 2150000 ... 0,0332 „ 2150000 „ 1810000 ... 0,0203 2 „ 1810000 , 1250000 . .. 0,0247 * „ 1250 000 „ 700000 . .. 0,0340 1 700000 , 350 000 . . . 0,0280 n 350 000 „ Gegenwart .. 0,0291 Mit dieſer periodiſch ab- und zunehmenden Größe der Exzentrizität variiert aber auch diejenige kosmiſche Kraft, welche die ozeaniſche Flutwelle hervorruft, und zwar bis zum Betrage von ½2s ihres Wertes von der größten bis zur geringſten Exzentrizität. Die Flutwelle iſt nun das wichtigſte Agens bei der Verlängerung der Rotations— dauer der Erde. Allerdings wirkt die Abkühlung der Erde und die dadurch bedingte Verringerung ihres Vo— lumens im entgegengeſetzten Sinne auf eine Verkürzung der Tagesdauer, indeſſen beträgt dieſe Kraft nur 85000 derjenigen der Wirkung der Flutwelle. Die Dauer des Sterntages nimmt mithin ſtändig zu, doch iſt dieſe Zu— nahme periodiſch größer und geringer. Bei wachſender Exzentrizität der Erdbahn nimmt der Tag ſchneller an Länge zu, in geringerem Maße dagegen, wenn die Exzen— trizität abnimmt, oder mit andern Worten, die Zentri— fugalkraft verringert ſich und die äquatorialen Regionen gewinnen an Schwere ſchneller bei ſteigender, langſamer bei fallender Exzentrizität. In dieſer mit der Exzentrizität der Erdbahn wechſelnden Größe der Flutwelle ſieht der Verfaſſer die mögliche Urſache der periodiſchen Verſchiebung der Strandlinie. Bei der geringſten Veränderung in der Tageslänge nimmt die Waſſerhülle der Erde ſofort eine der veränderten Rotationsdauer entſprechende Gleichge— wichtsform an, der Meeresſpiegel ſteigt und fällt in den höheren Breiten, und zwar oszilliert die Küſtenlinie auf und ab je nach dem größern oder geringern Wert der Exzentrizität innerhalb eines Zyklus, während das mittlere Meeresniveau ſich mit dem mittleren Wert der Exzentri— zität während eines Zyklus verſchiebt. Jedoch nicht bloß die leicht verſchiebbare Waſſerhülle, ſondern auch die feſte Erdrinde muß, wenn die Theorie allen Forderungen ge— nügen ſoll, einer ähnlichen Geſtaltsänderung unterworfen ſein. Der in den niederen Breiten ſtetig zunehmende Druck der Erdrinde wirkt auf das plaſtiſche Erdinnere in der Weiſe, daß ſich unter der feſten Erdrinde ein Zug herausbildet, der vom Aequator nach beiden Polen hin gerichtet iſt und die Erde durch Hebung in den höheren Breiten immer mehr und mehr der reinen Kugelgeſtalt näher bringt. Indeſſen ſetzt die ſtarre Maſſe der feſten Erdrinde einer etwaigen Formveränderung einen ungleich größern Widerſtand entgegen als die ozeaniſchen Waſſer— maſſen, und nur wenn die Spannungen in der Erdrinde einen gewiſſen Grad erreicht haben, kann die Erde durch lokal beſchränkte Hebung an den ſchwächſten Punkten der Erdoberfläche eine der veränderten Rotationsdauer kon— forme Geſtalt annehmen. Derartige Niveauveränderungen in der feſten und flüſſigen Umhüllung der Erde treten alſo nicht gleichzeitig ein und die relative Lage von Land und Meer unterliegt nicht einem gleichmäßigen Wechſel, da jedem Bogen der Exzentrizitätskurve nur eine teilweiſe, keine allgemeine Aenderung in der Erdgeſtalt entſpricht. Daraus erklärt es ſich, daß die zu jedem Bogen gehörigen Strandverſchiebungen ſich nicht überall nachweiſen laſſen, ſondern nur in denjenigen Becken, wo die Kräfte zur Zeit ihre Wirkung ausüben konnten. Die Vorausſetzung, welche hierbei ſtets gemacht wird, iſt die, daß die Größe der Flutwelle und der Wechſel in ihrer Stärke genügen, um die Strandlinienverſchiebung zu erklären. Welchen Wert die Verlängerung der Tagesdauer zur Tertiärzeit beſaß, läßt ſich nicht feſtſtellen, immerhin läßt ſich aber annehmen, daß derſelbe nicht weſentlich größer war als gegenwärtig. Iſt die vom Verfaſſer gegebene Erklärung richtig, ſo kann die vertikale Verſchiebung des Meeres— ſpiegels während jeder Oszillation im allgemeinen nur wenige Meter betragen haben, eine ſolche ſoll nach ſeiner Anſicht hinreichen, um weite Transgreſſionen des Meeres und einen Wechſel von marinen Sedimenten mit Süß— waſſerablagerungen zu bedingen, welch letztere ſich beim Rückzug des Meeres bildeten. Die beſte Probe aber auf die Richtigkeit der Theorie läßt ſich durch einen Vergleich geologiſcher Profile mit der Exzentrizitätskurve der Erd bahn anſtellen. Während jeder Oszillation der Strand— linie, die einem Bogen der Exzentrizitäskurve entſpricht, muß ſich die Bildung einer geologiſchen Stufe vollzogen haben und innerhalb einer ſolchen Stufe müſſen ſich wieder ebenſoviel Schichtenwechſel nachweiſen laſſen, als Perioden der Präzeſſion in den betreffenden Abſchnitt der Exzentri— zität fallen. Die Grenzen zwiſchen den Exzentrizitätszyklen entſprechen den Perioden der Denudation, welche die geo— logiſchen Zyklen trennen, die Mitte eines jeden Zyklus dagegen denen der Transgreſſion. Um nun die Ueber— einſtimmung zwiſchen den kosmiſchen und telluriſchen Vor— gängen und die Abhängigkeit der letzteren von den erſteren darzulegen, ſtellt Blytt ein vollſtändiges Profil der tertiären und quaternären Formation auf, das aus den Profilen der verſchiedenen Tertiärbecken Europas kombiniert iſt und den Anforderungen ſeiner Theorie in vollkommenſter Weiſe genügt. Die Epoche des Eozän umfaßt die 16 Oszillationen des erſten Zyklus, Oligozän, Miozän und Pliozän um⸗ faſſen zuſammen ebenſoviel Oszillationen und machen den zweiten Zyklus aus. Dabei macht ſich eine gewiſſe Analogie 126 zwiſchen dem untern und obern Tertiär geltend; es ent⸗ ſprechen nämlich unteres Eozän mit 6 Oszillationen dem Oligozän mit 7 ſolchen, mittleres Eozän mit 6 dem Miozän mit 5, oberes Eozän dem Pliozän mit je 4 Os⸗ zillationen. Die großen Transgreſſionen fanden ſtatt im mittleren Eozän, dem oberen Oligozän und dem Miozän, negative Phaſen fallen zwiſchen Kreide und Eozän, ins obere Eozän und Pliozän, gerade ſo wie es der größere oder geringere Wert der Exzentrizität erfordert. Man darf ſich jedoch nicht verhehlen, daß die Gleichſtellung und Beſtimmung der Aufeinanderfolge von Schichten, die weit voneinander getrennten Becken angehören, mit großen Schwierigkeiten verknüpft iſt, welche es geraten erſcheinen laſſen, die Hypotheſe, ſo anſprechend dieſelbe auf den erſten Blick auch ſein mag, mit aller Vorſicht aufzunehmen, bis auch von anderer Seite Proben auf ihre Stichhaltigkeit hin angeſtellt ſind. Aus Veranlaſſung der großartigen Eruption des Krakatau am 27. Auguſt 1883 wurde von der Royal Society in London eine Kommiſſion eingeſetzt zu dem Zweck, die verſchiedenen Berichte über den vulkaniſchen Ausbruch ſelber ſowie die mannigfachen, unmittelbar oder mittelbar mit demſelben in Verbindung ſtehenden Begleiterſcheinungen, welche fic) in der Luft- und Waſſerhülle der Erde ab⸗ ſpielten, zu ſammeln und ſyſtematiſch zu verarbeiten. Die ungeheure Maſſe des Beobachtungsmaterials, welches von den verſchiedenen Mitgliedern zuſammengebracht wurde, und die lange Dauer beſonders der allbekannten Dämmerungs⸗ erſcheinungen, welche ſich wenigſtens teilweiſe bis in das Jahr 1886 hineinzogen, laſſen es erklärlich erſcheinen, wenn die Veröffentlichung des Berichts) fic) mehrere Jahre verzögerte. Das ziemlich umfangreiche Werk erſchien erſt 1888 unter dem Titel: „The eruption of Krakatoa and subsequent phenomena“ und zerfällt in 5 Teile. Die vulkaniſchen Phänomene der Eruption ſowie die Beſchaffen⸗ heit und Verbreitung des ausgeworfenen Materials be- handelt J. W. Judd. Die auffallende Erſcheinung der Luftwelle und das Schallphänomen, welche beide ebenſo wie die mächtige Meereswelle in direkter Beziehung zum Ausbruch des Krakatau ſtehen, haben General R. Strachey beziehungsweiſe Kapitän W. J. L. Wharton zum Gegen⸗ ſtande einer beſonderen Abhandlung gemacht. Den größten Teil nimmt die Schilderung und Diskuſſion der ungewöhn⸗ lichen optiſchen Erſcheinungen in der Atmoſphäre in An⸗ ſpruch, dieſelbe rührt von Rollo Ruſſell und Douglas Archi⸗ bald her und iſt inſofern von beſonderem Intereſſe, als kurze Zeit vor dem Erſcheinen des Berichts die äußerſt lehrreichen Unterſuchungen, welche J. Kießling über Däm⸗ merungserſcheinungen angeſtellt hat, veröffentlicht wurden. Endlich die magnetiſchen und elektriſchen Erſcheinungen werden von G. M. Whipple beſprochen. Von den ge⸗ nannten Punkten ſollen hier nur die drei erſten, welche in genetiſcher Beziehung zu einander ſtehen, genauer er⸗ örtert werden; der Vorgang des Ausbruches ſelber ſowie die näheren Umſtände, unter denen ſich derſelbe vollzog, können als bekannt vorausgeſetzt werden. Von Wichtigkeit ſind die allgemeinen Schlüſſe über die Kräfte, welche *) Report of the Krakatoa Committes of the Royal Society, herausgegeben von G. J. Symons. London, 1888. Humboldt. — April 1890. vulkaniſche Eruptionen veranlaſſen können, ſowie über die Urſachen, welche in dem Charakter dieſer Er⸗ ſcheinungen nach Ort und Zeit eine Veränderung bedingen. Alle aus dem zentralen Schacht geſchleuderten Laven, Bims⸗ ſtein⸗ und Aſchenmaſſen zeigen in ihrer chemiſchen und mineralogiſchen Zuſammenſetzung eine auffallende Ueberein⸗ ſtimmung und ſtellen ein Enſtatit — Dacitgeſtein dar; die kompakte Lava von 1883 iſt ein porphyritiſcher Pechſtein und Obſidian mit ungefähr 70 %% Kieſelſäure, alſo chemiſch faſt identiſch mit derjenigen früherer Eruptionen. Trotzdem trägt das Material der verſchiedenen Ausbruchsperioden in phyſikaliſcher Hinſicht einen ganz verſchiedenen Charakter an ſich, indem bei ein em Ausbruch maſſive, zähflüſſige Lava ohne jeglichen exploſiven Vorgang ausſtrömte, bei einem anderen dagegen leichtflüſſige, während durch den exploſiven Ausbruch von 1883 faſt alle Lava ſich in Bims⸗ ſtein verwandelte. Die Temperatur allein kann nicht die Urſache dieſes verſchiedenen Verhaltens ſein, die Kriſtalle derſelben Mineralien, welche in allen drei Fällen in dem Magma ſchwammen, beweiſen das Gegenteil, nämlich daß der Pechſtein die höhere Temperatur beſaß. Die Feld⸗ ſpatkriſtalle im Obſidian ſind oft faſt gar nicht angegriffen, während fie im Pechſtein zum großen Teil von der Flüſ⸗ ſigkeit, in der ſie ſchwammen, wieder aufgelöſt ſind. Ent⸗ ſcheidend für die Beurteilung des verſchiedenen phyſika⸗ liſchen Charakters iſt aber der Umſtand, daß der Lava⸗ ſtaub des letzten Ausbruchs faſt jede Varietät von Feld⸗ ſpatkriſtallen enthält und daß die Baſis, in welcher dieſe Kriſtalle enthalten ſind, in bezug auf ihre Schmelzbarkeit ſich gerade entgegengeſetzt verhält: der Obſidian wird leicht⸗ flüſſig und geht unter Entwicklung einer großen Quantität von Dampf in Bimsſtein über, während der Pechſtein kaum affiziert wird. Der Charakter, den das feurigflüſſige Magma annimmt, hängt zunächſt von der Temperatur ab, bei welcher Verflüſſigung und Erſtarrung eintritt; die Höhe der Temperatur iſt ihrerſeits wieder zum großen Teil von der Menge des vorhandenen Waſſers abhängig. Die Schmelztemperatur beſtimmt alſo nicht nur die Mineralien, welche ſich aus dem Magma ausſcheiden, ſondern ebenſo den Grad und die Natur der Kriſtalliſation, d. h. die Textur und mineralogiſche Zuſammenſetzung des Geſteins. Ebenſo werden die vulkaniſchen Manifeſtationen in einem Schacht nicht ſo ſehr durch die mineralogiſche Beſchaffenheit der Lava, als durch die Menge des im Magma enthaltenen Waſſers bedingt. Iſt dieſe letztere groß, ſo iſt die Lava nicht bloß in hohem Grade flüſſig, ſondern verwandelt ſich auch leicht in Bimsſtein, bei einer geringen Waſſer⸗ menge iſt dagegen eine höhere Temperatur zum Schmelzen nötig und die Lava zähflüſſig. Nach der Auffaſſung des Verfaſſers ſteht alſo der Grad der Flüſſigkeit einer Lava⸗ maſſe und die Heftigkeit einer Eruption in innigſter Ab⸗ hängigkeit von dem Maße, bis zu welchem das Magma in⸗ folge angſamen Durchſickerns von Waſſer mit wäſſerigen Löſungen durchtränkt iſt. Laven von genau derſelben Zu⸗ ſammenſetzung und der gleichen Temperatur können des⸗ wegen in ihrer eruptiven Thätigkeit vollkommen entgegen⸗ geſetzt ſich verhalten nur infolge ihres nach dem Waſſer⸗ gehalt verſchiedenen Schmelzpunktes. Der allmählichen Infiltration des Magmas mit Waſſer und dem Zutritt desſelben zum vulkaniſchen Herd hat man ſchon von jeher Humboldt. — April 1890. 127 eine große Rolle bei der Erzeugung der vulkaniſchen Phä— nomene zugeſchrieben, die Vertiefung, welche dieſe Vulkan— theorie durch Judd erfahren hat, beſteht darin, daß er der phyſikaliſchen Wirkung des von außen eindringenden Waſſers nur eine ſekundäre Thätigkeit zuweiſt und die Haupturſache in den Veränderungen ſieht, welche in den phyſikaliſchen Eigenſchaften der Lavamaſſe vermittelſt ſolchen Sickerwaſſers herbeigeführt werden, indem unter Mitwirkung der inneren Erdwärme neue Verbindungen vor ſich gehen. Den näheren Verlauf der Ereigniſſe bei einer Eruption ſtellt Judd demjenigen gleich, der bei jedem Geiſer ſich abſpielt. In beiden Fällen haben wir eine überhitzte Flüſ— ſigkeit, in der ſich Gas- und Dampfmaſſen entwickelt haben, ſo daß ſie bei der geringſten Druckverminderung entweichen können, hierbei reißen die aufſteigenden Gaſe Teile der Flüſſigkeit mit ſich fort. Wie nun das Ver— ſtopfen der Röhre eines Geiſers ein Entweichen des Dampfes verhindert, dadurch aber die Spannung der elaſtiſchen Flüſſigkeit vermehrt und eine um fo ſtärkere Eruption veranlaßt, ſo verurſacht die Unterbrechung der gewöhnlichen, regelmäßigen Ausbrüche eines Vulkans infolge der Er— kaltung der Lavaoberfläche durch zutretendes Seewaſſer eine Hemmung und Anſammlung der aus dem Magma aufſteigenden Gaſe. Als die hervorſtechendſte Eigentümlichkeit, durch welche ſich der Ausbruch des Krakatau von allen früheren, etwa der des Skaptar Jokull 1783 oder des Tamboro 1815 unter- ſcheidet, muß man den äußerſt heftigen und doch ſo kurzen Paroxysmus bezeichnen, mit dem die Eruptionsperiode von 1883 ihren Abſchluß fand. Nur durch dieſen in der Geſchichte der Vulkanausbrüche einzig daſtehenden Vorgang findet die Entſtehung der beiden mächtigen Wellenbewe— gungen in der Luft- und Waſſerhülle der Erde ihre Erklärung. Seit ſelbſtſchreibende Barometer an den haupt⸗ ſächlichſten meteorologiſchen Stationen den wechſelnden Gang des Luftdrucks im Laufe des Tages verzeichnen, iſt es das erſte Mal, daß man die Art der Ausbreitung einer ſo mächtigen, durch die plötzliche Ausdehnung der Eruptionsgaſe verurſachten Lufterſchütterung rund um die Erde verfolgen kann. Obgleich die Luftwelle im Verlauf von 127 Stun⸗ den, in welchem ſie den Weg um die Erde nicht weniger als ſiebenmal zurücklegte, durch Komplikationen der ver— ſchiedenſten Art allmählich deformiert wurde, ſo laſſen ſich doch nicht nur der Augenblick der größten Exploſion mit aller Genauigkeit feſtlegen, ſondern auch gewiſſe Schwan— kungen in der Geſchwindigkeit einzelner Wellen auf ihren verſchiedenen Wegen um die Erde nachweiſen. Die durch— ſchnittliche Geſchwindigkeit, mit der ſich die Luftwelle vom Krakatau als Mittelpunkt in konzentriſchen Kreiſen aus- breitete, betrug 700 engliſche Meilen in der Stunde, das iſt etwas weniger als die Schallgeſchwindigkeit bei —18 C., die 723 Meilen erreicht. Der Weg rund um die Erde wurde alſo in 36 Stunden zurückgelegt. Durch ſorgfältige Vergleichung der Barometerkurven hat man berechnet, daß die heftigſte Exploſion, durch welche die Welle erzeugt wurde, um 2 Uhr 56 Minuten mittlerer Gr. Zeit oder 9 Uhr 58 Minuten Ortszeit am 27. Auguſt ſtattfand. Je nachdem nun die Luftwelle mit der Erdrotation oder gegen dieſelbe ſich fortbewegte, war die Fortpflangungs- geſchwindigkeit eine verſchiedene. In der gemäßigten Zone erlitt die weſtöſtlich gehende Welle eine Beſchleunigung von ungefähr 14 Meilen in der Stunde, die in entgegen— geſetzter Richtung ſich bewegende Welle dagegen eine gleich— wertige Verzögerung. Innerhalb der Tropen liegen die Verhältniſſe ſaſt umgekehrt, indem die öſtlich fortſchreitende Welle verzögert wurde, während die weſtwärts gerichtete verhältnismäßig nur eine geringe Veränderung erfuhr; der Betrag entſpricht einem Weſtwind von ca. 10 Meilen in der Stunde. Es iſt nun bemerkenswert, daß nach den Berechnungen von Ferrel der Wert der Oſt-Weſt-Kompo— nente der Paſſatwinde zwiſchen 15° nördlicher und ſüdlicher Breite ſich auf 10 Meilen in der Stunde beläuft, während das Mittel der Weſt⸗Oſt⸗Komponente des Antipaſſats für die Breite von 45 % an der Erdoberfläche und in einer Höhe von 3 Meilen über derſelben genau 14% Meilen die Stunde beträgt. Neben der großen Welle machen fic) an den Luft: druckkurven auch noch Spuren von kleineren bemerkbar, wodurch die Kurvenlinien ein eigentümliches verwiſchtes Ausſehen erlitten haben. Ebenſo laſſen ſich zwei Arten von Meereswellen unterſcheiden, von denen diejenige, welche aus den Kurven der Flutmeſſer erſichtlich iſt, eine Periode von 2 Stunden beſitzt, die Wellen der zweiten Art haben eine viel kürzere Periode und ſind auf die nächſte Um— gebung des Krakatau beſchränkt geweſen. Man geht wohl nicht irre, wenn man annimmt, daß beide Wellenarten ziemlich gleichzeitig entſtanden ſind, doch kann man auf keinen Fall der Behauptung von Wharton beiſtimmen, die langen Wellen ſeien durch eine Hebung des Bodens ver— anlaßt. Dagegen ſpricht ſchon die Thatſache, daß ſeismiſche Störungen von irgend welchem Belang während der Erup— tion nicht ſtattfanden und alle Beſchädigungen an Häuſern oder Störungen im Gange der Uhren einzig und allein von der Lufterſchütterung herrührten. Was ferner die Veränderungen in den Tiefenverhältniſſen des Meeres in unmittelbarer Nachbarſchaft des Vulkans betrifft, ſo ſchreibt Judd mit vollem Recht die Bildung der Untiefen und Inſeln den ungeheuren Maſſen zu, die vom Vulkan empor- geſchleudert wurden und rund um die Inſel niederfielen. Im Gegenteil geht aus den Aufzeichnungen des Baro— meters in Batavia hervor, an dem jede Exploſion im Krater deutlich erkennbar iſt, daß ſowohl die große Welle als auch ihre kleineren Vorgänger in engſter Beziehung zu dieſen Exploſionen ſtehen. Die Verheerungen, welche an den Küſten der Sundaſtraße angerichtet wurden, rühren hauptſächlich von den kurzen Wellen her, von denen eine durch Ueberlagerung auf die große Welle die bedeutende Höhe von 70 Fuß erreichte. Die großen Wellen pflanzten ſich vor allem in weſtlicher Richtung durch den Indiſchen Ocean ſüdlich um Afrika in den Atlantik bis zur Süd— ſpitze von Amerika fort, nach Oſten hin ſcheint die Welle früher erſtorben zu ſein, wenigſtens ſind die Anzeichen einer ſolchen Welle im nördlichen Pazific nicht ganz un- trüglich. Eine fernere Eigentümlichkeit beſteht darin, daß die langen Wellen, welche Krakatau mit einer Periode von 2 Stunden verließen, auf ihrem weiteren Wege wahr⸗ ſcheinlich durch Interpolation einer Wellenreihe infolge von Reflexion an der Küſte von Java in Wellen von der Hälfte und ſelbſt einem Viertel der anfänglichen Periode zerlegt wurden. 128 In Bezug auf die Erdbebenkunde ſteht die Erdbeben⸗ meſſung im Vordergrunde des wiſſenſchaftlichen Inter⸗ eſſes. Bei der Vervollkommnung, welche die Seismometer im letzten Dezennium hauptſächlich durch die vereinten Bemühungen der Seismologen in Tokio erfahren haben, ſteht zu erwarten, daß fortgeſetzte Beobachtungen uns in der nächſten Zeit intereſſante und wichtige Thatſachen über die Urſache der großartigſten und verderblichſten aller geo⸗ dynamiſchen Kräfte enthüllen werden. Es iſt bezeichnend, daß in demjenigen Lande, welches ſich zuletzt der euro⸗ päiſchen Kultur erſchloſſen hat, der erſte Lehrſtuhl für Seismologie errichtet iſt, der von Profeſſor S. Sekiya eingenommen wird; das ſeismologiſche Inſtitut, welches mit dem meteorologiſchen vereinigt iſt, ſteht unter der bewährten Leitung von John Milne. Neben Japan iſt nun auch in dem klaſſiſchen Lande der Erdbebenforſchung der Eifer fiir Seismologie wieder erwacht und dürfen wir hoffen, daß die Reorganiſation des ſeismologiſchen Dienſtes in Italien bald reiche Früchte tragen wird. Durch das Studium der Tauſende von Erdbeben⸗ diagrammen, welche mit den beſten Inſtrumenten gewonnen ſind, iſt Milne !) zu einer Reihe von wichtigen Schlüſſen ge⸗ führt, die das wahre Weſen der Erdbebenbewegung erkennen laſſen. So wiſſen wir jetzt, daß die Bewegungsrichtung in einem gegebenen Erdbeben fortwährend wechſelt. Ein Punkt der Erdoberfläche, welcher in einem Augenblick ſich nordſüdlich bewegt, kann im nächſten Moment eine oſt⸗ weſtliche Bewegung annehmen, während er zu anderer Zeit einen ſo verſchlungenen Weg zurücklegt, daß man nur mit der größten Mühe die Bahn verfolgen kann. Aus der Periode und Amplitude der Erdbebenbewegung läßt ſich die deſtruktive Kraft berechnen, welche teils von der größten Geſchwindigkeit, teils von dem plötzlichen Auftreten der Bewegung abhängt. Manchen Erdbeben gehen Er⸗ zitterungen des Bodens vorher, bei denen 8—10 Wellen in der Sekunde vorkommen und deren Amplitude nur 0,1 mm erträgt. Wahrſcheinlich ſind es dieſe leiſen Boden⸗ erſchütterungen, welche das Schallphänomen bei Erdbeben verurſachen; für das menſchliche Gefühl ſind ſie nicht wahr⸗ nehmbar, während die Unruhe, die manche Tiere vor einem Erdbeben zeigen, wohl darauf zurückzuführen iſt, daß ſie dieſe Vibrationen des Bodens deutlich verſpüren. Bewe⸗ gungen von beträchtlicher Amplitude, die ſich bei einem Erdbeben als Stöße fühlbar machen, haben eine Periode von 1—2 Sekunden, ſolche mit einer Periode von 3 bis 5 Sekunden machen die gewöhnlichen Erſchütterungen aus. Am Schluß einer Erſchütterung iſt die Wellenperiode faſt immer bedeutend größer als am Anfang und in der Mitte. Eine Bewegungsamplitude von 1 mm iſt ſchon deutlich wahrnehmbar, erreicht fie dagegen 25 mm, fo können Städte in Trümmer gelegt werden. Beobachtungen über die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit haben nicht bloß an und für ſich ein hohes Intereſſe, ſondern können auch für die Frage nach dem Starrheitsgrade der Erde von Wichtigkeit werden. Sowohl bei den künſtlich durch Sprengungen hervorgerufenen als den natürlichen Erſchütterungen variiert die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit mit der Intenſität der anfänglichen Störung und der Beſchaffenheit des fort⸗ *) Report of the British Association, Newcastle, 1889. Nature, Bd. 40. S. 656. Vergl. Humboldt. — April 1890. pflanzenden Mediums, ſie nimmt ab, je weiter die Er⸗ ſchütterung ſich ausbreitet. Mit dieſem Umſtande hängt vielleicht die Thatſache zuſammen, daß an einer gegebenen Station die Wellenperiode in dem Maße länger wird, wie die ſeismiſche Störung erſtirbt und ausſtrahlt. Dar⸗ aus möchte Milne den Schluß ziehen, daß Erdbeben von langer Periode ihren Urſprung in weiter Entfernung haben. Bei ſchwachen Störungen wächſt die Periode mit der Am⸗ plitude, ſobald aber letztere ein gewiſſes Maß erreicht hat, bleibt die Periode entweder konſtant oder nimmt nur ganz langſam zu. In betreff des Verhältniſſes zwiſchen normaler und transverſaler Bewegung iſt feſtgeſtellt worden, daß in kurzer Entfernung vom Urſprungsort die normale Be⸗ wegung die transverſale überholt, hat aber die Amplitude der erſteren ſo weit abgenommen, daß ſie thatſächlich der⸗ jenigen der transverſalen Bewegung gleichkommt, ſo hört der Unterſchied zwiſchen beiden Bewegungen auf. Auf⸗ fallend iſt bei den normalen Bewegungen endlich noch die Thatſache, daß nahe beim Urſprungsort die nach innen gerichtete Bewegung größer iſt als die nach außen ſich fortpflanzende; ſtrahlt die normale Welle weiter aus, ſo teilt ſie ſich allmählich in zwei Wellen, ſo daß zwei Dia⸗ gramme, die an zwei Stationen von demſelben Erdbeben erhalten ſind, große Verſchiedenheiten aufweiſen können. Infolge der ziemlich gleichmäßigen Verteilung der etwa 600—700 Stationen über das ganze Land treten jetzt ſchon in Bezug auf die Frage nach der Verbreitung der ſeismiſchen Thätigkeit nach Raum und Zeit beſtimmte Thatſachen hervor. So weiß man mit Beſtimmtheit, daß die größere Zahl der Erdbeben an oder nahe bei der Oſt⸗ küſte ihren Urſprung hat; hier liegen gewiſſe Zentren, von denen bei den einen ſchwache, bei den andern heftige Er⸗ ſchütterungen ausgehen. Im Durchſchnitt treten in Japan mindeſtens zwei Stöße an einem Tage auf. Da Erdbeben ihre hauptſächlichſte Verbreitung an der Erdoberfläche haben, ſo kann man die Größe des Schüttergebietes als ungefähres Maß der ſeismiſchen Kraft anſehen. So betrug 1885 die erſchütterte Landfläche 660 000 engliſche Quadrat⸗ meilen, 1886 dagegen ungefähr 562 000. Die ſchreckliche Kataſtrophe, bei welcher am 28. Juli 1883 Caſamicciola auf der Inſel Ischia vollſtändig in Trümmer gelegt wurde, lenkte die Aufmerkſamkeit der italieniſchen Regierung auf den Zuſtand, in welchem ſich das Studium der ſeismiſchen Erſcheinungen des Königreichs Italien damals befand, und veranlaßte dieſelbe zu einer Reorganiſation des ſeismologiſchen Dienſtes in Italien zu ſchreiten. Durch königliches Dekret vom De⸗ zember desſelben Jahres wurde eine Kommiſſion eingeſetzt, der die bedeutendſten italieniſchen Seismologen angehören, u. a. Blaſerna, de Roſſi, Palmieri, Silveſtri und Tacchini. Nach den Vorſchlägen ), welche von dieſer Kommiſſion behufs Neuordnung des ſeismiſchen Beobachtungsdienſtes gemacht wurden, iſt nun das ganze Land vom Fuße der Alpen bis zu den ſüdlichſten Punkten einſchließlich der Inſeln mit einem vollſtändigen Netz von Beobachtungs⸗ ſtationen bedeckt, die ſich in verſchiedene Ordnungen ab⸗ ſtufen. Als Stationen erſter Ordnung wurden angefebt: 1. der Aetna für Sizilien und die kleinen Gruppen vul⸗ ) Annali dell’ Ufficio centr. meteor. italiano, B. VIII., 4, Prefazione. Humboldt. — April 1890. 129 kaniſcher Inſeln; 2. der Epomeo für die Inſel Ischia; 3. der Veſuv mit den Phlegräiſchen Feldern, dem Vultur und Rocca Monfina; 4. Rocca di Papa für die zerſtreuten Vulkane des mittleren Italiens; 5. die Euganeen, die erloſchenen Vulkane bei Padua und Vicenza. Um dieſe Stationen erſter Ordnung gruppieren ſich eine je nach der Bedeutung verſchiedene Zahl von Stationen zweiter und dritter Ordnung. Die Beobachtungen erſtrecken ſich in erſter Linie auf die ſeismiſchen und vulkaniſchen Phä— nomene, daneben ſollen aber in gleicher Weiſe alle die— jenigen Erſcheinungen in den Kreis des Studiums gezogen werden, die beſonders in den vulkaniſchen Gegenden mit den Thermen und der inneren Erdwärme in Beziehung ſtehen. Auf den Hauptſtationen wird neben der Beobach— tung der gewöhnlichen Erdbeben großes Gewicht auf das Studium der mikroſeismiſchen Bewegungen gelegt. Als Grundlage für dieſe Einteilung diente ein Bericht, den Taramelli*) namens einer Subkommiſſion über die J Ebenda, S. 129. Verbreitung der ſeismiſchen Thätigkeit in Italien erſtattete. Aeußerſt lehrreich iſt die dem Bericht beigefügte Karte, auf welcher der Verfaſſer den Verſuch macht, entſprechend der ſeismiſchen Intenſität in den verſchiedenen Gebieten, Italien in ſeismiſche Provinzen einzuteilen, die durch neun verſchiedene Farbentöne unterſchieden werden. Auf den erſten Blick treten als Zentren intenfivfter ſeismiſcher Thätigkeit folgende Gebiete hervor: Im Norden der Küſten— ſtrich, ſüdlich von der Mündung des Po bis Rimini und Peſaro (Stufe 7); dem entſprechen auf der Weſtſeite des Apennin das Thal des Mugello oberhalb Florenz (6) und die Gegend von Siena (6). In Mittelitalien liegt ein ſolches langgeſtrecktes Zentrum im Gebiete der höchſten Erhebungen der Abruzzen zwiſchen Aquila und Solmona (8), daran reihen ſich im Süden die drei Gebiete des Veſuv, von Benevento und Melfi (8). Die höchſte Intenſität (9) weiſt aber der Südweſten Italiens auf, wo die Sila und der Aſpromonte mit ſchroffem Bruchrande an das Tyr— rheniſche Meer herantreten. Vhyſtologie. Von Profeſſor Dr. J. Gad in Berlin. Linfencylinder der Inſektenaugen. Strahlenbild der Geſtirne. Regulärer Aſtigmatismus. Accommodation durch Wirkung äußerer Augenmuskeln— Myopie und Orbitalinder. Unſymmetriſche Accommodation. in Zentrum und Peripherie der Netzhaut. Empfindlichkeit für sicht verſchiedener Wellenlänge. Adaptation für Hell und Dunkel, Unterſchiedsempfindlichkeit Auge des Maulwurfs und des Olms. Daß die Kryſtalllinſe des Wirbeltierauges einen ge— ſchichteten Bau beſitzt, war ſeit lange bekannt. Man wußte, daß der Kern einen bedeutend höheren Brechungsindex hat als die Randſchicht. Die weſentliche Bedeutung dieſes geſchichteten Baues für das Sehen iſt aber erſt vor meh— reren Jahren erkannt worden, nachdem L. Hermann das Problem des Ganges ſchief in das Auge fallender Strah- len wieder aufgenommen und L. Matthieſſen dasſelbe voll- kommen gelöſt hatte. Es iſt weſentlich der geſchichtete Bau der Kryſtalllinſe, welchem der dioptriſche Apparat des Wirbeltierauges die Eigenſchaft verdankt, ſchief einfallende homozentriſche Strahlenbündel auf den peripheriſchen Teilen der Netzhaut mit ſolcher Annäherung punktförmig zur Abbildung zu bringen, wie es bei dem dortigen unvoll— kommenen Moſaik der Sehelemente überhaupt nur von Nutzen für die Zwecke des indirekten Sehens ſein kann. Die hierauf beruhende Fähigkeit des Auges, weit ſeitlich vom Fixierpunkt gelegene Gegenſtände wenigſtens an— nähernd erkennen zu können, nennt man ſeine Periſkopie. Ein Auge mit einer homogenen Kryſtalllinſe wäre nicht periſkopiſch. Die Schichtung dioptriſcher Medien findet ſich nun, wie S. Exner ſchon vor mehreren Jahren entdeckte, bei den facettierten Inſektenaugen wieder, dient aber hier einem ganz anderen Zweck. Der Chitincylinder, aus welchem jede Corneafacette des ſogenannten zuſammengeſetzten Auges beſteht, hat zwei konvexe kugelige Begrenzungsflächen. Die der Luft (bezw. dem Waſſer) zugewendete Fläche hat einen ſehr großen, die dem Kryſtallkegel zugekehrte einen kleinen Krümmungshalbmeſſer. Infolgedeſſen wirkt jede Facette wie eine Sammellinſe. Exner fand aber, daß dieſe Wir- kung, wenn auch in geringerem Maß, fortbeſteht, wenn Humboldt 1890. beide kugelige Grenzflächen durch ebene Schnitte entfernt ſind. Es beruht dies darauf, daß die der Achſe jedes Chitincylinders näheren Schichten ſtärker lichtbrechend ſind als die dem Mantel näheren. Jeder Strahl erleidet da— durch beim Verlauf durch den Cylinder Ablenkungen, welche analog denen bei der Luftſpiegelung ſind. Die Rechnung lehrt, daß ſolche geſchichtete Cylinder die beſten Bilder zu erzeugen imſtande find, wenn der Brechungsindex nach dem Geſetz der Parabel mit der Entfernung von der Achſe abnimmt. Dasſelbe paraboliſche Geſetz hat Matthieſſen bet der Kryſtalllinſe der Wirbeltieraugen realiſiert gefun- den und es hat ſich auch gezeigt, daß Linſen oder Cylinder aus Gelatine beim Quellen in Waſſer eine demſelben Geſetz gehorchende Verteilung der Brechungsindices an— nehmen. Neuerdings hat S. Exner“) die Bedeutung der, Linſen— cylinder“ für das Sehen der Inſekten klargeſtellt und zugleich hat er zu Gunſten der alten Theorie Johannes Müllers entſchieden, nach welcher die mit Facettenaugen begabten Tiere vermittelſt eines aufrechten und nicht ver— mittelſt vieler umgekehrter Bilder ſehen. Zur Demon— ſtration dieſes Bildes fand Exner das Auge des Leucht— käfers (Lampyris splendidula) beſonders geeignet. Bei dieſem ſind die Kryſtallkegel mit der Cornea verwachſen; man kann daher das Pigment und die übrigen Weichteile des Auges abpinſeln und den ganzen dioptriſchen Apparat bei normaler Lagerung der Kryſtallkegel zur Cornea unter⸗ ſuchen. Der größte Teil des friſchen Auges wird abgekappt, der dioptriſche Apparat durch Pinſeln gereinigt, dann mit *) Wiener Akad. Sitzungsber. XO VIII. 3, S. 13. u. 143. 17 130 ſeiner konkaven (hinteren) Fläche auf ein Deckgläschen oder Glimmerblättchen gelegt und, an dieſem hängend, unter das Mikroskop gebracht. Das vom Mikroſkopſpiegel re⸗ flektierte Licht tritt alſo in der normalen Richtung in das Auge und die Hornhautfläche iſt, wie beim normalen Sehen, mit Luft in Berührung. Das Glimmerblättchen iſt vorher mit verdünntem Glycerin vom Brechungsinder des Käferblutes (1 . 345) benetzt, fo daß auch der Aus⸗ tritt der Strahlen in einer der Norm entſprechenden Weiſe ſtattfindet. Unter dieſen Umſtänden kann das Bild, wel⸗ ches das Lampyrusauge entwirft, geſehen werden mit Hilfe des Mikroſkopes oder auch einer einfachen Lupe. Es befindet fic) beträchtlich hinter der Spitze der Kryſtall⸗ kegel, iſt aufrecht (liegt alſo noch vor dem Knotenpunkt des Syſtems) und wenn es auch nicht ſehr ſcharf iſt, ſo iſt es doch deutlich genug, um allerhand Einzelheiten wie den Griff einer Haarnadel, Pfeiler, das Dach eines Ge⸗ bäudes, Baumzweige u. dergl. unterſcheiden zu laſſen. An der Erzeugung eines Bildpunktes beteiligen ſich jedesmal mehrere Facetten und Kryſtallkegel. Man kann in der That, wenn ein einzelner leuchtender Punkt abge⸗ bildet wird, durch Heben oder Senken des Mikroſkoptubus die einzelnen Lichtbündel zu dem Bildpunkte zuſammen⸗ rücken oder zu den einzelnen Kegeln auseinanderweichen ſehen. Stellt man auf die Spitzen der Kryſtallkegel ein, ſo findet man, daß bei Verſchiebung des leuchtenden Ob⸗ jektpunktes einzelne der hellen Kreiſe erlöſchen, ohne eine Verſchiebung zu erleiden. Im Lampyrusauge ſcheinen ſich bis 30 Facetten an der Abbildung eines einzelnen Punktes zu beteiligen. Da hiernach das Geſamtbild ſich aus einer großen Zahl von einzelnen, ſich größtenteils überdeckenden Bildern zuſammenſetzt, ſo bezeichnet es Exner als ein Summationsbild. Wäre die Schichtung innerhalb der einzelnen Cornea⸗ facetten nicht vorhanden, fo würde das Bild in der rich⸗ tigen Entfernung von der Cornea nur bei ſtärkerer Krüm⸗ mung der vorderen und hinteren Facettenflächen oder bei außerordentlich ſtarkem Brechungsindex der Chitinſubſtanz zu ſtande kommen und an der Erzeugung jedes Bildpunktes würde ſich nur eine ſehr kleine Zahl von Facetten be⸗ teiligen können. Aus einer je größeren Zahl ſich über⸗ deckender Bilder das Summationsbild entſteht, um ſo heller iſt es. Die Einrichtung muß alſo vor allem dem Sehen im Dunkeln zu ſtatten kommen, wo es weniger darauf ankommt, daß ſcharf, als daß überhaupt etwas geſehen wird. Bei Tage iſt es zweckmäßiger, daß nur wenige benachbarte Facetten zu der Erzeugung desſelben Bildanteiles beitragen, das Bild kann dann ſchärfer werden bei ausreichender Helligkeit. In der That hat nun Exner gefunden, daß das Pigment der vorderen Pigmentſchicht in Inſektenaugen je nach dem Aufenthalt des Tieres im Hellen oder im Dunkeln eine andere Anordnung zeigt und daß die erſtere Anordnung geeignet iſt, die Beteiligung benachbarter Facetten an der Abbildung desſelben Punktes einzuſchränken oder zu ver⸗ hindern. Der erfreuliche Anblick des geſtirnten Himmels beruht bekanntlich auf einem optiſchen Fehler unſeres Auges. Ein vollkommenes Auge, und es ſoll vollkommene in dieſem Sinne geben, würde das große Heer der Himmelskörper bei genauer Einſtellung auf dieſelben punktförmig, bei Numboldt. — April 1890. ungenauer als kleine Kreisſcheiben ſehen, nicht aber ſtern⸗ förmig. Die Eigenſchaft des Auges, infolge deren wir leuchtende Punkte bei mäßiger Abweichung von der ſcharfen Accommodation nicht ſcheibenförmig, ſondern ſtrahlig ſehen, nennt man den normalen irregulären Aſtigmatis⸗ mus. In einer dieſem Gegenſtand gewidmeten Abhandlung geht S. Exner) von der Vorſtellung aus, daß die Wellen⸗ fläche der von einem leuchtenden Punkt ausgegangenen Lichtbewegung im Auge keine genaue Kugelfläche, ſondern eine mit kleinen Einbiegungen verſehene oder unebene Kugelfläche, etwa wie die Schale einer Orange, darſtellt. Die Helligkeitsdifferenzen müſſen am bedeutendſten er⸗ ſcheinen, wenn die Krümmungsmittelpunkte ſolcher kleiner, abweichend geſtalteter Teile gerade in die Netzhaut fallen, ſomit ein kleines Strahlenbild dort zur Vereinigung ge⸗ langt. Für das Auge des Verfaſſers tritt dies ein, wenn die Netzhaut hinter dem Geſamtbrennpunkt liegt, hier liegen alſo Verbiegungen der Wellenfläche vor, deren Krümmung geringer iſt als die der Totalwellenfläche. Stellt man feſt, bei welcher Einſtellung des Auges die Helligkeitsdifferenzen in der Zerſtreuungsfigur am be⸗ deutendſten ſind, ſo läßt ſich daraus annähernd entnehmen, wie weit der Brennpunkt der eingebogenen Partien (Del⸗ len) der Wellenfläche von dem Geſamtbrennpunkt entfernt iſt. Aus dem Ausſehen der Zerſtreuungsfigur läßt ſich auch die Größe einer ſolchen Delle berechnen. Für das Auge des Verfaſſers haben fie einen Durchmeſſer von 0,25 mm und der Brennpunkt dieſer Stellen liegt etwa 0,192 mm hinter dem Geſamtbrennpunkte. Die Ver⸗ biegung der Wellenfläche iſt dabei immer eine ſehr ge⸗ ringe; die Abweichung von der normalen Wellenfläche beträgt nur 0,1 bis 0,2 h. Die Spalträume, welche zwiſchen den Faſermaſſen an den Polen der Linſe liegen, können recht wohl die Urſache ſolcher Verbiegungen der Wellen⸗ fläche ſein, wenn der Brechungsindex der ſie ausfüllenden Subſtanz um ein bis zwei Einheiten der vierten Dezimale kleiner iſt als der der Umgebung. Das ſtrahlige Aus⸗ ſehen der Figur erklärt ſich daraus, daß die Einbiegungen der Wellenfläche nicht kreisförmig, ſondern gewiſſermaßen ſtreifig zu denken ſind. Außer dieſem „unregelmäßigen“ Aſtigmatismus gehört zu den faſt allgemein verbreiteten Abweichungen des Auges von der Vollkommenheit der ſogenannte „regelmäßige“ Aſtigmatismus. Derſelbe äußert ſich darin, daß gleich⸗ ferne Linien in verſchiedenen Meridianebenen des Auges, bei verſchiedener Accommodation ſcharf geſehen werden, und er iſt ſeit lange auf verſchiedene Krümmung der Horn⸗ haut in verſchiedenen Meridianen zurückgeführt. W. Röder hatte vor etwa zehn Jahren die Theorie aufgeſtellt, daß der „gewöhnliche“ Aſtigmatismus (ſtärkſte Krümmung im ſenkrechten Meridian der Cornea) durch Zug und Druck des äußeren und inneren geraden Augenmuskels entſtehe und der Aſtigmatismus „gegen die Regel“ durch Schwäche jener Muskeln, beſonders der interni. Röder “) iſt nun in der glücklich⸗unglücklichen Lage, ſeine Theorie an ſich ſelbſt zu erproben. Vor einigen Jahren erkrankte er (an Tabes dorsalis) und als erſtes Symptom trat eine Pareſe ) Archiv f. Ophthalmologie, XXXIV, S. 1. ) Centralbl. f. prakt. Augenheilk., Mai 1888. S. 158. Humboldt. — April 1890. 131 des Nervus oculomotorius des linken Auges auf. In⸗ folge der hierdurch bedingten Schwächung des inneren ge— raden Augenmuskels machte ſich in der That ein Aſtig— matismus „gegen die Regel“: ſtärkſte Krümmung im hori— zontalen Meridian, geltend. Dies paßte alſo zur Theorie! Röder machte nun das experimentum crucis. Er ließ ſich die fehlerhafte Stellung des linken Auges durch eine Schieloperation behandeln, durch welche die Span— nung des geraden inneren Augenmuskels verſtärkt werden ſollte, und er ſagte dem Operateur voraus, daß nach Er— reichung dieſes Zweckes auch der Aſtigmatismus des linken Auges verſchwinden oder wenigſtens ſich vermindern würde. Letzteres iſt einige Monate nach der Operation dann auch thatſächlich und in erheblichem Maße eingetreten. Die Theorie von Röder hat auch durch eine neuere in Frankreich angeſtellte Unterſuchung Beſtätigung erfahren. A. Leroy“) hat auf ophthalmometriſchem Wege gefunden, daß die Krümmung der Hornhaut in ihren peripheriſchen Teilen eine flachere iſt als in der Mitte, und zwar ſei die Abplattung am geringſten im horizontalen Meridian nach außen; etwa doppelt ſo ſtark ſei die Abplattung im vertikalen Meridian, und zwar ſowohl nach oben als nach unten; am ſtärkſten ſei die Abplattung im horizontalen Meridian nach innen. Die Urſache dieſer ungleichen Ab— plattung der Hornhaut ſucht Leroy jenſeits der Cornea— ſkleralgrenze, einerſeits in der verſchiedenen Widerſtands— fähigkeit der Lederhaut, andererſeits in der ungleichen Wir— kung der Augenmuskeln. Auf den letzteren Umſtand weiſt gerade das Maß der verſchiedenen Abplattungen hin; dem ſchwächſten der Augenmuskeln, dem M. rectus externus, entſpreche auch die ſchwächſte Abplattung, dem ſtärkſten der- ſelben, dem M. rectus internus, entſpreche die ſtärkſte Ab— plattung. Die Frage, ob eine Accommodation für die Nähe allein durch Formänderungen des hinteren Augenabſchnittes unter äußerem Muskeldruck ohne Beteiligung der Linſe möglich ſei, war von Förſter und von Donders verneint worden. Die Richtigkeit dieſer Antwort fand Schneller) anfecht⸗ bar auf Grund der an ſich und anderen beobachteten Thatſache, daß es möglich iſt, durch leichten Fingerdruck auf den Augapfel eine meßbare und manchmal beträchtliche Refraktionszunahme hervorzubringen. Was hier der Finger— druck bewirkt, das könnte, ſo folgert Schneller, ja auch der Muskeldruck bei Augenbewegungen bewirken, beſonders wenn die Bewegung durch Zuſammenziehung ganzer Muskelgruppen herbeigeführt wird. Iſt es doch bekannt, daß für jugend- liche Augenpaare der Nahepunkt bei geſenkter Blickebene etwas näher liegt als bei wagrechter, und zwar ohne daß durch das Senken der Blickebene eine Pupillenverengerung hervorgebracht würde. Zudem konnte Schneller das Näher— rücken des Punktes der Einſtellung durch Senken der Blickebene bei einigen Staaroperierten, alſo Linſenloſen, nachweiſen. Dieſe Beobachtungen und Erwägungen be— ſtimmten ihn, die Frage von neuem zu prüfen und zwar an atropinifierten Augen 12- bis 19jähriger Schüler. Es ergab ſich, daß bei 15 von 18 unterſuchten Perſonen eine Refraktionszunahme zwiſchen 0,5 und 2,0 Dioptrien eintrat *) Arch. de Physiol. 5, I. ½ S. 141. ) Archiv f. Ophthalmologie, XXV. 1, S. 76. bei Konvergenz der Geſichtslinien auf etwa 10 em und Sen⸗ kung der Blickebene um 30°. Daß eine Krümmungsände⸗ rung der Hornhaut an dieſem Effekt unbeteiligt ſei, wurde durch die ophthalmometriſchen Meſſungen der Hornhaut— krümmung an 21 Augen von 12 jugendlichen Perſonen bewieſen. Dieſelben ergaben bei Konvergenz und Neigung der Geſichtslinien entweder den gleichen oder ſogar einen etwas größeren Krümmungsradius, als bei geradeaus in die Ferne gerichtetem Blick. Da ferner die auf ihren Refraktionszuſtand unterſuchten Augen maximal atropini⸗ ſiert geweſen waren, ſo kann die Refraktionsänderung auch nicht auf einer Veränderung an der Linſe beruht haben, ſie mußte hervorgebracht ſein durch Verlängerung der Augenachſe. Eine Theorie, welche auf den Druck äußerer Augen— muskeln die Entſtehung der Kurzſichtigkeit zurückführen wollte, wurde von Stilling ausgeſprochen, welcher be— hauptete, durch Kurzſichtigkeit ſeien bedroht diejenigen Augen, welche in einer niedrigen Augenhöhle wohnen; nicht gefährdet dagegen die Augen mit hoher Augenhöhle. Je niedriger die Augenhöhle iſt, um ſo ſtärker kann der Druck ſein, welchen die Augenmuskeln, namentlich die ſchiefen, auf den Aequator des Augapfels ausüben. Schmidt⸗ Rimpler “) unterſuchte im Hinblick auf dieſe Theorie die Schüler mehrerer Gymnaſien; er fand 722 emmetropiſche bezw. hypermetropiſche Augen und 577 kurzſichtige. Die durchſchnittliche Höhe der Augenhöhle, gemeſſen durch ihre Breite, war bei den Emmetropen und Hypermetropen ganz genau dieſelbe wie bei den Kurzſichtigen. Die Meſſungen widerſprechen alſo der Stillingſchen Lehre. Vielleicht noch überzeugender wirkt folgende Zuſammenſtellung. Da Schmidt⸗Rimpler die jetzt von ihm unterſuchten Gymna— ſiaſten ſchon einmal vor 34/2 Jahren, und zwar bezüglich der Refraktion unterſucht hatte, ſo konnte er nebeneinander— ſtellen einerſeits ſolche Augen, deren Kurzſichtigkeit wäh— rend der 3½ Jahre zugenommen hatte, andererſeits ſolche Augen, deren Refraktion unverändert geblieben war. Es ergab ſich nun, daß der „Orbitalindex“ (Höhe der Augen— höhle durch die Breite gemeſſen) bei den kurzſichtiger ge— wordenen Augen nicht merklich anders war, als bei den unverändert gebliebenen, ja daß der kleine durchſchnitt— liche Unterſchied ſogar die höhere Augenhöhle den Kurz— ſichtigen zuſpricht. Die Möglichkeit, beide Augen gleichzeitig in ungleicher Weiſe zu accommodieren, war bisher geleugnet worden. A. E. Fick“) ſagte ſich, daß eine un- gleiche Accommodation des rechten und linken Auges unter phyſiologiſchen Verhältniſſen am eheſten da zu erwarten ſei, wo dieſelbe für das binokulare deutliche Sehen nützlich ſein kann. In dieſer Hinſicht hätten die Verſuche von Hering, Donders Schweigger und Rumpf noch nicht die denkbar günſtigſten Bedingungen verwirklicht und könnten daher die wirkliche Unmöglichkeit der ungleichen Accommodation nicht beweiſen. Fick ſtellte aus zwei identiſchen Drucken ftereo- ſkopiſche Bilder her und überklebte gewiſſe Teile im rechten, andere im linken Bilde, ſo daß von dem geſamten Texte und auch von einzelnen Worten gewiſſe Teile nur mit *) Archiv f. Ophthalmologie, XXXV. 1, S. 200. ) Archiv f. Augenheilk. XIX. S. 123. 132 Humboldt. — April 1890. dem rechten, andere nur mit dem linken, noch andere mit beiden lesbar waren. Die mit einer Anzahl von Per⸗ ſonen angeſtellten Proben ergaben, daß die Schrift auch noch bei einſeitiger oder unſymmetriſcher Anwendung von Brillengläſern geleſen werden kann. Da hierzu die deut⸗ liche Wahrnehmung mit beiden Augen erforderlich iſt, ſo folgt, daß eine mehr oder weniger ungleiche Accommo⸗ dation ſtattgefunden hat. Um den Grad dieſer Ungleich⸗ heit feſtzuſtellen, iſt allerdings noch erforderlich, daß die Größe der Zerſtreuungskreiſe auf der Retina feſtgeſtellt werde, bei denen die betreffenden Perſonen die Schrift noch zu leſen vermochten. Fick that dies, indem er im Fernpunkt des einen durch Konvexglas kurzſichtig ge⸗ machten Auges Leſeproben aufſtellte und prüfte, bei wel⸗ chem dioptriſchen Fehler dieſes einen Auges das Leſen nicht mehr gelang. Heß) machte hiergegen geltend, daß beim einäugigen Sehen der dioptriſche Fehler, welcher vertragen werde, kleiner ſei als beim doppeläugigen Sehen, weil bei letzterem die Pupillen enger, die Zerſtreuungs⸗ kreiſe unter ſonſt gleichen Umſtänden alſo kleiner ſeien. Einige Verſuche mit Cylindergläſern machten es Fick auch wahr⸗ ſcheinlich, daß ſelbſt im einzelnen Auge eine in verſchie⸗ denen Meridianen ungleiche Accommodation, wenn auch nur mit unbequemer Anſtrengung und vorübergehend, ſtatt⸗ finden kann. Weber und Stenger hatten beobachtet, daß wenn man bei allmählich zunehmender Erwärmung eines Körpers das von ihm ausgeſandte Licht ſpektral zerlegt, nicht das rote Ende des Spektrums, ſondern vielmehr die Mitte zuerſt ſichtbar wird. Bekannt war ferner, daß bei fort⸗ ſchreitender Verminderung der Intenſität jede Lichtart ihre Farbigkeit verliert und weißlich oder grau erſcheint, um erſt bei noch weiterer Abſchwächung ganz unſichtbar zu werden. H. Ebert!) ſtellte ſich nun die Aufgabe, die abſoluten Schwellenwerte für Licht verſchiedener Wellenlänge zu ermitteln und zwar in dem Sinne, daß die Reizſtärke gefunden werden ſollte, welche überhaupt eine merkliche (d. h. von dem Eigenlicht der Netzhaut verſchiedene) Empfindung auslöſte, nicht etwa diejenige, bei welcher die Farbe des Lichtes erkannt werden kann. Es wurde mit einem prismatiſchen Gasſpektrum unterſucht, doch liegen Zahlenangaben von Langley und O. S. Meyer vor, mit Hilfe deren die Befunde auf die Energieverteilung am Sonnenſpektrum bezogen werden konnten. Hiernach ergab ſich als Energie der eben merklichen Beſtrahlung im Rot Gelb Grün Grünblau Blau bei Beobachter I. 151 90 6 8 20 5 2 II. 202 104 6 12 22 Das Geſichtsorgan beſitzt alſo, wenn man die Em⸗ pfindlichkeit umgekehrt proportional ſetzt der Energiemenge, welche zur Auslöſung einer eben merklichen Empfindung erforderlich iſt, die höchſte Empfindlichkeit für Grün, ſo⸗ dann folgt die für Grünblau, Blau, dann für Gelb und dann für Rot. Setzt man voraus, daß mit Steigerung der Temperatur die Intenſität der Strahlung für alle Wellenlängen gleichmäßig wächſt, ſo läßt ſich aus dieſen ) Archiv f. Ophthalmologie, XXXV. S. 157. **) Wiedemanns Annalen, XXXIII. S. 136. Ergebniſſen ableiten, daß (was auch von Stenger beobachtet iſt) bei allmählicher Erwärmung des Platins das Spektrum desſelben zuerſt in Grün einen ſichtbaren Streifen zeigt, welcher ſich gegen das Blau hin ſchneller verbreitert, dann im Rot und darnach erſt im Gelb das Licht ſichtbar wird. Später als Ebert, aber ohne deſſen Reſultate zu kennen, hat ſich J. P. Langley“) mit dem gleichen Problem be⸗ ſchäftigt. Er ſetzte die Empfindlichkeit des Auges für eine Strahlengattung umgekehrt proportional derjenigen Ener⸗ giemenge ſolcher Strahlung, welche erforderlich iſt, um das Leſen zu ermöglichen, und fand, daß für mehrere Be⸗ obachter das Maximum der Empfindlichkeit etwa bei Wellen⸗ länge 0,50 h. liegt. Die Mittel aus den Reſultaten dreier Beobachter zeigt folgende Tabelle: Wellenlänge (4). 0,45 0,50 0,55 0,60 0,65 0,70 0,75 Empfindlichkeit 0,0026 0,0149 0,123 2,70 7,58 5,38 0,954 0,070 0,0120 0, 00006 Ueber die Lichtempfindlichkeit der Netzhaut⸗ peripherie im Verhältnis zu derjenigen der Netz⸗ hautmitte bei Tageslicht hat Th. Treitel “k) Verſuche nach folgendem Plan angeſtellt. Auf einem Kreisbogen, in deſſen Mittelpunkt das Auge des Beobachters ſteht, wird eine ſchwarze Tafel mit quadratiſchem Ausſchnitt verſchoben; hinter dem Ausſchnitt rotiert eine Scheibe mit ſchwarzem und weißem Sektor; bei hinlänglich ſchnellem Rotieren der Scheibe ſieht der Beobachter alſo in dem quadratiſchen Aus⸗ ſchnitt eine graue Fläche und durch Probieren kann diejenige Größe des weißen und des ſchwarzen Sektors ermittelt werden, bei der das graue Quadrat eben ſichtbar wird, ſich eben von dem ſchwarzen Grunde der Tafel abhebt; offenbar muß das Quadrat zum Sichtbarwerden um ſo heller ſein, je geringer die Unterſchiedsempfindlichkeit desjenigen Netz⸗ hautſtückchens iſt, auf dem das Bild des quadratiſchen Objektes zu ſtande kommt. Treitel konnte mit Hilfe dieſer Verſuchsanordnung feſtſtellen, daß bei Prüfung im Tages⸗ licht die Unterſchiedsempfindlichkeit im gelben Fleck am größten iſt und auf der naſenwärts gelegenen Netzhaut im wagerechten Meridian nach der Peripherie zu ſtetig abnimmt. Die Abnahme iſt ſo beträchtlich, daß 30 bis 40° naſenwärts von der Netzhautmitte nur noch ein Neun⸗ zigſtel der Unterſchiedsempfindlichkeit vorhanden iſt, deren ſich die Netzhautmitte erfreut. Wurde ſtatt bei Tageslicht bei mäßig herabgeſetzter Beleuchtung unterſucht, jo war das Ergebnis ein weſentlich anderes. Zwar war auch jetzt noch die Unterſchiedsempfindlichkeit der Netzhautmitte größer als die einer um 30°, beziehungsweiſe 40° naſenwärts gelegenen Stelle, aber das Uebergewicht drückte ſich jetzt nur noch in Prozenten, nicht mehr in einem Vielfachen aus. Da ſich bei Verſuchen anderer, welche im Dunkel⸗ zimmer angeſtellt worden waren, für die Netzhautmitte ſogar eine geringere Lichtempfindlichkeit ergeben hatte als für weiter ſeitlich gelegene Partien, ſo vermutet Treitel, daß die Adaptation der Netzhautmitte für die Dunkelheit langſamer erfolge als diejenige der Netzhautperipherie. Die Adaptation des Wirbeltierauges für Hell und Dunkel erfolgt durch Umlagerungen in dem Pigment⸗ epithel der Retina und durch Längenänderungen der Stäb⸗ 0,4 0,38 0,40 *) The Amer. Journ. of Science (Silliman) 3, XXXVI. 215 S. 359. **) Archiv f. Ophthalmologie, XXXV. 1. S. 50. Humboldt. — April 1890. 133 — ———— k hU»˖Q.—naUſ. — . ——̃ ——ĩ̃æ ——ͤ—— chen. Die letzteren hatte Engelmann auch beobachtet, wenn nicht das unterſuchte Auge ſelbſt, ſondern wenn das der anderen Seite dem ſtarken Lichteinfall ausgeſetzt geweſen war, und er hatte auch ſonſt noch Anzeichen dafür gefunden, daß die Einnahme der Licht- oder Dunkelſtellung der re— tinalen Elemente von centrifugalen Nerveneinflüſſen ab— hängig ſei. Hamburger *) hat nun auf Engelmann's Anregung unterſucht, ob nicht doch auch nach durchſchnittenen Nerven— verbindungen die Einnahme der Hell- und Dunkelſtellung einträte. Fröſche, denen je ein Nervus opticus durch— trennt war, wurden zum Teil im Dunkeln, zum Teil im Licht aufbewahrt und an den Präparaten von allen Augen dieſer Fröſche zeigte ſich in ausgeſprochener und geſetzmäßiger Weiſe die Licht- oder Dunkelſtellung der Pigmentzellen und Stäbchen, mochten die Präparate von Augen mit durchſchnittenem oder undurchſchnittenem Seh— nerv ſtammen. Die Umlagerung der Pigmentzellen und Stäbchen iſt alſo nicht allein durch centrifugale Erregung zu erklären, ſondern man muß annehmen, daß im Auge ſelbſt ein Prozeß ſtattfindet, der dieſe Erſcheinung bedingt. An demſelben kann übrigens eine Veränderung des Blut— kreislaufs nicht weſentlich beteiligt ſein, da der Verfaſſer ſeine Ergebniſſe auch bei ausgeſchnittenen überlebenden Augen beſtätigen konnte. Die Augen der im Dunkeln lebenden Tierarten haben von jeher ein beſonderes Intereſſe erregt und diejenigen des Maulwurfs und des Olms ſind neuerdings von ) Feeſtbundel van Donders, S. 285. C. Heß“) einer genaueren Unterſuchung unterzogen worden — Das Maulwurfsauge iſt vollkommener als man bisher gedacht hat. Die Cornea iſt freilich gefäßhaltig und die Linſe beſteht nicht aus Faſern, ſondern aus verzweigten kernhaltigen Zellen; im übrigen weicht aber das Auge. von ſeiner Kleinheit abgeſehen, von demjenigen anderer Wirbeltiere wenig ab. Corpus ciliare und Musculus ciliaris find wohl entwickelt, die Retina, welche nur Stäbchen enthält, iſt annähernd ſo dick wie beim Menſchen, alle Schichten derſelben ſind ausgebildet, die Gefäße mächtig. Den Refraktionszuſtand findet der Verfaſſer im Gegenſatz zu früheren Autoren emmetropijd. Das Auge von Proteus anguineus iſt nur 15 bis 20 mal ſo groß als ein rotes Blutkörperchen dieſes Tieres; es ſtellt makroſkopiſch ein ſchwarzes Pünktchen unter der Haut dar. Mikroſkopiſch beſteht es aus einer bindegewe- bigen, pigmentierten Sklera und einer Retina, welche nahezu den ganzen Binnenraum ausfüllt und ungefähr ſo dick iſt wie die des Menſchen. Alle Schichten find vor— handen und gut entwickelt, mit Ausnahme der Stäbchen, welche unregelmäßig geſtaltet ſind und im allgemeinen die Form von Halbkugeln oder Ellipſoiden zeigen. Gefäße ſind nicht vorhanden; Cornea, Linſe fehlen völlig, ebenſo Augenmuskeln, Thränendrüſe, nicht einmal eine Orbital— höhle iſt vorhanden. Das Auge enthält keine ektodermalen Gebilde, es iſt auf dem Stadium der ſekundären Augen— blaſe ſtehen geblieben, mithin nicht verkümmert, ſondern rudimentär entwickelt. ) Archiv f. Ophthalmologie, XXXV. 1 Kleine Mitteitungen. Zähigkeit und Sprodigkeit. In einem Vortrag, welchen Profeſſor Kick im „Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes in Preußen“ hielt, ſprach der Redner über die Härtebeſtimmung ſpröder Körper. Faßt man die Härte als Widerſtand gegen das Eindringen fremder Körper auf, ſo kann man zwei Arten: Ritzen bezw. Abtrennen von Spähnen und Kerben oder Eindrücken unterſcheiden. Es fragt ſich zunächſt, was iſt Zähigkeit bezw. Sprödigkeit, da dieſe Begriffe bisher weder genau definiert noch ge— meſſen ſind und da das Ergebnis der Formveränderung beim Ritzen ſowohl wie beim Kerben weſentlich von der Zähigkeit oder Sprödigkeit des Materials abhängt. In Blei, Kupfer, Eiſen kann man einen Stempel eindrücken und eine demſelben entſprechende Vertiefung hervorbringen; kryſtalliſiertes Steinſalz, Marmor, Bronze werden dagegen bei demſelben Verſuch zerſpringen. Drückt man einen Stempel mit ebener Endfläche in ein bildſames, zähes Material, jo ſchiebt derſelbe eine kegelförmige Material- menge vor ſich her, zunächſt muß aber der Widerſtand gegen das Abſcheren überwunden werden; ähnliches findet bei ſprödem Material ſtatt, jedoch zerſpaltet der vom Stempel niedergedrückte Materialkegel das ſpröde Material, bevor ein tieferes Eindringen erfolgen kann. Das Ein⸗ dringen des Stempels ſetzt die Ueberwindung der Scher⸗ feſtigkeit an ſeiner Umfläche voraus; dieſe ſpielt bei den verſchiedenſten Methoden des Eindringens eines Körpers in einen andern eine Hauptrolle. Seine Verſuche führten den Redner zu der Annahme, daß Härte und Scherfeſtig— keit ſich gegenſeitig bedingen, d. h. eine durch die andere gemeſſen werden könne. Die Verſuche ergaben weiter, daß ſpröde Materialien unter allſeitigem hohen Druck bildſam werden, ſo daß ſich z. B. Speckſtein und Stein⸗ ſalz biegen laſſen, wenn ſie vorher mit Schellack in ein eiſernes Rohr eingeſchmolzen und nach dem Erkalten mit dieſem gebogen werden; das eiſerne Rohr wird dann durch Salpeterſäure, der Schellack durch Alkohol entfernt und das gebogene Stück des ſpröden Materials frei gelegt. Als Umſchließungsmaterial kann auch eine Flüſſigkeit, z. B. Oel, verwendet werden, und auf dieſe Weiſe gelang z. B. das Biegen von Steinſalzſpaltſtückchen recht gut. Es kann jetzt als unzweifelhaft gelten, daß bei einem 36 Atm. nicht überſchreitenden Flüſſigkeitsdruck das Steinſalz bereits derart bildſam iſt, daß es gebogen werden kann. Es liegt nun nahe, dieſen Druck als Maß für die Sprödigkeit zu benutzen; der Druck wird vermutlich um ſo höher ſein, je widerſtandsfähiger bezw. härter der Körper iſt. : Spektrallinien. Die Spektralanalyſe iff im Be— griffe, einen großen Schritt zu thun. Jede helle Linie im Spektrum eines glühenden Gaſes beſagt nämlich, daß Licht von einer gewiſſen Wellenlänge im Lichte des Gaſes ent- halten iſt. Man iſt nun im Begriffe, zwiſchen den Wellen— längen der Lichtſorten eines beſtimmten Gaſes geſetzmäßige Beziehungen empiriſch zu finden. Kaiſer und Runge (Wied. Ann. XXXVI, 1) haben mit Erfolg in dieſer Richtung Banden unterſucht, die ſich im galvaniſchen Licht— bogen bei Anweſenheit von Stickſtoff zeigen. Die Mole— fulartheorie der Zukunft wird auf Grund derartiger Daten ſehr tief in den Bau der Materie dringende Folgerungen ziehen können. 5. Gasabſorption. Sowohl Waſſer als auch Alkohol haben die Fähigkeit, mehr oder weniger von Sauerſtoff, Waſſerſtoff, Kohlenoxydgas, Kohlenſäure und anderen 134 Gaſen zu abjorbieren. Nun haben mehrere Forſcher die merkwürdige Thatſache übereinſtimmend konſtatiert, daß jede der genannten beiden Flüſſigkeiten für ſich mehr von jenen genannten Gaſen zu abſorbieren vermag, als ein Gemiſch von Waſſer und Alkohol. Ein Alkoholgehalt von etwa 25 % liefert ein Minimum der Abſorptions⸗ fähigkeit (Wied. Ann. XXXVII, 3). F. Verdampfungswärme nullgradigen Waſſers. Der größte und wichtigſte Teil der Wärmelehre würde in der Luft hängen, wenn nicht wenigſtens für einen Körper — man hat das Waſſer gewählt — von Stufe zu Stufe, von Grad zu Grad alle möglichen Wärmebeziehungen den allergenaueſten Meſſungen unterworfen würden, an denen man die Sätze der gerade in der Wärmelehre weit voraus⸗ eilenden Theorie erproben könnte. Eine Fundamentalfrage iſt die, wieviel Kilogramm Waſſer man vom Eispunkt bis zum Siedepunkt erwärmen könnte mit der Wärmemenge, welche erforderlich iſt, um 1 kg Waſſer von beſtimmter Tempe⸗ ratur, beiſpielsweiſe von 37°, in Dampf zu verwandeln. Für alle Temperaturen unter 60° fehlten nun ſeit Decen⸗ nien alle zuverläſſigen Meſſungen. Dieterici (Wied. Ann. XXXVII, 3) hat die teilweiſe Lücke ausgefüllt und die Be⸗ ſtimmung für 0° C. ausgeführt: Zur Verdampfung von 1 ke Waſſer iſt bei 0° C. fo viel Wärme erforderlich, daß man damit 59680 ke Waſſer von 0° auf 100° erwarmen könnte. In eine Taſche eines geſchloſſenen, mit nullgradigem Waſſer gefüllten Gefäßes ſenkte er ein kleines Gefäß mit einer genau gewogenen Menge nullgradigen Waſſers und brachte dies mittels Luftpumpe zu raſcherem Verdampfen. Die Verdampfungswärme (die zu meſſende Größe) wurde dabei der Umgebung, d. i. dem großen Gefäße entnommen, in welchem infolgedeſſen eine entſprechende Menge Waſſer zu Eis gefror. — Dabei dehnte letzteres ſich wie bekannt aus, ſo daß von dem Queckſilber, das ſich am Boden des Gefäßes befand, durch ein Röhrchen ein entſprechendes Volumen austrat, welches man bei dem großen ſpezifiſchen Gewichte des Queckſilbers mit der Wage ſehr genau be⸗ ſtimmen konnte. Aus dem Gewichte des verdampften Waſſers und dem Volumen des verdrängten Queckſilbers berechnete ſich obige Zahl (Bunſen⸗Schuller⸗Warthaſches Kalorimeter). F. Dampfdichte. Wenn ein luftleeres Gefäß bei ſagen wir 15° etwas chemiſch reines Waſſer enthält, dann ver⸗ dampft das Waſſer ſo lange, bis der Dampf eine be⸗ ſtimmte Dichte beſitzt, d. h. bis jedes Liter des Dampf⸗ raumes eine gewiſſe Anzahl von Milligrammen Waſſer in Dampfform enthält. Je niedriger die Temperatur iſt, um ſo kleiner iſt auch dieſe Anzahl von Milligrammen. Bis jetzt wog man mit der Wage, um wie viel Milli⸗ gramm das Waſſer leichter wurde, wenn ein Gefäß von ſagen wir 51 ſich mit geſättigtem Dampf füllte. Der fünfte Teil dieſes Waſſerverluſtes entfiel dann auf ein Liter, war alſo die geſuchte Größe. Bei 00% iſt aber dieſer Gewichtsverluſt fo klein, daß ein Fehler bis zu 4 % der Aufmerkſamkeit entgehen konnte. Dieterici (Wied. Ann.) erreicht nun durch einen einfachen Kunſtgriff eine 50 mal größere Genauigkeit. Die bei der Verdampfung von 1 g Waſſer verſchwindende Wärmemenge iſt nämlich ſo groß und kann gleichzeitig mittels Kalorimeter ſo genau ge⸗ meſſen werden, daß 0,05 me verdampften Waſſers noch ſicher nachgewieſen werden kann. Dieterici fand nach dieſer Methode das Gewicht von 1 1 geſättigten nullgra⸗ digen Waſſerdampfes zu 4,88 me. Gleichzeitig vermochte er Nebenerſcheinungen zu konſtatieren und ſogar zu meſſen, die nach den alten Methoden gar nicht nachgewieſen werden konnten. 155 Dilatometer. Knöfler hat in Wied. Ann. XXXVIII, 1 ein Doppeldilatometer für Flüſſigkeiten beſchrieben. Zwei Glasgefäße, die man mittels eines Hahnes in Verbindung ſetzen kann, füllt man durch beſondere, durch Hähne ab⸗ ſchließbare Zugänge mit zwei verſchiedenen Flüſſigkeiten, 3. B. das eine mit Waſſer, das andere mit einer Kochſalz⸗ löſung. Beide Gefäße haben einen gemeinſamen, einen Humboldt. — April 1890. Queckſilberfaden führenden, wie ein Thermometerrohr in Grade geteilten Ausfluß, ein Kapillarrohr. Wenn man nun die beiden Flüſſigkeiten durch Oeffnen des Verbindungs- hahnes in Kontakt bringt, dann kann man an der Ver⸗ ſchiebung des Queckſilberfadens im Kapillarrohr ganz wie an einem Thermometer die eintretenden Volumänderungen der ſich bildenden Miſchung der beiden Flüſſigkeiten mit ſehr großer Genauigkeit, mindeſtens tauſendmal genauer als nach älteren Methoden, beſtimmen. Wenn man Flüſ⸗ ſigkeiten wählt, die chemiſch aufeinander wirken, dann kann man aus den Volumänderungen Schlüſſe auf den Ablauf der chemiſchen Reaktion ziehen, die ſich bisher nicht motivieren ließen. F. Elektriſche Schlagweite. In einem Gaſe fliegen die Moleküle wie die Bälle geradlinig umher und ſtoßen um ſo öfter zuſammen, je dichter das Gas iſt und je größer ſeine Moleküle ſind. Wolf hat nun gefunden (Wied. Ann. XXXVII, 2), daß die elektriſche Kraft, welche eine Leidner Flaſche zwiſchen zwei beſtimmten Kugeln in beſtimmtem Abſtand in einem beſtimmten Gaſe zur Ent⸗ ladung bringt, bei 2:, 32, 4⸗ ... mal dichterem Gaſe, 22, 3-, 4¢... mal größer ſein muß, daß aber die elektriſche Kraft bei zunehmender Gasdichte um ſo weniger geſteigert zu werden braucht, je größer bei dem betreffenden Gaſe im Durchſchnitte der geradlinige Weg eines Moleküls von einem Zuſammenſtoße bis zum anderen (die mittlere Weg⸗ länge) iſt. F. Eisſegelboot. In Amerika iſt die Behauptung auf⸗ geſtellt worden, daß die Geſchwindigkeit eines Eisſegel⸗ bootes größer ſein kann, als die des treibenden Windes. Auf Grund perſönlicher Erfahrung kann ich dieſer Be⸗ hauptung nur beipflichten. Die theoretiſche Möglichkeit dieſer Erſcheinung iſt ſehr leicht nachzuweiſen. Wenn das Boot genau in der Richtung des Windes fährt (wie man ſich die Sache unwillkürlich vorſtellt), muß das Boot aller⸗ dings langſamer fliegen als der Wind, denn wenn der Wind eine Geſchwindigkeit von 8 m hat, das Boot aber eine Geſchwindigkeit von 7 m, dann drückt der Wind die Segel nur mehr mit der Kraft einer Geſchwindigkeit von 1m, die zur Ueberwindung der Reibung genügen muß. Wenn aber das Boot rechtwinklig zur Windrichtung fährt und das Segel ſo geſtellt iſt, daß der Wind dasſelbe faſt ſenkrecht trifft, daß ſeine Fläche alſo dem Längsbalken faſt parallel ſteht, dann kann das Boot auch eine Geſchwindig⸗ keit von 10 m und mehr haben, und der Winddruck ent⸗ ſpricht immer noch einer Luftgeſchwindigkeit von etwa 6 m, was zur Ueberwindung der auf dem Eiſe überaus geringen und mit der Fahrgeſchwindigkeit im Gegenſatz zum Waſſer nur wenig ſich ſteigernden Reibung eine genügende Kraft⸗ komponente liefern kann. Theoretiſch würde bei einer Reibung gleich Null ſelbſt der leiſeſte Windhauch dem tra⸗ verſierenden Schiffe eine unendliche Geſchwindigkeit 1 5 können. 0 Aeber die Einwirkung des Schwefels auf Metall- ſalzlöſungen haben Vortmann und Padley einige neue Verſuche angeſtellt (Ber. 22, 2642). Kocht man Metall⸗ ſalzlöſungen mit Schwefelblumen, ſo kann man in vielen Fällen die Bildung geringer Mengen von Schwefelmetallen beobachten; Silberſalze können auf dieſe Weiſe nahezu quantitativ in Silberſulfid umgewandelt werden. Leichter erfolgt die Umſetzung, wenn man in die Metallſalzlöſungen mit dem Schwefel auch einen Draht des entſprechenden Metalls eintaucht oder reduzierende Subſtanzen, z. B. ſchweflige Säure oder Eiſenvitriol hinzufügt. Dieſe Er⸗ ſcheinung beruht offenbar darauf, daß Oxydulſalze leichter in Sulfide umgewandelt werden als Oxydſalze, und eine Reihe diesbezüglicher Verſuche ergab, daß zwiſchen Schwefel und vielen Oxydulſalzen eine glatte Umſetzung ſtattfindet. Kocht man Zinnchlorürlöſung mit Schwefel, fo erfolgt Aus⸗ ſcheidung von Zinnſulfid, ohne daß Schwefelwaſſerſtoff entweicht. Filtriert man vom Schwefelzinn und analyſiert das Filtrat, ſo findet man, daß nahezu die Hälfte des an⸗ Humboldt. — April 1890. 135 gewandten Zinns ausgefällt worden iſt, während der Reft ſich als Zinnchlorid in Löſung befindet. Es läßt ſich alſo folgende Reaktionsgleichung aufſtellen: 2 Sulz + 2 8 = Snsz + SnClj. Es wirkt hier der Schwefel alſo nicht bloß fällend, ſon— dern auch oxydierend ein. Enthält die Zinnchlorürlöſung viel freie Säure, weche die Fällung des Zinns als Sulfid verhindert, ſo wird alles Zinn in Zinnchlorid übergeführt und der zur Oxydation verwendete Schwefel entweicht als Schwefelwaſſerſtoff. In gleicher Weiſe wirkt der Schwefel auf Kupferchlorürlöſung, indem die Hälfte des Kupfers als Sulfid ausgefällt, die andere Hälfte zu Chlorid oxydiert wird: CuzClz + 8 = CuS + CuCl. Gleichzeitig muß der Schwefel auch in geringem Grade nur oxydierend eingewirkt haben, da ſowohl beim Zinn als auch beim Kupfer die Menge des in Oxydſalz umge— wandelten Metalls um einen geringen Betrag größer iſt, als jene des gefällten Metalls. Eine Löſung von Queck— ſilberoxydulnitrat verhält ſich beim Kochen mit Schwefel— blumen genau ſo wie Zinnchlorür und Kupferchlorür, da— gegen werden Mangan-, Eiſen-, Nickel-, Zink- und Kad— miumſulfat, ſaure Löſungen von Chlorwismut, Antimon— chlorür, Arſenſäure und arſeniger Säure beim Kochen mit Schwefel nicht verändert. Al. Der Kohlenwaſſerſtoff CooHyo0. Die Reihe der ge— ſättigten Kohlenwaſſerſtoffe, deren Zuſammenſetzung und Molekulargröße näher bekannt iſt, ſchließt ab mit dem Kohlenwaſſerſtoff C3512 und auch die bei der trockenen Deſtillation der Braunkohle, des Holzes u. ſ. w. erhaltenen feſten Paraffine ſind, vielleicht mit Ausnahme der aus Ozokerit gewonnenen Kohlenwaſſerſtoffe, ſolche, in welchen die unter ſich verbundenen Kohlenſtoffatome die Zahl 30 nicht überſteigen. Bei anderen Verbindungen des Kohlen— ſtoffs von ſehr hohem Molekulargewicht wie z. B. bei den Eiweißkörpern iſt die Frage nach der Anzahl der Kohlen— ſtoffatome, welche ſich zu einer zuſammenhängenden Kette vereinigen können, noch weniger ſicher zu beantworten, da man nicht weiß, welchen Anteil die anderen mehr— wertigen Atome wie Stickſtoff und Sauerſtoff an dem Zuſtandekommen dieſer vielatomigen Moleküle nehmen. Die Annahme, daß möglicherweiſe eine Grenze beſteht, über welche hinaus eine normale Verkettung der Kohlenſtoff— atome nicht mehr möglich iſt, iſt daher eine nicht unbe— rechtigte. Einen Beitrag zur Beurteilung der Verbindungs— fähigkeit der Kohlenſtoffatome liefert eine Arbeit von Hell und Hägele (Ber. 22, 502), welche die Darſtellung des normalen geſättigten Kohlenwaſſerſtoffs mit 60 Kohlen— ſtoffatomen zum Gegenſtand hat. Der kohlenſtoffreichſte normale Alkohol der Fettreihe, welchen wir kennen, iſt der Myricylalkohol C30Hef(O EH), welcher an Palmitinſäure gebunden im gewöhnlichen Bienenwachs, ferner im Car- naubawachs vorkommt. Beim Behandeln mit Jod und Phosphor wird der Myricylalfohol leicht in Myricyljodid C30 Hef] umgewandelt. Erhitzt man das Myricyljodid mit etwa ½o ſeines Gewichtes fein geſchnittenen Kaliums auf 130—140°, jo erfolgt unter Jodentziehung Verkettung zweier Moleküle zu einem Molekül des normalen Kohlen— waſſerſtoffs mit doppelter Anzahl von Kohlenſtoffatomen: 2 C3061 — 2 Na = 2 NaJ + CopHj22. Der fo erhaltene Kohlenwaſſerſtoff CepHyoo tft eine weiße, pulverförmige Subſtanz, welche in den meiſten Löſungsmitteln ſchwer löslich iſt und bei 101—102° ſchmilzt. Beim Erhitzen zerſetzt fic) der Kohlenwaſſerſtoff teilweiſe, unter vermindertem Luftdruck kann er jedoch wenigſtens zum Teil überdeſtilliert werden. Durch dieſe Verſuche iſt der Beweis erbracht, daß unter geeigneten Verhältniſſen ein geſättigter Kohlenwaſſerſtoff von 60 mit- einander zuſammenhängenden Kohlenſtoffatomen dargeſtellt werden kann und es ſcheint aus der Beſtändigkeit dieſer Verbindung hervorzugehen, daß noch längere Kohlenſtoff— ketten exiſtenzfähig ſein werden. Al. Die Rotationsdauer des Merkur iſt von Schröter und Harding in Lilienthal aus den Beobachtungen eines Fleckes auf dem Planeten, den ſie im Mai und Juni 1801 verfolgten, zu ungefähr 24 Stunden beſtimmt worden. Nach Verlauf dieſer Zeit erſchien nämlich der Fleck wieder auf derſelben Stelle der Planetenſcheibe, und die Beobachter nahmen an, daß er inzwiſchen eine Rotation vollendet, habe. Seitdem ſind keine neuen Beobachtungen in dieſer Richtung angeſtellt worden, bis im Jahr 1882 Schiaparelli dieſe Frage in Angriff nahm. Die Lilienthaler Beobach— tungen laſſen nämlich auch die Deutung zu, daß in 24 Stunden zwei oder mehr volle Rotationen vor ſich ge— gangen ſind, oder auch daß die Rotation des Merkur ſo langſam von ſtatten geht, daß man im Verlauf weniger Tage keine merkliche Verſchiebung eines Fleckes erkennt. Iſt die letztere Annahme richtig, ſo muß der Planet zu verſchiedenen Tageszeiten denſelben Anblick gewähren. Schiaparelli hat nun von 1882 bis Ende des vorigen Jahres 150 Zeichnungen von Flecken auf dem Merkur entworfen, eine der ſchönſten ſtammt vom 11. Auguſt 1882 her, als der Planet nur 3° 2“ vom Sonnenrand entfernt ſtand. Die Flecke ſind außerordentlich ſchwach, und um zu ihrer Erkennung eine 200fache Vergrößerung benutzen zu können, mußten die Beobachtungen am Tage angeſtellt werden, weil der Stand des Planeten ein zu tiefer iſt, wenn die Sonne unter dem Horizonte ſteht. Die Beobachtungen Schiaparellis ſprechen nun dafür, daß die Rotationsdauer gleich der Umlaufszeit von 87,9693 Tagen iſt. Demnach kehrt der Merkur im Weſentlichen immer dieſelbe Seite der Sonne zu, geradeſo wie dies der Mond im Bezug auf unſere Erde thut. Da wir auf der dunklen Seite des Merkur keine Beobachtungen anſtellen können, ſo iſt auch für die Erdbewohner nur eine Hälfte der Merkursoberfläche der Forſchung zugänglich. Da indeſſen die Rotation des Merkur augenſcheinlich ganz gleichförmig von ſtatten geht, während die Geſchwindigkeit des Planeten in der ſtark elliptiſchen Bahn veränderlich iſt, ſo kann die Lichtgrenze nicht beſtändig genau dieſelbe bleiben, vielmehr werden beträchtliche Schwankungen eintreten und es wird in der Zeit eines Umlaufes des Planeten um die Sonne immerhin ein merklich größerer Teil als die Hälfte der Oberfläche von den Strahlen der Sonne getroffen werden. G—I. Aingnebel im Einhorn. Die Zahl der uns be— kannten Ringnebel iſt nur klein, und unter ihnen iſt nur der zwiſchen den Sternen 8 und J im Sternbild der Leier gelegene auch in ſchwächeren Fernröhren erkennbar, die ihn als einen elliptiſchen Ring von ungefähr einer Bogen— minute Durchmeſſer zeigen, deſſen Achſen ſich wie 5:4 verhalten. Geradezu zwerghaft erſcheint dieſes Gebilde gegenüber dem Ringnebel, welcher den im Sternbild des Einhorns liegenden Sternhaufen Nr. 1420 von J. Her— ſchels Generalkatalog umgibt. Schon 1865 bemerkte Swift eine große verwaſchene, dem erwähnten Sternhaufen nörd— lich vorausgehende Nebelmaſſe; doch verfolgte er dieſe Ent— deckung nicht weiter, und im Januar 1883 wurde derſelbe Nebelfleck von Bernard ſelbſtſtändig wieder entdeckt, als er mit einem Fernrohr von 5 Zoll Oeffnung nach neuen Kometen ſuchte. Die wahre Beſchaffenheit dieſes Objektes erkannte aber Bernard erſt, als er dasſelbe nach Eröff— nung der Lick-Sternwarte mit dem dortigen 12zölligen Clark'ſchen Refraktor aufſuchte. Er ſah nun, daß der früher beobachtete Nebel nur ein heller Knoten in einem matten, den Sternhaufen Nr. 1420 umgebenden Nebelringe iſt. Auch Swift hat ſpäter auf der Lick-Sternwarte dieſen Ring deutlich erkannt. Der äußere Durchmeſſer desſelben beträgt etwa 40, der innere 20 Bogenminuten, der innere Raum erſcheint nebelfrei. Die äußere Grenze des Nebels umſchließt alſo eine Fläche, die faſt doppelt ſo groß ift, als die des Vollmondes. Südlich folgt dem Ringe ſich dicht an ihn anſchließend, ein nebliger Bogen von ellip- tiſcher Krümmung, vielleicht ein Teil eines andern großen Nebelringes. 31. Mizar (& im großen Bären) ein dreifacher Stern. Dieſer mittelſte der drei Sterne im großen Bären (2. Größe), in deſſen Nähe der kleine Stern Alkor oder das Reiter- 136 Humboldt. — April 1890. chen (5. Größe) ſteht, iſt bekanntlich ein leicht trennbarer Doppelſtern, wie ſchon Kirch 1700 entdeckt hat. Bei der Unterſuchung von 70 Spektrumphotographien dieſes Sternes, welche Miß A. C. Maury auf der Sternwarte des Har⸗ vard College in ebenſovielen Nächten erhalten, hat nun Prof. C. E. Pickering gefunden, daß die K-Linie im Spek⸗ trum des Mizar doppelt war am 29. März 1887, 17. Mai, 27. und 28. Auguſt 1889 und daß ſie einige Tage vor und nach dieſen Tagen ein verwaſchenes Ausſehen hatte. Pickering ſchloß daraus, daß die Verdoppelung in Inter⸗ vallen von 52 Tagen aufgetreten war und daß die Linie daher wieder am 18. Oktober und 9. Dezember vorigen Jahres verdoppelt auftreten werde. Am erſten dieſer beiden Tage waren leider wegen zu tiefen Standes des Sternes nur drei Prismen ſtatt der ſonſt gewöhnlichen vier ver⸗ wendbar und die Verdoppelung war nicht deutlich, da⸗ gegen war ſie am 9. Dezember auf drei Photographien zweifellos erkennbar. Bei den Waſſerſtofflinien und einigen anderen Linien des Mizarſpektrums zeigte ſich an den Tagen der Verdoppelung der K-Linie eine deutliche Ver⸗ breiterung. Pickering ſchließt hieraus, daß der hellere Stern des Sternpaares Mizar aus zwei ſehr nahe bei einander ſtehenden Sternen von ungefähr gleicher Größe und Hellig⸗ keit beſteht, die in 104 Tagen um den gemeinſchaftlichen Schwerpunkt laufen. Wenn ein Stern auf die Erde zu⸗ läuft, ſo verſchieben ſich die Linien ſeines Spektrums nach dem blauen, die des andern aber nach dem roten Ende hin und es tritt Verdoppelung ein. Aus der Meſſung der Photographien ergab ſich bei der Verdoppelung der K-Linie, deren Wellenlänge 393,7 Milliontel-Millionen be⸗ trägt, ein Abſtand von 0,199. Die Geſchwindigkeit der Bewegung würde hiernach 20 Meilen in der Sekunde, die Maſſe der Mizarkomponenten etwa 40 Sonnenmaſſen be⸗ tragen. Auch bei den Sternen 6 im Fuhrmann und 6 im Schlangenträger ſind ähnliche Erſcheinungen bemerkt worden. 6 1. Der veränderliche Stern Algol (8 im Perſeus) iſt dadurch ausgezeichnet, daß ſeine Helligkeitsänderungen nur auf einen kleinen Teil der an ſich kurzen Periode des Lichtwechſels beſchränkt ſind. Die letztere beträgt nämlich 68,8 Stunden, und 61 Stunden behält der Stern die gleiche Helligkeit 2,3. Größe; dann nimmt er 3—4 Stun⸗ den lang an Helligkeit ab, bis er die geringſte Hellig⸗ keit 4. Größe erreicht, die er etwa 4/4 Stunde lang be⸗ hält, um dann wieder an Lichtglanz zuzunehmen. Außer Algol ſind gegenwärtig noch acht Veränderliche bekannt, deren Lichtwechſel die gleiche Eigentümlichkeit zeigt. Es liegt nahe, dieſe Veränderungen zu erklären durch die An⸗ nahme eines dunkeln Begleiters des leuchtenden Haupt⸗ ſternes, der zeitweilig vor demſelben vorübergeht und eine partielle Verfinſterung desſelben herbeiführt. Der ameri⸗ kaniſche Aſtronom Edw. C. Pickering hat nun vor einigen Jahren darauf aufmerkſam gemacht, daß wenn der Licht⸗ wechſel der Sterne des Algoltypus wirklich auf dieſe Weiſe entſteht, in den damals bekannten Fällen die beiden Sterne nahe bei einander ſtehen müſſen und nicht allzuſehr an Größe verſchieden ſein können; daß aber dann auch der Hauptſtern eine deutliche Bewegung um den Schwerpunkt des Syſtems zeigen und zeitweilig der Erde ſich nähern, zeitweilig ſich von ihr entfernen muß. Dies hat nun durch ſpektroſkopiſche Unterſuchungen auf der Sternwarte zu Potsdam beim Algol ſelbſt Beſtätigung gefunden. Wie Prof. Vogel am 28. November vor. J. der Berliner Aka⸗ demie mitteilte, laſſen drei im Winter 1888/89 und drei im November dieſes Winters erhaltene Photographien des Algolſpektrums eine Verſchiebung der Spektratlinie vor dem Minimum nach dem Rot, nach dem Minimum aber nach dem Violett hin erkennen; im erſten Falle entfernt ſich alſo der Stern von uns, im zweiten nähert er ſich uns. Vogel hat weiter unter Annahme einer kreisförmigen Bahn aus ſeinen Meſſungen die folgenden Elemente des Algolſyſtems abgeleitet: Durchmeſſer des Algol . . . . . 230000 geogr. Meil. Durchmeſſer des dunkeln Begleiters 180000 i 1 Abſtand der Mittelpunkte 700000 1 N „ „ Geſchwindigkeit des Algol in der Bahn 5,% Geſchwindigkeit des Begleiters . 12 15 5 Mae de WM 5 ee 4% der Sonnnenmaſſe Maſſe de Bale,, ee ee nnn mee 5 Geſchwindigkeit des Syſtems in der Richtung Fie Sonne lol oan 0,5 geogr. Meil. G—l. Komet 1862 III. Für dieſen ſeines Zuſammen⸗ hanges mit den Auguſtſternſchnuppen wegen intereſſanten Kometen hat F. Hayn in ſeiner Inaugural⸗Diſſertation (Leipzig 1889) eine definitive Bahnbeſtimmung gegeben. Hiernach hat die Bahn eine Excentriecität — 0,9603525 und die Umlaufszeit beträgt 119,638 Jahre; eine außer⸗ halb der Grenzen 121,9 und 117, Jahre liegende Um⸗ laufszeit hält Hayn für unvereinbar mit den Beobach⸗ tungen. 61. Zum Rauhreif. Die exakten Beobachtungen des H. Dr. Aßmann über Entſtehung in Struktur des Rauh⸗ reifes kann Unterzeichneter nach eigener Beobachtung be⸗ ſtätigen. Der Unterzeichnete beſteigt faſt täglich den ca. 500 m hohen nordweſtlich von Dürkheim gelegenen Pe⸗ terskopf mit breiter von W nach O fic erſtreckender Kuppe. Letztere war Mitte Dezember 1889 von einem dichten Nebel bedeckt, der bis zu etwa 420 m Seehöhe abwärts ſich erſtreckte. Unmittelbar darauf kurz vor Weihnachten trat nächtlicher Froſt mit 5—60 ein. Des Morgens darauf nun war der dichte, graue Bodennebel vom Peterkopf ver⸗ ſchwunden; dafür waren alle Zweige der Buchen — nach Often zu — mit 5—10 ja 15 mm langen kryſtalliniſchen Eisnadeln bedeckt. Die⸗ ſelben bildeten mit der Axe der Zweige einen konſtanten Winkel von etwa 50-600, waren jedoch nur auf einer Seite der Zweige vor⸗ handen. Die Winkelneigung der Kryſtallfedern war ſelbſt an der Spitze der Zweige zu beobachten. Ohne Zweifel hatten ſich dieſe Eisnadeln aus dem über Nacht verſchwundenen Bodennebel gebildet. Dies ging auch aus dem Stärkerwerden der Eisnadeln mit ihrer Annäherung an den Boden hervor. Die Luft war hierbei hell und klar. — Aufgefallen iſt dem Beobachter die That⸗ ſache, daß, wenn eine ſolche Eisnadel mit der Hand in Berührung kam, jene förmlich vom Zweige abſprang, ohne zu zerbrechen, und im Nu auf der Hand verſchwand. Dürkheim. Dr. C. Mehlis. Stinkkalke. Als Stinkkalk oder Stinkſtein bezeichnet man, wie bekannt, gewiſſe, meiſt bitumenhaltige Kalkſtein⸗ ſorten, welche beim Reiben oder Zerſchlagen einen unan⸗ genehmen Geruch verbreiten. Die Urſache dieſes Geruches hat W. Spring zum Gegenſtand einer Unterſuchung ge⸗ macht. Eine größere Menge des Minerals (von Golzinne) lieferte beim Auflöſen 4,49 % ſchwarzen Rückſtand, welcher ſeinerſeits nach dem Glühen 92,96 9% hellrote Aſche hinter⸗ ließ, die außer Kieſelſäure, Thonerde, Eiſenoxyd und Kalk 8,8 ꝓ Schwefelſäure und 1,2% Phosphorſäure enthielt. Um Klarheit über die Natur des flüchtigen Beſtandteiles des ſchwarzen Rückſtandes zu gewinnen, wurde dieſer an⸗ dauernd mit öfter erneuerten Mengen Flußſäure behandelt. Es hinterblieb eine außerordentlich feine ſchwarze Sub⸗ ſtanz, welche ſich bei der Verbrennung als frei von Waſſer⸗ ſtoff, als nahezu reine Kohle, erwies. Dem Chlorcalcium, welches ſich bei der Auflöſung des Kalkes in Salzſäure gebildet hatte, war keine Spur einer organiſchen Sub⸗ ſtanz beigemengt. Der riechende Beſtandteil mußte daher in der entwickelten Kohlenſäure enthalten ſein. Das Gas wurde deshalb durch eine Löſung von Brom in Salpeter⸗ ſäure und darauf durch Waſſer geleitet. Das ſo be⸗ handelte Gas entwich jetzt ganz geruchlos. Durch Ein⸗ dampfen der Brom- Salpeterſäure wurde ein Gemiſch von Phosphorſäure und Schwefelſäure erhalten. Der Kohlenſäure mußte alſo eine flüchtige Phosphorverbindung, jedenfalls Phosphorwaſſerſtoff und Schwefelwaſſerſtoff, Humboldt. — April 1890. 137 beigemengt geweſen fein; die quantitative Beſtimmung ergab 0,00047 % des angewandten Kalkes von der erſteren und 0,0028 ¼ der letzteren Verbindung. In der That beſitzt ein Gemiſch aus reiner Kohlenſäure mit Phosphor- waſſerſtoff und Schwefelwaſſerſtoff täuſchend den Geruch der Stinkkalke. Die Entſtehung des Phosphorwaſſerſtoffes dürfte ſo zu erklären ſein, daß die Phosphate, welche in den Kalkſteinen vorhanden waren, durch die Thätigkeit jener Mikroorganismen, welche die Fäulnis der Muſcheln oder Korallen bewirkten, zu Phosphorcaleium reduziert worden ſind. Durch die Einwirkung kohlenſäurehaltiger Waſſer entſtand Phosphorwaſſerſtoff, welcher, wenn die Maſſen für Gaſe durchläſſig blieben (Kreide und Mergel), entwich und wieder verbrannte, anderenfalls aber einge— ſchloſſen blieb und erſt bei der Zerkleinerung des Ge— ſteins wieder frei wird. Al. Die Auffindung von Nickelerzen bei Frankenſtein wird von ſchleſiſchen Blättern mit dem Ausdruck der Er— wartung gemeldet, daß ein ſehr ausgedehntes Verbreitungs— gebiet nickelhaltiger Erze erſchloſſen und von der heimiſchen Induſtrie ausgebeutet werden wird. So hocherfreulich aber der jetzt gemachte Fund iſt, ſo wunderbar iſt es, daß er nicht früher gemacht worden iſt; denn der durch Nickel grün gefärbte Chryſopras, welcher bereits 1740 bei einer Mühle auf den Koſemitzer Bergen bei Frankenſtein ge— funden worden und ſeitdem durch Friedrich den Großen in Aufnahme gekommen iſt — im Königlichen Schloſſe zu Potsdam befinden ſich noch zwei Tiſche aus jener Zeit mit 94 cm langen, 63 cm breiten und 5 em dicken Platten von Chryſopras —, ließ mit aller Beſtimmtheit das Vor- handenſein von Nickelerzen vermuten. Aber obwohl man von dem Vorkommen dieſer nickelhaltigen Mineralien als Ausfüllung ſchmaler Klüfte im Serpentinfelſen, aus welchem eine Anzahl von Anhöhen zwiſchen Frankenſtein und Nimptſch beſtehen, wußte, ſchenkte doch niemand dieſen Thatſachen beſondere Beachtung, bis jetzt durch den Berg— ingenieur Reitſch aus Gleiwitz an mehreren Punkten ent— lang der weſtlichen Abdachung des Gumbergs bei den Orten Protzau und Zülzendorf und nördlich über dieſelben hinaus bis zum Koſemitzer Mühlberge, eine Anzahl regel— mäßig aufſetzender gang- oder flözartiger Ablagerungen erſchloſſen wurden. Die Lager beginnen einige Meter unter der Tagesoberfläche, ſind zur Zeit, je nach dem Vor— kommen, auf 20—30 m im Streichen und bis gegen 15 m unter Tage verfolgt worden. In der Nähe der Oberfläche mit 1— 1,5 % Nickelgehalt beginnend, er weiſen ſich die— ſelben mit zunehmender Tiefe bald reicher, durchſchnittlich 4—6% und noch mehr Nickel enthaltend; bei Koſemitz find ſogar Erze mit 13% Nickel gefunden worden. Die ganze Verbreitungszone iſt jetzt auf 4000 m Länge und mehr als 500 m Breite feſtgeſetzt worden. In derſelben befinden ſich mindeſtens 8 Gänge von 0,5 bis über 2 m Mächtigkeit. Ein anderes Verbreitungsgebiet befindet ſich ſüdlich von dem Dorfe Baumgarten an den dortigen An— höhen, beſonders aber beim Buchberge. Hier gibt es Lager von 1,5—2 m Mächtigkeit. Der Nickelgehalt beträgt hier 4,6 //. Da vorauszuſetzen iſt, daß zwiſchen dieſen Ver— breitungsgebieten ein unterirdiſcher Zuſammenhang ftatt- findet, ſo beträgt die geſamte Ausdehnung der Fundſtätte gegen 10 km Länge und 500-900 m Breite. D. Die warmen Quellen von Gaſtein und die Kupfer- erze vom Mitterberg. Nach den Unterſuchungen von Profeſſor W. v. Gümbel in den „Sitzungsberichten der bayriſchen Akademie der Wiſſenſchaften“ 1889, Bd. 29 H. 3, haben die Thermen von Gaſtein eine Temperatur von 35— 47,8“ und nur einen Trockenrückſtand von 340 mg in 11 Waſſer. Mit den kalten Quellen der Umgegend haben dieſe Thermen weder in Temperatur noch im chemi— ſchen Gehalt Verwandtſchaft. Die Analyſe der Thermen ergab in 11 außer geringfügigen Spuren anderer Stoffe: 0,2085 ſchwefelſaures Natron, 0,0135 ſchwefelſaures Kali, 0,0428 Chlornatrium, Humboldt 1890. 0,0027 Chlorlithium, 0,0195 kohlenſauren Kalk, 0,0017 kohlenſaure Magneſia, 0,0496 Kieſelſäure, 0,0309 freie Kohlenſäure. Der Geſamtrückſtand betrug 0,3399 g und kommt nur in Parallele mit Pfäfers, deſſen Thermen nur 0,299 Rück⸗ ſtände in 11 enthalten. Man hat vielfach das Auftreten der Goldlagerſtätten bei Gaſtein mit den Thermen in Verbindung gebracht, aber mit Unrecht! Zwar beſteht der Rathhausberg in den Tauern aus demſelben Gneis wie die nächſte Umgegend von Gaſtein — und zwar tritt das Gold entweder als Freigold oder als Quickgold, dabei ſtark ſilberhaltig“), auf —, allein weder die Verlängerung der Strichrichtung der Gangzüge trifft mit den Quell⸗ punkten der Thermen von Gaſtein zuſammen, noch zeigen die auf den Erzgängen auftretenden Gewäſſer ähnliche Temperaturen wie zu Gaftein (3,40—4 “). — Ein zweiter Beſuch Gümbels galt den nahen, öſtlich gelegenen Rad— ſtädter Tauern. Das Haupterz iſt hier Kupferkies neben ſilberhaltigem Fahlerz. Auch hier laſſen die Quellen keinen Einfluß der Erzlagerſtätten wahrnehmen. Beſondere Beachtung ſchenkte Gümbel dem aus Muchs Unterſuchungen bekannten Kupfererzvorkommen vom Mitterberg ober- halb Biſchofshofen “). Der „Grüne“ bei Mitterberg gehört zu den ſogenannten Werfener Schichten, bei denen rote und grüne Lagen wechſeln. Dazu kommen Grauwacke und blaue Schiefer als Nebengeſteine. Das grüne Geſtein vom Mitterberg beſteht aus Thon mit einigen chloritiſchen Glimmerzuſätzen. Von 1725 m Seehöhe an lagern Bänke von grauſchwarzem dolomitiſchem Kalk auf, die nach 25 m Stärke in die hellweißen dolomitiſchen Kalke (Guttenſteiner Dolomite) übergehen. Darüber lagern bei 1900 - 2000 m Seehöhe mergelige Schiefer mit den Verſteinerungen der Raibler Schichten, Vertreter der Partnach-Schichten nach Gümbel. Die „hellen und blauen“ Schiefer ſchließen die be— rühmten Mitterberger Kupferkieslagerſtätte in ſich. Sie ent- halten 61,38 reſp. 59,80 9 Kieſelſäure, 21,05 reſp. 20,23 9% Thonerde, 1,58 reſp. 8,74% Eiſenoxyd, 5,17 reſp. 4,11% Kali, ca. 3,00 Waſſer. Die ganze erzführende Schicht fällt nach Süden unter 35— 45“ bei vorherrſchenden Weft-Oft-Striden; die Kupferkieslagerſtätte ſelbſt dagegen ift zwar auch nach Süden, aber ſteiler, unter 68—70° gerichtet und danach kein Lager, ſondern ein Gang, was Gümbel näher beweiſt. Die Ausfüllungsmaſſe der drei Haupterzgänge beſteht in milchweißem Quarz, neben dem der Kupferkies fortlaufende derbe Erzlagen bis zu 0,25 m Stärke bildet. Außer Quarz treten reichlicher Ankerit und Eiſenſpat, ſowie Eiſenglanz auf. Fahlerz kommt verwachſen mit Kupfer- und Schwefelkies vor; es beſitzt 46,65% Kupfer und 6,56 %0 Eiſen. Es fehlt hier im Gegenſatz zum Centralſtock Gold und Silber. Der hieſige Bergbau ſcheidet ſich in zwei Perioden: 1. die der vorgeſchichtlichen Zeit bis zur Beſetzung des Landes unter den Römern (15 v. Chr.). Eine vereinzelte Münze vom Kaiſer Did. Sev. Julianus (193 n. Chr.), ſowie eine wohl frühmittelalterliche Inſchrift, Funde, welche Much für die Römerzeit anführt, ſind nach unſerer Mei— nung ohne Beweiskraft“ ““); 2. die neuzeitliche Benutzung vom Jahre 1827 anz). In prähiſtoriſcher Zeit wurde das Erz durch rohes Feuerſetzen mit Hilfe von Holzkeilen gewonnen, mit Steinen geklopft, in kleinen, niederen (0,6 m im Quadrat) Schmelzöfen ) geſchmolzen, alles ohne Beihilfe eiſerner Werkzeuge, wie Much nachgewieſen hat, bloß mit Hilfe von Feuer, Holz, Stein, Kupfer. Auch die Mitterberger Erzzüge üben auf die Tempe⸗ ratur der Quellen keinen Einfluß, ſo daß Gümbel zum Reſultate kommt, daß die Thermen von Gaſtein aus großen ) Sollten hier nicht die Erzwege für das Elektron der Alten liegen? ) Vergl. das vorgeſchichtliche Kupferbergwerk auf dem Mitterberg, von Dr. M. Much. Wien 1881. ***) Vergl. Much a. O. S. 19, Fig. 12 u. 13. +) Vergl. Much, S. 5—6. 2 +4) Aehnliche Schmelzöfen benutzten aud die Römer zur Gewinnung von Eiſen zu Hüttenberg in Steiermark und zu Eiſenberg in der Pfalz. Einen derſelben grub der Verf. zu Eiſenberg aus; er befindet ſich mit dem Roherz im Kreismuſeum zu Speyer. 18 138 Klüften, und zwar aus einer Tiefe aufſteigen, in welcher eine hochgradige innere Erdwärme herrſcht. Die Gneis⸗ maſſe der Tauern iſt hier zu Gaſtein von einer großen Nord⸗Süd⸗Gebirgsſpalte angeſchnitten, und es trifft dieſe Spalte hier gerade mit der Weſt⸗Oſt⸗Bruchlinie eines Ge⸗ wölbeſattels zuſammen. So konnten aus dieſem zerklüfteten Boden die von der innern Erdwärme temperierten Gewäſſer nach dem Geſetze der kommunizierenden Röhren zur Ober⸗ fläche dringen. Dr. C. Mehlis. Dürkheim. leber den Champignonſchimmel als Vernichter von Champignonkulturen berichtet O. Stapf in Ver⸗ handlungen der Zoologiſch-botaniſchen Geſellſchaft zu Wien“ 1889. In einer der größten Champignonzüchtereien Wiens (mit Betrieb in mäßig gut ventilierten Kellern) war eine Krankheit der Champignons ausgebrochen, die immer mehr um ſich griff und ſchließlich trotz einer Räumung der er⸗ griffenen Keller dahin führte, daß die ganze Anlage auf⸗ gegeben werden mußte. Die erkrankten Schwämme ſtellen ihr Wachstum vorzeitig ein, werden braun und weich und gehen meiſt in Fäulnis über. Als wahrſcheinliche Urſache wurde ein Schimmelpilz, Verticillium agaricmum Corda, erkannt, deſſen Hyphen aus dem Myeel durch den Strunk in den Hut dringen und zwiſchen den Lamellen Konidien⸗ träger bilden. Dieſer Schimmel trat immer zuerſt auf; wurden die Schwämme feucht gehalten, ſo entwickelten ſich allerdings auch Bakterien und Hefepilze. — Die als Ver- ticillium beſchriebenen Konidienformen gehören zu den Sphäriaceen und der Gattung Hypomyces; V. agaricinum wird zu H. ochraceus Pers. gerechnet. Die Arkzugehörig⸗ keit muß unentſchieden bleiben, da es Verfaſſer nicht ge⸗ lang, Schlauchpilzformen zu finden oder zu erziehen. — Die erſten Keime waren vermutlich mit Dünger oder Brut eingeſchleppt worden und hatten unter den für die Schwämme keineswegs ſehr günſtigen Verhältniſſen der Kellereien raſch Gelegenheit gehabt, ſich zu verbreiten; durch Verkauf von Brut hätte leicht ein noch weiteres Umſichgreifen des Uebels herbeigeführt werden können. Jedenfalls verdient die Angelegenheit weitere Beachtung. Bremen. Dr. Klebahn. Experimentelle Unterſuchungen über den Einfluß des Kerns auf das Protoplasma hat B. Hofer an Amoeba proteus angeſtellt, indem er dieſelbe in ein kern⸗ haltiges (gewöhnlich recht kleines) und ein möglichſt großes, kernloſes Stück künſtlich zerlegte. Gegenüber den bis⸗ herigen Experimenten an künſtlich geteilten Protozoen, die immer große Infuſorien betrafen, iſt dies Herabſteigen zu den Rhizopoden entſchieden ein Fortſchritt, da kernloſe Stücke von Infuſorien in kurzer Zeit wegen des deletären Einfluſſes des Waſſers auf das nackte Protoplasma zu Grunde gehen — ſie ſind nämlich nicht im ſtande, die Cuticula zu regenerieren. Bei Amoeba proteus bleibt der Teilungsakt auf die Bewegung der kernhaltigen Stücke ohne jeden Einfluß, dagegen hat die Entkernung (Enukleation) bei den kernloſen Stücken den Erfolg, daß auf eine 15—20 Minuten anhaltende Periode normaler Be⸗ wegung eine 4—5 Tage dauernde Verringerung der Bewe⸗ gung folgte, worauf dann in vielen Fällen durch 4—5 Tage eine größere Lebhaftigkeit wieder auftrat (3—4 Tage), die allmählich erloſch — etwa am 10. Tage ſtarben die kern⸗ loſen Stücke. Demnach beſitzen allerdings kernloſe Teil⸗ ſtücke von Amoeba proteus das Vermögen der Bewegung, aber es iſt doch in hohem Grade von der Norm abweichend, ſo daß dem Kern ein Einfluß auf die Bewegung zuge⸗ ſchrieben werden muß. Auch auf die Sekretion ver⸗ dauender Säfte hat der Kern Einfluß; um dies feſt⸗ zuſtellen, wurden vor der Teilung die Amöben mit Para⸗ mäcien gefüttert und, wenn mehrere aufgenommen waren, dieſe dann ſo geteilt, daß jedes Teilſtück, alſo das kern⸗ haltige und das kernloſe je ein Paramäcium enthielt: im Verlaufe der Kultur zeigte es ſich nun, daß die kernhaltigen Stücke ihre Paramäcien ſtets vollſtändig verdauten, während die kernloſen, ſelbſt wenn ſie größer waren, dies nur teilweiſe konnten (Wirkung der noch vorhandenen Humboldt. — April 1890. Verdauungsſäfte), den größten Teil der Paramäcien jeden⸗ falls unverdaut auswarfen. Ferner bildeten kernloſe Stücke nach kurzer Zeit eine neue kontraktrile Vakuole, die bis zum Tode pulſierte, jedoch eine ganz bedeutende Ver⸗ langſamung in der Zahl der Pulſationen erfuhr. Man darf endlich auch ſchließen, daß die Reſpiration des Protoplasmas unabhängig vom Kern ſtattfindet. B. Zur Vererbungstheorie. Bekanntlich haben beſon⸗ ders die Gebrüder Hertwig betont, daß die bei der Be⸗ fruchtung ſtattfindende Vererbung der Eigenſchaften des Vaters reſp. der Mutter durch die Kernſubſtanz des Samen⸗ fadens reſp. der Eizelle vermittelt wird, an dieſe alſo ge⸗ knüpft iſt. Verſuche Boveris ſcheinen dieſen Satz zur Gewißheit zu erheben; die erſtgenannten Autoren entdeckten ein Verfahren, durch welches es möglich iſt, Eier von See⸗ igeln zu entkernen; kernhaltige wie kernloſe laſſen ſich künſtlich befruchten, furchen ſich und entwickeln ſich gleich (nur ſind die aus den kernloſen Stücken ſich entwickelnden Larven bedeutend kleiner) und leben auch gleich lange wie die normalen. Schon dieſes Reſultat iſt ſehr wichtig, denn es zeigt, daß die Befruchtung allein durch den Sperma⸗ kern, ohne Verſchmelzung, ja ohne Anweſenheit des Ei⸗ kernes vollzogen werden kann; er beſitzt alſo alle not⸗ wendigen Eigenſchaften, um als erſter Furchungskern zu fungieren. Nachdem dies feſtgeſtellt war, nahm Boveri Baſtardierungen zwiſchen Eehinus microtuberculatus und Sphaerechinus granularis in Neapel vor — die Larven der beiden Arten unterſcheiden ſich leicht von einander durch die Form und ihr Skelett; bei der normalen Baſtar⸗ dierung entſteht eine Larve, welche zwiſchen beiden in der Mitte ſteht, wie das von vornherein zu erwarten war; die betreffende Mittelform kann mit keiner der beiden elterlichen Larvenformen verwechſelt werden. Boveri ent⸗ kernte nun die Sphärechinus-Eier vor der künſtlichen Befruchtung mit dem Echinus⸗Samen; erſteres gelingt nur bei einem Teile der Eier, einzelne bleiben normal und neben entkernten findet man kernhaltige Stücke; die Befruchtung wurde nun vollzogen und das Reſultat der Züchtung war einmal das Erhalten der normalen oder echten Baſtardform, die offenbar aus den intakt gebliebenen Eiern ſtammten, zweitens wurde dieſelbe Miſchform nur in kleinerer Geſtalt erhalten — ſie ſtammte aus den kern⸗ haltigen Stücken der Sphärechinus⸗Eier, die mit Echinus⸗ Samen befruchtet waren, und drittens gab es kleine Larven, die jedoch vollſtändig, abgeſehen von der Größe mit den Larven von Echinus microtuberculatus übereinſtimmten; offenbar ſind ſie aus den kernloſen Stücken der Sphär⸗ echinus⸗Eier hervorgegangen und beſitzen, da in ihnen nur Kernſubſtanz von Echinus vorhanden iſt, allein die Charaktere des letzteren! Es iſt nicht bedeutungslos, daß die Kerne dieſer Larven, die nur von dem Spermakern abſtammen, kleiner ſind, als die Kerne der aus kernhaltigen Eiern hervorgegangenen Larven. Aus dieſen Verſuchen ergibt ſich alſo die Richtigkeit der Vererbungstheorie: das Eiprotoplasma iſt ohne Einfluß auf die Form des neuen Organismus, das Beſtimmende liegt im Kern. B. Die Zahl der aus Mitteleuropa bekannten Land- planarien beſchränkt ſich auf zwei; von dieſen dürfte nur Rhynchodesmus terrestris O. F. Miil., der zwar ſelten iſt, aber doch weit verbreitet vorkommt, einheimiſch ſein; die zweite Art, Geodesmus bilineatus Metschn. wird importiert ſein, da man ſie nur aus Treibhäuſern kennt. Neuerdings beſchreibt Fr. Vejdovsky eine dritte Form, die er in einem Dunghaufen zu Bechlin in Böhmen entdeckte, als Microplana humicola n. gen. n. sp. Die Tierchen werden bis 6 mm lang, ſind weißlich, vollkommen durch⸗ ſichtig und gleichen auf den erſten Blick den Enchytraeen; jie ernähren fic) von letzteren und kleinen Inſekten, da⸗ gegen nie von vegetabiliſchen Subſtanzen. B. Aeußere Geſchlechtsunterſchiede der Schmetterlinge. Bei einem großen Teil der Schmetterlinge ermöglichen ſekundäre Geſchlechtscharaktere eine leichte Unterſcheidung der Geſchlechter. So ſind bei den einen, z. B. den be⸗ Humboldt. — April 1890. 139 kannten Bläulingen, die Geſchlechter in der Farbe unter- ſchieden, bei anderen, wie beim Eichenſpinner, in der Bildung der Fühler, und wieder bei anderen, beſonders bei auswärtigen Schmetterlingen iſt die Geſtalt der Flügel eine abweichende. Bei einigen Gattungen geht der ge— ſchlechtliche Dimorphismus bekanntlich noch weiter, indem wie bei den Froſtnachtſpannern nur die Männchen aus— gebildete Flügel beſitzen, während dieſe bei den Weibchen verkümmert ſind, und bei der Gattung Psyche gleicht gar das Weibchen eher einem in einem Sack ſteckenden Wurm als einem Schmetterling und nur das Männchen iſt normal gebildet. Eine wichtige Rolle ſpielen als ſekundäre ge— ſchlechtliche Merkmale auch die beſonders in neuerer Zeit viel unterſuchten „Männchenſchuppen“, eigentümlich ge— ſtaltete, nur den männlichen Individuen der einzelnen Arten zukommende Schuppen. Entweder ſind ſie, wie bei unſeren Weißlingen, unter den anderen Schuppen, mit welchen die Flügel bekleidet ſind, verſtreut und dann nur bei mikroſkopiſcher Unterſuchung nachweisbar; oder ſie ſind in ihrem Vorkommen auf beſtimmte Teile der Flügel oder des Körpers beſchränkt und dann, indem ſie auch noch durch Geſtalt und Färbung ſich auszeichnen, mit bloßem Auge leicht zu erkennen, zum Teil ſogar ſehr auffallend, ſo daß ſie eine praktiſche Handhabe zur Unterſcheidung der Geſchlechter bieten. Da fie häufig auch mit duft— abſondernden Organen in Verbindung treten, indem ſie weſentlich mit zur raſchen Verflüchtigung des duftenden Sekretes beitragen, werden ſie auch als Duftſchuppen, Duftflecken u.ſ w. zuſammengefaßt. Sie erſcheinen häufig in Geſtalt dicker Büſchel oder langer, in dieſem Fall in einer Furche der Beine befindlicher Pinſel, die hier ge— wöhnlich eine geſchützte Lage einnehmen, und überdeckt ſind, im Moment des Gebrauchs dagegen entfaltet werden. Trotz der Häufigkeit ſekundärer Geſchlechtscharaktere bei Schmetterlingen gibt es jedoch auch eine große Anzahl dieſer Inſekten, welchen ſolche Unterſcheidungsmerkmale fehlen, und bei denen demnach beide Geſchlechter ſich völlig gleichen. Jackſon macht darauf aufmerkſam (Zoologiſcher Anzeiger Nr. 322), daß auch in dieſem Fall ohne Unter— ſuchung der Geſchlechtsorgane eine Unterſcheidung der Ge— ſchlechter leicht möglich ſei. Die unterſcheidenden Merk— male finden ſich an der Bruſtregion des neunten Abdo— minalſegmentes beim Männchen, und an entſprechender Stelle beim achten und neunten Abdominalſegmente des Weibchens. An erwähnter Stelle zeigt das Männchen eine feine kurze Linie oder linienartige Vertiefung, welche die Oeffnung des ductus ejaculatorius darſtellt. Dieſe lineare Oeffnung beſitzt zwei kleine ovale Lippen, die eine rechts, die andere links und iſt entweder auf einer kleinen, ſchwachen Erhöhung gelegen, wie bei Pieris und Pontia, oder umgekehrt in einer kleinen mit gewellten, öfters rechts und links verdickten Rändern verſehenen Vertiefung, wie bei Vanessa. Das Weibchen dagegen hat typiſch zwei feine lineare Vertiefungen, die eine auf dem achten, die andere auf dem neunten Abdominalſegment, welche die Oeffnungen der Begattungstaſche (bursa copulatrix) und des Eiergangs darſtellen. Bei mehreren Heteroceren, von denen er Sphingiden, Hepialiden, Arctiiden und Noctuiden unterſuchte, fand Jackſon nur eine Oeffnung an der Spitze einer dreieckigen Platte des neunten Segmentes, welche ſich nach vorwärts in das achte Segment hinein— ſchiebt; dieſe eine Oeffnung ſcheint aus Verſchmelzung der zwei typiſchen Oeſſnungen entſtanden zu ſein. So fand es ſich z. B. bei allen unterſuchten Individuen von Sphinx ligustri. Doch ſcheint dieſes Verhältnis auch individuellen Schwankungen zu unterliegen, da Exemplare von Cossus ligniperda und Zeuzera aesculi bald eine, bald zwei Oeffnungen zeigten. Die Oeffnung der Begattungstaſche ſoll nach dem Verfaſſer das Homologon der einzigen Genital— öffnung der übrigen Inſekten ſein, die Oeffnung des Ovi— dukts dagegen eine ſekundäre Erwerbung. In der Ent— wickelungsgeſchichte der weiblichen Geſchlechtsorgane laſſen ſich bei den Schmetterlingen drei Stadien unterſcheiden. Im erſten Stadium münden paarige larvale Eileiter am hinteren Rand des ſiebenten Abdominalſegmentes; dieſes Verhältnis hat ſich bei den Ephemeriden bleibend erhalten; find Anhangsdrüſeu vorhanden, jo münden fie unabhängig auf zwei folgenden Segmenten. Im zweiten Stadium tritt eine kurze Scheide oder ein unpaarer Eileiter auf, der durch Einſtülpung der Hypodermis des achten Segmentes entſteht. Die Begattungs- und die Samentaſche münden direkt hinter demſelben aus oder auch in denſelben, während die Kittdrüſen eine ſelbſtändige Oeffnung beſitzen. Aehn⸗ liche Verhältniſſe finden ſich bei manchen erwachſenen Or- thopteren. Im dritten Stadium endlich münden wieder die Kittdrüſen in die Scheide, welche eine andere ſekundäre Ausführungsöffnung erhält; dies Verhältnis iſt, wie oben geſchildert, bei den erwachſenen Schmetterlingen gewahrt. Tſerdebaſtarde. Im Juni 1873 erhielt der 182910 d’Acclimatation ein arabiſches Maultier (Katharine) mit ihrem im März 1873 geborenen Füllen (Konſtantine) und dem Berberhengſt Caid, dem Vater des Füllens. Die Befruchtung eines Maultiers durch ein Pferd iſt ſehr ſelten, die befruchteten Weibchen haben oft abortiert, ſelten haben fie lebensfähige Nachkommen geliefert, und nur ganz aus- nahmsweiſe konnten dieſe wie gewöhnliche Tiere aufgezogen werden. Konſtantine entwickelte ſich ſehr gut, erreichte die Größe des Vaters (1,45 m) und iſt ſehr leiſtungs— fähig. Gleiches gilt für ihre Schweſter Hippone, die 1874 geboren wurde Beide Tiere ähneln durchaus Pferden; Ohren, Mähne, Schwanz zeigen durchaus nicht das Viertel Eſelsblut, nur das Wiehern weicht etwas von dem des Pferdes ab. Katharine wurde weiter mit einem ägyptiſchen Eſel gepaart und lieferte zwei männliche Füllen, Salem 1875 und Athman 1878. Beide Tiere ſind von ungewöhnlicher Stärke, großer Schnelligkeit und außerordentlicher Arbeits— fähigkeit. Sie gleichen nicht Eſeln, ſondern Maultieren, haben halblange Ohren, etwas kurze, herabfallende Mähne und an der Spitzenhälfte lang behaarten Schwanz. Ihre Stimme liegt zwiſchen Pferdegewieher und Eſelsgeſchrei. 1881 lieferte Katharine von Caid ein Füllen, Kroumir, welches einem Pferde gleicht und an Konſtitution und Ener— gie ſeinen Geſchwiſtern nicht nachſteht. Konſtantin war, ge— paart mit Caid, dann mit einem japaniſchen Hengſt Nippon zweimal tragend; ſie warf zur richtigen Zeit 1881 und 1886, hatte aber bald ſterbende Mißgeburten mit allen Charakteren des Pferdes. Hippone hatte von demſelben japaniſchen Hengſt 1882 ein verkümmertes Füllen, das nicht aufwuchs. Salem wurde erfolglos mit verſchiedenen Stuten gepaart und erwies ſich als unfruchtbar. Kroumir wurde mit einer aus der Kreuzung von Tarbes- und ſia— meſiſcher Raſſe hervorgegangenen Stute gepaart, und dieſe brachte 1888 ein lebendes Stutenfüllen zur Welt, welches aufwuchs und von guter Konſtitution iſt. Dieſe verbürgten Fälle zeigen alſo, daß Maultiere bis zur zweiten Generation fruchtbar waren, ſowohl im männlichen als im weiblichen Geſchlecht, freilich nur bei Anpaarung mit einer der Stammarten (Revue d. sc. nat. appl. XXXVI, 19., durch Zoolog. Garten XXX. 350). D. Aeber das Hirngewicht des Neugeborenen hat Mies Unterſuchungen angeſtellt. Aus den Ergebniſſen von 203 Wägungen berechnet derſelbe das durchſchnittliche Hirn— gewicht des neugeborenen Knaben auf 339,3 g, dasjenige des neugeborenen Mädchens auf 330 g. Das leichteſte Gewicht betrug 170, das ſchwerſte 482 8. Das Hirn⸗ gewicht des Neugeborenen verhält ſich zum Körpergewicht wie 1: 7 bis 8,5. Es wurden von Mies nur Gehirne von Kindern gewogen, die lebend zur Welt gekommen waren. (Wiener kliniſche Wochenſchrift 1889.) A. Maflrobiotiſches aus Griechenland. Unter obigem Titel hat Generalarzt Ornſtein zu Athen kürzlich eine Ab⸗ handlung (Archiv für Anthropologie Bd. XVIII. Braun⸗ ſchweig 1889) veröffentlicht, welche beweiſt, daß die indi⸗ viduelle Lebensdauer in Griechenland eine erheblich längere iſt als im übrigen Europa. Aus den Volkszählungen und Sterblichkeitsliſten der Jahre 1878 bis 1883 ergibt ſich, daß bei der auf 13 Kreiſe des Königreichs Griechenland verteilten Bevölkerungsziffer von rund 1,650,000 Köpfen 140 (der neuerworbene epirotiſch⸗theſſaliſche Zuwachs iſt hier⸗ bei nicht miteingerechnet) 5297 Perſonen (0,32 %% der Bevölkerung) ein Alter von 85 Jahren und darüber er⸗ reichten. Von dieſer Zahl gehörten 1296 Männer und 1347 Frauen, im ganzen 2643 Individuen, der Alters⸗ klaſſe von 85 bis 90 Jahren an. Auf die nach⸗ folgende Altersſtufe von 90 bis 95 Jahren kommen 700 Männer und 820 Frauen, im ganzen 1520 Indi⸗ viduen beiderlei Geſchlechts. Die Summe der 95 bis 100 Jahre alten Leute beläuft ſich im Ganzen auf 675, wovon 305 dem männlichen und 370 dem weiblichen Ge⸗ ſchlechte zuzuzählen ſind. Die vierte Altersklaſſer von 100 bis 105 Jahren weiſt 116 Männer und 168 Frauen, in Summa 284 Perſonen auf, während die fünfte von 105 bis 110 auf 121 (52 Männer und 69 Frauen) hinuntergeht. In der letzten Kategorie von 110 Jahren und darüber hinaus finden wir im ganzen 54 Perſonen (20 Männer und 34 Frauen). Wie erfſichtlich, entfallen auf die angegebene Geſamtziffer von 5297 Alten 459 Hun⸗ dertjährige und darüber, nämlich 188 männliche und 271 weibliche (8,66 %% aller Perſonen von 85 Jahren und darüber). Dieſe enorme Zahl von Hundertjährigen und ſelbſt von Fünfundneunzigjährigen findet man nach Orn⸗ ſtein in keinem anderen Lande, bei keinem anderen Volks⸗ ſtamm, während es noch fraglich iſt, ob die zwei Altersſtufen von 85 bis 95 Jahren nicht auch anderswo ſo zahlreiche Vertreter finden wie unter den Griechen. Aus den mit⸗ geteilten Ziffern ergibt ſich zugleich, daß in Griechenland in allen Altersklaſſen von 85 Jahren und darüber mehr Frauen als Männer ein höheres Alter erreichen. Das größte Kontingent von alten Leuten im Verhältnis zur Bevölkerungsziffer liefern die Eparchie von Argos und die Eykladen; doch iſt zu bemerken, daß die drei höchſten Altersſtufen mehr durch die Argolis als durch die be⸗ ſagte Inſelgruppe vertreten ſind. Die Erklärung hierfür dürfte in dem mehr dem Wechſel unterworfenen und folglich ungleichmäßigen Klima der letzteren zu ſuchen ſein. Argos hat von ſeinem antiken Ruhme in hygieniſcher Beziehung bis auf unſere Zeit wenig eingebüßt; wogegen das freundliche im Altertum als Geſundheitsaſyl berühmte Humboldt. — April 1890 Aegina jetzt kaum mehr von den Athenienſern als Som⸗ merfriſche benutzt wird, da nicht ſelten im Herbſt auf der Inſel Wechſelfieberepidemien auftreten. A. Um den Grad der geiſtigen Abſpannung zu meſſen, beziehungsweiſe um denſelben in ein Zeitmaß umzuſetzen, hat F. Galton ein ebenſo einfaches wie ſinnreiches Ver⸗ fahren angegeben. Eine Anzahl von Individuen, die möglichſt demſelben Alter und Geſchlecht angehören, bildet eine Kette, indem ſie ſich bei der Hand anfaſſen, und jede Perſon iſt bemüht, den Druck, den der Nachbar auf die eine Hand des Betreffenden ausübt, durch ſeinerſeits auf die Hand des anderſeitigen Nachbarn ausgeübten Druck fortzupflanzen und ſo durch die ganze Kette hindurchzu⸗ leiten. Die Zeit, welche die Fortleitung des Druckes, beziehungsweiſe die dem Gehirn zugeführte Wahrnehmung und von dort aus auf die Muskeln der Hand übertragene Erregung in Anſpruch nimmt, wird nun je nach dem Zuſtande des Nervenſyſtems eine verſchiedene ſein und kann von einem der Individuen, welche die beſagte Men⸗ ſchenkette zuſammenſetzen, mit Hilfe einer vor ihm liegen⸗ den Sekundenuhr feſtgeſtellt werden. Man mißt hierbei die Zeit, welche die Fortleitung des Druckes durch die ganze Menſchenkette (von der Perſon, welche zuerſt die Hand des Nachbarn gedrückt hat, bis zurück zu derſelben Perſon) in Anſpruch nimmt, und dividiert durch die Zahl der Individuen, um die Zeit feſtzuſtellen, welche die be⸗ ſagte Prozedur bei jedem einzelnen Glied der Menſchen⸗ kette durchſchnittlich dauert. Wenn die Perſonen, welche die in Rede ſtehende Menſchenkette bilden, eine langweilige Predigt oder einen wenig anregenden Vortrag anzuhören genötigt ſind, ſo wird, vorausgeſetzt daß das beſagte Ex⸗ periment zuerſt zu Beginn der Predigt oder des Vortrags gemacht und gegen das Ende desſelben wiederholt wird, die zur Ausführung des Experimentes erforderliche Zeit in erſterem Falle eine kürzere ſein als in letzterem, da infolge der geiſtigen Abſpannung und Ermüdung die Fortpflanzung des Händedrucks in letzterem Falle nicht fo ſchnell erfolgen wird als in erſterem. (Revue d’Anthro- pologie, Paris 1889, S. 125.) A. Biographien und Perfonalnotizen. Profeſſor Dr. W. Kirchner in Göttingen iſt als Pro⸗ feſſor der Landwirtſchaft und Direktor des landwirt⸗ ſchaftlichen Inſtituts nach Leipzig berufen worden. Privatdozent für Chemie Dr. Lellmann in Tübingen iſt zum a. o. Profeſſor ernannt worden. Dr. Hans Lenk, Aſſiſtent am mineralogiſchen Muſeum in Leipzig, hat ſich daſelbſt als Privatdozent habilitiert. Dr. Friedrich Deichmüller, Obſervator der Uni⸗ verſitätsſternwarte in Bonn, hat ſich daſelbſt als Privatdozent habilitiert. Dr. Karl Paal habilitierte ſich in Erlangen als Privat⸗ dozent für Chemie. Dr. Prausnitz, Aſſiſtent am Phyſiologiſchen Inſtitut in München, habilitierte ſich als Privatdozent an der Techniſchen Hochſchule daſelbſt. Profeſſor Dr. A. Peter in Gottingen iſt von der dortigen Kgl. Geſellſchaft der Wiſſenſchaften zum ordentlichen Mitglied ernannt worden. Profeſſor Dr. His in Leipzig erhielt für ſeine Leiſtungen im Gebiet der Entwickelungsgeſchichte von der königl. Akademie der Medizin in Turin den Preis Riberi. Profeſſor Dr. Nathorſt in Stockholm und Profeſſor Dr. Ludwig in Greiz wurden von der Naturfor⸗ ſchenden Geſellſchaft in Danzig zu korreſpondierenden Mitgliedern ernannt. Profeſſor Fr. Buchenau in Bremen erhielt für eine Monographie der Juncagineen den Preis de Candolle. Tofenli fie. Buquet, Lucien, Kaleopterolog, ſeit 1833 Mitglied der Société entomologique de France, ſtarb Mitte De⸗ zember 1889. Gulia, Profeſſor der Botanik und Hygiene in Valetta, Verfaſſer einer Flora Maltese, ſtarb Mitte Dezember 1889 in Valetta. Dr. Friedrich Soltwedel, geb. 1858 zu Grünhagen bei Lüneburg, ſeit 1886 Direktor der Proefſtation Middan⸗Java zu Semarang und verdient durch bo⸗ taniſche und agrikulturchemiſche Arbeiten, ſtarb 17. De⸗ zember 1889 zu Semarang. Coſſon, E., Botaniker, Verfaſſer zahlreicher Arbeiten über die Flora Algiers, ſtarb 31. Dezember 1889. Combescure, Ed., Professeur ala Faculté des sciences, ſtarb in Montpellier. Taczanowski, L., hervorragender Ornitholog, Ver⸗ faſſer der Ornithologie du Pérou, auch Arachniden⸗ forſcher, geb. 1819, ſtarb 17. Januar in Warſchau. Petit, Ferdinand, ſtarb in Boma (Congo). Siewert, Max, Leiter der agrikulturchemiſchen Verſuchs⸗ ſtation des Centralvereins weſtpreußiſcher Landwirte, ſtarb in Danzig 16. Februar. Walter, Alfred, Aſſiſtent am Zoologiſchen Inſtitut in Jena, der im vorigen Jahr mit Kückenthal eine Reiſe nach Oſtſpitzbergen gemacht hat, ſtarb, 29 Jahre alt, 14. Februar in Jena. Voigt, früher Profeſſor der Anatomie an der Univerſität Wien, ſtarb in Brody, 81 Jahre alt. Humboldt. — April 1890. Fieber, Profeſſor der Aſtronomie in Lüttich, Mitar- beiter der von der Brüſſeler Sternwarte herausgege— benen Zeitſchrift Ciel et Terre, ſtarb im Februar. Cloetta, früher Profeſſor der Heilkunde an der Unie verſität Zürich, namentlich verdient um die phyſio— logiſche Chemie, ſtarb im Februar im 61. Lebens— jahr. 5 3 Viktor, Profeſſor der Mineralogie an der deutſchen Univerſität in Prag, geb. 1830 in Wien, ſtarb 24. Februar. 141 Schafhäutl, Karl Emil Georg, Profeſſor an der Univerſität München, ſtarb 25. Februar. Er war geb. 16. Februar 1803 in Ingolſtadt und ſeit 1843 Profeſſor der Geognoſie, Bergbau- und Hüttenkunde in München. Abgeſehen von großen Verdienſten, die er ſich um die Eiſenhüttenkunde erworben, lieferte er viele Arbeiten über Akuſtik, erfand einen aräometri— ſchen Heber, ein Aräometer, ein Photometer und Bhono- meter. Ebenſo beſchäftigte er ſich mit der geognoſtiſchen Erforſchung der Alpen und mit Muſikgeſchichte. Litterariſche Rundſch au. BS. Migula, Die Characeen Deutſchlands, Oeſter⸗ reichs und der Schweiz. Dr. L. Rabenhorſts Kryptogamenflora. Fünfter Band. Leipzig, Eduard Kummer. Preis 18 Mark. Die Neubearbeitung der Rabenhorſtſchen Kryptogamen— flora ijt eine der wertvollſten Erſcheinungen der neueren kryptogamiſchen Litteratur. Den bereits teilweiſe komplett vorliegenden Bänden des Werkes, von denen der erſte die Pilze, der zweite die Meeresalgen, der dritte die Farn— pflanzen und der vierte die Laubmooſe umfaßt, wird ſich als fünfter eine Bearbeitung der Characeen anſchließen, von welcher die erſte Lieferung vor kurzem erſchienen iſt. Dieſelbe enthält zunächſt eine ausführliche Darſtellung der Entwickelungsgeſchichte und Anatomie dieſer Pflanzen, die ſich auf die Arbeiten von A. Braun, de Bary und Prings- heim gründet und durch eigene Beobachtungen des Ver— faſſers ergänzt wird. Einer Charakteriſierung des Geſamt— habitus folgt die Beſchreibung der Keimung, des Vor— keims, der Wurzeln mit den Knöllchen, der Stengel und Blätter, wobei namentlich Berindung und Stachelbildung eingehend behandelt werden, der nacktfüßigen Zweige und der Zweigvorkeime, der Fortpflanzungsorgane, Beobach— tungen über die Parthenogeneſis von Chara crinita, über die Verkalkung und einige Lebenserſcheinungen der vegetativen Zellen. Zahlreiche Abbildungen, ſämtlich, bis auf eine, Originalzeichnungen des Verfaſſers, die allerdings in der Ausführung den bekannten in Sachs' Lehrbuch enthaltenen nachſtehen und auch einige Verhältniſſe, wie z. B. die eigentümlichen Wendezellen A. Brauns, nicht mit darſtellen, erläutern die mannigfaltigen Bauverhältniſſe des Characeenkörpers. Dann folgt eine Ueberſicht über die hiſtoriſche Entwickelung unſerer Kenntnis dieſer Pflan— zen, die bis auf Kaſpar Bauhin 1623 zurückreicht. Das letzte Kapitel bringt Erörterungen über die ſyſtematiſche Stellung der Characeen. In dem Rabenhorſtſchen Werke erſcheinen fie als ſelbſtändiger Teil, und das entſpricht auch der Anſicht des Verfaſſers, der ſie ebenſowenig zu den Algen wie zu den Mooſen geſtellt und auch nicht als einen Uebergang zwiſchen den Gruppen betrachtet wiſſen will, wohl aber ihnen eine mittlere Stellung zwiſchen bei— den zuerkennt. Daran ſchließt ſich die Erklärung einer Reihe für die Syſtematik wichtiger Begriffe. Die Fort— ſetzung wird zunächſt ein Kapitel über die geographiſche Verbreitung und dann einen Schlüſſel zur Beſtimmung der Arten bringen. Auch den Diagnoſen der Arten, ſowie der wichtigeren Formen ſollen Abbildungen zur Erläuterung beigefügt werden. Es ſteht zu erwarten, daß Migulas Characeenwerk ſich würdig an die bereits vorliegenden Teile des Ganzen anſchließen und in weiteren Kreiſen Intereſſe für dieſe Pflanzengruppe erwecken wird. Da eine größere Geſamtbearbeitung der Characeen bislang nicht vorliegt, ſo füllt das Buch eine fühlbare Lücke unſerer Litteratur aus. Bremen. Dr. H. Klebahn. V. Woſſidlo, Leitfaden der Zoologie für höhere Tehranſtalten. Dritte verbeſſerte Aufl. Berlin, Weidmannſche Buchhandlung. 1889. Preis 3 M. Das günſtige Urteil, welches über alle größeren und kleineren Lehrbücher des Verfaſſers gefällt worden iſt, gilt auch für dieſen Leitfaden. Der Verfaſſer hat über ſeine Methode in den Verhandlungen der 8. ſchleſiſchen Direktoren— Verſammlung berichtet und dies Referat iſt auch geſondert im Buchhandel erſchienen (Berlin 1888) und hat die günſtigſte Aufnahme gefunden. Die ſchnell aufeinander— gefolgten neuen Auflagen des Lehrbuches beweiſen ohnehin, daß es ſich viele Freunde erworben hat. Die vorliegende Auflage enthält gegen die beiden erſten, 1886 und 1888 erſchienenen, manche Verbeſſerung, vor allem iſt auf Ver— vollſtändigung und Verbeſſerung der Abbildungen viel Sorgfalt verwandt worden. Friedenau. Dammer. Ad. Baſtian, eber pſychiſche Beobachtungen bei Naturvölſtern, u. Fr. v. Hellwald, Die Magier Indiens. (Schriften der Geſellſchaſt für Experi— mental-Pſychologie zu Berlin, 2. u. 3. Stück.) Leipzig, Günther. 1890. Preis 1 Mark. Die beiden in dieſem Hefte vereinigten Aufſätze find aus Vorträgen hervorgegangen, welche von den Verfaſſern in mehreren Sitzungen der Berliner Geſellſchaft für Ex— perimental-Pſychologie gehalten wurden. Genannte Geſell— ſchaft iſt nach dem Vorbilde der älteren Londoner und Münchener Vereinigungen zu dem Zwecke geſtiftet worden, ſolche Erſcheinungen des menſchlichen Seelenlebens, welche aus dem gewöhnlichen Verlauf desſelben heraustreten und bisher teils dem Aberglauben verfielen, teils durch eine myſtiſche Brille betrachtet wurden, einer genauen, von aller ſkeptiſchen, theologiſchen, philoſophiſchen oder ſonſtigen Voreingenommenheit freien experimentellen und kritiſchen Unterſuchung zu unterwerfen, um den wahren Kern von den myſtiſchen und mißverſtändlichen Umhüllungen zu be— freien und zu erkennen. Es fallen hierher beſonders die Erſcheinungen des Hypnotismus, Somnambulismus, der ſogenannten Telepathie und Gedankenübertragung, u. a., die bisher von Skeptikern insgeſamt als auf Betrug und Selbſttäuſchung beruhend angeſehen wurden, bis das ge— nauere Studium des Hypnotismus zeigte, daß auf dem Grunde des menſchlichen Seelenlebens Fähigkeiten ſchlum— mern, die deutlich auf eine Verdopplung des Seelenlebens in ein bewußtes und unbewußtes hinführen, und manche bisher unbegreiflich erſchienene Thatſache erklären, ſomit auch manche weitere Aufſchlüſſe verſprechen, die wohl zu einer näheren Prüfung einladen können. Der Baſtianſche Vortrag liefert zu dieſen Beſtrebungen einen ſehr wert— vollen Beitrag, indem er zeigt, daß viele der von den Schamanen und Wundermännern der Naturvölker erzeugten viſionären Erſcheinungen und Wunderheilungen in das Bereich der hypnotiſchen Erſcheinungen zu gehören ſcheinen und daß fic) daher ein genaueres Studium dieſer Prak— tiken der Naturvölker dringend empfiehlt, denn „gerade bei den Naturvölkern“ ſagt Baſtian, „finden wir die meiſten der Phänomene, welche wir bei uns nur künſtlich und nicht ohne Gefahr für die Verſuchsperſon erzeugen können, als etwas mehrweniger Normales vor, ſo daß die einfache Beobachtung gut vorgebildeter Reiſender zu einer ungeahnten Erweiterung unſeres Forſchungsgebietes führen würde.“ Referent konſtatiert mit Vergnügen, daß der berühmte Reiſende durch ſeine ausgedehnten Beobach— tungen auf dieſem Gebiete ſchließlich zu demſelben Ergeb⸗ 142 Humboldt. — April 1890. niſſe gelangt iſt, welches er ſelbſt ſeit dem Auftauchen des Hypnotismus in zahlreichen Zeitungsartikeln und ander⸗ weitigen Publikationen vertreten hat, daß nämlich durch Hyp⸗ notiſieren keine neuen geiſtigen Fähigkeiten entfeſſelt werden, ſondern daß der Menſch durch Einſchläferung ſeiner höheren geiſtigen Fähigkeiten auf das Niveau eines nachahmenden unverſtändigen Tieres herabgedrückt wird. Sehr gut und beherzigenswert ſagt Baſtian (S. 19): „Was von ſpiri⸗ tiſtiſchen Cirkeln als außergewöhnliche Eingriffe aus höheren Regionen gefaßt wird, gehört gegenteils vielmehr einem dem tieriſchen nächſtverwandten Stufengrad der Menſchennatur an, empfiehlt ſich aber gerade deshalb allerdings zu ernſtlichem Studium nach der genetiſchen Methode. Bei ihrer Befolgung verſprechen die Natur⸗ ſtämme der Ethnologie gleiche Dienſte zu leiſten, wie ſie der wiſſenſchaftlichen Botanik durch die Kryptogamen zu danken ſind. Ratſam indes bleibt dabei, die methodiſche Unterſuchung da zu beginnen, wo die Beobachtungsobjekte an ſich bereits von der Natur geboten ſind, und nur un⸗ geſcheut ſeciert werden können, während die in der Kultur hervortretenden Erſcheinungen, eben weil mehr oder weniger pathologiſcher Art, ſorgſam behutſame Behandlungsweiſe verlangen, und zugleich bei der ohnedem vorliegenden An⸗ ſteckungsfähigkeit mit ſolcher die Gefahr einer geiſtigen Epi⸗ demie gegeben wäre, die im Geſchichtsverlauf des Unheils genug bereits angerichtet haben mag.“ Der im Auszuge mit⸗ geteilte Vortrag Hellwalds berührt einige Berichte des franzöſiſchen Reiſenden Jacolliot über in der Luft ſchwe⸗ bende indiſche Fakiere und unter ihren Händen in wenigen Stunden gewachſene Melonenranken, die niemand als wirkliche Thatſachen zu glauben verbunden iſt, und die dadurch nicht an Ueberzeugungskraft gewinnen, daß fie ein zweiter Berichterſtatter wiederholt. Was die Geſell⸗ ſchaft nicht ſelber greifen kann, ſollte für ſie nicht vor⸗ handen ſein. Berlin. Dr. Ernſt Krauſe. 2 TWO e eH e . Bericht vom Monat Februar 1800. Allgemeines. Humboldt, A. v., Geſammelte Werke. 12. Bde. Stuttgart, Cotta, M. 15. — Anſichten der Natur m. wiſſenſchaftlichen Erläuterungen. 2 Tle. in 1. Bde. Stuttgart, Cotta. M. 1. 25. Volger, G. H. O., Leben und Leiſtungen d. Naturforſchers Karl Schimper. Vortrag. 3. Aufl. Frankfurt a. M., Reitz & Köhler. M. 1. 50. Bh yſilt. Martius⸗Matzdorff, J., Die intereſſanteſten Erſcheinungen der Stereo ſkopie, in 36 Fig. m. erläut. Text u. 6 in den Text gedr. Holzſchn. populär dargeſtellt. 2. Aufl. Berlin, Winkelmann & Söhne. M. 6. Mathieu, E., Theorie d. Potentials u. ihre Anwendungen auf Elektro⸗ ſtatik u. Magnetismus. Autoriſ. deutſche Ausg. v. H. Maſer. Berlin, Springer. M. 10. e C., Ueber die Wärmeausdehnung der Gaſe. Leipzig, Freytag, = Al Sattler, A., Leitfaden der Phyſik u. Chemie. Für die oberen Klafjen v. Bürger⸗ u. höheren Mädchenſchulen in 2 Kurſen bearb. 7. Aufl. Braunſchweig, Vieweg & Sohn. M. —. 80. Schröder, C., Ergebniſſe d. phyſikaliſchen Unterrichts in der Elementar⸗ ſchule. 8. Aufl. Leipzig, Sigismund & Volkening. M. —. 40. Chemie. Franke, B., Chemiſche Abhandlungen. 3. Hft. Leipzig, Fock. M. 1. Freſenius, C. R., Chemiſche Analyſe der Solquelle „Martha“ in der Badeanſtalt „Solquelle Martha“ (Friedrichſtr. 8), Filiale vom Ad⸗ miralsgarten⸗Bad zu Berlin. Unter Mitwirkg. v. H. Freſenius. Wiesbaden, Kreidel. M. —. so. Hoffmann, C,, Der Honig in hiſtoriſcher, naturwiſſenſchaftlicher, medi⸗ ziniſcher u. culinariſcher Hinſicht, nebſt Anleitgn. zur Erzeugg. v. Honiggetränken, Bäckereien 2c. Freiwaldau, Blazek. M. —. 90. Röhmann, F., Anleitung zum chemiſchen Arbeiten f. Studierende der Medizin. Berlin, Simion. M. 4. 50. Geographie. Baumgarten, J., Oſtafrika, der Sudan u. das Seengebiet. Land u. Leute. Nach den neueſten u. beſten Quellen. Gotha, Perthes. M. 8. Lendenfeld, R. v., Die Alpen Neuſeelands. Leipzig, Fock. M. 1. 60. Mineralogie, Geologie, Valäontologie. Bornemann, J, G., Beiträge zur Geologie u. Paläontologie. 1. Hft. Ueber den Buntſandſtein in Deutſchland u. ſeine Bedeutung f. die Trias, nebſt Unterjudgn. üb. Sand- u. Sandſteinbildgn. im all⸗ gemeinen. Jena, Fiſcher M. 7. Katzer, F., Geologie von Böhmen, 2. Abtlg. Prag, Taußig. M. 4. 80. Fritſch, A., Fauna der Gaskohle u. der Kalkſteine der Permformation Böhmens. II. Bd. 4. Hft. Selachii(Orthacanthus). Prag, Rivnac. M. 32. Haberland, M., Was haben wir v. e. geologiſchen Landesaufnahme zu erwarten? Neuſtrelitz, Jacoby. M. —. 25. : Makowsky, A., Lößfunde bei Brünn u. der diluviale Menſch. Erwide⸗ runs auf die krit. Studie d. Hrn. K. Masta Brünn, Winiter. 5 80 Thomſon, A., Experimentelle Studien zum Verhalten d. Sandbodens gegen Superpyosphate. Dorpat, Karow. M. 1. 20. Botanik. Beck v. Mannagetta, G. Ritter, Flora v. Südbosnien u. der angren⸗ zenden Herzegovina. 4. T. Wien, Hölder. M. 1. 60. Frank, B., u. A. Tſchirſch, Wandtafeln f. den Unterricht in der Pflan⸗ zenphyſiologie an landwirtſchaftlichen u. verwandten Lehranſtalten. 1. Abtlg. Berlin, Parly. M. 30. Karſten, H., Geſammelte Beiträge zur Anatomie u. Phyſiologie der Pflanzen. II. Bd. Berlin, Friedländer & Sohn. M. 12. Kißling, E., Zur Biologie der Botrytis cinerea. Bern, Huber & Co, M. —. 6 Kraß, M., u. H. Landois, Lehrbuch f. den Unterricht in der Natur⸗ beſchreibung. 2. Tl. Botanik. 2. Aufl. Freiburg, Herder. M. 3. Martius, C. F. Ph. von, A. G. Eichler Urban, Flora brasiliensis. Fasc. CVII. Leipzig, Fleiſcher. M. 50. Wolter, M., Kurzes Repetitorium der Botanik f. Studierende der Medizin, Mathematik u. Naturwiſſenſchaften. 4. Aufl. Anclam, Wolter. M. 2. Zoologie. Henſchel, G., Praktiſche Anleitung zür Beſtimmung unſerer Süßwaſſer⸗ fiiſche, nebſt e. alphabetiſch geordneten Verzeichnis der Synonyme, Beziehgn. u. gebräuchlichſten Volksnamen. Wien, Deuticke. M. 3. 50. Jahrbücher, zoologiſche. Zeitſchrift f. Syſtematik, Geographie u. Bio⸗ logie der Tiere. Hrsg. V. J. W. Spengel. II. Suppl.⸗Hft. Inhalt: Die Fauna v. Helgoland. Von K. W. v Dalla Torre. Jena, Fiſcher. M. 2. 40. John, G., Web. bohrende Seeigel. Leipzig, Fock. M. 1. 50. Krauſe, H., Schul⸗Zoologie. Nach method. Grundſätzen bearb. Hannover, Helwing. M. 2. 40. Ritzema Bos, J., Tieriſche Schädlinge u. Nützlinge f. Ackerbau, Vieh⸗ zucht, Wald⸗ u. Gartenbau, Lebensformen, Vorkommen, Einfluß u. die Maßregeln zu Vertilgung u. Schutz. 1. Lief. Berlin, Parey. 1 M. 1. Rogenhofer, A. F., Afrikaniſche Schmetterlinge d. k. k. naturhiſtoriſchen Hofmuſeums. I. Wien, Hölder. M. 2. Rubeli, O., Ueber den Oeſophagus d. Menſchen u. verſchiedener Haus⸗ tiere. Bern, Huber & Co. M. 1. 80. Schletterer, A., Die Hymenopteren-Gruppe der Evaniiden. 3. Abtlg. Wien, Hölder. M. 10. Schuſter, M. J., Der Taubenfreund. M. 1. 50. M. 1. gebd. 8 Vhyſtologie. Denker, A., Ein Beitrag zur Lehre v. der Reſorptionsthätigkeit der Magenſchleimhaut. Kiel, Gnevkow & v. Gellhorn. Fräfel, J. J., Experimentale u. kliniſche Unterſuchungen üb. den Ein⸗ fluß der Antipyretika auf die Zahl der roten Blutkörperchen. Bern, Huber & Co. M. —. 80. A Hagentorn, R. Ueber den Einfluß des kohlenſauren u. eitronenſauren Natron auf die Ausſcheidung der Säuren im Harne. Dorpat, Karow. 11. Aufl. Ilmenau, Schröter. M. 2. Moll, A., Der Hypnotismus. 2. Aufl. Berlin, Fiſcher. M. 6. Seegen, J., Die Zuckerbildung im Tierkörper u. ihre Bedeutung. Berlin, Hirſchwald. M. 7. Steiner, J., Grundriß der Phyſiologie d Menſchen f. Studierende u. Aerzte. 5. Aufl. Leipzig, Veit & Co. M. —. 9. Stockmann, F., Ueber das zeitliche Verhältnis der Dauer der Syftole zur Dauer der Diaſtole. Königsberg, Koch. M. 80. Anthropologie, Ethnologie. Bericht über die gemeinſame Verſammlung der deutſchen u. der Wiener anthropologiſchen Geſellſchaft, zugleich XX. allgemeine Verſammlung der deutſchen anthropologiſchen Geſellſchaft in Wien vom 5. bis 10. Aug. 1889 m. Ausflug nach Budapeſt vom 11. bis 14 Aug. Nach ſtenograph. Aufzeichngn. red. v. J. Ranke. Wien, Hölder. M. 6 Voß, A., u. G. Stimming, Vorgeſchichtliche Altertümer aus der Mark Brandenburg. 2. Ausg. 1. u. 2. Lfg. Berlin, Spamer. a M. 2. 50. Der Kultusminiſter von Goßler hat in Berliner Gelehrtenkreiſen die erausgabe einer Zeitſchrift angeregt, welche in gedrängiem Rahmen eine vollſtändige Bibliographie der Vorgeſchichte geben, außerdem aber regelmäßige Berichte über neue Ausgrabungen und Funde aus Mittel- und Oſtdeutſchland von der Ems und dem Neckar bis zum Niemen enthalten ſoll. Für das gheingebiet beſteht bereits eine ähn⸗ liche Zeitſchrift. Die Berliner Geſellſchaft für Anthropologie und Eth⸗ nologie wird die Angelegenheit in die Hand nehmen. Humboldt. — April 1890. 143 Aus der Praxis der Laturwiſſenſchaft. Aeber das Sammeln von Ameiſengäſten. Von Harrach in Berlin. Es gibt bekanntlich Inſekten, welche mit beſonderer Vorliebe die Niſtſtätten der Ameiſen aufſuchen, dieſelben aber ganz nach Belieben verlaſſen, um nach längerer oder kürzerer Zeit ſich wieder einzufinden; derartige Inſekten ſind vom ſtaatlichen Leben der Formieiden alſo in keiner Weiſe abhängig. Ferner gibt es aber auch Kerbtiere, deren Daſeinsbedingungen als erloſchen betrachtet werden dürfen, ſobald der Ameiſenſtaat aufhört zu exiſtieren. Außer einer großen Menge von Staphyliniden ſind es be— ſonders die blinden Klavigeriden oder Keulenkäferchen, welche der Pflege der Ameiſen in ausgiebigſtem Maße be— dürfen. Nicht nur daß die Ameiſen jenen Käferchen die nötige Nahrung ſpenden, zeigen ſie für dieſelben eine Hilfsbereitſchaft, welche als eine in jedem Sinne rührende bezeichnet werden darf. Iſt ſchon das Vorkommen von entwickelten Inſekten der verſchiedenſten Ordnungen bei den Ameiſen höchſt merk— würdig, ſo gilt dies erſt recht von den Larven jener Tiere. Von was nähren ſich, um ein Beiſpiel anzuführen, die feiſten Larven der Cetonia aurata L.? Im Jahre 1884 fand ich in einem Haufen der Formica rufa Latr. etwa 10 bis 15 em unter der Oberfläche des Neſtes die ver— puppungsreifen Larven des genannten Goldkäfers, von welchen ich heute noch etwa ein Halbdutzend Spiritus— präparate beſitze. In der gar nicht beſonders großen Niſt— ſtätte lagen gewiß 40 bis 50 ſolcher Larven, welche ich in dem Haufen wieder verſcharrte. Nach drei Wochen unge— fähr fanden ſich weder Larven noch Puppen vor, trotzdem die Ameiſen ihr Neſt wieder ordnungsmäßig hergerichtet hatten und wie mir dies ſchien, eine zwiſchenzeitige Be— unruhigung nicht ſtattgefunden hatte. Auch die Formica congerens Nyl. und piniphila kommen die Larven der Cetonia aurata vor. Aber nicht nur Käfer bezw. deren Larven ſind Gäſte der Ameiſen. Bekannt iſt es, daß die Formica sanguinea Latr. (dominula N.), welche in Wäldern meiſt in der Erde unter Steinen, Moos und Raſen niſtet, die Larven und Puppen von Formica fusca Lali, cunicularia Lat, und aliena Férst. raubt und dieſe fremden Arten dann in ihr Neſt ſchleppt; die aus den Puppen fic) dann ent- wickelnden Arbeiter leben hier wie in ihrem eigenen Neſte und nehmen an allen Arbeiten der sanguinea teil; letz tere aber iſt ebenſo thätig wie andere Arbeiter und über— läßt die Arbeit keineswegs den geraubten, gleich ihren Sklaven, wie man hin und wieder lieſt (cf. Schenk S. 14). Außerdem ſchmarotzen in den Ameiſenneſtern Vertreter aus der Familie der Schlupfweſpen; man kann ſie daſelbſt aus und ein fliegen ſehen; ohne Zweifel leben deren Lar— ven auf Roften der Ameiſenlarven oder -puppen, viel⸗ leicht auch der Imagines. Fliegenlarven und -puppen z. B. von Microdon mu- tabilis L. (Bienenfliege) find ebenfalls ſchon öfters bei Ameiſen und zwar bei Formica nigra und flava beobachtet worden. Aus der Ordnung der Orthoptera (Geradflügler) ijt mir nur eine Art, die Myrmecophila acervorum Es. (Ameiſengrille) bekannt, welche ſtändig bei Ameiſen lebt. Häufiger ſind ſchon die Hemipteren, unter ihnen be— ſonders die Ameiſenkäferwanze (Myrmedobia coleoptrata Full.) vertreten. In den Neſtern ſehr vieler Ameiſen⸗ arten leben Blattläuſe (3. B. Aphis radicum L. bei F. flava Latr. in großen Mengen), welche ſich nach Pro- feſſor Schenk von dem Safte der Wurzeln benachbarter Ge— wächſe nähren, oder in Baumneſtern von den Säften des jungen Holzes, dagegen den Ameiſen durch den ſüßen Saft, welchen ſie aus zwei Röhrchen oder Drüſen des Hinterleibes abſondern, eine Lieblingsnahrung liefern. Dieſe Blattläuſe werden, wie auch ihre kleinen ſchwarzen Eier— chen, von den Arbeitsameiſen ſorgfältig gepflegt, gleich ihrer eigenen Brut im Neſte herumgetragen, oft auch auf die Oberfläche, in Gefahr eiligſt gerettet und auf das mutigſte verteidigt. Solche Blattläuſe fand ich häufig bei Formica flava und nigra, Herr Profeſſor Schenk außer⸗ dem noch bei incisa, timida, nigra und Myrmica fuscula. Wie ich bereits oben erwähnte, ſtellen als myrmefo- phile Inſekten die Koleopteren das Hauptkontingent. Sie leben entweder nur bei einer Ameiſenart, oder auch bei mehreren, aber ganz beſtimmten, manche auch bei einer Menge von Arten. Wenn ich nun in nachſtehendem etwas näher auf den Fang der äußerſt intereſſanten Myrmekophilen eingehe, ſo geſchieht dies nur, um dem Sammler eine möglichſt ein- gehende Belehrung zu geben, nicht aber dem vandaliſchen oder ungeſetzmäßigen Zerſtören der Ameiſenniſtſtätten das Wort zu reden. „Man kann, ohne dieſen nützlichen Tieren Abbruch zu thun, den Fang der Myrmekophilen doch einträglich betreiben, wenn man einigermaßen darauf eingeübt iſt und ſich mit der Naturgeſchichte dieſer kleinen Welt abgegeben hat; ja durch das Auslegen flacher Steine nach der Sonnen— ſeite zu die reiche Anzahl ihrer Kolonien noch vermehren und dem Forſte dadurch ſogar nützlich werden.“ Im allgemeinen ſind die Monate von Oktober bis April als die günſtigſten für den Fang der Myrmekophilen zu bezeichnen; alsdann ſind die Ameiſengäſte ſchon mehr oder minder träge, dadurch aber auch leichter zu überſehen. Uebrigens kann man den Fang der Myrmekophilen das ganze Jahr hindurch ausüben. Es wird jedoch keinem verſtändigen und gemütvollen Sammler in den Sinn fom- men, die Ameiſen in ſtete Beunruhigung zu verſetzen. Am geratenſten ijt es daher, man ſiebt einmal im zeitigen Frith- jahr und läßt dann die Niſtſtätte ungeſtört bis zum Herbſt, wo man zum zweitenmal ſieben kann. Der Fang geſchieht auf zweifache Weiſe: Bei den— jenigen Ameiſen, welche größere oder kleinere Haufen über ihrem Neſte auftürmen, wie beiſpielsweiſe Formica rufa L., congerens Först. u. ſ. w. wird das Neſtmaterial ausge— ſiebt; bei den Ameiſen indes, welche ihre Neſter unter Steinen u. dergl. anlegen (Formica sanguinea Latr., cunicularia Latr., fusca Latr. u. ſ. w.), muß mit dem bloßen Auge geſucht werden. Das Ausſieben des Neſtmaterials geſchieht mittels des bekannten Käferſammelſiebes, wie man ſolches jetzt in jeder guten Naturalienhandlung käuflich erwerben kann. Von einzelnen Sammlern wird der Fang in der Weiſe geübt, daß ſie neben den Ameiſenhaufen niederknieen und eine Handvoll Geniſt nach der andern in das Sammelinſtru— ment bringen und dann zu ſieben beginnen. Dies iſt jedoch grundfalſch. Ein jeder weiß, in welchen Aufruhr die Ameiſen geraten, wenn man das Neſt nur ſtark berührt. Sind aber die Ameiſen erſt beunruhigt, dann ſind es auch die Myrmekophilen. Dieſelben flüchten alsdann ſofort in die unterirdiſchen Gänge und dann iſt es mit dem Fang für heute vorbei. Bei derart betriebener Methode wun- dern ſich dann die Sammler, wenn ſie wenig oder gar nichts erbeuten. Um den Fang in ergiebiger Weiſe betreiben zu kön— nen, muß man einen entſprechend großen Sack mitnehmen, in welchem man das ganze über dem Neſt aufgetürmte Geniſt unterzubringen vermag. Dies muß aber ſo raſch wie möglich vollzogen werden, damit die Ameiſengäſte nicht Zeit finden, ſich durch Flucht in die Gänge der Ameiſen zu entziehen. Alsdann bringt man einige Hände voll des Geniſtes in das Sammelſieb und wirft nach er⸗ 144 folgtem Umſchütteln bezw. Umrühren das Wusgeftebte wie⸗ der auf die Niſtſtätte zurück. Sehr vorteilhaft iſt es auch, wenn man das Siebgut etwa 1 em hoch locker über dem Drahtgeflecht ausbreitet; die große Mehrzahl der Ameiſen⸗ gäſte ſcheut das Tageslicht. Sie wühlen ſich daher ſehr raſch wieder ein und fallen alsdann durch die Maſchen des Siebs in den Sammelſack. Von Zeit zu Zeit wird das im unteren Sack angeſammelte Material in eine mit⸗ genommene Blechbüchſe oder eine große Glasflaſche ent⸗ leert. So fährt man fort, bis das ganze Neſtmaterial durchmuſtert iſt. Beſonders den letzten Reſt muß man vor⸗ ſichtig in das Sieb ausſchütteln, weil gerade zu unterſt die meiſten Myrmekophilen ſich finden. Iſt der Sack voll⸗ ſtändig entleert, dann iſt derſelbe umzudrehen und noch⸗ mals genau zu durchmuſtern, weil ſich ſehr viele kleine Käfer mit den Tarſen an dem rauhen Zeuge feſthaken. Das ausgeſiebte Geniſt wird von den fleißigen Ameiſen ſehr bald wieder zu einem neuen Haufen zu⸗ fammengetragen. Da jedoch das Ausgeſiebte ſehr raſch trocknet, da⸗ durch die kleineren Myrmekophilen aber leicht eingehen und dann ſchwer zu finden ſind, ſo ſollte man nie unter⸗ laſſen, an dem Stöpſel des Sammelglaſes ein Schwämm⸗ chen zu befeſtigen, welches man mit Waſſer tränkt. Durch Verdunſten desſelben bleibt die Luft in dem Glaſe ſtets feucht und erhält das Siebgut friſch. Iſt man mit ſeiner Beute zu Hauſe angelangt, ſo macht man einen Backſtein recht warm und legt denſelben auf einen Tiſch, der möglichſt nahe an ein helles Fenſter zu rücken iſt. Auf den Backſtein ſtellt man alsdann einen flachen Teller und bringt auf dieſen etwas von dem Geniſt. Die wohlthuende Wärme bringt die meiſt noch trägen Käfer zum Leben, wodurch ſie leicht bemerkt, mittels einer angefeuchteten Nadel aufgenommen und in das Tötungs⸗ glas gebracht werden. Am zweckmäßigſten läßt man eine Nähnadel in ein Heft ein, auch kann man ſich mit Vor⸗ teil einer Häkelnadel zum Auftupfen der Käfer bedienen. Man hüte ſich aber, die Minutien mit Speichel zu be⸗ ſudeln. Starker Froſt iſt ebenſo wie regneriſche Tage dem Fang von Myrmekophilen ungünſtig. Auch liefern Ameiſen⸗ haufen, welche inmitten dichter Wälder ſich befinden, we⸗ niger Ausbeute an Ameiſengäſten als ſolche, welche in der Nähe von Wegen, Fußſteigen, Gräben, Waldabhängen u. dergl. zu finden ſind. Man kann ſich die Myrmekophilen auch dadurch ködern, daß man in der Nähe der Ameiſenhaufen größere flache Steine auslegt. Ganz vorzüglich eignen ſich hierzu auch Hohlziegel, welche man mit den Rändern in die Erde ein⸗ drückt. Die Steine bieten den Myrmekophilen ſehr will⸗ kommene Verſtecke; man laſſe ſich Zeit und Mühe nicht ver⸗ drießen und ſehe des Tags womöglich mehrmals nach, ob ſich unter dem Stein verſteckt Käfer vorfinden. Meiſtens ſitzen dieſelben an der Unterſeite des Steines und ſind von da behutſam abzutupfen; doch muß man auch das Erdreich unter dem Stein durchmuſtern, welches öfters recht lohnende Ausbeute ergibt. Namentlich ergiebig fällt die genannte Sammelweiſe bei ſolchen Formieiden aus, Humboldt. — April 1890. welche ihre Neſter in Baumſtämmen anzulegen pflegen, z. B. Formica fuliginosa, timida Först. u. a. m. Verſchiedene Ameiſengäſte, wie beiſpielsweiſe der Ameiſentaſtkäfer, Batrisus formicarius Aubé, lieben es, ſich in oder unter dem Moos zu verſtecken, welches die von Ameiſen bewohnten Baumſtämme bekleidet. Nament⸗ lich Eichen- und Pappelſtämme find auf ſolche Art Kafer ſorgfältig zu unterſuchen (Formica ligniperda Latz., Ny/l.). Auch bei denjenigen Ameiſen, welche in der Erde niſten (Formica sanguinea Laty. [dominula Nyl.], eu- nicularia Latr., fusca Lat. [nigra Forst., glebaria Nr.], nigra Latr., [fusca Férst.], aliena Férst., flava Latr., L.; umbrata Nyl.; Tapinoma collina Férst., Polyergus rufescens Latr., Ponera contracta Latr., ver- ſchiedene Myrmicis u. ſ. w.) verſpricht das Auslegen von Steinen um die Neſter weit ſichereren Erfolg, als das mühſame und zeitraubende Umgraben und Durchſtöbern des Neſtes. Bei ſolchen Ameiſen, welche ihre Niſtſtätten direkt unter Steinen anlegen, iſt das Aufſuchen der Myrmeko⸗ philen eine ſaure Arbeit. Oft haben die Gäſte genau dieſelbe Farbe wie die Ameiſen ſelbſt und dann gehören, neben vieler Geduld, ein paar ſehr geſunde Augen dazu, um unter den Tauſenden herumirrenden Aderflüglern die Ingquilinen herauszufinden und zu erbeuten. Bevor man den Stein aufhebt, kniee man zunächſt auf die Erde nieder. Nach erfolgtem Umdrehen des Steines unterſuche man ſodann deſſen Kehrſeite, ob ſich vielleicht Myrmekophilen daran feſtgeſetzt haben. Mit dem Durchſuchen der Ameiſen⸗ kolonie braucht man ſich nicht zu übereilen, weil die Ameiſen⸗ freunde nach Aufheben des Steines ſofort in die Gänge flüchten und erſt nach einiger Zeit, wenn die durch die Störung verurſachte Unruhe der Ameiſen ſich etwas gelegt hat, wieder zum Vorſchein kommen. Man kann auch Tabaksdampf in die Gänge einblaſen, welches Mittel das Hervorkommen der Ingquilinen beſchleunigt. Um die meiſt winzigen Myrmekophilen leichter ſehen zu können, kann man ſich mit großem Vorteil eines Vergrößerungsglaſes (Leſeglas mit Handgriff) bedienen. Mit Zuhilfenahme eines ſolchen Inſtrumentes wird man ſich der meiſten Ameiſengäſte verſichern. Sobald die Niſtſtätte gehörig ab⸗ geſucht iſt, wird der Stein vorſichtig wieder niedergelegt und genau in ſeine vorige Lage gebracht. Die meiſten Myrmekophilen beherbergen die Kolo⸗ nien der braunroten Waldameiſe Formica rufa L., ſo⸗ dann diejenigen der Formica congerens Hörst. und des Lasius fuliginosus Latr. Die geringſte Ausbeute liefern die Neſter der Myrmica laevinodis N., Tapinoma er- raticum Latr., Tetramorium caespitum L. und Polyer- gus rufescens Latr. Doch find die Inquilinen, welche ſich bei dieſen Ameiſenarten anſiedeln, meiſt ſehr jeltene, ja oft koſtbare Tierchen. Der Muſchelkalk wird von vielen Ameiſen ſehr bevor⸗ zugt. Da die meiſten Myrmekophilen ſelbſtredend auch da zu finden ſind, wo die meiſten Ameiſen ſich anſiedeln, ſo dürfte es ſich für den Sammler lohnen, an ſolche Oert⸗ lichkeiten große flache Steine auszulegen, um die Kolonien von Jahr zu Jahr zu vermehren. 5 Deriedr. Fragen und Anregungen. Frage 1. Die großen Schwärme der gemeinen Stech⸗ mücke (Culex pipiens), die in den Sommermonaten zur Zeit der Begattung in der Luft tanzend große Säulen⸗ wolken bilden, verurſachen gleichzeitig ein eigentümliches Summen. Ahmt man dieſen Geſang genau nach, ſo ſtürzt der größte Teil des Schwarmes gegen das Geſicht und wiederholt es jedesmal, ſobald man den ſummenden Ton anſchlägt. Die Leſer werden gebeten, diesbezügliche er⸗ klärende Wahrnehmungen gefälligſt mitteilen zu wollen. Frage 2. Wenn Hunde tote Mäuſe, Maulwürfe oder überhaupt Aas antreffen, pflegen ſie ſich regelmäßig dar⸗ auf zu wälzen. Iſt vielleicht jemand eine Erklärung dieſer Erſcheinung bekannt? Frage 3. Welchen Einfluß übt beim Laichen der Fiſche der Rogener auf den Milchner, und wodurch wird letzterer veranlaßt, die Milch ausfließen zu laſſen? VV Von Dr. Ludwig Paul in Charlottenburg. ohl keine Induſtrie hat im letzten Jahr— zehnt einen ſolchen Aufſchwung genommen, wie die der künſtlichen organiſchen Farb— ſtoffe. Es unterliegt keinem Zweifel, daß das mächtige Heranwachſen dieſer Induſtrie vor allen Dingen den Azofarben zugeſchrieben werden muß, welche durch die Mannigfaltigkeit ihrer Farbe, die Leichtigkeit der Darſtellung, verbunden mit faſt theo— retiſcher Ausbeute, dem Fabrikanten hohen Gewinn brachten, um ſo mehr, als die einfache Art, dieſe Farb— ſtoffe auf der Faſer zu fixieren, den Konſum derſelben ganz enorm ſteigerte. Wenn man die verdünnte, wäſſerige Löſung des Farbſtoffs mit einer geringen Menge einer Säure — für gewöhnlich Schwefel— ſäure oder eines ſauren ſchwefelſauren Salzes — anſäuert, kocht und danach die zu färbenden Stränge oder Gewebe eintaucht und tüchtig durchzieht, ſo iſt nach einiger Zeit nahezu ſämtliche Farbe auf der Wollenfaſer fixiert und es hinterbleibt eine annähernd farbloſe Flüſſigkeit; das Bad iſt ausgezogen. Die ſo mit Azofarbſtoff gefärbte Wollenfaſer erleidet durch Waſchen mit Seife und am Licht wenig Veränderung; ſie iſt echt gefärbt. Ganz anders verhalten ſich freilich die Azofarbſtoffe der Baumwollfaſer gegenüber. Sämtlichen, bis zum Erſcheinen der Kongoazofarb— ſtoffe bekannten Azofarbſtoffen geht die Fähigkeit ab, ungebeizte Baumwolle anzufärben, ſelbſt wenn dieſe mit Tannin oder Eiweiß imprägniert wird. Nur einige wenige anorganiſche Salze, darunter namentlich die Thonerdeſalze, wie Alaun und ſchwefelſaure Thon- erde, verleihen der Baumwollfaſer die Fähigkeit, vielleicht zwei von den weit über 100 im Handel bekannten Azofarbſtoffen zu fixieren. Man verfuhr in der Färberei in der Weiſe, daß man die ziemlich konzentrierte Farſtofflöſung mit einer Alaunlöſung verſetzte und die gut ausgekochte Baumwolle einige Stunden damit in Berührung ließ. Der Vorgang Humboldt 1890. iſt leicht verſtändlich. Durch Zuſatz der Alaunlöſung bildet ſich das Thonerdeſalz des Farbſtoffs, welches ſich auf die Baumwollfaſer niederſchlägt. Abgeſehen von der Bildung des Thonerdeſalzes iſt der Vorgang ein rein mechaniſcher, kein chemiſcher. Die Folge davon iſt die gänzliche Unechtheit der ſo gefärbten Gewebe. Mechaniſches Reiben, Behandeln mit Waſſer entfernen allmählich das mechaniſch abgelagerte Thon— erdeſalz. Handelte es ſich daher um Erzeugung eines abſolut echten Rots — die Azofarbſtoffklaſſe dominiert überhaupt nur in der roten Nuance — ſo war man wie bisher immer gezwungen, zu dem Alizarinrot mit ſeinem koſtſpieligen und umſtändlichen Färbever— fahren zu greifen. Dieſer Umſtändlichkeit der Alizarin— färberei haben es die oben erwähnten Azofarbſtoffe — die Rroceine — überhaupt wohl nur zu ver— danken, als Baumwollenfarbſtoffe verwandt zu werden, natürlich nur dort, wo ein Behandeln der Faſer mittels Waſſer oder eine mechaniſche Inanſpruch— nahme ausgeſchloſſen iſt. Eine gänzliche Umwälzung auf dieſem Gebiete wurde durch die vor einiger Zeit entdeckten Kongo— farbſtoffe herbeigeführt. Den meiſten Gliedern dieſer Farbſtoffklaſſe geht allerdings die Fähigkeit ab, ſich, wie anfangs beſchrieben, auf Wolle fixieren zu laſſen, dagegen beſitzen ſie in erhöhtem Maße die Fähigkeit, die Baumwollfaſer mit Leichtigkeit waſchecht zu färben. Wenngleich das Alizarinrot durch ſeine eminente Widerſtandsfähigkeit gegen Seife, Luft, Licht bis jetzt noch unerreicht daſteht, ſo haben die Kongos doch mit der Zeit eine wirkſame Konkurrenz dagegen er— öffnet und eine ganz bedeutende Abnahme in der Türkiſchrot⸗ oder Alizarinfärbereiinduſtrie herbeige— führt. Die Methode, nach welcher die Kongos auf der Baumwollenfaſer fixiert werden, iſt aber auch zu einfach, um nicht kleine Mängel gegenüber dem in 19 146 Humboldt. — Mai 1890. jeder Beziehung echten Alizarin mit in den Kauf zu nehmen. Die verdünnte Farbſtofflöſung wird mit einer geringen Menge eines Alkalis verſetzt und die Baumwollenfaſer — als Strang oder Gewebe — für einige Zeit mit der kochenden Löſung in Berüh⸗ rung gelaſſen. Als Alkali wählt man am beſten Seife, Soda, doch können auch Pottaſche und andere alkaliſch reagierende Salze, wie borſaures oder phos⸗ phorſaures Natron, verwandt werden. Auch hier wird der Farbſtofflöſung der Farbſtoff vollkommen entzogen. Die mit Kongo erhaltene Färbung ver⸗ liert nach einiger Zeit an Feuer und macht einer matten, weniger anſehnlichen Platz. Es wirken hier zwei Faktoren, das Licht und in der Luft enthaltene Säuredämpfe, zerſtörend auf den Farbſtoff ein. Während dem ſchädlichen Einfluß des Lichtes, dem faſt alle künſtlichen organiſchen Farbſtoffe mit der Zeit zum Opfer fallen, in keiner Weiſe entgegenge⸗ wirkt werden kann, wird der Wirkung von Säure⸗ dämpfen durch zeitweiliges Waſchen mit heißer Seifen⸗ löſung begegnet. Wäſcht man die Faſer nach dem Färben nicht vollkommen aus, d. h. entfernt man nicht alles Alkali, ſo tritt die Wirkung von Säure⸗ dämpfen erſt nach einiger Zeit — nach Neutraliſie⸗ rung des vorhandenen Alkalis — ein. Konzentrierte Säure färbt die kongoroten Baumwollenfaſern ſofort graublau, indem aus dem Natriumſalz des Kongo⸗ rots die graublaue freie Säure abgeſchieden wird. Bei Einwirkung ſehr verdünnter Säuren, in dem Verhältnis etwa, wie die Luft Säuredämpfe enthält, erleidet die mit Kongorot ausgeführte Färbung eine leichte Trübung infolge ſpurenweiſen Auftretens der freien Kongoſäure. Die Kongofarbſtoffe werden im Gegenſatz zu den älteren Azofarbſtoffen nicht durch Einwirkung einer Diazoverbindung, ſondern einer Tetrazoverbindung auf Phenole oder Amine gebildet. Bekanntlich iſt der leider zu früh verſtorbene Peter Grieß der Entdecker der eigentümlichen Reaktion, wonach ſich alle primären aromatiſchen Amine, alſo alle den Benzolkern und eine Amidogruppe enthal⸗ tenden Körper, gegen ſalpetrige Säure derartig ver⸗ halten, daß die Amidogruppe in eine Diazogruppe verwandelt wird. Betrachen wir dieſen Vorgang bei dem einfachſten aromatiſchen primären Amin, dem Anilin, ſo läßt ſich derſelbe durch nachſtehendes Schema ausdrücken: ‘10. Ce Or 1 Mol. ſalpet⸗ rige Säure. = Vo SNC | 21H20. 1 Mol. ſalzſaures Anilin. 1 Mol. Diazo⸗ benzolchlorid. Der Waſſerſtoff der Amidogruppe wird alſo durch 1 At. Stickſtoff erſetzt; die Amidogruppe verwandelt ſich in eine Diazogruppe. Da die Reaktion ſtets in ſaurer, in der Regel in ſalzſaurer, Löſung vollzogen wird, ſo beteiligt ſich dabei 1 Mol. Salzſäure, deſſen Chloratom ſich nachher mit der Diazogruppe zu dem Salz der Diazoverbindung, dem Diazobenzolchlorid verbindet. Die zu der Reaktion erforderliche ſalpetrige Säure wird in Form des ſalpetrigſauren Natrons ange⸗ wandt, welches zur Zeit als 98proz. Ware im Handel zu haben iſt. Auf dieſe Weiſe geſtaltet ſich „das Diazotieren“ zu einer äußerſt einfachen Operation. Anilin wird in überſchüſſiger verdünnter Salz⸗ ſäure gelöſt und, da die Reaktion nur bei niedriger Temperatur glatt von ſtatten geht, mit Eis verſetzt, welches während der Operation nie verſchwinden joll. Dazu fügt man eine nicht zu verdünnte Löſung von ſalpetrigſaurem Natron, von welchem der geringſte Ueberſchuß durch Jodkaliumſtärkepapier nachgewieſen werden kann. Eine ſolche Diazobenzolchloridlöſung kann ſofort zur Azofarbſtoffbildung verwandt werden, indem man dieſelbe zu einer alkaliſchen Löſung eines Phenols oder Amins fügt. Die aus verſchiedenen Aminen und Phenolen erhaltenen Azofarbſtoffe zeigen große Mannigfaltigkeit in Nuance, Löslichkeit und Echtheit. Bisher hat man nur die Diazoverbindungen ſolcher Amine zur Azofarbenbereitung verwendet, welche nur eine Amidogruppe enthielten und ließ diejenigen mit 2 Amidogruppen unberückſichtigt, weil man gewohnt ar, den Wert einer Azofarbe durch ihr Verhalten zur Wollenfaſer in ſaurem Bade und zur alaunierten oder tannierten Baumwollenfaſer zu beſtimmen. Erſt als man die eminente Fähigkeit der aus Diaminen dargeſtellten Azofarbſtoffe, in ſchwach alkaliſchem Bade die Baumwollenfaſer echt zu färben, erkannt hatte, begann die Aera der ſogenannten ſubſtantiven Baum⸗ wollenfarbſtoffe, deren erſter typiſcher Vertreter das Kongo iſt. Die Gruppe der die Kongofarbſtoffe bildenden Diamine findet ihren einfachſten Vertreter im Benzidin, welches ſich durch alkaliſche Reduktion aus dem Nitrobenzol bildet, während bekanntlich das letztere bei ſaurer Reduktion Anilin liefert. Bei der Anilindarſtellung reduziert der durch Eiſen aus Salz⸗ ſäure entwickelte Waſſerſtoff das Nitrobenzol nach dem ae Ce J S Benzol. Nitrobenzol. we Wird dagegen Nitrobenzol mit einem Gemenge von Natronlauge und Zinkſtaub behandelt, ſo greift der Waſſerſtoff gleichzeitig in 2 Mol. Nitrobenzol ein, indem allmählich der Sauerſtoff der beiden Ni⸗ trogruppen in Form von Waſſer entfernt wird, wäh⸗ rend ſich die Nitrobenzolreſte mit ihren Stickſtoff⸗ atomen verketten. Iſt der Sauerſtoff vollſtändig ent⸗ fernt, ſo wird Waſſerſtoff addiert und das Endpro⸗ dukt der alkaliſchen Reaktion iſt das Hydrazobenzol, während die einzelnen Phaſen derſelben durch die beiden Körper Azoxybenzol und Azo benzol charakteri⸗ Humboldt. — Mai 1890. fiert werden. Nachſtehendes Bild veranſchaulicht den Vorgang der Reduktion. NO|O oo 2 Mol. Nitrobenzol. Die eingeklammerten Sauerſtoffatome werden zu— nächſt von 6 At. Waſſerſtoff in Form von Waſſer entfernt und es entſteht: A 1 Mol. Azoxybenzol. Indem auch das letzte Sauerſtoffatom entfernt wird, bildet ſich Be) ve es 1 Mol. Azobenzol und zuletzt, infolge von Waſſerſtoffaufnahme: /™ Na — NH 1 Mol. Hydrazobenzol. Alle dieſe Verbindungen ſind ſchön kryſtalliſierende und gefärbte Körper. Das Hydrazobenzol läßt ſich noch weiter redu— zieren, aber nur in ſaurer Löſung. Behandelt man dasſelbe mit verdünnten Säuren, ſo bildet ſich Ben— zidin; die NH-Gruppen des Hydrazobenzols wandern in die para-Stellung — alſo an das 4. Kohlenſtoff— atom, erſetzen den daſelbſt befindlichen Waſſerſtoff und reduzieren fic) dabei zur NH -Gruppe. Die durch die Wanderung der NH-Gruppen in beiden Benzolkernen freigewordenen Valenzen ſättigen ſich gegenſeitig unter Verkettung. Das ſo gebildete Benzidin ſtellt nachſtehendes Bild dar: Wie beim Anilin be⸗ ſchrieben, läßt ſich das Benzidin diazotieren unter Bildung von: NH NH a | C,H, —N N. CI | | 1 GB N = N. CI NSN. CI NN. CI Tetrazodiphenylchlorid. 147 Bei der Einwirkung von Tetrazodiphenyl auf Phenole oder Amine entſtehen im großen und ganzen 3 Gruppen von ſubſtantiven Baumwollenfarbſtoffen und zwar rote, blaue und gelbe. Die charakteriſtiſchen Vertreter der hier in Betracht kommenden Phenole und Amine ſind für die roten Farbſtoffe 8 die „Naphtylamin⸗ſulfoſäure Ci oH, 80 k für die blauen die derſelben entſprechende „Naphtol-ſulfo⸗ ſäure 05 0 de und für die gelben die Salicyl- 2 OH ſäure C,H, COOH. Je nachdem dieſe typiſchen Vertreter durch damit homologe oder iſomere Körper derſelben Gruppe er- ſetzt werden, wird die Nuance geändert, ſo zwar, daß die der Gruppe eigentümliche Farbe vorherrſchend bleibt. Der rote Farbſtoff, zugleich der zuerſt dargeſtellte aller jubjtantiven Baumwollenfarbſtoffe, der durch Einwirkung von Tetrazodiphenyl auf Naphtionſäure entſteht, hat die Zuſammenſetzung: NH. n NCH 0% Choy = Co- All Benzidinazonaphtionſäure und führt im Handel den Namen Kongorot. Das Baumwollenblau iſt eine Kombination von Tetrazodiphenyl und „Naphtolsſulfoſäure und ijt zu— ſammengeſetzt: E 80 K CH N N ern Benzidinazognaphtolaſulfoſäure, während aus Tetrazodiphenyl und Salicylſäure ein gelber Farbſtoff, das Chryſamin, entſteht, von der Zuſammenſetzung: -N = N- GH C0R oH. -N = N- OGH OK Benzidinazoſalicylſäure. Die in der Nuance ſchönſten und ſomit auch wich— tigſten Vertreter der roten und blauen ſubſtantiven Baumwollenfarbſtoffgruppe entſtehen, wenn zur Te— trazoverbindung die des Tolidins, dem Benzidin homologen Diamins, gewählt wird. Dem Kongorot ſteht dann das Benzopurpurin: cH NH, 1 °— N—C,H;~S0,H en G Of, 10 „ INI Tolidinazonaphtionſäure (Benzopurpurin), dem Baumwollenblau das Benzoazurin: CH ’ OH CH N 2 = N- CioH 0 H CN eae N= Cg Hy N Tolidinajoanaphtolajulfofiure (Benzoazurin) 148 Humboldt. — Mai 1890. J; ͤͤ ( G eee gegenüber. Der Eigentümlichkeit der Tetrazover⸗ bindungen 2 Diazo([ N N)gruppen zu beſitzen, ver⸗ dankt man die ſogenannten gemiſchten ſubſtantiven Baumwollenfarbſtoffe. Wirken nämlich 2 Mol. eines Amins oder Phenols nicht zugleich ein, ſondern hintereinander, in 2 Phaſen, ſo erhält man zunächſt einen Körper, der zur einen Hälfte ſchon Azofarb⸗ ſtoff, zur andern noch Diazoverbindung iſt, z. B.: 1 = N. GH S0 1 C6 HAN — N—Cl Zwiſchenverbindung von Benzidin, reſp. Tetrazodiphenyl und Naphtionſäure. Dieſe Körper ſind meiſtens gefärbte, unlösliche Niederſchläge, denen jegliche Farbſtoffnatur abgeht, und welche die leichte Zerſetzlichkeit der Diazover⸗ bindungen zeigen, z. B. beim Erwärmen Stickſtoff zu entwickeln. Eine ſolche Zwiſchenverbindung kann ſich nun mit einem zweiten Molekül desſelben oder davon verſchiedenen Amins oder Phenols vereinigen und es verſteht ſich eigentlich von ſelbſt, daß, wenn man ſich bei der weiteren Kombination auf diejenigen Amine und Phenole beſchränkt, die mit den Tetra⸗ zoverbindungen rote, blaue und gelbe Farbſtoffe zu erzeugen im ſtande ſind — wenn die Vereinigung in dem Verhältnis 1 Mol. Tetrazo: 2 Mol. Amin oder Phenol erfolgt — die Nuance des zu bildenden Farb⸗ ſtoffs ſchon vorher feſtgeſtellt werden kann. Läßt man in gegebenem Fall auf die Zwiſchen⸗ verbindung nicht ein zweites Molekül Naphtionſäure, ſondern 1 Mol. „Naphtolaſulfoſäure einwirken, fo wird kein roter oder blauer Farbſtoff entſtehen, ſondern ein violetter und zwar in der Nuance, welche durch Miſchung des roten und blauen Farbſtoffs ent⸗ ſtehen würde, die bei Anwendung von zwei gleichen Molekülen Naphtionſäure oder Naphtolsſulfoſäure auf die Tetrazoverbindung entſtehen würden. Die Anzahl der auf dieſe Weiſe herzuſtellenden Farbſtoffe iſt begreiflicherweiſe eine ſehr große und können infolgedeſſen die weitgehendſten Anforderungen ſeitens der Färbereitechnik erfüllt werden. Nachdem einmal die Reaktion zwiſchen Diazo⸗, bezw. Tetrazoverbindungen und Aminen und Phenolen, namentlich was waſſerlösliche Farben anbelangt, zwiſchen jenen und den Sulfoſäuren der Amine und Phenole gefunden war, iſt es das Verdienſt der chemiſchen Farbentechnik geweſen, die verſchiedenen Iſomeren der hier in Betracht kommenden Naphtol⸗ und Naphtylaminſulfoſäuren aufzufinden und ſomit nicht allein die techniſche, ſondern auch die theore- tiſche Chemie um manchen intereſſanten Körper zu bereichern. Da ſchon durch eine geringe Abweichung in der Stellung einzelner Atomgruppen, z. B. der Sulfo⸗ gruppe, eine oftmals geradezu erſtaunliche Verſchie⸗ denheit in den zu erzielenden Farben hervorgerufen werden kann, ſo beſtrebt man ſich, bei nicht großer Auswahl der Diazo⸗, reſp. Tetrazoverbindungen, neue techniſche Effekte durch Auffindung neuer Sul⸗ foſäuren des Naphtols und Naphtylamins zu er⸗ zielen. Dieſes Streben iſt in reichlichem Maße be⸗ lohnt worden. Die erſtaunliche Leichtigkeit, mit welcher die hier beſprochenen Benzidin⸗ und Tolidinfarbſtoffe die Baumwollenfaſer anfärben, erklärt ſich daraus, daß ſchon Benzidin und Tolidin allein von der Baum⸗ wolle ohne alle Beize aufgenommen werden. Kocht man z. B. die Sulfate obiger Baſen mit Baumwolle, ſo ſpaltet ſich nahezu quantitativ die mit den Baſen verbundene Schwefelſäure ab, während die Baſen ſich mit der Subſtanz der Baumwollenfaſer verbinden. Eine ſolche z. B. mit Benzidin imprägnierte Baum⸗ wolle läßt ſich beim Behandeln mit ſalpetriger Säure diazotieren, und nach Umwandlung in eine Tetrazo⸗ verbindung mit Naphtionſäure ꝛc. zu Farbſtoffen kombinieren. Es entſteht ſomit der Farbſtoff auf der Faſer. Eine auf dieſe Weiſe gefärbte Baum⸗ wolle zeigt genau dieſelben Eigenſchaften, wie die⸗ jenige, welche mit bereits fertigem Farbſtoff gefärbt wurde. Auch dieſe Methode, die Baumwolle zu färben, hat in der Technik Beachtung gefunden, doch iſt es zu bezweifeln, ob durch dieſes Verfahren gegenüber dem bisher ausgeübten, den Farbſtoff außer⸗ halb der Färberei in beſonderen Fabriken herzuſtellen und danach zu verfärben, ein Vorteil erzielt wird. Die neueſten Unterſuchungen über die Wurzelknöllchen. Don Dr. H. Ulebahn in Bremen. Die in der Botanik ſo lebhaft ventilierte Frage nach der Bedeutung und dem Weſen der Wurzel⸗ knöllchen iſt auch im Humboldt bereits Gegenſtand der Beſprechung geweſen. Im Jahrgang 1887 hat Dr. Sorauer über die bis dahin bekannt gewordenen Arbeiten berichtet; er kam damals zu dem Reſultate:“) „die Knöllchenbildung iſt jetzt aus dem Gebiet der pathologiſchen Erſcheinungen zu ſtreichen.“ ) S. 340. Dieſer Satz muß nach den Ergebniſſen der neueren Unterſuchungen wieder aufgehoben werden. Den Angaben Brunchorſts“) und Tſchirchs) gegenüber, welche die Knöllchen für normale Bildungen und die „Bakteroiden“ für geformte Eiweißkörper erklärten, wies zuerſt Marſhall Ward *) wieder mit Entſchieden⸗ ) Ber. d. Deutſch. Bot. Geſ. 1885, S. 241. «*) Ber. d. D. Bot. Geſ. 1887, S. 58. ***) Philosoph. Transactions (B) für 1887, Bd. 178, S. 539 562. 1888. Humboldt, — Mai 1890. heit darauf hin, daß die Knöllchen einem Organis— mus ihre Entſtehung verdanken. Er zeigte, daß die Knöllchen ſich nicht bildeten, wenn das Medium, in welchem die Verſuchspflanze (Vicia Faba) wuchs, vor dem Einbringen des Samenkorns durch Erhitzen ſteriliſiert worden war, ein Reſultat, welches auch bereits Frank“) und Hellviegel**) erhalten hatten. War dagegen der Boden, in welchem das Samen— korn gekeimt hatte — die weitere Aufzucht der Pflan— zen geſchah in Geſtalt von Waſſerkulturen —, nicht ſteriliſiert worden, oder wurden dünne Querſchnitte durch getrocknete Knöllchen vom voraufgehenden Jahre zwiſchen die Wurzelhaare gebracht, ſo konnte in faſt allen Fällen ein Entſtehen von Knöllchen bemerkt werden. Nach zahlreichen neueren Verſuchen ähn— licher Art von Beyerinck “), Hellriegel t), Praz— mowsti;;), Frank) und zuletzt wieder von Marſhall Ward §) unterliegt es keinem Zweifel mehr, daß die Knöllchen durch Infektion der Wurzeln mittels eines im Boden enthaltenen Organismus entſtehen, daß ihre Bildung daher unterbleibt, wenn das Sub— ſtrat, in welchem die Pflanzen wachſen, ſteriliſiert wird, dagegen eintritt, wenn dem ſteriliſierten Sub— ſtrat eine kleine Menge gewöhnlichen Ackerbodens oder Bodenauszugs zugeſetzt wird. Am ſicherſten wurde dieſes Reſultat erzielt, wenn der Boden, wel— cher zur „Impfung“ verwendet wurde, vorher die betreffende Leguminoſenſpezies getragen hatte. Mit Waſſerkulturen arbeitete nur M. Ward, die anderen Forſcher verwandten verſchiedene Bodenarten zu ihren Verſuchen, Beyerinck wählte als Verſuchspflanze Vicia hirsuta und Lathyrus Aphaca, Prazmowski Pisum sativum und Phaseolus vulgaris, Hellriegel und Frank experimentierten mit Bohnen, Erbſen, Lupinen und einigen anderen Arten. Was den die Knöllchen hervorbringenden Orga— nismus betrifft, fo waren ſchon von Woronin §G) in den geſchloſſenen Zellen der Knöllchen Gebilde be— merkt worden, die er für lebende Bakterien hielt; Eriksſon Hö) ſah zuerſt pilzfadenartige Bildungen, die dann von ſpäteren teils für Hyphenpilze, teils für Plasmodien gehalten wurden. Mit den vermutlichen Bakterien, die, wie bereits ) Bot. Zeitung 1879, S. 832. **) Tageblatt der Naturforſcher-Verſammlung zu Berlin 1886, S. 290. ) Bot. Zeitung 1888, S. 725 ff. T) J. c. ferner Ber. d. Deutſch. Bot. Geſ. 1889, S. 131, und Zeitſchr. d. Vereins f. d. Rübenzucker-In⸗ duſtrie. Nov. 1888. Beilageheft. +h) Botan. Centralblatt 1888, Bd. 36, S. 248, und daſelbſt 1889, Bd. 39, S. 356. (Letzteres Auszug aus Bull. Akad. d. W. Krakau 1889.) Tit) Ber. d. Deutſch. Bot. Geſ. 1888, S. LXXXVII, und 1889, S. 332. §) Proceed. of the Royal Society 1889, Bd. XLVI, S. 431—443. §S§) Mém. Acad. St. Pétersbourg. T. X. Nr. 6. 888) Acta Univ. Lund. T. X. 1873. 1866. 149 oben angedeutet, von Brunchorſt und Tſchirch und dann auch von Frankk) für normale Bildungen und zwar für geformte Eiweißkörper erklärt wurden, hat ſich in neueſter Zeit Beyerinck am eingehendſten beſchäftigt, der es unternahm, den Bacillus in Gela— tinekulturen rein zu züchten. Er ſteriliſierte die Knöllchen äußerlich, indem er ſie mit Alkohol ab— wuſch und dann abbrannte, und brachte alsdann einen Teil des Inhaltes in ein Dekokt von Erbſen⸗ oder Faba⸗Stengeln mit 7% Gelatine und Js lo Aſparagin. Auf dieſe Weiſe konnten aus jungen Knöllchen ſtets Kulturen eines Bakteriums erhalten werden, aus älteren nur dann, wenn dieſelben eine Meriſtemzone enthalten. Die Gelatineſchicht war auf dem Boden flacher, mit Deckel verſehener Glasſchalen ausgebreitet, die umgekehrt etwa bei Zimmertempera— tur gehalten wurden. Beyerinck nennt das erhaltene Mikrob Bacillus Radicicola. Zwiſchen den aus ver— ſchiedenen Papilionaceenarten erhaltenen Bacillenz kulturen wurden zwar gewiſſe Unterſchiede bemerkt, namentlich zwiſchen denen von Vicia, Ervum, Tri- folium einerſeits, Lotus, Ornithopus, Phaseolus andererſeits; allein das Verhalten der Gelatinekolo— nien mit größter Vegetationskraft, ſowie namentlich auch das Verhalten in Nährlöſungen war ſo gleich— mäßig, daß Beyerinck entſchieden für die Arteinheit eintritt, wenn er auch verſchiedene Varietäten an— nimmt. Allerdings hatten die Kulturen, ſelbſt die von derſelben Pflanze, oft einen ſehr verſchiedenen Charakter, was Beyerinck aber darauf zurückführt, daß die drei Entwickelungsſtadien des Bacillus, Schwärmer, Stäbchen und Bakteroiden, ſehr ver— ſchieden ſind. Die größeren, aktiveren Kolonien be— ſtanden aus einer Miſchung von Stäbchen und Schwärmern. Letztere ſind außerordentlich klein, ſo daß ſie vermutlich durch die feinſten Poren der Zell— membran (Heitzmannſche Löcher) in die befallenen Zellen eindringen, indem ſie Celluloſe nicht löſen. In den weniger aktiven Kolonien dagegen will Beyerinck neben normalen Stäbchen allerhand Ueber— gänge der Bacillen in die Bakteroiden bemerkt haben. Innerhalb der Knöllchen iſt das Verhalten der Bak— terien ein entſprechendes. Im Meriſtem ſollen nur Schwärmer vorhanden ſein, die kaum von den Mikro— ſomen des Plasmas zu unterſcheiden ſind; doch ſchließt Beyerinck ihre Anweſenheit mit Beſtimmtheit daraus, daß er in den Vakuolen lebender Zellen des Meriſtems und des Bakteroidengewebes mehrfach be— wegliche, ſowie auch ruhende Schwärmer und Stäb— chen nachweiſen konnte. Aus den Schwärmern bil— den ſich Stäbchen, die im älteren Gewebe endlich in Bakteroiden übergehen; ſie verlieren damit zugleich die Fähigkeit ſich zu vermehren, d. h. neue Kulturen zu bilden, und gehen gewiſſermaßen in Beſtandteile des Protoplasmas über. Nur in einzelnen Fällen gelang es, junge ruhende Bakteroiden wieder in be— wegliche Bakterien übergehen zu ſehen. Das ſchließliche Verhalten der Knöllchen iſt ver— *) Ber. d. Deutſch. Bot. Geſ. 1887, S. 57. 150 ſchieden. Entweder verwandeln fic) alle Bakterien allmählich in Bakteroiden; das iſt der normale Fall; dann wird gegen die Zeit der Fruchtreife der ge⸗ ſamte Eiweißvorrat der Knöllchen in die Pflanze entleert?) und kommt der Ernährung derſelben zu gute. — Oder es bleiben innerhalb der Zellen ent- wicklungsfähige Bakterien, die überhand nehmen und in den Knöllchen Herde zu ihrer Erhaltung und Ver⸗ mehrung finden: das Knöllchen fällt der Bakterien⸗ erſchöpfung anheim. Indem dieſe beiden Erſcheinungen ſtets nebeneinander vorkommen, meint Beyerinck, ziehen beide Organismen, Nährpflanze und Pilz, Nutzen aus ihrem Beiſammenſein; es handelt ſich alſo um eine echte Symbioſe. Von größter Wichtigkeit für das Verſtändnis des gegenſeitigen Verhältniſſes der beiden Symbionten iſt natürlich die Erforſchung der Ernährung des Bacillus Radicicola. Es mußte die Frage entſchie⸗ den werden, ob der Pilz atmoſphäriſchen Stickſtoff zu binden im ſtande ſei, oder ob er aus Ammoniak Salpeterſäure erzeugen könne. Keines von beiden konnte durch die Verſuche erwieſen werden. Dagegen gedieh der Bacillus vortrefflich in einer Löſung von 100 Waſſer, 1 Aſparagin, 0,5 Kaliumphosphat, 0,5 Magneſiumſulfat, 0,05 Calciumphosphat. Auf Grund dieſer Thatſache kommt Beyerinck zu der An⸗ ſicht, daß die Bakterien aus dem von der Pflanze er⸗ zeugten Aſparagin Eiweiß bilden. Dadurch über⸗ nehmen ſie in den Wurzeln eine Aufgabe, die das Protoplasma ſonſt nur in den vom Lichte getroffenen Teilen unter Benutzung der durch Aſſimilation ent⸗ ſtandenen Kohlehydrate leiſtet; ſie unterſtützen die Nährpflanze in der Eiweißbildung, um ſelbſt einen Teil des gebildeten Eiweißes genießen zu können. Was man in Beyerincks Arbeit vermißt, iſt der ſcachweis, daß durch Infektion von in ſteriliſiertem Boden wachſenden Pflanzen mittels Bacillus Radici- cola ſich die Knöllchen erzeugen laſſen. Nach er⸗ folgreicher Herſtellung von Reinkulturen hätte dieſer Beweis nicht ſehr ſchwer ſein können. Ueber die Art der Infektion ſpricht Beyerinck nur die Ver⸗ mutung aus, daß die Bakterien durch von den Wur⸗ zeln ausgeſchiedene Stoffe angelockt werden! ), weil das Wachstum der Gelatinekulturen des Bacillus durch hineingebrachte keimende Papilionaceen⸗Samen ſehr gefördert werden konnte, und weil ſich in Lücken und Hohlräumen von Papilionaceenwurzeln, die kurze Zeit im Waſſer lagen, dieſer Bacillus in großen Mengen einfand. e Mit den pilzfadenartigen Gebilden in den Knöll⸗ chen beſchäftigte ſich zuerſt Marſhall Ward eingehender. Er fand bereits 1887, daß die Fäden in den Wurzel⸗ haaren ihren Anfang nehmen, und zwar konnte er ſie an denjenigen Wurzeln nachweiſen, die er künſt⸗ lich infiziert hatte. Er bezeichnet die Fäden als „infecting hyphae‘. Ihren Anfang bildet ein ) Die Entleerung der Knöllchen beſchrieben bereits Brunchorſt und Tſchirch. ) Vergl. Pfeffer, Humboldt 1888, S. 212. Numboldt. — Mai 1890. glänzender Punkt in der Wand des Wurzelhaares; dieſes iſt die Stelle, wo nach ſeiner Meinung einer der ſpäter zu erwähnenden Keime in die Zellwand eingedrungen iſt. Der Infektionsſchlauch wächſt als⸗ dann, die Zellwände durchdringend, durch die Epi⸗ dermis nach der Rinde hin, wo er ſich verzweigt und dadurch, daß er die Zellen zu Teilungen anregt, Veranlaſſung zur Knöllchenbildung gibt. Die trom⸗ petenartigen Erweiterungen der Fäden an den Stellen, wo ſie durch die Membranen hindurchdringen, glaubt M. Ward durch das nachträgliche Flächenwachstum der durchſetzten Membranen erklären zu können. Durch die Anweſenheit der Fäden ſoll auf das Proto⸗ plasma ein gewiſſer Reiz ausgeübt werden und das⸗ ſelbe einen plasmodiumartigen Charakter annehmen. In den Zellen zeigen die Fäden oft eigentümliche hauſtoriumähnliche Anſchwellungen oder Fortſätze; ſehr wahrſcheinlich erſchien es M. Ward, daß die Bakteroiden — die er gemmules nennt — aus den Fäden entſtehen, und zwar vermutet er durch Knoſ⸗ pung, ähnlich, wie es bereits Franks) und Pril⸗ lieux) annahmen. Jedenfalls hält er fie für lebende Keime, die durch Zerſtörung der Knöllchen in den Boden geraten und ſpäter neue Infektionen hervor⸗ rufen. Ueber die ſyſtematiſche Stellung des Pilzes fällt M. Ward kein beſtimmtes Urteil; doch betont er, veranlaßt durch Brefelds Arbeiten, die Möglich⸗ keit einer Verwandtſchaft zu den Uſtilagineen; es könne ein Pilz ſein, der ſeine Sporenbildung ein⸗ gebüßt habe, dafür aber in reichlicher Weiſe ſeine Keime, die Bakteroiden, durch hefeartige Sproſſungen bilde. Auch Beyerinck hat die „Pilzfäden“ geſehen, aber, wie es ſcheint, nicht ihre Entwickelung genauer ver⸗ folgt, obgleich er die durch klare Abbildungen er⸗ läuterte Arbeit von M. Ward kannte. Da er mit Sicherheit Bakterien in den Knöllchen nachgewieſen zu haben glaubt, ſo iſt ihm offenbar die Beteiligung eines Fadenpilzes bei der Knöllchenbildung unwahr⸗ ſcheinlich geweſen, und er hat deshalb nach einer anderen Erklärung für die Fäden, die in allen Zellen des Bakteroidengewebes vorhanden ſind, geſucht. Weil ſie von der Wand nach den Zellkernen hin verlaufen, ſo erklärt er ſie für Ueberbleibſel von der Kernteilung und nennt ſie deshalb „Kerntonnen⸗ fäden“. te tek Alsdann hat ſich Prazmowski in zwei aufeinander folgenden Arbeiten mit den Pilzfäden beſchäftigt. Er bemerkt an ihnen für gewöhnlich keine Membran; eine ſolche wird vielmehr erſt durch Einwirkung von Reagentien wahrnehmbar, doch ſcheint ſie nur eine erhärtete plasmatiſche Maſſe zu ſein. Im Innern der Fäden laſſen ſich durch Reagentien zahlloſe ſtäb⸗ chenförmige Körperchen nachweiſen, die der Faden- achſe meiſt parallel liegen. Dieſe Stäbchen, innere Gebilde des Pilzfadens, ſind junge Bakteroiden, die alſo bereits in den Fäden vorgebildet ſind und nicht *) Bot. Zeit. 1879, S. 393. ) Bull. soc. bot. France 1879, S. 104. Humboldt. — Mai 1890. Erſt ſpäter, 151 miszellen zur Seite ſchiebende Rindenzellen aufgenommen erſt durch Knoſpung daraus entſtehen. wenn ſie in das Zellplasma gelangt ſind, nehmen ſie die größeren X oder X-förmigen Geſtalten der Bakte— roiden an. Die Beobachtungen beziehen ſich haupt— ſächlich auf die Erbſe, doch hat Prazmowski auch bei Vicia sativa und Faba, ferner bei Trifolium, Medicago und insbeſondere auch (im Gegenſatze zu den Angaben von Tſchirch, Brunchorſt und Frank) bei Lupinus und Phaseolus Pilzfäden geſehen. Bei der Erbſe wurde auch eine Sporenbildung des Knöllchenpilzes bemerkt, die aber, wie ſich ſpäter herausgeſtellt hat, nur eine zufällige Erſcheinung war. Prazmowski weiſt in ſeiner erſten Veröffentlichung die Möglichkeit nicht ab, daß die Bakteroiden doch die eigentlichen Keime des Pilzes ſeien; namentlich werde ſich durch die große Menge, in welcher ſie gebildet werden, die allgemeine Verbreitung der Knöllchen erklären laſſen. In ſeiner zweiten Arbeit, die zu weſentlich größerer Klarheit gediehen iſt, hält er die Stäbchen geradezu für Bakterien. Er be— ſtätigt die Angaben Beyerincks, daß ſich aus den Knöllchen Bakterien züchten laſſen, und liefert den von dieſem nicht geführten Nachweis, daß durch In— fektion mittels der Reinkulturen ſich die Knöllchen hervorrufen laſſen. Die Bakterien dringen direkt durch die unverkorkte Membran in die Wurzelhaare ein und vermehren ſich hier zunächſt zu traubenförmigen Konglomeraten von Kolonien, die mittels einer glän— zenden Membran, welche ſie bilden, mit der Wand des Wurzelhaares verwachſen; auf dieſe Weiſe ent— ſteht ein glänzender Knopf (offenbar der glänzende Punkt, den M. Ward erwähnt), von welchem der Infektionsſchlauch ausgeht. Die Verdickungen des Schlauchs an den Membranen ſollen dadurch ent— ſtehen, daß dieſer die Zellwand ſpaltet, und daß der ſich erweiternde Spalt dicht mit Bakterien erfüllt wird. Auf ihrem Verlaufe nähern ſich die Schläuche allerdings den Zellkernen, wodurch Beyerinck zur Annahme einer Beziehung derſelben zu den Kernen veranlaßt wurde. Wenn ſich das Bakteroidengewebe bildet, löſen ſich die Membranen der Schläuche auf, die Bakterien gehen in das Protoplasma des Wirts über und werden zu den verzweigten Bakteroiden— formen. Anfangs können ſie ſich in dieſem Zuſtande noch teilen, ſpäter geht ihnen die Fähigkeit dazu ver— loren. Sie werden ſchließlich von der Pflanze reſor— biert, um ſo ſchneller, je weniger Stickſtoff der letz— teren im Boden zur Verfügung ſteht. Auch Frank hat den Infektionsſchlauch oder In—⸗ fektionsfaden, wie er ihn nennt, bei gewiſſen Papilio— naceen regelmäßig gefunden, doch will er etwas dem glänzenden Knopfe Prazmowskis (dem glänzenden Punkte M. Wards) Entſprechendes nicht geſehen, dagegen mehrfach traubige Zooglöen oder ſchwärmende Mikrokokken vor der Ausbildung des Infektions— fadens in den Wurzelhaaren bemerkt haben. Bei Lupinus und Phaseolus ſollen, im Gegenſatze zu Prazmowski, die Infektionsſchläuche fehlen und ſtatt deſſen die Keime direkt durch die Epidermis oder mit- unter durch papillenförmig vorwachſende und die Epider— werden. Für das durch die Vermiſchung der Mikroben mit dem Plasma entſtandene eigentümlich veränderte, plasmodiumartig gewordene Plasma hat Frank den Namen Mykoplasma gebildet; auch für den Pilz ſelbſt bringt Frank einen neuen Namen, Rhizobium leguminosarum, der nichts über die ſyſtematiſche Stellung des knöllchenbildenden Organismus präju— dizieren ſoll. Doch macht Franks Darſtellung den Eindruck, als ob er denſelben eher für ein Bakterium hält. Neu iſt in Franks Arbeit eine Auffaſſung über die Natur der Bakteroiden: er ſieht dieſelben für Bildungen des Protoplasmas an, aber ſie enthalten meiſt mehrere mikrokokkusartige Körperchen in ſich, die durch Kultur im hängenden Tropfen zum Aus— ſchwärmen veranlaßt werden konnten. Zuletzt hat wieder M. Ward Mitteilungen über die Knöllchen gemacht. Er beſchreibt und zeichnet die hellen Punkte und die davon ausgehenden Infektions— ſchläuche in den Wurzelhaaren der Erbſe; er beweiſt ferner die Identität des Knöllchenpilzes für Pisum sativum und Vicia Faba dadurch, daß er mittels Knöllcheninhalt von letzterer Pflanze an erſterer Knöllchenbildung hervorrief. Die Herſtellung von Reinkulturen machte große Schwierigkeiten und gab wenig Erfolg, und er zweifelt deshalb, ob es Beyerinck und Prazmowski wirklich gelungen ſei, den Pilz rein zu züchten. Doch iſt in den erhaltenen Kulturen auf alle Fälle der knöllchenbildende Keim enthalten, da es mittels derſelben gelang, ſowohl an Pisum wie an Vicia Faba die Knöllchenbildung hervorzurufen. Ein ganz beſonderes Intereſſe verknüpft ſich mit den Wurzelknöllchen, ſeitdem man die Frage nach der Stickſtoffaſſimilation ſeitens der Pflanze mit den— ſelben in Beziehung gebracht hat. Bekanntlich er— freute ſich bis vor kurzem der Satz, daß die Pflanze ihren Stickſtoffbedarf nur aus den im Boden befind— lichen Stickſtoffverbindungen decken könne, aber nicht im ſtande ſei, freien Stickſtoff zu binden, allgemeiner Anerkennung. Für die nicht ſaprophytiſch lebenden Pflanzen können von den im Boden enthaltenen Stickſtoffverbindungen nur Ammoniak und Salpeter— ſäure in Betracht kommen. Namentlich die letztere galt eine Zeitlang als unentbehrlicher Nährſtoff der Pflanzen, und es unterliegt auch heute noch keinem Zweifel, daß die Gegenwart von Salpeterſäure im Boden die Entwickelung vieler Pflanzen fördert, während für andere allerdings das Ammoniak ge— eigneter zu fein ſcheint *). Nun ſind aber gerade die Leguminoſen von dem Stickſtoffgehalte des Bodens in hohem Grade unab— hängig: trotzdem durch eine Leguminoſenernte einer Feldfläche eine erhebliche Menge Stickſtoff entzogen wird, bleibt der Boden nicht in einem ſtickſtoffärmeren Zuſtande zurück, ſondern er zeigt ſich geradezu an Stickſtoff bereichert. Dieſer Umſtand iſt durch Cr ) Vergl. hierzu die beiden Aufſätze von R. Sachſſe, Humboldt 1889, S. 92 u. S. 252. 152 fahrungen der Landwirte, namentlich des Gutsbeſitzers Schultz⸗Lupitz völlig ſichergeſtellt; man kann die Papilionaceen deshalb als den Boden an Stickſtoff anreichernde Pflanzen betrachten. Beſonders bekannt ſind die Verſuche Hellriegels über dieſen Gegenſtand geworden. Danach ſchien es, als ob die Papiliona⸗ ceen durch Bodenmikroben und zwar durch die Knöll⸗ chenpilze die Fähigkeit erhalten, freien Stickſtoff zu aſſimilieren. Hellriegel hatte nämlich konſtatiert, daß in ſteriliſiertem reinen Quarzſand, dem die erforder⸗ lichen Nährſtoffe zugeſetzt waren, Papilionaceen und Gramineen ſich in Bezug auf ihr Gedeihen völlig gleich verhielten, indem beide ſich ſchlecht entwickelten und kaum Samen produzierten, wenn unter den Nährſtoffen die Stickſtoffverbindungen fehlten, beide aber gut gediehen, wenn Nitrate hinzugefügt wurden; daß dagegen in nicht ſteriliſiertem, oder in ſteriliſiertem, hernach aber mit einer geringen Menge Bodenauszug geimpftem Boden die Papilionaceen ſich gut ent⸗ wickelten und reichlich Samen produzierten, während die Gramineen ebenſo ſchlecht gediehen, wie in ſteri⸗ liſiertem Boden; dabei bildeten die Papilionaceen im ſteriliſierten Boden keine Wurzelknöllchen aus. Frank“) wendet ſich entſchieden gegen die An⸗ ſicht, daß allein die knöllchentragenden Papilionaceen die Fähigkeit haben, freien Stickſtoff zu aſſimilieren, er meint vielmehr, daß dieſe Fähigkeit eine allgemeine Eigenſchaft aller grünen Pflanzenzellen ſei, daß aber durch die Knöllchenpilze bei den Leguminoſen die Stick⸗ ſtoffaſſimilation zu einer höheren Energie angefacht werde. Wenn nicht ſteriliſierte Ackererde längere Zeit am Lichte gehalten wurde, ſo konnte Frank einen deutlichen Stickſtoffzuwachs darin nachweiſen, auch wenn nur völlig von Ammoniak befreite Luft mit dem Boden in Berührung kam. Dabei entwickelten ſich Algen, und dieſen ſchreibt Frank die Stickſtoff⸗ aufnahme zu. Dagegen trat eine Verminderung des Stickſtoffgehaltes ein, wenn der Boden verdunkelt oder wenn er ſteriliſiert worden war). Schon kurz vor Hellriegels Mitteilung hatte fic) Frankss) dahin ausgeſprochen, daß die Gegenwart von Pflanzen, auch von Nicht⸗Papilionaceen, den im Boden ver⸗ laufenden ſtickſtoffentbindenden Prozeſſen wirkſam be⸗ gegne. Für die knöllchentragenden Papilionaceen wird die Aufnahme von Stickſtoff aus der Atmoſphäre auch von Prazmowski beſtätigt, doch läßt dieſer un⸗ entſchieden, ob eine Aufnahme von freiem Stickſtoff oder von Stickſtoffverbindungen ſtattfinde; ebenſo geht aus M. Wards Verſuchen eine Vermehrung des Geſamtſtickſtoffs (in Boden und Pflanze) hervor. Bei ſeinen Kulturen verwendet Frank auch humus⸗ haltigen Boden. Schon Brunnemann ) hatte ge⸗ zeigt, daß durch Erhitzen ſolchen Bodens ein größerer Teil der darin enthaltenen Stoffe löslich wird. Da⸗ ) Ber. d. Deutſch. Bot. Geſ. 1889, S. 34. ) Vergl. hierzu auch Berthelot, Fixation directe @azote atmosphérique libre par certains terrains argilleux, Compt. rend. 1885, S. 775. ) Deutſch. Bot. Geſ. 1886, S. 293. T) Landwirtſch. Jahrb. Bd. 15, S. 189. Humboldt. — Mai 1890. durch erklärt es ſich, daß Franks Kulturen in ſterili⸗ ſiertem humushaltigen Boden kräftiger ausfielen, als in unſteriliſiertem ). In dieſem Falle ſchien die Knöllchenbildung den Leguminoſen gar nicht zu nützen. Hingegen gediehen Lupinen und Erbſen in humus⸗ freiem ſteriliſiertem, aber hernach geimpftem Boden üppig. Bei dieſen Pflanzen ſcheinen demnach die Knöllchen gewiſſermaßen den Humus zu erſetzen, und Frank glaubt daher annehmen zu müſſen, daß in dieſem Falle infolge des Knöllchenpilzes eine Kräfti⸗ gung aller Lebensfunktionen, insbeſondere auch der Stickſtoffaſſimilation eintrete, eine Kräftigung, die ſich z. B. auch durch dunkleres Grün der Blätter und frühere Blütezeit äußerte. Denn eine Stickſtoff⸗ aſſimilation durch die Mikroben ſelbſt iſt aus ver⸗ ſchiedenen Gründen unwahrſcheinlich, namentlich des⸗ halb, weil dieſelben dicht gedrängt im Innern der von einer dichten Korkſchicht umgebenen Knöllchen eingeſchloſſen ſind, und der Zutritt des Stickſtoffs der Luft zu ihnen demnach ſehr erſchwert iſt. Bei Franks Verſuchen mit Phaseolus endlich entwickelten ſich die Pflanzen in humusloſem Sande nicht beſſer, wenn derſelbe geimpft wurde, und in humushaltigem am beſten, wenn derſelbe ſteriliſiert worden war. Demnach wären bei dieſer Pflanze die Knöllchen nicht nützlich und ihre Erzeuger reine Paraſiten. Aus einigen Verſuchen Hellriegels könnte man den Schluß ziehen, daß die Knöllchenpilze der ver⸗ ſchiedenen Leguminoſen nicht zu einer einzigen Spe⸗ zies gehören. Es zeigte ſich nämlich bei Impfung des ſteriliſierten Nährbodens mit Rübenbodenauszug eine günſtige Einwirkung auf Trifolium, Vicia, Pisum, dagegen keine auf Lupinus und Ornithopus; bei Impfung mit Lupinenboden eine günſtige Wir⸗ kung auf alle dieſe Leguminoſen, nur Trifolium blieb zweifelhaft. Es könnten danach Lupinus und Orni- thopus einen beſonderen Pilz beherbergen. Daß die erwähnten Verſuche von chemiſchen Ana⸗ lyſen des Bodens und der Ernte begleitet wurden, braucht wohl nicht beſonders erwähnt zu werden. Indeſſen ſcheinen die Akten darüber noch lange nicht geſchloſſen zu ſein, und eine Einigung zwiſchen den verſchiedenen Autoren iſt noch nicht erzielt. Es iſt daher auch nicht gut möglich, ſich ſchon jetzt ein ab⸗ ſchließendes Urteil zu bilden. Vielleicht dürfte man das Folgende als einigermaßen feſtſtehend betrachten können: f Die Knöllchen entſtehen durch Infektion mittels bakterienartiger Bodenmikroben, welche aus den im Boden verbleibenden Knöllchen in Mengen in die Erde geraten und daher überall verbreitet ſind. Dieſe wandern, nachdem ſie die Membranen der Wurzel⸗ haare oder der Epidermis durchdrungen haben, mit⸗ tels der früher als Pilzhyphen beſchriebenen Infek⸗ tionsſchläuche in die Wurzelrinde ein, woſelbſt ſie die Anregung zur Kröllchenbildung geben. Indem durch ihre Gegenwart eine lebhaftere Aufnahme des Stick⸗ *) Ber. d. D. Bot. Geſ. 1888, S. LXXXVII. 1889. S. 341846. Humboldt. — Mai 1890. ſtoffs aus der Atmoſphäre eintritt, fördern fie in den meiſten Fällen das Gedeihen der Pflanze, er— möglichen den Leguminoſen auf ſtickſtoffarmen Böden gut zu wachſen und bedingen deren bodenverbeſſernde Eigenſchaften. Durch die Einwirkung des Proto— plasmas auf die Bakterien entſtehen in noch nicht völlig aufgeklärter Weiſe die Bakteroiden, die einen 153 Eiweißvorrat darſtellen, welcher unter gewiſſen Be— dingungen der Pflanze zu gute kommt, zugleich aber auch die Keime des Knöllchenpilzes zu fein oder zu enthalten ſcheinen. Da beide Organismen, in höherem Grade allerdings wohl die Leguminoſe, aus dem Beiſammenſein Nutzen ziehen, ſo iſt das Verhältnis beider als Symbioſe aufzufaſſen. Die Entſtehung des Blutes der Wirbeltiere“). Von Profeffor Dr. H. E. Siegler in Freiburg i. Br. y" zum Verſtändnis des komplizierten und geheim— nisvollen Baues des menſchlichen oder tieriſchen Körpers zu gelangen, pflegt die moderne Wiſſenſchaft von verſchiedenen Seiten her vorzudringen; es erſcheint dann erwünſcht und erfreulich, wenn die von den verſchiedenen Geſichtspunkten mit verſchiedenen Me— thoden gewonnenen Ergebniſſe ſich miteinander in Beziehung ſetzen laſſen und miteinander in Ueberein— ſtimmung ſtehen. Man kann jedes Organ oder Organſyſtem eines Tieres oder des Menſchen zuerſt von dem vergleichend anatomiſchen Geſichts— punkte aus betrachten und annehmen, daß dasſelbe im Laufe der Stammesentwickelung (Phylo— genie) dieſelben Stufen durchgemacht habe, wie wir ſie jetzt noch bei verwandten und im Syſtem niedriger ſtehenden Tieren vorfinden. Oder man kann die Entwickelungsſtadien des Organs oder Organſyſtems in der individuellen Entwickelung (Ontogenie) verfolgen, und auf dieſem Wege gelangt man be— kanntlich ſehr häufig zu einer entſprechenden und ähnlichen Stufenreihe, wie ſie die erſtgenannte Me— thode ergeben hat. Man kann dann ferner den hi— ſtologiſchen Bau des Organs unterſuchen und, wenn dasſelbe der Abnutzung unterliegt, den Modus der hiſtologiſchen Regeneration feſtſtellen; der hiſtologiſche Bau läßt ſich natürlich mit den ent— wickelungsgeſchichtlichen Reſultaten in Beziehung ſetzen; und bei der hiſtologiſchen Regeneration zeigt ſich in der Regel, daß an gewiſſen Stellen embryonale Ver— hältniſſe wiederkehren, oder — richtiger geſagt — zu— rückgeblieben ſind. Das Blutgefäßſyſtem der Wirbeltiere vom phy— logenetiſchen, vom ontogenetiſchen und vom hiſtoge— netiſchen Geſichtspunkt zu betrachten und die Reſul— tate zuſammenzuſtellen, das war bis vor kurzem eine wenig verlockende Aufgabe, weil die Reſultate auf den einzelnen Gebieten noch unklar und widerſpruchs— voll waren und nebeneinandergehalten keine deut— lichen Beziehungen erkennen ließen. Nach den For— ſchungen der letzten Jahre iſt es jetzt eher möglich, eine derartige Zuſammenſtellung zu verſuchen. ) Selbſtreferat des Verfaſſers über ſeine in den „Be— richten der Naturforſchenden Geſellſchaft zu Freiburg“ Bd. IV. S. 171—182 veröffentlichte Arbeit; geſchrieben auf Anſuchen der Redaktion des „Humboldt“. Humboldt 1890. : Betrachten wir zuerſt die vergleichende Anatomie, welche uns in gewiſſem Sinne die Stadien der phylogenetiſchen Entwickelung zeigen wird, ſo iſt vor allem feſtzuhalten, daß man bei den wirbelloſen Tieren zweierlei Leibeshöhlen unterſcheidet. Im ein⸗ fachſten Fall iſt zwiſchen Darm und Haut ein Syſtem von Hohlräumen vorhanden, welches die im Innern des Körpers gelegenen andern Organe (Muskeln, Genitalorgane 2c.) umgibt, welches die phyſiologiſche Funktion eines Blut- oder Lymphraumes hat und welches entwickelungsgeſchichtlich von dem Hohlraum der Blaſtula hergeleitet werden kann oder nach der Gaſtrulation durch Auseinanderrücken des Ektoderms und des Entoderms (als Spaltraum) entſtanden iſt. Dieſe Art von Leibeshöhle nennt man die primäre Leibeshöhle. Wir ſehen dieſelbe z. B. bei man⸗ chen Plattwürmern, bei den Rotatorien, bei den Nematoden und auch bei den Arthropoden. Bei den letzteren find in der Flüſſigkeit, welche die pri— märe Leibeshöhle erfüllt (d. h. in der Blutflüſſigkeit) Zellen ſuſpendiert, die nach ihrem Ausſehen und phyſiologiſchen Charakter den Leukocyten (weißen Blutkörperchen) der Wirbeltiere nahe ſtehen. Bei anderen Tieren iſt zwar ebenfalls dieſe primäre Leibeshöhle vorhanden, doch beſitzen ſie außerdem noch abgeſchloſſene Hohlräume, welche man als ſekun— Dare Leibes höhle bezeichnet; die ſekundäre Leibes— höhle hat immer den phyſiologiſchen Charakter eines Exkretionsorgans und ſteht durch ausführende flim— mernde Kanäle mit der Außenwelt in Verbindung. Sie iſt in ihrer entwickelungsgeſchichtlichen Entſtehung ganz unabhängig von der primären Leibeshöhle und tritt als Spaltraum in einer kompakten Maſſe von Meſodermzellen (in den Meſodermſtreifen) auf. So finden wir z. B. die Verhältniſſe bei den Mollusken, bei welchen der fog. Perikardialraum die ſekundäre Leibeshöhle repräſentiert; derſelbe hat bekanntlich einen exkretoriſchen Charakter, da er durch einen flimmernden Trichter mit der Niere in Verbindung ſteht und da ſich (nach Grobben) ſehr häufig exkre— toriſche Oberflächenvergrößerungen (Perikardial— drüſe) in demſelben vorfinden. Denken wir uns jetzt die ſekundäre Leibeshöhle ſo vergrößert, daß hauptſächlich durch dieſe der Raum zwiſchen Ektoderm und Entoderm eingenommen und daß die primäre Leibeshöhle auf ein Syſtem enger 20 154 Kanäle und Lücken zurückgedrängt wird, fo kommen wir zu einer Organiſation, wie ſie uns einerſeits bei den chätopoden Anneliden, anderſeits aber bei den Wirbeltieren thatſächlich entgegentritt. Bei den letz⸗ teren ſtellt die Leibeshöhle (Peritonealhöhle Pleu⸗ ralhöhle + Perikardialhöhle) nach der Art ihrer Entſtehung und nach ihrem urſprünglichen phyſiolo⸗ giſchen Charakter“) die ſekundäre Leibeshöhle dar. Daher ift es naheliegend, das Blutgefäß ſyſtem und das Lymphgefäßſyſtem aus den Reſten der primären Leibeshöhle herzuleiten ). Nach dieſer Auffaſſung würden das Blutgefäßſyſtem und Lymphgefäßſyſtem der Wirbeltiere phylogenetiſch aus ein und demſelben Syſtem von Hohlräumen entſtanden ſein und daher erklärt ſich ſofort die Thatſache, daß das Lymphgefäßſyſtem jederſeits an einer (Säugetiere) oder an mehreren (niedere Wirbeltiere) Stellen in das Blutgefäßſyſtem einmündet. Sehen wir jetzt, ob die Beobachtungen auf onto⸗ genetiſchem Gebiet ſich mit der eben ausgeſprochenen phylogenetiſchen Herleitung des Blut⸗ und Lymph⸗ gefäßſyſtems in Beziehung bringen laſſen. Zu dieſem Zweck muß man ſich erinnern, daß der Embryo eines Wirbeltieres nach der Ausbildung der Keimblätter aus folgenden Teilen beſteht. Er iſt bedeckt von dem Ektoderm (Hautblatt, ſpätere Epidermis), darunter finden wir das Medullarrohr (Anlage des Gehirns und des Rückenmarkes) und dieſen ſchmiegt ſich an der Unterſeite die Chorda (die erſte, ſtabförmige An⸗ lage der Wirbelſäule) an. Unter der Chorda liegt das Entoderm (Darmdrüſenblatt, ſpäter Epithel des Darmkanals, der Lunge, der Leber und des Pankreas). Das Medullarrohr, die Chorda und die Anlage des Darmrohrs liegen in der Medianebenez; ſeitlich ſchließt ſich an dieſelben das Meſoderm an, welches jederſeits einen vom Kopf bis zum Schwanzende reichenden mehr oder weniger breiten Streifen (Meſodermſtreifen) bildet. An dem obern Teil dieſes Streifens, welcher neben dem Medullarrohr und der Chorda liegt, grenzen ſich zahlreiche aufeinanderfolgende Abſchnitte, die ſogenannten Urſegmente, gegeneinander ab, welche hauptſächlich zur Bildung der Muskulatur beſtimmt ſind. In dem übrigen Teil des Meſodermſtreifens tritt eine Höhle auf, welche ſich durch die ganze Länge des Rumpfteiles des Embryo erſtreckt. Dieſe Höhle iſt das Cölom, die noch einheitliche Anlage des Pe⸗ rikardial⸗, Pleural⸗ und Peritonealraumes. Sie iſt der Hohlraum, den wir, wie oben geſagt wurde, als ſekundäre Leibeshöhle bezeichnen müſſen. Die *) Bekanntlich hat die Leibeshöhle bei den nie⸗ deren Wirbeltieren und zu embryonaler Zeit bei allen Wirbeltieren den Charakter eines Exkretionsorgans, und ſteht durch die Segmentalorgane (Kopfniere und Urniere) mit der Außenwelt in Verbindung. **) Der Gedanke, das Blutgefäßſyſtem von der pri⸗ mären Leibeshöhle abzuleiten iſt keineswegs neu; Buetſchli (Morpholog. Jahrbuch, Bd. 8) iſt ſchon im Jahre 1883 für denſelben eingetreten; auch aus der Hertwigſchen Cölomtheorie (Jenaiſche Zeitſchrift, Bd. 15) kann er heraus⸗ geleſen werden. Humboldt. — Mai 1890. Zwiſchenräume, welche zwiſchen allen den genannten Organanlagen ſich vorfinden, ſind in ihrer Geſamtheit als primäre Leibeshöhle aufzufaſſen. Während die ſekundäre Leibeshöhle im Innern der Meſoderm⸗ ſtreifen gelegen iſt, befindet ſich die primäre Leibes⸗ höhle außerhalb derſelben, teils zwiſchen den Meſo⸗ dermſtreifen und dem Ektoderm, teils zwiſchen den Meſodermſtreifen und dem Medullarrohr, der Chorda und dem Ektoderm. Von den Meſodermſtreifen löſen ſich Zellen einzeln oder gruppenweiſe ab, dringen in die oben genannten Zwiſchenräume (die primäre Leibeshöhle) ein und füllen dieſelbe größten⸗ teils aus; dieſe Zellen, welche in ihrer Geſamtheit als Meſenchym oder als Bildungsgewebe be- zeichnet werden, erzeugen die ſogenannten meſen⸗ chymatiſchen Gewebe, alſo vor allem das Bindege⸗ webe, ferner alle Wandungen der Blut- und Lymph⸗ gefäße, alle lymphoiden Organe, alle Knochen, das Zahnbein, den Knorpel und auch gewiſſe Teile der Muskulatur. Die Zellen des Meſenchyms (Bildungs⸗ gewebes) ſind meiſtens locker gelagert und durch feine pſeudopodienähnliche Ausläufer verbunden („primi⸗ tives Bindegewebe mit ſternförmigen Zellen“); auch find fie im ſtande, mittels folder Pſeudopodien nach Art von Protozoen zu kriechen. Es fragt ſich, ob das Lymphgefäßſyſtem und das Blutgefäßſyſtem thatſächlich von der obengenannten primären Leibeshöhle ihren Urſprung nehmen. Hin⸗ ſichtlich des Lymphgefäßſyſtems iſt zwar zur Zeit noch nicht eingehend unterſucht worden, ob es wirklich (wenigſtens teilweiſe) aus Reſten der primären Leibes⸗ höhle entſteht, welche bei der Einwucherung des Meſen⸗ chyms (Bildungsgewebes) frei bleiben); aber es iſt dies ſehr wahrſcheinlich, da ſelbſt das ausgebildete Lymphgefäßſyſtem in ſeinen peripheren Teilen von einfachen Lücken (Saftlücken) des Bindegewebes oder anderer meſenchymatiſcher Gewebe gebildet wird. Hinſichtlich des Blutgefäßſyſtems ſieht man in gewiſſen Fällen (Knochenfiſche), daß manche der erſten Gefäße in der That auf die Weiſe zu ſtande kommen, daß Teile der primären Leibeshöhle von den Zellen des Meſenchyms (Bildungsgewebes) umſchloſſen wer⸗ den. Dieſe ontogenetiſchen Beobachtungen ſtehen alſo mit der oben vertretenen phylogenetiſchen Herleitung des Blut⸗ und Lymphgefäßſyſtems in vollem Einklang. Es war bis jetzt nur von der Entſtehung der Hohlräume die Rede, in welchen Blut und Lymphe fließen, aber nicht von den Zellen, welche dieſe Flüſ⸗ ſigkeiten mit ſich führen (Blut- und Lymphkör⸗ perchen). Es fragt ſich, wie die Entſtehungsweiſe dieſer Zellen, ſowohl die ontogenetiſche Entſtehung als die hiſtologiſche Regeneration, mit den bisher ausgeſprochenen Anſichten ſich in Beziehung ſetzen läßt. **) Balfour ſchreibt in ſeinem Handbuch der vergl. Embryologie (Deutſch von Vetter, Jena 1881) Bd. II. S. 597: „Das Lymphſyſtem geht aus Lücken im allge⸗ meinen Körperparenchym (Meſenchym) hervor, die in ihrer Entwickelung von der eigentlichen Leibeshöhle (Cölom) unabhängig ſind.“ Humboldt. — Mat 1890. 155 Teile des Meſenchyms fic) zu Bindegewebe und den Im Embryo iſt die Blutflüſſigkeit anfangs frei von Blutkörperchen“); bei manchen Knochenfiſchen iſt konſtatiert, daß ſchon mehrere Tage lang eine Zir— kulation beſteht, ehe Blutkörperchen auftreten. Auch das Lymphgefäßſyſtem ſcheint beim Embryo ſchon lange Zeit zu exiſtieren, ehe die in demſelben ent— haltene Flüſſigkeit Lymphkörperchen mit ſich führt. Man muß annehmen, daß das Lymphgefäßſyſtem ebenſo wie das Blutgefäßſyſtem in der Entwickelung zuerſt nur mit zellenfreiem Serum erfüllt iſt. Wohl können dann beim Embryo vereinzelte Meſenchym— zellen von der Lymphflüſſigkeit abgelöſt und mit- geführt werden, aber das reichliche Auftreten von Lymphkörperchen geht von den Lymphfollikeln und Lymphdrüſen aus, welche erſt in ſpäten Stadien der Entwickelung) zur Ausbildung kommen. Betrachten wir nun die Entwickelung der Lymph— drüſen und die Herkunft der Lymphkörperchen. Die Lymphdrüſen (ebenfo wie auch die Milz) entſtehen im Meſenchym (Bildungsgewebe); an den betreffenden Stellen treten die Zellen desſelben in lebhafte Tei— lung ein und es bildet ſich ein aus dicht gelagerten Zellen beſtehendes Knötchen, welches erſt allmählich ſich ſcharf gegen das umgebende Bildungsgewebe ab— grenzt; während dasſelbe heranwächſt, bilden ſeine Zellen einesteils das Reticulum der Lymphdrüſe, andernteils die Follikularſubſtanz, von welcher be— kanntlich die Lymphzellen ſich ablöſen. Nach dieſer Entſtehung kann man die Lymphdrüſen und über— haupt alle lymphoiden Organe auffaſſen als Teile des Meſenchyms (Bildungsgewebes), welche die Fähig— keit lebhafter Zellteilung beibehalten haben und das ganze Leben hindurch Zellen vom Charakter jugend— licher Meſenchymzellen? *) liefern, während die andern *) Es wäre intereſſant zu wiſſen, ob dieſe Thatſache palingenetiſchen Wert hat. Leider iſt nicht definitiv feſt— geſtellt, ob die Blutflüſſigkeit des Amphioxus Blutforper- chen mit ſich führt; nach den meiſten Autoren iſt dies nicht der Fall; Rohon (Denkſchr. d. math.⸗naturw. Kl. d. K. Akad. Wien, XLV Bd. 1882) meint Blutkörperchen gefunden zu haben, aber ſeine Angabe iſt nicht einwurfs— frei und nicht entſcheidend. **) Nach Sertoli (Sitzb. der Wiener Akademie math. naturw. Kl. LIV. 2, 1886) find bei Rindsembryonen die erſten Spuren der ſich bildenden Meſenterialdrüſen bei Embryonen von 4 Zoll Länge zu bemerken, und iſt erſt bei 10 Zoll langen Embryonen die Entwickelung dieſer Lymphdrüſen ſo weit gediehen, daß man die Abgabe von Lymphzellen erwarten kann. ) Man bedenke, daß die Lymphkörperchen wie die Zellen des embryonalen Meſenchyms die Fähigkeit der amöboiden Bewegung beſitzen, und daß ſie in Wundrän— dern und in Geſchwülſten wahrſcheinlich an der Neubil— dung von Bindegewebe ꝛc. beteiligt ſind. Wenn man davon abſieht, daß die Lymphkörperchen bei der Aſſimi— lation der Nahrung und der Verteilung der Nahrungs— ſubſtanzen eine Rolle ſpielen, ſo iſt klar, daß ſie in ihren übrigen Funktionen den embryonalen Meſenchymzellen ſehr nahe ſtehen; es paßt zu dieſer Auffaſſung, daß die Lymph- körperchen im Embryo erſt dann auftreten, wenn die überall verbreiteten embryonalen Meſenchymzellen ſich zu Elementen beſtimmter Gewebe differenziert haben. andern meſenchymatiſchen Geweben differenzieren. Demnach können lymphoide Organe überall da zur Ausbildung kommen, wo ſich beim Embryo Meſen— chym (Bildungsgewebe) vorfindet und es iſt begreif— lich, daß man dieſelben an den verſchiedenſten Stellen des Körpers zur Entwickelung kommen ſieht; zu den lymphoiden Organen ſind nicht allein alle Lymph— follikel und Lymphdrüſen zu rechnen, ſondern auch die Milz, das Knochenmark (bei anuren Amphibien, Reptilien, Vögeln und Säugetieren), das lymphoide Gewebe der Urniere und Kopfniere (bei Fiſchen), die Thymus, gewiſſe fettkörperähnliche Organe am Darm— kanal und Urogenitalſyſtem (der Dipnoer, Amphibien und Reptilien) u. a.; in allen dieſen Organen ent— ſtehen Lymphkörperchen. Während die Lymphkörper— chen (Leukocyten, weiße Blutkörperchen) beim Embryo erſt ſpät erſcheinen und ebenda gebildet werden, wo ſie auch während des ganzen Lebens ſich regenerieren, treten die Blutkörperchen (Erythrocyten, rote Blut— körperchen) beim Embryo ſehr früh auf, und wir müſſen für dieſe die embryonale Entſtehung und die hiſtologiſche Regeneration geſondert beſprechen. Die Blutkörperchen entſtehen beim Embryo in ſogenannten ſoliden Gefäßanlagen, d. h. es differen— ziert ſich in dem Meſenchym (Bildungsgewebe) ein dichter Zellſtrang, welcher mit Blutgefäßen in Ver— bindung tritt und für das Serum durchläſſig wird, worauf dann die im Innern liegenden Zellen als Blutkörperchen allmählich weggeſchwemmt werden und eine periphere Lage von Zellen die Gefäßwand bildet. Bei den verſchiedenen Wirbeltieren ſind die ſoliden Gefäßanlagen, aus welchen die erſten Blutkörperchen entſtehen, an ſehr verſchiedenen Stellen des Embryo gelagert. Bei den Vögeln und Säugetieren bilden fie ein auf dem Dotter ausgebreitetes Netz (Area vasculosa), bei den Selachiern iſt es die Randvene der Keimſcheibe, bei den Knochenfiſchen die ſogenannte Stammvene. Es iſt natürlich theoretiſch ganz gleich— gültig, in welchen Gefäßen die Entwickelung der erſten Blutkörperchen ſtattfindet. Wir ſehen, daß der Bildungsmodus der beim Embryo auftretenden erſten Blutkörperchen prinzipiell ähnlich iſt der Bildungs— weiſe der Lymphkörperchen, inſofern ja in beiden Fällen aus einer kompakten Maſſe von Meſenchym (Bildungsgewebe) heraus die Zellen abgelöſt werden. Beim ausgebildeten Tier iſt die Entſtehung der roten Blutkörperchen an gewiſſe lymphoide Organe gebunden; es find dies das lymphoide Gewebe der Urniere (bei Fiſchen), die Milz (bei Fiſchen, urodelen Amphibien, Vögeln und Säugetieren) und das Knochen— mark (bei anuren Amphibien, Vögeln und Säuge— tieren). Während man bisher der Meinung war, daß die roten Blutkörperchen in dieſen Organen durch Umbildung von weißen entſtünden, iſt es durch die Arbeiten von Löwit und durch eine neue Unter— ſuchung von Denys erwieſen worden, daß die roten Blutkörperchen in den lymphoiden Organen auf eine eigenartige Weiſe entſtehen, nämlich dadurch, daß ſie ſich aus kleinen Gefäßen ablöſen. Es iſt demnach 156 höchſt wahrſcheinlich, daß der Modus, nach welchem die roten Blutkörperchen im erwachſenen Organismus regeneriert werden, ein ganz gleichartiger iſt, wie der Bildungsmodus der embryonalen Blutkörperchen: es handelt ſich um ſolide Gefäßanlagen, bei welchen die inneren Zellen allmählich als Blutkörperchen weg⸗ geſchwemmt werden. Es findet dieſer Vorgang in den lymphoiden Organen ſtatt, weil in dieſen ſich noch ein Gewebe von embryonalem Charakter, ſozu⸗ ſagen ein Reſiduum des embryonalen Meſenchyms (Bildungsgewebes) befindet; und es bilden ſich hier zeitlebens die roten Blutkörperchen in der gleichen Weiſe, wie ſie in dem Meſenchym des Embryo entſtanden. Faſſen wir die Reſultate zuſammen. Phyloge⸗ netiſch gehen das Blutgefäßſyſtem und das Lymph⸗ gefäßſyſtem der Wirbeltiere aus der primären Leibes⸗ höhle der wirbelloſen Tiere hervor, während das Cölom (Perikardial⸗ + Pleural⸗ 4+- Peritonealhöhle) der Wirbeltiere der ſekundären Leibeshöhle der Wirbel⸗ loſen entſpricht. Ontogenetiſch entſtehen Teile des Blutgefäßſyſtems und des Lymphgefäßſyſtems aus der primären Leibeshöhle des Embryo, welche im übrigen durch Zellen des Meſoderms, durch das ſo⸗ genannte Meſenchym oder Bildungsgewebe ausgefüllt wird. Die weißen Blutkörperchen (Lymphkörperchen) können als abgelöſte Zellen des Meſenchyms aufge⸗ faßt werden, die Lymphdrüſen, aus welchen ſie zeit⸗ lebens regeneriert werden, ſind Stellen des Meſen⸗ chyms, welche einen embryonalen Charakter bewahren und wo fortwährend neue Meſenchymzellen durch Teilung entſtehen und weggeſchwemmt werden. Die Humboldt. — Mai 1890. roten Blutkörperchen entſtehen beim Embryo ebenfalls im Meſoderm und zwar in Anlagen, welche theore- tiſch auch dem Meſenchym zuzurechnen ſind; es ſind dies ſolide Gefäßanlagen, deren periphere Zellen die Gefäßwand bilden und deren innere Zellen als rote Blutkörperchen abgelockert und vom Blutſtrom weg⸗ geführt werden. Beim ausgebildeten Tiere findet die Regeneration der roten Blutkörperchen in lym⸗ phoiden Organen ſtatt, in welchen dann neben den weißen Blutkörperchen auch die roten ſich ablöſen, wobei aber die letzteren aus einigermaßen geſonderten Anlagen, nämlich wie beim Embryo aus ſoliden Ge⸗ fäßanlagen ihren Urſprung nehmen. Alle die vergleichend⸗anatomiſchen, entwickelungs⸗ geſchichtlichen und hiſtologiſchen Thatſachen laſſen ſich von der folgenden phylogenetiſchen Hypotheſe aus erklären. Urſprünglich beſtand im Körper der Wirbel⸗ tiere abgeſehen vom Cölom (der ſekundären Leibes⸗ höhle) nur ein einziges Syſtem von Hohlräumen, die primäre Leibeshöhle; dieſelbe war von einzelnen Meſodermzellen und Derivaten derſelben (Meſenchym und meſenchymatiſchen Geweben) durchſetzt. Die Flüſ⸗ ſigkeit, welche in der primären Leibeshöhle fic) be- fand, gewann die Fähigkeit einzelne Meſenchymzellen abzulöſen und mit ſich zu führen. Dann differenzierte ſich die primäre Leibeshöhle in das Lymphgefäßſyſtem und das Blutgefäßſyſtem; dem letzteren fiel in erſter Linie die reſpiratoriſche Funktion zu und in An⸗ paſſung an dieſelbe nahmen die in dieſem Syſtem zur Ablöſung kommenden Meſenchymzellen die Cha⸗ raktere der roten Blutkörperchen an. Anſterbliches Keimplasma und unſterbliche Seele. Von Dr. R. v. Lendenfeld in Innsbruck. eismann gebührt das Verdienſt, die vagen Vor⸗ ſtellungen von der Unſterblichkeit des Keim⸗ plasmas, welche von vielen Naturforſchern und auch von mir ſchon ſeit längerer Zeit gehegt wurden, in eine ſcharfe und klare Theorie verwandelt zu haben, eine Lehre, über deren Richtigkeit weder von theo⸗ retiſcher noch von empiriſcher Seite irgend ein Be⸗ denken erhoben werden kann. Erſt ſeit kurzer Zeit liegt uns dieſe Theorie in der ſcharfen Weismannſchen Form vor, ſo daß lange noch nicht alle daraus ab- leitbaren Konſequenzen auch wirklich gezogen worden ſind. Und da iſt es beſonders eine Folgerung, welche mich ſchon längere Zeit beſchäftigt, und die ich aus⸗ zuarbeiten begann, noch ehe Weismann mit der Publikation ſeiner bahnbrechenden Arbeiten über dieſen Gegenſtand anhob. Sie bezieht ſich auf die Se der Vorſtellung von der unſterblichen ele. Ehe ich auf die Ausführung der Löſung des Problems ſelbſt eingehe, wird es wünſchenswert ſein, die Theorie von der Unſterblichkeit des Keimplasmas mit wenigen Worten in die Erinnerung des Leſers zurückzurufen. Alle einzelligen Weſen, einfache Algen, Pilze und Protozoen, pflanzen ſich durch einfache Teilung fort. Das Muttertier mag ſich dabei entweder ein⸗ fach in zwei gleiche Hälften teilen, wie die Amöbe, oder in eine größere Anzahl von kleinen Sporen, wie dies beſonders häufig bei den niedrigſten, ein⸗ zelligen Pflanzen vorkommt. Oft zerfällt dabei der ganze Körper der Mutter — die ganze Zelle — in zwei oder mehr Kinder; zuweilen bleibt aber ein kleiner Reſt der Zelle als unbrauchbar zurück. Dieſer Reſt — bei ſporenbildenden einzelligen Pflanzen die Zellhaut — iſt dann natürlich tot. Es folgt hieraus, daß dieſe einzelligen Weſen unſterblich ſind. Die Mutterzelle teilt ſich, die Tochter⸗ zellen teilen ſich wieder, ebenſo die Enkelzellen und ſo fort. Die Mutterzelle verjüngt und vermehrt ſich bei jeder Teilung ohne je zu ſterben. Aeußere Umſtände können natürlich zu jeder Zeit den Tod des einzelligen Weſens herbeiführen. In Humboldt. — Mai 1890. 157 Wirklichkeit werden faſt alle Serien von ausein— ander hervorgehenden Weſen dieſer Art durch den Tod unterbrochen. Einige aber erhalten ſich. Von dem erſten Auftreten lebendiger Organismen auf unſerem Planeten bis heute haben ſich mehrere ſolche Serien, oder hat ſich ganz gewiß mindeſtens eine erhalten. Die Unſterblichkeit der einzelligen Weſen iſt nicht etwa eine abſolute, ſondern nur eine potentielle. — Neueſtens hat Weismann beſonders auf dieſen Punkt aufmerkſam gemacht. Es können nämlich zu jeder Zeit äußere Umſtände den Tod eines Individuums und damit die Unterbrechung der unſterblichen Serie verurſachen; es iſt aber in der inneren Organiſation des lebenden Plasmas ſelbſt kein Todeskeim vor— handen. Dieſes an ſich iſt unſterblich und wird in der That ewig leben, wenn äußere Umſtände es zu— laſſen. Der Tod, ſo hieß es immer, ſei begründet in der Protoplasmaſtruktur ſelbſt, dies iſt falſch. Das Plasma an ſich iſt unſterblich. Nun tritt aber bei der Vermehrung und Ver— jüngung der einzelligen Organismen eine weitere Komplikation von größter Wichtigkeit hinzu: die Kon— jugation. Zwei getrennte Zellen — verſchiedene In— dividuen — verſchmelzen zuweilen. Nicht nur ihre protoplasmatiſchen Leiber vereinigen ſich, ſondern es miſchen ſich auch ihre Kerne und es entſteht aus zwei Individuen ein einziges — eine Zelle. Dieſes teilt ſich dann. Es erſcheint im allgemeinen kräftiger, als die einzelnen Individuen vor der Vereinigung. Die Abkömmlinge des fo entſtandenen Doppelindivi- duums vermehren ſich meiſt längere Zeit hindurch parthenogenetiſch durch einfache Teilung, ohne Kon— jugation, bis endlich wieder Konjugation unter ihnen eintritt. Auf die phylogenetiſche Entſtehung der ſo über— aus wichtigen Konjugation kann ich hier nicht näher eingehen. Ich will nur darauf hinweiſen, daß eine Art Konjugation vielleicht ſchon von Anfang an exiſtiert haben könnte, und aus dem Modus der Ur⸗ zeugung — wenn es eine ſolche gibt — hervorge— gangen wäre. (Siehe meine Kritik über Henſens Angaben betreffend die Entſtehung der Aſſimilation.) Jedenfalls iſt Konjugation bei ſehr vielen ein— zelligen Tieren und Pflanzen beobachtet worden und ſie könnte wohl ganz allgemein in der Lebewelt ver— breitet ſein. Auf die Theorie der Unſterblichkeit übt die Kon— jugation keinen Einfluß aus. Das aus der Ver— einigung zweier Individuen entſtandene Doppelindi- viduum, welches ſich dann teilt und in den Nach— kommen fortlebt, enthält ja die Subſtanz beider; dieſe ſterben bei der Konjugation keineswegs, ſie hei— raten nur. Betrachten wir nun das Schickſal einer „Familie“ ſolcher einzelliger Weſen von einer Konjugation bis zur nächſten genauer, ſo werden wir ſehen, daß aus dem, durch Konjugation entſtandenen Doppelindi— viduum eine große Zahl von Einzelindividuen — einzelnen Zellen — hervorgeht. Sei es, daß ſich alle ſtets in zwei teilen und ſo der ganze Stammbaum aus dichotomiſch verzweigten Aeſten beſteht, ſei es, daß ſie ſich in zahlreiche Sporen verwandeln, wodurch eine doldenförmige Verzweigungsart des Stamm— baumes zu ſtande kommt. Die allermeiſten der Zweige enden blind mit dem durch äußere Umſtände veranlaßten Tod jenes Indi— viduums, welches dem Zweigende entſpricht. Nur ſehr wenige werden leben bis zur nächſten Konju— gationsperiode und dann ſich mit andren Individuen vereinigen und zur Entſtehung neuer ſolcher Stamm— bäume Anlaß geben. Alle die Einzelindividuen eines ſolchen Stamm- baumes gehören zuſammen, wenn ſie auch iſoliert ſind. Bei gewiſſen Infuſorien und andren Protiſten bleiben ſie in der That beiſammen und bilden baum— förmige Stöckchen. Am Ende eines jeden Zweiges ſitzt ein Infuſor (Vorticella) und das ganze Bäum— chen iſt im wahrſten Sinne des Wortes eine Ver— forperung des Stammbaumes._ Anfänglich gab es keine andren tieriſchen Ge— meinweſen wie ſolche, die aus gleichen einzelligen Weſen beſtanden, Weſen, die alle ſich fortpflanzten. Später trat Arbeitsteilung unter den Individuen des Tierſtocks ein und es nahm ihre Abhängigkeit von— einander derart zu, daß ihre Individualität großen— teils verloren ging und daß ſie nun nicht mehr im ſtande waren, iſoliert zu leben. 5 Durch Fortſchreiten dieſes Vorganges entſtanden aus Kolonien gleichartiger Protozoen die vielzelligen Metazoen: die höheren Tiere und der Menſch. Betrachten wir nun den menſchlichen Körper, ſeine Entwickelung und ſein Ende, im Lichte dieſer Thatſachen, ſo ſehen wir, daß ein Vergleich zwiſchen den einfachen unſterblichen Protozoen und dem Men— ſchen uns zu dem Reſultate führen wird, daß der Menſch ſelber, oder mindeſtens ein Teil desſelben und zwar der allerwichtigſte, unſterblich iſt. Gehen wir zurück zum Ausgangspunkt der Ent— wickelung des Menſchen: wir haben eine Eizelle und eine Samenzelle, welche ſich vereinigen und deren Kerne ſich miſchen. Es entſteht eine neue Zelle. Dieſer Vorgang iſt derſelbe, wie die Konjugation zweier einzelliger Weſen, zweier acineten Infuſorien etwa, von denen eines (das §) viel größer iſt als das andere (das ). Der Größenunterſchied der ſich vereinigenden Zellen iſt aber ganz bedeutungslos. Aus der Doppelzelle, welche durch dieſe Konju— gation entſtanden iſt, entwickeln ſich durch fortgeſetzte Zellteilung viele Generationen von Zellen, in diver— gierenden Serien. Beim Infuſor ſind alle unſterb— lich, die meiſten gehen aber doch zu Grunde und nur wenige erhalten ſich bis wieder Konjugation ein— tritt. Beim Menſchen iſt ganz das Gleiche der Fall. Es entſtehen zahlreiche Serien von Zellenfamilien, die alle unſterblich ſind, von denen aber nur wenige (ſtrikte, eine) in der That bis zu der nächſten Kon⸗ jugation lebt und dann zur Bildung neuer diver- gierender Zellreihen den Anſtoß gibt. Der Unter— 158 ſchied zwiſchen Menſch und Infuſor iſt nur der, daß beim erſteren die aus der Doppelzelle (befruchteten Eizelle) entſtehenden Zellen beiſammenbleiben und untereinander verſchieden ſind, während ſie bei dem letzteren ſich meiſt zerſtreuen und untereinander gleich bleiben. Mit der Differenzierung der Zellen der höheren Tiere iſt keineswegs, wie Weismann anzunehmen ſcheint, der Keim des Todes derſelben gelegt. Im Gegenteil! Alle Zellenſerien, nicht bloß die Keim⸗ zellen ſelbſt, ſind unſterblich. In der That müſſen ſie alle ſterben, aber nicht weil ſie ſelber etwa von Anfang an einen Todeskeim enthalten, ſondern weil die Gebilde, welche von ihnen in ihrer Geſamtheit — alſo vom ganzen Organismus — erzeugt werden, ſchließlich den Tod aller herbeiführen. Das lebendige Plasma an ſich iſt in jeder Zelle unſterblich. Höhere Rückſichten des Geſamtorganismus verurteilen un⸗ zählige Zellen fortwährend zum Tode. Dieſe ſterben, nicht weil ſie an ſich nicht länger leben können, ſondern weil die Bedingungen, die zu ihrer Erhal⸗ tung notwendig ſind, aufhören. Während alſo die Zellen für ſich unſterblich ſind, ſo iſt es doch nicht der ganze Organismus als ſolcher, der aus ihnen aufgebaut iſt. Die komplizierte Wechſel⸗ wirkung zwiſchen den einzelnen Zellen, welche — da die Zellen ſich der Arbeitsteilung angepaßt haben — notwendig geworden iſt, iſt es, die von Anfang an den Todeskeim enthält. Sie hört auf, richtig zu funk⸗ tionieren und die Zellen werden dadurch getötet. Der Tod des Individuums iſt ſomit eine Folge mangelhafter Genauigkeit in der Arbeitsteilung unter den Zellen. Durch dieſen Mangel werden nach Ab⸗ lauf längerer oder kürzerer Zeit alle, den Körper zuſammenſetzenden Zellen getötet. Nur ſolche, welche den Körper verlaſſen, können am Leben bleiben. Von den unzähligen Zellen, die von dem Körper während ſeines Lebens ausgeſtoßen werden, iſt es aber nur eine Art, welche darauf eingerichtet iſt, außerhalb des Körpers fortzuleben: die Keimzellen. Bei niederen Tieren verlaſſen die Keimzellen den Körper der Eltern häufig erſt nach dem Tode der letzteren. Beim Menſchen iſt dies nicht der Fall. Sämtliche Zellenſerien, welche nicht zur Bildung von Keimzellen führen, ſowie auch alle Keimzellen ohne Ausnahme oder mit nur wenigen Ausnahmen, gehen zu Grunde, wegen der Ungunſt der äußeren Umſtände. Geradeſo, wie faſt alle, oder gar alle aus der Infuſor⸗Doppelzelle hervorgehenden Infuſorien zu Grunde gehen, ehe ſie ſich neuerdings konjugieren. Zuweilen erhalten ſich jedoch einige dieſer In⸗ fuſorien bis zur nächſten Konjugationszeit und ebenſo gelangen zuweilen einzelne der menſchlichen Reim- zellen zur Konjugation und aus ihnen entſteht dann ein neues Individuum. Ein Menſch iſt die aus der Konjugation zweier menſchlicher Keimzellen entſtandene Doppelzelle und alle Zellen, die daraus entſtehen und miteinander im Zuſammenhang bleiben. Das menſchliche Indi⸗ viduum entſteht in dem Momente der Miſchung der Humboldt. — Mai 1890. Keimzellenkerne. Die Art dieſer Miſchung iſt be⸗ ſtimmend für ſeine individuellen Eigentümlichkeiten. Der Zweck des Menſchen iſt offenbar der, die in ihm ſich fortentwickelnde Keimzellenſerie zu er⸗ halten, zu ernähren und zu ſchützen; und weiter für paſſende Konjugation der ausſcheidenden Keimzellen zu ſorgen und auch für die aus denſelben ſich ent⸗ wickelnden Kinder Sorge zu tragen. Alle Organe ſind nichts weiter als durch die Zuchtwahl erworbene Apparate zur Erreichung dieſes einen Zweckes: die Erhaltung der Keimzellenſerie, welcher das Indi⸗ viduum angehört. Das Individuum verliert dadurch ſehr an Be⸗ deutung, es wird ſozuſagen zum Sklaven der Keimzellenreihe. Dieſe iſt das Wichtige und Weſent⸗ liche, und dieſe tft auch das Unſterbliche. Wie rote, vielfach ſich verzweigende (mehrere Kinder) und paarweiſe ſich vereinigende (Be⸗ fruchtung) Fäden durchziehen die Keimzellenſerien der aufeinanderfolgenden Generationen das menſchliche Geſchlecht. Fortwährend erzeugen ſie andere Zell⸗ reihen, die als Zweige von dieſem Keimzellen⸗Faden⸗ netze abgehen und ſämtlich nach kürzerem oder längerem Verlauf blind enden. Büſchel ſolcher Zweige ſind die menſchlichen Individuen und jeder, der ſich die Sache vorſtellt, wird erkennen, daß ſie alle, wie oben geſagt wurde, nur dem Fortbeſtande der Keimzellen⸗ ſerien dienen und ſonſt gar keinen Zweck haben. Auf dieſe Baſis muß die moraliſche Welt⸗ ordnung ſich ſtellen, wenn ſie überhaupt auf einer Baſis ſtehen will. Es iſt leicht und angenehm, auf dieſem Fundamente die Thatſachen der Geſchichte zu erklären. Da ſtimmt und klappt alles und jede Wendung in der hiſtoriſchen Entwicklung der Zivi⸗ liſation läßt, wenn wir ſie von dieſem Standpunkt aus betrachten, Kauſalität erkennen, einfach und flav. Auf dieſen Gegenſtand will ich, ſo anziehend er auch iſt, hier nicht näher eingehen, ſondern die Frage er⸗ örtern, ob nicht etwa die thatſächliche Unſterblichkeit der Keimzellen, die Kontinuität ihrer Serien, und die Wichtigkeit der Rolle, welche ſie ſpielen, im Zuſammen⸗ hang ſteht mit der Entſtehung der Vorſtellung von der unſterblichen Seele, oder etwa gar Urſache der⸗ ſelben iſt. Die Keimzellenſerien beſitzen in der That die weſentlichſten Attribute der menſchlichen Seele, denn ſie ſind ein unſterblicher, lebendiger Teil des Menſchen, welcher die geiſtigen Eigentümlichkeiten desſelben in latenter Form enthält. Die Unſterblichkeit der Keim⸗ zellen iſt nur potentiell und weſentlich verſchieden von dem abſolut ewigen Leben, welches gewiſſe Religionen der Seele zuſchreiben. Wir müſſen aber bedenken, daß zur Zeit, als der Begriff einer Seele bei den Menſchen entſtand, eine klare Unterſcheidung zwiſchen potentieller Unſterblich⸗ keit und abſolut ewigem Leben, wegen mangelhafter Kenntnis logiſcher Geſetze, nicht aufgeſtellt werden konnte. H. Spencer hat nachgewieſen, daß alle Religionen aus einer Verehrung der Ahnen entſtanden ſind. Jede Humboldt. — Mai 1890. 159 Religion muß einen wahren Untergrund haben. Die Vergötterung der Ahnen hat darin ihren wahren und natürlichen Grund, daß jene denſelben Keimzellenſerien angehören, wie ihre Nachkommen. Natürlich hatten unſere barbariſchen Vorfahren, welche dem Ahnenkult huldigten, keine Idee von dieſer Urſache ihrer Religion; daß aber dies, und nichts anderes, die causa effi- ciens der Entſtehung einer ſolchen Religion war, wird dadurch keineswegs widerlegt. Ja das iſt eben das Typiſche einer Religion, daß ſie auf Thatſachen ruht, welche Thatſachen aber nicht erkannt werden und zum Bewußtſein gelangen. Mit der Entſtehung und Entwickelung einer jeden Religion geht die Entſtehung und Entwickelung der Vor— ſtellung von einer unſterblichen Seele Hand in Hand. Das Richtige am Ahnenkult erkennen wir in der Unſterblichkeit der Keimzellen, in der Kontinuität ihrer Serien. Daher ſollte dieſe wohl auch bei der Cnt- ſtehung von der Seelenvorſtellung eine Rolle ſpielen. Spencer leitet die Vorſtellung von der Exiſtenz einer Seele aus dem Traume ab, ſowie aus den Handlungen von geiſteskranken Perſonen. Der Wilde träumt, er ſei auf der Jagd und erfährt hernach, daß er zu Hauſe geweſen ſei. Er ſpricht im Traume mit Bekannten, welche nicht an dem Orte waren, wo er ſie im Traume traf. Ja er kommt im Traume ſogar mit den Toten zuſammen. Dies muß ihn darauf führen 1) daß er ſelber eine doppelte Perſon ſei, von welcher eine ſchlief, während die andere jagte; 2) daß auch die Bekannten Doppelperſonen ſeien; und 3) daß — im Falle des Zuſammentreffens mit Verſtorbenen — dieſe nicht nur auch Doppel— perſonen ſeien, ſondern daß die eine ſterben könne, während die andere fortlebt. So entwickelt ſich — nach Spencer — die Vor— ſtellung, daß der Menſch aus zwei trennbaren, denkenden Teilen beſteht, von denen der eine den anderen überleben kann. Fällt einer in Ohnmacht und erholt er ſich dann wieder, ſo ſagt er, er kommt zu ſich. Das heißt der eine Teil ſeiner Perſon verließ ihn und kam dann zu ſeiner Perſon (ſich) zurück. Da nun in dieſem Falle ſowie beim Traum der Körper nicht geteilt wird, ſo kann der, bei der Ohnmacht fort— gehende Teil nicht körperlich ſein. Dieſer Teil, wird der Wilde ſich denken, iſt es auch, der nach dem Tode noch am Leben bleibt. Iſt es ihm doch nicht möglich, zwiſchen Tod und Ohn— macht zu unterſcheiden. Dann aſſociiert ſich mit dem bei der Ohnmacht entfliehenden Teil die Idee, daß er es iſt, der das Leben verleiht. Und ſo halten denn einige das Herz (das beim Tod zu ſchlagen aufhört), andere den Atem (der ebenfalls beim Tode aufhört) für dieſen Teil: das iſt dann die Seele. So weit citiere ich Spencer. Die ſo entſtandene Vorſtellung von der Seele benutzen nun ſchlaue Prieſter, um Gewalt über ihre Mitmenſchen zu erlangen, während tugendhafte Gründer von Religionen davon zu dem Zwecke Ge— brauch machen, um durch Androhung von Beſtrafung und Verheißung von Belohnung der Seele den Menſchen zu bewegen, tugendhaft zu leben. Zu dieſem Zwecke verändern die Religionslehrer den urſprünglichen Begriff der Seele und legen ihr zunächſt das Attribut der abſoluten Unſterblichkeit und Ewigkeit bei, ein Attribut, welches mit der Seelenvorſtellung auf niedriger Stufe ſtehender Völker noch keineswegs verknüpft iſt. Heutzutage ſpielt bei allen Religionen ziviliſierterer Völker die unſterbliche Seele eine außerordentlich wich— tige Rolle. Ich gehe von dem Standpunkte aus, daß keine Lehre allgemeine Anerkennung bei den Menſchen finden kann, wenn ſie nicht auf einer Naturwahrheit beruht. Die verſchiedenſten Religionen ſtimmen in einem Punkte überein. Dieſer Punkt iſt die Lehre von der unſterblichen Seele. Ein ſolcher Punkt all— gemeiner Uebereinſtimmung kann — nach meiner Ueberzeugung — nicht ganz und gar aus der Luft gegriffen ſein. Er muß eine thatſächliche Grund— lage haben. Was iſt nun dieſe Grundlage? Traum und Selbſttäuſchung, wie Spencer annimmt, etwa? Nein, es muß etwas Wirkliches, Thatſächliches ſein. Der Weg, den wir einzuſchlagen haben, um dieſer wahren Grundlage der Seelenvorſtellung auf die Spur zu kommen, kann nicht zweifelhaft ſein. Wir müſſen die Seelenvorſtellungen der Ange— hörigen verſchiedener Religionen vergleichen und alle jene Attribute von ihr abſtreifen, welche keine allge— meine Verbreitung haben. Jene Eigenſchaften aber, welche der Seele übereinſtimmend von verſchiedenen Religionen zugeſchrieben werden, wollen wir als wahre Attribute derſelben anerkennen. Auf die Detailprüfung der Seelenvorſtellungen kann ich hier nicht eingehen, denn eine ſolche möchte uns zu weit führen. Als allgemeines Reſultat der Vergleichung verſchiedener Seelenvorſtellungen können wir hinſtellen, daß folgende Eigenſchaften der Seele ſtets zugeſchrieben werden: 1. Die Seele iſt lebendig. 2. Sie überlebt den Körper und kann ohne ihn exiſtieren. 3. Während des Lebens iſt die Seele im Körper enthalten. Nach dem Tode nicht mehr. 4. Die Seele iſt mitverantwortlich für die Hand— lungen des Körpers. Nach dem Tode des letzteren wirkt Kauſalität (Vergeltung) noch auf die Seele ein. Die Eigenſchaften 1— 3 kommen ebenſo der im Körper fortlaufend fic) entwickelnden Keimzellen— ſerie zu, wie der Seele und dieſe Attribute der Keim— zellenſerie mögen daher wohl die wahre, wenn auch unerkannte Urſache der Entſtehung der Vorſtellung dieſer Seeleneigenſchaften geweſen ſein. Das Gleiche gilt von Punkt 4, wenn auch hier der Zuſammenhang weniger deutlich hervortritt und es deshalb nötig erſcheint, einiges hierüber zu bemerken. Es iſt ſchon oben darauf hingewieſen worden, daß die Religionsſtifter von der Vorſtellung der 160 nach dem Tode fortlebenden Seele in der Weiſe Gebrauch gemacht haben, daß ſie durch Strafenan⸗ drohung und Lohnverheißung — die Seele nach dem Tode des Körpers betreffend — die Menſchen zu veranlaſſen ſuchten, tugendhaft zu leben. Infolgedeſſen iſt auch in den entwickeltſten Religionen gerade in dieſem Punkte am weiteſten von der wahrheitsgetreuen Urvorſtellung der Nach⸗ wirkung menſchlicher Handlungen auf die Seele ab- gewichen worden und es werden hierüber im Koran und anderwärts die haarſträubendſten Dinge gelehrt. Es läßt ſich jedoch auch hier der wahre Kern aus der phantaſtiſchen Schale herausſchälen und man kommt zu dem Schluß, daß gute Handlungen für die Seele (nach dem Tode des Körpers) von Vorteil, böſe Handlungen aber von Nachteil ſind. Nicht anders kann man das mohammedaniſche Paradies — 70 Jungfrauen, untadelig und ſchön per Mann — und die chriſtliche Hölle — ewiges Braten im Feuer und Schwefeldampf — erklären, wie als kraß anthropomorphiſtiſche, dem Dümmſten verſtändliche Verſinnlichung dieſer Thatſache. Was ſind aber gute Handlungen, und was böſe? Die Frage iſt leicht geſtellt; ſie kann aber ohne Berückſichtigung äußerer Umſtände in keinem Falle beantwortet werden. Es gibt keine an ſich guten und böſen Handlungen. Selbſt gemeiner und hinter⸗ liſtiger Mord kann unter Umſtänden als glänzend tugendhafte Heldenthat, eine gute Handlung im wahrſten Sinne des Wortes ſein. Man denke nur an Charlotte Corday. Auch die Meinung der Mit⸗ menſchen kann nicht als Kriterium der Güte oder Schlechtigkeit einer Handlung acceptiert werden, da von verſchiedenen Parteien oft diametral entgegen⸗ geſetzte Anſchauungen über eine und dieſelbe That gehegt werden. So bleibt denn nur das eigene Ge- fühl, das Gewiſſen. Gute Handlungen erzeugen in dieſem Luſt⸗, ſchlechte Handlungen Unluſtgefühl. Daran allein erkennt man ſie. Nun fragen wir weiter: welche Handlungen erzeugen im Gewiſſen Luſt⸗ und welche Unluſtgefühl? Wenn man eine große Zahl von ſpeziellen Fällen unterſucht, erkennt man, daß Handlungen, welche der eigenen Perſon, Humboldt. — Mai 1890. dann der Familie, dann dem Staate und endlich der ganzen Menſchheit zum Vorteil gereichen, gutes Ge⸗ wiſſen erzeugen; ſolche, welche Nachteil bringen, ſchlechtes. Tritt eine Kolliſion der Intereſſen ein, fo iſt es im allgemeinen der Grad der Verwandt⸗ ſchaft (am deutlichſten erkennbar bei den Schotten mit ihren Clans c.), welcher ausſchlaggebend auf den Einfluß einer Handlung auf das Gewiſſen iſt. Gereicht eine That der eigenen Familie (Clan) zum Nutzen, ſo wird ſie auch dann „gutes Gewiſſen“ er⸗ zeugen, wenn ſie dem Staate und der Menſchheit zum Schaden gereicht. Das Gewiſſen iſt eine, durch Zuchtwahl erworbene Eigenſchaft des menſchlichen Geiſtes, welche die Bil⸗ dung und Entwickelung ſtaatlicher Gemeinweſen er⸗ möglicht. Das Gewiſſen treibt uns an, „gute“ Hand⸗ lungen, das heißt ſolche zu verrichten, welche uns ſelber und den Verwandten zum Vorteil gereichen, wobei die Mitmenſchen je nach dem Grade ihrer Verwandtſchaft bevorzugt werden. Das alſo ſind gute, Thaten, und dieſe werden, laut den religiöſen Lehren, der Seele belohnt. Wir finden, daß die einzig mögliche Definition der guten That die iſt, daß ſie den Keimzellenſerien, die aus dem handelnden Individuum hervorgehen (Kinder) zu gute kommen. Weiters eine ſolche, welche andren, mit der eigenen verbundenen, Keim⸗ zellenſerien Nutzen bringt und zwar in Proportion zum Grade der Verbindung (Verwandtſchaft). Es zeigt ſich alſo, daß gerade in dieſem Punkt die landläufigen Vorſtellungen von dem Schickſal der Seele im Grunde übereinſtimmen mit den thatſäch⸗ lichen Wirkungen von Handlungen auf das Gedeihen der eigenen Keimzellenſerie. Wie alle, dem ungebildeten Barbaren unbekannten Naturkräfte durch ihre augenſcheinlichen Wirkungen in ihm gewiſſe unklare und deshalb religiöſe Vor⸗ ſtellungen hervorrufen, welche eine Wiedergabe dieſer Kräfte in anthropomorphiſtiſch verzerrter Form ſind, ſo iſt auch die rätſelhaft erſcheinende Vorſtellung von der unſterblichen Seele gegründet auf eine That⸗ ſache: die Unſterblichkeit und Kontinuität des Keim⸗ plasmas. eber Sklerotinien krankheiten der Pflanzen. In den erſten Frühlingstagen trifft man nicht ſelten auf feuchten Waldwieſen, die von dem Buſchwindröschen bewachſen find, einen geſtielten Schüſſelpilz Sclerotinia (Peziza) tuberosa Rutstr., aus ſchwärzlichen faſt kartoffel⸗ großen Knollen (Sklerotien) hervorkommend, welche unter dem Boden auf dem Rhizom der Anemone nemorosa gewachſen ſind. Das Myeel dieſes Pilzes durchwuchert die Anemonen und macht ſie erkranken. Von De Bary ijt vor einigen Jahren die Naturgeſchichte eines anderen viel⸗ verbreiteten Verwandten dieſes Pilzes Sclerotinia (Peziza) Sclerotiorum eingehend unterſucht worden, welcher bald ſaprophytiſch, d. h. als Moderpilz, auftritt, bald die ver⸗ ſchiedenſten Pflanzen erkranken macht und tötet. Der Ur⸗ Heber des Kleekrebſes Sclerotinia ciborioides F., wie der Urheber des „ſchwarzen Rotzes“ der Zwiebelgewächſe Sel. bulborum Wakker ſind weitere Verwandte dieſes, aus einem knolligen Dauerzuſtand des Mycels, einem Skle⸗ rotium hervorgehenden Schüſſelpilze. — Sie alle ſcheinen einer zweiten Fortpflanzungsweiſe, eines Konidienzuſtandes zu entbehren (denn die von Brefeld bei S. tuberosa und 8. Sclerotiorum gefundenen Spermatien ſind nicht keim⸗ fähig). Daneben find in der Neuzeit eine Reihe anderer Sklerotinien unterſucht worden, die zugleich einen beſon⸗ deren Konidienzuſtand beſitzen. Woronin hat über die Sklerotinien der Heidelbeeren (8. baccarum), Preiſel⸗ beeren (8. Vaccinii), Moosbeeren (S. Oxycocci), Rauſch⸗ beeren (S. megalospora), die mit Ausnahme der letztge⸗ nannten auch in Deutſchland vorkommen (vgl. P. Aſcherſon Humboldt. — Mai 1890. 161 und P. Magnus: Die weiße Heidelbeere [Vaccinium Myrtillus L. var. leucocarpum Hausm.| nicht identiſch mit der durch Sclerotinia baccarum Schröt. [Rehm] ver- urſachten Sklerotienkrankheit. Ber. d. D. B. Geſch. 1890 VII, S. 387-400), eine beſondere Arbeit veröffentlicht. Die Konidienſchläuche dieſer Pilze dringen in die Blüte ein und erzeugen an Stelle der Beere ein Sklerotium, aus dem dann die kleinen Pilzſchüſſeln mit einer Schlauch⸗ fruktifikation hervorgehen. Aus dieſer geht ſodann ein Konidien bildendes Myeel hervor, welches das Verſchimmeln der vegetativen Organe der genannten Beerenfrüchter bewirkt. Im Jahre 1889 trat im Erzgebirge an ver⸗ ſchiedenen Stellen eine Krankheit der Ebereſchen ziemlich verheerend auf, auf die ich durch Herrn Kaufmann H. Beyer in Greiz aufmerkſam gemacht wurde. Hier werden die Beeren in ähnlicher Weiſe mumifiziert und in Sklerotien umgewandelt, wie bei den Woroninſchen Sklerotinien und eine botrytisähnliche Konidiengeneration trägt zur raſchen Verbreitung der Krankheit weſentlich bei. Ich habe den Urheberpilz dieſer Krankheit, der ſich aus den mumifizier— ten Vogelbeeren entwickelt, Sclerotinia Aucupariae ge- nannt. Eine weitere Sclerotinienkrankheit, die mir durch Herrn Gymnaſiallehrer Kurz in Neubrandenburg bekannt wurde, tritt ſeit einigen Jahren in Mecklenburg an den Schneeglöckchen auf. Blütenknoſpen und Blätter kommen, durch das Mycelium des Pilzes (S. Galanthi) verunſtaltet, förmlich in einen Pilzklumpen verwandelt, aus der Erde hervor, um bald völlig zu Grunde zu gehen. Die Sklerotien überwintern in den Zwiebeln, während die Ronidien- generation an jenen Pilzklumpen zur Entwicklung kommt. Von einem vielverbreiteten Uebelthäter, der Peziza Fuckeliana iſt die Konidienform ſchon ſeit langer Zeit unter dem Namen Botrytis cinerea bekannt. Bringt man Weinlaub unter eine Glasglocke, ſo ſieht man dieſe Schimmelform ſehr bald zur Entwicklung kommen; ſie findet ſich auch an modernden Birnen, faulenden Zwiebeln und ſonſt häufig als Saprophyt. Daß der Pilz auch als Schmarotzer auftritt, iſt weniger lange bekannt. Als echten Schmarotzer fanden ihn Zimmermann auf den friſchen Blättern vieler Gewächshauspflanzen, Eidam auf Kohl⸗ köpfen, Klein und Sorokin auf den männlichen Blüten⸗ kätzchen des Wacholders, der Lebensbäume und Eiben. Nach Ward verurſacht er in England eine Krankheit der Lilien und Dr. E. Kißling, der ſeine Lebensverhältniſſe neuerdings näher ſtudiert hat (zur Biologie der Botrytis einerea Dresden 1889. 32 S.), fand ihn als Urheber einer ſehr ausgebreiteten Krankheit des gelben Enzians, als Urheber eines Blattfalles der Roßkaſtanie und als Feind der Ge- wächshauspflanzen im Winter. Kißling hat durch zahl⸗ reiche Verſuche und Beobachtungen feſtgeſtellt, daß die Sklerotien des Pilzes — im Gegenſatz zu den von De Bary ſtudierten des 8. Selerotiorum — nur reproduktive Keim⸗ fäden zu bilden vermögen, indem das aus ihnen hervor— gehende Mycel völlig unfähig iſt, eine Infektion zu be⸗ wirken, wohl aber Konidien erzeugt. Die aus den Konidien hervorgehenden Mycelien vermögen in Blätter, Stengel und andere harte Gewebe nicht einzu⸗ dringen, ſondern befallen in der Regel die Pflanze von der Blüte aus, deren Narben und Staubbeutel fie durchwachſen. Erſt nach vorangegangener Auf⸗ zucht in dieſen zarten Geweben, oder nach einer längeren ſaprophyten Ernährung, wird das Mycel befähigt, auch andere Pflanzen— teile zu befallen. Die Blattſtellen, an denen dies geſchieht, werden gebräunt und zerſetzt. Die Urſache dieſer Fäulnisflecken iſt ein von den Pilzfäden ausgeſchiedenes Enzym. So wurden an einem Landhauſe bei Bern infolge eines Platzregens, der die botrytiskranken Blütenſtände auf die Blätter herabwarf, die Blätter der Roßkaſtanienbäume infiziert, bekamen die bekannten Fäulnisflecke der Botrytis (die ſpäter auch auf der unteren Blattfläche hervorbrach) und fielen vorzeitig ab. Greiz. Prof. Dr. F. Ludwig. Die Verteilung des blonden und brünetten Typus in Frankreich. Der hervorragende franzöſiſche Anthropolog Paul Topinard hat kürzlich in der Revue d' Anthropologie (Jahrg. 1889, S. 513 ff.) über die Ergebniſſe der auf ſeine Anregung hin und unter ſeiner Leitung in Frankreich unternommenen ſtatiſtiſchen Erhebungen, betreffend die Ver⸗ teilung des blonden und brünetten Typus im franzöſiſchen Volke, berichtet. Wenn auch nicht von ſolchem Umfange, wie die unter Virchows Leitung an 6 Millionen Schul⸗ kindern des Deutſchen Reiches vorgenommenen Unter— ſuchungen, ſind doch die Topinardſchen Erhebungen, welche mit Hilfe von zu dieſem Zwecke hergeſtellten und nach allen Departements und Arrondiſſements Frankreichs verſendeten Fragebogen ausgeführt wurden und die ſich auf 200 000 erwachſene Perſonen erſtrecken, von hoher wiſſenſchaft— licher Bedeutung. Die Ergebniſſe der in Rede ſtehenden Unterſuchungen wurden von Topinard in kartographiſcher Form zur Darſtellung gebracht und zwar in der Art und und Weiſe, daß um die Verbreitung des dunklen Haares und hellen Haares, der dunklen Augen, hellfarbigen Augen, ſowie auch noch beſonders diejenige der blauen Augen, Humboldt 1890. zur Anſchauung zu bringen, beſondere Karten angefertigt wurden. Ein noch größeres Intereſſe bietet die von Topi- nard in der Revue d' Anthropologie reproduzierte Karte, welche die Verteilung des blonden Typus (helles Haar, hellfarbige Augen und heller Teint) und des brünetten Typus (dunkles Haar, dunkle Augen und dunkler Teint) nebeneinander zur Darſtellung bringt, wobei die extreme Blondheit, die etwas geringere Blondheit, die extrem— brünette und die etwas weniger ausgeſprochene brünette Haar- und Augenfarbe durch 4 verſchiedene Schraf⸗ fierungen veranſchaulicht werden. Dieſe Karte zeigt auf den evften Blick, daß Frankreich in zwei große Zonen, nämlich in eine nordöſtliche blonde (bezw. relativ blonde) und in eine ſüdweſtliche brünette (bezw. relativ brünette) Zone zerfällt. Dieſe beiden großen Zonen werden von— einander geſchieden durch eine große Linie, welche in diago- naler Richtung von Savoyen zum Departement Finistère — alſo von der ſüdöſtlichen Ecke zur nordweſtlichen Ecke Frankreichs — in etwas unregelmäßigem Zickzack verläuft. In jeder der beiden Zonen giebt es nur ein einziges oy 162 Humboldt. — Mai 1890. Departement, welches von der Geſamt⸗Augen⸗ und Haar⸗ farbe der betreffenden Zone abweicht, nämlich das Departe⸗ ment Cote d'Or in der nordöſtlichen, das Departement Charente Inférieure in der ſüdweſtlichen Zone. Erſteres Departement bildet eine brünette Inſel innerhalb der blonden bezw. relativ blonden Zone, letzteres Departement eine blonde Inſel innerhalb der brünetten bezw. relativ brünetten Zone. Von der blonden Zone ragen zwei Aus⸗ läufer in nordſüdlicher Richtung ſich erſtreckend in das Gebiet der brünetten Zone hinein, nämlich einer, der ent⸗ lang dem linken Rhoneufer von Norden nach Süden verläuft und die Departements Isére, Dröme und Vaucluse umfaßt, und ein zweiter, der vom Departement Loiret ausgehend und die Departements Le Cher und La Creuse umfaſſend bis in das centrale Gebirgs⸗ maſſiv Frankreichs vordringt. In der nordöſtlichen Zone zerfällt dasjenige Terrain, welches den extremen Grad der Blondheit umfaßt, in drei Abteilungen, nämlich eine die das Littoral des Kanals La Manche umfaßt, eine zweite, die ſämtliche Departements von den Ardennen und der Maas bis zum Departement Haute-Marne in ſich ſchließt, und eine dritte Abteilung, die entlang der öſtlichen Grenze verläuft und von Elſaß⸗Lothringen !) bis zum Jura und Departement Ain (letzteres miteingeſchloſſen) ſich erſtreckt. In der ſüdweſtlichen Zone gliedern ſich die Departements, welche durch beſonders dunkle Färbung der Augen und Haare ihrer Bevölkerung gekennzeichnet ſind, ebenfalls in 3 Gruppen, nämlich: 1. die liguriſche Gruppe, die von den Seealpen bis zur Rhonemündung reicht und zu der auch die Inſel Corſika gerechnet werden muß. 2. Eine weitere brünette Gruppe, die von der Rhonemündung ausgehend entlang der Mittelmeerküſte und dem Nord⸗ abhang der Pyrenäen ſich hinzieht und 3. eine von dem letztbezeichneten Terrain nordöſtlich gelegene Gruppe von Departements mit extrem brünetter Bevölkerung. Topinard nimmt an, daß die blonde Bevölkerung von 2 Grenzen aus nach Frankreich eingewandert iſt, nämlich einerſeits zu Lande über jene ausgedehnte Grenzlinie, die von Belgien bis zur Schweiz reicht, und andererſeits zur See über jene Küſtenlinie, die von der belgiſchen Grenze ſich bis Vannes (Bretagne) erſtreckt; er weiſt darauf hin, daß auf dem Landwege die Franken und Burgunder, auf dem Seewege die Sachſen, Normannen und Bretonen in Frank⸗ reich eingedrungen ſind. Die dunklen Volkselemente ſind nach Topinard einerſeits von Ligurien, andererſeits von der iberiſchen Halbinſel aus in Frankreich eingezogen. Ein Strom von blonden Einwanderern iſt dem linken Rhoneufer auf dem Zuge nach Süden gefolgt; ein Strom der dunklen Bevölkerung hat von der Gegend von San Sebaſtian aus entlang dem Golf von Biscaya ſich nord⸗ wärts bis zur Vendée ergoſſen, wo er auf blonde Volks⸗ elemente ſtoßend nach dem Innern des Landes zurück⸗ flutete und dem Laufe der Loire bis in die Gegend von Blois gefolgt iſt. Daß noch beſondere Umſtände die Ver⸗ teilung des blonden und brünetten Typus beeinflußt haben, läßt ſich wohl kaum bezweifeln. So iſt z. B. die ) Daß auf der die Verteilung des blonden und brünetten Typus veranſchaulichenden Karte Elſaß-Lothringen als integrierender Beſtandteil Frankreichs dargeſtellt iſt — dies wollen wir der franzöſiſchen Eitelkeit zu gute halten. Unterbrechung, welche der entlang dem Golf von Biscaya nordwärts flutende Strom der brünetten Bevölkerung in dem Departement Charente Inférieure erleidet, teils auf den in Saintonge zur Geltung gekommenen engliſchen Einfluß, teils auf die Konzentration der vorwiegend dem blonden Typus zugehörigen Hugenotten in dieſem Gebiete (wir erinnern hier nur an die Rolle, welche La Rochelle als Hauptbollwerk der letzteren geſpielt hat) zurückzuführen. Auf einem ähnlichen Umſtand beruht wahrſcheinlich auch die extreme Blondheit der Bevölkerung des Departements Le Morbihan. Die Geſchichte lehrt, daß noch vor Beginn der chriſtlichen Aera blonde Kymrier (Nordkelten) daſelbſt eine Kolonie begründet und die Stadt Vannes erbaut haben; andererſeits ſind die von jenſeits des Kanals kommenden Bretonen hauptſächlich an der Nordküſte der heutigen Bretagne (Departement Cotes du Nord) ge⸗ landet. An der Peripherie der Bretagne herrſchen daher die blonden Volkselemente vor, während in dem gebirgigen Zentrum der Halbinſel das dunklere armorikaniſche Volks⸗ element zu prädominieren ſcheint. Zwiſchen das liguriſche und pyrenäiſche Zentrum der dunklen Bevölkerung ſchiebt ſich eine Bevölkerung ein, deren Haar zwar noch dunkel iſt, deren Augenfarbe aber heller iſt als diejenige der um⸗ gebenden Gebiete; auch in den Departements L' Ain, La Haute-Vienne, Cotes du Nord und anderwärts findet ſich eine Bevölkerung, die hinſichtlich der Haare zu den brünetten, hinſichtlich der Augenfarbe zu dem blonden Typus gerechnet werden muß. Es tritt überall jene von Topi⸗ nard und Soren Hanſſen konſtatierte Geſetzmäßigkeit hervor, wonach bei einer aus blonden und brünetten Elementen gemiſchten Bevölkerung der blonde Typus regelmäßig in der Augenfarbe, der brünette in der Haarfarbe zum Aus⸗ druck kommt. Topinard ſtellt auch eine Vergleichung an zwiſchen der Bevölkerung, der beiden größten Städte Frankreichs. Während in Paris die hellen Augen die dunklen nur um ein Geringes überragen (dunkle Augen bei 49,4, helle Augen bei 50,6% der Bevölkerung), iſt der Unterſchied im Prozentſatz der blonden Haare (33,6 %) und brünetten Haare (66,4 %) in der franzöſiſchen Haupt⸗ ſtadt ein beträchtlicher. In Lyon iſt der Unterſchied im Prozentſatz der Augenfarbe ebenfalls kein bedeutender (helle Augen bei 53, dunkle Augen bei 47% der Bevöl⸗ kerung); dagegen tritt das Ueberwiegen der dunklen Haar⸗ farbe in letzterer Stadt noch mehr hervor, indem daſelbſt 25% der Bevölkerung die blonde und 75% der Bevöl⸗ kerung die dunkle Haarfarbe aufweiſen. Jedenfalls ſind bei der Bevölkerung von Lyon die brünetten Elemente in größerer Anzahl vertreten, als bei derjenigen von Paris. Dies ſteht in Uebereinſtimmung damit, daß die Gegend, in der Paris gelegen iſt, urſprünglich von den keltiſchen Sequanern bewohnt, ſpäter aber von den blonden Belgen erobert wurde und ſowohl von Cäſar wie von Strabo zum Gebiet der letzteren gerechnet wird; auch iſt die heutige Metropole Frankreichs Jahrhunderte hindurch einer der Hauptſitze der merowingiſchen und karolingiſchen Herrſcher geweſen, die den blonden Adel und blonde Krieger mit Vorliebe um ſich ſcharten. Andererſeits iſt Lyon gerade auf jener Route gelegen, welche die brünetten Gallier auf ihren Zügen nach Italien einſchlugen. Kaſſel. Dr. M. Alsberg. Humboldt. — Mai 1890. 163 Jortſchritte in den Katurwiſſenſchaften. Meteorologie. Von Dr. W. J. van Bebber in Hamburg. Jahresverſammlung der Deutſchen und Geſterreichiſchen meteorologiſchen Geſellſchaft. Inſtruktion des Preußiſchen und Norwegiſchen meteoro- logiſchen Inſtitutes. Stationen in Vorderaſien. Wetterkarten in Rußland. Lehrbiicher der Meteorologie. Thermodynamik der Utmofphare. Beobachtungen an klimatiſchen Kurorten. Inſtrumentenkunde. Luftdruckkarten für die Ozeane. Tägliche Suftdruckſchwankungen. Wind- geſchwindigkeit in Rußland, an der deutſchen Küſte. Föhnwind in Görz und Grönland. Cemperaturverteilung in den Karpatenlandern und Süddeutſchland. Temperatur zu Maſſaua. Element. Wolkenelemente und Entſtehung der Hydrometeore. Algerien. Bodentemperatur in HKatherinenburg. Sonnenſcheinmeſſungen. Gewitterfortpflanzungsgeſchwindigkeit, Gewitter und Hagelſchläge, Gewitter in Geſterreich und Skandinavien. Hlimatologifche Arbeiten. Temperatur des Schnees. Feuchtigkeit als klimatiſches Niederſchlagsverhältniſſe Deutſchlands. Schneehöhe. Elmsfeuer. Hageltage in Vom 23.—25. April 1889 tagte in Berlin die vierte allgemeine Verſammlung der Deutſchen meteoro— logiſchen Geſellſchaft “) welche unter anderem beſchloß, den Vorort, welcher bisher in Hamburg geweſen war, nach Berlin zu verlegen. Während der Sitzungen wurden eine Reihe von wiſſenſchaftlichen Vorträgen gehalten. Die Mit— gliederliſte der Deutſchen meteorologiſchen Geſellſchaft wies damals nach: 17 Ehrenmitglieder, 30 korreſpondierende Mitglieder, 3 ſtiftende und 375 ordentliche Mitglieder. Außerdem befinden ſich in Berlin, München, Hamburg und Rudolſtadt Zweigvereine dieſer Geſellſchaft, welche im An— ſchluß an den Hauptverein zur Verbreitung meteorologiſcher Kenntniſſe nicht unerheblich beitragen!“). In dem vorher— gehenden Monate (1. März) fand in Wien die Jahres— verſammlung der Oeſterreichiſchen Geſellſchaft für Meteorologie ſtatt (Mitgliederzahl im ganzen 289). Beide Geſellſchaften geben zuſammen eine Zeitſchrift heraus, welche unter der Redaktion von Hann und Köppen in Wien verlegt wird. — Im September 1889 tagte in Paris der dritte internationale Meteorologenkongreß. Bemerkenswert iſt das Erſcheinen neu ausgearbeiteter Anleitungen zu meteorologiſchen Beobachtungen zweier in der Wiſſenſchaft hochſtehender Inſtitute, nämlich des kgl. Preußiſchen und des Norwegiſchen meteorologiſchen Inſtitutes, welche beide in trefflichſter Weiſe den Beobachter unterweiſen, wie er ſeine Inſtrumente zu behandeln und ſeine Beobachtungen anzuſtellen hat, damit dieſe die größt⸗ möglichſte Verwertbarkeit erlangen. Während das norwegiſche Syſtem ſich einer 20jährigen ruhigen Entwickelung erfreut, hat das (ältere) preußiſche Syſtem vor einigen Jahren eine Umgeſtaltung unter Hinzuziehung bewährter Fachmänner und unter ſehr erheblicher Vermehrung ſeiner bis dahin recht beſcheidenen Mittel erfahren. In Vorderaſien ſind eine Reihe von meteorologi— ſchen Stationen errichtet worden (Quetta, Buſhire, Aden, Meſhed), wodurch das indiſche Beobachtungsnetz nach Weſten ausgedehnt wird, ſo daß dasſelbe nach und nach einen Anſchluß an die europäiſchen meteorologiſchen Stationen erhalten dürfte“). Von großer Bedeutung für die ſynoptiſche Meteoro- logie iſt, daß das phyſikaliſche Zentralobſervatorium in St. Petersburg ſeit Mai 1889 Wetterkarten und Pro— gnoſen veröffentlicht, und zwar Morgen- und Abendkarten, ) Dieſe Zeitſchrift Jahrg. 1889, S. 236. ) Met. Zeitſchr. 1889, S. 269. ) Report of the Met. Dep. of the Gov. of India (1887/88). fo daß uns jetzt ein Kartenmaterial vorliegt, welches ſchon nach 1— 2 Tagen die Witterungsvorgänge von den Küſten des Atlantiſchen Ozeans oſtwärts bis über den Ural hin— aus eingehend und überſichtlich zu verfolgen ermöglicht. Wenn wir uns nun den Schriften über allgemeine Meteorologie zuwenden, ſo haben wir zunächſt eine Reihe von Lehrbüchern zu erwähnen, welche in letzter Zeit erſchienen ſind und welche mehr oder minder einen verſchiedenen Zweck verfolgen. Beſprechungen derſelben finden ſich teils in dieſer Zeitſchrift, teils in der Meteoro- logiſchen Zeitſchrift, jo daß es genügen wird, hier nur die Verfaſſer namhaft zu machen. Dieſe find: Günther), van Bebber), Marchi***), Millot+) und Martin ). Das letztere Werk dient ausſchließlich maritimen Zwecken. Eine Reihe von intereſſanten theoretiſchen Unterſuchungen „zur Thermodynamik der Atmoſphäre hat v. Bezold veröffentlicht). Der von v. Bezold eingeſchlagene Weg verſpricht erhebliche Erfolge. Dieſe Unterſuchungen ſpielen nach Anſicht des Verfaſſers eine ähnliche Rolle, wie etwa die Unterſuchungen des ſogenannten ſolaren Klimas in der Klimatologie, und es läßt ſich wohl nicht in Ab— rede ſtellen, daß ſich hierdurch Reihen von Erſcheinungen weit einfacher im Zuſammenhang überblicken laſſen werden, als dieſes bisher möglich war. „Auch wird man durch ſie in den Stand geſetzt, auf dem Wege allmählicher Annäherung und unter fortwährender Verminderung der beſchränken— den Vorausſetzungen an die Löſung von Fragen heranzu— treten, vor deren Bearbeitung man wegen der Menge der zu beachtenden verwickelnden Einflüſſe ohne ſolch leiten— den Faden ſchon von vorneherein zurückſchrecken würde.“ Unter Benutzung der Hannſchen Meteorologie hat Aßmann die „Pflege der Meteorologie an klima— tijden Kurorten“ bejprodjen§). Aßmann weiſt darauf hin, daß man nicht das Recht habe, einen Ort einen klima— ) Günther, Die Meteorologie, ihrem neueſten Standpunkte ge— mäß mit beſonderer Berückſichtigung geographiſcher Fragen dargeſtellt. München, Ackermann. 1889. ) van Bebber, Lehrbuch der Meteorologie für Studierende und zum Gebrauche in der Praxis. Stuttgart, Enke. 1890. ) Mardi, Meteorologia generale. Milano, Hoepli. 1888. +) Millot, Cours de météorologle professé à la faculté des sciences de Nancy. Nancy, 1887. ti) Martin, Text book of Ocean meteorology, compiled from Saching Directories for the Oceans of the World. London, Find⸗ lay. 1887. 8 Ti+) Zur Thermodynamik der Atmoſphäre (Sitzungsberichte d. Berliner Akademie f. 1888). §) Wetter, Jahrg. 1888, S. 121. 164 Humboldt. — Mai 1800. tiſchen Kurort zu nennen, bevor man nicht zweifellos nach⸗ gewieſen habe, daß einerſeits offenkundige Schädlichkeiten der allgemeinen Verhältniſſe an ihm fortfallen und anderer⸗ ſeits ſeine klimatiſchen Eigentümlichkeiten wirklich wert⸗ volle, für die Heilung gewiſſer Krankheitsgruppen aner⸗ kannt wirkſame Bedingungen gewähren, welche ſich an den gewöhnlichen Wohnſtätten der Menſchen gar nicht, oder doch nur in weniger ausgeſprochener Weiſe vorfinden. Die meiſten meteorologiſchen Beobachtungen werden weder mit genügender Sorgfalt noch nach genügender Methode angeſtellt und, was beſonders hier ins Gewicht fällt, iſt man ſich nicht der Zielpunkte bei der Auswahl und Be⸗ arbeitung der Beobachtungen bewußt, welche ausſchließlich der Beziehung des „klimatiſchen Kurortes“ zu ſeinen hygieniſch⸗klimatiſchen Verhältniſſen entſprechen. Daher ſucht der Verfaſſer in großen Zügen die wichtigſten Punkte der allgemeinen Klimatologie zu erörtern, welche bei der Beurteilung des Wertes „klimatiſcher Kurorte“ vor allen andern ins Gewicht fallen und gibt hieran anſchließend einen kurzen Abriß einer Anleitung zur zweckentſprechen⸗ den Anſtellung korrekter meteorologiſcher Beobachtungen. Hiernach beſpricht der Luftdruckes, der Lufttemperatur und der ſtrahlenden Wärme, der Luftfeuchtigkeit, des Windes und der Nieder⸗ ſchläge, aus welchen Faktoren ſich hauptſächlich die Be⸗ dingungen für einen klimatiſchen Kurort ergeben. Verfaſſer muß die prinzipiell wichtige Frage, ob unſere klimatiſchen Kurorte in ihren klimatiſchen Verhältniſſen den an den⸗ ſelben thätigen Aerzten, ſowie den außerhalb derſelben wohnenden Intereſſenten ausreichend bekannt ſind, im allgemeinen mit „nein“ beantworten. Der Eindruck iſt allein nicht maßgebend, insbeſondere dann, wenn noch Wünſche dabei in Frage kommen. Mit zweckmäßig ange⸗ ſtellten und zuverläſſigen Beobachtungen im Sinne Aßmanns allerdings dürfte manchen klimatiſchen Kurorten nicht ſehr gedient ſein, indem ſie Gefahr liefen, ihren „altbe⸗ währten Ruf“ zu verlieren. Auf dem Gebiete der Inſtrumentenkunde ſind einige Fortſchritte hervorzuheben. Zunächſt ſind die Regi⸗ ſtrierapparate für Windgeſchwindigkeit und Windrichtung, ſowie für Regenfall von Sprung und Fueß zu erwähnen, welche es ermöglichen, den Gang dieſer meteorologiſchen Elemente kontinuierlich zu verfolgen“). Vermöge einer Uhr wird einem Schreibſtifte eine gleichförmige Bewegung er⸗ teilt, quer über einen Papierſtreifen hinweg, ſo zwar, daß derſelbe in einer Stunde vom linken zum rechten Rande des Papierſtreifens gelangt, am Ende einer jeden Stunde aber nach dem linken Rande des Streifens zurückſchnellt. Der letztere Teil der Bewegung liefert dann die Stunden⸗ marken. Das ganze Ergebnis iſt eine vollkommene konti⸗ nuierliche Aufzeichnung, deren Einzelheiten ſofort verwendet werden können. — Neue Konſtruktionen von Barometern werden beſchrieben in Philosoph. Magazine (1888, Ser. 5, Vol. 26, S. 458) und in Wiedemanns Annalen (1889, Bd. 56, S. 763). — Im Mat vorigen Jahres fand in London eine Ausſtellung von Apparaten zur Meſſung der Sonnen⸗ ſtrahlen ſtatt, auf welcher die verſchiedenſten Inſtrumente ) Meteor. Zeitſchr. 1889, S. 344, Zeitſchr. f. Inſtrumentenkunde 1882, S. 206, u. 1884, S. 300. Verfaſſer die Bedeutung des vertreten waren. Solche Ausſtellungen ſind ſehr geeignet, zur Vervollkommnung der meteorologiſchen Inſtrumente bei⸗ zutragen, wobei die Einrichtung, jedesmal nur Inſtrumente einer beſtimmten Gattung vorzuführen, durchaus zweck⸗ mäßig erſcheint !). Neue Karten für die Verteilung des Luftdruckes über dem Atlantiſchen, Indiſchen und Stillen Ozean ſind von dem meteorologiſchen Council in London herausgegeben worden, und zwar für die die Jahreszeiten repräſentieren⸗ den Monate Februar, Mai, Auguſt und November, wo⸗ durch die bisherigen Luftdruckkarten eine weſentliche Ver⸗ beſſerung erhalten haben. — Sehr lehrreiche Unterſuchungen über den täglichen Gang des Luftdruckes ſind von Hann angeſtellt worden“). Dieſe zeigen, daß die tägliche Periode der Luftdruckſchwankung zurückzuführen ſei auf eine Wärmewirkung der Sonne auf die oberen Schichten der Atmoſphäre, was insbeſondere auch aus dem Nach⸗ weiſe hervorgeht, daß der Wechſel der Entfernung der Sonne von der Erde im Laufe des Jahres auch eine Aenderung in der täglichen Barometerſchwankung zur Folge hat. Die täglichen Barometerſchwankungen ſind zurückzu⸗ führen auf die Interferenz zweier Schwankungen, von denen die eine eine ganztägige iſt, abhängig von der Tem⸗ peratur des Beobachtungsortes, welche ſich alſo von Ort zu Ort und von Zeit zu Zeit ändert, während die andere eine Doppelwelle darſtellt, die überall gleichmäßig ver⸗ läuft. — Aus der Vergleichung der täglichen Luftdruck⸗ periode an den Stationen München, Wendelſtein und Bayriſchzell leitet Erk folgendes Ergebnis ab: „Der Einfluß des Gebirges auf die tägliche Luftdruckperiode durch Ver⸗ lagerung von Luftmaſſen, welche ſich in der Erſcheinung der Berge und Thalwinde einſtellt, läßt fic) durch die Ver⸗ gleichung der täglichen Luftdruckperiode nach den Regi⸗ ſtrierungen der genannten drei Stationen nachweiſen.“ Auf dem Wendelſtein zeigen ſich nämlich eine Verſchiebung des Vormittagsmaximums auf den Mittag und eine ge⸗ ringere Intenſität des Abendminimums ! *). Der tägliche und jährliche Gang und die Ver⸗ teilung der Windgeſchwindigkeiten im ruſſiſchen Reiche) find von Kiersnowskij eingehend unterſucht worden. Die größten Windgeſchwindigkeiten (Mittel 6, 3 m per Sek.) haben die Oſtſeeprovinzen, auch am Weißen Meere, auf dem Kaſpiſee, im Gebiet der nordruſſiſchen Seen und in der Steppe haben die Windgeſchwindigkeiten einen größeren Wert, geringer dagegen ſind die Windgeſchwindig⸗ keiten in den Waldgebieten und im Kaukaſus. Nach dem Innern Aſiens hin nimmt die Windgeſchwindigkeit immer mehr ab, in Transbaikalien tritt das Minimum (1,5 m per Sek.) ein. Weiter oſtwärts nach dem Stillen Ozean wächſt die Windgeſchwindigkeit wieder an. In der jähr⸗ lichen Periode tritt ziemlich einheitlich das Maximum der Windgeſchwindigkeit im Winter, das Minimum im Sommer ein. Dem Kaſpigebiet, dem Ural und Weſtſibirien mit Mittelaſien iſt ein Maximum im Frühjahr und ein Mini⸗ ) Nature, Bd. 39, S. 523. **) Denkſchriften der Akad. d. Wiſſenſch., Bd. 60, Math, nat. Cl. Wien, 1889. ***) Beobachtungen d. meteorolog. Stationen im Königreich Bayern, Bd. 10, 1888. +) Repert. f. Meteor., Bd. 12, Nr. 3. St. Petersburg, 1889. Humboldt. — Mai 1890. 165 mum im Sommer oder Herbſt eigentümlich. In Oſt⸗ ſibirien fällt das Minimum auf den Winter. Die tägliche Schwankung zeigt in ausgeſprochener Weiſe die Abhängig— keit der täglichen Periode der Windgeſchwindigkeit von der Bewölkung: die größte Amplitude fällt auf die heiterſte Jahreszeit, in Oſtſibirien auf den Winter, im übrigen auf den Sommer. Im allgemeinen nimmt die Amplitude regelmäßig mit der Heiterkeit des Himmels gegen Often zu und iſt auf dem Lande größer als auf dem Meere. — Die tägliche Periode der Windgeſchwindigkeit an der deutſchen Küſte iſt vom Verfaſſer dieſes auf Grund achtjähriger Beobachtungen (1878/85) für Keitum, Hamburg und Sivine- münde unterſucht worden; am kleinſten iſt die Amplitude im Winter, am größten im Sommer, wo der Wind etwas nach Mittag durchſchnittlich um das 1½ fache anſchwillt“). — Ein Föhnwind aus oſtnordöſtlicher Richtung wurde am 10. Januar 1888 in Görz beobachtet“ *). Die relative Feuchtigkeit betrug 28%, während die Temperatur das Maximum 18° C. erreichte. — Die Föhnerſcheinungen in Grönland find von Pauljen***) und Hann) ftudiert worden. Nach Hann liegt im Winter über dem eisbe— deckten Innern Grönlands ein barometriſches Maximum, und daher iſt anzunehmen, daß während der Zeit des hohen Luftdruckes, vor dem Herannahen der Minima vom Weſten her, die Erſcheinung der Wärmezunahme mit der Höhe in Grönland anzutreffen iſt, gerade ſo wie in den Alpen: „Die im Gebiete des Luftdruckmaximums über dem grönländiſchen Plateau herabſinkende Luft wird relativ milde ſein, wenn auch nicht mehr auf dem Plateau ſelbſt. Gleichzeitig fließen dann die durch Strahlung auf dem Plateau erkalteten Luftmaſſen als lokale kalte Thalwinde in die Fjorde hinab und hinaus. Es ſind dieſes die kalten Oſtwinde, die noch kurz von dem Herannahen des Mini— mums wehen. Sowie aber der Impuls des herannahen— den Minimums die Luft in ſtärkere allgemeine Bewegung verſetzt, ſtürzt die Luft aus größeren Höhen in die Fjorde hinab und die in dieſen Höhen milde Luft der Anticyklone, gegen das Minimum hingezogen, nimmt die Eigenſchaften des Föhns an. Derart folgen auf die eiſigen lokalen Oſt— winde ganz unvermittelt die warmen Oſtwinde, der Föhn. — Rückt das Minimum näher heran, ſo werden immer mehr und mehr Luftmaſſen fernerer Gegenden herbeige— zogen, die Erwärmung wird allgemein und iſt nicht mehr bloß auf die Föhnlokalitäten beſchränkt; ſie wird zugleich gleichmäßiger. Föhnwinde ſind durch ihr Herabſinken von einem Gebirge lokal ſtärker erwärmte Luftſtrömungen im Gefolge vorüberziehender Minima. Die allgemeine Luft- bewegung bewirkt dann auf der einen Seite des Gebirges Niederſchläge, welche eine verminderte Abkühlung der auf— ſteigenden Luft bewirken und dadurch die Fortdauer des Föhns auf der anderen Seite ſichern.“ Eine ausführliche Auseinanderſetzung über die Wind— verhältniſſe, über das Wetter und über das Manövrieren in Stürmen für die Segelrouten der ganzen Erde nach dem neueſten Standpunkte der Wiſſenſchaft iſt von Döring ) Leopoldina, Bd. 25, 1839. **) Meteor. Zeitſchr. 1889, S. 192. ***) Ebenda, S. 112. +) Ebenda, S. 378. herausgegeben worden“). Das Werk hat vor manchen anderen den Vorzug, daß es von einem bewährten See— mann geſchrieben iſt. Ueber die mittlere Verteilung der Temperatur in Oſtſchleſien, Galizien, Bukowina, Oberungarn und Sieben- bürgen, ſowie in Süddeutſchland find zwei wertvolle Unter— ſuchungen erſchienen, nämlich von Margules“ ) und Singer! ). Sowohl rückſichtlich der Methoden als der Ziele ſchließen ſich dieſe Arbeiten eng an die Hannſche Unterſuchung über die Temperaturverhältniſſe der öſter— reichiſchen Alpenländer an. In der erſteren Arbeit wurde das Beobachtungsmaterial von 120 Stationen, in der letzteren dasjenige von 55 bayriſchen, 24 württember— giſchen und 20 badiſchen verwertet. Aus der Singerſchen Arbeit ergibt ſich klar der Einfluß der geographiſchen Breite ſowie die thermiſche Begünſtigung des Weſtens. Die auf das Meeresniveau reduzierten mittleren Jahrestempera⸗ turen betragen für die Rheinpfalz 10,0 für Nordweſt-Bayern 9,7“ und für Nordoſt⸗Bayern 9,1 C., für den Schwarzwald, Lupſeite 10,9“, Leeſeite 9,5“, für den fränkiſchen Jura, Luv⸗ ſeite 9,7, Leeſeite 9,2“, für das Fichtelgebirge und den Frankenwald, Luvjeite 9,2“, Leeſeite 8,4 C. — Die wahren Tagesmittel und die tägliche Variation der Temperatur des ruſſiſchen Reiches find an der Hand eines mafjen- haften Materials von Wahlen unterſucht worden ). — Für den (ſoweit bekannt) heißeſten Ort unſerer Erde (d. h. mit der höchſten Jahrestemperatur) Maſſaua am Roten Meere, gibt Tachini folgende Mittelwerte: Januar 25,2“, Februar 25,30, März 26,4“, April 28,5“, Mai 30,7“, Juni 32,9“, Juli 34,5, September 32,99, Oktober 31,6“, November 28,80, Dezember 26,7, Jahr 29,8 C. Man ſieht hieraus, daß die einzelnen Monate bezüglich der Temperatur ſich nur wenig unterſcheiden und alle außerordentlich heiß ſind. Die Verdunſtung beträgt daſelbſt je nach der Jahreszeit von einer freien Waſſerfläche täglich 4 10 mm im Mittel. Intereſſant ſind die Unterſuchungen über die Boden— temperatur in Katherinenburg, welche eine außerordent— lich ſtarke Zunahme nach der Tiefe zeigt. Nur bei ſehr ſtrenger und anhaltender Kälte dringt der Froſt bis über 2 m Tiefe ein. — Eine umfaſſende Unterſuchung über die Bodentemperaturen an der Sternwarte bei München iſt von Singer angeſtellt worden, über welche wir ſpäter referieren wollen. — Eine Meſſung der Temperatur des Schnees in verſchiedenen Tiefen, welche von Chiftoni++) angeſtellt wurde, ergab, daß die Temperaturſchwankungen der unterſten dem Boden aufliegenden Schicht außer— ordentlich gering waren und daß die oberſte Schicht oft ganz erheblich tiefere Temperaturen (oft bis zu 10°) zeigte, als die unterſte, wobei das Temperaturminimum der auf dem Schnee unmittelbar aufliegenden Luftſchicht ſtets tiefer war, als das Minimum der oberſten Schneeſchicht, während eine etwa 50 em über dem Schnee befindliche ) Der wetterkundige Navigateur. Leipzig. ) Jahrbuch der k. k. Zentralanſtalt f. Meteor. ꝛc. N. F. Bd. 23, Jahrg. 1886. ) Beobachtungen d. meteorolog. Stationen im Königreich Bayern Bd. 10, 1888. +) Suppl. zum Repert. f. Meteor. St. Petersburg, 1887. ++) Rendi conti d. R. Acc. d. Lincei 4. Nov. 1888, Vol. 4. Die Orfane. Oldenburg und 166 Humboldt. — Mai 1890. Luftſchicht wieder höhere Temperatur zeigte als die Luft⸗ ſchicht, welche 3 cm über dem Schnee lag. Vielfach herrſcht noch manche Unklarheit, welcher Aus⸗ druck für die Feuchtigkeit der Luft klimatiſch für den Menſchen der maßgebende iſt, ob abſolute oder relative Feuchtigkeit oder das Sättigungsdefizit (d. h. die Dampf⸗ menge, welche die Luft vermöge ihrer Temperatur bis zur vollen Sättigung noch aufnehmen könnte). Hierüber hat Hann!) eine lehrreiche Abhandlung veröffentlicht. Die abſolute Feuchtigkeit hat man deswegen in klimatiſcher Be⸗ ziehung für wichtig gehalten, weil bei der Atmung die Luft jedesmal auf Körperwärme (37,5 C.) erwärmt wird, ſo daß hierbei nur die wirklich in der Luft enthaltene Waſſermenge oder der Dampfdruck in Betracht fällt. Allein in arktiſchen Gegenden, wo der Dampfdruck zuweilen faſt auf Null herabſinkt, werden über die Lufttrockenheit keinerlei Klagen laut. Anderſeits ſcheint eine bedeutende Minde⸗ rung der Waſſerabgabe aus der Lunge eine Folge ſehr hohen Dampfdruckes zu ſein, wie er namentlich in den Tropen bei nahezu geſättigter Luft vorkommt, wobei aber eine größere Waſſerabgabe durch die Haut ſtattfindet. An Stelle der relativen Feuchtigkeit hat man in neuerer Zeit mehr⸗ fach das Sättigungsdefizit geſetzt. Allein dieſes hat ohne die Kenntnis der dabei herrſchenden Temperatur keine klimatiſche Bedeutung. Denn in arktiſchen Gegenden kann die Luft in Bezug auf unſer Gefühl ſehr trocken ſein, ob⸗ wohl das Sättigungsdefizit wegen der niedrigen Temperatur ſehr gering fein kann. In Oſtſibirien wird nach Midden⸗ dorff der durch die menſchliche Ausdünſtung tagüber feucht gewordene Pelz über Nacht umgewendet auf den Schnee gelegt und am Morgen findet man ihn vollkommen trocken und zwar bei einem Sättigungsdefizit von O mm. In vielen Fällen gibt die relative Feuchtigkeit ein viel beſſeres Bild, als das Sättigungsdefizit. Hann ſpricht ſich ganz entſchieden dagegen aus, das Sättigungsdefizit ohne weiteres an Stelle der relativen Feuchtigkeit zu ſetzen und dieſe zu unterdrücken. Ueber die Entſtehung der Hydrometeore liegen zwei intereſſante Abhandlungen vor, nämlich von Ch. Rit⸗ ter“). Die mikroſkopiſchen Unterſuchungen der wäſſerigen Wolkenelemente ergeben die Beſtätigung der neueren An⸗ ſicht, daß die Wolkenelemente nicht als Bläschen, ſondern als Waſſerkugeln zu betrachten ſind, welche ſich nach zweierlei Arten unterſcheiden. Die einen größeren Elemente be⸗ netzen beim Zuſammenſtoß ſofort, die anderen dagegen prallen beim Anſtoßen elaſtiſch ab und rollen auf der Oberfläche eines Spiegelglaſes, ohne dasſelbe zu benetzen. Den Durchmeſſer dieſer für unſer Auge nicht ſichtbaren Wolkenelemente fand Richter unter dem Mikroſkope meiſt zwiſchen 0,0 23 und 0,045 mm, indeſſen wurden auch Durch⸗ meſſer von 0,0006 mm beobachtet. Jedes Wolkenelement beſteht aus dem Kern von flüſſigem Waſſer, der Ober⸗ flächenhaut und einer adhärierenden Gasatmoſphäre. Je kleiner die Kügelchen ſind, deſto feſter iſt die Oberflächen⸗ haut und deſto ſchwerer laſſen ſich dieſelben deformieren, daher haben dieſe eine viel geringere Fähigkeit zu be⸗ ) Wiener kliniſche Wochenſchrift 1889, Nr. 1819. **) Annuaire de la Société Mét. de France, 33. année, 1885, P. 261, et 35. année, 1887, p. 263. Benutzt wurde das Referat in Meteor. Zeitſchr. 1889, S. [25]. durch Vereinigung ſtatt. netzen, als die größeren. Durch die anhaftende Atmoſphäre wird das ſpezifiſche Gewicht der Wolkenelemente verringert, um ſo mehr, je kleiner ſie ſind und je weniger ſie ge⸗ häuft ſind (alſo in Wolken). Daher ſind ſie auch bei vollkommen ruhiger Luft in dieſer ſuſpendiert. Die Ober⸗ flächenhaut hindert die Verdunſtung des Wolkenelementes, welche nur bei einer totalen Zerreißung möglich iſt, ſo daß innerhalb ziemlich weiter Temperaturgrenzen der flüſſige Zuſtand des Kernes erhalten bleibt, am meiſten bei den kleinſten Tröpfchen. Kern, Oberflächenhaut und anhaftende Gasmaſſe haben verſchiedene optiſche Eigenſchaften und ſomit ändern ſich die optiſchen Erſcheinungen mit der Größe der Tröpfchen oder mit dem Mengungsverhältnis. Hieraus erklärt Richter die wechſelnde Abweichung der Dimenſionen der beobachteten Regenbogen von den berechneten; die Refraktionserſchei⸗ nungen werden durch größere Tröpfchen, welche benetzen können und gut ſichtbar ſind, verurſacht, während die Diffrak⸗ tionserſcheinungen durch die kleinſten, meiſt unſichtbaren Elemente veranlaßt werden. Die Hydrometeore entſtehen durch Kondenſation des in der Luft vorhandenen Waſſerdampfes. Die Konden⸗ ſationsprodukte ſind in einer reinen Atmoſphäre je nach der Temperatur bei ihrer Bildung entweder Nadeln oder Eiskriſtalle oder Kügelchen in flüſſigem Zuſtande. Die Waſſerkügelchen beſtehen immer zuerſt aus Waſſer gewöhn⸗ licher Art; wenn jedoch nach ihrer Bildung ihre Temperatur unter 0° ſinkt, fo geht das Waſſer ftatt zu gefrieren, in den Zuſtand der Ueberkaltung über. Keine Erſchütterung vermag dann ihr Gefrieren zu veranlaſſen, das jedoch ſo⸗ fort eintritt, wenn ein Eispartikel mit dem überkalteten Waſſer in Berührung kommt. Dieſe Kügelchen und ihre Abkömmlinge bilden dadurch, daß ſie ſich in gewiſſen Schichten der Atmoſphäre anhäufen, ſolange ſie ſich dort ſchwebend erhalten, die Nebel und die Wolken. Die Wolkenelemente, welche nach dem Zuſtande des ſie zuſammenſetzenden Waſſers in Eisnadeln, Tröpfchen gewöhnlichen Waſſers und überkaltete Tröpfchen eingeteilt werden, beginnen her⸗ abzufallen, ſobald ihr Gewicht den Widerſtand überwindet, der ſich ihrem Falle entgegenſtellt und der vor allem aus der Dichte und Bewegung der Luft entſpringt. Von dieſem Momente an ſind ſie Hydrometeorite, d. h. Körper aus Waſſer, welche durch ihr maſſenhaftes, gleichzeitiges Nieder⸗ fallen Regen, Glatteis, Graupeln, Schnee, Hagel, mit einem Worte die Hydrometeore bilden. Die Wolkenelemente wachſen ſowohl durch Kondenſation von Waſſerdampf an ihrer Oberfläche, ſei es nun in flüſſiger oder feſter Form, als auch durch Vereinigung mit anderen Wolkenelementen von derſelben Natur wie ſie ſelbſt oder von anderer Natur. Das raſche Wachſen der Wolkenelemente findet- Dieſe Vereinigung ſetzt not⸗ wendig ein Zuſammentreffen derſelben voraus; das letztere kann die Folge eines zufälligen Stoßes oder auch einer elektriſchen Anziehung ſein. Die Häufigkeit der Hydro⸗ meteore und die große Zahl der Hydrometeorite weiſt dar⸗ auf hin, daß die elektriſche Anziehung die Haupturſache des Zuſammentreffens der Wolkenelemente iſt. Nebel und Regen entſtehen durch die Vereinigung ſehr kleiner tropfen⸗ förmiger flüſſiger Wolkenelemente; wenn die Wolkenelemente überkaltet ſind, entſteht Glatteis. Wenn flüſſige Wolken⸗ Humboldt. — Mai 1890. elemente mit nadelförmigen zuſammentreffen, jo entftehen je nach der Temperatur, nach den Dimenſionen und dem Mengenverhältniſſe der beiden Gemengteile die feſten Hydro⸗ meteorite: Schnee, Graupeln und Hagel. Dieſe feſten Hydrometeorite ihrerſeits find im ſtande, durch abwechſeln— des partielles Schmelzen und Gefrieren, durch Konden— ſation von Waſſerdampf und durch wiederholte Vereinigung zahlreiche Varietäten von Schnee, Graupeln, Hagel und Platzregen (durch Schmelzen beim Paſſieren der unteren Luftſchicht) hervorzubringen, die ſich durch ihre Form, ihre oft beträchtliche Größe und ihr Aeußeres auszeichnen. Die Vereinigung von Hagelkörnern zu großen Eisſtücken muß einem Zuſammenpralle mit momentan wirkender Regelation zugeſchrieben werden. Die Bildung und das Wachſen der Wolkenelemente wird beeinflußt durch Staub oder Rauch, der, mag er nun terreſtriſchen oder kosmiſchen Urſprungs ſein, vielfach in der Atmoſphäre ſchwebt. Wenn dieſe Fremdkörper hygroſkopiſch ſind, ſo veranlaſſen ſie an ihrer Oberfläche Kondenſation des Waſſerdampfes, lange bevor die Luft geſättigt iſt. Faßt man andererſeits auch den Einfluß dieſer Körper ins Auge, wenn fie etwa ſtärker er⸗ kaltet ſind als die umgebende Luft, ſo verſteht man die Entſtehung einer neuen Art von Wolkenelementen, welche den Regen ohne Wolken und vor allem den Abendtau liefern. Staub im engeren Sinne des Wortes veranlaßt durch Kapillarattraktion, welche er auf das Waſſer ausübt, die Bil⸗ dung von Tropfen, die groß genug ſind, um zu fallen, durch Vereinigung von Wolkenelementen, welche ohnedies fernerhin ſchwebend erhalten würden. Daher muß auch die in unmittel⸗ barer Nähe des Erdbodens, wo die Luft ſtärker verunreinigt iſt, gemeſſene Regenmenge größer ſein, als in der Höhe. Da Staub aus ſchlecht leitendem Stoff im ſtande iſt, ſich in der Luft lokal anzuhäufen, und durch elektriſche Kräfte zuſammenhängende Maſſen zu bilden, ſo iſt es wahrſchein— lich, daß ähnliche Anſammlungen unter gewiſſen Umſtänden in einer gewittrigen Atmoſphäre auftreten können, und es erſcheint erlaubt, den Urſprung der Kugelblitze in ſolchen zufälligen Anſammlungen von Staub oder anderen feſten oder ſelbſt gasförmigen Ausdünſtungen der Erdoberfläche zu ſuchen. Wir erwähnen, daß dieſe faſt vollkommen aus- gebaute Theorie über die Entſtehung der Hydrometeore durch experimentelle Unterſuchungen ſeitens des Verfaſſers geſtützt wird und dadurch an Bedeutung gewinnt. Wenn hiermit auch nicht alle ſchwebenden Fragen über dieſen Gegenſtand gelöſt ſind, ſo iſt doch für die Löſung eine breite ſichere Grundlage geſchaffen. Die Meſſungen des Sonnenſcheins (ſiehe auch unten) haben ſich in erfreulicher Weiſe vermehrt und es werden die Reſultate dieſer Meſſungen allenthalben ver— öffentlicht, ſo daß wir hoffen dürfen, über dieſes wichtige klimatiſche Element weitere Kenntniſſe zu erhalten. Ueber die Niederſchlagsverhältniſſe Deutſch— lands, insbeſondere Norddeutſchlands in den Jahren 1876/85 hat H. Meyer eine größere Arbeit veröffentlicht). Ob— gleich die Zahl der dabei benutzten Stationen verhältnis⸗ mäßig nur eine geringe iſt, ſo führt doch die intenſive Behandlung des Gegenſtandes zu einigen recht wertvollen Reſultaten. Es zeigt ſich, daß die Größe der monat- ) Aus dem Archiv der Deutſchen Seewarte, Bd. 11 (1888), Nr. 6. 167 lichen Schwankung in der monatlichen Regenhöhe nicht ſo ſehr durch anhaltende Dürre, als durch abnorm ſtarke Regenfälle bedingt iſt. Die Zählung der Regentage nach Schwellenwert ergab, daß in Norddeutſchland nur 20 bis 30% , in Süddeutſchland dagegen 40 — 50 /¾ aller Regentage mehr als 5mm Regen bringen, namentlich an den, Küſten ſind Tage mit geringem Regenfall viel häufiger als landeinwärts. Die Wahrſcheinlichkeit, daß eine Regenperiode beziehungsweiſe eine Trockenperiode 1, 2, 5, 7, 9 .. . Tage dauert, iſt für Borkum und Breslau folgende: Borkum Breslau Dauer Regenperiode Trockenperiode Regenperiode Trockenperiode 1 Tag 27,5 40,8 50,9 33,9 2 Tage 13,7 12,8 15,5 11,5 5 7,5 4,3 r 2,3 7.3 i 4,7 2,8 0,9 4,2 9 2 0,4 0,3 1,6 An der Küſte ijt die Wahrſcheinlichkeit einzelner Trocken⸗ tage inmitten von Regentagen weit größer als diejenige einzelner Regentage inmitten von Trockentagen, im Binnen⸗ lande gerade umgekehrt. An der Küſte iſt die Wahr⸗ ſcheinlichkeit einer mehrtägigen Regenperiode größer, als die einer mehrtägigen Trockenperiode, umgekehrt im Binnen⸗ lande. Die mittlere Länge der Periode iſt: mit Niederſchlag ohne Niederſchlag zu Borkum 3,8 Tage 3,0 Tage zu Breslau 7 3,3 „ Die Veränderlichkeit des Wetters nimmt bei herrſchen⸗ dem Regenwetter vom Ozean nach dem Binnenlande hin zu, bei trockenem Wetter nach derſelben Richtung hin ab. An den Weſtküſten iſt die Veränderlichkeit bei trockenem Wetter größer als bei Regenwetter, im übrigen fontinen- talen Gebiete findet das Umgekehrte ſtatt. Die Wahr- ſcheinlichkeit eines Wetterwechſels nimmt mit der Länge der vorangegangenen Periode von Tagen gleichen Charakters ab. Bei gleicher Länge der vorangegangenen Periode iſt an der Küſte die Wahrſcheinlichkeit eines Ueberganges von Trockenheit zu Regen größer, als die eines ſolchen von Regen zu Trockenheit, im Binnenlande umgekehrt. Ueber die Struktur des Reifs, Rauhreifes und Schnees hat Aßmann einige Studien gemacht, welche noch mit Hilfe mikrophotographiſcher Aufnahmen fortgegeſetzt werden ſollen, und worüber bereits im Februarheft berichtet wurde“). — Daß man aus der durchſchnittlichen Schnee— höhe, welche zu einer beſtimmten Zeit gemeſſen iſt, nicht mit Sicherheit auf die Waſſermenge ſchließen kann, welche einer ausgedehnten Schneedecke entſprechen würde, hat F. Ratzel an verſchiedenen Beiſpielen gezeigt“). Er fand außerordentlich verſchieden große Werte für die Dichtig⸗ keit des Schnees. Die gebräuchlichen Reduktionszahlen ge— nügen in keiner Weiſe. — Ueber die Arbeit von Woeikof über den Einfluß einer Schneedecke auf Boden, Klima und Wetter haben wir in dieſer Zeitſchrift (Jahrgang 1890 Seite 28) bereits berichtet, indem wir hierauf verweiſen, wollen wir nochmals auf die große Wichtigkeit dieſer Unter- ſuchung aufmerkſam machen. Die Hauptergebniſſe ſeiner Unterſuchung über die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit der Gewitter in *) Meteor. Zeitſchr. 1889, S. 339. ) Ebenda, S. 433. 168 Humboldt. — Mai 1890. Süddeutſchland während des 10jährigen Zeitraums 1879/88 faßt C. Lang folgendermaßen zuſammen ?): „Die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit der Gewitter be⸗ trägt in Süddeutſchland nach 10jährigem Durchſchnitte 38,5 km per Stunde. Dabei ſind die Veränderungen dieſes Elementes von Jahr zu Jahr derart geweſen (ſäkulare Periode), daß von 1879/81, 1884/85 eine Zunahme, von da ab bis zur Gegenwart aber eine Abnahme desſelben ſtattfand. — Dieſe ſäkulare Schwankung findet ein Analogon in einer während dieſer zehn Jahre ſtattgefundenen Ver⸗ lagerung der Depreſſionsbahnen 4 und 5 (nach van Bebber) im Sommer von mehr maritimer zu kontinentaler Lage, von 1884/85 wieder in die urſprüngliche Stellung zurück. In den zwei Jahren 1879 und 1888, die nahezu einem Minimum der Sonnenflecken entſprechen, war alſo die Depreſſionsbahn 4 am weiteſten gegen Nord- und Oſtſee, 5 am weiteſten gegen das Mittelmeer zurückgewichen, während gleichzeitig die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit der Gewitter ein Minimum betrug, 1884/85 d. h. zu jener Zeit, welche auf ein Maximum der Sonnenflecken folgt, durchſchnitten die Depreſſionsbahnen dagegen Mitteleuropa von Weſt nach Oſt in ſeinen zentraleren Lagen und be⸗ trug gleichzeitig die Geſchwindigkeit der Gewitterfortpflanzung ein Maximum. Der jährliche Gang der Gewitterfortpflanzungsge⸗ ſchwindigkeit weiſt ein ausgeſprochenes Maximum im Winter auf, ſinkt dann raſch zum April und Mai, um nun wieder, jedoch durch eine ſekundäre Senkung im September unter⸗ brochen, zuzunehmen, was ebenfalls für den Einfluß der Depreſſionsbahnen auf dieſes Element ſpricht. In Süddeutſchland ziehen die meiſten Gewitter aus Weſt und Weſtſüdweſt und iſt deren Zuggeſchwindigkeit größer als die irgend einer anderen Herkunftsrichtung. Auch dieſes weiſt auf einen Einfluß der Depreſſionsbahnen hin und macht es außerdem wahrſcheinlich, daß die Wind⸗ roſe der mittleren Gradienten in den Mitteleuropa beein⸗ fluſſenden Cyklonen ähnlich ſei der Windroſe der Ge⸗ witterfortpflanzungsgeſchwindigkeit, jedoch unter gegen⸗ ſeitiger Drehung beider um etwa 90°. — Die Windroſen des letzteren Elementes für Süddeutſchland und für Italien ſind zwar im großen und ganzen einander ähnlich, zeigen aber doch charakteriſtiſche Unterſchiede, welche ebenfalls auf den Einfluß der bezüglichen Depreſſionsſtraßen hinweiſen. Die Gewitterzüge nehmen vom Main bis zu den Alpen an Geſchwindigkeit ab, ſcheinen im Hochgebirge ein Minimum zu beſitzen, um nun, ſoweit hierfür ſchon zwei Jahrgänge maßgebend ſein können, gegen Mittelitalien hin wieder zuzunehmen, abermals ein Beleg für den Einfluß der Depreſſionsbahnen. Der tägliche Gang der Gewitterfortpflanzungsgeſchwin⸗ digkeit zeigt, daß ein Maximum um Mitternacht, ein Minimum etwa um die Mittagszeit beſteht, was den bez züglichen Ergebniſſen von Hellmann und Sprung recht wohl entſpricht. Die ebenſo in den einzelnen Jahrgängen, fo auch im 10 jährigen Durchſchnitte gut erkennbaren ſekundären Hebungen ſind dagegen noch nicht erklärbar und konnte für ſie, bei der Veränderlichkeit ihrer Ein⸗ ) Beobachtungen der met. Beob. im Kgr. Bayern unter Berück⸗ ſichtigung der Gewittererſcheinungen im Kgr. Württemberg, dem Großh. Baden und den Hohenzollernſchen Landen. München, 1889. trittszeiten, auch noch kein entſprechendes Analogon ge⸗ funden werden. Immerhin ſcheint unter gemeinſchaftlicher Zuſammen⸗ faſſung aller dieſer Punkte feſt zu ſtehen, daß die Ge⸗ witter um ſo raſcher ziehen, je näher ſie dem Südrande einer Cyklone ſtehen und daß außerdem der Zug der Gewitter deſto ſchneller iſt, je intenſiver ſich die eyklonale Thätig⸗ keit im allgemeinen entwickelt geſtaltet.“ In derſelben Publikation findet ſich eine Unterſuchung von Franz Horn: „Beobachtungen über Gewitter und Hagel⸗ ſchläge in Bayern während der Jahre 1880/88“, deren Hauptreſultate wir hier mitteilen wollen. „Vor allem iſt der Gleichlauf der Gewitter⸗ und Hagelfallhäufigkeit er⸗ wieſen, desgleichen iſt die Thatſache konſtatiert, daß keine Hagelmeldung ohne gleichzeitige Beobachtung elektriſcher Entladungen zur Kenntnis der Zentralſtation gelangt iſt. Es hat ſich ferner gezeigt, daß bezüglich des Auftretens der elektriſchen Erſcheinungen nennenswerte Unterſchiede zwiſchen der kälteren und wärmeren Jahreszeit ſich geltend machen, ſowohl der ſäkulare wie tägliche Verlauf der Ge⸗ witter und des Hagels iſt für beide Jahreshälften ein verſchiedener. Bezüglich der Häufigkeit ſpeziell der Winter⸗ gewitter dürfte die größere oder geringere Nähe der De⸗ preſſionsbahnen für unſer Gebiet maßgebend ſein. Die Hagelwahrſcheinlichkeit unterliegt, wie es den Anſchein hat, einer jährlichen Schwankung in der Art, daß die Gewitter im Winter am meiſten von Hagel begleitet ſind, ſehr viel ſeltener in den wärmeren Monaten. Bezüglich der jährlichen Periode der Gewitter zeigt ſich, abgeſehen von dem Doppel⸗ maximum (im Juni und Juli), das letztere in zwei Teile geſpalten mit einer erſten Erhebung zu Anfang des Monats und einer zweiten in der Zeit der vorletzten Pentade. Der Gang der Hagelhäufigkeit iſt derſelbe, nur iſt zu be⸗ merken, daß ſich das erſte Maximum zu Ende des Früh⸗ jahrs zum abſoluten geſtaltet; ſekundäre Maxima beſtehen ferner im März und November, die aber auch bei den Gewittern angedeutet ſind. Die größte Gewitterhäufigkeit fällt während des ganzen Jahres auf den Nachmittag. Im Winter tritt jie ſchon zwiſchen 2—3 Uhr ein, eine Stunde früher als während der Sommermonate. Das ſogenannte Frühmaximum kann zwar alljährlich konſtatiert werden, doch ſchwankt ſein Auftreten in den einzelnen Jahren außer⸗ ordentlich (zwiſchen Mitternacht und 7 Uhr morgens). Im neunjährigen Mittel iſt daher eine ſekundäre Erhebung in den Morgenſtunden nicht vorhanden. Das ſchon erwähnte nachmittägige Maximum im Winter erfährt eine Zwei⸗ teilung, fo daß neben dem Hauptmaximum zwiſchen 2—3 Uhr ein weiteres ſekundäres zwiſchen 4—5 Uhr auftritt. Der tägliche Gang der Hagelhäufigkeit iſt mit jenem der Ge⸗ witter identiſch. Die Hagelfallwahrſcheinlichkeit für die einzelnen Tagesſtunden zeigt ſich im Jahresmittel äußerſt gering. Das Maximum, welches zwiſchen 3 und 4 Uhr nachmittags fällt, beträgt nur 0,08. Im Winter dagegen erreicht fie einen ziemlich beträchtlichen Wert (Max. 10—11: 0,5). Doch ſind in dieſer Jahreszeit die Gewitter während der Vormittagsſtunden am eheſten von Hagel begleitet. Bei der geographiſchen Verteilung der elektriſchen Erſchei⸗ nungen überhaupt ſind die Unterſchiede in der Häufigkeit für die einzelnen Rechtecke, in welche das Gebiet geteilt iſt, beim Hagel minder groß als bei den Gewittern. Im Humboldt. — Mai 1890. allgemeinen nimmt ſowohl die Gewitter- als auch die Hagel: ſchlagshäufigkeit von Norden gegen Süden zu.“ Die Gewittererſcheinungen in Steiermark, Kärnten und Oberkrain ſind von Prohaska ſorgfältig unterſucht worden), allerdings an der Hand einer nur kurzen Bez obachtungsreihe. Es ergab ſich unter anderem, daß im allgemeinen die Hauptgewittertage des Jahres auf der Südſeite der Alpen um einen Tag ſpäter auftreten als auf der Nordſeite der Alpen und im ſüdweſtlichen Deutſch— land. — Ferner fand Prohaska“) einen Zuſammenhang zwiſchen Luftdruckänderungen und Gewitter in der Weiſe, daß die Gewitter unter ſonſt gleichen Umſtänden haupt- ſächlich zu jener Zeit auftreten, wenn das Barometer vom Fallen zum Steigen übergeht. Die Gewitter verhalten ſich in dieſer Beziehung nicht anders, wie gewöhnliche Platzregen und Regenböen, ja in einem großen Teil von Mitteleuropa fällt während der wärmeren Jahres— hälfte, vom April bis Oktober, überhaupt mehr Regen bei ſteigendem als bei fallendem Barometer. Man ſuchte dieſe Erſcheinung, welche für Süddeutſchland und für den nordweſtlichen Teil von Oeſterreich durch Hann, Schoder und andere ſchon ſeit einiger Zeit ſicher geſtellt war, darauf zurückzuführen, daß über dem bezeichneten Gebiete zufolge der bei ſteigendem Barometer auf der Rückſeite der Cyklonen ſich einſtellenden nordweſtlichen Strömung die Luftmaſſen gegen die Alpenketten emporgetrieben werden und hierdurch die Kondenſation veranlaßt werde. Allein dieſe Erſcheinung beſchränkt ſich nicht allein auf die Nord— ſeite der Alpen, wie Prohaska gezeigt hat. Prohaska er— klärt nun dieſe Erſcheinung folgendermaßen: Aus den Be— obachtungen auf Berggipfeln, auf welchen das Minimum einer vorüberſchreitenden Depreſſion mit mehr oder weniger großer (von der Höhendifferenz abhängiger) Verſpätung an⸗ kommt, aus eigentümlichen Schwankungen des Barometers auf Berggipfeln im Vergleich zu Fußſtationen, ſowie aus dem Verhalten der Cirruswolken glaubt Prohaska ſchließen zu können, daß in unſeren Breiten die „Achſe“ der Cyklonen nach rückwärts neigt. Das dem Vorübergange der baxometriſchen Minima unmittelbar folgende Anſteigen des Barometers iſt nach Prohaska dadurch zu erklären, daß dichtere ſchwerere Luft unmittelbar über der Erdoberfläche an der Baſis des Luftmeeres in das Gebiet tieferen Luftdruckes eindringt. „Indem aber dieſe ſchweren Luftmaſſen des aus Weſt oder Südweſt heranrückenden Maximums an der Baſis des Luft meeres gegen das Gebiet tieferen Barometerjtandes vorrücken, erfahren fie von den darüber laſtenden Luft: ſchichten eine immer geringer werdende Kompreſſion, es wird ſich ein nach aufwärts gerichteter Gradient entwickeln und eine Hebung der darüber liegenden Luftſchichten zur Folge haben müſſen; die damit verbundene dynamiſche Abkühlung müßte dadurch zum Ausdruck kommen, daß in höheren Schichten das Sinken der Temperatur ſchon ein— tritt, während das Barometer daſelbſt noch fällt. Die Be— obachtungen an Gipfelſtationen ſcheinen dieſe Folgerung zu beſtätigen. Indem aber die am Grund des Luftmeeres vorrückende ſchwere Luft die leichteren, während der Sommerzeit meiſt flachen und ausgedehnten Depreſſions— ) Meteor. Zeitſchr. 1889, S. 176; vergl. auch S. 226, 261, 471. ) Meteor. Zeitſchr. 1889, S. 226. Humboldt 1890. 169 gebieten angehörigen Luftmaſſen emporhebt, muß in letzteren der hier in der Regel reichlich vorhandene Waſſerdampf zur Kondenſation gebracht werden, es werden ſich in einem beſtimmten Niveau, deſſen Höhe von den Druck-, Temperatur- und Feuchtigkeitsverhältniſſen abhängig ſein wird, Wolken bilden oder ſchon vorhandene Kumuli verdichten und es wird in der Regel zu Niederſchlägen kommen, die ſich, wenn das Anſteigen des Barometers ruckweiſe erfolgt, mehrmals wiederholen können. Somit ſtellt ſich die Front des Gewitter— ſturmes oder die Regenbse als der Kopf des aus Weſten in das Gebiet tiefen Druckes einbrechenden Luftſtromes dar. Die großen, ausgebreiteten Wirbelgewitter Süddeutſchlands und Oberöſterreichs geben von Stunde zu Stunde die Lage der von Weſten nach Oſten vorrückenden Druckſtufe an.“ Eigentümlich iſt es, daß die Ausläufer hohen Luftdruckes mit Vorliebe dem Nordrande der Alpen folgend ſich oſt— wärts verſchieben, erſt allmählich breitet ſich der hohe Druck nach Süden und Südoſt aus. Hiermit ſteht die oben er— wähnte Thatſache der Verſpätung der Gewitter im Ge— biete der Südalpen im Zuſammenhang. Die Gewitter Skandinaviens ſind von Mohn und Hildebranſſon unterſucht worden?), eine Unterſuchung, welche insbeſondere wegen des Gegenſatzes zwiſchen dem kontinentalen Klima Schwedens und dem rein maritimen der Weſtküſte Norwegens in hohem Grade intereſſant iſt. Die Verfaſſer zeigen, daß in den Jahren 1871/73 in allen Fällen ein Gewitter ungefähr in derſelben Himmelsrichtung nachgewieſen werden konnte, wenn Wetterleuchten beob— achtet wurde, bisweilen in bedeutender Entfernung bis zu 4—500 km. Die Durchſchnittszahl der Gewitter war auf jeden Beobachter in großen Abteilungen des Landes im 10jährigen Mittel: Schweden, Norrland 6,31, Svealand 8,4, Gotland 9,5; Norwegen, Oſtland 7,5, Weſtland 5,7, Romsda-Trondj 4,0, Nordland 2,0, Finnmarken 1,8. Das Minimum der Gewitterhäufigkeit tritt ſtets am frühen Morgen ein, das Maximum im allgemeinen um 4 Uhr, in der kälteren Jahreszeit an der norwegiſchen Küſte aber verſpätet ſich das Maximum bis 9 Uhr abends. Neben dem allgemeinen Maximum im Juli tritt an der nor— wegiſchen Küſte ein ſekundäres im Januar hervor. Hagel— fälle ſind in Skandinavien ſelten, am häufigſten noch im Südweſten von Schweden und bei den großen Seen. Nach den Rechnungen der Verſicherungsanſtalten be— trägt in Skandinavien der Schaden an der Ernte, welcher durch Hagel erzeugt wird, im Durchſchnitt nur 0,6 pro Tauſend des Wertes, während er in Norddeutſchland 6—9 pro Tauſend iſt. — Hieran anſchließend erwähnen wir eine Abhandlung Mohns über die Gewitter Norwegens auf Grundlage der Beobachtungen an 107 Gewitter— ſtationen in dem Zeitraume 1867/83. Dieſe Abhandlung bietet eine eingehende Gewitterſtatiſtik in dieſem Zeit— raume “). Die hochgelegenen Gipfelſtationen ſind ausgezeichnet zur Beobachtung der Elmsfeuer. Nach den Beobachtungen auf dem Ben Nevis, einer wichtigen Gipfelſtation in Schottland, tritt das Elmsfeuer dann ein, wenn das Zentrum einer Depreſſion vorüber paſſiert iſt, im Mittel 6 Stunden ) Nova Acta Reg. Soc. Sc. Ups. Ser. 1II. Ups. 1888, ) Vidensk. Forhlg. 1887. 22 170 ſpäter, in zwei Fällen (unter 17) trat es einige Stunden vor dem tiefſten Barometerſtande ein k). Der Luftdruck war ſtets beträchtlich unter dem Mittel, ebenſo war die Temperatur ſtets unter dem Gefrierpunkt und war im ſtarken Sinken begriffen. Vor dem Auftreten eines Elms⸗ feuers wehte der Wind aus Süden oder Weſten, nach dem- ſelben aus Norden oder Weſten. Das Elmsfeuer zeigt eine beſtimmte Beziehung zur Drehung des Windes. Heftige Schauer von Regen und Schnee und Graupeln begleiten deſſen Auftreten, die Hagelkörner ſind dabei hart und trocken. Die Zahl der Hageltage in Algerien beträgt nach 10jährigen Beobachtungen (1876/85) im Jahresmittel 4. Die größte Zahl der Hageltage (bis zu 9) hat das Littorale zwiſchen Algier, Bona und La Calle. Sowohl nach Weſten wie nach Süden hin nimmt die Häufigkeit des Hagelfalls ab, um am Rande der Sahara auf weniger als einen Hageltag pro Jahr herabzuſinken !“). Auf dem Gebiete der Klimatologie iſt eine Reihe wichtiger Arbeiten erſchienen, welche ſich teils auf das Klima ganzer Länderſtrecken, teils auch auf dasjenige einzelner Orte beziehen. Nur einige wichtigere ſollen hier erwähnt werden. Zunächſt machen wir auf eine Zuſammenſtellung der Ergebniſſe der meteorologiſchen Beobachtungen im Syſteme der deutſchen Seewarte für die Luſtren 1876/80 und 1881/85 ſowie das Decennium 1876/85 aufmerkſam, welche eine eingehende Klimatologie der deutſchen Küſte in Zahlen in ſich ſchließt. Dieſe Veröffentlichung, auf welche wir hier nicht weiter eingehen können, bezieht ſich auf die Normal⸗Beobachtungsſtationen der Seewarte, ſo⸗ weit ſie in das internationale Schema für Stationen zweiter Ordnung fallen, nicht aber auf die Beobachtungen an den Signalſtellen der Seewarte oder Aufzeichnungen der Regiſtrierapparate. — Eingehend behandelt A. W. Moore das Klima der Inſel Man***). Hiernach gehört dieſe Inſel zu den ſonnigſten Gebietsteilen der britiſchen Inſeln; nach 7jährigen Beobachtungen betrugen die Stunden mit Sonnen⸗ ſchein im Jahresmittel: Kanalinſeln 1909, Südweſt⸗England 1628, Inſel Man 1580, Oſt⸗England 1561, Süd⸗England 1572, Süd⸗Irland 1460, Oſt⸗Schottland 1391, Midland ) Journ. of the Scot. Met. Soc. III, Ser. V.; vergl. Meteor. Zeitſchr. 1889 (38). **) Service Met. Alger, Bureau central. Théomet. ***) Journ. of the Soc. Met. Soc. III, Ser. V. Humboldt. — Mai 1890. Mounties 1387, Nordweſt⸗England 1339, Weſt⸗Schottland 1337, Nordoſt⸗England 1271, Nord-Srland 1253, Nord⸗ Schottland 1196 (zum Vergleiche: Wien 1812, Trieſt 2135, Kalocſo, Ungarn 2164, Petersburg 1715, New⸗York 2920). — Das Klima von Cypern iſt von Hann bearbeitet worden!). Es zeigt ſich für Cypern wie für den öſtlichen Teil des Mittelmeerbeckens eine verhältnismäßig niedrige Temperatur im Frühlinge und hohe Temperatur im Herbſt. Der September iſt erheblich wärmer, als der Juni, der Oktober viel wärmer als der Mat, März und Dezember haben nahe gleiche Temperatur. Die Gegend der Küſte bei Larnaka iſt bei geringſter Bewölkung am regenärmſten (334 mm) und am heißeſten. — Ueber das Klima des außertropiſchen Südafrika hat Karl Dove (der Enkel des großen Meteorologen Heinrich Dove) eine umfaſſende Unter⸗ ſuchung veröffentlicht“ “). Der Verfaſſer kommt durch eine Prüfung der vorliegenden Beobachtungen und Erfahrungen zu dem Schluſſe, daß ſich zwar eine Abnahme der Regen⸗ menge nicht nachweiſen laſſe, daß aber eine Verſchlechterung des ſüdafrikaniſchen Klimas in Bezug auf Niederſchlags⸗ verhältniſſe unleugbar ſei. Dieſe Verſchlechterung beruht auf einer größeren Unregelmäßigkeit der Niederſchläge, wohl noch mehr in geänderten Abflußverhältniſſen. Die Ver⸗ nichtung der Vegetation iſt in Südafrika im großen Maß⸗ ſtabe fortgeſchritten, und darin liegt hauptſächlich die Ur⸗ ſache der Verſchlechterung des Klimas. Auf dem Gebiete der optiſchen Meteorologie ſind wieder eine Reihe von Schriften erſchienen, auf welche wir indeſſen nicht eingehen wollen. Ein Handbuch der ausübenden Witterungskunde, welches ſich in vielen Punkten an mein Lehrbuch der ausübenden Witterungskunde anlehnt, iſt von Pomortſew herausge⸗ geben worden! *). Dieſes Buch hat den Zweck, die Leſer mit den Grundſätzen bekannt zu machen, welche in Rußland bei der Pflege der Wetterprognoſe zur Anwendung kommen. Auf dem Gebiete der Mondmeteorologie macht ſich Herr Falb wieder recht breit und fährt fort, im Salonſtile die Zunftmeteorologen übel mitzunehmen. Indeſſen ſcheint es, daß die Gebildeteren jetzt doch allmählich zur Einſicht kommen und daß ſie ſich nach und nach zurückziehen. *) Meteor. Zeitſchr. 1889, S. 427. **) Ebenda, S. 136. ) Pomortſew, Umriß der Lehre der Wettervorherſagung. f. Meteorologie. St. Petersburg, 1889. Repert. Kleine Mitteilungen. Aräopyknometer. Ueber ein neues Inſtrument zur Beſtimmung des ſpezifiſchen Gewichts kleiner Mengen von Flüſſigkeiten berichtet Schweiſſinger in der Pharmazeu⸗ tiſchen Zentralhalle. Das von dem Glasbläſer Eichhorn in Dresden konſtruierte Inſtrument verdient allgemeiner be⸗ kannt zu werden, da es für praktiſche Zwecke nützlich ſein kann. Zur Beſtimmung des ſpezifiſchen Gewichtes mit dem Aräo⸗ meter bedarf man ſtets größerer Mengen von Flüſſigkeiten, zur Beſtimmung mit dem Pyknometer bedarf man einer chemiſchen Wage und mehrfacher Rechnung. Häufig ſtehen in der Praxis nur ſehr kleine Mengen Flüſſigkeit, ſowie auch keine chemiſche Wage zur Verfügung. Die Mohrſche Wage, welche in letzterem Falle wohl benutzt wurde, iſt zwar ſehr genau, doch bedarf auch fie größerer Flüſſigkeits⸗ mengen als das Eichhornſche Inſtrument, welches ge⸗ wiſſermaßen eine Verbindung des Aräometers mit dem Pyknometer iſt. Ein Vorzug des Inſtrumentes iſt außerdem der verhältnismäßig geringe Preis. Die Figur läßt die Konſtruktion des Aräopyknometers deutlich er⸗ kennen. o iſt der zur Aufnahme der zu wägenden Flüſſig⸗ keit beſtimmte Hohlraum, d iſt der Stöpſel aus Glas, e ein kleiner Glasknopf, um das Gleichgewicht herzuſtellen. In der untern, ſchwarz gezeichneten Kugel iſt zur Be⸗ ſchwerung Queckſilber enthalten, b iſt eine leere Schwimm⸗ kugel, auf deren oberen Teil die Skala a aufgeſetzt tft. Das Inſtrument kann für Flüſſigkeiten, die leichter als Waſſer, Humboldt. — Mai 1890. 171 ſowie für ſolche, die ſchwerer als Wafer ſind, hergeſtellt werden. Die Beſtimmung des ſpezifiſchen Gewichtes geſchieht nun in der Weiſe, daß man die Kugel e, die meiſt nur etwa 10 cem Rauminhalt hat, mit der zu wägenden Flüſſig⸗ keit füllt und mit einer leichten Drehung den Stöpſel ſo eindrückt, daß keine Luftblaſe entſteht. Nun ſpült man die Kugel außen mit deſtilliertem Waſſer ab und taucht das Inſtru⸗ ment in einen Cylinder, welcher mit deſtilliertem Waſſer von 17,5 “C. (reſp. 15% C.) gefüllt iſt. Darauf lieſt man, zweckmäßig unter dem Waſſerſpiegel, das ſpezifiſche Ge⸗ wicht einfach an der Skala ab. Schweiſſinger hat mit einer Anzahl ſolcher Inſtrumente eine ganze Reihe von Beſtimmungen vor— genommen und zwar mit Glyeerin, Schwefelſäure, Salzſäure, Bier, Milch, Aether u. ſ. w., und die Zahlen mit den durch das Pykno— meter auf der Wage feſtgeſtellten größtenteils gut übereinſtimmend gefunden. Für Proben von Rüben⸗ ſäften, aus einem kleinen Stück Rübe gewonnen, für kleine Oel⸗ proben u. ſ. w. dürfte das Inſtru⸗ ment ſehr brauchbar ſein. Die Rei⸗ nigung geſchieht in letzterem Falle durch mehrfaches Ausſpülen mit Aether oder Benzin. Eine Verunreinigung des Waſſers muß ſelbſtverſtändlich vermieden werden. — Eine beſonders kleine Form dieſes Inſtrumentes dient zur Beſtimmung des ſpezifiſchen Gewichtes von Frauenmilch, ſowie von Harn. Dieſe Form, welche nur weniger Kubitcentimeter Flüſſigkeit bedarf, dürfte Aerzten und Apothekern beſonders willkommen ſein. D. Aräopyknometer. Zur Erfindung des Fernrohrs. Nach Zeitungs- nachrichten hat der Engländer Child auf der Sternwarte zu Peking ein über 600 Jahre altes aſtronomiſches Fern— rohr entdeckt. Dasſelbe iſt im Jahre 1279 unter dem Kaiſer Kublai Khan gefertigt worden, iſt in Bronze ge— goſſen und trotz ſeines Alters noch gut erhalten. Es ſtand zuerſt über 400 Jahre unbenutzt auf einer Terraſſe des königlichen Palaſtes, bis es im Jahre 1670 auf Befehl des Kaiſers Khang von einem jeſuitiſchen Miſſionar auf der Sternwarte zu Peking aufgeſtellt wurde. Eine Photo- graphie des antiken Inſtruments iſt vor kurzem in London eingetroffen. Bekanntlich haben ſich um die Ehre, den Er— finder des Fernrohrs zu den ihrigen zu zählen, lange Zeit Italiener, Engländer, Deutſche und Holländer geſtritten. Jetzt gilt als ſicher geſtellt, daß der Brillenmacher Zacharias Janſen in Middelburg als der Erfinder des Fernrohrs an— zuſehen ſei. Ueber dieſe Angelegenheit liegen gewichtige Urkunden in den holländiſchen Staatsarchiven vor. Nach der Ausſage des Sohnes hat Janſen das Fernrohr bereits 1590 konſtruiert, nach der des niederländiſchen Geſandten Borel, eines Jugendfreundes von Janſen, erſt gegen 1610. Daß die Ehre der Erfindung auch für die Chineſen in Anſpruch genommen wird, geſchieht jetzt nicht zum erſten— mal. Schon früher wurde auf Grund einer in der großen japaniſchen Eneyklopädie von 1713 angeführten Stelle, wo vom Jupiter und von zwei kleinen, von ihm abhän⸗ gigen Sternen die Rede iſt, behauptet, daß die Jupiter⸗ monde, von deren Exiſtenz man nur mit Hilfe des Fernrohrs Kenntnis haben könne, den Chineſen bekannt geweſen ſeien. Aus allen andern Stellen dieſes Werkes er— hellt jedoch zur Genüge, daß weder ſie, noch die Japaneſen zu jener Zeit im Beſitze des Fernrohrs geweſen ſein können. Der eingangs erwähnte Fund eines aſtronomiſchen Fern⸗ rohrs in Peking dürfte ſich ſehr wahrſcheinlich auf die Auf⸗ fin dung einer leeren metalliſchen Röhre, wie ſie erwieſener— maßen bereits im Altertum zur Ablenkung der Seiten— ſtrahlen benutzt wurde, beziehen. Ariſtoteles, Diodorus Sikulus und mehrere Berichte aus dem früheren Mittel- alter erwähnen den Gebrauch ſolcher Röhren. Wenn auch dadurch, daß eine ſolche Röhre in ſpäterer, jetzt nicht mehr kontrollierbarer Zeit mit Gläſern verſehen worden, eine Täuſchung leicht möglich iſt, ſo bleibt doch immer die That⸗ ſache, daß vor der Erfindung des Fernrohrs in Europa kein alter Kulturſtaat eine Ahnung von den Erſcheinungen am Himmel, die der erſte Gebrauch eines Fernrohrs ent— hüllen mußte, gehabt hat, der beſte Beweis dafür, daß es ein ſolches Fernrohr noch nicht gab. D. Verdampfung von elektrifierten Hliffigkeiter. Entgegen den bisherigen Annahmen weiſt Wirtz (Wied. Ann. XXXVII, 3) nach, daß elektriſierte (d. h. mit einer laufenden Elektriſiermaſchine verbundene) Flüſſigkeiten lang⸗ ſamer verdampfen — beſonders wenn ſie poſitiv elektriſiert waren — als in unelektriſchem Zuſtande. Da der auf- ſteigende Dampf erwieſenermaßen unelektriſch iſt, wird er möglicherweiſe von der elektriſchen Flüſſigkeitsoberfläche angezogen und ſein Abzug gehemmt. — Die Verdampfung wird jedoch beſchleunigt, ſobald der Flüſſigkeitsſpiegel ſich mit Staub bedeckt, vielleicht weil die feinen Spitzen wie beim bekannten Flugrädchen die Luftzirkulation befördern. F. Eleſtriſches Leitungsvermögen des Waſſers. Bis heute iſt es unmöglich, trotz der ſubtilſten und raffinier⸗ teſten Reinigungsverfahren abſolut reines Waſſer herzu⸗ ſtellen. Abſolut reines Waſſer hätte, wie man annimmt, für den galvaniſchen Strom gar kein elektriſches Leitungs⸗ vermögen; in Wirklichkeit findet man aber immer noch ein meßbares Leitungsvermögen, welches beiſpielsweiſe in Glas⸗ gefäßen von Tag zu Tag ſtetig wächſt, weil ſich ſtetig Spuren von Glas im Waſſer auflöſen. Pfeiffer hat nun gefunden (Wied. Ann. XXXVII, 4), daß beſtens gereinigtes Waſſer, ſo⸗ bald es auch nur ganz kurze Zeit mit der atmoſphäriſchen Luft in Berührung war, im Lauf der nächſten Tage zunächſt eine ſtetige Abnahme der Leitungsfähigkeit zeigt, welche erſt allmählich in die normale, unvermeidliche Zunahme übergeht. Nach- dem Pfeiffer die verſchiedenſten Erklärungsverſuche geprüft hat, findet er die einzige Erklärungsmöglichkeit in der Annahme, daß nicht anorganiſche Stoffe, ſondern Mikroor— ganismen in das Waſſer gelangt ſind und die vorhandenen leitenden Subſtanzen abſorbiert haben. Organismen würden nach dieſer Annahme eine faſt abſolute Abſorptionskraft beſitzen, etwa wie man jie der konzentrierten Schwefel⸗ ſäure in Bezug auf Waſſerdämpfe zuſchreibt. F. Elektriſche Erſcheinung beim Erſtarren von Cereſin. Eine Erſcheinung elektriſcher Natur von ganz ungewöhnlicher Intenſität wurde unlängſt in einer Stearin⸗ und Cerefin- fabrik in Italien beobachtet. B. Lach berichtet darüber in der Chem. Ztg. XIII. Nr. 101 folgendes: Es war um die ſechſte Abendſtunde, als in der Fabrik vier kleine Bottiche zu je 500 kg mit weißem Cereſin (bekanntlich ein aus Ozokerit gewonnenes Paraffin) behufs Abkühlung gerührt wurden. Die Abkühlung war nahe dem Erſtarrungspunkte, als durch Zufall plötzlich das elektriſche Licht erloſch und der betreffende Raum im Dunkeln war. Zum nicht ge⸗ ringen Schrecken der dort beſchäftigten abergläubiſchen Arbeiter entfuhren der im Erſtarren begriffenen Cereſin— maſſe bei der geringſten Bewegung fahle Blitze. Näherte man die Hand der Oberfläche des Cereſins, ſo zuckten bis zu 4 cm lange elektriſche Funken entgegen und zwar mit deutlich hörbarem Gekniſter. Die Erſcheinung dauerte über eine halbe Stunde. In der Prapis iſt ſie, ſoweit bekannt, anderweitig noch nicht beobachtet worden, und wäre es intereſſant, hierüber von Fachmännern etwas Näheres zu hören. Al. Aeber die Färbung eines Kohlenfeuers durch Kochfalz. Wirft man etwas Kochſalz in ein Coaks⸗ oder Kohlenfeuer, ſo wird man neben der gelben Natrium- flamme das Auftreten einer lichtblauen Flamme beob— achten. Dieſe Erſcheinung iſt ſchon in verſchiedener Weiſe er- klärt worden, unter anderem hat man ſogar Chlorkohlenſtoff⸗ verbindungen herangezogen; nach G. Salet (Compt. rend.) 172 Humboldt. — Mai 1890. iſt jedoch die Blaufärbung einfach auf einen geringen Kupfer⸗ gehalt der Kohle zurückzuführen. Das Spektrum der blauen Flamme ſtimmt nämlich völlig mit dem des Kupferchlorids überein und in der Aſche der Kohle läßt ſich unſchwer Kupfer nachweiſen. Zum Nachweis ſolcher kleinen Mengen Kupfer empfiehlt es ſich, folgendermaßen zu verfahren. Nach⸗ dem man den Schwefelwaſſerſtoffniederſchlag, welcher die Schwermetalle enthält, in Löſung gebracht hat, fällt man das Kupfer auf eine Stahlnadel. Bringt man dieſe in die äußere Flamme eines Bunſenbrenners, ſo tritt keine Färbung auf. Sobald man aber in der Flamme ein wenig Salzſäure verflüchtigt, erſcheint ſofort eine ſchöne blaue Färbung, welche das Spektrum des Kupferchlorids gibt. Al. Maſſe des Saturn. Um die Bahn des ſechſten Saturnmondes, Titan, ſowie die Maſſe des Saturn zu er⸗ mitteln, hat Aſeph Hall während der Oppoſition des Planeten in den Jahren 1885/86 und 1886/87 auf der Sternwarte der Pale-Univerſität in Newhaven heliome⸗ triſche Meſſungen ausgeführt und aus denſelben den Wert von 176,570“ = 0,0243“ für die mittlere Halbachſe der Titanbahn abgeleitet; für die Maſſe des Saturn folgt 1 : +2 daraus 35005 + 1,44, wenn die Maſſe der Sonne als Einheit genommen wird. Es ſtimmt dieſer Wert gut überein mit dem von Struve aus Beobachtungen des achten Mondes, Japetus, berechneten: G l. 1 3500, = 0,82. Die Durchſichtigkeit des ounkefn Satururinges iſt beſtätigt worden durch die Beobachtungen, welche Barnard auf der Lick-Sternwarte über die Beſchattung des äußerſten Saturnmondes Japetus durch den Planeten, den inneren dunkeln und die äußeren hellen Ringe desſelben angeſtellt hat. Aus 75 Vergleichungen der Helligkeit des Japetus mit derjenigen zweier anderer Saturnmonde, Tethys und Enceladus, ergab ſich, daß Japetus, nachdem er den von der Sonne durchſtrahlten Raum zwiſchen dem Saturn und dem dunkeln Ringe durchlaufen, in den Schatten des letzteren trat und daß ſeine Helligkeit vegel⸗ mäßig geringer wurde in dem Maße, wie er tiefer in dieſen Schatten eindrang, bis er endlich im Schatten des hellen Ringes verſchwand. Die einzelnen getrennten Teilchen, welche den dunkeln Ring zuſammenſetzen, ſcheinen alſo auf der äußern Seite dichter gedrängt zu ſtehen, als auf der innern G—1. Anzahl der Staubteilchen in der Luff. Am 3. Februar machte John Aitken der Edinburger Ge⸗ ſellſchaft der Wiſſenſchaften ausführliche Mitteilungen über ſeine mit einem eigens für dieſen Zweck konſtruierten Apparate ausgeführten Unterſuchungen des Staubgehaltes der Atmoſphäre. Ungefähr 200 iſt die geringſte Anzahl von Staubteilchen, die in einem Kubikcentimeter Luft be⸗ obachtet worden ſind. Doch mögen in höheren Luftſchichten geringere Mengen vorkommen. Auf dem Gipfel des un⸗ gefähr 1000 engl. Fuß hohen Finouillet bei Hyéres am Mittelmeer ſchwankte die Zahl zwiſchen 3350 und 25000; letztere Zahl wurde beobachtet, wenn der Wind von dem etwa 9 engl. Meilen entfernten Toulon herkam. Auf dem Gipfel von La Croix des Gardes bei Cannes wurden 1550 bis 150000 beobachtet, je nachdem der Wind von den Bergen oder aus der Stadt wehte; ähnlich bei Men⸗ tone 1200 bis 7200. Auch die vom Mittelmeer her we⸗ hende Luft enthielt bei La Plague, Cannes und Mentone 1800 bis 10000 Teilchen im Kubikcentimeter. Verhält⸗ nismäßig ſtaubreich erwies ſich die Luft an den ita⸗ lieniſchen Seen: bei Bellaggio und Baveno wurden 3000 bis 10000 Staubteilchen gefunden, geringere Mengen am Eingang zum Simplon-Paß und bei Locarno, wenn der Wind von den Bergen kam. Auf Rigi-Kulm betrug die Zahl am 21. Mai, als der Gipfel durch Wolken verhüllt war, nur 210, wuchs aber am nächſten Tage bis über 2000, um dann wieder abzunehmen; am 25. früh 10 Uhr betrug ſie nur noch 500, in Vitznau wurden mittags über 600 beobachtet. Im ganzen iſt die Luft in der Schweiz ſehr ſtaubarm. Beobachtungen auf der Höhe des Eiffel⸗ turms in Paris am 29. Mai zeigten eine ſehr ungleich⸗ mäßige Miſchung ſtaubarmer Höhenluft mit ſtaubreicher Stadtluft: die extremen Zahlen zwiſchen 10 Uhr vor⸗ mittags und 1 Uhr nachmittags waren 104000 und 226; letztere während eines lokalen Regenſchauers. Im Garten der meteorologiſchen Zentralſtation in Paris (Rue de l'Univerſité) ſchwankte an dieſem Tage die Zahl der Staubteilchen im Kubikcentimeter zwiſchen 210000 und 160000. Verhältnismäßig ſtaubarm wurde die Luft in Schottland gefunden, ſie enthielt bei Kingairloch am Loch-Linnhe 205 bis 4000, bei Alford in Aberdeenſhire 530 bis 5700 und bei Dumfries 235 bis 11500 Teilchen im Kubikcentimeter. Auf dem Ben Nevis wurden am 1. Auguſt 1 Uhr nachmittags 335 und 2 Stunden ſpäter 473 gefunden, auf dem Gipfel des Callievar in Aberdeenshire am 9. September erſt 262 und 2 Stunden h 475. —1. Weber die Blitzſchläge in Mitteldeutſchland hat, wie der „Globus“ mitteilt, der Feuerſocietäts⸗ Direktor Kaßner eine eingehende ſtatiſtiſche Unterſuchung veröffent⸗ licht, die einen Zeitraum von 26 Jahren umfaßt. Die Zahl der Blitzſchläge hat ſich demzufolge in dem betreffenden Gebiete um 129%%é gefteigert, und im Jahre 1889 hat ſie 1145 betragen. Am ſtärkſten von Blitzſchlägen heim⸗ geſucht erweiſen ſich die Flußthäler und Niederungen — namentlich das Gebiet öſtlich der weißen Elſter und der unteren Saale, das Leine- und Ockergebiet und die Wetterau. Als zuſammenhängende Gewitterſtraßen ſind vier zu erkennen: 1) eine längs des Nordabhanges des Erzgebirges nach der Lauſitz verlaufende; 2) eine vom voigtländiſchen Berglande in Nordoſtrichtung ausgehende, der Zwickauer Mulde nach der Elbe hin folgende; 3) eine vom Thüringer Wald beginnende und im weſentlichen der Ilm und Saale folgende; 4) eine im Leinethale am Weſt⸗ rande des Harzes beginnende und durch die Altmark bis zur Elbe ſich fortſetzende. Ausgangspunkte aller dieſer Gewitterſtraßen ſind ſomit die Gebirge, und im Verlaufe der Zugrichtung treten die waldarmen Gebiete und das Flachland als beſonders gefährdet hervor, ebenſo die Fluß⸗ thäler und die an ſtehenden Gewäſſern und Wieſenflächen reicheren Niederungen, während die bewaldeten und ge⸗ birgigen Gegenden verhältnismäßig verſchont bleiben. Hin⸗ ſichtlich der Monate und Jahreszeiten, ſowie der Tages⸗ ſtunden, in denen die Blitzſchläge ſich ereignet haben, wird beſtätigt, daß die heißeſten Monate (Juni und vor allem Juli) und ebenſo die heißeſten Tagesſtunden oder die un⸗ mittelbar auf dieſelben folgenden Stunden (3 bis 4 Uhr nachmittags) auch die meiſten Blitzſchläge aufweiſen. D. Telegraphenleitungen und Zlitzgefahr. Im Reichs⸗ telegraphengebiet werden ſeit mehreren Jahren eingehende Ermittelungen über die elektriſche Erſcheinung des Ge⸗ witters, insbeſondere über die Einwirkung der atmoſphä⸗ riſchen Elektricität auf den Betrieb und die techniſchen Einrichtungen der Telegraphenanlagen angeſtellt. Für die oberirdiſchen Reichstelegraphenanlagen ſind gegenwärtig 900 Telegraphenanſtalten beauftragt, Aufzeichnungen über den Verlauf, die Dauer, die Richtung ꝛc. der vorkommenden Gewitter zu machen. Die Ergebniſſe dieſer Beſtrebungen werden im „Arch. f. P. u. T.“ veröffentlicht. Im allge⸗ meinen hat ſich ergeben, daß die unterirdiſchen Leitungen zwar nicht ganz den Einwirkungen der atmoſphäriſchen Elektricität entzogen bleiben, daß dieſe Einwirkung jedoch weſentlich geringer iſt, als bei den oberirdiſchen Leitungen. Bei den unterirdiſchen Leitungen ſind im Jahre 1888 im ganzen 338 Störungen durch Gewitter bemerkbar geweſen, bei den oberirdiſchen Leitungen ſind dagegen 2375 Be⸗ ſchädigungen vorgekommen. Was die Stadtfernſprech⸗ anlagen betrifft, ſo erſcheint die Thatſache bemerkenswert, daß trotz der mit außergewöhnlicher Heftigkeit mehrfach ſtattgehabten Gewitter der Blitz in den mit Stadtfern⸗ ſprechanlagen verſehenen Städten im Vergleich zu früheren Jahren auffallend wenig eingeſchlagen hat, ſo daß die An⸗ nahme nicht unberechtigt erſcheint, daß das über den Dächern Humboldt. — Mai 1890. ausgebreitete Leitungsnetz bei Ausgleichung der atmoſphä— riſchen Elektrieität einen ſehr wirkſamen Schutz ausübt. D. Ein Achatwald in Nordamerika. Auf der ameri- kaniſchen Abteilung der Pariſer Ausſtellung erregte eine Kollektion von Achat-, Onyx- und ähnlichen Waren die allgemeine Aufmerkſamkeit. Die ungewöhnliche Größe der einzelnen Gegenſtände ließ jedoch bald die Echtheit der Mineralien als zweifelhaft erſcheinen und beim näheren Unterſuchen ergab es ſich, daß man es hier nicht mit einer beſonders gelungenen Nachahmung dieſer Mineralien, ſondern mit wunderbaren Variationen einer verſteinerten amerikaniſchen Holzart zu thun hatte. Das ungewöhnliche Intereſſe, welches die neue Erſcheinung hervorrief, läßt darauf ſchließen, daß die ſich hier zum erſtenmal zeigende Induſtrie einer erfolgreichen Zukunft entgegenſieht, und man kann erwarten, daß dieſes Material als Erſatz für Achat, Onyx 2c. und als geeigneter Stoff für Bijouterie⸗ artikel einſt internationale Verbreitung finden werde. Es iſt deshalb nicht unwahrſcheinlich, daß früher oder ſpäter auch Deutſchland mit dem neuen Material Bekanntſchaft machen und letzteres hier günſtigen Boden und Aufnahme finden werde. Wir laſſen daher hier eine Beſchreibung ſeiner Beſchaffenheit, Fundſtätte, Eigenſchaften und Ver— wendung folgen. Ungefähr 25 Meilen ſüdöſtlich von Holbrock im Apache⸗County oder Arizona-Territorium befindet ſich, be- deckt von einer Sandſteinkruſte, ein ungeheures Lager von verſteinerten Baumſtämmen. Aus wiſſenſchaftlichen Unter⸗ ſuchungen geht unzweifelhaft hervor, daß hier in prähiſto— riſcher Zeit eine tropiſche Urwaldvegetation beſtanden hat, die, durch plötzliche vulkaniſche Einflüſſe niedergeſchmettert, mit Aſche und Lava beſchüttet und nach und nach unter der erwähnten Sandſteinſchicht begraben wurde. Dieſe Schicht von Lava, Aſche und Sandſteinen, welche an einzelnen Stellen oft 20—30 Fuß ſtark tft, muß erſt durch— brochen werden, um zu den verſteinerten Baumſchätzen ge— langen zu können. Ueber die Urſachen der Verſteinerung ſind die Anſichten der Geologen ziemlich abweichender Natur, doch kann im allgemeinen als erwieſen angenommen werden, daß nach der vulkaniſchen Niederwerfung heißes mineraliſches Waſſer die Lava und Aſche durchſickerte, in die Zellengewebe der Bäume eindrang und dort durch Ablagerung ſeiner Mineralien die langſame Verſteinerung derſelben bewirkte. Dieſer Vorgang hat die Umwandlung des Holzes in ſeinen jetzigen eiſenharten Zuſtand veran— laßt, hat auch zugleich die urſprüngliche Form der Baum⸗ ſtämme auf das Vorzüglichſte konſerviert, jo daß fic) Exem⸗ plare darunter finden, bei denen man die Rinde, die verſchiedenen Jahresringe, die Gefäße ꝛc. auf das Genaueſte unterſcheiden kann. Die letzteren geben dem Material ſeine wundervolle Zeichnung und erinnern in ihrer glitzernden Mannigfaltigkeit an die Eisblumenpracht, welche der Winter an unſere Fenſter zaubert. Dabei beſitzt das Material eine ſo große Mannigfaltigkeit der Färbung, daß es mit den wertvollſten Mineralien wetteifert. Ueber die Baumgattung dieſes Urwaldes, welcher mitten in ſeinem Wachſen und Blühen von dem Schickſal Hereulanums und Pompefis betroffen wurde, gehen die Anſichten der Gelehrten noch mehr auseinander als hin— ſichtlich ſeiner Verſteinerung, und wollte man allen dieſen Hypotheſen Glauben ſchenken, ſo käme man zu der Meinung, daß ſich hier ſämtliche Baumarten Amerikas in vorſündflut— licher Zeit ein Rendezvous gegeben hätten, um der Nach— welt überliefert zu werden. Die Größe einiger Baum— ſtämme iſt eine gewaltige. Es gibt Stämme, welche 150 Fuß und noch mehr lang ſind und 10 Fuß im Durch— meſſer haben, und man hat kürzlich das Bruchſtück eines ſolchen gefunden, das bei einer Dicke von 8 Fuß und einer Länge von 10 Fuß von einem Stamm herrühren muß, der über 200 Fuß lang geweſen iſt. Bei dem ungeheuren Reichtum des vorhandenen Lagers ließe ſich der neue Stoff als unübertroffenes Baumaterial für Prachtbauten und ſchimmernde Paläſte verwenden, wenn nicht ſeine außergewöhnliche Härte ein Hindernis 173 dazu bilden würde. Dieſelbe iſt nur um 30 Prozent ge— ringer als die Härte des Diamanten, übertrifft diejenige des Granits um das Dreifache. Um ſo mehr Anwendung wird der Stoff aber zu Luxusgegenſtänden finden, zu Kaminverkleidungen, Tiſchplatten, Uhrgehäuſen, Briefbe⸗ ſchwerern, Stockgriffen ꝛc., zu welcher Verwendung es ſich auch durch ſeine Politurfähigkeit empfiehlt. leber den Kern bei Bakferien hat O. Bütſchli neue Unterſuchungen an Chromatium Okenii /. und Ophidomonas jenensis Hird. angeſtellt, zwei zur Gruppe der ſogenannten Schwefelbakterien gehörige Formen, bei denen ſich ſtets eine Außenſchicht und ein Zentralkörper unterſcheiden läßt. Das Verhältnis der Geißeln zur Außen— ſchicht, ſowie die Struktur dieſer weiſt nun deutlich darauf hin, daß dieſelbe eine dünne Protoplasmalage, keine cutt- culare Hülle iſt, während das Verhalten des Zentralkörpers gegen Farbſtoffe und chemiſche Agentien, ſowie ſeine Struktur für ſeine Zuſammenſetzung aus Kernſubſtanz ſpricht, die weitaus den größeren Beſtandteil des ganzen Körpers ausmacht. Man beobachtet, je tiefer man in der Reihe der Schizophyten herabſteigt, ein deſto ſtärkeres Zurücktreten des Protoplasmas gegenüber dem Kern; ſchließlich ſtößt man auf Formen, wo der Nachweis einer ſehr dünnen Plasmalage nicht mehr gelingt, wo alſo der Körper ganz oder faſt ausſchließlich aus Kernſubſtanz be— ſteht. Danach würden alſo die Urorganismen nicht, wie man meiſt bisher annahm, kernloſe Moneren, ſondern vielmehr nur freie Kerne, demnach der Beſitz von Proto- plasma ein ſpäterer Erwerb ſein. Die große Rolle, welche der Kern bei der Fortpflanzung einzelliger Weſen und der Zellen ſpielt, ſteht mit dieſen Anſchauungen in völligem Einklang. B. Einſtuß des alpinen Standortes auf die Aus- bildung der Taubblätter. Durch Stahl (Jenaiſche Zeitſchr. f. Nat. XVI. N. F. IX. 1883) war gezeigt worden, daß der ſonnige oder ſchattige Standort der Pflanzen einen Einfluß auf die Ausbildung ihrer Blätter ausüben könne. Schattenblätter zeigen einen zarteren Bau und bei meiſt größerer Flächenentwicklung eine er— heblich geringere Dicke; das Meſophyll, namentlich das Palliſadengewebe, bleibt in ſeiner Mächtigkeit erheblich hinter dem der Sonnenblätter zurück. Ganz ähnliche Unter⸗ ſchiede findet K. Leiſt (Mitteil. d. natf. Geſ. v. Bern 1889) zwiſchen Blättern aus der Ebene und ſolchen von alpinem Standorte, ſelbſt wenn dieſelben unter möglichſt gleichen Beleuchtungsbedingungen gewachſen waren. Namentlich wurden Sonnenblätter aus der Ebene mit ſolchen aus der Höhe verglichen. Dabei ergab ſich folgendes: 1) Die alpinen Blätter ſind weniger dick als die in der Ebene gewachſenen derſelben Pflanze. 2) Ihre Flächenentwicklung iſt meiſtens größer. 3) Die Palliſadenzellen ſind im alpinen Blatte kürzer und meiſt zugleich auch weiter; ihre Geſtalt kann ſich ſogar der kugeligen nähern. Dabei iſt die Zahl der Palliſadenſchichten entweder dieſelbe, oder ſie iſt re— duziert. 4) Im alpinen Blatte treten mehr und größere Intercellularräume auf, auch zwiſchen den Palliſaden. — Daraus ergibt ſich das auffällige Reſultat, daß die alpinen Blätter den Schattenblättern gleichen, doch unterſcheiden ſie ſich meiſt durch ſtärkere Cuticula und mitunter durch Ausbildung von Papillen der Oberhaut. — Stahl ſchrieb die verſchiedene Ausbildung der Licht- und Schattenblätter einem direkten Einfluſſe der Lichtintenſität zu. Zu anderen Anſichten kamen Haberlandt, Vesque und Eberdt. Leiſt ſchließt ſich der Meinung der beiden letzten an, daß die Tranſpiration die Ausbildung der Blatt⸗ gewebe beeinfluſſe und das Licht nur inſoweit in Betracht komme, als es auf die Tranſpiration einwirkt. Eberdt hatte gezeigt, daß ſich bei trockener Luft und trockenem Boden lange und enge, bei feuchter Luft und feuchtem Boden kurze und weite und zugleich lockerer verbundene Palliſaden ausbilden; ein intermediäres Verhalten trat bei trockener Luft und feuchtem Boden ein. Leiſts eigene Ver- ſuche beſtätigen dieſes und führen ihn zu dem Urteil: Der Bau des Schattenblattes wird bedingt durch herabgeſetzte 174 Tranſpiration infolge großer Luftfeuchtigkeit und durch große Bodenfeuchtigkeit. Auf den erſten Blick ſcheinen nun aber dieſe Bedingungen in den Alpen gerade nicht erfüllt zu ſein, da durch den geringeren Luftdruck eine ſchnellere Verdunſtung befördert wird und außerdem die intenſive Beſonnung der Höhen bekannt iſt. Leiſt zeigt indeſſen auf Grund der allerdings noch nicht ſehr zahl⸗ reichen meteorologiſchen Beobachtungen an hochgelegenen Gebirgsſtationen, daß die Feuchtigkeit in der Höhe, we⸗ nigſtens im Sommer, der hier allein in Betracht kommt, im allgemeinen eine viel größere iſt, als in der Tiefe, die Sonnenſcheindauer dagegen eine kürzere. Ein paar Zahlen mögen das auch an dieſer Stelle erläutern. Während der Monate April bis Auguſt 1886 betrug z. B. die Zahl der Nebeltage in Genf 0, Bern 14, am Gotthard 109, Rigi⸗ Kulm 72; die Sonnenſcheindauer in Stunden in Zürich 1058, Baſel 902, am Säntis 794 (davon z. B. im Juli in Zürich 251, Baſel 162, am Säntis 90). Gerade die Inſolationsdauer, nicht die Intenſität der Inſolation, ſpielt aber auch eine Rolle bei der Ausbildung der Palli⸗ ſaden. In der Nähe der Gletſcher iſt die Luft trockener, da dieſelben einen kondenſierenden Einfluß auf den Waſſer⸗ dampf ausüben; daher erklärt es ſich, daß in der Nähe von Gletſchern geſammelte Blätter ſich dem Typus der Sonnenblätter näherten. Ferner iſt auch der Boden in der Höhe im allgemeinen feuchter. Die Vegetations⸗ dauer der Pflanzen iſt auf einen viel kürzeren Zeitraum zuſammengedrängt; die Pflanzen treiben bereits, wenn der Schnee fortſchmilzt. Dann nehmen aber auch die Niederſchlagsmengen mit der Höhe erheblich zu, wie z. B. folgende Zahlen zeigen: 1887, April bis Auguſt: Genf 382, Bern 456, Gotthard 763, Rigi-Kulm 1194. Es iſt auch ſonſt bekannt, daß kultivierte Alpenpflanzen ein ſehr hohes Feuchtigkeitsbedürfnis haben, und daß in der Ebene nur an feuchten Orten gedeihende Pflanzen, wie Parnassia, in der Höhe auch an ſonnigen Stellen vorkommen. Es ſcheint demnach, daß die Ausbildung der alpinen Blätter im weſentlichen durch die größere Feuchtigkeit des alpinen Klimas bedingt iſt, und daß daher wahrſcheinlich auch bei der Ausbildung der Licht- und Schattenblätter die Feuch⸗ tigkeitsverhältniſſe die Hauptrolle ſpielen. Dr. Klebahn. Bremen. Vaternoſtererbſe. Die der Paternoſtererbſe von mehreren Seiten nachgerühmte Eigenſchaft, bei Augen⸗ krankheiten ſich brauchbar zu erweiſen (vergl. Humboldt 1889, Dezemberheft), hat ſich nach neueren Erfahrungen nicht bewährt. Die Entzündung, welche, wie in unſerm Artikel bereits erwähnt wurde, die Einpinſelung der Abkochung der Samen hervorruft, verläuft nicht immer gutartig, iſt vielmehr nicht ſelten von den übelſten Folgen begleitet und kann ſelbſt zur Zerſtörung des Auges führen. Dabei iſt dieſe Entzündung der therapeutiſchen Behandlung kaum zu⸗ gänglich und wenn ſie gutartig verläuft, ſo iſt damit noch keineswegs das Uebel, gegen welches die Abkochung ange- wandt wurde, ſicher beſeitigt. Die Wirkung der Pater⸗ noſtererbſe iſt übrigens ſicher eine rein chemiſche; die in unſerm Artikel bereits erwähnten Unterſuchungen, welche die Bedeutungsloſigkeit des Sattlerſchen Bacillus darge⸗ than haben, ſind von Hippel von neuem zweifellos beſtätigt worden. D. Scopolia atropoides. Ueber das Auftreten dieſer der Tollkirſche nahe verwandten Pflanze in Oſtpreußen machte Abromeit im Preußiſchen Botaniſchen Verein zu Königsberg intereſſante Mitteilungen. Die Heimat dieſer Pflanze iſt ein ſehr beſchränktes Gebiet im ſüdöſtlichen Europa weſtlich bis Krain. Sie findet ſich aber verwildert in den Ländern, die vom litauiſchen Stamm bewohnt ſind; ver⸗ einzelt findet ſie ſich auch in Oberſchleſien (Grüneberg), und nach Dr. R. Büttner bei Ruppin. In oſtpreußiſchen Dorfgärten tritt ſie meiſt an Zäunen verwildert auf; die jetzigen Beſitzer der Gärten kennen die giftigen Eigen⸗ ſchaften nicht, welche der knollig verdickte Wurzelſtock der Pflanze beſitzt und auf welche der litauiſche Name ,durna rope“ (Tollrübe) hindeutet. Es dürfte die Vermutung Humboldt. — Mai 1890. kaum abzuweiſen ſein, daß die Litauer bezw. die mit ihnen nächſtverwandten alten Preußen die Scopolia aus ihren früheren Sitzen am öſtlichen Fuße der Karpathen als Nutzpflanze mit ſich gebracht und in jenem eng be- grenzten Gebiet der baltiſchen Ebene eingebürgert haben. Somit liefert die Verbreitung dieſer national⸗litauiſchen Pflanze einen botaniſchen Beleg für jene uralten Wan⸗ derungen. D An Thalictrum aquilegiaefolium hat Krumbholz nach einer Mitteilung im Botaniſchen Verein der Provinz Brandenburg eine bemerkenswerte Erſcheinung beobachtet. Die Pflanze bildet im Garten des genannten Herrn jedes Jahr an ihren Zweigen eigentümliche zwiebelartige Knospen, welche ſich ablöſen, zur Erde fallen und zu jungen Pflänzchen auswachſen. Die Bildung der Knospen beginnt damit, daß plötzlich Blätter auftreten, zwiſchen denen keine Stengel⸗ glieder zur Entwicklung kommen, und daß ferner von den Blättern hauptſächlich nur der untere Teil (die Scheide) ſich ausbildet, während Stiel und Spreite mehr oder we⸗ niger verkümmern. Die Scheiden ſchwellen fleiſchig an und bilden die Schuppen der Zwiebel. Ein ähnlicher Vor⸗ ie dürfte wohl bis jetzt noch nicht beobachtet worden ein. D. Weiße Heidelbeeren. Die Frage, ob es weiße Heidel⸗ beeren gebe, wurde in der Botaniſchen Geſellſchaft zu Berlin bejahend beantwortet. Die Sklerotinienbildungen, durch welche nach den Unterſuchungen von Schröder und Woronin die Heidelbeere in einen harten, grauweißen Körper ver⸗ wandelt wird, der im Frühjahr Becherpilze hervorſproſſen läßt, kommt gar nicht in Frage, vielmehr iſt eine Albino⸗ form der Heidelbeere von der franzöſiſch-belgiſchen bis zur ungariſchen Grenze und von Südtirol bis zum Oſtſeeſtrand mehrfach gefunden worden. Gmelin entdeckte ſie im vorigen Jahrhundert am Jeniſſei. Häufig iſt ſie im Weſergebiet, z. B. bei Diepholz, wo man auf dem Markt ſchwarze und weiße Heidelbeeren verkauft. In manchen Gegenden wird die weiße Heidelbeere nicht genoſſen, in andern, z. B. bei Belzig, eſſen ſie die Kinder mit Vorliebe. Ihr fehlt die Gerbfäure und man kann ihren Geſchmack als ſüß, auch wohl als fade bezeichnen. D. Neue Amſehrungsverſuche an Hydra. Es iſt bekannt, daß zuerſt Trembley unſeren Süßwaſſerpolypen umſtülpte und die Meinung vertrat, daß ſolche Tiere fort⸗ leben könnten, daß alſo ihre Darmſchicht zur Haut, ihre Hautſchicht zum Darm werden könne. Spätere Verſuche ergaben ein negatives Reſultat, indem alle umgeſtülpten Tiere, die nicht in ihre urſprüngliche Lage zurückkehren konnten, abſtarben. Vor wenigen Jahren wiederholte auch Nußbaum in Bonn dieſe Verſuche und fand, daß ein Weiterleben der umgeſtülpten Hydren dennoch ſtattfinde, ohne daß eine Umkrempelung eintritt, doch ſollten die Ektodermzellen durch die Einſtülpungsöffnung, ſowie durch die zum Fixieren angebrachten Stichwunden nach außen kriechen und ſich dort über dem Entoderm ausbreiten, ſo daß alſo die natürlichen Verhältniſſe bald wieder herge⸗ ſtellt ſind. Unter Weismanns Leitung hat auch C. Iſchi⸗ kawa in Freiburg (Zeitſchr. f. wiſſ. Zoologie 49, Heft 3) die Verſuche von neuem angeſtellt und zwar an der großen Hydra fusca; ſie ergaben, daß die umgeſtülpten Hydren ſich wieder umkehren, wenn dies überhaupt möglich iſt, und wenn dies nicht möglich iſt, zu Grunde gehen. Die zur Fixierung der umgeſtülpten Tiere erforderliche Borſte iſt kein Hindernis gegen das Zurückſtülpen in die urſprüng⸗ liche Lage, aber die Umſtülpung geht oft in ſo kurzer Zeit vor ſich, daß man ſie, wenn man nicht kontinuierlich be⸗ obachtet, leicht überſehen kann — es iſt ein einfaches Zurück⸗ klappen der beiden Schichten in ihre urſprüngliche Lage. An einem abgeſchnittenen Körperſtücke einer Hydra ent= wickelt ſich der neue Kopf immer am vorderen Ende, was gegen eine ſolche Flüſſigkeit der Elemente ſpricht, wie ſie Nußbaum annimmt. Iſchikawa beobachtete ferner, daß bei der Aufnahme großer Nahrungsbiſſen eine Hydra ſich ſtets umſtülpt, aber bald in ihre normale Lage zurückkehrt; dieſe Eigentümlichkeit unterſtützt ſehr weſentlich die von Humboldt. Iſchikawa gemachte Angabe über die Umſtülpung: das Zu— rückſchlagen iſt der Hydra nichts Neues. Endlich gelang es Iſchikawa, zwei Tiere dauernd miteinander zur Ver— ſchmelzung zu bringen, indem ſie mittels Borſten anein— ander geheftet oder ineinander geſteckt wurden. B. Der Guineawurm als tieriſcher Varaſit. Der Guinea: oder Medinawurm, Filaria medinensis Gm, iſt in den Tropenländern der Alten Welt ein bekannter Paraſit des Menſchen, in deſſen Unterhautbindegewebe er ſchmarotzt, hierbei eigroße Geſchwüre erzeugend. Beſonders iſt er an der Goldküſte häufig; in Aegypten war er nach Clot⸗Bey unbekannt bis 1820, zu welcher Zeit Mehemed Ali Sennaar eroberte; von da ab wurde er durch Nubier, welche in die ägyptiſche Armee eingereiht wurden, nach Aegypten verſchleppt. Eigentümlicherweiſe jedoch ſcheint die Filaria bei den Eingeborenen Unterägyptens ſich bis heute noch nicht als Paraſit allgemeiner eingebürgert zu haben, dagegen findet fic) der Wurm ſehr häufig bei fleiſch⸗ freſſenden Tieren dieſer Gegend ſchmarotzend. Nach Mit— teilungen von Railliet (Bull. Soc. Zoolog., T. XIV, No. 4, 1889) haben Piot und Innés in Kairo in letzter Zeit mehrfache Angaben über das Vorkommen von Filaria medinensis bei Fleiſchfreſſern, ſo bei Hund und Schakal, in Aegypten geſammelt. Die pathologiſchen Erſcheinungen, welche der Paraſit hervorruft, ſind ungefähr die gleichen wie beim Menſchen; während jedoch bei dieſem ſich meiſt nur ein Paraſit findet, waren bei den unterſuchten Tieren häufiger mehrere, bis fünf, Würmer gleichzeitig vorhanden; dafür ſcheint das Aufbrechen der Geſchwüre nicht mit ſo ſchmerzhaften Komplikationen verbunden zu ſein wie beim Menſchen. Innerhalb der Geſchwüre liegt der Wurm ſchleifenförmig zuſammengerollt, eine Lage, welche die be— kannte afrikaniſche Methode, den Wurm durch vorſichtiges Aufwickeln auf ein Stäbchen allmählich zu entfernen, er— klärt. Außer von Aegypten iſt der Wurm auch ſchon anderweitig als tieriſcher Paraſit bekannt geworden, fo von Guinea als häufiger Paraſit der Rinder. Clarcjon beobachtete ihn in Indien beim Pferd, und aus Indien iſt er ferner durch Smyttan und Forbes bekannt. Es iſt aber wohl zu bezweifeln, ob alle dieſe von Railliet repro— duzierten Angaben ſich thatſächlich auf die Art Filaria medinensis beziehen, wenigſtens klingt die Angabe, daß der gleiche Paraſit bei Hunden in Buenos-Ayres und Curacao beobachtet worden fei, nicht eben ſehr wahr— ſcheinlich. —p. Seeigel in Geftein bohrend. Von einer Anzahl Seeigel iſt es längſt bekannt, daß ſie im Ufergeſtein in Höhlungen leben, welche genau der Größe des Bewohners entſprechen, ſo daß derſelbe nur ſchwer aus jener ent— fernt werden kann; häufig auch iſt der Durchmeſſer der Höhlung beträchtlich größer als der Eingang zu derſelben, ſo daß es abſolut unmöglich iſt, daß das Tier ſeine Wohnung freiwillig verläßt oder ohne Schädigung ge— waltſam herausgenommen werden kann. Am bekannteſten find derartige Funde von der Küſte von Croiſie (untere Loire), wo in feldſpat- und quarzreichem Granit zu Tauſenden Seeigel in Höhlungen ſitzend gefunden werden. Daß die Tiere ſich dieſe Höhlungen ſelbſt ſchaffen oder zum mindeſten zufällig vorhandene Höhlungen zwar be— nützen, aber nach Bedürfnis erweitern, iſt wohl allgemein anerkannt, vielfach aber iſt, ohne ein abſolut befriedigendes Reſultat zu gewinnen, ſchon die Frage erörtert worden, in welcher Weiſe die Seeigel ſich dieſe Löcher ausbohren. An die Auflöſung des Geſteins auf chemiſchem Wege kann nicht gedacht werden, da einerſeits die Natur der Geſteine vielfach gegen eine ſolche Löſung der Frage ſpricht, an— dererſeits eine Säure bei Seeigeln eben niemals nachgewieſen werden konnte; fo bleibt nur eine Aushöhlung des Ge- ſteins auf mechaniſchem Wege übrig. Neuerdings hat ſich Georg John mit Unterſuchung des Bohrvermögens der Seeigel beſchäftigt (Inaug.-Diſſ. und in Arch. für Naturgeſch. 55. Jahrg., Bd. J, Heft 3, Sept. 1889). Auch er kommt zu dem Reſultat, daß die Aushöhlung des Ge ſteins auf mechaniſchem Wege geſchieht, und weiſt die Haupt- Mai 1890. 175 aufgabe hierbei dem als „Laterne des Ariſtoteles“ bekannten Kauapparat der Seeigel zu; mit dieſem beißen ſie ſich zu— nächſt in das Geſtein ein; ſekundär ſind ſodann die Stacheln beim Bohren beteiligt. Der Vorgang geht wahrſcheinlich in der Weiſe vor ſich, daß die Saugfüßchen ſich jedesmal feſt an die Unterlage anheften und die Stacheln überein— ander weg greifen, den Körper in eine rotierende Be— wegung verſetzend. Dabei wird das Geſtein durch die Stachelſpitzen allmählich geglättet, die Stacheln ſelbſt aber abgenützt. Als Grund des Einbohrens iſt wohl mit Sicherheit anzunehmen, daß die in der Gezeitenzone lebenden Seeigel hierdurch ſich einen Schutz vor dem Wellen— ſchlag des bewegten Meeres ſuchen. Ihre Anweſenheit in den Löchern ſuchen ſie nach Möglichkeit dadurch zu verbergen, daß ſie ſich mit Muſchelſchalen, Schneckengehäuſen und ähn— lichem bedecken, wie dies Dohrn auch bei freilebenden See- igeln bemerkte, die unter dem Schutz einer derartigen Decke ſich unvermerkt an ihre Beute heranſchlichen. Da die Ge— ſteine, in welchen ſich Seeigelhöhlungen befinden, meiſt dick mit Kalkalgen bedeckt ſind, iſt angenommen worden, daß zwiſchen beiden Vorkommniſſen ein Zuſammenhang beſteht, indem die Kalkalgen das Geſtein zerſetzen und ſo ſeine Bearbeitung den Seeigeln erleichtern. Dementgegen fand John, daß die Kalkalgen ſich einfach auf das Geſtein auflagern, ohne irgend einen Einfluß auf die chemiſche Beſchaffenheit der Oberfläche auszuüben, jo daß ein Zu— ſammenhang zwiſchen dem Vorhandenſein der Kalkalgen und den Wohnungen der Seeigel nicht nachgewieſen werden kann. Daß dagegen den Seeigeln die Aushöhlung ihrer Wohnungen häufig durch den Einfluß der Atmoſphärilien auf das Geſtein erleichtert wird, iſt ſelbſtverſtändlich. Neben Seeigeln bohrt bekanntlich noch eine ganze Anzahl anderer, verſchiedenen Gruppen angehöriger Tiere ſich in Geſteine ein; meiſt iſt über die Art und Weiſe des Bohrens nichts bekannt, doch vollzieht ſich der Vorgang aller Wahr— ſcheinlichkeit nach in den meiſten Fällen ebenfalls auf mecha⸗ niſchem Wege. Auch bei Landmollusken, Verwandten der gewöhnlichen Weinbergsſchnecke, begegnen wir übrigens der gleichen Fähigkeit. Den ſchon durch Kobelt bekannten Beiſpielen fügt F. A. Forel neue bei, der in einer Sitzung des naturwiſſenſchaftlichen Vereins von Vaudois hartes Kalkgeſtein von Conſtantine in Algier vorlegte, welches von Helix aspera durchbohrt war; die Löcher, in welchen das Tier wohnt, ſind 10—12 em tief. (Bull. Soc. Vaudoise des Sc. Natur. Vol. XXIV., No. 99, p. XXX. 1889.) P Neue Fundorte für Leptodora. Leptodora hyalina Lili, dieſer intereſſante glashelle Waſſerfloh, der aus den verſchiedenſten größeren Süßwaſſerbecken Europas bekannt iſt, war bis jetzt in Frankreich nur in den Seen von Annecy und Bourget aufgefunden worden, wo ihn Im— hof 1883 entdeckte. Vergangenen Sommer fand Kerhervé das Tierchen in einem der Waſſerbecken im Park von Verſailles in großer Häufigkeit. Auch am Tage fanden ſich hier die Tiere, obwohl das Baſſin dem vollen Sonnen— lichte ausgeſetzt war, nur wenige Centimeter unter der Ober— fläche bis zur Tiefe eines Meters, während Leptodora im all- gemeinen bei Tage ſich in größeren Tiefen aufhält und erſt nachts an die Oberfläche kommt. Im gleichen Baſſin fanden fic) noch Arten von Daphnia, Ceriodaphnia, Bos- mina und Daphnella. Der Fund ſpricht dafür, daß Lepto— dora, die wegen ihrer Durchſichtigkeit ſich leicht der Beob— achtung entzieht und thatſächlich bis vor nicht vielen Jahren nur von wenigen Fundorten bekannt war, noch an vielen Orten aufzufinden ſein wird und in ihrem Vorkommen nicht ausſchließlich an größere Landſeen gebunden iſt. — Außerhalb Europa ijt Leptodora bisher nur einmal ge— funden worden und zwar von Dr. A. Fritze in Zentral- japan, nämlich im Kawaguchi-Ko, einem kleinen ca. 770 m hochgelegenen Süßwaſſerſee in der Provinz Kai, am Nord— fuß des Fuſinoyama. Ob dieſe Leptodora mit der bisher allein bekannten Art Hyalina identiſch iſt, oder ob eine neue Art vorliegt, hat Dr. Fritze bisher noch nicht feſt— geſtellt. —p. 176 Humboldt. — Mai 1890. Einen ſonderbar geftalteten Hack einer Bfydie be- ſchreibt Rogenhofer aus Ceylon (Verh. d. Zoolog.-bot. Geſellſch. Wien Bd. 39, 1889 II. Quart. S. 61). Der ca. 2 em lange Sack iſt pfriemenförmig und an eine teller⸗ förmige Scheibe befeſtigt, die bis 9 mm lang tft und nach vorn über die an ihrer Mitte befeſtigte Röhre hinaus⸗ ragt. Das Material des Sackes beſteht aus feinkörnigem, hellem Sand; die Tiere leben auf Flechten an quarz⸗ und glimmerreichen Felſen in Zentral-Ceylon; die Röhre, in welcher die Raupe wohnt, iſt mit weißer Seide ausge⸗ ſponnen, der Rand auch weiß. Die ſyſtematiſche Stellung des Tieres iſt, da dasſelbe nur in Raupen⸗ zuſtand bekannt iſt, nicht mit Sicherheit zu konſtatieren. Wahrſcheinlich gehört die Art zu Fumea und Rogenhofer verleiht ihr die Artbezeichnung Limulus wegen Aehnlichkeit des Sackes mit einer Diminutivausgabe des Molukkenkrebſes. Die Geſtalt des Sackes erinnert entfernt an das Gehäuſe einer mehr⸗ fach vom Referenten gefundenen Phryganeen⸗ larve, Molanna angustata Curtis. Auch hier iſt die zum Wohnort dienende Röhre von. einer ſchildartigen Verbreiterung überdacht, die allerdings nicht rund, ſondern länglich und nicht ſo ſcharf abgeſetzt iſt wie die tellerförmige Scheibe des Fumea- Sackes; in gleicher Weiſe aber überragt das Schild beträchtlich die vordere Oeffnung der Röhre, ſo daß unter ſeinem Schutz das Tier ungefährdet die vorderen Segmente aus ſeiner Wohnung herausſtrecken kann. Das Material des Gehäuſes der in ſeichten Gewäſſern lebenden Molanna- Larve beſteht ebenfalls aus feinkörnigem Sand. —p. Aleber die Verbreitung der Krähenarten in Deulſch⸗ fand hat Paul Mathie in Pankow bei Berlin (Journal für Ornithologie) eine kartographiſche Darſtellung ver⸗ öffentlicht. Die Nebelkrähe (Corvus cornix) bewohnt vorzugsweiſe den Oſten, die Rabenkrähe (C. corone) den Weſten Deutſchlands. Das ausſchließliche Gebiet der erſteren, wo die Rabenkrähe nur in ganz vereinzelten Exemplaren an⸗ zutreffen iſt, umfaßt ganz Pommern, Weſt⸗ und Oſtpreußen, die öſtliche Hälfte von Brandenburg, ſowie Schleſien bis auf den ſüdweſtlichen Teil des Regierungsbezirks Liegnitz. Umgekehrt findet ſich die Rabenkrähe, abgeſehen von einigen nur vereinzelt vorkommenden Nebelkrähen, als Allein⸗ herrſcherin im ſüdweſtlichen Teile von Holſtein, dem größten Teile von Hannover, Oldenburg, Braunſchweig, im Re⸗ gierungsbezirk Erfurt, in Reuß, Sachſen-Koburg, Sachſen⸗ Meiningen, Sachſen-Weimar, Schwarzburg, Waldeck, Lippe, Weſtfalen, Heſſen-Naſſau, Rheinprovinz, Heſſen, Bayern, Baden, Württemberg und Elſaß⸗Lothringen. Das Elbge⸗ biet iſt die Scheidegrenze zwiſchen den beiden Arten, und naturgemäß kommen ſie hier ziemlich in gleicher Anzahl vor. Auch hat man hier zahlreiche Baſtardgattungen be⸗ obachtet. Die dritte Art, die Saatkrähe (C. krugilegus), iſt ziemlich gleichmäßig über ganz Norddeutſchland ver— breitet. Nur die Lüneburger Heide ſcheint ſie zu meiden. Gebirge ſucht ſie ebenfalls nicht auf, und iſt daher im Harz, im Thüringer Wald und im Rieſengebirge nur in den Vorbergen zu finden. In Süddeutſchland ijt die Saatkrähe ſelten; im Regierungsbezirk Trier, in Elſaß⸗ Lothringen und in Bayern findet ſie ſich nur ſpärlich, in Baden an einigen Punkten des Bodenſees als Brutvogel. Das mittlere Weſtfalen und ein Teil von Heſſen⸗Naſſau ſcheint dieſe Art ganz zu entbehren. In Württemberg hatten nur einmal, 1879, einige Paare den Verſuch ge⸗ macht, ſich anzuſiedeln, doch vergebens. In ganz ähn⸗ licher Weiſe wie hier die Rabenarten will Matchie in ſeiner nächſten Karte die Nachtigallenarten: Luscinia philomela, Luseinia luscinia und Turdus pilaris behandeln. Er erſucht, ihm Beobachtungen über das Brutvorkommen dieſer drei Arten zukommen zu laſſen, wobei ihm auch negative Mitteilungen von Wert ſind, und bittet außerdem, ihm auch Adreſſen von guten Beobachtern mitzuteilen. D. Die ſtebenfingerige Grundform der Extremitäten der Wirbelthiere. Es iſt ſchon in einem früheren Jahr⸗ Sack einer Pſpche. gange des Humboldt darauf hingewieſen worden, daß man zur Beurteilung der Extremitäten der höheren Wirbeltiere nicht von einem fünffingerigen, ſondern von einem ſieben⸗ fingerigen Typus ausgehen müſſe, da nach außen ſowohl vom Daumen reſp. der großen Zehe als auch vom kleinen Finger (Zehe) ſich noch Rudimente eines ſechſten und ſiebenten Fingers nachweiſen laſſen. Dieſe Rudimente liegen teils in kleinen ſelbſtändigen Knochen, wie dem Os pisiforme der Handwurzel, teils in ſogenannten Seſam⸗ beinen, teils endlich in kleinen, ſich geſondert anlegenden, aber ſekundär mit anderen Knochen verwachſenden Knorpel⸗ ſtückchen. Dieſe Deutung der größtenteils ſchon bekannten Knochen als Rudimente verloren gegangener Finger, die von K. Bardeleben herrührt, iſt ziemlich allgemein ange⸗ nommen worden, fand jedoch in C. Gegenbaur (Heidel⸗ berg) einen ausgeſprochenen Gegner. Bei der Bedeutung dieſes Autors war es natürlich, daß Bardeleben neue An⸗ haltspunkte für ſeine Theorie ſuchte, was ihm auch in vollem Maße gelungen iſt. Nicht nur zeigt er, daß Theriodesmus phylarchus, ein foſſiles, zwiſchen Reptilien und Säugern ſtehendes Wirbeltier, das fünf wohl ent- wickelte Zehen beſaß, vor dem Daumen noch einen aus zwei phalangenähnlichen Knochen beſtehenden Vordaumen (praepollex) trägt, ſondern er beweiſt auch, daß es noch heut ſiebenfingerige Säugetiere gibt: es iſt dies z. B. der Springhaſe vom Kap, deſſen aus einem Knochen be⸗ ſtehender Vordaumen einen gut entwickelten Nagel trägt, ſo daß die Hand ſechs Nägel beſitzt, während der über⸗ zählige kleine Finger aus zwei Knochenſtücken beſteht, deren Nagel aber fortgefallen iſt. Schon bei der äußeren Be⸗ trachtung ſieht die Hand des Springhaſen (Pedetes ca- pensis) ſiebenfingerig aus. Auch bei foſſilen Schildkröten und anderen Reptilien gelang der Nachweis eines Vor⸗ daumens! Die Kaſtké- Krankheit und die Zuſammenſetzung der Bevölkerung Japans. Als Kakke wird in Japan eine Krankheit bezeichnet, die in ihren Erſcheinungen dem bekannten Beri⸗Beri ſehr nahe ſteht und mit größter Wahrſcheinlichkeit als eine Abart der letzterwähnten Krank⸗ heit bezeichnet werden muß. Ebenſo wie die Beri⸗Beri⸗ Seuche iſt auch das Kakks nicht etwa, wie vielfach be⸗ hauptet wurde, eine durch unrichtige Ernährung bedingte Geſundheitsſtörung oder eine Art Skorbut der farbigen Raſſen, ſondern vielmehr ein durch Bacillen übertragenes und zugleich endemiſches ſubakutes Nierenleiden. Aus der Verbreitung des Kakks zieht T. Gueit Schlüſſe bezüglich der ethniſchen Zuſammenſetzung der heutigen Bevölkerung Japans. Daß letztere aus verſchiedenen Raſſenelementen zuſammengeſetzt iſt, unterliegt keinem Zweifel; es fragt ſich nur, welche Völker und Raſſen zur Bildung des japa⸗ niſchen Volkes beigetragen haben. Aus der Thatſache, daß die Chineſen von dem Kakks regelmäßig verſchont bleiben ſelbſt in Lokalitäten, wo dieſe Seuche aufs heftigſte graſſiert — hieraus folgert nun Gueit, daß bei der Bevölkerung des heutigen Japan das chineſiſche (mongoliſche) Element nicht das vorherrſchende ſein kann. Nach Gueit ſetzt ſich das japaniſche Volk aus 3 verſchiedenen Beſtandteilen, nämlich 1) aus Abkömmlingen von Ainos, 2) aus Negritos und 3) aus einem malayiſchen Volkselement zuſammen, jedoch in der Weiſe, daß das letztere Element das vorherrſchende iſt. Wohin auch nur der Malaye auswandert, überallhin bringt er die Beri-Beri⸗Seuche — die nur als eine be⸗ ſonders gefährliche Form des relativ harmloſen Kakké auf⸗ zufaſſen iſt — mit ſich. Die Empfänglichkeit für die Beri⸗ Beri⸗Krankheit verdankt der Malaye wahrſcheinlich dem in ihm enthaltenen Hindublut. Von Indien ſehen wir die Beri⸗Beri ebenſo wie die Malayen — auf der einen Seite bis nach Madagaskar, auf der anderen Seite bis nach Japan — ſich ausbreiten; auch begegnen wir derſelben unter den Eingeborenen von Java, Sumatra u. ſ. w. Je nachdem bei den Bewohnern dieſer Inſeln das malayiſche Blut prädominirt oder ſchwach vertreten iſt, tritt auch die Seuche auf dieſen Inſeln in verſchiedener Häufigkeit und in etwas verſchiedener Form ſowie unter verſchiedenen Humboldt. — Mai 1890. 177 Namen auf. Was das oben erwähnte Vorhandenſein von Negritoblut in der heutigen Bevölkerung Japans anlangt, ſo hat Gueit auf der Inſel Sikok einen intereſſanten Beleg für die Anweſenheit negritiſcher Elemente auf dieſer Inſel gefunden. Er entdeckte nämlich daſelbſt eine kleine Buddha⸗ Statuette, welche den Gott mit der charakteriſtiſchen Naſen— bildung und Haarbeſchaffenheit der Negritos zur Dar— ſtellung bringt. (Vergl. Archive de Médecine navale 1889.) M. A. Auſtraliſche Botenſlöcke. Bei den meiſten auftra- liſchen Stämmen iſt es üblich, den Ueberbringern von Botſchaften Stöcke mit eingeritzten Zeichen mitzugeben, die den Adreſſaten zugleich mit der Botſchaft überliefert werden. Haben nun dieſe Zeichen eine konventionelle Bedeutung, die dem Empfänger auch ohne die mündliche Botſchaft ver— ſtändlich iſt, liegt hier alſo der Anſatz zu einer Art Schrift vor? Nach den Mitteilungen von A. W. Howitt (im Journal of the anthropological institute of great Britain and Ireland) iſt dies nicht der Fall, ſondern die Zeichen dienen lediglich als Gedächtnishilfen des Boten beſonders für Zahlen. Nur wenn zwei Leute ſich genau kennen und oft Botſchaften ſenden, können ſie zuweilen aus den bloßen Zeichen auf die ganze Botſchaft ſchließen. Intereſſant iſt, wie beim Zählen verfahren wird: man bedient ſich als Hilfsmittel nicht bloß der Finger, ſondern auch anderer Körperteile in ganz beſtimmter Reihenfolge. So fängt man beim kleinen Finger an, geht nach Erle— digung der vier übrigen zum Handgelenk, Vorderarm, Ellbogen, Oberarm, Schulter, Nacken, Ohrläppchen, Kopf— ſeite, Scheitel und dann auf der entgegengeſetzten Körper— hälfte in umgekehrter Reihenfolge herab bis zum kleinen Finger. Außer den Botenſtäben werden zuweilen auch andere Gegenſtände geſandt, und dieſe haben wohl auch ihre beſtimmte Bedeutung, ſo bezeichnen weiße Federn den Frieden, rote den Krieg. W. Ethnographie der Valkanhalbinſel. Die bisherige Anſicht, die ihren Ausdruck auch auf den vorhandenen ethnographiſchen Karten fand, ging dahin, daß Makedonien hauptſächlich von Bulgaren bevölkert jet. Spiridion Gop- cevic, ein geborener Serbe, hat dieſe Gebiete im Jahre 1888 bereiſt und darüber in Petermanns Mitteilungen und kürzlich in einem beſonderen Werke berichtet. Nach ihm iſt das ganze Gebiet, alſo die türkiſchen Vilajets Saloniki, Monaſtir und Koſſovo, nicht von Bulgaren, ſondern von Serben bewohnt, und ein zukünftiges Großſerbien hätte danach ethnographiſchen Anſpruch auf eine Aus— dehnung, wie ſie unter Stephan Duſchan kaum größer war. Nach ſeiner Statiſtik find von den 2880000 Gin- wohnern dieſes Gebiets 2050000 Serben, nur 57700 Bulgaren, während der Reſt ſich auf Türken, Griechen, Albaneſen und kleinere Völkerſchaften verteilt. Die Me— thode, die Herrn Gopcevic zu dieſen Reſultaten verholfen hat, wird von Dr. A. Oppel im Globus (1890 Nr. 5) einer eingehenden Kritik unterzogen, nach der ſie aller— dings mit Vorſicht aufgenommen ſein wollen. Die Frage bleibt daher eine offene, bei den vielerlei Intereſſen, die hier mitſpielen, wohl noch für lange Zeit. Wea Ueber das Vorkommen einiger fymbolifdher Zeichen, des Triquetrum (3 von einem Punkt ausgehende Linien), des Rad- und Ringkreuzes in Amerika hielt Daniel G. Brinton einen Vortrag in der American Philosophical Society (Proceedings, January to July 1889). Sie finden ſich in Nord- und Südamerika weit verbreitet, und ſind von Hamy, Beauvois u. a. auf vorcolumbiſche buddhiſtiſche reſpektive ariſche Einflüſſe bezogen worden. Brinton iſt der Anſicht, daß Schlüſſe auf ethniſche Verwandtſchaft und Kultureinflüſſe aus dieſen Gründen nicht ſtatthaft ſeien, da dieſe Symbole aus einem Gedankengang entſprungen ſeien, der bei allen Völkern ein gleichartiger ſein mußte. Es ſeien urſprünglich Darſtellungen der Bewegung der Sonne. Die Auslegung des Ringkreuzes von Worſaae und Virchow als Darſtellung der rollenden Sonne ver— wirft er, da es ſich bei Völkern finde, die kein Rad kennen, und daher auch die Vorſtellung vom Rollen der Sonne nicht bilden können (letzteres iſt doch wohl möglich). Es ſei vielmehr eine Darſtellung der Bewegung der Sonne am Horizonte und finde ſich häufig auf Kalenderſteinen verwertet. Für weitere Einzelheiten müſſen wir auf den Originalartikel verweiſen, der auch erläuternde Abbil— dungen enthält. We LKaturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen etc. In Verbindung mit dem X. internationalen medi- ziniſchen Kongreß, welcher vom 4. bis 9. Auguſt dieſes Jahres in Berlin tagen wird, ſoll eine internationale mediziniſch-wiſſenſchaftliche Ausſtellung ſtatt⸗ finden. Von den Vertretern der mediziniſchen Fakultäten und der größeren ärztlichen Geſellſchaften des Deutſchen Reiches iſt ein Organiſations-Comité, beſtehend aus den Doktoren Virchow, von Bergmann, Leyden, Waldeyer und Laſſar, mit dem Auftrage betraut worden, die Vorbereitungen für dieſe Ausſtellung zu treffen. Auch haben ſich in den Herren Kommerzienrat Dörffel, H. Haenſch, Direktor J. F. Holtz, Direktor L. Löwenherz und H. Windler tech— niſche Autoritäten zur Mitarbeit bereit gefunden. Die ſehr großen Schwierigkeiten, welche die Beſchaffung ge— eigneter Räumlichkeiten gemacht hat, ſind erſt jetzt gehoben worden und es wird nunmehr zur Beſchickung der Aus⸗ ſtellung eingeladen. Wir heben zunächſt hervor, daß der Charakter derſelben, der Gelegenheit und dem zur Ver— fügung ſtehenden Raume entſprechend, ein ausſchließlich wiſſenſchaftlicher ſein wird. Folgende Gegenſtände ſollen, ſoweit der Platz reicht, zur Ausſtellung gelangen: Neue oder weſentlich verbeſſerte wiſſenſchaftliche Inſtrumente und Apparate für biologiſche und ſpeziell mediziniſche Zwecke, einſchließlich der Apparate für Photographie und Spektralanalyſe, ſoweit, fie mediziniſchen Zwecken dienen — neue pharmakologiſch⸗chemiſche Stoffe und Präparate Humboldt 1890. — neueſte pharmaceutiſche Stoffe und Präparate — neueſte Nährpräparate — neue oder beſonders vervoll— kommnete Inſtrumente zu operativen Zwecken der inneren und äußeren Medizin und der ſich anſchließenden Spezial— fächer, einſchließlich der Elektrotherapie — neue Pläne und Modelle von Krankenhäuſern, Rekonvalescentenhäuſern, Desinfektions- und allgemeinen Badeanſtalten — neue Einrichtungen für Krankenpflege, einſchließlich der Trans— portmittel und Bäder für Kranke, — neueſte Apparate zu hygieniſchen Zwecken. Alle Anmeldungen oder An— fragen ſind an das Bureau des Kongreſſes (Dr. Laſſar, Berlin NW., Karlſtraße 19) mit dem Vermerk „Aus— ſtellungsangelegenheit“ zu richten. Die königliche phyſikaliſch-ökonomiſche Geſellſchaft in Königsberg, eine der älteſten Vereinigungen ihrer Art, feierte am 22. Februar ihr hundertjähriges Jubiläum. Die Geſellſchaft hatte anfangs ihren Sitz in Mohrungen, 1792 aber wurde ſie mit dem 1790 in Königsberg be— gründeten preußiſch-ökonomiſchen Leſe-Inſtitut verſchmolzen und führt ſeither ihren jetzigen Namen. Eigene Veröffent— lichungen gibt die Geſellſchaft ſeit 1792 heraus. In den erſten Jahrzehnten ihres Beſtehens verhandelte die Geſell— ſchaft mit Vorliebe über Gegenſtände aus der Oekonomie und Landwirtſchaft. So finden ſich unter den Vereins- ſchriften aus dieſer Zeit ein „Bienenkatechismus“, ein „Ver⸗ 23 178 ſuch über die Schafzucht in Preußen,“ eine „Anweiſung über Bau und Wartung der Runkelrüben“, u. a. m. Später treten Unterſuchungen über naturwiſſenſchaftliche Dinge mehr in den Vordergrund, zu einem Teile unter dem Einfluſſe von Karl Ernſt von Baer, dem Begründer der Entwickelungsgeſchichte, der wohl das berühmteſte Mitglied der phyſikaliſch⸗ökonomiſchen Geſellſchaft yt. Später⸗ hin zählte die Geſellſchaft noch einen Anatomen von Ruf zu ihren Mitgliedern, Heinrich Rathke, der auf dem näm⸗ lichen Gebiete wie Baer grundlegend gewirkt hat. Seit dem Ende der ſechziger Jahre läßt ſich die Geſellſchaft die Pflege der Naturkunde Preußens beſonders angelegen ſein. So ſchrieb in ihrem Auftrage Oswald Heer über die bal⸗ tiſche Flora, Lentz über preußiſche Käfer, R. Klebs über Bernſteinfunde aus der Steinzeit, G. L. Mayr über Ameiſen im baltiſchen Bernſtein u. a. m. Weiterhin wurden auch Dr. G. Behrendt und A. Jentſch damit betraut, eine geo⸗ logiſche Karte von Preußen aufzunehmen. Auch zu wiſſen⸗ ſchaftlichen Reiſen trug die Geſellſchaft wiederholt ihr Scherflein bei. ; D. Die Akademie zu Bukaxeſt hat ſich gegen die von der Pariſer ethnographiſchen Geſellſchaft geplante Ab⸗ haltung eines internationalen Kongreſſes für Völßer⸗ Runde in Bukareſt ausgeſprochen. Und zwar hat die Akademie das ihr von der Regierung abverlangte Gut⸗ achten damit begründet, daß der Stand der ethnographiſchen Forſchungen in Rumänien und die darauf bezüglichen Sammlungsreſultate kein ſolches jet, um in einer dem Lande ehrenvollen Weiſe als Grundlage für die Arbeiten eines internationalen Kongreſſes dienen zu können. Als Hauptredner für dieſes ablehnende Gutachten trat in der Akademieſitzung der frühere Miniſter D. Sturdza auf, welcher unter Hinweis auf den fragwürdigen wiſſenſchaft⸗ lichen Charakter der Pariſer ethnographiſchen Geſellſchaft darauf verwies, daß auch die halbe Million, welche die keineswegs erfolgreiche Vertretung Rumäniens auf der Pariſer Weltausſtellung dem Staate gekoſtet habe, beſſer für die Vermehrung der Muſeumsſammlungen zu ver⸗ wenden geweſen wäre. D. Vreisaufgaben. Die Variſer Akademie der Wiſſenſchaſten hat u. a. folgende Preisaufgaben geſtellt, als deren Ablieferungs⸗ termin ſtets der 1. Juni des gegebenen Jahres anzu⸗ ſehen iſt. Damoiſeau-⸗Preis: Die Theorie der Ungleichheiten langer Perioden, welche in der Mondbewegung von den Humboldt. — Mai 1890. Planeten veranlaßt werden, iſt zu vervollkommnen. Da⸗ bei iſt zu unterſuchen, ob außer den bereits bekannten noch andere merkliche vorhanden ſind. Termin: 1890. Preis 3000 Frank. Vaillant⸗Preis. Unterſuchung der Stauchungen, welche durch die Faltung der Erdrinde entſtehen. Rolle der horizontalen Verſchiebungen. Termin 1890. Preis 4000 Frank. Bordin⸗Preis: Die innerſten Befruchtungserſchein⸗ ungen bei den phanerogamen Pflanzen ſollen unterſucht werden, ganz beſonders unter dem Geſichtspunkte der Teilung und des Transportes des Zellkernes. Die Be⸗ ziehungen zwiſchen dieſen Erſcheinungen und den ent⸗ ſprechenden, im Tierreiche beobachteten, ſollen angegeben werden. 1891. 3000 Frank. Großer Preis der phyſikaliſchen Wiſſenſchaften: Ueber die Sinnesorgane bei den Wirbelloſen vom anatomiſchen und phyſiologiſchen Geſichtspunkte. Der Preis darf auch der vollſtändigen Unterſuchung eines Sinnesorganes bei einer Gruppe von Wirbelloſen zuerteilt werden. 1891. 3000 Frank. Beordin⸗Preis: Vergleichende Unterſuchung des Hör⸗ apparates bei den warmblütigen Wirbeltieren, Säuge⸗ tieren und Vögeln. 1890. 3000 Frank. Gay⸗Preis: Die orographiſche Unterſuchung eines Ge⸗ birgsſyſtems ſoll nach neuen und ſchnellen Methoden aus⸗ geführt werden. 1890. 2500 Frank. Gay⸗Preis: Unterſuchung neu gebildeter Seen und der Art ihrer Beſiedelung. 1891. Preis 2500 Frank. Die eingeſandten Arbeiten werden nicht zurückgeſchickt. Die Bewerber müſſen in einer knappen Ueberſicht den Teil ihrer Arbeit bezeichnen, in dem ſich die Entdeckung findet, über welche fie das Urteil der Akademie wünſchen. D. Die Société royale des Sciences médicales et naturelles de Bruxelles hat für die Löſung der Auf⸗ gabe: Etudier l’influence de la température sur la marche, la durée et la fréquence de la caryoeinèse dans un exemple emprunté au régne yégétal eine goldene Medaille im Wert von 200 Frank ausgeſetzt. Die deutlich und in franzöſiſcher Sprache geſchriebenen Ab- handlungen find vor dem 1. Juli 1890 an Herrn Dr. Stiénon, Rue de Luxembourg Nr. 5 in Brüſſel zu ſenden. D. In der Dezemberſitzung des Vereins zur Beſörde⸗ rung des Gewerbefleißes in Preußen wurde eine Preis: aufgabe, die goldene Denkmünze und 3000 Mark für die beſte Arbeit über den Magnetismus des Eiſens ausge- ſchrieben. D. Biographien und perſonalnotizen. Profeſſor Liebſcher in Poppelsdorf wurde als Nachfolger Drechslers zum Direktor des Landwirtſchaftlichen In⸗ ſtituts in Göttingen ernannt. Dr. Michaelis, Profeſſor an der Techniſchen Hochſchule in Aachen, wurde zum Profeſſor der Chemie und Pharmacie in Roſtock ernannt. Dr. Ludwig Klein, Privatdozent in Freiburg, iſt zum a. o. Profeſſor der Botanik ernannt worden. Privatdozent Dr. Stintzing in München wurde als Profeſſor der Phyſiologie nach Jena berufen. Dr. Benediet an der Techniſchen Hochſchule in Wien wurde zum a. o. Profeſſor der analytiſchen Chemie ernannt. Profeſſor Dr. Sigmund Exner in Wien wurde als Nach⸗ folger von Brücke zum ordentl. Profeſſor der Phyſio⸗ logie und Leiter des Phyſiologiſchen Inſtituts ernannt. Dr. Alex. Tſchirch, Privatdozent an der Univerſität in Berlin, wurde zum Profeſſor der Pharmazie und Pharmakognoſie in Bern ernannt. Dr. O. Decher, Privatdozent an der Techniſchen Hochſchule in München, geht als Profeſſor der Geodäſie und Topographie an das Polytechnikum in Zürich. J. Wertheimer, Vorſteher der Leeds School of Science and Technology, wurde zum Vorſteher der Merchant Venturer's School zu Briſtol, der größten techniſchen Schule in Weſtengland, erwählt. 0 Lord Rayleigh wurde von der phyſikaliſchen Klaſſe der Akademie der Wiſſenſchaften zu Paris zum korreſpon⸗ dierenden Mitglied ernannt. Sir John Kirk und Sir William Turner, Pro⸗ feſſor der Anatomie an der Univerſität Edinburg, ſind zu Mitgliedern des Athenäum⸗Klubs erwählt worden. Dr. J. B. De⸗Toni, Aſſiſtent der Botanik an der Uni⸗ verſität zu Padua, hat ſich als Dozent für Phykologie daſelbſt habilitiert. Dr. Hermann Roß, Aſſiſtent am R. Orto botanico in Palermo, iſt zum Privatdozenten der Botanik daſelbſt ernannt worden. Dr. Julius Paoletti iſt zum Aſſiſtenten am Botaniſchen Garten zu Padua ernannt worden. Profeſſor Bredichin in Moskau wurde als Nachfolger O. v. Struves zum Direktor der Nicolai⸗Sternwarte in Pulkowa ernannt. Humboldt. — Mai 1890. 179 Cotenlifte. Aſhburner, State Geologist of Pennsylvania, ſtarb 24. Dezember 1889 in Pittsburgh, 36 Jahre alt. Coffin, J. H. C., Profeſſor der Aſtronomie in Waſhington, ſtarb im 75. Lebensjahr im Januar in Waſhington. J. Reynolds Vaizey, bekannt durch ſeine Moos— forſchungen, iſt in Cambridge geſtorben. Lyman, C. S., Profeſſor der Aſtronomie und Phyſik an der Yale University, New Haven, ſtarb daſelbſt 29. Januar, 76 Jahre alt. Schmidlin, Eduard, Verfaſſer einer Flora von Würt⸗ temberg und Stuttgart, ſtarb, 82 Jahre alt, 5. Fe- bruar in Dresden. Petterſen, Karl, Geolog, Verfaſſer verdienſtvoller Ar⸗ beiten über die Geologie des nördlichen Norwegens, ſtarb zu Tromſö, 10. Februar, 64 Jahre alt. Montigny, Charles, ſtarb 17. März zu Brüſſel im Alter von 71 Jahren. Letourneux, Juriſt, hochverdient um die wiſſenſchaft— liche Erforſchung Nordafrikas, ſtarb 3. März in Algier im Alter von 70 Jahren. 1876-1888 weilte er in Aegypten und erforſchte die Flora des Landes. Be⸗ ſonders aber ſtellte er in Algerien und Tuneſien be— deutende Forſchungen auf dem Gebiet der Zoologie, ſpeziell der Malakologie und der Botanik an. Hehn, Victor, ruſſiſcher wirklicher Staatsrat, bekannt durch ſeine Arbeiten über die Herkunft der Kultur— pflanzen und Haustiere, ſtarb im 77. Lebensjahre 21. März in Berlin. Löwig, Karl Jacob, Profeſſor der Chemie in Breslau, ſtarb daſelbſt 27. März. Er war 17. März 1803 in Kreuznach geboren, wurde 1833 Profeſſor der Chemie in Zürich und 1853 in Breslau. Er arbeitete be— ſonders über metallorganiſche Verbindungen und ſchrieb eine „Chemie der organiſchen Verbindungen“ (2. Aufl. 1846, 3 Bde.), lange Zeit das größte Lehrbuch der organiſchen Chemie. Litterariſche Rundſch au. Ir. Kinkelin, Erläuterungen zu den geologiſchen Aleberſichtskarten der Gegend zwiſchen Taunus und Speſſart. Sonderabdruck aus „Berichte über die Senckenbergiſche Naturforſchende Geſellſchaft in Frankfurt a. M., 1889“. Grundlage der beiden beigelegten Karten iſt das von L. Ravenſtein für die pflanzenphänologiſche Darſtellung von Dr. J. Ziegler entworfene Kärtchen im Maßſtab von 1: 170000, welches jedoch im Norden bei Gronau abgeſchnitten, im Oſten dagegen bis zum Bulaner Wald ergänzt iſt. Das eine Kärtchen iſt fo koloriert, daß es die ſämtlichen an— ſtehenden geologiſchen Formationen darſtellt, wobei von den älteren Formationsgliedern: Taunusgeſteine, Dyas, Marines Mitteloligocän, Oberes Mitteloligocän, Ober— oligocän, Untermiocän und Oberpliocän, von neueren Bildungen: Diluvium unter dem Löß, Löß, Diluvium jünger als Löß und Alluvium und ferner Eruptivgeſteine unterſchieden ſind. — Das zweite Kärtchen zeigt im Intereſſe des Verſtändniſſes Fernerſtehender das gleiche Gebiet nach Abdeckung des Diluviums und Alluviums und mit Angabe der wichtigſten Verwerfungen. Die Unterſcheidung der Formationen iſt klar, die Kolorierung angenehm. Karte und zugehöriger Text beanſpruchen namentlich betreffend die Formationsgrenzen nicht abſolute Genauigkeit, ſind aber gleichwohl geeignet, von der zur Zeit ihrer Redaktion geltenden Vorſtellung über den Bau der Umgegend von Frankfurt a. M. ein überſichtliches Bild zu geben, welches durch zahlreiche Tiefbauten und jahrelange Begehung gegen— über früher bedeutend berichtigt und weſentlich geklärt worden iſt, und natürlich noch weiterer Ergänzungen bei Anlaß günſtiger Aufdeckungen bedarf. Im übrigen ſind die Kärtchen gerade ſehr dienlich, um das Verſtändnis der im gleichen „Bericht“ enthaltenen Arbeit desſelben Ver— faſſers über den „Pliocänſee des Rhein- und Mainthales und die ehemaligen Mainläufe“ zu erleichtern. Aarau. Dr. F. Mühlberg. 28. J. Behrens, Methodiſches Lehrbuch der all. gemeinen Botanik. 4. durchgeſehene Auflage. Braunſchweig, H. Bruhn. 1889. Preis 3,6 Mark. Unter den zahlreichen Lehrbüchern der Botanik iſt das vorliegende von vielen Seiten als das beſte gerühmt worden. In der That hat es in kurzer Zeit weite BVer- breitung gefunden, die es wohl in erſter Linie der Methode verdankt, welche in vollem Maß der neuen Richtung in der Naturwiſſenſchaft Rechnung trägt. Das Buch berück— ſichtigt alle Zweige der Botanik und ordnet die Ergebniſſe der geſamten botaniſchen Forſchung zu einem harmoniſchen Ganzen, welches dem Lernenden ein viel tieferes Ver— ſtändnis der Pflanzenwelt erſchließt als die früher übliche öde Beſchränkung auf Syſtematik. Der Verfaſſer hat der Erklärung der Lebenserſcheinungen eine ganz beſondere Sorgfalt gewidmet und wird gerade mit dieſem Kapitel und mit der Phyſiologie bei dem Schüler viel größeres Intereſſe erwecken, als es die frühere Lehrmethode irgend vermochte. Einer der blendendſten Vorzüge des Buches ſind die zahlreichen vortrefflichen Abbildungen, welche in Zeichnung, Schnitt und Druck weit gehenden Anforderungen entſprechen. Bei einer ſolchen Ausſtattung — auch das Papier und der Druck ſind vortrefflich — iſt der Preis des Buches überraſchend niedrig geſtellt. Friedenau. E. Korſchelt und K. Heider, Sehrbud der ver- gleichenden Entwickelungsgeſchichte der wirbel loſen Tiere. Spezieller Teil. 1. Heft. Jena, Fiſcher. 1890. Preis 7 Mark. Die Verlagshandlung von G. Fiſcher in Jena hat im Laufe der letzten Jahre eine Reihe zum Teil ausgezeichneter Werke aus den Gebieten der Zoologie auf den Markt gebracht, denen ſich das vorliegende nach jeder Richtung hin ebenbürtig an die Seite ſtellt. Seit Balfours Lehr⸗ buch der vergleichenden Embryologie, deſſen deutſche Ueber— ſetzung vor 10 Jahren erſchien, iſt kein umfaſſendes, ent⸗ wickelungsgeſchichtliches Lehrbuch publiziert worden, obgleich ein ſolches ſich mit jedem Jahre bei dem großen Fort⸗ ſchritte, den die Entwickelungsgeſchichte ſtetig einhält, als immer notwendiger erwies, was nicht nur die jungen Naturwiſſenſchaftler, ſondern auch ihre Lehrer empfanden. Bei dem Umſtande, daß treffliche neue Werke die Entwicke⸗ lung der Wirbeltiere behandeln, daß demnächſt das Werk von Hertwig in dritter, weſentlich veränderter Auflage er— ſcheinen ſoll, haben ſich die Verfaſſer auf die Darſtellung der wirbelloſen Tiere beſchränkt, zu denen mit Recht auch noch Amphioxus gerechnet wird. Das Werk wird einen ſpeziellen und einen allgemeinen Teil umfaſſen, und von erſterem liegt das erſte Heft vor, welches Spongien, Knidarier, Ktenophoren, Plathelminthen, Orthonektiden und Dicyemiden, Nemertinen, Nemathelminthen, Akanthoce— phalen, Rotatorien, Anneliden, Sipunkuliden, Chae— tognathen, Enteropneuſten und Echinodermen behandelt; die zweite Hälfte wird Arthropoden, Mollusken, Mollus— koideen, Tunikaten und Amphioxus umfaſſen und dann ſoll als drittes Heft der allgemeine Teil folgen, jedoch ſo raſch gefördert werden, daß das Werk Ende 1890 abge— ſchloſſen vorliegt. Allgemein gehaltene und zuſammen— faſſende Kapitel ſchließen die einzelnen Gruppen ab, denen Dammer. 180 Humboldt. — Mai 1890. ſtets ein Verzeichnis der einſchlägigen Litteratur angefügt iſt. — Die textliche wie bildliche Ausſtattung läßt nichts zu wünſchen übrig, höchſtens könnte man bedauern, daß die allerdings teuren Holzſchnitte aus unſerer Litteratur mehr und mehr verſchwinden und durch Zinkographie oder andere Verfahren der Reproduktion, die jedoch manch⸗ mal verſchwommene Bilder liefern, verdrängt werden. Roſtock. Prof. Dr. M. Braun. G. v. Hayek, Handbuch der Zoologie. Wien, Carl Gerolds Sohn. 1877 ff. Bd. 1— 3. 4. 1. Abtlg. Preis 71,20 Mark. In der großen Zahl der vorhandenen Lehrbücher der Zoologie nimmt das vorliegende bedeutende Werk eine ganz eigenartige Stellung ein. Der Verfaſſer beabſichtigte, ein Handbuch zu liefern, welches zur Erläuterung des Textes eine hinreichende Anzahl von Abbildungen böte, und ſo iſt ein Werk entſtanden, welches faſt ein Atlas genannt werden könnte. Jedenfalls tritt an mancher Stelle der Text ſo ſtark zurück, daß die Abbildungen weitaus über⸗ wiegen. Dieſe Abbildungen ſtehen faſt ohne Ausnahme auf einer hohen Stufe und es verdient ganz beſondere Anerkennung, daß ſie mit jedem folgenden Bande an Zahl und Schönheit gewinnen. Zu bedauern iſt nur, daß es dem Verfaſſer nicht vergönnt war, die Arbeit ſchneller zu fördern. Der erſte Band umfaßt Protozoen, Cölenteraten, Echinodermen und Würmer und erſchien 1877. Ihm folgte der zweite Band mit den Arthropoden 1881. Der dritte Band von 1885 enthält Mollusken, Fiſche und Amphibien und die erſte Abteilung des 4. Bandes, welche ſoeben er⸗ ſchienen iſt, die Reptilien und den größten Teil der Vögel. Nächſt Bronns „Klaſſen und Ordnungen“ iſt das Hayekſche Werk weitaus am reichſten an Abbildungen und beſitzt in dieſer Hinſicht einen hohen Wert. Möchte uns der Verfaſſer nur recht bald den Schluß liefern. Friedenau. K. W. v. Dalla Corre, Die Fauna von Helgoland. Jena, Fiſcher. 1889. Preis 2,40 Mark. Die Arbeit zählt die geſamte Fauna der Inſel und des umgebenden Meeres auf und baſiert teils auf litte⸗ Dammer. rariſchem Studium, teils auf eigenen Beobachtungen. Nach der hiſtoriſchen Einleitung folgt die Aufzählung der bisher bekannten Arten in ſyſtematiſcher Reihenfolge, mit gelegent⸗ lichen Notizen; zweckmäßiger wäre wohl eine Trennung nach den Fundorten (Land, Süß⸗ und Seewaſſer) geweſen. Helgoland iſt arm an Säugern: außer dem gewöhnlichen Seehund und dem Tümmler kommen nur noch 5 Land⸗ mammalier vor; ausgerottet iſt ſeit etwa 200 Jahren der Maulwurf; dagegen iſt der Vogelreichtum ein bedeutender, da 386 Arten aufgezählt werden, wogegen wieder Reptilien und Amphibien ganz fehlen; 54 marine Fiſcharten ſchließen die Vertebraten. Große Lücken zeigen ſich unter den niederen Tieren, ſo kennt man z. B. keine Spinne, d. h. nicht etwa, es gäbe keine in Helgoland, niemand hat ſie geſammelt! das gleiche gilt auch für manche Würmer — ſollten wirklich nur Tubifex und Enchytraeus in je einer Art von Oligochäten vorkommen, nur 2 Trematoden, 2 Ceſtoden und 3 Nematoden bei dieſem Heere von Vögeln? Hier hat alſo die Forſchung noch viele Lücken auszufüllen und ſicherlich wird durch Dalla Torres Zuſammenſtellung der Anſtoß hierzu gegeben werden. Roſtock. Profeſſor Dr. M. Braun. H. Simroth, Weber die morphologiſche Bedeutung der Weichtiere. Hamburg, 1890. (Sammlung gem. wiſſ. Vortr. N. F. 4. Ser. H. 94.) Preis 0,8 M. Nicht die Beziehungen, welche Schnecken, Muſcheln und Tintenfiſche zum Menſchen als Nahrungsmittel, Schmuck, Geld oder Sammlungsobjekt haben, bilden den Gegenſtand des intereſſanten Vortrages, ſondern vor allem die Beziehung der Weichtierkunde zur Bildungsgeſchichte unſerer Erde und zur Klärung zoogeographiſcher Probleme; gegenüber dieſen weitgeſteckten und in ihrer Bedeutung er⸗ kannten Zielen iſt aber der Erfolg einer enormen Arbeit über dieſen Tiertypus ein verſchwindend kleiner, wofür der Grund in den Tieren ſelbſt, nicht in der mangelnden Bearbeitung geſucht wird. Denn kein Typus bietet ſo viele und zwar verſteckte Widerſprüche dar, als die Mollusken; zur Begründung dieſes wird die Organiſation und Ent⸗ wickelung der Weichtiere in den prägnanten Zügen hervor⸗ gehoben und den Verhältniſſen anderer Tiere gegenüber⸗ geſtellt. — Der Vortrag lieſt ſich angenehm und anregend und ſetzt kaum zu viel Vorkenntniſſe voraus. Roſtock. Prof. Dr. M. Braun. G. Henſchel, Praktiſche anleitung zur Weſtimmung unſerer Hüßwaſſerſtſche, nebſt einem alphabetiſch geordneten Verzeichnis der Synonymen, Bezie⸗ hungen und gebräuchlichſten Volksnamen. Leipzig, Deuticke. 1890. Preis 3,50 Mark. Wir beſitzen bekanntlich vortreffliche Werke über die Fiſche Mitteleuropas, ſo von v. Siebold, Heckel und Kner, und kennen ferner eine Anzahl Lokalfaunen, wie das Werk von Beneke u. a., in denen allen außer den zum Be⸗ ſtimmen nötigen Angaben noch die Lebensverhältniſſe ein⸗ gehend behandelt werden. Doch dieſe Werke dürften wenig in den Händen der Praktiker ſein, und für ſolche, d. h. Gewerbs⸗ und Sportfiſcher iſt das vorliegende Werkchen geſchrieben. Der Verfaſſer hat die Beſtimmungstabelle nach analytiſcher Methode bearbeitet und hierbei möglichſt nur ſolche Merkmale benutzt, welche leicht auffindbar und ſtändig ſind. Sehr reich iſt das Verzeichnis der Lokal⸗ und Volksnamen ausgefallen, an denen außer den Geo⸗ logen und Fiſchern z. B. auch noch Volkswirte Intereſſe nehmen, um über die in früherer Zeit im Handel 2c. ge⸗ bräuchlichen Namen Klarheit zu bekommen. Roſtock. Prof. Dr. M. Braun. A. Weismann. Essays upon Heredity and kindred biological problems. Authorised translation, edited by H. B. Poulton, S. Schön- land and A. E. Shipley. Oxford. At the Cla- rendon Press 1889. Der ſtattliche Band, welcher hier vorliegt, enthält fol- gende Abhandlungen: Die Dauer des Lebens (1881), Ueber die Vererbung (1883), Ueber Leben und Tod (1883), Die Kontinuität des Keimplasmas als Grundlage einer Theorie der Vererbung (1885), Die Bedeutung der ſexuellen Fortpflanzung für die Selektionstheorie (1886), Ueber die Zahl der Richtungskörper und ihre Bedeutung für die Ver⸗ erbung (1887), Ueber die angeblichen botaniſchen Beweiſe der Vererbung erworbener Charaktere (1888), Ueber die Hypotheſe einer Vererbung von Verletzungen (1889). Es wird manchen Freund der bedeutſamen Arbeiten des Ver⸗ faſſers erfreuen, dieſelben hier, wenn auch in fremdem Gewande, vereinigt zu ſehen. Friedenau. Dammer. E. Thévenin, Dictionnaire abregeé des sciences physiques et naturelles. Paris, Germer Bailliére et Cie. Felix Alcan. 1889. Die vorliegende, nach dem Tode des Verfaſſers von H. de Varigny revidierte und vervollſtändigte Arbeit bildet ein recht brauchbares Hilfsmittel beim Leſen franzöſiſcher naturwiſſenſchaftlicher Bücher und Journale, inſofern ſie über viele termini technici Auskunft gibt, die man in den gewöhnlichen Wörterbüchern, auch bei Sachs, nicht findet. Das Maß der Auskunft, welches man erhält, ergibt ſich aus folgender Probe: Anthracotherium, s. m., zool. Mammifeère fossile dont on trouve les débris dans les terrains car- boniféres. Anthropochimie, s. f., chim. Analyse des humeurs humaines. Physocarpe, adj. bot. Qui a des fruits vésiculeux. Humboldt. — Mai 1890. Gin ſolches Werk müßte, wenn es die größtmögliche Braud)- barkeit beſitzen ſollte, offenbar von einer Reihe von Fad- männern zuſammengeſtellt werden, da der einzelne niemals im ſtande ſein wird, die richtige Auswahl zu treffen und die Erklärung mit der nötigen Schärfe und Sachkenntnis zu geben. Wer ſich um das Zuſtandekommen eines der— artigen deutſchen Werkes bemühen wollte, würde ſich den Dank weiter Kreiſe verdienen. Friedenau. Dammer. H. 3. Kolbe, Einführung in die Kenntnis der Inſekten. Berlin, Ferdinand Dümmler. 1889. Lief. 1 u. 2 a 1 Mark. Das vorliegende Werk unterſcheidet fic) in fundamen— taler Weiſe von all den zahlreichen entomologiſchen Werken, die ſich gleich ihm an die große Schar der Inſektenfreunde wenden. Während faſt alle größeren und kleineren ento— mologiſchen Schriften bei einer „Einführung in die In⸗ ſektenkunde“ einzig und allein den ſyſtematiſchen Stand- punkt vertreten und nur einige wenige Publikationen aus neuerer Zeit auch das biologiſche Moment betonen, beabſichtigt Kolbe eine umfaſſende zoologiſche Darſtellung der Inſekten, indem er der Syſtematik den ihr gebührenden Platz, als eines Teils des Ganzen, anweiſt und in gleicher Weiſe Anatomie, Hiſtologie, Entwickelung und Biologie der Inſekten behandelt. Das Werk ſoll umfaſſen die Stellung der Inſekten im Tierreich, die vergleichende anatomiſche Darſtellung des Inſektes, die Phyſiologie des Geſamtorganismus und ſeiner Teile, die Ontogenie und die Geſchichte der weiteren, fo oft mit dem intereſſan— teſten Generationswechſel verbundenen Entwickelung, eine ſyſtematiſche Ueberſicht der Inſekten, die Biologie und die Abhängigkeit von äußeren Einflüſſen, ſpeziell der um gebenden Natur, das geiſtige Leben der Inſekten, ihre geographiſche Verbreitung, ihre Schädlichkeit und ihren Nutzen. Den Schluß ſollen ein Hinweis auf die entomo— logiſche Litteratur und praktiſche Winke für den Inſekten⸗ ſammler bilden. Solch ein Unternehmen, die wichtigſten Reſultate der allerorts verſtreuten entomologiſchen Ar— beiten verſchiedenſter Richtung aus älterer und neuerer Zeit in zuſammenfaſſender Darſtellung einem größeren Publikum bekannt zu machen, iſt freudig zu begrüßen, und es iſt nur zu bedauern, daß Verfaſſer das ganze Werk in 6 bis 8 Lieferungen zum Abſchluß bringen will. Ein ſolches Zuſammendrängen des gewaltigen Stoffes muß notwendig dazu führen, die Ausdehnung der einzelnen Kapitel auf ein Minimum zu beſchränken. Um ſo mehr muß es die Aufgabe des Verfaſſers ſein, ſtets die wich— tigſten Reſultate in knappſter und präziſeſter Form zur Darſtellung zu bringen, und das jedem Abſchnitt beigefügte Litteraturverzeichnis der einſchlägigen Publikationen, welche durch Hinweis auf die Originalarbeiten für die Kürze des Textes entſchädigen ſollen, möglichſt vollſtändig zu geſtalten. In dieſer Beziehung aber iſt der Verfaſſer mit einer ge— wiſſen Einſeitigkeit verfahren und hat beſonders die neuere und neueſte Litteratur zu wenig berückſichtigt. So beſtehen beiſpielsweiſe die Kapitel „Haare und Borſten“ und „Taſt— borſten“ (S. 19 bis 22) faſt durchweg aus wörtlichen Citaten aus den zahlreichen Publikationen Leydigs und einer Be— merkung Joſephs über Taſtorgane, die bei blinden Tieren die Stelle der Augen vertreten, und die Innervation der— ſelben. Ohne im geringſten die große Bedeutung der Arbeiten Leydigs zu verkennen, wären doch wohl auch neuere Forſchungen, wie Otto vom Raths Beobachtungen über Hautſinnorgane bei Inſekten (Zool. Anz. 1887), wenigſtens anzuführen geweſen; ebenſo vermiſſen wir bei der Beſprechung der Männchenſchuppen und ihrer Deutung als Duftorgane in dem Litteraturverzeichnis unter anderem den Hinweis auf die im Archivos do Museu nacional. (Rio de Janeiro, Vol. II. 1877) erſchienene erſte Arbeit Fritz Müllers über dieſen Gegenſtand, ſowie eine Erwäh— nung der ausführlichen Publikation von Erich Haaſe über die Duftapparate indo⸗auſtraliſcher Schmetterlinge (Korre⸗ ſpondenzblatt des entomologiſchen Vereins „Iſis“ zu Dres⸗ 181 den. Heft 3 bis 5, 1886 bis 1888). Aehnliche Wus- ſtellungen wären auch bei anderen Kapiteln zu machen. Wir verweiſen nur noch auf S. 74, wo neben den Ar— beiten von Weir über die Trutzfarbe widrig ſchmeckender Raupen und den Schutz, den ſie dadurch gegen Vogelfraß genießen, auch die hierüber angeſtellten intereſſanten Ex— perimente Poultons (Proc. Zoog. Soc. London 1887) und andere neuere Arbeiten Erwähnung verdient hätten. Viel⸗ leicht läßt ſich dem in den vorſtehenden Bemerkungen lie— genden Wunſch einer ſorgfältigeren Geſtaltung des Littera— turverzeichniſſes in den noch ausſtehenden Lieferungen noch Rechnung tragen. Von weit geringfügigerem Belang iſt es, daß das auf dem Umſchlag der beiden vorliegenden Lieferungen gegebene Inhaltsverzeichnis mit der Anord— nung des Stoffs im Text nicht ganz im Einklang ſteht. Stuttgart. Dr. Kurt Lampert. Mayr, Die Waldungen von Nordamerika, ihre Holzarten, deren Anbaufähigkeit und forft- Cider Wert für Europa im allgemeinen und Deutſchland insbeſonders. München, 1890. Preis 18 Mark. Bei der weiten Ausdehnung, welche die Kultur nord— amerikaniſcher Holzarten bereits gewonnen hat, iſt das vor— liegende Werk für Forſtleute, Dendrologen und Gärtner von um ſo höherem Wert, als Verfaſſer aus eigener, ein— gehender Betrachtung an Ort und Stelle ſich ſein Urteil über die nordamerikaniſchen Hölzer und ihren Nutzen ge— bildet hat. Nach einleitenden Erörterungen über die Exiſtenzbedingungen der Wälder und der Waldfloren im allgemeinen, ſchildert Verfaſſer den allgemeinen Zuſtand des nordamerikaniſchen Waldes, ſeine Größe und Vertei— lung, und die Erzeugniſſe (Nutzholz, Harze, Gerbftoffe, Zucker, Beeren u. ſ. w.) desſelben. Eine umfangreiche Darſtellung, die auch für den Botaniker von Intereſſe iſt, entwirft Verfaſſer von der nordamerikaniſchen Waldflora, deren verſchiedene Gebiete und Holzarten er anziehend be— ſchreibt. Der dritte Hauptteil iſt der Anbaufähigkeit nord⸗ amerikaniſcher Gehölze und ihrem forſtlichen Wert für Europa, ſpeciell für Deutſchland gewidmet. Der Anhang enthält eine Zuſammenſtellung der anatomiſchen Merkmale des Holzes nordamerikaniſcher Koniferen, eine Einteilung ſämtlicher Kiefern nach natürlichen Sektionen, eine Tabelle zur Beſtimmung der wichtigeren Cupreſſineen nach Seiten— zweigen und Zapfen, Tabelle zur Beſtimmung der nord— amerikaniſchen Kiefernſamen nebſt Angabe der Firmen zum Bezug derſelben u. ſ. w. Die Abbildungen tragen weſent— lich zur Erläuterung des Textes bei. Berlin. Dr. P. Taubert. Nöldeke, Flora des Jürſtentums Lüneburg, des Herzogtums Tauenburg und der freien Stadt Hamburg (mit Ausſchluß des Amtes Nitze⸗ büttel). Celle, 1888 —90. Preis 6 Mark. Eine von den deutſchen Botanikern ſtets mit Bedauern konſtatierte Lücke iſt durch das Erſcheinen dieſer Special⸗ flora ausgefüllt worden. Verfaſſer macht uns im allge— meinen Teil nach Charakteriſierung der geognoſtiſchen und Bodenverhältniſſe mit der Vegetation des Gebiets bekannt und widmet beſonders dem eigentlichen Heidegebiet ein— gehende Betrachtung. Jedem, der die Lüneburger Heide, den Hauptteil des Gebiets, nicht aus eigener Anſchauung kennt und ſich von dieſem Landſtrich eine der Wirklichkeit wenig entſprechende Vorſtellung macht, dürften die Schil⸗ derungen der Vegetationsverhältniſſe ſehr willkommen ſein; dieſelben tragen zur Kenntnis der deutſchen Flora in dem Grade bei, daß dem Werk eine dauernde Bedeutung ſicher iſt. Der ſpecielle Teil enthält die Beſchreibung aller im Gebiet bisher beobachteten Pflanzen, die nach dem De Candolle'ſchen Syſtem angeordnet find, ſowie eine voll- ſtändige Aufzählung der auf das Gebiet bezüglichen geo— gnoſtiſchen und botaniſchen Litteratur. Berlin. Dr. P. Taubert. 182 Humboldt. — Mai 1890. Bibliographie. Bericht vom Monat März 1890. Allgemeines. Naturwiſſenſchaftliche Volksbücher. Wohlfeile Geſamt⸗ 4. Abdr. in 42 e Lief. -— 30. Bernſtein, A., ausgabe d. 4. verb. u. verm. Aufl. Berlin, Dümmlers Verlag. Blätter für Aquarien⸗ und Terrarien⸗Freunde. Schriftleitung: Br. Dürigen. 1. Bd. 24 Nrn. Magdeburg, Creutz. M. 3. Büchner, Ludwig, Die Darwinſche Theorie von der Entſtehung u. Ble wandlung der Lebewelt. 5. Aufl. Leipzig, Thomas. M. Ule's, Otto, Warum und Weil. Fragen u. Antworten aus den wichrigſten Gebieten der geſamten Naturlehre. 3. Teil. Zoologie, Botanik. Ein Beitrag zur Reform des Unterrichts in der Naturgeſchichte u. zur Förderung einer denkenden Naturbeobachtung, von R. e Berlin, Klemann. Shyfik. Ueber die bei Kimmbeobachtungen am Starnberger See Leipzig, e 7 905 Lingg, Ferd., wahrgenommenen Refraktionserſcheinungen. Mach, E. u. L. Mach, Weitere balliſtiſch photographiſche Verſuche. 1 M. — Mach, E., u. P. Salcher, Optiſche Unterſuchungen der Luftſtrahlen. wie, Tempsky. M. — Puluj, J., Ein Telethermometer. Wien, Tempsky⸗ M. — 0 Roſenberger, Ferd., Die Geſchichte der Phyſik in Grundzügen mit ſyn⸗ chroniſtiſchen Tabellen der Mathematik, der Chemie u. beſchreibenden Naturwiſſenſchaſten, ſowie der allg. Sabie ie 3. Teil. Geſchichte der Phyſik in den letzten 100 Jahren. 2. Abtlg. Braunſchweig, Vieweg & Sohn. M. 10. 40. Rothlauf, Benedikt, Die Phyſik Platos, eine Studie auf Grund ſeiner Werke. II. Schall, Himmelskunde, Licht, Wärme. München, 751 1 Chemie. Bernſtein⸗Kohan, Jac., Wirkung des Wolframs auf den h ae ganismus. Dorpat, Karow. Hempel, Walther, Gasanalytiſche Methoden. 2. Aufl. Vieweg & Sohn. Hundt, Chrn., Ueber die Darſtellung optiſch aktiver S Ein Beitrag zur Aufklärung der Beziehungen zwiſchen Atropin u. 9 15 0 chamin. Kiel, Gnevkow & Gellhorn. Loſchmidt, J., Stereochemiſche Studien I. Wien, Tempsky. M. — 8 Loſſen, Clemens, Ueber die Einwirkung ſalpetriger Säure auf Amidine u. über Phenyltetrazolſäure. Königsberg, Koch. M. — 80. Penzoldt, F., Aeltere und neuere Harnproben u. ihr praktiſcher Wert. 815 Anleitung zur Harnunterſuchung. 3. veränd. 5 Jena, ch — 80. Hotter Mathäus, I. Ueber die Einwirkung des seiinestetten Silbers auf d Brompropionſäureäthyleſter. II. Ueber eine neue Bildungsweiſe der unſymmetriſchen Dimethylbernſteinſäure. Braunſchweig, Meyer. M. 1. Santi, Aug., Enthält das menſchliche Hautfett Lanolin? Hamburg, Bern, Huber & Co. M — 40. Twerdomedoff, Sergius, Ueber die Beſtandteile des fetten Oels von Cyperus esculentus und einige neue Derivate der Myriſtinſäure. Braunſchweig, Meyer. M. — 80. Aſtronomie. Waun Arbeiten, aſtronomiſche, d. k. k. Gradmeſſungsbuxreau, ausgef. unter d. Leitung d. Hfrts. Th. v. Oppolzer. Hrsg. V. E. Weiß u. R. Schram. 1. Bd. Längenbeſtimmungen⸗ Wien, Tempsky. M. 16. Holetſchek, J., Ueber die Verteilung der Bahnelemente der Kometen. Wien, Tempekh. M. — 60. Schorr, Rich., dreifachen Sternſyſteme 8 Tintexfudangen über die Bewegungsverhältniſſe in dem Scorpii. München, Kiel, Lipſius & Tiſcher. M. 3. Geographie. Brehm, A. E., Vom Nordpol zum Aequator. Populäre Vorträge. 1. tele Stuttgart, Union. M. Dove, Karl, Kulturzonen von Nordabeſſinien. Petermanns mage Ergänzungsheft 97. Gotha, Perthes. M. 2. 60. Forſchungsreiſe, die, S. M. S. Gazelle. 5 Teile. Berlin, Mittler & Sohn. M. 150. Hoffmann, A., Mathematiſche Geographie. Ein Leitfaden zunächſt f. d. oberen Klafſen höherer Lehranſtalten. 4. verm. Aufl., bearbeitet von i Paderborn, Schöningh. M. 2. Jentzſch, A., u. G. Vogel, Höhenſchichtenkarte Oſt⸗ u. Weſtpreußens. Nach den Meſſungen des Generalſtabes entworfen. phyſikaliſch⸗ökonom. Geſellſchaft zu Königsberg. 1: 300 000. Bromberg⸗Marienwerder. Königsberg, Koch. Schram, Rob., Die Beobachtungen u. Reduktionsmethoden des k. k. oe reichiſchen Gradmeſſungsbureau. Als Einleitung zu den Längen- beſtimmungen zuſammengeſtellt. Wien, Tempsky. M. 6. Thiede, Johs., Einführung in die mathem. Geographie u. Himmelskunde. Freiburg, Herder. M. — 80. Wißmeez Hermann, Unter deutſcher Flagge quer durch Afrika von Weſt nach Oſt. Von 1880—1883 ausgeführt von P. Pogge u. 5 1 mann. 6. Aufl. Berlin, Walther & Apolant. Hrsg. v. d. A 2. Mineralogie, Geologie, Valäonlologie. Niedzwiedzky, Julian, Beitrag zur Kenntnis der Salzformation von Wieliczka u. Bochnia, ſowie der an dieſe angrenzenden Gebirgs⸗ glieder. IV. Lemberg, Milikowsli. M. 2. 40. Noé, Frz., Geologiſche Ueberſichtskarte der Alpen, auf Grundlage der geblogiſchen Aufnahmen alpiner Gebiete durch die k. k. geolog. Reichs⸗ anſtalt in Wien, die k. ungariſche geolog. Anſtalt in Budapeſt, das k. bayriſche Oberbergamt 2c., ſowie mit Benutzung der Unterſuchungen von Baltzer, Bertrand, Bittner u. a. 2 Blatt. Mit Erläuterungen. Nebſt einigen einbegleitenden Worten von Ed. Süß. Wien, > oa Weithofer, K. Ant., Ueber Jura u. Kreide aus dem nordweſtl. 1189 Wien, Tempsky. M. — 80. Botanik. Bütſchli, O., Ueber den Bau der Bakterien u. verwandter Organismen. Leipzig, Winter. M. 1. 50. Migula, W., Bakterienkunde für Landwirte. Leichtfaßliche Darſtellung der bisherigen praktiſch wichtigen Forſchungsergebniſſe. Bea Raney: 50. Novak, Emil Nowak, Guſt., u. Frz. Roch, Synonyma 2 riorum. Ueberſichtl. Buy ammenſtellung der wiſſenſchaftl. u. volkstüml. Benennungen der pharmaceutiſchen Artikel in latein., deutſcher u böhm. Sprache. Prag, Leipzig, Pfau. M. 12. u Carl Friedr., Conspectus floræ europaeze. Supplemen- tum II, Pars I. Oerebro. Berlin, Friedländer & Sohn. M. 5. Walter, Geo. „Ueber die braunwandigen ſklerotiſchen Gewebselemente der Farne mit bejond. Berückſichtigung der jog. Stützbündel Ruſſows. Bibl. botan. Heft 18. Kaſſel, Fiſcher. M. 6. Zoologie. Apolant, Hugo, Ueber Faſerknorpel. Berlin, Walther & Apolant. M. 1. Braß, Arnold, Tafeln zur Entwickelungegeſchichte und topographiſchen Anatomie des Menſchen. Supplement zu dem v. Verf. neu hrsg. Anatomiſchen Atlas C. E. Bocks u. zu den ſonſt gebräuchlichen Lehr⸗ büchern u. Tafelwerken der deſkriptiven Anatomie (in 5 Hftn.). 1. W . Leipzig, Renger. 92 Bürkner, Kurt, Atlas von Beleuchtungsbildern des Trommelfells. 2. l Jena, Fiſcher. M. Eberſtaller, Oscar, Das Stirnhirn. Ein Beitrag zur Anatomie 5 Oberfläche des Großhirns. Aus dem Grazer Anatomiſchen A Wien, Urban & Schwarzenberg. Gaule, Guſt., Zahl u. Verteilung der markhaltigen Faſern im Froſch⸗ rückenmark. Leipzig, Hirzel. M. Hertwig, Osc., u. Rich. Hertwig, Unterſuchungen zur Morphologie u. Phyſiologie der Zelle. 6. Heft. Experimentelle Studien am tieriſchen Ei vor, während u. nach der Befruchtung. 1. Tl. von O. H. 1 Fiſcher. 3. Holtz, Ludrw., Ueber das Steppenhuhn u. deſſen zweite Maßen manne rung in Europa im J. 1888. Berlin, Friedländer & Sohn. M. 1. 60. Lutz, K. G., Das Buch der Schmetterlinge. Eine Schilderung der mitteleurop. Schmetterlinge mit beſ. Berückſichtigung der Raupen u. ihrer Nahrungspflanzen. In 20 Lief 1. Lief. ee Süd⸗ deutſches Verlagsinſtitut. — 50. Petermöller, Frz., Ueber den ſog. Geſchlechtstypus des ment 1 5 beins. Kiel, Lipſius & Tiſcher. M. Ritzema Bos, Tieriſche Schädlinge u. Nützlinge für Ackerbau, Viehzucht, Wald⸗ u. Gartenbau, Lebensformen, Vorkommen, Einfluß U. die Maßregeln zu Vertilgung u. Schutz. 1. Lief. Berlin, Parey. M. 1. Roux, Wilh., Die EE Re der Organismen, cine anatomiſche Wiſſenſchaft der Zukunft. Wien, Urban & Schwarzenberg. M. 1. Rubeli, Osc., Ueber den Deforbagus des Menſchen und w Haustiere. Berlin, Bern, Huber & Co. M. 1. 80. Simroth, Heinr., Ueber die morphologiſche Bedeutung der Weichtiere. Hamburg, Verlagsanſtalt. M. — 80. Wadmann, E. S. J., Vergleichende Studien über Aneta e und Termitengäſte. Haag, Nijhoff. 2. 50. Dhyfiologic. Boveri, Th., Bellenftudien. 3. Heft. Ueber das Verhalten der chro⸗ matiſchen Kernſubſtanz bei der Bildung der Richtungskörper u. 15 der Befruchtung. Jena, Fiſcher. M. Großmann, Mich., Ueber die Atembewegungen des 1 II. 81 Wurzelfaſern der Kehlkopfnerven. Wien, Tempsky — Janke, Heinr., Die willkürliche Hervorbringung des Geſchlechts dei man u. Haustieren. Kl. Ausgabe. Stuttgart, Zimmer. Korſchelt, E., u. K. Heider, Lehrbuch der vergleichenden Eudora Fischen der wirbelloſen Tiere. Spezieller Teil. 1. Heft. 18 7 Fiſche Landis, ou Lehrbuch der Phyſiologie des Menſchen einſchließl. d. Hiſto⸗ logie u. mikroſkop. Anatomie. Mit beſond. Berückſichtigung der pratt. Medizin. 7. vielfach verbeſſ. Aufl. Wien, dn e 1. Hälfte M. 10. Mendel, E., Der Hypnotismus. Hamburg, Verlagsanſtalt. M. — 80. Meyer, Carl, Ueber den Eiſengehalt der Leberzellen des e Kalbes u. erwachſenen Rindes. Dorpat, Karow. Petitpierre, L., Ueber das Eindringen von Granuloſazellen 11595 die Zona pellucida menſchlicher Eier Leipzig, Bern, Huber & Co. M.— 60, Humboldt. — Mai 1890. 183 Aus der Praxis der Laturwiſſenſchaft. Aeber das Sammeln von Ameiſengäſten. Von Harrach in Berlin. Um denjenigen, welche bisher Myrmekophilen, noch nicht geſammelt haben, Gelegenheit zu geben ſich mit dem Studium dieſer äußerſt merkwürdigen Tierchen näher be— faſſen zu können, ſeien in nachſtehendem die Käfer aujge- führt, welche bei den verſchiedenen Ameiſen hauſen. (Die Zahlen bedeuten die Monate.) I. Formica sanguinea Lat. Dinarda dentata Gr. (Ameiſenräuber), 3 bis 7. Lomechusa strumosa F. (Drüſen⸗ ſaumräuber), 4, meiſt geſellig. Hetaerius sesquicornis Preyssl. = ferrugineus Ol. = quadratus. Kagl, 5. Emphy- lus glaber Gyll. = minutus Braunes. (Ameiſenknopfkäfer). II. Fornica rufa L. Holzameiſe. Bei ihr leben die meiſten Myrmekophilen. Thiasophila angulata Er. (Waldameiſenkurzkäfer), im erſten Frühjahr bis zum 5, ſeltener im Herbſt (9 bis 11). Dinarda dentata Grav, (Ameiſenräuber), 3 bis 7. D. Maerkelii Avesw. (M. Zahn⸗ kurzkäfer), 4, 5. Lomechusa strumosa F., 4. Atemeles paradoxus Grav. (Raſenameiſenkurzkäfer), ſelten. Myr- medonia Haworthi Steph. = elegans Heer. (Ameiſen— kurzkäfer). M. humeralis Grav., 4, 5. Oxypoda abdomi- nalis Say. = occulta Grimm (Laufkurzkäfer). O. formi- ceticola Mark, 4, 7, oft zu Hunderten in einem Neſt. O. haemorrhoa S. = promiscua Er. = myrmecophila Mark., 4 bis 7. Homalota parallela Mannh. (Plattkurz— käferchen). H. flavipes Grav., 3, 4, 5, 10. H. anceps A., 3 bis 5, häufig. H. sodalis u., 4, 9. H. myrmecobia Kr. Quedius brevis Ey. (Hainkurzkäfer), 3, 4, 5, 9, 10. Xan- tholinus punctulatus Payk. (Rollglanzkurzkäfer), 3, 4, nicht ſelten. X. (Gyrohypnus St.) atratus Heu. S con- fusus Rey, 3, 4, ſeltener. X. tricolor . (Glanzkurzkäfer). X. glaber Nordm. Leptacinus formicetorum Mar. (Zartkurzkäfer), 4. Scopaeus minutus Hr. (Zwergfaden— kurzkäferchen). Sunius angustatus Payk. (Fadenkurzkäfer), 3, 4. Stenus aterrimus Ey. (Uferſpäher), 4. Ps. Heisei Host. (Taſtkäfer). Euplectus Karsteni Reichb. (Garten— taſtkäfer), 3. E. ambiguus Rejchb. Claviger testaceus Preyssl. (Blindkeulenkäfer), hauptſächlich im 5. Seydmae- nus collaris M. et K. (Ameiſenkäfer), 4 bis 6. Sc. claviger M. et K. 6. S. Wetterhali 6%, 4. Eutheia scydmae- noides Steph. (Grasameiſenkäfer). Cephennium thora- cicum M. et K. (Breithalsameiſenkäfer). Ceph. laticolle Aubé. Catops colonoides K. (Moderknopfkäfer). Ptilium. canaliculatum Hr. (Federknopfkäfer). Pt. inquilinum Er. Pt. angustatum Er. Ptenidium formicetorum A7, (Ameiſenfiederchen). Hetaerius sesquicornis Preyssl. (Ameiſenſtutzkäfer). Dendrophilus punctatus Ist. (Wald- ameiſenſtutzkäfer. D. pygmaeus L., 3. Saprinus piceus Payk. (Kotſtutzkäfer). S. rotundatus Payk. Emphylus glaber 6%“. (Ameiſenknopfkäfer). Cryptophagus saginatus Str. (Pilzknopfkäfer). Monotoma angusticollis Gy/l. (Zwergſaftkäfer), 3, 4, 9. Lathridius angusticollis Humm. (Moderſaftkäfer). Corticaria formicetorum Mannern. (Spanſaftkäfer). Myrmecoxenus subterraneus Cher. (Ameiſenſaftkäferchen), das ganze Jahr hindurch. III. Formica congerens Férst. iſt eine der gemeinſten Ameiſen, welche ihre Neſter in Laub- und Nadelwäldern, auf Wieſen, an Wegen und Feldern, in Gärten und auf Mauern, die mit Erde bedeckt ſind, anlegt. Sie bedeckt ihre Neſter mit einem hohen abgerundeten Haufen kleiner Pflanzenteile, oft auch mit Steinchen und Erdſtückchen. Die Haufen erreichen oft einen bedeutenden Umfang und eine bedeutende Höhe, oft aber bleiben ſie klein; häufig findet man 3 bis 4 nahe beiſammen. Bei dieſer Ameiſe hauſen: Falagria obscura Grav. (Rinnenkurzkäfer), 3, 4, 9. Thiasophila angulata Ey. (Waldameiſenkurzkäfer), von 3 bis 10. Dinarda Maerkelii Kiesw, (Zahnkurzkäfer), 4. 5. Lomechusa strumosa . II. (Dammkurzkäfer). Oxypoda praecox Hr. (Laufkurzkäfer). O. formiceticola Miérk. O.haemorrhoa S., 4, 5, 6, 7. Homalota parallela Mannerh. (Plattkurzkäferchen). H. fla- vipes Grav. et anceps Er., 3, 4, 5. Tachyporus hyp- norum F. (Fruchtkurzkäfer), 4. Leptacinus formicetorum Marr. (Zartkurzkäfer), 4. Lithocharis melanocephala V. (Steinkurzkäfer), 3,4. Stenus aterrimus Hr. (Uferſpäher.), 4. Euplectus Schmidti Mark. (Gartentaſtkäfer). Claviger testaceus Preyssl. (Blindkeulenkäfer). Ptillum inquilinum Er. (Federknopfkäfer). Pt. suturale Heer. Monotoma angusticollis Gyll. (Zwergſaftkäfer). Myrmecoxenus sub- terraneus Cher. (Ameiſenſaftkäferchen), das ganze Jahr hindurch in der Kolonie. IV. Formica cinerea Mayr. Dieſe Ameiſe lebt vor— züglich an Fluß- und Bachufern im Gerölle und auf den in der Nähe vorhandenen feuchten Wieſen in Erdbauten. Bei ihr lebt meines Wiſſens als Inquiline nur der Ameiſenſtutzkäfer Hetaerius sesquicornis Preyss!. V. Formica cunicularia Lat.. Sie niſtet tief unter der Erde, bedeckt aber die Neſter nie mit gujammen- getragenen Pflanzenteilen, ſondern legt ſie unter Steinen, Moos, Raſen an, oder türmt einen Haufen Erde darüber auf; ſie findet ſich in Wäldern, auf Wieſen, Grasrainen, an Wegen, auf Mauern, die mit Erde bedeckt ſind, in der Erde, welche ſich in Felsſpalten und auf Felſen ſammelt. Man trifft bei ihr folgende Myrmekophilen: Kuryusa laticollis Heer. (Schildkurzkäfer), 5, 6, 7. Haploglossa rufipennis Av. (Kurzzüngelchen). Dinarda dendata Grav. (Zahnkurzkäfer), 4, 5, 6, 7. Tyrus mucronatus Fans. (Dorntaſtkäfer). Batrisus venustus Reichb. (Ameiſentaſt⸗ käfer), 3, 4. B. formicarius Aubé. B. Delaporti Aubé. Trichonyx Maerkeli Aubé, 5. Euplectus Richteri Heitt. Seydmaenus collaris Mull, et K. (Ameiſenkäfer). Se. Helwigi F., 3. Sc. angulatus M. et. K., 4. Se. elongatulus M. et K. Catops colonoides Avaatz (Moder— knopfkäfer). VI. Formica fusca Laty. Große ſchwarze Ameiſe. Niſtet in der Erde, beſonders unter Steinen, Moos, Raſen, ſeltener in alten Bäumen oder Baumſtrünken. Als Ameiſenfreunde hauſen bei ihr: Lomechusa stru- mosa F. (Drüſenſaumräuber). Atemeles emarginatus Grav. (Raſenameiſenkurzkäfer), 4, 5. Hetaerius sesqui- cornis Pryssl. (Ameiſenſtutzkäfer). VII. Lasius fuliginosus Lal. Rußfarbene Ameiſe. Sie niſtet meiſt in alten Baumſtämmen, beſonders Eichen und Pappeln. In Menge findet man ſie auch unter dem die Stämme bedeckenden Mooſe. Zuweilen niſtet ſie auch in der Erde, beſonders unter Steinen, Raſen, Moos. Bei der rußfarbenen Ameiſe leben ebenfalls ſehr viele Inquilinen, wie: Thiasophila inquilina Mv. (Wald— ameiſenkurzkäfer). Euryusa laticollis Heer. (Schildkurz— käfer), 5, 6, 7. Homoeusa acuminata Mark, (Rund- ſchildkurzkäfer), 4, 5. Haploglossa gentilis Lin. (Kurz— züngelchen). H. praetexta Hr, Atemeles emarginatus, Grav. (Raſenameiſenkurzkäfer), 4, 5. Myrmedonia Ha- worthi Steph. (Breitameiſenkurzkäfer). M. humeralis Grav., 4,5. M. cognata Marie., von 5 bis 9. M. funesta Grav., 3, 4, 5, 6, 7. M. similis Mar., 8, 9. M. lugeus Grav., 7. M. laticollis Mar., 7 bis 9. Oxypoda ruficornis Gyll. (Laufkurzkäfer). O. vittata Ma., 7, 8, 9. O. um- brata Gyll., 6, 7, 8. O. lentula Hr. Homalota grami- nicola Grav. (Plattkurzkäferchen). II. analis Grav., 4, 5, 6, 7. H. confusa MA,. H. sodalis r., 4, 9. H. hos- pita Mérk. I. oblita Er, 9. H. celata Er, 6. H. fungi Grav., 9. Tachyporus humerosus Hr. (Flucht— kurzkäfer), 8. Quedius brevis /. (Hainkurzkäferchen), 3, 4, 5. Qu. chrysus Kiesw., 6, 7. Philontus vernalis 184 Gr. (Dungkurzkäfer). Ph. splendidulus Grav. Xantho- linus punctulatus Payk. (Rollglanzkurzkäfer), 3, 4. X. atratus Heer. X. linearis Ol. X. glaber Nord. Othius myrmecophilus Avesw. (Waldkurzkäfer). Huplectus nanus Reichb. (Gartentaſtkäfer). Scydmaenus Godarti Latr. (Ameiſenkäfer), 3. Sc. scutellaris M. et K. 3. Ne. collaris M. et K. Cephennium thoracicum M. et K. (Breithalsamei⸗ ſenkäfer). C. laticolle Aubé. Ptilium suturale Heer. (Feder- knopfkäfer). Ptenidium formicetorum K. (Ameiſenfieder⸗ chen). Hister myrmecophilus Muls. (Stutzkäfer). Hetaerius sesquicornis Freyssl. (Ameiſenſtutzkäfer). Dendrophilus punctatus Hbst. (Waldameiſenſtutzkäfer). Saprinus piceus Payk (Kotſtutzkäfer). S. rotundatus Payk. Amphotis marginata F. (Lappenknopfkäfer), 4, 5. Oxylaemus caesus Fr., 7. Cryptophagus quercinus Kr. (Pilzknopfkäfer). C. bicolor, C. pubescens Str. Lathridius incisus Mannh. (Moderſaftkäfer). Corticaria formicetorum Mannerh. (Spanſaftkäfer). C. elongata Hum. VIII. Lasius niger L. Kleine ſchwarze Ameiſe. Man findet dieſen Aderflügler überall in Gärten, Feldern, auf Wieſen, an Wegen, in Wäldern, an Flußufern, auf Mauern, Felſen, in alten Baumſtämmen und in Baumſtrünken. Meiſtens niſtet ſie in der Erde, unter Steinen, Moos, Raſen, wirft auch hohe Haufen Erde auf, beſonders auf Wieſen. Als Gäſte leben bei ihr: Homalota caesula E.. (Plattkurzkäferchen). Homoeusa acuminata Mark. (Rund- ſchildkurzkäfer). Tyrus mucronatus Pz. (Dorntaſtkäfer). Scydmaenus claviger M. et K. (Ameiſenkäfer), 6. Se. Hellwigi F., 3. Claviger testaceus Preyss/. (Blindkeulen⸗ käfer). Cl. longicornis Miill. IX. Lasius alienus Först. Aufenthaltsort und Neſt wie bei Lasius niger L. Ihre Neſter nehmen oft in der Erde einen bedeutenden Umfang ein. Bei dieſer Art kenne ich nur den Batrisus formicarius Abe (Ameiſentaſtkäfer), 3 X. Lasius brunneus Lat. Braune Ameiſe. Lebt in Erdbauten mit aus Erde beſtehenden Hügeln oder unter Steinen. Darſtellung eines ſehr wirkſamen BPlatinmohrs. Der nach verſchiedenen Methoden dargeſtellte Platinmohr zeigt bekanntlich große Unterſchiede ſeiner Wirkſamkeit, was mit dem Grade der Verteilung des Platins zuſammen⸗ hängt. So wirkt das mit Zink und Salzſäure dargeſtellte Präparat ſchwächer als das mit alkaliſcher Traubenzucker⸗ löſung hergeſtellte, und dieſes wieder ſchwächer als das mittels Alkohol aus ſchwefelſaurem Platinoxyd gefällte. Nach Doeberreiner ergibt ſich für dieſe drei Produkte ein Wirkungsverhältnis von 1: 1.8: 2. 6. Zur Darſtellung eines ſehr wirkſamen Platinmohrs empfiehlt O. Loew (Ber. 23. 289) Platinchlorid mittels Formaldehyd zu re⸗ duzieren. Formaldehyd von 40—45 Gehalt wird neuer⸗ dings zu billigem Preis in den Handel gebracht. Man verfährt folgendermaßen: 50 g Platinchlorid werden in wenig Waſſer gelöſt (5060 cem), dann mit 70 cem Formaldehyd von 40—45 % gemiſcht und unter guter Kühlung 50 f Aetznatron, gelöſt in dem gleichen Gewicht Waſſer, zugefügt; der größte Teil des Metalls wird ſofort abgeſchieden. Filtriert man nach 12 Stunden auf dem Saugfilter ab, ſo geht eine gelbliche Löſung durch das Filter, die beim Kochen noch etwas Metall abſcheidet. Wenn der größte Teil der Salze (Chlornatrium und ameiſenſaures Natron) ausgewaſchen iſt, fo läuft eine tief⸗ ſchwarze Flüſſigkeit ab, indem von dem äußerſt feinen Schlamm auffallenderweiſe ſich etwas zu löſen beginnt. Man unterbricht deshalb das Auswaſchen, bis ein in dem abgeſaugten Schlamm ſich bald einſtellender Oxydations⸗ prozeß beendet iſt, worauf das Filtrat farblos abläuft. Der abgeſaugte ſchwarze Schlamm beginnt nämlich, noch feucht auf dem Filter, bald lebhaft Sauerſtoff zu abſorbieren, die Temperatur ſteigt auf 36—40 “, und unter mehrere Stunden andauerndem kniſternden Geräuſch brechen an vielen Stellen kleine Gasblaſen hervor. Aus dem feinen Schlamm wird nun eine lockere poröſe Maſſe, welche bis zur Ent⸗ —x — — — EEE — Humboldt. — Mai 1890. Bei ihr leben: Haploglossa rufipennis K. (Kurz⸗ züngelchen). Batrisus formicarius Aubé, 3. XI. Lasius flavus Latr. Gelbe Ameiſe. Sie findet ſich in Gärten, an Wegen, auf Wieſen, in Wäldern, auf Mauern, die mit Erde bedeckt ſind, in Felsſpalten, in alten Baumſtrünken, unter Baummoos. Ihre Neſter gehen oft ſehr tief und weit; meiſtens finden ſie ſich unter Steinen, Raſen, Moos, oder ſie türmen auf ihren Neſtern einen hohen Haufen Erde auf, welcher mit der Zeit eine bedeutende Höhe und Feſtigkeit gewinnt. Solche Haufen ſieht man häufig auf Wieſen, an Rainen, auf trocknen Grasplätzen, in Wäldern und auf Bergen. An Ameiſengäſten beherbergt die gelbe Ameiſe: Myr- medonia canaliculata F. (Schlankameiſenkurzkäfer), 3, 4. Hetaerius sesquicornis Preyssl. (Ameiſenſtutzkäfer). Cla- viger testaceus Preyssl. (Blindkeulenkäfer), 4, 5. Cl. lon- gicornis Mill. XII. Tetramorium caespitum Mayr. Raſenameiſe. Findet ſich überall, wo organiſches Leben ijt; auf Wieſen bildet ſie Erdhügel. Bei ihr kommen vor: (Plattkurzkäferchen). (Fühlkäfer), 4, 5. käfer), 4, 6 XIII. Myrmica laevinodis Nyl. Man findet fie an Wegen, in Gärten, auf Mauern, Wieſen, Grasrainen, in Wäldern, beſonders unter Steinen, Raſen, Moos und auch in alten Baumſtrünken und alten Baumſtämmen. Es leben bei ihr: Lomechusa strumosa F. (Drüſen⸗ ſaumräuber), 4. Atemeles emarginatus Grav. (Raſen⸗ ameiſenkurzkäfer). XIV. Myrmica rubra Curt. = scabrinodis NI. Rote Ameiſe. Ihr Aufenthaltsort und ihr Neſtbau iſt wie bei den zwei vorigen Arten. Die beiden Myrmekophilen, welche ich bei dieſer Ameiſe kenne, ſind das Raſenameiſen⸗ kurzkäferchen Atemeles paradoxus Grav. und At. emar- ginatus Grav., welche man in den Neſtern vorzugsweiſe im April und Mai antrifft. Homalota pallens Rhedt. Chennium bituberculatum Latr. Centrotoma lucifaga Heyd. (Taſt⸗ fernung jeder Spur Chlornatrium gewaſchen, abgeprept und über Schwefelſäure getrocknet wird. Sorgfältiges Auswaſchen des Platinmohrs iſt deshalb wichtig, weil bet Anweſenheit von Chloriden die Wirkſamkeit ſehr beein⸗ trächtigt. In ſauren Flüſſigkeiten übergibt ſich nämlich dann das mit Sauerſtoff beladene Platinmohr mit einer Schicht von Platinchlorid, wodurch das Präparat gänzlich unwirkſam wird. Al. Anwendung der Photographie in der Slüten⸗ biologie. Dr. P. Knuth hat im Botaniſchen Zentralblatt die Beſtäubungseinrichtungen von Eryngium maritimum und Cakile maritima beſchrieben und dazu Abbildungen geliefert, welche nach photographiſchen Aufnahmen ange⸗ fertigt ſind. Da dies vielleicht das erſte Mal iſt, daß die Photographie im Dienſt der Blütenbiologie Anwendung findet, fo gibt Knuth a. a. O. auch einige Angaben über die angewandte Methode. Er ſchreibt: Als Objektiv dient ein Steinheilſcher Antiplanat von 33 mm Durchmeſſer und 18 em Brennweite. Wenn nur ganz kleine Gegenſtände vergrößert werden ſollten, ſo würde eine Linſe oder ein Linſenſyſtem von geringerer Brennweite dieſelben Dienſte thun, auch bedeutend billiger ſein. Um aber auch andern Zwecken dienen zu können, nämlich Landſchaften und Por⸗ träts aufzunehmen, wurde obiger Antiplanat gewählt. Die von Otto Schröder in Berlin bezogene Camera läßt ſich zu der außergewöhnlichen Balgenlänge von 85 em aus⸗ ziehen und ſelbſt dieſe ſich durch einen vorzuſetzenden Zink⸗ conus noch um 46 em verlängern. Hierdurch wird er⸗ reicht, daß man direkt bis zur genau ſechsfachen Vergrößerung photographieren kann. Das genaue Maß der Vergröße⸗ rung findet man, indem man einen auf Glas eingeritzten Maßſtab vor der Linſe ſo beleuchtet, daß das auf der matten Scheibe ſcharf eingeſtellte Bild desſelben mit dem Zirkel abgemeſſen und mit dem Maßſtab verglichen pes kann. Neber Dr. künſtlichen Don Ludwig Paul in Charlottenburg. Moſchus. Jas Beſtreben der organiſchen Chemie, die Erzeugniſſe des tieriſchen und pflanz— lichen Organismus, ſoweit dieſelben ein — dhlrößeres Bedürfnis ſeitens der luxus⸗ oder er heilbedürftigen Menſchheit befriedigen, künſtlich herzuſtellen und deſſen poſitive Reſultate in der künſt— lichen Darſtellung des Alizarins (des Rots der Krapp— pflanze), des Indigos, einiger Alkaloide oder dieſen ähnlich wirkender Körper, des Vanillins (des aroma— tiſchen Prinzips der Vanille), des Saccharins für Zucker, repräſentiert ſind, — hat ſich nunmehr auch auf den Moſchus erſtreckt, jenen Körper, deſſen Ge— ruch vielen widerwärtig iſt, dagegen auf die Geruchs— nerven vieler andern eine wohlthuende Wirkung aus— übt. Der hohe Preis, der heute noch für den Moſchus gezahlt wird — 2—3000 Frank für 1 Kilogramm — iſt allerdings ſehr verlockend, eine ſynthetiſche Darſtellung dafür zu ermitteln. Es iſt eine in allen Laboratorien, wo organiſche Chemie experimentell getrieben wird, ſchon längſt bekannte Thatſache, daß bei faſt allen Nitrierungen, alſo Einführung ſogen. Nitro- (NO,) Gruppen in organiſche Körper durch Einwirkung von Salpeterſäure auf dieſelben, — mehr oder minder Moſchusgeruch bemerkbar iſt. Inſofern kommt es nicht überraſchend, daß der ſynthetiſch hergeſtellte Moſchus oder ein Körper, der mit dem natür— lichen Moſchus den gleichen Geruch teilt, eine Nitro— verbindung iſt. Das Verfahren zur Herſtellung von künſtlichem Moſchus iſt im Deutſchen Reiche zum Patent angemeldet worden und nennt A. Bauer aus Gisparsleben a. d. Gera, Kreis Erfurt, als Entdecker des bezüglichen Verfahrens. Danach wird Toluol mit den Halogenverbindungen des Butans am Rück— flußkühler unter Zuſatz von Aluminiumchlorid gekocht. Hierbei bildet fic) unter Salzſäureentwicklung Butyl- toluol nach folgender Reaktion: Humboldt 1890. Phat folgende Eigenſchaften ergeben. F CH H CHC = H= +HCl 449 — — — — Toluol. Butyltoluol oder Methylbutylbenzol. Das hierbei mitverwandte Aluminiumchlorid be— fördert bloß die Salzſäureabſpaltung zwiſchen beiden Körpern. Der durch Deſtillation rein erhaltene Kohlen— waſſerſtoff (Butyltoluol) wird mit einem Gemiſch von Schwefelſäure und Salpeterſäure behandelt. Es ent— ſteht eine Nitroverbindung des Butyltoluols, welche durch Umkriſtalliſieren aus Alkohol gereinigt werden kann. Man erhält gelblichweiße, ſtark nach Moſchus riechende Kriſtalle. Noch im Dezember vorigen Jahres betrachtete man den Moſchuserſatz als chemiſche Kurio— ſität. Inzwiſchen haben namentlich franzöſiſche Dro— giſten und Parfumeure dieſem Produkt ein hervor— ragendes Intereſſe entgegengebracht. Die günſtige Beurteilung, die dasſelbe von dieſer Seite her er— fahren hat, wonach der ſynthetiſche Moſchus wohl geeignet ſei, den Tonking-Moſchus zu erſetzen, hat zunächſt für einige Wochen einen Stillſtand im Handel mit letzterem veranlaßt. Leicht begreiflicher Weiſe wollten ſowohl Exporteure wie auch Händler ſich in größere Unternehmungen bezüglich Ankaufs von Ton- king⸗Moſchus nicht eher einlaſſen, bis über die Erſatz⸗ fähigkeit des letztern durch das ſynthetiſch hergeſtellte Produkt in Bezug auf Qualität und Preis poſitive Daten vorlagen. Dieſe Klärung iſt inzwiſchen ein— getreten. Danach wird wohl geraume Zeit vergehen, bis die fabrikatoriſche Herſtellung des künſtlichen Moſchus ſo weit gediehen ſein wird, daß das Produkt eine wirkſame Konkurrenz gegen den Tonking-Moſchus eröffnen kann. Die Unterſuchung des Produkts, namentlich der Vergleich mit dem Tonking-Moſchus Es ſind weiße 24 186 glänzende Kriſtalle, welche einen merkwürdig ſtarken und andauernden Geruch nach Moſchus beſitzen. Doch iſt es nicht der reine Moſchusgeruch, vielleicht für das große Publikum, nicht aber für die Parfumeure, die im ſtande ſind, beide, den künſtlichen von dem natür⸗ lichen, durch den Geruch zu unterſcheiden. Nament⸗ lich tritt die große Aehnlichkeit beider Produkte in großer Verdünnung hervor. Eigentümlicherweiſe be⸗ ſitzt eine 1prozent. alkoholiſche Löſung des künſtlichen Produkts nicht den Geruch nach Moſchus. Erſt beim Verdünnen mit Waſſer entwickelt ſich derſelbe und kann die Verdünnung hierbei eine außerordentlich große fein. Bei einer Verdünnung von 1— 5000 it der Geruch noch deutlich wahrzunehmen. Stark ver⸗ dünnte Löſungen von 1— 100,000 oder gar 1 — 720000 beſitzen noch einen bemerkenswerten Ge⸗ ruch, doch iſt es zweifelhaft, in dieſem mit Sicherheit den Moſchusgeruch zu erkennen. Wird eine alkoho⸗ liſche Löſung im Verhältniſſe von 1 zu 2000 ver⸗ dünnt, ſo tritt Trübung ein durch ausgeſchiedenen Moſchuserſatz. Bei Zuſatz von mehr Waſſer wird die Löſung wieder klar; es iſt dann die Verdünnung 1 zu 3000 erreicht und ſcheint bis zu dieſer der Ge⸗ ruch nach Moſchus an Intenſität zuzunehmen. Setzt man zu einer ſolchen Löſung eine wäſſerige Löſung von Aetznatron, fo entſteht eine Opaliſierung. Letztere verſchwindet beim darauffolgenden Kochen, wobei der Moſchusgeruch an Stärke bedeutend zunimmt und zwar noch während der nächſten 36 Stunden. Dieſes Humboldt. — Juni 1890. Verhalten des künſtlichen Moſchus macht ſeine Ver⸗ wendung zum Parfumieren der Seifen äußerſt wert⸗ voll. Bei der Behandlung mit Schwefelſäure fällt der Moſchus aus ſeiner Löſung in ca. 5 mm langen Kriſtallen und die reſtierende Löſung beſitzt jetzt einen ſehr ſchwachen Moſchusgeruch, wohl infolge Auskriſtalliſierens des riechenden Körpers. Die al⸗ koholiſche Löſung zeigt gegen Lackmuspapier neutrale Reaktion. Nach dem Verdampfen des Alkohols er⸗ ſcheint auf dem blauen Lackmuspapier ein roter Fleck, infolge einer ſchwach ſauren Reaktion, wie ſolche faſt allen Nitroverbindungen eigen iſt. Eine alkoholiſche Löſung, welche auf 10 Teile Roſenöl, 1 Teil künſt⸗ lichen Moſchus enthält, zeigt beim Verdünnen mit Waſſer ſo recht die Eigentümlichkeit des letztern, noch in ſehr großer Verdünnung zu riechen, in Verdünnungen, wo andere Körper, z. B. Roſenöl, nicht mehr durch den Geruch zu erkennen ſind. Verdünnt man die vorher erwähnte alkoholiſche Löſung beider Körper mit Waſſer, ſo bleibt zunächſt der Geruch des Roſen⸗ öls vorherrſchend, um bei ſtärkerer Verdünnung zu verſchwinden und dem des Moſchus Platz zu machen. Einſtweilen befindet ſich die fabrikmäßige Herſtellung des Moſchus noch in der Entwickelung, doch da ſeine Eigenſchaften einer Einführung nicht im Wege ſtehen, iſt die Zeit wohl nicht mehr fern, den Tonking⸗ Moſchus verſchwinden und wenigſtens zum größten Teil durch den ſynthetiſch hergeſtellten erſetzt zu ſehen. Die Granfpiration der pflanzen. Don Dr. H. Klebahn in Bremen. D Unterſuchungen über die Aufnahme des Waſſers aus dem Boden durch die Wurzeln, ſeine Fort⸗ leitung und Bewegung im Holzgewebe und ſeine Wiederabgabe in Dampfform, die Tranſpiration, durch die in der Luft befindlichen Organe, beſonders die Blätter, gehören zu den wichtigſten Aufgaben der Pflanzenphyſiologie. Eine neue Arbeit von O. Cherdt*) liefert einen auf zahlreichen Experimenten beruhenden und mit Kritik der älteren Schriften verbundenen Beitrag zur Kenntnis des Einfluſſes, welchen äußere Momente, wie Licht, Luftfeuchtigkeit, Wärme, Er⸗ ſchütterungen und Wind, auf den Gang der Tran⸗ ſpiration ausüben. Die Verſuchsanordnung war im allgemeinen folgende: Die Verſuchspflanze (meiſt Asclepias incarnata, A. Cornuti und Mercurialis perennis) war luftdicht in ein mit Waſſer gefülltes Gefäß eingeſetzt, dergeſtalt, daß ſich die Wurzeln im Waſſer, die tranſpirierenden Organe außen befanden. Durch wiederholte Wägung dieſer Vorkehrung war leicht die in einer gewiſſen Zeit von der Pflanze ab⸗ gegebene Waſſermenge zu beſtimmen; gleichzeitig ) Die Tranſpiration der Pflanzen und ihre Ab⸗ hängigkeit von äußeren Bedingungen. Marburg 1889. wurden Temperatur und Feuchtigkeit der Luft, ſowie die Temperatur des die Wurzeln umgebenden Waſſers abgeleſen. Bequemer war es indeſſen, die Menge des von den Wurzeln aufgenommenen Waſſers zu beſtimmen, und zwar dadurch, daß das Zurückweichen des Waſſers in einem mit dem Gefäße verbundenen graduierten Kapillarrohre gemeſſen wurde, denn dieſe Methode geſtattete eine andauernde Beobachtung, während durch die Wägung nur die Geſamtwerte für gewiſſe Zeiträume gefunden wurden. Im allgemeinen wichen die Werte der Waſſeraufnahme von denen der Waſſerabgabe nicht erheblich ab. Nur wenn die Pflanzen vom direkten Sonnenlicht getroffen wurden, war die Abgabe ſtärker als die Aufnahme, wobei ſich ein gewiſſes Schlaffwerden, nicht gerade Welken, der Pflanze bemerklich machte, während alsdann nachts die Aufnahme überwog. Die geſamte im Laufe eines Tages aufgenommene und die abgegebene Waſſer⸗ menge ſtellten ſich indeſſen als gleich heraus. Daß das Licht als ſolches die Tranſpiration fördert, ſtand nach den früheren Beobachtungen bereits feſt, und die Verſuche des Verfaſſers beſtätigen es. Plötzliche Beleuchtung bringt eine ſofortige Steigerung der Tranſpiration hervor, nicht erſt noch ein Abnehmen, wie Humboldt, — Juni 1890. 187 aus Kohls Verſuchen hervorzugehen ſchien, und längere Lichteinwirkung bedingt, im Gegenſatz zu Angaben von Wiesner, noch eine kleine Zunahme der Tran— ſpiration. Plötzliche Verdunkelung ſetzt die Tran— ſpiration alsbald herab, doch ſind die Werte anfangs noch etwas höher als ſpäter, wie ſchon Wiesner an— gegeben hatte. Die Steigerung der Tranſpiration durch Sonnenlicht trat auch ein, wenn dasſelbe zu— vor durch eine Alaunlöſung der dunkeln Wärme— ſtrahlen beraubt worden war, und iſt daher ſicher dem Lichte zuzuſchreiben; dennoch ſpielen auch die letzteren dabei eine Rolle, denn wurden außer dem diffuſen Tageslicht noch die dunkeln Wärme— ſtrahlen des Sonnenlichtes, das zu dem Ende durch eine Löſung von Jod in Schwefelkohlenſtoff hindurch— ging, auf die Pflanzen wirken gelaſſen, ſo war gleich— falls eine Erhöhung der Tranſpirationswerte zu be— merken. Beim Uebergange aus dem direkten Sonnen— lichte in matteres Licht ſinkt immer die Abgabe raſcher als die Aufnahme, ſo daß dadurch die Pflanze wieder friſcher wird. Bei der Vergrößerung der Tranſpiration durch das Licht ſpielt jedenfalls die durch dasſelbe bewirkte Oeffnung der Spaltöffnungen eine Rolle, und die iſt wieder von dem Chlorophyllgehalte der— ſelben abhängig. Nach Kohl bewirkt auch an ſpalt— öffnungfreien Organen das Licht eine Steigerung der Tranſpiration, um ſo mehr, je chlorophyllhaltiger dieſelben ſind. Es hat ſich eine Diskuſſion darüber entſponnen, ob Pflanzen im dampfgeſättigten Raume tranſpirieren können. Verfaſſer hält dieſe Frage mit Kohl für gegenſtandslos, da eine Dampfabgabe im dampfge— ſättigten Raume unmöglich ſei; wohl aber kann (nach Kohl) in einem ſolchen Raume Waſſer in liquider Form abgeſchieden werden, z. B. wenn die Tempe— ratur des Bodenwaſſers erhöht wird. Verſuche über den Einfluß verſchiedener Feuchtigkeitsgrade der Luft, die ſo angeſtellt wurden, daß durch die Glocke, unter welcher ſich die Pflanzen befanden, ein trockener Luftſtrom geleitet wurde, mittels deſſen die urſprüng— lich feuchte Luft allmählich durch trockenere erſetzt wurde, ergaben, wie vorauszuſehen, eine Steigerung der Tranſpiration mit zunehmender Trockenheit. Bei ſtark kutiniſierten oder mit wenig Spaltöffnungen verſehenen Pflanzen erhöhte ſich die Tranſpiration durch zunehmende Trockenheit der Luft nur wenig; Fortlaſſen des (diffuſen) Lichtes ſchwächte die Tran— ſpiration trotz Trockenheit der Luft. Bei den Verſuchen über den Einfluß der Wärme auf die Tranſpiration iſt Rückſicht zu nehmen 1. auf die Luftwärme, 2. auf die Bodenwärme, 3. auf die Eigenwärme der Pflanze. Wiesner hat zuerſt nach— gewieſen, daß die dunkeln Wärmeſtrahlen einen relativ hohen Einfluß auf die Tranſpiration haben. Da dieſer nur durch Einwirkung auf das Chlorophyll der Spaltöffnungen denkbar iſt, ſo intereſſiert die Frage, ob die dunkeln Wärmeſtrahlen Aſſimilation bewirken. Das iſt nach Pfeffer nicht der Fall, wohl aber findet Kohl, daß mit dem Herabſetzen der Aſſi— milation eine Verminderung der Tranſpiration Hand in Hand geht. Verf. unterſuchte in ähnlicher Weiſe, wie ſchon Kohl, den Einfluß der Wärme auf die Spaltöffnungen an lebenden Exemplaren von Trianea bogotensis, die in kleinen Kriſtalliſierſchalen unter dem Mikroskope beobachtet wurden. Die Beleuchtung zur Beobachtung geſchah mit der Mikroſkopierlampe, die keinen Einfluß auf die Stomata zeigte, während die zu prüfenden Licht- und Wärmeſtrahlen von oben auf die Blätter fielen. Durch Licht ohne Wärme— ſtrahlen öffneten ſich die Stomata langſamer, bei Einwirkung der dunkeln Wärmeſtrahlen allein blieben ſie geſchloſſen; dagegen blieben die im Lichte ge— öffneten offen, wenn die dunkeln Wärmeſtrahlen noch allein auf ſie wirkten, ſchloſſen ſich aber ſofort, wenn auch dieſe abgeſperrt wurden. Ein mit Ruß ge— ſchwärztes Blech von 30— 25 Wärme, 3—5 Se— kunden über das Blatt gehalten, bewirkte Oeffnung der Spaltöffnungen, während die dunkeln Wärme— ſtrahlen des Sonnenlichts, bei der gewählten Ver— ſuchsanſtellung, dieſe Wirkung nicht hatten; dasſelbe wurde erreicht durch einen Strom feuchter warmer Luft (80°, 98% Feuchtigkeit), die über die Blätter geblaſen wurde. Tranſpirationsverſuche mit ganzen Pflanzen zeigten gleichfalls den großen Einfluß der dunkeln Wärmeſtrahlen. Wirkten außer diffuſem Tageslicht noch die dunkeln Wärmeſtrahlen des Sonnenlichtes ein, ſo ſtieg die Tranſpiration ſofort erheblich; durch Entziehen dieſer Strahlen aus dem einwirkenden Sonnenlichte fällt ſie. Auch Steigerung der Luftwärme führte eine Erhöhung der Tran— ſpiration herbei; dabei ſcheint namentlich eine Ver— mehrung der Eigenwärme der Pflanze die Urſache zu ſein. Eine weitere Verſuchsreihe bezog ſich auf die Temperatur des Bodenwaſſers und ergab, daß auch die Bodenwaſſerwärme auf die Tranſpiration fördernd einwirkt. Eine raſche Erwärmung des Bodenwaſſers iſt indeſſen zu vermeiden, da ſie das Reſultat ſtörend beeinflußt. In Bezug auf die Erſchütterungen, welchen die Pflanzen ausgeſetzt werden, kommt Verf. zu dem Reſultat, daß dieſelben als ſolche, d. h. als Stoß, überhaupt keinen Einfluß ausüben. Sie wirken nur inſofern, als fie Veränderungen der die Pflanze um⸗ gebenden Atmoſphäre zur Folge haben, und ſind alſo eigentlich dem Winde an die Seite zu ſtellen. In— folgedeſſen machen ſich ſchwache Erſchütterungen gar nicht bemerklich, ſtärkere fördern die Tranſpiration und andauernde rufen eine andauernde Beſchleunigung derſelben hervor. Ueber den Einfluß des Windes hatte Wiesner Verſuche gemacht, bei welchen die Pflanzen auf dem Rotationsapparate bewegt wurden. Verfaſſer führt aus, daß ſolche Verſuche keine richtigen Reſultate liefern können; bei ſeinen eigenen Unterſuchungen läßt er durch ein Gebläſe erzeugte Luftſtröme von ge- meſſener Geſchwindigkeit auf die Pflanzen wirken. Dabei ſtellte ſich heraus, daß zwar die größeren Windgeſchwindigkeiten eine ſtärkere Tranſpiration herbeiführen, daß aber die Wirkung der geringeren Geſchwindigkeiten verhältnismäßig größer iſt und die 188 bei größeren Geſchwindigkeiten erzielten Wirkungen der aufgewendeten Kraft nicht entſprechen. Die Tranſpiration iſt größer, wenn die Blätter dabei frei beweglich ſind und alſo vom Winde geſchüttelt werden, als wenn man ſie fixiert. Bei dieſen Verſuchen zeigte ſich, ähnlich wie bei der Einwirkung direkten Sonnenlichtes, ein Ueberwiegen der Abgabe über die Aufnahme, ſo daß ein gewiſſes Schlaffwerden der Pflanze eintrat. Humboldt. — Juni 1890. Eine letzte Reihe von Verſuchen, bei denen die Pflanzen völlig im Dunkeln und bei gleichmäßiger Feuchtigkeit und Temperatur gehalten wurden, er⸗ gab, daß im Laufe des Tages ein periodiſches Schwanken der Tranſpiration eintritt, wobei das Maximum gegen Mittag, das Minimum gegen Mitter⸗ nacht fällt, ein Reſultat, welches übrigens auch aus einigen anderen Verſuchen erſchloſſen werden konnte. Altes und Keues von der Inſel Sylt. Von Dr. Paul Knuth in Viel. D Neue, was im Anſchluß an die früheren Mitteilungen im „Humboldt“ ) über die Inſel Sylt berichtet werden ſoll, betrifft ihre Pflanzenwelt. Für Sylt bisher nicht angegebene Pflanzen beher⸗ bergen die bis dahin noch nicht unterſuchten Vogel⸗ kojen, unter denen die im nördlichen Teile der Inſel, dem Liſtlande, belegene, vor mehr als hundert Jahren angepflanzte, beſonders beachtenswert iſt. Mit den vom Feſtlande herübergebrachten, jetzt ein ſchattiges Gebüſch bildenden Holzgewächſen (beſonders Erlen, Eſchen, Weiden, Silberpappeln) ſind die Samen be⸗ züglich Sporen von Kräutern eingeſchleppt, welche noch jetzt hier gedeihen, wie Lycopus europaeus, Ga- lium aparine, Melandryum album und rubrum, Solanum Dulcamara, Humulus Lupulus, Polysti- chum spinulosum, Blechnum Spicant, Osmunda regalis. In der ſumpfigen Umgebung dieſer Vogelkoje und in einem benachbarten Dünenthale, dem Klapp⸗ holtthale, findet ſich eine Waldpflanze, Pirola minor, ein direkter Beweis, daß Sylt ehemals bewaldet geweſen iſt, während ich vor dem Auffinden der⸗ ſelben den Beweis nur indirekt führen konnte!). Die Nähe der Vogelkoje ſchließt allerdings den Ver⸗ dacht einer Einſchleppung derſelben bei Gelegenheit der Anpflanzung des Gebüſches nicht aus; doch habe ich dieſelbe Pflanze auch auf Hörnum, dem ſüdlichen Teile der Inſel, aufgefunden, wodurch ſie als ur⸗ ſprünglich einheimiſch erſcheint. Ich möchte die Auf⸗ merkſamkeit noch auf jene Südſpitze der Inſel, welche eine 12 km lange Sandwüſte vorſtellt, lenken. Zu⸗ erſt ähneln die Dünen von Hörnum noch denen von Liſt, indem die Beſtandteile der Heide (Calluna, Em- petrum, Erica) ſich auch hier durch den Sand hin⸗ durchgerettet haben. Weiter nach Süden zu fehlen dieſelben jedoch gänzlich; „es iſt wirklich erſtaunlich, daß dieſe Pflanzen trotz ihres maſſenhaften Auf⸗ tretens in der Mitte der Inſel nicht vermocht haben, die Dünen von Hörnum und ihre Thäler zu be⸗ ) „Botaniſche Beobachtungen auf der Inſel Sylt“ (VII, 3) und „Gab es früher Wälder auf Sylt?“ (VIII, 8). **) „Humboldt“, VIII, 8. ſiedeln“ *). Dieſe Thäler beherbergen eine merk⸗ würdige Flora von zwerghaftem Wuchs; die zum Teil nur 2 em hohen Pflänzchen find: Ranunculus acris, Sagina nodosa und subulata, Viola tricolor, Drosera intermedia, Radiola linoides, Hydrocotyle vulgaris, Lotus corniculatus, Trifolium repens und fragiferum, Potentilla anserina, Centunculus minimus, Thymus Serpyllum, Enythraea sp., Plan- tago maritima, Littorella lacustris, Galium pa- lustre, Leontodon autumnalis, Euphrasia offi- cinalis und Odontites, Salix repens, Juncus sp., Scirpus sp., Carex sp., Lycopodium inundatum. Das Alte, was über Sylt mitgeteilt werden ſoll, iſt geologiſcher Art. Es ſoll auf drei allgemein intereſſierende Erſcheinungen hingewieſen werden, nämlich auf eine merkwürdige Strandbildung an der Südſpitze von Hörnum, auf ein angeſchwemmtes rätſelhaftes Geſtein und endlich auf die eigentüm⸗ lichen Bildungen des auf dem Südweſtvorſprunge der Inſel gelegenen Morſum⸗Kliffs. Zwar ſind dieſe Erſcheinungen bereits von L. Meyn!) geſchildert worden, doch faſt gänzlich in Vergeſſenheit geraten. Wendet man ſich vor dem Südende von Hörnum gegen den Weſtſtrand der Halbinſel, ſo erſcheint die Strandbildung rätſelhaft. Man ſteht plötzlich auf einer weiten, flachen, mehrere Meter über dem ge⸗ wöhnlichen Hochwaſſerſtande gelegenen Strandebene, welche mit einer Unzahl von größeren und kleineren flachen Steinen (Porphyren, Sandſteinen, Feuer⸗ ſteinen, Graniten, Gneiſen) dicht bedeckt iſt. Die meiſten Steine haben etwa die Größe einer Hand, doch ſammelte ich auch einige von faſt % Quadrat⸗ meter Oberfläche in einer Entfernung von 150 Metern vom gewöhnlichen Hochwaſſerſtande. Vergebens frägt man ſich zuerſt, wie dieſe Steine auf ſolche Höhe hinaufgebracht werden konnten, da ſie nur auf der Oberfläche des Sandes liegen, nicht aber Inhalt des *) F. Buchenau, Vergleichung der nordfrieſiſchen In⸗ ſeln mit den oſtfrieſiſchen in ſtatiſtiſcher Beziehung. (Ab⸗ handlungen, herausgegeben vom naturwiſſenſch. Verein zu Bremen, Sept. 1886, S. 369.) ) Inſel Sylt. Humboldt. — Juni 1890. 189 Strandſandes ſind. Offenbar hat man es hier mit den Wirkungen außerordentlicher Hochfluten zu thun, welche, wie es L. Meyn bereits ſchildert, flache Steine wie die auf das Waſſer geworfenen Scherben auf der Oberfläche tanzen laſſen und vorwärts ſchleudern, während runde oder kantige nicht auf dieſe Weiſe transportiert werden können. Wendet man ſich von dieſem merkwürdigen Hoch— plateau an den Weſtſtrand, ſo findet man dort hin und wieder ein eigentümliches Geſtein angeſchwemmt, das auf allen nordfrieſiſchen Inſeln und in Eider— ſtedt vorkommt. In fauft- bis kopfgroßen Stücken liegt am Fuße oder auf halber Höhe der Düne eine ſchwarze Schlacke mit ſcheinbar regelmäßigen, eckigen Zellen. Dieſe Blaſen haben meiſt die Größe einer Erbſe oder Bohne, wie die auf die Hälfte reduzierte Abbildung zeigt, können jedoch auch Haſelnußgröße erreichen. Hierdurch iſt der Stein ſo leicht, daß er auf dem Waſſer ſchwimmt. Er treibt daher vor dem Winde und ſegelt gegen die Küſte, wo er ſtrandet, eS Fig 1. Blaſige Schlacke von Sylt. infolge ſeiner Leichtigkeit vom Winde gefaßt und auf den Strand, ſelbſt bis zur halben Höhe der Dünen hinaufgeführt wird. Woher ſtammt dieſes Geſtein? Daß es ehemals geſchmolzen war, beweiſen die erwähnten Blaſen, welche durch das Drängen der hindurchgepreßten Gaſe entſtanden ſind. Es frägt ſich nur, ob es ein Kunſt— oder ein Naturerzeugnis ſei. L. Meyn ſchreibt dar— über, daß man es wohl als Schlacke der Dampfſchiffs⸗ heizung oder als Nebenprodukt irgend einer Induſtrie aufgefaßt habe; allein, ſagt er, die oft mit ihm an— treibende Dampfſchiffſchlacke ſieht völlig anders aus, und eine Induſtrie, bei der dieſe eigentümliche Schlacke ſich bildete, hat noch niemand bezeichnen können. Sie trägt aber auch in ihrem ganzen Habitus das Gepräge eines Gebirgsſteines und das Anſehen, als ob es von ſehr großen Maſſen losgebrochen wäre. Den entſchiedenſten Gegenbeweis, fährt L. Meyn weiter fort, gegen jede andere Annahme liefert aber der Umſtand, daß dasſelbe Geſtein vor einiger Zeit in einem Hünengrabe an der dünenreichen Nord— ſeeküſte bei Kuxhaven als Mitgabe des darin beige— ſetzten Kriegers ausgegraben worden iſt. Dies beweiſt, daß hier ein Naturprodukt vorliegt, welches durch ſeine eigentümliche Beſchaffenheit ſchon die Aufmerk— ſamkeit roher Naturmenſchen anziehen konnte, und daß ſeit der germaniſchen Steinzeit Meeresſtrömung und Windrichtung an dieſen Küſten unverändert ge— blieben ſind. Die Schiffer auf den Nordſeeinſeln glauben ein Geſtein der Azoren darin zu erkennen, doch pflegen ſie in dieſen Dingen meiſt ſehr raſch und leichtfertig zu urteilen. So bleibt denn die Herkunft dieſer vulkaniſchen Schlacke noch vorläufig ein Rätſel. Die Beweisführung L. Meyns beruht aber auf einer nicht ganz richtigen Vorausſetzung. Nach einer Mitteilung, welche ich Herrn Direktor Rautenberg — in Hamburg verdanke, iſt das Kux— havener Stück blaſiger Schlacke bei. Sah— lenberg im Amte Ritzebüttel in der Nähe des ſogenannten Galgenberges in einer ringförmigen Vertiefung (Graben?) im Flugſande der Dünen, welche ſich bis zum Wehrberg bei Duhnen erſtrecken, gefunden worden, jedenfalls aber nicht in einem eigentlichen Hügelgrab. Daher hat jenes Stück für die Beſtimmung des Alters und des Herkommens der Schlacke keinen ſolchen Wert, wie L. Meyn an— nimmt. Andere Beobachter meinen, daß es Lava von Island ſei, und auch ich habe dieſe Anſicht öfter ausgeſprochen, doch ſcheinen die isländiſchen Laven von anderer Struktur. Vielleicht iſt einer der Leſer im ſtande, Auskunft über das Geſtein zu geben. Ein anderes intereſſantes Sylter Geſtein findet man am Morſum-Kliff. Es ſind dies eigentümlich gegliederte Röhren von Brauneiſenſtein, welche vom Volke als Topfgeſchirr der Unterirdi— ſchen treffend bezeichnet werden. Sie haben die Dicke eines Fingers bis eines Armes und ſind, wie die beiſtehende Ab— bildung zeigt, an verſchiedenen Stellen eingeſchnürt, ſo daß ſie einem Kalamiten der Steinkohlenformation nicht unähnlich ſehen. Ihre Feſtigkeit iſt eine ſehr beträchtliche. Klettert man den Hügel, an dem ſie ſich finden, hinauf, ſo rollen die Scherben mit hellem Klange, wie Porzellan, durcheinander. Ihre Entſtehung aus dem ſandigen Spateiſenſtein des Morſum⸗Kliffs hat auch wieder L. Meyn richtig an— gegeben. Der Sphäroſiderit liegt dort in Reihen geordnet, eine dünne Sandſteinbank bildend, welche durch rechtwinklig ſich kreuzende Klüfte in Reihen von Körpern mit drei parallelen Ebenen geſpalten ſind. Aus dieſen bilden ſich jene Röhren durch Auf— nahme von Sauerſtoff und Waſſer; es ſchwellen da— bei jene Körper rundlich auf, wachſen in der Richtung der längſten Achſe am meiſten, ſchieben ſich dann an— einander und verkitten ſich an den zuſammenſtoßenden Fig. 2. Röhre aus Brauneiſenſtein. 190 Enden, ſo daß eine in ziemlich regelmäßigen Ab⸗ ſtänden eingeſchnürte Röhre entſteht. Infolge dieſer Entſtehung befinden ſich an den Einſchnürungen ur⸗ ſprünglich Scheidewände, aber der Eiſengehalt wandert aus dem Sande nach außen hin zur Schale, und ſo entſteht ſchließlich eine einzige, mit 5, 6 und mehr Humboldt. — Juni 1890. Einſchnürungen verſehene Röhre, aus welcher man den weißen Sand ausſchütten kann. Zahlreiche Uebergangsformen laſſen dieſe Entſtehungsweiſe er⸗ kennen. So ſchöne Exemplare, wie früher, ſind aller- dings am Morſum⸗Kliff nicht mehr vorhanden, weil dasſelbe zu ſehr abgeſucht wird. Ueber neuere Beobachtungen, die Lebensweiſe der Ameiſengäſte und gewiſſer Ameiſen betreffend. Von Profeffor Dr. Aug. Forel in Sürich. eit Schimpers intereſſanten Mitteilungen über die Symbioſe diverſer Ameiſenarten mit ge⸗ wiſſen Pflanzen iſt dieſe Seite der Ameiſenbiologie plötzlich Modeſache geworden. Es ſei mir erlaubt, hier auf eine mindeſtens ſo intereſſante, bisher ſehr vernachläſſigte Seite jener Biologie aufmerkſam zu machen, welche durch die genialen, leider bisher kaum beachteten) Forſchungen Erich Wasmanns in Exaeten in neuerer Zeit zu einem der anziehendſten und wunderbarſten Kapiteln der Tierpſychologie geworden iſt. Referent iſt als alter Ameiſenfreund und Ameiſengeſchichtſchreiber wohl darüber zu urteilen befähigt. Herr Wasmann iſt Jeſuit und ſchreibt meiſtens in katholiſchen Zeitſchriften. Die Wiſſenſchaft iſt aber neutral, von Glaubensbe⸗ kenntniſſen unabhängig und kann die Wahrheit unter allen Fahnen und Farben ſuchen. Durch ſeine ſcharfe, klare und gewiſſenhafte Kritik beweiſt unſer Autor, daß er dieſes meiſterhaft verſtanden hat und er dürfte vielen ſeiner metaphyſiſchen Gegner, unter welche auch Ref. gehört, als Muſter dienen. Unter Ameiſengäſte verſteht man eine Anzahl Tierchen, die entweder immer oder nur zeitweiſe oder nur öfters mit den Ameiſen zuſammenleben. Es gibt ſolche Tiere aus den verſchiedenſten Ordnungen: Käfer, Orthopteren, Lepismen, Aſſeln u. ſ. f., aber Käfer ſpielen hier die erſte Rolle. Lespes, v. Hagens und beſonders P. W. J. Müller (Germars Magazin der Entomologie, III. Bd., 1818, S. 69112) hatten bisher allein beobachtet, daß gewiſſe dieſer Gäſte (Müller nur bet der Gattung Claviger) an ihrem Leibe eigentümliche Haare haben, die von den Ameiſen beleckt werden. Ich ſelbſt (Fourmis de la Suisse 1874) hatte der Sache wenig Aufmerkſamkeit geſchenkt und daher die Hauptſachen überſehen. Die intereſſan⸗ teſten Reſultate Wasmanns wollen wir kurz ver⸗ zeichnen und dann ſeine Aufſätze aufzählen. Wasmann hat zuerſt geſchildert, wie die Staphi- liniden Atemeles emarginatus und paradoxus in Gemeinſchaft mit den roten Ameiſen Myrmica sca- brinodis, ruginodis und rugulosa leben und ſich benehmen. Sie ſind äußerſt lebhaft, trillern faſt be⸗ ) Marſhall (Leben und Treiben der Ameiſen, 1889) erwähnt ſie zum Beiſpiel nicht. ſtändig mit ihren Fühlhörnern und befaſſen ſich mehr mit den Ameiſen als letztere mit ihnen. Sie werden von den Ameiſen ganz nach Ameiſenart ge— füttert: der Käfer betaſtet mit lebhaften Fühler⸗ ſchlägen den Leib, dann den Kopf der Ameiſe und beleckt ihre Mundteile. Alsdann legt die Ameiſe ihre Fühler zurück, hebt den Kopf etwas in die Höhe und läßt aus den weit vorgeſtreckten Mundteilen einen aus ihrem Vormagen (Kropf) erbrochenen Honig⸗ tropfen treten. Während das Käferchen denſelben mit ſeinem Munde gierig ableckt, ſtreichelt es die Kopfſeiten der Ameiſe mit ungemein raſchen Be⸗ wegungen der Vorderfüße, ſeine Fühler ebenfalls raſch bewegend. Zum Schluß leckt der Käfer den Kopf der Ameiſe noch äußerlich ab. Aber wunderbarerweiſe füttern ſich auch die Ate- meles gegenſeitig in ganz gleicher Weiſe, nur daß auch die Fühler des fütternden Käfers trillern, während bei den Ameiſen nur die gefütterte (nicht die fütternde) dieſes thut. Dieſe höchſt intereſſante neue Beobachtung Wasmanns beweiſt, was er auch betont, wie ſehr ins Detail dieſe Käfer die Sitten der Ameiſen angenommen haben les iſt dies auch bei ihrer poſſierlichen Toilette der Fall). Umgekehrt: ein Käfer trillert auf dem Rücken einer Ameiſe. Dieſe nähert ſich ihm, faßt mit den Vorderbeinen den Hinterleib des Käfers von hinten und beleckt ihn ſehr behaglich an der Spitze, Ober⸗ ſeite und oft an der Unterſeite. Die gelben Haar⸗ büſcheln an den Leibesſeiten zieht ſie mit beſonderem Vergnügen durch den Mund, indem ſie dieſelben durch ihre Oberkiefer hindurchgleiten läßt. Der Käfer biegt unterdeſſen ſein Köpfchen zurück, hebt den Vorder⸗ körper und trillert mit den Fühlern auf den Körper der beleckenden Ameiſe. Manchmal fängt er dabei an mit dem ganzen Körper raſch zu zittern, was ein Zeichen von Behaglichkeit zu ſein ſcheint. Ganz gleich iſt das Verhältnis vom größeren Staphilinid Lomechusa strumosa zu der größeren Ameiſe Formica sanguinea, nur daß die Lomechusa ſich weniger ameiſenähnlich benimmt, wie Atemeles, weniger mit Fühlern und Vorderfüßen trillert und koſt, dafür aber um ſo mehr die Ameiſen beleckt und um jo mehr von denſelben abhängig ijt. Die Lo- mechusa iſt auch unbeholfener. Humboldt. — Juni 1890. 191 Immerhin find Atemeles wie Lomechusa noch im ſtande allein Nahrung zu fic) zu nehmen und freſſen auch manchmal gemeinſchaftlich mit den Ameiſen an Leichen und Puppen. Das Verhältnis zu den Ameiſen iſt, wie man ſieht, ein gegenſeitig freundſchaftliches mit aktiven Dienſten und Gegendienſten. Referent hatte bereits früher (Fourmis de la Suisse 1874, S. 427) eine Käferlarve entdeckt, welche bei Formica-Arten unter den Larven der Ameiſen ge— funden und von den Ameiſen genau wie die eigene Brut gepflegt, gefüttert, getragen, ſogar von den Amazonen-Ameiſen bei ihren Raubzügen mit geraubt wird. Doch gelang es Referent nicht, den Käfer daraus zu ziehen. Wasmann hat dagegen die ganze Entwickelung dieſer Larven feſtgeſtellt, die nichts anderes find als diejenigen von Atemeles und Lomechusa. Bei ihrer Verpuppung werden ſie meiſtens von den Ameiſen geſtört, die ſie wie ihre eigenen Puppen behandeln, d. h. zuerſt unterſtützen (einbetten), aber dann durch Umlagern zu Grunde richten, da die Käferlarve nicht das feſte Cocon der Ameiſenlarve ſpinnt. Nur wenige, d. h. diejenigen, die die Ameiſen überſehen, kommen durch. Was⸗ mann ſah auch Lomechusa-Larven an den Eiern und Puppen der Ameiſen (ihrer Wirte) freſſen. Eine zweite Kategorie Ameiſengäſte, deren Rolle von Wasmann zuerſt feſtgeſtellt wurde, ijt diejenige der indifferent geduldeten Gäſte, die zugleich die Rolle des Geſindes und des Abdeckers ſpielen. Beſonders iſt hier die Gattung Dinarda (dentata und Maerkelii) von Wasmann beobachtet worden. Dieſe Käfer leben in den Neſtern der Formica-Arten und verzehren darin alle Ameiſenleichen und auch Leichen anderer von den Ameiſen geſchleppter In— ſekten. Wie Schakale ſetzen ſich mehrere Dinarda an eine Ameiſenleiche und zehren daran, bis ſie ganz aufgefreſſen iſt. Nicht ſelten freſſen ſie auch cocon— loſe Ameiſenpuppen auf. Sie werden von den Ameiſen weder beleckt noch gefüttert, ſondern meiſtens nicht beachtet. Manchmal jedoch werden ſie bemerkt, und etwas mißtrauiſch mit den geöffneten Mandibeln der Ameiſe angefahren. Dann krümmen die Dinarda ihren Hinterleib, deſſen Spitze ein weißes Tröpfchen gegen die Ameiſe abſendet. Dieſes ſcheint (durch Ge— ruch) die Ameiſe zu beruhigen. Unter ſich ſind die Dinarda auch eher mißtrauiſch als freundlich. Was— mann ſah eine Dinarda an den Haarbüſcheln eines lebenden Atemeles zehren, der aber dann ungeduldig zuckte. Das gleiche Verhältnis zu ihren Wirtsameiſen wie Dinarda zeigen die Staphiliniden, Stenus aterri- mus, Thiasophila angulata, Homalota anceps und der Hiſterid Hetaerius ferrugineus Oliv. Die Larven der Dinarda leben in den Neſtern der Wirtsameiſe, wie der erwachſene Käfer. Sie ſind ſehr lebhaft und flink, ganz ſelbſtändig und freſſen tote Ameiſen, Inſektenleichen, ſowie Ameiſenpuppen genau wie der erwachſene Käfer, und im großen Gegenſatz zu den unbeholfenen, ameiſenähnlichen, von den Ameiſen ganz abhängigen Larven von Lo— mechusa und Atemeles. Wasmann gibt die Be— ſchreibung der Larve der Dinarda dentata. Eine dritte Gruppe typiſcher Ameiſenkäfer find feindliche Wegelagerer und Diebe. Darunter gehören vor allem die Myrmedonia funesta, co— gnata, lugens, similis, humeralis und lati- collis, dann der Quedius brevis. Dieſelben überfallen gewöhnlich zu 3 bis 5 einzelne lebende am Neſteingang herumlaufende Ameiſen, packen ſie an verſchiedenen Körperteilen zugleich, zerſtückeln ſie und freſſen ſie auf. Beſonders wird der ſchwache und weiche Lasius fuliginosus auf ſolche Weiſe von der Myrmedonia funesta überfallen. Beſonders gerne werden verwundete Ameiſen oder Ameiſen, die im Kampfe miteinander begriffen ſind, von den Myrmedonien angefallen. Die Ameiſen verhalten ſich feindlich der Myrmedonia gegenüber, verfolgen jie und fürchten ſie oft. Doch gelingt es ihnen kaum, den flinken Käfer zu erwiſchen, und wenn er dicht verfolgt wird, ſondert er offenbar mit ſeinem wedeln— den Hinterleib eine die Ameiſen betäubende Subſtanz ab. Referent hat auch ſelbſt ſolche Gefechte zwiſchen Ameiſen und Myrmedonien beobachtet. Wasmann ſperrte 20 Myrmedonia funesta und laticollis mit 14 Lasius fuliginosus in einem Glas ein. Im Lauf von 7 Wochen verzehrten die Myrmedonien die 14 Ameiſen eine nach der anderen, ferner größere Ameiſen, die er ihnen gab und die verwundet oder im Kampfe waren (3 Form. rufa, 1 Polyergus) und dazu einige Myrmedonia aus ihrer eigenen Zahl und zwei Myrmedonia humeralis. Es hat ferner Wasmann zuerſt (1886) beobachtet, wie die indifferenten Ameiſengäſte ihren Wirts— ameiſen folgen, wenn dieſelben oft weite Umzüge in ein neues Neſt halten. Er ſah beſonders, wie es Dinarda dentata, aber auch anderen Gaſtkäfern gelingt, den Formica sanguinea und pratensis in ihren Umzügen richtig zu folgen und in das neue viele Meter entfernte Neſt zu gelangen. Sehr bald, wenn die Ameiſen umzuziehen beginnen, treten die Ameiſengäſte unruhig auf die Oberfläche des Neſtes, irren herum, ſuchen und finden den Weg der Ameiſen. Aus einzelnen Beobachtungen zieht da— gegen Wasmann den Schluß, daß die echten Gäſte (Atemeles, Lomechusa, Claviger, Chennium) bei Umzügen von den Ameiſen getragen werden ler ſah Ameiſen ſolche Käfer tragen). Sicher iſt es bei deren Larven der Fall, wie ich es beobachtet habe (I. c.). Hier muß ich einen begangenen Fehler gut machen. In meinen „Etudes myrmécologiques en 1886“ (Annales de la soc. entomol. de Belgique Tome XXX. S. 5) habe ich einen ſolchen Umzug der Formica pratensis umſtändlich beſchrieben, ohne die vorhergegangene Beobachtung Wasmanns zu erwähnen. Es war dies um ſo weniger zu verzeihen, als ich den Separatabdruck damals ſchon beſaß, aber die bezüg— liche Beobachtung überſehen hatte. Herr Wasmann hat mir Schlechtes mit Gutem vergolten, was mein Gewiſſen doppelt belaſtet hat! Ich habe in jener Beobachtung neben den Gaſtkäfern auch noch die 192 Humboldt. — Juni 1890. Aſſeln (Platyarthrus Hoffmanseggii) und die Gaſt⸗ ameiſe Formicoxenus nitidulus der F. praten- sis in das neue Neſt folgen ſehen, ohne den Weg zu verlieren. Bei Formicoxenus hatte ich dieſes übrigens bereits 1874 (Fourmis de la Suisse) teil- weiſe beobachtet. Außer den drei erwähnten Kategorien von eigent⸗ lichen Ameiſengäſten unterſcheidet Wasmann, wie ich es auch in meinen Fourmis de la Suisse that, die zufälligen Ameiſengäſte, die auch noch frei, außer⸗ halb der Ameiſenkolonien leben, und durchaus nicht von den Ameiſen abhängen, ſomit weder eine inti⸗ mere, noch eine weniger intime Symbioſe mit den⸗ ſelben führen. Darunter gehören viele Käfer, wie Astilbus canaliculatus, diverſe Sunius-, Scopaeus-, Falagria-Arten 2c. Endlich die direkten Paraſiten des Ameiſenkörpers, wie Mermisſorten, Acariden, Dipteren (Phora) und Hymenopteren (Elasmosoma berolinense, und Re⸗ ferent fügt hinzu die von ihm neulich in Puppen der auſtraliſchen Ameiſengattung Myrmecia gefundene Eucharis Myrmeciae Cameron). Wasmann hat eine fehr umſichtige und durch⸗ greifende Ueberſicht der Ameiſengäſte (inel. Exoten) nach ihrer Echtheit, ſoweit aus ihrem Körperbau und den ſpärlichen oft mangelhaften Beobachtungen der Reiſenden zu ſchließen ijt, gegeben. Sein Scharf finn hat zweifellos auch für dieſe noch wenig beob- achteten Exoten das Richtige getroffen. Als echte Gäſte, das heißt als ſymbiotiſch freundſchaftlich (nicht indifferent) mit den Ameiſen von denſelben abhängig lebend, offenbar von denſelben gefüttert und den⸗ ſelben durch angenehme Sekrete Leckerbiſſen dar⸗ bietend ſind zu betrachten: 1. Die Lomechusa-Atemeles Gruppe. 2. Die Clavigeriden. 3. Die myrmecophilen Pſelaphiden (Chennium 2c.). 4. Die Gnoſtiden und Pauſſiden der Tropen⸗ länder. 5. Die Thorictiden. Ich ſelbſt fand letzten Frühling den Thorictus sericetosus in den Neſtern von Myrmecocystus viati- cus im ſüdlichen Tuneſien (Gabes) und zwar fo, daß das Käferchen ſtets am Fühlerſchaft der großen Ameiſe mit ſeinen Mandibeln angeklammert war, den Kopf gegen die Fühlerwurzel gerichtet. Herr Wasmann macht mich darauf aufmerkſam, daß der kräftige Oberkiefer ſich ſehr gut dazu eignet, und, daß das Kopfſchild einen tiefen Ausſchnitt beſitzt, wie um den Schaft des Ameiſenfühlers aufzunehmen. Die Thorictiden haben am Thorax Sekretionshaar⸗ büſcheln. Der Myrmecocystus viaticus iſt eine ſehr große, langbeinige, ſchnell rennende Ameiſe, der Thorictus dagegen iſt ein ganz kleiner rundlicher Käfer mit kurzen Beinen. Der Schluß, daß er ſeinen Wirt ſo feſthält, um ihn nicht zu verlieren, ſcheint daher naheliegend. Den echten Gäſten gemeinſchaftlich iſt nach Was⸗ mann das Vorhandenſein von Sekretionshaarbüſcheln und auch wahrſcheinlich (teilweiſe wenigſtens) von laticollis). kolbigen Fühlern (als Verkehrsorgane), und es ſind dieſe Charaktere als Anpaſſungen zu ihrer Symbioſe mit den Ameiſen aufzufaſſen. Auf den Wert dieſer Haarbüſchel hatte ſchon Erichſon aufmerkſam gemacht. Herr Wasmann hat auch aus den Ausbeuten der Herren Dr. Wilhelm Müller und L. Hetſchko in Südbraſilien vier neue Gattungen von Gäſten der amerikaniſchen Wanderameiſen (Beiton) beſchrieben: Eeitochara, Eeitopora, Eeitomorpha und Xeno- cephalus. Doch ſcheinen dieſelben keine echten, ſondern nur geduldete Gäſte zu fein (ähnlich wie Dinarda). Dagegen ſcheinen nach Wasmann die braſilianiſchen Termitengäſte Corotoca, Termitogaster und Spirachtha echte Termitengäſte zu ſein. Mit dem Ausdruck: „internationale Beziehungen der Ameiſengäſte“ bezeichnet Wasmann ihre Bezie⸗ hungen zu verſchiedenen Ameiſenkolonien derſelben Art und zu verſchiedenen Ameiſenarten. Wasmann hat die ſehr intereſſante und wichtige Thatſache feſtge⸗ ſtellt, daß, während die Ameiſen verſchiedener Kolonien bekanntlich ſtets gegeneinander feindlich geſinnt ſind, die Ameiſengäſte umgekehrt von den Ameiſen ver⸗ ſchiedener Kolonien und ſogar verſchiedener Arten freundlich behandelt werden, vorausgeſetzt, daß im Naturzuſtand die betreffende Käferart bei den be⸗ treffenden verſchiedenen Ameiſenarten als Gaſt auf⸗ tritt. Z. B. Dinarda dentata bei Polyergus, bei Myrmica und bei diverſen Formica-Arten, Atemeles emarginatus, bet Myrmica scabrinodis und Formica sanguinea etc. Wir finden die gleiche Thatſache bet den Blattläuſen, wie ich es (Fourmis de la Suisse) gezeigt habe; dieſelben ſind auch den Ameiſen gegen- über international. Ueber die Ameiſenähnlichkeit (mimiery) mancher Ameiſengäſte, welche bei anderen ganz fehlt, hat Wasmann ſehr intereſſante vergleichende Studien ge⸗ macht, die er ſelbſt wie folgt zuſammenfaßt: a) Zwiſchen den echten Ameiſengäſten und ihren gewöhnlichen bezw. urſprünglichen Wirtsameiſen be⸗ ſteht meiſt in der Größe und Färbung, oft auch in der Geſtalt, eine gewiſſe Aehnlichkeit; am voll⸗ kommenſten iſt dieſelbe nicht bei den höchſten Ameiſen⸗ gäſten (Clavigeriden), ſondern bei jenen, die durch zudringliches ameiſenähnliches Benehmen ſich be- ſonders auszeichnen (Lomechusa -Gruppe). p) Zwiſchen den regelmäßigen Ameiſenfeinden und deren gewöhnlichen bezw. urſprünglichen Wirts⸗ ameiſen obwaltet in Größe und Färbung, meiſt auch in der Geſtalt, eine mehr oder minder täuſchende Aehnlichkeit; bei den häufigſten Arten iſt dieſe Aehn⸗ lichkeit am vollkommenſten (Myrmedonia funesta und Lebt dieſelbe Käferart bei mehreren an Größe und Färbung bedeutend verſchiedenen Ameiſen⸗ arten, ſo ſtimmt ſie mit jener überein, gegen die ſie des Schutzes am meiſten bedarf (Myrmedonia hu- meralis und Quedius brevis). e) Zwiſchen den indifferent geduldeten Ameiſen⸗ gäſten und ihren Wirtsameiſen findet ſich gewöhnlich keine Aehnlichkeit in der Größe, Färbung oder Ge⸗ ſtalt. Bei jenen, die den Ameiſen ganz oder faſt Humboldt. — Juni 1890. ganz unbemerkt bleiben, iſt nicht einmal eine Ab— hängigkeit der Körpergröße von der Größe ihrer Wirtsameiſen vorhanden (Platyarthrus, Beckia, Amphotis marginata, Homalota talpa, Myrme- coxenus, etc.). Bei jenen dagegen, die von den Ameiſen nicht ſelten bemerkt werden, pflegt eine Ab— hängigkeit der Größe zu beſtehen (Notothecta fla- vipes, confusa; Thiasophila angulata, inquilina). Bei ſolchen endlich, die häufig die mißtrauiſche Auf— merkſamkeit der Ameiſen erregen, tritt auch noch eine Aehnlichkeit in der Färbung hinzu (Dinarda dentata, Maerkelii, Hagensii). d) Die Larven von Atemeles und Lomechusa (die Larven der übrigen echten Gäſte ſind noch un— bekannt) ahmen in Geſtalt, Haltung und Benehmen die Formica-Larven nach. Wasmann hat auch über die Ameiſen ſelbſt manche ſchöne Beobachtungen gemacht. Er hat z. B. das bekannte Experiment Hubers (das von mir, Lubbock, Weismann und Adlerz nachgemacht und beſtätigt wurde) über die Unfähigkeit der Amazonenameiſe (Polyergus) ſelbſt zu eſſen wieder gemacht. Im ganzen beſtätigt Wasmann ſeine Vorgänger. Adlerz hatte ſchon ge— zeigt, daß Polyergus Waſſertröpfchen manchmal leckt, und ich hatte einen Polyergus, der zufällig mit dem Kopf in den Honigtropfen hineingeriet, einige Leck— bewegungen mit der Zunge machen ſehen. Auf letztere Thatſache lenkte Wasmann ſeine beſondere Aufmerkſamkeit und zeigte, daß Polyergus, beſonders wenn er ſich in ſeiner Wut in den Leib eines Feindes oder in eine Puppe hineingebiſſen hat, auch öfters einige Leckbewegungen macht. Aber von ſelbſt frißt Polyergus nicht, ſucht die neben ihm liegende Nahrung nicht auf und verhungert neben einer reichen Tafel, wenn nicht ein Sklave kommt und ihn füttert. Wasmann ſchließt aus ſeinen Verſuchen, daß die Polyergus- Arbeiter zwar freſſen können, daß fie aber trotzdem von Hilfsameiſen gefüttert werden müſſen, um nicht zu verhungern. Sie lecken zwar manchmal an dünnflüſſiger Nahrung, wenn ihnen dieſelbe zu— fällig in den Mund kommt; aber ihr Nahrungs— bedürfnis treibt fie nicht hierzu an, ſondern nur zur Anbettelung von anderen Ameiſen. Die verwöhnten Herren vermögen die Be— ziehung, die zwiſchen dem Nahrungsbe— dürfnis und der Stillung desſelben durch ſelbſteigene Nahrungsſuche und Nahrungs— aufnahme obwaltet, nicht zu erkennen. In dieſen Sätzen hat Wasmann dieſe einzig da— ſtehende Thatſache der Entartung der Inſtinkte der Selbſterhaltung bei Polyergus in einer viel klareren Weiſe präziſiert, als dies bisher der Fall war. Wir müſſen ihm vollkommen beiſtimmen. Weitere Studien hat Wasmann über die von Referent ſeiner Zeit Doppelneſter genannte Thatſache der Ineinanderſchachtelung der Neſter zweier feind— licher Ameiſenarten, ohne daß ein Zuſammenwohnen beider Arten in gleichen Räumen ſtattfindet, gemacht. Wasmann bezeichnet dieſe Neſter mit dem richtigeren Ausdruck „zuſammengeſetzte Neſter“ und beſtätigt im Humboldt 1890. 193 weſentlichen des Referenten Ergebniſſe bezüglich So— lenopsis fugax, der als ſehr kleine Art ſeine win— zigen Kanäle in den Wandungen der Neſter größerer Arten gräbt, deren Brut rc. er offenbar gelegentlich raubt und verzehrt. Wasmanns biologiſche Ameiſenarbeiten find: Deutſche entomol. Zeitſchriſt 1886, S. 49, u. 1887, S. 108, Lebensw. d. Ameiſengäſte. — 3 1887, S. 97 u 403, Europ. Atemeles u. braſilian. Nephiliniden. 2 J 7 1889, S. 186, Neue Ecitongäſte aus Südbraſil. Tijdschrift voor Entomologie 1888, Beitr. z. Lebensw. d. Gattung Atemeles und Lamecusa. Wiener entomolog. Zeitung 1889, S. 153, Zur Lebens- u. Entwickelungs⸗ geſchichte von Dinarda. Biologiſches Zentralblatt 1889, S. 303, Zur Bedeutung der Palpen bei den Inſekten. Natur und Offenbarung 1888, S. 193, Beziehungen zu fremden Ameiſen⸗ arten in den zuſammengeſ. Neſtern. 1 „ S. 321 u. 543, Diebsameiſen u. Gaſtameif. ~ 1889, S.1u.471, Die ſklavenhaltenden Ameiſen. 1890, S. 77, Der Nahrungsinſtinkt der Ama⸗ zonenameiſe. S. 154, Wie gründet die Amazonenameiſe neue Kolonien? Stimmen von Maria Laach 1887, S. 360, Die getreideſammelnden Ameiſen. 1 „ 1889, Heft 1 u. 2, Die Lebensbeziehungen der Ameiſen. Heft 5, Fortſchritte und Aufgaben der Entomologie. 7 1 „ 1886, S. 413, Aus dem Leben einer Ameiſe. Letztere Ameiſenidylle iſt zugleich ſo wundernett, ſo inſtruktiv und ſo wahr, daß ich ſie hier auch er— wähnen mußte. Es ſei mir noch erlaubt, die Forſchungen von Dr. Gottfried Adlerz in Stockholm zu erwähnen, der die Lebensweiſe der ſchwediſchen Ameiſen ſtudiert hat. Ihm haben wir zu verdanken: 1. Die Entdeckung des wahren flügelloſen arbeiter— ähnlichen Männchens der Gaſtameiſe Formicoxenus nitidulus Mayr, ſowie des kleinen halboffenen Neſtes, das ſich dieſe geduldete Einmieterin mitten im Neſt der Waldameiſe (Form. rufa) baut. Wie bet Aner- gates iſt das Männchen ungeflügelt, während das Weibchen geflügelt iſt. Aber bei Anergates fehlt der Arbeiter, der bei Formicoxenus exiſtiert. Anergates iſt ein Schmarotzer, der ſich von Tetramorium voll- ſtändig füttern und aufziehen läßt. Formicoxenus iſt nur ein Gaſt, der ſeine Brut ſelbſt pflegt. 2. Die bisher einzigen Beobachtungen über die ſonderbare nordiſche Gaſtameiſe Tomognathus sub- laevis, deren Arbeiter bisher allein bekannt iſt. Trotz allem Suchen konnte Adlerz nur die Arbeiter ent— decken, die als Gäſte in den Kolonien des Lepto— thorax acervorum leben. Das Verhältnis zum Wirt iſt einzig wunderbar in ſeiner Art. In der Kolonie hat Leptothorax ſeine Arbeiter, Weibchen, Männchen und ſeine normale vollſtändige Brut. Von den viel größeren Tomognathus gab es nur Arbeiter und Arbeiterbrut (in den drei im Juli von Adlerz beobachteten Kolonien). Alle Arbeit wird von den Leptothorax beſorgt, welche die Larven der Tomo— gnathus und dieſe ſelbſt füttern. Tomognathus kann mit ſeinen zahnloſen Kiefern keine Larven (höchſtens Puppen) tragen. Er iſt unbeholfen, faul, und die Arbeiter lieben es miteinander zu raufen, wobei nicht ſelten Glieder abgebiſſen werden. Solche Kämpfe zwiſchen Arbeitern derſelben Kolonie waren bisher 25 194 nur bei Formica pratensis von Huber und mir bez obachtet worden, wo ſie aber viel friedlichere harm⸗ loſe Spiele darſtellen. Adlerz jah ab und zu Tomo- gnathus ſelbſt eſſen, Puppen tragen, ſogar Larven und Arbeiter füttern. Doch ſind es ſeltene Aus⸗ nahmen. Ein Rätſel iſt die Fortpflanzung des Tieres und die Entſtehung der gemiſchten Kolonie. Adlerz vermutet eine ſtändige parthenogenetiſche Fortpflan⸗ zung der Arbeiter und meint, dieſelben zwingen ſich in Leptothorax- Kolonien hinein, die ſie ſchließlich annehmen, nach vergeblicher Mühe ſie zu jagen. Humboldt. — Juni 1890. Einiges ſcheint dafür zu ſprechen. Doch iſt alles noch unſicher. Adlerz' Arbeiten ſind: Myrmecologiska Studier Part I 1884. 5 „ Part II 1885. Beide in Bihang till K. Svenska Vet. Akad. Hand- lingar Band. In der Part IL iſt ein kurzes deutſches Reſumse am Schluß. Zudem hat Adlerz einen Auszug ſeiner Beobachtungen im Supplement zu Andrés „Species des Formicides d' Europe“ gegeben. Sortidritte in den Katurwiſſenſchaften. Zoologie. Dr. Kurt Lampert in Stuttgart. Bütſchlis Protozoen werk. Pplombildungen. wachstum bei Thalamophoren und Badiolarien. bei Difflugia. und „ſenile Degeneration“ bei bewimperten Infuſorien. Edwardsia- Stadium. und Siphonanten. Einwände gegen die Medusom-Cheorie. Dogelfedern. Morphologiſche Studien an holotrichen Infuſorien. Die Pylombildungen bei Sarcodinen. Einfluß derſelben auf Schalenform und Schalenwachstum. Bedeutung des Baumaterials für Schalenform und Schalen⸗ Phylogenetijcher Hinweis. Regenerationsfahigfeit bet Protiften mit und ohne Schalenwachstum. Bedeutung des Kernes hierbei. Entwickelung und Berwandtſchaftsbeziehung der Aktinien. Aktinien⸗ stammbaum. Häckels Medusom-Cheorie der Siphonophoren. Entwickelung der Dogelfedern. Erwähnung von Fürbringers Unterſuchungen zur Morphologie und Syſtematik der Vögel. Primäre und ſekundäre Spiralige Einrollung bei terminalem Wachstum. Gehäusbau Fortgeſetzte Teilungen Arachnactis-Saxve. Einwände gegen die Teilung in Disconanthen Beziehung zu Schuppe und Haar. Farben der Wenn wir dieſes Mal unſeren zoologiſchen Bericht mit der niederſten größeren Abteilung tieriſcher Lebe⸗ weſen, den Protozoen, beginnen, ſo haben wir zunächſt eines Werkes zu gedenken, welches wohl für längere Zeit ein Kompendium des Wiſſenswerteſten in der Protozoen⸗ kunde bilden wird, und nicht nur in der Bibliothek des zoologiſchen Fachgelehrten, ſondern auch in der des Arztes, des Lehrers der Naturwiſſenſchaften und des Freundes derſelben überhaupt einen hervorragenden Platz bean⸗ ſpruchen darf. Wir meinen Bütſchlis Bearbeitung der Pro⸗ tozoen in Bronns Klaſſen und Ordnungen des Tierreichs?), welche nun in einem ſtattlichen, von der Verlagshandlung in bekannter würdiger Weiſe reich ausgeſtattetem Band abgeſchloſſen vor uns liegt. Der Name des Verfaſſers iſt an und für ſich ſchon Gewähr, daß das Werk auf der Höhe der Zeit ſteht und zugleich bildet es nicht nur eine einfache Kompilation ſchon bekannter Thatſachen, jondern von der kritiſchen Sonderung der Arbeiten abgeſehen, fügt der Autor ſelbſt aus dem reichen Schatz ſeines Wiſſens eine Reihe neuer von ihm ſelbſt gefundener Thatſachen bei. Die äußere Anordnung des Stoffes iſt wie bei den übrigen Bänden von Bronns Klaſſen und Ord- nungen; in ausführlicher Weiſe wird die Morphologie, Fortpflanzung, Biologie, Verteilung in Zeit und Raum u. ſ. w. beſprochen, bevor die Syſtematik behandelt wird, und mit beſonderem Intereſſe leſen ſich gerade bei den Protozoen die hiſtoriſchen Einleitungen, die der Bearbei- tung der einzelnen Gruppen vorangehen. Bütſchli ſtellt vier Klaſſen der Protozoen auf: Sarcodina, Sporozoa, Mastigophora und Infusoria. Die Sarcodinen zerfallen in die Rhizopoden, Heliozoen und Radiolarien, die Spo—⸗ *) Dr. H. G. Bronns Klaſſen u. Ordnungen des Tierreichs, Bd. 1, Protozoa. Neu bearbeitet von Dr. O. Bütſchli. Leipzig u. Heidelberg, C. F. Winter. 1880-1889. rozoen ſind ausſchließlich paraſitäre Weſen; zu ihnen ge⸗ hören die Gregarinen, die Coceidia oder eiförmigen Pſo⸗ roſpermien, die Myxoſporidien, welche bisher gewöhnlich als Fiſchpſoroſpermien bezeichnet wurden und die merkwür⸗ digen Sarcoſporidien oder paraſitiſchen Schläuche. Die Maſtigophoren, die hier in dem Bütſchliſchen Syſtem zum erſtenmal als ſelbſtändige Klaſſe auftreten und die bis⸗ her Flagellaten im weiteren Sinn hießen, zerfallen in die Ordnungen der Flagellaten, Choanaflagellaten, Cyſto⸗ flagellaten und Cilioflagellaten. Die große Klaſſe der Infuſorien teilt ſich in die beiden Unterklaſſen der Ciliata und Suctoria. Ein Schüler Bütſchlis, Schewiakoff, hat ſich die holotrichen Ciliaten zu ſpezieller Unterſuchung und Bearbeitung erkoren“). Sie bieten unter den Wimper⸗ infuſorien wegen der Uebergänge von ganz einfachen zu hoch differenzierten Formen das beſte Objekt zum Stu⸗ dium der mannigfachen auf der morphologiſchen Grund⸗ lage einer Zelle entſtehenden Differenzierungen des Plasma⸗ leibes, die zu Einrichtungen für Bewegung, Nahrungs⸗ aufnahme und Verteidigung führten. Es treten uns hier Organismen entgegen, „deren phyſiologiſche Leiſtungen denen der Metazoen gleich zu ſetzen wären; dagegen be⸗ halten ſie morphologiſch den Wert einer Zelle, und letztere dokumentiert fic) beſonders deutlich zur Zeit der Fort⸗ pflanzung, welche vollkommen als Zellteilung verläuft“. Weitgehenden Schlüſſen haben allerdings beſonders bei den noch wenig genau unterſuchten holotrichen Infuſorien neue Unterſuchungen vorauszugehen, denen ſich Verfaſſer in dem vorliegenden Werk an 25 Arten unterzieht. Seine beſondere Aufmerkſamkeit wendet Schewiakoff nach Bütſchlis Vorgang der Struktur des Ectoplasma und der Körper- ) Beiträge zur Kenntnis der holotrichen Ciliaten in Bibliotheca zoologica (Leuckart & Chun). Heft 5. Kaſſel, Fiſcher. 1889. Humboldt. — Juni 1890. ſtruktur der Infuſorien zu. Erſteres erſcheint entweder als eine vielleicht nur ſcheinbar homogene Schicht, oder es beſitzt einen deutlich wabenartigen, alveolaren Bau; nach außen gehen die Alveolenwände in eine ziemlich ſcharf begrenzte und ſtark lichtbrechende Grenzlamelle über, für welche ſtatt Cuticula der Name Pellicula eingeführt wird. Zwiſchen Alveolarſchicht und Endoplasma tritt bei einigen Infuſorien noch eine beſonders differenzierte Plasmaſchicht, das Corticalplasma, auf. Die bisher ſehr wenig beachtete Körperſtreifung der Infuſorien findet ſich ſehr häufig als Längsſtreifung, welche dadurch hervorgerufen wird, daß die kleinen, die Cilien tragenden Papillen in Längsreihen angeordnet ſind; dieſelben können auch einen ſchrauben— artigen Verlauf nehmen. Wenn, wie bei Holophrya dis- color Eurb. und Prorodon teres Ehrb., dieſe wimper— tragenden Längsreihen ſehr ſchmal werden und Ein— ſenkungen in der Oberfläche, Furchen, bilden, die zwiſchen ihnen liegenden cilienfreien Längsſtreifen dagegen bedeu— tend breiter ſind und als „Rippenſtreifen“ konvex vor— ſpringen, ſo erſcheint der Körper bei polarer Anſicht deut— lich gekerbt. Je nach der Fähigkeit, die Form zu ändern, unter— ſcheidet Schewiakoff unter den Infuſorien vier Gruppen: bei den „ſtarren“ Infuſorien findet überhaupt keine Form- veränderung ſtatt; bei den „elaſtiſchen“ verändert der Körper ſeine Geſtalt nicht ſelbſtthätig, ſondern nur infolge äußeren Drucks und nimmt beim Aufhören desſelben ſeine frühere Form wieder an; die „biegſamen“ oder „flexilen“ Infu— ſorien wechſeln zwar ſelbſtthätig die Geſtalt, ohne daß je— doch die allgemeine Form verloren ginge, während die „kontraktilen“ Infuſorien eine Körperdimenſion auf Koſten der andern verlängern oder verkürzen können und ſo ihre Geſtalt weſentlich verändern, was durch beſondere Körper— elemente („Muskelfibrillen“) ermöglicht wird. Zu den Infuſorien, die man im großen und ganzen als unbeſchalte Urtiere bezeichnen kann, ſtehen im Gegen— ſatz die Sarcodinen, die beſchalten Urtiere. Während die erſteren, wie Kurz erwähnt, einen hochentwickelten man— nigfach differenzierten Weichkörper beſitzen, dagegen Skelett— bildungen ihnen faſt völlig fehlen, beſitzt die andere Gruppe der Urtiere einen ſehr primitiven Weichkörper, deſſen Form mannigfach wechſelt, wofür dann Skelettbildungen ſehr allgemein verbreitet ſind und nur bei einer kleinen Gruppe völlig vermißt werden. Wir dürfen vorausſetzen, daß dem Leſer bekannt iſt, welche ungeahnte Förderung die Kenntnis einer der großen Gruppen der Sarcodinen, nämlich der Radiolarien, vor einiger Zeit durch Häckels Bearbeitung der „Challenger“ Radiolarien erhalten hat“). In dieſer klaſſiſchen Mono— graphie, durch welche die Zahl der bekannten Arten von 810 auf 4318 geſtiegen iſt, die ſich insgeſamt auf 739 Gattungen verteilen, hat Häckel den Einblick in eine bei— nahe neue, kaum geahnte Welt der Formenmannigfaltig— keit und Formenſchöne erſchloſſen und zugleich weiterer Forſchung ein weites Feld eröffnet; denn es iſt klar, daß die Bearbeitung eines derartig reichen Materials zu Auf— ſtellung einer ganzen Reihe von Fragen auf dem Gebiet ) Häckel, Report on the Radiolaria collected by H. M. S. Challenger. Chall. Report, Zoology. Vol. XVIII. 3 Bde. 1887. 195 der vergleichenden Anatomie, Ontogenie und Phylogenie führen mußte, deren Beantwortung weitere Studien er— heiſchen. ; An dieſe Aufgabe ijt Dreyer, ein Schüler Häckels, herangetreten. Das erſte Heft ſeiner „morphologiſchen Radiolarienſtudien“ behandelt die Pylombildungen in vergleichend anatomiſcher und entwickelungsgeſchichtlicher Beziehung bei Radiolarien und Protozoen überhaupt“). Unter Pylom verſteht Dreyer die Hauptmündungsöffnung der Sarcodinenſchalen; er wandte den Ausdruck zunächſt an für die Hauptmündungsöffnung bei Radiolarien, wo ſich daſelbſt überhaupt eine ſolche vorfindet, und gebrauchte ihn ſtatt des Häckelſchen Osculum, um Verwechslungen mit der ebenfalls Osculum genannten Hauptöffnung der Zentralkapſel zu vermeiden. In einer ſpäteren Publi⸗ kation“) macht er den Vorſchlag, „Pylom“ nicht auf die Hauptmündungsöffnungen der Radiolarien zu beſchränken, ſondern unter dieſem Begriff die betreffenden Bildungen der Rhizopoden (Bütſchlis Sarcodinen) überhaupt zu— ſammenzufaſſen. Zur Erklärung der Pylombildungen geht Verfaſſer von dem primitiven homoxonen Radiolarien— körper aus. Derſelbe ſtellt ein kugliches Gebilde dar und alle tangentialen wie radialen Protoplasmabahnen halten ſich die Wage, was ſich dann auch auf eventuell vor— handene Skelettteile überträgt: die kugelrunde Zentral— kapſel iſt mit gleich großen und in gleichen Abſtänden voneinander befindlichen Poren bedeckt, während die tan- gential verlaufenden Kieſelbalken des Skeletts eine eben— falls kugliche Gitterſchale mit regelmäßig hexagonalen Maſchen bilden, von welcher in radialer Richtung an jedem Knotenpunkt der Balken die Radialſtacheln aus⸗ ſtrahlen. „Wenn ſich nun an einer Stelle die radialen Sarcodeſtränge ganz beſonders ſtark ausbilden bei gleich— zeitiger Rückbildung der tangentialen und ſich dieſes Ver— hältnis in entſprechender Weiſe auf das Skelett überträgt, ſo haben wir eine Pylombildung vor uns“. Das Auf— treten des Pyloms läßt bei ſämtlichen Sarcodinenſchalen zwei Bauarten unterſcheiden, die Dreyer als perforat— polyaxonen und pylomatiſch-monaxonen Formtypus be— zeichnet. Wie erwähnt, unterſuchte Dreyer die Pylom— bildungen zunächſt bei den Radiolarien; fie find daſelbſt viel häufiger, als bisher angenommen und treten in großer Formenmannigfaltigkeit auf, während die Oscula, dieſe den Pylombildungen entſprechenden Hauptmündungen der Zentralkapſel bisher nur in zwei Formen beobachtet ſind, die für zwei ganze große Radiolarienklaſſen, die Naſſellarien und die Phäodarien charakteriſtiſch ſind. Der Art der Entſtehung nach unterſcheidet Dreyer in ſeiner ausführlichen Arbeit, deren Inhalt wir des Raums wegen nur in ganz großen Zügen wiederzugeben vermögen, pri— märe und ſekundäre Pylombildungen. Erſtere ſind ſchon vom Augenblick des Entſtehens eines zuſammenhängenden Skeletts an vorhanden, während die ſekundären Pylom— ) Die Pylombildungen in vergleichend-anatomiſcher und entwicke⸗ lungsgeſchichtlicher Beziehung bei Radiolarien und bei Protiſten überhaupt, nebſt Syſtem und Beſchreibung neuer und der bis jetzt bekannten pylo- matiſchen Spumellarien. Jenaiſche Zeitſchr. f. Naturwiſſenſchaft, Bd. 23. : (N. F.) Bd. 16. Jena, 1889. ) Bau der Rhizopodenſchalen. Nr. 11. 1. Aug. 1889. Biologiſches Zentralblatt, Bd. 9, 196 bildungen erſt nachträglich an dem bereits vollſtändig und oft ſchon ſehr hoch ausgebildeten Skelett entſtehen. Pri⸗ märe Pylome ſind auf die beiden Legionen der Naſſella⸗ rien und Phäodarien beſchränkt, denen auch allein ein Osculum der Zentralkapſel zukommt, während ſekundäre in allen vier großen Abteilungen des Radiolarienſyſtems in größter Mannigfaltigkeit vorkommen und nach der Art und Weiſe ihrer Bildung, nach ihrer Anlage oder Ent⸗ wickelung von gleichen Skelettteilen in eine Reihe ver⸗ ſchiedener Typen zuſammengefaßt werden können. Der Einfluß, welchen die Pylombildung auf die Sarcodinen⸗ ſchale ausübt, iſt ebenfalls ein mannigfaltiger. Zunächſt beſteht er in einer Streckung der Schale in der Richtung der Hauptachſe, womit aber häufig auch eine Differen⸗ zierung der Kreuzachſen verbunden iſt. Eine weitere Diffe⸗ renzierung der pylomatiſchen Radiolarienſchalen beſteht in der bilateralen (endipleuren) Ausbildung der Grundform, deren erſte Andeutung in der einſeitigen Verlagerung des auf der Unterſeite der Schale befindlichen Pyloms nach vorn oder in einer Biegung des das Pylom tragenden, röhrenförmigen Halſes beſteht, wozu ſich dann eine mehr oder weniger typiſch bilaterale Ausbildung der Geſamt⸗ form der Schale hinzugeſellt. Bei vielen Süßwaſſerſarco⸗ dinen ſcheint die bilaterale Schalenformation noch im Fluß. An die endipleuren Formen ſchließen ſich die ſpiral ge⸗ wundenen Rhizopodengehäuſe an, die eigentlich nur als eine durch einen beſtimmten Wachstumsprozeß bedingte Fortführung der endipleuren Grundform zu betrachten ſind. Wie ſich nach der Form unter den Sarcodinenſchalen zwei Typen unterſcheiden laſſen, jo auch nach der Art des Wachstums derſelben, ſoweit ein ſolches überhaupt vorhanden iſt. Bei einer großen Anzahl von Sarcodinen erreicht nämlich die Entwickelung des Skeletts mit der Bildung einer einfachen Schale ihren Abſchluß, bei den übrigen dagegen findet ein weiteres Wachstum des Ske⸗ lettes ſtatt, entweder konzentriſch, indem nach allen Rich⸗ tungen hin an die erſte einfache Kugelſchale neue Schalen oder Schalenteile angeſetzt werden, oder terminal, wobei nur nach einer Richtung hin eine Reihe neuer Kammern ſucceſſive beigefügt wird. Dieſe beiden Wachstumstypen ſtehen im Parallelismus mit den beiden Formtypen: dem perforaten Formtypus entſpricht der konzentriſche Wachs⸗ tumstypus, dem pylomatiſchen Formtypus der terminale Wachstumstypus. Ausführlich beſpricht Dreyer die ein⸗ zelnen Kategorien, die ſich in den beiden Wachstums⸗ typen ferner unterſcheiden laſſen, und ihre Entwickelung und gegenſeitigen Zuſammenhang. Fragen wir nach den Urſachen der Formtypen und Wachstumstypen! Für die Formtypen findet Dreyer das hauptſächlichſte Motiv in der Lebensweiſe der betreffenden Sarcodinen. Sarcodinen mit dem perforaten Formtypus angehörigen Schalen und allſeitig gleichmäßig ausſtrahlen⸗ den Pſeudopodien werden eine im Waſſer freiſchwebende und rotierende Lebensweiſe führen; die monaxonen und amphitekten Schalen des pylomatiſchen Formtypus werden Sarcodinen angehören, welche beim Schwimmen oder Kriechen eine beſtimmte ſenkrecht ſtehende Hauptachſe feſt⸗ halten, und die endipleure Ausbildung verdankt dem Kriechen in einer beſtimmten Richtung ihren Urſprung. Für die Wahl der Formtypen ſpielt auch eine bedeutende Humboldt. — Juni 1890. Rolle die Natur des Baumaterials; geradezu ausſchlag⸗ gebend aber iſt dieſe für den Wachstumstypus. Das Bau⸗ material kommt, wenn wir die primitiven Chitinſchalen vieler Süßwaſſerſarcodinen außer acht laſſen, in dreifacher Art vor. Ein Teil der Thalamophoren baut ſeine Schalen aus agglutinierten Fremdkörpern, wie Sand, Schlamm, Radiolarienſchalen, Spongiennadeln u. dgl. Der größere Teil der Thalamophoren ſcheidet ein aus kohlenſaurem Kalk beſtehendes Skelett aus und die Gehäuſe der Radio⸗ larien beſtehen aus Kieſelſäure. Der Unterſchied, der zwiſchen den beiden erſtgenannten Materialien einer- und der Kieſelſäure andererſeits in der Feſtigkeit beſteht, hat auch entſprechende Differenz im Habitus und Bauart der beiden großen Hauptgruppen der Sarcodinen zur Folge; und ein gleicher, wenn auch nicht ſo großer Unterſchied läßt ſich zwiſchen den agglutinierenden und kalkigen Thala⸗ mophoren nachweiſen. Dreyer vergleicht die Gehäuſe aus dem verſchiedenen Material, welches in den drei Fällen zur Verwendung kommt, mit menſchlichen Bauten aus Lehm, Stein und Eiſen. Die Gehäuſe aus Fremdkörpern find gröber und einfacher konſtruiert, als die aus kohlenſaurem Kalk, welcher ſchon eine größere Feſtigkeit beſitzt; beider⸗ lei Gehäuſe aber werden an Mannigfaltigkeit, Zierlichkeit und Leichtheit der Form weit übertroffen von den oft ſehr komplizierten, ſtets aber graziöſen Kieſelſchalen der Radiolarien. Dreyer weiſt auch darauf hin, wie Neu⸗ mayr den Unterſchied in dem Material des Gehäuſes auch für die Phylogenie der Thalamophoren verwertet“), in⸗ dem er die agglutinterenden Formen als die älteren, einfacheren betrachtet, während für die komplizierteren Formen dieſe rohe Bauweiſe nicht mehr genügte und dieſe ihr Gehäus aus kohlenſaurem Kalk aufbauten. Die Ver⸗ wendung verſchiedenen Materials iſt, wie erwähnt, aus⸗ ſchlaggebend für den Wachstumtypus. Das konzentriſche Wachstum ſtellt größere Anſprüche an die Feſtigkeit des Materials, wie das terminale; ſo erklärt es ſich, daß erſteres ſich nur bei den kieſeligen Radiolarienſkeletten findet, bei den Thalamophoren aber nicht vorkommt. Der Vorteil, welchen das konzentriſche Wachstum dem terminalen gegenüber darin bietet, daß es zu einem nach außen abgeſchloſſenen abgerundeten Ganzen führt, er⸗ reichen die Thalamophoren mit terminalem Wachstum dadurch, daß fie ihre Kammerreihe meiſt nicht in ge⸗ ſtrecktem Zuſtand belaſſen, ſondern bei der Mehrzahl der Formen ſpiralig einrollen. Als weitere Fortführung dieſer ſpiraligen Einrollung iſt die gegenſeitige Umgreifung der Kammern bei vielen Thalamophoren anzuſehen, welche ſo weit führen kann, daß nur die jüngſte Kammer außen frei zu Tage liegt, während alle vorhergehenden völlig umſchloſſen ſind, ſo daß hier ſchließlich auf ganz anderem Weg dasſelbe Endreſultat erreicht wird wie bei den kon⸗ zentriſch gewachſenen, einander umſchließenden Schalen⸗ ſyſtemen der Radiolarien. Zum Schluß des zweiten Ar⸗ tikels führt Dreyer die von Naumann und v. Möller nach- gewieſene bedeutſame Thatſache an, daß Mollusken- und Thalamophorenſchalen denſelben Windungsgeſetzen folgen. Die ſpiralige Aufrollung iſt alſo nicht in der Natur ) Neumayr, Die Stämme des Tierreichs, wirbelloſe Tiere, Bd. 1. Wien, 1889. Humboldt. — Juni 1890. dieſer abſolut nicht miteinander zuſammenhängenden Or— ganismen begründet, ſondern hat ihre Urſache in den Ver— hältniſſen der Außenwelt, iſt bedingt von den Forderungen der Geſetze der Statik und Mechanik, ein Fall, der in der Natur nicht vereinzelt daſteht. Ueber nähere Vorgänge beim Gehäuſebau ſolcher Süß⸗ waſſerſarcodinen, die ſich ihr Gehäus aus Fremdkörpern bauen, berichtet Verworn in ſeinen biologiſchen Protiſten— ftudien*). Als Objekt diente Difflugia. Verworn fand, daß das zur Schalenbildung zur Verwendung kommende Material im Endoplasma aufgeſtapelt iſt und bei der Teilung die Bildung der Schale durch das Nachaußen— treten der Schalenpartikelchen in gleicher Weiſe erfolgt, wie bei Formen, die ſelbſtproduziertes Material zum Auf— bau verwenden, z. B. Euglypha, bei welcher die Erbauung des Skeletts erſt neuerdings wieder eingehend durch Schewia— koff unterſucht wurde“). Nebenbei bemerkt, fand hierbei dieſer Forſcher an Euglypha alveolata einen Typus der Karyokineſe, der vollſtändig mit dem von den Gewebs— zellen der Metazoen übereinſtimmt. Intereſſant aber iſt die Aufnahme der zum Schalenbau dienenden Fremd— körper von ſeiten der Dikllugia, indem fie, wie Verworn durch direkte Beobachtung konſtatieren konnte, nur durch gewiſſe Reflexvorgänge erfolgt. Bei ſeinen Experimenten verwendete Verworn ſtatt Sandkörnchen feingepulvertes ſchwarzes Glas. Solang die Protiſten ungeſtört zwiſchen den Glasſplittern herumkrochen, fand keine Aufnahme der— ſelben ſtatt; ſobald aber ein mechaniſcher Reiz der Pſeudo— podien durch Berührung derſelben erfolgte, ſei es durch den Experimentator oder durch heftiges Anſtoßen eines Cypris oder anderen Mitbewohners, ſo erfolgte eine Auf— nahme der Glasſplitter. Die weit ausgeſtreckten Pſeudo— podien werden runzelig und höckerig und es bleiben einige Glaskörnchen an ihnen kleben, die allmählich mit den Pſeudopodien völlig ins Innere hineingezogen werden; durch die mechaniſche Reizung wird alſo die Ausſcheidung eines klebrigen Stoffes bedingt. Am gleichen Tier ſtudierte Verworn die Frage nach der Fähigkeit, ein verletztes Gehäus wieder zu repa— rieren. Obgleich die künſtlich ihrer Schale oder Teilen derſelben beraubten Difflugien ganz munter blieben, auch ſogar Fremdkörper aufnahmen, ſo fand eine Regeneration doch in keiner Weiſe ſtatt. Als Verworn zum Vergleich die marine Form Polystomella encopa L. unterſuchte, ergab ſich hier ein anderes Reſultat. Es erfolgten an den Teilſtücken ſtets Regenerationen, ſei es Ausbeſſerungen der verletzten Schale, ſei es die Anlage neuer Kammern, wenn nur der Kern in jenen enthalten war; fehlte derſelbe, ſo blieb auch hier eine Regeneration aus. Dieſer auffallende Unterſchied zwiſchen Difflugia und Polystomella erklärt ſich daraus, daß bei Difflugia mit der Teilung auch die Schale des neugebildeten Individuums fertig iſt und kein Schalenwachstum mehr ſtattfindet; bei Polystomella da— gegen findet Weiterentwickelung ſtatt, indem wie bei allen Polythalamiern an die urſprüngliche Kammer neue ange— baut werden; dieſer Fähigkeit, neue Kammern zu bilden, ) Zeitſchrift für wiſſenſch. Zoologie, Bd. 46, 1888, S. 455—470. ) Ueber die karyokinetiſche Kernteilung von Euglypha alveolata. Morphol. Jahrb., Bd. 13, u. Biolog. Zentralbl., Bd. 8, Nr. 9. (Referat von Gruber.) 197 iſt dann die Regenerationsfähigkeit proportional, während bei Difflugia das Protoplasma mit Bildung der ein- für allemal fertigen Schale ſeine ſekretoriſche Thätigkeit ein— ſtellt. So findet der ſchon im Referat der Studien Dreyers beſprochene Unterſchied zwiſchen Protiſten mit und ohne Schalenwachstum auch ſeinen phyſiologiſchen Ausdruck. Daß bei Polystomella die Regenerationsfähig— keit von der Anweſenheit des Kernes abhängig iſt, kann als direkter Beweis dafür betrachtet werden, daß ihm bei der Sekretion eine bedeutſame Rolle zufällt, wie dies Korſchelt ſchon für die Thätigkeit des Kernes bei der Chit— inſekretion wahrſcheinlich gemacht hat“). Das Vermögen einer hohen Regenerationsfähigkeit iſt von beſonderem Wert für ſolche Formen, bei denen das Freiwerden der Jungen nur durch Zerbrechen der Muttertiere erfolgen kann. Zu dieſen gehört z. B. Orbitolites complanata, für welche Art Carpenter und Brady bei Unterſuchungen des Challengermaterials die hohe Regenerationsfähigkeit konſtatiert haben, während Schlumberger darauf hinweiſt “), daß bei dieſer Gattung die Schalenöffnungen viel zu klein ſeien, um den Jungen den Austritt zu geſtatten, ſo daß ein Zerbrechen des Muttertiers ſtattfinden muß. Phyſiologiſch intereſſante Reſultate erhielt der bekannte Infuſorienforſcher Maupas bei Unterſuchungen über die Fortpflanzung bewimperter Infuſorien *). In praktiſch eingerichteten feuchten Kammern erfolgte die Züchtung der einzelnen Arten in der Art, daß zunächſt ein Individuum iſoliert wurde; waren aus dieſem durch Teilung im Ver— lauf einiger Tage einige Hundert Individuen entſtanden, ſo wurde von dieſen wieder eines iſoliert und in dieſer Weiſe das Experiment oft monatelang fortgeſetzt. Hierbei kam Maupas zu dem bedeutſamen Reſultat, daß eine Fort— pflanzung durch Teilung nicht ohne Aufhören erfolgt. Haben eine größere Anzahl, meiſt mehrere Hunderte von Teilungen ſtattgefunden, ſo tritt eine Degeneration der Tiere ein, die ſich immer mehr ſteigert und ſchließlich zum Tod der Individuen führt. Dieſe „ſenile Degeneration“ macht ſich in verſchiedener Weiſe geltend: im Verluſt der Wimperung, in Geſtaltveränderung, im Verluſt der Fähig— keit, Nahrung aufzunehmen und vor allem in ſtarken patho— logiſchen Veränderungen des Kernes. Es muß da, wie dies im allgemeinen ſchon bekannt iſt, von Zeit zu Zeit wieder Konjugation eintreten, ehe wieder ein Cyklus von Teilungen ſtattfinden kann. Maupas glaubt durch ſeine Unterſuchungen, die noch eine große Reihe intereſſanter Einzelheiten, z. B über den Einfluß der Temperatur auf die Vermehrungsfähigkeit der Infuſorien, enthalten, den Beweis geliefert zu haben, daß im Gegenſatz zu der be— kannten Theorie Weißmanns von der Unſterblichkeit der Einzelligen auch bei dieſen ein natürlicher Tod durch Ab— nutzen und Altern erfolgt. Einer ſolchen Schlußfolgerung widerſpricht Gruber ); wie er hervorhebt, ijt der kompli— zierte Mechanismus der Ciliaten auf die Konjugation an— ) Die Bedeutung des Kernes für die tieriſche Zelle. Sitzungsber. d. Gej. naturforſch. Freunde. Berlin, 1887, Nr. 7. **) Sur les reproductions des Foraminiféres ete. Bull. Soc. Zool. France. T. XIII, No. 10. Dez. 1888. ***) Archives de Zoolog. expérimentale et générale , 2. Ser., VAS NOs ost. +) Biologiſche Studien an Protozoen. Biolog. Zentralbl., Bd. 9, Nr. 1. März 1889. 198 Humboldt, — Juni 1890. gepaßt; wenn aber die Individuen, die nicht zu einer ſolchen gelangen, zu Grunde gehen, ſo ſterben ſie geradeſo eines accidentellen Todes, wie die nicht zur Befruchtung gelangenden befruchtungsbedürftigen Sexualzellen der Me⸗ tazoen. „Diejenigen Individuen, welche durch Zufall nicht zur Konjugation gelangen, gehen allerdings zu Grunde; die Materie der anderen aber lebt in der That ewig fort.“ Von Arbeiten über Cölenteraten erwähnen wir zu⸗ erſt Boveris Studie über Entwickelung und Verwandt⸗ ſchaftsbeziehungen der Aktinienk). Während bisher die drei Hauptgruppen der Aktinien: Hdwardsiae, Cerian- thene und Hexactiniae ſich ziemlich ſchroff gegenüber⸗ ſtanden, ohne daß es möglich geweſen wäre, über ihre gegenſeitige Verwandtſchaft und eventuelle Entwickelung aus⸗ einander zu einem Urteil zu gelangen, iſt es Boveri ge⸗ lungen, durch Beobachtung ontogenetiſcher Thatſachen dieſe Frage zu löſen. Verfaſſer erinnert zunächſt daran, wie ſich die drei genannten Gruppen durch Anordnung der Septen und der Septenmuskulatur charakteriſieren und unterſcheiden laſſen. Bei den Hexaktinien ſind alle Sep⸗ ten paarweiſe angeordnet, und zwar beſtimmen ſechs Paar primärer Septen die ganze Architektonik des Körpers und ſeine ſcheinbare Sechsſtrahligkeit. Allein dieſe ſechs Septen⸗ paare ſind nicht gleichwertig, ſondern zwei, als „Richtungs⸗ ſepten“ einander gegenüberſtehende Septenpaare beſitzen eine abweichende Struktur, wodurch der Hexaktinienkörper eine zweiſtrahlige Architektonik erhält. Im Gegenſatz hierzu ſind die Hdwardsiae und Ceriantheae bilateral⸗ſymmetriſch. Die Edwardsiae beſitzen zeitlebens nur acht Septen, von denen, an die beiden Schlundrinnen ſich inſerierend, ein dorſales und ein ventrales Richtungsſeptenpaar unterſchieden werden. Ganz eigenartig verhalten ſich in ihrer Septenanordnung die Ceriantheae, bei welchen die bilaterale Symmetrie ſchon dadurch noch ſchärfer als bei den Edwardsiae hervor⸗ tritt, daß nur eine Schlundrinne vorhanden iſt. An der hierdurch charakteriſierten, als ventral bezeichneten Körper⸗ ſeite findet ſich ein durch Kürze und Stärke ausgezeich⸗ netes Richtungsſeptenpaar, auf welches jederſeits eine große und ſehr variable Anzahl von Septen folgt, die gegen die dorſale Seite hin allmählich kleiner und ſchwächer werden. Dieſe Abnahme hängt zuſammen mit der Ver⸗ mehrungsweiſe der Septen, indem die Anlage neuer Sep⸗ ten ausſchließlich auf eine ſchmale Zone längs der dorſa⸗ len Mittellinie beſchränkt iſt. Bei ſeinen Unterſuchungen geht Boveri von der merkwürdigen, als Arachnactis albida von Sars bez ſchriebenen Larvenform einer bisher unbekannten Aktinie aus; daß dieſelbe zu einem certanthusartigen Tier ge⸗ hört, wurde ſchon länger angenommen; Boveri iſt es auch geglückt, die erwachſene Form aufzufinden, für welche er wegen verſchiedener Abweichungen von Cerianthus das Genus Arachnactis beibehält. Die Unterſuchung der in verſchiedenen, wenn auch zum Teil ziemlich weit getrennten Entwickelungsſtadien vorliegenden Larve ergab, daß dieſe Ceriantheae-Larve auf einem frühen Entwickelungsſtadium in Zahl und Muskelbekleidung der Septen eine völlige Uebereinſtimmung mit einer ausgewachſenen Edwardsia ) Zeitſchr. f. wiſſenſchaftl. Zoologie, Bd. 49, Heft 3, 1889. zeigt, weshalb Boveri dieſe ontogeniſtiſche Stufe Ed⸗ wardſiaſtadium nennt. Dieſes Stadium weiſt Eigentüm⸗ lichkeiten auf, die ihm eine phylogenetiſche Bedeutung vin⸗ dizieren; es bildet eine Grenzſcheide, an welcher der an— fängliche Modus der Septenvermehrung durch einen neuen erſetzt wird, indem die acht Septenpaare in allen weſent⸗ lichen Stücken fertiggeſtellt und egaliſiert ſind, bevor die Entwickelung weiterer Septen beginnt. Ein Studium der Septenmuskulatur der ausgewachſenen Arachnaktis ergibt, daß die vier ventralſten Septenpaare der Ceriantheae mit den acht Septen der Edwardsiae homolog ſind. Beide Gruppen ſtehen alſo derartig in Zuſammenhang, daß die Ceriantheae das Stadium, in welchem die Ed- wardsiae zeitlebens verharren, in der Entwickelung durch⸗ laufen und dadurch entſtanden ſind, daß an einem ed⸗ wardjiaartigen Tier zwiſchen den dorſalen Richtungsſepten neue Septenpaare auftraten. Bei den Hexaktinien iſt eine doppelte Entwickelungs⸗ weiſe bekannt und auch Boveri konnte durch neue Unter⸗ ſuchungen dieſe auffallende Thatſache beſtätigen. Bei dem einen Modus iſt ſchon frühzeitig der zweiſtrahlige Bau des fertigen Tieres ausgeprägt, der andere zeigt die jungen Larven als bilateral⸗ſymmetriſche Organismen und erſt mit der Ausbildung der beiden letzten primären Sep⸗ ten wird der zweiſtrahlige Bau erreicht. Der urſprüng⸗ liche Entwickelungsgang iſt der bilaterale Typus, aus wel⸗ chem ſich dann erſt der direktere Weg der biradialen Entwickelung herausgebildet hat. Dieſer bilaterale Ent⸗ wickelungsgang aber zeigt wiederum ein Achtſeptenſtadium, welches einen gewiſſen Grenzpunkt in der Entwickelung der Larve darſtellt und in der Septenordnung ebenfalls wieder mit den Edwardſien übereinſtimmt. Es ſind alſo auch die Hexaktinien aus edwardſigartigen Formen ent⸗ ſtanden, und zwar durch das Auftreten der in der Onto⸗ genie an fünfter und ſechſter Stelle gebildeten Septenpaare. Neben den im vorhergehenden genannten drei großen Hauptgruppen der Aktinien ſind in neuerer Zeit weitere Tribus als gleichwertig aufgeſtellt worden, jo die Monau- leae, Zoantheae und Paractiniae, welche Gruppe aller⸗ dings, wie Boveri hervorhebt, wohl keine phylogenetiſche Einheitlichkeit zeigt, und die eigenartige Gonactinia pro- lifera M. Sars. Wenn ſich Boveris entwickelungsge⸗ ſchichtliche Unterſuchungen auch bloß auf die Tribus der Hexactiniae, Edwardsiae und Ceriantheae erſtrecken, fo geftatten ihm doch jeine hierbei gewonnenen phylogeneti⸗ ſchen Reſultate auch dieſen Formen im Stammbaum der Aktinien eine freilich vorläufig noch hypothetiſche Stellung anzuweiſen. Nach dieſem Stammbaum iſt alſo die älteſte Gruppe die der Edwardsiae, von ihnen entwickelten ſich die Ceriantheae, Hexactiniae, Monauleae und Gonac- tinia, während von den Hexactiniae wiederum die Zoan- theae und Paractiniae abjtammen. Aus der Cblenteraten⸗Litteratur fet weiter hervor⸗ gehoben, daß die Theorie, die Häckel über die Schwimm⸗ polypen aufgeſtellt, nicht ohne Widerſpruch geblieben iſt. Es ſei geſtattet, darauf hinzuweiſen, in welcher Weiſe Häckel anläßlich ſeiner Bearbeitung des Schwimmpolypen⸗ Materials des „Challenger“ es verſuchte, die zwei bisher zur Erklärung der eigentümlichen morphologiſchen und phyſiologiſchen Verhältniſſe der Siphonophoren aufge⸗ Humboldt. — Juni 1890. ſtellten Theorien gewiſſermaßen zu vereinigen.“) Nach der älteren Theorie, der Polyorgantheorie, iſt der ausgebil— dete Organismus aller Siphonophoren ein einfaches me— duſenartiges Tier, welches ſich von den typiſchen Meduſen nur durch die Multiplikation und Differenzierung ſeiner vielgeſtaltigen Organe unterſcheidet. Dieſer Anſicht gegen— über ſteht die neuere Polyperſontheorie, wonach der Si— phonophoren-Organismus eine Tierkolonie ijt, zuſammen— geſetzt aus vielen polypenartigen Einzeltieren, welche nach den Geſetzen der Arbeitsteilung ſehr verſchiedenartige Um— bildungen, Ausbildungen und Rückbildungen erlitten haben. Nach dieſer Theorie iſt der Schwimmpolyp, ein „ſchwim— mender Hydropolypenſtock oder Cormus“, nach der erſteren eine „individuelle Hydromeduſenperſon“. Sehr verſchieden iſt je nach den beiden Theorien natürlich auch die Deu— tung der ontogenetiſchen Urform der Siphonophoren. Nach der Polyorgantheorie iſt die ontogenetiſche Form eine einfache Hydromeduſenperſon, nach der Polyperfon- theorie dagegen ein ſchwimmender Hydropolypenſtock. Nach Häckel enthalten beide Theorien teilweis Wahrheiten. Er vereinigt dieſe zu ſeiner Meduſomtheorie. Nach derſelben iſt die primäre Larve, welche zunächſt aus der Gaſtrula der Siphonophoren entſteht, immer eine einfache Meduſen— form; ſämtliche Teile, welche aus dieſer primären Larve durch Knoſpung entſtehen, ſind entweder meduſiforme Perſonen oder beſondere Organe von ſolchen. Alle Organe, welche urſprünglich zu einer Meduſenperſon zu— ſammengehören, faßt Häckel unter dem Begriff eines Meduſoma zuſammen; ſie treten am Siphonophorenſtock in zwei verſchiedenen, jedoch nicht ſcharf zu trennenden Hauptformen auf: entweder find die Hauptorgane mehr oder weniger im urſprünglichen Zuſammenhang geblieben (palingene Meduſome) oder ſie erſcheinen mehr oder we— niger disloziert (cenogene Meduſome). Gruppen, welche ſich aus mehreren Meduſomen zuſammenſetzen, faßt Häckel als Cormidien zuſammen; urſprünglich ſind ſie einfache ſegmentale Wiederholungen einer Meduſomgruppe in me— tamerer Reihenfolge, durch freie Internodien getrennt; durch Auflöſung ſolcher urſprünglicher Cormidien entſtehen dann jene zentraliſierten Cormen, bei denen die Perſonen der erſteren zerſtreut am Stamme knoſpen, und ebenſo ihre einzelnen Organe ſich von einander trennen. Je ſtärker der Cormus zentraliſiert iſt und je inniger die Wechſel— beziehungen der durch Arbeitsteilung differenzierten Medu— ſome ſich geſtaltet haben, von um ſo größerer Bedeutung iſt die Ausbildung der einzelnen Meduſome und ihrer dis— lozierten Organe für die Entwickelung des Siphonophoren— ſtocks. Dieſen Anſichten tritt Chun mit mehrfachen Ein— wänden entgegen!“). Zunächſt widerſpricht er der von Häckel vorgenommenen Teilung der Siphonophoren in die beiden Unterklaſſen der Disconanthen und Siphonan— ten, von welchen die erſtere die Porpiten und Velellen, die letztere alle übrigen Siphonophoren umfaßt. Häckel hatte dieſe Teilung im Hinblick auf die primäre Larve ) Jenaiſche Zeitſchr. f. Naturwiſſenſch. N. F., Bd. 15, 1888, u. Challenger-Report, Zoology. Vol. XXVIII, 1888. ) Bericht über eine nach den Kanariſchen Inſeln im Winter 1887 88 ausgeführte Reiſe: Sitz.⸗Ber. Akad. d. Wiſſenſch. Berlin. Sitzung vom 15. Novbr. 1888. 199 vorgenommen, welche entweder in Geſtalt der achtſtrahlig gebauten, für die Porpiten und Velellen charakteriſtiſchen „Disconula“ oder der bilateral-ſymmetriſchen „Siphonula“ auftritt, welche letztere der Ausgangspunkt für ſämtliche übrigen Siphonophoren abgibt. Nach Chun beſitzen jedoch dieſe beiden Larvenformen einen ſehr ungleichen morpholo- giſchen Wert, indem die radiäre Disconula eine ſtark ab— geänderte Larve repräſentiert, welcher ſicherlich ein bila- terales Siphonulaſtadium vorausging. Wenn auch die Embryonalentwickelung der Velellen und Porpiten noch nicht bekannt iſt, ſo iſt nach Chun doch Grund zur Ver— mutung, daß jüngere Stadien ſich eng an den Bau der jüngſten Larvenſtadien von Phyſalia anſchließen. Gegen— über der bei der Meduſomtheorie Häckels eine ſo be— deutende Rolle ſpielende Annahme einer weitgehenden Dislokation der einzelnen Meduſenbeſtandteile hebt Chun hervor, daß auch heute noch, wo wir eine ausreichende Kenntnis der vielgeſtaltigen Meduſen und ihrer Knoſpungs⸗ vorgänge beſitzen, jeglicher Anhalt für Annahme einer Dislokation fehlt. „So lange nicht der Nachweis geführt wird, daß aus einer einzigen Knoſpe durch Dislokation Schwimmglocke, Magenſchlauch, Fangfaden und Deckſtück hervorgehen, ſo lange nicht die Schwierigkeit beſeitigt wird, daß umgekehrt drei, bezw. vier getrennte, urſprünglich völlig gleiche Knoſpen zu der Bildung einer monogaſtriſchen Siphonophore, welche in toto einer Meduſe homolog ſein ſoll, zuſammentreten,“ iſt nach Chun die Annahme der— artiger Dislokationen in Abrede zu ſtellen. Werfen wir noch einen Blick auf neuere Wirbeltier— Litteratur, ſo ſeien zwei Arbeiten über die Federn der Vögel erwähnt. Ihre Entwickelung und ihre Beziehungen zu anderen Integumentgebilden ſtudierte Davies“). Wieder— holt ſchon ſind Verſuche gemacht worden, die Feder von der Schuppe abzuleiten; Uebergänge zwiſchen beiden ſind jedoch bis jetzt noch nicht bekannt geworden und das ein- zige Beweismittel, auf welches die Beziehungen der Feder zu anderen Gebilden geſtützt werden können, liegt in der Geſchichte der Entwickelung. Hier findet man, daß das erſte Entwickelungsſtadium beider Gebilde in einer geringen lokalen Verdickung der Haut beſteht; als zweites Stadium tritt ein radiär⸗ſymmetriſches Höckerchen auf, welches ſich ſo— dann nach rückwärts richtet, wobei ſeine hornigen Lagen rings um die Spitze verdickt werden. Damit kämen wir zu dem Punkt, auf welchem der Bildungsgang von Feder und Schuppe auseinander geht. Die Schuppe ſtreckt ſich mehr und mehr und läßt einen dicken oberen und einen dünnen unteren Ueberzug unterſcheiden, während das Gebilde, welches die Feder hervorgehen läßt, nie ſeine eylindriſche Form ganz verliert. Im nächſten Stadium der Entwicke— lung der Feder läuft die Spitze des Höckerchens in einen kurzen, dicken, haarartigen Fortſatz aus. Das fünfte Sta— dium, welches Davies aufſtellt, zeigt ein längeres, haar— artiges Gebilde, das aus einer feſten Rindenſchicht und lockerem axialen Gewebe beſteht und deſſen Baſis mit der Cutispapille unter die Haut einſinkt; endlich wird durch das Aufſpringen der Wände des freien hervorragenden Teiles dieſes letzteren Gebildes das umſchloſſene Gewebe frei, welches ſich, in einzelne Stränge ſondernd, eine primi- *) Morphol. Jahrbuch, Bd. 15, 1889. 200 Humboldt. — Juni 1890. tive Pinſeldune entſtehen läßt. Die Dunenfedern ſind die Vorläufer der definitiven Federn; doch nicht alle defini⸗ tiven Federn entſtehen als direkte Nachkommen der Dunen⸗ federn, ſondern öfters bleiben letztere entweder äußerſt rudimentär oder werden augenſcheinlich überhaupt nicht gebildet. Es treten jedoch auch hier bei jungen Embryonen Dunenpapillen auf, ſie wachſen aber nur kurze Zeit, um dann in ihrer Entwickelung einzuhalten; wenn der Vogel ausgebrütet iſt, gehen dieſe rudimentären Papillen zu Grund. Bei ſolchem Atrophieren der Dune beginnt dann die Entwickelung der Feder mit der Bildung einer Cin- ſenkung. Es iſt das von Wichtigkeit, indem durch dieſen Entwickelungsmodus der Hauptunterſchied zwiſchen der Entwickelungsweiſe der Feder und der des Haares be— ſeitigt wird. Als die primitivſten Haare ſind einfache mark⸗ loſe Haare angeſehen, wie jie u. a. bei Monotremen ge⸗ ſehen werden; dieſelben entwickeln ſich auf einer an der Hautoberfläche gelegenen Cutispapille, und die Baſis des Haares ſinkt dann ſpäter unter die Hautfläche ein aus demſelben Grund und in derſelben Weiſe, wie dies bei den ohne Dunenbildung entſtehenden definitiven Federn geſchieht. Da ferner anzunehmen iſt, daß in allen Fällen an der Baſis des Haarbalges die Elemente der Cutis⸗ papille dauernd zurückbleiben, welche alle in demſelben Balg ſucceſſiv produzierte Haare hervorgehen läßt, jo können wir das Haar in dieſelbe Kategorie mit der Schuppe und der Feder ſtellen, mit denen es den Beſitz einer dauern⸗ den Cutispapille und eines vorübergehenden hornigen Ueberbaus teilt. Die zweite mit der Vogelfeder ſich befaſſende Arbeit, welche wir im Auge haben, iſt von Häcker und handelt über die Farben der Vogelfedern ). Krukenberg hat in ſeinen phyſiologiſch-chemiſchen Unterſuchungen nachgewieſen, daß die Farbſtoffe des Vogelgefieders in Lipochrome oder Fettfarbſtoffe, zu denen die gelben, gelbroten und roten ge⸗ hören, und in Melanine zerfallen, welche letztere die braunen und ſchwarzen Farbſtoffe umfaſſen. Die Melanine, welche allen braunen, grauen, ſchwarzen und blauen Färbungen zu Grund liegen, treten im Gegenſatz zu den gewöhnlich diffuſen Lipochromen ſtets in Körnchengeſtalt auf. Sie find die phylogenetiſch älteren, indem ſie ſchon bet den embryonalen Dunenkeimen ſich finden und weſentlich die in ſtammesgeſchichtlicher Beziehung wichtigen Zeichnungen bedingen. Die Lipochrome rückte in vielen Fällen (Sing⸗ vögel) von hinten nach vorne vor. Schwarzfärbung entſteht durch dichtes Auftreten der dunkelbraunen Pigmentkerne in der Rindenſchicht, Graufärbung dagegen umgekehrt durch das Zurücktreten der Pigmente von den vorderen Teilen der Rinde. Vom phylogenetiſchen ſowohl wie vom rein hiſtologiſchen Geſichtspunkt ſchließt ſich der Graufärbung direkt die Blaufärbung an. Ihre Bedingungen find: pig⸗ mentloſes Epitrichium und ebenſolche Rinde, mit ver⸗ *) Archiv für mikroſkop. Anatomie, Bd. 35, Heft 1, 1890. (Sep. als Snaug.-Difjertation.) dickten Zellwandungen verſehene, zwiſchen Rindenſchicht und Markzellen liegende lufterfüllte ſogen. Schirmzellen und endlich dunkle Farbſtoffunterlage. Die Bedeutung der Rinde beſteht in der Verteilung des blauen Lichtes in⸗ folge ihrer ſtarken Brechung. Die blauen Lichtſtrahlen werden durch die lufterfüllten Schirmzellen zurückgeworfen und die dunkle Pigmentlage ſchützt das von den Schirm⸗ zellen reflektierte blaue Licht vor der Vermiſchung mit Lichtſtrahlen anderer Wellenlängen, welche unterhalb der Schirmzellenſchicht reflektiert werden könnten. Mancherlei Abänderung in dieſer Struktur bedingen dann die ver- ſchiedenen Nuancen des Blau; ſo wird der Lackglanz, der ſich bei verſchiedenen blaugefärbten Vögeln zeigt, durch Verbreiterung des Querſchnitts erzeugt, und grünlichblaue und violette Farben treten auf bei Abänderung des blauen Lichts durch anderartige Strahlen infolge der ungenü⸗ genden Pigmentunterlage oder durch gleichzeitig auftreten⸗ des gelbes oder braunes Pigment. Die Grünfärbung kommt zu ſtand durch grüne Pigmente oder durch Trü⸗ bung gelber Federn infolge Auftretens von braunem Pig⸗ ment oder durch Hinzutreten von gelbem Pigment zu den Schirmzellen oder endlich durch Unterlagerung ſchwarzer Federn unter gelbe. Gelbe und rote Färbungen finden ihre Urſache in nichtkörnigen oder körnigen Pigmenten. Der Glanz der Federn kommt zu ſtand durch Ausbildung der Rindenſubſtanz unter gleichzeitigem Zurücktreten der Mark⸗ ſubſtanz und Verkümmern der Fiedern zweiter Ordnung, während der Metallglanz, ſoweit hierüber Unterſuchungen vorliegen, ſeine Urſache in Beugungserſcheinungen zu haben ſcheint, welche durch Längsrillen und Längsſtreifen auf den Fiedern zweiter Ordnung hervorgebracht werden. Endlich möchten wir nicht verſäumen, hinzuweiſen auf das große Werk Fürbringers: „Unterſuchungen zur Mor- phologie und Syſtematik der Vögel, zugleich ein Beitrag zur Anatomie der Stütz- und Bewegungsorgane“ *), welches uns bei unſerem letzten Bericht noch nicht zu Händen gekommen war. Es iſt nicht nötig, die Unmög⸗ lichkeit hervorzuheben, an dieſer Stelle in wenigen Zeilen ein Werk von dieſem äußeren Umfang nicht nur, ſondern auch von deſſen geradezu epochemachender Bedeutung durch möglichſte Angabe ſeines Inhalts in gerechter Weiſe zu würdigen. Von den beiden ſtattlichen Bänden behandelt der erſte den ſpeziellen, der zweite den allgemeinen Teil, welcher auch wichtige Aenderungen in der Syſtematik der Vögel bringt. Wir begnügen uns, den Lejer auf das Werk ſelbſt zu verweiſen. Wem dasſelbe nicht zugänglich ſein ſollte, der findet ein von Helm beſorgtes Referat jüber dasſelbe im Biologiſchen Centralblatt**), in welchem der Verfaſſer in ſehr ausführlicher Weiſe die Unter- ſuchungen und Reſultate Fürbringers erörtert. ) Bijdragen tot de Dierkunde, uitgegeven door k. zool. Genootschaft „Natura artis Magistra“ te Amsterdam. Aflev. XV. 1 et 2. 1888. 2 Vol. fol. **) Bis jetzt erſchienen in Band 9, 1889/90, Nr. 7, 13, 16, und Bd. 10, 1890/91, Nr. 2. Humboldt. — Juni 1890. 201 Anthropologie. Don Dr. M. Alsberg in Haffel. Die Steatopygie bei Hottentotten- und Buſchmannweibern und deren Urſache. Der Diluvialmenſch in Nordamerika. Beziehungen zu den Papuas. Skelette von Akkas. Die Raſſe von Lagoa-Santa und deren Die Steinmörſer von Butte County als Beweiſe für die Exiſtenz des Tertiärmenſchen in Kalifornien. Die Eskimos als Refte einer ehedem über ganz Nordamerika verbreiteten Bevölkerung. Raſſenmerkmale am Sungenbein. Sinfluß der Horperhaltung auf Form und Beſchaffenheit der Gelenkflächen des Schienbeins und Sprungbeins. Anthropo⸗ logiſche Cypen unter der Bevölkerung Groß und Aleinrußlands. Schädel von Koreanern. Polymaſtie und Polythelie. Graber der heidniſchen Slaven. Hiichenabfallhaufen und Unochenwerkzeuge in Nordrußland. Chantres Unterſuchungen über die Anthropologie und Prähiſtorie des Haufajus. Ueber die Steatopygie, jene den Hottentotten— und Buſchmannweibern eigentümliche Vergröße— rung des Geſäßes, haben die franzöſiſchen Gelehrten J. Deniker und P. Topinard bei Gelegenheit des Aufent— halts von Vertretern dieſer beiden Raſſen im Pariſer Acclimatijationsgarten wichtige Unterſuchungen vorgenom— men.“) Nach Deniker findet ſich die Steatopygie bei allen Hottentottenweibern jedoch in verſchiedenem Grade der Entwickelung. Die Fettablagerung beginnt regelmäßig zuerſt in der oberen hinteren Abteilung des Geſäßes, dann erſtreckt ſie ſich weiter auf die ſeitlichen Partien und nach unten ſowie auf die an die Trochanteren des Ober— ſchenkelknochens angrenzende Region. Weiterhin entwickelt ſich jenes fibröſe Gewebe, welches für das Fettpolſter am unteren Teile des Geſäßes eine Stütze abgibt. Die Stea— topygie bleibt in der Regel auch dann erhalten, wenn das Individuum am übrigen Körper abmagert. Bei den Kaffernfrauen kann man ebenſowenig wie bei den Euro— päerinnen von Steatopygie reden, da das Vorſpringen des Geſäßes nach hinten bei erſteren durchſchnittlich 3,6 %, bei letzteren nur 3,4% der Geſamtkörpergröße beträgt; dagegen fand Deniker, daß bei zwei Buſchmannweibern die Steatopygie 8,5 °/o, bei einem Hottentottenweibe ſogar 10% der Geſamtkörperlänge betrug. In Uebereinſtimmung mit Deniker betrachtet Topinard die Steatopygie als eine monſtröſe Vergrößerung des Geſäßes, das einerſeits maſſiver und umfangreicher iſt als gewöhnlich und das andererſeits den Eindruck macht, als ob es nach oben umgebogen wäre. Dasſelbe bildet oben eine horizontale Fläche, auf der große Gegenſtände bequem liegen können. Nach unten ſchneidet, wie Topinard hervorhebt, das ſteatopyge Geſäß mit einer Hautfalte ſcharf ab. Neben der in Rede ſtehenden Eigen— tümlichkeit weiſen die Buſchmannweiber eine bisher kaum bemerkte Eigentümlichkeit auf. Vor, außerhalb und etwas über dem Trochanter befindet ſich nämlich ein abgerun— deter Wulſt, der allmählich in die angrenzenden Partien übergeht und der zugleich den Umfang der Hüften bedeu— tend vergrößert. Der ganze äſthetiſche Eindruck, den die Figur des Weibes macht, geht hierdurch verloren. Während bei der erwachſenen Europäerin der Rumpf in der Schulter— gegend ſeine bedeutendſte Breite beſitzt, iſt es die von der Taille bis zum unteren Teile der Oberſchenkel reichende Partie, die bei den Buſchmann- und Hottentottenweibern den bedeutendſten Umfang aufweiſt. Dabei entſpricht aber das Skelett dieſem Umfange keineswegs; die Hottentottinnen und Buſchmannfrauen beſitzen vielmehr das enge Becken, welches den Weibern der meiſten niederen Raſſen eigen— ) Les Hottentots au jardin d’acclimatation* (Revue d'An- thropologie 1889, S. 15 2c.), ſowie „La Steatopygie des Hottentots*. (Ebendaſelbſt S. 194 2c.) Humboldt 1890. tümlich ijt. Bei einzelnen Hottentottenweibern erſtreckt fic die Hypertrophie und Fettentwickelung am Oberſchenkel und Unterſchenkel abwärts bis zu den Knöcheln, wo ſie mit einem ringförmigen Wulſt endet. Die ganze untere Extre— mität macht in einem ſolchen Falle den Eindruck, als ob das betreffende Individuum eine weite faltenwerfende Hoſe angezogen hätte. Es iſt nach Topinard nicht un⸗ wahrſcheinlich, daß die Steatopygie bei den Hottentotten- und Buſchmannweibern künſtlich gezüchtet wurde; zu Gunſten dieſer Annahme ſoll die Vorliebe des männlichen Teiles dieſer Stämme für Weiber mit wohlentwickeltem Geſäß ſprechen, ſowie der Umſtand, daß dieſelben durch Milchdiät und abſolute Ruhe die Fettentwickelung zu begünſtigen ſuchen “). Andererſeits beſteht keinerlei Beziehung zwiſchen der Steatopygie und der Schwielenbildung am Geſäße der katarhinen Affen, wie ſchon daraus hervorgeht, daß es ſich bei erſterer lediglich um eine phyſiologiſche, durch vermehrtes Wachstum des die Geſäßmuskeln bedeckenden Unterhautzellgewebes hervorgerufene Entwickelung des be— treffenden Körperteils handelt. Von jenen beiden Akkaſkeletten, die Dr. Emin Paſcha dem britiſchen Muſeum in London zum Geſchenk gemacht hat, — den erſten Skeletten jener merkwürdigen zentralafrikaniſchen Zwergraſſe, die bis jetzt nach Europa gelangt ſind — hat der engliſche Anthropologe W. H. Flower unlängſt eine eingehende Beſchreibung “) geliefert. Die von letzterem gegebenen Maße laſſen keinen Zweifel darüber beſtehen, daß die zuerſt von Schweinfurth beſchriebenen Akkas eine der kleinſten, wenn nicht die kleinſte aller bis jetzt bekannten Menſchenraſſen ſind und daß ihre Statur ſelbſt niedriger iſt, als diejenige der ſüdafrikaniſchen Bujd- männer und der negritiſchen Bewohner der Andamanen— inſeln. Die Länge des vorliegenden männlichen Akka⸗ ſkeletts beträgt knapp 4 Fuß, diejenigen des weiblichen kaum einen Zoll mehr; die Körpergröße eines von Emin Nach den vom Referenten während ſeines langjährigen Aufent- halts in Südafrika gemachten Beobachtungen ijt die Steatopygie im weſent⸗ lichen ein Folgezuſtand der bei den Hottentotten- und Buſchmannfrauen allgemein verbreiteten Gewohnheit, die Kinder hinten auf dem Geſäß der Mutter reitend bezw. daſelbſt feſtgebunden zu transportieren. Durch dieſe Methode des Kindertragens wird es bewirkt, daß die betreffenden Frauen beim Stehen und Gehen das Geſäß nach hinten hervorſtrecken und zu— gleich die Wirbelſäule ſtark einbiegen. Die durch dieſe unnatürliche Hale tung bewirkte Blutſtauung ruft dann weiter jene oben erwähnte Hyper; trophie des Fett⸗ und Unterhautzellgewebes am Geſäße der betreffenden Frauen hervor ganz analog jener durch Blutſtauung hervorgerufenen Entwickelung und Wucherung des Unterhautzellgewebes, wie ſie nach Bälz an den Unterſchenkeln und Füßen der Japaner als Folgezuſtand der niederhockenden bezw. niederkauernden Stellung, welche dieſelben ſtunden⸗ lang einnehmen, beobachtet wird. **) Journal of the Anthropological Institute of Great Britain and Ireland 1889, S. 3 2. 26 202 Humboldt. — Juni 1890. Paſcha gemeſſenen lebenden Akkas betrug nur 3 Fuß 10 Zoll. Wenn die früher von Schweinfurth u. a. ge⸗ meſſenen Akkas für die Körpergröße etwas höhere Ziffern ergeben haben, ſo iſt dies nach Flower mit Wahrſchein⸗ lichkeit darauf zurückzuführen, daß die betreffenden Indi⸗ viduen nicht reine Akkas waren, ſondern eine Miſchraſſe darſtellten. Die Akkas weiſen im allgemeinen die charak⸗ teriſtiſchen Merkmale der Negerraſſe auf; beſonders auf⸗ fallend iſt die eliptiſche Form ihrer Schädel. Nach Hamy, der die Akkas als eine beſondere Unterabteilung der Neger⸗ raſſe nämlich als „Negrillos“ beſchreibt, ſoll eine Anzahl von Stämmen, die durch dieſe Schädelform und ihre Zwergſtatur gekennzeichnet ſind, von der zentralafrikaniſchen Weſtküſte bis ins Innere des Kontinents nachzuweiſen ſein. Andererſeits beſtehen keinerlei verwandtſchaftliche Beziehungen zwiſchen den Akkas und den Buſchmännern Südafrikas und ebenſowenig zwiſchen erſteren und den Negritos der Andamanen. Die Höhe des Kopfes ſteht zu der Geſamtkörperlänge im Verhältnis wie 131: 1000. Die Länge der unteren Extremität (vom Trochanter ab⸗ wärts gemeſſen) verhält fic) zur Geſammtſtatur wie 509: 1000, diejenige der oberen Extremität wie 451: 1000. Der Kopf der Akkas iſt ſowohl abſolut wie relativ (d. i. im Verhältnis zur Körpergröße) kleiner wie der irgend einer anderen der uns bekannten Menſchenraſſen. Die Schädel⸗ kapazität betrug bei dem von Flower gemeſſenen männ⸗ lichen Akkaſkelett 1102 cem, bei dem weiblichen Skelett nur 1072 cem (Durchſchnittskapazität der Schädel der Andamanenbewohner beim männlichen Geſchlecht 1244, beim weiblichen 1128 cem. Durchſchnittskapazität des Schädels des männlichen Buſchmanns 1330, des weiblichen 1214 cem; Durchſchnitt der Schädelkapazität von 5 männlichen Ved⸗ dahs auf Ceylon 1259 cem; die Kapazität des Schädels eines weiblichen Veddah betrug nur 950 cem und iſt die geringſte Kapazität, die überhaupt bei normalen erwach⸗ ſenen Individuen bis jetzt gemeſſen wurde). Die Schädel⸗ länge beträgt beim männlichen Akka 168, beim weiblichen 163 mm, das Maximum der Schädelbreite beträgt beim männ⸗ lichen und weiblichen Akka 125 vefp. 127 mm, der Längen⸗ breitenindeß beim männlichen Akka 74,4 beim weiblichen 77, mm. Die Vorſprünge des Stirnbeins und der Schei⸗ telbeine treten beim Akkaſchädel weniger hervor als bei den meiſten niederen Raſſen, dagegen iſt die Hinterhauptsregion ſehr entwickelt. Im allgemeinen fällt an den Schädelknochen ihre glatte Oberfläche und die geringe Entwickelung der Mus⸗ kelanſätze auf; auch die Stirnglatze und die Supraorbital⸗ vorſprünge ſind wenig ausgebildet, dagegen tritt der Anſatz des Schläfenmuskels bei beiden Schädeln deutlich hervor. Das Geſichtsſkelett iſt kurz und breit und zeigt ausgeſpro⸗ chenen Prognathismus. Die knöchernen Augenhöhlen ſind niedriger und eckiger als beim Andamanenbewohner. Die knöcherne Naſenöffnung zeigt platyrhine Form, der knöcherne Gaumen iſt lang und ſchmal. Am Unterkiefer iſt das Kinn wenig entwickelt, der aufſteigende Aſt niedrig. Die Länge der Zähne im Verhältnis zu den Dimenſionen des Ober⸗ und Unterkiefers ijt bei den Akkas bedeutender wie bei der Mehrzahl der bis jetzt bekannten Menſchenraſſen. Trotz ſeiner Dolichokephalie läßt der Akkaſchädel eine Hinneigung zur brachykephalen (kurzköpfigen) Schädelform deutlich erkennen. Das Becken des Akkaweibes beſitzt jene Form, die der engliſche Anthropologe Turner als ,dolicho- pellie“ bezeichnet. Eine eingehende Beſchreibung der in den Höhlen von Lagoa⸗Santa (Provinz Minas Geraes, Braſilien) aufge⸗ fundenen Menſchenknochen hat der däniſche Anthropologe Soren Hanſſen unlängſt veröffentlicht). Die Mehrzahl dieſer Skelettreſte ſtammt aus der Sumidourohöhle; leider wurden aber mit den Menſchenreſten keine Tierknochen aufgefunden, durch welche ein beſtimmter Schluß bezüglich der geologiſchen Periode, der die betreffenden Menſchen angehört haben, ermöglicht worden wäre. Ebenſowenig wurden in den beſagten Höhlen irgend welche Artefakte von Menſchenhand aufgefunden, die zur Beſtimmung der prähiſtoriſchen Epoche, aus der dieſe Menſchenreſte ſtammen, hätten dienen können. Die Knochen tragen jedoch alle Anzeichen eines ſehr hohen Alters an ſich, ſie ſind kalei⸗ niert und mehr oder weniger mit Eiſenkonglomeraten inkruſtiert. Ihre Farbe variiert vom blaſſen Gelb bis zum Dunkelbraun. Die Bevölkerung, der dieſe Reſte an⸗ gehört haben, war offenbar eine ſehr kräftige, wenn auch klein von Statur. Die 16 Schädel aus den beſagten Höhlen, von denen 14 ſich im Muſeum zu Kopenhagen befinden, zeigen eine bemerkenswerte Gleichförmigkeit; ſie ſind ſehr hoch und zugleich lang mit abgerundeter Schädel⸗ wölbung. Das Geſicht iſt von mittlerer Größe, die Stirn keineswegs „fliehend“, ſondern vielmehr von pyra⸗ midaler Form, die Augenbrauenbogen und die Interor⸗ bitalregion ſind wohl entwickelt. Der Prognathismus tritt an dem unter der Naſenöffnung gelegenen Teile des Oberkiefers beſonders deutlich hervor. Der vom Jochbein zum Jochbein durch den Schädel gelegte Durch⸗ meſſer iſt groß, die Baſis der Jochbogen breit, die ober⸗ halb der Zitzenfortſätze des Schläfenbeins befindliche Schädel⸗ region bedeutend entwickelt. Die Schädel ſind von mitt⸗ lerem Umfang und dolichokephal; eine genaue Beſtimmung ihrer Kapazität war wegen ihrer defekten Beſchaffenheit nicht möglich. Soren Hanſſen und de Quatrefages haben beide auf die bemerkenswerte Uebereinſtimmung hinge⸗ wieſen, welche dieſe Schädel mit denjenigen der heutigen Pa⸗ puas aufweiſen; auch erhält die Theorie von de Ouatrefages betreffend das Vorhandenſein einer Urraſſe in Südamerika, welche ſich über den größeren Teil des ſüdamerikaniſchen Kontinents verbreitet und mit brachykephalen (kurzköpfigen) Elementen vermiſcht haben ſoll, durch die im vorher⸗ gehenden erwähnten Befunde eine ſtarke Stütze. Daß die Skelettreſte von Lagoa⸗Santa einer auf niedriger Entwickelungsſtufe ſtehenden Menſchenraſſe angehören, wird auch bezeugt durch die Erhaltung der Lumbo-sacral-Ge- lenke am Kreuzbein (nicht vollſtändige Verſchmelzung der Kreuzbeinwirbel zu einem Knochen) ferner durch die durch⸗ bohrten unteren Gelenkenden des Oberarmknochens, durch die Einbiegung der Ellenbogen, ſowie durch die Entwick⸗ lung der „rauhen Linie“ (Linea aspera) und das Vor⸗ handenſein eines „dritten Trochanter“ am Oberſchenkel⸗ knochen. Bemerkenswert iſt auch die bedeutende ſeitliche Abplattung (Platyknemie) der Schienbeine. Ebenſo wie durch die im vorhergehenden beſchriebenen Skelettreſte wird das außerordentlich hohe Alter *) Revue d' Anthropologie 1889, S. 75 2c. Humboldt. — Juni 1890. des Menſchen in Amerika durch jene Forſchungen bezeugt, welche das Auftreten des Diluvialmenſchen inner— halb jener Gebiete, die heute die Vereinigten Staaten bilden, betreffen. In der letzten Sitzung der „amerikaniſchen Aſſociation zur Förderung der Wiſſenſchaften“ hat Dr. Abbott eine Ueberſicht über die bis jetzt in Nordamerika nachge— wieſenen paläolithiſchen Gerätſchaften und Werkzeuge ge— geben. Die wichtigſten diesbezüglichen Funde wurden unweit Trenton, an den Little Falls (Minneſota) und im Thale des kleinen Miami unweit Loveland (Staat Ohio) gemacht. Abbott gelangt bei ſeinen Betrachtungen zu dem Schluß, daß der paläolithiſche Menſch in Amerika nicht ausgeſtorben iſt, daß vielmehr ſeine Nachkommen im Lande ihrer Vorfahren einen gewiſſen Grad von Ziviliſation ſich angeeignet haben. Dieſe Nachkommen ſind die Eskimos, welche von den Rothäuten nach den nördlichſten Regionen des Kontinents zurückgedrängt wurden. Letztere ſind nach der vorherrſchenden Anſicht erſt während einer nicht ſehr weit zurückdatierenden vorgeſchichtlichen Epoche in Amerika eingewandert. Von anderer Seite iſt die Vermutung aus— geſprochen worden, daß während eines gewiſſen Abſchnittes der prähiſtoriſchen Zeit eine Einwanderung von Angehörigen der gelben (mongoliſchen) Raſſe nach Amerika ſtattgefunden hat, und daß durch dieſe Einwanderung die amerikaniſche Urbevölkerung auseinandergeſprengt und zum Teil nach dem hohen Norden (wo gegenwärtig noch die Eskimos als letzte Reſte der amerikaniſchen Urbevölkerung ſich erhalten haben), zum Teil nach dem Süden des Kontinents (wo in Argentinien Reſte der Urbevölkerung zur Zeit noch exi— ſtieren ſollen) zurückgedrängt wurde. Abbott weiſt auch darauf hin, daß der Schluß der Glacialperiode nur das Minimum der Zeit bedeutet, das zwiſchen der Exiſtenz des paläolithiſchen Menſchen und der Gegenwart verſtrichen iſt. Daß die Exiſtenz des paläolithiſchen Menſchen in Nordamerika außerordentlich weit zurückdatiert, wird be— wieſen durch die Thatſache, daß die Eroſion der Felſen— kluft des Niagara erſt begonnen hat, nachdem die roh zuge— hauenen Feuerſteingeräte in dem Diluvium von Trenton und Madiſonville abgelagert waren. Während der Glacialperiode iſt der amerikaniſche Kontinent niemals völlig unbewohnbar geweſen; ſo mächtig auch die Eisſchicht war, welche einen Teil Nordamerikas bedeckte, und obwohl gewiſſe Teile des Kontinents damals vom Meere bedeckt waren, ſo gab es immer noch Land genug für Tiere, die wie Maſtodon, Mammut, Renntier, Biſon u. ſ. w. damals die Zeitge— noſſen des Menſchen in Nordamerika waren ). Als ein weiterer Beweis für das außerordentlich hohe Alter des Menſchen in Nordamerika verdient hier noch die Thatſache Erwähnung, daß in Butte-County (Kali— fornien) bei der Bearbeitung der dortigen Minen in plio— cänen Kiesablagerungen Steinmörſer entdeckt wurden, die offenbar menſchlicher Thätigkeit ihre Entſtehung verdanken. Dieſe Mörſer ſind ausgehöhlt in Blöcken von metamor— phiſchem Geſtein; die Länge der Mörſervertiefung beträgt durchſchnittlich 9½, die Breite 7¼, die Tiefe 6 ¼ Zoll. Einer der Mörſer enthielt noch den zugehörigen Stampfer. Der Flußkies, in dem die Mörſer aufgefunden wurden, *) Proceedings of the American Association for the ad- vancement of Science, New Pork, 1889. 203 wird, wie bereits erwähnt, von den amerikaniſchen Geo- logen, insbeſondere von Whitney, dem oberen Pliocän (Spättertiärzeit) zugerechnet. Die Mörſer ſind alſo zu den älteſten Artefakten des Menſchen zu rechnen und liefern einen neuen Beweis für die Exiſtenz des homo sapiens während der Tertiärzeit. Seitdem dieſe Mörſer hergeſtellt wurden, hat der 60 Meilen von Cherokee ent— fernte Vulkan Laſſens Peak den vom Waſſer herbeigeführten Sand mit Lavaſtrömen bedeckt und dann zu ſpeien auf— gehört. Der Sakramento, Joaquin und andere Flüſſe haben zur Zeit, wo dieſe Felſenmörſer vom Tertiärmenſchen hergeſtellt wurden, noch nicht exiſtiert. Thäler und Klüfte von 2000 Fuß Tiefe ſind ſeitdem in die Baſaltmaſſen und in die Lager von Flußkieſen eingeſchnitten worden und liefern ſomit einen Beweis von der ungeheuern Länge der Zeit, die ſeit dem erſten Erſcheinen des Menſchen in jenen Gegenden verſtrichen iſt. Knochen vom Maſtodon und anderen ausgeſtorbenen Tieren ſollen in der Nähe der Felſenmörſer aufgefunden ſein, dagegen keinerlei menſchliche Skelettreſte oder ſonſtige Spuren des Menſchen. Im Hinblick auf die im vorhergehenden erwähnten Verhältniſſe wirft de Nadaillac die Frage auf, ob in Europa und in Nordamerika die Perioden, innerhalb deren die pliocänen Schichten abgelagert wurden, ſynchroniſtiſch ſind und ob die Eiszeiten, welche Nordeuropa heimgeſucht haben, zeitlich mit jenen Vergletſcherungen zuſammenfallen, deren Spuren in Nordamerika nachgewieſen wurden ). In enger Beziehung zu der oben aufgeworfenen Frage nach der Urbevölkerung Amerikas ſtehen auch jene Unter— ſuchungen, die Soren Hanſſen während ſeines neuerlichen Aufenthaltes auf Grönland über die körperlichen Eigen— tümlichkeiten der dortigen Eingeborenen angeſtellt hat“). Die an zirka 1200 Individuen ausgeführten Meſſungen ergaben zunächſt, daß die Grönländer unter ſich nicht vollſtändig gleich ſind. Während die Eskimogruppe am Angmaſalikfjord (Oſtküſte Grönlands) aus kräftigen, in- telligenten und energiſchen Menſchen mit einer durchſchnitt— lichen Körpergröße von 164,7 em, einem Bruſtumfang von 93,7 em, mit ſelbſtändiger Kultur und überraſchender Kunſtfertigkeit ſich zuſammenſetzt, erſcheinen andere Eskimo⸗ ſtämme, die unter weniger günſtigen äußeren Verhältniſſen leben — ſo vor allem der größere Teil der die Weſtküſte Grönlands bewohnenden Stämme — degeneriert. Gegen— wärtig ſind die Eskimos von den Indianern im Süden und den Mongolen im Weſten ſcharf getrennt; ihre Aus— breitung iſt aber früher eine ungleich größere geweſen als heutzutage; ſie müſſen nach Soren Hanſſen als letzter Reſt einer urſprünglich amerikaniſchen Raſſe betrachtet werden, deren Vorfahren mit den heutigen Papuas ver— wandt (vergl. das, was oben über die Papuaähnlichkeit der Schädel von Lagoa-Santa bemerkt wurde) über die Südſeeinſeln einſt eingewandert waren. Dieſe Urraſſe verbreitete ſich über ganz Amerika und noch jetzt exiſtieren einzelne reine unvermiſchte Ueberreſte derſelben. Darauf beruht auch die außerordentliche Aehnlichkeit, die zwiſchen ) Vergl. S. B. Sketchley, On the Occurence of Stone Mortars in the ancient river-gravels of Butte-County (California). Journ. of the Anthropol. Institute of Great Britain and Ireland 1889, S. 332 ꝛc. ) Archiv für Anthropologie 1889, S. 375 rc. 204 Humboldt. — Juni 1890. den Eskimos und einigen amerikaniſchen Stämmen (wie z. B. gewiſſen Indianern Südamerikas) nachzuweiſen it. Die in Rede ſtehende amerikaniſche Urraſſe hat dann ſpäter einer neuen Raſſe weichen müſſen, die durch Ein⸗ wanderung mongoliſcher Elemente entſtand, welche über die Behringſtraße gekommen waren. Die eingewanderten Mongolen drangen allmählich nach Süden vor, vermiſchten ſich mit der älteren Bevölkerung und aus dieſer Miſchung ging die heutige amerikaniſche Raſſe (Rothäute) hervor, die hinſichtlich ihres Aeußeren und ihres Urſprungs weit weniger einheitlich iſt, als man gewöhnlich annimmt. Von dieſer Miſchraſſe wurden dann die Eskimos gen Norden gedrängt, obwohl ſich nicht ableugnen läßt, daß auch ſie die Einmiſchung dieſer Raſſe empfunden haben; ein wenig mongoliſches Blut dürfte ſich nämlich auch bei ihnen nachweiſen laſſen. Das Zungenbein iſt bisher ſo gut wie gar nicht vom anthropologiſchen Geſichtspunkte aus ſtudiert worden. Erſt Ten Kate und Wortmann haben neuerdings über die Be⸗ ſchaffenheit dieſes Knochens bei amerikaniſchen Eingeborenen Unterſuchungen angeſtellt und in amerikaniſchen Beit- ſchriften k) über die Ergebniſſe ihrer Unterſuchungen vor⸗ läufige Mitteilungen gemacht. Das Zungenbein beſteht bekanntlich aus fünf verſchiedenen Elementen, nämlich aus dem Zungenbeinkörper, den beiden großen und den beiden kleinen Hörnern. Auch iſt es bei den europäiſchen Raſſen die Regel, daß im mittleren Lebensalter die großen Hörner mit dem Körper des Zungenbeins verwachſen, während die kleinen Hörner das ganze Leben hindurch mit dem Zungenbeinkörper frei artikulieren. Bei den von ihnen unterſuchten Skeletten von Pueblosindianern konſtatierten nun Ten Kate und Wortmann, daß bei 57 normalen Zungenbeinen von Individuen, die bereits das mittlere Lebensalter überſchritten hatten, von 100 großen Hörnern 88 ihre freie Beweglichkeit beibehalten haben oder mit anderen Worten, daß von 100 Fällen nur in 12 die Verknöcherung des Zungenbeinapparats eingetreten war. Andererſeits iſt Wortmann durch ſeine am Zungenbein des nordamerikaniſchen Negers angeſtellten Unterſuchungen zu dem Schluſſe gelangt, daß bei letzterem die großen Hörner in jüngerem Lebensalter mit dem Zungenbein⸗ körper verwachſen wie beim Weißen und beim amerikaniſchen Indianer. Die Häufigkeit der Verwachſung beim Neger und Pueblosindianer verhält ſich in den von Wortmann unter⸗ ſuchten Fällen wie 66: 12. Weitere Unterſuchungen über die anthropologiſchen Eigentümlichkeiten des Zungenbeins ſind im höchſten Grade wünſchenswert; denn alles ſpricht dafür, daß wir in der Feſtſtellung der Häufigkeit der Verwachſung beziehungsweiſe in der Feſtſtellung des Lebens⸗ alters, in welchem die Verwachſung ſtattfindet, ein wich⸗ tiges, bisher noch nicht beobachtetes Raſſenmerkmal vor uns haben und daß die Verwachſung auch auf die Funktion des Sprachmechanismus und die Sprachbildung einen wichtigen Einfluß ausübt). *) American Naturalist, Vol. II, No, 1, u. Journal of Americ. Sciences, Januar 1889. 5 **) Von nicht geringem Intereſſe würde es fein, zunächſt feſtzuſtellen, ob zwiſchen der Bildung der eigentümlichen Schnalzlaute bei den Einge⸗ borenenſtämmen Südafrikas — Laute, welche die Angehörigen anderer Stämme nicht hervorzubringen vermögen — und der Beſchaffenheit des Ueber den Einfluß, den die Körperhaltung auf die Form und Beſchaffenheit der Gelenk⸗ flächen des Schienbeinknochens (tibia) und des Sprungbeins (Astragalus) ausübt, hat Arthur Thom⸗ fon neuerdings intereſſante Unterſuchungen ) veröffent⸗ licht. Derſelbe konſtatierte zunächſt, daß hinſichtlich der Länge und Form der Tibia bei verſchiedenen Menſchen⸗ raſſen und verſchiedenen Individuen ſehr beträchtliche Unter⸗ ſchiede vorhanden ſind, worauf es auch beruht, daß die Zahlenangaben über die Länge des Schienbeinknochens weit auseinander gehen. Thomſon hat an 152 Skeletten, die den verſchiedenſten Raſſen angehörten, Unterſuchungen angeſtellt und findet, daß insbeſondere die Beſchaffenheit der Gelenkfläche des äußeren Gelenkkopfes (Condylus) am oberen Schienbeinende ſehr bedeutenden Schwankungen ausgeſetzt iſt. Die wichtigſten Ergebniſſe ſeiner Unter⸗ ſuchungen faßt Thomſon in folgende Sätze zuſammen: 1. Die Gelenkfläche des äußeren Gelenkkopfes der Tibia zeigt bei verſchiedenen Menſchenraſſen verſchiedene Grade von Konvexität. 2. Bei den hochentwickelten Raſſen iſt die beſagte Konvexität eine ziemlich geringe. 3. Sie ift bei den im Naturzuſtande befindlichen Völkern deutlich ausgeſprochen und wird wahrſcheinlich auch als ein Cha⸗ rakteriſtikum der älteren und foſſilen Raſſen ſich heraus⸗ ſtellen. 4. Die Entwickelung dieſer Konvexität ſteht im Zuſammenhang mit dem häufigen Gebrauch der unteren Extremität bei ſtarker Kniebeugung. 5. Eine beſondere Rolle ſpielt bei der Entſtehung dieſer Konvexität das bei vielen unziviliſierten Völkern gebräuchliche Niederhocken; dieſelbe iſt in ſolchen Fällen weniger ausgebildet, wo eine Rückwärtskrümmung des Mittelſtückes (Diaphyſe) der Tibia vorhanden iſt. 6. Gelenkſchleifflächen an der vorderen Fläche des unteren Tibiagelenks (Sprunggelenks) und auf dem Hals des Sprungbeins, die bei ſtarker Biegung des Fußes miteinander in Berührung kommen, ſind bei Kulturvölkern ein ſehr ſeltenes Vorkommnis, während ſie bei den im Naturzuſtande lebenden Völkern und Raſſen häufiger ſich finden; ſie reſultieren aus der Gewohnheit, die Extremität in einer Lage zu halten, wobei der Fuß ſtark auf den Unterſchenkel gebeugt iſt. 7. Die Platy⸗ knemie (ſeitliche Abplattung des ſäbelſcheidenförmigen Schien⸗ beins) wird am häufigſten beobachtet bei Völkern, die auf der Jagd oder beim Klettern die Unterſchenkelmuskeln ins⸗ beſondere den hinteren Schienbeinmuskel (Musculus tibialis posticus) ſehr anſtrengen. 8. Die bei den Anthropoiden regelmäßig vorkommende Konvexität der Gelenkfläche des äußeren Tibia⸗Condylus iſt zweifelsohne hervorgerufen durch die fortwährende Kniebeugung. 9. Die zuvorer⸗ wähnten Schleifflächen am unteren Tibiagelenk (Sprung⸗ gelenk) und an der Gelenkfläche des Sprungbeins ſind beim Gorilla und Orang deutlich ausgeſprochen, ſcheinen aber beim Schimpanſen nicht ſo häufig vorzukommen. Bei den Anthropoiden iſt ebenſo wie beim Menſchen die Ent⸗ ſtehung dieſer Facetten auf den Gebrauch des Fußes in ſtark gebeugter Stellung zurückzuführen, wie ein ſolcher beim Klettern regelmäßig ſtattfindet. 10. Nichts nötigt Zungenbeins bei den betreffenden Stämmen irgend welcher Zuſammen⸗ hang exiſtiert. D. Referent. *) Journal of Anatomy and Physiology, Vol. XXIII. Edin⸗ burgh, 1889. Humboldt. — Juni 1890. zu der Annahme, daß dieſe Eigentümlichkeiten an den Gelenkflächen des Schienbeinknochens und Sprungbeins ſowie die Rückwärtskrümmung des Mittelſtückes der Tibia als ererbte Charaktere aufzufaſſen find; alles ſpricht viel— mehr zu Gunſten der Annahme, daß dieſelben erworben wurden. Ueber die verſchiedenen anthropologiſchen Typen, die unter der Bevölkerung Groß- und Kleinrußlands vertreten ſind, hat W. Emme neuer— dings Unterſuchungen?) angeſtellt, denen er die von Ma— liew, Ikow und Bogdanow ausgeführten Schädelmeſſungen, ſowie die von ihm ſelbſt vorgenommenen zu Grunde legte. Die beſagten Meſſungen lehren, daß ebenſowohl unter der Bevölkerung von Großrußland wie unter derjenigen von Kleinrußland mehrere anthropologiſche Typen vorhanden ſind, die hinſichtlich ihrer Schädelform ebenſoweit von— einander abſtehen wie die extrem-dolichokephalen (lang— köpfigen) Eskimos von den extrem-brachykephalen (kurz— köpfigen) Lappen, und daß die alte Theorie von dem Vor— handenſein eines einzigen brachykephalen Typus bei allen Slaven nicht aufrecht erhalten werden kann. Unter den jetzt lebenden Kleinruſſen kann man 3 Haupttypen unter⸗ ſcheiden, nämlich 1. einen dolichokephalen Typus mit dunkler Haut, dunklem Haar und dunkeln Augen, 2. einen brachy— kephalen Typus ebenfalls mit dunkler Haut, dunklem Haar und dunkeln Augen, und 3. einen brachykephalen oder ſubbrachykephalen Typus mit heller Komplexion, blon— dem Haar und blauen Augen. Neben den beſagten 3 Haupt- typen hat man nach Emme noch ſekundäre Typen zu unterſcheiden, die aus der wiederholten Kreuzung der Haupttypen hervorgegangen ſind. Bogdanow unterſcheidet ſowohl bei den Bewohnern von Großrußland wie bei den— jenigen von Kleinrußland nur 2 Haupttypen, die hinſichtlich ihrer Eigentümlichkeiten ſich diametral gegenüberſtehen, nämlich 1. den dolichokephalen und zugleich langgeſichtigen (leptoproſopen) Typus, den B. wohl auch als „laviſch— ariſchen Typus“ oder „Typus der Kurghanen“ bezeichnet, und 2. den brachykephalen breitgeſichtigen (chamäproſopen) Typus, der aber mit dem Mongolentypus nichts gemein hat. Die Kurzköpfigkeit iſt unter der heutigen Bevölkerung Rußlands ein häufigeres Vorkommnis als dies vor 300 Jahren noch der Fall war; denn während unter den von Ikow gemeſſenen Schädeln von Moskauer Bojaren aus dem 16. Jahrhundert die Kurzköpfigkeit nur mit 40 % ver— treten iſt, finden ſich unter den von Emme gemeſſenen Schädeln von Kleinruſſen der Jetztzeit 51 // kurzköpfige, unter den von Maliew gemeſſenen Großruſſenſchädeln des 19. Jahrhunderts 52,5 %% kurzköpfige und unter den von Ikow gemeſſenen Großruſſenſchädeln der Jetztzeit ſogar 62% kurzköpfige. — Der von Emme bezüglich der Mannig— faltigkeit der anthropologiſchen Typen unter der Bevöl— kerung des heutigen Rußlands gezogene Schluß wird auch beſtätigt durch die Beobachtungen, die L. Stieda (Königs— berg) an den auf der ſibiriſch-uraliſchen Ausſtellung zu Jekaterinburg ausgeſtellten Skeletten von Repräſentanten der verſchiedenen ruſſiſchen Völkerſchaften angeſtellt hat. Stieda bemerkt, daß das, was heute als „ruſſiſches Volk“ ) Bulletins de la Société impériale des amis de Sciences Naturelles de Moscou, T. XLIX, Fasc. 4, p. 333 etc. 205 bezeichnet wird, in anthropologiſcher Hinſicht nicht einheitlich iſt, daß vielmehr zwiſchen dem Großruſſen des Gouver— nements Moskau und dem Kleinruſſen des Gouvernements Poltawa, zwiſchen dem Weißruſſen in Minsk und dem ruſſiſchen Koſaken am Ural oder Don ſehr bedeutende Unterſchiede beſtehen. Dasſelbe gilt auch nach Stieda von der nicht⸗ariſchen Bevölkerung Rußlands, indem zwiſchen den Tataren des Kaukaſus (Aderbeidſchan), denen des Gouvernements Kaſan und denen der Krimm in körper— licher Hinſicht ſehr bedeutende Unterſchiede nachzuweiſen ſind, während im aſiatiſchen Rußland neben langköpfigen Stämmen ſolche mit der extremſten Kurzköpfigkeit (ein von Stieda gemeſſener Baſchkirenſchädel zeigte einen Index von 88,4, ein Kalmückenſchädel einen Index von 90,7, ein Burjätenſchädel ſogar einen Index von 93,0) ſich finden“). Koganei hat an 4 Schädeln von Koreanern Unterſuchungen **) angeſtellt und faßt die gemeinſamen Eigentümlichkeiten derſelben dahin zuſammen, daß ihr mittlerer Längenbreitenindex (81,2) demjenigen des Ja— panerſchädels (80,0 bis 80,5) nahe kommt. Ihre Höhe iſt ebenſo beträchtlich wie ihr Umfang, wie dies bei den Mongolenvölkern die Regel iſt. Das Geſicht iſt länger als dasjenige der Japaner (Index 71,4); die Jochbogen ſind meiſt kryptozyg (d. h. ſie verdecken, wenn man den Schädel von oben betrachtet, den unteren Teil des Ge— ſichtes). Die Naſe iſt meſorhin; die Maße der Augen— höhle und des Gaumens ſind dieſelben wie beim Schädel des Japaners. Der Geſichtswinkel iſt nicht ganz gleich einem rechten (meſognathe Geſichtsbildung). Es iſt zu— gleich ein geringer Grad von Prognathismus des Kiefer— zahnrandes vorhanden, während bei den Japanern der bei denſelben häufig ſich findende Prognathismus das Geſicht in ſeiner Totalität betrifft. Beſonders charakteriſtiſch für den Koreanerſchädel iſt die Form des Oberkiefers, näm— lich die quergeſtellten aufſteigenden Apophyſen und die Flachheit der Fossae caninae. Die bedeutende Größe des Siebbeins hat der Schädel des Koreaners mit dem des Japaners gemein. Die mit Schrotfüllung beſtimmte Kapazität der 4 Koreanerſchädel betrug von 1260 bis zu 1600 cem. Ueber einige Fälle von Polymaſtie (Vorkommen von überzähligen Bruſtdrüſen) und Polythelie (Vorkommen von überzähligen Bruſtwarzen ohne Drüſengewebe) hat D. Hanſemann kürzlich der Ber— liner Anthropologiſchen Geſellſchaft berichtet“ “k). Der eine Fall betrifft ein männliches Individuum, bei dem fic) etwa 13 em unterhalb der normalen Bruſtwarze und etwas mehr nach der Mittellinie zu jederſeits ein kleiner dunkler Fleck findet, der ſich bei genauerer Betrachtung als Miniaturbild normaler Bruſtwarzen erwies. Drüſenge— webe ließ ſich in dieſem Falle nicht durchfühlen. Noch bemerkenswerter iſt der zweite Fall, der eine 45jährige ) „Die Sibiriſch-uraliſche Ausſtellung für Wiſſenſchaft u. Gewerbe in Jekaterinburg“ von Dr. L. Stieda, Profeſſor der Anatomie. Königs⸗ berg i. Pr., 1890. **) Communications de la Faculté de Médecine de Uni- versité impériale de Tokio, 1889. ) Verhandlungen der Berliner Authropologiſchen Geſellſchaft in der Zeitſchrift für Ethnologie 1889, Heft 5, S. 434 2c. 206 verheiratete Frau betrifft. Neben und etwas nach außen von den kräftig entwickelten und mit breitem Warzenhof verſehenen normalen Brüſten bemerkt man bei derſelben zwei weitere Brüſte, die kleiner ſind als die erſten und wohl eine Warze, aber ſo gut wie keinen Hof beſitzen. Etwas oberhalb von der linksſeitigen überzähligen Bruſt und nach der Achſelhöhle zu bemerkt man noch eine weitere Er⸗ höhung, die eine deutliche mit Oeffnung verſehene, aber ſonſt recht unentwickelte Bruſtwarze darſtellt. Unter allen 5 Bruſtwarzen konnte man reichliches Drüſengewebe durch⸗ fühlen. Wegen der mangelhaften Ausbildung der accef- ſoriſchen Warzen konnte die Frau, die 12 Kinder geboren hat, nur die normalen Brüſte zum Säugen verwerten, ſo daß ihr die anderen, deren Milch beim Stillen der Kinder ſich von ſelbſt entleerte, ſehr läſtig waren. Aus der Lit⸗ teratur hat Hanſemann 262 Fälle von Polymaſtie und Polythelie zuſammengeſtellt, worunter 81 Männer und 104 Frauen ſich befinden. Es haben ſich bis zu 8 über⸗ zählige Brüſte bei einem und demſelben Individuum nach⸗ weiſen laſſen. In bei weitem der Mehrzahl der Fälle ſind die überzähligen Brüſte unterhalb der normalen und etwas nach der Mittellinie zu gelegen; jedoch ſind auch Fälle bekannt geworden, wo dieſelben auf dem Rücken, auf der Schulter, an der Außenſeite des Oberſchenkels, in der Leiſtengegend und in der großen Schamlippe an⸗ gebracht waren. In 3 Fällen hat ſich die Vererbung der Polymaſtie von der Mutter auf die Tochter nachweiſen laſſen; ein Zuſammenhang zwiſchen der Anzahl der Brüſte und der Neigung, Zwillinge oder Mehrlinge zu gebären, konnte bis jetzt nicht nachgewieſen werden. Für die Ent⸗ ſtehung der Polymaſtie bezw. Polythelie ſind drei verſchie⸗ dene Erklärungen gegeben worden. Während von Leichten⸗ ſtern, Neugebauer u. a. die ataviſtiſche Erklärung (Rück⸗ ſchlag auf gewiſſe Vorfahren des Menſchengeſchlechtes) ver⸗ treten wird, glaubt Ahlfeldt, daß die Ueberzahl der Brüſte in den erſten Stadien der Embryonalzeit erworben wird und zwar ſo, daß entweder frühzeitig Teile der normalen Drüſe abgeſprengt werden oder mit den Eihäuten ver⸗ wachſen und von dieſen aus auf andere Stellen gewiſſer⸗ maßen aufgepfropft werden. Endlich haben Champneys und Doran die Anſicht ausgeſprochen, daß Milchdrüſen bei Frauen ſich noch während des Wochenbetts aus Talg⸗ drüſen entwickeln könnten, was beſonders in der Achſel⸗ höhle nicht ſelten ſtattfinde. Max Bartels iſt der Anſicht, daß nicht alle Formen der Vielbrüſtigkeit gleichwertig find, daß wir vielmehr für die Entſtehung der Polymaſtie und Polythelie verſchiedenartige Urſachen in Anſpruch nehmen müſſen. In einer Reihe von Fällen iſt es vollkommen klar, daß es ſich einfach um ein Doppeltwerden, um eine teilweiſe oder vollſtändige Zweiteilung der normalen Keim⸗ anlage für die Bruſt handelt. In einem von Bartels beſchriebenen Falle ließ ſich ſogar noch ein Strang von Drüſengewebe durchfühlen, welcher die normale Bruſtdrüſe mit der überzähligen verband — ein untrügliches Zeichen, daß die Zweiteilung noch nicht vollſtändig zum Abſchluß gekommen war. Es ſind alle möglichen Formen von der nur verbreiterten und biskuitförmigen Bruſtwarze bis zur Zweiteilung derſelben und weiter bis zu geſonderten Mammahügeln mit getrennten Warzen und Warzenhöfen beobachtet worden. Bei den Achſelbrüſten hat man nach Humboldt. — Juni 1890. Bartels „Achſelfaltenbrüſte“, die ſtets in der vorderen Achſelfalte ihren Sitz haben und „Achſelhöhlenbrüſte“, die ſich im Boden der Avilla, alſo in der Tiefe der Achſel⸗ höhle entwickeln, zu unterſcheiden. Im Gegenſatz zu der Anſicht Hanſemanns, daß eine überzählige Bruſtwarze in der Medianlinie nicht vorkommen könne, hat Bartels einen Fall beſchrieben, in welchem eine ſolche genau in der Mittellinie, 0,5 em unter der Spitze des Schwertfortſatzes des Bruſtbeins angetroffen wurde. N. E. Brandenburg berichtet“) über die Eigen⸗ tümlichkeiten der Gräber der heidniſchen Slaven in Nordrußland mit beſonderer Rückſicht auf die Unter⸗ ſuchung der vorgeſchichtlichen Grabhügel (Kurgane) ſüd⸗ lich vom Ladogaſee. Die Gräber am Ufer der Wolchow laſſen erkennen, daß die Leichen verbrannt und die ver⸗ brannten Knochen in Gefäße eingeſchloſſen wurden. Die Gräber enthalten gewöhnlich Anhäufungen von Steinen, die entweder regellos aufgeſchüttet ſind oder eine regel⸗ mäßige ebene Schicht bilden. Derartige Steinanſamm⸗ lungen fehlen in anderen Gegenden am Ladogaſee. Die Wolchowſchen Kurgane zeichnen ſich außerdem aus durch die äußerſte Armut an Kulturgegenſtänden. Die Gruppe von Kurganen öſtlich vom Wolchowfluſſe iſt offenbar fin⸗ niſchen Urſprungs; dagegen find die am Wolchowfluſſe ſelbſt gelegenen nach Brandenburg ſlaviſchen Urſprungs. Bei Erörterung der Frage: Was für ein Volks⸗ ſtamm hinterließ in Rußland Knochenwerkzeuge und Küchenabfälle? gelangt Fürſt P. A. Putjatin zu folgenden Schlüſſen !): 1. Die Küchenabfallhaufen von Bologoje ſind entſtanden zu einer Zeit, wo das Klima von dem heutigen weſentlich verſchieden war; die damals lebenden Tierſpecies würden die heutigen Exiſtenzbedin⸗ gungen nicht ertragen können. 2. Die Küchenabfälle liegen an den Ufern eines heute nicht mehr exiſtierenden Fluſſes; ſie gehören vielleicht der Gletſcherperiode an. 3. In archäo⸗ logiſcher Hinſicht gehören die Küchenabfälle von Bologoje der Uebergangsperiode vom Zeitalter der behauenen zu demjenigen der geglätteten Steinwerkzeuge an. Sowohl die Küchenabfälle von Bologoje, wie diejenigen von Ja⸗ roslaw und die an den Ufern der Oka aufgefundenen ähneln den belgiſchen Abfallhaufen aus der Epoche des Renntiers, insbeſondere hinſichtlich der Beſchaffenheit der Stein⸗ und Knochenwerkzeuge; die zugehauenen Stein⸗ waffen ſind denjenigen der La Madeleine⸗Epoche gleichzu⸗ ſetzen. 4. Die Gegend von Bologoje war früher bewohnt als die mehr nördlichen Gebiete. 5. Die Skelettreſte der Menſchen, welche einſt die Gegend von Bologoje bewohnt haben, zeigen beſondere Eigentümlichkeiten. Der Schädel iſt ſubdolichokephal, die Stirn abgeflacht, der Unterkiefer prognath und ſtark entwickelt. Der Hinterhauptsteil des knöchernen Schädels zeichnet ſich durch ſeine Dicke aus; dagegen iſt der Schädel in der Stirn- und Schläfengegend dünn. Rückenwirbel und Beckenknochen find gut ent⸗ wickelt. In ſeinem Werke: , Anthropologie du caucase“ ***) macht E. Chantre wichtige Mitteilungen über die An⸗ ) L. Stiedas Bericht über den VII. Ruſſiſchen archäologiſchen Kongreß in Jaroslaw (Archiv für Anthropologie 1889, S. 385 2c.). **) Ebendaſelbſt, S. 388 ꝛc. ***) Paris, 1889. Humboldt. — Juni 1890. thropologie und Prähiſtorie des Kaukaſus. Weder die Tertiärſchichten noch die Diluvialſchichten des Kau— kaſusgebiets haben bis jetzt auch nur eine Spur von der Exiſtenz des Menſchen in dieſen Gegenden während der betreffenden geologiſchen Epochen ergeben und auch ſonſt ſind die bisherigen Forſchungsergebniſſe der früher allge— mein verbreiteten Anſicht, daß im Kaukaſus der Urſprung des Menſchengeſchlechts zu ſuchen ſei, keineswegs günſtig. Die neolithiſche Periode iſt im Kaukaſusgebiet nur durch vereinzelte Funde, durch einige Gruppen von megalithiſchen Monumenten und einige Spuren von Seeanſiedelungen (wahrſcheinlich Pfahlbauten) vertreten. Die neolithiſchen Objekte unterſcheiden ſich hinſichtlich ihrer Form nicht von denjenigen Zentraleuropas; polierte Steinäxte, Stein- hämmer aus beſonders hartem Geſtein, Steinmeſſer, Kratzer aus Silex und Obſidian, ſowie Pfeilſpitzen aus demſelben Material herrſchen vor. Die Dolmen zerfallen in zwei Gruppen, nämlich in diejenige des Schwarzen Meeres und in diejenige von Koban; ihr Eingang iſt gewöhnlich nach Süden gerichtet. Die Uebereinſtimmung unter den kau— kaſiſchen Dolmen ſpricht zu Gunſten der Annahme, daß dieſelben einer und derſelben Bevölkerung ihre Entſtehung verdanken. Die Annahme, daß die meiſten unſerer Haus— tiere aus dem Kaukaſus ſtammen, iſt nach Chantre nicht haltbar; es iſt viel wahrſcheinlicher, daß die Haustiere und mehrere Getreidearten aus Indien, bezw. von dem Plateau von Iran zu uns gelangt ſind; der Kaukaſus wurde höchſtens auf dem Zuge gen Weſten als Station benutzt. Auch für jene Anſicht, welche den Urſprung der Bronzeinduſtrie in den Kaukaſus verlegt, hat ſich bis jetzt keinerlei Beſtätigung gefunden. Kupfererze ſind zwar im Kaukaſus vorhanden; dagegen fehlen allem Anſcheine nach die Zinnerze. Die im Kaukaſus gefundenen Bronzen ſtehen weder in Beziehung zu denjenigen des Donau— und Pothales, noch zu der Gruppe der ural⸗altaiſchen und ſibiriſchen Bronzen; ſie geben zu erkennen, daß dieſes 207 Gebiet keinesfalls der Sitz einer eigenartigen, dieſem Lande eigentümlichen Metallinduſtrie geweſen iſt. Sie gehören vielmehr zu jenen orientaliſchen Importen, wie man fie auch am unteren Dujepr und der unteren Donau, im Mittelmeerbecken, in Kleinaſien, Griechenland, Italien, Frankreich u. ſ. w. gefunden hat. Ebenſo wie in Frankreich, Etrurien, Tirol, Kärnthen und im Donauthal iſt in den Nekropolen des Kaukaſus und Transkaukaſiens die früheſte Eiſenzeit zahlreich vertreten. Als Ausgangspunkt dieſer Eiſeninduſtrie betrachtet Chantre das Kaſpiſche Meer. worauf gewiſſe, in anderen Gegenden bisher nicht auf— gefundene Objekte und gewiſſe Ornamentmotive deuten ſollen. Unter den Verzierungen herrſchen neben Tierdar— ſtellungen die Spirale, das Kreuz und die Swaſtika (Hackenkreuz) vor. Die fünf wichtigſten Nekropolen des Kaukaſusgebiets aus dieſer Epoche ſind Koban, Samthravo, Kazbek, Kislodovodsk-Gori und Redkin⸗Lager. Unter den Waffen ſind Aexte, Bronze- und Eiſendolche, Keulen und Lanzenſpitzen am zahlreichſten vertreten; unter den Schmuckgegenſtänden finden ſich: Agraffen, Gürtel, Tor— ques, Beinringe, Armbänder, Fingerringe, Spiralarm— bänder, Ohrgehänge, Schmucknadeln, Fibeln, Schmuck— gehänge, Ketten und Perlen aus Bronze, Kornalin und anderen Materialien, Muſcheln, durchbohrte Zähne, cylin— driſche Röhren, Knöpfe u. ſ. w. Alle die zuvor er⸗ wähnten Nekropolen gehören jener erſten Eiſen— zeit (premier age du fer) an, der man im Occi— dent den Namen „Hallſtattperiode“ gegeben hat. Die aus der Nekropole von Koban zu Tage geförderten Schädel zeigen einen Längenbreitenindex von 72,5 bis 79,5, einen Geſichtsindex von 69 bis 80, einen Orbital— index von 78,9 bis 105,5, einen Naſenindex von 62 bis 71,8. Die von Chantre gewonnenen Forſchungsergeb— niſſe entſprechen im allgemeinen denjenigen, zu denen R. Virchow bei ſeinen Unterſuchungen über das Gräber— feld von Koban gelangt iſt. Kleine Mitteilungen. Speziſiſches Gewicht der Gaſe. Müller gibt (Zeitſchr. f. d. phyſ. u. chem. Unt. 2, S. 274) einen ſehr einfachen Schulverſuch an, das ſpezifiſche Gewicht der Gaſe zu demon- ſtrieren. Bei Gaſen ſchwerer als Luft ſchließt man ein oben offenes, etwa anderthalb Meter langes Glasrohr unten mit einem Kork, durch welchen ein horizontales, etwas nach unten ausgebauchtes Glasrohr, in deſſen tiefſtem Punkt ein Flüſſigkeitstropfen ruht, in das vertikale Rohr mündet. Füllt man nun das Vertikalrohr (von unten) mit irgend einem ſchweren Gaſe, dann verſchiebt ſich der Tropfen um ſo höher, je ſchwerer das Gas iſt. Bei leichten Gaſen iſt der Kork am oberen Ende des Vertikalrohres. F. Waſſerzerſetzung mit Strömen von ſehr großer Spannung. Das Leidenfroſtſche Phänomen iſt bekannt: Während Waſſer auf einem mäßig heißen Körper mit Ziſchen zerſtäubt wird, bildet es in einem glühenden Pla— tinſchälchen einen ſchwebenden runden Tropfen, der vom Platin durch eine fic) fortwährend erneuernde Dampfſchicht getrennt iſt. Hieran erinnert die Erſcheinung, die ſich zeigt, wenn man Waſſer zerſetzt, indem man einen Strom von ſehr hoher Spannung mittels zwei eingetauchten ſtarken Platindrähten durchführt. Der Draht, an welchem der Waſſerſtoff ſich entwickelt, zeigt eine blaue Lichthülle, als befände er ſich nicht in Waſſer, ſondern in Luft; der Waſſerſtoff entweicht, aber nicht in Form von Blaſen, und der Widerſtand, den die Elektricität beim Uebergang aus dem Drahte in das Waſſer erfährt, iſt überaus groß, als wäre kein Kontakt zwiſchen Metall und Waſſer. Wenn man den betreffenden Draht aber tiefer eintaucht, ſo daß die Uebergangsfläche größer wird, dann verſchwindet das Licht, und die Zerſetzung nimmt die bekannte Form der Blaſenentwickelung an (Violle und Chaſſagny, C. R. 108. S. 284). F. Staub. Wenn komprimierte feuchte Luft ſich plötzlich ausdehnen kann, dann kühlt ſie ſich ſo ſehr ab, daß der Dampf ſich an allen vorhandenen Staubteilchen kondenſiert und dieſe ſo ſchwer macht, daß ſie zu Boden ſinken. Aitken (Proc. Edinb. Soc. 16, S. 135) läßt dieſen Prozeß ſich unter Glas abſpielen und fängt die Teilchen auf einer in Quadratmillimeter geteilten Silberplatte auf und zählt ſie mit der Lupe Stück für Stück. Nie, ſelbſt bei klarſtem Wetter auf dem Lande nicht, fand er weniger als 500 Staub- teilchen in 1 cem. Je minder klar die Luft, um fo mehr Staubteilchen in derſelben. Am Meeresufer enthielt die Seeluft, die alſo über gar keine feſte Körper geſtrichen war, dennoch 5000 Teilchen in 1 cem. In geſchloſſenen, 208 Humboldt. — Juni 1890. Verfolgung der Keimung der Pilzſporen, des Ergreifens von Gasflammen erhellten Räumen fanden ſich bis zu 3,5 Millionen Teilchen in 1 cem; ein Cigarettenraucher ſendet bei jedem Zuge viertauſend Millionen Teilchen aus. F. Aſtroelektricität. Immer zwingender drängt ſich uns die Anſicht auf, daß die Sonne ein elektriſcher Körper jet, der auf die Körper des Sonnenſyſtemes elektriſche Wirkungen ausübt. Die elektriſche Fernwirkung der Sonne iſt der Annahme nach um ſo energiſcher, je thätiger die Sonne tft; ihre Thätigkeit aber offenbart ſich am auffallendſten im Auftreten von Sonnenflecken. Daß mit dieſer letzteren Erſcheinung gleichzeitig auch die Nordlichter ihr Maximum der Häufigkeit und Intenſität erreichen, iſt bekannt. Nun haben wir aber Urſache, vorauszuſetzen, daß das Leuchten der Kometen weder ein Glühen bei hoher Temperatur, noch aber Reflexion des Sonnenlichtes, ſondern ſogenanntes Lumineszieren iſt, etwa wie das Leuchten der Geißlerſchen Röhren. Die Atome ſchwingen dann in einer nicht näher bekannten Weiſe derart, daß unter den ausgeſendeten Aetherwellen die kurzen (Licht⸗)Wellen ein außerordent⸗ liches Uebergewicht erhalten. Wenn aber wirklich das Leuchten der Kometen ein derartiges durch Elektrieität der Sonne erregtes Lumineszieren iſt, dann muß es gleich dem Nordlicht Perioden zeigen, die mit den Sonnenflecken⸗ perioden zuſammenfallen. Berberich weiſt nun nach (Aſtron. Nachr. Nr. 2836, S. 49), daß ſich dieſe Periodicität und dieſe Koineidenz der Perioden am Enckeſchen Kometen, über den hundertjährige Beobachtungen vorliegen, glänzend nachweiſen läßt. F. Gekeimte Samen in geſchloſſenen Früchten. Nach einer Mitteilung von Jännicke wurden gekeimte Samen in einer geſchloſſenen Kapſel von Impatiens longiflora beobachtet. Gleiches hatte Baumgartner ſchon vor 35 Jahren an der gewöhnlichen Gartenbaljamine beobachtet. Bei den Mangrovebäumen (Rhizophora Mangle) iſt das Auskeimen des Samens am Baume eine ganz regelmäßige und für die Fortpflanzung notwendige Lebenserſcheinung; auch bei Ardisia crenata, Tetranema und Crinum iſt es zu be⸗ obachten. D Syntheſe der Flechten. Die Lehre von der Buz ſammenſetzung der Flechten aus zwei verſchiedenartigen Organismen, Algen und Pilzen, ſtützte ſich zunächſt auf analytiſche Unterſuchungen. Von Speerſchneider, de Bary und namentlich von Schwendener wurden die beiden Ele⸗ mente des Flechtenthallus erkannt, und es gelang, durch Iſolierung der Gonidien und durch Beobachtung ihrer Weiterentwickelung ihre Selbſtändigkeit zu erweiſen. Für das andere Element, den Flechtenpilz, iſt dieſer Nachweis erſt in neueſter Zeit durch Möller erbracht worden, der den Pilz in Nährlöſung, ohne Gonidien, züchtete und bis zur Sporenbildung, allerdings nicht bis zur Apothecien⸗ bildung brachte. Andererſeits ſind entwickelungsgeſchichtliche Unterſuchungen ausgeführt worden, welche den Nachweis der Syntheſe von Flechten aus Pilzen und Algen zu er⸗ bringen bezweckten. Bornet, Treub und Rees beobachteten nur die erſten Stadien der Vereinigung der beiden Ele⸗ mente. Stahl gelang es, bei Verrukarien die vollſtändige Entwickelung zu verfolgen; indeſſen haben dieſe Flechten die Eigentümlichkeit, mit den Sporen zugleich Gonidien (jog. Hymenialgonidien) auszuſchleudern, durch deren Ver⸗ einigung mit dem Flechtenpilz ſich die junge Flechte ent⸗ wickelt. Der Beweis, daß auch freilebende Algen, die noch nicht mit Pilzen in Berührung gekommen ſind, zu Beſtand⸗ teilen eines Flechtenthallus werden können, war alſo bis⸗ lang noch nicht geliefert; ebenſowenig waren bei den bis- herigen Verſuchen Vorkehrungen getroffen, um die etwaige ſtörende Mitwirkung fremder Organismen mit Sicherheit auszuſchließen. Dieſe Lücke iſt nunmehr von G. Bonnier ausgefüllt worden (Ann. des sciences nat. 7. Serie, Bd. IX, 1889). Bonniers Verſuche zerfallen in zwei Reihen. Die eine Reihe wurde an der Unterſeite des Deckglaſes von ſteriliſierten und in geeigneter Weiſe durchlüfteten feuchten Kammern ausgeführt und diente zur mikroſkopiſchen der Algen durch die Keimſchläuche und der Ausbildung des Pſeudoparenchyms und des Gonidienlagers der Flechte. Dieſe Kulturen wurden mit Algen aus der Gattung Protococcus und den Pilzſporen von Physcia parietina angeſtellt und, ſo lange es möglich war (30 Tage), mikro⸗ ſkopiſch verfolgt; dann wurde die Dicke des Objektes zu groß. Nach 50 Tagen war auf der Unterſeite des Deck⸗ glaſes ein wohlausgebildeter kleiner Flechtenthallus vor⸗ handen, der auch mikroſkopiſch alle Eigenſchaften eines unter normalen Verhältniſſen erwachſenen Thallus ähn⸗ lichen Alters hatte. Die zweite Reihe von Verſuchen be⸗ zweckte, die vollſtändige Entwickelung der Flechte bis zur Apothecienreife zu verfolgen. Dieſe Kulturen wurden auf ſteriliſierten Rinde⸗ oder Felsſtücken von entſprechender Größe in weiten, gleichfalls ſteriliſierten Glasgefäßen aus⸗ geführt. Wegen des langſamen Wachstums der Flechten mußten dieſe Verſuche für mehrere Jahre berechnet ſein. Die Flaſchen erhielten eine gewiſſe Menge ſteriliſierten Waſſers und wurden mit einer Vorrichtung zur Herſtellung eines genügenden Luftwechſels verſehen. Bei einem Teil der Verſuche, welcher im Laboratorium zu Paris angeſtellt wurde, leitete Bonnier mittels eines Gebläſes einen lang⸗ ſamen Strom keimfreier Luft durch die Appaxate; bei einem zweiten Teil, der im Freien in den Pyrenäen in 2000 m Höhe ausgeführt wurde, erwies ſich ein ſelbſt⸗ thätiger, durch die Temperaturſchwankungen herbeigeführter Luftwechſel in den Apparaten als völlig ausreichend; letztere waren zu dieſem Zwecke mit einem offenen, nur mit ſteriliſierter Watte gefüllten Rohre verſehen. Auf dieſe Weiſe gelang es, in völliger Reinkultur von folgenden Flechten einen mehr oder weniger ausge⸗ bildeten Thallus zu erziehen: Parmelia acetabulum, Lecanora ferruginea, subfusca, coilocarpa, caesio-rufa, _ Graphis elegans, Verrucaria muralis — und folgende bis zur Apothecienentwickelung zu bringen: Physcia pa- rietina, stellaris, Lecanora sophodes, Opegrapha vul- gata. Die verwendeten Algen find Protococcus (für Physcia und Parmelia), Pleurococcus (für Lecanora), Trentepohlia (für Opegrapha, Graphis, Verrucaria). Dieſelben wurden im Freien geſammelt und zunächſt rein gezüchtet; alsdann wurde eine Probe der Reinkultur zu⸗ gleich mit den aus ſorgfältig ausgewählten Apothecien auf eine ſteriliſierte Glasplatte geſchleuderten und zunächſt mikroſkopiſch auf ihre Reinheit geprüften Pilzſporen auf das ſteriliſierte Subſtrat übertragen, letzteres darauf ſofort in die Verſuchsflaſche eingeſchloſſen. Für die Vornahme dieſer Operationen erwies ſich die reine Gebirgsluft der Pyrenäen viel geeigneter als die Luft in Paris. Die⸗ ſelbe Erfahrung wurde bei Kontrollkulturen an freier Luft gemacht; dieſe gingen in Paris infolge der Entwickelung fremder Keime faſt regelmäßig zu Grunde, während ſie in den Pyrenäen gut gediehen. Nur war in letzterem Falle keine Garantie dafür gegeben, daß die entſtandenen Flechten auch wirklich aus den geſäeten Keimen hervor⸗ gegangen waren; ſie entſtanden manchmal an anderen als den Impfſtellen, oder es hatten ſich andere Flechten da⸗ neben entwickelt, ein Umſtand, der die Notwendigkeit der Reinkultur bei exakten Verſuchen über die Syntheſe der Flechten darlegt. Bremen. Dr. H. Klebahn. Gewöhnlich pflegt man unſere Tellerſchnecken (Pla- norbis) als rechtsgewunden zu bezeichnen, was nur von der Schale ſelbſt hergenommen iſt. Ihering zeigt nun, daß die anatomiſche Unterſuchung der Tiere das Gegenteil er⸗ gibt. Bei allen rechtsgewundenen Schalen liegt am Tier die Mündung des Geſchlechtsapparates rechts, bei den links⸗ gewundenen links, wobei das Tier, nicht die Schale das Maßgebende iſt. Dieſes Verhältnis gilt auch für Limnä⸗ iden; Limnaeus und Amphipeplea find rechtsgewunden und haben rechts am Tier liegende Atem- und Geſchlechts⸗ öffnungen; bei Physa und Aplexa liegen dieſe Mündungen links, die Schalen ſind bekanntlich linksgewunden; bei Planorbis nun liegen Atemloch und Genitalöffnungen Humboldt. — Juni 1890. ſtets links, das Tier iſt demnach linksgewunden, folglich die Schale auch. Die vermeintliche obere Fläche der Schale ijt demnach die untere genabelte, während bei der wirk— lichen oberen das Gewinde eingeſunken erſcheint. B. Das ſchon fo vielfach unterſuchte Bojanus'ſche Organ der Teichmuſchel hat in W. M. Rankin einen neuen Be⸗ arbeiter gefunden. Jedes der bekanntlich paarig vorfom- menden Organe iſt aus einem Nierenſack, einer Nieren- ſchleife und einem Nierengang zuſammengeſetzt; Sack und Schleife entſprechen der Niere, der Gang ihrem Aus— führungskanal; nach vorn öffnen ſich beide Gänge nach außen durch die Ureteren. Die Nierenſäcke ſind mit dem Herzbeutel, durch die Nierenſpritzen mit dem Nierengang, durch Vermittelung der Nierenſchleife verbunden. Die Wände der Organe beſtehen aus einer homogenen Grund— ſubſtanz mit darin befindlichen, verſchiedenartigen Binde— ſubſtanzzellen; glatte Muskeln finden ſich bei den Spritzen und den Ureteren. Das auskleidende Epithel enthält ex— kretoriſche Zellen mit wenigen geißelartigen Wimpern, die Spritzen und Ureteren haben Cylinderzellen mit kurzen, dichtſtehenden Wimpern, ferner Pinſel- und Drüſenzellen; am Nierenende der Spritzen kommen Zellen mit außer— ordentlich langen Wimpern vor. In Bezug auf die Funk— tion des Organes kann kaum mehr bezweifelt werden, daß es eine Niere iſt; außerdem hat es die Aufgabe, die Pericordialflüſſigkeit weiter zu ſchaffen, dagegen weiſt R. die Unwahrſcheinlichkeit nach, daß es durch ſein Lumen Waſſer in den Herzbeutel reſp. das ganze Gefäßſyſtem einführt. Gegen die von vielen Seiten angenommene Waſſeraufnahme ſprechen mechaniſche Gründe, ſo die Stellung der Flimmerhaare, die ſowohl an den Spritzen und Ureteren als an den Nierenwandungen ſtets nach außen gerichtet ſind (ob auch nach außen ſchlagen, iſt am lebenden Tier wohl nicht beobachtet); es ſpricht ferner dagegen der ganze Bau der Nierenſchleife, der mehr auf eine Strömung nach außen als nach innen hinweiſt, und die Thatſache, daß bei Mytilius eine Klappe vorhanden iſt, welche die Strömung vom Organ nach dem Herzbeutel unmöglich macht. — Eine Arbeit von Pollmann: „Ueber Verbindungen zwiſchen Cölom und Nephridium“, in der auch die Bojanusſchen Organe der Lamellibranchier ab— gehandelt werden, ſcheint der Autor überſehen zu haben. B Der Sperling in Nordameriſta. In einer Broſchüre von Dr. Karl Merriam und W. B. Barrows über „the English Sparrow“ werden die ungeheure Verbreitung unſeres Hausſperlings in den Vereinigten Staaten und die verderblichen Wirkungen desſelben für die dortige Land— wirtſchaft behandelt. Im Jahre 1850 wurden die erſten acht Paar Sperlinge von England nach Brooklyn gebracht, welche ſich jedoch nicht hielten. 1851 und 1852 folgten 100 Paare an Bord des Steamer „Europa“, in den nächſten Jahren bis 1881 wurden 1500 Paare eingeführt. Heute hat der allbekannte Vogel den ganzen Oſten der Vereinigten Staaten überflutet, von dem Lawrence-Strom und den großen Seen bis Florida im Süden und weſtlich bis zum Miſſouri; bereits dringt er in Arkanſas ein, hat einen Teil von Louiſiana okkupiert und findet ſich im San Francisco- und im Utahdiſtrikt. Seine Feinde in der Vogelwelt ſind dort der große Würger, eine Blauelſter, ein Bootſchwanz und Habicht. In den verſchiedenſten Staaten ſind Geſetze zu ſeiner Vernichtung erlaſſen und mit Strychnin, Nux vomica, Sublimat, Arſenik, Pariſer Grün u. dergl. wird ihm jetzt nachgeſtellt. D. Ueber die Geſchwindigkeit der Vrieftauben auf großen Strecken ſind von Belgien aus intereſſante Ver- ſuche angeſtellt worden, über welche die Zeitſchrift „Ciel et terre“ berichtet. Es wurden zu Calni auf Corſica 649 Tauben aufgelaſſen, am 30. Juli 1883, morgens 4 Uhr 30 Min., bei ruhigem Wetter und leichtem Weſt— winde. Die von den Tieren zu durchmeſſende Entfernung betrug in gerader Linie 900 km, wovon 150 auf das Mittelländiſche Meer zu rechnen ſind. Die Tauben nahmen Humboldt 1890. 209 zunächſt ihren Weg auf Monaco zu, dann gegen einen Punkt im mittleren Frankreich. Während des Tages wurde der Wind ſtärker und wehte lebhaft aus Nordweſt. Die erſte Taube kam am folgenden Tage nachmittags 3 Uhr 16 Min. in Verviers an; ihre Flugzeit wird auf 27 Stdn. geſchätzt. Die mittlere Geſchwindigkeit war alſo 555 m in der Minute oder 9 m in der Sekunde. In Anbetracht des langen Weges iſt dies erheblich, allein bei kürzeren Flugzeiten von 5 bis 10 Stdn. ſind Geſchwindigkeiten von mehr als 1000 m in der Minute nicht ſelten. Bei Ver- ſuchen, die am 24. Juni 1888 zwiſchen Perigueux und Paris veranſtaltet worden, hatten die erſten zehn Tauben Geſchwindigkeiten von über 1100 m aufzuweiſen. Am 30. Septbr. des nämlichen Jahres wurden zwiſchen Lille und Paris bei regneriſchem Wetter 1260 m in der Minute erreicht. Der Einfluß des Windes auf dieſe Geſchwindig— keit der Tauben iſt erheblich. Bei ruhigem Wetter und kurzen Entfernungen kann als normale Schnelligkeit 1100 m angenommen werden; erhebt ſich mäßiger Wind aus be— günſtigender Richtung, ſo ſteigt die Geſchwindigkeit auf 1400 m; bei etwas ſtürmiſchem Wind aus der Richtung, welche den Flug der Taube unterſtützt, kann die Geſchwin— digkeit auf 1800 m ſteigen. Weht dagegen der Wind aus ungünſtiger Richtung, ſo vermindert ſich die Schnelligkeit auf 850 m und ſelbſt bis auf 600 m. Im allgemeinen kann man annehmen, daß der Wind mit der Hälfte ſeiner Geſchwindigkeit je nach der Richtung begünſtigend oder verzögernd auf den Flug der Tauben einwirkt. Bei ſchönem Wetter und öſtlichen bis ſüdlichen Winden hält die Brief— taube ſich gewöhnlich in einer Höhe von 120 bis 150 m, bei nördlichen bis weſtlichen Winden in der Höhe von 100 bis 130 m. Wenn es regnet, während der Wind aus Norden bis Oſten weht, hält ſich die Taube nahe am Boden, bei ſüdlichen bis weſtlichen Winden fliegt ſie da— gegen in Höhen von 100 bis 130 m. Bei ruhigem Wetter und klarem Himmel ſteigt die Taube meiſt höher, und zwar bis zu 250 oder ſelbſt 300 m. D. Die kleine Zehe (des Menſchen) betitelt ſich eine anatomiſche Studie von W. Pfitzner. Jedermann weiß, daß Daumen und Großzehe zweigliedrig ſind, die übrigen Finger und Zehen des Menſchen aber dreigliedrig; doch lehrt die Unterſuchung menſchlicher Fußſkelette, daß die kleine Zehe nicht ſelten zweigliedrig iſt, indem Mittel— und Endphalange derſelben durch eine deutliche Synoſtoſe verſchmolzen ſind, ſo daß ſich die Grenzen der beiden Glieder noch gut unterſcheiden laſſen. Dieſe Varietät kommt etwa in 36% der Fälle vor und betrifft in der Regel beide Füße gleichzeitig; in Bezug auf das Geſchlecht überwiegen die Frauen (41,5% ) gegenüber den Männern (31,0 %). Man denkt natürlich zuerſt an den Schuhdruck, der die ſekundäre Verwachſung der urſprünglich getrennten Zehenglieder veranlaßt hat, doch ſpricht dagegen, daß bei Kindern (von der Geburt bis zum ſiebenten Lebensjahre) und bei Embryonen (vom fünften Monat aufwärts) die Verwachſung etwa gleich häufig wie bei Erwachſenen vor⸗ kommt, ferner, daß das Material, welches auf den Secier— ſälen zur Unterſuchung kommt, nicht aus Geſellſchafts— kreiſen ſtammt, die normal enge Schuhe tragen. Aus dieſen Verhältniſſen ſchließt nun Pfitzner, daß die kleine Zehe des Menſchen im Begriff fteht, rückgebildet zu werden und zwar ohne daß man Anpaſſung an mechaniſch wirkende, äußere Einflüſſe nachweiſen kann. Dementſprechend ſpielen ſich auch Reduktionsvorgänge an der zugehörigen Muskulatur ab. Der ganze Vorgang iſt deshalb ſo intereſſant, weil wir ihn in ſeinen Anfängen noch vor uns haben und doch mit Sicherheit den Aus— gang abſehen können, die ſchließliche Zweigliedrigkeit der kleinen Zehe — doch frägt es ſich, wird damit die ein- geſchlagene Entwicklungsrichtung beendet ſein oder iſt ſie nur der erſte Akt zur gänzlichen Rückbildung der fünften Zehe? Der Autor neigt zur Bejahung der letzteren Frage, weiſt übrigens mehrfach auf die Lücken in den Beweis— mitteln für ſeine Anſchauung hin und wünſcht Ausdehnung ſeiner Unterſuchungen auf Völker, die gar nicht oder erſt 27 210 feit kurzer Zeit Schuhzeug oder Sandalen oder dergleichen tragen. Auch am Lebenden läßt ſich mit Zuverläſſigkeit beſtimmen, ob Zwei⸗ oder Dreigliedrigkeit der kleinen Zehe vorliegt, wenn man das Verhalten derſelben bei Gerade⸗ ſtreckung und bei foreierter paſſiver Beugung vergleicht; es ermöglicht dieſer Umſtand, die Prüfung an genügend zahl⸗ reichem Material vorzunehmen und damit zu konſtatieren, ob ſich prozentiſche Unterſchiede im Vorkommen der alten oder neuen Form bei verſchiedenen Völkern konſtatieren laſſen; die Möglichkeit der Unterſuchung am Lebenden geſtattet auch, Unterſuchungen über die Vererbung anatomiſcher Charaktere anzuſtellen, da man Mitglieder mehrerer Ge⸗ nerationen unterſuchen kann — der Gegenſtand iſt in der That weit ausgiebiger als die ſo vielfach behandelte Hyper⸗ daktylie und andere ähnliche Bildungsanomalien. Anilinfarbſtoffe als antiſeptiſche Mittel. Den Botanikern war es eine bekannte Thatſache, daß Bakterien und Bacillen jeder Art das Anilin wie ein Schwamm auf⸗ ſaugen und von ihm getötet werden. Durch Verſuche, die Stilling mit Wortmann ausgeführt hat, iſt dieſe Thatſache noch einmal feſtgeſtellt worden. Es zeigte ſich, daß Me⸗ thylviolett, mit dieſem Namen bezeichnet Stilling der Kürze halber die ganze Gruppe der violett färbenden Anilinſtoffe, bereits in einer Konzentration von 1 auf 80 000 die Ent⸗ wicklung der Fäulnisbakterien hemmt, und daß in Löſungen von 1 auf 2000 bis 1 auf 1000 Fäulnis nicht aufkommen kann. Sollte nun das, was auf den von den Botanikern zum Studium der Mikroorganismen erzeugten Kulturen ſo leicht zu bewerkſtelligen iſt, nicht auch am lebenden Menſchen und menſchlichen Organismus möglich ſein? Der Gedanke lag nahe, und doch war jedermann an dem⸗ ſelben vorbeigegangen, bis Stilling ihn erfaßte und durch eine Reihe von Verſuchen die Richtigkeit desſelben darthat. Die Diffuſionsthätigkeit und die Unſchädlichkeit des in nicht zu großen Mengen dem lebenden Organismus zugeführten arſenfreien Methylvioletts wurde zunächſt am Kaninchen und Meerſchweinchen erprobt. Dann wurden ſolchen Tieren ſchwere Augenkrankheiten beigebracht und dieſe Krankheiten mit Anilinlöſung behandelt; das Ergebnis war ein glän⸗ zendes, der Krankheitsprozeß war ſozuſagen mit einem Schlage „kupiert“. Damit war die therapeutiſche Wir⸗ kung nachgewieſen und das Mittel konnte nun auch auf Menſchen erprobt werden. Auch hier waren die Ergeb⸗ niſſe über alles Erwarten günſtig. Ein Hornhautgeſchwür bei einem ſkrophulöſen Kinde, welches einen Monat lang mit gewöhnlichen antiſeptiſchen Mitteln ohne weſentlichen Erfolg behandelt worden war, heilte von einem Tage zum anderen nach Einträufelung einiger Tropfen einer Methyl⸗ violettlöſung. Aehnliches beobachtete Stilling bei einer Reihe anderer ſchwerer Augenkrankheiten. Alsbald zeigte ſich auch bei chirurgiſchen Fällen, daß der Anwendung des Anilins noch ein weit größeres und dankbareres Gebiet offen ſteht als das kleine Feld der Augenheilkunde. Nagel⸗ bettentzündungen, Panoritien, Brandwunden wurden mit gleichem Erfolge behandelt. Ueberhaupt wurde der Be⸗ weis geliefert, daß eiternde Wunden und Geſchwüre, die man mit Anilin behandelt, für den Fall das Mittel nur auch überall hingebracht wird, wo Eiterung iſt, zu ſterili⸗ ſieren ſind. Nach ſolchen Erfolgen iſt es wohl nicht zu bezweifeln, daß die Anilinfarbſtoffe ſich für antiſeptiſche Verſuche in der chirurgiſchen und geburtshilflichen Praxis, falls ſich keine beſonderen Uebelſtände dabei herausſtellen, vortrefflich eignen müſſen. Nahe liegt es auch, die anti⸗ ſeptiſchen Aniline bei Hautkrankheiten zu verwenden. Es iſt ferner denkbar, daß auch noch weitergehende Anwen⸗ dungen, wie bei eitriger Pleuritis und Peritonitis, oder bei Darmgeſchwüren nicht ganz außerhalb des Bereiches der Möglichkeit liegen. 1D). Die von der anthropologiſchen Kommiſſion des Alter⸗ tumsvereins in Karlsruhe ſeit einigen Jahren bei der Rekrutenmuſterung vorgenommenen anthropologiſchen Meſſungen haben — fo ſchreibt man uns — ſchon in dieſer kurzen Zeit den hohen Wert einer wiſſenſchaftlichen Ausnutzung der ſich hier günſtig bietenden Gelegenheit Humboldt. — Juni 1890. zur Raſſen⸗ und Typenunterſuchung im großen Maßſtabe zur Genüge erwieſen; denn ſie haben eine Fülle wert⸗ vollen ſtatiſtiſchen Materials erbracht, das geeignet iſt, eine ſichere Grundlage für die Beurteilung bedeutungs⸗ voller Fragen auf dem Gebiete der Anthropologie zu ge- währen. Es iſt deshalb ſehr erfreulich, daß derartige Er⸗ hebungen nunmehr in größerem Umfange ſtattfinden ſollen, wozu durch die auf der jüngſten gemeinſchaftlichen Ver⸗ ſammlung der Deutſchen und Wiener anthropologiſchen Geſellſchaft erzielte Verſtändigung über ein gemeinſames Meßverfahren bei den Rekruten der erſte Schritt gethan wurde; die in Wien vereinbarten Maße ſind abgeſehen von der Körperlänge, die militäriſch gemeſſen wird, folgende: 1. die größte Länge, 2. die größte Breite, 3. die Ohr⸗ höhe des Kopfes, 4. die Klafterweite der Arme, 5. die Sitzhöhe, 6. die Höhe des ſiebenten Halswirbels vom Boden oder der Sitzebene, 7. die Armlänge bei gerade herabhängenden Armen bis zur Spitze des Mittelfingers mit ſteifem Maßſtab, 8. die Schulterbreite zwiſchen beiden Schulterhöckern, 9. der Bruſtumfang über den Bruſtwarzen nach militäriſcher Methode (der Bruſtumfang wird bisher in Oeſterreich bei Rekruten nicht gemeſſen), 10. die untere Geſichtslänge von der Naſenwurzel bis zum Kinn, 11. die Jochbogenbreite, 12. die Naſenhöhe von der Naſenwurzel bis zur Naſenſcheidewand. In München hat ſich nun un⸗ längſt auf Anregung des Vorſitzenden der dortigen anthro⸗ pologiſchen Geſellſchaft, Prof. Dr. J. Ranke, eine aus mehreren Militärärzten beſtehende Kommiſſion gebildet zu dem Zwecke, die gedachten Meſſungen bei den Rekruten⸗ aushebungen in Bayern zunächſt probeweiſe in einem Aus⸗ hebungsbezirk zur Ausführung zu bringen. Hoffentlich wird dieſes Beiſpiel auch bald in Norddeutſchland Nach⸗ ahmung finden. D. Die Sfeinkamimergraber der Altmark. Auf Ver⸗ anlaſſung des Kultusminiſters Dr. von Goßler hat eine Bereiſung der der Steinzeit angehörenden großartigen megalithiſchen Grabdenkmäler, der ſogen. „Steinkammer⸗ gräber“, „Hünenbetten“ oder „Rieſenbetten“, der Altmark durch den Konſervator des königlichen Muſeums für Völkerkunde ſtattgefunden. Die Altmark war früher außer⸗ ordentlich reich an derartigen Denkmälern aus der Vor⸗ zeit und würde, wenn ſie alle erhalten geblieben wären, in ihnen einen außerordentlichen Anziehungspunkt für große Kreiſe beſitzen. Leider hat die regere Bauthätigkeit, namentlich die vielen Chauſſeebauten in der Mitte unſeres Jahrhunderts mit den alten Ueberlieferungen in ſehr fühlbarer Weiſe aufgeräumt. Die Steinkammergräber beſtehen aus einer Kammer, die, bis zu 11 m und darüber lang, aus aufrecht geſtellten Steinblöcken hergeſtellt iſt; über dieſe ſind ein oder meh⸗ rere meiſt rieſengroße, bis 5 m lange, unten flache Steine als Deckplatten gelegt. Dieſe Steinkammern, in denen die Leichname beigeſetzt wurden, ſind öfters von einem „Steinring“ oder einer „Steinmauer“ umgeben, einer Umzäunung aus im Rechteck oder ovaler Anordnung der⸗ artig aufgeſtellten Steinblöcken, daß die Steinkammer ge⸗ wöhnlich nahe dem einen Ende der Umzäunung liegt. Der ehemalige Rektor Danneil in Salzwedel hat an⸗ fangs des fünften Jahrzehnts unſeres Jahrhunderts ein Verzeichnis der damals in der Altmark vorhandenen der⸗ artigen Denkmäler aufgenommen, welches er in dem VI. Bericht des altmärkiſchen Vereins für Geſchichte und Induſtrie 1843 veröffentlichte. Dieſes Verzeichnis, das in den drei Kreiſen Stendal, Oſterburg und Salzwedel 143 ſolcher Grabmäler aufführt, wurde der neuen Auf⸗ nahme zu Grunde gelegt. Die Arbeiten, welche alle An⸗ gaben Danneils kontrollierend, auch die photographiſche Aufnahme, ſowie die Aufnahme der Grundriſſe in ſich ſchloſſen, haben ergeben, daß in den letzten Jahren außer⸗ ordentlich vieles zerſtört iſt, was bis dahin dem Lauf von drei bis vier Jahrtauſenden getrotzt hatte. Die Separa⸗ tion hat in dieſem Falle recht unheilvoll gewirkt; indeſſen ſind durch die die Separation leitende Generalkommiſſion teils durch Ankauf für den Staat, teils als durch „Aus⸗ Humboldt. — Juni 1890. ſeparierung“, d. h. durch Vorbehaltung als Gemeinde— eigentum viele dieſer Bauten für alle Zeiten vor der Zer— ſtörung bewahrt worden. Beſonders hervorzuheben ijt auch die große Pietät einiger Adelsgeſchlechter, welche die auf ihren Gründen liegenden Steinkammergräber durch ent— ſprechende Anlagen, Umzäunungen, Parkanlagen und In— ſchrifttafeln ſie als geweihte Stätten bezeichneten und ſie ſo vor Zerſtörung ſchützten. Von den durch Danneil aufgenommenen 143 Gräbern lagen 13 im Kreiſe Stendal, 14 im Kreiſe Oſterburg, 116 im Kreiſe Salzwedel; hiervon ſind jetzt noch erhalten: 3 im Stendalſchen, 3 im Oſterburgſchen, 32 im Salz— wedelſchen. Von beſonders guter Erhaltung ſind die 211 Gräber von Steinfeld und Bühlitz bei Stendal, welche leicht auf einem eintägigen Ausflug von Berlin zu er— reichen ſind; ferner das Grab im „Steinbuſch“ von Pri— mern bei Oſterburg, namentlich aber eine Reihe von Grä— bern im Salzwedelſchen, ſo vor allen die Gräber von Stöckheim, mit 15 Fuß langem Deckſtein, und im Nieps — hier ein über 120 Fuß langes —, dann diejenigen von Molacke, Mehncke, Drebenſtedt, Schadewohl und im Wötz. Zu den oben angeführten 38 noch vorhandenen Gräbern aus Danneils Verzeichnis wurden noch vier bisd- her in weiteren Kreiſen nicht . feſtgeſtellt, und zwar bei Kläden, Friedrichshof, Lüge und Diesdorf, ſowie einige Reſte in der Wolfsburger Forſt. D. LKaturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen ete. Ueber die Vermeſſungen am Ahonegletſcher hat der Ingenieur Held in der Sektion Bern des Schweizeriſchen Alpenvereins einen Vortrag gehalten, aus dem hervorgeht, daß man in den Kreiſen des Alpenklubs für Fortſetzung der Vermeſſungen weitere Opfer bringen will. Die Ver— meſſung des Rhonegletſchers wurde nach einheitlichem Plan und großen Geſichtspunkten im Jahr 1874 vom eidge— nöſſiſchen Alpenklub unternommen und ſtand bis 1880 unter Leitung von Ph. Goſſet, ſeither unter der Leitung von Held und Roſenmund. Das überreiche, in dieſer langen Reihe von Jahren geſammelte Material' ſoll in einer be⸗ ſonderen Denkſchrift niedergelegt und vom Schweizeriſchen Alpenklub veröffentlicht werden. Der Schweizeriſche Alpen⸗ klub hat mit ſeinen Gletſcherbeobachtungen eine Periode des Eisrückganges getroffen, die mit dem Jahr 1888 ihren Abſchluß erreicht hat. Seit 1889 iſt unverkennbar ein Wachſen des Gletſchers eingetreten. D. Lord Reay, der Gouverneur von Bombay, legte zu Poona kürzlich den Grundſtein zu einem baßteorologiſchen Taboratorium, welches mit dem College of Science jener Stadt verbunden werden ſoll. Ein Votaniſcher Schulgarten iſt, wie die „Garten— flora“ meldet, vom Magiſtrat in Breslau eingerichtet worden zu dem Zweck, durch regelmäßige Lieferung von Lehrpflanzen die Schulen mit dem erforderlichen Anſchau— ungsmaterial zu verſorgen, auch den Fachlehrern Gelegen— heit zu geben, mit den Schülern an Ort und Stelle Beobach— tungen anzuſtellen. Die Koſten der erſten Einrichtung betrugen 6000 Mark. Auch Privatſchulen erhalten gegen einen Jahresbeitrag Pflanzen geliefert ſowie die Erlaubnis zum klaſſenweiſen Beſuch des Gartens. aN Ein Votaniſcher Garten iſt in Saint Louis (Mij- ſouri) gegründet worden. Henry Shew, ein großer Na— turfreund und Liebhaber der Botanik, welcher der Stadt Saint Louis bereits einen öffentlichen Park geſchenkt hat, den er auf ſeine Koſten unterhalten ließ, hat ſein ganzes, auf 12 Millionen Mark ſich belaufendes Vermögen der Stadt zur Begründung eines Botaniſchen Gartens geſchenkt, welcher nächſt dem Garten von Kew die größte Dotation aller Botaniſchen Gärten der Erde beſitzt. Zum Leiter desſelben wurde Profeſſor William Treleaſe ernannt. Sechs Freiſtellen ſind für junge Leute geſtiftet worden, welche ſich der botaniſchen Gärtnerei widmen wollen. D. Ein Votaniſches Inſtitut. Thomas Hanbury, der Bruder des bekannten verſtorbenen Pharmakologen Daniel Hanbury, Beſitzer eines der reichſten und wichtigſten Accli⸗ matiſationsgärten in Mortola, zwiſchen Mentone und Ven— timiglia, hat ſich erboten, im Botaniſchen Garten zu Genua ein Gebäude zu errichten, in welchem die Vorleſungsräume, Laboratorien und Sammlungen für Botanik Platz finden werden. Der Plan zu dem Gebäude iſt mit dem Direktor des Botaniſchen Gartens, Profeſſor Penzig, vereinbart worden. Das Gebäude ſoll 1892 bei Gelegenheit des inter— nationalen Botaniſchen Kongreſſes eröffnet werden. D. Die däniſche, im Intereſſe der Fiſcherei neuerrichtete ſchwimmende zoologiſche Anterſuchungsſtation ijt kürz⸗ lich von Kopenhagen nach ihrem erſten Platz im Iſefjord an der nordſeeländiſchen Küſte verlegt worden. Die Station ſteht unter dem Miniſterium des Innern und wird von dem früheren Fiſchereikontrolleur Dr. Peterſen geleitet. In der Mitte des Schiffes, eines ehemaligen Marine- transportfahrzeuges, befindet ſich das große, helle Arbeits— zimmer, in welchem mehrere Brutapparate norwegiſcher und amerikaniſcher Konſtruktion zur gleichzeitigen Aus— brütung von einigen Millionen Dorſcheiern eingerichtet find. Ferner ſind hier mehrere Aquarien, in denen die Fiſchbrut auch während der Nacht mit Hilfe elektriſcher Glühlampen beobachtet werden kann. Eine beſondere Ein— richtung iſt zur Aufnahme von größeren Fiſchen beſtimmt. Außer für den Chef und ſeinen Aſſiſtenten iſt die Station noch für einen Dozenten und fünf Studierende der Zoo— logie eingerichtet. 10) Vreisaufgaben. Die Königliche mediziniſche und naturwiſſenſchaft⸗ liche Geſellſchaft zu Brüſſel ſetzt eine goldene Medaille im Werte von 200 Frank für die beſte Arbeit über den Einfluß der Temperatur auf Fortſchritt, Dauer und Häu⸗ figteit der Karyokineſis an einem Beiſpiel aus der Pflan— zenwelt aus. Die Arbeit muß in franzöſiſcher Sprache geſchrieben und bis zum 1. Juli an Dr. Stiénon, 5 Rue du Luxembourg, Bruxelles, eingeſandt werden. 2. Die Yhyſilal iſch⸗ dökkonomiſche Gefell{daft zu Königs- berg i. Pr. wünſcht eine möglichſt umfaſſende theo— retiſche Verwertung der Königsberger Bodentemperatur- beobachtungen (Schrft. d. Phyſ.⸗ökon. Geſellſch. Jahrg. 13, 15—18, 20, 23, 27—30) für die Erkenntnis der Wärme⸗ bewegungen in der Erde und ihrer Urſachen und weiſt beſonders auf die von O. Frölich in ſeiner Diſſertation (Ueber den Einfluß der Abſorption der Sonnenwärme in der Atmoſphäre auf die Temperatur der Erde, Königs— berg, 16. Juni 1868) gegebenen Vorarbeiten hin. Für die beſte Löſung der Aufgabe wird ein Preis von 300 Mark ausgeſetzt. Die Arbeiten ſind bis zum 1. Februar 1891 mit Motto und verſiegeltem Namen an die Phyſik.⸗ökon. Geſellſchaft zu Königsberg i. Pr. einzuſenden. Die Wahl der Sprache bleibt dem Verfaſſer überlaſſen. Die Ge— ſellſchaft gibt auf Anfrage bereitwilligſt Auskunft über die örtlichen Verhältniſſe der Erdthermometer. 155 212 Humboldt. — Juni 1890. Biographien und Pperſonalnotizen. Profeſſor W. Branco in Königsberg iſt als Nachfolger Quenſtedts zum Profeſſor der Geologie und Minera⸗ logie und zum Vorſteher der geologiſch⸗geognoſtiſchen Sammlungen in Tübingen ernannt worden. Profeſſor Dr. Möhlau an der Techniſchen Hochſchule in Dresden iſt zum Profeſſor der Chemie für Textil⸗ induſtrie, Farbenchemie und Färbereitechnik ernannt worden. Profeſſor Dr. von Richter in Breslau wurde zu Direktor des Chemiſch⸗techniſchen Inſtituts daſelbſt ernannt. Dr. Karl Paal, erſter Aſſiſtent am chemiſchen Inſtitut in Erlangen, hat ſich daſelbſt als Privatdozent habi⸗ litiert. Die Verwaltung des Botaniſchen Gartens in Hamburg ſoll bis auf weiteres unter Leitung des jetzigen In⸗ ſpektors durch einige Mitglieder der Oberſchulbehörde unter Vorſitz des Senators Dr. Stammann und unter Hinzuziehung von Profeſſor Sadebeck und Dr. Dilling fortgeführt werden. Die Akademie der Wiſſenſchaften in Berlin hat in ihrer Sitzung vom 10. April zu Forſchungen bewilligt: 2000 Mark dem Privatdozenten Dr. Will⸗Roſtock zu einer Reiſe nach den Balearen und Algier, um die Entwicklung der Geckonen und verwandter Formen zu verfolgen; 500 Mark dem Direktor Profeſſor Dr. Harzer in Gotha zur Bezahlung von Hilfsarbeitern bei der Be⸗ rechnung einer von der herzoglichen Sternwarte an⸗ geſtellten Beobachtungsreihe; 2000 Mark Dr. von Rebeur-Poſchwitz, gegenwärtig in Teneriffa, zur Fortſetzung ſeiner Verſuche über Schwankungen der Lotlinie in Wilhelmshafen und auf Teneriffa; end⸗ lich 3600 Mark Herrn O. Jeſſe in Steglitz bei Berlin zur fortgeſetzten Beobachtung und zum Photo⸗ graphieren der leuchtenden Nachtwolken von verſchie⸗ denen Standorten aus. Dr. Schnitzer, Emin Paſcha, erhielt von der Geo⸗ graphiſchen Geſellſchaft in London die goldene Me⸗ daille und von der ſchwediſchen Geſellſchaft für An⸗ thropologie und Geographie die Vegamedaille. Dr. Zehenden aus Zürich habilitierte ſich als Privat⸗ dozent für Phyſik an der Univerſität Baſel. Dr. Biondi in Pavia wurde zum Profeſſor der Anatomie ernannt. Profeſſor Ed. Prillieux erhielt von der Académie des sciences zu Paris den Preis Vaillant für ſeine Ar⸗ beit über die Getreidekrankheiten. V. Fayod, bisher in Neroi bei Genua, iſt zum Aſſiſtenten am Bakteriologiſchen Laboratorium der Mediziniſchen Fakultät in Paris ernannt worden. Cotenlifte. Schrenk, Direktor der deutſchen Akademie zu Hoboken, New Pork, Lehrer der Botanik am College of Phar- macy in New Pork, anerkannte Autorität in allen Fragen, welche die Flora der Vereinigten Staaten berühren, 1842 in Siebenbürgen geboren, ſtarb in Hoboken. Handlirſch, Dr. Adam, bekannter Dipterolog in Wien, ſtarb 2. März, 27 Jahre alt. Demeter, Profeſſor Dr. Karl von, ungariſcher Bo⸗ taniker, beſonders verdient um die Mooskunde, ſtarb zu Maros⸗Vaſarhely 12. März. Montigny, Profeſſor Charles, Phyſiker und Aſtro⸗ nom, bekannt durch ſeine Arbeiten über die Seintilla⸗ tion der Sterne, ſtarb zu Brüſſel (Schaerbeek) 17. März, 71 Jahre alt. Liſt, Joſeph Heinrich, Privatdozent der Zoologie in Graz, ſtarb daſelbſt 23. März. Dr. P. de Boer, Profeſſor der Botanik an der Univer⸗ ſität Groningen, ſtarb daſelbſt im 49. Lebensjahr. Hebert, Edmond, ſeit 1857 Profeſſor der Geologie an der Sorbonne in Paris, ſtarb daſelbſt 5. April, 78 Jahre alt. Schwarzenbach, Valentin, Profeſſor der Chemie in Bern, bekannt durch ſeine Arbeiten über Ozon, Alkaloide und Eiweißkörper, ſtarb daſelbſt 12. April, 60 Jahre alt. Grebe, Dr. K. Friedr. Auguſt, Großherzogl. ſächſiſcher Oberlandforſtmeiſter, Direktor der Forſtakademie in Eiſenach, ausgezeichneter forſtwiſſenſchaftlicher Schrift⸗ ſteller, ſtarb in Eiſenach 12. April. Küchenmeiſter, Friedrich, Arzt in Dresden, ſtarb daſelbſt 13. April. Er war 22. Januar 1821 in Buchheim bei Lauſigk geboren, war Arzt in Zittau und ſiedelte vor etwa 30 Jahren nach Dresden über. K. galt als eine der erſten Autoritäten auf dem Ge⸗ biete der Helminthologie, trug viel zur Kenntnis der Naturgeſchichte des Bandwurms bei, beteiligte ſich lebhaft an der Forſchung über die Trichinen, führte den Perubalſam als Mittel gegen die Krätze und das Kalkwaſſer zur Bekämpfung der Diphtheritis ein; er agitierte unausgeſetzt für die Feuerbeſtattung und ge⸗ hörte zu den Hauptbegründern des Krematoriums in Gotha. Sein Hauptwerk iſt das Lehrbuch über die im und am Körper des lebenden Menſchen vorkom⸗ menden Paraſiten (2. Aufl. mit Zürn 1878 — 81). Soret, Louis, Profeſſor der Phyſik in Genf, ſtarb da⸗ ſelbſt 13. Mai im Alter von 63 Jahren. Nasmyth, James, Ingenieur, der Erfinder des Dampf⸗ hammers und der Dampframme, auch ſonſt um die Technik ſehr verdient, ſtarb kürzlich in London. Er war geboren 1808, baute in ſpäteren Jahren Teleſkope, ſchrieb mit Charpenter eine Monographie über den Mond (1876), die auch ins Deutſche überſetzt wurde. Stoczek, Joſeph, Profeſſor der Phyſik in Budapeſt, früher Direktor und erſter gewählter Rektor der dortigen Polytechniſchen Schule, ſtarb daſelbſt im Alter von 71 Jahren. Sullivan, Dr. William Kirby, Chemiker, ſeit 20 Jah⸗ ren Präſident des Queens College in Cork, ſtarb im Alter von 68 Jahren. Litterariſche Rundſchau. Winſtelmann, Handbuch der Phyſik. Breslau, Eduard Trewendt. 1889. Lief. 1—4 a 3,6 Mark. Die große Eneyklopädie der Naturwiſſenſchaften, in welcher bereits Handbücher der Botanik und Mathematik, ſowie Handwörterbücher der Zoologie (mit Anthropologie und Ethnologie), Mineralogie, Geologie und Paläontologie, Erſcheinen begriffen ſind, erhält in dem vor kurzem be⸗ gonnenen Handbuch der Phyſik eine wertvolle Fortſetzung. Dies neue Werk ſoll etwa 15 Lieferungen umfaſſen. Man hat die lexikologiſche Anordnung des Stoffes aufgegeben, weil es dem Herausgeber ſchien, als werden dadurch un⸗ mittelbar miteinander verwandte Erſcheinungen ausein⸗ andergeriſſen, und hat eine dem Inhalt der betrachteten der Pharmakognoſie und der Chemie erſchienen, reſp. im Gegenſtände angepaßte Anordnung vorgezogen. Um das Humboldt. — Juni 1890. 213 Werk möglichſt ſchnell zu fördern, hat ſich der Heraus⸗ geber, Profeſſor Winkelmann, mit einer Anzahl von Fachmännern (Auerbach, Braun, Czapski, Exner, Feußner, Grätz, Kayſer, Melde, Oberbeck, Pernet, Stenger, Waitz) verbunden, von denen jeder ein Kapitel bearbeitet, in welchem er ſelbſtändige Unterſuchungen ausgeführt hat. Hierdurch wird offenbar ein großer Vorteil erreicht, welchem gegenüber die minder ſicher garantierte Gleichartigkeit der Behandlung nicht ſehr ſtark in Betracht kommt. Die vor⸗ liegenden Lieferungen zeugen von einer ſehr gründlichen Bearbeitung, welche eine vollſtändige Orientierung über die betreffenden Themata geſtattet. Das Werk iſt zwar zu⸗ nächſt für den Fachmann beſtimmt, doch wird es der natur— wiſſenſchaftlich gebildete Laie ebenfalls mit Vorteil be- nutzen können, um ſich eine tiefere Einſicht und Kenntnis in den verſchiedenen Gebieten der Phyſik zu verſchaffen. Wir dürfen das Werk als eine der gediegenſten und be— deutendſten Leiſtungen in der neueren phyſikaliſchen Lit- teratur unſeren Leſern beſtens empfehlen. Friedenau. Dammer. J. E. V. Boas, CLehrbuch der Zoologie für Stu⸗ dierende und Lehrer. Jena, G. Fiſcher. 1890. Preis 10 Mark. Die letzten Jahre haben uns eine ganze Reihe treff—⸗ licher Lehrbücher der Zoologie reſp. einzelner Teile dieſer umfaſſenden Disziplin gebracht, ſo das von Hatſchek, Lang, Wiedersheim, Korſchett und Heider ꝛc., die aus demſelben rührigen Verlage hervorgegangen ſind. Ihnen geſellt ſich das vorliegende hinzu von einem Autor, der den Zoologen durch ſeine Unterſuchungen über Gefäßſyſtem der Wirbel⸗ tiere wohl bekannt ijt. Das Boasſche Lehrbuch der Boo- logie iſt eine Neubearbeitung ſeines im Jahre 1888 er- ſchienenen däniſchen Lehrbuches, in welcher bei der Aus— wahl der Beiſpiele und Angabe der Fundorte beſonders auf die Fauna Deutſchlands Bezug genommen worden iſt. Die Diskuſſion zweifelhafter Fragen in einem ſolchen Lehrbuch hält der Autor prinzipiell für unzuläſſig. Das Werk zerfällt in einen allgemeinen und einen ſpeziellen Teil; der erſtere (S. 1—83) enthält neben der Be— ſprechung von Zelle, Gewebe, Organe rc. auch ein Kapitel Biologie, wofür wir dem Autor beſonders dankbar ſind; dagegen hätten wir gern andere Teile dieſes Abſchnitts in etwas größerer Ausdehnung geſehen, fo z. B. die Be— fruchtung, die auf wenigen Zeilen abgehandelt wird. Der ſpezielle Teil umfaßt: Protozoa, Coelenterata mit Spon- giae als Anhang, Echinodermata, Plathelminthes (An⸗ hang Rotatoria), Nemathelminthes, Annelida (Anhang Bryozoa, Brachiopoda), Arthropoda, Mollusca und Ver- tebrata (Anhang Tunicata); Dicyemiden und Arthonek— tiden fehlen. Jeder dieſer Typen wird zuerſt in allge— meiner Weiſe dargeſtellt, worauf dann die Morphologie in den einzelnen Klaſſen event. Ordnungen folgt; bei dieſen gibt der Autor ſtatt des bisher üblichen ſyſtematiſchen Gerippes eine wirkliche Charakteriſtik einzelner ausgewählter Beiſpiele, einzelne Arten oder Gattungen; nur bei den Wirbeltieren iſt der Verfaſſer von dieſem zu billigenden Prinzip abgewichen und ausführlicher geworden, da er die Kenntnis einzelner Vertreter von Familien vorausſetzt. Nach unſeren Erfahrungen wird dies leider nicht durch— weg zutreffen, denn dieſe Vorbildung, die man allerdings vorauszuſetzen berechtigt iſt, iſt ſelten vorhanden, man ſtößt fortwährend auf die unglaublichſten Lücken! Doch hat Boas die ſyſtematiſchen Abſchnitte auch bei den Ver— tebraten mit großer Geſchicklichkeit und richtiger Auswahl des zu Gebenden abgefaßt, ſo daß jeder, der mit Erfolg die allgemeinen Erörterungen ſich angeeignet hat, ſehr wohl imſtande ſein wird, ſich im Syſtem zurechtzufinden. Unter den Abbildungen, bei denen mit Recht alle über— flüſſige Detailmalerei weggelaſſen iſt, begegnen wir vielen Originalen und ſolchen, die trotz ihrer Brauchbarkeit nur ſelten in Lehrbüchern ſich finden. Bei der Durchſicht iſt uns einzelnes als verbeſſerungsfähig aufgefallen, ſo z. B. die Fig. 65 auf S. 132, welche linkerſeits durch den Interradius begrenzt wird, trotzdem aber das radiale Waſſergefäß und den Radialnerv zeigt; Fig. 99 B, S. 159, welche die Saugnäpfe der eingeſtülpten Köpfchen außen (ſtatt innen) und die der ausgeſtülpten innen (ftatt außen) aufweiſt; Fig. 134 iſt auf den Kopf geſtellt. Der Text des empfehlenswerten Buches iſt von Herrn Prof. Spengel in Gießen einer Durchſicht unterzogen worden; die Aus— ſtattung iſt vorzüglich. Prof. Dr. M. Braun. Roſtock. 5. Cleſſin, Die Molluskenfauna Heſterreich⸗ Angarns und der Schweiz. Nürnberg, 1890. Preis 15 Mark. Wir beſitzen von demſelben Verfaſſer die treffliche „Deutſche Exkurſionsmolluskenfauna“, als deren Fortſetzung das vorliegende Werk zu betrachten iſt. Es umfaßt die Schweiz und ganz Oeſterreich-Ungarn, mit Ausnahme der ſüdlichſten Provinzen Oeſterreichs, d. h. der Küſtenlande, Südkroatiens und Dalmatiens, die in ihrer Fauna dem mediterranen Gebiet angehören und, wie der Autor verſpricht, in einem beſonderen Werkchen abgehandelt werden ſollen. Die ganze Anordnung und die Darſtel— lung ſchließt ſich eng an die deutſche Exkurſionsmollusken⸗ fauna an, und da dieſes Werk recht verbreitet iſt — es hat bereits die zweite Auflage hinter ſich —, ſo iſt es nur zu billigen, wenn Arten, die über beide Gebiete ſich erſtrecken und in dem erſten bereits abgehandelt ſind, hier nur kurz, d. h. nur in ihrer geographiſchen Verbreitung und etwaigen eigentümlichen Varietäten aufgeführt werden, während die Speziesbeſchreibung dann im erſten Teile ſteht. Aus dem ganzen Gebiet ſind 466 Arten bekannt, zu denen noch die eigentümlichen 23 Tiefenformen der Seen kommen, die einen eigenen Abſchnitt erhalten haben. Alle Arten ſind abgebildet und zwar meiſt in drei An⸗ ſichten; auch zahlreiche Varietäten ſind bildlich dargeſtellt, ſo daß in dieſer Hinſicht, da der Autor die Unterſchiede nahe verwandter Arten gewöhnlich noch beſonders her— vorhebt, auch die Abbildungen faſt durchweg als gelungene bezeichnet werden können, die Beſchäftigung mit der Weich⸗ tierkunde auch dem Anfänger erleichtert wird. Zweifel— los wird Cleſſins Werk den Anſtoß zu einer erneuten Durchforſchung Oeſterreichs geben, wo noch manche viel— verſprechende Gebiete der genaueren Durchmuſterung harren, trotz der Arbeit einer Anzahl trefflicher Lokalforſcher. Roſtock. Prof. Dr. M. Braun. Alfred Jörgenſen, die Mikroorganismen der Gärungsinduſtrie. 2. Auflage. Berlin, Paul Parey. 1890. Preis 5 Mark. Das vorliegende bereits in zweiter, weſentlich vermehrter Auflage erſchienene Buch ſtellt ſich die Aufgabe, denjenigen, der ſich mit den Gärungsorganismen beſchäftigen will, in die Kenntnis und Behandlung derſelben einzuführen. Die in neueſter Zeit durch E. Chr. Hanſens Anregung ge— wonnenen wiſſenſchaftlichen Reſultate auf dem Gebiete der Saccharomyceten, ſowie die wertvolle Verwendung, welche dieſelben bereits in der Praxis gefunden haben, werden zu dem Ende ausführlich dargelegt, ſo daß das Buch dadurch auch für weitere Kreiſe Intereſſe gewinnt. Dazu kommt eine Behandlung der als Feinde des Gä— rungsprozeſſes auftretenden Bakterien und Schimmel— pilze, ſowie eine Darſtellung der wichtigſten Methoden der Forſchung auf dem Gebiete der Mikroorganismen, wobei beſonders die Hefereinkultur, aber auch die allge— meinen bakteriologiſchen Methoden Berückſichtigung finden. Das Buch wird nicht nur ſeinen Zweck gut erfüllen, ſon— dern es gewährt auch durch klare Darſtellung eine an- regende Lektüre, und zwar nicht bloß für den Fachmann. Einige Sprachfehler, die ſtehen geblieben ſind, verzeiht man dem ausländiſchen Verfaſſer gern. Ein reichhaltiges Litteraturverzeichnis und 41 inſtruktive Abbildungen er— höhen die Brauchbarkeit des Buches erheblich. Einige der weſentlichſten Züge aus dem Inhalte werden wir in einem Aufſatze „Ueber Hefereinkultur und deren Bedeutung für die Brauerei“ in Kürze zuſammenfaſſen. Bremen. Dr. Klebahn. 214 A. Bernflein, Naturwiſſenſchaftliche Volkshücher. Wohlfeile Geſamtausgabe der 4. verbeſſerten und vermehrten Auflage. 4. Abdruck in 42 Lieferungen. Berlin, Dümmlers Verlag. 1890. Lieferung 1. Preis 0,3 Mark. Die Verlagsbuchhandlung läßt eine wohlfeile Lieferungs⸗ ausgabe der naturwiſſenſchaftlichen Volksbücher von A. Bern⸗ ſtein erſcheinen, wovon die erſte Lieferung vorliegt. Einige dem Proſpekt beigegebene Urteile der Preſſe (B. Auerbach, A. Dieſterweg, geſt. 1866, R. Prutz, geſt. 1872 und Päda⸗ gogiſches Litteraturblatt) lauten natürlich ſehr günſtig, und es unterliegt ja auch keinem Zweifel, daß dieſe Bücher in ihrer wirklich volkstümlichen Sprache, in der doch die wich⸗ tigſten Lehren der Naturwiſſenſchaften vorgetragen wurden, in der That bildend und aufklärend auf das Volk gewirkt haben. Wenn aber jetzt im Jahre 1890, nachdem faſt 40 Jahre ſeit der Niederſchrift mancher in dieſen Volks⸗ büchern enthaltenen Aufſätze verfloſſen ſind, dieſelben ohne weiteres neu abgedruckt werden, ſo liegt das jedenfalls nicht im Intereſſe der Naturwiſſenſchaft. In den Artikeln „Zur Witterungskunde“ (geſchrieben im Mai 1853) wer⸗ Humboldt. — Juni 1890. den z. B. die Ausdrücke „gebundene und freiwerdende Wärme“ beim Uebergang des Waſſers aus dem flüſſigen in den dampfförmigen Zuſtand und umgekehrt nicht nur immerfort gebraucht, ſondern auch ausdrücklich als wiſſen⸗ ſchaftlich bezeichnet. In einem (auch im Mai 1853 ge⸗ ſchriebenen) Artikel wird die Beſtäubung der Blüte der Oſterluzei noch ſo dargeſtellt, als ob die armen Inſekten, die in dieſe Art Mauſefalle geraten ſeien, in ihrer Todes⸗ angſt durch heftige Bewegungen das Oeffnen der Staub⸗ beutel verurſachten, nun den Blütenſtaub ſofort auch auf die Narbe derſelben Blüte übertrügen und dann in der Blüte eingeſchloſſen tothungern müßten. Es war dem Verfaſſer damals natürlich weder die Fremdbeſtäubung durch Inſekten noch die ungleichzeitige Reifung der ver⸗ ſchiedenen Geſchlechtsorgane einer Blüte, bei der ja eine fruchtbare Selbſtbeſtäubung geradezu zur Unmöglichkeit wird, bekannt. Aber gerade darum, weil dem Verfaſſer damals naturgemäß manches unbekannt war, was heute zum Teil ſchon in der Schule gelernt wird, hätte die Ver⸗ lagsbuchhandlung doch ſich erſt gehörig überlegen ſollen, ob dem Volke auch mit ſolchen einfach aufgewärmten Ge⸗ richten gedient ſein kann. f Dortmund. Dr. H. Frank. Biblio graph Bericht vom Monat April 1800. Allgemeines. Der Naturfreund. Zeitſchrift für populäre Naturkunde und natur⸗ wiſſenſchaftliches Sammelweſen. Zugleich Vereinsblatt des „Vereins deutſcher Naturfreunde“. Schriftleiter C. Schneider. 1. Jährgang. Eſchweiler, Schneider. 5 M. Nowack, H., Der Unterricht in den Realien. Eine methodiſche Anweiſung mit Lehrproben für die verſchiedenen Zweige des realiſtiſchen Unter⸗ richts in der Volksſchule. Breslau, Hirt. 1. Geographie von H. Nowack. 0,75 M. — 3. Pflanzen⸗ u. Tierkunde von J. G. Pauſt U. 5 Steinweller. 1 M. — 4. Phyſik. Chemie u. Mineralogie von J. G. Pauſt. 0,75 M. Oſtwalds Klaſſiker der exakten Wiſſenſchaften Nr. 9—12. Leipzig, Engel⸗ mann. 9. Thermochemiſche Unterſuchungen von G. H. Heß. Hrsg. v. W. Oſtwald. 1,6 M. — 10. Die mathematiſchen Geſetze der in⸗ duktiven elektriſchen Ströme, v. Frz. Neumann. Hrsg. v. C. Neumann. 1,5 M. — 11. Unterredungen u. mathematiſche Demonſtrationen über zwei neue Wiſſenszweige, die Mechanik u. die Fallgeſetze betreffend, v. Galileo Galilei. Arcetri, 6. März 1638. Aus d. Italien. von A. v. Oettingen. 3 M. — 12. Allgemeine Naturgeſchichte u. Theorie des Himmels, oder Verſuch an der Verfaſſung u. dem mechaniſchen Urſprunge des ganzen Weltgebäudes, nach Newtonſchen Grundſätzen abgehandelt v. Immanuel Kant (1755). Hrsg. v. H. Ebert. 1,5 M. Reſultate, wiſſenſchaftliche, der von N. M. Przewalski nach Zentral- aſien unternommenen Reiſen. Soolog. Teil, 2. Bd. Vögel. Bearbeitet v. 5 1. Lief. Petersburg, Eggers & Co.; Leipzig, Voß. 10,5 Vorträge des Vereins zur Verbreitung naturwiſſenſchaftl. Kenntniſſe in Wien. 30. Jahrg.. 1—4. Heft. Inhalt: Ueber die Struktur von Europa, v. Ed. Süß. Ueber die menſchliche Stimme, v. Sigm. Exner. Blattgrün u. Blumenblau, v. H. Moliſch. Ueber Färbung u. Zeich⸗ nung der Tiere, v. E. v. Marenzeller. Wien, Hölzel. 2,4 M. Shyfik. Beetz, Leitfaden der Phyſik. 10. Aufl., Shiprto, Grieben. 6 M. Canter, Ueber elektriſche Meſſungen. Huth, Sammlung naturwiſſenſchaftl. Vorträge, 3. Bd., 4. Heft. Berlin. Friedländer & Sohn. 0,4 M. Föppl, A., Leitfaden u. Fasern für den Unterricht in der angewandten Mechanik. Heft. Leipzig, Teubner. 2 M. Karſten. G. Die i Renate Generalkonferenz für Maß u. Gewicht in Paris 1889. Kiel, Univerſitätsbuchhandlung. 1 M. Laßwitz, Kurd, Geſchichte der Atomiſtik vom eae bis Newton. 2. Bd. Höhepunkt u. 5 der Korpuskulartheorie des 17. Jahrh. Hamburg, Voß. 20 M Lindner, Geo., Theorie der Gasbewegung. Berlin, Simion. 10 M. Mach, E., u. L. Mach, Ueber die 505 der Schallwellen von großer Exkurſion. Wien, Tempsky. 0,5 D . Ueber longitudinale fortſchreitende Wellen i im Glaſe. Daſelbſt. 0,5 Neumann, Steph., Ergebniſſe des phyſikaliſchen Unterrichts. Ein Hilfs⸗ buch, für höhere Mädchenſchulen u. Lehrerinnenſeminare zuſammen⸗ geſtellt. Leipzig, Teubner. 1,20 M. Pochmann, Em., Wärme iſt nicht Kälte und Kälte iſt nicht Wärme, oder eine daraus abgeleitete neue mechaniſche Wärmetheorie für die geſamte organiſche u. unorganiſche Welt. Linz, Fink. 8 bearbeitet v. Henrici. Chemie. Auwers, Die Entwickelung der Stereochemie. Theoretiſche u. experi⸗ mentelle Studien. Heidelberg, Winter. 3,6 M. Bradley, Walter, Ueber Thienylglyoxylſäure. ſalicylaldehyds. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. 1 M. Eyſſenhardt, Frz., Arzneikunſt u. Alchimie im 17. Jahrh. Sammlung gemeinverſtändl. wiſſenſchaftl. Vorträge, Heft 96. Hamburg, Ver⸗ lagsanſtalt. 0,6 M. Franke, E., Die Chemie der Küche, auf Grundlage der allg. Chemie für hohere Mädchenſchulen, ſowie zum Selbſtunterricht mit beſond. Berückſichtigung der 0 n bel pflege dargeſtellt. 5. Aufl. Sanger⸗ hauſen, Franke. 1,75 M. Freſenius, C. Remigius, Chemiſche Analyſe der Soolquelle Bonifgeius in der Badeanſtalt „Soolquelle Bonifacius“. Filiale vom Admi⸗ ralitätsgartenbad zu Berlin. Wiesbaden, Kreidel. 0,8 M. Ginzberg, Jac., Ueber das Verhalten des Pyrrots u einiger ſeiner De⸗ rivate im tieriſchen Organismus. Königsberg, Koch. 0,8 M. ir G. A., Die chemiſche Energie. Berlin, Friedländer & Sohn. Zur Kenntnis des Di⸗ Neumeiſter, R., Ueber eigentümliche Eiweißſubſtanzen in dem Inhalt einer liaise Gallenblaje. Würzburg, Stahel. 0,6 M. Pekrun, Hans, Ueber einige Benzylderivate des Piperidins, Tetrahydro⸗ chinolins u. Pyridins. Dresden, Tübingen, Fues. 1 M. Schenke, Vincent, Ueber die Einwirkung von Schwefelkohlenſtoff auf einige Azoverbindungen u. Hydrazone. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. 1 M. Astronomie. Plaßmann, Joſ., Die neueſten Arbeiten über den Planeten Merkur u. ihre Bedeutung für die Weltkunde. Für das Verſtändnis weiterer Kreiſe dargeſtellt. Freiburg, Herder. 0,5 M. Stern⸗Ephemeriden für das Jahr 1892. Aus dem Berliner Aſtronom Jahrbuch. Berlin, Dümmler. 6 M. Sternkarte, drehbare, des nördl. Sternhimmels. Gr. Ausg., Farben⸗ druck, nebſt kleiner Orientierungskarte. Frankfurt a. M., Deutſche Lehrmittelanſtalt. 15 M. Wi Rud., Handbuch der Aſtronomie, ihrer Geſchichte und Litteratur. 1. Halbband. Zürich, Schultheß. 8 M. Meteorologie. Palis, P., Zur Klimatologie Aachens. Reſultate der 1829—1889 an⸗ geſtellten meteorolog. Beobachtungen. Aachen, Barth. 5 M. Mineralogie, Geologie, Valäontologie. Francke, H. Hugo A., Ueber die mineralogiſche Nomenklatur. Eine ausführl. Erörterung der für die Bildung wiſſenſchaftl. Mineral⸗ namen in Betracht kommenden Grundſätze u. Regeln. Berlin, Fried⸗ länder & Sohn. 4 M. Fuchs, C. W. C., Anleikung zum Beſtimmen der Mineralien. 3. Aufl., neu bearb., verm. u. erweitert v. A. Streng. Gießen, Ricker. 5,2 M. Golliez, H., u. M. Lugeon, Note sur quelques Chéloniens nou- veaux de la mollasse Langhienne de Lausanne. Berlin, Friedländer & Sohn. 12 M. Kaiſer, Paul, Die foſſilen Laubhölzer. I. Nachweiſe u. Beläge. Lei pzig Fock. 1,2 M. Kalb, Geo. Wilh., Die chemiſche Zuſammenſetzung u. Konſtitution des Turmalins. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. 1 M. Kayſer, E., Die Fauna des Hauptquarzits u. der Borger Schiefer des Unterharzes. Abhandlgn. der 15955 geolog. Landesanſtalt. N. F. 1. Heft. Berlin, Schropp. 17 M. Koby, F., Monographie des polppiers jurassiques de la Suisse Berlin, l i & Sohn. 72 M. Naumann, E., u. M. Neumayr, Zur Geologie u. Paläontologie von Japan. Wien, Tempsky. 7 M. Huinboldt, — Juni 1890. veemeté, Adf., Unterſuchungen über die verſteinerungsführenden Diluvial⸗ geſchiebe des norddeutſchen Flachlandes mit beſonderer Berückſichligung der Mark Brandenburg. 1. Stück. Allg. Einleitung nebſt Ueberſicht der älteren balt. Sedimentgebilde. Unterſiluriſche gekrümmte Cephalo⸗ poden. 3. Lief. Berlin, Springer. 20 M. Sandberger, F. v., Ueberſicht der Verſteinerungen der Triasformation Unterfrankens. Würzburg, Stahel. 2 M. Botanik. Fünfſtück, M., Naturgeſchichte des Pflanzenreichs. Großer Pflanzenatlas mit Text für Schule u. Haus. 4. Aufl. 1. Lief. Stuttgart, Süd⸗ deutſches Verlagsinſtitut. 0,5 M. Garde, Aug., Flora von Deutſchland. Zum Gebrauch auf Exkurſionen für Schulen u. beim Selbſtunterricht. 16, neu bearbeitete Auflage. Berlin, Parey. 4 M. Haberlandt, G., Das reizleitende Gewebeſyſtem der Sinnpflanze. Eine anatomiſch⸗phyſiologiſche Unterſuchung. Leipzig, Engelmann. 4 M. Müller, J., Lichenes epiphylli novi. Genf, Baſel, Georg. 2,5 M. Richter, Wilh., Kulturpflanzen u. ihre Bedeutung für das wirtſchaftl. Leben der Völker. Geſchichtl.-geograph. Bilder. Wien, Hartleben. 4 M. Schmidt, Adf., Verzeichnis der in A. S.’s Atlas der Diatomaceenkunde Heft 1—36 abgebildeten Arten und benannten Varietäten nebſt den mitangeführten Synonymen. Leipzig, Reisland. 5 M. Schulz, Aug., Beiträge zur Kenntnis der Beſtäubungseinrichtungen und Geſchlechtsverteilung bei den Pflanzen. II. 2. Bibliotheca botanica. 17. Heft, 2. Hälſte. Kaſſel, Fiſcher. 27 M. Wächter, Chrn., Grundzüge der Pflanzenkunde. Altona, Reher. 0,5 M. Wohlfarth, R., Die Pflanzen des Deutſchen Reichs, Deutſch-Oeſterreichs u. der Schweiz. Nach der analytiſchen Methode zum Gebrauch auf Exkurſionen, in Schulen u. beim Selbſtunterricht. 2. Ausg. Berlin, Nicolai. 6 M. Zoologie. Eisler, Paul, Das Gefäß- u. periphere Nervenſyſtem des Gorilla. Eine vergleichend anatomiſche Unterſuchung. Halle, Tauſch & Große. 20 M. 215 Götte, Alex., Abhandlungen zur Entwickelungsgeſchichte der Tiere. 5. Hft. Entwickelungsgeſchichte des Flußneunauges, Petromyzon fluviatilis. 1. Teil. Hamburg, Voß. 36 M. Grote, A., u. Radcliffe, A. M., North America Lepidoptera. Revised Check List of the North American Noctuidee. Part I. Thya- dirinee-Noctuins. Bremen, Rühle & Schlenker. 4 M. Kölliter, A., Ueber den feineren Bau des Rückenmarks (worläuf. Mittlg.). Würzburg, Stahel. 1 M. Meyer, Herm. v., Die Ortsbewegung der Tiere. Sammlung gemein⸗ 1770 2 5 wiſſenſchaftl. Vorträge Heft 95. Hamburg, Verlagsanſtalt. 1 M. Semper, C., Reiſen im Archipel der Philippinen. 2. Tl. Wiſſenſchaftl. Reſultate. 2. Band, 17. Heft. Malakologiſche Unterſuchungen von Dr. Rud. Bergh: Die Nudibranchien des Sunda-Meeres. Wiesbaden, Kreidel. 28 M. Vogelliebhaber, der. Blätter für Vogelkunde,-Zucht⸗ u. ⸗Pflege, ins⸗ beſondere der Stubenvögel. Red. Carl Wahl. 1. Jahrg. Leipzig, Exped. d. Geflügel⸗-Markt. Halbjährl. 1 M. Ahyſtologie. Abelmann, M., Ueber die Ausnutzung der Nahrungsſtoffe nach Pankreas⸗ exſtirpation mit beſonderer Berückſichtigung der Lehre von der Fett- reſorption. Dorpat, Karow. 1,5 M. Blitſtein, Max, Zur Phyſiologie der Kotbildung. Königsberg, Koch. 0,8 M. Czygan, Ant., Beitrag zur Lehre von den Speichelſteinen. Königsberg, Koch. 0,8 M. Knoll, Phpp., Die Wechſelbeziehungen zwiſchen dem großen und kleinen Kreislauf. Wien, Tempsky. 2,6 M. Derſelbe, Ueber Inkongruenz in der Thätigkeit der beiden Herzhälften. Wien, Tempsky. 3,2 M. Preyer, W., Die Seele des Kindes. Beobachtungen über die geiſtige Entwickelung des Menſchen in den erſten Lebensjahren. 3. verm. Auflage. Leipzig, Grieben. 9 M Starke, Paul, Arbeitsleiſtung u. Wärmeentwickelung bei der verzögerten Muskelzuckung. Leipzig, Hirzel. 6 M Aus der Praxis der Laturwiſſenſchaft. Teuchtende Waſſerſtrahlen. Bekannt ijt der ma- giſche Effekt, den man erzielt, wenn man aus einem großen Gefäße einen ſtarken Waſſerſtrahl im Bogen ſchießen läßt und von hinten durch das Waſſergefäß hindurch ſtarkes Licht in das Innere des Strahles ſendet, das durch totale Reflexion mehrere Meter weit den Strahl durchfährt. Beckmann zeigt nun (O. x. 108, S. 564) daß man das Waſſer auch durch eine Ringöffnung aus— fließen laſſen kann. Man erhält dann ſcheinbar maſſive Waſſerſtrahlen von über 2 em Durchmeſſer, während in Wirklichkeit das Waſſer nur ein Rohr von kaum 3mm Wanddicke bildet. Die Beleuchtung iſt in dieſem effekt— volleren Falle ſogar leichter, denn das Licht braucht nicht durch das Waſſergefäß hindurch zu gehen. F. Künſtliche Erzeugung von Höfen. Die Sonnen- höfe kann man nach Cornu (C. r. 108, S. 429, 1889) künſtlich folgendermaßen darſtellen. Sie entſtehen bekannt⸗ lich in der Luft durch die Lichtbrechung in ſchwebenden kleinen Eiskryſtallen. Cornu nimmt Alaunkryſtalle, die natürlich Höfe von anderer Winkelöffnung geben, als Eis, weil Alaun andere Kryſtallformen beſitzt als Eis; er zeigt Oktaeder, durch Dodekaeder- und Würfelflächen abgeſtumpft. In einem flachen vertikalen, größeren Glastroge erzeugt man eine kalte geſättigte Alaunlöſung und fällt den Alaun durch Zuſatz von etwas Alkohol unter Schütteln in Form feiner Kryſtällchen, welche ſuſpendiert bleiben. Betrachtet man ein Licht durch dieſes Medium, dann erblickt man nacheinander zwei ſehr ſchöne Höfe, deren Winkelöffnung aus den Oktaederflächen und dem Brechungsexponenten des Alauns auch berechnet werden kann. Man kann auch die Kryſtalle aus einer warmen geſättigten Löſung erhalten, wenn man fie unter Schütteln erkalten läßt. Die ſorg⸗ fältig getrockneten Kryſtalle trägt man mit einem Pinſel auf eine Glastafel auf. F. Erſchütterungsfreie Auſſtellung der Wage. Bei genauen Wägungen mit feinen Wagen wäre es nicht nur ſehr zeitraubend, ſondern auch wegen der Reibung der Achſen nicht vollkommen zuverläſſig, zu warten, bis der Zeiger wirklich ruht. Man läßt daher die Wage ſchwingen, notiert aber eine kurze Reihe aufeinanderfolgender Aus— ſchläge und berechnet daraus den Punkt, auf welchem die Wage ſtehen bleiben würde. Dieſe Schwingungen werden nun durch die geringſten Erſchütterungen im Zimmer ſtark geſtört. Marek (Zeitſchr. f. Inſtrumentenkunde 9, S. 178, 1888) empfiehlt nun, die Wage auf einen luftdichten Kaſten zu ſtellen, welcher in einem mit Glycerin gefüllten Troge ſchwimmt und an vier nicht parallelen Ketten hängt, die ihn von der Trogwand freihalten. F. Kriechen der Salze über den Gefäßrand. Sehr ſtörend bei Arbeiten mit Salzlöſungen iſt die Erſcheinung, daß oft das Salz in Form von Ausblühungen an der Gefäßwand empor, über den Rand und außen hinunter— kriecht, weil es in der kapillaren Waſſerhaut des Glaſes weiterdiffundiert und auskryſtalliſiert. Man verhindert dieſes Kriechen, indem man den Rand mit einer Miſchung von 2 Teilen Wachs und 1 Teil Vaſelin beſtreicht. F. Fällung des Zinns durch Eiſen. Zinn wird aus den Löſungen ſeiner Salze durch metalliſches Zink mit größter Leichtigkeit gefällt; vereinzelt findet ſich in der Litteratur auch die Angabe, daß Zinn durch Eiſen gefällt werden könne. Da nun die Ausführbarkeit dieſes Prozeſſes für die Wiedergewinnung von Zinn aus den Weißblech— abfällen von großer Wichtigkeit iſt, ſo hat es nicht an Verſuchen in dieſer Richtung gefehlt, ohne daß es in der Praxis bisher gelungen wäre, Zinn aus ſeinen Löſungen in anorganiſchen Säuren durch Einhängen von Eiſen aus— zufällen. Neuerdings hat B. Schultze die Urſache des Miß⸗ lingens der dahinzielenden Verſuche aufgeklärt und ein techniſches Verfahren zur Ausfällung des Zinns mittels Gijen ausgearbeitet. Die Fällung des Zinns durch Eiſen tritt nämlich nur dann ein, wenn das Zinn in völlig neutraler und nur Oxydulſalz enthaltender Löſung vor⸗ handen iſt. Die geringſten Spuren von überſchüſſiger Säure oder von höheren Oxyden verhindern ſie. Läßt man eine Löſung von Zinn in Schwefelſäure auf eine Miſchung von Eiſenroſt, metalliſchem Zinn und metalliſchem Eiſen (auf ein Gemenge von friſchen, unent⸗ zinnten Weißblechabfällen und von vordem entzinnten, darauf ſtark angeroſteten Eiſenſchnitzeln) einwirken, ſo ſcheidet ſich auf dem Eiſen ein graues Metallpulver aus, 216 welches aus reinem metalliſchem Zinn beſteht. Der Vor⸗ gang iſt der, daß die in der Zinnlöſung noch enthaltene freie Schwefelſäure bis auf die letzten Spuren unter Bil⸗ dung von Eiſenmonoſulfat und Zinnbiſulfat gebunden wird, letzteres aber unter Aufnahme von Zinn vollſtändig in Zinnmonoſulfat übergeht. 1) Fa O3 + Sn S04 + 3H SO, = 2FeSO, + Sn(SO,)o + 3H. 2) Sn(SO,4)o + Sn = 28n804. Nur ſoweit die vorhandene freie Säure (entſprechend Gleichung 1) ausreicht, oxydiert ſich am Roſt das gelöſte Zinnoxydul zu Zinnoxyd. Iſt die Säure zu neutralem Salz gebunden, ſo bewirkt das Eiſenoxyd eine Oxydation des letzteren nicht mehr. Der Zeitpunkt aber, zu dem alles nach Gleichung 1 entſtandene Zinnbiſulfat nach Glei⸗ chung 2 in Zinnmonoſulfat übergegangen iſt, kennzeichnet ſich dadurch, daß von da an auf dem neben dem Roſt und Zinn vorhandenen grauen Eiſen ein allmählich wachſender Niederſchlag von metalliſchem Zinn erſcheint, der teils ein lockeres ſchwammiges Pulver, teils ſchöne metallglänzende Kryſtallſchuppen bildet. Die Fällung des Zinns durch Eiſen erfordert mehrere Tage Zeit, geht alſo im Vergleich zu der durch Zink äußerſt langſam vor ſich. Sie iſt aber eine vollſtändige, denn nach Beendigung der Ausſcheidung gibt Schwefelwaſſerſtoff in der Flüſſigkeit keinen Nieder⸗ ſchlag mehr. Bei dem geſchilderten Prozeß bewirkt das Eiſenoxyd die Abſtumpfung der freien Säure; verſucht man die Zinn⸗ löſung durch Eiſen zu fällen, nachdem man den Säure⸗ überſchuß auf andere Weiſe, z. B. durch Hinzufügen von Soda oder Natronlauge möglichſt genau neutraliſiert hat, ſo erhält man faſt immer ein negatives Reſultat, weil einerſeits der Neutraliſierungspunkt niemals ganz genau getroffen wird, andererſeits die Zinnoxydullöſung ohne ſeparate Reduzierung faſt ſtets Spuren von Zinnoxydſalz enthalten, deren Vorhandenſein die Fällung durch Eiſen verhindern mag. (Ber. 22, S. 974. D. R. P.) Al. Natürliches und Künſtliches Bittermandelöl. Neben dem künſtlichen, aus Benzylchlorid dargeſtellten Bittermandelöl (Benzaldehyd) behauptet das natürliche, d. h. das aus Mandeln und Pfirſichkernen deſtillierte Oel wegen ſeiner größeren Reinheit immer noch ſeinen Rang bei der Herſtellung wohlriechender Oele. Beide Produkte ſind in reinem Zuſtande völlig identiſch, dem künſtlichen Bitter⸗ mandelöl des Handels haftet jedoch infolge ſeiner Herſtel⸗ lung eine geringe Menge gechlorter Produkte an, welche ſeine Reinheit beeinträchtigen. Die Fabrikation von Bitter⸗ mandelöl, welche ſeit der Entdeckung des Malachitgrüns Humboldt. — Juni 1890. oder Bittermandelölgrüns in großem Maßſtabe betrieben wird, geht vom Steinkohlenteertoluol aus. Toluol wird durch Behandlung mit Chlor in der Siedehitze in Benzal⸗ chlorid übergeführt: C6 H; CH3 + CIA = C,H; CHCl, + 2HCl, welches durch Erhitzen mit Alkalien in Benzaldehyd ver⸗ wandelt wird: C6 H; CH Cl, + HzO = CHs CHO + 2 Hl. Bei der Chlorierung des Toluols entſtehen jedoch auch kleine Mengen von chloriertem Benzalchlorid, z. B. CgH,CICHCl, welche dann chlorierten Benzaldehyd liefern. Von dieſen Beimengungen iſt das Produkt ſchwer zu befreien und daher iſt das im Handel vorkommende künſtliche Bittermandelöl ſtets chlorhaltig. Der Chlorgehalt bietet dementſprechend auch einen Anhalt zur Unterſchei⸗ dung des künſtlichen von dem natürlichen Oele, oder um feſtzuſtellen, ob letzterem das für Parfümeriezwecke minder⸗ wertige künſtliche Oel beigemengt iſt. Wie die Firma Schimmel & Co. in Leipzig angibt, kann man in ein⸗ fachſter Weiſe auf Chlor folgendermaßen prüfen: In eine kleine Porzellanſchale, welche in einer größeren ſteht, wird ein fidibusartig zuſammengefaltetes und mit dem zu unter⸗ ſuchenden Oele getränktes Stückchen Filtrierpapier gebracht und angezündet. Dann wird ſchnell ein bereit gehaltenes, etwa 21 faſſendes, innen mit deſtilliertem Waſſer befeuch⸗ tetes Becherglas darübergeſtürzt. Die Verbrennungsgaſe ſchlagen ſich an den feuchten Wänden des Becherglaſes nieder. Das Becherglas wird mit wenig deſtilliertem Waſſer ausgeſpült, die Löſung filtriert und das Filtrat mit Silbernitrat geprüft. Das Filtrat darf keine Trübung, noch viel weniger aber einen Niederſchlag von Chlorſilber geben. Natürliches Bittermandelöl gibt niemals eine Chlor⸗ reaktion. Al. Ueber Yflanzenetiketten aus Celluloid berichtet die „Gartenflora“ (39. Jahrg., Heft 5). Während alle bis⸗ herigen Etiketten, ſeien ſie aus Holz, Thon, Porzellan, Leder, Pergament, Zink 2c. den Anſprüchen der Gärtner in ungenügender Weiſe entſprachen, iſt der elegante, elfen⸗ beinartige Stoff der neuen Etiketten geradezu unverwüſtlich; dieſelben ſind daher zur Etikettierung von Pflanzen jeder Art unentbehrlich. Die den Etiketten beigegebene unauslöſch⸗ liche Tinte kann mit jeder ſpitzen Stahlfeder aufgetragen werden und trocknet in einer halben Stunde. Wochenlanges Liegen der beſchriebenen Etiketten in Waſſer bringt weder eine Veränderung des Stoffes noch der Schrift hervor. Die Fabrik in Baſel, Winkelriedplatz 5, liefert dieſe Eti⸗ ketten aus mattem oder beiderſeits geglättetem Stoff in vielen Größen nebſt der unzerſtörbaren Tinte. D. Werte Fragen und Anregungen. Zu Frage 2. Das Wälzen der Hunde auf Aas iſt ein zweckloſes Ueberbleibſel einer gewohnheitsgemäßen Be⸗ wegung, welche urſprünglich von einem entfernten Urzeuger der Hundegattung zu einem beſtimmten Zwecke ausgeführt wurde und welche nun eine ungeheuer lange Zeit hindurch beibehalten worden iſt. — „Hunde und Schakale finden ein großes Vergnügen darin (Darwin: Der Ausdruck der Gemütsbewegungen; deutſche Ueberſetzung von J. Victor Carus, Stuttgart 1877, Kap. 1 Seite 40 ff.), ihren Nacken und Rücken auf Aas zu wälzen und zu reiben. Es ſcheint ihnen der Geruch entzückend zu ſein, obgleich wenigſtens Hunde kein Aas freſſen. Mr. Bartlett hat meinetwegen Wölfe beobachtet und ihnen Aas gegeben, hat aber nie⸗ mals geſehen, daß ſie ſich auf demſelben wälzten. Ich habe die Bemerkung gehört, und ich glaube, ſie iſt richtig, daß die größeren Hunde, welche wahrſcheinlich von Wölfen abſtammen, ſich nicht ſo häufig auf Aas wälzen, als es kleinere Hunde thun, welche wahrſcheinlich von Schakals abſtammen.“ Nun folgen im weiteren einige ſehr intereſſante Ab⸗ handlungen über gewiſſe Eigentümlichkeiten anderer Haus⸗ tiere, die gewiß jedem Naturfreunde ſehr willkommen ſein müſſen. N Zu Frage 3. Die „Milchner“ ergießen ihren Samen über die austretenden oder auch ſchon abgelegten Eier nicht ſelten unter Verhältniſſen, welche die vorausgehende Einwirkung eines gegenſeitigen Geſchlechtsreizes unzweifelhaft erſcheinen laſſen. — Bei einigen Knochen⸗ fiſchen hat man beobachtet, daß beide Geſchlechter zur Brut⸗ zeit die Bauchſeiten gegeneinander kehren und ihre Ge⸗ ſchlechtsöffnungen reiben, bis die Zeugungsſtoffe gleichzeitig austreten und miteinander in Kontakt gelangen. Pl. Die Gattungen der Pomaceen’). Don Dr. E. Möhne in Friedenau. Jie Abgrenzung der natürlichen Gattungen der ſchon ſo vielfach in der botaniſchen Litteratur behandelten Kernobſtgewächſe 2 it in erſter Linie durch Lindley und De— caisne begründet worden, ohne daß jedoch die von beiden Forſchern aufgeſtellten Genera, einige zwanzig an der Zahl, bisher ſich allgemeiner Anerkennung zu erfreuen hatten. Die meiſten neueren Autoren zogen es vor, jene Anzahl durch Zuſammenziehungen be— deutend zu verringern. Dem Verfaſſer vorliegender Ar— beit gelang es indeſſen, neue, beſonders in der Verwach— ſungsweiſe der Fruchtblätter begründete Merkmale aufzufinden, welche nicht bloß die meiſten der Lind— leyſchen und Decaisneſchen Gattungen als wohlbe— rechtigt erſcheinen, ſondern auch deren Verwandtſchafts— verhältniſſe klarer erkennen laſſen, als es bis jetzt möglich war. Es ergab ſich zunächſt, daß die ganze Familie in zwei natürliche Reihen ſich teilen läßt. Die erſte, Crataegeae genannt, zeichnet ſich dadurch aus, daß jedes Fruchtblatt ſich zu einem beſonderen harten, dem Fruchtfleiſch mehr oder weniger eingeſenkten Stein ausbildet. Die bekannteſten hierher gehörigen Gattungen ſind die Steinmiſpeln (Cotoneaster), die Weißdorne (Crataegus) und die Miſpeln (Me- spilus). Die letzteren beiden werden nicht ſelten unter dem Namen Mespilus vereinigt, jedoch wohl mit Unrecht, da bei den zahlreichen Crataegus- Arten die Bauchkanten nebſt einem Gipfelteil der Steine unter ſich frei und vom Fruchtfleiſch nicht bedeckt ſind, während die Steine der einzigen Mespilus Art all- ſeitig vom Fruchtfleiſch umgeben werden. ) Wiſſenſchaftliche Beilage zum Programm des Falk— Realgymnaſiums zu Berlin. Oſtern 1890 (Berlin, Gärt⸗ ners Verlagsbuchhandlung). Humboldt 1890. Bei der zweiten Reihe, den Sorbeae, bleiben die Wände der Fruchtfächer zarthäutig, oder ſie werden höchſtens zäh pergamentartig. Nur bei Stranvaesia, einer den Himalaya bewohnenden Gattung, bildet ſich ein Stein aus, der aber aus allen fünf Fruchtblättern zuſammengenommen gebildet wird und fünf dünn⸗ häutige Scheidewände beſitzt. Sie ſteht im Blüten— bau der nordamerikaniſchen Gattung Aronia fo nahe, daß über ihre natürliche Einreihung kein Zweifel bleibt, während ſie früher des Steines wegen oft den Crataegeae angeſchloſſen wurde. Als Ausgangspunkt der Sorbeae dürften die eigentlichen Ebereſchen (Sorbus) anzuſehen ſein, bei welchen die Fruchtblätter unter ſich faſt gar nicht, mit der becherförmigen Blütenachſe nur etwa zur Hälfte verwachſen ſind. Zu Sorbus zeigen viele andere Sorbeae mehr oder weniger nahe Beziehungen, auch bilden mehrere mit Sorbus-Arten Baſtarde. Unter den Crataegeae ſtimmt die kleine Gattung der Feuerdorne (Pyracantha) mit Sorbus im Blütenbau faſt ganz überein. Eine beſondere Gruppe ſtellen dar die Birnen (Pirus) und eigentlichen Quitten (Cydonia), beide ſehr ausgezeichnet dadurch, daß die becherförmige Bliiten- achſe oberhalb der ihr ganz eingeſenkten Fruchtblätter innerſeits zu einem dicken Ringwulſt anſchwillt, der die ſtets freien Griffel eine Strecke weit feſt um- ſchnürt. Der Blütenbau erinnert ſonſt vielleicht mehr an Crataegus, als an irgend eine Gattung der Sor— beae, auch laſſen die zahlreichen, im Fruchtfleiſch zer— ſtreuten, um die Fächer herum angehäuften Konkre— mente von Steinzellen vielleicht eine Ableitung von den Crataegeae zu, ſo daß die Pirus-Cydonia-Gruppe auf ihren etwaigen Anſchluß an dieſe ſtatt an die Sorbeae weiter zu prüfen fein würde. An die Mehlbeeren (Aria) ſchließt ſich eine weitere 28 218 Humboldt. — Juli 1890. Gruppe von Gattungen an, dadurch gekennzeichnet, daß die Fruchtblätter, meiſt nur in der Zweizahl vorhanden, nur gerade längs der Bauchkanten mit⸗ einander verwachſen, eine bei den Spiräaceen eben⸗ falls vorkommende Erſcheinung. Schreiten die Frucht⸗ blätter zu völliger Verſchmelzung fort, ſo kann man doch meiſt noch an den Griffeln den eigentümlichen Verwachſungscharakter erkennen, indem auch dieſe nur längs einer feinen Bauchkantenlinie eine Strecke weit verwachſen und im Querſchnitt demnach die Form einer 8 zeigen. Außer Aria gehören hierher noch vier Gattungen, darunter aber nur mit Zweifel die noch weiter zu ſtudierende japaniſche Wollmiſpel (Eriobotrya japonica), die in Südeuropa nicht ſelten kultiviert wird. Die umfangreichſte Gruppe der Sorbeae iſt die Malus Gruppe. Hier find im Gegenſatz zur vorigen gerade die Bauchkanten der Fruchtblätter frei, die ſeitlichen Berührungsflächen aber verwachſen, ſo daß ein einziger 2—5fächeriger Fruchtknoten mit einem leeren Mittelraum in ſeiner Längsachſe zu ſtande kommt. Sein Gipfel bleibt frei, oder er iſt auch gleich der Rückenfläche der Fruchtblätter der hohlen Blütenachſe eingeſenkt. Die Griffel ſind ſchen Körper verſchmolzen. Hierher ge⸗ und Stranvaesia noch die Beerenmiſpeln 22. Malus. (Amelanchier), der Speierling (Cor- 23. chaenomeles. 2 mus), welcher durch die gefiederten Blätter den Ebereſchen ſehr ähnelt, der Elſebeerbaum (Torminaria), die Apfel⸗ arten (Malus) und die Scheinquitten (Chaenomeles), letztere unter den zu ver⸗ werfenden Namen japaniſche Quitte, Cy- donia japonica, Pirus japonica als ein ſehr ſchön blühender Zierſtrauch allgemein bekannt. Daß Aepfel und Birnen, die faſt immer zu einer, dann Pirus ge⸗ nannten Gattung vereinigt werden, gar nicht ſo nahe miteinander verwandt ſeien, iſt kein neuer Gedanke. Kein Geringerer als Alexander Braun hat ihn einſt eingehend begründet und zwar in einem ausführlichen, 19. Docynia. t 5 1 . . ° 3 : meiſtens unterwärts zu einem cylindri⸗ 1. 0 8 2 20. Amelanchier. hören außer den ſchon genannten Aronia 21. Peraphyllum. i \ 180. Exiolobus. 18a. Cormus. leider niemals veröffentlichten Vortrage in einer Sitzung des Botaniſchen Vereines der Provinz Bran⸗ denburg. Es fehlte aber bisher an Ermittelungen, mit welchen Gattungen denn Pirus und Malus näher verwandt ſeien als unter ſich. Den vom Verfaſſer angenommenen verwandtſchaftlichen Bezie⸗ hungen entſpricht die übliche Pfropfung von Birne auf Quitten⸗ oder Weißdornwildling, das Mißlingen der Veredelung von Apfel auf Birne, Birne auf Apfel. Hinſichtlich des Apfels blieb man auf Apfelwildling als Unterlage angewieſen; jetzt würden Verſuche an⸗ zuſtellen ſein, Edelreiſer des Apfels vor allen auf Amelanchier und Peraphyllum, und zur Erzielung von Zwergobſtbäumen auf Chaenomeles japonica zu pfropfen. Auch auf Cormus, Torminaria und Sorbus dürften Apfelveredelungen gedeihen. Cydonia mit ſeinen zahlreichen Samenknoſpen ſteht zu Pirus in demſelben Verhältnis, wie Chaenomeles zu Malus. Die in allen früheren Arbeiten wenig berück⸗ ſichtigten verwandtſchaftlichen Beziehungen der Poma⸗ ceengattungen laſſen fic) vorläufig durch folgendes, im einzelnen noch der Verbeſſerung fähiges Schema veranſchaulichen: ( 5. Hesperomeles. { — 2. Pyracantha. —— 4. Crataegus. > 6. Osteomeles. 7. Mespilus. 2 | 79: Pirus. — 10. Cydonia. 13. Eriobotrya. 2 , Sec dr = 4 12. Photinia. e e Ae 14. Micromeles. J 15. Rhaphiolepis. { ee aN 16. Aronia. — 17. Stranvaesia. 18b. Torminaria. Die Nummern bezeichnen die Reihenfolge der Gattungen in des Verfaſſers Arbeit. Von den Gat⸗ tungen 18 a — e muß es vorläufig dahingeſtellt bleiben, ob ſie zu einer zu vereinigen, oder ob ſie getrennt zu halten find. 1— 7 bilden die Crataegeae, 8— 23 die Sorbeae, und zwar 8 die Sorbus-, 9 — 10 die Pirus-, 11—15 die Aria-, 16— 23 die Malus-Gruppe. Der gegenwärtige Stand der Leufocytenfrage mit beſonderer Kückſicht auf die phagocytenlehre E. Metſchnikoffs). Don Dr. Joſeph Heinrich Lift in Graz. ye ſeit der wichtigen Entdeckung ©. Hacels**), derzufolge die farbloſen Blutkörperchen von Wirbelloſen (Tethys) nach Art der Amöben Fremd⸗ körperpartikelchen aufzunehmen im ſtande ſind, noch mehrere diesbezügliche Beobachtungen (W. Preyer, M. Schultze) gemacht wurden, die die Befunde erſt⸗ ) Siehe Litteratur am Schluß des Aufſatzes. ) E. Häckel, Die Radiolarien, Berlin 1862, S. 104. genannten Forſchers nur zu beſtätigen vermochten, ſo erweckte doch keine dieſer Arbeiten ſo ſehr das Intereſſe, wie diejenigen E. Metſchnikoffs. Und mit Recht. Ausgehend von einer umfaſſenden embryolo⸗ giſchen Erfahrung führte der ruſſiſche Forſcher ſeine Anſichten in einer Reihe von Mitteilungen konſe⸗ quent durch, die ihn allerdings zur Aufſtellung einer Theorie veranlaßte, welche, wie unten gezeigt werden ſoll, nach unſeren heutigen Erfahrungen, in dem Um⸗ Humboldt. — Juli 1890. fange und der Tragweite, die ihr urſprünglich Metſch— nikoff und ganz begeiſterte Anhänger zuſchrieben, nicht mehr haltbar iſt. Metſchnikoff (Sa) ging bei ſeinen Unterſuchungen von Befunden aus, die er an Larven von Holothu— rien (Auricularia von Synapta), von Seeſternen (Bipinnaria asterigera) und auch von Seeigeln ge— macht. An den genannten Larvenſtadien, die wegen ihrer Durchſichtigkeit zur Beobachtung ganz vorzüglich geeignet ſind, werden nämlich bei der Umwandlung in das ausgebildete Tier ganze Körperteile rückgebildet. Als Trümmer dieſer rückgebildeten Larventeile er— ſcheinen nun verſchieden große Eiweißkügelchen, die, wie Metſchnikoff beobachtete, von den wandernden Meſodermelementen (weiße Blutkörperchen, Wander— zellen, Leukocyten) aufgenommen wurden. Metſchnikoff nannte die zur Aufnahme von Fremd— körperpartikelchen fähigen Wanderzellen Freßzellen, Phagocyten und ſchrieb denſelben mit Recht eine wichtige Rolle bei der Larvenmetamorphoſe zu, in— dem ſie die Trümmer der in Rückbildung begriffenen Teile aufnehmen und aſſimilieren. Dieſe Befunde wurden auch und faſt gleichzeitig bei der Metamorphoſe von Inſektenlarven durch Ko— walevsky (4) und J. van Rees (9) beſtätigt und be- tont namentlich letzterer Forſcher die aggreſſive Rolle der Leukocyten beim Zerfalle der Muskelfragmente. Wie die in Rückbildung begriffenen Gewebstrümmerſchließlich als Eiweißkügelchen in das Innere der Leukocyten aufgenommen werden, ſo beobachtete auch Metſchnikoff, daß in Seeſternlarven eingeführte Fremdkörper (Kav- minpartikelchen 2c.) alsbald in den Körper der Wander— zellen gelangten und auf dieſe Weiſe unſchädlich ge— macht wurden. Aber eine noch weit wichtigere Rolle ſoll den Leukocyten im Tierkörper zukommen. Bei der Pilzkrankheit der Daphnien konnte Metſchnikoff konſtatieren, daß die nadelförmigen Pilz— ſporen, welche aus dem Darme durch deſſen Wandung in die Leibeshöhle dringen, von den Wanderzellen ergriffen und dem Schickſale der „intracellularen Verdauung“ anheimfielen. Auf dieſe Weiſe war die große prophylaktiſche Rolle der Wanderzellen — allerdings nur bei einem wirbelloſen Tiere — nachgewieſen. Die weite Perſpektive, die ſich aus dieſer Beob— achtung für die Wirbeltiere ergab, lag auf der Hand, und die angeſtellten Verſuche Metſchnikoffs ſchienen dieſelbe auch vollends zu beſtätigen. Als derſelbe Gewebsſtücke eines von Milzbrand befallenen Säugetieres (Kaninchen, Meerſchweinchen, Maus) unter die Rückenhaut eines Froſches (dor— ſalen Lymphraum) brachte, konnten ſchon nach Verlauf von zwölf Stunden Wanderzellen beobachtet werden, welche Milzbrandbacillen in ihr Inneres aufgenommen hatten. Der Bacillus ſelbſt zerfällt innerhalb der Zelle in Stücke — er fällt der Verdauung an— heim. Auch beim Eryſipel, einer akuten Hautentzündung, die durch den Streptococcus erysipelatis veranlaßt 219 wird, konnte Metſchnikoff die Aufnahme von Kokken durch die Wanderzellen nachweiſen. Ebenſo gelang es demſelben Forſcher bei einem Affen, bei dem durch ſpirillenhaltige Vaceine die Er— ſcheinungen des Rückfalltyphus (Typhus recurrens) hervorgerufen worden waren, in der Milz ſpirillen— führende Leukocyten zu finden. Aus dieſen Verſuchen Metſchnikoffs ſchien un— zweifelhaft hervorzugehen, daß den Wanderzellen im tieriſchen Körper eine bakterientötende Rolle zufalle und um ſo mehr, als einige Kontrollverſuche (von K. Heß angeſtellt) die Phagocytenlehre nur zu beſtätigen ſchienen. Aber es dauerte nicht lange, als ſich gewichtige Stimmen, vorerſt von Seite der pathologiſchen Ana— tomen und Hygieniker, gegen Metſchnikoffs Lehre ausſprachen. Es war namentlich Baumgarten (2), welcher in einer Reihe von Abhandlungen das Pro— blematiſche der Verſuche des ruſſiſchen Forſchers dar— legte und auf das Unhaltbare der Theorie hinwies. „Wenn der Organismus in ſeiner Verteidigung gegen die ihn invadierenden Mikroporaſiten allein auf die Hilfe der weißen Blutkörperchen angewieſen wäre, dann ſtände es ſchlimm um ihn!“ denn ſelbſt bei der Daphnienkrankheit gehen die Tiere, wenn auch nur eine der eingedrungenen Sporen zur Auskeimung gelangt, trotzdem die proliferierenden Sproßzellen von Wanderzellen eingeſchloſſen werden, unrettbar zu Grunde. In ſeiner neueſten Arbeit (2 b) unterwirft nun Baumgarten die von Metſchnikoff (Sg) als Haupt— argumente für ſeine Lehre vorgebrachten Verſuche einer eingehenden kritiſchen Erörterung. Den Experi— menten des ruſſiſchen Forſchers lag die Idee zu Grunde, die Einwirkung der Leukocyten von den in den Froſchkörper eingeführten Milzbrandmikroben gänzlich fern zu halten: entwickelten ſich unter dieſen Bedingungen die Milzbrandbacillen, während bei Ein— flußnahme der Leukocyten die Milzbrandentwicklung nicht eintrat, ſo war der Nachweis geliefert, daß die Leukocyten bez. Phagocyten die Urſache des Aus— bleibens der Milzbrandentwicklung im Froſchorga— nismus waren. Metſchnikoff brachte zu dieſem Zwecke die Milz— brandbakterien bez. Milzbrandſporen in Schilfrohr— ſäckchen verpackt, die wohl die flüſſigen Beſtandteile der Froſchlymphe, aber nicht die Leukocyten durch— ließen, in die Lymphräume der Fröſche. In den Säckchen trat nun ein kräftiges Wachstum der Milz— brandbakterien ein, während die in den Lymphraum gelangten freien Milzbrandſporen nicht zur Keimung gelangten. Für Metſchnikoff entſchieden dieſe Verſuche zu Gunſten ſeiner Phagoeytenlehre. Aber weder die Kontrollverſuche Baumgartens, noch die ſeiner Schüler (Petruſchky, Fahrenholtz) konnten dieſe Experimente beſtätigen: die Immunität des Froſches gegen Milzbrand iſt bedingt durch die Ungunſt des Nährbodens und durch die relativ niedere Temperatur, die Nachverſuche der von Metſchnikoff 220 als Stützen ſeiner Lehre angegebenen „Hauptargu⸗ mente“ ergaben eine völlige Negation und verwirft desbalb auch Baumgarten die Phagoeytenlehre als eine mit den Thatſachen nicht übereinſtimmende Hypotheſe. Aber auch die Ergebniſſe anderweitiger Unter⸗ ſuchungen waren für die Metſchnikoffſche Lehre durch⸗ aus nicht günſtig. So nehmen nach Flügge (3) die Wanderzellen keine lebensfähigen, ſondern nur durch die Einwirkung der Körperſäfte entweder getöteten oder abgeſchwächten Bakterien auf, eine Anſicht, die heute um ſo mehr zu Recht beſteht, nachdem Lubarſch (7) den Nachweis lieferte, daß das Blut nicht immuner Kaninchen allein koloſſale Mengen von Milzbrandkeimen zu vernichten vermag. Hierzu kommt noch, daß vor kurzem H. Buch⸗ ner“) (München) die bakterienlöſenden Wirkungen des Blutſerums konſtatieren konnte. War ſomit ſchon von Seite der genannten Forſcher der Phagocytenlehre Metſchnikoffs die Baſis entzogen worden, indem ſich die von dieſem Forſcher den Leu⸗ kocyten imputierte Wichtigkeit für die pathogenen Mikroben nicht beſtätigen ließ, ſo erlitt dieſelbe einen weiteren Stoß noch darin, daß mehrere neuere hiſto⸗ logiſche Arbeiten von Looß (5, 6) auch die von Metſch⸗ nikoff behauptete Anteilnahme der Leukocyten beim Zerfalle der Gewebe bei Wirbeltieren (im Froſch⸗ larvenſchwanze) nicht zu erweiſen vermochten. Während Barfurth (1) auf Grund ungenügender Beobachtungen Metſchnikoffs Anſichten (Sb) beſtätigen zu können glaubte, fand Looß, daß zur Eliminierung und Verflüſſigung der Gewebe im Batrachierſchwanze die verdauende Thätigkeit der Leukocyten nicht nötig ſei. Der Zerfall der Gewebe findet ſelbſtändig ſtatt, gelegentlich können aber Gewebsfragmente ins Innere von Leukocyten aufgenommen werden. Zwiſchen den verſchiedenen Sarkolytenarten“ ), die in dem ſich rückbildenden Batrachierſchwanze be⸗ obachtet werden können, finden ſich nämlich nur ver⸗ einzelte, welche ſich durch die Anweſenheit amöboid beweglicher Fortſätze als Leukocyten erweiſen. Dieſe Art von Gebilden, die ſich nicht immer, manchmal aber, und zwar auf der Höhe des Rück⸗ bildungsprozeſſes, ſehr häufig vorfinden können, führen die verſchiedenſten Muskelbruchſtücke. Daraus ergibt ſich, daß nur ein winziger Teil der zu beobachtenden Leukocyten Muskelfragmente aufnimmt. Ebenſowenig gelang es Looß, Zerfallsprodukte von Nerven in den Leukoeyten anzutreffen. Nicht nur Muskeln und Nerven, ſondern auch die anderen Gewebe des Batrachierſchwanzes zerfallen ) Tageblatt der Verſammlung deutſcher Naturforſcher und Aerzte in Heidelberg, S. 338, 1890. **) Der Ausdruck Sarkolyt wurde durch S. Mayer (Anatom. Anzeiger, Bd. 1, 1886) für die in Auflöſung begriffenen Muskelfragmente eingeführt, die nach Margo und Paneth Muskelneubildner (daher Sarko⸗ plaſten) ſein ſollten. Humboldt. — Juli 1890. ſelbſtändig und werden ohne Beihilfe der Leukocyten durch die Leibesflüſſigkeit allein verdaut. Während alſo bei den Wirbelloſen den Leukocyten eine weſentliche Rolle bei der Zerſtörung der Gewebe zufällt, iſt dem bei den Wirbeltieren nicht ſo. Nach Looß dürfte die Mitwirkung der Leukocyten an der Verarbeitung der Gewebstrümmer nur eine zeit⸗ weiſe fein, nämlich dann, wenn die Leibesflüſſigkeit allein nicht mehr im ſtande iſt, die Verdauung der Trümmer zu beſorgen. Wahrſcheinlich dürfte es ſich hier auch um einen ſchnellen und zweckmäßigen Transport der gebildeten Zerfallsprodukte, wie ſchon van Rees ganz richtig vermutete, von Seite der Leukocyten handeln. Nach all dem bis jetzt Vorliegenden iſt demnach der Metſchnikoffſche Satz (8a), daß wohl im ganzen Tierreiche die wandernden Leukocyten ihre nahrung⸗ aufnehmende und ⸗verdauende Thätigkeit zum Schutze des Organismus gegen Bakterien und ſolche Körper, welche einen günſtigen Boden für deren Entwicklung bilden (nekrotiſche Teile) zu benutzen ſcheinen, nicht mehr haltbar. Nicht die Leukocyten allein ſind es, welche ver⸗ dauend und unſchädlichmachend auf fremde in den Organismus gelangte Körper einwirken, ſondern die Körperflüſſigkeit bez. das Blut ſelbſt. „Die Leukocyten ſcheinen demnach für den Tier⸗ körper eine Art Reſervemacht darzuſtellen, die erſt dann überwiegend in Thätigkeit tritt, wenn der Orga⸗ nismus, ſei es zur Erreichung gewißer außergewöhn⸗ licher Leiſtungen, ſei es zur Bekämpfung beſonders ſchwieriger Verhältniſſe, mit ſeinen gewöhnlichen Hilfs⸗ mitteln nicht mehr auskommt.“ Indes, eine ganz eigentümliche Rolle kommt den Leukocyten doch zu. Die neueren Unterſuchungen (Looß, Ruge) haben gezeigt, daß bei der Auf⸗ löſung der Gewebe ſtets Pigment gebildet wird, und zwar in Form feiner Körnchen. Dieſe Pig⸗ mentkörnchen, die in der Leibesflüſſigkeit ſelbſt un⸗ löslich ſind, werden nun von den Wanderzellen mit beſonderer Vorliebe aufgenommen. Nach Looß findet man, namentlich am Ende des Rückbildungsprozeſſes, in einem Zupfpräparate kaum noch vereinzelte Leu⸗ kocyten, die nicht wenigſtens einige dieſer Pigment⸗ partikelchen aufgenommen hätten. Sehen wir uns nun andere reich pigmentierte Gewebe von Wirbeltieren an, ſo finden wir, daß die durch den Zerfall der Gewebe, ſei es der roten Blut⸗ körperchen oder des Dotters (bei Embryonen), ge⸗ bildeten in der Leibesflüſſigkeit ſelbſt unlöslichen Pig⸗ mentpartikelchen ſtets von den Leukocyten aufgenom⸗ men werden und daß dieſe mit Pigment vollgefüllten nun zu Pigmentzellen gewordenen Leukoeyten ſtets gegen die Oberfläche wandern, hier in die Epi⸗ dermis eindringen und, indem ſie daſelbſt dem Zer⸗ falle anheimfallen, ihr Pigment an die Epithelzellen abgeben. Auf dieſe Weiſe werden die im Organismus als Fremdkörper wirkenden unlöslichen Pigmentkörn⸗ chen nach außen geſchafft, um mit der Regeneration Humboldt. — der Epithelzellen aus dem Zellverbande gelöſt zu werden. Es liegt die Verſuchung nahe, zu denken, daß die Leukocyten im Organismus als ein noch auf embryonaler Stufe ſtehendes Exkretionsorgan fungie— ren, welches dazu dient, die in der Leibesflüſſigkeit nicht lösbaren Zerfallsprodukte der Gewebe (Pigment) aufzunehmen und nach außen zu ſchaffen. Je nach dem Bedürfniſſe an irgend einer Stelle im tieriſchen Körper ſammeln ſie ſich daſelbſt an, um die Zerfallsprodukte an Ort und Stelle aufzunehmen und nach außen zu befördern. Es erſcheinen demnach die Leukocyten als für den Wirbeltierorganismus höchſt wichtige Elemente, die geradezu regulierend auf den Stoffwechſel einwirken. 1. D. Barfurth, Die Rückbildung des Froſchlarven— ſchwanzes und die ſogen. Sarkoplaſten. Arch. f. mikroſk. Anat., Bd. 19, 1887. 2. P. Baumgarten, a) Lehrbuch der pathologiſchen Mykologie, Bd. 1, Braunſchweig 1890; b) Ueber das „Experimentum crucis* der Phagocyten— lehre. Beiträge zur path. Anatomie ꝛc., herausgegeben von E. Ziegler, Bd. 7, p. 3, 1889. 3. Flügge, Studien über die Abſchwächung virulenter Bakterien und die erworbene Immunität. Zeitſchrift f. Hygiene, Bd. 4, 1888. 4. A. Kowalevsky, Beiträge zur nachembryonalen Entwickelung der Musciden. Zoolog. Anzeiger, Bd. 8, 1885 und Bei— Juli 1890. 221 träge zur Kenntnis der nachembryonalen Entwickelung der Musciden. I. Zeitſchr. f. wiſſ. Zoologie, Bd. 45, p. 542, 1887. 5. A. Looß, Ueber die Beteiligung der Leukocyten an dem Zerfall der Gewebe im Froſchlarvenſchwanze wäh⸗ rend der Reduktion desſelben. Ein Beitrag zur Phago— cytenlehre. Leipzig, Habilitationsſchrift, 1889. 6. A. Looß, Ueber Degenerationserſcheinungen im Tierreich, beſonders über die Reduktion des Froſchlarvenſchwanzes und die im Verlaufe derſelben auftretenden hiſtolytiſchen Prozeſſe. Preis: ſchriften der fürſtlich Jablonowskiſchen Geſellſchaft. Leipzig, 1889. 7. Lubarſch, Ueber die Bedeutung der Metſchnikoff— ſchen Phagocyten für die Vernichtung der Milzbrandbacillen im Froſchkörper. Tageblatt der 61. Verſammlung deutſcher Naturforſcher und Aerzte. Köln 1889. 8. E. Metſchnikoff, a) Unterſuchungen über die intracelluläre Verdauung bei Wirbeltieren. Arbeiten aus dem zoolog. Inſtitute der Uni- verſität Wien ꝛc., Bd. 5, 1884; b) Unterſuchungen über die meſodermalen Phagocyten einiger Wirbeltiere. Biolog. Zentralblatt, Bd. 3, 1884; c) Ueber eine Sproßpilz⸗ krankheit der Daphnien. Beitrag zur Lehre über den Kampf der Phagocyten gegen Krankheitserreger. Virchows Arch., Bd. 96, 1884; d) Ueber die Beziehungen der Phagoeyten zu Milzbrandbacillen. Virchows Arch., Bd. 97, 1884. e) Ueber den Kampf der Zellen gegen die Eryſipelkokken. Virchows Arch., Bd. 107, 1886; f) Ueber den Phagocyten— kampf beim Rückfalltyphus. Virchows Arch., Bd. 109, 1887; g) Ueber das Verhalten der Milzbrandbakterien im Organis- mus. Virchows Arch., Bd. 114. 9. J. van Rees, Beiträge zur Kenntnis der inneren Metamorphoſe von Musca vomi- toria. Zoolog. Jahrbücher, Bd. 3, p. 1, 1888. Der Pypnotismus. Don Dr. Albert Moll in Berlin. ie Zahl der Arbeiten, die ſich auf dem Gebiete des Hypnotismus bewegen, iſt innerhalb der letzten Jahre ſo enorm gewachſen, daß es ſchwer iſt, in dem Labyrinthe des Hypnotismus ſich zurecht zu finden. Was noch vor wenigen Jahren für feſt— ſtehende Wahrheit galt, was die erſten Koryphäen der Wiſſenſchaft für feſtſtehend erachteten, es iſt heute zum großen Teil kaum noch aufrecht zu er—⸗ halten. Andererſeits aber find neue Thatſachen ge- funden, und es bietet uns das Studium des Hypno- tismus heute nach mancher Richtung hin einen weiten Ausblick, den man noch kürzlich als außerhalb jeder Möglichkeit ſtehend angeſehen hätte. Es iſt nicht meine Abſicht, in den folgenden Aus— führungen ein vollſtändiges Bild über die Frage zu geben; ich will lediglich einen kurzen Ueberblick über den heutigen Stand derſelben bieten. Bekanntlich ſucht man die Erſcheinungen des Hypnotismus in der geſchichtlichen Entwickelung auf den tieriſchen Magnetismus oder Mesmerismus zurück⸗ zuführen, der am Ende des 18. und am Anfang des 19. Jahrhunderts in Deutſchland ſtark blühte. Dieſer Zuſammenhang iſt aber inſofern nur ein äußerlicher, als das Prinzip des Hypnotismus und das des tieri- ſchen Magnetismus voneinander total verſchieden ſind. Das Charakteriſtikum des letzteren iſt ein perſön— licher Einfluß, den einzelne Perſonen auf andere aus— zuüben vermögen. Dieſer Einfluß aber ſollte zu ſtande kommen durch eine Kraft, die etwa ähnlich wie chemiſche oder phyſikaliſche Agentien auf die zu be- einfluſſende Perſon wirkte, und deren Quelle die beeinfluſſende Perſon ſei. Ob es einen in dieſer Weiſe wirkenden Einfluß gibt, d. h. ob es überhaupt einen tieriſchen Magnetismus gibt, iſt in der letzten Zeit nicht nur zweifelhaft geworden; es wird vielmehr von der offiziellen Wiſſenſchaft deſſen Beſtehen durch— aus geleugnet; es wird vielmehr angenommen, daß die früher als magnetiſch gedeuteten Erſcheinungen lediglich auf Hypnoſe beruhten. Das Prinzip der— ſelben iſt durchaus verſchieden von dem des Mesme— rismus. Die Erſcheinungen des Hypnotismus ſind, ſo nimmt man an, lediglich ſubjektiver Natur, d. h. ſie werden nicht durch eine von A ausgehende und auf B wirkende phyſikaliſche Kraft bewirkt, entſtehen vielmehr bei B durch eine beſtimmte Thätigkeit von B ſelbſt. Fragen wir uns aber nun, welche Thätigkeit eine Perſon ausüben muß, um in Hypnoſe zu kommen, 222 fo begegnen wir ſcheinbar ſehr weſentlichen Diffe⸗ renzen und man möchte meinen, daß es kaum irgend eine Thätigkeit geben kann, die nicht zu Hypnoſe führt. Dennoch handelt es ſich hier nur um ſchein⸗ bare Differenzen. Es iſt nämlich durch die neueren Unterſuchungen immer mehr und mehr wahrſcheinlich geworden, daß es nur ein Mittel gibt, den hypno⸗ tiſchen Zuſtand bei einer Perſon zu erzeugen. Dieſes Mittel beſteht darin, daß in der zu hypnotiſierenden Perſon die Vorſtellung von der Hypnoſe und die Ueberzeugung von deren Eintritt erweckt wird. Alle jene verſchiedenen Mittel laufen nun in Wirklich⸗ keit auf den einen Punkt hinaus, dies letztere Re⸗ ſultat herbeizuführen. Bekanntlich benutzte man früher zur Hypnoſigeneſe, d. h. zur Erzeugung der Hypnoſe die längere Fixation eines glänzenden Punktes. Hierdurch wird ſehr leicht eine Ermüdung des Auges ſowie eine Schwere in den Augenlidern erzeugt, und damit ein allmähliches Zufallen der Augen, d. h. der Beginn vieler hypnotiſcher Zuſtände herbeigeführt. Ganz ähnlich wirken andere monotone Sinnesreize, z. B. das Ticken einer Uhr, leichte Reizung der Haut, wodurch gleichfalls ſehr leicht ein Ermüdungsgefühl, welches viele Hypnoſen einleitet, hervorgerufen wird. In allen dieſen Fällen, ſo ſehen wir, wird eine auf die Hypnoſe bezügliche Vorſtellung in der Verſuchs⸗ perſon erweckt. Noch leichter geſchieht dies, wenn eine zweite Perſon zugegen iſt, die durch Worte oder Geſten beſtimmte Vorſtellungen in der Verſuchsperſon hervorruft. Hierauf beruht die von der Nancyer Schule und insbeſondere von Forel kultivierte Me⸗ thode, bei der man durch Worte die Hypnoſe herbei⸗ zuführen ſucht. „Suchen Sie feſt zu ſchlafen, Sie werden ſehen, wie Sie nach einiger Zeit matter und müder werden, wie im ganzen Körper ein Mattig⸗ keitsgefühl entſteht, die Augenlider zwinkern ſchon, jetzt ſenken ſie ſich abwärts und ſchließen ſich feſt u. ſ. w.“ Durch dieſe und ähnliche Worte ſucht man in der Verſuchsperſon beſtimmte Vorſtellungen, die ſich auf die Hypnoſe beziehen, zu erwecken. Jeden⸗ falls iſt dieſe Erweckung der Vorſtellung allen den eben geſchilderten Methoden gemeinſam; nur wird in einigen Fällen die Vorſtellung direkt von der Ver⸗ ſuchsperſon erzeugt, in anderen Fällen durch eine zweite Perſon, den Hypnotiſten. Prinzipiell bedingt dies keinen Unterſchied, da das Endreſultat ſtets dasſelbe iſt. Selbſtverſtändlich darf man die Erzeu⸗ gung der Hypnoſe durch eine zweite Perſon nicht mit den oben erwähnten Erſcheinungen des tieriſchen Magnetismus verwechſeln, bei dem es ſich nicht um Erweckung von Vorſtellungen, ſondern um eine wahr⸗ ſcheinlich irrtümlich angenommene Einwirkung auf den Körper handelt. Fragen wir nun: „Wer iſt hypnotiſierbar?“ ſo unterliegt es wohl keinem Zweifel mehr, daß der Prozentſatz der hypnotiſierbaren Perſonen unter günſti⸗ gen Bedingungen ein recht hoher iſt. Einzelne Ex⸗ perimentatoren geben ſogar 97, ja 98 Prozent an. Indeſſen haben hierauf ſo viele und zahlreiche Mo⸗ mente Einfluß, daß es gut ſcheint, einige derſelben Humboldt. — Juli 1890. hervorzuheben. Was zunächſt das Alter anlangt, ſo ſind Kinder unter 7 Jahren ſchwer, Kinder unter 3 Jahren kaum jemals zu hypnotiſieren. Es hat dies ſeinen ziemlich ſelbſtverſtändlichen Grund darin, daß man in ſolch kleinen Kindern zwar beſtimmte Vor⸗ ſtellungen erzeugen kann, daß dieſe aber noch zu flüchtig ſind, um den gewünſchten Effekt auszuüben. Daß ältere Perſonen, die man früher für nicht hyp⸗ notiſierbar hielt, in vielen Fällen recht leicht und gut hypnotiſiert werden können, kann ich aus Erfahrung berichten, da ich Perſonen, ſelbſt in den ſiebziger Jahren, mehrfach hypnotiſiert habe. Ohne Einfluß auf die Hypnotiſierbarkeit ſind das Geſchlecht und die Nationalität; einen großen und außerordentlich wich⸗ tigen Einfluß übt jedoch die Stimmung des Patienten aus und insbeſondere auch ſein eigenes Urteil über ſeine Dispoſition zur Hypnoſe. Was die Stimmung anlangt, ſo unterliegt es keinem Zweifel, daß Per⸗ ſonen, die ohne ernſte Abſicht, vielleicht nur, um ſich einen billigen Scherz zu machen, hypnotiſchen Ver⸗ ſuchen ſich ausſetzen, kaum jemals hypnotiſiert werden können. Viel günſtiger liegt die Sache bei ſolchen Individuen, die, ſei es zu ernſtem wiſſenſchaftlichem Zweck, fei es behufs ärztlicher Behandlung ſich hyp- notiſchen Verſuchen unterziehen. Im allgemeinen kann man wohl ſagen, daß geiſtig geſunde Menſchen die beſten Verſuchsperſonen ſind, daß ferner viele hyſteriſche und nervöſe Perſonen, beſonders aber die meiſten Geiſteskranken gar nicht hypnotiſiert werden können. Die Erſcheinungen der Hypnoſe find äußerſt mannigfaltig. Um uns ein einigermaßen klares Bild zu verſchaffen, wollen wir die ausgezeichnete Einteilung von Max Deſſoir benutzen. Sämtliche hypnotiſche Zuſtände zerfallen danach in zwei Gruppen. Die erſte Gruppe umfaßt diejenigen, wo ſich als hervorſtechendes Symptom lediglich Störungen in den willkürlichen Bewegungen zeigen; die zweite Gruppe ſolche, wo hierzu noch Störungen in der Funktion der Sinnesorgane kommen. Die zweite Gruppe iſt viel kleiner als die erſte. Störungen der willkürlichen Bewegungen zeigen ſich in ſämt⸗ lichen hypnotiſchen Zuſtänden, freilich in verſchieden ausgedehntem Maße. Oft beſteht die Bewegungs⸗ ſtörung nur in der Unmöglichkeit, das Auge zu öffnen, während in den meiſten hypnotiſchen Zuſtänden noch weitere motoriſche Veränderungen hinzukommen. Einen Vorgang, der ſich in der Hypnoſe ſehr häufig findet und den man als Suggeſtion be- zeichnet, will ich hier ganz kurz beſprechen. Da wir ihn nämlich außerordentlich häufig wiederfinden werden, ſcheint es gut, wenn wir den Begriff erſt einigermaßen feſtſtellen. Da wir nun auch ohne Hypnoſe Suggeſtionen begegnen, ſo wollen wir ein Beiſpiel aus dem wachen Leben herausgreifen, um ſie uns klar zu machen. Es iſt bekannt, daß man viele Leute dadurch zum Erröten bringen kann, daß man ihnen zuruft: „Aber Sie werden ja jetzt ganz rot im Geſicht“; d. h. man kann das Erröten bei der Perſon dadurch hervorrufen, daß man ihr die Ueber⸗ Humboldt. — Juli 1890. 223 zeugung von dem Eintritt des Errötens möglichſt intenſiv einpflanzt. Einen ſolchen Vorgang nun nennen wir eine Suggeſtion. Wir werden ſehen, daß man durch ſie zahlreiche funktionelle Störungen während der Hypnoſe hervorrufen kann. Wenn wir nun die Symptomatologie der Hyp— noſe betrachten, ſo fällt uns eine ſehr große Mannig— faltigkeit derſelben zunächſt auf. Faſt alle körperlichen und geiſtigen Funktionen können mehr oder weniger ſich verändert zeigen. Um uns einigermaßen einen Ueberblick über die Symptome zu verſchaffen, wollen wir verſuchen, eine Einteilung derſelben zu machen, und zwar dürfte die nächſtliegende die ſein, daß wir die Veränderungen der körperlichen und die der geiſtigen Funktionen trennen. Was die erſteren betrifft, ſo kommt nach der Häufigkeit zuerſt der willkürliche Bewegungs— apparat. Dieſer zeigt in jeder Hypnoſe Verände— rungen, wenn auch in vielen Fällen dieſe nur auf einen kleinen Teil der willkürlichen Muskulatur beſchränkt ſind. Die Veränderungen laſſen ſich am beſten auf mehrere Arten der Funktionsſtörung zurückführen. Das gewöhnlichſte iſt, daß die Suggeſtibilität ſich weſentlich auf die willkürliche Muskulatur erſtreckt. Mit großer Leichtigkeit werden Lähmungen oder Be— wegungen in beſtimmten Muskelgruppen erzeugt. „Sie können Ihren Arm nicht bewegen,“ ſagt man einem Hypnotiſierten, und er iſt vollkommen unfähig, mit ihm noch irgend eine Bewegung zu machen; „Sie müſſen Ihren Arm bewegen,“ ſagt man einem anderen, und er iſt gezwungen, die Bewegung aus— zuführen; „Sie müſſen Ihre Hand an den Kopf bringen, Sie können ſie nicht unten liegen laſſen,“ ſofort wird der Befehl ausgeführt. Man iſt ferner im ſtande, nicht nur eine ganze Muskelgruppe zu lähmen, ſondern ſie lediglich für eine beſtimmte Funk— tion untauglich zu machen. So ſage ich einem Hypnotiſchen: „Sie können nicht mehr ſchreiben, alle anderen Bewegungen ſind Sie im ſtande mit dem Arm auszuführen;“ der gewünſchte Effekt tritt ſofort ein. Ein anderer, der Klavier ſpielen kann, wird durch Suggeſtion verhindert, Klavier zu ſpielen, oder auch ein beſtimmtes Stück zu ſpielen, iſt aber ſonſt aller Bewegungen fähig. Die Sprache kann man in gleicher Weiſe beeinfluſſen. „Sie können nicht mehr ſprechen;“ ſofort iſt der Hypnotiſche ſtumm. „Sie können nur noch bis 3 zählen, weiter nicht;“ der Betreffende zählt bis 3, es iſt ihm aber unmöglich, die Zahl 4 oder auch eine andere hervorzubringen. Außer dieſen durch Suggeſtion hervorgebrachten Funktionsſtörungen der willkürlichen Muskulatur gibt es noch eine weitere Störung, die wir als die Fortdauer irgend eines Funktionszuſtandes der will— kürlichen Muskulatur bezeichnen können. Um dies klar zu machen, ſollen mehrere Beiſpiele dienen. Ein Hypnotiſcher hat ſeine Arme ausgeſtreckt; nun hat er an ſich die Neigung, dieſe Stellung inne zu behalten. Die einmal kontrahierten Muskeln haben das Beſtreben, ihren Kontraktionszuſtand längere Zeit beizubehalten, d. h. in Kontraktur überzugehen. Die gleichen Erſcheinungen beobachtet man an den Beinen, am Rumpf, an den Geſichtsmuskeln u. ſ. w. Die erwähnte Erſcheinung, die Fortdauer eines beſtimmten Funktionszuſtandes, kann ſich aber noch in anderer Weiſe äußern, indem nicht eine beſtimmte Stellung, ſondern eine beſtimmte Bewegung längere Zeit fort— geſetzt wird. Man dreht einem Hypnotiſchen die Arme umeinander, und er wird längere Zeit hin— durch die Arme weiter drehen; er wird zunächſt gar nicht die Neigung verſpüren, dieſe Thätigkeit zu be- enden, es iſt ihm im Gegenteil bequemer, ſie fort— zuſetzen. In ähnlicher Weiſe kann man Beuge- und Streckbewegungen des Ellenbogengelenkes, des Knie— gelenkes, Nickbewegungen des Kopfes u. ſ. w. her⸗ vorbringen, die der Hypnotiſche alsdann längere Zeit wie automatiſch fortſetzt. Weder ſein Wille noch der entgegengeſetzte Befehl des Hypnotiſten iſt alsdann im ſtande, die begonnene Thätigkeit zu unterbrechen. Dieſe beiden Gruppen von Störungen, d. h. die, welche durch Suggeſtion und die durch Thätigkeitsfortſetzung hervorgerufen werden, fallen in der Hypnoſe am meiſten auf. Allenfalls wären noch jene Fälle zu erwähnen, bei denen überhaupt irgend eine aktive Thätigkeit der Muskulatur nicht herbeigeführt werden kann, bei denen vielmehr die Muskeln dauernd ſchlaff ſind und weder durch den Willen des Hypnotiſchen, noch durch den Befehl des Hypnotiſten in Thätig— keit geſetzt werden können. Wir haben geſehen, daß die Suggeſtion einen mächtigen Einfluß ausübt, und es wäre noch hervorzuheben, wie weſentlich es iſt, daß der Hypnotiſche die Suggeſtion verſteht; darauf allein kommt alles an. Es iſt dann ganz gleich— gültig, ob man durch Worte (Verbalſuggeſtion) oder durch Geſten die Suggeſtion gibt. Man kann z. B. einen Hypnotiſchen zum Niederknieen zwingen, ſowohl durch den mündlichen Befehl, dies zu thun, als auch durch irgend eine Handbewegung, wenn nur der Hypnotiſche ſie als den Befehl zum Niederknieen richtig auffaßt. Ich habe in dem Vorhergehenden gezeigt, auf welche Weiſe man die Erſcheinungen in dem Gebiete der willkürlichen Muskulatur aufzufaſſen hat. Es darf nicht unerwähnt bleiben, daß von einzelnen Seiten Behauptungen aufgeſtellt wurden, die ſich mit den vorhergehenden Ausführungen nicht ganz decken. Da unter den Vertretern dieſer Richtung ſich einzelne hohe Autoritäten, insbeſondere die Charcots, befinden, ſo muß ich kurz darauf zurückkommen. Es behaupten nämlich Einige, daß während der Hypnoſe die Re— flexthätigkeit der Muskeln verändert fei. Man verſteht unter Reflexthätigkeit der Muskeln diejenige Thätigkeit derſelben, die unabhängig vom Willen durch Reizung eines ſenſiblen Nerven hervorgerufen wird: der Augenſchluß, der bei Berührung des Auges eintritt, iſt ein ſolcher Reflexakt, welcher unabhängig vom Willen durch Reizung der ſenſiblen Nerven des Auges erzeugt wird. Es ſollen nun, wie u. a. Heidenhain meinte, in der Hypnoſe durch leichtes Reiben der Haut die darunter liegenden Muskeln ſich kontrahieren und in 224 Humboldt. — Juli 1890. Kontraktur verharren. Nach Anſicht der meiſten neueren Forſcher kontrahieren ſich jedoch die Muskeln auf den genannten Hautreiz hin nur dann, wenn der Hypnotiſche den Hautreiz als den Befehl zur Kontraktion auffaßt, d. h. es ſind dieſe Kontraktionen gleichfalls nur durch Suggeſtion bedingt. Charcot ging noch weiter; er meint, daß ſich jo- gar verſchiedene Stadien der Hypnoſe voneinander trennen laſſen, die weſentlich durch die Verände⸗ rung der Reflexthätigkeit voneinander abweichen. Die drei Stadien Charcots find: Erſtens das kata⸗ leptiſche Stadium; in ihm ſind die Augen weit ge⸗ öffnet, jedes Glied hat die Neigung, die Stellung inne zu halten, die ihm der Experimentator gibt. Zweitens das lethargiſche Stadium; die Glieder fallen in demſelben wie gelähmt, der Schwere folgend, herab; das Individuum iſt vollſtändig be⸗ wußtlos; in dem Gebiete der Muskeln zeigt ſich die als neuromuskuläre Hyperexcitabilität beſchriebene Erſcheinung, d. h. die Muskeln kontrahieren ſich auf einen leichten mechaniſchen Reiz, z. B. einen Druck, den man auf ſie ausübt; ſie kontrahieren ſich aber auch, wenn man die zu ihnen führenden Nerven reizt. Wird z. B. der Nervus ulnaris ſtark gedrückt, ſo kontrahieren ſich gleichzeitig alle von ihm verſorgten Muskeln. Drittens das ſomnambule Stadium. Auch in ihm laſſen ſich reflektoriſche Muskelkontraktionen hervorrufen, aber nicht wie im lethargiſchen durch Druck auf den Nerv oder Muskel, ſondern nur durch leichte Reizungen der Haut. Die Hauptſache iſt, daß nach Charcots und auch nach Heidenhains Anſicht ſich Muskeln in Kontrak⸗ tion oder Kontraktur verſetzen laſſen, ohne daß das Individuum eine Vorſtellung von dem hat, was eintreten ſoll, d. h. auf dem Wege des einfachen Reflexes. Daß übrigens dieſe Annahme in der neu⸗ eren Zeit mehr und mehr bekämpft wird, daß ſich deren Anhänger immer mehr und mehr lichten, ſei kurz erwähnt. Viel weniger häufig als die willkürliche Mus⸗ kulatur, zeigt die unwillkürliche in der Hyp⸗ noſe Abweichungen. Zur unwillkürlichen Musku⸗ latur gehören das Herz, die Muskeln des Magens, des Darmkanals, die Muskeln der Blutgefäße u. ſ. w. Wenn man nun auch in manchen Fällen Darm- und Magenmuskulatur ſuggeſtiv beeinfluſſen kann, ſo findet dieſer Einfluß dennoch zweifellos viel ſeltener ſtatt, als die oben bei der willkürlichen Muskulatur geſchilderten Erſcheinungen. Relativ häufig kann man noch den Darmkanal beeinfluſſen, z. B. Stuhl⸗ gang zu beſtimmter Zeit hervorrufen; man kann auch wohl Brechbewegungen durch den Befehl zu er⸗ brechen bewirken. Viel ſeltener werden die Gefäß⸗ muskeln und das Herz beeinflußt. Zuweilen ſind zwar Hautrötungen, wie man ſie durch eine Er⸗ ſchlaffung gewiſſer Gefäßmuskeln hervorruft, ſuggeſtiv erzeugt worden, doch zählen dieſe Erſcheinungen ſchon zu den Seltenheiten. Hingegen ſind die Sinnesorgane öfter in ihrer Funktion geſtört; ſie können zahlreiche Abweichungen zeigen. Einen bitteren oder ſüßen Geſchmack durch Suggeſtion hervorzubringen, iſt oft ſehr leicht; ebenſo werden Geruchs- und Gehörsempfindungen vom Experimentator durch Suggeſtion beliebig erzeugt. „Sie hören dort jenes Konzert, Sie hören eine Trommel,“ wird dem Hypnotiſchen zugerufen, und es ſtellt ſich unmittelbar jene Wahrnehmung ein; oder man läßt den Hypnotiſchen gewiſſe Dinge oder Perſonen ſehen. Die einfache Verſicherung, daß dies oder jenes da ſei, genügt, um eine entſprechende Sinnestäuſchung hervorzurufen. Bekanntlich teilt man die Sinnestäuſchungen in Hallucinationen und Illuſionen ein; man verſteht unter Illuſionen die⸗ jenigen Täuſchungen, bei denen ein vorhandenes Objekt falſch aufgefaßt wird, man ſpricht z. B. von einer Illuſion, wenn ein Buch für einen Hund ge⸗ halten wird; hingegen bezeichnet man mit Halluei⸗ nationen ſolche Vorgänge, bei denen an einer Stelle, wo nichts iſt, etwas wahrgenommen wird. Eine Hallueination läge z. B. vor, wenn in der Luft ein Vogel geſehen wird, während nichts Sichtbares vor⸗ handen iſt. Viel häufiger als die Hallucinationen treten während der Hypnoſe die Illuſionen auf. Ein leichtes Geräuſch, wie das Trommeln auf dem Tiſch, hält der Hypnotiſche auf Suggeſtion hin für einen Kanonenſchlag; eine Zwiebel hält er für einen Apfel u. ſ. w. Gibt man ihm z. B. dieſe in die Hand, ſo verſpeiſt er ſie mit demſelben Wohlbehagen, wie er im wachen Zuſtand einen Apfel eſſen würde. Iſt hingegen ſeine Hand leer, und ſucht man nun ihm vorzureden, er habe einen Apfel in der Hand, — wobei es ſich um eine Hallucination handeln würde —, ſo mißlingt der Verſuch viel häufiger. Die Illuſtonen während der Hypnoſe haben manche Aehnlichkeit mit den nächtlichen Träumen; charakte⸗ riſtiſch für dieſe wie für jene iſt u. a. die Neigung des Bewußtſeins, den empfangenen Sinneseindruck ſtark zu vergrößern; ſo wird eine leichte Berührung für einen Hundebiß, ein leichtes Geräuſch für einen Donnerſchlag gehalten. Im Gegenſatz zu den bisher geſchilderten Sinnes⸗ täuſchungen, bei denen ein nicht vorhandenes Objekt wahrgenommen wurde, beobachten wir auch ſolche, bei denen ein vorhandenes Objekt nicht wahrgenommen wird, wir bezeichnen dieſe letzteren Vorgänge als negative Sinnestäuſchungen im Gegenſatz zu den erſtgenannten, die man auch als poſitive be⸗ zeichnet. Nehmen wir den Fall an, es ſei A hyp⸗ notiſiert und außer mir fet noch B im Zimmer. Ich ſage jetzt zu A: „B iſt eben fortgegangen.“ A ſieht ihn nicht mehr, hört ihn nicht mehr, kurz und gut, B exiſtiertnun nicht für A. Der Stuhl, auf dem B bisher geſeſſen hat, iſt nach A's Annahme leer, er ſetzt ſich ohne Scheu auf denſelben, reſp. auf B's Knie, da ja B in Wirklichkeit noch da ſitzt. A fühlt wohl auch eine undeutliche Reſiſtenz, aber die Exiſtenz von B kommt ihm gar nicht mehr ins Bewußtſein. Wir ſehen hier, daß die negative Sinnestäuſchung für alle Sinnesorgane gleichzeitig beſteht; man kann ſie aber auch für nur einen oder mehrere Sinne Humboldt. — Juli 1890. erzeugen. Ich ſage zu A: „Sie hören jetzt den B noch, aber es wird Ihnen unmöglich ſein, B zu ſehen.“ Dies genügt nun, den B zwar unſichtbar für A zu machen, aber B's Stimme den A hören zu laſſen, ſo daß ſich ein vollkommenes Geſpräch zwiſchen beiden entwickelt, trotzdem B von A nicht geſehen wird. Gehen wir nun zu den weiteren Erſcheinungen der Hypnoſe über, ſo hätten wir noch die in neuerer Zeit mehrfach unternommenen Verſuche zu erwähnen, mittels deren man ſich beſtrebte, organiſche, anato— miſche Veränderungen hervorzubringen. Nachdem einige Aerzte in Nancy vorangegangen waren, deren Verſuche jedoch noch nicht exakt genug angeſtellt waren, ſahen wir, daß zwei unſerer hervorragendſten Pſychiater und Psychologen, Forel und v. Krafft— Ebing), denen durch Zufall und geſchicktes Experi— mentieren günſtige Verſuchsperſonen ſich darboten, gleichfalls derartige Experimente unternahmen. Der letztere machte eine Reihe von Verſuchen an einer Patientin, an der ſchon Jendraſſik in Budapeſt gleiche Verſuche mit gleichen Erfolgen vorgenommen hatte; v. Krafft⸗Ebing berührte die Patientin mit irgend einem Gegenſtande, nachdem er ihr ſuggerirt hatte, daß dieſer glühend heiß ſei; es bildeten ſich nun nach mehreren Stunden entſprechend der Form der Gegenſtände typiſche Brandblaſen. Auch andere ana— tomiſche Veränderungen konnte v. Krafft-Ebing her⸗ vorbringen. Es verdient beſonders erwähnt zu werden, daß ein hervorragender Dermatolog, der wohl als ein Fachmann auf dieſem Gebiete gelten kann, erklärte, daß eine künſtliche chemiſche oder mechaniſche Verletzung unmöglich jene Veränderungen hervorbringen könnte, die lediglich auf dem Wege der Suggeſtion zu ſtande gebracht wurden. Die Ueberwachung und Kontrolle der Verſuche war eine weſentlich beſſere, als die Forſcher in Nancy aus— geübt hatten. Die Verſuchsperſon v. Krafft-Ebings zeichnete ſich allerdings durch eine ganz enorm geſteigerte Sug— geſtibilität während der Hypnoſe aus; bei ihr gelang z. B. auch das ſonſt kaum mit Erfolg wiederholte Experiment, ein Abführmittel lediglich durch Suggeſtion unwirkſam zu machen. Die Perſon erhielt eine Doſis Rieinusöl, die unter normalen Verhältniſſen genügte, einen reichlichen Stuhlgang herbeizuführen. Als ihr nun aber während der Hypnoſe aufgetragen war, erſt in 48 Stunden einen feſten Stuhlgang zu haben, trat dies in der That ein, trotzdem die Perſon eine genügende Doſis von dem ſonſt nach wenigen Stunden wirkenden Abführmittel erhalten hatte. Auch Forel unternahm eine Reihe hierher gehöriger Verſuche, die er dem Verfaſſer dieſer Arbeit ſeiner Zeit zur Ver— öffentlichung übergab und die ja auch von ihm ge— ) v. Krafft⸗Ebing, Eine experimentelle Studie auf dem Gebiete des Hypnotismus. 2. Auflage. Stuttgart 1889. Der Autor beſchreibt hier zahlreiche hochintereſſante Beob— achtungen an einer hypnotiſierten Perſon, die in mancher Beziehung ein pſychologiſches Rätſel iſt. Humboldt 1890. g 225 nauer beſchrieben worden find*). Unter anderen Verſuchen verdient derjenige erwähnt zu werden, in welchem es Forel gelang, innerhalb 5 Minuten eine ausgeſprochene Quaddel zu produzieren. Man vergeſſe jedoch nie, daß die Hervorrufung anatomiſcher Ver— änderungen eine außerordentliche Rarität iſt, die uns zwar vom pſychologiſchen Standpunkt aus enorm wichtig, vom praktiſchen aus einſtweilen noch ziem— lich gleichgültig erſcheinen muß. Gehen wir nunmehr zur Beſprechung der geiſtigen Fähigkeiten während der Hypnoſe über, ſo haben wir zunächſt das Gedächtnis zu betrachten. Die Funktion desſelben während der Hypnoſe war früher die Quelle großer Irrtümer. Man nahm an, daß die Hypnotiſchen nach dem Erwachen aus der Hypnoſe von all dem nichts mehr wüßten, was während der— ſelben vorgegangen war. Es hat ſich indeſſen in neuerer Zeit herausgeſtellt, daß der Hypnatiſche in den meiſten Fällen nach dem Erwachen weiß, was während der Hypnoſe vorfiel, und daß dieſe Erinne— rungsfähigkeit nur in der kleineren Zahl von Fällen erloſchen ijt. Wichtig iſt die ſchon den alten Mes— meriſten bekannte Erſcheinung, die man heute wohl auch als doppeltes Bewußtſein bezeichnet. Dieſe Erſcheinung beſteht darin, daß der Hypnotiſche nach dem Erwachen nicht weiß, was in der Hypnoſe vorfiel, daß er aber in einer ſpäteren Hypnoſe ganz genau weiß, was er in früheren Hypnoſen gethan und auch während des wachen Zuſtandes erlebt hat, ſo daß die Erinnerung in der Hypnoſe bei weitem mehr um— faßt, als die im wachen, normalen Zuſtand. Doch iſt dieſe Erſcheinung des doppelten Bewußtſeins, wie ſchon angedeutet, relativ ſelten vorhanden und findet ſich faſt nur bei den tiefen Hypnoſen. Die Suggeſtion hat nun auf das Gedächtnis einen außerordentlich großen Einfluß. Erwähnt ſei zunächſt, daß man auch bei der tiefſten Hypnoſe nach dem Erwachen dadurch Erinnerung bewirken kann, daß man vor dem Erwachen dem Hypnotiſchen an— befiehlt, nach dem Erwachen ſich an alles zu erinnern. Durch Suggeſtion ſind wir auch ſonſt im ſtande, einen außerordentlichen Einfluß auf das Gedächtnis auszuüben, beſonders ſind hier die retroaktiven Hallueinationen zu beſprechen, die man in dem Hypnotiſchen erzeugen kann. Der Verſuchsperſon X ſage ich in Hypnoſe: „Als Sie vorhin zu mir kamen, ſahen Sie ein brennendes Haus.“ Ich be— zeichne das Haus genau, und die Perſon iſt nun überzeugt, daß ſie in der That jenes Haus in Flammen ſtehend geſehen hat. Einer andern Perſon Y age ich: „Sie haben heute noch nicht gefrüh— ſtückt, noch nicht zu Mittag gegeſſen, Sie ſind noch vollkommen nüchtern.“ Sofort ſpürt Y großen Hunger, da er noch vollkommen nüchtern ſei. Der erſtere Fall von X, dem ich geſagt habe, daß er etwas geſehen habe, was in Wirklichkeit nicht der Fall war, bezeichnet man nun als eine pofitive retroaktive ) Der Hypnotismus von Dr. med. Albert Moll. 2. Auflage. Berlin 1890. 29 226 Hallucination, während man in dem zweiten Falle von M von einer negativen retroaktiven Hallu— cination ſpricht, weil hier ein in Wirklichkeit erlebter Vorgang als nicht erlebt der Verſuchsperſon ) unter⸗ geſchoben wird. Man kann alſo, wie wir ſehen, gewiſſe Vorgänge aus dem Gedächtnis Hypnotiſcher auslöſchen; in genau derſelben Weiſe aber iſt man auch im ſtande, einen ganzen Lebensabſchnitt aus dem Gedächtnis zu entfernen. T erinnert ſich auf Sug⸗ geſtion hin nicht mehr, was er innerhalb des letzten Jahres gethan hat. Freilich empfindet er hier fub- jektiv eine gewiſſe Lücke, da er weiß, daß er 27 Jahre alt iſt, aber nicht weiß, was während des letzten Jahres mit ihm vorgegangen iſt. Dieſe ſubjektive Lücke können wir aber auch verwiſchen. Ich ſage dem 27jährigen X: „Sie ſind jetzt 15 Jahre alt“. Sofort fühlt er ſich in der That in dieſes Alter zurückverſetzt, handelt als 15jähriger Menſch, glaubt in der Schule zu ſein, mit ſeinem Lehrer zu ſprechen und empfindet nicht, wie in dem erſten Fall, eine Lücke in ſeinem Gedächtnis. Alles, was rings herum um ihn vorgeht, bezieht er auf die damalige Zeit. Er hält mich für ſeinen Lehrer, mein Sprechzimmer für die Schulſtube, meinen elektriſchen Apparat für die Wandtafel u. ſ. w. Endlich aber iſt man auch im ſtande, ſtatt dieſer fortgenommenen Erinnerungs⸗ bilder neue unterzuſchieben. Ich ſage X: „Sie find ja gar nicht der X, ſondern Sie ſind das Fräulein Yz“ ſofort handelt jener fo, wie dieſes ihm bekannte Fräulein Y, er glaubt, ein weibliches Weſen zu fein u. ſ. w. Man kann auf dieſe Weiſe Menſchen in Tiere, Pflanzen, ja in tote Gegenſtände umformen. Als Hund bellt X; als Katze miaut er, als Bild⸗ ſäule bleibt er bewegungslos ſtehen. Man kann ihn in hiſtoriſche Perſönlichkeiten, Friedrich den Großen, Napoleon, Bismarck u. ſ. w. umformen; jede Ver⸗ wandlung, die in ſeinem Ideenkreis liegt, wird von & bereitwilligſt angenommen. Man bezeichnet dieſen Vorgang als „objectivation des types“. Ich beſpreche jetzt eine der intereſſanteſten Er⸗ ſcheinungen, die anfangs am meiſten Mißtrauen er⸗ regte, die ſogenannte poſthypnotiſche Suggeſtion. Es hat ſich nämlich im Verlauf vieler Experimente herausgeſtellt, daß man im ſtande iſt, bei vielen Leuten Suggeſtionen, nachdem ſie aus der Hypnoſe erwacht ſind, zu verwirklichen, wenn man in dieſer die ent⸗ ſprechende Eingebung gemacht hat. Bald ſchließen ſich dieſe Suggeſtionen direkt an die Hypnoſe an. Ich ſage einem Hypnotiſchen: „Sie können jetzt Ihren Namen nicht mehr ſprechen“; nachdem ſeine Unfähig⸗ keit dies zu thun feſtgeſtellt worden, gebe ich den weiteren Befehl, daß er auch nach dem Erwachen ſeinen Namen nicht würde ſprechen können; auch dieſer Befehl geht in Erfüllung. Oder ich ſage dem Hyp⸗ notiſchen: „Fünf Minuten nach dem Erwachen werden Sie dreimal in die Hände klatſchen“; auch dieſer Be⸗ fehl realiſiert ſich. Was nun am meiſten auffällt, iſt, daß derartige poſthypnotiſche Suggeſtionen häufig auch bei ſolchen Perſonen gelingen, die ſich anſchei⸗ nend nach dem Erwachen an nichts mehr erinnern, Humboldt. — Juli 1890. was während der Hypnoſe vorgefallen iſt. Indes iſt es doch klar, daß, wenn nicht eine Erinnerung beſtände, ein derartiger Befehl ſich nicht verwirklichen könnte. Man hat deshalb in neuerer Zeit — bez ſonders Max Deſſoir) beſteht auf dieſer Löſung der Schwierigkeit, auf Grund der Theorie vom Doppel-Ich — eine Löſung verſucht mittels einer Teilung unſeres Bewußtſeins, wie ſie bekanntlich Ed. von Hartmann annimmt. Danach können wir in ſchematiſcher Weiſe das Bewußtſein des Menſchen in zwei Hälften teilen, die wir oft ohne jeden hypnotiſchen Verſuch finden. Ein Beiſpiel dürfte dies erläutern: ich unterhalte mich mit jemandem, reibe aber gleichzeitig, ohne es zu merken, meine erſtarrten kalten Hände, um ſie zu wärmen. Dieſen letzteren, offenbar mit Intelligenz ausgeführten, von mir aber nicht bemerkten Akt ſoll nun mein ſoge⸗ nanntes Unterbewußtſein ausführen, während die Unterhaltung mit der anderen Perſon von dem Ober⸗ bewußtſein geleitet wird. Ober- und Unterbewußtſein bilden demnach die zwei Hälften meines Bewußtſeins; das letztere führt diejenigen pſychiſchen Vorgänge aus, von denen wir keine Kenntnis haben; das Oberbe⸗ wußtſein diejenigen, von denen wir Kenntnis haben. Wenden wir dies nun auf die poſthypnotiſche Suggeſtion an, ſo ſehen wir, daß, wie viele andere Vorgänge, ſo auch der poſthypnotiſch gegebene Befehl in dem ſogenannten Unterbewußtſein ſchlummert, d. h. der Befehl iſt zwar aufgenommen und realiſiert ſich ganz ebenſo wie andere Befehle, die wir im wachen Zuſtand geben, aber er gelangt nicht bis in diejenige Sphäre des Bewußtſeins, die wir als Oberbewußt⸗ fein bezeichnen. In dem Oberwußtſein befinden fic) danach nur jene pſychiſchen Vorgänge, von denen wir Kenntnis haben. Es verlaufen aber nach dieſer Theorie in uns eine große Anzahl anderer pfychiſcher Vor⸗ gänge, von denen wir keine Kenntnis haben und die ſich eben in dem Unterbewußtſein befinden. Jeden⸗ falls ſcheint es mir, daß man auf dieſe Weiſe am beſten über die genannte Schwierigkeit hinwegkommt. Gehen wir nun zu den Thatſachen über, ſo ſei konſtatiert, daß wir alle jene Suggeſtionen auch poſt⸗ hypnotiſch realiſteren können, die wir oben als hyp⸗ notiſche kennen gelernt haben. Man iſt auf dieſe Weiſe im ſtande, poſthypnotiſche Hallucinationen zu erreichen. Lehrreiche Beiſpiele liefern v. Krafft⸗Ebing und Forel ). So ſuggerierte v. Krafft⸗Ebing einer hypnotiſchen Perſon, daß nach ihrem Erwachen nie⸗ mand mehr im Zimmer ſein werde; ſie benimmt ſich nach dem Erwachen auch vollkommen ſo, wie wenn ſie allein wäre und ignoriert alle Anweſenden voll⸗ kommen. Derartige poſthypnotiſche Suggeſtionen kann man auf lange Zeit hinaus geben, nicht nur auf Stunden, ſondern auf Tage, Wochen und Monate. Die längſte Zwiſchenzeit zwiſchen Befehl und Reali⸗ *) Max Deſſoir, Das Dopel⸗Ich. Leipzig 1890. **) Forel, Der Hypnotismus. Stuttgart 1890. Das Buch zeigt in ebenſo klarer wie kurzer Weiſe die weit⸗ tragende Bedeutung der Suggeſtion. Humboldt. — Juli 1890. 227 ſierung desſelben iſt jener Verſuch, der in Naney ge— macht wurde, und bei dem ein volles Jahr dazwiſchen lag. Indes vergeſſe man doch nie, daß hierzu ganz beſonders günſtige Bedingungen gehören; es iſt hier— bei ſehr weſentlich, wie groß die hypnotiſche Empfäng— lichkeit einer Perſon iſt. Nur ſelten wird es gelingen, auf Wochen und Monate hinaus experimentell ſolche poſt— hypnotiſche Suggeſtionen zu verwirklichen; auf kürzere Zeit hinaus aber kann man in einer ſehr großen Zahl von Fällen mit Erfolg derartige Eingebungen machen. Im allgemeinen gelingen die poſthypnotiſchen Sug— geſtionen da am beſten, wo nach dem Erwachen an— ſcheinend keine Erinnerung beſteht; doch ſind auch Fälle vorhanden, wo bei beſtehender Erinnerung der Befehl ausgeführt wird. In vielen Fällen, und beſonders wenn die Erinnerung beſteht, haben durch poſthyp— notiſche Suggeſtion ausgeführte Handlungen voll— kommen den Charakter von Trieb- oder auch Zwangs— handlungen. Lehrreich hierfür iſt ein von Forel ver— öffentlichter Fall. Es handelte ſich um einen Studenten, dem er die Eingebung gemacht hatte, ihm nach dem Erwachen auf die Schulter zu klopfen. Zwar war der Betreffende im ſtande, den mächtigen Drang, dem Befehle nachzukommen, zu unterdrücken, dennoch er— klärte er, daß mehrere Tage hindurch ihn dieſer Drang verfolgt habe. In vielen anderen Fällen iſt auch ſelbſt die Unterdrückung mit der größten Anſtrengung nicht möglich, der Betreffende iſt gezwungen, die Hand— lung auszuführen, trotzdem er ganz genau weiß, daß es ſich um einen von außen gegebenen Befehl han⸗ delt. Aber auch dieſes letztere iſt nicht immer der Fall; ſehr oft ahnt die Verſuchsperſon gar nicht, daß es ſich um eine Suggeſtion handelt und dennoch führt ſie dieſe aus, ſie glaubt dann aus freien Stücken eine Handlung ausgeführt zu haben, die ſie lediglich auf Grund der genannten poſthypnotiſchen Suggeſtion verwirklichte. Ein Beiſpiel aus meiner Erfahrung möge dies illuſtrieren. Ich ſage einer Frau in Hyp— noſe, ſie werde nach dem Erwachen ein Buch vom Tiſch nehmen und in das Bücherregal ſtellen. Die Frau thut das und auf meine Frage, warum ſie das ge— than habe, erhalte ich die Antwort: „Ja, Herr Doktor, ich liebe die Ordnung, das Buch gehört in das Regal und deswegen ſtellte ich es hinein.“ Dieſes eigen— tümliche Suchen nach Motiven bei ausgeführten Be— fehlen iſt ſehr intereſſant, und viele neuere Be— obachter haben daraus verallgemeinernde Schlüſſe gezogen, um eine der mächtigſten Stützen für die Willensfreiheit zu ſtürzen, nämlich das Gefühl, frei gehandelt zu haben. Experimentell kann man in der That auf dieſe Weiſe jeden Moment es nachweiſen, daß das Gefühl frei gehandelt zu haben nicht genügt, um wirklich die Willensfreiheit bei Ausführung jener Handlungen zu beweiſen. Der Zuſtand während der Realiſierung der poſt— hypnotiſchen Suggeſtion iſt ein verſchiedener. Wenn nämlich auch nach dem Erwachen aus der Hypnoſe die Suggeſtion ſich verwirklicht, ſo findet dieſe Ver⸗ wirklichung dennoch keineswegs immer in einem nor— malen Zuſtande ſtatt. Es hat ſich vielmehr heraus— geſtellt, daß in vielen Fällen die Ausführung der poſthypnotiſchen Suggeſtion mit dem ſpontanen Gin- tritt einer neuen Hypnoſe ſich verbindet, während allerdings in anderen Fällen der Zuſtand eine Ab— weichung von der Norm nicht zeigt. Ich komme nunmehr zu einer kurzen Beſprechung des Bewußtſeins und Willens in der Hypnoſe. Die Annahme, daß der hypnotiſche Zuſtand ein Zuſtand der Bewußtloſigkeit ſei, iſt wohl jetzt endgültig wider— legt. Ja es ſind in den meiſten Fällen, wie wir ſahen, lediglich die Willkürbewegungen herabgeſetzt, während eine weitere Störung des Bewußtſeins nicht ſtatthat. Auch das darf man nicht glauben, daß etwa der Hypnotiſche ein willenloſer Automat ſei, der alles thut, was man ihm befiehlt, vielmehr ſetzt der Hypnotiſche zahlreichen Eingebungen den heftigſten Widerſtand entgegen. Wenn ein oder der andere Be— fehl ihm nicht paßt, ſo kann man ſelbſt bei tiefer Hypnoſe erfolgreichem Widerſtand begegnen. Es iſt deswegen auch als ein Irrtum aufzufaſſen, daß der Hypnotiſche geneigt fei, ſeine Geheimniſſe ohne weiteres auszuplaudern. Was er wirklich geheim halten will, wird man ihm auch in der Hypnoſe nicht ſo leicht entlocken; ſicherlich wird man durch den einfachen Be— fehl, es zu ſagen, gewöhnlich nichts erreichen. Bei tiefer Hypnoſe dürfte es vielleicht ſchon eher gelingen, am leichteſten aber auf dem indirekten Wege; man verſetze etwa den Hypnotiſchen durch Suggeſtion in eine Umgebung, vor der er ſich nicht genieren würde, jenes Geheimnis auszuplaudern, man entferne durch Suggeſtion anweſende Perſonen, denen er das Ge— heimnis nicht anvertrauen will. Auch ſonſt ſetzt der Hypnotiſche denjenigen Suggeſtionen, die mit ſeinen Grundſätzen nicht harmonieren, erfolgreichen Wider— ſtand entgegen, den man oft nur durch geſchicktes Experimentieren brechen kann. Neue Anterſuchungen über das Altramarinblau. Die Urſache der blauen Färbung des Ultramarins iſt ſchon mehrfach Gegenſtand der Erörterung geweſen, ohne daß die Frage zur endgültigen Entſcheidung gebracht worden wäre. Und in der That iſt die intenſiv blaue Färbung einer Subſtanz merkwürdig, welche nur aus Thonerde, Kieſelſäure, Natron und Schwefel beſteht, alſo aus Stoffen, welche, ſoweit bekannt, keine gefärbten Verbindungen liefern. Die näheren Beſtandteile des Ultramarins find ein Natrium— aluminiumſilikat und ein Sulfid des Natriums. Auf der einen Seite wird nun die Anſchauung vertreten, daß einer Verbindung zwiſchen dieſen beiden Subſtanzen die blaue Färbung eigentümlich ſei, auf der anderen Seite herrſcht die Vorſtellung, daß eine ſolche Verbindung des farbloſen Na- triumaluminiumſilikats mit Schwefelnatrium nicht blau ſein könne und daß daher noch ein blauer Farbſtoff zugegen fein müſſe. Bemerkenswerte experimentelle Belege zu Gun⸗ 228 ſten der letzteren Anſicht bringt Fr. Knapp in einer Reihe von Abhandlungen im Journ. f. prakt. Chemie (Bd. 32, 34, 38). Hiernach iſt die Urſache der blauen Färbung eine eigentümliche Modifikation des Schwefels, welche Magnus zuerſt kennen lehrte, der fogen. ſchwarze Schwefel. Die Herſtellung des Ultramarinblaus zerfällt in zwei Stadien. Zunächſt wird das Gemenge von Thon, Soda und Schwefel geglüht und die ſo erhaltene ungefärbte Maſſe, die ſogen. Ultramarinmutter, dann durch Röſten in Ultramarinblau verwandelt. Dieſe Umwandlung kann nun nach Knapp auch auf naſſem Wege bewirkt werden. Behandelt man nämlich das geglühte Gemiſch von Thon, Soda und Schwefel mit einer wäſſerigen Löſung von Natronſchwefelleber, ſo färbt ſich die Maſſe blau. Es hat ſich nun die merkwürdige Thatſache ergeben, daß für die Entwickelung des Blaus allein die Behandlung mit Natron⸗ ſchwefelleber und nicht die ſogen. Ultramarinmutter weſent⸗ lich iſt, denn dieſe kann durch eine Anzahl anders zu⸗ ſammengeſetzter Stoffe erſetzt werden. Statt des Thon⸗ erdeſilikats kann der Borax angewandt werden; Thonerde und Kieſelſäure für ſich mit Soda und Schwefel geglüht, geben beim Digerieren mit Natronſchwefelleber blaue Pro⸗ dukte; endlich gelingt die Blaubildung auch mit Körpern, die mit den genannten in keinerlei Beziehung ſtehen, wie mit dreibaſiſchem Caleiumphosphat. Eine beſtimmte chemi⸗ ſche Konſtitution der verwendbaren Körper iſt zum Zu⸗ ſtandekommen des Blaus überhaupt nicht erforderlich; es genügt, wenn der angewendete Stoff eine gewiſſe phyſi⸗ kaliſche Beſchaffenheit beſitzt, welche die Zugänglichkeit für die in Wirkung tretenden Reagentien in ſeine Maſſe ver⸗ bürgt. Unerläßliche Bedingung für die Blaubildung iſt die Gegenwart von Schwefelnatrium. Wie Knapp nachweiſt, enthält das auf dem gewöhnlichen Wege durch Schmelzen von Soda mit Schwefel dargeſtellte Schwefelnatrium, die Schwefelleber, in geringer Menge die ſchwarze Modifikation des Schwefels. Magnus, welcher den ſchwarzen Schwefel zuerſt beobachtete, fand, daß ſich derſelbe ſtets bildet, wenn gewöhnlicher Schwefel plötzlich einem Hitzegrad ausgeſetzt wird, welcher weit über ſeinem Siedepunkt liegt. Der ſchwarze Schwefel iſt äußerſt beſtändig, in allen Löſungs⸗ mitteln unauflöslich und bei Luftabſchluß unſchmelzbar. Bei Luftzutritt erhitzt, verbrennt er wie der gewöhnliche Humboldt. — Juli 1890. Schwefel. Die Bedingungen zur Bildung des ſchwarzen Schwefels walten nun auch beim Schmelzen der Schwefel- leber. Mit dem Eintritt der Rotglut gibt nämlich die Natronſchwefelleber Schwefel ab, welcher zum Teil ent⸗ weicht, zum Teil aber auch von der geſchmolzenen Schwefel⸗ leber und zwar in ſeiner ſchwarzen Modifikation zurückge⸗ halten wird. Beim Auflöſen einer ſolchen Schwefelleber in Waſſer ſetzt ſich der ſchwarze Schwefel allmählich als ſchwarzer Schlamm zu Boden. Getrocknet ſtellt er ein ſchwarzes Pulver dar, welches in ſehr feiner Verteilung mit blauer Farbe durchſcheinend iſt. Die Entwickelung des Blaus auf naſſem Wege iſt daher mit einem Färbe⸗ prozeß zu vergleichen. Kommt die Löſung der Schwefel⸗ leber, welche eine ſchwache Färbeflotte vorſtellt, mit Sub⸗ ſtraten in Berührung, ſo ſetzt ſich der ſchwarze Schwefel unter Entwickelung blauer Farbe als dünner Anflug auf der Oberfläche derſelben ab. Bei Calciumphosphat ohne weiteres, bei der Kieſelſäure, Thonerde und aufgeſchloſſenem Kaolin erſt, nachdem ſie vorher mit Schwefelnatrium er⸗ hitzt worden ſind. Dieſe letzteren üben an ſich nämlich keine hinreichende Flächenanziehung aus und gewinnen eine ſolche erſt durch das aufgenommene Schwefelmetall, denn Schwefelmetalle zeichnen ſich ganz beſonders durch phyſi⸗ kaliſche Affinität zum ſchwarzen Schwefel aus. Im Einklang mit der Anſicht, daß der ſchwarze Schwefel das färbende Prinzip des Ultramarinblaus fei, ſteht eine Thatſache, welche die Erfahrung gelehrt hat, nämlich daß bei Anwendung von kohlenſaurem Kali ſtatt kohlenſaurem Natron kein Ultramarin erhalten werden kann. Wie Knapp zeigt, beſitzt die ſchmelzende Kaliſchwefelleber kein Löſungs⸗ vermögen für ſchwarzen Schwefel. Bei Verſuchen, denſelben aus kohlenſaurem Kali und Schwefel darzuſtellen, bemerkt man, daß fic) in der rotglühenden Schmelze zwar vorüber⸗ gehend Schwefel abſcheidet, daß derſelbe aber ſehr raſch von der Schmelze abgeſondert wird und verbrennt. Die beſchriebenen Verſuche ſind jedenfalls für die Kenntnis des Ultramarinblaus von weſentlicher Bedeutung. Unerledigt bleiben jedoch noch die Fragen nach dem Bil- dungsprozeß des Ultramarinblaus im großen und namentlich auch nach der Natur des roten und grünen Ultramarins, welche mit dem Ultramarinblau in nahem Zuſammenhang ſtehen. Vielleicht gelingt es auch hierüber demnächſt Auf⸗ klärung zu erhalten. . Al. Weber die Temperaturverhältniſſe im Wohrloch zu Schladebach, dem tiefſten der Erde. Von Oberlehrer F. Henrich in Wiesbaden. Das im Intereſſe der geologiſchen Landesunterſuchung niedergetriebene Bohrloch bei Schladebach, unweit Merſe⸗ burg, hat eine Tiefe von 1748,4 m erreicht und iſt bis jetzt das tiefſte der Erde. Im fünften Jahre, nachdem das Bohrloch ſchon die Tiefe von 1376 m erreicht hatte, bez gannen die Temperaturbeobachtungen, die ſich, wie die Tabelle zeigt, von 6 m bis 1716 m in Abſtänden von 30 zu 30 m fortſetzen. Die Temperaturbeobachtungen wurden nicht mit dem gewöhnlichen Geothermometer aus⸗ geführt, ſondern mit Ausflußröhrchen, das ſind oben offene, unter einem Winkel von 60° abgeſchnitteue Thermometer. Drei ſolcher Ausflußröhrchen wurden in eine luftdicht ver⸗ ſchließbare eiſerne Kapſel gebracht, die im Hohlgeſtänge eingehängt und 12 bis 14 Stunden vor Ort gelaſſen wurde, nachdem die Strömungen in dem mit Waſſer gefüllten Bohrloche, kurz über und unter der Kapſel, in eigentüm— licher Weiſe durch Thon beſeitigt worden waren. Nachdem das Geſtänge heraufgezogen, wurden die Ausflußröhrchen Humboldt. — Juli 1890. in ein Gefäß mit Waſſer gebracht, in das auch ein Normal: thermometer tauchte. Nachdem ſo lange warmes Waſſer zugefügt worden war, bis das Queckſilber eben überfließen wollte, wurde das Normalthermometer abgeleſen. Dieſe Temperaturbeobachtungen eignen ſich beſonders gut zur Entſcheidung der Frage, ob die Temperatur mit der Tiefe zunimmt und nach welchem Geſetze ſie zunimmt. Temperatur in Reaumurgraden. Tempe⸗ Differenz zwiſchen Tieſe Beob⸗ ratur⸗ Berechnete ee 4 adjtete zunahme Temperatur und Beobachtung. Nr. in auf je 30m wenn wenn Tempe nach der nach nad Gleichg. 1 Gleichg. 2 8 ratur. | Beob- Gleichg. 1 Gleichg. 2 [zu Grunde gelegt achtung. wird. 1 6 8,2 0,4 7,56 7,90 | —0,64 | — 0,30 2 36 8,6 0,6 8,23 8,54 | —0,37 | —0,06 3 66 9,2 0,7 8,91 9,18 | — 0,29 — 0,02 4 96 9,9 1,0 9,59 9,83 | —0,31 | —0,07 5 126 10,9 0,4 10,26 | 10,47 | —0,64 | — 0,3 6 156 11.3 0,9 10,94 | 11,12 — 0,36 — 0,18 7 186 12,2 0,3 11,62 | 11,76 | —0,58 | — 0,44 8 216 12,5 0,4 12,30 | 12,41 | —0,20 | — 0,09 9 246 12,9 0,5 12,97 13,06 | +0,07 | -+0,16 10 276 13,4 0,8 13,65 | 13,71 | +-0,25 | +0,31 11 306 14,2 0,4 14,33 14,37 | +0,13 | 0,17 12 336 14,6 0,7 15,00 | 15,02 0,40 | +0,42 13 366 15,3 1510 15,68 | 15,68 0,38 | +0,38 14 396 16.4 0,6 16,36 | 16,33 | —0,04 | —0,07 15 426 17,0 0,7 17,03 | 16,99 | +0,03 | —0,01 16 456 17 0.6 17,71 17,65 | +0,01 | —0,05 17 486 18,3 0,7 18,38 18,31 | + 0,08 | +-0,01 18 516 19,0 0,8 19,06 | 18,97 | +0,07 | —0,03 19 516 19,8 0,8 19,74 | 19,63 | —0,06 | —0,17 20 576 20,6 0,5 20,42 | 20,29 | —0,18 | —0,31 21 606 21,1 0,2 21,10 | 20,96 0,00 | —0,14 22 636 21,3 0,7 21,77 | 21,63 | +0,47 | +0,33 23 666 22.0 0,9 22,45 | 22,29 40,454 0,29 24 696 22,9 0,4 23,13 22,97 | +0,23 | +0,07 25 726 23,3 0,5 23,80 | 23,64 | +0,50 | +0,34 26 756 23,8 1,0 24,48 | 24,31 | +0,68 | +0,51 27 786 24,8 04 25,16 | 24,99 | 70,36 | 0,19 28 816 25,2 11 25,83 | 25,66 | +0,63 | +0,46 29 846 26.3 0,9 26,51 | 26,34 | +0,21 | — 0,04 30 876 27,2 0,6 27,19 | 27,01 | —o,01 | —0,19 31 906 27,8 0,7 27,86 | 27,69 0,06 | —0,11 32 936 28,5 | 0,8 28,54 28,37 | +004 | —0/13 33 966 29,3 0,5 29,22 | 29,05 | —0,08 | —0,25 34 996 29,8 0,3 29,89 | 29,73 | +0,09 | —0,07 35 | 1026 30,1 0,3 30,57 | 30,42 | +0,47 | 0,32 36 | 1056 30,4 0.9 31,25 | 31,10 | +0,85 | —0,30 37 | 1086 31,3 0,9 31,92 | 31,78 | +0,62 | +0,48 38 | 1116 32,2 0,5 32,60 | 32,47 | 0,40 10,27 39 | 1146 32,7 1,0 33,28 | 33,16 | +0,58 | +046 40 | 1176 33,7 0,7 33,95 | 33,85 | +0,25 | +0,15 41 | 1206 34,4 0,8 34,63 | 34,54 | +0,23 | +0,14 42 | 1236 35,2 1,0 35,31 | 35,23 | +0,11 | 0,03 43 | 1266 36,2 0,7 35,98 | 35,93 | —0,22 | —0,27 4t | 1296 36,9 0,8 36,66 | 36,62 | —0,24 | —0,28 45 1326 37,7 11 37,34 | 37,82 | —0,36 | — 0,88 46 | 1356 38,8 0,8 38,02 | 38,01 | —0,78 | — 0,79 47 | 1386 39,6 0,6 38,70 | 38,71 | —0,90 | —o,89 48 | 1416 40,2 0,7 39,37 | 39,41 | —0,83 | —0,79 49 | 1446 40,9 0,6 40,05 | 40,11 | —0,85 | —0,79 50 | 1476 41,5 0,8 40,73 | 40,82 | —0,77 | — 0,68 51 1506 42,3 0,2 41,49 | 41,52 | —0,90 | —0,78 52 1536 42,5 0,3 42,08 | 42,22 | —0,42 | —0,28 53 | 1566 42,8 0,8 42,75 | 42,93 | —0,05 | +0,13 541596 43,6 04 43,43 | 43,64 | —0,17 | +0,04 55 | 1626 44,0 0,4 44,11 | 4435 | +0,11 | +-0,35 56 | 1656 44,4 0,8 44,79 | 45,06 | +0,39 | +0,66 57 | 1686 45,2 0,1 45,47 | 45,77 | +0,27 0,57 58 | 1716 45,3 — 46,14 | 46,48 | +0,84 1,18 Der Anblick der vorſtehenden Tabelle lehrt ſofort, daß die Temperatur nach der Beobachtung mit der Tiefe ſtets zu- und niemals abnimmt. Er lehrt, daß die Temveratur- zunahme (j. 4. Vertikalreihe) Schwankungen von 0,1 bis 1,1 R. auf 30 m Tiefe nach der Beobachtung zeigt und daß die Temperatur in 6 m Tiefe, wo man die mittlere Ortstemperatur 7,2e ᷣ R. anzutreffen berechtigt war, 8,2% R. beträgt. Dieſe merkwürdige Erſcheinung, daß die Tem— peratur in Gm Tiefe um 1“ R. höher gefunden wurde, 229 als die mittlere Ortstemperatur, erklärt ſich dadurch, daß in dem mit Waſſer gefüllten Bohrloch fortwährend Strö— mungen ſtattfinden, welche die Geſteinstemperatur nach langjähriger Einwirkung verändern. Die Temperaturbeob— achtungen nahmen ihren Anfang, nachdem das Bohrloch bereits 4 Jahre den Strömungen ausgeſetzt war. In dieſer Zeit iſt durch das aus der Tiefe heraufſteigende wärmere Waſſer die Temperatur des Geſteins in 6 m Tiefe um 1 R. erhöht worden. Die zweite Frage, ob die Temperatur mit der Tiefe ſtetig zunimmt, läßt ſich aus den Beobachtungsreſultaten allein nicht entſcheiden, weil dieſe mit Beobachtungsfehlern behaftet ſind und Schwankungen von 0,1 bis 1,1 R. auf 30 m Tiefe aufweiſen. Trägt man die Tiefen als Ab— ſeiſſen, die dazu gehörigen Temperaturen als Ordinaten auf und verbindet die erhaltenen Punkte, ſo erhält man eine Zickzacklinie, die den Eindruck einer ſtetigen geraden Linie macht, wenn der Maßſtab, mit dem die Tiefen ab— getragen werden, ein kleiner iſt. ; Mit Hilfe der Wahrſcheinlichkeitsrechnung kann man diejenigen Werte ermitteln, die unter allen den abjolut richtigen am nächſten kommen. Legt man der Rechnung die beiden Gleichungen T — a bs und T=a+bS-+ cS? zu Grunde, in welchen S die Tiefe in Metern, T die entſprechende Temperatur in Graden Reaumur bezeichnet, ſo erhält man mit Hilfe der Methode der kleinſten Quadrate die zwei Gleichungen: 1) T=7,4216 + 0,0225638 2) T = 7,767 + 0,021345 S + 0,00000070725 8. Nach dieſen zwei Gleichungen iſt die 5. und 6. Vertikal⸗ reihe der Tabelle berechnet. Vermöge der Gl. 1 nimmt die Temperatur mit der Tiefe ſtetig, vermöge Gl. 2 in ſtärkerem Maße als ſtetig zu. Beide Gleichungen ſchließen ſich den Beobachtungen faſt gleich gut an. Die Differenzen zwiſchen Rechnung und Beobachtung ſind, wie die 7. und 8. Ver— tikalreihe zeigt, nur ſehr unerheblich. Die größte Ab— weichung zwiſchen Rechnung und Beobachtung, welche die Gl. 1 liefert, iſt 0,9, welche die Gl. 2 liefert, 1,18. In dieſem Punkte iſt die Gl. 1 der Gl. 2 überlegen; auch darin, daß Gl. 1 die mittlere Temperatur von Schladebach er— heblich beſſer gibt als Gl. 2. Die Summe der Fehlerquadrate, wenn Gl. 1 zu Grunde gelegt wird, iſt 11,42, wenn Gl. 2 zu Grunde gelegt wird, 9,25. Dieſer Unterſchied von 2,2 iſt in Anbetracht der 58 Beobachtungen ſo unerheblich, daß er nicht in die Wag— ſchale fallen kann. Die Gl. 1 drückt daher das Geſetz der Wärmezunahme mit der Tiefe am beſten aus. Danach nimmt die Tempe⸗ ratur mit der Tiefe ſtetig zu und zwar um 1“ R. auf 44,32 m. Was die Temperaturſchwankungen anlangt, die in der 4. Vertikalreihe der Tabelle verzeichnet ſind, ſo erklären dieſe ſich auf folgende Weiſe. Ehe die Temperaturbeobachtungen angeſtellt wurden, mußten die Ausflußröhrchen auf ihre Genauigkeit geprüft werden. Zu dem Zweck brachte man ſie in ein Gefäß mit Waſſer, in das ein in Zehntelgrade Reaumur geteiltes Normal— thermometer tauchte, goß warmes Waſſer zu, bis das Queck— ſilber an dem Ausflußrand erſchien, und beobachtete nun, um wie viel Grade das Waſſer erwärmt werden mußte, bis ein 230 Tropfen Queckſilber abfiel. Es zeigte ſich, daß das Waſſer um 1,5% R. bis 2“ R., im Mittel folglich um 1,75 R. er⸗ wärmt werden mußte, bis ein Tropfen abfiel. Die Tem⸗ peraturbeobachtungen wurden aus dieſem Grunde ſo aus⸗ geführt, daß das Normalthermometer abgeleſen wurde, wenn ein mittelgroßer Tropfen über dem Rande des Röhrchens ſtand. Da drei Röhrchen in die Tiefe hinabgelaſſen wurden, ſo iſt jede Temperaturangabe das Mittel aus drei Be⸗ obachtungen. Man kann daher nach dem wahrſcheinlichen Fehler einer Temperaturangabe fragen. Die Theorie der Ausflußröhrchen“) hat gelehrt, daß der wahrſcheinliche ) Siehe des Verfaſſers Abhandlung darüber in der Zeitſchrift für Berg⸗, Hütten⸗ und Salinenweſen im preußiſchen Staate, 38. Bd. Humboldt. — Juli 1890. Fehler einer Temperaturangabe (derjenige Fehler, der ebenſo oft überſchritten wie nicht erreicht wird bei zahl⸗ reichen Beobachtungen) 0,287“ R. iſt. Aus der 4. Vertikal⸗ reihe der Tabelle findet man, daß nach dem Ergebnis der Beobachtungen die Temperatur im Mittel um 0,64“ R. auf 30° zunimmt. Iſt nun durch die Beobachtung an einem Ort die Temperatur um 0,287 R. zu hoch gefunden worden, fo iſt dort die Temperaturzunahme ſcheinbar 0,64 + 0,287 = 0,927, iſt fie dagegen um 0,287“ zu niedrig, fo tt die Temperaturzunahme ſcheinbar 0,64 — 0,287 = 0,3530 R. auf 30 m. Temperaturſchwankungen von 0,353“ R. bis 0,927“ R. müſſen daher vorkommen und die 4. Vertikal⸗ reihe der Tabelle lehrt, daß dieſe faſt ausſchließlich vor⸗ kommen. Jortſchritte in den Maturwiffenfmhaften. hy pik. Profeffor Dr. H. v. Fuchs in Preßburg. Beſtimmung des ſpezifiſchen Gewichts. Uapillarität. Auflockerung der Gberflächenhaut. Miſchung. Chemiſche Prozeſſe. Fortpflanzungs⸗ geſchwindigkeit des Schalles, Tönen der Stimmgabel. Interferenzerſcheinungen in der Akuſtik. Vorrichtung zur beliebig langen Unterhaltung von Schwingungen. Hugelgeftalt der Erde. Aggregatzuſtände. Bolometriſche Unterſuchung des Sonnenſpektrums. Regelation. Variationen der magnetiſchen Deklination. Sonnenwärmeſtrahlung. Elektriſche Stromzerſtäubung der Metalle. Dichte. an, wieviel Gramm 1 cem desſelben wiegt. Die hydro⸗ ſtatiſche Wage, auf der man den zu behandelnden feſten Körper einmal in der Luft, einmal in Waſſer wiegt, ver⸗ ſagt bei kleinen oder bei in Waſſer löslichen Kryſtallen den Dienſt. Bei ſolchen wendet Retgers (Zſchr. f. phy). Ch. 3, S. 289, 1889) folgende vervollkommnete (nicht neue) Methode an. Er nimmt Jodmethylen, eine Flüſſig⸗ keit vom ſp. Gew. über 3, auf der alſo ſehr viele Stoffe ſchwimmen, und legt die zu behandelnden Kryſtalle darauf. Nun gießt er langſam Benzol, eine ſehr leichte Flüſſigkeit zu, bis die erſten Kryſtalle unterzuſinken beginnen. Dieſe ſchwerſten Kryſtalle ſind gewiß am freieſten von Luft⸗ und Mutterlauge⸗Einſchlüſſen. Wenn die Körnchen in der Miſchung ſchweben, dann haben ſie gewiß dieſelbe Dichte, wie die Miſchung. Die Dichte der Miſchung iſt aber leicht beſtimmt: man wiegt ab, wieviel Gramm ein Pyknometer von beſtimmtem Rauminhalt erfüllen. Retgers unterſuchte ſo Kryſtalle, in denen iſomorphe Subſtanzen in verſchiedenen Miſchungsverhältniſſen vor⸗ kamen, und fand, daß ihr ſpez. Gew. genau den 8 niſſen der gemeinen Miſchungsrechnung entſpricht, d. h. daß die Miſchung ſich nicht, etwa wie die von Waſſer und Alkohol, kontrahiert. Joly (Phil. Mag. 26, S. 29) wendet diese Methode auf ſchwere Körper, die nicht mehr ſchwimmen, ſo an, daß er dieſelben in ein Stückchen Paraffin einſchmilzt, deſſen Gewicht und Volumen bekannt iſt, und dieſes wird dann ſuſpendiert. Das ſpez. Gewicht des eingeſchmolzenen Körpers iſt leicht berechnet. Smeeth (Sc. Proc. of Dublin S. 6, S. 61) be⸗ handelt eine Pulvermenge von beſtimmtem Gewicht ſo, daß er ein Uhrglas mit etwas Vaſelin unter Waſſer abwägt, Das ſpezifiſche Gewicht eines Stoffes gibt dann das Pulver in das Vaſelin bettet, wodurch er er⸗ reicht, daß das Pulver nicht mit dem Waſſer in Berüh⸗ rung kommt, und abermals unter Waſſer abwägt. Die Differenz der beiden letzteren Wägungen liefert das Bo- lumen des Pulvers und ſofort das ſpezifiſche Gewicht. Das ſpezifiſche Gewicht der Flüſſigkeiten beſtimmt man gewöhnlich durch das Aräometer, d. h. durch einen Schwimmer von gegebenem Gewicht, der in die zu be⸗ ſtimmende Flüſſigkeit ſo tief ſinkt, daß die verdrängte Flüſſigkeit ebenſo ſchwer iſt, wie der ganze Schwimmer. Hierbei taucht aber der Schwimmer faſt ſtets zu tief ein, da die kapillar an der Oberfläche des Schwimmers em⸗ porſteigende Flüſſigkeit ihn nach unten zieht. Dieſen Fehler eliminiert Laska (Zeitſchr. f. Inſtrumentenkunde 9, S. 176, 89), indem er den Stand des Schwimmers notiert, dann in das oben offene Aräometer eine genau gewogene Queckſilbermenge, z. B. 10 g ſchüttet, worauf der eylin⸗ driſche Schwimmer ere ſinkt, und zwar ſo tief, daß der neue untertauchende Cylinderteil (deſſen Volumen durch die Skala gemeſſen wird) gerade 10 8 Flüſſigkeit verdrängt. Beide Ableſungen werden hier durch die Kapillarität in gleichem Maße gefälſcht, d h. der Fehler iſt eliminiert. Ueber Kapillarität haben in letzterer Zeit nament⸗ lich Mensbrugghe, Marangoni, Van der Waals und Fuchs Arbeiten veröffentlicht. Es ſind dabei Verhältniſſe zu Tage getreten, welche von den herkömmlichen Auffaſſungen ſehr abweichen. Gleichwie niemand denkt, daß Glas an ſeiner Oberfläche immer weniger und weniger dicht wird und ſo allmählich in Luft übergeht, ſo dachte man bisher, daß auch Flüſſigkeiten eine ſcharfe Grenze haben, wo ſie aufhören und wo die atmoſphäriſche Luft oder der leere Raum beginnt. Bei Flüſſigkeiten, welche verdampfen Humboldt. — Juli 1890. können, wie etwa Waſſer, hat ſich dieſe natürlichſte Auf— faſſung als unhaltbar erwieſen: Waſſer geht ſtetig, aller- dings in einer iiberaus dünnen Schicht, aus der flüſſigen in die gasförmige Form über. Die Verdampfung kann dann nicht, wie noch Clauſius annahm, in Abſchleuderung von Molekülen der Waſſeroberfläche beſtehen, welche von den Nachbarmolekülen beſonders kräftig getroffen worden ſind, ſondern das oberflächliche Waſſer dehnt ſich ſo lange Schicht für Schicht bis zur Dampfform aus, bis der Dampfdruck groß genug iſt, weitere Expanſionen zu unterdrücken. Für die Dampfbildung ergibt ſich überhaupt folgende Grund— anſchauung: Wärme trachtet alle Flüſſigkeiten und Gaſe ins Unendliche auszudehnen, wobei Arbeit zu leiſten iſt. Dieſer Ausdehnung einer Flüſſigkeit widerſteht aber der ſchon vorhandene Dampfdruck, die Kohäſion der Fliffig- keit, die Anziehung der Salze, welche in der Flüſſigkeit gelöſt ſind und nicht mit verdampfen können, die An— ziehung der Gefäßwände ꝛc. Die Flüſſigkeit der Ober— fläche dehnt fic) nun ſo lange aus (verdampft), bis fie nicht mehr im ſtande iſt, die vereinigten Widerſtände aller dieſer Faktoren zu überwinden. Schon Laplace hat unter der alten Anſchauung, daß die Flüſſigkeit an der Oberflächenhaut dieſelbe Dichte hat, wie im Innern, ein Geſetz abgeleitet, welches den Zu— ſammenhang zwiſchen der Oberflächenſpannung und der Stärke der Kohäſionskräfte liefert. Dieſes Geſetz iſt nun illuſoriſch geworden, ſeit man die Auflockerung der Ober— flächenhaut als Notwendigkeit erkannt hat: die Kohäſions— kräfte müſſen ſtärker ſein, als die Laplaceſche Formel ver— langt, da die Auflockerung die Spannung vermindert. Die Auflockerung der Oberflächenhaut erklärt auch eine ältere Beobachtung von Thompſon: die Oberflächenhaut zeigt eine merkliche Abkühlung, wenn man den Spiegel der Flüſſigkeit vergrößert, alſo eine neue Oberfläche bildet, während bei Oberflächenverkleinerung merkliche oberfläch— liche Erwärmung eintritt. Die Abkühlung iſt eine Folge der Expanſion der Flüſſigkeit, welche zu neuer Oberfläche geworden iſt, wie ja auch Luft ſich abkühlt, wenn man ſie ſich ausdehnen läßt; die Erwärmung iſt analog eine Folge der Verdichtung der Flüſſigkeitsteilchen, welche aufhören, in der Oberflächenhaut zu liegen, wie ja auch Luft ſich erwärmt, wenn man ſie komprimiert. In der Phyſik gibt es manche Erſcheinungen, die ſo ablaufen, „als wenn“ eine große Kraft exiſtierte. So be— wegt ſich ein Luftballon ſo, „als wenn“ er von der Erde abgeſtoßen würde. So war es auch von jeher zweifelhaft, ob die Oberflächenſpannung der Flüſſigkeiten wirklich exiſtiert, oder ob die Flüſſigkeiten ſich ſo verhalten, „als wenn“ eine ſolche Spannung beſtände. Gerade die fundamentalſten Rechnungen ſprachen für das „als wenn“. Neue Rechnungen zeigen nun, daß dieſe Spannung reell iſt. Annäherungs— weiſe erkennt man dies auch aus folgender Ueberlegung ohne Rechnung. Im Innern der Flüſſigkeit reihen ſich die Moleküle in allen möglichen Richtungen aneinander. Hier— bei paralyſieren ſich die Kräfte derart gegenſeitig, daß die Flüſſigkeit in gar keiner Richtung ſich zu kontrahieren ſtrebt. Wenn man jedoch die Flüſſigkeit durch einen horizontalen Schnitt entzweiſchneidet, dann zerſchneidet man lauter vertikale Anziehungen. In den neuen Oberflächenſchichten erhalten alſo die horizontalen Anziehungen ein bedeuten— 231 des Uebergewicht, d. h. die Oberflächenhaut iſt reell ge— ſpannt. In einem Glasröhrchen verhält ſich die Waſſerſchicht, welche dem Glaſe anliegt, fo, als wollte fie fic) gewaltſam ausdehnen; ſie hebt den Spiegelrand und hebt den Waſſer— faden hoch empor. Dieſe expanſive Spannung der Kontakt⸗ haut hat ſich als eine ſcheinbare erwieſen. Sie kommt ſo zu ſtande, daß die von der Wand angezogenen Schichten das zwiſchen ihnen und der Wand liegende Waſſer auszu— preſſen trachten, worauf ſich dieſes expandiert, wie Teig unter einem ſchweren Brette, ohne eigene Expanſivſpannung zu haben. Es iſt die Meinung verbreitet, daß zwei Flüſſigkeiten ſich nur dann miſchen, wenn ihre Adhäſion größer iſt, als ihre Kohäſionen. Dieſe Meinung hat ſich als irrig er— wieſen. Allerdings arbeitet eine über den Kohäſionen ſtehende Adhäſion auf Miſchung hin, während eine unter den Kohäſionen ſtehende Adhäſion auf Scheidung der Stoffe hinarbeitet. Die Diffuſion iſt aber ein ſo gewal— tig wirkender Faktor, daß ſie (abgeſehen von beſonderen Fällen, wo die Diffuſion durch beſondere Umſtände, wie Molekülverbindungen ꝛc., unmöglich gemacht wird) ſelbſt bei ſehr geringer Adhäſion bewirkt, daß jede Flüſſigkeit von der anderen wenigſtens etwas aufnimmt. Ein be- kanntes Beiſpiel ſolcher partiellen Miſchung liefert Aether und Waſſer. Eine große Rolle ſcheint aber dieſe partielle Scheidung oder partielle Miſchung in der organiſchen Natur zu ſpielen, wo ſie die Baſis der Differentiationen der Formelemente zu ſein ſcheint. Von Bedeutung für den Phyſiologen ſind die Reſultate der Rechnungen, welche vom Standpunkte der Kapillarität über ſuſpendierte Teilchen ausgeführt wurden, die ſich an einem Orte befinden, wo zwei Flüſſigkeiten ſich miſchen. Wenn man in Waſſer ein Röhrchen taucht, in welchem eine andere Flüſſigkeit ſich befindet, ſo daß dieſe von der Mündung aus nach allen Seiten im Waſſer diffundiert, dann werden kleine Körperchen, welche im Waſſer ſchweben, — je nach der Größe der Adhäſionen und Kohäſionen der Flüſſigkeiten und Körperchen — von der Röhrchen— flüſſigkeit entweder in jeder Entfernung vom Röhrchen wieder angezogen, oder in jeder Entfernung abgeſtoßen, oder in größerer Entfernung angezogen, in der Nähe aber abgeſtoßen, oder ſchließlich umgekehrt in der Ferne abge— ſtoßen, in der Nähe aber angezogen. Dieſe Erſcheinungen fallen offenbar mit den Beobachtungen zuſammen, die man an Zooſporen gemacht hat. Man braucht den Zooſporen alſo kein Unterſcheidungsvermögen, keine Rezeptivität, kein Leben zuzuſchreiben, ſelbſt eigene Bewegungsorgane brauchten ſie nicht: die Erſcheinungen der Scheinreiz— barkeit laſſen ſich auf rein phyſikaliſchem Wege erklären. Dieſelben Rechnungen führen zu dem Ergebnis, daß dort, wo zwei Flüſſigkeiten oder zwei Plasmaformen, welche Körner eingeſchloſſen enthalten, je nach Maßgabe der re— lativen Größe der Molekularkräfte, dieſe Körner entweder alle in ein einziges der beiden Medien wandern werden, oder daß fie ſich in die Kontaktregion als Körnerſchicht zuſammenziehen, oder daß ſie umgekehrt zwiſchen den körni— gen Medien eine körnerfreie Schicht übrig laſſen. Dieſe in der Mikroſkopie ſo oft vorkommenden Erſcheinungen kann man alſo als erklärt anſehen. 232 Humboldt. — Juli 1890. Die Theorie der Kapillaritätskräfte hat auch ergeben, daß Körner, die ſich in einem flüſſigen oder plaſtiſchen Medium befinden, lediglich unter dem Einfluſſe der Kohäſion des Mediums ſich ſcheinbar anziehen, und zwar ſtark an⸗ ziehen werden, wenn ſie einander ſehr nahe kommen; daß ſie aber infolge ihrer Adhäſion an das Medium um⸗ gekehrt einander abſtoßen. Je nachdem die eine oder andere Kraft ſtärker iſt, werden aber die Körnchen ſich zu⸗ ſammenballen, oder aber in gleichmäßiger Verteilung das Medium erfüllen. Wenn überdies das Medium kompreſſibel iſt, dann werden die Körner im Falle großer Adhäſion einander aus größerer Entfernung anziehen, ſich anein⸗ ander legen, aneinander haften, aber ſtets eine dünne Lamelle des Mediums zwiſchen ſich behalten. Wem fiele hier nicht die Bildung der Zellwände ein? Von großer Bedeutung für die Phyſiologie iſt ein Ergebnis der Kapillaritätsrechnung, das von Warren (Chem. News 59, 1889) durch Thatſachen belegt worden iſt. Es iſt nachgewieſen worden, daß lediglich unter der Wirkung der Molekularkräfte, die der Kapillaritätslehre als Baſis dienen, ein chemiſcher Prozeß in einer Flüſſig⸗ keit, der unter normalen Verhältniſſen ganz korrekt abläuft, durch die Anweſenheit eines fremden Stoffes, welcher ſich am Prozeß gar nicht beteiligt, verlangſamt und geradezu ſiſtiert werden kann, während umgekehrt ein an ſich unmöglicher Prozeß durch die bloße Anweſenheit eines ſonſt imdifferenten Körpers in Gang gebracht und erhalten werden kann. Ja die Molekularkräfte des Löſungsmittels (z. B. Waſſer) ſelber können hier für das Zuſtandekommen oder Nichtzuſtande⸗ kommen eines Prozeſſes beſtimmend ſein. Die entſcheidende Regel iſt ſehr einfach: Wenn die Anziehung der End⸗ produkte gegen die anweſenden Stoffe in Summa größer iſt, als die Anziehung der Anfangsſtoffe gegen die an⸗ weſenden Stoffe, dann befördern die Molekularkräfte den Prozeß; im umgekehrten Falle hemmen ſie ihn. Da aber jede einzelne Anziehung in Rechnung kommt, ſo kann die Adhäſion der Anfangs- und Endſtoffe an einem einzigen chemiſch indifferenten Körper für das Zu⸗ ſtandekommen eines Prozeſſes entſcheidend ſein. Im lebenden Organismus ſind alſo keineswegs die chemiſchen Kräfte allein maßgebend dafür, welche Prozeſſe in einem gewiſſen Medium ſich abſpielen, ſondern auch die Molekular⸗ kräfte der accidentell anweſenden Stoffe. So könnte ein chemiſch zwar unverändert bleibender Stoff dennoch leicht giftig ſein. Ein großer Teil der numeriſchen Werte von Kapillari⸗ tätsgrößen wird erhalten, wenn man mißt, wie hoch die zu behandelnde Flüſſigkeit in einer Glasröhre von be⸗ kanntem Querſchnitte emporſteigt. Man taucht dann die Röhrchen in einen größeren Flüſſigkeitsſpiegel, braucht alſo ziemlich viel Flüſſigkeit. Nun macht Piltſchikow (J. d. ruſſ. chem.⸗phyſ. Geſ. 20, S. 83) darauf aufmerkſam, daß man ja ebenſo genaue Reſultate mit wenig Tropfen der Flüſſigkeit erhält, wenn man die Flüſſigkeit in zwei kom⸗ munizierende Röhrchen von verſchiedenem bekannten Radius that. Die Formel zur Berechnung der zu beſtimmenden Größe aus der Höhendifferenz der Flüſſigkeitsſpiegel iſt ganz einfach und genau. Alle bisherigen Meſſungen der Oberflächenſpannung beruhen auf der Vorausſetzung, die man ſchlechthin machte, daß die Spannung dieſelbe bleibt, mag die Oberfläche ſtark oder ſchwach gekrümmt ſein. Es zeigte ſich aber, daß die nach vorhandener Methode gefundenen Werte unter⸗ einander nicht ſo gut ſtimmen wollten, als man nach der Genauigkeit der Methode und der Zuverläſſigkeit der Bez obachter erwarten konnte. Nun bewies die Rechnung, daß nicht nur die Oberflächenſpannung veränderlich und zwar um ſo kleiner iſt, je ſtärker die Oberfläche gekrümmt iſt, ſondern daß überdies in der Oberfläche eine bisher unbe⸗ kannt gebliebene Kraft vorhanden ijt, welche die Ober- fläche nicht größer, nicht kleiner, wohl aber krummer zu machen ſtrebt, und zwar um ſo energiſcher, je krummer ſie bereits iſt. Da man nun zumeiſt an ſehr gekrümmten Oberflächen die Beobachtungen anſtellte, ſo iſt die Dis⸗ kordanz der Reſultate erklärlich. Akuſtik. Violle und Vautier benutzen zu Verſuchen über die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit des Schalles eine lange Röhre von 0,66 m Durchmeſſer, welche an beiden Enden geſchloſſen iſt und an den Enden den Schall ſo oft und ſo vollſtändig zurückwirft, daß man ihn, an einem Ende beobachtend, mehrere Minuten lang immer wieder⸗ kehren hören kann. Es ſtellte ſich heraus, daß die Zeit von Schall zu Schall immer größer wird, der Schall alſo mit abnehmender Intenſität fic) immer langſamer fort- pflanzt. Für freie Luft ergab ſich die Geſchwindigkeit 331,2 m. Für hohe Töne erhielt man genau dieſelben Geſchwindigkeiten wie für tiefe. (C. x. 106, p. 1003.) Ueber die Fortpflanzungsgeſchwindigkeit des Knalles von Gewehren und Kanonen in der Richtung des Ge— ſchoſſes hat Kapitän Journée auf dem Schießplatze von Chalons Verſuche gemacht, über welche Sebert (Séanc. Soc. Fr. Phys. S. 35, 1888) berichtet. Ein Geſchoß von heute hat eine Anfangsgeſchwindigkeit über 333 m, es eilt alſo dem Schalle der Exploſion des Pulvers vor; die Ge⸗ ſchwindigkeit ſinkt indes bald unter die des Schalles. In der erſten Periode nun iſt das Geſchoß ſelber Träger des Schalles, oder beſſer geſagt, vor und neben ſich verdichtet es die Luft, um dieſelbe im nächſten Momente hinter ſich in einen luftleeren Raum zurückſchlagen zu laſſen, wodurch Schall erregt wird. In dieſer erſten Periode iſt alſo die Schallgeſchwindigkeit abnorm groß, weil gleich der Ge⸗ ſchwindigkeit des Geſchoſſes; in der zweiten Periode jedoch, wenn die Geſchwindigkeit des Geſchoſſes unter diejenige des normalen Schalles ſinkt, pflanzt ſich der Schall normal fort, d. h. er eilt dem Geſchoſſe vor. Beſonders klar ſpricht diesbezüglich das Experiment, daß man die Kugel ganz am Anfang des Fluges auffängt: ſofort verſchwindet die Abnormität der Schallgeſchwindigkeit. Wenn wir eine tönende Stimmgabel (oder ſonſt einen tönenden Körper) aus einer beſtimmten Entfernung an⸗ hören, dann erſcheint uns bekanntlich der Ton um fo ſchwächer, je kleiner die Schwingungen ſind, die der Körper ausführt, und im Intereſſe der folgenden Entwickelungen wollen wir darauf aufmerkſam machen, daß eine Stimm⸗ gabel im Momente, da fie bei jeder Schwingung die Gleich⸗ gewichtslage paſſiert, bei 22, 32, 4⸗, 5mal kleineren Schwin⸗ gungen eine 2⸗, 32, 4, Smal kleinere Bewegungsgröße, aber eine 42, 92, 162, 25mal kleinere lebendige Kraft hat. Nachdem man nun weiß, daß in den Geſetzen der Mechanik bald die Bewegungsgröße, bald die lebendige Kraft eine Humboldt. — Juli 1890. 233 maßgebende Rolle ſpielt, ſo warf man aufs Geratewohl die Frage auf, ob die Vorſtellung von der Stärke des Stimm— gabeltones mit der Bewegungsgröße oder aber mit der lebendigen Kraft der Zinke (im Momente der größten Geſchwindigkeit, alſo in der Mittellage) abnimmt, obwohl hundert andere Geſetze ebenſogut vermutet werden konnten. Stefanini (Atti R. Acc. Lucchese 25 S. 307, 1889) hat nun ſpeziell die genannten zwei Geſetze ins Auge ge— faßt und zu entſcheiden verſucht, welches von beiden mehr Wahrſcheinlichkeit für ſich hat. Vor allem ſuchte er das genaue Geſetz, nach welchem die Größe der Schwingungen einer ſich ſelbſt überlaſſenen Stimmgabel mit der Zeit abnimmt, damit man aus der Anzahl der abgelaufenen Sekunden genau berechnen könne, wie vielmal kleiner die Schwingungen geworden ſind. Die Formel, die er fand, ſcheint ſehr gut zu ſein und hat ſelbſtändigen Wert. Nun brachte Stefanini die Stimmgabel in eine be— ſtimmte Entfernung, und, während der Ton immer ſchwächer wurde, näherte er ſie entſprechend ſo dem Ohre, daß der Schall weder ſchwächer noch ſtärker klang. Aus den Zeiten, in denen die Gabel in 2, 32, 48, 5mal kleinere Entfernung gebracht werden mußte, fand nun Stefanini mittels obiger Formel auch die Amplituden für dieſe Ent— fernungen und hieraus das Geſetz, daß die Schwingungen der Gabel 4-, 9-, 16mal kleiner werden müſſen, wenn der Schall in 2⸗, 3-, Amal kleinerer Entfernung unverändert er— ſcheinen ſoll. Dieſes Geſetz hat für ſich einen ſelbſtändigen Wert in der Akuſtik. Stefanini zieht aus Obigem den etwas kühnen Schluß: Nach dem letzten Geſetz ſcheinen die Luftſchwingungen in der 2=, 3-, 4fadjen Entfernung von einem tönenden Körper 4-, 9-, 16mal kleiner zu fein; nun ſcheint auch für unſer Ohr der Ton in der 28, 3-, 4fachen Entfernung 4, 9, 16mal ſchwächer zu ſein. Mit anderen Worten heißt dies: wie vielmal kleiner die Schwingungen der Luft im Ohre ſind, fo vielmal ſchwächer erſcheint uns der Ton, d. h. die Ton— ſtärke nimmt mit der Bewegungsgröße der Schwingungen im Ohre ab. Dieſes Geſetz weicht vom bekannten Weberſchen Geſetze ab, welches man am draſtiſchten ſo ausſprechen könnte: Um eine 22, 3⸗, Amal ſtärkere Empfindung zu haben, muß man einen 10, 100, 1000 mal ſtärkeren Reiz empfangen. Der phyſiſche Reiz, d. h. die phyſiſche Aenderung, die phyſiſche Arbeit, welche eine Schwingung im Ohre hervor- ruft, iſt wie jede Arbeit der lebendigen Kraft (der Schwingung) proportional, während die Tonſtärke der Bewegungsgröße proportional ſein ſoll. Das läuft darauf hinaus, daß die Empfindung der Quadratwurzel aus dem Reiz proportional iſt, d. h. daß zu einer 2-, 3-, 4fachen Empfindung nur ein 4⸗, 9-, 16facher Reiz erforderlich iſt. Auch Preyer und ſpäter Luft nach verbeſſerten Me— thoden haben dieſes Thema behandelt und gefunden, daß zu einer eben merklichen Schwankung in der Stärke des Tones immer eine gleiche Verſtärkung der Schwingungen der Stimmgabel erforderlich iſt, woraus auf mathe— matiſchem Wege gefolgert werden kann, daß das Stefani— niſche Geſetz der Wirklichkeit viel näher kommt, als das Weberſche. Daß der Schall wie Licht reflektiert, mittels Stahl— Humboldt 1890. ſpiegeln geſammelt, gebrochen, mittels großer, hydrogen— erfüllter Goldſchlägerhäutchen-Linſen in einen Fokus zu— ſammengeführt werden kann, iſt bekannt. Neuerdings hat man den Nachweis der Analogien zwiſchen den Vibrationen des Schalles und denen des Lichtes bis zur Darſtellung von Interferenzſtreifen mittels Fresnelſchen Spiegels und von Interferenzhyperbeln mittels zweier Oeffnungen in einem Schirm durchgeführt (Lord Rayleigh, R. Inst. of Gr. Brit. 1888, S. 1, und W. Leconte Stevens, Phil. Mag. 27, S. 435, 1889). Zum Aufſuchen der toten Linien dienten die empfindlichen Flammen. Bei Schulverſuchen iſt es ſehr läſtig, daß die Saiten und Gabeln ſo ſchnell verklingen. Wohl gibt es elektro— techniſche Anreger, die die Schwingungen beliebig lange unterhalten, ſie ſind aber in der gebräuchlichſten Form nicht billig und nicht ganz einfach. Czermak (Zentralz. f. Opt. u. Mech., S. 157, 1889) macht nun darauf auf- merkſam, daß ein Draht in Schwingungen erhalten werden kann, wenn man an demſelben an einer Stelle einen Eiſen— anker befeſtigt, der mittels Platinſpitze einen Queckſilber⸗ ſpiegel in einem untergeſtellten Näpfchen faſt berührt, wah- rend oben ein Elektromagnet ſich befindet. Beim Schwingen taucht die Spitze in das Queckſilber, ſchließt den Strom, der durch den Elektromagnet geht, worauf der Anker wieder elektromagnetiſch herausgehoben wird. Der Kontakt ſcheint wegen der Adhäſion zwiſchen Queckſilber und Platin beim Ausheben etwas länger zu dauern, als beim Eintauchen, woraus ein beſchleunigender Arbeitsüberſchuß des Magnetes reſultiert. Für viele Verſuche genügt dieſe Anordnung. Weit mehr noch verſpricht die Anregung der Gabeln durch Luft- und Waſſerſtröme nach Ewald (Arch. f. d. geſ. Phyſiolog. 44, S. 555, 1889). An einer der Zinken wird ein kurzer, in ein Scheibchen endigender Draht be— feſtigt. Dem Scheibchen gegenüber mündet eine cylin- driſche Röhre, aus welcher man mittels Aſpirators die Luft ausſaugt. Wenn das Scheibchen faſt ſo groß iſt, wie das Lumen der Röhre, dann erhält man einen außer— ordentlich gleichmäßigen Ton. Man kann auch umgekehrt blaſen ſtatt ſaugen oder Waſſer ſtatt Luft verwenden. Aſtrophyſik. Die photographiſche Platte und das Bolometer beherrſchen das Gebiet. Bolometriſch wurde das Sonnenſpektrum unterſucht. Die Längen der ſicht— baren Lichtwellen liegen etwa zwiſchen 760 pp und 390 py. (Milliontelmillimeter); die photographiſche Platte aber führt uns über Violett hinaus bis zur Wellenlänge S297 pp, wo das Spektrum plötzlich abreißt, nachdem es kurz vorher, bei A—300 py plötzlich ſehr ſchwach ge— worden war (Huggins, Proc. Roy. Soc. 46, S. 133, 1889). Das Spektrum der Vega zeigte unter ſehr günſtigen Um— ſtänden, bei beſonders heiterem Himmel, ſehr empfindlicher Platte und ſehr langer Expoſition dasſelbe plötzliche Ab— brechen, während Verſuche mit irdiſchen Lampen zeigen, daß die Platten ſehr wohl für noch weit kleinere Wellen— längen empfindlich ſind, wenn welche vorhanden ſind. Das Abbrechen muß alſo der abſorbierenden Wirkung der At— moſphäre zugeſchrieben werden. Das Bolometer (Langley, Phil. Mag. 26, S. 505) führt uns in entgegengeſetzter Richtung über das Rot hinaus bis auf die zwanzigfache Länge des ſichtbaren Sonnenſpektrums, bis zu einer Wellenlänge gleich 28 u. 30 234 (Tauſendſtelmillimeter), jo daß das bis heute beſtätigte Spektrum, Licht⸗, Wärme⸗ und chemiſche Strahlen einge⸗ rechnet, etwa 7 Oktaven umfaßt. Je kälter ein Körper iſt, um ſo längere Aetherwellen ſendet er im allgemeinen aus, und Strahlen von der Wellenlänge 28 b liefert etwa ſchmelzendes Eis. Als das Mondlicht unterſucht wurde, fand man ſein Maximum der Wärmeintenſität eben bei den Wellenlängen von 10—20 p, was nicht dafür ſpricht, als wäre ſeine Oberfläche unter der Wirkung der Sonnen⸗ ſtrahlen ſehr heiß geworden. Das Sonnenſpektrum zeigt geſchwächte Stellen (Abſorptionsbänder), wie man ſie im Laboratorium im Spektrum eines glühenden Körpers erzeugen könnte, wenn man das Licht durch Sauerſtoff gehen ließe, und es entſtand die Frage, ob dieſe Bänder nur Wirkungen unſerer irdiſchen Atmoſphäre ſind, oder ob wir endlich hoffen können, den abſorbierenden Sauerſtoff der Sonne ſelbſt zuſchreiben zu dürfen. Janſſen (C. r. 108, S. 10, 35, 1889) machte den Kontrollverſuch mit dem elektriſchen Licht des Eiffelturmes (alſo mit glühender Kohle), welches in das eine Meile ent⸗ fernte Obſervatorium zu Meudon dirigiert wurde. Die Ab⸗ ſorptionslinien des Sauerſtoffes traten auf, während ſie ohne die mächtige Sauerſtoffzwiſchenlage im elektriſchen Lichte fehlen: obige Hoffnung war alſo vereitelt. Derſelbe Forſcher begab ſich mit ſeinem Spektralapparate auf einen hohen Alpengipfel und die Abſorptionen verſchwanden oder verſchwammen: fie entſtanden alſo wohl durch unſere eigene Atmoſphäre. Marchand (Mém. couron. par VAcad. de Lyon 43, 1888) hat zum rätſelhaften Erſcheinungskomplex, der ſich an die Jupiterperiode anſchließt, einen wichtigen Beitrag geliefert. Die Magnetnadel zeigt bekanntlich nicht nach Norden, ſondern bildet mit dem Meridian einen Winkel, der aber vor allem inſofern veränderlich iſt, als die Magnet⸗ nadel täglich um eine gewiſſe Mittellage eine kleine Schwingung ausführt, wie ſie nachweislich ſich zeigen müßte, wenn in großer Entfernung von der Sonne ein Magnet ſich befände. Marchand zeigt nun, daß auf der Sonnenoberfläche ſtändig zwei ungefähr diametral ent⸗ gegengeſetzte Regionen mit auffallend ſtabilen Fackeln ſich zeigen, ſo daß man von Aktivitätsregionen und einer Aktivitätsachſe reden könnte. Die obigen täglichen Varia⸗ tionen der Deklination ſcheinen nun am größten zu ſein, wenn die Aktivitätsachſe zur Erde weiſt; jedenfalls iſt die Richtung der Aktivitätsachſe der maßgebende Faktor. Dieſe Richtung der Aktivitätsachſe iſt aber inſofern vom Jupiter abhängig, als die Bewegungen dieſer Achſe ſich alle 12 Jahre in gleicher Weiſe wiederholen. Die Sonnenwärmeſtrahlung iſt von Crova (C. x. 108, S. 482 und S. 119, 1889) unterſucht worden. Sie zeigt Ende April und Ende September ein Maximum, während ſie im Sommer und Winter je ein Minimum zeigt. Als die Wärmeſtrahlung gleichzeitig auf dem Gipfel des M. Ventoux (1900 m) und unten in Bedouin ge⸗ meſſen wurde, wobei man gleichzeitig den Waſſergehalt der Luft maß, ergab ſich, daß ein ſo großer Teil der Abſorption von Wärme durch Waſſer unterhalb der oberen Station vor ſich ging, daß man annehmen kann, die Hälfte des Waſſers der Luft ſei in einer unteren Schicht von 2 km Höhe enthalten. Humboldt. — Juli 1890. Eine ſehr hübſche Erſcheinung, die für die Kugel⸗ geſtalt der Erde ſpricht, hat Ricco beobachtet (C. x. 107, S. 605) und Wolf berechnet (C. r. 107, S. 605). In Palermo wurde bei Windſtille die Sonne bei ſehr tiefem Stande photographiert. Hierbei erſchien das Spiegelbild der Sonne im Meere vertikal auffallend verſchmälert, woraus folgt, daß der Spiegel (die Meeresoberfläche) nicht eben ſein kann. Wolf berechnete, wie die Ellipſen⸗ achſen ſich zu einander verhalten müſſen, wenn die Erde eine Kugel vom bekannten Radius iſt, und die Rechnung ſtimmte mit der Beobachtung. Aggregatzuſtände. Der beſtgekannte und einfachſte Aggregatzuſtand iſt der gasförmige, in welchem die über⸗ aus kleinen Moleküle wie freie Bälle etwa mit der Ge⸗ ſchwindigkeit einer Flintenkugel unter fortwährenden Zu⸗ ſammenſtößen im Raume nach allen Richtungen fliegen und durch ihren Anprall an die Wände den bekannten Expanſionsdruck ausüben, eventuell durch Oeffnungen in der Wand hinausfliegen. Dieſe Erſcheinungen haben alſo nichts mit abſtoßenden Kräften unter den Molekülen zu thun, man hat ſogar Grund zu der Annahme, daß die Gaſe Kohä⸗ ſion beſitzen, d. h. daß die Moleküle eines beſtimmten Gaſes einander anziehen. Gibt es aber unter den Gaſen auch Ad⸗ häſion, d. h. ziehen ſich auch die Moleküle verſchiedener Gaſe an? Margules (Wien, Sitz.⸗Ber. 97, S. 1399) hat über dieſe Frage Verſuche gemacht. Wenn die Moleküle von Kohlenſäure und Stickſtoff — man könnte auch beliebige andere Gaſe nehmen — wirklich nur ſchwere Punkte ohne Anziehungs⸗ oder Abſtoßungskräfte wären, und man nähme von jedem ein Liter und thäte dann beide in dasſelbe Litergefäß, dann würden ſie dort genau mit vereinten Kräften die Wände drücken, d. h. der Druck der Miſchung wäre die Summe der Drucke der geſonderten Gaſe. Soll⸗ ten die Gaſe aber Adhäſion beſitzen (d. h. Kohlenſäure⸗ und Stickſtoffmoleküle einander anziehen), dann würde hierdurch der Wanddruck vermindert werden. Margules nahm ſtark verdichtete Gaſe, damit die Adhäſion recht zur Geltung kommen könne, und fand wirklich ſehr merkliche Druckverminderungen. Bewieſen iſt hierdurch die Adhäſion nicht, da die Urſache auch eine andere ſein könnte, aber einigermaßen wahrſcheinlich gemacht iſt ſie. Eine Flüſſigkeit unterſcheidet ſich wahrſcheinlich von ihrem Dampfe (Gaſe) durch nichts anderes als dadurch, daß wegen der großen Dichte die Kohäſionskräfte ſo überaus ſtark zur Geltung kommen, daß ſie das Auseinanderfliegen der Moleküle unmöglich machen. Daß aber der Unter⸗ ſchied zwiſchen Gas und Flüſſigkeit wirklich nur in der Dichte beſteht, hat neuerdings wieder die Spektralanalyſe wahrſcheinlich gemacht. Bekanntlich hängt das Spektrum, das ein Element liefert, gar ſehr von den Zuſtänden ab, in denen es ſich befindet. Nun haben Liveing und Dewar (Proc. Roy Soc. 46, S. 222) Sauerſtoff in einer 18 m langen Röhre auf 97 Atmoſphären verdichtet und Licht hindurch gelaſſen. Dieſe ungeheure Gasmenge abſorbierte mehrere Lichtſorten, die dann im Spektrum des durchge⸗ gangenen Lichtes fehlten. Als ſie nun den Verſuch mit flüſſigem Sauerſtoff wiederholten (was bekanntlich nur bei ſehr tiefer Temperatur möglich iſt), fanden ſie genau das⸗ ſelbe Spektrum, wie im luftförmigen Sauerſtoff. Die Humboldt. — Juli 1890. Verflüſſigung ſcheint alſo an den Molekülen nichts ge— ändert zu haben. Der feſte Aggregatzuſtand iſt heute noch der rätſel— hafteſte. Nur über eine feſte Form, die einfachſte, regel— mäßigſte und beſtunterſuchbare und unterſuchte wagt man Hypotheſen aufzuſtellen: über die Kryſtallform. In neuerer Zeit ſind mehrere Theorien aufgeſtellt worden von Wulff, Sohncke, Fuchs und anderen. Die einfachſte Theorie iſt die folgende. Im teſſeralen Syſtem ſind die Moleküle Kugeln, die geſchichtet ſind, wie man ſeinerzeit die Kanonen— kugeln ſchichtete. Wenn man Marmeln derartig zuſammen— kittet, kann man alle Formen dieſes Syſtems regelrecht darſtellen. Nimmt man Rotationsellipſoide (wie manche Vogeleier), dann erhält man die Formen des quadratiſchen Syſtems: dreiachſige (allgemeine) Ellipſoide endlich geben das rhombiſche Syſtem. Wenn man annimmt, daß die Anziehung der Moleküle nicht vom geometriſchen Zentrum, ſondern von mehreren Kraftzentren ausgeht, dann werden ſich die Moleküle je nach der Lage dieſer Kraftzentren mehr oder weniger ſchief ſtellen und aus dem rhombiſchen Syſtem entſteht das monokline und trikline. Die hexagonalen Formen ergeben ſich durch eine Lagerungsweiſe, die der des teſſeralen Syſtems ſehr ähnlich iſt. Bei Lagerungen wie die geſchilderten ſind die Moleküle ſo nahe aneinander gerückt, als es überhaupt möglich iſt, und da man ſagt, die Kräfte leiſten Arbeit, wenn die ſich anziehenden Körper ſich einander nähern, ſo kann man auch ſagen: im Kryſtall lagern die Moleküle derart, daß die Molekularkräfte ein Maximum der Arbeit leiſten. Aus dieſem Prinzip der Maximalarbeit ergibt fic) bei näherer mathematiſcher Be- handlung in völliger Uebereinſtimmung mit der Erfahrung die Folgerung, daß die Kryſtallflächen eben ſein müſſen, die Symmetriegeſetze, das Geſetz der multiplen Achſenab— ſchnitte ie. Beſonders überraſcht es aber, daß dieſe Theorie auf die Lage der optiſchen Achſen ſchließen läßt, und dieſe Folgerungen mit den Beobachtungsthatſachen durchaus übereinſtimmen. (Exner, Repertorium d. Phyſik, S. 199.) Die Erſcheinungen der Regelation beleuchten in in— tereſſanter Weiſe den Kryſtalliſationsprozeß. Beim Feſt⸗ werden einer Flüſſigkeit, alſo auch beim Kryſtalliſieren, verrät die nie fehlende Wärmeentwickelung, daß die Molekularkräfte Arbeit leiſten, d. h. daß (übrigens näher nicht bekannte) Kraftmittelpunkte näher zuſammengerückt find (möglicherweiſe paarweiſe, gruppenweiſe; man kann das nicht wiſſen). Wenn aber durch die Kryſtalliſierung Arbeit geleiſtet wird, dann kann man a priori behaupten, daß irgend welche, wenn auch noch nicht bekannte, Kräfte die Moleküle der Flüſſigkeitshaut, welche der Kryſtallfläche anliegt, kryſtallmäßig zu ordnen und dem Kryſtall anju- fügen ſtreben. Die regellos ſtoßenden Moleküle der zweit— nächſten Flüſſigkeitsſchicht greifen aber immer wieder ſtö— rend in die ſich ordnenden Moleküle über; bei der Schmelz— temperatur erlangen dieſe ſtörenden Stöße das Ueberge— wicht ſo ſehr, daß der Kryſtall ſelbſt Schicht für Schicht geſprengt wird, d. h. ſchmilzt. Wenn nun aber zwei Eis— ſtücke ſo nahe aneinander rücken, daß ſie nur eine dünne Waſſerſchicht zwiſchen ſich laſſen, dann iſt dieſe von der ſtörenden Nachbarwaſſerſchicht befreit und ordnet ſich that⸗ 235 Waſſerhäute bei der Schmelztemperatur heißt aber eben Regelation. Hagenbach (Verh. d. Nat. Geſ. Baſel 8, S. 821) fand nun folgendes. Zwei Eiskryſtalle kann man wohl auch bei total verſchiedener Lage der beiderſeitigen kryſtallogra— phiſchen Achſen durch Aneinanderdrücken zu vollkomme— nem Verwachſen durch Regelation bringen; wenn man aber will, daß die Verwachſungsſtelle ſich bei Erwärmung nicht durch vorſchnelle Lockerung verrate, muß man ſämt⸗ liche Achſen in parallele Lage bringen. Nach den vorhergehenden Ueberlegungen kann man das verſtehen: die kryſtalliſierenden Kräfte des einen Blockes ſuchen dann jedes Molekül in dieſelbe Lage zu führen, welche ihm auch die Kräfte des andern Blockes anweiſen wollen, die Kräfte ſummieren fic), d. h. wirken einander in keiner Weiſe ent- gegen, und die Verbindung wird eine viel feſtere, als bei Diskordanz der Achſen. Elektrieität. Homén (Ann. Phys. Chem. 38, 10, S. 172) hat den Widerſtand unterſucht, welchen Luft dem elektriſchen Strom entgegenſetzt. Er nahm eine Rieſen— batterie von nicht weniger als 1456 Bunſenſchen Chrom- ſäureelementen und ſchaltete in die Leitung ein geſchloſſenes Glasrohr ein, in welches an den beiden Enden die von den Polen kommenden Drähte eindrangen. Die Enden der Drähte konnte man in größere oder kleinere Entfernung voneinander bringen, und die Luft wurde aus dem Rohre bis auf den verſchwindend kleinen Barometerſtand von 0,088 mm ausgepumpt, da bei gewöhnlichem Druck die Luft bekanntlich überhaupt keinen Strom, außer in Funken⸗ form, hindurch läßt. Die beiden Zuleitungsdrähte waren übrigens auch außerhalb der Röhre direkt miteinander verbunden, aber nicht durch einen Kupferdraht, durch den natürlich der ganze Strom gegangen wäre, als wäre gar keine Glasröhre da, ſondern durch einen Stoff von ſehr großem Widerſtand. Wenn man nun zuerſt nur wenig Elemente zur Stromerzeugung verwendete, z. B. etwa hundert, und immer mehr und mehr hinzufügte, dann ging anfangs der ganze Strom, trotz des außerordentlichen Widerſtandes, durch den verbindenden Zweig. Sowie aber die Spannung zwiſchen den beiden Drahtenden im Rohre ein gewiſſes Maß erreicht hatte, fing der Strom an durch die Luft im Rohre zu gehen. Wenn man nun die Zahl der Elemente noch ſo ſehr vermehrte, ging um nichts mehr Elektricität durch die Nebenleitung, ſondern der ganze Zuwachs ging durch die Luft. Je mehr die Drahtenden voneinander entfernt waren und je größer der Luftdruck im Rohre war, um ſo mehr Elemente mußte man in Thätigkeit ſetzen, um den Widerſtand der Luft zu brechen. Bei einem Barometerſtand von 100 mm war dieſer Wider— ſtand aber überhaupt nicht mehr zu brechen. Dieſe Verſuche beweiſen einen weſentlichen Unterſchied zwiſchen den Strömen in Metallen und den Strömen durch Luft. Durch einen Draht, mag er noch ſo lang, noch ſo dünn, noch ſo ſchlecht leitend ſein, d. h. mag ſein Wider— ſtand noch ſo groß ſein, wird auch das ſchwächſte Element, und mag es auch nur aus einem Fingerhut und einer Stecknadel hergeſtellt ſein, einen Strom ſenden, allerdings einen unendlich ſchwachen. Luft hingegen fordert durchaus eine gewiſſe und zwar ſehr große ſtromerregende Kraft, ſächlich kryſtallmäßig. Dieſe Kryſtalliſation eingeſchloſſener ] wenn fie den Strom überhaupt durchlaſſen ſoll; über dieſes 236 Humboldt. — Juli 1890. 4 Maß hinaus aber läßt fie ſelbſt die ſtärkſten Ströme hindurch, ohne dem Stromzuwachs irgend einen neuen Widerſtand entgegenzuſetzen. Die Luft gleicht einem durch einen Bach gezogenen Damm. Solange die Quelle tiefer liegt als die Dammkrone oder das Waſſer nicht genügend geſtaut iſt, wird kein Tropfen über den Damm gelangen; ſobald es aber über die Dammkrone geſtiegen iſt, kann die Quelle noch ſo hoch liegen und noch ſo reichlich fließen: das Waſſer findet keinen neuen Widerſtand. Die Draht⸗ nebenleitung aber im beſchriebenen Verſuche gleicht einem kleinen Loch am Fuße des Dammes. Solange das Waſſer hinter dem Damme ſteigt, wird der durchſtrömende Strahl immer ſtärker, ſobald das Waſſer über die Krone zu ſtrömen beginnt, ändert ſich der Strahl nicht weiter. Einen neuen Erſcheinungstypus hat Herz gelegentlich ſeiner bekannten Entdeckungen aceidentell gefunden und iſt derſelbe ſofort von vielen aufgegriffen worden (u. a. von Lenard und Wolf, Ann. Ph. Ch. 37,7; Elſter und Geitel 38, S. 497). Viele Körper, namentlich Metalle, zerſtäuben, wenn ſie von ultravioletten Strahlen getroffen werden, wobei ſich faſt immer gezeigt hat, daß die in die Luft geſchleuderten Teilchen negativ elektriſch geladen ſind, während der feſte Körper fic) poſitiv ladet. Dies das Weſen der Erſcheinung. Um ein Bild zu haben, nach dem man ſich orientieren kann, kann man ſich denken, daß jedes Molekül aus einem poſitiv geladenen und einem negativ geladenen Teil (etwa Atom) beſteht, daß aber der letztere Teil leichter iſt. Licht, welches auf einen Körper fällt, erſchüttert bekanntlich deſſen Moleküle; darum wird ja auch ein von Licht getroffener Körper warm. Wie aber ein Boot durch kleinere Wellen viel mehr geworfen und gefährdet wird, als durch breite, große, glatte Wogen, ſo werden auch die Moleküle durch kurze, raſche Lichtſchwin⸗ gungen, wie die ultravioletten ſind, mehr erſchüttert und gelockert, als durch die langſameren, langen, etwa roten Strahlen. Die leichten negativen Teile werden dann leicht geradezu abgeſchleudert, wie man ſich ja auch die Ver⸗ dampfung gewöhnlich vorſtellt, und die poſitiven Teilchen bleiben zurück. In die Luft gelangt, kondenſieren die Teil⸗ chen ſich dann zu Staub, wie der Dampf zu Tröpfchen. Dieſes Bild verſinnlicht uns viele Einzelheiten. So müſſen die Metallflächen durchaus friſch geputzt, d. h. frei von jeder Oxydſchicht ſein, als würde Sauerſtoff die Teilchen feſter zuſammenhalten, als ſie einander ſelber binden. Flüſſig⸗ keiten, auch Queckſilber, zeigen geringe Elektriſierung, als würde an den Kanten und Spitzen, die ja ſelbſt der feinſte Schmirgel als kratzende Subſtanz erzeugt, die Abſchleu⸗ derung leichter erfolgen, als an einer völlig glatten Ober⸗ fläche. Iſt das Metall iſoliert und negativ elektriſch ge⸗ laden, dann erfolgt die Zerſtäubung viel raſcher, weil das Metall dann die abgeſchleuderten negativen Partikel elek⸗ triſch abſtößt, während eine poſitive Ladung des Me⸗ talles die Zerſtäubung geradezu ſiſtiert, weil die abge- ſchleuderten negativen Teilchen dann vom Metall wieder elektriſch angezogen und zurückgebracht werden, wo ſie ſich wieder mit poſitiven Teilen zuſammenfinden. Bläſt man das Metall an, ſo zerſtäubt es viel ſtärker, weil die abge⸗ ſchleuderten Teilchen raſch weggeführt und verhindert werden, etwa zufällig wieder an das Metall zu gelangen. All dies iſt eine Verſinnlichung, aber noch keine beweiſende Erklärung. Die Zerſtäubung der Metalle läßt ſich überraſchend ſchlagend demonſtrieren. Blanke Metallflächen werden dort, wo ſie vom ultravioletten Strahle getroffen werden, rauh und matt, wie angefreſſen. In der Luft, in der Nähe des Metalles, werden die abgeriſſenen Teilchen aber geradeſo demonſtriert, wie jeder beliebige Staub: es wird ein Dampf⸗ ſtrahl vorbeigeführt, der ſofort durch Nebelbildung (Trü⸗ bung) Staub verrät, ſobald neben ihm eine friſche Zink⸗ platte ſteht und ultraviolettes Licht auf dieſelbe wirkt. Als Lichtquelle benützt man dabei elektriſches Bogenlicht, bei dem der eine Kohlenſtab durch einen Zinkſtab erſetzt iſt, weil dieſes Zinklicht ungleich mehr ultraviolette Strah⸗ len enthält, als Sonnenlicht oder gewöhnliches Bogenlicht. Am ſtärkſten zeigt die Zerſtäubung in dieſem Lichte Zink; mit abnehmender Intenſität aber auch Queckſilber, Platin, Meſſing, Kupfer, Zinn, Blei, Eiſen, Gold, Silber. Waſſer, in welchem Fuchſin, Jodgrün, Kobaltnitrat ze. gelöſt war, wurde ebenfalls unter Belichtung elektriſch, wenn auch abgeſchleuderter Staub nicht beobachtet werden konnte. Dabei zeigte es ſich als wahrſcheinlich, daß im allgemeinen die kürzeſten Lichtwellen, namentlich aber die⸗ jenigen, die von den betreffenden Stofſen am beſten ab⸗ ſorbiert wurden (d. h. ihre lebendige Kraft am vollſtändig⸗ ſten abgeben, alſo die Moleküle am ſtärkſten erſchüttern), auch am ſtärkſten elektriſierend wirkten. Aſtronomie. Don Profeffor Dr. C. F. W. Peters in Königsberg i. Pr. Neue Planeten. Neue Kometen. Periodiſche Kometen 1890. Dermutlicher Suſammenhang des Kometen d (889 mit dem Lexellſchen Kometen des Jahres zee. Photographiſche Aufnahmen von Sternſpektren. Verſchiebung der Spektrallinien bei Doppelſternen. Folgende Planeten ſind während der letzten Monate entdeckt worden: : Planet (288), entdeckt von Luther in Düſſeldorf am 20. Februar; Planet (289), entdeckt von Charlois in Nizza am 10. März; Planet (290), entdeckt von J. Paliſa in Wien am 20. März; dieſelben waren am Tage ihrer Entdeckung reſp. von der 11., 12. und 13. Größe. Der von Barnard am 23. Juni 1889 entdeckte Ko⸗ met e 1889 hat, wie von Berberich gefunden iſt, wahr⸗ ſcheinlich eine elliptiſche Bahn mit einer Umlaufszeit von ungefähr 128 Jahren. Von den Begleitern des Brooks⸗ ſchen Kometen, d 1889, haben noch in der zweiten Hälfte des Oktober auf der Wiener Sternwarte drei beobachtet werden können, und zwar war der Kern des einen Be⸗ gleiters gleich einem Stern 12. Größe, umgeben von einer etwas länglichen Coma von ungefähr 24/2 Bogenminuten Durchmeſſer. Der Komet weiſt die Merkwürdigkeit auf, Humboldt. — Juli 1890. 237 daß er unter Umſtänden ſich für längere Zeit äußerſt nahe dem Jupiter befinden kann. Die Apheldiſtanz des Jupiter iſt nämlich ſehr wenig verſchieden von derjenigen des Ko— meten, die Aphele liegen ferner nahezu in derſelben Rich— tung, und die Geſchwindigkeiten beider Körper in der Nähe ihrer Aphele ſind nahezu dieſelben. Dadurch kommt es, daß wenn ſie gleichzeitig ihr Aphel paſſieren, für mehrere Monate eine ſtarke Annäherung ſtattfinden kann, durch welche die Bahn des Kometen ſtark beeinflußt werden muß. Eine ſolche Annäherung hat aber nachweislich im Mai 1886 ſtattgefunden, und die Bahn des Kometen iſt jedenfalls um dieſe Zeit durch die Einwirkung des Jupiter erheblich verändert worden. Eine vorläufige Unterſuchung der Be— wegung des Kometen, welche S. C. Chandler in Cambridge (N. A.) ausgeführt hat, führte zu dem Ergebnis, daß der Komet ſich im Mai 1886 innerhalb des Satellitenſyſtems des Jupiter befunden hat; daß ferner in dieſer Zeit die Anziehung des Jupiter diejenige der Sonne gegen den Kometen derartig überwog, daß der letztere eine hyper— boliſche Bahn um den Jupiter beſchrieb. Nachdem er ſich ſoweit von dem Planeten entfernt hatte, daß ſeine Bahn wieder vorwiegend durch die Anziehung der Sonne beſtimmt war, hatten ſich die Bahnelemente gegen diejenigen, welche der Komet vor ſeiner Annäherung an den Jupiter gehabt hatte, ſtark verändert, und während ſeine Umlaufszeit vor— her 27 Jahre betrug, beträgt ſie jetzt nur gegen 7 Jahre. Die Geſchichte der Aſtronomie kennt bereits zwei Bei— ſpiele einer derartigen Annäherung eines Kometen an den Jupiter, und zwar handelt es ſich dabei beidemal um den— ſelben Kometen, nämlich den Lexellſchen vom Jahre 1770. Derſelbe war 3 Jahre vor ſeiner erſten Entdeckung, im Jahre 1767, ebenfalls durch das Satellitenſyſtem des Ju— piter gegangen, wobei ſeine Bahn ſich radikal verindert hatte, und ſeine Umlaufszeit, die vorher gegen 48 Jahre betragen hatte, auf 5½ Jahre heruntergegangen war. Im Jahre 1779 ging er zum zweitenmal dicht am Jupiter vorbei, ſeine Bahn wurde wieder ſtark geändert, und ſeine Umlaufszeit ſtieg nach einer damaligen Berechnung auf etwa 16 Jahre, mit einer allerdings ziemlich großen Un— ſicherheit. S. C. Chandler hat nun die Bahn des Kometen d 1889 für die Zeit vor 1886 zu berechnen verſucht; da— bei fand ſich, daß im Jahre 1779 eine ſtarke Annäherung des Kometen an Jupiter ſtattgefunden habe. Sprach ſchon dieſer Umſtand für eine Identität des Kometen mit dem Lexellſchen, ſo wurde die Wahrſcheinlichkeit derſelben ſehr erhöht, nachdem ſich gezeigt hatte, daß die Bahnelemente des Lexellſchen Kometen nach 1779 und diejenigen des Kometen d 1889 vor 1886 eine große Aehnlichkeit zeigten. Eine Bearbeitung der ſämtlichen vorhandenen Beobach— tungen des letztgenannten Kometen, welche Chandler unter— nommen hat, wird hierüber vorausſichtlich eine Entſchei— dung geben. Am 16. November entdeckte Swift in Rocheſter (N. Y.) einen ſchwachen Kometen, f 1889, der nach einer Berech— nung von K. Zelbr folgende elliptiſche Bahnelemente hat: Zeit des Perihels: 30. November 1889. Abſtand des Perihels vom aufſteigenden Knoten 690 29° Länge des aufſteigenden Knoten . 3310 27“ %% K 109 3˙ elbe große Achſe we 3,629 c 0,631 Ferner wurde ein Komet (g 1889) am 12. Dezember von Borrelly in Marſeille entdeckt. Derſelbe war zuerſt ſehr ſchwach, wurde dann raſch heller, konnte aber wegen ſeiner ſtarken ſüdlichen Bewegung auf der nördlichen Halb— kugel nur kurze Zeit hindurch beobachtet werden. A. Krüger fand für den Kometen folgende paraboliſche Bahnelemente: Zeit des Perihels: 27. Januar 1890. Abſtand des Perihels vom n Knoſen 1990 55“ Länge des aufſteigenden Knoten . 80 237 Neigung der Bahn . . 560 44“ Kürzeſte Entfernung von der Sonne 0,270 Am 19. März fand Brooks in Geneva (N. A.) in der Nähe des Aequators einen Kometen (a 1890), der ſich lang— ſam bei zunehmender Helligkeit nordwärts bewegte. Da das Maximum der Helligkeit in den Anfang des Juni fällt, ſo wird der Komet vorausſichtlich recht lange beobachtet werden können; für das freie Auge wird er indeſſen nicht ſicht— bar. Die Bahnelemente ſind nach einer Rechnung von F. Bidſchof folgende: Zeit des Perihels: 1. Juni 1890. Abſtand des Perihels vom un enden Susie 680 36’ Länge des aufſteigenden Knoten. 3299047 Neigung der Bahn . 1200 28“% Kürzeſte Entſernung von der Sonne 1,912 Die Wiederkehr des periodiſchen Brorſenſchen Kometen wurde für den Anfang des Jahres unter anſcheinend günſtigen Umſtänden erwartet, indeſſen hat eine von E. Lamp in Kiel ausgeführte Berechnung des Laufes der Erſcheinung nicht zu einer Auffindung des Kometen geführt. Der periodiſche Denningſche Komet (V 1881) kommt im Mai d. J. zum Perihel zurück, indeſſen ſind die Sicht— barkeitsverhältniſſe wenig günſtig, ſo daß die Auffindung ſehr zweifelhaft iſt. Dagegen iſt in der zweiten Hälfte dieſes Jahres die Wiederauffindung des periodiſchen d'Arreſtſchen Kometen mit einiger Sicherheit zu erwarten. Der am 2. September 1888 von Barnard entdeckte Komet (e 1888) iſt am 28. März auf der Sternwarte in Wien wieder beobachtet worden. Seine Entfernung von der Sonne ſowohl als von der Erde betrug an dieſem Tage 5 Erdbahnhalbmeſſer, und es iſt noch niemals ein Komet in ſo großer Entfernung beobachtet worden. Die Bahn iſt nach einer Unterſuchung von Berberich ſchwach hyperboliſch (Excentricität — 1,00109). Die in dem letzten Berichte (Humboldt 1890, S. 19) er— wähnten photographiſchen Aufnahmen von Sterne ſpektren, welche auf dem aſtrophyſikaliſchen Obſervatorium in Potsdam mit großer Vollkommenheit ausgeführt werden, haben zu höchſt intereſſanten Reſultaten geführt. Die durch die Entfernung oder Annäherung der Geſtirne gegen die Erde (Bewegung im Viſionsradius) entſtehende Ver— ſchiebung der Spektrallinien läßt ſich mit großer Genauig— keit meſſen, und ſomit auch die Geſchwindigkeit dieſer Be— wegungen ſelbſt. Die Methode hat das Eigentümliche, wodurch ihr ein ganz beſonderer Wert zukommt, daß fie ganz unabhängig iſt von der größeren oder geringeren Entfernung des beobachteten Geſtirns von der Erde, und demnach bei den entfernteſten Geſtirnen ebenſo zuverläſſige Reſultate wie bei näher befindlichen ergibt. Eine Anz wendung der Methode auf die Bewegung des bekannten veränderlichen Sterns Algol im Perſeus hat eine ſehr ſchöne Beſtätigung der von Pickering früher aufgeſtellten Hypotheſe über die Urſache des Lichtwechſels dieſes Sterns ergeben (vergl. Humboldt 1890, S. 136). 238 Humboldt. — Juli 1890. Aehnliche periodiſche Verſchiebungen der Spektrallinien wie bei Algol fand Vogel auch bei dem hellen Sterne a Virginis. Das Spektrum dieſes Sterns zeigt breite verwaſchene Waſſerſtofflinien, deren Lage bald nach dem violetten, bald nach dem roten Ende des Spektrums ver⸗ ſchoben erſcheinen. Es iſt daraus zu folgern, daß auch dieſer Stern einen Begleiter hat, und daß beide eine Bahn um ihren gemeinſamen Schwerpunkt beſchreiben. Die Pe⸗ riode ergab ſich hier zu etwas mehr als 4 Tagen, und die größte Geſchwindigkeit im Viſionsradius zu 12 Meilen. Auch bei dem Sterne 8 Oxionis haben ſich periodiſche Bewegungserſcheinungen ergeben, der Betrag derſelben hat ſich aber noch nicht mit Sicherheit ableiten laſſen. Die Duplicität der genannten Sterne iſt aus den periodiſchen Verſchiebungen der Spektrallinien geſchloſſen, ohne daß die Sterne mit dem Fernrohr als doppelt ge⸗ ſehen werden können, weil die Begleiter eine zu geringe Lichtſtärke haben. Es gibt aber bekanntlich viele Doppel⸗ ſterne, die deutlich als ſolche erkannt werden können, und bei welchen jeder der Komponenten ein deutlich wahrnehm⸗ bares Spektrum zeigt. Im allgemeinen werden dieſe Spektren, wenn die Komponenten ſehr nahe zuſammen⸗ ſtehen, nicht voneinander zu trennen ſein; wenn ſie ſich aber um ihren gemeinſamen Schwerpunkt bewegen, ſo wird abwechſelnd der eine derſelben ſich der Erde nähern, während der andere ſich von ihr entfernt. Es werden alſo die Spektrallinien der beiden Spektra Verſchiebungen, aber nach verſchiedenen Richtungen erfahren, und dies wird ſich dadurch kenntlich machen, daß die Linien des gemeinſamen Spektrums ſich zuzeiten verdoppeln. Solche Verdoppelungen der Spektrallinien werden auch eintreten, wenn beide Komponenten ſo nahe zuſammen ſtehen, daß ſie ſich im Fernrohr nicht mehr trennen laſſen, wenn nur jeder derſelben ſo hell iſt, daß er ein wahrnehmbares Spektrum angibt. In der That haben ſich manche Sterne nur durch die zeitweilige Verdoppelung ihrer Spektral⸗ linien als Doppelſterne erwieſen, während ihre Duplicität auf anderem Wege nicht erkannt werden kann. Mineralogie. Von Profeffor Dr. H. Bücking in Straßburg i. E. Die Mineralien der Mangan- und Eiſenerzgrube Harftigen bei Pajsberg in Schweden. Neue Mineralien: Haryopilit, Flinkit, Ochrolith, Anthochroit, Pleoneftit, Arſeniopleit, Mazapilit, Meſſelith, Natrophilit, fansfordit, Nesquehonit, Quatenit, Gordait, Prismatin, Luſſatit. Synthetiſche Derfuche. Eine faſt unerſchöpfliche Fundſtätte von ſeltenen kry⸗ ſtalliſierten Mineralien ijt die Mangan- und Eiſenerz⸗ grube von Harſtigen bei Pajsberg in Schweden. Das Haupterz dort iſt Hausmannit, welcher, ähnlich wie bei Langbanshyttan und Nordmarken, zuſammen mit Mag⸗ neteiſen und Eiſenglanz linſenförmige Lager von 2 bis 6 Meter Mächtigkeit in kryſtalliniſch⸗körnigem Dolomit und Kalkſtein bildet. Eingeſprengt in dem Erzgemenge finden ſich eine Reihe von Mineralien, namentlich Pyrochroit, Tephroit, Granat, Schefferit, Richterit, Rhodonit, Man⸗ ganophyll, Schwerſpat, Kalkſpat, Manganſpat ꝛc.; auf Spalten und in Druſen kommen außer Kryſtallen der zuletzt erwähnten Mineralien unter anderem auch noch Sarkinit und Brandtit, ſowie die in den letzten Jahren entdeckten Harſtigit, Rhodotilit (identiſch mit Ineſit), Heliophyllit (gleich Ekdemit), Baryſilit (vergl. Humboldt 1888, S. 307 u. 1889, S. 303) und mehrere neue, erſt jüngſt bekannt gewordene Mineralien vor. Von dieſen iſt zunächſt erwähnenswert der Karyo⸗ pilit*), welcher traubige und nierenförmige Aggregate von brauner Farbe von der Härte 3—4 und dem ſpezif. Gewicht 2,8 — 2,9 bildet. Er fehlt in den offenen Druſen⸗ räumen niemals und tritt bisweilen auch in den von Kalkſpat erfüllten Mandeln auf. Bezeichnend für ihn iſt ein zonarer Aufbau; das Innere iſt dicht oder mikro⸗ ſkopiſch fein⸗wirrfaſerig; die äußeren konzentriſch verlau⸗ fenden Zonen ſind radialfaſerig ſtruiert. Kryſtalle wurden nicht beobachtet, doch ſcheint nach dem optiſchen Verhalten *) Axel Hamberg, Geolog. Foren. i Stockholm Forhandl. Bd. XI. S. 27. der Faſern das reguläre Syſtem ausgeſchloſſen zu ſein. Die an nicht ganz reinem Material angeſtellte chemiſche Unterſuchung zeigte, daß der Karyopilit ein waſſerhaltiges Manganoxydulſilikat iſt, welches dem chlorhaltigen Frie⸗ delit ſehr nahe ſteht, im übrigen aber von dem amorphen Stratopeit, Neotokit und Wittingit durch ſeine Doppel⸗ brechung, von dem Hydrotephroit, Hydrorhodonit, Pen⸗ withit und dem als optiſch einachſig erkannten Ekmanit durch ſeine abweichende Zuſammenſetzung und von dem Ineſit (bezw. Rhodotilit) ſowohl durch ſeine andere Zuſammen⸗ ſetzung als durch ſein ganz abweichendes optiſches Ver⸗ halten unterſchieden werden kann. Den Namen Flinkit hat A. Hamberg einem waſſer⸗ haltigen Manganarſeniat gegeben ), welches ganz gewöhn⸗ lich mit Brandtit und Sarkinit zuſammen in den Karyo⸗ pilithohlräumen der Harſtigsgrube vorkommt. Es ſind kleine, grünbraune aſtrophyllitähnliche Tafeln, die anſcheinend dem rhombiſchen Syſtem angehören; ſie ſind gewöhnlich zu federbuſchartigen Aggregaten verbunden. Auch eine dem Heliophyllit oder Ekdemit analoge Verbindung der antimonigen Säure, welche von Flink den Namen Ochrolith erhalten hat, kommt in denſelben Druſenräumen vor ). Intereſſanter als dieſes neue Mineral iſt das Auf⸗ treten von gut kryſtalliſiertem gediegen Blei, das Ham⸗ berg ebenfalls zum Gegenſtand einer Unterſuchung gemacht hat za). Die Bleikryſtalle finden fic) nur in den offenen, nicht von Kalkſpat ausgefüllten Karyopilithohlräumen und ) Ebenda, S. 212. > „) Ofvers. af K. Vet. Akad. Förhandl. 1889, N. 1, 5. %) Zeilſchr. f. Kryſt. XVII, 253. Humboldt. — Inli 1890. 239 Spalten, find aber nicht mit Flinkit und Ochrolith zu— ſammen angetroffen worden. Bei dem Oeffnen der Druſen— räume haben ſie faſt ſilberglänzende Flächen, werden aber an der Luft allmählich matt. Zu goniometriſchen Meſ— ſungen ſind im ganzen nur wenige Kryſtalle geeignet, und an dieſen wurden das Oktaeder, der Würfel, das Rhomben- dodekaeder, das Ikoſitetraeder 202, das Triakisoktaeder 50 und das Tetrakishexaeder 0 04 beobachtet. Gewöhnlich iſt das Oktaeder die vorherrſchende Form, ſeltener das Rhombendodekaeder oder das Triakisoktaeder. An einigen ſehr guten, aber kleinen Kryſtallen wurde das Ikoſitetraeder mit etwa gleichgroßen Flächen des Rhombendodekaeders kombiniert gefunden. Die Kryſtalle find nicht ſelten un— regelmäßig verzerrt und laſſen zuweilen eine Zwillings— verwachſung nach dem Oktaeder erkennen, hierin mit den übrigen regulär kryſtalliſierenden Elementen Gold, Silber und Kupfer in bemerkenswerter Weiſe übereinſtimmend. Die chemiſche Unterſuchung der Bleikryſtalle ergab eine vollkommene Reinheit; ihr ſpezif. Gewicht iſt gleich dem des reinen Bleis 11,37. Sehr intereſſant ſind die Bemerkungen, welche Ham— berg über die Parageneſis der in den Karyopilit— hohlräumen auftretenden Mineralien macht. Außer dem Karyopilit, Sarkinit, Brandtit, Flinkit, Ochrolith und gediegen Blei kommen ſehr häufig noch Kalkſpat und Schwerſpat vor, ferner ein weißes, prismatiſches hexa— gonales Bleiarſeniat, kleine Eiſenglanzkryſtalle, kleine Würfel von Bleiglanz und zuweilen auch Kryſtällchen von Weiß— bleierz. Alle dieſe Mineralien ſind jünger als der Rho— donit, Schefferit, Manganophyll, Richterit und Granat, welche man ſehr oft unter den Karyopilitüberzügen findet, die ſelbſt wieder als Unterlage der übrigen ebengenannten Mineralien erſcheinen. Hamberg möchte die Mineralien, deren gegenſeitige Begrenzungsflächen er genauer unterſucht und zur Be— ſtimmung ihres relativen Alters benutzt hat, nach ihrem Alter in drei Gruppen oder Kryſtalliſationsperioden ver- teilen. In die erſte und ältere Periode gehören ſämtliche waſſerfreien manganhaltigen Silikate: Eiſenſchefferit, Granat, Rhodonit, Tephroit, Manganveſuvian und Harſtigit, ferner Eiſenglanz und das waſſerfreie und chlorfreie Stibiat Moni— molit. Die zweite Periode umfaßt die Mineralien, welche jünger als diejenigen der erſten Gruppe, aber nicht jünger als die Hauptmenge des Kalkſpat und Schwerſpat ſind. Außer dem Kalkſpat und Schwerſpat gehören in dieſe Periode ſämtliche waſſerhaltigen Manganoxyd- und Man- ganoxydulſilikate, wie Stratopeit und Neotokit, Karyo— pilit und Ineſit, ferner noch Hedyphan, Ekdemit, Och— rolith, gediegen Blei, Baryſilit, eine grüne ſphärolitiſche Hornblende, Bleiglanz und Eiſenglanz. In die dritte Periode werden geſtellt die drei waſſerhaltigen Arſeniate Brandtit, Sarkinit und Flinkit, Ceruſſit und kleine Mengen von Bleiglanz, von Kalkſpat und von Schwerſpat. Jünger als die ebengenannten Arſeniate, deren Bildung, obgleich verhältnismäßig jung, doch eine völlig abgeſchloſſene iſt, iſt ein zwar unanſehnlicher, aber ſehr häufig vorkommender Manganokalcit, der als eine Bildung der Gegenwart an— geſehen werden muß. f Aus dem Umſtande, daß die Manganſilikate der erſten Periode waſſerfrei, die jüngeren Manganſilikate dagegen waſſerhaltig, ferner die Arſen- und Antimonverbindungen der beiden älteren Perioden waſſerfrei und im allgemeinen chlorhaltig, dagegen die entſprechenden Verbindungen der dritten Periode chlorfrei und waſſerhaltig ſind, ſchließt Hamberg wohl mit Recht, daß die Minerallöſungen, welche während der verſchiedenen Perioden in den Spalten und Hohlräumen bei Harſtigen zirkulierten, eine verſchiedene Zuſammenſetzung gehabt haben. Dies und die wechſelnden phyſikaliſchen, insbeſondere thermiſchen Verhältniſſe dürften die Urſachen der Verſchiedenheiten in der Mineralbildung ſein. Auch die Druſenmineralien in den benachbarten Manz gangruben bei Langbanshyttan und Nordmarken laſſen ſich auf analoge Perioden beziehen. Bei Langban find haupt- ſächlich die beiden erſten Perioden vertreten, in der Moß— grube bei Nordmarken iſt dagegen eine der dritten Periode entſprechende, durch das Vorkommen waſſerhaltiger Arſe— niate gekennzeichnete Mineralbildung zur Entwickelung ge— langt. Es ſind von letzterem Fundorte zwar nicht die gleichen, aber doch analoge Arſeniate wie von Harſtigen bekannt geworden; dem Sarkinit und Brandtit von Har⸗ ſtigen entſprechen bei Nordmarken der Allaktit und Häma— fibrit, während dem Flinkit etwa der nach Hambergs Unterſuchung rhombiſch kryſtalliſierende Synadelphit und der Diadelphit zu vergleichen ſind. Ueber die Bildung der Bleikryſtalle bemerkt Hamberg, daß es nach ſeinen Beobachtungen unzweifelhaft ſei, daß das Blei aus Bleiverbindungen, und zwar insbeſondere aus dem Ekdemit durch die Oxydation der arſenigen Säure, reduziert worden ſei. Schwammige Bleimaſſen finden ſich in der Harſtigsgrube vielfach in innigſter Verwachſung mit dem Ekdemit, aus deſſen Zerſetzungen ſie entſtanden ſein müſſen. „Die Kryſtalle von Blei müſſen dagegen natürlich direkt aus einer bleihaltigen Löſung unter Um- ſtänden, die für die Bildung von Ekdemit nicht günſtig geweſen ſind, ſich abgeſetzt haben.“ Was das früher noch nicht aufgeklärte Verh alt- nis des Ekdemit zum Heliophyllit betrifft (Hum— boldt 1889, S. 307), ſo hat Hamberg bei näherer Unter— ſuchung eines größeren Materials von jenen Mineralien gefunden, daß beide identiſch ſind und als ein Anhydro— ſalz der arſenigen Säure aufgefaßt werden müſſen, deſſen Zuſammenſetzung etwa der Formel Pbg Asg 018 + 4PbCly entſprechen würde. Der Heliophyllit iſt immer ſowohl aus zweiachſigen (früher deshalb als rhombiſch gedeutet) als aus einachſigen Partien zuſammengeſetzt, dürfte aber in ſeiner ganzen Ausdehnung urſprünglich einachſig und tetragonal, wie der Ekdemit, geweſen ſein. Sein jetzt zu beobachtendes optiſches Verhalten iſt demnach ein anomales; Ekdemit und Heliophyllit ſind identiſch und entſprechen einem urſprünglich homogenen tetragonalen Mineral. „Die optiſchen Unregelmäßigkeiten, welche man jetzt immer in dem Ekdemit beobachten kann, dürfte man ſekundären, wahrſcheinlich durch einen allſeitigen Druck hervorgerufenen Umlagerungen zuſchreiben können. Veränderungen in der Temperatur ſcheinen hier nicht die Urſache geweſen zu ſein,“ da eine Platte Ekdemit von Harſtigen bis über 200° erhitzt keine Veränderung zeigte. Unter analogen Verhältniſſen wie in der Harſtigs⸗ grube findet fic) auch bei Jakobsberg, ebenfalls in Werm⸗ land, ein Hausmannitlager und einige 100 Meter von 240 Humboldt. — Juli 1890. dieſem entfernt, in demſelben Kalkſtein eingelagert, ein Braunitlager, das gleichfalls abgebaut wird. In der Brau⸗ nitgrube hat L. J. Igelſtröm ein blaßrotes Manganſilikat entdeckt“), welches in Adern von mehreren Centimeter Dicke oder in Körnern zerſtreut im Kalkſtein oder auch im Braunit vorkommt, häufig vergeſellſchaftet mit Mangan⸗ granat, Manganepidot und Manganidokras. Die Zuſam⸗ menſetzung dieſes mit dem Namen Anthochroit belegten Minerals entſpricht einem Biſilikat und zwar einem Diopſid mit etwa 3,5 % Manganoxydul. Die Härte iſt 5—6. Die Körner laſſen zwar zuweilen Kryſtallflächen erkennen, ſind aber zu einer exakten Meſſung nicht geeignet; das Kryſtallſyſtem des Anthochroit iſt deshalb noch nicht be⸗ ſtimmt; doch gehört er zufolge ſeines optiſchen Verhaltens zu den optiſch zweiachſigen Kryſtallen. Als neu hat Igelſtröm auch ein Mineral aus der Hausmannit⸗ und Braunitgrube Sjögrufvan im Kirchſpiel Grythyttan in Schweden beſchrieben !). Dasſelbe iſt weiß⸗ lichgrau, beſitzt einen metallartigen Fettglanz und die Härte 4. Es findet ſich nicht in Kryſtallen, ſondern nur in dichten Maſſen mit undeutlicher Spaltbarkeit und quarz⸗ artigem Bruch. Zufolge der qualitativen Analyſe iſt das neue Mineral, welches den Namen Pleonektit erhalten hat, ein chlorhaltiges Antimonioarſeniat von Blei, das dem Hedyphan ſehr nahe zu ſtehen ſcheint, aber durch ſeine Unſchmelzbarkeit vor dem Lötrohr und durch ſein ſtarkes Dekrepitieren von ihm verſchieden ſein ſoll. Der Pleonektit wird von einem blätterigen Mineral von brauner bis kirſchroter Farbe, das in dünnen La⸗ mellen rotbraun durchſcheinend iſt, begleitet. Dasſelbe war ſchon früher **) von Igelſtröm aufgefunden und hat den Namen Arſeniopleit erhalten. Es kryſtalliſiert hexagonal-rhomboedriſch, und iſt ein baſiſches Arſeniat von Mangan, Calcium, Eiſen und Blei, ſteht demnach dem Synadelphit und Diadelphit ziemlich nahe. Ein anderes neues Mineral 5) iſt der Mazapilit, welcher ſich auf der Jeſus-Mariagrube im Diſtrikt Mazapil bei Zacatecas in Mexiko, vergeſellſchaftet mit Jodſilber und anderen Silbererzen findet. Die kleinen in Quarz eingeſprengten gelbbraunen Kryſtalle ſind in dünnen La⸗ mellen mit einer tiefroten Farbe durchſcheinend. Sie ſind prismatiſch bis ſpitzpyramidal entwickelt und gehören dem rhombiſchen Syſtem an. In chemiſcher Hinſicht verhalten ſie ſich ähnlich wie der Arſenioſiderit und ſind als ein waſſerhaltiges baſiſches Arſeniat von Eiſen und Calcium aufzufaſſen. Meſſelith wurde von Muthmann ein Phosphat genannt, welches in Form von kleinen, farbloſen bis bräunlichen, 1,5 mm breiten und 2mm langen gipsähn⸗ lichen Kryſtällchen des aſymmetriſchen Syſtems die Braun⸗ kohle von Meſſel, zwiſchen Darmſtadt und Aſchaffenburg, hier und da erfüllt F). Es iſt ein waſſerhaltiges Eiſen⸗ kalciumphosphat mit 31% CaO, 15,5 % FeO und 1,5 % MgO. Auch an der durch Bruſt und Dana ſchon im Jahre 1878 ) Neues Jahrb. f. Min. 1889, II, 36. **) Ebenda, S. 40. ) Ebenda, 1888, II, 117 ꝛc. +) Bull. Soc. frang. Min. 1889, 441. Tt) Zeitſchr. f. Kryſt. 17, 1890. S. 93. bekannt gewordenen Fundſtelle von jeltenen und neuen Manganphosphaten, in einem Gang von albitreichem Granit bei Branchville in Fairfield Comp. in Connecticut, iſt im vorigen Jahre wieder ein neues Manganphosphat gefunden worden, der Natrophilit !). Es iſt ein dem Triphylin und Lithiophilit ähnliches und wie dieſe rhombiſch kry⸗ ſtalliſierendes Mineral, welches ſich auch in chemiſcher Hinſicht jenen vollkommen anſchließt. Der Natrophilit iſt nämlich das dem Lithiophilit entſprechende Natriumphos⸗ phat von der Zuſammenſetzung NaMnPO,;. Ein waſſerhaltiges baſiſches Karbonat des Magneſiums von der Zuſammenſetzung ZMg C Og. Mg (HO) 21H20 wurde vor 2 Jahren von F. A. Genth beſchrieben und nach ſeinem Vorkommen auf einer Spalte in der Nesquehonin-Grube zu Lansford bei Tamaqua in Pennſylvanien mit dem Namen Lansfordit belegt“). Es fand ſich in kleinen bis zu 20 mm langen, am Ende etwa 5 und an der Baſis 10 mm breiten Stalaktiten, welche weiß und durchſcheinend ſind, im allgemeinen alſo leicht mit Kalkſpatſtalaktiten ver⸗ wechſelt werden können. Die Härte iſt 2,5, das ſpezif. Gewicht 1,692. Die Beſtimmung des Kryſtallſyſtems ſtößt auf beſondere Schwierigkeiten, da nur das äußerſte Ende der Stalaktiten einzelne Kryſtallflächen trägt, welche zum Meſſen geeignet ſind; nach der Unterſuchung Penfields iſt es aſymmetriſch. In der Sommertemperatur verwandelt ſich der Lans⸗ fordit leicht in ein kryptokryſtalliniſches Aggregat von rhombiſchen Kryſtällchen, welche die Zuſammenſetzung Mg Oz. 3H20 beſitzen und von Genth und Penfield mit dem Namen Nesquehonit ““) belegt worden ſind. Es gelang Penfield, die Kryſtalle geometriſch und optiſch zu beſtimmen; fie verhielten fic) vollkommen gleich den von Marignac früher unterſuchten Kryſtallen der gleichzuſammengeſetzten künſtlichen Verbindung Mg C03. 38H20. Mit dem von Scacchi beſchriebenen Hydrogiobertit, welcher in dichten hellgrauen Kugeln in einem vulkaniſchen Geſtein von Pollena in Sizilien vorkommt und die Zuſammenſetzung MgCO3. Mg(HO)).2H 90 oder MgzC O4. 3H20 beſitzt, hat der Nesquehonit keine Aenhlichkeit. Bei näherer Unterſuchung einer Reihe von Sulfaten aus Chile fand A. Frenzel), daß die früher von ihm als Hohmannit und Amarant bezeichneten Mineralien (vgl. Humboldt 1888, S. 301) wohl identiſch ſind, indem der Amarantit nur als eine mikrokryſtalliniſche Varietät des Hohmannits anzuſehen iſt. Auch der Papoſit von Papoſo hat nach der Analyſe von Frenzel die gleiche Zuſammen⸗ ſetzung wie die genannten Mineralien und dürfte wohl mit jenen zu vereinigen ſein. Von neuen Sulfaten er⸗ wähnt Frenzel den Quatenit von der Grube Salvador in Quatena, der, von rotbrauner Farbe, der Härte 3 und dem ſpezif. Gewicht 2,1, undurchſichtig bis durchſcheinend, in derben Maſſen und undeutlichen Kryſtallen den Kupfer⸗ vitriol begleitet und ein waſſerhaltiges Sulfat von Eiſen und Magneſium darſtellt, ſowie den Gordait, welcher waſſerhelle, weiße bis hellgraue glasglänzende breittafelige Kryſtällchen und parallel- und radialfaſerige Maſſen im *) Am. J. of Se. 1890, März. „) Zeitſchr. f. Kryſt. 14, 225. %) Am. J. of Sc. 1890, Febr. +) Tſchermaks Mitt 1890, 214 2c. Humboldt. — Juli 1890. Sideronatrit und Jaroſit der Gruben von Sierra Gorda bei Caracoles bildet, die Härte 2½—3, das ſpezif. Gewicht 2,61 und ein Eiſennatriumſulfat von einer dem Sideronatrit und Uruſit ähnlichen Zuſammenſetzung darſtellt. Die Unterſuchung der Mineralien von Fiskenäs in Grönland und insbeſondere des von Lorenzen früher be- ſchriebenen Kornerupin, welcher den Cordierit und zuweilen auch den Sapphirin an jenem Fundort begleitet, hat Uſſing zu dem Schluß geführt, daß dieſes Mineral mit dem von Sauer entdeckten und im Jahre 1886 be— ſchriebenen Prismatin aus einer albitreichen Einlagerung im Granulit von Waldheim in Sachſen identiſch ſei “). Der Kornerupin bildet weiße radial- oder parallelſtrahlige Aggregate von der Härte 6,5 und dem ſpezifiſchen Gewicht 3,27, welche äußerlich dem Sillimannit ſehr ähnlich ſind. Sie erweiſen ſich, ehenſo wie der Prismatin, als dem rhombiſchen Syſtem angehörig. Die an ſehr kleinen Mengen angeſtellte und deshalb wiederholungsbedürftige Analyſe ergab für den Kornerupin die Zuſammenſetzung Mg Alz SiO mit 2% Feg0z, während Sauer in dem aller— dings wohl mehr zerſetzten Prismatin etwas weniger A203 und MgO, kein Eiſenoxyd, aber etwa 6% FeO und 2% NagO fand. Die vollkommene Identität der beiden Mine— ralien iſt demnach noch nicht erwieſen. Auch eine neue kryſtalliſierte Modifikation des Kieſel— ſäureanhydrids iſt aufgefunden worden, und zwar von Mallard in dem milchweißen Ueberzug des Chalcedons vom Pont⸗du⸗Chäteau in der Auvergne). Sie kommt in in⸗ niger Verwachſung mit Opal vor, iſt mikroſkopiſch fein— faſerig und im Gegenſatz zu dem ſonſt ſo ähnlichen Chal— cedon optiſch poſitiv; auch durch das geringe ſpezifiſche Gewicht 2,04 iſt fie von dem Chalcedon, Quarz und Tri- dymit unterſchieden, nähert ſich darin aber dem Opal. Nach dem Auftreten in dem Bitumenlager von Luſſat bei Pont— du⸗Chäteau hat Mallard die Subſtanz Luſſatit genannt. Sie iſt übrigens viel weiter verbreitet und findet ſich auch in dem Opal und Chalcedon von Treſztyan in Ungarn, von Cornwall und von den Faröerinſeln. Während ſo im verfloſſenen Jahre eine große Menge von neuen Mineralien aufgefunden und in der eingehend— ſten Weiſe beſchrieben worden ſind, wurden andererſeits Verſuche gemacht, auf künſtlichem Wege Verbindungen her— zuſtellen, welche den natürlich vorkommenden in allen ihren Eigenſchaften vollkommen entſprechen, um dadurch Anhalts⸗ punkte zur Erklärung der ſo oft rätſelhaften Entſtehung der Mineralien in der Natur und ihrer vielfach noch nicht bekannten chemiſchen Konſtitution zu gewinnen. C. Dölter hat die ſynthetiſchen Studien, welche er ſchon früher mit Erfolg betrieben, fortgeſetzt und bezüglich der künſtlichen Darſtellung der Zeolithe eine Reihe von intereſſanten Beobachtungen gemacht“ **). Er fand, daß Apophyllit, Okenit, Chabaſit, Heulandit, Analeim, Na⸗ trolith und Skolezit, beſonders in gepulvertem Zuſtande, bei erhöhtem Druck in Waſſer und zumal in kohlenſäure⸗ haltigem Waſſer löslich find und in demſelben umkryſtalli⸗ ſiert werden können. Die dazu erforderliche Temperatur beträgt 120 bis 160°C. In flüſſiger Kohlenſäure löſen ) Zeitſchr. f. Kryſt. XV. 1889, S. 596. ) Bull. Soc. fr. Min. 1890, 263. ) Neues Jahrb. f. Min. 1890, I, 118 ze. Humboldt 1890. 241 ſich manche Zeolithe (3. B. Chabaſit) ſchon bei ſehr wenig erhöhter Temperatur (250) auf. Aus Löſungen von Salzen, die Kieſelſäure, Thonerde, kohlenſauren Kalk oder kohlen— ſaures Natron enthalten, laſſen ſich in verſchloſſenen Röhren bei einer Temperatur von 130—190° C. namentlich Anal— eim, Heulandit, ſeltener Chabaſit erhalten. Was die Konſtitution der Zeolithe anlangt, ſo be— ſtehen ſie nach Dölter „aus einem nephelin-, pyroxen- oder feldſpatähnlichen Silikat, zu welchem Meta- oder Ortho— kieſelſäure tritt“; außerdem enthalten nach ihm die Zeolithe in den meiſten Fällen noch ſchwankende Mengen von Kryſtall— waſſer, wobei die Anzahl der Waſſermoleküle von der Tem— peratur abhängig iſt. Das Kryſtallwaſſer kann durch Tem⸗ peraturerhöhung vertrieben werden, iſt aber meiſtens wie— der aufnehmbar. Eine beſtimmte Anzahl von Molekülen Waſſer kann nicht ausgetrieben werden, ohne die Verbin— dung zu zerſetzen; dieſes Waſſer wird als in der Kieſel— ſäure vorhanden gedacht. Durch Umſchmelzen und Wieder— kryſtalliſierenlaſſen läßt ſich in manchen Fällen das die Baſis des Zeolithes bildende Silikat, welches ein Ortho— oder Metaſilikat iſt, erhalten. Die Formeln der wichtigſten Zeolithe ſtellen ſich nach Dölter nunmehr in folgender Weiſe dar: Apophyllit (Ca, Ky)SiO3; + HySiOg + aq. Chabaſit CaAlySipOg + n SiO(OH)y + 6aq. Heulandit CaAlySiyOyo + 2 SiO (0H) + 3 aq. Desmin CaAlySi,Oyg + 2 SiO (0H) 7 + 4 ad. Laumontit CaAlySiyOg + 2 SiO (OH) + 2 aq. „ „ | CaAlySigOg eit. Thomſonit 2 ren + 5 aq. Analeim NagAlySigOg + 2 SiO (OH). Natrolith NayAloSigOg + Si(OH),. Skolezit CaAlzSi208 + Si(OH), + 2 aq. Auch über das optiſche Verhalten des Apophyllits beim Erhitzen und eintretendem Waſſerverluſt werden von Dölter einige intereſſante Angaben gemacht. E. Weinjdent*) hat nach dem Vorgange von Wöhler einige Sulfide durch Deſtillation von Oxyden mit Salmiak und Schwefel dargeſtellt. Bei An— wendung von Eiſenoxyd erhielt er die ſchon von Wöhler dargeſtellten Pyritkryſtällchen, welche ſowohl in kryſtallo— graphiſcher wie in chemiſcher Hinſicht als mit dem Eiſen— kies identiſch erkannt wurden; bei ſtärkerem Erhitzen des gleichen Gemenges entſtanden Magnetit und Eiſenglanz. Beim Erhitzen von Kupferoxyd mit Salmiak und Schwefel in einem Glaskolben bis zur vollſtändigen Sublimation des Salmiaks bildeten ſich reguläre Oktaeder von Kupfer— ſulfür, alſo die dem Kupferglanz gleich zuſammengeſetzte reguläre Modifikation; bei Anwendung von Bleioxyd wur— den Würfel und Kubooktaeder von Bleiglanz erhalten. Apatit in verhältnismäßig großen und regelmäßig ausgebildeten Kryſtallen wurde in der Weiſe erhalten, daß eine Löſung von Chlorcalcium, Ammoniumphosphat und überſchüſſigem Ammoniumchlorid in einer zugeſchmolzenen Glasröhre einige Stunden lang auf 150 bis 180“ erhitzt wurde. Merkwürdigerweiſe waren die künſtlichen Apatit— kryſtalle optiſch poſitiv, hatten alſo den entgegengeſetzten optiſchen Charakter wie die natürlichen Apatite. Pyro— *) Zeitſchr. f. Kryſt. XVII, 1890, 486. 31 242 Humboldt. — Juli 1890. morphit, Mimeteſit und Vanadinit entſtanden bei Anwendung der entſprechenden Bleiſalze, bezw. Arſeniate und Vanadinate, in weniger gut ausgebildeten Kryſtallen; bei Anwendung von Eiſenoxydulſalzen bildeten ſich Kryſtalle von Vipianit. Wird zu einer auf 150° erhitzten ammoniakaliſchen Kupferlöſung weniger Eiſen hinzugefügt als zur völligen Reduktion des Kupfers notwendig iſt, ſo bilden ſich neben dem metalliſchen Kupfer zierliche, äußerſt ſcharfe, im reflek⸗ tierten Licht rote, reguläre Kryſtalle mit Oktaedern, Rhom⸗ bendodekaedern und Würfeln, welche Kupferoxydul (Rot⸗ kupfererz) ſind. Bei Anwendung von Eiſen im Ueber⸗ ſchuſſe wird das ganze Kupfer als Metall ausgeſchieden, während das Eiſen durch das Ammoniak in kryſtalliſiertes, goethitartiges Eiſenhydroxyd übergeführt wird. Da das Rhodanammonium fic) bei etwa 180° zu Schwefelharnſtoff umlagert, der ſich ſeinerſeits wieder bei etwas höherer Temperatur unter Waſſeraufnahme zu Kohlen⸗ ſäure, Schwefelwaſſerſtoff und Ammoniak zerſetzt, gelang es Weinſchenk bei Anwendung dieſes Körpers und bei Zuſatz von Eſſigſäure oder Salzſäure zur Bindung des entſtehenden Ammoniaks, eine Schwefelwaſſerſtoffatmoſphäre mit ganz beliebigem Druck hervorzubringen und in dieſer eine Reihe von Sulfiden auf naſſem Wege darzu⸗ ſtellen. Durch Zuſatz von eſſigſaurem Blei erhielt er Bleiglanz in kleinen, rötlich bleigrauen Würfeln, zuweilen mit untergeordneten anderen Flächen; bei Zuſatz von eſſig⸗ ſaurem Silber Silberglanz in kleinen akanthitähnlichen Nadeln, ſeltener in oktaederähnlichen Formen, bei Verwen⸗ dung von ſchwefelſaurem Kupfer Covellin (Kupferindig) in ſtarkglänzenden, ſtahlblauen, hexagonalen Tafeln, aus Queckſilberchlorid Zinnober in prächtigen Kryſtallen, aus Brechweinſtein Antimonglanz in langen, bleigrauen, metall⸗ glänzenden Nadeln, aus arſeniger Säure Auripigment in ziemlich großen, ſkelettartigen Kryſtallen von orangeroter bis zitrongelber Farbe, aus Eiſenammoniumchlorür Mag⸗ netkies (bezw. Troilit) in kleinen meſſinggelben bis tombak⸗ braunen hexagonalen Tafeln mit Pyramidenflächen an der Seite, aus Nickelſulfat Millerit, aus Manganoſulfat Man⸗ ganblende in kleinen ſtarkglänzenden dunkelölgrün durch⸗ ſcheinenden Oktaedern. Der Verſuch, Kupferkies darzu⸗ ſtellen, mißlang. Es entſtand nur ein ſchwärzlich meſſing⸗ gelbes Pulver, welches zwar kryſtalliniſch, aber nicht ein⸗ heitlich zu ſein ſchien. W. Bruhns!) hat einige Mineralien, deren Darſtellung ) Neues Jahrb. f. Min. 1889, II, 62. bisher nur vermittelſt höherer Temperatur gelungen war, bei Anwendung von Fluorverbindungen auch bei einer ge⸗ ringeren Temperatur (bis etwa 800°C.) in Kryſtallen er⸗ halten, nämlich Eiſenglanz in 0,03 bis 0,08 mm großen Blättchen bei zehnſtündigem Erhitzen von friſch gefälltem Eiſenhydroxyd mit Waſſer und einer Spur von Fluor⸗ ammonium in einem feſt verſchloſſenen Platinrohr, Korund in der gleichen Weiſe aus Thonerde; Quarz in 0,5 bis 0,8 mm großen Kryſtällchen aus Glaspulver, bis 0,1 mm große Tafeln von Tridymit bei Einwirkung von Flußſäure auf feingepulverten Kalifeldſpat, und endlich 0,7 mm große Kryſtalle von Titaneiſen und Magneteiſen aus einem Gemenge von feingepulvertem metalliſchem Eiſen, etwas geglühtem Eiſenoxyd und amorpher Titanſäure bei 24 Stunden langem Erhitzen mit Fluorwaſſerſtoffſäure auf 270-300. Viele Abhandlungen, von welchen hier nur einige wenige erwähnt werden können, beſchäftigen ſich mit der chemiſchen Konſtitution und dem kryſtallographiſchen Ver⸗ halten einzelner Mineralien. So hat F. A. Genth den Gadloinit von Kolorado und den Jaroſit von Utah unter⸗ ſucht“), W. F. Hillebrand und H. S. Washington!) haben mehrere ſeltene Kupfermineralien von Utah, ſo den Oli⸗ venit, Erinit, Tyrolit, Chalkophyllit, Klinoklas, Mivit, Pharmakoſiderit und Brochantit, kryſtallographiſch und chemiſch bearbeitet, F. Hillebrand hat ferner den Descloiſit von neuen Fundorten in Montana, Neumexiko und Ari⸗ zona analyſiert, und L. Fletcher hat Kryſtalle von Pereylit (regulär), Caracolit (hexagonal oder rhombiſch mit hexa⸗ gonalem Ausſehen) und einem neuen rhombiſch kryſtalli⸗ ſierenden, dem Mendipit naheſtehenden Bleioxychlorid, für welches er den Namen Davieſit in Vorſchlag bringt, ſämtlich von der Sierra Gorda in Atacama, Südamerika, Meſſun⸗ gen unterworfen. Mit der chemiſchen Zuſammenſetzung des Turmalins haben ſich namentlich Wülfing und R. Scha⸗ rizer eingehend beſchäftigt, ohne indeſſen zu einer für alle Vorkommniſſe dieſes ſo weit verbreiteten Minerals all⸗ gemein gültigen einfachen Formel zu gelangen. In ſehr hervorragender Weiſe beteiligten ſich an der kryſtallo⸗ graphiſchen Unterſuchung ihrer einheimiſchen Mineralien die italieniſchen Mineralogen, über deren Ergebniſſe ein andermal Bericht erſtattet werden foll. *) Am. Journ. of Sc. 1889, Sept. und 1890, Jan. ) Ebenda, 1888, April und 1890, April. ) Min. Mag. VIII, Nr. 39, p. 171. Aleine Mitteilungen. Konſtante Temperatur in der Vogenlampe. Be⸗ kanntlich ändert ſich die Zuſammenſetzung des von einem glühenden Körper ausgeſendeten Lichtes mit der Tempe⸗ ratur. Beim erglühenden Eiſen zeigt dies der Farben⸗ wechſel (Weißwerden) dem bloßem Auge an; in jedem Falle aber zeigt dieſe Aenderung das Spektrum an. Abney fand nun (Cleft. techn. Zeitſchr. 10, S. 308), daß das Licht, welches der kleine Krater der poſitiven Kohle der Bogen⸗ lampe ausſendet (aus welchem Krater die Kohle verdampft), ſtets Licht von gleicher Zuſammenſetzung ausſendet. Man darf daraus ſchließen, daß an jener Stelle die Temperatur ſich nicht ändert; wahrſcheinlich iſt dieſe Temperatur die⸗ jenige, bei der Kohle verdampft. F. Die Zeitſchrift „Prometheus“ berichtet über einen von dem Franzoſen Mosſſard gebauten photographiſchen Apparat, den Cylindrographen, welcher das Auf⸗ nehmen von panoramiſchen Augenblicksbildern bedeutend erleichtert. Die Bilder haben eine Länge von 50—60 em bei einer Höhe von kaum 20 em. Aufſehen erregte Humboldt. — Juli 1890. 243 namentlich eine ſolche Aufnahme des ganzen Pariſer Opern- platzes mit allen angrenzenden Straßeneingängen. Die Bilder beſtehen nicht etwa aus mehreren Aufnahmen, die nachträglich aneinander gereiht werden. Solche Aufnahmen ſind ſtets mangelhaft, weil man die Verbindungsſtellen immer ſieht. Die Bilder ſind vielmehr mit einemmale gemacht, und zwar mit Hilfe einer Kamera in der Form eines Halbeylinders. Das Objektiv iſt ſo angebracht, daß ſein optiſcher Mittelpunkt genau mit der Achſe des Halb— cylinders zuſammenfällt. Der Rahmen, in den das Ob— jektiv eingeſchraubt iſt, läßt ſich drehen, was zur Folge hat, daß das vom Objektiv entworfene Bild auf der halb— cylindriſchen Rückwand der Kamera entſteht und nachein— ander wieder verſchwindet. Wegen der eylindriſchen Ge— ftalt find Glasplatten nicht verwendbar. Moeſſard arbeitet mit biegſamen Platten aus Papier oder mit den neuen Eaſtmanſchen Kollodiumplatten. Die Bilder ſind frei von jeder Verzerrung, ſoweit ſenkrechte oder wagerechte Linien in Betracht kommen; dagegen ſind die Linien ſtets ge— krümmt, welche das Bild diagonal durchſchneiden, weil ſie auf einem Cylindermantel entſtanden, welcher ſpäter beim Kopieren des Bildes in eine flache Ebene abgerollt wird. Doch tritt der Fehler ſelten ſtörend hervor. Mit Hilfe der Cylindrographen kann man auch ſehr hohe Gegenſtände aus nächſter Nähe aufnehmen, ſobald man die Cylinder— achſe nicht ſenkrecht, ſondern wagerecht ſtellt. So wurden ſehr ſchöne Anſichten vom Eiffelturm aufgenommen. Leider iſt der Apparat ziemlich teuer. D. Teuchten des Phosphors. Einige neue Verſuche über die Bedingungen, unter denen Phosphor leuchtet, hat Thorpe (Chem. News. 61, 140) angeſtellt. Wie bekannt, iſt das Leuchten des Phosphors ſtets von Ozonbildung begleitet, aber es iſt noch unentſchieden, ob die Bildung des Ozons Urſache oder Wirkung des chemiſchen Prozeſſes iſt, deſſen ſichtbares Zeichen das Leuchten des Phosphors bildet. Bei niederer Temperatur erzeugt Phosphor in Bez rührung mit Luft weder Ozon, noch leuchtet er. In reich— lichſter Menge entſteht mit Luft Ozon bei 25°, bei welcher Temperatur der Phosphor auch ſtark glüht. Daß die chemiſche Reaktion, welche das Leuchten bedingt, nur zwiſchen dem Dampfe des Phosphors und Sauerſtoff ſtattfindet, ergibt ſich aus der Beobachtung, daß der Phosphor unter vermindertem Luftdruck ſtärker leuchtet als unter gewöhn— lichem Druck, weil beim Verdünnen der Luft die Flüchtig— keit des Phosphors wächſt. Befindet ſich Phosphor in einer Atmoſphäre von Waſſerſtoff, Stickſtoff oder Kohlenſäure, ſo werden dieſe Gaſe, wenn man Sauerſtoff zuführt, leuchtend, infolge des in ihnen diffundierten Phosphor- dampfes. Die Schnelligkeit der Verflüchtigung wechſelt mit der Dichte der Gaſe; ſie iſt am größten im Waſſerſtoffe, am geringſten in Kohlenſäure. Merkwürdigerweiſe tritt in reinem Sauerſtoff von gewöhnlicher Temperatur und Druck weder Leuchten ein, noch bildet ſich Ozon, wohl aber erfolgt beides beim Er— wärmen. Leitet man in Sauerſtoff bei niederer Tempe— ratur, bei welcher der Phosphor nicht glüht, Ozon ein, ſo wird der Phosphor ſofort leuchtend unter Abſorption von Sauerſtoff und Bildung der charakteriſtiſchen Oxyd— wolke. Dieſe Erſcheinung dauert ſo lange an, als man Ozon zuleitet. Beim Leuchten des Phosphors iſt jedenfalls ein von Sage entdecktes, aber bisher ziemlich unbekanntes flüchtiges Phosphoroxyd beteiligt, welches Thorpe näher unterſucht hat. Es beſitzt die Zuſammenſetzung PJ Os und bildet fic) in beträchtlicher Menge bei langſamer Verbren— nung des Phosphors an der Luft neben Phosphorpent— oxyd P Oz. Dieſe Subſtanz erſtarrt beim Abkühlen zu einer baumartigen Maſſe von weißen Kryſtallen, ſchmilzt bei etwa 23°, ſiedet bei 173° und hält ſich in verſchloſſenen Röhren unverändert, wird aber am Lichte, namentlich im direkten Sonnenlicht ſchnell dunkelrot. Der Körper abſor— biert bei normaler Temperatur und Druck langſam Sauer⸗ ſtoff, und zwar kann man aus der Art der Abſcheidung des feſten Produktes (P 03) deutlich ſehen, daß die Ver— einigung nur zwiſchen dem Dampfe des Oxydes und dem Sauerſtoffe erfolgt. Unter vermindertem Druck erfolgt die Verbindung unter Glüherſcheinung, welche an Intenſität zunimmt, wenn Ozon zugegen iſt. Beim Komprimieren der Sauerſtoffes hört das Leuchten auf. Während der Oxy— dation entſteht kein Ozon. Der zum Hervorrufen des Leuchtens nötige Verdünnungsgrad hängt von der Tempe— ratur des Oxydes ab; je wärmer letzteres, um ſo geringere Druckverminderung iſt erforderlich. Bei allmählichem Cr- wärmen des Oxydes nimmt die Leuchtkraft beſtändig zu, bis bei einer beſtimmten Temperatur die Maſſe ſich ent— zündet. Der Uebergang vom Leuchten zur wirklichen Ent⸗ zündung erfolgt völlig regelmäßig und iſt von keinem plötzlichen Anwachſen der Lichtintenſität begleitet. In er⸗ wärmten Sauerſtoff gebracht, verbrennt die Subſtanz ſofort mit glänzender Flamme und ebenſo entzündet ſie ſich in Chlorgas. Auch Alkohol entzündet ſie und beim Erwärmen mit Kalilauge entwickelt fie ſelbſtentzündlichen Phosphor- waſſerſtoff. In Waſſer erfährt ſie nur ſehr allmählich Veränderung, und erſt nach vielen Tagen iſt eine ver— hältnismäßig geringe Menge gelöſt. Das Studium der Eigenſchaften dieſes Oxydes gibt einen Einblick in die Natur des vom Leuchten des Phos— phors begleiteten chemiſchen Vorganges. Wird Phosphor unter Bedingungen, unter denen er ſich verflüchtigen kann, in Sauerſtoff oder eine ſauerſtoffhaltige Atmoſphäre ge— bracht, ſo oxydiert er ſich teils zu Phosphorpentoxyd, teils zu dem niederen Oxyde PI 06. Es entſteht Ozon, mög— licherweiſe durch dieſen Oxydationsvorgang: Po + 302 = P05 0 02 .O = 09, welches auf den rückſtändigen Phosphordampf und das niedere Oxyd unter Erzeugung des Lichteffektes einwirkt. Das Leuchten iſt als eine langſam brennende Flamme von außerordentlich niedriger Temperatur aufzufaſſen, welche durch die chemiſche Verbindung von Sauerſtoff mit den Dämpfen des Phosphors und niederen Phosphoroxydes gebildet wird. Durch geeignete Mittel kann dieſes Leuchten allmählich geſteigert werden, bis es durch ganz regelmäßige Zunahme in die kräftige Verbrennung übergeht, welche wir gewöhnlich mit der Flamme in Verbindung bringen. Uebrigens laſſen ſich auch andere Subſtanzen in gleicher Weiſe zum Leuchten bringen; fo leuchtet Arſen beim Cr- wärmen im Sauerſtoff, und Schwefel wird in einer Sauer— ſtoffatmoſphäre bei 200° ebenfalls leuchtend. Al. Einwirkung von Säuren auf Aluminium. Kalte verdünnte Mineralſäuren find ſcheinbar ohne Einwirkung auf Aluminium; dieſes beruht indeſſen nur darauf, daß das Metall ſich ſofort mit einer zuſammenhängenden Schicht Waſſerſtoff überzieht, welche jede Berührung mit der Flüſſig⸗ keit aufhebt oder doch ſehr erſchwert. Die Waſſerſtoffſchicht adhäriert um ſo mehr, je glatter die Oberfläche iſt. Alles, was den Zuſammenhang der Gasſchicht aufzuheben geeignet iſt, macht auch das Metall leichter angreifbar. Dies be⸗ wirken u. a. gewiſſe durch Aluminium leicht reduzierbare Metallchloride. Fügt man z. B. zu Schwefelſäure, in welche Aluminium taucht, eine Spur Platinchlorid, ſo er— folgt lebhafte Waſſerſtoffentwickelung. Das reduzierte Platin bildet auf der Oberfläche des Aluminiums kleine Unebenheiten, welche den Waſſerſtoff hindern, eine zu— ſammenhängende Schicht zu bilden; hierdurch wird der Kontakt mit der Flüſſigkeit möglich und die Löſung des Aluminiums erfolgt. Spuren der Chloride von Gold, Kupfer, Queckſilber haben dieſelbe Wirkung wie Platine chlorid, wogegen die Chloride des Eiſens und Zinks wir- kungslos find, weil das durch das Aluminium event. re- duzierte Metall ein leicht lösliches Salz mit der Schwefel— ſäure bildet. Gegenüber verdünnter Salpeterſäure verhält ſich Aluminium ganz ähnlich. Das Metall überzieht ſich mit einer Schicht von Stickſtoff und Stickoxydul, welche die Berührung zwiſchen Metall und Säure hindert. Bei ſehr langer Einwirkung der Säure ſieht man Gasblaſen an dem Bleche entſtehen und aufſteigen, während das Me- tall ſich nach und nach löſt. Im Vakuum erfolgt die Reak— tion weſentlich ſchneller. Platinchlorid beſchleunigt eben— 244 Humboldt, — Juli 1890. falls die Auflöſung, hierbei bilden ſich beträchtliche Mengen von Ammoniak. Die durch Auflöſen des Aluminiums in Säuren gebildeten Salze üben eine weitere Wirkung auf das Metall aus, indem unter Waſſerſtoffentwickelung ba⸗ ſiſche Aluminiumſalze gebildet werden. Kocht man Alu⸗ minium mit einer Löſung ſeines Nitrates, ſo entweicht Waſſerſtoff und es entſteht ein weißer körniger Nieder⸗ ſchlag von baſiſchem Aluminiumnitrat. Gegen Waſſer iſt Aluminium beſtändig; es können nur Waſſerſtoff und Thonerde entſtehen, welche beide das Metall ſchützen, ſo daß die Reaktion im erſten Augenblick zum Stillſtande kommt. Beſeitigt man die ſich bildende Schicht und zwar den Waſſerſtoff durch Kochen der Flüſſigkeit, die Thonerde durch Löſen mittels eines Aluminiumſalzes, jo wird das Metall gelöſt. Salzlöſungen, welche Thonerde nicht zu löſen ver⸗ mögen, z. B. Kochſalzlöſung, ſind wiederum ohne Ein⸗ wirkung auf das Metall. (Ditte, Compt. rend.) Al. Aeber das Verhalten der Kieſelſäure und ihrer Verbindungen im Phosphorſalzglaſe. Zum qualita⸗ tiven Nachweis von Kieſelſäure und von Silikaten ſchmilzt man Phosphorſalz (HNaNHjPO,) am Platindraht vor dem Lötrohr zu einer farbloſen Perle, bringt einen Splitter der zu unterſuchenden Subſtanz darauf und ſchmilzt noch⸗ mals; zeigt ſich in der Perle nach dem Erkalten ein Kieſel⸗ ſkelett, ſo iſt auf Kieſelſäure zu ſchließen. Nun hat bereits Berzelius darauf hingewieſen, daß das Verhalten mancher zum Teil ſehr kieſelreicher Silikate zum Phosphorſalz in auffallendem Gegenſatz zu der Annahme ſteht, daß Kieſel⸗ ſäure in dem Phosphorſalzglaſe unlöslich ſei. Neuerdings ſind die fraglichen Verhältniſſe von Hirſchwald (Journ. pract. chem. 41, 360) nochmals eingehend unterſucht worden. Wird die Phosphorſalzperle für ſich am Platin⸗ drahte längere Zeit mit dem heißeſten Teile einer ſcharfen Gebläſeflamme behandelt, ſo erſcheint ſie auch in der Hitze nicht mehr ganz klar und iſt nach dem Erkalten opalartig trübe. Erhitzt man noch weiter fort, ſo wird die erkaltete Schmelze milchig weiß und ſtark kryſtalliniſch. Das opal⸗ artige Glas läßt unter dem Mikroskop in der klaren Grund⸗ maſſe zahlreiche, überaus ſcharf gebildete Kryſtalle erkennen. Dieſer Umſtand iſt inſofern zu beachten, als das „Opa⸗ liſieren“ der Perle vielfach ſchon als eine Reaktion auf Kieſelſäure angeſehen wird. Andererſeits können unter⸗ geordnete Beimengungen von Kieſelſäure nicht mit Sicher⸗ heit erkannt werden, da die Kieſelſäure im Phosphorſalz⸗ glaſe immerhin merklich löslich iſt. Als charakteriſtiſch für Silikate kann jedenfalls die löcherige Ausnagung (das ſo⸗ genannte Kieſelſkelett) der in Splitterform angewandten Perle betrachtet werden. Eine maßgebende analytiſche Be⸗ deutung beſitzt indeſſen das Verhalten in der Phosphor⸗ ſalzperle nicht, da eine Anzahl von Silikaten ſelbſt in Form größerer Splitter ſich im Phosphorſalzglaſe mit über⸗ raſchender Leichtigkeit auflöſt (z. B. Zeolithe), während andere kieſelfreie Mineralien, wie Wawellit, Apatit, Chry⸗ ſoberyll, Spinell u. a. ein den Silikaten ähnliches 1 in der Phosphorſalzperle zeigen. Aeber das Entfärben mit TierRohle. Die ent⸗ färbende Wirkung der poröſen Kohle, namentlich der Tier⸗ kohle, ſchreibt man im allgemeinen einer Fixierung des Farbſtoffes in den Poren der Kohleſubſtanz zu. Neben dieſer mechaniſchen Wirkung findet, wie Cazeneuve in den Compt. rend. mitteilt, in vielen Fällen ein Oxydations⸗ vorgang ſtatt, welcher durch den in den Poren der Kohle verdichteten Sauerſtoff hervorgerufen wird. Hofmann machte bereits früher darauf aufmerkſam, daß eine farb⸗ loſe alkoholiſche Leukanilinlöſung beim Kochen mit Tier⸗ kohle ſich ziemlich ſchnell unter Rosanilinbildung rötet. Läßt man eine wäſſrige Löſung von a Naphthylamin oder 8 Phenylendiamin in der Kälte mit geglühter und mit Salzſäure gewaſchener Tierkohle in Berührung, ſo wird erſtere rotviolett, letztere braun gefärbt. Ein Teil des Farb⸗ ſtoffes wird von der Tierkohle zurückgehalten und kann ihr durch ſiedenden Alkohol entzogen werden. Verſetzt man 100 cem Wein von mittlerer Farbintenſität mit 2g 22: ̃ ̃ ̃— ̃ͤ ͤ :::!!! rr... ̃ r.. ——. ͤ—ͤjͤjêj—ê— gewaſchener Tierkohle und leitet, um beſſere Berührung zwiſchen Kohle und Luft zu bewirken, 12 Stunden Luft hindurch, fo hat der filtrierte Wein dieſelbe zwiebelrote Färbung, welche er durch Salpeterſäure oder Waſſerſtoff⸗ ſuperoxyd erhält. Derſelbe Wein ohne Tierkohle in glei⸗ cher Weiſe behandelt, zeigt keine Veränderung der Nuance. Daß der von der Kohle occludierte Sauerſtoff thatſächlich bei der Entfärbung beteiligt iſt, geht auch daraus hervor, daß Tierkohle, welche in einem Strom reinen Stickſtoffs oder in Kohlenſäure geglüht und erkaltet iſt, erheblich ſchwächer entfärbend wirkt, als wenn ſie an der Luft ge⸗ glüht wurde. Sind alſo die entfärbend wirkenden Eigen⸗ ſchaften der Kohle vorwiegend einer mechaniſchen Bindung der Farbſtoffe auf der Kohlenſubſtanz zuzuſchreiben, ſo iſt doch die Rolle des in den Poren kondenſierten See nicht zu vernachläſſigen. Vyoktanin. Zu der Mitteilung über die Benutzung von Anilinfarbſtoffen als antiſeptiſche Mittel iſt nachzu⸗ tragen, daß nach Profeſſor Stilling zunächſt nur zwei Farbſtoffe für die Praxis geeignet ſind, ein blauer und ein gelber. Dieſe werden als Pyoktanine von Merck in Darmſtadt dargeſtellt. Sie halten nicht nur die ſchäd⸗ liche Wirkung krankheiterregender Stoffe fern, ſondern vermögen auch, was bisher ſo gut wie unmöglich war, ſchon beſtehende Entzündungen, vor allem aber Wund⸗ und Geſchwürseiterungen, zu heilen. Sie find völlig un⸗ giftig und geruchlos und zeigen ſich dem Sublimat in Bezug auf ſeine bakterientötende Wirkung am lebenden Orga⸗ nismus weit überlegen. Für alle Einzelheiten iſt auf die Schrift: Stilling, Anilinfarbſtoffe als Antiſeptika und ihre Anwendung in der Praxis (Straßburg, Trübner 1890) zu verweiſen. In einem Artikel über die Leiſtungen der preußi⸗ ſchen Sternwarten macht der „Staatsanzeiger“ folgende Mitteilungen: Hinſichtlich der Steigerung der Leiſtungen der Fernröhre war man mit weiterblickenden Unter⸗ ſuchungen beſchäftigt, welche, von der Staatsregierung eifrigſt unterſtützt, ſchon für eine nahe Zukunft die Hoffnung zu eröffnen ſchienen, mit viel geringeren Geldmitteln, als in anderen Ländern dafür verwendet wurden, die Leiſtungen der Fernröhre, gerade bei kleineren Dimenſionen, mindeſtens ebenſoweit emporbringen zu können, wie es anderwärts mit Rieſenfernröhren erreicht wurde. Dieſe tiefer ange⸗ legten Arbeiten haben jetzt einen gewiſſen vorläufigen Ab⸗ ſchluß gefunden. Sie haben allerdings zunächſt einige Klärungen herbeigeführt, durch welche die Erfüllung man⸗ cher der gehegten Erwartungen zum Teil in abſehbarer, zum Teil in unbeſtimmter Weiſe hinausgeſchoben wird, aber ſie haben zugleich der geſamten feineren Glastechnik und der praktiſchen Optik in Deutſchland feſtere Grundlagen und vollkommenere Mittel errungen. Inzwiſchen aber iſt es in der That, ſelbſt mit kleineren Inſtrumenten und zwar durch kritiſche Verfeinerung der Forſchungsmittel und Me⸗ thoden unſerer Sternwarten, insbeſondere der Potsdamer Warte, gelungen, ſich in wichtigen Gebieten an die Spitze der Forſchung zu ſtellen. Bei dem jetzt erreichten hohen Stande unſerer praktiſchen Optik kann aber und muß nun⸗ mehr auch daran gegangen werden, durch Herſtellung einiger großartigerer Inſtrumente dieſen unſeren Erfolgen die weiteſten Gebiete am Himmel zu eröffnen und uns dadurch die volle Gunſt der Bedingungen des Wettkampfes mit anderen Ländern auch dauernder zu ſichern. Man kann jedenfalls überzeugt ſein, daß die hierzu erforderlichen größeren Ausgaben jetzt vollkommen gerechtfertigt ſein werden, wie es auch in jüngſter Zeit im Abgeordneten⸗ hauſe eingehend hervorgehoben worden iſt. D Triumph der Falbſchen Theorie. In einem Ar⸗ tikel der von der Geſellſchaft Urania herausgegebenen Monatsſchrift „Himmel und Erde“ bringt Ginzel die Falbſche Lehre von den kritiſchen Tagen in einen höchſt merkwürdigen Zuſammenhang mit den hervorragendſten politiſchen Ereigniſſen. „Iſt es wiſſenſchaftlich ſtatthaft, Humboldt. aus dem vollſtändigen oder faft vollſtändigen Sufammen- fallen irgend welcher Ueberſchwemmungen, Stürme oder Gewitter mit kritiſchen Tagen“ ſofort „die Beſtätigung der Theorie durch die Natur“ abzuleiten, fo iſt es ebenſo rechtmäßig ſtatthaft, ganz nach demſelben Muſter den Einfluß der kritiſchen Tage auf die politiſchen Er— eigniſſe zu behaupten und zu beweiſen. Das iſt eine Sache von viel größerer Wichtigkeit als Erdbeben, Wetter⸗ ſtürze und Grubenexploſionen, und eine Entdeckung, die Herr Falb noch nicht gemacht hat und die ich allen Ernſtes ſogleich beweiſen werde. Ich entnehme hierzu aus Piepers „Allgemeinem Kalender“ aufs Geratewohl eine Anzahl politiſcher Vorkommniſſe, und zwar durchaus wichtige; die allermeiſten werden meinen Leſern ſofort beim Leſen wieder in Erinnerung kommen. In Klammern habe ich die dro— henden ‚kritiſchen“ Flutkonſtellationen beigeſetzt, die ſich zu dieſen Zeiten eingeſtellt haben und welchen alſo die Schuld an jenen Ereigniſſen zugeſchoben werden kann. 1864 April 9. Annahme der mexikaniſchen Kaiſerkrone durch Ma xi⸗ N von eet und Abreiſe nach Mexiko. (6 Nm. Per. 8. Aequ. Std.) * 1 Dttober 30. Däniſch⸗ she e Friedensſchluß zu Wien. HAE 1 1 : 1865 April 14. Ermordung Lincolns. „ 9. Kapitulation des ae Gr e h 1 Sid. rals Lee mit ſeiner Armee. g. „ Auguſt 14. Gaſteiner Vertrag; die Urſache des Krieges von 1866. (9. Per. 11. Aequ. Std., 13. Letz. V.) 1866 März 13.—16. Beginn der öſterr. Rüſtungen, Zirkular Oeſter⸗ reichs an die Mittelſtaaten. (16. Nm., 18. Per., 18. Aequ. Std.) April 16. Attentat auf den Kaiſer von Rußland. (15. Sonnenfinſt., Perig., 14. Aequ. Std.!) Abbruch der preufifa Aan pochen Verhandlungen. Mai 26. (24. Aequ. St., 27. Apog., 29. Vollm.) Juni 12.—16. Räumung Holfteins durch die Oeſterreicher, Ueber⸗ . 7 770 der Grenzen. Kriegsbeginn. (8. Aequ. Std., 11. Per. Nm. Abtretung Venetiens an Italien. (5. Aequ. Std. „ dull ae 15 6. 5. Letz. V., 9. Perig.) 1870 Juli 15. Striegsertlacung Frankreichs. (12. Mondfinſt.) » Sept. 1., 2., 4. Die Tage von Sedan, Sturz Napoleons in Paris. (26. Aug. Nm., 29. Aequ. Std., 30. Perig., 2. Sept. Erſtes Viertel!) Sept. 27. Kapitulation Straßburgs. 26. Perig.) 1873 Febr. 11., 12. Verjagung des Königs von Spanien und Einfüh⸗ rung der Republik. (12. Vollm. u. Apog., 15. Aequ. Std.) „ Mai 24. Sturz des franzöſiſchen Miniſteriums und Wahl Mac Mahons zum Präſidenten der Republik. (20. Perig., 22. Aequ. Std., 26. Sonnenfinſt. !!) „ Okt. 6. Eröffnung des Prozeſſes gegen den Marſchall Bazaine. (5. Aequ. Std. u. Perig., 6. Vollm. 1874 ee 20. Annahme des Civilgeſetzes im preußiſchen Herrenhauſe. Nm., 18. Perig., 19. Aequ. Std.) apa 15. Abſetzung des renitenteſten Klerikers im preußiſchen Kul⸗ turkampf, des Erzbiſchofs Ledochowski von Poſen. (15. Perig. und Aequ. Std.) Novbr. 9. Abbruch der ible zwiſchen England und dem Papſt. (5. Aequ. Std.. Apog., 9. Neum.) 1877 April 12. Uebergabe der Ablehnung des Londoner Protokolls von ſeiten der türkiſchen a 9 in London, Berlin und Peters- burg. (11. Aequ. Std., 13. Neum.) „ April 28. Ueberſchreitung at Grenzen durch die Ruſſen, Ausbruch des ruſſich⸗türkiſchen Krieges. (22. Perig., 24. Aequ. Std., 27. Vm.) 1878 Febr. 3.—5. Einladung der Mächte durch Andraſſy und An⸗ nahme des Berliner Kongreſſes. (2. Sonnenfinſt., 5. Aequ. Std. u. Apog.) » Mai 11. Hödel⸗Attentat auf Kaiſer Wilhelm. (6. Erſt. V., 11. Aequ. Std., 14. Perig.) „ Juli 29. Die Oeſterreicher rücken in Bosnien ein. (29. Sonnen⸗ finſternis 1. Aug. Perig.! 1890 Jan. 19. Unterzeichnung des deutſch⸗ böhmiſchen Ausgleichs. „ Jan. 24. Ablehnung des Sozialiſten⸗ \ geſetzes in Berlin. (25. Nm. u. Aequ. Std., (20. Perig., 21. Nm., 25. Aequ. Std.) Febr 20., 21. Große Siege der Sozialdemokraten in den deutſchen Reichstagswahlen. (19. Neum., 18. Perig., 22. Aequ. Std.) „ März 7. Rücktritt Tiszas. (6. Vollm., 8. Aequ. Std.) März 15. Zuſammentritt der Arbeiter⸗ ſchutzkonferenz in Berlin. (18. Per., 20. Neum., „ März 18. Rücktritt Bismarcks (nach (21. Aequ. Std. u. Frühj. einigen Zeitungen das zbedeutendſte Aequinoktium !!!) politiſche Ereignis ſeit Sedan‘). „ Mai 1. Dieſer viel gefürchtete politiſch⸗kritiſche Arbeiterfeiertag iſt ohne erhebliche Störungen verlaufen. Warum? Weil nur a Flutfaktoren (2 Mai Aequ. Std., 4. Vollmond) drohten. Der Tag wäre ſehr unglücklich für Europa geweſen, wenn 4 Flut⸗ faktoren zuſammengewirkt hätten. Die Bezeichnung der Flutfaktoren (Neumond, Vollmond, Perigäum, 1 und Aequatorſtand) iſt hier durchaus abgekürzt. — Juli 1890. 245 Ich denke, der Proben iſt's genug. Um Erklärungen, wie es komme, daß der Mond auf politiſche Dinge wirke, brauche ich nicht verlegen zu werden. Fortinus Licetus erklärt ſehr ernſthaft die von den Kometen drohenden Kriegszeiten, indem er ſagt: die Großen der Erde atmen die hitzigen böſen Dünſte der Kometen dann mehr als ſonſt ein, werden ſtreit- und händelſüchtig und geraten ſich auf dieſe Weiſe öfter als ſonſt in die Haare. Daß meine Hypotheſe vielleicht dann und wann ſchlecht ſtim— men wird, macht auch nichts aus: die Erdbeben ſtimmen ja auch recht, ſogar ſehr oft nicht mit den Prophezeiungen; dann haben ſich eben zufälligerweiſe irgendwo die Erd— ſpalten verſtopft. So, nun iſt meine Entdeckung feſt be— gründet und bei deren Wichtigkeit für die Staatsregierung verlange ich hiermit meine Ernennung zum „geheimen politiſchen Konſtellationsrat'. Aber Spaß beiſeite. Der Schluß, der zu ziehen iſt, liegt auf der Hand: daß mit Einzelfällen eben alles mögliche bewieſen werden kann, ja daß ſelbſt eine ganz bedeutende Zahl ſolcher bloß aufgezählter Fälle zum Er⸗ bringen eines wiſſenſchaftlichen Beweiſes nicht genügt. Es gibt nur einen Weg zur Wahrheit, nämlich den, auf welchem in der Aſtronomie und Meteorologie bisher alle Theorien geprüft worden ſind: die völlig ſtrenge Unter— ſuchung eines möglichſt umfangreichen langjährigen Erd— bebenmaterials und die Diskuſſion der ſich ergebenden Er— ſcheinungen. Dieſer Weg iſt weder von ,Profefforen‘ noch von ‚Akademikern“ erfunden und zurecht geſchnitzt worden, er hat ſich von ſelbſt, mit der Entwickelung der Wiſſenſchaften gebildet. Ihn zu gehen, iſt einfache, ge— rechte Forderung, die gegen jeden geübt wird, der eine wiſſenſchaftliche Hypotheſe aufſtellt. Wir wollen alſo hoffen, daß Herrn Falb ein ſolcher Beweis gelingen möge, und ich will dann mit unter den erſten ſein, die ſeine Theorie unterſchreiben.“ D. Elmsfeuer. Ueber die Entſtehung des Elmsfeuers liegen nur wenige tiefergehende Unterſuchungen vor und namentlich fehlte es bisher an einer planmäßigen Ordnung der bisherigen Beobachtungen. Um ſo dankenswerter iſt eine Arbeit von Haltermann (Zeitſchr. f. Meteorologie), in welcher die 800 Monate Beobachtungszeit umfaſſenden Berichte der Segelſchiffsjournale von den Jahren 1884 und 1885 durchmuſtert und 156 einzelne Fälle mit den begleitenden Nebenumſtänden ausgezogen werden. Die bisher ſich nur auf einzelne Fälle ſtützende Annahme, daß das Elmsfeuer meiſt bei Gewitter oder bei Unwetter mit ſtarker Wolkenbildung auftrete, wird durch Haltermann beſtätigt. Von den 156 angeführten Fällen wurden nur 27 nicht von Blitz und Donner begleitet. Noch häufigere Begleiter des Elmsfeuers ſind Niederſchläge. Es iſt dies in ſolchem Grade der Fall, daß ſich unter den 156 Fällen nur 6 befinden, bei denen nicht über Niederſchläge irgend welcher Art berichtet wird. Unter dieſen ſcheinen der Bildung der Elmsfeuer die bei ſtarkem Winde ſtattfinden— den Schnee- und Hagelſchauer beſonders günſtig zu ſein. In höheren Breiten, wo bei niederer Temperatur die Ge— witter ſeltener ſind, wird bei Schnee- und Hagelfällen wohl oft Elmsfeuer, aber nur verhältnismäßig ſelten Blitz und Donner bemerkt. Es zeigt ſich dies ſo bedeutend, daß unter den 133 Fällen, bei denen das Elmsfeuer von Regen begleitet auftrat, ſich nur 15 befinden, bei denen nicht gleichzeitig Blitz und Donner beobachtet wurden, unter 32 bei Hagel ſtattfindenden Elmsfeuern 18 nicht von Blitz und Donner begleitet waren und ebenſo 12 von 14 ſich bei Schneeſchauern zeigenden Elmsfeuern. Von der Wind- ſtärke ſcheint die Entſtehung der Elmsfeuer unabhängig zu ſein, dagegen ergibt ſich, daß ſie meiſtens auf der vorderen Seite von Depreſſionen entſtehen. Hiermit ſtimmt die Beobachtung einer die meiſten Elmsfeuer begleitenden Ab— nahme des Luftdruckes überein. Die Erſcheinung an ſich iſt aber weder vom Luftdruck, noch von der Lufttempe— ratur abhängig. Aus den angeführten Beobachtungen erhellt, daß die Bildung des Elmsfeuers in engem Zuſammenhange ſteht 246 mit Gewitterwolken, welche erwieſenermaßen mit Elektrizi⸗ tät geladen ſind. Die Wolkenelektrizität wirkt durch In⸗ fluenz auf die unter ihnen befindlichen Gegenſtände, hier alſo auf die Schiffskörper, und erregt in ihnen entgegen⸗ geſetzte Elektrizität. Infolge der Anziehung entgegenge- ſetzter Elektrizitäten ſtrömt die Influenzelektrizität an den Spitzen der Schiffsmaſte oder an hervorragenden Schiffs⸗ teilen aus, was, entſprechend der elektriſchen Büſchelent⸗ ladung an den Saugkämmen der Elektriſiermaſchine oder an den ihr genäherten Spitzen unter Lichterſcheinungen ſtattfindet. Daß in den metalliſchen Spitzen des Schiffes ſich die Elektrizität an und für ſich verdichtet, mag dieſe Leuchtphänome noch wirkſam unterſtützen. Dieſe Verdich⸗ tung allein, ohne Annahme eines Ausgleiches entgegen- geſetzter Elektrizitäten, dürfte die oft wunderbaxe Lichtfülle des Elmsfeuers kaum erklären. entladung wahrſcheinlich. ſonders iſt dies beim Hagel der Fall, ſo daß derſelbe allein als eine ausreichende Elektrizitätsquelle angeſehen werden könnte. Die Beziehung der Elektrizität zum Hagel iſt ſchon öfters zum Gegenſtand eingehender Unterſuchungen gemacht worden. Da aber der Hagel ſelbſt zur Zeit noch eine ganz unaufgeklärte Erſcheinung iſt, ſo verlohnt es ſich nicht, auf die Theorien, welche Hagel und Elektrizität in Verbindung bringen, hier näher einzugehen. Viel wichtiger für unſere Anſicht iſt es, daß Ort und Nebenumſtände des Elmsfeuers derart ſind, daß ſie ſich meiſt auch der Gewitterbildung günſtig erweiſen, ſo das vorwiegende Auftreten im Bereiche barometriſcher Minima, mehr aber noch die geographiſche Verbreitung des Elmsfeuers. Das Vorkommen desſelben iſt nämlich für verſchiedene Teile der Ozeane ein verſchieden häufiges, ſo zeigt ſich deutlich der Einfluß, den das Fehlen des Stillen⸗ Feh gürtels in ſüdlicher Breite des Atlantiſchen Ozeans aus⸗ übt. Die Tabelle Haltermanns gibt an, daß in den zwiſchen Aequator und 10° n. Br. liegenden Meeresteilen zwölfmal Elmsfeuer beobachtet wurden, während in ent⸗ ſprechender ſüdlicher Breite, wo meiſtens regelmäßiger Paſſat herrſcht, die Erſcheinung kein einzigesmal geſehen wurde. Das Gebiet des Paſſats ſcheint, wenn derſelbe beſtändig weht, überall frei von Elmsfeuer zu ſein. Günſtig für die Bildung desſelben erſcheint der Meeresteil, welcher polwärts von 30° Breite beginnt und hier beſonders die weſtliche Hälfte der Meere. Hier ſind die warmen Meeres⸗ ſtrömungen, der Golfſtrom und der Kuro ſiwo vorherr⸗ ſchend, und dieſe eben find der Gewitter- und Wolken⸗ bildung äußerſt günſtig. Somit dürfte auch die geogra⸗ phiſche Verbreitung der Elmsfeuer die Anſicht, daß ſie Büſchelentladungen der durch Wolkenelektrizität erzeugten Influenzelektrizität ſind, begünſtigen. Die Bedingungen zu dem Elmsfeuer im allgemeinen mögen deshalb auch viel häufiger und zahlreicher vorhanden fein, als es beob⸗ achtet wird, und es iſt wohl anzunehmen, daß es in den meiſten Fällen des viel helleren Sonnenlichtes wegen der D. Wahrnehmung entzogen wird. Eishöhle bei Vareſch. Auf einem Ausfluge in die Umgegend von Sarajewo hat der Kuſtos⸗Adjunkt am Lan⸗ desmuſeum, der Entomolog V. Apfelbeck, in der Nähe von Vareſch eine Eishöhle entdeckt, von welcher er in der „Bosniſchen Poſt“ die folgende Beſchreibung entwirft: Die Höhle befindet ſich etwa anderthalb Wegſtunden von Va⸗ reſch entfernt in der vom Wildbache Ponikva durchfloſſenen Schlucht und wird vom genannten Bache durchſtrömt. Bei Hochwaſſer wird die ganze Höhle von den reißenden Fluten angefüllt, welche Baumſtämme bis zu 3 m Länge und anſehnlicher Dicke in derſelben abgelagert haben. Vom Höllenthor, das zu einer impoſanten Höhe hinanſteigt, erblickt man die ſchon etwa 50—60 m vom Eingange entfernten Eispartien. Der Boden der Höhle neigt ſich ſanft nach abwärts; es befindet ſich auf demſelben eine dichte Lage von Schotter und Gerölle. Nach etwa viertel⸗ ſtündigem Marſche gelangt man an einen Punkt, an wel⸗ Auch die übrigen Beob⸗ achtungen machen die Annahme einer elektriſchen Büſchel⸗ Niederſchläge find durch gegen- ſeitige Reibung einer Elektrizitätserzeugung günſtig. Be⸗ Humboldt. — Juli 1890. chem ſich die Höhle in zwei Arme teilt. Der eine führt in mäßiger Senkung nach abwärts bis zu einer Stelle, wo ſteile Abſtürze das weitere Vordringen behindern und der ganze Raum von zuſammengetragenen Baumäſten verram⸗ melt erſcheint. Der zweite Arm ſteigt mäßig bergan. Der⸗ ſelbe iſt infolgedeſſen trocken. Auf dem Boden befinden ſich ſtellenweiſe tiefe Lagen feiner Erde, die ohne Zweifel durch Spalten in der Wölbung durchrieſelten. Bei wei⸗ terem Vordringen gelangt man an eine Partie voll groß⸗ artiger Säulen aus kryſtallreinem Eiſe, die in der Höhe wechſeln, aber mitunter einem Durchmeſſer von 1,5 m erreichen. Hier befinden ſich auch zahlreiche Stalaktiten, gefrorene Waſſerfälle und ſonſtige maleriſche Erſcheinungen. So geht es etwa eine halbe Stunde fort, bis ſich die Höhle derart verengt, daß ein weiteres Vordringen un⸗ möglich wird. D. Miocäne Ablagerungen in Rußland. In dem Jahresbericht der oſtſibiriſchen Sektion der kaiſerlich vuſſi⸗ ſchen geographiſchen Geſellſchaft wird nachgewieſen, daß die miocänen Ablagerungen in den Provinzen Tomsk und Heniſeisk weit größer an Ausdehnung und Mächtigkeit ſind, als man bisher annahm. Sie enthalten außer dünnen Kohlenlagern eine reiche Flora. Blätter von Acer, Betula, Magnolia, Ulmus, Populus, Pinus, Glyptostrobus, Sternbergia 2c. wurden in großer Menge gefunden und es iſt zu erwarten, daß die miocäne Flora Sibiriens ſich als ebenſo reich und mannigfaltig erweiſen wird als die der Schweiz. T. Einen neuen phosphoreszierenden Vilz, der von dem Miſſionar W. Beſte bei Stutterheim in der Kapkolonie beobachtet und geſammelt worden iſt, hat kürzlich P. Magnus in der Geſellſchaft der naturforſchenden Freunde zu Berlin vorgelegt und mit der Verwandten unſerer Gichtmorchel (Phallus), Kalehbrennera corallocephala( Welw. et Curr.) Kalchbr. identifiziert. Bei unſeren einheimiſchen Gichtmorcheln, Phallus impudicus und Ph. caninus, iſt eine Phosphoreszenz (der Mycelſtränge) bisher nicht beobachtet worden, während die Mycelien der Hallimaſch (Agaricus melleus), des Holzkeulenpilzes (Xylaria Hypoxylon), ver⸗ ſchiedener Rüblingarten (Collybia tuberosa, C. eirrhata) auch bei uns im Dunkeln leuchten und Holz und Blätter, faulende Schwämme rc. phosphoreszierend machen. Auch von den Mycelien des Schwefelporlings (Polyporus sul- fureus) und des Urhebers der Rotfäule der Nadelbäume (Heterobasidium annosum) tft behauptet worden, daß fie phosphoreszierten, doch bedarf dieſes noch der Beſtätigung. In den Tropen gibt es eine ganze Reihe größerer Pilze, deren Fruchtkörper durchweg leuchten. Greiz. Prof. Dr. F. Ludwig. Milchſaft der Bflanzen als Schutzmittel. Eine ſehr merkwürdige Beobachtung, welche ein weiteres Beiſpiel dafür iſt, daß der Milchſaft vieler Pflanzen denſelben als Schutz gegen die Angriffe der Tiere dient, teilt F. Delpino (in der Malpighia 1889, Vol. III, S. 355) mit. Wenn man an warmen Sommertagen die Epidermis der grünen Teile des Giftlattichs, Lactuca virosa, namentlich die der Brakteen und Brakteolen des Involukrums, mit irgend einem harten Gegenſtande leicht berührt, ſo wird plötzlich ein Milchſaftkügelchen exploſionsartig ausgeſtoßen, ohne daß eine Verletzung des Gewebes ſtattgefunden hat. Diez ſelbe Eigentümlichkeit findet ſich in geringerem Grade auch bei dem gewöhnlichen Salat, Lactuca sativa, und auch bei Lactuca saligna. Delpino meint, daß durch dieſe Ein⸗ richtung ſicher ſchädliche Inſekten von den Blüten fern gehalten werden; Ameiſen, welche er auf die Blüten ſetzte, ließen ſich kurz darauf wieder auf die Erde fallen. T. Der Wohlgeruch der RNoſen iſt nach Mitteilungen von R. Blondel in der franzöſiſchen Botaniſchen Geſellſchaft hauptſächlich in der Gruppe der Zentifolien entwickelt. Die Gruppe der Canineen enthält ein ähnliches, aber weit ſchwächeres Parfüm. Die durch Kreuzung der Theeroſen Gumboldt. — Juli 1890. (Rosa fragrans Riv.) und der bengaliſchen Roſen (Rosa semperflorens Curtius) mit der Rosa centifolia ſich er— gebenden Baſtarde haben große Mannigfaltigkeit in den verſchiedenen Wohlgeruchsabſtufungen. Die Baſtarde zwi— ſchen Rosa moschata und Rosa sempertlorens, die jo- genannten Noiſetteroſen, ſind dagegen meiſt geruchlos. Rosa Banksia alba beſitzt einen ausgeſprochenen Geruch nach Veil— chen, während der R. lutea kein beſtimmtes Parfüm eigen iſt. Die Gruppe der Cinnamomeen hat, mit Ausnahme von zwei bis drei Exemplaren, keinen ſtarken Wohlgeruch, und die Pimpinellifolien riechen faſt gar nicht. In der Gruppe der Villoſeen find die Blumenblätter faſt geruch— los, während die Laubblätter öldrüſenreich ſind und die der Rosa villosa einen terpentinähnlichen Geruch aus— ſtrömen. Einen ganz vorzüglichen Duft ſenden die Laub⸗ blätter der Abteilung der Rubiginoſen aus. Bei den ver— mittelſt ihres Blütenapparates wohlriechenden Spezies findet ſich das ätheriſche Oel in den Zellen der oberen und unteren Epidermis. D. Scopolia atropoides, über deren Auftreten in oſtpreußiſchen Bauerngärten wir vor kurzem berichtet haben, wird nach Mitteilungen von Aſcherſon in der Botaniſchen Geſellſchaft in Berlin auch in Galizien kultiviert. In der Umgegend von Klauſenburg iſt ſie in faſt allen Gärten gemeinſam mit anderen Pflanzen zu finden. Sie dient gegen Rheumatismus und Fieber, findet aber auch bei gewiſſen ſtrafbaren Handlungen Verwendung, und ſcheint endlich auch als harmloſer Liebeszauber benutzt zu werden. In einem gut verbürgten Falle ſuchte man einem Liebes- paare, um es zu trennen, eine Scopolia, die von ihnen im Blumentopf gezogen wurde, zu entwenden. Der Raub, welcher nachts zwiſchen 11 und 12 Uhr ausgeführt werden mußte, gelang auch, hatte aber nicht die gewünſchte Wir— kung. Bei den Rumänen führt die Scopolia den Namen Matragun, in dem ſchon ein früherer Forſcher die allbe- kannte Mandragora erkannte. Dieſe Pflanze ſtimmt in ihren Arzneiwirkungen ſicher vielfach mit der zu derſelben Familie gehörigen Scopolia überein; unter den ihr zuge— ſchriebenen fabelhaften Wirkungen ſteht Liebeszauber oben: an. Die „Dudalm“ der Geneſis und des Hohen Liedes find ſeit lange als Liebesäpfel (Mandragora-Beeren) ge- deutet worden. Jedenfalls iſt die Kenntnis der Eigen— ſchaften der Scopolia von Griechenland nach Siebenbürgen gekommen, vielleicht ſchon zur makedoniſchen Zeit. D. Tilien krankheit auf den Vermuda-Inſeln. In der Botanical Gazette Vol. XV, No. 1 (Januar 1890) berichtet A. Livingſtone Kean über eine Krankheit des Lilium Harrisii, welche in Bermuda die daſelbſt angelegten großen Kulturen zu vernichten droht. Die Lilien, deren Blüten einen bedeutenden Exportartikel nach dem Feft- lande bilden, werden in ſchmalen Feldern gepflanzt, die zum Schutz gegen heftige Winde mit hohen Oleanderhecken umgeben ſind. Die Krankheit, welche ſeit ihrem erſten Auftreten (1885) jährlich bedeutend an Ausdehnung ge— wann, beginnt im Frühling; kältere und trockene Tage hemmen ihre Entwickelung, heiße und feuchte fördern ſie ungemein. Sie äußert ſich zuerſt in dem Auftreten einer oder mehrerer kleiner orangefarbener Stellen auf den Blättern und Blumenblättern, die allmählich an Größe zunehmen und ſich ſchließlich über die ganze Pflanze aus⸗ dehnen; es fallen alsdann die Blätter ab und nur die Stengel bleiben übrig. Bisweilen erleidet die Ausbreitung der Krankheit einen Stillſtand; dann bekommen die Blätter trockene, lederartige Flecke von rötlichgelber Farbe. Der Krankheitserreger iſt ein Pilz, deſſen Gonidienträger im Gegenſatz zu ähnlichen Pilzen (Macrosporium, Eurotium, Penicillium) auf der Oberfläche der lebenden, nicht der abgeſtorbenen Blätter erſcheinen; er iſt identiſch mit einer von Marſhall Ward in den Annals of Botany II, No. 7 (November 1888) beſchriebenen, zur Gattung Botrytis ge— hörigen Art, die in England Erkrankungen des Lilium candidum erzeugte. Beſonders befallen wurden in Ber— muda diejenigen Pflanzen, die dem Tau ſtark ausgeſetzt 247 waren, während die unter den Oleanderhecken wachſenden wenig oder gar nicht heimgeſucht wurden; es geht hieraus hervor, daß die als Tau niedergeſchlagenen Waſſermengen zur Förderung der Krankheit weſentlich beitragen. Mit breitlaubigen Zweigen verſehene Pfähle, die zwiſchen den Lilienpflanzen aufgeſtellt werden, um den Tau abzuhalten, dürften ein geeignetes Mittel ſein, dem ſtarken Auftreten der Krankheit zu ſteuern. AN Den erſten Fall der SymbBbiofe (oder Parafitismus ?) einer höheren Alge mit einem Süßwaſſerſchwamm beſchreibt Weber; es handelt fic) um Ephydatia fluvia- tilis aus dem See von Manindjau in Sumatra, welche mit einer neuen Art Trentepohlia (spongophila) ver— geſellſchaftet iſt. Aehnliche Symbioſen ſind zwiſchen höheren Algen und Meeresſchwämmen ſchon längere Zeit bekannt; zu dieſen Fällen fügt Weber noch hinzu die Symbioſe von Halichondria sp. mit Struvea delicatula und die von Reniera mit Marchesettia spongioides. Auch eine ein— zellige grüne Alge, welche in Noctiluca miliaris lebt, wird beſchrieben. B. Ueber den Einfluß von Wärme und Kälte, ſowie ver⸗ ſchiedener chemiſcher Agentien auf Rhizopoden und In- fuſorien hat C. B. Schürmayer eine Reihe von Verſuchen angeſtellt. Der Rhythmus der Pulſation der kontraktilen Va⸗ fuole erfuhr nur durch die Wärme eine Steigerung (was ſchon durch Roßbachs Verſuche bekannt iſt); chemiſche Agentien mit Ausnahme des Antipyrins verlangſamten die Kon— traktion, bei ſtärker konzentrierten Löſungen war das End— reſultat Lähmung in Diaſtole unter vorhergegangener Ver— größerung des Volumens, zunächſt der Vakuole, dann auch des Körpers; bei Antipyrinbehandlung dagegen verſchwand die Vakuole in einzelnen Fällen gänzlich aus der Zelle und zwar nach vorhergegangener Syſtole, ohne daß ihre Funktion irgendwie beeinträchtigt worden wäre. Das Wimperſpiel der Körperoberfläche wurde durch einzelne Agentien in ein Stadium langdauernder bedeutender Er— regung verſetzt, ſchließlich veranlaßten aber alle Agentien mehr oder weniger weitgehende Siſtierung der Wimper- bewegung; nur Antipyrin ließ die Erregung der Cilien bis zum Momente des Todes der Zelle andauern. Die Muskeln (Myophane) des Körpers wie die der Stiele ließen oft anfänglich keine direkte Beeinfluſſung hervor— treten, doch trat dann ſpäter ein gewiſſer Grad von Läh— mung ein; bei Antipyrinanwendung verfielen ſie teil— weiſe in heftige Kontraktion, unterbrochen von momentaner Streckung. Der einfachere Leib der Rhizopoden reagierte entweder nur durch mehr oder minder raſch aufeinander folgenden Wechſel ſeiner Form oder völlige Kontraktion gefolgt von Vakuoliſierung; in anderen Fällen traten Abänderungen in der Länge der Pſeudopodien, der Körn— chenſtrömung ꝛc. auf. — Aus dieſen Erſcheinungen wird nun gefolgert, daß es richtig iſt, die Funktion der kon— traktilen Vakuole in Atmung und Exkretion zu ſehen; die Kontraktion ſelbſt wird durch aktive Thätigkeit des Proto- plasmas bedingt. Ein gemeinſchaftliches Bewegungszentrum für den Schlag der Wimpern beſteht nicht, denn nach Verquellung des weitaus größten Teiles der Infuſorien bleibt unter Umſtänden eine Fortdauer der Wimperung an ganz eng begrenzten Punkten beſtehen. Das Leben iſt an die molekulare Thätigkeit der Plasmateile geknüpft, folglich iſt es die Beeinfluſſung dieſer, welche Steigerung oder Lähmung der Wimperbewegung, Beſchleunigung oder Verlangſamung der Pulſation der Vakuolen bedingt. Die Molekel des Etto- und Endoplasmas reagieren aber auf dasſelbe Reagens mitunter in verſchiedener Weiſe. Ob— gleich die Myophane morphologiſch nur eine Modifikation der Sarkode ſind, kommen ihnen in Bezug auf ihre Zu ſammenſetzung die Charaktere echter Muskeln zu. Neben dem Protoplasma des Zellleibes muß beſonders den Wim— pern Taſtfunktion zugeſchrieben werden — Lähmung der Wimpern ſetzt das Taſtvermögen der Infuſorien herab. B. 248 Humboldt. — Juli 1890. 5 Ueber die Eiablage bei Krokodilen machte Voeltzkow auf ſeinen Reiſen im Gebiet des Witulandes intereſſante Beobachtungen. Er erhielt im Januar dieſes Jahres 79 friſch abgelegte Eier. Das ſogleich von ihm aufgeſuchte Neſt, dem fie entſtammten, befand fic) etwa 5—6 Schritt vom Ufer des Wagogona, eines Nebenfluſſes des an Kro⸗ kodilen ſehr reichen Oſi. An der betreffenden Stelle war der Boden auf eine ſechs Schritt im Durchmeſſer hal⸗ tende Fläche von Pflanzen entblößt. Dem Anſchein nach wird dies dadurch bewirkt, daß ſich das Tier ein paar⸗ mal im Kreiſe herumdreht und mit ſeinem Schwanz den Boden ſäubert. Dadurch werden an manchen Stellen etwas Geſtrüpp und Zweige angehäuft, von einem eigent⸗ lichen Neſtbau kann aber durchaus keine Rede ſein. Das ſogenannte Neſt liegt nach dem Sande zu faſt ganz offen, nur an einer Stelle finden ſich ein paar ſpärliche Büſche vor, ſo daß die Sonne von allen Seiten freien Zutritt zu demſelben hat. Die Eier lagen in vier Gruben, die in den harten, ziemlich trockenen Boden etwa zwei Fuß ſchräg nach unten gegraben waren. Mit den beim Ausgraben zerbrochenen Schalen, die am Neſt herumlagen, betrug die Anzahl der abgelegten Eier 85 90 Stück. Nach Angabe der Einge⸗ borenen gräbt das Krokodil, nachdem es ſich einen ihm zuſagenden Platz ausgewählt hat, am erſten Tage eine Grube, legt ſich mit dem Bauche darüber und läßt eine Anzahl Eier, etwa 20 — 25, in die Grube fallen, die es dann zuſchaufelt. Am zweiten Tage macht es die zweite Grube u. ſ. w. Vom Beginn der Eiablage an verweilt das Tier den Tag über auf dem Neſte und ſchläft daſelbſt bis zum Auskriechen der Jungen, ſo daß hier alſo eine richtige Brutpflege ſtattfinden würde. Die Jungen ſchlüpfen nach ungefähr zwei Monaten beim Eintritt der großen Regen⸗ zeit aus. Thatſächlich war das Tier bei Voeltzkows An⸗ weſenheit auf dem Neſte geweſen. Er hörte einen Fall in das Waſſer und bemerkte auf dem Neſt die noch ganz friſchen, naſſen Spuren. Auch ſah er das Tier im Waſſer und ſchätzte ſeine Länge auf 12— 25 Fuß. Es ſchien der faſt überall in Oſtafrika vorkommenden Art Crocodilus vulgaris (Nilkrokodil) anzugehören. Die Eiablage erfolgt nur einmal im Jahre, in der Zeit vom Ende Januar bis Anfang Februar. Die Eier werden von den Eingeborenen geſammelt und als Merkwürdigkeit an Fremde verkauft, aber keineswegs, wie mehrfach von Reiſenden behauptet worden iſt, gegeſſen. Sie ſind weiß, rauh gekörnelt, voll⸗ kommen hart, oval und 8 em lang bei einer Breite von 5 Cm. D. Aeber forſtnützliche Vögel hielt Prof. Altum⸗Ebers⸗ walde in der letzten Sitzung der Ornithologiſchen Geſell⸗ ſchaft in Berlin einen Vortrag. Im allgemeinen, führte der Redner aus, beſtätigt ſich bei den Vögeln der alte Satz, daß das, was äſthetiſch erfreut, ſelten in Bezug auf praktiſche Nutzbarkeit hervorragend iſt. Es iſt unbeſtreit⸗ bar, daß die Vögel äſthetiſch für uns weit mehr Wert haben, als andere Geſchöpfe, aber ebenſo ſicher iſt es, daß die Vögel an der Veränderung der Natur weit weniger mitwirken, wie Säugetiere, Inſekten ꝛc. Nichtsdeſtoweniger bieten auch die Vögel manchen Nutzen und namentlich der Forſtmann weiß ihren Wert wohl zu ſchätzen. Man ſagt gewöhnlich, daß die Vögel nützlich ſeien, wenn ſie Inſekten verzehren, es iſt dies aber viel zu allgemein gefaßt, ſchon um deswillen, weil bei weitem nicht alle Inſekten ſchäd⸗ lich, die meiſten ſogar ſehr nützlich ſind. Es iſt ſomit Auf⸗ gabe des Forſchers, feſtzuſtellen, welche Inſekten die ein⸗ zelnen Vögel verzehren, um danach ihren Nutzwert genauer feſtſtellen zu können. Der Redner iſt auf dieſem Gebiete der Forſchung ſelbſt bahnbrechend vorgegangen und konnte die Ergebniſſe ſeiner Ermittelungen vorlegen. Als eminent nützlicher Vogel iſt danach vor allem der Kuckuck zu be⸗ trachten. Er iſt der einzige Vogel, der haarige Raupen verzehrt, gerade die haarigen Raupen aber ſind es, welche ſehr häufig große Schäden verurſachen, wie z. B. der Kiefernſpinner und die Prozeſſionsraupe. Altum hat Kuckucke gefunden, die bis 93 Raupen in ihrem Magen aufwieſen. An zweiter Stelle nannte der Redner die Meiſen, die als Puppenvertilger von Bedeutung ſind. Die Meiſen ſind von Natur aus für dieſen ihren Nutzberuf vortrefflich ausgerüſtet, ſie ſind klein, gute Turner, neh⸗ men ihre Nahrung nicht auf, ſondern picken ſie ab und können ſich daher auch an größere Nährobjekte heranwagen. Endlich ſind ſie ganz vortreffliche Spürnaſen, denen nichts entgeht. Wie erfolgreich ihre Thätigkeit ſein kann, zeigt eine vom Redner veranlaßte Statiſtik. Er hat in drei Revieren die Kieferſpinnerkokons ſammeln und unterſuchen laſſen und da fand ſich denn, daß von 8311 Kokons 1788 getötet waren, und zwar 1300 durch Meiſen. Dabei gab es aber in jenen drei Revieren von den 6 Meiſenarten nur 2, die noch dazu nur einen Monat und in einer Zeit, wo die Vögel nicht ſtreichen, gewirkt hatten. Aehnlich nützlich machen ſich die ſonſt wohl mit Recht außer dem geſetzlichen Schutz geſtellten Krähen, deren Anweſenheit, wie Redner feſtgeſtellt hat, in einem einzigen Revier dem Staat einmal 9000 Mark erſpart hat. Zum Schluß ge⸗ dachte der Redner noch der Droſſel, der man zum Vorwurf macht, daß ſie Beeren frißt. Die Thatſache trifft an ſich ja zu, iſt aber nicht ſo ſchlimm, wie man annimmt, ſie bringt ſogar Nutzen. Da die Droſſel nämlich die Kerne, das „Gewöll“, wieder auswirft, fo ſorgt fie für Ausbrei⸗ tung der beerentragenden Unterhölzer. D. Wölfe in Rußland. Nach einer offiziellen Schätzung gibt es in Rußland 170000 Wölfe; der Verluſt an Schafen und Schweinen, den dieſelben verurſachen, iſt ſo groß, daß er nicht einmal annähernd beſtimmt werden kann. Die Belohnung für jeden getöteten Wolf beträgt 10 Rubel. Im Jahre 1889 wurden allein im Gouvernement Wologda 49 000, im Gouvernement Kaſan 31000 erlegt. Während des vergangenen Jahres fielen 203 Menſchen dieſen Tieren zum Opfer. T. Anoa depressicornis H. Smith iſt ein antilopen⸗ ähnlicher Büffel, der auf Celebes beſchränkt iſt und wegen ſeiner Mittelſtellung zwiſchen Büffeln und Antilopen von jeher das Intereſſe der Zoologen und Paläontologen auf ſich gezogen hat. Eine genaue Beſchreibung des Tieres gibt Brehm in ſeinem Tierleben und eine anatomiſche Unterſuchung des Skelettes, ſowie einiger Weichteile neuer⸗ dings Dr. K. M. Heller in Dresden, wo ſich durch die Reiſen von A. B. Meyer ein reiches Material von dieſem ſeltenen Tiere befindet. Die Ergebniſſe dieſer Unterſuchung ſprechen deutlich für die Büffelnatur der Anoa, ebenſo paläontologiſche Funde; trotzdem bleibt Anog eine primitive Form. Der von Heller in Betracht gezogene Tamarao (Bubalus mindorensis Heude) iſt ebenfalls ein echter, inſularer Büffel, der dem foſſilen Bubalus (Probubalus) occipitalis Fale. unter allen lebenden Büffeln am näch⸗ ften ſteht, möglicherweiſe keine autochthone Form, ſondern vielleicht einen durch inſulare Iſolierung degenerierten Sundabüffel darſtellt, deſſen Probubalus⸗Aehnlichkeit ata⸗ viſtiſcher Natur iſt. B. Aleber die Ethnographie des Peloponnes bringen Petermanns Mitteilungen (1890, Heft 1 und 2) eingehende und für die heutigen Verhältniſſe auf Lokalforſchungen beruhende Angaben von Dr. Alfred Philippſon. An nicht⸗ griechiſchen Elementen wurden vor allem Slaven und Ar⸗ nauten wichtig. Die erſteren kamen zuerſt gegen Ende des 6. Jahrhunderts, die Haupteinwanderung fand aber um die Mitte des 8. Jahrhunderts ſtatt, und damals wurde das ganze platte Land von Slaven beſetzt, während die Städte griechiſch blieben. Die Helleniſierung der Ein⸗ dringlinge war ſchon bis zum 11. Jahrhundert durchgeführt, nur im Weſten von Arkadien hielten ſich die Slaven bis zur Frankenzeit, im Taygetos bis zur Ankunft der Türken. Die Arnauten kamen im 14. und 15. Jahrhundert als friedliche Einwanderer, und machten zur Zeit der Er⸗ oberung durch die Türken wohl die Hälfte der etwa 400 000 Einwohner aus. Heute ſprechen noch gegen 90 000, über 12% der Bevölkerung, albaneſiſch und halten dieſe Sprache mit großer Zähigkeit als Umgangsſprache feſt. Humboldt. — Juli 1890. Die meiſten ſitzen in zwei großen Enclaven in Argolis und Korinth, außerdem gibt es noch acht kleinere Enelaven. Man findet unter ihnen mehr Blondhaarige und Blauäugige als unter den Griechen. Von den letzteren ſind noch zwei kleinere Stämme von Intereſſe. Die Tzakonen in einem Teil der alten Kynuria ſprechen einen beſonderen, dem Altgriechiſchen 249 ſehr naheſtehenden Dialekt, ſind aber wohl ſtark mit Slaven gemiſcht. Die bekannten Mainoten, die ſich ſelbſt mit Vorliebe Adxwvec nennen, ſich durch altertümliche Gebräuche auszeichnen und vielfach als Nachkommen der alten Spartaner gelten, ſprechen einen neugriechiſchen Dialekt, und in ihrem ganzen Gebiet gibt es ſlaviſche und albaneſiſ che Ortsnamen. W. v LKaturwiffenfhaftlide Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen etc. Der große Plöner See in Oſtholſtein, von dem in letzter Zeit wegen der dort zu errichtenden lakuſtriſchen Station vielfach die Rede geweſen iſt, wurde vor kurzem durch den Privatdozenten der Erdkunde Dr. Willy Ule aus Halle einer geologiſchen und hydrographiſchen Unter— ſuchung unterzogen. Bei dieſer Gelegenheit find auch erſt die genaueren Tiefenverhältniſſe jenes prächtigen Waffer- beckens feſtgeſtellt worden. Es hat ſich durch Ules zahl— reiche Lotungen ergeben, daß der Plöner See in ſeinem weſtlichen Teile nur etwa 30 m Tiefe beſitzt, während man im Südoſten (zwiſchen Nehmten und Loja) erſt bei 45 60 m Grund findet. Der ſchwärzlichgrüne Schlick, den das Lot mit heraufbrachte, erwies ſich unter dem Mikroſkop als aus zahlloſen Diatomeenpanzern beſtehend, welche mit organiſchen Brocken untermengt ſind. Dr. Ule machte auch einige Verſuche über die Durchläſſigkeit des Waſſers für das Licht, wobei ſich herausſtellte, daß eine weiße Scheibe von 45 em Durchmeſſer ſchon bei 4,5 m Tiefe in ihren Umriſſen verſchwamm und bei 7 m ganz unſichtbar wurde. Es wurden im ganzen etwa 32 Fahr⸗ touren auf dem Plöner See unternommen und über 800 Meſſungen ausgeführt, welche nun dazu verwandt werden ſollen, das Bodenrelief dieſes Waſſerbeckens genau zu beſtimmen. Herr Dr. Ule wird ſeine darüber handelnde Arbeit in einer geologiſchen Fachzeitſchrift demnächſt ver— öffentlichen. — Die angeführten Tiefenangaben (30-60 m) laſſen den Plöner See zu zoologiſchen Studien, die ſich natürlich auch auf die Lebensverhältniſſe der den See— grund bewohnenden Tiere erſtrecken müſſen, wohl geeignet erſcheinen. Die zu Plön projektierte Süßwaſſerſtation iſt nunmehr in ihrem Zuſtandekommen geſichert. Die königlich preußiſche Regierung hat dem Dr. Otto Zacharias einen Staatszuſchuß auf 5 Jahre bewilligt, welcher dazu ver— wendet werden ſoll, die anſcheinend gute und auch wiſſen— ſchaftlich einleuchtende Idee einer Station zum Studium der hydrobiologiſchen Erſcheinungen in die Praxis einzu⸗ führen. Die Eröffnung iſt für 1. April 1891 in Ausſicht genommen. Das Laboratorium ſoll zunächſt einen ganz beſcheidenen Charakter tragen und nur 4—5 Arbeitstiſche beſitzen. Einige Bewerber um letztere haben ſich bereits gemeldet. Zoologen und Botaniker ſollen in gleicher Weiſe zu Plön willkommen ſein. Daher die Bezeichnung „Bio— logiſche Station“ für das neue, und wie uns dünkt, mit Freuden zu begrüßende Inſtitut. A. Ekeſtrotechniſche Verſuchsſtation. Auf Anregung einer Anzahl Magdeburger Induſtrieller iſt in Magdeburg eine elektrotechniſche Verſuchsſtation ins Leben ge— treten, welche es Behörden und Privaten ermöglichen ſoll, ſich über elektrotechniſche Fragen unter Zugrundelegung unparteiiſcher Experimente zu unterrichten, ſichere Anhalts— punkte über deren Koſten und Durchführbarkeit zu ge— winnen und den elektrotechniſchen Etabliſſements die Mög— lichkeit zu verſchaffen, ihre Maſchinen, Apparate u. ſ. w. prüfen zu laſſen. Die Station wird nach dem Muſter der in München bereits beſtehenden eingerichtet, aber nach verſchiedenen Richtungen noch erweitert werden. Da in Norddeutſchland eine derartige Verſuchsſtation bisher nicht exiſtiert und Magdeburg wegen ſeiner zentralen Lage und Humboldt 1890. ſeiner vielſeitigen Induſtrie beſonders geeignet iſt, ſo dürfte dem Inſtitute ein günſtiges Prognoſtikon zu ſtellen fein. Die Leitung hat der in Fachkreiſen bekannte Elek— trotechniker Dr. M. Krieg, Chefredakteur des „Elektro— techniſchen Echos“, übernommen. Die Station ſoll auch für elektrotechniſche Geſchäftsunternehmungen und ſonſtige Intereſſenten Rohſtoffe und Materialien zu elektrotech— niſchen Zwecken erproben und unterſuchen, ſowie die Prüfung von elektriſchen Einrichtungen, Apparaten, In— ſtrumenten u. dergl. vornehmen und bezügliche Ratſchläge erteilen. Weitere Aufgaben ſind die Unterſuchung von ausgeführten Anlagen für Beleuchtung, Kraftübertragung und metallurgiſche Zwecke, die Beſtimmung der Leuchtkraft von Bogen- und Glühlampen, die Ermittelung von deren Konſtanten, wie Stromſtärke und Spannung, die Prü— fung von Kohlenſtäben, die Prüfung und Eichung von Meßinſtrumenten, Kontrollapparaten, Regulatoren, die Unterſuchung von Akkumulatoren, Primärbatterien u. ſ. w. Die Anſtalt ſoll auch Unterſuchungen von Leitungs- und Iſoliermaterialien, die Beſtimmung der Leitungsfähigkeit, des Iſolationswiderſtandes und anderer Eigenſchaften, Un— terſuchungen von Blitzableitern, Privattelephonanlagen u. ſ. w. übernehmen. Des weiteren wird auch die Ver— ſuchsſtation Unterſuchungen ausführen, welche die hütten— männiſche Verwendung der Elektricität (wie Gewinnung von Aluminium, Gold, Silber, Magneſium u. ſ. w.), die Benutzung derſelben in der chemiſchen Induſtrie (wie Gerben, Bleichen, Alkoholbehandlung, Abwäſſerreinigung u. ſ. w.) u. ſ. w. zum Ziele haben. Jungen Leuten, welche ſich der Elektrotechnik widmen wollen, ſoll in der Station Gelegenheit geboten werden, darin gründliche Kenntniſſe zu erwerben. D. Der Zentralausſchuß des Deutſchen und Heſter— reichiſchen Alpenvereins hat einen wiſſenſchaftlichen Beirat eingeſetzt, welchem Profeſſor Penck in Wien, Dr. Finſter— walder in München, Hofrat Hann in Wien, Profeſſor Partſch in Breslau und Profeſſor Richter in Graz ange— hören. Dieſer Beirat wird über Geſuche und Unterſtützung wiſſenſchaftlicher Arbeiten berichten und ſelbſt Vorſchläge zur Vornahme ſolcher Arbeiten machen. Nach den von ihm angenommenen Grundſätzen ſind die wiſſenſchaftlichen Unternehmungen des Vereins in den Alpen nach keiner Richtung hin auf beſtimmte Gebiete zu beſchränken, wohl aber thunlichſt auf ſolche Wiſſenszweige zu lenken, welche vom Staat nicht gepflegt werden, nämlich „Gletſcher- und Gewäſſerkunde“. Die Ergebniſſe der mit Unterſtützung des Alpenvereins ausgeführten wiſſenſchaftlichen Unter— ſuchungen ſind wenigſtens auszugsweiſe, wenn nicht voll— ſtändig, in den Schriften des Vereins zu veröffentlichen. Ferner ſoll ein wiſſenſchaftliches Vereinsarchiv angelegt werden, welchem alle für die Alpenkunde wichtigen, in der Verwaltung des Zentralausſchuſſes befindlichen Zeichnun⸗ gen, Photographien, Berichte und Inſtrumente einzuver— leiben ſind. D. Ein Notaniſcher Garten ſoll im Lauf dieſes Sommers auf dem Brocken eingerichtet werden. Den Platz dazu hat Graf Stolberg zur Verfügung geſtellt. Die Anlage wird von Profeſſor Peter, dem Direktor des Botaniſchen Gartens der Univerſität Göttingen, geleitet werden. D. 32 250 Humboldt. — Juli 1890. Meleorologiſche Stationen auf dem Riefengebirge. Wie der „Bote aus dem Rieſengebirge“ hört, hat Herr Elsner, der Wirt der Heinrichsbaude, die Leitung einer meteorologiſchen Station übernommen, da er wegen der bereits in Aufnahme gekommenen Hörnerſchlittenfahrten doch den Winter über in ſeiner Baude wohnen bleiben werde. Sobald dieſe Station in Kraft getreten ſein wird, verfügt das Meteorologiſche Inſtitut im Rieſengebirge über Thal⸗ (Eichberg⸗Warmbrunn), Gehänge⸗ (Krummhübel⸗ Schreiberhau⸗Wang), Kamm⸗ (Heinrichbaude) und Gipfel⸗ Station (Schneekoppe). D. In Rußland iſt eine neue Zentralbehörde, der „Geo- dätiſche Conſeil““, ins Leben getreten, dem die Sache der geographiſchen Erforſchung im ganzen Reich unterſtellt wird. Die oberſte Leitung dieſer Behörde iſt dem General⸗ ſtab übertragen. D Der Präfekt von Savoyen hat kürzlich das Sammeln des Alpenveilchens, Cyclamen europaeum, in den Wäl⸗ dern des Departements verboten. Trotz ihres zahlreichen Vor⸗ kommens droht der niedlichen Pflanze doch gänzliche Aus⸗ rottung durch das Einſammeln der enormen Mengen, die jährlich auf den Märkten zu Chambéry und Aix⸗les⸗Bains verkauft werden. 15 Die norwegiſche Regierung hat dem Storthing vor⸗ geſchlagen zu veranlaſſen, daß ½ der Koſten einer norwe⸗ giſchen Nolarerpedition unter der Führung des Dr. Frith⸗ jof Nanſen durch den Staat gedeckt werden unter der Bedingung, daß bei glücklichem Verlauf der Expedition die Gerätſchaften und wiſſenſchaftlichen Inſtrumente, die während der Reiſe gebraucht werden, Staatseigentum werden, und daß die Univerſität Chriſtiania alle diejenigen Arten aus den wiſſenſchaftlichen Sammlungen erhält, welche der Senat auswählen wird. 1 Eine zoologiſche Seeftation iſt zu Iſefjord an der däniſchen Küſte errichtet worden; dieſelbe ſteht unter der Leitung des Dr. Peterſen. T. Ein neues Laboratorium für marine Biologie it am 1. März in Saint⸗Weſt⸗la⸗Hogue eröffnet worden. T. Im Laufe des nächſten Jahres ſoll an der Univerſität Philadelphia ein Inſtitut für Vflanzen⸗Anatomie und -2 hyfiologie errichtet werden. Profeſſor P. Wilſon wurde beauftragt, eine Reiſe nach Europa zu unternehmen, um die Einrichtungen der beſtehenden derartigen Inſtitute kennen zu lernen. Vreis aufgaben. Die holländiſche Geſellſchaft der Wiſſenſchaften ſchreibt folgende Preisaufgaben aus: 1. Unterſuchungen über die Rolle der Bakterien bei der Zerſetzung und Bildung der Stickſtoffverbindungen in verſchiedenen Bodenarten. 2. Mikroſkopiſche Unterſuchung der Art, in welcher ver⸗ ſchiedene Pflanzenteile ſich miteinander vereinigen können, und beſonders der Erſcheinungen, welche die Heilung begleiten nach den Operationen des Pfropfens mittels Reis, mittels Knoſpen und durch Aneinanderlegen. Die Arbeiten können in holländiſcher, deutſcher, la⸗ teiniſcher ze. Sprache verfaßt fein, dürfen nicht mit der Handſchrift des Verfaſſers geſchrieben ſein und müſſen bis zum 1. Januar 1891 an den Sekretär der Geſellſchaft, Dr. J. Bosſcha in Haarlem eingeſandt werden. Die Preiſe find je eine goldene Medaille oder 150 holland. Gulden. T. Die Accademia delle science fisiche e mate- matiche di Napoli ſchreibt einen Preis von 1000 Lire aus für die beſte Abhandlung: „Ueber die ſyſtematiſche Auseinanderſetzung der Grundprinzipien der Theorie der hyperelliptiſchen und Abelſchen Funktionen nach den Vor⸗ ſtellungen von Klein und ſeiner Schule.“ Die Akademie wünſcht, daß die Vervollkommnungen hervorgehoben werden, welche die genannte Theorie durch die Arbeiten von Klein über die ſogenannten Prinzipalformen und über die kano⸗ niſchen Flächen Riemans erfahren. Es wird ihr angenehm ſein, eine wenn auch nur ſummariſche Auseinanderſetzung der hauptſächlichſten geometriſchen Anwendungen der Theorie zu finden. Die Abhandlungen müſſen italieniſch, franzöſiſch oder lateiniſch verfaßt ſein und mit Motto und verſchloſ⸗ ſener Namensangabe ſpäteſtens im März 1891 der Akademie abgeliefert werden. Die Académie de médecine de Turin hat für den Riberi⸗Preis (20000 Fr.) folgendes Thema geftellt: Unterſuchungen über die Natur und die Prophylaxis einer oder mehrerer Infektionskrankheiten des Menſchen. Die Arbeiten können gedruckt oder als Manuffript eingeſchickt werden; ſie müſſen in italieniſcher, franzöſiſcher oder lateiniſcher Sprache verfaßt und die gedruckten Abhand⸗ lungen nach 1886 erſchienen ſein. Der letzte Termin zur Einſendung der Bewerbungsſchrift iſt der 31. Dezember 1891. Biographien und perſonalnotizen. Profeſſor Dr. Kopp in Heidelberg, der berühmte Geſchichts⸗ ſchreiber der Chemie, iſt in den Ruheſtand getreten. Dr. Krüß, Privatdozent der Chemie an der Univerſität München, wurde zum außerordentlichen Profeſſor er⸗ nannt. Dr. Weiß, Privatdozent der Botanik in München, wurde zum Kuſtos am Botaniſchen Garten daſelbſt ernannt. Dr. Solereder, Privatdozent der Botanik in München, wurde zum Kuſtos am Botaniſchen Muſeum daſelbſt ernannt. Dr. Freyberg habilitierte ſich als Privatdozent der Phyſik an der Techniſchen Hochſchule in Dresden. Dr. Hugo Meyer, Privatdozent für mathematiſche Phyſik in Göttingen, iſt als Aſſiſtent beim Meteorologiſchen Inſtitut in Berlin eingetreten. Dr. v. Koſtanecki, Dozent an der Chemieſchule in Mül⸗ E hauſen, wurde als Profeſſor der theoretiſchen und organiſchen Chemie, Dr. A. Roſſel in Winterthur als Profeſſor der anorganiſchen, analytiſchen und techniſchen Chemie, beide als Nachfolger Schwarzen⸗ bachs an die Univerſität in Bern berufen. Heinz, Supplent der Botanik, wurde zum Profeſſor an der Univerſität Agram ernannt. Profeſſor Dr. A. Peter iſt von der Kgl. Akademie der Wiſſenſchaften zu Göttingen zum ordentlichen Mit⸗ gliede ernannt worden. Dr. F. Benecke iſt zum Direktor der Verſuchsſtation Midden⸗Java in Samarang ernannt worden. Gaſton Bonnier wurde zum Präſidenten der Société botanique de France für das Jahr 1890 erwählt. Leclere du Sablon wurde zum Profeſſor der Botanik in Toulouſe ernannt; ſein Nachfolger in der Stellung eines naturwiſſenſchaftlichen Aſſiſtenten der Phyto⸗ phyſiologie am Musée d'histoire naturelle zu Paris iſt Mo rot. Profeſſor G. Gibelli zu Turin iſt zum ordentlichen Mit⸗ gliede der Reale Accademia dei Lincei ernannt worden. Profeſſor R. Pirotta zu Rom iſt zum korreſpondierenden Mitglied der Reale Accademia dei Lincei ernannt worden. Paul Maury wurde als Botaniker in die Kommiſſion zur geographiſchen Erforſchung der Mexikaniſchen Re⸗ publik gewählt; er iſt im Begriff, nach Mexiko abzureiſen. Thomas Johnſon, Demonſtrator der Botanik an der Normal School of Science und Royal School of Humboldt. — Juli 1890. Mines wurde zum Nachfolger des verſtorbenen Pro- feſſors Me. Nab als Profeſſor der Botanik am Royal College of Science zu Dublin ernannt. Royal Society of London wählte am 24. April folgende Gelehrte zu Mitgliedern: den Ingenieur Sir Benjamin Baker, den Phyſiker Robert Holford Mac- dowall Boſanquet, den Phyſiker Samuel Hawkesley Burbury, den Botaniker Walter Gardiner, den Mathematiker und Phyſiker John Kerr, den Phyſio— logen Arthur Sheridan Lea, den Mathematiker Perey Alexander Mac Mahon, den Zoologen Alfred Merle Norman, den Chemiker William Henry Perkin, den Chemiker Spencer Umfreville Pickering, den Aſtronomen Sfaac Roberts, den Entomologen David Sharp, den Geologen Harris Teall, den Mediziner Richard Thorne, den Zoologen Walter Frank Ra— phael Weldon. Totenliſte. Parry, Dr. Charles C., amerikaniſcher Floriſt, ſtarb 20. Februar in Davonport, Jowa, im 67. Lebensjahre. Dr. Robert Rauſcher, zuletzt Kuſtos des Vereins für Naturkunde zu Linz, ſtarb daſelbſt am 4. März. Die 251 Baly, J. S., hervorragender Koleopterolog, Spezialiſt für Phytophaga, ſtarb 27. März in The Butts, Warwick, 73 Jahre alt. Peligot, Eugene, der bedeutendſte franzöſiſche Chemiker, ſtarb am 15. April zu Paris im Alter von 79 Jahren. Woldt, Auguſt, naturwiſſenſchaftlicher Schriftſteller, Herausgeber einer wiſſenſchaftlichen Korreſpondenz, ſtarb, 50 Jahre alt, 23. April in Berlin. Weſterman, Dr. G. F., Stifter des prachtvollen Tier— gartens Natura artis magistra in Amſterdam, ſtarb daſelbſt 10. Mai im 81. Lebensjahre. Gallenkamp, Direktor der Friedrich-Werderſchen Ge— werbeſchule in Berlin, ſtarb daſelbſt 11. Mai im 70. Lebensjahre. Schneebeli, Dr. Heinrich, Profeſſor der Erperimental— phyſik am Eidgenöſſiſchen Polytechnikum in Zürich, ſtarb daſelbſt 13. Mai. Dewitz, Hermann, Kuſtos am Zoologiſchen Muſeum in in Berlin, ſtarb 16. Mai im 42. Lebensjahre. Schneider, Anton, Profeſſor der Zoologie und Direktor des Zoologiſchen Inſtituts in Breslau, ſtarb daſelbſt 30. Mai im 59. Lebensjahre. : Schultz, früher Profeſſor der Aſtronomie in Upſala, ſtarb, 67 Jahre alt. Z Litterariſche Rundfdau. Carl Heck, Die Hagelſtatiſtik Württembergs, nach amtlichen Quellen bearbeitet. Stuttgart, 1889. Preis 0,5 Mark. Die Hagelſtatiſtik Württembergs wurde nicht, wie der Verfaſſer bemerkt, für meteorologiſche Zwecke angefertigt; vielmehr geſchah deren Aufſtellung gelegentlich der Berech— nung von Steuernachläſſen wegen „Gewitter- und Ueber— ſchwemmungsſchaden“ und zwar ſeit dem Jahre 1828 (60 Jahre). Indeſſen erſcheint es nicht unintereſſant, hier die Hauptreſultate dieſer Arbeit wiederzugeben. Die Ge— ſamtzahl der Markungen betrug 1910, hierauf verteilen ſich die Hagelſchläge folgendermaßen: Zahl In Proz. der Verteilung innerhalb der 4 Kreiſe lo der Geſamtzahl der Neckar-Schwarz⸗ Jagſt⸗ Donau⸗ Markungen Markungen kreis waldkreis kreis kreis mal 201 10,5 12 15 9 7 ty 329 17,3 18 14 22 16 Be 376 19,7 20 15 27 19 + Dee 302 15,8 16 13 15 19 4 * 264 13.8 14 13 14 15 ay 169 8,8 7 il 6 10 a; 101 5,3 5 7 3 5 te a 74 3,8 4 5 2 4 8, 90 2,1 2 2 1 3 9 „ 22 1.2 0,5 1 1 1 10 18 0,9 1 2 0 0,5 . 5 0,3 0 1 0 0 12 „ 2 0,1 1 ar 3 0,2 — 1 = 15, 1 | 0,5 1 0 0,5 3 1 0 8 17 „ 0 75 18 „ 1 | a Der Verfaſſer findet, daß die Hagelſchläge der Haupt— windrichtung Württembergs folgen, alſo aus ſüdweſtlicher Richtung ziehen. Da auch die Gewitter und die baro- metriſchen Depreſſionen, welche Erſcheinungen miteinander im innigen Zuſammenhang ſtehen, dieſelbe Zugrichtung haben, ſo hätten wir gewünſcht, daß auch dieſe Erſchei— nungen im Zuſammenhange betrachtet wären, und daß namentlich eine Anlehnung an die trefflichen Studien in Bayern ſtattgefunden hätte. Nach Herrn Heck können für Württemberg 4 Hauptzüge des Hagelfalls unterſchieden werden, nämlich 1) der nordoſtwärts gerichtete Hagelzug der unteren Waſſerläufe des Enz-, Murr- und Bottwar⸗ thals, mit einer ungefähren Breite von 3— 18 km und einer Länge von 45 km, in einer Seehöhe von 200 bis 350 m; 2) von den Oberämtern Sulz und Freudenſtadt nach den Zuflüſſen der Murr, Breite bis zu 15 km, Länge 90 km, Seehöhe 320609 m; 3) von Obern— dorf den Neckar entlang bis Plochingen, dann nach Pfahl— bronn und Durlangen, Breite etwa 6—14 km, Länge 120 km, Seehöhe 250—650 m; 4) am linken Donauufer von Oberflacht beginnend bis über die bayriſche Grenze hinaus. Außerdem unterſcheidet der Verfaſſer noch 8 kleinere Hagelzüge, welche den eben genannten an Heftigkeit er— heblich nachſtehen. Verfaſſer nimmt es als wahrſcheinlich an, daß die Hagelzüge der Richtung der größeren Fluß— läufe folgen, wenn letztere nordöſtliche Richtung einhalten, dieſelben jedoch überſchreiten, wenn dieſes nicht der Fall iſt, und daß die Hagelgefahr für ſolche Erhebungen etwas geringer iſt, welche dem nordöſtlichen Verlauf kein Hin⸗ dernis entgegenſtellen, ſondern dieſelben zu ihren Seiten ungehindert hinziehen laſſen. Hamburg. Dr. W. T. van Bebber. Rudolf Jalb, Bon den Amwälzungen im Welt. all. Dritte Auflage. Wien, Hartlebens Verlag. 1890. Preis 4,5 Mark. Die zweite Auflage dieſer Schrift iſt bereits im Januar— heft, Jahrgang 1888 des „Humboldt“ beſprochen wor— den, und es liegt um ſo weniger Veranlaſſung vor, auf eine erneute Beſprechung des Inhalts näher einzugehen, als derſelbe in der jetzt vorliegenden Auflage keine be— merkenswerten Aenderungen und Zuſätze erfahren hat. Der Verfaſſer handhabt die Statiſtik in unglaublich unkritiſcher Weiſe. Nach ſeiner Theorie ſind beſonders ſtarke Erdbeben zur Zeit der Finſterniſſe zu erwarten, weil dann die An— ziehungen durch den Mond und die Sonne gegen das flüſſige Erdinnere ſich ſummieren, er ſieht es aber auch als Beſtätigung dieſer Theorie an, wenn ein Erdbeben 5 Tage vor einer Finſternis eintritt, während dann eine Summierung der Wirkungen noch keineswegs ſtatt— findet, dieſelben ſich im Gegenteil teilweiſe aufheben. Durch die Anziehung des Mondes ſoll die Lava in den Vulkanen gehoben werden, wodurch, wenn nicht Ausbrüche, ſo doch Erdſtöße entſtehen, und der Verfaſſer hebt als Beſtätigung hervor, daß bei einem Erdbeben in Randazzo die Zeit der größten Intenſität genau zur Zeit ſtattfand, als der Mond aufging, während doch eine Hebung von Lava durch den Mond gerade zu dieſer Zeit am wenigſten er- folgen könnte. Wenn an den ſogenannten kritiſchen Tagen 252 Humboldt. — Juli 1890. keine größeren oder kleineren Erdbeben nachweislich ſich ein⸗ ſtellen, ſo iſt der Verfaſſer auch mit Gewittern, Schnee⸗ oder Hagelfällen und Grubengasexploſionen zufrieden, die an irgend einem Punkte der Erde ſtattfinden. Beweis⸗ führungen von wiſſenſchaftlichem Werte für die Falbſchen Theorien finden ſich in dem Buche ebenſowenig wie in anderen Schriften des Verfaſſers. Königsberg. Profeſſor Dr. C. F. W. Peters. H. Gruſon, Phyſikaliſch⸗Aſtronomiſches. Neue gemeinverſtändliche Abhandlung über Zodiakal⸗ licht, Sonne und Kometen nach langjährigen Beob⸗ achtungen. Magdeburg, Albert Rathke. 1890. Preis 2 Mark. Der Verfaſſer, welcher in dem Bereiche der Maſchi⸗ nenkunde unzweifelhaft eine Autorität erſten Ranges iſt, hat ſich hier auf ein ihm weniger geläufiges Gebiet be⸗ geben und ſtellt Theorien über die phyſiſche Beſchaffenheit des Zodiakallichtes und der Kometen, ſowie über die Ur⸗ ſache der Sonnenwärme auf, die vor einer wiſſenſchaft⸗ lichen Kritik nicht beſtehen können. Das Zodiakallicht iſt nach dem Verfaſſer ein Teil der irdiſchen Atmoſphäre, der durch die Anziehung des Mondes ſtark in die Höhe ge- hoben wird; — die Sonnenwärme entſteht durch die Ro⸗ tation der Sonne um ihre Achſe, wodurch Strömungen von flüſſigen Sonnenkörpern und Reibungen der einzelnen Teile gegeneinander verurſacht werden; die Form der Kometen „wäre Wahnſinn, wenn ſie dieſelbe wäre, wie ſie unſerem Auge erſcheint“; ſie ſind vielmehr luftförmige Körper von ſphäroidaler Form. „Treten die Strahlen der Sonne in dieſen Himmelskörper ein, ſo können ſie erſt ſichtbar werden in dem dichteren Medium der Mitte des Kometen; ſind ſie dann leuchtend, ſo erhellen ſie in gerader Verlängerung von der Sonne kommend, den hinter dem Zentrum liegenden Teil des Kometenkörpers, und auf dieſe Weiſe erſcheint die bekannte Form des Haarſterns, deſſen Schweif natürlich von der Sonne abgewendet iſt.“ Eine Widerlegung dieſer Sätze müſſen wir uns an dieſer Stelle verſagen, und können dies um ſo eher thun, als der Verfaſſer in ſeiner Schrift nicht einmal den Verſuch einer wiſſenſchaftlichen Beweisführung für die Richtigkeit ſeiner überraſchenden Behauptungen macht. Königsberg. Profeſſor Dr. C. F. W. Peters. J. G. Vogt, Entſtehen und Vergehen der Welt auf Grund eines einheitlichen Subſtanzbegriffes. Leipzig, Oskar Gottwald. 1889. Preis 0,50 M. Obige Schrift gehört in die Kategorie der zahlreichen im Laufe jedes Jahres erſcheinenden Bücher, deren Ver⸗ faſſer eine ganze Reihe aſtronomiſcher und phyſikaliſcher Lehren, deren Richtigkeit ihnen nicht einleuchtet, als ab⸗ ſurd bezeichnen und dafür etwas Beſſeres an die Stelle zu ſetzen vermeinen. In der vorliegenden Schrift wird behauptet, daß, ſo große Mühe man ſich gegeben habe, mit Hilfe des Newtonſchen Gravpitationsgeſetzes die Be⸗ wegungen der Himmelskörper zu erklären, dies doch nur mit Hilfe erzwungener Hypotheſen, durch reine Gewaltakte möglich geweſen ſei. Unter dieſe unberechtigten Hypotheſen rechnet der Verfaſſer namentlich das Geſetz der Trägheit. Er behauptet, ein von der Erde in die Höhe geworfener Stein unterliege der konſtant wirkenden Anziehungskraft der Erde, während nach der Anſicht der Aſtronomen die Planeten für alle Zeiten der konſtant wirkenden Anziehungs⸗ kraft der Sonne ſpotten und ſich vermöge der Tangen⸗ tialkraft, die nicht konſtant iſt, ſondern einem einmali⸗ gen Impuls entſpringt, in ihrer Bahn erhalten. Dieſe einzige Probe dürfte genügen, um zu zeigen, daß der Verfaſſer von den mathematiſchen Geſetzen der Himmels⸗ bewegungen nur die alleroberflächlichſte Vorſtellung hat. Daß es ihm unter dieſen Umſtänden nicht gelungen iſt, etwas Beſſeres an die Stelle der von ihm für unrichtig gehaltenen Lehren zu ſetzen, iſt natürlich, und in der That beſteht der Inhalt des Buches faſt nur in einer großen Menge unerwieſener Behauptungen. Königsberg. Profeſſor Dr. C. F. W. Peters. Mitteilungen der Kommiffion für die geologiſche Tandesunterſuchung von Elſaß Lothringen. Band 2, Heft 1 u. 2. Straßburg i. E., Straß⸗ burger Druckerei u. Verlagsanſt. 1890. Preis 4,5 M. Im erſten Heft behandeln W. Deecke und E. Schu⸗ macher aus dem ſüdlichen Abſchnitt der Vogeſen und aus den Hochvogeſen ähnliche Erſcheinungen, Deecke die Glacial⸗ erſcheinungen im Dollerthal, Schumacher diejenigen im Alfeld bei Sewen, vom Fecht⸗ und Wurmſathal, aus dem oberſten Teile des Münſterthales ꝛc. Aus der letzteren Ab⸗ handlung ſei nur das Vorkommen von parallelen Schrammen, ja ſogar tiefen Furchen auf der abgeſchliffenen Oberfläche des Granites, die gelegentlich der Abdeckung der loſe auflagern⸗ den Schotter beim Alfeldſee ſich zeigten, hervorgehoben. Zu den verſchiedenen Glacialbildungen gehört auch ein Rieſen⸗ topf, ein wahrer Gletſchertopf, der in der Thalſperre des Al⸗ feldſees aufgedeckt worden iſt. Von allgemeinerem Intereſſe ſind die den Vogeſenſeen gewidmeten Auseinanderſetzungen. Nach Diskuſſion aller denkbaren Entſtehungsweiſen kommt Schumacher auf die Vorſtellung, die auch von Gerland und Deecke geltend gemacht wurde, daß nämlich entſprechend der Entſtehungsgeſchichte des Reinthales tektoniſche Vor⸗ gänge zur Bildung der Becken geführt haben. Schu⸗ macher denkt fic) die präglacialen Vogeſenthäler ähnlich wie die heutigen; finden nun in der Richtung von dem Streichen des Gebirges längslaufenden Brüchen öſtlich des Kammes Senkungen ſtatt und hält die Eroſion unter⸗ halb der ſinkenden Scholle mit dieſer Bewegung nicht Schritt, ſo entſtehen Querriegel und dadurch Seen. Solche Seen ſind alſo die oberſten Abſchnitte von früheren Thal⸗ böden. Hierfür wird u. a. der von Deecke beſprochene Sternſee angeführt. In obiger Weiſe wird die Bildung der Vogeſen⸗ ſeen vor der Eiszeit begonnen haben, ihre weitere Aus⸗ bildung aber bis in die Jetztzeit ſortdauern. Der Gla⸗ cialeroſion käme hiernach zur Seebildung höchſtens eine Nacharbeit zu. Das Verſtändnis der Schumacherſchen Abhandlung wird weſentlich durch vier Tafeln, Croquis und Profile darſtellend, erleichtert. In einer weiteren Arbeit E. Schumachers beſchreibt derſelbe die Verbreitung des Sandlöſſes im Elſaß, ſeine lithologiſche Beſchaffenheit und ſeine Fauna (letztere nach Beſtimmung A. Andreäs). In derſelben ſind mehrfach Süßwaſſer-Mollusken, Lim⸗ näen und Planorben vertreten, dann überhaupt aus dem Sandlöß die Pupa columella, eine ausgeſtorbene Schnecken⸗ art. Bezüglich der ſtratigraphiſchen Stellung des Sand⸗ löſſes, als eines unter dem typiſchen Löß liegenden, wohl unterſcheidbaren Horizontes ſtimmen die Beobachtungen Schumachers auch mit den aus dem Rhein⸗Mainthal pub⸗ lizierten des Referenten überein. Einen recht intereſſanten Nachtrag zu ſeiner Mitteilung von einer diluvialen Säuger⸗ fauna von Vöklinshofen im Oberelſaß im 1. Band der Mitteilungen liefert L. Döderlein; im ſelben ſind die wichtigſten Reſte vom Zieſelunterkiefer und Reſte des Rieſenhirſches. Durch dieſen Nachtrag iſt die Specieszahl der Fauna auf 28 geſtiegen. Ueber eine ſonſt ſo ſeltene foſſile Fauna bringt B. Förſter eine vorläufige Mitteilung; er fand in den mitteloligocänen Brunnſtatter „plattigen Steinmergeln“ eine Inſektenfauna, ſo reich, wie ſie ähnlich von Aix bekannt iſt. Die Zahl der Arten iſt bei den Geradflüglern 1, den Wanzen 40, den Käfern 29, den Fliegen 10, den Immen 5, alſo vorderhand 85. Das zweite Heft beginnt mit einer kurzen Mitteilung H. Bückings über das Rotliegende im Breuſchthal, welche das ſchon 1825 von Oeynhauſen, Dechen und Laroche beſchriebene Profil bei Lützelhauſen nach Bückings Begehung nach oben hin ergänzt. Faſt vollſtändig nimmt alſo eine dritte Ab⸗ handlung von E. Schumacher das zweite Heft ein, eine ſehr eingehende Unterſuchung des unteren Muſchelkalkes im nordöſtlichen Deutſch⸗Lothringen. Hiernach unter⸗ ſcheidet Schumacher im unteren Muſchelkalk drei Haupt⸗ abteilungen. Die untere beſteht aus lockeren Mergeln und Thonen mit ſandigen Zwiſchenſchichten, die mittlere aus feſteren ſchiefrigen Mergeln mit eingelagerten Dolomit⸗ bänken, die obere aus Dolomiten und Kalken. Sowohl nach Geſteinsbeſchaffenheit, wie auch nach den in den ein⸗ Humboldt. — Juli 1890. zelnen Schichten enthaltenen Foſſilien ließen ſich inner— halb des durchforſchten Gebietes durchgehende Horizonte feſtſtellen, die, nach jenen als Trochitenzone, Myaciten- bänke, als Terebratel-, Pentacrinus- und Myophorien— ſchichten benannt, eine genauere Gliederung der ganzen Schichtenfolge geſtatteten. Beim Vergleiche dieſer detail— lierten Gliederung und Orientierung für Lothringen mit der Entwickelung des unteren Muſchelkalkes in Südweſt— deutſchland, Franken und Thüringen ſtellte ſich heraus, daß dort und hier faſt übereinſtimmende Verhältniſſe herrſchen, wenn dies auch nicht für die Mächtigkeit der identiſchen Horizonte gilt. Hiernach waren alſo die Vor— gänge, die ſich im triaſiſchen Meere zutrugen, auf eine weite Erſtreckung — zwiſchen Lothringen und Thüringen — faſt dieſelben. Eine Tafel und 2 Tabellen faſſen dieſe Verhältniſſe gedrängt und überſichtlich zuſammen. Frankfurt a. M. Dr. F. Rinkelin. Manx Verworn, Pſychophyſiologiſche Protiſten ſtudien. Jena, G. Fiſcher. 1889. Preis 10 M. Syſtematiſche Studien über die Einwirkung von Sinnes— reizen auf den tieriſchen Organismus und die durch ſie ausgelöſten Bewegungen ſind, ſoweit operative Eingriffe benutzt wurden, bisher faſt nur an Wirbeltieren, und ſoweit Experimente an unverletzten Tieren in Betracht kamen, faſt nur an Inſekten angeſtellt; alles was wir von den Reizreaktionen niederſter Lebeweſen kannten, ſetzte ſich aus zerſtreuten gelegentlichen Bemerkungen von Zoologen und Anatomen zuſammen. Andererſeits iſt es klar, daß für die phylogenetiſche Betrachtung der animalen Funktionen gerade möglichſt genaue Kenntnis der Protiſten von Wich— tigkeit iſt. So iſt es denn als eine weſentliche Bereiche— rung der Pſychophyſiologie zu betrachten, daß Verworn in ſyſtematiſcher Weiſe die Einwirkung aller wichtigen Reize auf die verſchiedenſten Protiſtenformen zum Gegenſtand ſeiner mikroſkopiſchen Experimente wählte. Es zeigte ſich, daß faſt alle Reizqualitäten, welche von den höheren Tieren empfunden werden, auch bei den Protiſten beſtimmte Reak— tionen hervorrufen; nur akuſtiſche Reize haben keine Wir- kung und Licht wirkt nicht auf alle. Einige Einflüſſe wirken in jeder Intenſität, andere erſt von einer verhält— nismäßig hohen Intenſitätsgrenze an. An einer beſtimmten Protiſtenform äußern ſich alle Reizqualitäten faſt ohne Ausnahme in der gleichen Weiſe, und zwar Bewegung erzeugend, verändernd oder hemmend. Bei denjenigen Formen, die eine nackte protoplasmatiſche Körperoberfläche haben, wie die Rhizopoden, äußert ſich die Reizwirkung im allgemeinen in Retraktionen der Pſeudopodien; bei Formen, die von mehr oder weniger dicken Hüllen um— grenzt ſind, wie Flagellaten, Ciliaten u. a., zeigen ſich die Reizwirkungen vornehmlich an Veränderungen des Wimperſchlages. Bezüglich der richtenden Reizwirkung wie fie im Heliotropismus, Thermotropismus, Chemotropis- mus u. a. ſich zeigt, tritt vornehmlich das Reſultat hervor, daß die Intenſität des Reizes häufig entſcheidet, ob poſitive oder negative Bewegungsrichtung eintritt. Neben den mannigfachen Reizbewegungen ſind die verſchiedenartigſten, aber für jede Form charakteriſtiſchen ſpontanen Bewegungen zu beobachten. erden durch mikroſkopiſche Viviſektion Teile von den Tieren abgetrennt, ſo ergibt ſich, daß nach Ueberwindung eines Exeitationsſtadiums mechaniſche, chemiſche und galvaniſche Reize an kernloſen Teilſtücken die gleichen Bewegungserſcheinungen hervorrufen wie am unverletzten Protiſt. Dasſelbe gilt hinſichtlich der ſpon— tanen Bewegung; jedes Protoplasmateilchen iſt ſomit ſelb— ſtändiges Zentrum für die an ihm auftretende Bewegung und die Geſamtbewegung eines Protiſts iſt nur die Summe der vielen kleinen Einzelbewegungen. — Hätte der Verfaſſer ſich auf die Darſtellung der mit Geiſt und Geduld aus— geführten Beobachtungen und Experimente beſchränkt, ſo hätte die Lektüre des Buches bei mir ungeteiltes Lob hervorgerufen, er hat aber dieſe Gelegenheit benutzt, auch ſeine Anſchauungen über Pſychologie, ſpeziell über die phylogenetiſche Entwickelung der Tierſeele vorzutragen. Das ganze Werk iſt dadurch mit pſychologiſchen Betrach— 253 tungen durchwebt und die Beobachtungen über Reizwir— kung am Protiſtenkörper ſind zum Anlaß einer moniſtiſchen ſpekulativen Weltauffaſſung genommen, die niemand dem Phyſiologen verargen wird, ſolange er ſich nur nicht dem Wahn hingibt, dieſelbe phyſiologiſch „beweiſen“ zu können. Von dem üblichen Irrtum, den niederſten Weſen Erkenntnis und Ueberlegung zuzuſchreiben, hält Verworn ſich freilich fern; er bringt im Gegenteil wertvolle Beiträge zu der Thatſache, daß die „Auswahl“ der Nahrung und die „Erbauung“ des Gehäuſes auf einfachſten Vorgängen beruht. Der Grundgedanke ſeiner pſychologiſchen Betrach— tung iſt vielmehr kurz folgender Schluß. Wir finden beim Menſchen neben den bewußten Willenshandlungen noch viele Bewegungen, deren Urſache ein unbewußter pſychiſcher Wille iſt. Nun läßt ſich nachweiſen, daß die Bewegungen der Protiſten zwar nicht den bewußten Willens— handlungen, wohl aber jenen unbewußten vollkommen gleichen. Es muß alſo geſchloſſen werden, daß auch die Protiſten einen Willen, zwar unbewußter, aber doch pſy— chiſcher Natur beſitzen, und da dieſelben Erſcheinungen auch an den einzelnen Teilſtücken ablaufen, ſo kommen pſychiſche Vorgänge nicht nur dem Organismus als ganzem, ſondern auch den einzelnen Molekülen zu. Die Folgerung iſt ſtreng logiſch, nur iſt der Schluß falſch, weil die Vor— ausſetzung einen Irrtum enthält; die vorausgeſetzte That— ſache, daß menſchliche Handlungen von „unbewußten pfy- chiſchen Willensakten“ geleitet werden, iſt ja für manche Metaphyſiker freilich ſelbſtverſtändlich, für den exakten Forſcher aber eine recht bedenkliche oder richtiger ſinnloſe Annahme. Ob ein phyſiologiſcher Vorgang von Bewußtſein begleitet iſt, das kann in der äußeren Betrachtung nicht wahrgenommen werden, denn die Naturwiſſenſchaft ver— langt, daß auch die komplizierteſte Handlung in ihrem wahrnehmbarem phyſiſchen Effekt aus der vorhandenen Organiſation und der geſamten Summe früherer und gegenwärtiger Reize erklärbar ſei, das Eingreifen eines immateriellen pſychiſchen Vorgangs in den Ablauf der materiellen molekularen Vorgänge kann niemals etwas erklären. Wir können die Frage, ob ein zentraler phyſio— logiſcher Vorgang von pſychiſchen Erſcheinungen begleitet iſt, mithin nur aus Analogie mit unſerem eigenen Be— wußtſein erſchließen. Wenn Verworn meint, daß als ſolches Kriterium, ob Bewegungen mit Bewußtſein erfolgen oder unbewußt, auch der Umſtand benutzt werden kann, daß die letzteren „mit maſchinenmäßiger Geſetzmäßigkeit“ er- folgen, ſo überſieht er, daß wir dieſe Geſetzmäßigkeit auch bei den komplizierteſten Willenshandlungen voraus— ſetzen müſſen; auch das entwickeltſte Geſchöpf kann, wenn ein beſtimmter Reizkomplex gegeben iſt, auf denſelben nur in einer einzigen beſtimmten Weiſe reagieren, widrigenfalls die Kette der kauſalen Vorgänge zerriſſen würde. Ob dieſer Reizkomplex aber aus der Annäherung einer Licht— quelle oder aus Milliarden von Reizen beſteht, die ſeit dem erſten Atemzug auf das Geſchöpf einwirkten, das ijt prinzipiell natürlich kein Unterſchied. Genau ſo wenig wie die Geſetzmäßigkeit, iſt, was Verworn ſelbſt zugibt, die Zweckmäßigkeit ein Kriterium des bewußten Vorgangs, da vielmehr darwiniſtiſche Prinzipien es ſelbſtverſtändlich machen, daß überhaupt nur ſolche Vorrichtungen fic ent- wickeln, durch welche ein Reiz zweckmäßig beantwortet, wird; jeder vegetative Bewegungsvorgang iſt auch zweck— mäßig, d. h. für die Erhaltung förderlich, mit dem Be— wußtſein hat die Zweckmäßigkeit nichts zu thun. Es bleibt ſomit in der That als einziger Maßſtab unſere innere Selbſtwahrnehmung übrig; phyſiſche Vorgänge, die wir in uns von inneren Zuſtänden begleitet fühlen, die werden auch, ſo allein dürfen wir ſchließen, bei anderen Geſchöpfen von inneren Zuſtänden begleitet fein, und wir müſſen weiter ſchließen, daß innere pſychiſche Vorgänge dort fehlen, wo wir fie auch bei uns nicht wahrnehmen. Nun iſt unſere innere Wahrnehmung ſelbſtverſtändlich auf bewußte Vor— gänge beſchränkt; der Kreis des Pſychiſchen iſt mithin identiſch mit dem Kreis des Bewußten, die Pſychologie iſt die Lehre von den Bewußtſeinserſcheinungen und un— bewußte pſychiſche Erſcheinungen, alſo unbewußte Bewußt— 254 Humboldt. — Juli 1890. ſeinserſcheinungen find ein innerer Widerſpruch. Die Bewegungen, die vom unbewußten Willen geleitet werden ſollen, ſind Bewegungen, deren zentrale phyſiologiſche Urſachen, der Analogie mit unſerer Selbſtwahrnehmung zufolge, von bewußten, d. h. von pſychiſchen Vorgängen nicht begleitet ſind, im Gegenſatz zu gewiſſen andern, bei denen der nervöſe Zentralvorgang von pſpychiſchen Vorgängen, nicht als treibende Urſache, ſondern als mechaniſch unwirkſame Nebenerſcheinung begleitet wird. Nun behauptet Verworn, daß die Protiſtenbewegung der phylogenetiſche Beginn jener erſten Bewegungsgruppe iſt, bei deren Ablauf der Menſch keine begleitenden Bewußt⸗ ſeinsvorgänge in ſich fühlt; der notwendige Schluß wäre alſo der, daß auch die Protiſten keine pſychiſche Innen⸗ ſeite beſitzen. Ich bin nicht geneigt, dieſen Schluß als erlaubt zuzugeſtehen; er ſcheint mir ebenſo fehlerhaft als der erſte, denn auch die in demſelben verwertete Theſis des Verfaſſers, daß die Protiſtenbewegung ſich mit den bewußten Handlungen des Menſchen nicht vergleichen laſſe, erſcheint mir angreifbar. Der Verfaſſer ſagt nämlich mit Recht, daß bewußte Vorgänge uns nur dort innerlich ge- geben ſind, wo eine Ichvorſtellung exiſtiert, er fügt aber mit Unrecht hinzu, daß eine ſolche Ichvorſtellung bei den Protiſten nicht ſein könne, die pſychiſchen Vorgänge des⸗ halb nicht bewußt, ſondern unbewußt ſeien. Die Abweſen⸗ heit einer Ichvorſtellung folgert er daraus, daß die Summe von Empfindungen, welche der Menſch ſein Ich nennt, durch den Geſichtsſinn zuſammengehalten werde, der Protiſt aber keinen ſolchen zuſammenhaltenden Lichtſinn beſitzt. Würde Verworn die pſychologiſche Analyſe weitergeführt haben, ſo würde es ihm ſchwerlich entgangen ſein, daß der eigentlich zuſammenhaltende Sinn des Ichs nicht das Geſicht, ſondern der Muskelſinn iſt: die Empfindung, welche beim Ablauf der an unſerem Körper auf Reflex⸗ bahnen ausgelöſten Kontraktionen eintritt, das iſt die Grundlage unſerer Ichvorſtellung, und verfolgen wir das phylogenetiſch zurück, ſo widerſpricht nichts der Annahme, daß auch beim Protiſten die von Reizen ausgelöſte Körper⸗ verſchiebung von pfychiſchen Vorgängen begleitet wird, welche ſo ein primitives Ichgefühl und eben damit die bewußte Reizempfindung geſtatten. Auch dieſe Schlußkette iſt problematiſch, weil auch ſie der mehr oder weniger kühnen Analogieſchlüſſe bedarf; es galt nur zu zeigen, wie auf ſolche Weiſe ſchließlich aus denſelben Thatſachen die ver⸗ ſchiedenſten ſich widerſprechenden Schlüſſe abgeleitet werden können, und wie von den verſchiedenen denkbaren Voraus⸗ ſetzungen die des Verfaſſers am wenigſten zuläſſig ſind, weil ſie der inneren Erfahrung widerſprechen. Wer zuerſt dekretiert, daß gewiſſe phyſiologiſche Vorgänge am Menſchen, obgleich ſie nicht von Bewußtſein begleitet ſind, doch von pſychiſchen Vorgängen unbewußter Art begleitet ſeien, der hat es dann natürlich leicht, unter dem Mikroſkop zu ent⸗ decken, daß auch bei den Protiſten pſychiſche Vorgänge vorkommen. Der Mikroſkopiker kann genau wie der phyſio⸗ logiſche Betrachter des Menſchenkörpers immer nur Be⸗ wegungen ſehen, und periphere Bewegungen laſſen immer nur auf zentrale molekulare Bewegungsvorgänge ſchließen; wie weit gewiſſe von dieſen Vorgängen von pſpychiſchen Erſcheinungen begleitet ſind, muß ausſchließlich die Wahr⸗ nehmung unſeres wirklichen Bewußtſeinsinshaltes darthun und nur von ihr aus, nicht von einem unbekannten Un⸗ bewußten, ſind bezügliche Analogieſchlüſſe möglich. Die Pſychologie und die Phyſiologie ſind ſomit zwei ganz geſonderte Wiſſensgebiete; die pſychophyſiologiſche Betrach⸗ tung wird freilich beide Wiſſenſchaften in gleichem Maße verwerten, aber nie wird eine zur Magd der anderen. Wenn die Phyſiologie ihre geſamte Arbeit vollendet hätte, fo würde dadurch allein auch nicht die geringſte pſycholo⸗ giſche Thatſache entdeckt ſein; Bewegungsvorgang und Be⸗ wußtſeinserſcheinung können parallel gehend gedacht werden, dürfen aber nie als identiſch durcheinander gemiſcht werden, und wenn Verworn meint, daß „von manchen Phyſiologen leider die Pſychologie noch immer nicht als Teil der Phyſio⸗ logie anerkannt wird“, ſo muß ich hinzufügen, daß die⸗ jenigen, welche es thun, leider die Pſychologie mit der Gehirnphyſiologie verwechſeln. Wo dieſe Verwechſelung aber eintritt, da wird, wie das vorliegende Buch beweiſt, die ſchönſte exakte Forſchung durch pſychologiſche Speku⸗ lationen beeinträchtigt, welche in der Pſychologie glücklich überwunden ſind und von Phyſiologen wie Pſychologen der Metaphyſik überlaſſen werden ſollten. Freiburg i. B. Dr. Hugo Münſterberg. Bibliograp hi e Bericht vom Monat Mai 1890. Allgemeines. Baumann, J., Naturgeſchichte für den Schulgebrauch. 13. Aufl. Reichen⸗ bach. Frankfurt, Sauerländer. 1,20 M. Brehm, A. E., Vom Nordpol zum Aequator. 1. Lieferung. Stuttgart, Union. 1 M. Dennert, E., Moſes oder Darwin? Entgegnung auf Dr. Dodel⸗Ports gleichnam. Schrift. Berlin, Buchhdlg. d. deutſchen Lehrerztg. 0,30 M. Dreher, E., Ueber das Kauſalitätsprinzip der Naturerſcheinungen mit Bezugnahme auf Dubois⸗Reymonds Rede: Die 7 Welträtſel. Berlin, Dümmler. 1 M. Jahrbuch der Naturwiſſenſchaften 1888—89. Hrsg. von M. Wilder⸗ mann. Freiburg, Herder. 6 M. Lübens, A., Leitfaden f. d. Unterricht in der Naturgeſchichte in Bürger⸗ ſchulen, Realſchulen, Seminarien u. Gymnaſien. 4. Kurſ. II., verb. u. m. zahlreichen weiteren neueren Holzſchn, verſeh. Aufl. Leipzig, Herm. Schultze. 1,50 M. Terks, F., Leitfaden für Botanik und Zoologie in 4 Kurſen. 3. u. 5. Aufl. Leipzig, Klinkhardt. 3,40 M. Weidingers, G., Warenlexikon der chemiſchen Induſtrie u. d. Pharmacie. Mit Berückſicht. der wichtigſten Nahrungs- und Genußmittel. Unter Mitwirkung von Prof. Dr. Joſ. Moeller, Apotheker, Chemiker Dr. Herm. Thoms u. K. Thümmel hrsg. von Prof. Dr. T. F. Hanauſek. 2. gänzl. umgearb. Aufl. Leipzig, Haeſſel. 1 M. Shyſik. Blum, L., Grundriß der Phyſik u. Mechanik für gewerbliche Fortbil⸗ dungsſchulen. 7. Aufl. v R. Blum. Leipzig, Winter. 2.50 M. Crüger, J., Naturlehre file d. Unterricht in d. Elementarſchulen. 19. Aufl. Leipzig, Amelang. 1 M. Emsmann, A. H., Leitfaden f. d. Unterricht in der Phyſik an höheren Schulen. 3. Aufl., bearb. von Gymn.⸗Lehr. Alb. Thiele. Leipzig, O. Wiegand. 1,20 M. Faraday, Mich., Experimental⸗Unterſuchungen über Elektricität. Deutſche Ueberſetzung v. Privatdozent Dr. S. Kaliſcher. Berlin, Springer. 8 M. Kövesligethy, Rud., Grundzüge einer theoretiſchen Spektralanalyſe. Halle a. S., Schmidt. 15 M. Ludwig, Kraftübertragung durch Druckluft. Berlin, Friedländer & Sohn. 0,60 M. Roscoe, H. E., Die Spektralanalyſe in einer Reihe von 6 Vorleſungen m. wiſſenſchaftlichen Beiträgen. 3. 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Nun hat Berberis den Nachteil, nicht überall zur Hand zu ſein und ſehr raſch abzublühen, ſo daß einige Regentage die ganze Demonſtration vereiteln können. Ich glaube deshalb die Aufmerkſamkeit in erſter Linie auf Medi- cago lenken zu dürfen, welches ziemlich den ganzen Sommer an allen Wegen und Stegen blüht. Fährt man mit einer Nadel in den Schlund, dann ſchnellt der Stempel aus dem Kahn nach oben und bleibt gekrümmt. Dieſe Form⸗ änderung erfolgt ſo ſchnell, wie das Schnappen einer Feder. In zweiter Linie möchte ich auf Genista aufmerkſam machen. das ja ebenfalls überall zu haben iſt. Normal ſteht das Segel nach oben, das Schiffchen mit den Flügeln aber horizontal. Fährt man nun mit einer Nadel im geeig⸗ neten Entwickelungsſtadium in den Schlund, dann ſchlägt blitzſchnell der Kahn vertikal nach unten nnd die Flügel öffnen ſich ein wenig. In beiden Fällen kommt der Bauch der honigſammelnden Inſekten urplötzlich mit den Geſchlechts⸗ teilen der Blüte in Berührung. Bei Ginſter iſt der Ver⸗ ſuch wohl mehr in die Augen ſpringend als bei Medi- cago, aber er gelingt nicht jo leicht, weil man an den Ginſterbüſchen gewöhnlich ſchon alle Schiffchen nieder⸗ geſchlagen findet, oder die Blüten ſind noch zu jung und ſchlagen noch nicht nieder. Preßburg. Profeſſor Dr. K. Fuchs. Die hier beſchriebenen Reizerſcheinungen ſtehen im Zu⸗ ſammenhang mit der Befruchtung durch Inſekten. Kirchner in ſeiner vortrefflichen „Flora von Stuttgart und Um⸗ gebung“ (Stuttgart 1888) beſchreibt den Mechanismus folgendermaßen. Die gelben Blüten von Genista tinctoria haben kein Saftmal und ſchnellen bei Inſektenbeſuch elaſtiſch los, ähnlich wie die von Sarothamnus. In der Knoſpe überragen die 5 Staubblätter des äußeren Kreiſes die inneren, und die 4 oberen von ihnen entwickeln ſich zuerſt zur Reife. Alle 10 ſind nebſt dem zwiſchen ihnen hervorragenden Griffel von den beiden Blättern des Schiffchens, die mit ihren oberen und unteren Rändern verwachſen ſind, dicht umſchloſſen. Indem nun die 4 oberen äußeren Staubblätter ihre Antheren nach innen öffnen, bleibt ihr Pollen über dem Griffel liegen und wird durch die ſich ſtreckenden inneren Staubblätter, welche ſchnell die 4 entleerten und verſchrumpften über⸗ wachſen, in den vorderſten Teil des ebenfalls noch wach⸗ ſenden Schiffchens geſchoben. Das unterſte, gerade unter dem Griffel liegende der 5 äußeren Staubblätter wächſt mit den fünf inneren heran und öffnet ſeine Anthere mit dieſen. Das Aufſpringen der letzten Antheren erfolgt kurz vor dem Entfalten der Fahne; das Schiffchen hält ſich jetzt durch das Gleichgewicht zweier nach entgegenge⸗ ſetzten Seiten gerichteten Spannungen in wagerechter Lage: die Geſchlechtsſäule iſt aufwärts geſpannt, ſo daß ſie von den umgebenden Blättern befreit, bis an die ſenkrecht aufgerichtete Fahne emporſchnellt; die Nägel der beiden Blätter des Schiffchens und der mit ihnen in ähnlicher Weiſe wie bei Sarothamnus verbundenen Flügel find dagegen abwärts geſpannt, ſo daß ſie von der Federkraft der Geſchlechtsſäule befreit, ſich plötzlich nach unten krüm⸗ men und Flügel und Schiffchen in eine ſenkrecht nach unten gerichtete Lage verſetzen. Solange die oberen Ränder des Schiffchens zuſammenhaften und die Einſackungen der Flügel über der Geſchlechtsſäule ſich berühren, halten fich dieſe entgegengeſetzten Spannungen im Gleichgewicht; ſtützt ſich aber ein Inſekt auf die Flügel, während es den Kopf unter die Fahne zwängt, ſo gleiten die Einſackungen der Flügel beiderſeits von der Geſchlechtsſäule herunter, gleich⸗ zeitig ſpaltet ſich die obere Naht des Schiffchens von hinten nach vorn, und ſobald der Spalt die Spitze des Schiffchens erreicht hat, ſchnellen die geſpannten Blüten⸗ teile auseinander. Sitzt ein Inſekt auf den Flügeln, ſo drückt die aufwärts ſpringende Griffelſpitze den Pollen, und dicht vor demſelben die Narbe an die Unterſeite des Tieres; iſt dasſelbe ſchon von einer anderen Blüte her mit Pollen behaftet, ſo erfolgt Fremdbeſtäubung, andern⸗ falls Selbſtbeſtäubung, wenn das Tier ſich aus der Blüte zurückzieht. Spontanes Losſchnellen und ſpontane Selbſt⸗ beſtäubung ſcheinen nicht zu erfolgen. Außer von Honig⸗ bienen werden die Blüten auch von anderen Apiden, ferner von Dipteren, Schmetterlingen und Käfern beſucht. Die Blüten von Medicago sativa find 7—11 mm lang, hell oder dunkler violett gefärbt, an der gewöhn⸗ lichen Stelle Nektar abſondernd, und mit elaſtiſch los⸗ ſchnellenden Geſchlechtsorganen. Die für die Exploſion erforderliche Federkraft liegt hier ausſchließlich in den oberen Staubfäden, die Hemmung, durch welche die Geſchlechtsſäule bis zu einem Inſektenbeſuch im Schiffchen zurückgehalten wird, iſt eine doppelte: in der oberen Baſalecke der Schiff⸗ chenblätter befinden ſich 2 nach vorn gerichtete Ein⸗ ſackungen, welche ſich dicht nebeneinander legen und die Geſchlechtsſäule in deren vorderer Hälfte von oben umfaſſen, in ſie paſſen 2 noch tiefere Einſackungen der Flügel hinein; außerdem entſendet jeder Flügel an der Baſis ſeines oberen Randes noch einen langen, fingerförmigen Fortſatz nach hinten, beide Fortſätze krümmen ſich in der Weiſe nach oben und innen, daß ſie die Geſchlechtsſäule etwa in einem Drittel ihrer Länge von oben umfaſſen. Beim Herabdrücken von Flügeln und Schiffchen ſchnellt die Ge⸗ ſchlechtsſäule gegen die Unterſeite des Leibes oder des Rüſſels eines beſuchenden Inſektes, und zwar berührt die am weiteſten vorragende Narbe dieſelbe zuerſt, und be⸗ haftet ſich, falls das Inſekt ſchon andere Blüten beſucht hatte, mit Pollen. Bei den zuerſt von einem Inſekt be⸗ ſuchten Blüten iſt Fremdbeſtäubung natürlich ausgeſchloſſen, und es tritt Selbſtbeſtäubung ein, wenn ſich das Inſekt aus der Blüte zurückzieht. Ein Zurückkehren der losgeſchnellten Geſchlechtsſäule in das Schiffchen iſt nicht möglich, dieſelbe bleibt der Fahne angedrückt und iſt damit einem weiteren Einwirken von Inſekten entzogen. Spontane Selbſtbeſtäubung, welche ohne Losſchnellen bei Ausbleiben von Inſektenbeſuch erfolgt, iſt von Fruchtbarkeit begleitet. Beſucher ſind Apiden und Schmetterlinge; unter den erſteren bewirkt die Honigbiene kein Losſchnellen, da ſie den Rüſſel ſeitlich neben einem Flügel in den Blütengrund ſenkt. D. Zu Frage 2. Das Wälzen der Hunde auf toten Mäuſen, Maulwürfen, Aas, Luder, tieriſchen Exkrementen (Schaf miſt) dürfte wohl durch den ammoniakaliſchen Geruch dieſer Stoffe zu erklären ſein. Beiſpielsweiſe iſt es mir als Forſtmann aufgefallen, wie ſich der eine oder andere meiner Hunde oftmals gern mit alten Lappen be⸗ ſchäftigt hat, die zuvor mittels Salmiak zum Beſeitigen von Zeugflecken benutzt waren. Inwieweit die Beimiſchung anderer Gerüche mit Am⸗ moniak den Hunden willkommen iſt, dürfte aus der Verſchiedenartigkeit der vorerwähnten Stoffe hervorgehen, unter denen tote Mäuſe, Maulwürfe, Schweine- und Schaf⸗ dünger die erſte Stelle einnehmen. Letztere beiden werden auch wohl verſchluckt. Braunſchweig. O. Achilles. Ueber pyromagnetiſche Maſchinen. Von Direktor Dr. J. G. Wallentin in Troppau. ekanntlich iſt die ſogenannte Permeabi— lität des Eiſens und anderer Subſtanzen, d. i. die Leitungsfähigkeit dieſer Sub— — ſtanzen für die magnetiſchen Kraftlinien, eine von der Temperatur der betreffenden Subſtanzen abhängige Größe, inſofern im allgemeinen dieſelbe mit zunehmender Temperatur abnimmt. So wurde nach den neueren Unterſuchungen Berſons gefunden, daß die Permeabilität des Eiſens innerhalb der Temperaturgrenzen O° und 350° unabhangig von der Temperatur ijt, für höhere Temperaturen aber eine beträchtliche Verminderung erfährt. Bei den beiden anderen paramagnetiſchen Metallen Kobalt und Nickel finden die Variationen der Permeabilität raſcher als bei Eiſen ſtatt. Die Verſuche Berſons haben gezeigt, daß die Geſamtmagnetiſierung zuerſt langſam für Nickel bis ungefähr 200° wächſt, dann geringer wird, und bei der ungefähren Temperatur von 340° verſchwindet. Es iſt von mehreren Phyſikern die Veränderlichkeit der Permeabilität des Eiſens mit der Temperatur be— nutzt worden, um Induktionsſtröme zu erzeugen, andererſeits, um dynamiſche Erſcheinungen hervorzu— rufen. Wenn nämlich um einen weichen Eiſenſtab eine Drahtſpirale geführt wird, und das Syſtem in einem magnetiſchen Felde ſich befindet, ſo wird bei Erwärmung des Eiſens eine Veränderung der Zahl der durch dasſelbe gehenden Kraftlinien eintreten und in der Drahtſpirale ein induzierter Strom entſtehen. Bei der Abkühlung des Eiſenſtückes nimmt die Per⸗ meabilität zu, und es entwickelt ſich ein Strom von entgegengeſetzter Richtung. Daraufhin hat Ediſon ſeine vielbeſprochene „pyromagnetiſche Maſchine“ konſtruiert. — Schwedoff hat im Jahre 1886 einen pyromagnetiſchen Motor konſtruiert: Ein Eiſenring war um eine durch ſeinen Mittelpunkt Humboldt 1890. gehende vertikale Achſe drehbar; wird demſelben von der Seite ein Magnetpol genähert, und die eine Ringhälfte erwärmt, ſo fängt der Ring zu rotieren an, da die jeweilig erwärmten Teile des Eiſenringes durch den Magnetpol nicht beeinflußt werden, wäh— rend in den kälteren Teilen des Ringes Magneti— ſierung und Anziehung ſtattfindet. Derartige Ver— ſuche wurden übrigens ſchon früher von Gore (1870), Houſton und Elihu Thomſon (1879), Mace Gee (1884) und anderen Phyſikern angeſtellt. Alle dies- bezüglichen Erſcheinungen werden durch die funda— mentale Thatſache erklärt, daß ein Körper, der im magnetiſchen Felde drehbar iſt, ſich ſo einſtellt, daß die Anzahl der in ihn eintretenden Kraftlinien einen größten Wert erlangt. Am einfachſten kann das Prinzip der thermo— magnetiſchen Motoren in folgender Weiſe gezeigt werden: An einem Drahte iſt eine Eiſenkugel be— feſtigt, welche der Aktion eines Bunſenbrenners aus— geſetzt wird. Ein Magnet ſucht die Kugel in den Mittelpunkt der Flamme zu ziehen; dieſelbe erwärmt ſich, verliert einen bedeutenden Grad ihrer Permea— bilität, und entfernt ſich vom Magnetpole, kühlt ſich ab, erlangt nun wieder einen größeren Grad der Permeabilität, wird infolgedeſſen wieder gegen die Flamme gezogen u. ſ. w. Es iſt der beſchriebene Apparat ein thermomagnetiſches Pendel im wahrſten Sinne des Wortes. Wenn die Flamme entfernt iſt, die Eiſenkugel von dem Magnet ange— zogen wird, ſo iſt eine beſtimmte Arbeitsleiſtung not- wendig, um die Kugel aus dem magnetiſchen Felde des anziehenden Körpers in die Unendlichkeit zu ent— fernen, welche bekanntlich durch das magnetiſche Potential des Magnetſtabes auf die Kugel gemeſſen wird; dieſe Arbeit kann man durch die Erwärmung der Eiſen— kugel erſetzen; wird die letztere erwärmt, ſo iſt eine 33 258 Humboldt. — Auguſt 1890. Entfernung derſelben aus dem magnetiſchen Felde ohne Arbeitsleiſtung möglich. Es iſt ſomit die Er⸗ wärmung der Kugel der Arbeitsleiſtung bei der Ent⸗ fernung der nicht erwärmten Kugel aus dem mag⸗ netiſchen Felde äquivalent. Ein derartiges Räſonne⸗ ment könnte zur Beſtimmung des mechaniſchen Wärmeäquivalentes führen, wenn man gleich— zeitig auf die in der Kugel auftretenden Foucaultſchen Ströme Rückſicht nehmen würde. Stefan hat im Jahre 1888 einige thermomagne— tiſche Motoren konſtruiert, welche als Vorleſungs— apparate gute Dienſte zu leiſten berufen ſind. Er fand bei der Wiederholung der Schwedoffſchen Ver⸗ ſuche die Schwierigkeit in der Thatſache, die Eiſen⸗ bleche, welche angewendet wurden, raſch genug bis zur Rotglut zu er⸗ hitzen. Nach den 6. Forſchungen |! Berſons 1 8 Nickel eine Mag⸗ \-- netiſierbarkeit, die ſehr lang⸗ ſam bis etwa 220° anſteigt, dann aber lang⸗ ſam, zuletzt ſehr raſch abnimmt; bei 330° erweiſt ſich dieſes Me⸗ tall als unmag⸗ netiſch. Aus dieſem Grunde fand Stefan es vorteilhaft, die Verſuche mit Nickelapparaten auszuführen, und wir geben von den⸗ ſelben einige an. Im thermomagnetiſchen Pendel verwendet er ein Meſſingrohr von dünner Wandung, deſſen Durchmeſſer 4 mm beträgt, und bringt an demſelben ein Nickelblech als Pendellinſe an; das⸗ ſelbe iſt kreisförmig gekrümmt, ſo daß ſowohl der Mittelpunkt des Bleches als auch das Zentrum des Kreiſes auf der Pendelachſe ſich befinden. Um die Schwingungsdauer zu regulieren, wurde das Meſſing⸗ rohr über die Drehungsachſe hinaus verlängert und auf dieſer Verlängerung ein Laufgewicht angebracht. Bei ruhigem Pendel befindet ſich die Mitte des Nickel⸗ bleches zwiſchen oder etwas oberhalb der Schenkel eines permanenten Magnetes. Wird ein ſeitlicher Teil des Nickelbleches erwärmt, ſo tritt ein Heraus⸗ drängen der erhitzten Blechteile durch die kälteren aus dem magnetiſchen Felde ein. Solange die An⸗ ziehung des Magnetes auf den noch kalten Teil des Bleches größer als das Gewicht desſelben iſt, tritt eine Erhebung des Pendelkörpers ein; dann ſinkt das Pendel gegen die Ruhelage zurück, es treten zunächſt unregelmäßige Bewegungen ein, und ſchließlich bleibt Fig. 1. Ediſons pyromagnetiſcher Motor. das Pendel, ſolange die Wärmequelle vorhanden iſt, in ſchwingender Bewegung. Beim Entfernen der Wärmequelle kommt das durch den Magnet ſtark gedämpfte Pendel ſehr bald zur Ruhe. Den eben beſchriebenen Apparat hat Stefan auch als Wage verwendet und mit demſelben dargethan, daß die Kraft, welche die Pole des Magnetes auf den Nickel⸗ ſtreifen ausüben, von der Temperatur abhängig iſt; er konnte auf dieſe Weiſe das Verhalten des Nickels am deutlichſten demonſtrieren. Das von Stefan konſtruierte thermomagne— tiſche Rad beſteht aus einem kreisförmig gebogenen Nickelſtreifen, deſſen Zentrum und Schwerpunkt in die horizontale Drehungsachſe fällt. Befindet ſich das Rad zwiſchen den Polen eines magnetiſchen Feldes, und wird es auf der einen Seite der Mittellinie er⸗ wärmt, ſo kommt es, ſo⸗ lange dieſe Er⸗ wärmung dauert, in kon⸗ tinuierliche Ro⸗ tation, es wer⸗ den nämlich fortwährend die kalten Stellen des Rades in das magnetiſche Feld hineinge- zogen. Die Di⸗ menſionen eines ſehr gut funk⸗ tionierenden Apparates dieſer Art werden von Stefan wie folgt angegeben: Der Durchmeſſer des Nickelrades beträgt 16 em, die Speichen desſelben ſind dünne Meſſing⸗ röhren, das Blech ſelbſt beſitzt die Dicke von 0,3 mm und die Breite von 27mm. Es wurden auch der⸗ artige Apparate aus Eiſen konſtruiert, welches zum Zwecke einer raſchen Verſetzung in Rotglut nicht in Blechform, ſondern in Streifen, die aus einem Draht⸗ netze geſchnitten waren, verwendet wurde. Die erwähnten Apparate dienen dazu, das Prin⸗ zip der pyrodynamiſchen Motoren zu erläutern, und deren Wirkungsweiſe zu illuſtrieren. Von der Eigenſchaft der paramagnetiſchen Metalle, durch Temperaturveränderungen Veränderungen der mag⸗ netiſchen Permeabilität zu erleiden, hat Ediſon im Jahre 1887 zur Konſtruktion ſeines pyromagneti⸗ ſchen Motors Gebrauch gemacht, den wir im folgen⸗ den im Querſchnitt (Fig. 1) und in der Seiten⸗ anſicht (Fig. 2) darſtellen. Ein Elektromagnet NS wird durch eine beſondere Stromquelle erregt; in dem dadurch erzeugten magnetiſchen Felde iſt um eine Achſe aa eine Armatur drehbar, welche aus einem Syſtem Humboldt. — Auguſt 1890. 259 von dünnwandigen Eiſenröhren hergeſtellt iſt. Die Achſe ſchneidet die Kraftlinien des magnetiſchen Feldes ſenk— recht. Die erwähnten Eiſenröhren ſind oben und unten durch Scheiben verbunden. Das Syſtem iſt über einem Ofen angebracht, ſo daß die aufſteigenden Luftſtröme die Eiſenröhren bis zur Rotgluthitze brin— gen können; die zur Verbrennung erforderliche Luft ſteigt durch den zentralen Teil der Röhren nieder. Um die eine Hälfte des Röhrenſyſtems zu erwärmen, den anderen Teil derſelben abzukühlen, befindet ſich ein Schirm diametral durch den Röhrenkörper aufgeſtellt. Es entſteht eine Drehung des pyromagnetiſchen Mo— tors, wenn der Schirm nicht vollkommen ſymmetriſch zu den Magnetpolen aufgeſtellt iſt, denn in dieſem m Vor III Fig. 3. Ediſons thermomagnetiſcher Stromerzeuger. Falle werden die kühleren Eiſenmaſſen ſtärker von dem Magnetpole angezogen, der ihnen zunächſt ge— legen iſt, während die wärmeren von dem entgegen— geſetzten Pole nicht ſo ſtark angezogen werden. Ein Ediſonſcher Motor dieſer Art, der mit zwei Bunſen— ſchen Brennern geheizt wurde, lieferte eine Arbeits— leiſtung von 1,67 mkg in der Sekunde. Da die Erwärmung und Abkühlung der Eiſenkerne langſamer vor ſich geht als die Magnetiſierung und Entmag— netiſierung einer Dynamomaſchine, ſo iſt die Rota— tionszahl, d. i. die in der Zeiteinheit ausgeführte Anzahl der Umdrehungen der Armatur eine be— ſchränkte. Bekanntlich iſt jeder elektriſche Motor rever— ſibel, und es kann durch geeignete Anordnung der ein— zelnen Organe aus einem Motor ein Strom— generator gemacht werden. Die Dynamomaſchine einmal als Stromquelle, ein andermal als Trieb— maſchine angewendet, liefert wohl eines der be— kannteſten und glänzendſten Beiſpiele dieſer Art. Ediſon unternahm auch die Konſtruktion eines thermomagnetiſchen Stromerzeugers. In demſelben werden vier Elektromagnetpaare radial an— geordnet; zwiſchen denſelben befinden ſich acht Rollen aus gewelltem Eiſendraht, welche ihrerſeits von So— lenoidwindungen umgeben ſind. Wird der heiße Luftſtrom einſeitig durch die Rollen geleitet, ſo findet eine Rotation derſelben ſtatt, und es entſtehen in den Solenoidwindungen induzierte Ströme. Die Sole— noidſtröme von je zwei gegenüberſtehenden, ungleich erwärmten Rollen werden durch eine Rommutationsvor- richtung vereinigt und gleichgerichtet. Der Schirm, welcher den kontinuierlichen Wechſel von Erwärmung und Abkühlung beſorgt, rotiert und beſitzt eine halb— kreisförmige Geſtalt. Ueber 125 Touren ſoll Ediſon nicht erreicht haben. Solche thermomagnetiſche Strom— generatoren würden — auch nach Ediſons Anſicht — bei gleicher Leiſtung viel ſchwerer ausfallen als Dynamomaſchinen; ſo würde eine vierpferdige pyro— magnetiſche Maſchine ein Gewicht von 2 bis 3 Tonnen erreichen. Von Intereſſe für die Geſchichte der pyromag— netiſchen Maſchine dürfte es ſein, daß der Ingenieur J. Popper bereits vor Ediſon den Plan einer ſolchen Maſchine durchdachte und einem engeren Kreiſe mit— teilte, daß ferner der Wiener Phyſiker Stefan be— reits im Jahre 1871 ſich mit dieſem Gegenſtand ge— legentlich einer Arbeit über die elektrodynamiſche Induktion beſchäftigte. Es iſt im Anſchluſſe an dieſe Arbeit von nicht geringem Belange, darzuthun, daß Eiſen im magnetiſchen Felde eine größere Wärme— kapazität als außerhalb desſelben beſitzt, wie folgende Betrachtung lehrt. Wird eine Eiſenkugel im unmag— netiſchen Felde auf eine beſtimmte Temperatur er— wärmt, ſo wird hierzu eine beſtimmte Wärmemenge erfordert. Wenn die Temperaturſteigerung ſo be— deutend iſt, daß die Magnetiſierungsfähigkeit des Eiſens Null wird, ſo wird auch im magnetiſchen Felde die Kugel ohne Arbeitsleiſtung aus demſelben geführt werden können; während die der Kugel im unmagnetiſchen Felde zugeführte Wärme, welche zur Erlangung einer gewiſſen Temperatur erforderlich war, lediglich zur Erhöhung der lebendigen Kraft der Moleküle und zur Ueberwindung des äußeren Druckes bei der Expanſion der Kugel und auch zur Leiſtung der ſogenannten inneren Arbeit bei der Ent— fernung der Moleküle voneinander diente, kommt bei der Erwärmung derſelben Eiſenkugel bis zur gleichen Temperatur im magnetiſchen Felde auch noch die Arbeit hinzu, die jener Arbeit äquivalent iſt, welche bei der Attraktion der kalten Kugel an den Magnet gewonnen wurde. Es iſt ſomit die Erwärmung der Eiſenkugel bis zu einer beſtimm⸗ ten Temperatur im magnetiſchen Felde größer als die Erwärmung derſelben Kugel bis zur gleichen Temperatur im unmagnetiſchen Felde, d. h. die Wärmekapazität des Eiſens im magnetiſchen 260 Felde tft bedeutender als jene im unmagne⸗ tiſchen Felde. Wenn auch die bisher gehegten Hoffnungen auf eine gewiſſe Leiſtungsfähigkeit der thermomagnetiſchen Motoren ſich nicht verwirklicht haben, ſo bleibt doch der denſelben zu Grunde liegende Gedanke originell, Humboldt. — Auguſt 1890. und iſt insbeſondere von dem Standpunkte der Natur⸗ forſchung aus nicht von der Hand zu weiſen; die Technik hat in derartigen Fragen nur weiter aufzubauen und das von der Naturforſchung überkommene Ma⸗ terial in der geeignetſten, d. i. bequemſten und billig⸗ ſten Weiſe zu verwerten. Die Akklimatiſation ſubtropiſcher Pflanzen. Don Dr. Udo Dammer in Berlin. s iſt eine in der Geſchichte des Gartenbaues auf⸗ fallende Thatſache, daß man der Akklimatiſation der Pflanzen wärmerer Länder an unſer Klima im großen und ganzen nur ſehr wenig Beachtung ge- ſchenkt hat. Wenn man früher der Anſicht war, daß jede Pflanze, welche in unſere Gewächshäuſer einge⸗ führt wurde, nun hier bei uns auch eine ebenſo hohe Temperatur verlange, wie in der Heimat, ſo vernach⸗ läſſigte man bei dieſer Schlußfolgerung den Umſtand, daß Licht und Wärme in korrelativem Verhältnis zu einander ſtehen müſſen, daß die Pflanzen in ſüdlichen Breiten neben der höheren Temperatur gleichzeitig eine intenſivere Lichtzufuhr erhalten. Kultivierte man damals tropiſche Pflanzen in ſehr warmen Gewächs⸗ häuſern, ſo durfte man ſich nicht wundern, daß, wie es thatſächlich der Fall war, Tauſende und Aber⸗ tauſende von neu eingeführten Gewächſen kränkelten und meiſt nach kurzer Zeit zu Grunde gingen. Erſt ſeitdem man eingeſehen hat, daß nur tropiſche Schatten⸗ pflanzen einer ſehr hohen Temperatur bedürfen, daß aber tropiſche Lichtpflanzen, wenn ich ſo ſagen darf, in unſeren Breiten eine niedrigere Temperatur ver⸗ langen, und man demgemäß die Pflanzen der letzteren Kategorie kühler kultiviert, ſind die Mißerfolge ge⸗ ringer geworden. Jede Pflanze bedarf zu ihrem Gedeihen eine be⸗ ſtimmte Wärmemenge, welche einmal ſpezifiſch feſt⸗ ſtehend ijt, d. h. welche für die Art als ſolche ge- wiſſe Grenzen nicht überſteigen darf; dann aber auch noch individuell variabel iſt inſofern, als ſie inner⸗ halb der ſpezifiſchen Grenzen für die einzelnen Indi⸗ viduen der Art Verſchiedenheiten zeigt. Die Grenze, welche nach unten hin nicht über⸗ ſchritten werden darf, bei der die Vegetation der Art beginnt, nennt man das ſpezifiſche Temperaturminimum der Art; die Grenze nach oben hin, jenſeits der die Vegetation aufhört, das ſpezifiſche Temperaturmaxi⸗ mum. Als ſpezifiſches Optimum endlich bezeichnet man diejenige Temperatur, bei welcher die Wachs⸗ tumsenergie ihren Höhepunkt erreicht. Dieſe drei Zahlen ſind verſchieden für die einzelnen Pflanzenarten. Das Minimum liegt für viele Pflanzen wenig über dem Gefrierpunkte, ſteigt aber bei anderen Pflanzen zu erheblicher Höhe. Es iſt bei Pflanzen, welche ausdauernd ſind, im allgemeinen niedriger als bei einjährigen und ſteht bei jenen oft in direktem Verhältnis zur mittleren Frühjahrstemperatur des Heimatlandes der Pflanze. Bei einjährigen Pflanzen dagegen liegt es oft höher als bei ausdauernden Ge⸗ wächſen desſelben Landes. Es macht ſich dies nament⸗ lich bei nordiſchen Gewächſen bemerkbar. Wenn bereits eine ganze Anzahl perennierender Pflanzen weit ent⸗ wickelt iſt, iſt die Zahl der einjährigen Pflanzen noch ſehr gering. Dieſer Unterſchied tritt ſchon in unſeren Breiten zu Tage. Der aufmerkſame Natur⸗ beobachter wird in jedem Frühjahre eine Beſtätigung dieſes Satzes finden. Wie das ſpezifiſche Minimum, ſo iſt auch das ſpezifiſche Optimum verſchieden für die einzelnen Arten. Es ſteht aber in korrelativer Beziehung zum Lichte, ſo zwar, daß es mit der Lichtzunahme ſteigt, mit der Lichtabnahme fällt. Das ſpezifiſche Maximum endlich iſt zwar eben⸗ falls variabel, liegt aber meiſt ſo hoch, daß es nur ſelten von der Lufttemperatur erreicht wird, deshalb hier vernachläſſigt werden kann. Von großer Wichtigkeit iff nun für die Akkli⸗ matiſation der Pflanzen, daß innerhalb der ſpezifiſchen Wärmegrenzen noch individuelle Grenzwerte exiſtieren. Das Individuum A beginnt z. B. ſeine Vegetation bereits, wenn das Individuum B noch ruht, erſteres beſitzt alſo ein niedrigeres Minimum als letzteres. Von dieſer Thatſache kann man ſich in jedem Früh⸗ jahre mit Leichtigkeit z. B. in einer Allee von Roß⸗ kaſtanien (Aesculus Hippocastanum) überzeugen. Man wird da nicht ſelten zwei unmittelbar neben⸗ einander ſtehende Bäume finden, von denen der eine bereits ſeine jungen Blätter aus den Knoſpen hervor⸗ geſchoben hat, während der andere eben beginnt, die Knoſpenſchuppen zu rücken. Wer nur einigermaßen mit offenen Augen in Feld und Wald, im Park oder kleinen Garten Umſchau hält, wird zur Frühlingszeit Belege hierfür finden. Man darf indeſſen nicht dieſe individuelle Variabilität mit dem, im Effekt zwar gleichen, verſchiedenen Treiben der Pflanzen gleicher Art unter verſchiedenen äußeren Verhältniſſen ver⸗ wechſeln. Nur dann, wenn zwei Individuen unter gleichen äußeren Verhältniſſen ſich verſchieden ver⸗ halten, iſt thatſächlich eine Variabilität vorhanden. Für die Akklimatiſation der Pflanzen ſind nun folgende Momente von Bedeutung. Das ſpezifiſche Wärmeminimum kann durch richtige Ausleſe herab⸗ gedrückt werden. Das Optimum, welches, wie wir bereits ſahen, in Korrelation zum Lichte ſteht, iſt eben⸗ Humboldt. — Auguſt 1890. falls einer Verminderung fähig. Endlich drittens: die Pflanze bedarf für die verſchiedenen Phaſen ihrer Ent⸗ wickelung beſtimmter Wärmemengen. Wenden wir uns zunächſt dem erſten Punkte zu. Wie jede einer Variation unterworfene Eigenſchaft einer Pflanze, ſo iſt auch die Empfindlichkeit der Pflanzenſubſtanz gegen die Temperatureinflüſſe erb- lich. Wählt man aus einer Anzahl Individuen der— ſelben Art diejenigen aus, welche das niedrigſte Tem— peraturminimum verlangen, ſo wird wenigſtens ein Teil der Nachkommen derſelben ſich mit demſelben Minimum begnügen. Unter ſich werden die Nach— kommen ſich verſchieden verhalten, ihre Empfindlichkeit gegen niedrige Temperatur wird variieren. Der Prozentſatz derjenigen, welchen ein niedriges Mini— mum genügt, wird aber bei ihnen größer ſein, als bei den Nachkommen jener Individuen, welche ein höheres Minimum beanſpruchten. Es kann aber ferner leicht der Fall eintreten, daß infolge der Variabilität ſich unter den Nachkommen der erſten Gruppe einzelne Individuen finden, die ihre Vegetation abnormer Weiſe, wenn man fo will, bereits bei einer Temperatur be- ginnen, welche unter dem ſpezifiſchen Minimum liegt. Nachkommen dieſer Individuen werden nach bekannten Erbſchaftsgeſetzen eines relativ niedrigen Minimums bedürfen. Durch geeignete Zuchtwahl kann man all— mählich unter Berückſichtigung dieſes Faktors das ſpezi⸗ fiſche Wärmeminimum um einige Grade herabdrücken und vice versa. Wir werden noch einmal Gelegenheit finden, auf dieſen Punkt zurückzukommen. Das für das Minimum Geſagte gilt nun im all— gemeinen auch für das Optimum. Auch dieſes iſt individuell variabel, erblich. Es kann ebenfalls durch geeignete Ausleſe erniedrigt reſp. erhöht werden. Es iſt aber, wie wir bereits früher erwähnten, abhängig vom Lichte. Dieſer Faktor iſt für die Akklimatiſation von höchſter Bedeutung, denn er ermöglicht es, die Erniedrigung des Optimums zu beſchleunigen. Der dritte Punkt endlich, der für die Akklimati⸗ ſation der Pflanzen von hoher Bedeutung iſt, iſt der, daß die Pflanze für die verſchiedenen Phaſen ihrer Entwickelung verſchiedener, beſtimmter Wärmemengen bedarf. Auch dieſe einzelnen Wärmemengen ſind für die verſchiedenen Individuen verſchieden, ſie ſchwanken innerhalb gewiſſer Grenzen. Das Bedürfnis der Pflanzen für dieſelben unterliegt denſelben Geſetzen wie Minimum und Optimum für die ganze Vegetations— periode: es ijt erblich und läßt fic) durch geeignete 3ucht- wahl erniedrigen und erhöhen. Durch die Zuchtwahl werden „Raſſen“ erzielt, welche ſich unter ſich ſo ver— ſchieden verhalten, wie die Individuen der Art im wilden Zuſtande. Bekannte Beiſpiele liefern Getreide und Obſt. Aufgabe der Akklimatiſation ijt es nun, Raſſen zu züchten, welche unſerem Klima angepaßt ſind. Da die Pflanzen wärmerer Länder oft einer geringeren Ruheperiode bedürfen, als ſie durch unſeren Winter erhalten, ſo kommt es zunächſt darauf an, eine Raſſe zu züchten, welche eine möglichſt lange Ruheperiode hat. Daß dieſe Ruheperiode nicht allein von der Temperatur abhängig iſt, daß ſie vielmehr auch durch 261 andere Faktoren beſtimmt wird, wie Licht und Feuchtig— keitsgehalt der Luft, davon legen unſere Gewächs— hauspflanzen Zeugnis ab. Eine Pflanze, welche einer beſtimmten Ruheperiode bedarf, wird dieſelbe inne— halten und nicht eher austreiben, als bis dieſelbe ab— gelaufen iſt. Wir finden, daß ſolche Pflanzen in den Gewächshäuſern oft monatelang unter nahezu gleichen Verhältniſſen ſtehen können, ohne zu treiben, und dann plötzlich zu treiben beginnen, obwohl ſich die Tempe— ratur und der Feuchtigkeitsgehalt der Luft nicht ge— ändert haben. Da nur die der Pflanze zugeführte Lichtmenge ſich geändert hat, muß die Ruheperiode bei dieſen Pflanzen vom Lichte abhängig ſein. Anderer— ſeits zeigen andere Pflanzen, daß der Feuchtigkeits- gehalt der Luft wie des Erdreiches beſtimmend für die Ruheperiode ſind. Daß jedoch auch noch andere Faktoren mit im Spiele ſein können, lehrt die auf— fallende Thatſache, daß Pflanzen Südamerikas, des Kaplandes und Auſtraliens vielfach ihre Ruheperiode den Monaten nach, nicht aber den entſprechenden Jahreszeiten nach innehalten. Sie beginnen bei uns zu treiben, wenn der Herbſt, der ja dem Frühling in ihrer Heimat der Zeit nach entſpricht, beginnt, und ſie beenden ihre Vegetationszeit in unſerem Frühjahre! Indeſſen gelingt es bisweilen, namentlich dann, wenn man die Pflanzen aus Samen heranzieht und die Ausſaat ſo einrichtet, daß die Samen erſt im Frühjahr keimen, die Vegetationsperiode dieſer Gewächſe zu ändern. Viel gefährlicher iſt das Experiment, die Ruheperiode durch Trockenheit zu verlängern. Weit beſſere Reſultate erreicht man in dieſer Hinſicht, wenn man das Austreiben durch niedrige Temperatur zurück⸗ hält. Durch die Verlängerung der Ruheperiode wird erreicht, daß die Pflanzen erſt dann austreiben, wenn keine ſtrengen Fröſte mehr zu befürchten ſind. In unmittelbarer Beziehung hiermit ſteht die Erniedrigung des Minimums, bei welchem die Pflanze noch gedeihen kann. Alsdann muß die Zuchtwahl ihr Augenmerk darauf richten, daß die Vegetationsperiode der zu akklimatiſierenden Pflanzen mit dem Eintritt unſeres Herbſtes ihren Abſchluß findet, die Ruheperiode muß alſo nicht nur am Ende, ſondern auch am Anfange verlängert werden. Endlich hat die Zuchtwahl ihr Augenmerk darauf zu richten, daß die Pflanze gegen Trockenheit der Luft unempfindlicher wird. Für die Akklimatiſation find zunächſt ſolche In— dividuen auszuwählen, deren Eltern bereits eine ge— wiſſe Abhärtungsgrenze erreicht haben, d. h. welche, im Freien ohne Schutz wachſend, Temperaturerniedri— gungen unter den Gefrierpunkt überſtanden haben. Gedeiht die Art in ihrer Heimat in verſchiedenen Seehöhen, ſo ſind nur Sämlinge von den am höchſten wachſenden Individuen zu verwenden. Ebenſo ſind die Sämlinge nördlicher gewachſener Pflanzen den ſüdlicheren vorzuziehen. Beim Einſammeln der Samen iſt darauf zu achten, daß man nur von ſolchen In— dividuen Samen nimmt, welche ihre Vegetation ſpät beginnen und früh beenden. Von großem Wert iſt es für die Akklimatiſation ſüdlicherer Pflanzen in unſeren Breiten, daß eine 262 Humboldt. — Auguſt 1890. ganze Anzahl derſelben bereits auf einer Uebergangs⸗ ſtation im Freien wachſen, in der ſie ſchwachen Fröſten ausgeſetzt ſind. Dieſe Uebergangsſtation bildet Nord⸗ italien. Man wird deshalb gut thun, für Akklimati⸗ ſationszwecke Samen reſp. Pflanzen von dort zu be⸗ ziehen. Bei der Beſtellung hätte man anzugeben, daß die Pflanzen von den rauheſten, den ſtärkſten Witterungswechſeln ausgeſetzten Stellen zu nehmen ſind. Dieſe Pflanzen hat man gegen Ende Mai oder Anfang Juni an geſchützter Stelle im Garten aus⸗ zupflanzen. Namentlich ſei der Standort vor aus⸗ trocknenden Winden geſchützt. Das Erdreich hat man möglichſt tief umzugraben, nötigenfalls eine recht tiefe und weite Pflanzgrube mit recht nahrhafter Erde anzufüllen. Es ſoll hierdurch erreicht werden, daß die Wurzeln möglichſt tief in das Erdreich eindringen. Die Pflanzen werden in kurzer Zeit anwachſen und hat man nun im Laufe des erſten Sommers durch reichliche Bewäſſerung und täglich mehrmals wiederholtes Ueberbrauſen der Pflanzen dafür zu ſorgen, daß ſie einen kräftigen Trieb bilden. In der zweiten Hälfte des Auguſt beginnt alsdann die Vor⸗ bereitung für den Winter. Die Pflanzen ſind all⸗ mählich weniger zu begießen, ſo daß eine künſtliche Ruheperiode eingeleitet wird. Herrſcht zu der Zeit eine Regenperiode, ſo iſt das Erdreich durch Bretter vor Näſſe zu ſchützen. Gegen Ende September, ſpäteſtens Anfang Oktober muß die Pflanze voll⸗ ſtändig ruhen. Wenn nun die Temperatur auf 3 bis 4% R. ſinkt, hat man für den Winterſchutz zu ſorgen. Für die erſte Zeit genügt ein Ueberdecken der Pflanze mit einer Holzkiſte aus dicken Brettern, welche aber bei Tage, ſowie die Temperatur etwas höher ſteigt, und namentlich dann, wenn die Sonne ſcheint, zu entfernen iſt. Um keine zu große Kiſte verwenden zu müſſen, empfiehlt es ſich, die Pflanze mit Bind⸗ faden zuſammenzuſchnüren. Stehen gelinde Fröſte in Ausſicht, ſo bedeckt man die Pflanze mit der Kiſte und ſchüttet um dieſelbe etwa einen Fuß hoch trockenes Laub. Erſt beim Eintritt ſtärkerer Fröſte, von 3—40, umgibt man die Kiſte in einer Entfernung von etwa 0,25—0,3 m mit einer Holzumkleidung aus ſtarken Brettern, füllt den Zwiſchenraum feſt mit trockenem Laub, Moos oder Stroh, ſchüttet auf die innere Kiſte ebenfalls noch etwa 0,25 m hoch Laub und ſchließt dann die äußere Kiſte mit einem dicken Deckel. Rings um die äußere Kiſte iſt alsdann noch eine 0,25 m breite und hohe Laubſchicht aufzuſchütten. Zu beachten iſt noch, daß die Pflanze nur dann mit der inneren Kiſte überdeckt werden darf, wenn ſie vollſtändig trocken iſt. Empfehlen dürfte es ſich auch, den von der inneren Kiſte bedeckten Raum des Bodens etwa 0,1 m hoch mit vollſtändig trockenem Sande zu beſtreuen. Das endgültige Bedecken der Pflanze geſchehe auf keinen Fall an einem Regentage, ſondern, wenn irgend mög⸗ lich, an einem ſonnigen, recht trockenen Tage. Die Pflanzen leiden erfahrungsgemäß viel mehr in einer feuchten abgeſchloſſenen Atmoſphäre, als in trockener kalter Luft. Zum Beginn des Frühjahres entfernt man, ſowie die Mittagstemperatur auf 5—6° über den Gefrierpunkt ſteigt, ſämtliche Hüllen, überdeckt die Pflanzen aber abends noch ſtets mit der inneren Kiſte. Wehen trockene kalte Oſtwinde, ſo läßt man die Kiſte beſſer über der Pflanze. Im erſten Frühjahre werden die Pflanzen meiſt gelblich ausſehen, doch hat dies nicht viel zu ſagen. Sorgt man nur dafür, daß die Vegetation nicht zu früh eintritt, dann wird ſich die Pflanze im Laufe des Sommers kräftig entwickeln. Als zu Akklimatiſationsverſuchen geeignete Pflanzen ſind zu nennen: Agave americana, mexicana fol. Var., Ixtli und Salmiana, Yucca de Smeetiana, V. Mazelii, filamentosa und quadricolor, Dasylirion longifolium und gracile, Fourcroya longaeva, Areca sapida, Chamaerops humilis, excelsa, Cocos australis, Blumenavia, campestris, Weddeliana, Yatai, Jubaea spectabilis, Brahea Roezli, Phoenix canariensis, Sabal Palmetto, serrulata, Cycas revo- luta, Araucaria imbricata, Cryptomeria japonica, Abies Webbiana, Pindrow, Cedrus Deodora, Pinus Sabiniana, Eucalyptus Globulus, amygdalina, Persea carolinensis, Phormium tenax, Mamillaria- Arten, Opuntia, Cereus giganteus. Zum Teil ſind von H. Köhler in Altenburg mit obengenannten Arten erfolgreiche Verſuche gemacht worden k). Ein Vor⸗ verſuch im Berliner botaniſchen Garten mit Chamae- rops excelsa iſt ebenfalls geglückt. *) S. Gartenflora 1889, S. 235. Ueber Hefereinkultur und deren Bedeutung für die Brauerei). Von Dr. H. Klebahn in Bremen. Do die Bereitung alkoholiſcher Getränke uralt iſt und ſich zugleich bei faſt allen Völkern findet, hat neben der ſo häufig erkannten Vorliebe des Men⸗ ſchen für erregende und berauſchende Mittel jedenfalls ſeinen Hauptgrund in der Leichtigkeit, mit welcher der Gärungsprozeß, deſſen Folge die Entſtehung von : ) Vergl. A. Jörgenſen, Die Mikroorganismen der Gärungsinduſtrie. Berlin, Paul Parey. 1889. 2. Aufl. Alkohol iſt, zu ſtande kommt. Wie ja bekannt iſt, ſind die Keime von Gärungserregern und anderen Mikroorganismen ſo allgemein verbreitet, daß jede gärungs⸗ oder fäulnisfähige Flüſſigkeit, die nicht durch ganz beſondere Vorkehrungen gegen das Eindringen von Keimen geſchützt wird, binnen kurzer Zeit einem derartigen Prozeſſe verfallen muß, der, je nach der Natur des eingedrungenen Keims, verſchieden verläuft. Darin liegt aber zugleich eine große Gefahr für einen Humboldt. — Auguſt 1890. 263 beabſichtigten Gärungsvorgang, namentlich alſo z. B. für die in der Brauerei verwendeten alkoholiſchen Gä— rungen, indem zufällig in die Flüſſigkeit gelangte Keime fremder Organismen das erwünſchte Reſultat, nämlich die reine Alkoholgärung, unter Umſtänden in erheblichem Maße ſtören können. Außer der Alkoholgärung, die durch verſchiedene Pilze, größtenteils aus der Gruppe der Saccharomy— ceten, hervorgerufen wird, pflegt man noch die Wir- kung einiger Bakterien zu den Gärungen im weiteren Sinne zu rechnen. Dahin gehören die Eſſiggärung, die Butterſäure- und die Milchſäuregärung. Bei erſterer find Bacterium aceti und Pasteurianum, bei der zweiten die unter dem Namen Clostridium butyricum zuſammengefaßten und bei der dritten einige noch nicht näher unterſuchte Bakterien die wirkenden Urſachen. Auch bei der Bereitung des Kefyr, jenes alkoholiſchen und zugleich Milchſäure enthaltenden Getränkes, das die Bewohner des Kaukaſus aus Kuh-, Ziegen- oder Schafmilch herſtellen, ſpielen neben Hefe— pilzen Bakterien eine Rolle. Wenn nun auch einzelne dieſer Bakteriengärungen, namentlich die Eſſiggärung, eine gewiſſe praktiſche Bedeutung haben, ſo ſind doch für die Alkoholgärung im allgemeinen die Bakterien unbedingt als Feinde zu betrachten, da ſie entweder die Entwickelung des wirkſamen Gärungserregers ſtören oder auch Subſtanzen hervorbringen, welche den Geſchmack oder ſonſtigen Wert des Produktes beeinträchtigen. Auch die verſchiedenartigen, unter dem populären Namen Schimmel zuſammengefaßten Pilze (Botrytis cinerca, Penicillium glaucum, Eu- rotium, Aspergillus glaucus, Mucor mucedo 2c.) find als Feinde der Alkoholgärung zu betrachten, und ihre Anſiedelung in oder an den Geräten der Gä— rungsräume iſt zu vermeiden, vielleicht weniger des— halb, weil dieſe Pilze ſehr energiſch in den Gärungs— vorgang eingreifen könnten, als vielmehr aus dem Grunde, weil ſie die Folge einer unreinlichen Behand— lung der Geräte ſind und weil in ihrer Begleitung ſtets Bakterien auftreten, die mit den Konidienträgern des Schimmels emporgehoben und in der Luft ver- breitet werden. Einzelne dieſer Pilze beſitzen aller— dings eine eigenartige Wirkung. Botrytis cinerea ſoll nach einigen Autoren dem Weine einen unan— genehmen rauchartigen Geſchmack verleihen, während nach Müller-Thurgau dieſer Pilz das wirkſame Cle- ment bei der Edelfäule der Trauben iſt, durch welche die Qualität des Weines bei richtiger Behandlung erheblich verbeſſert werden kann. Aspergillus Oryzae wird bei der Zubereitung des japaniſchen Reisweines oder Saks als diaſtatiſches Ferment, d. h. zur Um— wandlung der Stärke in Zucker, verwendet; die eigent- liche Gärung bewirkt in dieſem Falle ein ſpontan auftretender Hefepilz, der noch nicht genauer unter⸗ ſucht iſt, aber mit dem Aspergillus in keiner Be⸗ ziehung ſteht. Die Mucor-Arten haben die Beſonder⸗ heit, daß ſie in gewiſſem Grade ſelbſt eine Alkohol— gärung hervorzurufen im ſtande ſind; in zuckerhaltige Flüſſigkeiten untergetaucht, bilden fie hefeartige Sproſ— ſungen, die wieder zu Schimmelraſen auswachſen können, wenn fie mit der Kohlenſäure an die Ober— fläche gehoben werden. Ein beſonderes Intereſſe be— anſprucht ein von Hanſen vorläufig zu Monilia can- dida geſtellter Pilz, weil derſelbe nach den Unter— ſuchungen dieſes Forſchers im ſtande iſt, Rohrzucker direkt, d. h. alſo als Rohrzucker, zu vergären, während die Hefepilze dieſen Zucker zunächſt durch ein von ihnen ausgeſchiedenes Ferment, das Invertin, in ſog. Invertzucker verwandeln und dann dieſen vergären. Eine ſichere Methode, alle Feinde eines beſtimm— ten Gärungsvorganges auszuſchließen, wäre ſelbſtver— ſtändlich für das Gärungsgewerbe, insbeſondere für die Bierbrauerei, von höchſtem Werte. Ebenſo wert— voll würde es ſein, die zu verwendende Hefe in un— veränderlicher Qualität ſtets zur Verfügung haben zu können; denn der gleichmäßig gute Ausfall des Produktes hängt nicht nur davon ab, daß die zu ver— gärenden Materialien, beim Biere die Würze, ſtets in derſelben Beſchaffenheit hergeſtellt werden, ſondern insbeſondere davon, daß der Gärungserreger ſtets genau derſelbe iſt. Das letztere aber gewinnt dadurch eine praktiſche Bedeutung, daß thatſächlich verſchiedene Hefearten oder -raſſen vorhanden ſind. Alle dieſe Vorteile können nun, auch im großen, erreicht werden unter Anwendung der beiden Methoden, denen überhaupt die Kenntnis der Mikroorganismen, namentlich der Bakterien, ihren Aufſchwung verdankt, der Methoden der Steriliſation und der Reinkultur. Steriliſation iſt die Tötung aller in einem Nähr— ſubſtrat oder an einem Geräte befindlichen entwicke— lungsfähigen Keime. Sie erfolgt je nach Umſtänden durch Glühen, einmaliges oder wiederholtes Sieden, wiederholtes Erhitzen auf eine hohe, aber unter 100“ bleibende Temperatur rc. Letzteres iſt z. B. erforder— lich bei Subſtanzen, welche durch die Siedehitze ver- ändert werden. Ein wiederholtes Erhitzen iſt nötig, wenn Keime vorhanden ſind, die durch einmaliges Erhitzen noch nicht getötet werden, wie die Sporen des Heubacillus, die bekanntlich durch einmaliges kurzes Sieden nur zu lebhafterer Entwickelung an- geregt werden. Für den Brauereibetrieb ergibt ſich hieraus die einfache und auch ohne große Schwierig⸗ keiten durchzuführende Konſequenz, daß nur mit jte- riliſierter Würze und mit in geeigneter Weiſe fterili- ſierten Geräten gearbeitet werden darf. Das Verfahren der Reinkultur erzielt die Her— ſtellung abſolut reiner, d. h. nur aus Individuen einer einzigen Spezies beſtehender Kulturen eines Organis⸗ mus, ein Reſultat, welches nur dann ſicher erzielt iſt, wenn alle in der Kultur enthaltenen Individuen nachweislich von einem einzigen abſtammen. Dabei handelt es ſich darum, die zunächſt vorliegende ge— miſchte Kultur ſo zu verdünnen, daß in einem be⸗ ſtimmten Volumen der Flüſſigkeit vorausſichtlich nur ein Keim enthalten iſt, dann dieſes Volumen zu ent⸗ nehmen und den Keim zur Entwickelung zu bringen. Bei dem für Bakterien meiſt verwandten Kochſchen Plattenverfahren wird das betreffende Volumen der Flüſſigkeit mit Gelatine gemiſcht und auf einer Glas— platte ausgebreitet, wobei die Keime zugleich fixiert 264 Humboldt. — Auguſt 1890. werden und infolgedeſſen die aus ihnen hervorgehenden Kulturen getrennt bleiben. Für die Hefepilze iſt die Gelatine kein beſonders geeigneter Nährboden; es wird daher nach Hanſen das betreffende Volumen mit Würze verſetzt und auf Kölbchen verteilt, wobei man am beſten die nach Paſteurs oder Chamberlands Angaben eigens für Reinkulturen hergeſtellten Formen wählt. ruhigem Stehen der Fläſchchen gelingt es zu erkennen, ob ſich eine oder mehrere Kolonien darin entwickeln, ob man alſo den Inhalt hernach als Reinkultur be⸗ trachten darf oder nicht. Noch zweckmäßiger vereinigt man nach Holm beide Verfahren miteinander, indem man zunächſt eine Plattenkultur mit Gelatine auf der Unterſeite eines Deckglaſes in einer feuchten Kammer anſtellt und dabei die Entwickelung eines beſtimmten Keimes unter dem Mikroſkope direkt ver- folgt, um alsdann mittels eines geglühten Platin- drahtſtückchens einen Teil dieſer entſtandenen Kolonie in einen Paſteurkolben zu übertragen. Die letzte Operation muß innerhalb eines kleinen in geeigneter Weiſe von Keimen befreiten Glaskaſtens mit gleich⸗ falls von Keimen befreiten Händen vorgenommen werden, wie überhaupt ſelbſtverſtändlich alle Geräte und alle Subſtanzen, außer der die Keime enthalten⸗ den, ſteriliſiert ſein müſſen. Die namentlich von Hanſen in Geſtalt von Rein⸗ kulturen ausgeführten Unterſuchungen der Hefepilze haben ergeben, daß es eine Reihe von wohlcharakte⸗ riſierten Arten unter denſelben gibt, daß ſelbſt die eigentliche Bierhefe noch in eine Reihe von Arten oder Raſſen zerfällt. Von Wichtigkeit für die ſichere Artbeſtimmung der Saccharomyeeten iſt zunächſt die Sporenbildung (f. Fig. 1, 2 und 83). Erſt Hanſen hat die Bedingungen klargelegt, durch welche man regelmäßig Sporen erhalten kann. Nur junge, kräf⸗ tige Zellen vermögen dieſelben zu bilden, und ſie verlangen dabei reichlichen Zutritt der Luft. Am beſten ſäet man die reine Hefe auf ſteriliſierte Gypsblöcke oder ſteriliſierte erſtarrte Gelatine aus und hält dieſe bei ca. 25° C. in einem feuchten Raume. Außer dem Ausſehen der Sporen iſt namentlich die Zeit, welche ) Die Abbildungen verdanken wir der Freundlichkeit der Verlagshandlung des Jörgenſenſchen Buches. Bei bei niederen Temperaturen zu ihrer Ausbildung er⸗ forderlich iſt, für die einzelnen Arten charakteriſtiſch. Hanſens Saccharomyces cerevisiae I*) bildet z. B. bei 11¼ „ C. ſeine Sporenanlagen erſt nach 10 Tagen, S. Pastorianus II) ſchon nach 77 Stunden. Hanſen gründet darauf eine praktiſche Analyſe der Brauerei⸗ hefe. Die reinkultivierte „Carlsberg Unterhefe Nr. 1” (Brauerei Alt Carlsberg in Kopenhagen) bildet näm⸗ lich bei 25° ihre Sporen viel ſpäter als alle bisher unterſuchten ſchädlich wirkenden Arten der Saccharo— myceten. Da nun nach Holm und Poulſen e an „wilder Hefe“ auf dieſe Weiſe ſicher zu erkennen iſt, da andererſeits nachgewieſen iſt, daß wilde Hefen, wie S. Pastorianus III und ellipsoideus II, keine Krankheit des Bieres veranlaſſen, wenn ihr Anteil an der Anſtellhefe nicht mehr als ½¼ beträgt, fo iſt damit eine für die Praxis völlig ausreichende Me⸗ thode zur Erkennung einer ſchädlichen Beimiſchung wilder Hefen gegeben. Nur iſt zu beachten, daß bei anderen Heferaſſen die Zeit- und Temperaturverhält⸗ niſſe ſich anders ſtellen; gewiſſe Kulturraſſen müſſen z. B. bei 15% C. analyſiert werden. Außer aus der Geſtalt der Zellen der am Boden abgelagerten Hefe (Bodenſatzformen Fig. 3 und 5) ergeben ſich weitere unterſcheidende Merkmale aus der Geſtalt der Zellen in den Häuten (Fig. 4 und 6), die ſich an der Ober⸗ fläche der gärenden Flüſſigkeiten bilden, und aus den Zeit⸗ und Temperaturverhältniſſen bei der Ausbildung derſelben. Die folgende Tabelle ſtellt für die ſechs von Hanſen genauer unterſuchten Saccharomyces-Arten die Cha⸗ raktere überſichtlich zuſammen, wobei zu bemerken iſt, daß bei allen, aber namentlich bei den Zeitangaben über die Sporenbildung, eine Auswahl getroffen wurde und die Zeitangaben über die Hautbildung ganz fortgelaſſen ſind. Die Unterſuchung der eigentlichen Kulturhefen (außer S. cerevisiae I) iſt noch nicht zu einem ge- nügenden Abſchluſſe gediehen. Vorläufig kann man *) Da noch nicht alle Hefearten genügend unterſucht find, jo iſt auch die Nomenklatur noch nicht einheitlich ge⸗ regelt. Hanſen unterſcheidet die Arten durch Anhängung römiſcher Ziffern an die alten Namen, oder durch Namen aus der Praxis, z. B. „Carlsberg Unterhefe Nr. 1“ 2. Saccharomyces || -gitrig e 5 ee Bein Senden e e e Vorkommen und Wirkung Bovenfa | in den Häuten ( 150 10120 ne Strichkultur cerevitacT ebe. | aloe | Beltre dae % 90 Wiang und Pastorianas 1 | unis | Pomwie [OH 15-2 sum | oy | 38, | oe a Pastorianus II a) e se eabal 48 01.50 0,50 ue in der Luft; nicht krankheitserregend. Pastorianus III ober⸗ 1 1 art me e eee Prund aus hefetrübem Bier; bewirkt Trübung. ellipsoideus I |) unter⸗ e 9 45 895500 40 e von der Oberfläche reifer Weinbeeren. ellipsoideus II unter- o 8 5 1055 1110 40 aus hefetrübem Bier; bewirkt Trübung. Humboldt. — Auguſt 1890. 265 fie in untergärige und obergärige Raſſen einteilen, bereits oben erwähnten „Carlsberg Unterhefe Nr. 1“ da es bisher unmöglich war, eine wirkliche Umbildung [und „Nr. 2“ genannt. Beide unterſcheiden ſich durch von Oberhefe in Unterhefe, und umgekehrt, zu bewerk- die Geſtalt der Zellen (Fig. 7 und 8), die Sporenbil— ſtelligen. Beide Gruppen laſſen fic) nach praktiſchen [dung (Nr. 2 ſchneller und reichlicher), die Gärungs— — Fig. 4. S. cerevisiae I. Hautformen. Fig. 1. S. cerevisiae I Sporenbildung. Fig. 2. 8. Pastorianus III. Sporenbildung. Fig. 5. S. Pastorianus III. Bodenſatformen. Geſichtspunkten wieder in ſchneller und langſamer erſcheinungen (3. B. Nr. 2 ſchnellere Klärung), und klärende einteilen, mit welcher Eigentümlichkeit auch auch die mit beiden erzielten Biere ſind verſchieden. ein verſchiedener Charakter des Bieres, namentlich | Die meiſten Kenner ziehen das mit Nr. 2 erhaltene eine geringere oder größere Haltbarkeit gegen Hefe- Bier vor, doch iſt dieſes weniger haltbar und mehr trübung in Verbindung ſteht. Als Beiſpiele ſeien die | als Schenkbier zu verwenden, während die Hefe Nr.! Humboldt 1890. 34 266 Humboldt. — Auguſt 1890. ſich mehr für Lager- und Exportbiere eignet. Dieſe Eigentümlichkeiten haben ſich im Laufe der Jahre und ſelbſt nach dem Verſand in entfernte Länder unver⸗ ändert erhalten. Einige weitere mehr oder weniger genau unter⸗ ſuchte echte Saccharomyceten (d. h. mit Endoſporen⸗ bildung) find: S. Marxianus Hansen (auf Wein⸗ trauben), S. exiguus Reess (in Preßhefe), S. mem- branaefaciens Hansen (im Schleimfluſſe auf Ulmen⸗ wurzeln), S. Hansenii Zopf (unter den Pilzen des Baumwollenſaatmehles), S. Ludwigii Hansen (im Schleimfluſſe lebender Eichen), S. acidi lactici Groten- felt (ruft in Milch Gerinnung und Säurebildung hervor), S. minor Engel (ſoll nach Engel das wirt- ſamſte Ferment bei der Brotgärung im Sauerteig fein, doch iſt die Frage noch nicht entſchieden) 2c. Sproßpilze ohne Endoſporenbildung ſind die Torula- Arten, die wohl zum Teil in der Weingärung eine Rolle ſpielen, aber für die Brauerei keinen Wert haben, da fie Maltoſe nicht vergären, [Saccharomyces] apiculatus auf reifen Früchten, von dem Hanſen nachgewieſen hat, daß er in der Erde überwintert, und die noch nicht genügend bekannten Mycoderma cerevisiae und vini. In der folgenden Tabelle iſt dargeſtellt, ob die im vorſtehenden genannten Pilze die verſchiedenen Zuckerarten vergären (-) oder nicht (0), und ins⸗ beſondere auch, ob ſie Invertin abſcheiden oder nicht, ſoweit darüber Unterſuchungen vorliegen. Bildet Invertin, vergärt Invert⸗ zucker Vergärt Saccha⸗ roſe direkt Vergärt Dextroſe] Maltoſe] Laktoſe Saccharomyces | cerevisiae I Pastorianus I. II. al ellipsoideus I. II Untergärige Hefen der! Praxis J Sacch. Marxianus \ exiguus J Einige Torula⸗Formen ndere „ a Sacch. membranae- \ faciens Mycoderma cereyis.} (Sacch.] apiculatus Monilia candida Sacch. acidi lactici + S coo E + eo to++ 4+ — + + 0 +o os oS os +H +o Daraus geht hervor, daß, obgleich zwar die wich⸗ tigſten Alkoholgärungspilze Saccharomyceten ſind, doch nicht alle Saccharomyceten Alkoholgärung her⸗ vorrufen können; die große Bedeutung gerade der Saccharomyceten liegt aber darin, daß die meiſten von ihnen im ſtande ſind, alle Zuckerarten, außer der Lactoſe, zu vergären. Amthor hat acht verſchiedene Saccharomyces- Arten, darunter ſechs Kulturhefen, alle in abſoluten Reinkulturen, in Bezug auf ihre chemiſchen Lei⸗ ſtungen in derſelben Bierwürze unterſucht und gefun⸗ den, daß nach der Gärung der Gehalt an Alkohol, Extrakt, Glycerin, der Vergärungsgrad und andere Charaktere bei allen Arten verſchieden waren. Das rechtfertigt die Anſicht Hanſens, nach welcher in der Praxis eine geeignete Auswahl getroffen werden muß. In ähnlicher Weiſe fand Marx bei einer Reihe aus Weinmoſt rein gezüchteter Arten Unterſchiede im Gä⸗ rungsvermögen und in der Fähigkeit, flüchtige Stoffe hervorzubringen, die dem Weine ein beſonderes Bou⸗ quet verleihen. Es eröffnet fic) dadurch die Per⸗ ſpektive, daß es gelingen könnte, aus ſteriliſiertem Moſte durch Zuſatz ausgewählter Hefen Weine von beſtimmten Eigenſchaften zu erzeugen, auch unabhängig von dem Orte, wo die Trauben gewachſen ſind. Die Ergebniſſe der wiſſenſchaftlichen Forſchung auf dem Gebiete der Gärungspilze ſind für die Praxis bereits in hohem Grade bedeutungsvoll geworden und werden es mit zunehmender Kenntnis in noch weit höherem Maße werden. Schon die Unterſuchungen Paſteurs, nach welchen Bakterien neben der Hefe auf⸗ treten und Krankheiten des Bieres verurſachen können, führten zur Konſtruktion von geſchloſſenen Kühlſchiffen für die gekochte Würze und zur Herſtellung ſolcher Lüftungsvorrichtungen für dieſelbe, die ein Eindringen von Keimen mit der Luft ausſchloſſen. Wirklich prak⸗ tiſche Bedeutung konnten aber dieſe Vorrichtungen erſt erlangen, ſeitdem es Hanſen gelungen war, die Hefe abſolut rein zu züchten, denn was nützte es, die Würze frei von Bakterien zu wiſſen, wenn mittels der Hefe wieder Bakterien eingeſchleppt werden konn⸗ ten? Jetzt kann man nicht nur die Krankheiten der Gärung erkennen, bevor ſie verhängnisvoll werden, ſondern, was von viel größerer Wichtigkeit iſt, man iſt jeden Augenblick im ſtande, abſolut reine Hefe in den Betrieb einzuführen. Das letztere wird beſonders vorteilhaft mittels des von Hanſen und Kühle kon⸗ ſtruierten Hefe⸗-Propagierungsapparates erreicht. Der⸗ ſelbe beſteht im weſentlichen aus drei Teilen, erſtens einer Luftpumpe mit Luftreſervoir zum Einführen keimfreier Luft zwecks Lüftung der Würze, zweitens dem Würzecylinder, in den die ſiedendheiße Würze eingeführt wird, um darin gekühlt und gelüftet zu werden, drittens dem Gärungseylinder, der mit einer Vorrichtung zum Einbringen einer Reinkultur und mit einem Ablaßhahn zur Entnahme der Flüſſigkeit und der vermehrten reinen Hefe verſehen iſt. Der Apparat arbeitet ununterbrochen, und man kann mittels desſelben in kurzen Zwiſchenräumen abſolut reine Anſtellhefe für ca. 8 hl Würze entwickeln. Bemerkt ſei auch noch, daß man ſelbſt nach Jahren noch genau dieſelbe Hefe zur Verfügung haben kann, wenn man die Reinkultur in einer 10% igen Saccharoſelöſung aufbewahrt. Die guten Reſultate, welche mit reiner Hefe er⸗ zielt werden, namentlich die außerordentliche Sicher⸗ heit im Betriebe, konnten bei ſorgfältig angeftellten. Verſuchen den Praktikern nicht entgehen, und ſo ſind denn ſchon jetzt, kaum ſechs Jahre, nachdem der erſte Verſuch mit reiner Hefe in der Brauerei Alt⸗Carls⸗ berg in Kopenhagen gemacht wurde, reine Hefen in zahlreichen Brauereien aller bierbrauenden Länder, ſelbſt in Amerika, Aſien und Auſtralien, eingeführt, und die Berichte über die erhaltenen Biere lauten im allgemeinen äußerſt günſtig, namentlich in Bezug Humboldt. — Auguſt 1890. 267 auf Haltbarkeit, Glanz und reinen Geſchmack der- ſelben. Vielfach war allerdings der Geſchmack von dem gewohnten verſchieden, offenbar, weil eine andere Hefenraſſe zur Verwendung gekommen war; doch ſind ſelbſtverſtändlich nach dieſer Seite noch erhebliche Fort— ſchritte zu erwarten. Auch in Bezug auf die ober- gärigen Biere ſcheinen die Verſuche einen guten Erfolg zu geben. Die mit reiner Hefe hergeſtellten ober- gärigen Biere haben einen reineren, ſüßeren Geſchmack und größere Haltbarkeit als die gewöhnlichen, und es Der ergeht daher die Mahnung an die Brauereien ober— gäriger Biere, daß ſie, ſtatt ihren Betrieb einzuſtellen oder für Untergärung einzurichten, denſelben in zeit— gemäßer Weiſe weiterentwickeln. „Hanſens Syſtem hat eine vollſtändige Reform „im Brauereibetriebe hervorgerufen. Auf der Grund— „lage ſeiner Entdeckungen iſt eine entſprechende Re— „form auch in Begriff, ſich in der Preßhefefabrikation „und in anderen Zweigen der Gärungsinduſtrie den „Weg anzubahnen.“ Hypnotismus, Dr. Albert Moll in Berlin. as die theoretiſchen Erklärungsverſuche der Hypnoſe anlangt, ſo gehen dieſelben von ver— ſchiedenen Geſichtspunkten aus, je nachdem es ſich um eine phyſiologiſche oder um eine pſychologiſche Erklärung handelt. Um gleich die erſtere kurz zu beſprechen, ſo iſt meiner Anſicht nach trotz aller anſcheinend feſtſtehenden Thatſachen die Gehirnphyſiologie in Wahrheit ſo wenig ſicher, daß es mir von zweifelhaftem Werte erſcheint, ſie zu einer phyſiologiſchen Erklärung der Hypnoſe zu benutzen. Das Wort von Lotze, das er mit einer gewiſſen Ironie in dem Vorwort ſeiner mediziniſchen Pſychologie ausſpricht, es gilt zum Teil heute. Lotze erklärte, er habe längſt im geheimen eine ſtatiſtiſche Berechnung gemacht und gefunden, daß die großen Entdeckungen der exakten Phyſiologie nur eine durch— ſchnittliche Lebensdauer von vier Jahren haben. Die Behauptung mag manchem übertrieben erſcheinen, aber ſie iſt gerade für die Gehirnphyſiologie von der Wahrheit auch heute nicht ſo weit entfernt, wie mancher oberflächliche Beobachter glauben mag. Teils von Tierverſuchen auf den Menſchen ſchließend, teils die Bedingungen unſerer pſychiſchen Funktionen mit den Urſachen verwechſelnd, hat die moderne Gehirnphy— ſiologie ein Gebäude errichtet, von dem ununterbrochen einzelne Säulen, die es ſtützen, niedergeriſſen werden, ein Gebäude, das vielleicht eines Tages vollkommen zuſammenbrechen wird. Wohl ſelten hat ſich die Mangelhaftigkeit der Gehirnphyſiologie ſo klar ge— zeigt, wie bei phyſiologiſchen Theorien der Hypnoſe. Wenn Mendel behauptet, daß die Hypnoſe eine ver— mehrte Reizung der Gehirnrinde ſei, wenn Ziemſſen behauptet, daß die Hypnoſe eine verminderte Reizung der Gehirnrinde ſei, ſo wird wohl jeder Unbefangene bei dem Widerſpruch ſolcher Autoritäten auf dem Ge— biete der Phyſiologie und Anatomie des Gehirns mißtrauiſch und man wird ſich fragen, ob denn iiber- haupt heute bereits eine derartige Erklärung gegeben werden kann. Bekanntlich hat ſchon Heidenhain im Jahre 1880 die Hypotheſe aufgeſtellt, daß in der Hypnoſe die Thätigkeit der grauen Hirnrinde gehemmt ſei. Freilich wird Heidenhains Theorie durch keinerlei zwingende oder auch nur wahrſcheinliche Gründe geſtützt. Heidenhain nahm an, daß die Hypnoſe ein Zuſtand der Bewußtloſigkeit ſei, und da das Bewußt⸗ ſein geknüpft ſei an eine unverſehrte Thätigkeit der Hirnrinde, ſo ſchloß er, daß dieſe in der Hypnoſe gar nicht oder weniger funktioniere. Da indeſſen, wie oben nachgewieſen iſt, die Hypnoſe keineswegs ein Zuſtand der Bewußtloſigkeit ijt, da vielmehr die ein- zelnen Elemente unſeres Bewußtſeins in der Hypnoſe ſich vorfinden, ſo verliert Heidenhains Theorie von vornherein jede Begründung. Aus dem eben ange— deuteten Grunde will ich andere Theorien, deren Widerlegung geradezu ein Kinderſpiel iſt, gar nicht erörtern. Bei dem heutigen Stande der Wiſſenſchaft bleibt uns faſt nichts anderes übrig, als uns an ge— wiſſe pſychologiſche Begriffe zu halten, wenn wir ab- norme pſychiſche Zuſtände verſtehen wollen. Ob wir nun die pſychologiſchen Begriffe, wie Wille, Auf— merkſamkeit, lediglich als einen Notbehelf für phyſio— logiſche Vorgänge im Gehirn halten, oder ob wir dieſe pſychologiſchen Begriffe uns unabhängig von einer phyſiologiſchen Gehirnthätigkeit denken, iſt hier⸗ bei vollkommen gleichgültig. Die Hauptſache iſt meiner Anſicht nach ſtets die, daß wir uns heute in der That mit pſychologiſchen Begriffen zufrieden geben müſſen. Aber auch die pſychologiſchen Theorien der Hypnoſe gingen gewöhnlich von einem falſchen Standpunkt aus, nämlich von dem, daß man alle hypnotiſchen Zuſtände mit einem Begriff, mit einem Satze er— klären könne, während die neueren Unterſuchungen bereits gezeigt haben, daß wir unter Hypnoſe ſo mannigfache Zuſtände zuſammenfaſſen, daß eine ein- heitliche Erklärung kaum denkbar erſcheint. Nun kann ich freilich an dieſer Stelle nicht auf alle Einzel— heiten eingehen, ich verweiſe mit Bezug hierauf auf die ausführlichen theoretiſchen Erörterungen, die ich in meinem Buche?) gegeben habe; dennoch will ich auch einige Punkte hier kurz erörtern. Ein Wort zunächſt über die Bewegungsſtörungen, die in vielen Fällen das einzige Symptom der Hyp— noſe ſind. Die Hauptſache, um Bewegungsſtörungen *) Der Hypnotismus. 2. Auflage. 268 überhaupt zu erreichen, iſt die, daß die Aufmerkſam⸗ keit der Perſon möglichſt ſtark auf den Eintritt dieſer oder jener Bewegungsſtörung hingelenkt wird. Die Erwartung, daß eine oder die andere Bewegungs— ſtörung eintreten wird, iſt in der That ſchon im ſtande, dieſe hervorzurufen. Eine der Hauptfertig⸗ keiten beim Hypnotiſieren iſt gerade die, daß die Auf⸗ merkſamkeit der Perſon nicht willkürlich zerſtreut, ſondern auf den Eintritt einer Bewegungsſtörung, z. B. auf den Augenſchluß, hingelenkt werde. Es kann aber auch nicht überraſchen, daß wenn einmal eine Bewegungsſtörung eingetreten iſt, weitere Stö⸗ rungen hervorgerufen werden können, weil eben be⸗ reits in der Perſon ein Gefühl der Willensſchwäche entſtanden iſt, ſobald die erſte Störung ſich gezeigt hat. Die Erklärung der Bewegungsſtörungen fällt demnach, wie man aus den kurzen Ausführungen bereits erſieht, teilweiſe mit einer Erklärung der Hyp⸗ noſigeneſe, d. h. der Erzeugung der Hypnoſe zuſammen. Was die Sinnestäuſchungen anlangt, ſo laſſen dieſe ſich am beſten durch das Auftreten des Traum⸗ bewußtſeins verſtehen. Unſer Bewußtſein iſt nicht immer dasſelbe. Wir können von dem normalen wachen Bewußtſein das Traumbewußtſein trennen, wie Eduard v. Hartmann gezeigt hat. Dieſes Traum⸗ bewußtſein zeichnet ſich nun ganz weſentlich dadurch aus, daß die Erinnerungsbilder einen hallueinatoriſchen Charakter haben, d. h. Erinnerungsbilder, wie Hund, Katze u. ſ. w., die wir in wachem Zuſtande als Gr- innerungsbilder erkennen, werden im Traumbewußt⸗ ſein nach außen objektiviert und für die entſprechenden Objekte gehalten. Dieſes Traumbewußtſein findet ſich nun im gewöhnlichen Schlafe bekanntlich ſehr häufig, vielleicht immer; ja einige Forſcher, wie Ed. v. Hartmann, laſſen auch im wachen Leben das Traum⸗ bewußtſein beſtehen. Es ſcheint, daß wir auch in der Hypnoſe mit dem Traumbewußtſein mancherlei Erſcheinungen uns am beſten erklären können. Ich will hier nicht ausführlicher auf die Theorie eingehen, da der Raum hierzu allzu beſchränkt iſt. Jedenfalls aber haben wir in der Analogie der hypnotiſchen Sinnestäuſchungen mit dem Traumbewußtſein im nächtlichen Schlaf einen Anhaltspunkt für die Auf⸗ faſſung jener gefunden. Eine weſentliche Bedeutung für die Hypnoſe hat die Simulationsfrage. Es iſt bekannt, daß man noch bis vor kurzem alle hypnotiſchen Zuſtände für einfache Simulation hielt, während in der letzteren Zeit die Hypnoſe ſo zu ſagen ſalonfähig geworden iſt. Ueber die Simulation kann nur derjenige urteilen, der ſich praktiſch viel mit Hypnoſe beſchäftigt hat, und es kann nicht genügend gegen das unwiſſenſchaft⸗ liche Gebahren auch einzelner ſogenannter wiſſenſchaft⸗ licher Männer proteſtiert werden, die ohne ernſtliches Studium der Frage, ſich über die Simulation ein Urteil anmaßen. Die Entſcheidung der Simulations⸗ frage muß nach ganz ähnlichen Prinzipien herbeige⸗ führt werden, wie bei den Geiſteskrankheiten, da ja die Hypnoſe gleichfalls ein pſychiſcher Zuſtand ijt. Ebenſo wie nur ein erfahrener Pſychiater ein Urteil Humboldt. — Auguſt 1890. über die Simulation von Geiſteskrankheiten abgeben kann, ebenſo kann es nur der, welcher auf dem Ge— biete des hypnotiſchen Experimentes erfahren iſt, über die Simulation der Hypnoſe fällen. Die Kriterien, nach denen man ſich hierbei zu richten hat, ſind mannig⸗ facher Natur; die Art der Bewegung, der Geſichts⸗ ausdruck bei Sinnestäuſchungen, das Benehmen der Perſon bei dem Erwachen und zahlreiche andere Mo⸗ mente werden den erfahrenen Experimentator in den meiſten Fällen ein ſicheres Urteil fällen laſſen. Die meiſten jener Zeichen, z. B. ſpontane Bewegungen, Lachen des Hypnotiſchen, welche der Ungeübte als Zeichen der Simulation hinnimmt, beweiſen dieſe keineswegs. Es ſeien nun noch einige Worte hinzugefügt über die Stellung, die man der Hypnoſe innerhalb ſon⸗ ſtiger Zuſtände einräumen muß. Stets ſucht man neue unbekannte Zuſtände dadurch in der Wiſſenſchaft zu ſtudieren, daß man ſie mit bereits genauer be⸗ kannten Zuſtänden vergleicht, zu ihnen in Beziehung bringt. Während die einen nun in erſter Linie die Hypnoſe mit dem gewöhnlichen phyſiologiſchen Schlaf vergleichen, ſehen wir andere dieſelbe als einen patho⸗ logiſchen Zuſtand auffaſſen. Ganz ſicherlich haben die tiefen hypnotiſchen Zuſtände, in denen Sinnes⸗ täuſchungen möglich ſind, die allergrößte Aehnlichkeit mit dem Schlaf, wenn auch die Zahl der Bewegungen in dem Schlaf gewöhnlich eine kleinere iſt, wie in der Hypnoſe. Die leichteren hypnotiſchen Zuſtände, die ſich lediglich durch Bewegungsſtörungen auszeichnen, haben indeſſen mit dem Schlaf kaum etwas zu thun. Die Hypnoſe als eine künſtliche Geiſtesſtörung zu bezeichnen, geht ſchon deswegen nicht gut an, weil die Haupterſcheinung der Hypnoſe, wie wir ſahen, die Suggeſtibilität iſt, d. h. die Möglichkeit, Suggeſtionen einem Hypnotiſchen zu geben. Gerade dieſes iſt aber eine Seltenheit bei den Geiſtesſtörungen. Vermöge der Suggeſtibilität können wir freilich in der Hyp⸗ noſe Bilder erzeugen, die mit Geiſtesſtörungen eine äußere Aehnlichkeit haben, aber der Hauptunterſchied zwiſchen beiden wird ſtets die vermehrte Suggeſtibilität in der Hypnoſe bleiben. Es ſei endlich noch auf die große Verwandtſchaft von Geiſtesſtörungen mit Träu⸗ men hingewieſen, die von faſt allen Pſychiatern betont wird und durch welche uns am beſten einleuchtet, wie müßig oft ein Streit um Worte iſt, da ja, wie ein Autor meint, um von der Vernunft zum Wahn⸗ ſinn zu kommen, es nur nötig ſei, einzuſchlafen und zu träumen. Während man ſich anfangs mehr, um die Neu⸗ gierde zu befriedigen, mit dem Hypnotismus beſchäftigte, ſehen wir, daß man in der neueren Zeit ganz weſent⸗ lich deſſen wiſſenſchaftliche Bedeutung zum Ausgangs⸗ punkt der Studien macht, und zwar ſowohl ſeine theoretiſche als auch ſeine praktiſche Bedeutung. Was die erſtere anlangt, ſo will ich an dieſer Stelle nicht genauer darauf eingehen; es handelt ſich hier weſent⸗ lich um die Wichtigkeit des hypnotiſchen Experimentes für die Pſychologie. v. Krafft-Ebing, Max Deſſoir und andere Forſcher haben nach dieſer Richtung hin Humboldt. — Auguſt 1890. weſentlich vorgearbeitet, und wir ſehen, daß ſogar in Deutſchland mehrere wiſſenſchaftliche Geſellſchaften ganz weſentlich dieſen Teil des Studiums ſich zum Ziele geſteckt haben. Mehr Aufſehen erregte aber die praktiſche Bedeutung der Hypnoſe, und zwar be— ſonders deren Verwertung zur Heilung von Krank— heiten. Anfangs hatte man zwar in Deutſchland eine große Abneigung hiergegen. Ohne überhaupt den Hypnotismus zu kennen, haben einzelne abſprechend über ihn geurteilt, und es iſt bedauerlich zu ſehen, wie wenig ernſt mitunter auch ſogenannte Männer der Wiſſenſchaft über wichtige Fragen zu urteilen im ſtande ſind. Geſtützt wurde dieſe Oppoſition weſentlich durch ein Vorurteil des Publikums. Denn gar mancher iſt viel eher bereit, ſich durch Pillen, durch zugeführte Medikamente, durch Kaltwaſſerbehandlung, durch Elek— tricität heilen zu laſſen, anftatt fic) durch Worte ge- ſund reden zu laſſen; und doch wird jeder, der vor— urteilslos unſer Leben betrachtet, einen ganz anderen Standpunkt gewinnen. Wir wiſſen, daß jeder Menſch alltäglich durch äußere Vorgänge pſpychiſch beeinflußt wird, daß er der Stimme feiner Nebenmenſchen, Rat- ſchlägen guter Freunde ein williges Ohr leiht, daß er mithin außerordentlich ſich durch Reden anderer beeinfluſſen läßt und beeinfluſſen laſſen muß; er kann eben dieſen äußeren Einflüſſen nicht entgehen. Es liegt unter dieſen Umſtänden außerordentlich nahe, auch gegen krankhafte Empfindungen und andere pathologiſche Zuſtände ſich einem pſychiſchen Einfluß auszuſetzen und auch hier die ſo oft ſonſt im Leben erprobte Macht der Suggeſtion zu erfahren. Als nun die erſte abſolut abſprechende Oppoſition gegen das hypnotiſche Heilverfahren ſich nicht länger be— haupten konnte, nahm man zu anderen Mitteln die Zuflucht, um die erſte Oppoſition anſcheinend zu rechtfertigen. Man legte denjenigen, die zuerſt für das hypnotiſche Heilverfahren eingetreten waren, falſche Dinge in den Mund, indem man behauptete, die erſten Vorkämpfer für die ſuggeſtive Therapie hätten aus dem Hypnotismus ein Allheilmittel machen wollen. Es iſt dies eine Unwahrheit, die einige ſo— genannte wiſſenſchaftliche Leute zur Verdeckung jener Oppoſition erſonnen haben. Keiner von den ernſten Beobachtern, die überhaupt in Frage kommen, be- trachtete den Hypnotismus als ein Allheilmittel; wohl aber glauben ſie, in ihm für eine ganze Reihe von Kranken ein Heilmittel gefunden zu haben. Selbſtverſtändlich wird man mit dem Hypnotismus ebenſowenig wie mit andern Mitteln gewiſſe ſchwere organiſche Krankheiten zur Heilung bringen; wohl aber kann man in einer außerordentlich großen Zahl von ſogenannten funktionellen Nervenkrankheiten Re— ſultate durch jene pſychiſche Behandlung erzielen, die einer phyſikaliſchen und medikamentöſen Einwirkung nicht zukommen. Erwähnt ſeien nur die zahlreichen bereits vorliegenden günſtigen Erfahrungen beim Stottern, Ohrenſauſen, nervöſen Schmerzen, Neural— gien, rheumatiſchen Schmerzen, Alkoholismus, Mor— phinismus u. ſ. w.; in zahlreichen Fällen wurden dieſe Krankheiten teils gebeſſert, teils geheilt. 269 Wie ſchon angedeutet, wurden gegen die thera— peutiſche Verwertung der Hypnoſe zahlreiche Ein— wände gemacht, die aber mit geringen Ausnahmen keinerlei Begründung hatten, da ſie ſich gegen die geſamte moderne Therapie in gleicher Weiſe richten würden. Betrachten wir kurz einige Einwände. Es wird behauptet, daß die Hypnoſe gefährlich ſei. Ganz gewiß iſt die Hypnoſe nicht gefahrlos; Verfaſſer hat deswegen ganz beſonders darauf hingewieſen, daß man mit hypnotiſchen Experimenten und beſonders mit pſychiſch erregenden Verſuchen möglichſt vorſich— tig ſei; es iſt in der That zu verwerfen, wenn ein— zelne aus der Hypnoſe ein Geſellſchaftsſpiel machen wollen. Da indeſſen faſt die geſamte moderne Me— dizin aus Giften beſteht, da faſt alle Medikamente bei unpaſſender Anwendung den Menſchen zu töten, oder doch Vergiftungserſcheinungen bei ihm hervor— zubringen vermögen, ſo müßte der gleiche Einwand gegen die geſamte moderne Therapie gemacht werden. Es gibt in der That nur wenige Mittel, die bei unzweckmäßiger Anwendung nicht auch ſchaden können. Auch die Hypnoſe kann bei unverſtändiger Anwen— dung ſchaden und muß daher dem erfahrenen ge— wiſſenhaften Experimentator überlaſſen bleiben. Daß in der That bei richtigem Vorgehen die Gefahren vermieden werden können, beweiſen am beſten jene, die die Gefährlichkeit der Hypnoſe als Haupteinwand gegen deren therapeutiſche Verwertung bezeichnen. Denn faſt alle jene Leute, die öffentlich ſo viel von den Gefahren der Hypnoſe reden, laſſen ſich keineswegs abhalten, privatim hypnotiſche Heil— verſuche zu machen. Weitere Einwände, wie z. B. daß mit der Hypnoſe keine dauernden Erfolge erzielt werden, ſeien übergangen, da einmal in einer großen Reihe von Fällen dauernde Heilungen erzielt wurden, andererſeits aber die moderne Medizin überhaupt nur ſehr ſelten im ſtande iſt, eine wirkliche dauernde Heilung zu liefern. Der wahre Grund für die große Oppoſition gegen die Hypnoſe iſt in Wirklichkeit auch ein anderer, als die angeführten. Die Hypnoſe hat uns ein neues Ele— ment in der Therapie gezeigt, welches bisher ganz oder faſt ganz unberückſichtigt blieb, nämlich die pſychiſche Behandlung, die Suggeſtion. Nur wenige Autoren, ins— beſondere Ottomar Roſenbach in Breslau, haben ſchon früher den enormen Einfluß der pſychiſchen Behand— lung hervorgehoben, während die ſonſtige moderne Therapie nur die phyſiſche und chemiſche Einwirkung der Medikamente beückſichtigte. Es iſt mehr als wahrſcheinlich geworden, daß viele Medikamente, der Magnet, die Elektrizität oft lediglich dadurch wirken, daß der Patient an die Wirkſamkeit des angewendeten Heilverfahrens glaubt, nicht aber durch eine wirkliche primäre Beeinfluſſung ſeines Körpers. Auf dieſe ſuggeſtive Wirkung ohne Hypnoſe ſind wir durch die neueren hypnotiſchen Verſuche aufmerkſam geworden, und das iſt die Urſache, welche manchen Vertreter der ſogenannten exakten Medizin gegenüber der Hyp— noſe in das feindliche Lager trieb! Ein ganz beſonderes Intereſſe erregte auch die 270 Humboldt. — Auguſt 1890. forenſiſche Bedeutung des Hypnotismus. Man glaubte ſogar anfangs, daß die ganze Rechtspflege durch die thatſächlich erwieſene Bedeutung der hypno⸗ tiſchen Suggeſtion in Gefahr fei; insbeſondere Lisgeois in Nancy fürchtete außerordentlich, daß vermöge der hypnotiſchen Suggeſtion zahlreiche Verbrechen be⸗ gangen werden könnten. Er hat eine Reihe von diesbezüglichen Verſuchen gemacht, in denen er zeigte, daß man Perſonen zu verbrecheriſchen Handlungen, zu Vergiftungsverſuchen durch hypnotiſche und durch poſthypnotiſche Suggeſtion zwingen könne. So feu⸗ erte ein Mädchen einen Revolverſchuß auf die eigene Mutter, in dem Glauben, daß der Revolver geladen ſei, während dies in Wirklichkeit nicht der Fall war. Die Befürchtungen von Liégeois waren aber wohl übertrieben, wenn auch keineswegs ganz unbegründet. Ueberhaupt fei erwähnt, daß Liégeois jedenfalls der Ruhm gebührt, für die forenſiſche Seite des Hypno⸗ tismus in neueſter Zeit das allgemeine Intereſſe erregt zu haben. Man glaube nicht, daß man jeden Hypnotiſchen, ſelbſt wenn er in einer tiefen Hypnoſe iſt, zu einem Verbrechen zwingen kann. Der Charakter, die mit der Zeit feſtgewurzelten, bei jedem Handeln entſcheidenden Grundſätze ſpielen hier eine große Rolle. Derjenige, der auch ſonſt einen ehrenhaften Charakter beſitzt, wird nicht leicht durch hypnotiſche Suggeſtion zu einer unehrenhaften oder gar verbrecheriſchen Handlung gezwungen werden können. Ferner werden die meiſten Perſonen erſt dann in eine für poſthyp⸗ notiſche Suggeſtion genügend tiefe Hypnoſe kommen, wenn mehrfache Verſuche an ihnen gemacht worden ſind, wenn ſie bereits der ſogenannten hypnotiſchen Dreſſur unterworfen wurden. Endlich aber wird, wie Gilles de la Tourette meint, kein Verbrecher ſo leicht auf die Idee kommen, durch hypnotiſche Sug⸗ geſtion ein Verbrechen ausführen zu laſſen, weil er dadurch vor Entdeckung keineswegs ſicherer ſei als ſonſt. Nach meiner Anſicht iſt wohl in dem einen oder dem anderen Fall die Möglichkeit vorhanden, durch hypnotiſche oder, was wohl wahrſcheinlicher iſt, durch poſthypnotiſche Suggeſtion ein Verbrechen auszuführen; doch iſt in der That eine allzugroße Furcht hierbei nicht nötig, da die erwähnten Um⸗ ſtände dem Verbrecher weſentliche Beſchränkungen auferlegen würden. Man hat aber nicht nur diejenigen Verbrechen im Auge zu behalten, die durch hypnotiſche Perſonen begangen werden können; es ſind auch diejenigen zu betrachten, die man an hypnotiſierten Perſonen begehen kann. Es find eine Reihe von Fällen bekannt ge- worden, wo Notzuchtakte an hypnotiſierten Perſonen ausgeführt wurden; mehrere ſolcher Fälle ſind vor Gericht zur Sprache gekommen, doch ſind ſie immer⸗ hin in auffallend kleiner Zahl vorgekommen und zwar wahrſcheinlich deswegen, weil die hypnotiſierenden Leute ganz genau wiſſen, daß die Erinnerungsloſig⸗ keit des Hypnotiſchen keineswegs abſolut iſt, daß derſelbe vielmehr entweder in einer neuen Hypnoſe oder auch, was oft vorkommt, durch eine rein zu⸗ fällige Gelegenheit im wachen Zuſtand ſeine Erinne⸗ rung wiedergewinnt. Das deutſche Strafgeſetzbuch würde übrigens, wenn ein ſolcher Fall ſtattfände, vollkommen ausreichen, ebenſo wie die durch hypno⸗ tiſierte Perſonen begangenen Verbrechen nach den Be⸗ ſtimmungen des Strafgeſetzes ſehr wohl am Urheber geahndet werden können. Endlich erwähne ich noch die zivilrechtliche Bedeu⸗ tung des Hypnotismus, die man längere Zeit ganz überſehen hatte, die aber in neuerer Zeit in einer ausgezeichneten Arbeit von v. Bentivegni?) hervor⸗ gehoben worden iſt, wobei für die Hypnoſe ſelbſt eine ganze Reihe neuer geiſtvoller Geſichtspunkte ge⸗ funden wurde. Ich hoffe, daß der Leſer aus den vorhergehenden Ausführungen ſich ein ungefähres Bild vom heutigen Stande der Hypnotismusfrage machen kann. Die⸗ ſelbe bietet ſo viele intereſſante Momente, und ins⸗ beſondere die Suggeſtion zeigt uns ſo zahlreiche Rätſel der Pſychologie, daß jeder, der einen kleinen Beitrag zu deren Löſung gibt, der Wiſſenſchaft einen großen Dienſt leiſtet. Freilich iſt der Weg des Fortſchrittes ein dornenvoller; nicht mit der Sicherheit und Be⸗ quemlichkeit wie bei unſeren ſogenannten exakten Naturwiſſenſchaften wird man auf ihm weiterſchreiten. Aber das Endziel, die Erforſchung des menſchlichen Seelenlebens iſt jeder Arbeit wert. Sollten die vor⸗ hergehenden Zeilen einen oder den anderen Leſer zur Mitarbeit auf dieſem Gebiete veranlaſſen, ſo würde der hauptſächlichſte Wunſch des Verfaſſers erfüllt fein. *) p. Bentivegni, Die Hypnoſe und ihre zivilrecht⸗ liche Bedeutung. Leipzig 1890. Sur Frage nach den Urſachen, welche die Sahl der Konzeptionen beim Menſchen in gewiſſen Monaten des Jahres vegelmäßig ſteigern. Von Profeffor Dr. Kiſch in Prag. E iſt eine ſchon lange konſtatierte Thatſache, daß die Aenderungen der verſchiedenen Jahres⸗ Maximum der Konzeptionen in die Monate Mai und Juni fällt, dieſen zunächſt in den Monat De- zeiten auf die Reproduktion beim Menſchen einen zember. Bei den Landbewohnern ſteigt die Zahl beſtimmenden Einfluß üben. Aus den ſtatiſtiſchen [der Konzeptionen im Frühjahre viel bedeutender als Unterſuchungen von Horn iſt erſichtlich, daß das | bei den Städtern. Humboldt. — Auguſt 1890. 271 Als Grund der größeren Konzeptionszahl im Frühling hat man angenommen, daß im Winter mehr Material für den individuellen Haus— halt verbraucht wird, als im Sommer, wo der Menſch alſo mehr Stoff für die Reproduktion aus⸗ geben kann. Der Ueberſchuß der Einnahmen über die Ausgaben im Sommer wird vielleicht zu Anfang beſonders groß ſein, weil der Menſch ſpäter weniger Nahrung zu ſich nimmt, ſich alſo akkommodiert. Hierin liegt vielleicht auch der Grund, warum ge— rade im Frühling die Zeugungsthätigkeit einen hohen Grad erreicht. Die Reproduktionsſtärke der Land— bewohner iſt weit abhängiger von den Veränderun— gen in der Natur, als die der Stadtbewohner. Das Maximum der Reproduktion fällt nach Wap⸗ päus in anderen Klimaten in andere Monate als bei uns. Im gemäßigten Klima iſt die größte Konzeptions⸗ frequenz im Mai und Juni, in Chile im Dezember, Januar und Februar. Man hat darum auch der Tempe— ratur einen beſtimmenden Einfluß auf die Konzep— tionsfrequenz eingeräumt, und Hayeraft hat durch Zahlen für die acht größeren Städte Schottlands berechnet, daß eine Temperaturſteigerung von 1° F. eine Vermehrung der Konzeptionen um 5 Proz. be— wirkt. Dieſe iſt nach Hayeraft nicht darauf zurück— zuführen, daß eine verſtärkte Coitusfrequenz ſtatt— findet, ſondern darauf, daß die Konzeptionsfähigkeit der weiblichen Individuen zunimmt. Quetelet, welcher aus ſtatiſtiſchem, die Niederlande betreffenden Materiale darthut, daß lentſprechend dem Maximum der Geburten im Februar) das Maxi⸗ mum der Konzeptionen auf den Mai fällt, ſchreibt das der Erhebung der Lebenskraft im Frühling nach der Winterkälte zu. Die Steigerung der Konzeptionen im Monate Dezember wird auf die nach der vollendeten Ernte eintretende Zeit der häuslichen Behaglichkeit und der Erholung, der beſſeren Ernährung, der geſelligen Vergnügungen und der frohen Feſte zurückgeführt. Gegen dieſe Erklärungen ſpricht ſich Roſenſtadt in einem vor kurzem erſchienenen Aufſatze „Zur Frage nach den Urſachen, welche die Zahl der Kon— zeptionen beim Menſchen in gewiſſen Monaten des Jahres regelmäßig ſteigern“ (Wiener mediziniſche Wochenſchrift Nr. 51 u. 52, 1889) aus. Wenn wirklich der Frühling eine Steigerung der Repro— duktionskraft verurſachen würde, wenn die Erhebung der Lebenskraft nach dem Winter im Frühling eine Erhöhung der Zahl der Konzeptionen nach ſich zöge, ſo müßte der Frühling, folgert der Verfaſſer, falls keine anderweitigen Hinderniſſe (etwa Krieg, epi— demiſche Krankheiten) im Wege ſtänden, überall die— ſelbe Wirkung haben, und gerade dort, wo, wie im Norden, der Winter in der größten Strenge herrſcht, und ſehr lange dauert, und wo wir mit vollem Rechte von einer Erhebung der Lebenskraft nach dem ſtrengen Winter ſprechen dürfen, beobachten wir das Maximum der Konzeptionen nicht im Frühjahre, wie wir das nach den Anſichten der Autoren erwarten ſollten, im Gegenteile, wir treffen es in der Mitte des ſtrengen Winters an, fo in Schweden, in Ruß⸗ land, in Deutſchland, Südoſten ausgenommen. Wie wenig der jährliche Gang der Temperatur auf die Reproduktionskraft einen Einfluß hat, be- weiſe folgender Umſtand. Man behauptet, und mit Recht, daß der Sommer die Lebenskraft des Men— ſchen herabſetzt, aber nicht richtig iſt es, wenn man dieſem Umſtande zuſchreiben will, daß die Zahl der Konzeptionen zu dieſer Zeit in manchen Ländern beträchtlich fällt. So weiſt in Wien gerade der Sommer das Maximum der Konzeptionen auf. Auch dagegen, daß günſtigere Ernährungsverhält— niſſe allein eine Erhöhung der Zahl der Konzeptio— nen verurſachen, ſpricht ſich der Verfaſſer aus, indem er darauf hinweiſt, daß bei Tieren, welche in gün— ſtigere Ernährungsverhältniſſe verſetzt werden, ſich keine übereinſtimmende Reſultate in Bezug auf Fort— pflanzung ergeben. Die in gewiſſen Monaten des Jahres regelmäßig wiederkehrende Erhöhung der Zahl der Konzeptionen zeigt, daß in dieſen Monaten eine größere Anzahl von geſchlechtsreifen Individuen die geſchlechtliche Funktion ausübt. Roſenſtadt will dies als eine „der phyſiſchen Beſchaffenheit der Kulturmen— ſchen innewohnende phyſiologiſche Sitte be— trachten, die der Menſch von ſeinen tieri— ſchen Vorfahren geerbt hat.“ Er erklärt das folgendermaßen: Der Urmenſch erbte von ſeinen tieriſchen Vorfahren (Säugetieren) die Eigenſchaft, nur in einer beſtimmten Periode ſich fortzupflanzen. Nachdem dieſe Periode, „die Brunſt⸗ zeit“, des Menſchen eingetreten war, wurde die Be- gattung allgemein vollzogen, was in Anbetracht des urſprünglichen eheloſen Zuſtandes leicht möglich war. Im Laufe der kulturellen Entwickelung beginnt der Menſch ſich das ganze Jahr hindurch fortzupflanzen, aber die urſprüngliche phyſiologiſche Sitte, nur in einer beſtimmten Zeit ſich fortzupflanzen, ſchwindet nicht, ſondern bleibt gewiſſermaßen als Ueberbleibſel des tieriſchen Zuſtandes zurück, und gibt ſich in der alljährlich in gewiſſen Monaten wiederkehrenden Er— höhung der Zahl der Konzeptionen kund. Verfaſſer weiſt als Stütze der Wahrſcheinlichkeit ſeiner Annahme darauf hin, daß über manche Natur— völker berichtet wird, daß die Verheiratung und Be— gattung bei ihnen noch jetzt nur in einer beſtimmten Zeit zu geſchehen pflegt, ſo bei den Auſtraliern nach Fr. Müller. Auch Kulucher gelange auf Grund ethnologiſcher Unterſuchungen zu dem Reſultate, daß die Paarung beim primitiven Menſchen nur in einer beſtimmten Jahreszeit, und zwar im Frühjahre und zur Erntezeit ſtattfand. 272 Humboldt. — Auguſt 1890. Sortſchritte in den Katurwiſſenſchaften. Experimentelle Yſychologie. Dr. Von Seitſchrift für Pfychologie und Phyſiologie der Sinnesorgane. Max Deſſoir in Berlin. Münſterbergs Beiträge zur experimentellen Pſychologie. Eine „Zeitſchrift für Pſychologie und Phyſiologie der Sinnesorgane“) iſt von den Herren H. Ebbinghaus und A. König ins Leben gerufen worden. Herr Ebbinghaus hat ſich durch eine Reihe mühſeliger und verdienſtvoller Experimentalunterſuchungen über das Gedächtnis, Herr König weſentlich durch ſeine ſorgfältigen Studien auf dem Gebiet der phyſiologiſchen Optik bekannt gemacht; ihnen als den Herausgebern haben ſich zu ſtändiger Mitarbeit angeſchloſſen die Herren Aubert, Exner, Helmholtz, Hering, Kries, Lipps, G. E. Müller, Preyer, Stumpf. Schon dieſe Namen beſagen, worauf die Abſicht der neuen Zeit⸗ ſchrift geht: es gilt, den Ergebniſſen der zählenden und meſſenden Forſchung auf dem Grenzgebiet der Phyſiologie des Nervenſyſtems und der niederen pſychiſchen Funktionen ein eigenes Organ zu ſchaffen. Demnach handelt es ſich nicht um eine umfaſſende Zeitſchrift für Pſychologie, welche die Beziehungen zur Philoſophie, Medizin, Jurisprudenz, Ethnologie u. ſ. w. einſchließen müßte, ſondern um einen Sammelplatz für die jetzt mit Vorliebe betriebenen Arbeiten innerhalb der phyſio⸗pſychologiſchen Disziplin. Auch der Inhalt des erſten Heftes kennzeichnet deutlich die Abſicht der Herausgeber, obwohl das Heft inſofern kein völlig zutreffendes Bild gibt, als die für ſpätere Nummern in Ausſicht geſtellte Berichterſtattung fehlt. Den Reigen eröffnet in würdigſter Weiſe H. von Helmholtz mit einer Abhandlung über die Störung der Wahrnehmung kleinſter Helligkeitsunterſchiede durch das Eigen— licht der Netzhaut. Bereits Fechner hatte von ſeinem Geſetz, demgemäß die kleinſten merklichen Helligkeitsunter⸗ ſchiede der ganzen Helligkeit proportional ſein ſollen, eine Ausnahme zu Gunſten der niedrigſten Helligkeiten gemacht und die Abweichungen von der Norm dem Eigenlicht der Retina zugeſchrieben. Im Anſchluß daran hatte Volkmann eine Berechnung angeſtellt, die aber durch Königs und Brodhuns Verſuche widerlegt wurde. Helmholtz nun führt in die von den letztgenannten Beobachtern feſtgeſtellte Unter⸗ ſchiedsempfindlichkeit die Thatſache ein, daß das Eigenlicht nicht gleichmäßig über den Grund der Netzhaut ver⸗ breitet iſt, ſondern ſich nur in unregelmäßigen Flecken der Wahrnehmung darbietet, und gründet hierauf eine Theorie des Einfluſſes der fleckigen Verteilung des Eigenlichtes auf die Größe der Unterſchiedsſchwellen, deren rein mathe⸗ matiſche Formulierung eine Wiedergabe nicht geſtattet. Ewald Hering liefert einen Beitrag zur Lehre vom Simultankontraſt. Durch einen intereſſanten, freilich in der Kürze nicht beſchreibbaren Verſuch beweiſt Hering, daß in die Erſcheinung des Simultankontraſtes auf einem für jede Hälfte des Sehorgans beſonders gefällten falſchen Ur⸗ teil beruht. — Sigmund Exner führt das bekannte Ver⸗ ) Verlag von Leopold Voß in Hamburg. Heft Verſchien Ende April. ſchwinden der Nachbilder bei Augenbewegungen darauf zurück, daß alle ſubjektiven Eindrücke, ſobald fie durch ihr Mitgehen mit den Augenbewegungen als ſubjektiv erkannt worden ſind, ignoriert werden. Durch eine Art Reflexhemmung ſollen die vielen optiſchen Erſcheinungen, die wir den Vorgängen innerhalb des Auges verdanken, unmittelbar und zwar im Intereſſe einer nützlichen Ver⸗ wendung des Sehapparates unterdrückt werden; dieſe ſub⸗ jektiven Geſichtseindrücke charakteriſieren ſich aber dadurch, daß ſie den Blickbewegungen folgen. Da ich ſelbſt ſehr ſtark an entoptiſch geſehenen Trübungen leide, ſo kann ich beſtätigend hinzufügen, daß die Mouches volantes bei be⸗ wegtem Blick geringer zu ſein ſcheinen, als bei ſtarrem Blick. Das liegt daran, daß der Teil der Mouches, welcher genau den Bewegungen folgt, eben nicht mehr geſehen wird, während der zurückbleibende oder im ſpontanen Fluß befindliche Reſt bewußt bleibt. — Th. Lipps benutzt eine falſche Nachbildlokaliſation, um gegen die übliche Augenbewegungstheorie Einwände zu erheben. Die von ihm geſchilderte Thatſache iſt die folgende: Jeder leuchtende Punkt oder jeder von ſeiner Umgebung genügend ſich abhebende Gegenſtand, von dem ich meinen Blick nach irgendwelcher Richtung raſch wegwende, ſcheint einen ſchnell verſchwinden⸗ den Streifen nach entgegengeſetzter Richtung zu ziehen. Auch hier ſei ein Zuſatz erlaubt. Ich beobachte das Phä⸗ nomen gleichfalls, jedoch nur, wenn meine ſtark kurz⸗ ſichtigen Augen nicht bewaffnet ſind und der Gegenftand fic) in einer Entfernung von 1 m und mehr befindet. Ob beides zufällig iſt oder berückſichtigenswerte Gründe hat, vermag ich im Augenblick nicht zu ſagen. Recht wertvoll iſt trotz ihrer Kürze Schumanns Mit⸗ teilung über das Gedächtnis für Komplexe regel- mäßig aufeinander folgender, gleicher Schall⸗ eindrücke. Dietze hatte vor mehreren Jahren hierhergehö⸗ rige Verſuche mit einem Metronom unternommen und unter anderem herausgefunden, daß die einzelnen Pendelſchläge einer Gruppe nicht völlig gleichmäßig aufgefaßt, ſondern zum Teil rhythmiſch betont werden, ja daß eine gänzliche Unterdrückung dieſer rhythmiſchen Gliederung unmöglich ſei. Hiergegen wendet ſich Schumann, der aus ſeinen Verſuchen die ſinguläre Auffaſſung von Schlägen eines elektromagne⸗ tiſchen Hammers als möglich ableitet. Die Differenz mag ſich aus den veränderten Experimentierbedingungen erklären: in der That hat auch der Referent ſtets die Taktbildung bei Metronomſchlägen wahrgenommen, und zwar mutmaß⸗ lich erſtens deshalb, weil die beiden Schläge des Pendels nicht ganz gleichmäßig erfolgen, und zweitens deshalb, weil für einen muſikaliſchen Menſchen mit dem oft ge⸗ hörten Ticktack des Metronoms ſich ſofort rhythmiſche Er⸗ innerungen aſſoziieren. Aber intereſſanter noch als die Verſuche ſind des Verfaſſers Folgerungen aus ihnen. Er Humboldt. — Auguſt 1890. wendet ſich gegen die Wundtſche Erklärung, wonach bei Apperzeption eines Schalles ein Teil der vorangegangenen noch im Bewußtſein ſei und die Vergleichung von Gruppen einfacher Pendelſchläge hinſichtlich ihrer Anzahl dadurch ermöglicht werde, daß die Schläge einer Gruppe gleich— zeitig im Bewußtſein exiſtieren. Die Grundloſigkeit dieſer Anſicht wird von Schumann wahrſcheinlich gemacht, ohne daß uns freilich durch den Verſuch einer neuen Theorie ein Erſatz geboten würde. Neben der „Zeitſchrift für Pſychologie und Phyſio— logie der Sinnesorgane“ verdient ein anderes groß an— gelegtes Unternehmen die allgemeinſte Aufmerkſamkeit: Hugo Münſterbergs „Beiträge zur experimentellen Pſycho— logie“. Dieſe Beiträge, von denen drei umfangreiche Hefte in raſcher Folge erſchienen ſind, enthalten die experimen— tellen Unterſuchungen, welche der Verfaſſer mit Unter— ſtützung vorgeſchrittener Schüler in ſeinem Laboratorium ausgeführt hat; ſie zeichnen ſich indeſſen vor den ſonſt üblichen Arbeiten dadurch aus, daß ſie eingehende Rück— ſicht auf die phyſiologiſchen Begleitvorgänge nehmen, die Mitteilung des Zahlenmaterials auf das nötigſte be— ſchränken und beſonders jede Einzelunterſuchung in engſte Verbindung mit den allgemeinen pſychologiſchen Problemen ſetzen. Ausgehend von der pſychophyſiſchen Anſicht, daß die materiellen äußerlichen Vorgänge dem phyſiſchen Kauſal— geſetz unterliegen und gewiſſe dieſer Vorgänge eine dem Bewußtſein zugängliche Innenſeite haben, verlangt Münſter— berg für die Erklärung dieſer inneren Prozeſſe nur, daß fie auf pſychologiſch nacherlebbare Vorſtellungsverbindungen zurückgeführt werden. Theoretiſch jedoch erklärt er jamt- liche ſeeliſchen Vorgänge für Komplexe aus Empfindungen. Dieſe Empfindungen ſind an ſich bewußt und füllen das, was wir Bewußtſein nennen, vollſtändig aus. Alles da— her, was der Thätigkeit und den Veränderungen eines ſubſtantiierten Bewußtſeins zugeſchrieben wird, muß als Veränderung des Bewußtſeinsinhaltes gedeutet werden: die auswählende Leiſtung der Intelligenz darf nicht einer myſtiſchen „Apperzeption“ in die Schuhe geſchoben werden, ſondern muß ſich auf die auch phyſiologiſch verſtändlichen Aſſoziationen zurückführen laſſen. Der Erweis hierfür wird nun zunächſt durch experi— mentelle Unterſuchungen darüber, ob ein prinzipieller Unter— ſchied zwiſchen apperzeptiver (willkürlicher) und aſſoziativer (un willkürlicher) Vorſtellungsverbindung beſtehe, erbracht. Verſuche mit der fog. vollſtändigen und der verkürzten Reaktion ſollen die Entſcheidung darüber herbeiführen, ob die durch willkürliche Vorſtellungsbewegung hervorgerufenen pſychiſchen Endreſultate nicht auch ohne bewußte Willens— thätigkeit erzielt werden können. Wenn nämlich ſelbſt bei komplizierten, ſcheinbar den intellektuellen Motiven folgenden Wahlakten die verkürzte Reaktionsform ange— wendet werden kann, dann folgt daraus nach Münſter— bergs Anſicht, daß die komplizierteren Wahlbewegungen eben auch lediglich Gehirnreflexe ſind. In der That konnte bei etwa 800 Experimenten oft ſehr verwickelter Art be— liebig zwiſchen vollſtändiger und verkürzter Reaktion ge— wechſelt werden, und jo ſcheint ein fundamentaler Unter- ſchied zwiſchen Aſſoziationsſpiel und apperzeptiver Auswahl nicht zu beſtehen. — Im gleichen Sinne beſchäftigt ſich eine zweite Arbeit mit ſolchen Urteilsbildungen, welche ge— Humboldt 1890. 273 eignet ſind, durch Variation der Vorgänge einen Blick in den Mechanismus des pfychiſchen Getriebes gerade dort zu geſtatten, wo es ſich um den Uebergang von paſſiven zu aktiven Vorſtellungsbewegungen handelt. Die Verſuche wurden mit den Herren M. und R. ſo angeſtellt, daß die Reaktion ſtets die des beginnenden Ausſprechens war und die Zahlen (8 = 0,001 Sekunde) ſtets die geſamte Re— aktionszeit maßen. Eine tabellariſche Ueberſicht über die Ergebniſſe innerhalb der elf Klaſſen von Experimenten lehrt Folgendes: ie e wl a — 1 362 o (arithmetiſches Mittel). II. Unbeſcrüntles Saehungsuctel (Gold — Silber.) M. R. 948 8 (Griechiſcher Dichter — Homer.) III. Beſchränktes eth M. 1130 6 g (Wer iſt der Dichter Hamlets? — 00 IV. Eindeutiges Bezichungsurtell Shakeſpeare.) M. 808 6 R. 589 6 * A PU % (Wer iſt bedeutender, Hume oder Kant? — -) N. 906 6 R. 1079 6 VI. Subjektives Entſcheidungsurteil mit vorangehendem, Vorſtellungsmaterial. (10 Farben aufgezählt; zu blau, gelb oder grün? — Gelb.) M. 694 6 R. 6596 VII. 1. Beſchränktes Beziehungsurteil. 2. Subjektives Entſcheidungsurteil. griechiſche Dichter? — Pindar.) M. 9626 R. 1137 6 VIII. 1. Beſchränktes Beziehungsurteil. 2. Subjektives Entſcheidungsurteil. 3. Eindeutiges Wahlurteil. (Welcher Buchſtabe kommt ſpäter im ABC, L oder der Anfangsbuchſtabe des ſchönſten deutſchen Baumes? — T (Tanne). M. 1844 6 R. 1866 6 IX. I. Eindeutiges Beziehungsurteil. 2. Eindeutiges Wahlurteil. (Wer lebte ſpäter, Klopſtock oder der Dichter des Lear? — Klopſtock.) M. 1291 6 R. 1337 6 X. 1. Eindeutiges Beziehungsurteil. 2, Eindeutiges Wahlurteil mit vorangehendem koordiniertem Vor- ſtellungsmaterial. (12 Organe aufgezählt; welches ijt größer: die Hand oder das, womit man riecht? — Hand.) M. 1153 6 R. 1145 6 1. Beſchränktes Beziehungsurteil. 2. Subjektives Wahlurteil. 3. Subjektives Wahlurteil. (Was iſt maleriſcher, das ſchönſte O bjt oder die ſchönſte Blume? — Roſe.) M. 2197 6 R. 2847 c. koordiniertem welche paßt beſſer (Welches iſt der ſchwierigſte XI. — Aus einer Vergleichung dieſer Zahlengruppen ſchließt nun Herr Münſterberg, daß die Prozeſſe unabhängig vom Willen und Bewußtſein ſich ſo abgeſpielt haben müſſen, daß ſie ſich der Zeit nach teilweiſe deckten und überein— anderſchoben, ſtatt aufeinander zu folgen. Er erinnert z. B. für die vierte Gruppe, die eindeutigen Beziehungs— urteile, daran, daß bei ihnen in keiner Weiſe die nächſt— liegende Aſſoziation in Frage kam, vielmehr eindeutige Beziehungen der verſchiedenſten und oft ungewöhnlichſten Art. Trotzdem finden wir bei beiden Verſuchsperſonen die Reaktionszeit erheblich kürzer als bei unbeſchränktem oder mehrdeutig beſchränktem Beziehungsurteil, während es eine offenbare Konſequenz der Apperzeptionstheorie wäre, daß die eindeutigen Urteile, wenn es ſich nicht um ſtabile Aſſoziationen handelt, geradezu länger als die an— deren Beziehungsurteile dauern müßten. Aehnlich bei den anderen Klaſſen. Münſterbergs eigene Erklärung der Ex— perimentalreſultate gipfelt in dem Satz, daß der pſycho— phyſiſche Prozeß, den ein Reiz auslöſt, nicht erſt dann einſetzt, ſobald der Reiz bewußt angeeignet iſt, und daß dieſer Prozeß aus der aſſoziativen Erweckung von Re— produktionen früherer Reize beſteht, ſo daß er verkürzt wird, wenn durch irgendwelche Nebenumſtände dieſe Re— produktion ſchon vor der Einwirkung des auslöſenden Reizes erfolgte. 35 274 Humboldt. — Auguſt 1890. Das zweite Heft der „Beiträge“ bringt zunächſt Unter⸗ ſuchungen über den ſog. Zeitſinn oder die „Kopfuhr“, wie ältere Pſychologen zu ſagen pflegten. Münſterberg unter⸗ ſcheidet zwei Arten der inneren Meſſung: eine von größeren Zeitabſchnitten mittels des Reichtums an Vorſtellungs⸗ inhalten und eine von kleineren Zeitabſchnitten mittels der Empfindung gleichmäßiger Bewegungen, z. B. der Atem⸗ bewegungen. Aus eigenen Beobachtungen, die zum Zweck der Kontrolle der poſthypnotiſchen Suggeſtionen“) ange⸗ ſtellt wurden, kann ich hinzufügen, daß ich mich bewußt oder unbewußt vornehmlich nach den Pulsſchlägen richte. Im allgemeinen alſo, ſagt Münſterberg, iſt die Zeitvor⸗ ſtellung eine Syntheſe aus der Wahrnehmung der die Zeitteile abgrenzenden äußeren Eindrücke und der an Intenſität zu⸗ und abnehmenden Muskelſpannungsempfin⸗ dungen, ohne daß wir die letzteren deshalb für gewöhnlich auf die Muskeln beziehen. Sehen wir willkürlich von Spannung und Entſpannung ab, ſo verlieren wir damit die Fähigkeit der Zeitſchätzung. Die Experimente am Wundtſchen Zeitſinnapparat in der von Glaß verwendeten Anordnung beweiſen, daß Fehler der Schätzung in hoher Anzahl (10,7% ) nur dann auftreten, wenn das einen zur Vergleichung dienenden Zeitabſchnitt abſchließende Signal ohne Rückſicht auf die Atmungsphaſe der Verſuchsperſon gegeben wird. In der folgenden Abhandlung „über die Schwan⸗ kungen der Aufmerkſamkeit“ kommt es Herrn Münſter⸗ berg weſentlich darauf an, an die Stelle der üblichen Er⸗ klärung aus zentralen Vorgängen eine ſolche aus peripheren Prozeſſen zu ſetzen. Das Wahrnehmbarwerden kleinſter Reize und ihr periodiſches Verſchwinden beruht nicht auf einer Schwankung der Pſyche, ſondern auf Veränderungen inner⸗ halb des betreffenden Sinnesapparates. Eine größere Reihe von Experimenten mit der Maſſonſchen Scheibe und der Kymographiontrommel lehren für optiſche Reize, daß es fic) beim Verſchwinden des fixierten Punktes — alſo bei dem, was man früher Nachlaſſen der Aufmerkſamkeit nannte — nur um Ermüdung des zur Fixation benutzten Muskelapparates handelt. Eine weitere Abhandlung über das Augenmaß ver⸗ ſucht auch dieſe Fähigkeit auf Bewegungsempfindungen zurückzuführen und zu prüfen, ob Aenderungen der Schät⸗ zungen eintreten, wenn die räumliche Größenſchätzung ex⸗ perimentell ſolchen Bedingungen unterworfen wird, welche verändernd auf die Augenbewegungen einwirken. Münſter⸗ berg hat 20 000 Verſuche der Vergleichung von Punkt⸗ diſtanzen und Millimeterlinien angeſtellt und deren Er⸗ gebniſſe in 36 Tabellen niedergelegt. Aus dieſen Experi⸗ menten ergibt ſich, daß jegliche Veränderung in der Augenbewegung, Augenſtellung und Augenbenutzung ſich bei der Verwertung des Geſichtseindruckes für die Größen⸗ ſchätzung bemerkbar macht. Die rechte Größe wird ge⸗ wöhnlich unterſchätzt, die linke überſchätzt; das liegt wohl an der beim Leſen oft geübten Augenbewegung nach vechts: die Bewegung nach links erſcheint uns daher anſtrengender und, da wir die größere Anſtrengung auf den Durchmeſſer ) Hypnotiſierte Perſonen führen Befehle auch nach der Beendigung der Hypnoſe und zwar oft ſehr genau zu der feſtgeſetzten Zeit aus. Daß dieſe Fähigkeit nichts Uebernormales iſt, lehrten die im Text erwähnten Verſuche am wachen Menſchen. einer größeren Strecke beziehen, jo erſcheint uns die ge- ſchätzte Diſtanz größer. Hinzu tritt eine große Anzahl geiſtreich erſonnener und geduldig durchgeführter Experi⸗ mente, über die ein kurzer Auszug nicht in entſprechender Weiſe berichten kann. Die Schlußarbeit des zweiten Heftes betrifft den Raum⸗ ſinn des Ohres. Es werden der Verſuchsperſon drei aus Karton gefertigte Kreiſe horizontal, ſagittal, frontal um den Kopf gezogen und es wird dann geprüft, um wie viel Grade ſich die Richtung eines Schalles verſchieben müſſe, damit eine Verſchiebung der Schallquelle wahrge⸗ nommen werde. Das Signal beſteht im dreimaligen Schnarren mit dem nach links gedrehten Knopf einer Re⸗ montoiruhr. Bezeichnet man nun am horizontalen Kreis den Punkt, auf den die in der Primärſtellung der Augen gegebene Blickrichtung fällt, mit 0°, fo erhält man an dieſem Kreis als eben bemerkbare Verſchiebung bei 0° 1,5 em, bei 22,5% 2,5 em, bei 45° 5,5 cm, bei 67,5 6,0 em, bei 90° 7,5 em, bei 112,5 8,0 em, bei 135° 8,5 em, bei 157,5 8,5 em, bei 180° 10 em. Zur Erklärung dieſer Reihe ſowie der anderen beim Sagittal- und Frontalkreis nimmt Münſterberg an, daß die von einem akuſtiſchen Reiz getroffenen Bogengänge reflektoriſche Bewegungs⸗ empfindungen auslöſen, die in der Ruheſtellung minimal ſind, weiter ab größer werden und ſo eine Zunahme der Schätzungsfehler zur Folge haben. Daß in der That die Bogengänge den Hauptanteil an der Lokaliſation von Gehörreizen beſitzen, macht Münſterberg durch möglichſte Ausſchaltung der übrigen Apparate (Ausgießen der Gehör⸗ gänge mit Wachs nach Einſteckung einer Holzſtange) wahr⸗ ſcheinlich. Das dritte Heft endlich bringt uns eine ũ „neue Grund⸗ legung der Pſychophyſik“. Münſterberg ſchließt ſich denjenigen Forſchern“) an, welche alle Empfindungen für heterogene Bewußtſeinsinhalte erklären und eine Vergleich⸗ barkeit in Bezug auf Diſtanzen zunächſt für ausgeſchloſſen halten. Die Empfindungsintenſität nimmt nicht im Sinne einer Addition zu, ſo, daß die ſtärkere Empfindung gleich der ſchwächeren Empfindung + einem Zuwachs wäre, ſon⸗ dern beide ſind ebenſo verſchiedene Bewußtſeinsinhalte wie qualitativ verſchiedene Empfindungen. Es wäre damit die Trennung zwiſchen qualitativem und intenſivem Unter⸗ ſchied aufgehoben, die Meßbarkeit der Empfindungen und Empfindungsunterſchiede beſeitigt — wenn nicht jede Em⸗ pfindung ein motoriſches Element enthielte, das nach Münſterbergs Anſicht die Streitfrage zu Gunſten der Pſychophyſik entſcheidet. In jeglicher Wahrnehmung iſt die Muskelempfindung das einzige Element, das, ſobald ich das Wahrnehmungsobjekt zerlege, in jedem Teile wieder⸗ kehrt, aber in jedem Teile in geringerem Maße enthalten iſt als im Ganzen. Den Muskelempfindungen kommt eine völlig exzeptionelle Stellung zu: die ſtarke iſt von der ſchwachen nicht qualitativ verſchieden, ſondern nur durch ihre zeitliche Dauer und räumliche Ausdehnung. Alle phyſikaliſche Meſſung beruht auf der Konſtatierung bezw. Herſtellung gleicher Muskelempfindungen; auf derſelben ) Die Reihe derſelben führt weit tiefer als man glaubt, bis in das vorige Jahrhundert zurück. Vgl. Gregor Iteleons intereſſante No⸗ tigen „Zur Geſchichte des pſychophyſiſchen Problems“, Archiv für Geſch. der Philoſophie, III, 2, S. 282—290. Berlin 1889. Humboldt. — Auguſt 1890. 275 Grundlage ruht alle Meſſung der Empfindungsintenſitäten, denn ſie kommt nur ſo zu ſtande, daß Muskelempfindun— gen zu den Reizwahrnehmungen hinzutreten und durch die aſſoziierten Muskelempfindungen ſich feſte Reihen mit ab- meßbaren Diſtanzen bilden. — Iſt dieſe Theorie richtig, ſo fordert ſie als logiſche Konſequenz: zwei Empfindungs— paare müſſen ſich auch dann bezüglich ihrer Unterſchieds— größe vergleichen laſſen, wenn ſie disparaten Sinnesgebieten angehören. Wenn nämlich wirklich nicht die Unterſchiede der Empfindungen, ſondern die Unterſchiede der begleiten— den Muskelſpannungen in Frage kommen und durch Span— nungsempfindungen gemeſſen werden, ſo muß ſich ſelbſt— verſtändlich ein Schallſtärken verhältnis herſtellen laſſen, bei dem die ſekundäre Spannungsänderung gleich iſt der Spannungsänderung bei einem beſtimmten Gewichts— verhältnis. Zur Löſung dieſes bisher noch nie in An— griff genommenen Problems hat Münſterberg Experimente mit Empfindungen aus fünf verſchiedenen Sinnesgebieten angeſtellt, welche zeigen, wie ſolche Vergleichung unter den verſchiedenen Sinnen in völlig geſetzmäßiger Weiſe abläuft und ſomit die vorher beſprochenen Vorausſetzungen recht— fertigt. Theoretiſch hat ſich durch die neue Methode mancherlei ergeben, die Thatſache, daß ſich aus übermerk— lichen Unterſchieden der eben merkliche berechnen läßt und vieles andere, was wir hier nicht beſprechen können — in— deſſen dürfte ſchon der gegebene kurze Auszug genügen, um die hohe Bedeutung der Münſterbergiſchen Unter ſuchungen zur Pſychophyſik klarzulegen. Ohne Erwiderung werden ſie nicht bleiben, denn ſie bieten genug Lücken, aber ſie haben zweifellos das Verdienſt, eine neue Be— trachtungsweiſe eingeführt und die letzthin vernachläſſigten Studien auf dieſem Gebiet wieder in Fluß gebracht zu haben. Helminthologie ). Von Profeffor Dr. M. Braun in Roſtock. Atembedürfnis der Würmer. Lemmisfen der Nematoden. Pilaria immitis. Hedruris orestiae, Anatomiſche und hiſtologiſche Struktur der Ceſtoden. Ceſtoden in Waſſervögeln und Fiſchen Schwedens. Diſtomen der Amphibien. Caryophyllaus mutabilis. Parafiten des Lachſes. Distomum acutum im Iltis. Korperbededung ektoparaſitiſcher Trematoden. Temnocephala. Exkretionspori ektoparaſitiſcher Trematoden. Schon vor einigen Jahren hatte G. Bunge mit— geteilt, daß Ascaris mystax aus dem Darm der Katze in vollkommen ſauerſtofffreien Medien nicht nur vier bis fünfmal 24 Stunden leben könne, ſondern während dieſer Zeit faſt ununterbrochen lebhafte Bewegungen aus— führe. Dieſe Verſuche wurden neuerdings fortgeſetzt“ ) und werfen ein ſeltſames Licht auf das Atembedürfnis der Würmer. Ascaris acus aus dem Darm der Hechte lebt bei vollſtändiger Sauerſtoffentziehung vier- bis fedjsmal 24 Stunden, Ascaris lumbricoides aus dem Schwein fünf bis ſiebenmal 24 Stunden; Anguillula aceti, das Eſſigälchen iſt gegen Sauerſtoffentziehung ſehr reſiſtent, da es ſiebenmal 24 Stunden trotz lebhafter Bewegung aushält. Ein eigentümliches Verhalten zeigen geſchlechts— reife Gordien: dieſelben ſtellen bei Sauerſtoffentziehung bald alle Bewegungen ein, doch erwachen ſie, ſelbſt wenn fie 24 Stunden in ſauerſtofffreien Medien bewegungslos verharrt haben, bei Berührung mit atmoſphäriſcher Luft wieder — eine Eigentümlichkeit, die unter gleichen Ver— hältniſſen anderen Würmern, auch freilebenden nicht zu— kommt; dieſe ſind, wenn ſie einmal ihre Bewegungen ein— geſtellt haben, nicht mehr zu beleben. Bunge konſtatiert fernerhin, daß Ascaris lumbricoides in ausgekochter ein— prozentiger Kochſalzlöſung über Queckſilber bei Körper— temperatur gehalten viel reine Kohlenſäure produziert, etwa 5—10 cem auf jedes Gramm vom Körpergewicht des Verſuchstieres. Ohne Sauerſtoff aufzunehmen produzieren alſo die Ascariden große Mengen von Kohlenſäure, wäh— rend unter den übrigen Spaltungsprodukten weder Waſſer— ſtoff noch irgend welche reduzierende Subſtanzen auf— treten. Von den über Nemathelminthen handelnden Wrz ) Vergl. „Humboldt“ Dezember 1889, S. 465. ) Bunge, G., Weitere Unterſuchungen über die Atmung der Wür— mer (Zeitſchr. f. phyſ. Chemie Bd. XIV. 1888. S. 318-324). 1 beiten fei eine Mitteilung von O. Hamann!) zuerſt er— wähnt, da ſie geeignet iſt, die Kluft, die bisher zwiſchen den Nematoden und Acanthocephalen, Rundwürmern und Kratzern beſtand, zu überbrücken. Die meiſten Autoren haben zwar beide Gruppen zu einer Klaſſe, der der Ne— mathelminthen vereinigt, jedoch ſtets betont, daß die Ver— wandtſchaft eine ſehr entfernte ſei, ſo daß es nicht an Stimmen fehlt, welche die Acanthocephalen mit anderen Würmern in Verbindung ſetzen oder ſie als iſolierte Gruppe betrachten wollen. Nun will Hamann gefunden haben, daß die rätſelhaften Lemnisken der Acanthocephalen, ein Paar ſeitlich am Vorderende ſtehender und als Wucherungen der Haut aufzufaſſender Körper, in ganz gleicher Ausbil⸗ dung auch bei gewiſſen Nematoden vorkommen, wo man ſie, namentlich bei den Strongyliden, als Kopf- oder Hals— drüſen ſchon ſeit längerer Zeit kennt. Dieſelben ſind direkte Fortſetzungen der ſogenannten Subeuticula, die wiederum mit der darüber liegenden Cuticula die Haut darſtellt; nun ſind dieſe Kopfdrüſen einzellige Bildungen, doch zeigt Hamann, daß auch die Lemnisken mancher Acanthocephalen, z. B. Echinorhynchus clavaeceps, clayula, taenioides, spira ete. einen beinahe 0,1 mm großen Kern beſitzen. Eine äußere Mündung der Organe wird für beide Gruppen beſtritten. Auch die Exkretionsorgane zeigen größere Uebereinſtimmung, als man bisher glaubte, indem bei den Nematoden zu den lange bekannten, in den Seitenlinien liegenden Hauptkanälen Zuführungsgänge der mannigfal- tigſten Art, ſowie Bildungen, die an die Lakunen in der Echinorhynchenhaut erinnern, vorkommen; demnach wäre in der That das ektodermale Exkretionsſyſtem bei beiden Gruppen ähnlich gebaut, doch iſt eine Ausmündung der Kanäle, die bei Nematoden lange bekannt iſt, bis jetzt ) Hamann, O., Die Lemnisken der Nematoden (Zool. Anzeiger 1890. Nr. 333). 276 Humboldt. — Auguſt 1890. wenigſtens bet Acanthocephalen nicht geſehen; deshalb be⸗ trachtete man bislang die leicht erkennbaren Kanäle der Kratzer nicht als Exkretionsorgane, ſondern als ein Syſtem von Kanälen, welche von außen aufgenommene Stoffe in der Körperwand zirkulieren laſſen, was um ſo wahrſcheinlicher war, als ein Darm den Kratzern bekanntlich fehlt — doch Hamann ſtellt weitere Publikationen in Ausſicht, welche auch für andere Organe eine Uebereinſtimmung in Ent⸗ ſtehung und Lagerung nachweiſen ſollen. O. Deffte*) berichtet über einen in Japan geborenen und von dort nach Deutſchland gebrachten Hühnerhund, der an Filaria immitis litt; dieſer Paraſit lebt im Blute der Herzhöhlen und kommt in Japan bei etwa 50 Prozent aller Hunde vor. Zweifellos war auch bei dieſem Tier die Infektion in Japan geſchehen, wohin es einmal von Deutſchland zurücktransportiert war. Da zahlreiche Em⸗ bryonen im Blute geſehen wurden, ſo vermutet Deffke für dieſe Art den gleichen Zwiſchenträger, wie für Filaria Bancrofti des Menſchen, nämlich Moskitos, was aber wegen des dichten Haarkleides der Hunde wohl kaum wahr⸗ ſcheinlich iſt. In coceidienknotenähnlichen Geſchwülſten der Leber von Hrinaceus europaeus fanden Railliet und Lucet“) Tri⸗ choſomen von etwa 32 mm Länge, die weder mit Pri- chosomum exiguum Duj. aus dem Darm des Igels noch mit Tr. tenue Duj. aus den Bronchien überein⸗ ſtimmen; der Fund ſteht bis jetzt vereinzelt da. R. Monies) beſchreibt eine neue Art des durch ſeinen Geſchlechtsdimorphismus ausgezeichneten Genus Hedruris, von dem bisher H. androphora aus Triton cristatus und anderen europäiſchen Amphibien, H. siredonis aus dem Axolotl, H. hypsirhinae aus Hypsirhina Bo- cousti und H. armata aus Emys picta bekannt iſt; die neue Art iſt in einem Fiſche des Viticaca-Sees, Orestias Mülleri gefunden worden und bekommt den Namen H. orestiae. Die Weibchen dieſer Gattung beſitzen am Hinterende ein napfförmiges Organ, das einen zum An⸗ heften dienenden Haken einſchließt; bei einigen Arten iſt das Männchen ſtets um das Weibchen gewunden. Nur von der europäiſchen Art, H. androphora, kennen wir in Asellus aquaticus den Zwiſchenträger. Ueber Ceſtoden liegt eine monographiſche Darſtel⸗ lung von Zſchokke rf) vor, die zahlreiche wichtige Mittei⸗ lungen enthält; 8 Täniaden und 20 Bothriaden wurden unterſucht, unter erſteren die merkwürdige Art Idiogenes ostidis, die keinen Skolex beſitzt; ſeine Stelle vertreten die erſten, beſonders geſtalteten Proglottiden, die Zſchokke „Pſeudoſkolex“ nennt. Die äußere Bedeckung, die ſogen. Cuticula iſt faſt immer aus zwei bis vier verſchiedenen Schichten zuſammengeſetzt und trägt bei einigen Arten noch einen äußeren Beſatz von Härchen. Die Muskulatur ) Deffke, O., Ein Fall von Filaria immitis (Monatshefte f. prakt. Tierheilk. I. 1889. 80). ) Railliet, A., u. A. Lucet, Tumeurs vermineuses du foie du hérisson (Bull. soc. Zool. France 1889. p. 360—362). ) Moniez, R., Recherches sur le genre Hedruris 4 propos d'une espéce nouvelle (Rey. biol. du Nord de la France 1889. p. 361—385. 1 pl.). tT) Zſchokke, F., Recherches sur la structure anatomique et histologique des Cestodes. Genève 1888 (erſchienen Nov. 1889, 396 p. 40. 9 pl.). der Strobila weiſt zwar überall Faſern in den drei Richtungen (longitudinal, dorſoventral und transverſal) auf, aber ohne Anordnung, ihre Vereinigung in Bündel und ihre Mächtigkeit iſt namentlich bei den Tetrabothrien von Art zu Art verſchieden und gibt demnach wertvolle Merkmale zur Unterſcheidung der Arten; einige Formen, fo Calliobothrium verticillatum, Phyllobothrium Dohrni beſitzen am Hinterende der Proglottiden zipfelförmige An⸗ hänge, in denen die Anordnung der Muskeln die gleiche iſt, wie in den Saugnäpfen, ſo daß dieſe Teile wohl ebenſo zum Anſaugen befähigt ſind wie die Seitenteile der vier den Pſeudoſkolen von Idiogenes bildenden Proglottiden. Daß die Muskulatur im Skolex wegen der oft ſtark ent⸗ wickelten Bothridien und der Haken Modifikationen er⸗ fahren hat, iſt von vornherein einleuchtend; abgeſehen von Lageveränderungen, Spaltungen und Bündelbildung ſolcher Faſern, die ſich leicht auf die Muskeln der Proglottiden zurückführen laſſen, ſind neue Syſteme von Muskeln auf⸗ getreten, z. B. die komplizierte Hakenmuskulatur der Calliobothrien, die Radiärbündel der Tetrabothrien, die aus der Längsachſe des Skolex nach der Peripherie hin⸗ ziehen u. ſ. w. Ein beſonderes Intereſſe beanſprucht der am Vorderrande des Skolex aller unterſuchten Tänien erkannte Muskelzapfen, den man nach ſeinem Bau, ſeiner Lage und ſeinem Verhältnis zum Nervenſyſtem als Rudi⸗ ment eines Pharynx auffaſſen kann und um ſo mehr, als auch Zſchokke bei Tetrabothrium longicolle rudimentäre Speicheldrüſen entdeckt hat. — Ref. darf hierbei an ſeine Funde von gut entwickelten Drüſen im Skolex von Polypocephalus erinnern, die er ſchon damals als Speichel⸗ drüſen anzuſprechen geneigt war. Die einfachſten Verhältniſſe der Exkretionsorgane (Waſſergefäßſyſtem) finden ſich ber Calliobothrien und einigen Tetrabothrien, wo zwiſchen den beiderſeitigen Or⸗ ganen gar keine Verbindung exiſtiert; einen Uebergang bildet Onchobothrium uncinatum, das einen die vier Hauptſtämme verbindenden Gefäßring im Skolep beſitzt; bei den Tetrabothrien (ausgenommen T. longicolle) wie⸗ derholt ſich dieſer Ring in mehr oder weniger zuſammen⸗ geſetzter Form und fehlt auch den Tänien nie, doch exiſtieren hier außerdem noch in jedem Gliede einfache Queranaſtomoſen zwiſchen den beiden größeren, gewöhnlich neutral gelegenen Längsgefäßen. Beſondere Schwierigkeiten bietet die Unterſuchung des Nervenſyſtems, da die Zentralteile wie die Nervenſtämme keine beſondere Hülle beſitzen; ohne auf Einzelheiten ein⸗ zugehen, bemerken wir nur, daß nirgends ſo komplizierte Verhältniſſe geſehen wurden, wie jie Niemiec für Bothrio⸗ cephaliden und Tänien angegeben hat. Bei allen Ceſtoden, deren Strobila aus zahlreichen Proglottiden gebildet wird, iſt die Entwickelung der männ⸗ lichen Genitalien ein wenig früher vollendet als die der weiblichen. In vielen Fällen, ſo bei faſt allen Tetrabo⸗ thrien löſen ſich die Proglottiden von der Kette, ehe die geſchlechtlichen Funktionen vollendet ſind; mitunter ſogar, ehe die Organe überhaupt völlig ausgebildet ſind; ſolche Proglottiden leben dann frei im Darm, wo ſie oft be⸗ trächtlich an Größe zunehmen. Die beiden Geſchlechts⸗ öffnungen liegen ſtets einander ſehr nahe, bei Tetra⸗ bothrien am Seitenrande, nur wenig von dieſem entfernt, Humboldt. — Auguſt 1890. aber ſchon auf der Ventralfläche bei Monorygma, bei einigen Tänien find fie flächenſtändig (T. litterata und T. canis lagopodis). Sehr dem Vorderrande genähert finden wir die Genitalpori bei Phyllobothrium tridax und Tetrabothrium crispum, wo fie übrigens nicht al— ternieren, während bei Anthobothrium auriculatum die Pori an der von dem Seiten- und Unterrand des Gliedes gebildeten Ecke liegen. Meiſt mündet die Vagina vor dem Cirrhus aus, ſo daß in der Proglottis ſelbſt eine Kreuzung zwiſchen Scheide und Samenleiter eintritt; bei einigen Formen liegt die Scheidenöffnung dorſal, ſelten nach hinten von der männlichen, was bei den Tänien Regel iſt. Die Zahl der Hodenbläschen ſchwankt zwiſchen drei bei Taenia relicta und diminuta, zehn bis fünfzehn bei Idiogenes otidis und mehrereren Hundert bei den Tetra— bothrien; von ihrer verſchiedenen Anordnung hängt die Verteilung der Vasa efferentia und der Verlauf des Vas deferens ab. Stark gewunden iſt der Gang bei den Tetrabothrien und einigen Tänien, gerade bei den übrigen. Auch die Wandungen des meiſt hervorſtülphbaren Cirrhus weiſen gewöhnlich einen komplizierten Bau auf; die Außen— fläche des Organes iſt oft mit rückwärts gebogenen Stacheln beſetzt. Auch die weiblichen Organe zeigen je nach den Arten und Gattungen recht beträchtliche Verſchiedenheiten; wir heben nur hervor, daß der Dotterſtock jener Tänien, die flächenſtändige Geſchlechtsöffnungen beſitzen, paarig iſt und daß die Dotterſtöcke bei einem Teile der Tetrabothrien nicht die ganze äußere Parenchymſchicht mit ihren Follikeln erfüllen, ſondern als gedrungene, aber doch lang geſtreckte Drüſen zwiſchen den Längsgefäßen der Exkretionsorgane und den Seitennerven liegen. Die anatomiſchen Ergebniſſe benutzt Zſchokke auch für die Syſtematik und verſucht die eyſtoiden Tänien — pro— viſoriſch zu gruppieren in A. Tänien mit kurzen Proglottiden; Geſchlechtsöff— nungen ſtets auf denſelben Seiten gelegen, Skolex ohne Haken, Glieder breiter als lang, Uterus quer— geſtellt. 1. Tänien mit kurzen Proglottiden und Geſchlechts— organen, die in der Querachſe der Glieder ent— wickelt ſind, zahlreiche Hoden (T. perfoliata, mamillana, transversaria). 2. Kurzgliedrige Tänien mit in der Dorſoven— tralrichtung entwickelten Proglottiden und 3 Hoden (T. relicta, diminuta). B. Dipylidium mit doppelten Geſchlechtsorganen in jeder Proglottis (T. expansa, cucumerina). C. Vogeltänien, mit verlängerten Proglottiden, wenig zahlreiche Hoden, ohne Vesicula seminalis und Receptaculum; Keimſtöcke ſackförmig; Geſchlechts— öffnungen alternierend. D. Tänien mit flächenſtändigen Geſchlechtsöffnungen. Die Dieſingſchen Tetrabothrien teilt Zſchokke in die Calliobothrien und die Tetrabothrien s. str.; die erſteren umfaſſen nur ein Genus, Calliobothrium, mit dem Onchobothrium und Acanthobothrium vereinigt werden; als Jugendform wird der bekannte Scolex polymorphus angeſehen. Zur Gruppe der Tetrabothrien gehören die Genera Anthobothrium, Phyllobothrium, Tetrabothrium, 277 Orygmatobothrium, Monorygma und Echeneibothrium, die wiederum in drei Untergruppen gebracht werden, je nachdem ſie einen oder zwei oder gar keinen Hilfsſaug— napf auf jeder Bothridie beſitzen; eine iſolierte Stellung nimmt Eehinobothrium ein, was auch Unterſuchungen von Pininer*) beſtätigen. Nach dieſem Autor iſt die Gattung ein echter Sammeltypus: durch die Zweizahl der Heft— lappen am Kopf, ſowie durch den Kopfſtiel ſind Bezieh— ungen zu den Tetrarhynchen gegeben, während das Roſtellum an die Tänien und die Genitalien an die Tetrabothrien erinnern. Einen nicht unweſentlichen Beitrag zur Kenntnis der in Waſſervögeln und Fiſchen Schwedens lebenden Ceſtoden liefert Lönnberg ““); es wurden im Ganzen 38 Arten im geſchlechtsreifen Zuſtande gefunden, von denen 7 Arten neu für die Wiſſenſchaft find. Eine neue Art aus Raja clavata wird Vertreter eines neuen Genus: Tritaphros, das vier große geſtielte Bothridien beſitzt, die durch zwei Längswülſte in drei hintereinander liegende Abteilungen geteilt werden; der ſchon ſeit langer Zeit bekannte Bothrio- cephalus belones Duj. wird ebenfalls zum Vertreter einer neuen Gattung (Ptychobothrium) erhoben. Den monozoiſchen Ceſtoden, Caryophyllaeus mutabilis, der in dem Darm unſerer Cyprinoiden nicht felten iſt, hat St. Remy***) von neuem unterſucht und dabei einen aus dem ſonſt blind endigenden Uterus nach der Vagina führenden Gang entdeckt, der ſeiner Lage nach beſtimmt zu ſein ſcheint, die Eier durch die Vaginamündung nach außen zu leiten; mit Recht betont der Autor, daß hierin nur eine Analogie mit gewiſſen Trematoden ge— geben jet, daß demnach der Canalis uterovaginalis einen neuen Erwerb des Caryophyllaeus darſtelle. Zſchokke t) fest ſeine Unterſuchungen über die Para- ſiten des Lachſes fort; diesmal beſpricht derſelbe fünf verſchiedene Arten von Bothriocephalenfinnen, die beſonders bei Oſtſeelachſen nicht ſelten ſind, und beweiſt durch eingehenden Vergleich der Finnen mit denen des breiten Bandwurmes, ſowie durch Fütterungsverſuche, daß es ſich nicht um Jugendzuſtände des Bothriocephalus latus handelt. Lebedeff und Andrejew t) berichten über zwei gelungene Transplantationen, die ſie mit Echi— nococcusblaſen vorgenommen haben. Die Blaſen ent— ſtammten zwei Perſonen, welche ihrem Leiden erlegen waren, und wurden unter antiſeptiſchen Kautelen in die Leibeshöhle von Kaninchen eingeführt, wo jie langſam an Größe zunahmen und 'ſogar Tochterblaſen, in Wirklichkeit eine Enkelgeneration erzeugten. Das in den Hohlräumen des Os ethmoideum und in den Sinus frontales beim Iltis lebende Distomum ) Pintner, Th., Neue Unterſuchungen über den Bau des Band— wurmkörpers. I. Zur Kenntnis der Gattung Echinobothrium (Arb. a. d. zool.⸗zoot. Inſt. d. Univ. Wien. VIII. Wien 1889. 50 S. 3 Taf.). **) Lönnberg, E., Bidrag till kanne domen om i Sverige fore- kommande cestoder (Bib. till k. svensk. vet.-akad. Handl. Bd. XIV. 4. Nr. 9. Stockholm 1889). ***) Saint Remy, G., Recherches sur la structure des organes génitaux du Caryophyllaeus mutabilis Rud. (Revue biol. du Nord de la France 1890. Nr. 7). +) Bidotfe, F., Ueber Bothriocephalenlarven in Trutta salar (Zentralbl. f. Batter. u. Paraſitenkde. VII. Nr. 13). ++) Lebedeff, A. J., u. N. J. Andrejew, Transplantation von Echino⸗ coccusblaſen vom Menſchen auf Kaninchen (Wratſch Nr. 29. 1889). 278 Humboldt. — Auguſt 1890. acutum F. S. Leuch verurſacht bet den befallenen Tieren, wie Moniez!) berichtet, eine Reihe von Symptomen, die es ermöglichen, die Anweſenheit der Paraſiten ſchon bei Betrachtung des lebenden Trägers zu erkennen: die infizierten Tiere leiden an Zuckungen des Unterkiefers und ſtark ausgeſprochener Exophthalmie; dabei bleibt aber der Ernährungszuſtand der Iltiſſe, ſelbſt wenn Hunderte von Paraſiten vorhanden ſind, und das Ethmoideum, ſowie die Sinus zerſtört ſind, ſo daß das Hirn zum Teil freiliegt, ein guter, was jedenfalls damit zuſammenhängt, daß eine Eiterung nicht auftritt. Auch das Frettchen, das ja wohl nur eine domiſtizierte Abart des Iltis iſt, beherbergt denſelben Paraſiten. Stoſſich !), dem wir zahlreiche Beobachtungen über Paxaſiten der adriatiſchen Tiere verdanken, hat eine Buc ſammenſtellung der Diſtomen der Amphibien gegeben, aus der hervorgeht, daß bis jetzt 23 Arten bekannt ſind, darunter zehn in geſchlechtsreifen Zuſtänden, ſechs agame und ſieben zweifelhafte Arten. Ein Vergleich der Wirte lehrt, daß die anuren Batrachier, beſonders unſere Fröſche, weitaus die meiſten Arten (9—10) beherbergen; leider find die Paraſiten tropiſcher Formen ſo gut wie gar nicht bekannt. Eine ähnliche Zuſammenſtellung über Trematoden an den Kiemen italieniſcher Fiſche geben Parona und Pe- rugia***); zu den 42 Arten monogener Trematoden kommen noch 6 Arten der Gattung Didymozoon, die den Digenea angehört. Schreiber +) dieſes beobachtete eine maſſenhafte Aus⸗ wanderung von Distomum cylindraceum, das in der Lunge der Fröſche lebt und im Frühjahr, wenn die Wirte aus den Winterquartieren ſchlüpfen und ins Waſſer gehen, durch die Naſenöffnungen aktiv auswandert. Die aus⸗ gewanderten Diſtomen, deren Uterus voll Eier ſitzt, ſterben nach der Auswanderung bald ab, zerfallen und laſſen da⸗ mit die Eier frei werden; ein Teil mag übrigens auch durch die Uterusöffnung entleert werden. Die Körperbedeckung ektoparaſitiſcher Trematoden Ut Braun ) geneigt, als ein umgewandeltes Epithel anzu⸗ ſehen, wie das mehrere Autoren auch bei den Diſtomen ) Moniez, R., Sur un parasite, qui vit dans l’os ethmoide et dans les sinus frontaux du putois (Rey. biol. du Nord de la France II. 1890. Pp. 242). ) Stoſſich, M., I Distomi degli Anfibi. Trieste 1889. 15 P. 80. ) Parona, C., u. A Perugia, Dei trematodi delle branchie di pesci italiani (Atti soc. ligust. d. sc. nat. e geogr. I. 1890. 14 p. 80). ) Braun, M., Notiz über Auswanderung von Diſtomen (Sentral blatt f. Bakteriol. u. Paraſitenkde. VII. 1890. S. 568). Tr) Braun, M., Einige Bemerkungen über die Körperbedeckung ektoparaſitiſcher Trematoden (Zentralbl. f. Batt. 2c. VII. 1890. S. 594 bis 597). thun. Dafür ſpricht einmal die direkte Beobachtung des Verhaltens des Epithels der Polyſtomenlarven bei der Metamorphoſe, worüber Zeller ſchon vor Jahren berichtet, hat, ſowie ferner der Umſtand, daß an den Körperſtellen, wo bei einigen Trematoden ein Hauptepithel erhalten iſt, wie bei Tristomum elongatum in den Kopfſaugnäpfen, die bisher als Cuticula oder Baſalmembran bezeichnete Schicht weder über das Epithel hinwegzieht noch ſich unter dasſelbe ſchlägt, ſondern entweder verſchmächtigt oder ſcharf abgeſchnitten endet. Auch iſt es möglich geweſen, um die wachſenden Haken der hinteren Saugſcheibe junger Poly⸗ ſtomen eine deutliche Matrix nachzuweiſen, ſo daß die alte Annahme, es ſeien dieſe Haken Cuticularbildungen, wohl begründet iſt. M. Weber“) hat auf ſeiner Reiſe in den aſiatiſchen Beſitzungen der Niederlande Gelegenheit gehabt, den ſon⸗ derbaren Paraſiten von Süßwaſſerkrabben, die Pemno— cephala, zu unterſuchen. Bekanntlich find dieſe tinten- fiſchähnlichen Tierchen mit einem großen endſtändigen Saugnapfe und fünf Tentakeln am Vorderende auch in Südamerika und Auſtralien, ſowie in Neuſeeland auf Süß⸗ waſſerkrebſen gefunden und zuerſt als Egel angeſprochen worden, bis Semper ſie für Trematoden ausgab; als ſolche werden ſie auch heute allgemein angeſehen, wenn es ſich auch nicht leugnen läßt, daß ſie eine Reihe Charaktere der rhabdocoeliden Turbellarien tragen. Die Weber'ſche Mit⸗ teilung betrifft beſonders die einzelligen Hautdrüſen der Temnocephala, deren Ausführungsgänge eine rieſige Länge erreichen und mit entſprechenden Drüſen von Hivudineen auf eine Stufe geſtellt werden können, erläutert ferner den Bau der Geſchlechtsorgane, der Exkretionsorgane und des Darmes. In der Lebensweiſe erwies ſich Temnoce— phala nicht als Paraſit, ſondern als Raubtier, da jie ſich von Daphniden, Inſektenlarven u. dergl. nährt, ihren Wirt aber nicht angeht. Endlich ſei noch darauf hingewieſen, daß die allgemein angenommene ventrale Lage der Exkretionspori bei ektoparaſitiſchen Trematoden ſich als irrtümlich heraus⸗ geſtellt hat“); bei faſt allen Arten liegen die paarigen Mündungen auf der Rückenſeite in der Nähe des Vorder⸗ endes, nur bei Onchocotyle ſcheinen ſie endſtändig zu ſein, während aus Wagner's Bemerkungen über Gyrodac- tylus wohl ſicher hervorgeht, daß hier Verhältniſſe vor⸗ liegen, welche denen der Diſtomen ähneln. *) Weber, M., Ueber Pemnocephala BI. (Zoolog. Ergebniſſe einer Reiſe in Niederländiſch⸗Oſtindien. I. Heft. Leiden 1890. S. 1—30. 3 Taf.) **) Braun, M., Ueber die Lage der Exkretionspori bei ektoparaſi⸗ tiſchen Trematoden (Zoolog. Anzeig. 1889. S. 620-622). Aleine Mitteilungen. Geſchwindigteit der Gravitation. Mehr und mehr bricht ſich die Anſicht Bahn, daß die Anziehung, welche eine Maſſe auf eine andere, mehr oder minder entfernte ausübt, ſich nicht in aller Strenge momentan fortpflanzt, ſondern daß dazu eine, wenn auch äußerſt geringe Zeit erforderlich iſt. Die Kräfte, welche in einem gegebenen Augenblicke auf einen Weltkörper wirken infolge des Ein⸗ fluſſes anderer Weltkörper, ſind daher abhängig von den früheren Orten dieſer letzteren Körper. Eine genaue Beſtimmung der Geſchwindigkeit, mit welcher die Gravi- tation ſich fortpflanzt, iſt allerdings zur Zeit nicht möglich. J. v. Hepperger hat aber gefunden, daß die Zeit, welche zum Durchlaufen des Erdbahnhalbmeſſers erforderlich iſt, nicht über eine Sekunde betragen kann. Die Geſchwindig⸗ keit der Gravitation iſt alſo mindeſtens 500mal ſo groß als die des Lichtes. G-. Humboldt. — Auguſt 1890. Berdampfungskalorimeter von Neeſen (Ann. d. Ph. 39, 1). Das Bunſenſche Kalorimeter beſteht aus einem geſchloſſenen Glasgefäß, das mit größtenteils gefrorenem Waſſer gefüllt iſt. Wenn man nun wiſſen will, wieviel Wärme ein gegebener Körper von 100 C., z. B. ein kleinerer Kryſtall, abgibt, wenn er auf 0° C. abgekühlt wird, dann gibt man denſelben in eine Taſche des Glasgefäßes, worauf die Wärme in das Gefäß eindringt und etwas Eis zum Schmelzen bringt, was ſich durch eine Volumverminde— rung des Waſſerinhaltes verrät (da Waſſer beim Schmelzen ſein Volumen verringert) und dieſe Volumabnahme wird in einer Kapillarröhre gemeſſen. Eine gewiſſe Wärme— menge verurſacht nur eine ſehr kleine Volumänderung. Wenn man aber die Wärme nicht zum Schmelzen von Eis, ſondern zum Verdampfen von Aether verwenden wollte, dann würde die Volumzunahme, die der Aether— dampf durch obige Wärmemenge erfährt, etwa 200 mal größer ſein, als obige Volumzunahme des Waſſers. Neeſen führt dieſen Gedanken dadurch aus, daß er zwei ganz gleiche Glasgefäße, welche beide etwas Aether enthalten, durch eine enge Röhre kommunizieren läßt, in welcher ſich ein Tropfen bildet. Der Tropfen verſchiebt ſich, wenn in einem der Gefäße neuer Dampf entwickelt wird. Thut man nun in die Taſche eines der Gefäße einen warmen Körper, dann verſchiebt ſich infolge von Dampfbildung der Tropfen um eine Strecke, die der abgegebenen Wärmemenge propor— tional iſt. Bisher iſt dieſes Kalorimeter etwa 25mal em⸗ pfindlicher als das Eiskalorimeter. F. Verbrennungen unter hohem Druck. Es ijt be- kannt, daß bei der Verbrennung von Schwefel neben ſchwef— liger Säure nicht unerhebliche Mengen von Schwefelſäure— anhydrid gebildet werden und daß bei der Verbrennung von Waſſerſtoff, Leuchtgas oder Kohle mit Leichtigkeit nachge— wieſen werden kann, daß Spuren von ſalpetriger Säure entſtehen. Die direkte Umwandlung von Schwefel in Schwefelſäure und von Stickſtoff in ſalpetrige Säure und Salpeterſäure iſt ſowohl von wiſſenſchaftlichem, als auch von praktiſchem Intereſſe. W. Hempel (Ber. 23. 1455) hat unterſucht, welchen Einfluß die Erhöhung des Druckes auf dieſe Erſcheinungen hat. Die Verbrennungen des Schwefels wurden in trockenem Sauerſtoff in einem ſtarken eiſernen Gefäße ausgeführt, mit welchem eine dickwandige eiſerne Retorte zur Entwickelung des Sauerſtoffes aus chlorſaurem Kali und Braunſtein feſt verbunden war. Wurde dieſe Retorte erhitzt, ſo entſtand in dem allſeitig geſchloſſenen Gefäße infolge der Entbindung des Sauerſtoffes ſtarker Druck, deſſen Betrag an einem Manometer abgeleſen wurde. Der Schwefel befand ſich in Form eines gewogenen Kügel— chens an einem dünnen Platindraht im Innern des Auto— klaven und die Entzündung geſchah in der Weiſe, daß der Draht durch einen ſtarken elektriſchen Strom momentan bis zu ſeinem Schmelzpunkt erhitzt wurde. Eine Reihe derartig ausgeführter Verbrennungen zeigte, daß in der That infolge des hohen Drucks die Menge der Schwefel— ſäure erheblich ſteigt. Beim Oeffnen des Autoklaven ent— weichen die bekannten weißen Nebel von Schwefelſäure— anhydrid und beim Eingießen von Waſſer erfolgt ſtarkes Ziſchen. Die quantitativen Beſtimmungen ergaben, daß bei einem Druck von 40—50 Atm. ungefähr die Hälfte des Schwefels zu Schwefelſäure verbrannt wird. Die Verbrennung von Stickſtoff wurde entweder durch Knallgas oder durch Kohle eingeleitet und zwar ebenfalls vermittelſt eines dünnen Platindrahtes, welcher zum Schmelzen gebracht wurde. Wegen der Bildung von Sal- peterſäure war der Autoklav im Innern vollſtändig mit einem Platinfutter verſehen. In dieſen Autoklaven wurden wechſelnde Mengen von Luft und Sauerſtoff gepreßt und dann zur Verbrennung gebracht. Auch hier zeigte es ſich, daß es unter Anwendung hoher Drucke möglich iſt, ganz erhebliche Quantitäten von Stickſtoff direkt mit Sauerſtoff zu verbrennen, jedoch iſt das Mengenverhältnis der Gaſe zu einander und zu der angewandten Menge von Kohle von großem Einfluß auf die Menge der Salpeterſäure, welche gebildet wird. Al. 279 Konzentration der Sonnenftrahlen für chemiſche RMeaklionen. Viele chemiſche Vorgänge werden durch Sonnenlicht beſchleunigt, oder ſogar erſt hervorgerufen. Dieſe Wirkung muß daher in verſtärktem Maße zur Gel— tung kommen, wenn ein größeres Strahlenbündel durch eine Linſe oder einen Hohlſpiegel konzentriert wird. Hier- von hat Brühl (Ber. 23. 1462) Gebrauch gemacht. Bei der Darſtellung von Zinkäthyl aus Zink und Jodäthyl beobachtet man nämlich öfters, daß es ſchwer hält, den Prozeß einzuleiten. Iſt die Reaktion einmal im Gange, ſo verläuft ſie ganz glatt. Die Retorte, welche mit Zink— ſpänen und einigen hundert Gramm Jodäthyl beſchickt war, wurde daher in den Fokus eines durch Sonnenlicht beſtrahlten Hohlſpiegels von ca. 30 em Durchmeſſer ge⸗ bracht. In kurzer Zeit begann die Reaktion und wurde bald fo ſtürmiſch, daß Kühlung erforderlich war. Im Ver— lauf einer Viertelſtunde etwa war die ganze Menge des Jodäthyls verzehrt und bei der unmittelbar darauf vor— genommenen Deſtillation im Oelbade wurde in ſehr guter Ausbeute Zinkäthyl erhalten. Dieſe Spiegelbeſtrahlung wird ſich vorausſichtlich auch bei anderen Gelegenheiten bewähren, namentlich bei Einwirkung auf Halogenver— bindungen, welche im Sonnenlicht beſonders zur Dis— gregation neigen. In manchen Fällen wird man vielleicht anſtatt eines metallenen Hohlſpiegels auch eine große Linſe mit Vorteil anwenden können. Wegen der beträchtlichen Athermanie des Glaſes dürften indeſſen Linſen wohl minder kräftig wirken. Al. Eine nene Beſtimmung der Größe und Richtung der Bewegung der Sonne, welche Lewis Boß ausge— führt hat, iſt deshalb beſonders bemerkenswert, weil von den 253 Sternen, welche er benutzt hat, nur 49 ſchon früher zu demſelben Zwecke Verwendung gefunden haben. Dieſe Sterne gehören alle einer 4° 20“ breiten Zone an, deren mittlere Deklination 3° nördlich iſt. Aus einer erſten Reihe von 135 Sternen ergab ſich für die maximale Winkelgeſchwindigkeit der Sonne in 100 Jahren, geſehen aus der Einheit der Entfernung (von einem Stern 6. Größe aus), der Wert von 12,39“ und für die Achſen, d. h. für den Punkt des Himmels, auf welchen die Bewegung der Sonne gerichtet ijt, die Rektaſzenſion 280,4“ und die Deklination 42,8“ nördlich. Aus einer zweiten Reihe von 144 Sternen fand Boß 13,73“, 285,7“ und 45,1“, aus beiden Reihen zuſammen aber 13,09%, 283,3 und 44,1“. Bei dieſen Rechnungen waren 5 Sterne ausgeſchloſſen, deren Eigenbewegung mehr als 100“ im Jahrhundert beträgt. Eine zweite Berechnung ſchloß alle Sterne mit einer Eigen— bewegung von 40“ oder mehr aus, wobei 253 übrig blieben; die Ergebniſſe waren 10,58“, 288,7“ und 51,5. Ludwig Struve hat vor einigen Jahren für dieſelben Größen die Werte 4,36“, 273,3 und 27,3 gefunden; Boß glaubt abev, daß Struves Wert für die Deklination des Apex um 10,4“ zu vergrößern ijt, was den mit der Rechnung von Boß beſſer ſtimmenden Wert 37,7“ gibt. Als wahr— ſcheinlichſten Ort für den Apex kann man vielleicht einen Punkt in dem Sternbild der Leier annehmen, deſſen Koor— dinaten find: Rektaſzenſion 280°, Deklination 40° nördlich. Noch bei weitem unſicherer iſt unſere Kenntnis der Ge— ſchwindigkeit der Sonnenbewegung; während Struve 4,36“ angibt und Boß ungefähr 13“, hat Biſchof 47,6“ gefunden, Die Hauptſchwierigkeit liegt hierbei in unſerer mangelhaften Kenntnis nicht nur der wahren, ſondern auch der relativen Entfernungen der Sterne von uns. 6 1. Rotation der Sonne. Während der Sommer von 1887, 1888 und 1889 hat Dunèr mit Hilfe eines Spek— troſkops mit Rowlandſchem Diffraktionsgitter, das an dem Refraktor der Sternwarte Lund angebracht war, Beobach- tungen über die Verſchiebung gewiſſer Spektrallinien an entgegengeſetzten Seiten des Sonnenrandes angeſtellt, um dadurch die Größe der Rotationsgeſchwindigkeit an der Sonnenoberfläche in verſchiedenen heliographiſchen Breiten feſtzuſtellen. Dabei ergaben ſich für die Breite 2 folgende Werte für den Rotationswinkel € in 24 Stunden: Humboldt. — Auguſt 1890. 280 10 so RS TAO e eee ee 15 ee 13,66 60 10,62 Some 13,06 % ONS As Die be) gut durch die Formel = 8,596° + 5,5229 . coso — 0,759 185 darſtellen laſſen. —). Neue Mondphotographien. Am 12. Mai berichtete Mouchez der Pariſer Akademie über neue, von den Ge- brüdern Henry auf der Pariſer Sternwarte mit dem zur Herſtellung der photographiſchen Himmelskarte beſtimmten Aequatorial von 32 em Oeffnung erhaltene Photographien des Mondes, welche in Bezug auf ſcharfe Wiedergabe der Einzelheiten die in England und den Vereinigten Staaten mit Inſtrumenten von größerer Oeffnung erhaltenen Ab⸗ bildungen weit übertreffen ſollen. Es rührt dies nicht allein von der vorzüglichen Beſchaffenheit der Henryſchen Okulare, ſondern weſentlich auch von dem in Anwendung gebrachten Verfahren der direkten Vergrößerung durch einen beſonderen am Okular angebrachten Apparat her. Der Durchmeſſer des ganzen Mondbildes beträgt 1 m. 6-1. Hyperboliſche Kometenbahnen. Nur bei wenigen Kometen hat die Rechnung auf hyperboliſche Bahnen ge⸗ führt; da aber in allen Fällen der Wert der Exzentrizität die Einheit nur wenig überſchreitet, ſo bleibt es zweifel⸗ haft, ob es überhaupt derartige Kometenbahnen gibt. In einer kürzlich veröffentlichten Abhandlung über die Wahr⸗ ſcheinlichkeit des Vorkommens hyperboliſcher Kometenbahnen gelangt nun Seeliger zu dem Ergebnis, daß unter 500 berechneten Kometenbahnen nach den Geſetzen der Wahr- ſcheinlichkeit nur eine Bahn erwartet werden darf, welche von Ellipſe oder Parabel merklich abweicht. G—1. Atmofpharifhe Wärmeabſorption. Durch Langley wiſſen wir, daß in den Sonnenſtrahlen, wie wir fie nach ihrem Durchgange durch die Atmoſphäre erhalten, nicht alle Wellenlängen in gleichmäßiger Intenſität vorhanden find, ſpeziell daß in den Wärmeſtrahlen ganze Gruppen von Wellenlängen ſehr ſchwach vertreten ſind. Da wir keinen Grund haben zu der Annahme, daß dieſe Wellen⸗ längen ſchon urſprünglich in den von der glühenden Sonne ausgehenden Aetherſchwingungen ſchwach vertreten geweſen wären, müſſen wir annehmen, daß dieſelben in der Atmo⸗ ſphäre abſorbiert worden ſeien, und es entſteht die Frage, ob die atmoſphäriſche Luft ſelber, oder der in ihr enthaltene Waſſerdampf, oder die in ihr vorkommende Kohlenſäure, oder alle drei 2c. dieſe Abſorption bewirken. K. Angſtröm (Ann. d. Phyſ. 39, 2) hat die drei Stoffe einzeln nach ſehr verbeſſerter Methode auf ihr Abſorptions⸗ vermögen unterſucht und gefunden: 1. Reine atmoſphäriſche Luft zeigt nur überaus ſchwache, ſchwer nachweisbare Wärme⸗ abſorption. 2. Waſſerdampf, ſeit 20 Jahren ein phyſikali⸗ ſcher Erisapfel, zeigt zwar unverhältnismäßig weniger Ab⸗ jorption, als Tyndall nachgewieſen zu haben meint, indes iſt die Abſorption doch auch nicht gleich Null, wie die Gegen- partei gefunden zu haben glaubt. Dabei ſcheint ſich das Abſorptionsvermögen auf ſehr verſchiedene Wellenlängen zu beziehen. 3. Kohlenſäure abſorbiert namentlich zwei Wellengebiete, und zwar gerade ſolche, welche nach Langleys Meſſungen in den Sonnenſtrahlen faſt ganz fehlen, und zwar in auffallend hohem Grade, ſo daß man die Kohlen⸗ ſäure der Luft als einen Hauptabſorbator von Wärme⸗ ſtrahlen anſehen muß. F. Elektriſche Eigenſchaften des Quarzes. Bisher galt es als feſtſtehend, daß im hexagonalen Kryſtallſyſtem die drei Nebenachſen gleichwertig ſind. Beobachtungen von Rintgen (Ann. d. Ph. 39, 1) über das elektriſche Ver⸗ halten des Quarzes erſchüttern dieſe Annahme. Einen Cylinder, den man aus einem längeren Quarzkryſtall ge⸗ fertigt hat, kann man auf zwei Weiſen elektriſieren: erſtens indem man ihn zuſammendrückt, zweitens indem man ihn wie ein Seil dreht. Im erſten Falle erſcheint die Mantel⸗ fläche in ſechs Längsſtreifen elektriſiert, und zwar alter⸗ nierend poſitiv und negativ, wobei die Berührungsränder dieſer Streifen ſtets unelektriſch bleiben. Bei Torſion je⸗ doch erſcheinen nicht ſechs, ſondern nur vier alternierend elektriſche Längsſtreifen mit vier indifferenten Berührungs⸗ linien. Dreht man in entgegengeſetzter Richtung, dann erſcheinen in den vier Bändern auch die entgegengeſetzten Elektricitäten. Nun fallen zwei diametral entgegengeſetzte tote Linien der Drehungselektrieität mit zwei toten Linien der Druckelektricität zuſammen, während natürlich die zwei übrigen toten Linien der erſteren Elektricität zwiſchen je zwei tote Linien der letzteren Elektricität fallen. Es be⸗ ſteht alſo im Quarzkryſtall eine durch die Hauptachſe gelegte Ebene, in der zwei verſchiedene Arten elektriſcher Knoten⸗ linien zuſammenfallen. F. Aleber die Nutzpflanzen der alten Veruaner hat Wittmack auf dem Internationalen Amerikaniſtenkongreß intereſſante Mitteilungen gemacht. Aus dem Compte rendu des Kongreſſes iſt jetzt Wittmacks Bericht geſondert erſchienen und wir entnehmen der gehaltreichen Arbeit folgende Einzelheiten. Während wir unſere Kenntnis der Nutzpflanzen der altamerikaniſchen Völker jahrhundertelang aus den Schrif⸗ ten der alten Chroniſten entnehmen mußten, gaben uns die zahlreichen, in den letzten Jahren veranſtalteten Aus⸗ grabungen ein viel klareres Bild derſelben. Namentlich gilt dies von den Kulturpflanzen der alten Peruaner, die mehr denn jedes andere altamerikaniſche Volk ihren Toten Gegen⸗ ſtände mit in das Grab gaben, welche ſich dank der eigenen Beſtattungsart und der Trockenheit jener Gegenden bis auf die Jetztzeit erhalten haben. Auf dem reichſten aller peruani⸗ ſchen Totenfelder, dem von Ancon beim Lima, haben be⸗ kanntlich Dr. Reiß und Dr. Stübel großartige Unter⸗ ſuchungen angeſtellt und die hier gemachten Funde, ſoweit ſie zu den Vegetabilien gehören, wurden von Profeſſor Dr. Wittmack näher unterſucht und beſtimmt. Es ergab ſich, daß die alten Peruaner als Getreidepflanzen ver⸗ ſchiedene Sorten von Mais benutzten, aus dem ſie eine Art von Bier und Branntwein bereiteten. Als weitere Brotfrucht wurde eine Art Mehl, die Quinoa, Cheno- podium Quinoa, viel gebaut, die noch heutzutage vielfach kultiviert wird. Von Hülſenfrüchten wurden zwei Arten Bohnen, Phaseolus Pallar Molina und P. vulgaris L., gefunden. Auch die perlſchnurartigen Hülſen der Mesquite⸗ bohne, Prosopis glandulosa, bildeten ſchon damals, wie noch heute, ein beliebtes Nahrungsmittel, das etwa wie Johannisbrot verzehrt, aber auch gemahlen und mit Waſſer angerührt genoſſen wurde. Von Lupinen wurden nur wenige Samen gefunden; dagegen iſt die Erdnuß, Arachis hypogaea, mehrfach vertreten; ſie wurde wie heutzutage in allen Tropengegenden geröſtet gegeſſen, zur Bereitung von Kuchen und zur Herſtellung eines ſehr milden Oeles benutzt. Von Knollengewächſen wurde beſonders Maniok, Manihot utilissima Pohl, gebaut; auf den Gebirgen kul⸗ tivierte man Kartoffeln, die man gefrieren und dann trocknen ließ und ſie ſo in eine lange genießbar bleibende Konſerve verwandelte; auch Bataten, Ipomoea Batatas, wurden auf⸗ gefunden. Als Obſt hatten die alten Peruaner Bananen und auch die Lucuma, Lucuma obovata H. B. K., der heutigen Bewohner; wohl hauptſächlich als Kompot wurde die Goyave, Psidium Guayava, benutzt; auch der Brei⸗ apfel, Sapota Achras L., dürfte im alten Peru bekannt geweſen ſein. Eine ſehr beliebte Näſcherei, wie noch heut⸗ zutage, war das Mark der großen Hülſen von Inga Feuillei D. C., Pacay genannt. Die Früchte der Persea gratissima, der Anonen, Paſſifloren und Ananas wurden als Obſt hochgeſchätzt. Als Gemüſe wurden die zarten Blätter der Quinoa, Kürbiſſe und Tomaten, Solanum Lycopersicum, gegeſſen. Von narkotiſchen Genußmitteln ift die Coca, Erythroxylon Coca L., zu nennen, die mit pulveriſierten Knochen oder Kalk gekaut wurde, deren Ge⸗ nuß aber dem gemeinen Manne zur Inkazeit ohne Er⸗ laubnis des Königs nicht geſtattet war. Paraguaythee ſcheint ebenfalls bekannt geweſen zu ſein; Tabak diente nur zum Schnupfen und als Medizin, wurde aber nicht geraucht. Humboldt. — Auguſt 1890. 281 Unter den Getränken dürfte die Chicha, eine Art Bier aus Mais, das wichtigſte geweſen ſein. Ueber Gewürz- und Arzneipflanzen der alten Peruaner iſt wenig bekannt; nur der ſpaniſche Pfeffer, Capsicum annuum ., dürfte all- gemein im Gebrauch geweſen ſein. Zahlreich ſind die tech— niſch wichtigen Pflanzen Alt-Perus; Baumwolle wurde in zwei Sorten, weiße und braune, benutzt, ebenſo gab es Wolle vom Wollbaum, Bombax Ceiba; als Faſerſtoffe waren der Hanf aus Agave-, Fourcroya- und Ananas- Blättern bekannt. Als Zunder diente das Mark der Agave. Mit einer nicht genau beſtimmten Indigo fera- Art wurde blau, mit Orleans, Bixa Orellana L., gelb, mit den Früchten von Coulteria tinctoria H. B. A., der Rinde von Rhopala ferruginea K, ſchwarz und braun, mit Bignonia chica H. B. K. und Rubia nitida I. B. K. rot gefärbt. Zum Schmuck dienten die Samen des Seifenbaumes, Sapindus saponaria L., der Lauracee Nectandra und der Papilionacee Mucuna inflexa, die als Perlen zu Halsketten Verwendung fanden. Höchſt inter— eſſant iſt, daß auch die eigentümlich geformten Samen von Thevetia neriifolia Juss., einer in Weſtindien einheimi— ſchen Apocynee, zu dem gleichen Zweck benutzt wurden; man kann hieraus auf alte Handelsverbindungen beider Gebiete ſchließen. Webereigeräte, Stäbe u. ſ. w. wurden aus dem weichen Holze von Porliera hygrometrica /. J., Götzen— bilder, Löffel und andere Schnitzereien aus dem ebenfalls weichen Holz von Pavonia paniculata Cav. gefertigt, wäh— rend harte Hölzer zur Herſtellung von Lanzenſchäften u. ſ. w. dienten; leider iſt eine Beſtimmung derartiger Holzproben äußerſt ſchwierig und in den meiſten Fällen geradezu un— möglich. Berlin. Dr. P. Taubert. Zur Ernährungsphyſtologie der Protozoen. Die Nahrung der Protozoen beſteht bekanntlich ſowohl aus niederſten tieriſchen, als aus niederſten pflanzlichen Or— ganismen; manche Urtiere ſind carnivor, manche herbivor, manche auch omnivor. Viele nähren ſich von toter Sub— ſtanz, viele dagegen von lebenden Tieren: ſie erbeuten kleinere Organismen die ſie allmählich in das Körper— innere überführen. Bezüglich der letzteren Gruppe von Infuſorien fei eine intereſſante Beobachtung von Verworn erwähnt, die, ſo vereinzelt ſie bis jetzt daſteht, einen nicht unwichtigen Fingerzeig für künftige Forſchung gibt. Ver⸗ worn bemerkte (Biologiſche Protiſtenſtudien, Zeitſchr. f. wiſſenſchaftl. Zool., Bd. 46, 1888), wie ein Individuum von Euplotes charax, welches über ein ganzes Bündel von Pſeudopodien von Polyſtomella hinlaufen wollte, an mehreren Pſeudopodien zugleich kleben blieb und krotz ſeiner Fluchtanſtrengungen langſam nach der Schale hingezogen wurde. Seine Bewegungen wurden dabei allmählich immer ſchwächer und hörten ſchließlich ganz auf. Als die Poly- ſtomella einen Ortswechſel vornahm, blieb das Infuſor liegen und war, wie Verworn ſich überzeugte, tot. Es ſpricht dies entſchieden für eine chemiſche Wirkung des Protoplasmas von Polyſtomella auf ſeine Nahrungsindi— viduen. Zur Unterſuchung, welche Beſtandteile der ver— ſchlungenen Nahrung von den Infuſorien aufgenommen werden, ſtellte Meißner verſchiedene Experimente an (Zeitſchr. f. wiſſenſch. Zool., Bd. 46), indem er Infuſorien mit Amylum, Oel und Eiweiß fütterte. Wir führen nach ſeinen eigenen Worten ſeine Endreſultate an. Bei den unterſuchten Rhizopoden ließ ſich weder an Amylumkörnchen noch an Oeltropfen auch bei längerem Verweilen der Stoffe in den Verſuchstieren eine Veränderung mit chemiſchen oder optiſchen Hilfsmitteln nachweiſen; dagegen wurde in vielen Fällen eine Verdauung von pflanzlichem und tieriſchem Eiweiß beobachtet. Viele Infuſorien verwandeln, wenn ihnen andere Nahrung entzogen wird, die aufgenommene Stärke in eine Subſtanz, die ſich, mit Jodlöſung behandelt, rot färbt und daher wohl zur Dextringruppe zu rechnen ſein dürfte, zumal ſie ſpäter im Körper gelöſt wird; Oel blieb dagegen in den unterſuchten Infuſorien un⸗ verändert. Pflanzliches und tieriſches Eiweiß wurde von den Infuſorien leicht gelöſt, während gekochtes Eiweiß keine Veränderung erfuhr. —p. Humboldt 1890. Höhlenfauna des weſllichen Miſſouri. Von den zahlreichen Höhlen Nordamerikas iſt bisher die Fauna der Höhlen von Kentucky, Indiana und Tenneſſee unterſucht. Ihnen ſchließen ſich hierin neuerdings eine Reihe von Höhlen und unterirdiſchen Waſſerläufen im Staat Miſſouri an, welche Miß Ruth Hoppin auf ihren Tierreichtum hin unterſuchte. Von der Amphibien, Fiſche, Cruſtaceen, Mol— lusken und Inſekten umfaſſenden Sammlung intereſſieren beſonders ein blinder Fiſch und ein blinder Kruſter. Der in den unterirdiſchen Gewäſſern Miſſouris in großer Zahl gefundene blinde Fiſch iſt Typhlichthys subterraneus Girard, wohlbekannt aus den Höhlen Indianas, Kentuckys und Tenneſſees und völlig mit den daſelbſt gefundenen Exemplaren übereinſtimmend. Es iſt wahrſcheinlich, daß dieſe Tiere bei Hochwaſſer von einem Höhlenſyſtem zum andern verſchleppt werden können, und ſich ſo über ihr heutiges weites Wohngebiet verbreitet haben, da die völlige Uebereinſtimmung gegen eine geſonderte Entſtehung in den einzelnen Territorien ſpricht. Im Gegenſatz hierzu iſt ein in den Miſſourihöhlen aufgefundener blinder Kruſter, von Faxon als Cambarus setosus beſchrieben, von bisher be— kannten blinden Höhlenkrebſen Nordamerikas ſpezifiſch ver— ſchieden; auch die gewöhnliche, mit Augen verſehene, die Taggewäſſer in der Nähe der Höhle bewohnende verwandte Art, C. virilis, findet fic) manchmal in unterirdiſchen Ge— wäſſern am Eingang der Höhlen; auffallenderweiſe aber iſt ſie nicht die setosus am nächſten ſtehende Art, ſondern setosus zeigt nächſte Verwandtſchaft mit C. Bartonii, der vom oberen Miſſiſſippi bekannt iſt und ſich auch gelegent— lich in den Höhlen von Kentucky findet. Hier lebt außer⸗ dem noch ein augenloſer Kruſter, C. pellucidus, der ſeiner— ſeits wiederum merkwürdigerweiſe nicht mit Bartonii am nächſten verwandt iſt, ſondern die meiſte Aehnlichkeit mit dem erwähnten C. virilis zeigt. Die Amphibien der unter— ſuchten Höhlen boten ebenſowenig wie die Inſekten und Tauſendfüßler beſonderes Intereſſe; es waren durchgängig weitverbreitete Arten, vielfach lichtſcheue Formen, die wohl deshalb die Höhlen aufſuchten, aber keine eigentlichen Höhlenbewohner. Das Gleiche gilt von dem einzigen von Miß Hoppin gefundenen Weichtier, der weitverbreiteten Waſſerſchnecke Physa heterostropha Say. (S. Garman, Cave animals from southwestern Missouri: Bull. Mus. Comp. Zoology, Harv. Coll. Vol. XVII. No. 6. Dec. 1889). Bilder aus dem Tierleben. I. Bei aufmerkſamer Beobachtung begegnen wir täglich Beiſpielen, welche uns nicht im Zweifel darüber laſſen, daß Tiere eine gewiſſe Fähigkeit des Nachdenkens beſitzen und daß viele ihrer Handlungen Aeußerungen intellektueller Fähigkeiten ſind. Obwohl kein Mangel an Schilderungen aus dem Leben der Tiere iſt, in welchen dieſes Moment beſonders hervor— tritt, ſo glaube ich, da ja allein durch Reihen ſolcher That— ſachen ein Schluß auf den pſychiſchen Zuſtand der Tiere ermöglicht wird, daß es nicht ganz ohne Intereſſe ſein dürfte, wenn ich durch nachfolgende Beobachtung die zahl— reichen Beiſpiele auf dieſem Gebiet noch vermehre. Schon mehrfach wurde geſchildert, wie die Eltern vieler Tiere ihre Jungen förmlich erziehen und deren er— erbte Anlagen durch Uebung auszubilden und zu vervoll— kommnen ſuchen. — Vor einiger Zeit beobachtete ich eine Katze, die ihrem Jungen die Kunſt beizubringen ſuchte, eine Maus auf graziöſe Weiſe zu fangen. Als Fang— objekt diente eine Maus aus Papiermaché, die vermittelſt eines Uhrwerks in Bewegung geſetzt werden konnte. Sehr oft hatte ich ſie der alten Katze zum Spielen gegeben; da brachte dieſe eines Tages zur gewohnten Stunde ihre hoff— nungsvolle Tochter herbei, welche aufmerkſam von ferne dem Spiele der Mutter zuſah. Nachdem ſich dieſe genü— gend amüſiert hatte, gab ſie ihrem Zögling durch ver— ſchiedene kurze Rufe zu verſtehen, daß nun die Reihe an ihn komme. Das Kätzchen konnte aber nicht dazu bewegt werden, ſich allein dem grauen Ungeheuer zu nähern. Erſt als Mutter und Kind zuſammen die Maus von allen Seiten berochen hatten, gewann letzteres an Mut und überwand 36 282 feine Angſt foweit, daß es verſuchte, die Beute mit eini⸗ gen Sätzen einzuholen; doch ſchon auf halbem Wege kehrte es wieder voll Entſetzen um. Dieſer feige Rückzug hatte mißfälliges Miauen der Mutter und neues Beſchnuppern des ſchreckenerregenden Gegenſtandes zur Folge. Beim zweiten Angriff ſchien alle Scheu gewichen zu ſein, in zierlichen Sätzen galoppierte die keck gewordene Katze hinter dem Mäuschen drein, während die Mutter mit kurzen Rufen ihren Wildfang zu dirigieren ſchien. Dieſer holte nun auch, wie es ihm die Alte vorher gezeigt hatte, mit der Pfote aus, um einen wohlgezielten Schlag dem flinken Gegner zu applizieren, allein von plötzlicher Angſt befallen, flüchtete er ſich in größter Eile hinter ſeine grollende Mutter. Der dritte Verſuch, dem eine aber⸗ malige Beſichtigung des Feindes vorausgegangen war, gelang inſofern beſſer, als die Abſicht des Schlagens aus⸗ geführt wurde. Der Hieb war jedoch ſo wuchtig geführt, daß die Maus das Gleichgewicht verlor, auf die Seite fiel und der Katze durch das Raſſeln des ablaufenden Uhr⸗ werks großen Schrecken einflößte. Selbſt der Mutter ſchien es dabei nicht ganz geheuer zu ſein, ſie blieb in ange⸗ meſſener Entfernung mit weit vorgeſtrecktem Halſe ſtehen und wagte ſich erſt dann in ihre Nähe, als ich die ver⸗ unglückte Maus wieder aufgeſtellt hatte. Sehr intereſſant war es nun zu ſehen, wie die Alte ihrem Jungen demonſtrierte, wie und in welcher Stärke die Hiebe auf die Maus auszuführen ſeien. Bei jedem Gang ſchien ſie erklärend zu miauen, darauf mußte das Junge abermals ſein Heil verſuchen. Mit aufmerkſam vorgeſtrecktem Halſe und neugierig geſpitzten Ohren ſaß die Lehrmeiſterin in einiger Entfernung und ſchien große Freude an den Fortſchritten ihres hoffnungsvollen Zög⸗ lings zu haben. Allmählich erlahmte jedoch die Schülerin. Kaum hatte die Alte dies bemerkt, als ſie mit großen Sätzen herbeieilte, über das erſtaunte Junge hinwegſetzte und ſelbſt mit Feuereifer hinter dem Spielzeug einherzujagen begann. Nachdem ich die Maus nochmals aufgezogen hatte, verſuchte die Alte ihr Junges zu einem fünften Angriff anzuſpornen, allein diesmal war ſowohl ſtrenges als gü⸗ tiges Miauen vergebens. Das mutwillige Tier ſtürzte ſich ſtatt deſſen auf den Schwanz ſeiner Mutter und be- gann luſtig daran zu zerren und zu zauſen. Dieſes Benehmen brachte aber ſelbſt Katzengeduld zum Brechen. Fauchend ſprang die geſtrenge Lehrerin auf, blitzſchnell wandte ſie ſich um und traktierte ihren wider⸗ ſpenſtigen Zögling derart mit Ohrfeigen, daß dieſer in ſchleunigſter Flucht Rettung ſuchte. Maria Gräfin von Linden. Fiarbenblindheit. Ueber die Häufigkeit des Vor⸗ kommens von Farbenblindheit bei unziviliſierten Völkern liegen nur wenige Angaben vor. In Lawrence in Kanſas wurden kürzlich mehrere hundert Indianer daraufhin ge⸗ prüft; unter 418 Unterſuchten fanden fic) nur 2 Rot⸗ und 1 Grünblinder, alſo der auffallend niedrige Prozentſatz von 0,7 (Transactions of the Academy Kansas of Science. Vol. XI. 1889). W. RAedfer und linker Arm nach der Geburt. Ch. Debierre hat die Gliedmaßen von kurz nach der Geburt geſtorbenen Kindern gewogen und kommt durch Verglei⸗ chung des Gewichtes der rechten und linken oberen Extre⸗ mität der Neugeborenen zu dem Schluß, daß gleich nach der Geburt ein Unterſchied in der Entwickelung des rechten und linken Armes bezw. der rechten und linken Hand noch nicht vorhanden iſt, daß vielmehr erſt die ungleiche Ver⸗ wendung des rechten und linken Armes bezw. der rechten und linken Hand einen Unterſchied in der Entwickelung bedingt. Die vielfach verbreitete Annahme, der vorzugs⸗ weiſe Gebrauch der rechten oberen Extremität ſei durch die Beſchaffenheit der Nervenzentren vorher beſtimmt, der⸗ ſelbe beruhe auf einem Ueberwiegen der linken Hirnhälfte über die rechte, iſt nach Debierre unrichtig. Wir ſind Humboldt. — Auguſt 1890. rechtshändig bezw. linkshändig lediglich durch Erziehung und Gewohnheit. Bei ſeinen erſten Verſuchen, Gegenſtände zu greifen, benutzt der Säugling die rechte und die linke Hand ohne Unterſchied; auf dem Einfluß, den Erziehung und Gewohnheit ausüben, beruht es auch, daß bei den arbeitenden Klaſſen, wo die Eltern ſich weniger um die Gepflogenheiten der Kinder bekümmern, als bei den höheren Geſellſchaftsklaſſen, Linkshändigkeit häufiger vorkommt als bei den beſſeren Geſellſchaftsklaſſen. A. Abhängigkeit der Geburtenzahl in Indien von den dortigen Ekiſtenzbedingungen. Die Statiſtik der Geburten in Indien hat ergeben, daß während im Mai und Juni die Zahl der Geburten nur 35 bis 36 pro 1000 Einwohner beträgt, dieſelbe im September und Oktober auf 56 bis 57 pro 1000 ſteigt. Aus dem Vorhandenſein des Holifeſtes unter den Hindus und aus anderen im Frühjahr abgehaltenen Feſten, die von die Sinnlichkeit reizenden Geſängen und Tänzen begleitet ſind, ſowie aus Andeutungen über ähnliche Feſte bei Griechen und Römern haben gewiſſe Anthropologen den Schluß gezogen, daß es bei dem Urmenſchen eine Brunſtzeit — analog derjenigen der Tiere — gegeben hat. Die obigen Zahlen laſſen aber unzweideutig erkennen, daß die Geburtenziffer aufs engſte mit den Lebensbedingungen der Bevölkerung zu⸗ ſammenhängt. Die obigen Angaben beweiſen, daß die meiſten Conceptionen im Dezember, die wenigſten im Sep⸗ tember ſtattfinden. Der September bildet den Schluß der langen und erſchöpfenden heißen Jahreszeit, wo auch die Malarigeinflüſſe auf ihr Maximum geſtiegen ſind, wo der Lebensmittelvorrat nahezu erſchöpft iſt und überhaupt die Vitalität und Energie der Bevölkerung ihr Minimum erreicht hat. Dagegen iſt im Dezember durch die kühle Witterung der Geſundheitszuſtand bedeutend verbeſſert und Nahrung wieder in Fülle vorhanden, da die Hirſe, von der die ärmeren Volksklaſſen ſich ernähren, im Juli ge⸗ ſäet, Anfang November eingeerntet und während der zweiten Hälfte des November und im Anfang des Dezember ausgedroſchen wird. Während in Europa die Wieder⸗ kehr der warmen Jahreszeit die Fortpflanzung be⸗ fördert, iff es die Wiederkehr der geſunden Jahres⸗ zeit und der vermehrte Nahrungsvorrat, der in In⸗ dien die Fortpflanzung begünſtigt. Daß das Holifeſt der Inder in das Frühjahr fällt, deutet vielleicht zurück auf eine Zeit, wo die Vorfahren der heutigen Hindus ein Land mit kälterem Klima bewohnten. Journ. of the Anthr. Inst. 1889, S. 93. A. Wachstums verhältniſſe der Schulkinder. Die von A. Geisler und R. Ulitzſch unter den Schulkindern des Schulinſpektionsbezirkes Freiberg angeſtellten Meſſungen haben einige bemerkenswerte Reſultate ergeben. Es wurden 21173 Kinder im Alter von 6½ bis 14½ Jahren und zwar 10343 Knaben und 10830 Mädchen gemeſſen. Die Kinder des beſagten Bezirkes ſind im allgemeinen kleiner als die übrigen Schulkinder des Königreichs Sachſen. Die Knaben find bis zum elften Jahre um 0,6 bis 0,9 em größer als die Mädchen; von da ab werden aber die Knaben von den Mädchen überholt. Dieſe Ueberlegenheit der Mädchen über die Knaben bleibt bis zum ſechzehnten Jahre beſtehen, dann wachſen die Knaben wieder mehr als die Mädchen. Durch dieſe Meſſungsreſultate werden frühere Unterſuchungen von Bowditſch und Erisman be⸗ ſtätigt im Gegenſatz zu den älteren Ergebniſſen der Que⸗ teletſchen Unterſuchungen, nach denen die Knaben durch⸗ aus größer als die Mädchen ſein ſollten. (Mitteilungen der Anthrop. Geſellſchaft in Wien 1889.) A. Geiſtige Aeberanſtrengung. Der engliſche Gelehrte F. Galton hat Unterſuchung angeſtellt über die durch Ueberanſtrengung erzeugte Ermüdung des Geiſtes, wobei er durch Ausſendung von Fragebogen bei einer großen Anzahl von Lehrern Erkundigungen einzog. Galton gelangt dabei zu folgenden Schlüſſen: 1. Wenn ein Individuum durch körperliche Anſtrengung ermüdet iſt, ſo legt es ſich Humboldt. — Auguſt 1890. 283 hin und ſeine Muskeln ruhen. Bei geiſtiger Ueberan— ſtrengung aber ruht in dem darauf folgenden Schlaf der Geiſt nicht. Das betreffende Individuum kann vielmehr ſeine Gedanken nicht beherrſchen und erſchöpft ſich in unfruchtbaren Ueberanſtrengungen. 2. Die geiſtige Ueber⸗ anſtrengung wird häufiger erzeugt bei Knaben, die felb- ſtändig arbeiten, als bei ſolchen, die unter der Aufſicht des Lehrers arbeiten. Während der Schuljahre kommt die geiſtige Ueberanſtrengung nicht ſo häufig vor als während der ſpäteren Jahre, wo der Spezialberuf an die geiſtige Thätigkeit der Individuen große Anforderungen ſtellt und wo dieſelben nebenbei noch von häuslichen Pflichten in Anſpruch genommen ſind. Die Trägen ſchützen ihr Gehirn durch ihre Trägheit und nur die geiſtig Regſamen und Strebſamen erſchöpfen ihre Gehirnthätigkeit, indem ſie derſelben zu viel zumuten. Der Grad der Anſtrengung, den das Gehirn un— beſchadet ſeiner ſpäteren Leiſtungsfähigkeit verträgt, iſt in verſchiedenen Lebensaltern und in verſchiedenen Jahres— zeiten und je nach dem allgemeinen Geſundheitszuſtande der betreffenden Individuen ein völlig verſchiedener. In Betracht kommt auch die Natur der geiſtigen Arbeit und die Frage, ob die Arbeit dem betr. Individuum eine un— gewohnte oder gewohnte iſt. Gewiſſe Thätigkeiten des Gehirns — wie z. B. das Rechnen — berühren den— jenigen, der an dieſelben gewöhnt iſt, ſo gut wie gar nicht; andere erregen die Phantaſie und bewirken dadurch eine Ueberanſtrengung und Erſchöpfung des Gehirns. (J. of the Anthrop. Inst. 1889.) A. Pſychologiſche Ausbeute aus Krankenunterſu⸗ chungen. Von dem richtigen Gedanken ausgehend, daß die Unterſuchungen an Nerven- und Geiſteskranken neben ihrer mediziniſchen Hauptabſicht auch dem wiſſenſchaftlichen Pſychologen erwünſchtes Material liefern könnten, wenn ſie eben richtig vorgenommen würden, hat Henry H. Donaldſon (American Journ. of Psychology II, 3, S. 492) eine Liſte aller der Punkte zuſammengeſtellt, die dabei hauptſächlich in Betracht kommen. Die Be— obachtung ſoll ſo vor ſich gehen, daß der Patient in einem Sonderraum ſitzt und möglichſt vor Störungen geſchützt iſt. Zunächſt ſollen nun Kontaktprüfungen vorgenommen werden, damit ſich herausſtellt, ob irgendwo der Druckſinn fehlt, und dann die äſtheſiometriſchen Methoden an— gewendet werden, für die dem Verf. beſonders Joſeph Jaſtrows Apparat geeignet erſcheint. Dieſer, im Amer. Journ. of Psychol. I, 3, S. 252 beſchriebene Apparat erleichtert in der That die Handhabung der zwei beweg— lichen und gegeneinander bis auf kleinſten Differenzen verſtellbaren Spitzen außerordentlich und macht es mög— lich, die Unterſchiedsempfindlichkeit der Haut an beſtimmten Stellen mit großer Genauigkeit zu ermitteln. Des wei— teren ſchlägt Donaldſon vor, die Lokaliſationsfähigkeit zu prüfen; das geſchieht, indem der Patient aufgefordert wird, mit verbundenen Augen die Stelle ſeines Körpers zu be— rühren, die der Unterſucher berührt. Die deutſchen Neu— ropathologen laſſen gewöhnlich den Kranken mit ver— ſchloſſenen Augen die beiden Zeigefinger an einander bringen, ein Verfahren, das beſonders bei Rückenmarks— leidenden vorzuziehen ſein dürfte. Für die Temperatur- ſinnprüfung beruft ſich der Autor auf Goldſcheiders me— thodologiſche Erörterungen zu dieſer Frage und ebenſo bezieht er ſich für die übrigen Punkte ſeiner Tabelle zum größten Teil auf die Unterſuchungen deutſcher Forſcher. Aber der Gedanke, eine ſolche Liſte für das Bedürfnis des Pſychologen und Phyſiologen zu entwerfen, ift neu und verdient ſowohl Beachtung als auch Nachahmung. Berlin. Dr. Mar Deſſoir. Aeber die Herkunft und Sprache der Kankafifden Gebirgsjuden oder Dag-Tſchuſut (Dagh-Berg, Tschufut⸗ Jude) hat J. W. Miller dem unlängſt in Jaroslaw abgehal— tenen ruſſiſchen Archäologenkongreß Mitteilungen gemacht. Dieſe Juden ſprechen iraniſch; ſie leben, 16000 Köpfe ſtark, in Dagheſtan, in den Gouvernements Jelliſawetpol, Baku und in einigen Aulen (Dörfern) des Terek- und Kuban— gebietes. Früher iſt ihre Zahl eine große geweſen. Zahl— reiche geographiſche Namen in Dagheſtan erinnern an die einſtige Anweſenheit der Juden. Den Beweis, daß in einzelnen Gegenden des Dagheſtan die jüdiſche Religion durch den Islam verdrängt worden iſt, liefert die That- ſache, daß in einigen mohammedaniſchen Aulen, deren Cine wohner von Juden abzuſtammen behaupten, hebräiſche Bücher als heilig in den Moſcheen aufbewahrt werden. Zu Be- ginn des 8. Jahrh. war die jüdiſche Religion im öſtlichen Kaukaſus ſehr verbreitet. Es ſind gewichtige Gründe zur Annahme vorhanden, daß gerade das in Dagheſtan ein— gewurzelte Judentum auf die Eroberer von Dagheſtan, auf die Chazaren, einen großen Einfluß ausgeübt hat und den Uebertritt der chazariſchen Kagan und der höheren Klaſſen zum jüdiſchen Glauben veranlaßte. Später hat ſich offen⸗ bar die Zahl der Juden in den chazariſchen Städten ſehr vermehrt, nicht nur durch Auswanderer aus dem Kaukaſus, ſondern auch durch Flüchtlinge aus anderen Ländern in⸗ folge der durch einige byzantiniſche Kaiſer herbeigeführten Judenverfolgung. — Von wo kamen die kaukaſiſchen Juden? Unter den Juden ſelbſt iſt die Anſicht verbreitet, daß ſie die Nachkommen der durch die aſſyriſchen Könige vertrie— benen Juden ſeien. Im erſten Buch der Könige iſt wirk— lich von einer Anſiedelung der Juden in dem Bezirke „Medien“ die Rede und Medien, das heutige Gebiet, Aſerbeidſchan, iſt die Heimat der kaukaſiſchen Juden. Von der Anweſenheit der Juden, namentlich des Stammes Iſaſchar, in jenen Gegenden ſpricht unter anderem auch der jüdiſche Reiſende des 9. Jahrhunderts Eldadha-Dani, wobei er anführt, daß jener Stamm außer der heiligen (he— bräiſchen) Sprache noch perſiſch und kedariſch (eine tiir- kiſche Sprache?) rede. Die jetzige Sprache der kaukaſiſchen Juden zeigt in ihrem Bau deutliche Spuren des Aſer— beidſchan. Die Sprache der kaukaſiſchen Juden, gewöhnlich als „Parſi“ oder „perſiſch“ bezeichnet, muß in einer Gegend entſtanden fein, wo Iraniſches, Semitiſches und Türkiſches untereinander ſich miſchen konnte. Die Sprache der kaukaſiſchen Juden iſt ein iraniſcher Dialekt, gebraucht von einem ſemitiſchen Sprachorgan und ſowohl phonetiſch wie ſyntaktiſch durch Türkiſches beeinflußt; die Sprache ſteht dem iraniſchen Dialekt „Tati“ ſehr nahe. Das Tati iſt im Gebiet von Baku auf der Halbinſel Apſcheron im Be— zirk von Jabaſſarow und in einigen Anſiedelungen des nördlichen Perſiens verbreitet. A. Ueber die viel umſtrittenen Etrusſer ſtellt Daniel G. Brinton die Theorie auf, daß ſie libyſchen Urſprungs, alſo mit den Berbern verwandt, und zur See nach Italien eingewandert ſeien (Proceedings of the American Phi- losophical Society. Philadelphia. July to December 1889). W. Katurwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen ete. Zoologiſche Geſellſchaft. Nach dem Vorgange der Anatomen, welche gelegentlich der Naturforſcherverſamm— lung von 1886 ſich zu einer Anatomiſchen Geſellſchaft ver— einigten, haben ſich jetzt die deutſchen Zoologen zur Begrün— dung einer Zoologiſchen Geſellſchaft zuſammengethan. Die Anregung zur Begründung der Geſellſchaft gaben neun Pro- feſſoren der Tierkunde an verſchiedenen Hochſchulen. Die Vorverſammlung hatte vor einigen Wochen in Frankfurt a. M. ſtattgefunden. Mittlerweile iſt die erſte Begründung der Geſellſchaft erfolgt. Mit ihrer Leitung wurden betraut 284 Humboldt. — Auguſt 1890. Profeſſor Bütſchli in Heidelberg, Prof. J. Victor Carus in Leipzig und Prof. Spengel in Gießen. Bisher haben ſich 54 Naturforſcher in die Geſellſchaft aufnehmen laſſen, deren Zweck iſt, die Zoologen einander näher zu bringen, als in der zoologiſchen Sektion der Naturforſcherverſamm⸗ lung angängig iſt. D. Der vor kurzem zu Görlitz verſtorbene Herr M. Winkler hat ſein 150000 Spezies umfaſſendes Herbar und ſeine botaniſche Bibliothek dem Botaniſchen Garten zu Bres⸗ lau vermacht. tt Die Votaniſchen Stationen in den Hochalpen ge- deihen ſehr gut. Die Berichte aus Zermatt und vom Großen St. Bernhard ſprechen ſich günſtig über die Alpen⸗ pflanzgärten aus. Es werden darin Hunderte von Arten kultiviert. D. Die däniſche Admiralität hat ſeit dem 1. Mai ſyſte⸗ matiſch hydrographiſche Beobachtungen längs der däniſchen Küſten anſtellen laſſen. Zweck der Unterſuchungen iſt, genaue Daten über die ichthyologiſchen und meteorologi⸗ ſchen Verhältniſſe der däniſchen Gewäſſer zu erhalten. P. Dr. Thoroddſen zu Reikjavik (Island), der für ſeine Sammlung foſſiler Pflanzen von der Stockholmer Akademie der Wiſſenſchaften die Medaille zum Andenken an Linne empfing, erhielt von Baron Dickſon 1200 Kronen, um die isländiſche Halbinſel Sneefieldneß zu unterſuchen. Dr. Thoroddſen hofft bald ſeine geologiſchen Unterſuchungen über Island zum Abſchluß zu bringen. 1 Dem Kings College in London hat die Witwe von Sir William Siemens den Abſichten ihres Gatten gemäß die Summe von 6000 £ zur Erbauung eines elektriſchen Taboratoriums geſchenkt. Der Leiter desſelben wird Dr. John Hopkinſon ſein. D. Prof. von Nordenſkiöld teilte kürzlich der Stockholmer Akademie der Wiſſenſchaften mit, daß während des Som⸗ mers eine wiſſenſchaftliche Expedition nach Spitzbergen abgehen würde; an derſelben werden ſein Sohn M. G. Nor⸗ denſkiöbld und die Herren Klinkowſtroem und Bahaman teilnehmen. Die Ausgaben werden von Baron Dickſon und Herrn M. F. Beyer beſtritten. : Eine ſchwediſche Expedition nach Kamerun wird jetzt ausgerüſtet. Die Akademie der Wiſſenſchaften zu Stockholm beſtreitet die Koſten. Die Leitung iſt dem Kandidaten der Philoſophie Yugve Sjöſtedt übertragen worden. Der Zweck der Expedition, welcher ſich ein Bo⸗ taniker aus eigenen Mitteln anſchließt, iſt die Erforſchung der Fauna auf dem weſtlichen Kamerunberg, ſowie ento- mologiſche Sammlungen für die Akademie. Man berechnet die Zeitdauer auf etwa 14/4 Jahr. D. Das Votaniſche Muſeum und Saboraforinm des Michigan Agricultural College wurden durch eine Feuersbrunſt gänzlich zerſtört; auch das Herbarium Wheeler, das über 7000 Arten umfaßte und die vollſtändigſte Samm⸗ lung von Michiganpflanzen darſtellte, ging dabei zu e Eine neue Sternwarte iſt unter Beihilfe der fran⸗ zöſiſchen Regierung vor kurzem bei Tananarivo auf Ma⸗ dagaskar gegründet worden. Sie wird von Jeſuiten ge- leitet und liegt öſtlich der Stadt auf einem 1400 m hohen Hügel (Naturw. Woch). Mt PMreisanfqahen. Das Reale Instituto di scienze e lettere in Mailand hat für die Jahre 1890, 1891 und 1892 folgende Preisaufgaben geſtellt⸗ 1. Es ſoll eine hiſtoriſch kritiſche Unterſuchung der bisher ausgeführten Arbeiten über die Schwankungen der Erdklimate in den geolologiſchen Zeiten gegeben werden. Es werde der relative Wert der zur Erklärung dieſer Aen⸗ derungen aufgeſtellten Hypotheſen erörtert. Der Preis be⸗ trägt 1200 Lire, der Termin iſt der 30. April 1891. 2. Cagnola⸗Preis: Eine Monographie der Protiſten der Brunnenwäſſer von Mailand. Der Termin iſt der 1 Mai 1891, der Preis 2500 Lire und eine goldene Me⸗ daille im Wert von 500 Lire. 3. Foſſati⸗Preis: Durch eigene Beobachtungen und Experimente iſt irgend ein Punkt der Phyſiologie des Ner⸗ venſyſtems aufzuklären, beſonders des Gehirns. Preis 2000 Lire, Termin 1. Mai 1891. 4. Foſſati⸗Preis für 1892: Ein Punkt der Phyſio⸗ logie oder der makro- oder mikroſkopiſchen Anatomie des Gehirns iſt aufzuklären. Termin 30. April 1892, Preis 2000 Lire. 5. Secco-⸗Comeno-Preis: Der Theorie Drapers, wie ſie gewöhnlich genannt wird, über die fortſchreitende Entwicke⸗ lung der Lichtſtrahlen eines Körpers, deſſen Temperatur all⸗ mählich erhöht wird, iſt durch neue Beobachtungen und Ver⸗ ſuche des Prof. Weber widerſprochen worden. Es werde eine möglichſt vollſtändige experimentelle Unterſuchung der Erſcheinung angeſtellt, um die Geſetze derſelben feſtzuſtellen, unter Ausſcheidung des gewöhnlichen Einfluſſes des Beob⸗ achters auf die Deutung der ſich darbietenden Erſcheinungen. Der Preis beträgt 864 Lire, der Termin iſt der 1. Mai 1893. Die Abhandlungen müſſen italieniſch, franzöſiſch oder lateiniſch abgefaßt, mit Motto und verſchloſſener Angabe des Namens und Preiſes, um den die Schrift ſich bewirbt, verſehen an das Sekretariat des Inſtituts in Mailand, Palazzo di Brera geſandt werden. T. Biographien und perſonalnotizen. Privatdozent Dr. Brieger in Berlin wurde zum ordentl. Prof. in der mediziniſchen Fakultät daſelbſt ernannt. Prof. Schwendener und Magnus zu Berlin, Cohn zu Breslau und Möbius zu Heidelberg ſind von der „Societas Italiana dei Microscopisti“ zu korreſpon⸗ dierenden Mitgliedern ernannt worden. Dr. Paul Mayer an der Zoologiſchen Station in Neapel wurde zum Profeſſor ernannt. Privatdozent Dr. Pernet in Berlin, Mitglied der phyſi⸗ kaliſch⸗techniſchen Reichsanſtalt, wurde als Profeſſor der Phyſik nach Zürich berufen. Dr. Max Wolf habilitierte ſich als Privatdozent der Aſtronomie in Heidelberg. Dr. Chriſtian Kundt wurde zum Aſſiſtenten des Mi⸗ Rneralogiſchen Inſtituts in Kiel ernannt. Die k. Akademie der Wiſſenſchaften in Berlin verlieh je 1200 M. Prof. Dames vom Mineralogiſchen Muſeum zu einer geologiſchen Unterſuchung der Inſel Gotland und Dalekarliens, Prof. Urban vom Botaniſchen Garten zu einer Reiſe nach Paris zum Zwecke des Studiums der dort befindlichen Exemplare der weſtindiſchen Flora, und Privatdozent Dr. Rinne zur Unterſuchung der mitteldeutſchen Baſalte. Weiterhin wurden für die Drucklegung naturwiſſenſchaftlicher Schriften 1950 M. an Beihilfe vergeben, davon 1500 M. zur Veröffent⸗ lichung von Prof. Nußbaums Studien über die kaliforniſchen Cirrhipedien und 450 zum Druck von Dr. Karl Schumanns Forſchungen „über den Blüten⸗ anſchluß“. Weitere 1500 M. wurden der Anato⸗ miſchen Geſellſchaft zugeſprochen, um die von Prof. Hiß in Leipzig vor Jahresfriſt angeregte Heraus⸗ gabe einer einheitlichen anatomiſchen Terminologie zu fördern. Dr. Max Deſſoir erhielt für ſeine Abhandlung über die Geſchichte der deutſchen Pſychologie von der Berliner Akademie der Wiſſenſchaften den ausgeſetzten Preis von 2000 M. Die Akademie der Wiſſenſchaften in Wien ernannte Prof. Dr. Ritter v. Ebner in Wien zum wirklichen Mit⸗ glied, die Proff. Dr. Willkomm in Prag, Dr. Weidel Humboldt. — Auguſt 1890. an der Hochſchule für Bodenkultur in Wien und Lord Rayleigh, Sekretär der Royal Society in London, zu korreſpondierenden Mitgliedern. Prof. G. J. Romanes wurde zum Präſidenten der Sun— day Society als Nachfolger James Lintons erwählt. Dr. James Clark wurde zum Prof. der Naturwiſſen— ſchaften am College of Agriculture, Downton, Salis— bury, ernannt. Dr. Alexander Strauch in Petersburg wurde zum immerwährenden Sekretär der k. Akademie der Wiſ— ſenſchaften daſelbſt c.nannt. David Gill, Direktor der Sternwarte am Kap der Guten Hoffnung wurde von der Berliner Akademie der Wiſſen— ſchaften zum korreſpondierenden Mitglied ernannt. Totenliſte. Dokhtouroff, Wladimir, Koleopterolog, ſtarb in Peters— burg. 285 Demeter, K., Bryolog, ſtarb 12. März in Maros-Vaſarhely. De Marſeul, J. A., Entomolog, Herausgeber der „Abeille“, ſtarb in Paris 16. April. Reiche, Louis, Koleopterolog, ſtarb zu Paris den 16. Mai im 91. Lebensjahre. Tafani, Dr. Aleſſandro, Profeſſor der Anatomie und Hiſtologie in Florenz, ſtarb daſelbſt 20. Mai im Alter von 39 Jahren. Dallas, W. J., Kurator of the Geological Society in London, ſtarb daſelbſt 28. Mai, 66 Jahre alt. Kitchen Parker, Profeſſor der vergleichenden Anatomie in London, einer der ausgezeichnetſten Mikroſkopiker Englands, ſtarb 6. Juli. Favre, Alfons, Profeſſor der Geologie in Genf, ftarb vor kurzem. Schaufuß, Dr. L. W., Naturforſcher, Mitbegründer des Zoologiſchen Gartens in Dresden, bekannt durch ſeine Sammlungen, ſtarb 57 Jahre alt 16. Juli in Dresden. Litterariſche Rundſchau. Joſeph Vlaßmann, Die neueſten Arbeiten über den Planeten Merkur und ihre Bedeutung für die Weltkunde. Freiburg i. B., Herderſche Ver⸗ lagshandlung. 1890. Preis 0,50 Mark. Die Schiaparelliſche Entdeckung der Gleichheit der Rotationszeit des Merkur mit ſeiner Umlaufszeit in der Bahn wird hier einem größeren Publikum in gemeinver⸗ ſtändlicher Weiſe vorgeführt. Angefügt iſt eine hiſtoriſche Ueberſicht der bisherigen Verſuche zur Beſtimmung der Rotationszeit des Merkur, ſowie eine Erläuterung der Urſachen, welche bewirken, daß dieſer Planet der Sonne, ſowie der Mond der Erde im Mittel immer dieſelbe Seite zukehrt. Die kleine Schrift kann Liebhabern der Stern— kunde beſtens empfohlen werden. C. F. W. Peters. Königsberg. A. F. Möbius. Die Hauptſätze der Aſtronomie. Siebente Auflage. Für Schulen und zur Selbſt— belehrung umgearbeitet und erweitert von Prof. H. Cranz. Stuttgart, Göſchenſche Verlagsholg. 1890. Preis 0,80 Mark. Die vorliegende kleine Schrift war in den früheren Auflagen kaum als Lehrbuch zu bezeichnen, da ſie nur einen Anhalt bei Vorträgen bieten ſollte und vielfach nur die Reihenfolge der Gegenſtände andeutete, welche der Vor— tragende zu beſprechen hat. Die neue Auflage iſt weſentlich vervollſtändigt und enthält in knapper Form und klarer Aus⸗ drucksweiſe die weſentlichſten Lehren der Aſtronomie, ſoweit ſie für ein größeres Publikum von Intereſſe ſind. Königsberg. C. F. W. Peters. H. Fritz, Die wichtigſten periodiſchen Erſcheinungen der Meteorologie und Kosmologie. Inter⸗ nationale wiſſenſchaftliche Bibliothek, 48. Band. Leipzig, Brockhaus. 1889. Preis 7 Mark. Der Verfaſſer, welcher insbeſondere durch ſein von der Holländiſchen Geſellſchaft der Wiſſenſchaften preisge— kröntes Werk über die Beziehungen der Sonnenflecken zu den magnetiſchen und meteorologiſcheu Erſcheinungen der Erde rühmlichſt bekannt ijt, ſtellt es fic) in vorliegender Schrift zur Aufgabe, die gegenwärtigen Anſchauungen über den Zuſammenhang der verſchiedenartigen Erſcheinungen aus dem Gebiete der kosmiſchen Phyſik unter beſonderer Berückſichtigung der Meteorologie, welche dem periodiſchen Wechſel und der Veränderlichkeit unterworfen ſind, und welche ſowohl für das praktiſche Leben von hoher Bedeu- tung ſind als auch ein großes wiſſenſchaftliches Intereſſe haben, in ein richtiges Licht zu ſtellen und den Weg an— zudeuten, auf welchem die Forſchung weiter zu gehen hat, um ein Werk dem Abſchluſſe zuzuführen, das einen neuen Bauſtein zu der Vereinheitlichung des Weltalls abzugeben berufen iſt, das die geſamten Erſcheinungen der Meteorologie und, wenn nicht alle, doch die meiſten der kosmiſchen Erſchei— nungen des Sonnenſyſtems auf wenige Kräfte, nach heu— tigem Ermeſſen weſentlich auf Anziehung und Wärme zurück— führt. Nachdem der Verfaſſer eine Betrachtung der Sonne, der Erſcheinungen an derſelben, deren wahrſcheinlicher Kon— ſtitution, ihrer Strahlung, der Erde und deren Atmoſphäre ſowie des Mondes vorausgeſchickt hat, beſpricht er nachein— ander eingehend die periodiſchen Erſcheinungen mit täglicher und jährlicher Veränderlichkeit, die periodiſchen Erſcheinungen mit mehrjähriger Veränderlichkeit, die ſäkulären Perioden und ſchließlich die Perioden von kurzer Dauer. Für die Hebungen und Senkungen der Erdoberfläche läßt ſich Pe— riodiſches nicht aufweiſen, da bei dieſer Erſcheinung die Wendepunkte nach Hunderten und Tauſenden von Jahren erſt eintreten, jo daß erſt die ſpäte Nachwelt den Verſuch wird wagen können, darüber zu entſcheiden, ob ein regel— mäßiger Wechſel in dieſer Thätigkeit des Feſten, wie in der vulkaniſchen und Erdbebenthätigkeit ſich ergründen läßt. Die Einflüſſe der wechſelnden Sonnenthätigkeit auf die Erſcheinungen des Erdmagnetismus, ſowie auf die da— mit in inniger Beziehung ſtehenden Polarlichter ſind nach Fritz zweifellos. Aus den Fleckenſtänden der Sonne vermöchte man ſchon ſeit Jahren das Jahresmittel der täg— lichen Variation der Magnetnadel für alle Orte der Erde, inſofern Beobachtungen vorliegen, auch wenn ſie nur we— nige Jahre umfaſſen, zu berechnen, könnte man für die verſchiedenen Breiten Polarlichter erwarten, wenn die Fleckenzahlen beſtimmte Werte erreichen. Ungleich ſchwieriger iſt der Nachweis eines Zuſammenhangs der meteorologi— ſchen Erſcheinungen mit den Aenderungen der Sonnen— thätigkeit. Hier hat man mit unüberwindlichen Schwierig— keiten zu kämpfen, da dieſer Einfluß jedenfalls von nicht ſehr bedeutender Größe iſt und die Wirkungen der Strah— lung bei der außerordentlichen Verwickelung der atmo— ſphäriſchen Verhältniſſe und der Einflüſſe der Unterlage ſo unendlich viele Verſchiedenheiten zeigen. Indeſſen er— ſcheint die Löſung dieſer Fragen nicht unmöglich, indem wenigſtens bei einzelnen Erſcheinungen die periodiſchen Aenderungen, ſofern ſie nicht von der Tages— und Jahresperiode abhängen und beſtimmte, nicht von der Erde ſelbſt hervorgerufene Wechſel ſind, ſich ausgeſprochen zeigen, wie es nament— lich in den Tropen und in der ſüdlichen Erdhälfte, wahr- ſcheinlich auch in den hohen Breiten beider Hemiſphären der Fall iſt, wo die meteorologiſchen Erſcheinungen ſich einfacher geſtalten als in anderen Gegenden unſerer Erde. Der an kleinere oder größere Perioden gebundene, oft über Jahrhunderte fic) erſtreckende Wechſel, wie er beſtimmt 286 Humboldt. — Auguſt 1890. ſich bet dem gleichfalls an die atmoſphäriſchen Verhält⸗ niſſe gebundenen Polarlichte zeigt, führte zu dem Glauben an klimatiſche Veränderungen auch innerhalb weniger Jahr⸗ hunderte. Dieſe Veränderungen müßten in hiſtoriſcher Zeit ganz beſtimmt hervortreten, wenn die Abweichungen ſtets nach derſelben Richtung hin erfolgten: „Würde in einem Jahrhundert die Temperatur nur um 0,1 ab⸗ nehmen, dann müßte ſeit der Zeit der Römer das Klima von Paris auf jenes von Edinburg, das von Rom auf jenes von Mailand, das von Mailand auf das hollän⸗ diſche u. ſ. w. zurückgegangen ſein. Derartige Unterſchiede hätten in der Pflanzenwelt ſich kundgeben müſſen.“ Dieſes iſt in den letzten Jahrtauſenden wohl nicht der Fall geweſen, indeſſen laſſen ſich in verſchiedenen Weltteilen gewiſſe Aenderungen nachweiſen, ohne daß hiervon die ganzen Grd- teile oder gar die ganze Welt betroffen würden, wie der Verfaſſer an verſchiedenen Beiſpielen nachweiſt. „Die Er⸗ gründung der Urſachen des Verlaſſens der an den äußer⸗ ſten Grenzen des amerikaniſchen arktiſchen Inſelgebietes und Grönlands aufgefundenen alten Eskimowohnplätze, des Rückzuges der nördlichen Waldgrenzen in den Tundren Europas, im nördlichen Sibirien und in den Hochregionen der Alpen, der vielfach behaupteten Verſchlechterung des Klimas von Island und des Rückganges von deſſen Pflan⸗ zenertrag ꝛc., wozu neben der Natur der Menſch einen Einfluß durch Verdünnung der Pflanzenbeſtände ausgeübt haben kann, ja ſogar ausgeübt haben muß, ferner der nur Naturereigniſſen zuſchreibbaren gleichfalls behaupteten ſtär⸗ keren Vereiſung Grönlands u. dgl. muß der Zukunft über⸗ laſſen werden. Heute laſſen ſich nur Hypotheſen über derartige Erſcheinungen aufſtellen, ja es laſſen ſich ſelbſt die angeblichen Thatſachen nicht ſelten in Frage ſtellen.“ Wenn man im großen und ganzen mit dieſen Arten von Erſcheinungen ſchon mit der größten Vorſicht zu rechnen hat, um trügeriſche Schlußfolgerungen zu vermeiden, ſo ſcheint es noch gebotener, im einzelnen vorſichtig zu ſein, und dieſes gilt namentlich bei der Prognoſenſtellung. Zwar ſcheint es nachgewieſen zu ſein, daß mit zunehmendem Fleckenſtande die Hagelhäufigkeit zunimmt, das ſtarke Winde häufiger werden und, wenn die Fleckenperioden ſtärker ausgeprägt ſind, auch die Erträge des Feldbaues, nament⸗ lich diejenigen der empfindlicheren Pflanzen, wie des Weines, in den gemäßigten Klimaten ſich heben, allein hierauf Wetterprognoſen zu gründen, würde nur zu Enttäuſchungen führen können. Wir wünſchen mit dem Verfaſſer, daß das vorliegende in gemeinfaßlicher Form geſchriebene Buch eine recht weite Verbreitung finden möge, dann wird es gewiß dazu beitragen, vielfach verbreitete unrichtige Anſchauungen über manche Teile des darin beſprochenen Gebietes ver⸗ drängen zu helfen und dabei neue Freunde einem Gebiete der Forſchung zuzuführen, auf welchem nicht nur Belehrung, ſondern auch ein dankbares Feld der Arbeit zu finden iſt. Hamburg. Dr. W. J. van Bebber. A. Garcke, Flora von Deutſchland. Zum Gebrauch auf Exkurſionen, in Schulen und beim Selbſt⸗ unterricht. 16. neubearbeitete Auflage. Berlin, Paul Parey. 1890. Preis 4 Mark. Das klaſſiſche Werk, für deſſen Vortrefflichkeit die Zahl der Auflagen beredtes Zeugnis ablegt, umfaßt ſeit der 15. Auflage den Pflanzenbeſtand des ganzen Deutſchen Reiches, und es iſt allgemein anerkannt, daß dasſelbe flo⸗ riſtiſch dem neueſten Standpunkt der Forſchungen ent⸗ ſpricht, daß darin die zahlreichen kleinen Beobachtungen, welche die floriſtiſche Litteratur beſtändig liefert, gewiſſen⸗ haft verwertet ſind. Die vorliegende Auflage enthält gegen 90 Arten mehr als die vorige, was indes zum bei weitem größten Teil bedeutet, daß neueren Anſchauungen Rechnung getragen wurde, indem z. B. jetzt 76 Rubus⸗Arten aufgeführt werden, während die 15. Auflage deren nur 42 unterſchied. Um das Buch nicht zu ſtark werden zu laſſen, hat der Verfaſſer die Baſtarde nur dem Namen nach angeführt, „da die Diagnoſen dieſer vielgeſtaltigen Gebilde ohnehin ſchwankend und unvollſtändig ſind und ſein müſſen“. Auch die Fundorte der Baſtarde ſind nicht angegeben, „da ſie überall vorkommen können, wo die Eltern vorhanden ſind“. Die neue Auflage bringt viele Verbeſſerungen und Erleichterungen in der Beſtimmung der Gattungen und Arten und manche ſchwierige Gattungen ſind völlig neu bearbeitet. Die Ausſtattung des Werkes iſt zweckmäßig und ſchön und ſo dürfte daſſelbe im neuen Gewand zu den zahlreichen älteren viele neue Freunde gewinnen. Friedenau. Dammer. Albert Moll, Der Hypnotismus. Zweite ver⸗ mehrte und umgearbeite Auflage. Berlin, Fiſchers mediz. Buchhandlung. 1890. Preis 6 Mark. Molls umfaſſende Darſtellung des Hypnotismus hat innerhalb weniger Monate zwei Auflagen erlebt und eine Ueberſetzung in das Engliſche zur Folge gehabt. Darin liegt jedenfalls ein Beweis, daß der Verfaſſer es verſtan⸗ den hat, den überaus ſchwierigen Gegenſtand in klarer und ſachgemäßer Weiſe abzuhandeln. In der That enthält das Buch alles, was wir bis auf den heutigen Tag Sicheres über Entſtehung, Bedeutung und Verwertbarkeit der hyp⸗ notiſchen Zuſtände wiſſen. Moll ſchließt ſich in ſeinen Darlegungen an die Schule von Nancy an, indem er die geſamten Erſcheinungen auf die Suggeſtion zurückzuführen verſucht, aber er vermeidet es, im Gegenſatz zu den fran⸗ zöſiſchen Forſchern, die ſo hergeſtellten Beziehungen für eine völlig genügende Kauſalerklärung auszugeben. In dieſer Beſchränkung unterliegt denn auch der Grundgedanke des Mollſchen Werkes keinem Zweifel; Bedenken werden ſich nur bei untergeordneten Einzelfragen erheben laſſen, durch welche die grundſätzliche Anſchauung nicht berührt wird. Es iſt alſo ein pſychiſcher Vorgang, von dem alle Erſcheinungen und Wirkungen der Hypnoſe abhängen, und demgemäß bilden pſychologiſche Erörterungen den Kern⸗ punkt dieſes Buches. Daneben aber läuft eine Reihe wich⸗ tiger Unterſuchungen über das Verhältnis der beſchriebenen Thatſachen zur Medizin und Jurisprudenz, ſowie eine Fülle hiſtoriſcher Bemerkungen. Molls „Hypnotismus“ erfüllt daher ſeinen Zweck vollkommen: das Buch gibt, von dem richtigen Geſichtspunkt aus, in angenehmer, lesbarer und zuverläſſiger Darſtellung eine umfaſſende Ueberſicht über ein Gebiet, das erſt ſeit etwa einem Jahrzehnt in den Kreis der Wiſſenſchaft eingetreten iſt und noch jetzt vielfach mißachtet oder wenigſtens verkannt wird. Berlin. Dr. Max Deſſpir. V. Vaulitſchke, Die Wanderungen der Oromo oder Galla Oſtafrikas. Wien, Verlag der An⸗ thropologiſchen Geſellſchaft. 1889. Preis 2 Mark. Aus dem Altertum haben wir keine ſicheren Nachrich⸗ ten über die Oroms oder Galla, das jetzt wichtigſte Volk Oſtafrikas. Die arabiſchen Geographen kennen ſie unter dem Namen Zendſch an der Nord⸗Somali⸗Küſte von Ber⸗ bera bis zum Kap Dſchard Haſſün. Auch nordweſtlich davon im Danakil⸗Land finden ſich Spuren ihrer früheren An⸗ weſenheit. Verfaſſer glaubt nun, daß ſie anfangs in Abeſ⸗ ſinien ſelbſt, den ihnen verwandten Bedjas benachbart, gewohnt hätten. Von dort wurden ſie durch die Einwan⸗ derung der Semiten vertrieben, die nicht ſpäter als 4 bis 5 Jahrhunderte v. Chr. angenommen werden kann. Ein Teil der alten hamitiſchen Bevölkerung, z. B. die Agaàu, erhielt ſich im Lande, die Bedja wurden nach Norden ge= drängt, die Galla nach Südoſten, zunächſt in die Nord⸗ Somali⸗Küſte. Im 7.—8. Jahrhundert n. Chr. erfolgte nun mit der Verbreitung des Islam eine großartige Ueber⸗ flutung dieſer Küſte mit arabiſchen Elementen, deren Ver⸗ miſchung mit den Galla Verfaſſer die Bildung der Somali und Danatil zuſchreibt. Der Reſt der Galla mußte weiter nach Süden zurückweichen und die Folge davon war eine Völkerſtauung zwiſchen den großen Seen und der Meeres⸗ küſte, wo fie mit den Bantu und den Nilnegern zuſammen⸗ ſtießen. Im Beginn des 16. Jahrhunderts drangen die Galla wieder nach Nordweſt gegen Abeſſinien vor, ihr Ein⸗ dringen hier wurde ſehr begünſtigt durch die Vernichtungs⸗ Humboldt. — Auguſt 1890. 287 kämpfe Muhamed Granj's gegen die Abeſſinier. Aber auch die Galla wurden mehrfach von dieſem Eroberer be— ſiegt, und ein Teil von ihnen nach Südweſt von Abeſſiniern verdrängt. Auf dieſem Zuge haben ſie wahrſcheinlich den Zuſammenhang der Maſſai mit den Nilvölkern aufgelöſt und fic) mit ihnen und den Wa⸗Kuafi gekreuzt. Jetzt haben ſie den Zuſtand des Stationären erreicht. Ihre Zahl ſchätzt Verfaſſer auf nahezu 8 Millionen. Offenbach. Dr. Woltemaes. A. Andree, Ethnographiſche Varallelen und Ber- gleiche. Neue Folge. Leipzig, Veit & Co. 1889. Preis 7,5 Mark. Die 18 Aufſätze, aus denen ſich dieſes Buch zuſammen— ſetzt, ſind größtenteils ſchon in verſchiedenen Zeitſchriften veröffentlicht worden. Man kann dem Verfaſſer nur Dank wiſſen, daß er ſie hier zuſammengeſtellt und ſo einem größeren Publikum zugänglich gemacht hat, bei dem es ihnen an der verdienten Anerkennung ſicher nicht fehlen wird. Behandelt werden die mannigfachen Stoffe aus dem Gebiete des Aberglaubens, der Sitten und Gebräuche, der Fertigkeiten und der Anthropologie. Am ausführlichſten ſind die Monographien über Masken und über Beſchnei— dung, manche der übrigen ſind nur ſehr kurz gehalten, alle aber ſind anregend und Weitſchweifigkeiten kann man keiner vorwerfen. Auch die Abbildungen (darunter eine der noch nicht beſchriebenen mit Moſaik inkruſtierten alt— e Masken im Muſeum zu Gotha) find dantens- wert. Offenbach. Dr. Wolkemaes. Wibke Gta phie. Bericht vom Monat Juni 1890. Allgemeines. Förſter, Prof. Dir. Wilh., Sammlung von Vorträgen u. Abhandlungen, 3. Folge. Berlin, Dümmler. 4 M. Hallier, Ernſt, Aeſthetik der Natur. Für Künſtler, Naturkundige, Lehrer, Gärtner, Land- u. Forſtwirte, Reiſende, Geiſtliche, ſowie für Freunde der Natur überhaupt ausgearbeitet. Stuttgart, Enke. 10 M. Huxley, T. H., Allgemeine Einführung in die Naturwiſſenſchaften. Deutſche Ausg. v. Prof. Osk. Schmidt (Naturwiſſenſchaftliche Ele⸗ co Nr. 11). 2. unveränd. Aufl. Straßburg i. E. Trübner. 0,80 M. Plüß, Dr. B., Leitfaden der Naturgeſchichte. Zoologie, Botanik, Mine⸗ ralogie. 5. verbeſſerte Auflage. Freiburg, Herder. 2,50 M. Shyſik. Adler, Dr. Gottl. Ueber die Veränderung elektroſtatiſcher Kraftwirkung durch eine leitende Wand. Wien, Tempsky. 0,50 M. Böhm, Alex., u. Oppel, Alb., Taſchenbuch der mikroſkopiſchen Technik. München, Oldenbourg. 3. M. Decher, Prof. Dr. Otto, Neues Nivellierinſtrument, ausgeführt im mathe⸗ matiſch⸗mechan. Inſtitute von Ertel & Sohn (früher G. Reichen⸗ bach) in München, zum Meſſen v. Neigungen, Diſtanzen u. Höhen. München, Th. Ackermann. 1,80 M. Frick, Dr. J., Phyſikaliſche Technik, ſpezielle Anleitg. zur Ausführg. phy⸗ ſikal. Demonſtrationen u. zur Herftellg. v. phyſikal. Demonſtrations⸗ apparaten mit möglichſt einfachen Mitteln. 6. umgearb. u. verm. Aufl. v. Prof. Dr. Otto Lehmann. 1. Bd. Braunſchweig, Vieweg & Sohn. 5 M. Gühne, Dr. B., Abriß der Geſchichte der Elektrizität. Dresden, v. Zahn & Jänſch. 1,20 M. Kerz, Ferd., Weitere Ausbildung der Laplaceſchen Nebularhypotheſe. 2. Nachtrag. Leipzig, Spamer. 1,60 M. Jäger, Dr. Guft., Ueber die Wärmeleitungsfähigkeit der Salzlöſungen. Wien, Tempsky. 0,40 M. Kayſer, Prof. pee H., Lehrbuch der Phyſik für Studierende. Stuttgart, Enke. 10 M. Konkoly, Dr. Nikol. v., Ain für Spektroſkopiker im Kabinett u. am Fernrohr. Praktiſche Winke für Anfänger auf dem Gebiet der Spek⸗ tralanalyſe. Halle, Knapp. 18 M. Margules, Max, Ueber die Schwingungen periodiſch erwärmter Luft. ien, Tempsky. 0,50 M. Pizzighelli, G., Anleitung zur Photographie für Anfänger. 3. Aufl. Halle, Knapp. 3 M. 4 Schmidt, G. C., Ueber die Volumänderung beim Löſen von Salzen in Waſſer. Wien, Tempsky. 0,20 M. Schumann, Hans, Vorſchule der Elektroſtatik u. das Potential. Für Schulen elementar bearb. Leipzig. Fock. 0,80 M. Stefan, J., Ueber elektriſche Schwingungen in geraden Linien. Wien, Tempsky. 0,40 M. 5 9 Urbanitzkty, Alfr. Riter v., u. Zeifel, S., Phyſik u Chemie. Eine gemeinverſtändl. Darſtellung d. phyſikal. u. chem. Erſcheinungen in ihren Beziehungen zum prakt. Leben. Mit. zahlreich. Illuſtr. 1. u. 2. Ya. Wien, Hartleben. à 1,50 M. 8 Wächter, Dr. Friedr. Zur Theorie d. elektr. Gasentladungen. Wien, Tempsky. 0,50 M. 2 Chemie. Abel, Dr. John. F., Beſtimmung d. Molekulargewichtes des Choleſtearins u. des Hydrobilirubins nach der Raoultſchen Methode. Wien, Tempsky. 0,30 M. 1 Dammer, Dr. Otto, Chemiſches Handwörterbuch z. Gebrauch für Chemiker, Techniker, Aerzie, Pharmarceuten, Landwirte, Lehrer u. für Freunde der Naturwiſſenſchaft. 2. verb. Aufl. 2.—7. Lfg. Stuttgart, Union. a 1.20 M. Farnſteiner, Carl, Ueber die Einwirkung einiger anorganiſcher Salze auf das optiſche Drehungsvermögen des Rohrzuckers. Jena, Pohle. 1 M. Heppe, Dr. G., Haus wirtſchaftl. Chemie. Die Lehren u. Fortſchritte der Chemie in ihrer Anwendung auf das Hausweſen. Leichtfaßlich dar⸗ geſtellt für gebildete Leſer. 3. verb. Aufl. Hamburg, Voß. 2. M. Kruskal, Nikolai, Ueber einige Saponinſubſtanzen. Dorpat, Karow. 2 M. Neumann⸗Wender, Dr., Kurzgefaßte Anleitung zur chemiſch-mikroſko⸗ piſchen Unterſuchung des Harns für Apotheker u. ſtudierende Pharma⸗ ceuten. Mit einem Anhang: Unterſuchung der Tuberkelbacillen. Wien, Perles. 1.20 M. Niemitowicz, Dr. L., Glyzerinbromal (Tribrompropionſäurealdehyd) u. Tribrompropionſäure. Wien, Tempsky. 0,30 M. Schmidt, Prof. Dr. Ernſt, Anleitung zur qualitativen Analyſe. 3. verm. u. verb. Aufl. Halle, Tauſch & Groſſe. 2,40 M. Smolka, A., u. K. Friedrich, Zur Kenntnis des Ammelins. Wien Tempsky. 0,40 M. Spetro, Paul, Pharmakognoſtiſch⸗chemiſche Unterſuchung der Ephedra monostachia. Dorpat, Karow. 1,20 M. Sprague, Dr. Charles, Ueber den Thiaceteſſigeſter. Roſtock, Volckmann & Jeroſch. 0,80 M. Stutzer, Dr. Robert, Das Fahlbergſche Saccharin (Anhydroorthoſulfamin— benzosſäure). Braunſchweig, Vieweg & Sohn. 1,80 M. Aſtronomie. Böttcher, Dr. J. E., Nationalzeit, örtliche oder Weltzeit? Vortrag. Leipzig, Grunow. 0,50 M. Bredichin, Th., Sur les propriétés importantes des courants mé- téoriques. Leipzig, Voß. 1,20 M. Döllen, W., Stern⸗Ephemeriden auf d. J. 1890 zur Beſtimmung v. Zeit u. Azimut mittels des tragbaren Durchgangsinſtruments im Vertikale des Polarſterns. Leipzig, Voß. 4 M. Hepperger, Privatdoz. Dr. J. v., Integration der Gleichungen für die Störungen der Elemente veriodiſcher Kometen von geringer Neigung (Bielaſcher Komet) durch die Planeten Erde, Venus und Merkur. Wien, Tempsky. 0,40 M. Klein, Dr. Herm. J., Aſtronomiſche Abende. Allgemein verſtändl. Unter⸗ haltgn. über Geſchichte u. Ergebniſſe der Himmelserforſchg. 3. vielfach _ umgearb. u. verm. Aufl. Leipzig, E. H. Mayer. 5 M. Nießl, Prof. G. v, Bahnbeſtimmung des Meteors v. 23. Oktober 1889. Wien, Tempsky. 0,30 M. eee J., Beobachtungen veränderl. Sterne. 2. Tle. Köln, Bachem. 2 2 Plaßmann, J., Meteore u. Feuerkugeln. Mit einer Anleitg. zum Notieren der Meteorbahnen. Freiburg. Herder. 0,50 M. Voduſek, Prof. M., Grundzüge der theoretiſchen Aſtronomie. Zum Selbſt⸗ ſtudium für angeh. Aſtronomen oder auch zur einheitl. Baſis für Vorleſgn. Laibach, v. Kleinmayr & Bamberg. 8 M. Meteorologie. Haberland, Max, Die meteorologiſchen Verhältniſſe von Neuſtrelitz. Neu- ſtrelitz, Jacoby. 0,25 M. Umlauft, Dr. Prof. Friedr., Das Luftmeer. Die Grundzüge der Me⸗ teorologie u. Klimatologie nach den neueſten Forſchgn. gemeinfaßlich dargeſtellt. 1. Lfg. Wien, Hartleben. 0,50 M. Erdkunde. Eſchenhagen, Dr. M., Beſtimmung der erdmagnetiſchen Elemente, an 40 Stationen im nordweſtl. Deutſchland ausgeführt im Auftrage der kaiſerl. Admiralität in den JJ. 1887 u. 1888. Hrsg. v. d. hydrograph. Amt des Reichsmarineamts. Berlin, Mittler & Sohn. 2,50 M. Günther, Prof. Dr. Siegm., Handbuch der mathematiſchen Geographie. Stuttgart, Engelhorn. 16 M. Koordinaten u. Höhen ſämtlicher v. der trigonometriſchen Abtlg. der Landesaufnahme beſtimmten Punkte im Reg.-Bez. Liegnitz. (Aus: „Die k. preuß. Landes⸗Triangulation, Abriſſe, Koordinaten u. Höhen. 9. Tl.“) Hrsg. v. der trigonometriſchen Abtlg. der Landesaufnahme. Berlin, Mittler & Sohn. 2 M. Landes⸗Triangulation, die preußiſche. Abriſſe, Koordinaten u. Höhen ſämtlicher von der trigonometriſchen Abtlg. der Landesaufnahme be⸗ ſtimmten Punkte. 9, Tl. Reg.⸗Bez. Liegnitz. Hrsg. v. der trigono⸗ metr. Abtlg. der Landesaufnahme. Mit 10 Beilagen. Berlin, Mittler & Sohn. 10 M. Mathers, Cow. P., Reiſe nach Süd⸗Afrika mittels d. Caſtle-Linie. Nach dem engl. Text bearbeitet v. A. Feldmann. Leipzig, Hinrichs. 0,75 M. Polarforſchung, Die internationale, 1882—1883. ie deutſchen Ex⸗ peditionen u. ihre Ergebniſſe. 2. Bd. Inhalt: Beſchreibende Natur⸗ wiſſenſchaften in einzelnen Abhandlungen, hrsg. im Auftrage der deutſchen Polarkommiſſion v. deren Vorſitzenden Dir. Dr. G. Neu⸗ mayer. Berlin. Aſher & Co. 22 M. 288 Mineralogie, Geologie, Baldoutofogic. Abhandlungen zur geologiſch. Spezialkarte v. Preußen u. den thüringiſch. Staaten. 10 Bd. 2. Heft. Inhalt: Das norddeutſche Unteroli⸗ gocän u, ſeine Molluskenfauna, v. A. v. Könen. 2. Lg. Conidae. Volutidae. Cypraeidae, Berlin, Schropp. 18 M. Blankenhorn, Dr. Max, Beiträge zur Geologie Syriens: Die Entwicke⸗ lung d. Kreideſyſtems in Mittel⸗ u. Nord⸗Syrien mit beſond. Berück⸗ ſichtigung der paläontologiſchen Verhältniſſe, nebſt einem Anh. über den juraſſiſchen Glandarienkalk. Eine geognoſtiſch⸗paläontolog. Mono⸗ graphie. Berlin, Friedländer & Sohn in Komm. 30 M. Ettingshauſen, Prof. Dr. Conſt. Frhr. v., Die foſſile Flora v. Schön⸗ egg bei Wies in Steiermark. 1. Tl. (Enth die Kryptogamen, Gym⸗ noſpermen, Monokotyledonen, Apetalen.) Wien, Tempsky. 4,40 M. Huſſak, Eug., u. Woiſchach, Geo. DD., Repetitorium der Mineralogie u. Petrographie, für Studierende d. Naturwiſſenſch., Bergbaubefliſſene u. Ingenieure. Breslau, Preuß & Jünger. 3,50 M. Nathorſt, Prof. Dr. A. G., Beiträge zur meſozoiſchen Flora Japans. Wien, Tempsky. 5,40 M. Ollech, Dr. v., Ueber den Humus u, ſeine Beziehungen zur Bodenfrucht⸗ barkeit. Berlin, Grundmann. 0,80 M. Pocta, Dr. Phpp., Ueber den Inhalt eines Quarzknollens v. Ruditz. Prag, Rivnacs. 0,60 M. Schaffer, Dr. Johs., Verhalten ſoſſiler Zähne im polariſierten Lichte. Wien, Tempsky. 0,30 M Wurm, Prof. Fr., Prag, Rivnas. 0,20 Botanik. Altmann, Rich., Die Elementarorganismen u. ihre Bezichungen zu den Zellen. Leipzig, Veit & Co. 28 M. Behrendſen, Otto, Grundzüge der Botanik. Zum Gebrauche für den Unterricht an höheren Lehranſtalten. 2. verm u verb. Aufl. Halle al/S., Niemeyer. 2 M. Bibliotheca botanica. Abhandlungen aus dem Geſamtgebiete der Botanik. Hrsg. v. Prof. Dr. Chr. Luerſſen u. Dr. F. H. Hänlein. 19. Heft. (1. Hälfte.) Inhalt: Dr. Günther Ritter Beck v. Manna⸗ getta: Monographie der Gattung Orobanche. (1. Hälfte.) Kaſſel, Fiſcher. 24 M. Coßmann, H., Deutſche Schulflora. Zum Gebrauch in höheren Lehr⸗ anſtalten, ſowie zum Selbſtunterricht. Breslau, F. Hirt. 3,60 M. Daul, Red. A., Illuſtriertes Handbuch der Kakteenkunde. Enth. das Wiſſenswerteſte über d. Kultur, d. Gattungsnamen u. Spielarten d. Kakteen u. anderer Sukkulenten, nebſt Angaben über deren Verwdg. im Zimmer, Garten u. Park. Stuttgart, Ulmer. 3,60 M. Engler, A., u. Prantl, K., Die natürlichen Pflanzenfamilien, nebſt ihren Gattungen u. wichtigeren Arten, insbeſondere den Nutzpflanzen, bearb. unter Mitwirkg. zahlreicher hervorrag. Fachgelehrten. 38—40 fg. Leipzig, Engelmann. à 1,50 M. Franck, Dr. 2. „Flora der näheren Umgebung der Stadt Dortmund. 2. verm. Aufl. Dortmund, Köppen. 1,50 M. Göring⸗Schmidt. Ausländiſche Kulturpflanzen. (In 6 Blätt.) Blatt 1 u. 2 Farbendr. Leipzig, Leipziger Schulbilderverlag. F. E. Wachs⸗ muth. a 2 M. Hansgirg, Prof. Dr. A., Ueber neue Süßwaſſer⸗ und Meeres⸗Algen u. Bakterien, mit Bemerkgn. zur Syſtematik dieſer Phykophyten u. über den Einfluß des Lichtes auf die Ortsbeweggn. des Bacillus Pfefferi nob. Prag, Rivnac. 1,20 M. Heinricher, Prof. Dr. E., Ueb. einen eigentüml. Fall von Umgeſtaltung einer Oberhaut u deſſen biologiſche Deutung. Wien, Tempsky. 1,60 M. Höfer, Fachlehrer, P. F., u. Kronfeld Dr. M., Die Volksnamen der niederöſterreichiſchen Pflanzen. Geſammelt u. erläutert. Wien, Seidel & Sohn. 4 M. : Kirchner, Osk., Die Krankheiten u. Beſchädigungen unſerer landwirtſchaftl. Kulturpflanzen. Eine Anleitung zu ihrer Erkenng. u. Bekämpfg. für Landwirte, Gärtner 2c. Stutgart, Ulmer. 9 M. Koch's, W. D. J., Synopſis der deutſchen und ſchweizer Flora. 3 Aufl. in Verbindg. mit Prof. DD. Cuſt. Frhr. Günther v. Beck Vincenz v. Borbas, Dr. W. O. Focke u. a., hrsg. v. Prof. Dr. E. Hallier (in etwa 10 Qfg.). 1. Lfg. Leipzig, Reisland. 4 M. Kolb, Max, Die europäiſchen u. überſeeiſchen Alpenpflanzen. Zugleich e. eingeh. Anleitg. zur Pflege d. Alpinen in d. Gärten. Unter Mit⸗ wirfg. der m. dem Sammeln der Alpengewächſe u. deren Pflege im königl. botan. Garten in München ſeit Jahren betrauten Alpenpflanzen⸗ züchter Joh. Obriſt u. Joh. Kellerer. 3.— 8. (Schluß-)Lfg. Ulmer. kmplt. 8 M. Krabbe, G., Unterſuchungen über das Diaſtaſeferment unter ſpezieller Berülckſichtig, ſeiner Wirkung auf Stärkekörner innerhalb der Pflanze. Berlin, Bornträger. 3,60 M. Krätzl, Frz., Die ſüße Ebereſche, Sorbus aucuparia L. var. dulcis. Wien, Hölzel. 1,80 M. Krauſe, Dir. Dr., Die fremden Bäume u. Geſträucher der Roſtocker An⸗ lagen. Güſtrow, Opitz & Comp. 1 M. Mertins, Hugo, Beiträge zur Kenntnis d. mechaniſchen Gewebeſyſtems der Pflanzen. Berlin, Dames. 1 M. Müller, Dr. Carl, Medizinalflora. Eine Einführung in die allgemeine u. angewandte Morphologie u. Syſtematik d. Pflanzen, m. beſond. Rückſicht auf d. Selbſtſtudium f. Pharmaceuten, Mediziner u. Stu⸗ dierende bearb. Berlin, Springer. 8 M. Oborny, Prof. Adf., Flora von Mähren u. Oeſterr.⸗Schleſien, enth. die wildwachſ., verwilderten u. häufig angebauten Gefäßpflanzen. Hrsg. vom naturforſch. Vereine in Brünn. 2 Bde. Brünn, Winiker. 12 M. Spitzenberger, Dr., Ernſt, Lichenaea Africana, Fasc. 1. St. Gallen, A. u. J. Köppel. 3 M. S eee: Dr. J., Plantae novae bulgaricae II. Prag, Rivnac. 0,40 M. Zoologie. Albarraein, Dr. Thom., Mikrophotographien einiger f. die Lehre v. den . wichtiger Teile des Ohres. Wien, Tempsky. 0,60 M. Melilithbaſalt zwiſchen Böhm. Leipa u. Schwojka. M. Humboldt. — Auguſt 1890. Braune, Wilh., u. Zweifel, Paul, Proff., Gefrierdurchſchnitte, in ſyſte⸗ matiſcher Anordnung durch den Körper e. Hochſchwangeren geführt. 12 Taf. in natürl Größe in Mappe. Mit erläut. Text. Leipzig, Veit & Co. 0,40 M. Ebner, Prof. V. v., Strittige Fragen über den Bau d. Zahnſchmelzes. Wien, Tempsky. 1,30 M. Darwin, Charles, Die Abſtammung d. Menſchen und die geſchlechtliche Zuchtwahl. Aus dem Engl. überſ. v. J. V. Carus. 5. durchgeſeh. Aufl. 1. Hälfte. Stuttgart, Schweizerbart. 6 M. Forſchungen zur deutſchen Landes- u. Volkskunde, im Auſtrag der Zen⸗ tralkommiſſion f. wiſſenſch. Landeskunde v. Deutſchland hrsg. von Prof. Dr. A. Kirchhoff. 3. B. 5. Hft. Inhalt: Zur Kenntnis der niederen Tierwelt des Rieſengeb nebſt vergleichenden Ausblicken. Von Dr. Otto Zacharias. Stuttgart, Engelhorn. 1,50 M. Fritſch, Prof. Dr. Guſt., Die elektriſchen Fiſche Nach neuen Unter⸗ ſuchungen anatomiſch⸗zoologiſch dargeſtellt. 2. Abt. Die Torpedinen Leipzig. Veit & Co. 30 M. Geil, Studien, dermatologiſche. 2. Reihe. 4. Heft. Inhalt; Beobadtgn. u. Ideen üb. Hypertrichoſe. Hamburg, Voß. 2 M. Gumppenberg, C. Frhr. v., Systema Geometrarxum zonae tempera- tioris septentrionalis. Syſtematiſche Bearbeitg, der Spanner der nördl. gemäßigten Zone. 3. Tl. Leipzig, Engelmann. 6 M. Heller, Dr. K. M., Der Urbüffel von Celsbes: Anga depressicornis H. Smith. Verſuch einer Monographie. Berlin, Friedländer & Sohn. 8 M. Hermann, Johs., Der Kanarienvogel. Kleines Handbuch f. Liebhaber u. angeh. Züchter. Karlsruhe, Braun in Komm. 1 M. Hertwig, Prof. Dr. Osk., Lehrbuch d. Entwickelungsgeſchichte d. Menſchen u. d. Wirbeltiere. 3. Aufl. Jena, Fiſcher. 11 M. Heyken, Geo., Anatomiſche Unterſuchungen üb die Muskulatur der brei⸗ ten Mutterbänder. Kiel, Gnevkow & v. Gellhorn. 1 M. Klein, Prof. Dr. H., Vergleichende Unterſuchungen über Morphologie u. Biologie der Fortpflanzung bei der Gattung Volvox. Volvox⸗ ſtudien III. Tl. Freiburg, Mohr. 4,40 M. Lachmann, Herm., Die Reptilien u. Amphibien Deutſchlands in Wort u. Bild. Eine ſyſtemat. u. biolog. Bearbeitg. der bisher in Deutſch⸗ land aufgefundenen Kriechtiere u. Lurche. Berlin, Hüttig. 4,50 M. Michaelſen, Dr. W., Beſchreibung der v. Dr. Franz Stuhlmann im Mündungsgebiet d. Sambeſi geſammelten Serritolen. Anh: 1. Dia⸗ gnoſtizierung einiger Terrikolen aus Sanſibar u. dem gegenüberlieg. Feſtlande. 1. Chylustaſchen bei Eudriliden. Hamburg, Gräfe. 2,50 M. — Die Lumbriciden Norddeutſchlands. Ebd. 1 M. — Obligochaeten d. naturhiſtoriſchen Muſeums in Hamburg. III. Ebd. 0,60 M. Nalepa, Prof. Dr. Alfred, Zur Syſtematik der Gallmilben. Wien, Tempsky. 2,20 M. Oppenheim, Paul, Die Land⸗ u. Süßwaſſerſchnecken der Vicentiner Eocän⸗ bildungen. Eine paläontologiſch⸗zoograph. Studie. Wien, Tempsly. M. 4 Pfeffer, Dr. Geo., Die Bezeichnungen f. die höheren gorien in der Zoologie. Hamburg, Gräfe. 0,6 8 — Ueber e. Dimorphismus bei d. Weibchen d. Portuniden. Ebd. 1,50 M. — Die Faune der Inſel Jeretik, Port Wladimir, an der Murman⸗Küſte. Nach den Sammlungen d. H. Kapt. Horn. I. Tl. Die Reptilien, Amphibien, Fiſche, Mollusken, Brachiopoden, Krebſe, Pantopoden u. 1180 Ane EN: Nebſt e. anhängl. Bemerkg. üb. d. Inſekten. Ebd. 1,50 M. — Die Windungsverhältniſſe der Schale v. Planorbis. Ebd. 1,50 M. Pfeiffer, L., Die Protozoen als Krankheitserreger. Sena, Fiſcher. 2,50 M. Robert, Dr. Frdr. Ueber Wiederbildung quergeſtreifter Muskelfaſern. Kiel, Gnevkow & v. Gellhorn. 1,50 M. Scheidt, Leop., Vögel unſerer Heimat. Für Schule u. Haus dargeſtellt. Freiburg, Herder. 2,20 M Schmiedeknecht, Dr. O., Die Gattungen n. Arten d. Cryptinen, revidiert u. tabellariſch zuſammengeſtellt. Berlin, Friedländer & Sohn. 1,10 M. Schulze, Dr. Erwin, Fauna piscium Germaniae. Verzeichnis der Fiſche der Stromgebiete der Donau, d. Rheines, d. Ems, Weſer, Elbe, Oder, Weichſel, d. Pregels u. d. Memel. Magdeburg, Döring. ſyſtematiſchen Kate⸗ M „50 M. Stoß, Proſekt., Anleitung zu den Sektionen und Präparierübungen an unſeren Haustieren. München, Rieger. 1,80 M. Thiele, Dr. Johs., Ueber Sinnesorgane der Seitenlinien u. das Nerven⸗ ſyſtem von Mollusken. Berlin, Dames. 1 M. — 2 Sinnesorgane der Lamellibrandier. Berlin, Dames. 2. 5 Weber, Prof. Dr. Max, Zoologiſche Ergebniſſe e. Reiſe in Niederländiſch Oſt⸗Indien. 1. Heft. Leiden, Brill. 20 M. Dhyfiologie. Caro, Dr., Bewegungs- u. Sinnesvorſtellungen der Menſchen in ihren 9550 A zu ſeiner Gehirnoberfläche. Hamburg, Verlags⸗Anſtalt. 0,80 5 Demme, Wilh., Ueber e. neuen Eiweiß liefernden Beſtandteil plasma. Inaugural⸗Diſſertation. Dorpat, Karow. 1 M Falk, Wilh., Verſuche über die Raumſchätzung m. Hilfe v. Armbewe⸗ gungen. Inaugural⸗Diſſertation. Dorpat, Karow. 1.60 M. Foſter, Prof. M., Phyſiologie. Deutſche Ausg. v. Prof. Osk. Schmidt. (Naturwiſſenſchaftliche Volksbücher Nr. 10.) 2. unveränd. Auflage. Straßburg i. E. Trübner. 0,80 M. Gerſter, Carl, u. du Brel, Carl, Prof. Dr. Mendel in Berlin u. der Hypnotismus. Leipzig, Friedrich. Hoffmann, Nikolai, Einige Beobachtungen betr. die Funktionen der Leber⸗ u. Milzzellen. Dorpat, Karow. 1 M. Jes Karl Friedr., Das Rätſel des Hypnotismus. Berlin, Diimmiler. 1 Proto⸗ Lade, Alois, Beiträge zur Anatomie u. Phyſiologie des Farbenwechſels der Fiſche. Wien, Tempsky. 0,50 M. Toldt, er a Tieriſches u. pflanzliches Wachstum, Wien, Tempsky. 0,5 Keuere Forſchungs- und Beobachtungsmethoden auf dem Gebiete der atmoſphäriſchen Elektrizität. Direktor Dr. J. G. Wallentin in Troppau. Se ie Unterſuchung der Luftelektrizität, der i Geſetze derſelben, die Erforſchung der Ur— 7 * ſachen dieſes meteorologiſchen Elementes beſchäftigt ſeit einer Reihe von Jahren die Meteorologen nicht minder wie die Phyſiker, und es ſind auf den verſchiedenen meteorologiſchen Zen— tralſtationen ſpezielle Anordnungen getroffen worden, um mit Erfolg den Gang der atmoſphäriſchen Elek— trizität zu den verſchiedenen Jahres- und Tageszei— ten verfolgen zu können; daß die Ausbildung der hierzu dienlichen Inſtrumente mit dem Streben der Erforſchung dieſer Naturkraft Hand in Hand ging, daß die Verſuchsmethoden eine weſentliche Vervoll— kommnung erfuhren, braucht nicht erſt beſonders her— vorgehoben zu werden. Insbeſondere haben die ſelbſtregiſtrierenden Inſtrumente, welche von Sir William Thomſon und Mascart für dieſen Zweig der Meteorologie in fo vollendeter Geftalt geſchaffen wurden, dem Forſcher die beſten Dienſte geleiſtet. Während die Methode des Elektroſko— pes, reſp. des Elektrometers, in den früheren Unter— ſuchungen die Oberhand hatte, macht ſich nun auf dieſem Gebiete nach dem Vorſchlage und Vorgange des Profeſſors Leonhard Weber in Kiel (früher in Breslau) ſtatt der obenbezeichneten, am beſten als elektroſkopiſchen Methode charakteriſierten die galvanometriſche Methode geltend. Wir werden auf dieſelbe noch ausführlich zurückkommen. Immer⸗ hin wird es aber wünſchenswert bleiben, wenn die beiden experimentellen Methoden einander ergänzen und gegenſeitig korrigieren. Im innigſten Zuſammenhange mit den expe ri— mentellen Forſchungen über Luftelektrizität ſtehen die Verſuche theoretiſcher Art, dieſe Naturerſchei— nung zu erklären und man kann umgekehrt behaup— Humboldt 1890. ten, daß die Theorie viel zur Verbeſſerung der Ex— perimentier- und Beobachtungsmethode beigetragen hat. Wir werden im folgenden der Beſtrebungen, die Urſachen der atmoſphäriſchen Elektrizität zu er— gründen, in erſter Linie gedenken, und mit größerem oder geringerem Nachdrucke die Beobachtungsweiſen auseinanderſetzen. Der italieniſche Forſcher Luigi Palmieri, welcher bereits früher die Anſicht vertrat, daß bei der Kon— denſation des Waſſerdampfes Elektrizität frei werde, hält nach neueren Mitteilungen an derſelben feſt; beſtärkt wurde er hierzu durch Experimente, welche E. Semmola angeſtellt hatte. In denſelben ſtrömte aus einer Lokomotive Dampf, der unter vier Atmo— ſphären Druck ſtand, in einer Höhe von 5 m über dem Boden durch ein 1,3 em weites und Im langes horizontal gelegtes Meſſingrohr. An der Oeffnung des— ſelben war ein Metallanſatz von kegelförmiger Ge— ſtalt angebracht, der mit der Erde leitend verbunden war und der an der Innenfläche auf Lem Länge mit vielen, gegen die Achſe des Rohres geneigten Metallſpitzen beſetzt war. Dieſe Spitzen wurden von dem aus— tretenden Dampfe umgeben und durch die Reibung desſelben an den Spitzen wurde Elektrizität erzeugt, welche abgeleitet werden konnte. Dies geſchah dadurch, daß man unter rechtem Winkel gegen den Dampfſtrahl ein aus Meſſingdraht verfertigtes Netz, das mit vielen Spitzen verſehen und zur Erde abgeleitet war, auf— ſtellte. In die durch Kondenſation des ausgetretenen Dampfes hinter dem Netze entſtandene Wolke wurde ein iſolierter Konduktor verſenkt, welcher mit Spitzen oder an ſeinen Enden mit feinen Metalldrähten ver— ſehen war, und mit einem Elektrometer (in dem Verſuche von Semmola wurde ein Bohnenbergerſches Elektroſkop in Anwendung gebracht) in leitender 37 290 Humboldt. — September 1890. Verbindung ftand. Die erwähnten feinen Metall⸗ drähte und auch die Luft unter dem Dache, welches zur Ueberdeckung der Lokomotive diente, erwieſen ſich poſitiv elektriſch. Entzog man dem in den konden⸗ ſierten Dampf geſenkten Leiter die poſitive Elektrizität, und bewegte denſelben raſch abwärts, ſo wurde der⸗ ſelbe wie in der freien Atmoſphäre negativ elektriſch. Aus den Verſuchen Semmolas wird von Palmieri der Schluß gezogen, daß es bei der Bildung der Luft⸗ elektrizität auf raſche Verdampfung und Kon- denſation ankomme. Eine chemiſche Theorie der Luftelektrizität wurde vor kurzem von C. Wurſter in ſeiner Ab⸗ handlung „Die Aktivierung des Sauerſtoffes der Atmoſphäre und deren Zuſammenhang mit den elek⸗ triſchen Erſcheinungen der Luft und mit der Ent⸗ ſtehung der Gewitter“ aufgeſtellt. Derſelbe meint, daß in einem Gemenge von Sauerſtoff und Waſſer⸗ dampf durch die Wirkung der Sonnenſtrahlen eine Spaltung des Moleküls von Sauerſtoff in ſeine beiden Atome eintrete, daß nur eines von dieſen Atomen mit einem noch nicht zerlegten Molekül Sauerſtoff ſich zu Ozon verbinde, während das andere Atom mit Waſſer ſich zu Waſſerſtofffuperoryd verbinde. Die Bildung von Ozon in den oberen Teilen der Wolken würde dadurch ihre Erklärung finden. Nach unten wird die Ozonbildung vermindert, ja ſogar aufgehoben und Wurſter behauptet, daß that⸗ ſächlich bei dichtem, tagelang andauerndem Nebel kein Ozon ſich zeige. Nach den Unterſuchungen kommen dem Ozon ſtarke, negativ⸗elektriſche Eigenſchaften zu, und es muß deshalb nach den Anſchauungen Wur⸗ ſters die obere, der Sonne zugekehrte Seite der Wolken, in welcher vorzüglich die Bildung von Ozon ſtattfindet, ſtark negativ elektriſch geladen ſein. Bei zunehmender elektriſcher Spannung würde dieſe Elektrizität ſo bedeutend werden können, daß ſie mit der influenzierten Erdelektrizität ſich in Form eines Blitzſchlages ausgleicht. Immerhin iſt es auf⸗ fallend, daß in dieſer Theorie von der poſitiven Elektrizität keine Rede iſt; es iſt nämlich durch die mannigfaltigſten Verſuche als unumſtößliches Ergeb⸗ nis nachgewieſen worden, daß in allen uns bekann⸗ ten Arten der Elektrizitätserzeugung beide bis dahin verbunden gedachte Elektrizitäten eine Trennung er⸗ fahren. Es iſt dieſer Einwand gegen die Wurſterſche Theorie von Sohnke erhoben worden. Andererſeits erſcheint die ziemlich bedeutende nach einem Gewitter auftretende Menge Ozon durch dieſe Theorie einiger⸗ maßen aufgeklärt, obwohl ſich für das Entſtehen des⸗ ſelben noch andere, triftigere Gründe, ſo das Durch⸗ ſchlagen von elektriſchen Funken durch die Atmoſphäre, geltend machen laſſen. Analog den Erklärungsverſuchen von Peltier und Franz Exner nimmt Sy. Arrhenius an, daß die Erde mit negativer Elektrizität geladen ſei, daß aber die gasförmige Luft und der gasförmige Waſſerdampf unter den gewöhnlichen Umſtänden die Elektrizität nicht leiten; auch der von der negativ geladenen Erde ausgehende, durch Verdampfung entſtandene Waſſer⸗ dampf ſoll unelektriſch fein. Anders ſollen nach der An⸗ ſicht von Arrhenius die Verhältniſſe ſtehen, wenn die Luft von der Sonne beſchienen wird; die Luft ſoll dann in geringem Grade elektrolytiſch leitend werden. Weil nun die am meiſten brechbaren Strahlen, die violet⸗ ten und ultravioletten von der Luft abſorbiert wer⸗ den und dieſelbe dadurch leitend machen, weil ferner die vorwiegende Abſorption der genannten Strahlen in den höchſten Schichten der Atmoſphäre erfolgt, ſo muß in dieſen Schichten die beſte Elektrizitätsleitung ſtatt⸗ finden. Arrhenius ſtützt ſich auf ältere Verſuche von Hittorf, welche ſich auf ſehr verdünnte Luft beziehen, die durch elektriſches Licht beleuchtet, ſcheinbar elek⸗ triſches Leitungsvermögen erlangt. Es iſt aber keines⸗ wegs erwieſen, daß dieſer Vorgang ein elektrolyti⸗ ſcher ſei. Nach Arrhenius werden auch die unteren Luftſchichten, vorausgeſetzt, daß ſie von der Sonne beſchienen werden, noch abſorptionsfähig ſein und die Elektrizität der Erde von derſelben zu den Wolken leiten können. Auf dieſe Weiſe ſollen die Wolken ihre Elektrizitätsladung erhalten, und durch das Zu⸗ ſammenfließen vieler ſehr kleiner Tropfen zu einem großen kann eine ſo bedeutende Spannung entſtehen, wie ſie der Gewitterelektrizität zukommt. Nach den Verſuchen von Hertz über den fördernden Einfluß des Lichtes auf die elektriſchen Entladungen und den folgenden, durch die Arbeiten des ebengenannten Phyſikers veranlaßten Forſchungen von Wiedemann, Ebert u. a. machen die ultravioletten Strahlen die Luft keineswegs leitend, ſondern verurſachen eine Konvektion der mit negativer Elektrizität geladenen Maſſenteilchen. Die ultravioletten Strahlen, welche die Oberflächenſchicht, die negativ elektriſch geladen iſt, treffen, würden dieſe Elektrizität zerſtreuen. Es war wünſchenswert, durch Experimente darzuthun, daß die Hertzſche Wirkung der ultravioletten Strahlen dem Sonnen- und Tageslichte zukommt; die Frage wurde von Elſter und Geitel in Wolfen⸗ büttel unterſucht und in bejahendem Sinne beant⸗ wortet. In der Abhandlung dieſer Forſcher „Ueber die Entladung negativ elektriſcher Körper bund) das Sonnen- und Tageslicht“ wird folgender Verſuch beſchrieben: In einem Garten war eine Zinkſchale von etwa 20 em Durchmeſſer iſoliert aufgeſtellt und durch eine iſolierte Leitung mit dem Quadranten⸗ elektrometer, das im Laboratorium angebracht war, verbunden. Die Schale befand fic) in einem eylin⸗ driſchen Metallgefäße, welches durch einen horizontal verſchiebbaren Deckel mittels einer an demſelben an⸗ gebrachten Schnur vom Laboratorium aus geſchloſſen und geöffnet werden konnte. Zwiſchen Deckel und Schale befand ſich ein weitmaſchiges, zur Erde abge⸗ leitetes Drahtnetz, um die Schale dem Einfluſſe der atmoſphäriſchen Elektrizität zu entziehen. Es zeigte ſich, daß die vom Sonnenlichte getroffene, friſch ab- geſchmirgelte Schale unter dem Einfluſſe der Sonnen⸗ ſtrahlen eine negative Ladung viel ſchneller verlor als eine poſitive. — Es wurden auch die zur Be⸗ ſtimmung der Luftelektrizität von Franz Exner kon⸗ ſtruierten transportablen Inſtrumente zum Studium Humboldt. — September 1890. dieſer Frage herangezogen. Als die beiden Forſcher eine dem Lichte ausgeſetzte Waſſerfläche unterſuchten, konnten ſie keine deutliche aktinoelektriſche Einwir— kung der Sonnenſtrahlen feſtſtellen. — Jedenfalls geht aus dieſen Verſuchen unzweifelhaft hervor, daß der Haupteinwand, der gegen die von Arrhenius aufgeſtellte Theorie der Luftelektrizität erhoben wor— den iſt, nämlich die Unwirkſamkeit der Sonnenſtrah— len in elektriſcher Beziehung, nicht mehr vollends aufrecht erhalten werden kann. Es iſt von Wichtigkeit, zu erwähnen, daß die eben erörterte Methode der Beobachtung von Elſter und Geitel auch dazu benutzt wurde, um die Elektrizität der atmoſphäriſchen Niederſchläge zu beſtimmen. Der vorhin erwähnte Deckel dient in dieſem Falle dazu, den Niederſchlag einzulaſſen, welcher ſich auf dem Auf— fanggefäße ſammelt, worauf der Deckel ſofort wieder ge— ſchloſſen wird. Auf dieſe Weiſe wurde von den beiden Phyſikern feſtgeſtellt, daß der Regen bald poſitiv, bald negativ elektriſch iſt, daß aber faſt immer das Potential der Luftelektrizität poſitiv iſt, wenn der Regen negativ und umgekehrt iſt. Die Anſchauung Exners, daß die Erde negativ elektriſch ſei, und daß die von den Gewäſſern auf— ſteigenden Waſſerdämpfe die negative Elektrizität gegen die Wolken überführen, welche Anſchauung durch Verſuche geſtützt wurde, die allerdings mit älteren Experimenten von Blake, nach welchen der aus ruhigen elektriſierten Flüſſigkeitsoberflächen auf— ſteigende Dampf elektriſch neutral ijt, im Wider- ſpruche ſtehen, hat im Laufe ihres Beſtandes viele Anhänger, aber auch viele Widerſacher gefunden. Verſuche von Sohnke brachten dieſen Forſcher zur Ueberzeugung, daß es keineswegs als ausgemacht zu betrachten ijt, daß die von einer elektriſierten Flüſſig⸗ keit aufſteigenden Dämpfe Elektrizität mit ſich führen, ſondern daß eher Luftſtrömungen, die durch bedeu— tende Temperaturunterſchiede erzeugt ſind, in den beobachteten diesbezüglichen Erſcheinungen eine Rolle ſpielen. Er ſtellte ein cylindriſches Metallgefäß iſo— liert auf; unter der Mitte des letzteren befand ſich iſoliert aufgehängt eine flache Meſſingſchale, welche mit Aether erfüllt war. Das Meſſinggefäß wurde zuerſt zur Erde abgeleitet, dann iſoliert und elektro— metriſch verbunden; es erwies ſich meiſtens negativ elektriſch. Die Schale konnte entweder im ungefüll— ten Zuſtande oder mit Aether erfüllt mit dem Kon— duktor einer Elektriſiermaſchine verbunden und da— dadurch poſitiv elektriſch geladen werden; dann wurde ſie abermals unter der Mitte des obenbeſchriebenen Meſſinggefäßes aufgeſetzt; war die Schale leer, ſo zeigte ſich das Gefäß bald poſitiv bald negativ elek— triſch; war hingegen die poſitiv elektriſche Schale mit Aether erfüllt, ſo war in vollſter Uebereinſtim— mung mit Exners Verſuchen das Gefäß mit poſi— tiver Elektrizität ſtark beladen. Dies zeigte ſich nun auch, wenn in der Schale unter 0 ° abgekühltes Salz— waſſer einer Kältemiſchung ſich befand, in welchem Falle ſtatt einer Verdunſtung eher eine Kondenſation der atmoſphäriſchen Waſſerdämpfe auf der Schale ſtatt— 291 fand. Dieſer Verſuch war es, welcher Sohnke ver— anlaßte, gegen die Exnerſche Theorie Front zu machen und ihn zur Behauptung zu drängen, daß der letztgenannten Theorie der Luftelektrizität die experimentelle Grundlage fehle. Er wollte aber direkter dieſe Frage in Angriff nehmen, und ſchlug ein Verfahren ein, dem folgender Gedanke zu Grunde lag: Die Elektrizität muß ſich von einer geladenen, mit verdunſtender Flüſſigkeit erfüllten flachen Schale rapider zerſtreuen, als von der leeren Schale, wenn eine Konvektion der Elektrizität durch die Flüſſig— keitsdämpfe ſtattfindet; die Geſchwindigkeitsabnahme des elektriſchen Potentiales muß im erſten Falle eine größere als im zweiten ſein. Verſuche mit einem Beetzſchen Elektrometer in dieſer Richtung aus— geführt, zeigten deutlich, daß die Elektrizitätszer— ſtreuung durch die Luftbewegung eine Beſchleunigung erfuhr, daß aber die oben angedeutete elektriſche Konvektion durch den Dampf der angewandten Flüſſig— keiten (Aether und Waſſer) nicht ſtattfand. f Exner hat auf Grund der von ihm vertretenen Theorie und einer Reihe von Beobachtungen konſta— tiert, daß die Luftelektrizität mit ſteigendem Dampf— drucke eine Abnahme erfahre; allein dieſer Satz be— hält nach den Forſchungen von Elſter und Geitel ſeine volle Richtigkeit, die Theorie Exners entſpricht den Erfahrungen nicht durchweg; es iſt zweifellos, daß der Waſſergehalt der Luft einen Einfluß auf die Luftelekrizität ausübt, daß aber derſelbe nicht im ſtande iſt, die jährlichen Schwankungen der Luftelek— trizität allein zu erklären; ſo war bei gleichem Dampfdrucke der Potentialunterſchied für 1 m Höhen— unterſchied, welche Größe als das Potentialge— fälle bezeichnet wird, im Dezember und Januar be— deutend größer als in den Monaten Mai bis November und Februar bis April; bei niederer Tem— peratur war das Potentialgefälle bedeutender als bei hoher. Meſſungen der Luftelektrizität in den Tropen, alſo bei ſehr hohem Dampfgehalt der Lufthülle, wurden von Exner, der im Winter 1888/89 ſich nach Ceylon begab, angeſtellt, und es zeigte ſich, daß das Potentialgefälle im offenen Meere (zwiſchen Aden und Bombay) 50 Volt, in Bombay 80 Volt, in Ceylon 60 Volt betrug, während in den Polar— ſtationen das beobachtete Potentialgefälle weit niedri— ger war. Nach den elektroſkopiſchen Methoden zur Beſtim— mung der Luftelektrizität wird bekanntlich ein iſo— liert aufgeſtellter Apparat, der an der Spitze mit einem ſehr dünn zulaufenden Konduktor, oder noch beſſer mit einer Flamme verſehen iſt, am unteren Ende mit einem Elektroſkop oder einem Elektro— meter in Verbindung geſetzt. Das letztere ſchlägt dann mit pofitiver Elektrizität aus, wenn der Metall⸗ ſtab in der freien, wolkenloſen Atmoſphäre aufge— ſtellt iſt. In dieſer Weiſe wurde von Franz Exner das Potentialgefälle (in dem obenerwähnten Sinne) zu 600, ſpäter ſogar zu 1300 Volt beſtimmt und der Schluß gezogen, daß die Erde eine bedeutende negative Elektrizitätsladung beſitze. 292 Humboldt. — September 1890. Ausgehend von dem Gedanken, daß in dem eben- erwähnten Verſuche mit dem Metallſtabe ein poſi⸗ tiver Elektrizitätsſtrom von der Spitze zur Erdleitung ſtattfinde, hat Profeſſor Leonhard Weber ſtatt der elektroſkopiſchen Meſſung der Luftelektrizität die gal⸗ vanometriſche in Anwendung gebracht, indem er in die Erdleitung ein überaus empfindliches Galvano⸗ meter einſchaltete und den durch dasſelbe fließenden Strom beobachtete. Wir wollen im Nachfolgenden auf Grund der freundlichſt dem Verfaſſer der vor⸗ liegenden Abhandlung von Profeſſor Leonhard Weber gewährten Mitteilungen die Verſuchsmethode und die weſentlichſten Ergebniſſe ſeiner Forſchungen in Betracht ziehen. — Daß die erwähnten, mit dem empfindlichſten Galvanometer erkennbaren Ströme von außerordent⸗ lich geringer Intenſität ſind, erhellt aus einer Be⸗ merkung Webers, derzufolge bei Anwendung einer 1—2 m langen Stange die Größenordnung des Stromes etwa ein Mikromilliampere, d. i. der 1000-millionfte Teil eines Ampere iſt; die Strominten⸗ ſität ſteigt jedoch an, wenn der Stab verlängert wird und größere Flammen an der Spitze desſelben angewendet werden. Erſteres erreichte Weber in ſeinen in Breslau ausgeführten luftelektriſchen Verſuchen durch Zuhilfenahme von Drachen odergefeſſelten Ballons, deren Schnur leitend gemacht wurde. Um eineſtarke elektriſche Ausſtrömung zu erzielen, wurden die Ränder des Drachens mit Silberpapier beklebt und der Schwanz des Drachens aus ebenſolchen Büſcheln hergeſtellt. Es konnten ſo ſchon Funken aus der Schnur ge⸗ zogen werden, wenn der Drachen 100—150 m hoch geſtiegen war; der Strom, welcher in dem Galvano⸗ meter entſtand, mit deſſen einer Klemmſchraube die Schnur, mit deſſen anderer Klemmſchraube die Erdleitung in Verbindung ſtand, war im Maximum 21000 Mikromilliampere. Durch Verſuche, welche Leonhard Weber ſeit dem Jahre 1886 ausgeführt hatte, wurde klar, daß die theoretiſche Behandlung dieſer Verſuche inſofern großen Schwierigkeiten unter⸗ worfen iſt, als die Elektrizitätszerſtreuung nicht nur vom Drachen, ſondern auch von der Schnur ſtatt⸗ fand, und es erwies ſich vorteilhaft, die elektriſche Ausſtrahlung an dem oberen Ende zu beſeitigen, und zwar dadurch, daß die letzten 4—5 m der Schnur aus gewöhnlichem, nicht leitendem Bindfaden genom⸗ men wurden. An Stelle der leitend gemachten Hanf⸗ ſchnur wurde ein ſtählernes Drahtſeil verwendet, deſſen Gewicht für je 1 m ungefähr 3 g betrug. Die Länge des Drahtſeiles, welches von einer Rolle ab⸗ gewickelt wurde, konnte dadurch beſtimmt werden, daß in dasſelbe von 10 zu 10 m farbige Seiden⸗ fäden eingebunden waren. Durch Beſtimmung der Elevation des Seiles an ſeinem unteren Ende, ſowie der Elevation des Drachens konnte die Höhe des⸗ ſelben berechnet und nach einer vom Anſteller dieſer Verſuche angegebenen Formel konnte das der Höhe h entſprechende Potential V berechnet werden, wenn die entſprechende Stromſtärke i an dem Galvanometer mit aller Sorgfalt beſtimmt war. Im Sommer des Jahres 1888 wurden nach dem angegebenen Verfahren an 12 wolkenloſen Sommer⸗ tagen am Nordende der Stadt Breslau Beobachtun⸗ gen ausgeführt und es konnten Höhen bis zu 450 m erreicht werden. Waren dieſe Tage windfrei, ſo wurde der Drachen durch einen Ballon erſetzt. Wurden die gemeſſenen Stromſtärken (die Ablen⸗ kung der Galvanometernadel wurde mittels Fern⸗ rohr und Skala gemeſſen) als Ordinaten, die Höhen, bis zu welchen der Drachen oder der gefeſſelte Ballon geſtiegen war, als Abſeiſſen dargeſtellt, ſo zeigte ſich, daß die Intenſitätskurve mit ihrer Kon⸗ verfeite gegen die Abſeiſſenachſe gerichtet war. Nur an wenigen Tagen zeigte ſich der Strom negativ; als Grund dieſer Erſcheinung erkennt Profeſſor Weber den in der unteren Luftſchicht mit negativer Elek⸗ trizität beladenen Staub, welcher ſeine Elektrizität an die Drachenſchnur abgab. Dieſe konnte einen Teil der poſitiven Elektrizität neutraliſieren, welche durch reine Influenz der geladenen Erde in dem Drahte zum Strömen gebracht wurde. Es zieht ge⸗ rade aus derartigen Beobachtungen Profeſſor Weber den Schluß, daß alle an der Erdoberfläche mit kurzen Leitern angeſtellten Verſuche über atmoſphäriſche Elek⸗ trizität höchſtens dazu verwendet werden können, „gewiſſe relative Werte und periodiſche Aenderungen zu ermitteln.“ Die Zahlenwerte, welche Profeſſor Weber für die Potentialverhältniſſe der Luftelektri⸗ zität erhielt, ſind äußerſt lehrreich; ſie weichen nicht unbeträchtlich von den Werten ab, welche von Exner angegeben wurden: ſo erreichte das Potential in der Höhe von 350 m den Wert von 96400 Volt und bei der Annahme einer gleichmäßigen Zunahme des Potentiales mit der Höhe würde ein Potentialgefälle von 275 Volt aus dem angegebenen Werte reſultie⸗ ren. Das elektriſche Potential der Erde würde dem enormen Werte von 1720.10 Volt entſprechen; bedenkt man, daß das Volt ungefähr der elektro⸗ motoriſchen Kraft eines Danielſchen Elementes ent⸗ ſpricht, ſo würden ſo viele Danielſche Elemente nach Intenſität geſchaltet notwendig ſein, um das Poten⸗ tial der Elektrizität der Erde herzustellen, wenn der Zinkpol dieſer ungeheueren Batterie mit der Erde in leitender Verbindung ſtünde, während der Kupferpol derſelben in den Weltraum abgeleitet wäre. Es iſt ſchon von mehreren Seiten die Frage einer eingehen⸗ den Diskuſſion unterzogen worden, ob eine derartige Elektrizitätsmenge im ſtande iſt, elektriſche A b⸗ ſtoßungserſcheinungen, welche von der Erdober⸗ fläche ausgehen, hervorzurufen. Profeſſor Weber kommt bei einer derartigen Unterſuchung zu folgen⸗ den Reſultaten: Bei der Ladung der Erde im Betrage von 1700 Millionen Volt würde — die Erdoberfläche eben und glatt vorausgeſetzt — die elektriſche Dichte an derſelben 0,000 72 abſolute elektroſtatiſche Einheiten betragen. Es würde ein Waſſertropfen von Imm Radius durch Berührung mit der Erde die Elektrizitätsmenge — 0, 000090 aufnehmen und von der Erde eine Repul⸗ ſion erfahren, welche dem fünfmillionſten Teil des Ge⸗ wichtes des Waſſertropfens gleichkommt. Würde der Waſſertropfen den Radius von 0,0000002 mm be⸗ Humboldt. — September 1890. fiben, fo würde die elektriſche Abſtoßung dem Ge— wichte des Tropfens gerade das Gleichgewicht halten. Die Verhältniſſe ändern ſich nicht unbedeutend, wenn man von der Ebenheit und Glätte der Erdoberfläche abſtrahiert. Weber denkt ſich eine Metallkugel von 1m Radius in der Höhe von 350 m über der Erd— oberfläche durch einen Draht mit derſelben leitend verbunden. Die elektriſche Dichte wird dann 300mal größer ſein als an der glatten Erdoberfläche, und ein Waſſertropfen von 0,1 mm Radius, welcher mit der erwähnten Metallkugel in Berührung kommt, würde bereits eine Repulſion erleiden, welche größer als das Gewicht des Tropfens iſt. So viel iſt alſo gewiß, daß in der Luft ſuſpendierte Körperchen, welche mit hervorragenden Spitzen an der Erdober— fläche in Kontakt geraten, eine merkliche negative Ladung annehmen. Es werden in den in der Luft ſuſpendierten Körpern durch den Einfluß der negativ elektriſchen Erde Influenzelektrizitäten beider Art hervorgerufen und die tiefſten und höchſten Stellen des influen— zierten Körpers werden das Maximum der elektri— ſchen Dichte erlangen. So würde eine in horizon— taler Richtung ausgedehnte dünne Wolkenſchicht nur geringe Werte der influenzierten elektriſchen Dichte aufweiſen, während die ſchweren, dunklen, in verti— kaler Richtung ſehr ausgebreiteten Gewitterwolken an ihren oberſten und unterſten Ausläufern die be— deutendſte elektriſche Dichte zeigen können. Aus den experimentellen Unterſuchungen Webers ging auch hervor, daß die auf der Erdoberfläche lie— gende Staubſchicht bis zu einer beträchtlichen Höhe negativ elektriſch iſt, daß ferner die Anſicht, daß ein fallender Regentropfen deswegen geladen werden müſſe, weil er von Stellen höheren Potentiales zu ſolchen niedrigeren Potentiales ſich begebe, nicht richtig ijt. Weber macht ferner die Annahme, dah die Clef trizität von einem Körper ſich nicht nur durch Kon— vektion, ſondern analog dem Lichte und der Wärme durch Strahlung auf einen andern Körper verbreite, und zwar mit einer Intenſität, welche von der elek— triſchen Dichte der ſtrahlenden Körper abhängt. Die Sonne, welche wahrſcheinlich eine elektriſche Ladung beſitzt, würde Elektrizität gegen die Erde ausſtrahlen, und umgekehrt von derſelben elektriſche Strahlen empfangen. Die Konvektion ſowohl als die Strahlung iſt dann in Betracht zu ziehen, wenn es ſich um die Elektrizitäts- verbreitung in einer Wolke von Tropfen zu Tropfen handelt; eine Wolke verhält ſich infolgedeſſen wie ein Konduktor. Das Staub- und Rauchmeer, welches über der Erdoberfläche ſchwebt, wird wegen der direk— ten Einſtrahlung der Sonne negativ geladen, aber auch deshalb, weil dieſes Meer über die hervorragen— den negativ elektriſch geladenen Stellen der Erdober— fläche hinwegzieht. Die durch Kondenſation entſtehen— den Wolken erhalten eine negative Ladung, weil die erſtere an den negativ elektriſchen Staubteilchen auf— tritt. Dieſer Fall tritt vorzugsweiſe bei Kumulus— wolken auf. Sonſt wird der untere Teil der vertikal ausgedehnten Wolken und der Schneewolken vermöge 293 der Influenzwirkung der Erdelektrizität poſitiv, der obere negativ elektriſch geladen ſein. Verdunſtet der untere Teil, ſo kann die poſitive Elektrizität fortgeführt werden, und die Wolken werden in ihrer Geſamtheit negativ elektriſch erſcheinen. Dieſer Fall kann auch dann eintreten, wenn von der Sonne eine negative Cin- ſtrahlung ſtattfindet. Es kann auch die Wolke poſitiv elektriſch erſcheinen, wenn die obere Seite verdunſtet, wodurch Konvektion der negativen Elektrizität etn- tritt, während an der Unterſeite der Wolke Meubil- dungen eintreten, oder wenn die obere negative Elek— trizität ſtärker gegen den Weltraum ausſtrahlt als die untere poſitive Elektrizität gegen die Erde, was bei Schneewolken, die meiſt poſitiv ſind, eintreten dürfte. Man erkennt leicht, wie man durch Kombination der einzelnen Fälle die verſchiedenartigſten Elek— trizitätsladungen der Wolken erklären kann. So viel iſt feſtſtehend, daß eine Wolke mit der Geſamt⸗ ladung Null das Potentialgefälle verringert, eine negativ geladene Wolke dies in noch bedeutenderem Maße bewirkt, während eine Wolke mit poſitiver Geſamtladung das Potentialgefälle vergrößert. Denken wir uns eine vertikale Wolke durch heftigen Wind in der Mitte zerriſſen, ſo kann es geſchehen, daß nur die eine Art der Influenzelektrizität der Wolke die Meßinſtrumente beeinflußt; ebenſo wenn eine lang— geſtreckte Wolke durch den Zenith zieht. Der ſchnelle Wechſel im elektriſchen Zeichen der Gewitterwolken könnte nach dieſen Anſchauungen Webers ſehr leicht erklärt werden; es ſind dieſe ſoeben mitgeteilten Sätze der Theorie durch die Beobachtungen, welche Weber in Breslau angeſtellt hat, beſtätigt worden. Nach der früheren Methode mittels Drachen oder Ballons konnte dieſer Forſcher beim Studium der Gewitter⸗ wolken deshalb nicht vorgehen, weil wegen der hef— tigen Entladungen an ein Meſſen der Stromſtärke und der elektriſchen Spannung nicht zu denken war. Es mußte deshalb nach einer zweiten für dieſe Fälle geeigneteren Methode geſucht werden. Weber brachte ein aperiodiſches Galvanometer zur Anwendung; dieſes verband er mit einer ſorgfältig iſolierten Lei⸗ tung, welche in eine Spitze überging, die die Spitze des Blitzableiters (im Univerſitätsgebäude zu Bres- lau) überragte. Der Strom ging, nachdem er das Galvanometer durchfloſſen hatte, zur Erde. Beim Herannahen einer Gewitterwolke verließ die Nadel ihre Gleichgewichtslage und ſchwankte etwas hin und her. Wenn aber eine Blitzentladung ſtattfand, wurde die Nadel momentan derart durch den Stromimpuls geſtoßen, daß der Lichtfleck ganz aus dem Geſichtsfelde geworfen wurde. Die Stöße koinzidierten jedesmal mit einem Blitzſchlage, der vom Laboratorium aus geſehen werden konnte. Aus den jeweiligen Ablen— kungen der Nadel des aperiodiſchen Galvanometers konnte die Ablenkungskurve konſtruiert werden; die Richtung des permanenten Stromes zeigte ſich ſtark beeinflußt durch die zeitweiſe auftretenden Strom— ſtöße. Der permanente Strom wechſelte im Laufe eines Gewitters öfters ſeine Richtung. Auf dieſe 294 Weiſe wurden etwa 19 verſchiedene Typen der Ab⸗ lenkungskurven konſtatiert und dieſen entſprechen ebenſo viele Mannigfaltigkeiten in den zwiſchen den Wolken und der Erde ſich abſpielenden elektriſchen Vorgängen. Nach den Bemerkungen von Profeſſor Weber wird ein weiteres und erſchöpfenderes Stu⸗ dium erſt dann möglich fein, „wenn ſowohl die elek⸗ triſchen als auch die unmittelbar meteorologiſchen Beobachtungen über Höhe und Form der Wolken an mehreren korreſpondierenden Stationen gleich⸗ zeitig gemacht werden“. Die erwähnten Ablenkungskurven werden ent⸗ weder durch Rückſchläge in der Leitung oder durch Humboldt. — September 1890. elektriſche Anſtauungen und Wellen im Erdreiche oder durch Entladungen erklärt, welche zwiſchen zwei Wolken ſtattfinden. Die Beobachtungsreihe von Weber iſt eine der ausführlichſten und gründlichſten — was die Unter⸗ ſuchung der Wolken- und Gewitterelektrizität betrifft — und ſie bildet eine wertvolle Ergänzung der bis- herigen Forſchungen der Luftelektrizität, auf welchen ſie aufgebaut iſt. Die Anſchauung von der Ladung der Erde mit negativer Elektrizität, welche Weber als Grundlage ſeiner Unterſuchungen wählt, wird durch die Verſuche dieſes Forſchers eine neue Beſtäti⸗ gung erfahren. Moorbildung und vorherrſchende Windrichtung an oſtbaltiſchen Seen. Don Profeffor Dr. E. Loew in Berlin. SO Auftreten einer allmählich ſich ausbreitenden Pflanzenzone am Rande von Gewäſſern, welche zuletzt zu einem völligen Verſchluß der letzteren führen kann, die Bildung von Inſeln und ausgedehnten Barren pflanzlichen Urſprungs im Laufe von Strömen, die Entſtehung von Flach- und Hochmooren mit ihren die Zuſtände vergangener geologiſcher Epochen wieder⸗ ſpiegelnden Torfablagerungen, das alles ſind bekannte, aber in ihren näheren Bedingungen noch immer un⸗ genügend erforſchte Vorgänge, in welchen der tief⸗ greifende Einfluß der Pflanzenwelt auf die Um⸗ bildung der Erdoberfläche zur Erſcheinung kommt. Einen neuen Beitrag zur Kenntnis genannter Bil⸗ dungen hat J. Klingen) in Dorpat geliefert, über deſſen Unterſuchungen in folgendem kurz berichtet werden ſoll, da ſie einen bisher überſehenen Faktor in dem Kampfe der Pflanzen mit dem Waſſer an das Licht ziehen. Zunächſt macht er auf den Gegen⸗ fas aufmerkſam, in welchem ruhiges und bewegtes Waſſer zu einander ſtehen, indem ſtarke Strömung und heftige Wellen eine reichliche Anſiedelung von Gewächſen verhindern, dagegen ſeichtere, vor Wellen, Strömungen und Winden geſchützte Buchten, die zur Anhäufung größerer Detritusmaſſen Gelegenheit geben, die Ausgangspunkte des Verwachſungsvor⸗ ganges zu bilden pflegen. Letzterer kann entweder von Uferrändern aus oder bei Vorhandenſein von Untiefen von inſel- und barrenartigen, mitten in der Waſſerfläche gelegenen Zentren aus eintreten. Be⸗ deutungsvoll iſt ferner der Unterſchied zwiſchen Ueber⸗ wachſung und Verwachſung eines Gewäſſers, da dieſe beiden Vorgänge zeitlich voneinander getrennt ver⸗ laufen und auch durch verſchiedene Pflanzenarten veranlaßt werden; im oſtbaltiſchen Gebiet geht in ) Ueber den Einfluß der mittleren Windrichtung auf das Verwachſen der Gewäſſer nebſt Betrachtung anderer von der Windrichtung abhängiger Vegetationserſcheinungen im Oſtbaltikum. Botaniſche Jahrbücher für Syſtematik, Pflanzengeſchichte und Pflanzengeographie, herausgegeben von A. Engler. 11. Band, p. 264— 313. der Regel das durch Gräſer bedingte „Verwachſen“ dem von Torfmooſen (Sphagnum) veranlaßten „Ueber⸗ wachſen“ voraus. Andernfalls bildet ſich eine ſchwimmende, aus dicht miteinander verfilzten Wurzel⸗ faſern von Gräſern beſtehende und die Nährſtoffe wie ein Sieb feſthaltende Decke, ein ſogenannter Schwingraſen, der das Vordringen von Verwach⸗ ſungsrändern auch an ſonſt ungeſchützten Ufern ein⸗ leitet, indem derſelbe elaſtiſch genug iſt, um nach der Waſſerſeite allen Wellenbewegungen zu folgen, aber auch im ſtande iſt, dieſelben nach der Landſeite zu ſchwächen oder aufzuheben und dadurch die Anſiede⸗ lung anderer Verwachſungspflanzen zu ermöglichen. Die Seen Live und Kurlands find faſt ohne Aus⸗ nahme von einer Moorzone umgeben, die eine ganz beſtimmte Lage hat; es iſt nämlich das ſüdweſtliche Ufer derſelben das ſtärker oder ausſchließlich ver⸗ wachſene, während der Nordoſtrand von der Vegetation nur ſchwach oder gar nicht beſiedelt erſcheint. Beſonders lehrreich fand Klinge dieſe Verhältniſſe am Kirkumäh⸗ ſee bei dem Majorat Neuhauſen in Livland entwickelt, deſſen Abfluß, die Peddetz, zum Syſtem der Diina gehört; urſprünglich nahm das zwiſchen ſteil anſtei⸗ genden Diluvialhügeln vielbuchtig einſpringende See⸗ becken eine Fläche von etwa 6 qkm ein, während das augenblickliche Waſſerareal nur noch die Hälfte des ehemaligen beträgt und ganz in den Nordoſt⸗ winkel desſelben gerückt erſcheint, da mächtige Moor⸗ bildungen den See in einem Bogen von Nordweſt über Weſt und Süd nach Südoſt umranden. Zu⸗ nächſt dem ſüdweſtlichen Ufer liegt ein ſchmaler Streifen von Grasmoor, der aus Caren Arten und anderen Cyperaceen gebildet wird; hinter dieſem folgt eine breitere Zone von 1—3 m Durchmeſſer, in welcher Gras⸗ und Moosmoorpflanzen gemiſcht wachſen; die Hauptausfüllungsmaſſe des alten Seebeckens bildet ein bis zu 1 km breites Moosmoor, das dem weſt⸗ lichen Seeufer in ſeiner ganzen Länge folgt und gegen den Diluvialrand zu ebenfalls von einer ſchmalen Grasmoorzone umgeben wird; letztere umzieht in Humboldt. — September 1890. breiterer Ausdehnung auch das ſüdöſtliche Ende des Sees und überdeckt hier den Abfluß desſelben in den Peddetzſee, ſo daß die beiden Waſſerſpiegel nur noch unterirdiſch in Verbindung ſtehen; auch die Peddetz ſelbſt iſt ſtellenweiſe durch Verwachſungs— maſſen überbrückt. In ſchärfſtem Gegenſatze zu dem Südweſtufer des Kirkumähſees ſteht ſein Nordoſt— rand, welcher ein feſtes, ſandiges, allerdings im Verhältnis zu der überwachſenen Uferſtrecke nur wenig ausgedehntes, von Wellen beſpültes Geſtade ohne jede Vegetation darbietet; im Laufe der Zeit werden die immer näher zuſammenrückenden Enden des Verwachſungsgürtels ſich jedenfalls zu einem ge— ſchloſſenen Ringe vereinigen. Aehnliche Verhältniſſe kehren auch an den drei größten oſtbaltiſchen Seen, am Peipus⸗, Wirzjerw⸗ und am Lubahnſchen See, ſowie an den kurländiſchen Strandſeen, wie beſonders dem von Libau und dem Tosmarſee, wieder. Nun fällt nach zwanzigjährigen Beobachtungen Weihrauchs die mittlere Windrichtung für Dorpat und andere Orte des oſtbaltiſchen Gebietes während der Monate April bis Juli in den Oktanten Weſt, während der übrigen Monate in den Oktanten Südweſt. Klinge hält daher einen Zuſammenhang zwiſchen der Haupt— richtung der Verwachſung und des vorherrſchenden Windes für erwieſen, da ein Fernbleiben der Pflanzen— anſiedelungen und Moorbildungen an dem von Wind und Wellen vorzugsweiſe getroffenen Nordoſtufer von vornherein einleuchtet. Auch in Dänemark ſchreitet, nach Beobachtungen von Dau, die Verwachſung z. B. des Helfingder Moors in der Richtung von Weſt nach Oſt vor, das Gleiche geſchieht nach älteren Angaben an Mooren und Seen in Oldenburg, Hannover, Pommern, Bayern und bei Salzburg; überall werden vorzugsweiſe die weſt— lichen Ufer von Verwachſungsmaſſen bekleidet, weil „der größte Teil von Europa unter der Herrſchaft weſtlicher Luftſtrömungen ſteht“. Klinge hat ferner die Bedingungen ſtudiert, unter welchen die Verwach— ſung einer Seenfläche durch Moorbildung eintritt; Hochmoore find nach ihm eine ſubaeriſche, d. h. weſent— lich unter dem Einfluß der Luft, Grasmoore da— gegen eine infraaquatiſche, innerhalb des Waſſers erfolgende Bildung; es muß daher die Verwachſung ſtets als Grasmoorbildung beginnen und erſt dann, wenn die Einwirkung des kalkhaltigen Seewaſſers auf die dasſelbe fliehenden Sphagnum- Arten aus⸗ geſchloſſen iſt, kann die Bildung von Moosmooren eintreten. Auch letztere hat an den oſtbaltiſchen Seen ihren Ausgangspunkt an der Windſeite, weil die ſüd— weſtlichen älteren Ränder der Grasmoore durch Er— zeugung von Torflagern der Einwirkung des See— waſſers ſich früher entziehen, als die jüngeren, dem offenen See näher gelegenen Zonen; die in Däne— mark, Pommern und Salzburg gemachten Beobach— tungen beſtätigen dieſe im oſtbaltiſchen Gebiet ge— wonnenen Erfahrungen. In analoger Weiſe tritt endlich auch der auf Moosmooren ſich anſiedelnde Wald, z. B. an der Weſtküſte Norwegens, ſtets zu- erſt auf der Windſeite auf. 295 Beſondere Modifikationen können in dem ge— ſchilderten Verhalten der Verwachſungsvorgänge von Seen durch vorhandene Steil- oder Flachufer hervor— gerufen werden, indem erſtere im allgemeinen das Verwachſen auf der Windſeite verhindern, letztere begünſtigen; auch das Einſtrömen von Flüſſen und Bächen, welche Detritusmaſſen an ihrer Mündung abſetzen, beſchleunigen das Vorſchreiten der Verwach— ſung — ſo z. B. am Peipusſee die Welikaja, am Wirzjerw der obere Embach u. a.; endlich arbeiten Frühlingsſchmelzwäſſer und Regenrinnſale durch Aus— füllung des Seebeckens und Verflachung der Ufer dem Vordringen der Vegetation vor. Unregelmäßig keiten in der Konfiguration der Uferlinien werden allmählich durch die Verwachſungszone ausgeglichen, welche dahin ſtrebt, in einer regelmäßigen Bogen— linie vorzudringen. Viele oſtbaltiſche Seen zeigen eine eigentümliche Längsſtreckung in der Richtung von Nordweſtnord nach Südoſtſüd und eine keil— förmige, nach Norden zu ſtark verbreiterte Geſtalt; jene ſteht mit der Hauptrichtung der glacialen Moränen— züge, dieſe mit dem in gleicher Richtung ſtatthabenden allmählichen Abfall des oſtbaltiſchen Plateaus zum finniſchen Buſen in Zuſammenhang. An einem der— artigen Gewäſſer, dem 7 km langen Sadjerwſee nördlich von Dorpat, zeigt ſich die Abweichung, daß ſeine Verwachſungszone nicht wie gewöhnlich am Süd— weſtufer, ſondern am Nordweſtrande am ſtärkſten ent- wickelt iſt; die nordweſtliche Hälfte des urſprüng— lichen, von Nordweſt nach Südoſt gerichteten See— beckens beſaß nämlich eine Reihe unter ſich und mit den umgebenden Diluvialhügelreihen paralleler Un— tiefen, die ſich gegenwärtig als ebenſoviele, in gleiche Richtung fallende Halbinſeln mit unterſeeiſchen, durch Schilfvegetation ausgezeichneten Fortſetzungen dar— ſtellen; die Buchten zwiſchen dieſen Höhenſtreifen mußten in dieſem Falle am leichteſten verwachſen, weil hier ein größerer Schutz vor Wellen und eine geringere Waſſertiefe von Anfang an vorhanden war. Dieſe ſcheinbare Ausnahme beſtätigt alſo im Grunde nur die aufgeſtellte Regel. An vielen anderen oſt— baltiſchen Seen zeigt ſich der Unterſchied zwiſchen dem verwachſenen, verſumpften und verſchilften Südweſt— ufer und dem vegetationsloſen Nordoſtufer auch darin, daß menſchliche Niederlaſſungen faſt immer nur an letzterem angelegt worden ſind. Dieſe nordöſtlichen Ränder ſind je nach der geologiſchen Beſchaffenheit des Landes entweder abradierte und zerklüftete Steil— küſten oder der Brandung ausgeſetzte Flachufer, an deren Veränderung Eismaſſen, Wind und Wellen in verſchiedener Weiſe arbeiten. Der Gegenſatz zwiſchen Südweſt⸗ und Nordoſtufer kehrt auch bei den ſee— artigen Waſſeranſammlungen innerhalb von Moos— mooren wieder, die eine ganz andere Entwickelung als eigentliche Seen haben und nicht im eigentlichen Sinne verwachſen, ſondern durch Einpreſſen von Torfmaſſen infolge ſeitlichen Druckes des umgebenden Moors ausgefüllt werden. Klinge ſchildert dies im ein— zelnen an dem ca. 65 qkm großen, im Fellinſchen Kreiſe gelegenen Moosmoorſee des Oerdi-Rabba, in deſſen 296 Mitte die emporgepreßten Torfmaſſen bereits beinahe die Waſſeroberfläche erreichen und in trockenen Jahren ſogar vorübergehend als flache Inſel zum Vorſchein gekommen ſein ſollen; auch an dieſen Torfmoorſeen wird das ftetle Nordoſtufer von den Wellen unter- wühlt und zernagt, während das weſtliche und ſüdliche Ufer eine kontinuierliche Bogenlinie be- ſchreibt. Ein ſchließliches Verwachſen des Nordoſtufers tritt an den baltiſchen Seen um ſo eher ein, je früher es den von der Südweſtſeite ausſtrahlenden Pflanzen⸗ maſſen gelingt, die Waſſerfläche auf ein ſo kleines Areal einzuſchränken, daß die Einwirkung des Windes keine größeren Wellen mehr erzeugt; ſchließlich ver⸗ einigen ſich dann die freien Enden des Verwachſungs⸗ gürtels zu einem geſchloſſenen Grasmoorkranze. Auch kann vorher die Kraft des Wellenanpralls an dem Nordoſtufer durch inſelartig vorgeſchobene Vorpoſten von Schilfgräſermaſſen (Scirpus lacustris, Arundo Phragmites, Glyceria aquatica und Graphephorum arundinaceum) oder durch Schwingraſenbildung fo gelähmt werden, daß die Verwachſung auch hier ein⸗ zutreten vermag. Eines der ſchönſten Beiſpiele von Schwingraſenbildung fand Klinge am Keriſee in der Nähe von Dorpat, an deſſen Nordoſtufer ein 30 bis 60 m breiter Gürtel von Graphephorum auf dem 0,3 1,2 m tiefen Waſſer ſchwimmt; die ſchwim⸗ mende Maſſe beſteht unterſeits aus filzartig mit⸗ einander verwebten Nebenwurzeln und Wurzelhaaren und wird hier und da durch ſtärkere Wurzelzweige am Moorgrunde feſtgeankert. Auch Arundo Phrag- mites vermag nach älteren Angaben unter Waſſer ein ſo ſtarkes Wurzelgeflecht herzuſtellen, daß man darüber hinwegſchreiten kann; in letzterem ſammelt ſich aus der Maſſe ſeiner eigenen abgeſtorbenen Reſte eine ſtabile Humusſchicht an, welche der Wellenſchlag nicht fortzuſpülen vermag. Durch die in obigem kurz angedeuteten Unter⸗ ſuchungen eröffnet ſich ein Ausblick auf die Löſung einiger wichtiger pflanzengeographiſcher und geologi⸗ ſcher Fragen. Daß während der Poſtglacialzeit im oſtbaltiſchen Gebiet ein mehrmaliger Klimawechſel — ähnlich wie in Norwegen nach A. Blytt — ſtattgefunden hat, geht nicht nur aus der Wechſellagerung von Torfſchichten verſchiedenartiger Zuſammenſetzung, ſon⸗ Humboldt. — September 1890. dern auch aus der gegenwärtigen Verteilung der Re⸗ liktenflora jener bald trockenen, bald feuchteren poſt⸗ glacialen Peroiden hervor; die Repräſentanten der ſubborealen Zeit, die ſogenannten Steppenpflanzen, zeigen nämlich auch im oſtbaltiſchen Gebiet das Be⸗ ſtreben, ſich nach Möglichkeit dem Einfluß der feuch⸗ ten Südweſtwinde zu entziehen und ſuchen in ganz eklatanter Weiſe die öſtlichen Abhänge der Hügel auf, wo ſie der Einwirkung der trockenen Oſtwinde und ſtärkerer Inſolation ausgeſetzt ſind. Es entſteht nun die Frage, ob in jener ſubborealen trockenen Zeit, in welcher die Einwanderung der xerophilen (trocken⸗ heitliebenden) Gewächſe erfolgte, in der That der Ein⸗ fluß der Südweſtwinde geringer geweſen iſt, als gegen— wärtig; es müßte ſich das nach der Theorie Klinges aus der Lagerungsweiſe und Verwachſungszone äl⸗ terer, in jener Zeit gebildeter Torfmoore erweiſen laſſen, da z. B. eine Unterteufung der heutigen Sand⸗ decke an Nordoſtufern durch Torfſchichten den ſicher⸗ ſten Beleg dafür liefern würde, daß in der Zeit ihrer Bildung Oſtwinde vorgeherrſcht haben müſſen. Klinge wagt dieſe Frage nach einem Wechſel der vorherrſchenden Windrichtung innerhalb der verſchie⸗ denen poſtglacialen Perioden nicht zu entſcheiden, ſondern erwartet von Bohrverſuchen näheren Auf⸗ ſchluß über dieſelbe, desgleichen über die eingetretenen Waſſerſtandsveränderungen und die relative Alters⸗ beſtimmung der oſtbaltiſchen Seen. Auf die Beob⸗ achtungen Klinges über Pflanzenbarren in Flußläufen — ſo z. B. in der Ardla bei Dorpat und im Woo⸗ fluß bei Bentenhof, im Dubenafluß in Polniſch Livland u. a. O. —, auf ſeine Einwürfe gegen das Baerſche Geſetz über die Wirkung der Erdrotation auf das ſeitliche Fortrücken meridianwärts gerichteter Ströme, ſowie endlich über den Einfluß der mitt⸗ leren Windrichtung auf die Verbreitung der Pflanzen im oſtbaltiſchen Gebiet mag hier zum Schluß hin⸗ gewieſen werden, da der Verfaſſer auf manche ſonſt überſehene Punkte aufmerkſam macht. Vor allem erſcheint es wünſchenswert, daß die von ihm an⸗ geregte Frage nach dem Zuſammenhang zwiſchen Wind⸗ richtung und Seenverwachſung auch in anderen Ge⸗ bieten geprüft und durch weitere Beobachtungen ergänzt wird. Unſer norddeutſches Flachland bietet nach dieſer Richtung zahlreiche geeignete Stellen dar. Eine myrmekologiſche Ferienreiſe nach Tuneſten und Oftalgerien nebſt einer Beobachtung des Herrn Gleadow in Indien über Aenictus. Von Profeffor Dr. Auguſt F orel in Sürich. ie die ganze Berberei, ſo beſteht deren öſtlicher Teil, Tuneſien, aus drei Hauptregionen von Norden nach Süden: 1) aus dem relativ feuchten Tell, d. h. dem nördlichen Teil des Atlasgebietes bis zum Mittelmeer; 2) aus dem ſübdlichen ſchon ſehr trockenen Teil des Atlas mit dem Hochplateau; 3) aus der tuneſiſch⸗algeriſchen Wüſte mit den ſal⸗ zigen Schotts. Außerdem iſt der öſtliche Küſtenſtrich zu erwähnen, der überall ſandig und trocken ijt, je⸗ doch nördlich (Souſſa) noch Olivenwaldungen beſitzt, ſüdlich dagegen (Gabes) bereits vollſtändig den Cha⸗ rakter der Wüſte (bis zum Meer) trägt. Der Tell. Humboldt. — September 1890. beſteht aus einem ſchweren Lehmboden, die Wüſte aus Sand (hauptſächlich Kalk und Magneſia). Nach zehnjähriger Thätigkeit als Irrenanſtalts— direktor wollte ich von fünf Wochen Ferien möglichſt viel, möglichſt ſüdlich den Ameiſen widmen. Am 24. März 1889 landete ich in Goletta und beſuchte zunächſt Tunis und Karthago, dann per Schiff Souſſa, Sfax und Gabes. Von Gabes machte ich eine dreitägige Tour nach den Oaſen El Hamma und Oued Mela. Von da reiſte ich zurück nach Tunis und beſuchte per Bahn der Reihe nach folgende Ortſchaften: Tebourba, Beja, Souk el Arba, Ghardimaou, Tebeſſa, Gout Ahras, Laverdure, Duvivier und Bona, von wo aus ich mich am 23. April wieder nach Marſeille einſchiffte. Von Tebeſſa aus beſtieg ich den Djebel Ozmor (1380 m), von Souk Ahras aus einen anderen, ca. 1500-1600 m hohen Berg. Somit habe ich ſämtliche gut differenzierte Regionen Tuneſiens und Oſtalgeriens beſucht, mit Ausnahme allerdings des inneren und ſüdlicheren Teils der Wüſte und leider zu einer zu frühen Jahreszeit, wo das organiſche Leben noch zu wenig entwickelt iſt; es ging aber des Sommerſemeſters halber nicht anders. J. Region der Wüſte und der Oaſen. Ein ſonderbares Ding iſt das Inſektenleben der Wüſte. Wenn man, vom Schiff aus, die troſtloſe graue Fläche, die grauen Hügel erblickt und daneben die ſcharf abſtechende, faſt ſchwarz ausſehende, circa eine geographiſche Quadratmeile große Dattelpalmen— oafe von Gabes betrachtet, meint man, das ganze Tierleben müſſe unter den ſchönen Palmen konzen— triert ſein. Wie ganz anders in Wirklichkeit. Auf den grünen Matten der Oaſe ſieht man ſehr wenig Tierleben, faſt nichts Eigentümliches, nur einige der— ſelben Tiere, die auch in der Tellregion gefunden werden. Im Sand der Wüſte dagegen, unter jedem der kleinen, weit voneinander entfernten, von den Kamelen und Bourriquots (dickköpfigen Eſelchen der Berberei) faſt ganz abgenagten, meiſt dornigen und grauen Wüſtenpflänzchen und Gebüſchchen mit ihren gewöhnlich winzigen Frühlingsblümchen wimmelt es von Käfern und anderen Inſekten, die oft gar eigen— tümlich ſind. Es kommt dieſes wohl daher, daß ſich eine eigene Fauna der großen Wüſtenfläche allmählich angepaßt hat, während die ſeltenen, iſolierten, acci— dentellen Oaſen nur eingewanderte Bewohner aus den benachbarten Faunen der grüneren Länder beſitzen. Faſt wie ein Rätſel erſcheint das Leben der kleinen Tiere der Wüſte. Viele leben von den Ex— krementen der großen Haustiere, manche von den dürftigen Pflänzchen der Wüſte; die übrigen freſſen die erſteren oder freſſen einander. Alles wohnt im Sand, verſteckt ſich darin, gräbt ſich Kanäle, die un— gemein tief gehen, offenbar um auf dieſem einzigen Wege zugleich Schutz vor der Sonne und etwas Feuchtigkeit zu bekommen. Es iſt geradezu erſtaun— lich, was für eine Menge Käfer (beſonders Mela- somen) durch Graben im Sand an gewiſſen Stellen, beſonders um die Pflanzen, gefunden werden. Humboldt 1890. 297 Und ſo leben auch die Ameiſen der Wüſte. Es ſind deren beſonders zwei große Arten, die ſo typiſch, ſo häufig, ſo charakteriſtiſch ſind, daß wir ſie uns näher anſehen müſſen. Die typiſchſte Wüſtenameiſe ijt der Aphaenogaster (Messor) arenarius Fabricius. Sie gehört, wie es André vermutet hatte, zu den echten getreideſammeln— den Aphaenogaster (Subgen. Messor Forel; Bull. soc. ent. Belg. April 1890); ihre Lebensweiſe war aber bisher total unbekannt. Der Arbeiter ijt 4,5 bis 14 mm klang, matt grauſchwarz. Sie lebt nur in der Wüſte und in den angrenzenden Steppen, bis Sfax. Bereits in Souſſa konnte ich ſie nicht mehr finden. In den Oaſen ſelbſt findet man ſie nicht. Man bemerkt da und dort auf dem flachen Sand eine 1—2 cm breite Oeffnung, aus welcher die größeren und mittleren Arbeiter im Gänſemarſch ein und aus gehen. Um ca. 0,5 0,66 des Umfanges der Oeffnung, in einem Umkreis von 1,5—2 dm Durchmeſſer ſieht man einen halbmondförmigen flachen Hügel, der aus zierlichen übereinander liegenden Sandkügelchen be— ſteht. Dieſe Sandkügelchen haben ungefähr 2,5 mm Durchmeſſer, ſind von unebener rauher Oberfläche und äußerſt zart, denn die geringſte Berührung zer— ſtört ſie; ſie zerfallen dann wieder in Sand. Es gelang mir mit großer Mühe einige derſelben durch flüſſiges Gummi in ihrer Form ungefähr zu fixieren. Es iſt leicht zu erkennen, wie dieſer halbmondförmige (ſehr ſelten kreisförmige) Wall entſteht. Man ſieht die Ameiſen aus der Tiefe mit ſolchen noch etwas feuchten Sandkugeln in den Mandibeln kommen und dieſelben auf den Wall legen. Der Wind, der Regen 2c. zerſtören beſtändig dieſen Wall, der aber ebenſo beſtändig durch die Grabarbeit der Ameiſen wieder entſteht. : Die auswärtige Thätigkeit des Messor arenarius konnte ich wunderſchön in Oued Mela beobachten. Reihenweiſe gingen die Arbeiter zu den kleinen Pflanzen, welche bereits der Reifung nahe Samen beſaßen, kletterten auf die Stengel, ſchnitten (reſp. ſägten) die Samenhülſen an ihrer Baſis ab und trugen fie dann in das Neſt. Beſonders maſſenhaft wurden die ca. 2 em langen und 1,5 mm breiten Schoten einer kleinen Krueifere auf ſolche Weiſe ge— pflückt. Es lag auch ein bedeutender, faſt 7 em hoher Haufen leerer Hülſen dieſer Krucifere um die Neſtöffnung herum. Die großen Ameiſen wußten ſomit im Neſt die winzigen Samen aus den Hülſen zu nehmen, in ihren Kornböden aufzuſpeichern und die leeren Hülſen wieder hinauszutragen. Es war wirklich intereſſant, das Abſägen der oft noch grünen Schoten auf den Pflanzen zu beobachten. Bereits abgefallene Schoten waren ſehr wenige vorhanden; das meiſte wurde direkt von der Pflanze abgeſägt. Ich wollte nun das Innere des Neſtes des M. arenarius ſtudieren, entlehnte in Gabes eine Schaufel und eine Hacke und ging mit meinem treuen Be— gleiter, Ali ben Belkaſſem, zu einem ca. / Stunde von der Oaſe gelegnen Neſt, das wir auszugraben begannen. Der Oeffnung folgte ein ſchief gegrabener 38 298 Gang, dem wir mühſelig bis auf ca. 4 m Entfernung von der Oeffnung folgten. An jener Stelle lag der Gang ungefähr 60 em unter der Oberfläche und wir verloren ihn. Es war nämlich äußerſt ſchwierig ihm zu folgen, da der fallende Sand ihn beſtändig wieder verdeckte. Zudem, je tiefer wir kamen, deſto enger wurde er; er hatte nur wenig Verzweigungen, die meiſtens in kleinen blindſackartigen Kammern endigten und die Verfolgung des gleich weiten Hauptganges ſehr erſchwerten. Es gelang uns ſomit nach 1½ ſtün⸗ diger Arbeit nicht, den offenbar viel tiefer gelegenen Hauptteil des Neſtes zu entdecken. Es wurde mir aber, nach der Richtung des Hauptganges zu ur⸗ teilen, klar, daß 2—3 andere ähnliche, aber ca. 8 bis 10 m von der erſten gelegenen Oeffnungen mit ähnlichen halbmondförmigen Sandkügelchenwällen zu demſelben Neſt gehören mußten. Hätte ich mehr Zeit gehabt, ſo hätte ich einen Tag dazu verwendet eine ganz tiefe Ausgrabung in der Mitte zwiſchen dem Oeffnungenkomplex vornehmen zu laſſen. Bei einem Sandhügelchenwall gibt es meiſtens nur eine Oeffnung; ſelten ſind es deren zwei bis drei. Indeſſen führte mich dieſe unvollkommene Aus⸗ grabung zu der Entdeckung der bisher ganz unbe⸗ kannten 4,5 mm langen Minimalform des Arbeiters. Dieſelbe iſt bräunlich, ziemlich glänzend, zart gebaut, ohne Dornen, vom großen Arbeiter ganz verſchieden, dem kleinen Arbeiter unſeres ſüdeuropäiſchen Messor structor Ltr. ſehr ähnlich, und offenbar ausſchließ⸗ lich mit Hausarbeiten beſchäftigt, denn, ich wenigſtens, habe ſie nie außerhalb des Neſtes geſehen, obwohl ich eine ſehr große Zahl Neſter von außen beobachtet habe. Es iſt dies der einzige mir bekannte Fall, wo eine beſtimmte Form des Ameiſenarbeiters ſtets im Neſt bleibt, während die andere ausgeht, denn beim Myrmecocystus melliger find die ſogenannten Ammen keine beſondere Arbeiterform, ſondern nur gewöhnliche Arbeiter, deren Vormagen gebläht und mit Glykoſe koloſſal angefüllt iſt. In den Kammern fanden wir außer dieſen Minimalarbeitern die als Ameiſengaſt auch bei Messor barbarus L. lebende große ſchöne gelbe Lepisma aurea Duf., aber nur wenige Pflanzenſamen. Intereſſant iſt die Thatſache, daß M. arenarius im Frühjahr erntet. Offenbar iſt in der Wüſte die Zeit der Sommerdürre (Juli bis Oktober) die Zeit der Hungersnot, wo man Vorräte braucht. In Süd⸗ europa erntet Messor barbarus im Herbſt, wie Moggridge und auch ich es beobachtet haben. Die zweite große Wüſtenameiſe iſt der lang⸗ beinige dunkel ſchwarzblutrote Myrmecocystus viati- cus Fabricius. Derſelbe lebt aber auch bei den Oaſen, in den Vorſtädten der arabiſchen Städte bis Souſſa und auch viel weiter nördlich in trockenen Ebenen, auf Straßen. Die hellrote kleinere Raſſe, Megalocola Férst., kommt in der Wüſtengegend nicht vor, ebenſowenig als der M. altisquamis André. Einzeln ſieht man die mächtige 6—13 mm lange Ameiſe ſpazieren und nach Inſekten jagen, die ſie raſchen Schritts mit ihren großen Mandibeln er⸗ Humboldt. — September 1890. wiſcht und tötet. Sie wandert gewöhnlich mit ge- hobenem Hinterleib, gehobenen Fühlern und geöff— neten Mandibeln, iſt aber, wenigſtens zu dieſer Jahreszeit und gegenüber anderen Ameiſen, nicht ſo kampfluſtig, wie ſie ausſieht. Wenigſtens wurde ein großer Haufen M. viaticus, den ich vor ein Neſt der ſehr kleinen ſtachelloſen Acantholepis Frauenfeldi ſtellte, von derſelben ſofort in die Flucht gejagt. Das Neſt des M. viaticus findet man meiſtens in einem kompakteren, an ſchlechten Sandſtein er⸗ innernden Sandboden (nicht im loſeren Sand wie das des Messor arenarius) gegraben. Es liegt gern um die Oaſen herum (nicht im Palmenwald ſelbſt), beſonders in den Gemüſegärten der Araber, um ihre Dörfer, an den mit Kaktusfeigenſträuchern (Opuntia vulgaris) bepflanzten Wällen, mit welchen dieſe Gärten umgeben ſind. Das Neſt hat keine Kuppel; es iſt rein miniert und öffnet ſich an der Oberfläche mittels 2—4 großen Löchern, durch welche die Ameiſen den ganzen Tag einzeln ein und aus gehen. Die Heimkehrenden ſind meiſt mit Inſekten beladen. Um die Oeffnungen gibt es keinen Wall, dafür aber allerlei Ueberreſte der von Ameiſen verſpeiſten In⸗ ſekten: Flügeldecken von Pimelia, Julodis ꝛc. Im Gegenſatz zum Neſt des M. arenarius finden wir hier dicht unter den Austrittsöffnungen ein Konvolut von Gängen und breiten, aber niedrigen Kammern, welche alle, einander nahe, in Stockwerken überein⸗ ander liegen und zuſammen in allen Richtungen kaum mehr als 0,33 m Raum (im Durchmeſſer) einnehmen. Darin wohnt die ganze Familie. Das Neſt iſt dicht bevölkert mit Arbeitern und Larven, aber ich konnte die Mutter (das befruchtete Weibchen) nie finden. Die Bevölkerung eines Neſtes ſcheint mir zwiſchen einigen Hundert bis höchſtens 2000 Einwohnern un⸗ gefähr zu ſchwanken. Einzelne der Neſtbewohner fielen mir dadurch auf, daß ein kleiner ca. 1,5 mm langer brauner Gegenſtand an der Mitte des erſten langen Gliedes (Schaftes) ihrer Fühlhörner haftete. Die Bewegungen des Fühlers ſchienen dadurch nicht ſtark, aber etwas beeinträchtigt. Eine Ameiſe hatte ſogar ein ſolches Ding an jedem Fühler. Bei näherer Betrachtung fiel der Gegenſtand herunter und ent⸗ puppte ſich als ein kleiner Käfer. Derſelbe iſt vorn breit, hinten ſchmäler, ſteif, kurz und glatt, und hält ſich für gewöhnlich mit ſeinen Mandibeln am Fühler⸗ ſchaft der Ameiſe feſt, ſtets mit dem Kopf nach der Fühlerwurzel gerichtet. Herr Wasmann in Exaeten hatte die Güte, mir den Käfer zu beſtimmen; es ift der Thorictus seriesetosus Fairm. Derſelbe hat am Kopfſchild einen tiefen Ausſchnitt, wie um den Fühlerſchaft der Ameiſe aufzunehmen; er beſitzt zu⸗ dem Büſchelhaare, wie die echten Ameiſengäſte (Was⸗ mann), ſo daß er wahrſcheinlich zu dieſen echten Gäſten gehört und von den Ameiſen beleckt wird (Wasmann). Die Ameiſen thun ihm durchaus nichts zu leid, ſcheinen ſich aber nicht viel um ihn zu küm⸗ mern. Wunderbar ſcheint mir dieſe bisher unbekannte Art, ſich von den Ameiſen tragen zu laſſen. Herr Wasmann ſchreibt mir, es ſei vielleicht, um bei Humboldt. — September 1890. Wohnungswechſel die Ameiſen nicht zu verlieren. Er könnte recht haben; der kleine kurzbeinige Käfer dürfte kaum im ſtande ſein, der langbeinigen Rieſen— ameiſe zu folgen. Ich ſah wirklich auch Umzüge des M. viaticus von einem Neſt in das andere. Dabei tragen die Arbeiter einander genau wie die Formica-Arten; der Getragene wird bei einer Man— dibel gefaßt und rollt ſich unter dem Kopf des Tragenden. Die M. viaticus tragen ſehr häufig einander, mindeſtens ſo häufig wie unſere Wald— ameiſe. Thorictus ſitzt aber auch im Neſt am Ameiſenfühler, wenn kein Umzug ſtattfindet. Weder bei M. viaticus, noch bei M. altisquamis und albicans konnte ich in den Neſtern Arbeiter finden, deren Hinterleib ſtark mit Honig angefüllt geweſen wäre. Somit ſcheint jene bekannte Eigen— ſchaft, gewiſſe Arbeiter als Honigtöpfe zu benutzen, wirklich den beiden amerikaniſchen Arten melliger und Hortus deorum allein, nicht aber der Gattung eigen zu fein. Ich konnte keine M. viaticus bei Blatt⸗ oder Schildläuſen, überhaupt keine auf Pflan— zen ſehen, während ich ſolche ſah, welche große Scolia und Pompilus-Arten angriffen. Immerhin ſah ich M.viaticus und altisquamis an Feigen u. dergl., die am Boden lagen, lecken. Es gibt ferner andere Ameiſenarten der Mittel- meerfauna, welche ſich der Wüſte angepaßt haben. Es find dies beſonders Monomorium Salomonis L., Cremastogaster laestrygon Hen, Acantholepis Frauenfeldi Ma, Aphaenogaster (Messor) bar— barus L., Myrmecocystus albicans Roger und bis zu einem gewiſſen Grade (wenigſtens in der Um— gebung der Oaſen) Pheidole pallidula M. und megacephala Fabricius, Plagiolepis pygmaea L.. und Tapinoma nigerrimum NIL. Monomorium Salomonis iſt die gemeinſte Ameiſe Tuneſiens, wo fie auf den Bergen bis ca. 900 m Höhe zu treffen iſt. Sie lebt auch im Sand der Wüſte und wimmelt in den Oaſen am Boden und auf den Bäumen. Ihre ſehr völkerreichen Neſter enthalten ſtets viele befruchtete Weibchen. Dieſe kleine Ameiſe iſt omnivor; ſie leckt Blumen und jagt nach Inſekten. Ihre Neſter ſind meiſtens über den Boden etwas erhaben, gewöhnliche Erd- oder Sandbauten mit mehreren Oeffnungen. Mit ihrem ſchwachen Stachel kann ſie nicht ſtechen. Die wundernette Acantholepis Frauenfeldi iſt ebenfalls ſehr häufig, von der Wüſte bis ca. 800 m hoch auf den Bergen. In der Wüſte macht fie ziem— lich tiefe Neſter, deren Oeffnung oder Oeffnungen (es ſind deren manchmal zwei oder drei) von einem hohen kraterförmigen Sandwall umgeben ſind. Manch— mal bildet das Neſt eine deutliche Kuppel. Die Kolonien ſind zahlreich und enthalten wenige be— fruchtete Weibchen. Die Arbeiter find im Neſt maſſenhaft zuſammengepfercht. Sie laufen aber ſchnell und ſind trotz ihres zarten Körperbaues ſehr mutig. Ich benutzte ſie in Oued Mela, um die große Wüſten— grille aus ihrem metertiefen im Sand gebohrten Kanal herauszutreiben. Die Acantholepis geht viel 299 auf Pflanzen, leckt den Nektar der Blumen und züchtet offenbar auch Aphiden und Cocciden. Der Aphaenogaster (Messor) barbarus L. iſt die klaſſiſche erntende Ameiſe der Mittelmeerländer, welche ſchon in Salomos Sprüchen erwähnt wird und deren Sitten von Moggridge ausführlich be— ſchrieben worden find. Emery hat das Verdienſt, ſeine zahlreichen Varietäten zuerſt erkannt und be— ſchrieben zu haben. Dieſe Varietäten laſſen ſich unter drei Raſſen unterbringen: 1) Barbarus i. sp. (Arbeiter ſehr variabel; die kleinſten ſehr ſchlank und ſehr klein, die größten mit koloſſalem Kopf; gewöhn— lich keine Dornen); 2) Aegyptiacus Lmery (Ar— beiter kürzer, gedrungener, viel weniger variabel, weniger glänzend; kleinſte Arbeiter größer mit größe— rem Kopf; größte Arbeiter dagegen viel kleiner und mit kleinerem Kopf als bei Barbarus i. sp.). 3) Stria- ticeps André (Arbeiter groß, lang, wenig variabel, gerunzelt, mit Dornen; größte Arbeiter mit relativ viel kleinerem Kopf; dem Arenarius ähnlich). In der Wüſte fand ich nur Varietäten des Aegyp- tiacus und des Striaticeps. Faſt alle Varietäten des Aegyptiacus waren recht klein, die einen glänzender, die anderen weniger, die einen mit rotem, die an— deren mit ſchwarzem Kopf, die einen mit, die an— deren ohne Dornen. Alle haben lange gekrümmte Barthaare unter dem Kopf. Wie der Arenarius waren alle bereits eifrig mit Ernten beſchäftigt und trugen in langen Reihen allerlei Samen von Wüſten— pflänzchen in ihr Neſt. Letzteres iſt weniger tief als das von Arenarius und zeigt keinen Sandkügelchen— wall, ſondern nur gewöhnliche Sandkrater um ſeine Oeffnungen. In der Wüſte bei Gabes fand ich eine etwas größere, glänzendere Varietät mit langen Dornen und in ſehr bevölkerter Kolonie. Tapinoma erraticum und nigerrimum find in ganz Tuneſien ſehr häufig, von der Wüſte bis oben auf den Bergen. Auffallenderweiſe und obwohl einer anderen Subfamilie angehörend, ſcheinen ſie dortſelbſt unſeren Lasius niger zu erſetzen und nehmen faſt ſeine Sitten an. Sie bauen große Neſter mit Erd— kuppeln, gewölbte Gänge über die Straßen (bei uns nie) und wimmeln längs der Flüſſe und in den Gärten, z. B. längs des Oued Gabes in der Oaſe. Myrmecoeystus albicans Roger, lebt in kleinen Kolonien, in Neſtern, welche rein miniert ſind, und nur durch eine Oeffnung mit der Sandoberfläche kommunizieren. Ich fand ein bis höchſtens zwei be— fruchtete Weibchen im Neſt. Es iſt eine ſehr raſch rennende, zarte, kleine Art, die ſehr ſcheu iſt und Jagd auf kleine Inſekten macht. Es gibt eine rot- köpfige, in der Wüſte häufigere Varietät, während die ganz ſchwarze mehr im Tell lebt, wo ſie unter Steinen oder in gewöhnlichen Erdbauten niſtet. Plagiolepis pygmaea und Pheidole pallidula leben ganz wie in Südeuropa. In der Wüſte kommt auch noch, im Sand woh— nend, der ſchwarze Cremastogaster laestrygon Emery vor, der dortſelbſt offenbar aus Blumen und Aphiden lebt. In den Oaſen und überhaupt auf Bäumen 300 fehlt er ganz, obwohl er auch in nackten Wieſen bis 1000 m hoch auf Bergen im Tell wohnt, wo er Erdneſter macht, die denjenigen unſeres Lasius niger ziemlich ähnlich ausſehen. In den Oaſen Gabes und El Hamma traf ich dagegen auf Bäumen den echten rotköpfigen Cre- mastogaster scutellaris Ol., der umgekehrt nie in der Wüſte und nie in Erdbauten zu treffen war. — Ebenſo fand ich in der Oaſe noch das in ganz Tu⸗ neſien und Algerien wie in Europa bis auf den Berggipfeln verbreitete Tetramorium caespitum L. und die auch in Indien und Ozeanien lebende Car- diocondyla nuda Mayr, aber in einer neuen Varietät (mauritanica Forel). Letztere zierliche kleine Ameiſe lief auf dem Boden am Fuß eines Baumes; trotz langem Suchen gelang es mir nicht, das Neſt zu finden. Den Solenopsis fugax Ltr. fand ich in Gabes in einem zuſammengeſetzten Neſt mit Monomorium Salo- monis (ſomit wie bei uns mit Form. fusca u. a.) lebend. Von Camponotus-Arten waren keine in der Wüſte vorhanden, und in den Oaſen nur Raſſen des C. ma- culatus Hab. (S rubripes = sylvaticus) zu finden. Für die Oaſen der Sahara überhaupt relativ charak⸗ teriſtiſch ſcheint mir eine großmächtige, matte, gelb und ſchwarze oder braune Raſſe (Arbeiter 7 bis 16 mm lang) zu ſein, die mit dem indiſchen Compressus nahe verwandt iſt, und die ich ſchon aus vielen Oaſen er⸗ halten habe. Ich habe ſie nun Oasium getauft, nachdem ich fie noch ſelbſt in Oued Méla) und El Hamma!) gefunden hatte; am letzteren Ort alle DOued⸗Mela iſt eine Pflanzung des Herrn v. Leſ⸗ ſeps, am Ausgang des Schott el Fedjedj und am Seeufer. Dort ſollte das ehedem projektierte Binnenmeer im Mittel⸗ meer ausmünden. Ich wurde dort von Herrn Baronet, dem Leiter des Unternehmens aufs freundlichſte empfan⸗ gen, wofür ich ihm hiermit beſtens zu danken habe. Durch Vertreibung des Viehs der Araber iſt es ihm gelungen, auch da, wo keine arteſiſche Brunnen ſind, die kleinen Wüſtenpflänzchen zu größeren blumenreichen Gewächſen in kurzer Zeit heranwachſen zu ſehen, wodurch er die ver— derbliche Wirkung des Raubweideſyſtems der Araber klar demonſtriert und mir eine reichliche Inſektenausbeute ver⸗ ſchafft hat. **) El⸗Hamma iſt eine 29 km von Gabes nach dem Innern zu gelegene Oaſe, zu der ich mich per ſog. Araba (zweiräderiger Karren) begab, und wo ich vom Scheik ſehr freundlich empfangen wurde. Von der intereſſanten alt⸗ römiſchen (jetzt arabiſchen) Therme daſelbſt brachte ich eine Flaſche zurück, die Herr Prof. Lunge in Zürich freund- lichſt analyſieren ließ. Hier folgt der Abdruck der Analyſe aus „Zeitſchrift für angewandte Chemie“ 1889. Heft 13: „Von Herrn Prof. Dr. Forel, Direktor der Irrenheilanſtalt Burghölzli bei Zürich, erhielt ich eine Flaſche (nicht ganz 11) des Waſſers der ſchon von den alten Römern benutzten Therme von El Hamma, etwa 29 km von Gabes, unweit vom Schott El Fedjedj, welches er an Ort und Stelle gefaßt hatte. Der Ort iſt eine kleine, von der gewöhn⸗ lichen Straße ganz abgelegene Oaſe in der tuneſiſchen Wüſte; das elende Dörfchen iſt aber doch eine Art Araberbad. Die noch jetzt von römiſchen Steinen eingefaßte heiße Quelle ſchlängelt ſich zwiſchen den Dattelpalmen offen hin drei Geſchlechter. Humboldt. — September 1890. Sie baut im Boden oder im feſteren Sand minierte, weitläufige Neſter, deren Höh—⸗ lungen ziemlich weit auseinander liegen. Sie kommt tagsüber faſt nicht hinaus und dürfte mehr nächt⸗ liche Sitten haben. Der große Arbeiter hat einen mächtigen Kopf. Von einer ganz nahe verwandten Raſſe, C. cognatus Smith, fand ich das Neſt in der Oaſe Gabes, am Fuß der Dattelpalmen, zwiſchen deren Wurzeln. Ich ſuchte lange vergebens nach der intereſſanten unterirdiſchen Wanderameiſe Dorylus (Typhlopone) juvenculus Shuck (= oraniensis Lucas, = badius Gerst). Endlich fand ich viele Leichen dieſer Ameiſe vor den Oeffnungen eines Neſtes von Myrmecoey- tus viaticus. Offenbar waren viele Dorylus in einem unterirdiſchen Kampfe getötet worden. Durch Graben konnte ich an jener Stelle nichts Weiteres finden. Ich zeigte aber die toten Ameiſen einem Araber, der eine Pflanzung beſaß, und verſprach ihm 2 Fr., wenn er das Neſt der lebenden Ameiſe finden würde. Derſelbe fing an, überall mit einer Hacke in der Erde zu wühlen. Am folgenden Tag wurde ich ge⸗ rufen. Der Araber führte mich zu einem mit Erde bedeckten Miſthaufen in der Nähe ſeiner Hütte und zeigte mir unter der Erdkruſte lebende Dorylus- Ar⸗ beiter. Er bekam ſeine 2 Fr., war hocherfreut und konſultierte mich nebenbei für ſeine 14jährige Skla⸗ vin, eine kleine, nette, luſtige, echte Negerin, die ihm bereits ein einjähriges Söhnchen geſchenkt hatte, und die, wie es ſchien, wegen des Reizes zu mächtiger Ohrenringe häßliche Geſchwülſte am Ohr bekommen hatte. und iſt noch 20 Minuten von ihrem Urſprung brennend heiß, jo daß ſie anfangs mindeſtens 50° haben muß; eine Temperaturmeſſung konnte leider nicht gemacht werden. Trotzdem baden ſich eine Menge von Arabern darin, welche dort Heilung aller möglichen Hautkrankheiten, namentlich ſyphilitiſcher Art, ſuchen und zum Teil auch finden ſollen. Die Sache entbehrt alſo nicht eines gewiſſen Inter⸗ eſſes, und ſchien es angezeigt, das Waſſer chemiſch zu unterſuchen, ſoweit die geringe verfügbare Menge desſelben es geſtattete. Selbſtredend mußte von der Aufſuchung und Beſtimmung ſelten und in geringen Mengen vorkommen⸗ der Stoffe abgeſehen werden, ſo daß die folgende Analyſe nur als eine beiläufige anzuſehen tft; doch ſind die ein⸗ zelnen Beſtimmungen von Herrn Stud. Stanislaus Wiernik, dem ich dieſe Sache übergeben hatte, mit aller Sorgfalt ausgeführt worden. Die Ergebniſſe waren: Geſamtrückſtand. . 5 Gebundene Kohlensäure CO,» 0 e S * (CHOW os oo e eee, eee Kalk Cao 2 5 . 0 Magneſia MgO Natrium Na 0 ” (Kalium war ſpektroſtopiſch nicht nachzuweiſe n). Hieraus berechnet ſich der pues wie folgt: 2,9360 g im Liter, Calciumkarbonaet . 0,3850 g im Liter, GMC. gn oo so 3 oo LAME , Magneſiumfulfat . 0,2745 % „ „ nie, 5 6 5 6 6 5 5 8 OAT „ „ — Natriumchlorid 1,0563 „ „ „ 2,9158 g im Liter. G. Lunge.“ Humboldt, — September 1890. Die Dorylus waren auf einem unterirdiſchen Raubzug und verfolgten mit wahrer Wut alle die kleinen Miſtkäfer und andere Tierchen, die ſich in großer Zahl am Dünger labten. Ich ſah z. B. mehrere Arbeiter zugleich einen Aphodius packen und ihn zerreißen. Beſtändig waren die Fühler der klei— nen, ganz blinden, gelben Ameiſen in Bewegung. Sie ließen ſich durch mich nicht ſtark ſtören, biſſen mich dafür nach Kräften. Ihr ſehr kleiner Stachel kann aber der Menſchenhaut nichts anhaben. Doch verkrochen ſie ſich immer wieder bald unter dem Miſt, indem ſie offenbar, wie alle blinden Tiere, lichtſcheu ſind und das Licht photodermatiſch, d. h. durch die Haut empfinden. Ich konnte eine ziemlich große Anzahl Arbeiter aller Größen einſammeln und die— ſelben ſetzten ſogar in der Schachtel, wohin ich ſie legte, ihre Inſektenverfolgungen fort. Leider war es mir nicht möglich, das offenbar in ziemlich großer Ent— fernung gelegene, und jedenfalls tief unterirdiſche Neſt zu entdecken. Es ſcheint mir nun ziemlich klar, daß die Lebensweiſe der Dorylus die gleiche iſt, wie diejenige der Eeiton und der ſehr nahe verwandten Anomma, deren Raubzüge bisher allein beſchrieben worden ſind. Nur ſind ihre Züge offenbar immer, oder faſt immer unterirdiſch oder nächtlich, weshalb fie weniger bemerkt werden. Anomma iſt zwar auch blind, aber viel größer, langbeinig, und wagt ſich nachts in zahlloſen Scharen in die menſchlichen Woh— nungen, weshalb ſie von jeher als die Viſitenameiſe Afrikas berühmt war. Dasjenige, was ich in jenem Miſthaufen ſah, entſprach genau den klaſſiſchen Schil— derungen, die Bates und beſonders Belt u. a. von den oberirdiſchen Raubzügen der Eeiton-Arten in Amerika gegeben haben. Nur geht alles unter der Erde vor ſich, und es iſt unglaublich, mit welcher Schnellig— keit die Doxylus-Arbeiter ſich durch Miſt und Erde hindurchgraben. Unter ſolchen Umſtänden iſt die Auffindung des Neſtes, deſſen Lage ſehr entfernt vom augenblick— lichen Jagdrevier ſein kann, jedenfalls äußerſt ſchwie— rig, reſp. für gewöhnlich nur durch ſeltenen Zufall möglich. — Ich glaube, daß man dasſelbe erſt dann finden wird, wenn man durch Kenntnis des Zeit— punktes des Ausfluges der Männchen dieſelben ſucht (jedenfalls kriechen ſie mit Arbeiterbegleitung aus der Erde heraus, wie es ſchon aus der Beobachtung von Ungar in Gerſtäcker: „Peters, Reiſe nach Moſſam— bique“, hervorgeht) und direkt aus der Erde heraus— kommen und fortfliegen ſieht. An jener Stelle muß dann, wahrſcheinlich ſehr tief, nach dem Neſt gegra— ben werden. — Es teilte mir ſpäter in Duvivier (Algerien) eine alte Frau mit, daß ſie einmal plötz— lich (wahrſcheinlich im Juni) eine Unzahl großer geflügelter, bienenartiger Inſekten, von kleinen gelben Ameiſen begleitet, aus der Erde gegen die Mauern und in die Zimmer ihres Häuschens habe kriechen und dann fortfliegen ſehen; es ſei das eine merk— würdige Invaſion geweſen. Ich vermute nun, daß es ſich da um den Ausflug von Dorylus juvenculus gehandelt hat. Es dürfte nun nach dieſen Indizien 301 ſolchen Perſonen, die an Ort und Stelle wohnen, endlich gelingen, am Beginn der Flugzeit den bisher nur bruchſtückweiſe bekannten Haushalt des Dorylus juvenculus, vor allem die Puppen, Larven und Weibchen ausfindig zu machen. Ob die Neſter wie bei Eciton (= Labidus) Wanderneſter find, iſt noch eine Frage; doch iſt es wohl denkbar, ſogar wahrſchein— lich, daß, wie bei jener Gattung, Umzüge von einem unterirdiſchen Neſt in das andere nachts, aber an der Erdoberfläche, ſtattfinden (von Dr. Wilhelm Müller in Itajahy bei Eeiton entdeckt). Wir werden bald noch eine Thatſache erwähnen, welche auf häufige Kämpfe von Dorylus mit anderen Ameiſen ſchließen läßt, und es wäre wohl denkbar, daß die raubgie— rige Wanderameiſe auf ſolche Weiſe Neſter anderer Arten oder Termitenneſter erobert und benutzt, wie es auch ſchon für gewiſſe blinde Eeiton-Arten ver— mutet worden iſt. Es ſei pro memoria bemerkt, daß man früher aus den Männchen der Wander— ameiſe eine eigene Hymenopterenfamilie, die Dory— liden (Gattungen Dorylus, Labidus, Aenictus ete.) gebildet hatte. Shuckhard war der erſte (1840), der die Vermutung ausſprach, daß die Doryliden die Männchen der Wanderameiſe ſind. Beſtätigt wurde dies für Dorylus (= blinde Arbeitergattung Typhlo- pone) von Gerſtäcker, Ungar, Trimen u. a. Für Eeiton (= Männchengattung Labidus) durch Wil— helm Müller und Hetſchko, und für Aenictus (= blinde Arbeitergattung Typhlatta) aus Indien letzthin durch die Herren R. C. Wroughton und Gleadow in Poona. Auf Veranlaſſung des Herrn R. C. Wroughton ſuchte Herr Gleadow ſolche Ameiſen, und ſah am Morgen früh zwiſchen dem 15. und 20. März 1890 winzig kleine, gelbe Ameiſen mit mäßig großen ge— flügelten Männchen aus einem Löchlein im Boden einer Veranda austreten. Der Arbeiter war eine Typhlatta, das Männchen ein Aenictus, beide neu. Ich habe fie im Bulletin de la soc. entomol. de Belgique vom 7. Juni 1890 unter dem Namen Aenictus Wroughtonii beſchrieben, und demnach die Gattung Typhlatta Westw. als Synonym zu Ae- nictus Shuck geſtellt. Folgende Zeilen, die Herr Gleadow nun des Näheren an Herrn Wroughton ſchreibt und die ich ſoeben erhalte, dürften neues Licht über die Biologie des Aenictus werfen und das Vorhergeſagte beſtätigen. Zweifellos trifft das Gleiche bei Dorylus zu. „J found them on two consecutive days be- tween the 15th and 20th March at the Sawa Rest- house some 20 Miles East of Dahann Rd Station (BB a. C. J. Railway). There was simply a small hole in the floor of the mud washed Verandah and it dit not appear a hole used for the regular traffic of the nest. In fact all traffic ceased, and the hole remained unused after the flight nor where there any tracks radiating from it. This ant appears to me to be of a timid nature. The winged males came out one by one or per- haps a couple hesitatingly and had the air of 302 Humbolot. — September 1890. being kindly but firmly expelled by the workers. They would wander round a little before flying. When I failed to pick one up he would return to the nest, and it would be some time before another appeared. There would be the same delay if I disturbed any of the workers in picking up another. In fact thoug I caught only the few I sent you, I believe, I brought the flight from that hole to a premature close. It was quite deserted when I returned to lunch. Next morning at sunrise I noticed the males flying in short leaps, along a streall of sunlight wich crossed the floor but could not ascertain where they came from but it was sure to be the same nest. The colony could not have been a large one, but I suspect it had doors as far apart as the two Verandahs and might involve the dig- gings up of the whole floor.“ Herr Wroughton, der mir das Vorſtehende wört⸗ lich mitteilt, fügt hinzu, daß Herr Gleadow ein durch⸗ aus objektiver Beobachter iſt, bezweifelt aber mit Recht, daß die Störung der Ameiſen die Urſache ihres Rückzuges geweſen ſei. Er glaubt, das Tages⸗ licht habe ſie verſcheucht, und fügt hinzu: „It is curious that every flight of Dorylus or Aenictus I have heard of has been from the floor of a human dwelling, where it is next to impossible to dig the nest.“ Dieſe beiden Bemerkungen kann ich, wie man ſieht, nur beſtätigen; auch meine Dorylus waren in der Nähe der Araberhütte. Es ſcheint mir anzudeuten, daß die Dorylus und Ae- nictus die Fundamente eines Hauſes wahrſcheinlich gern benutzen, um leichter längs derſelben tief in die Erde zu gelangen. Immerhin muß man nicht vergeſſen, daß der Menſch nachts gewöhnlich zu Hauſe iſt und daher auswärtig wohnende Doryliden ſchwerlich beob⸗ achten kann. Da, wo keine Häuſer ſind, dürften ſie vielleicht die Wurzeln eines Baumes ähnlich benutzen. Es iſt zu hoffen, daß alle dieſe Winke allmählich zur Entdeckung des offenbar ſo wohl verborgenen unterirdiſchen Verſteckes der Familie von Dorylus und Aenictus führen werden. Die Umgebung von Sfax zeigt eine Ameiſen⸗ fauna, die wenig von derjenigen der Wüſte abweicht. Messor arenarius und Myrmecoe. viaticus ſind auch dort in der ſteppenreichen Gegend häufig. II. Souſſa, Tunis und Karthago. Die Umgebung jener Uferplätze bildet myrmeko⸗ logiſch einen Uebergang von der vorhergehenden Fauna zu derjenigen des Atlasgebietes. Zudem hatte ich nur einen Tag in Souſſa und ſchlechtes Wetter in Tunis, wodurch meine Beobachtungen unvoll⸗ kommen wurden. In den Olivenwaldungen von Souſſa fand ich in ſehr großer Zahl den Camponotus micans Nyl., der ſehr flache Erdbauten macht und ſeine Nahrung auf Olivenbäumen und auf Blumen ſucht. Auffällig ift bei dieſer Art der enorm entwickelte Fettkörper, ſo daß ſie in den Sammlungen bald ölig wird, und, beſon⸗ ders die großen Arbeiter, einen unverhältnismäßig geſchwollenen Hinterleib beſitzen. Ob dies mit der Ernährungsart zuſammenhängt, konnte ich nicht näher feſtſtellen. Es ſcheint mir aber wahrſcheinlich. Man findet faſt nur kleine und mittlere Arbeiter außer⸗ halb des Neſtes. Der großköpfige Arbeiter ſcheint faſt ſtets im Neſt zu bleiben. Ich konnte nur ein⸗ mal ein befruchtetes Weibchen im Neſt finden. Cam- ponotus sylvatico-cognatus fand ich in den faulen Wurzeln eines abgeſchnittenen Olivenbaumes niſtend. Während der echte Myrmecoc. viaticus in Souſſa noch vorkommt, ſcheint Messor arenarius ganz zu fehlen. Um die Oeffnungen verſchiedener Neſter von Monomorium Salomonis, Acantholepis Frauen- feldi und anderer Arten fand ich große Anhäufun⸗ gen von Leichen verſchiedener Ameiſen, was auf ſtatt⸗ gehabte unterirdiſche Frühlingskämpfe deutet. Unter dieſen Leichen waren beſonders ſolche von Dorylus juvenculus (Arbeiter), Messor barbarus und Cre- mastogaster scutellaris häufig. Mit Bezug auf Dorylus (ſiehe oben) dürfte dieſes eine Beſtätigung ſeiner unterirdiſchen Raubzüge ſein, zugleich aber beweiſen, daß er bei anderen Ameiſen auf ernſtlichen Widerſtand ſtößt. In Tunis hatte ich ſo ſchlechtes Wetter, daß ich nur zweimal bei Wind und Regen auf einem Hügel Ameiſen ſuchen konnte. Im Gras fand ich dort⸗ ſelbſt Erdbauten von Acantholepis Frauenfeldi. Die Arbeiter waren in mächtigen Klumpen zu Tau⸗ ſenden zuſammengeballt und fo ſehr aneinander han- gend, daß der ganze Klumpen mit den Fingern ge⸗ hoben, im Kälteſchlaf erſtarrt, beiſammen blieb. Dieſe Eigenſchaft, ſich ſo feſt zuſammenzuballen, ſcheint der Gattung Acantholepis, auch nach Berichten anderer, eigen zu ſein. In den Neſtern von Messor bar- barus fand ich als Gäſte die Lepisma aurea und die wunderbare kleine, ſtark ſpringende, flügelloſe Grille Myrmecophila ochracea Fisch. und acervo- rum Pane. Beide werden von den Ameiſen durchaus freundlich geduldet. Näheres über ihre Lebensweiſe konnte ich aber aus Mangel an Zeit und Möglich⸗ keit, ſie lebend zu behalten, nicht beobachten. Wozu die ſtarken Springbeine der Myrmecophila inner⸗ halb des Ameiſenneſtes dienen mögen, iſt mir uner⸗ findlich. Es ſcheinen mir dieſelben darauf hinzu⸗ deuten, daß das Tierchen auch außerhalb der Ameiſen⸗ neſter Lebensaufgaben hat. Die Aphaenogaster pallida NJ. lebt unter den Steinen auf den Hügeln und Bergen. Sie bewegt ſich in kleinen Gängen unter dem Stein. Vergeblich aber grub ich mehr als zwanzigmal nach dem Neſt; ich fand es nie; es muß dasſelbe ſehr tief liegen. Dieſe kleine Ameiſe iſt ſehr ſcheu und auch lichtſcheu. Auf den Ruinen Karthagos, bei ſchlechtem Wetter, fand ich den Camponotus cognatus Smith unter Opuntia-Blättern, am Boden. III. Tell und Tebeſſa. Indem ich die Eiſenbahnlinien Tunis⸗Souk Ahras⸗ Bona und Souk Ahras⸗Tebeſſa benutzte, ſtieg ich in Humboldt. — September 1890. verſchiedenen Stationen ab und machte zuerſt mit meinem Araber Ali ben Belkaſſem und ſpäter allein Ausflüge auf den umgebenden Hügeln und Bergen. Im Gegenſatz zum Sand und Sandboden der vorher— gehenden Gegenden zeichnet ſich der tuneſiſche Atlas durch ſchweren Lehmboden und zum Teil durch üppige Vegetation, wenigſtens im Frühling, aus. Während aber die waſſerreichen Niederungen des Seybouſethales (Duvivier, Bona) eine prachtvolle üppige Flora, ſehr ſchöne Bäume, mit dichtem Gebüſch und prachtvollen Blumen bedeckte Hügel (allerdings auch viel Malaria) beſitzen, iſt die Gegend der ſüdlicheren Hochebene bei Tebeſſa, mit ihren felſigen Gipfeln, infolge von Waſſer— mangel bereits recht dürr, mit kurzem Gras, mageren Föhren, ohne größere Bäume. Von der Gattung Camponotus entdeckte ich zwei neue Raſſen des C. maculatus, welche beide unter den Steinen der Berge verſteckt leben. Die eine C. Alii (meinem Araber gewidmet) zeichnet fic) dadurch aus, daß der kleine Arbeiter ſchwarz iſt, während der große meiſtens einen ſchönen roten Kopf mit rotem Thorax hat. Dieſe Raſſe lebt nur in den Waldungen und im Gebüſch, ſtets am Schatten und ſcheint die Blattläuſe der Eichen und Föhren auf den Bergen der Umgebungen von Souk Ahras und Tebeſſa auf— zuſuchen. Ich fand ihre Neſter ſogar im dunkelſten Teil eines dichten Korkeichenwaldes bei Laverdure, an Stellen, wo kein Sonnenſtrahl durchkommen konnte. Nebenbei geſagt, war das ein ſehr ſchöner Wald mit prachtvollen Korkeichen, durch deren Dornen- und Clematitengeſtrüpp man ſich nur ſchwer durcharbeiten konnte. Die zweite Raſſe, C. atlantis, ebenfalls ſehr verbreitet, iſt klein, blaßgelb, weich und ſchwach. Sie lebt an ſonnigen freien Stellen der Berge unter den Steinen und zwiſchen den Felſen. Ihr Ausſehen, be— ſonders das der faſt durchſcheinenden kleinen Arbeiter, ſteht in ſolchem Widerſpruch mit der ſonnigen Lage ihrer Neſter, daß ich beſtimmt annehmen muß, ihre Lebensweiſe ſei eine unterirdiſche oder nächtliche. Wahr⸗ ſcheinlich ſucht fie Wurzelblattläuſe auf. Ich ſah jie nie außerhalb des Neſtes, das ich ſtets durch Auf— heben von Steinen entdeckte. C. Alii fand ich auch nur wenig außerhalb des Neſtes. Die Raſſe C. dichrous erſetzt im Tell die Raſſen Oasium und cognatus der Sandebene und der Oaſen. Der C. dichrous iſt ſehr häufig in den Schluchten der Bergabhänge am Djebel Ozmor bei Tebeſſa und der Berge bei Souk Ahras. Er bildet ſehr bevölkerte Kolonien, und ich fand auch bei ihm eine Myrmecophila ochracea. — Campo- notus Sichelii bildet beſonders in den dünnen Föhren— wäldern bei Tebeſſa unter den Steinen wenig zahl— reiche Kolonien, die genau ſo ausſehen wie diejenigen unſeres europäiſchen C. lateralis. Camponotus cruentatus bildet auf den Bergen große Kolonien unter den Steinen, am Rand der Straßen 2c. und iſt ſehr lebhaft. Ich fand ein ein— zelnes befruchtetes Weibchen mit nur wenigen im Ver— hältnis winzig kleinen Arbeitern, offenbar eine neu— begründete Kolonie. Myrmecocystus altisquamis lebt in rein minierten 303 Erdbauten auf den Wieſen der Bergen, wo er den dort fehlenden Viaticus erſetzt. Die Kolonien find ziemlich völkerreich, und das Benehmen der Arbeiter erinnert viel mehr an dasjenige unſerer Formica als das der anderen Myrmecoeystus-Arten. Beſonders der kleine Arbeiter ſieht faſt genau aus wie eine For— mica rufibarbis, wenn er den ſtörenden Entomologen angreift. Beim M. altisquamis fand ich auch einen Thorictus, am Fühlerſchaft angebiſſen, wie bei M. viaticus. Den faſt ſcharlachroten Myrmecocystus viaticus R. mega- locola fand ich in der Nähe der Städte und Dörfer und auf den Straßen des Tell (Bona, Ghardimaou, am höchſten bei Tebeſſa), wo er im Gras Neſter macht, die denjenigen von Altisquamis ähnlicher ausſehen als denjenigen von Viaticus i. sp. Es ſcheint eine relativ konſtante Raſſe zu ſein. Im Tell kommt die ſchwarze Varietät des Myr- mecocystus albicans vor, der hier unter Steinen oder in einfachen Erdbauten lebt. Zu meinem nicht geringen Erſtaunen fand ich in den Gärten und Wieſen der nächſten Umgebung der Stadt Tebeſſa drei der gemeinſten Ameiſenarten Zen⸗ traleuropas, die ich ſonſt überall auf meiner Reiſe ver- gebens geſucht habe: die Formica fusca, den Lasius niger und die Myrmica scabrinodis. Ich muß an- nehmen, daß dieſe drei Arten dorthin durch importierte Pflanzen eingeſchleppt worden ſind, denn ich kann mir nicht denken, wie ſie ſonſt auf den viel kühleren und feuchteren Bergen bei Souk Ahras gänzlich fehlen könnten, an Orten, wo ſie bei uns wimmeln würden. Auf den Hügeln bei Tebeſſa waren ſie bereits nicht mehr zu finden; einzig und allein in den Gärten der dort angeſiedelten Europäer. — Der Lasius alienus kommt dagegen wild auf den Korkeichen bei Laver— dure vor. Ueber Bothriomyrmex meridionalis wäre noch zu bemerken, daß ich je ein befruchtetes Weibchen in zwei Kolonien bei Tebeſſa fand. Bei Souk el Arba (Medjerdathal) beobachtete ich ein Neſt von Tapinoma erratico-nigerrimum, deſſen Einwohner gerade beim Regen ein Stockwerk bauten. Zugleich holten die Arbeiter viele Coceiden aus den Wurzelblättern einer Daucus carotta und brachten dieſelben in ihr Neſt, wo ſolche Pflanzen auch wuchſen. Aber auch Larven einer ſchwarzen Tettigometra (kleiner Springcicadelle), die auf derſelben Pflanze lebten und deren Saft ſogen, wurden von den Tapinoma in ihr Neſt transferiert. Es hat bekanntlich Delpino nachgewieſen, daß gewiſſe Tettigometra-Arten genau wie Blatt- und Schildläuſe von den Ameiſen in Süd— ländern als Milchkühe benutzt werden. Die Arten des Subgenus Messor der Gattung Aphaenogaster machen alle Samenvorräte für die Saiſon der Hungersnot, ſei es Winter oder Sommer oder beides. Auffällig ſchien mir die Verteilung der Raſſen Aegyptiacus und Barbarus i. sp. des M. barbarus. Während die erſtere fic) nur in den Steppen, in der Wüſte und auf den trockenen, mit Gebüſch bedeckten ſteinigfelſigen Hügeln des Gebirges zu ge— fallen ſcheint, fand ich faſt durchweg den Barbarus i. sp. 304 in der fetten Erde feuchterer Wieſen oder auf Berg⸗ boden mit ſtärkerer Vegetation. Der Barbarus i. sp. baut oft in den Wieſen ziemlich große Erdkuppeln mit vielen Gängen, den Neſtern der A. testaceo- pilosa und unſerer Formica fusca ſehr ähnlich ſehend. In einem Neſt von M. barbarus i. sp. fand ich bei Ghardimaou in größerer Anzahl zwei kleine Käfer als Gäſte: Coluocera Attae Av. und Oochrotus unicolor Luc. (wie alle Myrmekophilen freundlichſt von Herrn Wasmann beſtimmt). Dieſelben lagen unter dem Deckſtein, zwiſchen den Erdklümpchen des Neſtes und ſchienen ſich gar nicht um die Ameiſen zu kümmern. Mir kam es vor, ſie dürften mehr der Samenvor⸗ räte als der Ameiſen wegen das Neſt aufſuchen. Doch iſt es nur eine Vermutung. Die echten Aphaenogaster-Arten Testaceo-pilosa, Sardoa, Striola und Subterranea gehören mit Mes- sor barbarus zu den gemeinſten Ameiſen des Atlas⸗ gebirges. Die zwei erſten ſchlanken Arten, die erſte ſchwarz, die zweite rot und etwas kleiner, ſowie A. striola vertreten dort in den Wieſen unſere Formica rufibarbis und fusca, obwohl fie Myrmieiden find. Ihre ziemlich bevölkerten Kolonien, ihre Erdkuppeln (bei testaceo-pilosa) mit breiten Gängen und Kam⸗ mern, ihre offene Lebensweiſe, ihre Jagdgewohnheiten (ſie ernten nie Samen), ihre Sitte, einzeln umher⸗ zuſtreifen, ſtimmen ganz mit den Sitten unſerer klei⸗ neren mitteleuropäiſchen Formica-Arten überein. Bei A. testaceo-pilosa und subterranea var. croceoides fand ich als Gaſt einen hellbraungelben Aptera- nillus, den Herr Wasmann als neue Art (Foreli) beſchreiben wird. Er benahm ſich, wie mir ſchien, ähnlich wie Dinarda-Arten und befand ſich ganz im eſt, mit den Ameiſen. Der A. sardoa baut kleinere Erdkuppeln und lebt mehr unter Steinen. A. sub- terranea hat, wie auch bei uns, eine verſtecktere Lebensweiſe, wenn auch nicht fo verſteckt wie A. pallida. Die Varietät croceoides fand ich bet Béja und auf Berggipfeln, die Varietät splendidoides mit vielen Myrmecophilen in feuchten Wieſen, die Varietät strioloides (dunkler) in dem faulen Strunk eines Baumes, im Eichenwald. Die Varietät splendidoides war auffallend lebhaft und mutig, kleiner als die anderen und erinnerte mehr in ihrem Habitus an un⸗ ſere Myrmica-Arten. In einem Neſt von Monomorium Salomonis, bei Ghardimaou, fand ich als Gaſt eine neue, ſehr kleine Art der Orthopteren-Gattung Myrmecophila, die Herr Wasmann als M. Salomonis beſchreiben wird. Die für die Berberei typiſchen Arten der Gattung Leptothorax leben unter Steinen und zeigen im übrigen genau dieſelbe Lebensweiſe wie unſere mittel- europäiſchen Arten, obwohl ſie in ihrer Form ziemlich abweichend find. Der große L. Rottenbergi Emery und der kleine L. nigrita Emery, beide tief ſchwarz, findet man einzeln auf Blumen. Ihre Kolonien ſind nicht zahlreich; das Neſt iſt klein, beſteht aus wenigen Kammern, alles dicht beiſammen unter einem Stein. Sie leben in Meereshöhe bis 1600, reſp. 1400 m. Humboldt. — September 1890. Auf dem Gipfel des Djebel Ozmor bei Tebeſſa ent⸗ deckte ich eine neue Art (L. Delaparti) und eine neue Raſſe des L. tuberum F. (L. Tebessae), beide eben⸗ falls unter Steinen. Die bekannten europäiſchen Raſſen des L. tuberum, die L. Nylanderi, unifasciatus, angustulus, tuberum i. sp., interruptus und mela- nocephalus fand ich dagegen auf Bäumen oder am Fuß derſelben bei Bona, Duvivier, Laverdure, zum Teil in etwas eigentümlichen Varietäten. Die winzige, 1,33 mm lange, faſt blinde, hell⸗ gelbe Solenopsis orbula Ener) fand ich in Gout Ahras in einem zuſammengeſetzten Neſt mit Aphae- nogaster sardoa. Die Kolonie war ſehr zahlreich und das Neſt genau fo in demjenigen des A. sardoa ineinandergeſchachtelt, wie dies bei unſerer 8. kugax gegenüber dem Neſt der Formica fusca der Fall ijt. Der Kampf, der meinem Zerſtörungswerk folgte, war auch ganz gleich wie zwiſchen 8. fugax und 8. fusca. Offenbar iſt S. orbula eine Diebsameiſe, wie 8. fugax. Sowohl in den warmen, feuchten Orten Beja und Duvivier, als ca. 1500 m hoch auf dem Berg bei Souk Ahras hatte ich die Freude, die früher von mir zuerſt in Fully, Kanton Wallis (Schweiz), ent⸗ deckte und 1874 (Fourmis de la Suisse p. 94 und 349) beſchriebene ſklavenhaltende Ameiſe Strongylognathus Huberi Forel, zum erſtenmal in Natura wieder zu ſehen. Dazwiſchen war dieſe intereſſante Art in Mar⸗ ſeille in den Pyrenäen und in Tuneſien von anderen wieder gefunden worden. Somit hat ſie einen ebenſo großen Verbreitungsbezirk, wie 8. testaceus, erſtreckt ſich aber viel weiter ſüdlich und viel weniger weit nördlich. In Wallis kommen beide Arten nebenein⸗ ander vor. — In Tuneſien und Algerien konnte ich nur meine früheren Beobachtungen beſtätigen: 1) der S. Huberi-Arbeiter ijt in außerordentlich großer An⸗ zahl in der Kolonie vertreten, faſt ſo zahlreich wie ſeine Hilfsameiſen oder Sklaven (im Gegenſatz zum ſo ungemein ſpärlichen, mitten in dem ſchwarzen Ge⸗ wimmel der Hilfsameiſen da und dort zu erblickenden Arbeiter des Str. testaceus); 2) er wählt als Hilfs⸗ ameiſe die kleinen, glänzenden Varietäten (punicum Sm., semilaeve André) des Tetramorium caespitum L., welche bedeutend kleiner und ſchwächer ſind als er, während umgekehrt der S. testaceus viel kleiner und ſchwächer iſt als ſeine Hilfsameiſe, das kräftige Tetramorium caespitum i. sp. Dieſe Thatſachen können nun als allgemein gültig und feſtſtehend an- geſehen werden, woraus meine damalige, zudem durch Experimente beſtätigte Schlußfolgerung (J. c.), daß S. Huberi wohl eine Raubameiſe fet, 8. testaceus dagegen unter keinen Umſtänden mehr eine ſolche ſein könne, wiederum bekräftigt wird. Leider waren die Larven der Petramorium-Neſter noch zu jung, um mir eine Wiederholung meines damaligen Experimentes (künſtlich hervorgerufener Raubzug) zu erlauben. Zu⸗ dem wurde ich jedesmal durch Regen geſtört. Emery hat behauptet (Bullet. soc. entom. ital. 1886, Mimetismo etc.), daß nur die rotköpfige Va⸗ rietät des Camponotus lateralis mit dem ebenfalls rotköpfigen, kräftigeren und mutigeren Cremasto- Humboldt. — September 1890. gaster scutellaris auf Bäume klettere und ſieht darin einen Farbenſchutz der ſchwächeren Art, welche dank dieſem Kleid für Cremastogaster gehalten wird und unbehelligt bleibt. Daran, daß der Cremastogaster den Camponotus an der Farbe für ihresgleichen hält, war von vornherein nicht zu denken, da die Ameiſen ſich voneinander durch den Geruchſinn, nicht durch Farben erkennen, was ich durch zahlreiche zwingende Experimente dargethan zu haben glaube (Recueil 200“ logique Suisse. 1886 à 1888, Tome IV, No. 1, 2, 4, Genf bei Georg). Aber auch die erſte Schluß— folgerung ſchien mir von jeher nicht auf ſehr feſten Füßen zu ſtehen, da Ameiſen verſchiedenſter Arten oft an denſelben Blattläuſebäumen klettern, ohne daß Mimikry in Frage kommen kann. Nun habe ich aber in Tuneſien ſowohl den rot- köpfigen Campon. Sichelii als die ganz ſchwarze Va— rietät des Campon. lateralis (letzterer in Bona) in genau gleicher Weiſe längere Zeit mit dem Crem. scutellaris auf Föhren klettern ſehen. Noch eine dritte Art, die Colobopsis truncata Spinola, kletterte ebenfalls mitten unter den Crem. scutellaris auf den- ſelben Föhren. — Ich habe übrigens lange vor Emery (Fourmis de la Suisse 1874, Seite 387) ein ganz ähnliches Verhältnis zwiſchen zwei Ameiſen beobachtet, welche ebenfalls beide zuſammen, und faſt immer zu— ſammen in der Schweiz, beſonders auf Eichen und Nußbäume klettern und in Sitten, Farbe, Größe, Form und Neſtbau einander ungemein gleichen, ob— wohl ebenfalls zu zwei verſchiedenen Subfamilien ge— hörend — ja ſogar beide die einzigen europäiſchen Arten ſind, die weiße Flecken am Hinterleib haben (Kopf und Abdomen ſchwarz, Thorax dunkelrot). Es find dies der Dolichoderus (Hypoclinea) 4-punc- tatus und die Colobopsis truncata. Ich habe auch ſchon damals in jenem Fall Mimikry vermutet. Es kann ſein, daß in beiden Fällen, trotz meiner eben erwähnten Beobachtung in Bona, Mimikry vorliegt. Doch ſcheint mir der Fall noch unſicher. Gewiſſe Ameiſen, die bei uns nur trockene, fon- nige Stellen lieben, findet man in Tuneſien an den feuchteſten, waldigſten Stellen, z. B. Plagiolepis pygmaea (mitten im Korkeichenwald), Aphaenog. striola. Der Unterſchied des Klimas erklärt leicht dieſe Thatſache. Außer der Myrmica scabriodis in den Gärten von Tebeſſa habe ich auf meiner ganzen Reiſe keine einzige Ameiſe gefunden, die die menſchliche Haut zu ſtechen im ſtande war; alle haben entweder einen zu kleinen oder gar keinen Stachel. Im ganzen war ich über den friedlichen Humor der tuneſiſch-algeriſchen Ameiſen erſtaunt. Sie ſind meiſt nicht kampfluſtig, vermeiden und fliehen ſich viel eher, als daß ſie ſich von Kolonie zu Kolonie angreifen. Einzig der Do- rylus juvenculus und bis zu einem gewiſſen Grade die Acantholepis, das Tetramorium, die beiden Solenopsis-Arten und der Cremastogaster scutellaris machen eine Ausnahme. Selbſt die fleiſchfreſſenden Aphaenogaster-Arten und die Myrmecocystus find ſehr wenig kriegeriſch und man findet nichts, was den Humboldt 1890. 305 erbitterten Kämpfen ähnlich ausſieht, die ſich unſere mitteleuropäiſchen Formica-Arten liefern. Intereſſant zu notieren iſt noch die enorme geo— graphiſche Verbreitung des Tetramorium caespitum L. Nicht nur gehört dieſe Art der ganzen palä— arktiſchen und nearktiſchen Fauna, ſomit Sibirien, Turkeſtan, Europa, Nordafrika und Nordamerika an, und iſt ſie überall ſehr häufig, ſondern ſie erträgt das kälteſte Klima auf den höchſten Bergen (Alpen bis 2000 m) und im weiteſten Norden ſowohl als die heißeſte Sonne in der Wüſte bei Gabes. Sie erträgt ſomit eine viel größere Hitze, als die auch weit- und ähnlich verbreitete Formica fusca, welche allerdings noch etwas (aber ſehr wenig) höher als das Tetramorium auf den Alpen zu treffen iſt. Wie bekannt, gehört die Fauna Tuneſiens wie die— jenige Algeriens ganz zum paläarktiſchen Gebiet, reſp. zur Mittelmeerfauna. Großartige Neuheiten waren ſomit bei den Ameiſen nicht zu erwarten. Immer— hin fand ich eine neue Art, ſowie einige neue Raſſen und Varietäten. Zudem konnten in den obigen Zeilen, trotz dem Mangel an Zeit, um an einem Ort fort— geſetzte Beobachtungen anzuſtellen, bei einer Reihe Arten, deren Sitten noch nie beobachtet worden waren, wenigſtens die Hauptzüge derſelben geſchildert werden. Es ſei mir noch erlaubt, denjenigen Perſonen, die mir behilflich waren, hier meinen wärmſten Dank auszuſprechen. Es ſind dies vor allem Herr Hip. Gaubert aus Montpellier, der mir Ali verſchaffte, dann der treue und fleißige Ali ben Belkaſſem ſelbſt, der mir überall thätig half und mir viele Ameiſen und andere Inſekten ſammelte, ferner der Stellver— treter des franzöſiſchen Reſidenten in Tunis, Herr Regnault, der mir Empfehlungen für die Ortſchaften verſchaffte, Herr M. Vallenſi in Tunis, Herr Sulz— berger von Zürich in Tunis, Herr Kollbrunner in Zürich, Herr General Allegro in Gabes, Herr Baro— net in Oued Mela, Herr Luya in Gabes, Herr Abbé Delapart, Kuratus von Tebeſſa, und Herr Kollega Dr. Nicola in Bona. Die folgende Ueberſicht dürfte ein allgemeines Bild der Ameijenfauna Tuneſiens und Oſtalgeriens geben (Seltenheiten ausgenommen). Geographiſche Verbreitung der Ameiſenarten und -raffen, die ich in Tuneſien und Oſtalgerien fand: I. Wüſte bei Gabes und Steppe bei Sfax, Messor (Aphaenog.) arenarius. II. Wüſte, Sfax und Souſſa, Myrmecocystus via- ticus i. sp. III. Oaſe allein (Gabes) Cardiocondyla nuda. IV. Oaſen und Sfax, Camponotus maculatus R. oasium. V. Sfax allein, Pheidole megacephala i. sp. (mehr Zufall). VI. (Liſte der Arten mit größter Verbreitung): Wüſte, Oaſen, Tunis-Souſſa, Tebeſſa (Hochebene), Tell (Berge): Myrmecocystus albicans bis ca. 700 m; Acantholepis Frauenfeldi und var. bipar- tita bis höchſtens 800 m; Plagiolepis pygmaea bis ca. 1600 m (var. pallescens nur in Gabes und Souſſa); Tapinoma erraticum i. sp. und. R. niger- rimum; Pheidole megacephala R. pallidula bis 39 306 1600 m; Cremastogaster laestrygon bis ca. 1000 m; Monomorium Salomonis bis ca. 900 m; Tetra- morium caespitum und Var.; Messor barbarus R. aegyptiacus in vielen Varietäten. . Dajen, Souſſa, Karthago, Camponotus macu- latus R. cognatus und Varietäten. . Dajen, Souſſa, Dorylus juvenculus (kommt be⸗ kanntlich auch in den niederen Gegenden des Tell vor). IX. Tebeſſa und Oaſe (El Hamma), Messor bar- barus R. striaticeps. X. Oaſen, Tunis⸗Souſſa, Tebeſſa, Tell, Cre- mastogaster scutellaris bis 1600 m (nur da, wo Bäume ſind); Solenopsis fugax. XI. Tell und Tunis⸗Souſſa, Camponotus micans bis ca. 1000 m; Myrmecoeystus viaticus R. mega- locola; Bothriomyrmex meridionalis bis ca. 1400 m; Leptothorax Rottenbergi bis ca. 1600 m; Aphae- nogaster pallida bis ca. 1500 m; Aphaenogaster testaceo-pilosa bis ca. 1600 m; Messor(Aphaenog.) barbarus 1. sp. bis ca. 1500 mn. Gärten um Tebeſſa, Formica fusca; Myrmica scabrinodis; Lasius niger. XII. Humboldt. — September 1890. XIII. Djebel Ozmor (Berg) bei Tebeſſa, Leptothorax Delaparti, Leptothorax tuberum R. Tebessae. Dell und Tebeſſa (3. Teil), Camponotus Sichelii; Camponotus maculatus R. dichrous bis ca. 1500 m, R. Alii bis ca. 1400 m, R. atlantis bis ca. 1600 m, Leptothorax nigrita bis ca. 1400 m; Cremasto- gaster sordidula; Aphaenogaster subterranea var. croceoides bis ca. 1500 m. Tell (Montagnes et Vallées du nord de Atlas) Camponotus cruentatus bei ca. 1200 mz; Camponotus lateralis bei ca. 1000 bis 1200 m Höhe; Colobopsis truncata; Myrmecocystus alti- squamis bis ca. 500 m; Lasius alienus; Ponera contracta; Proceratium europaeum; Aphaeno- gaster striola big 1500 m; Aphaenogaster sar- doa; Aphaenogaster subterranea var. splendi- doides und strioloides; Leptothorax angustulus; Strongylognathus Huberi bis ca. 1500 m; Solen- opsis orbula. Bona, Leptothorax tuberum, R. tuberum i. sp., R. unifasciatus, R. Nylanderi var. parvulus, R. interruptus var. nitidiceps, R. melanocephalus var. obscurior. XIV. XV. Der Pliocänſee des Rhein- und Mainthales und die ehemaligen Mainläufe. Von Dr. F. Mühlberg in Aarau. Als einen Beitrag zur Kenntnis der Pliocän⸗ und Diluvialzeit des weſtlichen Mitteldeutſchlands gibt Dr. Kin⸗ kelin in den „Berichten über die Senckenbergiſche natur⸗ forſchende Geſellſchaft“ eine Ueberſicht über die Reſultate ſeiner bezüglichen ſorgfältigen Studien und zahlreichen Wanderungen in der Umgebung Frankfurts, welche allge⸗ meines Intereſſe beanſpruchen dürfen. Das Hauptrelief dieſer Gegend war mit der Faltung und Aufſtauung der paläozoiſchen Schichten des Taunus bereits vollendet. Mit Ausnahme der Dyasperiode, der Mittel⸗ und Oberoligocänzeit und der Untermiocänzeit, wo ſich in der Senkung ſüdlich des Taunus vorübergehend Seen und ſogar Meeresarme ausdehnten, lag dieſe Gegend beſtändig trocken und war der Verwitterung und Abtragung preisgegeben. Erſt in der Oberpliocänzeit dehnte ſich, ſowohl infolge verſchiedener inzwiſchen eingetretener und von Verwerfungen begleiteter Grabenverſenkungen oder Keſſelbrüchen, d. h. un⸗ gleichmäßiger Einſenkungen mehrerer Schollen, vom Tau⸗ nus bis zum Vorderſpeſſart wiederum ein vielleicht auch mit einem See des Lahnthals in Verbindung ſtehender See aus. Der Spiegel dieſes Sees muß eine Höhe von 225 m über Meer erreicht haben. Seine geſchichteten Ab⸗ lagerungen liegen naturgemäß auf den verſchiedenen älteren Formationsgliedern des Gebiets, doch meiſtens auf den Gebilden des Untermiocäns, von welchen ſich dieſelben als weiße, graue, gelbe oder rote, kalkfreie Quarzſande, Sand⸗ thone und Thone, welche bis 80 m mächtig werden, ſcharf abheben. Als Leitfoſſil gilt Pinus Cortesii. Daneben kamen damals ſchon mehrere noch jetzt dort lebende Bäume vor, wie Weißtanne, Fichte, Haſelnuß, Hainbuche, Birke und Roßkaſtanie; dann aber auch Pflanzen, welche ſchon zur Pliocänzeit dort gelebt hatten, wie Sumpfeypreſſe, Amberbaum und Hickorynußbäume; ferner ſolche, welche heutzutage nur in Nordamerika wild vorkommen, wie z. B. Weimutskiefer, Oelnuß u. a., und endlich 7—9 Arten, welche uns weder aus der Vergangenheit noch Gegenwart bekannt ſind, im ganzen eine Flora, welche den Uebergang des warmen Klimas der Miocänzeit zu demjenigen der Eis⸗ zeit bekundet. Gröbere Gerölle, welche in Bohrlöchern des Frank⸗ furter Stadtwaldes als unterſte Schichten der Pliocän⸗ bildungen gefunden worden ſind, ſowie vielleicht auch die teils kantigen, teils gerundeten Quarzkieſel, welche in der Nähe des Gebirges den Quarzſanden eingebettet ſind, müſſen zwar als fluviatile Ablagerungen angeſehen wer⸗ den, aber doch nicht als ſolche, welche in dem ſchon ge⸗ bildeten Pliocänſee abgeſetzt wurden, ſondern als Ab⸗ lagerungen, welche in dem Thale ſtattgefunden haben, durch deſſen allmähliche Einſenkung das Becken des Plioecänſees ſich erſt bildete. Zahlreiche ſorgfältige Unterſuchungen, namentlich die Berückſichtigung der bei verſchiedenen großen Bauten und Bohrungen im Gebiet gemachten Funde förderten den Verfaſſer, wie beim Nachweis des Oberpliocän, jo auch darin, die Pliſtocän⸗(d. h. Diluvial-) Bildungen ſeines Gebietes zu ſcheiden in unteres, mittleres und oberes Pliſtocän. Das Unterpliſtocän beſteht aus Sand- und Geröll⸗ ſchichten, welche ſich über Ablagerungen ausbreiteten, die den Pliocänſee ausgefüllt und trocken gelegt hatten. Sie ſind der Schotter entſprechend gerichteter Flüſſe und Ge⸗ birgsbäche. Das Mittelpliſtocän wird gegliedert in die Antiquus⸗ ſtufe, die Primigeniusſtufe und den Löß. Die Antiquusſtufe (benannt nach Elephas antiquus) beſteht aus gelbrötlichem Sand mit eingelagerten Geröllen und größeren Blöcken. Die Einlagerung dieſer letzteren Humboldt. — September 1890. 307 läßt ſich kaum anders erklären als durch Herbeitransport auf winterlichen Eisſchollen des Mains; inſofern deuten ſie auf ein kälteres Klima zu dieſer Zeit, welche wohl mit der erſten Eiszeit, d. h. der großen Vergletſcherung des europäiſchen Nordens und der Alpen zuſammenfällt. In jenen Schichten finden ſich außerdem die Reſte einer bunt— gemiſchten Säugetierwelt, für welche hauptſächlich die Mosbacher Sande eine reiche Fundſtätte geweſen ſind. Es find teils längſt ausgeſtorbene Tiere; u. a. zwei Elefanten— arten (Elephas antiquus und primigenius), frühere Arten von Nashorn, Nilpferd, Löwen, Bären, Biber, Elch; ſo— dann ſolche, welche noch mit unſeren mittelalterlichen Vor— fahren zuſammengelebt haben: Wiſent, Urochs, Elen, Biber und endlich mehrere, wie Hirſch, Reh, Pferd, Wildſchwein und Dachs noch hier, oder wie das Renntier noch im Norden, oder wie das Murmeltier in den Alpen, oder wie das Wapiti in Nordamerika lebende Arten, welche merk— würdigerweiſe heute ſehr verſchiedene Klimate erfordern. Da der Verfaſſer der Liſte der Mosbacher Fauna trotz eifrigen jahrelangen Sammelns nur noch Ursus arctos und einen Inſektenfreſſer beifügen konnte, ſo ſcheint die— ſelbe jetzt vollſtändig bekannt zu ſein. — Die Verbreitung der Schichten dieſer Stufe beweiſt, daß damals das Main— thal faſt den gleichen Verlauf hatte wie heute, es folgte aber mehr dem Gebirge und war etwas breiter. Die Primigeniusſtufe (benannt nach Elephas primigenius) beſteht aus 4—5 m mächtigen Geröllen ohne Blöcke, mit eingelagerten Zähnen des Mammut und des wollhaarigen Rhinozeros und bildet Terraſſen, welche nicht mehr die Höhe von 150 m über Meer erreichen. Beſonders einläßlich behandelt der Verfaſſer den Löß; derſelbe liegt, wo er damit im Profil anſteht, über dem ſogenannten Geſchiebelehm Kochs und beſteht in feinen unteren Lagen aus dem ſogenannten Sandlöß, einem Ab— ſatz aus ſchwachfließendem Waſſer. Der eigentliche Löß ſelbſt ſteigt im Taunus bis 225 m abſoluter Höhe an, alſo mehr als 125 m über die heutige Thalſohle des Mains. Wegen ſpäterer Eroſion fehlt er heute ſüdlich des Mains. Er enthält oft die ſogenannten Lößkindeln und Lößſchnecken und da und dort Reſte einer Steppenfauna. Während der Verfaſſer die Mosbacher Sande der Antiquusſtufe als das Produkt des Abſchmelzens der alpinen Gletſcher der erſten großen Eiszeit betrachtet, ſchließt er ſich in Bezug auf die Entſtehung des Löſſes jetzt der Anſicht derjenigen Geologen an, welche demſelben nach dem Vorgange Richthofens einen atmoſphäriſchen Urſprung zuſchreiben. Wir können dieſer Deutung nach unſeren anderweitigen Erfahrungen und unter Würdigung der vom Verfaſſer angeführten lokalen Gründe nur unſeren vollen Beifall zollen. Die Periode der Lößbildung ver— legt der Verfaſſer in die Zwiſchenzeit der beiden großen Vergletſcherungsperioden, bezeichnet den Löß alſo als inter— glacial. (Das ſtimmt mit den ſchweizeriſchen Verhältniſſen, denn hier iſt der Löß jedenfalls jünger als die erſte Eiszeit.) Der Verfaſſer glaubt, in der nun folgenden Oberpliſto— cänzeit, während welcher anderwärts die zweite große Vergletſcherung ſtattfand, habe der Main ſeinen Lauf weſentlich verändert, d. h. er ſei ſtatt über Hanau und Frankfurt ſüdlich davon in der Richtung von Groß-Oſt— heim nach Kelſterbach gefloſſen; in dieſer Richtung ſind über einem in tertiären Schichten erodierten Rinnſal bis 34 m mächtige und bis zu 125 m abſoluter Höhe an— ſteigende Flußſchotter abgelagert, in welchen wiederum große Blöcke eingebettet ſind, deren Hertransport aus dem oberen Lauf des Mains wieder nur durch die Zuhilfe— nahme von winterlichen Eisſchollen während einer kälteren Periode erklärt werden kann. Es ſcheint uns aber nicht nötig, anzunehmen, daß dieſe Verſchiebung des Mains erſt während einer zweiten Eiszeit ſtattgefunden habe; es iſt möglich, daß dieſelbe nur eine Phaſe der Antiquuszeit bildete. Erſt in der Zeit des Alluviums, d. h. des Ueber— gangs zu den heutigen Verhältniſſen, während welcher auch ferner Ablagerungen von Schotter, Lehm (Aulehm) und nahe dem Main erhebliche dünenartige Flugſand— bildungen ſtattfanden, ſchlug der Main wieder ſeinen alten Weg über Hanau und Frankfurt ein, indem er zugleich ſein Thal erweiterte und vertiefte. „Das Niveau des oberdiluvialen Mains liegt tiefer als das des mitteldilu— vialen, aber ungefähr 20 m höher als das des heutigen.“ Der Umſtand, daß ſtreckenweit mitteldiluviale und alluviale Terraſſen auf gleicher Höhe nebeneinander ſtehen, deutet auf ſeitherige Niveauftirungen hin, wohl die Fortſetzung der Scholleneinbrüche, welche ſchon früher begonnen hatten und wahrſcheinlich mit dem Auftreten eruptiver Geſteine (Melaphyr, Baſalt, Trachyt), welche zum Teil gerade auf den Hauptverwerfungsſpalten des Gebietes hervorgebrochen ſind, in Verbindung ſtehen. Anpaſſungserſcheinungen an Standort und Klima bei den Gräſern. Don Dr. Fr. Moewes in Berlin. Es unterliegt a priori keinem Zweifel, daß die Pflan⸗ zen eine der phyſiſchen Beſchaffenheit ihres Wohnortes entſprechende anatomiſche Struktur beſitzen müſſen, welche ein ordnungsgemäßes Sichabſpielen der Lebensvorgänge gewährleiſtet. Demgemäß werden wir erwarten können, im allgemeinen eine verſchiedene Struktur zu finden, je nachdem eine Pflanze im warmen oder kälteren, in trocke— nen oder feuchten Gegenden, im Gebirge oder in der Ebene lebt. Dieſe Beziehungen zwiſchen Struktur und Standort der Pflanzen haben ſich in neuerer Zeit als ein ebenſo ergiebiger wie intereſſanter Gegenſtand der botaniſchen Forſchung erwieſen. Man hat aufgehört, nach dem Muſter der alten ſyſtematiſchen Schule bei der Pflanzenbeſchreibung nur das Wie? zu erörtern, das Wozu? aber ganz un— berückſichtigt zu laſſen, und wie die Forſchungen der letzten Jahrzehnte uns die wunderbarſten Anpaſſungen der Pflan— zen an Fortpflanzung und Verbreitung kennen gelehrt haben, ſo iſt ſeit einigen Jahren von einer Reihe deutſcher 308 Humboldt. — September 1890. und auswärtiger Forſcher dargelegt worden, daß in vielen Fällen der äußere und innere Bau des ganzen Pflanzen⸗ körpers als das Ergebnis der Reaktion der Pflanze auf die phyſikaliſchen Bedingungen der Umgebung aufzufaſſen iſt. Zur Unterſuchung dieſer Beziehungen ſind, wie Volkens gezeigt hat, drei Methoden möglich: Entweder man vergleicht Exemplare einer und derſelben Spezies, aber von verſchiedenen Standorten, oder man vergleicht alle Arten einer Gattung (bezw. die Gattungen einer Familie), oder endlich, man unterwirft alle Pflanzen eines durch beſtimmte klimatiſche Verhältniſſe ausgezeichneten Landſtriches einer vergleichenden Unterſuchung. Die zweite dieſer Methoden hat neuerdings H. E. M. Güntz benutzt, um den Beziehungen nachzuforſchen, welche die anatomiſche Struktur der Gräſer, ſpeziell ihrer Blätter, zu Klima und Standort aufweift*). Gerade die Gräſer ſind ja wegen ihrer weiten Verbreitung über alle Zonen der Erde hierzu beſonders geeignet, und die Unter⸗ ſuchung hat daher auch manche intereſſante Reſultate ergeben. In vielen Fällen iſt die Stellung der Grasblätter zum Horizont eine annähernd ſenkrechte, ein Umſtand, der in erſter Linie durch den engen Stand der einzelnen Graspflanzen ſowie ihre reichliche Blattbildung bedingt wird. Für viele hierher gehörige Steppengräſer und Be⸗ wohner trockener Standorte kann man aber dieſe Stellung der Blätter wohl als ein Anpaſſungsmittel an das Klima anſehen, denn da die Sonnenſtrahlen hier nur flach auf die Blattfläche fallen, fo wird die Pflanze dadurch vor zu reich⸗ licher Tranſpiration geſchützt, — ein ſehr wichtiges Erforder⸗ nis für Gewächſe, die einer trockenen Atmoſphäre ausgeſetzt und auf eine nur geringfügige Waſſerzufuhr angewieſen ſind. Auch die Gräſer mit horizontal geſtellten Blättern ſind vielfach durch beſondere Einrichtungen gegen zu ſtarke Verdunſtung geſchützt. In manchen Fällen iſt die Epider⸗ mis ſtark kutikulariſiert (verkorkt) oder mit einem Wachs⸗ überzuge verſehen, oder die Spaltöffnungen liegen haupt⸗ ſächlich an der Unterſeite; andere Gräſer kehren durch Drehung ihre Blattflächen um und wenden ſo die in dieſem Falle ſtärker kutikulariſierte und mit weniger Spalt⸗ öffnungen verſehene Unterſeite nach oben. Bei vielen Gräſern wird die verdunſtende Blattober⸗ fläche dadurch verkleinert, daß dieſelbe gefaltet iſt und das Blatt ein borſtenähnliches Anſehen gewinnt. Eine Ver⸗ gleichung von Gräſern mit flachen und ſolchen mit ge- falteten Blättern zeigt, daß erſtere vorzüglich feuchten, letztere trockenen Standorten angehören. Doch iſt dieſer Unterſchied nicht durchgreifend. Eine Verdickung und Kutikulariſierung der Epidermis tritt nicht nur bei Bewohnern trockener Standorte, ſondern auch bei Gräſern auf, die auf Wieſen, am Rande von Gewäſſern u. ſ. w. leben. Hier, wo bei der reichlichen Waſſerzufuhr eine Verminderung der Tranſpiration weniger nötig iſt, dient die verdickte Epidermis als Stütze, ein⸗ mal für Blätter, die infolge ausgedehnter Hohlräume im Innern nicht ausreichende Feſtigung beſitzen (Poa pra- tensis, Glyceria spectabilis, Lygeum Spartum) und *) H. E. M. Güntz, Unterſuchungen über die anatomiſche Struktur der Gramineenblätter in ihrem Verhältnis zu Standort und Klima. Inaugural⸗Diſſertation. (Leipzig, 1886.) zum andern für Blätter mit beſonders großer Spreite (Arundo Donax). Die Fähigkeit vieler Gräſer, ſich bei eintretender Trockenheit zuſammenzufalten oder einzurollen, iſt bereits von verſchiedenen Forſchern unterſucht worden. Güntz beſtätigt die von Tſchirch gegebene Erklärung, wonach dieſe Bewegungsvorgänge entweder durch Quellungserſcheinun⸗ gen der Membranen oder durch Turgescenzänderungen der Zellen verurſacht werden. Bei einer Anzahl von Blättern zeigte ſich, daß die Urſache der Bewegung einzig und allein in Quellungserſcheinungen, die in den Baſtzellen und der Epidermis der Unterſeite ihren Sitz haben, zu ſuchen iſt. Bei anderen Blättern wird das Oeffnen und Schließen durch Turgescenzänderungen hervorgerufen, wobei wahr⸗ ſcheinlich gewiſſe keilförmig geſtaltete Zellen (die Gelenk⸗ zellen Tſchirchs) eine wichtige Rolle ſpielen. Die Schließbewegung, welche nicht immer bloß in einem einfachen Zuſammenfalten, ſondern zuweilen auch in einem Einrollen der Blätter beſteht, findet ſich zwar ſowohl bei Bewohnern trockener, wie bei ſolchen feuchter Standorte, muß aber doch als ein wichtiges Schutzmittel gegen die Tranſpiration angeſehen werden. Dies zeigt ſich ſchon darin, daß die Steppengräſer die Schließbewegung mit großer Energie und Schnelligkeit vollziehen, wogegen ſchnell welkende Gräſer, ſowohl perennierende (Phleum, Alopecurus) als auch annuelle (Aira, Psilurus) nur geringe Bewegung in dieſer Beziehung zeigen. Daß aber das Oeffnen und Schließen mit den Feuchtigkeitsverhält⸗ niſſen in engſter Beziehung ſteht, geht u. a. daraus her⸗ vor, daß es an der Spitze des Blattes beginnt. Sobald von unten nicht ſoviel Waſſer nachgeliefert werden kann, als oben verdunſtet, beginnt das Schließen, und dasſelbe muß natürlich von oben anfangen und allmählich nach unten fortſchreiten; beginnt die Waſſerzufuhr von neuem, ſo tritt das Oeffnen von unten nach oben wieder ein. Die Wände der Epidermiszellen der Grasblätter ſind häufig ſtark wellig geformt und zwar in der Weiſe, daß eine Erhöhung der einen Zelle genau in eine entſprechende Vertiefung der benachbarten Zelle paßt. Hierdurch wird ein viel engerer und feſterer Verband hergeſtellt, als es bei glatten Wänden möglich iſt, und wenn wir Gräſer mit beiden Arten von Epidermiszellen vergleichen, ſo zeigt ſich, daß in der That diejenigen mit welligen Epidermis⸗ wänden in Bezug auf Zugfeſtigkeit ſchutzbedürftiger ſind, als die mit glatten Wänden. Letztere erheben ſich näm⸗ lich mit ihren Blättern meiſt nur wenig über den Boden und ſind daher ſchon an und für ſich gegen heftige Luft⸗ ſtrömungen beſſer geborgen; erſtere jedoch find teils baum⸗ und ſtrauchartige Gräſer, deren Blätter, weit vom Boden entfernt, manchem Sturme zu trotzen haben, teils Gra⸗ mineen mit großen Blattorganen, die eben wegen ihrer Ausdehnung ein feſteres Gefüge nötig haben, teils auch Bewohner der Steppe und nördlicherer Gegenden, die manchem Wüſten⸗ und Schneeſturm preisgegeben ſind. Da die Tranſpiration der Pflanzen hauptſächlich durch die Spaltöffnungen hindurch ſtattfindet, ſo tritt in deren Lage und Anordnung die Anpaſſung an den Stand⸗ ort recht deutlich hervor. So haben Waſſergräſer zahl⸗ reiche Spaltöffnungen auf beiden Blattſeiten, während manche an weniger feuchten Standorten wachſende Gra⸗ Humboldt. — September 1890. mineen nur auf der (dann nach unten gewendeten) mor— phologiſchen Oberſeite, und die ſehr trockene Stellen be— wohnenden Gräſer faſt nur an den Seitenflächen der Längsrinnen der Blattoberſeite mit Spaltöffnungen ver— ſehen ſind. Eingehendere Unterſuchungen über dieſe Ver— hältniſſe ſind von Pfitzer und Tſchirch angeſtellt worden. Durch Einſenkung der Spaltöffnung unter die Oberfläche der Epidermis, durch Haarbildungen, Papillen rc. wird ein weiterer Schutz der Spaltöffnungen erreicht; von Volkens ſind bereits in dieſer Beziehung ſehr eigentümliche Einrichtungen beſchrieben worden. Die die Verdunſtung beſchränkenden Wachsüberzüge ſind oft ſchon mit unbewaffnetem Auge bemerkbar, wie bei den mit dem Beiwort „glaucus“ verſehenen Arten von Triticum, Festuca, Koeleria u. a., deren Blätter infolge dieſer Wachsbekleidung wie bereift erſcheinen. Viele an trockenen Standorten wachſende Gräſer beſitzen einen Wachsüberzug. Der Zuſammenhang des Wachsüberzuges mit der Tranſpirationsminderung zeigt ſich u. a. recht deutlich an dem Verhalten einiger Poa-Arten. Während nämlich P. caesia und P. compressa, Bewohner trockener Stellen, mit einem Wachsüberzug verſehen ſind, fehlt ein ſolcher bei den an feuchten Orten lebenden P. pratensis und P. nemoralis. Beſondere Waſſerſpeichergewebe, in welchen Waſſer für die Zeiten des Mangels aufgeſammelt wird, finden ſich namentlich in den Blättern von Steppengräſern und von tropiſchen Gramineen, welche einmal einer mäch— tigen Inſolation ausgeſetzt ſind, andererſeits nur in ge— wiſſen Perioden reichliche Waſſerzufuhr erhalten. Doch kommen ſolche Waſſerſpeichergewebe auch häufig bei Feuch— tigkeit liebenden Pflanzen vor; es iſt denkbar, daß gerade ſolche Pflanzen ſich auf dieſe Weiſe gegen eine etwaige Verminderung der Waſſerzufuhr ſicher ſtellen. Das chlorophyllführende Aſſimilationsgewebe der Gras— blätter zeigt bald ein feſteres, bald ein lockereres Gefüge. Da Pflanzen freier, ſonniger Orte ſtärker aſſimilieren können als Schattenpflanzen, und da ferner Feuchtigkeit liebende Pflanzen ihre innere tranſpirierende Oberfläche ſtärker entwickeln können als ſolche trockener Plätze, ſo wird oft ein lockeres und mit größeren Hohlräumen ver— ſehenes Aſſimilationsgewebe auf feuchten und ſchattigen, ein feſter geſchloſſenes hingegen auf trockenen, ſonnigen Standort hinweiſen. Dieſer Satz findet ſich auch im all— gemeinen bei den Gräſern beſtätigt. Um ein Beiſpiel an— zuführen, fo zeigt die ſchattig wachſende Poa nemoralis 309 in ihren Blättern Hohlräume von beträchtlicher Größe, wogegen ſolche bei P. compressa und P. caesia (ſ. o.) in ſolcher Ausdehnung fehlen. Um die Blätter zu feſtigen und ſie fähig zu machen, den mechaniſchen Einflüſſen der Witterung zu widerſtehen, dient, abgeſehen von den bereits beſprochenen Einrich— tungen in der Epidermis, eine mehr oder minder reich— liche Entwickelung von Baſt, der namentlich längs der Mittelrippe angeordnet iſt, in anderen Fällen aber, nament— lich wenn die Mittelrippe reichlich Waſſerſpeichergewebe enthält, an der Unter- und Oberſeite der Blätter Druck— bezw. Zuggurtungen bildet. Gräſer trockener Standorte zeigen im allgemeinen reichlichere Baſtmaſſen als ſolche feuchter. Es kommt dies vielleicht daher, daß bei letzteren auch die dünnwandigen Zellen, da ſie ſtets prall mit Saft gefüllt ſind, mechaniſche Funktionen übernehmen können und daher eine reichlichere Ausbildung von Baſt überflüſſig machen. Bei vielen Gräſern, die an Gräben, Flußufern rc. wachſen, iſt der Baſt in den Blättern nur ganz wenig entwickelt, während eine Anzahl in Wüſten, Steppen, ſan⸗ digen Orten ꝛc. lebender Gramineen außerordentlich reich— liche Baſtanlagen in den Blättern beſitzt. Zwiſchen beiden Extremen ſtehen viele Wieſengräſer und die Bambuſen in der Mitte, ſie neigen ſich je nach dem Boden und dem Klima, in welchem ſie wachſen, mehr der einen oder der anderen Gruppe zu. Im ganzen bewahren die Wieſen— gräſer ein gutes Mittelverhältnis zwiſchen Baſt und dünn⸗ wandigem Parenchym, welches ſie einerſeits zwar befähigt, der Ungunſt der Witterung genügend Trotz zu bieten, ſie andererſeits aber noch zur Nahrung für das Vieh geeignet macht. Daher liefern auch Flußniederungen (Marſch— gegenden ꝛc.) jo vorzügliche Grasweiden, indem hier die reiche Feuchtigkeitszufuhr zu Gunſten des Parenchyms wirkt. Soweit die Verteilung der Baſtelemente Urſache der Schließbewegungen der Blätter iſt, kann ſie auch als ein, wenn auch mittelbares Anpaſſungsmittel an Klima und Standort angeſehen werden. Beziehungen zwiſchen der Entwickelung des Gefäß— bündelsſyſtems der Gramineenblätter und dem Standort hat der Verfaſſer nicht konſtatieren können. Anſchließend an die Darſtellung dieſer Verhältniſſe gibt Güntz noch eine Gruppierung der Gramineen auf Grund der anatomiſchen Struktur der Laubblätter, wobei er, im weſentlichen an Griſebach ſich anſchließend, vier Hauptgruppen: Savannengräſer, Wieſengräſer, Bambuſen und Steppengräſer unterſcheidet. Der gegenwärtige Stand der Malariaforſchung. Von Dr. med. Alb. Albu in Berlin. Es gibt keine andere Erkrankung, welche eine ſolch ungeheure Ausbreitung über die bewohnte Erdoberfläche hätte, als die Malariagerkrankung. Sie verſchont keine Zone und keine Raſſe. Ein Unterſchied der Malaria— erkrankungen in den einzelnen Ländern beſteht nur durch die Häufigkeit und Heftigkeit ihres Auftretens. Während ſie das Maximum ihrer Frequenz in den tropiſchen und ſubtropiſchen Gegenden haben, reichen ſie, gegen die höheren Breitengrade an Extenſität und Intenſität abnehmend, als endemiſches Leiden bis über die gemäßigten Zonen heraus und treten als Epidemien nicht ſelten in weiter Verbreitung auch in ſolchen Gegenden auf, in denen ſie nicht heimiſch ſind. Die berüchtigſten Brutſtätten der Malarigerkrankung auf dem europäiſchen Kontinent beſitzt 310 Italien in der römiſchen Kampagna und den pontiniſchen Sümpfen. In Deutſchland tritt ſie nur in leichter Form in den verſchiedenſten Teilen, namentlich in den an Mooren und Sümpfen reichen Gegenden auf. Man hat die Krank⸗ heit dieſer Lieblingslokalität wegen auch kurzweg das „Sumpffieber“ genannt, und es unterliegt keinem Zweifel, daß die Feuchtigkeit des Bodens die Hauptbedingung für die Entwickelung des Malariagiftes iſt. Da die Malaria indes gerade nicht dann auftritt, wenn größere Waſſer⸗ ſchichten den Boden bedecken, ſondern in der trockenen Jahreszeit, wo die Waſſermengen durch die Wärme der Atmoſphäre aufgeſogen ſind, ſo muß offenbar der Zutritt der Luft die zweite notwendige Bedingung für die Ent⸗ wickelung des Malariakeimes ſein. Es iſt ferner eine ſehr bemerkenswerte Erſcheinung, daß der Boden der Malarig⸗ gegenden allenthalben überreich an organiſchen Detritus⸗ maſſen iſt. Aus dieſer Thatſache im Verein mit den oben erwähnten Momenten iſt die Theorie abgeleitet worden, daß das Malariagift in feuchtem Erdboden unter Zutritt der Luft und Einwirkung hoher Temperatur aus den Reſten organiſchen, ſpeziell vegetabiliſchen Materials durch Zerſetzung desſelben ſich entwickele, eine Theorie, welche bei jeder Beſchaffenheit des Malariagiftes, ſoweit man es überhaupt nur als organiſiert annimmt, richtig ſein kann. Die Forſchung nach der Natur des Malariagiftes hat ſchon eine ſtattliche Reihe von Stadien durchlaufen und hat ſich neuerdings zu einem der intereſſanteſten Kapitel der mediziniſchen Wiſſenſchaft geſtaltet. Schon Marro, der bekannte römiſche Schriftſteller, hat über die Natur des Malariagiftes eine Vermutung aufgeſtellt, die ſpäter von Laneiſi (1718) zur förmlichen Theorie ausgebildet worden iſt; es iſt die Annahme ſpezifiſcher Gaſe als Er⸗ reger der Malaria. Man hat dieſe Annahme u. a. da⸗ durch geſtützt, daß die Krankheit in den Gegenden thätiger Vulkane beſonders häufig iſt, und auch Bouſſingault, der franzöſiſche Chemiker und Landwirt, ſuchte ſie durch den Nachweis von Schwefel- und Kohlenwaſſerſtoffverbindungen in der Sumpfluft der Malariagegenden glaubhaft zu machen. Nun iſt es aber eine feſtſtehende Thatſache, daß keines der angeſchuldigten Gaſe, deren Wirkung auf den menſchlichen Organismus ſehr wohl bekannt iſt, der Ma⸗ laria auch nur ähnliche Krankheitserſcheinungen hervorzu⸗ rufen vermag. Dieſe Erwägung hat denn auch allmählich der Gastheorie der Malaria alle Gläubigen abtrünnig gemacht. An ihre Stelle iſt die Theorie von der paraſitären Natur des Malariagiftes getreten. Von Mitchell iſt zuerſt im Jahre 1849 der Gedanke an die organiſche Natur desſelben ausgeſprochen worden, weil er einen reichen Gehalt an niederen pflanzlichen Organismen in dem Malariaboden fand. Viel Aufſehen erregte die Entdeckung Salisburys, der an den Ufern des Ohio und Miſſiſippi, an denen die Malaria ſehr weit verbreitet iſt, eine beſtimmte Algenart (Palmella) fand, die dort ſtark wuchert und deren Sporen durch den aufſteigenden Luftſtrom in die Atmoſphäre geführt werden. Auch in dem Boden der pontiniſchen Sümpfe und der römiſchen Kampagna will man dieſe Algen gefunden haben. Dieſer Theorie machte eine Zeitlang eine andere den Rang ſtreitig, welche das Malariagift als eine toxiſche Ausſcheidung pflanzlicher oder Humboldt. — September 1890. tieriſcher Organismen hinſtellte, z. B. das ätheriſche Oel der Rhizophoren, der Chara vulgaris, Anthoxanthum odoratum u. a. m. Auch das Sekret von Infuſorien, die in Sümpfen leben, hat man für die Malaria verantwort- lich machen wollen. So war in der That die Malaria⸗ forſchung lange Jahre hindurch „verſumpft“. Eine neue Aera der Malariaforſchung begann erjt mit dem Jahre 1879, als Tommaſi⸗Crudeli und Klebs bei ihren gemeinſchaftlichen Unterſuchungen im Boden, im Sumpfwaſſer und in der Luft der römiſchen Kampagna einen eigentümlichen Mikroorganismus, einen Bacillus, entdeckten, den ſie als den Erreger der Malaria anſprachen. Der „Bacillus malariae“ hat ſeine eigene Biologie: er hat eine charakteriſtiſche Geſtalt, er hat bewegliche Sporen, welche iſoliert und gezüchtet werden können und auf Tiere verimpft bei dieſen eine exquiſite Malarigerkrankung her- vorrufen, und zwar von der leichteſten bis zur ſchwerſten Form derſelben, die ſchnell tödlich endet. Auch fand man bei dieſen Tieren das objektive Charakteriſtikum aller Ma⸗ larigerkrankungen: die derbe maſſige Anſchwellung der Milz. Dieſe Thatſachen ſchienen es unzweifelhaft zu machen, daß in dem „Bacillus malariae“ die wahre Urſache der Krankheit gefunden war. Er wurde denn auch von vielen anderen italieniſchen Forſchern an Malartaherden gefunden, leider von vielen aber auch nicht; vor allem aber fehlte der natürlichſte Beweis für die ſpezifiſchen Eigenſchaften des Bacillus malariae als Krankheitserreger: nämlich ſein Nachweis im Körper des Malariakranken ſelbſt. Hier kommt vornehmlich nur das Blut in Be⸗ tracht, und darin hat man den „Bacillus malariae“ auch eifrigſt geſucht, aber niemals gefunden, und ſo lange dieſe Lücke nicht ausgefüllt iſt, wird man nach den Anforde⸗ rungen der modernen Wiſſenſchaft den , Bacillus malariae“ nicht als den Erreger der Malaria anerkennen dürfen. Der Malariabacillus war auch ſchon wieder ziemlich in Vergeſſenheit geraten, als im Jahre 1887 die Erinnerung an ihn von neuem wach gerufen wurde durch einen jungen Arzt, Dr. Schiavuzzi, der, mit Unterſuchungen über die Malaria der Umgegend von Pola (Iſtrien) beſchäftigt, die Luft derſelben nach den exakten Methoden Robert Kochs unterſuchte und darin konſtant den „Bacillus malariae“ in größter Menge fand, und zwar um ſo reichlicher, je höher die Luft- und Bodentemperatur und dementſprechend die Intenſität der Malaria ſtieg, während in der Luft von fieberfreien Stellen der Bacillus fehlte. Schiavuzzi kultivierte den Bacillus in Gelatine rein und erzeugte durch Impfung mit den Kulturen bei Kaninchen das typiſche Wechſelfieber. Bei der Sektion der Tiere fand ſich die Milzſchwellung, eine ſchwarze Pigmentbildung in den roten Blutkörperchen und eine amöboide Degeneration derſelben. Namentlich dieſe letztere Entdeckung Schiavuzzis, der Nachweis der degenerativen Veränderung der roten Blutkörperchen nach Infektion mit Malaxiabacillen, rief hellen Jubel bei den Anhängern des Malariabacillus her⸗ vor. Denn die Veränderung der roten Blutkörperchen iſt, wie wir bald ſehen werden, der Angelpunkt des Streites, der ſich neuerdings zwiſchen den Malariaforſchern erhoben hat. Die einen, und zwar die Anhänger des Malaxia— bacillus, erklärten die veränderten Blutkörperchen als De⸗ generationsprodukte, erzeugt durch die Wirkung des Ba⸗ Humboldt. — September 1890. cillus, die anderen halten fie für eigene Blutparaſiten, die man gleichfalls als die Urſache der Malaria ange— ſprochen hat. Bald nach der Entdeckung des Malariabacillus, näm— lich im Jahre 1880, fand der franzöſiſche Forſcher A. Laveran im Blute von Malariakranken eigentümliche protozoen— artige Gebilde, welche eine hyaline pigmentierte Maſſe darſtellten und den roten Blutkörperchen anhängen ſollten. Laveran ſah dieſe Organismen als die paraſitären Erreger der Malaria an und taufte ſie „Malariahaematozoen“. Laverans Beobachtung wurde durch Richard dahin richtig geſtellt, daß jene merkwürdigen Gebilde ſich im Innern der roten Blutkörperchen befinden. Die weitere Kenntnis dieſer Gebilde verdanken wir vornehmlich zwei italieniſchen Forſchern, Marchiafava und Celli, welche den eigenartigen Blutparaſiten mit dem Namen „Plasmodium malariae“ belegten. Sie entdeckten nämlich an demſelben eine Reihe von Lebenserſcheinungen, welche denſelben als einen be— ſonders organiſierten Mikroben charakteriſieren. Die Eigenſchaften des Plasmodium malariae ſind ſo ſcharf ausgebildet, daß es für jeden guten mikroſkopiſchen Be- obachter unſchwer zu erkennen iſt. Es iſt ein unregel— mäßiger, verſchiedengeſtaltiger, bald größerer, bald kleinerer Körper, welcher ſich bei ſcharfer Einſtellung des mikro— ſkopiſchen Bildes deutlich durch ſeine blaſſere Farbe von der Subſtanz der roten Blutkörperchen abhebt. Dieſer Körper zeigt amöboide Bewegung, d. h. er wechſelt ſeinen Platz, allerdings nur ſehr langſam, und die Schnelligkeit der Platzveränderung nimmt ſogar noch mit der Länge der Zeit ab. Durch dieſe amöboiden Geſtaltveränderungen wird nun auch die Form ſelbſt ein und desſelben Körper— chens eine äußerſt mannigfaltige und die Lage innerhalb der roten Blutkörperchen eine wechſelnde. Im Innern dieſer Körperchen ſelbſt liegen nun wiederum zahlreiche Pigmentkörnchen, deren Farbe vom Braunrot bis zum Schwarz ſchwankt, und welche noch mehr als die Körper ſelbſt jene erwähnte Eigenbewegung zeigen. Es handelt ſich hier übrigens nicht um die bekannte Browuſche Mo— lekularbewegung, welche man auch an lebhaften Partikeln, welche in einer Flüſſigkeit aufgeſchwemmt ſind, beobachtet, ſondern um die amöboide Bewegung von Lebeweſen, wie wir fie z. B. an den weißen Blutkörperchen der Säuge— tiere beobachten. Denn die Bewegung der Plasmodien ijt keine oScillierende, ſondern eine ſehr träge und unregel— mäßige. Die Funde von Marchiafava und Celli ſind alsbald durch die Beobachtungen zahlreicher anderer Gelehrten be— ſtätigt worden: in Italien beſonders von Camillo Golgi, ferner von Gualdi und Antoliſei, von Cattanco und Monti, in Amerika von Councilman, Osler, Welch, und in Ruß— land von Metſchnikoff, Chenzinsky u. a. Es iſt bereits in den drei letzten Jahren eine ganz ſtattliche Litteratur über das „Plasmodium malariae“ entſtanden, welche auch noch manches Neue an demſelben entdeckt hat. So hat man vor allem feſtgeſtellt, daß die Form des Paraſiten ſehr wechſelnd iſt, und dieſe Verſchiedenheit der Geſtalt erklärt fic) aus einem Entwickelungscyklus, den er im Verlauf der Krankheit von einem Fieberanfall bis zum nächſten durch— macht. Golgi hat die Reihe der ſucceſſiven Veränderungen der Plasmodien genau verfolgen und feſtſtellen können, 311 daß die eigentlichen Träger des Malariakeimes nur die geſchilderten pigmenttragenden Körper im Innern der roten Blutkörperchen ſind. Sie ſtellen ein rundliches Ge— bilde mit zarten Konturen dar und nehmen anfangs inner— halb ihres Wirtes nur einen kleinen Raum ein, allmählich aber vergrößern ſie ſich und zehren die Subſtanz der roten Blutkörperchen auf. Dann zeigt ſich an ihnen eine Andeutung einer radiären Spaltung, die ſogenannte Seg— mentation, welche ſchließlich vollkommen wird. Dann haben die Plasmodien den reifen (maturen) Zuſtand er— reicht, in welchem ſie ſich frei im Blute außerhalb der roten Blutkörperchen vorfinden. Dieſer Entwickelungs— prozeß des Plasmodiums vollzieht ſich in den fieberloſen Pauſen zwiſchen zwei Anfällen und zwar ſowohl beim dreitägigen wie beim viertägigen Wechſelfieber. Der Ent— wickelungsprozeß geht mit ſolcher Regelmäßigkeit vor ſich, daß man aus dem Auftreten der reifen Form des Plas— modiums das Nahen eines Fieberanfalls diagnoſtizieren kann. Die beim dreitägigen Wechſelfieber (jog. Tertiana- typus) beobachteten Mikroorganismen find nun nicht voll— kommen identiſch mit den beim viertägigen Fieber (ſog. Quartana) auftretenden Gebilden; denn abgeſehen von der verſchiedenen Dauer ihrer Entwickelung unterſcheiden ſie ſich auch durch morphologiſche Abweichungen. Es iſt des— halb die Frage aufgeworfen worden, ob für die verſchie— denen Typen des Wechſelfiebers verſchiedene Mikroben als Erreger anzuſehen ſeien. Die Frage iſt noch nicht end— gültig entſchieden; da indes auch beſtimmt Uebergänge zwiſchen den einzelnen Mikrobenformen beobachtet ſind, ſo iſt der ſchon an und für ſich wahrſcheinliche Schluß ge— rechtfertigt, daß die Malaria nur einen Erreger hat, welcher indes eine verſchiedene Art der Entwickelung nehmen kann. Die Exiſtenz des „Plasmodium malariae“ iſt viel um— ſtritten worden und ſteht auch heute noch nicht über jeden Zweifel erhaben da. Von den Anhängern des „Bacillus malariae“ find die Plasmodien als einfache Degenerations- produkte der roten Blutkörperchen gedeutet worden, und es läßt ſich nicht leugnen, daß man ſie als ſolche wohl anſehen kann. Gerade die Verſchiedenartigkeit und Unbe— ſtimmtheit ihrer Form unterſtützt dieſe Annahme, anderer— ſeits aber läßt ihre ſcharfe Umgrenzung, ihre Lage in den roten Blutkörperchen und ihr anſcheinend regelmäßiger Entwickelungsgang ihre Auffaſſung als ſelbſtändige Gebilde zu. Nachdem bisher die deutſchen Forſcher (Fiſcher, Schelling, Ferd. Cohn, Pfeiffer u. a.) faſt ausſchließlich dem Plasmodium malariae gegenüber ſich ſehr ſkeptiſch verhalten haben, iſt die Exiſtenz desſelben neuerdings doch durch die ſorgfältigen Unterſuchungen zweier deutſcher Aerzte, Dr. Plehn im Krankenhaus Moabit bei Berlin und Dr. Roſin im Allerheiligenhoſpital in Breslau, be— ſtätigt worden. Sie haben bei ihren vorurteilsfreien Unterſuchungen in allen Fällen von Malaria, welche ihnen zur Beobachtung kamen, die typiſchen Formen der Plas- modien mit ihren charakteriſtiſchen biologiſchen Eigen— ſchaften gefunden, und ſie haben auch viele der gegen die Exiſtenz der Plasmodien geltend gemachten Bedenken ent— kräften können. Die Plasmodien, d. h. die beſchriebene typiſche Form mit ihren typiſchen Kennzeichen findet ſich durchaus nicht bei irgend einer anderen Krankheit, wie man fie z. B. im Blute von Typhus und Scharlachkranken 312 Humboldt. — September 1890. geſehen haben will. Eine genaue vergleichende Beobach- tung läßt den morphologiſchen und biologiſchen Unter⸗ ſchied der verſchiedenen Gebilde klar erkennen. So wollte auch der bekannte Turiner Phyſiologe Moſſo beobachtet haben, daß dieſelben Veränderungen an den roten Blut⸗ körperchen, welche Marchiafava und Celli als charakteriſtiſch für die Malariainfektion in Anſpruch genommen haben, ſich im ganz geſunden Hundeblut finden, welches man Vögeln in die Bauchhöhle einſpritzt. Dieſe Entdeckung Moſſos wurde von den Anhängern des „Bacillus malariae“ als der Todesſtoß gegen die Plasmodientheorie angeſehen. Bald aber wurde von verſchiedenen Seiten Herrn Moſſo nachgewieſen, daß die von ihm geſehenen Veränderungen an den roten Blutkörperchen ſich doch weſentlich von den echten Plasmodien unterſcheiden. Schließlich hat man dieſe Gebilde auch für Kunſtprodukte erklärt. Dagegen ſpricht denn doch die Schärfe des Bildes, das wir von dieſem Organismus erhalten haben, der ſich für jeden unz befangenen Beobachter ſehr deutlich als ein kräftiges Lebe- weſen dokumentiert. So neigt denn gegenwärtig die Mehrzahl der Forſcher der Anerkennung der Malariaplasmodien zu; allein, ehe wir ſie dem heutigen Stande der bakteriologiſchen Wiſſen⸗ ſchaft entſprechend als die Erreger der Malariaerkrankungen zweifellos anſprechen dürfen, bedarf es noch eines Beweiſes: der künſtlichen Züchtung der Plasmodien und die Wie⸗ dererzeugung der Krankheit durch Verimpfung derſelben auf Tiere. Dann aber bleibt auch noch die Frage nach der Natur dieſes Plasmodiums offen, und es ſcheint uns gar nicht unmöglich, daß zwiſchen dieſem „Plasmodium malariae“ und dem „Bacillus malariae“ noch ein ätio⸗ logiſcher Zuſammenhang beſteht, deſſen Aufdeckung viel⸗ leicht am eheſten den Streit zwiſchen den beiden verſchie⸗ denen Schulen der Malariaforſchung ausgleichen würde. Sortſchritte in den Laturwiſſenſchaften. Geologie und Vetrographie. Don Profeffor Dr. H. Bücking in Straßburg i. E. Der Buntſandſtein und der Muſchelkalk in Deutſchland. Orford in Oſtpreußen. Die Hermannshöhle bei Rübeland und die Biljteinhohle bei Warſtein. Die Entſtehung der Sruptivgeſteine durch Spaltung des Magmas. Je weiter die geologiſchen Aufnahmen in Nord- und Mitteldeutſchland fortſchreiten, um ſo beſſer werden die Beziehungen erkannt, welche zwiſchen den gleichalterigen Schichtſyſtemen an voneinander entfernten Orten vorhanden ſind, und um ſo klarer und einfacher geſtalten ſich ſchließ⸗ lich die Verhältniſſe, welche früher vielfach zu widerſprechen⸗ den Auffaſſungen und langandauernden Streitigkeiten ge⸗ führt hatten. Beſonders eingehend, ihrer weiten Verbreitung in Deutſchland entſprechend, iſt in den letzten Jahrzehnten die deutſche Triasformation, und zumal der Buntſandſtein und der Muſchelkalk, behandelt worden. Nachdem die For⸗ mation zuerſt in Thüringen, in der Umgegend von Mei⸗ ningen und bei Jena, und am Harzrande mit Benutzung der neuen Karten im Maßſtab 1: 25000 auf das genauefte unterſucht war, ſetzten die Geologen bei der Ausdehnung ihrer Aufnahmen nach Norden, Süden und Weſten auch das Studium der Trias einerſeits bis nach Hannover und Weſtfalen, andererſeits bis weit nach Franken und in den ſüdlichen Teil der Provinz Heſſen-Naſſau fort und ge- wannen, da gleichzeitig detaillierte Unterſuchungen der ſüd⸗ deutſchen Triasgebilde von Schwaben, dem Schwarzwald und dem Odenwald namentlich durch Eck, von den links— rheiniſchen Gebieten durch Benecke, Schumacher, Leppla und Blankenhorn angeſtellt wurden, ſo einen recht voll⸗ ſtändigen, bis in das einzelne gehenden Ueberblick über die Entwickelung unſerer deutſchen Trias. Gerade die in dem letzten Jahre erſchienenen Veröffentlichungen über den Bunt⸗ ſandſtein im Speſſart und den Muſchelkalk in Hannover und Weſtfalen ſind ganz beſonders geeignet, unſere Kennt⸗ niſſe der deutſchen Trias zu vervollſtändigen. Wenn wir der Darſtellung W. Frantzens?) folgen, welche derſelbe in dem letzten Band des Jahrbuches der geologiſchen Landesanſtalt zu Berlin (1889, S. 243 2.) gegeben hat, ſo zeigt ſich, daß die gleiche Gliederung des Buntſandſteins durch das ganze weite Gebiet von Thit- ringen bis zum Speſſart, ja in ihren allgemeinen Zügen vom Harzrande bis zum Schwarzwald und zu den Vogeſen durchgeführt werden kann. In einer unteren Abteilung des Buntſandſteins kann man, wenigſtens von dem Odenwald bis zum Harzrand und nach Carthaus**) ſogar bis in die Gegend von Marsberg in Weſtfalen, als eine tiefere Zone eine ziemlich mächtige, durchſchnittlich zwiſchen 20 und 80 m ſchwankende Schichtenfolge von braunroten, bröckeligen Schieferletten, von Beyrich mit dem Namen Bröckelſchiefer belegt, unterſcheiden; im übrigen be⸗ ſteht dieſelbe aus einer in ihrer Mächtigkeit ebenfalls großen Schwankungen unterworfenen, im allgemeinen 100 bis 250 m mächtigen Ablagerung von rötlichen, fein⸗ körnigen Sandſteinen mit häufig vorkommender diskordanter Parallelſtruktur (Diagonalſchichtung). Die mittlere Abteilung des Buntſand⸗ ſteins beginnt ganz gleichmäßig in dem ganzen weiten Gebiet mit einem ſehr grobkörnigen Sandſtein, in welchem ein Teil der Körner die Größe kleiner Gerölle erreicht. In der Pfalz gehört dieſer Zone der ſogen. „Ruinenſand⸗ ſtein“ an, wie er in dem Bergland zwiſchen Annweiler, Bergzabern, Schönau und Dahn (vgl. Humboldt, dieſ. Jahr⸗ gang, S. 93) ſo gut beobachtet werden kann, in dem ) Beiträge zur Kenntnis der Schichten des Buntſandſteins 2c. **) Triasformation im nordöſtl. Weſtfalen. Würzburg. 1886. Humboldt. — September 1890. 313 Schwarzwald die von Eck als Zone mit Geröllen kryſtalliniſcher Geſteine bezeichnete Ablagerung, in Thüringen die tiefſte, durch ihr überaus grobes Korn oder ihre Geröllführung ausgezeichnete Lage grobkörniger Sand— ſteine. Ueber dieſen grobkörnigen oder Gerölle führenden Sandſteinen folgen, die Hauptmaſſe der mittleren Abteilung zuſammenſetzend, grobkörnige und feinkörnige Sandſteine in buntem Wechſel miteinander. In den Vogeſen, im Schwarzwald und in der Haardt, ebenſo auch im Odenwald und im Speſſart findet ſich in höherer Lage wieder eine Zone ſehr geröllreicher Sandſteine, welche das landſchaftliche Bild der Buntſandſteingegenden oft nicht unweſentlich beeinfluſſen. Zahlreiche Bergkuppen der mitt— leren Vogeſen werden von der zuweilen an 20 m mächtigen, geſchloſſenen Konglomeratmaſſe gekrönt, und an den Berg— abhängen tritt dieſelbe häufig als ſteile Felſenwand, als ſogen. „Heidenmauer“, zu Tage. Auch im Schwarzwald und in der Haardt iſt dieſes „Hauptkonglomerat“ beobachtet worden, und im Speſſart, am Oſtrande des Vogelsbergs und in der ſüdlichen Rhön entſprechen ihm, weil in dem gleichen Horizont, durchſchnittlich 120 bis 150 m über der unteren Geröllzone, gelegen, an 40 m mächtige geröllreiche, bald mehr lockere, bald mehr feſte und dann gern zur Felsbildung geneigte Sand— ſteine “). Weiter nach Nordoſten hin aber verſchwindet in dieſen Schichten der Reichtum an Geröllen; am Thü— ringer Wald und nach dem Harz hin fehlen ſie ganz. Das beweiſt, daß ſie nicht von dieſer Seite her herbeigeführt worden ſind, und berechtigt zu dem auch noch durch andere Beobachtungen geſtützten Schluß, daß der Thüringer Wald zur Zeit der Bildung des Buntſandſteins noch nicht aus dem Meere hervorragte. Das Material wird vielmehr einem im Südweſten zu ſuchenden Feſtland entſtammen, für deſſen geologiſchen Aufbau die Thatſache in Betracht kommt, daß in dem oberen Konglomerat häufig Gerölle von weißem Quarz und vereinzelt ſolche von Kieſelſchiefer vorkommen, nicht aber Gerölle von eruptiven Geſteinen, wie von Porphyr und Granit, welche gerade in der an der Baſis des mittleren Buntſandſteins gelegenen Geröllzone in weiteſter Verbreitung auftreten. Als oberſtes Glied des mittleren Buntſandſteins wird in Thüringen und im nördlichen Heſſen und bis zum ſüd— lichen Harzrand der in der Regel nur wenig mächtige Chirotherienſandſtein ausgeſchieden, welcher zuerſt von Heßberg bei Hildburghauſen und zwar durch die dort in ihm enthaltenen Fußſpuren von Chirotherien bekannt geworden iſt. Im allgemeinen hellfarbige, ziemlich fein— körnige und zuweilen auch wohl kieſelige Sandſteine, ent— halten ſie hier und da Gipslager, vereinzelte Dolomit— knauer und häufig als ein beſonders charakteriſtiſches Merk— mal Einſchlüſſe von Karneol. Auch in der ſüdlichen Rhön, im Speſſart, im Odenwald, im Schwarzwald und im Elſaß ſind in dieſem Horizont analoge Schichten unter dem Namen der Karneolbänke oder der Zwiſchenſchichten von ſehr verſchiedener Mächtigkeit bekannt geworden, ein weiterer Beweis für die außerordentlich große Gleichförmigkeit in der Entwickelung des deutſchen Buntſandſteins. ) Vergl. auch Jahrbuch der geolog. Landesanſtalt, Berlin, 1889, S. LXXXIII. Humboldt 1890. Die obere Abteilung des Buntſandſteins, der Röth, zeigt eine gewiſſe Verſchiedenheit in ihrer Ausbildung zwiſchen dem Norden und dem Süden. Wäh⸗ rend in Thüringen ein an der unteren Grenze auftretender Komplex von feinkörnigen roten Sandſteinen mit unter⸗ geordneten Schieferthonen nur eine geringe Mächtigkeit (von mehreren Metern) beſitzt und weiter nach Norden hin, im nördlichen Heſſen und am Harzrande, ganz fehlt, nimmt derſelbe nach Süden und Weſten hin allmählich auf Koſten der höheren, Gips- und Dolomitlager führenden, roten und blauen Schieferthone zu, derart, daß in der ſüdlichen Rhön und im Speſſart die liegenden Röthſandſteine noch nahezu die gleiche Mächtigkeit, von etwa 30 m, beſitzen wie die hangenden Röththone, dagegen im Schwarzwald und in den Vogeſen, auch in Lothringen und in der Eifel die letzteren ganz verſchwunden ſind und nur noch die ſogen. Voltzienſandſteine als Aequivalent des Röths in Thüringen unterſchieden werden können. Daß auch der Muſchelkalk in Süddeutſchland mit dem thüringiſchen eine große Uebereinſtimmung zeigt, iſt bereits in dem letzten Berichte, März 1890, S. 93, betont worden. Es ſei diesmal nur noch hinzugefügt, daß nach den neueſten Unterſuchungen von Frantzen und von Koenen, welche ebenfalls in dem Jahrbuch der Berliner geologiſchen Landesanſtalt, 1889, S. 440—479, niedergelegt find, auch bei Göttingen, bei Kreienſen und Gandersheim und in der Umgegend von Warburg, alſo in der Gegend vom Thüringer Wald bis zur Weſtgrenze der Formations— abteilung in Weſtfalen und Hannover, im unteren Muſchel— kalk, dem Wellenkalk, die drei Haupthorizonte feſter Bänke, die ſogen. Oolithbänke, der Terebratelbank- und der Schaum— kalkhorizont in demſelben Niveau, wie in Thüringen und bei Sondershauſen, wiederkehren und eine nur wenig ab— weichende petrographiſche Ausbildung zeigen. Nur in dem Gebiet weſtlich von Kreienſen und zumal bei Osnabrück entſtehen gewiſſe Schwierigkeiten. Hier fehlt der eigent— liche Schaumkalk, und auch die übrigen oben erwähnten Bänke ſind nur noch in ſehr verkümmerter Weiſe entwickelt und laſſen ſich von den weiter unten im Wellenkalk auf— tretenden oolithijden Bänken nicht mehr mit voller Sicher— heit unterſcheiden. Auch manche der wichtigſten Leitverſteinerungen gehen bei dem Verfolg der Bänke vom Thüringer Wald aus nach Norden und Weſten hin in andere Horizonte über. Am auffallendſten tritt dies nach Frantzen bei der Myo— phoria orbicularis hervor, welche bei Meiningen die Haupt— leitmuſchel für die Schaumkalkzone und die Orbicularis— ſchichten iſt und dort tiefer nur als Seltenheit beobachtet wird. Nach Norden und Weſten ſteigt ſie in immer tiefere Schichten abwärts, ſo daß ſie bei Osnabrück im ganzen oberen Wellenkalk eine der gemeinſten Muſcheln iſt. Auch die für das Erkennen der Terebratelbänke ſo wichtige Terebratula vulgaris behält ihr Lager in dieſer Zone nicht bei, ſondern geht ebenfalls in tiefere, aber auch in höhere Schichten über, aufwärts in die Schaumkalkzone, abwärts mindeſtens bis in die Bank mit Spiriferina fragilis. Bemerkenswert iſt zugleich die allmähliche Ab— nahme der Anzahl der Petrefakten im Wellenkalk mit dem Verſchwinden der oolithifden Ausbildung der Leitbänke und ihre große Zertrümmerung in der Osnabrücker Gegend. 40 314 Humboldt. — September 1890. Mit Rückſicht auf dieſes Verhalten des Muſchelkalks dürfte die von J. G. Bornemann!) geäußerte Anſicht, daß das „gleichförmige und ausgedehnte Fortſetzen der einzelnen Schichtenfolgen und fogen. ſtratigraphiſchen Hori⸗ zonte und einzelner Bänke nach allen Seiten hin“ in Wirklichkeit gar nicht vorkommt, daß vielmehr „das Aus⸗ keilen der Schichten und die Uebergänge durch Aenderung des Materials dem aufmerkſamen und bewußten Geologen überall auf Schritt und Tritt entgegentreten“), in ge⸗ wiſſem Maße gerechtfertigt erſcheinen. Indeſſen entbehren die von Bornemann aufgeſtellten Sätze doch gar ſehr der umfaſſenden Begründung. Er leugnet, wie aus den beiden, zwar ſehr vieles Wahre enthaltenden, aber doch nur mit Vorſicht zu benutzenden Abhandlungen hervorgeht, daß die Aufnahmen und weiteren Arbeiten für die preußiſche geologiſche Spezialkarte überhaupt eine einigermaßen ge⸗ nügende Uebereinſtimmung und eine Gleichförmigkeit in der Entwickelung der einzelnen Triasablagerungen ergeben haben; er hält die Darſtellung auf den verſchiedenen geologiſchen Spezialkarten für eine zu wenig objektive und findet zu viel eingezeichnet, was in der Wirklichkeit gar nicht vorhanden ſei. Er beſtreitet damit geradezu den Wert einer geologiſchen Spezialaufnahme. Gewiß iſt es ungleich intereſſanter, in umfaſſender Weiſe die an den ver⸗ ſchiedenſten Stellen der Erde entweder unter gleichen Verhältniſſen oder zu gleicher Zeit entſtandenen Ablage⸗ rungen miteinander zu vergleichen, ihnen gemeinſame Charaktere abzugewinnen und ſich eine lebendige, klare Vorſtellung von ihrer Bildung zu machen, als in ruhiger und nur langſam fortſchreitender Arbeit Schicht für Schicht in einem räumlich eng begrenzten Gebiet zu unterſuchen und in der eingehendſten Weiſe zu beſchreiben. Aber es iſt nicht zu vergeſſen, daß alle Vorſtellungen, welche man ſich von den geologiſchen Erſcheinungen in der Vorwelt macht, auf induktivem Wege aus Erfahrungen und Beob- achtungen gewonnen werden, und dieſelben erſt dann eine abſolute Gültigkeit erlangen, wenn ſie alle ſich uns dar⸗ bietenden Einzelheiten jener Erſcheinungen zu erklären im ſtande ſind. Jene Vorſtellungen, welchen ganz beſonders alle Merkmale ſubjektiver Gebilde anhaften, zu prüfen, ſie auf Grund weiterer Beobachtungen umzugeſtalten und zu verbeſſern, ein endgültiges Urteil über ihren Wert abzu⸗ geben, wirklich den Beweis für ihre Richtigkeit oder Un⸗ haltbarkeit zu liefern, das alles bleibt der mühſamen Forſchung des Stratigraphen und der exakten Arbeit des mit genügender Erfahrung ausgerüſteten und gewiſſenhaft kartierenden Geologen vorbehalten. Sicherlich wird der⸗ ſelbe den geiſtreichen Geologen dankbar ſein für die An⸗ regung, die ſie ihm geben, durch welche ſie ſeine Arbeit vielſeitiger, intereſſanter und wichtiger geſtalten; aber er ſchafft erſt die exakte Grundlage, auf welcher jene mit größerer Sicherheit, als vordem möglich war, ihre Theorien über die Entſtehung der Erde aufzubauen im ſtande find. Die Vorſtellungen, welche J. G. Bornemann von der Triasformation und ſpeziell von dem Buntſandſtein hat, kommen am deutlichſten zum Ausdruck in ſeiner zuletzt ) Ueber den Muſchelkalk; ebenda, S. 417 2c. ) J. G. Bornemann, Ueber den Buntſandſtein in Deutſchland und ſeine Bedeutung für die Trias. Jena, 1889, S. 29 2c. erwähnten Abhandlung. In derſelben geht er aus von einer intereſſanten Beobachtung, welche er an der Weſtküſte von Sardinien, nahe an der Mündung zweier kleinerer Flüſſe, in früheren Jahren angeſtellt hat. Die herrſchen⸗ den Winde aus Nordweſt und Weſt führen hier den Meeres⸗ ſand von dem Strand und den längs desſelben gelegenen Dünen „landeinwärts, wo er bis zu Höhen von ungefähr 400 m an den Abhängen des dort auftretenden Schiefer⸗ gebirges aufwärts anſteigt. Viele Thäler des alten Ge⸗ birges ſind durch dieſe äoliſchen Sandmaſſen ausgefüllt; iſolierte Kuppen und Grate ragen hier und dort aus der Sandfläche hervor. — Von der Menge der vom Winde fortgeführten Sandmaſſen gibt der einmal beobachtete Fall Zeugnis, daß eine Eiſenbahnſtrecke, welche man längs des Strandes zur Verbindung mit einem am Nordende des⸗ ſelben gelegenen Magazin gebaut hatte, in einer Nacht ſtellenweiſe 3 m hoch mit Sand überſchüttet wurde und aufgegeben werden mußte. Die durch die Flüſſe, das Meer und den Wind abgeſetzten Sandmaſſen findet man an vielen Punkten zu zuſammenhängenden Schichten, ſtellen⸗ weiſe zu feſtem Sandſtein verkittet.“ Bornemann kommt dann, nachdem er die Ausbildung und die Struktur (be⸗ ſonders die ſogen. Diagonalſchichtung) der Sandſteine überhaupt, ferner die Reliefformen der Schichtflächen, die Wellenrippen, Netzleiſten, foſſilen Regentropfen und Stein⸗ ſalzpſeudomorphoſen, und die Entwickelung des Sandſteins in Deutſchland im allgemeinen betrachtet hat, zu der An⸗ ſicht, „daß die Hauptmaſſe der Formation, der Haupt⸗ ſandſtein, eine äoliſche Bildung iſt, welche ſich auf dem Feſtlande zu ausgedehnten Dünen und Sandflächen aufbaute, während gleichzeitig an der Küſte Strandbildungen mit Ufermarken ſtattfanden und weiter hinaus unter flacher, lagunenartiger Waſſerbedeckung der Röth, ander⸗ wärts Muſchelſandſtein und im Meere ſelbſt ſich Muſchelkalk bildete. Die Spuren der Landtiere auf der Uferzone be- weiſen, daß hinter den Dünen das Feſtland von Tier⸗ und Pflanzenleben beſiedelt war. Alle die zunächſt der Küſte gebildeten Zonen haben ſich nicht mit horizontaler Schichtung, ſondern vom Lande nach dem Meere abfallend auf⸗ und aneinander gelegt.“ Auch über die älteren Formationen äußert Borne⸗ mann ähnliche Anſichten. So fällt nach ihm ein Teil des Rotliegenden „mit ſeiner Entſtehung noch in die Periode des Kohlenkalks, ein anderer in die des Zechſteins; von dem Buntſandſtein gehört ein Teil noch zur Zechſtein⸗ periode, während die Reihe vom Hauptſandſtein an dem Muſchelkalk zeitlich äquivalent iſt; ebenſo der Keuper, wäh⸗ rend die rhätiſchen Sandſteine ſchon den Uebergang zum Lias und Jura bilden“. Zur Einteilung der geologiſchen Perioden ſind nach Bornemann — und darin wird ihm ſicherlich niemand widerſprechen — „zunächſt die Meeres⸗ bildungen als Grundlage zu wählen, da ſie wegen ihres Reichtums an Foſſilien für die Entſcheidung geologiſcher Fragen am meiſten geeignet ſind. Die Land- und Süß⸗ waſſergebilde dagegen erſcheinen als Aequivalente, aber ihre Maſſen entſprechen als ſolche nicht einheitlich den Meeresformationen.“ Es leuchtet ein, daß die von Bornemann aufgeſtellten Behauptungen, wenn ſie — wie das ganz beſonders von den letztangeführten allgemeineren Sätzen gilt — auch Humboldt. — September 1890. 315 manches ſehr Richtige enthalten und zu weiteren Beob— achtungen und Prüfungen anregen, doch ſich in einzelnen Richtungen zu ſehr von den thatſächlichen Beobachtungen entfernen, als daß man ihnen eine allgemeine Gültigkeit zuerkennen möchte. Vielleicht dürften eher als die theoretiſchen Erwägungen gewiſſe Betrachtungen, wie ſie oben bezüglich der Abſtammung der Gerölle im Buntſandſtein Erwähnung gefunden haben, und Unterſuchungen, wie ſie neuerdings Edmund Liebetrau an Muſchelkalkgeſteinen aus der Gegend von Jena“) an— geſtellt hat, über die Entſtehung der Schichten Aufſchluß geben. Liebetrau hat eine größere Reihe von Wellenkalk— geſteinen, beſonders aus den konglomeratiſchen Kalkſtein— bänken mit dem Mikroſkop betrachtet und gefunden, daß an der Zuſammenſetzung jener Geſteine weſentlichen Anteil nehmen: 1. klaſtiſche Elemente, wie Glimmerblättchen, Körner von Zirkon, Rutil, Anatas, Brookit, Turmalin, ferner Caleit und Rollſtücke, ſowie Muſchelſchalen und Fragmente derſelben; 2. chemiſch niedergeſchlagene Produkte, wie es namentlich die auf der Oberfläche von Geröllen und organiſchen Reſten ſich findenden Inkruſtationsringe ſind; 3. organiſche Reſte, welche einen Transport von anderen Orten her nicht erfahren haben, ſondern Ueber— refte von in situ geſtorbenen Tieren darſtellen. Für cine beſtimmte Schicht im Wellenkalk die Entſtehungsart feſt— zuſetzen, fällt aber äußerſt ſchwer. Alle Wellenkalkgeſteine, ſowohl die konglomeratiſchen, als die feſten kryſtalliniſchen, beſtimmte Foſſilien führenden Bänke ſcheinen ſich in leb— haft bewegtem Meereswaſſer abgeſetzt zu haben, welches etwa Tiefenverhältniſſe, wie ſie jetzt die Nordſee beſitzt, aufwies. Beſonders deuten hierauf die zerbrochenen Muſchel— ſchalen oder Enkrinitenbruchſtücke, welche ſie oft ſehr reich— lich enthalten. Die geringe, alſo etwa der der Nordſee gleichkommende Tiefe des Meeres und die Nähe der Küſte würde es allerdings erklären, weshalb der Wellenkalk zum Teil ſo beträchtliche Faciesunterſchiede in petrographiſcher Hinſicht aufweiſt, wie ſie z. B. bei einem Vergleiche des lothringiſchen und elſäſſiſchen Wellenkalkes mit dem rechts— rheiniſchen, zumal dem fränkiſchen und dem thüringiſchen, ſich ergeben. Wie aus der Verbreitung von Geſchieben, alſo von Geſteinen auf ſekundärer Lagerſtätte, auf den Ort des anſtehenden Geſteinskomplexes und deſſen Ausbildung ge— ſchloſſen werden kann, zeigt eine intereſſante Abhandlung von A. Jentzſch über das „Oxford in Oſtpreußen“ ““). Im altglacialen Geſchiebemergel und in den aus dieſem ent— ſtandenen Diluvialbildungen in der nächſten Umgebung Königsbergs und im ganzen nördlichen Oſtpreußen finden ſich zahlreiche Jurageſchiebe. Sie werden ſeltener im ſüd— lichen Oſtpreußen und in Weſtpreußen, erlangen dann aber weiter weſtlich wieder eine größere Häufigkeit derart, daß jie in der Mark faſt zahlreicher vorkommen als in Ofte preußen. Es beſtehen alſo zwei Maxima der Verbreitungs— häufigkeit, in der Mark und im öſtlichen Oſtpreußen, beide trotz aller Aehnlichkeit durch gewiſſe Eigentümlichkeiten geſchieden, das erſtere auf die Odermündungen und benach— barte Teile der Oſtſee, das letztere auf Popiläny, den be- ) Zeitſchr. d. deutſchen geolog. Geſellſch. 1889, S. 717 ꝛc. ) Jahrb. d. geolog. Landesanſtalt, Berlin, 1889, S. 378. kannten Jura-Aufſchluß in den Oſtſeeprovinzen, hinweiſend. Jentzſch glaubt aus der Verbreitung der Jurageſchiebe in Oſtpreußen den Nachweis führen zu können, daß ſie einem verhältnismäßig beſchränkten Gebiet entſtammen, dem nörd—⸗ lichſten Oſtpreußen und den benachbarten Teilen der Oſtſee und Rußlands. Zwiſchen Purmallen und Ibenhorſt, ſo vermutet er, tritt ein Streifen Jura an das ihn bedeckende Diluvium heran, bildet vielleicht in der Gegend des kuri— ſchen Haffs den Untergrund der Diluvialſchichten und ſetzt ſich nach Weſten in der Oſtſee fort. Die Unterſuchung der paläontologiſchen Einſchlüſſe in den Geſchieben hat das intereſſante Reſultat ergeben, daß nicht, wie man bisher glaubte, der oſtpreußiſche oder littauiſche Jura mit den Rhynchonella varians- Schichten, den Ver— tretern des mittleren und eines Teils des unteren Kelloway, ſchließt, ſondern auch noch das obere Kelloway und untere Oxford entwickelt zeigt. Zu dem letzteren gehören viererlei Geſteine. Als das tiefſte erweiſt ſich nach den paläonto— logiſchen Funden ein weißer, ſehr feinkörniger, bröckliger Sandſtein, welcher teils entkalkt und mit Steinkernen erfüllt, teils noch ſchwachkalkig iſt und dann prächtig iriſierende Schalen enthält; er führt mehrere Ammoniten (Peri- sphinetes-Arten), Myoconcha Helmerseniana, Goniomya literata ꝛc. Das oberſte Glied der Oxfordſchichten iſt ein mit mittelgroßen Sandkörnern erfüllter feſter Kalkſtein von hellgrauer Farbe; in ihm herrſchen Lamellibranchiaten, be— ſonders mehrere Pecten- Arten und eine Modiola, dann Gryphaea dilatata, Lima in mehreren Spezies; auch einige Ammoniten wurden gefunden (Cardioceras alter— nans, Perisphinctes biplex und crenatus), welche die Be— ſtimmung der Schicht als oberes Oxford veranlaßten. Intereſſante Beobachtungen über Höhlenbildung hat J. H. Kloos, welchem man die Auffindung und Beſchreibung der in der Nähe der berühmten Baumannshöhle liegenden Bärenhöhle und der Hermannshöhle bei Rübeland am Harz verdankt, in einem von prachtvollen Lichtdrucken begleiteten Werke („Die Hermannshöhle bei Rübeland am Harz“, Weimar 1889) veröffentlicht. Die Lichtdrucke geben eine ſehr gelungene Darſtellung der großartigen Tropfſtein— bildungen in den weitläufigen, an 400 bis 600 m langen, vielfach verzweigten unterirdiſchen Räumen der Hermanns— höhle. Die Bildung der Höhle bringt Kloos mit Spalten in Verbindung, welche in dem Rübelander Kalkmaſſiv unter dem Einfluß der beiderlei im öſtlichen Harz ſich überall zeigenden Druckrichtungen bei der Faltung des Gebirgs entſtanden; daher auch ihr von Oſt nach Weſt gerichteter, zu jenen Druckrichtungen und zu den Streichen der Schichten diagonaler Verlauf. Ferner hat an der Bildung der Höhle mitgewirkt der mechaniſche Stoß des die Spalten zu ſeinem Abfluß benutzenden Waſſers und ſeine chemiſche Wirkung. Eine genauere Unterſuchung der Höhlenwände und der Decke in den verſchiedenen Niveaus der Höhle ergibt, daß mehrere unterirdiſche Flußkanäle in der Fallrichtung der Spalten übereinander liegen; dieſe vereinten ſich ſpäter durch den Einbruch der trennenden Maſſen, welcher durch ſchräg in die Tiefe ſtürzende Gießbäche und durch die auflöſende Kraft der Sickerwaſſer herbeigeführt war. Die Höhle war von einem weſentlich aus Verwitterungs— produkten des Kalkſteins und der zuſammengeſchwemmten Skelettteile der Höhlenbewohner entſtandenen Lehm, einem 316 Humboldt. — September 1890. fogen. Höhlenlehm, zum großen Teil erfüllt, und enthielt in dieſem reichlich Knochenreſte und zwar faſt ausſchließlich von dem Höhlenbären (Ursus spelaeus). Es iſt nicht unwahrſcheinlich, daß die Höhle in jener Zeit, als die Bode noch höher im Thale floß, auch mit der auf dem linken Flußufer gelegenen Baumannshöhle in Zuſammen⸗ hang geſtanden hat. Auch die Mitteilungen von Hoſius ) über die im Herbſte 1887 entdeckten Bilſteinhöhlen im Stringocephalenkalk von Warſtein bei Brilon in Weſtfalen, welche einer nord⸗ ſüdlich verlaufenden Spalte folgen, enthalten ſehr viel des Intereſſanten, insbeſondere berichten ſie über eine reichere Fauna, welche ſich in dieſen Tropfſteinhöhlen, ſowie in den ſchon länger (ſeit 1877) bekannten, Spuren des Menſchen aufweiſenden ſogen. Kulturhöhlen gefunden hat. Zur Erklärung der auffallenden Erſcheinung der ſogen. gemiſchten Gänge, auf welchen zwei oder drei in ihrer Zuſammenſetzung ſehr ſtark voneinander verſchiedene Ge⸗ ſteine in regelmäßiger Lagerung zu einander auftreten, hatte H. Bücking (vgl. Humboldt 1889, S. 110) die Annahme gemacht, daß ſie aus einem einzigen Eruptivmagma entſtanden ſeien, welches bei ſeiner Erkaltung in dem Gang⸗ raume eine Spaltung in verſchiedene Geſteine erlitten habe. Dieſer Spaltungstheorie hat ſich neuerdings auch H. Roſen⸗ buſch *) angeſchloſſen; doch geht derſelbe noch einen Schritt weiter, indem er auf Grund eingehender Vergleiche der chemiſchen Zuſammenſetzung verſchiedener Geſteine, denen wir hier nicht bis in das Einzelne folgen können, zu dem Schluß gelangt, daß die allen Eruptivgeſteinen zu Grunde liegenden Magmen durch Spaltung eines Urmagmas entſtehen. Das letztere war uranfänglich homogen, hat aber dann unter der Einwirkung chemiſcher Affinitäten Spaltungen in Teilmagmen, nicht in alle irgendwie denk⸗ bare Arten, ſondern nur in gewiſſe, durch beſtimmte chemiſche Zuſammenſetzung charakteriſierte, den ver⸗ ſchiedenen Geſteinen entſprechende Teilmagmen *) Korreſpondenzbl. des naturhiſt. Vereins für Rheinland⸗Weſtfalen. Bonn 1889, S. 33. ) Tſchermaks miner. u. petrogr. Mitt. XI, 1890. S. 144 ꝛc. erlitten. Die erſten durch die Hauptſpaltungen des Ur⸗ magmas entſtandenen Teilmagmen liegen uns in geologiſcher Geſtaltung in den Tiefengeſteinen vor. In dieſen würden dann weitere Spaltungen ſich vollzogen haben, deren Pro⸗ dukte zum Teil in den zugehörigen Ergußgeſteinen zu ſuchen ſind. Durch ſolche weitere Sekundärſpaltungen würden dann nach Roſenbuſch viel beſſer und einwand⸗ freier die chemiſchen Verſchiedenheiten der analogen Tiefen⸗ geſteine und Ergußgeſteine überhaupt ſich erklären laſſen, als durch die früher von demſelben Autor gemachte An⸗ nahme, die einen entſtammten höheren, die anderen tieferen Teilen einer langen Zeit ſich ſelbſt überlaſſenen Löſung. Unter der Vorausſetzung, daß die von Roſenbuſch auf⸗ geſtellte Annahme einer Spaltung der Eruptivmagmen in dem weiteren Umfange wirklich begründet iſt, kann man ſchließen, daß da, wo „im tiefen Schoß der Erde ſpaltungs⸗ fähige Magmen vorhanden ſind und durch geotektoniſche Vorgänge zu geologiſcher Geſtaltung gelangen, im Gebiete desſelben Eruptivzentrums mannigfache Geſteinsbildungen ſich vollziehen. Wo dagegen ſpaltungsunfähige Magmen in der Tiefe vorhanden ſind, da werden allenthalben innerhalb desſelben Eruptivgebiets und in jedem Zeitpunkt derſelben Eruptivperiode ſtets die gleichen Geſteinsmaſſen zu Tage gefördert werden und in der Tiefe kryſtalliſieren.“ Von dieſem Satze ausgehend wird man die dem Rot⸗ liegenden der Gegend ſüdlich vom Inſelsberg im Thü⸗ ringer Wald angehörigen Cruptivgefteine, einerlei ob ſie auf Gängen oder in Lagern auftreten, als Spaltungs⸗ produkte eines und desſelben Magmas auffaſſen müſſen, ganz entſprechend der aus ihrem geologiſchen Befunde ehe⸗ dem abgeleiteten Anſicht von ihrer Entftehung*). Auch die von Loſſen aus dem Harz und jüngſt aus dem Rot⸗ liegenden des Saar-Nahe⸗ Gebietes“) beſchriebenen mannig⸗ faltigen Geſteine, auf welche wir ſpäter noch einmal zurück⸗ kommen werden, würden aus einem ähnlichen ſpaltungs⸗ fähigen Magma entſtanden ſein. ) Jahrb. der geol. Landesanſtalt. **) Ebenda, 1890, S. 258 2. Berlin 1888, S. 119 2. Kleine Mitteilungen. Vorfolumbiſche Metallurgie in Venezuela. Mar⸗ cans liefert in dem Compt. rend. einen Beitrag zur Geſchichte der Metallurgie im neuen Kontinente. So beant⸗ wortet er die bisher offene Frage, ob die Eingeborenen Venezuelas zur Zeit der Eroberung des Landes bereits Metallurgie getrieben haben. Bei dem Dorfe Teques, etwa 30 km von Caracas, wurden kürzlich drei Thon⸗ ſarkophage aufgefunden, welche neben Knochen u. ſ. w. auch mehrere Metallgegenſtände enthielten. Von dieſen wurden eine kreisförmige Medaille, mit einer Zeichnung auf der einen Seite, und zwei ziemlich gut ausgeführte Ohrgehänge analyſiert. Die Medaille enthielt 13,3% Gold, 73,3% Silber und 13,4% Kupfer und iſt wahrſcheinlich durch Hämmern von ſehr ſilberreichem und kupferhaltigem natürlichen Golde hergeſtellt worden; derartiges Gold wurde nämlich in einer bei San Juan de los Morros ent⸗ deckten alten Goldgrube aufgefunden. Dagegen enthält der Ohrſchmuck neben Gold noch Kupfer und Eiſen und iſt unzweifelhaft das Produkt einer Legierung. Ganz in der Nähe der Stelle, wo die Sarkophage gefunden wur⸗ den, befindet ſich ein Kupfererzgang, der an einem Hügel zu Tage tritt und aus Kupferkarbonat beſteht, welches innig mit Eiſenoxyd gemiſcht iſt, aber weder Gold noch Silber enthält. Weiter berichtet die Ueberlieferung von einer bei Teques gelegenen, vor der Eroberung von den Indianern ausgebeuteten Goldgrube. Die analyſier⸗ ten Gegenſtände ſprechen alſo für das Vorhandenſein einer präkolumbiſchen Metallurgie in Venezuela, welche ſich nicht auf die Gewinnung des natürlichen Goldes beſchränkte, ſondern auch letzteres mit dem Metall legierte, welches durch Reduktion eiſenhaltiger Kupfererze erhalten wurde. Al. Ferroſilicium und FJerroaluminium. Legierungen des Eiſens mit Silicium und mit Aluminium, welche unter dem Namen Ferroſilicium und Ferroaluminium in den Handel kommen, haben in neuerer Zeit im Eiſenhütten⸗ gewerbe eine gewiſſe Bedeutung erlangt. Ein Zuſatz von Ferroſilicium zu Gußeiſen hat zur Folge, daß ein hervor⸗ ragend feſtes Material erhalten wird. Ferroaluminium erhöht ebenfalls die Feſtigkeit, namentlich bewirkt es aber, Humboldt. — September 1890. 317 daß der Guß völlig dicht und blaſenfrei wird. Es iſt be- kannt, daß im gewöhnlichen Guß durch Einwirkung des Eiſenoxyduls auf Kohlenſtoff Kohlenoxydgas gebildet wird, welches beim Erſtarren Blaſenbildung verurſacht. Bei Gegenwart von Aluminium wird jedoch das Eiſenoxydul unter Bildung von Aluminiumoxyd zu Eiſen reduziert und daher die Bildung von Kohlenoxyd hintangehalten. Bedingung dieſes Erfolges iſt jedoch völlige Trockenheit der Gußform; iſt dieſelbe feucht, ſo gibt das Aluminium zur Zerſetzung des Waſſers, alſo zur Entwickelung von Waſſerſtoff, Veranlaſſung. Dadurch, daß das Aluminium das Eiſenoxydul reduziert, erniedrigt es gleichzeitig den Schmelzpunkt des Eiſens, weil Eiſenoxydul, wie alle Oxy⸗ dule, das ſchmelzende Metall ſtrengflüſſiger macht. Aus dem gleichen Grunde wird Bronze dünnflüſſiger, wenn man etwas Phosphor zuſetzt, welcher das Kupferoxydul reduziert. Bei hohem Kohlenſtoffgehalt des Eiſens (6%) kann jedoch durch einen ebenfalls hohen Aluminiumzuſatz umgekehrt eine Verdickung des Schmelzfluſſes herbeigeführt werden, weil dann das Aluminium den Kohlenſtoff aus ſeiner Löſung ins Eiſen verdrängt und in Graphit ver- wandelt, welches ſich ausſcheidet. Der geeignetſte Zuſatz iſt 0,05 —0,1% Aluminium, d. h. 0,5—1% eines 10pro— zentigen Ferroaluminiums. In der Laboratoriumpraxis können Ferroſilicium und Ferroaluminium vorteilhafte Verwendung finden zur Dar— ſtellung von Silicium: und Aluminiumpräparaten. Zur Herſtellung von Siliciumtetrachlorid empfiehlt H. N. Warren in den Chem. News 60,158 Siliciumeiſen (mit etwa 15% Silicium) in einer Porzellanretorte bei Rotglut mit Chlor— gas zu behandeln. Die Trennung der überdeſtillierenden Chloride bietet keine Schwierigkeiten, da das Eiſenchlorid viel weniger flüchtig iſt, als das Siliciumchlorid. Wendet man an Stelle von Chlor trockenes Chlorwaſſerſtoffgas an, ſo entſteht ſchon bei gewöhnlicher Temperatur nicht flüchtiges Eiſenchlorür und Siliciumchloroform (SillCls), ein Präparat, deſſen Darſtellung bisher ſchwierig war. — Aluminiumchlorid wird auf ganz analoge Weiſe aus Ferro— aluminium gewonnen. Das erhaltene rohe eiſenhaltige Chlorid wird zur Reinigung mit Eiſendrehſpänen gemiſcht und dann deſtilliert. Miſcht man das Ferroaluminium mit Chlornatrium und leitet dann Chlor über das erhitzte Gemenge, ſo er— hält man Aluminiumnatriumchlorid. Al. Aeber die Amwandlung von Oelſäuren in fefte Jettſäuren. Für die Zwecke der Kerzenfabrikation werden feſte Fette (Talg u. ſ. w.) verſeift, d. h. in Fettſäure und Glycerin geſpalten. Man erhält ein Gemiſch verſchiedener Fettſäuren, welches durch Auspreſſen in einen bei gewöhn— licher Temperatur feſten und in einen flüſſigen Anteil getrennt wird. Erſterer beſteht aus Stearinſäure Osl13802 und Palmitinſäure CygH3z909, dem „Stearin“, der flüſſige Teil enthält weſentlich die flüſſige Oelſäure CygH3,Oo. Man hat nun in der Praxis beobachtet, daß die Ausbeute an Stearin ſteigt, wenn man die Fette ſtatt mit Kalk oder geſpanntem Dampf mit konzentrierter Schwefelſäure verſeift, indem nämlich ein Teil der Oelſäure in feſte Iſo— ölſäure übergeht und ſich dann dem Stearin beimengt. Jedoch wurden immer noch 20-30% Oelſäure als min— derwertiges Nebenprodukt erhalten. Neuerdings hat Max v. Schmidt im Chlorzink ein Mittel gefunden, um auch den Reſt von Oelſäure in als Kerzenmaterial taugliche feſte Fettſäuren umzuwandeln. R. Benedikt hat den hierbei ſtattfindenden chemiſchen Prozeß näher unterſucht. Nach dem Schmidtſchen Verfahren werden 10 Teile Oel— ſäure mit 1 Teil Chlorzink auf 180° erhist, worauf man mehrmals mit verdünnter Salzſäure, endlich mit reinem Waſſer auskocht, vollſtändig vom Waſſer trennt und fo- dann, gerade wie dies mit den nach dem Schwefelſäure— Verſeifungsverfahren gewonnenen Fettſäuren geſchehen muß, mit überhitztem Waſſerdampf deſtilliert. Das Deſtillat wird nach dem Erkalten durch Abpreſſen mit Kalt- und Warmpreſſen in Kerzenmaterial und Oelſäure getrennt. Durch Analyſe der auf dieſe Weiſe erhaltenen Produkte ſtellte Benedikt feſt, daß die Einwirkung von Chlorzink auf Oelſäure in der Weiſe erfolgt, daß ſich zunächſt zwei Chlorzinkadditionsprodukte bilden. Dieſe zerfallen beim Kochen mit verdünnter Salzſäure in Oxyſtearinſäuren Cis11360g und Chlorzink: Cy4Hoq. CH: CH . CHy . COOH ++ HzO = Oelſäure, C1 4H. CH(OH) . CH. CHy . COOH und 1Oxyſtearinſäure, Ci 4HogC Hy . CH (OH). CH, . COOH 8⸗Oxyſtearinſäure. Bei der nachfolgenden Deſtillation mit überhitztem Waſſerdampf gehen beide Oxyſäuren in ihre Anhydride (Lactone) über und zwar erleidet die 8-Oxyſtearinſäure noch eine weitere Umwandlung in feſte Iſoölſäure und flüſſige Oelſäure. Sonach beſteht das mittels Chlorzink erhaltene feſte Produkt im weſentlichen aus dem Lacton der J-Oxyſtearinſäure und feſter Iſoölſäure. (Monatsh. f. Chem. 11. 71.) Al. Zwei neue Theorien der Corona der Sonne ſind neuerdings in Amerika aufgeſtellt worden, die eine von Prof. Frank H. Bigelow, die andere von Prof. Schäberle, einem der Aſtronomen der Lick-Sternwarte. Bigelow ſucht auf mathematiſchem Wege die Bildung der Corona- ſtrahlen durch die Abſtoßung der auf der Sonnenoberfläche verbreiteten ſtatiſchen Elektrizität zu erklären. Dieſe Strahlen ſind Kraftlinien, in denen die Coronamaterie von der Sonne fortgeführt wird. Eine Konzentration der Elektrizitäten an den Polen erzeugt dort vertikale Kraft— linien, welche in der Höhe ſich umbiegen und ſchließlich in der Aequatorebene in einem gewiſſen Abſtand vom Mittel⸗ punkt der Sonne ſich vereinigen. Andere Kraftlinien, die in niedereren heliographiſchen Breiten unter verſchiedenen Winkeln von der Oberfläche ausgehen, entſprechen gerin- geren Werten des elektriſchen Potentiales und vereinigen ſich in der Aequatorregion in geringerer Höhe. Bigelow nimmt nun an, daß die ſenkrechten Polarſtrahlen von hoher Spannung die leichteſten Subſtanzen, wie Waſſerſtoff, meteoriſchen Staub, Reſte von Kometenſubſtanz u. a., von der Sonne mit fortführen und infolge der Zerſtreuung dieſer Subſtanzen bald unſichtbar werden. Die ſtarken viereckigen Strahlen, welche beſonders deutlich in den Perioden ſtarker Sonnenthätigkeit auftreten, werden erzeugt von einer Kraftlinie, deren Potential 0,9 bis 0,6 von dem Potential am Pol beträgt, und die langen äquatorialen Flügel ohne ausgeprägt viereckige Geſtalt, welche in Zeiten des Minimums der Sonnenſtrahlen be- obachtet werden, ſind durch Vereinigung von Kraftlinien über der äquatorialen Zone entſtanden. Bigelow hat ſeine Theorie an zwei von Barnard und Pickering erhal— tenen Photographien der totalen Sonnenfinſternis vom 1. Januar 1889 geprüft, und Prof. Langley hat die Hoffnung ausgeſprochen, daß dieſe Theorie der Schlüſſel zur Erklärung der Corongerſcheinungen werden und Finger- zeige für künftige Beobachtungen und Forſchungen dar— bieten könne. Nach Schäberles Theorie verdankt die Corona ihre Entſtehung dem Licht, welches von der Sonne ausgeſandt und von Strahlen von Materie zurückgeworfen wird, die von der Sonne emporgeſchleudert wird durch Kräfte, welche im allgemeinen ſenkrecht zur Oberfläche wirken. Dieſe Kräfte ſind am ſtärkſten thätig in den Mitten der Zonen größter Fleckenthätigkeit. Auf dieſe Weiſe ſoll die vier— ſtrahlige Form der Corona zu ſtande kommen. Die ver— ſchiedene Stellung des Beobachters gegen den Sonnen⸗ äquator und die dadurch bedingte verſchiedene ſcheinbare Lage der beiden Strahlengruppen werden dann verſchiedene Formen der Corona erzeugen, und es iſt Schäberle ge— lungen, dieſe verſchiedenen Formen nachzuahmen, indem er auf einer Kugel zwei Zonen in + 30° Breite mit Nadeln verſah, dieſes Modell parallelen Lichtſtrahlen aus— ſetzte und den Schatten betrachtete, den dasſelbe in ver— ſchiedenen Stellungen auf eine Ebene warf. G—1. Notation der Venus. Ebenſo wie früher beim Merkur hat Schiaparelli neuerdings auch bei der Venus 318 Humboldt. — September 1890. aus der Beobachtung ſehr deutlicher Flecke das Ergebnis abgeleitet, daß die Dauer einer Umdrehung um die Achſe mit der Umlaufszeit um die Sonne zuſammenfällt, alſo bei Venus 224,7 Tage beträgt. Auf dieſe Rotationszeit führen auch, wie Schiaparelli zeigt, die Beobachtungen des älteren Caſſini 1666 und 1667, die nur falſch gedeutet worden ſind. Bekanntlich war aus dieſen Beobachtungen, denen von Jaques Caſſini (1732), Schröter, Fritſch (1801) u. a. auf eine etwa 24ſtündige Rotationsdauer geſchloſſen worden, und Dr. Vico hatte dieſe aus ſeinen Beobachtungen in Rom 1839 — 1842 mit befremdender Genauigkeit zu 23 Stunden, 21 Minuten, 21,93 Sekunden beſtimmt, wäh⸗ rend Bianchini, der den Planeten 1726 1728 mit einem 88 Palmen (23 m) langen Fernrohr beobachtet, ungefähr 24 Tage gefunden hatte. Nach Schiaparelli ſteht alſo die Erſcheinung, daß beim Erdmond die Rotationszeit mit der Umlaufszeit um den Zentralkörper übereinſtimmt, nicht mehr vereinzelt da: fie findet fic) auch bei den beiden ſonnennahen Planeten; außerdem iſt ſie beim äußerſten Saturntrabanten ziemlich ſicher anzunehmen und bei den Mars⸗ und Jupitersmonden wahrſcheinlich. Nach der geiſtreichen Erklärung des engliſchen Kosmologen G. H. Dar⸗ win haben wir darin die Wirkung der Reibung der durch die Anziehung des Zentralkörpers in der flüſſigen Hülle des anderen Weltkörpers hervorgerufenen Flutwelle gegen die feſten Teile der Oberfläche desſelben zu ſehen. Wenn die Rotationsdauer kürzer iſt als die Umlaufszeit, ſo läuft dieſe Flutwelle zweimal im Laufe einer Rotation in der der letzteren entgegengeſetzten Richtung um den Weltkörper, ſtößt dabei gegen die Oſtküſten der Feſtlandmaſſen und verzögert allmählich die Rotation, bis deren Dauer mit der Umlaufszeit übereinſtimmt. Iſt dies erreicht, ſo hört der Wechſel von Ebbe und Flut auf, der Himmelskörper kehrt dann ſeinem Zentralkörper beſtändig dieſelbe Seite zu, und hier wie auf der entgegengeſetzten Seite entſteht nun eine dauernde Erhebung, 90° davon entfernt tritt aber eine dauernde Depreſſion der flüſſigen Hülle ein. G—1. Meteorbeobachtungen. Denning hat in Briſtol von 18731889 12083 Meteore beobachtet, von 9177 die Bahnen angegeben und 918 Rotationspunkte feſtgeſtellt. Die durchſchnittliche ſtündliche Anzahl der Meteore in den einzelnen Monaten betrug im Januar. . 6,5 WHS 5 5 AY September. 10,3 Februar . . 4,9 Jun?! 29 Oktober. . 11,8 Mär; 88 Si 6 6 TLS} Movember . 11,3 April. 6,6 Auguſt 11,3 Dezember . 8,9 das Jahresmittel alſo 8,3. Durch verſchiedene Beobach- tungen von Denning an anderen mehr rauchfreien Orten wächſt die letztere Zahl auf 11,4. Die Beobachtungen verteilen ſich ungefähr gleichmäßig auf die Morgenſtunden und ſind gewöhnlich zwiſchen dem dritten und erſten Viertel des Mondes angeſtellt worden. Die meiſten Meteore ſind zwiſchen 2 und 3 Uhr morgens beobachtet worden, wo ihre Anzahl doppelt ſo groß war als in den erſten Abend⸗ ſtunden. Häufig ſind gleichzeitig zwei oder drei Meteore mit demſelben Ausſtreuungspunkte beobachtet worden, die wahrſcheinlich durch Zerſpringen einer einzigen Maſſe ent⸗ ſtanden waren. Die durchſchnittliche Bahnlänge betrug 10,9, die Höhe im Mittel aus 38 Beobachtungen (Stern⸗ ſchnuppen und Feuerkugeln) am Anfang der Bahn 71,1 engliſche Meilen, am Ende 48,2 Meilen, d. i. 114, bezw. 77 km. Aus einer großen Anzahl ähnlicher Beobachtungen ergibt fic) die Anfangshöhe von 76,4 Meilen oder 123 km (683 Meteore), die Endhöhe von 50,8 Meilen oder 82 km (736 Meteore). Für die Feuerkugeln beträgt die mittlere Höhe beim Verlöſchen 30 Meilen oder 48 km, für die Sternſchnuppen 54 Meilen oder 87 km. 61. Eine neu entſtandene Inſel in der Hüdſee. Das engliſche Kriegsſchiff „Falcon“ fand im Jahre 1867 im ſüdweſtlichen Teil der Tongainſelgruppe unter 175° 21,5“ w. L. (von Greenwich) und 20° 19 eine Untiefe, aus der 10 Jahre ſpäter nach den Beobachtungen des engliſchen Kriegsſchiffesj „Sappho“ Rauch aufſtieg. Erſt im Jahre 1885 entſtieg an dieſer Stelle während eines unterſeeiſchen vulkaniſchen Ausbruchs eine neue Inſel dem Meere, die zuerſt am 14. Oktober vom Dampfer „Janet Nichol“ be- merkt wurde und deren Längsausdehnung auf 3,7 km, deren Höhe auf 75 m geſchätzt wurde. Eine genaue Auf- nahme fand erſt im Oktober 1889 durch den Kapitän des engliſchen Kriegsdampfers „Egeria“ ſtatt. Die Falconinſel, wie fie genannt wurde, ſtellt einen Haufen brauner vulkaniſcher Aſche dar, an dem ſich die Wogen des Ozeans gewaltig brechen und ſchäumend den Strand emporlaufen. Von der neuen Inſel aus ſieht man bei klarem Wetter im Norden die Berge von Tofua, über⸗ ragt von dem ſpitzen Vulkankegel Kao, im Süden die Inſeln Hongatonga und Hongahapai. Die Höhe der Inſel beträgt an der Südſeite, wo ſie faſt ſenkrecht zum Meere abfällt 47 m, nach Norden hin fällt das Terrain in ſanfter Böſchung zu einer etwa 3—4 m über Hochwaſſer liegen⸗ den Ebene ab. Die Länge des Eilandes beträgt jetzt nach genauen Meſſungen 2 km, die Breite 1,6 km, die Ober⸗ fläche beträgt 232 ha. Das Steilufer der Südſeite be⸗ ſteht aus feinkörnigem, graugrünem Material, welches teils durch leichte Farbenänderung, teils durch ausgeblühte weiße oder gelbe Salzſtreifen geſchichtet erſcheint. Auf der Böſchung finden ſich zahlreiche Bomben aus weißem, kryſtallführendem Geſtein, die jedoch in der Ebene fehlen. Der Wind hat das leichtere Material zu 3—4 m hohen Dünen zuſammengeweht, welche die Ebene durchziehen; längs des Ufers ſind vom Meere Furchen ausgewaſchen worden, die zur Flutzeit mit Seewaſſer angefüllt werden. Schon in kurzer Entfernung zeigt ſich die Inſel in einen ſchwachen blauen Dunſtſchleier gehüllt, der von einem leichten die Luft erfüllenden Schwefeldampf herrührt. Unter der Oberfläche bei 2 m Tiefe zeigte das Thermometer 41 C.; auf einem Hügel entſtiegen dem Boden drei feine Dampf⸗ ſtrahlen, deren Austrittsöffnungen mit Salzablagerungen inkruſtiert waren. Die Flora beſchränkt ſich auf zwei kleine Kokospalmen und drei nicht näher bezeichnete Pflanzen; geſtrandete Früchte von Pandanus, Baringtonia u. a. wurden mehrfach beobachtet. Die Fauna war nur durch einen Sandpfeifer (Actitis incana) und eine Motte ver⸗ treten; Bohrlöcher eines Wurmes und Korallenſtücke be⸗ merkte man am Ufer. Wahrſcheinlich wird die neu entſtandene Inſel gleich vielen ihresgleichen in kurzem wieder im Meere verſchwin⸗ den. Korallen werden ſich auf der Untiefe anſiedeln und durch ihre unermüdliche Thätigkeit zur Bildung eines Atolls Veranlaſſung geben, der ſchließlich über der Ober⸗ fläche des Meeres erſcheint und angeſchwemmten Früchten und Samen eine Keimgelegenheit bietet, wodurch eine neue grüne Inſel entſtehen wird (Proceed. of the R. Geog. Soc. VII. 3. 1890 p. 157). ay Die präglaciale Zeit in Oberitalien. Zu der ſchon länger aus den Ligniten von Leffe durch Sordelli be⸗ kannten Emys (Lutremys) europaea kamen neuerdings auch ſolche Funde in den Torfen von Cataragna und Deſenzano und aus dem Travertin von Bardano bei Orvieto. Jene Lignite, die an der Baſis des Diluviums liegen, alſo präglacial oder oberpliocän ſind, ſtimmen in charakteriſtiſchen Früchten auch mit der Oberpliocänflora überein, die Referent aus dem Untermaingebiet bekannt ge⸗ macht hat. Aber auch inſofern beſteht eine Uebereinſtim⸗ mung, als ebenſo wie die Oberpliocänflora des Main⸗ gebietes Früchte enthält, die auch in der heutigen Flora vorkommen, ſo alſo dort ein Tier, eine Schildkröte, lebte, das ſich bis heute erhalten hat. Außer dieſen präglacialen Ablagerungen ſind vor einigen Jahren von Stoppani auch ſolche mit einer marinen Fauna entdeckt worden, die mit der oberpliocänen, ſubapenniniſchen Fauna Piemonts über⸗ einſtimmt. Sie beſtätigt, was Portis aus den obigen Schild⸗ krötenfunden geſchloſſen hat, daß nämlich das Klima zur damaligen Zeit eher etwas wärmer war als das heutige. Daraus erklärt es ſich aber auch ungezwungen, warum die von den Alpen herniederſteigenden Eismaſſen auf der Südſeite nicht entfernt eine Ausbreitung erlangten, wie Humboldt. — September 1890. auf der Nordſeite. Das warme Waſſer, die warmen Lüfte {deinen die Stirn der Gletſcher im ſelben Maße abge- ſchmolzen zu haben, als ſie vordrangen. So erklärt es ſich dann aber auch, daß ſich im Liegenden der glacialen Schuttmaſſen nur ſelten ſolche marine Tiere führende Sedimente finden; es ſind bisher, ſoweit mir bekannt, nur zwei Lokalitäten konſtatiert: Camerlata bei Como und Balerna im Teſſin. Mit dem Abſchmelzen der Gletſcher war nicht allein eine Abkühlung des Meerwaſſers, ſondern auch eine Veränderung der Zuſammenſetzung desſelben durch die Schmelzwäſſer bedingt, was beides der Natur jener Meereskonchylien nicht entſprach und ſo ihrer weiteren Anſiedelung hinderlich ſein mußte. Wenn alſo auch das warme Waſſer die Gletſchermaſſen einengte, ſo haben um— gekehrt doch auch die von den letzteren transportierten Schuttmaſſen die Ufer weiter ſüdlich geſchoben. Ki. Zur Frage über die Herkunft der blaſigen Schlacke von Sylt. Im 6. Hefte dieſes Jahrganges S. 189 erwähnt Dr. Paul Knuth die blaſigen Schlacken, welche am Weſtrande der Inſel Sylt gefunden werden und fragt: „Vielleicht iſt einer der Leſer im ſtande, Auskunft über das Geſtein zu geben?“ Hierzu erlaube ich mir zu bemerken, daß außer Meyn auch Seeheim in ſeinem „Bei— trag zur Entſtehungsgeſchichte der Niederlande“ (Verh. d. Naturh. Vereins d. pr. Rheinlande. 1885 S. 381) von denſelben ſpricht und ſie als von Island ſtammend hin— ſtellt, ohne nur irgend einen Beweis dafür aufzubringen. Genauer unterſucht ſind ſie meines Wiſſens nur von dem Privatdozenten Dr. J. Felix in Leipzig, welcher eine Notiz über ſie in der Berg- und Hüttenmänniſchen Zeitung, Jahrgang 1887, Nr. 35, S. 324 ff. veröffentlichte. Nach ihr lieferte die chemiſche Analyſe folgendes Reſultat: „Durch Salpeterſäure ausziehbar waren Aluminium, Eiſen, Mangan, Calcium. Nach dem Schmelzen mit kohlenſaurem Natronkali ergab ſich noch: Aluminium, Calcium, Magne— ſium. Von gebundenen Säuren waren vorhanden: Kieſel— ſäure und Schwefelwaſſerſtoff. Außerdem wurden noch Spuren von Arſen und Natrium beobachtet. Es ſind dies alſo dieſelben Subſtanzen, welche auch in den Hohofen— ſchlacken enthalten find, und es weiſen namentlich Beffemer- ſchlacken und ſolche von Kokshohöfen eine ähnliche Zu— ſammenſetzung auf. Auffallend für vulkaniſche Schlacken wäre der Gehalt an Schwefelcaleium.“ Die mikroſkopiſche Unterſuchung ergab an zwei Dünnſchliffen: Der Dünn⸗ ſchliff zeigte abſolut keine Aehnlichkeit mit dem einer vulkaniſchen Schlacke oder blaſigen Lava. Man gewahrte eine farbloſe Subſtanz, die in verſchiedenem Grade ent— glaſt war. Die entglaſten Partien hatten eine fein⸗ faſerige oder feinkörnige Struktur angenommen und waren meiſt von unregelmäßiger Form, einzelne zeigten die Ge— ſtalt von Farnwedeln; in jener Maſſe fanden ſich ferner ſtängelige oder ſäulenförmige, kryſtallähnliche Ausſcheidun⸗ gen, es war jedoch nicht möglich, ſie auf ein beſtimmtes Mineral zurückzuführen. Ueberhaupt konnte Dr. Felix kein einziges ſicheres Mineral im Schliffe auffinden, ein Verhältnis, welches man eben gerade vielfach bei Unter⸗ ſuchung von künſtlichen Schlacken antrifft. Außer jenen kryſtalliniſchen Ausſcheidungen fanden ſich nur noch dunkel kontourierte Körperchen, die in ſogenannten ffelett- oder achſenförmigen Gebilden gruppiert waren; auch ſie ſind in künſtlichen Schmelzprodukten weit verbreitet. Dr. Felix kommt zu dem Schluſſe, daß die Schlacken die Erzeugniſſe irgend einer Induſtrie ſeien. Dresden. §. Engelhardt. Einen Anterſchied zwiſchen Pflanzen und Tieren zu finden, hat man ſich früher vielfach vergeblich bemüht. Ein Merkmal nach dem anderen wurde hervorgeſucht, von dem man glaubte, daß es entweder nur den Tieren oder nur den Pflanzen eigentümlich ſei, und welches daher die Möglichkeit gewähren ſollte, die auf den niederſten Lebens⸗ ſtufen ſtehenden Tiere und Pflanzen voneinander abzu— grenzen. Aber die Freude über die Entdeckung eines neuen Merkmals dauerte immer nur ſo lange, bis man die Er— 319 fahrung gemacht hatte, daß es nicht dem einen der beiden Reiche ausſchließlich zukomme, und daß es folglich unbrauch— bar ſei. Eine ſehr wichtige Rolle hat in dieſer Frage die Anſchauung geſpielt, daß die Celluloſe, aus der ſich die Zellwände der Pflanzen zuſammenſetzen, im Tierreiche nicht vorkomme. Da entdeckte C. Schmidt 1845, daß der Mantel der Seeſcheiden (Aseidien) aus Celluloſe beſteht, und damit hatte dieſes Merkmal ſeinen Wert zum Nach— weis der pflanzlichen Natur eines Lebeweſens verloren. Indeſſen konnte man trotz mehrfacher Bemühungen doch nur noch in wenigen Fällen die Celluloſe bei anderen Tieren auffinden, ſo z. B. in den Hüllen eingekapſelter Infuſorien. Kürzlich iſt es aber Ambronn gelegentlich eines Aufenthalts auf der Zoologiſchen Station zu Neapel gelungen, den Nachweis zu führen, daß die Celluloſe oder ein derſelben ſehr nahe ſtehender Körper unter den Gliedertieren eine ſehr allgemeine Verbreitung hat. Sie findet ſich im Panzer und in den Sehnen zahlreicher großer und kleiner Krebstiere (u. a. des Hummers), ferner bei vielen Inſekten, namentlich im Skelett und in den Sehnen der Beine von Spinnen, Heuſchrecken und Bienen; auch den Tauſendfüßern fehlt ſie nicht. Unter den an— deren größeren Tiergruppen zeigten nur einige Mollusken Gehalt an Celluloſe, namentlich war ſie reichlich vor— handen in der Rückenſchulpe der Tintenfiſchgattungen Sepia und Loligo. D. Das Auftreten der Nonne in Bayern. Die Raupe des unter dem Namen der Nonne (Ocneria monacha L.) bekannten und als Feind des Nadelwaldes gefürchteten Schmetterlings iſt in den letzten Monaten in den Wäldern der Umgebung Münchens in einer Weiſe ſchädigend aufgetreten, welche in der Forſtgeſchichte Bayerns einzig daſteht. Als Heimat der Nonne in der Nähe Münchens können die auf magerem Kies- und Sandboden erwachſenen Föhrenwaldungen in der Umgebung von Schleißheim betrachtet werden; hier findet ſie ſich ſtändig, und tritt auch von Zeit zu Zeit in größerer Zahl auf, ſo daß beſondere Maßregeln gegen ihre Verbreitung ergriffen werden. Dies geſchah auch im Jahre 1889; in dem gleichen Jahre aber erſchien die Nonne, wie wir einem fachmänniſchen Artikel in den Münchener Neueſten Nach— richten (1890 Nr. 308) entnehmen, nicht nur in den nördlich von München gelegenen Schleißheimer Waldungen in großer Menge, ſondern zugleich auch in den 3—4 Stun- den öſtlich und ſüdlich von München gelegenen großen ſtaatlichen Fichtenwaldungen des Ebersberger Forſtes und der Bezirke Forſtenried, Perlach, Grünwald, Sauerlach, Hofolding u. ſ. w. Der Verfaſſer des Artikels ſpricht die Vermutung aus, daß an dieſer unerwarteten Verbreitung des Schädlings das elektriſche Licht nicht ohne Schuld ſei, welches anläßlich der Kunſtgewerbeausſtellung im Jahre 1888 ein auf dem Eingangsturm angebrachter Marine— reflektor ausſtrahlte. Unter der großen Menge von Schmetterlingen, welche der meilenweit wahrnehmbare Schein des elektriſchen Lichtes anzog, fand fic) nach da- maligen Beobachtungen auch die Nonne ein und zwar nicht in einzelnen Exemplaren, ſondern in großen wolkenartigen Schwärmen; es iſt daher nicht ausgeſchloſſen, daß ſolche aus den Schleißheimer Waldungen angelockte Schwärme durch die aus Weſten und Nordweſten herrſchende Wind— ſtrömung in die öſtlich und ſüdlich von München gelegenen Waldungen getragen worden ſind und daſelbſt ihre Eier ablegten. In den faſt nur aus Föhren beſtehenden Wal- dungen von Schleißheim verlief das ſtärkere Auftreten der Nonne wie in früheren Jahren, ohne daß beſonderer Schaden angerichtet worden, in den Fichtenwaldbeſtänden der genannten Bezirke dagegen haben die Verwüſtungen ſchon jetzt, im zweiten Jahr der Infektion, erſchreckende Dimenſionen angenommen. In dem vom 8. Juli datier- ten erwähnten Artikel wird die Größe der zu dieſer Zeit bereits kahl gefreſſenen Fläche nach beiläufigem Ueberſchlag auf 5000 Tagwerk angegeben, und eine dreifach größere Fläche war bereits ergriffen und ebenfalls rettungslos ver- loren. Seit dieſer Zeit ſind auch noch in anderen Be- 320 Humboldt. — September 1890. zirken, darunter auch in Privatwaldungen, z. B. bei Deiſenhofen, ähnliche Verwüſtungen nachgewieſen worden. Nur beiläufig ſei hier daran erinnert, daß häufig in der Preſſe ſich findende Ausdrücke, wie „die Nonnenraupe hat ihren Einzug gehalten“ u. dergl. nicht korrekt ſind, indem nicht die Raupe, ſondern nur der Schmetterling wandert; es war demnach die Nonnenraupe in allen Wäldern, in denen ſie jetzt ſchädigend auftritt, auch ſchon im Frühjahr vorhanden, entging aber der Beobachtung. Hiermit ging zugleich die Zeit zu wirkſamen Vertilgungsmaßregeln der Raupen größtenteils verloren, und ſobald ſich dieſelben verpuppt haben, was in dieſen Tagen (Mitte Juli) ge⸗ ſchieht, ſind ſie völlig einer Vertilgung durch Aufſuchen der Puppen entzogen. Die in Ausſicht genommenen und zum Teil ſchon begonnenen Schutzmaßregeln können dem⸗ nach nicht die Verhinderung einer weiteren Ausdehnung des diesjährigen Raupenfraßes bezwecken, wozu es ſchon zu ſpät iſt, ſondern ſind prophylaktiſche Maßregeln für das nächſte Jahr, in welchem ſomit die Verbreitung der Nonne und die Größe der durch ihre Raupen angerichteten Ver⸗ wüſtungen noch nie dageweſene Dimenſionen annehmen könnten. Es wird ſich demgemäß um eine möglichſte Ver⸗ tilgung der in wenig Wochen ausſchlüpfenden Schmetter⸗ linge handeln, ehe dieſelben zur Eiablage gelangen und ſind in dieſer Richtung ſchon Vorbereitungen getroffen. Außerdem hat die bayeriſche Regierung zum Zweck einer möglichſt vollſtändigen Vertilgung auch zum Radikal⸗ mittel, der Abforſtung der meiſt betroffenen Waldungen gegriffen und den vollſtändigen Schlag des Ebersberger Forſtes angeordnet. Es ſind in demſelben, nachdem vor⸗ her das Wild abgeſchoſſen iſt, nahezu 800 000 Ster Holz zu ſchlagen und ſofort zu entrinden, zu welchem Zweck gegen 1000 Holzhauer angeworben ſind. Dieſelben werden in eigens errichteten Blockhäuſern im Wald wohnen, eigene Kochſtätten und Kantinen ſorgen für die leiblichen Be⸗ dürfniſſe. Zur Beförderung der großen Maſſe gefällten Holzes ſoll eine eigene Waldbahn aus dem Schlagplatz nach der Station Kirchſee errichtet werden; zur Ver⸗ meidung eines ſtarken Preisrückganges des Holzes iſt zu⸗ gleich in einer Reihe von Staatswaldungen die Ausſetzung des etatsmäßigen Schlages für dieſes Jahr angeordnet worden. Erſt im nächſten Jahr wird es ſich zeigen, in⸗ wieweit es dem Menſchen in Verbindung mit den natür⸗ lichen Feinden der Nonne, wie Schlupfweſpen, Laufkäfer, Vögeln u. ſ. w., gelungen iſt, des gefährlichen Feindes Herr zu werden. I Zur Befruchtung bei den Arodelen. Die Frage nach der Art und Weiſe der Befruchtung bei den ge⸗ ſchwänzten Amphibien iſt ſchon ſeit einem Jahrhundert diskutiert, zu verſchiedenen Zeiten aber ſehr verſchieden beantwortet worden. Spallanzani als der erſte, der ſich mit dieſer Frage beſchäftigte, hatte durch zahlreiche Be- obachtungen unſerer Waſſerſalamander erkannt, daß bei dieſen keine Begattung und doch eine innere Befruchtung ſtattfindet; in Verbindung dieſer beiden Thatſachen zog er den Schluß, daß der Same ſich mit dem Waſſer miſche und mit dieſem an den After des Weibchens und in das Innere gelange. Der gleichen Anſicht war Rusconi, der aber außerdem neben der inneren eine äußere Befruch⸗ tung annahm, welche in demſelben Augenblick ſtattfinden ſollte, in welchem die Eier von dem Weibchen nach außen abgelegt und feſtgeklebt werden. Zu völlig anderer An⸗ nahme führte die Entdeckung v. Siebolds von dem Vor⸗ handenſein einer Samentaſche in der Kloakenwand der weiblichen Salamander und Tritonen, indem man die Füllung derſelben mit Sperma nicht anders erklären zu können glaubte, als durch Begattung der Tiere. Daß eine ſolche thatſächlich nie beobachtet worden, wurde hierbei nicht in Betracht gezogen, und als bekannt wurde, daß der männliche Axolotl ſeinen Samen in Form von Sperma⸗ tophoren nach außen abſetzt, ſuchte man dies mit einer geſteigerten und unzeitgemäßen Samenproduktion zu er⸗ klären. Eine richtige Schilderung der thatſächlichen Vor⸗ gänge bei der Befruchtung der Molche lieferte erſt 1881 Gasco, indem er zuerſt beim Alpenmolch, Triton alpest- ris, und dann beim Axolotl erkannte, daß der von dem Männchen nach außen abgeſetzte Same vom Weibchen in aktiver Weiſe in die Kloake aufgenommen wird. Daß noch in neueren Lehrbüchern die Sieboldſche Anſicht von der inneren Befruchtung der Urodelen feſtgehalten wird, läßt Gascos Unterſuchungen überſehen oder wenig gewür⸗ digt erſcheinen; ihre volle Richtigkeit jedoch wird durch neue Unterſuchungen Zellers bewieſen (Ueber die Be⸗ fruchtung bei den Urodelen: Zeitſchr. f. wiſſenſchaftl. Zoo⸗ logie Bd. 49, Heft 4, 1890). Zeller konnte durch direkte Beobachtung nachweiſen, daß bei unſeren einheimiſchen Tritonen, dem ſpaniſchen Rippenmolch und dem Axolotl keine Begattung ſtattfindet, ſondern das Männchen ſeinen Samen in Form von Spermatophoren nach außen abſetzt, welche das Weibchen dann aktiv aufnimmt; das Gleiche iſt, ebenfalls nach Beobachtungen, faſt unzweifelhaft gültig für die Erdſalamander, und wahrſcheinlich iſt dieſe Art der Befruchtung für alle Urodelen anzunehmen. Die Aus⸗ ſtoßung der Spermatophoren und ihre Aufnahme durch das Weibchen iſt die in kürzeſter Zeit ſich abſpielende Schlußſcene des oft viele Stunden währenden vorausgehen⸗ den Liebesſpieles. Von unſeren einheimiſchen Tritonen iſt dasſelbe wohl jedem Leſer bekannt; abweichend verhält ſich der amerikaniſche Triton viridescens, der mit großer Gewandtheit ſeinem Weibchen auf den Nacken ſpringt und mit ſeinen außerordentlich ſtarken, wie ſchaufelförmig ver⸗ breiterten, dazu noch mit beſonderen Haftorganen ver⸗ ſehenen Hinterbeinen die Kehle desſelben krampfhaft um⸗ klammert. Vom ſchwarzen Salamander iſt bekannt, daß das Männchen das Weibchen ebenfalls vom Rücken aus umfaßt, wobei das Weibchen ſeine Vorderfüße über jene des Männchens von hinten nach vorn ſchlägt; der ſpaniſche Rippenmolch verfährt wieder anders, indem er ſeine haken⸗ förmig und nach oben gekrümmten Vorderbeine von unten und hinten her über die Vorderbeine des Weibchens wirft und ſich das Weibchen auf den Rücken ladet; bei dem trägen Axolotl zeigt ſich das Vorſpiel der Befruchtung nur in großer Erregung und ungeſtümem Hine und Her⸗ ſchwimmen. Der Schlußakt dieſer mannigfachen Liebes⸗ erregung verläuft bei allen erwähnten Molchen in gleicher Weiſe: im Moment der höchſten Erregung gibt das Männchen dicht vor der Schnauze des Weibchens einen Spermatophoren ab, wobei diejenigen Männchen, welche ihre Weibchen von oben oder unten umfaßt halten, die⸗ ſelben zum Teil loslaſſen. Das Weibchen kriecht dann über den Spermatophoren hinweg und läßt ſich die Samenmaſſe in der Rinne der feſtgeſchloſſenen Kloaken⸗ ſpalte anhängen, von wo aus dann die Spermatozoen in die Kloake, wie auch in die Schläuche des Receptacu- lum seminis eindringen; ein Aufſaugen der Samenmaſſe durch die geöffneten Lippen der Kloakenmündung, wie dies Zeller zuerſt angenommen hatte, findet nicht ſtatt (Berichtigung im Zool. Anz. Nr. 338, 1890). Die Samenmaſſe hat bei unſeren Tritonen die Form eines kleinen, am oberen Ende meiſt leicht umgebogenen Stiftes, ungefähr 4 mm lang und 1 mm dick; ſie iſt, wie Zeller zum erſtenmal nachgewieſen, in eine Gallerthülle eingeſenkt, die bei unſeren einheimiſchen Tritonen eine merkwürdige Becher⸗ oder Glockenform darſtellt, nach den einzelnen Arten aber charakteriſtiſche Verſchiedenheiten aufweiſt. Die Gallertmaſſe wird zweifellos von der Kloakendrüſe geliefert und ihre Form durch die Geſtalt der Kloakenhöhle bedingt, ſo zwar, „daß durch die Wandung das Modell für die Außenſeite der Glocke gegeben iſt und im beſondern die leiſtenförmigen Hervorragungen der letzteren auf das genaueſte den feinen linienförmigen Furchen entſprechen, welche in ganz beſtimmter Anordnung über die Kloaken⸗ wand hinziehen und dieſe wie gefältelt erſcheinen laſſen, während durch die „pilzförmige Papille“ der Kloake, welche bis dahin als Begattungsorgan gegolten hatte, der Kern der Gußform gebildet und die glatte Höhlung der Glocke hergeſtellt wird“. Bei dem nordamerikaniſchen Triton viridescens, ſowie beim Axolotl iſt der Samenträger nicht glockenförmig, ſondern kegelförmig mit leichter Einziehung Humboldt. — September 1890. 321 der Baſalfläche. Bei allen Formen iſt dieſe ſonderbare Hülle gallertig, von weicher Konſiſtenz, im Waſſer auf— quellend, farblos und durchſichtig. Bringt man ſie, gleich nachdem der Spermatophor abgeſetzt worden iſt, in eine Löſung von doppeltchromſaurem Kali, ſo erhält ſich ihre Form vorzüglich. Bei der Aufnahme der Samenmaſſe durch das Weibchen bleibt die Hülle des Samenträgers im Waſſer zurück. Am leichteſten laſſen ſich alle Befruch— tungsvorgänge, wie Zeller dies des näheren ausführt, am Axolotl ſtudieren. —p. Ueber den Flug einer Nauchſchwalbe (Hirundo rustica) von Paris nach Calais machte kürzlich J. Vian in der Pariſer Zoologiſchen Geſellſchaft die folgende Mit— teilung: Zwei Rauchſchwalben hatten ſeit mehreren Jahren ihr Neſt in einer Orangerie des Schloſſes von Nielles— les-Ardres (Pas-de-Calais), welches Baron v. Vilmareſt gehört. Im Auguſt 1889 hatten fünf Junge das Neſt verlaſſen und ihre Ausflüge begonnen; des Abends kehrten ſie mit den Eltern zum Neſt zurück, um in der Nähe des— ſelben zu übernachten. Am 24. Auguſt, 9 Uhr abends, fingen die Diener des Herrn v. Vilmareſt, welche zur Welt— ausſtellung fahren wollten, eine der beiden erwachſenen Schwalben und brachten ſie in einem Säckchen nach Paris, wo ſie mit dem Nachtzuge ankamen. Am 25., um halb 10 Uhr des Morgens, ließen ſie die Schwalbe am Fuße des Eiffelturmes fliegen. Sie ſtieg ſenkrecht empor bis zur Höhe der erſten Galerie des Turmes; darauf flog ſie in wagerechter Richtung nach Norden über die Seine, ohne daß ſie irgendwie zu zögern ſchien. Um 11 Uhr 46 Min. langte die Schwalbe wieder in Nielles an, wo ſie von dem ſie erwartenden Wächter des Herrn v. Vilmareſt an dem roten Bändchen, das man ihr angelegt hatte, erkannt wurde. Sie flog in die Orangerie hinein, kam aber ſo— gleich wieder heraus, jedenfalls weil ſie die Jungen dort nicht vorfand, welche morgens zur Jagd ausgeflogen waren. Am Abend kam ſie mit ihnen zurück. Sie fuhr fort, die Nächte in der Nähe des Neſtes zu verbringen, ſelbſt nach— dem ſie ein zweites Mal zum Zweck der Entfernung des Bändchens eingefangen worden war. Calais iſt 296 hm von Paris entfernt, und Nielles liegt noch 16 km weiter ab. In der Luft hat die Schwalbe etwa 240 hm zurück— gelegt, und ſie hat dazu nur 2 St. 16 Min. gebraucht. Und doch mußte ihr der Weg unbekannt ſein, denn ohne Zweifel iſt ſie auf ihrem Wege von Afrika nach Calais nicht über Paris geflogen. — Uebrigens ſind ähnliche Ver— ſuche ſchon früher angeſtellt worden. Man hat auch Schwalben zu gleicher Zeit mit Brieftauben fliegen laſſen und beobachtet, daß ſie beträchtlich früher ankamen als dieſe. Nach den Ergebniſſen der bisherigen Verſuche hat die Schwalbe eine Geſchwindigkeit von 125 km, die Mauer- ſchwalbe eine ſolche von 130 km und die Taube eine von 72 km in der Stunde. D. Träume der Blinden. Einer der erſten, der dieſes Thema mit allen Hilfsmitteln der exakten Wiſſenſchaft be— arbeitete und durch ſtatiſtiſche Unterſuchungen erheblich för— derte, war wohl G. Heermann im Jahre 1838. Er meinte, daß diejenigen, welche das Geſicht vor dem Alter von 5 zu 7 Jahren verloren haben, im ſpäteren Leben nicht mehr mit Hilfe von Geſichtsbildern träumen, während das die— jenigen thun ſollen, welche nach dieſem kritiſchen Alter durch Blindheit heimgeſucht worden ſind. Ebenſo ſollte übrigens nach Heermann Taubheit nur dann Stummbeit im Gefolge haben, wenn ſie bereits vor dem fünften Lebens— jahre eingetreten war. Neuerdings hat nun Prof. Dr. Joſeph Jaſtrow in einer in Deutſchland wenig beachteten Ab— handlung (The dreams of the blind, New-Princeton Review, Jan. 1888) die inzwiſchen vielfach diskutierte Frage nach den Träumen Erblindeter mit großer Sorgfalt in Angriff genommen. Er berichtet über Erhebungen an bei— nahe 200 Perſonen und gelangt zu ähnlichen Ergebniſſen wie Heermann. Auf Grund von 100 Antworten auf die Frage: „Welches iſt Ihre früheſte Erinnerung an ſich ſelbſt?“ fand Jaſtrow, daß das mittlere Alter auf 5.2 Jahre zu— Humboldt 1890. rückgeht. In dieſem Alter ungefähr, ſo ſchließt er, erfolge eine Unabhängigkeitserklärung der ſenſoriſchen Zentren von dem durch die Sinnesempfindungen gelieferten Material. Daher dürfe nicht länger behauptet werden, daß zugleich mit einer völligen Zerſtörung eines Sinnesorganes die durch das Organ gelieferten Vorſtellungen der Vernichtung anheimfielen. Der Verfaſſer glaubt ferner feſtgeſtellt zu haben, daß Blinde im großen und ganzen weniger als Sehende, aber Frauen mehr als Männer, träumen. Die Träume blinder Perſonen beſchränken ſich gewöhnlich auf Gehörsempfindungen und nehmen von der Jugend zum Alter hin ab. M. D. Schwierigkeiten des Wortverſtehens. Die bekannte Thatſache, daß wir im Geſpräch oder beim Anhören von Rednern, Schauſpielern u. ſ. w. manchmal die Worte nicht genau verſtehen, ſie vielmehr oft (und zwar nicht ſelten unbewußt) nach dem Zuſammenhang erraten oder ergänzen, wird durch eine Reihe pſychologiſcher Experimente beſtätigt, welche eine Boſtoner Lehrerin Sara E. Wiltſe mit Er— laubnis der dortigen Schulbehörde vorgenommen hat. In einer Lateinſchule wurde vom Katheder aus, nachdem die Genauigkeit der Ausſprache durch Uebungen erhöht und von geeigneten Perſonen beſtätigt worden war, eine An— zahl von ſchwierigen Worten an die Schulknaben gerichtet, Worte wie z. B. ultramarine, altruistic, frustrate, ulti- matum, ululate. Zwiſchen jedem Wort blieb genug Zeit, damit die Schüler das Gehörte aufſchreiben konnten. Von 259 Knaben im Alter von 12 bis zu 20 Jahren machten 84 Fehler in den Vokalen, ſchrieben alſo etwa: altramarine, ultruistic, frostrate, altimatum, elulate, olulate, alulate. Dieſe 84 Schüler wurden nun in verſchiedene Zimmer verteilt und aufgefordert, eine Anzahl einſilbiger Worte, welche der hinter ihnen ſtehende Experimentator ausſprach, niederzuſchreiben. Die gewählten Vokabeln lauteten: lan, log, long, pen, dog, pod, land, few, cat. Von vieren unter den 84 Knaben wurden ſämtliche Worte richtig perzipiert und von allen 84 Knaben das Wort aat richtig verſtanden, aber ſonſt ſchwanken die Aufzeichnungen für lan zwiſchen fanned und clam, für log zwiſchen glove und land, für long zwiſchen lawn und lamp, für pen zwiſchen paint und ten, für dog zwiſchen dove und dug, für pod zwiſchen hour und part, für land zwiſchen can und blend, für few zwiſchen fuse und pen. Die Unterſuchung hatte übrigens auch den Erfolg, daß eine Anzahl von Schülern, die für träge und unaufmerkſam galten, als ſchwerhörig ermittelt, in die vorderſten Bänke geſetzt und ſo zu einem gedeihlichen Mitarbeiten geführt wurden. Ein Wink für unſere Pädagogen! M. D. Die Auffaffung von Tondiſtanzen ijt neuerdings durch eine ſorgſame Unterſuchung von Carl Lorenz theo— retiſch und experimentell erörtert worden (ſ. Wundts philoſ— Studien, VI, 1, S. 26 ff. 1890). Der Verfaſſer konnte auf frühere Arbeiten von Stumpf und Preyer und auf ge— legentliche Beobachtungen von Delefenne, Sauveur, Scheibler, Seebeck zurückblicken; auch hat bereits vor Jahren ein an— derer Schüler Wundts, E. Luft, das gleiche Thema: Ent— ſpricht das unmittelbar in der Empfindung gelegene Maß für endliche Tonhöhenunterſchiede dem Weberſchen Geſetz? mit Geſchick behandelt. Lorenz faßt nun die Frage etwas weiter und benutzt den Appunnſchen Tonmeſſer; am wich— tigſten aber iſt, daß er eine neue Methode der Unter- ſuchung einführt. Dieſes Verfahren beſteht in einer Kom— bination der Methode der richtigen und falſchen Fälle und der Methode der übermerklichen Unterſchiede. Es wurden bei jedem Verſuch drei Töne nacheinander, etwa in ein— ſekundigen Pauſen, angegeben, und es ſollte nun jedesmal entſchieden werden, ob der mittlere der drei Töne dem tieferen oder dem hoheren näher lag bezw. gerade die Mitte zwiſchen beiden hielt. Die Ergebniſſe der Schätzungen wurden dann nach der Methode der richtigen und falſchen Fälle behandelt, indem die Auffaſſung zu Grunde lag, daß die Beurteilung der Lage des Mitteltons eine Verglei— chung von zwei aneinander ſtoßenden Tondiſtanzen bedeute, 41 322 Humboldt. — September 1890. nämlich der Diſtanz, welche zwiſchen dem tiefen Grund⸗ ton und dem mittleren variablen Ton einerſeits, und der Diſtanz, welche zwiſchen dieſem und dem hohen Grenztone andererſeits liegt. — Die Ergebniſſe ſeiner Verſuche faßt Lorenz folgendermaßen zuſammen: Erſtens liefern ſie einen direkten Beweis dafür, daß wir die Fähigkeit beſitzen, end⸗ liche Tonhöhenunterſchiede unabhängig von der Klangver⸗ wandtſchaft miteinander zu vergleichen und aneinander zu meſſen. Zweitens zeigen ſie, daß dieſes unmittelbar in der Empfindung gelegene Maß für Tonhöhenunterſchiede nicht dem Weber'ſchen Geſetz entſpricht, daß alſo die gleichen harmoniſchen Intervalle nicht gleiche abſolute Unterſchiede der Empfindung darſtellen, ſondern zwiſchen den abſoluten Unterſchieden der Tonempfindung und den Unterſchieden der Schwingungszahlen eine nahezu vollſtändige Proportionalität beſteht. Drittens glaubt Lorenz durch ſeine Verſuche dar⸗ gethan zu haben, daß die Methode der übermerklichen Unter⸗ ſchiede in der von ihm benutzten Form, namentlich in Ver⸗ bindung mit der Methode der richtigen und falſchen Fälle, auch im Gebiet der Tonempfindungen Anwendung finden kann und nicht beſchränkt bleibt auf ihre bisherige An⸗ wendung bei der Vergleichung von Lichtintenſitäten, wie dies mehrfach vermutet wurde. Alle dieſe Schlußfolge⸗ rungen erſcheinen dem Referenten nicht einwandfrei. M. D. Katurwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen etc. Ein Laboratorium für Phytobiologie iſt am 15. Mai zu Fontainebleau eröffnet worden. Es ſteht unter der Direktion von R. G. Bonnier, Profeſſor der Botanik an der Sorbonne zu Paris, an welchen Aufnahmegeſuche zur Ausführung von Studien in dieſem Laboratorium zu richten ſind. a0 Die Regierung der Vereinigten Staaten Nordamerikas hat im Oktober vorigen Jahres auf dem Kriegsſchiff Penſacola eine große wiſſenſchaftliche Expedition aus⸗ geſandt, um ſowohl aſtronomiſche und erdmagnetiſche als auch naturhiſtoriſche, anthropologiſche und ethnologiſche Unterſuchungen in den beſuchten Ländern und Meeren vorzunehmen. Von New Pork ausſegelnd, iſt die Expedition über die Azoren und Kap Verde nach Sierra Leone, nach der Goldküſte, Sao Paolo de Leando, Kap Ledo, Kapſtadt, St. Helena und Aſcenſion gelangt; von dem letztgenanten Punkte gedachte ſie über Barbadoes nach ihrem Aus⸗ gangspunkte zurückzukehren. Mit den wiſſenſchaftlichen Ergebniſſen iſt man ſehr zufrieden. D. Dem Muſeum in Kalkutta hat der indiſche Ver⸗ meſſungsdampfer Inveſtigator, welcher kürzlich von einer längeren Reiſe nach Bombay zurückkehrte, eine reiche zoologiſche Sammlung aus den ſeichten Strichen wie aus den Tiefen der indiſchen Gewäſſer zugehen laſſen. Im Muſeum iſt man beſchäftigt, die neuen Funde zu ordnen und in Gruppen zuſammenzuſtellen, um ſie dann den Spezialiſten in Europa zur Feſtſtellung, Beſchreibung und Benennung zu übermitteln. Die Fiſche und Schaltiere werden zurückbehalten und in Kalkutta geordnet und be⸗ ſtimmt. Einige ſehr ergiebige Züge wurden aus den Tiefen des Arabiſchen Meerbuſens zu Tage gefördert. Es befanden ſich darunter zahlreiche neue Exemplare von Tief⸗ ſeefiſchen und Schaltieren, ſo zwei neue Arten Hummer, eine ganze Menge verſchiedener kleinerer Krabben und einige rieſige Tiere vom Aſſelngeſchlecht, die dem Anſchein nach verwandt ſind mit einem derartigen ſonderbaren Geſchöpf, das vor mehreren Jahren von dem amerikaniſchen Dampfer Blake im Golf von Florida aus der Tiefe ans Licht ge⸗ bracht wurde. D. Der Votaniſche Garten in Buitenzorg wurde nach Mitteilungen von Dr. Treub in der Revue des deux mondes im Beginn dieſes Jahrhunderts (1817) gegrün⸗ det, als die Kolonien wieder in holländiſchen Beſitz kamen, und hat ſich ſeit dieſer Zeit ſehr entwickelt. Man züchtet dort alle Pflanzen des malayiſchen Archipels, mit beſon⸗ derer Berückſichtigung der Kulturpflanzen, und gibt auch den Pflanzern Winke über manche wiſſenſchaftlich feſtge⸗ ſtellte Thatſachen, die von großem praktiſchen Nutzen ſind. Aber auch rein wiſſenſchaftliche Unterſuchungen werden vorgenommen, das Leben der Pflanzen, deren Phyſiologie und Pathologie betreffend. Fremde Forſcher werden gern an dieſer wiſſenſchaftlichen Anſtalt behufs weiterer Aus⸗ bildung und zum Studium aufgenommen, und ſeit vor vier Jahren die indiſche Regierung einige Arbeitstiſche in Buitenzorg Botanikern zur Verfügung ſtellte, ſind dieſe faſt ſtets beſetzt geweſen, meiſtens durch Ausländer, die hier im ſtande ſind, wie ſelten irgendwo, die tropiſchen Gewächſe zu ſtudieren, da außer in Buitenzorg nur in Kalkutta und auf Ceylon ähnliche Einrichtungen beſtehen Der Botaniſche Garten beſteht aus dem eigentlichen, 36 Hektar umfaſſenden Botaniſchen Garten im engeren Sinn, in wel⸗ chem gegen 9000 Pflanzenarten gezogen werden; aus dem Kulturgarten, in dem alle indiſchen Kulturgewächſe zu finden ſind, und welcher fleißig von den Pflanzern beſucht wird, ſowie drittens aus dem Gebirgsgarten, 1500 m hoch ge⸗ legen, woſelbſt alle fremden aus Auſtralien, Japan u. ſ. w. ſtammenden Pflanzen gezogen werden. Zum Inſtitut ge⸗ hört ferner ein 250 Hektar großer „jungfräulicher Urwald“. Ein Herbarium von 120000 Pflanzen bietet Gelegenheit zum Vergleiche, und eine Bibliothek von 5000 Büchern enthält alle botaniſchen Werke. Drei Laboratorien er⸗ gänzen das Inſtitut, deren zwei für die Beamten dienen, eines fremden Botanikern zur Verfügung ſteht. Der Bo⸗ taniſche Garten in Buitenzorg tft eine Zierde der Inſel Java, und die holländiſche Regierung hat allen Grund, ſtolz auf dieſe wiſſenſchaftliche Anſtalt zu ſein. D. VPreis aufgaben. Die philoſophiſche Faſtultät der Aniverſität zu Göttingen ſtellt für das Jahr 1893 folgende Benekeſche Preisaufgabe über die Bahnbewegung des Bielaſchen Ko— meten: Es wird verlangt: „Daß eine ſtreng nach einheitlichen Grundſätzen und mit Benutzung der neueſten und beſten Hilfsmittel in Be⸗ zug auf die Oerter der Vergleichsſterne und die angewandten Sonnen- und Planetentafeln ſowie die Planetenmaſſen ausgeführte Unterſuchung mit Berückſichtigung aller in Betracht kommenden Störungen auch über die vorherge⸗ gangenen Erſcheinungen in den Jahren 1832, 1826, 1806/5 bis zu 1772 zurück ausgeführt werde, und daß dieſe Unter⸗ ſuchung, wenn auch der Komet nach 1852 noch nicht wie⸗ deraufgefunden worden iſt, mit Innehaltung der dazu erforderlichen Genauigkeitsgrenzen in der Rechnung und mit Rückſicht auf die fernerhin erfolgten größeren Stö⸗ rungen bis zum Jahre 1872 ausgedehnt werde, um neue Aufſchlüſſe über die noch nicht aufgeklärte Beziehung dieſes Kometen zu dem nach Klinkerfues' Anzeige von Pogſon aufgefundenem kometenartigem Objekt zu erhalten. Es wird dabei Gewicht darauf gelegt, daß die Störungswerte in der einzureichenden Abhandlung nicht nur in ihrer Geſamtwirkung von einer Erſcheinung zur anderen, ſondern wenigſtens für die hauptſächlich in Betracht kommenden Planeten Erde und Jupiter in den Endreſultaten in ge⸗ eigneten Abſtänden für den ganzen Zeitraum mitgeteilt werden, um zu Zeiten der wiederholten großen Annähe⸗ rungen des Kometen die Wirkungen einzeln erkennen zu können; ferner dürfte noch die Frage zu erörtern ſein, ob die von Winnecke beſprochenen Anzeichen einer ſchon im Jahre 1805 angedeuteten Duplizität des Kometen bei der geſonderten Behandlung der Bewegung der beiden Komponenten eine Beſtätigung finden.“ Die Abhandlungen ſind in deutſcher, lateiniſcher, fran⸗ zöſiſcher oder engliſcher Sprache mit Motto und verſchloſſe⸗ ner Namensangabe bis zum 31. Auguſt 1892 einzuſenden. Der erſte Preis beträgt 1780 M., der zweite 680 M. T. Humboldt. — September 1890. 323 Biographien und perſonalnotizen. Prof. Dr. C. Chun in Königsberg hat einen Ruf als Profeſſor der Zoologie an die Univerſität Breslau angenommen. Prof. Dr. Boltzmann in Graz wurde als Profeſſor der Phyſik nach München berufen. Prof. Dr. C. von Naegeli in München wurde von der Accademia dei Lincei in Rom zum ordentlichen auswärtigen Mitglied ihrer naturwiſſenſchaftlich-ma— thematiſchen Klaſſe ernannt. Prof. Dr. Max Schmidt in Freiberg wurde zum Profeſſor der Geodäſie an der Techniſchen Hochſchule in München ernannt. Privatdozent Dr. Beckmann in Leipzig wurde zum Pro- feſſor der Chemie ernannt. Dr. O. Wiener, Aſſiſtent am Phyſikaliſchen Inſtitut in Straßburg, habilitierte ſich daſelbſt als Privatdozent für Phyſik. Dr. Leo Arons habilitierte ſich als Privatdozent der Phyſik an der Univerſität in Berlin. Dr. Ferdinand Pax habilitierte ſich an der Univerſität in Berlin als Privatdozent der Botanik. Dr. Otto Reinhardt habilitierte ſich an der Berliner Univerſität für Botanik. Dr. A. Möller erhielt von der kgl. Akademie der Wiffen- ſchaften in Berlin 3000 M. zu einer Reiſe nach Blumenau behufs Ausführung mykologiſcher Studien. Prof. Dr. Waagen in Prag wurde als Profeſſor der Paläontologie und Nachfolger Neumayrs an die Univerſität Wien berufen. Privatdozent Dr. Thanhoffer in Budapeſt wurde zum Profeſſor der Anatomie ernannt. Dr. Wentzel habilitierte ſich an der Deutſchen Univerſität in Prag für Paläontologie. Dr. Alex. Magocſy-Dietz habilitierte fic) an der Univerſität in Budapeſt als Dozent für Pflanzenbiologie und Mykologie. Dr. Oswald Kruch iſt zum botaniſchen Aſſiſtenten an der Station für Phytopathologie in Rom ernannt worden. Dr. Carlo Avetta hat ſich an der Univerſität in Rom für Botanik habilitiert. Prof. E. Ray-Lancaſter wurde zum Profeſſor der ver— gleichenden Anatomie an der Univerſität Oxford erwählt. Prof. Daniel Oliver, Kurator des National-Herbariums in Kew hat dieſe Stellung aufgegeben. Sein Nach— folger iſt der Subkurator J. G. Baker. Camille Flammarion errichtete auf dem ihm von einem Gönner geſchenkten Landſitz Inviſy bei Paris eine Sternwarte und erhielt vom franzöſiſchen Staat eine jährliche Beiſteuer von 3500 Frk. und von Gordon Bennet, dem Beſitzer des New Pork Herald, eine ſolche von 6000 Frk. zum Betrieb derſelben. S. Watſon, Kurator des Herbariums der Harvard-Uni— verſität, und Dr. E. von Regel, Direktor des Bo— taniſchen Gartens zu St. Petersburg, ſind von der Linnean Society of London zu Mitgliedern ernannt worden. 8 Totenliſte. Dr. Kachler, Adjunkt am Chemiſchen Laboratorium der Univerſität Wien, ſtarb 7. Juni. Smyth, Warrington W., Profeſſor der Bergbaukunde an der Royal School of mines in London, ftarb 19. Juni, 73 Jahre alt. Müller, Albrecht, Profeſſor der Mineralogie und Petro— graphie in Baſel, ſtarb daſelbſt 3. Juli, 72 Jahre alt. Arnold, emer. Profeſſor der Anatomie in Heidelberg, ſtarb 4. Juli, 88 Jahre alt. Weiß, Ernſt, Profeſſor an der Bergakademie in Berlin, Verfaſſer wertvoller Arbeiten über Karbonpflanzen, ſtarb in Berlin 4. Juli. Sußdorf, Profeſſor der Chemie und Phyſik an der Tierarzneiſchule in Dresden, ſtarb 13. Juli, 68 Jahre alt. Peters, Chriſtian Henry Friedrich, Aſtronom der Sternwarte zu Clinton in New Pork, beſonders ver— dient um die Kenntnis der Kometen, der Sonne, Planeten ꝛc., ſowie um die Regelung des telegraphi— ſchen Verkehrs zwiſchen den amerikaniſchen und euro- päiſchen Aſtronomen, Entdecker von 44 neuen Sternen, ſtarb 20. Juli, 77 Jahre alt. Börſch, A., Profeſſor, Mitglied des Königl. Geodätiſchen Inſtituts in Berlin, ſtarb daſelbſt 21. Juli. Schmidt-Mülheim, Adolf, Herausgeber der Zeitſchrift für animaliſche Nahrungsmittelkunde, ſehr verdient um die Lehre von der Umbildung der Eiweißſtoffe bei der Verdauung, Verfaſſer eines Handbuchs der Fleiſchkunde, ſtarb 22. Juli im 39. Lebensjahre. Dom, Auguſto Friderico, Direktor der Sternwarte Ajada, ſtarb 25. Juli im 45. Lebensjahre. Bunge, Alexander von, 183667 Profeſſor der Bo- tanik in Dorpat, ſtarb. Er war 1803 geboren, machte große Reiſen in Aſien und ſchrieb mehrere floriſtiſche Werke und Monographien. Beckhaus, Konrad, Superintendent, einer der erſten Kenner der weſtfäliſchen Flora, ſtarb zu Höxter. Barth von Barthenau, Ludwig, Profeſſor der Chemie in Wien, ſtarb 52 Jahre alt. Litterariſche Rundſchau. 28. Steffen, Lehrbuch der reinen und kechniſchen Chemie. Anorganiſche Experimentalchemie. 1. Band. Die Metalloide. Für das Selbſtſtudium und zum Gebrauch an Fortbildungs-, Fach-, Induſtrie-, Ge— werbeſchulen und höheren techniſchen Lehranſtalten bearbeitet nach Syſtem Kleyer. Stuttgart, Julius Maier. 1889. Preis 16 Mark. Wer da weiß, welche Schwierigkeiten der erſte Unter— richt in der Chemie darbietet, wird in dem Buch eine ſehr anerkennenswerte Leiſtung erblicken. Verfaſſer noch durchaus nach alten Regeln, aber er hat es verſtanden, ſeine Darſtellung dem Verſtändnis ſolcher, die keine andere als die elementare Schulbildung genoſſen haben, anzupaſſen. Wir glauben, daß jedermann, der mit ernſt— lichem Bemühen an die Sache herantritt, ſich hier durch Selbſtſtudium eine recht bedeutende Kenntnis der Grund— lehren der Chemie verſchaffen kann. Durch das ganze Buch Zwar arbeitet der hindurch iſt der Frage die Antwort gegenüber geſtellt, dann ſind die Experimente ſehr ausführlich beſchrieben, und be— ſondere Erklärungen dienen zur Beſeitigung jedes Zweifels. Der Lernende wird auf geſchickte Weiſe weitergeführt und wird ſich ſchwerlich jemals vor unlösbaren Rätſeln finden; wenn aber der Verfaſſer meint, das Buch ermögliche „durch zahlreiche genaue Beſchreibungen wichtiger Experimente und der bei ihnen angewandten Apparate“ dem Lernenden, auch ohne praktiſche Thätigkeit im Laboratorium in die chemiſche Wiſſenſchaft einzudringen, ſo müſſen wir das bezweifeln. Sicher braucht der Lernende nicht jedes Experiment anzu— ſtellen, wer aber niemals praktiſch gearbeitet hat, wird ſchwer— lich zu einem vollen Verſtändnis, zu einer gründlichen Ver— trautheit mit den Körpern und mit den Prozeſſen gelangen. Sehr zweckmäßig erſcheint es, daß der Verfaſſer von allen theoretiſchen Erörterungen vorher abſieht. Solche Erörte— rungen können nur auf der Baſis hinreichender Kenntniſſe fruchtbar werden. Wo die Kenntnis der Thatſachen fehlt, 324 Humboldt. — September 1890. ermüden die theoretiſchen Darlegungen auch den Eifrigſten und bleiben ihm unverſtändlich. Entſprechend dem Zweck des Buches iſt auf die techniſche Chemie überall eingehend Rückſicht genommen, namentlich wird auch die Verwendung der Subſtanzen ausführlich beſprochen. Friedenau. Dammer. M. Bodusek. Grundzüge der theoretiſchen Aftro- nomie. Laibach, v. Kleimmayr u. Bamberg. 1890. Preis 8 Mark. Der Verfaſſer des oben genannten Buches hat dasſelbe zum Selbſtſtudium für angehende Aſtronomen, ſowie „zur einheitlichen Baſis für Vorleſungen“ beſtimmt, indeſſen ſind wir der Anſicht, daß es nach keiner dieſer beiden Rich⸗ tungen hin ſeinen Zweck erfüllt. Abgeſehen von manchen unklaren und leicht mißverſtändlichen Ausdrücken, ſind zwar einige Kapitel, die über ganz elementare Gegenſtände handeln, gar nicht ſo übel, dafür aber ſind andere gänzlich verfehlt und enthalten eine große Anzahl grober Fehler, die einen angehenden Aſtronomen nur irre führen können. Der Ver⸗ faſſer geht ſchon von ganz unrichtigen Vorausſetzungen aus, die er ohne Beweis hinſtellt, z. B. daß die Richtungen der Apſidenlinien der Planeten, Kometen und Satelliten- bahnen unveränderlich ſind, und daß ein Körper, der irgend⸗ wie in den Bereich der Anziehungskraft der Sonne kommt, ſich notwendig in einer geſchloſſenen Kurve, und zwar in einer Ellipſe, um dieſelbe bewegen muß. Die Mög⸗ lichkeit der hyperboliſchen Bewegung eines Himmelskörpers wird mit den Worten abgethan, daß „die Hyperbel mit ihren imaginären Verhältniſſen von vornherein ganz aus⸗ geſchloſſen werden muß, da das Imaginäre mit unſerer durchaus realen Welt nichts zu ſchaffen haben kann“! und eine paraboliſche Bewegung wird deshalb für unmöglich er⸗ klärt, weil bei derſelben die „Anfangsgeſchwindigkeit“ gleich Null jet, ein Himmelskörper aber, der keine Anfangsge⸗ ſchwindigkeit habe, ſich nicht in einer Parabel um die Sonne, ſondern geradlinig gegen die Sonne bewegen müſſe. Die näherungsweiſe Auflöſung des Keplerſchen Problems wird in dem Buche weitläufig behandelt, aber nur nach einer Methode, welche bei größeren Exzentrizitäten, alſo z. B. bei den elliptiſchen Kometenbahnen, nicht anwendbar iſt. Bei dieſen, meint der Verfaſſer, könne man die Bahn bei der Auflöſung des Problems als paxaboliſch betrachten, — ein Verfahren, welches durchaus unzuläſſig iſt und große Fehler hervorrufen kann. Eine Auseinanderſetzung, nach welcher ſowohl Kometen mit rechtläufiger als auch ſolche mit rück⸗ läufiger Bewegung eine poſitive oder negative Neigung der Bahn haben können, während die Neigung der Pla⸗ netenbahnen immer poſitiv ſei, macht den Eindruck einer völligen Unſicherheit des Verfaſſers bezüglich des Weſens der recht⸗ und rückläufigen Kometenbewegungen. Königsberg. C. F. W. Peters. IJ. Vak. Allgemeine Morphologie der Pflanzen, mit beſonderer Berückſichtigung der Blüten⸗ morphologie. Stuttgart, Ferdinand Enke. 1890. Preis 9 Mark. Ein zeitgemäßes Buch, welches nicht nur den Stu- dierenden der Botanik, ſondern auch den Lehrern der Natur⸗ wiſſenſchaften an den höheren Schulen von Nutzen ſein wird. In der Einleitung wird die Differenzierung des Pflanzenkörpers im allgemeinen beſprochen. Ausgehend von den nackten Protoplasmamaſſen der Myxomyceten wird die immer weiter greifende Gliederung des Körpers der Thallophyten gezeigt, deſſen Teile in phyſiologiſcher Hinſicht zwar die Funktionen der Wurzel, des Blattes u. ſ. w. über⸗ nehmen können, morphologiſch dagegen gleichwertig ſind. Bei den höheren Gewächſen dagegen ſind die Auszweigungen ungleichwertig; alle Organe laſſen ſich aber auf die vier morphologiſchen Begriffe Wurzel, Achſe (Caulom), Blatt (Phyllom) und Haar (Trichom) zurückführen. Dabei ſind die Begriffe Blatt und Achſe korrelative Begriffe, welche ohne einander nicht vorſtellbar ſind; deshalb ſchließt ſich Verfaſſer der von Sachs eingeführten Bezeichnung an und faßt eine Blätter tragende Achſe als ein Ganzes, einen Sproß (oder inſofern die Achſe desſelben verzweigt iſt als ein Sproßſyſtem) auf. — Unter den morphologiſchen Unterſuchungsmethoden iſt der „morphologiſche Vergleich“ die wertvollſte, weniger wertvoll iſt die Entwickelungsge— ſchichte und Teratologie, am wenigſten ſichere Ergebniſſe liefert der anatomiſche Bau oder gar die Funktion eines Organs. Das intereſſante, eine Fülle von Material ent⸗ haltende Werk gliedert ſich nun in folgender Weiſe: JI. Mor⸗ phologie der Vegetationsorgane. a) Der Sproß. Aufbau des Sproſſes und der Sproßſyſteme, Biologie, Plaſtik, Entwickelungsgeſchichte des Sproſſes, Beziehungen der Blätter eines Sproſſes zu einander, Entwickelungsge⸗ ſchichte und Plaſtik des Blattes. pb) Die Wurzel. Plaſtik, Biologie und Entwickelungsgeſchichte. Anhang: das Trichom. II. Morpholgie der Reproduktionsorgane. a) Die Blüte. Einzelblüte und Blütenſtand, Bau und Entwicke⸗ lung der Blüte, Plaſtik der Blüte und der einzelnen Blüten⸗ teile. p) Die Fortpflanzung. Ungeſchlechtliche Fort⸗ pflanzung, geſchlechtliche Fortpflanzung, Verhältnis der geſchlechtlichen zur ungeſchlechtlichen Fortpflanzung. Kiel. Dr. P. Knuth. A. . Frank, Cehrbuch der Pflanzenphyſtologie⸗ mit beſonderer Berückſichtigung der Kulturpflanzen. Berlin, P. Parey. 1890. Preis 6 Mark. Ein kurz gefaßtes Lehrbuch der Pflanzenphyſiologie war ſeit langer Zeit dringendes Bedürfnis, und daß letz⸗ terem von ſo berufener Seite abgeholfen worden, iſt doppelt erfreulich. Der Verfaſſer behandelt auf 15 Bogen das ge⸗ ſamte große Gebiet und gibt nicht nur die Anfangsgründe der Wiſſenſchaft, wie man ſie etwa in einem Leitfaden findet, ſondern er geht an vielen Stellen recht tief auf die Materie ein und liefert eine vollſtändige Darlegung des jetzigen Standes der Forſchung, ſoweit das in einem kurzen Lehrbuch überhaupt möglich iſt. Zum erſtenmal finden wir hier die neueſten Fortſchritte der Pflanzenphy⸗ ſiologie, an denen der Verfaſſer ſelbſt fo hervorragend beteiligt iſt, ausgiebig verwertet und dem älteren Freunde der Wiſſenſchaft gewährt es eine beſondere Freude, die Kapitel von der Ernährung der Pflanzen nun in ganz neuer Geſtalt vorgeführt zu ſehen. Hat ſich der Verfaſſer ſtreng auf ſeine Aufgabe beſchränkt, ſo hat er doch die wichtigſten Sätze der Anatomie der Pflanzen aufgenommen und das erſcheint durchaus dankenswert, weil dieſelben zum Verſtändnis der Lebensprozeſſe der Pflanzen unentbehrlich ſind. Beſonders willkommen werden dieſe Kapitel den Land⸗ und Forſtwirten, den Gärtnern und vielen anderen ſein, welche ſich für das Leben der Pflanzen intereſſieren, aber nicht in der Lage ſich befinden, auch alle übrigen Zweige der Botanik zu ſtudieren. Die Ausſtattung des Buches iſt vortrefflich, die Abbildungen ſind meiſt Reproduktionen der Wandtafeln, welche der Verfaſſer mit Prof. Tſchirch für den Unterricht in der Pflanzenphyſiologie herausgibt. Wir empfehlen das Buch allen Studierenden und allen Pflanzenfreunden, namentlich auch den Zimmergärtnern, welche ihre Liebhaberei um ſo erfolgreicher betreiben werden, je beſſer ſie die Lebensbedingungen der Pflanzen verſtehen. Friedenau. Dammer. M. Büsgen, Beobachtungen über das Verhal⸗ few des Gerbſtoffs in den Pflanzeu. (Sonder⸗ abdruck aus der Jenaiſchen Zeitſchrift für Natur⸗ wiſſenſchaft. 24. Band. Jena, Guftav Fiſcher. 1889. Preis 1,60 Mark. Ueber die Bedeutung keines anderen Stoffes gehen die Anſichten ſo auseinander wie über die Bedeutung der Gerbſtoffe für das Leben der Pflanze. Während die einen in denſelben einen weſentlichen Faktor im chemiſchen Pro⸗ zeſſe des Pflanzenlebens ſehen, betrachten andere die Gerb⸗ ſtoffe als Endprodukte, welche, einmal ausgeſchieden, keine weitere Rolle im Stoffwechſel der Pflanze zu ſpielen haben. Einen zwiſchen beiden Anſichten vermittelnden Standpunkt nimmt Kraus (Grundlinien der Phyſiologie des Gerbſtoffs) Humboldt. — September 1890. inſofern ein, als er den Gerbſtoff zwar auch als ein nicht wieder aktiv am Stoffwechſel ſich beteiligendes, aber doch wanderungsfähiges Endprodukt anſieht. Die Bedeutung des Gerbſtoffs für die Pflanze denkt ſich Kraus am liebſten als Schutzvorrichtung, inſofern derſelbe durch ſeinen ad ſtringierenden Geſchmack und durch ſeine gerbenden Eigen— ſchaften Schutz gegen Tierfraß und gegen Fäulnis gewährt. Der Verfaſſer der vorliegenden Schrift ſchließt ſich nun im ganzen der Krausſchen Auffaſſung an. Als Reſultat ſeiner Beobachtungen ergibt ſich, daß der Gerbſtoff (worunter alles verſtanden wird, was mit Kaliumdichromat die bekannte Reaktion gibt) thatſächlich in der Pflanze verſchwinden kann, und zwar ſowohl aus Zellen, welche einem baldigen Ab— ſterben entgegengehen, als aus ſolchen, welche eine längere Lebensdauer beſitzen. Dagegen liegen Erfahrungen, daß der Gerbſtoff wieder bei grünen Pflanzen als Bauſtoff in den Stoffwechſel eintritt, nicht vor. Die Angaben von Kraus und die Verſuche des Verfaſſers mit Dunkelpflanzen und mit Pflanzen, deren Gerbſtoff mit Methylenblau fixiert war, berechtigen eher zu der Behauptung, daß der Gerb— ſtoff die Rolle eines Bauſtoffes nicht ſpielt. Er wird bei Neubildungsvorgängen auch im Dunklen nicht verbraucht und Wurzelhaare und Wurzelſpitzen wachſen normal weiter, wenn man ihnen Gerbſtoff durch Fixierung mit Melthylen— blau entzieht. Einſtweilen muß man ſich mit dem Ge— ſtändnis genügen laſſen, daß für die unter den Kollektiv— namen Gerbſtoff fallenden Körper eine wichtige biologiſche Funktion (Schutz gegen Tierfraß) nachgewieſen iſt, ver— mutlich vorhandene phyſiologiſche Leiſtungen ſolcher Körper aber noch ganz in Dunkel gehüllt ſind. Leipzig. Prof. Dr. R. Sachße. C. Müller. Medizinalſlora. Eine Einführung in die allgemeine und angewandte Morphologie und Syſtematik der Pflanzen mit beſonderer Rückſicht auf das Selbſtſtudium für Pharmazeuten, Medizi— ner und Studierende. Berlin, Julius Springer. 1890. Preis 8 Mark. Vorliegendes Werk iſt nicht eine Flora im gewöhn— lichen Sinne des Wortes, nicht ein Werk, deſſen Zweck auf eine Anleitung zur Beſtimmung der in einem gewiſſen Gebiet vorkommenden Pflanzenarten abzielt, ſondern ein Lehr- und Lernbuch für alle diejenigen, die fic) zwar mit Botanik beſchäftigen müſſen, jedoch nur wenige Semeſter in der Lage ſind, botaniſche Vorleſungen zu hören, für Pharmazeuten, Mediziner und Schulamtskandidaten. Es ſetzt daher auch nicht, wie die Mehrzahl der Floren, eine gewiſſe Menge von botaniſchen Kenntniſſen voraus, ſondern führt den Anfänger ohne jede Vorkenntnis in die Botanik ein, und zwar iſt im erſten Teil der Einleitung — der Morphologie —, dem dieſe Aufgabe zufällt, vom Verf. überall das Notwendige und Wichtige in kurzen, prägnanten Zügen derart in den Vordergrund geſtellt, daß bei einem mit Ernſt und Eifer betriebenen Studium desſelben der Anfänger den ſpeziellen Teil des Werkes ohne Schwierig— keit verſtehen kann. Nach gründlicher Durcharbeitung des Müllerſchen Buches iſt alsdann auch jeder befähigt, größere und eingehendere morphologiſche und ſyſtematiſche Werke mit Erfolg zu benutzen. Im Anſchluß an die Morphologie ſtellt der Verfaſſer im 2. Teil der Einleitung die Ge— ſchichte der Botanik dar und ſetzt die künſtlichen und einige natürliche Syſteme auseinander. Dem ſpeziellen Teil liegt das Eichlerſche Syſtem zu Grunde. Die einzelnen Gruppen und Familien werden genau charakteriſiert, über die Gat— tungen kurzgefaßte Beſchreibungen gegeben und dieſen Be— merkungen über die Entwickelungsgeſchichte, Morphologie, Biologie u. ſ. w. beigefügt. Die Arten werden, ſoweit ſie für die Zwecke des Werkes von Bedeutung ſind, genau beſchrieben, gut abgebildet und ihr pharmazeutiſcher Wert, ſowie ihre Anwendung oder die der aus ihnen dargeſtellten Produkte ausführlich beſprochen. Den Schluß bildet eine Ueberſicht über das Linnéiſche Syſtem. Wir können das Werk, deſſen Preis bei dem reichen Inhalt und der vor— züglichen Ausſtattung ein ſehr geringer iſt, allen Pharma— 325 zeuten, Medizinern, Schulamtskandidaten, als Lehrbuch, ja ſelbſt Studierenden der Botanik als kurzes Repetitorium empfehlen und wünſchen ihm eine recht weite Verbreitung. Berlin. Dr. P. Taubert. Hugo Köhler, die SuffKurorfe des Südens. Altenburg, Oskar Bonde. 1890. Unter obigem Titel birgt ſich eine für den Botaniker, den Gärtner und für jeden Pflanzenfreund höchſt intereſ— ſante Arbeit, die vorausſichtlich in der Geſchichte der Pflanzenakklimatiſation einſt eine große Rolle ſpielen wird. Hat doch der Verfaſſer wohl als der erſte in Deutſchland umfaſſendere Verſuche mit der Akklimatiſation ſubtropiſcher Pflanzen, und zwar mit beſtem Erfolge, gemacht. Pflanzen, die man bis dahin in Warmhäuſern und nur verſuchs⸗ weiſe in Kalthäuſern kultivierte, hat er an ſeiner Villa in Altenburg in den freien Grund ausgepflanzt und vom Oktober bis Anfang April nur durch einen leichten Holz— bau mit Glas gegen die Winterkälte geſchützt. Eine nach einer Photographie hergeſtellte Abbildung zeigt eine für unſere nordiſchen Verhältniſſe faſt unglaubliche Vegetation. Der Verfaſſer führt an, daß eine Phoenix canariensis von 2m Höhe und 3 m Durchmeſſer (von Wedelſpitze zu Wedelſpitze) im Frühjahr 1888 eine Höhe von faſt 4 m und 6 m Geſamtdurchmeſſer erreicht hatte. Trotz des un— günſtigen Sommers trieb die Pflanze 1888 nicht weniger als 9 Wedel von faſt 3 m Länge. Während die Pflanzen unter der angedeuteten Ueberdachung am Hauſe eine Temperatur von — 5“ zu ertragen hatten, wurden viele andere, z. B. auch eine Chamaerops excelsa von 2,25 m Höhe, ohne Anlehnung an das Haus in ähnlicher Weiſe über— wintert, wie es in dieſer Zeitſchrift 1890, S. 260 beſchrieben worden iſt. Auch dieſe Verſuche haben die beſten Erfolge gehabt. Chamaerops excelsa hat — 20“ ohne Schaden er- - tragen. Der Verfaſſer bemerkt, daß die Erfolge ſehr weſentlich von der Herkunft des Materials abhängig ſind. Die Palmen müſſen im Freien aufgezogen ſein, da ſelbſt im Miſtbeet bei Bodenwärme gewachſene ſich für die Akklimatiſation weniger eignen. Leider wachſen die jungen Palmen ſehr langſam und der Verfaſſer hat deshalb ſein Material von der Riviera bezogen und erklärt ſich mit großer Uneigennützigkeit bereit, anderſeitig auszuführenden ähnlichen Verſuchen hilfreich die Hand zu bieten. Offenbar ſind hier die Anfänge eines ebenſo intereſſanten wie be— deutungsvollen Fortſchrittes gegeben, um welche ſich der Verfaſſer die allerdankenswerteſten Verdienſte erworben hat. Auf der großen internationalen Pflanzenausſtellung von 1890 in Berlin iſt denn auch dies Verdienſt allſeitig anerkannt und der Kommerzienrat Köhler mit der goldenen Medaille ausgezeichnet worden. Friedenau. Dammer. Hugo de Vries, Die Pflanzen und Tiere in den dunklen Näumen der Btofferdamer BWaffer- leitung. Bericht über die biologiſchen Unter— ſuchungen der Crenothrix-Kommiſſion zu Rotterdam, vom Jahre 1887. Jena, G. Fiſcher. 1890. Preis 1,80 Mark. In der vorliegenden kleinen, höchſt intereſſanten Schrift beſpricht der Verfaſſer zunächſt die feſtſitzenden Bewohner des Waſſerleitungswerkes zu Rotterdam, ſodann die in dieſem vorkommenden Waſſeraſſeln und Süßwaſſerkrebſe. Der gefährlichſte Feind der Waſſerleitungswerke iſt eine Eiſenbakterie, Crenothrix Kühniana, welche, wie es ſcheint, kosmopolitiſch iſt. Sie gehört zu den Rieſenbakterien, welche in fadenförmigen Kolonien zuſammen wohnen und bis 1 em große dichte Flocken bildet. Biologiſch intereſſant iſt ſie dadurch, daß ſie aus den gelöſten Eiſenſalzen des Waſſers, und namentlich aus dem doppeltkohlenſauren Eiſen— oxydul durch Oxydation Eiſenhydroxyd abſondert und dieſes in eigenen, den Faden umgebenden Scheiden ablagert. Hierdurch erhalten die Flocken eine roſtbraune Farbe. Am beſten gedeihen fie in Wäſſern, welche neben Eiſenhydroxyd faulende organiſche Subſtanzen enthalten, wo alſo die Ent— 326 Humboldt. — September 1890. ſtehung des kohlenſauren Oxydulſalzes unaufhörlich vor ſich geht. Der normale Gehalt unſerer Trinkwaſſer an orga⸗ niſchen Subſtanzen reicht nicht zu ihrem Gedeihen aus. Nur da, wo die Filtration in Räumen geſchieht, welche größere Holzkonſtruktionen enthalten, und wo ſich Waſſer⸗ aſſeln in den Reinwaſſerbehältern aufhalten, wird durch von den Aſſeln abgenagte Holzſplitter und vor allem durch ihren Kot dem Waſſer die nötige Menge faulender organiſcher Subſtanz zugeführt. Aus dieſem Grunde ſollten die Filter jeder Holz konſtrultion entbehren. Höchſt an- ziehend ſchildert Verfaſſer die Faung und Flora derjenigen Teile der Waſſerleitungsanlage, welche das ungereinigte, nur abgeſtandene Waſſer nach den Filtern leiten. Die auf⸗ geführten Arten ſtimmen ziemlich mit den von Kräpelin in den Hamburger Waſſerleitungen und von Potts in dem Fairmont⸗Reſervoir (Philadelphia) gefundenen überein. — Die Filtrationsfähigkeit des Sandes, anfangs gleich Null, ſoweit Bakterien, ſpeziell Crenothrix, in Betracht kommen, ſteigt mit dem Alter des Filters. Es wird dies durch ſchleimbildende Bakterien bedingt, welche die oberſte Schicht des Sandes nach und nach durchſetzen. Allerdings wächſt mit der Reinigungskraft dieſer Schicht auch ihre Wider⸗ ſtandskraft gegen durchſickerndes Waſſer und muß ſie des⸗ halb ſchließlich abgetragen werden. Betreffs der Einzel⸗ heiten muß auf die Arbeit ſelbſt verwieſen werden. Berlin. Dr. Udo Dammer. Dr. 3. Nitzema Bos, T!ieriſche Schädlinge und Nützlinge für Ackerbau, Viehzucht, Wald⸗ und Gartenbau, Lebensformen, Vorkommen, Einfluß und die Maßregeln zu Vertilgung und Schutz. Berlin, P. Parey. 1890. In 18 Lieferungen a 1 Mark. Seit den bekannten Werken von Taſchenberg erhalten wir hier zum erſtenmal eine vollſtändige, eingehende und auf reiche Erfahrungen ſich gründende Darſtellung der Lebensverhältniſſe aller Tiere, welche für den Landwirt, den Gärtner und den Forſtmann in dem im Titel an⸗ gedeuteten Sinn von Bedeutung ſind. Das Buch iſt in erſter Hinſicht für den Landwirt beſtimmt, doch finden auch Gärtner und Forſtleute alles, was ſie brauchen, um in rationeller Weiſe der Tierwelt, welche ihre Kulturen ſchützt oder bedroht, entgegenzutreten. Abweichend von Taſchenberg, welcher faſt ausſchließlich die Inſekten berückſichtigt, be⸗ ſpricht der Verfaſſer des vorliegenden Buches alle Tiere. Er folgt dabei dem zoologiſchen Syſtem, doch find die ver- ſchiedenen Arten in Ueberſichten aufgezählt, welche eine leichte Beſtimmung der aufgefundenen Schädlinge ermög⸗ lichen. Mit beſonderer Sorgfalt und Ausführlichkeit ſind die natürlichen Urſachen der Inſektenverheerungen be⸗ handelt und es werden dem Landwirt Mittel an die Hand gegeben, denſelben vorzubeugen oder ihnen abzuhelfen. Wir werden im Verlauf des Erſcheinens der einzelnen Lieferungen auf das Werk zurückkommen und bemerken heute nur noch, daß der Preis des Buches bei der vor- trefflichen Ausſtattung ungemein niedrig erſcheint. Friedenau. Dammer. V. Fatio, histoire naturelle des poissons de la Suisse. Genéve et Bale, H. Georg. I. partie 1882, II. 1890. Prix 50 Fr. Nach langer Unterbrechung iſt nun auch der 2. Teil dieſes bedeutenden Werkes erſchienen, welches ſelbſt wieder nur den 4. Band der großen Faune des Vertébrés de la Suisse desſelben Verfaſſers bildet, von welchem 1869 die Säugetiere, 1872 die Reptilien und Batrachier erſchienen, während der 2. Band (Vögel) noch nicht publiziert zu ſein ſcheint. Die Fiſche waren eigentlich ſchon 1875 faſt vollendet, es wuchſen aber die Anforderungen des Verfaſſers an fein eigenes Werk unter der ſchreibenden Hand, es ſollten erſt die Angaben der Autoren ab ovo wieder ſtudiert und ge⸗ prüft werden, namentlich das Verhalten der Fiſche in den verſchiedenen Jahreszeiten und Oertlichkeiten und ihre Brut⸗ bedingungen, beſonders die der Coregonus-Arten. Und das war dem Werk von großem Nutzen. Wir haben nun eine Reihe von Monographien vor uns, wie es der Verfaſſer ſelbſt bezeichnet haben will. Die Beſchreibungen der einzelnen Fiſche erſcheinen allerdings etwas weitläufig, z. B. Barſch 30 Seiten, die Forelle, welche nach des Berichterſtatters Vorgang nur als eine die Bach- und Seeforelle umfaſſende Art auf— geführt wird, 60 Seiten, die Gattung Coregonus mit 8 Arten (deren kleinere Formen den ebenfalls vom Bericht erſtatter eingeführten Namen Cox. exiguus führen, 129 S.) aber, wie man ſich bald überzeugt, nicht unnötig und ſogar unterhaltend, insbeſondere im biologiſchen Teil, der meiſt auf eigenen oder wenigſtens ſelbſt kontrollierten Beobach⸗ tungen beruht. Die Reſultate des kritiſch und mit ge— nauer Litteraturkenntnis (betreffs der deutſchen Namen und Titel allerdings manchmah etwas fehlerhaft) geſchriebenen Werkes ſind ſowohl in Beziehung auf Sichtung der Arten, als auf geographiſche Verbreitung, wie auf Lebensweiſe ſehr reichhaltige, und in einer dem Anfang des 2. Teiles vorgeſetzten „Introduction générale“ zum Teil zuſammen⸗ gefaßt. Die „Beſtimmung“ der Arten, Gattungen und Familien iſt erleichtert durch an der Spitze jeder Einzel⸗ beſchreibung ſtehende kürzere Diagnoſen und jedem Band hinten angefügte ſynoptiſche Tabellen, wozu noch verglet- chende Tabellen für die horizontale und vertikale Verteilung, und für die Laichzeit kommen. 9 Originaltafeln, wovon 3 in Farben mit Abbildung von 5 Arten und 6 ſchwarze mit 257 Figuren von anatomiſchem Detail, ſorgfältig nach der Natur gezeichnet, begleiten und erläutern den Text. Ein ausführliches Regiſter erleichtert das Nachſchlagen. Be- ſchrieben ſind 51 Arten, dazu (aber kürzer) 15 benach⸗ barte, aber nicht eigentlich ſchweizeriſche Arten, 13 ein⸗ geführte Formen und 10 Baſtarde, welche ihre Gattungs⸗ und Artabſtammung bezeichnende Namen tragen, z. B. Squalio-Alburnus, cephalo-lucidus, Baſtard von Squalius cephalus und Alburnus lucidus. Angeführt find bei den einzelnen Arten auch die Art des Fanges, die Krankheiten und Paraſiten. Das Werk wird auf lange Zeit hinaus eine Grundlage bleiben für unſere Fauniſten, wenn auch in Sichtung der Arten und Unterarten ſich manche andere Anſichten geltend machen werden. Stuttgart. Prof. Dr. Klunzinger. Dr. 28. Medicus, Illuſtrierter Naupenkalender. Kaiſerslautern, Aug. Gottholds Verlagsbuchhand⸗ lung. 1890. Preis 2 Mark. In dieſem kleinen Buch gibt der Verfaſſer eine Zu⸗ ſammenſtellung der Raupen nach der Zeit ihres Auftretens, wobei er zunächſt die Raupen vorführt, welche während einer ganzen Jahreszeit zu finden ſind, und dann diejenigen, die nur in einem Monat dieſer Jahreszeit gefunden wer⸗ den. Erſcheint die Raupe auch in einem zweiten Monat, ſo wird ſie hier genannt und hinſichtlich ihrer Beſchreibung ze, auf die Stelle verwieſen, an der jie zuerſt erwähnt iſt. Hier gibt der Verfaſſer eine genaue Beſchreibung (die in 50 Fällen durch kolorierte Abbildungen unterſtützt wird) und die Futterpflanzen (nicht nur das Lieblingsfutter), mit welchen die Raupe großgezogen werden kann. In dem Kalender find 91 Nummern mehr enthalten als in dem Illuſtrierten Schmetterlingsbuch des Verfaſſers. Wunder⸗ lich berührt es, wenn der Verfaſſer ſagt: „Nur ſolche ſind grundſätzlich fortgelaſſen, für welche bloß ein rein wiſſen⸗ ſchaftlicher deutſcher oder nur der lateiniſche Namen vor⸗ handen iſt.“ Man ſieht nicht recht ein, wie der Verfaſſer dies „grundſätzlich“ begründen will. Eine Auswahl mochte er treffen, daß aber das Vorhandenſein eines vulgären deutſchen Namens bei ſolchen entſcheidend ſein ſoll, iſt wenig einleuchtend. Erlebt das kleine Buch, wie ihm zu wünſchen iſt, eine neue Auflage, dann möchte der Ver⸗ faſſer auch bei den Abbildungen den Monat angeben, in welchem die Raupe beſprochen iſt. Ebenſo würde ein lateiniſches und deutſches Regiſter, welches auch die Seite nachweiſt, auf welcher die Raupe nur genannt iſt, die Brauchbarkeit des Buches n Friedenau. Dammer. Humboldt. — September 1890. 327 Aus dem Italieniſchen Leipzig, S. Hirzel. A. Moſſo, Die Jurcht. überſetzt von W. Finger. 1889. Preis 5 Mark. Dies Buch iſt eine im ſchönſten Sinne des Wortes volkstümliche Darſtellung der phyſiologiſchen Vorgänge, welche jenen Affekt begleiten, den wir Furcht nennen. Moſſo zeigt, daß es kein Vorrecht der Engländer iſt, wiſſenſchaftliche Fragen exakt und dabei doch populär ju behandeln, denn ſein Werk reiht ſich den beſten engliſchen Schriften dieſer Art würdig an; allerdings hätten wir ge— wünſcht, daß einige allzu poetiſche Stellen, die an Mantegazzas Manier erinnern, in der für das deutſche Publikum beſtimmten Uebertragung gelegentlich verkürzt worden wären. Auch kleinere Verſehen hätten verbeſſert werden können, fo z. B. auf S. 7 der ungenaue Titel des Carteſiſchen Buches, die bedenklichen Widerſprüche auf S. 77, die auf S. 135 ausgeſprochene Behauptung, daß ſtarke Gemütsbewegungen uns zur Erde ſinken laſſen, was für die Wut doch ſicherlich nicht zutrifft — und der- gleichen mehr. Aber was wollen dieſe geringfügigen Aus— ſtellungen bedeuten gegenüber der reichen Fülle des rück— haltlos Anzuerkennenden. Das Buch beginnt mit Kapiteln allgemein-phyſiologiſcher Natur: über Gehirn- und Rücken⸗ marksfunktionen und beſonders über den Kreislauf des Blutes im Gehirn während der Gemütsbewegungen; dann folgen Kapitel, welche ſich mit den äußeren Merkmalen der Furcht beſchäftigen, mit dem Erblaſſen und Erröten, dem Herzſtoß, der Beklemmung, dem Zittern, dem Geſichts— ausdruck; die beiden letzteren Kapitel endlich beſprechen die Krankheiten der Furcht und die Uebertragung durch Vererbung. Mir ſcheint nun, daß in dem ſo verteilten Stoffe weſentlich drei Gedankengänge mit einander ver— webt ſind. Der eine Gedankengang bewegt ſich auf dem Gebiete des Darwinismus, der andere iſt durch Experi— mente beſtimmt, der dritte durchläuft die praktiſche Ver— wertung der theoretiſchen Ergebniſſe. — Darwin hatte das Erröten für eine bloß dem Menſchen eigentümliche, durch eine Vererbung aufmerkſamer Konzentration entſtandene und auf das Geſicht beſchränkte Fähigkeit erklärt (The expression of emotions S. 345). Moſſo dagegen (S. 14 ff.) ſucht in den Geweben, in den Eigenſchaften der lebenden Subſtanz, welche unſere Körpermaſchine bil⸗ det, die Urſache zahlreicher Erſcheinungen, die Darwin von äußeren Umſtänden, von der Zuchtwahl oder von der Umgebung abhängig machte. Er erinnert daran, daß jede geſtoßene oder gequetſchte Hautſtelle ſich rötet, weil ein reichlicherer Blutzufluß in den Teil, welcher eine Ernäh— rungsſtörung erlitt, für die Erneuerung des Lebens— prozeſſes erfordert wird. Ebenſo im Gehirn. Die Gemiits- bewegung verleiht den chemiſchen Prozeſſen des Gehirns eine größere Energie, die Ernährung der Zellen verändert ſich und ſo kommt es, daß die Blutgefäſſe des Kopfes und des Gehirns, indem ſie ſich erweitern, beſtrebt ſind, die Thätigkeit der Nervenzentren durch einen größeren Blut— zufluß zu ſichern. Des Weiteren leugnet Moſſo die von der Selektionstheorie gelieferte Erklärung des Zitterns (S. 125) und führt es vielmehr auf zwei phyſiologiſche Momente zurück, auf eine exceſſive Entwickelung von Nervenſpannung oder auf Schwäche (S. 130). Und end- lich unterzieht er die von Darwin und Spencer gegebene Interpretation des Geſichtsausdruckes einer eindringlichen Kritik (S. 155 ff.). Ein zweiter Gedankenkomplex iſt den, größtenteils ſchon aus früheren Arbeiten des Ver— faſſers bekannten Experimenten gewidmet. Sinnreiche Unterſuchungen richten ſich gegen den kürzlich von Herzen wieder aufgenommenen Satz Schiffs, daß das Hirn wäh— rend ſeiner Thätigkeit ſich erwärme (S. 78); andere, mit dem Plethysmographen vorgenommene erweiſen die Volumenveränderung des Körpers unter der Herrſchaft von Affekten (S. 92). Mit dem Kardiographen wird die Beſchleunigung des Herzſchlages bei Erregungen demon— ſtriert und mit dem Pneumographen die des Atems (S. 104 und S. 114); die Augenblicksphotographien dienen dazu, den Geſichtsausdruck des phyſiſchen Schmerzes zu fixieren (S. 181 ff.). — Was nun die praktiſche An— wendung betrifft, ſo freuen wir uns, daß Moſſo mit Nachdruck gegen die Tierquälereien auftritt (S 215). Der Proteſt mußte aber vor allen Dingen auf die Jagd aus— gedehnt werden, bei der um eines barbariſchen Vergnügens willen ein Tier oft Stunden lang in ununterbrochener Furcht gehalten und ſchließlich zu Tode gehetzt wird. Herr v. Weber, der neuerdings wieder ſeinen Kampf gegen die Viviſektion aufgenommen hat, ſollte ſich lieber gegen die Luſtjagden wenden, denn während in den phyſiologiſchen Arbeitsräumen die Verſuchstiere zu wiſſenſchaftlichen Zwecken nur mit aller erdenklichen Schonung benutzt werden, werden auf den zahlloſen Luſtjagden Hekatomben von Tieren zwecklos geopfert. — Den Bemerkungen Moſſos über die Bedeutung der Furcht bei Krankheiten und in der Erziehung können wir rückhaltlos beipflichten. Aerzte und Pädagogen werden dieſe Darlegungen mit Nutzen leſen. Berlin. Mar Deffoir. Biblio g tap yi ¢. Bericht vom Monat Juli 1890. Allgemeines. Schurig, E., Naturgeſchichte für die einfache Volksſchule. In 4 Jahres- furjen bearbeitet. (In 3 Heften.) 1. Heft. Meißen, Schlimpert. 1 M. Stange, G., Naturgeſchichte für mehrklaſſige Volksſchulen. 1. Heft. Hannover, Helwing. 0,60 M. 2 hoyfik. Bernhard, W., Ueber das Naturgeſetz, von der Erhaltung der Kraft. Ein populärer Vortrag. Schw. Hall, Staib. 0,50 M. Dittmar, Frz., Naturlehre für Volksſchulen. Für die Hand der Schüler bearbeitet. München, Oldenbourg. 0,90 M. Jochmann, E. u. O. Hermes, Grundriß der Experimentalphyſik und Elemente d. Aſtronomie u. mathematiſchen Geographie. Zum Ge— brauch beim Unterricht auf höheren Lehranſtalten und zum Selbſt— unterricht. Berlin, Winkelmann u. Söhne. 11. verb. Aufl. 5,30 M. Kopé, K., Die Elektrizität als Urkraft. Eine Darſtellung d. Naturerſchei⸗ nungen als elektr. Erſcheinung überhaupt. Leipzig, Grieben. 1 M. Mann, Fr., Das Dulongſche Geſetz im Lichte der mechaniſchen Wärme— lehre. Würzburg, Stahel. 0,80 M. Pistos Grundlehren d. Phyſtl. Hrsg. v. Prof. Mor. Glöſer. 12. gänz⸗ lich umgearb. Aufl. Brünn, Winiter. 2,60 M. Schönberg, P., Ueber die Wärmeleitung u. ihre Abhängigkeit von der Temperatur in den Dämpfen von Benzol und Schwefelkohlenſtoff. Rudolſtadt, Dabis. 1 M. Sprockhoffs, A., Phyſik für Volksſchulen. Ueberſichtl. Darſtellung des Wichtigſten mit beſond. Berückſichtigung der Erſcheinungen des tägl. Lebens. Hannover, C. Meyer. 1 M. Derſelbe, Schul⸗Naturl. 1. Abtlg.: Phyſik. Die wichtigſten phyſik. Er⸗ ſcheinungen des tägl. Lebens wie der gewöhnl. Gegenſtände des Ge— brauches in 60 Einzelbildern u. d. Hauptſächl. aus dem ganzen Ge- biete in knapper Form u. überſichtl. Anordnung. Ebd. 1,80 M. Thomſon, Elihu, Was it Elektrizität? Aus dem Engl. überſetzt von H. Diſcher. Wien, Deuticke. 1 M. Thomſon, W., Geſammelte Abhandlungen zur Lehre von der Elektrizität und dem Magnetismus. (Reprint of papers on electrostatics and magnetism.) Autoriſterte deutſche Ausgabe von L. Levy u. B. Weinſtein. Berlin, Springer. 14 M. Weber, Wilh., Elektrodynamiſche Maßbeſtimmungen, insbeſondere über ein allgemeines Grundgeſetz der elektr. Wirkung. 2. Abdr. Leipzig, Hirzel. 3 M. Zeuner, Guſt., Techniſche Thermodynamik. der „Grundzüge der mechan. Wärmetheorie“. von den Dämpfen. Leipzig, Felix. 14 M. Chemie. Berthelt, A., Chemie für Schulen und zum Selbſtunterrichte. durchgeſehene Aufl. Leipzig, Klinkhardt. 0,90 M. Handler, Sophie, Ueber die Reduktion des Hämoglobins im Herzen. Bern, Huber & Co. 0,60 M. 3. vollſt. neu bearb. Aufl. 2. Bd. Die Lehre 8. neu 328 Humboldt. — September 1890. Jakoby, Fel., Beiträge zur Chemie der Salix-Rinden. Dorpat, Karow. 1,50 M. Lubbe, A., Chemiſch⸗pharmakologiſche Unterſuchung des kryſtalliſierten Alkaloides aus den japaniſchen Kuſa-uzu⸗Knollen. Dorpat, Karow. 2 M. Luther, Dr. Ernſt, Methoden der Unterſuchung des Harns auf Zucker u. über das Vorkommen von Kohlehydraten im normalen Harn. Aus dem chemiſchen Laboratorium der mediziniſchen Klinik in Frei⸗ burg i. Br. Berlin, Groſſer. 1 M. Pehkſchen, K., Unterſuchung der Alkaloide des Veratrum album unter beſonderer Berückſichtigung des „Veratroidins“. Dorpat, Karow. 1 M. Remſen, J., Anorganiſche Chemie. Autoriſ. deutſche Ausgabe. Tübingen, Laupp. 12 M. Repetitorium der mediziniſchen Hilfswiſſenſchaften Chemie, Phyſik, Bo⸗ tanik u. Zoologie für Studierende der Medizin, Pharmacie, Tier⸗ arzneikunde, Chemie u. fj. w. 1. Teil. Inhalt: Repetitorium der Chemie, vom 1. Aſſiſt. Dr. G. Kaſſner. 2. verm. u. verb. Aufl. Breslau, Preuß & Jünger. 4 M. Tammann, G., Ueber die Metamerie der Metaphosphate. Dorpat, Karow. 1 M. Trebſt, O., Einwirkung von Methylenchlorid auf Piperidin. Rudol⸗ ſtadt, Dabis. 0,80 M. 8 Weſener, Fel., Lehrbuch der chemiſchen Unterſuchungsmethoden zur Diagnoſtik innerer Krankheiten. Berlin, Wreden. 6 M Aſtronomie. Buſzezynski, Boleslaus, Ueber hyperboliſche Bahnen heller Meteore. Fortſetzung zu „Ueber die Bahnen der am 11. Dez. 1852 u. am 3. Dez. 1861 in Deutſchland beobachteten hellen Meteore.“ Leipzig, Fock. 0,80 M. d' Engelhardt, Dr. B., Observations astronomiques. Dans son Observatoire à Dresde. 2. partie. Dresden, Baenſch. 25 M. Friedel, H., Zur Darſtellung der Mondbahn. Zugleich eine Kritik der Mondbezeichnungen in unſern Büchern u. Atlanten. Jena, Mauke. 0,25 M. Köhler, Osw., Weltſchöpfung u. Weltuntergang. Die Entwickelung von Himmel u. Erde, auf Grund der Naturwiſſenſchaften populär dar⸗ geſtellt. 2. bericht. u. erweit. Aufl. (In 15 Lief.) 1.—3. Lief. Stuttgart, Diez. à 0,20 M. Meteorologie. Zehnder, L., Ueber atmoſphäriſche Elektrizität. Würzburg, Stahel. 0,60 M. Mineralogie, Geologie, Valäontologie. Biermann, O., Zur Frage nach den Urſachen der Eiszeiten. Klagen⸗ furt, v. Kleinmayr. 1 M. Cohen, E., Zuſammenſtellung petrographiſcher Unterſuchungsmethoden, nebſt Angabe der Literatur. Berlin, Gaertner. 1,20 M. Lepſius, G. R., Griechiſche Marmorſtudien. Berlin, G. Reimer. 6,50 M. Oſtertag, J. Fr., Der Petrefakten-Sammler. Zugleich eine Einführung in die Paläontologie für Seminariſten, Gymnaſiaſten u. Realſchüler. Stuttgart, Rob. Lutz. 3 M. Wurm, Fr., Ueber die Grünſteine der Schluckenauer u. Nixdorfer Gegend. Prag, Rivnas. 0,40 M. Erdſunde. Beiträge zur Kenntnis des ruſſiſchen Reiches u. der angrenzenden Länder Aſiens. 3. Folge. Auf Koſten der kaiſerl. Akademie der Wiſſen⸗ ſchaften. Hrsg. von L. v. Schrenck u. C. L. Maximowicz. 7 Bd. Inh. Reiſen u. Aufenthalt in Kamtſchatka in den Jahren 1851—53. Von K. v. Ditmar. 1. Teil. Hiſtoriſcher Bericht nach den Tage- büchern. Leipzig, Voß's Sort. 19 M. Stanley, H. M., Im dunkelſten Afrika. Aufſuchung, Rettung u. Rück⸗ zug Emin Paſchas, Gouverneurs der Aequatorialprovinz. Autoriſ. deutſche Ausgabe. Aus dem Engl. von H. v. Wobeſer. Mit 150 Ab⸗ bildungen u. 3 Karten. 2 Bde. Leipzig, Brockhaus. 20 M. Tomaſin, P., Die Volksſtämme im Gebiete von Trieſt u. in Iſtrien. Eine ethnographijpe Studie. Trieſt, Schimpff. 2,80 M. Verhandlungen der vom 9.—12. Oktober 1888 in Paris abgehaltenen 3. allgem. Konferenz der internat. Erdmeſſung u. deren permanenten Kommiſſion. Red. von A. Hirſch. Zugl. mit den Spezjalberichten über die Fortſchritte der Erdmeſſung u. den Berichten der Vertreter der einzelnen Staaten über die Arbeiten in ihren Ländern. Hrsg. von der permanenten Kommiſſion der internat. Erdmeſſung. Berlin, G. Reimer. 25 M. Botanik. Bary, A. de, Botanik. 3. unveränd. Aufl. (Naturwiſſenſch. Elementar⸗ bücher, 8). Straßburg, Trübner. 0,80 M. Berleſe, A. N., Icones fungorum ad usum sylloges Saccardianae. Fase. 1. Asculi Picenorum. Inhalt: Lophiostomaceae, Sphae- riaceae p. p. Berlin, Friedländer & Sohn. 8 M. Fiſcher, E., Taſchenbuch für Pflanzenſammler. 7. verb. u. verm. Aufl. Leipzig, Leiner. 2,80 M. Forſchungen zur deutſchen Landes- u. Volkskunde, im Auftrag der Zentralkommiſſion für wiſſenſchaftl. Landeskunde von Deutſchland. Hrsg. v. Prof. Dr. A. Kirchhoff. 5. Bd., 1. Heft. Inhalt: Nähr⸗ pflanzen Mitteleuropas, ihre Heimat, Einführung in das Gebiet u. Verbreitung innerhalb desſelben von Dr. F. Höck. Stuttgart, Engel⸗ horn. 2,20 M. Fraenkel, K., Grundriß der Bakterienkunde. 3. Aufl. Berlin, Hirſch⸗ wald. 10 M. Glaſer, L., Taſchenwörterbuch für Botaniker u. alle Freunde der Botanik, enth. die bot. Nomenklatur, Terminologie u. Litteratur, nebſt einem alphabet. Verzeichniſſe aller wichtigen Zier⸗, Treibhaus⸗ u. Kultur⸗ pflanzen, ſowie derjenigen der heim. Flora. 2. verm. u. verb. Aufl. Leipzig, T. O. Weigel Nachf. 5 M. Gremli, A., Neue Beiträge zur Flora der Schweiz. V. Heft. Inhalt: Die Gattungen: J. Draba, II. Thlaspi, III. Viola, IV. Poly- gala, V. Hieracium, VI. Mentha, VII. Verſchiedenes, VIII. Nach⸗ frag. Aarau, Wirz⸗Chriſten. 1,60 M. Hlibowicki, Prof. i. R. Joh., Benennungen der in der Bukowina vor⸗ kommenden Pflanzen in lateiniſcher, deutſcher, rumäniſcher u. ruthe⸗ niſcher Sprache. Czernowitz, Pardini. 0,40 M. Knuth, P., Geſchichte der Botanik in Schleswig⸗Holſtein. (Die Zeit vor Linné). Kiel, Lipſius & Tiſcher. 1,60 M. Knuth, P., Botaniſche Wanderungen auf der Inſel Sylt. Nebſt einem Verzeichnis der die Sylter Pflanzenwelt betr. Litteratur u. den bisher von der Inſel Sylt angegebenen Pflanzen. Tondern, Dröhſe. 1,50 M. Kramer, Ernſt, Die Bakteriologie in ihren Beziehungen zur Landwirt⸗ ſchaft u. d. landw. Gewerben. I. Die in der Landw. durch Bakterien bewirkten Vorgänge. Wien, Gerold. 4 M. Schröter, L., Taſchenflora des Alpenwanderers. Kolorierte Abbildungen von 115 verbreiteten Alpenpflanzen, nach der Natur gemalt. Mit kurzen bot. Notizen in deutſcher, franzöſiſcher u. engliſcher Sprache. Von C. Schröter. 2. durchgeſehene u. verb. Aufl. Zürich, Meyer & Zeller. 5 M. Seidel, Otto, Tafeln zur Beſtimmung der Gefäßpflanzen Schleſiens. Frankenſtein i. Schl., Philipp. 2,50 M. Springenfeldt, M., Beiträge zur Geſchichte des Seidelbaftes. (Daphne Mezereum.) Dorpat, Karow. 2 M. Vogel, O., Dr. K. Müllenhoff, Dr. F. Kienitz⸗Gerloff, Leitfaden für den Unterricht in der Botanik. Nach method. Grundſätzen bearbeitet. 1. u. 2. Heft. Berlin, Winkelmann & Söhne. 1,40 M. Voß, W., Mycologia carniolica. Ein Beitrag z. Pilzkunde d. Alpen⸗ landes. 2. Teil. Inhalt: Basidiomycetes, Ascomycetes p. p. Berlin, Friedländer & Sohn. 1,80 M. Vries, Hugo de, Die Pflanzen u. Tiere in den dunklen Räumen der Rotterdamer Waſſerleitung. Bericht über die biolog. Unterſuchungen der Crenothrix⸗Kommiſſion zu Rotterdam, vom Jahre 1887. Jena, Fiſcher. 1,80 M. Zopf, Wilh., Die Pilze in morphologiſcher, phyſiologiſcher, biologiſcher u. ſyſtematiſcher Beziehung. Breslau, Trewendt. 18 M. Zwick, H., Lehrbuch für den Unterricht in der Botanik. Nach methodiſchen Grundſätzen in 3 Kurſen für höhere Lehranſtalten bearb. 2. Kurſus. 3. vollſtändig umgearb. Aufl. Berlin, Nikolai. 1,60 M. Zoologie. Dennler, J., Die Wachsmotten. Beſchreibung u. Lebensweiſe, Schaden, den fie in den Bienenſtöcken verurſachen, u. Mittel, die mit Erfolg gegen fic anzuwenden ſind. Braunſchweig, Schweiſchke & Sohn. 0,40 M. Faung u. Flora des Golfes von Neapel u. der angrenzenden Meeres- abſchnitte. Hrsg. von der zoolog. Station zu Neapel. 17. Mono⸗ graphie. Inhalt: Die Caprelliden des Golfs von Neapel und der angrenzenden Meeresabſchn. Nachtrag zur Monographie derſelben von P. Mayer. Berlin, Friedländer & Sohn. 24 M. 5 Jäger, Ed. v., Ophthalmoſkopiſcher Handatlas. Neu bearbeitet u. ver⸗ größert von Dr. Max Salzmann. Wien, Deuticke. 50 M. Klaußner, Dr. Ferd., Mehrfachbildungen bei Wirbeltieren. Eine tera⸗ tolog. Studie. München, Rieger. 12 M. Knauer, Fr., Europas Kriechtiere u. Lurche. Für den Naturfreund be⸗ ſchrieben u. nach ihrem Leben geſchildert. Neue Ausg. Wien, Pichlers Wwe. & Söhne. 2 M. Peters, O., Ueber das Pterygium. Kiel, Lipſius & Tiſcher. 0,80 M. Rothe, K., Käfer⸗Etiketten. Wien, Pichlers Wwe. & Sohn. 1,20 M. Schloſſer, Max, Die Affen, Lemuren, Chiropteren, Inſectivoren, Mar⸗ ſupialier, Greodonten u. Carnivoren des europ. Tertiärs u. d. Bes ziehungen zu ihren lebenden u. foſſilen außereurop. Verwandten. 3. Teil. Wien, Hölder. 8 M. Tableaux anatomiques pour écoles. VIII. Organes de la digestion chezVhomme. Farbendruck auf Leinw. Karlsruhe, J. Bielefeld. 6M. Ahyſtologie. Angelucci, A., Unterſuchungen über die Sehthätigkeit der Netzhaut u. des Gehirns. Gießen, Roth. 4 M. Dreyer, Fr., Die Theorie der Biokryſtalliſation im allgemeinen u. die Skelettbildung d. Polyeyſtinen i beſonderen. Rudolſtadt, Dabis. 0,80 M. Eichbaum, Fr., Beiträge zur Statik u. Mechanik d. Pferdeſkeletts. Feſt⸗ ſchrift zur 100jähr. Stiftungsfeier der königl. tierärztl. Hochſchule in Berlin. Berlin, Hirſchwald. 4 M. Holfeld, K., Die Bedeutung des phosphorſauren Kalles für die Ernäh⸗ rung u. Geſundheitserhaltung des Hoch- u. Rehwildes u. deſſen Ein⸗ fluß auf die Knochen-, Geweih- u. Gehörnbildung, nebſt Anleitung über ſeine empfehlenswerte Verabreichung im Walde. Teplitz. Dres⸗ den⸗Blaſewitz, Wolff. 2 M. ; Klinik, Wiener, Vorträge aus der geſamten prakt. Heilkunde. Red. von Dr. A. Bum, 1890. 7. Heft. Inhalt: Ueber den gegenwärtigen Stand der Frage der Vererbung erworbener Eigenſchafzen u. Krank⸗ heiten. Von Dr. E. Roth. Wien, Urban u. Schwarzenberg. 0,75 M. Kozerski, Dr. A., Experimentelle Unterſuchungen über den Einfluß des kohlenſauren Natron auf den menſchlichen Stoffwechſel. Dorpat, Karow. 1,50 M. Lombroſo, Prof., Ceſare, Der geniale Menſch. Autoriſ. Ueberſetzung von Dr. M. O. Fränkel. Hamburg, Verlagsanſtalt. 10 M. Munk, H., Ueber die Funktionen der Großhirnrinde. Geſammelte Mit⸗ teilungen mit Anm. 2. verm. Aufl. Berlin, Hirſchwald. 6 M. Niebling, Rich., Unterſuchungen über die künſtl. Verdauung landwirt⸗ ſchaftlicher Futtermittel nach Stutzer, über Pepſinwirkung im allgem. und ein Verſuch die Verdaulichkeit der Sieinnußſpäne feſtzuſtellen. Rudolſtadt, Dabis. 1 M. Anthropologie. Ammon, O., Anthropologiſche Unterſuchungen der Wehrpflichtigen in Paden. Hamburg, Verlagsanſtalt u. Druckerei, A.⸗G. 0,80 M. 1. Teil Ueber die Suckergruppe. Don Dr. Ludwig Paul in Charlottenburg. I. nter dem Namen Zuckerarten ſtellt man eine Reihe von Verbindungen zuſammen, welche ſüß ſchmecken und entweder die beſitzen, je nachdem dieſelben zur Trauben- oder Rohr— zuckergruppe gehören. Alle bis jetzt ſtudierten Zer— ſetzungen der Zuckerarten zeigen, daß in ihnen die Kohlenſtoffatome in derſelben Weiſe aneinander ge— lagert angenommen werden müſſen, wie in den zur Klaſſe der Fettkörper gehörigen Subſtanzen. Eine Subſtanz von der Zuſammenſetzung C6120, wie ſolche in dem Traubenzucker und den andern Mitgliedern derſelben Gruppe vorliegt, muß demnach auf den Kohlenwaſſerſtoff mit 6 Kohlenſtoffatomen, auf den Hexylwaſſerſtoff CH bezogen werden, deſſen » Atomgruppierung CH,—CH,—CH,.—CH,— CH,— CH, normaler Hexylwaſſerſtoff leicht verſtändlich wird, wenn man zu deren Ent⸗ ſtehung vom Sumpfgas CH, ausgehend, fo lange ein Atom Waſſerſtoff durch den Sumpfgasreſt, die Methylgruppe CIIz, erſetzt, bis das Molekül 6 Kohlenſtoffatome enthält. Einem jeden Kohlen- waſſerſtoff entſpricht ein geſättigter Alkohol, d. h. ein Körper, der ſo viel Alkoholgruppen enthält, als Kohlenſtoffatome vorhanden ſind. Der dem Hexyl— waſſerſtoff entſprechende geſättigte oder 6ſäurige Al— kohol muß demnach: CH,OH-CH.OH-CH.OH-CH.OH—-CH.OH—CH).OH ſechsſäuriger Hexylalkohol zuſammengeſetzt ſein. Dieſer Körper wurde im Jahre 1896 von Prout entdeckt und kommt namentlich in Humboldt 1890. dem Safte der Mannageſche (Fraxinus ornus) vor. Nach dieſem Vorkommen wurde er als Mannit be— zeichnet. Die empiriſchen Formeln des Mannits und des Traubenzuckers zeigen nur eine Differenz von 2 Waſſer⸗ ſtoffatomen. Traubenzucker . 06H06 Mannit (G0 Differenz Hy. Dieſe 2 Waſſerſtoffatome können dem Trauben- zucker zugeführt werden, wenn eine Löſung desſelben mit nascierendem Waſſerſtoff, mit Natriumamalgam behandelt wird. Nach erfolgter Reaktion enthält die Löſung Mannit. Beide Körper, Mannit und Trau— benzucker, laſſen ſich durch vorſichtig geleitete Oxy— dation in eine einbaſiſche Säure, die Glukonſäure, umwandeln, welcher unſtreitbar die Zuſammenſetzung COOH - (CH. OH = CH. OH zukommt. Glukonſäure. Bei der Einwirkung ſtärkerer Oxydationsmittel entſteht ſowohl aus dem Mannit und Traubenzucker, wie auch aus der Glukonſäure die zweibaſiſche Säure COOH—(CH.OH),—COOH die Zuckerſäure. Aus Zuckerſäure dieſem Verhalten des Traubenzuckers: einmal bei der Oxydation dieſelben Produkte wie der Mannit zu liefern, das anderemal ſich bei der Reduktion in Mannit zu verwandeln, geht unzweifelhaft hervor, daß der Traubenzucker und mit ihm die zu derſelben Gruppe gehörenden Zuckerarten die Aldehydgruppe enthalten. Wie bei der Oxydation z. B. des Aethyl— alkohols zu Eſſigſäure zunächſt ein intermediäres Produkt, der Acetaldehyd, entſteht, der erſt in einer zweiten Phaſe der Oxydation in Eſſigſäure verwandelt 42 330 wird, fo verwandelt ſich auch der Mannit zunächſt in Traubenzucker und danach in Glukonſäure. CHa. OH--CH, CH,OH—(CH.OH),—CH,0H Aethylalkohol. Mannit. COH—CH, COH—(CH.OH),—CH,. OH Acetaldehyd. Traubenzucker. COOH -CH z COOH—(CH .OH),—CH,. OH Eſſigſäure. Glukonſäure. Daß der Traubenzucker und verwandte Zucker⸗ arten aldehydartige Körper ſind, beweiſt ihre leichte Oxydationsfähigkeit und daß ſie infolgedeſſen wie alle Aldehyde gute Reduktionsmittel ſind. So werden z. B. Eiſenoxydſalze zu Eiſenoxydulſalzen, Ferrideyan⸗ kalium zu Ferrocyankalium reduziert; aus Silber⸗ löſungen fällt Traubenzucker metalliſches Silber, aus manchen Kupferſalzen Kupferoxydul. Von Wichtigkeit zur Erkennung und Beſtimmung der Zuckerarten der Traubenzuckergruppe war bisher die Reaktion, wonach eine alkaliſche Kupferhydroxydlöſung (ſog. Fehlingſche Löſung), durch die genannten Zuckerarten, namentlich aber durch den Traubenzucker, zu Kupferoxydul re⸗ duziert wird. Mit Hilfe dieſer Reaktion erkannte und beſtimmte man in faſt allen Fällen den Trauben⸗ zucker. Es iſt jedoch leicht verſtändlich, daß dieſe Reaktion zu Irrtümern Veranlaſſung geben kann, ſofern außer den Zuckerarten noch andere, dieſen beigemengte organiſche Körper die Fähigkeit haben, Kupferoxydul aus einer Kupferoxydlöſung abzuſcheiden. Um ſo ſicherer und bequemer erſcheint die in der Folge beſchriebene, von C. Fiſcher aufgefundene Hydrazinprobe. Faſt jeder Aldehyd läßt ſich aus ſeinem Alkohol darſtellen. Es müßte alſo z. B. Traubenzucker aus Mannit mittels Oxydation erhalten werden können. Dieſe Oxydation iſt von Gorup⸗Beſanez durch Ein⸗ wirkung von Platinmohr auf Mannit ausgeführt und hierbei ein ſüßſchmeckender Körper erhalten wor⸗ den, der aber nur zum Teil Traubenzucker zu ſein ſcheint. Auch dieſe Reaktion iſt weiterhin durch E. Fiſcher aufgeklärt worden und dadurch der letzte Einwurf, welcher gegen das Verhältnis des Trauben⸗ zuckers und verwandter Zuckerarten zum Mannit, als das eines Aldehyds zu ſeinem Alkohol erhoben wer⸗ den könnte, beſeitigt worden. Betrachtet man die Mitglieder der Trauben⸗ zuckergruppe, ſo ergibt ſich in ihrem Verhalten die größte Verſchiedenheit. Allen gemeinſam iſt die Zu⸗ ſammenſetzung Ce 12 Os und der ſüße Geſchmack. Die Löſungen der meiſten ſind optiſch aktiv und dient ihr Verhalten gegen das polariſierte Licht als wich⸗ tiges Unterſcheidungsmerkmal. Während Trauben⸗ zucker, Fruchtzucker (Lävuloſe, ſpäter Fruchtoſe ge⸗ nannt), Laktoſe (Galaktoſe), Sorbin, Maltoſe und Arabinoſe Fehlingſche Löſungen reduzieren, ſind Inoſit, Scyllit und Damboſe ohne Einwirkung. Aehnlich ſteht es mit der Fähigkeit dieſer Zuckerarten, ſich ver⸗ gären zu laſſen. Zu den vergärbaren gehören: Traubenzucker, Fruchtzucker, Laktoſe, Maltoſe, wäh⸗ rend Sorbin, Inoſit, Scyllit, Arabinoſe und Damboſe Humboldt. — Oktober 1890. ſich indifferent gegen Hefe verhalten. Angeſichts ſolcher Verſchiedenheiten in dem Verhalten der ein— zelnen Mitglieder der Traubenzuckergruppe find auf- tauchende Zweifel über die chemiſche Individualität einiger dieſer Verbindungen wohl am Platze und ebenſo das Verlangen einer brauchbaren Definition „Zucker“. Dieſem für die Zwecke des Unterrichts und für alle der organiſchen Chemie ferner ſtehenden Forſcher fühlbaren Mangel hat E. Fiſcher durch eine Reihe höchſt wertvoller Arbeiten abgeholfen. Der⸗ ſelbe beſchäftigt ſich ſeit 18845) mit dem Nachweis und der Unterſcheidung der Zuckerarten in der ein⸗ gehendſten Weiſe und fußt hierbei auf der Beobachtung, daß diejenigen Zuckerarten, welche alkaliſche Kupfer⸗ löſung reduzieren, mit dem Phenylhydrazin kryſtalli⸗ ſierte, in Waſſer ſchwer lösliche Verbindungen eingehen. Zu den Mitgliedern dieſer Gruppe, den wahren Zuckerarten, gehören unzweifelhaft: Dextroſe, Lä⸗ vuloſe, Galaktoſe, Sorbin, Formoſe, Rhamnoſe, Mannoſe. In die zweite Klaſſe ſind alle Verbindungen von der Zuſammenſetzung des Rohrzuckers Ou12011 aufgenommen, welche durch verdünnte Säuren unter Waſſeraufnahme in wahre Zuckerarten der Formel C6 HzO verwandelt werden, CipHy0 i, H O 5 = 2C6H1206, mithin als Anhydrite der letzteren zu betrachten ſind. I. Phenylhydrazin. Die Wichtigkeit des Phenylhydrazins als Rea⸗ genz in der Zuckergruppe berechtigt zunächſt zu der Frage: Was iſt Phenylhydrazin? Phenylhydrazin ge⸗ hört zu der großen Gruppe der Hydrazinverbindungen, deren Auffindung und genaue Kenntnis wir ebenfalls E. Fiſcher ne) verdanken. Das einfachſte Hydrazin iſt anorganiſcher Natur und durch das Zuſammen⸗ treten zweier primärer Ammoniakreſte, alſo zweier Amidogruppen (NH) entſtanden zu denken NH -NH Diamid oder Hydrazin. Dieſer einfache Körper exiſtiert nicht. Deſto genauer ſind deſſen organiſche Abkömmlinge bekannt, die ent⸗ ſtehen, wenn an Stelle eines Waſſerſtoffatomes einer Amido(NH,)gruppe organiſche Radikale, wie Methyl (C Hz), Aethyl (C.H;) oder Phenyl (Cells) treten. Aus dem Hydrazin wird dadurch Methylhydrazin (CH,. NH—NH)), Aethylhydrazin (C2Hs. NH NH) und Phenylhydrazin (CsH;. NH—NH,)***). Die beſte Methode zur Darſtellung der Hydrazine fußt auf der nahen Beziehung derſelben zu den Diazoverbindungen, von denen fie ſich durch den Mehrgehalt von 4 Waffer- ſtoffatomen unterſcheiden, z. B. C,H;N,Cl ſalzſaures Diazobenzol. CyHgNoCl ſalzſaures Phenylhydrazin. ) Berl. Ber. 17, S. 579. ) Ann. 190, S. 67. za) Eine genaue Beſchreibung dieſer Körperklaſſe ſiehe Ann. 190, S. 67. Humboldt. — Oktober 1890. Dieſe 4 Atome Waſſerſtoff können den Diazo— verbindungen leicht zugeführt werden, wenn dieſelben mit Reduktionsmitteln, alſo Waſſerſtoff zuführenden Subſtanzen, behandelt werden. Als Beiſpiel diene das für die Charakteriſierung der Zuckerarten wichtige Phenylhydrazin. Zur Darſtellung des letztern benutzt man das Anilin (Ce Hs. NH-), welches in verdünnter Salzſäure gelöſt, unter ſtarker Abkühlung ſo lange mit einer wäſſerigen Löſung von ſalpetrigſaurem Natron verſetzt wird, bis eine Probe auf Jodkalium⸗ papier Bläuung hervorruft). Cs ijt jest ſalzſaures Diazobenzol entſtanden, welches mit einer ſchwach— ſauren Löſung von Zinnchlorür vermiſcht, in ſalz— ſaures Phenylhydrazin übergeht, das ſich als weiße Kryſtallmaſſe ausſcheidet“ ). C,H;.N = NCl 2S8nCl, ſalzſaures 2 Mol. Diazobenzol Zinnchlorid. -- C,H;NH—NHp». HCl ſalzſaures Phenylhydrazin. 2 Mol. Zinnchlorür entziehen dabei 4 Mol. Salz— ſäure 4 Atome Chlor, ſich dadurch in 2 Mol. Zinn- chlorid verwandelnd, während die reſtierenden 4 Atome Waſſerſtoff ſich an das Diazobenzol unter Bildung von ſalzſaurem Phenylhydrazin anlagern. Das ſalz— ſaure Phenylhydrazin bildet in reinem Zuſtande eine blendend weiße kryſtalliſierte Subſtanz, welche ſich leicht in Waſſer löſt. Aus der konzentrierten und kalten wäſſerigen Löſung fällt auf Zuſatz von Alkalien oder gewiſſen Salzen, wie Soda, eſſigſaures Natron u. ſ. w., die Baſe, das Phenylhydrazin, aus, während letztere bei Anwendung verdünnter und heißer Löſungen ge— löſt bleibt. Die Baſe bildet ein bei 233° ſiedendes Oel, welches bei niederer Temperatur erſtarrt und bei 23° ſchmilzt. Die beiden Waſſerſtoffatome der noch intakt gebliebenen Wmido(NHy)qruppe find ſehr reaktionsfähig. Dieſelben werden leicht durch den Sauerſtoff der Carbonyl(CO) gruppe in Form von Waſſer entfernt, während ſich die reſtierenden, nun um ein Sauerſtoffatom ärmeren Atomgruppen mit dem Phenylhydrazinreſt verbinden und an die Stelle der beiden eliminierten Waſſerſtoffatome treten: C,H;-NH—-N = CHS NH N II | HO = X 2. Hydrazone und Oſazone. Unter den die Carbonyl(CO) gruppe enthal— tenden Körpern find es namentlich die Ketone (3. B. CH,—CO—CH, Aceton) und die Aldehyde (3. B. 8 Acetaldehyd), welche eine große Reak— ) Vergl. Azofarbſtoffe, Humboldt IX, S. 145. 2 Mayer und Lecco, Bericht 16, S. 2976; E. Fiſcher, Ber. 17, S. 572. G = XA HO 331 tionsfähigkeit dem Phenylhydrazin gegenüber im vorher erwähnten Sinne beſitzen. Da nun die Zuckerarten teils Ketonalkohole, teils wahre Aldehyde ſind, iſt es eigentlich nicht auffallend, daß bei der Einwirkung derſelben auf Phenylhydrazin neue Körper ſich bilden, die ebenfalls ihre Entſtehung der Wechſelwirkung zwiſchen dem Sauerſtoffatom der Karbonylgruppe und den Waſſerſtoffatomen der Amidogruppe verdanken. Dieſe Reaktion iſt ſo allgemein und typiſch geworden, daß man einen Körper nicht mehr zu den Zuckerarten rechnet, wenn er dieſe Reaktion nicht zeigt, auch wenn er mit dieſen die gleiche Zuſammenſetzung und den ſüßen Geſchmack teilen ſollte. Die Reaktion zwiſchen den Zuckerarten und dem Phenylhydrazin führt zu den Hydrazonen und Oſazonen, wobei auf 1 Mol. Zucker zur Entſtehung der erſteren 1 Mol. Phenylhydrazin einwirkt, während zur Bildung der letzteren davon 2 Mol. notwendig ſind. Betrachte man dieſen Vorgang zunächſt an dem Traubenzucker (Glukoſe, Dextroſe). Letzterer iſt ohne allen Zweifel nach dem Schema: CHy.OH— CH.OH—CH.OH—CH.OH—CH.OH—C_f) kon- ſtituiert?) und ſtellt den Aldehyd einer Säure CH,.OH—(CH.OH),—COOH, der Glukonſäure, dar, die daraus leicht durch Oxydation, z. B. mittels Brom entſteht. Werden 2 Teile reine Dextroſe mit 1 Teil Waſſer erhitzt und nach dem Erkalten 2 Teile reines Phenylhydrazin hinzugefügt, ſo erſtarrt das klare, ſchwach gelbe Gemiſch nach einigen Tagen kryſtalliniſch“). Aus dieſem Kryſtallkuchen läßt ſich leicht das Dextroſephenylhydrazon iſolieren, welches eine im Waſſer und heißem Alkohol leicht lösliche, in Aether nahezu unlösliche, bitter ſchmeckende Sub— ſtanz darſtellt, die aus der konzentrierten alkoholiſchen Löſung in Form farbloſer feiner Kryſtalle erhalten werden kann. Dieſelben ſchmelzen bei 144— 145 und haben die Zuſammenſetzung Cy,HsN,O;. Die Reaktion iſt ganz im Sinne der Hydrazonbildung verlaufen. CH,.0H—(CH.OH),—0— 4 — H,0 Traubenzucker H.|/H N—N—C,H; ‘Phenylhydeagin + CH,OH—(CH.OH),—C— N-NH- , Dextroſephenylhydrazon. Damit iſt aber die Reaktionsfähigkeit zwiſchen der urſprünglich vorhandenen Dextroſe und dem Phenylhydrazin noch nicht erſchöpft, denn es ſtellt die Hydrazonbildung gewiſſermaßen die erſte Phaſe der vollendeten Reaktion dar, die zum Phenyl— glukoſazon führt. Erwärmt man nämlich das Der- troſephenylhydrazon in wäſſeriger Löſung mit Phenyl— hydrazin oder einfacher mit ſalzſaurem Phenylhydrazin und eſſigſaurem Natron, ſo ſcheiden ſich nach einiger *) Kiliani, Ber. 17, S. 1704; Ber. 18, S. 3066. **) E. Fiſcher, Ber. 20, S. 821. 332 Zeit feine gelbe Nadeln vom Schmelzpunkt 204° ab. Letzterer Körper entſteht ſofort, wenn direkt 1 Teil Dextroſe mit 2 Teilen ſalzſaurem Phenylhydrazin, 3 Teilen eſſigſaurem Natron und 20 Teilen Waſſer 10—15 Minuten bei Waſſerbadtemperatur erhitzt werden); es ſcheiden fic) auch hierbei feine gelbe Nadeln vom Schmelzpunkt 204—205° ab. Die in beiden Fällen erhaltenen Kryſtalle ſind unlöslich in kaltem Waſſer, leicht löslich in ſiedendem. e CHa. OH- (CH. OH) zH 0 |H—CH = H,0 Dextroſephenylhydrazon NIH, 1 | C,H;—NH NH—C,H; Phenylhydrazin. Die mit Pfeilen verſehenen Waſſerſtoffatome werden nicht frei, ſondern wirken auf ein weiteres Phenylhydrazinmolekül zerſetzend ein, welches dabei in Anilin und Ammoniak zerfällt. Dem Phenylglukoſazon kommt demnach nach⸗ ſtehende Konſtitutionsformel zu: CH,.OH—(CH.OH),—C — CH | | Nis | | C,;H;—-NH NH CH, Phenylglukoſazon. Dieſe zweite Phaſe der Reaktion, die zum Phenyl⸗ glukoſazon führt, erfolgt ſchon in isp verdünnter Löſung, die auf 50 g Waſſer 01 g Traubenzucker enthält. Auf Zuſatz von le ſalzſaurem Phenyl⸗ hydrazin und 2 g eſſigſaurem Natron trat beim Er⸗ wärmen auf dem Waſſerbad intenſive Gelbfärbung und ſpäter Ausſcheidung gelber Kryſtällchen von der Farbe des Schwefelarſens ein, die den Schmelzpunkt 205° hatten. Dieſe Reaktion iſt alſo immer da mit Vorteil zu verwenden, wo es ſich um den ſchnellen und ſicheren Nachweis kleiner Mengen Traubenzucker handelt, und ſcheint dieſe Probe in manchen Fällen ſicherer zu ſein, als die Anwendung alkaliſcher Kupfer⸗ oder Wismut⸗ löſung. Sie übertrifft ferner an Schärfe und Bequem⸗ lichkeit die ſonſt ſo vorzügliche Gärungsprobe. Selbſt im menſchlichen Harn kann man unter den gleichen Bedingungen den Traubenzucker in kleinen Mengen erkennen. 50 g normalen Harnes, welchem 0,5 g Traubenzucker zugeſetzt war, gaben nach halbſtündigem Erhitzen mit 19 Phenylhydrazin und 2 © eſſigſaurem Natron einen amorphen Niederſchlag, welcher nach dem Erkalten der Flüſſigkeit abfiltriert wurde. Derſelbe wurde mit wenig heißem Alkohol ausgekocht und das Filtrat mit Waſſer verſetzt. Beim Wegkochen des Alko⸗ hols erſchienen ſofort die charakteriſtiſchen gelben Nadeln des Phenylglukoſazons. Zum Nachweis des Trauben⸗ zuckers in diabetiſchem Harn iſt dieſe Reaktion von R. von Yadjdh**) mit Erfolg benutzt worden. *) E. Fiſcher, Ber. 17, S. 580. ) Zeitſchrift für analyt. Chemie 24, S. 478. Humboldt. — Oktober 1890. Erſetzt man die Dextroſe durch die Lavuloje*), jener Zuckerart, welche neben Dextroſe beim Behan⸗ deln des Rohrzuckers mittels verdünnter Säuren entſteht, ſo erhält man mit Hilfe der Phenylhydrazin⸗ reaktion dasſelbe Phenylglukoſazon, infolgedeſſen dieſe auch nicht zur Unterſcheidung beider Zuckerarten ver⸗ wandt werden kann. Die Lävuloſe iſt nicht nur in ihren phyſikaliſchen Eigenſchaften grundverſchieden von der Dextroſe, ſondern auch in ihrer atomiſtiſchen Konſtitution; für letztere ſtellt Kiliani“ ) das Schema auf: CH,.0H—CO—(CH.OH),—CH,.OH. Da⸗ nach iſt die Lävuloſe als ein Ketonalkohol an⸗ zuſprechen, deſſen reaktionsfähiges Sauerſtoffatom nicht, wie bei der Dextroſe, am Ende ſteht. Trotz dieſer Verſchiedenheit muß bei der Einwirkung von 2 Mol. Phenylhydrazin dasſelbe Phenylglukoſazon entſtehen: an ose —(CH.OH),—CH,OH ++ I NH—C,H, IR C,H, = 2H,0 + CH—C—(CHOH),—CH,OH . N N-NH. C Hz | NH—G,H; Phenylglukoſazon. Bei der Einwirkung von Phenylhydrazin auf Galaftofe***) — dieſelbe entſteht aus Milchzucker beim Erwärmen mit verdünnten Säuren — werden 2 Körper: Galaktoſephenylhydrazon CyyHi.NoO; und Phenylgalaktoſazon Oise N20 gebildet. Erſterer bildet feine farbloſe Nadeln vom Schmelzpunkt 158 6, letztere gelbe Nadeln vom Schmelzpunkt 193—194 e, Scheibler z) wandte dieſe Reaktion mit Erfolg an, um Galaktoſe von der von ihm entdeckten Arabinoſe zu unterſcheiden. Die im Safte der Vogelbeeren vorkommende Zuckerart Sorbin wird bei der Einwirkung eines Ge⸗ miſches von eſſigſaurem Natron und ſalzſaurem Phenyl⸗ hydrazin in das Phenylſorbinoſazon CisHlez N03 T1) verwandelt. Dasſelbe bildet feine gelbe Nadeln vom Schmelzpunkt 164°, welche in Waſſer ſchwer, in heißem Alkohol dagegen leicht löslich ſind. Hierdurch und durch ſeinen niedrigen Schmelzpunkt unterſcheidet ſich das Phenylſorbinoſazon ſcharf von den damit iſomeren Körpern, dem Phenylglukoſazon und Phenyl⸗ galaktoſazon. Die von Scheibler im arabiſchen Gummi ent⸗ deckte Zuckerart Arabinoſe iſt aus der Gruppe des Traubenzuckers zu ſtreichen, da dieſer nach den Unterſuchungen von Scheibler it) und Kiliani ) ) Beilſtein, 2. Aufl., 1. Bd., S. 840. *) Ber. 18, S. 3066; 19, S. 221, 767, 1916. er) E. Fiſcher, Ber. 17, S. 579; Ber. 20, S. 825. ap) sss % Sy l 11) E. F Fischer, Bev. 17, S. 579; Ber. 20, S. 827. 1150. Ver. 17, S. 1731. 1 B Humboldt. — Oktober 1890. unſtreitig die Formel C5405 zukommt. Bei der Einwirkung von Phenylhydrazin auf die von ihm dargeſtellte Arabinoſe erhielt Scheibler 2 Oſazone, wovon das eine fic) als Phenylgalaktoſazon, das andere als Arabinoſazon erwies; letzteres ſchmolz bei 158 und gab bei der Analyſe für die Arabinoſe unzweifelhaft die Formel C;H,O;, dem Aldehyd des normalen Pentoxypentans entſprechend: CH,OH—(CH.OH),—CHO. Die Zuckerarten Krokoſe aus Safran und Phloroſe aus Phloridzin erwieſen ſich bei der Unter— ſuchung der Hydrazinverbindungen als identiſch mit dem Traubenzucker. Die Bereicherung der Traubenzuckergruppe um zwei neue Mitglieder, welche die Namen Mannoſe und Rhamnoſe erhielten, iſt auf die allgemein be— kannte Reaktion, Aldehyde durch Oxydation aus den ihnen zu Grunde liegenden Alkoholen herzuſtellen, zu— rückzuführen. Gorup Beſanez wandte dieſe Reaktion auch auf den dem Traubenzucker entſprechenden Al— kohol, den Mannit, an, und erhielt beim Behandeln desſelben mit Platinmohr eine neue optiſch unwirk— ſame Zuckerart, die er Mannitoſe nannte. Auch dieſe Zuckerart unterzog E. Fiſcher“) einer näheren Unterſuchung und fand zunächſt in Uebereinſtimmung mit Dafort**), daß die Mannitoſe in dem einen ihrer Beſtandteile mit der Lävuloſe identiſch ſei. Bei der Einwirkung von Phenylhydrazin auf Mannitoſe konnte zunächſt Phenylglukoſazon abgeſchieden werden, aber neben dieſem eine bei 188° ſchmelzende Hydrazon— verbindung, welche mit dem Dextroſephenylhydrazon iſomer war. Aus letzterer läßt ſich leicht die neue Zuckerart Mannoſe darſtellen durch Behandeln mit konzentrierter Salzſäure, unter deren Einfluß ſich alle Hydrazone unter Phenylhydrazinabſpaltung zu dem Zucker regenerieren, aus dem ſie entſtanden ſind. 1 Molekül z. B. Dextroſephenylhydrazon nimmt dabei 1 Mol. Waſſer und 1 Mol. Salzſäure auf. Der Waſſerſtoff des Waſſers regeneriert die Amidogruppe des Phenylhydrazins, welch' letzteres ſich mit 1 Mol. Salzſäure als ſalzſaures Phenylhydrazin abſpaltet, während der Sauerſtoff die Aldehyd- oder Karbonyl- gruppe des Zuckers wiederherſtellt, je nachdem der— ſelbe ein Aldehyd oder ein Ketonalkohol war. CH-(CH.OH),—-CH,.OH CHO—(CH.OH),—CH,OH 1 — — NH,. HCl N-+H,|0 + HCl | NH—C,H; NH-C.o, 1 Mol. Traubenzucker und Dextroſephenylhydrazon 1 Mol. ſalz. Phenylhydrazin. E. Fiſcher“ ns) erſetzt bei der Oxydation des Mannits den Platinmohr durch Salpeterſäure. 200 ¢ Mannit werden mit 1300 g Waſſer und 650 f Salpeterſäure 8 Stunden bei 42° digeriert und danach das Ge— ) E. Fiſcher, Ber. 2 **) Dafort, Ber. 17, ea) ee 805. 0, S. 831. S. 227. 333 miſch noch 1—2 Tage ſich ſelbſt überlaſſen. Auf Zuſatz von 100 f Phenylhydrazin in eſſigſaurer Löſung bei Zimmertemperatur entſteht ein gelber Niederſchlag, welcher Mannoſephenylhydrazon Cy,H,gN.O; enthält. Dasſelbe bildet in reinem Zuſtande feine, ſchwachgelbe prismatiſche Kryſtalle, die bei 195— 200 ſchmelzen. Werden dieſelben in der Jfachen Menge Salzſäure unter Kühlung gelöſt, ſo ſcheidet ſich nach einiger Zeit ſalzſaures Phenylhydrazin ab. Nach Entfernung des— ſelben durch Abfiltrieren und Neutraliſation der Säure durch Bleikarbonat, dampft man die klare Mannoſe— löſung im Vakuum ein und erhält einen auch in ab— ſolutem Alkohol leicht löslichen Syrup, welcher durch abſoluten Aether gefällt wird. Die neue Zuckerart ſteht in engſter Beziehung zur Dextroſe und Lävuloſe und iſt namentlich der Dextroſe zum Verwechſeln ähnlich. Auch wie letztere dreht die Mannoſe die Polariſations⸗ ebene nach rechts, doch in bedeutend ſchwächerem Maße. Zur Unterſcheidung beider dienen die Hy— drazon verbindungen. Die große Schwerlöslichkeit des Mannoſephenylhydrazons läßt keinen Zweifel darüber, daß hier eine ſelbſtändige, von allen bekannten Zucker⸗ arten der Traubenzuckergruppe verſchiedene vorliegt, die mit linksdrehender Lävuloſe gemengt, die optiſch unwirkſame Mannitoſe darſtellt. Wird das Mannoſephenylhydrazon mit Phenyl— hydrazin bei 100 — 105 im zugeſchmolzenen Rohr erhitzt“), fo bildet fic) das mit dem Phenylglukoſazon iſomere Phenylmannoſazon Cask NO,. Dasſelbe bildet feine, gelbe Nadeln vom Schmelzpunkt 210°. Die Eigenſchaft der Mannoſe, ſich wie Dextroſe vergären zu laſſen, hat bereits techniſche Beachtung gefunden, da in dem Salepſchleim?), namentlich aber in den bei der Steinnußknopffabrikation abfallenden Spänen ein Material zur techniſchen Herſtellung der Mannoſe gefunden wurde. Zunächſt fanden Tollens mit verdünnter Schwefelſäure (Inverſion) eine neue rechtsdrehende Zuckerart entſteht, die ſie für identiſch mit der von E. Fiſcher und Hirſchberger gefundenen Mannoſe erklärten. Danach glaubte R. Reis“ ), durch Inverſion einer großen Reihe von Samen mit verdickten Zellwänden, welch' letztere den Reſerveſtoff für den Keimling abgeben (Dattel, Strychnos, Stein— nuß), eine neue Zuckerart Seminoſe erhalten zu haben. Eine vergleichende Unterſuchung dieſer neuen Zuckerart mit der Mannoſe ergab unzweifelhaft die Identität beider ). Um das in der Steinnuß ent— haltene Kohlehydrat, das ſog. Seminin in Zucker zu verwandeln, werden 1 Teil geſiebte Steinnußab— fälle mit 2 Teilen 6prozentiger Salzſäure 6 Stun— den auf dem Waſſerbade erhitzt. Danach wird filtriert und das Filtrat mit eſſigſaurem Phenyl— hydrazin verſetzt. Die weitere Verarbeitung des ſich hierbei abſcheidenden Hydrazons geſchieht durch Auf— *) E. Fiſcher u. Hirſchberger, Ber. 21, S. 1805. **) Ber. 21, S. 2500. Ber 22, S. 6 1) Ber. 22, S. 3218. 334 löſen in Salzſäure, wie oben beſchrieben. Man er⸗ Halt 33% des Gewichts der angewandten Steinnüſſe an Zucker. Eine 5prozentige Löſung von Mannoſe entwickelt, mit friſcher Bierhefe verſetzt, ſehr bald Kohlenſäure und nach 24 Stunden kann aus dem Filtrat durch frak⸗ tionierte Deſtillation Aethylalkohol vom Siedepunkt 78 79 e abgeſchieden werden. Es iſt dabei nicht notwendig, den Zucker vorher zu iſolieren, ſondern die ſtark ſalzſaure Zuckerlöſung wird mit Kalk neu⸗ traliſiert und dann ſofort mit Bierhefe vergoren. Bei dem niedrigen Preiſe der Steinnußabfälle (50 Kg 0,8 —1 Mk.) und der großen Ausbeute an Zucker könnte man daran denken, das Verfahren techniſch zu benutzen, da allein in der Gegend von Schmölln (Sachſen⸗Altenburg) jährlich bei der Fabri⸗ kation von Steinnußknöpfen 18— 20000 Zentner dieſer Abfälle erhalten werden. Da dieſe 33 9% Zucker liefern und derſelbe vorausſichtlich ebenſoviel Alkohol gibt als Dextroſe, ſo könnte das Verfahren vielleicht rentabel ſein. E. Fiſcher hat mit Rückſicht auf die leichte Ueber⸗ führung des Mannits in Mannoſe verſucht, auch andere Alkohole, wie Glycerin, Erythrit und Iſodulcit durch Oxydation mittels Salpeterſäure in neue Zucker⸗ arten überzuführen. Die Unterſuchungen darüber haben ganz überraſchende Reſultate zu Tage gefördert und gipfeln jetzt in einer vollſtändigen Syntheſe des Traubenzuckers und damit verbunden, in einer gänz⸗ lich neuen Auffaſſung des Weſens des Aſſimilations⸗ prozeſſes. Vor allen Dingen aber hat ſich ergeben), daß der Iſodule it aus der Reihe der 6wertigen Alkohole zu ſtreichen und zu den Aldehyden oder Ketonalkoholen, alſo zu den optiſch aktiven Traubenzuckerarten zu zählen ſei. Bei der Einwirkung eines Gemiſches von ſalzſaurem Phenylhydrazin und eſſigſaurem Natron auf Iſodulcit entſtehen feine gelbe Nadeln vom Schmelzpunkt 180° und der Zuſammenſetzung ) E. Fiſcher, Ber. 20, S. 1091; Ber. 21, S. 2173. Humboldt. — Oktober 1890. CygHyN,0,- Nach den Unterſuchungen von Fiſcher und Tafel) iſt der Iſoduleit das wahre Homologe des Arabinoſe (alſo Methylarabinoſe) und beſitzt gleich dem Traubenzucker die Konſtitutionsformel CH,— (CH. OH) -COH, mit dem es demnach phyſikaliſch iſomer iſt. Der Sfodulcit erhält in Zukunft den Namen Rhamnoſe. Die von Buttlerow durch Einwirkung von Kalk auf Formaldehyd erhaltene Zuckerart Formoſe gibt bei der Behandlung) mit Phenylhydrazin ein in gelben Nadeln kryſtalliſierendes Oſazon Cis Ele Ng, welches ſich durch ſeinen niedrigen Schmelzpunkt, der bei 1400 liegt, von allen Oſazonen der gleichen Zu⸗ ſammenſetzung unterſcheidet. Der dieſem Oſazon zu Grunde liegende Zucker iſt demnach von allen zum Traubenzucker gehörenden, ſoweit dieſelben Oſazone zu bilden im ſtande ſind, verſchieden. Es gebührt demnach Buttlerow das Verdienſt, die erſte Syn⸗ theſe zur Herſtellung einer Zuckerart auf⸗ gefunden zu haben. Von den Zuckerarten der Rohrzuckergruppe bil⸗ den bis jetzt nur die Laktoſe (Milchzucker) und die Maltoſe Oſazone, da der Rohrzucker bei der Behand⸗ lung mit Phenylhydrazin invertiert wird und infolge der Bildungen Dextroſe Phenylglukoſazon entſteht. Das ſich vom Milchzucker“) ableitende Phenyl⸗ laktoſazon C 1THZgzN 40g ſtellt feine gelbe Nadeln dar, die ſehr leicht in heißem Waſſer löslich ſind und bei 200° ſchmelzen. Maltoſe, die ſich beim Keimprozeß bildende Zuckerart, bildet mit Phenylhydrazin Phenylmalto⸗ ſazon ) CHa NjOo. Dasſelbe bildet feine gelbe Nadeln vom Schmelzpunkt 190—191° und unter⸗ ſcheidet ſich von dem damit iſomeren Phenyllaktoſazon durch den Schmelzpunkt und die Art der Kryſtallation. Die Trehaloſe endlich iſt ohne Einwirkung auf Phenylhydrazin. *) Ber. 21, S. 2173 „) E. Fiſcher, Ber. 21, S. 988. e) E. Fiſcher, Ber. 20, S. 828; Ber. 17, S. 579. +) Ber. 17, S. 589. Beiträge zur Kartographie und Pydrographie Spitzbergens. Grgebriffe der nerteſten Forſchungsreiſe vor Ee, Kükenthal und Dr. Walter. Adͤmiralitätsrat Rottot in Berlin. Dis im letzten Jahre von Profeſſor Dr. Kükenthal ausgeführte Forſchungsreiſe nach Spitzbergen hat, wenngleich ſie in erſter Linie zoologiſchen Unter⸗ ſuchungen und Studien diente, auch auf geographi⸗ ſchem und hydrographiſchem Gebiete ſehr ſchätzens⸗ werte Errungenſchaften zu verzeichnen, namentlich lieferte dieſelbe wertvolle Beiträge über die Geſtaltung der noch wenig bekannten Oſtküſte und die Verhält⸗ niſſe der ſie einſchließenden Gewäſſer. Es war die erſte wiſſenſchaftliche Expedition, welcher es gelang, die Olga und Hinlopenſtraße zu durchkreuzen, die dortigen Küſten zu befahren und aufzunehmen und das König Karls⸗Land, oder nach dem Ergebnis der Fahrten richtiger die König Karls⸗Inſeln, von ver⸗ ſchiedenen Seiten anzuſegeln und niederzulegen. Die uns vorliegende, von Profeſſor Kükenthal entworfene Karte, welche nebſt Text in Petermanns Mitteilungen und in den Deutſchen geographiſchen Blättern der Geographiſchen Geſellſchaft in Bremen!) veröffentlicht worden iſt, liefert in Vergleich mit den älteren *) Petermanns Mitteilungen 36. Band, 1890, Heft 3. Deutſche geographiſche Blätter, herausgegeben von der Geograph. Geſellſchaft in Bremen, Bd. 13, 1890, Heft 1 u. 2. Humboldt. — Oktober 1890. 335 exiſtierenden Karten, auf welchen der Verlauf der Oſtküſte Spitzbergens zum großen Teil nur durch punktierte Linien angedeutet iſt, den beſten Beweis für die erfolgreiche Thätigkeit der Expedition. Die Leiſtungen der Forſcher — Profeſſor Kükenthal war begleitet von Dr. A. Walter, Aſſiſtent des zoologiſchen Inſtituts zu Jena — ſind um ſo höher anzuerkennen, als ſie unter ſehr ſchwierigen Verhältniſſen, unter großen Strapazen und teilweiſe recht gefahrvollen Situationen errungen werden mußten. Den beiden Reiſenden ſtand kein beſonderes Schiff für die Expe— dition zur Verfügung, vielmehr mußten ſie ſich auf einem Walroßfängerfahrzeug einmieten und dasſelbe auf ſeinen Fangexpeditionen begleiten. Auf einem ſolchen Fahrzeug, der „Berentine“, Ka— pitän Nils Johnſen, traten dieſelben am 7. Mai von Tromſö aus die Fahrt nach Norden an. Die Bäreninſel dicht paſſierend ging es zunächſt an der Weſtküſte Spitzbergens entlang, ohne ernſte Hinder— niſſe teils in offenem Waſſer, teils durch leichte Treib- eismaſſen nordwärts dringend, bis ſtürmiſcher Nord— wind das Fahrzeug zwang, in der Magdalenenbai zu ankern. Nachdem die Verſuche, von hier aus die Nordküſte zu erreichen, durch dichte undurchdringliche Eismaſſen vereitelt waren, wurde wieder nach Süden gehalten, um in den Storfjord einzulaufen. An der Südweſtſeite der Edgeinſel bei Whales Point wurde die „Berentine“ mehrere Tage durch Eismaſſen ein— geſchloſſen; kaum freigekommen, wurde das Fahrzeug in der Deeviebai von einem ſchweren Sturm heim— geſucht, geriet dabei auf Grund und wurde von Eis und Wellen vollkommen zertrümmert. Die Inſaſſen retteten ſich über Eisſchollen nach einer flachen ſchnee— bedeckten Steinklippe, wo ſie in dieſer hilfloſen Lage ſechs Tage verblieben, bis ſie von einem vorbeiſegeln— den Fangſchiffe „Cecilie Malene“ aufgenommen wur— den. Glücklicherweiſe waren die Inſtrumente und der größte Teil der Ausrüſtung gerettet, und wurde die weitere Expedition auf dem neuen Fahrzeuge mit mehr Glück fortgeſetzt. Im Laufe des Som— mers — bis zum 6. September dauerte die Expe— dition, an welchem Tage fie wieder in Tromſö ein— lief — wurde die Olgaſtraße durchkreuzt, zweimal in die Hinlopenſtraße eingelaufen, und ziemlich weit nördlich, bis zu den Foſterinſeln, in derſelben vor— gedrungen — das Erreichen der Nordküſte verhin— derten auch hier Eismaſſen —, die Südküſte vom Nordoſtland entlang geſegelt, König Karls-Land von verſchiedenen Seiten umſegelt, die Küſten von Weſt— ſpitzbergen, Edge- und Barentsinſel beſucht, dieſelben und das Fahrwaſſer an denſelben erforſcht. Um in nachſtehendem die hauptſächlichſten karto— graphiſchen und hydrographiſchen Ergebniſſe dieſer Forſchungen hervorzuheben, folgen wir zunächſt der die Olgaſtraße im Weſten begrenzenden Küſte in ihrem Verlauf von Süden nach Norden. Von ihrer ſüdlichſten Spitze, dem Plat Point, erſtreckt ſich die Oſtküſte der Inſel Edge bis zum Kap Stone Voreland in nordöſtlicher Richtung, biegt hier ungefähr rechtwinkelig um und verläuft bis zur Nordoſtſpitze, dem Kap Heuglin, nordweſtlich, auf der letzteren Strecke die faſt die Hälfte ihrer Längen— ausdehnung einnehmende Albrechtbai bildend. Plat Point wird in nächſter Nähe von Untiefen und blin— den Klippen umgeben, welche im Verein mit ſtarken Strömungen die Schiffahrt gefährlich machen und vor zu großer Annäherung an die Küſte warnen. Oeſtlich von Plat Point liegt die etwa 7 km lange Halbmondinſel, welche in einer Einbuchtung ihrer Nordſeite guten Ankerplatz bietet. Das Fahrwaſſer zwiſchen der Inſel und der Küſte iſt rein, und wurden in der Mitte desſelben 13 m Waſſer gelotet. Der Halbmondinſel gegenüber, nördlich derſelben, liegt eine flache Einbuchtung, die Dianabai mit drei kleinen Inſeln, welche von Kükenthal Abbotinſeln genannt worden ſind (abweichend von den älteren Karten, auf denen nordöſtlich von der Halbmondinſel vier Inſeln verzeichnet ſind, deren öſtlichſte Abbot— inſel heißt). Auf der Oſtſeite der Bai zweigt ſich eine kleinere Bucht mit gutem Ankerplatz dadurch ab, daß eine ſchmale Landzunge ſich von Oſten her ins Meer vorſchiebt und von einer Reihe teilweiſe unter Waſſer liegender Klippen fortgeſetzt wird, die mit einer kleinen Inſel endigt. An die Dianabai lehnt ſich ein Gletſcher, der Hartmanngletſcher; ein zweiter Gletſcher, der Petterſengletſcher, folgt im Nordoſten, während ſich über den ganzen nördlichen Teil der Küſte bis zu Stone Voreland und von hier noch weiter dem Küſtenverlauf folgend bis Kap Melchers der König Johann-Gletſcher ausdehnt. Die vielen kleinen Buchten, welche auf der letz— teren Küſtenſtrecke und weiter bis Kap Heuglin auf den Karten verzeichnet ſind, exiſtieren nicht, ebenſo— wenig blinde Klippen, welche das Befahren der Küſte unſicher machen ſollen, das Fahrwaſſer iſt vielmehr durchaus rein und frei von Gefahren. Die öſtlich von Stone Voreland liegenden Ryk Ys⸗Inſeln beſtehen aus drei kleinen, 15 bis 25 m hohen Inſelchen, deren Geſamtausdehnung in der Richtung NW Sd nur ungefähr 3 km beträgt. Ihre geo- graphiſche Poſition wurde zu 77° 49“ nördl. Br. und 25° 12“ öſtl. L. beſtimmt. Die ſüdlichſte iſt die größte Inſel, die beiden nördlichen liegen ungefähr in gleicher Breite; im Oſten und Süden iſt eine Reihe von Holmen und blinden Klippen vorgelagert. Näher an der Küſte und zirka 5 km ſüdöſtlich von Kap Melchers liegt eine 30 m hohe kahle Felſeninſel, welcher der Name Häckelinſel beigelegt wurde. Bei Kap Melchers be— ginnt die tief ins Land einſchneidende Albrechtbai, welche im Norden durch den Lindemanberg begrenzt wird. Während der Südrand der Bai von dem Ausläufer des König Johann-Gletſchers gebildet wird, ſpringt an der Weſtſeite zunächſt ein vierkantiges Bergmaſſiv, der Wolkenhauerberg, mit ſteilen Ab— hängen bis an die Küſte vor, dem ſich im Nordweſt der ſtark zerklüftete Rutenberggletſcher anſchließt. Von hier verläuft die Küſte flach bis zum Nordrand, wo ſich, allmählich anſteigend, eine Bergwand erhebt, die ſich mit direkt zum Meer abfallendem Abſturze die 336 Humbolot. — Oktober 1890. ganze Nordſeite der Bai entlang erſtreckt; es iſt dies der Lindemanberg. Die Oſtküſte der durch die Thymenſtraße von der Edgeinſel getrennten Barentsinſel iſt im allgemeinen von Heuglin ſchon richtig erkannt worden. Sie zeich⸗ net ſich aus durch hohe ſteile Berge mit dazwiſchen liegenden Gletſchern. Ungefähr in der Mitte dieſer Küſtenſtrecke liegt, nur wenige hundert Meter von derſelben entfernt, eine kleine Inſel, die, etwa 1 km lang und bis 30 m hoch, Ritterinſel getauft wurde. Das der Barentsinſel nach Norden folgende Ge- biet der Oſtküſte von Weſtſpitzbergen war bereits früher bekannt, gleichwie die derſelben vorlagernden Inſeln, die gebirgige Wilhelminſel, ſowie die zahl— reichen ſüdlich ſich an dieſe anſchließenden kleineren Inſeln ihrer Lage und Geſtalt nach beſtimmt waren. Der Beſchreibung dieſer Küſte iſt nichts weſentlich Neues hinzuzuſetzen. Wichtiger ſind die Aufſchlüſſe, welche uns die Expedition über König Karls-Land gebracht hat. Während dasſelbe bisher als eine große, ſich zwiſchen 78° 30“ und 799“ nördl. Br. und zwiſchen 26° 40“ und 32% 25“ oftl. L. erſtreckende Inſel dargeſtellt zu werden pflegte und man nach den 1884 von den Schiffern Andreaſſen und Johanneſen vermeintlich entdeckten, weiter öſtlich bis über 38° öſtl. L. reichen⸗ den zwei Inſeln, einen neuen zwiſchen Spitzbergen und Franz Joſeph⸗Land liegenden Archipel anzunehmen geneigt war, beſteht nach den Kükenthalſchen Beob⸗ achtungen König Karls⸗Land aus 2 (oder 32) Inſeln, öſtlich davon aber exiſtiert kein Land mehr. Die weſtlichſte der Inſeln, Schwediſch Vorland genannt, iſt bei weitem die größte, die beiden öſtlichen ſind von derſelben durch einen zirka 3 Seemeilen breiten Kanal, den Bremer Sund, getrennt. Ob dieſe beiden letzten Inſeln durch ein Flachland miteinander verbunden ſind, konnte nicht genau ausgemacht werden. Das ganze Inſelgebiet erſtreckt fic) von 78° 30“ bis höch⸗ ften3 78° 57“ nördl. Br. und von 26° 10“ bis höch⸗ ſtens 30 öſtl. L. Schwediſch Vorland, welches ſich in der Längsrichtung ungefähr von NW nach SO erſtreckt, wird gebildet aus einem zirka 150 m hohen Plateau, welches an beiden Enden zu der doppelten Höhe anſteigt und an der Nordſpitze in dem Haar⸗ fragrehaugenberg, der höchſten Erhebung der Inſel, an der Südſeite in einem ſteil abfallenden Gletſcher endigt. Längs der ganzen Weſtküſte iſt dem Hoch⸗ plateau ziemlich breites Flachland vorgelagert, welches ſich etwa in der Mitte als Kap Walter und an der Südſpitze als Kap Hammerfeſt ziemlich weit vorſtreckt. An der Südſeite wird zwiſchen Kap Tordenſkjold und Kap Weißenfels eine recht tiefe Bucht gebildet. Die Oſtſeite der Inſel iſt nicht aufgenommen, ebenſowenig wie die beiden öſtlichen Inſeln genauer in Augenſchein genommen werden konnten. Die nördliche derſelben, die Inſel Jena, beſteht ähnlich wie Schwediſch Vorland aus einem Hochplateau, welches aber dicht an die Küſte, wenigſtens an die Nordküſte, herantritt; an der letzteren, welche nach Oſtnordoſt verläuft, treten drei Bergmaſſen beſonders hervor. Auf dieſelben folgt ein breiter ſchneebedeckter Abhang, der mit einem ſchmalen hohen Felsgrat endigt. Ob das nun folgende Küſtengebiet mit dem vorherigen zuſammenhing oder nicht, ließ ſich nicht feſtſtellen; es endigte in einem tafelförmigen Berge, dem Kap Koburg, öſtlich von welchem kein Land mehr zu ſehen war. Die in der Olgaſtraße ausgeführten Lotungen ergaben in der Mitte der Straße eine Tiefe von 175 bis 200 m, welche nach Often zu ſehr langſam ab- nahm, jo daß 3 km von der Küſte Schwediſch Vorlands noch 82 m gelotet wurden, während nach Weſten zu die Waſſertiefen allmählich und gleichmäßig ge- ringer wurden. Untiefen und Gefahren für die Schiff⸗ fahrt ſind nirgends gefunden worden mit Ausnahme in unmittelbarer Nähe der Ryk YMs-Inſeln und der Ritterinſel. Vor der Thymenſtraße wurde nur 15—18 m Tiefe gefunden; der Boden beſtand hier aus Sand, während er ſonſt meiſtens aus zähem Thonſchlamm ſich zuſammenſetzte. Die Hinlopenſtraße wird von Süden nach Norden zu allmählich flacher; am Südeingange wurden 130 m Tiefe gefunden, weiter hinein, etwas ſüdlich von den Friedrich Franz-Inſeln 64 m. An der Südküſte von Nordoſtland wurden in einem Abſtand von zirka 10 km durchſchnittlich 80 m gelotet. Die größte gelotete Tiefe, 45 km ſüdlich der König Karl⸗Inſeln, betrug 256 m. An Strömungen wurde im Gegenſatz zu den Angaben Heuglins, nach welchen an den Oſtküſten von Spitzbergen und König Karls-Land ein Arm des Polarſtroms nach Süden ſetzen, dagegen die Weſt⸗ küſten von dem Golfſtrom berührt werden ſollen, in der ganzen Ausdehnung der Olgaſtraße ein kalter polarer Strom beobachtet. Derſelbe dringt von Nord—⸗ often kommend zwiſchen König Karls⸗Land und Nordoſt⸗ land ein, ſetzt an der Südküſte der letzteren Inſel weſtlich, in der Olgaſtraße nach Süden, an beiden Rändern derſelben den Küſten von Barents- und Edgeinſel einerſeits, von König Karls-Land anderer⸗ ſeits folgend. Am ſüdlichen Eingange der Hinlopen⸗ ſtraße dagegen wurde ein von Norden kommender Zweig des Golfſtroms konſtatiert. Die Waſſertemperaturen nahmen in der Olgaſtraße von Ende Juni bis Ende Juli an der Oberfläche mit den Lufttemperaturen von zirka — 0,5% bis + 3° zu. Von der Oberfläche nach der Tiefe nahmen die⸗ ſelben regelmäßig ab, im Auguſt ungefähr von + 3,50 an der Oberfläche bis + 1° in 50 m Tiefe, während gleichzeitig der Salzgehalt von 1,0265 an der Ober⸗ fläche auf 1,0281 in 50 m Tiefe ſtieg. Ungleich höher waren die Temperaturen an der Oberfläche ſowohl wie in der Tiefe an der Südweſtſeite von Edgeinſel, in der Deeviebai und ſüdlich davon, wo im Auguſt 5° und 6° cgemeſſen wurden. Hieraus und aus dem Vorkommen der typifden pelagiſchen Golfſtromtiere läßt ſich der Schluß ziehen, daß im Laufe des Som⸗ mers der Golfſtrom von Süden her bis in die Deevie- bai hineinreichte. Humboldt. — Oftober 1890. 337 Mnverinoderlidfeit pflanzlicher Arten während langer Seiträume. Vortrag, gebalten im Naturwiſſenſchaftlichen Verein von Dr. Robert Heller in Winterthur. Da Thema, welches ich dem heutigen Vortrage zu Grunde lege, darf inſofern ein allgemeineres Intereſſe beanſpruchen, als den in ihm dargelegten Thatſachen für die Entwickelungstheorie im Darwinſchen oder verwandtem Sinne große Bedeu— tung zukommt. Müſſen ſie doch zum Fundamente eines der wichtigſten Einwände gegen dieſelbe dienen, des Einwandes nämlich, daß die Zeit, welche die Entwickelungsvorgänge vorausſetzen, trotzdem ſie ja weder von der Geologie noch von der Aſtronomie karg zugemeſſen wird, keine ausreichende ſei. Denn die einmal entſtandenen Arten blieben während langer Zeiträume unveränderlich. In der Laienwelt ſind die Vorſtellungen über die Länge dieſer Zeiträume der Artkonſtanz oftmals ſo unbeſtimmte, daß es mir nicht unintereſſant ſchien, einige einſchlägige Fakten, die ich dem Pflanzenreich entnehmen will, vorzuführen, ohne übrigens die Konſequenzen zu verfolgen, die ſich für die Entwickelungstheorie aus denſelben ergeben. Die Dokumente, auf welche der Naturhiſtoriker zu fußen hat, wenn er ſich über die Dauer einer Art Klarheit verſchaffen will, ſind weſentlich zweierlei Art, hiſtoriſche und paläontologiſche. Stets ſind gewiſſe Pflanzen in engſte Beziehung zum Menſchen getreten. Arten, die er für ſein Leben nutzbar machen konnte, hat er oftmals in ſeine reli— giöſen Vorſtellungen, in ſeinen Kultus verflochten. Auf Kunſtwerken, die der Gottheit geweiht ſein mochten, hat er ſie zur Darſtellung gebracht; auf Münzen, die ja oft genug weſentliche Momente des Kultus einer Stadt ſymboliſch zum Ausdruck bringen, hat er ſie wiedergegeben, den Toten bettete er in Blumen, die er der Gottheit geweiht hat, er gibt ihm die Totenſpende mit, die ihm das für die lange Reiſe nötige Brot ſein ſoll. Beſchreibungen von Pflanzen in den naturhiſtoriſchen Werken des Altertums ſind ebenfalls dieſen unſeren hiſtoriſchen Dokumenten zuzuzählen. Wie weit geht nun die Zuverläſſigkeit derſelben in der uns beſchäftigenden Frage? In plaſtiſchen Darſtellungen, ſowie auf Wand— malereien wurde im Altertum, wie das heute unter ähnlichen Verhältniſſen zumeiſt auch geſchieht, die Pflanze oder der zur Darſtellung kommende Pflan— zenteil mehr oder weniger ſtiliſiert. Dieſe ſtili— ſierende Darſtellung pflegt eine Organiſationsform aus Naturobjekten zu abſtrahieren, wie es die Sprache in den Wörtern Baum, Strauch rc. thut, die ja auch nicht eine beſtimmte Pflanzenart, ſondern nur eine Organiſationsform der Pflanze bezeichnen. Daß eine ſolche Darſtellungsweiſe uns keine Aufklärung darüber geben kann, ob das oder die der Wiedergabe zu Grunde liegenden Naturobjekte genau einer heutigen Art entſprechen, liegt auf der Hand. Humboldt 1890. Wertvoller ſind uns zur Löſung der geſtellten Frage die Pflanzenbeſchreibungen, die aus dem Altertum auf uns gekommen ſind. Sie lehren uns in dem einen und anderen Naturphiloſophen des Altertums ſcharfe Beobachter kennen, die auch einem ſo unbedeutenden Naturobjekte, wie es die einzelne Pflanze iſt, oftmals ihre Darſtellung in ſolcher Prä— ziſion widmeten, daß ſie der Feder eines exakten Natur— forſchers der Neuzeit würdig geweſen wäre. Ich will Ihnen die Beſchreibung einer Pflanze wiedergeben, die für uns dadurch an Intereſſe ge— winnt, als ſie, vor Zeiten auch nördlich der Alpen weit verbreitet, heute bei uns verſchwunden, alſo wohl in hiſtoriſcher Zeit ausgeſtorben iſt. Es iſt das der Tribolos der Alten, die Trapa natans der heutigen Botaniker, die der Volksmund, wie wir aus Jäggis intereſſanter Abhandlung über dieſe Art erſehen, mit mannigfaltigen Namen, wie Waſſernuß, Weiherhörnli, Jeſuitermütze u. ſ. f. belegt hat. Die Beſchreibung iſt der Pflanzengeſchichte Theophraſts entnommen: „Nichts aber ragt von dem Tribolos (aus dem Waſſer) heraus als ſeine Blätter, welche ſich gewiſſermaßen über den Tribolos (Frucht!) hinlegen und ihn ver— bergen. Der Tribolos ſelbſt iſt ins Waſſer unter— getaucht und hängt gegen die Tiefe hinunter. Die Blätter ſind vom Ausſehen des Ulmenblattes. Sie haben einen überaus langen Stiel. Der Stengel iſt zu oberſt am dickſten, wo Blätter und Früchte abgehen, unten aber dünner. Kontinuierlich bis hinunter zur Wurzel entſpringen von ihm haarähnliche Gebilde, von denen die meiſten einander gegenüberſtehen, einige aber abwechſelnd geſtellt ſind. Unten gehen die größeren ab, die oberen werden immer kleiner und kleiner, ſo daß die letzten nur noch ganz klein find. Oft kommen auch Seitenſproſſe vor, 3—4, die ebenfalls an dem von der Wurzel abliegenden Ende am ſtärkſten ſind. Der Seitenſproß iſt zwar dünner als der Stengel, aber in Blatt und Frucht gleich. Die Frucht iſt ſchwarz, hart und ſtark . . . Jene vom Stengel abgehenden Haargebilde ſind beachtenswert, denn ſie ſcheinen weder Blätter noch Stengel zu fein.” (Theophraſt, Hist. plant., IV. Buch. 11. Kap. der Editio von Theodor Gaza 1529.) Sie entnehmen der zirkulierenden Pflanze, daß ſie in der That von Theophraſt treffend beſchrieben wurde, indem nur die Form der ſchwimmenden Blätter in Ulmenblättern ein nicht zutreffendes Vergleichs— objekt fand. Es mag uns auffallen, daß die Frucht, die uns gerade durch ihre eigenartige Form ſo auf— fällig iſt, in der Beſchreibung jo kurz wegkommt. Aber da einmal die Frucht ſchon im Altertum als Heilmittel dienlich war — beide, der Waſſer- und Landtribolos, ſagt Dioscorides, ſind kühlender Natur und dienen daher als Aufſchläge bei Entzündungen; 43 338 Humboldt. — Oftober 1890. aufbrechende Zahngeſchwüre, Mandeln 2c. heilen fie; aus ihrem Safte wird eine Augenmedizin gewonnen — da ferner der eßbare Kern namentlich von den niederen Volksklaſſen genoſſen, vielerorts gemahlen und zu Brot gebacken wurde, alſo allgemein bekannt war, da endlich der Name der Frucht den Griechen die Fußangel, deren Namen auf die ähnliche Frucht übertraͤgen wurde, in Erinnerung rief, ſo iſt die Kürze der Beſchreibung durch die allgemeine Kenntnis des Objektes zu erklären. Wenn uns nun auch Theophraſts Beſchreibung des Tribolos in keiner Weiſe darüber in Zweifel läßt, daß ihm die Trapa, die heute vorzugsweise in den wärmeren Teilen Europas gefunden wird, vor⸗ lag, ſo können wir doch aus der Beſchreibung die genauen Beziehungen zur lebenden Art nicht erkennen. Wir identifizieren ſie mit der T. natans, weil nur dieſe in Europa auch heute noch eine weitere Verbrei⸗ tung hat. Aehnlich verhält es ſich mit den meiſten Pflanzen⸗ beſchreibungen des Altertums. Oftmals laſſen ſie uns nicht im Zweifel über die generiſche Zugehörig⸗ keit, oftmals ſtehen wir nicht an, die Beſchreibung auf Arten zu übertragen, die heute noch in Griechen⸗ land einheimiſch find, die vielleicht noch im Volke ihrer Heilkraft wegen, welche durch tauſendjährige Ueber⸗ lieferungen hinreichend verbürgt erſcheint, gehegt und gepflegt werden. Aber all dieſe Identifizierungen ſagen uns nicht aus, daß die heutige und einſtige Art abſolut identiſch ſind. Nur die Vergleichung der wirklichen Naturobjekte läßt uns beurteilen, ob eine Art aus dem Altertum bis in die Gegenwart ſich wirklich gleich blieb. Sind dieſelben auch nur in verhältnismäßig geringer Zahl aus dem Altertum zu uns herübergekommen, ſo ſind wir doch im Beſitze einer hinlänglich großen Zahl von wohlerhaltenen Pflanzen, um über deren Beziehung zu Spezies der Gegenwart uns aufzuklären, die lange dauernde Konſtanz der einen, die Variabilität der anderen Arten nicht nur vermutungsweiſe aus⸗ zuſprechen, ſondern durch eine Reihe von Thatſachen zu belegen. Aus den Mumiengräbern Aegyptens ſind nament⸗ lich durch Schweinfurth, Schiaparelli und Maſpero eine Reihe von Pflanzen, Blüten, Früchte und Blätter, die zu Kränzen gewunden oder als Spenden den Toten beigegeben waren, in fo wohlerhaltenem Zu⸗ ſtande bekannt geworden, daß ihre Beſtimmung mit voller Sicherheit ausgeführt werden konnte. So fanden ſich Beeren und Körner des Bruſtbeerbaumes (Cyperus Spina Christi), Wurzelſtöcke der Erd⸗ mandel (Cyperus esculentus L.), Früchte der Sy⸗ komore und Dattelpalme, Weinbeeren einer ſchwarzen, dickſchaligen Varietät, Platterbſen (Lathyrus sa- tivus L.), Blütenköpfchen einer Reihe von Kompoſiten, wie der Kornblume, Wucherblume 2c., Olivenzweige, Sauerampfer (Rumex dentatus), Seeroſe (Nymphaea coerulea) und Lotusblume (N. lotus), Lauchbündel, Ricinusſamen, Wacholderbeeren, Pinienzapfen 2c. Natürlich kann hier nicht der Ort ſein, aller dieſer Funde einläßlicher Erwähnung zu thun. Wir wollen uns auf einige Arten beſchränken. Zwei ſchönblühende Ackerunkräuter, die in verwandten Formen auch un⸗ ſere Aecker zieren, das feurige Rot der Blumen des Ackermohnes und das tiefe Blau der Kornblumen, hat ſchon vor mehreren Jahrtauſenden der Aegypter ſeinen Toten geweiht. Die Mohnblüten ſind kleiner als diejenigen unſerer Klatſchroſe. Der ſchwarze Nagelflecken unſerer Art fehlt der Mumienpflanze. Auch in der Form der Narbenſcheibe, der Zahl der Narben 2c. weicht fie von unſerer Pflanze ab, ſtimmt aber mit einer Form derſelben, dem Papaver Rhoeas yar. genuinus, genau überein, die in den Frühlings⸗ monaten im mediterranen Gebiete Aegyptens als Acker⸗ unkraut, an Mauern und Wegen in größerer Menge auftritt. Heute fehlt diefer Mohn in Oberägypten, vielleicht im ganzen Nilthal. Die Kornblume der Mumiengräber ijt die Centaurea depressa M. B. Auch ſie iſt heute der ägyptiſchen Flora, ſowie den an⸗ grenzenden Ländern fremd. Sie iſt ein Unkraut, das in den Kornfeldern Kleinaſiens, Armeniens, Perſiens 2c. an Stelle unſerer Kornblume auftritt und in der attiſchen Ebene, ſowie in Arkadien ein ſporadiſches und ephemeres Daſein friſtet. Während drei Jahr⸗ tauſenden veränderten ſich alſo dieſe Arten nicht, ja es blieb ſich ſogar eine Varietät während dieſes langen Zeitraumes gleich. Auf ein etwas abweichendes Verhalten ſcheinen die Früchte des phöniziſchen Wacholders hinzuweiſen. Juniperus phoenicea L. iſt ein im ſüdlichen Europa auch heute noch einheimiſcher Wacholder, ein Glied der das Mittelmeer umrahmenden mediterranen Flora, die über das ſüdliche und öſtliche Europa ausgebreitet in analogen Arten im nördlichen Afrika wiederkehrt. Er iſt ein eypreſſenähnlicher, rotbeeriger Baum. Seine Beeren, die in den Mumiengräbern ſich finden, ſtimmen in der Mehrzahl mit der heutigen Art wohl überein. Einzelne aber übertreffen die von mo⸗ dernen Botanikern angegebene Maximalgröße derſelben um ein Fünftel. Daß dieſe Beeren einem beſonderen Formenkreiſe der Art entſprechen, iſt, wenn auch nicht ſtreng zu beweiſen, doch nicht unwahrſcheinlich. Es iſt alſo die Pflanze der Gegenwart nur bis zu einem gewiſſen Grade mit jener des Altertums zu identifizieren. Auf alle Fälle aber iſt die Verſchie⸗ denheit nicht derart, daß ſie auf eine Variabilität hinwieſe, welche die Grenzen der Art überſchritten hätte. Aus der vorismaelitiſchen Zeit ſtammen Ampher⸗ zweige, welche reichlich mit gut erhaltenen Früchten beſetzt ſind. Sie gehören zu einer Art, die heute in übereinſtimmender Form wie vor 3000 Jahren auf den ägyptiſchen Feldern vegetiert. Von beſonderer Bedeutung erſcheinen gewiſſe Funde von Lauchbündeln, da ſie eine veränderte Or⸗ ganiſation gegenüber gewiſſen Laucharten der Gegen⸗ wart zeigen. Allerdings iſt auch ſie nicht ſo be⸗ deutend, um als Speziescharakter gelten zu können. Immerhin lehrt dieſer Fund, daß während des gleichen Zeitraumes, da die eine Art durchaus kon— Humboldt. — Oftober 1890. ftant bleibt, eine andere einen mehr oder weniger erheblichen Schritt zur Umwandlung in eine neue Art thun kann. Nach den aus dem Altertum zu uns gekommenen Ueberlieferungen wurden wohl ſchon in älteſten Zeiten die 3 Allium-Arten, die heute noch in Aegypten kul— tiviert werden, die Zwiebel (Allium Cepa), der Lauch (A. Porrum) und der Knoblauch (A. sativum), gepflegt und in Verbindung mit kirchlichen Gebräuchen als gottgeweihte Pflanzen gehegt. Auf die Aegypter will ja Juvenals ſpöttelnder Vers auf die „Gemüſe— götter“ bezogen ſein: O Sanctas gentes! quibus haee nascuntur in hortis Numina! Dieſe unſcheinbaren Gemüſepflanzen als Toten- ſpenden zu finden, kann daher nicht überraſchen. In einem Grabe beim Aſſaſſif zu Theben fand Schiaparelli, dem die Phytoarchäologie nicht wenig zu verdanken hat, einen aus Allium-Stielen beſtehenden Bund. Mit einer Schnur aus Dattelpalmenblättern waren die Schäfte, die noch Blütenſtiele und Blätter trugen, zuſammengebunden. Dr. Volkens, der durch ſeine Studien über die ägyptiſche Flora vom Stand— punkte der Anatomie und Phyſiologie aus ſich einen bedeutenden Namen gemacht, fand bei der mikro— ſkopiſchen Unterſuchung dieſer Gräberfunde, daß ſie zu Allium sativum, zum Knoblauch gehören, daß ſie aber von dem heute um Kairo kultivierten im Bau ihrer Blätter abweichen. Durch Aſcherſon, der ebenfalls ein genauer Kenner der heutigen Flora Aegyptens iſt, wurde aus den Oaſen ein Knoblauch bekannt, welcher der ägyptiſchen Pflanze naheſteht. Es iſt das eine der wenigen uns bekannten Verände— rungen einer Art in hiſtoriſcher Zeit. Zweifelsohne würde man den Wert derſelben beſonders hoch an— ſchlagen, hätte man es nicht mit einer Kulturpflanze zu thun. Bei dieſen iſt man leicht geneigt, ent— ſtehende Varietäten als Rückſchlag in die wilde Form zu erklären oder der bewußten Zuchtwahl des Menſchen zuzuſchreiben. In unſerem Falle läßt ſich, den letzten Punkt betreffend, einwenden: da die weſentlichen Unterſchiede den Bau des Blattes betreffen und nicht diejenigen Teile, um derentwillen die Pflanze kultiviert wird, ſo iſt nicht einzuſehen, wie dieſer Unterſchied unter dem Einfluſſe der Ausleſe durch den Menſchen entſtanden iſt. Ein zweites hiſtoriſches Dokument, das dem Naturhiſtoriker geboten iſt, beſteht in den vorzugs— weiſe aus unſeren Schweizerſeen ſtammenden Pfahl— baureſten. Soweit ſie pflanzlicher Natur ſind, hat ſie Heer in trefflicher Weiſe bearbeitet. Es ſind über 100 Arten bekannt geworden, deren Reſte teils in Seeſchlamm, teils unter einer mehrere Fuß mäch— tigen Torfſchicht begraben find. Für den RKultur- hiſtoriker ſind ſie in ihrer Mehrzahl wohl von er— heblich größerem Intereſſe als für den Naturforſcher. Sie ſind nicht zum kleinſten Teile das Archiv, welches die Urkunden enthält, in denen mancherlei Auſſchlüſſe über Sitten und Gebräuche dieſer unſerer Vorfahren gegeben werden. Im nachfolgenden ſollen ſie aus— 339 ſchließlich in Rückſicht auf ihr Verhältnis zur leben— den Flora geprüft werden. In erſter Linie ſind es eine Reihe von Nutz— pflanzen, die oft in großen Mengen bald in ver— kohltem, bald in unverkohltem Zuſtande erhalten ſind, welche wir zu nennen haben: die Getreidearten der Pfahlbauern, ihre Gemüſe, ihr Obſt, ihre Beerenfrüchte und Nüſſe, ihre Gewürze, ihre Oel-, Geſpinnſt⸗ und Farbpflanzen, dann aber auch die Unkräuter ihrer Aecker, die Bäume und Sträucher ihrer Wälder, die Waſſer- und Sumpfpflanzen der ihren Wohnungen naheliegenden Ufer und Riede. Auf welchen Florencharakter weiſen nun dieſe mannigfaltigen Vegetationsformen hin? Sind die Gewächſe der Moor- und Uferflora, des Waldes, der Kulturen mit heute noch lebenden Arten identiſch? Decken ſie ſich mit den Arten, die gegenwärtig noch an gleichen Stellen zu natürlichen Pflanzengeſellſchaften vereinigt ſind? 5 Unter den 16 Ackerunkräutern, welche Heer in ſeiner Flora der Pfahlbauten aufgezählt hat, treffen wir zumeiſt die Arten, die heute in Getreidefeldern und Leinäckern mit der Kulturpflanze vergeſellſchaftet ſind: Kornrade, Kornblume, kriechender Hahnenfuß, Melden, Sternmiere, Klette 2. Nur eine Art iſt der Ruderalflora der Pfahlbauten eigen, das kretiſche Leimkraut (Silene cretica L.), welches gegenwärtig der ſchweizeriſchen und deutſchen Flora fehlt, dagegen in den Flachsäckern des ſüdlichen Europa, von Spanien bis nach Griechenland, ein gewöhnliches Unkraut iſt. Bäume und Sträucher des Waldes ſind die heutigen. Eichen, Hainbuchen, Erlen, Birken, Eſchen, Stech— palmen, Ebereſchen, ſowie unſere Nadelhölzer ſind aus den Pfahlbauten bald in Früchten, bald als Holzſtücke bekannt geworden. Die Waſſer- und Sumpfflora, der heutigen gleicher Orte faſt identiſch, wird namentlich in zweien ihrer Vertreter unſer In— tereſſe wachrufen. In Robenhauſen ſind kleine Samen einer gelben Seeroſe gefunden worden, die mit größter Wahrſcheinlichkeit zur Zwergſeeroſe (Nuphar pumilum Sn.) zu ziehen find, zu einer Art, die gegenwärtig zu den ſeltenſten Erſcheinungen der ſchweizeriſchen Flora zählt. Denn nur in zwei kleinen Seen, dem Hüttenſee und dem Seelein der Kräppeleralp, findet ſie ſich bei uns auch heute noch. Die andere Art iſt die ſchon erwähnte Waſſernuß (Trapa natans), deren Früchte in Robenhauſen in großer Zahl ge— ſammelt wurden. Man hat hieraus geſchloſſen, daß dieſelbe zur Pfahlbauzeit auch nördlich der Alpen in unſeren Seen einheimiſch geweſen ſei, und die große Zahl der Früchte ließ in ihr ſogar eine häufige Pflanze vermuten. Allerdings wurde auch die Frage aufgeworfen: Sollten wir fie nicht eher den Kultur— pflanzen der Pfahlbauern zuzuzählen haben? Einige ihrer Kulturgewächſe deuten auf ſüdlichen Urſprung hin. Unter den Getreidearten begegnet man z. B. im Triticum turgidum J. einer Weizenart, welche der ägyptiſchen am nächſten ſteht. Der Flachs der Pfahlbauern ijt das Linum angustifolium Huds., welches heute noch in den Mittelmeerländern als wilde 340 Humboldt. — Oktober 1890. Pflanze weit verbreitet iſt. Mit deſſen Samen wurde zweifelsohne aus dem Süden auch der Samen des früher genannten keltiſchen Leimkrautes importiert. Wäre es alſo nicht möglich, daß auch die Früchte der Waſſernuß aus dem Süden, wo ſie ja heute noch gemein iſt, eingeführt wurden, um wegen ihrer mehl⸗ reichen Früchte angepflanzt zu werden? Die Mög⸗ lichkeit iſt nicht ausgeſchloſſen, wenn auch anderſeits wieder betont werden muß, daß unſere Kenntniſſe über die frühere Verbreitung der Waſſernuß ihren einſtigen Endemismus in unſeren Seen und Teichen nicht unwahrſcheinlich machen. Sind doch auch nörd— lich der Alpen heute noch eine Reihe von Stationen bekannt, für deren künſtliches Entſtehen nicht mehr geltend gemacht werden kann als für das natürliche. Wiſſen wir doch vor allem durch die neulichen Unter⸗ ſuchungen, zu denen Nathorſt die Anregung gab, daß ſie in Schweden, alſo wohl unter ungünſtigeren Verhältniſſen, als wie ſie während der Pfahlbauzeit bei uns beſtanden, ſehr verbreitet war. Wohl dürfen wir mit Jäggi annehmen, daß die Urſache ihres Ausſterbens nördlich der Alpen in äußeren Verhält⸗ niſſen begründet iſt. Denn über ihr Zurückgehen in den wärmeren Teilen Europas iſt uns wenigſtens nichts bekannt. So erſcheint alſo der Florencharakter der Pfahl⸗ bauzeit im großen und ganzen dem heutigen gleich. In der langen Zeit von dem Anfang der Kultur in unſerem Lande bis zu ihrer heutigen hohen Entwicke⸗ lung haben die Pflanzenarten keine Veränderung er⸗ fahren, ſind ſogar, wie die alten Getreidearten uns lehren, Varietäten ſich gleich geblieben. Es führen uns alſo die hiſtoriſchen Doku— mente, auf die wir angewieſen ſind, zu der wichtigen Erkenntnis, daß faſt alle Pflanzen⸗ arten, die uns aus früheſten Anfängen menſch⸗ licher Kultur bekannt geworden ſind, bis zur Gegenwart konſtant blieben, daß ſelbſt Varie- täten in dieſen langen Zeiträumen ſich un— verändert erhielten; ſie lehren uns, daß die wenigen Arten, welche gegenüber lebenden gewiſſe Veränderungen zeigen, doch nicht den Formenkreis der Art überſchreiten, zu neuen Arten geworden ſind. — Was lehren uns die paläontologiſchen Dokumente? Aus Zeiträumen, die viele Tauſende von Jahren hinter uns liegen, ſind uns im Schoße der Erde in Form pflanzlicher und tieriſcher Verſteinerungen be⸗ redte Zeugen entſchwundener Zeiten erhalten. Blätter, Zweige und Früchte, die ein herbſtlicher Wind in ein naheliegendes Seebecken verwehte, wurden im Schlamme eingebettet, der im Laufe der Zeiten zu Geſtein verhärtet iſt. In dieſem bildete das Blatt ſeinen Naturſelbſtdruck oft in ſo vollendeter Weiſe, daß auch die feinſten Adern erhalten ſind. Spär⸗ licher ſind die Blüten jener vorweltlichen Pflanzen erhalten. In Heer hat die Tertiärflora der Schweiz nicht nur einen trefflichen Monographen, ſondern oft genug einen bewunderungswürdigen Interpreten gefunden, deſſen Phantaſie, geleitet durch ein eminentes Detail⸗ wiſſen, vor unſeren Augen ein lebendiges Bild eines ſubtropiſchen Urwaldes der Schweiz entſtehen läßt, das in ſeinem Werden die ganze Natur einer grauen Vorzeit uns erſchließt. Indem er die Pflanzenreſte der Molaſſezeit zur Darſtellung bringt, die nament⸗ lich die Oeninger Brüche in außerordentlicher Zahl und Mannigfaltigkeit bergen, ſo daß ſelbſt heute noch, trotzdem man ſie ſchon ſeit bald 200 Jahren aus⸗ beutet, Neuheiten entdeckt werden, führt er uns in ein Florenreich ein, das gegenwärtig in Japan, Auſtra⸗ lien, vor allem aber auch in dem Süden der Ver⸗ einigten Staaten die nächſten Anklänge finden mag. Palmen- und Zapfenfarne, die heute über die wärmere Zone zerſtreut ſind, breiteten damals unter unſerem Himmel ihre großen Wedel aus. Die thuja⸗ ähnliche Libocedrus salicornoides, deren nächſter Verwandter eine Konifere Kaliforniens ijt, die hel⸗ vetiſche Widdringtonia, die in ähnlicher Form heute am Kap lebt, die mexikaniſche Sumpfeypreſſe (Laxo- dium distichum miocenum) und ein einer chine⸗ ſiſchen Art gleichender Glypostrobus find die Cypreſſen⸗ gewächſe des Tertiärwaldes unſerer Gegend geweſen. Fußfruchtbäume, Sequoien, Araukarien und zahl⸗ reiche Pinien, deren nächſte Verwandte heute Chile, Kalifornien, Mexiko 2c. bewohnen, bildeten wohl den Hauptbeſtand unſerer vorweltlichen Nadelholz⸗ wälder. Mit dem Schilfrohr, das in einer der lebenden Art naheſtehenden Form vorkam, und einem Rohr⸗ kolben bildete das Pfeilrohr, der im ſüdöſtlichen Europa, dem Kaukaſus, Aegypten 2c. vorkommenden Spezies der lebenden Flora gleichend, die Einfaſſung der Bäche und Gräben, die Palliſadenwände der Teiche und Seen, deren Fläche Seeroſen und Laich⸗ kräuter deckten. Viele Grajer und Scheingräſer find nachgewieſen, aber kein einziges iſt mit einer lebenden Art identiſch. Palmen, die zum großen Teil im tropiſchen Amerika in ähnlichen Verwandten fort⸗ leben, zahlreiche Eichen, die gegenwärtig ebenfalls in verwandten Arten Amerika bewohnen, mannigfaltige Feigenbäume, die das indiſche Element des Urwaldes repräſentieren, Platanen, Lorbeerbäume und Zimmet⸗ bäume, zum Teil dem japaniſchen Kampherbaum verwandt, Bankſien, heute in ähnlichen Formen in Auſtralien lebend, Tulpenbäume, der Art, die heute in unſeren Gärten und Anlagen ein beliebter Pfleg⸗ ling iſt, gleichend; zahlreiche Ahornarten, die vor allem nicht unſeren einheimiſchen Arten, ſondern nord⸗ amerikaniſchen und japaniſchen entſprechen, viele Arten der Gattung Celastrus, in der bunt zuſammenge— würfelten Geſellſchaft den Hauptbeſtand der kaplän⸗ diſchen Repräſentanz bildend, Stechpalmen, Nußbäume, darunter die Vorfahren unſeres Wallnußbaumes, Robinien, Gleditſchien, Cäſalpinien, viele Cassia-Wrten u. ſ. f. bilden den fo überaus mannigfaltigen Holz— beſtand des tertiären Urwaldes der Schweiz und der uns benachbarten Länder. Seine Bäume ſchützten mit ihren dichtbelaubten, oft immergrünen Kronen zahlreiche Farne, die in dem feuchtwarmen Klima Humboldt. — Oktober 1890. in ſchönſten Formen grünten, vor ſchädigender Sonnenbeſtrahlung; ſeine zahlreichen Sträucher ge— ſtalteten den Urwald zu einer kaum durchdringbaren lebenden Mauer, in welche Maſtodonten die natürlichen Straßen traten. So ſagt uns alſo dieſes ſchwach ſkizzierte Vege— tationsbild einer tertiären Landſchaft, daß wenn auch durch hiſtoriſche Zeiträume der Charakter einer Art ein unveränderlicher iſt, doch in einem in geologiſchem Sinne nicht allzuweit hinter uns liegenden Zeitraum eine durchaus andere Pflanzenwelt auf unſerem Boden grünte und blühte, eine Pflanzenwelt, mit der die lebende unſeres Landes zwar vielfach genetiſch ver— bunden erſcheint, in der aber nur die Gattungen, zur höchſten Seltenheit aber eine Art, mit den Gat— tungen und Arten der Gegenwart übereinſtimmen. Wenn wir die Nachkommenſchaft unſerer Tertiär— pflanzen ſozuſagen über die ganze Erde zerſtreut ſehen, muß ſich uns alsdann nicht die Frage auf— drängen, ob vielleicht in Länderſtrichen, denen eine mildere Sonne lacht, dieſe tertiären Pflanzen heute in identiſchen Arten fortleben? War die Wanderung der Arten, die in einer Reihe geologiſcher Phäno— mene ihre Urſache hatte, für alle entweder mit der Vernichtung oder mit einer Veränderung verbunden? Führten nicht vielleicht die gleichen Phänomene, welche die einſtige ſubtropiſche Flora aus unſeren Breiten verdrängte, uns aus anderen tertiären Florenreichen Arten zu, welche bis zur Stunde ſich bei uns zu be— haupten vermochten. Ich will Sie nicht mit langen Liſten und Ver— zeichniſſen ermüden, aus denen ſich die bereits vor— ausgenommene Antwort auf die erſte Frage mit aller Genauigkeit ergäbe, aus denen Sie entnehmen würden, daß, wenn auch vielerorts iu wärmeren Zonen Descendenten der Tertiärpflanzen ſich zu— ſammenfinden, nirgends die identiſchen Formen einer größeren Artenzahl wiederkehren. Die zweite Frage laſſen Sie mich in der Weiſe beantworten, daß ich Ihnen die Geſchichte unſeres Nadelwaldes in kurzen Zügen zu ſkizzieren verſuche. Wo ſtand die Wiege der ſchlanken Fichte, der ſtolzen Edeltanne, der knorrigen Kiefer, der Lärche unſerer Alpen, der dunkeln Eibe, des ſtrauchigen Wacholders? Keine dieſer Arten hat unter den 24 Koniferen— arten unſerer Tertiärflora auch nur eine beſonders naheſtehende Form. Sie ſind alſo auch nicht die Abkömmlinge jener früheren Nadelbäume unſeres Lan- des, welche dem Wechſel der Lebensbedingungen ſich anpaſſend, die mehrfachen bedeutenden klimatiſchen Veränderungen überdauert hätten. Wie alle Pflanzen unſerer Flora, die nicht als Abkömmlinge der tertiären Alpenflora gelten können, ſind ſie einge— wandert. Verſuchen wir den Spuren ihres Weges zu folgen. In der kurzen Ueberſicht, die ich Ihnen über die Flora der Pfahlbauten gab, habe ich, um Wieder— holungen zu vermeiden, eines Florenelementes nicht einläßlicher erwähnt, der Nadelhölzer. Früchte, 341 Samen und Blätter, welche in der ſog. Kulturſchicht gefunden werden, dann auch die Hölzer, welche zu den Bauten verwertet wurden, welche zur Darſtellung von Werkzeugen und Geſchirr dienten, geben uns über den Nadelwald der Pfahlbauzeit Auskunft. Es lehren uns dieſe Funde, daß er im weſentlichen dem heutigen glich. Wie heute, ſo iſt in jener früheſten ſchweizeriſchen Kultur die Fichte das ge— wöhnlichſte Nadelholz geweſen, im Bau der Zapfen, Samen und Nadeln genau mit der Fichte unſeres Tannenwaldes übereinſtimmend. Ueberaus reichlich finden ſich die Nadeln der Weißtanne „und zwar meiſt mit kleinen Zweigen zuſammen“. Deshalb vermutet Heer, daß ſie viel als Streue fürs Vieh benutzt wurden, wie das heutigen Tages nicht zu ſelten geſchieht. Das Holz der Eibe wurde zu Bögen und Meſſern verarbeitet. Die Nüßchen, die nicht ſelten gefunden werden, ſind von denen unſerer Eibe nicht zu unterſcheiden. Von dem gemeinen Wacholder ſind die Früchte nachgewieſen. Von der gemeinen Föhre iſt nicht nur die gewöhnliche Form der leben— den Art aufgefunden worden. Es iſt nicht unintereſſant, zu ſehen, daß ſogar eine Form derſelben „mit einem dünnen, etwas gekrümmten Haken, welcher der Mitte der Schuppe aufſitzt“, ſich ſeit jenen längſt verfloſſenen Zeiten bis zur Gegenwart un— verändert erhalten hat. Wie einſt, ſo lebt ſie noch heute hin und wieder in unſeren Torfmooren, z. B. am Katzenſee. Ein uns Ebenenbewohnern fremdes Glied iſt dieſer erwähnten Geſellſchaft anzureihen, die Bergföhre. Nur ſelten begegnet ſie uns in unſerem Hügellande. Wenn wir ſie heute vom Uto zur Manegg herunterſteigen ſehen, ſo ſcheint ſie ſich hier in der Geſellſchaft zu finden, in der wir fie in un⸗ ſeren Alpen zu treffen gewohnt ſind. Sie iſt eben als eine der verſchiedenen Arten aufzufaſſen, die hier eine Kolonie alpiner Pflanzen bilden, ein ruinen— hafter Reſt der einſt unſere Ebene beherrſchenden Alpenflora. In der Pfahlbauzeit war die Bergföhre noch über die ebene Schweiz verbreitet oder bekleidete die nahen Hügel. Die größere Nähe der Eiszeit ſcheint ſich hierin zu verraten. Gehen wir von Robenhauſen etwas weiter nach Oſten zu den Kohlenlagern von Dürnten und Wetzikon. Ueber die Zeit ihrer Bildung erhalten wir durch die Lagerungsverhältniſſe unzweideutigen Aufſchluß. Sie ſind von einer Reihe jener charakteriſtiſchen Findlinge überlagert, die die Gletſcher auch in unſere Gegend geführt haben wie von Sernifit und Graniten. Und unter ihnen (Kohlen von Wetzikon) ſind gekritzte Steine und Findlinge. Die Zeit ihrer Bildung fällt alſo in jene wärmere Periode, welche zwiſchen die beiden Gletſcherzeiten fiel. Die Zahl dieſer interglacialen Pflanzen, die teils in den Kohlen, teils in den dazwiſchen liegenden Lettenbändern gefunden werden, iſt eine ſehr be— ſchränkte. Heer nennt 24 Spezies. Durch Nathorſt und Schröter wurde dieſe Zahl etwas höher gebracht. Einen hervorragenden Anteil nehmen an dieſer Florula 342 unſere Nadelhölzer. Es find die Arten unſeres heu⸗ tigen Waldes: die Fichte, die gemeine Föhre, die Bergföhre, die Lärche und der Eibenbaum. Von der Bergföhre unterſcheiden die Botaniker eine Reihe verſchiedener Formen. Als Hakenföhre (P. montana uncinata) bezeichnen jie eine hoch⸗ ſtämmige Form, deren Zapfen hakenförmig zurückge⸗ kehrte Schuppenſchilder haben. Einen kleinen, knor⸗ rigen Baum, deſſen glänzend braune Zapfen mit ſtark vorſtehenden, abwärts gerichteten Haken ver⸗ ſehen ſind, nennen ſie Sumpfföhre (P. montana uliginosa). Legföhre (P. montana humilis) iſt die Strauchform der Art mit niederliegenden Aeſten und länglichen oder ovalen Zapfen, die Zwergföhre (P. montana Pumilio) von ähnlicher Tracht wie die vorige, aber mit kugeligen Zapfen. Die meiſten der aus der Schieferkohle ſtammen⸗ den Zapfen gleichen denen der Legföhre. Ob ſie einem Baume angehörten, der auch deren Tracht beſaß, iſt natürlich nicht zu beſtimmen. Die Mög⸗ lichkeit wäre nicht ausgeſchloſſen, daß jene vorwelt⸗ lichen Formen mit der Tracht der k. uneinata oder f. uliginosa die Fruchtform der f. humilis verban⸗ den. So zeigt alſo die Föhre, das formenreichſte unſerer einheimiſchen Nadelhölzer der Gegenwart, nicht den Charakter ausgeſprochener Stabilität, wenn ſchon fie in den vielen Jahrtauſenden innerhalb des Formen⸗ kreiſes blieb, der ſchon in den vorweltlichen Indi⸗ viduen angedeutet erſcheint. Das Vorkommen der Bergföhre in der Gegend von Dürnten und Wetzikon läßt uns wohl wieder ſchließen, daß die dortigen Kohlenbildungen in eine Zeit fielen, da ein etwas rauheres Klima als das der Gegenwart die Verbreitung der Bergflora in die Ebene begünſtigte. Damit ſtehen auch Schröters und Nathorſts Funde im Einklang, welche das einſtige Vorkommen der alpinen Flora in der Ebene erweiſen. Gehen wir weiter in unſerem Lande um einen Schritt zurück, der uns wieder um Tauſende von Jahren von der Zeit der Schieferkohlenbildung ent⸗ fernt, ſo erſcheint die Natur mit einem Schlage ver⸗ ändert. Die Nadelhölzer der Tertiärzeit, deren Nach⸗ kommen Japan, China, Kalifornien, Chile, Mexiko rc. bewohnen, nehmen die Stelle der lieben Bekannten unſeres immergrünen Waldes ein. Jede Spur ihres vorglacialen Daſeins fehlt zur Stunde in unſerem Lande. Denn daß ſie nicht die Abkömmlinge der tertiären Arten unſerer Heimat ſind, wurde ſchon mehrfach betont. Ich muß Sie erſuchen, mir im Geiſte nach dem hohen Norden zu folgen. 8 Zu den größten Errungenſchaften, welche die zahlreichen Nordpolfahrten auf dem Gebiete der rein theoretiſchen Naturwiſſenſchaften zu verzeichnen haben, iſt zweifellos die Entdeckung der Belege zu zählen, welche uns ſagen, daß jene unwirtlichen Zonen, die heute während des größten Teiles des Jahres in Eis und Schnee erſtarrt ſind, in denen nur am ſchmalen Küſtenſaum und in den Fjorden die lange Inſolation einiges Leben zu erwecken vermag, einſt Humboldt. — Oftober 1890. die Stätte üppigſter Vegetation waren. Zu jener Zeit, da auf unſerem Boden Rieſenſchildkröten den See durchſchwammen, rieſige Salamander im Sumpfe vegetierten, Maſtodonten des Waldes Dickicht durch⸗ drangen, das Nashorn und Flußpferd im ſchlam⸗ migen Waſſer träge fließender Flüſſe ſich badeten, Hirſche und Antilopen in den Grasflächen weideten, tigerähnliche gewaltige Raubtiere im Röhricht auf der Lauer lagen, in den Kronen mächtiger Bäume Affen ihr munteres Weſen trieben, da deckten herr⸗ liche Wälder die grönländiſche Gebirgslandſchaft, da war ſelbſt Spitzbergen, heute das Urbild der Starr⸗ heit und Oede, ein grünendes Eiland, deſſen Bäche ſtille, düſtere Wälder durchfloſſen. In dieſen hochnordiſchen Gegenden treffen wir wieder auf die Spuren wenigſtens zweier unſerer Nadelhölzer. Hier mag die Wiege unſeres Nadel⸗ waldes geſtanden haben. Aus den ſchwarzen Schiefern vom Kap Staratſchin auf Spitzbergen ſtammen kurzflügelige Samen, welche mit denen von Pinus montana k. uliginosa über⸗ einſtimmen. Eine Reihe von Nadeln, welche mit denen von P. montana und silvestris übereinkommen, ſtammen aller Wahrſcheinlichkeit nach von den gleichen Pflanzenindividuen, welche die Samen reiften. Vom gleichen Orte, ſowie auch aus der Kingsbai wurden Schuppen, Samen und Nadeln bekannt, die zu P. Abies in ſo hohem Maße ſtimmen, daß eine Trennung der Art nicht gerechtfertigt erſcheint. Nach Nordenſkiölds geologiſchen Unterſuchungen gehören dieſe Verſteinerungen führenden Schichten dem mitt⸗ leren Tertiär, der ſogenannten miocänen Formation an, ſind alſo mit unſerer Molaſſeflora zeitgenöſſiſch. Drei Fichtenzweige wurden während der Expedi⸗ tion von Kapitän Feildon und Dr. Morr in Grinnell⸗ Land gefunden. Neben denſelben lagen Samen und Schuppen, die mit denen unſerer Fichte völlig über⸗ einſtimmten. Auch dieſe Fundſtätte gehört dem Ter⸗ tiär an. So lebten alſo wenigſtens zwei unſerer Nadel⸗ hölzer während des Tertiär. Eigentümlicherweiſe ſind ſie aus Grönland, aus dem ſo zahlreiche Tertiär⸗ pflanzen ans Licht gebracht wurden, nicht bekannt. Vielleicht fehlten ſie damals wirklich noch in Grön⸗ land, indem zur Zeit, da auf der Inſel Disco, in Upernivik ꝛc. Niederſchläge die verwehten Blätter deckten, um dem kommenden Menſchengeſchlechte die Zeugen einſtiger Pracht und Ueppigkeit zu erhalten, die genannten Arten ſich noch nicht ſo weit über ihre hochnordiſche Bildungsſtätte hinaus verbreitet hatten, daß ſie auch in den benachbarten ſüdlicheren Länder⸗ ſtrecken Grönlands Fuß gefaßt hätten. Denn alle Angaben über ein ſüdlicheres Vorkommen der Fichte oder Föhre während des Miocän ſcheinen auf Täu⸗ ſchungen zu beruhen. Allerdings ſind beide wohl gegen das Ende der Tertiärzeit über ganz Mittel⸗ europa verbreitet geweſen. So treffen wir nach Gaudins Darſtellung Föhrenzapfen (P. silvestris) im Pliocän der Abruzzen, alſo in einer Lagerſtätte, die jünger als die Oeninger Schiefer, aber älter als die Humboldt. — Oftober 1890. 343 Dürntener Kohlen iſt. Saporta hat die Bergföhre überall, wo miocäne Pflanzenſtätten aufgedeckt wur— in dem quaternären Tuff der Provence nachgewieſen, den, finden wir dieſe Cypreſſe: im höchſten Norden, alſo in einer Formation, welche der Zeit ihrer Bildungs- in unſeren Breiten, in Europa und in Amerika. Sie weiſe nach ungefähr mit der Schieferkohlenbildung iſt vielleicht die verbreitetſte aller Pflanzen des mitt— zuſammenfällt. leren Tertiär. Heute noch lebt ſie. Aber ſie iſt auf die Die Spuren der übrigen unferer Nadelhölzer laſſen Küſtenſümpfe der Südſtaaten Nordamerikas beſchränkt. ſich über die interglaciale Zeit hinaus nicht verfolgen. Ich bin am Schluſſe meiner Darlegungen ange— Wir ſind alſo auch völlig darüber im unklaren, ob langt. Eine Reihe verſchiedenſter Vegetationsbilder ſie in gleicher Form wie heute im Tertiär gelebt verſuchte ich Ihnen vorzuführen, die von dem mannig— haben oder ob ſie die veränderten Deſcendenten ter- faltigen Wechſel der Flora unſeres Landes, ihrer tiärer Arten ſind. Und ebenſo ungewiß iſt, wo ihre Verſchiebung und Umwandlung ein beredtes Zeugnis Wiege ſtand, da auch ihre gegenwärtige geographiſche ablegen. Mitten in dieſen wechſelnden Bildern ſehen Verbreitung uns hierüber keine ausreichenden Auf- wir einige Organismen durch Tauſende von Jahren ſchlüſſe zu geben vermag. in völliger Gleichheit verharren. Spurlos gehen an In der heutigen Flora Nordamerikas begegnen ihnen die vielen klimatiſchen Veränderungen vorüber, uns eine Anzahl von Arten, die auch in Europa die ein Land mit ewigem Frühling vereiſen ließen, die das vorkommen. Man wird nicht fehlgehen, deren Bil- Eis brachen, wieder werden ließen und wieder brachen, dungsſtätte nach Norden zu verlegen. um endlich den heutigen Zuſtand hervorzurufen. Das Fehlen unſerer Nadelhölzer in Nordamerika In ungebrochener Kraft ſtehen ſie heute auf unſern darf aber nicht umgekehrt als Beweis gegen deren Hügeln, Fichte und Föhre, wie vor vielen Tauſenden nordiſchen Urſprung verwertet werden, der uns ja von Jahren auf dem ſpitzbergiſchen Eiland. durch das tertiäre Vorkommen von Fichte und Föhre Wie vielfach die Urſache der verſchiedenen Lebens— in der arktiſchen Region ſehr nahe gelegt wird. Die dauer der Individuen verſchiedener Arten ſich unſerer gegenwärtige Verbreitung der Sumpfeypreſſe, des Erkenntnis verſchließt, ſo ſtehen wir auch dieſer Er— Taxodium distichum, lehrt uns, wie vorſichtig die ſcheinung — der ſo ungleichen Lebensdauer der Arten — pflanzengeographiſchen Fakta benutzt ſein wollen. Faſt gegenüber vor einem noch zu löſenden Rätſel. Fortſchritte in den Katurwiſſenſchaften. Chemie. Von Dr. H. Albrecht in Biebrich. Allylphenole als Beſtandteile ätheriſcher Oele. Cumaron im Steinkohlenteer, Syntheſe hochmolekularer Kohlenwaſſerſtoffe. Hydrierungs- produkte derſelben, Reten und Fichteltt. Theorie des Färbens. Direkte Vereinigung von Stickſtoff und Sauerſtoff. Flüſſiger Phosphorwaſſer— ſtoff. Arſenwaſſerſtoff, Antimonwaſſerſtoff. Neuerungen in der analptiſchen Chemie, volumetriſche Analyſe, Nachweis von Nohlenoxyd. Konzentration der Reagentien für die qualitative Analpſe. Die ätheriſchen Oele, jene flüchtigen, riechenden als „ätheriſche Oele“ von der Pflanze produziert werden, Flüſſigkeiten, welche aus Pflanzenteilen durch Deftillation charakteriſtiſch. Dieſe Körper leiten fic) vom Paraallyl— mit Waſſerdämpfen gewonnen werden, weiſen hinſichtlich [phenol in der Weiſe ab, daß noch eine, zwei oder drei ihrer Zuſammenſetzung eine große Mannigfaltigkeit auf. Hydroxylgruppen in den Benzolkern eintreten, und daß Neben den Terpenen, welche faſt niemals fehlen, finden | dieſe Hydroxylgruppen ganz oder teilweiſe durch Methyl fic) Subſtanzen, die den verſchiedenſten Körperklaſſen an- — Cg oder Methylen = CHy ätherifiziert ſind. Das gehören, Aldehyde, Phenole, Ketone, zuſammengeſetzte Paraallylphenol ſelbſt ijt, wie oben erwähnt, ein Beſtand— Aether u. ſ. w. Es gewährt nun nicht geringes Intereſſe, teil des ätheriſchen Oels der Betelblätter. Die Betel— auch bei dieſer Gruppe von Pflanzenſtoffen die Regel- blätter (von Chavica Betle MI. oder Piper Betle L.) mäßigkeiten im chemiſchen Bau der einzelnen Verbindungen liefern mit den Früchten der Arecapalme, den Betelnüſſen, aufzuſuchen, um zu erkennen, welchen Atomgruppierungen | gemifdt, das bekannte in Südaſien und im oſtindiſchen die Natur vor anderen den Vorzug gibt. In dieſer Bee Archipel gebräuchliche Kaumittel. Während aber der ziehung iſt durch eine Anzahl neuerer Unterſuchungen recht Twirkſame Beſtandteil der Arecanüſſe ein Alkaloid ijt (vgl. bemerkenswertes Material gewonnen worden. Eykmann | Humboldt 1889 S. 348), verdanken die Betelblätter ihre (Ber. 22. 2736) ſtellte feſt, daß in dem ätheriſchen Oel [Wirkſamkeit wahrſcheinlich dem in ihnen enthaltenen äthe— der Betelblätter eine Subſtanz enthalten iſt, welche ihrer [riſchen Oel. Das Paraallylphenol oder Chavicol iſt nach Struktur nach als Paraallylphenol Eykmann nicht der einzige Beſtandteil des Betelöls. Neben C3H; (I) Terpenen enthält dasſelbe noch das um eine Methoxyl— CeHy OH ( : OH(4) gruppe reichere Phenol aufzufaſſen iſt. Die im Benzolkern in der Paraſtellung GH 3H; (1) zu einander befindliche Allyl- und Hydroxylgruppe iſt nun 630H(3).OCH3 (4), noch für eine ganze Reihe anderer Verbindungen, welche | Chavibetol genannt. 344 Humboldt. — Oftober oe Das Chavibetol iſt iſomer mit dem bekannten Eugenol Ha C115 (1) 6 200,7 @). OH (4), welches den Gewürznelken ihren charakteriſtiſchen Geruch verleiht. Während nämlich im Chavibetol das zu der Allyl⸗ gruppe in der Paraſtellung befindliche Hydroxyl methyliert iſt, befindet ſich im Eugenol das Methoxyl in der Meta⸗ ſtellung. Führt man im Eugenol und Chavibetol in die freie Hydroxylgruppe Methyl ein, ſo gelangt man, wie leicht einzuſehen, zu demſelben Körper C315 (1) OCH, (3). OCHg (4). Das Chavicol iſt eine klare ölige Flüſſigkeit von kreoſot⸗ artigem Geruche. Es beſitzt eine hervorragende anti- ſeptiſche Wirkung, welche die der Karbolſäure um das Fünffache, die des Eugenols um das Doppelte übertrifft. Es iſt nicht unwahrſcheinlich, daß dies bei der Wirkung der Betelblätter auf den Organismus zur Geltung kommt. Denkt man ſich im Chavibetol oder Eugenol an Stelle der einwertigen Methylgruppe die zweiwertige Methylen- gruppe = CHa, jo werden beide Hydroxylgruppen ätheriftziert und es entſteht eine Verbindung 0 ea G50 (1) 6 79> his Dieſe Zuſammenſetzung beſitzt eine mit dem Namen Sajrol bezeichnete Subſtanz, welche den Hauptbeſtandteil des Saſſa⸗ frasöls (von Sassafras officinalis) ausmacht und neben Eugenol im Oele der Blätter von Mlicium religiosum vorkommt. Das Safrol bildet eine leicht ſchmelzbare Kry⸗ ſtallmaſſe, es beſitzt den aromatiſchen Geruch des Saſſa⸗ frasöls. In Bezug auf ſeine Struktur ſteht es in naher Beziehung zu Piperinſäure C6Hg. CH. COOH (1) 0 C CH, 33 welche neben Piperidin entfteht, wenn Piperin, das Alkaloid des ſchwarzen Pfeffers, mit alkaliſchem Kali geſpalten wird. In dieſe Gruppe von Allylphenolen gehört auch eine Subſtanz, welche hinſichtlich ihrer chemiſchen Kon— ſtitution das Methyleugenol (oder Methylchavibetol) und das Safrol in ſich vereinigt. Es iſt der „Apiol“ benannte kryſtalliniſche Beſtandteil des ätheriſchen Oeles des Peter⸗ ſilienſamens (Apium petroselinum). Die kürzlich durch Ciamician und Silber (Ber. 23. 283) zu Ende geführten Unterſuchungen ergaben für dieſen Stoff die Zuſammenſetzung CsH OS CH, (OCH). Das Apiol ſcheidet ſich beim Abkühlen des aus der Peter⸗ ſilie gewonnenen Oels als farbloſe Kryſtallmaſſe aus und führt daher auch den Namen Peterſilienkampher. Es riecht ſchwach peterſilienartig und ſchmilzt in reinem Zuſtande bei 30°. Für die Struktur der Gruppe —C3H5 find zwei Fälle möglich, dieſelbe tft entweder — CH. CH: CH» Ally! oder CH: CH. CH Propenyl. Daß nun den ſoeben er⸗ wähnten Phenolen die Allylgruppe zukommt, bewies Eyk⸗ mann unter Zuhilfenahme ihrer optiſchen Eigenſchaften. Die Disperſton und der Hrechun ide eines Allylderi⸗ vates ſind nämlich ſtets kleiner als die des iſomeren Pro⸗ penylderivates. Eine Umwandlung von Allyl in Propenyl, alſo ein Platzwechſel der Doppelbindung erfolgt aber leicht, wenn man das Phenol mit alkoholiſchem Kali erhitzt. Da nun die ſämtlichen genannten Phenole beim Erwärmen mit alko⸗ holiſchem Kali in Iſomere übergehen, welche eine größere Disperſion und größeres Brechungsvermögen zeigen, fo ſind ſie als Allylphenole anzuſprechen. Indeſſen ſind auch al als Beſtandteile ätheriſcher Oele bekannt geworden. So iſt z. B. das Anethol, welches den Haupt⸗ beſtandteil des Anisöls und einiger anderer Oele ausmacht, der Methyläther des Parapropenylphenols C3H;(1 Ce OOH, 90 5 Das Anethol iſt demnach iſomer mit einem methylierten Chavicol und nach dem eben Geſagten mußte ſich das Methylchavicol in Anethol überführen laſſen. Dieſe Um⸗ wandlung gelingt in der That, wie Eykmann zeigt, wenn man das Methylchavicol, welches durch Behandlung von Chavicol mit Jodmethyl und Kali erhalten wird, mit alko⸗ holiſchem Kali kocht. Es entſteht Parapropenylphenol⸗ methyläther, welcher mit dem natürlichen Anethol voll⸗ kommen übereinſtimmt. Die Umwandlung der Allylderi⸗ vate in Propenylderivate iſt eine ſowohl theoretiſch als auch vielleicht praktiſch wichtige Reaktion. Die Propenyl⸗ derivate laſſen ſich nämlich weſentlich leichter zu den ent⸗ ſprechenden Aldehyden oxydieren als die Allylderivate. So kann man z. B. das leicht zugängliche Safrol durch Be⸗ handlung mit alkoholiſchem Kali in Iſoſafrol umwandeln, welches bei der Oxydation glatt in den Aldehyd CHO C.H3 SUE das Piperonal, übergeht, eine Subſtanz, die unter dem Namen „Heliotropin“ in der Parfümerie Verwendung findet. Der Steinkohlenteer bildet immer noch eine Fund⸗ grube für interefjante chemiſche Verbindungen. So fanden neuerdings Krämer und Spilker (Ber. 23. 78) in dem bei 170° ſiedenden Anteil des ſchweren Teeröls, das durch die Arbeiten von Fittig und Ebert bekannte Cumaron Fittig und Ebert erhielten dieſen Körper als ein Derivat des Cumarins, jener wohlbekannten Subſtanz, welcher der Waldmeiſter ſeinen Geruch verdankt. Das Cumaron, welches im allgemeinen ziemlich indifferent iſt, tritt bei höherer Temperatur mit aromatiſchem Kohlenwaſſerſtoff in eine eigentümliche Reaktion C6HA - CH CH = CeHy - CH + HO Oc OH, —CH Cumaron Benzol Phenanthren CHa + CioHs = 1 H Il O —CH 0 oHg— CH Cumaron Naphtalin Ehryfen Es findet alſo Eintritt des Kohlenwaſſerſtoffes unter Ab⸗ ſpaltung von Waſſer ſtatt. Die beiden Kohlenwaſſerſtoffe Humboldt. — Oktober 1890. Phenanthren und Chryſen, deren Syntheſe auf dieſe Weiſe bewerkſtelligt wurde, ſind bereits bekannt; ſie ſind eben— falls im Steinkohlenteer enthalten. Dieſe Reaktionen ſind daher wohl geeignet, auf die Bildung der genannten und vielleicht auch ähnlicher Kohlenwaſſerſtoffe neues Licht zu werfen. Es iſt in hohem Grade wahrſcheinlich, daß das Cumaron am Aufbau der zahlreichen komplizierten Kohlen— waſſerſtoffe des Steinkohlenteers beteiligt ijt, und daß fo- mit die bisherige Annahme, wonach dieſe Verbindun— gen vorzugsweiſe durch Zuſammentritt von Acetylenen — CH=CH — und deren weiteren Kondenſationspro— dukten unter Waſſerſtoffaustritt entſtehen ſollen, durchaus nicht als geſichert gelten kann. In einer anderen Richtung wurden derartige hod: molekulare Kohlenwaſſerſtoffe im Laboratorium von Lieber— mann unterſucht (Ber. 21, 2510; 22, 135, 3369). Alle aromatiſchen Kohlenwaſſerſtoffe ſind befähigt, Waſſerſtoff zu addieren; ſie enthalten nach unſerer heutigen Anſchau— ungsweiſe doppelt gebundene Kohlenſtoffatome, deren Doppelbindung durch den Eintritt von Waſſerſtoff in ein— fache Bindung übergeht. Es hat ſich nun gezeigt, daß bei nachhaltiger Einwirkung von Jodwaſſerſtoff und Phosphor auf aromatiſche Kohlen— waſſerſtoffe in den meiſten Fällen unſchwer die höchſte Hydrierungsſtufe erreicht werden kann, d. h. diejenige, in welcher ſämtliche doppelte Bindungen des Ausgangskohlen— waſſerſtoffes durch Waſſerſtoffaufnahme in einfache umge— wandelt ſind. So liefert: Anthracen CyyHig Cy gHoy > Phenanthren CyyHyq CygHo, Chryſen CisHi2 — Cy gH 0. Sehr bemerkenswert ijt das Verhalten dieſer hydrierten Kohlenwaſſerſtoffe Reagentien gegenüber. Sie ähneln hierin gar nicht mehr den Stammkörpern, ſondern zeigen ungefähr den Charakter der Paraffine, namentlich deren hervorragende Indifferenz. Auch die höheren Hydrierungs— ſtufen des Naphthalins und Benzols haben ähnliche Eigen— ſchaften, ſo daß dieſe Annäherung an die Kohlenwaſſer— ſtoffe der Fettreihe für die Polyhydrüre der aromatiſchen Kohlenwaſſerſtoffe charakteriſtiſch iſt. Zu der Gruppe der letzteren gehört, wie Bamberger (Ber. 22. 635) nachgewieſen hat, auch ein Naturprodukt, nämlich der ſchon fo oft unterſuchte Fichtelit CygHy». Dieſe merkwürdige Subſtanz findet ſich zu Redwitz im Fichtelgebirge und auf dem Hochmoor Kolbermoor bei Roſenheim in Oberbayern auf den zwiſchen dem Torf ein— gebetteten Wurzelſtöcken foſſiler Fichten, als effloreszenz— artiger weißer Ueberzug, häufig auch in Form wohl aus: gebildeter Kryſtallindividuen. Der Fichtelit bildet monokline Prismen vom Schmelzpunkt 46°, iſt in Aether und Ligroin leicht, in Alkohol ſchwer löslich und ſiedet un— zerſetzt oberhalb 320°. Alle Verſuche, die Konſtitution des Fichtelits feſtzuſtellen, ſcheiterten an ſeiner außer— ordentlichen Widerſtandsfähigkeit gegen alle chemiſchen Re— agentien, bis die oben erwähnte Hydrierungsmethode auf ſynthetiſchem Wege zum Ziele führte. Der Fichtelit iſt nämlich nichts anderes, als die höchſte Hydrierungsſtufe des länger bekannten Retens CygHig, eines Kohlenwaſſer— ſtoffes, welcher im Holzteer vorkommt und auch häufig Humboldt 1890. 345 neben Fichtelit auf foſſilen Holzſtämmen anzutreffen iſt. Das Reten ſeinerſeits iſt ein Homologon des Phenanthrens, nämlich Methylpropylphenanthren CH3.C3H;.C,H)—CH Cc CH und der Fichtelit iſt 14fach hydriertes Reten. Zwar gelang es nicht, das Reten direkt in Fichtelit überzuführen; das Reten mit Jodwaſſerſtoff und Phosphor reduziert, nimmt nur 12 Waſſerſtoffatome auf und liefert CislI30, indeſſen konnten umgekehrt dem Fichtelit CygHyo durch Erhitzen mit Jod 2 Waſſerſtoffatome entzogen werden und die Identität dieſes Kohlenwaſſerſtoffes CygHyq mit dem aus Reten erhaltenen dargethan werden. Die nunmehr auf— gedeckten chemiſchen Beziehungen zwiſchen Fichtelit und Reten enthüllen auch einiges über die Herkunft beider Mineralien. Man trifft ſie in den vertorften Wurzel— ſtöcken der Hochmoore an denſelben Stellen, an welchen ſich im lebenden Baume die Harzgänge befinden, und es iſt daher wohl unzweifelhaft, daß das Harz die Mutter— ſubſtanz der beiden Kohlenwaſſerſtoffe iſt; findet ſich doch auch die Cymolgruppe C,H;.C3H;, welche man in den Be— ſtandteilen des Baumharzes nachgewieſen hat, im Reten und Fichtelit wieder. Welcher der beiden Kohlenwaſſer— ſtoffe aus dem anderen hervorgegangen iſt, oder ob beide einer gemeinſamen Quelle entſtammen, entzieht ſich vor- läufig der Beurteilung; bemerkenswert iſt die Analogie dieſes gemeinſamen Vorkommens mit der Thatſache, daß auch im Petroleum die aromatiſchen Kohlenwaſſerſtoffe von ihren Hydrüren, den Naphthenen Marownikoffs, begleitet werden. Die Theorie des Färbens hat durch Studien über die Chemie der Textilfaſern einige Förderung erfahren. In dieſer Zeitſchrift 1888 S. 311 wurde berichtet, daß E. Knecht den Vorgang, welcher beim Färben von Wolle mit baſiſchen Farbſtoffen, Fuchſin, Methylviolett u. ſ. w. ſtattfindet, analytiſch verfolgt hat. Es ergab ſich, daß die Salze der Farbbaſen beim Färbeprozeß quantitativ zer— legt werden. Die Wolle ſpielt die Rolle einer Säure, ſie vereinigt ſich mit der Farbbaſe zu einem gefärbten Salz, während die Salzſäure aus den Farbſtoffen, gebunden an einen der Wolle entnommenen Beſtandteil (Ammoniak, Amidoſäuren), im Bade zurückbleibt. Im Verfolg ſeiner Unterſuchungen beſtimmte Knecht die Maximalmengen, welche die Wolle von beſtimmten Farbſtoffen aufzunehmen vermag. Für die Zwecke der Färberei werden ſelten mehr als 2% vom Gewicht der Wolle an Farbſtoff angewandt. Indeſſen iſt die Faſer im ſtande, bei weitem größere Mengen von Farbſtoff aufzunehmen, wenn man nur einen großen Ueberſchuß von Farbſtoff anwendet. Aus einer Reihe von Verſuchen, welche Knecht nach dieſer Richtung hin anſtellte, ſcheint in der That hervorzugehen, daß in einigen Fällen die Maximalmengen der aufgenommenen Farbſtoffe zu einander im Verhältnis der Molekular- gewichte oder einfacher Multipla derſelben ſtehen. Hatten Unterſuchungen von Weyl (Ber. 21. 1407) es bereits ſehr wahrſcheinlich gemacht, daß in dem Molekül der Seide Amidogruppen vorhanden ſind, ſo iſt es nunmehr P. Richard (Chem. Ztg. 88, 1378) gelungen, die Gegenwart dieſer Gruppe in Wolle als auch in Seide direkt nachzuweiſen. 44 346 Humboldt. — Oftober 1890. Setzt man nämlich dieſe Subſtanzen 24 Stunden lang der Einwirkung von ſalpetriger Säure in ſehr verdünnter Löſung aus, ſo verhält ſich die ſtrohgelb gewordene Faſer wie eine Diazoverbindung. Beim Eintauchen in alkaliſche Phenollöſungen entſtehen lebhafte, je nach der Natur des Phenols, rote, orange oder braune Färbungen. Wird die diazotierte Wolle gekocht, ſo zeigt ſie umgekehrt gegen Diazoverbindungen das Verhalten eines Phenols. Er⸗ wähnt ſeien noch Verſuche Knechts (Ber. 21. 2808), welche das Färben mit Säurefarbſtoffen, alſo Alkaliſalzen von Farbſäuren, betreffen. Durch Auflöſen von Wolle in ver⸗ dünnter Schwefelſäure erhält man eine leicht lösliche Sub⸗ ſtanz, die ſog. Lanuginſäure, welche die Eigenſchaft beſitzt, in Auflöſungen der ſauren Farbſtoffe intenſiv gefärbte Niederſchläge zu erzeugen. Es iſt nicht unwahrſcheinlich, daß beim Färben von Wolle in Säurebädern ſich dieſe oder eine nahe verwandte Amidoſäure bildet und zur Fixie⸗ rung der Farbſtoffe Veranlaſſung gibt. Eine direkte Vereinigung von Stickſtoff und Sauerſtoff iſt bisher nur in vereinzelten Fällen kon⸗ ſtatiert worden. Kleine Mengen von ſalpetriger Säure ſcheinen bei allen Verbrennungen an der Luft zu entſtehen. Dagegen kann die ältere Anſicht von Schönbein, wonach beim Verdunſten von Waſſer an der Luft ſalpetrigſaures Ammo⸗ niak gebildet wird, als widerlegt betrachtet werden; neuere Unterſuchungen haben gezeigt, daß die Reaktionen, welche Schönbein erhielt, auf die Produkte der Gasflammen oder der Feuerung zurückzuführen ſind. Man braucht in der That nur einen feuchten Kolben 20—30 Sekunden über eine kleine Flamme des Bunſenbrenners zu halten und den Kolben mit Waſſer auszuſpülen, um eine deutliche Reaktion auf ſalpetrige Säure mit dem Grießſchen Re⸗ agens (Sulfanilſäure und Naphtylamin) zu erhalten. Daß Platin bei höherer Temparatur Stickſtoff mit Sauerſtoff verbinden kann, fand neuerdings Ilosvay (Ber. 22, Ref. S. 85). Die Wirkung beginnt bei Platinmohr bei 180°, bei Schwamm bei 250° und bei Platinblech bei 280°. Durch längeres Erhitzen auf 300° verliert das Platin ſeine Wirkſamkeit. Länger bekannt iſt die Thatſache, daß die elektriſche Entladung in einem feuchten Gemenge von Stickſtoff und Sauerſtoff zur Bildung von Salpeterſäure Veranlaſſung gibt und zwar jedenfalls infolge davon, daß der Sauerſtoff zunächſt in Ozon umgewandelt wird. Bei gewöhnlicher Temperatur kann man freien Stickſtoff zur Reaktion mit Sauerſtoff bringen, wenn man, wie Löw (Ber. 23. 1447) gezeigt hat, Platinmohr mit alka⸗ liſchen Flüſſigkeiten behandelt. Löws mit allen Vorſichts⸗ maßregeln angeſtellte Verſuche beweiſen, daß leicht nachweis⸗ bare Mengen von ſalpetrigſaurem Ammoniak gebildet werden, wenn gereinigte Luft durch eine 0,5prozentige Kalilöſung geſogen wird, in welcher Platinmohr verteilt iſt. Iſt die Löſung ſehr verdünnt, 0,01% Alkali, jo erhält man nur Reaktion auf ſalpetrige Säure, nicht aber auf Ammoniak. Saure Flüſſigkeiten erwieſen ſich als völlig wirkungslos. Der in geringer Menge mit dem Sauerſtoff am Platin verdichtete Stickſtoff wird alſo unter der Mitwirkung des Alkali direkt oxydiert und zwar wahrſcheinlich zunächſt zu Stickoyyd und dann weiter zu ſalpetriger Säure. Bei Anwendung konzentrierterer Alkalilöſung wird der Stickſtoff auch zur Reaktion mit Waſſer veranlaßt; es wird ſalpetrig⸗ ſaures Ammoniak gebildet. Dieſe Vereinigung des freien Stickſtoffs mit Sauerſtoff ohne Mitwirkung von Elektrizität oder erhöhter Temperatur beſitzt einiges Intexeſſe, weil ſie vielleicht ein Analogon bietet zu einem Vorgang, welcher in der Natur im allergrößten Maßſtabe ſtattfindet. Wir wiſſen aus den Arbeiten von Berthelot, Hellriegel u. a., daß gewiſſe Pflanzen den Luftſtickſtoff in aſſimilierbare Form umzuwandeln vermögen, und zwar ſind es die Leguminoſen, welche ihren Bedarf an Stickſtoff, wenn der⸗ ſelbe nicht in Form von Stickſtoffverbindungen vom Nähr⸗ boden dargeboten wird, der Luft entnehmen. Hellriegel fand, daß hierzu die Gegenwart gewiſſer Spaltpilzarten im Boden notwendig iſt, welche dann zur Bildung von Knöllchen an den Wurzeln Veranlaſſung geben. In dieſen Organen und durch Vermittlung der Spaltpilze muß die Oxydation des mit dem Waſſer in den Boden einge⸗ drungenen freien Stickſtoffs zu ſalpetrigſaurem Ammoniak vor ſich gehen. Näheren Einblick in den hier ſtattfinden⸗ den Prozeß hat man noch nicht gewinnen können. Viel⸗ leicht muß dem Protoplasma eine ähnliche Wirkung zu⸗ geſchrieben werden wie dem Platinmohr bei den Löpſchen Verſuchen. Von den drei mit Sicherheit feſtgeſtellten Verbindun⸗ gen des Phosphors mit Waſſerſtoff iſt diejenige, welche ſich durch ihre auffallenden chemiſchen Eigenſchaften aus⸗ zeichnet, nämlich der ſelbſtentzündliche flüſſige Phos⸗ phorwaſſerſtoff, bisher am wenigſten unterſucht worden. Einen Beitrag zur Kenntnis dieſer eigentümlichen Sub⸗ ſtanz liefert Gattermann (Ber. 23. 1174). Wird Phos⸗ phorcalcium mit Waſſer zerlegt, ſo entweicht Phosphor⸗ waſſerſtoffgas, welches ſich an der Luft ſofort entzündet. Kühlt man das Gas durch eine Kältemiſchung, ſo ſondert es eine flüchtige, ſelbſtentzündliche Flüſſigkeit ab. Der Dampf derſelben bedingt die Selbſtentzündlichkeit des aus Phosphorcaleium entſtehenden Gaſes. Dieſe Flüſſigkeit ijt eine völlig einheitliche Verbindung von Phosphor und Waſſerſtoff, welche bei 57— 58“ ſiedet und etwas ſchwerer als Waſſer iſt. Ihre Zuſammenſetzung entſpricht der ein⸗ fachen Formel PHo, übereinſtimmend mit der bisherigen Annahme. Der Waſſerſtoff wurde durch Verbrennung einer geringen Menge Subſtanz und Wägung des entſtehenden Waſſers direkt beſtimmt; für den Phosphor gelang es nicht, übereinſtimmende Zahlen zu erhalten. Im Lichte zerſetzt ſich der flüſſige Phosphorwaſſerſtoff in gasförmigen Phosphorwaſſerſtoff PH; und feſten Phosphorwaſſerſtoff PoH. Dieſer Prozeß konnte ebenfalls mit der Wage kon⸗ trolliert werden, wobei ſich die älteren Beobachtungen Thénards beſtätigten. Die Zerſetzung verläuft nach dev Gleichung: 5 PH = 3 PH3 + PH. Die Beſtimmung der Dampfdichte des flüſſigen Phosphor⸗ waſſerſtoffs gelang nicht, weil ſich die Subſtanz beim plötz⸗ lichen Erhitzen ſtets zerſetzt. Die wahrſcheinlichſte Formel ijt PoH, und zwar iff der flüſſige Phosphorwaſſerſtoff wahrſcheinlich als das Analogon der Hydrazins HN — NH, als HP PH aufzufaſſen. Brunn machte Arſenwaſſerſtoff und Antimon⸗ waſſerſtoff zum Gegenſtand einer kleinen Unterſuchung (Ber. 21. 2546, 22. 3202). Ein Gemiſch von Arſen⸗ waſſerſtoff und Schwefelwaſſerſtoff, beide in ganz reinem, Humboldt. — Oktober 1890. luftfreiem Zuſtande, bleibt ſelbſt in direktem Sonnenlicht völlig unverändert. Tritt jedoch Sauerſtoff hinzu, fo er- folgt ſofort Ausſcheidung von Schwefelarſen, weil der Arſenwaſſerſtoff zu Arſen oxydiert wird. Antimonwaſſer⸗ ſtoff und Schwefelwaſſerſtoff ſetzen ſich auch bei Abweſen— heit von Sauerſtoff zu Schwefelantimon um. Durch Hitze werden beide Gaſe diſſoziiert, der Arſenwaſſerſtoff ziemlich genau bei 230°, der Antimonwaſſerſtoff bei 150°, fo daß ſich hierauf eine bequeme Methode zur Erkennung von Antimonwaſſerſtoff neben Arſenwaſſerſtoff gründen läßt. Leitet man die Gaſe durch eine auf 150° erhitzte Röhre, ſo ſcheidet ſich nur Antimon, keine Spur Arſen ab. Gegen Jod verhalten ſich beide Gaſe ganz gleich, indem ſie quan— titativ in die entſprechenden Jodüre übergeführt werden: Jod eignet ſich daher vortrefflich, um Waſſerſtoff von jeder Spur Arſenwaſſerſtoff zu befreien, was bekanntlich in der forenſiſchen Analyſe von großer Wichtigkeit iſt. Schließlich mögen noch einige neue Methoden der analytiſchen Chemie erwähnt werden. Zur Vermeidung der Reduktionserſcheinungen bei gasvolumetriſchen Beſtim— mungen hat Lunge (Zeitſchr. f. analyt. Chem. 1890, S. 139) einen Apparat konſtruiert, welcher die Reduktion durch eine einfache mechaniſche Operation erſetzt. Die Einrich— tung iſt derartig, daß das Gasmeßrohr außer mit dem zur Einſtellung des Niveaus erforderlichen Druckrohr ver— mittelſt eines Dreiweghahns noch mit einem dritten Rohr, dem Reduktionsrohr, verbunden iſt. In dieſem iſt ein ſolches Quantum Luft abgeſperrt, daß dasſelbe bei Kom— preſſion auf den Teilſtrich 100 genau 100 cem trockener Luft bei O° und 760 mm Barometerſtand entſpricht. Als Sperrflüſſigkeit dient Queckſilber. Wenn die eigentliche analytiſche Operation beendigt iſt, das Volumen des ent— wickelten Gaſes alſo konſtant geworden iſt, wird das Re— duktionsrohr und das Druckrohr ſo eingeſtellt, daß das Queckſilber im Reduktionsrohr auf 100 ſteht, dabei aber das Niveau mit demjenigen im Gasmeßrohr in eine Wage— 347 rechte fällt. Alsdann ſind die Gaſe in beiden Röhren unter gleichem Druck und zwar iſt dieſer Druck ein ſolcher, daß das Volumen dem der trockenen Gaſe bei 0° und 760 mm entſpricht. Ein ausgezeichnetes Abſorptionsmittel für Kohlen— oxyd gas iſt Kupferchlorür in ammoniakaliſcher oder ſalz— ſaurer Löſung, ein ſehr empfindliches Reagens auf jenes giftige Gas Palladiumchlorid, da es durch Kohlenoxyd ſo— fort zu metalliſchem Palladium reduziert wird. PaCly-+ CO + H,0 = Pa+C0,4 2HCI. Da nun Kupferchlorür ohne Einwirkung auf Balladium- chlorid iſt, jo ergibt fic) aus der gemeinſchaftlichen An— wendung beider Reagentien eine ſehr ſcharfe Probe auf Kohlenoxyd. Man leitet das zu unterſuchende Gas durch Kupferchlorürlöſung, verdünnt darauf mit Waſſer und fügt Natriumpalladiumchloridlöſung hinzu; iſt Kohlenoxyd zu— gegen, ſo entſteht augenblicklich eine ſchwarze Wolke von feinzerteiltem Palladium. Cl. Winkler, welcher dieſe Me— thode ausarbeitete (Zeitſchr. f. anal. Chem. 78. 269), konnte danach noch 0,01 cem = 0,0125 mg Kohlenoxyd nachweiſen. Recht beachtenswert iſt ein Vorſchlag Blochmanns (Ber. 23. 31), die Konzentration der Reagentien für die qualitative Analyſe den ſtöchiometriſchen Verhältniſſen anzupaſſen, die Löſungen alſo etwa doppelt oder einfach normal zu wählen. Auszuſchließen ſind natürlich die kon— zentrierten Säuren und die Reagentien, welche man in geſättigten Löſungen anzuwenden pflegt, z. B. Kalkwaſſer, Schwefelwaſſerſtoffwaſſer, Bromwaſſer u. ſ. w. Die Vor- teile liegen auf der Hand. Handelt es ſich um die Neu— traliſation eines beſtimmten Volumens einer Säure, fo kann man das hierzu erforderliche Quantum Alkali, wenn Normalreagentien zu Gebote ſtehen, ſchätzen u. ſ. w. Ferner läßt ſich auf dieſe Weiſe ſchon bei der qualitativen Ana— lyſe ein ungefähres Urteil über die Mengenverhältniſſe ge— winnen, in denen die einzelnen Beſtandteile vorhanden ſind. ein ite lungen. Schwingende Saiten. Könnte man einer ſchwingen— den Saite eine gewiſſe Krümmung geben (Sinuskurve), dann würde ſie nach dem Geſetze des Pendels ſchwingen, d. h. die Gleichgewichtslage mit der größten Geſchwindig— leit paſſieren, je ferner aber von dieſem Punkte um ſo langſamer ſich bewegen. In der Praxis jedoch wird fie in einem einzigen Punkte geſtrichen und erhält dadurch die Ge— ſtalt einer gebrochenen Linie, in welcher der geſtrichene Punkt mit gleichförmiger Geſchwindigkeit hin und her ſich bewegt. Dies zeigt Mack (Zeitſchr. f. d. phyſ. Unt. 1) mit einer ſchwarzen und einer weißen Saite, die unter rechtem Win- kel gekreuzt (oben die ſchwarze Saite) über einem ſchwarzen Brette ſich befinden. Streicht man ſie gleichzeitig, dann ändert der Kreuzungspunkt (wo die weiße Saite eine Lücke zu haben ſcheint) blitzſchnell ſeine Lage und beſchreibt für unſer Auge ein Parallelogramm, das ſchwarz auf grau gezeichnet iſt. F. Cichtnutzeffekt der Geißlerſchen Röhren. Wenn man einen Körper, z. B. Eiſen, immer mehr erhitzt, dann ſendet er anfangs nur Strahlen von großer Wellenlänge, d. i. Wärmeſtrahlen aus. Wenn er heißer wird, werden einerſeits die Wärmeſtrahlen immer intenſiver, anderſeits treten immer kürzere und kürzere Wellenlängen (Licht— ſtrahlen) hinzu, d. h. der Körper wird glühend. Je heißer der Körper iſt, ein um ſo größerer Teil der ausgeſtrahlten Energie fällt auf die Lichtſtrahlen. Dieſer Lichtnutzeffekt iſt beiſpielsweiſe bei Glühlampen im beſten Falle nur 10%, d. h. neun Zehntel der Kraft gehen für uns nutzlos als Wärmeſtrahlen verloren. Staub (Inaug.-Diſſ. Zürich, 1890) zeigt nun, daß Geißlerſche Röhren, ſo ſchwach auch ihr Licht iſt, dennoch einen mehr als dreimal größeren Nutz— effekt geben, alſo verhältnismäßig viel weniger Wärme— ſtrahlen liefern. Staub ſetzt an das Innere eines Eis— kalorimeters eine Geißlerſche Röhre, und nun abſorbiert das Waſſer nur die Wärmeſtrahlen, während das Licht frei durchſtrömt. Darauf wird die Röhre geſchwärzt, was zur Folge hat, daß auch die Lichtſtrahlen aufgefangen werden und das Waſſer erwärmen. Aus dieſem gemeſſenen Zu— wachs der in einer Minute vom Waſſer aufgenommenen Wärmemenge ergab ſich obiger hohe Nutzeffekt. Photoelektriſche Ströme. Bei den elektriſchen Bogen— lampen kann die Elektrizität, wie es ſcheint, zwiſchen den Kohlenſpitzen durch die Luft nur durch Vermittelung der in die Luft geriſſenen Kohlenteilchen ſtrömen. Etwas Analoges im kleinen ſcheint folgender Verſuch von Branly (C. r. 110, S. 898) zu zeigen. Eine volle und eine ſiebartig 348 Humboldt. — Oktober 1890. durchbrochene Kupferplatte werden, jedoch ohne Berührung, einander möglichſt nahe parallel gegenüber geſtellt und mit den Polen einer Batterie verbunden. Dann iſt offenbar kein Strom möglich. Fällt jedoch das Licht, das Alu⸗ miniumſpitzen an einem Induktorium geben, durch das Sieb auf die volle Scheibe, wobei (wie bereits früher berichtet worden) die belichtete volle Kupferſcheibe in minimalem Maße verſtäubt wird und der negativ elektriſche Staub in die Luft und in der Folge an das gegenüberliegende Sieb gelangt, dann zeigt ſich ein ſchwacher elektriſcher Strom im Verbindungsdrahte. F. Eine Eishöhle iſt in der Umgegend von Serajewo von dem Kuſtosadjunkt am Bosniſchen Landesmuſeum, V. Apfelbeck, entdeckt worden. Sie befindet ſich etwa 1,5 Stunden von Vares entfernt in der von dem Wild⸗ bach Ponikva durchfloſſenen Schlucht und wird von dieſem Bache durchſtrömt. Bei Hochwaſſer wird die ganze Höhle von den reißenden Fluten angefüllt, welche Baumſtämme bis zu 3 m Länge und in anſehnlicher Dicke in derſelben abgelagert haben. Vom Höhlenthore aus erblickt man ſchon die etwa 50 —60 m vom Eingange entfernten Eis⸗ partien. Der Boden der Höhle neigt ſich allmählich ab⸗ wärts und iſt von Schotter und Geröll bedeckt. Nach etwa viertelſtündigem Marſche gelangt man an einen Punkt, an welchem die Höhle ſich in zwei Arme teilt. Der eine führt in mäßiger Senkung abwärts bis zu einer Stelle, wo ſteile Abſtürze das weitere Vordringen hindern und der ganze Raum von zuſammengetragenen Baumäſten verrammelt erſcheint. Der zweite Arm ſteigt nach und nach bergan. Auf dem Boden befinden ſich ſtellenweiſe tiefe Lagen feiner Erde. Bei weiterem Vordringen gelangt man an eine Partie voll großartiger Säulen aus kryſtallreinem Eiſe, die in der Höhe verſchieden ſind und mitunter einen Durch⸗ meſſer von 1,5 m erreichen. Hier befinden ſich auch zahl⸗ reiche Stalaktiten, gefrorene Waſſerfälle und ſonſtige pitto⸗ reske Eisbildungen. So geht es etwa eine halbe Stunde fort, bis ſich die Höhle derart verengt, daß ein weiteres Vordringen unmöglich iſt. D. Neue Vetroleumfelder. Vor kurzem hielt Bover⸗ ton Redwood in der Society of chemical Industry einen Vortrag, dem wir entnehmen, daß bet Khatan in Belutſchiſtan reiche Petroleumfelder entdeckt worden ſind. Fünf Brunnen ſind bisher erbohrt worden, von denen jeder ca. 50000 Fäſſer Petroleum per Jahr liefert. In⸗ dien beeilt ſich daher, ſeinen enormen Bedarf an dieſem Oel aus dieſer Quelle zu decken und ſich ſo von e und Nordamerika zu emanzipieren. Glacialbildungen in den Carboniferous und Haw⸗ Reshury Series in New South Wales. Zu den bis⸗ herigen Beobachtungen, welche eine Eisentwickelung in der ſüdlichen Hemiſphäre, ſpeziell im ſüdlichen Auſtralien, gegen das Ende der paläozoiſchen Wera wahrſcheinlich machen, Beobachtungen, welche mit dem mächtigen Syſtem von Süß⸗ waſſerablagerungen aus derſelben Zeit einen Hauptbeleg für die Exiſtenz eines ausgedehnten Kontinentes liefern, fügte R. D. Oldham die Beobachtung von geglätteten und geſchrammten Blöcken und Geſchieben in marinen Schichten des Untercarbon bei Branxton in New South Wales, welche gelegentlich der Grabung eines Eiſenbahneinſchnittes freigelegt worden ſind. Solche Geſteinstrümmer fand E. David auch bei Graßtree, 40 km nordweſtlich von Branxton in carbonem Mergelſchiefer. Aus den Hawkes⸗ buryſchichten in New South Wales, welche von den einen der Trias, von anderen dem Perm, von anderen dem Obercarbon zugerechnet werden, wurde das Vorkommen von regellos im Schiefer eingeſtreuten Blöcken und Roll⸗ ſteinen auch glacial gedeutet; David weiſt aber darauf hin, daß ſolche Bildungen auch von Erdrutſchen herrühren können. Ki. Die Flyſchalgen. Durch die Studien von Nathorſt und Th. Fuchs hat ein ſolcher Umſchwung in der Vor⸗ ſtellung über die Natur der foſſilen Algen ſtattgefunden, daß Schenk ſich dahin äußert, wenn es auch nicht zweifel⸗ haft ſei, daß in früheren Entwickelungsperioden der Erde Algen exiſtiert haben, ſo ſei man aber heute doch nicht in der Lage, ihre frühere Exiſtenz, ihr erſtes Auftreten mit Beſtimmtheit nachzuweiſen und noch weniger ſie mit den lebenden in gewiſſe Beziehung zu bringen. Maillard glaubte nun, daß immerhin alle jene Formen der foſſilen „Algen“, die vom Geſtein loslösbar find und organiſche Subſtanz reſp. Kohlenſtoff enthalten, wirklich von Algen herrühren; auch die Symmetrieverhältniſſe dieſer Foſſilien ſprechen nach Maillard dafür. Die kohlige Subſtanz iſt übrigens durch das ganze Foſſil verteilt, aber auch nur in dieſem; gerade dieſe Verteilung der organiſchen Sub⸗ ſtanz ſpricht nach Maillard gegen tieriſchen, alſo für vege⸗ tabiliſchen Urſprung. Er zählt alle die Foſſilien auf, welche hiernach in dieſe Kategorie gehören (Mémoires de la So- ciété Paléontologique Suisse, vol. XIV, 1887, p. 16—26). Unterſuchungen von Fridolin Kraſſer (Annalen des k. k. naturhiſtoriſchen Hofmuſeums, IV. Band, Wien 1889, S. 181-187), über den Kohlengehalt der „Flyſchalgen“ er⸗ geben nun in Anlehnung an frühere Beobachtungen von Th. Fuchs, daß dieſe Fukoiden lithologiſch, beſonders auch bezüglich des Durchſetztſeins mit Kohlenpartikelchen, mit den weichen Mergeln übereinſtimmen, die teils als Zwiſchen⸗ lager, teils als Schmitzen zwiſchen dem Wiener Sandſtein (Flyſch) liegen. Die ſogen. Fukoiden in demſelben ſind licht, dunkelgrün bis ſchwärzlich, in vielen Fällen fett⸗ glänzend, haben aber keinen kohligen Faden als Kontur, wie die Chondriten. Dieſe Fukoidenkörper verhalten ſich alſo bei chemiſcher Unterſuchung gänzlich wie die Flyſch⸗ mergel. Kraſſer kommt daher zum Schluß, daß die von Maillard als Algen beſchriebenen Foſſilien auf den bloßen Nachweis von organiſcher Subſtanz (Kohle) hin ſich nicht als Algen auffaſſen laſſen, da es Mergel gibt, welche ebenfalls Kohlenpartikelchen in gleichmäßiger Verteilung eingeſchloſſen enthalten. Kraſſer hält, wie aus dieſer Arbeit hervorzu⸗ gehen ſcheint, die Fukoiden für Injektionsmaſſen von Wurmgängen, da auch die Lagerungsverhältniſſe dieſe foſſilen Algen als Injektion von Miniergängen durch eine darüberlagernde Maſſe erkennen laſſen. Ki. Ein neu entdeckter Anterkiefer von Dryopithecus. Eine Frage, welche Gelehrte wie Laien beſonders deshalb lebhaft bewegt, weil ſie zu der Abſtammungsgeſchichte des Menſchengeſchlechtes in nahe Beziehung gebracht wurde, hat in jüngſter Zeit eine Klärung erfahren. Es wurde bekanntlich 1856 bei St. Gaudens das Fragment eines Unterkiefers gefunden, das von Lartet als Dryopithecus Fontani beſchrieben worden iſt. Lartet wies beſonders auf die Verkürzung des Geſichtes gegenüber den übrigen Affen hin. Der Dryopithecus enthält kleine Schneidezähne, ſeine Backenzähne zeigen Höcker, welche weniger gerundet ſind als die der europäiſchen Menſchen⸗ raſſe; ſie ſollen aber ziemlich ähnlich den Backenzähnen der Auſtralier ſein. Zudem ſchien es wahrſcheinlich, daß der letzte Backenzahn (Weisheitszahn) beim Dryopithecus nach dem Eckzahn durchbricht, wie dies auch beim Menſchen der Fall iſt. Auf dieſe Verhältniſſe hin wurde nun der Schluß ge⸗ zogen, daß Dryopitheens dem Homo sapiens körperlich näher ſtehe als irgend einer der anthropomorphen Affen — alſo im Miocän ein dem Menſchen naheſtehender Affe, der ſich dem Negertypus ſehr nähere. Ein Umſtand ſtimmt zwar nicht mit dieſer Schluß⸗ folgerung. Der erſte Molar iſt nämlich beim Menſchen größer als beim Dryopithecus, während der Eckzahn beim Dryopithecus weſentlich größer erſcheint, als beim Men⸗ ſchen, jo daß der Eckzahn des Dryopithecus alſo weſentlich über die übrigen Zähne hervorgeragt hat, alſo größer war als der des Menſchen. Es iſt dies ein recht eigentlicher Affencharakter. Aus dem Miocän von Thenay bei Pont⸗Leroy (Loir⸗ et⸗Cher) hat bekanntlich Abbé Bourgeois neben gerollten Kieſeln ſolche gefunden, die er für geſchlagene hält, alſo Humboldt. — Oktober 1890. 349 für Artefakte eines Weſens, das vernünftiger war, als die heutigen Tiere. Wenn auch mancher Widerſpruch da— gegen ſich erhob, ſo ſtimmten doch der Deutung von Bourgeois Anthropologen von Ruf wie Worfaae, Quatre- fages, Hamy, Mortillet bei. Gaudry beſtätigte das mittelmiocäne Alter des Lagers dieſer geſchlagenen Steine und brachte nun die beiden Funde — den Dryopithecus- Unterkiefer und die angeblich geſchlagenen Steine im Miocän — in unmittelbare Beziehung, indem er die Ver— mutung ausſprach, jene Steine möchten wohl vom Dryo- pithecus geſchlagen worden fein. Bei der großen Wand— lung der Säugerwelt, die von der Mittelmiocänzeit bis auf heute ſtattgefunden hat, war es jedenfalls ausge— ſchloſſen, daß ſchon der Menſch es geweſen iſt, der die Steine geſchlagen hat. Von einem recenten anthropomorphen Affen iſt nun zwar noch keine ſolche vorausſehende Handlung beobachtet worden; Dryopitheens ſollte ja aber dem Menſchen näher ſtehen als Gorilla, Gibbon, Orang und Chimpanſe. In derſelben Lokalität, wo der erſte Dryopithecus- Unterkiefer ſich fand, iſt nun ſeit kurzem ein zweiter auf— gefunden worden, welcher weſentlich vollſtändiger und auch weniger durch Druck deformiert iſt, als der erſte. Schon aus dieſem beſſeren Erhaltungszuſtand, dann auch aus dem Umſtand, daß der erſte Unterkiefer einem viel jüngeren Tiere angehörte als der zweite, ergaben ſich aus dieſem neuen Funde ganz andere Schlüſſe, als die, welche man an den erſten Fund geknüpft hat. Es iſt ja wohl bekannt, daß der Prognathismus beim Affen mit dem Alter ungemein zunimmt. Beim Vergleiche des neuen Dryopithecus-Unterkiefers auch mit niedrigſtſtehenden menſchlichen Unterkiefern zeigt ſich, daß im Grundriß oder in der Horizontalprojektion der erſtere nicht allein ſehr verſchieden iſt, ſondern daß er ſogar noch niedrigere Merkmale aufweiſt, als ſie bei manchen heute noch lebenden Affen vorkommen. Im Pro⸗ fil nähert ſich dieſer Unterkiefer dem des Schimpanſe. Noch auffälliger tritt der Unterſchied hervor, wenn man die Breite der diverſen Unterkiefer gleich 100 ſetzt und nun die relative Länge desſelben beſtimmt. In dieſem Falle iſt die Länge bei Dryopithecus 177, bei Gorilla 166, beim Orang 144, beim Schimpanſe 134 und bei der hottentot— tiſchen Venus 98. Dann macht Gaudry auch darauf auf— merkſam, daß beim Dryopithecus die Kieferäſte einander ſo genähert ſeien, wie beim Gorilla, und daß bei ihm die Zunge noch weniger Spielraum gehabt haben müſſe, wie beim Gorilla, fo daß der Dryopithecus in dieſer Hinſicht den nicht anthropomorphen Affen näher rückt. So nimmt alſo nach den Unterſuchungen Gaudrys an dem Unterkiefer eines erwachſenen Tieres der Dryopitheens die niedrigſte Stufe unter den anthropomor- phen Affen ein, wie dies übrigens auch dem geologiſchen Horizont entſpricht, indem er gefunden worden iſt. So wird denn wohl auch der Dryopitheens nicht der Zer— ſchläger jener angeblich geſchlagenen Steine von Thenay geweſen ſein. Bemerkenswert iſt noch, daß ſich Gaudry dahin äußert, daß, wenn man die gerollten und die angeblich zerſchlagenen Kieſel in großer Zahl zuſammenlege, es ſchwer falle, eine ſcharfe Grenze zwiſchen den einen und anderen zu ziehen. Zum Schluß rekapituliert R. Hörnes in dem den obigen Gegenſtand erörternden Artikel der Mitteilungen der anthropologiſchen Geſellſchaft in Wien, Bd. XX, Mai 1890 noch das über anthropomorphe Affen bisher Bekanntge— wordene. Aus dem Obermiocän von Sanſan und den gleichaltrigen Kohlenablagerungen von Göriach (Steier— mark) iſt ein dem Gibbon nahe verwandter Pliopithecus antiquus Gernais bekannt. Dazu kommen noch außer dem hier beſprochenen Dryopithecus jene Zähne aus den Bohnerzen der ſchwäbiſchen Alb, die zuerſt für Menſchen— zähne gehalten wurden, von Quenſtedt aber einem Pri— maten zugeſchrieben worden ſind. Wenn nun auch noch einige andere Affenreſte aus Europa bekannt ſind, und es daher durchaus nicht unwahrſcheinlich iſt, daß noch weitere, uns über die hier berührten Fragen belehrende Objekte ent— deckt werden, fo mögen doch eher von Nordamerika Refte zu erwarten ſein, welche eine nähere Verknüpfung zwiſchen den Anthropomorphen und dem Menſchen darſtellen; hat ſich doch gezeigt, daß die Wiege der meiſten und wichtigſten Säugerſtämme auf nearktiſchem Gebiete geſtanden hat. Aus dem dortigen Alttertiär ſtammen u. a. auch die meiſten Reſte von Halbaffen. Der hierzu gehörige Anapto- morphus homunculus aus dem Mittelmiocän von Wyo— ming beſitzt auffallend gewölbten Schädel, großes Gehirn, kurzes Geſicht ze., wodurch er ſehr an die höherſtehenden Affen erinnert. Ki. Koſtospalmen. Wie wir der „Revue des sciences naturelles“ entnehmen, beträgt die Geſamtzahl der zur Zeit in Ausbeutung ſtehenden Kokospalmen ungefähr 280 Millionen. In Zentral-Amerika find 404 700 ha Land mit Kokospalmen bepflanzt, in Ceylon allein 203 500 ha; im übrigen Indien ſind 195000 ha der Kultur dieſer Palme gewidmet. Ceylon exportiert jährlich Erzeugniſſe der Kokospalme im Werte von über 16 Millionen ars Eine Waſſermilbe als Schneckenſchmarotzer. Unter den Waſſermilben iſt das Genus Atax als Schmarotzer von Muſcheln, ſpeciell Najaden bekannt; mehrere Arten bewohnen die Kiemen von Unio und Anodonta. Nach einem von v. Ihering gemachten und von Koenike publizierten Fund (Zool. Anz. Nr. 339, 14. Juli 1890) können auch Waſſerſchnecken als Wohntiere gewählt werden. Die von Koenike als Atax Ampullariae beſchriebene Art lebt in den Kiemen einer nicht näher bezeichneten ſüdamerikaniſchen Ampullaria. —p. Verbreitung oes Monotus. Auf einer zoologiſchen Exkurſion an die 4000 Fuß hoch liegenden Rhätikonſeen — zwiſchen Vorarlberg und Graubünden — fand Zſchokke im See von Partnun denſelben Süßwaſſer-Monotus, der durch ſeine maſſenhafte Anweſenheit in den beiden Koppen— teichen des Rieſengebirges auch in weiteren Kreiſen bekannt und populär geworden iſt. Es darf nicht wunder nehmen, daß jener zuerſt (1884) von O. Zacharias im Rieſen— gebirge entdeckte Wurm ſo ſporadiſch über die Waſſerbecken des Binnenlandes verteilt iſt und faſt lediglich nur in Hochſeen vorkommt. Seiner ſyſtematiſchen Stellung nach hat das in Rede ſtehende Tier im Süßwaſſer keine Ver— wandten, ſondern ſteht hier ganz vereinzelt da, ſo daß ſeine Auffindung etwa ebenſo überraſchen mußte, als hätte man eine Amphibie im Meere oder eine Robbe in einem Dorf— teiche vorgefunden. Der Umſtand, daß der Monotus nur klare und ſehr kalte Gewäſſer liebt und daß er einer im Sunde verbreitenden Spezies (Monocelis spinosa Jens.) anatomiſch ſehr nahe ſteht, hat zu der Hypotheſe Grund gegeben, daß er zur Diluvialzeit aus dem Meere in die zahlreichen Schmelzwaſſerſeen eingewandert ſei, die damals das nord- und mitteleuropäiſche Binnenland bedeckten und miteinander durch natürliche Kanäle in Verbindung ftan- den. Hieraus würde ſich die Rolle des Fremdlings be— friedigend erklären, welche jenes kleine, aber hochintereſſante Weſen innerhalb der einheimiſchen Süßwaſſerfauna ſpielt. Freilich handelt es ſich hierbei nur um ein Geſchöpf von 5 mm Größe, aber da — wie unſere Erörterung zeigt — ſeine Verbreitung in urſächliche Beziehung zu einer wich— tigen Periode der Erdgeſchichte gebracht werden kann, iſt ſeine Entdeckung von weit bedeutenderer Wichtigkeit (in wiſſenſchaftlicher Hinſicht), als diejenige vieler anderer nur größerer Mitglieder der Süßwaſſertierwelt. Die Funſition der Madreporenplatte und des Steinkanals der Echinodermen. Im Gegenſatz zu der bisher von allen Zoologen als richtig erkannten Annahme, das Madreporenplatte und Steinkanal die Einſtrömungs— wege der umgebenden Flüſſigkeit in das Waſſergefäßſyſtem darſtellen, glaubte vor einigen Jahren M. Hartog gefun— den zu haben, daß in den Porenkanälchen der Madreporen— platte ſowohl, wie im Innern des Steinkanals die Rich tung des Flüſſigkeitsſtromes nicht von außen nach innen, 350 ſondern von innen nach außen gehe, daß alſo dieſe Organe ausführende Wege darſtellen. Da Hartog neuerdings (Zool. Anz. Nr. 330, 17. März 1890) auf ſeine Theorie zurückkam und da dieſelbe bereits von anderer Seite ohne erneute Unterſuchung als richtig acceptiert und weiter ver⸗ breitet wurde, hat auch der vorzügliche Echinodermenkenner Ludwig die Frage einer wiederholten Prüfung unterzogen. (Zool. Anz. Nr. 339, 14. Juli 1890). Seine an der Unterſuchung lebender Seewalzen, Seeigel, Seeſterne und Haarſterne an der Station in Neapel gewonnenen Reſul⸗ tate zwingen ihn, der Behauptung Hartogs auf das be⸗ ſtimmteſte zu widerſprechen. Die Strömung bewegt ſich ſowohl in den Porenkanälchen der Madreporenplatte bez. den Kelchporen (von Antedon) und dem Rückenporus (der Aurikularien) als auch in dem Steinkanal von außen nach innen. Die Strömungsrichtung läßt ſich an geeigneten Objekten, wie z. B. den friſch herausgeſchnittenen Stein⸗ kanälen von Holothuria tubulosa, Sphaerechinus granu- laris u. a. bei anhaltender, genauer Beobachtung unter dem Mikroſkop deutlich verfolgen. Die Täuſchung, als ob man es mit einer Ausflußöffnung zu thun habe, kann hervorgerufen werden, wenn man das Mikroſkop auf den rückläufigen Strom einſtellt, der den in die Poren eines Steinkanals einſtrömenden Strom umhüllt. — P. Der Einfluß gewiſſer Schmarotzerkrebſe auf die äußeren geſchlechtlichen Kennzeichen ihrer Wirte. Am Hinterleib der zehnfüßigen Krebſe finden ſich öfters als Schmarotzer Tiere von ſack- oder wurſtförmiger Geſtalt ohne jede Gliederung, welche fic) durch einen kurzen Haftſtiel mit langen, wurzelartig verzweigten Fäden an ihrem Wirt befeſtigen: die ſogen. Wurzelkrebſe, Rhizocephala, die durch rückſchreitende Metamorphoſe dieſe ſonderbare Geſtalt erlangt haben. Die Mehrzahl dieſer Paraſiten verurſacht zwar eine Atrophie der Genitalorgane ihrer Wirte, ohne daß jedoch die äußeren ſexuellen Merkmale letzterer hierbei die geringſte Veränderung erlitten. Von dieſer bisher als allgemein gültig betrachteten Regel macht ein von Giard entdeckter Wurzelkrebs, Sacculina Fraissei Giard, nach deſſen Beobachtungen eine Ausnahme, indem er bei ſeinem Wirtstier Stenorhynchus phalangium Pennant, in beiden Geſchlechtern äußerlich ſofort wahrnehmbare Veränderungen hervorruft. Beim Weibchen beſtehen dieſe in ſehr ſtarker Reduzierung der vier Eier tragenden Beinpaare, beim Männchen ſind auch die äußeren Genitalorgane, die Be⸗ gattungsgriffel reduziert, außerdem findet ſich aber auch der Schwanz ſo ſehr verbreitert, daß er völlig dem eines Weibchens gleicht und in gleicher Weiſe den Paraſiten ſchützt, wie dies der Schwanz des Weibchens für die Eier thut. Ferner zeigt ſich aber noch bei dieſen von Sacculina heimgeſuchten Stenorhynchus-Männchen die intereſſante Thatſache, daß die Scheren, ſtatt ſtark entwickelt zu ſein, reduziert ſind und die Kopflänge nicht übertreffen, mit einem Wort, den Scheren der Weibchen gleichen. Die Zerſtörung der Geſchlechtsorgane hat ſomit auch auf die ſekundären Merkmale des männlichen Geſchlechts Einfluß gehabt und das Tier den Habitus eines Weibchens ange⸗ nommen, wie in ähnlicher Weiſe bei der Kaſtrierung höherer Tiere gewiſſe weibliche Charaktere ſich bemerkbar machen. (Compte rendu, 1886, Juli). — p. Dreſſterte Schwalben. In Roubaty zeigte kürzlich ein Spezialiſt, Jean Desbouvrie, etwa 15 Schwalben, welche er vor drei Wochen von einem Bauern erhalten und ſeither dreſſiert hatte. Die Schwalben, welche mit farbigen Bändern verſehen waren, wurden losgelaſſen und flogen nach allen Richtungen. Eine Viertelſtunde ſpäter kehrte die erſte zurück und ſetzte ſich auf einen Finger Desboupries; kurze Zeit darauf folgten auch alle übrigen. Desbouprie betonte ſodann die Vorzüge der Schwalben vor den Tauben für den Depeſchendienſt in Kriegszeiten: die Schwalben haben einen viel höheren und raſcheren Flug als die Tauben, ſie ſind treuer, klüger und leichter zu ernähren. Auf langen Strecken brauchen ſie nicht aus⸗ zuruhen, um Nahrung zu ſich zu nehmen, weil ſie dies im Fluge thun, auch ſind ſie bei weitem leichter zu dreſſieren Humboldt. — Oktober 1890. als die Brieftaube. Denjenigen, welche ihm einwenden, daß die Schwalben im Herbſt ſüdwärts zögen, erwiderte Desbouprie mit dem Hinweis auf die Thatſache, daß er letzten Winter eine Anzahl von Schwalben in Freiheit behielt und dieſelben zum mindeſten ebenſo leicht ernähren konnte, wie die Tauben und die übrigen Vögel. Des⸗ bouvrie beabſichtigt, ſeine Verſuche auch in anderen Städten vorzunehmen, um die Schwalbendreſſur zu verbreiten. D. Das Netzhautbild des Inſektenauges. S. Exner (Exners Rep. 25, 1889) gibt eine Vorrichtung an, mit der man den merkwürdigen Bau des Inſektenauges ver⸗ anſchaulichen kann. Bekanntlich gibt jedes Elementarauge nicht etwa nur einen Fleck im Reizbilde, gewiſſermaßen einen Stich in der Stickerei des Bildes, ſondern ein wirk⸗ liches Bild, einen kleinen Teil des Geſamtbildes. Würde nun jedes Elementarauge wie eine einzige Convexlinſe wirken, alſo ein verkehrtes Bild geben, dann gliche das Reizbild dem Chaos, das man erhält, wenn man irgend einen Holzſchnitt, der auf dem Tiſche liegt, mit einem Meſſer in einige hundert Quadrate zerſchneidet, und jedes Quadrat auf ſeinem Platze ſo umdreht, daß rechts und links, oben und unten vertauſcht erſcheinen. Jedes Ele⸗ mentarauge wirkt jedoch wie eine Kombination von zwei Linſen, deren zweite das verkehrte Bild der erſten nochmals umkehrt, alſo gerade ſtellt. Man nimmt zur Illuſtration etwa zehn Paar Sammellinſen von etwa 0,5 dm Brenn⸗ weite, befeſtigt ſie paarweiſe auf Brettchen in etwa 1 dm gegenſeitiger Diſtanz, und ſtellt dieſe Brettchen radial auf einen Bogen von etwa 0,75 m Radius. F. Gegen die Voung⸗Helmholtzſche Jarbentheorie, welche ſich bisher der allgemeinen Anerkennung in der Wiſſenſchaft erfreute, weil ſie eine einfache und recht plau⸗ ſible Erklärung aller Erſcheinungen der Farbenempfindung gibt, ſind neuerdings von König in Berlin, einem Schüler von Helmholtz, Bedenken erhoben worden, welche die Grund⸗ lage der berühmten Hypotheſe erſchüttern. Die Young- Helmholtzſche Theorie macht bekanntlich die Annahme, daß entſprechend den drei Grundfarben des Spektrums, Rot, Grün und Violett, ſich in der Netzhaut des menſchlichen Auges drei verſchiedenartige Faſern finden, ſo daß die Reizung der einen Art die Empfindung des Rot, Reizung der anderen die des Grün und Reizung der dritten die des Violett bewirkt; die Zwiſchenfarben aber entſtehen nach dieſer Theorie durch Erregung je zweier verſchiedener Faſer⸗ arten und unterſcheiden ſich noch durch die Stärke oder, richtiger geſagt, die Ausdehnung der verſchiedenen Faſern⸗ gruppen; das Weiß ſchließlich entſteht durch Reizung aller Faſern in ungefähr gleicher Stärke. Wenn nun jemand durch irgend eine Störung zwei Arten der farbenempfind⸗ lichen Netzhautteile verliert, jo muß er nach der Moung⸗ Helmholtzſchen Theorie ein fogen. monochromatiſches d. h. einfarbiges Bild der Außenwelt bekommen und zwar in einer Farbe, welche einer der Grundempfindungen ent⸗ ſpricht. Iſt der Monochromatismus angeboren, ſo beſteht überhaupt kein Unterſcheidungsvermögen für Farben; wir können von ſolchem Individuum nicht erfahren, wie es die Welt, ob rot, grün oder ſonſtwie ſieht, weil ihm über⸗ haupt jeder Vergleich fehlt. Iſt dagegen der Monochro⸗ matismus erworben, ſo muß der Betroffene aus ſeiner Erinnerung heraus die Farbe der Außenbilder beſtimmen können. Dieſe Folgerungen, welche man folgerichtig aus der Moung⸗Helmholtzſchen Theorie ableiten kann, ent⸗ ſprechen nun, wie König an zwei Krankheitsfällen feſtſtellen konnte, der praktiſchen Beobachtung nicht. In dem einen Falle handelte es ſich um einen 54jährigen, bis dahin völlig geſunden Mann, bei dem im Anſchluß an einen Schwindelanfall eine eigenartige Sehſtörung auftrat, die gewöhnlich als „Seelenblindheit“ bezeichnet wird. Er ver⸗ mag vorgehaltene Gegenſtände nicht richtig zu erkennen; erſt wenn er dieſelben betaſtet oder mit dem Geruchs⸗ oder Geſchmacksſinn geprüft hat, gibt er ihren Namen an. Während er Unterſchiede in der Lichtſtärke ſehr genau anzugeben vermag, iſt der Farbenſinn in der Weiſe geſtört, daß ihm die Welt in der Farbenſkala ſchwarz, grau, weiß Humboldt. — Oftober 1890. 351 erſcheint; es iſt alſo nicht eine der Moung-Helmholtzſchen Grundfarben zurückgeblieben, ſondern die Empfindung Weiß in ihrer verſchiedenen Stärke. Dieſe Beobachtung gibt einen gewichtigen Einwand gegen jene; ſie wird auch noch beſtätigt durch einen zweiten Fall, wo jemand nach ein⸗ getretener Ablöſung der Netzhaut vom Augenhintergrund dieſelbe monochromatiſche Sehſtörung zeigte, welche nach Anwachſen der Netzhaut wieder verſchwand. Es erſcheint fraglich, ob es gelingen wird, dieſe Beobachtungen noch mit der Moung⸗Helmholtzſchen“ Theorie in Einklang zu bringen oder ob die Notwendigkeit hervortreten wird, nach einer beſſeren Erklärung der Farbenwahrnehmungs⸗ Er⸗ ſcheinungen zu ſuchen. D. Zilder aus dem Tierleben. II. Das Träumen der Hunde. Es iſt eine bekannte Thatſache, daß Hunde ſowie wahrſcheinlich alle höher organiſierten Tiere, ſelbſt Vögel, bisweilen ſehr lebhaft träumen und dies durch Be— wegungen und Stimme zu erkennen geben. Als Urſache hierfür muß ein dem Menſchen wie dem Tiere zukommendes Vermögen gelten, durch welches früher empfangene mehr oder weniger lebhafte Eindrücke im ſchlafenden Zuſtand unwill— kürlich zu neuen Kombinationen verbunden werden. Ich hatte Gelegenheit, den Schlaf von Hunden zu beobachten und fand dabei, daß dieſe durch ihre Einbildungskraft ent— ſtandenen Erzeugniſſe jeweils von dem Naturell des In— dividuums abhängen. Während z. B. kleinere Hunde durch plötzliches lautes Kläffen und Herumſchnappen deutliche Be— weiſe für ihre in Wirklichkeit nicht geringe Streitluſt lie— ferten, wurde eine Hündin Leonberger Abſtammung, die von mütterlicher Seite eine ſehr ängſtliche Natur ererbt hatte, häufig in ihren Träumen von erſchreckenden Bildern verfolgt. Kaum eingeſchlafen, begann ſie zu zucken und zittern, duckte ſich zuſammen als wollte ſie einem Schlag oder Stoß ausweichen und begleitete dieſe ängſtlichen Be⸗ wegungen mit leiſem kläglichen Winſeln. Ihr Atem war dabei kurz und unregelmäßig. Wenn ich ihr rief, ſo ſchien das Albdrücken auf einige Zeit zu verſchwinden, ſie wedelte vergnügt, ohne jedoch ganz zu erwachen und verfiel nach wenigen Minuten abermals in denſelben erregten Zuſtand, der bisweilen gegen eine halbe Stunde währte. Die Träume der Hunde ſind, ſoviel ſich aus ihren Kundgebungen ſchließen läßt, nach dem Einſchlafen am lebhaf— teſten und werden durch äußere Umſtände, wie große Wärme, grelles Licht rc. beeinflußt. Auch ändert ſich die Lebhaf— tigkeit derſelben zu beſtimmten Zeiten. Bei genannter Hündin ſteigerten ſich ſowohl die Erregtheit als auch die Häufigkeit der Traumgeſichte in der letzten Trächtigkeitsperiode. III. Sympathie eines Hundes mit einer kranken Katze. Ch. Darwin erzählt in ſeiner „Ver⸗ gleichung der Geiſteskräfte des Menſchen mit denen der niederen Tiere“ (3. Band, die Abſtammung des Menſchen, 3. Kapitel) mehrere Beiſpiele, wie verſchiedene Tiere mit dem Unglück oder der Gefahr ihrer Genoſſen ſympathiſieren. Dieſe Aeußerung des Mitleides, welche namentlich bei ſozial lebenden Tieren beobachtet wird und einem Gefühl der Liebe, das die einzelnen Individuen für einander hegen, entſpringt, erſtreckt ſich am häufigſten auf die Angehörigen derſelben Familie. Um ſo merkmürdiger ſchien mir daher nachfolgender Fall, welchen ich vor einigen Jahren beobachtet habe, wo Krankheit ſogar zum Bande zwiſchen den feindlichen Sippen Hund und Katze wurde. Ein großer Leonberger Hund lebte mit einem jungen Kater in innigem Freundſchaftsverhältnis, welches allein dem Mitleid des erſteren für ſeinen leidenden Hausgenoſſen entſprungen ſein konnte. Der Fall erſchien mir um fo merkwürdiger, da ge- nannter Hund weder ein beſonders zartes Gemüt, noch irgend welche Zuneigung zu der Familie der Feliden beſaß, was er auch in verſchiedenen böſen Jugendſtreichen offen bekundet hatte. Als er z. B. eines Tages einen Korb fand, in dem drei junge Katzen ſanft ſchlummerten, wußte er nichts beſ— ſeres zu thun als, die Abweſenheit der Mutter benutzend, ſchleunigſt die fettefte der nichts ahnenden, ſchutzloſen Jungen zu ergreifen, fortzuſchleppen und mit gutem Appetit zu verſpeiſen. Dieſer Biſſen mußte ihm vorzüglich gemundet haben, denn er kehrte alsbald wieder und hätte ſich gewiß einen zweiten Braten geholt, wenn dem frechen Räuber nicht durch den entſetzten Zuſchauer des erſten Ueberfalles die Thür gewieſen worden wäre. Ein anderes Mal fraß er eine ausgewachſene Katze, die das Unglück gehabt hatte, in ſeine Gewalt zu fallen, mit Haut und Haar, kurz der edle Wächter des Hauſes lebte in ernſter, erbitterter Fehde mit den Mäuſefängerinnen, darum wehe derjenigen, die ihm zu nahe trat. Er war wegen ſeinen wilden Eigenſchaften in der ganzen Um— gegend von Menſch und Tier gefürchtet, um ſo mehr mußte daher ſein zärtliches Verhältnis mit dem jungen Kater all— gemeines Staunen erregen. Seit den grauſamen Katzenmorden war noch kein Jahr verfloſſen, als eines ſchönen Tages eine unſerer Mäuſe— fängerinnen einen rotgelben Kater zur Welt brachte. Das Kätzchen war von Geburt an ſchwächlich und ſchien kein langes Leben zu verſprechen. Es wuchs ſehr langſam, hüſtelte beſtändig, war aber dabei auffallend zutraulich und ſuchte mit Vorliebe die Geſellſchaft der Menſchen auf. Die Kränklichkeit des Tierchens ſchien Mitleid in der Seele des grimmigen Katzenfeindes zu erwecken, vielleicht wurde er auch durch des Katers liebenswürdiges Weſen angezogen, die beiden wurden bald die treueſten Freunde. Ich beobachtete es öfters, wie der Hund ſeiner freund— ſchaftlichen Geſinnung dadurch Ausdruck verlieh, daß er den an einem ſonnigen Platze im Gras ausgeſtreckten Kater zärtlich beleckte. Letzterer hatte nicht die geringſte Scheu vor dem plumpen Geſellen und ließ ſich die Liebkoſung gern gefallen, was er durch zufriedenes Schnurren be— kundete. Auch weniger zarte Freundſchaftsbezeigungen — z. B. mit der breiten Tatze auf dem Boden herumgerollt zu werden — ertrug er geduldig und hatte er des Spielens genug, jo bedurfte es nur eines kläglichen Miauens, um ihm Ruhe zu verſchaffen. Friedlich teilten die Spielge— fährten ihre Mahlzeit und wiederholt pflog die Katze ihren Mittagsſchlaf auf dem Rücken des Hundes. Auch als der junge Kater allmählich erſtarkte, hörte die gegenſeitige Zuneigung nicht auf. Die Spiele wurden na— türlich toller, doch blieben ſie in den Grenzen der Freundſchaft. In wilden Sätzen umtanzte der Hund die liſtig zu— ſammengeduckte Katze, welche zum Sprunge bereit, ſich nie vergebens zum Spiele auffordern ließ. Schon im nächſten Augenblick ſaß ſie im zottigen Fell oder zauſte den lang— haarigen Schweif, bis ſie ein unwilliges Schnappen des geplagten Opfers in wilde Flucht jagte. Gehetzt von dem Freunde ging nun die wilde Jagd durch Haus und Garten und endigte meiſt — zum größten Leidweſen des Hundes — an einem Baum, auf dem der behendere Flüchtling ſicheren Schutz fand. — Zwei Jahre einträchtigen Bei— ſammenſeins waren verfloſſen, als der Hund einer kurzen Krankheit erlag. Merkwürdigerweiſe traf ſich, daß deſſen Nachfolger, eine Hündin gleicher Raſſe, dieſelbe Zuneigung zu dem noch immer kränklichen Kater faßte. Auch fie, im allge- meinen wenig katzenfreundlich geſinnt, machte bei ihm eine Ausnahme und ging gern auf ſeine Spiele ein. Oefters begleiteten mich beide auf meinen Spazier— gängen. Wenn ich dann dem Kater, der mit Vorliebe auf meiner Schulter ſaß, größere Aufmerkſamkeit ſchenkte, ſo war es intereſſant zu beobachten, wie ſich die Hündin durch einſchmeichelndes Winſeln und Wedeln bemerkbar zu machen ſuchte, und ihrer Eiferſucht Ausdruck verlieh. Trotzdem habe ich nie bemerkt, daß eine derartige Bevorzugung der Katze von meiner Seite eine Störung des freundſchaft— lichen Verhältniſſes zur Folge gehabt hätte, was für den ſehr gutmütigen Charakter der Hündin ſpricht. Leider währte auch dieſer zweite Freundſchaftsbund nicht lang; er fand ein jähes Ende, als eines Tages der arme Kater auf Nimmerwiederſehen verſchwand. Maria, Gräfin v. Linden. 352 Humboldt. — Oktober 1890. Katurwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen etc. Die Allgemeine Verſammlung der Oeutſchen Geologiſchen Geſellſchaft tagte vom 11. bis 13. Auguſt 1890 in Freiburg i. Br. In der erſten Sitzung ſprach nach den üblichen Begrüßungen Profeſſor Platz (Karlsruhe) über die alten Gletſcher des Schwarzwaldes. Die tief herabgehende, lange be- kannte Vergletſcherung der Alpen zur Diluvialzeit ließ darauf ſchließen, daß auch die niedrigeren Gebirge Süd— deutſchlands und der Schweiz, der Jura, der Schwarzwald und die Vogeſen vergletſchert waren. Sehr bald nach der Aufſtellung der Glacialhypotheſe ſuchte man auch ſchon nach Gletſcherſpuren im Schwarzwalde, und Agaſſiz glaubte ſolche bei Geroldsau gefunden zu haben. Im Gegenſatze dazu kam in den vierziger Jahren der Freiburger Geolog Fromherz zu der Ueberzeugung, daß es im Schwarzwalde nie Gletſcher gegeben habe. Er hatte die Alpen beſucht und den ſehr großen Unterſchied erkannt, der zwiſchen den Gletſcherbildungen der Alpen und den dafür gehaltenen Bildungen des Schwarzwaldes beſteht. Erſt die Unter⸗ ſuchung der zwiſchen beiden gelegenen Gebiete lieferte all⸗ mählich die Uebergänge von den vegetationsloſen Moränen der Alpen mit ihren eckigen Fragmenten zu den waldbedeck⸗ ten, aus abgerundeten Blöcken beſtehenden gleichen Bildungen im Schwarzwalde. Im letzteren iſt das niedere Land durch enge, tief eingeſchnittene Thäler, wie das Höllenthal, mit flachen, ſchuttbedeckten Hochthälern verbunden. Die glacialen Ablagerungen ſind teils Bodenausfüllungen in den Thälern, teils Hügel in denſelben und an den Gehängen, teils ein⸗ zelne Blöcke, die ſich ſtellenweiſe zu richtigen Packungen häufen, teils auch Gebilde, die mit den als Grundmoränen aufgefaßten Geſchiebelehmen Norddeutſchlands auf das ge⸗ naueſte übereinſtimmen. Ueberall im ſüdlichen Schwarz⸗ walde findet man darin gekritzte und abgeſchliffene Ge⸗ ſchiebe, von denen beſonders die neueren Eiſenbahnbauten ſehr viel geliefert haben. Alle dieſe diluvialen Bildungen haben als Gemeinſames den Mangel jeglicher Schichtung; nur wenn ſie ſpäter durch Flüſſe nochmals umgelagert ſind, erlangen ſie dieſelbe. Der Herr Vortragende ſprach nun ſpezieller über das Gebiet, in welchem ſeine Aufnahmen für die geologiſche Spezialkarte von Baden ſich bewegen. Es iſt dies das hinter dem Höllenthale gelegene Hochthal von Hinterzarten, durch welches die Waſſerſcheide zwiſchen Dreiſam und Wutach verläuft. Das Studium der Glacialablagerungen iſt hier dadurch erleichtert, daß im Wutachthale einige Geſteine vorkommen, die auf dasſelbe beſchränkt ſind, kryſtallreiche Porphyre, rote Porphyre und Granit. Die Verbreitung dieſer Geſteine in den Moränen lehrt uns alſo die Verbreitung des alten Wutachgletſchers. Daraus ergibt ſich nun, daß derſelbe ſich teilte, mit ſeinem einen Arme die heutige Waſſerſcheide überſchritt und im Dreiſam⸗ thale ſich weiter bewegte. Eine Karte des alten Wutach⸗ gletſchers erläuterte dieſes Verhältnis. Typiſche End⸗ moränen, die quer über das Thal hinweg gehen, liegen im Menzenſchwander Thale unter dem Feldberge. Ge⸗ ſchliffene Felsflächen unter den Moränen ſind im Schwarz⸗ walde ungemein ſelten, der Grund liegt vermutlich in der außerordentlichen Zerſetzbarkeit der Geſteine. Eine ſchöne Photographie zeigte ſehr deutlich hübſche Rundhöckerbildung auf einer Granitoberfläche unter Moränenſchuttbedeckung. Ein Profil, aufgenommen bei dem Bau der Höllenthal⸗ bahn, durch das Torfmoor von Hinterzarten, zeigte deut lich die wellig auf und ab ſteigende Oberfläche der das— ſelbe unterlagernden Grundmoränen. Eine Reihe von guten Photographien und inſtruktiven Geſteinſtücken mit ſchönen Gletſcherſchliffen erläuterte den intereſſanten Vortrag. Im Anſchluſſe an denſelben ſprach Profeſſor v. Zittel (München) über den Stand unſerer Kenntnis der Glacial⸗ erſcheinungen in den Alpen und deren Vorlande. Während dieſelbe in den ſchweizer und bayeriſchen Alpen bereits eine recht gute iſt, iſt ſie ſehr lückenhaft in Bezug auf die Vergletſcherung der öſterreichiſchen Alpen, von denen bislang nur zwei Thäler, Enns und Salzach, eine mono⸗ graphiſche Bearbeitung erfahren haben. Davon ausgehend, ſetzte die Abteilung Breslau des deutſch öſterreichiſchen Alpenvereins einen Preis von 3000 Mark für eine Unter⸗ ſuchung der Vergletſcherung der öſterreichiſchen Alpen aus. Der Vortragende hatte als Preisrichter Ge⸗ legenheit, in die eingereichte, von drei noch nicht zu nennen⸗ den Autoren verfaßte Arbeit Einblick zu thun, und referiert kurz über die gewonnenen Reſultate. Es iſt die Ausdehnung der Vergletſcherung, die Lage der diluvialen Schneegrenze und die Art, wie die Vergletſcherung in den verſchiedenen Gebieten ſtattgefunden hat, genau ermittelt. Ein ſehr wichtiges Reſultat iſt es, daß, je weiter man nach Often kommt, um ſo ſchwächer die Vergletſcherung iſt. Die ganzen Oſtthäler waren nur mit ſchwachen Gletſchern erfüllt, die nur ſelten den Fuß der Ebene erreichten, vielmehr weit zurückliegende Endmoränen haben. Auch iſt die Menge der hinterlaſſenen Schuttmaſſen viel geringer als im Nor⸗ den. Auch die Südalpen, das Piave-, Etſch- und Brenta⸗ thal ſind, allerdings nur kurſoriſch, unterſucht worden, wobei ſich herausſtellte, daß auch in der öſtlichen Lom⸗ bardei eine Anzahl Gletſcher niederging, welche in derſelben gewaltige amphitheatraliſche Endmoränen ablagerten. Die alte Streitfrage, ob die lombardiſchen Gletſcher ſchon in das Pliocänmeer mündeten, ſcheint endgültig in dem Sinne entſchieden zu ſein, daß dies nicht der Fall war. Profeſſor Steinmann weiſt darauf hin, daß die Ver⸗ gletſcherung im weſtlichen Schwarzwalde viel weiter herunter⸗ reichte, als man bislang annahm. Man hat aber echte Schwarzwaldmoränen nur wenige Meter höher als die Rhein⸗ ebene angetroffen, ſo am Ausgange des Waſethales. Auch ſüdlich von Freiburg bis Staufen hin iſt die Ebene allent⸗ halben mit einer Grundmoräne überkleidet und ebenſo finden ſich unterhalb Badenweiler echte, bis 5 m mächtige Moränen. Vermutlich reichten die Gletſcher ſogar noch tiefer in die uns unbekannten Tiefen des Rheinthales hinein und hatten an der Ausfüllung desſelben einen weſentlichen Anteil. Auch in den Vogeſen ſind die Gletſcher⸗ ablagerungen im Weſten bedeutend ſtärker als im Oſten, ſo daß wir für die räumliche Intenſität der Vergletſche⸗ rung in allen drei Gebirgen genau das Gleiche beobachten. Profeſſor Jentzſch (Königsberg i. Pr.) ſprach über ein neues Vorkommen von Interglacialablagerungen in Weſtpreußen. In den ſo außerordentlich mächtig ent⸗ wickelten Diluvialbildungen Norddeutſchlands finden ſich in Oſt⸗ und Weſtpreußen zwiſchen den glacialen marine Ab⸗ lagerungen, deren Fauna auf ein Meer von gemäßigter, nichtarktiſcher Temperatur hinweiſt und welche als inter⸗ glacial zu bezeichnen ſind. An der vom Vortragenden kürzlich neu aufgefundenen Stelle folgt unter oberem Geſchiebe⸗ mergel ein Thon und unter demſelben ein feiner Sand, in deſſen einzelnen Bänkchen maſſenhaft Schalen von Car- dium edule und Tellina solidula ſich befinden und zwar auf primärer Lagerſtätte, da noch häufig beide Klappen bei einander liegen. Jentzſch will die glacialen Ablagerungen in Preußen in Früh-, Alt-, Inter- und Jungglacial gliedern. Alt⸗ und Jungglacial ſind Gletſcherablagerungen, Früh⸗ und Interglacial Sedimente in eisfreiem Gebiete. Paläon⸗ tologiſch ſoll das Frühglacial in ſeiner marinen Form Yoldia arctica, in ſeiner Süßwaſſerfacies Dreissena polymorpha führen, das Interglacial in den marinen Ablagerungen am häufigſten Cardium und Tellina. In Humboldt. — Oktober 1890. den Glacialbildungen kommen dieſe Reſte dann aufge— arbeitet auf ſekundärer Lagerſtätte vor, und zwar iſt Früh— glaciales im Altglacial verſchleppt, während im Jung— glacial alles bunt durcheinander vorkommt. Die Fläche, innerhalb welcher in den Provinzen Preußen interglaciale marine Ablagerungen vorkommen, iſt ſo groß wie das Königreich Württemberg. Dr. Milch aus Breslau legte Stücke eines in Leopolds- hall aufgefundenen neuen Minerals vor, welches bei der chemiſchen Unterſuchung fic) als waſſerhaltiges Magneſium⸗ borat erwies. Es kommt in monoſymmetriſchen farbloſen Kryſtallen vor, an welchen ein vertikales Prisma und die vordere Pyramide beſonders entwickelt ſind. Für dieſes Mineral wurde nach dem Entdecker der Name Hinzeit vor— geſchlagen. Profeſſor Steinmann ſprach über das bolivianiſche Devon. Auf dem bolivianiſchen Hochplateau finden ſich außer vulkaniſchen Geſteinen, die nach der Kreideformation entſtanden ſind, und Sandſteinen unſicheren Alters aus⸗ gedehnte Thonſchiefermaſſen von paläozoiſchem Habitus, in welchen im benachbarten Argentinien von Profeſſor Stelzuer eine Reihe von Horizonten nachgewieſen ſind. Nach d'Orbigny und Forbes ſoll die Hauptmaſſe dieſer Schiefer ſiluriſch fein, außerdem find noch permo⸗karboniſche Schichten nachgewieſen. Steinmann fand nun eine reiche Devonfauna, die auch glücklich in Europa ankam und von Dr. Ulrich in Straßburg bearbeitet wurde. Es liegen in einem ausgedehnten Gebiete Bolivias auf granitiſcher Unter- lage kambriſche und ſiluriſche Thonſchiefer mit Quarzit⸗ einlagerungen. Konkordant darüber lagern die devoniſchen Bildungen, aus Sandſteinen, ſandigen Thonſchiefern und Mergeln beſtehend. Die etwa 300 m mächtigen Schiefer enthalten in Knollen kalkige Maſſen, aber keine durch— gehende Kalkbank. In dieſen Knollen ſind die vortrefflich erhaltenen Verſteinerungen eingebettet. Nach oben gehen die Schiefer in Sandſteine über, welche undeutliche Pflanzen— reſte geliefert haben. Innig mit dieſen verknüpft folgen dann die permo-farbonijden Sedimente. Anſchließend an dieſe Mitteilungen legte Dr. Ulrich (Straßburg) einen Teil der von Steinmann geſammelten und von ihm bearbeiteten Devonverſteinerungen vor und knüpfte daran Vergleiche mit der Fauna gleichaltriger Ab— lagerungen in Oſtindien und Nordamerika. Schließlich legte Profeſſor Graeff (Freiburg) Porphyr- geſteine vom Montblane vor, die durch Druck ſchiefrig geworden ſind. In der zweiten Sitzung wurde als Ort der nächſt— jährigen Verſammlung Freiburg gewählt, dann gab Dr. Oppenheim (Berlin) einige fauniſtiſche Mitteilungen aus dem Tertiär Oberitaliens. Der Vortragende legt zuerſt einige neue Landſchnecken aus den eocänen Landtuffen des Val dei Mazzini bei Pugniello im Vicentiniſchen vor, deren reiche Fauna von ihm bereits früher in den Denkſchriften der Wiener Akademie eingehender beſprochen wurde. Die vorgelegten Typen ſchließen ſich im weſentlichen an die Bewohner der heutigen Tropen an, insbeſondere find indo- malayiſche und weſtindiſche Verwandtſchaftsbeziehungen zu konſtatieren. Das reiche Vorkommen von Clauſilien, einer in der Gegenwart auf felſige Gehänge angewieſenen Gruppe, weiſt auf ein gebirgiges Hinterland des Vicentiner Tertiär— beckens hin, eine Beobachtung, welche durchaus im Ein— klang ſteht mit den Ueberreſten fremder, heute nicht mehr an Ort und Stelle vorhandener Geſteine, der Granite, Syenite, Porphyre, Glimmerſchiefer und Jurakalke, welche der Vortragende in dem gleichaltrigen Baſalttuffe von Ai Focheſatti aufgefunden hat. Sodann beſpricht Dr. Oppen⸗ heim die Fauna des Monte Pulli bei Valdagno, deren Lignite zu der Entwickelung einer Textilinduſtrie an dem letzteren Ort weſentlich beigetragen haben. An der Hand eines genauen Profils weiſt der Redner die vollkommene zeitliche Identität mit den tertiären Kohlenlagern Siid- ungarns nach; beide faßt er als Abſätze aus den Aeſtuarien eines alttertiären Feſtlandes auf, welches am Alpenrande entlang ſich über die Grazer Bucht bis Ungarn hinein erſtreckte. Von den vielen vorgelegten, zum großen Teil Humboldt 1890. 353 glänzend mit der Epidermis erhaltenen Formen, welche fic) auf die Gattungen Cyrena, Anomia, Modiola, Po- tamomya, Melanopsis u. a. verteilen, ſei hier nur das Vorkommen ſchön gefüllter Kongerien hervorgehoben, welche ſich eng an lebende Arten Südamerikas und Weſtafrikas anſchließen, andererſeits aber auch der Congeria spathu- lata des Wiener Beckens nahe ſtehen. Kongerien find alſo ſchon vom Untereocän an in den Flußmündungen des zentralen Europas weit verbreitet geweſen, wir kennen fie auch aus dem Obereocän Englands und dem Miocän des Mainzer Beckens und es liegt mithin nach der Anſicht des Vortragenden keine Berechtigung vor, aus dem reichen Auftreten dieſer Gruppe in den Brackbildungen des Unter— pliocän auf eine ſtarke Kontinentalperiode in dieſer Phaſe der Erdgeſchichte zu ſchließen, eine Anſicht, welche von Eduard Süß und dem leider zu früh dahingerafften Melchior Neumayr wiederholt vertreten worden iſt. Dr. Schenck (Halle) ſprach über den Laterit. Man verſteht darunter eine rote Schicht von außerordentlich wechſelnder Mächtigkeit und enormer Verbreitung, die indeſſen auf die Tropen beſchränkt iſt und nur ſelten in ſubtropiſche Gegenden hinübergreift. Sie hat ihre Haupt- verbreitung in Indien, Ceylon und Afrika. Eine petro- graphiſche Definition läßt ſich nicht geben, weil das Ge- bilde nur ein Reſultat der Tropenverwitterung iſt und ſeine Beſchaffenheit daher völlig von der des verwittern— den Geſteins abhängig iſt. Die Verwitterung ergreift in den Tropen die Geſteine bis zu Tiefen, von denen man ſich keine Vorſtellung machen kann. Dabei erhält fic) aber in wunderbarer Weiſe die Struktur des urſprüng⸗ lichen Geſteines, und jedem normalen Laterit kann man es auf den erſten Blick anſehen, ob er aus Granit, Schiefer, Diabas oder einem anderen Geſteine hervorgegangen iſt. Eine dritte Eigentümlichkeit der Tropenverwitterung iſt die intenſiv rote Farbe der entſtehenden Zerſetzungspro— dukte, die in der vollkommenen Oxydation der Cijenver- bindungen ihren Grund hat. Die Urſache der Laterit⸗ bildung iſt ſicherlich, worauf ja die Verbreitung zwingend hinweiſt, im tropiſchen Klima zu ſuchen, und zwar werden hier die hohe Temperatur und die ſehr große Regenmenge zuſammenwirken. Wieweit auf die rote Farbe die dem Regen beigemengten, durch die ſtarken Gewitter der Tropen erzeugten Salpeterſäuremengen von Einfluß ſind, iſt ſchwer zu ſagen. Die Intenſität der Farbe iſt natürlich durch— aus abhängig von der Menge des Eiſens, und ſo kommt es beiſpielsweiſe, daß der Tafelberg bei der Kapſtadt auf der einen Seite, die aus eiſenreichem Geſteine beſteht, in tiefroten Laterit, auf der anderen, eiſenarmen in eine Art Kaolin verwandelt iſt. Die Erhaltung der Struktur iſt an das Fehlen von Froſt geknüpft, denn durch wieder⸗ holtes Gefrieren und Auftauen wird in jedem Boden durch Zerſprengung die urſprüngliche Struktur völlig verwiſcht. Die verſchiedenen Arten von Laterit, die man unterſcheiden kann, entſprechen verſchiedenen Stadien der Lateritbildung. Man kann von den auf urſprünglicher Lagerſtätte befind- lichen Eluviallateriten die umgelagerten Detrituslaterite unterſcheiden. Die erſteren ſind zunächſt Tiefenlaterite und können ganze Schichtenſyſteme ausmachen. Sie gehen durch Aufhebung der Struktur und Konzentration des Eiſengehaltes in Oberflächenlaterite über und es können ſchließlich eiſenreiche, zellige, oft ſchlackig ausſehende Kruſten daraus werden. Die Detrituslaterite find entweder Ab— ſätze des fließenden Waſſers oder vom Winde umgelagert oder auch bei Strandverſchiebung von der Brandungswelle umgelagert und als mariner Laterit zu bezeichnen. In der dritten Sitzung machte Baron von Reinach (Frankfurt) kurze Mitteilung über Paralleliſierung der Ge— ſteine des ſüdlichen Taunus mit denen der Ardennen und der Bretagne. Im Profil zwiſchen Wiesbaden und der Platte ſind von Wiesbaden bis zur Wiegburg die kryſtallinen Taunusgeſteine, Serieitgneiſe und Sericitſchiefer anſtehend. An der Wiegburg ſelbſt folgen Konglomerate, Arkoſen, dann kryſtalliniſche Schiefer und Taunusquarzit. Nach der von Profeſſor Goſſelet in Lille bei der Beſichtigung ge- billigten Anſchauung des Vortragenden gehören die Schich— 45 304 Humboldt. — Oftober 1890. ten von den Konglomeraten bis zum Taunusquarzit in das unterſte Devon. Profeſſor Barrois hält die kryſtallinen Taunusgeſteine nebſt den Konglomeraten für Huron und Präcambrium und hat dem Vortragenden in der Bretagne Profile gezeigt, welche in ungeſtörter Reihenfolge die Schichten vom Gneis bis ins Devon geben. Das Huron, Serie Zeta 2 der Franzoſen, iſt dort lithologiſch identiſch mit den kryſtalliniſchen Taunusgeſteinen ausgebildet. Redner führt noch an, daß Landesgeolog Koch in einer 1875 be: reits publizierten Arbeit zu der Schlußfolgerung kam, daß die kryſtalliniſchen Geſteine des Taunus einer älteren Serie angehören müſſen, als die darüber folgenden plaſtiſchen Geſteine, welche ihrerſeits dem Devon zuzuzählen ſeien. Geheimerat Römer ſprach in der Debatte ſeine Anſicht dahin aus, daß die ſerieitiſche Serie nicht an gewiſſe Schichten gebunden ſei. Geheimerat Beyrich äußerte ſich dahin, daß die Auffindung der Konglomerate jetzt dort eine gute Baſis zur Erkennung der unteren Grenze des Unterdevons abgebe. Dr. Jäckel (Berlin) trug hierauf über die Struktur und die Einteilung einer Anzahl Krinoiden aus den jün⸗ geren Formationen vor, ein Vortrag, der von ganz ſpeziell paläontologiſchem Intereſſe war. Profeſſor Dr. Jentzſch (Königsberg) machte einige Mit⸗ teilungen über eigentümliche Erſcheinungen in der Ober⸗ flächengeſtaltung Weſtpreußens, ſo über gewiſſe ſich auf Biographien und Perſonalnotizen. kleineren Gebieten wiederholende Analogien in der Rich⸗ tung der Flußläufe, über eigenartige Erſcheinungen an den Rändern des Weichſelthales, ſowie über das eigen- tümlich gewundene Thal, welches von Leba über Lauen⸗ burg und Neuſtadt in Weſtpreußen nach Rheda führt, mit ſeinen beiden Enden im Meeresniveau liegt und in der Mitte, auf der Waſſerſcheide zwiſchen Leba und Rheda, auf 50 m über dasſelbe ſich erhebt. Redner ſuchte ver- geblich aus der Verſammlung heraus für dieſe ſeine Probleme eine Erklärung zu gewinnen. Den letzten Vortrag hielt Dr. Pfaff (Erlangen). Der⸗ ſelbe berichtete über die Reſultate der Ausgrabung einer von ihm bei Forchheim aufgefundenen Höhle. Dieſelbe liegt 30 m über dem Fluſſe, ift 25 m lang, 6 m breit und 1,6 m hoch. Unter einer oberflächlichen Schicht von großen Blöcken folgte zunächſt eine rotbraune, thonige Schicht mit Aſche, Scherben und anderen Kunſtprodukten. Mit zunehmender Tiefe zeigten die in dem Thone ent⸗ haltenen Scherben und Feuerſteine Anzeichen von immer niedrigerer Kultur. Es folgte, als ſie ganz aufhörten, eine Lehmſchicht ohne Kultur. Die weitere Nachgrabung in demſelben förderte ein Skelett zu Tage, welches einem 7jährigen Kinde angehörte und, wie die aufgefundenen Beigaben bewieſen, an Ort und Stelle beſtattet war. Das außerordentlich mürbe Skelett konnte zum Teil (beſonders der Schädel) erhalten werden und weiſt auf einen ziem⸗ lich niedrigen Entwickelungszuſtand hin. Die Akademie der Wiſſenſchaften in Berlin verlieh 3000 M. dem Forſtaſſeſſor Dr. A. Möller in Berlin zu einer Reiſe nach Südbraſilien behufs Ausführung myko⸗ logiſcher Studien, 500 M. dem Privatdozenten Dr. Linck in Straßburg zur petrogenetiſchen Unter⸗ ſuchung einer Geſteinsinſel des oberen Veltlins, 1000 M. dem Privatdozenten Dr. Hamann in Göttingen zur Fortſetzung ſeiner Unterſuchungen über Echinorhynchen. Profeſſor Johannes Gad und Dr. Francois Heymans vom Phyſiologiſchen Inſtitut der Berliner Univerſität ſind von der Pariſer Akademie der Wiſſenſchaften durch den „Prix Pourrat“ ausgezeichnet worden. Erteilt wurde ihnen der Preis für eine Arbeit über den Einfluß der Temperatur auf die Leiſtungen der Muskelſubſtanz. Privatdozent Dr. Dritrons in Straßburg habilitierte ſich als Privatdozent für Phyſik in Berlin. Dr. Wolf habilitierte ſich als Privatdozent der Aſtronomie in Heidelberg. : Dr. W. J. van Bebber, Abteilungsvorſtand der Seewarte in Hamburg, wurde zum Profeſſor ernannt. Dr. Boedl wurde zum Aſſiſtenten der Meteorologiſchen Zentralſtation in München ernannt. Profeſſor Dr. Senft an der Forſtakademie in Eiſenach, hochverdient um die Bodenkunde, tritt in den Ruhe⸗ ſtand. Privatdozent Dr. Weſtermaier in Berlin wurde zum Profeſſor der Naturgeſchichte und Chemie am Lyceum in Freyſing ernannt. Ingenieur Peuckert wurde zum Profeſſor der Elektro⸗ technik an der Techniſchen Hochſchule in Braunſchweig ernannt. Privatdozent Dr. Perntner, Adjunkt der Zentralſtelle für Meteorologie in Wien, wurde zum außerordent⸗ lichen Profeſſor der kosmiſchen Phyſik an der Uni⸗ verſität Wien ernannt. Profeſſor Dr. Willkomm an der Deutſchen Univerſität in Prag wurde zum korreſpondierenden Mitglied der Akademie der Wiſſenſchaften in Wien ernannt. Profeſſor Dr. Becke an der Univerſität Czernowitz wurde zum Profeſſor der Mineralogie an der Deutſchen Uni⸗ verſität Prag ernannt. Dr. Pichler, Ritter von Rautenkar, Profeſſor der Minera⸗ logie und Geologie an der Univerſität Innsbruck, tritt in den Ruheſtand. Privatdozent Dr. Hiller wurde zum Profeſſor der Geo⸗ logie und Paläontologie an der Univerſität Graz er⸗ nannt. Privatdozent Dr. Carthrein wurde zum Profeſſor der Mineralogie und Petrographie an der Univerſität Innsbruck ernannt. : Profeſſor Dr. Waßmuth an der Univerſität Czernowitz erhielt einen Ruf als Profeſſor der mathematiſchen Phyſik an der Univerſität Innsbruck. Privatdozent Dr. Blaas wurde zum Profeſſor der Geo⸗ logie und Paläontologie an der Univerſität Innsbruck ernannt. Profeſſor Dr. L. Celakovsky in Prag wurde zum ordent⸗ lichen Mitglied der daſelbſt neu errichteten Tſchechiſchen Akademie der Wiſſenſchaften ernannt. Palaz wurde zum Profeſſor der Naturwiſſenſchaft an der Akademie in Lauſanne ernannt. Johnſon, Thomas, Demonſtrator der Botanik an der Normal School of Science und der Royal School of Mines wurde zum Profeſſor der Botanik am Royal College of Science zu Dublin ernannt. Mivart, St. Georg, wurde zum Profeſſor der Philo⸗ ſophie der Naturwiſſenſchaften an der Univerſität Loewen ernannt. Katé, H., wurde zum Rektor der Kaiſerl. Univerſität in Tokio berufen. Totenliſte. Ralfs, John, Botaniker, Spezialiſt für Desmidiaceen, ſtarb 14. Juli in Penzance (Cornwall), 83 Jahre alt. Marbach, G. O., Profeſſor an der Univerſität Leipzig, Verfaſſer des Phyſikaliſchen Wörterbuchs, ſtarb in Leipzig 28. Juli im 81. Lebensjahr. Maaſſen, Peter, Lepidopterolog, Spezialiſt für Satur⸗ niden, in Düſſeldorf, ſtarb 2. Auguſt zu Falkenſteig im Schwarzwald. : Janka, Viktor von, Kuſtos der Botaniſchen Abteilung des Ungariſchen Nationalmuſeums in Budapeſt, ſtarb daſelbſt 9. Auguſt, 55 Jahre alt. Humboldt. — Oftober 1890. 355 Cornelly, Profeſſor der Chemie in Aberdeen, ſtarb 27. Aug. Gavaret, Jules, Profeſſor der Mediziniſchen Fakultät in Paris, ſeit 1879 Chef des mediziniſchen Unterrichts, ſtarb 2. September, 81 Jahre alt, beſonders verdient um die Lehre vom Blut, die Wärmelehre, phyſio— logiſche Optik und Akuſtik. Houllet, langjähriger Vorſteher der Gewächshauskulturen im Botaniſchen Garten zu Paris, ſtarb im 75. Lebens— jahre zu Fontenay ſous Bois. Schrenk, I., Lehrer der Botanik am College of Pharmacy in New Pork, ſtarb in Hoboken. Fearnley, Leiter der Univerſitätsſternwarte in Chri- ſtiania, ſtarb im 71. Lebensjahre. Seine Forſchungen galten beſonders der Kenntnis der Sonne. Mit Geelmuyden gab er Zonenbeobachtungen heraus. Silveſtri, Orario, Chemiker u. 17. Auguſt zu Catania. Krauß, Ferdinand von, Vorſteher des Naturalien— kabinets in Stuttgart und Konſervator der zoologiſch— botaniſchen Abteilung desſelben, ſtarb 15. September, 78 Jahre alt. Er bereiſte 1838 —1840 das Kapland und lieferte mehrere Arbeiten, namentlich über die ſüdafrikaniſche Fauna. Die Stuttgarter Sammlung brachte er auf eine Höhe, welche ſie in die Reihe der erſten naturwiſſenſchaftlichen Muſeen ſtellt. Krauß war auch Gründer und langjähriger Vorſtand des Vereins für vaterländiſche Naturkunde in Württemberg. Schwarz, Heinrich, Profeſſor der Chemie an der Tech⸗ niſchen Hochſchule in Graz, ſtarb Mitte September, 66 Jahre alt, in Eberswalde. Vulkanolog, ſtarb Litterariſche Rundſchau. Siegmund Günther, Handbuch der mathematiſchen Geographie. Stuttgart, Engelhorn. 1890. Preis 16 Mark. Die vorliegende Arbeit des auf dieſem Gebiet als Autorität bekannten Verfaſſers iſt ein Band der von Pro- feſſor Ratzel herausgegebenen Bibliothek geographiſcher Hand— bücher und reiht ſich würdig den bisher erſchienenen Bänden, der Anthropogeographie von Ratzel, der Klimatologie von Hann, der Ozeanographie von Boguslawski und Krümmel, der Gletſcherkunde von Heim und der Allgemeinen Geo— logie von Fritſch an. Gegenüber den mancherlei Ab— weichungen in der Fixierung des Begriffes will der Ver— faſſer der mathematiſchen Geographie das allgemeinſte Ortsbeſtimmungs- oder Orientierungsproblem zur voll— ſtändigen Auflöſung zuweiſen; er gibt zu, daß ſeine Defini- tion auf manchen Widerſpruch ſtoßen werde, betont aber mit Recht, daß dieſelbe „etwas Greifbares“ liefert und ungezwungen die Gegenſtände und Unterſuchungsobjekte in ſich aufnimmt, welche vom „eommon sense“ als dahin gehörig angeſehen werden. Nach einer methodologiſch— bibliographiſchen Einleitung behandelt das erſte Kapitel die Geſtalt und Größe der Erde, das zweite die geo— graphiſche Ortsbeſtimmung auf der Erde ſelbſt, das dritte die Erde als bewegten Körper im Raum. Der Verfaſſer ſucht überall mit dem leichteſten mathematiſchen Rüſtzeug auszukommen, andererſeits aber leiſtet er auch auf die Herbeiziehung keiner ſchwierigen Theorie Verzicht, wenn ohne ihre Hilfe an einer wichtigen Frage vorüber gegangen werden müßte. Der Geſamtinhalt des Buches iſt deshalb nur dem zugänglich, der mit der ſphäriſchen Trigonometrie und mit den Anfangsgründen der ſogenannten höheren Mathematik Beſcheid weiß. Gleichwohl ſind die meiſten Partien auch Leſern zugänglich, welche ſich auf die von der Rechnung gelieferten Reſultate beſchränken wollen. Friedenau. Dammer. O. Zacharias, Zur Kenntnis der niederen Tier- welt des Nieſengebirges nebſt vergleichenden Aus— blicken. Mit 6 in den Text gedruckten Illuſtra⸗ tionen. Forſchungen zur deutſchen Landes- und Volkskunde, herausgegeben von Dr. A. Kirchhoff. 4. Bd. Heft 5. Stuttgart, J. Engelhorn. 1890. Preis 1,50 Mark. In populärer, für ein größeres Publikum berechneter Darſtellung, nicht minder aber auch den Anforderungen des Fachzoologen Rechnung tragend, berichtet Zacharias über das Reſultat einer Reihe fauniſtiſcher Exkurſionen, die die genaue Erforſchung einzelner Teile des Rieſen— gebirgs zum Zweck hatten. Es ſind dies der große Koppen— teich, der kleine Koppenteich, die unter dem Namen der „Schneegruben“ bekannten keſſelartigen Vertiefungen in nordweſtlicher Richtung von den Teichen, die Kammregion und der Koppenkegel, die höchſte Erhebung des Rieſen— gebirgs mit einer Höhe von 1604 m. Hat der Verfaſſer ſeinem Spezialſtudium gemäß zunächſt die Erforſchung der niederen Fauna der beiden Seen im Auge gehabt, ſo iſt jedoch auch eingehend des Vorkommens wirbelloſer Land— tiere, Inſekten, Tauſendfüßer, Spinnen und Mollusken gedacht. Die Eigentümlichkeit der Rieſengebirgsfauna läßt die Schrift keine einfache Aufzählung der gefundenen Gat— tungen und Arten ſein, ſondern fordert zu mancherlei intereſſanten Vergleichen und Ausblicken heraus. So finden ſich, um einiges hervorzuheben, auch in den Seen des Rieſengebirgs der eigentümliche, vielleicht als Relikt zu betrachtende Strudelwurm, Monotus lacustris, der außer— dem noch im ruſſiſchen Peipusſee und einigen Schweizer— ſeen lebt, ſowie zwei Arten des von Braun ſeiner Zeit in einem Dorpater Brunnenſchacht entdeckten Strudelwurm— genus Bothrioplana. Als Beiſpiele intereſſanter aus— geſprochen nordiſchen Charakter zeigender Vorkommniſſe unter den Landtieren des Rieſengebirgs ſei erwähnt, daß die „kleine Schneegrube“ ſchon länger berühmt iſt als Fundort der kleinen Schnecke Pupa arctica Nllenb., die in Deutſchland außerdem nur noch an einer Stelle der norddeutſchen Ebene (zwiſchen Tegel und Schulzendorf bei Berlin), im übrigen aber in den nördlichen Teilen Schwe— dens vorkommt, und daß Zacharias in der Höhe von 1410 m an den Wurzeln von nicht allzu feucht ſtehendem Torfmoos eine als Orthezia cataphracta Shaw beſchrie— bene Schildlaus fand, die außerdem auf der Krumpalpe in Steiermark in etwa 1300 m Höhe entdeckt wurde, in Lappland, Schottland und Irland aber in niederen Höhen lebt. Aehnliche Erfahrungen bezüglich des Vorkommens von Formen mit ausgeprägt nordiſchem Charakter im Rieſengebirg macht der Botaniker, wenn er in der kleinen Schneegrube an gleicher Stelle, wo Pupa arctica vor- kommt, den Eisſteinbrech, Saxifraga nivalis T. findet, der vorerſt nur aus Lappland und dem polaren Weſten bekannt iſt. Die vorliegende Schrift bietet ein neues hübſches Beiſpiel, wie dankbar es für den Zoologen iſt, ein kleineres oder größeres abgeſchloſſenes Gebiet ein— gehend zu ſtudieren. Stuttgart. Dr. Kurt Lampert. K. X. Bramfon, Die Tagfalter (Rhopalocera) Europas und des Kaukaſus. Analytiſch be- arbeitet. Mit einer terminologiſchen Tafel. Kiew, Verlag des Verfaſſers. 1890. Preis 3 Mark. In Syſtematik und Nomenklatur Staudingers Katalog folgend, gibt Verfaſſer eine analytiſche Ueberſicht zunächſt der Familien, dann der Gattungen und endlich der Arten der Tagfalter Europas und des Kaukaſus, Transkaukaſien inbegriffen, nebſt Varietäten und Aberrationen. Mit dieſen beläuft ſich die Zahl der beſchriebenen Schmetterlinge auf 673. Bei den erſt nach dem Erſcheinen von Staudingers Katalog (1871) neu beſchriebenen Arten iſt die Litteratur 356 angegeben; ebenſo iſt der Beſchreibung einer jeden Art das Vaterland und die Flugzeit beigefügt. Stuttgart. Dr. Kurt Lampert. Erwin Schulze, Fauna Piscium Germaniae. Verzeichnis der Fiſche der Stromgebiete der Donau, des Rheins, der Ems, Weſer, Elbe, Oder, Weichſel, des Pegels und der Memel, Sep. Abdr. aus dem Jahrb. d. naturw. Ver. zu Magdeburg für 1889. Potsdam, Eduard Dörings Verl. 1890. Preis 1,50 Mark. In knapper Zuſammenſtellung gibt das Werkchen neben einem Verzeichnis der hauptſächlichſten Schriften über die Fiſche Mitteleuropas und der deutſchen Flußgebiete eine Ueberſicht der in den ſüßen Gewäſſern Deutſchlands vor⸗ kommenden Fiſche. Bei jeder Art finden ſich lateiniſche Diagnoſe nebſt ichthyographiſcher Formel, Litteraturangaben, deutſche Beſchreibung, Angabe der Laichzeit, der Nahrung, der Schmarotzer auf Grund der Linſtowſchen Helminthologie und endlich Angabe der Verbreitung, ſoweit es ſich nicht um allgemein und weit verbreitete Arten handelt. Die aufgeführten Arten ſind nach dem Syſtem, nicht etwa nach den Stromgebieten geordnet; ein auch die deutſchen Be⸗ zeichnungen enthaltendes Regiſter erleichtert das Nach⸗ ſchlagen. Bezüglich der deutſchen Nomenklatur hätte übri⸗ gens der Verfaſſer der Verſchiedenheit der Bezeichnungen je nach den einzelnen Gegenden Deutſchlands etwas mehr Rechnung tragen dürfen; ſo vermißt der ſüddeutſche Leſer mit Erſtaunen die in einzelnen Seen auf der Nordſeite der Alpen einheimiſchen Felchenarten, wie Sandfelchen, Kropffelchen, Blaufelchen (Coregonus fera, hiemalis und Wartmanni), die nur als Renke und Kilch aufgeführt ſind; auch Perca lucioperca L. iſt nur als Zander be⸗ zeichnet, während ein weiterer, beſonders im Donaugebiet gebrauchter Name Schill iſt. Ferner würde ſich empfohlen haben, beiläufig auch des Einſetzens der wichtigſten Nutz⸗ fiſche in fremde Gewäſſer zu gedenken; der Zander z. B. iſt ſeit einigen Jahren mit Erfolg im Bodenſee eingeführt und gehört daher nun auch dem Rheingebiet an. Stuttgart. Dr. Put Lampert. Alexander Goette, Abhandlungen zur Entwickelungs⸗ geſchichte der Tiere. Fünftes Heft. Entwickelungs⸗ geſchichte des Flußneunauges (Petromyzon fluvia- tilis). Erſter Teil. Hamburg u. Leipzig, Leopold Voß. 1890. Preis 36 Mark. Im fünften Heft ſeiner in der vergleichend embryo⸗ logiſchen Litteratur eine hervorragende Stellung einnehmen⸗ den Abhandlungen zur Entwickelungsgeſchichte der Tiere hat Goette ſich das Flußneunauge (Petromyzon fluvia- tilis) als Unterſuchungsobjekt auserkoren. Der vorliegende erſte Teil behandelt die Entſtehung der primären Keim⸗ ſchichten, der Meſodermplatten und der Chorda, des Schwan⸗ zes, der Meſomeren, der Seitenplatten, der Kopfniere, des Herzens, die Bildung des Blutes, des Darmes, des Ge⸗ fäßſyſtems und endlich der Leibeshöhle. Um ſich bei der Unterſuchung eines Körperteils die gleichzeitige Verände⸗ rung der übrigen Teile des Embryo und der Larve ver⸗ gegenwärtigen zu können, unterſcheidet der Verfaſſer in dem Verlauf der Entwickelung von Petromyzon im ganzen ſieben Perioden, welche kurz charakteriſiert und durch Ab⸗ bildungen von Mediandurchſchnitten, die auch die äußere Geſtalt des Embryo während der betreffenden Periode, ſoweit nötig, erkennen laſſen, erläutert werden. Der Raum geſtattet weder auf die Charakteriſtik dieſer aufeinander folgenden Perioden noch auf die einzelnen Kapitel näher einzugehen; doch möge wenigſtens auf das eine in erſter Linie wichtige Kapitel über Meſodermplatten und Chorda beſonders hingewieſen ſein. In dieſem nimmt der Ver⸗ faſſer zugleich Anlaß, der bekannten, vielfach anerkannten ſogenannten Coelomtheorie der Gebrüder Hertwig ent⸗ gegenzutreten und die Theorie ſelbſt ſowohl, wie auch die bezüglich der Stammesgeſchichte der Tiere aus ihr ge⸗ Humboldt. — Oktober 1890. folgerten Schlüſſe in ſcharfer Weiſe zu kritiſieren. Bei der Unmöglichkeit, derartige entwickelungsgeſchichtliche Fra⸗ gen in kurzen Worten hinreichend klar und präzis zu erörtern, möge es uns auch hierbei geſtattet ſein, zur Kenntnisnahme der von Goette gegen die Coelomtheorie und die „Enterocoelier“ und ihre Bedeutung ins Feld ge⸗ führten Gründe den Leſer auf das Original zu verweiſen. Zu einer Skizzierung der beim Studium der Entwicke⸗ lungsgeſchichte des Flußneunauges erlangten allgemein wichtigen Reſultate wird wohl das Erſcheinen des zweiten Teiles Gelegenheit geben. Nur kurz ſei noch erwähnt, daß in der Meſodermbildung die Neunaugen am engſten an die Amphibien und unter dieſen wieder an die Urodelen ſich anſchließen; auch weiterhin laſſen ſich zwiſchen den in Rede ſtehenden beiden Vertebratengruppen eine ganze Reihe, die große Verwandtſchaft beider beweiſender Vergleiche aus⸗ führen, ſo daß Goette am Schluß ſeiner Abhandlung die Frage aufwerfen kann, ob es nicht richtiger wäre, die⸗ ſelben auch im Syſtem näher zuſammenzuſtellen, als die Neunaugen noch immer einfach zu den Fiſchen zu rechnen. Stuttgart. Dr. Kurt Lampert. Victor Mitter von Fſchuſt zu Schmidhoffen, Orni- thologiſches Jahrbuch. Organ für das paläark⸗ tiſche Faunengebiet. I. Band. Heft 1 Januar 1890. Hallein, A. Halauskas Buch⸗ und Kunſtdruckerei, Verl. d. Herausgebers. 1890. Preis 10 Mark. Der als Ornitholog weitbekannte Herausgeber, Prä⸗ ſident des Komitees für ornithologiſche Beobachtungsſtationen in Oeſterreich⸗Ungarn, beabſichtigt in dem neuen Fachblatt, deſſen erſte Nummer uns vorliegt, ein Organ zu ſchaffen, welches in erſter Linie die europäiſche Ornithologie kulti⸗ vieren und einen Sammelpunkt für die dieſes Gebiet um⸗ faſſenden Arbeiten bilden ſoll; durch eine derartige Zen⸗ traliſation würde die Ueberſicht über das geſamte Material bedeutend erleichtert werden, welches ſich gegenwärtig zum großen Teil in den verſchiedenſten Zeitſchriften und Jahr⸗ büchern nicht ſtreng ornithologiſchen Inhalts verſtreut findet und hierdurch nicht ſelten dem Ornithologen ſchwierig zu⸗ gängig iſt. Das erſte Heft enthält außer Beiträgen zur Lokalornis verſchiedener Gebiete von Frech, v. Washington, Flönicke, Capek und Robitzſch auch eine Skizze über die Zwergfliegenfänger (Muscicapa parva) als Brutvogel Neu⸗ Vorpommerns aus der Feder von Alexander v. Homeyer; außerdem finden ſich kleine Notizen, eine Beſprechung des groß angelegten Werkes von Pleske „Ornithographia rossica, die Vogelfauna des ruſſiſchen Reiches“ und eine Liſte neuerer beim Herausgeber eingelangter ornithologiſcher Schriften. Das „Ornithologiſche Jahrbuch“, für deſſen Fortbeſtand und gedeihliche Weiterentwickelung der Name des Herausgebers als Bürgſchaft erſcheinen darf, ſoll in monatlichen Heften in der Stärke von 1—14/2 Druckbogen zur Ausgabe gelangen; für die Folge iſt auch die Beigabe von Tafeln in Ausſicht genommen. Stuttgart. Dr. Kurt Lampert. Flügel, Die Seelenfrage mit Rückſicht auf die neueren Wandlungen gewiſſer naturwiſſenſchaftlicher Begriffe. Zweite vermehrte Auflage. Cöthen, Otto Schulze. 1890. Preis 2 Mark. Dies altbekannte Buch kann trotz der manchmal ein⸗ ſeitigen herbartiſchen Denkrichtung, trotz vieler veralteter Erwähnungen und trotz einzelner Ungenauigkeiten und Flüchtigkeiten dem Naturforſcher warm empfohlen werden. Es bekämpft in ſachlicher und durchweg verſtändlicher Weiſe die gerade von Naturwiſſenſchaftlern ſo oft betriebene Meta⸗ phyſik des Materialismus mit Bezug auf die Seelenfrage. Weſentlich zwei Punkte ſind es, die Flügel erörtert, die Unvergleichbarkeit der Empfindungen mit den Nerven⸗ prozeſſen und der Bewußtſeinseinheit mit den zuſammen⸗ geſetzten Vorgängen im Gehirn. Einen ſeeliſchen Zuſtand mit einem phyſikaliſchen Bewegungsakt gleichſetzen heißt ſo viel als den Schmerz eines Beinbruchs aus dem Anblick aneinanderſtoßender Waggons ableiten oder die ägyptiſche Humboldt. — Oktober 1890. 357 Kultur aus dem Nilſande deduzieren. Und die Thatſache, daß wir einen eben verklungenen Ton mit einem jetzt angeſchlagenen vergleichen, zeitlich und räumlich Verſchie⸗ denes zu einer Einheit zuſammenfaſſen können, ſpottet jeder im wahren Sinne des Wortes „materialiſtiſchen“ Erklärung. Aar Defi ar Deſſoir. Berlin. H. Oldenberg, 3. Saftrow, C. H. Cornill, Epi- tomes of three siences. Comparative philo- logy, psychology and old testament history. Chicago, The Open Court Publishing Company 1890. Aus dieſer neueſten Veröffentlichung der ungemein rührigen Verlagsanſtalt des Dr. Carus intereſſiert uns die zweite Abhandlung, in welcher der bekannte Pſycho— phyſiker Profeſſor Dr. Joſeph Jaſtrow einen Ueberblick über den augenblicklichen Stand der Pſychologie in Europa gibt. Nach einer Einleitung über Entwickelung und Aus— dehnung der heutigen Wiſſenſchaft von der Seele ſchildert Jaſtrow zunächſt den pſychologiſchen Betrieb in Deutſch— land. Der Verfaſſer hat die Centren dieſes Betriebes: Berlin, Leipzig, Freiburg, Göttingen, München im vorigen Jahre ſelbſt beſucht und kann daher aus eigener An— ſchauung über die rege, aber leider auch zerſplitterte Thätig— keit urteilen. Mit gleicher Ausführlichkeit werden alsdann Frankreich, Italien, England und die Vereinigten Staaten beſprochen; überall leuchtet aus dem Referat die große Sachkenntnis und Urteilsfähigkeit des Verfaſſers hervor. Berlin. Max Deſſoir. Ad. Baftian, Aeber Klima und Acclimatiſation nach ethiſchen Geſichtspunkten. Berlin, E. S. Mittler & Sohn. 1889. Preis 4 Mark. Ein Buch von Baſtian iſt immer eine Merkwürdigkeit. Es wird dem Leſer recht ſchwer gemacht, das zur Sache gehörige unter der Ueberfülle leider ganz ungeordneter Ci— tate herauszufinden. Offenbach. Dr. Woltemaes. Dr. ©. Dammer, Handwörterbuch der öffent. lichen und privaten Geſundheitspflege. Für Medizinalbeamte, Aerzte, Apotheker, Chemiker, Verwaltungsbeamte 2. Stuttgart, Ferdinand Enke. 1890. In Lieferungen à 2 Mark. Es fet geſtattet, mit wenigen Zeilen auf die vor- liegende Arbeit aufmerkſam zu machen, welche auch für viele Leſer dieſer Zeitſchrift von Intereſſe ſein dürfte. Behandelt ſie doch ein Gebiet, welches in rein praktiſcher Beziehung für jedermann nur zu große Wichtigkeit beſitzt und hat doch die Geſundheitspflege gerade durch natur— wiſſenſchaftliche Forſchungen in den letzten Jahren die er— freulichſten Fortſchritte gemacht. Das Handwörterbuch ſucht mehr zu geben als die meiſten Hand- und Lehrbücher, indem es alles berückſichtigt, was irgendwie für die Hygieine bedeutungsvoll erſcheint, es will auf jede Frage, über welche der Leſer Auskunft ſuchen mag, eine zwar kurze, aber doch vorläufig genügende Antwort erteilen. Die Zuverläſſigkeit der Angabe erſcheint verbürgt durch die Namen der mehr als 40 Mitarbeiter, welche faſt durch- weg nur ſolche Gegenſtände beſprechen, die ſie ſelbſt zum Gegenſtand der Forſchung gemacht haben. Unter den Mitarbeitern finden ſich viele Namen erſten Ranges, Mit⸗ glieder des Reichsgeſundheitsamtes, Univerſitätslehrer, praktiſche Aerzte, Medizinalbeamte, Schulmänner, Tech⸗ nifer ꝛc. Speziell naturwiſſenſchaftlich dürften Artikel wie Bakteriologie, Boden, Grundwaſſer, Luft, Waſſer, Wald, die meteorologiſchen und diätetiſchen Artikel rc. intereſſie— ren. Das Werk iſt auf 10—12 Lieferungen berechnet, von denen bereits ſechs vorliegen. Die übrigen werden in une unterbrochener ſchneller Folge erſcheinen und der geplante Umfang wird nicht überſchritten werden. Friedenau. Dammer. Ernſt Hallier, Aeſthetin der Natur. Für Künſt⸗ ler, Naturkundige, Lehrer, Gärtner, Land- und Forſtwirte, Reiſende, Geiſtliche, ſowie für Freunde der Natur überhaupt. Stuttgart, Ferdinand Enke. Preis 10 Mark. Der als populärer philoſophiſcher Schriftſteller nicht minder wie als Naturforſcher rühmlichſt bekannte Verfaſſer hat in dem vorliegenden Werk eine Arbeit geliefert, welche allen Naturfreunden willkommen ſein wird. Der ſo oft gehörten Klage, daß Erkenntnis der Natur dem Natur— genuß feindlich gegenüberſtehe, tritt der Verfaſſer über⸗ zeugend entgegen, er beweiſt im Gegenteil, daß unſer Ver⸗ ſtändnis für die Schönheiten der Natur und damtt auch unſer Genuß mit der Vergrößerung unſerer Naturerkennt⸗ nis wächſt und er beabſichtigt, in dem Buch dem Natur- freund ebenſowohl für den kleinſten Nachmittagsausflug wie für größere Reiſen einen Begleiter zu geben, welcher über die zahlloſen kleinen Schriftzüge, aus denen ein größeres Naturgemälde ſich zuſammenſetzt, Belehrung böte. Der Verfaſſer gibt in den erſten Kapiteln eine Einleitung in die Aeſthetik und eine Beſprechung der einzelnen Sinnes⸗ empfindungen. Dann folgt als Hauptinhalt des Werkes ein genaueres Eingehen auf die Naturgeſtalten, die Anorganismen ſowohl wie die Organismen und auf das Leben in der Natur. Hier werden der nächtliche Himmel, die Sonne, die Atmoſphäre, Vulkane und Erdbeben, das Waſſer, der Erdboden, das Pflanzen- und Tierleben, ſchließlich das geiſtige Leben in der Natur (Geſang der Vögel, geiſtige Begabung der Tiere) und die Töne der Natur in einer Weiſe beſprochen, daß dieſe Kapitel jedem Leſer eine reiche Fundgrube der Erkenntnis erſchließen. Die letzten Abſchnitte behandeln den dramatiſchen Natur- genuß, das Weſen und die Begründung der Aeſthetik und die Aeſthetik des Menſchenlebens. Wir glauben, daß das Buch vielen Leſern eine Quelle ungeahnten Genuſſes ſein wird und empfehlen es allen Naturfreunden auf das Wärmſte. Friedenau. Dammer. A. Hummel, Hilfsbuch für den Anterricht in der Naturgeſchichte. Zum Zweck der Vertiefung und Belebung des naturgeſchichtlichen Unterrichts. Halle a. S., Heynemannſche Buchdruckerei (F. Beyer). 1889. Preis 5 Mark. Aus der Durchſicht und aufmerkſamen Lektüre mehrerer Partien dieſes Werkes ſchöpfe ich das Urteil, daß dasſelbe einen ſehr mäßigen, um nicht zu ſagen zweifelhaften Wert hat, daß es jedenfalls wenig geeignet iſt, zur Vertiefung für den Lehrer zu dienen und in vielen Beziehungen den guten Lehrbüchern und Leitfäden erheblich nachſteht. Nur einiges zur Begründung dieſes Urteils ſei hier angedeutet. Der Tierkunde ſind 322 Seiten, der Pflanzenkunde 155, der Mineralienkunde — 40 Seiten gewidmet, woraus zu erſehen, daß die letztere doch wohl mehr als zu kurz gekom— men iſt. Es wäre in hohem Grade zu beklagen, wenn der Wiſſensſtand eines deutſchen Lehrers ſo niedrig ge— ſchätzt werden müßte, daß er eine derartige Mineralien⸗ kunde zur „Vertiefung“ gebrauchte, welche in ihrer ſyſte— matiſchen Anordnung ſelbſt für die gehobene Volksſchule als veraltet, in ihrer Einzeldarſtellung (vergl. Stein- kohle p. 479, Schwefel p. 485, Erze p. 490, Feldſpate und Thon p. 503, Geſteine und Gebirgsarten p. 513) mehr als oberflächlich iſt und faſt hinter jedem mittel⸗ mäßigen mineralogiſchen Leitfaden zurückſteht. Gleich der erſte Abſchnitt der Tierkunde: Der Einfluß der Natur auf die Tiere und umgekehrt — läßt dieſes erkennen. Es wird derſelbe in Bezug auf Luft, Licht, Klima, Boden, Pflanzendecke, andere Tiere, den Menſchen auf nicht ganz 6 Seiten erledigt! Auch nur Andeutungen über die Ver⸗ breitung der Tiere und wodurch ſie bedingt wird, über die mannigfach gebauten Atmungsorgane und deren Wn- paſſung an das Medium, über den Einfluß des Waſſers, der Nahrung auf das Tierleben im ganzen und einzelnen, 358 Humboldt. — Oktober 1890. denjenigen des Menſchen, über natürliche und künſtliche Zuchtwahl, Veränderung und Vererbung, Bedingungen des Zuſammenlebens — alſo über Fragen, welche im Vorder⸗ grunde der gegenwärtigen Forſchung ſtehen — ſucht der ſich vertiefen wollende Lehrer in dieſem „Hilfsbuche für den Unterricht“ vergeblich. Statt etwa das Für und Wider in Bezug auf die einzelnen Syſteme der Anordnung kritiſch zu erörtern und dann zu entſcheiden, werden auf Seite 7 einige Andeutungen über wiſſenſchaftliche Grup⸗ pierung der Huftiere gemacht als „ſachliche Durchdringung der Einzelthatſachen“ und hierauf friſchweg einige Haupt⸗ grundſätze für die Anordnung und dann dieſe ſelbſt auf S. 8 und 9 gegeben. Verfaſſer hebt in der Vorrede her⸗ vor, namentlich die Charakteriſtiken der Klaſſen, Ordnun⸗ gen und Familien ſollen der Vertiefung dienen und zeigen, wie die Körperbeſchaffenheit als Urſache der eigentümlichen Lebensthätigkeiten aufzufaſſen ſei. Nun, man ſehe die⸗ ſelben, ſie erheben ſich allermeiſt nicht über ganz allge⸗ meine Reden, wie etwa: Der Körperbau ijt der Lebens⸗ weiſe angepaßt, das Gebiß entſpricht der oder deutet auf die Nahrung u. ſ. w. Inwiefern dieſes der Fall — etwa für einen konkreten Fall zu erläutern und ſo an einem Beiſpiele Urſache und Wirkung zu verfolgen — das zu thun unterläßt der Verfaſſer. Und nun ſehe man gar die Darſtellung der niederen Tiere (4.— 7. Tierkr.) an, welche wahrſcheinlich am meiſten ſich in den Dienſt der „Vertiefung“ zu ſtellen Gelegenheit hatte. Kaum ein mittelmäßiger Leitfaden erreicht dieſen Grad der Dürftig⸗ keit, wie er in dieſem Hilfsbuche für den Lehrer auf 17 Seiten! dargeboten wird. Eine Reihe ähnlicher Be⸗ merkungen ließen ſich für die Pflanzenkunde machen — doch genug! Derjenige deutſche Lehrer der Gegenwart, welcher zu derartigem „Hilfsbuche“ behufs „Vertiefung“ ſeiner naturgeſchichtlichen Bildung greifen müßte, könnte von mir nur — bedauert werden. Berlin. Dr. Bwich. Bibliographie. Bericht vom Monat Auguſt 1890. Allgemeines. Oſtwalds, Klaſſiker der exakten Wiſſenſchaften. Inh.: 13. Vier Ab⸗ handlungen über die Elektrizität u. d. Magnetismus v. Coulomb. Ueberſ. u. hrsg. v. Walter König. 14. Die 4 Gaußſchen Beweiſe für d. Zerlegung ganzer algebraiſcher Funktionen in reelle Faktoren 1. u. 2. Grades. Hrsg. v. E Netto. 15. u. 16. Chemiſche Unter⸗ ſuchungen üb. d. Vegetation von Théod. de Sauſſure. Ueberſ. v. A. Wieler. 2 Hälften. Leipzig, Engelmann. 6,90 M. Twiehauſen, Odo (Thor. Krausbauer). Der naturgeſchl. Unterricht in ausgeführten Lektionen. Nach d. neuen methodiſchen Grundſätzen für Behandlg. u. Anordnung [Lebensgemeinſchaften] bearb. 2. Abtlg. Mittelſtufe. 2. Aufl. Leipzig, Wunderlich. 2,80 M. Shyfik. Breuer, Adb., Ueberſichtl. Darſtellung d. mathematiſchen Theorien üb. die Diſperſion des Lichtes. Einheitlich und leicht faßlich entwickelt. 1. Tl. Normale Diſperſion. Hannover, Bacmeifter. 1 M. Januſchke, Hans, Die Geſetze d. Oberflächendruckes u. der Oberflächen⸗ e in elementarer Darſtellung. Troppau, Buchholz & Diebel. 2 f Obermayer, Alb. v., Ueber e. mit d. fortführenden Entladung d. Elek⸗ trizität verbundene Druckerſcheinung. Wien, Tempsky. 0,40 M. Ris, F., Zur Geſchichte d. internationalen Maß- u. Gewichtsbureaus u. d. neuen Prototype d. Meters u. d. Kilogramms. Bern, Wyß. M 1 5 Schmitz⸗Dumont, Lichtäther u. elektriſche Welle. Eine Weiterführung der Maxwellſchen Mediumtheorie. Dresden, Höckner. 1,50 M. Waeber, R., Lehrbuch für d. Unterricht in d. Phyſik m. beſond. Be⸗ rückſichtigung d. phyſ. Technologie u. d. Meteorologie. 6. Aufl. Leipzig, Hirt & Sohn. 3,75 M. Waeber, R., Leitfaden für d. Unterricht in d. Chemie. 7. 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Klagenfurt, Raunecker. 1,20 M. Kirchhoff, Alfr., Stanley u. Emin, nach Stanleys eigenem Werke. Mit Emins Porträt. Halle a. S., Hendel. 0,50 M. Völkerſchaften, die, der Bukowina. 1. Hft. Inhalt: Die Lippowaner in der Bukowina von Demeter Dan. Czernowitz, Pardini. 1,40 M. Meteorologie. Hildebrandsſohn, H. H., W. Köppen und G. Neumayer. Wolken⸗ atlas. Hamburg, G. W. Seitz Nachf. 12 M. Mitteilungen vom forſtlichen Verſuchsweſen in Oeſterreich. XII. Hft. Inhalt: Reſultate forſtlich meteorologiſcher Beobachtungen, insbe⸗ ſondere in den J. 1885—1887 von Miniſt.⸗R. Dr. Joſ. Ritter v. Lorenz⸗Liburnau. 1. Tl. Unterſuchungen über d. Temperatur u. die Feuchtigkeit der Luft unter, in und über den Baumkronen des Waldes, ſowie im Freilande. Unter Mitarbeit des königl. Forſt⸗ aſſiſtenten Frz. Eckert. Wien, Frick. 8 M. Schriften, hrsg. v. der Naturforſcher⸗Geſellſchaft bei der Univerſität Dorpat. V. Inhalt: Fortſ. d. neuen Unterſuchungen üb. d. Beſſel⸗ ſche Formel und deren Verwendung in der Meteorologie von Prof. Dr. Karl Weihrauch. Leipzig, K. F. Köhler. 3 M Mineralogie, Geologie, Baldontologie. Gagel, Curt, Die Brachiopoden d. cambriſchen u. ſiluriſchen Geſchiebe im Diluvium der Prov. Oſt⸗ u. Weſtpreußen. Königsberg i. Pr., W. Koch. 2 M. Geinitz⸗Roſtock, F. E., XII. Beitrag zur Geologie Mecklenburgs. In⸗ halt: Der Untergrund v. Schwerin. Güſtrow, Opitz & Co. 0,80 M. Gürich, Geo., Geologiſche Ueberſichtskarte von Schleſien. 1: 400 000. Mit Erläuterungen. Breslau, Kern. 12 M. Jüſſen, Edm., Ueber pliocäne Korallen von der Inſel Rhodus. Wien, Tempsky. 0,50 M. Koch, Guſt. Adf., Die Arnſteinhöhle bei Mayerling mit Bezug auf ihre Lage in der Kalkzone d. Wiener Waldes, ihre Bildung u. die dilu⸗ vialen Funde von Wirbeltierreſten. Wien, Lechners Sort. 1 M. Mitteilungen aus dem Jahrbuch d. königl. ungar. geologiſchen Anſtalt. IX. Bd. 1. Hft. Inhalt: Der Tiefbau am Dreifaltigkeitsſchacht in Vihnye. Von Stef. Martiny. — Geologiſcher Bau d. Alt⸗Antoni⸗ Stollner⸗Eduard⸗Hoffnungsſchlages. Von Jul. Botar. — Geologiſche Aufnahme d. Kronprinz Ferdinand⸗Erbſtollens. Von Frz. Pelachy. Budapeſt, Kilian. 1 M. Pompecki, J. F., Die Trilobiten⸗Fauna der oſt⸗ und weſtpreußiſchen Diluvialgeſchiebe. Königsberg i. P., Koch. 3 M. Stocklaſa, Jul., Pedologiſche Studien. 1. Tl. Prag, Reinwart. 1,20 M. Botanik. Abhandlungen, allgemein verſtändliche naturwiſſenſchaftliche. 13. Hft. Inhalt: Die pflanzengeographiſche Anlage im kgl. botan. Garten zu Berlin. Von Dr. H. Potonié. Berlin, Dümmlers Verlag. 1 M. Fiſcher, Hugo, Beiträge zur vergleichenden Morphologie der Pollen⸗ körner. Breslau, Kern. 4 M. Hahn, Gdhold., Der Pilzſammler od. Anleitg zur Kenntnis d. wichtig⸗ ſten Pilze Deutſchlands u. d. angrenz. Länder. 2. Aufl. Gera, Kanitz. 6 M. 5 Hempfing, Verzeichnis einheimiſcher zum Unterricht in den Klaſſen Serta—Tertia, höherer Lehranſtalten geeigneter Pflanzen, nach der Blütezeit geordnet. Marburg i. H., Ehrhardt. 0,30 M. Johow, Frdor., Die phanerogamen Schmarotzerpflanzen. Grundlagen und Material zu einer Monographie derſelben. Berlin, R. Fried⸗ länder & Sohn. 1,50 M. Koch, R., Ueber bakteriologiſche Forſchung. Vortrag in der 1. allgem. Sitzung des X. intern. medizin. Kongreſſes am 4. Auguſt 1890. Berlin, Hirſchwald. 0,60 M. Studer, jun., B., Beiträge zur Kenntnis d. ſchweizeriſchen Pilze. a) Wallis. Mit einem Nachtrag von Dr. Ed. Fiſcher. Bern, Wyß. M. Woſſidlo, Paul, Leitfaden der Botanik für höhere Lehranſtalten. 2. verb. Aufl. Berlin, Weidmann. 3 M. Zoologie. Bröſike, Guſt., Kurſus d. normalen Anatomie d. menſchlichen Körpers. 2. vielf, verb. Aufl. Berlin, Fiſchers medizin. Hdlg. 14 M. Carus, Jul. Vict., Prodomus faunae mediterraneae sive descriptio animalium maris mediterranei incolarum, quam comparata silva rerum quatenus innotuit, adiectis locis et nominibus vulgaribus eorumque auctoribus in commodam Zoologorum congessit J. V. C. Vol. II, pars 2. Mollusca. Cephalopoda. Tunicata. Stuttgart, Schweizerbart. 10 M. Humboldt. — Oktober 1800. 359 Dreyer, Frdr. Morphologiſche Radiolarienſtudien. 2. Heft. Inhalt: ſtudien zur Anatomie der Mikrocephalie. 2. Abt. Leipzig, Engel⸗ Die Tripoli von Caltaniſetta (Steinbruch Geſſolungo) auf Sizilien. mann. 6 M. Jena, Fiſcher. 7 M. 8 Rawitz, Bernh., Der Mantelrand der Acephalen. 2. Tl. Aracea. Dohrn, Ant., Studien zur Urgeſchichte d. Wirbeltierkörpers. XV. Inh.: Mytilacea. Unionacea. Jena, Fiſcher. 6 M. Neue Grundlagen zur Beurteilung der Metamerie d. Kopfes. Ber- lin, Friedländer & Sohn. 7 M. DWhyfiologie. Handlirſch, Ant., Monographie der m. Nysson u. Bembex verwandten Askanazy, M., Zur Regeneration d. geſtreiften Muskelfaſern. Königs Grabweſpen. V. Wien, Tempsky. 1,60 M. berg i. Pr., Koch. 0,80 M. Kölliter, A., Ueber den feineren Bau des Rückenmarks menſchlicher Preyer, W., Der Hypnotismus. Vorleſungen gehalten an der königl. Embryonen. Würzburg, Stahel. 0,30 WM. — 8 Friedrich Wilhelms⸗Univerſität zu Berlin. Nebſt Anmerkungen u. Kölliker, A., Ueber die erſte Entwickelung der Nervi olfactorii. Würz⸗ einer nachgelaſſenen Abhandlung von Braid aus dem Jahre 1845. burg. Stahel. 0,40 M. Wien, Urban & Schwarzenberg. 6 M. Lendenfeld, R. v., Die Gattung Stelletta. Unter Mitwirkung von Stadelmann, Ernſt, Ueber d. Einfluß d. Alkalien auf d. menſchlichen F. E. Schulze bearb. Berlin, G. Reimer. S M. Stoffwechſel. Experimentell⸗klin. Unterſuchungen. Stuttgart, Enke. Marchand, Felix, Beſchreibung dreier Mikrocephalengehirne, nebſt Vor⸗ 6 M. Aus der Praxis der Laturwiſſenſchaft. Aeber die Anwendung des eleftriſchen Licht- geführt werden. Vier derartige Apparate werden mit bogens zur Demonſtration der Gasvolumengeſetze. Nach gleichen Raummengen, 100 cem, von Jodwaſſerſtoff, dem Vorgange Hofmanns bedient man ſich zur Zerſetzung [ Schwefelwaſſerſtoff, Phosphorwaſſerſtoff und Grubengas der gasförmigen chemiſchen Verbindungen in der Vor⸗ gefüllt. Man entzündet nunmehr den Lichtbogen, zuerſt leſung gewöhnlich des Induktionsfunkens. Aber ſelbſt bei [ im Jodwaſſerſtoff u. ſ. f. Im Jodwaſſerſtoff erglänzt der Anwendung großer Induktionsapparate verläuft hierbei die [Lichtbogen mit prachtvoll blauviolettem Lichte, im Schwefel— Zerſetzung verhältnismäßig langſam, fo daß man fic) mit | waſſerſtoff iſt er bläulich gefärbt, in jenem werden ſofort einer entſprechend kleinen Gasmenge begnügen muß. Wo die violetten Joddämpfe ſichtbar, in dieſem bilden ſich ein Maſchinen- oder Accumulatorenſtrom zur Verfügung reichliche Schwefelwolken, welche die Glaswände bald mit ſteht, empfiehlt daher B. Lepſius, für die angegebenen | einem weißen durchſichtigen Schleier überziehen. Die Zer— Zwecke den Kohlelichtbogen zu benutzen; die Berjuche | ſetzung des Phosphorwaſſerſtoffs verläuft unter blendend laſſen ſich dann in kürzerer Zeit und zugleich mit größeren, [roter Lichterſcheinung, während fic) ein Gemenge von weithin ſichtbaren Volumen ausführen. In einer aus- rotem und gelbem Phosphor niederſchlägt. Aus dem führlichen Abhandlung (Ber. 23. 1418, 1637) beſchreibt | Grubengaje ſcheidet der weißglühende Lichtbogen ſchwarze Lepſius eine Reihe derartiger, für die Vorleſung geeigneter | Wolken von Kohlenſtoff ab, welche den Lichtbogen nach Verſuche, ſowie die dazu gehörigen Apparate. und nach verdunkeln. Nachdem man die Apparate einige Unabhängig von jeder Theorie läßt fic) der Begriff | Zeit der Abkühlung überlaſſen hat, ſtellt man überall in der Valenz definieren, wenn man diejenigen Waſſerſtoff- beiden Schenkeln das Queckſilber gleich hoch. Die Volu- volumina miteinander vergleicht, welche aus gleichen | mina des Waſſerſtoffs betragen 50, 100, 150 und 200 cem, Raumteilen der leichteſten gasförmigen Waſſerſtoffver- verhalten fic) alſo wie 1: 2: 3: 4. bindungen verſchiedenwertiger Elemente erhalten werden. Die räumlichen Beziehungen zwiſchen Kohlenſäure, Bezeichnet man das kleinſte, jo zu erhaltende Waſſerſtoff- ] Kohlenoxyd und Sauerſtoff werden zweckmäßig durch volumen mit 1, fo laſſen fic) alle übrigen durch ganzen folgende Verſuche demonſtriert. Kohlenſäure wird, wie be— Zahlen ausdrücken, welche die Valenz der mit Waſſerſtoff | kannt, unter der Einwirkung des elektriſchen Kohlelichtbogens verbundenen Elemente beſtimmen. Die Demonſtration [in Kohlenoxyd umgewandelt; die Kohlenſäure zerfällt in dieſer Thatſache gehört daher zu den Fundamentalverſuchen [ Kohlenoxyd und Sauerſtoff, welcher die weißglühende Kohle der chemiſchen Vorleſung. Man bedient fic) zu der- ſogleich zu einem zweiten Volumen Kohlenoxyd verbrennt ſelben vorteilhaft folgenden Apparates: Ein Glasrohr CO2+ O 200. von ca. 35 mm Durchmeſſer und 300 mm Länge trägt 1 Vol. 2 Vol. oben einen Glashahn, in einer Entfernung von 40 mm Man füllt den Apparat mit ca. 100 cem gut ge— davon zwei ſeitliche Anſätze von 15 mhm Länge und 15mm | trocneter Kohlenſäure und entzündet den Lichtbogen. Nach Durchmeſſer; unten iſt das Rohr geſchloſſen, trägt aber einer Minute iſt die Zerſetzung beendigt und nach erfolgter vorn einen Ablaßhahn und hinten ein 10 mm weites | Abkühlung und Einſtellung des Queckſilbers zeigt fic, daß Steigrohr, welches 200 mm über dem oberen Hahn in ſich das Volumen verdoppelt hat. Um die umgekehrte eine oben offene Birne von 60 mm Durchmeſſer endigt. | Darſtellung von Kohlenoxyd, nämlich durch Verbrennen Das Ganze iſt in einem Stativ befeſtigt. Die oberen ſeit- | von Kohle in unzureichendem Sauerſtoff zu zeigen, läßt lichen Glasanſätze dienen zur Einführung der Kohleelek- | man durch etwa 100 cem Sauerſtoff den Lichtbogen wäh— troden. Dieſe haben zweckmäßig die Dicke der Graphit | rend 1— 2 Minuten hindurchſchlagen. Das Reſultat ijt ftangen in den Bleiſtiften und werden in eine Metallhülſe wiederum die Verdoppelung des Volumens: geſteckt, die andrerſeits mit einer 6 mm dicken Kupfer— O2 +20 = 200. ſtange verbunden iſt, an deren freiem Ende die Polklemmen 1 Vol. 2 Vol. angebracht ſind. Die Kupferſtangen werden in ſehr gut [Nach Aufgießen von Queckſilber in das Steigrohr läßt ſich paſſende Gummiſtopfen eingeführt, welche man in die das gebildete Kohlenoxyd durch Anzünden an ſeiner prächtig Glasanſätze des Apparates etwas excentriſch eindreht, fo | blauen Flamme leicht erkennen. Noch intereſſanter ge— daß die Kohlenſtäbe in einem ſeitlichen Abſtande von 1 ſtalten ſich dieſe Verſuche, wenn fie zu einem einzigen ver— bis 2 mm nebeneinander liegen. Ein kurzer Druck außen einigt, in demſelben Apparat ausgeführt werden. Die auf die Polklemmen genügt, um durch momentane Be- Anordnung des Apparates wird dann zweckmäßig etwas rührung der Kohlen den Lichtbogen zu entzünden. In verändert und muß in dieſer Beziehung auf das Original den meiſten Fällen genügt eine Stromſpannung von 30 verwieſen werden. Zuerſt verbrennt man in gemeſſenem bis 50 Volts. Die Füllung des Apparates geſchieht | Sauerſtoff (1 Vol.) Kohle zu Kohlenoxyd (2 Vol.), hierzu auf bekannte Weiſe, indem man den Gaszuführungsſchlauch, fügt man wieder 1 Vol. Sauerſtoff, läßt durch momentanes aus welchem bereits die Luft ausgetrieben, über den bis Schließen des Stromes explodieren und erhält 2 Vol. zur äußerſten Spitze mit Queckſilber angefüllten offenen Kohlenſäure: Hahn ſtülpt und durch Ausfließenlaſſen von Queckſilber 200 + Og = 2002 aus dem unteren Hahn die zum Verſuche nötige Gasmenge 2 Vol. 1 Vol. 2 Vol.“ einſaugt. Die Verſchiedenheit der Valenz erläutert man | Hierauf läßt man einige Minuten den Lichtbogen durch— am beſten in vier Verſuchen, welche nebeneinander aus- ſchlagen; das Reſultat iſt 4 Vol. C0. Wird nochmals 360 Sauerſtoff (2 Vol.) hinzugefügt und das exploſive Gas⸗ gemiſch entzündet, ſo erhält man 4 Vol. C02, welche durch ein Stück naſſen Kalis, welches man von unten in dem Rohr aufſteigen läßt, abſorbiert wird. Die Bildung, die Zerſetzung der Oxyde des Kohlenſtoffs, die molekulare Zu⸗ ſammenſetzung und die räumliche Beziehung zu dem darin befindlichen Sauerſtoff wird, wie man ſieht, in anſchau⸗ licher Weiſe zur Darſtellung gebracht. Die Darſtellung von Waſſergas zeigt man gewöhn⸗ lich, indem man Waſſerdampf durch ein zum Glühen er⸗ hitztes, mit Kohleſtücken gefülltes Rohr leitet und die nicht kondenſierten Gaſe im Gaſometer auffängt. Einfacher und eleganter wird die Zerſetzung durch die elektriſch glühende Kohle ausgeführt. Ein mit dem Hals nach unten ge⸗ richteter Glasballon iſt an zwei gegenüberliegenden Seiten tubuliert, ſo daß die beiden Kohlenſtäbe in geeigneter Weiſe eingeführt werden können. Der Hals des Kolbens iſt doppelt durchbohrt, die eine Oeffnung dient zur Zuführung des Waſſerdampfs, die andere zur Ableitung der entſtehen⸗ den Gaſe. Die weißglühende Kohle verbrennt im Waſſer⸗ dampf unter ſtarker Gasentwickelung. Die Zuſammen⸗ ſetzung des Gaſes iſt dieſelbe wie bei der gewöhnlichen Waſſergasbereitung, es beſteht aus gleichen Raumteilen Waſſerſtoff und Kohlenoxyd. Leitet man es in einen Daniellſchen Brenner, ſo kann man damit Platin ſchmelzen, ein Kalk⸗ oder Zirkonlicht herſtellen u. ſ. w. Dieſer Ver⸗ ſuch bietet zugleich ein lehrreiches Beiſpiel für die mannig⸗ fache Formveränderung der Energie. In dem als Kraft⸗ quelle benutzten Gasmotor wird die chemiſche Energie des Gaſes in mechaniſche Arbeit, in der damit verbundenen Dynamomaſchine die mechaniſche Arbeit unter Benutzung des magnetiſchen Feldes in elektriſche Energie verwandelt. Zwiſchen den Kohlepolen des Waſſergasapparates wird die elektriſche Spannung unter Lichtentfaltung in Wärme um⸗ geſetzt und der weißglühende Kohlenſtoff erteilt dem Waſſer wieder chemiſche Energie, welche ſich im Daniellſchen Hahn in platinſchmelzende Hitze, auf der Zirkonplatte in ſtrah⸗ lende Energie verwandelt. Faſt noch überraſchender fällt der Verſuch aus, wenn man nicht das gasförmige, ſondern das flüſſige Waſſer durch den Lichtbogen zerſetzt. Man füllt den Ballon faſt ganz mit Waſſer und ſtellt durch vorübergehende Be⸗ rührung der Kohlen einen Lichtbogen von mehreren Milli⸗ metern her. Bei ſtarkem Strom erhält man ſofort eine rapide Entwickelung von Waſſergas. Die Kohlen werden weißglühend, das Waſſer erhitzt ſich mehr und mehr und beginnt ſchließlich zu kochen. Auch unter dieſen Umſtänden iſt das Reſultat im weſentlichen ein Gemiſch gleicher Vo⸗ lumina Waſſerſtoff und Kohlenoxyd. Eine Reihe anderer Experimente, Bildung und Zer— ſetzung von ſchwefliger Säure, Bildung von Acetylen u. ſ. w mögen hier nur genannt werden; was dieſe, ſowie die experimentellen Einzelheiten anbetrifft, muß auf die 11 ginalabhandlung verwieſen werden. Auffriſchen von Gummiartikeln. Gummiſachen verlieren im Laufe der Zeit ihre Elaſtizität und werden brüchig. Sie erlangen ihre Claſtizität wieder, wenn man ſie kaum eine halbe Stunde lang in einer Miſchung von 2 Teilen Waſſer und 1 Teil Ammoniak liegen faze r f. Opt. u. Mech. 11, S. 10). Gravieren des Glaſes mittelſt Elektrizität. Die Glasplatte, auf der man gravieren will, überzieht man mit einer konzentrierten Löſung von Kaliſalpeter und ſetzt dieſelbe in Verbindung mit dem einen Pole einer elektri⸗ ſchen Batterie. Eine feine Platinſpitze wird mit dem an⸗ deren Pole verbunden, und dieſe dient als e Ein Mittel gegen den Meltau der Seinslade. Als billiges und ſehr mirko Mittel gegen den Meltau der Weinſtöcke wird in der „Deutſchen Gärtner⸗Verbands⸗ zeitung“ milchſaures Kupfer empfohlen. Dasſelbe läßt Humboldt. — Oktober 1890. ſich auf folgende Weiſe leicht herſtellen: 4 Teile ſchwefel⸗ ſaures Kupferoxyd werden in 25—30 Teilen Waſſer geloft und der Löſung unter Umſchütteln und Rühren 6 Teile Soda und etwas Melaſſe zugeſetzt. Einen Tag läßt man die Miſchung ruhig ſtehen, verdünnt dann das Ganze mit 150—200 Teilen Waſſer und verwendet es zum Beſprengen oder Ueberbrauſen der Triebe. 118 Um die Ausbreitung der Taſchen- oder Narren⸗ bildung der Pflaumen, die bekanntlich durch einen Schlauch⸗ pilz, Exoascus pruni, verurſacht wird, zu verhindern, empfiehlt die „Gartenflora“ außer dem Zurückſchneiden des jungen Holzes, welches hauptſächlich das Dauermycel des Pilzes beherbergt, das Abpflücken der Narren oder Taſchen vor der Verſtäubung der Sporen und das ſofortige Verbrennen derſelben. Außerdem müſſen aus der Umgebung von Pflaumenpflanzungen alle Schlehdorn⸗ büſche, auf denen Exoascus ebenfalls vegetiert, nach 11565 lichkeit entfernt werden. Aquarien. Vom 13.—26. Auguſt d. Is. fand hier in Berlin eine Ausſtellung des Vereins der Aquarien⸗ und Terrarienliebhaber zu Berlin ſtatt. Da unter den ausgeſtellten lebenden Tieren ſowohl Neuheiten wie auch erſtmalige Züchtungen ſich befanden, ſei es geſtattet, in dieſer Zeitſchrift einiger derſelben Erwähnung zu thun. Bekanntlich werden ſeit mehreren Jahren bei uns in Deutſchland, und auch in anderen Ländern Europas, ver⸗ ſchiedene amerikaniſche Speiſefiſche gezüchtet, wie Forellen⸗ barſch (Grystes salmonoides), Schwarzbarſch (Grystes nigricans) u. a. In allerneuefter Zeit wurden noch ein⸗ geführt und hier in Teichen gezüchtet: Zwergwels (Amiu- rus nebulosus), Silberbarſch (Pomotis sparoides) und Steinbarſch (Pomotis rupestris). All dieſer genannten Fiſche hat ſich nun die Liebhaberei bemächtigt; jie werden gegenwärtig im kleinſten Zimmeraquarium mit Erfolg ge⸗ halten, wenn auch noch nicht gezüchtet. Neu führte für dieſe Ausſtellung Paul Matte aus Lankwitz⸗Südende bei Berlin ein: Amiurus splendidus und eine Fundulus spec. Dies letztere ſchöne Fiſchchen wurde wohl überhaupt noch nicht lebend nach Europa ge⸗ bracht; nach dem Tode desſelben wird ſich die Art wohl beſtimmen laſſen. Ebenſo ſtellte Matte von Amphibien aus: Dryophites versicolor, Amblystoma mavortium (in Salamander⸗ form!) und Menobranchus lateralis. Dieſe drei letzteren Tiere wurden in größerer Stückzahl aus Amerika von dem Ausſteller kürzlich eingeführt. Von Züchtungen führe ich u. a. den Triton mar- moratus und den Zander an. Der Zander wurde in der Zuchtanſtalt von Paul Matte in nur 20 em tiefen Becken gezüchtet; dieſe Waſſerbehälter waren kaum 3 m lang und 1 m breit. Das intereſſanteſte Ausſtellungsobjekt, wenigſtens für den Zoologen das intereſſanteſte, dürfte jedoch ſicher ein Blendling ſein, und zwar hervorgegangen aus einer Kreu⸗ zung zwiſchen Rhodeus amarus und dem Schleierſchwanz⸗ goldfiſche. Der Blendling iſt einem Becken des hieſigen Aquariums entſproſſen, in welchem Goldfiſche und Bitter⸗ linge zuſammen gehalten werden. Der Ausſteller iſt ein Wärter des Aquariums, Herr Pahl, und der gegenwärtige Beſitzer Herr Erich Marquardt in Berlin. Hoffentlich geht der Fiſch nach ſeinem Tode als Spirituspräparat in den Beſitz unſeres Muſeums für Naturkunde über und ſo der Wiſſenſchaft nicht verloren. Der Hybride hat die Körperform des Bitterlings und ebenſo die dunklen Seiten⸗ ſtreifen; ſeine Floſſenbildung aber läßt den Abkömmling vom Schleierſchwanzgoldfiſche erkennen. Die Schwanzfloſſe ift beſonders ſtark entwickelt, jedoch einfach und noch zarter als bei dem genannten. Die Verbaſtardierung zwiſchen Bitterling und Goldfiſch iſt ſicher überraſchend, da die Verwandtſchaft der beiden keine ſehr nahe iſt. Berlin. W. Hartwig. Ueber die Sucker gruppe. Von Dr. Ludwig Paul in Charlottenburg. II. 15 wurde bereits darauf hingewieſen, daß Läßt man eine Löſung von Glyceroſe mit etwas die Auffindung der Mannoſe bei der [Natronlauge vermiſcht ca. 4—5 Tage ſtehen, fo ver— Oxydation des Mannits E. Fiſcher ver- ſchwindet in dem Maße, als die Polymeriſation fort— : @ anlafte, andere mehrwertige Alkohole in ſchreitet, die Fähigkeit, alkaliſche Kupferlöſung in der derſelben Weiſe zu prüfen). Die bezüglichen Unter- Kälte zu reduzieren. Dagegen reduziert fie nun in ſuchungen erſtreckten fic) zunächſt auf das Glycerin, der Wärme gerade fo viel Kupferlöſung wie früher. welches vorteilhaft in Form ſeines Bleiſalzes mittels Das ganze Reduktionsvermögen iſt alſo durch die Brom oxydiert wurde. Das Bleiglycerat wird zu [Behandlung mit Alkalien nur wenig beeinträchtigt dem Zweck auf große Teller ausgebreitet und dar- | worden. Die in der Glyeeroſe enthaltenen Körper, über eine Schale mit Brom geſtellt; mehrere folder [der Glycerinaldehyd und das Dioxyaceton, find durch Teller ſtehen etagenförmig übereinander, welche man den Einfluß des Alkalis zuſammengetreten und haben mit einer Glasglocke bedeckt ca. 6 Stunden ſtehen eine neue Zuckerart, die «-Werofe, von der Zuſam— läßt. Es bildet ſich eine gelbe klebrige Maſſe, die | menfehung C,H, gebildet, die mit der Lävuloſe mit Alkohol ausgelaugt wird. Die erhaltene alfoho- die gleiche Konſtitution hat. liſche Löſung wird im Vakuum auf dem Waſſerbade Die 3⸗Acroſe, die erſte ſynthetiſche Zuckerart der eingedampft. Der Rückſtand bildet einen Sirup, der Hexanreihe, iſt optiſch vollkommen inaktiv und bildet zum Teil aus dem Aldehyd des Glycerins CH,OH die Grundlage für die Syntheſe der optiſch aktiven CH. OH- CHO, zum Teil aus dem Dioxyaceton | Zucerarten (ſ. S. 364). CH,.OH—CO—CH,.OH beſteht. Dieſes Produkt, welches den Namen Glyceroſe erhielt, reduziert CH,.OH—CH .OH—CHO ſchon in der Kälte alkaliſche Kupferlöſung. Bei der Glycerinaldehyd. Einwirkung von Phenylhydrazin entſteht das Phenyl— -_ CHH.OH—CO—CH,OH glycerojazon**) CysHy,N,O, rein gelbe langgeſtreckte — Diornaceton. Blättchen vom Schmelzpunkt 130° bildend und der = CH,OH—(CH.OH),—CO—CH,OH. Konſtitution: e : S | INA Auch dieſe neue Zuckerart bildet mit dem Phenyl— bal hydrazin ein Oſazon (a-Acrofazon) von der Zuſam— : C;H;— NH NH— G;H;. menſetzung CisHzN 07, feine gelbe, dem Phenylglu— Von Wichtigkeit iſt die Eigenſchaft der Glyceroſe, koſazon ſehr ähnliche Nädelchen vom Schmelzpunkt 217 ſich bei Gegenwart von Alkalien leicht zu polyme- bis 219° bildend, die aber zum Unterſchied von dieſem riſieren? ). ſelbſt in einer 20 em langen Schicht das polariſierte ) E. Fiſcher, Ber. 21, S. 2635. Licht nicht ablenkt. N % Ber. 20, S. 1088. Inzwiſchen iſt für das „Acroſazon eine neue Ent— ) Ber. 20, S. 3386. tehungsweiſe gefunden worden, welche in unerwar— 9 Humboldt 1890. 46 362 teter Weiſe die nahe Beziehung der a-Yecvoje zur Mannoſe zeigt. Die aldehydiſche Natur der wahren Zuckerarten ſetzt die Exiſtenz eines Alkohols und einer Säure vom gleichen Kohlenſtoffgehalt voraus. Dieſelben Be⸗ ziehungen, welche durch die drei Körper: Aethylalkohol, Acetaldehyd und Eſſigſäure ausgedrückt ſind und in der Oxydation der Alkoholgruppe (C Hz. OH), zur Aldehyd (CHO) und ſchließlich zur Carboxylgruppe (COOH) begründet find, finden wir in der Zucker⸗ gruppe wieder. So entſteht durch Oxydation aus dem Mannit die Mannoſe und Mannonſäure. Letz⸗ tere wird nach Fiſcher und Hirſchberger vorteilhaft dargeſtellt), wenn 1 Tl. Mannoſe und 5 Tl. Waſſer gelöſt mit 2 Tl. Brom verſetzt werden. Nach ca. 48- ſtündigem Stehen iſt das Brom gelöſt und die Man⸗ noſe zu Mannonſäure oxydiert. CHa. OH- (CH. OH CHO + Br, + H,0 = HBr + CH,. OH—(CH .OH),—COOH. Mannonſäure. Nach vollſtändiger Reinigung erhält man lange farb⸗ loſe, glänzende Nadeln vom Schmelzpunkt 149 — 1530 und der Zuſammenſetzung C6103. Dieſe Formel entſpricht nicht der der Mannonſäure, ſondern deren Lacton. Die Mannonſäure exiſtiert nicht in freiem Zuſtande (ähnlich wie die Kohlenſäure), ſondern gibt im Moment ihres Entſtehens 1 Mol. Waſſer ab unter Bildung ihres Lactons. CH,.OH—(CH.OH),—CH .|OH|—COO/H| = H,0 Mannonſäure. | | | | 4 CH,.0H—(CH .OH),—CH—CO 0 Mannonſäurelacton. Bei Gegenwart von Baſen wird dieſes Mol. Waſſer wieder aufgenommen unter Bildung mannonſaurer Salze. CH,.0H—(CH.OH),-CH—CO + NaOH = 0 Mannonſäurelacton. CH,. OH—(CH.OH),—CH . OH—COONa Mannonjaures Matron. Man kennt demnach die Mannonſäure nur in Form ihrer Salze oder als Lacton. Eine wäſſerige Löſung des letzteren dreht das polariſierte Licht nach rechts. Leicht läßt ſich die Mannonſäure, bezw. deren Lacton, wieder in Zucker zurück verwandeln, wenn man die wäſſerige Löſung mit Natriumamalgam ver⸗ ſetzt“ ). Der ſich hierbei entwickelnde Waſſerſtoff re⸗ duziert zunächſt die Mannonſäure zu Mannoſe. Bei längerer Einwirkung allerdings verſchwindet die Man⸗ noſe wieder, weil dieſelbe in den Alkohol, in Man⸗ nit, verwandelt wird. J Ber 22, S. 3219. *) Ber. 22, S. 2204. Humboldt. — November 1890. Das von RKiliani*) entdeckte Lacton der Ara⸗ binoſekarbonſäure iſt dem vorher beſchriebenen Man⸗ nonſäurelacton ſo ähnlich, daß man beide Verbin⸗ dungen für identiſch halten müßte, wenn ſie nicht in optiſcher Beziehung verſchieden wären. Das erſte dreht nach rechts, das zweite nach links, aber das Drehungsvermögen iſt für beide gleich. Dadurch wurde es ſehr wahrſcheinlich, daß die beiden Lactone optiſch entgegengeſetzte Iſomere ſeien und das erſte Beiſpiel dieſer Art in der Zuckergruppe bieten. Die Arabinoſekarbonſäure erhält man aus der Arabinoſe. Letztere bildet eine ſelbſtändige Zuckerart von der Formel: C5003. Zur Darſtellung dieſer Zuckerart benutzt man nach Kiliani*) zweckmäßig das Kirſchgummi, aus welcher ſie in Form einer weißen Kryſtallmaſſe erhalten wird. Alle Aldehyde, alſo auch die Zuckerarten, haben die Fähigkeit ſich mit Blauſäure zu verbinden. Läßt man z. B. 1 Tl. Arabinoſe in 1 Tl. Waſſer gelöſt 8 Tage mit einer 60 —70proz. Blauſäurelöſung ſtehen, jo läßt ſich aus der gebildeten weißen Kryſtallmaſſe nach dem Kochen mit Barythydrat, Zerſetzen mit Salzſäure, das Lacton der Arabinoſekarbonſäure gewinnen. Dieſelbe iſt hierbei nach folgendem Vorgang entſtanden: CHa. OH- (CH. OH) - CHO + HCN Arabinoſe = CH ee e ee N C—OH H Cyanid der Arabinoſe. Zunächſt lagern ſich die Elemente der Blauſäure an die Arabinoſe, wobei das Cyanid der letztern ge⸗ bildet wird. Durch Kochen mit Barytwaſſer wird die Cyangruppe (CN) in die Karboxylgruppe unter Bildung der Arabinoſekarbonſäure verwandelt. „N H OH. OH -(CH. OH)3 ee + i = HN, e H Arabinoſe⸗Cyanid OH. OH- (CH. OH) b COOH Arabinoſekarbonſäure. Hierbei wirken 2 Mol. Waſſer auf die Cyangruppe und entfernen den dreiwertigen Stickſtoff in Form von Ammoniak, während an deſſen Stelle die dreiwertige Gruppe OOH’ unter Bildung der Karboxylgruppe tritt. Die ſo erhaltene Arabinoſekarbonſäure ver⸗ wandelt ſich genau ſo wie die Mannonſäure ſofort in ihr Lacton. Beide Lactone ſind, wie ſchon bemerkt, optiſch entgegengeſetzte Iſomere. Loft man aber gleiche Teile Mannonſäure- und Arabinoſekarbonſäurelacton in Waſſer, ſo iſt die Flüſſigkeit optiſch inaktiv und hinterläßt beim Verdampfen ein neues Lacton von derſelben Zuſammenſetzung als farbloſe ſtrahlige Kryſtallmaſſe *). Die dieſem entſprechende Säure *) Ber. 19, S. 3130. **) Ber. 19, S. 3030. e) Ber. 23, S 371. Humboldt. — November 1890. bildet ſelbſtändige inaktive Salze und es gelingt nur unter ganz beſonderen Bedingungen, ſie in die optiſch aktiven Komponenten zurück zu ſpalten. Alle drei Lac- tone können nun ferner nach der vorher erwähnten Methode durch Reduktion mit Natriumamalgam in Zucker und durch weitere Reduktion in 6wertige Alkohole zurück verwandelt werden. Dieſe Reduk— tionsprodukte ſtehen dann in demſelben Verhältniſſe zu einander wie die Lactone. Aus dem Mannon— ſäurelacton entſteht wieder Mannoſe und gewöhn— licher Mannit, aus dem Arabinoſekarbonſäurelacton das optiſch entgegengeſetzte Iſomere, aus dem in— aktiven Lacton endlich zwei inaktive Derivate. Für die Bezeichnung aller dieſer Produkte ſind die Namen Mannoſe und Mannit beibehalten worden und die Verbindungen einer Reihe werden nach dem Dre— hungsvermögen des Zuckers entweder mit dem Buchſtaben d (dextro), oder ! (laevo), oder i (inaktiv) bezeichnet, gerade ſo, wie man bei den Benzolderi— vaten die Buchſtaben o, m, und p benutzt. Für die oben erwähnten Produkte ergibt ſich dann folgende Zuſammenſtellung: d-Reihe i⸗Reihe Reihe d-Mannoje i⸗Mannoſe I⸗Mannoſe (dreht rechts) (inaktiv) (dreht links) d-Mannoje- i⸗Mannoſe⸗ I⸗Mannoſe⸗ phenylhydrazon phenylhydrazon phenylhydrazon (dreht links) (dreht rechts) d-Mannonfdure ] i-Mannonſäure l⸗Mannonſäure (Arabinoſe— karbonſäure) d-Mannonſäure- i-Mannonſäure- I-Mannonſäure⸗ lacton lacton lacton (dreht rechts) (Arabinoſekarbon⸗ ſäurelacton] (dreht links) 1⸗Mannit (dreht links) I-Phenylgluko⸗ ſazon (dreht rechts) d-Mannit i⸗Mannit (dreht rechts) d⸗Phenylgluko⸗ ſazon (dreht links) i-Phenylgluto- ſazon Die d⸗Mannoſe und ſeine Derivate entſprechen demnach der gewöhnlichen Mannoſe, wie ſolche durch Oxydation des gewöhnlichen Mannits oder aus Stein- nüſſen gewonnen wird. Von der Reihe wurde bisher nur das I-Mannonſäurelacton beſchrieben, welches dem Arabinoſekarbonſäurelacton entſpricht. Durch Reduktion mit Natriumamalgam?) verwandelt ſich das Lacton in den Zucker 1-Mannofe, welder in reinem Zuſtande einen farbloſen Sirup bildet, der das polariſierte Licht nach links dreht. Charakteriſtiſch für denſelben iſt wie bei der d-Mannoſe die Hydra— zinverbindung, welche leicht auf Zuſatz von Phenyl— hydrazin zur wäſſerigen Löſung des Zuckers in farb— loſen Kryſtällchen vom Schmelzpunkt 195° ausfällt. In ſalzſaurer Löſung dreht ſie das polariſierte Licht nach *) Ber. 23, S. 373. 363 rechts. Das I-Mannoſephenylglukoſazon CigHyyN,H, bildet feine gelbe Nadeln vom Schmelzpunkt 205° und iſt dem gewöhnlichen Phenylglukoſazon (welches aus der d-Mannoſe, Lävuloſe und Dextroſe entſteht) täu— ſchend ähnlich. Es hat mit dieſem denſelben Schmelz— punkt. Dagegen verhält es ſich in optiſcher Beziehung gerade umgekehrt; denn ſeine Löſungen in Eiseſſig dreht das polariſierte Licht ſtark nach rechts. Ver— gären läßt ſich die l-Mannoſe zum Unterſchied von der d-Mannoſe nicht. Dieſe Eigenſchaft wird ſpäter benutzt, um die Mitglieder der i-Reihe in ihre aktiven Komponenten zu ſpalten. Die Ueberführung in den entſprechenden I⸗Mannit geſchieht wieder durch Natriumamalgam. Derſelbe iſt wiederum dem ge— wöhnlichen Mannit ſehr ähnlich. Er ſchmilzt 2° tiefer als dieſer, bei 163—164°, Loft ſich leicht in Waſſer, dagegen ſchwer in abſolutem Alkohol. Er ſchmeckt ſüß und reduziert Fehlingſche Löſung nicht. Er iſt aber leicht durch ſeine optiſchen Eigenſchaften zu erkennen, denn bei Gegenwart von Borax dreht er das polariſierte Licht nach links. Was die Mit- glieder der i-Reihe anbelangt, jo iſt ſchon vorher er— wähnt worden, daß zunächſt das i-Mannonſäure— lacton durch Vermiſchen gleicher Teile der optiſch entgegengeſetzten Lactone gebildet wird. Aus dieſem geſchieht die Darſtellung des zur i-Reihe gehörenden Zuckers ganz in derſelben Weiſe wie diejenige der L und d-Mannofe. Derſelbe ijt ein in Waſſer ſehr leicht löslicher Sirup, der in abſolutem Alkohol unlöslich iſt. Abgeſehen von ſeiner optiſchen Inaktivität zeigt er alle Eigenſchaften der l- und d-Mannoſe. Mit Phenylhydrazin entſteht wieder ein Oſazon von der Zuſammenſetzung CisHzzN 0g. Dasſelbe bildet feine gelbe Nadeln und ſchmilzt bei 217218. Die Löſung desſelben in Eiseſſig dreht das polariſierte Licht gar nicht. Das Glukoſazon iſt demnach iden— tijd) mit dem „ Acroſazon, deſſen Darſtellung ſchon S. 361 beſchrieben wurde. Es muß jedoch darauf hingewieſen werden, daß infolge deſſen „Aecroſe und i⸗Mannoſe nicht identiſch ſind. Beide ſind in ihrer Konſtitution total verſchieden, genau ſo wie Lävuloſe und Dextroſe. Die u Acroſe und die Lävuloſe ent- halten die CO -Gruppe CHa. OH- CH. OH);—CO—CH). OH - Acroſe oder Lävuloſe, während die i-Mannoſe und Dextroſe (ebenſo d- und LMannofe) durch die CHO-Gruppe charakteriſiert werden. CH,. OH—(CH.OH),—CHO 2 d- u. I-Mannoſe oder Dextroſe. Die 4 Acroſe iſt demnach optiſch inaktive Lävuloſe, — alſo i-Lävuloſe. Wie aus Lävuloſe und Dextroſe das gleiche Phenylglukoſazon entſteht, ebenſo müſſen die Oſazone aus „Acroſe und i-Mannit identiſch ſein. Das der i-Mannoſe entſprechende Hydrazon von der Zuſammenſetzung CyHygN.O; ſchmilzt bei 195° und iſt wie das Derivat der d- und IP-Mannoſe ſchwer 364 löslich in Waſſer und von dieſen nur durch den Polariſationsapparat zu unterſcheiden. Die Reduktion der i-Mannoſe zum Alkohol wird in derſelben Weiſe ausgeführt wie die S. 363 be⸗ ſchriebene Darſtellung des l⸗Mannits. Aus ſeiner kon⸗ zentrierten Löſung ſcheidet ſich der i-Mannit als harte, aus feinen Platten beſtehende Kryſtallmaſſe ab. Der⸗ ſelbe ſchmilzt 3° höher als derg ewöhnliche Mannit, bei 168°, und ijt zum Unterſchied von dem d= und L⸗Mannit optiſch völlig inaktiv. Auch die 4 Acroſe gibt bei der gleichen Behand⸗ lung mit Natriumamalgam einen mannitähnlichen Alkohol, den E. Fiſcherk) mit „ Acrit bezeichnete. Durch die vergleichende Prüfung hat ſich herausge⸗ ſtellt, daß der i-Mannit mit dem 3Acrit identiſch iſt. Es iſt das eigentlich nicht auffallend, wenn man bedenkt, daß beide Zucker zur iMethe gehören und daß bei der Reduktion in beiden Fällen derſelbe Al⸗ kohol entſtehen muß, wie Lävuloſe und Dextroſe denſelben Mannit liefern. CH. OH- (CH. OH)z - COH. OH -++ Hy azAcroje (-Lävuloſe) _ = CH,. OH—(CH.OH),—CHO + H i-Mannoje (Dextroſe) (d- und I⸗Mannoſe) = CH,).OH—(CH.OH),—CH,. OH Mannit. In allen Fällen entſteht Mannit mit derſelben chemiſchen Konſtitution, deren phyſikaliſche Iſomerie nur durch den Polariſationsapparat erkannt wird. Es wäre falſch, infolge der leichten Herſtellung der optiſch inaktiven Derivate der Mannitgruppe (⸗Mannitreihe) durch Vermiſchen der entgegengeſetzt optiſch aktiven Glieder den Schluß ziehen zu wollen, daß hier ein einfaches Gemenge vorläge, wobei die Eigenſchaften der einen Beſtandteile die der anderen verdeckte. Dafür iſt die Trennung eine zu ſchwierige. Zu den S. 363 erwähnten beſonderen Bedingungen, unter welchen eine ſolche erfolgt, gehören: 1. Kryſtalliſation der Salze; 2. partielle Vergärung durch Schimmelpilze. Von den Salzen der 1⸗Mannonſäure eignet ſich am beſten das Strychninſalz zur Trennung; denn das arabinkarbonſaure Strychnin kryſtalliſiert ſchon in der Siedhitze vollkommen aus, während die andere Komponente, das d-mannonſaure Salz, in Löſung bleibt. Durch Bierhefe wird die d-Mannoſe dagegen ſehr langſam vergoren). Infolge deſſen erfährt die i⸗Mannoſe eine partielle Vergärung, wobei LMannofe übrig bleibt. Für die Syntheſe der optiſch aktiven natürlichen Zuckerarten dieſer Gruppe (ſ. S. 361) ſind mithin zwei Methoden angezeigt: Partielle Vergärung der fyn- ) Ber. 22, S. 97. **) Siehe S. 363. Humboldt. — November 1890. thetiſchen inaktiven Zuckerart (2⸗Acroſe) durch Pilze oder Oxydation des i-Mannits zu i⸗Mannonſäure, deren Spaltung durch das Strychninſalz in die optiſch aktiven Komponenten und Reduktion der letz⸗ teren zu aktiven Zuckerarten. Beide Methoden find von E. Fifder*) mit Cre folg benutzt worden. Während Penicillium glaucum auf einer Löſung des Zuckers ſehr langſam wächſt und denſelben nur in unvollkommener Weiſe ver⸗ gärt, gelingt die Spaltung leicht mit Bierhefe. Geradeſo wie bei der i-Mannoſe wird auch hier ein Teil des inaktiven Zuckers (a⸗Acroſe), welcher der d⸗Reihe angehört, vergoren, während I-Lävuloſe zurückbleibt. Durch Phenylhydrazin wird daraus ein Oſazon in feinen gelben Nadeln erhalten, welches den gleichen Schmelzpunkt und genau dasſelbe optiſche Verhalten wie das zuvor beſchriebene I⸗Phenylgluko⸗ ſazon beſitzt. Da ferner, wie bekannt, die Oxydation des i-Man⸗ nits (identiſch mit dem ſynthetiſchen a⸗Aerit) in i-Man⸗ nonſäure und die Spaltung der letzteren in l-Mannon⸗ ſäure⸗ und Arabinoſekarbonſäurelacton mit Leichtigkeit von ftatten geht und aus den letzteren die zuge⸗ hörigen Zucker und Alkohole gewonnen werden können, ſo iſt damit die Syntheſe aller Körper der Mannit⸗ reihe realiſiert. Die folgende Tabelle gibt eine Ueberſicht über den Gang der Syntheſe, zu deren völligem Verſtändnis nur eine Erklärung der Reaktion notwendig iſt, wo⸗ nach ſich Oſazone in Oſone umwandeln. Daß ſich die Hydrazone leicht durch konzentrierte Salzſäure in den urſprünglichen Zucker unter Phenylhy⸗ drazinabſpaltung zerſetzen, wurde bereits bemerkt. In ähnlicher Weiſe zerſetzen ſich die Oſazone: e ee e — 2H,0 + 2H Cl | N | C,H; . NH NH . C,H; Phenylglukoſazon = CH,.OH—(CH . OH),—CO—COH Phenylglukoſon + 2 Mol. ſalzſaures Phenylhydrazin. Löſt man z. B. Phenylglukoſazon in konzentrierter Salzſäure auf, ſo ſcheidet ſich bald ſalzſaures Phenyl⸗ hydrazin ab und an die Stelle desſelben ſind 2 Atome Sauerſtoff getreten unter Bildung des Phenylgluko⸗ ſons. Dasſelbe bildet einen ſüßſchmeckenden Körper, der Fehlingſche Löſung ſtark reduziert. Die Oſone laſſen ſich leicht reduzieren und zwar am beſten durch Zinkſtaub und Eſſigſäure. Dabei lagern ſich 2 Atome Waſſerſtoff an die Aldehydgruppe, dieſelbe in die Alkoholgruppe reduzierend. Aus der urſprünglichen, zur Phenylglukoſazondarſtellung verwandten Dextroſe iſt durch dieſen Prozeß Lävuloſe entſtanden. Auf dieſe Weiſe laſſen ſich mit Hilfe der Oſone alle al⸗ dehydiſchen Zuckerarten in ſolche der ketonalkoholiſchen umwandeln. ; *) Ber. 23, S. 389. Humboldt. — November 1890. aUcroje (dargeſtellt aus Glyceroſe), i-Lavulofe durch Gärung mit durch Reduktion mit Natrium⸗ Blerhefe amalgam | | 1.Lävuloſe i-Mannit (a-Acrit) I-Phenylglukoſazon durch Oxydation * i⸗Mannoſe durch Oxydation ieMannonjaure durch Gärung mit Bierhefe ee der d⸗Mannonſäure | Reduktion Reduktion | | 1-Mannoje d-Mannofe ee ] 1-Mannit mit Phenylhydrazin d⸗Mannit oder | I⸗Mannonſäure (Arabinoſekarbonſäure) e e een Spaltung mit HCl abe hug Reduktion d-Lävuloſe Syntheſe des Traubenzuckers. Erſt vor einigen Wochen ijt es E. Fiſcher“) ge— lungen, die d-Mannonſäure in Glukonſäure und um— gekehrt zu verwandeln und infolge der dadurch er— möglichten Syntheſe des Traubenzuckers diejenige ſämtlicher zur Mannitgruppe gehörenden Zuckerarten (ſ. S. 364) zu vollenden. Die Glukonſäure ſteht zum Traubenzucker in der— ſelben Beziehung, wie die d-Mannonſäure zur d-Man⸗ noſe. Beide Säuren haben die Konſtitution: CH,.OH—(CH.OH),—COOH und werden durch Natriumamalgam in ihre Aldehyde, in die entſprechen— den Zuckerarten übergeführt. Erhitzt man d-Mannonſäurelacton mit der dop— pelten Menge Chinolin ca. 40 Minuten lang auf 140°, fo hat ſich infolge molekularer Umlagerung Glukonſäure gebildet; auf die gleiche Weiſe kann die Glukonſäure wieder in Mannonſäure zurückver— wandelt werden. Man kann alſo jetzt von Glycerin ausgehend zum ) Ber. 23, Heft 5. 365 Traubenzucker gelangen. Zwar iſt der Weg lang, doch wird das gewonnene Reſultat immerhin von Wichtigkeit für die theoretiſche Betrachtung des Aſſi— milationsprozeſſes ſein. Es erübrigt noch darauf hinzuweiſen, daß der Trauz benzucker und die d-Mannoſe bei derſelben chemiſchen Konſtitution auch gleiche optiſche Eigenſchaften be— ſitzen; beide find daher ſtereoiſomer. Ihre Ver— ſchiedenheit findet nur eine Erklärung bei Zugrunde— legung der Le Bel-vant-Hoffſchen Betrachtungsweiſe. Die Fähigkeit des lebenden Organismus, optiſch aktive Subſtanzen zu bereiten, welche niemals durch die chemiſche Syntheſe direkt erhalten werden, iſt eine merkwürdige Thatſache, die mit der Aufklärung des Aſſimilationsprozeſſes der Pflanzen, d. h. der Bereitung der Kohlehydrate in den grünen Blättern, im engſten Zuſammenhang ſteht. Wenn die Anſicht der Pflanzen— phyſiologen richtig iſt, daß die Kohlehydrate das alleinige kohlenſtoffhaltige Baumaterial für die üb— rigen chemiſchen Verbindungen der lebenden Welt bilden, ſo iſt es ſehr wahrſcheinlich, daß auch die optiſche Aktivität der Eiweißkörper und der daraus hervorgehenden Zerſetzungsprodukte durch dieſelben aktiven Atomgruppen, welche in der Dextroſe und ihren Verwandten enthalten ſind, hervorgerufen wird. Daß die Pflanze außer dem Traubenzucker und Frucht— zucker (d⸗Lävuloſe) auch die Zuckerarten der ⸗Mannit⸗ und i⸗Mannitreihe bereitet, dafür ſpricht jedenfalls die Thatſache, daß die Arabinoſe der 1-Mannitreihe angehört. Die letztere findet ſich allerdings in Ma— terialien (Gummi arabicum, Kirſchgummi), welche nur Auswurfſtoffe des Pflanzenkörpers zu ſein ſcheinen, aber es iſt ebenſo gut möglich, daß andere Zucker— arten derſelben Reihe gefunden werden, welche als Reſerveſtoffe für den pflanzlichen Organismus zur Verwertung kommen. Es ſcheint nicht unmöglich zu ſein, daß die Pflanze zunächſt, geradeſo wie die chemiſche Syntheſe, die Zuckerarten der inaktiven Reihe bereitet, daß ſie dann die letzteren ſpaltet und die Glieder der d-Mannitreihe als Traubenzucker, Fruchtzucker, Mannoſe zur Bereitung der Stärke und anderer Kohlehydrate benutzt, während die optiſch entgegengeſetzten Iſomeren für andere, uns noch un— bekannte, Zwecke dienen. Die Pflanzenſchutzbeſtrebungen in der Schweiz. Von Dr. Robert Keller in Winterthur. er irgend einem Florengebiete während längerer Zeit ſeine Aufmerkſamkeit ſchenkte, kann ſich der Thatſache kaum verſchließen, daß ſich im Verlaufe einiger Jahrzehnte, ja oftmals ſelbſt in kürzerer Zeit im Florenbeſtande eines Gebietes kleine Veränderun— gen vollziehen. Arten, die der Beobachter im Beginn ſeiner floriſtiſchen Thätigkeit als Seltenheiten kennen lernte, ſieht er allmählich in größerer Individuenzahl und weiterer Verbreitung auftreten. Sie werden nach einer relativ kurzen Spanne Zeit aus Fremd— lingen echte Bürger der Flora. Nur ein Beiſpiel. Vor etwa zehn Jahren war die ſpätblühende Gold— rute (Solidago serotina) in der nähern Umgebung Winterthurs kaum zu finden; heute deckt ſie zu Tau— ſenden an verſchiedenen Stellen die Ufer unſerer zwei kleinen Flüſſe. Häufiger aber als der Bu- wachs der Flora, welcher durch die Aſſimilation fremder Florenelemente, der fog. Adventivflora, be— 366 dingt wird, ift das Verſchwinden gewiſſer Arten oder jene hochgradige Verminderung, welche den völligen Untergang nur als eine Frage der Zeit erſcheinen läßt. Würde der berühmte Würzburger Anatom Kölliker, der, in ſeiner Jugend ein eifriger Botaniker, vor fünfzig Jahren ein Verzeichnis der phanero— gamiſchen Gewächſe des Kantons Zürich her— ausgab, heute ſeine Wanderungen in ſeiner engern Heimat wieder aufnehmen, er ſuchte umſonſt nach einer Reihe von Arten, die ſeiner Zeit zu den Zier⸗ den unſerer Züricheriſchen Flora gehörten. Den nicken⸗ den Milchſtern (Ornithogalum nutans), von dem er mehrere Winterthurer Standorte angibt, hat kein neuerer Botaniker hier wieder gefunden; der Frauen⸗ ſchuh (Cypripedium calceolus), auch heute noch im allgemeinen häufig in unſeren Bergwäldern, iſt an Stellen, die vor ein bis zwei Dezennien noch beliebte Weiden der Blumenfreunde waren, faſt völlig verſchwun⸗ den; Sagittaria sagittifolia, das Pfeilkraut, wird Zürich fremd ſein; die Waldtulpe (Tulipa silvestris) einſt herdenweiſe in Waldwieſen am Irchel bei Winter⸗ thur, ſuchen wir hier heute umſonſt; die Küchenſchelle (Anemone Pulsatilla), der willkommene Frühlings⸗ bote, der einſt zu Tauſenden die ſonnigen Hügel um Winterthur zierte, iſt wohl an den meiſten früheren Standorten auch heute noch zu finden, iſt aber eine Sel⸗ tenheit geworden. Oftmals wäre es faſt eine ſchwierige Aufgabe, auch nur einige Dutzend ihrer ſchönen Blüten zu ſammeln. Laſſen wir unſern Blick etwas weiter ſchweifen in die blumenreichen Matten unſerer Alpen. Wer ſeinen Fuß auf ſie ſetzt, glaubt Hut und Stock und Hand mit einem Edelweißſtrauß ſchmücken zu müſſen. Wer an ſie aufſchaut, kauft ſich das Wahrzeichen der Alpen, das ja korbweiſe an den Straßen des Fremden⸗ ſtromes, nicht hier und da, ſondern Ort für Ort feil⸗ geboten wird. So konnte eine Pflanze, die heute noch in vielen Alpen (Averſer Thal, Scopi ꝛc.), welche abſeits von den viel begangenen Modeſtraßen liegen, kaum ſpärlicher auftritt, als der Löwenzahn unſerer Thalwieſen, vielerorts zur Seltenheit werden. Cy⸗ clamen hederaefolium, von je eine Seltenheit in unſerem Gebiete, iſt wohl den ausſterbenden Pflanzen unſerer Flora zuzuzählen. Der getüpfelte Friedlos (Lysimachia punctata), einſt ein Glied der Ufer⸗ flora des Züricher Sees, iſt wohl kaum mehr ein Bürger der Schweizer Flora. — Doch genug der Beiſpiele! Wir fragen uns, wodurch wird das Schwinden oder Seltenerwerden der genannten und anderer Arten, die zum Teil wenigſtens einſt verbreitet und häufiger waren, bedingt? Wird doch die Erkenntnis der Ur⸗ ſache hiervon uns vielleicht auch Mittel und Wege zur Abhilfe erfinden laſſen. Das Leben der Art iſt nicht minder ein begrenz⸗ tes als das Leben des Individuums. Iſt alſo das Zurückgehen gewiſſer Arten in unſerem Floren⸗ gebiete die Einleitung des natürlichen Todes der Spezies, ihres Ausſterbens? Dieſe Vorſtellung iſt zurückzuweiſen. Denn die gleiche Pflanzenart, die bei uns auf dem Ausſterbeetat ſich befindet, gedeiht Humboldt. — November 1890. anderwärts unter den gleichen Lebensbedingungen oftmals in üppigſter Fülle. Der Begriff des Kampfes ums Daſein zwiſchen den Lebeweſen iſt uns ſo ſehr in Fleiſch und Blut übergegangen, daß wir das Wort nur ausſprechen müſſen, um für viele unſerer verehrten Leſer die befriedigende Erklärung der Erſcheinung gegeben zu haben. Wenn wir z. B. die Beobachtung machten, daß an einem kieſigen Eiſenbahndamm ein Habichts⸗ kraut (Hieracium florentium) vor etlichen Jahren in ziemlich großer Individuenzahl ſich fand, und heute der einjährige Schmalſtrahl (Stenactis annua) an der gleichen Stelle in Hunderten von Individuen ſeßhaft geworden iſt, während erſtere Pflanze ſozuſagen ver⸗ ſchwand, dann ſcheint mir allerdings im Kampf ums Daſein zwiſchen den zwei Arten die Urſache der ver⸗ änderten Situation zu liegen. Warum der Fremd⸗ ling ſiegreich aus dem Kampfe hervorging, iſt ſchwer zu ſagen, doch wahrſcheinlich iſt der Grund der, daß von einem nahen Holzſchlage aus, wo der Schmal⸗ ſtrahl auf eine Strecke hin zur herrſchenden Pflanze wurde, eine ungleich intenſivere Beſamung des Platzes erfolgen konnte als von den vorhandenen Individuen des Habichtskrautes. Doch dürfte in verhältnismäßig ſeltenen Fällen die Konkurrenz verſchiedener Spezies das Verdrängen der einen oder anderen Art aus dem Florenbezirke bewirken. Häufiger wird die Veränderung der Lebensbedingungen die Urſache hiervon ſein. Moderne Erfindungen im Vereine mit einem hoch⸗ gradig entwickelten Unternehmungsgeiſt haben jedem Lande ungeahnte Verkehrsadern geöffnet. Jedem einzelnen Menſchen ſind viele Konkurrenten entſtan⸗ den, die früher die Kreiſe ſeines Daſeins nicht be⸗ rührten. Damit ſind die Anforderungen an jeden Einzelnen erheblich geſteigert. Was iſt natürlicher, als daß der Menſch auch ſeine Anforderungen an die Natur höher ſchraubt, daß er ſie voll und ganz ſich nutzbar machen will? Kaum ein Fleckchen Erde, das ſeiner Kultur zugänglich ſein kann, liegt in unſeren Landen heute mehr brach. Der Lauf der Flüſſe wird reguliert; weite Sumpfgebiete, einſt das Eldorado der Botaniker, ſind entſumpft, und wo das Schilfrohr ſich wiegte und ihm zu Fuße ſeltene Cyperaceen ihr ver⸗ borgenes Daſein lebten, da beſtreicht heute der Wind ausgedehnte Getreidefelder. Die von ſtädtiſchen Ort⸗ ſchaften umſäumten Ufer verſchiedener unſerer Seen ſind einer eigentlichen Uferflora faſt bar geworden. Schroff iſt der Uebergang von Waſſer zu Kultur⸗ land. Da, wo der Züricher Botaniker einſt Acorus calamus, den Teichfaden (Zanichellia palustris), das Pfeilkraut, den Zungenhahnenfuß 2c. ſammelte, dehnen ſich heute in weiten Bogen prächtige Quaibauten, der beliebte Korſo der Fremdenſcharen, die Zürich be⸗ rühren, aus. So fallen viele Arten einer Lokalflora menſchlicher Kultur raſch zum Opfer. Dennoch iſt auch dieſe nicht immer der ſchlimmſte Feind der Pflanzen. Planloſes Sammeln der Liebhaber, welche ſchön⸗ blühende Pflanzen, ſelbſt wenn ſie nur beſchränkte Verbreitung haben, zu Sträußen binden, abſichtlich Humboldt. — November 1890. 367 oder ungewollt ſtatt die Blüte abzuſchneiden, die Stöcke ausreißen oder durch Zerren die in der Erde verborgene Knoſpe, die im kommenden Jahre ſich zur Pflanze entwickeln ſollte, tödlich verletzen, bringt viele Pflanzen dem Untergang nahe. Orchideen vorab er— liegen vielerorts dieſer Sammelwut, die einer momen⸗ tanen Befriedigung wegen ohne Bedenken das Daſein der Art gefährdet. Von planloſem, unvernünftigem Sammeln ſind vor allem aber viele Blumenverkäufer nicht freizuſprechen, deren ökonomiſches Intereſſe ſchon ein vorſichtiges Sammeln gebieten würde. Viele tauſend Edelweiß— ſtöckchen ſind ausgeriſſen worden, um die Blumen zu verkaufen, weil es bequemer war, die Pflanzen, welche wenig feſt im Boden wurzeln, abzureißen, als den Blumenſtengel abzuſchneiden. Die Thoren bedachten nicht, daß ſie momentaner Bequemlichkeit wegen ihren Erwerb ſich mehr und mehr erſchwerten, daß ſie ſich zwangen, ſtundenweit gefahrvollen Hängen entlang zu gehen, um ſich wieder in den Beſitz der Pflanze zu ſetzen, die fie einſt bequem auf den Alp— matten ſammelten. Denn wie hätte die natürliche Beſamung ſolchem Raubſyſtem des Sammelns das Gleichgewicht halten können, wo ſo unendlich viele ungünſtige Verhältniſſe der Pflanze den Kampf um die Exiſtenz erſchweren? Angeſichts der Thatſache, daß vielerorts im Kanton Graubünden das Edelweiß zur ſeltenen Pflanze wurde, hat ſich die Regierung dieſes Kantons vielleicht zur erſten offiziellen Schützerin, wenn nicht der wild— wachſenden Pflanzen überhaupt, ſo doch dieſer einen Pflanzenart aufgeworfen. Das Ausgraben eines Edelweißſtockes iſt im Gebiete des Kantons verboten worden. Die Blumenverkäufer, die nicht Edelweiß— blumen, ſondern Stöcke zu Sträußen gebunden ver- kaufen, ſehen empfindlicher Beſtrafung entgegen. Die Tauſende von Edelweißpflanzen, die aus dem En— gadin jährlich namentlich nach Amerika verſchickt wurden, blieben nunmehr den heimiſchen Matten er- halten. Vielleicht iſt ein ſolches abſolutes Ausfuhr⸗ verbot, ſofern es ſtrenge gehandhabt wird, zu weit gehend, aber doch fo lange gerechtfertigt, bis es die Leute zum vernünftigen Sammeln erzogen hat. Strenger noch ſind die Pflanzenſchutzbeſtimmungen einzelner Gemeinden. Aroſa, ein Bergdorf zu hinterſt im Schaefigg, vor einem Dezennium ſelbſt erholungs— bedürftigen Schweizern kaum mehr als dem Namen nach bekannt, heute auf dem beſten Wege, zum Kon— kurrenten des nahen Davos zu werden, verbietet das Ausgraben der Alpenpflanzen überhaupt. Die Be— ſtimmung folgte dem mehrfachen Beſuche eines be— kannten Gärtners, dürfte alſo mit deſſen emſiger Thätigkeit in urſächlichem Zuſammenhang ſtehen. Das Edelweißſchutzgeſetz Graubündens hat auch in der ebenen Schweiz Nachahmung zum Schutze ſel— tener Pflanzen gefunden, die leicht ein Opfer der Blumenliebhaberei werden könnten. Das dolden— blütige Wintergrün (Pirola umbellata), die ſchönſte Art ihres Geſchlechtes in unſerer heimiſchen Flora, hatte bis vor kurzem in der Schweiz nur einen Stand— ort, die Kieferwälder Andelfingens bei Winterthur. Was Wunder, wenn das in Blüte und Laub gleich anſprechende Pflänzchen zu manchem Strauß gebunden wurde. Daß es aber zur Hebung der Feſtſtimmung einer Forſtverſammlung zu Kränzen gewunden wurde, darf ſchon mehr überraſchen und ſpricht nicht für allzugroße Einſicht des Forſtperſonals, das ſonſt um die Exiſtenz eines Kiefer- oder Tannenſtämmchens ſo ängſtlich beſorgt iſt. Nun, das Uebermaß des Sam— melns hatte wenigſtens das Gute im Gefolge, daß das Ausgraben der Pflanze von den Gemeinde— behörden verboten wurde, um die Exiſtenz der weni— gen intakten Stellen auf weitere Jahre hinaus zu ſichern. N Wahre Pflanzenfreunde ſollten ſtets beſorgt ſein, daß dieſer Beſchluß auf andere ſeltene Pflanzen, die beſonders geeignet find, des Laien Aufmerkſamkeit zu erregen, angewandt recht vielerorts gefaßt würde. Eine ſinnige und geſchickte Hand vermag die gewöhn— lichſten Kinder Florens zum zierlichen Strauße zu binden. Warum alſo zu den Sonderheiten einer Flora greifen, ſie dem raſchen Tode weihen? Eine höhere Kategorie des Blumenfreundes iſt der meiſt etwas ſammelwütige Botanophile, der oft ein Anrecht hat, dem Kreiſe der Fachleute zugezählt zu werden. In dieſer Kategorie finden wir oft die größten Sünder. Der Laie möchte wohl denken, daß die Floriſten, die Botaniker, die berufenen Hüter der Pflanzenwelt wären, daß ſie mit ängſtlicher Sorge bedacht wären, die Seltenheiten ihrer Umgebung zu ſchützen, in ihren Dienſt ſich ſtellten, um ihnen den Kampf ums Daſein zu erleichtern. Nun müſſen wir, ſelbſt Botaniker, ihm ſagen, daß er zu gut von uns denkt, daß gerade die Botaniker, natürlich nicht alle, ganz beſonders die ſammelwütigen Botanophilen, den Niedergang vieler Seltenheiten der ihnen naheliegen— den Lokalfloren auf dem Gewiſſen haben. Wer ausgedehnteren Tauſchverkehr mit den Ver— einen unterhält, weiß, welche Anforderungen oftmals an den Sammler geſtellt werden. Hundert und mehr Individuen einer zügigen Art werden gefordert. Was gut abgeht, bietet man in reicher Zahl an. Wer um jeden Preis auf die Vergrößerung ſeines Herbars bedacht iſt, wird ſich allerdings kaum ein Gewiſſen daraus machen, ſeine Offertenliſte mit den Selten— heiten ſeiner Umgebung möglichſt zu ſpicken. So ſind denn die botaniſchen Tauſchvereine, ſo gute Dienſte ſie auch in mehrfacher Beziehung der Wiſſen— ſchaft leiſten, wenigſtens für die Verminderung jener Seltenheiten, die ihrer geringen Augenfälligkeit wegen von den ſträußebindenden Spaziergängern nicht beachtet werden, oftmals indirekt verantwortlich zu machen. Wie kann nun der vielen Arten drohenden Gefahr des Ausſterbens begegnet werden? Die Geſellſchaft für Pflanzenſchutz, die in Genf vor ſieben Jahren ge- gründet wurde und ſich heute auch der Unterſtützung des ſchweizeriſchen Alpenklubs erfreut, hat ſich die Aufgabe geſtellt, die Frage durch die That zu beant- worten. Sie geht in doppelter Weiſe vor. Für Alpenpflanzen iſt die Gefahr der Vernich— 368 Humboldt. — November 1890. tung, wie ſchon früher betont wurde, deshalb beſon⸗ ders groß, weil der Vermehrung jo große Schwierig⸗ keiten im Wege ſtehen. Wohl ſcheinen die generativen Lebensprozeſſe — Knoſpenbildung, Blüte, Frucht⸗ bildung — in kurze Friſten zuſammengedrängt. Kaum daß der „Schneefreſſer“, der Föhn, unterſtützt durch die wärmenden Strahlen der ſommerlichen Sonne, die Alp „aber“, ſchneefrei, gemacht hat, erſcheint auch ſchon das Grün der Matte mit bunten Blumen reich⸗ lich durchwirkt. Aus Felſenritzen und Löchern, den natürlichen Humusſammlern, lachen uns würzige Kräuter im ſchönſten Farbenſchmucke ihres Blüten⸗ kleides an. Doch ſchon die erſte Bedingung zur Er⸗ füllung des Zweckes ihres Daſeins geht vielen Blüten oft ab. Mögen auch mannigfaltige Inſektenarten die leichtbeſchwingten Liebesboten der Blumen ſein, es iſt kein „Heer“, wie es ſich in den Wieſen des Thales, auf den Heiden tummelt. Raſtlos mögen ſie Blume um Blume beſuchen, ihre Zahl iſt zu klein, um überall, wo ſie geladen ſind, vorzuſprechen. Wenn aber erſt Nebel und rauhe Lüfte die Zeit ihrer Ar⸗ beit ihnen verkürzen, dann wird ein großer Teil der Blumen umſonſt geblüht haben. Die natürliche Be⸗ ſamung, dieſe Hauptbedingung für die ungeſtörte Er⸗ haltung der Art, wird durch die klimatiſchen Lebens⸗ bedingungen in hohem Maße erſchwert. Die Pflanzenſchutzgeſellſchaft hat nun in Genf einen Garten angelegt, der ausſchließlich der Kultur der Alpenpflanzen gewidmet iſt. Botanikern und Liebhabern werden dieſelben käuflich abgegeben. Man trägt ſich dabei mit der Hoffnung, daß dieſe die be⸗ queme Art des Pflanzenbezuges aus dem Garten der immer mit Mühe verbundenen „Verwüſtung“ der Alpenmatten vorziehen. „Dieſer Garten,“ heißt es in einem Berichte von St. de Varigny, „hat in der That viele Sammler bekehrt. Sie wenden ſich jetzt an ihn und ſind ſicher, alles, was ſie nötig haben, zu billigem Preiſe zu erhalten. Die meiſten der hier befindlichen Pflanzen wurden aus Samen gezogen. Der Garten verkauft Samen und Pflanzen und wid⸗ met ſich vorzüglich der Kultur der Flora unſerer Hoch⸗ alpen, ſowie der Flora des Himalaya und der Anden.“ Die verſchiedenen im Genfer Garten kultivierten Arten ſtehen natürlich unter phyſikaliſchen Bedin⸗ gungen, welche von denen ihrer natürlichen Stand⸗ orte in mehrfacher Hinſicht verſchieden ſind. Daß daher die entſtehenden Individuen von den Individuen der natürlichen Standorte mehr oder weniger ab⸗ weichen, kann nicht überraſchen. Vom wiſſenſchaft⸗ lichen Standpunkte aus iſt es zweifelsohne nicht das kleinſte Verdienſt des Genfer Gartens, daß ſo an vielen Arten der Einfluß veränderter Lebensbedin⸗ gungen auf die Pflanze beſtimmt werden kann. Muß aber nicht die Abänderung der kultivierten Art den Wert, die Bedeutung des Gartens in Hin⸗ ſicht auf den Pflanzenſchutz erheblich vermindern? Wird eben nicht nach wie vor das Beſtreben walten, die Pflanze in der Geſtalt zu erwerben, welche ihr an ihren natürlichen Standorten eigen iſt? Sofern die Pflanze zum Zwecke der Kultur in Gärten oder in Töpfen verkauft wird, iſt die Abänderung der Art ohne Nachteil. Im Beſitze des Liebhabers vollzöge ſich dieſelbe auch an den aus den natürlichen Stand- orten ſtammenden Individuen, welche ihm ein Pflanzen⸗ händler lieferte, in gleicher Weiſe. Ein Nachteil aber iſt ſie da, wo die Alpenpflanze dem Herbarium ein⸗ verleibt werden ſoll. Wir machen dabei die aller⸗ dings durchaus nicht immer zutreffende Vorausſetzung, daß das Herbar nicht ein Aequivalent einer Brief⸗ markenſammlung ſei. Wir denken an das Herbar, das die notwendige Hilfsquelle ernſter Forſchung dar⸗ ſtellt. Will ihm der Botaniker z. B. gerade die Be⸗ lege des Einfluſſes veränderter Lebensbedingungen auf die Pflanzengeſtalt einverleiben, dann wird er nie auf die vom natürlichen Standorte ſtammenden Individuen verzichten können. Baut ſich auf das Herbariummaterial die monographiſche Darſtellung einer Pflanzengruppe auf, dann wird dieſe eben auch in erſter Linie auf den ſpontanen Arten fußen und nur, wo es nicht anders angeht, auf die kultivierten zurückgreifen. Die Pflanzenſchutzgeſellſchaft anerkennt die Not⸗ wendigkeit der Erwerbung alpiner Pflanzen von natür⸗ lichem Ausſehen unumwunden an. Daher die Anlage alpiner Gärten, welche auch dem Genfer Garten die Samen liefern. Einer derſelben, der erſte, der ge⸗ gründet wurde, die Linnaea, befindet ſich am großen St. Bernhard. So richtet alſo die Pflanzenſchutz⸗ geſellſchaft ihr Augenmerk in erſter Linie auf den Schutz der Flora unſerer Alpen und ſie wird, mit hin⸗ reichenden Mitteln ausgeſtattet, ihr Ziel wohl erreichen, zumal wenn ſie dabei die Korrektur des Sammelns durch Pflanzenhändler beabſichtigt. Indirekt wirken aber ihre Beſtrebungen zweifellos weiter; denn in aus⸗ gedehnteſte Kreiſe wird durch die Pflanzenſchutzvereini⸗ gung die Idee der Notwendigkeit des Pflanzenſchutzes gegen leichtfertige gedankenloſe Gefährdung übertragen. Von beſonderer Bedeutung nicht nur für die alpine Flora, ſondern namentlich auch für einen der intereſſanteſten Teile der ſchweizeriſchen Thalflora wurde ein Beſchluß des Großrates des Kantons Wallis, der indirekt den Beſtrebungen der Genfer Pflanzenſchutzgeſellſchaft ſeine Entſtehung verdankt. Dr. Beck regte die Gründung verſchiedener botaniſcher Gärten an, in welchen möglichſt unter ihren natür⸗ lichen Lebensbedingungen die intereſſanten Arten der heimiſchen Flora, und Wallis zählt bekanntlich deren viele, kultiviert werden ſollten. Der große Rat be⸗ ſchloß die Schöpfung dreier botaniſcher Stationen, die der Obhut der Walliſer naturwiſſenſchaftlichen Ge⸗ ſellſchaft (la Murithienne) übergeben wurden. Der eine dieſer botaniſchen Schutzgärten kam nach Zermatt. Welch bedeutende Ausdehnung er in den wenigen Jahren ſeines Beſtehens genommen hat, zeigt am beſten die Liſte der dort kultivierten Arten, welche im neue⸗ ſten Heft der Société Murithienne aufgeführt find. Ueber 500 Arten, darunter alle Seltenheiten der Walliſer Alpen und zahlreiche kritiſche Formen, um⸗ faſſen die Zermatter Schutzkulturen. Weniger umfangreich iſt die Station auf dem Humboldt. — November 1890. großen St. Bernhard. Doch aud) fie zählt nahezu 100 größtenteils hochalpine Arten. Die Flora der Walliſer Ebene iſt im botaniſchen Garten von Sitten vereinigt. Anderer Art ſind die Pflanzenſchutzbeſtimmungen im Kanton Freiburg. Eine Reihe freiburgiſcher Berg— und Alpwieſenbeſitzer haben ſich zu einer Geſellſchaft vereinigt, welche das Pflanzenſammeln auf ihrem Ge— biete unterſagt. Die Regierung ihrerſeits verbietet das Sammeln von Edelweißſtöcken auf den dem Staate gehörigen Alpen. Auch im Jura hat maßloſes Sammeln durch Gärtner und Botaniker ein Verbot hervorgerufen. Dem duftenden farbenprächtigen Blumenbeet eines Gartens glichen einſt im Frühling die Juraabhänge. Unter dieſen that ſich allen zuvor die den Botanikern wohl— bekannte Ravellenfluh. Die zweiblätterige Meerzwiebel (Scilla bifolia), Enzian, Aurikel, das „Flueblümli“ des Volkes, der Alpenkellerhals und ſeine herrlich duftende Baſe (Daphne eneorum) blühten dort im Vereine mit dem fo ſeltenen Felſenbauernſenf (Iberis saxatilis). Mehr und mehr ſchwand dieſe herrliche Flora zum Teil als ein Opfer der Wiſſenſchaft, um wohl in mancher Sammlung, die jugendlicher Enthuſiasmus anlegte, aber nicht weiterführte, dem Fraße von Käferlarven anheimzufallen, zum größeren Teile ein Opfer gärt— neriſcher Ausbeutung. Heute iſt das Balsthal ver— botenes Gebiet. Im Juni 1885 beſchloß die verſammelte Einwohnerſchaft, daß im Gemeindebann Balsthal kein Gärtner noch Botaniker die charakteriſtiſchen Jura— pflanzen ſammeln dürfe. Sie ging weiter und ver— bot den Einwohnern der Thalſchaft das Pflücken der Blüten dieſer Pflanzen. Auch außerhalb der Grenzen der Schweiz machen ſich die Pflanzenſchutzbeſtrebungen geltend. Nach dem Vorbilde der Genfer Geſellſchaft arbeitet die Sellborne Society in England. Nach Art religiöſer Genoſſenſchaften verteilt jie Traktätchen, in denen ſie zum Schutze der Pflanzen ermahnt. In Frankreich ſcheinen jene ſchweizeriſchen Bei— ſpiele nachgeahmt zu werden, welche das Sammeln 369 beſtimmter Arten verbieten und nicht bloß von den— ſelben abmahnen. So iſt durch den Präfekten von Savoyen das Sammeln der Erdſcheibe (Cyclamen) verboten. Wohl iſt zur Stunde Cyelamen europaeum keine ſeltene Pflanze. Aber ihre Schönheit iſt des Schutzes wert. Und welche Laien ſchonten das ſeltene Cyclamen hederaefolium der ſavoiſchen Standorte, wenn das Verbot nicht allgemein gehalten wäre? Die Sektion der Seealpen des C. A. F. geht mit dem Plane um, in den Seealpen einen botaniſchen Garten nach dem Vorbilde jenes von Bourg-St. Pierre an- zulegen. Aehnliche Beſtrebungen machen ſich in der Dauphins und dem Departement du Var geltend. In Tirol iſt der gelbe Enzian (Gentiana lutea) zum Gegenſtande beſonderen Schutzes gemacht worden. Einſt im ganzen Alpengebiete eine gemeine Pflanzen— art, iſt ſie in gewiſſen Gebieten faſt verſchwunden, um des Gläschens Enzian willen. Die Schutzmaß— regel iſt allerdings nur eine halbe. Dürfen doch Pflanzen mit Wurzeln von 2 em Durchmeſſer, d. h. Pflanzen, die Samen getragen haben, geſammelt werden. Fördernd wird namentlich auch die Schule ein- greifen können, indem fie vom nutzloſen Sammeln ab- hält. Eine wichtige Rolle wird aber auch den Tauſch— vereinen zufallen. Das wiſſenſchaftliche Sammeln wird auch der Pflanzenſchutzenthuſiaſt nicht hindern wollen, vernünftigen Schutzbeſtrebungen ſind umge— kehrt die wiſſenſchaftlichen Sammler nicht abhold. Auch die Tauſchvereine werden ſich in ihren Dienſt ſtellen. Schränken ſie das Sammeln von Orchideen ꝛc. mit Knollen, von Zwiebelgewächſen mit Zwiebeln möglichſt ein, dann iſt ſchon viel gewonnen. Sorgen aber vor allem die Mitglieder der Tauſchvereine ihrer— ſeits dafür, daß der Vermehrung der ſeltenen Arten ihrer Florengebiete möglichſt wenige Hinderniſſe begeg— nen, daß da, wo durch menſchliche Eingriffe ein Stand— ort für die Pflanze ungeeignet wird, ſie ihrem Schickſal nicht ſchutzlos preisgegeben iſt, ſondern an paſſendere Stelle verſetzt wird, dann erſt werden die Beſtrebungen der Pflanzenſchutzgeſellſchaft vollkommen erreicht werden. Ueber den Bau und die Entwickelung der Siphonophoren. Profeſſor Dr. H. E. Siegler in Freiburg i. B. n iſt der Körper eines Cölenteraten im weſentlichen ein Schlauch, an deſſen Vorderende die Mundöffnung liegt und deſſen Wandung aus zwei Zellenſchichten, dem Ektoderm und dem Entoderm be— ſteht. Bei dieſer einfachen Organiſation iſt es be— greiflich, daß leicht Knoſpung eintreten kann, indem die Wand des Schlauches an irgend einer Stelle eine Ausbauchung und Ausſtülpung bildet, an deren Spitze dann eine Mundöffnung entſteht. Wenn in dieſer Weiſe an dem urſprünglichen Individuum zahlreiche neue Individuen hervorknoſpen und dieſe ihrerſeits wiederum Knoſpen treiben, ſo entſtehen „Stöcke“, das heißt Kolonien zahlreicher zuſammenhängender Indi— viduen; ich erinnere an die bekannten großen Stöcke Humboldt 1890. der Korallen und an die zierlichen kleinen Stöcke der Hydroidpolypen. Es iſt klar, daß in einem ſolchen Stocke (Cormus) die innere Höhlung jedes geknoſpten Individuums mit der inneren Höhlung ſeines Mut— tertieres in Verbindung ſteht, daß folglich die Er— nährungsflüſſigkeit allen Individuen ſozuſagen gemein— ſam iſt, und daß die in einem Individuum aufge— nommene Nahrung allen Individuen des Stockes zufließen kann. Daher kann unter den Individuen eines Stockes eine Arbeitsteilung eintreten, infolge deren einzelne Individuen des Stockes keine Nahrung aufnehmen und um ſo mehr irgend einer anderen Funktion des tieriſchen Organismus obliegen; es kanu zu einer morphologiſchen Verſchiedenheit der Indivi— 47 370 duen kommen, fo daß dieſelben teils für die Nah⸗ rungsaufnahme, teils für andere Funktionen, für die Fortpflanzung, für den Schutz oder für die Bewegung des Stockes in der Organiſation angepaßt ſind. Dieſe intereſſante Erſcheinung der Differenzierung der Individuen (der ſog. Polymorphismus) zeigt ſich unter den Cölenteraten ſchon bei den Hydroidpolypen, inſofern bei dieſen außer den Nährindividuen (Hy⸗ dranten) auch quallenförmige Geſchlechtsindividuen, mundloſe Geſchlechtsindividuenträger (Blaſtoſtyle) und mundloſe, mit Neſſelkapſeln beſetzte Verteidigungs⸗ individuen (Spiralzooide) vorkommen; aber fie ſpielt eine weit größere Rolle bei den Siphonopho ren;). Die Siphonophoren ſtellen freiſchwimmende ) Tierſtöcke dar. An einem Stock unterſcheidet man folgende Teile (Fig. 4); zunächſt den Hauptſtamm, welcher die Achſe des ganzen Stockes bildet, und ferner die dem Stamme aufſitzenden Stücke, nämlich: die der Ernährung dienenden Freßindividuen oder Nähr⸗ polypen, die zum Fang von Beutetieren verwendeten mit Neſſelbatterien verſehenen Fangfäden, die poly⸗ penähnlichen, aber mundloſen, häufig mit Neſſel⸗ kapſeln verſehenen Taſter, die zum Schutze der an⸗ deren Teile dienenden Deckſtücke, die quallenförmigen Geſchlechtsindividuen, und ſchließlich die meiſt oben am Hauptſtamm anſitzenden und zur Bewegung des Stockes dienenden quallenähnlichen Schwimmglocken; dazu kommt bei der einen Abteilung der Siphono- phoren, bei den Pneumatophoriden, der Luftſack, das Pneumatophor, welches am oberen Ende des Haupt⸗ ſtammes ſich befindet und den Stock trägt. Es ſollen hier nicht die verſchiedenen Formen der Siphonophorenſtöcke beſprochen werden, welche man ja aus jedem Lehrbuche der Zoologie erſehen kann, ſondern es mögen nur die Fragen uns beſchäftigen, ob alle die obengenannten Teile des Stockes als In⸗ dividuen aufzufaſſen ſind und wie der Stock aus den verſchiedenen Individuen ſich aufbaut. In dieſer Hin⸗ ſicht iſt aber die Entwickelungsgeſchichte des Si⸗ *) Indem ich die Siphonophorenſtöcke nach Analogie der Hydroidenſtöcke auffaſſe, ſtehe ich auf dem Boden der Darlegungen von Leuckart, Vogt, Gegenbaur, Claus und Chun. Im Gegenſatze zu dieſen will die von Bal⸗ four begründete und neuerdings von Häckel ausgebaute Meduſomtheorie den Siphonophorenſtock als eine Medu— ſenkolonie anſehen; um alle Teile des Siphonophorenſtockes auf Meduſen oder Teile von Meduſen zurückführen zu können, um z. B. die Nährpolypen als Magenſtile (Manu- brium) von Meduſen, die Fangfäden als Randtentakel von Meduſen anſehen zu können, muß Häckel eine ſehr weit⸗ gehende Anwendung des Prinzips der Dislokation oder Ortsverſchiebung der Organe machen und daher iſt mir die ältere Theorie als die einfachere und natürlichere er⸗ ſchienen. Die Darlegung der Anſichten Häckels findet man in Nr. 12 oder Nr. 13 des untenſtehenden Littera⸗ turverzeichniſſes; eine Modifikation der Häckelſchen Theorie gibt das Lehrbuch von Hatſchek (Lehrbuch der Zoologie Jena 1889) und eine Bekämpfung der Häckelſchen An⸗ ſichten enthält die Schrift Nr. 23 von Claus. ) Wie die meiſten pelagiſchen Tiere ſind ſie faſt voll⸗ ſtändig farblos und durchſichtig. Humboldt. — November 1890. phonophorenſtockes von grundlegender Bedeutung und wir haben uns daher vorzüglich mit dieſer zu befaſſen. Zuerſt wollen wir die Entwickelung bei den Pneu⸗ matophoriden (Luftſackträgern) anſehen; unter die⸗ ſem Namen faſſe ich alle diejenigen Formen zuſammen, welche einen Luftſack (Pneumatophor) beſitzen ). Nachdem die befruchtete Eizelle durch die Furchung in viele Zellen zerfallen iſt und ſo ein ſolider Zellen⸗ haufen („Morula“) entſtand, ſonderen fic) die äußeren Zellen von den inneren und ſchließen ſich zu einem Epithel zuſammen, welches das äußere Keimblatt (das Ektoderm) darſtellt, während die inneren Zellen das innere Keimblatt (das Entoderm) repräſentieren. Die Ektodermzellen entwickeln Cilien und es entſteht eine freiſchwimmende kugelige oder eiförmige Larve; es iſt eine ſogenannte Planula⸗Larve, wie ſie nicht allein bei den Siphonophoren, ſondern auch bei allen an⸗ deren Cölenteraten auftritt. Fig. 1. Cystalia monogastrica Héicke?. Fig. I. Planula; außen bewimpertes Ektoderm, innen großzelliges Entoderm; vorn eine Einſtülpung des Ektoderms, die Anlage des Pneumatophors. Fig. II. Etwas ältere Larve. Im Entoderm hat ſich der Gaſtralraum gebildet, und am hinteren Pol der Larve iſt die Mundöffnung zu ſehen; der Fangfaden des pri⸗ mären Polypen ijt entwickelt; das am vorderen Ende der Larve gelegene Pneumatophor enthält eine Luftblaſe. (Nach Häckel, Challenger-Siphonophoren.) Ein einfaches Beiſpiel für die Umwandlung der Planula in den Siphonophorenſtock bietet die von Häckel beſchriebene Entwickelung der Cystalia monogastrica Hächel aus der Familie der Cysta- lidae. Siehe Fig. 1 und 2. An dem vorderen Pol der Planula tritt eine zapfenförmige Einſtülpung des Ektoderms auf; die⸗ ſelbe hölt ſich bald aus und es bildet ſich in der⸗ ſelben eine Gasblaſe; ſo entſteht daraus der Luftſack, das Pneumatophor; wie dieſes theoretiſch aufzufaſſen ſei, darüber wird unten geſprochen werden. Indem ) Ich teile die Siphonophoren ein in I. Pneumato⸗ phoriden, II. Calicophoriden. — Die mit einem Pneumato⸗ phor verſehenen Siphonophoren pflegt man häufig unter dem Namen Phyſophoriden zuſammenzufaſſen; da dieſe Be⸗ zeichnung aber auch für eine Familie im Gebrauch iſt, ziehe ich es vor, in dieſem Sinne den außerordentlich naheliegen⸗ den Namen Pneumatophoriden zu verwenden. Dieſe Abtei⸗ lung der Siphonophoren enthält die Häckelſchen Ordnungen der Phyſonekten, Auronekten, Cyſtonekten und Disconekten und beſteht aus folgenden Familien: Circalidae, Physo- phoridae, Agalmidae, Apolemidae, Forskalidae, Athory- bidae, Athoridae, Rodalidae, Cystalidae, Rhizophysidae, Salacidae, Physalidae; Discalidae, Porpitidae, Velellidae. Humboldt. — November 1890. 371 die Entodermzellen in der Mitte der Larve ausein— ander weichen und ſich unter fortwährender Teilung zu einem Epithel ordnen, entſteht die Gaſtralhöhle (Verdauungshöhle) des primären Polypen und bildet ſich deren entodermales Epithel; die Mundöffnung bricht an der Stelle durch, welche dem Hinterende der Planula entſpricht; da nicht allein bei den Siphonophoren, ſondern bei allen Cölenteraten die Mundöffnung des erſten Individuums am Hinterende der Planula auftritt, ſo muß unbeſtreitbar der ent— ſtandene Nährpolyp morphologiſch als das erſte In— dividuum aufgefaßt werden und kann das Pneuma— tophor (wenn es überhaupt als Individuum gedacht wird) trotz der frühen Entſtehung nicht für das erſte Individuum erklärt werden. Fig. 2. Cystalia monogastrica Hécke?, junge Kolonie. Oben das Pneumatophor, darunter ein Kranz von Taſtern; neben dem erſten Polypen der zugehörige Fangfaden. Nach Häckel, Challenger: Siphonophoren.) Unterhalb des Pneumatophors ſproßt an dem primären Polypen ein Fangfaden hervor, welcher bald reichliche Seitenzweigchen treibt; es iſt fraglich, ob man den Fangfaden, welcher bei allen Siphono— phoren an den Nährpolypen fic) entwickelt, als ein geſproßtes Individuum oder einfach als ein Organ des Nährpolypen betrachten will“). Unmittelbar ) In letzterem Sinne kann der Fangfaden entweder als ein langer Tentakel oder als ein langes Cnidophor auf— gefaßt werden; wie ſich nämlich bei manchen Hydroid— polypen (3. B. Eudendrium racemosum) an der Baſis des Köpfchens ein Kranz von Neſſelkapſelzellen (Neſſelwulſt) befindet, und an einer Stelle aus demſelben ein mit Neſſel— kapſeln beſetzter tentakelähnlicher Auswuchs das „Cnido— phor“ hervorwächſt (Weismann Nr. Sa), ſo trifft man bei den Siphonophoren an der Baſis des Nährpolypen ein Polſter von Neſſelkapſelzellen, aus dem der Neſſel— batterien tragende Fangfaden entſpringt; da der letztere die Funktion, welche bei den Hydroiden den Tentakeln zu— kommt, in viel wirkſamerer Weiſe erfüllt, konnten die Tentakeln in Wegfall kommen. oberhalb des Tentakels erſcheint eine Reihe von Taſtern, welche ſozuſagen in einem Kranz rings um den Polypen angeordnet ſind; man wird ohne Be— denken dieſe Taſter als mundloſe Individuen auf— fajjen*). Unterhalb der Taſter tritt eine Knoſpe auf, welche ebenfalls ein mundloſes Individuum, einen kleinen Taſter liefert, an deſſen Stil aber dann neue ebenſolche Individuen hervorknoſpen; an den letzteren entwickeln ſich ſeitlich die Geſchlechtsindividuen (Go— nophoren) und zwar jeweils ein weibliches und mehrere männliche; man erhält alſo das Bild eines kleinen Bäumchens („Gonodendron“) deſſen Aeſte am Ende jeweils in einen kleinen Taſter eee * Die Gonophoren haben den Bau von Quallen (Me— duſen), löſen ſich aber nicht von dem Stocke ab; ſie bringen in der Wand des Magenſtils Samen oder Eier zur Reife“). Nachdem wir ſo die Entwickelung eines relativ einfach gebauten Pneumatophoridenſtockes verfolgten, welcher an dem Stamm nur den einzigen primären Polypen mit Fangfaden und ferner einige Taſter und das Gonodendron trägt, kann man die Organi— ſation aller übrigen Pneumatophoriden ohne Schwie— rigkeit von dieſem einfachen Typus ableiten. Wenn das Pneumatophor ſich zu einer großen Blaſe erweitert und an der Unterſeite derſelben zahl— reiche neue Individuengruppen hervorſproſſen, die je— weils aus einem Nährpolypen mit Fangfaden, einem Den Taſtern der Siphonophoren entſprechen mund— loſe Individuen der Hydroiden, wie jie als „Spiralzooide“ bei Podocoryna und Hydractinia, als, mouthless zooids* bei Millepora und Stylafteriden, als „Nematophoren“ bei Plumulariden beſchrieben ſind. — Die Taſter der Siphonophoren dienen vorzugsweiſe den Taſt- und anderen Sinnesfunktionen; bei vielen Arten beſitzen ſie Augen— flecken. Häufig ſind ſie auch für die Verteidigung von Wichtigkeit und tragen Neſſelkapſeln an der Spitze. Wie an der Baſis des Nährpolypen in der Regel ein Fang⸗ faden anſitzt, ſo befindet ſich an der Baſis des Taſters häufig ein ähnliches Gebilde, der jog. Taſtfaden (Palpakel). ) Dieſe kleinen Taſter mit ihren Stilen find na- türlich wie die großen Taſter als mundloſe Individuen aufzufaſſen. Auch bei den Hydroiden pflegen diejenigen Individuen, an welchen die Geſchlechtsindividuen (Gono— phoren) knoſpen, die ſog. Blaſtoſtyle, in der Regel mundlos zu ſein. ) Die Siphonophoren ſchließen fic) hinſichtlich des Baues der meduſenförmigen Geſchlechtsindividuen ſehr eng an die Hydroiden an; insbeſondere iſt hervorzuheben, daß bei den Siphonophoren wie bei den Hydroiden die Geſchlechts— individuen bei manchen Genera ſich vom Stocke ablöſen und freiſchwimmend werden (3. B. unter den Siphono- phoren bei den Velellidae), bei den meiſten Genera aber feſtſitzend bleiben und eine mehr oder weniger weitgehende Rückbildung des meduſoiden Baues erfahren. — Auch hin— ſichtlich der Entſtehungsweiſe der Genitalzellen, insbeſon— dere in Bezug auf die erfolgte Verlegung der Keimſtätte und die ſtattfindende Wanderung der Genitalzellen ſtimmen die daraufhin unterſuchten Siphonophoren mit Hydroiden überein, wie Weismann in ſeinem Werke über den Ur— ſprung der Geſchlechtszellen bei den Hydroiden (Nr. 8) eingehend gezeigt hat. 372 Humboldt. — November 1890. oder mehreren Taſtern und einem Gonophorenträub⸗ chen (Gonodendron) beſtehen, jo erhält man den Bau der Phyſaliden; in dieſe Familie gehört die bekannte Gattung Physalia; ein junger Stock aus einer ver⸗ wandten Gattung iſt in Fig. 3 dargeſtellt und man erkennt deutlich den primären Polypen und drei neue Individuengruppen („Cormidien“). Die Familien der Agalmiden, Apolemiden, Fors⸗ kaliden und Phyſophoriden zeigen einen Bau des Stockes, welchen man ſich von einer derartigen Larve, wie wir ſie bei Cystalia geſehen haben, in folgender Weiſe ableiten kann; derjenige Teil der Larve, welcher zwiſchen dem Pneumatophor und dem primären Po⸗ lypen gelegen iſt und den man als Stil des pri⸗ mären Polypen bezeichnen könnte, verlängert ſich enorm und bildet den Stamm des Stockes; ſtets findet man am unteren Ende des Stammes den primären Polypen mit ſeinem Fang⸗ faden; neben demſelben können noch ein Dafter, fer- nev eine oder mehrere Deck⸗ ſchuppen *) und ein Gono⸗ phorenträub⸗ it chen (Gono- Line Algnhote enn ene wee —“Y) dendron) ent⸗ bloße e ee e e 2 ſproſſen; dieſe din peer mit fe een 0 Teile bilden aus einem Nährpolypen mit Fangfaden und 9 einem Taſter beſtehen. Die Gonophorenträubchen entwickeln ſich erſt, wenn der Stock etwas älter wird. (Nach Häckel, dann die erſte Challenger⸗Siphonophoren.) und älteſte Individuengruppe (Cormidium); am Stamme auf⸗ wärts gehend findet man ſucceſſive jüngere Individuen⸗ gruppen (Cormidien), welche aus denſelben Teilen ) Die bei vielen, aber nicht bei allen Siphonophoren auftretende Deckſchuppe (Braktee) iſt immer durch enorme Entwickelung der zwiſchen Ektoderm und Entoderm be⸗ findlichen Gallerte und durch die Tendenz zu flächenhafter Ausbreitung gekennzeichnet; aber die Gebilde, welche dieſen Namen tragen, ſind wahrſcheinlich nicht überall morpho⸗ logiſch dasſelbe. Manchmal (z. B. bei den Athorybiden) beſitzen ſie eine kleine Glockenhöhle und vier Radiärkanäle, ſind alſo offenbar Meduſen; manchmal enthalten ſie nur einen oder mehrere einfache Fortſätze der Gaſtralhöhle, ſind an der Spitze mit Neſſelkapſeln beſetzt und können wohl eher als verbreiterte Taſter denn als reduzierte Meduſen aufgefaßt werden (3. B. bet Halistemma); in manchen an⸗ deren Fällen ſcheint es möglich, daß ſie einfach durch baſale Verbreiterung des Polypen oder der erſten Qualle entſtanden ſind und demnach nicht den morphologiſchen Wert von Individuen haben (3. B. bei den Eudoxien). beſtehen wie die älteſte Gruppen). Der oberſte Teil des Stammes aber bildet die ſogenannte Schwimm⸗ ſäule; an dieſer ſproſſen die Schwimmglocken hervor, meduſenförmige Indi⸗ viduen, welche die Be⸗ wegung des Stockes be⸗ dingen. Fig. 4 zeigt eine ſchematiſierte Ab⸗ bildung einer Agal⸗ mide**), an der man das Pneumatophor, die Schwimmſäule mit den Schwimmglocken und drei Individuengruppen bemerkt; von den Deck⸗ ſchuppen ſind nur we⸗ nige gezeichnet, weil ſie ſonſt die anderen Teile zu ſehr verhüllen würden. *) Die Individuen⸗ gruppen pflegen an dem Stamm auf einer Seite hervorzuſproſſen, die man als Ventralſeite bezeichnet; da aber der Stamm eine Torſion oder ſpiralige Drehung erfährt, ſtehen fie nach allen Seiten. — Bei der Familie der Phy⸗ ſophoriden hat der unter⸗ halb der Schwimmſäule gelegene Stammteil eine geringe Länge und große Breite und iſt in eine kurze Spirale gewunden, ſo daß es auf den erſten Blick den Anſchein gibt, als wären Fig. 4. Halbſchematiſche Darſtellung eines Agalmidenſtockes. pn Pneumatophor, se Schwimmglocken, welche in zweizeiliger Anordnung an dem oberen Teile des Stammes anſitzen Schwimm: jaule); die oberſten Schwimmglocken ſind die jüngſten. An dem unteren Teil des Stammes ſind drei Individuengruppen von verſchiedenem Alter dargeſtellt; die unterſte ijt die älteſte und enthalt den primären Nährpolypen PI; jede Individuengruppe (Cormidium) beſteht aus einem Nährpoly⸗ pen mit Fangfaden, einem Taſter t, einer männlichen und einer weiblichen Gono⸗ phorentraube und zahlreichen Deckſtücken d. Die Abbildung iſt ſchematiſiert nach der von Häckel (Rr. 13) gegebenen Zeichnung der im Atlantiſchen Ozean vorkommenden Anthemodes ordinata Rehe. Bei diefer Art hat der Stamm im ausgeſtreckten Zu⸗ ſtande eine Länge von 200, im kontrahierken Zuſtande eine Länge von 20mm und trägt eine große Anzahl von Individuengruppen (an dem von Häckel abgebildeten Exemplar zählt man 18). die Individuengruppen alle in einer Ebene an dem Stammende eingepflanzt. — Von dem komplizierten Knoſpungsgeſetz der am Stamme auftretenden In⸗ dividuengruppen, welches bei Halistemma und an⸗ deren Formen beobachtet iſt (ſiehe Chun Nr. 19) foll hier abgeſehen werden. ) Bei manchen Agalmiden, z. B. Stephanomia pic- tum iſt der Embryo demjenigen von Cystalia, welcher oben beſchrieben wurde, ſehr ähnlich. Bei anderen aber, z. B. bei der Gattung Agalma, entſteht ſehr frühzeitig neben dem Pneumatophor ein Deckblatt (Braktee), welches kappenförmig über den Embryo herabwächſt; dieſer Vor⸗ gang, welcher ſchwerlich einen primitiven Charakter dar⸗ ſtellen dürfte, modifiziert die Lage der erſten Knoſpen und daher wird die Deutung und Homologiſierung dieſer Em⸗ bryonen etwas ſchwieriger. Dieſelben können hier nicht eingehend beſprochen werden und ſind nach den Arbeiten von Metſchnikoff Nr. 7, Häckel Nr. 11 und Nr. 13, Fewkes Nr. 10 zu ſtudieren. Humboldt. — November 1890. 373 Auch die Discoideen (Discaliden, Porpitiden und Velelliden) können von der obigen Ausgangsform abgeleitet werden; wenn das Pneumatophor ſich unter Bildung zahlreicher Kammern in einer horizontalen Ebene ſcheibenförmig verbreitert und rings um den Polypen neue Knoſpen von Tentakeln, Taſtern und Blaſtoſtylen (Gonoſtylen) mit Gonophorentrauben auftreten, ſo reſultiert die allgemeine Körperform der Discoideen (Fig. 5). Die Embryonalentwicke⸗ lung iſt in den erſten Stadien nicht bekannt, doch hat Häckel junge Individuen von Disconalia gastro- blasta Hie. beobachtet; dieſelben gleichen auf den erſten Blick einer Meduſe. Der Luftſack iſt flach und in eine zentrale und acht periphere Kammern geteilt; das Hinterende des Polypen, welches den Luftſack einſchließt, iſt ſcheibenför⸗ mig und mit acht Randlap⸗ pen verſehen, ſo daß es der Umbrella ei⸗ ner Meduſe ähnlich wird; an der Unter⸗ ſeite der Scheibe, nahe dem Rande ſtehen in die⸗ ſem Stadium 8 Tentakeln. Die Zahl die- er Fig. 5. Längsſchnitt durch Discalia medusina Haenel. i f Tentakeln An dieſer Figur kann der Bau der Discoideen (Discaliden), nimmt wäh⸗ Porpitiden und Velelliden) gezeigt werden. Oben ſieht man die Scheibe (8), welche bei Discalia und vielen anderen rend des Genera am Rande in Lappen zerteilt iſt und daher einem Meduſenſchirme ähnelt In der Scheibe liegt das Pneu⸗ Wachstums matophor; dasſelbe beſteht bei Discalia aus einer zentralen 3 und acht radialen Kammern; jede Kammer mündet durch der Scheibe einen Porus (po) an der oberen Fläche der Scheibe. Unter dem Pneumatophor liegt die Zentraldrüſe (dr), welche ſo⸗ wohl von entodermalen Kanälen als auch von tracheen⸗ ähnlichen Fortſätzen der Kammern des Pneumatophors durch⸗ ſetzt iſt. Unter der Scheibe inſerieren ſich die Tentakeln (t); bei Cystalia find nur 8 oder 16, bei anderen Genera ſehr viele Tentakeln entwickelt. Zentralwärts von den Tentakeln ſtehen die Blaſtoſtyle (Gonoſtyle), an welchen zahlreiche bedeutend zu und innerhalb des Tentakel⸗ kranzes ent⸗ meduſoide Gonophoren (gn) ſich entwickeln. Bei Cystalia iſt nur ein einziger, der primäre zentrale Polyp vorhanden. ſtehen zahl⸗ Nach Häckel, Challenger⸗Siphonophoren.) reiche taſter⸗ förmige Blaſtoſtyle (Gonoſtyle), an denen Gonopho— renträubchen ſich entwickeln. Von beſonderer Wichtigkeit iſt die vielumſtrittene Frage, wie das Pneumatophor der Pneumatophoriden morphologiſch zu deuten iſt; wie mir ſcheint, kommen folgende zwei Hypotheſen in erſter Linie in Betracht“); ) Eine dritte Hypotheſe faßt das Pneumatophor als einen umgeſtülpten Meduſenſchirm auf (Anſicht von Metſch— nikoff) und ſieht folglich in dem erſten Polypen und dem Stamm den Magenſtil, an dem (wie am Magenſtil der Meduſe Sarsia) die neuen Individuen knoſpen. Ich betone ausdrücklich, daß man, wenn man die Analogie der Sarsia beizieht, eine Umſtülpung des Meduſenſchirmes an— nehmen muß, denn wenn man die Höhle des Pneumato— phors für die Glockenhöhle der Meduſe und den Stamm des Stockes für einen Magenſtil halten wollte, ſo müßte man glauben, der Magenſtil ſei im Laufe der phylogene— ich ſtelle dieſelben nebeneinander, ohne mich für die eine oder die andere zu entſcheiden. Da Meduſen ſowohl bei den Hydroiden, als auch bei den Siphonophoren in der Weiſe zu knoſpen pflegen, daß zuerſt eine Einſtülpung des Ektoderms, der ſogenannte Glockenkern, entſteht, welcher die Wand der Glockenhöhle (die Subumbrella) liefert, fo könnte man in der ektodermalen Einſtülpung, welche das Pneumatophor anlegt, einen ſolchen Glockenkern ſehen. Es würde alſo nach dieſer Auffaſſung das Pneumatophor eine rudimentäre Meduſe darſtellen (Anſicht von Leuckart, Claus und Chun), deren Glockenhöhle meiſtens geſchloſſen bleibt, manchmal aber durch eine oder mehrere Oeffnungen nach außen mündet“); wer das Pneumatophor in dieſem Sinne für eine umgewandelte Meduſe hält, kann zu Gunſten dieſer Anſicht auch anführen, daß der den Luftſack umgebende Teil der Gaſtralhöhle manchmal durch radiäre Septen in 4, 8, 12 oder 16 Kammern ge— teilt wird, welche man mit den Radiärkanälen einer Meduſe vergleichen kann. Da jedoch weder die oben— genannte Entſtehungsweiſe noch dieſes Merkmal un- zweifelhaft die meduſoide Natur des Pneumatophors beweiſen, ſo verdient auch folgende Auffaſſung ein— gehende Berückſichtigung. Man kann nämlich annehmen, daß das Pneu— matophor eine drüſenähnliche Cktodermeinſtülpung darſtellt? ). Dasſelbe entſteht am aboralen Pol der Planula, alſo an der Stelle, mit welcher die Larve bei den anderen Cölenteraten ſich feſtzuheften pflegt und an der ſtets Drüſenzellen getroffen werden; es wäre alſo wohl denkbar, daß hier am urſprünglichen Baſalende unter Einſenkung des Ektoderms ein drü— ſiges Organ ſich entwickelte. Wie die Fußplatte eines Hydroidenembryo in frühem Entwickelungsſtadium eine Chitinſchicht ausſcheidet, ſo überkleidet ſich die Innenfläche des Pneumatophors ebenfalls mit einer ſolchen; bei den meiſten Pneumatophoriden kann man an dem Pneumatophor zwei Teile unterſcheiden, einen vorderen („Luftflaſche“), welcher eine Chitinausklei⸗ dung beſitzt und einen hinteren kleineren („Luft— trichter“), welcher derſelben entbehrt, aber in der Regel tiſchen Entwickelung aus der Glockenhöhle herausgerückt, ein Vorgang, welcher durch keine Uebergangsſtadien irgend— wie plauſibel gemacht werden kann. *) Nach obiger Auffaſſung würde der erſte Polyp und überhaupt der ganze Stock an der aboralen (exum— brellaren) Seite des meduſoiden Pneumatophors anſitzen. Man könnte die Anſicht aufſtellen, daß das letztere das erſte Individuum des Stockes ſei, und daß man den Stamm des Stockes dem Stolo prolifer gewiſſer Meduſen (der Cuninen) vergleichen könne, welcher an der exumbrellaren Seite aus der Meduſe hervorwächſt. Jedoch könnte ich dieſer Auffaſſung nicht beiſtimmen, da nach meiner Anſicht die Planula der Siphonophoren in den erſten Polypen übergeht und das Pneumatophor, wenn es überhaupt eine Meduſe iſt, als die erſte Knoſpe angeſehen werden muß. *) Häckel (ſ. Nr. 12 und Nr. 13) ſchreibt: „Die vergleichende Ontogenie der Siphonophoren ſcheint mir mit Beſtimmtheit darzuthun, daß der Luftſack eine apikale Gas— drüſe des Ektoderms iſt.“ 374 von Zellgruppen drüſiger Natur umgeben ift. Wenn das Pneumatophor als ein drüſiges Gebilde aufge⸗ faßt wird, ſo iſt es natürlich nicht einem Individuum gleichwertig, ſondern ſtellt nur ein Organ des erſten Polypen dar. In dieſem Falle würde die Entſtehung des Siphonophorenſtockes in noch engere Homologie zu der Entſtehung des Hydroidenſtockes kommen; denn wie bei den tubularinen I Hydvoiven*), z. B. bei Eu- dendrium die Planula in ein aus Baſal⸗ platte, Stil und Köpfchen be⸗ ſtehendes Indi⸗ Humboldt. — November 1890. Es erübrigt, die Calycophoriden zu beſprechen. Dieſelben unterſcheiden ſich von den Pneumatophori— den durch das Fehlen des Pneumatophors. Die erſten Entwickelungsvorgänge der Calyeo— phoriden ſind denen der Pneumatophoriden, wie ſie oben beſprochen wurden, ganz ähnlich. Es entſteht eine freiſchwimmende Larve, eine Planula von ei⸗ förmiger Ge⸗ ſtalt. Wir wol⸗ len die Ent⸗ wickelung des Stockes bei⸗ ſpielsweiſe bei einer Diphyide bei Epibulia aurantiaca (= Galeolaria viduum ſich ver⸗ aurantiaca wandelt und an = Diphyes dem Stil oder quadrivalvis) Stamm die verfolgen. Wie neuen Indivi⸗ bei den Pneu⸗ duen knoſpen, matophoriden ſo gehen aus entſtehtamHin⸗ ; ic ig. 6. Larven von Epibuli tia =) der Planula ct Sig. I. N Planula; bas, tober i el ba aus ean lene Cito pune Eder das Ekto⸗ aul e = di r am vi n Pole ſezeichnet. Da: ickere Ende der eiförmigen nes Pneumato Farbe ft on ddr gig II. ine fag Tage ie garde, 8 RE den durch Einſtülpung des Sn nua [pater ev phoriden Pneu⸗ entitandenen Glottentern der primären Schwimmglotke und darunter die junge Knoſpe des Fangfadens — Mund des er⸗ Fig. III. Etwas ältere Larve; im Entoderm ijt die Gaſtralhöhle aufgetreten!? die erſte Schwimmglocke zeigt 90 matophor Glokenbögle (gl), Entoderqmlamelle (in welcher die Radialkanäle entſtehen) und Saftbehälter ish); auch beginnt ſten Nährpoly⸗ 4 ſchon die Bildung der Schirmgallerte (g). fe weiter entwickelte 50 ae Fangfadens, m Stelle, wo der Mund 5 Stamm und entſteht. Mach Metſchnikoff Nr. 7 pen (ogl. Fig. 6) Polyp hervor und die folgenden Individuen nehmen durch Sproſſung an dem Stamm ihren Urſprung! ). ) Nach Weismann (Nr. 8) bleibt bei den Tubu⸗ larinen (nicht aber bei den Campanulariden und Sertula⸗ riden) der erſte Hydrant an der Spitze des Stockes und kann daher als Haupthydrant von den ſeitlich entſproſſen⸗ den Seitenhydranten unterſchieden werden. Der Stil des Haupthydranten iſt der Stamm des Stockes. ) In dem neuen „Lehrbuche der vergleichenden Ent⸗ wickelungsgeſchichte“ von Korſchelt und Heider wird die vermutliche phylogenet iſche Umwandlung eines Hydroiden⸗ ſtocks in einen Siphonophorenſtock recht anſchaulich mit folgenden Worten geſchildert: „Nehmen wir an, daß ein Hydroidenſtöckchen ſich mit einer ausgebreiteten Baſalplatte ſtatt an einem feſten Körper an der Waſſeroberfläche feſt⸗ heftete — wie man dies gelegentlich an Seyphiſtomen be⸗ obachten kann — und die Fähigkeit gewann, in dieſem Zu⸗ ſtande unter günſtigen Umſtänden weiter zu exiſtieren, ſo ijt durch dieſe Vorſtellung der Uebergang von der feſt—⸗ ſitzenden zur freien Lebensweiſe durch ein Flottieren an der Waſſeroberfläche vermittelt, eine Bewegungsform, die ſich unter den Siphonophoren bei Physalia und Velella erhalten hat. Ja, wir brauchen uns bloß vorzuſtellen, daß der flächenhaft verbreiterte Baſalteil des Stammes, welcher die Anheftung an die Waſſeroberfläche übernahm, ſich kahnförmig einkrümmte und ſchließlich ſeine mit Periſark überkleidete Baſalfläche völlig einſtülpte, um auf dieſe Weiſe die phylogenetiſche Entſtehung der Pneumatophore vorſtellbar zu machen und dieſe Vorſtellung durch die Er—⸗ wägung zu unterſtützen, daß ein ſolcher Entwickelungs⸗ gang Schritt für Schritt von gewiſſen Vorteilen für die Geſamtkolonie begleitet ſein mußte. Erſt nach der Ent⸗ und dies nötigt zu der Auffaſſung, daß aus der Planula der erſte Nährpolyp hervorgeht, und daß die übrigen In⸗ dividuen, welche an der Larve erſcheinen “), als Knoſpen an dieſem primären Individuum ſich ent⸗ wickeln. Freilich beginnen dieſe ſehr früh ſchon auf⸗ zutreten; an dem Embryo (Fig. 611), welcher noch keine Spur einer Gaſtralhöhle enthält, bemerkt man ſeitlich eine Einſtülpung des Ektoderms, deren Höh⸗ lung ſpäter zur Glockenhöhle einer Meduſe wird!), welche aber niemals einen Magenſtil entwickelt, ſon⸗ dern eine Schwimmglocke darſtellt; die Gaſtralhöhle derſelben mit den vier Radiärkanälen und dem Ring⸗ kanal iſt auf eine Ausſtülpung der Gaſtralhöhle des primären Polypen zurückzuführen. Die Meduſe erhält eine ſehr hohe ſpitze Umbrella, in deren maſ⸗ ſige Gallerte nach oben ein Divertikel der Gaſtral⸗ höhle hineinragt (Fig. 7); dieſes wird als Saft- oder Oelbehälter bezeichnet und enthält ſpäter einen Oel⸗ tropfen, welcher bei ſeinem geringen ſpezifiſchen Ge⸗ wicht den Stock zu heben beſtrebt iſt. Schon bei Fig. 6 fieht man, daß an der Körperwand des wickelung dieſes hydroſtatiſchen Apparates wäre eine Los⸗ trennung von der Waſſeroberfläche und ein Hinabſteigen in größere Tiefen ermöglicht geweſen.“ *) Wie bei den Pneumatophoriden wird auch bei den Calycophoriden diejenige Seite des Stammes, an welcher die Knoſpen auftreten, als Ventralſeite bezeichnet. *) Dieſelbe ſtellt alſo einen Glockenkern dar, wie er ſtets bei der Entwickelung von Hydroidmeduſen getroffen wird. Humboldt. — November 1890. Polypen eine zweite Ausſtülpung entſtanden iſt; ſie iſt die Anlage des Fangfadens und ſpaltet ſich ſpäter— hin, um die Aeſte desſelben mit den Neſſelbatterien zu erzeugen. Der obere Teil des primären Polypen, welcher an Fig. 71 durch die großen Zellen des Ento— derms auffällig iſt, verkleinert ſich und verſchwindet vollſtändig (ogl. Fig. 711). 1 J Fig. 7. Zwei junge Stöcke von Epibulia aurantiaca. Fig. I. Larve zehn Tage alt. Die Schwimmglocke ift viel größer als in Fig. „III. sb Saftbehälter; an dem primären Polypen ift der Mund durchgebrochen; das Ento⸗ derm hat nur noch in dem oberen Teile des primären Polypen den großzelligen Cha⸗ rakter wie in Fig. 6 III. Neben dem primären Polypen ſieht man den Fangfaden, welcher noch verknäuelt liegt und ſich noch nicht ausgeſtreckt hat; an dem Fangfaden find die Neſſelbatterien ſchon entwickelt. Zwiſchen dem primären Polypen und der primären Schwimmglocke iſt nach oben die Knoſpe der zweiten Schwimmglocke und nach unten die Anlage einer neuen Individuengruppe hervorgetreten. Neben der letzteren ſieht man den Anſatz des Fangfadens. — Fig. II. b Fs u Etwas ältere Larve. gkn Knoſpe der zweiten Schwimmglocke. 0 kn Knoſpe einer neuen Individuengruppe Polyp, Fler Glocke und Schuppe), ds Deckſchuppe des primären Polypen. Der in Fig. I ſichtbare obere Teil des primären Polypen iſt verſchwunden. Der Fangfaden iſt entfaltet; er zeigt zwei Zweige mit je einer Neſſelbatterie. Nach Metſchnikoff Nr. 7.) In den Stadien der Fig. 6IIL und 71 ijt ſchon ein kleiner Stock (Cormus) vorhanden, welcher aus drei Individuen, aus einem Polypen, einem Fang- faden) und einer Meduſe beſteht. Dazu tritt noch eine Deckſchuppe (Braktee), welche ein wenig ober- *) Ich habe hier und an anderen Stellen den Fang- faden herkömmlicherweiſe als Individuum bezeichnet; wenn man die Analogie des Cnidophors gewiſſer Hydroiden zu— läßt (vgl. S. 371 Anm.), fo würde es richtiger fein, den- ſelben als ein Organ des Nährpolypen zu betrachten. halb der Anſatzſtelle des Fangfadens hervorknoſpt (Fig. 71D). Neben der beſtehenden großen Qualle knoſpt eine neue hervor; denn bei Epi- bulia wie über⸗ haupt bei der ganzen Familie der Diphyiden wird der Stock von zwei Schwimmglok— ken getragen ). Allmählich wird der Stamm des Stockes deut- licher erkenn— bar; er entſteht aus demjenigen Teil des Ka⸗ nalſyſtems, welcher die ei— gentliche Ma— Fig. s Junger Stock von Monophyes primordialis Ch. Derſelbe entſteht in ähnlicher Weiſe wie der junge Stock der Epibulia (vgl. Fig. 6 u 7). Man ſieht oben die erſte Schwimmglocke des Stockes. 72 = unteren Ende — Stammes be: genhöhle des det fic) der erſte Polyp; bei dem⸗ 9 8 ſelben ſieht man die kleine Knoſpe einer Polypen mit Genitalglocke (z) und den Fangfaden, deſſen oberer Teil aufgeknauelt liegt. An den Gaſtral⸗ dem Stamme iſt die zweite Schwimm glocke (Muggiaea-Glode) hervorge ſproßt, welche ſpäter den Stock tragen wird, nachdem die erſte Glocke abgefallen ſein wird. Auch ijt am Stamm die Anlage einer neuen Individuengruppe N zu ſehen. sb Saftbehälter. Nach Chun Nr. 16, etwas abgeändert. höhlen der er— ſten und zwei⸗ ten Glocke ver- bindet; man kann denſelben morpho— logiſch als den oberſten Teil, den Stil des pri— mären Polypen oder vielleicht auch, wenn man will, als einen von dem Polypen ausgehen⸗ den Stolo auffaſſen. Dieſer Stamm, der alſo an ſeiner Spitze immer den primären Polypen mit dem Fangfaden und der Deckſchuppe trägt, wächſt in die Länge und es ſproſſen an ihm zahl⸗ reiche neue Individuen— gruppen (Cormidien) hervor, welche jeweils aus einem Polypen mit Fangfaden, einem Ded- ſtück und einer Geni- talglocke beſtehen. Die Knoſpung folder Grup- pen, welche zwar nicht bei Epibulia, aber bei verwandten Formen genau beobachtet iſt, geſchieht in der Weiſe, daß von dem Fig. 9. Anfangsteil des Stammes von Monophyes gracilis. Man fieht eine Reihe von'snojpen in ſucceſ⸗ five höherer Entwickelung. p Polyp, f Fang faden, g gemeinſame Anlage von Deckſtück und Genitalglocke. Jede primäre Knoſpe gibt einer Individuengruppe den Urſprung, welche aus einem Polhpen mit Fangfaden, einem Deckſtück und einer oder mehreren Genitalglocken beſteht. Nach Chun Nr 16) *) Es iſt wahrſcheinlich, daß dieſe beiden Schwimm— glocken ſucceſſive abfallen und durch neu hervorſproſſende erſetzt werden (Chun Nr. 16, Korotneff Nr. 9). 376 Humboldt. — November 1890. Stamm ein Nährpolyp hervorſproßt und an dem Stil desſelben, welcher ſozuſagen einen Seitenſtamm darſtellt, die Knoſpen eines Fangfadens, einer Deck⸗ ſchuppe und einer Genitalglocke fic) entwickeln (val. Fig. 9). Die letztere iff ein meduſoides Geſchlechts⸗ individuum, in dem zwiſchen Ektoderm und Entoderm des Magenſtils die Eizellen oder Samenzellen zur Reife gelangen. Von beſonderem Intereſſe iſt die bei manchen Calycophoriden auftretende Metamorphoſe des Stockes und die Ablöſung geſproßter Individuengruppen (ſog. „eykliſche Fortpflanzung der Calycophoriden“). Zur Darlegung dieſer Vorgänge mag Monophyes pri- mordialis (mit Muggiaea Kochii und Eudoxia Eschholtzii) als Beiſpiel dienen (nach Chun Nr. 16). Wir gehen von dem Embryo von Monophyes aus, welcher ſich genau ebenſo entwickelt, wie derjenige von Epibulia, der ſoeben beſprochen wurde. Es entſteht wie bei Epibulia ein junger Stock, der aus einer Schwimmglocke, einem Polypen und einem Fangfaden beſteht. Dieſer Stock iſt als Monophyes primor- dialis beſchrieben. Dann tritt ganz nahe an der Schwimmglocke eine neue Glockenknoſpe auf. Dieſe wird ſpäterhin zu einer zweiten größeren Schwimm⸗ glocke, welche ſich durch ſpitze und fünfkantige Form von der erſten unterſcheidet und für energiſche Schwimm⸗ bewegung geeigneter iſt (Fig. 8). Während fie heran- wächſt, verlängert ſich der Stamm des Stockes. An dem Stamme ſproſſen neue Individuengruppen. Die erſte Schwimmglocke wird abgeworfen). Der Stock, welcher jetzt von der zweiten Schwimmglocke ge⸗ tragen wird und an deſſen langem Stamm mehrere neue Individuengruppen vorhanden find, wird Mug. giaea Kochii genannt; er beſitzt einen eigenen Namen, weil er als ſelbſtändige Spezies beſchrieben war, lange bevor der genetiſche Zuſammenhang mit Monophyes primordialis erkannt wurde. Die neuen Individuengruppen der Muggiaea be⸗ ſtehen jeweils aus einer Meduſe, einem Polypen, einem Fangfaden und einem Deckblatt; die Meduſe iſt urſprünglich eine Genitalglocke und enthält einen Magenſtil (Manubrium), an dem zwiſchen Ektoderm und Entoderm die Geſchlechtsprodukte entſtehen; die⸗ ſelbe funktioniert aber auch als Schwimmglocke. Die Individuengruppen löſen fic) ſucceſſive vom Stamm ab und ſchwimmen mittels dieſer Glocken umher ). ) Auch bei Polyphyiden wurde beobachtet, daß die erſte Schwimmglocke der Larve in der Form von den ſpäter auftretenden verſchieden iſt und abgeworfen wird; es iſt konſtatiert bei Hippopodius luteus, bei welchem ſie infolge maſſiger Entwickelung der Gallerte eine kugelige Geſtalt beſitzt (Chun Nr. 17). **) Die Ablöſung einzelner Individuengruppen (Cor⸗ midien) oder Tochterſtöcke vom Stamm eines Siphono⸗ phorenſtockes findet nicht allein bei der oben beſchriebenen Spezies, ſondern auch bei vielen anderen Calycophoriden ſtatt; z. B. find die Siphonophoren, welche unter den Namen 1. Eudoxia cuboides Leuckart, 2. Eudoxia messanensis Gegenbaur (Hudoxia campanula Leuckart), 3. Ersaea truncata Wil (Diplophysa inermis Gegenbawr) beſchrie⸗ Dieſe kleinen Stöcke, deren Herkunft unbekannt war, wurden unter dem Namen Eudoxia Eschholtzii Busch (Ersaea pyramidalis Wall) beſchrieben. Nach⸗ dem in der ebengenannten Meduſe die Geſchlechts⸗ produkte herangereift und ausgetreten ſind, funktioniert dieſelbe weiterhin noch als Schwimmglocke, während eine neu hervorknoſpende Meduſe zu einem Ge⸗ ſchlechtsindividuum fic) entwickelt. Nach einiger Zeit fällt die erſte Glocke ab und wird durch die zweite erſetzt, während eine dritte hervorknoſpt; die zweite, die dritte und noch mehrere folgende Meduſen er⸗ fahren der Reihe nach dieſelbe Entwickelung und das⸗ ſelbe Schickſal wie die erſte Meduſe, indem ſie erſt als Genitalglocke, dann noch als Schwimmglocke fun⸗ gieren und dann abfallen. Die befruchteten Eier der Eudoxia Eschholtzii geben den Embryo von Mono- phyes primordialis, mit welchem oben die Beſchrei⸗ bung beginnt. Das Wichtigſte in der geſchilderten Reihe von Vorgängen iſt dies, daß die an dem Stamme des Stockes knoſpenden Individuengruppen ſich ablöſen, ſobald ihre erſte Meduſe herangewachſen iſt; erſt nach der Ablöſung entwickeln ſich die Geſchlechtsprodukte in den Meduſen der freiſchwimmenden Tochterſtöcke. Es iſt einleuchtend, daß das Freiwerden der Tochter⸗ ſtöcke eine viel weitere Zerſtreuung der entſtehenden Brut zur Folge hat. ben wurden, abgelöſt von beziehungsweiſe 1. Abyla pen- tagona Eschholtz, 2. Diphyes acuminata Leuckart, 3. Monophyes gracilis Claus. Jedoch findet der in Rede ſtehende Vorgang nicht bei allen Calycophoriden ſtatt; er unterbleibt z. B. bei Epibulia (Galeolaria) aurantiaca, bei Praya diphyes (Lilyopsis diphyes), ferner bei allen Polyphyiden (Calycophoriden mit zahlreichen Schwimm⸗ glocken, z. B. Hippopodius). Litteraturverzeichnis. 1. R. Leuckart, Zoolo⸗ giſche Unterſuchungen I. Heft Siphonophoren. Gießen 1853. — 2. A. Kölliker, Die Schwimmpolypen oder Sipho⸗ nophoren von Meſſina. Leipzig 1853. — 3. C. Vogt, Les Siphonophores de la mer de Nice. Mém. Inst. Nat. Genevois 1853. — 4. Th. Huxley, The oceanic Hydrozoa. London 1859. — 5. ©. Gegenbaur, Bei⸗ träge zur näheren Kenntnis der Siphonophoren. Zeitſchr. f. wiſſ. Zool. Bd. V. 1854. — 6. Derſelbe, Neue Bei⸗ träge zur näheren Kenntnis der Siphonophoren. Nova acta Acad. Nat. Cur. T. XXVII 1859. — 7. E. Metſch⸗ nikoff, Studien über die Entwickelung der Meduſen und Siphonophoren. Zeitſchr. f. wiſſ. Zool. Bd. 24. 1874. — 8. A. Weismann, Die Entſtehung der Sexualzellen bei den Hydromeduſen. Jena 1883. — 8a. Derſelbe, Ueber eigentümliche Organe bei Budendrium racemosum Cuv. Mitteil. d. Zool. Station Neapel III. Bd. 1882. — 9. Korotneff, Zur Hiftologie der Siphonophoren. Mitteil. d. Bool. Station zu Neapel Bd. 5. 1884. — 10. J. W. Fewkes, On the development of Agalma. Bull. Mus. Comp. Zool. Vol: XI. Cambridge (Mass.) 1885. — 11. E. Häckel, Zur Entwickelungsgeſchichte der Siphono⸗ phoren. Utrecht 1869. — 12. Derſelbe, Syſtem der Siphonophoren. Jenaiſche Zeitſchrift Bd. XXII. 1888. — 13. Derſelbe, Report on the Siphonophorae collected by H. M. S. Challenger. London 1888. — 14. A. Agaſſiz, Exploration of the Surface Fauna of the Gulf. Strœam etc. The Porpitidae and Velellidae. Mem: Mus. Harvard Coll. Cambridge Vol. 8. 1883. — 15. M. Bedot, Notice sur le développement des Vélelles. Arch. sc. phys. nat. Humboldt. — November 1890. Genéve T. XIII. 1885. — 16. C. Chun, Ueber die cy- kliſche Entwickelung und die Verwandtſchaftsverhältniſſe der Siphonophoren. Sitzb. d. k. Akad. Berlin. Jahrg. 1882, 1885, 1886. — 17. Derſelbe, Die pelagiſche Tierwelt. Bibliotheca zoologica Heft 1. Kaſſel 1888. — 18. Der⸗ ſelbe, Zur Morphologie der Siphonophoren. Zoolog. Anzeiger 10. Jahrg. 1887. — 19. Derſelbe, Bericht über eine nach den Canariſchen Inſeln im Winter 1887/88 ausgeführte Reiſe. Sitzb. d. k. preuß. Akademie d. Wiſſ. Berlin 1888. XLIV. — 20. C. Claus, Neue Beobach— 377 tungen über die Struktur und Entwickelung der Siphono— phoren. Zeitſchr. f. wiſſ. Zool. 12. Bd. 1862. — 21. Der⸗ ſelbe, Halistemma tergestinum. Arb. a. d. Zool. Inſt. Wien. T. I. 1878. — 22. Derſelbe, Ueber das Ver- hältnis von Monophyes zu den Diphyiden, ſowie über den phylogenetiſchen Entwickelungsgang der Siphonophoren. Arbeiten aus dem Zoolog. Inſtitut Wien T. V. 1883. — 23. Derſelbe, Zur Beurteilung des Organismus der Siphonophoren und deren phylogenetiſchen Ableitung. Arbeiten aus d. Zool. Inſt. Wien T. VIII. 1889. Fortſchritte in den Katurwiſſenſchaften. Meteorologie. Von Profeffor Dr. W. J. van Bebber in Hamburg. Buys Ballot +. Italieniſches meteorologiſches Jahrbuch. Fremdkörper in der Atmoſphäre. Atmoſphäre. Thermodynamik der Atmoſphäre. Untere Sturmgrenze. Größte tägliche Regenmenge in Geſterreich. Schneedecke. elektrizität. Klimatologiſche Arbeiten. Am 3. Februar dieſes Jahres hat die meteorologiſche Wiſſenſchaft einen ihrer berühmteſten Vertreter durch den Tod verloren, Profeſſor Buys Ballot, den langjährigen Direktor des niederländiſchen meteorologiſchen Inſtituts, deſſen Name in der Geſchichte der Meteorologie unver— gänglich fortleben wird, namentlich durch das nach ihm benannte Geſetz der Abhängigkeit der Windrichtungen von der jeweiligen Luftdruckverteilung. Unter den periodiſch erſcheinenden Veröffentlichungen erwähnen wir das italieniſche meteorologiſche Jahr— buch), welches eine außerordentlich reiche Sammlung von Beobachtungen und intereſſanten Abhandlungen enthält, wie ſie wohl kaum von einer anderen meteorologiſchen Zentral— anſtalt veröffentlicht werden. Die Abhandlungen enthalten außer meteorologiſchen Gegenſtänden auch noch eine Reihe von Beobachtungen und Unterſuchungen über Erdbeben. Es iſt zu bedauern, daß dieſe Veröffentlichungen ſo ſehr verſpätet erfolgen; die Beobachtungen von 1885 erſcheinen erſt am Ende des Jahres 1889. Eine große Anzahl von Meſſungen der Menge des unſerer Atmoſphäre beigemengten Staubes hat J. Aitken an verſchiedenen Punkten Europas angeſtellt, welche einige intereſſante Ergebniſſe zu Tage förderten“). Auf Berg— gipfeln und überhaupt in wenig bewohnten Gebirgen ent— hält 1 cem Luft kaum 200 Staubteilchen, in der Nähe von Dörfern wächſt deren Zahl bis auf Tauſende und in Städten ſogar auf Hunderttauſende. Große Menſchen— maſſen verunreinigen die Luft in außerordentlichem Maße, welche Verunreinigung durch den Wind der weiteren Um— gebung mitgeteilt wird. Auch die höheren Luftſchichten ſcheinen durch Staubteilchen mehr oder weniger verunreinigt zu ſein, wobei indeſſen viele Teilchen kosmiſchen Urſprungs ſein können. Die Durchſichtigkeit der Luft wird nach den Verſuchen Aitkens weder durch die Feuchtigkeit noch durch den Staubgehalt an und für ſich erheblich beeinträchtigt, *) Annali dell’ ufficio centrale meteorologico italiano. ) J. Aitken, On the Number of Dust Particles in the At- mosphere of certain places in Great Britain and on the conti- nent ete. Nature Vol. 41, 1890. Humboldt 1890. CTheoretiſche Abhandlungen über Zirkulation der Zunahme der Windgeſchwindigkeit mit der Habe. Gefchwindiafeit der Sand- und Seewinde. Blizzard (888. Beſtimmung der Lufttemperatur. Iſanomalenkarten. Pegel- und Waſſerſtände. Polarforſchung. Temperaturbeobachtungen auf dem Eiffelturme. Nlaſſifikatien der Cirruswolken. Wolfenatlas. Luft- Temperatur des Weltenraumes. ſondern vielmehr durch das Zuſammenwirken beider Ur— ſachen, indem einerſeits die Kondenſation von Waſſerdampf durch die Anweſenheit von Staubteilchen erleichtert und andererſeits die Staubteilchen durch die Kondenſation größer werden. Auch bei trockener Luft kann eine Vermehrung der Staubteilchen eine Kondenſation des Waſſerdampfes hervorrufen. Hierdurch erklärt es ſich, daß ein Gegenſtand oft beſchlägt, ohne unter den Taupunkt abgekühlt zu ſein, und daß bei den elektriſchen Apparaten Staub der Iſo— lierung fo nachteilig iſt, indem dieſer hygroſkopiſch wirkt. Bei allen unterſuchten Nebeln zeigte ſich ein großer Gehalt der Luft an Staub. Ruhe der Luft befördert gleichzeitig Anſammlung von Staub und ebenſo der Feuchtigkeit. Auf der Höhenſtation Ben-Nevis ſollen von nun an kontinuier— liche Meſſungen des Staubgehaltes der Luft ftattfinden. Von den theoretiſchen Abhandlungen über allgemeine atmoſphäriſche Zirkulation ſind hauptſächlich zu er— wähnen diejenigen von Ferrel *), Helmholtz“), Sprung ***) und Möller ). In der Ferrelſchen Theorie, über welche wir hier nur einige Worte ſagen wollen, war es vielfach un— verſtändlich, daß ein von den Polen zum equator ge— richteter Rückſtrom exiſtieren könne, da der Luftdruck an den Polen thatſächlich niedrig und an den Wendekreiſen hoch ſei, was einem nach den Polen hin gerichteten Luft— ſtrome entſpricht. Indeſſen „die Thatſache, daß der kon— vektive Kreislauf der Atmoſphäre zwiſchen dem Aequator und den Polen auf einer Erde ſtattfindet, welche rotiert, bedingt die Bildung großer, oſtwärts gerichteter ſpiraliger Polarwirbel und die Zentrifugalkraft dieſer Wirbel ver— ändert völlig jene einfache Lagerung der iſobariſchen Flächen, welche aus den Temperaturunterſchieden allein ſich ergeben würden, ſo ſehr in der That, daß der theoretiſche hohe Druck an den Polen ſich verwandelt in thatſächlich niedrigen Druck. Infolge davon ſind die Gradienten faſt in der ) W. Ferrel, A Popular Treatise on the winds etc. New York 1889. Siehe Ref. von Davis in Met. Ztſchr. 1890 (41). ) Met. Ztſchr. 1890, S. 81. %) Met. Ztſchr. 1890, S. 161. +) Met. Ztſchr. 1890, S. 265, und Archiv der Seewarte 1887, Nr. 5. 48 378 Humboldt. — November 1890. ganzen Atmoſphäre polwärts gerichtet, und nur jene im unteren Teile der Atmoſphäre in der heißen Zone äquator⸗ wärts, wo wir die Paſſatwinde haben. Die große Ge- ſchwindigkeit und die dementſprechende Zentrifugalkraft, welche der obere Strom erlangt, indem er ſich auf den ſteilen oberen Gradienten um den Pol herumſchwingt, fest ihn in den Stand, ſchräg gegen die ſchwächeren unteren Gradienten anzulaufen, ſobald er ſie auf dem abſteigenden Aſte ſeines konvektiven Kreislaufes erreicht. Die Winde, welche in Oſtwärtsbewegung begriffen ſind, müſſen die Meeresoberfläche als einen äquatorwärts gerichteten Ab⸗ hang betrachten, und den ſchnellen Winden der großen Wirbel um die Pole müſſen ſogar die unteren Gradienten der Atmoſphäre als Abhänge erſcheinen, die zum Aequator und nicht zu den Polen abfallen. Nur die unteren Winde, deren Geſchwindigkeit abgeſchwächt iſt durch Reibung an der Erdoberfläche, ſehen die Gradienten ebenſo an wie wir, und gehorchen ihnen, indem ſie ſchräg zum Pole ſich be⸗ wegen.“ Es findet nach Ferrel in mittlerer Höhe der Atmoſphäre eine Rückſtrömung der Luft ſtatt. Die Fortſetzung der theoretiſchen Arbeiten von v. Bezold über die Thermodynamik der Atmoſphäre hat zu einigen intereſſanten Reſultaten geführt ). In früherer Zeit war man der Meinung, daß die hauptſächliche Urſache der Niederſchlagsbildungen die Miſchung ungleich warmer und feuchter Luftmaſſen wäre, eine Meinung, welche bereits Hann im Jahre 1874 widerlegt hat, indem er zeigte, daß ſelbſt in den allergünſtigſten Fällen durch Miſchung nur geringe Kondenſationen hervorgerufen werden können. Im Einklange hiermit zeigt v. Bezold, wie klein die durch Miſchung erzielten Niederſchläge ſelbſt dann bleiben, wenn man die Unterſchiede größer nimmt, als ſie in der Natur wohl jemals vorkommen. Die Unterſuchung der Fälle, in welchen die Niederſchlagsbildung bei Ueberſättigung der Luft vor ſich geht, legt die Vermutung nahe, daß ſolche Vorgänge den Grund der eigentlichen Wolkenbrüche bilden. Gemiſche aus ungeſättigter, feuchter Luft und Waſſer hat man in den Wolken, in den Nebeln und in der Regen⸗ luft vor ſich. In einem ſolchen, ſich ſelbſt überlaſſenen Gemiſch findet Verdunſtung und alſo auch Abkühlung ſtatt. Hieraus erklärt ſich die Erſcheinung, daß man beim Durch⸗ ſchreiten von Nebelſchichten, wie ſie an ruhigen, ſpäter heiteren Tagen am Morgen die Gebirgsthäler erfüllen, gerade dann den Eindruck empfindlicherer Kälte hat, wenn man ſich beim Anſteigen der oberen Grenze des Nebels nähert. Infolge der Erwärmung der oberen Schicht durch die Sonnenſtrahlen wird die Luft relativ trocken, dieſe relative Trockenheit verbreitet ſich in die obere Nebelſchicht und erzeugt hier geſteigerte Verdunſtung und Abkühlung. Die folgenden Nebel und Wolken darf man ſich durch Miſchung entſtanden anſehen: 1) die Nebel über warmen, feuchten Flächen unter Einwirkung kälterer Luft (Winter⸗ nebel auf dem Meere); 2) die reihenweiſe auftretenden Wolken an der Grenze verſchiedener, raſch übereinander hinfließender Luftſchichten; 3) die Stratusſchichten an ſolchen Trennungsflächen; 4) Wolkenfahnen, die ſich auch an Berggipfeln oder an Paßeinſchnitten bilden und wieder auflöſen, wenn die Geſtaltung des Gebirges das Zuſammen⸗ *) Zur Thermodynamik der Atmoſphäre (direkte Mitteilung der Kgl. Preuß. Ak. d. Wiſſ. Berlin). treffen wärmerer oder kälterer Luftmaſſen ermöglicht; 5) die Wolkenfetzen oder ganz loſe Gewölke, die bei ſtärkerer Luftbewegung fortgeſetzte Geſtaltänderungen zeigen. Ueber die Zunahme der Windgeſchwindigkeit mit der Höhe ſind auf dem Eiffelturme Unterſuchungen an⸗ geſtellt worden!), indem die Aufzeichnungen eines Anemo⸗ meters in der Höhe von 303 m mit denen eines ſolchen in 21 m über dem Boden verglichen wurden. Die mittlere Wind⸗ geſchwindigkeit an 101 Tagen betrug unten 2,2 m, oben 7,0 m pro Sekunde, ſo daß ſich hieraus eine Verhältnis⸗ zahl von 3,1 ergibt. Merkwürdig erſcheint es, daß ſchon in dieſer geringen Höhe eine Umkehrung des täglichen Ganges der Windgeſchwindigkeit ſich zeigt, indem das Maximum in der Nacht und das Minimum etwas vor Mit⸗ tag eintritt, ganz umgekehrt wie an der Erdoberfläche und übereinſtimmend mit dem Verhalten auf freien Berggipfeln. Es galt von jeher als ſelbſtverſtändlich, daß die Winde auf offener See unter gleichen Umſtänden ſtärker ſind als auf dem Lande; einen ſtrengen Beweis hierfür hat van Bebber gebracht, indem er die Windbeobachtungen an zwei benachbarten, aber ganz verſchieden zum Meere gelegenen Orten Cherbourg und Hurſt⸗Caſtle, miteinander verglich“). Die von der See kommenden Winde zeigten ſich durch⸗ ſchnittlich um 1 Skalenteil der Beaufortſchen Skala ſtärker, als die vom Lande wehenden. Dieſer Unterſchied wächſt mit der Windſtärke, ſo daß derſelbe bei ſtarken Winden bis zu 2 Skalenteilen der Beaufortſchen Skala betragen kann. Von demſelben Verfaſſer wurden auch die von der Seewarte für das Jahr 1889 ausgegebenen Sturmwar⸗ nungen nach einer neuen Methode geprüft, indem die Auf⸗ zeichnungen der an mehreren Punkten unſerer Küſte auf⸗ geſtellten Anemometer zur Prüfung benutzt wurden, ſo daß ſich hieraus Reſultate ergaben, welche in jeder Beziehung frei von Willkür waren ). Da aber die Angaben der Anemometer in hohem Grade von der Aufſtellung dieſer Inſtrumente und von der Umgebung abhängen, ſo mußte zunächſt die untere Grenze für ſtürmiſche Winde beſtimmt werden. Als Extreme ergaben ſich für Borkum 21 und für Neufahrwaſſer 10 m pro Sekunde. Eine ähnliche Arbeit hat Srennewskij für das Schwarze und das Aſowſche Meer durchgeführt, indem er diejenige Stärke des Windes (Sturmnorm) beſtimmte, bei welcher derſelbe in der betreffenden Gegend für die Schiffahrt ge⸗ fährlich iſt T). Der gewaltige Sturm (Blizzard), welcher um Mitte März 1888 die atlantiſchen Küſten der Vereinigten Staaten heimſuchte, iſt an der Hand eines ſehr reichhaltigen Ma⸗ terials von Hayden eingehend unterſucht worden r). Cha⸗ rakteriſtiſch bei dieſem Sturme iſt ſeine raſche Entwickelung, ſeine Beſchränkung auf ein verhältnismäßig kleines Gebiet, die ihn begleitende Kältewelle und die außerordentlich ſtarken Niederſchläge, welche meiſtens in Form von Schnee fielen. Die durch dieſen Sturm verurſachten Verwüſtungen waren ſehr bedeutend, namentlich auf der See. In den *) Comptes Rendus, Bd. 109, S. 697. ) Ann. der Hydr. u. mar. Met. 1889, S. 485. 6%) Beiheſt II. zum Monatsberichte der Seewarte 1889. +) Repert. für Met. St. Petersburg 1889. ++) Nautical monographs 1888 u. v. Bebber, Met. Ztſchr. 1889, S. 121. Humboldt. — November 1890. 379 mittleren atlantiſchen und New England-Staaten waren allenthalben die telegraphiſchen Verbindungen unterbrochen, der Wetterdienſt des Signal office erlitt vom 11.—12. März ſehr erhebliche Störungen. Der Eiſenbahnverkehr war vom 11.— 14. in den Staaten New York, New England und Oſt— pennſylvanien unterbrochen. An Schiffen verunglückten in der Cheſapeakebai 96 Fahrzeuge, in der Delawarebai 37, längs der New Jerſei-Küſte und bei Sandy Hook 13, in New York Harbor und an der Küſte von Long Island 20 und an derjenigen von New England 9 Fahrzeuge. Eingehende Studien über die Beſtimmung der Lufttemperatur find von Köppen gemacht worden“). Es zeigte ſich, daß große oder ſehr geſchloſſene Blechgehäuſe zur Verringerung der Strahlungseinflüſſe auf Thermometer mit kleinem Gefäße direkt ſchädlich, und wenn ſie klein und luftig ſind, immerhin faſt unwirkſam ſind. Noch ungünſtigere Reſulate ſcheinen Holzgehäuſe zu geben, inſofern, als bei ihnen eine fernere Fehlerquelle durch ihre Trägheit gegen Temperaturänderungen hinzukommt und bei ihnen die Luft— bewegung noch mehr beeinträchtigt ſein wird. „Nicht zum Schutze gegen Strahlung, wohl aber zur Verhütung der Benetzung und der Beſchädigung der Thermometer empfiehlt ſich allerdings eine Schutzvorrichtung, die aber ſo einfach und luftig wie möglich ſein ſollte.“ Thermometergehäuſe wie Hütten ſchaden mehr als ſie nützen. Neue Iſanomalenkarten für die extremen Monate Januar und Juli find von Spitaler veröffentlicht worden ““). Dieſe zeigen eine Reihe von durchgreifenden Abweichungen von den alten Doveſchen. Insbeſondere tritt hier das entgegengeſetzte Verhalten von Land und Meer viel reiner und viel beſtimmter hervor als bei Dove. Die Veränderlichkeit der Temperatur von Tag zu Tag iſt von Berthold für die verſchiedenen Höhenlagen des ſächſiſchen Erzgebirges unterſucht worden **). Es er⸗ geben ſich zwei Maxima der Veränderlichkeit im Mai und Dezember oder Januar, und ein Hauptminimum im Auguſt oder September. Mit der Seehöhe nimmt die Veränder— lichkeit zu, und zwar beträgt dieſe Zunahme 0,08 für je 100 m Erhebung. In allen Höhenlagen überwiegen im Winter bei den größeren Temperaturänderungen die Er— wärmungen, dagegen die Erkaltungen in allen übrigen Jahreszeiten, insbeſondere im Frühjahr und Sommer. Temperaturänderungen von 2“ und darüber überhaupt ſind im Frühjahr und Sommer meiſt poſitiv, im Herbſte negativ, wie dieſes dem jährlichen Wärmegange entſpricht. Es nehmen ſowohl die poſitiven wie die negativen Aende— rungen über 2“ mit der Höhe zu. Vereinzelt kommen im Erzgebirge Schwankungen der Mitteltemperatur aufein— ander folgender Tage bis zu 15“ vor. Die Häufigkeit der größeren Temperaturwechſel nimmt mit der Erhebung zu. Die Temperaturbeobachtungen auf dem Eiffel— turm ergaben eine mittlere Temperaturabnahme mit der Höhe von 0,49“ für je 100 m. Bemerkenswert iſt die ſehr ſtarke Abnahme der täglichen Wärmeſchwankungen mit der Höhe; dieſe war im Oktober und November auf der Spitze nur halb fo groß, als an der Erdoberfläche +). *) Aus dem Archiv der Deutſchen Seewarte 1887, Nr. 2 ) Petermanns Mittl. 1889. ) Mittl. d. Vereins f. Erdk. zu Leipzig 1889. +) Compt. Rend. 1889, S. 898. Als größte tägliche Regenmengen in Oeſter— reich gibt Hann folgende an: Raibl 200 mm (November), RKrehovje 168 mm (November), Idria 155 mm (September), Hermsburg 162 mm (Oktober), Crkvice 197 mm (November), Raguſa 299 mm (Dezember) ). In England wurde als Tagesmaximum gemeſſen: 172 mm zu Seathwaite, 121 mm zu Hartlip, 152 mm zu Tonque**). Auch in Deutſchland kommen vereinzelt tägliche Regenmengen über 200 mm vor. Eine ſehr intereſſante Abhandlung über die Schnee— decke, beſonders in deutſchen Gebirgen, hat F. Ratzel ver— öffentlicht“* “), aus welcher wir einige Reſultate anführen wollen, indem wir dem Referate in der Meteorologiſchen Zeitſchrift folgen. In der Richtung, aus welcher der Wind kommt, liegt am wenigſten Schnee, in der entgegengeſetzten am meiſten. Bei Bergen iſt die Leeſeite ſtärker verſchneit als die Luvjeite, weil der Schnee vom Winde über den Kamm hinübergeweht wird. Nur ein kleiner Teil der in den Gebirgen vorhandenen und allein im Sommer für kurze Zeit verſchwindenden Firnflecke dankt ſeine Ent— ſtehung Lawinen; die Mehrzahl entſteht durch orographiſche Begünſtigung, ſei es der Zuſammenwehung des Schnees, ſei es der langen Erhaltung desſelben. Die Reif- und Rauhfroſtbildung iſt an einer Schnee— decke ſehr bedeutend. Dieſelbe hat hervorragenden Einfluß auf die Vereiſung des Schnees. Die Schichtung des Schnees iſt nicht, wie bisher allgemein angenommen wurde, eine Folge der Aufeinanderlagerung zeitlich weit ausein— ander liegender Schneefälle, ſondern wird durch Schmelzung verurſacht. Das Schmelzwaſſer dringt bis in eine gewiſſe Tiefe, gefriert hier und bietet nun dem Schmelzwaſſer der nächſten Tauperiode eine undurchläſſige Schicht dar. Folgt auf die erſte Tauperiode eine zweite von kürzerer Dauer, ſo vermag das Schmelzwaſſer nicht ſo tief einzudringen und bildet nun in höherem Niveau eine zweite undurch— läſſige Eisſchicht u. ſ. w. So entſteht eine ſcheinbare Schichtung. Der Staub ſammelt ſich beſonders an, wo die Abſchmelzung am ſtärkſten iſt. Hochſchnee geht durch oberflächliche Schmelzung und Verſchmelzung in Firn über; weſentlichen Anteil hierbei hat die Zumiſchung der derberen Kryſtalle des Rauhfroſtes. Das Schmelzen des Schnees auf Dächern, das dem Fließen der Gletſcher entſprechen ſoll, iſt von letzterem urſächlich ganz verſchieden und gar kein Fließen des Schnees, ſondern ein ſolches des Schmelzwaſſers im Schnee, das auf ſeinem Wege abwärts gefriert. Die Dauer der Schneedecke im ſächſiſchen Erz— gebirge iſt an der Hand der Beobachtungen von 1884 bis 1889 von Birkner unterſucht worden. Der Verfaſſer erhielt folgende Zuſammenſtellung +): r r VIL Vi Vie Mittl. Höhe m 143 248 355 444 540 642 751 884 9 ine e \ 55 68 80 86 96 118 145 150 Höhe Meter 100 200 300 400 500 600 700 800 900 Die Unterſchiede in der Bedeckung des Erdbodens mit Schnee zeigen ganz bedeutende Werte. Während die ſäch— ſiſche Tiefebene kaum volle zwei Monate Schneedecke er— ) Met. Ztſchr. 1890, S. 143. ) Met. Ztſchr. 1890, S. so. ) Forſch. z. deutſchen Landes- u. Volksk., Stuttgart 1889. Siehe Met. Itſch. 1890, S. 44. +) Met. Ztſchr. 1890, S. 201. 380 warten kann, iſt der Gebirgskamm und ſein nächſter Ab⸗ hang fünf volle Monate in Schnee gehüllt. Ferner kommen die Unterſchiede in der längeren oder kürzeren Dauer der Schneebedeckung, beſonders in den höheren Lagen, zur Geltung. Die Zunahme der Schneedecke iſt durchaus nicht proportional mit der Zunahme der Höhe. Während ſie in der Ebene und den dem Gebirgsſtocke ferneren Abhängen eine nahezu mit der Höhe ſtetig wachſende iſt, ändert ſich dieſelbe weſentlich ſtärker bei den dem Gebirgsrücken näheren Abhängen, und beim Fortgange nach dem Gebirgskamme ſelbſt verliert ſich ſogar die Neigung zur weiteren Zunahme wieder, oder ſie iſt nach den beobachteten Zahlen um vieles geringer als in den übrigen Höhenſchichten. Als Gründe hierfür kommen in Betracht: die Häufigkeit und Stärke des Schneefalls überhaupt, die Häufigkeit der Froſttage, die Lagerung des Geſamtgebietes gegen die Richtung der Sonnenſtrahlen und die vorherrſchende Richtung des Windes. Aus den Unterſuchungen über die Veränderungen der Waſſerſtände der preußiſchen Ströme durch Hagens hat ſich ergeben, daß die Waſſerſtände der Flüſſe ſo mannig⸗ faltigen Eingriffen unterworfen ſind, daß man aus denſelben einen unanfechtbaren Beſcheid über die Urſachen der Waſſer— ſtandsänderungen nicht erhalten könne. Selbſt ganz unſchein⸗ bare Maßnahmen an den Ufern der Flüſſe vermögen ſchon bedeutende Störungen in den Pegelſtänden hervorzubringen. Abgeſehen von dem naturgemäßen Einfluß der Fluß⸗ korrektionen ſind es vornehmlich Straßen- und Eiſenbahn⸗ anlagen, welche zuweilen dauernd den Waſſerſtand erhöhen oder erniedrigen. Auch Umwandlungen in der landwirt⸗ ſchaftlichen Bodenbenutzung, vor allem größere Drainage- vorrichtungen müſſen weſentlich auf die Höhe des Waſſer⸗ ſpiegels einwirken. Weiter kommen allgemeine Veränderun⸗ gen der Vegetation im Stromgebiete in Betracht. Größere Entwaldungen beeinfluſſen zweifellos ſowohl die Art, wie die Menge des Waſſerabfluſſes. Alle dieſe Thatſachen be⸗ weiſen, daß ein unmittelbarer Schluß vom Pegelſtand auf das Klima nicht ſtatthaft iſt. Dieſen Gegenſtand hat W. Ule weiter verfolgt, indem er die Beziehungen zwiſchen dem Waſſerſtand eines Stromes, der Waſſerführung des⸗ ſelben und der Niederſchlagshöhe im zugehörigen Strom⸗ gebiet an der Saale unterjudjte*). Er kam zu dem Er⸗ gebnis, daß Pegelſtand und Waſſerführung der Flüſſe keineswegs als ein Bild der Niederſchlagsverhältniſſe im zugehörigen Entwäſſerungsgebiet gelten dürfe, und daß dieſelben auch von dem allgemeinen klimatiſchen Zuſtand nur dann ein unmittelbarer Ausdruck ſind, wenn keine der oben genannten Aenderungen im Flußlaufe ſtattge⸗ funden haben. ö Eine neue Klaſſifikation der Cirruswolken iſt von dem berühmten Wolkenkenner Cl. Ley gegeben worden!). Während Ley in den Hauptformen ſich der alten Einteilung von Howard anſchließt, weicht er in den Unterabteilungen erheblich von demſelben ab. Er teilt die Cirruswolken in 7 Unterabteilungen, die wir hier mit deutſchen Namen wiedergeben wollen: 1. Lockenwolke, 2. Spinnfadenwolke, 3. Schleierwolke, Variante höckerige Schleierwolke, 4. Schleier⸗ dunſt, 5. körnige Lockenwolke, 6. falſche (niedrige) herab⸗ *) Met. Ztſchr. 1890, S. 121. **) Note on a proposed scheme for Observations of the clouds. Humboldt. — November 1890. hängende Cirruswolke, 7. falſche (niedrige) durchbrochene Cirruswolke. Leider iſt eine internationale Einigung in der Einteilung und der Bezeichnung der Wolkenformen bis jetzt noch nicht erzielt worden, obgleich dieſes für die Wiſſen⸗ ſchaft, insbeſondere für die ausübende Witterungskunde von großer Bedeutung wäre. Dieſe Einigung dürfte in⸗ deſſen vielleicht herbeigeführt werden durch die Annahme des Wolkenatlas in Farbenbildern, welcher in neueſter Zeit erſchienen iſt und für deſſen Trefflichkeit die Namen der Herausgeber genügende Gewähr bieten, wenn auch einige Modifikationen fic) als notwendig erweiſen dürften). Wir werden dieſen Wolkenatlas in dieſer Zeitſchrift noch näher beſprechen. Ueber die Luftelektrizität innerhalb und außerhalb der Wolken hat Palmieri Unterſuchungen angeſtellt **). Palmieri konnte niemals in den Wolken negative Elektrizität beobachten, wenn nicht Regen in der Entfernung herrſchte; ſtärkere poſitive Elektrizität als normal fand er nur, wenn die Wolken ſich verdichteten, und eine ganz unverhältnis⸗ mäßige Zunahme der Elektrizität wurde nur beobachtet, wenn die Wolken ſich entſchieden in Regen verwandelten. Negative Elektrizität findet man nur bei Regen in der Entfernung oder bei Niederfallen von Sand. Wenn daher bei fallendem Regen der Beobachter ſich in der negativen Zone befindet, welche denſelben umgeben muß, wird er dieſe Elektrizität beobachten bei heiterem oder wolkigem Himmel, und ſelbſt bei geringem Regen, der in jener Zone ſtattfinden kann. So entſtand nach Palmieri der Glaube an die negative Elektrizität bei heiterem Himmel, an die negativen Wolken und Regen. Indeſſen ſcheinen dieſes die Beobachtungen der ſchwediſchen Polarexpedition nicht zu beſtätigen. Nach Palmieri gibt es keine Wolken, welche an ſich gewitterbringend ſind, ſondern alle können es werden, wenn ſie gezwungen werden, ſich ſchnell in Regen oder Hagel umzuwandeln. Jede Wolke, welche ſich in Regen auflöſt, wird eine reichliche Quelle der Elektrizität, welche ihren Einfluß auf mehr oder weniger große Entfernungen bemerkbar macht, je nach der Menge und der Schnelligkeit der Regengiifje und jo entſtehen die Zonen, welche Palmieri bereits 1854 aufgefunden hat. In ſeinen Unterſuchungen über Blitz und Blitzablei⸗ ter gibt Lodge folgende Empfehlungen für die letzteren “): der Leiter ſollte aus einer Maſſe ohne Ecken und Lötſtellen flach oder rund ſein. Eiſen iſt mindeſtens ebenſogut wie Kupfer (d. h. bei entſprechendem Durchſchnitt), der Leiter ſoll gute Erdverbindung haben und mit Gas- oder Waſſer⸗ leitung und Metallmaſſen nur da verbunden ſein, wo dieſe ihm nahe kommen, im übrigen dieſen ausbiegen; Gas⸗ leitungen u. ſ. w. ſollten erſt unten mit der Erdplatte ver⸗ bunden werden. Viele kleinere Auffangſtangen ſind beſſer als einige hohe. Am beſten wäre es vielleicht, an allen Kanten und Schornſteinen gewöhnlichen Telegraphendraht herunterlaufen zu laſſen und die einzelnen Drähte in Coaks zu begraben; beſondere Blitzableiter, vom Gebäude getrennt, wären vielleicht noch ſicherer. Für Pulvermagazine empfiehlt *) Wolkenatlas, herausg. von Hildebrandsſon, Köppen und Neu⸗ mayer. Hamburg 1890. **) Rendiconti dell’ accad. d. Scienze fisiche e mat. Nap. 1889, Vol. III, ſiehe Naturwiſſ. Rundſchau 1889, Nr. 44. ) Elektrotechn. Ztſchr. 1889, Sept. Humboldt. — November 1890. 381 Lodge einen doppelten Metallkäfig, den äußeren mit Stangen und Platten, den inneren nur mit Erdplatten. Auf dem Gebiete der Klimatologie ſind eine ganze Reihe wichtiger Arbeiten erſchienen; wir wollen hier nur einiges weniges hervorheben. Die Frage, ob das Klima der Mittelmeerländer ſich in geſchichtlicher Zeit geändert hat oder nicht, iſt ſchon öfters unterſucht worden, indeſſen iſt eine ganz ſichere und einwurfsfreie Löſung dieſer Frage noch nicht erbracht worden. Die vielen geſchichtlichen Thatſachen, nach denen man auf die Aenderungen oder das Gleichbleiben des Klimas ge— ſchloſſen hat, ſind unſicher und halten vor einer ſtrengen Kritik meiſtens nicht ſtand. Die ſicherſten Anzeichen geben jedenfalls die Aenderungen der Feuchtigkeitsverhältniſſe und der abflußloſen Seen. Partſch hat nun nach römiſchen Quellen nachgewieſen, daß der abflußloſe Tritonſee oder Schatt el Djerid in Tuneſien zur Römerzeit genau in dem gleichen Zuſtand ſich befand, wie heute. Mitten im Salzſee, in der Nähe des tiefſten Punktes, liegt der römiſche Brunnen Bir Menſol, welcher auch heute noch benutzt wird. Dieſe Thatſache ſpricht mit aller Entſchiedenheit dafür, daß die Niederſchlagsverhältniſſe Tuneſiens ſeit dem Altertume keine Aenderungen erfahren haben?). Aus den ziemlich zahlreichen Darſtellungen der klimati— ſchen Verhältniſſe einzelner Orte und Länder wollen wir nur einige erwähnen. Eine treffliche und gemeinfaßliche Charakteriſtik des Klimas von Bayern gibt Lang, wobei auch in ſehr zweckentſprechender Weiſe die moderne Lehre vom Wetter, der Einfluß der barometriſchen Depreſſionen auf die Witterungszuſtände, die Gewitter u. ſ. w. in Bayern berückſichtigt werden““). — Das Klima des Erzgebirges iſt von H. Hoppe ſtudiert worden“ ““). Wir wollen hier nur eine Tabelle anführen, welche die Regenmengen in den ver— ſchiedenen Höhenſtufen wiedergibt: Regenmengen in verſchiedenen Höhenſtufen, em. Nordſeite 58 65 70 75 80 84 88 983 99 Südſeite eie e er Hiernach hat in gleichen Höhenſtufen die Südſeite weniger Regen als, die Nordſeite, und zwar in den tieferen Niveaus um 14—15 em, in den höheren um 12-13 em. Es iſt nämlich der Hauptregenwind für das Erzgebirge der Nordweſtwind, daher liegt die böhmiſche Seite des Gebirges im Regenſchatten des Hauptregenwindes. Die Jahrestemperaturen auf der Nord- und Südſeite ſind nahezu gleich, indeſſen hat die Südſeite wegen ihrer kontinentaleren Lage extremere Wärmeverhältniſſe als die Nordſeite. Für die deutſche Küſte veröffentlicht van Bebber eine Anzahl Klimatafeln, welche der ausführlichen Publikation der Seewarte „Ergebniſſe der meteorologiſchen Beobachtungen im Syſtem der Deutſchen Seewarte“ entnommen ſind. Die Reſultate der meteorologiſchen Beobachtungen von Junker und Emin Paſcha im Innern des äquatorialen Oſtafrika hat A. Schmidt in Petermanns geographiſchen Mitteilungen (93. Ergänzungsheft) veröffentlicht. Wie über⸗ all in den Tropen, bildet auch hier den weſentlichen Cha— rakterzug im jährlichen Gange der Witterung der Wechſel Verh. des VIII. Geographentgs., Berlin 1889. ) Die Landwirtſchaft in Bayern, S. 114. ) Jahrb. d. Erzgeb. Zweigver. Chemnitz 1889. zwiſchen feuchter und trockener Jahreszeit. Eine regenloſe Zeit gibt es nicht, nur iſt der Oſten des ganzen Gebietes ſehr regenarm. Von März bis April, in welcher Zeit die Winde mit ſüdlicher Komponente herrſchen, iſt das ganze Gebiet reich an Niederſchlägen, welche vielfach von nicht lang andauernden Gewittern begleitet ſind. Von April bis Oktober iſt durchſchnittlich jeder zweite Tag ein Regentag. Der Witterungscharakter in den einzelnen Jahrgängen ijt nicht unerheblichen Schwankungen unterworfen. Als Ex— treme der Temperatur wurden beobachtet in ado 42,2“ und 10°, in Semio 40° und 15,79. Als höchſte Tempera— turen des Jahres find durchſchnittlich 3738 zu erwarten und als niedrigſte etwa 16—20°*). Von hohem Intereſſe ſind die mannigfachen Veröffent— lichungen über die Ergebniſſe der Polarexpeditionen, welche in den letzten Jahren gemacht worden ſind. Dieſe enthalten ſo viele wichtige Thatſachen, daß es unmöglich iſt, an dieſer Stelle auch nur einen ganz flüchtigen Ueberblick zu geben. Die Publikationen, welche von den einzelnen Ländern gegeben werden, ſind außerordentlich umfangreich, ſo daß nunmehr ein eingehendes Studium auch der Einzel— phänomene möglich iſt. Durch dieſelben wird jedenfalls eine ganze Reihe wichtiger klimatiſcher Zuſtände bekannt gemacht, welche bisher noch völlig in Dunkel gehüllt waren. Ueber die Temperatur des Weltenraumes, d. h. derjenigen Temperatur, welche eine die Wärme vollſtändig abſorbierende Maſſe ohne Atmoſphäre an Stelle der Erde im interplanetaren Raume einzig und allein unter dem Einfluſſe der direkten Wärmeſtrahlung der Geſtirne an- nehmen würde, iſt die Wiſſenſchaft noch völlig im unklaren. Nach Fourier ſollte dieſe Temperatur nur ſehr wenig unter der Temperatur der Erdpole liegen und ungefähr — 50“ bis — 60° betragen, Pouillet dagegen kam zu dem Re— ſultate, daß die Temperatur des Weltenraumes auf — 142° zu veranſchlagen ſei und nach Violle (Reſultat der Solar— konſtanten) erreicht dieſelbe ſogar — 273, nach Langleys Angaben — 88. In neuerer Zeit hat fic) J. Maurer mit dieſer Frage beſchäftigt ““). Derſelbe fand, daß wirkliche Thatbeſtände, welche beweiſen können, daß die Sternen— ſtrahlung eine irgendwie merkliche Größe beſitzt, bis jetzt abſolut nicht vorliegen. Solange aber ſolche Thatſachen nicht exiſtieren, hat es gar keinen Zweck, von einer ſogenannten Temperatur des Weltenraumes im obigen Sinne zu ſprechen; überhaupt dürfte es an der Zeit ſein, mit dieſer alten, primitiven Idee einmal aufzuräumen. „Wir können heute nur ſo viel ſagen: alles deutet darauf hin, daß die Energie— menge, welche uns aus dem interplanetaren Raume ver— möge der Radiation von Körpern hoher und niedriger Temperatur zugeſtrahlt wird, jedenfalls und namentlich im Vergleich zur Sonnenwärme und zur eigenen Strahlung der Atmoſphäre, von der ſie gar nicht zu trennen iſt, ganz belanglos iſt. Daß die Sternenwärme aber jemals zur Erklärung gewiſſer meteorologiſcher Vorgänge an der Erd— oberfläche, die eine außerirdiſche, alſo kosmiſche Urſache verlangen, mit Erfolg herbeigezogen werden könne, daran iſt noch viel weniger zu denken.“ Met. Ztſchr. 1890, S. 192, 311. Met. Stir. 1890, S. 18. 382 Humboldt. — November 1890. Zoologie. Von Dr. Hurt Lampert in Stuttgart. Entftehung der Querbänderung in der Seichnung des Aleides einzelner Säugetiere. Trichomerie. Borſtenbüſchel an den Wangen und im Unterkieferwinkel der Säugetiere; Formeln für deren Vorkommen; ihre ſyſtematiſche und morphologiſche Bedeutung. Sinushaare; ihre Füllung mit Blutmaſſe. Verwandtſchaft der Nagetiere und Beuteltiere; homologe Bildungen in beiden Ordnungen. Die Hand der Cetaceen; Hyper- phalangie und Hyperdaktylie; Anpaſſung an das Waſſerleben; Geſtaltung der Floſſen bei Sahnwalen und Bartenwalen. Aufbau der Haut bei Amphibien; Gift⸗ und Schleimdrüſen bei Kröten und beim gefleckten Salamander; Sage und Aufban derſelben; Reagens auf die Gift⸗ körner. Entſtehung der Giftzellen. Phyſiologiſche Bedeutung der Gift- und Schleimzellen. Anatomie des Olm. Beiträge zu deſſen Ent⸗ wickelungsgeſchichte. Bildung des Auges des Olm; Sichtempfindlichkeit desſelben. welche die Zeichnung des Säugetierkleides in Geſtalt von | mit d bezeichnet, nennt er Unterkinnbüſchel; das Fehlen Längsſtreifen, Flecken und Querſtreifen beanſprucht. Von] oder Vorhandenſein der Borſtenbündel bei den einzelnen Intereſſe iſt daher die Entdeckung Haackes über die Ent⸗ Tieren wird durch eine Formel ausgedrückt. — Bei den ſtehung der Querbänderung bei einzelnen Säuge⸗Alt⸗ wie Neuweltaffen, von denen Haacke im ganzen tieren). Bei Unterſuchung des Haarkleides von zwei Arten [28 Spezies unterſuchte, fehlen ſowohl die Wangenbüſchel Seidenaffen (Hapale jacchus und H. penicillata), der Zebra als das Unterkinnbüſchel, jo daß hier die Formel 0000000 manguſte (Herpestes fasciatus) und des Scharrtiers (Su- lautet. Von den Feliden unterſuchte Haacke nur Arten ricata tetradactyla), bei welchen die hintere Rückenhälfte | der Gattung Felis; ſie ergaben ſämtlich die Büſchelformel Querbänderung zeigt, hat ergeben, daß letztere dadurch | adcOcOa, d. h. es waren bei ihnen obere und untere hervorgerufen wird, daß die den Wirbelkörpern entfpredjen- | Wangenbüſchel, aber kein Unterkinnbüſchel vorhanden. Von den Haarſtreifen ſtärker und länger behaart find, als die Wichtigkeit wäre es nun noch, die Gattungen Luchs (Lynx), dazwiſchen liegenden, und daß jedes einzelne Rückenhaar [Hundskatze (Cynailurus), und Beutelfrett (Cryptoprocta) der genannten Tiere in regelmäßiger Weiſe verſchieden⸗zu unterſuchen. Für die Caniden fand Haacke durch⸗ farbig geringelt ijt. Da die Haare derartig parallel [weg die Formel adcdcQa und die gleiche Formel zeigen und aufeinander gelagert find, daß fie einander zum Teil auch die gefleckte und geſtreifte Hyäne (Hyaena crocuta decken, fo erhalten wir das Bild eines aus bunten Bän⸗[ Era. und striata Zimm.) als Repräſentantinnen der dern abwechſelnd zuſammengeſetzten Streifenſyſtems. Sn- | Hyäniden. Von den Bären zeigt der Rüſſelbär (Nasua) ſofern als jedes Haar dem andern im großen und ganzen die Formel abedeca, welche als die urſprüngliche Form gleicht, find die Tiere eigentlich einfarbig und die etch: | gelten darf; aus ihr verſchwinden bereits beim Wickelbär nung iſt nur eine Trugbänderung. Indem die Haare (Cercoleptes) und Waſchbär (Procyon) die oberen Wangen⸗ gerade an den den Wirbelkörpern entſprechenden Stellen [büſchel (a), bei den echten Bären (Ursus) auch noch e und d, länger find, haben wir in dieſer Anordnung eine bisher | dev untere Wangen⸗ und der Unterkinnbüſchel. Unter den unbekannt gebliebene Metamerenbildung am Säugetierkleid]Muſteliden zeigen die unterſuchten Gattungen Marder zu erkennen, für welche Haacke nach dem Vorſchlag von | (Mustela), Griſon (Galictis) und Bandiltis (Ictonyx Claus in Wien den Namen Trichomerie vorſchlägt; fie | zorilla) die Formel abedeba, der Dachs (Meles) dagegen tritt außer am Körper auch am Schwanz zu Tag. 0000000; von den Floſſenfüßern kam nur eine jedes Bor⸗ Eine weitere wichtige Beobachtung, die wir ebenfalls | ſtenbüſchels entbehrende Phoca-Art zur Unterſuchung, da⸗ Haacke verdanken, betrifft die Borſten am Säugetier⸗ | gegen führte die Unterſuchung der Viverriden, denen be⸗ kopf, die ſich hier an verſchiedenen Stellen finden können, kanntermaßen aus verſchiedenen Gründen eine tiefe Stel⸗ jo an Oberlippe und Kinn, Augenbrauen, Lidrändern, un⸗ [lung unter den Raubſäugetieren zugewieſen wird, ebenfalls terem Augenlid, Wangen und Unterkieferwinkel“ ). Ihr zu der Büſchelformel abedeoa; dieſe Formel erſcheint Fehlen oder Vorhandenſein an beſtimmten Regionen des demnach als Grundformel für die geſamte Ordnung der Kopfes iſt von hervorragender ſyſtematiſcher und morpho- Raubtiere, in deren einzelnen Familien bei der Weiterent⸗ logiſcher Bedeutung. Es gilt dies von den Borſten an wickelung das eine oder andere Borſtenbüſchel verſchwunden den Wangen und im Unterkieferwinkel und wird dadurch iſt. Aus der Ordnung der Fledermäuſe konnte Haacke bedingt, daß dieſelben in Büſchel geſtellt ſind, von denen | nur den zu den Fruchtfreſſern gehörigen Nachthund (Cy- ſich auf jeder Wange O—1—2, im Unterkieferwinkel 0—1 | nonycteris) unterſuchen; hier beſitzt das erwachſene Tier vorfinden können und daß dieſe Büſchel nicht überall ein keine Borſtenbüſchel, für das neugeborene nackte Junge gleiches, wohl aber in den verſchiedenen Abteilungen der aber gilt die Formel abedeoa. In der Ordnung der Säuger ein übereinſtimmendes Verhalten zeigen, fo daß | Ungulaten fand Haacke bei den von ihm unterſuchten ſich hieraus häufig brauchbare ſtammesgeſchichtliche Schlüſſe] Pferden die Formel 0000000, für die Tapire ſcheint ergeben. Auf den Wangen unterſcheidet Haacke ein oberes, OOOAOOO zu gelten. Die Rinder ergaben verſchiedene mittleres und unteres Büſchel, für welche er die Buch- | Formeln, ein Teil 0000000, ein anderer jedoch adcdca; e eee ee am Säugetierkleide; Sonderabdruck aus unter den Cerviden gilt für die Mehrzahl 000000, „Bericht über die Sengenbergiſche naturforſchende Geſellſchaft in Frank- für den Muntjac (Cervulus muntjac) dagegen adedc0a furt a. M. 1890“. Ich verdanke dieſe Arbeit ſowohl als den Sonder- und die gleiche Formel findet ſich hie und da auch beim e weiter erwähnten Arbeit Herrn Dr. Haackes der Güte des Herrn Damhirſch (Dama vulgaris). Haacke ſieht daher in dieſer . Formel den Ausdruck der für die Cerviden urſprünglich **) Ueber die ſyſtematiſche und morphologiſche Bedeutung bisher un⸗ Paes 12 . i : beachtet gebliebener Borſten am Säugetierkopf. I. c. gültigen Verhältniſſe, welche ſich beim tief ſtehenden Munt⸗ Den Leſern dieſer Blätter iſt die Bedeutung bekannt, ſtaben a, b, e gebraucht; das Büſchel im Unterkieferwinkel, Humboldt. — Wovember 1890. jac erhalten haben und bei dem durch halbe Domeſtikation degenerierten Damwild hie und da noch auftreten. Die Zwerghirſche (Tragulus) beſitzen ebenfalls ein oberes und unteres Wangenbüſchel, ſowie ein Unterkinnbüſchel, wäh— rend dieſe bei den Kamelen verſchwanden. Von den Schweinen wurde das Wildſchwein (Sus scrofa) mit dem Ergebnis 000d000 und das neotropiſche Nabelſchwein, welches die Formel abedeoa aufwies, unterſucht. Der gleichen Formel folgt der Klippſchiefer. Als Geſamtergeb— nis der bisher angeführten Details ergibt ſich demnach, daß für Raubtiere wie Flattertiere und Huftiere die Ur— formel der Borſtenbüſchel gleichmäßig lautet adcdeOa. Weſentlich verſchieden von dieſem Ergebnis iſt das Reſultat der Unterſuchung bei den Edentaten, Halbaffen, Nagetieren, Inſektenfreſſern und Beutlern, welche, ſoweit deutliche Befunde vorliegen, ſämtlich die von adcde0a weſentlich verſchiedene Büſchelformel Obodobo beſitzen. Unter den Lemuren erhielt Haacke poſitive Ergebniſſe bei vier Gattungen und zehn Arten; von Nagern folgen dieſer Formel Arten der Gattungen Eichhörnchen (Sciurus), Mur⸗ meltier (Arctomys), Siebenſchläfer (Myoxus), Maus (Mus), Springmaus (Dipus), Paka (Coelogenys) und Aguti (Dasyprocta); unter den Inſektenfreſſern zeigt die Formel ſehr ſchön der Borſtenigel (Centetes ecaudatus) Madagaskars, von den Zahnloſen ſtand Haacke nur das Borſtengürteltier (Dasypus villosus) zur Verfügung. Bei Beutlern beſitzen mittleres Wangenbüſchel und Unterkinnbüſchel die Gattungen Wombat (Phascolomys), Känguruh (Macro- pus), Känguruhratte (Hypsiprymnus), Belideus, Kuſu (Phalangista), Marderbeutler (Dasyurus) und Beutelratte (Didelphis); Kloakentiere wurden keine unterſucht, ebenſo— wenig ſtanden leider Fiſchſäuger zur Verfügung, bei denen die Unterſuchung von Embryonen zu phylogenetiſch wich— tigen Reſultaten führen könnte. Bei den Beutlern, dem Borſtenigel und manchen Nagern ſtehen die Borſten in einem Bogen oder Halbkreis; wahrſcheinlich iſt, wie Haacke vermutet, dieſes Büſchel b das urſprünglich gegebene, aus welchem ſich durch Teilung die Büſchel a und e» gebildet haben; eine Stütze findet dieſe Annahme darin, daß das Büſchel b gerade bei den auf niedriger Entwickelungsſtufe ſtehenden Säugetierordnungen vorkommt, ſich nicht zu— ſammen mit a und c findet und daß dieſe bei den aus— geſprochen niedrig ſtehenden Viverriden zum Teil einander noch ſehr genähert ſind. Die Entſtehung der Wangen- und Unterkinnbüſchel, die ſich auch bei ſolchen Tieren mit großer Zähigkeit er— halten, bei welchen ſie nicht die allergeringſte Bedeutung beſitzen können, iſt in richtiger Weiſe wohl nur durch An— nahme beſtimmter ontogenetiſcher Wachstumsrichtungen zu erklären. Ob die Borſten der Unterkinn- und Wangen— büſchel in ihrem Bau den Taſthaaren, wie ſie ſich beiſpiels— weiſe an der Ober- und Unterlippe von Kaninchen und Meerſchweinchen finden, gleichen, iſt nicht erwähnt. An eine dieſe von anderen Haaren unterſcheidende, übrigens ſchon länger bekannte, zum Teil aber wieder in Vergeſſen— heit geratene Eigentümlichkeit der Taſthaare erinnert neuerdings S. Mayer in einem „Beitrag zur Lehre vom Bau der Sinus haare“ *). Archiv für mifroffop. Anatomie Bd. 35. 1890. 383 Die Taſthaare beſitzen nämlich im Gegenſatz zu den gewöhnlichen Haaren nahe unterhalb der Talgdrüſen einen ringförmig umlaufenden Blutſinus, den Ringſinus, an welchen ſich weiter abwärts ein kavernöſes Gewebe an— ſchließt; ſie wurden daher von Merkel als Sinushaare bezeichnet und Bonnet ſtellt dieſen die anderen Haare als aſinöſe Haare gegenüber. Viele dieſer Sinushaare zeigen einen merkwürdigen Befund, indem der Markkanal des Haares an verſchiedenen Stellen und nicht etwa nur in der Haarwurzel, ſondern günſtigenfalls bis 1—2 em über dem Niveau der Haut ſtreckenweiſe erfüllt iſt mit einer blutigroten Maſſe. Nach Mayers erneuten Unterſuchungen an ungefärbten Taſthaaren junger Katzen und Taſthaaren weißer Kaninchen iſt die rote Maſſe Blut, die Färbung rührt aber nicht allein von den Blutkörperchen her, ſondern auch die Flüſſigkeit ſelbſt iſt blutrot gefärbt, was bedingt iſt durch Hämoglobin, welches ſich von den roten Blut— körperchen getrennt hat. Die Quantität des Gehaltes der Taſthaare an Blut iſt außerordentlich verſchieden; bei der örtlichen Verbreitung der Blutmaſſe, die in den Haaren junger Kätzchen bis 2,5 em vom unteren Ende der Haare aus gerechnet hinaufgehen kann, iſt ſehr bemerkenswert, daß die blutige Maſſe im Haarmark ſich gewöhnlich nicht als ein Continuum darſtellt, ſondern ſich zwiſchen den ein— zelnen Anſammlungen von Blut immer Stellen finden, die abſolut blutfrei ſind und nur von Markzellen und intra— oder extracellulärer Luft eingenommen werden. Wie das Blut in das Haarmark gelangt, iſt noch nicht völlig ge— klärt. Nach Mayer iſt anzunehmen, daß bei den Papillen— haaren aus den Kapillaren der Haarpapille ein Austritt von Blut erfolgt zu einer Zeit, in der das noch auf der Papille aufſitzende Haar vom Haarknopf aus wächſt, und daß durch Wachstumsvorgänge eine Aufwärtsſchiebung der blutigen Maſſe erfolgt. Bei den Kolbenhaaren, die von der Papille bereits abgerückt ſind, iſt vielleicht anzunehmen, daß die im Haarmarke ſich vorfindenden blutigen Maſſen allmählich durch einen von der äußeren Wurzelſcheide aus- gehenden Flüſſigkeitsſtrom von unten nach oben im Mark— raume fortgeführt werden. Die Anordnung der Borſtenbüſchel zeigt u. a. wie erwähnt bei den Nagern und Beutlern die gleichen Ver— hältniſſe und läßt eine Verwandtſchaft beider Ordnungen vermuten; eine ſolche Annahme wurde ſchon mehrfach auf Grund vergleichend-anatomiſcher Unterſuchungen einzelner Organe ausgeſprochen. Neuerdings hat Fleiſchmann!) die verſchiedenen in der Litteratur verſtreuten Angaben zuſammengeſtellt, durch Nachunterſuchung auf ihre Richtig— keit geprüft und eine einheitliche und umfaſſende Bear— beitung der Frage nach der phylogenetiſchen Abſtammung der Nagetiere unternommen. Zunächſt unterſuchte Fleiſch— mann das Gebiß beider Ordnungen; die auffallende Parallele der Zahnbildung zwiſchen Beutlern und Nagern iſt ſchon mehrmals betont worden. Nach Fleiſchmanns Beobachtungen läßt ſich die Reihe der Umbildungen von den känguruhartigen Beuteltieren in einfachem Weg bis zu den Nagern verfolgen, wobei die analogen Seitenzweige Phalangista und Phascolomys über die früheren Zwiſchen— formen erwünſchte Kunde liefern. *) Sitzungsber. der k. pr. Akademie der Wiſſenſch. Berlin. Sitzung vom 20. März 1890. 384 Ein weiteres Verwandtſchaftszeichen zwiſchen Nagern und Beutlern findet ſich am Unterkiefer. Ein in die Augen ſpringendes Merkmal am Unterkiefer der Beutler iſt der horizontal nach innen ſpringende Kieferwinkel. Sind die Nager mit den Beutlern ſtammverwandt, ſo muß bei erſteren jene Bildung heute noch erkennbar ſein und thatſächlich iſt dies der Fall. Die öfters beſchriebene Beu⸗ gung der hinteren Ecke) des Unterkiefers bei Nagern, die bei verſchiedenen Abteilungen in wechſelnder Ausbil⸗ dung vorkommt, iſt in einer direkten Reihe vom Befund bei Beuteltieren ableitbar. Beſonders klar ausgeprägt iſt dieſe Eigentümlichkeit bei den Mäuſen (Muriden), Eich⸗ hörnchen (Sciuriden) und Siebenſchläfern (Myoxiden), fehlt jedoch immer den Stachelſchweinen (Hyſtrichiden), Huf⸗ pfötlern (Subungulaten), Trugratten (Octodontiden), Haſen⸗ mäuſen (Lagoſtomiden) und Haſen (Leporiden). Dieſes Verſchwinden des Unterkieferwinkels iſt aber auch ſchon bei Beutlern angebahnt, jo beim Koala (Phascolarctus) ; der Unterkiefer erſcheint dann bei ſeitlicher Betrachtung als eine nach hinten zu einer dreiſeitigen Platte verbrei⸗ terte Spange, deren frühere Geſchichte die Kontur des Randes und die auf der äußeren Fläche des Kieferendes befindlichen Gruben und Knochenleiſten verraten. Wir haben alſo ſchon bei wahren Beutlern das Beſtreben, den Kieferwinkel aus der einwärts gerichteten horizontalen Lage in eine mehr vertikale überzuführen und ihn in die gleiche Ebene wie den aufſteigenden Aſt zu bringen. Bei Nagern find alle wünſchenswerten Stufen der Rückbeu⸗ gung erhalten geblieben, die im Extrem den Anlaß zu der mächtigen Flächenzunahme des hinteren Kieferendes wurden. Damit gleichlaufend fand Fleiſchmann eine Reduktion des Processus coronoideus: bei Beuteltieren ſehr kräftig ausgebildet, erhält er ſich bei allen den Nagetieren, welche den nach innen ſpringenden Kieferwinkel beſitzen; aber er wird klein, faſt bis zum gänzlichen Schwunde bei Nagern mit breiter Kieferplatte. Noch eine ganze Reihe weiterer Eigentümlichkeiten in beiden Klaſſen weiſen auf deren Verwandtſchaft hin. So bekundet ſich bei den Nagern der frühere Beſitz der den Beutlern zukommenden Kloake dadurch, daß die äußere Oeffnung des Urogenitalappa⸗ rates und der After dicht nebeneinander liegen, ſo daß ſie faſt zuſammenſtoßen und von gemeinſamen Sphinkteren umfaßt werden. Bei Beuteltieren münden die beiden Hörner des Uterus mit getrennten Oeffnungen in die Vagina und bei Nagern herrſcht das gleiche Verhalten; Beutler und Nager haben ferner zuſammen mit den In⸗ ſektivoren die größte Zahl der Bruſtzitzen, und Gegen⸗ baur hat gezeigt, daß die Milchdrüſen der Nagetiere im Bau vollkommene Homologie mit den Verhältniſſen bei Beutlern beſitzen. Ebenſo wurde bezüglich des Baues des Kehlkopfes, des Gehirns in äußerer Form und innerer Struktur wie der Anordnung der Spinalnerven am Rücken⸗ marke bei Beutlern und Nagern weſentliche Uebereinſtim⸗ mung und ſelbſt größte Gleichartigkeit ſtudiert. Beſonders aber ſprechen nach Fleiſchmann für eine direkte Verwandt⸗ ſchaft der Beutler und Nagetiere die vielfachen und auf⸗ fallenden Aehnlichkeiten, welche während der Embryonal⸗ entwickelung in beiden Gruppen auftreten. Wie beim Opoſſum der Dotterſack während des Uterinlebens eine Humboldt. — November 1890. anſehnliche Ausdehnung behält und bis zum Moment der Geburt die Allantois weit an Größe übertrifft, ſo bleibt auch bei Nagern, wie Eichhörnchen und Kaninchen, der Dotterſack während der ganzen Schwangerſchaft verhältnis⸗ mäßig groß und die Allantois klein, ſo daß, wenn auch bei den Nagern durch die Entſtehung einer diskoidalen Placenta die Funktion der Allantois ſehr geſteigert wor⸗ den iſt, die urſprünglichen Verhältniſſe der phylogenetiſchen Geſchichte ſich doch aus dem lange Zeit der Allantois gleichkommenden Volumen des Dotterſackes erſchließen laſſen. In gleicher Weiſe ſpricht das Vorhandenſein eines ſcheibenförmig ausgebreiteten Gefäßhofes auf dem Dotter⸗ jack mit kordifugalem Sinus terminalis bei Beutlern, Kaninchen und Eichhörnchen, ſowie die lange Perſiſtenz eines ekto-entodermalen Proamnions beim Opoſſum und den genannten Nagern für eine gegenſeitige Verwandtſchaft und der langen Reihe der beweiskräftigen Momente fügt Fleiſchmann noch den Hinweis auf die Inverſion der Keimblätter bei Mäuſen und Hufpfötlern bei. Die eigen⸗ tümliche von Selenka nachgewieſene Epiſode in der Ent⸗ wickelungsgeſchichte iſt als eine Modifikation von einer ſicher ſehr einfachen Uterinentwickelung der Vorfahren zu betrachten. Aus der Entwickelungsgeſchichte der Seeſäuge⸗ tiere greift ein intereſſantes Kapitel Kükenthal heraus mit ſeinen Studien über die Hand der Cetaceen*). Durch die Umbildung der Vorderextremität landbewohnender Säuge⸗ tiere zur Floſſe der Cetaceen ſind mancherlei neue Er⸗ werbungen zu altererbten hinzugekommen. Als höchſt charakteriſtiſche Eigenſchaft fand Kükenthal, daß das Hand⸗ ſkelett der Cetaceen die Tendenz hat, in viele Knochen⸗ ſtückchen zu zerfallen; dieſe Eigentümlichkeit findet ihr Analogon nur bei den foſſilen Ichthyoſauriern, an deren Floſſe ein gleicher Zerfall zu konſtatieren ijt. Es ſind demgemäß die Phalangen der Seeſäuger als ein ſekundäres Zerfallsprodukt des urſprünglichen Fingerſtrahles anzu⸗ ſehen und mit der typiſchen Säugetierphalange durchaus nicht homolog. Kükenthal fand aber ferner, daß es nicht nur durch eine Querteilung des Fingerſtrahles zur Hyper⸗ phalangie kommt, ſondern daß auch durch Längsteilung eine Art Hyperdaktylie entſtehen kann; er machte dieſen Befund zunächſt bei einem Embryo von Beluga leucas, indem er nachwies, daß die Trennungsfurche zwiſchen dem Metacarpale des fünften Fingers und der erſten Phalange nicht völlig hindurch geht, ſondern ſich von ihrem Ende zwei weitere Furchen abzweigen, von denen die untere an den äußeren Rand geht, die obere nur klein iſt und den äußeren Rand nicht erreicht. Viel deutlicher zeigt ſich das zwiſchen dieſer Phalange und der nächſten, indem hier die beiden ſchrägen Furchen ein beſonderes Knorpelſtück ab⸗ ſchneiden. In der Hand des erwachſenen Tieres iſt dieſe Abſpaltung noch weiter geſchritten. Von dem den fünften Finger tragenden Metacarpale gehen neben erſterem zwei hintereinander liegende, wohl ausgebildete Phalangen aus, von dem fünften Finger durch eine tiefe durchgehende Furche getrennt. Aehnliche Verhältniſſe fand Kükenthal bei der Unterſuchung zweier Embryonen von Tursiaps tursio; ) Denkſchriften der mediziniſch⸗naturwiſſenſchaftlichen Geſellſchaft zu Jena Bd. III 1889 und Anatom. Anzeiger III. Jahrg. 1888 S. 639 und 913 und V. Jahrg. 1890 S. 44. Humboldt. — November 1890. daß man es mit keinem zufälligen Vorkommnis zu thun hat, zeigt das gleichmäßige Vorkommnis an beiden Händen. Der ganze Vorgang iſt als eine Anpaſſung an das Wajfer- leben zu betrachten; die erhöhte Inanſpruchnahme des fünften Fingers durch eine geſteigerte ſtützende Funktion desſelben iſt nicht nur von Querteilung desſelben wie bei anderen Fingern, ſondern auch von Längsteilung begleitet; auch dieſes Verhältnis ſehen wir bei den ebenfalls dem Waſſerleben angepaßten Ichthyoſauriern vorhanden. Daß an den fünften Finger erhöhte Anſprüche geſtellt werden, erklärt ſich aus der Form der Floſſe. In der äußeren Geſtaltung laſſen die Seitenfloſſen der Cetaceen zwei Gruppen unterſcheiden; die der Zahnwale ſind meiſt breit, oft ſchaufelförmig und haben ſtets einen gebogenen radialen Rand, bei Bartenwalen ſind ſie ſchmäler und der radiale Rand verläuft geradlinig. Durch Einkrümmen des Floſſen— randes bei den Zahnwalen wurde beſonders der fünfte Finger berührt, und in erhöhtem Maß als ſchützendes Organ in Anſpruch genommen, damit eine gewiſſe Rigidität, welche zu der Funktion des Steuers unerläßlich iſt, er— reicht werde. Die Funktion, den ulnaren Floſſenſaum zu ſtützen, die bei den Zahnwalen dem fünften Finger zu— kommt, hat bei den Bartenwalen das Piſiforme zu er— füllen, welches daher bei Bartenwalen in mächtiger Aus— bildung auftritt, beſonders z. B. bei Balaenoptera ro- strata, wo es die Carpalelemente um ein mehrfaches an Größe übertrifft und fingerartig nach vorn gerichtet iſt. Aus der Reihe weiterer Arbeiten über höhere Tiere greifen wir zunächſt eine Unterſuchung von Paul Schultz über die Giftdrüſen der Kröten und Salamander heraus“), welche eine Geſamtdarſtellung der Hiſtologie dieſer bislang auffallenderweiſe noch wenig unterſuchten Gebilde liefert. Als notwendige Einleitung gibt der Verfaſſer zunächſt eine Darſtellung der feineren Struktur der Haut der von ihm unterſuchten Amphibiengattungen. Die oberſte Schicht der Oberhaut ijt die Häutungsſchicht, eine einfache, zuſammen— hängende Lage völlig erſtorbener, verdorrter, glatter Zell— tafeln, welche bei der nächſten Häutung abgeſtoßen wer— den; Schultz ſtellt dieſe Häutungsſchicht der eigentlichen Epidermis oder Epidermis im engeren Sinne gegenüber, welche ſich wiederum in zwei Schichten, in die Horn- und Schleimſchicht teilt. Die erſtere liegt unter der Häutungs— ſchicht, welche aus jener hervorgegangen iſt; fie beſteht aus einer mehr-, beim Salamander gewöhnlich dreifachen Lage von Zellen, die abgeflacht und platt erſcheinen. In der Hornſchicht findet ſich bei den Kröten wie beim Sa— lamander außer den gewöhnlichen Zellen noch eine andere eigentümliche Art vor, die Schultz als Becherzellen be— zeichnet; das diſtale Ende der Becherzellen liegt in der Höhe der äußerſten Zelllage der eigentlichen Epidermis, die Becherzellen münden alſo auf die eigentliche Epidermis unterhalb der Häutungsſchicht; ihrer phyſiologiſchen Be— deutung nach ſind ſie einzellige Drüſen, deren Sekret dazu beſtimmt iſt, vor dem Häutungsprozeß die Häutungsſchicht von ihrer Unterlage, der Hornhaut, durch Ausfließen des Zelleninhaltes zwiſchen die Oberfläche der eigentlichen Epi— dermis und die Häutungsſchicht zu lockern. Die zweite Schicht der eigentlichen Epidermis iſt die Schleimſchicht, ) Archiv für mikroſtopiſche Anatomie Bd. 34. 1889. Humboldt 1890. 385 deren unterſte Lage unmittelbar auf der Cutis ſitzt; die Zellen dieſer Lage find längliche, annähernd cylindrijde, palliſadenartig nebeneinander ſtehende Gebilde, ſie tragen unregelmäßige franſenartige Fortſätze, die zur Ernährung ſowohl dieſer Zellen ſelbſt als auch der darüber liegenden dienen. Nur in dieſer Lage finden ſich Kernteilungsſpuren. Auf die Epidermis folgt die Cutis, zunächſt eine äußerſt dünne Lage, welche den Eindruck einer hyalinen Baſal— ſchicht macht, ſodann eine ziemlich breite Schicht von lockerem Bindegewebe, in welchem ſich die Hauptkapillaren verbreiten, ſowie Nerven und Pigment finden, und dann die eigentliche Lederhaut. Sie iſt breit, derb und aus welligen parallel zur Oberfläche verlaufenden Bündeln zuſammen— geſetzt, die wiederum in gewiſſen Abſtänden von einzelnen ſenkrechten Zügen elaſtiſcher Faſern durchſetzt werden. Die innerſte oder unterſte Lage bildet wiederum lockeres Binde— gewebe mit Gefäßen, dem tiefen Hautkapillarnetz, Lymph— räumen, Nerven und auch bisweilen Pigment. Der Cutis, aber verſchiedenen Lagen derſelben, ge— hören die für die Haut der Amphibien ſo charakteriſtiſchen Drüſen an; es ſind bei den Kröten und gefleckten Sala— mandern zwei Arten derſelben zu unterſcheiden, die ſowohl in ihrem anatomiſchen Bau, wie in ihrer phyſiologiſchen Bedeutung weſentlich voneinander differieren. Schultz unterſcheidet ſie als Schleimdrüſen und Giftdrüſen. Wäh⸗ rend die Schleimdrüſen über den ganzen Körper überaus zahlreich verbreitet ſind, finden ſich die Giftdrüſen auf dem Rücken des Körpers und der Gliedmaßen; be— ſonders große, als Parotiden bekannte Anhäufungen be— finden ſich unmittelbar hinter den Augen in der Ohr— gegend, außerdem findet ſich beim Salamander am Kopf eine zweite, ungleich kleinere Anhäufung am Kieferwinkel. Die Giftdrüſen des Rückens ſind bei der Kröte unregel— mäßig über die Rückenfläche verſtreut, beim Salamander dagegen regelmäßig verteilt: erſtlich findet ſich längs der ganzen Wirbelſäule bis zur Schwanzſpitze hinunter jeder— ſeits eine dicht hintereinander geſtellte Reihe, außerdem aber dieſer parallel eine zweite an den Seiten des Rumpfes, die an der vorderen Extremität beginnend ſich nur bis zur hinteren, alſo nicht über den Schwanz hin erſtreckt. Bezüglich der genaueren Lage der beiden Sorten Drüſen iſt zu bemerken, daß die Schleimdrüſen in der lockeren Bindegewebslage liegen, wenn auch ihr Boden bisweilen in die tiefe Coriumlage hineinragt, daß die Giftdrüſen dagegen ihrem ganzen Umfange nach im tiefen Corium ſelbſt liegen, von dieſem alſo von allen Seiten, auch von oben umgeben ſind; die Schleimdrüſen ſind faſt genau kugelig, die Giftdrüſen meiſt mehr länglich, oval und un— gefähr zehnmal ſo groß wie jene. Ihrer hiſtologiſchen Struktur nach wiederholen die Drüſen, da ſie einfache Einziehungen oder Einſtülpungen der Haut ſind, im weſentlichen den Bau derſelben. Das ſicherſte Unterſchei— dungsmerkmal iſt ihr Sekret. Während die Schleimdrüſen durchſichtig, glaſig, hell erſcheinen und in ihrem Innern Schleimzellen und Schleim enthalten, find die Gift— drüſen gekennzeichnet durch die ſtark lichtbrechenden Gift— tropfen, die ihnen und der ganzen Drüſe ein dunkles, körniges Ausſehen verleihen. Als ein vorzügliches Reagens auf dieſe Giftkörner erweiſt ſich Kupfer-Häma— toxylin, durch welches dieſelben die tiefblaue Farbe des 49 386 Preußiſch Blau annehmen. Sieht man von der Häutungs⸗ ſchicht ab, welche bei der Behandlung mit dem gleichen Reagens dunkelblau⸗ſchwärzlich erſcheint, ſo ſind die Gift⸗ tropfen die einzigen Gebilde welche ſich mit Kupfer⸗Häma⸗ toxylin derartig färben, denn die Zellkerne erſcheinen mehr violett, die Schleimdrüſen bleiben durchaus hell, alles übrige Gewebe zeigt einen bräunlich-violetten Schimmer. Die giftigen Elemente der Giftdrüſen entſtehen aus Epithel⸗ zellen, welche die Giftdrüſen auskleiden, die das Merkmal von Giftzellen durch das Auftreten von Giftkörnern inner⸗ halb der Zelle ſelbſt erhalten. Wo und wann ſich die⸗ ſelben zuerſt innerhalb der Zelle zeigen, vermochte Schultz nicht nachzuweiſen. Sie ſind kein Erzeugnis der Zelle, kein Sekret im ſtrengſten Sinn des Wortes, ſondern viel⸗ mehr umgewandeltes Protoplasma, integrierende Beſtandteile der Zelle ſelbſt. Wie der anatomiſche Bau der beiden beſchriebenen Drüſenarten verſchieden iſt, fo auch ihre phyſiologiſche Be- deutung. Den Schleimdrüſen fällt nach einer Beobachtung von Schultz die Aufgabe zu, durch Abſonderung eines Sekrets die für die Amphibien ſo gefährliche Eintrocknung der Haut zu verhindern. Eine Kröte, die Schultz beſaß, fand ſich, ſo oft ihr bei trockener Witterung Waſſer mangelte, über und über mit hellem, glaſigem Schleim überzogen; der Schleim beſaß weder einen beſonderen Geruch, noch einen bitteren oder ätzenden Geſchmack. Die Giftdrüſen dagegen ſtellen eine Verteidigungswaffe dar, aus ihnen ſcheidet das Tier einen ſeinen Feinden verderblichen ätzen⸗ den Saft aus. Reizt man die Drüſen mittels des elektriſchen Stromes, ſo erfolgt die Abſcheidung bei den Kröten und Salamandern in bemerkenswert verſchiedener Weiſe: bei letzteren ſpritzt das Gift mit größter Energie in einem dünnen, über fußweiten, zerſtäubenden Strahl heraus, bei der Kröte tritt dasſelbe erſt nach längerer Enwirkung des Stromes langſam, tropfenweiſe und anfangs ſehr ſpärlich auf die Oberfläche. Bezüglich der phyſiologiſchen Wirkung des Giftes ſei hier auf die neueren Arbeiten franzöſiſcher Autoren hierüber nur verwieſen ). Von einer Beziehung der Schleimdrüſen und Giftdrüſen zu einander, wie ver⸗ mutet worden, etwa in der Weiſe, daß Schleimdrüſen temporär giftig würden, iſt keine Rede; die Drüſen ſtehen auch entwickelungsgeſchichtlich in keiner Beziehung. Den Leſern dieſer Blätter iſt bekannt, daß es neuer⸗ dings Dr. Zeller gelungen n), Olme zur Fortpflanzung und die Embryonen zur Entwickelung zu bringen. Der intereſſante Molch hat zwei weiteren Forſchern als Unter⸗ ſuchungsobjekt gedient. Einer genauen anatomiſchen Un⸗ terſuchung unterwarf ihn Oppeln), indem er beſonders den Verdauungstraktus mit den dazu gehörigen Organen und die Lungen ſtudierte. Er beginnt mit der Schilde⸗ rung der Mundhöhle. Die Zunge des Proteus ſtellt ge⸗ wiſſermaßen nur einen ſtark entwickelten Schleimhautüber⸗ ) S. Dulartre, Sur le venin de la Salamandre terrestre: Compt. rend. Acad. Paris T. 110. No. 4. 1890 und Phisalix et Langlois, Action physiologique du venin de la Salamandre terrestre: ib. T. 109, Nr. 12. 1889. ) S. Humboldt. 1889 S. 31 und Zeller über die Fortpflanzung des Proteus anguineus und ſeine Larve in: Jahresb. des Vereins für vaterl. Naturt. in Württemberg. 45. Jahrg. 1889. ) Beiträge zur Anatomie des Proteus anguineus: Archiv für mikroſkopiſche Anatomie, Bd. 34. 1889. Humboldt. — November 1890. zug der Spitze der beiden frei in die Mundhöhle vorragen⸗ den Keratohyalia mit dem dazwiſchen liegenden erſten Baſi⸗ bronchiale vor und geht nach hinten direkt in den Boden der Mundhöhle über. Die einzigen ſecernierenden Elemente, welche die Mundhöhle des Proteus beſitzt, der Drüſen völlig fehlen, ſind Becherzellen, große, ins Epithel eingeſtreute Zellen von kugeliger Form mit kurzem, engem Hals. Aller⸗ dings ſind beim Olm in der Schnauzenſpitze lange, zum Teil gewundene Drüſenſchläuche vorhanden, allein Oppel nimmt nicht an, daß dieſe Schläuche etwas mit den in die Mundhöhle mündenden, von Leydig beſchriebenen Drüſen der übrigen Amphibien gemein haben, ſondern daß viel⸗ mehr der eine dieſer Schläuche und zwar, wo mehrere vorhanden find, der längſte mittlere dem Thränenkanal entſpricht, die übrigen der äußeren Naſenhöhlendrüſe. Be⸗ treffs der Schilddrüſen ſchließt Proteus den anderen Uro⸗ delen ſich genau an, indem drei Schilddrüſen, eine paarige und eine unpaare, vorhanden ſind; ſie liegen am Boden der Mundhöhle und zwar unter den in demſelben befind⸗ lichen Knochen. . Von der Mundhöhle aus in den Oeſophagus ge- langend, ſehen wir den Uebergang des einen Epithels in das andere ſich ganz allmählich vollziehen. Die Drüſen des Oeſophagus haben eine rundliche Form. Der vom Oeſophagus hiſtologiſch ſcharf zu ſcheidende Magen des Proteus trennt ſich nach ſeinem Bau in zwei Regionen; die erſte derſelben, der Fundus, iſt charakteriſiert durch eine eigene Art von Drüſen. Dieſelben münden, oft mehrere zuſammen, in Gruben, welche vom Oberflächen⸗ epithel der Schleimhaut gebildet werden, und beſtehen aus zweierlei Zellen, welche ſämtlich getrennt ſind, hellen näher der Mündung und gekörnten im Grunde der Drüſe, die beide ſtets nur in geringer Zahl vorhanden ſind; ſie ſind auch beim Froſch beſchrieben; die erſteren der beiden Sorten werden als Schleimzellen, die letzteren als Labzellen bezeichnet und zwar werden letztere mit den Belagzellen der Säugetiere identifiziert. An der Stelle des Magens, wo dieſe Drüſen aufhören, beginnt die zweite Magen⸗ region, die Pylorusregion, die bis zur Einmündung des erſten Pankreasausführungsganges ſich erſtreckt. Das Pankreas iſt wohl charakteriſiert; es liegt in der Dupli⸗ katur, welche das Peritoneum vom Darm zur Leber ziehend bildet. Der Bau des Pankreas des Proteus iſt durchaus der für Pankreas charakteriſtiſche; was aber die Ausfüh⸗ rungsgänge des Pankreas anbelangt, ſo vereinigen ſich dieſelben nicht zu einem, oder wie bei manchen Urodelen, zu zwei Gängen, ſondern münden in großer Zahl und zwar an zwei verſchiedenen Stellen in den Darm. Die Leber, die durch ihre langgeſtreckte Form auffällt, entſpricht, wie Wiedersheim nachgewieſen, nicht der ganzen Leber der Urodelen, ſondern nur dem rechten Lappen derſelben. Ihr innerer Bau iſt bemerkenswert; bei einer Betrachtung des Querſchnitts der Proteusleber fällt ſofort ins Auge, daß es ſich hier um zwei ganz verſchieden gebaute Syſteme handelt, welche ſich durchweben; das eine beſtehend aus Leberzellen, das andere vor allem kenntlich durch reiche Pigmenteinlagerung und durch zahlreiche Wanderzellen. Das letztere Syſtem bildet einen Teil des Lymphſyſtems, der in der Leber des Proteus nicht viel weniger Raum einnimmt als der ſecernierende Apparat. In dieſem Syſtem liegen Humboldt. — November 1890. einzeln oder zu mehreren vereinigt Pigmentzellen. Sie charakteriſieren ſich als Wanderzellen, die wie Oppel an— nehmen zu dürfen glaubt, nicht in der Leber des Proteus entſtehen, ſondern im Gegenteil dort zu Grund gehen; ihr Entſtehungsort iſt u. a. der Darm; doch mögen auch noch andere Quellen vorhanden fein, welche dieſe Pigment- zellen liefern. Die bereits zur Ruhe gekommenen Pigment- zellen im Lymphſyſtem der Leber werden ſtets kapſelartig von den noch aktiven Wanderzellen begrenzt. Mittel- und Enddarm beſitzen zahlreiche Drüſen, die gegen die Kloake zu Kolbenform zeigen. Kurz vor der Einmündung in die Kloake nimmt der Darm auf ſeiner ventralen Seite die Harnblaſe auf. Bei der Unterſuchung der Lunge kam Oppel zu dem Reſultat, daß Lungen, Tracheobronchialraum und Larynx voneinander zu unterſcheiden ſind und daß die Lungen, dem hiſtologiſchen Bau nach zu urteilen, wohl funktions— fähig ſind. Zur Entwickelungsgeſchichte des Olm lieferte Wiedersheim ſehr wertvolle Beiträge“). Das Material hierzu war ihm in Geſtalt einiger Eier und Larven von Dr. Zeller zur Verfügung geſtellt worden. Die unter— ſuchten Larven ſtammten aus der ſechſten, achten und zehnten Woche, boten alſo keineswegs das Material zu lückenloſen Unterſuchungen, allein es waren überhaupt die erſten Larven dieſes ſeiner Stellung nach ſo intereſſanten Tieres, die hier zum Studium gelangten. Es möge uns geſtattet ſein, die Zuſammenfaſſung der Reſultate mit den Worten des Verfaſſers hier wiederzugeben. „Die äußeren, von wulſtigen Rändern umgebenen Naſenöff— nungen ſind unterſtändig und bei jungen Larven, ähnlich wie bei Selachiern, nahe an die Mundſpalte gerückt. Die äußeren Kiemen erſcheinen zunächſt in Form von drei, in ſchiefer Richtung gelagerten Papillen; ſpäter gabeln ſie ſich geweihartig. Die knoſpenartig vorwachſenden Gliedmaßen ſind nach oben und unten gerichtet und erinnern dadurch an die Entwickelung der paarigen Fiſch-(Teleoſtier-)Floſſen. Die Knickung der vorderen Extremität im Ellbogengelenk iſt bereits bei 19 mm langen Larven ausgeſprochen. Der dritte Finger aber iſt in dieſem Stadium noch nicht auf— getreten. Die Lage der Extremität zur Rumpfwand iſt eine derartige, daß der erſte Finger genau ventral, der zweite aber dorſal gerichtet iſt. Ein kurzer breiter Schwanz iſt bei 16 mm langen Larven deutlich differenziert und der denſelben umgebende Floſſenraum ſetzt ſich dorſalwärts faſt bis in die Nackengegend fort. In dieſem Stadium macht ſich in der Haut bereits Pigment bemerklich. Die hintere Extremität ſtellt erſt ein kleines, dorſal gerichtetes Knötchen dar; der Kopf ſtreckt ſich von jetzt an bedeutend in die Länge. Die Organe der Seitenlinie treten ſchon bei 12 mm langen Larven auf. Das Cölom erſcheint, wenn eine Körperlänge von 13 mm erreicht iſt; in dem— ſelben Stadium differenziert ſich die Muskulatur. Die vordere Extremität liegt an ihrem Urſprung über einem Somiten und greift auf die zwei anſtoßenden Somiten nur wenig über. Die ſkeletogene Anlage der vorderen Extremität tritt zuerſt in der frei abſtehenden Gliedmaßen— knoſpe auf. Medianwärts vor der Extremitätenanlage liegt ) Archiv für mikroſkopiſche Anatomie Bd. 35. 1890. 387 die Vorniere; dieſelbe ftellt in dem betreffenden Entwicke— lungsſtadium ein einheitliches Konvolut von Schläuchen dar, welches ſich über drei Somiten hinweg erſtreckt. Zwei trichterartige Oeffnungen vermitteln jederſeits eine Ver— bindung der Vorniere mit der Leibeshöhle. Die Vorniere und die Vornierengänge liegen frei in weiten venöſen Bluträumen, welche dem Syſtem der Venae cardinales posteriores entſprechen. Die Blutzellen der Larve find rund, beſitzen aber an ihrer Peripherie eine höckerige Auf— treibung. Karyokinetiſche Figuren weiſen auf Teilungs— vorgänge hin. Das Darmepithel iſt amöboider Bewe— gungen fähig, wodurch die im Darmlumen liegenden Dotter— elemente aktiv aufgenommen werden. Die Anlage der halbzirkelförmigen Kanäle und des Ductus endolympha- ticus erfolgt ſehr frühe und das Gleiche gilt für die An— lage der Lungen. Das Nachhirn iſt auffallend breit und maſſig, die Rachengrube ſehr weit; die mehr nach vorn liegenden Hirnabſchnitte erſcheinen dagegen ſchmal und, abgeſehen von dem langgeſtreckten Mittelhirn, zierlich. Der orale Abſchnitt der Hypophyſe ſchiebt ſich weit in den nervöſen hinein. Die Entwickelung der kleinen Sehblaſen erfolgt genau in der bei den übrigen Vertebraten üblichen Art und Weiſe. Das die Riechorgane formierende Zell— material hängt von beiden Seiten in der ventralen Mittel— linie kontinuierlich zuſammen und bildet hier gleichſam eine unpaare mächtige Riechplatte, welche ſich aufs engſte mit dem Hirntrichter verbindet. Die ſtarke Entwickelung der Riechſäcke und des Gehörapparates ſind auf Rechnung des rudimentären Auges zu ſetzen (kompenſatoriſches Ver— hältnis). Die Riechſäcke liegen ſeitlich und baſal vom ſekundären Vorderhirn und vom Boden des Zwiſchenhirn. Die Entwickelung der Zähne erfolgt ſehr frühe, noch bevor irgend welche andere Hartgebilde im Kopf vorhanden ſind. Jeder Zahn entſteht, ganz wie die Placoidſchuppen der Selachier auf einer freien Papille. Der knorpelige Pri— mordialſchädel weicht in ſeiner Anlage von demjenigen anderer geſchwänzter Amphibien nicht ab. Schon früh entwickelt ſich das Visceralſkelett, an welchem noch die Spur einer vierten Epibranchiale nachgewieſen werden kann.“ Speziell über das Auge von Proteus liegen neue Mitteilungen vor von Dr. C. Heß“) und C. Kohl“). Auf erſtere Arbeit können wir, da ſie uns nicht zugäng— lich iſt, nur hinweiſen, und geben daher nur die wich— tigſten Reſultate aus der Veröffentlichung Kohls wieder. Kohl fand, daß bei größeren Tieren die das Auge über— ziehende Epithelſchicht meiſt faſt gar keine Verdünnung zeigt; ſie war in einem Fall nur 0,001 mm dünner, als im übrigen Verlauf, in einem anderen konſtant 0,230 mm. Eine Sklera iſt ſtets vorhanden und zeigt die gewöhn— liche Struktur; auch eine wirkliche Choroidea iſt vor— handen, die aus mehreren Zelllagen mit reichlichem Pig— ment beſteht; in dem von dieſen beiden Pigmentſchichten begrenzten Raum iſt eine große Menge Blutgefäße anzu— treffen. Oft ſchon in ziemlich beträchtlicher Entfernung vom vorderen Pol ſchlägt ſich die Choroidea in die Retina um und läßt dabei ſtets einen verhältnismäßig großen Raum frei, welcher von einem kleinen Zellhaufen in der Geſtalt eines mehr oder weniger ſtumpfwinkeligen Dreiecks ) In Graefes Archiv für Ophthalmologie Bd. 35 Heft 1. ) Zoologiſcher Anzeiger Jahrg. XII. 1889. Nr. 312. 313. 388 eingenommen wird. Kohl iſt geneigt, das eigentümliche Gebilde der Linſe des Parietalauges der Lacertinen ꝛc. an die Seite zu ſtellen. Der Glaskörper im Proteusauge iſt nur repräſentiert durch die Membrana hyaloidea oder Membrana limitans interna, die ſich mitten durch die ganze Länge der Ganglienzellenſchicht hinzieht. Letztere bildet einen Zapfen; die Zellen beſitzen deutliche Fortſätze und zeigen häufig ihren Zuſammenhang mit den in großer Zahl ſichtbaren Optikusfaſern; weiterhin finden ſich zahl⸗ reiche Müllerſche Faſern. Von den Schichten der Retina ſind die beiden Körnerſchichten, die beiden retikulären Schich⸗ ten und die Ganglienzellenſchicht vorhanden. Beim Durch⸗ gang des Optikus zeigen die Zellen der Retina ein eigen⸗ tümliches Verhalten, indem ihre Kerne in 1—2 dichten Lagen ſich dergeſtalt um ihn anordnen, daß ſie eine Art feſte Röhre um ihn bilden. Hinſichtlich der Auflöſung des Nervus opticus haben die Unterſuchungen bis jetzt zu keinem Reſultat geführt. In vielen Fällen iſt der Bulbus oculi in ein Fettpolſter eingebettet, von dem fic) in an⸗ deren Fällen keine Spur findet. Seine Größe, ſowie Humboldt. — November 1890. ſeine Entfernung vom Kopfende richtet ſich nach der Größe des Tieres. Durch Zeller?) wiſſen wir, daß bei den Larven die Augen entwickelter erſcheinen und dem Beobachter ſo⸗ fort als kleine, ſcharf gezeichnete und kreisrunde vollkommen ſchwarze Punkte auffallen. Durch die rudimentäre Bildung des Auges oder eventuell Rückbildung desſelben iſt ſelbſtverſtändlich die Sehfähigkeit des Olm ſtark beeinträchtigt, doch iſt die Fähigkeit, allgemeine Lichteindrücke zu empfangen, meift entſchieden vorhanden und eine Reihe von Beobachtern ſpricht von einer ſtark ausgeprägten Lichtſcheu des Olm; den Sitz dieſer Lichtempfindlichkeit bilden aber nicht nur die Augen, ſondern nach einer Unterſuchung von Dubois **) auch die geſamte Haut. Auch wenn die Augen verklebt ſind, reagiert das Tier noch auf Lichterſcheinungen, aller⸗ dings langſamer, denn wie genaue Beobachtungen ergaben, iſt die Lichtempfindlichkeit der Haut zweimal ſo gering wie die der Sinnesorgane. Y Gp ) Compt. rend. T. 110. Nr. 7. Februar 1890. Katurwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen etc. Die 21. Allgemeine Verſammlung der deutſchen Geſellſchaft für Anthropologie, Ethnologie und Ar- geſchichte tagte vom 11.—13. Auguſt in Münſter. Die erſte Sitzung wurde vom derzeitigen Vorſitzenden der Ge— ſellſchaft, Prof. Waldeyer-Berlin, mit einer Anſprache er⸗ öffnet, welche die Beziehungen Weſtfalens zur Urgeſchichte in kräftigen Zügen kennzeichnete. „Die Deutſche Anthro— pologiſche Geſellſchaft“, ſo begann Redner, „verſammelt ſich in einem Lande und in einer Stadt, in welchen beiden ſie noch niemals getagt hat. Es war wirklich an der Zeit, einmal das Land der roten Erde zu beſuchen, eines der älteſten Kulturländer unſeres deutſchen Vaterlandes, das Land, in welchem ſich wie kaum irgendwo anders bei uns verbriefte Geſchichte und Urgeſchichte die Hand reichen, das Land aber auch, in welchem zum erſten⸗ male das Deutſchtum als geſchloſſen wirkende Macht er- folgreich in der Abwehr gegen den Fremden in die Schranken trat, ſo erfolgreich, daß die Varusſchlacht im Teutoburger Walde die ganze damalige Kulturwelt erſchütterte. Zwei Jahrtauſende faſt find vorüber, ſeit fic) der Cherusker Waffen mit denen des kraftvollen Römervolkes auf unſerem Boden kreuzten; nach manchem harten Strauße ſind die edlen Nachkommen jenes großen und edlen Volkes, welches bis zu unſerem Herzen in gewaltiger Kraft vorzudringen vermochte, unſere Freunde geworden; aber jener Waffen⸗ klang tönt heute noch hell und klar an unſer Ohr und ſoll immerdar daran tönen, nicht mehr mahnend zum Kriege, ſondern zur Einigkeit aller deutſchen Stämme in feſtem Zuſammenhalten, zu friedlicher Arbeit. In dieſem Sinne haben auch wir uns heute vereint; das iſt ſicher der Gedanke aller derer geweſen, welche auf ihrem Wege zur alten Ludgerusſtadt die Schwertſpitze des Recken Her⸗ mann über den Wipfeln des Teutoburger Waldes empor⸗ ragen ſahen.“ Redner entwickelte nun die Beſtrebungen und Erfolge der Geſellſchaft und gab einen kurzen Ueber- blick über ihre Geſchichte. 1869 auf der Naturforſcher⸗ verſammlung zu Innsbruck entſtand in der Anthropolo⸗ giſchen Sektion dieſer Verſammlung der Plan, eine deutſche Anthropologiſche Geſellſchaft zu gründen. Am 1. April 1870, im Geburtsjahre der deutſchen Einheit, gelangte dieſe Gründung bereits zum Abſchluſſe in Mainz. Die folgenden Jahresverſammlungen fanden ſtatt in Schwerin, Stuttgart, Wiesbaden, Dresden, München, Jena, Konſtanz, | Kiel, Straßburg, Berlin, Regensburg, Frankfurt a. M., Trier, Breslau, Karlsruhe, Stettin, Nürnberg, Bonn und Wien (1889). Von den Leiſtungen der Geſellſchaft iſt — abgeſehen von ihrem Korreſpondenzblatt, deſſen erſte Num⸗ mer im Mai 1870 erſchien — anzuführen die in Arbeit befindliche prähiſtoriſche Karte von Deutſchland, die Ver⸗ einbarung über die Methoden der Körpermeſſung, na⸗ mentlich betreffs des Schädels, die Katalogiſierung der ſämtlichen in deutſchen Muſeen befindlichen Schädel, die Anregung zu der erfolgten Unterſuchung der germaniſchen Völker auf die Farbe ihrer Haut, Haare und Augen, die Verſtändigung mit den deutſchen Staatsregierungen behufs Schutzes der Altertümer und behufs Erweiterung der eth- nologiſchen Sammlungen mittels Inanſpruchnahme der Marine u. ſ. w. Was den Stand der urgeſchichtlichen Forſchung in Weſtfalen betrifft, ſo ſind zwar beachtens⸗ werte Ergebniſſe gewonnen; es beſteht eine weſtfäliſche Gruppe der Deutſchen Anthropologiſchen Geſellſchaft, die namentlich in Hamm, Iſerlohn und Letmathe ihre Pflege⸗ ſtätten beſitzt, es ſind über die weſtfäliſchen Höhlen, ſo neuerdings über die Bilſteiner Höhle bei Warſtein, aus⸗ führliche Unterſuchungen angeſtellt; die bei Hamm gefun⸗ denen Totenbäume — Baumſtämme, fo ausgehöhlt, daß ein Leichnam gerade hineinpaßt — waren ſchon früher Gegenſtand der Verhandlung in der Anthropologiſchen Geſellſchaft, von Schaaffhauſen ſind viele Ausgrabungen veranlaßt, aber doch bleibt gerade in Weſtfalen noch viel zu thun übrig, und dieſe Verſammlung, ſo ſchloß Redner, möge dazu beitragen, dieſe Arbeit zu fördern. Nach den üblichen Begrüßungen ſprach Prof. Hoſius⸗ Münſter über die Geognoſie Weſtfalens mit be⸗ ſonderer Berückſichtigung der für die vorge⸗ ſchichtlichen Funde wichtigen Formationsglieder. Nach einer Skizze der allgemeinen geognoſtiſchen Verhält⸗ niſſe des Landes bezeichnete Redner zwei geognoſtiſche Gebiete als allein für die Urgeſchichte in Betracht kom⸗ mend, nämlich das Höhlengebiet und das Diluvium. Die weſtfäliſchen Höhlen finden ſich ſämtlich im Stringocephalen⸗ kalke, dieſem auch als Eifelkalk, Elberfelder Kalk oder Maſſenkalk bezeichneten, feſten und zähen, in ſehr mächtigen Lagen anſtehenden Kalkſteine, der ſich eben dieſer ſeiner Eigenſchaften halber beſonders für Höhlenbildung geeignet zeigt. Der Maſſenkalk, eines von den oberen Gliedern Humboldt. — November 1890. des mittleren Devon, kommt an vier gejonderten Stellen vor, und zwar zieht ſich die eine von Hagen über Letmathe, Limburg und das Gönnethal nach Balda hin, die zweite, übrigens weniger zur Höhlenbildung geeignete, iſt das Plateau von Brilon, die dritte die Mulde von Attendorn, die vierte die Inſel von Warſtein. Zwiſchen dreißig und vierzig Höhlen ſind erſchloſſen, alle mehr oder weniger voneinander verſchieden, manche ganz trocken, andere mit Tropfſtein oder Schlamm und Tropfſtein in wechſelnden Verhältniſſen erfüllt. Manche enthalten organiſche Reſte; andere wieder nicht. Der Lehm in den Höhlen enthält keine nordiſchen Geſchiebe; das vorkommende Geröll ent— ſtammt ſämtlich den in der Nähe anſtehenden Geſteinen, und die gefundenen Feuerſteine ſind bearbeitete, ebenſo wie die vereinzelt auftretenden Bernſteinſtücke. Meiſt iſt der Lehm reich an phosphorſaurem Kalke, er enthält 8, 9, ja bis 14 pCt. davon; es kommen aber auch Lehme mit ſehr geringem Gehalt an Kalkphosphat vor. Die or— ganiſchen Reſte umfaſſen dreißig bis fünfunddreißig Säuge— tiere, fünf bis ſechs Vögel, einige Amphibien und Säugetiere, ſämtlich aus der Tierwelt der Jetztzeit oder der ihr un— mittelbar vorhergehenden Periode. Das Vorkommen ter— tiärer Tiere hat ſich nicht beſtätigt. So findet ſich der Höhlenlöwe, die Höhlenhyäne, der Höhlenwolf und Höhlen— bär, letzterer beſonders häufig. Der Rieſenhirſch iſt zweifel— haft, ebenſo Bos priscus, dagegen mit Sicherheit erkannt das große und kleine Rentier, Bos primigenius, Pferd, Nashorn, Elefant und Mammut. Hippotherium und Hip— popotamus ſind mehr als zweifelhaft. In den Höhlen der Lenne, dem erſtbezeichneten Höhlengebiet, ſind dieſe Tiere ſämtlich vorhanden, in den übrigen nur teilweiſe und in wechſelnden Verhältniſſen. Was die menſchlichen Reſte betrifft — rohe Topfſcherben, Holzkohle, bearbeitete Kieſelſchiefer — ſo finden ſich dieſe in verſchiedenen Schich— ten, zuweilen gerade in den tiefſten, jedenfalls nie derart neben Mammutreſten, daß man berechtigt wäre, eine gleichzeitige Exiſtenz von Menſch und Mammut anzu— nehmen. Im Diluvium finden ſich überhaupt keine Gegen— ſtände aus der Hinterlaſſenſchaft des Menſchen; bez. ſcheint es, als wenn die hier und da gefundenen Geräte und Waffen erſt nachträglich in die betreffenden Erdſchichten hineingeraten ſind; erſt die jetzige geologiſche Epoche zeigt ſichere Spuren des Menſchen. Die Tierreſte des Diluviums umfaſſen in der Hauptſache die großen Pflanzenfreſſer der Diluvialzeit. Sie find ſicher in jener Zeit dort geweſen und nicht nachträglich hineingeraten, weil an den Fund— ſtellen ſehr zarte Verſteinerungen vorkommen, die bei jeder Umſchichtung der Lagerſtätte zerſtört ſein würden. Dies beweiſt eben, daß dieſe Lagerſtätten primärer Art ſind. Die Knochen ſind beſſer erhalten, als die Knochen der Höhlentiere; merkwürdigerweiſe kommen ſie gerade in den unterſten Schichten zahlreich, in den mittleren ſpärlich, in den oberen gar nicht mehr vor. Es deutet dies auf ein Ausſterben, eine Austreibung der Tiere — jedenfalls veranlaßt durch die Eisverhältniſſe der Diluvialzeit. Im Münſterſchen Becken, welches neben den Gebieten ſüdlich am Teutoburger Walde, die Hauptablagerungsſtätte des Diluviums iſt, zeigt dieſe Formation eine ſehr auffallende Verſchiedenheit im Norden und Süden. Nördlich der Lippe find die eingeſchloſſenen Geſchiebe nordiſche, ſüdlich der Lippe ſind es rheiniſche Gerölle. Es iſt alſo das nordiſche Eis in der Vergletſcherungsperiode mit den Gletſchern der rheiniſchen Mittelgebirge etwa an der Lippe zuſammenge— ſtoßen, und diejenigen Tiere, welche nicht einen Ausweg nach der rheiniſchen Ebene fanden, gingen aus Mangel an Nahrung und Wärme zu Grunde. Es folgten der vom Schatzmeiſter Weismann-München erſtattete Kaſſenbe richt und der wiſſenſchaftliche Jahresbericht des Generalſekretärs, Geheimrat Prof. Ranke. Den Schluß der Sitzung bildet die Vorführung und Erläuterung des Modells eines weſtfäliſchen Bauernhauſes aus der Nähe von Osnabrück. Der Landesbauinſpektor Fr. Honthumb hatte nach langem Suchen das betreffende Haus als ein dem reinen Typus des — ſchon mehr entwickelten — niederſächſiſchen Hauſes 389 noch möglichſt getreu wiedergebendes ermittelt, bis auf die geringſten Einzelheiten auf das Genaueſte vermeſſen und in ein Zwanzigſtel der natürlichen Größe nebſt allem Mobiliar und Inventar in den entſprechenden Materialien nachbilden laſſen. In der zweiten Sitzung ſprach Prof. Nordhoff über eine Reihe wichtiger vorgeſchichtlicher Funde aus Weſtfalen, welche an den vorliegenden Objekten erläutert wurden. Dabei gedachte der Redner einer neuerdings mehrfach aufgetauchten Anſicht, der zufolge die Hünen— gräber (Rieſenbetten) erſt nach der Römerzeit errichtet ſein ſollen. Zur Begründung dieſer von vornherein ſchon um deswillen nicht ſehr wahrſcheinlichen Anſicht, weil bei ſo jugendlichem Alter jener Denkmäler wohl noch Ueber— lieferungen über ihre Entſtehung und Bedeutung im Volke aufzuſpüren ſein dürften — wird angeführt, daß auf- fallenderweiſe die römiſchen Schriftſteller, welche über Deutſchland berichten, der Hünengräber nirgends Erwäh— nung thun, obſchon vielfach die Römerſtraßen gerade mitten durch die Steinſetzungen hindurchführen, daß ferner aber neben älteren Gegenſtänden ſolche neueren Urſprungs, namentlich auch Eiſengerät, in den Hünengräbern gefunden werden. Wie nun Dr. Tiſchler auseinanderſetzte, ſind alle dieſe Begründungsverſuche hinfällig. Zunächſt charakteri— ſieren ſich die megalithiſchen Denkmäler in ihren Ein— ſchlüſſen an keramiſchen Gegenſtänden und Steingeräten ſo augenſcheinlich als der neolithiſchen Zeit (jüngere Stein— zeit, Periode der geſchliffenen Steingeräte) angehörig, daß die vereinzelten jüngeren Gegenſtände, die hin und wieder gefunden ſein mögen, dagegen gar nicht in Betracht kommen. Die Denkmäler ſind ſo oft (von den alten Schatzgräbern) durchwühlt, daß bei dieſen Beſuchen ſehr wohl Geräte, Werkzeug u. dergl. von den Schatzgräbern verloren bezw. zurückgelaſſen ſein können. Daß die römiſchen Schriftſteller üher die Hünengräber ſchweigen, erklärt ſich leicht, da in damaliger Zeit überhaupt noch nicht eine ſo eingehende, umfaſſende und objektive Art der Reiſebeſchreibung üblich, zudem aber ſchon damals im Volksbewußtſein nichts mehr über Entſtehung und Bedeutung der Steinmaſſen übrig geblieben war, alſo auch dieſer Anreiz zur Aufmerkſamkeit fehlte. Daß Römerſtraßen durch die Rieſenbetten gehen, mag durch die Lage mancher der letzteren bedingt, oft aber auch Werk des Zufalls geweſen oder durch Kurioſitäten— ſucht veranlaßt worden ſein, inſofern die Erbauer die Steine möglicherweiſe aus der Nachbarſchaft an die Straße verſetzten. Den zweiten Vortrag der Sitzung hielt Virchow, und zwar über kaukaſiſche und kleinaſiatiſche Prä— hiſtorie. Seine Ausführungen ſetzten bei der Frage der Herkunft der Bronze ein, welche Frage mit dem Kaukaſus bekanntlich inſofern zuſammenhängt, als eine Zeitlang dieſes Gebirgsland wie für ſo vieles andere, ſo auch für die Erfindung der Bronze verantwortlich gemacht worden iſt. Schon die Bibel bezeichnet Chaldäa (das Gebiet von Batum) als ein metallerzeugendes Land, und thatſächlich haben die im Auftrage von Werner Siemens, der dort ein Kupferbergwerk errichtet hat, ausgeführten Unterſuchungen ergeben, daß in der Gegend umfangreiche Anzeichen alten Bergbaues vorhanden ſind. Kupfer iſt alſo da; aber daraus folgt noch wenig für die Bronze, denn dieſe ent— hält neben Kupfer das Zinn, und wenn heutzutage keine anderen Zinnlagerſtätten von Bedeutung bekannt ſind, als die engliſchen und die oſtindiſchen, ſo iſt für das Altertum überhaupt noch keine Quelle des Zinnbezuges nachgewieſen worden. Allerdings will ein Beamter von Siemens bei einem Ausfluge in das Dagheſtan ein Stück Zinnerz ge- ſehen haben; dieſe Nachricht iſt jedoch zu unſicher, um für die Frage in Betracht kommen zu können. Die Er— findung der Bronze iſt ſicherlich nicht im Kaukaſus erfolgt; hat dort eine ſtarke Bronzefabrikation ſtattgefunden, ſo muß Zinn in Maſſen eingeführt worden ſein. Woher — weiß man nicht. Bei der Suche nach Zinn an prähiſtoriſchen Fundſtellen iſt man nun aber auf Antimon geſtoßen, Antimonknöpfe fanden ſich in Gräbern am Nordrande des Gebirges, ferner iſt das Antimon im Meſtem, der Augen— 390 ſchminke der alten Aegypter, enthalten, ſoweit nicht, was freilich häufig der Fall, Surrogate aus Schwefelblei zu dieſen Schminken verwendet wurden. Alles dies widerlegt die frühere Schulmeinung, als ſei das Antimon erſt im Mittelalter bekannt geworden. Wenn nun aus alledem nichts Befriedigendes über den Gang der kaukaſiſchen Kultur hervorgeht, jo entſteht die Frage, ob nicht beſſere Auf⸗ ſchlüſſe gewonnen werden können, wenn man ſtatt der Art des Metalles die Verzierungen desſelben, die Ornamente auf den Metallgegenſtänden in Betracht zieht. Da ſteht nun unter den Bronzefunden obenan der Gürtelſchmuck (für Männer) aus Bronzeblechen, die vorn durch ein Schloß von beträchtlicher Größe zuſammengehalten werden. In den Funden aus dem Norden des Gebirges zeigen nun die Bleche keine oder nur ganz unbedeutende Verzierungen, wogegen das Schloß, die Schnalle eine reiche Ornamentik aufweiſt; das Ornament iſt eingepunzt und oft mit Email ausgefüllt. Die Gürtel aus dem Süden wiederum beſitzen rundherum eine ſehr ausgebildete, künſtleriſche Verzierung, die jedoch fo zart iſt, daß es, namentlich bei der Zerbrech— lichkeit der ſehr dünnen Bleche, oft ſchwer hält, ſie deutlich ſichtbar zu machen. Die Motive des Ornaments ſind nie dem Pflanzenreiche, ſondern ſtets dem Tierreiche entnommen, deſſen Charaktere in ihrer phantaſtiſchen Stiliſierung oft der Erkennung Schwierigkeit bereiten. Auf einem ſehr ſchönen Stücke ſind zahlreiche Hirſche dargeſtellt, die an den Rieſenhirſch erinnern, bei näherer Betrachtung jedoch mehr einem im Innern Aſiens lebenden Hirſche, dem mandſchuriſchen Hirſche, gleichen. Das wäre alſo ein Hin⸗ weis, der ſich alsbald durch die auf anderen Stücken ent⸗ haltene Geſtalt eines Rindes beſtätigt; denn dieſes Rind ſcheint den Grunzochſen Yak vorſtellen zu ſollen, der ja auch weiter öſtlich vorkommt. Ein Anhalt, daß dieſe Tiere jemals im Kaukaſus gelebt haben, beſteht nicht. Im zweiten Teile ſeines Vortrages berichtete Virchow über die neueſten Ausgrabungen Schliemanns am Hügel Hiſſarlik. Bei den früheren Ausgrabungen iſt von der unterſten Stadt nur ein ſchmaler Streifen aufgedeckt worden, weil nur ein Ein⸗ ſchnitt von oben her in die Tiefe erfolgte, der unten eben ſchmal auslief. Jetzt iſt die volle Abtragung des Hügels in Angriff genommen, um Aufſchluß über die weiteren Ver⸗ hältniſſe der älteſten Städte zu gewinnen. Dabei hat ſich einſtweilen herausgeſtellt, daß ſich die ſogenannte zweite Stadt aus drei verſchiedenen Bauperioden zuſammenſetzt. Geheimrat Profeſſor Dr. Schaaffhauſen-Bonn ſprach über das Alter der Menſchenraſſen. Nach der mo⸗ ſaiſchen Ueberlieferung iſt das Menſchengeſchlecht 6000 Jahre alt, nach Lyell 200 000 Jahre. Am wahrſcheinlichſten dürfte ein Alter von 15—20 000 Jahren fein; immerhin beruht auch das auf bloßer Schätzung. Als man aus den Gletſcher⸗ ſpuren die Eiszeit erkannt hatte, glaubte man, der Menſch könne erſt nach dieſer entſtanden ſein; aber bald überzeugte man ſich, ſo z. B. aus den Stücken von Wetzikon, ſowie aus den Schädeln von Moſchusochſen, welche Anzeichen der Einwirkung der Menſchenhand zeigten, daß der Menſch ſchon während der Eiszeit gelebt hat. Seine Spuren im Tertiär bleiben allerdings zweifelhaft, wiewohl er doch jedenfalls ſchon im Tertiär gelebt haben wird. Lage und Funde ſprechen dafür, daß er zuſammen mit dem Maſtodon in Amerika gelebt hat. Einen ſicheren Beweis, daß er in Europa mit dem Mammut gleichzeitig gelebt hat, liefern nur die des Markes wegen friſch aufgeſchlagenen Knochen, wie Zawiska ſolche in den Höhlen von Krakau und öſter⸗ reichiſche Forſcher ſie neuerdings mehrfach in Mähren ge⸗ funden haben. Die Raſſen entſtehen durch den Einfluß des Klimas und der Kultur. Es gibt unzweifelhaft höhere und niedere Raſſen; die niedrigſtſtehenden — alſo die äthiopiſchen — ſind die älteſten. Die Merkmale ſolcher rohen Raſſen kehren in foſſilen Funden wieder; dem kinn⸗ loſen Unterkiefer von la Naulette gleichen die des Wilden von Neu-Guinea. Die große Alveole der letzten Mahl⸗ zähne bei jenem entſpricht den letzten großen Mahlzähnen der Auſtralier. Die Männer der Höhle von Spy laſſen erkennen, daß der aufrechte Gang des Menſchen ſich all- mählich entwickelt hat. Dementſprechend gehen die roheſten Humboldt. — November 1890. Wilden mit vorgebeugtem Körper und gebogenem Knie. Die Lage des Hinterhauptloches nach hinten, die mehr horizontale Richtung ſeiner Ebene, die hinten abgerundete Tibia, die geringe Entwickelung der Wadenmuskeln, die mehr ausgehöhlte hintere Gelenkfläche des metatarsus der großen Zehe beim Wilden wie beim vorgeſchichtlichen Men⸗ ſchen — das alles ſteht im notwendigen Zuſammenhange. Die helle Farbe von Haut und Haar iſt, wie die blaue Iris, ein Erwerb der Kultur. Das findet ſich bei keiner wilden Raſſe, nicht bei den höheren Affen, nicht bei den Säugetieren im freien Zuſtande, nur ausnahmsweiſe bei Haustieren, wie beim Hunde; doch kommt die blaue Iris bei Vögeln vor, bei der Gans infolge der Zähmung. Wenn man den Urſprung betrachtet, gäbe es nur zwei Raſſen, die mongoliſche und die äthiopiſche; die kaukaſiſche iſt eine Erzeugung der Kultur. Alte Schriftſteller ſchildern die Roheit derſelben Völker Europas, die wir heute geſittet ſehen. Die alten Schädelformen ſind eine Beſtätigung der nen Nachrichten. Die Raſſen ſind ſehr alt; ſchon die ägyptiſchen Grabmalereien zeigen den blonden Menſchen mit blauen Augen und großer Geſtalt, den Neger, den Juden, den Mongolen, den bezopften Chineſen anderthalb Jahrtauſende vor Chriſto. Neben den Darſtellungen dieſer rohen Raſſen geben ſie aber auch edlere Züge in den Bildern der Herrſchergeſchlechter, Züge, welche deutlich auf das griechiſche Schönheitsideal hinweiſen. In Fayum haben fic) Abbildungen menſchlicher Geſichter gefunden, die aus⸗ ſehen, als wenn ſie Leuten von heutzutage angehörten. In der Größe des Gehirns drückt ſich der Unterſchied zwiſchen Tier und Menſch am greifbarſten aus. Aber daß nicht nur die geiſtige Begabung die Größe des Gehirns beſtimmt, lehrt die Thatſache, daß die größten bekannten Schädel durchaus nicht den hervorragendſten Männern angehörten. Der rohe Menſch hat 150—200 cem Gehirnmaſſe weniger als der Kulturmenſch. Dem Schädelindex nach hat ſich der Menſch ſeit der Quartärzeit nicht verändert; ſchon damals gab es Kurz⸗ und Langſchädel. Aber freilich erſchöpft der Index den Begriff der Schädelform nicht, und es iſt der große Fortſchritt der Menſchheit nicht denkbar ohne Mit⸗ wirkung des Gehirns, alſo auch nicht ohne Formbeeinfluſſung des Schädels. Der Gorillaſchädel hat einen durchſchnitt⸗ lichen Inhalt von 485 cem, der des Neanderthalmenſchen 1099 cem, der des Philoſophen Kant 1730 cem. Sicher hat das Klima Einfluß auch auf den Schädel; iſt der Menſch entſtanden in den Tropen, ſo hat er doch ſeine höchſte Ausbildung in den gemäßigten Klimaten erlangt. In Deutſchland wohnte vor den Kelten ein den Lappen ver⸗ wandtes Volk; wer indeſſen vor dieſen Deutſchland inne gehabt hat, iſt ungewiß. Vielleicht war es vordem über⸗ haupt nicht bewohnt, weil Europa damals mit Wäldern bedeckt war. Der Neanderthalſchädel hat nichts mit dem Kelten und nichts mit dem Lappen gemein. Es fragt ſich deshalb, ob er der Repräſentant einer uralten, eingeborenen Bevölkerung oder der einer eingewanderten iſt. Da der in ihm vertretene eigentümliche Formenbau in den Ske⸗ letten von Spy ſich nahezu wiederfindet, ſo kann man mit Wahrſcheinlichkeit ſchließen, daß dieſer Formenbau der Typus einer eingeborenen Raſſe iſt. Von Amerika und Auſtralien iſt es ſicher, daß ſie keine Urbevölkerung gehabt haben, ſondern durch Einwanderer bevölkert ſind. Der letzte Vortrag der zweiten Sitzung betraf Heimat und Alter der europäiſchen Kulturpflanzen. Vor⸗ tragender war der Marinearzt Dr. Buſchau-Wilhelmshaven. Die Frage, wann der Ackerbau in Europa eingeführt iſt, ſpitzt ſich für den Archäologen auf die andere zu: Wann zuerſt treten die Kulturpflanzen in vorgeſchichtlichen Fun⸗ den auf? Redner legte eine Sammlung von 90 Proben Getreideſamen und anderen Kulturpflanzen vor, die etwa 30 vorgeſchichtlichen Fundſtätten entnommen find, und ſprach ſodann eingehend über das Alter der Getreidearten und des Weinſtocks. Die älteſte Halmfrucht iſt der Weizen, ſchon 3000 Jahre v. Chr. wurde er der aie nach in China eingeführt; bei uns, ebenſo in Oeſterreich, Italien, Frankreich, Ungarn, der Schweiz, kommt er ſchon recht häufig in der jüngeren Steinzeit vor, häufiger noch in der Humboldt. — November 1890. 391 Bronzezeit. Die Inſel Laaland iſt die nördlichſte ſeiner alten Fundſtellen — in den Kjökenmöddings fehlt nicht nur der Weizen, ſondern jede Körnerfrucht. Was die Arten des vorgeſchichtlichen Weizens anbetrifft, ſo iſt Triticum vulgare am häufigſten, und zwar die kleinere Spielart desſelben, von Heer deshalb als Triticum antiquorum bezeichnet. Der Spelz (Triticum spelta) fehlt unter den vorgeſchichtlichen Funden gänzlich; auch die Römer ſcheinen ihn noch nicht gekannt zu haben. Vereinzelt, z. B. auch unter den trojaniſchen Funden, kommt das Einkorn, Tr. monococcum, vor, öfters der Bartweizen, Tr. turgidum. Die Heimat des Weizens ſucht Vortragender in den Ge— bieten zwiſchen Aegypten, Kleinaſien und Griechenland. Die Gerſte ſtammt, wie er ausführte, aus Aegypten; ſie iſt weniger häufig unter den vorgeſchichtlichen Reſten, als der Weizen. Am häufigſten findet ſich die ſechszeilige Gerſte, Hordeum hexastichum, ſowie eine kleinere Abart derſelben (H. sanctum Heer), minder häufig die zwei— zeilige, nirgends die vierzeilige, die wohl erſt in ſpäterer Zeit durch Kreuzung jener beiden gezüchtet worden iſt. Den Roggen erwähnt zuerſt Plinius. Er gibt an, die Tauriner in den Alpen bauen Secale. Früher und ſüd— licher iſt keine Spur des Roggens zu finden, weder in den altägyptiſchen Gräbern, noch in den Schweizer Pfahl— bauten der Steinzeit. Die indiſchen und ſemitiſchen Spra— chen beſitzen keinen Ausdruck für Roggen. Der älteſte Roggenfund gehört dem Pfahlbau von Olmütz (Bronzezeit) an; dann tritt die Frucht häufiger in den mittelalterlichen ſlawiſchen Anſiedelungen auf. Jedenfalls haben die Slawen den Roggen, deſſen Name ſelbſt jlawifch iſt, aus Oſteuropa (Rußland) nach Weſten gebracht. Der Hafer war in Aſſyrien, Judäa, Aegypten unbekannt. In China geſchieht ſeiner zum erſtenmal Erwähnung etwa 800 n. Chr. Die älteſten Haferfunde fallen auf den bronzezeitlichen Pfahlbau von Montelier, die Petersinſel und Hallſtadt; dieſe drei ſüdlich der Alpen gemachten Funde blieben die einzigen überhaupt bis zum Mittelalter, wo dann der Hafer nörd— lich der Alpen erſcheint und häufig angetroffen wird. Das Hafermus der alten Deutſchen, deſſen Plinius Erwähnung thut, erſcheint dem Redner deshalb nicht ganz zweifellos; als Heimat des Hafers betrachtet er die Oſtſeeländer. Was den Wein betrifft, ſo iſt die wilde Art des Wein— ſtocks in Europa heimiſch, und zwar erſcheint die Gattung Vitis bereits in der Tertiärzeit. Aus der Steinzeit liegt ein Fund von Rebenreſten vor, der dem Pfahlbau Bovere im Scheldethale entnommen wurde. Mehrfach ſtieß man auf Weintraubenkerne in den italieniſchen Terramaren. Dieſe Kerne gehören einer kleinen, vermutlich wild wachſen— den Art des Weinſtocks an. Ob dieſe Art auch angebaut wurde, iſt zweifelhaft; nirgends in den Terramaren finden ſich Spuren von Geräten zur Kelterung des Weines. Auch die Topfreſte der Terramaren ſind aus ſo poröſem Stoffe, daß ſie nicht zur Aufbewahrung des Weines gedient haben können. Dagegen iſt im alten Griechenland die Reben— kultur in ausgedehntem Maße betrieben worden laut Homers Zeugnis. Als Heimat des Weinſtocks bezeichnet Redner den Süden des Kaukaſus. Das Schlußergebnis der Ausführungen geht dahin: die erſten Kulturpflanzen treten in der jüngeren Steinzeit auf; neben Weizen und Gerſte finden ſich Bohnen, Erbſen, Linſen, Flachs, Hirſe, Weintrauben. Der paläolithiſche Menſch (Menſch der älteren Steinzeit, der Periode der bloß geſchlagenen, nicht ge— ſchliffenen Steinwerkzeuge) trieb noch keinen Pflanzenbau, er lebte vielmehr von Jagd und Fiſchfang, bis, wie Redner vermutet, die Arier den Ackerbau nach Europa verpflanzten. Profeſſor Aſcherſon-Berlin ergänzte den Vortrag durch einige Bemerkungen über die Stammformen unſerer Ge— treidearten, wie ſolche durch neuere und neueſte Forſchungen beſtimmt worden ſind. So hat Körnicke-Bonn überzeugend nachgewieſen, daß der Noggen nicht, wie früher angenom— men, von dem in den Steppenländern wachſenden Secale fragile, ſondern von dem am öſtlichen Mittelmeere heimi— ſchen Secale montanum abſtammt. Die Urform unſeres Weizens iff das Einkorn, Triticum monococcum, welches von Tr. dicoccum wohl zu unterſcheiden iſt. Die Gerſte iſt auf Hordeum spontaneum zurückzuführen; Taubert hat dieſe Art neuerdings in der Cyrenaica wildwachſend angetroffen. Auch unſer Hafer ſtammt von Arten, die im Gebiete des Mittelmeeres heimiſch ſind. Den Beginn der letzten Sitzung machte die Bericht— erſtattung der wiſſenſchaftlichen Kommiſſionen.“ Geheimrat Profeſſor Schaaffhauſen ſprach über die Fort— ſchritte des Schädelkataloges. Profeſſor Rüdiger-Mün⸗ chen fet nahezu fertig mit ſeiner Abteilung, Profeſſor Hart- mann habe die afrikaniſchen Schädel erledigt, ſo daß man jetzt hoffen dürfe, es werde der knöcherne Kodex der Schädel— lehre mit ſeinen genauen Angaben über neun- bis zehn— tauſend Schädel binnen zwei Jahren vollendet ſein. Bei Erwähnung der Vorſchläge zur Erweiterung der Körper— meſſung nahm Redner nunmehr Gelegenheit, der in Eng— land an Studierenden der Univerſität Cambridge aus⸗ geführten Meſſungen zu gedenken. Die betreffenden jungen Leute ſtanden im Alter von 19—24 Jahren. Sie wurden zunächſt in drei Gruppen geteilt, und zwar nach ihrer geiſtigen Begabung. Da zeigte ſich's dann, daß bei den minder begabten der Schädel bereits mit dem 19. Lebens⸗ jahre ſeinen größten Umfang erreicht hatte, während er bei den Beſtbeanlagten bis zum 24. Jahre wuchs. Die Körperkraft war aber bei den geiſtig unbedeutenderen merk— lich höher als bei den geiſtig höher ſtehenden; ſie erreichte durchſchnittlich im 23. Jahre ihren Höhepunkt, und auch die Atmungsgröße entſprach dem, inſofern die Lungen im 23. Jahre ihre höchſte Leiſtung äußerten. (In einigem Widerſpruche hiermit ſtehen die Ergebniſſe der bei der Ber— liner Feuerwehr angeſtellten Beobachtungen, nach welchen die Körperkraft der Leute bis gegen Ende der dreißiger, die Gewandtheit bis in die Mitte der dreißiger Jahre zu— nimmt. D. Ref.) Was die in Wien angeregten Körper— meſſungen bei der Rekrutenaushebung betrifft, ſo haben dieſelben in Weſtfalen noch nicht in die Hand genommen werden können, weil die Militärbehörde widerſtrebte. Anknüpfend an den letzteren Punkt berichtete nunmehr Geheimrat Profeſſor Dr. Ranke-München über Rekruten— meſſungen, die er mit Unterſtützung des Generalarztes Friedrich in einem bayeriſchen Aushebungsbezirke aus— geführt hat. Die Militärbehörde gab die Erlaubnis unter der Bedingung, daß die Meſſungen nicht als amtliche be— trachtet würden, daß alſo die Leute ſich denſelben nicht zu unterwerfen brauchten. Etwa 1200 Rekruten wurden ge— meſſen, neun entzogen ſich der Meſſung. Mit Ausnahme der Ohrhöhe, welche bei ungebildeten Leuten nicht ganz ohne Schwierigkeit feſtzuſtellen iſt, weil dieſe nicht die Ueberwindung beſitzen, ſich eines ihnen unverſtändlichen wiſſenſchaftlichen Zweckes halber der etwas läſtigen Unter— ſuchung zu unterziehen, wurden ſämtliche in Wien als wünſchenswert bezeichnete Maße genommen, nämlich Körper— länge, Bruſtumfang, Kopflänge, Kopfbreite, Geſichtslänge, Geſichtsbreite, Abſtand des 7. Halswirbels vom Scheitel, Schulterbreite, Sitzhöhe, Armlänge und Klafterweite. Dazu kam die Angabe der Farbe von Haut, Haar und Augen, endlich des Vor- und Zunamens, des Heimatsortes und Heimatsbezirkes. Mit Hilfe geeigneter Kräfte wurden dieſe Aufnahmen ohne Störung des Aushebungsgeſchäfts erledigt; ſie ſtellten ſich aber nicht billig, nämlich auf 25 Pf. für den Mann. Generalarzt Friedrich hat bei dieſer Gelegen— heit darauf hingewieſen, daß ähnliche Körpermeſſungen in größeren Spitälern der Wiſſenſchaft Nutzen bringen können. Vortragender berichtete weiter, daß die vorgeſchichtliche Karte von Deutſchland rüſtig vorſchreite und bereits nächſtes Jahr in großen Teilen vorliegen werde. Ganz Süddeutſch— land ſei fertig aufgenommen, Bayern durch Ohlenſchlager— Speyer, Elſaß-Lothringen durch v. Tröltſch. Württemberg und Baden ſind ſchon länger fertig. Es ſprach nunmehr Dr. Finke, Dozent der Akademie Münſter, über die Urgeſchichte Weſtfalens bis zur Einführung des Chriſtentums. Redner gab einen Abriß der Beteiligung Weſtfalens an den politiſchen Ge— ſchehniſſen vom Beginn der geſchichtlichen Forſchung an. Er ſchilderte die Entwickelung der Kämpfe zwiſchen Ger— manen und Römern und widmete eine eingehende Er— 392 örterung der vielumſtrittenen Schlacht im Teutoburger Wald. Wir wiſſen heute, daß die alte Vorſtellung, die Varusſchlacht ſei die Kraftprobe des germaniſchen Volkes den Römern gegenüber geweſen, durchaus irrig iſt; denn es iſt gar nicht das geſamte germaniſche Volk geweſen, das den Angriff unternahm, ja, es waren nicht einmal alle Cherusker, ſondern ein Konglomerat von zufällig zu⸗ ſammengeſtoßenen Haufen, die einen Ausfall unternahmen, weil ſich ihnen eine günſtige Ausſicht auf Erfolg darbot. Die Schlacht fand nämlich, wie jetzt ſicher feſtgeſtellt iſt, am 2. Auguſt des Jahres 9 n. Chr. ſtatt, d. h. einen Tag nach dem Namenstag des Kaiſers Auguſtus, der im römi⸗ ſchen Heer durch ein Feſt gefeiert worden war, und zwar ſo gründlich, daß der Katzenjammer des nächſten Tages die Wachſamkeit wie die Widerſtandsfähigkeit der Soldaten merklich beeinträchtigte. Die Oertlichkeit der Schlacht feſtzu⸗ ſtellen, iſt bis auf den heutigen Tag noch nicht gelungen. So viel iſt ſicher, daß ſie ſtattgefunden hat in einer Gegend, die nördlich von der Lippe, öſtlich von der Ems und weſt⸗ lich von der Weſer liegt, gebirgig iſt und viele Sümpfe enthält. Die Bezeichnung „Teutoburger Wald“ iſt erſt durch die Gelehrten vor etwa hundert Jahren erfunden worden. Viel Aufſehen hat in den letzten Jahren die Ein⸗ miſchung Mommſens in die Streitfrage erregt, der ſich auf Grund des großartigen Münzenfundes von Barenau, welcher ſich gegenwärtig im Beſitz des Herrn v. Bar befindet, dahin ausſprach, daß die Schlacht in der Nähe von Osnabrück, nördlich von der Stadt ſtattgefunden haben müſſe. Dort fanden ſich zahlreiche Gold- und namentlich Silbermünzen, von denen ſechs Siebentel aus der Zeit der ſpäteſten römiſchen Republik, der Reſt aus der erſten Zeit des Kaiſers Auguſtus herrührt. Die erſteren waren durchweg abgegriffen, die letzteren aber noch gut erhalten, ſo daß es keinem Zweifel unterliegt, daß ſie in die Erde gelangt ſind, als ſie eben erſt in den Kurs gekommen waren. So weit kann man Mommſen vollkommen zuſtimmen. Aber er hat keine ſtichhaltigen Beweiſe für ſeine Annahme beigebracht, daß dieſe Münzen bei einer kriegeriſchen Kataſtrophe und gerade bei der Varusſchlacht vergraben worden ſeien. Nur derjenige Ort wird als die wahre Oertlichkeit der Schlacht anerkannt werden können, auf welchen alle beſchriebenen Einzelheiten der Schlacht, die Funde und die logiſchen Er⸗ wägungen nicht nur am beſten, ſondern einzig und allein paſſen. Redner ging nun weiter zu der Darſtellung der geſchichtlichen Entwickelung der einzelnen germaniſchen Stämme über, ſoweit ſie Weſtfalen berührt haben, und ſchloß mit einem Ueberblick über die Entwickelung der Kulturzuſtände auf der Roten Erde während der beſproche⸗ nen geſchichtlichen Perioden. — An den Vortrag knüpfte ſich ein lebhaftes Debattengefecht zwiſchen Virchow und Profeſſor Nordhoff über das Alter der weſtfäliſchen Hünen⸗ gräber. Der Münſterer Gelehrte konnte indes keine recht überzeugenden Gründe dafür beibringen, daß die mega⸗ lithiſchen Monumente aus chriſtlicher Zeit ſtammen. Für den nächſtjährigen Kongreß der Geſellſchaft wurde Königsberg in Vorſchlag gebracht und von der Verſammlung einſtimmig angenommen. Die Vorſtands⸗ wahl wurde nach alter Gepflogenheit durch einfache Zu⸗ ſtimmung erledigt. Virchow als Vorſitzender, Wolffhauſen und Waldeyer als Stellvertreter werden die Geſellſchaft leiten, die Mandate des Generalſekretärs Profeſſor Ranke und des Schatzmeiſters Oberlehrer Weismann wurden eben⸗ falls durch Zuſtimmung erneuert. Dr. Hachwitz⸗Bochum ſprach über die volks gebräuch⸗ lichen Freudenfeuer, Oſterfeuer, Johannisfeuer. Bei ſeinen Forſchungen über dieſe Feuer iſt dem Redner aufgefallen, daß, wo die Oſterfeuer nach Süden hin auf⸗ hören, die Johannisfeuer beginnen. Die Oſterfeuer hat Redner verfolgt von Zerbſt aus über Bernburg, den Süd⸗ harz, den Kyffhäuſer, die Hainleite, das Eichsfeld, den Hüffelsberg bei Eſchwege bis zum Meißner. Im heſſiſchen Lande fand er ſie nicht mehr vor, plötzlich aber wieder im Siegener Lande. Derſelbe bittet nun um Nachrichten dar⸗ über, wie weit das Oſterfeuer nach Oſt und Weſt über die bezeichnete Strecke hinausgeht, ebenſo über die Verbreitung Humboldt. — November 1890. der mit den Freudenfeuern verbundenen Volksbräuche, z. B. das Springen der Liebespaare über das Feuer, die aber⸗ gläubiſche Verwendung der Brandreſte u. ſ. w. Profeſſor Ranke⸗München berichtete über die von ihm in dieſem Frühjahr durchforſchte Steinbachhöhle bei Sulzbach in Bayern. Dieſe Höhle führte zu einem Felſen⸗ ſpalte, der mit einer Mauer verſchloſſen war. Beim Weg⸗ räumen der aus den in der Höhle liegenden Geröllſteinen und Höhlenſchlamm errichteten Mauer ſtieß man auf eine große Zahl von Skeletten, deren Schädel ausgeſprochene Dolichocephalie zeigten, während die jetzige Bevölkerung der Gegend brachycephal iſt. In Verbindung mit der Art der bei den Skeletten gefundenen Gefäßſcherben rechtfertigt dieſer Umſtand den Schluß, daß dieſe unterirdiſche Be⸗ gräbnisſtätte vor oder während der Völkerwanderung, nicht erſt nach dieſer angelegt iſt. Neben der Mauer befand ſich übrigens auch ein Brandplatz. Dr. Naue⸗München legte einen zu Mykenä gefundenen Goldſchmuck und verſchiedene Stücke eines zu Grabbau in Oberbayern gemachten Bronzefundes vor. Der erſtere, der durch einen glücklichen Zufall in ſeine Hände geraten iſt, beſteht aus zwei Armringen und Teilen eines Diadems. Dieſes Diadem beſteht aus rechteckigen, nahezu quadrati⸗ ſchen Blechen, die durch eine Art Scharnier miteinander verbunden ſind. Die Platten enthalten figürliche Orna⸗ mente in getriebener Arbeit, außerdem aufgelegte Stücke bunter Glasflüſſe. Auf dem einen iſt eine Rune vor⸗ handen: >< /\|, welche von Dr. Kempff als Gui oder Guji geleſen und für einen weiblichen Vornamen gehalten wird. Die Charaktere des Schmuckes weiſen auf barbariſche Ab⸗ ſtammung hin und dürften nach Anſicht des Vortragenden mit dem Zuge zuſammenzubringen ſein, den 396-397 Alarich von Thrazien aus nach Makedonien und Griechen⸗ land hinein unternahm. Er kam dabei bis Lakonien, wurde aber von Stilicho in Arkadien eingeſchloſſen. Nach Epirus entkommen, wurde er ſpäter vom oſtrömiſchen Hofe zum Oberbefehlshaber des öſtlichen Illyriens ernannt und zum Könige ausgerufen. Bei dieſem Feldzuge könnte der Schmuck gelegentlich der Niederlage und Flucht in Griechenland ver⸗ loren gegangen ſein. Zum Schluß ſprach Waldeyer über die Gehirne des Menſchen und der anthropoiden Affen. Mit Hilfe einer Anzahl vorzüglicher, in ſehr großem Maßſtabe an⸗ gelegter Zeichnungen veranſchaulicht Vortragender die Form der in Betracht kommenden Gehirne mit ihren typiſchen Windungen und Furchen und erörterte die große Aehn⸗ lichkeit des Menſchengehirns mit demjenigen des Gorilla, des Schimpanſe, des Orang und des Gibbon. Dieſe Aehn⸗ lichkeit iſt ſehr viel größer als diejenige des Affengehirns mit dem Gehirn tiefer ſtehender Tiere, etwa des Wolfes, des Fuchſes oder des Hundes. Indeſſen ſind doch auch regelmäßig wiederkehrende Unterſchiede unverkennbar. Ein⸗ mal iſt beim Menſchen eine gewiſſe, von der Mittelrinne etwa auf halber Länge dieſer und ungefähr rechtwinklig zu ihr nach beiden Seiten auslaufende Furche, die beim Affen ſehr lang und tief iſt und deshalb „Affenſpalte“ heißt, nur angedeutet, ferner iſt der Hinterhauptlappen beim Menſchen ungleich mehr ausgebildet, was wiederum einen mehr longitudinalen Verlauf der dieſen Lappen vom Scheitellappen trennenden Rinne veranlaßt, und endlich iſt an der mit dem Sprachzentrum in Verbindung ſtehenden Hirnpartie das Menſchengehirn viel reicher an Windungen, während beim Affen eine lange Furche dieſe Partie in zwei Teile zerlegt und ſo die Windungen abſchneidet. Nach einigen Bemerkungen Virchows über die Feſt⸗ ſchrift: „Die Bilſteinhöhle bei Karthaus“ gles der Schluß der Verſammlung. Die Herſtellung einer einheitlichen Nomenklatur in der Anatomie, welche vor Jahresfriſt von den deut⸗ ſchen Anatomen in Angriff genommen wurde, iſt jetzt zu einer internationalen Sache gemacht worden. In die Ab⸗ ordnung für die Regelung der Anatomienomenklatur, welcher bisher nur deutſche Gelehrte angehörten, ſind zu dieſem Zwecke jetzt auch fremdländiſche gewählt worden. Zunächſt Humboldt. — November 1890. hat man nur für die drei am meiften in Betracht fommen- den europäiſchen Kulturſprachen je einen Vertreter in die Abordnung berufen, für die franzöſiſche Sprache Leboueg aus Genf, für die engliſche Cunningham in Edinburg und für die italieniſche Romiti in Piſa. Die Koſten der Aus— arbeitung der einheitlichen Nomenklatur bringen die deut— ſchen gelehrten Körperſchaften auf, weil die anatomiſche Geſellſchaft, welche das Werk angeregt hat, nicht Mittel genug dafür zur Hand hat. So hat die preußiſche Aka— demie der Wiſſenſchaften 1500 Mark dafür ausgeworfen, und je ebenſoviel die bayeriſche und die ſächſiſche; die Wiener Akademie hat 1000 Gulden beigeſteuert. Schließ— lich hat die anatomiſche Geſellſchaft noch aus eigenen Mit— teln 1000 Mark aufgebracht. Die endgültige Regelung der Nomenklatur fällt einer Kommiſſion zu, in welcher Prof. von Köllicker in Würzburg den Vorſitz führt. Die Vor⸗ arbeiten beſorgt ein eigens dafür berufener Anatom, der zugleich über ein ausreichendes philologiſches Wiſſen ver— fügt. D. Dem Votaniſchen Muſeum in Berlin hat der Ende vorigen Jahres zu Erfurt verſtorbene Garteninſpektor Th. Bernardi teſtamentariſch ſein 40000 Nummern umfaſſendes Herbarium vermacht. Die argentiniſche Weltausſtellungs— kommiſſion überwies eine Sammlung von 329 argentini— ſchen Hölzern in Längs- und Querſchnitten. Das an 30 000 Arten enthaltende Privatherbarium des Direktors Prof. Engler iſt an das Botaniſche Muſeum abgetreten worden gegen eine zehn Jahre lang zu gewährende Unter— ſtützung für die „Botaniſchen Jahrbücher“. Die öſterreichiſche Tieſſee-Expedition, welche am 10. Auguſt ihre Forſchungsreiſe von Pola aus angetreten hat, erfolgt auf dem durch ſeine Fahrt nach Jan Mayen in wiſſenſchaftlichen Kreiſen wohlbekannten Kriegsſchiffe „Pola“, welches von dem Korvettenkapitän v. Mörth be— 393 fehligt iſt. Die Mitglieder des wiſſenſchaftlichen Stabes ſind Cuſtos von Marenzeller und Prof. Grobben für Zoo— logie, Prof. Lukſch für Phyſik und Dr. Natterer für Chemie. Die Ausrüſtung des Schiffes mit Apparaten für Zwecke der wiſſenſchaftlichen Forſchung und Unterſuchung u. ſ. w. wurde von den Sachverſtändigen als eine ausgezeichnete anerkannt. Die „Pola“ wird zunächſt an den Joniſchen Inſeln kreuzen und dann die afrikaniſche Küſte bei Bena- hazi aufſuchen. D. In Petersburg wird, wie man der „Wiener Pr.“ ſchreibt, infolge einer Stiftung des Prinzen Alexander Petrowitſch von Oldenburg im Laufe dieſes Herbſtes eine neue mediziniſche Anſtalt der Oeffentlichkeit übergeben werden, wie ſie ähnlich derzeit wohl in keiner Stadt der Welt beſteht. Sie führt den Titel Inſtitut für Experi- mentalmedizin und iſt hauptſächlich dem Studium der Aetiologie der infektiöſen Krankheiten und aller dagegen anwendbaren therapeutiſchen und prophylaktiſchen Methoden gewidmet. Das auf Koſten des Prinzen in der Lapukins⸗ kajaſtraße (Apothekerinſel) am Newaſtrande erbaute und eingerichtete Gebäude iſt der Vollendung nahe. Der Prinz beabſichtigt, hervorragende Gelehrte zu berufen und ſie mit den einſchlägigen Experimentalarbeiten auf dem Gebiete der Bakteriologie, Phyſiologie, Chemie, Biologie und Ve⸗ terinärkunde zu betrauen. Mehrere nahmhafte Forſcher des Auslandes haben dem Prinzen ihre Mitwirkung zu— geſagt. An der koſtſpieligen Einrichtung der zahlreichen Laboratorien und Materialkammern wird gegenwärtig ge— arbeitet, da das neue, auch architektoniſch prachtvolle Haus ſich bereits unter Dach befindet. Die ſtändig in der An⸗ ſtalt thätigen Gelehrten, ſowie das zahlreiche Hilfsperſonal werden aus den Privatmitteln des Prinzen beſoldet. — Das Inſtitut wird auch eine nach dem Muſter der Pariſer Paſteuranſtalt eingerichtete Klinik und Krankenabteilung enthalten. D. Biographien und perſonalnotizen. Vaolo Mantegazza. Biographiſche Skizze von Dr. H. Kurella in Kreuzburg. NR den italieniſchen Naturforſchern unſerer Zeit iſt in Deutſchland keiner annähernd ſo populär Viele ſeiner Werke i! geworden, wie Mantegazza. in alle Kulturſprachen über— fest worden, und in Deutſch— land haben im vergangenen Jahrzehnt ſeine zahlreichen Bücher und Broſchüren liber Probleme der phyſio— logiſchen Pſychologie wei— teſte Verbreitung gefunden. Gewiß verdankt Mante⸗ gazza dieſe Erfolge in erſter Linie ſeiner außerordent— lichen Darſtellungsgabe; als populärer Schriftſteller über naturwiſſenſchaftliche Stoffe kann man ihn in dieſer Be- ziehung nur mit Diderot, und unter den modernen mit Carl Vogt vergleichen. Er hat für Italien eine ähnliche Bedeutung, wie ſie ſeiner Zeit der geiſtreiche und witzige Genfer Zoolog Humboldt 1890. Paolo Mantegazza. für Deutſchland hatte, und mit dieſem, mit Moleſchott und Ludwig Büchner ſteht er in der erſten Linie der aa die Populariſierung naturwiſſenſchaftlicher For— ſchungsreſultate wirkenden Aufklärungsbewegung, die ſchließlich in den darwiniſti— ſchen Schriften Häckels kul— minierte. Wie Vogt, Moleſchott und Häckel, hat Paolo Mantegazza ſich als berufe— nen Vertreter der Natur— wiſſenſchaften durch eine lange Reihe von zum Teil bedeutenden Originalunter— ſuchungen in vollgültiger Weiſe legitimiert; aber ſeine ganze Perſönlichkeit drängte ihn von jeher auf eine künſt— leriſche Geſtaltung ſeines Stoffes hin, mochte dieſer auch noch ſo ſpröde ſein. Und ſeiner Vielſeitigkeit fehlte es nicht an innerer Einheit. Wie für Mole⸗ 50 394 Humbolot. — Movember 1890. ſchott, fo iſt für Mantegazza die Naturwiſſenſchaft aus dem Jahre 1880 „Ueber Phyſiognomik und den zugleich die Grundlage einer das ganze Leben durch⸗ dringenden Geſinnung, die ihr Licht oft und gern in Gebiete fallen läßt, welche eine gewiſſe Richtung lieber dauernd in behaglichem Halbdunkel liegen laſſen möchte. Mantegazza gehört, wie alle im reiferen Alter ſtehenden bedeutenden Männer des heutigen Italiens, zu einem Geſchlechte, deſſen Jugend ganz unter dem Eindruck der Freiheitskämpfe ſeines Volkes ſtand. Mit vielen der politiſchen Führer dieſer Bewegung iſt er von Jugend auf in Freundſchaft verbunden. Wäre uns die Geſchichte pſychologiſch leichter ver- ſtändlich, ſo ließe es ſich feſtſtellen, ob der gewaltige Aufſchwung Italiens um die Mitte des Jahrhunderts dem plötzlichen Auftauchen einer an genialen, that- kräftigen Männern überreichen Generation zuzu⸗ ſchreiben iſt, oder ob die um die Mitte des Jahr⸗ hunderts zu Männern gereifte Generation ihren Reichtum an glänzenden Individualitäten dem „Geiſt der Zeiten“ verdankt. Die Kulturgeſchichte Italiens hat früher ſchon zweimal das plötzliche Auftreten genialer Generationen verzeichnet. Die äußeren Be⸗ dingungen geiſtiger Entwickelung, unter denen Mante⸗ gazza geſtanden hat, ſind ſomit verſtändlich, und es erklärt ſich daraus das ſpezifiſch Italieniſche in ſeinem Weſen. Man kann, wenn man eine Seite aus ſeiner Feder lieſt, und ſei es in der ſchlechteſten Ueber⸗ ſetzung, nicht mehr in Zweifel ſein, daß nur ein Sohn der lateiniſchen Raſſe jo ſchreiben kann, und die wei⸗ tere Lektüre zeigt, daß ſeine Schreibart jenes Gemiſch von Naivetät und hochziviliſierter Eleganz beſitzt, welches ſeit den Tagen Boccaccios den italieniſchen Litteraten kennzeichnet. Mantegazza ſtammt aus einer lombardiſchen Fa⸗ milie, die in älteren Zeiten bedeutende Künſtler, im vorigen Jahrhundert einen Kenner Oſtindiens und ſeiner Litteratur hervorgebracht hat; ſeine Mutter war eine ungewöhnlich bedeutende, ſozial und politiſch kräftig und wohlthätig wirkende Frau; ſeine Vaterſtadt iſt Monza, er iſt geboren am 31. Oktober 1831. Schon relativ früh zeigte er eine ausgeſprochene Neigung zu anthropologiſchen Beobachtungen, und eine ausgebreitete litterariſche und philoſophiſche Bil⸗ dung gab dieſer Beobachtung von vornherein auch die Richtung auf die pſychiſche Anthropologie. Es iſt nicht immer leicht, zu entſcheiden, ob ſeine Einzel⸗ unterſuchungen dieſer letzteren Disziplin, oder der phyſiologiſchen Pſychologie zuzuweiſen ſind. Das Ge⸗ biet, zu dem er von den verſchiedenſten Ausgangs⸗ punkten aus immer wieder zurückgekehrt iſt, die Ana⸗ lyſe des Gefühllebens, iſt freilich den deſkriptiven Methoden der Anthropologie bei weitem zugänglicher als denen der experimentellen Phyſiologie. In Be⸗ obachtung und Beſchreibung hat Mantegazza nun auch immer ſein Beſtes geleiſtet, und die Schärfe ſeines Blicks für die Erſcheinungen des Gefühlslebens zeigt ſich in dem Erſtlingswerk des Zweiundzwanzig⸗ jährigen, der „Phyſiologie der Luſtgefühle“ (Jena 1882), ſchon faſt ſo entwickelt, wie in der verwandten Arbeit Ausdruck der Gefühle“. Sein Hang zu pſychologiſchen Beobachtungen zeigt ſich in eigentümlicher Weiſe auch darin, daß er ſeit vierzig Jahren ſein „Anthropologiſches Tagebuch“ ſchreibt, in dem er die Selbſtbeobachtung ſeines Ge⸗ fühls⸗ und Gedankenlebens niederlegt. Für die de⸗ ſkriptive Pſychologie hängt der Wert ſolcher Aufzeich⸗ nungen natürlich von der Unbefangenheit des Forſchers ab; die heutige Pſychologie iſt allzuſehr geneigt, den Wert der Selbſtbeobachtung zu unterſchätzen; gewöhn⸗ lich wird von dieſem verwerfenden Urteil De Quinceys wunderbare Selbſtbiographie „Bekenntniſſe eines Opiumeſſers“ ausgeſchloſſen, und dieſem Buche darf man Mantegazzas auf Selbſtbeobachtung beruhende Schilderung der Kokaindelirien (Mailand 1859) ge⸗ troſt an die Seite ſtellen. Dieſe Beobachtungen hat er in Südamerika gemacht, wo er die Koka als Ge⸗ nußmittel kennen und ſchätzen lernte. Es iſt charak⸗ teriſtiſch für ſeine mehr den Gefühlen als der Ana⸗ lyſe der Sinneswahrnehmungen zugewandte Richtung, daß er die lähmende Wirkung der Kota auf die Haut⸗ und Schleimhautempfindung (Kokainanäſtheſie) ganz überſah, dagegen den Einfluß der Koka auf Phantaſie und Gemüt ſo ſcharf auffaßte. Der italieniſche For⸗ ſcher hatte ſchon eine mehrjährige Thätigkeit als Lehrer und Schriftſteller hinter ſich, als er 1855 eine Reiſe um die Welt antrat, die zu einem dreijährigen Auf⸗ enthalte in Paraguay und Argentinien führte. Er war nach Vollendung ſeiner mediziniſchen Studien Dozent der organiſchen Chemie am Polytechnikum in Mailand geworden. Eine heftige und unglückliche Liebesleidenſchaft unterbrach dieſe Laufbahn, und der junge Gelehrte machte weite Reiſen, publizierte von Paris aus ſein Erſtlingswerk, die ,,Fisiologia del piacere“ und war im Begriff, ſich unter der ſtetig anwachſenden italieniſchen Kolonie in Argentinien, der er durch ſeine Ehe mit einer Eingeborenen eng angehörte, als hoch angeſehener Arzt dauernd anzu⸗ ſiedeln, als die politſchen Vorgänge im Mutterlande ihn dorthin zurückriefen; er ſtand in Mailand wäh⸗ rend der berühmten „fünf Tage“ auf den Barrikaden, und blieb als Aſſiſtenzarzt des Ospedale Maggiore bis 1860 in der lombardiſchen Hauptſtadt. In ſeinem 1877 publizierten Roman „II Dio ignoto“ ſind dieſe Erlebniſſe ſeiner ſturmerfüllten Jugend anziehend geſchildert und erſcheinen mannig⸗ faltig genug, um ſeine Perſon mit ihren vielſeitigen Beſtrebungen durch die beiden Helden der Erzählung zu repräſentieren, die verſchiedene Seiten ſeines We⸗ ſens darſtellen. In ſeine Mailänder Aſſiſtentenzeit fällt eine größere Anzahl rein mediziniſcher Unter⸗ ſuchungen über das Kokain, die Trunkſucht, über Steinbildungen im menſchlichen Organismus, und einige Fragen der Zeugung. Er zeigt ſich in dieſen Arbeiten als nüchterner und gewiſſenhafter Beobachter, der ſtets einen offenen Blick für die pſychologiſche Seite ſeiner Probleme behält. Dieſe Arbeiten brachten ihm 1860 den Ruf als ordentlicher Profeſſor der allgemeinen Pathologie an der Univerſität Pavia. Humboldt. — November 1890. Schon vorher aber hatte er ſich durch ſeine oben— genannte „Phyſiologie der Luſtgefühle“ als ein Mann von außerordentlicher litterariſcher Begabung einge— führt. Das Buch machte ſofort großes Aufſehen, iſt ſeitdem in immer neuen Auflagen erſchienen und in die meiſten Kulturſprachen überſetzt worden. Es vereint, was bei ſeinem Erſcheinen von dieſem Problem der phyſiologiſchen Pſychologie der exakten Analyſe zugänglich war, mit den Reſultaten einer feinen Selbjt- beobachtung, umfaſſender Menſchenkenntnis und einer außerordentlichen Beleſenheit; Mantegazza hat ſehr früh erkannt, daß in der poetiſchen Litteratur eine wichtige Fundgrube von Beobachtungen über die feineren Thatſachen des Gefühlslebens gegeben iſt, und daß dichteriſche Begabung eine reiche Entwickelung dieſer Seite des Seelenlebens vorausſetzt. Niemand konnte dieſem Gebiete kongenialer gegenüberſtehen, als er, und ſo iſt denn gerade dieſes Werk formell vollendet und ein Muſter ſchwungvoller Darſtellung. Es hat Mantegazza nicht an übelwollenden Kritikern gefehlt, die ſeine litterariſche Kultur und ſeine fein— fühlige Verwertung der Selbſtbeobachtung und Men— ſchenkenntnis für unwiſſenſchaftlich erklärt haben. Auf der anderen Seite haben gerade in neueſter Zeit die Vertreter exakteſter Forſchung, wie Wundt in Deutſch— land, C. Lange in Dänemark, darauf hingewieſen, wie das Gemütsleben und die Thatſachen des ſitt— lichen Lebens nur in wenigen Punkten einer experi— mentellen Erforſchung zugänglich ſind; neben der „kliniſchen“ Beobachtung deſſen, was die tägliche Er— fahrung dem Forſcher entgegenbringt, iſt auf dieſen Gebieten die Hauptquelle der Einſicht in der Beobach— tung der Naturvölker gegeben, und in dem Studium der hiſtoriſchen Entwickelung dieſer Erſcheinungen, das an der religöſen und poetiſchen Litteratur aller Kultur— epochen durchzuführen ift*). In Deutſchland iſt es erſt den letzten großen Arbeiten Baſtians vergönnt geweſen, die Bedeutung der Völkerpſychologie über— zeugend nachzuweiſen; es liegt mir fern, dieſen tiefen, oft leider recht dunkeln Denker unmittelbar mit dem ſtets klaren, beweglichen und kapriziöſen Mantegazza vergleichen zu wollen. Allein in der weitgreifenden Verwertung von Thatfachen aus der Anthropologie der Naturvölker bei der Behandlung pfychologiſcher 8 kommen beide Forſcher einander oft ſehr nahe. Im übrigen muß bezüglich der Methode Mante— gazzas darauf hingewieſen werden, daß er den Gang ſeiner Analyſe in ſeinen populären Schriften nicht reproduziert, ſondern, ohne fic) ſelbſt zu citieren, häufig Sätze aufſtellt, die Folgerungen eigener experi— menteller Unterſuchungen ſind. So findet ſich ſchon in der erſten Auflage ſeiner „Phyſiologie des Luſtgefühls“ eine Theorie desſelben aufgeſtellt, welche hier aus der deutſchen Ueberſetzung Seite 4 eitiert werden ſoll: „Das Merkmal, durch welches ſich die Empfindung W. Wundt. Ziele und Wege der Völkerpſychologie. Philoſoph. Studien Nr. 1, 1887. — C. Lange. Ueber Gemütsbewegungen. S. 4, S. 11. (1887.) 395 der Luſt von jeder anderen Empfindung unterſcheidet, iſt uns unbekannt; es muß jedenfalls in einer eigen— tümlichen Veränderung des erregbaren Nervenmarks beſtehen, welche für unſere Sinne nicht wahrnehm— bar iſt.“ Es iſt bemerkenswert, daß Mantegazza hier eine Anſchauung andeutet und zwar in ſeinem Jugend— werk, die heute, nach ſorgfältiger Analyſe zahlloſer Einzelunterſuchungen, als „der Weisheit letzter Schluß“ gegenüber dem Problem von der Natur der Gefühle gelten darf. Es iſt die Hypotheſe, daß es einen be— ſondern „gefühlserzeugenden Nervenprozeß“ gäbe, di h., daß ein Sinnesreiz erſtens einen Nervenprozeß ein— leitet, der als Empfindung zum Bewußtſein kommt, und zweitens gleichzeitig einen anderen Prozeß, der als Luſt⸗ oder Unluſtgefühl die Empfindung be— gleitet. Wie Mantegazza mit dieſer, bisher in ihrer Be— deutung überſehenen Auffaſſung ſpätere Forſchungs— reſultate längſt vorausgenommen hat, ſo greift er auch in der Einteilung der Genüſſe in Sinnesgenüſſe, Gefühlsgenüſſe und Verſtandesgenüſſe ſpäteren Pſycho— logen vor. In dieſer Ideenfülle iſt der Anſpruch ſeines Erſtlingswerks begründet, dauernd als ſein Hauptwerk zu gelten. Und auch auf einem jenſeits der Phyſiologie gelegenen Gebiete greift er in dieſem Buche der modernſten, — der utilitariſchen —, ſich immer weiter verbreitenden Moralphiloſophie vor, indem er ausführt, daß „die Moral, die dem Wohle aller richtig angepaßte Kunſt des Genuſſes iſt, — das Ideal menſchlicher Entwickelung darin beſteht, allen unter der Sonne geborenen Menſchen die größte Menge von Luſt zu verſchaffen“. Wir ſehen hier den italieniſchen Phyſiologen ſich mit den bedeutendſten engliſchen Sozialökonomen wie Berthan und J. J. Mill berühren. Die Methode Mantegazzas hat ſich am glänzend— ſten in ſeiner Behandlung der Liebe gezeigt. Er hat ſich nicht darauf beſchränkt, die Analyſe dieſes fom- plizierteſten aller pſychologiſchen Phänomene an der Form desſelben durchzuführen, wie ſie ſich unter dem Einfluß Rouſſeaus, Goethes und der ihnen folgenden Kulturepoche in den gebildeten Kreiſen der europäiſchen Nationen entwickelt hat, ſondern er ſtudiert die pri— mitiven Formen desſelben bei faſt allen uns bekannten Naturvölkern, und hat hier („Anthropologiſch-kultur— hiſtoriſche Studien über die Geſchlechtsverhältniſſe des Menſchen“) ein unerſchöpfliches Material zuſammen⸗ gebracht. Man hat es merkwürdigerweiſe ihm verübeln wollen, daß es in dieſen Schilderungen recht natura— liſtiſch zugeht; es iſt aber nicht recht einzuſehen, warum das Feigenblatt in der Anthropologie eine größere Rolle ſpielen ſoll, als in der Anatomie. Zuſammen mit dem auch in dieſer Zeitſchrift be- ſprochenen Werke von Ploß über „Das Weib“ gibt dieſe Arbeit Mantegazzas ein abgerundetes Bild der Entwickelung eines brutalen Inſtinkts zu der ſchönſten und mächtigſten menſchlichen Leidenſchaft; dabei muß die Pſychiatrie den Wert gerade dieſer Forſchungen 396 des italieniſchen Anthropologen für das Verſtändnis pathologiſcher Sexualerſcheinungen noch beſonders be⸗ tonen. Wie fein er die zarteſten Regungen der Liebe verſteht, und wie ſehr er ihre ſittliche Bedeutung zu ſchätzen weiß, hat er in den beiden weiteren Büchern gezeigt, in denen ſeine „Trilogie der Liebe“ abge- ſchloſſen vorliegt. An dieſer Stelle verdienen ſeine anthropologiſchen Studien über die Geſchlechtsver⸗ hältniſſe noch eine eingehendere Würdigung. Mante⸗ gazza hat darin, und das verdient Zuſtimmung, die Darſtellung der Gewohnheiten und Gebräuche nicht nach ethnologiſchen, ſondern nach ſachlichen Geſichts⸗ punkten angeordnet. Indes er ſo die Feier der Pu⸗ bertät, die Aeußerungen des Schamgefühls, die Hoch⸗ zeitsgebräuche, die einzelnen Phaſen des Verkehrs der Geſchlechter ſchildert, wie ſie bei den verſchiedenſten Raſſen und Völkern hervortreten, findet ſich ganz von ſelbſt bei jeder Einzelerſcheinung dasſelbe Ergebnis: daß mit ſteigender Kultur alle Andeutungen geſchlecht⸗ lichen Lebens aus dem menſchlichen Verkehr verdrängt werden, bis zu dem Beſtreben, die Geſellſchaft dahin zu bringen, daß ſie thut, als gäbe es überhaupt keine ſexuellen Thatſachen und Beziehungen mehr; während die tiefſtehenden Naturvölker alle Phaſen der indivi⸗ duellen ſexuellen Entwickelung wie der Paarung durch ganz beſtimmte konventionelle Gebräuche öffentlich zur Schau ſtellen. Hierher gehören in erſter Linie die Prozeduren, die bei den verſchiedenſten Raſſen Knaben und Mädchen beim Eintritt der Pubertät über ſich ergehen laſſen müſſen. Intereſſant iſt es, daß ſich dabei ſtets drei Tendenzen wirkſam zeigen; zunächſt wird durch Bemalung, Bekleidung und höchſt ver- ſchiedenartigem Aufputz das Gefühl einer feſtlich-ernſten Situation in den jungen Gemütern wachgerufen, daran ſchließt ſich eine ausführliche Belehrung über alle Einzelheiten des geſchlechtlichen Lebens, die ſich an einzelnen Orten ſozuſagen zu einem praktiſchen Kurſus der Erotik am Phantom ſteigert, und ſchließ⸗ lich kommen dazu beſtimmte Verſtümmelungen. Es muß dahingeſtellt bleiben, ob Gebräuche, wie die Circumeiſion, die Amputation einzelner Fingerglieder bei den neugeborenen Zulumädchen nur eine Vor⸗ datierung von urſprünglich zur Pubertätszeit vorge⸗ nommenen Verſtümmelungen bedeuten. Jedenfalls ſind dieſe als Pubertätsfeier ungleich häufiger. Sie können ungemein variieren, vom Ausreißen aller oder beſtimmter Haarpartien, vom Ausfeilen und Aus⸗ meißeln eines oder mehrerer Zähne aus dem Kiefer bis zu mehrfachen Einſchnitten in den Körper und ausgedehnten Verſtümmelungen der Genitalien. Es iſt auffallend, daß dieſe für Naturvölker kon⸗ ventionell und heilig gewordenen Dinge unter den Kulturvölkern als Verbrechen und als Zeichen der De⸗ generation oder der Geiſtesſtörung auftreten. Der vielbeſprochene eigentümliche Zuſammenhang von Grau⸗ ſamkeit und Wolluſt ſcheint nur in folgender Weiſe bedingt zu ſein. Die Erklärung der Pubertät beim Mann war mit Quälereien der Neophyten verbunden, die ſowohl ſeine männliche Standhaftigkeit erproben, als auch den jungen Krieger durch Tätowierung Humboldt. — November 1890. (partiellen Kahlkopf, Ringe und Pflöcke in Ohren, Naſe und Lippen ꝛc.), furchtbar erſcheinen laſſen ſoll— ten. Es iſt natürlich, daß die Verknüpfung exotiſcher Erregung mit derartigen Torturen ſchließlich im Lauf der Generationen eine feſte Aſſociation zwiſchen Wolluſt und Grauſamkeit erzeugte; und ſo iſt es denn be⸗ greiflich, daß der Atavismus des Irren und des Ver⸗ brechers wieder eine Verſchmelzung pfychologiſcher Ele— mente hervortreten läßt, deren Anlage alle Kultur⸗ völker ererben, deren Bethätigung aber Kultureinflüſſe („Hemmungsfunktionen) zurückdrängen. Mantegazza hat dieſe Auffaſſung in ſeinem Buche zwar nicht ſelbſt entwickelt, er legt ſie aber dem Leſer unmittelbar nahe, wie das Buch überall überreich iſt an ethnologiſchen Thatſachen, die ſehr viel von dem beleuchten, was in der modernen Kultur durch die Entwickelung des Ge⸗ ſchlechtslebens bedingt iſt. Geben ſomit die ethnologiſchen Bilder aus dem Liebesleben der Naturvölker ſchon Uebergänge in pathologiſche Entartung, nach unten in das Beſtialiſche, ſo hat Mantegazza in ſehr feiner, ſtellenweiſe aller⸗ dings allzu blumenreicher und ſchwungvoller Weiſe, die ſpiritualiſtiſchen Verflüchtigungen des Liebeslebens in ſeinen „Ekſtaſen des Menſchen“ geſchildert (Jena, 1888). In dieſer Schrift, wie in der kleinen, geiſt⸗ vollen Broſchüre über „Das nervöſe Jahrhundert“ (Leipzig, 1888) tritt übrigens die ihm ſonſt überall anhaftende Neigung zu Exkurſionen in das Gebiet des erotiſch Prickelnden ganz in den Hintergrund. In den letzten 20 Jahren ſeines Lebens hat der italieniſche Anthropolog zahlreiche weite Reiſen ge⸗ macht, die ausdrücklich zu Zwecken ethnologiſcher Stu⸗ dien geplant waren, und ihre Reſultate zum Teil in ſtreng wiſſenſchaftlicher Weiſe (in dem von ihm heraus⸗ gegebenen „Archivio per PAntropologia e la Etno- logia“, zum Teil in einer größeren Anzahl populärer, glänzend geſchriebener Reiſeſchilderungen niedergelegt. Eine große Zahl experimentell⸗pathologiſcher Ar⸗ beiten fällt in die Jahre 1860—1870. Es befinden ſich darunter mehrere Unterſuchungsreihen über die Phyſiologie des Schmerzes, und Mantegazza iſt mit dieſen Studien wieder dem Gegenſtande ſeiner erſten Unterſuchungen, der Pſycho-Phyſiologie des Gemüts⸗ lebens, zugewendet. Inzwiſchen war er Profeſſor der Anthropologie in Florenz geworden (am dortigen R. Istituto di Studi Superiori), wo er das erſte anthropologiſche Muſeum Europas gründete, wie er in Pavia das erſte Laboratorium für experimentelle Pathologie ins Leben gerufen hatte, aus dem Männer wie Ceradini und Bizzozero hervorgegangen ſind. Als Anthropolog im engeren Sinne hat Mante⸗ gazza vor allem kraniometriſch gearbeitet; daneben aber hat ihn fortdauernd das Problem des Gefühls⸗ lebens beſchäftigt, und ſeine unvergleichliche Menſchen⸗ kenntnis hat ſchließlich hier den, wie mir ſcheint, reifſten und vollendetſten Ausdruck gefunden in ſeinem Werke über den Ausdruck der Gemütsbewegungen. Der Herausgabe dieſes Buchs ging als exakte und erſchöpfende Vorſtudie ſein koſtbarer „Atlas des Aus⸗ drucks des Schmerzes“ voraus. Humboldt. — November 1890. 397 äußeren Urſache einer Unluſt (Lidſchluß), oder fie kom— Die Bearbeitung der Mimik und Phyſiognomik durch den berufenſten Vertreter der pſychiſchen Anthro— pologie hat neuerdings eine deutſche Ueberſetzung (Leipzig 1890, von Löwenfeld) erhalten. Mantegazza ſteht in dieſer Arbeit auf der Höhe ſeiner Kraft; das zeigt ſich ſchon in der ſprachlichen Form, die bei aller Schönheit frei iſt von dem Uebermaß des Schwungs und des Pathos, welche in anderen ſeiner Schriften oft in Schwulſt ausarten. Seine zahlreiche Raſſen, Ge— ſellſchaftsklaſſen und Charaktertypen umfaſſende tiefe Menſchenkenntnis, ſein ſcharfer Blick für zarte Züge der Körperform, ſeine pſychologiſche Feinheit, die Kraft der phyſiologiſchen Analyſe, ſeine alle Mittel des Ausdrucks beherrſchende künſtleriſche Bildung haben ihn für dies Problem unvergleichlich günſtig ausgeſtattet. Gewiß liegt das Intereſſe des Buchs weſentlich in ſeinen Einzelbeobachtungen, aber es fehlt auch nicht an zuſammenfaſſenden Aufſtellungen, und beſonders bemerkenswert iſt die Kritik der von Darwin für den Ausdruck der Gemütsbewegungen aufgeſtellten Prin— zipien. Mantegazza teilt dieſer gegenüber die mimi— ſchen Bewegungen in zwei Klaſſen: 1) die defenſive Mimik, die der Zweckmäßigkeit, 2) die ſympathiſche Mimik. Die defenſive Mimik ſchützt entweder vor der penſiert gewiſſe Luſt- oder Unluſtwirkungen, wie nach Mantegazza z. B. das Zittern des Schrecks Wärme produziert, „die ſich dem Blute mitteilt, das ſich in— folge des Schrecks zu ſehr abkühlen könnte“. Die ſympathiſchen Bewegungen ſucht Mantegazza im weſent— lichen dadurch zu erklären, daß bei ſtarken Reizen defen— ſiven Bewegungen ſolche Erregungen ſich zugeſellen, die vom nervöſen Zentralorgan der erſteren auf ana— tomiſch eng verknüpfte Zentren übergehen. In neueſter Zeit ſind eine Reihe kleinerer Schriften von Mantegazza erſchienen, die entweder auf ein Nach— laſſen ſeiner Produktion oder auf eine zu Gunſten der Quantität verringerte Qualität deuten. In einer dieſer Schriften, dem Buch über Indien, läßt ſich leider auch eine etwas unſkrupulöſe Verwertung der Arbeit anderer nachweiſen, die nicht zitiert, oder trotz der Entlehnungen nur tadelnd erwähnt werden. Indeſſen ſollen dieſe Zeichen einer verringerten Produktivität das Urteil über Mantegazzas frühere große Verdienſte nicht trüben; zudem liegt ſeit kurzem wieder eine kleine Schrift über den Haß vor (Deutſch, Jena 1889), die alle alten Vorzüge ihres Autors in ungeſchwächter Kraft zeigt, zumal in ihrer humor- und geiſtvollen Apotheoſe der Mediſance. Litterariſche Rundſchau. Martin Krieg, Die elektriſchen Motoren und ihre Anwendungen in der Induſtrie und im Gewerbe, ſowie im Eiſenbahn- und Straßenbahn— weſen. Leipzig, Oskar Leiner. 1890. Lieferung 1. Preis 2 Mark. Es liegt die 1. Lieferung dieſes Werkes vor, das in 4—5 Lieferungen vollſtändig werden wird; dasſelbe wird umfaſſen einen Abſchnitt über die bekannteſten Motoren- typen, einen ſolchen über die Verwendung der Elektro— motoren in der Induſtrie, im Gewerbe und im praktiſchen Leben, weitere Abſchnitte über die Verwendung der Mo— toren im Straßen- und Eiſenbahnweſen, über die Accu— mulation für motoriſche Zwecke; ferner ſollen in dieſem Werke die Koſten, Betriebskoſten und die Rentabilität der Elektromotoren (beſonders für Straßen- und Eiſenbahnen) an zahlreichen Beiſpielen erörtert und die Vergleichung der elektriſchen Arbeitsübertragung mit den übrigen kon— kurrierenden Arbeitsverteilungsſyſtemen vorgenommen wer— den. Auch eine überſichtliche Zuſammenſtellung der bis— herigen theoretiſchen Unterſuchungen über die Elektromotoren ſoll in dem Buche nicht fehlen. Im erſten Kapitel werden die Elektromotorentypen angegeben; die Darſtellung der— ſelben, unterſtützt durch treffliche Abbildungen, iſt eine ſehr klare und überſichtliche; bei der Beſchreibung der Motoren- konſtruktionen iſt auf die hiſtoriſche Entwickelung die ge— bührende Rückſicht genommen worden. Die praktiſche Seite iſt vorwiegend in den Vordergrund gedrängt worden, und dies muß — entſprechend der Beſtimmung des Buches — vollends gebilligt werden. Wir ſehen den weiteren Liefe— rungen mit Spannung entgegen. Troppau. Dr. J. G. Wallentin. A. Sprockhoffs Grundzüge der Phyſik. Ueber⸗ ſichtliche Anordnung und ausführliche Darſtellung des Hauptſächlichſten aus dem ganzen Gebiete, nebſt einem Vorbereitungskurſus. Die wichtigſten Er— ſcheinungen des täglichen Lebens und die gewöhn— lichſten Gegenſtände des täglichen Gebrauches in 75 Einzelbildern. Zweite, vollſtändig umgearbeitete und verbeſſerte Auflage. Hannover, Carl Meyer. Preis 3,50 Mark. Im vorliegenden Buche werden im erſten Teile des— ſelben die wichtigſten phyſikaliſchen Erſcheinungen des täg— lichen Lebens und die gewöhnlichſten Gegenſtände des täg— lichen Gebrauches in Einzelbildern dargeſtellt und erſt in der zweiten Abteilung die Grundzüge der Phyſik in ſyſte— matiſcher Anordnung behandelt, dabei aber nur das Weſent— lichſte herausgegriffen und auf eine Begründung durch einfache Raiſonnements eingegangen, während die mathe— matiſche Behandlung phyſikaliſcher Partien unberückſichtigt geblieben iſt, was dem Zwecke des Buches als vollkommen entſprechend bezeichnet werden muß. Immerhin ruht das Gebotene auf dem Grunde wiſſenſchaftlicher Forſchung und der Verfaſſer des Buches hat dieſem Umſtande in vorzüglicher Weiſe Rechnung getragen, ohne deshalb alle Einzelheiten des ganzen Wiſſensgebietes aufzunehmen. — Die Bearbeitung der einzelnen Abſchnitte erfolgte dem induktiven Vorgange vollkommen angepaßt: immer wurde der Ausgangspunkt von der Erſcheinung und dem Experi— mente genommen und nach Erklärung derſelben und der damit verwandten Phänomene auf das Geſetzmäßige ein⸗ gegangen und das allgemeine Naturgeſetz aus derartigen Betrachtungen deduziert. — Für den erſten Unterricht in der Phyſik werden die „Einzelbilder“ willkommene Dienſte leiſten, insbeſondere werden dieſelben dem Unterrichte an Volks- und Bürgerſchulen zu Grunde gelegt werden können; daß hierbei der praktiſchen Anwendungen der Phyſik in erſter Linie gedacht iſt, ſoll nur anerkennend hervorgehoben werden. Wo immer es thunlich war, wurde die graphiſche Darſtellung herangezogen. Die zweite Abteilung enthält ungefähr den Lehrſtoff unſerer Untergymnaſien und iſt — auch was Gruppierung desſelben betrifft — im Cin- klange mit den Forderungen derſelben. Auf die meteoro— logiſchen Erſcheinungen wird in dieſem Abſchnitte ebenfalls 398 Bedacht genommen, ſoweit ſich dieſelben als Konſequenzen der allgemeinen phyſikaliſchen Erſcheinungen ergeben. Die hiſtoriſchen Notizen, welche im Anhange gegeben ſind, ent⸗ halten viel Wertvolles, nur hätten wir korrekte Schreib⸗ weiſe der Namen der Forſcher gewünſcht: ſo finden wir Farradey anſtatt Faraday, Huyghens anſtatt Huygens, Iſenkrahn anſtatt Iſenkrahe u. a. Der Brauchbarkeit des Buches wird aber gewiß durch dieſe unbedeutenden Mängel kein Eintrag gethan. Troppau. Dr. J. G. Wallentin. Hermann Frerichs, Die Hypotheſen der Phyſik. Ein Verſuch einer einheitlichen Darſtellung der⸗ ſelben. Zweite Auflage. Norden, Heinrich Fiſcher Nachfolger. 1889. Preis 2,5 Mark. Die vorliegende verdienſtvolle Arbeit ſtellt einen Neu⸗ abdruck der erſten, 1879 erſchienenen Auflage dar; der Verfaſſer hat ſich in derſelben die Aufgabe geſtellt, an der Hand der Geſchichte der phyſikaliſchen Wiſſenſchaft klar darzulegen, wie die Entwickelung der Erklärungsmethoden der einzelnen Erſcheinungen ſtattfand; es wurde in der⸗ ſelben ein allgemein verſtändliches Bild der phyſikaliſchen Forſchung ſelbſt gegeben. Bedauert haben wir nur den Umſtand, daß dieſe gediegene Schrift nicht durch die neueren ſpekulativen Betrachtungen erweitert und ergänzt wurde; ſo wäre es nur billig geweſen, wenn in dem Abſchnitte über Magnetismus und Elektrizität der Anſchauungen Maxwells über die elektriſchen Kräfte gedacht worden wäre, welche in der von dieſem Forſcher aufgeſtellten elektro⸗ magnetiſchen Lichttheorie ihren Kulminationspunkt erreichen. Wir finden in von einander getrennten Abſchnitten die Hypotheſen und Theorien über die Materie, über das Licht und die Wärme, endlich über die Elektrizität auf⸗ geſtellt und in überſichtlicher Weiſe dargelegt. Im erſt⸗ genannten Abſchnitte wird eingehend der Atomtheorie ge⸗ dacht und gezeigt, wie bald es notwendig wurde, um die Erſcheinungen der Molekularphyſik zu erklären, ein Medium in die Betrachtungen einzuführen, welches derzeit unter dem Namen Aether eine ſo wichtige Rolle ſpielt. Die Bedeutung desſelben wird weiter dargelegt und gezeigt, wie die Undulationstheorie des Lichtes dieſes Mediums nicht entraten kann. In der Wärmelehre ſind es die Grundlagen der Thermodynamik, welche mit aller Präziſion dargelegt werden; ein näheres Eingehen auf die kinetiſche Gastheorie, entſprechend deren Ausbildung und Vervoll⸗ kommnung, wäre hier am richtigen Platze geweſen. — Im letzten Abſchnitte werden nach kurzer Angabe der elektri⸗ ſchen Grunderſcheinungen die unitariſche und dualiſtiſche Hypotheſe der Elektrizität erörtert und es wird gezeigt, daß die Identifizierung des elektriſchen Fluidums mit dem Aether der beſte Ausweg aus allen Erklärungsſchwierigkeiten iſt. Ueber die Rolle der Dielektrika bei der Vermittelung der Elektrizitätswirkung erfahren wir an dieſer Stelle nichts. Den Schluß der leſenswerten, leider nicht auf dem heutigen Standpunkte der Forſchung vollkommen fußenden Abhand⸗ lung bildet die klare Auseinanderſetzung der von Ampere geſchaffenen Hypotheſe zur Erklärung der elektriſchen Fern⸗ wirkungen. Troppau. Dr. J. G. Wallentin. H. Kayſer, Lehrbuch der Phyſik für Studierende. Stuttgart, Ferdinand Enke. 1890. Preis 10 Mark. Das vorliegende Buch iſt zunächſt als Hilfsmittel zu den Vorleſungen des Verfaſſers für die Studierenden der Techniſchen Hochſchule in Hannover beſtimmt, kann aber vermöge der eigenartigen, zweckentſprechenden Anlage und Durchführung des Lehrſtoffes von allen denen, welche den modernen Standpunkt der phyſikaliſchen Forſchung kennen lernen wollen, ſicher auf das beſte verwendet werden. Es hält die goldene Mitte zwiſchen den zu ausführlich oder zu kurz, zu mathematiſch und jenen, welche es nicht ſind, angelegten Büchern derſelben Art. Bei Berückſichtigung der weſentlichen Entwickelungen der Phyſik und auch der neueſten Forſchungen dieſes Wiſſensgebietes war der Ver⸗ faſſer, ſelbſt ein trefflicher Förderer der Wiſſenſchaft, be⸗ Humboldt. — November 1890. ſtrebt, die Darſtellung kurz und überſichtlich zu geſtalten, und dies iſt einer der Hauptvorzüge des Buches. Be⸗ ſonderes Gewicht wurde auf die exakte Darſtellung der grundlegenden Begriffe gelegt und insbeſondere in der Mechanik dieſem Umſtande beſonderes Augenmerk gewidmet. Gewiſſe Partien hätten erweitert werden ſollen: ſo finden wir — um zunächſt bei der Bewegungslehre zu bleiben — die Lehre vom ſchiefen Wurfe zu wenig diskutiert; ebenſo hätten wir eine direkte Ableitung (etwa aus dem Prinzip der Erhaltung der Energie) der Formel für die Oscil- lationsdauer eines ebenen Pendels gewünſcht. Daß das Prinzip der virtuellen Bewegungen in der Lehre von den Maſchinen ſehr in Anſpruch genommen wurde, kann nur gebilligt werden. In der Lehre von der Erhaltung der Energie findet man auch den Potentialbegriff vollkommen zweckentſprechend eingeführt. Sehr klar ſind die moleku⸗ laren Verhältniſſe der Aggregatzuſtände beſprochen und es wird der Leſer ein zutreffendes Bild des Wirkens der Molekularkräfte erlangen. In der Wärmelehre finden wir die beſten Zahlenangaben berückſichtigt und die Haupt⸗ ergebniſſe der Thermodynamik klar dargeſtellt; die Grund⸗ formel der kinetiſchen Gastheorie wurde abgeleitet. Die Lehre von den techniſchen Anwendungen der Wärme finden wir nur in geringem Maße berückſichtigt. — In der Lehre vom Schalle werden die einſchlägigen Geſetze mittels ein⸗ facher Raiſonnements deduziert und es wird auf die neueren Beobachtungsmethoden eingegangen. — Die Behandlung der Lehre vom Magnetismus und der Elektrizität entſpricht vollkommen dem neueſten Standpunkte dieſer Disziplinen. Auf die Dimenſionen der elektriſchen und magnetiſchen Größen wurde Rückſicht genommen. Die Anſchauungen von Faraday und Maxwell finden eine ſachgemäße Er⸗ örterung; die neueſten elektriſchen Meßmethoden werden gewürdigt. Recht klar werden ebenfalls die Erſcheinungen des Glimmlichtes in hoch verdünnten Räumen beſprochen. Die epochemachenden Arbeiten von Hertz werden erſt in der Optik, in dem muſterhaft dargeſtellten Kapitel, in wel⸗ chem die Beziehungen zwiſchen Licht, Magnetismus und Elek⸗ trizität zur Sprache kommen, erörtert. Die am anſprechend⸗ ſten behandelte Partie iſt die Lehre vom Lichte, und wir machen die Leſer insbeſondere auf die gehaltvolle Bearbei⸗ tung der Spektralanalyſe, ferner der theoretiſchen Optik aufmerkſam; letztere fanden wir in keinem der elementaren Werke in ähnlicher Weiſe durchgeführt. Troppau. Dr. J. G. Wallentin. Fricks Phyſtkaliſche Technik, ſpeziell Anleitung zur Ausführung phyſikaliſcher Demonſtrationen und zur Herſtellung von phyſikaliſchen Demon⸗ ſtrationsapparaten mit möglichſt einfachen Mitteln. Sechſte umgearbeitete und vermehrte Auflage von Dr. Otto Lehmann. In zwei Bänden. Erſter Band. Braunſchweig, Friedrich Vieweg & Sohn. 1890. Preis 15 Mark. Das rühmlichſt bekannte Werk von Frick iſt durch die Bearbeitung von Lehmann vielfach bereichert und dem gegenwärtigen Zuſtand der Phyſik angepaßt worden. Im großen und ganzen wurde die alte Einrichtung beibe⸗ halten, nur iſt die Einteilung des Stoffes entſprechend den neueren Forſchungsergebniſſen gegen früher weſentlich geändert. Eine vortreffliche Ergänzung findet das Buch durch Lehmanns Phyſikaliſche Technik, welche vor 5 Jahren bei Engelmann in Leipzig erſchienen iſt. Sehr wertvoll ſind die am Schluß der Beſchreibung der meiſten Apparate gegebenen kurzen Notizen über die üblichen Preiſe derſelben. Sobald der zweite Band vorliegt, werden wir auf das Werk zurückkommen. Friedenau. Dammer. 28. Hergeſell, Weber die Formel von G. G. Stokes zur Berechnung regionaler Abweichungen des Geoides vom Normalſphäroide. Straßburg i. E., Druck von Du Mont⸗Schauberg. 1890. Unſere Erde, wie ſie durch die Oberfläche einer in abſoluter Ruhe befindlichen Waſſermaſſe zum ſinnenfälligen Humboldt. — November 1890. Ausdrucke gebracht wird, hat bekanntlich keine ſtreng— geometriſche Form; das ſogenannte Geoid iſt durchaus unregelmäßig gebildet, wenn ſchon vollkommen ſtetig. Man kann nun eine geſetzmäßige geometriſche Fläche an— geben, das ſogenannte Niveauſphäroid, welches ſich einer— ſeits vom Geoide, andererſeits aber auch von einem Um— drehungsellipſoide nur wenig unterſcheidet und deshalb ſehr wohl dazu geeignet erſcheint, die Vermittelung zwiſchen der wirklichen Erdgeſtalt und dem zweiachſigen Ellipſoide zu übernehmen, als welches man die Erde nach wie vor bei aſtronomiſchen und verwandten Unterſuchungen be— trachten darf. Die Frage, auf die es zunächſt ankommt, läßt ſich dann präziſieren wie folgt: Wie groß iſt der Abſtand zweier zuſammengehöriger Punkte des Geoides und Niveauſphäroides an einer gegebenen Erdſtelle? Man wird zunächſt nur ſagen können, daß dieſer Abſtand ein umſomehr von der Regel abweichender ſein wird, eine je anomalere Maſſenverteilung an jener Stelle obwaltet; eine numeriſche Abſchätzung der Strecke kann jedoch nur mittels ziemlich verwickelter Rechnungen erfolgen. Den zu dieſem Zwecke bisher angewendeten Methoden ſubſtituiert Herr Hergeſell in vorliegender Abhandlung eine neue, in— dem er eine urſprünglich von Stokes hergeleitete Formel in den Dienſt der Aufgabe ſtellt. Die geſuchte Strecke ſtellt ſich dar als ein Doppelintegral, welches der Ver— faſſer mittels Reihenentwickelung ſo umzugeſtalten weiß, daß eine angenäherte Auswertung und insbeſondere die Ermittelung derjenigen Beſtandteile des Ausdruckes er— möglicht wird, welche den Wert des Abſtandes am meiſten beeinfluſſen. Auf die weſentlich analytiſchen Operationen, deren ſich der Verfaſſer zu dem Ende mit großem Ge— ſchicke bedient, iſt hier näher einzugehen nicht der Ort, es genüge zu ſagen, daß die Abſicht, einen Einblick in den Bau der Formel zu erlangen, wirklich erzielt und ein ſicheres Kriterium dafür gewonnen wird, ob an einem ge— wiſſen Orte in der Erdkruſte Maſſenanhäufungen oder Maſſendefekte ſich finden. Ein ſolcher ſcheint z. B. dem nördlichen Indien zu eignen und die gewaltige Gebirgs— entwickelung des Himälaya, wie dies ſchon früher Airy und Pratt vermuteten, vollſtändig zu kompenſieren. Da- gegen laſſen die auf Inſelſtationen gemachten Pendelbe— obachtungen, an der Hand des Stokesſchen Theoremes geprüft, eine Maſſenkumulation für Hochſeeinſeln hervor— treten, und dieſer Umſtand läßt nur dann eine befriedigende Erklärung zu, wenn man mit Faye und dem Verfaſſer annimmt, daß die Dicke der Erdrinde unterhalb der Oceane eine beträchtlichere ſei, als unterhalb der Kontinente. Da— mit wäre zuerſt ein Beweis für die von Faye nicht be— ſonders überzeugend vorgetragene Hypotheſe erhalten. München. Prof. Dr. S. Günther. Carl Funk, Aphoriſtiſcher Entwurf einer Kosmo- gonie. Entſtehung der direkten und retrograden Kometen und Beweisführung, daß die Planeten Metallkugeln ſind, welche ſich im Aether oxydieren und hierdurch der Sonne ſich nähern, ſowie Nach— weis einer Statik der Himmelskörper im Aether. Helmſtedt, 1888. Preis 1,5 Mark. Der Verfaſſer beginnt ſeine Vorrede mit den Worten: „Wie alle Kosmogonien von unerweisbaren Vorausſetzungen ausgehen und ihr größerer oder geringer Wert von der Uebereinſtimmung der gefolgerten mit den beobachteten Er— ſcheinungen abhängt, ſo haftet auch dieſer Kosmogonie der Mangel direkter Beweisführung an, was in der Natur des Gegenſtandes ſeine Begründung hat.“ Wir haben hierzu wenig hinzuzuſetzen; in der That findet ſich in der Schrift keine Spur von direkten Beweisführungen, ſondern ledig— lich ein Spiel mit Zahlen und vage Hypotheſen, welche an ſich völlig wertlos ſind, den Verfaſſer aber unter anderem zu dem Ergebnis führen, daß die Hauptbeſtandteile des Neptun Waſſerſtoff, Caeſium () und Rubidium () ſind. Daß dieſe, ſowie die meiſten anderen von ihm aufgeſtellten Hypotheſen durch die Beobachtungen beſtätigt worden, be— hauptet der Verfaſſer ſelbſt nicht. Königsberg. Profeſſor Dr. C. F. W. Peters. 399 J. Epping §. J., Aſtronomiſches aus Babylon. oder das Wiſſen der Chaldäer über den geſtirnten Himmel. Freiburg i. Br., Herderſche Verlagsbuch— handlung. 1889. Preis 4 Mark. Ueber die aſtronomiſchen Kenntniſſe der Babylonier iſt bisher ſehr wenig bekannt geworden, obgleich die Aſtro— nomie nach dem übereinſtimmenden Urteile älterer Schrift— fteller in Babylonien in hoher Blüte geſtanden hat. Pto- lemäus teilt eine Anzahl von Finſternisbeobachtungen mit, welche die Babylonier angeſtellt haben, ſowie einzelne An— gaben über Orte von Planeten, im übrigen war das Be— obachtungsmaterial, welches in Babylonien geſammelt war, für lange Zeit gänzlich verloren gegangen. Neuere Aus— grabungen haben die Hoffnung erweckt, daß ſich manche Daten wiederfinden werden, und zunächſt iſt in der oben genannten Schrift über den Inhalt einiger Tafeln mit Keilinſchriften, welche aſtronomiſche Angaben enthalten, eine ſorgfältige Unterſuchung veröffentlicht worden. Dieſe Tafeln enthalten keine Beobachtungsdaten, ſondern eine Art von Kalender, ſind aber gerade deswegen beſonders intereſſant, weil ſie zeigen, mit wie großer Genauigkeit die Chaldäer verſtanden, den Stand der Geftirne- voraus— zuberechnen. Das Alter der Tafeln iſt, ſoweit es feſtgeſtellt werden kann, kein beſonders hohes und reicht in das zweite Jahrhundert vor unſerer Zeitrechnung, d. h. etwa in die Zeit, als Hipparch ſeine aſtronomiſchen Theorien aufſtellte. Der Verfaſſer hat eine große Fülle intereſſanter Reſultate aus den Tafeln abgeleitet; — er zeigt, daß darin Berech— nungen von Neumonden, Auf- und Untergängen des Mondes, Finſterniſſen, heliakiſchen Auf- und Untergängen der Planeten, ja ſogar Ortsbeſtimmungen der Planeten vorkommen, die für die damalige Zeit einen hohen Grad von Genauigkeit hatten. Es würde hier zu weit führen, auf den Inhalt der Schrift, die durchweg den Eindruck ſorgfältigſten Studiums und großer Zuverläſſigkeit macht, näher einzugehen; — ſowohl für die Geſchichte der älteren Aſtronomie als auch der Chronologie iſt ſie von unzweifel— hafter Bedeutung. Königsberg. Profeſſor Dr. C. F. W. Peters. DBeffel als Bremer Handlungslehrling. Aus den Jugendjahren eines großen Gelehrten. Heraus— gegeben von der Geſellſchaft Union (Kaufmänniſcher Verein) zu Bremen. Bremen, J. Kühlmanns Buch— handlung. 1890. Preis 1 Mark. Es iſt ein verdienſtliches Unternehmen der Bremer Geſellſchaft „Union“ geweſen, alle ſchriftlichen Aufzeich— nungen und Ueberlieferungen anderer Art, welche ſich auf Beſſels Aufenthalt in Bremen beziehen, zu ſammeln und in der Form der vorliegenden Schrift dem Publikum zu übergeben. Wie Beſſel in ſpäterer Zeit ſeine ganze Kraft der Aſtronomie widmete, ſo war er in der Zeit, welche er in Bremen zubrachte, mit Leib und Seele Kaufmann, und der große Ernſt, mit dem er ſeinem Berufe ſich widmete, bahnte ihm den Weg zu der Wiſſenſchaft, welche ihm ſpäter ſo viel verdanken ſollte. Beſſel benutzte ſeine freie Zeit zum Erlernen fremder Sprachen, und durch den Wunſch, eine Reiſe auf einem Handelsſchiffe auszuführen, wurde er darauf geführt, fic) dem Studium der nautiſchen Wiſſen— ſchaften zuzuwenden. Mit welchem Eifer er dieſe betrieb, und wie er dabei immer weiter in die Aſtronomie vor— drang, bis er den Entſchluß faßte, ſich ganz derſelben zu widmen, iſt in der Schrift in anziehender Weiſe geſchildert. Königsberg. Profeſſor Dr. C. F. W. Peters. H. H. Hildebrandsſon, W. Köppen und G. Neu⸗ mayer: Wolſenatlas. Hamburg, Guſtav Seitz' Nachf. (Gebr. Beſthorn). 1890. Preis 12 Mark; 25 Exemplare je 10 Mark. Ein dringendes, ſchon lange gefühltes Bedürfnis für die meteorologiſchen Beobachtungen war eine internationale Klaſſifikation der Wolken und eine genaue Abbildung der typiſchen Wolkenformen, ſo einfach und praktiſch, daß die Beobachtungen an den verſchiedenen Stationen miteinander 400 Humboldt. — November 1890. durchaus vergleichbar find. Zwar werden faſt überall die von Howard aufgeſtellten Wolkenformen und deſſen Be⸗ nennungen bei den Wolkenbeobachtungen zu Grunde ge⸗ legt und in den meteorologiſchen Tagebüchern aufgezeich⸗ net, allein es werden mit den gleichen Ausdrücken nicht überall dieſelben Begriffe verbunden, auch wechſelt die Zahl der Formen, welche unterſchieden werden, nach den Ländern. Die bisher erſchienenen Abbildungen von Wolkenformen ſind meiſtens wenig geeignet, ſo feſte An⸗ haltspunkte über gewiſſe Wolkenformen zu gewähren, daß Mißverſtändniſſe ausgeſchloſſen bleiben. Auch die Photo⸗ graphien, welche allerdings ein getreues Abbild der Wolken⸗ formen zu geben im ſtande ſind, erfüllen den Zweck nicht ganz, indem die Farben fehlen, welche das Wolkenbild erſt im vollen Maße verſtändlich machen. Die vorliegende Sammlung von Farbendruckbildern der wichtigſten Wolkenformen, welche aus der Initiative des um die Meteorologie, insbeſondere um die Kenntnis der Wolken, hochverdienten Hildebrandsſon hervorging, iſt als ein weſentlicher Fortſchritt zu begrüßen und ganz geeignet, das Studium des Wolkenhimmels erheblich zu fördern. Im Jahre 1889 wurde eine größere Anzahl in Oel gemalter Wolkenbilder von den oben genannten Herren ſorgfältig revidiert und eine Anzahl derſelben mehrfach umgearbeitet. Durch eine Subvention von 1000 Kronen ſeitens der Direktion der Stiftung „Lars Hietas Minne“ in Stockholm war es möglich, einen Verleger zu finden, deſſen Ruf für eine gute Durchführung des Unternehmens volle Gewähr bot. Die charakteriſtiſchſten Wolkenformen werden durch 10 Farbentafeln und außerdem noch durch 12 Lichtdruck⸗ bilder nach wirklichen Momentaufnahmen dargeſtellt, welch’ letztere durch verſchiedene Verfahren gewonnen waren und dadurch einen verſchiedenen Eindruck machen. Die zu Grunde gelegte Klaſſifikation iſt die von Hildebrandsſon und Abereromby vorgeſchlagene, welche die Howardſchen Bezeichnungen beibehält und 10 Hauptformen unterſchei⸗ det. Die Hauptwolkenformen ſind hiernach folgende: a) Getrennte, bez. geballte Formen b) Ausgebreitete oder ſchleierartige Formen (vorwiegend trockenes Wetter) (vorwiegend regneriſches Wetter). 1. Höchſte Wolken, 9000 m im Mittel. Cirroſtratus. 2. Mittelhohe Wolken, 3000-7000 m im Mittel. Cirro⸗Cumulus, Alto⸗Cumulus oder Cumulo⸗Cirrus. Alto⸗Stratus oder Stratocirrus. 3. Niedrige Wolken, 1000-2000 m. Strato⸗Cumulus. Nimbus. 4. Wolken des aufſteigenden Luftſtromes. Cumulus, Gipfel 1800, Baſis 1400 m. Cirrus. Cumulo⸗Nimbus, Gipfel 3 bis 5000 m, Baſis 1400 m. 5. Gehobene Nebel, unterhalb 1000 m. Stratus. Obgleich bis jetzt noch keine internationale Einigung bezüglich der Klaſſifikation der Wolken erfolgt iſt, ſo ſteht zu erwarten, daß das obige Syſtem entweder unverän⸗ dert, oder doch mit nur geringen Modifikationen allgemeine Annahme finden wird. Die Durchführung und Ausſtattung des Wolkenatlas iſt trotz des geringen Preiſes eine ganz vorzügliche und fo dürfte derſelbe von keinem Meteorologen und meteo⸗ rologiſchen Beobachter entbehrt werden können. Hamburg. Dr. W. J. van Bebber. 2S. Migula, BWakterienRunde für Candwirte. Leichtfaßliche Darſtellung der bisherigen praktiſch wichtigen Forſchungsergebniſſe. Berlin, Paul Parey. 1890. Preis 2,5 Mark. Die Bakterienkunde gewinnt immer größere Bedeu- tung nicht nur für die Medizin und die Tierheilkunde, ſondern auch für die Gewerbe, und in vielen Kreiſen wird daher das Bedürfnis empfunden, ſich genauer zu unter⸗ richten, als es gelegentlich etwa durch Journalartikel ge⸗ ſchehen kann. Andererſeits ſind die für den Fachmann geſchriebenen Werke viel zu umfangreich, viel zu ſehr er⸗ füllt mit rein wiſſenſchaftlichem Detail, als daß der Praktiker den Mut finden ſollte, ſich an das Studium derſelben zu wagen. Eine kleinere Arbeit wie die hier vorliegende, bei welcher der Verfaſſer ſorgſam und geſchickt enge Grenzen gezogen hat, innerhalb welcher er doch alles bringt, was für größere Kreiſe wiſſenswert iſt, wird daher vielen willkommen ſein. Die Darſtellung iſt allgemein verſtändlich und die wichtigſten Punkte werden überall hervorgehoben. Zu bedauern iſt nur, daß die Abbildungen gar zu beſcheiden ausgefallen ſind, die wenigen einfachen Objekte, um welche es ſich überhaupt nur handelt, könnten bei einer neuen Auflage wohl den heutigen Hilfsmitteln angemeſſener dargeſtellt werden. Glücklicherweiſe treten die Abbildungen gegen den Wert des Textes weit zurück, letzterer wird nicht beeinträchtigt und würde ſelbſt ohne Abbildungen verſtändlich bleiben. Friedenau. Dammer. T. Glaſer, Taſchenwörterbuch für Botaniker und alle Freunde der Botanik. Zweite vermehrte und verbeſſerte Auflage. Leipzig, T. O. Weigel Nach⸗ folger. 1890. Preis 5 Mark. Das recht brauchbare Buch, deſſen erſte Auflage in dieſer Zeitſchrift bereits empfehlend beſprochen worden iſt, liegt in einer „verbeſſerten und vermehrten“ Auflage vor. Eine Verbeſſerung und Vermehrung eines Buches, wie ſie hier beliebt worden iſt, dürfte aber wohl bisher noch nicht vorgekommen ſein. Die Vergleichung beider Auflagen er⸗ gibt nämlich bis auf geringfügige Aenderungen, wie man ſie in Stereotypplatten ohne große Mühe und Koſten vornehmen kann, vollſtändige Uebereinſtimmung. Dagegen iſt der zweiten Auflage allerdings ein „erweiternder und berichtigender Nachtrag“ angehängt worden, der nicht weniger als 8 Alphabete enthält. Dieſe Alphabete ent⸗ ſprechen genau denen des urſprünglichen Textes und man hätte wohl verlangen können, daß der Inhalt derſelben in letztere eingeſchoben worden wäre. Wer jetzt in dem Buche nachſchlägt und ſicher gehen will, iſt gezwungen, jedesmal auch den Nachtrag aufzuſchlagen, um zu ſehen, ob nicht etwa die Angabe des Textes berichtigt worden iſt. Daß wir es hier nicht mit einer Bequemlichkeit des Autors zu thun haben, ſind wir dieſem wohl ſchuldig an⸗ zunehmen. Vielmehr dürften rein geſchäftliche Verhält⸗ niſſe den Verleger bewogen haben, als „neue Auflage“ einen hier und da korrigierten Abdruck der erſten Auf⸗ lage herzuſtellen, welchem ein kleiner Nachtrag angeheftet wurde. Man benutzte Stereotypplatten, erſparte dadurch erhebliche Koſten und den Schaden überließ man dem Publikum. Wir meinen, es wäre korrekter geweſen, wenn die Verlagshandlung den „erweiternden und berichtigenden Nachtrag“ als ſelbſtändiges Heftchen den Beſitzern der erſten Auflage angeboten hätte, anſtatt ſie anzuregen, die zweite „vermehrte und verbeſſerte“ Auflage zu kaufen, bei welcher ſie 30 ſo gut wie unveränderte Bogen, die ſie ſchon be⸗ ſitzen, noch einmal bezahlen müſſen und für 5 Mark nicht ganz 2 Bogen Berichtigungen und Zuſätze erhalten. Friedenau. Dammer. H. Reling & J. Vohnhorſt, Anſere Pflanzen nach ihren deutſchen Volksnamen, ihrer Stellung in Mythologie und Volksglauben, in Sitte und Sage, in Geſchichte und Litteratur. Beiträge zur Belebung des botaniſchen Unterrichts und zur Pflege ſinniger Freude in und an der Natur für Schule und Haus. 2. Aufl. Gotha, C. F. Thienemann. 1889. Preis 4,6 Mark. Das durch ſeinen Titel vollſtändig gekennzeichnete, bereits in zweiter Auflage vorliegende Buch iſt eine will⸗ kommene Ergänzung jedweden botaniſchen Lehrbuches und bringt ein für den Unterricht gelegentlich gut zu ver⸗ wendendes oder der häuslichen Lektüre zu überlaſſendes reiches Material aus den bezeichneten Gebieten. Seine Anſchaffung kann warm empfohlen werden. Berlin. Dr. Bwick. Die Anlauffarben der Metalle. Nach einem Vortrage von Dr. Löwenherz, Direktor an der Phyſikaliſch-techniſchen Reichsanſtalt. ach der internationalen Stimmtonkonferenz zu Wien im Jahre 1885, an welcher ſich ie von deutſchen Staaten Preußen, Sachſen und Württemberg beteiligten, ſollen künftig Stimmgabetn für den Normalton von 435 Schwin— gungen in der Sekunde an amtlicher Stelle geprüft und beglaubigt werden. Dabei war in Wien u. a. vorgeſchlagen worden, die beglaubigten Stimmgabeln blau anzulaſſen, um etwaige nachträgliche Beſchädi— gungen derſelben ſofort kenntlich zu machen. In Deutſchland gelangten die Beſchlüſſe dieſer Stimm— tonkonferenz zuerſt wirklich zur Ausführung, und die Reichsanſtalt hat in höherem Auftrage vor etwa Jahresfriſt Beſtimmungen über die Beglaubigung von Stimmgabeln erlaſſen. Demgemäß werden in den nächſten Monaten ſchon die Lehranſtalten Preußens mit ſolchen Gabeln ausgerüſtet. Für das Blauanlaſſen dieſer Gabeln erwies ſich nun das übliche Verfahren als nicht zureichend. Das roheſte dieſer Verfahren beſteht darin, auf einem glühenden Blech in der Luft Stücke anlaufen zu laſſen. Dabei gelingt es aber kaum, auch nur eine einzige größere Fläche gleichmäßig zu färben. Wählt man ein flüſſiges Metallbad und läßt auf demſelben die anzulaſſenden Gegenſtände ſchwimmen, erforderlichen— falls mit einer untergelegten Platte aus Eiſenblech, ſo gelingt es bei einiger Uebung wohl, eine ebene Fläche gleichmäßig zu färben, mehrere Flächen ein und desſelben Körpers kann man jedoch im Metall— bad nicht anlaſſen, weil die Farben nur entſtehen, ſoweit der Stahl nicht in das Bad ſelbſt eintaucht, indem für den Eintritt der Färbung die Gegenwart von Luft nötig iſt. Im Sandbad endlich laſſen fic mehrere Flächen eines Körpers ebenſowenig gleich— mäßig färben, denn hier iſt es Sache des Zufalls, wenn man an verſchiedenen Teilen des Bades eine gleichmäßige Temperatur erreicht. — Es blieb daher nichts übrig, als zum Luftbad überzugehen. Es ge— lang, dieſem eine ſehr einfache Geſtalt zu geben und ſeine Handhabung äußerſt bequem zu geſtalten. Humboldt 1890. Im Verlaufe der praktiſchen Ausbildung dieſes Verfahrens erhielt man dann Ergebniſſe, welche mit den gewöhnlichen Anſchauungen über den Einfluß der Temperatur auf den Eintritt der e bei Stahl wenig übereinſtimmten. Dies gab Veran— laſſung, dieſe Frage weiter zu verfolgen, und man kam bei genaueren Unterſuchungen zu einer Reihe intcreſſanter Ergebniſſe, die ausführlich in der Zeit— ſchrift für Inſtrumentenkunde auseinandergeſetzt ſind. Die Arbeiten führten ferner dazu, zum Vergleich mit den bei Stahl auftretenden Anlauferſcheinungen die Verſuche auf einige andere Metalle, insbeſondere Kupfer und Meſſing auszudehnen. Die Flächen dieſer Metalle zeigten überraſchend ſchöne Anlauffarben, doch ergaben Erkundigungen bei Fachmännern, daß die Herſtellung gleichmäßig gefärbter Ueberzüge auf Kupfer und deſſen Legierungen durch bloße Erwär— mung in der Praxis wenig oder gar nicht üblich ſei, während man allerdings andere Verfahren kennt, welche ähnliche Ueberzüge von überraſchenden Farben— tönen erzeugen. Auf Grund von mancherlei Er— wägungen gelangten wir zu der Ueberzeugung, daß unſer Verfahren vor jenen anderen in manchen Fällen Vorteile darbieten wird, weshalb wir nicht unter— ließen, für eine Reihe von Kupferlegierungen die voll— ſtändigen Skalen der aufeinanderfolgenden Anlauf— farben anzufertigen und außerdem an einigen wenigen Kunſtgegenſtänden, die uns zu dieſem Zwecke geliehen wurden, die Gleichmäßigkeit der Färbung nachzu— weiſen. Endlich will ich hier noch ausdrücklich be— tonen, daß das Verfahren, auf anderen als Stahl— flächen Färbungen durch bloße Erwärmung hervor— zurufen, auch an ſich nicht neu iſt, ja ſogar in gewiſſem Umfange in vereinzelten Gebieten der Technik ſchon jetzt Anwendung findet, nur iſt das bisherige An— wendungsgebiet ein ſehr beſchränktes, weil die Er— zeugung einer gleichmäßigen Färbung, wie ſie für die meiſten Zwecke der Technik nötig iſt, bei den ſonſt üblichen Verfahren nicht möglich iſt. Der für das Anlaſſen verwendete Apparat beſteht im 51 402 Humboldt. — Dezember 1890. weſentlichen aus einem gewöhnlichen Luftbad in der Form eines unten geſchloſſenen Cylinders aus Eiſen⸗ blech, der von einem weiteren ebenſolchen Rohr um⸗ geben wird. Letzteres hat einen Siebboden und kommt auf einen Dreifuß zu ſtehen, unter welchem Gas⸗ oder Kohlenfeuer brennt. Durch den Siebboden ſteigen die Verbrennungsgaſe in den Hohlraum zwi⸗ ſchen den beiden Röhren auf und entweichen durch kreisförmige Löcher, welche in dem den Hohlraum oben abſchließenden Deckel vorgeſehen find. Um den Austritt der Gaſe und damit die Erwärmung des eigentlichen Luftbades regulieren zu können, trägt der Deckel einen verſchiebbaren Ring, gleichfalls mit kreis⸗ förmigen Oeffnungen, mit deſſen Hilfe die Löcher des Deckels mehr oder weniger verdeckt werden können. Das eigentliche Luftbad wird oben mit einer Glas⸗ platte verſchloſſen, welche es geſtattet, die Färbung der eingehängten, anzulaſſenden Gegenſtände von außen zu beobachten. Der Apparat läßt ſich auch in viereckiger Form herſtellen. Endlich kann man ihn in der Art vereinfachen, daß man nur ein Luftbad wählt und dasſelbe mit den anzulaſſenden Gegen— ſtänden in einen von Heizgaſen durchſtrichenen Kanal einhängt. Die beſchriebenen Einrichtungen reichen in- deſſen nur zur Färbung von Metallflächen aus, nicht aber auch zur Feſtſtellung der Bedingungen für Ein⸗ tritt beſtimmter Farbtöne. Für ſolche Zwecke haben wir umſtändlichere Einrichtungen benutzt, auf welche ich noch näher einzugehen haben werde. Die Handhabung des vorgeführten gewöhnlichen Apparates iſt ſehr einfach. Er wird zunächſt zu⸗ ſammengeſtellt und vor dem Einhängen des anzu⸗ laſſenden Gegenſtandes entſprechend hoch angewärmt. Will man Stahl oder Eiſen anlaſſen, ſo kann die Erwärmung bis auf etwa 200° getrieben werden; bei Anlaſſen von Kupfer reicht es ſchon aus, bis 120° vorzuwärmen; für Meſſing empfiehlt es ſich, noch über 200° hinauszugehen. Das Vorhandenſein einer hin⸗ reichenden Vorwärmung ermittelt man, wenn ein Thermometer fehlt, in bekannter Weiſe an dem Schmelzen eines Kügelchens Schnelllot oder dergleichen, welches auf einem Schälchen in das Luftbad einge— legt wird. Dieſes Vorwärmen geſchieht vor allem deshalb, um ein Beſchlagen der anzulaſſenden Flächen mit Waſſerdampf zu verhüten; dies könnte leicht ein⸗ treten, wenn man die Gegenſtände in das kalte Luft⸗ bad einbrächte. Iſt die Erhitzung hoch genug, fo wird das anzulaſſende Stück in das Bad eingehängt oder auf einer paſſenden Unterlage eingelegt. Nach Ein⸗ tritt der gewünſchten Farbe nimmt man den Gegen⸗ ſtand mit Hilfe geeigneter Zangen ſchnell heraus und legt ihn, wenn er aus Eiſen oder Stahl iſt, auf eine große Metallplatte, damit er ſich ſchnell abkühlt, oder taucht ihn, wenn er aus Kupfer, Meſſing und der⸗ gleichen ijt, in kaltes Waſſer. Sehr dünne Gegen- ſtände ſind ſchon kurze Zeit vor Erreichung des ge⸗ wünſchten Farbentones aus dem Luftbad zu nehmen, da ſie ſtets noch etwas nachlaufen. Bei Gegen⸗ ſtänden, welche an Drähten aufgehängt werden, ſind dieſe ſo anzubringen, daß ſie an nicht bearbeiteten | Teilen des Gegenſtandes anliegen, da ſonſt leicht Flecke entſtehen können. ; Um eine gleichmäßige Färbung zu erzielen, kommt es darauf an, daß die Oberfläche der anzulaſſenden Körper möglichſt blank und glatt iſt. Je gröber die Stücke bearbeitet ſind, um ſo ſtumpfer gefärbt werden ſie. Auch treten bei gröber bearbeiteten Flächen die höheren Farben nicht genug hervor, nämlich die— jenigen Farben, welche bei höherer Erwärmung ſich zeigen und dabei wenigſtens für Kupfer und Meſſing ſehr ſchöne Töne ergeben, auch in der Technik gute Verwendung finden können. Ferner iſt darauf zu halten, daß die anzulaſſenden Flächen völlig fettfrei ſind. Der geringſte Fettüberzug verurſacht einen Fleck in dem Farbüberzug, indem die gefettete Stelle eine höhere Farbe aufweiſt, d. h. eine ſolche, die ohne Fettüberzug erſt bei höherer Temperatur eintreten würde. Die Beobachtung, daß jeder Fettüberzug ge- wiſſermaßen ein Voreilen der Färbung bewirkt, hat Veranlaſſung gegeben, die Verwendung dieſer Eigen⸗ ſchaft des Fettüberzuges für Zierzwecke vorzuſchlagen. Schafft man nämlich abſichtlich einen dünnen Fett⸗ überzug an einer beſtimmt abgegrenzten Stelle der anzulaſſenden Fläche, ſo färbt ſich dieſe beim Anlaſſen anders als die übrigen Teile der Fläche. Bei einer Anzahl von Stahlplättchen hat man die eine Hälfte der Fläche in dieſer Weiſe eingefettet, die andere trocken angelaſſen und durch Zwiſchenlegen eines dünnen Steges an der Grenze der beiden Hälften gehindert, daß bei der Erhitzung die Fettdämpfe auf dem trockenen Teil der Fläche fic) abſetzen können. Die vorher ge- fettete Hälfte der Stahlplättchen erſcheint nunmehr dunkelblau, während die andere Hälfte orange gefärbt iſt. Bei der erſteren lagert nämlich über dem Metall⸗ oxyd eine dünne Schicht von Rückſtänden des Fettes, denn legt man ein vorher gefettetes und darauf dunkelblau angelaſſenes Stahlſtück in Kalilauge, jo wird letztere das Fett auflöſen und nur eine orange⸗ gefärbte Fläche zurücklaſſen. Erhitzt man aber ſolche zur Hälfte gefettete Stahlplatten bis zum Hellblau, einer Farbe, welche unmittelbar hinter dem Dunkel⸗ blau liegt, ſo iſt ein Unterſchied zwiſchen den gefet⸗ teten und nicht gefetteten Flächen nicht mehr zu be⸗ merken, vermutlich weil bei der hierfür erforderlichen Erhitzung die Fettrückſtände ſich völlig verflüchtigen. Wieweit dieſe Eigenſchaft der Fettüberzüge für Zier⸗ zwecke wirklich verwendbar iſt, läßt ſich noch nicht beſtimmen; vielleicht wird es aber möglich ſein, ein- zelne Teile von Ornamenten mit Fett zu überziehen und dadurch beim Anlaſſen eine andere Färbung her- vorzurufen, als die umliegenden Teile ſie haben. Dieſes Verhalten der Fettſchichten hat indeſſen noch nach anderer Richtung hin Bedeutung für die Praxis. In mechaniſchen Werkſtätten kommt es nicht ſelten vor, daß blau angelaſſene Stahlzapfen ſich nicht ab⸗ drehen laſſen; der Grund dafür liegt dann häufig daran, daß man es verſäumt hat, vor dem Anlaſſen des Zapfens alle Reſte des von der Bearbeitung her- rührenden Fettes zu entfernen; das Blau des Zapfens rührt ſomit gar nicht von der bloßen Oxydierung des Humboldt. — Dezember 1890. Stahls, fondern von der über dem Oxyd lagernden Fettſchicht her. Wir werden jedoch im weiteren noch hören, daß die Anlaßfarben überhaupt nicht, wie man gewöhnlich annimmt, als entſcheidende Kennzeichen für die Oberflächenhärte gelten dürfen. Die Notwendigkeit, alles Fett von den anzu— laſſenden Flächen fernzuhalten, fordert es auch, jedes Anfaſſen der letzteren mit der Hand vor dem Ein— hängen in das Luftbad durchaus zu vermeiden. Wenn das Anlaſſen eines Gegenſtandes durch einen unglücklichen Zufall mißlingt, ſo läßt ſich bei Stahlflächen durch Abreiben oder durch höchſtens 30 Sekunden langes Eintauchen derſelben in ſtark verdünnte Schwefelſäure (etwa 25 Teile Waſſer und 1 Teil Säure) der farbige Ueberzug zum Verſchwin— den bringen, ohne daß die Politur weſentlich leidet, ſofern die Farbe nicht über tiefes Dunkelblau hinüber— gegangen war. Bei überlaufenen Stücken iſt Er— neuerung der Politur unvermeidlich, dasſelbe gilt für Kupfer und deſſen Legierungen. Bei allen dieſen Metallen geht die Oxydſchicht ſo tief, daß beim Miß— lingen des Anlaufens die bezügliche Fläche ganz mit Schmirgel abzureiben und neu zu polieren iſt. Die Praxis unterſcheidet bei Stahl nur etwa die folgenden Farben: Hellgelb, Dunkelgelb, Orange, Purpur, Violett, Dunkelblau, Hellblau, Meergrün oder Grau. In der That ſind aber viel mehr Farben beim Stahl vorhanden. Man kann die ganze Folge derſelben auf ein und demſelben Stabe erzeugen, den man auf gut leitender Unterlage an einem Ende glühend macht. Zunächſt entſtehen unmittelbar an der Glühſtelle Farbenbänder; bald aber ſieht man eine größere Zahl verſchieden gefärbter Bänder über den Stab hinſtreichen, und zuletzt, wenn man das Glühen ſo lange fortſetzt, bis am anderen Ende eben noch ein ſchmales Stück in der Naturfarbe übrig bleibt, finden ſich alle möglichen Farben auf der Fläche des Stabes nebeneinander liegend. Vor Hellgelb ſehen wir noch ein Blaßgelb, hinter Meergrün aber er— ſcheint wiederum ein Gelb, und es treten von da an zum zweitenmal dieſelben vorher genannten Farben in derſelben Folge auf; nur ſind ſie näher aneinander— gerückt und haben einen etwas grauen Ton. An dieſe Farbenreihe ſchließt ſich zuletzt wieder ein ſchwaches Graugelb an, welches den Anfang einer dritten Reihe bildet. So läßt ſich noch eine vierte und fünfte Farben— reihe unterſcheiden, doch werden die ſie bildenden Bänder immer ſchmaler, auch heben ſich hier mit Sicherheit nur noch Rot und Grün voneinander ab. Dieſe fünf Farbenreihen entſprechen genau denjenigen der ſogenannten Newtonſchen Ringe. Wie bekannt, erſcheinen nämlich, wenn man eine ſchwach gekrümmte Linſe und eine planparallele Glasplatte aufeinander— legt, an der Berührungsſtelle beider eine Reihe von Farbenringen. Betrachtet man z. B. die im reflek— tierten Licht entſtehenden Ringe, ſo ſieht man in der Mitte einen ſchwarzen Fleck, den eine Anzahl von Ringen verſchiedener Färbung umgiebt; auf dieſe folgt wiederum ein ſchwarzer Ring, von welchem eine 403 zweite Reihe von farbigen Ringen ausgeht. So unterſcheidet man wenigſtens fünf Reihen ſolcher Farbenringe. Die Newtonſchen Farbenringe entſtehen dadurch, daß Licht an den Grenzflächen der kleinen Luft— lamelle, welche ſich zwiſchen der Linſe und der plan— parallelen Glasplatte bildet, reflektiert wird und daß das oben und unten reflektierte Licht eine Interferenz miteinander macht. Bei den Anlauffarben ſpielt der dünne Metalloxydüberzug, der ſich durch Erwärmen auf der Oberfläche des Metalls bildet, die Rolle der Luftlamelle; nur tritt dort noch der Einfluß der Grundfarbe der Metalloberfläche hinzu. Kehren wir noch einmal zu der Folge von Far— benbändern zurück, wie ſich dieſelben auf der Fläche eines Stahlſtabes nebeneinander darſtellen, ſo erkennt man ſofort, daß nicht nur die Farben der ſpäteren Reihen immer enger aneinander rücken, ſondern daß auch unmittelbar benachbarte Farbenbänder ganz ver— ſchiedene Breite haben, wobei aber keineswegs etwa jedes folgende Band ſchmaler iſt als das voran— gehende. Im Gegenteil zeigen vielfach früher ein— tretende Farben ſchmalere Bänder, als ſpätere, höhere Farben. So iſt das Band für Hellgelb ſchmaler als das darauffolgende Band für Dunkelgelb, ebenſo iſt Hellblau und Meergrün erheblich breiter als das davor liegende Dunkelblau. Aehnlich liegt es bei Kupfer und Meſſing. Die Verſchiedenheiten ſind für die techniſche Ver— wendung der Anlauffarben von Bedeutung; je breiter nämlich das Band einer Farbe erſcheint, um ſo leichter iſt es, dieſe Farbe beim Anlaufenlaſſen von größeren Stücken feſt zu erhalten. Für die Praxis haben bei Stahl nur die Farben der erſten Reihe Bedeutung; bei anderen Metallen kommen vielfach auch Farben der ſpäteren Reihen in Betracht. Die Aufgabe der Reichsanſtalt ging zunächſt da— hin, die Abhängigkeit des Eintritts der einzelnen An— lauffarben bei Stahl von dem Grade und der Dauer ſeiner Erwärmung feſtzuſtellen. Dazu bedurfte es eines hinreichend ſicheren Verfahrens einerſeits zur Ermittelung der Temperatur des angelaufenen Kör— pers, anderſeits zur Abſchätzung der einzelnen Farben— töne. Für den letzten Zweck wurden Farbenmuſter angefertigt und eine Skale ſolcher Muſterplättchen mit aufeinanderfolgenden Farben blieb während der Anlaufarbeiten in der Hand des Beobachters, der die im Luftbad entſtehenden Färbungen fortgeſetzt mit dieſen Muſtern verglich. Zur Ermittelung der Tem— peratur der anzulaſſenden Stahlſtücke hätte das Cin- hängen von Thermometern unmittelbar in das Luft⸗ bad nicht zugereicht, man mußte die Thermometer— gefäße mit den Stücken ſelbſt in metalliſche Berührung bringen. Hierfür gab man einem Teil der Stücke die Form von Cylindern, welche in der Mitte mit einer tiefen Bohrung verſehen ſind; dieſe Bohrung wurde mit einer leichtflüſſigen Metallmiſchung ange— füllt und in dieſe das Thermometer eingeſetzt. Auf der oberen gut bearbeiteten, geſchliffenen und polierten Ringfläche dieſer Stücke wurden die Farberſcheinungen 404 Humboldt. — Dezember 1890. beobachtet. Andere Stücke erhielten die Geſtalt von Vollcylindern; fie wurden in eine mit leichtflüſſiger Legierung gefüllte Metallwanne geſetzt und ſo in das Luftbad eingebracht, wobei wiederum zwei oder mehr Thermometer in das flüſſige Metall eintauchten. Dieſe Temperaturbeſtimmungen reichen für ver⸗ gleichende Verſuche mit Stahl verſchiedener Cigen- ſchaften vollkommen aus; will man jedoch abſolute Werte haben, ſo muß man zu umſtändlicheren Ein⸗ richtungen greifen, welche eine gleichmäßigere Tem⸗ peraturverteilung in dem Luftbad ſichern, als ſie bei dem vorher beſchriebenen, für die Praxis des An⸗ laſſens beſtimmten, einfachen Apparat möglich iſt. In der That haben wir zur Kontrolle jedes der noch mitzuteilenden Ergebniſſe auch mit ſolchen Einrich⸗ tungen gearbeitet; bei ihnen geſchah die Erwärmung des Luftbades nicht unmittelbar durch die Heizgaſe, ſondern durch die Dämpfe hochſiedender Oele. Man wählte vorzugsweiſe Deſtillationsprodukte von Mine⸗ ralölen, deren Siedepunkte in gewiſſen, nicht zu weiten Grenzen lagen. Der das Luftbad umgebende Dampf⸗ raum wurde mit einem Rückflußkühler verbunden. Man konnte nun die Temperatur des Luftbades eine Zeitlang konſtant erhalten oder durch ſchrittweiſes Ablaſſen der zuerſt kondenſierten Dämpfe nach und nach ſteigern. Man ſieht leicht ein, daß mit einer ſolchen Einrichtung bei vorſichtiger Handhabung eine große Gleichmäßigkeit in der Temperatur des Luft⸗ bades erzielt werden kann. Die ausgeführten Verſuche erſtreckten ſich nun auf drei verſchiedene Stahlſorten, auf eine Sorte eng⸗ liſchen, eine ſolche deutſchen Werkzeugſtahls und auf einen 3,5% Wolfram enthaltenden Stahl. Von jeder Sorte wurden aus ein und derſelben Stange eine größere Anzahl gleich großer Cylinder geſchnit⸗ J. Ringkörper. Ungehärtete Stücke. Engliſcher Stahl] Deutſcher Stahl] Wolframſtahl F arben Zeit der[Tempe⸗Zeit der | Tempe-Zeit der Tempe⸗ Ein⸗ ratur | Ein⸗ ratur ] Ein⸗ ratur wir⸗ des wir⸗ des wir⸗ des kung Stahls] kung Stahls] kung Stahls in in in in in in Min. Graden] Min. Graden] Min. [Graden mare sb 2 2 s 5 Dunkelblau ae) || BSB e eee e | Bey Meergriin . . | 57 | 309 | 44 | 321 | 32 | 386 Gehärtete Stücke. Orange 22 283 | 16 | 326 Dunkelblau 38 320 | 23 | 361 Meergriin . 50 | 346 | 27 | 386 II. Vollkörper. Ungehärtete Stücke. Orange 20 27522 29323 295 Dunkelblau 29 320 | 382 335 26 351 Meergrün 87 | 802 | 37 | 3859 | 32 | 387 Gehärtete Stücke. Orange . | 24 | 284 f 22 | 304 | 22 306 Dunkelblau | 35 336 | 382 | 354 | 29 363 Meergriin. . | 43 | 860 | 36 | 374 | 33 388 ten, die Hälfte derſelben wurde zu Ringkörpern, die andere zu Vollkörpern verarbeitet. Von beiden Gat⸗ tungen wurde ein Teil der Stücke gehärtet, während man den anderen ungehärtet anließ. Alle Stücke hatten vor dem Einhängen in das Luftbad die mitt⸗ lere Temperatur des Beobachtungsraumes angenom⸗ men und wurden eingehängt, als die Temperatur des Luftbades nahezu 200° erreicht hatte. Der Beobachter notierte nun für jeden an der Hand ſeiner Muſter⸗ ſkale abzuſchätzenden Farbenton die Zeit ſeines Ein⸗ tritts, gemeſſen von dem Moment des Einhängens an, ſowie die Anzeigen der in die Metalllegierung eintauchenden Thermometer. Die Ergebniſſe dieſer Verſuche ſind an der vorher angegebenen Stelle ausführlich mitgeteilt; hier wird es ausreichen, auszugsweiſe einige Zahlen zuſammen⸗ zuſtellen. Die nebenſtehende Tafel gibt die gemeſ— ſenen Zeiten und Temperaturen für drei der wich⸗ tigſten Farben, Orange (Braungelb), Dunkelblau und Meergrün. Die Tafel zeigt, daß der Eintritt einer beſtimmten Anlauffarbe bei Stahl von der Härte desſelben und in noch höherem Grade von ſeiner Zuſammenſetzung abhängt, daß aber ferner die Art der Erwärmung nicht minder von weſentlicher Bedeutung iſt. End⸗ lich tritt ſchon bei den der Tafel zu Grunde liegenden Verſuchen deutlich hervor, daß nicht bloß die Höhe der Temperatur, ſondern auch die Dauer ihrer Ein⸗ wirkung für den Eintritt einer beſtimmten Farbe maßgebend iſt. Was zunächſt den Einfluß der Härte betrifft, ſo ergeben die Verſuche, daß der Eintritt des Orange, ſowie des Dunkelblau auf gehärteten Stücken durch⸗ weg eine erheblich höhere Temperatur erfordert als auf ungehärteten. Für Meergrün tritt bei deutſchem und engliſchem Stahl dieſer Unterſchied ebenſo deut⸗ lich hervor, nur bei Wolframſtahl wird er faſt un⸗ merklich, vermutlich, weil bei dieſem ſehr harten Ma⸗ terial die zur Erzeugung des Meergrün erforderliche Temperatur zureicht, um die vorangegangene Härtung wiederaufzuheben. Der Einfluß der Zuſammenſetzung des Stahls macht ſich ſchon bei Vergleichung der Zahlen für eng⸗ liſchen und für deutſchen Stahl kenntlich. Ganz auf⸗ fallend ijt aber die Abweichung der für Wolframſtahl gefundenen Werte von denjenigen für die anderen Stahlſorten. Gehärtete und ungehärtete Stücke ver⸗ halten ſich dabei nicht weſentlich verſchieden. Am größten ſind die Unterſchiede für die ungehärteten Ringkörper, dort iſt die Temperatur des Dunkelblau bei Wolframſtahl um 65° höher als bei deutſchem Stahl und die Temperatur des Meergrün um 77° höher als bei engliſchem Stahl, während bei letzterem Material der Unterſchied zwiſchen den Temperaturen des Orange und des Meergrün nur 47° ausmacht. Ueberraſchend iſt es, daß für Vollkörper und für Ringkörper ſonſt gleicher Art durchaus verſchiedene Bedingungen gefunden worden ſind. Während das Dunkelblau, z. B. bei gehärteten Stücken von deut⸗ ſchem Stahl in Ringform nach 38 Minuten und bei Humboldt. — Dezember 1890. der Temperatur von 320° eintritt, zeigt es fic) bei gehärteten Vollkörpern derſelben Stahlſorte ſchon nach 32 Minuten, aber bei einer Temperatur von 354°, alſo in kürzerer Zeit und bei weſentlich größerer Er— hitzung. Nur bei Wolframſtahl tritt dieſer Unter— ſchied nicht auf, und es iſt leider nicht möglich ge— weſen, dieſes ausnahmsweiſe Verhalten weiter zu verfolgen, weil Stahl der entſprechenden Zuſammen— ſetzung nicht ſofort wieder zu beſchaffen war. Der Grund für die bei Ring- und bei Vollkörpern her- vorgetretenen Unterſchiede iſt ausſchließlich in der ver— ſchiedenen Art ihrer Erwärmung zu ſuchen. Während nämlich, wie vorher angegeben wurde, bei dem An— laſſen der Ringkörper dieſe von der Luft des Bades unmittelbar umgeben wurden, waren die Vollkörper zunächſt in eine Wanne mit flüſſiger Metallmiſchung eingeſenkt, deren Gewicht ihrem eigenen etwa gleich— kam. Da aber die ſpezifiſche Wärme jener leicht— flüſſigen Legierungen geringer iſt als diejenige des Stahls und deshalb das Verhältnis der Oberfläche zur Wärmekapazität der Maſſe in beiden Fällen ver— ſchieden war, ſo mußte ſich das Metallgemiſch mit dem Vollkörper ſchneller erwärmen als der Ring— körper, obwohl auch deſſen Höhlung mit Metalllegie— rung ausgefüllt war. Um die Richtigkeit des ange— gebenen Grundes für das verſchiedene Verhalten der Ring⸗ und Vollkörper zu prüfen, wurden mehrfache beſondere Verſuche angeſtellt. Zunächſt hat man Ring— körper, in derſelben Weiſe wie vorher Vollkörper, in flüſſige Metalllegierungen geſetzt und gleichzeitig die Höhlung des Ringes mit derſelben Legierung ange— füllt. Da zeigte ſich, wie es nach der angeführten Erklärung nötig war, daß der Eintritt der Farben in noch kürzerer Zeit, aber bei noch höherer Tem— peratur erfolgte als bei den Vollkörpern. Sodann wurde durch einen Verſuch direkt nachgewieſen, daß bei gleichartiger Erwärmung die Geſtalt der Körper für den Eintritt der Farben durchaus ohne Einfluß iſt. Zu dieſem Behufe wurden zwei Körper aus eng— liſchem Stahl von ſehr verſchiedener Geſtalt mitein- ander feſt verbunden, hierauf wurden ſie in eine größere Meſſingwanne mit flüſſiger Metallmiſchung ge— bracht und darin bis nahe an ihre Oberfläche einge— taucht, ſo daß die Uebereinſtimmung der Erwärmung für beide Körper dauernd geſichert war. Die Meſ— ſingwanne wurde nun in ein Luftbad eingehängt, deſſen Heizung durch Oeldämpfe erfolgte, ſo daß man ſeine Temperatur ſchrittweiſe ſteigern konnte. Bei einem über weit mehr als zwei Stunden fortgeſetzten Ver— ſuche blieben die Färbungen beider Stücke fortdauernd unter ſich in Uebereinſtimmung, während ſie in dieſer Zeit vom Blaßgelb bis zum Hellblau fortſchritten. Das wichtigſte Ergebnis unſerer Verſuche liegt jedenfalls in dem ſtrengen Nachweis dafür, daß die Temperatur allein für den Eintritt einer beſtimmten Farbe nicht maßgebend iſt, daß vielmehr auch die Dauer ihrer Einwirkung in Betracht kommt. Schon die der Tafel zu Grunde liegenden Verſuche zeigen dies deutlich, obwohl die Unterſchiede in der Ein— wirkungsdauer hier gering ſind und ſich nur in einem 405 Falle bis zu 20 Minuten erheben. Es gelang aber in beſonderen, auf mehrere Stunden und, zum Teil, Tage ausgedehnten Verſuchsreihen, ſchon bei verhält— nismäßig ſehr niedrigen Temperaturen faſt alle An— lauffarben zu erzeugen. So wurde ein Stahlſtück ſchon bei 180° nad) etwa 9 Tagen dunkelblau, Stücke gleicher Art erreichten dieſe Farbe bei 230° in 50 Stunden, bei 290° in 7—15 Minuten, bei 380° in weniger als 20 Sekunden. Bei anderen Ver- ſuchen wurden noch niedrigere Temperaturen ange— wandt. Bei 105° waren 17 Tage erforderlich, ehe überhaupt der Eintritt einer Färbung konſtatiert wer— den konnte, während eben ſolche Stahlſtücke bei 153° nach 24 Stunden blaßgelb gefärbt waren. Nach gewiſſen Anzeichen iſt es übrigens zweifel— haft, ob beliebig hohe Farben bei jeder noch ſo nie— drigen Temperatur erzeugt werden können; vielmehr ſcheint bei ſehr langſamer und gleichmäßiger Ent— ſtehung der Oxydſchicht dieſe eine gewiſſe Dicke nicht zu überſchreiten und dann Schutz gegen weitere Oxydierung zu bilden, ſolange die Erwärmung des Körpers unter einer beſtimmten Grenze bleibt. Viel— leicht gibt es für jede Stahlſorte und jeden einzelnen Farbenton eine gewiſſermaßen kritiſche Temperatur, über welche hinaus die Erhitzung des Stahls ge— trieben werden muß, wenn jener Farbenton erreicht werden ſoll. Es bleibt für Stahl noch darauf hinzuweiſen, daß unſere Ergebniſſe für Material verſchiedener Härte ein ſicheres Mittel zur Erkennung von Inhomogeni— täten in gehärteten Stahlflächen bieten. Läßt man gehärteten Werkzeugſtahl deutſchen oder engliſchen Urſprungs bis zum Dunkelblau an, ſo erhält man trotz aller Vorſicht faſt niemals ganz gleichmäßige Flächen; immer zeigen ſich Flecken in Violett, Pur⸗ pur oder Orange. Dieſelben rühren von härteren Stellen her, welche ſich nach den früheren Darlegun— gen ſpäter färben. Bei dem für die umfaſſenderen Verſuche benutzten Wolframſtahl fanden ſich ſolche Inhomogenitäten nicht vor, während bei anderen wolframhaltigen Stahlſorten ſie nicht immer fehlten. Ließ man Stahl gleicher Zuſammenſetzung in unge- härtetem Zuſtande an, ſo waren jene Ungleichmäßig— keiten in der Färbung nicht zu bemerken, ebenſo ver— ſchwanden bei gehärtetem Stahl die Flecken, ſobald man die Färbung über Dunkelblau hinaus bis zum Hellblau oder Meergrün trieb, d. h. ſobald man die Enthärtung weit genug ausdehnte. Dieſelben Farben, welche auf Stahlflächen er— ſcheinen, laſſen ſich durch Anlaufen auch auf Guß⸗ eiſen erzeugen. Die Färbungen ſind gleichmäßig und ſchön. Was nun die Färbung von Kupfer, Nickel und verſchiedenen Legierungen dieſer Metalle betrifft, ſo iſt beſonders das ſchon in den vierziger Jahren von Puſcher in Nürnberg angegebene Verfahren zu nennen. Bei dieſem werden die zu färbenden Gegenſtände in eine kochende Salzlöſung von unterſchwefligſaurem Natron und Bleizucker getaucht, worauf ſich eine Schicht von Schwefelblei auf den Metallflächen nie— 406 Humboldt. — Dezember 1890. derſchlägt und die ſchönſten Farbentöne bildet. Die Folge der letzteren ſtimmt genau überein mit der⸗ jenigen der durch Oxydation erzeugten Anlauffarben, was ganz natürlich iſt, da die Verſchiedenheit auch jener Farbentöne durch verſchiedene Dicke der Schichten verurſacht wird. Bei entſprechender Uebung würde es wohl gelingen, auch mit dem Puſcherſchen Ver⸗ fahren durch längeres oder kürzeres Belaſſen der Flächen in der Salzlöſung eine beſtimmt vorgeſchrie⸗ bene Farbe zu erzielen, nur ſcheint es, als ob die Erzeugung der Farben durch Anlaufen eine viel weitergehende Nüancierung ermöglicht. Dafür mag ſchon das als Beweis gelten, daß das Puſcherſche Verfahren auf Stahl ſofort Dunkelblau erzeugt, während bei dem Anlaufenlaſſen die Hervorrufung aller der vor Dunkelblau liegenden Farben nicht die geringſten Schwierigkeiten bereitet. Nimmt man hinzu, daß die Haltbarkeit der durch Anlaufen erzeugten Farben der Art ihrer Entſtehung nach größer ſein muß als diejenige der durch Schwefelbleiſchichten ge— bildeten Farbüberzüge, und daß man durch Arbeiten bei niederen Temperaturen die Haltbarkeit beliebig ſteigern kann, ſo wird es nicht unberechtigt erſcheinen, wenn wir dem Anlaufverfahren für die Technik auch des Kupfers und ſeiner Legierungen neben den be- reits üblichen Färbungsmethoden einige Bedeutung zuſchreiben. Betreffs der Behandlung von anzulaſſenden Ge- genſtänden aus Kupfer und kupferhaltigen Legierungen iſt im allgemeinen vorauszuſchicken, daß dieſelben un⸗ mittelbar vor dem Einhängen in das Luftbad mit Säure abzubeizen ſind; denn bei längerem Stehen an der Luft bilden ſich hier Oxydſchichten, welche an tieferliegenden Stellen der Oberfläche durch bloßes Abreiben mit Tüchern oder dergleichen nicht zu ent⸗ fernen find. Stellen mit ſolchen Oxydſchichten werden aber beim Anlaſſen ſpätere Farben zeigen. Um eine ganz gleichmäßige Färbung zu erzeugen, iſt es auch nötig, das Luftbad möglichſt groß zu wählen, einer— ſeits, damit Sauerſtoff genug zum Oxydieren vor⸗ handen iſt, ſodann aber damit alle Teile des anzu⸗ laſſenden Stückes nahezu in dieſelbe Temperatur⸗ ſchicht kommen. Für letzteren Zweck kann es ſich unter Umſtänden empfehlen, den Gegenſtand ſo auf⸗ zuhängen, daß man ihn während der Erwärmung um ſeine Achſe drehen kann. Den Vorrat an Sauerſtoff kann man dadurch vergrößern, daß man von außen her durch ein einfaches, bis auf den Boden des Luft⸗ bades reichendes Metallrohr dem Bade kalte Luft in feinem Strahl fortgeſetzt zuführt; wenn man höhere Farben erzielen will, iſt dieſe Erneuerung der Luft ſogar unbedingt nötig. Man kann die Anlauffarben der ſämtlichen Me⸗ talle, welche wir unterſucht haben, mit gewiſſer An⸗ näherung etwa in drei Typen einreihen. Die eine bildet Eiſen und Nickel, die zweite Kupfer, die dritte Meſſing. Die Farbenfolge für Eiſen (Stahl) iſt oben erwähnt worden, die vollſtändigen Folgen für Kupfer und Meſſing ſtellen ſich ungefähr folgender⸗ maßen dar: : Kupfer. Meſſing. Hellbraunorange Gelborange Rotbraunorange, Hellgoldfarbig, Roſenrot, Goldorange, Violett, 1. Reihe.] Goldockerfarbig, Stahlweiß, Braungold, 1. Reihe. Meſſinggelb, Roſenrotgold, Dunkelgelb, Violettroſenrot, Orange, | Hellroſa, Roſenrot, 9 70 Stahlweiß, Blaugrün | Ze aU Gelborange, | (Grünſpan), Roſenxot, ne Fleiſchrot, 13 Reihe Blaugrün, | 2. Reihe. Blaßgraugrün, f ~~ Grün, Graurot, \ . Gelb, Graulila, J 4. Reihe Roſenrot, | 3. Reihe. Stumpfes Grau. Grün, } Rot, \ are Oru { 4. Reihe. Alle viel Kupfer und wenig oder kein Zink ent⸗ haltenden Legierungen verhalten ſich ähnlich wie Kupfer, alle ſtark zinkhaltigen ähnlich wie Meſſing. Es liegen die Farben für folgende Metalle vor: Kupfer, Meſſing, verſchiedene Tombake (gelben Tom⸗ bak, Auran, Chryſochalk oder Goldkupfer), weichen Rotguß, harten Rotguß, Kanonenmetall, Glockengut, Arſenbronze, Arſenkupfer, Phosphorbronze, Silicium⸗ bronze, Neuſilber verſchiedener Zuſammenſetzung (Ar⸗ gentan, Nickelin u. ſ. w.) und Nickel. Letzteres zeigt eine der des Stahls ganz ähnliche Farbenfolge, da⸗ gegen iſt bei den Nickellegierungen eine auffallende Erſcheinung hervorgetreten; nur eine nickelarme Neu⸗ ſilberſorte (ſogen. Neuſilber quarta) ergab ſchöne, denen des Meſſings nahekommende, ſie aber ins⸗ beſondere in den höheren Reihen an Glanz noch über⸗ treffende Farbe, alle nickelreicheren Legierungen zeigten dagegen beim Anlaufen marmorierte Flächen, als ob dieſelben ganz inhomogener Beſchaffenheit wären und das Kupfer in Punkten oder Linien an der Oberfläche ſich abgeſondert hätte. Ueber das beſondere Verhalten der einzelnen Me— talle bei dem Anlaſſen iſt folgendes zu erwähnen: Kupfer und die viel Kupfer enthaltenden Metalle ſind bei ziemlich niedriger Anfangstemperatur (120 bis 140°) in das Luftbad zu bringen, die erſte Farben⸗ reihe wird raſch durchlaufen; läßt man die Tempe⸗ ratur langſam ſich ſteigern, ſo folgen auch die höheren Farbenreihen ziemlich gleichmäßig aufeinander. Für techniſche Zwecke verwendbar ſind hier von der erſten Reihe beſonders Roſenrot, Stahlweiß und Meſſing⸗ gelb, aber eine noch höhere Bedeutung werden häufig die ſchön iriſierenden Farben der höheren Reihen haben, welche ſich zudem durch große Haltbarkeit aus⸗ zeichnen. Aluminiumbronze, Tombak und Stahl brauchen zwar auch nur eine niedrige Anfangstem⸗ peratur, die Steigerung der Temperatur muß aber energiſch und ſchnell vor ſich gehen. Meſſing und andere zinkhaltige Legierungen er⸗ fordern ſowohl eine hohe Anfangstemperatur, als eine ſtetige und energiſche Steigerung, welche erſt in der Glühhitze ihren Abſchluß findet. Für gelbge⸗ brannte Meſſinggegenſtände iſt eine noch höhere An⸗ Humboldt. — Dezember 1890. fangstemperatur nötig, vermutlich weil die Einwir— kung der Säure den Kupfergehalt an der Oberfläche verringert. Meſſing kann auch in freier Luft ange— laſſen werden; die höheren Farben bedürfen überdies einer zu ſtarken Erhitzung, als daß ſie im Luftbad erzeugt werden könnten. Für techniſche Zwecke kommen hier vornehmlich die Farben der erſten Reihe, die Goldfarbentöne und Stahlweiß in Betracht. Nickel kann im Luftbad nicht mehr angelaſſen werden, die Oxydierung tritt zuerſt bei Dunkelrot— glut ein; die ſatten Farben zeigen ſich hier erſt nach dem Erkalten, doch ſind auch in der Glut die Farben ſchwach erkennbar. Viele Farben haben in der Hitze einen anderen Ton als nach dem Erkalten, der erſte läßt ſich aber durch ſchnelles Eintauchen des heißen Stückes in Waſſer feſthalten. Geſchieht dies nicht, ſo verſchwin— den bei Meſſing z. B. die roten Töne der erſten Reihe ganz und gar, dasſelbe gilt von der Grünſpan— farbe des Kupfers. Die Kupferfarben laſſen ſich in prachtvollen Tönen auf geprägten Medaillen hervor— rufen, wobei auch die auf gewalzten Kupferblechen bei dem Erkalten verſchwindenden Färbungen ohne Mühe erhalten bleiben. Inwieweit das vorgeführte Verfahren für die Technik wirklichen Nutzen haben wird, läßt ſich vorläufig nicht ermeſſen; es wird 407 Sache der Praxis ſein, die Anwendbarkeit des Ver— fahrens weiter zu erproben. Dies gilt auch von fol— genden Verſuchen: Wenn man auf einer durch An— laufen etwa ſtahlweiß oder rotgefärbten Kupfer- oder Meſſingplatte mit Kupferſtechergrund oder einem an— deren ſäurebeſtändigen Mittel Zeichnungen entwirft, die Platte hierauf in verdünnte Salpeterſäure taucht und endlich den Aetzgrund mittels Benzin entfernt, ſo erhält man metalliſch glänzende Bilder auf mattgeätz— tem Grunde. Es laſſen ſich auf dieſe Weiſe ſogar zweifarbige Bilder herſtellen, indem man bei einiger Uebung durch eine Stichflamme die einzelnen Teile der Platte verſchieden färben kann. Beſonders leicht iſt dieſe Doppelfarbigkeit in den höheren Farbenreihen zu erzielen, wo Rot und Grün einander ſehr nahe liegen; ſo macht es z. B. nicht viel Mühe, Bilder mit roten Blumen, aber grünen Stielen und Blät— tern zu erzeugen. Der andere Verſuch betrifft die gute Iſolationsfähigkeit der den höheren Reihen an— gehörigen Anlaufſchichten; für techniſche Zwecke dürfte dieſe Eigenſchaft ſchwer verwendbar ſein, weil die Schichten äußerſt dünn und dabei überaus ſpröde, alſo zu leicht der Zerſtörung ausgeſetzt ſind. Mög— lich wäre es aber, daß für manche wiſſenſchaftliche, elektriſche Zwecke die Iſolierung fertig zuſammenge— ſtellter Metalle durch Anlaſſen im Luftbade von Nutzen werden könnte. Kot overt fe. Dr. R. von Lendenfeld in Innsbruck. ie gegenwärtige Geſtalt der Erdoberfläche iſt die Reſultierende zweier antagoniſtiſcher Kräfte: einer gebirgsbildenden und einer nivellierenden. Jede von dieſen Kräften iſt aus mehreren Komponenten zu— ſammengeſetzt. Die Komponenten der gebirgsbilden— den Kraft ſind: 1. Faltung in der Erdrinde infolge von Abkühlung und Verkleinerung der ganzen Erde, 2. vulkaniſche Eruptionen des flüſſigen Innern an Bruchſtellen infolge von lokalem Druck, und 3. An— häufungen von organiſchen Reſten. Die dritte Komponente hat einen größeren Ein— fluß auf die Geſtaltung der Erdoberfläche ausgeübt, als man beim erſten Anblick glauben möchte; ſie iſt es, die uns hier intereſſiert. Um ein richtiges Verſtändnis für die Einfluß— nahme der Organismen auf die Geſtaltung der Erde zu gewinnen, müſſen wir etwas ausgreifen und den Lebensprozeß näher betrachten. In erſter Linie iſt das Leben ein Filtrations— prozeß. Tiere und Pflanzen nehmen Stoffe von außen auf und geben Stoffe nach außen ab. Dieſe Stoffe ſind gasförmig, flüſſig oder feſt. Die gas— förmigen und feſten müſſen zunächſt aufgelöſt werden, da nur Flüſſigkeiten vom Plasma aſſimiliert werden können. ‘ Die aufgenommenen Subſtanzen find teils or— ganiſcher, teils anorganiſcher Natur. Das lebende Plasma abſorbiert alle Stoffe, welche an dasſelbe in gelöſter Form herantreten. Die or— ganiſchen werden zum Teil aſſimiliert — auf der Aſſi— milation beruht das Wachstum —, und zum Teil ver— brannt — auf der Verbrennung beruht die Kraft. Die anorganiſchen Stoffe werden zum Teil wie der Sauerſtoff als Kraftquelle (bei der Verbrennung) auf— gebraucht und zum Teil als unbrauchbar wieder aus— geſchieden. Die ausgeſchiedenen anorganiſchen Subſtanzen werden häufig ganz oder zum Teil zum Aufbau von Skeletten verwendet und bleiben in dieſen Fällen im Verbande des Organismus. „Die anorganiſchen Beſtandteile der Skelette find entweder Kalkſalze oder Kieſelſäure. Hier intereſſieren uns die Kalkſkelette der Meerestiere, denn nur dieſe haben einen größeren Einfluß auf die Geſtaltung der Erdoberfläche ausgeübt. Alles Fluß- und Meerwaſſer enthält große Mengen von kohlenſaurem Kalk in Löſung. Dies iſt ganz natürlich, wenn wir bedenken, daß Kalkſtein ſehr all— gemein verbreitet und daß derſelbe in Waſſer, beſon— ders in dem kohlenſäurereichen Sickerwaſſer und dem ebenfalls kohlenſäurereichen Waſſer abyſſaler Meeres— tiefen, recht leicht löslich iſt. Murray berechnet die Menge des im Meere gelöſt enthaltenen Kalkes zu 628 340 000 000 000 Tonnen. 408 Humboldt. — Dezember 1890. Dieſer gelöſte Kalk nun wird von den Meeres⸗ organismen aufgenommen und zum Aufbau ihrer Kalkſkelette verwendet. Nach dem Tode des Tieres wird ſein Skelett entweder wieder aufgelöſt oder nicht. Im letzteren Falle werden ſich die Kalkſkelette an⸗ häufen. Die Kalkſkelette erzeugenden Meerestiere ſind teils freiſchwimmende, teils feſtſitzende. Die Skelette der erſteren werden einem Regen gleich fort⸗ während auf den Meeresboden herabfallen und vor⸗ ausgeſetzt, daß ihre Akkumulation eine raſchere iſt als ihre Auflöſung, ein flach ausgebreitetes Kalkſedi⸗ ment am Meeresgrunde bilden. Die Skelette der feſtſitzenden Tiere aber werden an Ort und Stelle bleiben und durch Akkumulation Bänke und Stöcke und nicht flach ausgebreitete Sedimente bilden, eben⸗ falls nur unter der Vorausſetzung, daß ihre Akkumu⸗ lation die Auflöſung überwiegt. Unter den feſtſitzenden Tieren mit Kalkſkeletten ſind es vor allem die Steinkorallen, welche durch Akkumulation ihrer Skelette mächtige Bänke und Stöcke aufbauen. Die Steinkorallen ſind ſechsſtrahlige Seeroſen, welche durch Knoſpung zumeiſt große Stöcke bilden. Die Geſtalten der Stöcke ſind ſehr verſchieden und ſtets den Bedingungen der Umgebung angepaßt: in ruhigerem Waſſer finden wir zartere, reichverzweigte, ſtrauchförmige Formen, in der Brandung leben die maſſigen Arten. Die Grundform der Einzeltiere iſt in allen Fällen die gleiche: das Tier iſt mehr oder weniger trommel⸗ förmig und ſitzt mit der einen ebenen Fläche auf. In der Mitte der gegenüberliegenden oberen Fläche befindet ſich eine Oeffnung, der Mund, von deſſen Rande ein Rohr in das Innere der Trommel herab- hängt. In der Umgebung des Mundes erhebt ſich von der oberen Fläche ein Kranz von Tentakeln. Das Rohr, welches vom Munde herabhängt, wird durch radiale Membranen mit der äußeren, cylin- driſchen Körperwand verbunden, ſo daß die ganze Leibeshöhle in ein zentrales Rohr und in eine Anzahl von „Interſeptalräumen“, in der Umgebung desſelben, zerfällt. Sowohl in der äußeren Wand, wie in der Baſalfläche und in den radialen Membranen wird Kalk abgeſchieden. Alle Polypen eines Stockes werden | durch Kalkmaſſen verbunden. | Außer durch Knoſpung vermehren ſich die Stein- korallen auch auf geſchlechtlichem Wege. Aus dem Korallenei entwickelt ſich nach der Befruchtung ein freiſchwimmender Embryo, der im Meere herum⸗ ſchwärmt, ſich nach einiger Zeit an paſſender Stelle feſtſetzt und zu einem Polypen auswächſt. Der junge Polyp, der bis jetzt von dem Nahrungsdotter des Eies, aus dem er ſich entwickelt, gelebt hat, beginnt nun mittels der Tentakeln, die inzwiſchen an ſeiner Mundſcheibe hervorgewachſen ſind, kleine freiſchwim⸗ mende Tiere zu fangen und in den Mund einzu⸗ führen. Er wächſt, wenn die Verhältniſſe günſtig ſind, raſch und beginnt, ſobald er eine entſprechende Größe erlangt hat, Knoſpen zu bilden: es entſteht ein Korallenſtock. Die zahlreichen Einzelpolypen des Stockes erzeugen neuerdings Eier, und es iſt klar, daß in dieſer Weiſe ſich die verſchiedenen Korallen⸗ arten im Laufe der Zeit überall ausbreiten werden, wo die Verhältniſſe ihrem Wachstum günſtig ſind. Exiſtenzbedingungen für die riffbauenden Stein⸗ korallen ſind 1. eine Waſſertemperatur von mehr als 19°, 2. Abweſenheit von Verunreinigungen wie Schlamm, Sand u. dergl., und 3. hinreichende Nahrung. Die erſte Bedingung beſchränkt das Verbreitungs⸗ gebiet der Riffkorallen horizontal auf die tropiſchen und ſubtropiſchen Meere und vertikal auf ſeichtes Waſſer. Die Riffkorallen von Bermudas, 32° nördl. Breite, ſind die vom Aequator am weiteſten entfernt liegenden. Tiefer als 50 m unter dem Meeresſpiegel gedeihen keine Riffkorallen. Die zweite Bedingung hält die Korallen von Flußmündungen und von ſolchen Stellen fern, wo der Wind Sand ins Meer weht (gewiſſe Teile des Roten Meeres). Die dritte Bedingung macht die Korallen von den Strömungen abhängig, welche die zarten pela- giſchen Tiere, von denen die Korallenpolypen leben, heranbringen. Wir finden, daß Riffkorallen an den tropiſchen Teilen der Oſtküſten der Kontinente vorkommen, während ſie an den Weſtküſten durchaus fehlen. Dies iſt darauf zurückzuführen, daß die Oſtküſten von äquatorialen, alſo warmen und an pelagiſchen Tieren reichen Strömungen beſpült werden, während den Weſtküſten kalte Polarſtrömungen entlang ziehen. Ueberdies beobachten wir an den Weſtküſten eine viel raſchere Temperaturabnahme mit zunehmender Tiefe wie an den Oſtküſten. Wir wollen nun unterſuchen, in welcher Weiſe durch Akkumulation von Korallenſkeletten jene Bil⸗ dungen zu ſtande kommen, welche als Korallriffe bekannt ſind. Verfolgen wir zu dieſem Zwecke die im Meere herumſchwärmenden Korallenlarven. Wir wollen an⸗ nehmen, daß eine oder mehrere ſolche Larven an eine Küſte gelangt ſeien, wo keine Korallen vorkommen, wo aber die für das Gedeihen von Riffkorallen not⸗ wendigen Bedingungen erfüllt ſind. Hier ſetzt ſich die Larve an und wächſt zu einem Polypen aus. Dieſer bildet einen Stock, von welchem bald eine neue Generation von Larven ausſchwärmt. Die letzteren ſetzen ſich an allen paſſenden Stellen an und erzeugen neue Stöcke, aus welchen wieder Schwärmlarven hervorgehen. So wird bald der ſubmarine Abhang von der Ebbegrenze bis hinab zu einer Tiefe von 50 m mit Korallen bedeckt. Die älteren Teile der Stöcke ſterben ab und auf den toten Skelettteilen der älteren Polypen erheben ſich jüngere Generationen von Riffkorallen. Die einzelnen Stöcke wachſen für ſich und erreichen ein hohes Alter. Ehrenberg ſah im Roten Meere einige Korallenſtöcke, welche er für ſo alt hält, wie die Pyramiden. An den Küſten von Bermudas gibt es nach Lyell Stöcke, welche ſchon ſeit Jahrhunderten bekannt ſind. Das Gleiche gilt von gewiſſen Stöcken bei den Schiffer⸗ Humboldt. — Dezember 1890. 409 inſeln, welche ſeit undenklichen Zeiten bekannt find und von den Fiſchern beſondere Namen erhalten haben. Die Breite des Korallengürtels, welcher in dieſer Weiſe zu ſtande kommt, hängt von der Steilheit des ſubmarinen Abhangs ab, den er bedeckt. Iſt der Neigungswinkel «, fo beträgt die Breite des Korallen— gürtels = m. Innerhalb dieſer Korallenzone wachſen die Korallen, fußend auf den Skeletten ihrer Ahnen, zunächſt gerade in die Höhe bis hinauf zur Ebbegrenze. In nächſter Nähe der Strandlinie wird dieſes Niveau zuerſt erreicht. Das ebene Korallen— plateau an der Ebbegrenze gewinnt an Breite, indem ſein Rand ſo lange nach außen vorrückt, bis die in 50 m tiefem Waſſer angeſiedelten Korallen zum Ebbe— niveau — 50 m hoch — emporgewachſen ſind. Riffe dieſer Art werden Strandriffe genannt. Sie ſind häufig viel weniger als 50 m mächtig, ſo z. B. im Roten Meere, wo die Riffkorallen nicht unter 20 m Tiefe zu gedeihen ſcheinen. Das Strandriff hat eine nahezu horizontale Ober— fläche und einen ſcharfen Außenrand, von welchem eine ſteile Felswand von 50 m Höhe hinabzieht zum äußeren Rande jenes Gürtels, innerhalb deſſen Korallen— larven ſich angeſetzt haben. Ueber die Ebbegrenze hinauf kann das Strand— riff deshalb nicht wachſen, weil die Korallen keine Trockenlegung vertragen. Wohl aber kann ſich das Riff horizontal ausbreiten. An der ſteilen Außen— wand, beſonders an dem oberen Teile derſelben, wachſen die Korallen, von den heranflutenden Wogen reichlich mit Nahrung verſorgt, üppig und raſch. Dieſe Wand wird wegen des raſcheren Wachstums der Korallen an ihren oberen Teilen überhängend und ſie wird ſo lange an Ueberhängigkeit zunehmen, bis die vor— ragendſten Teile derſelben ihr eigenes Gewicht nicht mehr tragen können, bei Stürmen abgeriſſen werden und in die Tiefe ſtürzen. Die losgebrochenen Trüm— mer breiten ſich am Fuß der äußeren Wand des Strandriffes in Form von Geröllhalden aus. Dieſe ſind viel ſteiler als ſolche Schutthalden am Lande, weil das Gewicht des Geſteins unter Waſſer ein bedeutend geringeres iſt als in der Luft und weil Wind und fließendes Waſſer hier die Schutthalden nicht ins Gleiten bringen, wie dies am Lande der Fall iſt. Durch die Akkumulation von Korallenbruchſtücken wird der Meeresgrund in der Umgebung des Riffes derart erhöht, daß ſich nun auch hier ſchwärmende Korallenlarven anſetzen und Riffkorallen gedeihen können. Iſt die Neigung in der Umgebung des Riffes eine ſanfte, ſo kann ſich in der angedeuteten Weiſe das Strandriff horizontal ſehr weit ausbreiten. Iſt aber dieſer Abhang ein ſteiler, dann iſt dieſe horizontale Riffausbreitung eine langſame und un— bedeutende. Das Waſſer abyſſaler Tiefen ijt reicher an Kohlen— ſäure als das Waſſer nahe der Oberfläche des Meeres. Die Korallentrümmer, welche in der angegebenen Weiſe in große Tiefen hinabſtürzen, werden daher Humboldt 1890. raſch vom Meerwaſſer aufgelöſt, gerade ſo, wie die Kalkſchalen pelagiſcher Seetiere, welche nach dem Tod ihrer Beſitzer in ſolche Tiefen hinabgefallen ſind, bald korrodiert und ſchließlich ganz aufgelöſt werden. Es wird alſo der in der oben ausgeführten Weiſe erfolgenden horizontalen Ausbreitung der Strandriffe eine Grenze geſetzt: denn ſobald das Riff zu einer Tiefe von etwa 2000 m vorgerückt iſt, löſt ſich das herabfallende Korallengeröll zu raſch auf, um ſich zu einem Fundament anſammeln zu können, auf welchem ſich dann das Riff weiter ausbreiten könnte. Murray, dem wir die obige Erklärung des hori— zontalen Riffwachstums verdanken, hat auf dieſe Be— ſchränkung desſelben keine Rückſicht genommen und die unrichtige Behauptung aufgeſtellt, daß ſich die Riffe in dieſer Weiſe unbegrenzt, auch im tiefſten Waſſer auszubreiten vermöchten. Sobald das Strandriff bis zu einer gewiſſen Meerestiefe — ſagen wir von 1500 oder 2000 m — vorgerückt iſt, hört feine weitere Größenzunahme auf. Die an ſeinem Rande lebenden Korallen erſetzen den Schaden, den die Wellen dem Riffe beibringen, und das Riff bleibt ſtationär. Wir wollen nun annehmen, daß nach Bildung des Strandriffes eine poſitive Verſchiebung der Strand— linie eingetreten ſei. Es werden dann die Korallen ebenſo raſch in die Höhe wachſen, als das Meer anſteigt, und der Scheitel des Riffes wird ſtets dicht unter dem Niveau der Ebbegrenze bleiben. Die Raſchheit des Korallenwachs— tums iſt der Nahrungszufuhr proportional. Die Nahrung der Korallen beſteht aus kleinen pelagiſchen Seetieren, welche mit den Strömungen und den Wogen an das Riff herangebracht werden. Offenbar wird den Korallen am Riffrande mehr Nahrung dieſer Art zugeführt werden, als den Korallen auf dahinter liegenden Teilen der Riffoberfläche, und des— halb wird im allgemeinen der Rand raſcher empor— wachſen als andre Riffteile. Bei heftigen Stürmen und ſeismiſchen Erſchütte— rungen des Meeres werden Korallenblöcke losgeriſſen, fortgerollt und aufeinander getürmt, wodurch auf dem erhöhten Randteile des Riffes ein Damm auf— gebaut wird, welcher die gewöhnliche Flutgrenze überragt. Schwimmende Samen keimen auf dieſem neuen Lande und bekleiden dasſelbe mit einer Vege— tationsdecke, welche, vereint mit dem Winde, ſtetig an der Erhöhung des Dammes arbeitet. Keines— wegs überall krönt ein ſolcher Damm das Riff, aber immerhin reicht er aus, um die dahinter liegenden Teile von dem offenen Meere mehr oder weniger abzuſchließen, wodurch den dort wachſenden Riffkorallen die für ſie nötige Nahrung mehr oder weniger voll— ſtändig entzogen wird. Sie gehen deshalb zu Grunde und an ihre Stelle treten hier, im Innern des Riffes, andere, zartere und kleinere Korallenarten, welche langſam wachſen und ſehr wenig dazu beitragen, den Boden, auf dem ſie ſitzen, durch die Anhäufung ihrer Skelette zu erhöhen. 52 410 Humboldt. — Dezember 1890. Nun haben wir aber angenommen, daß eine poſi⸗ tive Verſchiebung der Strandlinie ſtattfinde. Wir nehmen nicht an, daß dieſe kontinuierlich ſei, ſondern daß fie eine Oscillation mit überwiegend poſitiven Strandverſchiebungen iſt. Nehmen wir an, wir hätten es mit einem Riff zu thun, welches ſich an dem ſubmarinen Abhange eines relativ ſinkenden Kontinentes angeſetzt und zu einem langen Strandriff ausgebildet hat. Der Riffrand wird immerfort aufgebaut und bleibt im Niveau des Meeresſpiegels. Die Teile der Riff⸗ oberfläche zwiſchen dem Riffrand und dem Strande der Inſel aber verſinken raſcher, als die dort befind- lichen zarten Korallen zu bauen vermögen, und fo entſteht ein Kanal von immer zunehmender Breite und Tiefe, welcher das ſinkende Land vom erhöhten Riffrande trennt. Dieſer Kanal — der Lagunen⸗ kanal — iſt ſchiffbar und ruhig, er bietet dem See⸗ fahrer die willkommenſte Zufluchtsſtätte. Von dem früheren Strandriff erkennt man jetzt nichts anderes als den erhöhten Randſaum. Dieſer wird Wall⸗ oder Barriereriff genannt. Die Wall⸗ riffe ſind ſehr lange und ſchmale, wallartige Riffe, welche aus beträchtlicher Meerestiefe aufragen und auf weite Strecken hin der zunächſtliegenden Küſte parallel laufen. Das Meer zwiſchen dem Wallriff und der dahinterliegenden Küſte iſt in der Regel ziemlich, wenngleich lange nicht ſo tief, wie das Waſſer dicht außerhalb des Wallriffs. Dement⸗ ſprechend fällt der letztere nach außen ziemlich fteil ab, während die der dahinterliegenden Küſte zuge⸗ kehrte Böſchung eine ſanfte iſt. Der größte Teil des Wallriffes erſcheint als Untiefe, nur ſtellenweiſe ragen Teile desſelben um wenige Meter über die Meeresfläche auf. War der Ort, wo das Riff ſich anſetzte, nicht der ſubmarine Abhang eines Kontinents, ſondern einer kleineren Inſel, ſo wird ſich bei überwiegend poſitiver Strandverſchiebung in gleicher Weiſe ein Wallriff bilden, welches jedoch kein langgeſtreckter Wall, ſondern ein mehr oder weniger vollſtändiger Ring iſt, der die relativ ſinkende Inſel in größerer oder geringerer Entfernung umzieht. Geht nun die poſitive Strandverſchiebung ſo weit, daß die Inſel ganz überflutet wird, ſo iſt nichts mehr über dem Waſſerſpiegel ſichtbar als das ring⸗ förmige Wallriff, in deſſen Innern ſich nun eine waſſererfüllte Mulde, die Lagune, befindet: wir haben ein Atoll vor uns. Dieſe Atolle ſind die intereſſanteſten Korallriffe. Sie erheben ſich mitten im Weltmeer aus abyſſalen Tiefen und ſtehen in keiner ſolchen Beziehung zu benachbarten Feſtländern wie die Wallriffe. Die Atolle ſind kegelförmige, von unten nach oben an Steilheit zunehmende, ſubmarine Berge, deren Gipfel die Oberfläche des Waſſers um wenige Meter überragen. Der Atollberg iſt alſo ebenſo hoch, wie an jener Stelle das Meer tief iſt. Viele Atolle haben eine ſehr bedeutende Höhe. Der kegelförmige Berg iſt oben abgeſtutzt, und in der Mitte der Terminalfläche beobachtet man eine leichte, dellenartige Einſenkung von 60—150 m Tiefe. Der erhöhte Rand ragt ganz oder zum Teil über die Flutgrenze auf. Im erſteren Falle haben wir eine ringförmige Inſel vor uns, welche eine ge- ſchloſſene Lagune enthält; im letzteren vermitteln Kanäle, welche den Ringwall durchbrechen, an einer oder mehreren Stellen eine Verbindung der Lagune mit dem offenen Meer. Bei kleinen Atollen iſt der Ringwall ziemlich häufig in der angegebenen Weiſe kontinuierlich und vollſtändig geſchloſſen. Je größer das Atoll, um ſo mehr unterbrochen iſt in der Regel deſſen Ringwall. Tiefe Kanäle von wechſelnder Breite führen dann von außen in die Lagune hinein. Der Boden der Lagune iſt mit kalkigem Sediment bedeckt, welches heftige Regengüſſe vom erhöhten Riffrande abgeſpült haben. Zahlreiche Korallenarten gedeihen in der Lagune. Dieſe bilden wohl hier und da ausgedehnte Beſtände, fehlen aber doch vielerorts, beſonders an ſolchen Stellen, wo beweglicher Schlamm oder Sand die Korallen tötet. Die Abdachung vom inneren Rande der ringförmigen Inſel gegen die Mitte der Lagune hin iſt eine ſehr ſanfte. Die Vegetation der flachen Ringinſel reicht in der Regel bis hart an den Rand der Lagune. Nicht ſelten ſind die Wurzeln der Palmen entblößt und ragen frei aus der ſteilen, unterwaſchenen Uferbank vor. Tümpel und Sümpfe werden häufig am Innenrande der Ringinſel — am Ufer der Lagune — angetroffen. Das Atoll hat einen Durchmeſſer von 500 bis 20 000 m. Der Ringwall iſt unter allen Umſtänden ſchmal, nie mehr als einige Hundert Meter breit und ragt ſtets nur wenige Meter über die Flutgrenze empor. Der äußere Rand der Ringinſel ſieht ganz anders aus als der innere: hier reichen die Bäume nicht hinab bis zum Strand, und eine ſanft geneigte Fläche weißen Korallenſandes zieht vom äußeren Wallrand hinab bis zum Meer. Ein ſubmarines, wenig unter der Ebbegrenze liegendes, von ſchmalen Schluchten durchfurchtes Plateau erſtreckt ſich vom äußeren Rande der Inſel mehrere Hundert Meter weit in die hohe See hinaus, ſanft gegen das offene Meer hin ab⸗ fallend. Plötzlich bricht dieſes Plateau mit ſteiler Wand ab. Dieſer ſubmarine Steilhang iſt häufig unregelmäßig und klippig, aber ſtets nimmt ſeine Neigung nach unten hin ab. Riffbauende Korallen gedeihen auf dem Plateau, beſonders gegen den Rand hin, ſowie an den oberen Teilen des äußeren Steilhanges. In Tiefen über 50 m findet man Bruchſtücke toter Korallenſkelette. Dieſe Bruchſtücke, welche ſich in Form von Geröll⸗ halden in der Umgebung der Riffe anſammeln, wer⸗ den raſch metamorphoſiert und miteinander zu einem harten Kalkſtein oder Dolomit verkittet, in welchem Korallenſtruktur häufig gar nicht mehr zu erkennen iſt. Bei tiefer Ebbe brechen ſich die großen Wogen der offenen See nahe dem Plateaurande, bei hoher Humboldt. — Dezember 1890. Flut aber näher dem Strande. Je rauher die See und je größer die Wellen, um ſo weiter draußen werden fie gebrochen. Das vorgelagerte Plateau iſt ein Wellenbrecher, der die niedrige und ſchmale, da— hinterliegende Inſel vor der Gewalt gewöhnlicher Wogen ſchützt. Nur ſeismiſche Wellen oder ſolche, welche ganz ausnahmsweiſe bei ſtarken Stürmen und Springflut entſtehen, vermögen die Inſel zu über— fluten und die Vegetation zu zerſtören. Das Alter der auf dieſen Atollen wachſenden Palmen beweiſt aber, daß in den letzten 70 oder 100 Jahren keine ſolche Sintflut über die bekannten Atolle herein— gebrochen iſt. Stets iſt das vorgelagerte Plateau überflutet von heftig bewegtem Waſſer, welches wohl Korallenſtücke losreißt und damit andre Korallen zertrümmert und tötet, aber andrerſeits alle Teile des Plateaus rein ſcheuert und pelagiſche Nahrung in großer Menge den Polypen zuführt: die Bedingungen eines üppigen Wachstums der Riffkorallen erfüllend. Iſt einmal ein Atoll gebildet, ſo wird die Geſtalt desſelben durch weitere poſitive Strandverſchiebung nicht weſentlich verändert. Das Atoll wächſt ebenſo raſch in die Höhe, wie das Meer anſteigt, und nimmt gleichzeitig an horizontaler Ausdehnung zu. Das Wachstum hängt von den Strömungen ab. Es iſt dort am raſcheſten, wo die Strömung am meiſten Nahrung an den Riffrand heranbringt. Deshalb wird der, der Strömung zugekehrte Teil des Atolls nach außen vorwachſen, während dies bei dem gegen— überliegenden Teile des Ringwalles gar nicht, oder nur in geringem Maße der Fall ſein wird. Schon ſeit langer Zeit haben die Korallriffe der tropiſchen Meere, beſonders des Indiſchen Ozeans und des Stillen Meeres, die Aufmerkſamkeit der Seefahrer und Gelehrten auf ſich gezogen, und ob— wohl von Chamiſſo und anderen mehrere Hypotheſen zur Erklärung der Entſtehung dieſer eigentümlichen Inſeln aufgeſtellt wurden, ſo gelang es doch erſt Darwin bei Gelegenheit ſeiner Erdumſegelung auf dem „Beagle“, der Sache auf den Grund zu kommen und eine Theorie der Korallriffe aufzuſtellen (im Jahre 1842), welche ſeither allgemeine Anerkennung ge— funden hat. In den letzten Jahren iſt Darwins Theorie von Murray (Mitglied der Challenger-Expe⸗ dition) und anderen Autoren bekämpft und darauf— hin von Dana, Bonney, mir und anderen Autoren verteidigt worden. Die oben ausgeführte Theorie ſtimmt nahe mit jener Darwins überein. Sie weicht von derſelben nur inſofern ab, als eine horizontale Ausbreitung der Riffe, ohne Strandverſchiebung, und eine Ver— größerung der Atolle mit zunehmendem Alter an— genommen wird. Darwins Grundprinzip, die poſitive Verſchiebung der Strandlinie, iſt aber auch das Haupt— moment der oben ausgeführten Korallrifftheorie. Die neueren Autoren über den Gegenſtand und beſonders Murray geben eine ganz andere Erklärung der hohen Korallriffe. Sie ſagen, daß die Kalk— ſchalen abgeſtorbener, an der Oberfläche des Meeres ‚Z——— rh T 411 maſſenhaft vorkommender, pelagiſcher Seetiere fort: während hinabfallen und ſich am Grunde des Meeres in Form eines kalkigen Sedimentes ausbreiten. In großen Tiefen, wo das Meerwaſſer ſehr kohlenſäure— reich iſt, löſen ſich dieſe zarten Kalkſchalen raſch wieder auf, ſo daß ſich hier kein kalkiges Sediment an— ſammeln kann. Auf den unterſeeiſchen Bergen und Tafelländern, mit einem Worte: auf allen ſubmarinen Höhen, welche den abyſſalen Tiefen entragen, ſammelt ſich aber in der angegebenen Weiſe kalkiges Sediment an, denn hier iſt das Waſſer ärmer an Kohlenſäure und löſt nur langſam den Kalk auf. Es entſteht auf dieſe Weiſe eine Kappe von kalkigem Sediment, welche die Erhöhung bekleidet und anwächſt, bis ſie jenes Niveau erreicht, wo ſich riffbauende Korallen anſetzen können. Die überall herumvagierenden Schwärmlarven der Korallen faſſen auch bald auf dieſem ſedimentären Fundamente Fuß und wachſen hinauf gegen den Waſſerſpiegel. Am Rande, wo die Nahrungszufuhr bedeutender iſt, wachſen ſie raſcher als in der Mitte und erreichen deshalb hier auch früher die Ebbegrenze. Dann entſteht der durch Wind und Wellen aufge— türmte Ringwall. Nun iſt den Riffkorallen im Innern — in der Lagune — noch mehr die Nah— rung entzogen wie vorher, und ſie werden hier durch andere, zartere Arten erſetzt. Das Waſſer löſt fort⸗ während den Kalk auf und dadurch vertieft ſich nun die, der riffbauenden Korallen entbehrende Lagune beträchtlich. Gleichzeitig bewirkt die Auflöſung eine horizontale ſeitliche Vergrößerung der Lagune. Unter— deſſen breiten ſich die Korallen radial nach außen auf einem Fundament von Korallentrümmern aus. Das Atoll vergrößert ſich bei annähernd gleichbleibender Breite des Ringwalles wie ein Elfenring. Dieſe Theorie Murrays hat vor jener Darwins das voraus, daß ſie nicht eine weitgehende poſitive Verſchiebung der Strandlinie, wie ſie wohl ſchwer nach— zuweiſen ſein dürfte, zur Vorausſetzung macht. Sie enthält aber einen auffallenden Widerſpruch, der die Unhaltbarkeit derſelben demonſtriert: 1. Weil in ſeichterem Waſſer Kalk ſich raſcher in Sedimentform anſammelt, als er aufgelöſt wird, bildet ſich ein ſub— mariner Berg, auf deſſen Scheitel dann das Korall— riff Fuß faßt. 2. Weil ſich der Kalk dort, wo die Korallen nicht üppig wuchern, raſcher auflöſt als an— häuft, entſteht in der Mitte des Atolls die Lagune, und dieſe vergrößert und vertieft ſich. Es iſt offen— bar, daß 1. und 2. ſich gegenſeitig ausſchließen und daß die Murrayſche Theorie deshalb als widerlegt angeſehen werden muß. Kehren wir zu Darwins Erklärungsweiſe zurück. Die poſitive Verſchiebung der Strandlinie dauert an, das Atoll wächſt, dieſer Verſchiebung entſprechend, empor. Wir haben oben geſehen, daß beſonders bei größeren Atollen der Ringwall in der Regel durch tiefe Kanäle durchbrochen iſt, und es kann leicht ge— ſchehen, daß der Boden der Kanäle — infolge der andauernden poſitiven Verſchiebung der Strandlinie — bis zu einer Tiefe verſenkt wird, wo riffbildende 412 Korallen nimmer gedeihen. Die heftigen Strömungen, welche bei Ebbe und Flut in dieſen, die Lagune mit der offenen See verbindenden Kanälen eintreten, fegen alles Sediment aus denſelben hinweg und halten ſie offen. Dieſe Kanäle mögen ſich auch wohl verbreitern und ſchließlich den ganzen Ringwall in einen Kreis iſolierter Inſeln auflöſen. Jede einzelne von dieſen kann dann bei fortgeſetzter poſitiver Ver⸗ ſchiebung der Strandlinie zu einem kleinen Atoll werden. So findet man häufig Ringe von kleinen Atollen, wie z. B. den Mahlos-Mahdoo⸗Atoll, den Maledivenarchipel und andere. Solche Ringe von Atollen ſind meiſt langgeſtreckt, oval, und die kleinen ſekundären Atolle, aus denen ſie beſtehen, ſind eben⸗ falls oval, in der gleichen Richtung orientiert wie die ganze Gruppe, was darauf hinweiſt, daß die Geſtalt der Atolle durch Meeresſtrömungen bedingt wird. Wir treffen jetzt in jenen tropiſchen Gebieten, wo eine poſitive Verſchiebung der Strandlinie ſtattge⸗ funden zu haben ſcheint, eine große Zahl von Wall⸗ riffen und Atollen an, welche aus größtenteils ſtruktur⸗ loſem, mehr oder weniger in Dolomit umgewandeltem Korallenkalk beſtehen. Wir können wohl nicht annehmen, daß die poſi⸗ tive Strandverſchiebung, welcher dieſe Riffe ihre Ent⸗ ſtehung verdanken, alle Teile des Weltmeeres in gleichem Maße betroffen habe, ſondern müſſen vor⸗ ausſetzen, daß dieſe Strandverſchiebungen lokale waren und durch begrenzte Verſenkungen herbeigeführt wur⸗ den. Der geologiſche Bau der Küſten von Indien und Auſtralien (Südweſtküſte Indiens und Nordoſt⸗ küſte Auſtraliens), welche großen Riffgebieten zuge⸗ kehrt ſind, weiſen in der That auf Verſenkungen, lokale Einſtürze der Erdrinde hin, wie ſie ſo häufig ſtattfinden. Dieſen Senkungsfeldern entragen jetzt mächtige, ſteile ſubmarine Kalkgebirge, welche bis an die Meeres⸗ oberfläche heranreichen. Es ſind Wallriffe und Atoll⸗ gruppen: Denkſteine verſunkener Strandlinien und Berggruppen. Die Geologie lehrt uns, daß in früheren Perioden der Erdgeſchichte Korallen exiſtiert haben, welche allem Anſcheine nach ein ähnliches Leben führten wie die jetzt lebenden Korallen. Es werden alſo wohl auch in früheren Zeiten Korallriffe gebildet worden ſein, und wir können erwarten, daß einige von dieſen in⸗ folge der Oscillationen des Meeresſpiegels ſeither trocken gelegt worden ſeien. Um zu erkennen, welche Form ſolche alten, trocken⸗ gelegten Riffe etwa beſitzen dürften, wollen wir an⸗ nehmen, daß durch eine negative Verſchiebung der Strandlinie die gegenwärtigen Riffe an irgend einer Stelle der Erdoberfläche trocken gelegt würden. Der Waſſerſpiegel ſinkt, und immer höher erheben ſich über demſelben die Gipfel der Wallriffe und Atoll⸗ berge. Endlich verläßt das Meer auch die Tiefen zwiſchen den Riffen. Das Land erſcheint nun als eine undulierende Fläche (der frühere Meeresboden), von welcher ſich hohe und ſteile Felsberge erheben. Dieſe ſind kalkig oder dolomitiſch und laſſen keine Humboldt. — Dezember 1890. Schichtung oder andre Struktur in ihrem Gefüge er⸗ kennen. Nur ſelten finden fic) in denſelben ver- ſchwommene Reſte der Korallenſtruktur. Temperaturſchwankungen zerklüften das Geſtein an der Oberfläche. In den entſtandenen Ritzen ge- frierendes Waſſer ſprengt größere Stücke los. Das Waſſer, welches bei jedem Regenguß über die Felſen dahinſtrömt, löſt und ſcheuert, beſonders an den tieferen Teilen der alten Riffe. Es entſtehen Rinnſale und Schluchten. Geröll häuft ſich am Fuß der Berge in immer größeren Maſſen an, während die Verwitte⸗ rung und Abſcheuerung ſchließlich das ganze Riff in eine ſteile, mit zackigen Graten und Zinnen gekrönte Felsmaſſe verwandelt. In der That gibt es genug Berge dieſer Art, die wie die rezenten Riffe teils aus Kalk, teils aus Dolomit beſtehen. Einer Zuſammenſtellung, welche Dr. Frech mir gütigſt zur Verfügung geſtellt hat, entnehme ich, daß Riffreſte zuerſt im Silur auftreten; ſie finden ſich im Unterſilur der Oſtſeeprovinzen, im Oberſilur von Gotland und Chriſtiania, im Wenlocklimeſtone und in der Zone E, in Böhmen. Dieſe Riffe find jedoch ſehr unbedeutend. Eine viel mächtigere Entwickelung erlangen die Korallriffe der Devonformation. Devo⸗ niſche Riffe finden ſich in dem öſtlichen Teile der ſüdlichen Kalkalpen in weiter Verbreitung und bedeu⸗ tender Mächtigkeit, ebenſo in der Eifel, in Weſtfalen, Mähren, Belgien, im Harz und an anderen Orten. In der Nähe von Briſtol finden ſich Riffe, welche dem Kohlenkalk angehören. Die mächtigſte Entfal⸗ tung erlangten die Korallriffe in Europa zur Trias⸗ zeit. Ein großer Teil der nördlichen und ſüdlichen Kalkalpen beſteht aus triaſſiſchen Korallriffen. Auch im Jura wurden im Gebiete der Kalkalpen, z. B. im Salzkammergut, Riffe gebildet. Der Kreideformation gehören die Riffkorallen der Goſauſchichten an, die allerdings keine rechten Riffe bildeten. Auch während der Tertiärzeit wurden Riffe gebildet. Wir ſehen alſo, daß ſeit der paläozoiſchen Zeit an vielen Orten Korallriffe aufgebaut worden find. Das Studium des geologiſchen Baues dieſer alten, trocken gelegten Riffe, deren Inneres durch die Eroſion erſchloſſen iſt, geſtattet einen Einblick in die Ent⸗ ſtehungsgeſchichte der rezenten Riffe. Die großartigſten Korallriffreſte ſind die triaſ⸗ ſiſchen Dolomitberge von Südtirol und wir wollen uns daher dem geologiſchen Bau dieſes Gebirges zu⸗ wenden. Die öſtlichen Dolomiten werden im Norden von dem breiten Drauthal begrenzt. Von der Drauquelle am Toblacher Felde zieht ſich die nördliche Begren⸗ zungslinie unſres Gebirges nach Weſten zum Etſch⸗ thal bei Meran. Hier wendet ſich die Grenze nach Südweſt zum Idroſee. Die Südgrenze erſtreckt ſich vom Lago di Garda in oſtnordöſtlicher Richtung. Im Oſten und Weſten ſind die „Dolomiten“ nicht ſcharf begrenzt, ſondern gehen in die öſtlicheren, bezw. weſt⸗ licheren Teile der ſüdlichen Kalkalpen über. Unſer Gebirge füllt eine Bucht aus, welche von Süden Humboldt. — Dezember 1890. her in die Zentralalpen hineinragt. Dieſe Bucht wird von dem Bozener Porphyrplateau in eine öſtliche und eine weſtliche Hälfte zerlegt. Oeſtlich von dem erwähnten Plateau erlangen die triaſſiſchen Riffe ihre größte Mächtigkeit und hier liegen auch die höchſten Gipfel der Dolomiten. Dieſes ganze Gebirge beſteht aus einzelnen hellen, gelblichen, grauen oder rötlichen Felsmaſſen, die ſteil abſtürzen und entweder ſchmal und klippig, oder breiter und mit kleinen Plateaus gekrönt ſind. Zwiſchen dieſen Felsbergen breitet ſich undulierendes Terrain aus. Deutlich ausgeſprochene Bergkämme von größerer Länge gibt es nicht. Die Gebiete der verſchiedenen, das Gebirge entwäſſernden Flüſſe greifen deshalb in ſehr komplizierter Weiſe ineinander und die Waſſerſcheiden ſind allenthalben durch tiefe Sättel unterbrochen. Dieſer ſtockförmige Bau des Gebirges zeigt deut— lich, daß dasſelbe nicht wie die Zentralalpen durch Faltung horizontal gelagerter Sedimentgeſteine, ſon— dern in anderer Weiſe entſtanden ſein muß. Der größte Teil des im Gebiete der Dolomiten zu Tage ſtehenden Geſteins ijt triaſſiſchen Alters. Der Linie Idroſee-Meran, welche wir bereits als Teil der Grenze unſeres Gebirges kennen gelernt haben, entlang verläuft ein großer Bruch. Der ſüd— öſtlich von dieſem Bruch gelegene Teil der Erdrinde iſt längs des Bruches abgeſunken. Der Bruchrand der nordweſtlichen, ſtehen gebliebenen Scholle bildete an dieſer Stelle den Strand des triaſſiſchen Mittelmeeres. Auch der Nordgrenze unſeres Gebirges zieht ein großer Bruch mit ſtark abgeſunkenem Südflügel ent— lang. Dieſer vom Villnößthal nach Oſten verlaufende Bruch bildete ebenfalls einen Teil des triaſſiſchen Strandes. Auch das Drauthal, welches weiter öſtlich die Nordgrenze bildet, iſt ein alter Bruch mit abge— ſunkener Südflanke; unſer Gebirge iſt im Nordweſten und Norden von Brüchen eingefaßt. Von den Brüchen, welche das Dolomitgebirge durchziehen, ſind die im ganzen oſtweſtlich verlaufen— den Antelao-, Valſugana- und Belluneſer Brüche die wichtigſten. An den meiſten Brüchen iſt die Süd— flanfe abgeſunken. Nur felten begegnet man abge— ſunkenen Nordflanken. Die triaſſiſchen Schichten ſind im Gebiete der Dolomiten nur wenig gefaltet, und obwohl die Ver— werfungen überall zu Aufkippungen der Schichten geführt haben, ſo ſind doch die Abweichungen von der Horizontalen großenteils nur unbedeutende. Das ganze Gebiet iſt eine hinabgeſunkene, ſelbſt zerſprungene Erdſcholle, deren ſüdliche Teile tiefer hinabgeſunken ſind als die nördlichen. Die Bozener Porphyrgebirge entſtanden lange vor der Triaszeit. Zu Beginn der Triaszeit war das Waſſer in der Bucht von Südtirol ſeicht. Dies läßt ſich mit Sicherheit aus dem Charakter der unterſten Stufe der alpin⸗mediterranen Trias, der Werfener Schichten ſchließen. Die Werfener Schichten ſind litorale Bildungen, welche prätriaſſiſchen Schichten, meiſt 413 Bellerophonkalk oder Grödner Sandſtein, aufliegen. Zumeiſt ſind die Werfenerſchichten rote, ſand- und glimmerreiche Schiefer. Nach oben hin werden ſie ſtellenweiſe kalkig und gehen in Bänke von geſchichtetem Kalk mit Ammoniten über. Hieraus iſt zu ſchließen, daß gegen Ende der Werfener Zeit die Meerestiefe zugenommen hat. Die obere Grenze der Werfener Schichten wird durch eine Zone von Rauchwacken und Gipslager markiert, was beweiſt, daß damals die Bucht von Südtirol trocken gelegt worden war. Die Werfener Schichten bilden überall das Fun— dament der triaſſiſchen Gebirge von Südtirol und find in den Eroſionsthälern vielerorts bloßgelegt. Auf die Werfener Schichten folgt zunächſt eine ſchmale Zone von Muſchelkalk. Der Muſchelkalk ijt reich an Ammoniten und anderen Verſteinerungen. Er tritt in zwei verſchie— denen Facies auf: als thoniger oder kalkiger Schiefer und als ſtockförmiger Kalk oder Dolomit. Die nächſte Zone, die Buchenſteiner Schichten, treten ebenfalls in zwei Facies: geſchichtete, ſedimentäre Knollenkalke und ſtockförmige Kalk- oder Dolomitmaſſen, auf. Der Charakter des Buchenſteiner Sediments (Knollenkalk) zeigt an, daß derſelbe in tieferem Waſſer gebildet wurde als das Sediment des Muſchelkalkes. Zu Ende der Buchenſteiner Zeit fanden nahe dem Oſtufer des als Vorgebirge in die Bucht von Südtirol hineinragenden Bozener Porphyrplateaus gewaltige ſubmarine Vulkanausbrüche ſtatt, welche auf weite Strecken hin die Tiefen des Meeres mit vulkaniſchen Tuffen bedeckten. Dieſer Tuff — Augitporphyrtuff — bedeckt das Buchenſteiner Sediment und alles was darunter liegt. Die ftodfirmigen Kalk- und Dolomitmaſſen der Bu— chenſteiner Zone aber ragen aus der Tuffdecke empor, was beweiſt, daß ſie ſchon zur Zeit der Bildung der letzteren in Geſtalt von Stöcken beſtanden haben. Der Tuff bildet einen guten geologiſchen Hori— zont. Ueber demſelben folgen die jüngeren Stufen der alpin⸗mediterranen Trias, die Wengener, Caſ— ſianer, Raibler und Dachſteinkalkſchichten. Im weſtlichen Teile des Gebietes kommen nur die älteren Glieder dieſes Schichtenkomplexes bis zu den Raibler Schichten hinauf vor. Die Marmolada, die Primärgruppe und der Langkofelſtock beſtehen zum größten Teil aus Wengener und Caſſianer Do— lomit. Anders verhält es ſich im Oſten, wo die Gipfel aus Dachſteinkalk aufgebaut ſind. Ja es kommt ſtellenweiſe nahe dem Rande des Gebietes über dem Dachſteinkalk noch Jura vor. Dieſe Formationen, beſonders die Wengener und Caſſianer Schichten, treten wie die Buchenſteiner Schichten in zwei Facies auf: als Sedimente und Stöcke. Die Sedimente ſind meiſt Mergel oder Schiefer, und wir erkennen an den in denſelben enthaltenen Verſteinerungen nicht nur, daß ſie in tieferem Waſſer gebildet wurden als die Buchenſteiner Sedimente, ſondern auch daß die Tiefe während ihrer Ablage— rung zugenommen hat. 414 Numboldt. — Dezember 1890. Die ſtockförmigen Kalk⸗ und Dolomitmaſſen der Wengener und Caſſianer Zone laſſen keine Schichtung erkennen und wechſellagern an ihren Rändern mit dem Sediment. Der Dachſteinkalk iſt deutlich geſchichtet. Die Wechſellagerung der Stöcke mit dem Sediment beweiſt, daß beide gleichzeitig entſtanden ſind. Da nun die aufeinanderfolgenden Sedimentlagen in im⸗ mer tieferem Waſſer gebildet wurden, ſo müſſen auch dieſe Kalk- und Dolomitſtöcke entſtanden fein, während⸗ dem das Waſſer an Tiefe zunahm, mit einem Worte: während einer Periode poſitiver Strandverſchiebung. Dieſe Kalk⸗ und Dolomitſtöcke ſtimmen in Be⸗ zug auf den petrographiſchen Charakter mit rezenten Korallriffen überein. Die trocken gelegten Riffe der Sinaihalbinſel laſſen ſich nur durch das genaue Stu⸗ dium ihrer Tierreſte von gewiſſen triaſſiſchen Dolo⸗ mitſtöcken unterſcheiden. Wir können alſo die triaſſiſchen Dolomitſtöcke von Südtirol als Korallriffreſte in Anſpruch neh⸗ men. Der geſchichtete Dachſteinkalk, der in dem öſt⸗ lichen Teile unſeres Gebietes eine ſo große Rolle ſpielt, dürfte meiner Anſicht nach nicht in Form von Korallriffen entſtanden ſein, ſondern als ein kalkiges Sediment, welches ſich nach dem Abſterben der Ko⸗ rallen auf den Kronen der verſunkenen Riffe während fortdauernder poſitiver Strandverſchiebung anſammelte. Wie dem auch ſei, ſo ſind doch gewiß die Buchenſteiner, Wengener und Caſſianer Kalk- und Dolomitſtöcke Korallriffe, welche während einer Pe⸗ riode poſitiver Strandverſchiebung gebildet wurden. Wir finden alſo, daß der geologiſche Bau des Südtiroler Dolomitgebirges darauf hinweiſt, daß Korallriffe während poſitiver Strandverſchiebungs⸗ perioden entſtehen, und in der That können wir ſagen, daß alle Beobachtungen über rezente, ſowie über foſſile Riffe mit Darwins Senkungstheorie im Einklang ſtehen. Jauniſtiſches über die Hochſeen des Nieſengebirges. Auf der preußiſchen Seite des Rieſengebirges liegen in der Knieholzregion zwei prächtige Seebecken, die unter den Namen des Großen und Kleinen Teichs allgemein be⸗ kannt ſind. Beide Waſſeranſammlungen nehmen den Grund von tiefen Schluchten ein und verdanken ihre Entſtehung lediglich den vom Hochkamme herabrieſelnden Quellen und Schmelzwäſſern. Der kleinere von beiden Seen liegt 1180,2 m über dem Meere und beſitzt eine Flächengröße von 255 a bei einer durchſchnittlichen Tiefe von 10—12 Fuß. Der Spiegel des anderen Sees iſt etwa 40 m höher ge⸗ legen (1218 ü. M.), ſeine Fläche beträgt das Doppelte von der des kleinen Teiches und die Tiefenverhältniſſe ſind gleichfalls in demſelben anſehnlicher. Es gibt einen großen Bezirk am Südende dieſes Sees, wo das Lot erſt bei 23 m aufſtößt. Beide Koppenteiche, der große ſowohl wie der kleine, zeigen auch im Hochſommer eine ſehr niedrige Tem⸗ peratur: je nach der Tageszeit 9—12°. Die Abflüſſe beider Becken vereinigen ſich oberhalb des Dorfes Krumm⸗ hübel und bilden einen Gebirgsfluß (die große Lomnitz), welcher 15 km von ſeinem Quellgebiet entfernt in den Bober mündet. Auf den erſten Anblick hin ſollte man meinen, daß dieſe Seen gar kein lebendes Weſen in ihrem Schoße er⸗ nähren könnten. Ihr Waſſer iſt kryſtallklar, phanero⸗ gamiſcher Pflanzenwuchs iſt nirgends darin zu entdecken; nur ſpärliche Vegetationen von Fadenalgen bemerkt man da und dort. Sondiert man den Grund näher, ſo erweiſt er ſich mit zahlreichen Steinblöcken dicht beſät. Allerdings war es ſchon von alters her bekannt, daß beide Koppen⸗ teiche reich an großen Forellen find, und wo dieſe ge⸗ fräßigen Raubfiſche hauſen, da muß es ja natürlich etwas zum Sattwerden geben. Von dieſer Ueberlegung aus⸗ gehend, unternahm ich vor ſechs Jahren (1884) eine zoolo⸗ giſche Durchforſchung jener beiden Seen, und ich habe die damals erhaltenen Ergebniſſe ſeitdem immer mehr ver⸗ vollſtändigt. Auch für weitere Kreiſe dürfte es von In⸗ tereſſe ſein, die Hauptreſultate, zu denen ich bei dieſen fortgeſetzten Unterſuchungen gelangt bin, kennen zu lernen. Vor einigen Monaten erſt habe ich den kleineren See von neuem abgefiſcht und mit Sicherheit feſtgeſtellt, daß ſeine Bewohnerſchaft jahraus jahrein eine konſtante iſt. Zur gründlichen Durchforſchung beider Waſſerbecken war ſelbſtredend ein Boot notwendig, und dieſes wurde mir von der reichsgräflichen Kameraldirektion zu Herms⸗ dorf am Kynaſt ſeinerzeit bereitwilligſt zur Verfügung ge⸗ ſtellt. Freilich war es mit beträchtlichen Schwierigkeiten verbunden, dieſes Fahrzeug bis in die Höhe von über 1000 m hinaufzubefördern. Aber die muskelkräftigen Arme von acht ſtrammen Gebirgsſöhnen bewirkten den Transport im Laufe eines einzigen Tages. Die Freude war begreiflicherweiſe groß, als ich in Gemeinſchaft mit dem Präparator des Leipziger zoologiſchen Univerſitätsinſtituts, Herrn Alfred Neumeiſter, zum erſten⸗ mal die noch von keinem Fangnetz berührte Waſſerfläche des Großen Koppenteiches umfuhr. Binnen wenigen Mi⸗ nuten ſollten wir ja nun die Hauptfrage entſcheiden, nämlich die: ob denn auch in dieſen abgelegenen Felſenziſternen eine eigentliche Seenfauna in Geſtalt von Schwärmen niederer Krebstiere vorhanden fet oder nicht. Zu dieſem Behufe wurde das Schwebnetz am Hinterteile des Bootes befeſtigt. Nach einigen Kreuz- und Quertouren durch die Mitte des Großen Teiches zeigte ſich ein fingerdicker Boden⸗ ſatz im Netzſacke, der ſich bei näherer Beſichtigung als aus folgenden Spezies beſtehend erwies: Daphnia longispina Leydig (in überwiegender Menge), Chydorus sphaericus O0. F. M., Cyclops tenuicornis (J. und dazwiſchen einige Exemplare von Acroperus leucocephalus Koch. In der Randzone waren auch noch zwei andere Linſenkrebschen (Alona guttata und Alona affinis) zugegen, und in einer Bucht am ſteilen Weſtufer wurde der großaugige Polyphe- mus- Krebs (Polyphemus oculus de Geer) in über⸗ raſchend großer Anzahl vorgefunden. Von Waſſermilben wurde lediglich die rote Varietät von Pachygaster tau- insignitus Lebert erbeutet, ein Tierchen, welches bisher nur aus ſchweizeriſchen und ſkandi⸗ naviſchen Seen bekannt iſt. * Humboldt. — Dezember 1890. An Würmern ergab die Durchmuſterung von Algen— material: Mehrere Rädertiere (Rotifer vulgaris, Philo- dina roseola, Oecistes sp.), einige Turbellarien — dar— unter den merkwürdigen Süßwaſſer-Monotus, Nais elinguis und Dorylaimus stagnalis. Von Protozoen zeigten ſich im Geſichtsfelde des Mikroſkops: Difflugia sp., Glenodinium einctum Lhrb., Amphileptus meleagris und Paramaecium bursaria Focke. Außerdem waren Larven von Mücken (Chironomus), Eintagsfliegen und Phryganiden eine ganz gewöhnliche Er— ſcheinung; ebenſo Waſſerwanzen und kleine Waſſerkäfer. Zu Anfang des Auguſtmonats leben auch zahlreiche Alpenſalamander (Triton alpestris Lawr.) und Kaul— quappen in der ſeichten Uferregion des Großen Koppenteiches. Die Fauna dieſes Sees iſt hiernach entſchieden als arm an Arten zu bezeichnen, aber die wenigen Spezies, die ſich hier oben angeſiedelt haben, treten in ganz erftaun- licher Individuenzahl auf. Dies gilt ganz beſonders von den niederen Krebſen, welche die Mitte des Großen Teiches bis in beträchtliche Tiefen hinab bevölkern und ſich ſtets in dichten Schwärmen beiſammen halten. Trotz mehrwöchentlichen Aufenthalts in der Nähe dieſes Seebeckens und trotz faſt täglicher Forſchungsfahrten auf demſelben ließen ſich doch keine weiteren Ergebniſſe als die hier referierten erzielen. Infolgedeſſen ließ ich das Boot nach dem Kleinen Koppenteiche bringen, der am Ende einer langgedehnten Schlucht liegt, die von der Höhlung des großen Sees durch eine quer vorſpringende Felſenwand getrennt iſt. Dieſes Waſſerbecken enthält ebenfalls Waſſermilben (Pachygaster tau-insignitus, Hygrobates longipalpis), Rädertiere, Borſtenwürmer und kleine Krebstiere (vorwiegend Cyclops rubens Jwr.). Beſonders reich iſt dasſelbe aber an Turbellarien, von denen folgende 15 Spezies von mir feſtgeſtellt wurden: Mesostoma viri- datum M. Sch., Mesost, rostratum Eurb., Macrostoma viride v. Bened., Macrostoma sp., Stenostoma leucops O. Schm., Vortex truncatus Ehrb., V. Hallezii Graff, Gyrator hermaphroditus Zhrb., Prorhynchus stagnalis M. Sch., Pr. eurvistylus Braun, Pr. maximus Zach., Bothrioplana silesiaca Zach., Bothr. Brauni Zach., Monotus lacustris Zach. und Planaria abscissa Jjima. Der bedeutungsvollſte Fund war jener Süßwaſſer— Monotus. Derſelbe kommt in beiden Koppenteichen gleich zahlreich vor als ein behend den Schlamm durchkriechendes Weſen von bräunlicher Färbung und myrtenblattähnlicher Geſtalt. Die größten Exemplare find höchſtens 4 mm lang. Am vorderen Körperende trägt dieſer Strudelwurm ein bläschenförmiges Sinnesorgan, welches in ſeinem Innern einen Gehörſtein (Otolithen) birgt. Ueber dieſem Bläschen ſieht man am lebenden Tier zwei verſchwommene Pigment: flecke, die als primitive Sehwerkzeuge zu deuten ſind. Mitten auf der Bauchſeite zeigt das Tier den in Roſetten⸗ form zuſammengefalteten Schlund, der in einer tafdjen- artigen Einſenkung liegt, aber durch eine Oeffnung blitz— ſchnell hervorgeſtülpt werden kann. Die Nahrung dieſer Würmer beſteht in kleinen Inſektenlarven und winzigen Krebschen, die fie in Maſſen zu ſich nehmen. An Gefräßig— keit ſtehen die Strudelwürmer den Süßwaſſerpolypen voll⸗ 415 kommen gleich, und genau fo wie letztere haben fie einen äußerſt elaſtiſchen, erweiterungsfähigen Körper, reſp. Darmſack. Eine intereſſante Eigentümlichkeit des Monotus la- custris iſt ſein ſporadiſches Vorkommen und ſeine aus— ſchließliche Anweſenheit in Seen, welche klares und niedrig temperiertes Waſſer beſitzen. Nachdem ich dieſes Tier in den Koppenteichen entdeckt und ſicher als einen Monotus beſtimmt hatte, wurde die nämliche Spezies auch im Peipus- jee (Rußland) von Profeſſor M. Braun (Roſtock) vor— gefunden. Profeſſor Dupleſſis-Gouret wies ihn dann in einigen Schweizerſeen (Lac Léman, Lac de Neufchàtel, Lac de Joux) nach, und Profeſſor Fr. Zſchokke (Baſel) konſtatierte ſeine Exiſtenz unlängſt (Juli 1890) auch im See von Partnun auf der Höhe des Rhätikon, jener Ge— birgskette zwiſchen Vorarlberg und Graubünden. Dagegen iſt es noch nicht gelungen, dieſe oder eine andere Mono— tidenſpezies in einer Waſſeranſammlung der Ebene an— zutreffen. i Eine ſolche Vorliebe des in Rede ſtehenden Tieres für kalte (in der ſubalpinen Region gelegene) Seen und der weitere Umſtand, daß dasſelbe mit einer marinen Spezies des Nordens (Monocelis spinosa Jens.) in nächſter Ber= wandtſchaft ſteht, läßt die Annahme gerechtfertigt erſcheinen, daß es einſtmals ein wahrſcheinlich ſehr verbreiteter Be— wohner der zahlreichen Schmelzwaſſerſeen war, die ſich am Schlußakte der Glacialzeit bildeten und die ſowohl unter ſich, als auch mit dem nördlichen Meere durch natürliche Kanäle in Verbindung ſtanden. In ein derartig zuſammen⸗ hängendes Syſtem von größeren und kleineren Seebecken konnte eine anpaſſungsfähige Turbellarienform des Meeres leicht einwandern!) und eine große Verbreitung in den binnenländiſchen Gewäſſern erlangen. Sie vermochte aber andernteils, wenn die einzelnen Seen nach und nach aus Mangel an Waſſerzufuhr verdunſteten und das Klima ſich allmählich erwärmte, nur an ſolchen Oertlichkeiten auszu— dauern, welche annähernd dieſelben Lebensverhältniſſe dar— boten, wie die von den Schmelzwäſſern der baltiſchen Eisſtröme gebildeten Diluvialſeen. Die gegenwärtigen Fund- orte des Monotus lacustris entſprechen dieſer Theorie, und ſo ſtehe ich nicht an, dieſen Plattwurm als einen Fremdling im Süßwaſſer zu betrachten, als ein Relikt der Poſtglacialzeit, in der er höchſt wahrſcheinlich ein überall verbreiteter Bewohner der zahlreichen Landſeen und Gletſcher— bäche war. Gegenwärtig iſt er, wie ſchon geſagt, durchaus auf kühl temperierte Hochſeen beſchränkt, welche ihm ähnliche Lebensbedingungen darbieten, wie ſie in jenen durch Ab— ſchmelzung des Inlandeiſes gebildeten Gewäſſern vorhanden geweſen ſein mögen. Es iſt dies, wie ich ausdrücklich be- tone, lediglich eine Theorie, aber eine ſolche, welche ſowohl das ſporadiſche Vorkommen des merkwürdigen Tieres als auch ſeine Vorliebe für kalte Bergſeen gleich gut erklärt. Cunnersdorf bei Hirſchberg. Dr. Otto Zacharias. ) Wir haben zahlreiche Beiſpiele von derartigen Einwanderungen. Erſt neuerdings (1883) hat uns v. Kennel berichtet, daß im Ortoirefluſſe auf Trinidad — 12 Meilen aufwärts von deſſen Mündung — Mies; muſchelarten, marine Borſtenwürmer und Seekrebſe vorkommen. Ebenſo entdeckte der nämliche Forſcher in vollſtändig ausgeſüßten Tümpeln hinter den Dünen am Strande lebenfalls auf jener Inſel) kleine Quallen, alſo typiſche Meeresformen. 416 Humboldt. — Dezember 1890. Sortſchritte in den Katurwiſſenſchaften. Vhyſtl. Von Profeffor Dr. H. von Fuchs in Preßburg. NMünſtliche Swillingsbildung. Partielle söſungen von Metallen in Metallen. Nickel diffundiert in Siſen. Durch Druck diffundierende Metalle. Einfluß des Druckes auf Geſteinsbildung. Deformation drr Erde. Imitation der Marskanäle. Fortpflanzungsgeſchwindigkeit von Exploſions⸗ ſtößen im Waſſer. Photographie durch enge Geffnungen. Phosphorescenz der Netzhaut. Meſſungen der Pendelablenkungen mittels Farben dünner Blättchen. Teleſkopiſche Meſſung des ſcheinbaren Durchmeſſers mittels Interferenzſtreifen. Waſſer- und Vohlenſäureſpektrum der Gasflammen. Wiedemanns Theorie des Leuchtens der Flammen. Brechungsvermögen und Wertigkeit der Metalle in gelöſten Salzen. Wärme⸗ leitungspermögen von Geſteinen. Elektriſche Gaſe. Verfärbung des Dampfſtrahls durch Elektrizität. Söſung der Metalle in der Elektrolyſe. Aggregation. Bekanntlich hat Baumhauer gezeigt, wie man lediglich durch den Druck einer Meſſerſpitze an eine Ecke eines Kalkſpatkryſtalles einen kleinen Zwilling erzeugen kann. W. Thomſon (C. r. 109) weiſt eingehend nach, daß dieſe Erſcheinung ſich einfach erklären läßt, wenn man annimmt, daß die Moleküle in einem regulären Kryſtall tetraedriſch gelagerte Kugeln, in einem hexago⸗ nalen Kryſtall aber tetraedriſch gelagerte Rotationsellip⸗ ſoide (wie die Eier mancher Vögel) ſind. Das Plauſible dieſer Grundanſchauung erkennt man am leichteſten, wenn man fic) daran erinnert, daß ein Rhomboeder ganz das Ausſehen eines nach einer Diagonalen auseinander ge— zogenen oder aber zuſammengedrückten Würfels hat. Thom— fon wendet hier alſo dieſelbe Grundanſchauung Cetraedri- ſcher Aufbau der Kryſtalle aus ellipſoiden Molekülen) an, die ſchon früher K. Fuchs zur Erklärung der Lage der optiſchen Achſen in ſämtlichen Kryſtallſyſtemen verwendet hat. Wie über die Lagerung und Form der Moleküle in einem Kryſtalle, ſo trachtet man auch über die Lagerung, Form und relative Größe der Atome in einem Moleküle ins klare zu kommen. Dieſes Forſchungsgebiet hat wohl ſchon ſeinen beſonderen Namen: Stereochemie, doch fügen ſich die einzelnen Züge, die man bis heute erkannt hat, noch zu keinem halbwegs klaren Bilde zuſammen. Die Legierungen der Metalle zeigen eine große Menge zumeiſt längſt bekannter rätſelhafter Erſcheinungen, zu deren Studium man aber erſt in der neueſten Zeit An⸗ griffspunkte gefunden hat. Bekanntlich muß man Waſſer, in welchem Salz aufgelöſt iſt, beträchtlich unter 0° ab- kühlen, wenn es gefrieren ſoll, und zwar iſt dieſe Erniedrigung des Gefrierpunktes um ſo beträchtlicher, je mehr Salz im Waſſer gelöſt iſt. Für die Erniedrigung des Gefrier- punktes in Löſungen hat die phyſikaliſche Chemie bereits ein Geſetz gefunden, in welchem auch die Molekulargewichte der Stoffe eine Rolle ſpielen. Was iſt aber eine Löſung? Wenn man in ein Gefäß Aether und Waſſer ſchüttet, dann miſchen ſie ſich keineswegs wie Waſſer und Alkohol. Viel⸗ mehr bilden ſich zwei ſcharf geſchiedene Flüſſigkeiten, von denen die eine Waſſer iſt, welches etwas Aether enthält, während die andere Flüſſigkeit Aether iſt, welche etwas Waſſer enthält. Man kann ſagen, die eine Flüſſigkeit fet eine geſättigte Löſung von Aether in Waſſer, die andere eine geſättigte Löſung von Waſſer in Aether. Dieſe Er⸗ ſcheinung iſt nun von K. Fuchs und ſpäter von V. d. Waals der Rechnung unterworfen worden, und es hat ſich gezeigt, daß für die Rechnung es ſich hier um einfache Miſchungen handelt. Wenn die Adhäſion zweier Flüſſigkeiten unter eine beſtimmte Grenze ſinkt, wird die Miſchung eine un⸗ vollſtändige und nimmt die Form von zwei komplemen⸗ tären Löſungen an. Da nun alſo zwiſchen Löſung und Miſchung kein weſentlicher, ſondern lediglich ein formeller Unterſchied zu ſein ſcheint, lag der Gedanke nahe, obiges Geſetz über die Gefrierpunktserniedrigung der Löſungen auf Miſchungen zu übertragen, und Jammann (Zſch. f. phyſ. Ch. 3) verwendete gemiſchte flüſſige Metalle, alſo Legierungen. Daß die Legierungen auffallend leicht ſchmel⸗ zen, d. h. ihr Gefrierpunkt (oder was dasſelbe it: ihr Schmelzpunkt) auffallend tief liegt im Vergleich zu den Schmelzpunkten der einzelnen Beſtandteile, war ja längſt bekannt. Den Erfahrungen diente man am beſten mit dem Geſetze der Löſungen, wenn man die Molekulargewichte gleich den Atomgewichten ſetzte, alſo annahm, daß in jedem Moleküle ſich nur ein einziges Atom befinde. Daß die Moleküle der Metalle in Dampfform einatomig ſeien, ver⸗ mutet man ja ſchon lange. Verwendet wurden bei dieſen Verſuchen die Löſungen von Kalium, Natrium, Thallium, Zink und Wismut in Queckſilber, ſowie die Löſungen von Kalium, Thallium, Silber, Queckſilber, Kadmium, Blei, Gold, Zinn und Palladium in Natrium. Die Rechnungen über Miſchung und Löſung ſind auch auf drei und mehr Flüſſigkeiten ausgedehnt worden unter Annahmen, die am beſten auf einatomige Moleküle paſſen und haben auf überraſchende Erſcheinungen gewieſen. An⸗ derſeits haben Wright und C. Thompſon Legierungen von drei Metallen ſtudiert und Reſultate gefunden, die aber⸗ mals mit den obigen Rechnungen ſtimmten. Wenn man Blei, Zinn und Zink zuſammenſchmilzt, und von Zinn mehr als / des Ganzen nimmt, dann erhält man eine gewöhnliche, homogene Miſchung. Nimmt man aber we⸗ niger von Zinn, dann erhält man wie bei Waſſer und Aether zwei komplementäre Löſungen, die ſcharf getrennt erſcheinen: eine Löſung von Blei in Zink und eine Löſung von Zink in Blei; das wenige Zinn aber erſcheint in bei⸗ den Medien, und zwar in nicht ſehr verſchiedenen Kon⸗ zentrationen. Nun miſchen ſich aber reines Blei und reines Zink faſt gar nicht. Das Zinn alſo (mit welchem ſowohl Blei als Zinn ſich in jedem Verhältnis miſchen) befördert die Miſchbarkeit von Blei und Zink bis zur vollſtändigen Miſchung. Die mathematiſche Formel, welche dieſe ternären Legierungen behandelt, iſt zwar überaus kompliziert, führt aber im weſentlichen zu dem plauſiblen Reſultate, daß im vorliegenden Falle zwei Elemente (Blei und Zink) gegen⸗ einander eine im Vergleich zu ihren Kohäſionen ſehr kleine Adhäſion, gegen das dritte Element (Zinn) aber im Ver⸗ hältnis zu den Kohäſionen eine wenigſtens nicht ſehr kleine Adhäſion beſitzen. Wären alle drei Adhäſionen im Ver⸗ hältnis zu den Kohäſionen ſehr klein, dann würden ſich drei ſcharf geſonderte Medien bilden: Blei mit etwas ge⸗ Humboldt. — Dezember 1890. löſtem Zink und Zinn, Zink mit etwas gelöſtem Blei und Zinn, Zinn mit etwas gelöſtem Blei und Zink. Eine intereſſante Durchdringung zwiſchen Me— tallen hat Fleitmann (Chem. Ber. 22) gefunden. Legt man Nickelblech loſe auf Eiſenblech und erhitzt anhaltend auf Rotglut, dann verſchweißen die Metalle nicht, weil die Berührung nur an wenigen Punkten ſtattfindet. Dennoch dringt Eiſen bis auf „200 mm in das Nickel ein, was kaum anders erklärt werden kann, als daß Eiſen ſich verflüchtigt, dieſer Eiſendampf aber vom Nickel abſorbiert worden ijt, wo⸗ bei eine echte Legierung entſteht. Nickel findet ſich jedoch im Eiſenblech nicht vor; es ſcheint ſich nicht verflüchtigt zu haben. In der Phyſik gilt das allgemeine Geſetz, daß ſtets unter allen möglichen Veränderungen diejenige vor ſich geht, bei der die größte poſitive Arbeit geleiſtet wird. Auf Druck angewendet bedeutet das, daß Druck ſtets ſolche Ver- änderungen hervorruft, bei denen der gedrückte Stoff dem Drucke nachgibt; denn wir ſagen dann, daß ein Druck poſitive Arbeit leiſtet, wenn der drückende Teil vorwärts dringt. Beiſpielsweiſe wird das Volumen des Eiſens kleiner, wenn es ſchmilzt; und wirklich ſchmilzt Eis, wenn man es drückt, und der drückende Stempel vordringen kann. Was dabei im Eis vor ſich geht, davon haben wir keine Ahnung; wir ſehen nur, daß obiges Axiom gültig iſt. Auf ein anderes intereſſantes Beiſpiel macht Spring aufmerkſam (Sill. J. 36). 11 Kupfer und 11 Antimon zuſammengeſchmolzen geben nicht 21 Legierung, ſondern etwas weniger. Es findet alſo Kontraktion ſtatt, wie bei der Miſchung von Waſſer und Alkohol. Andere feſte Stoffe zeigen dieſe Kontraktion bei der Miſchung nicht. Wenn man nun ſolche feſte Stoffe, welche bei ihrer Durchdringung Kontraktion zeigen, in feiner Verteilung (gepulvert) einem ſtarken Druck aus- ſetzt, dann durchdringen ſie ſich thatſächlich. Kupfer und Antimon geben eine Legierung, ohne geſchmolzen worden zu ſein, lediglich infolge des Druckes, und ebenſo kann man ohne Schmelzung, lediglich durch Druck, Bronze aus ihren Beſtandteilen erzeugen. Das Wie iſt hierbei gerade ſo dunkel, wie beim Eisſchmelzen durch Druck. Daß unſer Axiom ſelbſt für Kryſtalliſation und chemiſche Prozeſſe gilt, hat Judd (J. Chem. Soc. 57) an der Hand von petrographiſch-mikroſkopiſchen Wahrnehmungen dar— gethan. Ein amorphes Geſtein kann unter Druck im In— neren der Erde kryſtalliſieren, wenn es in Kryſtallform ein kleineres Volumen hat als im amorphen Zuſtand. Der Druck erzwingt Kryſtalliſation unter Verhältniſſen, die ſonſt zu keiner Kryſtalliſation führen, ſo daß die Kryſtalle ſich wieder auflöſen können, wenn der Druck aufhört. Großer Druck befördert die Löſung von Mineralien, weil Löſung mit Volumverminderung verbunden iſt (11 Salz in 101 Waſſer gibt weniger als 11 1 Löſung); nach Aufhören des Druckes erfolgt dann entſprechend wieder der Niederſchlag. Ge— ſteine nehmen unter großem Druck Waſſer auf, wodurch chemiſche Veränderungen befördert werden. Neue Mine— ralien entſtehen, wenn kryſtalliniſche Beſtandteile von Felſen in der Tiefe aneinander gepreßt werden, wobei die neuen Mineralien augenſcheinlich ein kleineres Volumen beſitzen, als ihr Bildungsmaterial hatte. Wir ſehen, daß unſer Axiom gilt, können aber die Einzelheiten der Prozeſſe nicht durchſchauen. Wie weit ernſte Phyſiker ſchweifen und das nahe Gute überſehen, zeigte der folgende Fall. Spring hatte be— Humboldt 1890. 417 obachtet (Zſch f. phyſ. Ch. 4), daß Kalkſpat, der in Salz⸗ ſäure taucht, von der Oberfläche der Flüſſigkeit viel ener— giſcher angegriffen wird, als von den tiefen Teilen. Andere Körper zeigen Analoges. Hier ſollte ſich eine ge— ſteigerte chemiſche Energie in der Oberflächenhaut offen— baren, und es fiel ſogar das Wort von chemiſcher Ober- flächenſpannung. Klobukow erklärt die Erſcheinung eben- dort einfach dadurch, daß die gelöſten Teile vertikal nach unten abfließen, ſo daß die neue angreifende Flüſſigkeit ſtets an der Oberfläche zuſtrömt. Man ſieht dieſe Strö— mung mit freiem Auge, wenn man ein Stückchen Zucker in Waſſer taucht. Allgemeine Phyſik. Die Geſtalt der Erde und deren Veränderungen werden immer wieder den ver— ſchiedenſten Unterſuchungen unterworfen. Wenn die Erde flüſſig wäre und dem Monde immer dieſelbe Seite zu— wenden würde, dann würden ſich bekanntlich zwei Flut— wellen bilden, deren eine dem Monde zugewendet, die an— dere aber antipodiſch vom Monde abgewendet wäre. Man kann berechnen, wie hoch dieſe Flutwellen wären. Becker fand nun (Sill. Journ. 39), daß die Erde, wenn ſie ſelbſt ſo ſtarr wäre wie Glas, dem Einfluß des Mondes dennoch nicht widerſtehen könnte, ſondern ſich wie eine Flüſſigkeitskugel verziehen würde, nur würden die ent— ſtehenden Flutwellen (wenn man bei einem feſten Körper dieſen Ausdruck gebrauchen darf) nur vier Zehntel der obigen Höhe erreichen. Bei der Feſtigkeit des Meſſings würden die antipodiſchen Wellen auf die halbe Höhe ſinken, aber ſelbſt bei der Feſtigkeit des Stahles bliebe noch ein volles Drittel der Deformation vorhanden. Dieſe Defor— mation der Erde bringt es mit ſich, daß uns die Flut des Meeres kleiner erſcheinen muß, als ſie in Wirklichkeit iſt. Wo nämlich das Waſſer unter der Einwirkung des Mondes ſteigt, hebt ſich gleichzeitig auch die Erdoberfläche, wenn auch bedeutend weniger. Um dieſe Erhebung der Erdober— fläche erſcheint uns die Flutwelle erniedrigt. Um die Faltungen, Zerreißungen und Ueber⸗ ſchiebungen wahrzunehmen und zu ſtudieren, wie ſie die Geologie in der Schicht der feſten Erdkruſte nachweiſt, nahm Daubrée (C. r. 110) einen Kautſchukballon, deſſen Wand am Aequator am dünnſten war und gegen die Pole zu immer dicker wurde. Wurde dieſer kugelförmige Ballon durch Waſſer aufgebläht, dann nahm er die bekannte Form der Planeten mit abgeplatteten Polen an. War der Ballon anfangs in geſchmolzenes Paraffin getaucht worden, welches eine weiche und dennoch genügend ſpröde Kruſte gab, dann bekam dieſes während des Aufblähens Riſſe, welche — und hier liegt für uns das Intereſſanteſte — an die Mars— kanäle erinnerten. Parallele und einander kreuzende Sprünge zeigt übrigens auch alter Kautſchuk, deſſen Ober— haut ſpröde geworden iſt, wenn man ihn ſpannt oder biegt oder beides zugleich thut. Akuſtik. Eine Glocke, die unter Waſſer tönt, ſtößt das Waſſer, und dieſe Stöße pflanzen ſich fort mit einer Geſchwindigkeit, die im Meerwaſſer bei 18“ C. 1525 m per Sekunde ausmacht. Threlfall und Adair (Proc. Roy. Soc., 45) haben das Meerwaſſer nicht mit einer ſchwin⸗ genden Glocke, ſondern mit explodierender Schießbaum— wolle und Dynamit erſchüttert und gefunden, daß die Stöße ſich bedeutend ſchneller fortpflanzen als beim Schall. 53 418 Humboldt. — Dezember 1890. Die Zunahme der Geſchwindigkeit beträgt bei 64 Unzen Schießbaumwolle bereits 32% , alſo etwa ein Drittel der normalen Geſchwindigkeit. Hiermit im Zuſammenhang ſteht wohl eine Beobach⸗ tung von Violle (C. r. 110). Ein einfacher Ton liefert bekanntlich Schallwellen, in denen in ſtetigem Wechſel mäßige Verdichtungen und Verdünnungen auftreten. Bei einem konkreten Geräuſche, z. B. einem Piſtolenſchuß, ent⸗ ſteht jedoch eine ſehr große Anzahl hoher und tiefer Töne, deren jeder einzelne in der Luft eine beſondere Folge von mäßigen Verdichtungen und Verdünnungen erzeugt. Da geſchieht es denn, daß an manchen Stellen die Verdich⸗ tungen von einer ganzen Anzahl von Tönen zuſammen⸗ fallen, ſo daß dort eine außerordentlich ſtarke Verdichtung eintritt, als wäre die Luft durch einen heftigen Exploſions⸗ ſtoß verdichtet worden. Solche potenzierte Verdichtungen haben nun eine vergrößerte Fortpflanzungsgeſchwindigkeit, d. h. die Wellen, welche die Verdichtung ſo groß machen, laufen vor, woraus eine gleichmäßigere Verteilung der Verdichtungen und Verdünnungen, eine einfachere Form der Welle reſultiert. Sobald dieſe Vereinfachung einge⸗ treten iſt, pflanzen ſich alle Töne mit gleicher normaler Geſchwindigkeit fort. Optik. Wenn in einer Wand einer finſteren Kam⸗ mer eine kleine Oeffnung ſich befindet, dann erblickt man an der gegenüber liegenden Wand ein kleines, verkehrtes, aber vollkommen getreues Bild der vorgelagerten äußeren Gegenſtände. Man kann dem Bilde eine ſehr große Schärfe geben, wenn man die Oeffnung ſehr klein macht. Leider iſt das Bild dann ſo lichtſchwach, daß ſelbſt die ſtärkſte exiſtierende Lichtquelle, die Sonne, ein kaum ſichtbares Bild gibt. Porta hat das Bild lichtſtark gemacht, ohne ſeine Schärfe zu vermindern, indem er das kleine Loch durch eine viel tauſendmal größere Konvexlinie erſetzte, deren Zentrum an Stelle jenes Loches trat. Dann werden alle von einem Lichtpunkte ausgehenden auf die viel tau⸗ ſendmal größere Linſenoberfläche fallenden Strahlen den⸗ noch genau in einen einzigen Lichtpunkt vereint. Dieſe Camera obscura hat leider den Nachteil, daß das Bild nicht in allen Teilen gleich ſcharf und überdies verzerrt iſt. Im Anfange der Photographie, als man minder empfindliche Platten hatte, verwendete man ausſchließlich die lichtſtarke Linſencamera mit den ſcharfen Bildern. Vidal (La Nature 18) greift auf die alte, verzerrungs⸗ freie billige Camera zurück und erhält gute Bilder, wenn ſie auch minder ſcharf ſind. Einen höchſt ſonderbaren Verſuch hat Greene (Rep. Britt. Assoc. 1888) gemacht. Das Auge wurde einer elek⸗ triſchen Bogenlampe von 2000 Kerzen Lichtſtärke ausgeſetzt und raſch eine empfindliche photographiſche Platte vor das Auge gehalten. Es ſcheint die Netzhaut phosphoresziert zu haben, denn auf einigen Platten fand ſich ein kleines Bild der glühenden Kohlen, welches die Augenlinſe ſelbſt auf die Platte geworfen hatte. Wenn man zwei gläſerne Adhäſionsplatten, wie man ſie in den Schulmuſeen hat, aufeinander legt, dann ſieht man regenbogenartige farbige Streifen, welche ihre Lage ändern, wenn man die Platten ſtärker aneinander drückt. Wie dieſe Streifen durch Interferenz des Lichtes zu ſtande kommen, läßt ſich hier nicht entwickeln; ſie entſtehen aber darum, weil die Platten einander nicht wirklich berühren, ſondern eine dünne Luftſchicht zwiſchen ſich laſſen. Durch Druck wird dieſe Entfernung zwiſchen den Platten ver⸗ mindert, und die Streifen bewegen ſich nach der Richtung, wo die Entfernung noch etwas größer geblieben ijt; ver— größert man aber die Entfernung der Platten, dann be⸗ wegen ſich die Streifen in entgegengeſetzter Richtung, und zwar kann man dieſe Bewegung mittels geeigneter Appa⸗ rate ſelbſt dann noch verfolgen, wenn die Entfernung be⸗ reits mehrere Millimeter beträgt. So oft die Entfernung der Platten um eine halbe Wellenlänge wächſt, — das ijt bei Anwendung von gelbem Licht (welches man von einer Spirituslampe erhalten kann, in die man Kochſalz geſtreut hat) die außerordentlich kleine Strecke von drei Zehntau⸗ ſendſtel eines Millimeters, — ſieht man einen Streifen paſſieren. Man hat hier ein Mittel, die Aenderungen der Entfernungen bis auf ein Milliontel Millimeter zu meſſen. Laska (Bich. f. Inſtrumentenkunde) demonſtriert und mißt die allgemeine Schwere folgendermaßen. Er befeſtigt an einem Pendel eine vertikale Glasplatte und ihr gegenüber an der Wand parallel und nahe an ihr eine zweite Glas⸗ platte. Wenn man nun der Pendelkugel eine große Maſſe nähert, z. B. mehrere Kilogramm Queckſilber, dann wird vermöge der allgemeinen Schweranziehung das Pendel ſo weit abgelenkt, daß die Aenderung der Entfernung der beiden Glasplatten ſich an der Paſſage von mehreren Streifen erkennen und meſſen läßt. Baille (C. r. 107) wieder befeſtigt eine Glasplatte ſehr nahe über einem Flüſſigkeitsſpiegel und beobachtet an den Bewegungen der Streifen die minimalen Hebungen und Senkungen, welche die Oberflächen der Füſſigkeiten zeigen, wenn ſie der Wir⸗ kung von Magneten ausgeſetzt werden. Eine andere Anwendung der Interferenz des Lichtes macht Michelſon (Phil. Mag. 30). Ein Körper erſcheint uns um ſo kleiner, unter einem je kleineren Sehwinkel wir ihn erblicken. Der Mond erſcheint uns unter einem Seh⸗ winkel von 30 Minuten, oder er hat eine ſcheinbare Größe von 30 Minuten, und einen ſolchen Winkel kann man mittels Teleſkop und geteiltem Kreiſe ſehr gut meſſen. Wenn aber der ſcheinbare Durchmeſſer eines Sternes eine Sekunde wäre, dann hörte alles genaue Meſſen auf, denn in einer Kreisteilung von 1 m Radius iſt eine Sekunde nicht länger als 5 Tauſendſtel Millimeter oder 0,0000048 m. Nun ſchließt Michelſon ein größeres aſtronomiſches Fern⸗ rohr mit einem auf das Objektiv geſetzten Deckel, in welchem in einem gewiſſen Abſtand voneinander zwei Spalte ſind, die man breiter oder enger machen kann. Wenn man die geſchloſſenen Spalten allmählich öffnet, dann erblickt man, falls das Fernrohr auf einen ſehr kleinen leuchtenden Körper gerichtet war, lichte und dunkle Streifen im Teleſkop, welche um ſo heller werden, je weiter die Spalten werden. Merkwürdigerweiſe beginnen auf einmal die Streifen immer dunkler zu werden, trotzdem die Spalten immer weiter werden, alſo immer mehr Licht durchlaſſen, bis die Streifen nach einem Stadium größter Dunkelheit ſich wieder aufzuhellen beginnen. Die erſte Verdunkelung trete in einem beſtimmten Falle dann ein, wenn die Spaltenbreite ein Hunderttauſendſtel der Ent⸗ fernung der Spalten voneinander ausmacht. Dann würde, wie die merkwürdigen Geſetze der Lichtbeugung lehren, Humboldt. — Dezember 1890. 419 der Sehwinkel des Objektes auf obigem Kreis durch einen Bogen von einem Hunderttauſendſtel Meter oder 0,01 mm dargeſtellt, d. h. er betrüge ca. 2 Sekunden. Zahlreiche Verſuche mit verſchiedenen Objekten bewieſen, daß die der— geſtalt mit Spalten bei unberührtem Teleſkop vorgenom— menen Meſſungen 50 — 100 mal genauer waren, als direkte Meſſungen mit Ableſung am Teilkreis. Julius hat einen Preis des Vereines zur Beförderung des Gewerbefleißes in Deutſchland gewonnen mit einer Arbeit über die Licht- und Wärmeſtrahlung verbrannter Gaſe. Julius ſtellte nacheinander verſchiedene Flammen vor einen Spalt, löſte die von dieſer Quelle kommenden Strahlen in gebräuchlicher Weiſe mittels eines Steinſalz— prismas, das ſehr wenig Licht und Wärme abſorbiert, in ein langes Spektrum auf und unterſuchte mittels des feinſten, heute beſtehenden Wärmemeſſers, des Bolometers, Stelle für Stelle die Intenſität der hingeworfenen Wärme. Der Teil des Spektrums, der die unſichtbaren Wärme— ſtrahlen enthält, die länger ſind als die ſichtbaren Licht— ſtrahlen, bildet bekanntlich einen langen Streifen jenſeits des Rot. Die Grenze zwiſchen Licht und Wärme mag bei einer Wellenlänge von 0,8 h, d. h. 0,8 Tauſendſtel Milli— meter liegen, während die kürzeſten ſichtbaren, die violetten Strahlen etwa die halbe Wellenlänge gleich 0,4 p. beſitzen, alſo, um akuſtiſch zu reden, eine Oktave höher liegen. Julius unterſuchte zunächſt die Bunſenſche Flamme, d. i. die nicht leuchtende heiße Gasflamme, mit der die Chemiker arbeiten. Da zeigten ſich denn an zwei Stellen des Wärmeſpektrums eine auffallend hohe Temperatur, ſo— genannte Maxima, und zwar eines bei der Wellenlänge 2,6 p, alſo etwa anderthalb Oktaven unterhalb des erſten Lichtes, und ein zweites, dreimal ſo großes Wärmemaxi— mum bei der Wellenlänge 4,3 p, alſo mehr als zwei Ok— taven unter Rot. Genau an der erſteren Stelle erhält man aber eine hohe Temperatur, wenn man vor den Spalt eine Waſſerſtoffflamme ſtellt, welche bloß Waſſer als Produkt liefert, und genau an der zweiten Stelle erhält man ein Temperaturmaximum, wenn man vor den Spalt eine Kohlenoxydflamme ſtellt, welche bloß Kohlenſäure als Pro- dukt liefert. So war denn das Reſultat gefunden, daß das Leuchtgas, ſo vielerlei und komplizierte chemiſche Stoffe es auch enthält, dennoch nur mit ſeinen Verbrennungs— produkten, Waſſer und Kohlenſäure, ſtrahlt. Als Julius ſodann die leuchtende Gasflamme unterſuchte, zeigte ſich außerdem noch in der Umgebung des Waſſerdampfſpektrums ein langes Gebiet kräftiger Strahlung, welches offenbar den leuchtenden Kohlenteilchen der Flamme zugeſchrieben werden muß. Als die Flamme in verſchiedenen Höhen unterſucht wurde, zeigte es ſich, daß der blaue, nicht leuch— tende Teil am ſtärkſten das Waſſerſpektrum zeigte, dort alſo vor allem der Waſſerſtoff brennt (wie man auch von andern Unterſuchungen her weiß); daß im leuchtenden Teil das Spektrum der glühenden Kohle dominierte; daß das Spektrum der Kohlenſäure aber noch von Stellen erhalten wurde, welche ein Bedeutendes über der Flamme lagen. Merkwürdig iſt noch folgende Wahrnehmung. Julius nahm einen glühenden Platintiegel, welcher Wärmeſtrahlen aller möglichen Wellenlängen in faſt gleichmäßiger Inten⸗ ſität liefert. Die Strahlen ließ er nun durch einen fließen— den Waſſerſchleier gehen, ehe fie ſpektroſkopiſch unterſucht wurden. Da zeigte ſich denn, daß das Waſſer wohl ganze Gebiete des Spektrums geſchwächt, alſo viele Arten von Strahlen abſorbiert hatte; beſonders ſtark abſorbiert zeigte ſich aber gerade dasjenige ſchmale Wellengebiet, welches von heißem Waſſerdampf geliefert wird. Da aber be— kanntlich jedes kalte Gas gerade diejenigen Wellen abſor— biert, die es im heißen Zuſtande produziert, ſo wird er— ſichtlich, daß das Waſſer ſich gegen das Licht ſo verhält, als wäre gasförmiger Waſſerdampf in ihm enthalten. R. v. Helmholtz hat aus derſelben Veranlaſſung Meſ— ſungen über die Strahlung von Flammen ausgeführt und gefunden: Wenn ein Gramm Leuchtgas (etwa zwei Liter) hell verbrennt, dann entſteht ſo viel Wärme, daß man ein Kilogramm Waſſer um 10° C. erwärmen könnte. Von dieſer Wärme werden jedoch nur 8,5 %% zum kleineren Teil als Licht, größtenteils aber als Wärme durch die Flamme ausgeſtrahlt, während die übrigen 91,5% in der ab— ziehenden heißen Luft ſtecken. Ein Gramm Petroleum er— wärmt ein Kilogramm Waſſer um mehr, um 11,4% C., und hievon wird mehr als der doppelte Betrag, nämlich 18,2%, durch die Flamme ausgeſtrahlt. Den Vorgang des Leuchtens hat man ſich nach E. Wiedemann etwa ſo vorzuſtellen: In einem Gaſe fliegen die im Verhältnis zu den Entfernungen ſehr kleinen Mo— leküle unter zahlloſen Zuſammenſtößen mit der Geſchwin— digkeit von Flintenkugeln umher. Oft ſtreifen ſie ſich nur und zittern, ſchwingen, wirbeln die Atome fortwährend unter dem Einfluß der immer wiederkehrenden Zuſammen— ſtöße, und zwar ſind dieſe Atomſchwingungen um ſo ſtärker, mit je größerer Geſchwindigkeit die Moleküle aneinander prallen, je heißer alſo das Gas iſt. Dieſe innerlich zit— ternden Moleküle im Aether aber ſind das, was eine zit— ternde Glocke in der Luft iſt: die Quelle von Wellen, von Strahlen, welche die lebendige Kraft der Glocke, reſp. dem Moleküle abnehmen und in die Ferne tragen. Wenn ſich in der Flamme nun ein Waſſermolekül bildet, dann ſtoßen die Atome unvergleichlich heftiger aneinander, als wenn chemiſch indifferente Moleküle einander ſtören, und wie eine wütend angeſchlagene Glocke ſendet das neu ge— bildete Waſſermolekül ſehr ſtarke Wellen aus, die ebenſo— gut eine charakteriſtiſche Schwingungsdauer und Wellen— länge haben, wie die Schallwelle, welche eine Glocke liefert. Hierbei iſt es offenbar gleichgültig, welchen chemiſchen Ver- bindungen der Sauerſtoff und Waſſerſtoff des einen Moleküls entnommen ſind. Wenn man auf eine ſtark tönende Glocke noch ſo langſam eine Erbſe rollen läßt, wird dieſe dennoch wie geſchoſſen weggeſchleudert; und ähnlich wird ein be— bendes neues Waſſermolekül ein anderes ihm wenn auch ganz langſam ſich näherndes Molekül mit enormer Ge— walt abſchleudern; da aber in der Geſchwindigkeit, mit der die Moleküle eines Gaſes daher fliegen, die Tempe— ratur des Gaſes beruht, ſo wird das neue Waſſermolekül in der oben charakteriſierten Weiſe einen Teil ſeiner un— geheuren inneren lebendigen Kraft an den Aether als Licht⸗ oder Wärmeſchwingungen, einen anderen Teil aber an Nachbarmoleküle abgeben, wodurch die Temperatur des Gaſes erhöht wird. So ſtellt ſich zwiſchen innerer leben— diger Kraft der Moleküle und der Temperatur der Gaſe immer wieder ein gewiſſes Gleichgewicht her, indem ein Zuwachs des einen einen Zuwachs des andern mit ſich bringt. 420 Humboldt. — Dezember 1890. Doumer (C. r. 110) hat das Brechungsvermögen ein⸗ facher Salze in wäſſerigen Löſungen unterſucht und Re⸗ ſultate gefunden, deren jedenfalls große Tragweite man heute noch nicht überblicken kann. Das Brechungsvermögen iſt nicht identiſch mit dem bekannten Brechungsquotienten, wird aber aus dem letzteren berechnet. In einem Kilogramm Salz iſt, wie man annimmt, mehr Aether enthalten, als in einem Kilogramm Waſſer. Dieſem Aetherüberſchuß iſt, wie man annimmt, das Brechungsvermögen proportional. Je ſchwerer die Moleküle des Salzes ſind, auf um ſo weniger Moleküle verteilt ſich dann der Aether. Wenn man aber das Brechungsvermögen eines Salzes mit ſeinem Molekular⸗ gewicht multipliziert, dann erhält man, wie ſich leicht zeigen läßt, eine Größe, welche ein Maß dafür iſt, wie viel Aether⸗ überſchuß auf ein einzelnes Salzmolekül fällt. Dieſes Pro⸗ dukt, das fog. molekulare Brechungsvermögen, iſt der eigent⸗ liche Gegenſtand von Doumers Unterſuchungen. Da ergab ſich denn ein merkwürdiges Geſetz. Wenn in einem Salzmole⸗ kül ein einwertiges Metallatom iſt, z. B. Kalium, und man berechnet für dieſes Salz das molekulare Brechungsver⸗ mögen, dann erhält man eine gewiſſe Zahl. Erſcheint nun in einem andern Salze das Metall mit 2, 3, 4... Valenzen, z. B. Alo mit ſechs Valenzen, dann findet man für dieſes Salz ein 2, 3, 4... mal größeres molekulares Brechungsvermögen. Man gewinnt alſo den Eindruck, als würde das Brechungsvermögen lediglich durch die Metall⸗ atome erzeugt; als beſtände jedes Metallatom aus ſo viel Uratomen, als es Valenzen beſitzt, und als hätte jedes Metalluratom gleich viel Aetherüberſchuß an ſich. In dieſer Weiſe kann man ſich die Doumerſchen Reſultate veranſchaulichen. Dieſe Spekulation enthält aber aktuelle Bedeutung, wenn man ſich erinnert, daß von ganz anderer Seite nachgewieſen worden iſt, daß es überflüſſig it an⸗ zunehmen, daß die Atome einander anziehen. Es genügt anzunehmen, daß der Aether elaſtiſch iſt, und daß die Atome den Aether ſo ſtark anziehen, daß ſie ihn in ihrer unmittelbaren Umgebung verdichten. Die gegenſeitige reſul⸗ tierende (ſcheinbare) Anziehung zwiſchen den Atomen wird dann, wie die Rechnung lehrt, durch dieſelbe Größe be- ſtimmt, wie das Brechungsvermögen: durch den Aether⸗ überſchuß der Atome. Wärmelehre. Das Wärmeleitungsvermögen eines Stoffes zu beſtimmen iſt, wie alle Wärmemeſſungen, eine ſehr ſchwierige Sache. Gaſe laſſen ſich bannen: ſie ver⸗ laſſen ihr Gefäß nicht; Elektrizität läßt ſich bannen: ſie verläßt die Leiter nicht; Lichtſtrahlen halten ſich ſtreng an die Bahnen, die wir ihnen vorſchreiben. Nur für die Wärme gibt es keine Schranken, keine Gefäße, ſie entgleitet nach allen Seiten. Stadler (Inaug.⸗Diſſ. Bern) ſchneidet aus einem Geſtein, deſſen Wärmeleitungsvermögen er be- ſtimmen will, einen Würfel, etwa von der Größe eines Apfels, und gibt ihm eine gewiſſe Temperatur, z. B. in⸗ dem er ihn in ſiedendes Waſſer thut, die Temperatur von 100° ©. Hierauf wirft er ihn in Waſſer von einer tieferen Temperatur, z. B. in Eiswaſſer, oder beſſer noch, er läßt ihn von kräftigen Strahlen von Waſſerleitungswaſſer be- ſpülen. Dann kann die Wärme überhaupt nur in das Kühlwaſſer übertreten, und zwar wird die Abkühlung um ſo raſcher eintreten, je beſſer das Geſtein die Wärme aus dem Innern nach außen leitet, wenngleich die Mathematik zeigt, daß der Zuſammenhang zwiſchen Geſchwindigkeit der Abkühlung in einem beſtimmten Punkte und Wärmeleitungs⸗ vermögen ein ſehr komplizierter iſt. Der Gang der Ab⸗ kühlung in einem beſtimmten Punkte des Innern wurde mittels eines in einen feinen Kanal getauchten Thermo⸗ meters beobachtet. Verſchiedene Stücke von Mineralien gleicher Art zeigten ſehr verſchiedenes Leitungsvermögen; z. B. Granit (Schwarzwald) 0,88, Granit (Baveno) 1,16; Molaſſenſandſtein (dicht) 0,92, Molaſſenſandſtein (minder dicht) 0,44; Trachyt 0,52; Porphyr 0,97; Baſalt 0,68; Marmor 0,88. Elektrizitätslehre. Die Frage nach dem Urſprung der atmoſphäriſchen Elektrizität iſt immer noch ungelöſt, doch mehren ſich die Fälle, wo ein Gas elektriſch wird. Wright (Phys. Soc. Lond. 15. Dez. 1889) zeigt, daß iſo⸗ lierte Gefäße, in welchem ein chemiſcher Prozeß vor ſich geht, bei dem ein Gas frei wird, ſich elektriſch laden, das entweichende Gas alſo notwendig die entgegengeſetzte Elek⸗ trizität zeigt. Wenn beiſpielsweiſe mittels Salzſäure und Zink Waſſerſtoff erzeugt wird, läßt ſich obige entgegengeſetzte Elektrizität auffangen, indem man den Waſſerſtoff durch ein Metallrohr leitet. In Seifenblaſen verlor der Waſſer⸗ ſtoff ſeine Elektrizität erſt nach 4—5 Stunden. Waſſer zeigt der Elektrizität gegenüber ein merkwür⸗ diges, noch unerklärtes Verhalten. Wenn man einen kleinen Springbrunnen ſchwach elektriſiert, dann löſt ſich der Strahl nicht mehr in Tropfen auf, ſondern das Waſſer bleibt zuſammengeballt und drückt den Strahl tief hinunter. Die Elektrizität ſcheint alſo die Oberflächenſpannung des Waſſers bedeutend zu vergrößern. Wenn man den Dampf eines Theekeſſels durch ein Glasrohr von etwa 2 mm Mündungsweite als Strahl entſtrömen läßt (Shelford Bid⸗ well, Meteor. Zeitſchr. 7), und bringt in den Dampf eine elektriſche Kugel oder hält gegen die Oeffnung einen elek⸗ triſchen Spitzenkamm, dann wird der Strahl ſofort braun⸗ rot und behält dieſe Farbe, ſo lange die Elektrizität auf ihn einwirkt. Sogar die ſchwach elektriſch wirkende helle Bunſenflamme vermag dieſe Wirkung zu erzielen. Unter⸗ ſucht man den Strahl ſpektroſkopiſch, dann findet man, daß der Dampf das Violett des durchfallenden Lichtes völlig abſorbiert, und die anſtoßenden Lichtſeiten, blau und grün, weſentlich ſchwächt. Nach der heutigen Theorie des Lichtes läßt dies darauf ſchließen, daß die Waſſer⸗ tröpfchen des Dampfes ſich bedeutend vergrößert haben und einen Durchmeſſer von etwa 0,5 Tauſendſtel Milli⸗ meter erreicht haben. Die Kapillaritätstheorie aber weiſt nach, daß auch dieſe Aenderung der Größe der Tröpfchen ſich durch eine Zunahme derjenigen Kapillaritätskonſtanten erklären läßt, welche man gewöhnlich mit dem Namen der Oberflächenſpannung bezeichnet. Vernon (Chem. News 61) macht auf den merkwürdigen Umſtand aufmerkſam, daß unter den Elementen, welche man bis heute in der Sonne ſpektroſkopiſch nachgewieſen hat, faſt alle elektropoſitiven Elemente vorkommen, wäh⸗ rend alle typiſchen Vertreter der elektronegativen Elemente ziemlich fehlen. Zu dieſem Motiv kann man viele Melo⸗ dien finden, und Vernon erwähnt, daß man annehmen kann, daß die elektronegativen Elemente in der Glut der Sonne in Uratome aufgelöſt worden ſind, daß alſo die Humboldt. — Dezember 1890. 421 Atome um jo leichter in Uratome zerfallen, je mehr elektro— negativ ſie ſind. Wenn man in eine Salzlöſung die Poldrähte einer elektriſchen Batterie taucht, dann ſcheidet ſich das Metall an einem Pol kryſtalliniſch aus. 5 Lehmann (Zeitſchrift für Kryſt. 17) macht darauf aufmerkſam, daß dieſe Erſcheinung am verſtändlichſten wird, wenn man annimmt, daß das Metall, ſobald es aus dem Salz ſich ausſcheidet, in der Flüſſigkeit vorüber— gehend gelöſt wird, daß die Flüſſigkeit hierbei beſtändig überſättigt wird, und daß ſie ſomit das Metall in Kry— ſtallen ausſcheidet. Anthropologie. Von Dr. M. Alsberg in Haffel. Anthropologiſche Unterſuchungen an Wehrpflichtigen in Baden. völkerung Geiſteskrankheit bei verſchiedenen Völkern und Raffen. Skelettreſte aus der Höhle von Gourdan. Gliedmaßen durch die Beſchäftigung. zur Geiſteskrankheit. Die Akromegalie. Paris. Wachstumsverhältniſſe bei oſtaſiatiſchen Völkern. Die Steingeräte und Anochenwerkzeuge der Mjökkenmöddinger. Das germaniſche und vorgermaniſche Dolfselement unter der badiſchen Be— Sin Fall von vollkommenem Hermaphroditismus. Die Form der knöchernen Augenhöhle bei den Mongolen und die Schrägheit des Mongolenauges. Ranfes Unterſuchungen über die Veränderungen der Horperproportionen in verſchiedenen Lebensaltern. Centonzes Unterſuchungen über das os bregmaticum. Anthropologiſche Charaktere der Ainos. Die menſchlichen Beeinfluſſung der Entwickelung der Das „Morelſche Ohr“ in ſeinen Beziehungen AMörpergröße in den verſchiedenen Arrondiſſements von Die megalithiſchen Monumente der Begentſchaft Tunis. Die ſeit 1886 an Militärpflichtigen des Groß— | Einwanderung noch immer durchſchlagen, erblickt Ammon herzogtums Baden vorgenommenen Meſſungen und anthropologiſchen Unterſuchungen, deren Er— gebniſſe Otto Ammon unlängſt in ihrer Geſamtheit ver— öffentlicht hat“), haben zu einigen bemerkenswerten Schlüſ— ſen geführt. Bei einer Vergleichung der von 1886 bis einſchließlich 1889 für die Körpergröße der badiſchen Wehr— pflichtigen gewonnenen Ziffern mit denjenigen aus den Jahren 1840 bis 1864 ſtellt ſich heraus, daß es gegen— wärtig in Baden weniger kleine und mehr große Wehr— pflichtige gibt als vor 2 bis 3 Jahrzehnten. Daraus darf jedoch nicht gefolgert werden, daß die Raſſe jetzt größer iſt als früher, ſondern nur, daß die Bevölkerung raſcher wächſt und ſich früher entwickelt, was ſich aus der beſſeren Ernährung und Körperpflege ohne Schwierigkeit erklärt. Nach Ammon entwickelt ſich das Landvolk im allgemeinen langſamer als die ſtädtiſche Bevölkerung. Während bei letzterer das 14. bis 16. Lebensjahr für den Eintritt der Geſchlechtsreife die Regel bildet, trifft man bei erſterem Leute, bei denen im 20. Jahre die Pubertät noch nicht und ziemlich viele, bei denen ſie noch nicht lange einge— treten iſt. Bezüglich der Größenkurve der badiſchen Wehr— pflichtigen (Linie, welche das prozentuale Verhältnis der Körpergröße zur Geſamtziffer derſelben in graphiſcher Maz nier zur Darſtellung bringt) iſt zu bemerken, daß dieſelbe nicht ein Maximum in der Mitte, ſondern ein oberes und ein unteres Maximum mit einer dazwiſchen liegenden Ein— ſattelung der Größenkurve aufweiſt. Teilt man z. B. die 166 Mann des jüngſten Jahrganges im Amtsbezirke Ueber— lingen in Größenintervalle von 3 zu 3 em, ſo liegt das obere Maximum mit 21% aller Wehrpflichtigen zwiſchen 1,69 und 1,72 m, das untere mit einem gleichen Prozent— fas zwiſchen 1,63 und 1,66 m, während dem Intervall von 1,66 bis 1,69 m erheblich weniger Leute angehören. Am— mon bezieht das obere Maximum auf die germaniſchen Einwanderer, das untere auf die romaniſierte vorgerma— niſche Bevölkerung. In der Thatſache, daß in Baden die große und kleine Statur der verſchiedenen Bevölkerungs- elemente mehr als 1500 Jahre nach der alemanniſchen ) Anthropologiſche Unterſuchungen der Wehrpflichtigen in Baden. Sammlung gemeinverſt. wiſſ. Vorträge. Neue Folge. S. 5, Heft 101, Hamburg, 1890. einen Beweis für die Konſtanz der Vererbung der Körper— größe. Das kurzköpfige Element überwiegt gegenwärtig in Baden in der Weiſe, daß demſelben (brachykephale, hyperbrachykephale, ultrabrachykephale und extrembrachy— kephale Kopfform) nicht weniger als 84% ſämtlicher Wehr— pflichtigen angehören, während 15% auf die mittellange Kopfform und nur 1% auf die Langſchädelform entfallen. Hält man hiermit die Thatſache zuſammen, daß von den aus frühmittelalterlichen Gräbern Badens (fränkiſch-ale— manniſche Reihengräber) zu Tage geförderten Schädeln rund 46% der mittellangen und 23% der Langſchädel— form angehören, ſo ergibt ſich hieraus der Schluß, daß im Laufe der Jahrhunderte die Kopfform eine Veränderung erlitten hat, was nach Ammon auf Raſſenmiſchung zurück— zuführen iſt. Für das germaniſche Bevölkerungselement Badens iſt neben der hohen Statur und der langen bezw. mittellangen Schädelform die helle Komplexion (blaue Augen, blondes Haar und helle Hautfarbe), für das vor— germaniſche oder nichtgermaniſche Bevölkerungselement neben der niedrigen Statur die Kurzſchädelform und dunkle Komplexion (dunkle Haar-, Augen- und Hautfarbe) charak— teriſtiſch. Ammon ſtellt zugleich die Sätze auf, daß die Größe und die helle Farbe der germaniſchen und ſonſtigen ariſchen Völker nicht der nämlichen Urſache, ſondern ver— ſchiedenen Urſachen ihre Entſtehung verdanken und daß Größe und Pigmentierung ſich getrennt vererben. Neben den beiden zuvor erwähnten Typen (germaniſcher und vor— germaniſcher Typus) findet ſich bei einem nicht geringen Prozentſatz der badiſchen Bevölkerung niedrige Statur und Kurzſchädelform zuſammengruppiert mit heller Komplexion und umgekehrt gibt es Individuen, die neben hoher Statur und Langſchädelform bezw. mittellanger Schädelform die dunkle Komplexion aufweiſen. Die germaniſchen Merk— male der badiſchen Bevölkerung finden ſich vorzugsweiſe in der Rheinebene, und zwar beſonders ſtark an der heſſi— ſchen Grenze (fränkiſches Gebiet), in der Lörracher Gegend, auf der Hochebene der Baar und in der Bodenſeegegend (alemanniſches Gebiet); anderexrſeits haben die fremdartigen (vorgermaniſchen) Elemente ihren hauptſächlichen Mittel- punkt im Schwarzwald und in den Albgemeinden ſüdlich von Karlsruhe. Wir müſſen annehmen, daß bei der Ein— 422 wanderung der Germanen, welche als Eroberer zunächſt von den fruchtbaren Tief- und Hochebenen Beſitz ergriffen, die vorgermaniſche Bevölkerung — die zwar keine reine Raſſe mehr geweſen ſein wird, an der jedoch der durch niedrige Statur, Kurzköpfigkeit und dunkle Komplexion charakteriſierte Typus einen hervorragenden Anteil hatte — ſich in die Schwarzwaldthäler und in die Alb zurück⸗ gezogen hat, in welche die Germanen ſpäter nachdrängten. Noch heute läßt ſich an einigen Punkten Badens (wie z. B. im Wieſenthal) die Grenze der alemanniſchen (ger⸗ maniſchen) und der Schwarzwälder (vorgermaniſchen) Be⸗ völkerung auf das genaueſte nachweiſen. Für einige der durch die badiſchen Wehrpflichtigenunterſuchungen feſtge⸗ ſtellten Thatſachen, wie z. B. dafür, daß die blonden Haare in allen Städten etwas zahlreicher auftreten als auf dem Lande und daß im Vergleich zu den ländlichen Bezirken die Langſchädelform (bezw. mittellange Schädelform) in den Städten etwas zahlreicher vertreten iſt als auf dem Lande — für dieſe Thatſachen fehlt es zur Zeit noch an einer ausreichenden Erklärung. Banniſter und Kekkter, Aerzte am Aſyl für Geiſtes⸗ kranke im Staate Illinois (Ver. Staaten Amerikas) ge⸗ langen zu folgenden Schlüſſen bezüglich der Häufigkeit des Auftretens verſchiedener Formen von Geiftes- krankheit bei den Angehörigen verſchiedener Raſſen und Völker: 1. Unter den Angehörigen der weißen Raſſe kommen die mit geiſtiger Depreſſion einhergehenden Gemütskrank⸗ heiten häufiger bei Deutſchen und Skandinaviern vor als bei den Völkern von keltiſcher Abſtammung. Für jene For⸗ men von Geiſteskrankheiten, die mit geiſtiger Aufregung Hand in Hand gehen, gilt aber das gerade Gegenteil. 2. Die progreſſive Paralyſe findet ſich bei allen Völkern und wird durch Raſſe und Nationalität in keiner Weiſe beeinflußt. 3. Die Thatſache, daß in Amerika geiſtige Störungen unter den Eingewanderten weit häufiger vor⸗ kommen als unter den in Amerika Geborenen, hat nichts mit dem Umſtande zu thun, daß dieſe Einwanderer im allgemeinen der weniger günſtig geſtellten Bevölkerungsklaſſe angehören; dieſelbe beruht vielmehr auf der Veränderung der Lebensweiſe und Umgebung, auf den Schwierigkeiten und Enttäuſchungen, welche die Koloniſation mit ſich bringt, auf den Zufällen und Heimſuchungen, denen die Einwan⸗ derer ausgeſetzt ſind, ſowie auf dem Heimweh). Obolonsky berichtet über einen höchſt bemerkenswerten Fall von Hermaphroditismus — wohl der erſte Fall von unzweifelhaftem (wirklichem) Hermaphro⸗ ditismus, der bis jetzt beobachtet wurde. Die Geſchlechtsorgane des in Rede ſtehenden Individuums laſſen einen Penis von 2,5 em Länge erkennen, der zwiſchen 2 Hautfalten angebracht iſt, die an die großen Schamlippen erinnern. Der beſagte Penis iſt zwar undurchbohrt, be⸗ ſitzt aber eine Furche und eine Vorhaut. Unter dem rudi⸗ mentären männlichen Gliede ſieht man 2 kleine Schleim⸗ hautfalten, die den kleinen Schamlippen ähneln, und zwiſchen ihnen den sinus urogenitalis. Letzterer mündet mit einem kurzen Kanal in die Harnblaſe. An der Grenze zwiſchen dieſer Harnröhre und dem sinus urogenitalis findet ſich ) Americ. Journ. for the Study of mental alienation 1890. Humboldt. — Dezember 1890. das veru montanum; zu beiden Seiten des letzteren mün⸗ den die beiden kleineren Oeffnungen der vasa deferentia der Proſtata (Vorſteherdrüſe). Auf der Höhe des veru montanum öffnet ſich eine 2 bis 3 mm weite Oeffnung, die zum Teil von einer Schleimhautfalte (Hymen) bedeckt iſt. Dieſe Oeffnung führt in eine Art von Scheide, die ihrerſeits wieder mit einer Gebärmutter in Verbindung ſteht, deren linkes Horn wohl entwickelt iſt, während das rechte nur eben angedeutet iſt. Auf der linken Seite findet man in einer Falte des Meſenteriums eine mit der Ge⸗ bärmutter kommunizierende Fallopiſche Tube. Das breite Gebärmutterband (ligamentum latum) und ein eierſtock⸗ ähnliches Gebilde ſind ebenfalls vorhanden. Auf der rechten Seite wurde auch ein wohl entwickelter Hoden, dem jedoch der Epididymis (Nebenhoden) abgeht, der aber mit einem vas deferens in Verbindung ſteht, nachgewieſen. Das gleichzeitige Vorhandenſein des Hodens auf der einen, des Eierſtocks auf der anderen Seite, das Vorhandenſein einer Gebärmutter, einer Scheide mit Hymen neben Penis, Hoden und Proſtata ſtempelt dieſes Individuum zu einem wirklichen und vollkommenen Hermaphroditen “ E. T. Hamy beſchreibt jene menſchlichen Skelett⸗ reſte, welche bereits 1871 durch Piette aus der Mauer⸗ grotte von Gourdan (unweit Montrejean) zu Tage geför⸗ dert wurden und bisher nicht genügende Beachtung gefun⸗ den haben. Der größere Teil dieſer Skelettreſte gehört ſpäteren prähiſtoriſchen Epochen an und Hamy hat nur jene Menſchenknochen unterſucht, die man aus tiefen Schich⸗ ten, wo jie mit Reſten von diluvialen Säugern zuſammen angetroffen wurden, zu Tage gefördert hat. An dem Hinterhauptsbein fällt eine Abplattung auf, die ſich nicht nur auf die Spitze des beſagten Knochens beſchränkt, ſon⸗ dern, wie bei den Schädeln von Cromagnon ebenfalls nach- weisbar iſt, die ganze hintere Hälfte der Scheitelbeine noch mitbetroffen hat. Auch an der Baſis des Hinterhaupts⸗ knochens findet ſich eine deutlich ausgeſprochene Abplattung, die derjenigen entſpricht, welche man an den Schädeln aus den Felſengrotten des Vézèrethales beobachtet hat. Wie bei dem alten Mann von Cromagnon bildet an den Schä⸗ deln aus der Grotte von Gourdan die obere Hinterhaupts⸗ leiſte einen ſtarken Wulſt, unter dem die Anſätze der Nackenmuskeln deutlich hervortreten. Die Stirnbeine be⸗ ſitzen eine durchſchnittliche Dicke von 6 bis 7 mm und weiſen eine ſehr rohe Bildung auf. Die Gefäßlöcher ſind verhältnismäßig weit und zahlreich. Bei einem der Stirn⸗ beine ſind noch Spuren der Mediofrontalnaht erhalten. Ein anderes Stirnbein zeigt in unverkennbarſter Weiſe die Charaktere der Neanderthalraſſe. Die mächtigen Augen⸗ brauenbogen beſchreiben auf jeder Seite eine Kurve, die anfangs ein wenig ſchräg nach außen, oben und zugleich nach vorn verläuft und dann direkt nach außen umbiegt, wobei fie einen offenen Winkel bildet. Zwiſchen den beider⸗ ſeitigen Augenbrauenbogen bleibt eine etwas vertiefte Re— gion (glabella). Die Knochenvorſprünge entſprechen nur zu einem kleinen Teile der Entwickelung der Stirnhöhle, die durch vertikale Scheidewände in 4 Abſchnitte eingeteilt iſt. Die Augenbrauenbogen ſind von dem Reſt der Stirn getrennt durch eine leichte Depreſſion mit nach oben ge— ) Beiträge zur pathologiſchen Anatomie des Hexmaphroditismus hominis. Zeitſchrift f. Heilkunde, Bd. IX, 1890. Humboldt. — Dezember 1890. 423 richteter Konkavität. Hier fest die etwas fliehende (nach hinten gerichtete) Stirnkurve an. Der obere innere Winkel der Augenhöhlen entſpricht nahezu einem rechten. Die Entfernung der beiden Augenhöhlen voneinander beträgt 25 bis 26 mm. Das dritte der in der Gourdanhöhle aufge— fundenen Stirnbeine zeigt eine genaue Uebereinſtimmung mit den entſprechenden Teilen eines in der Magdalenen— grotte durch Lartet und Chriſty ausgegrabenen Skelettes. Das vierte Stirnbein endlich zeigt eine bemerkenswerte Aehnlichkeit mit demjenigen der Schädel von Cromagnon. Die zum Teil wohlerhaltenen Partien des Geſichtsſkelettes (Oberkiefer, Jochbogen u. ſ. w) geben uns einen Begriff von der Geſichtsbildung der älteſten Troglodyten Weſt— europas. Demnach erſcheint das Geſicht der letzteren ſeit— lich etwas abgeplattet und in der ſubnaſalen Region nach vorn vorſpringend; auch die Unterkiefer ſind mehr oder weniger prognath. Dieſelben ſtimmen hinſichtlich der Form mit jenen Unterkiefern überein, die von Dupont, de Bie braye, de Puydt und Loheſt rekonſtruiert worden ſind. Nach Hamy tritt in der Gourdanhöhle ebenſo wie zu Arey und in den Höhlen von La Naulette, Spy, Goyet u. ſ. w. als die älteſte nachweisbare Bevölkerung überall die Cannſtatt— raſſe (Neanderthaltypus) auf. Später hat dann eine jüngere und ſtärkere Raſſe ihre Macht über ſämtliche Teile des zentralen und ſüdlichen Frankreichs ausgedehnt; es waren dies jene vorgeſchichtlichen Renntierjäger, die zu Gourdan ebenſo wie in den Felſengrotten des Vézérethals, in der Nähe von Aveyron u. ſ. w. ihre Reſte hinterlaſſen haben und für die der Name „Cromagnonraſſe“ jetzt allgemein eingeführt iſt. Dieſe beiden prähiſtoriſchen Typen: die Raſſe von Cannſtatt (Neanderthalraſſe) und diejenige von Cromagnon bezeichnen für Frankreich die beiden letzten Phaſen der Diluvialperiode ). Bei ſeinen Unterſuchungen““), die dahin zielen, die zwiſchen der Form der knöchernen Augenhöhle und der Schrägheit des Mongolenauges beſtehenden Beziehungen kennen zu lernen, gelangt E. Regalia zu folgenden Schlüſſen: 1. Das Thränenbein ſteht bei den Mongolen tiefer als bei anderen Raſſen. 2. Der Teil des unteren Augenhöhlenrandes, welcher durch das Jochbein gebildet wird, ſteht bei den Mongolen mehr nach außen als der tiefſte Punkt der Orbita. 3. Derjenige Teil des unteren Augenhöhlenrandes, der durch den Oberkiefer gebildet wird, iſt nach unten tief ausgebogen ſtatt geradlinig. 4. Im allgemeinen verläuft jedoch der untere Augen— höhlenrand in horizontaler und nicht etwa in ſchräger Richtung. 5. Der obere Augenhöhlenrand ſtatt von der Stirn- beinlinie allmählich zur Stirnbein-Wangenbeinnaht abzu⸗ fallen, ſteigt vielmehr anfangs etwas an, um ſich dann erſt nach außen hin abwärts zu ſenken. 6. Die größte Höhe der knöchernen Augenhöhle be— findet ſich in ihrem inneren Drittel. 7. Jener Vorſprung an der inneren Fläche des Joch— beins, an den das äußere Augenhöhlenband (ligam. palpebr. extern.) befeſtigt iſt, iſt bei den Mongolen erheblich höher ) Etudes sur les ossements humains trouvés par M. Piette dans la grotte murée de Gourdan. Revue d’Anthrop. 1890, p. 257 ete. ) Archivio per l’Antropologia e la Etnologia T. VIII. gelegen als beim Europäer und entſpricht dem höchſten Punkte der Oberkiefer-Thränenbeinnaht. 8. Da das Thränenbein des Mongolen in einer Lage angebracht iſt, die unterhalb der durch den Wangenhöcker (tuberositas malaris) des Jochbeins gelegten Horizontal- ebene ſich befindet, ſo ergibt ſich hieraus die Notwendig— keit, daß beim Mongolen der Thränenkanal und infolge deſſen auch der innere Augenwinkel tiefer ſtehen muß als der äußere Augenwinkel. In ſeiner bahnbrechenden Arbeit: „Ueber die Körper— proportionen der bayriſchen Bevölkerung“ “) unterſucht Yo- hannes Ranke zunächſt die Veränderungen der Körper— proportionen (Größenverhältnis der Körperteile zu einander) in verſchiedenen Lebensaltern. Wenn man die Größe des Rumpfes (gemeſſen von dem Stachel des 7. Halswirbels bis zum Mittelfleiſch bezw. bis zur Mitte einer die beiden Sitzhöcker miteinander verbindenden Linie) mit der Geſamtkörperlänge vergleicht, ſo findet man, daß infolge des bedeutenden Wachstums des Kopfes das Verhältnis des Rumpfes zur Geſamtkörperlänge (letztere zu 100 angenommen) beim Fötus während der beiden Monate, welche der Geburt unmittelbar vorausgehen, von 38,1 auf 36,8 herabſinkt. Während der erſten Jahre nach der Geburt wächſt dann aber der Rumpf dermaßen, daß ſein Verhältnis zur Geſamtkörperlänge auf 42,5 ſteigt. Vom 4. Lebensjahre an ſinkt infolge des rapiden Wachs— tums der Beine das Verhältnis des Rumpfes zur Geſamt— körperlänge allmählich wieder bis auf 36,3. Die geringe Länge des Rumpfes iſt nach Ranke als Zeichen einer höheren Entwickelung aufzufaſſen, da ſie für den menſch— lichen Typus charakteriſtiſch iſt zund denſelben von der tieriſchen Bildung und der Bildung des menſchlichen Em— bryo unterſcheidet; andererſeits iſt die Kürze der Extremi— täten das Merkmal einer niederen, dem Embryonalzuſtande naheſtehenden Entwickelung; auch muß die bedeutende Ent— wickelung der Beine im Vergleich zu derjenigen der Arme als Zeichen einer hohen Entwickelung aufgefaßt werden. In Europa iſt der Rumpf des Weibes verhältnismäßig etwas länger als derjenige des Mannes; auch haben Weisbach und Ranke übereinſtimmend feſtgeſtellt, daß die relative Länge der Extremitäten beim Weibe etwas geringer iſt als beim Manne. Unverkennbar iſt der Einfluß, den die Beſchäftigung auf die Entwickelung der Extremitäten aus- übt. Bei Perſonen des Arbeiterſtandes und Bauern be— trägt die Länge der oberen Extremität 43,41 %, bei Per- ſonen, die vorwiegend geiftig thätig find, dagegen nur 42,6% der Geſamtkörpergröße. Bei den Seeleuten, die vorzugs— weiſe die unteren Extremitäten anſtrengen, beträgt die Länge der Arme 43,2 ¾, diejenige der Beine 47,5% der Geſamtkörpergröße; zugleich iſt bei den Seeleuten der Rumpf kürzer als bei den Perſonen des Arbeiterſtandes und den Geiſtesarbeitern. Das Wachstum der einzelnen Segmente der Extremitäten folgt demſelben Geſetze wie dasjenige des Rumpfes, indem während des Fötallebens der Vorderarm (inkl. Hand) anfangs länger iſt als der Oberarm. Später kehrt ſich das Verhältnis um und am Ende des erſten Lebensjahres beträgt die Länge des Vorder— arms und der Hand nur 83,3% (die Länge des Ober— +) | Beiträge zur Anthropologie und Urgeſchichte Bayerns. Bd. VIII, Heft 1 und 2. 424 Humboldt. — Dezember 1890. armes zu 100 angenommen). Im Alter von vier Jahren beträgt das beſagte Verhältnis infolge des bedeutenden Wachstums des Oberarms nur noch 67%. Dann ändern ſich die Proportionen wieder ein wenig, fo daß beim Gr- wachſenen der Vorderarm zum Oberarm im Verhältnis von 72,4: 100 ſteht. Während des Fötallebens und der erſten zwei Lebensjahre iſt der Unterſchied zwiſchen der Länge des Oberſchenkels und derjenigen des Unterſchenkels (inkl. Fuß) nur ein geringfügiger, aber vom zweiten Lebens⸗ jahre an wächſt der Oberſchenkel dermaßen, daß vom ſechſten bis zum neunten Lebensjahre letzterer zum Unter⸗ ſchenkel im Verhältnis von 100: 79 ſteht; dann wächſt der Unterſchenkel ſeinerſeits wieder etwas ſchneller, dergeſtalt, daß im ermachjenen Alter die Länge des Unterſchenkels beim Manne 83,2 %/o, beim Weibe nur 80% p der Ober— ſchenkellänge beträgt. Bei den Kulturvölkern ſteht das Weib durch die Schmalheit der Schultern, die geringe Ent⸗ fernung der Bruſtwarzen voneinander, die geringe Kapa⸗ zität des Bruſtkaſtens und andere Eigentümlichkeiten dem kindlichen Typus nahe. Ebenſo wie bei den höher ſtehen⸗ den Menſchenraſſen erklärt ſich auch bei den niedrig ſtehen⸗ den Raſſen und Völkern die Verſchiedenheit der Propor⸗ tionen, welche die einzelnen Körperteile unter ſich auf⸗ weiſen, durch eine vollkommenere oder unvollkommenere Entwickelung. Man kann häufig konſtatieren, daß die niederen Raſſen, wie z. B. die Neger und Auſtralier, in ihren Körperformen keine Affenähnlichkeit, ſondern im Gegenſatz zu der weißen Raſſe häufig eine Uebertreibung der eigentlichen menſchlichen Charaktere zu erkennen geben. Bei den unziviliſierten Völkern iſt allerdings inſofern eine Annäherung an den Affentypus vorhanden, als bei den⸗ ſelben die obere Extremität durchſchnittlich länger iſt als bei den Kulturvölkern; im allgemeinen gelangt man aber, wenn man die Länge der Extremitäten bei den Kultur⸗ völkern und Naturvölkern am Skelette vergleicht, zu dem Schluß, daß die Raſſenunterſchiede geringfügig ſind und durch die individuellen Unterſchiede vollſtändig in den Hintergrund gedrängt werden. Das os bregmaticum (vom deutſchen Anthropo⸗ logen gewöhnlich als „vorderer Fontanellknochen“ beſchrie⸗ ben, wegen der ihm ehedem zugeſchriebenen Wirkung auf Heilung der Epilepſie wohl auch als os antiepilepticum bezeichnet) wird von dem italieniſchen Anthropologen M. Centonze zum Gegenſtand eingehender Unterſuchungen gemacht, denen derſelbe einige chronologiſche Bemerkungen, betr. die Kenntnis dieſer Abnormität, vorausſchickt. Als Entdecker des Bregmaknochens wird ein gewiſſer Quintero bezeichnet; auch Paracelſus foll bereits von demſelben Kenntnis gehabt haben. Die erſte Abbildung dieſes Ge⸗ bildes hat Tarin in ſeiner Oſteographia (Paris 1753) ge⸗ geben. Nach der von Centonze gelieferten Beſchreibung, welche ſich auf vier der Univerſitätsſammlung zu Neapel angehörige Schädel ſtützt, variiert die Geſtalt des vorderen Fontanellknochens ſehr bedeutend, indem derſelbe bald drei- eckig, bald trapezförmig oder oblong auftritt. Gruber be⸗ obachtete außerdem noch verſchiedene andere Formen, wie runde, ovale, T-förmige und biskuitförmige. Centonze gelangt durch ſeine Unterſuchungen zu dem Schluß, daß die rechtwinklige Form die urſprüngliche iſt und verweiſt aus dieſem Grunde führt er den Bregmaknochen auch auf Atavismus zurück. Die übrigen Modifikationen in der Form des in Rede ſtehenden Knochens ſind als Folgen einer ſtärkeren oder ſchwächeren Entwickelung der angrenzen⸗ den Kopfknochen aufzufaſſen. Wenn ſich nämlich jene vier Kopfknochen, welche die große Fontanelle im fötalen Zu⸗ ſtand einſchließen, gleichmäßig entwickeln würden, ſo würde der an Stelle dieſer membranöſen Haut entſtehende Zwiſchen⸗ knochen ohne weiteres die Form derſelben, alſo rhombiſche Geſtalt annehmen — eine Thatſache, die mit Fiealtis Be⸗ obachtungen an Cebus- und Ateles-Arten vollſtändig über⸗ einſtimmt. Nun ſynoſtoſiert aber beim Menſchen die Stirn⸗ naht, trotzdem ſie verhältnismäßig ſpät angelegt wird, be⸗ deutend früher als die Interparietalnaht. Der in der Fontanelle entſtehende Schaltknochen ſtößt ſomit in ſeiner weiteren Entwickelung an der Stirnſeite auf Widerſtand, während er nach anderen Richtungen hin unbehindert an Ausdehnung zunehmen kann. Mit dieſer Theorie Centonzes harmoniert auch das ausſchließliche Vorkommen von rhom⸗ biſchen Zwickelbeinen bei den ſogenannten Kreuzköpfen (Per⸗ ſonen mit Erhaltung der Kranznaht und der das Stirn⸗ bein in zwei Hälften zerlegenden Knochennaht). Hier, wo die Stirnnaht poſtembryonal noch offen bleibt, wird dem Wachstum des Oſſifikationspunktes nach dieſer Richtung hin kein Widerſtand entgegengebracht. Auch Gruber hat einen rhombiſchen Bregmaknochen beſchrieben, der zuſammen mit erhaltener Stirnnaht aufgetreten iſt. Die Frage, ob das os bregmaticum von einem normalen Verknöcherungs⸗ punkte ſeinen Ausgangspunkt nimmt, wird von Centonze verneint. Für die Entſtehung des Fontanellknochens aus einem beſonderen — alſo anormalen oder überzähligen — Oſſifikationszentrum glaubt Centonze ein Analogon bei den Cebiden zu finden. Bei dieſen Affen exiſtiert nämlich in dem in ſeinen mittleren Partien in die Länge gezogenen Stirnbeine — und zwar gerade in jenem Teile der ſich keilförmig zwiſchen die Seitenwandbeine hineinſchiebt — ein beſonderer Verknöcherungspunkt für dieſe Stirnbein⸗ partie, welcher dem Oſſifikationszentrum des menſchlichen os bregmaticum entſprechen dürfte. Hierdurch gewinnt die Auffaſſung von einem ataviſtiſchen Urſprung dieſes Knochens eine thatſächliche Unterlage. Was die Häufigkeit des Vorkommens des os bregmaticum anlangt, ſo fand Centonze dieſe Anomalie bei 1% der von ihm unterſuchten Schädel, Gruber und Sergi fanden dieſelben nur bei 0,5 % aller von ihnen unterſuchten Schädel. Bemerkenswert iſt, daß der Fontanellknochen faſt ausſchließlich bei männlichen Individuen vorkommt). ' j Die ſogenannten „Degenerationszeichen“, d. h. das Zuſammentreffen von abnormen anatomiſchen Merkmalen mit Symptomen von Geiſtesſtörung, bezw. mit dem Hang zum Verbrechen, find ſowohl von ſeiten der Pſychiater als auch ſeitens der Anthropologen neuerdings vielfach zum Gegenſtande wiſſenſchaftlicher Unterſuchungen gemacht wor⸗ den. In einer unlängſt erſchienenen Schrift“!) wird nun von Binder die Verbildung der Ohrmuſchel als echtes ) Vergl. L’osso bregmatico. Studio de Michele Centonze. Sonderabdruck aus der Societa Italiana delle Scienze, Tome VIII, Serie 3a, No. 3. **) Das Morelſche Ohr. Eine pſychiatriſch-anthropologiſche Studie. hierbei auf ein ähnliches Vorkommnis bei den Säugetieren; | Berlin, 1889. Hirſchwalds Verlag. Humboldt. — Dezember 1890. 425 stigma hereditatis, d. i. als charakteriſtiſches Merkmal einer erblichen Belaſtung, bezw. einer Anlage zu Geiſtes— krankheit hingeſtellt. Nach dem franzöſiſchen Irrenarzt Morel, der die in Rede ſtehende Abnormität zuerſt be— ſchrieben hat, werden von Binder alle hier in Frage kom— menden Mißbildungen der Ohrmuſchel unter dem Kollektiv— begriff: „Morelſches Ohr“ zuſammengefaßt. Das nicht deformierte, nur mit der Wangenhaut verwachſene Ohr— läppchen betrachtet Binder nicht als ein für Geiſteskrank— heit, bezw. für erbliche Dispoſition zu geiſtiger Störung charakteriſtiſches Merkmal, ſondern nur als ein Zeichen geiſtiger Inferiorität. Dasſelbe ſoll bei Perſonen, die ſich hinſichtlich ihrer geiſtigen Veranlagung über das Niveau des Durchſchnittsmenſchen erheben, relativ ſelten vorkommen. Dagegen ſoll das unter ſpitzem Winkel in die Wangenhaut übergehende, ſowie das gänzlich fehlende Ohrläppchen mit geiſtiger Störung relativ häufig foincidieren. Von Geiſtes— kranken überhaupt weiſen 58 /½, von erblich belaſteten Irren im ganzen 59%, von nicht belaſteten Irren im ganzen 56% das Morelſche Ohr auf. Faßt man das „angelötete Ohrläppchen“ ebenfalls als Degenerations— zeichen auf, ſo ergibt ſich aus den Berechnungen ein noch höherer Prozentſatz der Koineidenz von Geiſteskrankheit und Ohrdeformation. Wenn von anderer Seite darauf hingewieſen wird, daß auch bei Nichtgeiſteskranken Miß— bildungen der Ohren beobachtet werden, ſo entledigt ſich Binder dieſes Einwurfs durch den von ihm geführten Nach— weis, daß er an den 33 im Laufe der Jahre außerhalb der Irrenanſtalt beobachteten Trägern abnorm geſtalteter Ohren ſtets feſtſtellen konnte, daß dieſelben entweder von geiſteskranken Eltern abſtammten oder geiſteskranke Ge— ſchwiſter beſaßen oder ſchließlich ſelbſt geiſtig Verkrüppelte oder Trunkenbolde waren, und daß der größere Teil dieſer 35 Perſonen früher oder ſpäter in einem Irrenhauſe Auf— nahme gefunden hat. Von nicht geringem Intereſſe ſind die neuerdings über Akromegalie (krankhaften Rieſenwuchs) von ver— ſchiedenen Gelehrten angeſtellten Unterſuchungen “). Die im Jahre 1886 von P. Marie (Paris) zuerſt beſchriebene Ab— normität äußert ſich in der Weiſe, daß meiſt im jugend— lichen und mittleren, zuweilen erſt im ſpäteren Lebensalter die Füße und Hände entweder zu gleicher Zeit oder bald nacheinander größer, plumper und unförmlicher werden. Die Fuß- und Handgelenke nehmen an Umfang zu, ebenſo die Unterſchenkel und Vorderarme, während die dem Rumpfe benachbarten Teile der Extremitäten mehr oder weniger verſchont bleiben. Charakteriſtiſch für die Akromegalie ſind insbeſondere die tatzenartige Entwickelung der Rieſen— hände, die dicken, oft kolbig aufgetriebenen Finger, die ver— breiterten gerieften Nägel, die an Elefantiaſis erinnernde Formveränderung der Unterſchenkel und der gigantiſchen Füße und Zehen. Bald kommt es auch zu Veränderungen im Geſicht, wo die Vergrößerung der Naſe, der Lippen, das Hängen der gewulſteten Unterlippe und das Vortreten des Unterkiefers beſonders in die Augen fallen. Auch eine Vergrößerung der Zunge und dadurch bedingte plumpere ) W. A. Freund, Ueber Akromegalie, Sammlung kliniſcher Vor⸗ träge, Leipzig 1890. R. Virchow, Vorſtellung eines Falles und eines Skelettes von Akromegalie, Sitzungsb. der Berliner med. Geſ. vom 16. Jan. 1890. Humboldt 1890. Sprache, eine mehr längsovale Form des Geſichtes, ſowie eine durch Veränderungen an der Wirbelſäule bedingte gebückte Haltung ſind charakteriſtiſche Merkmale der in Rede ſtehenden Abnormität, welche im weſentlichen auf das übermäßige Wachstum gewiſſer Knochen zurückzuführen iſt. Indeſſen iſt zwiſchen partiellem Rieſenwachstum (Akro— megalie) und allgemeinem Rieſenwuchs ſtreng zu unter— ſcheiden. Beim normalen Menſchen verhält ſich die Fuß— länge zur Körperlänge wie 1:6, bei univerſalem Riejen- wachstum wird dieſes Verhältnis entſprechend der Zunahme der Körperlänge abnehmen, bei partiellem Rieſenwachstum dagegen nimmt es zu. Als Urſache des exzeſſiven Knochen— wachstums haben die Sektionen einiger mit Akromegalie behafteter Perſonen eine Hyperplaſie und Oſteophytenbil⸗ dung des Knochengewebes ergeben. Mit den Veränderungen in den Knochen ſcheint Hyperplaſie des Bindegewebes und exzeſſive Proliferation des Blutgefäßapparates der ver— größerten Körperteile, ſowie Hyperplaſie der Thymusdrüſe und der Hypophyſis des Gehirns nicht ſelten Hand in Hand zu gehen. Das exzeſſive Wachstum des Unterkiefers bei gewiſſen Akromegaliſchen bildet nach Freund eine Pa— rallele zu den Wachstumsverhältniſſen des Unterkiefers bei den Anthropoiden, die bekanntlich in ihrer Jugend dem Menſchen am ähnlichſten ſind, bei denen aber mit zu— nehmendem Alter infolge des ſchnauzenartigen Vorſpringens des Unterkiefers ihre abſchreckende tieriſche Geſtalt immer mehr zu Tage tritt. Sowohl die eben erwähnte Analogie zwiſchen dem Kieferwachstum der Akromegaliſchen und der Anthropoiden wie auch der Umſtand, daß bei den mit Akromegalie Behafteten ebenſo wie bei den niederen Men— ſchenraſſen das zwiſchen der Länge des Oberarms und der— jenigen des Vorderarms beſtehende Verhältnis ſich zu Gunſten des letzterwähnten Körperteils verändert, verleihen der Auffaſſung der Akromegalie als eines ataviſtiſchen Vor— ganges (Rückſchlages auf die Vorfahren des heutigen Men— ſchen) noch eine beſondere Stütze. Die Thatſache, daß bei Akromegaliſchen eine gewiſſe Anlage zur Erweiterung und Wucherung der Blutgefäße vorhanden iſt, ſteht mit obiger Auffaſſung nicht in Widerſpruch, ebenſo wie auch vieles zu Gunſten der von Pruner Bey vertretenen Anſicht ſpricht, derzufolge die enorme Entwickelung jener Teile des Neger— geſichts, welche durch ihre Ausdehnung und ihr Vorſpringen auf einen Rückſchritt in der Bildung hinweiſen, nämlich die Entwickelung der Kiefer und Schläfenbeine, auf einer Vergrößerung der dieſe Teile mit Blut verſorgenden äußeren Halsſchlagader (carotis externa) beruhen ſoll. Ueber die körperlichen Eigentümlichkeiten der Ainos (Bevölkerung Yezos, der nördlichſten der japani— ſchen Inſeln) haben Lefevre und Collignon neuerdings Unterſuchungen ?) angeſtellt, welche über dieſen bisher wenig bekannten Volksſtamm Licht verbreiten. Die Ainos ſind vierſchrötige und kräftige Leute, an Körpergröße (fie meſſen durchſchnittlich 1,66—1,68 m) und Muskel- kraft den Japanern weit überlegen. Sie beſitzen nicht das herabhängende Augenlid der mongoliſchen Raſſe; der Augenſpalt iſt vielmehr wie derjenige der Europäer ge— formt. Die Augen ruhen ziemlich tief in ihren Höhlen und werden von gewölbten, nicht-ſchrägen Augenbrauen ) La couleur des yeux et des cheveux chez les Ainos. Revue d'Anthr. 1889, S. 129. 54 426 Humboldt. — Dezember 1890. überragt. Die Wangenbeine ſpringen vor, die Naſe ijt breit aber kurz; auch die knöcherne Naſenapertur iſt breit. Der Mund iſt groß, die Lippen ſind wulſtig. Im Gegenſatz zu dem Japaner weiſt der Aino eine ſehr bedeutende Be⸗ haarung nicht nur am Kopfe, ſondern auch an anderen Körperteilen, insbeſondere am Bauche und an den Beinen auf. Im allgemeinen ähnelt der Aino dem ruſſiſchen Mudſchik aus der Umgebung von Moskau. Beim weiblichen Geſchlecht iſt die Tätowierung der Lippen allgemein ge⸗ bräuchlich. Lefevre und Collignon haben ihre Unterſuchungen an ſämtlichen drei Abteilungen des Ainoſtammes, näm⸗ lich 1. bei den im Südoſten und Süden der Inſel woh⸗ nenden, 2. bei den im Norden dieſer Inſel wohnenden und 3. bei den Ainos von Saghalin angeſtellt und zwiſchen dieſen drei Abteilungen keinen Unterſchied der körperlichen Beſchaffenheit gefunden. Es wurde auch feſtgeſtellt, daß es unter den Ainos weder blonde noch rothaarige Indi⸗ viduen gibt, wie mehrfach behauptet worden iſt, daß ſie vielmehr eine durchgängig ſchwarzhaarige Bevölkerung dar⸗ ſtellen bis zu einem Grade der Homogenität, wie ſolche noch bei keinem zweiten Volke beobachtet wurde. Wenn andere Beobachter bei den Ainos rötliches Haar geſehen haben wollen, ſo muß eine künſtliche Haarfärbung vorge⸗ legen haben. Die Augenfarbe der Ainos iſt durchgängig dunkel. Die Ergebniſſe ſeiner Unterſuchungen über die Körper⸗ größe der Militärpflichtigen der Stadt Paris!) faßt Manouvrier in folgende Sätze zuſammen: Die durchſchnittliche Körpergröße der Militärpflich⸗ tigen iſt in den verſchiedenen Arrondiſſements von Paris verſchieden; dieſelbe bleibt aber für dasſelbe Arrondiſſement in verſchiedenen Jahren die nämliche. Die Körpergröße iſt eine beträchtlichere in den Arrondiſſements mit wobl- habender als in denen mit armer Bevölkerung, woraus ſich alſo der Schluß ergibt, daß die Statur durch die Lebensweiſe beeinflußt wird. Die Durchſchnittsſtatur der aus den wohlhabenden Quartieren ſtammenden Rekruten iſt nicht bedeutender als die allgemeine Durchſchnittsſtatur der franzöſiſchen Bevölkerung; dagegen iſt die Körpergröße der aus den armen Quartieren ſtammenden Militärpflichtigen geringer als die franzöſiſche Durchſchnittskörpergröße. Die Kleinheit der Statur bei der armen Bevölkerung beruht nicht allein auf Wachstumshemmung; es iſt vielmehr wahr⸗ ſcheinlich, daß dieſe Inferiorität auch beim Erwachſenen zur Geltung kommt. : Ueber die Wachstumsverhältniſſe bei oſtaſia⸗ tiſchen Völkern hat B. Hagen unlängſt Mitteilungen“) gemacht. Die von Bälz bei den Japanern gemachte Be⸗ obachtung, derzufolge die Körpergröße der japaniſchen Kinder mit derjenigen der europäiſchen Kinder bis zur Pubertät gleichen Schritt hält, dann aber auffallend zurückbleibt — dieſe Beobachtung hat Hagen auch bei den malayiſchen Völkern beſtätigt gefunden. Die Körpergröße iſt nach Hagen als ein Raſſenmerkmal zu betrachten, das erſt nach der Geſchlechtsreife in die Erſcheinung tritt, während die übrigen Raſſenmerkmale ſchon viel früher, zum Teil ſchon m intrau terinen Leben ſich herausbilden. Der japaniſche *) Sur la Taille des Parisiens. Bull. d. I. Soc. d’Anthr. de Paris. Vol. XI, S. 156. ) Mitt. der Anthr. Geſ. in Wien. Bd. XIX, S. 31 ff. Fötus läßt bereits die typiſche Geſichts- und Schädelbil⸗ dung, ſowie die charakteriſtiſche Hautpigmentierung deut⸗ lich erkennen. Bei den oſtaſiatiſchen Völkern ſcheinen Arm und Bein im allgemeinen in der Altersperiode von 20—25 Jahren ihre größte Entwickelung erreicht zu haben; der Rumpf jedoch wächſt, wenn auch in geringerem Grade, bis in die dreißiger Jahre hinein. Nach den Wachstums⸗ tabellen Quetelets zu ſchließen wachſen die Extremitäten der Europäer noch bis in die dreißiger Jahre ſtärker als der Rumpf, welches Verhalten, wenn richtig, allerdings einen ſehr bemerkenswerten Wachstumsunterſchied dieſer beiden Volksgruppen ergeben würde. Das Bein, welches ſchneller wächſt als jeder andere Körperteil, hat ſeine größte Länge etwas früher erreicht als der Arm, ganz entſprechend den phyſiologiſchen Verhältniſſen, da die ſchwere Arbeit des Armes erſt viel ſpäter beginnt, als diejenige des Beines. Die Pubertät, dieſer für das Wachstum überaus wichtige Vorgang, tritt bei den malayiſchen Völkern gewöhnlich im 14. oder 15. Lebensjahre ein; eine frühere Geſchlechtsreife iſt jedoch ſeltener als eine ſpätere. Bei den Südchineſen ſcheint dieſer Zeitpunkt im allgemeinen noch ſpäter zu fallen. Hagen hat ſehr oft junge Kulis geſehen, die ihr Alter auf 18— 20 Jahre angaben und dementſprechend auch entwickelt waren, die jedoch noch völlig puerile Geni⸗ talien beſaßen. Nur bei den Vorderindiern, ſpeziell bei den Klings (Tamylen) ſcheint die Pubertät etwas früher, etwa um das 13. bis 14. Lebensjahr, einzutreten. Sophus Müller hat neuerdings den Steingeräten der däniſchen Kjökken-Moddinger ein beſonderes Studium gewidmet und insbeſondere jene dreieckigen Stein⸗ objekte, die J. Steenstrup als „Netzſenker“ bezeichnet, unter⸗ ſucht. Im Gegenſatz zu dem letzterwähnten Gelehrten kommt Müller zu dem Schluß, daß die beſagten Geräte nicht der⸗ ſelben vorgeſchichtlichen Epoche angehören, wie die bekannten ſchöngeſchliffenen und fein abgeſplitterten Steinwerkzeuge, ſondern daß dieſelben aus einer älteren Periode ſtammen, wo die geſchliffenen Werkzeuge noch nicht bekannt waren und wo jene rohangefertigten Objekte die einzigen Geräte waren, die dem Menſchen damals zu Gebote ſtanden. Die bekannte „dreieckige Axt“ der Küchenabfallhaufen hat nach Müller zum Holzſpalten gedient und wird von ihm daher als „Spalter“ bezeichnet. Man hat große oder ſcheiben⸗ förmige Spalter und kleine oder ſpanförmige zu unter⸗ ſcheiden. Einige Exemplare konnten wohl auch als Aexte gebraucht werden, ſchmälere wohl auch als Meißel; die Mehrzahl eignete fic) aber nicht zum ſchneidenden Werk⸗ zeug. Die „kleinen Spalter“ und „quergeſchärften Pfeil⸗ ſpitzen“ ragen in die jüngere Periode der Steinzeit (neo⸗ lithiſche Periode) hinein; im allgemeinen bezeichnen aber jene Spalter (dreieckige Steindrte) der Kjökken⸗Moddinger einen älteren Abſchnitt der Steinzeit, wo man die aus⸗ geprägten Gerätformen wie Aexte, Meißel, Sägen, Dolche, Speere u. ſ. w. noch nicht kannte). Auch bezüglich der in den Küchenabfallhaufen Dänemarks aufgefundenen Knochengeräte liegen jetzt neuere Unterſuchungen !“) vor. J. Steenstrup hat ) Werkzeuge mit Schneide aus dem älteren Steinalter. Aus der ſkandinaviſchen Litteratur von J. Mestorf, Kiel 1890. **) Zoologiſche und archäologiſche Beſtimmungen. Aarböger Bd. III, Heft 3. Humboldt. — Dezember 1890. 427 bekanntlich behauptet, daß die Steinzeitmenſchen Däne— marks außer dem Hund noch kein Haustier beſeſſen haben, während Worjaae ſchon vor Jahrzehnten die Meinung ausgeſprochen hat, daß die Bevölkerung Dänemarks in der jüngeren Steinzeit nicht ausſchließlich vom Ertrage der Jagd und des Fiſchfanges ſich ernährt hat. Die Unter— ſuchungen, welche der Zoolog Herluf Winge an den im Muſeum zu Kopenhagen aufbewahrten ſteinzeitlichen Knochen— geräten vorgenommen hat, haben nun ergeben, daß die letzteren teilweiſe aus Knochen von kleinen Wiederkäuern, insbeſondere aus denjenigen der Ziege und des Schafes hergeſtellt ſind. Die Thatſache, daß das Schaf in über— wiegender Mehrheit unter den Geräten vertreten iſt, deutet auf Schafzucht und entſcheidet die oben erwähnte Streit— frage zu Gunſten Worjaacs. Auch Pferdeknochen wurden, wie es ſcheint, damals zur Herſtellung von Knochengeräten verwendet. Bei der Anfertigung der letzteren hat man offenbar einen ſcharfen Flintſpan als Meſſer benutzt. Ge— wiſſe Ornamente von Steinaltergefäßen ſind mit Hilfe der Herzmuſchel (Cardium edule) hergeſtellt, indem die feingezackten Ränder dieſer Muſchel in den weichen Thon eingedrückt wurden. Die bekannten mit „Schlagmarken“ verſehenen Feuerſteinkugeln betrachtet Müller als Wurf— ſteine, wenngleich er zugibt, daß ſie gelegentlich auch als „Quetſcher“ oder „Stößer“ Verwendung finden konnten. Bertholon hat unlängſt eine intereſſante Beſchreibung der megalithiſchen Monumente der Regentſchaft Tunis geliefert. Die im Weſten Tuneſiens ſich findenden Megalithen ſind als die Verlängerung der Dolmenlinie der Provinz Conſtantine aufzufaſſen. Der eigentliche Ver— breitungsbezirk der Dolmen iſt aber das Zentrum der Regentſchaft Tunis; im Süden, Nordoſten und Oſten dieſes Gebiets fehlen dieſelben gänzlich. Eine Anzahl von Dol— men, über die von anderen Beobachtern berichtet wurde, hat Bertholon nicht auffinden können; dagegen hat er andere nachgewieſen, von deren Exiſtenz man bisher nichts gewußt hat, ſo z. B. eine Gruppe von ca. 200 Dolmen in dem nördlich von Medjerda gelegenen Gebiet, die von dort aus unweit Kap El-Mekti das Meer erreicht. Bertholon unterſcheidet in Tuneſien zwei verſchiedene Typen von mega— lithiſchen Denkmälern, nämlich 1. den bedeckten Gang (allée couverte) und 2. die eigentlichen Dolmen. Die Megalithen von Ellez, Meded, Hamman-Soukra, Magraoua und Mukter, die im ganzen eine Area von 18 km Länge umfaſſen, gehören der erſteren Kategorie an. Der am beſten erhaltene bedeckte Gang iſt etwa 15 m lang und 9 m breit. In denſelben öffnen ſich auf jeder Seite drei Gemächer; mit einem am Endpunkt des Ganges gelegenen erſten Gemach findet letzterer ſeinen Abſchluß. Eine Reihe von rings um die beſagten Monumente aufgerichteten Steinplatten bildet eine Art von kreisförmigem Außengang, der häufig ebenfalls mit horizontal gelagerten Steinplatten bedeckt iſt. Die Dolmen Tuneſiens ſtimmen im allgemeinen mit jenen Dolmen überein, wie man ſie auch anderwärts findet. Es ſind entweder ganz rudimentäre Bauten, die nur aus drei oder vier Steinplatten ſich zu— ſammenſetzen oder an das aus den beſagten Steinplatten beſtehende Zentrum ſchließen ſich zwei bis vier der zuvor beſagten Kammern an, welche ſo zu einander geſtellt ſind, daß ſie ein Kreuz bilden. Die Houanet-Denkmäler von Kroumir, eine Art von in die Felswände eingehauenen niedrigen Niſchen repräſentieren eine Begräbnisſtätte, die allem Anſcheine nach einem ſpäteren Abſchnitt der Prä— hiſtorie angehört als die „gedeckten Gänge“ und eigent— lichen Dolmen; auch die Steinkreiſe (Cromlechs) von Kef und Kramur ſind wahrſcheinlich jüngeren Urſprungs. In keinem der tuneſiſchen Megalithen hat man bis jetzt Menſchenreſte aufgefunden, die zu Schlüſſen bezüglich der Erbauer dieſer Grabdenkmäler berechtigen. Die in Algerien unter gleichen Verhältniſſen aufgefundenen Menſchenreſte entſprechen zwei Typen, die noch jetzt in Nordafrika exi— ſtieren. Die in den Skelettreſten vertretene Raſſe von hoher Statur ſcheint zu den heutigen Kroumirs von Fer— nana in verwandtſchaftlicher Beziehung zu ſtehen, während ein Teil der Skelettreſte einer etwas kleineren Raſſe ent— ſpricht, von der auch in den Dolmen von Sordes und der Lozere Reſte nachgewieſen wurden und die mit großer Wahrſcheinlichkeit als ein durch Kreuzungen veränderter Zweig der Cromagnon-Raſſe aufzufaſſen iſt. Collignon hat auf die Koexiſtenz der Dolmen in Tuneſien mit einem kleinen dunklen langköpfigen Menſchenſchlag hingewieſen und hält es für wahrſcheinlich, daß dieſe Raſſe, die er als Race d'Ellez bezeichnet und die den Raſſen von Sordes und Cromagnon verwandtſchaftlich nahe ſtehen ſoll, die Dolmen und ſonſtigen megalithiſchen Denkmäler Tuneſiens errichtet hat. Dieſer Anſicht pflichtet auch Bertholon bei. Nach letzterem hat die Gewohnheit, megalithiſche Denk— mäler zu errichten, in Tuneſien bis in die römiſche Epoche hinein, wenn nicht noch länger, beſtanden “). Fasc. 1—3. ) Bull. d. 1. Soe. d'Anthr. de Lyon. 1890. Rleine Mitteilungen. Jod unter elektriſchen Entladungen. Wenn man etwas Jod in einem geſchloſſenen Glasrohr gelinde erwärmt, bildet es den bekannten dichten, violetten Dampf, ohne aber das Glas anzugreifen. Gehen aber wochenlang ſtarke elektriſche Entladungen durch dieſes Rohr, dann verſchwin— det das freie Jod und findet ſich nun in den Glaswänden chemiſch gebunden. Die Entladungen ſcheinen alſo die che— miſchen Affinitäten des Jods geändert zu haben. F. Das „Zeichen“. Auf der Inſel Schütt bedeutet „das Zeichen“ (jel) eine eigentümliche Naturerſcheinung, die ſich gleich nach Sonnenuntergang bei ruhiger Luft und klarem Himmel auf der dortigen vollkommenen Ebene im Oſten zeigt. Man glaubt in der Ferne lichterlohen Wieſen— brand, aber ohne Rauch, zu ſehen. Die Scheinflammen ſpringen hier und dort plötzlich auf und verſchwinden wieder plötzlich. Die Farbe gleicht ziemlich dem gebroche— nen Rot des Dämmerungswinkels. Wie ſehr übrigens das, was man zu ſehen glaubt, durch eine vorgefaßte Meinung beeinflußt wird (mancher ſieht, was ein anderer nicht finden kann), wird durch die Eigentümlichkeit illu— ſtriert, daß manchem in der Morgendämmerung alle Waſſertümpel, die er von einem etwas höheren Stand— punkte betrachtet, als weiße Milch erſcheinen. : 428 Ahombifher Schwefel aus Schweſelwaſſerſtoff. Schwefelwaſſerſtoffwaſſer ſcheidet unter der Einwirkung des Luftſauerſtoffes Schwefel in Geſtalt eines feinen gelben Pulvers ab. Daß ſchwefelwaſſerſtoffhaltige Flüſſigkeiten Schwefel unter Umſtänden auch in kryſtalliſierter Form ausſcheiden, beobachtete unlängſt Ahrens (Ber. 23. 2708). Leitet man getrockneten Schwefelwaſſerſtoff in Pyridin oder Picolin, ſo werden große Mengen des Gaſes abſorbiert werden. Iſt die Flüſſigkeit mit Schwefelwaſſerſtoff ge- ſättigt, ſo wird durch Hinzufügen von Waſſer Schwefel in Pulverform ausgeſchieden. Läßt man hingegen die mit Gas geſättigte Baſe ruhig in nicht oder loſe verſchloſſenen Gefäßen ſtehen, ſo ſetzen ſich nach einigen Tagen kleine glänzende Kryſtalle ab, die ſich raſch vermehren und wachſen. Die Kryſtalle ſind Schwefel in ausgezeichnet ausgebildeten rhombiſchen Oktaedern mit ſcharfen Kanten und glänzenden Flächen. Die Baſe, aus welcher ſich die Kryſtalle abgeſetzt haben, iſt feucht geworden, ſonſt aber unverändert. Schwefel⸗ waſſerſtoff ſcheint mit den Pyridinbaſen lockere Verbin⸗ dungen einzugehen, die allmählich unter Freiwerden von Schwefel durch den Luftſauerſtoff zerſetzt werden; dieſer wird zunächſt von den Baſen gelöſt und kryſtalliſiert dann allmählich aus dieſen Löſungen aus. Hierfür ſpricht der Umſtand, daß die Baſen ſehr waſſerhaltig werden und dann, daß nach Abſcheidung der Schwefelkryſtalle die Baſen bei Deſtillation noch bedeutende Mengen von Schwefel ausſcheiden. Al. Entdeckung veränderlicher Sterne durch Photo- graphie. Bei Ausmeſſung der photographiſchen Negative, welche behufs einer Durchmuſterung des ſüdlichen Himmels von der Sternwarte am Kap der Guten Hoffnung auf⸗ genommen worden ſind, iſt Kapteyn auf einige vermutlich veränderliche Sterne aufmerkſam geworden. Es ſind näm⸗ lich immer zwei Negative von jedem Teile des Himmels angefertigt worden, welche bei der Ausmeſſung dicht hinter⸗ einander derart aufgeſtellt werden, daß jeder Stern als Doppelſtern erſcheint. Dabei iſt ſelbſt eine geringe Ver⸗ ſchiedenheit der Durchmeſſer der beiden Bilder ſehr in die Augen fallend. Kapteyn erwartete daher, daß er infolge von Unvollkommenheiten der lichtempfindlichen Schicht öfters ſolche Verſchiedenheiten antreffen werde. Dies war aber nicht der Fall, und wenn von einigen Fällen abgeſehen wird, in denen zweifellos defekte Stellen vorlagen, ſo ſind von Ende 1886 bis Mitte Juni 1890 nur bei neun Sternen ſolche Verſchiedenheiten mit Sicherheit erkannt worden. Einer dieſer Sterne iſt aber ein ſchon bekannter veränderlicher (R Carinae), und wahrſcheinlich rührt auch bei den anderen die Verſchiedenheit der Bilddurchmeſſer von der verſchiedenen Helligkeit der Sterne zur Zeit der beiden Aufnahmen her. Mit der Helligkeit wächſt nämlich unter ſonſt gleichen Umſtänden der Durchmeſſer des Bildes. In ein paar Fällen, in denen die Zeiten der Aufnahmen nur um 36 und 39 Minuten auseinander liegen und die Größenunterſchiede gleichwohl bedeutend ſind, möchte man allerdings eher an Fehler der Platten als an Veränder⸗ lichkeit der Sterne denken (Aſtron. Nachr. Nr. 2987). Ebenſo machte Common in der Juniſitzung der Königl. Geſellſchaft in London darauf aufmerkſam, daß auf einer am 15. Mai mittels einer Belichtung von 66 Minuten er⸗ haltenen Photographie des Sternhaufens Meſſier 5 fünf Sterne nicht ſichtbar ſeien, die auf anderen, früher und ſpäter durch längere Belichtung erhaltenen Bildern aus⸗ geprägt ſind; auch wurde in der ſcheinbaren Größe einiger Sterne in der Nähe des Sternhaufens eine große Ver⸗ ſchiedenheit bemerkt. Pickering hat bei einer Prüfung der auf der Sternwarte des Harvard Collegs erhaltenen Photo⸗ graphie gefunden, daß der Stern, welcher dem Haufen und 9—10“ ſüdlich vorausgeht, zweifellos zwiſchen 9,76. und 11,6. Größe veränderlich iſt und daß der ſüdliche Stern des Paares, welches dem Haufen folgt, zwiſchen den Größen 9,3 und 12,2 variiert. Gl. Zunahme der Sternhelligtkeit auf hohen Berger. Von Mitte Juni bis Ende September vorigen Jahres hat ſich Dr. Müller vom Aſtrophyſikaliſchen Obſervatorium bei Potsdam auf dem Säntis aufgehalten, um dort photo⸗ Humboldt. — Dezember 1890. metriſche und ſpektroſkopiſche Beobachtungen anzuſtellen. Als ein vorläufiges Ergebnis dieſer Beobachtungen teilt nun Profeſſor Vogel in der Vierteljahrsſchrift der Aſtro⸗ nomiſchen Geſellſchaft, 25. Jahrg., 2. Heft mit, daß ein im Zenith ſtehender Stern auf dem 2500 m hohen Berggipfel um 0,1—0,2 Größenklaſſen heller erſcheint als in der Ebene, daß aber bei tiefem Stande der Sterne der Helligkeitsunter⸗ ſchied zwiſchen Berggipfel und Ebene 0,5 0,7 Größenklaſſen beträgt. Es werden alſo infolge größerer Durchſichtigkeit der Luft auf hohen Bergen eine große Menge kleiner Sterne beſonders in der Nähe des Horizontes ſichtbar, die man in der Ebene nicht bemerkt. G. l. Kosmiſcher Staub. Chemiſche Unterſuchungen des arktiſchen Schnees hatten Nordenſkjöld gezeigt, daß dieſer Schnee ſelbſt in Gegenden, die weit von den Kulturſtraßen entfernt waren, eine nicht unerhebliche Menge Eiſen ent⸗ hielt. Die Richtigkeit der Schlußfolgerung, daß dieſes Eiſen kosmiſchen Urſprungs iſt, d. h. aus dem all⸗ gemeinen Weltraum ſtammt, hat man dem genannten For⸗ ſcher vielfach beſtritten; eines der wichtigſten Kennzeichen des Meteoreiſens, welches erwieſenermaßen nicht irdiſchen Urſprungs iſt, beſteht nämlich in dem bedeutenden Nickel⸗ gehalt. Das Fehlen einer nachweisbaren Menge desſelben im Polarſchnee konnte daher als Grund gegen Norden⸗ ſkjölds Anſicht gelten. Neuerdings hat nun ein deutſcher Gelehrter in Südamerika, Karl Stolp, auf der mehr als 3500 m hohen Waſſerſcheide zwiſchen Chile und Argen⸗ tinien (Paſo de las Damas) die Beobachtung gemacht, daß der friſch gefallene Schnee ſich bald ganz rot färbte. Stolp ließ 10 qm dieſes Schnees oberflächlich abſchaufeln, ſchmolz die Maſſe und ſandte von dem nach dem Trocknen zurückgebliebenen rotbraunen Pulver, deſſen Gewicht etwa 2 g betrug, eine Probe an den mehrfach genannten ſchwe⸗ diſchen Gelehrten. Nordenſkjölds Unterſuchung ergab, daß die Maſſe zu beinahe 75 Proz. aus Eiſenoxyd, zu 6 Proz. aus Nickeloxyd, ferner aus Kieſelerde, Thonerde u. ſ. w. beſtand. Hiernach iſt es wahrſcheinlich, daß wenigſtens dieſer in den Anden durch den Schnee niedergetriebene Eiſenſtaub mit den Stäubchen nichts zu thun hat, welche in Kulturländern als abgegriſſene Teile der vielen eiſernen Geräte beſtändig von der Luft mitgeführt werden; er wird, das lehrt uns ſein Gehalt an Nickel, gleich den Eiſenmeteoriten, aus dem Weltraum ſtammen. D. Eine Gasquelle wurde bei Dornbirn im Vorarlberg entdeckt. Die angeſtellten Verſuche ergaben, daß das Gas ein beinahe reines, von Schwefelwaſſerſtoff ganz freies und nur Spuren von Kohlenſäure enthaltendes Sumpfgas iſt. Was die Verwendung zu Leucht- und Heizzwecken betrifft, ſo hängt das in erſter Linie von der Dauer und Ergie⸗ bigkeit der Ausſtrömung, ſodann von fachmänniſchen Ver⸗ ſuchen ab. Der Urſprung der Quelle dürfte in einem be⸗ deutenden Torflager und einer noch immer fortdauernden Verweſung von Pflanzenteilen zu ſuchen fein. Eine Ab⸗ nahme der Ausſtrömung iſt bis jetzt nicht bemerkbar. D. Stalaktiten in der Binoller Höhle. Stalaktiten müſſen ihrer Entſtehung zufolge genau ſenkrecht herab⸗ hängen. In der Binoller Höhle in Weſtfalen finden ſich aber Zäpfchen, die unten ſcharf im rechten Winkel um⸗ biegen, wagerecht weitergehen, hierbei zuweilen ſich krümmen und namentlich am Ende oft hakig aufwärts gebogen ſind. Man ſteht hier vor einem wirklichen Rätſel. Ein Er⸗ klärungsverſuch nimmt den heftigen Luftzug zu Hilfe, der zur Zeit der Bildung dieſer Zäpfchen durch die Höhle ge— gangen, die einſeitige Verdunſtung des kalkhaltigen Waſſers und damit ein Umbiegen der Zäpfchen begünſtigt haben ſoll. Da nun aber ziemlich benachbarte Zäpfchen nach ganz verſchiedenen Richtungen umbiegen, müßte man ſchon einen ſehr häufigen Wechſel der Zugrichtung annehmen. Und nun finden wir gar einen, jetzt durch ein Drahtgitter ge⸗ hüteten Deckenzapfen, von dem kleinere Zäpfchen nach lauter verſchiedenen Richtungen ſich abzweigen, ähnlich dem Fuß⸗ werk einer Spinne. Da kann jene Erklärung kaum noch zutreffen. Vielleicht kann die Annahme einer allmählichen Verſchiebung der Punkte des Abtröpfelns uns der Er⸗ Humboldt. — Dezember 1890. klärung näher bringen. — Einige ſogen. Bärenſteine (ein unſinniger Name) oder Perlen wurden in einem handgroßen Becken aufgefunden, in welchem ſie offenbar durch wirbelnde Waſſer gegeneinander abgeſchliffen ſind. Sie beſtehen weſentlich aus kohlenſaurem Kalk; ob ſie mit organiſchen Reſten zu thun haben, iſt noch Gegenſtand der Forſchung. D. Die Bewegungen der Alpengletſcher beobachtet der ſchweizeriſche Naturforſcher Prof. Forel in Morges ſeit zehn Jahren nach einem beſtimmten Plane. In ſeinem Bericht über das Jahr 1889, den er im jüngſt erſchienenen 25. Bande des Jahrbuches des ſchweizeriſchen Alpenklubs veröffentlichte, ſtellt er feſt, daß die ſeit einigen Jahren wahrgenommene Periode des Wachſens fortſchreitet und im Jahre 1889 an 55 Gletſchern nachgewieſen werden konnte, an 13 mehr als im Vorjahre. Bemerkenswert iſt, daß das Vorrücken im Weſten begonnen hat; in der Montblane— gruppe ſind ſämtliche Gletſcher in der Zunahme begriffen, in den Walliſer und Berner Alpen die Mehrzahl, im Oſten, Graubünden und Tirol, fängt die Bewegung erſt an, iſt aber am Ortler ſchon deutlich hervorgetreten. Prof. Forel berührt auch die Frage der Entſtehung von Eisperioden. Würden die Gletſcher auch ununterbrochen fünfzig Jahre wachſen, ſo rückten ſie bei einer Vorwärtsbewegung in der Stärke, wie ſie jetzt ſtattfindet, doch kaum 2,5 km vor, was gegenüber den 360 km Ausdehnung, die z. B. der Rhönegletſcher von der Furka bis Lyon einnahm, ver— ſchwindet. Die Eisperioden können daher nur erklärt werden, wenn man ſtatt einer halbhundertjährigen perio— diſchen Abwechſelung im Wachſen und Schwinden frühere vielhundertjährige ſolche Perioden annimmt. Braucht uns alſo vorläufig vor einer neuen Eisperiode nicht bange zu ſein, ſo erſcheint doch die Zunahme der Gletſcher in den Alpen mit dem Anwachſen der Binnenwäſſer Aſiens, Au- ſtraliens und Amerikas zuſammengehalten als unzweifel⸗ haftes Zeichen, daß wir im Anfang einer naſſen und kalten Periode ſtehen. D. Vereinigte Wurmſpuren im Meeresſchlamm. Zu der vor kurzem gebrachten Mitteilung über die Fluyſch— algen (Seite 348) ſtehen neue Verſuche Nathorſts, die er auf der zoologiſchen Station bei Kriſtineberg anſtellte, in naher Beziehung. Sie ſind ausgeführt infolge der Ein— würfe, daß Nathorſt wohl Verzweigungen von Wurmfährten an der Oberfläche nachgewieſen habe, daß aber die Chon- driten nicht bloß auf Kluftflächen liegen, ſondern auch in der Steinmaſſe ſelbſt verzweigt ſeien. Dieſe Verſuche gingen alſo dahin, zu ermitteln, ob und wie die Wurmfährten ſich im Schlamme und nicht nur an deſſen Oberfläche ver— zweigten. Zu dieſem Zwecke hat Nathorſt thonigen Schlamm von 30 —40 Faden Tiefe in große Glascylinder und kleine rechteckige Aquarien gegoſſen, ſo daß von der Seite und von der Oberfläche, die natürlich von Meerwaſſer bedeckt war, die Vorgänge beobachtet werden konnten. Der be— treffende Schlamm enthielt faſt ausſchließlich verſchiedene Würmer. Anfänglich war der Schlamm an den Wänden ganz glatt und man konnte keine Tiere beobachten; nach 20—30 Minuten war aber der Schlamm gegen die Wände ganz von Fährten erfüllt, und zwar teils von einfachen röhrenartigen, teils von verzweigten Fährten, welche alle möglichen Stellungen, ſenkrecht und ſchief, einnahmen. Dieſe Tiere ſind alſo gewöhnt, unter allen Umſtänden, auch wo ſie, wie an den Wänden, gleichſam gezwungen ſind, in ihrer Bewegung eine mehr ſenkrechte Bewegungsrichtung einzunehmen, ſo verzweigte Fährten zu erzeugen. Daß ſie aber auch weit von den Wänden, alſo mitten im Schlamm, verzweigte, ſtrauchähnliche Fährten ausführen, war daraus zu ſchließen, daß man die Mündungen derſelben dicht neben— einander an der Oberfläche des Schlammes ſehen konnte. Es gibt demzufolge keinen einzigen weſentlichen Unterſchied zwiſchen ſolchen Wurmfährten und den Chondriten. Nat— horſt beobachtete auch, daß ziemlich große Fährten der Würmer während relativ langer Zeit ganz offen ſtanden; es erklärt ſich dies u. a. dadurch, daß die tunnelartigen Fährten der Würmer mit einer Schleimhaut bekleidet ſind. 429 Ein Wurm, der durch den Schlamm kriecht, wird darum von demſelben nicht beſchmutzt; er kriecht ſozuſagen ganz in einer Schleimhaut. So iſt es ja auch beim Regen— wurm. Nathorſt möchte es nun dieſem Schleim, der aus organiſcher Subſtanz beſteht, zuſchreiben, daß fic) die Chon— driten vom Geſtein dunkel abheben. Ki. leber die pflanzengeographiſche Anlage im Bota- niſchen Garten zu Berlin veröffentlicht der Schöpfer der— ſelben, Prof. A. Engler, folgende Angaben: Die umfangreiche Anlage dient zur Darſtellung der Vegetationsformationen in der nördlichen gemäßigten Zone. An die Formationen der mitteleuropäiſchen Ebene (Miſchwald, Buchenwald, Birkengehölz, Kieferwald, Heide, Moor) ſchließen ſich die des mitteleuropäiſchen Vorgebirges, Flußauen, Tannen⸗ wald, Vorgebirgswieſe), der ſubalpinen Region (alpine Wieſe, Knieholz⸗, Weiden- und Alpenroſengebüſch). Auf Hügeln von verſchiedener Höhe und mit den einzelnen Ge- birgsſyſtemen entſprechenden Geſteinen wurde die Hoch— gebirgsflora der mittel- und nordeuropäiſchen Hochgebirge aufgepflanzt. Hier begegnet man ſodann der Hochgebirgs— flora des ſkandinaviſchen Gebirges und einem Hügel für die alpine Flora der Sudeten. Die Verteilung der alpinen Arten iſt auf drei parallelen Höhenzügen zur Darſtellung gebracht, umfaſſend die Flora der nördlichen Kalkalpen, die der Zentralalpen und der ſüdlichen Voralpen. An die für die weſtlichen Zentralalpen beſtimmte Partie ſchließt ſich eine Hügelgruppe für die Flora der Pyrenäen an, von welcher ein kleiner, für die ſüdſpaniſche Gebirgs- flora beſtimmter Hügel ſich abzweigt; ebenſo ſchließt ſich an die Felspartien der ſüdlichen Voralpen ein Ausläufer an, auf dem die der alpinen Flora ſo naheſtehende der Apenninen untergebracht iſt. In größerem Abſtande von den alpinen Gruppen ſind zwei Hügel für die Flora der im Karpathenſyſtem und der auf der Balkanhalbinſel hei— miſchen Hochgebirgspflanzen aufgeworfen; zwiſchen ihnen erſtreckt ſich ein Terrain für die pontiſche Wald- und Steppenflora. Eine größere Hügelgruppe iſt für die Hoch— gebirgsflora des Kaukaſus und der pontiſchen Gebirge, eine andere für die des Himalaya und endlich eine für die des Altai beſtimmt. Während am Fuße der beiden erſten Hügelgruppen die reiche ſubalpine Flora dieſer Gebirgs— ſyſteme Platz findet, ſchließt ſich an die Altaigruppe einer⸗ ſeits eine Fläche für die ſibiriſche Prärienflora an, anderſeits ein Streifen mit den Repräſentanten der weſt⸗ und oſtſibiriſchen Waldflora. Von dieſer Anlage kommt man in eine andere, welche der Flora des Amur— landes und Japans gewidmet iſt; dieſelbe wird erſt dann einen der großen Mannigfaltigkeit dieſer Flora und ihrer Bedeutung für unſere Gartenkultur entſprechenden Umfang erhalten, wenn die an der Grunewaldſtraße gelegenen, vom Staate angekauften Gebäude niedergeriſſen ſind; doch iſt jetzt ſchon die Nadelholzflora der höheren Regionen aus— reichend dargeſtellt. Im Anſchluß hieran hat jetzt die ſüd— japaniſche, an immergrünen Gewächſen reiche Flora ihren Platz gefunden. Ein ausgedehntes Terrain iſt der Flora Nordamerikas eingeräumt; auch hier ſind die einzelnen pflanzengeographiſchen Provinzen auseinandergehalten. An die Flora Japans ſchließt in der Richtung von Südoſt nach Nordweſt die nordamerikaniſche Seenprovinz ſich an. Auf die Repräſentanten der nördlichen Koniferenwälder folgen die der nordamerikaniſchen Laubwälder: ſie erſtrecken ſich bis in die Nachbarſchaft des europäiſchen Miſchwaldes und geben zugleich „ den Gegenſatz zwiſchen der relativen Armut unſerer Laubwälder und dem Reichtum der nordamerikaniſchen kennen zu lernen. Kleinere Ter⸗ rains zeigen dann noch die Flora des atlantiſchen Nord⸗ amerika. Für die Flora der Prairien und der Rocky Mountains wurden nur kleine Plätze beſtimmt. Dagegen iſt die Flora der pazifiſchen Staaten Nordamerikas reich⸗ lich vertreten. An den kanadiſchen Koniferenwald grenzt eine größere Abteilung mit der Flora des Oregongebietes und Nordkaliforniens, ſowie die des Kaskadengebirges; endlich iſt noch ein kleiner Platz der Flora des ſüdlicheren Kalifornien und der Sierra Nevada gewidmet. p 430 Humboldt. — Dezember 1890. Zwei Schmarotzer der Torfmooſe. Die Mooſe jind bekanntlich im Gegenſatz zu allen übrigen Pflanzen ſehr arm an Pilzparaſiten, um ſo mehr Intereſſe haben zwei Entdeckungen des ruſſiſchen Botanikers Nawaſchin, welche ſich auf Paraſiten unſerer Torfmooſe beziehen. W. Ph. Schimper hatte in ſeiner Monographie der Torfmooſe zweierlei merkwürdige Gebilde beobachtet, von denen er die einen als Paraphyſen der Sphagnumblüten, die anderen als Mikroſporen der Sphagnumſporangien betrachtete. Beide Gebilde wurden ſpäter vorübergehend als pilzliche betrachtet. Nawaſchin blieb es vorbehalten, die Pilze, welchen dieſe Gebilde thatſächlich angehören, nachzuweiſen. Die Schim⸗ perſchen Paraphyſen ſtellen ein zwiſchen Schutzblättern der weiblichen Blüten und Archegonien reichlich niſtendes Myce⸗ lium dar, welches ſpäter kleine milchweißlich durchſcheinende Schlüſſelpilzchen bildet, die Nawaſchin Helotium Schim- perl genannt hat (Hedwigia 1888 S. 306). Die Mikro⸗ ſporen aber, welche neben den großen Sporen oder allein die Torfmooskapſeln erfüllen, ſind nach den neueſten Ent⸗ deckungen Nawaſchins (Bot. Zentralbl. 1890 S. 290) die Sporen eines Brandpilzes, Tilletia (2) Sphagni, deſſen Myeelium ſich durch die oft völlige Zerſtörung der Sporen⸗ mutterzellen des Mooſes zur eigenen Sporenbildung ſtärkt. Sie wurden noch kürzlich von Sphagnologen für die Moos⸗ ſporen gehalten, aus denen weibliche Pflänzchen hervorgingen. Greiz. Prof. Dr. F. Ludwig. Bilzkranſiheit der Eſſtgälchen. Milben in Effig- bildnern. Gelegentlich einiger Unterſuchungen über die bei der Eſſigbildung beteiligten Organismen wurde in dem Eſſig⸗ bildner einer Hamburger Fabrik, welcher nicht mehr die normale, ſondern nur eine geringere Menge Eſſig produ⸗ zierte, von Sadebeck ein zur Gattung Pythium (Perono⸗ ſporeen) gehöriger Pilz entdeckt, den er Pythium anguil- lulae aceti nennt. Dieſer Pilz befällt nämlich die Eſſig⸗ älchen und tötet ſie in kurzer Zeit. Er bedeutet mithin dieſelbe Gefahr für dieſe Tierchen, wie die Saprolegniaceen und andere Peronoſporeen für Karpfen, Lachseier, Waſſer⸗ ſalamander 2c. Man kann unter dem Mikroſkop direkt beobachten, wie die ſchlanken Aelchen durch den Mund den Pilz aufnehmen, der ſich dann im Innern des Tieres ſehr ſchnell entwickelt und auch nach dem Tode desſelben da⸗ mit fortfährt, bis er ſchließlich den ganzen Tierkörper durchſetzt, jo daß oft nur die gehäuften Mycelmaſſen noch den früheren Umfang des getöteten Tieres andeuten. Wird die Konzentration der Nährflüſſigkeit um 10 Proz. erhöht, ſo hört der Pilz auf zu wachſen und ſich fortzupflanzen. — Im Anſchluß hieran ſei einer Beobachtung erwähnt, die Karſch mitgeteilt hat. Eine Inſterburger Eſſigfabrik lieferte vor längerer Zeit ſehr viel ſchwächeren Eſſig und man will dieſen Umſtand mit dem Auftreten einer Milbe in Zuſammenhang bringen, die ſich in größerer Menge in den mit Holzkohle gefüllten Eſſigbildnern vorfand. Die⸗ ſelbe iſt etwa von der Größe einer Käſemilbe und hält ſich auf der ganzen Oberfläche der Kohle und in den Spalten derſelben auf; ein Einnagen in die feſten Teile der Holz⸗ kohle wurde nicht bemerkt. Eine zweite Fabrik in Inſter⸗ burg hatte, nach Angabe von Heinzelmann, dem Che- miker der erſteren, aus demſelben Grunde den Betrieb eingeſtellt, und auch in Königsberg wurden Klagen ge- führt. Nach Zuſendung friſchen Materiales wurde von Karſch die Milbe als Tyroglyphus carpio Kramer feft- geſtellt, eine Milbenart, welche im männlichen Geſchlecht durch einen karpfenſchwanzähnlichen Analanhang vor den verwandten Arten der Gattung ausgezeichnet iſt. Das beſte Mittel zur Zerſtörung der Milben und ihrer Eier iſt nach Heinzelmann die Salicylſäure, welche mehreren Auf⸗ güſſen von Eſſig auf die mit Kohlen gefüllten Bildner mit nur 0,1 Proz. zugeſetzt wird. Ms. Der Totenkopf (Acherontia Atropos) in einem Bienenkorbe. „Es iſt eine alte Geſchichte,“ ſchreibt J. Hellins in Exeter an „The Entomologist's Monthly Magazine“, „daß Acherontia Atropos in Bienenkörbe ein⸗ dringt, um den Honig zu ſtehlen, aber ich weiß nicht, ob man oft davon gehört hat, daß einer der großen Schmet⸗ terlinge flagrante delicto abgefaßt wurde. Indeſſen habe ich kürzlich von einem ſolchen Fange gehört. ... In einem Farmhauſe in der Gemeinde Dartington (South Devon) hörten die Knaben am 28. Juli abends ein ſonderbares Geräuſch in dem Bienenkorbe, der im Hofe ſtand; ſie ent⸗ nahmen daraus, daß irgend ein Feind die Bienen beun⸗ ruhigte und riefen die anderen Mitglieder der Familie heraus, um nachzuſehen, was es wäre. Man forſchte nach und einer von der Geſellſchaft faßte den Eindringling mit einer Küchenzange — zum Erſtaunen aller erwies er ſich als „ein großer, dicker Schmetterling“, welcher fortfuhr, das anfangs gehörte Geräuſch zu machen. Er war mit Bienen bedeckt und konnte oder wollte nicht fliegen.“ Der Schmetterling lebte noch vierzehn Tage und es wurde von einem Entomologen konſtatiert, daß keine Verletzung, aus⸗ genommen die durch die Zange hervorgerufene, an ihm war. Dies ſpricht vielleicht für die Annahme, daß die Laute, welche der Totenkopf von ſich gibt, die Bienen ab⸗ hält, ihm ein Leid zuzufügen. Ms. Die Raubluſt der Mantis⸗Arten geht wie die der Spinnen ſo weit, daß das Weibchen das ſchwächere Männ⸗ chen nicht verſchont, und letzteres nur mit Gefahr ſeines Lebens das Begattungsgeſchäft ausüben kann. Weſtwood er⸗ wähnt ein Beiſpiel, wo das Weibchen der Gottesanbeterin (Mantis religiosa) dem Männchen den Kopf abbiß, ehe ſie mit ihm kopulierte. Eine ähnliche, aber noch merk⸗ würdigere Mitteilung macht L. O. Howard in Waſhington von dem Verhalten der amerikaniſchen Mantis carolina. Er brachte ein Männchen dieſer Art zu einem Weibchen, das in einem Behälter gefangen gehalten wurde. Das Männchen zeigte ſofort große Unruhe und ſuchte zu ent⸗ fliehen; nach wenigen Minuten aber wurde es von der weiblichen Mantis ergriffen. Sie biß ihm zuerſt den linken Vorderfuß ab und verzehrte Schiene und Schenkel. Nach⸗ dem ſie ihm auch das linke Auge ausgenagt hatte, begann das Männchen vergebliche Anſtrengungen zu machen, um die Kopulation zu vollführen. Das Weibchen verſpeiſte demnächſt den rechten Vorderfuß ihres Opfers, bik ihm hierauf den Kopf ab, verſchlang denſelben und fraß ſich dann in den Bruſtteil des Männchens ein. Erſt als ſie dieſen bis auf etwa 3 mm aufgefreſſen hatte, hielt ſie inne. Während dieſer ganzen Zeit hatte das Männchen ſeine vergeblichen Bemühungen, die Begattung zu voll= ziehen, fortgeſetzt; jetzt gelang ihm dies, da ſie die Scheide freiwillig öffnete, und die Kopulation fand ſtatt. Das Weibchen blieb hierauf vier Stunden ruhig, und der Ueber⸗ reſt des Männchens gab noch drei Stunden lang gelegent= liche Lebenszeichen von ſich, indem ſich einer ſeiner übrigge⸗ bliebenen Füße bewegte. Am anderen Morgen aber zeigten die allein noch vorhandenen Flügel des Männchens, daß das Weibchen die Vertilgung fortgeſetzt hatte. Das Weibchen befand ſich nicht etwa in einem ab⸗ normen Hungerzuſtande, da es ſtets mit reichlicher Nah⸗ rung verſorgt worden war. Die außerordentliche Lebens⸗ zähigkeit der Art, die ſich darin zeigt, daß ein Fragment des Männchens noch den Begattungsakt vollziehen kann, iſt bei der Raubgier des Weibchens eine Notwendigkeit, und es ſcheint nur ein Zufall zu ſein, daß ein Männchen jemals lebend den Umarmungen ſeiner Partnerin 1 —s. Eine Empuſaſeuche der Bilzmücken. Gewiß hat ſchon mancher Pilzſammler dem Inſektenvolke, deſſen Larven die Pilze zerfreſſen, Tod und Verderben gewünſcht, wenn er faſt jedes der prächtigen Exemplare des Reizkers, des Steinpilzes ꝛc., das er jung und ſcheinbar für ein Pilz⸗ gericht tauglich nach Hauſe getragen, von den läſtigen Maden „durchritten“ fand. Dieſe Wünſche ſcheinen ſich in dieſem Jahre ſtellenweiſe zu erfüllen. Ein mikroſkopi⸗ ſcher Pilz, der den Speiſeſchwämmen zum Schutz geworden, befällt eine Familie jener unangenehmen Schmarotzer, die Pilzmücken, in großer Menge, ſo daß ſie, zu Hunderten an der Unterſeite der Schwämme ſitzend, vom Tod ereilt werden. Derſelbe iſt verwandt dem Pilz der Stubenfliegen⸗ ſeuche, Empusa museae, der nicht nur unſere Fliegen im Humboldt. — Dezember 1890. 431 doch findet fic) eine deutliche, 1 mm große Ohröffnung. Herbſt zu baldigem Tode an Fenſter und Wände kittet, ſondern auch draußen im Freien, wie ich wiederholt be— obachtete, weit verbreitete Epizootien unter den zierlichen Schwebfliegen (Syrphiden) verurſacht, und ſcheint mir mit einer Art übereinzuſtimmen, die Thaxter jüngſt aus Amerika beſchrieben hat, E. gloeospora, Thaxt. Dieſe Empusa- Arten durchwuchern mit ihrem Mycel den Inſektenkörper, um ſchließlich wieder — meiſt nachdem bereits der Tod eingetreten — ihre Konidienträger aus dem Körper heraus zuſenden. Die an letzteren abgeſchnürten Sporen werden mit einem Teil des Plasmas weit weggeſchleudert, ſo daß fie ringsum Krankheit und Tod verbreiten. Beſondere Kopulationsſporen, dem des gemeinen Köpfchenſchimmels (Mucor) ähnlich, dienen zur Ueberwinterung der Art 2c. — Faſt alle Inſektengruppen haben aus dieſer Familie (Entomophthoreen) oder aus einer anderen Gruppe des Pilzreiches (Cordyceps u. a. Gattungen) ihre Schmarotzer, die meiſt größeren Inſektenverheerungen rechtzeitig ein Hindernis in den Weg ſtellen. Auch die „Nonne“ hat ihren Cordyceps. Leider iſt aber weder ihr noch der Phylloxera vastatrix bisher eine Empusa erſtanden. Biel- leicht wären mit den bekannten Empusa-Arten hier Verſuche im großen anzuſtellen, wie man ſie in Amerika gegen andere die Landwirtſchaft ſchädigende Inſekten in Vorſchlag gebracht und wohl auch erfolgreich ausgeführt hat (die Empusa⸗Sporen werden im Waſſer verteilt auf die Felder verbreitet). Was für Empusa-Arten hier in Betracht kommen können, darüber könnte uns eine kürzlich erſchienene Mono— graphie der (amerikaniſchen) Entomophthoreen von Roland Thaxter am beſten Aufſchluß geben, in welcher gegen vierzig Entomophthoreen mit ihren Wirten aufgeführt und zum großen Teil näher beſchrieben und abgebildet werden?). Auf Schmetterlingen (darunter z. B. die Saateule, der Kohlweißling) kommen z. B. ſieben Arten, auf Blattläuſen fünf Arten, auf Wanzen ſechs Arten, auf Heuſchrecken zwei Arten, auf Zweiflüglern zehn Arten von Entomophthoreen vor. Auf Pilzmücken iſt noch die Empusa sphaerosperma Fres. beobachtet worden, welche Inſekten aus den ver— ſchiedenſten Abteilungen, darunter auch unſere Stubenfliege, heimſucht. Letztere beherbergt übrigens außer E. muscae und E. sphaerosperma feine weiteren Schmarotzerpilze dieſer Familie (wohl aber einen Pilz Stigmatomyces Baeri aus einer anderen ſehr merkwürdigen Pilzgruppe der Laboulbeniaceen). Prof. Dr. F. Ludwig (Greiz). Neue Beuteltierform von Auſtralien. In der Sitzung der biologiſchen Sektion der erſten Verſammlung der „Australasian Association for the advancement of Science“ zu Sidney vom 31. Auguſt 1888 demon⸗ ſtrierte Dr. E. C. Stirling, Lektor für Phyſiologie an der Univerſität zu Adelaide, einen neuen, kleinen, maulwurf— artigen Beutler, der zu Idracowie, einer Viehſtation im Innern an der Ueberlandtelegraphenlinie zwiſchen Adelaide und Port Darwin, gefangen worden war. Hier ſcheint das Tier ſehr ſelten zu ſein, denn von den Eingeborenen erinnerte ſich nur eine alte Frau, es früher einmal bei einer einzigen Gelegenheit geſehen zu haben. Das Tier lebt erſichtlich unterirdiſch grabend und ähnelt in manchen Punkten dem Goldwaulwurf vom Kap, weicht aber in andern nicht unweſentlich von ihm ab. Er mißt mit dem 2 em langen Schwanz 13 em. Der ziemlich kurze Kopf hat eine abgerundete Schnauze, deren Oberſeite von einem Hornſchilde bedeckt iſt. Die Augen find nicht ſichtbar, indem ſich die Haut ununter- brochen über dieſelben wegzieht, wenn man dieſelbe aber etwas ſpannt, ſo ſieht man bei dem vorliegenden Exemplar an der einen Seite des Geſichts einen kleinen, runden, ſchwarzen Fleck durchſchimmern, welcher die Lage des rudi— mentären Auges verrät. Aeußere Ohren fehlen gleichfalls, ) Roland Thaxter, Memoirs of the Boston Soc. of Nat. Hist. Vol. IV. Nr. VI. p. 133—201. 1888. Plane XIV—XXI: The En- tomophthoreae of the United States. — Bon demſelben Verfaſſer ijt auch eine neuere Abh. über Laboulbeniaceen: On some North American Species of Laboulbeniaceae. Proceed. of the Americ. Acad. of Arts and Sciences 1890 p. 5—14 erſchienen. — Die Vordergliedmaßen find kurz, einigermaßen denen des Maulwurfs ähnlich, doch iſt die Hand eingeſchlagen, ſo daß bei natürlicher Stellung derſelben nur die großen Nägel des vierten und fünften Fingers ſichtbar ſind. Der Nagel des vierten Fingers iſt 15 mm lang, gleichmäßig 4 mm breit und endigt ſtark abgeſtumpft. Der des fünften Fingers iſt bedeutend kürzer, am proximalen Ende 8 mm breit und verjüngt ſich raſch zu einer abgeſtumpften Spitze. Wenn beide nebeneinander in ihrer natürlichen Lage ſind, erinnern ſie dem Aeußern nach an die Seitenanſicht einer Entenmuſchel. Die übrigen Nägel ſind weit kürzer. Die hintern Extremitäten ſind gleichfalls kurz, die Sohlen ſtehen nach auswärts. Die fünfte Zehe iſt ſehr kurz mit kurzem, breitem, ſtarkem Nagel; die vierte trägt eine lange (7 mm), ſchmale, gekrümmte, ſpitze Klaue, während die Nägel der übrigen Zehen breit, flach und abgerundet ſind. Die erſte, zweite und dritte Zehe ſind bis zu ihren dorſalen Enden durch eine Haut vereinigt. Etwa 15 mm vor der Kloake iſt eine circa 4 mm weite und 4—5 mm tiefe Hauttaſche mit einer nach hinten gerichteten Oeffnung. Die Oberſeite der Taſche (des Beutels) iſt kahl, aber um dieſe kahle Stelle ſteht hell— brauner Pelz mit einem Stich ins Rötliche. Der übrige Körper iſt mit Ausnahme der letzten kahlen Zweidrittel des Schwanzes mit hellerem Pelz bedeckt. Die innern Teile konnten leider nicht unterſucht wer- den, da das Objekt ausgeweidet und in ſehr ſchlechtem Zuſtande nach Adelaide kam, doch in einem Eingeweidereſt wurden Ueberbleibſel von Ameiſen angetroffen. Das Ver— dauungsrohr endigt in eine weite Taſche (Kloake?) und Dr. Stirling konnte keine Spur einer geſonderten Ge— ſchlechtsöffnung entdecken, aber ebenſowenig eine ſolche in der vermutlichen Kloake. Das Skelett, das gleichfalls ſehr ſchlecht erhalten zu ſein ſcheint, konnte noch nicht näher unterſucht werden. Soviel wurde indeſſen ſchon feſtgeſtellt: Schädel verhält— nismäßig groß, Jochbogen vorhanden, keine knöcherne Or— bita, Schultergürtel gut entwickelt mit ſchlanken Schlüſſel⸗ beinen. Becken groß und kräftig mit ziemlich weiter Sym— phyſe, aber ohne Spur auch nur rudimentärer Beutel— knochen (2). Vierzehn Rippen. Winkel des Unterkiefers merklich eingebogen. Die Zähne waren eigentümlich und erinnerten an die von Amphitherium. Die Formel war: 2 3. Aber vielleicht wird fie ſich ſpäter etwas anders her— ausſtellen, denn im rechten Unterkieferaſt war unmittelbar hinter dem Prämolarzahn und nach außen von ihm ein kleiner rudimentärer kegelförmiger Zahn, der am linken Aſt fehlte und auch im Oberkiefer keinen Vertreter hatte. Einen wiſſenſchaftlichen Namen hatte das Tier noch nicht erhalten. Abgeſehen von den zufolge des ſchlechten Erhaltungs— zuſtandes des Objekts doch noch fraglichen Angaben über die anatomiſchen Verhältniſſe (Kloake, Beutel, aber keine Beutelknochen, normaler Schultergürtel, Zähne) — nach denen man nicht entſcheiden kann, ob man es mit einem Monotrema oder einem Beuteltier oder einem Zwiſchenglid zwiſchen beiden zu thun hat, — bietet das neuentdeckte Weſen deshalb ein erhöhtes Intereſſe, weil wir bis jetzt in der Reihe der aplacentaren Säugetiere, welche man ſeit Geoffroy St. Hilaire oft und gern mit der der pla⸗ centaren paralleliſiert hat, eine unterirdiſche grabende Form noch nicht kannten. Leipzig. Prof. Dr. William Marſhall. Die Ausroltung des Borkentieres, Rhytina Stel- leri Cuv. Zu den Tieren, welche erſt in hiſtoriſcher Zeit ausſtarben oder vielmehr von den Menſchen in brutaler Weiſe ausgerottet wurden, gehört bekanntlich auch das Borkentier, die Stellerſche Seekuh, Rhytina Stelleri. Nur wenige Skelettreſte von dem merkwürdigen Seeſäugetier finden ſich heute als größte Seltenheiten aufbewahrt. Das- 432 ſelbe wurde 1741 von Steller auf der Beringsinſel entdeckt und ſchon 1768 wurde das letzte Exemplar desſelben ge⸗ mordet. Daß dieſe Jahreszahl in der That, wie bis⸗ her auch allgemein angenommen wurde, den Zeitpunkt angibt, an welchem das letzte Borkentier den Menſchen zum Opfer fiel, führt neuerdings wieder L. Stejneger aus, gegenüber den Angaben von Nordenſkjöld, der berich⸗ tete, daß noch im Jahr 1854 von zwei Beringsinſulanern eine lebende Rhytina geſehen worden jet und die Anſicht verficht, daß an den ſchwer zugänglichen Küſten der Berings⸗ und Kupferinſel ein oder das andere Tier der allgemeinen Schlächterei entgangen ſein könnte. Stejneger, der drei Jahre nach Nordenſkjöld 1½ Jahre auf der Berings⸗ inſel verbrachte, gibt zuerſt an, daß ſeinen Erkundigungen nach das von den Leuten geſehene Tier keine Seekuh, ſondern wahrſcheinlichſt ein weiblicher Narwal geweſen fet und zählt ſodann die Expeditionen auf, welche nachweislich von den Jahren 17431763 auf der Beringsinſel über⸗ wintert haben und hierbei dem Fang der Seekuh obge⸗ legen haben. Denn ſobald die Ueberlebenden der Bering⸗ ſchen Expedition 1742 nach Kamtſchatka zurückgekehrt waren, wandten ſich, durch deren Berichte angelockt, zahlreiche Jagd⸗ expeditionen nach der Beringsinſel und es verging bis 1763 kein Winter, ohne daß ein oder mehrere Expeditionen acht oder neun Monate daſelbſt zugebracht hätten, während welcher Zeit das Fleiſch der Seekuh die faſt ausſchließliche Nahrung bildete; außerdem verproviantierte ſich noch wäh⸗ rend dieſer Zeit die Mehrzahl der überwinternden Expe⸗ ditionen mit dem Fleiſch der Rhytina für die übrige meiſt zwei bis drei Jahre währende Reiſe. Wenn wir nun ſehen, daß z. B. im Winter 1754/55 133 Mann, 1762/63 eirka 90 Mann auf der Beringsinſel überwinterten, eine weitere Anzahl auf der Kupferinſel lag, ſo iſt es begreiflich, daß die wehrloſen Seekühe, deren Zahl auf der Beringsinſel Stejneger zu der Zeit von Stellers Ankunft auf cirka 1500 berechnet, raſch dezimiert wurden. Angabe, der im Jahr 1754 von der ruſſiſchen Regierung zur Erforſchung der Kupferinſel ausgeſandt wurde, genügte zwar das Fleiſch eines einzigen dieſer mächtigen, 8—10 m langen und bis 4000 ke ſchweren, Tiere einen vollen Monat lang für 33 Mann und es würden zur Ernährung der 670 Mann, welche nachweislich zwiſchen 1743 und 1763 auf der Beringsinſel überwinterten, cirka 205 Tiere hingereicht haben, allein hierzu kämen nach der gleichen Berechnung noch eirka 290 Tiere für Verproviantierung, und aus den Schilderungen Jakovleffs geht hervor, daß das Material durchaus nicht in der angegebenen ſparſamen Weiſe aus⸗ genützt wurde, ſondern vielleicht fünfmal ſo viel Tiere hingeſchlachtet wurden, als wirklich Verwendung fanden. Thatſächlich mußte dieſer Forſcher mit ſeiner Expedition im Jahr 1754 auf der Beringsinſel überwintern, da auf der Kupferinſel nach ſeiner Angabe ſchon zu dieſer Zeit, neun Jahre nach der Entdeckung die Seekühe ausgerottet waren, ſo daß er bei ſeiner Rückkehr in richtiger Voraus⸗ ſicht petitionierte, den Fang des Borkentieres in der bis⸗ herigen Weiſe durch ein Geſetz zu verbieten, „damit die Beringsinſel nicht in gleicher Weiſe, wie die Kupferinſel verwüſtet werde“. Leider vergeblich, denn auch auf der Beringsinſel gingen die Seekühe ihrem raſchen Ende ent— gegen. Von 1763 an wurden die Expeditionen nach der Beringsinſel ſeltener, wohl aus dem Grunde, weil die geringe Zahl der noch vorhandenen Seekühe nicht mehr zur Verproviantierung während des langen Winters reichte; in der von Dmitri Brogin, welcher 1772 auf der Berings⸗ inſel überwinterte, gegebenen Liſte der daſelbſt vorkom⸗ menden Tiere fehlt die Seekuh. Wie ſchon Sauer in ſeinem „Bericht über Billings Expedition in den Jahren 1785-1794“ ausgeſprochen, waren die letzten Exemplare von Rhytina Stelleri, wohl früher übrig gelaſſene, unter⸗ des herangewachſene junge Tiere, von 1767 auf 1768 getötet worden, wahrſcheinlich von der Expedition Popoff, der anläßlich der Jagd auf Blaufüchſe zu dieſer Zeit dort weilte. Da bekannt iſt, daß die Seekühe, welche auf die Nähe der Küſten mit ihren ihnen Nahrung bietenden Tang⸗ wieſen angewieſen waren, nicht auswanderten, ſo iſt wohl Nach Jakovpleffs Humboldt. — Dezember 1890. thatſächlich nicht daran zu zweifeln, daß das intereſſante Borkentier ſchon 27 Jahre nach ſeiner Entdeckung durch die ſchonungsloſen Schlächtereien der Menſchen ausgerottet wurde. (L. Stejneger: How the great Northern Sea- Cow /[Rhytina] became exterminated. Americ. Na- turalist XXI, 12. December 1887.) —p. Die Bezahnung bei Menſchen mit abnormer Be- haarung. Von Zeit zu Zeit tauchen Perſönlichkeiten auf, die ſich durch abnorme Behaarung, welche ſich oft bis zur Hypertrichosis universalis ſteigert, auszeichnen. Eine nähere Unterſuchung dieſer „Haarmenſchen“, von denen auch im vergangenen Jahr zwei Fälle in London zur Ausſtellung kamen, zeigt ſtets intereſſante Beziehungen des anomalen Haarwuchſes zu einer Anomalie der Be⸗ zahnung; dieſe Beziehungen zwiſchen der pathologiſchen Veränderung des Haar- und Zahnſyſtems äußern ſich jedoch in verſchiedener Weiſe und laſſen ſich, wie Parreidt in der deutſchen Monatsſchrift für Zahnheilkunde ausführt, in drei verſchiedene Gruppen einteilen. Der bekannteſte Fall iſt die Koineidenz von übermäßig entwickeltem Haar mit defektem Gebiß. Beiſpiele dieſer Gruppe ſind die ruſſiſchen Haarmenſchen Andrian Jeftichejew und deſſen Sohn Fedor Jeftichejew, ſowie Sehwe-Moung aus Indien, ſeine Tochter Maphoon und deren Sohn Moung Phoſet. Alle dieſe Individuen ſind oder waren am ganzen Körper ſtark behaart, wenn auch verſchieden dicht an verſchiedenen Stellen; am ſtärkſten zeigte ſich die Behaarung im Ge⸗ ſicht, wo z. B. bei Maphoon die Haare eine Länge von cirka 30 em erreichten. Sehr bemerkenswert iſt, daß das Haar, wo es anomal auftritt, abweichend vom normalen Kopf⸗ oder Barthaar eine ſeidenartig weiche Beſchaffenheit zeigt und nicht mehr wächſt. Die Produktion von Haar iſt aber, nachdem der vorhandene Status erreicht iſt, that⸗ ſächlich ſehr gering. Beide Faktoren laſſen vermuten, daß in dieſen Fällen die ſog. Lanugohaare, d. h. das Haar⸗ kleid, welches der Embryo eine Zeitlang beſitzt und das kurz vor oder nach der Geburt ausfällt und durch andere feine Härchen erſetzt wird, ſtehen geblieben ſind und eine exzeſſive Entwickelung erreicht haben. Durch dieſe mächtige Entwicklung des Lanugo ſcheint aber nicht nur die Haar⸗ produktion erſchöpft, ſondern auch die Produktion anderer epidermoider Gebilde, ſpeziell der Zähne, verkümmert. Genau unterſucht ſind in dieſer Beziehung Fedor Jeftichejew, Maphoon und Moung Phoſet. Jeftichejew hatte, als ihn im Alter von 3— 4 Jahren im Jahr 1873 Virchow unter⸗ ſuchte, nur vier untere Schneidezähne, bei einer von Parreidt 1883 vorgenommenen Unterſuchung fanden ſich im Unter⸗ kiefer ein Eckzahn und zwei Schneidezähne, im Oberkiefer nur die beiden Eckzähne; möglich iſt es, daß im Lauf der Zeit noch der eine oder andere Zahn durchbricht, jedoch für, den Unterkiefer wenigſtens nicht wahrſcheinlich, zugleich geben die Zähne keinen Anhaltspunkt, ob es Milchzähne oder bleibende Zähne ſind, ſie machen mehr den Eindruck von geringeren Zähnen, Zähnen von rudimentärem Wert. Abgeſehen von der ſchlechten Ausbildung des Zahnſyſtems erwieſen ſich bei Jeftichejew die Nägel zart und dünn, die zarte Haut wenig pigmentreich und das mäßige Schwitzen derſelben läßt auf eine geringe Entwickelung der Schweißdrüſen ſchließen. Bei Maphoon war außer den Schneidezähnen kein Zahn zur Entwickelung gekommen, ihrem Sohn Moung Phoſet fehlen Molaren und Prämo⸗ laren, im Oberkiefer finden ſich zwei Eckzähne und zwei große Schneidezähne, im Unterkiefer zwei Eckzähne und vier kleine Schneidezähne. Im Gegenſatz zu der beſprochenen Abteilung finden ſich Fälle, wo mit einer exceſſiven Haarentwickelung eine kräftige Entwickelung aller Epidermisgebilde ſpeziell des Epithels der Alveolarfortſätze Hand in Hand geht. Solcher Fälle ſind drei genau unterſucht, zwei beziehen ſich auf Kinder von 6 reſp. 7 Jahren, einer auf eine Mexikanerin, welche in ihrem zwanzigſten Jahr in Europa gezeigt und unterſucht wurde. In allen Fällen war ein regelmäßiges Gebiß zu konſtatieren, zugleich aber in einem Fall eine Hypertrophie der Schleimhaut am Alveolarfort⸗ Humboldt. — Dezember 1890. 433 ſatz, in den beiden anderen Fällen eine Hypertrophie der Alveolarfortſätze ſelbſt, ſo hochgradig, daß nur die Schneide— und Kauflächen der Zähne ſichtbar blieben. Das Haar, welches übermäßig vertreten war, ſpeziell im Geſicht, zeigt nicht die weiche Beſchaffenheit wie in der erſten Gruppe, ſondern iſt ſtark, in dem einen Fall ſogar borſtig, wie Roßhaar. Hautpigment iſt reichlich vorhanden. Es zeichnet ſich aber dieſe Gruppe durch ſtarke, teilweiſe hypertrophiſche Entwickelung aller Epidermoidalgebilde aus. Direkt entgegengeſetzt hierzu verhält ſich eine dritte Gruppe, bei der alle Epidermoidalgebilde, auch das Haar ſehr ſchwach entwickelt, teilweiſe atrophiert ſind. Als Beiſpiel hierfür dient eine amerikaniſche Familie: Peter W., ein zur Zeit der Unterſuchung 48 Jahre alter Mann, war ſtets zahnlos geweſen, außerdem mangelt ihm der Geruchsſinn, der Geſchmacksſinn iſt gering entwickelt und auch die Schweißdrüſen ſcheinen zu fehlen, da er nie ſchwitzt. Von den Haaren iſt nur der Bart ſtark ent— wickelt, außerdem finden ſich Haare in der Axilla und der Regio pubis, den Kopf deckt ſpärlicher, weicher Flaum, die feinen Härchen am Körper fehlen gänzlich. Von den Verwandten dieſes Mannes hatte die Großmutter weder Haare noch Zähne, die Mutter war normal, aber einer ihrer Brüder war haar- und zahnlos; bei einigen Ge— ſchwiſtern Peter W.s gelangten ebenſo wie bei einigen ſeiner Kinder, die ſonſt normal ſind, gewiſſe Zähne nie zum Durchbruch. —p. eber das Gehirn des Schimpanſe im Vergleich zu demjenigen des Menſchen hat Johannes Möller un— längſt wichtige Unterſuchungen veröffentlicht, denen wir folgendes entnehmen: Die Unterſchiede zwiſchen dem Ge— wicht des Schimpanſehirns und Menſchenhirns ſind ſehr beträchtliche, da das Gewicht des erwachſenen Europäers nach v. Biſchoff durchſchnittlich 1350 bis 1360 g, das— jenige des Negers 1244 g, dasjenige des ausgewachſenen Schimpanſe nur 355 bis 400 g beträgt. Beim 2 bis 4 Jahre alten Schimpanſe ſchwankt das Hirngewicht zwiſchen 266 und 397 g; das Hirngewicht des gleichaltrigen Menſchen ſteht dem gegenüber mit etwa 1040 g. Die vorhergehen— den Ziffern laſſen erkennen, daß im Gegenſatz zum Men— ſchenhirn die Gewichtszunahme des Schimpanſehirns mit zunehmendem Alter eine ſehr geringfügige iſt und daß durchſchnittlich der Menſch 3- bis Amal fo viel Gehirnmaſſe beſitzt wie der Schimpanſe. Beim Schimpanſe ſteht das Hirngewicht zum Körpergewicht im Verhältnis von 1:70 bis während das nämliche Verhältnis beim Menſchen nur 1:35 bis 40 beträgt. Beim jungen Schimpanſe be— trägt obiges Verhältnis 1:25, ſteht alſo dem Verhältniſſe bei jungen menſchlichen Individuen vom zweiten bis vierten Lebensjahre, wo das Verhältnis 1: 18 beträgt, ſehr nahe. Damit ſteht auch die Thatſache im Einklang, daß die Menſchenähnlichkeit beim jungen Anthropoiden größer ijt als beim erwachſenen, bei welchem letzteren das animale Prinzip in gerader Progreſſion zum Alter ſteht. Der Menſch beſitzt nicht, wie früher allgemein angenommen wurde, das größte Gehirn, ſondern er wird von einer Anzahl kleinerer Tiere (3. B. von kleinen Affen und Sing— vögeln) in der relativen und von den zwei größten der heute lebenden Tiere, nämlich vom Elefant und Walfiſch, in der abſoluten Größe des Gehirns übertroffen. Daraus iſt erſichtlich, daß die Größe der Hirnmaſſe nicht in jedem Falle dem Intelligenzgrade entſpricht; dagegen beſteht allerdings inſofern ein Zuſammenhang zwiſchen Hirnent— wickelung und geiſtiger Befähigung, als derjenige Teil des Gehirns, der in nächſter Beziehung zur Intelligenz ſteht, nämlich das Vorder- oder Großhirn im Verhältnis zu den übrigen Hirnteilen bei den einzelnen Tierarten eine ungleich große Entwickelung erreicht. Vergleichen wir das Gehirn eines zwei bis vier Jahre alten Schimpanſe mit dem eines im erſten Lebensjahre ſtehenden Kindes, ſo finden wir, daß die beiden Großhirne eine etwa gleiche, die Hinter- oder Kleinhirne dagegen eine ungleiche Größe und zwar zu Gunſten des Schimpanſe aufweiſen. Die verhältnismäßig beträchtliche Zuſpitzung des Großhirns Humboldt 1890. beim Schimpanſe iſt bedingt durch die geringe Entwickelung des Stirnlappens. Während die untere Seite des Groß— hirns beim Menſchen eine ebene Fläche darſtellt, iſt die— ſelbe beim Schimpanſe konkav; die hintere Partie des Großhirns beſitzt beim Schimpanſe eine beträchtlichere Breite als beim Menſchen; der an das Kleinhirn grenzende Rand des hinteren Großhirnabſchnitts iſt beim Schimpanſe gekrümmt, beim Menſchen gerade. Während die Geſtaltung der Hirnoberfläche, die Anordnung und Lage der Windun— gen beim Menſchen und Schimpanſe im weſentlichen die nämliche iſt, läßt ſich doch infofern ein Unterſchied kon— ſtatieren, als beim Menſchen die Nebenfurchen und kleineren Windungszüge (gyri) in größerer Anzahl vorhanden und durch ſtärkere Biegungen charakteriſiert ſind, wodurch beim Menſchen eine mehr oder weniger große Aſymmetrie der beiden Großhirnhemiſppären und eine kompliziertere Ge— ſtaltung des Großhirns bedingt wird, als dies bei den Anthropoiden der Fall iſt. Die bedeutende Entwickelung des Stirnlappens des Großhirns beim Menſchen kommt darin zum Ausdrucke, daß die den Stirnlappen vom Scheitellappen des Großhirns abgrenzende Zentralfurche ſich beim Menſchen weiter nach rückwärts erſtreckt als beim Schimpanſe. Nach Parker liegt beim Menſchen un— gefähr die Hälfte der Großhirnoberfläche vor dieſer Furche, beim Schimpanſe nur etwa ein Drittel. Der Hinterhaupt- lappen des Großhirns iſt beim Schimpanſe ebenfalls etwas ſchwächer entwickelt als beim Menſchen, der Scheitellappen dagegen im ganzen etwas kräftiger. Am Schläfenlappen zeigen ſich inſofern Verſchiedenheiten, als ſeine Spitze beim Schimpanſe faſt gerade nach unten, beim Menſchen dagegen mehr nach vorn hervorragt. Die „Inſel“ liegt beim An⸗ thropoiden ebenſo wie beim Menſchen völlig in der Tiefe zwiſchen Stirn- und Schläfenlappen verſteckt. Die graue Subſtanz (Rindenſubſtanz) des Schimpanſe-Großhirns wurde von Möller unter Anwendung einer neuen von Golgi er— fundenen Methode unterſucht. Er fand, daß beim Schim— panſe die Fortſätze der Ganglienzellen abgeſehen von leichten Schlängelungen auffallende winklige Knickungen aufweiſen. Beim menſchlichen Gehirn treten dieſe Knickungen, über deren Bedeutung man noch nicht im klaren iſt, verhältnis— mäßig ſelten auf. Möller neigt zu der Anſicht, daß viel- leicht Unterſchiede in der chemiſchen Konſtitution der Ganglienzellen beim Menſchen und den Anthropoiden vor— handen ſind. Dem Satz von Johannes Ranke: „Der Menſchencharakter des Gehirns beruht lediglich auf dem hohen Uebergewicht des nicht automatiſch wirkenden Teiles der Großhirnhemiſphären über die automatiſch wirkenden Gehirnabſchnitte“ pflichtet Möller vollkommen bei. Im großen und ganzen, ſo bemerkt letzterer, beſtehen zwiſchen Menſchenhirn und Anthropoidenhirn die größten qualita— tiven Uebereinſtimmungen und nur quantitative Unter— ſchiede in der relativen Entwickelung von grauer und weißer Subſtanz; dagegen exiſtiert ein ſehr bedeutender Unterſchied zwiſchen der Entwickelung des Gehirns bei den Anthropoiden und den niederen Affen. Möller ſchließt ſeine Abhandlung mit den Worten Ch. Baſtians: „Wenn die menſchenähnlichen Affen bei ihrer wohl entwickelten Verſtandes- und Gemütsthätigkeit im Beſitze einer arti— kulierten Sprache wären, ſo daß ſie den Vorteil gegen— ſeitiger Belehrung, wenn auch nur durch mündliche Ueber— lieferung und Mitteilung hätten, welch ein Fortſchritt im Grade und Umfang ihrer Intelligenz ließe ſich erwarten, wenn einige hundert Generationen unter dem Einfluſſe ſolcher Bedingungen gelebt hätten.“ A. Die Anthropologie der Taubſlummen. Der ita— lieniſche Gelehrte Paolo Riccardi (Bologna) hat kürzlich an fünfzig Taubſtummen verſchiedenen Alters und Ge ſchlechts Unterſuchungen angeſtellt, die er in ſeinem neueſten Werke: ,Contribuzione all' Antropologia del sordo— mutismo“ zuſammenfaßt. Man muß zwiſchen angeborener und erworbener Taubſtummheit ſtreng unterſcheiden. Als Urſachen der erſteren Form wurden bis jetzt konſtatiert: Anomalien bes Nervenſyſtems, intrauterine Entzündungen des Gehirns und ſeiner Häute, Defekte und Atrophien 55 434 im Gehörapparat und intrauterine Ohrentzündungen. Die erworbene Taubſtummheit iſt gewöhnlich die Folge von Krankheiten im Kindesalter, welche den Verluſt des Ge⸗ hörs nach ſich ziehen. Am Kopf der Taubſtummen findet man gewöhnlich gewiſſe Anomalien, insbeſondere iſt die Häufigkeit der Aſymmetrie auffallend. Auch die Kurz⸗ köpfigkeit iſt eine faſt niemals fehlende Eigentümlichkeit der Taubſtummen. Ihr Körper iſt ſchwächlich und klein, der Bruſtumfang gering, die Kapazität der Lungen niedrig. Die Klafterweite iſt dagegen gewöhnlich größer als beim normalen Menſchen; letzteres wurde beſonders beim männ⸗ lichen Taubſtummen beobachtet. Auffallend iſt ein faſt durchgehendes Ueberwiegen ſchlechter Zähne, die Spär⸗ lichkeit des Haarwuchſes und eine häufig beobachtete Nei⸗ gung zu Augenlidentzündungen. Die Naſe iſt zuweilen abgeplattet, die Lippen ſind oft dick, fleiſchig und herab⸗ hängend. Beſonders auffällig iſt nach Riccardi die im allgemeinen geringe Entwickelung der Intelligenz, die in einzelnen Fällen dem Idiotismus ſehr nahe kommt. Die Sterblichkeit der Taubſtummen iſt nach Riccardi eine ſehr bedeutende. Der dritte Teil ſtirbt ſehr bald weg und von den übrigen leben nicht viele bis ins Mannesalter. Dagegen ſind einzelne Fälle konſtatiert worden, in denen Taubſtumme ein recht hohes Alter erreichten. Alle die obigen Eigenſchaften kommen natürlich denjenigen, denen die Krankheit angeboren iſt, in weit höherem Grade zu, als denen, die ſich dieſelbe erſt zugezogen haben. Die viel umſtrittene Frage der Erblichkeit des Leidens bejaht Ric⸗ cardi; doch hält er es für übertrieben, wenn einige Anthro⸗ pologen der Ehe zwiſchen Blutsverwandten eine hohe Be⸗ deutung für die Entſtehung der Taubſtummheit beimeſſen. Wanderung im Gebiet des Großen Ozeans. Von großem Intereſſe für die Frage, wie die Inſeln des Großen Ozeans bevölkert worden ſind, iſt die Kenntnis der zufälligen Wanderungen im Gebiet desſelben. Otto Sittig gibt in Petermanns Mitteilungen (1890, Heft 7 und 8) eine Zuſammenſtellung dieſer durch Wind und Strömung verurſachten Verſchlagungen. Er kommt zu dem Schluß, daß die Bevölkerung ihren Ausgang von der malatijdhen Inſelwelt nahm, und nicht, wie Ellis annimmt, von Amerika. Zwiſchen den Inſeln des Großen Ozeans und Südamerika beſtehen keine Beziehungen, dagegen haben Wanderungen zwiſchen Aſien und Nordamerika ſicher auch ſüdlich von der Behringſtraße ſtattgefunden. Nach Hawai erſcheint ſelbſt eine Rückwanderung von Amerika nicht ausgeſchloſſen. Die Hawaier können mit chineſiſchen und japaniſchen Elementen verſetzt ſein, und auch auf den Karolinen iſt das möglich. W. Ornithophile Blüten. Während bei uns die Mehr⸗ zahl der Blüten durch Inſekten, beſonders Hymenopteren, beſtäubt werden, finden ſich am Kap eine Anzahl von Pflanzen, deren Blüten ſich augenſcheinlich der Beſtäubung durch Vögel angepaßt haben. Scott⸗Elliot hat über die bisher wenig bekannten Einrichtungen derartiger Vogel⸗ blumen kürzlich in den Annals of Botany, Vol. IV., Nr. XIV eine kleine Abhandlung veröffentlicht, der wir folgendes entnehmen: Die Anzahl der Pflanzen, welche durch Vögel beſtäubt werden, beträgt wahrſcheinlich über hundert Arten, und zwar ſind es Vögel, welche zur Gruppe der Cinnyriden gehören, die die wichtige Rolle der Be⸗ ſtäubung übernehmen. Gleich den Bienen ſind die Vögel gute Beſtäuber, weil ſie wie dieſe ſich längere Zeit an eine Art halten und nicht von einer zur anderen übergehen. Im Gegenſatz zu der von Wallace (Darwinism) vertretenen Anſicht, glaubt Scott⸗Elliot, daß die Farbe der blumen⸗ beſuchenden Vögel in gewiſſer Beziehung zu ihren Gewohn⸗ heiten ſteht. Es iſt nämlich Thatſache, daß ſich auf der Bruſt der Cinnyriden eine eigentümliche Färbung von Rot zeigt, welche, wie er fand, genau dem Rot entſpricht, durch welches die Mehrzahl der ſüdafrikaniſchen Vogelblumen aus⸗ gezeichnet iſt. Rot iſt überdies keine gewöhnliche Blüten⸗ farbe; da jedoch Labiaten, Leguminoſen, Aloeaxten und Irideen dieſe Farbe annehmen, wenn ſie ornithophil werden, ſo liegt kein Grund vor, an der von Darwin aufgeſtellten Humboldt. — Dezember 1890. Anſicht, daß die Farben der Tiere zu den Lebensgewohn⸗ heiten derſelben in gewiſſen Beziehungen ſtehen, zu zweifeln, um ſo weniger als man keine andere Erklärung hat, welche man an die Stelle der einfachen Darwins ſetzen könnte. Diejenigen Cinnyriven, welche ſich als ganz vorzügliche Be⸗ ſtäuber erwieſen haben, ſind'namentlich Nectarinia chalybea, bicollaris, famosa, souimanga, Promerops caper und Gurneyi, während von ornithophilen Pflanzen beſonders Melianthus major, comosus, Dregeanus, Schotia spe- ciosa, Erythrina caffra, E. indica, Erica Peukenetii und Fecoma capensis zu nennen find. Dr. P. Taubert. Aeber das Verennieren des Noggens. Von vielen Forſchern iſt die Meinung ausgeſprochen worden, daß unſer kultivierter Roggen, Secale cereale L., von dem ſiziliani⸗ ſchen Secale montanum Guss. mit ſeinen Varietäten 8. anatolicum Bois. und S. dalmaticum Viss. abſtamme. A. de Candolle iſt geneigt, unſeren Roggen für eine ſelb⸗ ſtändige Art zu halten, der nur deswegen nicht wild be⸗ kannt ſei, weil kultivierter Roggen ſich leicht außerhalb der Kulturen von ſelbſt ausſäet und faſt ganz verwildert, wie es z. B. in den Ländern der öſterreichiſchen Monarchie be⸗ obachtet worden iſt. Die einzigen wichtigen Unterſchiede zwiſchen S. cereale L. und S. montanum Guss. beſtehen darin, daß erſterer immer einjährig, höchſtens anderthalbjährig, letzterer dagegen immer perennierend iſt. Nach der Fruchtreife zerfällt bei 8. mon- tanum Guss. die Rhachis der Aehre, während fie bei S. cereale L. ganz bleibt. Die übrigen Unterſchiede, na⸗ mentlich die Länge der Grannen, ſind nicht von Bedeutung, da ſie, wie die Kulturſorten unſeres Roggens zeigen, äußerſt variabel ſind. Alle Kulturformen des Roggens wurden von den verſchiedenen Forſchern bisher als ein- oder andert⸗ halbjährig angenommen, was darauf ſchließen laſſen würde, daß die urſprüngliche wilde Art eine einjährige Pflanze ſei. Landwirten und Botanikern war es jedoch bekannt, daß einige Roggenpflanzen nach der Ernte ab und zu aus der Stengelbaſis einige Sproſſen entwickeln, was auf eine ſchwache Neigung zum Perennieren hinweiſt. Keinem Bo⸗ taniker dagegen und keinem Landwirt, außer einigen ruſſi⸗ ſchen, war es bisher bekannt, daß in einigen Gouverne⸗ ments des ſüdlichen Auslands der Roggen als eine mehr⸗ jährige Pflanze kultiviert wird. Die erſten genaueren An⸗ gaben darüber wurden 1886 von Kaldurow mitgeteilt, der entſchieden behauptet, daß dieſelbe Saat des Roggens mehrere Jahre überwintern und mehrere Ernten in einer Reihe von aufeinanderfolgenden Jahren geben kann, wie jede andere perennierende Pflanze. Daß die zweite oder dritte Ernte nicht etwa durch zufällig ausgefallene Samen der erſten, nicht alſo durch „Abfall“, wie man in Südrußland ſagt, zu ſtande kommt, konnte Kaldurow ſehr leicht dadurch nachweiſen, daß er die Wurzeln ſolchen mehrjährigen Roggens ausgrub, die wirklich an jedem Stocke die Stengelreſte der Triebe von zwei bis drei Jahren zeigten. Durch dieſe Publikation veranlaßt, verſchaffte ſich Batalin perennieren⸗ den Roggen, der aus dem Gebiete der doniſchen Koſaken ſtammte und eine daſelbſt ſchon ſeit uralten Zeiten kulti⸗ vierte Sorte des Winterroggens darſtellte. Bei einer ſorg⸗ fältigen Unterſuchung ergab ſich folgendes: Jede Roggen⸗ pflanze war ſtark beſtockt und mit zahlreichen Schößlingen verſehen. An jedem Exemplare ſieht man die Stengel von zweierlei Alter, die älteren abgeſchnittenen von der vorigen Ernte und die jüngeren, noch mit Aehren, welche ſich in⸗ folge eines regenreichen Sommers noch im Herbſte des erſten Erntejahres entwickelt hatten. Die Schößlinge mit den reifenden Aehren ordneten ſich vorwiegend auf dem äußeren Rande des Wurzelſtockes an, und es blieb kein Zweifel, daß ſie wirklich die jüngeren Triebe der abgeernte⸗ ten Pflanze darſtellten. Die Anzahl ſolcher ſekundärer Stengel ſchwankte zwiſchen zehn bis fünfzehn an jedem Stocke — und ſchon dieſe bedeutende Anzahl zeigt die Neigung der Roggenpflanze zum Perennieren. Während die ein⸗ geſandten Exemplare an den ſekundären Trieben bereits Aehren zeigten, bleiben die Schößlinge in gewöhnlichen d. h. regenarmen Jahren bedeutend kürzer und bilden nur Humboldt. — Dezember 1890. eine Anzahl von Blättern, überwintern in dieſem Zuſtande und treiben erſt im nächſten Jahre die Aehren. Die von Batalin unterſuchten Pflanzen ſtanden ſo— wohl dem Secale anatolicum Boiss. wie dem S. dalma- ticum Vis., die beide nur als Varietäten des S. montanum Guss. aufzufaſſen find, ſehr nahe; das Perennieren der— ſelben iſt ſomit eine weitere Stütze für die Annahme, daß unſer Kulturroggen von 8. montanum Guss. abſtammt. Es bleibt zwiſchen beiden nur noch der Unterſchied, daß bei 8. montanum Guss. die Aehre nach der Reife zerfällt. Wenn man aber berückſichtigt, daß Darwin zeigte, daß die Kulturpflanzen immer diejenigen Merkmale und in der Richtung ſich verändert haben, welche für die Kultur nötig ſind, d. h. den Bedürfniſſen des Menſchen entſprechen, ſo kann dieſem Unterſchiede keine beſondere Bedeutung bei— gemeſſen werden; er iſt vielmehr ein durch die Kultur erworbenes Merkmal, weil er den Zwecken der Kultur ent— ſpricht. Vielleicht ergeben anatomiſche Unterſuchungen, die ja in gewiſſen Fällen für die Zwecke der Syſtematik ſehr wertvolle Merkmale ergeben haben, wenn ſie an den Kultur— pflanzen und ihren mutmaßlichen Stammarten angeſtellt würden, einige Anhaltspunkte, um über die Abſtammung derſelben ſichere Vorſtellungen zu gewinnen. Dr. P. Taubert. Eine Tintenpflanze. Aus Südamerika wird berichtet, daß in den Vereinigten Staaten von Columbien eine Pflanze, Coriaria thymifolia, entdeckt worden iſt, deren Säfte eine fertige Tinte liefern; anfangs iſt dieſelbe röt— lichbraun, wird aber nach einiger Zeit ſchwarz. (Prometheus.) AL Einen eßbaren Roftpif;, Accidium esculentum, hat kürzlich A. Barclay beſchrieben. Derſelbe wächſt in Indien auf Acacia eburnea Willd., wo fein Mycel peren— niert und eine Art Hexenbeſen verurſacht. Die AWAccidien werden abgeſchabt und dienen gekocht und mit Pfeffer ver— ſetzt der ärmeren Volksklaſſe als beliebte Nahrung. Auf den Acacien ſind übrigens verſchiedene andere Roſte be— kannt geworden, welche mächtige Beulen (Hypertrophien) der Zweige und Blätter verurſachen, ſo das afrikaniſche Accidium ornamentale Kaldhbr. und die von mir der Wiſſenſchaft übergebenen Roſte Uromyces Tepperianus Sace. und Uredo notabilis Ludw. aus Auſtralien. — In Indien werden nach Bardlay auch die Anſchwellungen der Brenneſſel gegeſſen, welche durch das zu einem Carex- Roſt gehörige Accidium Urticae Schum. var. Hima- layense Bardl. verurſacht werden. An der Akazie ift es aber der Pilz ſelber, der gegeſſen wird. Ludwig (Greiz). 435 Badende Schmetterlinge. In der Juninummer des Victorian Naturalist teilt Mr. G. Lyell eine Beobachtung mit, die er am Ufer eines Bergbaches in Gippsland im letzten Januar machte. Er ſah einen der Viktoria-Schmetter— linge, Papilio macleayanus, ſich auf das Waſſer herab— laſſen, in welches er ſich derart rückwärts hineinbewegte, daß der ganze Körper und der untere Teil der Hinter— flügel untergetaucht wurden und nur die Vorderbeine auf dem Trockenen blieben. Nachdem das Tier ungefähr eine halbe Minute in dieſer Stellung verharrt hatte, flog es augenſcheinlich erfriſcht davon. Bei der weiteren Ver— folgung dieſer Beobachtung bemerkte Mr. Lyell eines Mor— gens eine ganze Anzahl dieſer Schmetterlinge, welche das— ſelbe Benehmen zeigten. Um ſich zu vergewiſſern, daß er ſich nicht getäuſcht, fing er mehrere der Tiere, als ſie vom Waſſer aufflogen. In jedem Falle waren Körper und die untere Partie der Hinterflügel ganz naß. Ein Flattern oder Flügelſchlagen der Tiere wurde nicht bemerkt; ſie waren vielmehr von ihrem kühlen Bade derartig entzückt, daß ſie ſich kaum bewegten, ſogar auch dann nicht, als ſie mit dem Netz berührt wurden. Wahrſcheinlich veran— laßte die Hitze die Schmetterlinge, ſich zum Waſſer herab- zulaſſen, von dem ſie ſehr bald erfriſcht wieder aufflogen. Lyell hat oft Schmetterlinge aus der Familie der Nympha- lidae beobachtet, welche am Rande von Pfützen ſaßen und die Feuchtigkeit aus dem Sande daſelbſt aufſogen. Aehn— liches kann man bei uns namentlich an Pieris-Arten be— obachten. Ale Aleber Käſerlarven im menſchlichen Darm berichtet Sandberg. Sein Sohn, bei der Heilung zehn Jahre alt, hatte in den letzten zwei Jahren über Bauchgrimmen, Schmerzen unter der Bruſt, Kopfweh und Uebelkeit geklagt; in der letzten Zeit ſteigerten ſich die Krankheitserſcheinungen zu plötzlichem Auffahren im Schlaf mit Schreien und ſchreckhaften Wahnvorſtellungen, worauf Kopfweh und Er— mattung folgte. Bei mehrfacher Anwendung von Abführ— mitteln gingen endlich neben gewöhnlichen Würmern auch zwei Schnellkäferlarven ab, die zu der Art Agrypnus mu- rinus gehörten und 3 em lang waren, demnach wahrſchein— lich im letzten Entwickelungszuſtand ſtanden. Nach Abgang der Larven, von denen noch mehr vorhanden geweſen ſein können, genas der Knabe. Es iſt anzunehmen, daß Eier des Käfers ſeiner Zeit in den Magen gelangten und die Larven ſich daſelbſt raſcher als ſonſt entwickelten, ſo daß ſie ſchon nach zwei Jahren der Verpuppung nahe waren. (Entom. Tijdschr. Stockolm 1890, p. 77—80. Referat Zentr.⸗Bl. f. Bakteriologie u. Paraſitenkde., Bd. VIII, Nr. 6.) iche Run dſch au. J. J. Thomſon, Anwendungen der Dynamik auf Vhyſik und Chemie. Autoriſierte Ueberſetzung. Leipzig, Guſtav Engel. 1890. Preis 5 Mark. Um die Beziehungen zwiſchen zwei phyſikaliſchen Er— ſcheinungen nachzuweiſen, erweiſt ſich im allgemeinen jene Methode am fruchtbarſten, nach welcher man „ohne ein— gehende Kenntnis des Mechanismus, durch den die Er— ſcheinungen entſtehen, und ohne Rückſicht auf die Erklärung derſelben zeigt, daß ſie untereinander in einem ſolchen Zuſammenhange ſtehen, daß die Exiſtenz der einen die Exiſtenz der anderen in ſich begreift“. In dieſem Buche gelangen die angewandten Methoden mittels allgemeiner dynamiſcher Prinzipien zur Ausführung und es wird alles von den Eigenſchaften einer einzigen Funktion ge— wiſſer Größen abhängig gemacht, durch welche der Zu— ſtand des Syſtems beſtimmt iſt. Es iſt dies dieſelbe Methode, welche Maxwell zur Unterſuchung des elektriſchen Feldes verwendete und die ihm die überraſchendſten Re— ſultate geliefert hat. Dieſe dynamiſchen Methoden werden in erſter Linie ſkizziert und es leiſtet insbeſondere die Lagrangeſche Funktion in den ſpäter zu betrachtenden Problemen die erſprießlichſten Dienſte. Es wird dargelegt, daß man alle potentielle Energie als kinetiſche betrachten kann, daß es eine der Aufgaben der Phyſik iſt, die Natur— erſcheinungen durch die Eigenſchaften der bewegten Materie zu erklären. Dieſe Prinzipien werden auf die Phyſik an— gewendet und die Probleme in umkehrbare Wettererſchei— nungen, in umkehrbare ſkalare Erſcheinungen, in nicht um— kehrbare Erſcheinungen gruppiert. Es werden unterſucht: Die Einwirkung der Temperatur auf die Eigenſchaften der Körper, die elektromotoriſchen Kräfte, welche durch Tempera— turunterſchiede erzeugt werden, die Rückſtandswirkungen, die Verdampfung, die Eigenſchaften verdünnter Löſungen, die Diſſociation, der allgemeine Fall des chemiſchen Gleich— gewichtes, der Einfluß der Aenderungen in den phyſikaliſchen Bedingungen auf den Koeffizienten der chemiſchen Reaktion, der Uebergang aus dem feſten in den flüſſigen Aggregat— zuſtand, der Zuſammenhang zwiſchen elektromotoriſcher Kraft und chemiſchem Prozeß. — Das Studium des vor— liegenden Buches iſt ungemein lehrreich, erfordert aber eine gründliche Kenntnis der theoretiſchen Dynamik und insbeſondere ein Vertrautſein des Studierenden mit den Anſchauungen der engliſchen Phyſiker und den Entwicke— lungen der engliſchen Analytiker. Troppau. Dr. J. G. Wallentin. 436 Ad. Breuer, Darſtellung der mathematiſchen Theorien über die Disperfion des Cichtes. 1. Theil: Normale Disperſion. Hannover, Bac- meiſter. 1890. Preis 1 Mark. Der Verfaſſer hat ein ſehr dankbares Problem gewählt und dasſelbe einheitlich und lückenlos unter möglichſter Ver⸗ einfachung der Rechnungen behandelt. Die Geſetze der Vibra⸗ tionsbewegung wurden auf den Fall von iſotropen Medien unter alleiniger Berückſichtigung von transverſalen Schwingungen angewendet. Die Integration der vor— kommenden Differentialgleichungen vollzog der Verfaſſer in einfacher Weiſe. Der erſte Abſchnitt handelt von dem Ge⸗ ſetze der ſchwingenden Bewegung des freien Aethers und es wird in demſelben wie in den folgenden Abſchnitten der Geſchichte des Problems eingehend Erwähnung gethan. Im zweiten Abſchnitte wurde die Theorie von Cauchy ent⸗ wickelt; im dritten wird die Disperſionsformel von Powell auf ihren wiſſenſchaftlichen Wert geprüft; im vierten wird auf die mißglückte Theorie des Disperſionsproblemes von Broch eingegangen; die weiteren Entwickelungen nehmen auf die Theorie von Redtenbacher, auf jene von Eiſenlohr, von Chriſtaffel Bezug. Ausführlich werden die Deduk⸗ tionen von Briot im folgenden betrachtet; dieſen folgen die Darlegungen der Theorien von C. Neumann, Bouſſinesg, ferner der empiriſchen Formeln von Ketteler. Den Schluß bildet eine überſichtliche Darſtellung der Näherungs⸗ gleichungen, welche von verſchiedenen Autoren als Aus⸗ gangspunkt ihrer Arbeiten über theoretiſche Optik gewählt wurden; dabei kommt der Verfaſſer zu dem Reſultate, „daß dieſe Gleichungen die Disperſion des Lichtes nicht zu er— klären vermögen“. Troppau. Dr. J. G. Wallentin. Ira Nemſen, Anorganiſche Chemie. Tübingen, Lauppſche Buchhandlung. 1890. Preis 12 Mark. Der durch mehrere Lehrbücher bereits rühmlichſt be⸗ kannte Verfaſſer liefert in dem vorliegenden Band „das vorgeſchrittenſte Glied der Reihe“, und zwar ein Buch, welches ſich von den meiſten derartigen Werken dadurch unterſcheidet, daß die Experimente aus dem Text in einen Anhang verwieſen ſind, welcher eine Beſchreibung der Apparate rc. gibt, während der Text ſelbſt ſich nur mit den Prinzipien beſchäftigt. Charakteriſtiſch iſt auch für das Buch, daß es beſtändig auf die allgemeinen Beziehungen, auf die Analogien zwiſchen Eigenſchaften von Subſtanzen und zwiſchen chemiſchen Reaktionen hinweiſt und die Gr- ſcheinungen, von denen die chemiſchen Anwendungen be— gleitet werden, eingehend erörtet. Die Beſprechungen der Konſtitution der chemiſchen Verbindungen nehmen ſelbſt⸗ verſtändlich einen breiten Raum in dem Buche ein und beſonders intereſſant ſind des Verfaſſers Ausführungen über die Konſtitution der ſog. Doppelſalze der Halogene. Alles in allem bietet das Buch auch für den Vorgeſchrit⸗ teneren eine anregende Lektüre und wir möchten es unſern Leſern warm empfehlen. Friedenau. Dammer. H. W. Vogel, Handbuch der Photographie. 4. Aufl. 1. Teil. Berlin, R. Oppenheim. 1890. Preis 10 Mark. Die 3. Auflage dieſes allbekannten und allbeliebten Handbuchs erſchien 1878 und es iſt bekannt, eine wie glänzende Entwickelung die Photographie ſeitdem durch die Einführung des Gelatineemulſionsverfahrens und durch die Steigerung der Farbenempfindlichkeit erfahren hat. Dazu hat die erleichterte Ausführung die Anwendung der Photo⸗ graphie außerordentlich erweitert. Ueberall wo man bild⸗ licher Darſtellungen bedarf, iſt die Photographie einge⸗ drungen, ſie leiſtet der Wiſſenſchaft die größten, zum Teil unerwartete Dienſte und wird von einem ganzen Heer von Liebhabern geübt. Die wiſſenſchaftliche Grundlage der Photographie, die Photochemie, hat in den letzten 12 Jahren ebenfalls eine bedeutende Ausbildung erfahren und ſo erweiterte ſich denn dies Kapitel von 8,5 Bogen der dritten auf 22 Bogen in der vorliegenden Auflage. Humboldt. — Dezember 1890. Der bisher erſchienene erſte Teil derſelben behandelt die phyſikaliſchen und die chemiſchen Wirkungen des Lichtes ſowie die photographiſchen Chemikalien und hat alſo ein weſentlich wiſſenſchaftliches Intereſſe. Ein ungemein großes Material iſt hier in überſichtlicher Form zuſammengeſtellt und dieſer Band, der auch einzeln käuflich iſt, kann als eine Ergänzung zu jedem größeren Lehrbuch der Chemie betrachtet werden. Die drei folgenden Teile des Werkes werden die Optik, die Praxis und die Aeſthetik der Photo⸗ graphie behandeln und zu dieſen gehören die beigelegten Proben der neueren photographiſchen Preſſendruckverfahren, welche dem Fachmann nicht minder wie dem größeren Publikum willkommen ſein werden. Friedenau. Dammer. H. Off, Lehrbuch der techniſchen Chemie. Berlin, R. Oppenheim. 1890. Preis 12 Mark. Außer dem bekannten Handbuch der chemiſchen Tech⸗ nologie von Wagner⸗-⸗Fiſcher beſitzt unſere Litteratur kein neueres Werk, welches die geſamte chemiſche Technologie behandelt. Das genannte Handbuch aber iſt für viele Zwecke zu umfangreich und reichhaltig und ſo wird die vorliegende Arbeit von Oſt, welche zunächſt für die Studierenden be⸗ ſtimmt iſt, allgemein als ſehr willkommen begrüßt werden. Dieſelbe gibt ein klares Bild der chemiſchen Großinduſtrie unter geſchickter Hervorhebung des Wichtigſten und wird auch denjenigen intereſſieren, der ſich über den heutigen Standpunkt der Technik unterrichten will, ohne auf tech⸗ niſche Details, die nur für den Praktiker von Bedeutung ſind, einzugehen. Ganz beſonders wertvoll erſcheint es auch, daß jedem Abſchnitt allgemeine Betrachtungen über die wirtſchaftlichen Verhältniſſe, Statiſtik, Geſchichte und die oft tief in den Betrieb, ja in die Exiſtenz der Induſtrie eingreifende Steuergeſetzgebung vorangeſtellt wurden. Wir empfehlen das Buch als eine der bedeutendſten Erſchei⸗ nung der neueren chemiſch⸗techniſchen Litteratur. Friedenau. Dammer. Hermann Z. Klein, Aſtronomiſche Abende. All⸗ gemein verſtändliche Unterhaltungen über Geſchichte und Ergebniſſe der Himmelsforſchung. Dritte viel⸗ fach umgearbeitete und vermehrte Auflage. Leipzig, E. H. Mayer. 1890. Preis 5 Mark. Der Verfaſſer hat es verſtanden, in ſehr anſprechender Form eine kurze Ueberſicht über die Geſchichte der Aſtro⸗ nomie und die Reſultate der älteren und neueren For⸗ ſchungen einem größerem Publikum vorzuführen. Das Buch iſt populär gehalten im beſten Sinne des Wortes; es bietet nicht mehr, als dem Laien verſtändlich iſt, und vermeidet jede überflüſſige Weitſchweifigkeit. Möge die neue Auf⸗ lage denſelben verdienten Erfolg haben wie die früheren. Königsberg. Profeſſor Dr. C. F. W. Peters. J. H. Kloos, Entſtehung und Bau der Gebirge. Erläutert am geologiſchen Bau des Harzes. Braun⸗ ſchweig, George Weſtermann. 1890. Preis 3 Mark. Der Verfaſſer hat in dem erſten Teil mit großem Geſchick die verſchiedenen Anſchauungen von dem Bau und der Entſtehung der Gebirge in allgemein verſtändlicher Weiſe auseinandergeſetzt und gezeigt, daß die gegenwärtige Anſicht, nach welcher die Gebirgsbildung eine unmittelbare Folge der Erdabkühlung und der dadurch hervorgerufenen Schrumpfung und Faltung der Erdoberfläche ſei, die be⸗ obachteten Thatſachen am beſten zu erklären imſtande iſt. In dem zweiten Teil beſpricht er zur Erläuterung ſeiner Ausführungen den geologiſchen Bau des Harzgebirges. Auch der Harz iſt, wie die neueren Unterſuchungen ergeben haben, ein unter dem Einfluß ſeitlicher Druckkräfte ent⸗ ſtandenes Faltengebirge; in ihm laſſen ſich in großer Mannigfaltigkeit Erſcheinungen beobachten, welche für die gegenwärtige Theorie der Gebirgsbildung ſprechen. Zahl⸗ reiche und gut gewählte, meiſt Spezialarbeiten entnommene Profile durch die verſchiedenartigſten Gebiete dienen zur Erklärung der dem Laien ſonſt ſchwer verſtändlichen Er⸗ ſcheinungen. B. Humboldt. — Dezember 1890. Rudolf Nöttger, Erdbeben. Sammlung gemeinver— ſtändlicher wiſſenſchaftlicher Vorträge, herausgegeb. von Virchow und v. Holtzendorff. Neue Folge, 4. Serie, Heft 74. 1889. Preis 1 Mark. Der Verfaſſer hat ſich die Aufgabe geſtellt, in allge— meinverſtändlicher Form zu zeigen, daß die Erde ſich in fortwährendem Vibrieren befindet, welches von den Teilen, wo ſich die größte Bewegung entfaltet, alſo vom Aequator, ausgeht und ſich von hier gegen die Pole in Begleitung von elektriſchen Strömen fortpflanzt. Bloß wenn jenes Erzittern ungewöhnliche Dimenſionen erreicht, führt es zu einer Kataſtrophe, einem Erdbeben im gewöhnlichen Sinne des Wortes. Ganz beſonders aber betont der Verfaſſer, daß jene atmoſphäriſchen Bewegungen, die ebenfalls bis zur Kataſtrophe ſich ſteigern, Stürme, Gewitter, Nieder— ſchläge, Temperaturbewegungen, gleich wie die vulkaniſchen Erſcheinungen, „ebenfalls mit dem Zuſtande der Erde im innigſten Zuſammenhange ſtehen und, von dieſem Zuſtande abhängig, mit dem Erdbeben eine Kette ſchließen als Symptome der Erdthätigkeit.“ Auch deutet der Verfaſſer an, wie mit Hilfe der von ihm erfundenen Zwillings— magnetnadeln es möglich ſei, die elektriſchen Strömungen in der Atmoſphäre zu erkennen und Erderſchütterungen und verwandte Erſcheinungen dem Ort und der Zeit nach in der bisher von ihm geübten Weiſe im voraus zu be— ſtimmen. 8. Herm. Credner, Das vogtländiſche Erdbeben vom 26. Dezember 1888. Mit einer Ueberſichtskarte. Sonderabdruck aus den Berichten der K. Sächſ. Geſellſchaft d. Wiſſenſchaften. Math.⸗naturwiſſen⸗ ſchaftliche Klaſſe. 1889. Der Verfaſſer zieht aus den Berichten von 73 Be— obachtungsorten des Erdbebens den Schluß, daß das Erd— beben ſich über ein Areal von 63 km Länge und von 35 km Breite ausgedehnt hat. Die Längsaxe dieſes ſchon mehrfach von Erdſtößen heimgeſuchten Erſchütterungs— gebietes liegt in oſtnordöſtlicher Richtung, alſo in derjenigen des auch im Vogtlande vorherrſchenden erzgebirgiſchen Falten- und Bruchſyſtems; das Beben gehört demnach zur Gruppe der tektoniſchen Erderſchütterungen. Der Anſtoß zu der Erſchütterung dürfte in einer, wenn auch höchſt geringfügigen Verſchiebung auf erzgebirgiſchen Spalten oder entlang einer erzgebirgiſchen Schichtenſtauchung zu ſuchen ſein, von wo aus ſich die ſtoßförmig ſchütternde Bewegung rechtwinklig nach ungefähr Nord und Süd aus— breitete. Merkwürdigerweiſe hat die Erdbebenbewegung die innerhalb des vogtländiſch-erzgebirgiſchen Schichtenge— bietes gelegenen Granitmaſſivs entweder umgangen und ſie ganz verſchont, oder in weit ſchwächerem Maße betroffen, als die benachbarten Komplexe der Phyllit-, Silur- und Devonformation. Den Grund dafür ſucht der Verfaſſer in der Brechung und Ablenkung der innerhalb des Schiefer— gebirges erzeugten und ſich in demſelben fortbewegenden Erdbebenwellen an den benachbarten Granitmaſſivs. B. Beiträge zur naturwiſſenſchaftlichen Erforſchung der Steiermark. Sektion für Mineralogie, Geo— logie und Paläontologie. Herausgegeben vom Natur⸗ wiſſenſchaftlichen Verein für Steiermark. Graz, Leuſchner und Lubensky. 1890. Preis 1,4 Mark. Das vorliegende Heft enthält mehrere Arbeiten geo— logiſchen und mineralogiſchen Inhalts, von R. Hörnes einen Beitrag zur Kenntnis der ſüdſteieriſchen Kohlen— bildungen, von Fritz Frech einen Aufſatz über die Alters— ſtellung des Grazer Devon, von E, Hatle Beiträge zur mineralogiſchen Kenntnis der Steiermark, ſowie von E. Huſſak eine Notiz über Uwarowit von Gulſen bei Kraubat, von Fritz Berwerth eine Mitteilung über einen dritten Nephritfund in Steiermark und von H. Hoefer eine kurze Mitteilung über Eiſenkies vom Rötzgraben bei Trofaiach. Das Unternehmen verdient wegen der gediegenen Arbeiten, die es in allen bisher erſchienenen Heften gebracht hat, die Beachtung aller, welche ſich für die ſchöne Steiermark intereſſieren. G. 437 Ir. Kinkelin, Eine geologiſche Studienreiſe durch Oeſterreich-Angarn. Sonderabdruck aus „Bericht über die Senkenbergiſche naturforſchende Geſell— ſchaft in Frankfurt a. M.“ Frankfurt a. M. 1890. Der Verfaſſer gibt eine ſehr lebendige Schilderung von einer Reiſe, welche er im Auftrage der Senckenbergiſchen naturforſchenden Geſellſchaft zum Studium der jüngeren tertiären Meeres- und Brackwaſſerbildungen in Oeſterreich— Ungarn, und zumal ihrer paläontologiſchen Einſchlüſſe, 1888 unternommen hatte. Seine Wanderung begann in dem flachhügeligen Brüx-Duxer Kohlenbecken und führte ihn durch Mähren nach Wien, von wo aus beſonders die Ablagerungen des Wiener Beckens, die Kongerienſchichten, Badener Tegel und Leithakalke, beſucht wurden. Weiter ging, es dann nach Laibach, wo das reiche Landesmuſeum zu einer eingehenden Beſichtigung einlud, zu dem ſchnecken— reichen Polſchiga-Graben am Rande des Karſt, ferner nach Unterkrain, nach Agram und zu den pliocänen Paludinen- ſchichten Weſt-Slavoniens. Das Studium der ſarmatiſchen Ablagerungen in Siebenbürgen bildete den Schluß der an— regenden Reiſe. Zwiſchen den vielen, beſonders für das vergleichende Studium der Tertiärbildungen wichtigen wiſſenſchaftlichen Erörterungen hat der Verfaſſer in ſehr geſchickter Weiſe vortreffliche Schilderungen von Land und Leuten eingeflochten, welche auch Nichtgeologen in hohem Grade intereſſieren dürften. Straßburg. Profeſſor Dr. Bücking. E. Huſſak u. G. Woitſchach, Nepetitorium der Mineralogie und Defrographie für Studierende der Naturwiſſenſchaften, Bergbaubefliſſene und In— genieure. Breslau, Preuß und Jünger. 1890. Preis 3,50 Mark. Das vorliegende Buch zeichnet ſich vor andern ähn— lichen Schriften durch größere Vollſtändigkeit und eine überſichtlichere Anordnung des Stoffes aus, derart, daß es nicht nur als eigentliches Repetitorium, ſondern auch als Nachſchlagebuch zum Zweck einer möglichſt raſchen Orientierung und Belehrung, ſowie als Leitfaden bei dem Studium mineralogiſcher Lehrſammlungen benutzt werden kann. Recht gut find die Lehren der phyſikaliſchen Kryſtallo— graphie zur Darſtellung gelangt, und entſprechend ihrer Be— deutung für die Mineralogie auch ziemlich ausführlich. Da— gegen iſt der zweite Teil, welcher eine ſyſtematiſche Beſchrei— bung der wichtigſten Mineralien enthält, als weniger gelungen zu bezeichnen, da einmal die Hauptgruppen nicht durchaus ſcharf von einander getrennt ſind und dann neben den wichtigſten Mineralien auch eine große Zahl von weniger wichtigen genannt werden, ohne daß etwa durch kleineren Druck oder durch eine weniger ausführliche Erörterung ihrer Eigenſchaften ihre geringere Bedeutung erſichtlich gemacht wäre. Immerhin dürfte das Werk in den Kreiſen, für welche es vorzüglich beſtimmt iſt, ſehr wohl aufge— nommen werden. Straßburg. Profeſſor Dr. Bücking. Eb. Fraas, Geologie in kurzem Auszug für Schulen und zur Selbſtbelehrung. Stuttgart, Göſchenſche Verlagshandlung. 1890. Preis 0,8 Mark. Zuerſt wird die Hypotheſe von dem Urſprung der Erde, dann das Material, aus welchem die Erde beſteht, und deſſen Bildung erörtert und das Wichtigſte über die vulkaniſchen Erſcheinungen, über die Bewegungen in der Erdkruſte (Hebungen und Senkungen der Erdteile, Erd— beben, Gebirgsbildung) und über die Thätigkeit des Waſſers mitgeteilt. Die zweite Hälfte behandelt die verſchiedenen Formationen, das Material, aus welchem ſie ſich aufbauen, die organiſchen Reſte, welche für ſie charakteriſtiſch ſind, und ihre Verbreitung auf der Erdoberfläche. — Der Ver— faſſer hat ſeine immerhin recht ſchwierige Aufgabe glücklich gelöſt und kann das Büchlein zum Selbſtſtudium Ae ae Schulen recht wohl empfohlen werden. 438 Humbolot. — Dezember 1890. J. Ir. Oſtertag, Der Yefrefakfenfammler. Zu⸗ gleich eine Einführung in die Paläontologie für Seminariſten, Gymnaſiaſten und Realſchüler. Stutt⸗ gart, Robert Lutz. 1890. Preis 3 Mark. Das vorliegende Werkchen gibt in anſpruchsloſer Form eine gedrängte Ueberſicht über die für den Geologen wich⸗ tigſten Tier- und Pflanzengruppen. In dem einleitenden Teil findet ſich eine kurze Auseinanderſetzung über den Aufbau der Erdrinde und die Aufeinanderfolge und Glie⸗ derung der Formationen; in dem ſpeziellen oder ſyſtema⸗ tiſchen Teil werden die wichtigſten Petrefakten, zumal die Leitfoſſilien, an der Hand zahlreicher Abbildungen, welche zum größten Teil den Werken von Quenſtedt, Zittel und Fraas entlehnt ſind, in etwas ausführlicher Weiſe be⸗ trachtet. Der Verfaſſer folgt hierbei im allgemeinen den Werken Quenſtedts, denen er auch eine große Menge ori⸗ gineller Bemerkungen entnommen hat. Das Büchlein iſt klar und allgemein verſtändlich geſchrieben und kann, da in ihm die in Süddeutſchland und ſpeziell in Schwaben vorkommenden Petrefakten beſonders eingehend berückſich⸗ tigt worden ſind, gerade den jungen ſüddeutſchen Petre⸗ faktenſammlern als eine recht gediegene und zuverläſſige Arbeit recht warm empfohlen werden. 8. MN. Kraß & H. Candois, Das Mineralreich in Wort und Bild für den Schulunterricht in der Naturgeſchichte dargeſtellt. Mit 87 Abbildungen. 4. verb. Aufl. Freiburg i. Br., Herder. 1889. Preis 2 Mark. Dieſelben, Tehrbuch für den Anterricht in der Mineralogie für Gymnaſien, Realgymnaſien und andere höhere Lehranſtalten. Daſelbſt 1889. Preis 1,60 Mark. Beide Bücher zeigen nach Auswahl und Behandlung des Stoffes vieles Uebereinſtimmende, was leicht erklär⸗ lich, beide bekunden die ſichere, geſchickte Hand der Ver⸗ faſſer und ſtellen ſich deren bekannten naturgeſchichtlichen Lehrbüchern derart würdig zur Seite, daß ſie unbedingt als für den Unterricht recht brauchbar bezeichnet werden können. Beſonders hervorzuheben ſind die wiſſenſchaft⸗ liche Zuverläſſigkeit der Angaben, die ſtete Berückſichtigung des Chemiſch-Technologiſchen, die gut lesbare Darſtellung und endlich die Veranſchaulichung durch gute Abbildungen. Warum in der Mineralogie die chemiſchen Grundlehren eingeflochten und nicht vorausgeſetzt oder dem Lehrer zur eventuellen Ergänzung überlaſſen bleiben, warum dasſelbe ſtets mit den kryſtallographiſchen Grundlehren geſchehen ift — obwohl hierbei doch nicht konſequent verfahren wurde, wie ſchon aus der Vorwegnahme der unerklärten Kom⸗ binationsformen des Schwefels erkennbar, warum endlich von den Geſteinen und Erdformationen, die doch beim Unterricht unbedingt berührt werden müſſen, abgeſehen wurde — iſt nicht recht einzuſehen. Berlin. Dr. Bwick. J. Probſt, Aleber einige Gegenſtände aus dem Gebiete der Geophyſik. Stuttgart, Schweizer⸗ bartſche Verlagsbuchhandlung. 1889. Preis 1 Mark. Es iſt eine bekannte Thatſache, daß in den älteren geologiſchen Epochen der Erdentwickelung in den arktiſchen Breiten eine bedeutend höhere Temperatur geherrſcht hat als heutzutage; die zahlreich gefundenen foſſilen Pflanzen⸗ abdrücke liefern den unzweideutigſten Beweis dafür. In einer früheren Schrift, „Klima und Geſtaltung der Erd⸗ oberfläche in ihren Wechſelwirkungen dargeſtellt“ (Stutt- gart 1887), machte Probſt den Verſuch, die wärmeren Klimate der Vorzeit als Wirkung einer „Warmwaſſer⸗ heizung“ durch die warmen Meerſtrömungen nachzuweiſen. In der vorliegenden kleinen Abhandlung verfolgt nun der Verfaſſer den Zweck, die Einwände, welcher ſeiner Zeit gegen ſeine Theorie erhoben wurden, zu entkräften und die Richtigkeit ſeiner Behauptung darzulegen. Straßburg. Dr. Rudolph. J. B. Nordhoff, Haus, Hof, Mark und Ge- meinde Nordweſtfalens im hiſtoriſchen Ueberblicke. Forſchungen zur deutſchen Landes- und Volkskunde. Bd. 4, Heft 1. Stuttgart. 1889. Preis 1,20 Mark. Eine anregend geſchriebene, kleine kulturhiſtoriſche Skizze, die freilich nur den Hiſtoriker intereſſieren wird, der ſich mit den älteſten Zuſtänden des deutſchen Volkes, ſpeziell mit der Frage nach der Bildung des Bauernhofs näher beſchäftigt hat. Entſtehung und Umbildung des Hofes auf dem Gebiete zwiſchen Lippe und Hunte, die Veränderungen, denen der Hof im Laufe der Zeit unter⸗ worfen war, die Wirkungen der Hofbildung auf die ſozialen und politiſchen Verhältniſſe der älteſten Bevölkerung bilden den Inhalt der Schrift. Von einer Hofbildung kann erſt die Rede ſein, nachdem das Volk zu einer gewiſſen Seß⸗ haftigkeit gelangt iſt; wenn alſo auch die erſten Anfänge dazu noch in die Römerzeit fallen, ſo konnte doch die eigentliche Ausbildung erſt nach der Völkerwanderung vor ſich gehen, und zwar begann ſie bei den Weſtſachſen unter fränkiſchem Einfluß. Mit der Bildung des ſächſiſchen Hofes änderte ſich auch das Bebauungsſyſtem. Die größte Um⸗ änderung erfuhr aber die Mark. An die Stelle der Mark⸗ genoſſenſchaft treten neue Verbände; das Schwergewicht der Verwaltung knüpft ſich an den Haupthof, deſſen Beſitzer aber nicht notwendig der Vertreter der Bauernſchaft war. Mit der Hofbildung ſteht natürlich auch die Aus⸗ geſtaltung des Hauſes und mit der Erweiterung des Hofes aus der Mark die Vermehrung der Gebäude in engſter Beziehung. Straßburg. Dr. Rudolph. H. Blink, Der Ahein in den Niederlanden. For⸗ ſchungen zur deutſchen Landes- und Volkskunde. Bd. 4, Heft 2. Stuttgart. 1889. Preis 4,20 Mark. Das vorliegende Werk kann man mit Fug und Recht als eine Monographie der hydrographiſchen Verhältniſſe der Niederlande bezeichnen. Die Darſtellung beſchränkt ſich auf denjenigen Abſchnitt des Unterlaufes des Rheins, der den Niederlanden angehört, jedoch geſchieht dies nicht aus Rückſichten auf die politiſchen Grenzen, ſondern weil der Rhein in der Nähe der niederländiſch⸗preußiſchen Grenze in ein Gebiet eintritt, wo er als Deltabildner thätig war, während er oberhalb nur eine einfache Abflußrinne dar⸗ ſtellt. Als weſtliche Grenze des deltabildenden Rheines wird diejenige Stelle angeſehen, an der ſich die Wirkungen der Gezeiten geltend machen. In Bezug auf die horizon⸗ tale und vertikale Form des Fluſſes kommt Blink zu dem höchſt beachtenswerten Schluß, daß von einem allgemeinen Sinken des Flußniveaus des Rheins keine Rede ſein könne. Die Lage des Flußbettes hat eher eine Erhöhung als Er⸗ niedrigung erfahren. Die Unterſuchung der Höhe des Landes zu beiden Seiten des Rheins im Verhältnis zum Waſſerſtande des Fluſſes führt zu dem Reſultat, daß die Landſtrecken eine Deltainſel bilden, welche in diluvialen Aeſtuarien an der Mündung des Rheins entſtand. Die dadurch bedingten Verhältniſſe bringen es mit ſich, daß der Rhein und ſeine Nebenarme infolge der hohen Lage des Waſſerſpiegels gar nicht zum Abfluß des Waſſers dienen können, welches in den Niederlanden gefallen iſt. So kann man mit vollem Recht mit dem Verfaſſer ſagen, daß der Rhein nur durch die Niederlande ſtrömt. Die Ver⸗ teilung des Waſſers auf den Rhein und ſeine Arme ge⸗ ftaltet ſich jo, daß die Waal zu viel Waſſer empfängt und daß Yſſel und Rhein zuſammen ebenſoviel zu wenig em⸗ pfangen. Von den beiden letzteren bekommt allein bei hohem Waſſerſtande die Yſel ihren geſetzlichen Anteil, während dem Niederrhein in keinem Falle der ihm zuge⸗ wieſene Teil zugeführt wird. Die Frage, wo der vom Fluß in Suſpenſion mitgeführte Schlamm verbleibt, iſt noch nicht genügend aufgeklärt. Eine ausführliche Dar⸗ legung der mannigfachen Veränderungen, welchen der delta⸗ bildende Rhein im Laufe der Zeit in den Niederlanden ausgeſetzt war, bildet den Schluß der ebenſo gründlichen wie intereſſanten Arbeit. Straßburg. Dr. Rudolph. Humboldt. — Dezember 1890. Ed. Brückner, Klimaſchwankungen ſeit 1700, nebſt Bemerkungen über die Klimaſchwankungen der Diluvialzeit. Geogr. Abhandl. Herausgegeben von Penck. Wien, E. Hölzel. 1890. Preis 15 Mark. Nachdem der Verfaſſer die Methode der Bearbeitung und den Umfang und den Wert der benutzten Materialien eingehend beſprochen hat, unterſucht er die Schwankungen der Temperatur, des Luftdrucks und des Regenfalls. Es ergibt ſich, daß dieſe Schwankungen in einer 35jährigen Periode ſich auf der ganzen Erde gleichzeitig vollziehen. Die Thermometerbeobachtungen konnten bis 1731, die Daten über Eisverhältniſſe ruſſiſcher Ströme bis 1700 und weiter zurück verfolgt werden. Für Mitteleuropa ſind die Wärmeſchwankungen gleichbedeutend mit einem Hin- und Herpendeln der Iſothermen um mindeſtens 3 Breitegrade. Dieſe Periode hat mit der Sonnenfleckenhäufigkeit nichts zu thun. Durch die Wärmeſchwankungen werden ſynchrone Schwankungen des Luftdrucks hervorgerufen, welche rück— ſichtlich ihrer Intenſität und ihres Charakters von Gebiet zu Gebiet ſich in durchaus geſetzmäßiger Weiſe ändern. Dabei ſind die kühlen Perioden durch eine Schwächung, die warmen durch eine Verſchärfung der Luftdrucksdifferenzen gekennzeichnet. Im allgemeinen ſind die kühlen Perioden auch feucht, die warmen auch trocken, nur bei den an den Oceanen liegenden Ländern entſpricht umgekehrt häufig Regenreichtum der Wärme und Regenarmut der Kälte. Die Intenſität der Schwankungen des Regenfalls nimmt noch mit der Kontinentalität zu. Aus den Eisverhältniſſen der ruſſiſchen Ströme, den Terminen der Weinernte und der Häufigkeit an kalten Winden folgten ſeit dem Jahre 1020 25 volle Schwankungen, woraus ſich die mittlere Länge zu rund 35 Jahren berechnet. Centren von kalten und feuchten Perioden waren: 1700, 1740, 1780, 1815, 1850 und 1880, von warmen und trockenen: 1720, 1760, 1795, 1830, 1860. „Wie die Räder einer Uhr aber greifen die verſchiedenen meteorologiſchen Elemente in einander ein. Wir ſehen die Räder ſich drehen und den Zeiger in be— ſtimmtem Rythmus ſich bewegen; allein die treibende Kraft der Feder iſt uns verborgen. Nur die Wirkung derſelben vermögen wir zu erkennen und hieraus auf die gewaltige Größe der Kraft zu ſchließen. Sie hebt den Spiegel der Seen, der Flüſſe, ja ſelbſt der Meere, fie ſtößt die Glet⸗ ſcher vor und beſchleunigt die Reife der Pflanzen. Tief greift fie ein in das menſchliche Leben, indem fie Ver⸗ kehr, Landwirtſchaft und Geſundheit deutlich beeinflußt und ſogar in den Thorien und wiſſenſchaftlichen Anſchauungen ſich widerſpiegelt. Allein ſie ſelbſt, die Urſache der kleineren Schwankungen, kennen wir nicht.“ Hamburg. Dr. W. T. van Bebber. Blätter für Pflanzenfreunde. Schriftleitung Dr. Udo Dammer. Magdeburg, Creutzſche Ber- lagsbuchhandlung. Für Zimmergärtnerei haben wir eine Reihe zum Teil vortrefflicher Werke, aber keine Zeitſchrift, welche die Lieb- haber auf dem Laufenden erhält, intereſſante Kapitel ein- gehender beſpricht, als es in einem Buch geſchehen kann, und einen direkten Verkehr mit den Leſern geſtattet. In dieſer Hinſicht dürfte die neue Zeitſchrift, welche mein Sohn begründet hat, vielen willkommen ſein; ſie erſcheint monatlich zweimal für den Preis von 3 Mk. pro Jahr- gang und gibt Kulturanweiſungen, Beſprechungen von Kulturapparaten, Schilderungen aus dem Pflanzenleben, Anregungen zum Beobachten der Zimmerpflanzen, Be— ſprechungen neuer Bücher 2. Durch Verbindungen mit den hervorragendſten Gärtnereien wird es dem Herausgeber möglich ſein, neue Erſcheinungen, ſobald ſie ſich als empfehlenswert bewährt haben, zu beſprechen. Was aber beſonders anziehend erſcheint, iſt das Beſtreben, die Pflanzen über ihr gewöhnliches Schickſal als Dekorationsſtücke hinaus⸗ zuheben. Der Pflanzenfreund ſoll Anregung erhalten, die Pflanzen zu beobachten, die Lebenserſcheinungen, welche ſie darbieten, genauer zu betrachten und an der Hand der Zeitſchrift einen Einblick in die Lebensverhältniſſe zu ge⸗ winnen. Offenbar hat derjenige mehr Freude an ſeinen 439 Pflanzen, welcher ſie verſteht, als ein anderer, welcher ſich mit der Bewunderung ſchöner Formen oder Farben be— gnügt. Wer aber einmal ernſtlich verſucht hat, ſich eine klare Vorſtellung über eine Lebenserſcheinung der Pflanze zu machen, wird dann auch leicht weitergeführt werden und dauernden Gewinn erringen. Friedenau. Dammer. Gotthold Hahn, Der Vilzſammler, oder Anleitung zur Kenntnis der wichtigſten Pilze Deutſchlands und der angrenzenden Länder. Zweite, völlig um⸗ gearbeitete und vervollſtändigte Auflage. Gera, 1890. Preis 6 Mark. Dem Verfaſſer iſt es gelungen, in dieſer gänzlich um— gearbeiteten Auflage ein Pilzbuch zu ſchaffen, das mehr als andere geeignet iſt, den Laien in den Geſtaltenreich— tum der größeren Schwämme unſerer Wälder einzuführen und ihn zu lehren, was gut und böſe in Bezug auf die gaſtronomiſche Verwertung dieſer Gebilde iſt, mit denen die Natur uns den Tiſch gedeckt hat. Ohne gute Abbildungen wird ſich der Laie nie zurechtfinden, und die 172 Arten von Pilzen, welche als Repräſentanten der verſchiedenſten Gattungen, beſonders von Gift- und Speiſepilzen, ab- gebildet ſind, ſind in Form und Farbe durchweg ſo natur— getreu dargeſtellt, wie dies nur irgend möglich iſt. Die meiſten Pilzbücher, deren es ja eine recht beträchtliche An— zahl gibt, ſtehen hinſichtlich der Abbildungen weit hinter dem Hahnſchen Buche zurück. Auch der Text enthält das Wiſſenswerteſte für den Pilzfreund und Pilzſammler. Greiz. Profeſſor Dr. Ludwig. A. Götte, Tierkunde. Straßburg, Karl J. Trübner. 1890. Preis 1,60 Mark. Der Verfaſſer bezweckt in dem vorliegenden Clemen- tarbuch, den Leſer zu einer ſelbſtändigen Beobachtung und Beurteilung des uns umgebenden Tierlebens anzuleiten und ſtellt demgemäß die Methode der vergleichenden Be— obachtung in den Vordergrund, wobei er vom nächſtliegen⸗ den, von unſererem eigenen Körperbau und Leben aus— geht. So gibt Götte nach einer Schilderung der unter— ſcheidenden Merkmale von Tier und Pflanze, Lebeweſen und lebloſen Körpern zunächſt eine Darſtellung vom Leben und Bau des Menſchen, um dann in abſteigender Linie die großen Gruppen des Tierreichs durchzugehen. In feſſeln— der Weiſe iſt hierbei ſtets an das Nächſtliegende ange— knüpft, an die Haustiere und meiſt bekannten freilebenden Tiere, und ſtets iſt der Verfaſſer beſtrebt, hinzuweiſen auf den urſächlichen Zuſammenhang aller im einzelnen noch ſo verſchiedenen charakteriſtiſchen Merkmale mit der Biologie der verſchiedenen Lebeweſen. So iſt ein Buch entſtanden, das keinen Anſpruch auf Vollſtändigkeit macht, weder in der Häufung ſyſtematiſcher noch biologiſcher oder ver— gleichend anatomiſcher Details, welches aber einführt in den Geiſt der Zoologie und den Leſer zu ſelbſtändigem Studium anleitet. Die kleine Schrift nimmt in der popu⸗ lär⸗wiſſenſchaftlichen Litteratur eine hervorragende Stelle ein und verdient weite Verbreitung. Stuttgart. Dr. Kurt Lampert. Prodromus Faunae Mediterraneae sive De— scriptio Animalium Maris Mediterranei Incolarum quam comparata silva verum quatenus inno- tuit adiectis locis et nominibus vulgaribus eo- rumque auctoribus in commodum Zoologorum congessit Julius Victor Carus. Pars I. Coe- lenterata, Echinodermata, Vermes. Pars II. Arthropoda. Vol. II. Pars I. Brachiostomata, Mollusca. Vol. II. Pars II. Mollusca, Cepha- lopoda, Tunicata. Stuttgart, E. Schweizerbart (E. Koch). 1884, 1890. Preis 44 Mark. Ein groß angelegtes, bedeutungsvolles Werk geht ſeiner Vollendung entgegen. 1884 erſchien der erſte Teil, welcher nach Intention ſeines Verfaſſers ein Repertorium aller das Mittelmeer bewohnenden Tierarten und ein Hilfsbuch zur raſchen Beſtimmung derſelben werden ſollte. Mit Außer⸗ 440 Humboldt. — Dezember 1890. achtlaſſung der Urtiere und Schwämme begann Carus mit den Cölenteraten, außer welchen der 1884 erſchienene Teil noch die Echinodermen und Würmer enthielt; raſch folgte der zweite Teil mit den Arthropoden. Vier Jahre aber ſtand es an, bis eine Fortſetzung des Werkes erſcheinen konnte; ſie iſt als Vol. II bezeichnet; die beiden bis jetzt vorliegenden Teile dieſes zweiten Bandes enthalten die Brachioſtomata, welchen Namen der Verfaſſer ſchon vor Jahrzehnten für Molluscoidea (Bryozoen und Brachio— poden) eingeführt hat, die Mollusken, Cephalopoden und die Tunicaten. Das Ziel, welches der Verfaſſer ſich geſteckt, iſt glänzend erreicht und jeder Zoolog, der ſich irgendwie mit der Fauna des Mittelmeers befaßt, wird dem Verfaſſer für dieſes ihm unentbehrliche, mühevolle Werk Dank wiſſen. Mit bekannter Genauigkeit und Gründlichkeit, die es aber trotzdem nicht weniger verdient, ſtets von neuem wieder hervorgehoben zu werden, finden ſich neben der Diagnoſe überall Autornamen, Synonyme, Verbreitungsbezirke und die ſpeziellen Fundorte, eventuell bathymetriſche An⸗ gaben und die an den einzelnen Orten geltenden Vulgär⸗ namen angeführt. Dem Mittelmeer ausſchließlich ange⸗ hörige Arten ſind beſonders gekennzeichnet. Hoffentlich dürfen wir bald den Abſchluß dieſes in ſeiner Art einzig⸗ artigen Werkes erwarten. Stuttgart. Dr. Kurt Lampert. Emil Jiſcher, Taſchenbuch für Schmetterlings ſammler. Dritte, vollſtändig neu bearbeitete Auf⸗ lage. Leipzig, Oskar Leiner. Ohne Jahreszahl (I). Preis 4 Mark. Dias in ſeinen beiden erſten Auflagen günſtig auf⸗ genommene Büchlein liegt jetzt in dritter Auflage vor, welche eine weſentliche Erweiterung und manche Ver⸗ beſſerung repräſentiert. Die Faſſung iſt ungemein knapp, ſo daß das kleine Buch, welches auf Exkurſionen bequem in der Taſche mitgeführt werden kann, ebenſoviel leiſtet wie manches ſehr viel umfangreichere Werk. Die Angaben find exakt und die Abbildungen auf 14 Farbendrucktafeln entſprechen allen billigen Anforderungen. Allgemeine Vor⸗ bemerkungen und Winke für den Sammler leiten das Buch ein, welchem außer dem ſyſtematiſchen Verzeichnis und dem Regiſter noch ein Raupen-⸗ und Schmetterlings⸗ kalender, ein Verzeichnis der Abkürzungen der Autorennamen und ein Fundnotizbuch beigegeben ſind. Die ganze Ein⸗ richtung iſt ſehr praktiſch und geſchmackvoll, ſo daß das Buch wohl allgemein willkommen ſein wird. Derſelbe Verfaſſer hat in demſelben Verlag auch Etiketten für Hchmetterlingsſammlungen (2. Aufl. Preis 1,5 Mark) zuſammengeſtellt, welche jedem Sammler zu empfehlen ſind, da ſie ein ganz vortreffliches Mittel darbieten, die Samm⸗ lung überſichtlich und geſchmackvoll zu ordnen. Für die Nomenklatur iſt Berges Schmetterlingsbuch maßgebend geweſen. Friedenau. Dammer. H. TCachmann, Die Reptilien und Amphibien Deutſchlands. Eine ſyſtematiſche und biologiſche Bearbeitung der bisher in Deutſchland aufgefun⸗ denen Kriechtiere und Lurche. Berlin, Paul Hüttig. 1890. Preis 4,5 Mark. Verfaſſer gibt hier eine Zuſammenſtellung aller in Deutſchland vorkommenden Reptilien und Amphibien; bei jeder Art wird, abgeſehen von der Beſchreibung, auch die Lebensweiſe derſelben ſowohl in der Freiheit wie in der Gefangenſchaft auf Grund reicher perſönlicher Erfahrungen geſchildert; ſelbſtverſtändlich findet auch die Verbreitung der Arten Erwähnung, doch hätten wir gerade hier bei einzelnen Arten, z. B. den beiden Unkenſpezies, ein näheres Eingehen auf dieſen intereſſanten Punkt gewünſcht, wozu die neuere herpetologiſche Litteratur ſo mannigfache Ver⸗ anlaſſung gibt. Das in gutem Sinn populär, dabei aber ſtets wiſſenſchaftlich exakt geſchriebene Buch, welches außer⸗ dem zahlreiche, der Mehrzahl nach recht gute Abbildungen enthält, empfiehlt ſich als praktiſches Kompendium des Wiſſenswerteſten in der Herpetologie einem jeden, der ſich mit Kriechtieren und Lurchen beſchäftigen will, aber keine Gelegenheit hat, in den größeren, meiſt teuren einſchlägigen Werken litterariſche Spezialſtudien zu treiben. Stuttgart. Dr. Ruxt Lampert. C. G. Friderich, Naturgeſchichte der deutſchen Vögel, einſchließlich der ſämtlichen Vogelarten Mitteleuropas. 4. Aufl. Stuttgart, Julius Hoff⸗ mann. 1890. In Lieferungen à 1 Mark. Von dieſem Buch, welches wir bereits angezeigt haben, liegen jetzt 14 Lieferungen vor, mit denen etwa die Hälfte des geſamten Materials erledigt iſt. Das günſtige Urteil, welches wir bei der erſten Lieferung ausgeſprochen haben, kann durchaus aufrecht erhalten werden. Das Vogelleben iſt anziehend geſchildert und überall tritt uns eine erfreu⸗ liche Reichhaltigkeit entgegen. Geographiſche Verbreitung, Wanderungen, Verhalten in der Brutzeit, Neſtbau, Nah⸗ rung, geiſtige Eigentümlichkeiten, das Betragen in der Ge⸗ fangenſchaft werden beſonders ausführlich beſprochen. Die farbigen Tafeln ſind im allgemeinen vecht befriedigend aus⸗ geführt und werden weſentlich dazu beitragen, dem Werke viele Freunde, namentlich wohl auch unter der heran⸗ wachſenden Jugend zu gewinnen. Friedenau. Dammer. A. E. Brehm, Vom Nordpol zum Acquafor. Populäre Vorträge. Mit Illuſtrationen von Frieſe, Mützel, Specht u. a. Stuttgart, Union Deutſche Verlagsgeſellſchaft. 1890. In 10 Lieferungen a 1 M. Brehms Vorträge haben einſt an vielen Orten Tauſende erfreut durch die Meiſterſchaft, mit welcher der berühmte Naturforſcher über das Leben der Tiere zu ſprechen wußte. Man hat begeiſterte Berichte über dieſe Vorträge geleſen und es wurde damals vielfach beklagt, daß das geſprochene Wort ſo ſchnell verklang. Nun liegen die Vorträge in einer ſehr würdigen Ausſtattung vor und bilden ein natur⸗ wiſſenſchaftliches Werk von ſo großem Reiz, wie kaum ein anderes. Brehm, welchen ſeine großen Reiſen in die Tropen ſowohl wie über den Polarkreis hinausgeführt haben, war in der Lage, eine Reihe von Naturgemälden zu entwerfen, die, in den vorliegenden Heften vereinigt, eine Perle der neueren naturwiſſenſchaftlichen Litteratur bilden. Den Be⸗ ſitzern des Tierlebens werden ſie als eine Ergänzung will⸗ kommen ſein, die der Verfaſſer als formvollendeter Er⸗ zähler und Schilderer kennen lehrt. Die Verlagshandlung hat das Werk vornehm ausgeſtattet und mit vielen vor⸗ trefflichen Abbildungen im Text und auf beſonderen Tafeln ſo reich geſchmückt, daß der Preis als ein überaus niedriger erſcheint. Die Vorträge ſollen in den Hausſchatz der deutſchen Familie aufgenommen werden und ſie ſind deſſen in vollem Maße wittdig. Friedenau. Dammer. K. J. Jordau, Die Raffel des Hypnotismus. Berlin, Dümmler. 1890. Preis 1 Mark. Eine hübſche Zuſammenſtellung des Wiſſenswerteſten aus dieſem noch ſo dunklen Forſchungsgebiete, häufig jedoch dadurch etwas einſeitig, daß der durch naturwiſſenſchaft⸗ liche Arbeiten bereits von früher her bekannte Verfaſſer ein begeiſterter Anhänger Guſtav Jägers iſt und deſſen Theorien für unſeren Gegenſtand nutzbar zu machen ſich bemüht. In dem juriſtiſchen Abſchnitt hätte v. Stentrolgnis Broſchüre nicht unerwähnt bleiben ſollen. Berlin. Max Deſſoir. G. Manetho, Aus überſinnlichen Spharen. Wien, Hartleben. 1890. Preis 6 Mark. Das Buch iſt durchaus für ein wiſſenſchaftlich un⸗ geſchultes Publikum berechnet und in ſeiner Zuſammen⸗ ſetzung ganz und gar den perſönlichen Neigungen des pſeudonymen Verfaſſers angepaßt. Trotzdem verfolgt es einen an ſich guten Zweck und hält ſich von ſpiritiſtiſchen Extravaganzen leidlich frei. Zahllos ſind die ſachlichen Ungenauigkeiten und Druckfehler. Berlin. Max Deſſoir. Humboldt. — Dezember 1890. 441 Th. Elſenhans, Bfydologie und Logik zur Ein⸗ führung in die Philoſophie. Sammlung Göſchen, Bd. 14. Stuttgart, Göſchen. 1890. Preis 0,80 M. Das kleine, übrigens fabelhaft billige Büchlein hat dem Referenten eine angenehme Ueberraſchung bereitet. Es enthält in dem uns hier intereſſierenden Abſchnitt „Pſychologie“ mehr und Beſſeres, als man nach dem an— ſpruchsloſen Aeußeren erwarten ſollte. Doch ſeien ein paar Bedenken geäußert. Weshalb hält der Herr Verfaſſer an der Exiſtenz einer „rationalen“ Pſychologie feſt und bringt ſelbſt die empiriſche Pſychologie in Verbindung mit der Metaphyſik? Die Definitionen ferner von Wahrnehmung, Verſtand, Vernunft, Einheit des Bewußtſeins ſind nicht ganz zutreffend; die Scheidung der körperlichen Gemein— empfindungen (ſchlechter: Gemeingefühle) von dem all— gemeinen Lebensgefühl, dem Befinden und der Stimmung hätte konſequent durchgeführt werden müſſen. Im übrigen aber kann der Abriß als eine ſach— gemäße, allererſte Einführung in die Pſychologie bezeichnet werden. Berlin. Mar Deſſoir. Carl Stumpf, Tonpſychologie. Leipzig, S. Hirzel. 1890. Preis 12 Mark. Dieſer langerwartete zweite Band des hochbedeutenden Werkes behandelt ausſchließlich die Frage: Wie verhält ſich unſer Bewußtſein gegenüber mehreren gleichzeitigen Tönen, abgeſehen noch von aller eigentlich muſikaliſchen Auffaſſung? Es können nämlich bei Einwirkung einer zuſammengeſetzten Schwingung auf das Ohr während einer nicht allzu kurzen Zeit entweder mehrere Empfindungen gleichzeitig oder nur eine Empfindung, oder mehrere Em— pfindungen nacheinander vorhanden fein. Stumpf ent- ſcheidet ſich für die erſte Annahme, d. h. für die „Mehr— heitslehre“, indem er alle hergehörigen Einzelfragen, ſo die nach der Tonverſchmelzung und nach der Klangfarbe mit der ihm eigenen, etwas umſtändlichen Sorgſamkeit erörtert. Das Buch erſcheint mir, obwohl es etwas zu breit angelegt ſein dürfte und trotzdem manches Wichtige, z. B. die Munk⸗Wundtiſche Diskuſſion über die ſpezifiſchen Energien, außer acht läßt, als ein Muſter pſychologiſcher Methodik. Berlin. Marx Deſſoir. N. Neuhauß, Tehrbuch der Mikrophotographie. Braunſchweig, H. Bruhn. 1890. Preis 8 Mark. G. Marktanner-Turneretſcher, Die BWikrophoto- graphie als Hilfsmittel naturwiſſenſchaftlicher Forſchung. Halle, Knapp. Preis 8 Mark. Das gleichzeitige Erſcheinen der beiden Bücher beweiſt, wie groß das Bedürfnis nach einem Lehrbuch der Mikro— photographie war, einer Disziplin, welche in den letzten Jahren eine bedeutende Entwickelung erfahren hat, und über die doch ſeit 1866 kein zuſammenfaſſendes Werk er— ſchienen iſt. Der Verfaſſer des erſten Werkes hat die ge— ſchichtliche Entwickelung der Mikrophotographie gegeben und ſo gezeigt, auf welchem Wege die jetzt gebräuchlichen Methoden gewonnen wurden. Die einzelnen Abſchnitte beſprechen den mikrophotographiſchen Apparat, die Objet- tive und Okulare, die Lichtquellen, beſonders auch die künſtlichen, die Beleuchtungsarten, Vorrichtungen für be— ſondere Zwecke, den Negative und den Poſitivprozeß, die Bedeutung der Mikrophotographie rc. Ein letzter Abſchnitt gibt eine ſehr intereſſante Ueberſicht der bisher erſchienenen Mikrophotogramme. Außer den Holzſchnitten enthält das Buch vier Autotypien, zwei Tafeln in Lichtdruck und eine Photograviire. g Das zweite Werk iſt ähnlich gehalten wie das erſte, es legt aber den Schwerpunkt mehr auf das Bedürfnis des Praktikers und zeigt ſich überall bemüht, letzterem die Erreichung gewiſſer Vorteile zu ſichern. Jedenfalls ver— dienen beide Werke die beſte Empfehlung an alle, welche ſich mit der Mikrophotographie beſchäftigen. Friedenau. Dammer. Gaudry, Die Vorfahren der Säugetiere in Cu- ropa. Deutſch von Marſhall. Leipzig, J. J. Weber. 1891. Preis 3 Mark. Mit dieſem Bändchen eröffnet die Verlagshandlung würdig eine naturwiſſenſchaftliche Bibliothek, deren einzelne Bände in gutem Sinne populäre Werke hervorragender Forſcher Deutſchlands und des Auslandes bringen ſollen. In der Folge ſind zu erwarten: Marſhall, Der Bau der Vögel und das Leben der Vögel; Jourdan, Die Sinne und Sinnesorgane der niederen Tiere; Gadeau de Ker— ville, Leuchtende Pflanzen und Tiere; Chun, Das Tier— leben auf der Oberfläche des Meeres; Gerland, Geſchichte der Phyſik u. a. Friedenau. Dammer. VP Lee gt ap) i é Bericht vom Monat September 1890. Allgemeines. Bail, Dr., Methodiſcher Leitfaden für d. Unterricht in der Naturgeſchichte, in engerem Anſchluſſe an die neuen Lehrpläne der höheren Schulen Preußens bearb. Zoologie. Unter Mitwirkg. von Lehr. Dr. Fricke. 2 Hefte. Leipzig, Fues. à M. 1.50. Weiß, Prof., Die Naturgeſchichte in der Schule. Ein Leſe⸗ und Wieder⸗ holungsbuch für Elementarſchüler, auch fürs Haus. Im ſtrengſten Anſchluß an den Lehrplan d. Hrn. Reg. und Schulrat Dr. Schoenen. Bonn, Hanſtein. M. 1. Wünſche, Dr. Otto, Der naturkundliche Unterricht in Darbietungen und Uebungen. Für Lehrer an Volksſchulen u. höheren Lehranſtalten bearb. 1. Heft. Die Farne. Zwickau, Gebr. Thoſt. M. 0,30. Zimmermann, Dr. F. W. A., Wunder der Urwelt. Eine populäre Daritellung der Geſchichte d. Schöpfung u. des Urzuſtandes d. Erde, ſowie die Veränderungen ihrer Oberfläche, Vegetation u. Bewohner. Nach dem neueſten Standpunkt bearbeitet von Dr. S. Kaliſcher. 32. (Titel⸗ Auflage. 1. Lfg. Berlin, Dümmlers Verlag. M. 0,50. \ Sh yſitt. Eichhorn, W., Ueber die Abhängigkeit der Wärmeleitung der Gaſe von der Temperatur. Jena (Neuenhahn). M. 1,20. Lecher, Dr. Ernſt, Eine Studie über elektriſche Reſonanzerſcheinungen. Wien, Tempsky. M. 0,60. Marktanner⸗Turneretſcher, Glieb., Die Mikrophotographie als Hilfs- mittel naturwiſſenſchaftlicher Forſchung. Halle a. S. Knapp. M. 8. Stefan, J., Ueber die Theorie der oscillatoriſchen Entladung. Wien, Tempsky. M. 0,40. Sumpf, Dr. K., Anfangsgründe der Phyſik. 4. verb. Auflage. Hildes⸗ heim, Lax. M. 1,50. Chemie. Breymann u. Kirſtein, Das chemiſche Laboratorium der Univerſität Göttingen. Beſchreibung des Baues v. B., Beſchreibung der appa⸗ rativen Einrichtung v. K. Hannover, Schmorl & v. Seefeld Nach— folger. M 4 Humboldt 1890. Elbs, Prof. Dr. Karl, Die ſynthetiſchen Darſtellungsmethoden der Koh⸗ lenſtoff verbindungen 2. Bd. Leipzig, Barth. M. 9 50. Freſenius, C. Remig. Chemiſche Analyſe der Antonienguelle zu Warm⸗ brunn in Schleſien. Unter Mitwirkung v. H. Freſenius. Wies⸗ baden, Kreidel. M. 0,80. May, Dr. Jul., Vademekum der Chemie, Repetitorium der anorganiſchen, organiſchen u analytiſchen Chemie. Bearb. für Studierende, denen die Chemie als Hilfswiſſenſchaft dient, ſpeziell für Mediziner, Tier⸗ ärzte u. Schüler höherer Lehranitalten. Mannheim, Bensheimer M. 3. Möhlau, Dr. Rich., Organ iſche Farbiioffe, weiche in der Textilinduſtrie Verwendung finden. Ueberſicht ihrer Zuſammenſetzung, Gewinnung, Eigenſchaften, Reaktionen und ihrer Anwendung zum Färben u. Bedrucken v. Seide, Wolle und Baumwolle. 2. Lfg. mit 100 ge⸗ färbten Stoffproben. Dresden, Bloem. M. 13,50. Olſchanetzty, M. A, Die Entdeckung des Sauerſtoffs. Hamburg, Ver- lagsanſtalt. M. 1. Paal, Dr. Karl, Furfuran⸗, Tiophen⸗ u. Pyrrol-Syntheſen aus „Di- ketonen u. „Ketonſäuren. Leipzig, Fock. M. 2. Vogel, Dr. H. W., Handbuch der Photographie. 4 Tle., enthaltend die photographiſche Chemie, Optik, Praxis und Aeſthetik. 1. Tl. 4, gänzlich umgearb., vermehrte Auflage. Inh.: Photochemie u. Be⸗ ſchreibung der photograph. Chemikalien. Berlin, Oppenheim. M. 10. Aſtronomie. Meyer, Dr. M. Wilh., Populäre Himmelskunde. Die jüngſten Ree ſultate der aſtronomiſchen Forſchung in ihren Beziehungen zu Ver⸗ gangenheit u. Zukunft des Weltgebäudes 2. (Titel-) Auflage v. „Selbſtbiographiſches vom Himmel“. Leipzig, Reinborh. M 1.50. Oppenheim, Dr. S., Bahnbeſtimmung der Kometen 1846, VIII. Wien, Tempsky. M. 0,30. Sternkarte, drehbare. Der Sternhimmel zu jeder Stunde des Jahres. Ausgabe für Mitteleuropa. 8. Auflage. Frankfurt a. M., F. H Klodt. M 1.25. Zeittafel der wichtigſten Orte nach aſtronomiſchen Berechnungen. Lith. Tafel. Tübingen, Fues. M. 0,15. 56 442 Humboldt. Meteorologie. Abhandlungen, geographiſche, herausg, von Prof. Dr. Albr. Pend. 4. Bd. 2. Heft. Inh.: Klimaſchwankungen ſeit 1700 nebſt Be⸗ merkungen über Klimaſchwankungen der Diluvialzeit. Von Dr. Ed. Brückner. Wien, Hölzel. M. 15. Friedrich, Dr. Edm., Ueber den Salzgehalt der Seeluft, die Fort⸗ führung der Salzteile aus dem Meerwaſſer u. die therapeutiſche Verwertung der wirkſamen Faktoren der Nordſeeluft. Berlin, Groſſer. M. 0,40. Großmann, Dr. J., Wetterperioden? 2., umgearb. u. vermehrte Aufl. Berlin, Moeſer. M. 1,50. Hann, J., Das Luftdrudmarimum vom November 1889 in Mitteleuropa, nebſt Bemerkungen über die Barometermaxima im allgemeinen. Wien, Tempsky. M. 3,40. Erdkunde. Boymann, Dr. Joh. Rob., Grundlage der mathematiſchen Geographie u. Ueberſicht des Weltgebäudes für Gymnaſien, Realſchulen u. andere höhere Lehranftaiten. Anhang zur Phyſik d. Verf. 5. verb. Auflage, beſorgt von Dr. Vering. Düſſeldorf, Schwann. M. 0,75. Doiwa, Joh., Die methodiſche Behandlung der aſtronomiſchen Geographie an der Volks⸗ u. Bürgerſchule. St. Pölten, Sydy. M. 0,60. Koch, Dr. Ant., Umgebungen von Torda. Erläuterungen zur geo⸗ logiſchen Spezialkarte der Länder der ungariſchen Krone, herausg. v. der k. k. ungar. geologiſchen Anſtalt, Blatt Zone 19 Kol. XXIX. (1: 75000.) Geologiſch aufgenommen und erläutert. Budapeſt, Kilian. 2 25 Rüefli, J., Leitfaden der mathematiſchen Geographie. Für den Unter⸗ richt an mittleren Schulanſtalten, ſowie zum Selbſtſtudium bearb. 2. Auflage. Bern, Schmid, Francke & Co. M. 1,20. Schmidt, Hugo, Columbus’ Fahrt nach Tunis. Wien, Tempsky. M. 0,80. Veröffentlichung des fönigl. preuß geodätiſchen Inſtituts. Das Mittel⸗ waſſer 15 Oſtſee bei Swinemünde. 2. Mitteilg. Berlin, Stankie⸗ wicz. 4. Mineralogie, Geologie, Valäontologie. Abhandlungen, paläontologiſche. Herausg. v. W. Dames u. E. Kayſer. Neue Folge. 1. Bd. 3. Heft. Inh.: Vergleichende Studien an einigen Trilobiten aus dem Hercyn v. Biden, Wildungen, Greifen⸗ ſtein und Böhmen. Von O. Novak. Jena, Fiſcher. M. 10. Beiträge zur Naturkunde Preußens, herausg. v. der phyſikaliſch⸗ ökonomiſchen Geſellſchaft zu Königsberg. 6. u. 7. Inhalt: 6. Die Brachiopoden der cambriſchen u. ſiluriſchen Geſchiebe im Diluvium der Provinzen Oſt⸗ und Weſtpreußen v. Kurt Gagel. M. 4,50. — 7. Die Trilobitenfauna der oſt⸗ u. weſtpreußiſchen Diluvialgeſchiebe v. J. F. Pomvedi. M. 6. Königsberg i. Pr., Koch. M. 10,50. Ettinghauſen, Konſt. Frhr. v., u. Franz Kraſan, Unterſuchungen über Ontogenie u. Phylogenie der Pflanzen auf paläontologiſcher Grund⸗ lage. Wien, Tempsky. M. 4,60. Spezialkarte, geologiſche des Königreichs Sachſen. 1: 25000. Herausg. vom kgl. Finanzminiſterium. Bearb. unter der Leitung v. Herm. Credner. Selt. 33. Mit Erläuterung u. Inhalt. Großenhain⸗ Prieſtewitz. Von H. Vater. Leipzig, Engelmann. M. 3. Tauſch v. Gloeckelsthurn, Dr. Leop., Zur Kenntnis der Fauna der grauen Kalke. Wien, Hölder. M. 16. Toula, Frz., Geologiſche Unterſuchungen im zentralen Balkan. Ausge⸗ führt mit Unterſtützung der kaiſerl. Akademie der Wiſſenſchaften u. des k. k. Miniſteriums für Kultus u. Unterricht. III. Petrogra- phiſcher Teil. Inh.: Zur Kenntnis der kryſtalliniſchen Geſteine des zentralen Balkan. Von Aſſiſt. Aug. Roſival. Wien, Tempsky. M. 4,40. Botanik. Bibliotheca botanica, Abhandlungen aus dem Geſamtgebiete der Botanik. Herausg. v. Chr. Luerſſen u. F. H. Hänlein. 19. Heft. Inh.: Monographie der Gattung Orobanche b. Dr. Günther, Ritter Beck v. Managetta. Kaſſel, Fiſcher. M. 40. — Dasſelbe. 20. Heft. Inh.: Die Entwickelung der Blilte u. des Blütenſtandes bei einigen Arten der Gruppe Ambrosieae u. Stel⸗ lung der letzteren im Syſtem. Von S. Roſtowzew. M 10. Bley, Frz., Die heimiſche Pflanzenwelt in wichtigen Vertretern darge⸗ geſtellt (2 Kurſe a 3 Lieferungen). I. Kurs. 1. Lieferung. Berlin, Hagelberg. M. 2.70. Fiſcher, Dr. Ed. Unterſuchungen zur vergleichenden Entwickelungsge⸗ ſchichte u. Syſtematik der Phalloideen. Baſel, Georg. M. 7.20. Gygax, Paul, Ueber die Einwirkung antibakterieller Medikamente auf die Behinderung oder Aufhebung des Wachstums u Foripflanzungs⸗ vermögens eines in der Milch u. im Käſe nachgewieſenen roten Sproß⸗ pilges: Saccharomyces (?) ruber. Bern, Huber & Co. M. 1,80. Pfeffer, W. I. Ueber Aufnahme u Ausgabe ungelöſter Körper. II Zur Kenntnis der Plasmahaut und der Vakuolen, nebſt Bemerkungen über den Aggregatzuſtand des Protoplasmas u. über osmotiſche Vor⸗ gänge. Leipzig, Hirzel. M. 7. Remark, Ferd. Der Kakteenfreund. Anleitung zur Pflege und Zucht der Kakteen in Töpfen, ſowie in Gärten und Anlagen. Ein Hand⸗ buch für Kakteenliebhaber u. angehende Züchter. Minden i. W., Köhler. M. 1. Sammlung naturwiſſenſchaftlicher Vorträge, herausg. v. Dr. Ernſt Huth 3. Bd. 8. Heft. Inh.: Reviſion der Arten v. Adonis u. Knowltonia. Von Dr. Ernſt Huth. Mit 1 Tafel. Berlin, Fried⸗ länder & Sohn. M. 0,60. Schaar, Ferd. Die Reſerveſtoffbehälter der Knoſpen v. Fraxinus ex- celsior. Wien, Tempsky. M. 0,50. „ Dezember 1890. Schwaighofer, Dr. Ant., Tabellen zur Beſtimmung einheimiſcher Samen⸗ pflanzen. Für Anfänger, insbeſondere für den Gebrauch beim Un⸗ terrichte zuſammengeſtellt. 3. verb. Auflage. Wien, Pichlers Witwe. & Sohn M. 1,20. Taſchenbibliothek, deutſche landwirtſchaſtliche. 35. Heft. Inh.: All⸗ Ein Leitfaden für den Unterricht an land⸗ gemeine Pflanzenkunde. Lehrer E. Klocke. Leipzig, wirtſchaftlichen Lehranſtalten von Scholtze. M. 1,20. Trooſt, J., Angewandte Botanik für Lehrer, Landwirte, Gärtner, Haus⸗ frauen u. Naturfreunde. 250 häufig vorkommende, zur Nahrung u. landwirtſchaftlichen, techniſchen u. mediziniſchen Anwendung geeignete wildwachſende Pflanzen (Phanerogamen) nebſt Anleitung zur Auf⸗ ſuchung, Gewinnung, Verwendung, Zubereitung und Kultivierung derſelben. 2. (Titel⸗ Auflage. Leipzig, Thomas. 2. Wandtafeln für den naturwiſſenſchaftlichen Unterricht mit ſpezieller Be⸗ rückſichtigung der Landwirtſchaft. Unter Mitwirkung von Fachge⸗ noſſen herausg. v. Herm. v. Nathuſius [Hundisburg]. 3. Serie. 8. Abt. Inh.: Pflanzenkunde. Von L. Kny. 8. Abt. Mit er⸗ läuterndem Text. Berlin, Parey. M. 40. Weiß, Prof. Dr. Adolf, Unterſuchungen über die Trichome von Co- rokia budleoides Hort. Wien, Tempskty. M. 0.60. Weſtermayer, Dr. M., Zur Embryologie der Phanerogamen, insbeſondere über die ſogen. Antipoden. Leipzig, Engelmann. M. 4. Zoologie. Brehms Tierleben. Allgemeine Kunde des Tierreichs. Mit 1800 Ab⸗ bildungen im Text, 9 Karten u. 180 Tafeln in Farbendruck u. Holzſchnitt. 3. gänzlich umgearb. Auflage. Von Prof. Dr. Pechuel⸗ Loeſche. (In 130 Heften.) 1. Heft. Leipzig, Bibliographiſches Inſtitut. M. 1. — Dasſelbe. (In 10 Bänden.) 1. Bd. M. 15. Inh.: Die Säugetiere von Dr. Alfred E. Brehm. Unter Mitwirkung v. Dr. Wilh. Hacke, umgearbeitet v. Prof. Dr. Pechuel⸗Loeſche. 1. Bd. Affen, Halbaffen, Flattertiere, Raubtiere. Mit 139 Abbildungen im Text u. 19 Taf. von L. Beckmann, C. F. Deiker, R. Kretſchmer u. a. Cramer, C., Ueber die verticillierten Siphoneen, beſonders Neomeris und Bornetella. Baſel, Georg. M. 4 80. Engleders, Frz., Wandtafeln für den naturkundlichen Unterricht. Tier⸗ kunde 1.—4. Liefg. Inh.: 1. Fuchs u. Kopf des Wolfs. Ziege. Elefant. Seehund. Strauß. Maikäfer. 2. Brauner Bär. Reh. Condor u. Kopf des Adlers u. Habichts. Sperling, Star, Schwalbe, Kolkrabe u. Nebelkrähe. Kreuzofter u. Ringelnatter. Hecht, Karpfen und Barſch. 3. Fledermaus u. Kopf des Vampyr. Hausmaus u. Biber. Pferd. Wildſchwein. Wachtel, Rebhuhn und Truthahn. Honigbiene, Weſpe u. Ameiſe. 4. Schimpanſe u. Fuß des Menſchen. Maulwurf u. Igel. Tiger. Rind. Fiſchreiher u. Gans. Krebs. Eßlingen 1889 u. 1890, Schreiber. a M. 6; einz. Taf. a M. 1,20. Fränkel, B., Gefrierdurchſchnitte zur Anatomie der Naſenhöhle. (In 2 Heften.) 1. Heft. Berlin, Hirſchwald. M. 9. Gumppenberg, C., Frhr. v., Systema Geomstrarum zonae tem- peratioris septentrionalis. Syſtematiſche Bearbtg. der Spanner der nördl. gemäßigten Zone. 4. Teil. Leipzig, Engelmann. M. 4. Henſchel, Guſt., Die Inſekten⸗Schädlinge in Ackerland u. Küchengarten, ihre Lebensweiſe u. Bekämpfung. Wien, Deuticke. 4. Janocik, J., Bemerkungen über die Entwickelung des Genitalſyſtems. Wien, Tempsky in Komm. M. 1. Keller, F. C., Ornis Carinthiae. Die Vögel Kärntens. Verzeichnis der bis jetzt in Kärnten beobachteten Vögel, nebſt Bemerkungen über deren Zug, Lebensweiſe, lokale Eigentümlichkeiten 2c. 2c. Herausg. vom naturhiſtoriſchen Landesmuſeum v. Kärnten. Klagenfurt, v. Kleinmayr. M. 6. = Lothes⸗Crefeld, Beiträge zur Anatomie u. Phyſiologie des Schlundkopfes vom Schweine. Berlin, Enslin. M. 2. Marſhall, Prof. William, Spaziergänge eines Naturforſchers. Mit (zum Teil farbigen) Zeichnungen v. Arb. Wagen. 2. verb. Auflage. Leipzig, Verlag des Litterar. Jahresberichts (A. Seemann). M. 8. Pleske, Th., Ornithographia rossica. Die Vogelfauna des ruſſiſchen Reiches. 2. Band. 3. Lieferung. Hypolais u. Luseiniola. St. Petersdurg. Leipzig, Voß. M. 4,75. Schenkling, Karl, Taſchenbuch für Käferſammler. 4., erw. u. verb. Auflage. Leipzig, Leiner. Mt 3. Seefeld, Alfr., Der St. Petersburger zoologiſche Garten. 1865 bis 1890. Beiträge zur Geſchichte desſelben, geſammelt und herausg. St. Petersburg, Herm. Hoppe. M. 1.50. Thomſon, C. G., Opuscula entomologica. Fasc. XIV. Lund, Möller. M. 4. : Wolter, Dr. M., Kurzes Repetitorium der Zoologie für Studierende der Medizin, Mathematik u. Naturwiſſenſchaften. 3. verm. u. verb. Auflage. Anklam, Wolter. M. 2. Zeuner, M., Das Wichtigſte über unſere Bienen für die Schüler in Oberklaſſen der Volksſchulen u. f. Fortbildungsſchüler. Leipzig, Thomas. M. 0,40. Vhyſiologie. Ewald, C. A., Klinik der Verdauungskrankheiten, I. Die Lehre v. der Verdauung. 3., neu bearb. Auflage. Berlin, Hirſchwald. M. 7. Anthropologie. Hellwald, Fr. v., Die Welt der Slawen. Berlin, Allgemeiner Verein für deuſſche Litteratur. M. 6. Stockvis, Prof. B. J., Ueber vergleichende Raſſenpathologie u. die 110 0% des Europäers in den Tropen. Berlin, Hirſch⸗ wald. 0, 60. Druckfehler: Seite 454 Spalte 2, Zeile 7 v. oben lies: formosa ftatt famosa. 2 „ 2 „ „ Lecoma ftatt Fecoma. n, , 2, „ „ „ Rußlands ſtatt Auslands. „434, „ 2, „ 25 „ unten „ Kaldurow ſtatt Kalduron. Seite 435, Spalte 1, Zeile 12 v. oben lies: bei Kulturpflanzen ſtatt die Kul⸗ turpflangen. „ 485, „ 1, „ 29. 32. 38. 43 v. ob. lies: Aecidium jtuttAccidium. % 4% 1 „ 5 „ Barel. ftatt Bardtl. 7 - {See ee a! 3 M im Gold ‘onatslchritt für die gelamten ‘Maturmuillentehatte Herausgegeben vor Dr. Otto Dammer. Verlag von Ferdinand Duke in Stuttgart. Preis des Heftes 1 Mark. . geſt. | | Beſtellungen durch Januar 1890. ote been 9. Jahrgang. und Pojtanjtalten. | + Inhalt. + Seite | Ladislaus Satke: Ueber die Urſachen der Eiszeit. I. Medizinalrat Dr. A. Wernich: Ueber Selbſtreinigungs⸗ vorgänge in der Natur. III. Prof. Dr. G. H. Theodor Eimer: Die Verwandt⸗ ſchaftsbeziehungen der Raubſäugetiere. I. (Mit Ab⸗ eee Sin ei ate Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Profeſſor Dr. C. F. W. Peters: Aſtronomie. — Dr. Hugo Münſterberg: Experimentelle Pſycho⸗ logie b e Kleine Mitteilungen. Coote: Reduzierende Wirkung des Waſſerſtoffs bei Gegenwart von Platin. — Kaſſner: Waſſerſtoff⸗ ſuperoxyd als Sauerſtoffquelle. — Müller: Ueber den Leimgehalt in Knochen aus dem Diluvium. — Scheffler: Beobachtungen auf dem Monde. — Dr. Aßmann: Meteorologiſche Beobachtungen auf dem Säntis. — Hartley: Die blaue Farbe des Himmels. — Halſted: Reizbarkeit der Staubfäden des Portu⸗ fats. — Dr. Beccari: Rieſige ſumatraniſche Aroi⸗ dee. — v. Müller: Alpenflora in Neuguinea. — Handtmanu: Vererbung einer individuell erwor⸗ rr Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen 2c. Wiſſenſchaftliche Erforſchung des Bodenfees. Landwirtſchaftliche Laboratorien. — Univerſität von St. Andrews. — Obſervatorium in Verawal. — Isländiſche naturwiſſenſchaftliche Geſellſchaft. Briefe in redakfionellen Angelegenheiten und Manuſkriple find an den Berausgeber 1 6 21 Selte Anton de Barys Sammlung mitkroſkopiſcher Pra- parate. — Flechtenherbarium Hazslinskys. — Un⸗ gariſche naturwiſſenſchaftliche Geſellſchaft. — For⸗ Wungsreiſende eee Biographien und Perfonaluotizen Litterariſche Rundſchau. J. Radanyi: Die Rotation der Himmelskörper. — Woeikof: Der Einfluß einer Schneedecke auf Boden, Klima und Wetter. — Geologiſche Spezial⸗ karte von Elſaß⸗Lothringen. — A. Blytt: On va- riation climate in the of course of the time (Christiania Videnskabs -Selskaabs Forhand- linger 1886. Nr. 8). — P. Knuth, Grundzüge einer Entwickelungsgeſchichte der Pflanzenwelt in Schleswig⸗Holſtein. — L. Lewin, Ueber Areca Catechu, Chavica Betle und das Betelfauen. — Dr. Max Sußdorf, Die Verteilung der Arterien und Nerven an Hand und Fuß der Hausſäugetiere. — Hugo S. Vries, Intracellulare Pangeneſis. — Moriz Wagner, Die Entſtehung der Arten durch räumliche Sonderung. — Otto Zacharias, Bilder und Skizzen aus dem Natur leben Bibliographie. Bericht vom Monat Oktober 1889 . Aus der Praxis der Naturwiſſenſchaft. Eine neue Elektriſiermaſchine. (Mit Abbildungen.) — Vorleſungsexperimente mit Salpeterſäure. —Leuchtſteine Verkehr 8 Die 62. Verſammlung Aerzte deutſcher Naturforſcher und Berrn Dr. Dito Dammer, Berlin, Jriedenau, zu ſenden. Verlag von Ferdinand Euke in Stuttgart. Soeben erschien: —— Lehrbuch __ METBOROLOGIE 1 2 e ee fir Studierende 0 (i ae ii 0 a und zum Gebrauche in der Praxis | 1 = 5 . N = von pe 1 5 i hi Dr. W. J. van Bebber, Wah f. = Abteilungsvorstand der deutschen Seewarte. . ooze 15 I in 1 . — mit 120 Holzsehnitten und 5 Tafeln. —— : = gr. 8. 1889. Preis M. 10. — SUI =\5 dl ieee I SS TT ET TT Verlag von FERDINAND ENKE in Stuttgart. Soeben erschien: Kulturgeschichte Neunzehnten Jahrhunderts in ihren Beziehungen zu der Entwickelung der Naturwissenschaften geschildert 2 von Ernst Hallier. Mit 180 in den Text gedruckten Abbildungen. er. 8. 1889. Preis M. 20. — TINA magi LS a AS ALN AALS ALLS A Die hohe und vielseitige Kulturentwickelung unseres Zeitalters ist mit der Entwickelung der Naturwissenschaften auf das engste verkniipft. — Der Verfasser, einer der hervor- ragendsten Naturforscher und Schriftsteller, legt in dem vorliegenden Werke die tausendfachen Kanäle und Wege, = mittels deren alle ubrigen Wissenschaften aus dem Borne ~ der Naturwissenschaft geschdpft haben, offen. Die befruch- Alexander von Humboldt. tenden Wirkungen der Natur wlsnengunapies auf unsere philo- f . sophische Erkenntniss, auf die Heilwissenschaften, auf unsere Aus Hallier, Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts. moderne Technik, diesen Haupthebel der Kultur, auf Volks- wirthschaft, Handel und Verkehr, Landwirthschaft und Ge- werbe, kurz auf unser gesamtes reich entwickeltes modernes Kulturleben, erscheinen in einem klaren Bilde vereinigt. Das reichhaltige, in gemeinverstdndlicher Sprache geschriebene Werk wird das grösste Interesse der e Welt Deutschlands erregen. NATIT 19915 Ut DZ aT Za ZT c an til let d ‘ SESELELESELELLELELSEES SI I.S.5F.5F.5F5FFF FF FSF FSFSFSFSSESSSFSSFSFSFFSFSFS JO — Verlag von FERDINAND ENEE in Stuttgart. Soeben erschien: Lehrbuch PHYSIK ä 5 für Studirende von Professor Dr. H. Kayser a an der technischen Hochschule zu Hannover. or, Gy cele Merge — sade hh hk hk hk kk hk hk he F : h im Dienste der Wissenschaft, der 0 | ( ll \ Ik Kunst und des praktischen Lebens. In gemeinverstindlicher Darstellung. Unter Mitwirkung hervorragender Fachminner herausg. von Dr. Georg Krebs in Frankfurt a. M. Mit uber 200 erliuternden Abbildungen. 8. geh. 10 Mark, eleg. gebdn. 11 Mark. —~i Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Soeben erschien: Lehrbuch METEOROLOGIE fiir Studierende und zum Gebrauche in der Praxis von Dr. W. J. van Bebber, Abteilungsvorstand der deutschen Seewarte. Mit 120 Holzschnitten und 5 Tafeln. gr. 8. 1889. Preis M. 10. — 311111 Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. ETHIK. Eine Untersuchung der Thatsachen und Gesetze des Sittlichen Lebens von Prof. Dr. Withelm Wundt. gr. 8. geh. Preis M. 14. — Fund-Statistik Vorrömischen Metallzeit 5 Von E. Freiherr von Trélisch. Mit zahlreichen Abbildungen und 6 Karten in Farbendruck. 4. gebunden. Preis M. 15. — Kulturgeschichte der Menschheit in ihrem organischem Aufbau you Julius Lippert. Zwei Bande. gr. 8. geh. Preis M. 20. — Elegant und solid in Halbfranzband gebunden Preis M. 25. — Anleitung zur Darstellung Organischer Praparate Von Docent Dr. S. Levy in Genf. Mit 40 Holzschnitten. 8. In Leinwand geb. M. 4. — Grundriss Elektrometallurgie von Prof. Carl A. M. Balling, k. k. Oberbergrath in Pribram. Mit 40 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 4.— Hinleitungs in das Studium der Geologie von Professor Dr. David Brauns in Halle a. 8. 5 Mit 12 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 5.— Hine Untersuchung der Principien der Erkenntnis und der Methoden wissenschafilicher Forschung Prof. Dr. Wilhelm Wundt. Zwei Bande. I. Band: Erkenntnisslehre. Preis M.14, — II. Band: Methodenlehre. Preis M. 14, — Die ersten Menschen 5 und die Prähistorischen Zeiten mit besonderer Berücksichtigung der Urbewohner Amerikas. Nach dem gleichnamigen Werke des Marquis de Nadaillac herausgegeben yon W. Schlosser und Ed. Selen. Mit einem Titelbilde u. 70 in den Text gedruckten Holzschnitten. Autorisirte Ausgabe. gr. 8. geh. Preis M. 12. — Das Süsswasseraquarium und seine Bewohner. Ein Leitfaden fiir die Anlage und Pflege von Siisswasseraquarien. Von Prof. Dr. W. Hess. Mit 105 Abbildungen. 8. geh. Preis M. 6. — Die Verkehrswege Dienste des WA elthan deme Eine historisch-geographische Untersuchung i samt einer Einleitung für eine Wissenschaft der geographischen Entfernungen von Docent Dr. W. Götæ an der technischen Hochschule in München. Mit 5 Karten in Farbendruck. 8. geh. Preis M. 20. — Das System der Zoologie. Mit Berücksichtigung der vergleichenden Anatomie zum Gebrauch wahrend der Vorlesungen von Dr. H. Trautzsch. S. geh. Preis M. 2. 80. Handwörterbuch “ der Gesammten Medizin. Unter Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter herausgegeben yon Dr. A. Villaret. Zwei Bande. I. Band. Brochirt. Lex.-Oct. geh. Preis M. 22.— Eleg. in Halbfranzbd. geb. Preis M. 25. — Druck der Union Deutſche Verlagsgeſellſchaft in Stuttgart amen 3 Or 2. . „reg Monafsſchrift für die geſamken Nalurwilſenſchakten Herausgegeben vor Oy. Olto Dammer. Verlag von Ferdinand Duke in Stuttgart. Preis des Heftes 1 Mark. 2. Heft. | Februar 1890. Beſtellungen durch alle e 9. Jahrgang. und Poſtanſtalten. Inhalt. 2 Seite Ladislaus Satke: Ueber die Urſachen der Eiszeit. II. Prof. Dr. G. H. Theodor Eimer: Die Verwandt⸗ ſchaftsbeziehungen der Raubſäugetiere. II. (Mit Ab⸗ oc Multa ere ame ye Dammer: Struktur des Reifes, Rauhreifes und Schnees. r / Sa ch ee Dammer: Ueber das Alter des Torflagers bei Lauen- burg an der Elbe. (Mit Abbildungen) Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Prof. Dr. H. Bücking: Kryſtallographie und Mi⸗ neralogie. — Prof. Dr. Ernſt Hallier: Botanik Kleine Mitteilungen. Fuchs: Ablenkung des Schalles. — Lenard und Wolf: Zerſtäuben von Körpern durch ultraviolettes Licht. — Waitz: Meſſung hoher eleltriſcher Span⸗ nungen. — Olszewski: Ozon. — Heycock und Neville: Natriumlegierungen. — Siebold: Ver⸗ halten von Lithiumſalzen zu Harnſäure. — Hempel: Ueber direkte Gewinnung von kryſtalliſterter Soda und Chlor aus Kochſalz mittels des elektriſchen Stromes. — Lea: Eigentümliche Modifikationen des Silbers. — Lallemand: Bodenbewegung in Frank- Briefe in redakfionellen Angelegenheiten und Manuſkripte find an den Ber aus geber 41 reich. — Koenemann: Dauer und Haltbarkeit der Orchideenblumen. — v. Klinggraeff: Schmetter⸗ lingsfang der Drosera anglica Huds. — Brock⸗ meier: Helix fruticum Mi/7. als Raubſchnecke Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen 2c. Zoologiſch⸗zootomiſches Inſtitut. — Geologiſche Landes⸗ auſtalt. — Elettriſche Beleuchtung. — Senckenbergiſche Naturforſchende Geſellſchaft. — Anatomiſches Inſtitut. — Aufſtellung von einheitlichen Regeln zur Be— nennung der Orchideen. — Eine Ko metenmedaille für die Entdeckung je eines neuen Kometen. — Meteoro⸗ logiſche Stationen. — Preisaufgabe: Verein zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen Biographien und Perſonalnotizen Litterariſche Rundſchau. H. Schucht, Geognoſie des Okerthals. — H. Baum. Hauer, Das Reich der Kryſtalle. — J. van Bebber, Lehrbuch der Meteorologie. — G. Hempel und K. Wilhelm, Die Bäume und Sträucher des Waldes Bibliographie. Bericht vom Monat November und Dezember 1889 Berichtigung Berrn Dr. Oft Dammer, Berlin, Friedenau, zu ſenden. | Verlag vou Ferdinand Euke in Stuttgart. Soeben erschien: Lehrbuch der METEOROLOGIE fiir Studierende und zum Gebrauche in der Praxis von Dr. W. J. van Bebber, Abteilungsvorstand der deutschen Seewarte. Mit 120 Holzsehnitten und 5 Tafeln. gr. 8. 1889. Preis M. 10. — Fu Cu Kou Fur ee CoP ow Few Pury wu uu Cowes enue N A= x Verlag von FERDINAND ENKE in Stuttgart. 95 JJ rr... 5 Soeben erschien: 8 5 Kulturgeschichte = des = 5 2 s Neunzehnten Jahrhunderts g“ in ihren WK Beziehungen zu der Hntwickelung der Natur wissenschaften geschildert von Ernst Hallier. Mit 180 in den Text gedruckten Abbildungen. gr. 8. 1889. Preis M. 20.— Die hohe und vielseitige Kulturentwickelung unseres Zeitalters ist mit der Entwickelung der Naturwissenschaften auf das engste verkniipft. — Der Verfasser, einer der hervor- ragendsten Naturforscher und Schriftsteller, legt in dem vorliegenden Werke die tausendfachen Kanäle und Wege, : mittels deren alle iibrigen Wissenschaften aus dem Borne SS der Naturwissenschaft geschépft haben, offen. Die befruch- Alexander von Humboldt. pena 2 der e ene Bee ae philo- ders 95 sophische Erkenntniss, auf die Heilibissenschaften, auf unsere Aus Hallier, Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts. Nie e Technik, diesen Haupthebel der Kultur, auf Volics- wirthschaft, Handel und Verkehr, Landwirthschaft und Ge- werbe, kurz auf unser gesammtes reich entwickeltes modernes Kulturleben, erscheinen in einem klaren Bilde vereinigt. Das reichhaltige, in gemeinverstdndlicher Sprache geschriebene Werk wird das grösste Interesse der gebildeten Welt Deutschlands erregen. LS aS aS ALAS ANA A SZ 2 D At ZY MST MT e UMS e e e e e ee e j Mi 2 aS agp TIONAL NZ ge Sa Sag NZ ſſſd e dd e sued d Sa * FEU RU Cu PC Pe Pe cw aS Sat Sad Sat Sab Sas Sad Sas Sas Sas Sas Sas Sas Sas Sas Sas Sas Sas Sas Ss Sas ae Saw Sas aes eae eae ea eae eee eae ee Verlag von FERDINAND EN EE in Stuttgart. Soeben erschien: Lehrbuch PHYSIK fiir Studirende von Professor Dr. H. Kayser an der technischen Hochschule zu Hannover. Mit 884 Holzschnitten gr. 8. geh. M. 10. — Mm UHI il F SSS SSSSSSSSSSSS: a errr rere Tree TT TTT TTY — ̃ .... — —— ä 88 Verlag von FERDINAND ENKE in Stuttgart. SSS EE Fis BESS FEF, E. 2 Soeben erschien: All geme ine Morphologie der Pflanzen mit besonderer Beriicksichtigung der Bluithenmorphologie von Dr. F. Pax, Custos am kgl. botanischen Garten in Berlin. Mit 126 Holzschnitten. gr. 8. geh. Mark 9.— | get. N . r re Kelche heterochlamydeischer Blüthen: A Statice spathulata. — B Blüthe von Eucalyptus, deren Kelch sich deckelartig abhebt. — C Blüthe von Cruckshanksia fiapa, 2 Kelchblätter blattartig vergrössert. — D Frucht von Valeriana officinalis mit aufsitzendem Pappus im Längsschnitt. — , C nach Engler. . 1233 „7 PPP EPPA P EDP PT PPP MS, A ah ODETTE TTTATE TEED PEEP PE p pp ppb 2 —— Jerder'ſche Verlagshandlung, Freiburg im Breisgau. Soeben ist erschienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: Plassmann, J., Meteore und Feuerkugeln. Mit einer Anleitung zum Notiren der Meteor- bahnen. 8° (VIII u. 44 S.) 50 Pf. Kürzlich erschien von demselben Verfasser: = i — Die neuesten Arbeiten über den Planeten Mercur und ihre Bedeutung für die Weltkunde. Für das Verständniss weiterer Kreise dargestellt. 8° (IV u. 268.) 50 Ff. -++ Verlag von FERDINAND ENKE in Stuttgart. Soeben erschien: Handwörterbuch der öffentlichen und privaten GESUNDHEITS PFLEGE. Unter Mitwirkung Hervorragender Fachgelehrter herausgegeben von Dr. O. Dammer. Für Medizinalbeamte, Aerzte, Apotheker, Chemiker, Verwaltungsbeamte, Beamte der Kranken- und Unfall- versicherung, Fabrikbesitzer, Fabrikinspektoren, Nationalökonomen, Landwirte, Ingenieure und Architekten. Mit zahlreichen in den Text gedruckten Abbildungen. 1. Lieferung. Lex.-S. geh. M. 2. Das Handwörterbuch erscheint im Umfang von 10—12 Lieferungen à 5 Bogen grossen Lexikon-Oktav- Formates. Der Preis der Lieferung beträgt 2 M. Das Gesamtwerk wird mithin einen stattlichen Band von 50 bis 60 Bogen zum Preise von 20 bis 24 Mark bilden. Alle 3—4 Wochen erscheint eine Lieferung, so dass das Werk anfangs des nächsten Jahres vollständig vorliegen wird. Probe- Lieferungen und ausführliche Prospekte sind durch jede Buchhandlung, sowie von der Verlagsbuchhandlung zu beziehen, sLrofenferfoatenfeatealorfoate nfo ofenfe fete EEE Verlag von Friedrich Vieweg & Sohn in Braunschweig. (Zu beziehen durch jede Buchhandlung.) A. Treffurth, Jlmenau i. Thür. liefert billigſt in durchaus ſolider Ausführung: Alle Glasgeräthſchaften, Soeben erschien: Dr. J. Frick's Physikalische Technik speciell Anleitung zur Ausführung physikalischer Demonstrationen und zur Herstellung von physikalischen Demonstrations-Apparaten mit möglichst einfachen Mitteln. Sechste, umgearbeitete und vermehrte Auflage von Dr. Otto Lehmann, Professor der Physik an der technischen Hochschule zu Karlsruhe. In zwei Bänden. gr. 8. geh. Erster Band. Mit 708 Holzschnitten. Preis 15 Mark. S . SE ———— F Apparate, Inſtrumente u. ſ. w. für naturwiſſenſchaftl. Unterricht, Laboratorien, Sammlungen ꝛc. 2c. Skkuſtrirte Liſte mit vielfachen Anerkennungsſchreiben gratis. c TASCHEN. > WORTERBUCH far BOTANIKER 7 und alle Freunde der Botanik Alphabet. Verzeichnis aller wichtige- ren(iiber 5000) Pflanzen’ nebst Beschreibung und Na- menserklarung (griech, lat.deutsch)- Literatur. Specialbotanik. 500 Seiten stark. Hübsch gebd.5 f. Verlag von T. O. WEIGEL in. LEIPZIG. Ein ſeit langem in großer Reſidenzſtadt beſtehendes Geſchäft (wiſſenſchaftliche Artikel) mit nachweisbar hoher Rentabilität iſt ſammt reichem Waarenlager Fa⸗ milienrückſichten halber zu verkaufen. Erforderlich ca. 40000 Mark. Offerte divecter Reflektanten unter „Humboldt“ an die Annoncen⸗Expedition von Rudolf Moſſe in Wien. Verlag von FERDINAND ENKE in STUTTGART. Lehrbuch der Meteorologie. Für Studirende und zum Gebrauche in der Praxis. Von Dr. W. J. van Bebber, 5 Abtheilungsvorstand der deutschen Seewarte. Mit 120 Holzschnitten u. 5 Tafeln. gr. 8. geh. M. 10. — — Mit einer Beilage von Hermann Hurwitz & Comp. in Merlin. Druck der Union Deutſche Verlagsgeſellſchaft in Stuttgart. Dave 15 2 ff e — +e + | — D * Monaleſchrift für die gelamten Nakurwilſenlchalten Herausgegeben vor Dr. Okto Dammer. Verlag von Ferdinand Duke in Stuttgart. 3. oft. oe elas 45 März 1890. Beſtellungen durch alle Buchhandlungen und Poſtanſtalten. 9. Jahrgang. Inhalt. + Dr. P. Knuth: Die Ulgenflora der weſtlichen Oſtſee . Dr. med. Karl Günther: Der gegenwärtige Stand der Frage von der Immunität. ela tte an 3 Dr. J. Maurer: Zur Frage der Sternenftrablung H. Engelhardt: Eine Fundſtätte foſſiler Amphibien Feet! iat tate Wah Tea oss Me Dr. E. Roth: Dic Pflanzen des alten Aegyptens Dammer: Ueber Schalen- und Kalkſteinbildung Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Dr. K. Albrecht: Chemie. — Prof. Dr. H. Bücking: Geologie und Petro graphie Kleine Mitteilungen. Das Mariotteſche Geſetz bei verdünnter atmoſphä⸗ riſcher Luft — Größtes bis jetzt hergeſtelltes Baro⸗ meter. — Reflexion der Metalle. — Abbes Dilato⸗ meter. — Selenſäure. — Veränderungen am Mond⸗ trater Plinius. — Temperatur der Mondoberfläche. — Der am 6. Juli 1889 von Brooks in Genua entdeckte Komet. — Das blaugrüne Flämmchen. Neue Höhlen. — Die Gattung Dinophilus. — Fadenſpinnende Schnecken. — Ungleiche Entwickelung bei derſelben Spezies. — Zur Entwickelung der Waſſermilben. — Balistes aculeatus Z., ein trommelnder Fiſch. — Beitrag zur Kenntnis vom Lebensalter der Inſekten. — Begattungszeichen bei Gliedertieren. — Die Ent⸗ wickelung des Schulter⸗ und Beckengürtels. — Zur Fauna der Azoren. — Zur Süßwaſſerfauna Grön⸗ lands. — Die ſyſtematiſche Stellung der Blindwühlen. — Die Rubingruben in Birma. — Die Raſſen des alten Babylonjens. — Die Kurgane. — Die Haut⸗ pigmentierung beim neugeborenen Neger. — Hautfarbe bei Nordpolfahrern. — Ueber Träume attic Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen 2c. Die Botaniſche Meeresſtation in Kiel. — Kartierung und Auslotung des Großen Plöner Sees. — Königl. Seite Meteorologiſches Inſtitut zu Berlin. — Hydro- graphiſche Verhältniſſe im Kattegat und Skagerak. — Salzburger Landtag. — Algäuer Alpen. — Fürſt Alber von Mo nge ne eae Biographien und Perſonalnotizen Litterariſche Rundſchau. J. Röll, Unſere eßbaren Pilze. — Leopold Dippel, Handbuch der Laubholzkunde. — Arthur Petry, Die Vegetationsverhältniſſe des Kyffhäuſer Gebirges. — J. v. Beuſt, Schlüſſel zum Beſtimmen aller in der Schweiz wildwachſenden Blütenpflanzen. — Joſ. Moeller, Lehrbuch der Pharmakognoſie. — Heinrich Semler, Die tropiſche Agrikultur. — C. v. Ettingshauſen, Das auſtraliſche Floren⸗ element in Europa. — R. Leuckart u. C. Chun, Bibliotheca zoologica. — William Marſhall, Zoologiſche Vorträge. — H. Trautzſch, Das Syſtem der Zoologie. — Fiſcher⸗Sigwart, Das Tierleben im Terrarium. — A. Reichenow, Syſtematiſches Verzeichnis der Vögel Deutſchlands. — Bernhard Rawitz, Leitfaden für hiſtologiſche Unterſuchungen. — Adolf Lendl, Hypotheſe über die Entſtehung von Soma⸗ und Propagationszellen. — J. Lo eb, Der Heliotropismus der Tiere. — Hugo Münſter⸗ berg, Beiträge zur experimentellen Pſychologie. — Hugo Münſterberg, Gedankenübertragung. — Antiquités Nationales. Description Rai- sonnée du Musée de St. Germain-en-Laye Aus der Praxis der Naturwiſſenſchaft. Syntheſe des Brom- und Jodwaſſerſtoffs. — An⸗ fatfen des Stahls. — Aegyptiſchblau — Darſtellung von Knallqueckſilber. — Leichtes und koſtenloſes Mittel zur Vertilgung der Blutlaus. — Züchtung von Apus productus. — Konſervierung von Vogelbälgen Bibliographie. Bericht vom Monat Januar 1890 Verkehr. 109 111 112 Briefe in redaktfionellen Angelegenheiten und Manuskripte find an den Berausgeber Berrn Dr. Difo Dammer, Berlin, Friedenau, zu ſenden. — ee, A. Treffurth, Jlmenau i. Thür. liefert billigſt in durchaus ſolider Ausführung: Alle Glasgeräthſchaften, Apparate, Inſtrumente u. ſ. w. für naturwiſſenſchaftl. Unterricht, Laboratorien, Sammlungen ꝛc. 2c. % Skuſtrirte Liſte mit vielfachen Anerſtennungsſchreiben gratis. om Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Soeben erschien: Die | Mechanik der Blutversorgung GLASER’ TASCHEN: | des Gehirns. B/ OGe fur Eine Studie ge BOTANIKER, yeu Mund alle Freunde der Botanik Dr. Richard Geigel, 7 Alphabet.Verzeichnis aller wichtige- „ ren(iber 5000) pflanzen nebst Beschreibung und Na- 8. geh. M. 1. 20. mens erklärung (griech, lat, deutsch- Literatur. Specialbotanik. 500 Seiten stark. Hübsch gebd 5 M. Verlag von T.0.WEIGEL in LEIPZIG. | P WA SY . N Ne NA Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. 1 22 ie > (4 ae 1 0 i bo SEY RX Soeben erschien: Handbuch der Elektro- Technik yon Professor Dr. E. Kittler in Darmstadt. ee r e e me ae ee eo obo cope ENON GEN NON N OY GN ON Se Se Gy Zwei Bande. II. Band. 1. Hälfte. Mit 200 Holzschnitten. r.8. geh. M. 10.— FeSe Re Sie Me Ke Me Ke ĩ Be Me Be Be ̃ Pe BeBe Le Be Se . to} PPT P KL SKE OK x “Ay Uy LUM Coo N N 9 CARRY? yy 8 J 99 6 ) Y N . g 2 OA F EO EE OOO OEE te * Verlag von FERDINAND ENR E in Stuttgart. Soeben erschien: Elandworterbuch der öffentlichen und privaten GESUNDHEIT S PFLEGE. Unter Mitwirkung Hervorragender Fachgelehrter herausgegeben von Dr. O. Dammer. Für Medizinalbeamte, Aerzte, Apotheker, Chemiker, Verwaltungsbeamte, Beamte der Kranken- und Unfall- versicherung, Fabrikbesitzer, Fabrikinspektoren, Nationalékonomen, Landwirte, Ingenieure und Architekten. Mit zahlreichen in den Text gedruckten Abbildungen. 1. Lieferung. Lex.-S. geh. M. 2.— Das Handwörterbuch erscheint im Umfang von 10—12 Lieferungen à 5 Bogen grossen Lexikon-Oktav- Formates. Der Preis der Lieferung beträgt 2 M. Das Gesamtwerk wird mithin einen stattlichen Band von 50 bis 60 Bogen zum Preise von 20 bis 24 Mark bilden. Alle 3—4 Wochen erscheint eine Lieferung, so dass das Werk anfangs des nächsten Jahres vollständig vorliegen wird. Probe-Lieferungen und ausführliche Prospekte sind durch jede Buchhandlung, sowie von der Verlagsbuchhandlung zu beziehen. A. Treffurth, Ilmenau i. Thür. $66868666666666656665668666666 liefert billigſt in durchaus ſolider Ausführung: VVV Alle Glasgeräthſchaften, Im Verl Ferdinand Enke in Stuttgart ist erlage von erdinan nke in uttgart is Apparate, Inſtrumente u. ſ. w. tg für naturwiſſenſchaftl. Unterricht, Caboratorien, erschienen: Sammlungen ꝛc. ꝛc. Sduſtrirte Liſte mit vielfachen Anerſtennungsſchreiben gratis. dm Grun driss GLASER. gfe, TASCHEN: WORTERBUCH : ee NATOMIE Alphabet. Verzeichnis aller wichtige- Kunstler ren(iiber 5000)Pflanzen’ nebst Beschreibung und Na menserklarung(griech, lat.deutsch)_ Literatur. 2 Specialbotanik. 500 Seiten stark. Hibsch gebd.5 H. Mathias D uval, Verlag von 1 O.WEIGEL in. LEIPZIG. Professor der Anatomie an der Kunst-Akademie zu Paris. Herausgegeben von fiir von Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. J Professor Dr. med. Neelsen, e Lehrer der Anatomie an der Kgl. Kunst-Akademie zu Dresden. Lehrbuch der Meteorologie. Mit 77 Abbildungen. Fur Studirende 8. geh. 6 Mark, eleg. in Leinwand gebd. 7 Mark. ee ebe in der Praxis.) Von Dr. W. J. van Bebber, e e Abtheilungsvorstand der deutschen Seewarte. I . —. —. Mit 120 Holzschnitten u. 5 Tafeln. gr. 8. geh. M. 10. — 2299292229229 2 2292929222929 92 992 Sserder[ehe BWerlagshandslung, Freiburg im Breisgau. Soeben ift erſchienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen: Jahrbuch der Naturwifllenſchaften. Zünfter Jahrgang 1889-1890. Enthaltend die hervorragendſten Fortſchritte auf den Gebieten: Phyſik, Chemie und chemiſche Technologie; Mechanik; Aſtronomie und mathematiſche Geographie; Meteorologie und yhyſikaliſche Geographie; Botanik und Zoologie, Forſt⸗ und Landwirthſchaft; Mineralogie und Geologie; Ge⸗ ſundheitspflege, Medizin und Phyſiologie: Anthropologie und Urgeſchichte; Länder⸗ und Völkerkunde: Handel, Induſtrie und Verkehr. Unter Mitwirkung von Fachmännern herausgegeben von Dr. Manx Wildermann. Mit 37 in den Text gedruckten Holzſchnitten. gr. 80. (XII u. 596 S.) V. 6; in eleg. Original⸗Einband M. 7. Die Einbanddecke 70 Pf. 5 Die vier erſten Jahrgänge (1885— 1889) können nachbezogen werden; Jahrgang I-III zum ermäßigten Preiſe von a M. 3, geb. N. 4; der vierte Jahrgang für V. 6; geb. M. 7. Plassmann, J., Die neuesten Arbeiten über den Planeten Mercur und ihre Bedeutung für die Weltkunde. Für das Verständniss weiterer Kreise dar- gestellt. 8° (IV u. 26 S.) 50 Pf. 22222 Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart- .. Soeben erschien: Die Verkehrswege im Dienste des W elthandels. Eine historisch-geographische Untersuchung samt einer Einleitung für eine Wissenschaft der geographischen Entfernungen von Docent Dr. W. Götz an der Technischen Hochschule in München. — Mit finf Karten in Farbendruck — EI | gr. 8. geh. Preis 20 Mark. 5 Das T elephalll und dessen praktische Verwendung von Dr. Julius Maier und W. H. Preece, F. R. 8. in London. Chef des englischen n Mit 304 in den Text gedruckten Holzschnitten. 8. Geheftet. Preis 9 Mark. Druck der Union Deutſche Verlagsgeſellſchaft in Stuttgart. Herausgegeben von Or, Otto Dammer. Verlag von Ferdi wand Duke in Stuttgart. 4. get. | e- April 1890. Monalsſchrift für die gelamken Naturwilſenſchalten | Beſtellungen durch 0 und Poſtanſtalten. alle Buchhandlungen 9. Jahrgang. 2. Sati) f N PA of D D 4 Ly t3unbalf. + Dr. G. v. Knorre: Ueber die Anwendung der Elektro⸗ ly'e in der analytiſchen Chemie (mit Abbildungen) Dr. R. v. Lendenfeld: Die Phyſiologie der Spongien rc Micke, sent aligh=.o.e Grundwaſſer und Typhus Die Sambaquis Braſiliens Terramaren in Ungae ns Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Dr. Emil Rudolph: Geophyſik. — Prof. Dr. J. Gad: Phyſiologie . Aecettlens, Ge meats Kleine Mitteilungen. Zähigkeit und Sprödigkeit. — Spektrallinien. — Gasabſorption. — Verdampfungswärme nullgradigen Waſſers — Dampfdichte. — Dilatometer. — Elek⸗ triſche Schlagweite. — Eisſegelboot. — Ueber die Einwirkung des Schwefels auf Metallſalzlöſungen. — Der Kohlenwaſſerſtoff. — Die Rotationsdauer des Merkur. — Ringnebel im Einhorn. — Mizar ein dreifacher Stern. — Der veränderliche Stern Algol. — Komet 1862 III. — Zum Rauhreif. — Stinkkalke — Die Auffindung von Nickelerzen. — Die warmen Quellen von Gaſtein und die Kupfer⸗ erze vom Mitterberg. — Ueber den Champignon⸗ ſchimmel als Vernichter von Champignonkulturen. — Experimentelle Unterſuchungen über den Einfluß des Kerns auf das Protoplasma — Zur Ver⸗ erbungstheorie. — Landplanarien. — Aeußere Ge⸗ ſchlechtsunterſchiede der Schmelterlinge. — Pferde⸗ baſtard. — Ueber das Hirngewicht des Neugeborenen. — Makrobiotiſches aus Griechenland. — Grad der ifi ann tt Biographien und Perſonalnotizen Litterariſche Rundſchau. W. Migula, Die Characeen Deutſchlands, Oeſter⸗ reichs und der Schweiz. — P. Woſkdlo, Leitfaden der Zoologie für höhere Lehranſtalten. — Adolf Baſtian, Ueber pfychiſche Beobachtungen bei Naturvölkern, und Friedrich v. Hellwald, Die Magiter Indiens PY ters Bee; Bibliographie. Bericht vom Monat Februar 1890 Aus der Praxis der Naturwiſſenſchaft. Ueber das Sammeln von Ameiſengäſten . Verkehr. Seite Briefe in redaktionellen Angelegenheiken und Manuſkripte find an den Berausgeber Berrn Dr. Otto Dammer, Berlin, Friedenau, zu lenden. — eee ee. A. Treffurth, Jlmenau i. Thür. liefert billigſt in durchaus ſolider Ausführung: Alle Glasgeräthſchaften, Apparate, Inſtrumente u. ſ. w. für naturwiſſenſchaftl. Unterricht, Laboratorien, Sammlungen 2c. ꝛc. Sdkuſtrirte Siffe mit vielfachen Anerkennungsſchreiben gratis. dm Herder’ sone Verlagshaudlung, Freiburg im Breisgau, Soeben ist erschienen und durch alle Buchhand- lungen zu beziehen: Krass, Dr. M. u. Dr. H. Landois, Lehr- für den Unter- 1 Für Gymnasien, buc richt in der Botanik. Realgymnasien und andere höhere Lehranstalten bearbeitet. Mit 268 in den Text gedruckten Abbildungen. Zweite ver- besserte Auflage. gr. 8“. (XVI u. 298 S.) M. 3; geb. in Halbleder mit Goldtitel M. 3. 40. Pflanzengitter pressen w Hit Hag fr Anerkannt und prämiiert als nur praktisch und dauerhaft. Illustrierte Beschreibung kostenlos. Verlag von Friedrich Vieweg & Sohn in Braunschweig. (Zu beziehen durch jede Buchhandlung.) Soeben erschien: Die Geschichte der Physik in Grundziigen mit synchronistischen Tabellen der Mathematik, der Chemie und beschreibenden Naturwissen- schaften, sowie der allgemeinen Geschichte von Dr. Ferd. Rosenberger. Dritter Theil. Geschichte der Physik in den letzten hundert Jahren. gr. 8. geh. II. Abtheilung. (Schluss.) Preis 10 Mark 40 Pf. (Drei Theile complet. Preis 28 Mark 50 Pf.) f ECE CCE. Os lange. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Handbuch — der Elektro- Technik Professor Dr. E. Kittler in Darmstadt. Zwei Bande. A nn II. Band. 1. Hälfte. Mit 200 Holzschnitten. gr. 8. geh. M. 10.— SR ——— —— — — ——— — FF 42.4444444444444442BEDBABEAEBAR ERR ML Le Lilie Mr te 21 Soeben erschien: Lehrbuch METEOROLOGIE fiir Studierende und zum Gebrauche in der Praxis von Dr. W. J. van Bebber, Abteilungsvorstand der deutschen Seewarte. Mit 120 Holzschnitten und 5 Tafeln. Verlag you Ferdinand Enke in Stuttgart. gr. 8. 1889. Preis M. 10. — LV VV UO TFT . ¶⁰ FV PVF . TIF GTC H ETI OR far BOTANIKER und alle Freunde der Botanik Alphabet. Verzeichnis aller wichtige- tenlüber 5000) Pflanzen’ nebst Beschreibung und fe: menserklarung (griech, lat.deutsch)_ Literatur. Specialbotanik. 500 Seiten stark. Hübsch gebd.5 M. Verlag von T. O. WEIGEL in. LEIPZIG. Botanisir -Biichsen, -Mappen, -Stécke, -Spaten. Loupen, Pflanzenpressen jeder Art. Gitterpressen M. 3.—, zum Umhängen M. 4.50. — Illustrirtes Preis verzeichniss frei. Friedr. Ganzenmüller in Nürnberg. Werlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Soeben erschien: Das System der Zoologie. Mit Berücksichtigung der vergleichenden Anatomie zum Gebrauch während der Vorlesungen von Dr. H. Trautzsch. 8. geh. M. 2. 80. Ausland -Probentmmer. Nro. 14 des „Ausland““, Wochenschrift für Erd- und Völkerkunde, seit 1. cr. unter der Redaktion des Herrn Dr. Karl von den Steinen erscheinend, mit Beiträgen von Emin Pascha, i Hans Mayer u. a. ist als Probenummer durch die meisten Buchhandlungen gratis und franko zu beziehen, sowie auch direkt von der Verlagshandlung. Stuttgart, April 1890. J. G. Cotta sche Buchhandlung Nachfolger. 0666909066E6 SEF 3E94OSS08 A. Treffurth, Jlmenau i. Thür. liefert billigſt in durchaus ſolider Ausführung: Alle Glasgeräthſchaften, Apparate, Inſtrumente u. ſ. w. für naturwiſſenſchaftl. Unterricht, Caboratorien, Sammlungen ꝛc. 2¢. Iduſtrirte Liſte mit vielfachen Anerſiennungsſchreiben gratis. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Das Süßwaſſeraguarium und ſeine Bewohner. Ein Leitfaden für die a Anlage und Pflege von Hüß⸗ waſſeraquarien. Von Prof. Dr. W. Hrk in Hannover. — Mit 105 Abbildungen. — 8. geh. Preis M. 6. — Eleg. geb. M. 7. die „Gartenlaube“ (1887, Nr. 5) ſagt in ihrem Sprechſaal: Es wundert uns übrigens, daß Sie ein Aqua- rium beſitzen und es unterlaſſen haben, ſich ein Buch zu verſchaffen, welches Ihnen über alle einſchlägigen!“ Fragen Auskunft erteilen würde. Wir raten Ihnen dringend, die geringfügige Ausgabe nicht zu ſcheuen. Die Winke und Belehrungen, welche Sie in einem ſolchen Buche finden, werden Sie vor vielfachem recht empfindlichen Schaden bewahren. Wir möchten Sie namentlich auf das vor kurzem erſchienene Werk: Der gefleckte Salamander (Salamandra maculata Laur.). „Das Süßwaſſeraquarium und ſeine Bewohner“ von Dr. W. Heß (Stuttgart, Ferdinand Enke) aufmerkſam machen. * (Abbildung aus „Heß, Das Süßwaſſeraguarium!“.) Das Buch gibt treffliche Ratſchläge über die Einrichtung eines Aquariums, Auswahl und Pflege der Tiere und Pflanzen und ijt mit mehr als 100 Abbildungen geſchmückt. 56565656565665656565656666565 Im Verlage von Ferdinand Enke in Stuttgart ist soeben erschienen: Grundriss ANATOMLIE fiir Kunstler von Mathias Duval, Professor der Anatomie an der Kunst-Akademie zu Paris. Herausgegeben von Professor Dr. med. Neelsen, Lehrer der Anatomie an der Kgl. Kunst-Akademie zu Dresden. Mit 77 Abbildungen. 8. geh. 6 Mark. —, eleg. in Leinwand gebdn. 7 Mark. LOPVOPYOGPPLYYIVPYGOIYVIIG9QOG Die Physik Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Soeben erschien: Die Mechanik der Blutversorgung des Gehirns. Eine Studie von Dr. Richard Geigel, Privatdocent in Würzburg. 8. geh. M. 1. 20. Der gestirnte Himmel. Eine gemeinverständliche Astronomie von Professor Dr. W. Valentiner in Karlsruhe. Mit 69 Abbildungen im Text und 2 Tafeln in Farbendruck. gr. 8. geh. Preis M. 6. — — im Dienste der Wissenschaft, der Kunst und des praktischen Lebens. In gemein verständlicher Darstellung. Unter Mitwirkung hervorragender Fachmänner herausg. von Dr. Georg Krebs in Frankfurt a. M. Mit tiber 200 erléiuternden Abbildungen. 8. geh. 10 Mark, eleg. gebdn. 11 Mark. i Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Mit einer Beilage von Robert Oppenheim, Verlagsbuchhamdlung Berlin, umd einer Beilage von Ferdinand Enke, Verlagsbuchhandlung Stuttgart. Druck der Union Deutſche Verlagsgeſellſchaft in Stuttgart. r Wonaksſchrikt für die gelamt Herausgegeben von Or. Otto Dammer. Verlag von Ferdinand Grke in Stuttgart. Preis des Heftes 1 Mark. 5. Heft. | | und Poſtanſtalten. | Inhalt. + Dr. Ludwig Paul: Die Azofarbſtoffe Dr. 90 Klebahn: Die neueſten Unterſuchungen über die n,, Secs Hat ferns patel = oe Prof. Dr. H. E. Ziegler: Die Entſtehung des Blutes eee ete. wap toc Balsa Dr. R. v. Lendenfeld: Unſterbliches Keimplasma und Anperbliche Sele. oy ai rof. Dr. F. Ludwig: Ueber Sclerotinienkrantheiten FCC Dr. M. Alsberg: Die Verteilung des blonden und briinetten Typus in Frankreich Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Dr. W. J. van Bebber: Meteorologie Kleine Mitteilungen. Aräopyknometer. — Zur Exfindung des Fernrohrs. — Verdampfung von elektriſierten Flüſſigkeiten. — Elektriſches Leitungsvermögen des Waſſers. — Elek⸗ triſche Erſcheinung beim Erſtarren von Cereſin. — Ueber die Färbung eines Kohlenfeuers durch Koch ſalz. — Maſſe des Saturn. — Die Durchſichtigkeit des dunkeln Saturnringes. — Anzahl der Staub⸗ teilchen in der Luft. — Ueber die Blitzſchläge in Mitteldeutſchland. — Telegraphenleitungen und Blitz⸗ gefahr. — Ein Achatwald in Nordamerika. — Ueber den Kern bei Bakterien. — Einfluß des alpinen Standortes auf die Ausbildung der Laubblätter. — Paternoſtererbſe. — Scopolia atropoides. — Tha - lictrum aquilegiaefolium. — Weiße Heidelbeeren. Neue Umkehrungsverſuche an Hydra. — Der Guineas wurm als tieriſcher Paraſit. — Seeigel in Geſtein bohrend. — Neue Fundorte für Leptodora. — Sack einer Pſyche (mit Abbildung). — Ueber die Ver⸗ breitung der Krähenarten in Deutſchland. — Die ſiebenfingerige Grundform der Extremitäten der Wirbeltiere. — Die Kakts⸗Krankheit und die Que ſammenſetzung der Bevölkerung Japans. — Auſtra⸗ liſche Botenſtöcke. — Ethnographie der Balkanhalb⸗ inſel. — Symboliſche Zeichen . Seite 145 170 Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen 2c. J. internationaler mediziniſcher Kongreß. — Die königliche phyſikaliſch-ökonomiſche Geſellſchaft in Königsberg. — Internationaler Kongreß für Völker⸗ kunde. — Preisaufgaben . . Biographien und Perſonalnotizen Litterariſche Rundſchau. Fr. Kinkelin, Erläuterungen zu den geologiſchen Ueberſichtskarten der Gegend zwiſchen Taunus und Speſſart. — W. J. Behrens, Methodiſches Lehr⸗ buch der allgemeinen Botanik. E. Korſchelt und K. Heider, Lehrbuch der vergleichenden Ent⸗ wickelungsgeſchichte der wirbelloſen Tiere. — G. v. Hayek, Handbuch der Zoologie. — K. W. v. Dalla Torre, Die Fauna von Helgoland. — H. Sim⸗ roth, Ueber die morphologiſche Bedeutung der Weichtiere. — G. Henſchel, Praktiſche Anleitung zur Beſtimmung unſerer Süßwaſſerfiſche.— A. Weis⸗ mann, Essays upon Heredity and kindred biological problems. — E. Thévenin, Dic- tionnaire abrégé des sciences Milas et naturelles. — H. J. Kolbe, Einführung in die Kenntnis der Inſekten. — Mayr, Die Waldungen von Nordamerika, ihre Holzarten, deren Anbaufähig⸗ keit und forſtlicher Wert für Europa im Allgemeinen und Deutſchland insbeſonders. — Nöldeke, Flora des Fürſtentums Lüneburg, des Herzogtums Lauen⸗ burg und der freien Stadt Hamburg (mit Anſchluß des Amtes Ritzebütterfrr ) pra Bibliographie. Bericht vom Monat März 1890 Aus der Praxis der Naturwiſſenſchaft. Ueber das Sammeln von Ameiſengäſten. — Dar⸗ ſtellung eines ſehr wirkſamen Platinmohrs. — Une wendung der Photographie in der Blütenbiologie . Mai 1890. [ic edie 9. Jahrgang. Seite 183 Briefe in redaklionellen Angelegenheifen und Manuſkripte find an den Berausgeber Berrn Dr. Dito Dammer, Berlin, Friedenau, zu lenden. TT CTT TET MDPNDNODTUN UENO DNDN ODA ISTED AU UNC UU UTUL NVA Lee MY UNIV ODTDS NLA EL LCD AANUQANAUIAUCEUOATUODNANLADLAD UPDATE AHA Verlag von FERDINAND ENKE in STUTTGART. > e HANDWORTERBUCH DER OFFENTLICHEN UND PRIVATEN GESUNDHETTSPFLEGE Unter Mitwirkung von . 0 Dr. W. Angerstein in Berlin, Dr. van Bebber, Abteilungsvorstand der Seewarte in Ham- burg, Dr. Becker, Bezirksphysikus in Berlin, Dr. Börnstein, Chemiker in Berlin, Prof. Büsing, Dozent an der Technischen Hochschule in Charlottenburg, Prof. Dr. Dieckerhoff, Dozent an der Tierärztlichen Hochschule in Berlin, Dr. Dieterich, Regierungs- und Medizinalrat in Posen, Dr. Dumont, Zahnarzt in Berlin, Prof. Dr. Hbermayer, Dozent an der Universität in München, Dr. Eitner, Gymnasialdirektor in Görlitz, Prof. Dr. Euler, Unterrichtsdirigent der Turnlehrer- bildungsanstalt in Berlin, Stabsarzt Dr. Gersticker in Berlin, Geheimer Sanitiitsrat Dr. Golt- dammer, dirigierender Arzt in Bethanien, Berlin, Dr. Gutzmann, Arzt in Berlin, Dr. Heller, Arzt in Charlottenburg, Stabsarzt Dr. Jaeger in Ulm, Stabsarzt Dr. Kirchner in Hannover, Prof. Dr. Köppen, Abteilungsvorstand der Seewarte in Hamburg, Oberstabsarzt Dr. Krocker in Berlin, Dr. Kurella, Irrenarzt in Allenberg, A. Lammers, Redakteur in Bremen, Stabsarzt Dr. Leu in Berlin, Dr. Meissen, Arzt in Falkenstein im Taunus, Sanititsrat Dr. Oldendorff in Berlin, Stabsarzt Dr. Overweg in Berlin, Prof. Dr. Perels, Dozent an der Hochschule für Bodenkunde in Wien, Regierungsrat Dr. Petri, Mitglied des Reichsgesundheitsamtes in Berlin, Dr. Pfleger, Gefangnisarzt in Plötzensee, Stabsarzt Dr. Pusch in Berlin, Regierungsrat Dr. Rahts, Mitglied des Reichsgesundheitsamtes in Berlin, Regierungsrat Dr. R6ck1, Mitglied des Reichsgesundheitsamtes in Berlin, Dr. Rosenheim, Privatdozent an der Universitat in Berlin, Schulrat Sander in Bunzlau, Stabsarzt Dr. Schiller, kommandiert zum Reichsgesundheitsamt in Berlin, Dr. Schubert, Augenarzt in Nürnberg, Dr. Tuczek, Privatdozent an der Universitat in Marburg, Dr. U ht h off, Privatdozent an der Universität in Berlin, Dr. Wahnschaffe, Landes- geolog und Privatdozent in Berlin, Prof. Dr. Weber, Dozent an der Universität in Kiel, Dr. Wer nich, Regierungs- und Medizinalrat in Köslin, Dr. Zwick, Schulinspektor in Berlin herausgegeben von DR O. DAMM E R. Für Medizinalbeamte, Aerzte, Apotheker, Chemiker, Verwaltungsbeamte, Beamte der Kranken- und Unfallversicherung, Fabrikbesitzer, Fabrikinspektoren, Nationalökonomen, Landwirte, Ingenieure und Arehitekten. Mit æahl reichen in den Text gedruckten Abbildungen. 1. Lieferung. Lex.-8. geh. M. 2.— Das Handwörterbuch erscheint im Umfang von 10—12 Lieferungen à 5 Bogen grossen Lexikon-Oktav- Formates. Der Preis der Lieferung beträgt 2 Mark. Das Gesamtwerk wird mit- hin einen stattlichen Band von 50—60 Bogen zum Preise von 20—24 Mark bilden. Alle 3 bis 4 Wochen erscheint eine Lieferung, so dass das Werk anfangs des nächsten Jahres vollständig vorliegen wird. Probe-Lieferungen und ausführliche Prospekte sind dureh jede Buchhandlung, sowie yon der Verlagshandlung zu beziehen. MUM ANON MMMM MMT = inen w= Verlag von Richard Freese in Leipzig. Gigurren Zoologische Vorträge Rutcfion heransgegeben von Prof. Dr. William Marshall. Concursmaſſen und Liquidationen, ſoweit der Vorrath] J Melt: Die Papagaien mit Karte T Mk. 50 Pig. reicht: Java m. amerik. Inhalt, 100 St. M. 2.00.; Sumatra 2. Heft: Die Spechte mit Karte 1 Mk. 50 Eg. m. Braſil, mild, 100 St. M. 2.50. Sumatra m. Felix, traf: | 1. 4, Heft: Leben und Treiben der Ameisen (n tig, 100 St. M. 3.00.; Cuba in Original⸗Packung, frujtig, f | - 1 ed Ml. owe d aie 100 St. N. 3.50.; Holländer in Original⸗Packung, kräftig,. 5. Hatt Die een Saugethrere der Dituviaizell 1 Mk. 50 Pig. 380 S ir 8 fei 100 St. M. 3.50.; Sumatra m. Felix u. Havanna, fein, 6, Reit Fus ee Sn es n 1 Mk. 50 bie mild, 100 St. M. 4.00.; Manilla's neueſte Jahrgänge, kräftig, 100 St. M. 4.50.; Sumatra m. Havanna, hochfein, — 5 — 100 St. M. 5.00. Rein Sder Havanna, Handarbeit, 100 St. VVVFTVVCG Bios M. 6.00. Echte Bojamo, Regatia-Facon, 100 St. M. 7.50. Kulturgeschichte der Menschheit Sämmtliche Sorten find in hocheleganter Verpackung, großen Fagons, gut lüftend u. ſchneeweiß brennend. 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Reichlich bei⸗ D t { | h P t Wien de gut * Illuſtrationen be⸗ ars E u n 0 r an I 80 E r ra ara E. gleiten den Text. Beſtellungen nehmen alle Buchhandlungen und Poſtanſtalten an. 7 Preis: vierteljährlich. “ 3,60. Von Dr. S. Levy, ur 5 Privatdocent der Chemie an der Universität Genf. Halle (Saale). G. Schwetſchke'ſcher Verlag. Mit 33 Holzschnitten. Zweite umgearbeitete Auflage. 8. geh. M. 4.— In Leinwandband gebunden M. 5, — : z im Dienste der Wissenschaft, der I 1 f U NI k Kunst und des praktischen Lebens. In gemeinverstindlicher Darstellung. Unter Mitwirkung hervorragender Fachminner herausg. von Dr. Georg Krebs in Frankfurt a. M. Mit uber 200 erliuternden Abbildungen. 8. geh. 10 Mark, eleg. gebdn. 11 Mark. —1 Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. i+ Mit Beilagen von H. Bechhold in Frankfurt a. M., Rudolf Mückenberger in Berlin, Walter & Comp. in Leipzig. Druck der Union Deutſche Verlagsgeſellſchaft in Stuttgart. = D + Sp She Me Re 5) 2 te AS se AN te ste Se S ate S a ES SSE SELLY RE RE BBS BRE = Paſsendſtes Weihuachts⸗Geſchenk für Freunde der Natur. Neſthetik der Natur. Für Künſtler, Naturkundige, Lehrer. Gärtner, Land- und Forſtwirthe, Reiſende, Geiſtliche, ſowie für Freunde der Natur überhaupt Grnft Hallier. Mit vielen Holzſchnitten im Text und fünf Farbentafeln. gr. 8. 1890. geh. 10 N., eleg. geb. 11 M. Das geheimnisvolle Walten, die Erhabenheit und Schönheit der Natur ergreifen jedes empfäng⸗ liche Gemüt und gewähren ihm eine unerſchöpf⸗ liche Quelle der reinſten Freuden. Mit Recht wandern alljährlich Tanſende von Meuſchen hinaus in Wald und Gebirge, um den Sorgen des All⸗ tagslebens zu entfliehen. Unſer Verſtändnis für die Schönheiten der Natur und damit auch unſer Genuß ſteigern ſich jedoch mit der Bereicherung unſerer Naturerkenntnis. Das vorliegende Werk nun ſoll dem Naturfreund als Begleiter auf ſeinen Ausflügen und Reiſen dienen. Dasſelbe eignet ſich vermöge ſeiner anziehenden, gemeinverſtändlichen Schreibweiſe und ſeiner reichen Ausſtattung ganz beſonders auch zu Geſchenken. Enke in Stuttgart 22. RR EN NO OO a ew . CELE LG , e IS IS FSS FS SSS eS er FS eS eS Werlag von FERDINAND ENEE in Stuttgart. Soeben erschien: Lehrbuch PHYSIK fiir Studirende von Professor Dr. H. Kayser an der technischen Hochschule zu Hannover. Mit 884 Holzschnitten er. 8. geh. M. 10. — lonalslchrift Dammer. für die gelamken Valurmiſſenlchaten Herausgegeben von Dr. Otto Verlag von Ferdinand Duke in Stuttgart. 6. heſt. | | alle Buchhandlungen und Poſtanſtalten. t Inhalt. + Dr. Ludwig Paul: Ueber tünſtlichen Moſchus Dr. H. Klebahn: Die Tranſpiration der Pflanzen Dr. Paul Knuth: Altes und Neues von der Inſel Sylt. (Mit Abbildungen) l Prof. Dr. Aug. Forel: Ueber neuere Beobachtungen, die Lebensweiſe der Ameiſengäſte und gewiſſer Amei—⸗ Fired Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Dr. Kurt Lampert: Zoologie. — Dr. M. Als⸗ EMA eVUNGOKOWOLOQIG e +n Me Kleine Mitteilungen. ; Spezifiſches Gewicht der Gaſe. — Waſſerzerſetzung mit Strömen von ſehr großer Spannung. — Staub. — Aſtroelektricität. — Gekeimte Samen in geſchloſſe⸗ nen Früchten. — Syntheſe der Flechten. — Teller⸗ ſchnecken. — Bojanusſches Organ der Teichmuſchel. — Der Sperling in Nordamerika. — Geſchwindig⸗ teit der Brieftauben auf großen Strecken. — Die kleine Zehe (des Menſchen). — Anilinfarbſtoffe als antiſeptiſche Mittel. — Anthropologiſche Meſſungen bei der Rekrutenmuſterung. — Die Steinkammer⸗ gräber der Altmark. Briefe in redaktionellen Angelegenheiten und Wanufkripte find an den Berausgeber | Seite 185 186 188 Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen ꝛc. Vermeſſungen am Rhonegletſcher. — Bakteorologiſches Laboratorium. — Botaniſcher Schulgarten. — Bo⸗ taniſcher Garten in Saint Louis. — Botaniſches Inſtitut. — Schwimmende joologijde Unterſuchungs⸗ ſtation. — Preisaufgaben Sets : Biographien und Perſonalnotizen . Litterariſche Rundſchau. Winkelmann, Handbuch der Phyſik. — J. E. V. Boas, Lehrbuch der Zoologie. — S. Cleſſin, Die Mollustenfauna Oeſterreich-Ungarns und der Schweiz. — Alfred Jörgenſen, Die Mikro— organismen der Gärungsinduſtrie. — A. Bernſtein, Naturwiſſenſchaftliche Volksbüchenrn. Bibliographie. Bericht vom Monat April 1890 Aus der Praxis der Naturwiſſenſchaft. Leuchtende Waſſerſtrahlen. — Künſtliche Erzeugung von Höfen. — Erſchütterungsfreie Aufſtellung der Wage. — Kriechen der Salze über den Gefäßrand. — Fällung des Zinns durch Eiſen. — Natürliches und künſtliches Bittermandelöl. — Pflanzenetiketten . Verkehr. 5 Berrn Dr. Dfto Dammer, Berlin, Friedenau, zu ſenden. ae 5 Juni 1890. | Beſtellungen durch 9. Jahrgang. 215 216 = x) aa pf sf 91 7. a 8 PSSESKESKSEELSSESSSSSSSSSESSSSSSLSSSS: D Soeben erschien: Verlag von FERDINAND BIN KE in Stuttgart. Lehrbuch PHYSIK fiir Studirende von Professor Dr. H. Kayser an der technischen Hochschule : 5 =| zu Hannover. “TA dl Mit 884 Holzschnitten $SSKESKLLALLALALSAHLALKSS WI ZY TT We: U bbb EE. or ee ee SS) Verlag von FERDINAND ENKE in Stuttgart. Soeben erschien: All geme ine Morphologie der Pflanzen mit besonderer Berücksichtigung der Bluthenmorphologie von Dr. F. Pax, Custos am kgl. botanischen Garten in Berlin. Mit 126 Holzschnitten. gr. 8. geh. Mark 9. — Kelche heterochlamydeischer Blüthen: A Statice spathulata. — B Blüthe yon Eucalyptus, deren Kelch sich deckelartig abhebt. — ( Bliithe yon Cruckshanksia flava, 2 Kelchblätter blattartig vergrössert. — D Frucht von Valeriana officinatis mit autsitzendem Pappus im Längsschnitf. — , G nach Zngler, 8 A. Treffurth, Jlmenau i. Thür. liefert billigſt in durchaus ſolider Ausführung: Alle Glasgeräthſchaften, Apparate, Inſtrumente u. ſ. w. für naturwiſſenſchaftl. Unterricht, Laboratorien, Sammlungen ꝛc. 2c. Iduſtrirte Liffe mit vielſachen Anerkennungsſchreiben gratis. dm $5566556866666656556565665666686 Im Verlage von Ferdinand Enke in Stuttgart ist soeben erschienen: Grundriss ANATOMIE fiir Kunstler Mathias Duval, Professor der Anatomie an der Kunst-Akademie zu Paris. Herausgegeben von Professor Dr. med, Neelsen, Lehrer der Anatomie an der Kgl. Kunst-Akademie zu Dresden. Mit 77 Abbildungen. 8. geh. 6 Mark. —, eleg. in Leinwand gebdn. 7 Mark. — eS POPS SoS PSPSPS PSE SeSeS 22999999999999999999999999999 Neuer Verlag von Robert Oppenheim in Berlin. Durch alle Buchhandlungen, auch zur Ansicht, zu beziehen: Lehrbuch der Technischen Chemie von Dr. H. Ost Professor der techn. Chemie an der techn. Hochschule Hannover. Mit gegen 200 Abbildungen im Text und 4 Tafeln. 42 Bogen gr. 80. Preis vollständig geh. M. 13.— geb. M. 14. 50. Soeben ausgegeben Bogen 1—36. Preis M. 11.— Schluss „Metallurgie“ Bogen 37—42 folgt bis spätestens Ostern 1890. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Der gestirnte Himmel. Eine gemeinverständliche Astronomie von Professor Dr. W. Valentiner in Karlsruhe. Mit 69 Abbildungen im Text und 2 Tafeln in Farbendruck. gr. 8. geh. Preis M. 6, — ; Rt 2 fur BOTANIKER Fund alle Freunde der Botanik Alphabet. Verzeichnis aller wichtige- ren(iber 5000)PFlanzen’nebst Beschreibung und Na menserklarung (griech, lat.deutsch)_ Literatur. Specialbotanik. 500 Seiten stark. Hibsth gebd.5 M. Verlag von-T. O. WEIGEL‘in. LEIPZIG. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Soeben erschien: Das System der Zoologie. Mit Berücksichtigung der vergleichenden Anatomie zum Gebrauch während der Vorlesungen von Dr. H. Trautzsch. 8. geh. M. 2. 80. Die Physik im Dienste der Wissenschaft, der Kunst und des praktischen Lebens. In gemeinverstiindlicher Darstellung. Unter Mitwirkung hervorragender Fachmänner herausg. von Dr. Georg Krebs in Frankfurt a. M. Mit uber 200 erliuternden Abbildungen. 8. geh. 10 Mark, eleg. gebdn. 11 Mark. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. i+ — i Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. ETHIK. Eine Untersuchung der Thatsachen und Gesetze Sittlichen Lebens von Prof. Dr. Withelm Wundt. gr. 8. geh. Preis M. 14. — Fun d- Statistik Vorrömischen Metallzeit Rhein- e Von E. Freiherr von Tréltsch. Mit zahlreichen Abbildungen und 6 Karten in Farbendruck. 4. gebunden. Preis M. 1b. — LOGIK. Line Untersuchung der Principien der Erkenntniss und der Methoden wissenschaftlicher Forschung 8 von Prof. Dr. Withelm Wundt. Zwei Bände. I. Band: Erkenntnisslehre. Preis M.14. — II. Band: Methodenlehre. Preis M. 14. — Die ersten Menschen 81 und die 8 Prähistorischen Zeiten mit besonderer Berücksichtigung der Urbewohner Amerikas. Nach dem gleichnamigen Werke des Marquis de Nadaillac herausgegeben von W. Schlösser und Ed. Selen. Mit einem Titelbilde u. 70 in den Text gedruckten Holzschnitten. Autorisirte Ausgabe. gr. S. geh. Preis M. 12. — Kulturgeschichte der Menschheit in ihrem organischen Aufbau von Julius Lippert. Zwei Bande. gr. 8. geh. Preis M. 20. — Elegant und solid in Halbfranzband gebunden Preis M. 25. — Alͤnleitung zur Darstellung Organischer Praparate. Von Docent Dr. S. Levy in Genf. 8. In Leinwand geb. M. 4. — Mit 40 Holzschnitten. Grundriss Elektrometallurgie von Proj. Carl A. M. Balling, k. k, Oberbergrath in Pribram. Mit 40 Holzschnitten. S. geh. Preis M. 4. Einleitung in das Studium der Geologie von Professor Dr. David Brauns in Halle a. S. Mit 12 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 5. — Das Süsswasseraquarium und seine Bewohner. Ein Leitfaden für die Anlage und Pflege von Siisswasseraquarien. Von Prof. Dr. F. Hess. Mit 105 Abbildungen. 8. geh. Preis M. 6. — Die Verkehrswege Dienste des Welt handels- Eine historisch- geographische Untersuchung samt einer Einleitung für eine Wissenschaft der geographischen Entfernungen von Docent Dr. W. Gotz an der technischen Hochschule in München, Mit 5 Karten in Farbendruck. 8. geh. Preis M. 20. — Das System der Zoologie. Mit Berücksichtigung der vergleichenden Anatomie zum Gebrauch Während der Vorlesungen von Dr. H. Trautzsch. S. geh. Preis MI. 2. 80_ Handwörterbuch der esa Medizin. Unter Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter herausgegeben von Dr. A. Villaret. Zwei Bande. I. Band. Brochirt. Lex.-Oct. geh. Preis M. 22. — Eleg. in Halbfranzbd. geb. Preis M. 25. — Druck der „Union“ Deutſche Verlagsgeſellſchaft in Stuttgart. Preis des Heftes 1 Mark. 7. Heft. Iuli 1890. (onatslchift für Die gelamken Nalurwillenſchaften⸗ Herausgegeben vor Or. Otto Dammer. Verlag von Ferdinand Duke in Stuttgart. Beſtellungen durch alle Buchhandlungen und Poſtanſtalten. | t Inhalt. + Dr. E. Köhne: Die Gattungen der Pomaceen . Dr. Joſeph Heinrich Liſt: Der gegenwärtige Stand der Leukocytenfrage mit beſonderer Rückſicht auf die Phagocytenlehre E. Metſchnikoffs ee Dr. Albert Moll: Der Hypnotismus. I. Neue Unterſuchungen über das Ultramarinblau . Oberlehrer F. Henrich: Ueber die Temperaturverhält⸗ niſſe im Bohrloch zu Schladebach, dem tiefſten der cc Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Profeſſor Dr. K. v. Fuchs: Phyſik. — Prof. Dr. C. F. W. Peters: Aſtronomie. — Prof. Dr. H. Bücking: Mineralogie . 3 Kleine Mitteilungen. Konſtante Temperatur in der Bogenlampe. — Photo⸗ graphiſcher Apparat. — Leuchten des Phosphors. — Einwirkung von Säuren auf Aluminium. — Ueber das Verhalten der Kieſelſäure und ihrer Verbindun⸗ gen im Phosphorſalzglaſe. — Ueber das Entfärben mit Tierkohle. — Pyoktanin. — Leiſtungen der preußiſchen Sternwarten. — Triumph der Falbſchen Theorie. — Elmsfeuer. — Eishöhle bei Vareſch. — Miocäne Ablagerungen in Rußland. — Ein neuer phosphoreszierender Pilz. — Milchſaft der Pflanzen als Schutzmittel. — Der Wohlgeruch der Roſen. — Scopolia atropoides. — Lilienkrankheit auf den Bermuda⸗Inſeln. — Symbioſe. — Einfluß von Briefe in redaktionellen Angelegenheiken und Manuſkripke find an den Berausgeber Seite 217 Wärme und Kälte. — Ueber die Eiablgge bei Kroko⸗ dilen. — Ueber forſtnützliche Vögel. — Wölfe in Rußland. — Anoa depressicornis H. Smith. — Ueber die Ethnographie des Peloponnes . 1 Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen 2c. Der große Plöner See. — Elektrotechniſche Verſuchs⸗ ſtation. — Der Zentralausſchuß des Deutſchen und Oeſterreichiſchen Alpenvereins. — Botaniſcher Gar⸗ ten. — Meteorologiſche Stationen auf dem Rieſen⸗ gebirge. — Geodätiſcher Conſeil in Rußland. — Sammeln des Alpenveilchens. — Norwegiſche Polar⸗ expedition. — Zoologiſche Seeſtation. — Laborato⸗ rium für marine Biologie. — Inſtitut für Pflanzen⸗ Anatomie und ⸗Phyſiologie. — Preis aufgaben Biographien und Perſonalnotizen . Litterariſche Rundſchau. Carl Heck, Die Hagelſtatiſtik Württembergs. — Rudolf Falb, Von den Umwälzungen im Welt⸗ all. — H. Gruſon, Phyſikaliſch⸗Aſtronomiſches. — J. G. Vogt, Entſtehen und Vergehen der Welt. — Mitteilungen der Kommiſſion für die geologiſche Landesunterſuchung von Elſaß⸗Lothringen. — Max Verworn, Pſychophyſiologiſche Protiſtenſtudien . Bibliographie. Bericht vom Monat Mai 1890 Verkehr. Berrn Dr. Otto Dammer, Berlin, Friedenau, zu ſenden. 9. Jahrgang. 75 ths 1 2 2 2 we GSS . * — ee — 5 Mh Soeben erfchien: | “Riflietit der Bat | ‘sel Für Künſtler, Naturkundige, Lehrer, Gärtner, 60 Land- und Forſtwirthe, 1 Reiſende, Geiſtliche, 70 ſowie 9 für Freunde der Natur überhaupt & ausgearbeitet von 70 8 9 Ernſt Pallier. @ Mit vielen Holzſchnitten im Text und 9 fünf Farbentafeln. 8 Gr. S. Geheftet 10 Mark. & Eleg. geb. 11 Mark. 3: 3) oe ( Schloß Ghillon am Genferſee. 0 Das geheimnisvolle Walten, die Erhabenheit und Schönheit der Natur er⸗ (greifen jedes empfängliche Gemüt und gewähren ihm eine unerſchöpfliche Quelle 70 der reinſten Freuden. Mit Recht wandern alljährlich Tauſende von Menſchen de hinaus in Wald und Gebirge, um den Sorgen des Alltagslebens zu entfliehen. 5 Unſer Verſtändnis für die Schönheiten der Natur und damit auch unſer Genuß 0 ſteigern ſich jedoch mit der Bereicherung unſerer Naturerkenntnis. Das vorliegende ( Werk nun ſoll dem Naturfreund als Begleiter auf ſeinen Ausflügen und Reiſen 0 dienen. Dasſelbe eignet ſich vermöge ſeiner anziehenden, gemeinverſtändlichen E Schreibweiſe und ſeiner reichen Ausſtattung ganz beſonders auch zu Geſchenken. „ß! ( TTT EE Z EN NS Be AS ste AS Se AR SE ARSE ASE SS ( Be AS SE ste AARNE 55 ,, Bees AS es FS eS ERASE, Aes AS . S {eS aE Verlag von FERDINAND EN EE in Stuttgart. Der Hypnotismus, 2 NoMa Bedeutung und seine Handhabung. Hy pnotismus In kurzgefasster Darstellung vo . Prof. Dr. B. . ” Krafft. Ebin Professor Dr. A. E'orel Graz. 8 in Zürich. pass Auflage. gr. 8. geh. 2 Mark 40 Pf. : gr. 8. geh. 2 Mark. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Das Siipwafferaquarium und feine abe Ein Leitfaden für die Anlage und Pflege von Siif- waſſeraquarien. Von Prof. Dr. W. Hef in Hannover. — Mit 105 Abbildungen. — Die „Gartenlaube“ (1887, Nr. 5) jag in ihrem Sprechſaal: Es wundert uns übrigens, daß Sie ein Aqua rium beſitzen und es unterlaſſen haben, ſich ein Buch ju verſchaffen, welches Ihnen über alle einſchlägigen Fragen Auskunft erteilen würde. Wir raten Ihnen dringend, die geringfügige Ausgabe nicht zu ſcheuen. Die Winke und Belehrungen, welche Sie in einem 5 berden vor v achem 2 lech emptinbtigen edaven ewaßten. Wir mien Der gefleckte Salamander (Salamandra maculata Laur.) Sie namentlich auf das vor kurzem erſchienene Werk: (Abbildung aus Heb, Das Süßwaſſeraquarium“.) „Das Süßwaſſeraquarium und ſeine Bewohner“ von Dr. W. Heß (Stuttgart, Ferdinand Enke) aufmerkſam machen. Das Buch gibt treffliche Ratſchläge über die Einrichtung eines Aquariums, Auswahl und Pflege der Tiere und Pflanzen und iſt mit mehr als 100 Abbildungen geſchmückt. I) Ph 1k im Dienste der Wissenschaft, der | ( NI Kunst und des praktischen Lebens. In gemeinverstiindlicher Darstellung. Unter Mitwirkung hervorragender Fachmänner herausg. von Dr. Georg Krebs in Frankfurt a. M. Mit uber 200 enlduternden Abbildungen. 8. geh. 10 Mark, eleg. gebdn. 11 Mark. — Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. i+ Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Der geſtirnte Himmel. Eine gemeinverſtändliche Aſtronomie. Von Prof. Dr. Palentinen, Direktor der großherzoglichen Sternwarte in Karlsruhe. Mit 69 Abbildungen im Text und 2 Tafeln in Farbendruck. gr. 8. geh. Preis M. 6. — Elegant geb. M. 7. — Eine leichtfaßliche, kurzgefaßte und dabei doch vollſtän⸗ dige Himmelskunde auf moderner Grundlage hat in der naturwiſſenſchaftlichen Litteratur bislang gemangelt; mit dieſem Werke aus der Feder eines berufenen Forſchers und gewandten Schriftſtellers wird dem unleugbaren Mangel in einer Weiſe abgeholfen, welche jedem Freunde dieſes groß⸗ artigen Gebietes unſeres Wiſſens edle Beſchäftigung und volle Befriedigung gewähren wird. Es iſt nicht zu zweifeln, daß dieſes ſchöne Buch bei der ſtets zunehmenden Verehrung der Deutſchen für die Aſtronomie ſich raſch in allen Kreiſen Total : einbürgern wird, zumal vortreffliche Abbildungen, Holzſchnitte (Inuſtrationsprobe — 1 Himmel“) und farbige Tafeln dem Texte erklärend zu Hilfe kommen. Verlag von Georg Reimer in Berlin, - zu beziehen durch jede Buchhandlung. Natiirliche Schépfungs-Geschichte. Verlag von 23. F. Voigt in Weimar. Die Praxis der aturgeschichte. Ein vollständiges Lehrbuch über das Sammeln lebender und toter Naturkörper; deren Beobachtung, Erhaltung und Pflege im freien und gefangenen Zustand; Konservation, Präparation und Aufstellung in Sammlungen etc. Gemeinverständliche wissenschaftliche Vorträge hd ten Erfah pearbeitet vo WIRE GH N esten Erfahrungen bearbeitet von 8 r 3 Entwickelungslehre Phil. Leop. Martin. ; 5 . In drei Teilen. im Allgemeinen und diejenige von | ; Darwin. Goethe und Lamarck Erster Teil: Taxidermie 8 oder die Lehre vom Präparieren, Konservieren und Ausstopfen der Tiere und ihrer Teile; vom Naturaliensammeln auf Reisen und dem Naturalienhandel. Dritte verbesserte Auflage revidiert von L. und P. Martin unter Mitwirkung von Von Ernst Haeckel. Kouservator Hodek. Mit Ph. L. Martins Bildnis und einem Atlas, enth. 10 Tafeln gr. S. 6 Mark. - Zweiter Teil: Dermoplastik und Museologie oder das Modellieren der Tiere und das Aufstellen und Er- halten von Naturaliensammlungen. Zweite vermehrte und verbesserte Auflage. Nebst einem Atlas von 10 Tafeln. gr. 8. Geh, 7 Mark 50 Pfge. Dritter Teil: Naturstudien. Die botanischen, zoologischen und Akklimatisationsgarten, Menagerien, Aquarien und Terrarien in ihrer gegenwartigen Entwickelung. — Allgemeiner Naturschutz; Einbürgerung fremder Tiere und Gesundheitspflege gefangener Säugetiere . und Vogel. 2 Bände, mit Atlas von 12 Tafeln. gr. 8. Geh. 12 Mark 50 Pfge. Preis des kompletten Werkes 26 Mark. — Vorrätig in allen Buchhandlungen. —— Sdeben erschien - BEE Antiquar. Bücher-Katalog Nr. 60: Natur wissenschaften. Berlin W., Französische Strasse 33 C. Paul Lehmann, Buchhdlg. u. Antiquariat. Im Verlage von Ferdinand Enke in Stuttgart ist soeben erschienen: Grundriss der Anatomie für Kunstler. you Mathias Duwal, Professor der Anatomie an der Kunst-Akademie zu Paris. Herausgegeben von Professor Dr. med, Neelsen, Lehrer der Anatomie an der Kgl. Kunst-Akademie zu Dresden. Mit 77 Abbildungen. 8. geh. 6 Mark. —, eleg. in Leinwand gebdn. 7 Mark. Achte umgearbeitete und vermehrte Auflage. Mit dem Porträt des Verfassers und 20 Tafeln. Preis: 10 Mark, geb. 12 Mark 50 Pf. Im Verlage der Hahn' schen Buchhandlung in Hannover ist soeben erschienen: Compendium der Helminthologie. Nachtrag. Die Litteratur der Jahre 1878 bis 1889. Von 0. von Linstow, Dr. med. et chir., Stabsarzt. gr. 8. 1889. 4 M. 40 Pf. (Das Hauptwerk erschien im Jahre 1878 zum Preise yon 8 Mark.) A. Treffurth, Ilmenau i. Thi. liefert billigſt in durchaus ſolider Ausführung: Alle Glasgeräthſchaften, Apparate, Inſtrumente u. ſ. w. für naturwiſſenſchaftl. Unterricht, Laboratorien, Sammlungen 2c. 2c. ® Iluſtrirte Lifte mit vielſachen Anerkennungsſchreiben gratis. * TASCHEN: WORTERBUCH fur BOTANIKER GLASER’ und alle Freunde der Botanik Alphabet. Verzeichnis aller wichtige- tenlüber 5000) Pflanzen’ nebst Beschreibung und fe- menserklarung (griech, lat. deutsch- Literatur. Specialbotanik. 500 Seiten stark. Hübsch gebd.5 H. Verlag von T. O.WEIGEL in. LEIPZIG. Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart. EA ofiy 077, tf. Stutty. oo SF Viti 2 or, 1 1 onaksſchrift für die gelamken to? Herausgegeben vor Or, Otto Dammer. Verlag von Ferdinand Duke ix Stuttgart. 9 9 eft. ase 9 ali Auguſt 1890. Beſtellungen durch alle Buchhandlungen und Poſtanſtalten. Inhalt. + Direktor Dr. J. G. Wallentin: Ueber pyromagnetiſche Maſchinen. (Mit Abbildungen) Ne as she Dr. Udo Dammer: Die Akklimatiſation ſubtropiſcher p TA re tae Dr. H. Klebahn: Ueber Hefereinkultur und deren Bee deutung für die Brauerei. (Mit Abbildungen) Dr. Albert Moll: Der Hypnotismus. III. Profeſſor Dr. Kiſch: Zur Frage nach den Urſachen, welche die Zahl der Konzeptionen beim Menſchen in gewiſſen Monaten des Jahres regelmäßig fteigern . Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Dr. Max Deſſoir: Experimentelle Pſychologie. — Profeſſor Dr. M. Braun: Helminthologie . Kleine Mitteilungen. Geſchwindigkeit der Gravitation. — Verdampfungs⸗ kalorimeter von Neeſen. — Verbrennungen unter hohem Druck. — Konzentration der Sonnenſtrahlen für chemiſche Reaktionen. — Eine neue Beſtimmung der Größe und Richtung der Bewegung der Sonne. — Rotation der Sonne. — Neue Mondphotographien. — Hyperboliſche Kometenbahnen. — Atmoſphäriſche Wärmeabſorption. — Elektriſche Eigenſchaften des Quarzes. — Ueber die Nutzpflanzen der alten Peru⸗ aner. — Zur Ernährungsphyſiologie der Protozoen. — Höhlenfauna des weſtlichen Miſſouri. — Bilder aus dem Tierleben. — Farbenblindheit. — Rechter und linker Arm nach der Geburt. — Abhängigkeit der Geburtenzahl in Indien von den dortigen Exiſtenz⸗ Seite 270 bedingungen. — Wachstumsverhältniſſe der Schul⸗ kinder. — Geiftige Ueberanſtrengung. — Pſycho⸗ logiſche Ausbeute aus Krankenunterſuchungen. — Ueber die Herkunft und Sprache der kaukaſiſchen Ge- birgsjuden oder Dag⸗Tſchufut. — Etrusker Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen ꝛc. Zoologiſche Geſellſchaft. — Herbar und botaniſche Bibliothek. — Botaniſche Stationen in den Hoch⸗ alpen. — Däniſche Admiralität. — Dr. Thoroddſen. — Elektriſches Laboratorium. — Wiſſenſchaftliche Expedition nach Spitzbergen. — Schwediſche Expedi⸗ tion nach Kamerun. — Botaniſches Muſeum und Laboratorium der Michigan Agricultural College. — Neue Sternwarte. Preisaufgaben Biographien und Perſonalnotizen . Litterariſche Rundſchau. Joſeph Plaßmann, Die neueſten Arbeiten Über den Planeten Merkur. — A. F. Möbius, Die Hauptſätze der Aſtronomie. — H. Fritz, Die wich⸗ tigſten periodiſchen Erſcheinungen der Meteorologie und Kosmologie. — A. Garde, Flora von Deutſch⸗ land. — Albert Moll, Der Hypnotismus. — P. Paulitſchke, Die Wanderungen der Oromo oder Galla Oſtafrikas. — R. Andree, Ethno⸗ graphiſche Parallelen und Vergleiche 5 Bibliographie. Bericht vom Monat Juni 1890 Vailurmilſenſchalken | 9. Jahrgang. Seite 278 283 284 284 287 Briefe in redaktionellen Angelegenheifen und Manuſkripke find an den Berausgeber Berrn Dr. Pleo Dammer, Berlin, Friedenau, zu ſenden. . 2 A Mm — - ah cally) esl 1 von Ferdinand Enlie in n Stuttg 13 Soeben erſchien: ü a | Aekhetik der Natur. | Relthetih der Natur. Für 1 Naturkundige, a Lehrer, Gärtner, 9 * Land- und Forſtwirthe, 9 Reiſende, Geiſtliche, 5 ſowie & für Freunde der Natur überhaupt |? ausgearbeitet von 9 Ernſt Pallier. ) Mit vielen Holzſchnitten im Text und 7 fünf Farbentafeln. 95 Gr. S. Geheftet 10 Mark. ( Eleg. geb. 11 Mark. 3) «& 37 2 ( Schloß abil Genſerſee. : : 9 +) Das geheimnisvolle Walten, die Erhabenheit und Schönheit der Natur er- | (E greifen jedes empfängliche Gemüt und gewähren ihm eine unerſchöpfliche Quelle |) 7 der reinſten Freuden. Mit Recht wandern alljährlich Tauſende von Menſchen [ & hinaus in Wald und Gebirge, um den Sorgen des Alltagslebens zu entfliehen. 10 : q Unſer Verſtändnis für die Schönheiten der Natur und damit auch unſer Genuß |S 70 ſteigern ſich jedoch mit der Bereicherung unſerer Naturerkenntnis. Das vorliegende 1 Werk nun ſoll dem Naturfreund als Begleiter auf ſeinen Ausflügen und Reijen z 7] dienen. Dasſelbe eignet ſich vermöge ſeiner anziehenden, gemeinverſtändlichen [& 0 Schreibweiſe und ſeiner reichen Ausſtattung ganz beſonders auch zu Geſchenken. 7: EGON e e e , e e , e , J A BS Se FAS ee FS 5S ZH Be FS FS SS FS SSS SSS SBS te Se SBS SS LASER’S.@86 TASCHEN: 5 WORTERBUCH BOTANI i KER und alle Freunde der Botanik Alphabet. Verzeichnis aller wichtige- tenlüber 000) Pflanzen’ nebst Beschreibung und Na: menserklarung (gre riech, lat.deutsch)_ Literatur. Specialbotanik. 500 Seiten stark. Habsch gebd.5 M. Verlag von T. O. WEIGEL ’in. LEIPZIG. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Der gestirnte Himmel. Eine gemeinverstindliche Astronomie Von Professor Dr. FV. Valentiner in Karlsruhe. Mit 69 Abbildungen im Text und 2 Tafeln in Farbendruck. gr. 8. geh. Preis M. 6. — Empfehlenswerthe Festgeschenke. eue Werke aus dem Verlage v von n Ferdinand Enkei in ‘Stuttgart. Han d buch Ausübenden Witterungskunde. | Geschichte und gegenwartiger Zustand der Wetterprognose. Dr. W. J. beer Bebber, Abtheilungsvorstand der deutschen Seew 5 Zwei Theile. I. Theil: Geschichte der Wetterprognose. Mit 12 Holzschn. gr. S. geh. Preis M. 8. — II. Theil: Gegenwärtiger Zustand der Wetterprognose. Nebst einer Wolkentafel u. 66 Holzschn. gr. 8. geh. Preis M. 11.— | Geschichte der Physik you Aristoteles bis auf die neueste Zeit. Prof. e Heller. Zwei Bände. I. Band: Von Aristoteles bis Galilei. gr. 8. geh. Preis M. 9. — II. Band: Von Descartes bis Robert Mayer. gr. 8. geh. Preis MU. 18. — Die Physik jim Dienste der Wissenschaft, der Kunst und des praktischen Lebens. Herausgegeben unter Redaction von Professor Dr. G. Krebs. Mit 259 Holzschnitten. 8. Elegant gebunden M. 11.—, brochirt M. 10.— Das Zootomische Practicum. Eine Anleitung zur Ausführung zoologischer Untersuchungen fiir Studirende der Naturwissenschaften, Mediciner, Aerzte und Lehrer von Professor Dr. M. Brawn. Mit 122 Holzschnitten. 8 geh. Preis M.7.— HANDBUCH der Analytischen Chemie von Prof. Dr. Alexander Classen. I. Theil: Qualitative Analyse. Vierte Auflage, 8. geh. Preis M. 4.— II. Theil: Quantitative Analyse. Dritte Auflage. Mit 73 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 8. — Lehrbuch der GEOPHYSIK Physikalischen Geographie. Prof. Dr. 8 und Gimther. ZWEI BANDE. I. Band. Mit 77 Abbildungen. gr. 8. geh. Preis M. 10. — II. Band. Mit 118 Abbildungen. gr. S. geh. Preis M. 15. — Das Telephon und dessen praktische Verwendung von Dr. Julius Maier ond W. H. Preece, F. R. S. in London Chef des englischen Telegraphenwesens. Mit 304 Holzschnitten. 8. M. 9. — geh. Lehrbuch der Krystallberechnung. Mit N Beispielen, die mit Hilfe der sphäri- schen Trigonometrie auf Grund einer stereographi- schen Projection berechnet wurden. Von Ferdinand Henrich, Oberlehrer am Realgymnasium in Wiesbaden. Mit 95 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 8. — Das Siisswasseraquarium und seine Bewohner. Ein Leitfaden fiir die Anlage und Pflege von Siisswasseraquarien. Von Prof. Dr. W. Hess. Mit 105 Abbildungen. 8. geh. Preis M. 6. — Lehrbuch der Chemie Pharmaceuten. Mit besonderer Berücksichtigung der Vorbereitung zum Gehiilfen-Examen. Von Dy. Bernhard Fischen, Assistent am pharmakologischen Institute der Universität Berlin. Mit 94 Holzschnitten. gr. 8. geh. Preis M. 13. — Eleg. gebunden Preis M. 15. Empfehlenswerthe Festgeschenke © Verlage von Ferdinand Enke in Stuttgart. i) LO GIK. Hine Untersuchung der Principien der Erkenniniss und der Methoden wissenschaftlicher Forschung ETHIK. Eine Untersuchung der Thatsachen und Gesetze des Sittlichen Lebens von Prof. Dr. Withelm Mundt. Zwei Bände. I. Band: Erkenntnisslehre. Preis M. 14. — II. Band: Methodenlehre. Preis M. 14. — you Prof. Dr. Withelm Wundt. gr. 8. geh. Preis M. 14. — Fun d- Statistik der Vorrömischen Metallzeit F Von E. Freiherr von Trélisch. Mit zahireichen Abbildungen und 6 Karten in Farbendruck, 4. gebunden. Preis M. 15. — Die ersten Menschen prähistorischen Zeiten mit besonderer Berücksichtigung der Urbewohner Amerikas. Nach dem gleichnamigen Werke des Marquis de Nadaillac herausgegeben von: W. Schlösser und Ed. Selen. Mit einem Titelbilde u. 70 in den Test gedruckten Holzschnitten. Autorisirte Ausgabe. gr. 8. geh. Preis M. 12. — Der gestirnte Himmel. Eine gemein verständliche Astronomie von Professor Di. N. Valentiner in Karlsruhe. 7 Mit 69 Abbildungen im Text und 2 Tafeln in Farbendruck. gr. 8. geh. Preis M. 6. — Kulturgeschichte der Menschheit | in ihrem organischen Aufbau . von Julius Lippert. Zwei Bande. gr. 8. geh. Preis M. 20. — Elegant und solid in Halbfranzband gebunden Preis M. 25.— r Die Verkehrswege Dienste des Welthandels Eine historisch- geographische Untersuchung samt einer Einleitung für eine Anleitung zur Darstellung Organischer Präparate. Von Wissenschaft der geographisch Docent Dr. S. Levy : 5 ee Entfernungen in Genf. Docent Dr. W. Gétz an der technischen Hochschule in München. Mit 40 Holzschnitten. 8. In Leinwand geb. M. 4. — Mit 5 Karten in Farbendruck. 8. geh. Preis M. 20. Grundriss der Elektrometallurgie von bas System der Zoologie. Mit Berücksichtigung der Vergleichenden Anatomie zum Gebrauch wahrend der Vorlesungen von Dr. H. Trautzsch. S. geh Preis NMT. 2. 80. ; j Prof. Carl A. M. Balling, i k. k. Oberbergrath in Pribram. Mit 40 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 4.— Handwortenbuch 1 FEimleitung 155 115 nie Gesammten Medizin. 8 tudiu der Ge 0 logie Unter Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter ie a | Dre ie . ; 105 ‘el. ee EE Pe Hau ne 4. es Zwei Bände. I. Band. Brochirt, Lex.-Oct. geh. Preis M. 22. Mit 12 Holzschnitten, 8. geh. Preis M. 5. — Eleg. in Halbfranzbd. geb. Preis M. 25. — — — —— — — Druck der Union Deutſche Verlagsgeſellſchaft in Stuttgart. — n e n um ; . 7 —— — W f somes ae . 10 Conatslchritt für die gelamken Valurwilſenſchafken Herausgegeben voc Dr. Otto Dammer. Verlag von Ferdinand Duke in Stuttgart. Preis des Heftes 1 Mark. 9. §eft. September 1890. Beſtellungen durch alle Buchhandlungen und Poſtanſtalten. + Inhalt. + Direktor Dr. J. G. Wallentin: Neuere Forſchungs⸗ und Beobachtungsmethoden auf dem Gebiete der at⸗ moſphäriſchen Elektrizitti e. Profeſſor Dr. E. Loew: Moorbildung und vorherrſchende Windrichtung an oſtbaltiſchen Seen ies Profeſſor Dr. Auguſt Forel: Eine myrmekologiſche Ferienreiſe nach Tuneſien und Oſtalgerien, nebſt einer Beobachtung des Herrn Gleadow in Indien über Aenictus . . Dr. F. Mühlberg: Der Pliocänſee des Rhein⸗ und Mainthales und die ehemaligen Mainläufe . Dr. Fr. Moewes: Anpaſſungserſcheinungen an Stand- ort und Klima bei den Gräſern Dr. med. Alb. Albu: Der gegenwärtige Stand der Walsers rele ws Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Profeſſor Dr. H. Bücking: Geologie und Petro⸗ ran tistied else ne S eo ke Reine Mitteilungen. Vorkolumbiſche Metallurgie in Venezuela. — Ferro⸗ ſilicium und Ferroaluminium. — Ueber die Um⸗ wandlung von Oelſäuren in feſte Fettſäuren. — Zwei neue Theorien der Corona der Sonne. — Ro- tation der Venus. — Meteorbeobachtungen. — Eine neu entſtandene Inſel in der Südſee. — Die prä⸗ glaciale Zeit in Oberitalien. — Zur Frage über die Herkunft der blaſigen Schlacke von Sylt. — Unter⸗ ſchied zwiſchen Pflanzen und Tieren. — Das Auf- Seite 289 294 treten der Nonne in Bayern. — Zur Befruchtung bei den Urodelen. — Flug einer Rauchſchwalbe. — Träume der Blinden. — Schwierigkeiten des Wort⸗ verjtehens, — Auffaſſung von Tondijtanjen . Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen 2c. Laboratorium für Phytobiologie. — Wiſſenſchaft⸗ liche Expedition. — Muſeum in Kalkutta. — Bota⸗ niſcher Garten in Buitenzorg. — Preisaufgaben Biographien und Perſonalnotizen Litterariſche Rundſchau. W. Steffen, Lehrbuch der reinen und techniſchen Chemie. — M. Voduſek, Grundzüge der theoreti⸗ ſchen Aſtronomie. — F. Pax, Allgemeine Morpho⸗ logie der Pflanzen, mit beſonderer Berückſichtigung der Blütenmorphologie. — A. B. Frank, Lehrbuch der Pflanzenphyſiologie. — M. Büsgen, Beob⸗ achtungen über das Verhalten des Gerbſtoffs in den Pflanzen. — C. Müller, Medizinalflora. — Hugo Köhler, Die Luftkurorte des Südens — Hugo de Vries, Die Pflanzen und Tiere in den dunklen Räumen der Rotterdamer Waſſerleitung. — Dr. J. Ritzema Bos, Tieriſche Schädlinge und Nützlinge. — V. Fatio, Histoire naturelle des poissons de la Suisse. — Dr. W. Medicus, Illuſtrierter Raupenkalender. — A. Moſſo, Die Furcht Bibliographie. Bericht vom Monat Juli 1890 9. Jahrgang. Seite Briefe in redakkionellen Angelegenheiten und Manuskripte find an den Berausgeber Berrn Dr. Otto Dammer, Berlin, Friedenau, zu ſenden. ( Soeben erſchien: x | Arfthettk der Natur. Für Künſtler, Naturkundige, ) & Lehrer, Gärtner, 5 x a 8 6 Land- und Forftwirthe, |f 1 Reiſende, Geiſtliche, 90 70 ſowie 604 05 für Freunde der Natur überhaupt S ausgearbeitet von 05 + * 5 Ernſt ballier. |p 4 ay «& Mit vielen Holzſchnitten im Text und 7 6 fünf Farbentafeln. 5 90 Gr. 8. Geheftet 10 Mark. & «& Eleg. geb. 11 Mark. x) 3: * «& ae . + if & Schloß Chillon am Genferfee. 0 3) Das geheimnisvolle Walten, die Erhabenheit und Schönheit der Natur er- | (A greifen jedes empfängliche Gemüt und gewähren ihm eine unerſchöpfliche Quelle |? 70 der reinſten Freuden. Mit Recht wandern alljährlich Tauſende von Menſchen 8 hinaus in Wald und Gebirge, um den Sorgen des Alltagslebens ßzu entfliehen. Vi & Unſer Verſtändnis für die Schönheiten der Natur und damit auch unſer Genuß 7 ) ſteigern ſich jedoch mit der Bereicherung unſerer Naturerkenntnis. Das vorliegende ( (Werk nun ſoll dem Naturfreund als Begleiter auf ſeinen Ausflügen und Reiſen js: 70] dienen. Dasſelbe eignet ſich vermöge ſeiner anziehenden, gemeinverſtändlichen [ E Schreibweiſe und ſeiner reichen Ausſtattung ganz beſonders auch zu Geſchenken. [5 13 Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Der gestirnte Himmel. Eine gemeinverständliche Astronomie yon Professor Dr. W. Valentiner in Karlsruhe. Mit 69 Abbildungen im Text und 2 Tafeln in Farbendruck. gr. 8. geh. Preis M. 6. — BOTANIKER und alle freunde der Botanik Alphabet. Verzeichnis aller wichtige- ren(iber 5000) Pfidnzen‘nebst Beschifeibung und Nar menserklarung (griech, lat.deutsth)_ Literatur. Specialbotanik. 500 Seiter stark. Hubsth gebd.5 M. Verlag oT. O. WEIGEL‘in. LEIPZIG. Verlag von PAUL PAREY in Berlin SW. 10 Hedemannstrasse. Soeben erschien: Von Dr. B. Frank. Bw. 32 Reo > Professor an der Kgl. landwirtschaftlichen Hochschule zu Berlin. o x . . - ~ AO Os $F Ohm : Mit 12 Tafeln. Preis 5 M. erl. E. Goldschmidt, Berlin, Wichmannst.4a. Zu beziehen durch jede Buchhandlung. Verlag von Gustav Fischer in Jena_ Soeben erschien: Dr. Hans Molisch, Neuer Verlag von Robert Oppenheim, Berlin W. 10. . : i r i i raz. ee ee e ene eee e Durch alle Buchhandlungen (auch zur Ansicht) zu beziehen: Grundriss einer Histochemie Ost, H. Dr., Prof. a. d. technischen Hochschule in Hannover. Lehrbuch der technischen Chemie. gr. 8d. XII : s d Sei i 5 i g i x T2 ¢ der pflanzlichen Genussmittel. Se GAC e Mit 15 Abbildungen. Preis 2 Mark. eee ee eee Vogel, H. W. Dr., Prof. a. d. techn. Hochschule Berlin-Charlotten- burg. Handbuch der Photographie. Vier Theile, enthaltend die photographische Chemie. Optik, Praxis u. Aesthetik. Grundzüge der Theoretischen Chemie terte enten arne dee lage. gr. 89. Abtheilung I. Photochemie und Beschreibung Neuer Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig. 2 1 5 von Lothar Meyer. der photographischen Chemikalien. XVI u. 352 Seiten mit Mit zwei lithographierten Tafeln. VIII, 206 S. 8°. 13 Tafeln, 1 Farbenlichtdruck, sowie 9 Lichtdrucktafeln und Geh. 4 M. Fein geb. (Halbfranz) 5 M. 20 Pf. 22 Holzstichen im Text. Geh. M. 10.—, geb. M. 11. 50. Das kleine Buch ist nicht allein für den Gebrauch der Studieren- den bestimmt, sondern soll auch denjenigen Freunden der Natur- wissenschaft etwas bieten, welche weder die Zeit noch die Neigung haben, sich in die Einzelheiten chemischer Forschung zu vertiefen. Zum Verständnis sind nur ganz geringe Vorkenntnisse erforderlich. Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Das Süsswasseraquarium und seine Bewohner. Ein Leitfaden für die Anlage und Pflege von Süsswasseraquarien. Von Prof. Dr. F. Hess. Mit 105 Abbildungen. 8. geh. Preis M. 6. — Kulturgeschichte der Menschheit in ihrem organischen Aufbau yon Julius Lippert. Zwei Bande. gr. 8. geh. Preis M. 20. — Elegant und solid in Halbfranzband gebunden Preis M. 25.— ET HI K. Eine Untersuchung der Thatsachen und Gesetze Die Verkehrswege Dienste des Welthandels. des Eine historisch- geographische Untersuchung 1 1 samt einer Einleitung für eine Sittlichen Lebens Wissenschaft der geographischen Entfernungen von von Docent Dr. W. Gõtæ an der technischen Hochschule in Munchen. Mit 5 Karten in Farbendruck. 8. geh. Preis M. 20. — Prof. Dr. Wilhelm Wundt. gr. 8. geh. Preis M. 14. — Grundriss der Hlektrometallurgie Prof. Carl A. M. Balling, k. k. Oberbergrath in Pribram. Mit 40 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 4.— Das System der Zoologie. Mit Berücksichtigung der vergleichenden Anatomie zum Gebrauch während der Vorlesungen von Dr. H. Trautzsch. 8. geh Preis M. 2. 80. Handworterbuch der = = Gesammten Medizin. Unter Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter herausgegeben yon Dr. A. Villaret. Zwei Bande. I. Band. Brochirt. Lex.-Oct. geh. Preis M. 22. — Eleg. in Halbfranzbd. geb. Preis M. 25. — Hinleitung in das Studium der Geologie von Professor Dr. David Brauns in Halle a. S. Mit 12 Holzschnitten. 8. geh. Preis M.5.— Verlag von FERDINAND ENTE in Stuttgart. Soeben erschien: Lehrbuch PHYSIK fiir Studirende von Professor Dr. H. Kayser an der technischen Hochschule zu Hannover. Mit 884 Holzschnitten gr. 8. geh. M. 10. — 1888 nnn E im Dienste der Wissenschaft, der i | ( 7 ll \ | ik Kunst und des praktischen Lebens. In gemeinverstindlicher Darstellung. Unter Mitwirkung hervorragender Fachmänner herausg. von Dr. Georg Krebs in Frankfurt a. M. Mit uber 200 erläuternden Abbildungen. 8. geh. 10 Mark, eleg. gebdn. 11 Mark. —1 Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. Verlag pon Ferdinand Enke in Stuttgart. Soeben erschien: Lehrbuch der METEOROLOGIE für Studierende und zum Gebrauche in der Praxis Von Dr. W. J. van Bebber, Abteilungsvorstand der deutschen Seewarte. Mit 120 Holzschnitten und 5 Tafeln. = = gr. 8. Preis M. 10. — C . TST V SVS VV TV TATA Mit Beilagen von aig Paefel, Verlagshandlung in Berlin und Baul Barey, Verlagshandlung in Berlin, Druck der Union Deutſche Verlagsgeſellſchaft in Stuttgart. a _ oh ronatslefuitt für die gefamten Naturwilſenſchalten Herausgegeben von Or. Otto Dammer. Verlag von Ferdinand Duke in Stutty art. CCC m8... T ( —— 10. Heft. | f mn. Pkkober 1890. ot esha 9. Jahrgang. und Pojtanjtalten. + SuBbaltf. + Dr. Ludwig Paul: Ueber die Zuckergruppe Admiralitätsrat Rottok: Beiträge zur Kartographie und Hydrographie Spitzbergetn ns. Dr. Robert Keller: Unveränderlichkeit pflanzlicher. Arten während langer Zeiträume . N Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Dr. K. Albrecht: Chemie . 8 Kleine Mitteilungen. Schwingende Saiten. — Lichtnutzeffekt der Geißler⸗ ſchen Röhren. — Photoelektriſche Ströme. — Eine Eishöhle. — Neue Petroleumfelder. — Glacial⸗ bildungen in den Carboniferous und Hawkesbury Series in New South Wales. — Die Flyſchalgen. — Ein neu entdeckter Unterkiefer von Dryopithecus. — Kokospalmen. — Eine Waſſermilbe als Schnecken⸗ ſchmarotzer. — Verbreitung des Monotus. — Die Funktion der Madreporenplatte und des Steinkanals der Echinodermen. — Der Einfluß gewiſſer Schma⸗ rotzerkrebſe auf die äußeren geſchlechtlichen Kenn⸗ zeichen ihrer Wirte. — Dreſſierte Schwalben. — Das Netzhautbild des Inſektenauges. — Gegen die Mung⸗Helmholtzſche Farbentheorie. — Bilder aus dem Tierleben 3 Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen ꝛc. Die Allgemeine Verſammlung der Deutſchen Geo- logiſchen Geſellſchaft N Briefe in redakkionellen Angelegenheiken und Manuſkripke find an den Berausgeber Seite 329 334 337 Biographien und Perſonalnotizen . Litterariſche Rundſchau. Siegmund Günther, Handbuch der mathemati⸗ ſchen Geographie. — O. Zacharias, Zur Kennt⸗ nis der niederen Tierwelt des Rieſengebirges. — K. L. Bramſon, Die Tagfalter (Rhopalocera) Europas und des Kaukaſus. — Erwin Schulze, Fauna Piscium Germaniae. — Alex. Goette, Abhandlungen zur Entwicklungsgeſchichte der Tiere. — Victor Ritter von Tſchuſi zu Schmid⸗ hoffen, Ornithologiſches Jahrbuch. — Flügel, Die Seelenfrage. — H. Oldenberg, J. Jaſtrow, C. H. Cornill, Epitomes of three siences. — Ad. Baſtian, Ueber Klima und Acclimati- ſation. — Dr. O. Dammer, Handwörterbuch der öffentlichen und privaten Geſundheitspflege. — Ernſt Hallier, Aeſthetik der Natur. — A. Hummel, Hilfsbuch für den Unterricht in der Naturgeſchichte Bibliographie. Bericht vom Monat Auguſt 1390. Aus der Praxis der Naturwiſſenſchaft. Ueber die Anwendung des elektriſchen Lichtbogens zur Demonſtration der Gasvolumengeſetze. — Auf⸗ friſchen von Gummjartikeln. — Gravieren des Glaſes mittelſt Elektrizität. — Ein Mittel gegen den Mehl⸗ tau der Weinſtöcke. — Taſchen⸗ oder Narrenbildung der Pflaumen. — Aquarien. Berrn Dr. Oft Dammer, Berlin, Friedenau, zu ſenden. Ss d ste we As ste we Za se AS SME ASE we b S BS ee aS SI He es BS Sy HS BS SS FB ES’ S BS Se SSS 1 ver Ba Für Künſtler, Naturkundige, Lehrer, Gärtner, Land- und Forſtwirthe, Reiſende, Geiſtliche, ſowie für Freunde der Natur überhaupt fe ausgearbeitet von Ernſt Pallier. Mit vielen Holzſchnitten im Text und fünf Farbentafeln. Gr. 8. Geheftet 10 Mark. Eleg. geb. 11 Mark. Schloß Chillon am Genferſee. Das geheimnisvolle Walten, die Erhabenheit und Schönheit der Natur er⸗ greifen jedes empfängliche Gemüt und gewähren ihm eine unerſchöpfliche Quelle der reinſten Freuden. Mit Recht wandern alljährlich Tauſende von Menſchen hinaus in Wald und Gebirge, um den Sorgen des Alltagslebens zu entfliehen. Unſer Verſtändnis für die Schönheiten der Natur und damit auch unſer Genuß ſteigern ſich jedoch mit der Bereicherung unſerer Naturerkenntnis. Das vorliegende Werk nun ſoll dem Vaturfreund als Begleiter auf ſeinen Ausflügen und Reiſen dienen. Dasſelbe eignet ſich vermöge ſeiner anziehenden, gemeinverſtändlichen Schreibweiſe und ſeiner reichen Ausſtattung ganz beſonders auch zu Geſchenken. . Se Be ZS AA AS SIE FARE AR SE PR SE We 2 Sie PR Ne BS Se , NEF SE LEI ENE AS St AS eS er FS SS ee SS . , FS es Se Se SS EaD AS GLASER'S$ JTASCHEN: Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. 7 WORTERBUCH NaN ER Der gestirnte Himmel. 0 Fund alle Freunde der Botanik Hine gemeinverstiindliche Astronomie V Aiphabet. Verzeichnis aller wichtige- 5 Re é ren(iber 5000) Pflanzen’ nebst Beschreibung und Nar . menserklarung (ariech, lat deutsch)_ Lite ratur. 0 Mit 69 Abbildungen im Text und 2 Tafeln in Farbendruck. Specialbotanik. 500 Seiten stark. Hübsch gebd 5 . gr. 8. geh. Preis M. 6. — Verlag von T. O. WEIGEL in LEIPZIG. Empfehlenswerthe Festgeschenke. Neue Werke aus dem Verlage von Ferdinand Enke in Stuttgart. Handbuch der Ausübenden Witterungskunde. Geschichte und gegenwartiger Zustand der Wetterprognose. Dr. W. J. eae Bebber, Abtheilungsvorstand der deutschen te Zwei Theile. I. Theil: Geschichte der E Mit 12 Holzschn. gr. 8. geh. Preis M II. Theil: Gegenwärtiger Zustand der e Nebst einer Wolkentafel u. 66 Holzschn. gr. 8. geh. Preis M. 11.— Geschichte der Physik Lehrbuch der GEOPHYSIK Physikalischen Geographie. Prof. Dr. Sieg 5 Giimther. ZWEI BANDE. I. Band. Mit 77 Abbildungen. gr. 8. geh. Preis M. 10. II. Band. Mit 118 Abbildungen. gr. 8. geh. Preis M. 15. Das Telephon Aristoteles bis aut die neueste Zeit. und Peat. August. Heller. dessen praktische Verwendung Zwei Biinde. 8 4 1 I. Band: Von Aristoteles bis Galilei. Dr. Julius Maier wna W. H. Preece, F. R. S. gr. 8. geh. Preis M. 9. — in London. Chef des englischen Telegraphenwesens, II. Band: Von Descartes bis Robert Mayer. 8. geh. Preis M. 18 Mit 304 Holzschnitten. 8. geh. M. 9. — gr. 8. geh. Preis M. 18. — Die Physik Lehrbuch im Dienste der Wissenschaft, der Kunst Krystallberechnung. F Mit zahlreichen Beispielen, die mit Hilfe der sphiri- und des praktischen Lebens. schen Trigonometrie auf Grund einer 1 Herausgegeben unter Redaction von schen 3 alge oc wurden. Professor Dr. G. Krebs. a e Henrich, Mit 259 Holzschnitten. Oberlehrer am Realgymnasium in Wiesbaden. 8. Elegant gebunden M. 11. —, brochirt M. 10.— Mit 95 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 8. — Das Zootomische Practicum. Eine Anleitung zur Ausführung zoologischer Untersuchungen fir Studirende der Naturwissenschaften, Mediciner, Aerzte und Lehrer Das Siisswasseraquarium und seine Bewohner. Kin Leitfaden fiir die Anlage und Pflege von Siisswasseraquarien. Von Prof. Dr. W. Hess. Mit 105 Abbildungen. 8. geh. Preis M. 6. — von Professor Dr. M. Braun. Mit 122 Holzschnitten. 8 geh. Preis M. 7.— HANDBUCH Lehrbuch der Chemie Analytischen Chemie Pharmaceuten. yon Prof. Dr. Alexander Classen. Mit besonderer Berücksichtigung der vorbereitung zum Gehiilfen-Examen, I. Theil: Qualitative Analyse. Von ) Vierte Auflage, 8. geh. Preis M. 4.— Dy. Bernhard Fischen, asistent am arma ogischen Ins u e der vers Nn. II. Theil: Quantitative Analyse. EEE Dritte Auflage. Mit 73 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 8. — gr. 8. geh. Preis M. 13. — Eleg. gebunden Preis M. 15. Empfehlenswerthe Festgesehenke aus dem Verlage von Ferdinand Enke in art. ET HI K. Eine Untersuchung der Thatsachen und Gesetze des Sittlichen Lebens Von Prof. Dr. Withelm Wundt. gr. 8. geh. Preis M. 14. — Fund- Statistik der oo a * Vorrömischen Metallzeit im Rhein- Gebiete. Von E. Freiherr von Troéltsch. Mit zaldreichen Abbildungen wand 6 Karlen in Farbendruck, 4. gebunden. Preis M. 15. — Kulturgeschichte der Menschheit in ihrem organischen Aufbau von Julius Lippert. Zwei Bande. gr. 8. geh. Preis M. 20. — Elegant und solid in Halbfranzband gebunilen Preis M. 25, — Anleitung zur Darstellung Organischer Präparate. Von Docent Dr. S. Levy in Genf. Mit 40 Holzschnitten. 8. In Leinwand geb. M. 4, — Grundriss der Elektrometallurgie von Prof. Carl A. M. ** k. k. Oberbergrath in Pribram. Mit 40 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 4.— LO GIK. Line Untersuchung der Principien der Erkenntnis und der Methoden wissenschaftlicher Forschung yon Prof. Dr. Withelm Mundt. Zwei Bände. I. Band: Erkenntnisslehre. Preis M.11. — II. Band: Methodenlehre. Preis M. 14. — Die ersten Menschen 5 und die i Prähistorischen Zeiten mit besonderer Berücksichtigung der Urbewohner Amerikas. Nach dem eee Werke des Marquis de Nadaillac herausgegeben von; . Schlösser und Ed. Seler. Mit einem Titelbilde u. 70 in den Text gedruckten Holzschnitten. Autorisirte Ausgabe. gr. 8. geh. Preis M. 12. — Der gestirnte Himmel. Eine gemein verständliche Astronomie von Professor Dr. V. Valentine in Karlsruhe. Mit 69 Abbildungen im Text und 2 Tafeln in Farbendruck. gr. 8. geh. Preis M. 6. — Die Verkehrswege Dienste des Welthandels Eine historisch- geographische Untersuchung : Samt einer Einleitung für eine 5 Wissenschaft der geographischen Entfernungen von Docent Dr. W. Gétz an der technischen Hochschule in Munchen, Mit 5 Karten in Farbendruck. 8. geh, Preis M. 20. — Das System der Zoologie. Mit Berücksichtigung der Vergleichenden Anatomie zum Gebrauch während der Vorlesungen von Dr. H. Trautzsch. S. geh. Preis M. 2. 80. Hinleitung in das Studium der Geologie von Professor Dr. David Brauns - in Halle a. S. Mit 12 Holzschnitten, 8. geh. Preis M. 5. — Handwörterbuch der Gesammten Medizin. Unter Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter herausgegeben von Dr. A. Villaret. Zwei Bande. I. Band. Brochirt. Lex.-Oct. geh. Preis M. 22. — Eleg. in Halbfranzbd. geb. Preis M. 25. — Druck der Union Deutſche Verlagsgeſellſchaft in Stuttgart. 7 Monaleſchrikk für die gelamken Maturwilſenlchalten ; if pa ee (IS 2. N to Herausgegeben vor Or, Otto Dammer. Verlag von Ferdic and Deike in Stuttgart. DN ⁊ eee II. geſt. P8222" November 1890, e Sana 9. Jahrgang. und Poſtanſtalten. 3 nhalt. + Dr. Ludwig Paul: Ueber die Zuckergruppe Dr. Robert Keller: Die Pflanzenſchutzbeſtrebungen pe! aN tere Prof. Dr. H. E. Biegler: Ueber den Bau und die Entwickelung der Siphonophoren. (Mit 13 Whe F praes! pate ed Tey -cs od Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Prof. Dr. W. J. van Bebber: Meteorologie. — Dr. Kurt Lampert: Zoologie. ‘ Naturwiſſenſchaftliche Inſtitute, Unternehmungen, Verſammlungen 2c. Die 21. Allgemeine Verſammlung der deutſchen Ge⸗ ſellſchaft für Anthropologie, Ethnologie und Urge⸗ ſchichte. — Die Herſtellung einer einheitlichen Nomen⸗ klatur in der Anatomie. — Botaniſches Muſeum in Berlin. — Die öſterreichiſche Tiefſee⸗Expedition. — Inſtitut für Experimentalmedizin 5 Briefe in redaktionellen Angelegenheiken und Manuskripte find an den Berausgeber Berrn Dr. Dify Dammer, Berlin, Ariedenau, zu lenden. Biographien und Perſonalnotizen. Dr. H. Kurella: Paolo Mantegazza. (Mit Ab⸗ Een!!! 3 Litterariſche Rundſchau. Martin Krieg, Die elektriſchen Motoren und ihre Anwendungen in der Induſtrie und im Ge⸗ werbe. — A. Sprockhoffs Grundzüge der Phyſik. — Hermann Frerichs, Die Hypotheſen der Phyſik. — H. Kayſer, Lehrbuch der Phyſik für Studierende. — Fricks Phyſikaliſche Technik. — W. Hergeſell, Ueber die Formel von G. G. Stokes. — Carl Funk, Aphoriſtiſcher Entwurf einer Kosmogonie. — J. Epping, S. J., Aſtro⸗ nomiſches aus Babylon. — Beſſel als Bremer Handlungslehrling. — H. H. Hildebrandsſon, W. Köppen und G. Neumayer: Wolkenatlas. — W. Migula, Bakterienkunde für Landwirte. — L. Glaſer, Taſchenwörterbuch für Botaniker. — H. Reling & J. Bohnhorſt, Unſere eee ee is aes) ese Sime Meant eho: ay A Die Verlagshandlung erlaubt fic anzuzeigen, daß für den neunten Jahrgang des „Humboldt“ Geſchmackvolle Tinbanddecken in dunkelgrüner Leinwand mit Gold- und Schwarzpreſſung von jetzt ab geliefert werden können. Die Decke iſt zum Preiſe von M. J. 80. durch jede Buchhandlung zu beziehen. Auch zu den acht erſten Jahrgängen ſind noch Decken vor— rätig und können ſolche zum gleichen Preiſe nachbezogen werden. Stuttgart, Anfang November 1890. Die Verlagshanoͤlung von Ferdinand Enke. 22] ⅛ð́r“!6t 8 Verlag von FERDINAND ENKE in STUTTGART. Soeben erschien: Anleitung Z UT Darstellung organischer Präparate. Von Dr. S. Levy, Privatdocent der Chemie an der Universität Genf. Mit 33 Holzschnitten. Zweite umgearbeitete Auflage. 8. geh. M. 4.— In Leinwandband gebunden M. 5. — ——— CPOE EEE EEE EEE CEO OE CE OOOO EE Dg ee se Re ofte se Wee she se We Me se FL KL IKE OK — 1 < < < 2 < < < < A < 9 < < < < S < xx < < < < < < < < 8 N < 8 < < 7a ae ae eS Se eS ae eS ee ee eS SS > Se eR SS eS eS eS aes O A ae AS AS eS eS SO eS ce et Se eel, Verlag von FERDINAND EN in Stuttgart. Soeben erschien: Lehrbuch PHYSIK fiir Studirende von Professor Dr. H. Kayser an der technischen Hochschule zu Hannover. Mit 884 Holzschnitten . Seh M 10; — ee OA HY A a On OO a OOO D to hd Se Sat at ab aa Seb ant Sa Sat Se a a en ee a a a, PPS SPSS SSS SSS SSS SFSFSSSFSF FSF SSS SHS SS : 1 im Dienste der Wissenschaft, der I ( P U J Fi Kunst und des praktischen Lebens. In gemein verständlicher Darstellung. Unter Mitwirkung hervorragender Fachmänner herausg. von Dr. Georg Krebs in Frankfurt a. M. Mit uber 200 erlduternden Abbildungen. 8. geh. 10 Mark, eleg. gebdn. 11 Mark. —1 Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. i+ Verlag pon Ferdinand Euke in Stuttgart. Soeben erschien: Lehrbuch METEOROLOGIE fiir Studierende und zum Gebrauche in der Praxis von Dr. W. J. van Bebber, Abteilungsvorstand der deutschen Seewarte. Mit 120 Holzsehnitten und 5 Tafeln. gr. 8. 1889. Preis M. 10. — Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. ETHIK. Eine Untersuchung der Thatsachen und Gesetze sittlichen Lebens von Prof. Dr. Wilhelm Wundt. gr. 8. geh. Preis M. 14. — Fund- Statistik Vorrömischen Metallzeit 1 J E. Fretherr pon Trolisch. Mit zahtreichen Abbildungen und 6 Karten in Farbendruck. 4, gebunden. Preis M. 15. — Kulturgeschichte der Menschheit in ihrem organischen Aufbau von Julius Lippert. Zwei Bande. gr. 8. geh. Preis M. 20. — Elegant und solid in Halbfranzband gebunden Preis M. 25. — Anleitung zur Darstellung Organischer Praparate. Von Docent Dr. S. Levy in Genf. Mit 40 Holzschnitten. 8. In Leinwand geb. M. 4. — Grundriss Elektrometallurgie von Prof. Carl A. M. Balling, k. k. Oberbergrath in Pribram. Mit 40 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 4.— Hinleitung in das Studium der Geologie Von Professor Dr. David Brauns in Halle a. S. Mit 12 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 5. — | LOGIK. Hine Untersuchung der Principien der Erkenntnis und der Methoden wissenschaktlicher Forschung Prof. Dr. Wilhelm Wundi. Zwei Bande. I. Band: Erkenntnisslehre. Preis M.14, — Preis M. 14, — II. Band: Methodenlehre. Die ersten Menschen Prihistorischen Zeiten mit besonderer Berücksichtigung der Urbewohner Amerikas. Nach dem gleichnamigen Werke des Marquis de Nadaillac erausgegeben von W. Schlösser und Ed. Selen. Mit einem Titelbilde u. 70 in den Text gedruckten Holzschnitten, Autorisirte Ausgabe. gr. 8. geh. Preis M. 12. — Das Süsswasseraquarium und seine Bewohner. Ein Leitfaden für die Anlage und Pflege von Siisswasseraquarien. Wi on Prof. Dr. W. Hess. : Mit 105 Abbildungen. 8. geh. Preis M. 6. — 5 Die Verkehrswege Dienste des Welling Eine historisch- geographische Untersuchung samt einer Einleitung für eine Wissenschaft der geographischen Entfernungen Docent Dr. W. Gotz an der technischen Hochschule in München. Mit 5 Karten in Farbendruck. 8. geh. Preis M. 20. — Das System der Zoologie. Mit Berücksichtigung der vergleichenden Anatomie zum Gebrauch wahrend der Vorlesungen von Dr. H. Trautzsch. S. geh Preis NMT. 2. S0. Handwörterbuch der Gesammten Medizin. Unter Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter herausgegeben von Dr. A. Villaret. wel Bande. I. Band. Brochirt. Lex.-Oct. geh. Preis M. 22. — Eleg. in Halbfranzbd. geb. Preis M. 25. — Mit einer Beilage von F. O. Weigel Nachfolger in Leipzig. * Druck der Union Deutſche Verlagsgeſellſchaft in Stuttgart. : 4 UM 2 N 2 donakslchrifk fi D ; 2 2 — iv die gelamten MaturwillenTchatten Herausgegeben von Or. Otto Jammer. Verlag von Ferdinand Duke in Stuttgart. | wus 5 fate | Dezember 1890. 12. Heft. alle Buchhandlungen Beſtellungen durch | und Poſtanſtalten. t Inhalt. + Direktor Dr. Löwenherz: Die Anlauffarben der Metalle Dr. R. v. Lendenfeld: Korallriffe 5 Dr. Otto Zacharias: Fauniſtiſches über die Hochſeen des e 1 0 9 5 Fortſchritte in den Naturwiſſenſchaften. Profeſſor Dr. K. v. Fuchs: Phyſik. — Dr. M. Alsberg: Anthropoſog ie Kleine Mitteilungen. Jod unter elektriſchen Entladungen. — Das „Zei⸗ chen“. — Rhombiſcher Schwefel aus Schwefelwaſſer⸗ ſtoff. — Entdeckung veränderlicher Sterne dürch Photographie. — Zunahme der Sternhelligkeit auf hohen Bergen. — Kosmiſcher Staub. — Eine Gas- quelle. — Stalaktiten in der Binoller Höhle. — Die Bewegungen der Alpengletſcher. — Vereinigte Wurmſpuren im Meeresſchlamm. — Ueber die pflanzengeographiſche Anlage im Botaniſchen Garten zu Berlin. — Zwei Schmarotzer der Torſmooſe. — Pilzkrankheit der Eſſigälchen; Milben in Eſſigbild⸗ nern. — Der Totenkopf (Acherontia Atropos) in einem Bienenkorbe. — Die Raubluſt der Mantis⸗ Arten. — Eine Empuſaſeuche der Pilzmücken. — Neue Beuteltierform von Auſtralien. — Die Aus⸗ rottung des Borkentieres, Rhytina Stelleri Cur. — Die Bezahnung bei Menſchen mit abnormer Be⸗ haarung. — Ueber das Gehirn des Schimpanſe im Vergleich zu demjenigen des Menſchen. — Die An⸗ thropologie der Taubſtummen. — Wanderung im Gebiet des Großen Ozeans. — Ornithophile Blüten. — Ueber das Perennieren des Roggens. — Eine Tintenpflanze. — Ein eßbarer Roſtpilz, Accidium esculentum. — Badende Schmetterlinge. — Käfer⸗ larven im menſchlichen Dag Litterariſche Rundſchau. J. J. Thomſon, Anwendungen der Dynamik auf Phyſik und Chemie. — Ad. Breuer, Darſtellung Briefe in redaktionellen Angelegenheiten und Manuskripte find an den Berausgeber Seite 401 407 414 der mathematiſchen Theorien über die Disperſion des Lichtes. — Ira Remſen, Anorganiſche Chemie. — H. W. Vogel, Handbuch der Photographie. — H. Oſt, Lehrbuch der techniſchen Chemie. — Here mann J. Klein, Aſtronomiſche Abende. — J. H. Kloos, Entſtehung und Bau der Gebirge. — Ru- dolf Röttger, Erdbeben. — Herm. Credner, Das vogtländiſche Erdbeben vom 26. Dezember 1888. — Beiträge zur naturwiſſenſchaftlichen Erforſchung der Steiermark. — Fr. Kin kelin, Eine geologiſche Studienreiſe durch Oeſterreich-Ungarn. — E. Huſſak u. G. Woitſchach, Repetitorium der Mineralogie und Petrographie. — Eb. Fraas, Geologie. — J. Fr. Oſtertag, Der Petrefaktenſammler. — M. Kraß u. H. Landois, Das Mineralreich in Wort und Bild. — Dieſelben, Lehrbuch für den Unterricht in der Mineralogie. — J. Probſt, Ueber einige Gegenſtände aus dem Gebiete der Geophyſik. — J. B. Nordhoff, Haus, Hof, Mark und Ge⸗ meinde Nordweſtfalens. — H. Blink, Der Rhein in den Niederlanden. — Ed. Brückner, Klima⸗ ſchwankungen ſeit 1700. — Blätter für Pflanzen⸗ freunde. — Gotthold Hahn, Der Pilzſammler. — A. Götte, Tierkunde. — Prodromus Faunae Mediterraneae. — Emil Fiſcher, Taſchenbuch für Schmetterlingsſammler. — Etiketten für Schmet⸗ terlingsſammlungen. — H. Lachmann, Die Rep⸗ tilien und Amphibien Deutſchlands. — C. G. Fri⸗ derich, Naturgeſchichte der deutſchen Vögel. — A. E. Brehm, Vom Nordpol zum Aequator. — K. J. Jordan, Die Rätſel des Hypnotismus. — G. Manetho, Aus überſinnlichen Sphären. — Th. Elſenhans, Pjydologie und Logik. — Carl Stumpf, Tonpſychologie. — R. Neuhauß, Lehr⸗ buch der Mikrophotographie. — G. Marktanner⸗ Turneretſcher, Die Mikrophotographie. — Ga u- dry, Die Vorfahren der Säugetiere in Europa Bibliographie. Bericht vom Monat September 1890 Titel und Inhaltsverzeichnis. Berrn Dr. Dito Dammer, Berlin, Jriedenau, zu ſenden. 9. Jahrgang. 2 a An die geehrten Abonnenten des „Humboldt“. Infolge Uebereinkommens mit der Verlagsbuchhandlung von Friedr. vieweg § Sohn in Braunſchweig findet vom nächſten Jahrgang ab eine Vereinigung des „Humboldt“ mit der in dieſem Verlage erſcheinenden „Naturwiſſen⸗ ſchaftlichen Rundſchau“ dergeſtalt ſtatt. daß der „Humboldt“ zu erſcheinen aufhört und an ſeine Stelle die „Natur- wiſſenſchaftliche Aundſchau“ tritt. Die unterzeichnete Verlagsbuchhandlung empfiehlt den geehrten Abon⸗ nenten des „Humboldt“, von nun an auf die „Natur wiſſenſchaftliche Kundſchau“ zu abonnieren. Zwei Nummern derſelben find dieſem Hefte beigelegt. Hochachtungsvoll Jerdinand Ene. Die Verlagshandlung erlaubt ſich anzuzeigen, daß für den neunten Jahrgang des „Humboldt“ Geſchmackvolle Linbanddecken in dunkelgrüner Leinwand mit Gold- und Schwarzpreſſung von jetzt ab geliefert werden können. Die Decke iſt zum Preiſe von M. J. 80. durch jede Buchhandlung zu beziehen. Auch zu den acht erſten Jahrgängen find noch Decken vor- rätig und können ſolche zum gleichen Preiſe nachbezogen werden. Stuttgart, Dezember 1890. Die Verlagshanoͤlung von Ferdinand Enke. 7 7 75 7 7 7 RSD Verlag von FERDINAND EN EE in Stuttgart. Soeben erschien: Lehrbuch der PHYSIK fiir Studirende von Professor Dr. H. Kayser an der technischen Hochschule zu Hannover, / . “thd? Mit 884 Holzschnitten gr. 8. geh. M. 10. — eee 2 KESSSSESSSSSSSSSSSSSSSSS NESSODTO COST RTOS SEE TOS TESTS ESTE TT 5 i im Dienste der Wissenschaft, der l) l ( 7 U J \ | k Kunst und des praktischen Lebens. In gemeinverständlicher Darstellung. Unter Mitwirkung hervorragender Fachmänner herausg. von Dr. Georg Krebs in Frankfurt a. M. Mit iber 200 erliuternden Abbildungen. 8. geh. 10 Mark, eleg. gebdn. 11 Mark. ~j; Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. der Verlag you Ferdinand Enke in Stuttgart. , Soeben erschien: | Lehrbuch | METEOROLOGIE für Studierende und zum Gebrauche in der Praxis von Dr. W. J. van Bebber, Abtellungsvorstand der deutschen Seewarte. = Mit 120 Holzschnitten und 5 Tafeln. gr. 8. 1889. Preis M. 10. — Verlag von Ferdinand Enke in Stuttgart. ETHIK. Hine Untersuchung der Thatsachen und Gesetze des Sittlichen Lebens von Prof. Dr. Wilhelm Wundt. gr. 8. geh. Preis M. 14. — Fund-Statistik der Vorrömischen Metallzeit im Rhein-Gebiete. Von E. Freiherr von Tréltsch. Mit zahtreichen Abbildungen und 6 Karten in Farbendruck. 4. gebunden. Preis M. 15. — Kulturgeschichte der Menschheit in ihrem organischen Aufbau von Julius Lippert. Zwei Bande. gr. 8. geh. Preis M. 20. — Elegant und solid in Halbfranzband gebunden Preis M. 25.— Anleitung zur Darstellung Organischer Präparate. Von Docent Dr. S. Levy in Genf. Mit 40 Holzschnitten. 8. In Leinwand geb. M. 4. — Grundriss Elektrometallurgie von Prof. Carl A. M. Balling, k. k. Oberbergrath in Pribram. Mit 40 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 4.— Einleitung in das Studium der Geologie von Professor Dr. David Baums in Halle a. S. Mit 12 Holzschnitten. 8. geh. Preis M. 5.— LO GI K. Eine Untersuchung der Principien der Erkenntnis und der Methoden wissenschaftlicher Forschung von Proj. Dr. Wilhelm Wundt. Zwei Binde. I. Band: Erkenntnisslehre. Preis M. 14. — II. Band: Methodenlehre. Preis M. 14. — Die ersten Menschen eee und die 5 Prähistorischen Zeiten mit besonderer Berücksichtigung der Urbewohner Amerikas. Nach dem gleichnamigen Werke des Marquis de Nadaillac herausgegeben von W. Schlösser und Ed. Selen. Mit einem Titelbilde u. 70 in den Text gedruckten Holzschnitten. Autorisirte Ausgabe. gr. 8. geh. Preis M. 12. — Das Süsswasseraquarium und seine Bewohner. Ein Leitfaden für die Anlage und Pflege von Siisswasseraquarien. Von Prof. Dr. W. Hess. Mit 105 Abbildungen. 8. geh. Preis M. 6. — Die Verkehrswege Dienste des We Ii Eine historisch- geographische Untersuchung samt einer Einleitung für eine Wissenschaft der geographischen Entfernungen von Docent Dr. W. Gotz an der technischen Hochschule in Miinchen. Mit 5 Karten in Farbendruck. 8. geh. Preis M. 20. — Das System der Zoologie. Mit Beriicksichtigung der vergleichenden 5 zum Gebrauch während der Vorlesungen von Dr. H. Trautzsch. S. geh. Preis NMT. 2. S0 Handwörterbuch der = = Gesammten Medizin. Unter Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter herausgegeben von Dr. A. Villaret. Zwei Bande. I. Band. Brochirt. Lex.-Oct. geh. Preis M. 22.— Eleg. in Halbfranzbd. geb. Preis M. 20. — Druck der Union Deutſche Verlagsgeſellſchaft in Stuttgart. F perl ae e * N 3 ih A ec. ee —.—— “er 2 1 iii 3 9088 013 e “Will