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IM KAMPFE

UM

BABEL UND BIBEL

EIN WORT ZUR VERSTÄNDIGUNG UND ABWEHR

VON

Dr. ALFRED JEREMIAS

PFARREll DER LÜTHERKIRCHE ZU LEIPZIG

„Wir können nichts wider die Wahrheit, sondern für die Wahrheit." Paulus

DEITTE ERWEITERTE AUFLAGE UNTER BERÜCKSICHTIGUNG DER NEU ERSCHIENENEN LITERATUR

LEIPZIG

J. C. HINRICHS'sciiE BUCHHANDLUNG März 1903

Stack Ar.ftex

I. Der alte Orient nnd die alttestamentliche Wissenschaft.

Das Erscheinen der kleinen Schrift Friedrich Delitzsch's ,,Babel und Bibel" erregt noch immer die Geister. In immer neuen Auflagen wird das anschaulich geschriebene, fein dispo- nierte und prächtig illustrierte Schriftchen gedruckt. Fast allmonat- lich erscheint jetzt eine Gegenschrift, während in der ersten Zeit die Tagesblätter zum grossen Teil von uneingeschränkter, freilich vielfach kritikloser Zustimmung widerhallten. Es steht zu er- warten, dass nun auch der Verfasser selbst nach seiner Rückkehr aus Babylonien seine Gnindsätze von neuem zur Geltung bringen wird von der hervorragenden Stelle aus, die er einnimmt und die ihm als Assyriologen gebührt.^)

Von den Keilschriftforschern haben nur wenige in der Debatte das Wort ergriffen. Einige haben die Behandlung und

1) Inzwischen ist nun der zweite Vortrag über Babel und Bibel ge- halten worden und im Druck erschienen. Der erste Vortrag ist durch Anmerkungen erläutert worden. Auch bei Heranziehung des neuen Materials werde ich versuchen, eine „Verständigung" zwischen den vielfach unver- standen einander gegenüberstehenden Lagern das Wort zu reden. Es ist mir eine hohe Genugthuung, dass selbst auf gegnerischer Seite meine Schrift „nicht als Angritf, sondern als eine Arbeit des Friedens und der Klärung" beurteilt worden ist. Und wenn Friedrich Delitzsch mir schreibt, die Schrift habe der Sache, um die wir Assyriologen kämpfen, einen grossen, einen guten Dienst gethan, wenn auch ihr Verfasser nicht Schulter an Schulter mit ihm kämpfe, so wird man das als ein Zeugnis rühmenswerter Unparteilichkeit anerkennen müssen [Zusatz zur 3. Auflage].

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4 „Babel und Bibel" und die theologische Kritik.

Deutung des inschriftlichen Materials kritisiert, einer hat, ohne auf solche Kritik einzugehen, gegen eine von theologischer Seite ausgegangene, auf mangelnder Sachkenntnis beruhende Kritik lebhaft Verwahrung eingelegt. Wenn die Assyriologen einig Avären, so hätten sie unter Hintansetzung einzelner wissenschaft- licher Bedenken einmütig ihrer Freude darüber Ausdruck geben dürfen, dass endlich der Tag gekommen ist, an dem das Interesse für die grossen babylonischen Entdeckungen auch in Deutschland in weiten Kreisen lebendig geworden ist. Es ist ja unleugbar, dass Delitzsch in seinem Vortrage, der gebildete Kreise, insbeson- dere die Mitglieder der Deutschen Orientgesellschaft, über den Einfluss der Keilschriftforschung auf unsere Bibelkenntnis unter- richten sollte, in manchen Punkten seiner Beurteilung des keil- inschriftlichen Materials sich nicht in Übereinstimmung mit der Auffassung einzelner Mitforscher die alle anerkennen, von ihm gelernt zu haben befindet. Aber es handelt sich doch um einen Vortrag. Niemand wird der Wissenschaft zumuten, dass sie in jedem einzelnen Punkte die persönliche Meinung des Vor- tragenden deckt. Und im grossen und ganzen giebt der Vor- trag, soweit er von den vorderasiatischen Denkmälern handelt, in künstlerischem Aufbau solche Dinge wieder, die als gesicher- tes Resultat der Keilschriftforschung über allen Widerspruch er- haben sind.

Ganz anders ist der Sturm zu beurteilen, der sich auf theo- logischer Seite erhoben hat. Die Vertreter der alttestamentlichen Theologie haben sich zahlreich gegen Delitzsch's Babel und Bibel erhoben. Von der äussersten Linken bis zur äussersten Rechten ist Verwahrung eingelegt worden gegen die Schlussfolgerungen, die Delitzsch in bezug auf die Entstehung der alttestamentlichen Litteratur und in bezug auf die Geisteswelt der alttestamentlichen Schriftsteller gezogen hat. Und das hat guten Grund. Delitzsch's religiöse Stellung zum Alten Testamente entspringt einem weit gehenden, wissenschaftlich unhaltbaren Subjectivismus.

Dabei verfallen aber die theologischen Kritiker zum Teil von ihrer Seite aus demselben Fehler, den Delitzsch von seinem

Babel und Bibel Bibel und Babel. 5

Standpunkte aus begeht. Wie er in theologischen Fragen einem vergangenen Rationalismus das Wort redet, so machen die von einigen benutzten assyriologischen Waffen dem Kenner den Eindruck von Hellebarden und Luntenfiinten. Ein Teil der theologischen Kritiker hat es sich nämlich nicht versagen können, das Gebiet der Keilschriftforschung selbst zu betreten und Fragen zu diskutieren, die lediglich auf Grund einer selbständigen Kennt- nis des babylonischen Altertums ausgemacht werden können.

Das gilt vor allem von Eduard König in Bonn.^ Seine Waffenrüstung gegen die Resultate der Keilschriftforschung scheint mir nicht genügend. König behauptet natürlich nicht, selbst Kenner der Urkunden zu sein, aber er bietet sich doch „uneingeweihten Lesern" als Führer auf dem eigentlichen fach- männischen Gebiete an. Zu dem Zwecke hat er sich um die Kenntnis der Schriftzeichen bemüht, einzelne Worte nach De- litzsch's Schrifttafel nachgeprüft und die mit dem Jahve-Namen zusammenhängenden Schriftbilder nachgezeichnet. Aber ob mau auf diese Weise zum rechten Ziele gelangt? Aus einer Schreib- variante, die für den Kenner der betreffenden Inschriften völlig belanglos ist, zieht er Schlüsse auf die Unzuverlässigkeit der Delitzsch'schen Lesung. ^

Zunächst ist die Klage, die Ed. König über die leidige That- sache erhebt, dass einzelne Zeichen der assyrischen Schrift an ver- schiedenen Stellen einen verschiedenen Wert haben, nicht berechtigt. Einmal ist das bei allen Silbenschriftarten mehr oder weniger der Fall, und dann kann jeder assyriologische Student bezeugen, dass das Befremdliche dieser Erscheinung nach kürzester Zeit des Studiums verschwindet. Eher kann ein anderer Umstand Schmerzen machen: das Nebeneinander von Wortbild und Schreibung in Silbenschrift. Solange wir für ein Wortbild (Ideogramm) keine

1) Bibel und Babel. Eine kulturgescbicMliche Skizze. Berlin, Martin Warneck.

2) Der betreffende Passus findet sich noch in der G. Auflage (S. 49 f.), obgleich der Verfasser in Besprechungen auf sein Missgeschick aufmerksam gemacht wurde [auch noch in der 7. Auflage].

6 Zuverlässigkeit der EntziflFerung.

phonetische Lesung (in Silben) haben, bleibt die Aussprache (!) un- sicher. Das ist nun besonders häufig bei Eigennamen der Fall, die mit Vorliebe ideographisch geschrieben werden. Weil aber Eigen- namen besonders oft zur Debatte stehen, hat sich in weiten wissenschaftlichen Kreisen die Anschauung festgesetzt: die Lesung der assyrischen Inschriften sei überhaupt unsicher. Das hat sich wieder recht bei dem Streit über den babylonischen Ja'u-Namen gezeigt. Die Wissenden hätten den uneingeweihten Leser in diesem Punkte beruhigen sollen. Wenn übrigens Ed. König Klage über Schreibfehler erhebt, so könnte man ihm mit drastischeren Beispielen dienen, als er sie nach seinen Gewährsmännern angiebt. ' Im grossen und ganzen sind die Tafelschreiber vorsichtig und solid. Aber einmal ist ein Sanherib-Schreiber auf einer Cylinder- inschrift bei mehr als 30 Fehlern ertappt worden. Censur 5! Dergleichen kommt doch wohl auch anderwärts vor. Aber es wird den Assyriologen gewiss soviel Verständnis zugetraut werden dürfen, dass sie Schreibfehler merken. Zu Bedenken wird das kaum Anlass geben in bezug auf die Richtigkeit von biblisch- babylonischen Forschungen. In einer katholischen Zeitschrift fand ich allerdings einmal die Bemerkung, Pater Strassmaier sei zur Kopierimg der assyrischen Keilinschriften nach London geschickt worden, damit rechtzeitig eine Fälschung der für die Bibelwahr- heit zeugenden Steine durch Bibelfeinde verhindert würde!!

Im weiteren Verlaufe seiner „kulturgeschichtlichen Skizze" vergleicht König dieObj ektivität der assyrischen Geschichts- urkunden mit den hebräischen Geschichtsberichten, und bringt dann einerseits Beispiele für prahlerischen assyrischen Sieges- bulletinstil und andrerseits Beweise für Glaubwürdigkeitsspuren in hebräischen Geschichtsberichten. Nun, die assyrischen Beispiele Hessen sich zu Hunderten anführen. Aber auch hier lernt man zwischen den Zeilen lesen. Niederlagen werden wie in den eng-

1) Auch hier sind verhängnisvolle Versehen untergelaufen. Bei KB II, 190 sind mari und ki gar nicht Varianten; König hat die Anmerkungs- zahlen verwechselt. Ebensowenig ist KB II, 244 (sie!) zu-un-nu-nu ein Schreibfehler (vgl. Delitzsch, Handwörterb. S. 259).

Wert der assyrisclieii Geschichtsurkunden. 7

lischen Telegrammen des Burenkrieges meist durch Schweigen verraten. Ein Missgriff ist Königs Beispiel: Sanheribs fluchtartiger Rückzug vor Tirhaka habe auf seiner Prisma- Inschrift keine Spur hinterlassen (S. 11). Das ist nicht gut möglich. Denn das Prisma ist 691 geschrieben, in dem Jahre, in dem Tirhaka zur Regierung kam. Der FeldzQg fand erst später statt. Und was die biblischen Geschichtsberichte anlangt, so zweifelt man im ganzen wohl nicht an ihrer Glaubwürdigkeit. Die biblische Königsgeschichte hat zur Aufhellung der assyrischen Inschriften besonders in den An- fängen der Entzifferung ein gut Teil beigetragen; nur dass jetzt die Keilschriftforschung das empfangene Licht reichlich zurückgiebt. Aber man muss doch bedenken, dass die biblischen Geschichts- erzählungen nicht historische Geschichtsdarstellungen in unserem Sinne sind. Die Israeliten nennen ihre Geschichtsbücher ja selbst „Nebiim"', Prophetenbücher. Die Redaktoren haben Geschichts- urkunden gehabt, die sie excerpiert haben (wie die Bruchstücke 2 Reg. 8 etc. zeigen) und denen sie ihre erstaunlich genaue Kenntnis der historisch- geographischen und politischen Situation der ge- schilderten Zeiten verdanken. Aber sie haben nur wenig davon benutzt, da ihre Darstellung religiösen und nicht annalistisch- historischen Interessen galt. Übrigens giebt es viele Fälle, in denen einzelne assyrische und biblische Geschichtsangaben sich er- gänzen und bestätigen, und wir können dafür nur dankbar sein. Was speziell Kriegs- und Siegesberichte anlangt, so werden wir in den Fällen, wo es sich um Berichte auf beiden Seiten handelt^ abwägen müssen. Charakteristisch ist folgendes Beispiel. Nach- dem die nördliche Hälfte Israels (Manasse) assyrische Provinz geworden war, war in dem verschont gebliebenen Ephraim mit der Hauptstadt Samarien Pekach gestürzt worden, und Hosea (A-u-si-') hatte mit Genehmigung des assyrischen Königs Tiglat- pileser (Phul) die Herrschaft übernommen. Die assyrischen Tafel- schreiber kennen genau die Situation und erzählen: ..Pekach, ihren König, stürzten sie, Hosea setzte ich zum König über sie". Durch die assyrischen Angaben wird die Situation in 2 Reg. 15, 30 bestätigt, aber auch erklärt : man sieht, dass der assyrische

8 War Haminurabi „Kanaanäer"?

Köoig die Hand im Spiel hat. Ferner ergiebt sich daraus von selbst, dass 2 Reg. 17, 3 (wo Hosea wieder abfällt) Salmanassar korrigiert werden muss in Phul.

Von grosser Wichtigkeit ist die Prüfung des Nachweises, nach welchem die in der Blütezeit Babylons in Babylonien an- gesessenen Semiten „Kanaanäer" gewesen sein sollen, woraus dann folgen würde, dass die vorisraelitischen Kanaanäer und ebenso die nomadisierenden vormosaischen Hebräer mit den Babyloniern stammesverwandt gewesen sind. Die wohl nur von einer Seite noch ernstlich bestrittene Hypothese ist von Pognon, Sayce, HommelundWinckler ausgegangen.* DieBezeichnung „Kanaanäer" ist von einem der Entdecker geprägt worden, weil man einzelne ihrer Teile am besten und zuerst auf dem Boden Kanaans kennen gelernt hat (so wörtlich in dem allgemein verbreiteten und in den Händen jedes Interessenten befindlichen „Alten Orient" I, 1, S. 12). König hat auch noch in den letzten Auflagen den von Delitzsch übernommenen Ausdruck missverstanden. ^ Verständlicher und nach dem, was wir j etzt wissen, sachgcmässer wäre vielleicht die Bezeich- nung „Amoriter," die den anderen Namen der „Ureinwohner" des mittleren Palästina darstellt.^ Dass die Dynastie Hammurabis eine dem früheren Babylonien fremde ist und zwar eine dem

1) Die aktenmässige Darstellung findet man bei Hommel, Altisr. Ül^er- lieferung S. 89 ff.

2) Die Bemerkungen Königs gegen mich in seiner Schrift „Babyloni- sierungsversucbe betreffs der Patriarchen und Propheten" S. 7 erledigen sich von selbst; König verwechselt auch hier die konventionelle Bezeich- nung „Kanaanäer" für den semitischen Völkerzug mit den biblischen Kanaanäern (vgl. auch S. 11 Anm. 2).

3) Der Name Mar.Tu = Amurru, mit dem schon die Omina-Tafeln um 3000 unser Syrien und Palästina bezeichnen, ist ursprünglich Volks- name, wie die Briefe Hammurabi's zeigen. In der Amarna-Zeit wird der Name auf einen Teil des Libanongebietes beschränkt (die Amoriter waren nach Norden zurückgedrängt), während der südliche Teil Kinahna heisst. In assyrischer Zeit, als auch der Norden nicht mehr von Amoritern be- setzt war, wurde der alte Name Mar.Tu = Amurru als geographische Bezeichnung für das Ganze wieder aufgenommen.

Stammesverwandtschaft zwischen Israeliten und Babyloniern. 9

..Westlande" verwandte, beweisen die Namen ^aüiniu-rabi, Samsu- iluna (mit S im Gegensatz zur babylonisclaen Schreibung mit Seh)' ebenso Ab-ram! , deren Zusammensetzung ganz ..unbaby- lonisch" ist.2 Hammurabi selbst erwähnt in einem Briefe den rabiän (Befehlshaber) von Mar. Tu (d. i. Amurrü), namens Sin- iddina^ und in einem anderen Briefwechsel aus dieser Zeit^ werden Amoriter erwähnt, die im Gebiete von Subi (der syrischen Wüste) dieselbe Rolle spielen, wie später die Suti, Aramäer, Araber. Ganz be- denklich erscheint nun manchem die allerdings notwendige Schluss- folgerang, dass dann der einwandernde Abraham und die Israeliten „Kanaanäer" (in dem oben erklärten Sinne) gewesen sind. Aber wäre das nicht eine geradezu befreiende Thatsache? Würde nicht dadurch mit einem Schlage die überraschende Geistesgemeinschaft, Sprach- und Ideenverwandtschaft zwischen Babyloniern und Hebräern er- klärt? s Auch würde dann die Thatsache verständlich, dass die Israeliten zu allen Zeiten trotz der von Babylonien erfahrenen Unbill auf ihre Herkunft vom Euphratlande AVert gelegt haben. Die Momente, die König dagegen aufführt, sind nicht beweisend. Gewiss haben die Israeliten sich über die Ureinwohner des Landes in moralischer und ästhetischer Hinsicht erhaben gefühlt (s. die

1) König schreibt S. 18 den Namen richtig, babyionisiert ihn aber dann un- berechtigt S.40 u. a. [In der 7. Aufl. verbessert]. Die Inschriften schreiben den Namen Sa-am-su-i-lu-na, wähi-end sie sonst den Namen des Sonnengottes mit dem babylonischen Ideogramm schreiben, das Schamasch zu lesen ist.

2) Tgl. jetzt auch Delitzsch, Babel und Bibel I, 70 f.

3) Nr. 48 der Ausgabe bei King ist an seine Gemahlin Ahati gerichtet.

4) Übersetzt von Peiser, Mitteilungen der Vorderas. Gesellschaft YI, .01 ff.

5) König, Babyionisierungsversuche S. 7 wirlt mir Casuistik vor: „Aus diesem Grunde braucht man dem geschichtlichen Bewusstsein der Hebräer, dass sie zu den Semiten, aber die Kanaanäer zu den Hamiten gehören, keinen Schlag ins Gesicht (!) zu versetzen". Meine Anschauung beruht auf in- schriftlichen Beweisen, nicbt auf casuistischen Gründen. Mit der biblischen Unterscheidung Semiten und Hamiten sollte man bei ethnologischen Aus- einandersetzungen endhch aufräumen. Sie verschuldet es unter anderem auch, dass König wiederholt kulturelle und ethnologische rnterschiede verwechselt [Zusatz zur 3. Auflage].

\Q Kanaan in ägyptischen Urkunden.

Stellen bei König, S. 18 u. 19). Aber wenn sie diese Urein- wohner Kanaaniter nennen (so der Jahvist und die Völkertafel, die Nomenklatur der Amarnazeit wiedergebend), oder Amoriter (so der Elohist, noch ältere Verhältnisse widerspiegelnd), so ist damit kein ethnologischer Unterschied ausgesprochen. Der Widerspruch hängt auch hier mit der missverstandenen Be- zeichnung Kanaanäer zusammen. Der innere Gegensatz schliesst ursprüngliche ethnologische Zusammengehörigkeit nicht aus. Der Gegensatz zwischen Franken und Sachsen schloss nicht aus, dass beides Germanen, ja Deutsche waren. ^ Und der ethnologische Zusammenhang, wie ihn die neuere Auffassung für die einzelnen Völker einer „kanaanäischen (amoritischen) Gruppe" fordert, braucht nur das der germanischen Völker im vollen Umfange (Engländer, Nordländer, Deutsche) zu sein.

„Aber die egyptische Litteratur fasst die Einwohner von Ka-n'-a und Isiraal (Israel) nicht als Einheit zusammen" (König S. 18).

Gemeint ist die Inschrift, auf der Mernepta (13. Jahrhundert) poetisch verherrlicht wird, und in der von eroberten und „be- ruhigten" Ländern die Rede ist:

„Das Kanaan'-^ ist erobert in allem bösen (?),

fortgeführt ist Askalon,

überwältigt ist Gezer,

Y-nu-*m ist vernichtet,

Y-si-r-'-l (Israel) ist verwüstet (?) ohne Frucht "

Waren hier wirklich israelitische Stämme in unserem Sinne gemeint, was immerhin fraglich ist, und was Konsequenzen haben würde^ die Ed. König nicht ohne weiteres zugeben würde, so ist von einem Gegensatz zwischen ,^ Kanaan" und „Israel" keinesfalls die Rede. Kanaan ist allgemeine Landesbezeichnung, zu dem auch Askalon und Gezer (ist vielleicht Y-nu- m das Janoach von Jos. 16,6.7; das heutige Jänün südöstl. von Sichem?) gehören;

1) König 1. 0. S. 8 stellt den „determinierten Gegensatz" in Frage. Ich kann nur auf die Weltgeschichte verweisen.

2) Die Egypter schreiben mit Artikel: p'-K'-n'-n (Steindorff).

Kanaanäer und Habiri. \1

Y-si-r'-l, das nicht wie die anderen Namen des Textes Länder- determinativ, sondern Determinativ für Menschen hat, bezeichnet bestimmte Landesbewohnerl Schliesslich wird angeführt, dass in den Amarna-Briefen, die im 15. Jahrhundert aus palästinen- sischem Gebiete geschrieben sind, die Kinaliaiu neben Habiri ge- nannt werden. Kun, der Name Habiri ist zwar sicher identisch mit dem Namen Hebräer, aber damit ist noch lange nicht gesagt, dass die Habiri der Amarnabriefe sich mit den Hebräern der Zwölfstämme decken. ^ Habiri ist kein blosser Yolksname, er be- zeichnet die noch nicht ansässige Bevölkerung im Gegensatz zur ansässigen. Aber selbst wenn die Habiri unsere Hebräer wären, so bewiese die Nennung neben den Kanaanäem nichts für einen ethnologischen Gegensatz. Auswärtige Nationen nennen uns Deutsche, wir reden von Wenden und Deutschen, ohne einen nationalen Gegensatz zu konstatieren. ^

Bei weitem glücklicher operiert Ed. König auf seinem eigenen, dem theologischen Gebiete. Er widerspricht mit Recht der Aussage, in den babylonischen Texten sei „eine ganze Reihe biblischer Erzählungen in reinerer und ursprünglicherer Form ans Licht getreten'". Das ist wohl nur eine Hyperbel, die sich leicht aus der Begeisterung einer Vortragsstunde erklärt.^

1) Sie decken sich nicht, aber sie gehören dazu [Zusatz zur 3. Auflage gegen König, Babylonisirungsversuclie S. 91.

2) "Wenn übrigens Ed. König, Bibel und Babel, als Gegenzeugen Fritz Hommel nennt, so ist das ein neues Missverständnis. [Es bleibt dabei, ob- wohl König in seiner Schrift „Babylonisirungsversuche" S. 7 abermals sagt, er stehe auf Seite von Hommel, s. S. 8, Anm. 2. Zusatz zur 3. Aufl.] Hommel lässt die „kanaanäische" Völkerwanderung, die den Sieg der Hammurabi- Dynastie bedeutet, nur aus Arabien kommen und nennt sie deshalb „ara- bisch". Das ist möglich, denn Arabien ist die semitische Völkerkammer. Aber diese Frage ist cura posterior.

3) Vgl. hierzu auch R. Kittel, Die babylonischen Ausgrabungen und die Urgeschichte. S. 22 ff., S. Oettli, „Der Kampf um Babel und Bibel", S. 12 ff., Fr. Hommel, die altorientalischen Denkmäler und das Alte Testa- ment, J. Jeremias in „Alter Glaube" 1902, Nr. 33, P. Keil im Pastor bonus XV, Iti'., Baentsch in den Protest. Monatsheften, Aug. und Sept. 1902,

\2 I'er ,,]\Ionotlieismus" der Babyloiiier.

Israel steht in seiner Urgescbichte himmelhoch über Babel; das beweist allein die erhabene Sicherheit, mit welcher hier „Gott" gesagt wird. Die meisten Bedenken hat in Delitzsch's erstem Vortrag der Satz erweckt^ die monotheistische Gottesan- schauung finde sich schon bei den alten kanaanäischen Stämmen, die sich um 2500 y. Chr. in Babylonien sesshaft gemacht haben, und denen Hammurabi, ein Zeitgenosse Abrahams, selbst angehörte. Ich möchte ein Wort zur Verständigung sagen. In Babylonien hat es wie überall in der Welt! neben dem offiziellen Kult eine esoterische Religion gegeben. Der Hauptgedanke dieser esoterischen Religion ist der: die Götter sind nur Ausstrahlungen, Offenbarungen der einen Gottheit.^ Zuweilen schimmert der Ge-

Gunkel in Christlicbe Welt 1903, Nr. 7. In der späteren Auflage hat Delitzsch die Behauptung selbst eingeschränkt: sie seien in ursprünglicher Form ans Licht getreten. Dass die biblische Sintflutgeschichte überhaupt nicht semitisch sei, sondern „Umbildung und Vertiefung der alten sumerischen Priestersagen," hatte Delitzsch schon 1877 in seiner Leipziger Antrittsvor- lesung ausgeführt.

1) Von diesem latenten Monotheismus haben wir z B. ein Zeugnis bei Plutarch: „Wie Sonne und Mond, Himmel, Wasser und Erde allen Menschen gemein sind und nur bei verschiedenen Völkern verschieden benannt sind, 80 giebt es nach Verschiedenheit der Völker verschiedene Benennungen und Verehrungen jenes einzigen Wesens, das alle Dinge in Ordnung hält." Vgl. Augustin, civitas dei IV, 10 f.: Jupiter sei nach den Grundsätzen der heidnischen Philosophen die Weltseele ( Jo vis omnia plena), er habe verschiedene Namen nach der Verschiedenheit seiner Wii-kungen. Im Himmel heisse er Jupiter, in der Luft Juno, im Wasser Neptun, unter der Erde Pluto, in der Unterwelt Proserpina, an den Hausaltären Vesta, unter den Gestirne Sonne und Mond u. s. w. Dieser ganze Haufe von Gottheiten sei derselbe .Tupiter, dessen Attribute so verschiedene Namen führen. Arno- bius, contra gentes I p. 19 liess einen Heiden sich über die Christen beklagen, dass sie seiner Religion die Thorheit aufbürden, sie leugne die Einheit 'Gottes. „Wir nennen ihn Jupiter, höchste Grösse, unendliche Güte, weihen ihm unsre prächtigsten Tempel, um anzuzeigen, dass wir ihn über alles erheben." Bei Lactanz, de falsa religione, wird der Einwand, nach dem die niederen Gottheiten zu viel Macht in den heidnischen Systemen gehabt hätten, durch folgende Worte widerlegt: „Obgleich sie viele Gottheiten annehmen, so sind diese doch so begrenzt in ihrer Wirksamkeit, dass es eigentlich nur

Der „Monotheismus" der Babylonier. 13

danke durch. Die religiösen Texte sagen manchmal nur ilu (== hebr. elj „Gottheit" und häufig „die unbekannte Gottheit".^ Insbesondere hat H. Winckler neuerdings den Gedanken hervorgehoben, dass auch in der babylonischen Gestirnreligion die Gestirne nur „die Offenbarung einer hinter ihnen stehen- den göttlichen Macht sind, diejenige Offenbarung, an der man ihr Walten und ihre Absichten am deutlichsten beobachten kann". „Es giebt wohl viele, ja zahllose Götter, diese sind aber nur Offenbarungs formen der einen grossen göttlichen Gewalt. Eine solche ist der Mond, die Sonne, die Erde, das Wasser u. s. w. von den grössten bis zu den kleinsten Dingen.

einen Herrscher giebt, woraus folgt, dass alle übrigen unsichtbaren Mächte eigentlich keine Götter seien, sondern nur Diener des einzigen, grossen und allmächtigen Gottes, der sie als Vollzieher seines Willens gebraucht." Einer unsrer Tamulen-Missionare erzählte mir, ein Brahmane habe ihn nach dem Vorwurf der Vielgötterei an einen sonnenbeglänzten Teich geführt und gesagt: die Götter des Volkes sind nur die Strahlen und Widerspiegelung der einen glänzenden Sonne.

1) Das Beispiel aus den Hammurabi-Gesetzen (ninu ilu siru „als der erhabene Gott"' heisst die Serienbezeichnung der Gesetzesfragmente im Berliner Museum, die den Anfang des Codex angiebt) habe ich in der 3. Auflage zurückgezogen, weil auch ilu Anu gelesen werden kann. Aber das Beispiel behält immerhin Beweiskraft; denn Anu ist der höchste Gott auch im heidnisch-monotheistischen Sinne. Schöne Beispiele bringt Delitzsch, Babel und Bibel, S. 73. Aber ich muss nachdrücklich darauf hinweisen, dass der Babylonier neben ilu (Gott) immer im stillen oder ausdrücklich setzt: iltu (die weibliche Gottheit). Jede Gottheit hat im heidnischen Orient wie im Occident ihr weibliches Äquivalent oder sie ist zweigeschlechtig gedacht; denn die menschliche Vollkommen- heit ist weder männlich noch weiblich, sondern die Vereinigung von beiden! („Mann und Weib und Weib und Mann, reichen an die Gottheit an", singt die Göttertochter in der „Zauberflöte".) Wer den Jahve des A. T. nur als einen Baal ansieht, d. h. als eine Gottheit, die nur die religiösen Gedanken in die Welt hinaus projiciert, ohne anzuerkeniren, dass sich in Jahve die persönliche, lebendige Gottheit offenbart, muss die Konsequenz dai'aus ziehen. In dieser Hinsicht ist der scharfsinnige Carl Niebuhr der einzig Konsequente: er sucht nach Spuren der weiblichen Hälfte des Jahve! ! (Gesch. des ebräischen Zeitalters S. 221).

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14 Der „Monotheismus" in Babel und in der Bibel.

In diesen zeigt sich die Gottheit, diese sind ihre Stoff- werdung, dahinter steht aber die eine grosse Macht" (Die babylonische Kultur in ihren Beziehungen zur unsrigen, Leipzig 1902, S. 18). Diese Erkenntnis ist Bestandteil der babyloni- schen „"Wissenschaft" und deshalb ebensowenig Gemeingut des Volkes, wie heutzutage die Wissenschaft Gemeingut des Volkes ist. Aber allenthalben zeigen sich Versuche, die Gedanken in das Volk hinauszutragen. Ja, gewisse babylonische Mythen, wie der Weltschöpfungsmythus, sind offenbar zu dem Zwecke episch bearbeitet worden, um solche Gedanken dem Volke näher zu bringen. 1 So erklären sich die monotheistischen Beweg- ungen, die wir bei den alten heidnischen Völkern zu allen Zeiten finden. Der hebräische Monotheismus imterscheidet sich nur dadurch, aber eben deshalb himmelhoch von jedem heidnischen „Monotheismus", dass hier Gott selbst die irdische Form mit seinem Inhalt, mit Offenbarung, erfüllt hat. Von diesem Ge- sichtspunkte aus wird der Streit über den Namen Jahve gegen- standslos.- Ja'u ist ein westländischer Gottesname. Das ist satt- sam besprochen worden und inschriftlich erwiesen. Wenn der alttestament liehe Gottesname Jahve damit zusammenhängt (und wir halten ihn für eine feierliche Differenzierung vom heidnischen Namen), so besagt das für den alttestamentlichen Gottesbegriff

1) Nocb deutlicher ist die Absicht 7,u erkennen, den Unsterblich- keitsgedanken zu popularisieren. Man erzählt die „Höllenfahrt der Istar", das Gilganies-Epos, die Tamniuz- und Mond-Mythen, um zu sagen: der Tote bleibt nicht tot. Wie man in Ägypten die Mumie anredet: du bist Osiris, das heisst: du wirst wieder lebendig!

2) Friedrich Delitzsch hat bereits vor mehr als zwei Jahrzehnten aus- gesprochen, dass der Name Jahve aus einem protobabylonischen /„sume- rischen") Vorbild entstanden ist (vgl. jetzt Babel und Bibel I, 74 f.). Nie- mand hat sich darüber erregt. Ebenso hat bereits vor 30 Jahren Eb. Schrader in wissenschaftlichen Werken die Ansicht ausgesprochen, dass der biblische Monotheismus aus Babylonien komme, ohne dass solche Einzelmeinung eines Gelehrten „bestürzend gewirkt" hätte. Auf Namen, wie Jaum-ilu und Jahvi-ilu und Ja-pi-ilu (ohne Hauchlaut) hatten auch Sayce, Hommel und Winckler aufmerksam gemacht.

Ja'u und Jahve. 15

rein garnichts.^ Der an Gegebenes anknüpfende Name ist das Signal zur religiösen Konzentrierung am Sinai geworden. ^ Aus solcher Anknüpfung der Offenbarung an Gegebenes erklärt es sich dann, dass der vorprophetische Monotheismus Israels immer noch ein relativer ist^ dass sich in den Aussagen, die das Volk von dem „ewig seienden" Gotte der Offenbarung macht, stark menschliche Züge, ja mythologische Einkleidungen finden. Doch es ist hier nicht der Ort, das näher auszuführen. Ich gedenke das in grösserem Zusammenhange zu thun.

Also davon kann keine Rede sein, dass man in Babylon das gefunden hat, was die weltgeschichtliche Bedeutung der Bibel ausmacht, den Monotheismus (s. Delitzsch I S. 44), aber auch davon nicht, dass durch die Entdeckung eines relativen babylo- nischen Monotheismus „Israel der grössten Ruhmesthat beraubt würde, in deren Glanz es bisher geleuchtet hat, dass es sich allein von allen Völkern zum reinen Monotheismus hindurchge- rungen hat". ^ Aber es ist immerhin wichtig, dass uns die babylonische

1) Älinlich urteilt auch S. Oettli in seiner ausgezeichneten, die von Babylon kommenden Erkenntnisse im allgemeinen gerecht beurteilenden Schrift: „Der Kampf um Babel und Bibel". Auch H. Winckler in der Nordd. Allg. Ztg. vom 3. Nov. 1902 betont es ausdrücklich. Es befindet sich hier also die lediglich weltlich - historische Auffassung in völliger Übereinstimmung mit der von der OfFenbaning ausgehenden Theologie.

2) Die Jahve-Religion kann trotzdem die „der Väter" sein; nur die Formulierung des Namens ist neu. 2. Mos. 15, 2 heisst es: Der Gott meines Vaters ist Jah!

3) So Jensen in der „Christi. Welt" 1902, Sp. 493. Der von Delitzsch behandelte und s. Z. von Theo. G. Pinches veröffentlichte Text (s. jetzt Babel und Bibel I, 77 f.), der sagt, dass Nergal, Nebo, Sin, Sama§, Ram- man identisch sind mit Marduk, besagt nicht mehr, als die oben besprochenen Stellen und der von H. Winckler (vorher Hommel, Astronomie der alten Chaldäer S. 379 gegen Jensens Erklärung in der „Kosmologie der Babylonier") in „Himmels- und Weltenbild der Babylonier" S. 10 zuerst in diesem Sinne erläuterte, und nur aus dieser Vorstellung heraus verständliche Text III R 54, Nr.' 5: kakhab Hu Marduk ina namärim ih* Dim . Pa . Ud . du [IV2] kaspii i'saMma i^^^Sag .me.gar ina kabal savie ixuix-ma ilunihiru: „Wenn

Die Prärogative der Bibel.

Religion die Wahrheit illustriert, dass auch die Heiden, die ihre eigenen Wege gingen, das religiöse Erbe nicht ganz verloren haben. Vielleicht könnte man die Unterschiede des polytheisti- schen Heidentums, des esoterischen Monotheismus und des bib- lischen Monotheismus so illustrieren. Das eigentliche Heidentum verspottet Elias 1 Keg. 18,27: „Rufet laut, er ist ja ein Gott. Er hat wohl den Kopf voll oder ist bei Seite gegangen oder hat eine Reise vor oder er schläft vielleicht und wird wieder auf- wachen". Von dem suchenden Monotheismus des Heidentums gilt, was Paulus auf dem Areopag in Athen sagt (Act. 17, 27 f), dass sie den „Herrn suchen, ob sie doch ihn fühlen und finden möchten." Den reinen Monotheismus des Alten Testamentes charakterisiert Jesus in Samarien Job. 4 mit den Worten: „Sie wissen, was sie anbeten, denn das Heil kommt von den Juden". Königs Schluss- satz: „In Babel strebte die Wahrheit zum Himmel, in der Bibel ragt der Himmel in das arme Menschenleben hinein", unter- schreiben wir voll und ganz. Die Ausgrabungen am Euphrat werden nie zur Totengräberarbeit für die religionsgeschichtliche Prärogative der Bibel werden.^ Aber gerade deswegen möchte

der Stern des Marduk (Jupiter) im Aufgehen ist, ist er Nebo; wenn er [1V2?1 Doppelstunden hocli steht, ist er Marduk; wenn er hoch steht, ist er der Nibiru". (Vgl. hierzu oben S. 12 Anm. 1.)

1) Es ist mir eingewendet worden, nach meinen Ausführungen „hänge die Prärogative der Bibel an einem Faden aus der Urzeit, der viel 7Ai schwach sei, um das starke Gewicht der Prärogative festzuhalten". Aber es handelt sich für mich nur um einen rückwärts gesponnenen Faden, nicht um einen Faden, an dem das Gewicht der alttestamentlichen Religion hängt. Die unvergleichliche Höhe der alttestamentlichen Religion zeigt sich am klarsten im ethischen Monotheismus der Propheten. Dass dieser ethische Monotheismus von Friedrich Delitzsch in seinem zweiten Vortrag bestritten wurde mit der Begründung: Egoismus sei der Tod aller Ethik und der Partikularismus des Volkes Israel, der den Götzendienst der Heiden von Gott verordnet sein lasse und die Heidenvölker dem Banne preisgebe, sei eine schreckliche Lehre, die sich mit der Annahme einer Oö'enbarang des lebendigen Gottes nicht vereinen lasse das hat vor allem die grosse Erregung hervorgerufen. Einen ähnlichen Vorwurf erhob schon der alte Reimarus, und doch hat selbst Lessing, der ihn später hervorzog,

Die Prärogative der Bibel. 17

man bedauern, wenn hervorragende Vertreter einer positiven alt- testamentlichen Theologie sich den Einblick in die religiösen Tiefen der „Heimat Abrahams" verschliessen. ^

Von Seiten der historisch-kritischen Vertreter der alttestamentlichen Forschung hat kürzlich Karl Budde ernste Bedenken gegen die Ansprüche erhoben, mit denen die Ausgrabungen heute dem Alten Testamente gegenübertreten, in einem der Vorträge der theologischen Konferenz zu Giessen.- Er berührt nur flüchtig den Vortrag „Babel und Bibel" und

in der „Erziehung des Menschengeschlechts" sein Auge nicht für das Ver- ständnis der geschichtlich gewordenen Offenbarung verscbliessen können. Das Volk gehört ausschliesslich zu Jahve so verkündigen die Propheten. Aber es gehört zum sittlichen Prozess in der Eutwickelung der Religion Israels, dass die Kehrseite dieses Satzes, der Partikularismus den Völkern gegenüber, allmählich überwunden wird. Das ist der Sinn des Buches Jona: der trotzige Prophet muss zu den Niniviten gehen. „Mein Haus ist ein Bethaus für alle Völker", heisst es bei Sacharja; Jeremia sieht, wie sich alle Völker in Jerusalem am Throne Jahves versammeln. Jesaias 66 sagt, wie Priester aus Heidenvölkern berufen werden sollen. Die Propheten- schriften sind voll von diesem religiösen Altruismus. Aber die Religion der Propheten (und der Psalmisten) hat ihre Vorstufen, und diese Vor- stufen zeigen ebenfalls die Prärogative der Bibel. Die wichtigste Vorstufe ist die dui-ch M 0 s e 3 repräsentierte religiöse Epoche der Geschichte Israels. Und zwar liegt hier nicht der Hauptnachdruck auf der Gesetzgebung, von der einzelne Bestandtheile sich mit der heidnisch-altorientalischen Ethik eng berühren, und die erst in einem laugen Läuterungsprozess von heid- nischen Elementen befreit worden sind, sondern in einer thatsächlichen religiösen Erfixhrung, die im Volke als nationales Ereignis fortlebt, auf die sich das Gesetz beruft: „Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus Egypten geführt hat, du sollst nicht andere Götterhaben neben mir", und die den Edlen im Volke die Bitte abnötigt : „Thue mir kund den Weg, darauf ich gehen soll, denn mich verlangt nach dir". Und der mosaischen Zeit ging eine Urzeit voraus, die durch jene von Abraham geleitete religiöse Bewegung die Prärogative der alttestamentlichen Religion eingeleitet hat [Zusatz zur dritten Auflage].

, 1) Von der Beurteilung der Höhe und Wichtigkeit der babylonischen Kultur durch Ed. König wird später S. 32 ff. die Rede sein.

2) Das Alte Testament und die Ausgrabungen, Giessen, J. Ricker.

Jeremias, Im Kampfe. 2

j^g Das Alte Testament und der Alte Orient.

hält sich iiiit seiner Polemik und das kann nicht genug ge- rühmt werden an ein -wissenschaftliches Werk, an die 1. Hälfte der 3. Auflage von Schraders „Keilinschriften und das Alte Testament", in der Hugo Winckler die Geschichte und Geographie behandelt ^, und das in der That das einzige selbständige Werk darstellt, in der das altorientalische (nicht nur keilinschriftliche) Material für das Alte Testament zusammengefasst ist. Das Buch ist schwer zu lesen, besonders solange die Indices fehlen. Winckler ist ein Bergführer, der mit grossen, genagelten Schuhen vorwärts schreitet, ohne Rücksicht darauf, ob die Leute^, die er führen will, nachkommen können. Budde ist ihm gefolgt. Aber er schliesst oben angekommen mit einem vernichtenden Urteil über den „Panbabylonismus, der seine Riesenfaust auf das Alte Testament legt: So sinkt (im Verfahren Wincklers) alles zusammen, was wir vom Alten Testamente zu besitzen stolz waren."

Nun, das wäre freilich verhängnisvoll. Wenn die Gefahr be- stünde, so würde auch ich energisch Protest erheben. Denn das Alte Testament ist uns die Urkunde göttlicher Offenbarung, „in der Gott manchmal und auf mancherlei Weise geredet hat zu den Vätern." 2 Aber ich habe den gegenteiligen Eindruck. Es werden hier die Grundsteine und Bausteine zu einem gewaltigen Bau herbeigetragen. Dieser Bau steht drohend dem kunstvollen Ge- bäude gegenüber, das die mit den Namen Wellhausen -Stade ge- kennzeichnete Schule errichtet hat und zu deren hervorragenden Vertretern Karl Budde gehört. Seitdem Hugo Winckler, der übrigens offenbar selbst von dieser Schule ausgegangen ist, begonnen hat, sich von dem Irrtum frei zu machen, der mit der Erklärung der Form den Inhalt wegdisputiert, habe ich die Überzeugung ge- wonnen, dass seine Mitarbeit an der Erklärung des Alten Testa- mentes, der auch Budde (S. 22) „trotz aller Vorbehalte seine auf- richtige Bewunderung nicht versagt", insbesondere die von ihm angebahnte Betrachtang des Alten Testamentes im Rahmen der

1) Der 2. Teil, in dem Heinrich Zimmern die Religion behandelt, ist soeben erschienen und wird hier noch nicht berührt!

2) S. hierzu die Ausführungen am Schluss S. 42 ft".

Das Alte Testament und der alte Orient. 19

altorientalischen Geisteswelt in der Geschichte der alttestament- lichen Forschung später einmal wichtiger erscheinen werde, als die epochemachenden Entdeckungen der Graf-Wellhausenschen Litterarkritik ! ^

Vielleicht dient es zur Verständigung, wenn wir zunächst ein Missverständnis zu beseitigen suchen. Wir sollten überall da, wo von ..babylonischer Anschauung" die Rede ist, besser „alt- orientalische Anschauung" sagen. Wenn wir von Babylo- nien sprechen als dem Mittelpunkte der alten Weltkultur, die beim Vernichtungskampfe zwischen Orient und Occident der abend- ländischen Welt ein bis auf den heutigen Tag zu spürendes Ge- präge aufgedrückt hat, so ist das in dem Sinne gemeint, dass Babylonien in der Zeit, in der aus dem wallenden Nebel einer für uns prähistorischen Zeit Geschichtsthatsachen ans Licht treten,

1) Bei der Debatte der letzten Meissner Konferenz, in der ich über den „wachsenden Einfluss Babyloniens auf unser Verständnis des Alten Testamentes" sprach, wurde von mehreren Seiten aufWincklers kurze Dar- stellung der Geschichte Israels in Helmolts Weltgeschichte III, 1 hinge- wiesen. Auch ich habe seiner Zeit lebhaft die hier ausgesprochenen Ur- teile über die Religion Israels, die im Jahre 1896 niedergeschrieben sind, bekämpft und habe mit Genugthuung aus den neuen Werken des Verfassers gesehen, dass dieser Standpunkt, der auch im 1. Teile der Geschichte Israels vertreten wird, überwunden ist. Aber wenn Winckler bei Helmolt den Satz ausspricht: „dass Jahve immer ausschliesslicher der alleinige Gott Judas wird, hat seinen sehr einfachen Grund darin, weil Juda so klein geworden war, dass es für andere Götter keinen Raum mehr besass" so ist das nichts anderes als die rücksichtslose Konsequenz der evolutionistischen Auffassung. Wenn Jahve irgend einmal nichts als ein Baal im altorientalischen Sinne ge- wesen ist, so war er als genius loci an sein Volk und Land gebunden. Aber die ganze Auffassung ist jetzt offenbar für Winckler überwundener Standpunkt. In seinem neuesten Werke „Arabisch-Semitisch-Orientalisch" (Mitteilungen der Vorderas. Ges. 1902), das ich als eine Absage an die auch von ihm früher vertretene sog. religionsgeschichtliche Betrachtungs- weise des Alten Testamentes ansehen muss, heisst es (wir geben nur den Gedanken wieder von S. 7): sie sei weder geschichtlich, denn sie ruhe auf einer Geschichtskonstiiiktion (vom primitiven Nomadenleben der vor- kanaanäischen Israeliten), noch religionsgeschichtlich, denn ihre Voraus- setzung hebe das Wesen der Religion die Offenbarung [sie!] auf.

2*

20 D'i^s Alte Testament und Alt-xirabien.

als das Kulturland erseheiut, von dem die "Weltanschauung aus- strahlt und in der wir sie am vollkommensten und klarsten aus- geprägt finden. Es sollen also keineswegs „die anderen Völker- persönliehkeiten im alten Vorderasieu vernichtet und verneint werden" (Budde S. 11). Neben Babylonien stehen als Kultur- centren, soweit solche für das biblische Altertum in betracht kommen: Ägypten und Arabien.^ Immer klarer tritt die Thatsache hervor, dass die Grundlagen ihres Geisteslebens mit dem Babyloniens iden- tisch sind. Besondere Verwunderung scheint die Betonung Arabiens 7A1 erwecken. Budde sagt S. 12 nach Besprechung der Amarna- funde, die gezeigt haben, dass Kanaan vor der Einwanderung Israels ..mit babylonischer Kultur gesättigt" war: „Aber dessen hatte man sich doch immer noch getröstet, dass Arabien, die geheimnisvolle Wiege der semitischen Völkerfamilie, von dieser alles gleichmachenden Hochkultur ziemlich unberührt geblieben und bis in späte Zeit im stände gewesen sei, rein semitische, naturwüchsige, mit kräftigem Eigentrieb begabte Völker- pflanzreiser herzugeben". Man darf fragen: warum ist das ein Trost? Und ist die Behauptung,- „dass Arabien schon im höch- sten Altertum dem vorderasiatischen Kulturleben bereits ebenso erschlossen gewesen sei wie in den Zeiten des Islam" neu? Sind nicht südarabische minäische Inschriften seit einem Men- schenalter bekannt? Leider liegen die 2000 Inschriften, die Ed. Glaser auf vier Entdeckungsreisen gesammelt hat, noch immer für die Wissenschaft brach. Aber das w^enige, das wir davon zu sehen bekamen, lässt ahnen, welche Schätze zu erwarten sind. Wir sind eben gewöhnt, Arabien als eine Wüste und terra incognita

1) In den citierten Werken Hugo Winckler's wird der Versueh ge- gemaclit, die altarabische Geschiclite für die Erforschung des Alten Testa- mentes im Zusammenhange zu erschliessen. Darin liegt meines Erachtens ein grosser, wichtiger Fortschritt. Vgl. übrigens auch schon Fr. Hommel, Aufsätze und Abhandlungen 1891 fi'., der dazu den Anfang gemacht hat.

2) Der bei Budde S. 13 erwähnte „Nachweis" ist inzwischen in der oben citierten Schrift „Arabisch-Semitisch-Orientalisch" (Mitteilungen der Vorder- asiat. Gesellschaft 1902) gegeben.

Die Kulturwelt Alt- Arabiens. 21

anzusehen. Im Altertum jedoch war es in weiten Gebieten wohl bekannt. Die Behauptung, dass zwischen Babylonien und Arabien in uralter Zeit reger Verkehr bestand, beruht nicht, wie Budde meint, nur darauf, dass Gudea um 2500 die Steine zu seinen Statuen aus Magan (Ostarabien) bezog. In den Ominatafeln wird vom alten Sargon (um 3200, s. unten S. 23) erzählt, er habe das Meer des Westlandes überschritten und drei Jahre im Westen [das Land] erobert., und der Tafelschreiber seines Nachfolgers Naramsin berichtet von einem arabischen Feldzuge mit den Worten: „Er zog nach Magan, eroberte Magan, den König von Magan nahm er gefangen".^ Und auf einer Alabastervase, die in Babylon gefunden wurde,- steht geschrieben: ,.Naramsin, König der vier Weltgegenden; Gefäss. Beute aus Magan". Dass auch den Israeliten Arabien als Kulturland bekannt war, zeigt die Völkertafel im 10. Kapitel der Genesis.

Für diese Thatsache wird man freilich die gründlichste Prüfung fordern dürfen, denn wenn sie sich bewahrheitet, so ist einer der Hauptvoraussetzungen der evolutionisti sehen Auffassung der Ge- schichte Israels der Boden entzogen. Die herrschende Geschichts- koustruktion setzt in urisraelitischer Zeit ein primitives Nomadeu- leben voraus mit primitiven religiösen Vorstellungen, die dann zugleich mit der Sesshaftigkeit unter dem Einfluss der Kultur sich umgestaltet haben : der finstere an Moloch erinnernde Jahvekult der Nomaden sei durch den fröhlichen Baalkultus des kanaanäi- schen Kulturlebens umgestaltet worden. Und nun zeigen uns die Denkmäler und die Geschichte, dass es dieses von aller Kultur unberührte Nomadenleben im alten Arabien gar nicht giebt,^

1) Zu dem längst bekannten Text, der in Keilinschr. Bibl. III, 105 über- setzt ist, ist noch ein anderer Text hinzugetreten, der ebenfalls und aus- führlicher vom arabischen Feldzuge berichtet.

2) Sie ging auf dem Transport verloren. Die Inschrift ist I R 3, Nr. 7 nach einem Papierabklatsch veröüentlicht. Das Bruchstück eines Dupli- kates wurde neuerdings in Susa gefunden (Delegation en Perse IV, p. 1).

3) Auch das heutige Beduinenleben steht in lebendigem Verkehr mit der Kultur. Die modernen Alttestamentier entnehmen die Farben für ihr

22 Kanaan Domäne babylonisclier Kultur.

dass es vielmehr durchaus den vorauszusetzenden thatsächlichen Verhältnissen entspricht, wenn uns die biblische Überlieferung die vormosaischen Israeliten in innigster Verbindung mit den Kulturen Babyloniens (Abraham), Ägyptens (Josef) und Arabiens (Jethro in Midian) zeigt.

Auf die Nutzbarmachung der Kultur Altarabiens für die Beurteilung des alten Israel werden wir im einzelneu verzichten müssen, so lange das Inschriftenmaterial unzugänglich bleibt. ^ Wichtiger bleibt für uns zunächst die Entdeckung der „baby- lonischen" Kultur im vorisraelitischen Kanaan. Das altorientalische Material für die altkanaanäische Geschichte häuft sich neuerdings. Was die Amarnabriefe anlangt, so hat Budde S. 12 f. wieder von neuem nach dem Vorgange französischer Ge- lehrter die Folgerung angefochten, nach der aus der Benutzung der babylonischen Schrift und Sprache in Kanaan um 1400 auch auf die Herrschaft der babylonischen Kultur in der Gesamtbe- völkerung dieser Länder geschlossen wird. Die Stadttyrannen würden sich wohl nur aus Ehrgeiz Schreiber zugelegt habeu, die die Sprache wohl oder übel verstanden und zu schreiben wussten. Aber wie soll es sich dann erklären, dass keiner von ihnen rein babylonisch schreibt, sondern dass sie alle eine lingua franca, babylonisch mit einheimischem Sprachgut vermischt, schreiben? Wie erklärt es sich, dass zwei Briefe des ägyptischen Königs (Keilinschr. Bibl. V, Nr. 1 und 40) in babylonischer Sprache, aber mit „ägyptischen" Sprachfehlern durchsetzt, ge- schrieben sind? Wenn Budde aus den Ergebnissen der neuen elamitischen Funde erfährt, dass auch dort ein „Amarna" sich

Gemälde der vorraosaisclien Israeliten dem unhistorischen Milieu der vorislamischen Poesie.

1) Ein kleiner Teil ist im Besitze des Berliner Museums. Es wäre eine wissenschaftliche Grossthat, wenn die Mittel zur Erwerbung der Schätze in Deutschland zur Verfügung gestellt wüi-den. Während des Hamburger Kongresses schien sich ein privater Weg anzubahnen. Aber es ist beim guten Willen geblieben. In England bemüht man sich, wie mir bekannt ist, um den Erwerb.

Form der orientalischen Geschichtserzählung. 23

findet, dass man auch in Elam zur selben Zeit ein wässeriges Babylonisch schrieb, so bin ich gewiss, dass er seine Bedenken zurückzieht. Die ganze vorderasiatische Welt redete und schrieb damals „babylonisch"', und diese Thatsache setzt eine durch Jahr- hunderte vorhergegangene Beeinflussung durch babylonische Kultur- und Geisteswelt voraus in Kanaan so gut wie in Ägypten und Elam.

Der Einfluss der dem ganzen vorderen Orient gemeinsamen Gedankenwelt zeigt sich nun auch in der Geschichtserzählung und im religiösen Gedankenausdruck der Israeliten.^ Die altorientalische Weltanschauung, die in den Gestirnen einen Kommentar göttlicher Gedanken sieht, giebt, so hat Winckler nachzuweisen begonnen, die künstlerische Form ab für alle orientalische, auch für die israelitische Geschichtsdarstellung.

1) Ed. Königs Widerspruch („Babylonisiemngsversuche betreifs der Patriarchen und Könige Israels") ist immer -wieder von der Sorge diktiert, als ob die Geschichtlichkeit z. B. der biblischen Persönlichkeiten durch die folgende Betrachtungsweise in Frage gestellt werden könne. Um dieser Besorgnis zu steuern, habe ich die Beispiele vermehrt. Aber wird jemand sagen, dass die Geschichtlichkeit Kaiser Wilhelms I. dadurch in Frage gestellt wird, dass man sein Bild mit Zügen des Barbarossa-Mythus poetisch ausstattet? (Man vergleiche das Gemälde im Berliner Rathaus und das bekannte Gedicht Barba blanca.) K. hält es für unmöglich (1. c. S. 35 f.), dass die alttestamentlicher Erzähler ihre Gestalten mit Zügen „heidnischer Idole" ausstatteten. Ist die Poesie vor Lessing (vgl. z. B. Logau) heid- nisch, weil sie jede Braut zur Venus macht? Glaubt Schiller an den griechischen Hades, weil er in der Glocke die teure Gattin vom schwarzen Fürsten der Schatten ins Schattenreich führen lässt? Sind wir Sonnen- anbeter, weil wir singen: „Morgenglanz der Ewigkeit schick uns diese Morgenzeit deine Strahlen zu Gesichte und vertreib durch deine Macht unsere Nacht"? Wenn der Israelit von den Kämpfen Jahve's gegen böse Mächte spricht, so kleidet er das in die Bilder vom Kampf Marduks mit dem Drachen (Rahab, Leviathan"; wenn er die Todesschrecken schildert, so spricht er von den „Bächen Belials", dem altoiientalischen Totenfluss u. s. w. u. s. w. Darauf beruht meine Aufiassung. Ed. König hat Recht, wenn er gegen eine Auflösung von Geschichte in Mythologie kämpft. Diese Auöassung bekämpfe ich auch.

24 Form der orientalisclien Gescliichtserziililung.

..Was für den Maler die Farbe, was für den Dichter die poetische Form ist, das ist für den orientalischen Erzähler das mythologische Schema." Wie das Netz einer entworfenen Zeichnung oder Land- karte spannt es sich über gewisse Erzählimgsstoffe ans. Ein arges Missverständnis wäre es freilich, wenn man meinen wollte, es werde auf diesem Wege alles, was bisher als Geschichte galt, in Mythologie aufgelöst. Es wäre nicht verwunderlich, wenn jemand auf Grund der Feststellung all der mythologischen Züge, in welche die historischen Thatsachen des Altertums gekleidet sind, zu diesem Ergebnis gekommen wäre. Er hätte dann nur Schlüsse gezogen, die andere in gleichen Fällen gezogen haben. Winckler ist in seinen früheren Arbeiten diesem Trugschlüsse nahe gewesen, aber er hat schliesslich die Klippe vermieden. In dem besprochenen Werke finde ich das Gegenteil: es wird immer betont, dass die mythologische Darstellung nicht den historischen Kern ausschliesst, und es wird sogar der vom Standpunkte einer historisch -kritischen Betrachtung aus bisher absolut verworfene historische Kern der Vätergeschichten (Abra- ham, Josef) anerkannt.^

Eine besondere Rolle spielt die mythologische Darstellungs- form, wenn es sich um Inaugurierung einer neuen Zeit handelt. Es ist also garnicht verwunderlich, wenn das Schema bei Reha- beam plötzlich abbricht (Budde S. 13; bei Jerobeam wetterleuchtet es übrigens). Ahab gehört nicht zu den Anfängern einer Epoche, auch bei den assvrischen Geschichtsschreibern beschränkte sich die

1) Wer Abraham zum „Monclgott" macht oder Josef zum Tammuz, oder Jakob „aus der Sternen-welt herabholen wollte", macht sich eines Fehl- schlusses schuldig. Aber dass in der künstlerischen Gestaltung der Erzählung Züge, die der Sternenwelt entnommen sind, durchschimmern, werden wir zugeben müssen. Vielleicht liegt eine Erinnerung an solchen mythologischen Einschlag darin, dass man die Gürtelsterne des Orion „Jakobsstab" nennt. Und eine ähnliche Erscheinung zeigt der altchr. Kalender, der den Thomas auf die Wintersonnenwende setzt (21. Dez.), weil er zuletzt gläubig wurde, und den Täufer Johannes auf das Sommersolstitium am 24, Juni, weil er sagt: „Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen". [Ich

Mythologische Motive und Wortspiele. 25

mythologisierende Form auf die Anfänger einer Epoche; Sargonll. erzählt von sich nicht mythologisch. Übrigens verzichtet die folgende Erzählung ja zumeist auf die Kunstform der eigentlichen Geschichtsdarstellung, wie sie „das Buch der Kriege Jahres" gehabt haben mag. Wie aber, so wird man fragen, verhält sich die ..künstlerische Darstellungsform" zum Thatsach engehalf? Sie rührt an den Thatsachen nur insofern, als sie Kleinigkeiten zu- rechtrückt und Zahlen zu gunsten irgend eines Schemas leise ändert (Zahlensymbolikl). Im übrigen treibt sie ihr Wesen in der Wahl der W^orte, die oft wie in den Wagner'schen Opern die Rolle von Motiven spielen, in geflissentlicher Hervorhebung unwesentlicher Züge und in der Bildung künstlicher Namen. Ein Beispiel für Wortspiele möge die Josefsgeschichte geben. Bei Josef schweben dem Erzähler Wortspiele vor, die mit Tammuz zusammenhängen, das ist der Gott der Vegetation,

füge nach Aufforderung Königs , 1. c. S. 80 für Abraham die Belege hinzu. Abraham kommt aus den Mondstätten ür und Haran. Sein Weib heisst Sarah (sarratu heisst die Gemahlin des Mondgottes in Haran), sein Schwager heisst Laban (d. h. doch wohl der Mond), er selbst heisst Abram. d. i. Sin (Mondgott) als abu iläni, summus deus, oder Abraham, d. i. Sin als karid i]äni: „Kämpfer der Götter". Die Zahlen 12/13 und 318 (soviel Tage ist der jlond sichtbar) in 1. Mos. 14 klingen an Mondmythus an. König bestreitet die mythologische Verwendung des Jakobsstabes S. 31. Aber muss nicht jeder merken, dass der ganz harmlose „Stab" Gen. 82, 11 eine künstliche Rolle spielt? In der Pflanzenkunde hat es König selbst bemerkt. Dass der Orion auch = Nimrod, hat niemand bestritten. Um die altorientalische Denk- und Sprechweise zu beurteilen, muss man sie kennen. Zum Thomastag sagt König 1. c. S. 81: „Gesetzt, es ist so, wie Jeremias sagt, so thut dabei die Kalenderheiligen ordnende Christenheit weiter nicht«, als dass sie solche Stellen aussuchte, die zu überlieferten deutlichen Aussagen des Neuen Testaments passen". Ich acceptiere das dankend, denn das habe ich eben zeigen wollen. Man erwäge, ob nicht auch der ISTame Didymos, „Zwilling" deshalb in Ephesus für Thomas ge- prägt wurde. Der 21. Dezember ist der Nergal-Punkt ; Nergal ist einer der Zwillinge. Auch der „Fisch" der ersten Christenheit erklärt sich aus der Sternenwelt. Die Christen wählten den neu anbrechenden Frählingsstand der Sonne in den „Fischen", um das neue Zeitalter vom heidnischen Widder- zeitalter zu unterscheiden. (Zusatz zur 3. Auflage)].

26 Mythologische Motive und Wortspiele.

die im Jahreslauf stirbt und aufersteht. Dieser „Tammuz in der Unterwelt" ist identisch mit Eebo-Hermes. Darum spielt der Erzähler gern mit der „Grube" (Bor = Loch = Cisterne = Gefängnis = Unterwelt). Daneben lässt er Josef sagen (an sich ist der Ausdruck schief): ich bin gestohlen (gunnabti) aus dem Lande der Hebräer und bin ins Gefängnis (bor) geworfen worden. Es klingt die Eigenschaft Nebos, der der Gott der Diebe ist, an. Man vergleiche damit ("Winckler, Forschungen III, 35) die Erzählung, wo Hadad, der König von Aram-Soba, der vor Sanherib nach Musri flieht, einen Sohn mit Namen Genubat hat (ebenfalls an die Eigenschaft Nebo's anklingend), der ein ganz ähn- liches Geschick hat, wie Josef. Hier ist der Name sicher künstlich. Winckler behauptet dasselbe für die Namen der ersten israelitischen Könige. Es ist jedenfalls auffällig, dass dergleichen Namen sonst nicht vorkommen^ undbeiSalomo wird ausdrücklich bezeugt, dass er Jedidja heisst. Für sehr wahrscheinlich halten wir es, dass der Beiname des Judas Makkabäus dem mythologischen Schema entnommen ist.^ Wir fügen noch zwei weitere Belege an."^ Wenn Trebellius Pollio von Zenobia sagt:^ „usurpato imperio rem publicam obtinuit .... Didonem et Semiramidem et Cleo- patram sui generis principem inter cetera praedicans" und wenn uns dann in der arabischen Geschichtslegende eine Erzählung von Zenobia erhalten ist, welche einfach eine Wiederholung der Semiramislegende ist, so haben wir es hier eben mit Erzeug-

1) Hommel schreibt mir: In den Hammurabi-Kontrakten kommt ja Da-vi-da-nu als Eigennamen vor und KB IV, 100 auch Saulauu. "Wenn das David und Saul heisst, so würde das nur die Hypothese unterstützen.

2) Makkabi „der Hammer" (vgl. Barak, Hamilcar Barkas) ist dem Judas später beigegeben nach dem mythologischen Schema, das die spätere Darstellung auf die Eltern mit ihren fünf Söhnen anwendet: dem 5. Familien- gliede (3. Sohn) gebührt der Hammer (Doppelbeil oder Blitzbündel), der. dem Gotte des 5. Wochentages gehört: dem Frühlings-, Blitz- und Ge- wittergott Marduk.

3) Das folgende ist für die 3. Auflage hinzugefügt.

4) Septem script. rer. Aug. XXIV, 27; s. Winckler in Orient. Lit.-Ztg. 1902, 108.

Mythologisclie Form und GescMchtsthatsachen. 27

nissen einer Literatur zu thun, welche von ihren Helden selbst beeinflusst waren und bezweckten, diese als die wieder in Menschen- gestalt erschienene Gottheit darzustellen. Und wenn festgestellt ist. dass das Gestirn der Zwillinge „Sonne und Mond" darstellen soll, und wenn in der als Incarnation der Gottheit sich fühlenden Ptolemäerfamilie ein Zwillingspaar^ einfach Helios und Selene benannt wird, so kann doch kaum eine klarer ausgesprochene Be- zugnahrüe auf das Pantheon gedacht werden. Wenn Seleuciden und Ptolemäer als Götter verehrt werden, so war doch die natür- lichste Folge, dass ihre Geschichtsschreiber auch die entsprechenden Götterlegenden auf sie übertrugen. Und dass die Lehre von der Göttlichkeit des Königs altbabylonisch ist, haben wir jetzt in- schriftlich bezeugt.-) Es handelt sich also hier einfach um alt- babylonische Darstellungsform.

Übrigens mögen einzelne Beispiele^ immerhin angreifbar sein, auch mag oft genug der Zufall spielen. Aber die Menge der Fälle wirkt schliesslich überzeugend."^

1) Kinder der Kleopatia, geb. 40 v. Chr.

2) Naram-Sin. Gudea. Dungi.

3j Wenn ich in der früheren Auflage sagte: „Die Menge der Fälle wird schliesslich beweiskräftig", so war das nur in diesem korrigierten Sinne gemeint. Dass dieser ganze Passus meiner Schrift über die „mytho- logisierenden Motive und Wortspiele" von vielen beanstandet werden würde, wusste ich im voraus. Es wird lange dauern, bis sich die Erkenntnis Bahn bricht. Vielleicht thun die S, 26 f. u. 29 neu herzugebrachten Beispiele ihre Wirkung. Einige Kritiker haben ihrer Verwunderung darüber Ausdruck ge- geben, „dass ich mich des mythologischen Schemas der Geschichtsdarstellung mit solcher Wanne annehme" und einer hat das als Zeichen eines „Mangels an besonnener Kritik" getadelt. Ich gestehe, dass mir der terminus technicus „besonnene Kritik" im Laufe der Zeit etwas anrüchig geworden ist. Das Zeugnis der Thatsachen ist mir lieber. Ein bekannter alttestamentlicher Forscher „positiver" Richtung schreibt mir- bei Besprechung dieser Stelle meiner Schrift: „Dass auch bei historischen Ereignissen bez. den Berichten Fonn und Farbe der Darstellung der mythologischen An- schauungswelt entnommen sein kann, ist mir immer klarer geworden. Es liegt darin wohl zugleich der Schlüssel zur Aufschliessung mancher Be- leuchtung dunkler Paiiien der Völker und Kulturgeschichte."

. 4) Besonderen Anstoss nimmt die Kritik an dem von Winckler,

28 Mythologische Form und Geschichtsthatsachen.

Als warnendes Exempel dafür, dass mythologisierende Dar- stellung nicht als Anzeichen für Ungeschichtlichkeit angesehen werden darf und 7Aigleich als belehrendes Beispiel für die Über- tragung der Götterlegende auf geschichtliche Personen, diene schliesslich die Geschichte des alten Sargon von Agade, der bereits bei Lebzeiten ebenso wie sein Sohn Naramsin sich göttlich verehren liess. Von ihm heisst es auf dem Bruchstück eines grösseren Textes:

„SargoD, der mächtige König von Agade, bin ich. Meine Mutter Avar Vestalin,i mein Vater aus niederem Gesohlecht, - während der Bruder meines Vaters das Gebirge bewohnte. Meine Stadt ist Azupiranu, welches am Ufer des Euphrat gelegen ist. Es empfing mich meine Vestalin-Mutter, im Verborgenen gebar sie mich. Sie legte mich in einen Kasten von Schilfrohr, verschluss mit Erdpech meine Thür, legte mich in den Fluss .... Der Fluss trug mich liinab zu Akki, dem Wasserträger. Akki der Wasserträger nahm mich auf in der Freundlichkeit seines Herzens (?), Akki der Wasserträger zog mich auf als sein Kind, Akki der Wasserträger machte mich zu seinem Gärtner. Während

meiner Thätigkeit als Gärtner gewann Istar mich lieb

Jahre übte ich die Herrschaft aus, Jahre beherschte ich

die Schwarzköpfigen-^ und regierte sie." Als die Inschrift be- Forschungen I, 344f , 111, 230f. behandelten Beispiel, das sich auf Esau bezieht. Das „Motiv" liegt hier in der geflissentlichen Hervorhebung des „Haarigen". Edom heisst rot und haarig. Dass die Haare (in der Mytho- logie = Sonnenstrahlen) die Verbindung mit der Gottheit herstellen, zeigt die Simsongeschichte. Gerade hier zeigt sich deutlich, wie die Worts] >iele künstlich herbeigeholt und gehäuft sind. [Gegen König, Babylonisieruiigs- versuche S. 33: Im Namen Seir zeigt sich dasselbe Spiel geographisch: Edom und Seir liegen im Süden, die das Land der ,, heiligen Sonne"

(Zusatz zur 3. Auflage)]-

1) enitu ist die ,, Gottesschwester" der Gesetze Hammurabis.

2) ul idi, „unbekannt." So heisst es in den Zeugennamen der neu-' babylonischen Kontrakte bei den nachträglich anerkannten Vollbürgern, im Gegensatz zu den Vollbürgern, die Vater und Grossvater bez. Stamm- vater nennen.

3) Ausdruck für die Menschen bei den Babyloniern und Chinesen!

Der Sabbath in Babel und in der Bibel. 29

kannt wurde, Avar jedermaDn geneigt, Sargon für eine mythische Figur zu halten. Später fand man sein königliches Siegel. Jetzt haben wir Inschriften, die ihn und seine Feldzüge in helles Licht der Geschichte rücken. Die Anwendung auf die Geschichte Mosis,^ die ähnlich beginnt, ist naheliegend genug.

Ein Beispiel für bewusste Übertragung einer fertigen Tempel- legende auf die Protektorin des betreffenden Tempels ist die der syrischen Göttin von Hierapolis auf Stratonike, die Wiederer- bauerin des Tempels und Gattin des Seleukos und dann ihres Stiefsohnes Antiochos. Die Form der Erzählung lässt hier deut- lich die Anspielung auf die Astarte (Semiramis-)Legenden er- kennen. Der Charakter der Erzählung ist so deutlich, dass trotz der von Winckler gegebenen Erklärung P. Jensen richtig der Versuchung erlegen ist und Stratonike in den Bereich der Mytho- logie verweisen möchte.- Hier liegt der Unterschied der Be- trachtungsweise einmal klar zu Tage, [Zusatz zur 3. Auflage].

Viel besprochen wird in der Babel-Bibel-Litteratur die Frage nach einem etwaigen Zusammenhange zwischen dem Sabbath und dem 7. Tage der Babylonier. Es wird gut sein, hier zunächst eine verbesserte Übersetzung der Textstelle IV R 32 zu geben, die von dem 7. Tage bei den Babyloniem handelt. Die Be- stimmungen gelten durchaus nicht nur für den König. Beim 7. Tage heisst es, und beim 14. 21. 28. und beim 19. (das ist der 7x7. Tag von dem Beginn des vorhergehenden Monats an ge-

1) Man vergleiche die egyx)lisch-phöuizische Osiris-Adonis-Legeude. Als Osiris in die Truhe eingeschlossen und in den Fluss geworfen -war, schwamm er nach Phönizien, wo man ihn Adonis nannte. Isis suchte ihn auf, kam nach Byblos, setzte sich in ihrer Betrübnis an eine Quelle, wo sie niemand anredete, als die Mägde des königlichen Hauses, durch welche sie bei der Königin Aufnahme fand und zur Wärterin ihres Sohnes bestellt wurde.

2) S. Winckler, Geschichte Israels II, 227 und dann Jensen, Keil- inschr. Bibliothek VI, 438: I^T^axovLXt] „veramtlich eine ursprüngliche Istar-Astarte, wie schon ihr Name nahelegt".

30 Der Sabbath in Babel und in der Bibel.

rechnet) wiederholen sich die Bestimmungen (mit Ausnahme des eckig eingeklammerten) ;!

VIT. Tag. [nubattum. Marduk und Sarpanitum (geweiht). Günstiger Tag]. Böser Tag. Der Hirte (König) der grossen Völker Fleisch, das auf Kohle gelegt ist, Speise, die mit Feuer in Berührung gekommen ist, soll er nicht essen,

seinen Leibrock soll er nicht wechseln, reine Gewänder soll er nicht anziehen,

Libation soll er nicht ausgiessen, den Wagen soll der König nicht besteigen!

die Priesterin soll keine Entscheidung fällen, am Orte der Heimlichkeit

soll der Magier nicht orakeln,

der Arzt soll seine Hand nicht an den Kranken legen, irgend ein Anliegen zu verrichten ist der Tag nicht ge- eignet. [Bei Morgenanbruch 2 soll der König sein Opfer bringen, Libation ausgiessen und seine Händeerhebung wird vor der Gottheit angenehm sein].

Dieser 7. Tag ist ein „böser Tag", auch gleich dem 3. und 16. ein nubattum. Dass nubattum Ruhetag heisst, ist an anderer Stelle zu beweisen. Andre Tage heissen „Geschäftstag" u. s. w. Es ist ein böser Tag, aber (das scheint der Text sagen zu woUen) er kann durch Beobachtung ritueller Vorschriften zum Segenstag werden. Wenn Delitzsch, Babel und Bibel I S. 29 sagt, dass wir „die in der Sabbath- bez. Sonntags- ruhe beschlossene Segensfülle im letzten Grunde dem alten Kultur- volk vom Euphrat und Tigris verdanken", so geht das doch wohl

1) Das folgende ist in der 3. Auflage wesentlich beriebtigt; vgl. jetzt auch Delitzsch, Babel und Bibel I, S. 61 ff.

2) Wörtlich „bei Nacht", an anderer Stelle „am Morgen"; es kann also nur die Zeit gemeint sein, wo Tag und Nacht sich scheiden. Damit haben wir zugleich ein inschriftliches Zeugnis für den babylonischen Tages- be?inn.

Der „Panbabylonismus". 31

zu weit. Aber Zusammenhänge sind da. R. Kittel 1. c S. 33 sagt: „Entscheidend ist, dass es sich hier um ,Unglückstage' handelt wo heisst in Israel der Sabbath so?" Nun die späteren Juden wenigstens kannten diese Anschauung, sie kannten sogar den Zusammenhang mit den Planeten! Im Talmud wird erzählt, Moses habe seinen Landsleuten beim Pharao in Egypten einen Ruhetag ausgemacht. „Und welchen Tag würdest du hierzu am geeignetsten halten?", fragte der König. „Den dem Planeten Saturn geweihten siebenten; Arbeiten an diesem Tage ver- richtet, pflegen ohnehin nicht zu gedeihen"!!^

II. Der „Panbabylonisnms" und seine Widersacher.

„Der Panbabylonismus legt seine starke Faust auf das alte Testament". Ja, die Behauptung geht vielleicht noch weiter. Die altorientalische Weltanschauung hat in gewisser Be- ziehung die ganze Welt beeinflusst. Wenn wir die Ein- wände widerlegen, so ist die Sache noch nicht als richtig er- wiesen. Aber wir werden dann erneute Diskussion fordern dürfen.

Um das von Ed. Stucken und H. Winckler neu entdeckte mythologische System, das einst schon Männer wie Volney, Dupuis und Nork in ihrer Weise durchzuführen versuchten,

1) Man beachte auch, dass der Satam im Talmudischen der „Sabbath- stern" heisst, und man lese das Zeug:nis des Tacitus, Histor. 5, 4 für die gleiche Sache. Natürlich entspiicht das abergläubischer Volksanschauung, wie ja bei uns der Freitag, der höchste Segenstag, dem Volksaberglauben zugleich als Unglückstag gilt, an dem man z. B. nicht reisen soll. Die Talmud- fabel, die m. W. bisher für die Sabbathfrage noch nicht herangezogen war, beweist zunächst natürlich nui-, dass man in nachexilischer Zeit den Sabbath als ünglückstag kannte. Aber der Gegensinn von Glück und Unglück, Segen und Fluch („ich habe ihm das Bad gesegnet") ist uralt, und bedarf im einzelnen Falle nicht des schriftlichen Beweises [Zusatz zur 3. Auflage^

32 Gegner des „Panbabylonisiuus".

kritisieren zu können, muss man eingehende Kenntnisse der baby- lonischen Mythologie und Astrologie erworben haben. Und es muss beklagt werden, dass solche Kenntnisse einigen der auf den Kampf- platz getretenen Kritiker fehlen. Das gilt auch von dem Verfasser der neuesten Streitschrift, die Eduard König gegen zwei Schriften Hugo Wincklers gerichtet hat, in denen die alttestamentliche Frage mit deutlicher Absichtlichkeit garnicht berührt wird. AVir hatten gerade diese Schriften mit Genugthuung begrüsst, weil sie geeignet waren, die Debatte über Babel von der Bibel abzu- lenken und damit einem Gebiete zu entziehen, auf dem wegen der V^erschiedenheit der Standpunkte eine objektive Besprechung nur sehr schwer zu erreichen ist. Die Schrift Ed. Königs ist eine litterarische Merkwürdigkeit schon durch die Form, in der sie sich dem Leser darbietet: Briefwechsel zwischen zwei Freunden.^ Auffällig ist, dass zwar die Titel der bekämpften Schriften- genannt werden, nicht aber ihr Verfasser, während eine Reihe anderer als Gegenzeugen benannter Forscher namentlich auf- geführt wird.

Ich vermisse hier manche notwendigen Vorkenntnisse auf mythologischem und auch auf astronomischem Gebiete. Es heisst S. 21, dort, wo E. eine Anerkennung für die babylonische Kultur aussprechen will:

„Wer sollte es nicht erstaunlich finden, dass die Babylonier von ihren Beobachtungspunkten wahrscheinlich von den schon bei Herodot I, 181 beschriebenen Terrassentempeln aus den Saturn gesehen haben, der hier in unseren Gegenden für das blosse Auge nicht sichtbar ist."

1) Der Titel lautet: Babyloniens Kultur und die Weltgeschichte, Ver- lag von Edwin Runge in Gr. Lichterfelde-Berlin. Die Form ist wohl nur fingiert (E = Eduard; K == König?). Wir schliessen das quellenkritisch aus der Einheit des Stils, aus der die Briefform plötzlich verlassenden Stelle S. 22 und aus dem Vergleich von den „Funken, die der Morgenröte gleich herüberglänzen" S. 16 im Briefe von E., der mit dem „Bibel und Babel" , S. 13 gewählten Vergleich zusammenstimmt.

2) Es handelt sich um die Schrift H. Wincklers: Die babylonische Kultur in ihren Beziehungen zur unsrigeu, Leipzig, J. C. Hinrichs, und dann auch um das 2/3. Heft im 111. Band „Der alte Orient": Himmels- und Weltenbild der Babylonier,

Die babylonischen Tempeltürme. 33

Zunächst die Bemerkung: Herodot erwähnt nur einen Tem- pelturni. Und warum: schon Herodot? Inzwischen sind greif- bare Zeugen erschienen, man hat einige ausgegraben; einer davon zeigt noch die Farbenspuren der Planetenstufen. ^ Aber vor allem: dass sie den Saturn gesehen haben, soll wunderbar sein? Dieser glänzende Planet soll „hier in unsern Gegenden", also in Bonn am Rhein, nicht sichtbar sein?

Es sei gestattet, den Ausführungen noch ein Stück weiter zu folgen. Die Besprechung giebt Gelegenheit, in einigen Punkten die Weisheit der babylonisch -assyrischen astronomischen Auf- zeichnungen aufzuweisen, die übrigens von Astronomen wie Phi- lologen längst reichlich ausgebeutet worden sind. S. 3 sagt König:

„Sie haben die Zeit, während welcher die Sonne scheinbar durch die Ekliptik läuft, ungefähr richtig (sie!) als 360 Tage erkannt fS. 10: auf 360 Tage geschätzt; S. 21 noch einmal: auf 360 Tage berechnet)."

Dann wären die babylonischen Sterngucker freilich keine

1) Im Jahre 1854 wurden die Ruinen des Nebo-Thurmes von Borsippa unter Leitung Sir H. Rawlinsons untersucht, und dabei wurde die Bau- urkunde Nebukadnezars in vierfacher Abschrift gefunden. Noch heute ragen die Trümmer ca. 48 m hoch über die Ebene empor. Nach Rawlinsons Messungen erhob sich der Thurm in 7 Etagen und jede der Stufen war ziem- lich 8 Meter hoch, die Breite der untersten Stufe betrug 82 Meter. Der Unterbau lässt sich nach seinen Massen leider ebensowenig wiedererkennen wie die sehr zerfallenen drei obersten Aufsätze. Die in den Ruinen wiederer- kannten Planetenfarben der sieben Stufen sind folgende von oben nach unten : silbern (Mond), dunkelblau (Merkur), weissgelb (Venus), golden (Sonne), rosen- rot (Mars), braunrot (Jupiter), schwarz (Saturn). Näheres siehe in meiner Monographie über Nebo in Roschers Lexikon der Mythologie III, wo Sp. 53 f. auch die Trümmer des Thurmes abgebildet sind. Die Geschichte vom Thurm- bau zu Babel hat solchen Stufenthurm im Sinne. An den „himmelhochragen- den Thurm" erinnert die Hyperbel der Könige (z. B. Tiglatpileser VII, 102), die ihre Tempelthürme „bis zum Himmel" bauen wollten. Eine keil- inschriftliche Erzählung, die der biblischen entspricht, giebt es nicht. Der Text, in dem Smith, Chaldäische Genesis S. 122 ff. eine „Urkunde vom biblischen Thurmbau" sah (ein Beispiel für das S. 37 bemerkte), berichtet im poetischer Form von einer Tyrannenbefreiung in Babylonien. Jeremias, Im Kampfe. 8

34 Himmelsbeobachtung und Kalenderweisheit der Babylonier.

Gelehrten gewesen, wenn sie das so fehlerhaft und ungefähr ge- schätzt hätten. Und den Fehler müssten sie doch nach wenig Jahren gemerkt haben. Nein, sie wussten von uraltersher, dass das Jahr 365 '/4 Tag hat, und es war eben die Aufgabe der Kalender- wissenschaft, die Differenz auszugleichen und es giebt ver- schiedene Systeme der Ausgleichung. Darin aber liegt die be- wundernswerte Geistesthat, dass sie die Differenz und wie sie die Differenz in grössern Cyklen, Äonen ausgeglichen haben.

„Sie verstanden es auch, wenigstens in den sechs letzten Jahrhun- derten V. Chr., die Mond- und Sonnenfinsternisse zu berechnen" (S. 4).

Aber das verstanden sie von Anfang an. Denn die Finster- nisse, insbesondere die neunzehnjährigen Cyklen der Sonnenfinster- nisse, ergaben sich bei den fortgehenden Beobachtungen.

„Die Babylonier beobachteten ferner die vier Phasen des Venus - gestirnes, stellten dieses daher zu Mond und Sonne als gleichberechtigt."

Dass sie die Venusphasen beobachteten, lässt sich inschriftlich nicht belegen, aber allerdings aus dem eigenartigen Kult der Istar- Venus mit ihren verschiedenartigen Erscheinungsformen schliessen. Verwunderlich wäre es nicht, da sie höchstwahrscheinlich auch die vier Jupitermonde kannten, von denen ja auch heute für scharfe Augen einige sichtbar sein sollen ^ (11 R 56, vgl. V R 22 nennt zwischen den 4 Götterboten und 4 Götterflüssen die vier Hunde des Jupiter).

Wiederholt wird in Königs Broschüre der Tierkreis in die Betrachtung gezogen. Einmal wird die Ausdauer und Stetigkeit der Beobachtung bewundert, die das Zurückweichen des Äquinoktialpunktes feststellt. ^ Das beruht nicht auf be-

1) Ed. Glaser, der berühmte Arabienforscher, schreibt mir hierzu : „Im Orient ist nicht blos die Luft durchsichtiger, sondern auch die Augen der Menschen sind schärfer als bei uns. Ich habe Beduinen gekannt, die bei stockfinsterer Nacht noch auf hundert Meter Entfernung einen Menschen nicht nur sahen, sondern auch mit voller Sicherheit erkannten. Man kann hundert gegen eins wetten, dass jeder nonnale Beduine Arabiens sogar den Saturnring und die Jupitermonde sieht." [Zusatz zur 3. Auflage].

2) S. 4. „Die Babylonier kannten sodann auch schon die sogenannte

Die Zwölfzahl in Babylonien. 35

sonderen Beobachtungen, sondern ergab sich von selbst aus den Feststellungen, die von uraltersher (das grosse astrologische Werk, das wir haben, stammt aus hohem Alter), gemacht wurden. Das Bewunderungswürdige liegt in dem Geheimnis: Wer hat das Himmelssystem erdacht, das wir bereits fertig vorfinden, zur Zeit als die altorientalische Welt in unseren Gesichtskreis tritt? S. 4 heisst es: „Der Gebrauch der Zahl 12 wurde durch die Beobach- tung der Zeichen des Tierkreises begünstigt."

Die Tierkreiszeichen sind uralte Phantasiebilder, die Zahl und Anordnung (Schütze und Skorpion sind z. B. oft vereint) wechseln in den vielen babylonischen Abbildungen, die wir haben. Niemand weiss, wann sie erfunden wurden. Die Hervorhebung der Zahl 12 wurde allerdings durch die Festsetzung von 12 Bil- dern begünstigt, aber das Duodecimalsystem stammt nicht vom Tierkreis, höchstens ist das Umgekehrte der Fall.^

Die Vorstellung von der Sonnenbahn zeitigt später dort, wo vom Einfluss der altorientalischen Vorstellung auf unsere Zeitrech- nung die Rede ist (S. 25), schlimme Folgen; König meint, der weit- reichende Gebrauch der 1 2 sei wohl nicht überall von Babylonien her entlehnt. Wahrscheinlich habe man vielmehr auch ander- wärts bemerkt, dass die wärmere und kältere Reihe von Tagen

Präzession des Frühlingsäquinoctiums, welche richtiger Retrocession zu nennen wäre, weil dieses Frühlingsäquinoctium jedes Jahr um zwan- zig Minuten nach Osten weicht." Sie heisst Präzession, weil die Bewegung von Osten nach AVesten läuft, also wie der scheinbare Tageslauf der Sonne. Wenn in Wincklers Schrift S. 29 gesagt ist, dass ihr Lauf „rückwärts" geht, so soll das heissen: dem Jahreslauf der Sonne entgegengesetzt, der entgegengesetzt dem scheinbaren Tagesumlauf von Westen nach Osten durch den Tierkreis geht.

1) Die Babylonier kennen überhaupt neben dem Duodecimalsystem auch das Decimalsystem, das nach König S. 5 „die Kulturwelt für sich erobert hat". Den Gebrauch der Null haben sie nicht ausgebildet (aber wer sagt denn, dass sie alles erfunden haben?); Spuren sind übrigens vor- handen bei Schreibung der 600 (Neros?); über die Null s. die Ausführungen Gustav Opperts in den Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für An- thropologie 1900, 122 ff.

3*

36 Die Woche der Babylouier.

(„Sommer und Winter" Gen. 8,22) ungefähr je die Zeit von sechs Neumonden umspannen. Aber das stimmt grade für den Orient nicht! Und der Jahreszeitabschnitt ergiebt sich doch aus dem Umlauf der Sonne. Die Teihmg in Monate ist natürlich sekun- där. Dann heisst es weiter:

. . . Spuren von relativer Unabhängigkeit . . . liegen in der Ver- schiedenheit der Monatsnamen und in der mit den Mondphasen zusammen- hängenden Siebentägigkeit der Woche, während bei den Babyloniern eine fünftägige, durch das ganze Jahr hindurchrollende Woche herrschend war."

Die babylonischen Kalender sind sehr verschiedenartig und wechselten mit den Zeiten und Schulen. Die Kunst bestand darin, zu zeigen, dass alle Zahlen sich in das System fügen lassen. Die im jeweilig herrschenden Systeme hervortretenden Zahlen bekamen dann „heiligen" Charakter. Wir sind für unsere Kennt- nis nur auf Bruchstücke angewiesen. Dass bei den Babyloniern eine fünftägige Woche herrschend war, ist ein Irrtum. Die „kappadokischen Täfelchen" bezeugen, wie Winckler entdeckt hat, dass irgendwo und irgendwann eine hamuschtu, eine Fünferwoche, in Geltung war. * Eine Anzahl von Hemerologien zeigen die sebü'a , die Siebenerwoche, die aber als durchs Jahr rollende vorläufig nicht nachweisbar ist, in den vorliegenden Texten hebt sie mit jedem Monat neu an.'- Aber diese Siebentägigkeit hängt nicht „mit den Mondphasen zusammen". Umgekehrt die sieben- tägige Woche ist nachträglich dem Monde auf den Leib ge- schrieben. Gerade beim ersten Viertel, das mit dem Neu- erscheinen des Mondes beginnt, v/ürde das ja garnicht stimmen.

1) Nach V R 48 soll man, worauf Hommel mich aufmerksam macht, am 5. und 25. Tag kein Weib nehmen; das mag auch auf eine Fünfei-- woche deuten.

2) Der Ursprung der israelitischen siebentägigen Woche, die ohne Rücksicht auf Mond- und Sonnenlauf durch die Zeit läuft, bedeutet eine grosse Geistesthat. Die Geistesthat ist auch für Babylonien nachweisbar eben durch das Fortrollen der Fünferwoche; dass die Siebenerwoche aus Babylonien kam, ist zur Zeit nicht zu belegen. Zur Bedeutung des siebenten Tages s. oben S. 24 f.

Die Woche der Babylonier. 37

Übrigens gilt die 28 bloss konventionell als Mondzahl, in Wirk- lichkeit ist sie es gar nicht, sondern die 28 ist die Ausgleichung zwischen 27 und 29, den beiden Umlaufszahlen des Mondes (si- derischer und synodischer Monat).

„Übrigens hätte die siebentägige Woche als ein Reflex der Mondphasen (sie!) bei vorderasiatischen Völkern ebenso selbständig entstehen können, wie z. B. bei den Peruanern, und jedenfalls ist die siebentägige Woche zu den Griechen und Römern seit der Kaiserzeit nicht von den Baby- loniern, sondern von den Juden, oder vielmehr den Christen gekommen, und die Zuteilung der einzelnen Wochentage an die damals vorausgesetzten sieben Planeten wird von Dio Cassius auf ägyptischen Einfluss zurück- geführt" (S. 29f.).

Die Frage nach dem Ursprung der peruanischen Woche und namentlich der mexikanischen Astronomie wollen wir auf sich beruhen lassen, bis sie von einem Fachmanne und Kenner der orientalischen Astronomie untersucht worden ist. Dass die sie- bentägige Woche zu den Griechen und Römern von den Juden gekommen ist, beweist doch nichts über ihren Ursprung. Dasselbe gilt von den Namen. Sicherlich sind sie, wie vieles andere orientalische Gut, den klassischen Völkern durch Ägypten vennittelt worden. Aber Ägypten und Babylonien sind in unse- rem Sinne nicht Gegensätze. Beide Kulturen besitzen gemein- same altorientalische Weisheit. Was speziell die Namen anlangt, so haben wir in den uns zugänglichen babylonischen Bruch- stücken fünf oder sechs wechselnde Nomenklaturen. Dass unsere Monats- und Wochentagsnamen mit Babylonien zusammenhängen, kann im Prinzip und nur um dieses handelt es sich! gar keinem Zweifel unterliegen (zu den Namen s. noch unten S. 33).

,,Das Jahr im Frühling beim Neuerwachen der Natur anzufangen, war so natürlich, dass dieser Jahresanfang nicht natürlicherweise von Baby- lon hergeleitet wii'd. Auch das war naheliegend, den Monat, mit dem das Jahr wechselt, dem doppelgesichtigen Janus zu widmen (man denke an janua ,, Eingang, Thür"), und fernliegend ist es, darin einen Einfluss der Babylonier auf die Römer zu suchen" (S. 30).

Ich kann das nicht natürlich finden. Wenigstens für uns ist

38 Der Jahresanfang im Früliling und Januar.

der Frühlingsanfang, der in den Mittellauf der Sonne fällt, gar- nicht besonders bemerkbar. Der Herbstanfang war erst recht nicht naheliegend. Das Natürliche wäre gewesen mit der Sommer- oder Wintersonnenwende zu beginnen. Der Frühlingspunkt ist nur astronomisch festzustellen, und wenn man damit das Jahr be- gann, so setzte das eine hochentwickelte Beobachtung, kurz eine astronomische Wissenschaft voraus. Und wie kommt es denn, dass das Mittelalter neben dem von Rom kommenden christlichen Winterjahr den Anfang des Jahres auf Ostern setzte? Ist das von den Slaven oder Germanen gekommen? Die konnten dergleichen nicht berechnen. Aber der Orient ist die Welt der Astronomie. Im Orient kann man den Himmel beobachten, denn dort kann man am Abend nach Sonnenuntergang und am Morgen vor Sonnenaufgang die Sterne und Sternbilder sehen, bei denen die Sonne steht. Das können wir nicht am wässrigen abend- ländischen Himmel. Im Orient weiss jeder Kameeltreiber darin Be- scheid. Wenn ^vir es sehen könnten, wären Irrtümer nicht mög- lich, wie sie in der erwähnten Schrift vorliegen. Dass der doppelgesichtige Janus und damit der Januar dem Mondgotte heilig ist und dass seine Deutung vom Orient her (über Ägypten oder über Kleinasien?) beeinflusst worden ist, scheint mir zweifel- los.^ König denkt an janiia Thür. Die Bedeutung „Eingang, Thür" ist aber erst davon abgeleitet, dass Janus am Aus- und Eingang des Jahres steht; daher ist er der Gott aller Eiugangs-Thüren und Thore. Die Beschreibung des ältesten Janus bei Plinius (er redet von dem im numanischen Janus geminus aufgestellten Bild) war zweiköpfig und die Finger der Statne waren so gestellt oder ge- bogen, dass die Figur CCCLIV herauskam (später nach Einführung des Sonnenjahres durch Cäsar machte man CCCLXV draus!). Janus hat also hier deutlich Mondcharakter. Dazu stimmt auch, dass neben dem häufigen zweiköpfigen Typus auch der vierköpfige vorkommt, zuerst auf dem alten aus Falerii stammenden, später auf dem Forum transitorium aufgestellten Janus. Das bei Röscher II,

1) Die Beeinflussung mag zeitlich zusammenfallen mit der Verschiebung des Jahresanfangs von März auf Januar. [Zusatz zur 3. Auflage].

Alphabet, Monatsnamen der Hebräer. 39

Sp. 50 reproduzierte bärtige Janusbild auf dem römischen Libral- Ass zeigt deutlich, dass die beiden halbrunden Köpfe den ab- und zunehmenden Mond darstellen. Die Zusammenstellung mit Jana = Diana = Luna erscheint nach alledem durchaus nicht aben- teuerlich. ^

In ähnlichen Irrtümern und Miss Verständnissen bewegen sich die Ausführungen des E. auf S. 32 £F., die zeigen sollen, dass die Völker Vorderasiens und hauptsächlich die Hebräer relativ selbständig gegenüber der babylonischen Kultur geblieben sind. ..Sie hatten ein Alphabet von 22 Buchstaben." Ja, das hat sich in einer geschichtlich uns ziemlich dunklen, vielleicht von Babylonien relativ unabhängigen Zeit ausgebildet. Kam es aus Phönizien? Wahrscheinlich. Woher haben es die Phönizier? Das wissen wir noch nicht. Die Frage schwebt zwischen Ägypten und Babylonien. Aber was haben die „Hebräer" vorher für eine Schrift gehabt? Die Amarna- Briefe zeigen es: in Kanaan schrieb man babylonisch. Schon daraus, dass man die Sprache kannte, würde sich ergeben, dass man in Kanaan babylonisches Wissen besass. Niemand lernt lateinisch, ohne wenigstens einiges von Rom zu erfahren. Für die Unabhängigkeit von Babylonien werden dann auch die Namen der Monate ins Feld geführt. Aber der Name trifft nicht die Sache. Namen kommen und gehen, wie Völker und Staaten; die Sache, um die es sich handelt die Einteilung des Jahres und der Ausgleich des Sonnen- und Mondjahres kann nur dort entstanden sein, wo Astronomie studiert worden ist und studiert werden konnte. Dass man nichts von den babylonischen Zeitaltern (Gold, Silber, Kupfer)

1) Dass bei den Italienern und Griechen der Mond immer als Femi- ninum erscheint (vgl. jedoch den von Vorderasien herübergekommenen Mr]v = Lunns\ wiederlegt m. E. nicht die Möglichkeit des Mondcharakters bei Janus. Dass auch der Occident die Götter doppelgeschlechtig ansieht, wie der Orient (Sin-Nannar männlich = Hekate weiblich = Artemis ; Samas männlich, aber schemesch, die Sonne, weiblich) zeigt Helios in Frauen- kleidern und die bärtige Venus. [Zusatz zur 3. Auflage als Antwort auf eine briefliche Einwendung von W. H. Roscherl.

40 Die babylonischen Zeitalter.

wusste, wird daraus geschlossen, dass erst im Buche Daniel dar- auf angespielt wurde. Verfällt der Verfasser nicht in den Irrtum der von ihm bekämpften Schule, die aus dem Schweigen der Quelle über eine Sache auf Unbekanntschaft schliesst? Dass die Freunde E. und K. den Wechsel des „Systems", wie ihn die Präzession des Frühlingspunktes bedingte, nicht billigen mögen, ist nach dem Gesagten nicht verwunderlich. Das Zwillingszeitalter fiel in eine vorläufig noch prähistorische Zeit. Die zwei Jahr- tausende babylonischer Geschichte liegen im Stierzeitalter. Daraus erklärt sich, dass in der uns zugänglichen babylonischen Litteratur und in dem von Babylonien während dieser Zeit beeinflussten Kulturgebiet das auf dem Stierzeitalter beruhende System, bei dem der durch den Stier symbolisierte Marduk den Frühlingspunkt be- herrscht, die deutlichsten Wirkungen ausgeübt hat. Bei dieser Stelle finde ich einen besonderen Missgriff. Es ist von den Plej aden als dem Wintergestirn die Rede imd von den gegenüberstehenden Hyaden als dem Gestirn, das die sommerliche Hälfte der Natur symbolisiert. Der Kritiker würde nicht, wie er S.33 thut, bezweifeln, dass die Plejaden die „bösen Sieben" sind, wenn er daran dächte, dass sie das Gestirn Nergals, des Gottes der Unterwelt, sind. Nun sagt er aber ausserdem:

„Es wäre doch die reine Willkür gewesen, die Hyaden, d. h. die Regnenden^ auf die im Orient regenlose Frühlings- und Sommerzeit zu beziehen."

Aber der Name Hyaden ist doch griechisch! Kann man verlangen, dass die Babylonier griechisch gekonnt haben? An derselben Stelle wird bestritten, dass die vier Gespanne Sach. 6, die nach den vier Himmelsgegenden ausgesendet werden, mit den vier Pferden vom Neujahrsrennen^ zusammenhängen. Sie hingen vielmehr mit den vier Himmelsgegenden zusammen. Gewiss. Aber die vier Himmelsgegenden werden durch die vier

1) „Von denen übrigens auch sieben gezählt werden", wird hinzu- gefügt. Gewiss, sie werden mit den Plejaden zuweilen verwechselt.

2) Vgl. H. Winckler, babylonische Kultur S. 6; Arabisch-Semitisch- Orientalisch S. 177.

Babylonisch-assyrische Kunst. 41^

Tage, die dem Jahre angehängt werden, symbolisiert. Sie repe- tieren das Jahresbild nach dem Grundsatz: das Kleine spiegelt das Grosse wieder. SchKesslich stellen sie das Wettrennen der Planeten dar.

Auch über die babylonisch -assyrische Kunst äussert sich der Briefwechsel (S. 24 f.). Er giebt nur „Keimartiges" zu, über dem das „Höchste" nicht zu vergessen sei. Hat unsere Kunst das Höchste erreicht? Niemand wird es vom alten Orient behaupten. Aber man hat dort doch mehr geleistet, als ihr Kritiker denkt. C. P. Tiele, der weder die Originale noch die Museen studiert hat, kann man nicht als Gegenzeugen gegen einen gründ- lichen Kenner der Denkmäler ins Feld führen. Als er 1S86 in seiner Geschichte schrieb: „die assyrische Bildhauerkunst hat keinen anderen Fortschritt gegen die chaldäische aufzuweisen, als nur die vermehrte Kunstfertigkeit," kannte er noch nicht einmal die herrlichen uralten Telloh- Statuen, welche Archäologen ihren Inschriften zum Trotz als Erzeugnisse der höchsten griechi- schen Kunst in Anspruch nehmen wollten, geschweige, dass ihm die Nippur-Funde bekannt sein konnten, aus denen R. Kittel in seiner Schrift, „die babylonischen Ausgrabungen und die biblische Urgeschichte" S. 12 mit Recht gewichtige Schlüsse auf eine alte hohe Kunstepoche zieht, die dann wieder abwärts gegangen ist. Der Gang war derselbe wie in Ägypten. Bereits um 3000 beobachten wir in beiden Kulturgebieten Ansätze zu einer grossartigen Kunst. Später sank die freie schöpferische Kunst herab; an ihre Stelle trat die Stilisierung.^

1) Aber welch eine köstliche Stilisierang. Man werfe nur einen Blick in die soeben erschienene, prächtig ausgestattete Schrift von C. Bezold, Ninive und Babylon in den Monographien zur Weltgeschichte XVIII, Vel- hagen & Klasing. Übrigens hat auch die assyrische Kunst ihre originellen Meister gehabt. Der berühmte „sterbende Löwe" in Nineveh, die „Wild- eseljagd" und andere AlabasteiTeliefs würden den grössten Meistern unserer Tage zur Ehre gereichen.

42 Schlusswort.

Schlusswort.

Ich bitte, es nicht unfreundlich zu beurteilen, wenn ich für nötig hielt, einzelne Irrungen und Missverständnisse offen zur Sprache zu bringen. Ich habe mich bisher in meinen Publikatio- nen geflissentlich von aUer Polemik ferngehalten. Es ist aber jetzt an der Zeit, zu zeigen, wie schwer es der jungen Wissen- schaft gemacht ist, Boden zu gewinnen. Es ist neue Gefahr im Verzug, dass die altorientalische Wissenschaft in Misskredit gebracht wird, wie in den Tagen Alfred von Gutschmids. In dem besonderen Falle war eingehende Behandlung auch deshalb nötig, weil die kritisierten Angaben den Massstab dafür bieten sollen, wie hoch die Kultur Babyloniens einzuschätzen ist. Ein Urteil kann darüber nur der abgeben, der in jahrelangem heissen Be- mühen sich in die erstaunlich reiche babylonische Geisteswelt versenkt hat. Und wir alle werden von dem getadelten „Baby- lonikus" noch sehr, sehr viel zu lernen haben.

Der Briefwechsel behandelt das Material^ um schliesslich über die Beziehungen der babylonischen Kultur zur Weltgeschichte ein negatives Urteil zu fällen. An der Behauptung, es zeige sich jetzt, dass durch die Erforschung Babyloniens unsere Auffassung^ von der Weltgeschichte von Grund aus verändert werde, sei nicht nur das ,jetzt", sondern auch das „von Grund aus verändert" unrichtig. Wir hoffen, gezeigt zu haben, dass der Kritik nicht genügendes Material zu Grunde liegt. Und wenn nun eine er- neute Prüfung doch zu positivem Resultat führt? Wäre das nicht gerade vom „positiven" Standpunkte aus eine unabseh- bar wichtige und erfreuliche Entdeckung? Ist nicht gerade damit die noch immer dominierende „liberale" Anschauung von der geradlinigen, evolutionistischen Entwickelung und vom ewigen

1) So heisst es. S. 25 sagt König dafür ohne weiteres und der Wechsel des Ausdrucks ändert doch völlig den Sinn der bekämpften An- sicht: „Gang" der Weltgeschichte. Nein, der wird nicht durch Völker verändert. Das hat niemand behauptet.

Schlusswort. 43

Vorwärtsschreiten des Menschengeschlechts von Grund aus er- schüttert? Eduard König ist selbst der Meinung, die Entwickelung der Menschheit bewege sich von Wellenberg zu Wellenberg. Könnte er für diese bisher als unerwiesen geltende Behaup- tung, die das Grundgesetz aller modernen Weltanschauung ins Schwanken bringt, einen wichtigeren Gesinnungsgenossen finden, als in dem von ihm bekämpften „Herolde Babyloniens"?

Und, wenn es so ist, warum zögert man auf Seiten der ,.positiven Theologie", sich des neuen Gebietes zu bemächtigen? Wir kehren mit dieser Frage noch einmal zum Ausgangspunkte unsrer Erörterung zurück. Aus einer grösseren Anzahl der von kritisch-theologischer Seite gegen Delitzsch's „Babel und Bibel" gerichteten Schriften spricht die Besorgnis: die junge Wissen- schaft rüttle an dem Heiligtum der biblischen Urkunden. Es ist merkwürdig, wie sich die Situation im Laufe der Jahre geändert hat. In den ersten Jahrzehnten der Keilschriftforschung wurden die Aussagen der Denkmäler in marktschreierischer und reklame- hafter Weise für die traditionelle Bibelforschung nutzbar gemacht. In voreiliger Weise wollte man die Fundresultate zur Bestätigung biblischer Angaben ausnutzen. ^ Das Herrn wort von den ,. schreienden Steinen" wurde bis zur Ermüdung gemissbraucht. Man stellte sich, als ob jeder babylonische Backstein etwas zu schreien haben müsste zu Gunsten des Alten Testamentes. Es giebt ein pracht- voll ausgestattetes Buch, dessen Verfasser der staunenden Welt die Niederschriften Mosis und der Kinder Israel während ihres Wüstenaufenthaltes mitteilt aus den nabatäischen Inschriften. Auch in Deutschland haben sich nicht alle Forscher von der Sucht nach Sensation frei machen können, und sie haben unter praktischen Theologen, die dem wissenschaftlichen Betriebe fern stehen, immer dankbare Zuhörer gefunden. Auch Missverständ-

1) Ein Beispiel oben S. 27, Anm. 1. Einer der giündlichsten Kenner des orientalischen Alteitums kam freilich damals (I873j zu folgendem Schluss : ,.Die Entzifferung sei schon wegen' ihrer frappanten Übereinstimmung mit der Bibel nicht als eine gelungene anzusehen"!!

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nisse haben mitgespielt, bei denen der Wunsch der Vater des Gedankens war. So erinnere ich mich aus neuerer Zeit, in den Blättern gelesen zu haben: die Wand sei jetzt in Babylon bloss- gelegt, auf der Belsazar das mene mens tekel upharsin geschrieben sah; oder: ein Backstein sei gefunden, auf dem die Persönlichkeit Abrahams bezeugt sei. Ganz im Gegensatz zu solcher ba- nausischenBeurteilung dervorderasiatischen Denkmälerfunde macht sich nun neuerdings die Neigung geltend, die Keilschriftforschung in den Dienst einer destruktiven Kritik zu stellen. In einer unsrer angesehensten theologischen Zeitungen sagte ein Theologe nach Erscheinen der Delitzsch'schen Schrift: „Möchten die Ziegel Baby- loniens es erzwingen, dass die hergebrachte Anschauung vom Alten Testament, die Lehre von der Offenbarung, die Theorie von der Bibel endlich schwindet, um einer innerlicheren, leben- digeren und kurz gesagt frömmeren Auffassung Platz zu machen". Ich weiss nicht, welche von beiden Beurteilungen der biblisch- babylonischen Beziehungen verkehrter ist. Jedenfalls ist es kein Wunder, wenn bei solchem Wirrwarr das nötige Zusammen- arbeiten der alttestamentlichen und der vorderasiatischen Forscher immer von neuem gestört worden ist. Die „Bedenklichen" unter den „positiven" Theologen möchte ich bitten, folgendes zu erwägen. Sofern das Alte Testament Anspruch auf eine fides divina hat als Urkunde der göttlichen Erziehung des Menschen- geschlechts, bedarf es keiner Stütze durch Hilfswissenschaften. Hier kann Babel das Verständnis nicht fördern, aber auch die Bibel nicht gefährden trotz alles wissenschaftlichen Sprachen- gewirrs. Zehn fettgedruckte Stellen in der Lutherbibel genügen, um zu zeigen, wie erhaben der Geist des Alten Testaments über Babylon steht. Aber das Alte Testament hat auch eine mensch- liche Seite so grossartig und interessant, dass keine Litteratur der Antike mit ihr in einem Athem genannt werden darf. Vieles blieb dunkel, solange der weltgeschichtliche und kulturgeschicht- liche Rahmen verdeckt war, in welchem sich die Geschichte Israels abgespielt hat. Jetzt lichtet sich die Welt rings um Kanaan her. Wir können das Volk des Alten Testaments im Zusammenhange

Sohlusswort.

der politischen und kulturellen Kräfte betrachten, aus denen es sich entwickelt hat und die bestimmend auf seine Greschicke ein- gewirkt haben. Hier kann die Keilschriftforschung wichtige Hilfs- dienste thun für das Verständnis der Bibel. Das unvergängliche Kleinod, das Israel besitzt, wird in solcher Umgebung nur um so heller leuchten und auch die fides humana, auf die das einzig- artige Litteraturbuch Anspruch hat, wird die Feuerprobe bestehen.

Aber wie man auch urteilen mag. Jedenfalls gilt Huttens Wort heute mehr wie je: „die Wissenschaften blühen, es ist eine Lust zu leben". Und unser aller Ziel ist das Streben nach Wahr- heit. Dabei ward der alte Meister recht behalten:

,,— Wer sich selbst und andere kennt,

Wird auch dies erkennen:

Orient und Occident

Sind nicht mehr zu trennen."

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