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JAHRBÜCHER
für
wissenschaftliche Botanik
Dem Herausgeber
WILHELM PFEFFER
gewidmet
von seinen dankbaren Schülern
zur Feier des 50. Doktorjubiläums am 10. Februar 1915
und zu der des 70. Greburtstages am 9. März 1915
Sechsundfiinfzigster Band
Mit 10 Tafeln und 59 Textfiguren
Leipzig
Verlag von Gebrüder Borntraeger
1915
/^. Üi//l^
■^hütrG.Brokesch Leipzig.
Pfeffer-Festschrift
JAHRBÜCHER
für
wissenschaftliche Botanik
Dem Herausgeber
WILHELM PFEFFER
gewidmet
von seinen dankbaren Schülern
zur Feier des 50. Doktorjubiliiums am 10. Februar 1915
und zu der des 70. Creburtstages am 9. März 1915
Sechsundfünfzigster Band
Mit 10 Tafeln und 59 Textfiguren
NEW YOKH
•SOTANiCA*.
t^AKDe«,
Leipzig
V
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ag von Gebrüder
1915
B 0 r n t
rae
ger
KT
Druck von E. Buchbinder (H. Duske), Nenruppin.
Der Gedanke an Ihren 70. Geburtstag am 9. März 1915 hatte
in Ihren Schülern den lebhaften Wunsch erweckt, diesen Tag aus-
zuwählen, um Ihnen das Gefühl warmer Dankbarkeit auszudrücken,
das alle bewegt, die das Glück gehabt haben, unter Ihrer Leitung
zu arbeiten. Wir bewundern in Ihnen nicht nur den Bahnbrecher
und erfolgreichsten Forscher auf dem Gebiete exakter Pflanzeu-
physiologie, wir lieben und verehren auch iu Ihnen den großen
Lehrer, der in unermüdlicher Hingabe in uns die Keime wissen-
schaftlicher Forschungen gefördert und entfaltet hat. Schüler, die
heute in allen Weltteilen verbreitet sind, hatten die Absicht, jeder
nach seinen Kräften eine Arbeit zu liefern, um Ihnen dadurch
ihren warmen Dank zu bezeugen für alles, was Sie für die Wissen-
schaft und für Ihre Schüler geleistet haben.
Mitten in den Vorbereitungen brach der schwere Krieg aus,
den Deutsehland um seine Existenz und seine ganze Kultur durch-
zukämpfen hat. Manche von den Jüngeren wurden zu den Fahnen
gerufen. Andere wurden durch die Einwirkung des ganzen Kriegs-
zustandes auf das gesamte Leben verhindert, ihre Arbeit fertig zu
stellen. Arbeiten von Schülern, die den uns jetzt feindlichen
Völkern angehören, fielen von selbst fort. Es wurden Stimmen
laut, den Plan einer Festschrift überhaupt fallen zu lassen.
Aber wir anderen, seien es Deutsche, Österreicher, seien es
Angehörige neutraler Länder: wie Nordamerika, Schweden, Däne-
mark, Holland, hielten daran fest, auch trotz des Krieges, trotz
der vielen damit verbundenen Hemmungen und Schwierigkeiten
unseru Plan durchzuführen. So überreichen wir Ihnen diesen
Festband, wenn auch in bescheidenem Umfange, als ein kleines
Zeichen treuer Dankbarkeit und liebender Verehrung für Sie,
unsern Meister und Lehrer.
Inhalt
Seite
Hans Fitting", Untersuchungen über die Aufnahme von Salzen in die lebende
Zelle. Mit 3 Kurven 1
Einleitung 1
Abschnitt I. Allgemeine Methodik 4
A. Herstellung der Lösungen 4
Konzentrationsdifferenzen zwischen den einzelnen Lösungen , . 5
B. Das Objekt 8
Exomose aus den Zellen 10
Abschnitt II. Die Geschwindigkeit der Aufnahme von Kalisalpeter . . 13
Abschnitt III. Abnahme der Permeabilität für "Wasser unter dem Einflüsse
des Salpeters 30
Abschnitt IV. Ursachen der Permeabilitätsänderungen 39
Abschnitt V. Die Permeabilitätsverhältnisse der B/ioeo- Zellen für andere
Salze 47
Kaliumsalze 47
a) Kaliumchlorid 47
b) Kaliumbromid 48
c) Kaliumchlorat 49
d) Kaliumsulfat 49
Natriunisalze 49
a.) Xatriumnitrat 49
b; Chlornatrium 49
Lithiumsalze 49
a) Lithiumnitrat 49
b) Lithiumchlorid 50
Magnesiumsalze 50
a) Magnesiumsulfat, b) Magnesiumchlorid, c) Magnesiumnitrat . 50
Strontiumsalze 50
a) Strontiumnitrat, h) Strontiumchlorid 50
Kalziumsalze 50
a) Kalziumchlorid, h) Kalziumnitrat 50
Bariumsalze 51
a) Bariumnitrat, b) Bariumchlorid 51
Abschnitt VI. Diskussion der Tatsachen 51
Abschnitt VII. Zusammenfassung der Ergebnisse 60
Literatur - 63
yjJJ Inhalt.
Seite
David M. Mottier. Beobachtungen über einige Farnprothallien mit Bezug auf
eingebettete Antheridien und Apogamie. Mit 3 Textfiguren 65
Das Material und die Methoden . 66
Beobachtungen und Ergebnisse in Beziehung auf eingebettete Antheridien . 69
Über Apogamie 70
Literatur 83
Friedrieh Czapek. Ausblicke auf biologische Adsorptionserscheinungen ... 84
Abschnitt I 84
Abschnitt II 91
Abschnitt III 94
Abschnitt IV 98
Abschnitt V 102
Abschnitt VI 106
Abschnitt VII 109
Rudolf Lieske. Beiträge zur Kenntnis der Ernährungsphysiologie extrem atmo-
sphärischer Epiphyten 112
Asche- Analysen 118
Literatur 122
Otto Gertz. Über die Schutzmittel einiger Pflanzen gegen schmarotzende Cuscuta 123
Literatur 153
Adolf Sperlich. Gesetzmäßigkeiten im kompensierenden Verhalten parallel und
gegensinnig wirkender Licht- und Massenimpulse. Mit 7 Textfiguren . . . 155
Methode 157
Über die Eeaktionsweise von Avena auf gesonderte Massen- und Licht-
impulse von Intensität und Dauer, wie sie in der Folge gegenein-
ander in Aktion treten sollten 168
Die Versuche mit antagonistischen Licht- und Massenimpulsen . . . . 174
I. Auf der Suche nach kompensierenden Reizmengen 174
IL Über Kompensationen länger andauernder Massenimpulse gleicher
Intensität und über das Verhalten der Keimlinge bei Licht-
mengen oberhalb und unterhalb der Kompensationspunkte . . . 179
III. Der Kompensationspunkt ist ein sehr empfindliches Maß für Licht-
mengen 183
IV. Hat auf die Kompensation die zeitliche Verteilung der Lichtzufuhr
einen Einfluß oder kommt nur die Lichtmenge in Betracht? . . 185
V. Vergleich zwischen dem spezifischen tropistischen Effekte einiger
Lichtmengen und deren Effekte bei antagonistischer Massenwirkung 186
VI. Die Gesetzmäßigkeit in der Kompensation länger andauernder
Massenimpulse 189
VII. Wie kommt die Kompensation zustande? — Weitere Frage-
stellungen 193
Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse 194
F. C. T. Faber. Physiologische Fragmente aus einem tropischen Urwald . . 197
• Zusammenfassung 219
Inhalt. IX
Seite
F. M. Andrews. Die Wirkung der Zentrifugalkraft auf Pflanzen. Mit Doppel-
Tafel I und 2 Textfiguren 221
Apparat 223
Experimenteller Teil 226
Closterium inonilifennn 229
Nukleolus 237
Urtica dioica 239
Torenia asiatica 242
Tradescantia virginica 243
Zusammenfassung 251
Figuren-Erklärung 253
Richard Härder. Beiträge zur Kenntnis des Gaswechsels der Meeresalgen . . 254
Methodik 257
Allgemeine Atmungsergebnisse 260
Durchschnittswerte der Atmung der untersuchten ^leeresalgen (Tab. 1) 261
Beziehung zwischen Oberfläche und Atmung bei flächenförmigen Algen
(Tab. 2) 264
Vergleich der von Kniep und vom Verfasser gefundenen Atmungs-
größen (Tab. 4j 270
Spezielle Beobachtungen 270
Wirkung der Temperatur auf die Atmung der Algen (Tab. b) . . . 271
Wirkung des Wundreizes auf die Atmung (Tab. 6) 272
Einfluß verschiedener Algenteile und verschiedenen Alters auf die At-
mung (Tab. 7i 274
Wirkung der Fruktitikation auf die Atmung (Tab. 8j 275
Atmung von Standortmodifikationen von Fucus platycarpus (Tab. 9; . 276
Atmung von Enteromorplia nach verschieden starker Assimilation (Tab. 10) 277
Der Atmungskoeffizient -^ 278
,, ..,> . . Assimilation „„„
Der Koeffizient — r- 279
Atmung
Wirkung der Temperatur auf die Assimilation (Tab. 11) 280
Der Koeffizient — rr bei verschiedener Temperatur '^Tab. 12) . -282
Atmung
Anhang I. Protokolle der allgemeinen Atmungswerte 282
Anhang II. Protokolle der Versuche über die AVirkung der Temperatur
auf Assimilation und Atmung 295
Anhang III. Protokolle der Versuche über die Wirkung der Besonnung
auf die Atmung 297
Anhang IV. Tabelle der Titerwerte "/loo Na^SjOg 298
Literatur 298
A. H. Reg'inald Buller. Die Erzeugung und Befreiung der Sporen bei Coprinus
sterquilinus. Mit Tafel II u. III und 2 Textfiguren 299
I. Vorbemerkungen 299
II. Untersuchungen an Coprinus sterquilinus 301
III. rntersuchungen über den Bau der Fruclitkörper bei Agaricineen . . 316
IV. Zusammenfassung der Hauptresultate 324
Figuren-Erklärung 325
George Peirce. Ein multipler Klinostat, Mit 2 Textfiguren 330
X Inhalt.
Seite
H. 0. Jliel. Untersuchungen über die Auflösung der Tapetenzellen in den Pollen-
säcken der Angiospermen. Mit Tafel IV und V 337
UntersuchuDgsmethoden 340
Anthurium cristallinum Linden 341
Galtonia candicans (Bak.) Dcne 342
Hyacinthus arnethystinus L 342
Iris squalens L 343
ülmus montana AVith 344
Arabis alpina L 344
Linum austnacum L 345
Geranium 346
Aesculus hippocastanum L 347
Lavatera trimestris L 347
Tilia ulmifoiia Scop. und platyphyllos Scop 349
Passiflora sp 349
Gaura Lindheimeri Engelni 349
AnthHscus silvestris (L.) Hoffni 350
Syringa vulgaris L 350
Spigelia splendens Wendl 351
Polemonium caeruleum L 351
Cobaea scandens Cav 352
Thunbergia alata Boj 353
Galium o-uciata L 353
Lonicera caerulea L 354
Sambucus ebulus L 355
Vibunium lantana L 355
Valeriana officinalis L 355
Knautia silvatiea fL.) Dub 356
Cucurbita pepo L 357
Campanula rotundifolia L 358
Acicarpha tnbuloides Juss 359
Doronicuni grandiflonim Lani 359
Zusammenfassung der Resultate 360
Literatur 362
Figuren-Erklärung 363
Douglas Hoiig-liton Campbell. Die Verbreitung gewisser Lebermoose der ma-
laiischen Region 365
Jungermanniales 369
Hermann Ritter von Guttenberg-. Anatomisch-physiologische Studien an den
Blüten der Orchideengattungen Catasetum Rieh, und Cycnoches Lindl. Mit
Tafel VI und VII und 6 Textfiguren 374
A. Anatomischer Teil 375
1. Catasetum 375
2. Cycnoches 388
B. Experimenteller Teil 396
1. Die Reizbarkeit 396
a) Catasetum 396
b) Cycnoches 399
Inhalt. XI
Seite
2. Der Schleudermeclianismus 403
3. Der Trennung.svorgang 409
C. Zusammenfassung 413
Figuren-Erklärung 415
M. Koernicke. Über die Wirkung verschieden starker Röntgenstrahlen auf
Keimung und Wachstum bei den höheren Pflanzen. Mit 4 Textfiguren . . 416
P. Boysen- Jensen. Über synthetische Vorgänge im pflanzlichen Organismus.
IL Vorkommen, Bedeutung und Bildung des Rohrzuckers bei der Kei-
mung von Pisiim sativutn 431
I. Einleitung 431
II. Methodik 432
III. Über die in den Erbsenkotyledonen vorkommenden Zuckerarten . . 434
IV. Vorkommen und Bedeutung des Rohrzuckers bei der Keimung von
Plsum. sativum 435
V. Schluß 444
E. B. Copeland. Über das Saftsteigen. Mit 1 Textfigur 447
Haus Knicp. Über den (iasaustausch der Wasserpflanzen. Ein Beitrag zur
Kritik der Blasenzälilmethode 4C0
1. Der Sauerstoffgehalt der Gasblasen bei verschiedener Stärke des Blasen-
stroms 462
2. Der Einfluß der Wasserbewegung auf die Blasenabgabe 481
3. Die üntei'brechung des Blasenstroms durch zeitweilige Verdunkelung
und der Wiederbeginn desselben 490
4. Eine neue Methode zur Feststellung der (minimalen) Lichtintensität, die
zum Eintritt der Assimilation nötig ist 504
Literatur 510
Frederick C. Newoombe. Das Verhalten der Windepflanzen in der Dunkelheit 511
Einleitung 511
Versuche 513
Verteilung des Wachstums im verdunkelten und im beleuchteten Stamm . 520
Zusammenfassung 526
Johannes Buder. Zur Kenntnis des Thiospirilkim jenense und seiner Reaktionen
auf Lichtreize. Mit 10 Textfiguren 529
I. Einleitung 529
IL Historisches über den Organismus 531
III. Morphologisches 533
IV. Vorkommen in der Natur und Kultur im Laboratorium . . . . 537
V. Allgemeines über Bewegungsweise und Reizbeantwortung der Thio-
spirillen 540
VI. Verhalten der Geißel bei der Bewegung der Chromatien und Thio-
spirillen 544
a) Technik der Beobachtung 544
b) Chromatium 548
c) Thiospirillum 553
XII Inhalt.
Seite
VII. Näheres über die Beantwortung von Lichtreizen 558
a) Abhängigkeit des Eeaktionsausfalles bei Veränderung des Eeiz-
niittels 559
b) Ansammlung in Lichtfalle 561
c) Polare ITnterschiede der Reizbeantwortung 568
VIII. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse 579
Angeführte Literatur 583
C. Correns. Über eine nach den Mendel sehen Gesetzen vererbte Blattkrankheit
(Sordago) der Mirabilis Jalapa. Mit Tafel VIII und 11 Texttiguren . . . 585
Anatomisches 588
Vererbung 597
Versuchsreihe I 598
Versuchsreihe II 599
Versuchsreihe III 601
Versuchsreihe IV 602
Höhe und Gewicht der sordidae 605
Ergebnisse 609
Figuren-Erklärung 615
0. Renner. Theoretisches und Experimentelles zur Kohäsionstheorie der Wasser-
bewegung. Mit Tafel IX und 4 Textfiguren 617
I. Theoretisches zur Energetik der Wasserversorgung 617
1. Osmotischer Druck, hydrostatischer Druck, Dampfdruck . . . . 619
2. Wasserverschiebung im Parenchym 623
3. Gefäßwasser in Berührung mit Parenchym 626
4. Die bei der Wasserversorgung wirksamen Energiepotentiale . . . 629
5. Der Energieumsatz bei Transpiration und Wasserhebung .... 634
6. Osmotischer Druck und Transpiration 639
IL Messung der Kohäsion des Wassers mit Hilfe des Ringes am Fai*n-
sporangium 647
1. Die Semipermeabilität der Annulusmembranen 650
2. Die Dampfspannung im Annulus vor dem Springen in Luft . . 655
3. Die Spannungen bei Lebermooselateren 660
4. Die Kohäsion des Wassers 661
Zusammenfassung einiger Ergebnisse 663
1. Theoretisches 663
2. Experimentelles 664
Literatur 665
Figuren-Erklärung 667
HngO Miehe. Beiträge zum Windeproblem. Mit Tafel X und 5 Textflguren . 668
I. Einleitung 668
II. Beobachtungen an Akebia quinata 669
1. Das Winden an horizontaler Stütze 669
2. Einfluß des Lichtes 670
3. Der Verlauf des horizontalen Windens im einzelnen 671
4. Die Torsionen 674
5. Werden auch Stützen umwunden, die unter den Horizont geneigt
sind? 676
Inhalt. XTTT
Seite
6. Sind die Triebe von Akebia durch Berührung reizbar? .... 677
7. "Winden an aufrechter Stütze 677
8. Klinostatenversuche 680
III. Beobachtungen an anderen Windepflanzen 682
IV. Kurze Zusammenfassung und Erörterung 685
E. Pantanelli. Über lonenaufnahme 689
I. Einleitung 689
II. Unabhängigkeit der Aufnahme von Kation und Anion 693
a) Versuche mit SülJwasserpflanzen 695
b) Versuche mit Keimpflanzen 696
c) Versuche mit Hefezellen 693
d) Versuche mit Meeresalgen 700
e) Übersicht 702
III. Änderung der chemischen Reaktion der Außenlösung infolge der
lonentrennung 706
IV. Gegenseitige Beeinflussungen der Ionen bei der Aufnahme . . . 710
V. Die lonenauf nähme in balancierten und unbalancierten Lösungen . 712
VI. Einfluß der Konzentration 714
VII. Verlauf der lonenauf nähme 717
VIII. Über die Mechanik der Salzaufnahme 722
IX. Schlußfolgerungen 729
Literatur 730
Georg Klebs. Über Wachstum und Ruhe tropischer Baumarten. Mit 4 Textfiguren 734
Tertninalia catappa (Combretaceae) 738
Theobroma cacao (Sterculiaceae) 752
Albizzia stipulata iMimosaceae) 761
Sterculia macrophylla (Sterculiaceae) 765
Pithecolobium Saman (Mimosaceaej 771
AUgemeineti 783
Literatur 792
Verzeichnis der Druckschriften von W. Pfeffer (1865 bis März 1915) 793
Verzeichnis der Schüler W. Pfeffers und ihre in den Botanischen
Instituten zu Tübingen und Leipzig unter seiner Leitung aus-
geführten oder auf seine Anregung begonnenen Arbeiten . . 805
Terzeichnis der Tafeln
Tafel I. Die Wirkung der Zentrifugalkraft auf Pflanzen. F. M. Andrews.
Tafel II und III. Die Erzeugung uud Befreiung der Sporen bei Goprinns sterquilinus.
A. H. Keginald Buller.
Tafel IV und V. Untersuchungen über die Auflösung der Tapetenzellen in den Pollen-
säcken der Angiospermen. H. 0. .Juel.
Tafel VI und VII. Anatomisch -physiologische Studien an den Blüten der Orchideen-
gattungen Catasetum Eich, und Cycnoches Lindl. Hermann Ritter von
Guttenberg.
Tafel VIII. Über eine nach den Mendel sehen Gesetzen vererbte Blattkrankheit (Sor-
dago; der Mirabilis Jalapa. C. Correns.
Tafel IX. Theoretisches und Experimentelles zur Kohäsionstheorie der Wasserbewegung.
0. Eenner.
Tafel X. Beiträge zum Windeproblem. Hugo Mi ehe.
Alphabetisch nach den Namen der Verfasser geordnetes
Inhaltsverzeichnis
Seite
F. M. Andrews. Die Wirkung der Zentrifugalkraft auf Pflanzen. Mit Doppel-
Tafel I und 2 Textfiguren 221
P. Boyscn - Jensen. Über synthetische Vorgänge im pflanzlichen Organismus.
II. Vorkommen, Bedeutung und Bildung des Rohrzuckers bei ber Keimung
von Pisurn sativum •i31
Johannes Bllder. Zur Kenntnis des Thiospirillumjenense und seiner Reaktionen
auf Lichtreize. Mit 10 Texttiguren 529
A. H. Reg'iuald BuUer. Die Erzeugung und Befreiung der Sporen bei Coprirms
sterquilintis. Mit Tafel II u. III und 2 Textfiguren 299
Douarlas Housjhton Campbell. Die Verbreitung gewisser Lebermoose der ma-
laiischen Keirion 365
E. B. Copeland. Über das Saftsteigen. Mit 1 Textfigur 447
C. Correns. Über eine nach den Mendel sehen tiesetzen vererbte Blattkrankheit
(Sordagoj der Mirabilis Jalapa. Mit Tafel VIII und 11 Textfiguren ... 585
Friedrich Czapek. Ausblicke auf biologische Adsorptionserscheinungen ... 84
F. C. V. Faber. Physiologische Fragmente aus einem tropischen Urwald . . 197
Hans Fitting. Untersuchungen über die Aufnahme von Salzen in die lebende
Zelle. Mit 3 Kurven 1
Otto (iertz. Über die Schutzmittel einiger Pflanzen gegen schmarotzende Cuscuta 123
Hermann Ritter von Guttenberg. Anatomisch-physiologische Studien an den
Blüten der Orchideengattungen Catasehim Eich, und Cycnoches Lindl. Mit
Tafel VI und VII und 6 Textfiguren 374
Richard Härder. Beiträge zur Kenntnis des Gaswechsels der Meeresalgen . . 254
H. 0. Jnel. Untersuchungen über die Auflösung der Tapetenzellen in den Pollen-
säcken der Angiospermen. Mit Tafel IV und V 337
Georg Klebs. Über Wachstum und Euhe tropischer Baumarten. Mit 4 Textfiguren
Hans Kniep. Über den Gasaustausch der Wasserpflanzen. Ein Beitrag zur
Kritik der Blasenzählmethode 460
M. Koernicke. Über die Wirkung verschieden starker Röntgenstrahlen auf
Keimung und Wachstum bei den höheren Pflanzen. Mit 4 Textfiguren . . 416
Rudolf Lieske. Beiträge zur Kenntnis der Ernährungsphysiologie extrem atmo-
sphärischer Epiphyten 112
XVI Verfasser -Verzeichnis.
Seite
Hug-o Mielie. Beiträge zum "Windeproblem. Mit Tafel X und 5 Textfiguren . 668
David M. Mottier. Beobachtungen über einige Farnprothallien mit Bezug auf
eingebettete Antheridien und Apogamie. Mit 3 Textflguren 65
Frederick C. Newcombe. Das Verhalten der Windepflanzen in der Dunkelheit 511
E. Pantanelli. Über lonenaufnahme 689
George Peirce. Ein multipler Klinostat. Mit 2 Textfiguren 330
0. Renner. Theoretisches und Experimentelles zur Kohäsionstheorie der Wasser-
bewegung. Mit Tafel IX und 4 Textflguren 617
Adolf Sperlich. Gesetzmäßigkeiten im kompensierenden Verhalten parallel und
gegensinnig wirkender Licht- und Massenimpulse. Mit 7 Textfiguren , . . 155
Untersuchungen
über die Aufnahme von Salzen in die lebende Zelle.
Von
Hans Fitting.
Mit 3 Kurven.
Einleitung.
Unter welchen Bedingungen Salze in die lebende Zelle ein-
dringen, unter welchen vorübergehend oder dauernd ihre Aufnahme
verweigert Tvird und wovon die Geschwindigkeit der Aufnahme ab-
hängt, all das ist bekanntlich noch nicht geklärt. Mancherlei Beob-
achtungen der letzten Jahre, z. B. über den Einfluß des Lichtes
auf die Permeabilität des Protoplasten (Lepeschkin, 1909a, b und
Tröndle, 1910) scheinen ja jetzt ziemlich allgemein als wertvolle
Stützen für Pfeffers sehr ansprechende Yermutung zu gelten, der
lebende Organismus dürfte bei seinen wechselnden Bedürfnissen
vielfach mit Modifikationen der diosmotischen Eigenschaften seiner
Plasmahäute arbeiten. Wenn auch in den letzten Jahren Mit-
teilungen über solche Permeabilitätsänderungen sich bedeutend
gegen früher gemehrt haben, ja fast Mode geworden sind, so ist
doch die Zahl der wirklich einwandfreien Beobachtungen noch
immer ganz verschwindend klein: die meisten Untersuchungen näm-
lich, von denen einige zunächst in sehr exakter und bestechender
Weise Permeabilitätsänderungen zu beweisen scheinen, vermögen
teils wegen methodischer Fehler, teils wegen der Vieldeutigkeit
der Ergebnisse einer eingehenden Kritik nicht standzuhalten. Das
gilt ebenso sehr von den oben erwähnten Arbeiten Lepeschkins
und Tröndle s über Permeabilitätsänderungen durch Belichtung
(vgl. schon Benner, 1912), wie von den Untersuchungen
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI. 1
2 Hans Fitting,
Lundegärdhs (1911) vor allem über solche für Wasser durch
den Einfluß von Salzen, wie weiter bekanntlich von den Arbeiten
Nathansohns (1903, 1904) und Meurers (1909) über solche für
Salze unter dem Einflüsse eben dieser Salze (vgl. z.B. Ruhland,
1909 a, b), um von anderen ganz abzusehen. Die interessanten quan-
titativen Versuche von Oster ho ut (1912, 1913) endlich, wobei
Permeabilitätsänderungen aus Veränderungen der elektrischen Leit-
fähigkeit des Gewebes erschlossen w^erden, scheinen mir ebenfalls
zu vieldeutig, als daß sich allein darauf ein befriedigender Beweis
gründen ließe; sie beschäftigen sich mit der Permeabilität für ein
Salz bei An- oder Abwesenheit anderer Salze, um daraus eine
Einsicht in das Wesen des sogenannten Antagonismus von Salzen
zu gewinnen.
Unter diesen Umständen ist es bei der fundamentalen Wichtig-
keit dieser Fragen des Zellebens nicht unangebracht, ja geradezu
notwendig, nach anderen Methoden zu suchen, die in einwand-
freierer und eindeutigerer Weise Aufschlüsse darüber zu geben
vermögen und die es zugleich aussichtsreicher erscheinen lassen,
tiefer in alle die zahllosen Probleme experimentell einzudringen,
die hier, z. B. auch über Stoffaufnahmeregulationen, auftauchen.
Vor allem schien es mir auf Grund von mancherlei theoretischen
Überlegungen zur Vertiefung unserer Einsicht zunächst am wich-
tigsten und förderlichsten, mit einer brauchbaren Methode die
Geschwindigkeit des Eindringens von Salzen und anderen Stoffen
in lebende Protoplasten während aufeinander folgender kür-
zerer Zeitabschnitte zu bestimmen. Bestand doch dabei, schien
mir, am ehesten Aussicht, Aufschluß über die paradoxe und noch
keineswegs geklärte Tatsache zu gewinnen, daß Salze, die nach-
weisbar von den Protoplasteu aufgenommen werden, doch dauernde
Plasmolj^se hervorrufen! Immer hatte ich schon vermutet, daß sich
dafür die älteste aller Methoden, womit man die Permeabilität ge-
löster Stoffe hat nachweisen können, die plasmolytische, vornehm-
lich werde brauchbar gestalten lassen. Diese Annahme hat nach
mehrjähriger Arbeit und nach sehr vielen, in der Mangelhaftigkeit
der bisher gebräuclilichen Methodik begründeten Mißerfolgen und
Irrgängen, die mich indes nicht entmutigen konnten, eine, wie ich
glaube, volle Bestätigung gefunden. Es kam eben Alles darauf an,
die Versuchstechnik genügend zu vervollkommnen, geeignete Ver-
suchsobjekte zu finden und in eingehendster Weise zu studieren.
Ein solches lernte ich schließlich vor allem in den Blättern von
Untersuchungen über die Aufnahme von Salzen in die lebende Zelle. 3
Ehoeo discolor, also in einem der klassischen Objekte für Plasraolyse-
versuche, kennen. Daß deren Oberhautzellen für viele Salze durch-
lässig sind, ist ja schon oftmals beobachtet worden; ich brauche
nur an die Arbeiten von de Yries (1888), Janse (1888) und
Rysselberg-he (1898) zu erinnern. Freilich widersprechen sich
die darüber vorliegenden Angaben. Das beruht aber, nach meinen
Untersuchungen, wie weiterliin zu zeigen sein wird, nur auf inter-
essanten Verschiedenheiten, die in der Permeabilität der Proto-
plasten bestehen.
Als Maßstab für die Salzaufnahme diente mir, namentlich wenn
bei den Versuchen Konzentrationen unterhalb der plasmolytischen
Grenzkonzentrationen verwendet wurden, die Veränderungen dieser
Grenzkonzentrationen für das gleiche Salz oder meist die Ge-
schwindigkeit des Rückganges der Plasmolj'se, den man bisher fast
ausschließlich zur qualitativen Ermittelung des Eindringens von
Stoffen benutzt hatte, in aufeinander folgenden Zeitabschnitten.
Der Grundgedanke der Methode ist hierbei der: werden Zellen
mit gleichen osmotischen Drucken nebeneinander in Lösungen
steigender Konzentrationen übertragen, worin sie also versclüeden
stark plasmolysiert werden, nnd geht danach die Plasmolyse zurück,
so ist der Rückgang bis zu einem, nach Beginn des Versuches in
schwächeren Konzentrationen beobachteten Grade der Plasmolyse
ein Anzeichen dafür, daß die Konzentrationsdifferenz zwischen den
beiden Lösungen während dieses Zeitabschnittes in die Zellen ein-
gedrungen ist. Die Bestimmung der ., Permeabilitätskoeffizienten"
in der Weise, wie es Lepeschkin und Tröudle getan haben, hat
sich als ganz unbrauchbar, ja geradezu als irreführend er\Wesen,
wie ich in einer späteren Arbeit zeigen werde. Vorbedingung zum
Gelingen der Versuche ist natürlich, daß man Zellen von gleichem
osmotischem Drucke in größeren Mengen zur Verfügung hat. Das
ist nun bei Rhoeo discolor in wünschenswertem Maße der Fall.
Die Geschwindigkeiten der Salzaufnalime sind aber, zum mindesten
bei meinen Versuchsobjekten, von so geringer Größenordnung, daß
die plasmolytische Methode nur nach mancherlei Verfeinerungen für
ihre Bestimmung verwendet werden konnte. So liefern meine
Untersuchungen zugleich eine eingehende Kritik der plasmolytischen
Methode in ihrer bisherigen Anwendung.
4 Hans Fitting,
Abschnitt I. Allgemeine Methodik.
A. Herstellung der Lösungen.
Die Lösungen habe ich durch Verdünnung von Stammlösungen,
die ein Mol oder Bruchteile eines solchen der Substanz im Liter
Flüssigkeit enthielten, mittels zweier Büretten in der üblichen
Weise wie Normallösungen, also „volumnormal" hergestellt. Alle
Substanzen wurden so rein wie möglich verwendet, z. B. die Salze
„pro analysi Kahlbaum" aus frischen Originalpackungen. Zur Auf-
nahme der 20 ccm Lösungen dienten kleine, runde Kristallisier-
schalen von 4,2 cm lichtem Durchmesser und 3 cm Höhe, mit 40 ccm
Inhalt und mit 2 cm breit übergreifenden Glasdeckeln.
Genauigkeit der Messungen. Die Büretten (nach Schell-
bach mit blauem Emailstreifen) lassen eine Genauigkeit der Ab-
lesung zu bis auf V4 Teilstrich = V40 ccm in maximo. Ist n der
Grammolekülgehalt der Ausgangslösung, so wird dadurch, wenn
man sie verdünnt, eine Ungenauigkeit bis zu + n/800 GM bei
sorgfältigem Arbeiten bedingt; also bei einer Ausgangslösung von
0,25 GM = + 0,0003125 GM.
Fehler durch Kontraktion der Lösungen. Wie sich später
zeigen wird, mußte mit sehr geringen Konzentrationsdifferenzen
gearbeitet werden. Um die bei manchen Versuchen eventuell stören-
den Fehler, die durch die Veränderung der Kontraktion bei der
Verdünnung entstehen, möglichst zu vermeiden, habe ich die Stamm-
lösungen bereits so verdünnt wie möglich gewählt, so z. B. bei
Kalisalpeter 0,25 GM. Nach Kohlrausch und Hallwachs (1894)
kann man die Kontraktion des Wassers bei verschiedener Konzen-
tration der Lösungen durch folgende Formel berechnen:
m • (* —
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pl
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0
V3
V3-74
pl
Der anfänglichen, wenn auch nicht sehr großen Permeabilität steht
die fast völlige Undurchlässigkeit am Ende des Versuches gegenüber.
Eine genauere Untersuchung hat dann die Abnahme der Per-
meabilität außer allen Zweifel gestellt, wie die folgenden Versuche
wohl zeigen, die eine Auswahl aus vielen sind.
Ich habe versucht, die Permeabilitätsverhältnisse auch in
Kurven auszudrücken.
Die Kurven sind so entstanden, daß ich für jedes Plättchen
die Salzaufnahme geschätzt habe, und zwar nach den Graden der
anfänglichen Plasmolyse in den aufeinander folgenden Lösungen.
Berücksichtigt wurden bei der Schätzung nur die Plättchen, die
bei den aufeinander folgenden Ablesungen eine Abnahme der Plas-
molyse erkennen ließen. Es sind, wie die Tabellen lehren, in auf-
einander folgenden Stunden immer neue Plättcheu, bei denen dies der
FaUist. Da nach anderen, noch mitzuteilenden Versuchen mit Sicher-
heit anzunehmen ist, daß sich diese im weiteren Verlaufe eines Ver-
suches berücksichtigten Plättchen in der ersten Zeit nach Versuchs-
beginn ganz ebenso ^vie die zuerst für die Berechnung verwendeten
verhalten, so habe ich die Kurvenstücke, die für jene gelten, einfach
an die entsprechenden Stellen der Kurvenstücke angeschlossen, die
für die anfangs verfolgten Plättchen berechnet sind. Ich vnW an
einem Schema das Verfahren noch verständlicher zu machen suchen.
Angenommen, es wären folgende Beobachtungen gemacht worden:
Nr. der Plättchen
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
Nach
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0,102.3
0,105
0,1075
0,11
0,1125
0,115
0,1175
0,12
0,1225
0,125 GM
15 Min.
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V.
20 Hans Fitting,
Zunächst wird die Menge des eingedrungenen Salzes berechnet
für die Plättchen 2 — 5, die anfangs allein den Rückgang der Plas-
molyse erkennen lassen. Bei der Annahme, die fast stets berech-
tigt ist, daß der osmotische Druck in benachbarten Plättchen an-
nähernd gleich ist, kann man aus der ersten Ablesung, 15 Minuten
nach Versuchsbeginn, ableiten, daß der Zunahme der Plasmolyse
von gv zu V2, von V2 zu ^U und von ^U zu 00 jedesmal eine
Konzentrationszunahme der Lösungen um 0,0025 GM Salpeter
entspricht, und kann man ferner mit hinreichender Genauigkeit
schließen, daß einem darauf folgenden Rückgänge der Plasmolyse
von V2 auf gv, von ^U auf V2, von » auf ^U die Aufnahme einer
entsprechenden Menge Salz gleichkommt. Nach der ersten Stunde
des Versuches sind diese 2 — 4 Plättchen, da sie keine weitere
Veränderung zeigen, erledigt. Inzwischen haben andere Plättchen,
die zuvor in allen Zellen Plasmolyse zeigten, angefangen, ihre
Plasmolyse auszugleichen : bereits eine halbe Stunde nach Versuchs-
beginn Plättchen 7, eine Stunde nach Versuchsbegiun 8 usw. Ich
verfahre nun so, daß ich die gewiß berechtigte Annahme mache,
in allen diesen Plättchen wäre anfangs die Aufnahme des Salzes
nach den Kurven erfolgt, die ich für die ersten Plättchen errechnet
habe, ohne freilich diese hypothetischen Kurvenstücke zu zeichnen.
Ich lasse also die Kurvenstücke für die Plättchen 7, 8 usw. da
beginnen und an die Kurvenstücke für die Plättchen 2 — 6 an-
schließen, wo ihr Anfang hinzuzeichnen wäre, wenn man auch jene
hypothetischen Anfänge hinzufügen würde. So kann ich also aus
den Kurvenstücken, die für verschiedene Plättchen gelten, eine
einheitliche Kurve konstruieren, zusammensetzen, die der Ausdruck
ist für die Permeabilität der Epidermiszellen in den aufeinander-
folgenden Zeiteinheiten. Bedenken, die man gegen dies Verfahren
geltend machen könnte, werden später noch zerstreut werden. Es
ist wohl unnötig, zu sagen, daß diesem Verfahren bloß eine be-
schränkte Genauigkeit zukommen kann. Immerhin ist sie groß
genug, um es als brauchbar bezeichnen zu können.
Die Zahlen am Ende und am Anfange eines jeden Kurven-
stückes entsprechen in den Versuchsprotokollen den Zahlen der
Plättchen, nach denen das betreffende Kurvenstück gezeichnet
ist. Um die einzelnen Kurvenstücke besser hervortreten zu
lassen, habe ich solche Strecken, die sich eigentlich decken
würden, nebeneinander gezeichnet. Die erste Viertelstunde des
Aufenthaltes in den Lösungen habe ich bei den Kurven nicht
Untersuchungen über die Aufnahme von Salzen in die lebende Zelle.
21
berücksichtigt, weil dafür die Beobachtung direkte Anhaltspunkte
nicht geben kann.
Versuch 52. Hamburg, 25. Juni 1912.
Die Plättchen hatten vor dem Versuche 18 Stunden in Wasser gelegen.
Nr. der Plättchen 1 _ _ .
.,^^,1 2 3 4 5 6 7 8
m der Flg. 1 J
0,11 0,1125 0,115 0,1175 0,12 0,1225 0,125 0,1275 0,13 0,1325 0,135 0,1375
Nach
GM KNO3
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Fig. 1.
Hier ist die Abnahme der Durchlässigkeit ganz auffallend.
Würde das Salz während des ganzen Versuches so schnell ein-
dringen, wde in den beiden ersten Viertelstunden oder während der
ersten ganzen Stunde des Versuches (= etwa 0,0075 GM), so müßte
der Rückgang nach weiteren 6 Stunden etwa betragen 0,0075 • 6 =
0,045 GM, sich also erstrecken bis etwa zu der Lösung
0,1175 -j- 0,45 = 0,1625 GM, wovon aber gar keine Rede ist.
22
Hans Fitting,
Selbst wenn man die Aufnahme Wcälirend der ersten Stunde sehr
vorsichtig unter Außerachtlassung der Viertelstunde vor der ersten
Ablesung bloß zu 0,005 GM einschätzen will, so müßte bei gleich
bleibender Permeabilität der Rückgang der Plasmolyse sich nach
6 weiteren Stunden erstrecken bis zu der Konzentration 0,1475 GM,
was aber auch nicht der Fall ist.
Versuch 53. Bonn, 6. Oktober 1913.
Die Plättchen hatten vor dem Versuche 1 Stunde in Wasser gelegen.
Nr. der Plättchen j 12 3 4 5 6 7 8
in der Fig. 2 J
0,1 0,102.5 0,105 0,1075 0,11 0,1125 0,115 0,1175 0,12 0,1225 0,125
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0,0025
8
2 3
Fig. 2.
5 Sldn.
Während zwischen der ersten und zweiten Ablesung ein Rück-
gang der Plasmolyse um 0,0025 GM, in der ersten Stunde des
Versuches um 0,0075 GM stattfindet, in dieser ersten Stunde also
mindestens ebenso viel Salz eingedrungen ist, drang schließlich
höchstens noch 0,0025 GM Salz pro Stunde in die Protoplasten ein.
Untersuchungen über die Aufnahme von Salzen in die lebende Zelle.
23
Versuch 54. Bonn, 7. Oktober 1913.
Die Plättchen hatten vor dem Versuche lY^ Stunde in Wasser gelegen.
Nach
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0
00
Auch liier meder hat die Permeabilität abgenommen. Anfangs
sind bloß 30 Minuten nötig, um die Plasmol3'se von V2 — ^U auf v
sinken zu lassen, zuletzt aber für den Rückgang von Vs — V2 auf v
und für den von ^/i auf Vs je 2 Stunden.
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10 Sldn.
Fig. 3.
Ich habe mich darauf beschränkt, drei solche Kurven liier
mitzuteilen. Man sieht daraus, daß die Durchlässigkeit anfangs
schnell, dann immer langsamer sinkt! Die dritte Kurve (Fig. 3)
unterscheidet sich von den beiden ersten dadurch, daß die Zellen
dieses Blattes von vornherein eine verhältnismäßig geringe Per-
meabilität für das Salz erkennen ließen. So ist der Abfall in
24
Hans Fitting,
der Durchlässigkeit weit geringer, als in den beiden anderen.
Das Protokoll, das der Kurve zugrunde liegt, habe ich hier
nicht besonders mitgeteilt; der Versuch fand am 10. Oktober
1913 statt.
Die bei den bisher mitgeteilten Versuchen verwendete Methode
hat den Nachteil, daß die Abnahme der Permeabilität an vielen
voneinander mehr oder weniger entfernt liegenden Plättchen be-
urteilt werden muß. Die Durchlässigkeit könnte ja von vornherein
an verschiedenen Teilen der Mittelrippe verschieden gewesen sein,
wie ich es im Winter tatsächlich gelegentlich beobachtet habe!
Deshalb habe ich diese Ergebnisse ergänzt durch Versuche, wobei
die Permeabilitätsabnahme an den gleichen Plättchen ermittelt
wurde, und zwar so, daß ich die Plättchen eine Anzahl Stunden
nach Versuchsbeginn in höhere Konzentrationen übertragen habe,
worin von neuem eine Plasmolyse eintrat.
Versuch 55.
Bonn, 8. Oktober 1913.
Die Plättchen hatten vor dem Versuche 45 Minuten in Wasser gelegen.
0,11 0,1125 0,115 0,1175 0,12 0,1225 0,125 0,1275 0,13 0,1325 0,135
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Untersuchungen über die Aufnahme von Salzen in die lebende Zelle. 25
Versuch 56. Bonn, 10. Oktober 1913.
Die Plättchen hatten vor dem Versuche 1^/^ Stunde in Wasser verweilt.
0,1025 0,105 0,1075 0,11 0,1125 0,115 0,1175 0,12 0,1225 0,125 0,1275
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Versuch 57. Bonn, 7. Oktober 1913.
Die Plättchen hatten vor dem Versuche 1 Stunde im Wasser gelegen.
0,105 0,1075 0,11 0,1125 0,115 0,1175 0,12 0,125 0,13 0,135 0,14
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26 Hans Fitting.
Versuch 58. Bonn, 9. Oktober 1913.
Die Plättchen hatten vor Versuchsheginn 2 Stunden in Wasser gelegen.
0,1175 0,12 0,1225 0,125 0,1275 0,13 0,1325 0,135 0,1375
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8 Stunden nach Versuchsbeginn wurden
die Plättchen übertragen
aus
0,105
0,1075
0,11
0,1125
0,115
0,1175
0,12
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0,135
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Auch in diesen Versuchen also tritt die Abnahme der Durch-
lässigkeit klar zutage! Eine völlige Unterdrückung der Permea-
bilität habe ich dabei freilich nicht beobachtet. Sie läßt sich aber
erreichen, wenn man nur die Plättchen genügend lange Zeit, 12 bis
20 Stunden, in den Salzlösungen läßt. Jedenfalls wird durch so
lange Einwirkung des Salzes die Durchlässigkeit so weit herab-
gesetzt, daß man bei darauf vorgenommener Plasmolysierung im
Verlaufe von 2 Stunden gar keine Veränderung im plasmolytischen
Zustande mehr wahrnehmen kann. Dieser Zustand aufgehobener
Durchlässigkeit wird bei den Blättern verschieden schnell erreicht.
Bei dieser Gelegenheit sei darauf hingewiesen, daß die Zellen in
Kalisalpeter erst nach 36-^-48 Stunden auffällig geschädigt werden,
vorausgesetzt, daß man sie wenig mit der Pinzette anfaßt und sie
auch sonst so wenig wie möglich stört.
Übrigens zeigen die vorhin mitgeteilten und ihnen ähnliche
Versuche zugleich, daß die Permeabilität in den Plättchen, die
bei der ersten Übertragung in die Kalisalpeteiiösungen steigender
Konzentration nicht plasmolysiert worden waren, nicht anders
wie in den plasmolysierten verändert worden ist, woraus zu ent-
nehmen ist, daß die Plasmolyse und die damit verbundene
Untersuchungen über die Aufnahme von Salzen in die lebende Zelle. 27
Veränderung der Plasmahäute (etwa durch Zerreißung von
Plasmafäden) einen deutlichen Einfluß auf die Permeabili-
tätsveränderung nicht hat.
Sehr eigenartig und auffällig ist bei den Plättchen, die nach-
träglich in höhere Kalisalpeterlösungen übertragen wurden, daß
der Vorgang der Plasmolyse sich zeitlich völlig gegen
früher geändert hat: Während bei der ersten Übertragung in
die Lösungen die Plasmolyse schon nach V4 Stunde ihr Maximum
erreicht zu haben pflegt, um dann sofort wieder abzunehmen, wird
sie bei der zweiten Übertragung in die plasmolysierenden Lösungen
auch noch in der zweiten, ja selbst in der dritten Viertelstunde
bedeutend verstärkt. Diese Tatsache ist so wichtig, daß ich sie
noch weiter durch Versuche belegen will.
Versuch 59. Bonn, 20. November 1913.
Plättchen 4 Stunden in HjO.
0,1 (1,1(125 O,!^.'! 0,1075 0.11 0,1125 0,115 0,1175 0,12 0,1225
GM KNOg
Nach 15 Min. 0 0 0 v gv '/, — 7* ^ Pl P^ pl
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Nach 8 Stunden aus diesen Lösungen in
0,1275 0,13 0,1325 0,135 0,1375 0.14 0,1425 0,145 0,1475 0,15
GM KNO3
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„ 30 „ 0 V2 V2 \2-V, X X X pl pl pl
Versuch 60. Bonn, 18. November 1913.
Plättchen 15 Minuten in H^O.
0,09 0,0925 0,095 0,0975 o,l o,lo25 0,105 0,1075 0,11
GM KNOs
weit. 15 „ 0 0 V V2~Vt ^ pl pl P^ P^
„ 30 „ 0 0 0 Vs— Va ^.4 Pl pl pl Pl
Nach 10 stunden aus diesen Lösungen in
0,1075 0,11 0,1125 0.115 0,1175 0,12 0,1225 0,125 0,1275
GM KNOg
nach 15 Min. 0 0 0 gv gv Vs S'^ V2 ^
weit. 15.0 0 0 V V^ V* ^L ^ Pl
„ 30 „ 0 0 0 V V2 Vi Vi ^ pl
28 Hans Pitting,
Versuch 61. Bonn, 19. November 1913.
Plättchen 15 Minuten in HjO.
0,1075 0,11 0,1125 0,115 0,1175 0,12 0,1225 GM KNO3
Nach 15 Min. 0 gv V2— V4 ^ Pl P^ P^
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Nach 8 Stunden aus diesen Lösungen in
0,1275 0,13 0,1325 0,135 0,1375 0,14 0,1425 GM KNO3
nach 15 Min. 0 0 0 0 0 gv V2
weit. 15 „ 0 0 0 gv Vs V2 V*
„ 30 „ 0 0 0 gv \ls V2 °o
Versuch 62. Bonn, 17. November 1913.
Plättchen 25 Minuten in H2O.
0,1 0,1025 0,105 0,1075 0,11 0,1125 0,115 0,1175 GM KNO3
Nach 15 Min. 0 0 Vs V2 Pl P^ P^ P^
weit. 15 „ 0 0 Vs V2 pl pl pl pl
„ 30 „ 0 0 0 V bis Vs ^ pl Pl Pl
Nach 10 Stunden aus diesen Lösungen in
0,125 0,1275 0,13 0,1325 0,135 0,1375 0,14 GM KNO3
nach 15 Min. 0 gv Vs V2 ^U ^ ^
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„ 30 „ 0 V2 ^ pl pl pl pl
Die Zunahme der Plasmolyse entspricht in fast allen Versuchen,
die ich gemacht habe, 0,005 — 0,0075, einige Male sogar bis 0,01 GM
Kahsalpeter! Es ist nicht ganz einfach, sich darüber klar zu
werden, worauf diese Verlangsamung der Plasmolyse beruht. Von
vornherein wird man geneigt sein, an eine Veränderung der Eigen-
schaften des lebenden Plasma zu denken. Zwei Möglichkeiten
muß man dann aber in Betracht ziehen:
1. Die Permeabilität hat bloß für das Salz abgenommen.
Dann würde die Zunahme der Plasmolyse in diesen Versuchen
darauf beruhen, daß die Zeitspanne einer Viertelstunde zu kurz
ist, um den Wasserausstrom aus den Zellen bis zum Gleichgewichts-
zustande mit der Außenlösung zu ermöglichen: am Ende der ersten
Viertelstunde würde die Außenlösung dem Zellsaft immer noch um
0,005 — 0,01 GM nach meinen Zahlen überlegen sein. Wäre das
aber so, so würde der schnelle Rückgang der Plasmolyse in den
Untersuchungen über die Aufnahme von Salzen in die lebende Zelle. 29
Versuchen, wo die Schnitte zum ersten Male mit der Salzlösung
in Berührung kommen, nur mit der Annahme verständlich werden,
daß im Laufe der ersten Versuchs Viertelstunde, also vor der ersten
Ablesung-, viel mehr Salz einströmt als in der zweiten und in den
folgenden. Aus dem Rückgange der Plasmolyse hatte ich für die
zweite Versuchsviertelstunde die Menge des eingedrungenen Salzes
auf etwa 0,0025 GM geschätzt. Nimmt man für die erste ebenso
viel an, so würde nach ihrem Ablaufe die Außenlösung noch immer
um etwa 0,005—0,01 minus 0,0025 = 0,0025—0,0075 GM kon-
zentrierter sein als der Zellsaft, müßte also die Plasmolyse dann
nicht, wie es doch tatsächlich der Fall ist, ab-, sondern zunehmen.
Soll die Plasmolyse abnehmen, so müßte in der ersten Viertelstunde
nach Beginn des Versuches etwa 0,005 — 0,01 GM Salz eingedrungen
sein. Dann würde die Abnahme der Permeabilität in der aller-
ersten Zeit der Salzeinwirkung ganz besonders groß, ja geradezu
rapid sein. Das aber wäre von allerhöchstem Interesse. Der
Verlauf der Kurven, die für die Abhängigkeit der Permeabilitäts-
abnahme von der Einwirkung des Salzes gelten, macht die Annahme
zwar zweifellos möglich, daß das Salz in der ersten Viertelstunde
viel schneller als in der zweiten eindringt: haben wir doch schon
gesehen, daß die Durchlässigkeit allmählich abnimmt; die Unter-
schiede in den Geschwindigkeiten des Durchganges z\nschen der
zweiten, dritten und vierten Versuchsviertelstunde sind aber immer
so klein, daß eine anfänglich sehr große Verlangsamung recht
wenig wahrscheinlich ist!
2. Man muß also auch daran denken, daß unter dem Einflüsse
des Salpeters die Permeabilität der Plasmahaut nicht bloß für das
Salz, sondern auch für Wasser abgenommen haben könnte.
Beide Möglichkeiten bedurften weiterer genauerer Unter-
suchung. Die erstere läßt sich leider kaum, selbst bei sehr viel
Umsicht prüfen mit Hilfe der isotonischen Koeffizienten, die damit
zum ersten Male in den Gesichtskreis meiner Untersuchungen
rücken. Ich will mich deshalb hier auf eine Untersuchung der
zweiten Annahme beschränken, indem ich die Behandlung der
Frage nach den isotonischen Koeffizienten mir für eine besondere
Arbeit vorbehalte.
30 Hans Fitting,
Abschnitt III. Abnahme der Permeabilität für Wasser unter dem
Einflüsse des Salpeter.
Ob eine solche Abnahme vorkommt, habe ich auf folgende
Weise festzustellen gesucht.
In einer ersten Versuchsreihe habe ich die Plättchen einer
Längsreihe abwechselnd a) sofort in die Salpeterlösungen (um
0,005 GM) steigender Konzentrationen gebracht, um verscliiedene
Grade der Plasmolyse zu erhalten und zugleich die Grenzkonzen-
tration zu ermitteln, b) nach einem Aufenthalte von 8 — ^12 Stunden
in einer Salpeterlösung von 0,075 GM in die Salpeterlösungen
steigender Konzentration übertragen, zum gleichen Zwecke, wie
bei a. War das plasmolytische Gleichgewicht hergestellt, so wurden
die Schnitte mit plasmolysierten Zellen bei a 15 — 30 Mnuten nach
Beginn des Versuchs, im Falle b etwas später in Wasser über-
geführt, um die Zeiten festzustellen, die zum Rückgang der Plas-
molyse nötig sind. Die Unterschiede in diesen Zeiten waren
zwischen a und b so gering, daß sich aus diesen Versuchen nichts
entnehmen ließ. Bei a dauerte der Rückgang etwa 3 — 5 Minuten,
bei b etwa 4 — 8 Minuten. Offenbar war bei dieser Versuchs-
anordnung das Konzentrationsgefälle zu groß, um Unterschiede,
falls vorhanden, deutlich werden zu lassen.
Deshalb habe ich die Versuche nach diesem Mißerfolge in der
Weise abgeändert, daß die Plättchen zum Ausgleiche der Plasmolyse
nicht in Wasser, sondern in eine hypotonische Salpeterlösung über-
tragen wurden, die nicht allzu sehr von der Grenzkonzentration
verschieden war. Nötig ist es natürlich, daß die zur Deplasmolyse
verwendeten Salpeterlösungen bei Gruppe a und b annähernd
gleichen Abstand von den Grenzkonzentrationen haben.
Die mitgeteilten Protokolle, eine Auswahl aus vielen gleichen
Versuchen, bedürfen einer sorgfältigen Betrachtung.
Versuch 63. Ohne längeren Aufenthalt in KNO3 ging die
Plasmolyse in einer Salpeterlösung, die um 0,01 GM schwächer als
die Grenzlösung ist, zurück in 4—6 Minuten, wenn die Konzen-
trationsdifferenz zwischen den plasmolysierenden Lösungen und der
zur Deplasmolyse verwendeten 0,025—0,06 GM betrug. In dem
Plättchen, das in einer der Grenzkonzentration näheren Lösung
plasmolysiert worden war (0,095), dauerte der Rückgang wie in
den späteren Versuchen ein wenig länger (6—7 Minuten).
(Fortsetzung des Textes siehe S. 36.)
Untersuchungen über die Aufnahme von Salzen in die lebende Zelle.
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36 Hans Fitting,
Bei den Schnitten, die in der Salpeterlösung 14 Stunden ver-
weilt hatten, hatte sich die Grenzkonzentration von 0,085 GM auf
etwa mindestens 0,125 GM verschoben. Also sind während dieser
Zeit eingedrungen etwa 0,04 GM KNO3. Demnach würde eine
Salpeterlösung, die um diesen Wert konzentrierter genommen wird
als die vorher zur Deplasmolyse verwendete, etwa die Lösung
0,115 GM, jetzt für die Aufhebung der Plasuiolyse zu wählen sein,
um ähnhche Konzentrationsgefälle wie vorher zu bekommen. Ich
habe aber mit Absicht das Konzentrationsgefälle noch etwas größer
genommen, in einem Falle die Lösung 0,1 und dreimal die Lösung
0,105. An und für sich geht die Deplasmol3^se um so schneller
vor sich, je größer das Gefälle ist. Gleichwohl war der Rückgang
der Plasmolyse (10 — 15 Minuten) auffallend gegenüber den Kontroll-
schnitten verlangsamt! Dabei betrug der Unterschied zwischen
den Lösungen, aus denen die Plättchen in 0,105 GM übertragen
wurden, mit der Grenzkonzentration 0,03 — 0,045 GM, also so viel
wie bei den Vergleichs versuchen.
Versuch 64. Ohne Vorbehandlung mit Salpeter betrug die
Grenzkonzentration etwa 0,11 GM. Die Plasmolyse ging in Sal-
peterlösungen, die um 0,01—0,015 GM schwächer sind, zurück in 5,
allerhöchstens 10 Minuten, nur einmal erst nach 15 — 20 Minuten.
Bei längerem Aufenthalt der Plättchen in 0,075 GM KNO3 hat
sich die Grenzkonzentration verschoben von 0,11 GM zu etwa
0,13 GM, also ist in die Protoplasten eingedrungen 0,02 GM KNO3.
Obwohl ich die zur Deplasmolyse benutzte Lösung nicht entsprechend
stärker genommen, sondern die gleichen Lösungen, ja noch ein
wenig schwächere verwendet habe als vorher, ging die Plasmolyse
doch ganz auffallend langsamer zurück als in den Schnitten, die
nicht in Salpeter gelegen hatten! Jetzt sind zur Deplasmolyse
25 — 30, ja noch mehr Mnuten nötig!
Versuch 65. Die Grenzkonzentration betrug bei den nicht
vorbehandelten Plättchen etwa 0,085 GM. In 0,075 GM ging die
Plasmolyse zurück in 7 — 12 Minuten.
Nach Aufenthalt der Schnitte in Salpeter hat sich die Grenz-
konzentration auf etwa 0,12 GM, also um etwa 0,035 GM ver-
schoben. Der zuerst für die Deplasmolyse verwendeten Lösung
würde jetzt also eine solche von etwa 0,11 GM entsprechen. Ob-
wohl ich Lösungen benutzt habe, die schwächer waren, ging jetzt
die Plasmolyse bedeutend langsamer zurück als zuvor. Jetzt waren
dazu 20—30 und noch mehr Minuten nötig!
Untersuchungen über die Aufnahme von Salzen in die lebende Zelle. 37
Versuch 66. Die Gesamtkonzentration lag bei den Plättchen,
die sofort phismolysiert wurden, ungefähr bei 0,085 GM. Die Plas-
molyse ging in jener Salpeterlösung, die um 0,01 GM schwächer
war als die Grenzkonzentration, zurück nach 5 — 10 Minuten, mit
Ausnahme der Plättchen, die in einer der Grenzkonzentration sehr
nahen Lösung plasmolysiert worden waren. Nach einem 13 stündigen
Aufenthalte in 0,075 GM hatte sich die Grenzkonzentration auf
0,11 GM, also um 0,025 GM verschoben. Der zuerst für die De-
plasmolyse verwendeten Lösung würde also jetzt eine solche von
etwa 0,1 GM entsprechen. Obwohl ich noch weniger konzentrierte
Lösungen wählte, ging die Plasmolyse doch viel langsamer zurück.
Versuch 67. Auch hier ist die Verlangsamung der Deplasmolyse
nach dem Aufenthalte der Schnitte in der Salpeterlösung auffällig.
Aus diesen Versuchen kann man jedenfalls soviel ersehen, daß
die Verzögerung, mit der das plasmolytische Gleichgewicht in plas-
molysierenden Salpeterlösuugen nach vielstündigem Aufenthalte in
hypotonischen Salpeterlösungen erreicht wird, nicht ausschließlich
darauf zurückgeführt werden kann, daß die Permeabilität für das
Salz wesentlich abgenommen hat. Vielmehr beruht sie, zum Teil
wenigstens, auch darauf, daß noch andere Veränderungen in den
Zellen vor sich gegangen sind. Welcher Art die nun freilich sind,
läßt sich ganz eindeutig nicht entscheiden. Die Deplasmolyse in
hypotonischen Salzlösungen ist ja ein ziemlich verwickelter Vor-
gang. Damit er sich vollziehe, muß folgendes sich abspielen:
1. In den Zellräumen außerhalb der plasmolysierten Proto-
plasten muß die Salpeterkonzentration abnehmen. Das ist nur
möglich, wenn das Salz durch die Zellmembranen nach außen
diffundiert. 2. Der Zellsaft muß Wasser aufnehmen, das die
Plasmahäute zu durchdringen hat. 3. Dem damit verbundenen
Ausdehnungsbestreben des Plama darf die Plasmahaut der Zelle
keine Widerstände entgegenstellen. Die Deplasmolj'se könnte sich
also verzögern durch die Abnahme 1. der Permeabilität der Zell-
haut für das Salz, 2. der Durchlässigkeit der Plasmahaut für
Wasser oder 3. der Dehnbarkeit der Plasmahaut.
Zu bedenken ist dabei freilich, daß an dem schnelleren Rück-
gange der Plasmolyse in den Zellen, die zuvor nicht in Kalisalpeter
gelegen hatten, auch die Permeabilität der Protoplasten für das
Salz teilhaben könnte. Daß dieser Faktor in solchem Sinne wirk-
sam sein muß, ist selbstverständlich; denn wenn nicht nur Salz-
molektile nach außen, sondern auch nach innen in die Protoplasten
Qg Hans Fittins:,
abströmen, so muß die Salzkonzentration der die kontrahierten
Protoplasten umspülenden Lösung abnehmen und entsprechend die
Deplasmolyse beschleunigt werden. Doch scheint mir sicher, daß
die größere Permeabilität der Protoplasten in den Schnitten, die
nicht mit Salpeter vorbehandelt sind, allein den auffälligen Unter-
schied in der Geschwindigkeit der Deplasmolyse nicht erklärt. Bei
diesen Zellen ging ja die Deplasmolyse in 5, höchstens 12 Minuten
vor sich, d. h. in einer Zeit, während der nur ganz wenig (weniger
als 0,0025 GM) Salz in die Zelle permeieren kann. Und doch
war der Unterschied in der Geschwindigkeit der Deplasmolyse sehr
groß auch bei solchen Zellen, die stark, d. h. mit viel stärkeren
Lösungen als die Grenzkonzentrationen plasmolysiert waren.
Ferner: würde jener Faktor eine beachtenswerte Rolle spielen,
so sollte man eigentlich erwarten, daß die mit Lösungen, die der
Grenzkonzentration sehr nahe liegen, schwach plasmolysierten Zellen
schneller deplasmolysiert würden, als die in stärkeren Lösungen
plasmolysierten. Gerade das Gegenteil aber war auch bei den
nicht mit Salz vorbehandelten Zellen der Fall!
Die Annahme, etwa eine Verringerung der Dehnbarkeit der
Plasmamembranen sei Schuld an der Verlangsamung der Deplas-
molyse, ist recht wenig Avahrscheinlich. Könnte nämlich die
Plasmamembran dem durch die Wasseraufnahme auf sie ausgeübten
Zuge nicht mehr oder nur noch unvollkommen folgen, so würde
sie zerreißen, wie man es tatsächlich gelegentlich beobachtet. Die
durch die Wasseraufnahme angestrebte Volum Vergrößerung und die
osmotischen Kräfte sind zu groß, als daß dagegen von der sehr zarten
Plasmahaut eine nennenswerte Gegenwirkung ausgeübt werden
könnte. Gegen die Annahme, daß die Plasmahaut durch die lange
Einwirkung irgendwie fester geworden ist, spricht zudem die Leichtig-
keit, mit der sich in kurzer Zeit ohne alle Faltungen der Plasmahäute
in solchen Zellen immer noch normale Plasmolyse l)ewirken läßt!
Dagegen ist eine Entscheidung zwischen den beiden anderen
Annahmen zurzeit nicht möglich. Von ihnen ist die eine von ebenso
großem Interesse vne die andere! Daß die Durchlässigkeit von
Kolloidmembraneu für diffundierende Lösungen durch Salze und
andere Verbindungen verändert werden kann, ist bekannt (vgl.
Zangger 1908, Bechhold und Ziegler 1906, Waiden 1892,
Traube 1867, S. 141 ff.). Wir wissen gar nichts darüber, ob auch
die Zellulosemembranen durch längere Einwirkung von Salzen so
verändert werden können, daß sie nachher für das Salz schwerer
Untersuchungen über die Aufnahme von Salzen in die lebende Zelle. 39
durchlässig sind. Iniineihiu ist diese Annahme viel weniger wahr-
scheinlich als die andere, daß es die Plasmahaut selbst ist, deren
Durclilässigkeit auch für Wasser veränderlich ist. Denn für die
Plasmahaut habe ich ja eine Abnahme der Durchlässigkeit für
andere Stoffe exakt bewiesen.
Wirft man nun noch einmal einen Blick auf die in diesem
Abschnitte mitgeteilten Versuche, so wird man sehen, daß schon
von vornherein, ohne längere Behandlung der Zellen mit dem Salze,
Unterschiede in der Schnelligkeit der Deplasmolyse bemerkbar sind:
Gut vergleichbar sind die Versuche 63, 65 und 66, weil bei ihnen
die Grenzkonzentrationen einander nahezu entsprechen und die zur
Deplasmol3'se verwendete Lösung die gleiche ist (0,075). Im Ver-
suche 63 ging die Plasmolyse viel schneller zurück als bei 66 und
besonders auffällig als bei 65. Folgt man mir in der Annahme,
daß die Durchlässigkeit der Plasmahäute auch für Wasser ver-
änderlich ist, so liegt die Interpretation nahe, daß die Zellen ebenso
wie nach meinen Messungen für das Salz so auch für Wasser von
vornherein schon verschieden durchlässig sind!
Mit solchen Verschiedenheiten dürfte es zusammenhängen, daß
der plasmolytische Gleichgewichtszustand bei der Übertragung
frischer, nicht mit Salpeter vorbehandelter Schnitte zwar oft schon
nach 12 — 15 Minuten, manchmal aber erst nach 15 — 20 Minuten,
ja noch später erreicht wird, wenn auch die Zellen solcher Blätter
zugleich für Salpeter weniger durchlässig zu sein pflegen.
Abschnitt IV. Ursachen der Permeabilitätsänderungen.
Ist nun auch durch meine bisherigen Versuche eine Abnahme
der Durchlässigkeit der Plasmahaut sicher festgestellt, so läßt sich
mit ihnen doch noch nicht genügend exakt beweisen, daß diese
Abnahme gerade dem Einflüsse des Salzes zuzuschreiben ist. Die
Permeabilitätsänderung könnte ja auch eine Folge sein 1. der Ver-
Avundung, die mit der Herstellung der Schnitte notwendig verbunden
ist, 2. der Einwirkung des flüssigen Mediums, in dem sich die
Schnitte während der Versuche befinden, 3. der verminderten Zu-
fuhr von Sauerstoff in den Lösungen. Hier war noch eine weitere
Klärung nötig.
Freilich scheinen schon meine früher mitgeteilten Versuche
darauf hinzudeuten, daß hauptsächlich das Salz selbst als wirk-
^Q Hans Fitting,
samer Faktor in Betracht kommen muß: denn längerer Aufenthalt
der Zellen in Wasser beeinflußte die Permeabilität, falls überhaupt,
so doch sehr viel weniger als solcher in den Salpeterlösungen.
Freilich läßt sich aus ihnen noch nicht deutlich sehen, ob nicht
auch die anderen genannten Faktoren wenigstens einen gewissen
Einfluß auf die Durchlässigkeitsverhältnisse haben! Eine genaue
Untersuchung auch dieser Fragen war um so notwendiger, weil
manchmal der Aufenthalt in Wasser tatsächlich die Permeabilität
etwas zu ändern schien! Sie hat ergeben, daß es nicht gleich-
gültig ist, in welcher Jahreszeit man mit den Blättern arbeitet:
Im Winter, wo die Durchlässigkeit so wie so sehr viel geringer
ist als im Sommer, kann schon allein die Verwundung oder der
längere Aufenthalt der Schnitte in Wasser eine bemerkbare Senkung
der Permeabilität zur Folge haben, falls bei den Zellen überhaupt
eine solche noch deutlich nachweisbar ist. In der „guten" Jahres-
zeit indessen hat weder die Verwundung, noch der Aufenthalt im
destill. Wasser für die Durchlässigkeitsverhältnisse eine auffällige
Bedeutung, von seltenen Ausnahmefällen abgesehen. Das habe ich
sehr sorgfältig mit folgender Versuchsanordnung feststellen können:
Aus den Mittelrippen gut entwickelter Blätter habe ich, wie bisher,
zwei Parallelreihen von quadratischen Plättchen geschnitten. Die
Plättchen der einen Reihe wurden abwechselnd folgendermaßen
behandelt. Die eine Serie (A) wurde nach einem 3 IVIinuten langen
Aufenthalt in Wasser sofort in plasmolysierende Salpeterlösungen
übertragen ; die Plättchen der zweiten Serie (B) w^urdeu unter stren-
ger Einhaltung ihrer Reihenfolge mit der Epidermisseite nach unten
auf eine feuchte Schicht Filtrierpapier, die auf einem Objektträger
ausgebreitet war, gelegt; der Objektträger kam für längere Zeit
in einen feuchten Raum. Nach dem Aufenthalte im feuchten Räume
wurden diese Plättchen wie die der ersten Serie behandelt. Die
der ersten Serie entsprechenden Plättdien der Parallelreihe (C)
wurden ebenso lange, wie die der zweiten im feuchten Raum, je
in besonderem Gläschen in destill. Wasser, die der zweiten ent-
sprechenden (D) desgl. in eine 0,075 GM -Salpeterlösung ebenfalls
unter strenger Einhaltung ihrer Reihenfolge übertragen, um danach
erst plasmolysiert zu werden. Ich teile die Protokolle über einige
dieser Versuche hier mit.
Untersuchungen über die Aufnahme von Salzen in die lebende Zelle. 41
Versuch 68. Bonn, 19. April 1914.
Serie A. Sofort plasmolysiert.
0,085 0,09 0,095 0,1 0,105 0,11 0,115 GM KNO3
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Serie B. 16 Stunden im feuchten Raum, dann in
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Serie C. 15 Stunden in destill. Wasser, dann in
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nach 15 Min. 0 gv oo pl pl
weit. 15 „ 0 0 y^ — oo pl pl
„ 30 „ (» 0 Vs <^ pl
„ 60 „ u 0 0 V2 74—00
Serie D. 15 Stunden in 0,075 GM KNOg, dann in
0,115 0,12 0,125 0,13 0,135 GM KNO^
nach 15 Min. 0 v bis Vs ^' ^/i v bis Ys
weit. 15 „ 0 V4 Vs pl V2-74
.. 30 „ 0 V, Vs pl V2-74
» 60 „ 0 Vo— 74 V pl V2-74
Bonn, 16. April 1914.
0,11
cc
74
()
Serie B. 17 Stunden in feuchtem Raum, dann in
0,105 0,1075 0,11
12 Iz 12
Versuch
69.
Serie A.
Sofort plasmolysiert.
0,105
0,1075
Nach 15 Min.
v
'U
weit. 15 „
0
V bis Vs
,. 30 „
0
0
nach 15 Min.
0
weit. 15 „
0
„ 30 „
0
0,1125
0,115 GM KNOg
pl
pl
00
00
Vs
Vs-74
1
0,1125
0,115 GM KNO3
74-^
pl
0 0 0 V2
Serie C. 16 Stunden in destilliertem Wasser, dann in
0,09 0,0925 0,095 0,0975 GM KNO3
nach 15 Min. gv V2 74 Pl
weit. 15 „ 0 v bis Vs V3— V2 '^
„ 30 „ 0 0 0 Vs—V*
42
Hans
Fitting,
Serie D.
16 Stunden in 0,075 GM
KNOg, dann
in
0,125
0,1275
0,13
0,1325
0,135
0,1375 GM KNO,
nach 15 Min.
0
Vs
^-•-^- 0
00
'U
weit. 15 „
0
'U
Pl
0
pl
pl
„ 30 „
0
7.
Pl
0
pl
pl
„ 30 „
0
'L
pl
0
pl
pl
In anderen Versuchen wurde zur Vereinfacliung" die eine
Serie (B im feuchten Raum) fortgelassen, da sich zeigte, daß auch
der Aufenthalt in Wasser, wo ja zugleich die Verwundung Einfluß
hat, die Permeabilität nicht wesentlich verändert. Übrigens sei
erwähnt, daß die Serien A, B, C, D nicht immer die vorher er-
wähnten Beziehungen zueinander hatten: mant-hraal entstammten
die Serien A und B, resp. C und D einer, manchmal A und C,
resp. B und D einer der Längsreihen.
Versuch
70
i_
Bonn, 19.
April
1914.
Serie A
. Sofort plas
imolysiert.
0,09
0,095
0,1
0,105
0,11
GM
KNOi
Nach 15 Min.
0
V2-V4
00
pl
pl
weit. 15 „
0
V2-V4
00
pl
pl
„ 30 „
0
V3-V3
V.
00
pl
,, 60 „
0
V
V
00
pl
Serie B.
16 stunden
1 in
destilliertem Wasser, dann
1 in
0,(19
0,095 0,1
(1,1(15
(1,11
0,115
(iM
KNO.
nach 15 Min.
0
0
V
pl
pl
pl
weit. 15 „
0
0
g^
pl
pl
pl
„ 30 „
0
0
0
3/,-^
pl
pl
» 60 „
0
0
0
V3
X
pl
Serie C.
16 stunden
in
0,(175 GM
KXO3, dann in
0,145
0,15
0,155
0,16
0,1 (]5
GM
KNOg
nach 15 Min.
0
V bis V,
pl
pl
pl
weit. 15 „
0
Vo-V*
pl
pl
l'l
>, 30 „
0
V-7.
pl
pl
pl
» 60 „
0
Versuch
71
V-V4
pl
Bonn, 20.
pl
April
pl
1914.
Nach 15 Min
weit. 15 „ .
>, 30 „
„ 60 ,.
Serie A. Sofort plasmolysiert.
0,09 0,0925 0,095
0 gv V,
0,0975 0,1
V bis Vg
0
0
V4
Vs
0
0,1025
pl
00
V3
0
0,105 GM KNO3
pl
V4
Untersuchungen über die Aufnahme von Salzen in die leliende Zelle.
43
Serie B. 16 Stunden in destilliertem Wasser, dann in
0,0875 0,09 0,0925 0,095 0,0975
gV 00 7-2— V4
0 ^U 0
(t 0 0
*^* 0 0
Serie C. IG Stunden in 0,075 GM KXO3, dann in
0,12 0,125 0,1275 0,13 0,1325
nach 15 Min. 0 7-, ^U S^ 7* — ^
nach 15 Min.
0
V
weit. 15 „
0
0
„ 30 „
0
0
» 60 ,,
0
0
weit. 15 „
0
„ 30 „
0
„ 60 „
0
3/
g^
cc
V bis 7,
CO
V bis 7.
CO
gv
0,1
pl
0
0,185
gv
gv
gv
0
0,105 GM KXO3
0,14 GM KNO3
pl
pl
pl
pl
Jioun, 23. April 1914.
Versuch 72.
Serie A. Sofort plasmolysiert.
0,0875 0,09
Nach 15 Min. 0 7,
weit. 15 „ 0 72
„ 30 „ 0 gv
„ 60 „0 0
0,0875 0,09
nacli 15 Min. 0 ^/3—^U
weit. 15 „ 0 7>
„ 30 „ 0 V
„ 60 „0 0
Serie C. 16 Stunden in 0,075 GM KNOg, dann in
0,1125 0,115 0,1175 . . . 0,13
nach 15 Min. 0 ^/^ 0 gv
weit. 15 „ gv so 0 72
„ 30 „ gv QO 0 7,
0,0925
0,095
0,0975
GM KNO,
V.
pl
pl
72-74
pl
pl
0
pl
pl
0
CO
7.
m Wasser,
dann in
0,0925
0,095
0,0975
GM KNO.
X
pl
pl
QC
pl
pl
72-7.
pl
pl
0
00
pl
60
0
72
0,1325 GM KNO3
pl
pl
pl
pl
Versuch 73.
Bonn, 17. April 1914.
Serie A. Sofort plasmolysiert.
0,085
0,09
0,095
0,1
0,105 GM KNO,
Nach 15 Min.
0
72-7*
pl
pl
pl
weit. 15 „
0
^^-^'.
X
pl
pl
„ 30 „
0
gv
X
X
pl
„ 60 „
0
0
%
3
/4
pl
44
Hans
Fitting,
Serie B.
13
stunden
in destilliertem Wasser,
dann in
0,085
0,09
0,095
0,1
0,105 GM KNO3
nach 15 Min.
0
74
Pl
pl
pl
weit. 15 „
0
v-v.
oc
pl
pl
„ 30 „
0
gV
V2-V4
CO
pl
,, 60 „
0
0
0
V bis Vs
00
Serie C.
13
Stunden
in 0,075 GM
KNO3, dann in
0,12
0,125
0,13
0,135
0,14 GM KNO,
nach 15 Min.
0
0
V
Vs
7-°^
weit. 15 „
0
0
V3
v-^
pl
„ 30 „
0
0
Vs
«A-oo
pl
„ 60 „
0
0
gy
V4-«>
pl
Versuch
74.
Bonn,
20. April
1914.
Serie A, Sofort plasmolysiert.
0,08 0,0825 0,085 0,0875 0,09 0,0925 0,095 0,0975 0,1
GM KNO3
Nach 15 Min.
0
gv
v«
V -7. V4
pl
pl
pl
weit. 15 „
0
0
0
V V3-V.3 V2-7.
74-=^
OD
pl
„ 30 „
0
0
0
0 gv V
V.
V
V.-74
„ 60 „
0
0
0
0 0 0
gv
0
Va-V.
nach 15 Min.
0
Vs
v-^
weit. 15 „
0
gV
V3-74
„ 30 „
0
0
Va
., 60 „
0
0
V
Serie B. 15 Stunden in destilliertem Wasser, dann in
0,085 0,0875 0,09 0,0925 0,95 0,0975 0,1 0,1025 GM KNO3
oc ])1 pl pl pl
3/4— oc 00 pl pl pl
Vs-V. 74 00 00 pl
gV 0 ^/., ^4 V 00
Serie C. 15 Stunden in 0,075 GM KNO3, dann in
0,1 0,1025 0,105 0,1075 0,11
nach 15 Min. 0 0 0 v Vs
weit. 15 „ 0 0 gv Vs— 74 V2
„ 30 „ 0 0 gy V3-74 vi
„ 60 „ 0 0 0 y ^/^ cc cc
Solcher Versuche habe ich noch mehrere mit gleichen Ergeb-
nissen gemacht. Sie lehren, daß die Hemmung der Permeabilität
tatsächlich vor allem der Einwirkung des Salzes zuzuschreiben
ist. Im Winter habe ich nun aber, wie schon erwähnt, mehrfach
auch im feuchten Räume oder in Wasser eine auffallende Abnahme
der Permeabilität beobachtet. Beispiel:
0,115
0,12 GM KNO,
74
00
CO
pl
00
pl
Untersuchungen über die Aufnahme von Salzen in die lebende Zelle. 45
Versuch 75. Bonn, 18. November 1913.
A. Sofort plasmolysiert.
0,09
0,0925
0,095 0,0975 0,1
0,1025
0,105
0,1075 GM KNOj
Nach 15 Min. 0
gv ^
' bis Vs V, pl
pl
pl
pl
weit. 15 „ 0
(1
V %-y, 00
pl
pl
pl
„ 30 „ 0
0
0 Vs-V, V,
pl
pl
pl
B. 8 Stunden
in destilliertem Wasser, dann
plasmolysiert.
0,09
0,0925
0,095 0,0975
0,1
0,1025
0,105 GM KNO,
Nach 15 Min. 0
gy
V.-V, 'U
OD
00
pl
weit. 15 „ 0
gv
Va-V, 7.
00
X
pl
„ 30 „ 0
0
Vs-V« V-7.
GC
OD
pl
Ich hielt es deshalb für notwendig, in der guten Jahreszeit
den Einfluß, den die Verwundung oder der Aufenthalt in Wasser
auf die Permeabilität haben könnte, in sehr zahlreichen Versuchen
noch weiter genau zu prüfen. In der Zeit vom 14. April bis zum
20. Mai 1914 habe ich jedesmal an einem neuen Blatte 20 Versuche
folgender Art gemacht: Die Plättchen einer Längsreihe wurden
abwechselnd sofort (nach 5 Minuten Aufenthalt in Wasser) und
nach einem Aufenthalt von 13 — 18 Stunden in Wasser plasmolysiert.
In diesen 20 Versuchen war bei 16 kein deutlicher Unterschied
in der Schnelligkeit der Salzaufnahme zwischen den sofort plas-
molysierten und den anderen Plättchen wahrzunehmen, höchstens
drang in der ersten Beobachtungsviertelstunde etwas Salz weniger
ein, wenn die ZeUen längere Zeit zuvor in Wasser gelegen hatten.
Nur bei \äer Versuchen war der Einfluß des Aufenthaltes in Wasser
größer. Ich führe die beiden hier an, wo dieser Einfluß am deut-
lichsten war.
Versuch 76. Bonn, 22. April 1914.
A. Sofort plasmolysiert.
0,0825 0,085 0,0875 0,09 0,0925 0,095 GM KNOg
Nach 15 Min. gv Vs" V« ^ pl Pl Pl
weit. 1 5 „ 0 V bis ^j, oo pl pl pl
„ 30 „ 0 gv V OD pl pl
„ 60 „ 0 0 0 V2 '/s pl
B. 13 stunden in destilliertem Wasser, dann in
0,0825 0,085 0,0875 0,09 0,0925 0,095 GM KNO3
nach 15 Min. 0 0 i/^ oo co pl
weit. 15 „ 0 0 V2 00 CO pl
„ 30 „ 0 0 Vs— V2 GD 00 pl
„ 60 ., 0 0 0 Va — 00 ^'4— =c pl
46
Hans
1 Fitting,
Versuch 77.
Bonn,
11.
Mai 1914.
A. Sofort plasmolysiert.
0,085
0,0875
0,09
0,0925
0,095
0,0975
0,1
GM
KNOj
Nacli 15 Min.
0
gV
V3-V2
'!-^
Pl
pl
pl
weit. 20 „
0
0
V3-V2
v-^
Pl
pl
pl
„ 30 „
0
0
gV
V
'U
CO
pl
„ 60 „
0
0
0
0
V
V.
V.
B. 14
Stunden
in destilliertem Wasser, dann
in
0,085
0,0875
0,09
0,0925
0,095
0,0975
0,1
GM
KNO,
nach 15 Min.
0
gV
V.
3/
:'4
00
pl
pl
weit. 20 „
0
0
1/ 1/
13 12
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00
pl
pl
„ 30 „
0
0
V
V2-V4
X
pl
pl
„ 60 „
0
0
0
gV
V*
CO
pl
Man sieht sofort, mit dem Einfliisse des Salzes können sich
irgend welche mit der Yersuchsanordnung- sonst verbundene Fak-
toren auch nicht entfernt messen! Worauf es beruht, daß manch-
mal auch solche Faktoren einen geringen Einfluß haben, das wird
sich wohl erst sagen lassen, wenn der Einfluß der Außenfaktoren
auf die Permeabilitätsverhältnisse festgestellt ist. Um zu sehen,
ob die Einwirkung der Verwundung mehr als die des Wassers
dabei in Betracht kommt, habe ich Mitte und Ende Mai 1914 auch
noch einmal in 7 Versuchen die Durchlässigkeit von Plättchen mit-
einander verglichen, von denen die einen im feuchten Räume, die
anderen längere Zeit in Wasser verweilt hatten. Die Permeabilität
war aber in allen so gleich mit den sofort plasmolj^sierter Zellen,
daß sich daraus nichts anderes entnehaien läßt, als daß weder die
Verwundung noch der Aufenthalt in Wasser die Permeabilität
herabsetzt.
Somit dürften nunmehr folgende Sätze als gesichert hinzu-
stellen sein:
1. Die Verwundung hat in der Hegel keinen Einfluß auf die
Permeabilität für das Salz.
2. Auch der längere Aufenthalt in Wasser setzt die Durch-
lässigkeit in der guten Jahreszeit gewöhnlich nicht oder doch nur
ganz unbedeutend herab.
3. Die bedeutende Abnahme der Permeabilität, die man da-
gegen fast ohne Ausnahme in den Salpeterlösungen feststellen
kann, beruht auf der Anwesenheit des Salzes!
Wichtige neue Fragen schließen sich hier an, die einer weiteren
sorgfältigen Untersuchung bedürfen: Welche Salzkonzentrationen
Untersuchungen über die Aufnahme von Salzen in die lebende Zelle. 47
beeinflussen die Permeabilität und wie ist die Geschwindigkeit der
Permeabilität abhängig von der Salzkonzentration? Ich hoffe, dar-
über später berichten zu können.
Abschnitt V. Die Permeabilitätsverhältnisse der Mhoeo-ZeWen
für andere Salze.
Ich habe die Untersuchung nicht auf Kalisalpeter beschränkt,
sondern auch die Durchlässigkeit für andere Salze in gleicher Weise
wie bei jenem Salze, wenn auch nicht so eingehend geprüft.
Wo nichts anderes vermerkt ist, ging ich stets von 0,25 GM-
Lösungen aus und betrugen die Konzentrationsdifferenzea zwischen
den Lösungen, wie bei Kalisalpeter, 0,0025 GM der Salze. Für
alle Versuche dienten womöglich die Präparate pro analysi Kahl-
baum.
Kaliumsalze.
a) Kaliumchlorid.
Die Permeabilitätsverhältnisse entsprechen ganz denen für Kali-
salpeter: das Salz dringt sehr schnell in die Protoplasten ein, so
daß die Plasmolyse bereits nach 15 Minuten zurückzugehen beginnt;
nach einigen Stunden nimmt die Durchlässigkeit unter der Ein-
wirkung des Salzes ganz bedeutend ab. Die Durchlässigkeit ist
der für Salpeter so ähnlich, daß es mir an Hand meiner Versuche
nicht möglich ist, zu sagen, welches Salz etwa dem anderen in
dieser Hinsicht überlegen ist. Auch darin besteht Übereinstimmung
zwischen beiden Salzen, daß die Permeabilität von vornherein bei
den Blättern verschieden sein kann und daß Aufenthalt der Zellen
in Wasser die Durclilässigkeit für die Salze meist gar nicht, manch-
mal aber doch ein wenig beeinflußt. Über die Permeabilität und
ihre Abnahme mögen folgende Versuche orientieren.
Versuch 78. Hamburg, 21. Juni 1912.
Nach 17 stunden Wässerung in HjO.
0,1075 0.11 0.1125 (1.115 0,1175 0,12 0,1225 0,125
(tM
KCl
Nach 1 5
Min.
0
V bis
Vs
'L
pl
pl
pl
pl
pl
weit. 15
„
0
0
Vs
v*
V.
pl
pl
pl
,, 30
„
0
0
gv
T bis ^ /g
V3-V2
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pl
„ 60
„
0
0
0
0
Vs
V4
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pl
„ 60
„
0
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0
0
V bis Vs
74
Vs-V*
pl
„ 180
„
0
0
0
0
YbisVs
V-V4
vbisVs
pl
48
Hans Pitting,
Versuch 79. Hamburg, 19. Juni 1912.
Plättchen 23 Stunden in destilliertem Wasser.
0,1 0,1025 1,105 0,1075 0,11 0,1125 0,115
0,1175
GM
KCl
Nach 15 Min.
0
gV
v-v.
'U
V*
OD
pl
pl
weit. 15
„
0
0
'U
00
'L
00
pl
pl
„ 30
„
0
0
74
X
7*
00
pl
pl
„ 60
„
0
0
V2-%
7*
V2
s
00
pl
„ 60
"
0
0
Vs-V.
^A-%
V3
V«
7.
pl
Versuch
80.
E
[ambure
, 21.
Juni
1912.
17 Stunden in BLjO.
0,102"
0,105
0,1075
0,11
0,1125
0,115
0,1175
0,12
0,1225
0,125
Nach
GM
KCl
15 Min.
0
V
Vs
7.
00
pl
pl
pl
pl
pl
weit. 15
„
0
0
g^
Vs-7.
7.
V.
pl
pl
pl
pl
„ 30
„
0
0
gV
V3-V2
V.-74
^
00
pl
pl
pl
„ 60
„
0
0
0
0
V
gv
7.
00
pl
pl
„ 60
„
0
0
0
0
0
0
V.
Vs-
Vs
00
pl
„ 60
»
0
0
0
0
0
0
Va-V.
0
V2
pl
„ 180
"
0
0
0
0
0
0
V
0
0
pl
Versuch 81.
E
[ambure
\ 18.,
Juni 19"
L2.
20 Minuten in HjO.
0,1075 0,11 0,1125 0,115 0,1175 0,12 0,1225 0,125 0,1275 0,13 0,1325
Nach
GM KCl
15 Min. V
Vb
7.-C0
pl
pl
pl
pl
pl
pl
pl
pl
Bit. 15 „ 0
g^'
vbisVs
7.-^
00
pl
pl
pl
pl
pl
pl
» 30 „
0
gv
Vs-V.
7*-^
00
pl
pl
pl
pl
pl
» 60 „
0
0
V.
7.
OD
pl
pl
pl
pl
» 60 „
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pl
pl
pl
» 120 „
V
Vs-V«
V,
7.
'U-^
pl
pl
. 60 „
gv
YbisVs
Vs-V.
7.
7.
pl
pl
„ 180 „
0
gy
g^'
V.-7.
V2-7.
X
pl
„ 14 Stdn.
0
0
0
'I^U
7.-%
00
pl
b) Kaliumbromid.
Die Durchlässigkeitsverhältnisse sind ganz so wie bei KNO3
und KCl. Die Plasmolyse beginnt schon nach 15 Minuten zurück-
zugehen. In die permeabelsten Zellen mrd in der ersten Stunde
etwa 0,0075—0,01 GM Salz aufgenommen.
TJntersuchung'en über die Aufnahme von Salzen in die lebende Zelle. 49
c) Kaliumchlorat.
Wie bei den vorig-en Salzen. Die Plasmolj^se geht schon nach
15 Minuten zurück. In der ersten Stunde dringen etwa 0,005 bis
0,0075 GM Salz ein.
d) Kaliumsulfat.
Ausgangslösung 0,125 GM K2SO4. Konzentrationsdifferenzen
der verwendeten Lösungen: 0,0025 oder 0,00125 GM.
Auch für dieses Salz besteht eine gewisse Durchlässigkeit,
doch ist sie viel geringer, als für die bisher besprochenen Kalium-
salze. Daß die Permeabilität für dieses Salz viel geringer ist als
für KNO3 , habe ich durch vergleichende Versuche an einem und
demselben Blatte wiederholt festgestellt. Der Rückgang der Plas-
molj^se beginnt nach 15 — 30 Minuten und die Permeabilität nimmt
allmählich ab. Längere Wässerung der Schnitte setzt sehr häufig,
doch nicht immer, die Durchlässigkeit für das Salz stark herab:
es kommt dann nicht selten vor, daß die Zellen wohl noch für
KaUsalpeter, nicht mehr aber für das Sulfat durchlässig sind.
Natriumsalze.
a) Natriumnitrat.
Auch für dieses Salz sind die Zellen permeabel, doch, scheint es,
ein wenig weniger als für Kaliumnitrat: in der ersten Stunde wurde
bei den durchlässigsten etwa 0,0025 — 0,005 GM Salz durchgelassen.
Nur bei diesen begann der Rückgang der Plasmolyse nach meinen
Beobachtungen schon nach 15 Minuten, sonst erst später. Bei
längerer Fortsetzung der Versuche nahm die Durchlässigkeit nach
einiger Zeit ab, nach einer ähnlichen Kurve, wie bei den Kalisalzen.
b) Chlornatrium.
Die Perraeabilitätsverhältnisse entsprechen in allen Stücken
fast völlig denen für Kalisalpeter. In der ersten Stunde permeieren
etwa 0,005 — 0,0075 GM Salz, also, scheint's, etwas weniger als bei
diesem. Auch Wässerung beeinflußt wie bei Salpeter.
Lithiumsalze.
a) Lithiumnitrat.
Auch dafür besteht Permeabihtät, doch wesentlich geringere
als für Salpeter. In der ersten Stunde permeieren etwa 0,0025 GM.
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI. **
5Q Hans Fitting,
Die Plasmolyse g:ing entweder schon 15 Minuten nach Versuchs-
be^nn zurück oder ^viirde auch noch während der zweiten Yer-
suchsviertelstunde verstärkt. Aufenthalt der Plättchen in Wasser
setzte die Durchlässigkeit nur sehr wenig herab. Die Durchlässig-
keit auch für dieses Salz scheint nach einiger Zeit abzunehmen.
b) Lithiumchlorid.
Alles wie bei dem Nitrat. Falls Unterschiede in der Durch-
lässigkeit zwischen beiden Salzen vorkommen, so sind sie von so
kleiner Größenordnung, daß sie nur durch einen sehr genauen Ver-
gleich beider Salze untereinander zu erkennen sein werden.
Magnesiumsalze.
a) Magnesiumsulfat, b) Magnesiumchlorid,
c) Magnesiumnitrat.
Bei dem ersten Salze war die Ausgangslösung 0,333 GM.
Die Konzentrationsdifferenzen zwischen den Lösungen betrugen
0,00333 GM. Eine Durchlässigkeit, auch nur in geringem Grade,
habe ich bei meinen Versuchen mit allen diesen Salzen und den
verwendeten, den plasmolytischen Grenzkonzentrationen nahe liegen-
den Lösungen niemals feststellen können. Das plasmolytische
Gleichgewicht wird bei allen Magnesiumsalzen erst 30 — 40 Minuten
nach Versuchsbeginn erreicht.
Strontiumsalze,
a) Strontiumuitrat, b) Strontiumchlorid.
Wie bei den vorigen keine Permeabilität. Nur zweimal sah
ich bei den Versuchen mit dem Nitrat einen ganz geringen Rück-
gang der Plasmolyse.
Kalziumsalze,
a) Kalziumchlorid, b) Kalziumnitrat.
Ich beobachtete keine Permeabilität. Das plasmolytische
Gleichgewicht wird erst 30—40 Minuten nach Versuchsbeginn er-
reicht. Gleiches gilt übrigens für die Strontiumsalze.
rntersuchungen über die Aufnahme von Salzen in die lebende Zelle. 51
Bariumsalze.
a) Bariumnitrat, b) Bariumchlorid.
Keine Permealnlität. Das plasmol3'tische Gleichgewicht wird
erst 30 — 50 Minuten nach Versuchsbeginn erreicht. In Bariura-
nitratlösungen beginnen die Zellen 1 — IV2 Stunden nach Versuchs-
beginn abzusterben, ohne daß zuvor die Permeabilität erhöht
worden wäre. —
Aus den Versuchen geht hervor, daß in den verwendeten, den
plasmolytischen Grenzkonzentrationen nahen Konzentrationen eine
nachweisbare Permeabilität nur besteht für die Alkalisalze, nicht
dagegen für die Salze des Magnesium und der Erdalkalien, viel-
leicht Strontium manchmal ausgenommen. Von Einfluß auf die
Durchlässigkeit der Protoplasteu sind aber nicht allein die Kationen,
sondern manchmal auch die Anionen, oder die Salzmoleküle: das
Kaliumsulfat permeiert ja weit langsamer als die übrigen unter-
suchten Kaliumsalze.
Alle Salze, die permeieren, haben die Eigentümlichkeit, die
Durchlässigkeit für dasselbe Salz nach einiger Zeit stark herab-
zusetzen.
Meine Beobachtungen sind noch zu unvollständig, um erkennen
zu können, ob die Ionen der Salze in ähnlicher Reihenfolge ver-
schieden stark permeabel sind und die Permeabilität herabsetzen,
wie sie andere Vorgänge in kolloiden Systemen beeinflussen. Nur
sehr eingehende und mühsame vergleichende Untersuchungen werden
hier unsere Einsicht vertiefen können.
Abschnitt VI. Diskussion der Tatsachen.
Meine Versuche haben endlich den lange gesuchten exakten
Nachweis für die alte, in neuester Zeit von manchen Seiten freihch
in Ermanglung von Beweisen wieder bezweifelte Vermutung er-
bracht, daß die Plasmahäute unter der Einwirkung von Salzen
ilire Permeabilität für die gleichen Salze verändern und zwar ver-
mindern. Zugleich zeigen sie, daß von vornherein die Durch-
lässigkeit der Zellen einer Pflanze für ein bestimmtes Salz ver-
schieden sein kann. Das Alles gilt nicht nur für einige wenige
Salze, sondern für alle, für die auf plasmolytischem Wege über-
haupt eine ausgesprochene Durchlässigkeit festgestellt werden
4*
52 Hans Fitting,
konnte. Es scheint sich also um eine ganz allgemeine Wirkung
der Salze zu handeln. Yon Interesse ist dabei zugleich, daß es
gelungen ist, die plasmolytische Methode durch verschiedene Ver-
besserungen so weit zu vervollkommen, daß es damit möglich ge-
worden ist, die Permeabilität und ihre Veränderungen im einzelnen
selbst quantitativ samt ihrem Zeitfaktor recht genau zu verfolgen,
fast vom ersten Augenblicke an, wo das Salz mit den Zellen in
Berührung kommt. Nur für die erste Viertelstunde nach Versuchs-
beginn fehlen noch die nötigen Daten, die indes vielleicht auf
anderem Wege, wenn freilich zurzeit noch nicht ganz sicher, bei-
gebracht werden können. Ich will schon hier erwähnen, daß Gründe
für die Annahme sprechen, es werde in der ersten Versuchsviertel-
stunde nicht wesentlich mehr, sondern etwa ebenso viel Salpeter
aufgenommen, wie in der zweiten (0,0025 GM). Ich werde darüber
in einer weiteren Arbeit berichten. Irgendwelche Anhaltspunkte
für die Bichtigkeit der Behauptung Nathansohns (1903, 1904),
die Salzaufnahme werde eingestellt, wenn ein bestimmtes Verhält-
nis zwischen Außen- und Innenkonzentration erreicht sei, haben
meine Untersuchungen nicht erbracht.
So genau läßt sich jetzt mit der plasmolytischen Methode
bei geeigneten Objekten arbeiten, daß man noch die Aufnahme
von 0,025 °/o Salz mit Sicherheit messen kann! Das ist insofern
wichtig, weil die plasmolytische Methode bei richtiger Anwendung
mit völliger Exaktheit zu erkennen gestattet, daß in dem kompli-
zierten System kolloidaler Membranen, aus denen die Pflanzenzellen
bestehen, ganz allein das Plasma als maßgebend bei den be-
obachteten Erscheinungen in Betracht kommt. Man darf ja nicht
vergessen, daß bei Permeabilitätsfragen auch die die Protoplasten
nach außen abschließenden Zellulosehüllen als veränderliche Größen
vorhanden sind, wenn ihr Einfluß auch nur gering zu sein scheint.
Ebenso wie wir wissen, daß festere kolloide Membranen, als welche
wir doch ohne allen Zweifel die Zellulosemembranen aufzufassen
haben, auf die Diffusion verschiedener gelöster Stoffe im Vergleich
mit Wasser ganz verschieden stark verlangsamend zu wirken ver-
mögen, so scheint auch aus verschiedenen Untersuchungen hervor-
zugehen, daß bei kolloidalen Membranen die Diffusionskoeffizienten
bestimmter Stoffe durch die Anwesenheit anderer, z. B. auch von
Salzen, weitgehend beeinflußt werden können, mit anderen Worten,
daß bei ihnen die Permeabilität für bestimmte Lösungen durch An-
wesenheit anderer verändert werden kann (vgl. z. B. Traube, 1867,
Untersuchungen über die Aufnahme von Salzen in die lebende Zelle. 53
S. 141, Zangger, 1908, Bechliold und Ziegler, 1906, Waiden,
1892). Solange wir nun über die Permeabilitätsverhältnisse der Zell-
membranen so unvollständig T\ie gegenwärtig unterrichtet sind, ist
jede Versuehsanordnung zum Nachweise namentlich von geringeren
Permeabilitätsänderungen im Plasma nicht eindeutig, bei der auch
mit der Möglichkeit von Durchlässigkeitsänderungen in den Zell-
membranen gerechnet werden muß.
Diese Fehlerquelle fällt nun bei der plasmolytischen Methode
fort, wenn man sie richtig anwendet, d. h. wenn man nicht die
sog. „Permeabilitätskoeffizienten" bestimmt oder die Geschwindig-
keit untersucht, mit der die Plasmol3'se eintritt, sondern wenn man
feststellt, wie schnell die Deplasmolj'se erfolgt. Da nach Kon-
traktion der Protoplasten der Raum zwischen den Zellmembranen
und den Protoplasten von der Salzlösung erfüllt ist, so kann der
teilweise oder völlige Rückgang der Plasmolyse nur auf der Per-
meabilität des Plasma für das Salz und können von vornherein
vorhandene Verschiedenheiten in der Geschwindigkeit des Rück-
ganges nur auf Differenzen in dieser Durchlässigkeit (oder zugleich
für Wasser) beruhen. Nur muß gezeigt werden, daß nicht eine
regulatorische Erliöhung des osmotischen Druckes in den Zellen
an dem Rückgange der Plasmolyse Schuld ist. Dieser Nachweis
war bei den Zellen von Ehoeo discolor aber unschwer zu erbringen.
So darf auch das interessante Ergebnis als gesichert gelten, daß
die Permeabilität des Plasma für die Salze oder zum mindesten
einen Teil von ihnen überhaupt und zumal jahreszeitlich ver-
schieden ist.
Weit weniger eindeutig lassen sich aus den Geschwindigkeiten,
mit denen die plasmolytische Kontraktion der Protoplasten nach
Zusatz der permeablen Salze ihr stärkstes Maß erreicht, Schlüsse
auf die Größe der Durchlässigkeit der Plasmamembranen ziehen.
Man könnte ja meinen: Wird bei einem und demselben Salze das
Maximum der Kontraktion schneller in einem Blatte erreicht als
in einem anderen, so sei dies el)enfalls ein Beweis für Yerschieden-
heiten in der Durchlässigkeit für das Salz; denn die schnellere
Beendigung der Kontraktion müsse ja die Folge davon sein, daß
bei größerer Permeabilität der Plasmahaut die Deplasmolyse schneller
einsetzt als bei geringerer. Habe ich doch tatsächlich beobachtet,
daß bei nachweisbar gi^ößerer Durchlässigkeit die Deplasmolyse
eher beginnt als bei schwächerer! Zu bedenken ist dabei aber,
daß hier auch andere Möglichkeiten in Betracht gezogen werden
54 Hans Fitting,
können und daß tatsächlich nach meinen Untersuchungeu die Ver-
hältnisse wesentlich verwickelter sind. Die Kontraktion bei der
Plasmolyse beruht ja erstens auf einem Wasserentzuge aus den
Protoplasten. Ist also etwa mit der geringeren Permeabilität des
Plasma für das Salz auch eine geringere für Wasser verbunden,
so wird offenbar die Plasmolyse langsamer fortschreiten müssen,
als bei größerer Permeabilität für Wasser. Ferner setzt die Kon-
traktion bei der Plasmolyse als Vorbedingung voraus, daß die
plasmolytische Lösung durch die Zellulosemembranen in den Zell-
raum vordringt. Kommen nun Unterschiede in der Durchlässigkeit
der Membran für das vSalz vor, so \\drd auch dadurch der Fort-
gang der Plasmolyse beeinflußt werden können.
Daß derartige Dinge wirklich in Betracht kommen, geht aus
meinen Versuchen hervor, in denen ich untersucht habe, mit welcher
Geschwindigkeit die Deplasmolyse a) nach kurzer, b) nach längerer
Einwirkung von Kalisalpeter vor sich geht. Es zeigte sich da
eine sehr auffällige Verlangsamung unter dem Einflüsse des Salzes.
Übrigens habe ich auch schon, ohne die Zellen mit dem Salze vor-
behandelt zu haben, in der Geschwindigkeit der Deplasmolyse
deutKche Unterschiede beobachten können, die zugleich darauf hin-
weisen, daß nicht erst der Einfluß des Salzes, etwa durch eine
wesentliche Veränderung der Plasmamembranen, an der Verlang-
samung Schuld zu sein braucht. Schon bei der Mtteilung dieser
Versuche habe ich darauf hingewiesen, daß durch die Salzlösung
ebenso gut eine Abnahme der Durchlässigkeit der Zellmembran
für Wasser wie eine Abnahme der Permeabilität des Plasma für
Wasser bewirkt sein könnte. Bei unseren gegenwärtigen Kennt-
nissen freilich, namentlich nachdem eine Permeabilitätsverringerung
des Plasma für das Salz sicher erwiesen ist, scheint die letztere
Annahme wohl plausibler, die man denn auch zur Erklärung der
interessanten Tatsache vorziehen dürfte, daß die Plasmolyse in
verschiedenen Blättern verschieden schnell ihr Maximum erreicht.
Es wäre im Anschlüsse an diese Beobachtungen hier auch auf die
mit einer völlig anderen Methodik ausgeführten Untersuchungen
vonLundegärdh liinzuweisen, wenn ich nach eingehendem Studium
seiner Arbeit den Eindruck gewinnen könnte, daß seine Methodik
Ergebnisse gezeitigt hat, die auch nur einigermaßen untereinander
übereinstimmend oder in dieser Hinsicht eindeutig sind.
Meine orientierenden Versuche mit mancherlei anderen Ver-
suchsobjekten, z. B. mit den Zellen der Blätter der Hymenophyllacee
Untersuchungen über die Aufnahme von Salzen in die lebende Zelle. 55
Trichomanes radicans und denen der Koleoptilen von Avena sativa,
die auch für manche Salze durchlässig- sind^), weisen darauf hin,
daß die von mir für Ehoeo ermittelte Abnahme der Permeabilität
infolge der Einwirkung eben dieser Salze nicht eine vereinzelte
Ausnahmeerscheinung, sondern weiter verbreitet ist. Jedoch muß
ich hier darauf verzichten, sie jetzt schon mitzuteilen, weil es wie
bei Rhoeo erst eines sehr genauen Studiums der betreffenden Ob-
jekte bedarf, ehe sich aus meinen Beobachtungen ganz eindeutig
auf eine solche Permeabilitätsabnahme schließen läßt.
Wie man die Permeabilitätsverringerung unter dem Einflüsse
der Salze auffassen soll, läßt sich ohne weitere Untersuchungen
ebenfalls noch nicht genau sagen. Man könnte ja meinen, sie sei
der Ausdruck der beginnenden Schädigung der Protoplasten durch
die Salze. Dann also würde der mit weiterer Schädigung bekannt-
lich verbundenen Erhöhung der Durchlässigkeit zunächst eine bisher
unbekannt gebliebene Permeabilitätshemmung vorausgehen. Jedoch
spricht nicht zugunsten dieser Auffassung die Tatsache, daß merk-
würdigerweise Schädigungen anderer Art, wie z. B. Einwirkung
größerer Leuchtgasmengen, die Verwundung der Gewebe bei Her-
stellung der Schnitte, sowie die plasmotytische Kontraktion und
die damit bekanntlich verbundene Zerreißung von Plasmodesmen
die Permeabilität nicht ausgesprochen herabsetzen. Gegen die
Annahme einer Schädigung als permeabilitätsheramender Ursache
spricht zudem die oben erwähnte Tatsache, daß schon von vorn-
herein, ohne zuvorige Einwirkung der Salze, die Permeabilität
„normaler" Zellen für ein Salz recht verschieden sein kann! Eine
sichtbare Schädigung macht sich übrigens zum mindesten in den
hypotonischen Salpeterlösungen erst nach 36 — 48 Stunden bemerk-
bar, also sehr viel später, als de Vries (1885, S. 531) für hypo-
tonische angibt. Seine Beobachtung, daß bereits eine Stunde nach
Übertragung der Zellen in solche Salpeterlösungen Störungen darin
auftreten der Art, daß sie nach dieser Zeit das Auswaschen in
Wasser nicht mehr vertragen, kann ich nicht bestätigen. Vielleicht
1) Ein besonders günstiges Versuchsobjekt ist vielleicht die von de Vries so
viel verwendete Cureuma rubricaulis. Doch ist es mir trotz vieler Bemühungen erst
letzten Herbst gelungen, eine kleine, unter diesem Namen in Leyden kultivierte Pflanze
zu erhalten, deren Blätter und Blattscheiden indessen fast gar nicht rot gefärbt sind.
Ich konnte zudem von dieser Pflanze bisher keine Teile für die Untersuchung opfern.
Ich wäre für jeden Hinweis dankbar, wie ich in den Besitz der echten Form gelangen
könnte.
56 Hans Fitting,
sind meine Salzlösungen reiner gewesen. Übrigens scheint die
„autonom" oder durch die Einwirkung eines Salzes entstandene
Abnahme der Durchlässigkeit zugleich eine Abnahme der Per-
meabilität für andere Salze und auch für Wasser nach sich zu
ziehen. Über alle diese Fragen wird erst eine sehr sorgfältige
Untersuchung der Abhängigkeit der Permeabilität von den Außen-
faktoren Klarheit schaffen können. Versuche darüber habe ich
schon begonnen. Sehr beachtenswert ist die Beobachtung, die
übrigens ebenfalls noch durch weitere Versuche zu verfolgen bleibt,
daß im Gegensatze zu Tröndles und Lepeschkins Angaben das
Licht einen Einfluß auf die Permeabilität nicht gezeigt hat. Bei
dieser Gelegenheit will ich nicht versäumen, darauf hinzuweisen,
daß ich nach eingehender Beschäftigung mit der plasmol3'tischen
Methode und mit den damit zusammenhängenden Fragen diesen
Untersuchungen äußerst skeptisch gegenüberstehe, namentlich des-
halb, weil die Methode der Bestimmung von „Permeabilitäts-
koeffizienten" so, wie sie dort angewendet ist, irreführend ist, da
sie bekannte Tatsachen der physikalischen Chemie nicht hinreichend
berücksichtigt. Ich werde darauf bei einer anderen Gelegenheit
zurückkommen.
Vielleicht kommt man zu einer richtigeren Auffassung der
Permeabilitätsbeeinflussung durch die Salze und zugleich der Ver-
schiedenheiten in der Durchlässigkeit unbeeinflußter Zellen für
diese, wenn man nicht in erster Linie an eine Schädigung der
Plasmahäute, sondern einfach an physikalisch-chemische Verände-
rungen dieser Häute unter dem Einflüsse der Salze und an solche
von vornherein bestehende Unterschiede denkt. Stellt man sich
die Plasmamembranen vor als durch Berührung mit der Umgebung
an der Plasmagreuzfläche entstandene kolloidale Oberflächenschichten,
deren Eigenschaften in gleicher Weise von der Zusammensetzung
des Plasma wie von denen der Umgebung abhängig sind, und
weiter, daß die Zusammensetzung der Plasmamembranen einen
Gleichgewichtszustand in diesem verwickelten Systeme zusammen-
und gegeneinander wirkender Faktoren darstellt, eine Annahme,
die durch das sonstige Verhalten des lebenden Plasma nahegelegt
wird, so ergibt sich auch mit Notwendigkeit die Vorstellung, daß
die Plasmamembran durch Einführung eines neuen Faktors in der
Umgebung in geringerem oder größerem Maße ihre Eigenschaften
ändern muß; bei Einwirkung eines Salzes etwa dadurch, daß eine
Salz-Eiweiß „Verbindung" entsteht, oder, wie wahrscheinlicher, daß
Untersuchungen über die Aufnahme von Salzen in die lebende Zelle 57
die kolloidale Beschaffenheit der Plasmamembranteilcheu sich ändert.
Wissen wir doch durch die Untersuchungen mehrerer Forscher
(Pfeffer 1877, S. 134ff.; 1890, S. 239; de Vries 1885; Küster
1909, 1910), daß durch längere Einwirkung von Salzlösungen die
Plasmahäute sich tatsächlich sichtbar phj^sikahsch-chemisch, manch-
mal sogar, wie es scheint, reversibel verändern.
Von sehr großer Bedeutung wird- nun die Lösung der Frage
sein, ob und wie auch organische Substanzen^), für die das Plasma
nachweisbar durchlässig ist, etwa Glyzerin-) oder Harnstoff, und
im besonderen kolloidale Stoffe, die Permeabilität für diese Stoffe
und für Salze zu ändern vermögen, lluhland (z. B. 1912) hat ja
durch Versuche zu beweisen versucht, daß für Kolloide die Plasma-
membran als Teilchensieb wirkt, eine Annahme, von Traube (1867)
ausgesprochen, die in neuerer Zeit, wie mir indes scheint, nur auf
Grund von theoretischen Erwägungen für die kolloidalen Lösungen
auch von Perrin (1900, S. 542) wieder aufgegriffen worden ist.
Nimmt man in den Plasmamembrauen solche Poren an, die ziem-
lich weit sein dürften, da sie kolloidale Teilchen leicht passieren
lassen, so müßte es den Salzen ein Leichtes sein, mit ihren sehr
viel kleineren Teilchen durch die Haut zu permeieren. Undurch-
lässigkeit oder Abnahme der Durchlässigkeit wäre dann nur so
verständlich, daß unter dem Einflüsse der Salze bald sofort, bald
allmählich, je nach der chemischen Natur des Salzes, die Poren
verkleinert und für die Salzmoleküle oder -ionen verstopft werden.
Dann aber müßte die Membran auch für die Kolloide unwegsam
geworden sein. Auf die Literatur, die sich mit der Veränderung
der Permeabilität für Kolloide unter dem Einflüsse von Salzen be-
faßt, brauche ich hier nicht eingehen, da darin, soweit ich sehe,
entscheidende Beobachtungen für die hier aufgeworfenen Fragen
nicht zu finden sind. Sollten aber die Kristall oide auf prinzipiell
1) Von großem Interesse und meinen Beobachtungen mit Salzen vergleichbar
wäre die Angabe von Kuhland (1912b, S. 232) für die Blätter der Zuckerrübe : „Eecht
bemerkenswert ist die bei allen Plasmolysen gemachte Erfahrung, daß bereits nach ein-
stündiger Versuchszeit eine Verringerung der anfänglichen Permeabilität für Monosaccharide
eintritt", wenn sie nicht aus den „Permeabilitätskoeffizienten" erschlossen wäre. Diese
Koeffizienten führen aber, wie ich an anderer Stelle zeigen werde, irre und lassen
Schlüsse auf die Permeabilitätsverhältnisse nicht ohne weiteres zu.
2) Für Glyzerin findet sich bei de Vries (1888, S. 252) die Bemerkung, daß die
Permeabilität „im plasmolytischen Zustande allem Anschein nach geringer ist, als vor
der Plasmolyse". Auf eine Abnahme der Durchlässigkeit des Plasma unter dem Ein-
flüsse des Glyzerins läßt sich daraus noch nicht ohne weiteres schließen.
58 Hans Fitting,
andere Weise wie die Kolloide, etwa nach dem Prinzipe auswählender
Löslichkeit die Plasmamembranen durchdringen, so Wcären Unter-
schiede in dem Einflüsse beider auf die Permeabilität der Plasma-
häute nicht unmöglich. Auch darüber hoffe ich weiterhin berichten
zu können, da meine Methode solche Untersuchungen jetzt ohne
Schwierigkeit exakt durchführen lassen wird.
Der Nachweis der Permeabilitätsabnahme für die Salze unter
ihrer eigenen Einwirkung ist jedenfalls theoretisch in mancher
Hinsicht nicht bloß für die Pflanzen-, sondern auch für die Tier-
physiologie von Interesse, wie es auch wichtig ist, daß die Proto-
plasten sich anfangs für eine Anzahl Salze als recht durchlässig
erwiesen haben. Mancherlei Beobachtungen über Stoffaufnahme-
vorgänge, wie z. B. die Speicherung von Salzen nur bis zu einer
bestimmten, der Außenkonzentration unterlegenen Konzentration
(vgl. z. B. Fitting, 1911, S. 262 ff., und die freilich sehr anfecht-
baren Arbeiten von Nathansohn, 1903, 1904 und Meurer, 1909),
dürften damit verständlich werden^). Auch eröffnet sich jetzt endlich
einmal eine Einsicht in die paradoxe Tatsache, daß Salze, die die
Pflanze nachweisbar braucht und in ihr Plasma aufnehmen muß, eine
irreparable Plasmolyse hervorrufen. Allerdings ist dabei zu beachten,
daß diese Tatsache nach meiner Arbeit, wenigstens bei bestimmten
Pflanzen und gewissen Salzen, offenbar nur cum grano salis gilt: näm-
lich für verhältnismäßig grobe Versuchsanordnung, wie sie bisher aus
Unkenntnis der tatsächlichen Verhältnisse gewöhnlich angewendet
worden ist, für Konzentrationen, die die Grenzkonzentrationen be-
reits beträchtlich überschreiten. Dann nämlich vermag die immer-
hin nachweisbare Aufnahme von Salz die Plasmolyse nicht bis zu
dem Zeitpunkte rückgängig zu machen, wo die Permeabilität bereits
nahezu gleich Null geworden ist. Merkwürdig ist aber, daß nur
die Alkalisalze, dagegen nicht Magnesium- und Erdalkalisalze mit
meiner ja so sehr feinen Methode nachweisbar permeieren, obwohl
zum mindesten auch das Magnesium nach unseren gegenwärtigen
Kenntnissen in der Zelle gebraucht wird. Wenn auch eine hin-
reichende Aufnahme ohne plasmolytisch nachweisbare Permeabilität
denkbar ist, so liegt der Gedanke doch nahe, ob nicht vielleicht
das Magnesium und ebenso die anderen, nicht permeierenden Erd-
alkalien in solchen Konzentrationen, wie ich sie verwendet habe,
1) Die Ansicht Ruhlands (1909b, S. 41), die Salze würden bis zum Konzentra-
tionsgleichgewicht aufgenommen, scheint keine allgemeine Gültigkeit zu haben.
Untersuchungen über die Aufnahme von Salzen in die lebende Zelle. 59
SO schnell nach Berührung mit den Zellen die in geringem Maße
bestehende Permeabilität herabsetzen, daß sie schon bis zum Be-
ginn der Beobachtungen auf Null gesunken ist. Doch ist dieser
Hypothese meine Beobachtung vorläufig wenig günstig, daß zwar
die Permeabilität nach Eliuwirkung der permeablen Salze schnell
zu sinken beginnt, bis auf Null aber erst nach vielen Stunden fällt.
Zur Entscheidung dieser Fragen würde es von großer Wichtigkeit
sein, festzustellen, was weiterhin noch geschehen soll, ob z. B. die
Magnesiumsalze in sehr geringen Konzentrationen, etwa zu einer
osmotisch wirksamen, sonst aber indifferenten Lösung zugesetzt,
nicht doch plasmolytisch nachweisbar permeieren und wie die
Alkalisalze in sehr geringen Konzentrationen die Permeabilität be-
einflussen. Für alle diese Fragen dürfte die plasmolytische Methode
in ihrer nun verfeinerten Form noch sehr wertvolle Ergebnisse
liefern. Sie wird nach meinen Untersuchungen von keiner anderen
an Genauigkeit übertroffen und wird auch die Frage zu lösen er-
lauben, ob die für so viele Pflanzenzellen behauptete Impermeabilität
für Alkalisalze wirklich so groß ist, daß keine Deplasmolyse in
den Lösungen solcher Salze erfolgt. Welche mchtigen Probleme
der Stoffaufnahme dabei auftauchen, nach wieviel Seiten hier
weitere Erkenntnisse Licht ausstrahlen lassen könnten, darauf
brauche ich an dieser Stelle nicht noch einmal hinzuweisen. Das
ist schon oft genug geschehen.
Meine Beobachtungen sind der sogenannten Lipoidtheorie der
Stoff aufnähme nicht günstig, das brauche ich wohl nicht noch
besonders hervorzuheben. Möglich, daß schnell eindringende Stoffe,
wie Chloroform, Alkohole usw., wegen ihrer Löslichkeit in Lipoiden
schnell diffundieren ; die ganzen Permeabilitätsverhältnisse der Zelle
können aber jedenfalls nicht von diesen Stoffen beherrscht werden!
Daß die anfängliche Permeabilität der Ehoeo-ZeWen für die Alkali-
salze nicht schon Folge einer Schädigung des Plasma durch die
Salze ist, wie Hob er in seiner letzten Auflage der „Physikal. Chemie
der Zelle und Gewebe" für ähnliche Fälle vermutet, bedarf wohl
weiter keines Beweises ; gerade die nachweisbar stärker schädigen-
den Erdalkalisalze sind ja impermeabel!
Schließlich möchte ich noch ganz kurz darauf hinweisen, daß
meine Untersuchungen manche merkwürdigen, in der Literatur vor-
liegenden Angaben nicht zu bestätigen vermocht haben, so z. B.
auch nicht die Angabe von Bysselberghe (1898), daß der os-
motische Druck in den Zellen von Rhoeo, wenn man sie in
ßQ Hans Fitting,
Lösungen osmotisch wirksamer Substanzen bringt, nach dem
Web ersehen Gesetze regulatorisch gecändert wird.
Abschnitt VII. Zusammenfassung der Ergebnisse.
Es wurde der Versuch gemacht, mit Hilfe der plasmolytischen
Methode an geeigneten Versuchsobjekten die Geschwindigkeit zu
bestimmen, mit der Salze während aufeinanderfolgender Zeit-
abschnitte in die lebenden Protoplasten eindringen.
Es zeigte sich dabei, daß diese Methode nach mancherlei Ver-
besserungen viel leistungsfähiger zur Lösung dieser Frage ist, als
man auf Grund unserer bisherigen Kenntnisse annehmen konnte.
Es ist vor allem nötig: 1. die Konzentrationsdifferenzen zwischen
den verwendeten Salzlösungen genügend fein abzustufen (etwa
0,0025 GM), 2. genau festzustellen, in welchen Intervallen und
von welchem Zeitpunkte an nach Übertragung der Zellen in die
Lösungen man die Ablesungen vornehmen muß, 3. sich über die
Fehlergrenzen der Methode ganz klar zu werden, 4. Versuchsobjekte
zu finden, die neben einer nachweisbaren Permeabilität für Salze
möglichst genau gleiche osmotische Drucke in benachbarten Zellen
entwickeln und die sich gut plasmolysieren lassen, und 5. diese
Versuchsobjekte vor Beginn der Versuche nach allen Richtungen
kennen zu lernen, z. B. auch auf das Vorkommen von Exosmose
aus den Zellen in die Lösungen zu prüfen. Es zeigt sich, daß
allen Anforderungen in hohem Maße die Epidermiszellen der Blätter
von Rhoeo discolor genügen.
Die Versuche mit Kalisalpeter hatten folgende Ergebnisse:
Die Plasmolyse tritt sehr schnell ein, erreicht ihr Maximum meist
schon nach 15 Minuten; dann beginnt sie infolge nachweisbarer
Aufnahme des Salzes zurückzugehen. In der Zeitspanne zwischen
der ersten Ablesung, 15 Minuten nach Versuchsbeginn, und der
zweiten, d. h. während 15 Minuten, dringen in die permeabelsten
Zellen etwa 0,0025 GM Salz ein, in den darauffolgenden 30 Minuten
0,0025 — 0,005 GM, in der ersten Stunde nach Versuchsbeginn
mindestens etwa 0,0075—0,01 GM. Die Permeabilität für das Salz
ist nicht in allen Blättern gleich groß; vor allem ist sie auffallend
jahreszeitlich verschieden, im Sommer groß, im Winter oft fast
gleich Null. Auf die Durchlässigkeit haben Laboratoriumsluft,
Leuchtgas, selbst in ziemlich großen Mengen, die Verwundung bei
Anfertigung der Schnitte, längerer Aufenthalt der Zellen in Wasser,
Untersuchungen über die Aufnalime von Salzen in die lebende Zelle. ßl
die Plasmolyse als solche und Lichtschwankungen so gut \de keinen
oder überhaupt keinen Einfluß. Nur im Winter setzte gelegent-
lich die Verwundung oder längerer Aufenthalt der Zellen in
Wasser die an und für sich schon geringe Permeabilität manchmal
merkbar herab.
Jedoch sinkt die Permeabilität für das Salz bei längerem Auf-
enthalt der Zellen in den Salzlösungen langsam und zwar so stark,
daß sie nach 12 — 20 Stunden nahezu Null geworden ist. Diese
Abnahme wird durch das Salz hervorgerufen. Sie beginnt, wie
meine Kurven zeigen, bereits in oder mindestens nach der ersten
Stunde. Sie ist umso auffälliger, je größer die Permeabilität zu
Beginn der Versuche war.
Überträgt man die Zellen aus hypotonischen Salpeterlösungen,
worin sie längere Zeit verweilt hatten, in hypertonische, so erreicht
die Plasmolyse viel später ihr Maximum als bei den nicht vor-
behandelten Zellen: im Gegensatz zu diesen, wo es nach 15 Minuten
erreicht ist, erst nach V2 — ^U Stunden. Diese Tatsache läßt sich
nicht einfach mit der Abnahme der Permeabilität für das Salz er-
klären. Genauere Untersuchung zeigte nämlich, daß bei normalen
und bei den, obige Zeit in hypotonischen Salzlösungen vorbehan-
delten Zellen die danach durch hypertonische Salpeterlösungen er-
zielte Plasmolyse in Wasser verschieden schnell zurückgeht, näm-
lich bei jenen sehr ^iel schneller als bei diesen. Solche Unter-
schiede, wenn auch von geringerer Größenordnung, ließen sich
übrigens auch oft schon und zwar zwischen den Blättern ohne
solche Vorbehandlung der Zellen nachweisen. Aus diesen Versuchen
geht hervor, entweder daß durch den Einfluß der Salpeterlösungen
auch die Zellmembranen für das Salz schwerer durchlässig werden
oder daß die Permeabilität der Plasmamembranen auch für Wasser
stark herabgesetzt wird und daß Unterschiede in dieser Hinsicht
schon von vornherein zwischen den Blättern bestehen können.
Ganz entsprechende Permeabilitätsverhältnisse und den gleichen
Einfluß auf die Durchlässigkeit habe ich feststellen können für die
anderen geprüften Kaliumsalze (Chlorid, Chlorat, Sulfat, Bromid),
ferner für die Salze des Natrium (Nitrat, Chlorid) und des Lithium
(Nitrat, Chlorid). Die Kaliumsalze permeieren etwa ebenso schnell
wie die Natriumsalze, viel schwächer die Lithiumsalze. Dagegen
konnte ich mit der plasmolytischen Methode gar keine Permeabilität
für die Salze des Magnesium (Sulfat, Nitrat, Chlorid), Kalzium
(Chlorid, Nitrat), Barium (Nitrat, Chlorid) und in der Regel keine
62 Hans Fitting,
des Strontium (Nitrat, Chlorid) nachweisen. Aber nicht allein vom
Kation hängt die Durchlässig-keit ab: das Kaliumsulfat permeiert
von Anfang an viel langsamer als die übrigen Kaliumsalze.
Orientierende Versuche mit anderen Objekten weisen darauf
hin, daß der durch meine Methode einwandfrei erwiesene Einfluß
der Salze auf die Permeabihtät des Plasma weiter verbreitet ist.
Gründe für die Annahme, die Permeabilitätsabnahme sei auf
eine Schädigung der Protoplasten durch die Salze zurückzuführen,
liegen zurzeit nicht vor.
Meine Versuche geben Aufschluß darüber, woher es kommt,
daß die Plasmolyse in Salzlösungen, die die Zelle aufnehmen muß,
so oft nicht zurückgeht. Sie zeigen ferner, daß eine Speicherung
von Salzen nicht bis zum Oleichgewichtszustande mit der Außen-
lösung fortzuschreiten braucht. Sie sind der Lipoidtheorie der
Stoffaufnahme nicht günstig.
Bonn, Botanisches Institut der Universität, im JuK 1914.
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Beobachtungen über einige Farnprothallien
mit Bezug auf eingebettete Antheridien und Apogamie.
Von
David M. Mottier.
Mit 3 Textfiguren.
Im Jahre 1908 hat Miss Caroline A. Black unter der Auf-
sicht des Verfassers eine Reihe Experimentaluntersuchungen über
die Prothallieu von zwei ziemlich weit verbreiteten tropischen Farnen,
nämlich: Dryopteris stipularis (Willd.) Maxon und Dryopteris mollis
(Jacq.) Hieron. (Nephrodium mollc) mit Bezug- auf die Erscheinung-
der Apogamie augestellt. Diese Arbeit erschien wünschenswert,
da Yamanouchi (1908) in der zuletzt genannten Spezies die Ent-
deckung der Entwicklung von apogamen Sporophvten mit der ha-
ploiden Anzahl von Chromosomen verkündigt hatte. Yamanouchi
gelangte zu diesen apogamen Embryonen dadurch, daß er die Pro-
thallieu im direkten Sonnenlicht kultivierte und die Befruchtung
ausschloß, indem er die Pflanzen von unten bewässerte und ver-
hinderte, daß irgend eine Flüssigkeit von oben auf die Pflanzen fiel.
Miss Black wiederholte zuerst Yamanouchis Experimente
mit Dryopteris stipularis, soweit es aus der Beschreibung der
von diesem Verfasser angewandten Methoden möglich war, mit
dem Resultat, daß keine apogamen Embryonen, sondern anstatt
dessen sonderbar eingebettete Antheridien zugleich mit normalen
männlichen Organen gefunden w^irden. Man hat auch gewisse
andere Eigentümlichkeiten in bezug auf die Entwicklung der Arche-
gonien bemerkt. Angesichts dieser Tatsachen wurde beschlossen,
die Beobachtungen auf Drijopteris mollis, die Spezies, die Yama-
nouchi genau untersucht hatte, auszudehnen mit dem Resultate,
daß eingebettete Antheridien, die identisch mit denen in Dryo-
pteris stipularis gefunden worden waren, auch in dieser Spezies
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI. ^
ßg David M. Mottier,
vorkamen. Die Experimente wurden mit beiden Spezies im Laufe
des Winters, des Frühlings und des Frühsommers wiederholt. Kein
einziger apogamer Embryo war in den beiden Arten zu entdecken,
auch war kein Gebilde weder makroskopisch noch mikroskopisch
wahrzunehmen, das irgendwelche wirkliche Ähnlichkeit mit einem
von den apogamen Gebilden aufgewiesen hätte, die in der gesamten
zugänglichen Literatur über dieses Thema abgebildet oder be-
schrieben worden sind.
Weil es notwendig war, die Prothallien unter normalen Be-
dingungen auf trockenerem Boden zu ziehen, um die Befruchtung
auszuschließen, so folgerte man, daß die eingebetteten Antheridien
sich unter der Wirkung der Trockenheit und des direkten Sonnen-
lichtes entwickelt hätten.
Während der vier letzten Jahre hat der Verfasser im Laufe
des Winters, Frühlings und Frühsommers Reihen von Prothallien-
kulturen der beiden oben erwähnten Spezies und auch die von
Matteuccia Struthiopteris (L.) Todora (Onoclea Struthiopteris Hoffm.)
unter Beobachtung gehalten. Der Zweck dieser Forschungen war,
wenn möglich, zu bestimmen, ob die eingebetteten Antheridien
durch die Wirkung der Trockenheit oder des direkten Sonnenlichtes
oder durch beides hervorgebracht worden waren und außerdem
festzustellen, ob apogame Auswüchse bei Dryopteris moUis sich
entwickeln ließen, und sollte das der Fall sein, unter welchen
Kulturbedingungen. Die dabei angewandten Methoden und die
erlangten Resultate werden in den folgenden Zeilen auseinander-
gesetzt werden.
Das Material und die Methoden.
Durch die Liebenswürdigkeit des Herrn Alois Frey wurden
sporentragende Wedel von Dryopteris mollis (,.Nephrodium molle")
aus den Gewächshäusern des Lincoln Parks in Chicago bezogen.
Dies ist eine sehr weitverbreitete tropische Spezies, die in Treib-
haus-Farnkrautpflanzungen häufig gezogen wird. Man hat diese
Pflanze in den Gewächshäusern des Lincoln Parks mit dem Namen
„Nephrodium molle" bezeichnet. In den Sporen der oben be-
sprochenen Wedel hat Miss Black das Material für ihre Unter-
suchung gefunden, und von diesen hat sie mehrere prächtige Exem-
plare gezüchtet, deren Sporen das Material zu der folgenden
UnteTsuchung lieferten. Dryopteris stipidaris wurde aus Kuba
bezogen.
Beobaclitungen über einige Farnprothallien usw.
67
Herrn Professor Carl Christen sen in Kopenliageu wurden
Herbarium-Exemplare dieses „Nephrodium motte-' zugeschickt. Er
hat die Identität dieser Pflanzen mit Dryopteris mollis (Jacq.)
Hieron. ^) festgestellt.
Die Prothallien wurden auf sterilisierter Erde (leaf mould) in
Blumentopfuntersätzen gezogen. Wasser wurde den Pflanzen stets
vermittels Bewässerung von unten zugeführt. Um die Flüssigkeits-
menge hinlänglich zu regulieren, wurde der Boden des die Erde
enthaltenden Untersatzes 3 — 5 mal durchlöchert. Dieser Untersatz
wurde in einen zweiten, etwas größeren gesetzt. Das in den
äußeren Untersatz ge-
gossene Wasser drang
allmählich durch den
inneren und danach
durch die Erde hinauf.
Die in den äußeren
Untersatz eingegossene
Wassermeuge regelte
den Feuchtigkeits- oder
Trockenheitsgehalt der
Erde. Um die Verdun-
stung zu regulieren und
um fremde Sporen aus-
zuschließen, wurde jede
Kultur mit einer hohen
Glasglocke bedeckt. Ein
etwa 4 cm dicker Holz-
klotz wurde unter den
Rand der Glasglocke ge-
legt, um die Ventilation
zu regulieren und um die Glasglocke derart zu neigen, daß das
Hinunterfallen der sich auf der unteren Seite der Kuppel bilden-
den Wassertropfen verhindert wurde (Fig. 1). Die Erde wurde
stets derart vom Rande zurückgedrängt, daß ein kleiner Graben
gebildet wurde, der sich zwischen der Erde und dem Rande um
den ganzen Untersatz erstreckte. Dieser Graben erwies sich aus
mehreren Gründen sehr nützlich. FaUs die Oberfläche der Erde
Fig. 1.
Apparat zur Kultur von Prothallien.
1) Kg]. Danske Vidensk. Selsk. Skrift, VII, 10, 191—192, 1913. Index Filicum.
Supplementum, S. 26, 1906—1912.
gg David M. Mottier,
die Neigung zeigte zu schnell auszutrocknen (ein Zustand, der sich
nach kurzer Zeit einstellte, wenn die Kulturen dem hellen Sonnen-
licht ausgesetzt wurden), so konnte man das Aufsteigen der Feuch-
tigkeit in der Erde sehen und dadurch verhindern, daß die Ober-
fläche zu naß würde. Man fand nicht nur, daß verschiedene
Feuchtigkeitsverhältnisse in derselben Kultur vorhanden waren,
sondern auch Verschiedenheiten in der Beleuchtung: denn die Pro-
thalhen auf dem südlichen Abhang des Grabens genossen die
direkten Sonnenstrahlen, während diejenigen auf dem nördlichen
Abhang sich etwas im Schatten befanden, besonders in den frühe-
ren Stadien des Wachstums. Die Erde im Graben war immer
feuchter, als die auf der ebenen Oberfläche. Es war gewöhnlich
genügend Feuchtigkeit im Graben vorhanden, um die Befruchtung
zu sichern. Andererseits konnte man der ebenen Oberfläche der
Kultur eine Wassermenge zuführen, die für das langsame Wachsen
der Prothallien hinreichte, aber nicht genügte, um ihre Befruchtung
zustande zu bringen. Kulturen, .die ich gegenwärtig unter Beob-
achtung habe, zeigen am 13. März, 5 Monate nach dem Aussäen,
folgende Resultate der Feuchtigkeitsregulation. In dem Graben
bringen fast alle Prothallien normale Sporophyten hervor, wovon
viele 5 oder 6 Blätter tragen, und von diesen haben die gTößeren
eine Länge von 5 — 6 cm. Auf der ebenen Oberfläche dagegen ist
kein einziger Sporophyt unter den Hunderten von Prothallien zu
sehen. Die Mehrzahl dieser Prothallien ist in einem gesunden
Zustande. Einige haben eine Breite von .5 — 8 mm. Sie fahren
fort Geschlechtsorgane zu entwickeln.
Die Kulturen wurden fortwährend nebeneinander unter Beob-
achtung gehalten, bei wechselnden Beleuchtungs- und Feuchtigkeits-
Verhältnissen, die von einem etwas trockenen Boden und direktem
Sonnenlicht zu solchen, die für diese Prothallien normal waren,
übergingen. Unter „normalen Zuständen" versteht man gute dif-
fuse Beleuchtung mit etwas direktem Sonnenschein frühmorgens
oder spätnachmittags und einen einheitlich feuchten Erdboden. Um
eine diffuse Beleuchtung zu bekommen, wurde entweder eine be-
schattete Stelle im Gewächshaus gewählt oder das direkte Sonnen-
licht dadurch ausgeschlossen, daß man Stücke von dünnem, weißen
Seiden- oder Filtrierpapier auf die äußere Seite der Glasglocke
klebte. Die Zucht von Farnprothallien, die den direkten Sonnen-
strahlen ausgesetzt werden, mit genügend trockener Erde und Luft,
um die Befruchtung auszuschließen, bietet im Spätherbst und im
Beobachtungen über einigre Farnprothallien usw. 69
Wiuter keine großen Schwierigkeiten, aber wie weiter unten ge-
zeigt wird, ist es fast unmöglich, dieselben in Indiana im Spät-
frühling und im Sommer zu ziehen.
Beobachtungen und Ergebnisse
in Beziehung auf eingebettete Antheridien.
Aussaaten von Dnjopteris stipularis und Dryopteris mollis
wurden zu verschiedenen Malen im Laufe des Herbstes, Winters
und zu Anfang des Frühlings gemacht. Die Kulturen wurden in
Doppelreihen, jede unter drei verschiedenen Bedingungen gezogen,
nämlich: erstens in einer normalen (d. h. idealen) Umgebung,
zweitens im direkten Sonnenlicht und drittens unter Verhältnissen,
wo das direkte Sonnenlicht, wie schon oben erwähnt, vermittels
dünnen weißen Papiers ausgeschlossen wurde. Die beiden letzteren
Kulturen standen immer nebeneinander auf demselben Tische. Die
Befruchtung wurde bei all diesen Kulturen soweit wie möglich
verhindert. Mele auf oben erwähnte Weise gezüchtete Prothallien
dieser beiden Spezies wurden sorgfältig in Paraffin eingebettet,
dann geschnitten und gefärbt. Eingebettete Antheridien wurden
(wie es Miss Black schon beschrieben hat) in beiden Spezies
von Dryopteris und unter den verschiedenen Kulturverhältuissen
entwickelt. Das heißt, sie kamen vor bei Prothallien, die unter
normalen Verhältnissen gezogen wurden, bei denen, die dem direkten
Sonnenlicht ausgesetzt und im Graben gut bewässert wurden,
ferner bei den trockener gehaltenen und unmittelbar beleuchteten
Kulturen und ebenso bei denjenigen, die eben feucht genug ge-
halten wurden, um entweder im direkten Sonnenlicht oder im
Schatten gedeihen zu können. Die von dem Verfasser beobachteten
Antheridien stimmen morphologisch vollständig mit den von Miss
Black beschriebenen überein (1. c. Fig. 8, 9, 15, 16). Die Pro-
thallien mit tiefliegenden Antheridien brachten auch immer solche
hervor, die vollkommen normal schienen. Eigentümlichkeiten in
den Archegonien, die den von Miss Black abgebildeten glichen,
wie z. B. tiefliegende Ei- und Bauchkanalzelle, wurden auch be-
merkt. Die Trockenheit mag ja die Erzeugung der eingebetteten
Antheridien erleichtern, aber ob sie dies als unmittelbares Reiz-
mittel oder l)loß durch die Verlängerung des Lebens der Prothal-
lien be^^irkt, kann man nicht mit Sicherheit feststellen. Auf
jüngeren Prothallien wurden keine eingebetteten Antheridien ent-
7Q David M. Mottier,
deckt, sondern zum größten Teil auf denen, die ein etwas massives
Archegonialpolster entwickelt hatten. Alter und Größe der Pflanze
trugen wohl zur Hervorbringuug solcher Gebilde bei. Aber da
eingebettete Antheridien sich auch auf Pflanzen fanden, die unter
normalen Bedingungen gezogen worden waren, so ist es nicht
wahrscheinlich, daß sie sich bloß unter der Wirkung der Trocken-
heit entwickelt haben. Unter normalen Verhältnissen werden sich
Prothallien von diesen beiden Arten von Dryopteris finden, bei
denen die Befruchtung keines Eies stattgefunden hatte, mit dem
Ergebnis, daß die Pflanzen außergewöhnlich groß geworden sind.
Es haben sich tiefliegende Antheridien in diesen Prothallien ge-
funden. Es wäre zu erwähnen, daß auch Übergänge von voll-
kommen normalen zu typisch eingebetteten Antheridien vorkommen.
Angesichts der erwähnten Tatsachen darf man mit Recht den
Schluß ziehen, daß bei Dryopteris stipularis und Dryopteris mollis
unter den älteren Prothallien die Neigung besteht, tiefliegende
Antheridien nebst normalen männlichen Organen hervorzubringen,
und daß diese Gebilde nicht notwendigerweise unter der Wirkung
der Trockenheit zur Entwicklung gelangen.
Über Apogamie.
In bezug auf die Apogamie, die in den aus normalen Sporen
entwickelten Prothallien bewirkt wird, wie es schon W. H. Lang
und andere beschrieben haben, sind diese Untersuchungen von
Interesse, insofern sie beweisen, daß apogame Sporophyten in ge-
wissen Farnen nicht als Ergebnisse von Verhältnissen, denen man
dieses Phänomen bisher zugeschrieben hat, erzeugt werden. Bevor
wir in eine ausführlichere Beschreibung dieser Beobachtungen und
Ergebnisse eintreten, wäre es wohl ratsam, eine bündige geschicht-
liche Übersicht über die dabei in Betracht kommende Phase der
Apogamie zu geben, erstens um die morphologischen Tatsachen,
auf denen die Erkennung eines apogamen Auswuchses gegründet
ist, klar darzulegen und zweitens, um im allgemeinen den Umfang
der Gattungen und Arten zu bestimmen, bei denen diese Abnor-
malität schon berichtet worden ist. Apogame Auswüchse in apo-
sporen Prothallien werden dabei nicht in Betracht gezogen.
Farlows Untersuchungen über Pteris eretica (1874) ver-
danken wir die erste genaue Beschreibung des Ursprungs eines
apogamen Sporophyts in einem Farnkraut. Auf aus Sporen ge-
Beobachtungen über einige Farnprothallien usw. 7]^
Züchteten Prothallien fand Farlow Farnkräuter, die als vegetative
Auswüchse aus dem archeg-onialen Meristem entsprungen waren.
Auf diesen Prothallien wurden keine Archegonien bemerkt, es
waren aber Antheridien vorhanden.
Ein paar Jahre später hat de ßary (1878) Farlows Beob-
achtungen bestätigt, und die Apogamie in drei anderen Formen:
Aspidium filix mas crisiafum, A. filix mas genuinuni und A. fal-
catum beschrieben. Bei all diesen Formen wurden die verwende-
ten Prothallien aus Sporen gezogen. Auf diesen Prothallien ist
entweder das eine oder das andere der Geschlechtsorgane unvoll-
kommen entwickelt oder auch gar nicht vorhanden. De Bary
gibt den Zeitverlauf zwischen dem Aussäen der Sporen und dem
Erscheinen des apogamen Auswuchses nicht an, aber er bemerkt,
daß diese Gebilde sich in Pteris cretica erst dann entwickeln,
nachdem die Gametophyten regelmäßig herzförmig geworden waren
und eine Breite von etwa 2 mm hatten, oder zur Zeit der Erschei-
nung der ersten Archegonien. Die primären Auswüchse entstehen
als kleine Anschwellungen auf dem archegonialen Meristem dicht
hinter der Herzbucht. In der apogamen Anschwellung kommen
zuweilen Tracheiden vor. Die von Farlow und de Bary unter-
suchten Pflanzen wurden unter normalen Verhältnissen gezogen.
Ihr morphologisches Heweismaterial ist klar und unbestreitbar.
Im Jahre 1898 beschreibt Lang die Ent\^äcklung von apo-
gamen Auswüchsen auf den Prothallien der folgenden Arten und
Varietäten: zwei Varietäten von ScoJopendrhmi vulgare Sm., nament-
lich Var. ramulossiswmm Wall, und Var. marginale; Nephrodium
düaiatum Desv., Var. coronans Barnes; Aspidium acideatum Sev.,
A^ar. multifidum Wall., A. angulare Willd., Var. foUosum multi-
fidum und Var. acutifolium multifidum : Athyrium niponicum Mett.
normale Form und Var. cristatum; drei Varietäten von Filix-
femina Bernh., percristatnm Cousens, Var. cruciata-cristatum und
Var. coronatum Lowe; Polypodiwn vulgare L., Var. grandiceps Fox;
Aspidium frondosum Lowe und Varietäten von gekämmt und nor-
malen Formen von Nephrodium Filix- mas. In fast all diesen
Farnen haben sich die apogamen Auswüchse als zylindrische Fort-
sätze direkt aus der Spitze der Prothallien oder aus der Unter-
fläche unmittelbar liinter der Spitze oder als Archegonialhöcker
entwickelt. Diese Auswüchse erschienen bei alten Prothallien, die
wenigstens 2 Jahi-e oder noch länger unter Kultur gestanden
hatten, denn normale Embryonen wurden bei allen Arten hervor-
72 David M. Mottier,
gebracht, wenn die Verhältnisse es zuließen. Mit einer einzigen
Ausnahme wurde die Apogamie in Längs Kulturen als Ergebnis
fortgesetzter Kultur, zeitweilig sogar im direkten Sonnenlicht, zu-
stande gebracht, während welcher Zeit die normale Befruchtung
dadurch verhindert wurde, daß man den Zugang flüssigen Wassers
von oben abstellte. Der einzige Fall von unmittelbarer Apogamie,
d. h. einer Apogamie, die entstanden ist, ohne daß der Einfluß
äußerer Bedingungen irgendwie wahrnehmbar gewesen wäre, hat
sich bei Nephrodium pseiido-mas Var. polydachjlum Dadds gefunden.
Lang deutet darauf hin, daß der zylindrische Höcker (cylindrical
process), den man in längere Zeit gezogenen Kulturen findet (der
zylindrische Höcker ist eine dii-ekte Fortsetzung des Mittelpolsters),
ebenso wie das dicke massive Mittelpolster sich zweifellos unter
der Einwirkung größerer Trockenheit entwickelt hat, da dieser
Höcker eine diesen Bedingungen besser angepaßte Form ist.
Hier wäre es wohl von Interesse, zu erwähnen, daß einige
der zylindrischen Höcker Blätter und Wurzel entwickelten, wäh-
rend andere Sporangien nebst Rani enta trugen. Tracheiden kom-
men auch vor. Nach Längs Abbildungen zu schließen, scheint
es, daß die Wurzeln, einige Fälle ausgenommen, spät zum Vor-
schein kamen, wenn sie sich überhaupt entwickelten.
Unter den Arten, bei denen Apogamie von Farmer und Digby
(1907) beschrieben worden ist, ist Lastrea pseudo-mas Var. poly-
daetyla Wills die einzige, bei der die Prothallien aus Sporen er-
zeugt wurden. Bei dieser Art zeigen die Prothallien keine üppige
Entwicklung von Antheridien, und Archegonien sind gar nicht vor-
handen. Es wurde beobachtet, daß in gewissen Zellen der jüngeren
Teile der Prothallien, in den Flügeln sowohl als in den dickeren
Teilen, die Kerne in benachbarte Zellen liinübergingen und sich
dort mit den Kernen dieser Zellen vereinigten. Diese Verschmel-
zung von Kernen wird von den beiden Verfassern als Ersatz für
den Geschlechtsakt angesehen. Der Embryo erscheint zuerst als
Anschwellung ähnlich dem von Nephrodium pseudo-mas Var. poly-
dactylum Dadds, wie es Lang (1. c, 1898, S. 214) beschrieben hat.
Lang erwähnt das Vorkommen von zweikernigeu Zellen in den
meristematischen Gegenden der Prothallien von Scolopendrium vul-
gare, bei denen keine Andeutungen einer vorhergehenden Teilung
wahrnehmbar waren (1. c. Fig. 21, 22).
Obgleich wir hier eigentlich nichts mit der Entstehung von
apogamen Strukturen auf Prothallien, die auf einen aposporen Ur-
Beobachtungen über einige Farnprothallien usw. 73
Sprung zurückgehen, d. h. Auswüchse vom Rande der Blätter des
Sporophyts sind, zu tun haben, so wären doch wohl die Fälle von
Athyrium Filix-femina Var. clarissima Bolton und Scolopendrium
vulgare Var. crispum Drummondae erwähnenswert. Bei diesen
Pflanzen entsprangen die apogamen Embrj onen aus der Zelle im
Archegonium, die der Eizelle entspricht. Diese aposporen Pro-
thallieu unterscheiden sich dadurch von normalen, daß sie die
diploide Anzahl von Chromosomen haben, obgleich sie Antheridien
mit freibeweglichen Spermatozoiden und Archegonien von ähnlichem
Bau wie bei den normalen Prothallien hervorl)ringen. Solche „Eier"
könnten natürlich nicht befruchtet werden, und man dürfte sie
wohl mit Recht merkwürdige Fälle von phjsiologischem Paralle-
lismus nennen.
Im Jahre 1908 veröffentlichte Woronin einen Bericht über
die apogame Entstehung von Farnen bei Pellaea niva (Prt.) (Noio-
ehlaena niva) (Desv. Hk. Bk.), P. tenera, P. flavens (Notochlaena
flavens), N. Eclioniana und N. sinuata, deren Prothallien aus
Sporen gezogen worden waren. Es waren lauter Fälle der direkten
Apogamie, d. h., sie wurden unter normalen Bedingungen der Kultur
entwickelt. Das Problem bietet keine Schwierigkeiten dar, da
sich keine Archegonien auf den apogamen Prothallien entwickelten.
Eine langausgedehnte Kultur war auch nicht nötig, da apogame
Triebe in einer verhältnismäßig kurzen Zeit erschienen, z. B. bei
Pellaea flavens in 5 Wochen nach der Aussaat. Wie in den von
Lang beschriebenen Fällen, so entspringen auch apogame Sprosse
aus Höckern, die unmittelbar aus der Herzbucht oder aus An-
schwellungen, die sich dicht hinter derselben befanden, heraus-
wuchsen. Woronin nennt den apikalen Auswuchs „ein verküm-
mertes Blatt", woraus man wohl schließen darf, daß das Gebilde
abgeplattet und weniger massiv gewesen sei, als der von Lang
beschriebene zylindrische Fortsatz. Wurzeln entwickelten sich
immer spät, häufig erst nach dem zweiten oder sogar dritten blatt-
ähnlichen Gebilde, oder nachdem der Stammscheitel zum Vorschein
gekommen war.
Die von Heilbronn (1910j an Cystopteris fragüis Bernhardi
forma pohjapogama m. angestellten Beobachtungen sind von be-
sonderem Interesse ; denn bei dieser Varietät entwickeln sich apo-
game Auswüchse auf gewissen Prothalhen im Laufe des Frühlings
und des Sommers, während normale Embryonen auf anderen im
Laufe des Winters erzeugt werden. Heilbronn schreibt die Ent-
74 David M. Mottier,
Wicklung der apogamen Sporophyten der inteusiA-eren Soinmer-
beleuchtung zu. Die in Frage stehenden Prothallien wurden schein-
bar aus Sporen gezogen, da man sie in einer Kultur fand, die von
einer in Südtirol (im Schlerugehiet) gesammelten Sporenaussaat von
Asplenium Ruta Muraria erlangt wurden. Die Prothallien von
Cystopteris waren von denen von A. Ruta Muraria leicht zu unter-
scheiden durch ihren größeren Umfang sowie durch größere Zellen
und Kerne (mitotische Figuren von diesen waren in den lebenden
Zellen leicht zu sehen) und auch durch die zahlreichen Drüsen-
haare, die teilweise auf lappigen Vorsprüngen getragen wurden.
Nach Schnitten von Jüngeren Exemplaren zu schließen, schien es
drei Möglichkeiteu des Ursprungs der apogamen Auswüchse zu
geben: 1. „Unregelmäßige Zellwucherungen treten an beliebigen
Stellen des Prothalliums , meist an dem oft verbreiteten Mittel-
polster auf und führen zur Höckerbildung; 2. umgebildete Anthe-
ridien und 3. umgebildete Archegonien werden zu apogamen Höckern."
Irgend einer von diesen Höckern kann den Ausatz zu einem apo-
gamen Sproß bilden. Wenn sich ein archegonialer Höcker damit
verbindet, so löst sich die das Ei darstellende Zelle gewöhnUch
auf. Eine auffallende Eigentümlichkeit dieser Prothallien ist es,
daß mehrere apogame Höcker sich zuweilen auf demselben Indi-
viduum entwickeln. Eine kurze Darstellung der Art und Weise,
wie Heilbroun seine Pflanzen behandelte, dürfte das Verständnis
seiner Resultate erleichtern. Die Sporen keimten im Januar und
die Prothallien vou Cystopteris wurden im März isoliert. Nach
etwa einem Monat erschienen die ersten Farnblätter, aus dem
Höcker hervorwachsend. Dies geschah bei 70 "/o der ProthalHen.
Im Mai waren die noch übrig bleibenden 30 °/o im Besitz von
Höckern, aber von diesem Monat an bis Oktober nahmen die
Höcker an Größe zu, und sie entwickelten sich zu zylindrischen
Höckern mit normalen Antheridien und Archegonien. In einer
großen Anzahl von Fällen entstanden normale Embryonen aus be-
fruchteten Eiern. „Daraus entwickelten sich gauz normale Pflänz-
chen, deren Primärblätter genau die gewöhnliche, niedrig entwickelte
Hemmungsform darstellen und denen einer normalen Cystopteris
fragilis vollständig gleichen."
Aus diesen Beobachtungen schließt Heilbronn, daß Cysto-
pteris fragilis forma polyapogama die Fähigkeit besitzt, sowohl
normale als auch apogame Embryonen zu entwickeln, daß diese
beiden Fortpflanzungsweisen im innigsten Verhältnis zu den Jahres-
Beobachtungen üher einige Farnprothallien usw. 75
Zeiten stehen, und daß der Unterschied zwäscheu der Lichtiutensität
des Winters und des Sommers das vorwiegend bestimmende Ele-
ment bei dieser Fortpflanzung ausmache.
Bei ..Nephrocliinn molle- hat Yamanouchi apogame Embryonen
beschrieben auf Prothallien, die aus Sporen entstanden waren.
Die Prothallien wurden in Töpfen gezogen, die in Wasser ent-
haltende Untersätze gestellt waren. Auf diese Weise hat man
das Bewässern von olieu vermieden. Die Kulturen wurden dem
direkten Sonnenlieht bei einer Zimmertemperatur, die zwischen
28° und 32'^' C schwankte, ausgesetzt. Diese Prothallien wuchsen
langsam, verglichen mit solchen, die unter normalen Bedingungen
gezogen wurden. In etwa 5 oder 6 Wochen nach dem Aussäen
konnte man schon apogame Auswüchse erkennen und nach Ver-
lauf von weiteren 3 oder 4 Wochen hatten diese schon Blätter gebildet.
Die apogame Sporophyten entwickelnden* Prothallien brachten nach
Yamanouchi nur selten Archegonien hervor, die Polstergegend
aber war häufig mit Antheridien bedeckt. Die Prothallien waren
von den normalen nicht zu unterscheiden. Yamanouchi schildert
die Entwicklung des apogamen Sporophjlis wie folgt (1. c, S. 300):
„Sporoph^-tic outgrowths begiu very early from cells in the region
where later the cushion arises, so that the development of the
sporophytic outgrowth and the gradual completion of the cushion
proceed side by side for a while. WTien the prothaUium has
assumed the characteristic heart shape, mth a cushion near
the sinus and an extensive lateral growth on either side, the
sporophytic outgrowth is usually in a well advanced stage."
Y a m a n 0 u c h i führt den spornphytischen Auswuchs auf eine
einzige auf der Oberfläche befindliche Zelle oder auf mehrere
Zellen zurück, die sich durch Größe und übermäßigen Wuchs
der Kerne auszeichnen. Irgend eine von diesen gi'oßen auf
der Oberfläche liegenden Zellen bringt die Blattscheitelzelle des
Blattes hervor.
Das von Yamanouchi zur Erklärung des Ursprungs eines
apogamen Auswuchses beigebrachte Beweismaterial kann den Ver-
fasser nicht davon überzeugen, daß ersterer seine Sache bewiesen
hat, denn die ganze Reihe von morphologischen Abstufungen kann
nicht als genügender Beweis dafür betrachtet werden, daß er es
mit einem apogamen Sporophyt zu tun hatte. Was seine Textfig. 3
(1. c, S. 301) betrifft, so ist gar kein Beleg dafür vorhanden, daß
die schattierte Zelle sich zu einem apogamen Auswnichse ent-
76 David M, Mottier,
wickeln werde. Ebensowenig- dürfte man behaupten, daß der
schattierte Teil der Textfig. la und Ib (I.e.) sich zu apogamen
Sporophyten entwickelt haben würde. Solche Erscheinungen sind
in den Prothallieu von nicht -apogamen Farnen zu sehen. Man
könnte mit Recht die Frage aufwerfen, welche Berechtigung haben
wir für den Schluß, daß (1. c.) Fig. 28, Taf. X eine Stufe in der
Entwicklung eines apogamen Auswuchses sei, da es an den für
den Beweis nötigen Stufenfolgen fehlt? In der Gesamtliteratur
über Apogamie, die ich durchgelesen habe, hat sich in den Figuren,
die dasselbe Entmcklungsstadium von jungen apogamen Auswüchsen
erläutern, nichts gefunden, was Yamanouchis Fig. 29 entspräche.
Diese Figur liefert in der Tat weder einzeln genommen noch im
Zusammenhang mit all den anderen den Beweis der Apogamie.
Sie unterscheidet sich keineswegs von ähnlichen Stufen normaler
Embryonen, außer daß vielleicht eine scharf bezeichnete Scheidungs-
linie zwischen Fuß- und Prothalliumgewebe besteht. Ich habe vor
mir normale Embryonen von Dryopteris mollis, viel jüngere als der
von Fig. 29 Yamanouchis, bei denen kein Unterschied zwischen
Fuß- und Prothalliumzellen zu erkennen ist, so fein abgestuft ist
ihr gegenseitiger Übergang. Bei einigen normalen, immer noch
etwas kugelförmigen Embryonen besteht der einzige erkennbare
TJnterscliied zwischen Prothallieu- und Fußzellen in den größeren
Zellkernen bei den letzteren. Nach einiger Zeit verschwinden diese
Unterschiede. In den zugänglichen Abhandlungen über apogamische
Auswüchse wird ferner beschrieben und abgebildet, wie diese 1 — 3
sichtbare Blätter und in einigen Fällen einen ausgeprägten Stamm-
scheitel treiben, bevor die Rudimentärwurzel sich zeigt. Der Ver-
fasser ist gar nicht überzeugt, daß die von Yamanouchi dar-
gestellten Gebilde, welche Anlagen zu apogamen Auswüchsen sein
sollen, es wirklich sind.
R. F. Allen (1911) beschreibt bei Aspidimn falcatum die
Bildung von apogamen Sporophyten auf vermutlich unter normalen
Bedingungen gezogenen Prothallien. Die apogamen Auswüchse
erschienen gewöhnlich, als die Prothallien 5 oder 6 Monate alt
waren. Das Prothallium wie auch der Sporophyt enthalten die-
selbe Chroiiiosomenzalil , nämlich 60 — 65. Im sich entwickelnden
Sporangium unterscheidet man gewöhnlich 16 Sporenmutterzellen,
die paarweise verschmelzen. Die acht auf diese Weise gebildeten
Zeileil erfahren dann die gewöhnlichen Tetradenteilungen, wodurch
endlich 32 Sporen entstehen.
Beobachtungen iUier einige Farnprotliallien usw. 77
Eine Zusaminenfassiing- der oben erwähnten Arbeiten zeigt, das
Vorhandensein der Apogamie bei unmittelbar aus Sporen entwickelten
Farnprothallien in einer ziemlich langen Reihe von Arten der Poly-
podiaceen, aber nur in verhältnismäßig wenigen Fällen wurde dieser
Ursprung als Resultat besonderer Kulturbedingungeu nachgewiesen.
Um klar zu machen, daß eine länger ausgedehnte Kultur (d. h.,
viel länger als zu der Entwicklung normaler Embryonen erforderlich
wäre) in direktem Sonnenlicht nebst Befruchtungsverliinderung keine
Apogamie bei solchen Arten herbeiführt, die denen, die diese Fällig-
keit besitzen, ziemlich nahe verwandt sind, und um die Wirkung
unmittelbarer Beleuchtung auf gewisse Farnprothallien näher zu
erläutern, dürften die Ergebnisse der Beobachtungen des Verfassers
nicht ohne Interesse sein.
Wie schon oben erwähnt, wurden die ProthaUien mehrerer
Arten unter verschiedenen Beleuchtungsverhältuissen und auch
während der verschiedenen Jahreszeiten kultiviert. Die Kulturen
wurden in einem Gewächshauso gezogen, das sich von Norden nach
Süden hin streckt, und das fast den ganzen Tag dem direkten
Sonnenschein ausgesetzt ist. Die Lage des Gewächshauses ist der
Erhaltung einer diffusen Beleuchtung sehr günstig, da es von der
südlichen Seite eines weißen Kalksteingebäudes nicht weit entfernt
ist. Dieses Gebäude fungiert gewissermaßen als Zurückstrahier
und vermehrt dadurch das diffuse Licht im Gewächshaus. Während
der Zeit, wo man künstliche Heizung nötig hatte, schwankte die
Temperatur, sonnige Tage ausgenommen, von 18" bis 22° C. In
der Sonne pflegte die Temperatur auf 24" oder 25" C zu steigen.
Im Spätfrühling und Frühsomnier stieg manchmal die Temperatur
bei klarem Wetter bis auf 35» C. Vom Mai bis zum Oktober mußte
man das Dach weiß anstreichen, um Pflanzen im Gewächshaus
ziehen zu können.
Es braucht kaum erwähnt zu werden, daß es in Indiana un-
möglich ist, während der warmen Sommermonate ProthaUien von
vielen Farnen im direkten Sonnenlicht zu ziehen. Um die Wirkung
von direktem Sonnenlicht nebst der damit verbundenen Temperatur-
erhöhung auf Kulturen im Frühling und Frühsommer zu bestimmen,
wurde die folgende Reihe von Experimenten angestellt. Man über-
ließ Aussaaten von Dryopteris mollis, D. stipularis und Matteuccia
Striithioptens ilirer freien Entwicklung im direkten Sonnenlicht
bis zum Erscheinen der ersten grünen Triebe. Darauf wurde die
Hälfte der Töpfe in normale Verhältnisse versetzt. Unter normalen
78 IJavid M. Mottier,
Veiiiältnisseu ließ die Entwicklung- der Prothallieu wenig zu
wünschen übrig. Die Pflanzen aber, die dem direkten Sonnenlicht
ausgesetzt worden waren, sahen verkümmert aus, blieben klein
und trugen, was die große Mehrheit anbetrifft, nichts als An-
theridien. Eine verhältnisnicäßig kleine Anzahl entwickelte Arche-
gonien. Der Zeitraum der Kultur erstreckte sich vom frühen März
bis Mitte Mai. Mit der vorrückenden Jahreszeit starben die im
direkten Sonnenlicht gezogenen Kulturen l)is zum Boden ab. Es
ist unmöglich zu bestimmen, ob diese Beschädigung von heller
Beleuchtung oder hoher Temperatur herrührt. Der Verfasser war
außerstande, Prothallien im direkten Sonnenlicht zu ziehen und
zugleich die höheren Temperaturen zu vermeiden. Heilbronn
berichtet, daß Kulturen bei einer zwischen 27'^ und 29^ C schwanken-
den Temperatur Schaden litten und nach anderthalb Monaten ein-
gegangen seien, teilweise durch die Verwüstungen von Cyanophyceen ;
bei einer Temperatur von 34*' l)is 36° C starben sie nach kurzer
Zeit ab. Heilbronn spricht auch davon (1. c, S. 29), daß die
Prothallien von Aspidinm flix mas var. grandiceps unter der Wirkung
des direkten Sonnenlichts leiden. Man erinnere sich auch daran,
daß Yamanouchi (a.a.O., S. 296) seine Kulturen bei einer Tem-
peratur von 28" bis 29 '^ C züchtete. Er erwähnt weder die Jahres-
zeit noch wie lange die Kulturen täglich dem direkten Sonnenlicht
ausgesetzt wurden. Lang sagt (1. c, S. 189), daß seine Kulturen
während des Jahres 1896 im hellen Sonnenlicht des Gewächshauses
zu Kew gezogen, aber Anfang 1897 nach Glasgow gebracht und
von nun an in einer Wohnstube in Farnkästen (fern cases) auf-
bewahrt worden seien.
Prothallien, die unter normalen und zugleich optimalen Ver-
hältnissen gezogen sind, zeigen in der früheren Zeit ihres Wachs-
tums gewisse Abweichungen von denen, die dem direkten Sonnen-
licht ausgesetzt worden sind; aber wenn diese Pflanzen älter
werden, pflegen diese Unterschiede weniger stark ausgeprägt zu
sein, wenn sie nicht völlig verschwinden. Die Abweichungen sind
verschiedener Art bei verschiedenen Individuen. Unter einer Glas-
glocke bei normalen Verhältnissen gezogen, pflegen die Prothallien,
sobald sie regelmäßig herzförmig geworden sind, so zu stehen, daß
die Herzbucht senkrecht nach oben gerichtet ist. Dies ist der
Fall, besonders auf der flachen Oberfläche des Bodens, es bleibt
sich gleich, ob sie dicht zusammen wachsen oder nicht. Auf den
schrägen Seiten des Grabens zeigten die Pflänzchen eine bestimmte
Beobachtungen ülier einige Farnprothallieii usw.
79
Neigimg dazu, wagerecht zu stehen, d. h. rechtwinklig zu dem
Substrat. Von den dem direkten Sonnenlicht ausgesetzten Kulturen
gilt dasselbe, aber in geringerem Grade. Wie Fig. 2 u. .3 zeigen,
haben die im Schatten gezogeneu Pflanzen zuerst die regelmäßige
Herzform, während die dem direkten Sonnenlicht ausgesetzten dazu
neigen, breiter in transversaler Richtung und mehr abgerundet in
den äußeren Umrissen zu werden.
Fig. 2.
Prothalliuni (Dryopteris molUsJ bei normalen Bedingungen gezüchtet.
Sobald das Ai'chegonialpolster einigermaßen entwickelt ist und
Archegonien zu erscheinen beginnen, nimmt das Mittelpolster eine
mehr horizontale Lage an, und wenn die Pflanzen an Größe zu-
nehmen, schmiegen sie sich fest an den Boden, vorausgesetzt daß
sie nicht zu dicht zusammengedrängt sind. Wenn sie dicht zu-
sammengedrängt stehen, so wachsen fast alle Pflanzen schief auf-
wärts, dagegen wenn sie ^iel Platz haben, wachsen sie so, daß
das Polster sich eng an die Erde schmiegt, ja so eng, daß sie
von den Rhizoiden heruntergezogen zu sein scheinen. Die Flügel
30 David M. Mottier,
andererseits stehen scliief nach oben g-erichtet, indem sie einen
spitzen Winkel mit dem Erdboden bilden und sich in außerordent-
lichen Fällen dermaßen biegen, daß ihre Ränder senkrecht nach
oben gerichtet sind. Je älter die Prothallien, desto ausgeprägter
ist die Neigung des Polsters, sich fest an die Erde zu schmiegen,
obgleich in dieser Hinsicht die Schwankungen in derselben Kultur
ziemlich stark sind.
Bei Dryopteris mollis tragen alle Prothallien Archegonien auf
dem Polster, während Antheridien sich sowohl auf dem Polster als
mif den Flügeln entwickeln, auf letzteren in größerer Anzahl.
Fig. 3.
Prothallium (Dryopteris mollis) in direktem Sonnenlicht gezüchtet.
Wenn man die obenerwähnte Stellung der Pflanzen auf der Erde
und auch die Lage der Antheridien berücksichtigt, die auf einem
höheren Niveau stehen als die Archegonien, und noch dazu auf
einer Fläche, die gegen diese abfällt, so ist die Schwierigkeit einer
länger fortgesetzten Kultur, falls die Befruchtung verhindert werden
soll, sehr leicht zu verstehen. Auf diesen Prothallien entwickeln
sich, wie langsam sie auch wachsen mögen, beständig neue Arche-
gonien und Antheridien, und das bloße Bewässern von unten bildet
keinen genügenden Schutz gegen die Befruchtung. Es stellte sich
heraus, daß man sehr vorsichtig verfahren mußte, wollte man es
Beobachtungen über einige Farnprothallien usw. g]^
verhindern, daß die Unterseite der Prothallien mit einer gerade
genügenden Menge flüssigen Wassers in Berührung kam, das das
Öffnen der Geschlechtsorgane und den Eintritt der Spermatozoiden
bewirken könnte. Während einer 20jährigen Erfahrung im Züchten
v(»n Farnprothallien hat der Verfasser das Bewässern von oben,
um die Befruchtung zu sichern, nur selten nötig gefunden. Nur
bei solchen Arten wie Matteuccia Stnithiopteris, bei der eine starke
Neigung zur Dioecie in den Prothallien sich zeigt, ist das Bewässern
von oben nötig geworden. Wenn die Erde eine genügende Feuchtig-
keit besitzt, so daß Wasserhäutchen um die Erdpartikelchen herum
mit Hilfe der Lupe sichtbar werden, dann wird eine genügende
Menge flüssigen Wassers durch Kapillarität und durch Taubildung,
besonders nachts, an der Oberfläche vorhanden sein, um die Be-
fruchtung früher oder später zu sichern. Um die Befruchtung aus-
zuschließen, müßte die Erde so trocken gehalten werden, daß man
keine glitzernden Wasserhäutchen auf den Erdpartikelchen mit
Hilfe der Lupe bemerken könnte. Es ist auch ratsam, die ver-
dichtete Feuchtigkeit der inneren Fläche der Glasglocke abzutrock-
nen, besonders abends, falls man die Erde während des Tages etwas
zu stark angefeuchtet hatte. Die Verhinderung der Befruchtung
durch das Regulieren der Wassermenge läßt sich leichter an Kul-
turen bewerkstelligen, die unter normalen Verhältnissen gezogen
sind, oder bei solchen, die gegen die direkten Sonnenstrahlen durch
dünnes weißes Papier, welches an der Glasglocke befestigt ist,
geschützt werden. Bei denen, die dem direkten Sonnenlicht aus-
gesetzt sind, ist das Problem schwieriger infolge des schnellen
Austrockneus der Oberfläche der Erde. Wenn die Erde im direkten
Lichte ein wenig zu trocken wird, so muß man achtgeben, daß
man einerseits nicht zu viel Wasser hinzufüge, w^odurch die Be-
fruchtung leicht herbeigeführt werden könnte, und andererseits,
daß man die Pflanze nicht beschädigen oder absterben lasse; denn
diese Prothallien können andauerndes Austrocknen nicht vertragen.
Indessen ist es doch gelungen, Prothallien Monate hindurch in
einem gesunden Zustande zu erhalten, ohne die Befruchtung herbei-
zuführen, sowohl unter normalen Verhältnissen, als auch im direkten
Sonnenlicht. Bei einigen Kulturen wurde eine solche Wassermenge
hinzugetan, die gerade dazu ausreichte, ein gleichmäßiges, jedoch
sehr langsames Wachstum zu sichern. Die Pflänzchen erlangen in
manchen Fällen eine verhältnismäßig ansehnliche Größe, indem sie
einen Durchmesser von 8 — 9 mm haben; zuweilen findet man noch
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI. O
82 David M. Mottier,
größere Exemplare. Bei gewissen anderen Kulturen wurde eine
Wassermenge hinzugefügt, welche knapp dazu ausreichte, um ein
sehr langsames Wachstum oder gar keines zu ermöglichen. Bei
diesen starben manche Prothallien ab, während andere am Leben
blieben, aber sich Wochen hindurch im Stillstand befanden. Bei
Kulturen, die Hunderte von Prothallien enthielten und jede Stunde
dem direkten Sonnenlicht vom 10. Oktober bis zum 20. März aus-
gesetzt wurden, wurde kein einziger apogamer Embryo und nur
ganz wenige normale gefunden. Bei gewissen Kulturen, in welchen
Embryonen erschienen, wurde jedes Prothallium entfernt, sobald
der Embryo mit Hilfe der Lupe zu erkennen war, und darauf hin
zum Untersuchen fixiert, geschnitten und gefärbt. Unter der großen
Anzahl der beobachteten Embryoneu hat man keinen einzigen ge-
funden, der aus einem unbefruchteten Ei entstanden wäre. Selbst
in den wenigen Fällen, die Eigentümlichkeiten aufweisen, war
nichts vorhanden, welches andeuten konnte, daß sie auf apogame
Weise entstanden wären.
Durch die Ergebnisse sämtlicher Kulturen bin ich davon über-
zeugt, daß die Apogamie bei Dryopteris mollis (Jacq.) Hieron. durch
Züchten der Prothallien im direkten Sonnenlicht nicht zustande
gebracht werden kann, auch wenn die Befruchtung stets aus-
geschlossen wird. Bis zu dem gegenwärtigen Zeitpunkt hat eine
verlängerte Kultur weder bei Dryopteris mollis, Dryopteris stipu-
laris, noch bei Matteuccia Struthiopteris die Entwicklung von apo-
gamen Auswüchsen ermöglicht. Es wurden viele teratologische
Erscheinungen bei älteren Prothallien in einigen von den Kulturen
beobachtet, aber ihre ausführliche Beschreibung würde bei weitem
die Grenzen dieser Abhandlung überschreiten. Häufig wieder-
kehrende Phänomene waren die Adventivsprosse herzförmiger
Lappen, die aus den Flügelrändern hervortraten, und die Ent-
wicklung von Geschlechtsorganen auf der oberen sowohl, als auf
der unteren Seite des Polsters.
Beobachtungen über einige Farnprothallien usw. 33
Literatur.
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Sei. etc., 17, 1—44, 1911.
Black, Caroline A. : The development of the imbedded antheridium in Dryopteris
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Farlow, W. (x. : An asexual growth from the prothallus of Pteris cretica. Quart. .Journ.
Mic. Sei., 14, 266—272, 1874.
Farmer, .T. B. and Digby, L. : Studies in apoapory and apogamy in ferns. Ann. Bot.,
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Heilbronn, A.: Apogamie, Bastardierung und Erblichkeitsverhältnisse bei einigen Farnen.
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Lang, W. H. : On apogamy and the development of sporangia upon fern prothallia. Phil.
Trans. Roy. Soc. Bot. 190, 187—238, 1898.
Woronin, Helene Wesselowska: Apogamie uud Aposporie bei einigen Farnen. Flora,
98, 101—162, 1908.
Yamanouchi, S.: Apogamy in Nephrodium. Bot. Gaz., 45, 289 — 318, 1908.
Ausblicke auf biologische Adsorptionserscheinungen.
Von
Friedrich Czapek.
Bis zur neuesten Zeit wurde das Feld der physikalisch-chemi-
schen Biologie ausschließlich von der Lehre A^om osmotischen Drucke,
auf den Grundlagen der experimentellen Arbeiten W. Pfeffers
und der Deduktionen von Van 't Hoff beherrscht. In dem Ausbau,
welchen ihr die Arbeiten eines Arrhenius, Wilhelm Ostwald
und N ernst gegeben haben, dient sie uns noch heute trotz mancher
Einwände als feste Basis für die weitere Forschung- auf dem Ge-
biete der Molekel und Ionen im Zustande der Lösung. Die Kolloid-
chemie hat uns aber ein neues Gebiet erschlossen, in welchem
besonders die Eigenschaften jener Teilchen zu erforschen sind,
deren Größenordnung zwischen den größten bekannten Molekeln
und den bereits mikroskopisch sichtbaren Körperpai-tikeln (den
Mikronen) liegt. Innerhalb des Reiches der Kolloide enden die
Anwendungen der Lehre vom osmotischen Druck, und wir treten
hinüber zur Vorherrschaft der Grenzflächen- und Kapillarphänomene,
unter deren wichtigste Tatsachen diejenigen gehören, welche wir
als „Adsorptionserscheinungen" zusammenfassen.
Es ist angesichts der überragenden Bedeutung, welche die
Kolloide für den Aufbau und die Funktionen der lebenden Zelle
besitzen, unmittelbar klar, welche Wichtigkeit den biologischen
AdsorptionserscheinuDgen zukommt. Die folgenden Ausführungen
sollen den Umfang dieser Phänomene schärfer feststellen und das
Interesse auf einige allgemein beachtenswerte Gesichtspunkte in
der Adsorptionsbiologie hinlenken.
I.
Der Begriff „Adsorption" hat manche Wandlung im Laufe der
Zeit erfahren. Er ist eigentlich von der „Absorption" der Gase
durch Flüssigkeiten ausgegangen, welche Henry in seiner grund-
Ausblicke auf biologische Adsorptionserscheinungen. 85
legenden Untersuchuno; 1803 klargestellt hat: Erscheinungen, die
wir heute einfach als Lösung der Gase in Flüssigkeiten beschreiben,
und die voll in das Reich des osmotischen Druckes fallen. Wie
bekannt, fand Henry, daß bei konstanter Temperatur die Kon-
zentration des in der Flüssigkeit gelösten Gases im Lösungs-
gleichgewichte direkt proportional ist dem Drucke im Gasraum.
Es ist also für jede Temperatur der Quotient aus der in der
Flüssigkeitsvolum eiuheit gelösten Gasmenge und dem Drucke im
Gasraum eine konstante Größe. Da wir mit Van't Hoff für ge-
löste Stoffe die strenge Geltung des Boyle -Mariotteschen Gesetzes
annehmen, so läßt sich der Henry sehe Satz unmittelbar auf die
Lösungsverteilung eines in zwei aneinandergrenzenden, nicht misch-
baren Flüssigkeiten löslichen Stoffes übertragen. Dieses Gesetz
begründeten Berthelot und Jungfleisch 1872 allgemein für
Lösungen, und N ernst stellte 1891 in seinen Untersuchungen über
den „Verteilungssatz" die exakte Beziehung dieser Erscheinungen
zu der Lehre vom osmotischen Drucke her.
Die Frage, ob das Gesetz von Henry auch für jene Fälle
gilt, wo Gase von porösen festen Körpern aufgenommen werden,
legte sich bereits 1814 Th. de Saussure zur Beantwortung vor.
Seine Untersuchung ergab mit Sicherheit, daß hier jener Satz nicht
gilt. Infolgedessen hat man in der Folge das Verschlucken von
Gasen durch poröse und feingepulverte feste Köri3er als „Adsorp-
tion" von der Gasaufnahme in Flüssigkeiten unterschieden. Obwohl
im Laufe der Zeit quantitative Versuche über derartige Vorgänge
mehrfach angestellt wurden, ließ eine allgemeine theoretische Be-
handlung derselben bis zur neuesten Zeit auf sich warten, da
Wilhelm Ostwald und besonders H. Freundlich einfache Wege
zur Vergleichung solcher Erscheinungen auffanden. An Stelle der
linearen Abhängigkeitsbeziehung zwischen Gasdruck und Lösungs-
konzentration im Henry-Satze sehen vdr bei der Gasaufnahme
durch feste Körper allgemein auffallend starke Wirkungen bei An-
wendung geringer Konzentrationen des „Adsorbendums" und kleiner
Mengen des „Adsorbens", und relativ schwache Effekte bei Ver-
wendung sehr großer Quantitäten.
Dies läßt sich leicht an der Adsorption von Jod durch feste
Stärke nachweisen. Bringt man in einer Serie von Röhrchen ver-
schieden große Stärkemengen, von ^12 Messerspitze bis zur 6 fachen
Menge, mit 5 ccm Wasser und 5 ccm gesättigtem Jodwasser zu-
sammen und schichtet das gleiche Volum Toluol darüber, so erkennt
86 Friedricli Czapek,
man an der Färbung' des Toluols, daß die kleinsten Stärkemengen
nicht viel weniger Jod fixiert haben wie die mittleren Mengen; erst
sehr große Stärkemengen nehmen wieder merklich mehr Jod auf,
wie das Blässerwerden der gefärbten Toluolschicht anzeigt.
In diesen starken Wirkungen kleiner Adsorbensmengen haben
wir die erste bedeutsame Erscheinung vor uns, welche au biologische
Adsorptionen geknüpft ist. So ^-ird es möglich, daß die Pflanzen-
wurzeln aus äußerst verdünnten Nährlösungen sich hinreichend mit
den nötigen Stoffen versorgen können, was nach einem proportio-
nalen Verhältnis in der Stoffaufnahme in viel ungünstigerem Maße
der Fall sein würde. Mit dieser Eigenart der Adsorptionsvorgänge
hängen andererseits die bedeutenden Wirkungen kleinster Gift-
mengen, me Kupfersalzen, Anilinfarben, zusammen, welche so über-
raschend stark sind, daß einst C. Nägeli dieselben als „oligo-
dynamische Erscheinungen" und Phänomene ganz besonderer Art
kennzeichnen wollte. Die Adsorption der Gase durch feinverteilte
feste Körper zeigt uns aber auch noch eine zweite wichtige Eigen-
schaft von Adsorptionsvorgängen durch ihre Abhängigkeit vom
Feinheitsgrade des Adsorbens, d. h. von der Größe der Berührungs-
fläche des Adsorbens mit dem Adsorbendum.
Für die Sj-steme „Gas -Flüssigkeit" und „ Gas - Porösfester
Körper" ist die Unterscheidung zwischen Lösungsgesetz und Ad-
sorptionsgesetz ohne weiteres leicht möglich. Hingegen bestehen
häufig Zweifel, namentlich bei den Biologen, wie jene Fälle zu
deuten seien, in welchen kolloide Lösungen als Lösungsmittel
oder Adsorbentien auftreten. Bis in die letzten Jahre wurden die
Lösungsverteilungen auf eine echte Lösung und ein flüssiges Kolloid
allgemein als Spezialfälle des Henry-Berthelotschen Prinzipes
aufgefaßt, und H. H. Meyer und Baum z. B. waren bei ihren so
wichtigen Untersuchungen über die Aufnahme der Narkotika in
die Zelle dieser Anschauungsweise derart sicher, daß sie es in
manchen Fällen für unnötig hielten, sich durch die Bestimmung
des Löslichkeitsquotieuten für Fett und Wasser in stark ver-
schiedenen Konzentrationsbereichen genau zu vergewissern, ob der
Yerteilungssatz tatsächlich gilt. Nicht anders wurde die Jodstärke
durch Küster nach dem Verteilungsprinzipe als „feste Lösung"
gedeutet. Da es immerhin vorkommt, daß die Abhängigkeit
zwischen Lösungsquotient und Konzentration bei konstanter Tem-
peratur innerhalb kleinerer Konzentrationsintervalle nur geringe
Abweichungen von einem Mittelwerte zeigt, so versteht man, wie
Ausblicke auf biologische Adsorptionserscheinuiigen. 87
solche Versuchsergebnisse als mit dem Henry- Satze überein-
stimmende Tatsachen betrachtet werden konnten. In allen diesen
Fällen lehrt jedoch die umfassende Verfolg-ung der Löslichkeits-
beziehungen, daß die Isothermen keine linearen, sondern angenähert
parabolische Abhängigkeitsfunktionen darstellen. Sie folgen der-
selben Beziehung, welche H. Freundlich aus den Chappuisschen
Beobachtungen über Gasadsorption durch Kohle abgeleitet hat.
Die pro Volumeinheit aufgenommene Substanzmenge ist hier überall
nicht der ersten Potenz, sondern einer echten Bruchpotenz der
zurückbleibenden Substauzkonzentratiou proportional, wobei der
Potenzexponent oft um 0,5 liegt. Daher findet man häufig an-
genähert die Relation c = k • V Ci. Allgemein wird diese Beziehung
1
in der Form c =^ k • Ci ** wiederzugeben sein, wobei u meist Werte
zwischen 1 und 5 annimmt. Diese empirische Feststellung wäre
ein Behelf zur Unterscheidung von echter Lösungsverteilung
und Adsorption. Ein zweites Büttel zur Charakterisierung der
Adsorptionsvorgänge in Flüssigkeiten wäre die experimentelle
Größenänderung der Grenzfläche zwischen Dispersionsmittel und
dispersem Stoff. Bei Kolloidlösungen läßt sich der Dispersitäts-
grad häufig durch Zusätze oder andere Beeinflussungen ändern und
so die Grenzfläche verringern oder vergrößern. Doch fehlen dies-
bezügliche Experimentaluntersuchungen noch ganz, und es liegen
die ^"erhältnisse hierbei so wenig übersichtlich, daß wir diese
Methode der Adsorptionsuntersuchung noch nicht weiter berück-
sichtigen können.
Aber auch die graphische Kennzeichnung der Reaktions-
Isotherme ist für Adsorptionen nicht immer eindeutig zu geben.
Wenn wii' nach dem Vorgange von Nernst, auf den weiter unten
entwickelten Prinzipien fußend, den Verteilungssatz für die Lös-
lichkeit eines Stoffes in zwei aneinandergrenzenden sich nicht
mischenden Lösungsmitteln allgemein in seiner Gültigkeit prüfen,
so dürfen wir das Gesetz in seiner einfachen Form nur dann als
zutreffend ansehen, wenn in beiden Lösungsmitteln eine bestimmte
Menge der löslichen Substanz gleich viele gelöste Teilchen bildet.
Bilden sich jedoch in dem einen Lösungsmittel einfache Molekel,
in dem anderen Doppelmoleküle, so wird das Lösungsgleichgewicht
nicht durch die Beziehung Ci/c2 = k wiedergegeben werden. Man
wird vielmehr statt co, da in dem betreffenden Lösungsmittel die
Zahl der normalen Molekel nach dem Dissoziationsgesetz der
88 Friedrich Czapek,
Quadratwurzel aus der Konzentration proportional ist, V C2 ein-
zuführen haben, und die konstante Beziehung muß lauten:
Ci/Vc2 = kl. Formal ist dies aber dieselbe Relation, wie sie an-
nähernd für viele Adsorptionsvorgänge gefunden wird. Da überdies
bei der experimentellen Feststellung von Yerteilungsgleichgewichten
infolge der niemals vollständig auszuschließenden partiellen Mischung
beider Lösungsmittel Ungenauigkeiten nicht zu vermeiden sind, so
ist es begreiflich, daß die Abgrenzung von Lösungs- und Adsorp-
tionsvorgängen in flüssigen Medien große praktische Schwierig-
keiten darbieten kann. Die Erkenntnis dieses Sachverhaltes hat
V. Georgievics in jüngster Zeit veranlaßt, auch die erwähnten
Effekte von Molekularaggregierung in Lösungen aus dem Ge-
biete der echten Lösungserscheinungen auszuschließen und dem
Reiche der Adsorptionserscheinungen zuzuteilen. Wir werden uns
jedoch diesem Vorgehen ebensowenig anschließen können, wie der
in der Biologie sehr häufig unterlaufenden Vermengung typischer
Adsorptionsvorgänge mit der Lösungsverteilung.
Es wäre daher nach einem anderen brauchbaren Mittel zur
Scheidung der Bereiche von Löslichkeit und Adsorption Umschau
zu halten. Wir verweisen auf die Anwendung des N ernst sehen
Prinzipes der relativen Löslichkeitserniedrigung. Der Henry -Satz
läßt sich, wie Nernst zeigte, direkt auf die gegenseitige Löslich-
keit zweier Flüssigkeiten, die sich nicht in jedem Verhältnis
mischen, anwenden. Grenzt etwa eine Ätherschicht an Wasser,
so gilt offenbar für die Löslichkeit des Äthers in Wasser dasselbe
Verhältnis, als wenn sich Ätherdampf im Wasser verteilen würde,
d. h. die im Wasser lösliche Äthermenge ist dem jeweiligen Dampf-
drucke des Äthers proportional L = k • P. Ist nun eine im Äther
gelöste Substanz vorhanden, so ändert sie die Löslichkeit des Äthers
in Wasser so, daß die nunmehrige Löslichkeit Li ( L. Wir be-
zeichnen den Quotienten — = — - mit Nernst als relative Lös-
Li
lichkeitserniedrigung. Wenn, wie oben angenommen, der
Henry -Satz gilt, so muß ^~^' = k . ^~^' , wo ^~^' die
Li Pi Pi
relative Dampfdmckerniedrigiing der Lösung bedeutet. Nach dem
Raoultschen Satz ist aber — =— ^ = -^^, wobei n die Zahl der
Pi N
Moleküle des gelösten Stoffes und N die Molekelzahl des Lösungs-
mittels ist. Daher muß ~ ' ebenfalls = ^ (Nernst), oder
Li N ^ j^ .
Ausblicke auf biologische Adsorptionserscheiiiungen. 89
wenn wir die den Molekülzahlen bei gleicher osmotischer Leistung-
reziproken Molekulargewichte M und Mi einführen, so wird die
IX- T •• 1- 1,1 -4. • A • L — Li M (Lösungsmittel)
relative Loslichkeitserniedngung — = = ,,. \ — - — ^-— -- — - — -
^ Li Ml (gelöste Substanz)"
So gibt uns die relative Löslichkeitserniedrigung eine einfache Be-
ziehung zum Molekularge\\ichte des Zusatzstoffes. Diese Ableitung
gilt zunächst für Nonelektrolyte. Ist der Zusatzstoff in seinem Lösungs-
mittel dissoziiert, so hat man unter Benutzung der Umrechnungs-
p p
formel a = -, ttt^^ wobei P der beobachtete, Po der theoretische
(n— 1) Po
osmotische Druck, n die Zahl der aus einem Molekel entstehenden
Ionen und a der Dissoziationsgrad ist, die Ionisierung zu berück-
sichtigen.
Umgekehrt müssen Salzzusätze zu Wasser auch die Löslichkeit
des Wassers im Äther mit derselben Al)hängigkeit vom Molekular-
gewicht herabdrücken, was man schon durch die dilatometrische
Yergleichuug des Äthervolumens erkennen kann. Stoffe von hohem
Molekulargewicht werden die geringste Löslichkeitserniedrigung
erzeugen, und von Kolloiden wird man eine solche Wirkung
praktisch nicht mehr erwarten dürfen.
Kommt es aber in einem bestimmten Fall doch vor, daß ein
Kolloidzusatz die Löslichkeit der einen Flüssigkeit a in der an-
grenzenden Flüssigkeit b herabsetzt, so kann ein solches Verhalten
nicht durch den Henrj'-Satz erklärt werden, und wir haben eine
neue Erscheinung der Affinität zwischen Kolloid und Flüssigkeit a
vor uns, die nicht zu den Löslichkeitserscheinuugen gehört, sondern
als Adsorption aufzufassen ist.
Bis zu einem gewissen Grade läßt sich ein solcher Effekt
durch den folgenden Versuch veranschaulichen. Eine Serie Reagenz-
gläser enthält Wasser auf Chloroform geschichtet in gleichen
Mengen, und in jeder Probe die gleiche Menge Jod auf beide
Lösungsmittel verteilt. Fügt man nun zu diesen Proben die
gleichen prozentischen Mengen von NaCl, CaCl2, AICI3, Rohrzucker
hinzu, wobei man eine Vergleichsprobe ohne Zusatz läßt, so ist
zu beobachten, daß sich das Chloroform nach NaCl-Zusatz am
dunkelsten durch Jod anfärbt, etwas weniger in der Probe mit
CaCl2, noch weniger in der AI CI3 -Probe; die Probe mit Zucker-
zusatz unterscheidet sich hinsichtlich der Verteilung des Jod
praktisch nicht mehr von der Probe ohne Zusatzkörper. Diese Er-
scheinung folgt also dem Molekulargewicht des Zusatzkörpers. Man
90 Friedrich Czapek,
müßte demnach, wenn kein neuer Faktor hinzutritt, erwarten, daß
alle Kolloide, welche wir unserem System Jodwasser-Jodchloroform
hinzufügen, die Verteilung nicht beeinflussen. Dies ist aber nur
insoweit richtig, als keine Adsorption von Jod durch den Zusatz-
körper stattfindet. Fügen wir Dextrin zu, so erfolgt eine weitere
Verarmung der Chloroformphase an Jod gegenüber der zusatzfreien
Probe, und noch mehr äußert sich dieser Effekt beim Hinzufügen
von Stärke- oder Eiweißlösung. Dieses Phänomen läßt sich vom
Standpunkte des Henry-Nernstschen Prinzipes nicht mehr er-
klären. Wir brauchen eine neue Vorstellung, um die Affinität der
kolloidh altigen wässerigen Phase zum Jod zu beschreiben, nämlich
den Begriff der Adsorption. Solche Versuche lassen sich unmittel-
bar dazu benutzen, um die Jodbindung durch ein gelöstes Adsorbens
analytisch zu bestimmen. Eine lineare Abhängigkeit der Jod-
aufnahme vom Molekulargewicht der Zusatzsubstanz existiert in
diesem Bereiche nicht mehr. Wohl aber hat die Kolloiddispersität
einen großen Einfluß, und jeder Faktor, welcher die Grenzflächen-
ausdehnung zwischen Jodlösung und Kolloid herabsetzt, drückt
auch die Adsorption herab. Ebenso lassen sich die Adsorptions-
vorgänge stören, wenn man einen Stoff Irinzufügt, welcher vom
Kolloid stärker adsorbiert wird als die erst vorhandene Substanz.
Wir müssen diese Erscheinungen der Adsorptionsverdrängung noch
später eingehend würdigen. Diese so gewonnene klare Abgrenzung
von Lösungs- und Adsorptionserscheinungen hat auch den Vorteil,
daß sie uns zeigt, wie wenig zum Adsorptionsbegriff der Charakter
der Irreversibilität gehört. Da nuiu häufig bei der Adsorption von
Farbstoffen, Eiweißkörpern, Fermenten usw. durch feste Adsor-
bentien findet, daß der adsorbierte Stoff gar nicht mehr oder nur
stark verändert vom Adsorbens getrennt werden kann, so ist der
Adsorptionsbegriff in der Biologie nicht selten willkürlich auf
solche nicht umkehrbare Prozesse eingeschränkt worden. Primär
dürfte wohl jede Adsorption sowie jeder Lösungsvorgang reversibel
sein. Da aber an den Grenzflächen eine bedeutende Konzentra-
tions- resp. Druckerhöhung herrscht, so unterlaufen hier leicht
Veränderungen des adsorbierten Stoffes, welche dazu führen, daß
die Substanz nicht mehr intakt wiedergewonnen werden kann.
Solche Folgeerscheinungen sind wohl von dem eigentlichen Ad-
sorptionsprozeß physikalisch zu sondern.
Adsorptive Vorgänge werden nach dem Gesagten nur unter
Beteiligung von solchen gelösten Teilchen als Adsorbens stattfinden,
AusMicke auf biologische Adsorptioiiserscheiiiuiigen. ^1
welche oberhalb der Größenordnung von Molekülen liegen, also
von Aniikronen oder Subniikronen. Das Adsorbendum können
natürlich sowohl Ionen, als Molekel, als Molekiüarverbände dar-
stellen. Es ist bisher noch nicht bestimmt worden, bei welcher
Teilchengröße die Adsorptionswirkungen aufhören. Doch würde
sich die Beobachtung der abnehmenden Jodbindung durch die aus
Stärke hydrolytisch abgespaltenen Kohlenhydrate: lösliche Stärke-
Amylodextrin - Erythrodextrin - Achroodextrin zur Verdeutlichung
dieses Zusammenhanges eignen, insofern nicht die Abnahme der
Jodbindung noch von anderen Umständen als von der Teilchen-
größe abhängt. Auch die von Zsigmondy eingeführte „Goldzahl"
der Kolloidlösungen gewährt Anhaltspunkte dafür, welchen Grad
die adsorptiven Wirkungen erreichen. Die Bestimmung der ad-
sorbierten Jodmenge durch Stärkelösung verschiedener Konzentration
würde sich ferner dazu eignen, um Adsorptiousiutensität und
Teilchengröße zu verfolgen, wenn nicht der Umstand hindernd in
den Weg träte, daß sich die Teilchengröße von Kolloidlösungen
mit steigender Verdünnung ändern kann.
So spielen die Adsorptionserscheinungen in kolloiden Lösungen
dieselbe Rolle, welche den wahren Lösungserscheinungen in os-
motischen Lösungen zukommt. Daraus erhellt die fundamentale
Bedeutung der Adsorptionsphänomene für die sich in den kolloiden
Medien der Zelle abspielenden Vorgänge.
II.
So wie das Reich der Adsorption in den osmotisch wirksamen
echten Lösungen seine Grenze findet (bereits in semikolloiden
Lösungen dürften wahre Lösungsphänomene die Hauptrolle spielen),
so stößt es auf der anderen Seite an die Oberflächenerscheinungen
an, welche sich als Kapillaritätsphänomene, Oberflächen -Verdich-
tungserscheinungen, Hautbild ungeu usw. ohne nennenswerte Grenz-
flächenentfaltung einstellen. Wir wollen diese Erscheinungen als
„Porenadsorption" der „Kolloidadsorption" zur Seite stellen.
An der Porenadsorption treten zw^ei Kardinalsymptome der Ad-
sorptionsphänomene ohne weiteres klar hervor: 1. Die Steigerung
der Geschwindigkeit des Vorganges und die Erhöhung der adsor-
bierbaren Quanten mit der Vergrößerung der wirksamen Oberfläche
durch Zerkleinern des festen Adsorbens; 2. Die Konzentrations-
steigerung oder Druckerhöhung der adsorbierten Substanz in der
Q2 Friedricli Czapek,-
Grenzschicht, welche zur Kondensation von Dämpfen oder rascher
Verbrennung von Gasen Anlaß geben kann. Die Abhängigkeit
der adsorbierten Substanzmenge von der Konzentration im um-
gebenden Medium bei konstanter Temperatur wird auch hier durch
1
die Beziehung c = kci"" angenähert wiedergegeben. Setzt man
nach Freundlich statt c den Quotienten aus der adsorbierten
Substanzmenge durch die Menge des Adsorbens ( j und wendet
die Adsorptionsgleichung in der logarithmierten Form: log 1 j =
— log ci + log k au, so lassen sich alle experimentell bestimmbaren
Daten der Isotherme graphisch in einer geraden Linie wiedergeben.
Bayliss hat gezeigt, daß die Adsorption von Kongorot durch
Filtrierpapier weitergeht, wenn man das Adsorbens allmählich zu-
fügt, als wenn die ganze Menge auf einmal zugesetzt wird. Diese
äußerlich an den aus der Serobiologie her bekannten Danysz-
Effekt erinnernde Erscheinung ist insofern noch weiterer Unter-
suchung bedürftig, als man nicht weiß, ob es sich sicher um eine
Verschiebung des Endzustandes handelt, oder ob nicht doch nur
eine Geschwindigkeitsänderung der Reaktion vorliegt.
Da sich allgemein Stoffe, welche die Oberflächenspannung
ihres Lösungsmittels gegen Luft herabsetzen, nach den thermo-
dynamischen Untersuchungen von Willard Gibbs an der Ober-
fläche anreichern, so haben wir zu erwarten, daß besonders kapillar-
aktive Substanzen der Porenadsorption unterliegen. Dies läßt sich
für Alkohole, Ester, Ketone, Fettsäuren usw. durch Kohlenpulver-
Adsorption experimentell leicht bestätigen. Michaelis und Rona
haben auch nachgewiesen, daß ein stärker kapillaraktiver Stoff
dem Gibbs scheu Theorem entsprechend alle schwächer aktiven
Substanzen von der Grenzfläche des Adsorbens entfernt (Adsorp-
tionsverdrängung). Diese Erfahnmg läßt sich auch dazu be-
nutzen, um adsorbierte kapillaraktive Stoffe unbekannter Natur
hinsichtlich des Grades ihrer Oberflächenaktivität genauer zu be-
stimmen. Sie müssen nämlich von allen stärker kapillaraktiven
Stoffen bei einer bestimmten Konzentration, welche eben der
kritischen Grenzflächenspannung entspricht, verdrängt werden.
Alles dies sind Fälle von positiver Adsorption.
Andererseits hat man bei Stoffen, welche die Oberflächen-
spannung ihres Solvens erhöhen, eine Verminderung der Konzentra-
Ausblicke auf biologische Adsorptionserscheinungen. 93
tion an der Grenzfläche zu erwarten: eine negative Adsorption,
wie sie voraussichtlieh bei Salzlösungen und Kolile erfolgt.
Im Pflanzenorganismus hat die Porenadsorption vor allem eine
Bedeutung bei der Aufnahme, Festhaltung und Speicherung von
Wasser. Damit im Zusammenhange findet sich eine große Zahl
von Strukturen ausgebildet, welche man als Porenadsorptions-
Mechanismen, Poren-Mechanismen, zusammenfassen kann. Schon
den biologischen Typus des Moospolsters kann man hierzu rechnen,
wie sich derselbe auch bei Luftalgen, Flechten, manchen Pilzen,
aber auch bei phanerogamen Hochgebirgspflanzen und einzelnen
Xerophyten in bekannter Art ausgebildet findet. Dicht nach den
Radien einer Halbkugel gelagerte Stämmchen mit zahlreichen kleinen
Blättchen gewähren bei einer minimalen Außenfläche des Polsters
innerhalb der Porenräume eine gewaltige Grenzfläche, welche zur
kapillaren Speicherung periodisch reichlich zur Verfügung stehenden
Wassers dient. Aber auch der Hyphenfilz von Pilzen und Fucaceen
mag als Porenadsorptions- Mechanismus gedeutet werden, da der
Aufbau dieses Gewebes mit seinen vielen Hohlräumen viel weniger
für einen Austausch wässeriger Lösungen direkt von Zelle zu Zelle,
als zwischen den Zellreihen im kapillären Hohlraumsystem spricht.
Als intracelluläre Porenadsorptions -Mechanismen sind die Spiral-
faserzellen der Sphagnumarten, die Velamenzellen der Orchideen-
luftwurzeln, sowie üie Wandverdickungen aller Gefäße und Trache-
iden (deren unvollkommenste Erscheinung die Zäpfcheurhizoiden
der Marchantiaceen darstellen) zusammenzufassen. Der Verholzungs-
prozeß, der so gewöhnlich die Wände derartiger Zellen betrifft,
bedingt geringere Quellbarkeit der Membran, was für die Einengung
des Wasserstromes auf die leitenden KapUlarröhrengebilde von
ökologischer Bedeutung ist.
Besteht die Rolle der Porenmechanismen im Wasserhaushalte der
Pflanze wesentlich in regulierenden, den periodischen Feuchtigkeits-
überschuß und Feuchtigkeitsmaugel ausgleichenden Funktionen, so
mag in anderen Fällen die erhöhte Konzentration des Adsorl)eudums
an den Grenzflächen biologisch wichtig werden. So wäre zu er-
wägen, ob nicht der Bau des Schwammparenchyms der Laubblätter
mit der Funktion der Kohlensäureaufnahme aus der Luft derart
zusammenhängt, daß man die erhöhte Kohlensäurekonzentration an
den Grenzflächen nicht außer acht lassen darf.
94 Friedrich Czapek,
III.
Im Stoffwechsel der Pflanze spielt jedoch nur die Kolloid-
adsorption eine dominierende Eolle. Hier sind wieder zwei Er-
scheinungsgruppen zu würdigen: die Adsorptionserscheinungen an
den Zellwänden und die Adsorptionserscheinungen im Zellplasma
und dessen Kontenten. Sie entsprechen den physikalischen Typen
der Geladsorption und der Adsorption in Solen. Pflanzliche
Zellhäute sind allgemein dort am w^asserreichsten und am stärksten
quellungsfähig, wo es auf einen intensiven Stoffaustausch ankommt.
Dies ist nicht nur für Löslichkeitsbeziehungen und Diffusions-
geschwindigkeiten, sondern auch für die Adsorption in Membran-
gelen von ausschlaggebender Bedeutung. Nicht immer sind hier
Lösung und Adsorption scharf getrennt worden. Besonders für
den Gasdurchtritt durch Zellhäute hat man noch gar nicht die
Rolle von Adsorptionen in Erwägung gezogen, sondern hat solche
Vorgänge wesentlich als Lösungsphänomene angesehen, welche dem
Henryschen Satze unterworfen sind. Immerhin legt uns die Tat-
sache, daß gerade die am stärksten koerziblen Gase von der Zell-
membran am leichtesten aufgenommen werden, den Gedanken nahe,
daß möglicherweise der ganze Prozeß als Gasadsorption aufzufassen
ist. Einschlägige Untersuchungen fehlen aber noch.
Flüssigkeitsaufnahme und Flüssigkeitsdurchtritt durch Zell-
membranen stehen in so enger Beziehung zu den Quellungs-
erscheinungen, daß man in denselben nur Modifikationen des
Quellungszustandes sehen kann. Trotz der großen theoretischen
Fortschritte, welche die Lehre von der Quellung seit den grund-
legenden Versuchen von F. Hofmeister über die „mechanischen
Affinitäten" von Salzlösungen zu quellenden Leimplatten und seit
den gedankenreichen Ausführungen von K. Spiro über „physi-
kalische Selektion" gemacht hat, ist es derzeit noch sehr schwierig,
die Bereiche von Lösliclikeits- und Adsorptionsbeeinflussungen in
quellbaren Gelen auseinander zu halten. Dies liegt zum Teil an
unseren unzureichenden Kenntnissen über die physikochemische
Natur quellbarer Gele. Immerhin scheint Wo. Pauli im Recht zu
sein, wenn er meint, daß zwischen Gelen und Solen keine wesent-
liche Differenz bestehen kann mit Ausnahme der bei Gelen relativ
geringen Verschieblichkeit der Teilchen, von der wir aber nicht
wissen, wie sie zustande kommt. Daß in den Gelen Schwamm-
oder Netzstrukturen im Sinne der von Bütschli begründeten
Ausblicke auf l)iologische Adsorptionserscheinungen. 95
„Wabentheorie" als besondere Eigentümlichkeit vorkommen, wird
durch die fortschreitende kolloidchemische Erforschung- der Gele
immer unwahrscheinlicher. Es erscheint mir richtiger, die Physiko-
chemie der Gele und Sole von gemeinsamen Gesichtspunkten aus
zu behandeln. Die von F. Hofmeister entdeckte Quellungs-
beeinflussung von Leimplatten durch Salze ist zweifellos ebenso
als ein Löslichkeitsphänomen, eine „lyotrope Erscheinung" im Sinne
von H. P^reundlich, zu deuten, wie die in vieler Hinsicht sehr
analog vor sich gehende Aussalzung von Eiweiß-Solen. Denn alle
jene Neutralsalze, welche am stärksten eiweißfällend wirken: die
mehrwertigen Kationen einerseits, andererseits die Anionen der
Schwefelsäure, Zitronensäure, Weinsäure, setzen die Quellung am
stärksten herab. Andererseits haben Rhodanide, Chloride, Nitrate,
welche nur schwach eiweißfällend wirken, einen mehr minder aus-
geprägt quellungsfördernden P^influß.
Man kann solche Vergleiche sehr anschaulich und ziemlich
genau mit Hilfe einer kleinen Wage anstellen, welche unterhalb
der kleinen zur Aufnahme der Tariergranaten dienenden Schälchen
eine Vorrichtung zum Befestigen von Gallertwürfelchen besitzt.
Tariert man zwei in Wasser gequollene Gallertwürfelchen genau
aus und läßt dieselben an der Wage befestigt in die zu vergleichen-
den Salzlösungen eintauchen, so lassen sich nach genügend langer
Zeit, sobald man die Gefäße mit den Salzlösungen beseitigt hat,
die Gewichtsdifferenzen ohne weiteres feststellen. Tauchte eines
der Würfelchen in Wasser ein, das andere in Salzlösung, so erfährt
man den Grad der Vermehrung oder Verminderung der Quellung.
Auch die Farbstoff aufnähme durch gequollene Gelatine zeigt
uns dadurch, daß sie (bei Methylenblau und Gelatine) umso stärker
eintritt, je wasserreicher das Gel ist, daß es sich um Lösungs-
erscheinungen handelt. Es fällt auf und scheint dieser Ansicht
zu widersprechen, daß sich gequollene Gelatine mit Methylenblau
oder Methylviolett bei Gegenwart von Sulfatlösung (welche die
Quellung herabsetzt, also die Gelatine wasserärmer macht) viel
stärker anfärbt, als Gelatine mit rein wässeriger Farbstofflösung.
Hingegen nimmt Gelatine, welche in Rhodankalium stark gequollen
ist, aus einem anderen Lösungsmittel Methjdenblau nur sehr wenig
auf. Daß es sich trotzdem in solchen Fällen um lyotrope Wirkungen
und nicht um Adsorptionsverdrängungen handelt, ersieht man dar-
aus, daß auch aus einer Methylenblau-Chloroformlösung mehr Farb-
stoff in Sulfatlösung übertritt als in reines Wasser. Dies sind
96 Friedrich Czapek,
demnach alles Fälle von Lösung-sverteilung. (Versuche von Dr.
Helene Nothmann-Zuckerkandl.)
Wie aber Wo. Pauli für die Eiweiß -Sole gezeigt hat, daß
man die Adsorptionserscheinungen mit Neutralsalz -Ionen nur bei
Anwendung- möglichst elektrolytfreier Kolloidlösung und verdünnter
Salzlösung rein zur Anschauung bringen kann, so ist es offenbar
auch bei den quellbaren Gelen. Deren Analogie mit den Solen
äußert sich auch hier in vollkommener Weise. Wenn eine Eiweiß-
lösung durch wochenlange aseptische Dialyse von den vorhandenen
Elektrolyten möglichst weitgehend befreit wird, so gewinnt sie
nach Paulis Erfahrungen eine Reihe charakteristischer Eigen-
schaften: leichte Koagulierbarkeit, geringe Viskosität und großen
elektrischen Leitungswiderstand. Fügt man ein wenig Säure oder
Alkali hinzu, so ändern sich diese Eigenschaften sehr stark: die
Gerinnungsfähigkeit nimmt ab, Viskosität und Leitfähigkeit hin-
gegen wachsen bis zu einem Maxioium. Aus diesen Gründen
spricht Pauli von nicht ionisiertem und von loneneiweiß. Das
unelektrische Eiweiß zeigt nun viel ausgeprägter Adsorption von
Neutralsalz -Ionen als das Ionen- Eiweiß, welches in vieler Hin-
sicht den echten Lösungen näher steht und lyotrope Erschei-
nungen in den Vordergrund treten läßt. Die Versuche von
R. Chiari aus Paulis Institut haben gezeigt, daß die ausdialy-
sierte Gelatine manche Vergleichspunkte mit dem unelektrischen
Eiweiß bietet. Ein Hinzufügen von sehr wenig Säure oder Alkali
bewirkt außerordentliche Steigerung der Quellung. Voraussichtlich
wird auch bei der unelektrischen Gelatine die Salziouenadsorption
am stärksten sein, während die elektronegativ aufgeladene Säure-
gelatine und die elektropositive Alkaligelatine vor allem Adsorptions-
erscheinungen mit entgegengesetzt geladenen anderen Kolloiden auf-
weisen wird.
Im ganzen läßt sich demnach nicht voraussetzen, daß die
Zellhaut- Gele wichtige adsorptive Funktionen im Stoffwechsel aus-
üben. Sie werden vielmehr gelöste Stoffe wahllos dem Zellplasma
zuführen, um so leichter, je stärker ihr Quellungsgrad ist. Nur
im Laufe langer Zeit werden Adsorptionen relativ stark wirksamer
mehrwertiger Ionen zu erreichen sein. So häufen sich in alten
Zellmembranen Kalzium und Magnesium, besonders aber auch Eisen
und Mangan an. Da Verdrängung durch stärker adsorbierbare
Substanzen nicht möglich ist, so bleiben diese Stoffe in ungestörter
Bindung liegen.
Ausblicke auf biologische AdsorptionserscheinuDgen. 97
Hingegen müssen wir eine biologische Rolle jenen adsorbierten
Elektrolyten zuschreiben, welche bei der intrazellulären Abscheidung
von Gelen in Adsorptionsverbindung ausfallen. So ist es durch
die Studien von Samec wahrscheinlich geworden, daß Elektrolyt-
Adsorptionen, und zwar Phosphationenbindung, beim Unlöslich-
werden der Amylumkolloide eine gewisse Bedeutung besitzen.
Schließlich hal)en wir auch die Bindung von kolloiden Lösungen
durch Gele zu den Adsorptionserscheinungen zu rechnen. Der-
artige Vorgänge kommen u. a. in Betracht bei der Aufnahme von
Enzymen durch feste Kolloide. Es ist wohlbekannt, wie empfind-
lich der Nachweis von Pepsin geführt werden kann durch Adsorp-
tion desselben an mit Salzsäure imprägnierten Fibrin- oder Elastin-
flöckchen, selbst in der verdünntesten Lösung. Auch die Färbungen
von Zellwänden sind als Adsorption kolloider gefärbter Materialien
aus der Gruppe der Tannoide, Phlobaphene usw. zu betrachten.
Selbst hochmolekulare Alkaloide wie das Berberin können in Gel-
membranen festgehalten werden. So wirkt die Adsorption hier
wenigstens im Dienste der Stoffverteilung in der Pflanze und
zur Festlegung anderwärts nicht mehr verwertbarer Körper-
bestandteile.
Wenigstens in gewissem Maße müssen wir unsere Betrach-
tungen über Gel-Adsorption auch auf die Adsorptionswirkungen
durch Kolloide des Humusbodens und auf die Erreichung der hier
adsorbierten Stoffe durch die nahrungsuchende Pflanze ausdehnen.
Zweifellos wird es bei der Gewinnung stark adsorbierbarer Sub-
stanzen, wie der Ammonium-Ionen darauf ankommen, die Adsorp-
tionsverbindungen derselben nach dem Verdrängungsprinzip zu
lösen. Dabei kommt die elektronegative Ladung der Membran-
kolloide der Wurzelhaare, die „Säureausscheidung der Wurzeln"
wesentlich in Betracht, um jene wichtigen Kationen für die Pflanze
zu sichern. Es ist nicht erst nötig eine Säurewirkung durch
Wurzelsekrete und Diffusion auf Distanzen hinaus zu entfalten,
sondern die hochquellbaren elektronegativ aufgeladenen Zell-
membranen erfüllen hier wohl voll den Zweck, die Umsetzung der
Bodenbestandteile zu erreichen. Daß es nicht auf förmliche Säure -
Sekretion ankommt, scheint aus der Erfahrung hervorzugehen, daß
wohl die angepreßt wachsenden Wurzeln auf Lackmuspapier Rötung
erzeugen, die ausgeschiedenen Flüssigkeitstropfen jedoch nicht
sauer reagieren. Dies wäre durch Adsorptionswirkung elektro-
negativer Zellwandkolloide zu erklären.
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI. '
98 Friedrich Czapek,
Eine weit ausblickende Untersuchung von Bau mann und
Gully hat erst vor wenigen Jahren die fundamentale Bedeutung
von Gel -Adsorptionen für den Stoffwechsel des Erdbodens ge-
bührend gewürdigt. Es ist nun allerdings nicht entschieden, ob
man berechtigt ist das Vorhandensein von kolloidalen „Humus-
säuren" im Boden vollständig in Abrede zu stellen, wie dies die
beiden genannten Forscher taten. Aber wenn es auch solche hoch-
molekulare Säuren im Boden gibt, so spielen Adsorptionsverbindungen
derselben mit anderen Bodenkolloiden eine weitaus bedeutungs-
A^ollere Rolle, als man bisher angenommen hatte, und auch die
Bindung basischer Bodenbestandteile ist augenscheinlich nur zum
geringen Teile salzartiger Natur, vielmehr zum größten Teile louen-
adsorption durch elektronegative Kolloide. Deshalb ist es begreif-
lich, daß man in der praktischen Moorkultur durch Adsorptions-
sättigung mit Kalk für die Aufnahme der Metallkationen durch die
Pflanze viel günstigere Bedingungen schafft, und hierdurch erfolg-
reiche Feldwirtschaft anbahnt.
IV.
Kolloidadsorption durch flüssige kolloide Adsorbentien ist
mit Unrecht bisher meistens nur da in Betracht gezogen worden,
wo es sich um irreversible oder reversible Fällungserscheinungen,
Ausflockungen, handelt ; es muß betont werden, daß auch Lösuugs-
adsorptionen zu berücksichtigen sind. Schon die Sättigung kol-
loider Flüssigkeiten mit Gasen wird man dahin zu prüfen haben,
ob hier der einfache Heurj'-Satz gilt, oder ob vielmehr aus stark
verdünnten Gasen relativ stärkere Aufnahme stattfindet, als unter
erhöhtem Gasdrucke. Solche im Absorptiometer leicht ausführbare
Versuche fehlen aber noch, und so ist es unentschieden, ob die
Gassättigung kolloidaler Zellflüssigkeiten als reine Lösungserschei-
nung oder als Gasadsorption zu deuten ist. Ebenso ist es un-
bekannt, wie solche Erscheinungen von der Konzentration der Sole
abhängen und wie etwa Salzzusätze zum Kolloid die Gasaufnahme
zu fördern oder zu hemmen imstande sein mögen.
Im übrigen wii'd man hinsichtlich der Adsorptionserscheinungen
in Kolloidflüssigkeiten einmal durch den Grad der Dispersität, und
dann durch die lyophile Natur der Sole grundsätzliche Differenzen
zu erwarten haben.
Es wird sich empfehlen, die Adsorptionen durch Suspen-
soide von jenen zu trennen, welche sich an Emulsoiden abspielen.
Ausblicke auf biologische A(l80^ptiousel•i^cheinullgell. 99
Siispensoido KoUoidfllissigkeiten, in denen ultramikroskopisch
auflösbare Partikel: „Snbmikronen" eine Hauptrolle spielen und bei
denen die Ij^opliilen Eigenschaften zurücktreten, werden uns typisch
durch Platinsol, Goldsol und andere Metallsole vertreten. Sole
dieses Typus fehlen auch in der lebenden Zelle nicht, doch wird
der kolloidchemische Charakter des lebenden Protoplasma wesentlich
durch die lyopliilen Eiuulsoide bestimmt. Wie die Metallsole oder
feinst verteiltes Mastixharz zeigen, gibt es hier stetige Übergänge
zu den mikroskopisch auflösbaren Suspensionen nicht mehr kolloi-
daler Natur. Auch nach ihrem physikalischen Verhalten sind die
Suspensoide ultramikroskopisch feine Suspensionen fester Partikel
in einer Flüssigkeit. Bei intravitalen Gerbstoffällungen in Pflauzen-
zellen durch Koffein lassen sich innerhalb des Zellraumes alle
möglichen Übergänge zwischen grob tröpfchenartigen Fällungen
bis zu mikroskopisch nicht mehr auflösbaren Ausscheidungen, je
nach der Konzentration der vorhandenen Gerbstoffmenge beobachten.
Bei geringen Gerbstoffquantitäten sieht man mikroskopisch nur
die braunrote Farbe von Suspensoiden in durchfallendem Licht,
ohne die Partikel selbst unterscheiden zu können. Im Zellsaft
dürften manche kolloide Kontenta in derartiger Verteilung vor-
kommen, was noch näherer Untersuchung bedarf. Aller Wahr-
scheinlichkeit nach werden auch in Milchsäften ultramikroskopisch
auflösbare Kolloidpartikel neben der groben Tropf chensuspension
(Emulsion) vorkommen.
Bei allen solchen Kolloiden spielen nun Adsorptionen eine
gi'oße Rolle. Besonders bekannt ist die Erscheinung, daß Sus-
pensoide durch kleine Elektrolyt mengen ausgeflockt werden, ein
Verhalten, das sie mit nichtkolloiden Suspensionen teilen. Hier-
bei spielt die elektrische Ladung der Kolloidpartikel und jene der
zugesetzten Ionen eine entscheidende Rolle, indem sich nach dem
von Hardy aufgestellten Grundsatz stets nur ungleichnamig ge-
ladene Partikel und Ionen ausfällen. Das Phänomen wird nach
Hardy und Predig als elektrokapillare Erscheinung aufgefaßt.
In dem Momente, in welchem Elektroneutralität hergestellt wird,
erreicht die Oberflächenspannung an der Kolloidgrenzfläche ihr
Maximum, und es wird die bei der Koagulation stattfindende Ober-
flächenverkleinerung und die Absonderung des Kolloids am schnell-
sten stattfinden. Umgekehrt wird jeder Faktor, welcher die
Potentialdifferenz zwischen Kolloidpartikeln und Dispersionsmittel
erhöht, die Adsorption fördern. Dementsprechend koaguliert der
2QQ Friedrich Czapek,
aus elektroiiegativen Harzkolloiden bestehende Milclisaft auf Zusatz
von verdünntem Ammoniak oder anderen elektropositiven Ionen,
beziehungsweise elektropositiven Kolloiden.
In allen solchen Suspensoiden ist das Quantum der dispersen
Substanz, wie von den Edelmetallsolen bekannt ist, äußerst gering
gegenüber der Masse des Dispersionsmittels. Deswegen werden
auch kaum die durch ihre Menge bedeutungsvollen Plasmasubstanzen
vorherrschend in einer derartigen Verteilung in der lebenden Zelle
zu erwarten sein.
Einer eingehenden Betrachtung bedürftig sind bestimmte Ad-
sorptionserscheinungen zwischen Suspensoiden und Emulsoidkolloiden
lyophiler Natur, die man als „Bildung von Schutzkolloiden"
bezeichnet, weil die Stabilität des sonst leicht veränderlichen Sus-
pensoids hierdurch bedeutend erhöht wird. Wie bekannt, benutzt
man organische Sole mit Vorteil bei der Herstellung von dauer-
haften kolloiden Metallösungen oder Solen von Hydroxyden oder
Sulfiden. Die „Einhüllungsh5^pothese", wie sie sich zurzeit des
meisten Beifalles erfreut, nimmt an, daß das Emulsionskolloid
Schutzhüllen um die Submiki'onen des anderen Kolloids bildet,
wobei es sehr wichtig ist, daß das Schutzkolloid Lösuugsaffini-
täten zum Dispersionsmittel besitzt, welche dem anderen Kolloid
abgehen.
Ein wichtiges physiologisches Beispiel hierfür sind die Fett-
emulsionen. Während es nicht gelingt, in ganz reinem Wasser
neutrales Fett in mehr als Spuren zu verteilen und bald Ent-
mischung erfolgt, ist die Herstellung einer dauerhaften Emulsion
ohne weiteres möglich, wenn man etwas Alkali zufügt und so ein
geringes Quantum von wasserlöslichem Seifenkolloid erzeugt. Auch
im Protoplasma sind offenbar die zahllosen mikroskopisch und
ultramikroskopisch unterscheidbaren Tröpfchen durch solche Schutz-
kolloide in ihrem dispersen Zustand erhalten. Derartige „Schutz-
hüllenbildungen" wären nicht möglich, wenn nicht Adsorptions-
affinitäten zmschen den beiden Kolloiden vorhanden sein w^ürden.
Man darf annehmen, daß auch hier der elektrische Ladungssinn
entscheidet und daß nur ungleichnamig elektrische Teilchen die
Adsorptionsverbindung eingehen. Im Neutralfett dürften Spuren
vorhandener freier Fettsäuren hinreichen, um das Kolloid negativ
aufzuladen; adsorbiert werden daher die elektropositiv geladenen
Alkaliseifen. Das amphotere Eiweiß wird in der Zelle sehr aus-
giebig zu Adsorptionen an elektronegative und elektropositive Sus-
Ausblicke auf biologische Adsorptionserscheinuiigen. 101
pensioiiskolloide verwendbar sein und auf diese Art eine große
Rolle als Scliutzkolloid spielen.
Ein Fall von Schutzkolloidwirkung liegt auch wahrscheinlich
in der blauen Jodstärke vor. Da alle Einwirkungen, welche wie
Alkoholzusatz, Jodkalium die Dispersität des Stärkekolloids herab-
setzen, auch einen roten Färbungsumschlag der Jodstärkelösung
herbeiführen, so kann man annehmen, daß sich dabei die Größe
der Jodteilchen verringert, bis sie endlich die Größenordnung der
Molekel erreicht und die braunrote Farbe der Jodjodkaliumlösung
oder Jodtinktur auftritt. Analog den Goldsolen hat das gröber
kolloid verteilte Jod eine blauviolette Färbuug und die Stärke hat
nur die Funktion, die Vereinigung der Partikel des kolloiddispersen
Jod als „Schutzkolloid" zu verhindern. In dieser Anschauungs-
weise wäre es begTündet für Glykogen oder Erythrodextrin, die
Jod mit braunroter, beziehungsweise weinroter Farbe lösen, eine
geringere Schutzkolloidwirkung anzunehmen, die in der höheren
Dispersität begründet ist. Schließlich wird im Achroodextrin die
Teilchengröße der Kohlenhydratlüsung so gering, daß eine Schutz-
kolloidwirkung nicht mehr zustande kommen kann. Dem Gesagten
ist zu entnehmen, daß man nur mit Vorsicht aus einer roten Jod-
reaktion eines Kohlenhydrates auf dessen Identität mit Gkkogen
oder Amylodextrin schließen darf, da man ja in jeder Stärkelösung
eine rote Jodreaktion in beliebiger Intensität durch Jodkalium zusatz
erzeugen kann.
Die Schutzwirkung bei Fettkolloiden zeigt sich sehr augen-
fällig in den Veränderungen von Nährgewebszellen während der
Keimung. In ungekeimten Samen ist das Fett in kolloider Form
im Plasma verteilt und ^ird offenbar durch Schutzkolloide in
kolloiddisperser Form erhalten. Sobald aber durch das Eingreifen
fettspaltender Enzyme freie Fettsäuren in erheblicherer Menge
auftreten, wird die Isoelektrizität gestört und das Schutzkolloid ist
nicht mehr ausreichend, um das Zusammenfließen der submikro-
nischen Tröpfchen zu hindern : die Fetttropfen werden mikroskopisch
sichtbar. Der Prozeß schreitet nun weiter bis zur völligen Ent-
mischung von Fett und dem übrigen Zellinhalte. Auch im ruhen-
den Nährgewebe gelingt es, durch Wasserzusatz zu den Schnitten,
die Schutzkolloide zu entfernen und die nämliche Entmischungs-
Mirkung eintreten zu lassen.
]^Q2 Friedrich Czapek,
V.
Emulsoid-Sole, d. i. kolloide Lösungen amikronischer Dis-
persität und lyophilen Charakters, spielen im lebenden Protoplasma
als aufbauende Faktoren die allergrößte Rolle. Die Lebens-
erscheinungen der Zelle sind wesentlich durch die physikalischen
Eigenschaften solcher Bestandteile bestimmt. Die Emulsoide um-
fassen das Grenzgebiet der Kolloide gegen die echten Lösungen,
welche dem Gasgesetze unterworfen sind. Sie gehen stetig über
in Lösungen von gTößerem osmotischen Druck und hoher Dis-
persität (Semikolloide) und schließhch in molekulardisperse Lösungen.
Ein gewisser Teil der Partikel in den Solen selbst dürfte bereits
in den Bereich der Größenordnung der Einzelmolekel fallen. Die
Feststellung von Adsorptionserscheinungen unterliegt hier oft be-
deutenden Hindernissen durch den stark lösungsartigen Charakter
solcher Kolloidflüssigkeiten, welcher durch die große Affinität der
Kolloidpartikel zum Lösungsmittel bedingt ist. So ist es, me be-
kannt, nicht mehr möglich, Eiweißlösungen durch kleine Elektrolyt-
niengen zu flocken und nur große Salzmengen scheiden durch ihre
Einwirkung auf das Dispersionsmittel das Eiweiß aus. Dies sind
rein lyotrope Wirkungen. Es sei nochmals erwähnt, daß die quell-
baren Gallerten von Leim oder Kohlenhydraten ganz parallele Er-
scheinungen in ihrem Verhalten zu Xeutralsalzen aufweisen, so daß
sich solche Gallerten und lyophile Emulsoide physikalisch sehr nahe
stehen, so\\ie andererseits lyophobe Suspensoide und die porös-
amorphen festen Ausscheidungen von festem unquellbarem Kolloid,
die man auch hier als Gele bezeichnet.
Wir wollen die Kolloidadsoi-ptionen an Emulsoiden nach der
Art dei- adsorbierten Stoffe in Ionen-, Molekular- und Kolloid-
adsorptionen gliedern.
Das Studium der lonenadsorption in Eiweiß -Solen hat im
Anschlüsse an die Arbeiten von Hardy besonders in den Unter-
suchungen von Wo. Pauli zu bemerkenswerten Anschauungen in
der Physikochemie der Proteine geführt. Wenn man eine native
Eiweißlösung durch Dialyse möglichst von beigemengten und rever-
sibel absorbierten Elektrolyten befreit, so gewinnt das Präparat
Eigenschaften, welche es in charakteristischer Weise von dem
ursprünglichen Eiweiß unterscheiden. Der elektrische Leitungs-
widerstand wächst enorm an, die Viskosität sinkt bis auf ein be-
stimmtes Minimum, und die Koagulierung durch Erhitzen oder
Ausblicke auf biologische Adsorptionserscheinungen. 103
durch Alkohol ist viel ausgeprägter imd leichter zu erreichen als
beim uativen Eiweiß. In diesem „unelektrischen Eiweiß-Sol" ist
der lonengehalt bis auf einen minimalen Betrag an negativen Ionen
zurückgegangen und praktisch ist solches Eiweiß Nonelektrolyt.
Fügt man zu solchem Eiweiß eine Spur Lauge oder Säure hinzu,
nur bis zum Betrage von 1 — 3 Millimol, so ändert das Sol seine
physikalischen Eigenschaften bedeutend. Außer dem Eintritt einer
ausgeprägten elektrischen Leitfähigkeit, welche uns das Entstehen
von Ionen anzeigt: Eiweiß -Anionen bei Laugenzusatz, Eiweiß-
Kationen bei Säui-ezusatz, beol)achtet man eine enorme Erhöhung
der Viskosität und eine Verringerung der Koagulationsfähigkeit
durch Hitze oder Alkohol. Dieser Zustand wird ionisiertes Eiweiß
genannt. Beide Zustände sind reversibel ineinander überzuführen,
wenn die Säure oder Lauge nur in sehr geringer Konzentration
und nicht zu lange Zeit eingewirkt hat.
Von Interesse ist es, daß sich im lebenden Plasma Verände-
rungen hervorrufen lassen, welche augenscheinlich dem Übergang
von unelektrischem in loneneiweiß entsprechen. Versuche von
Dr. Bore seh in unserem Laboratorium zeigten, daß in ausgetretenem
Protoplasma von Vaucheria (welches in passend konzentrierter
Van't Hoff-Lösung relativ sehr lange seine normale Beschaffen-
heit behält) kleine Alkalizusätze eine deutliche Quellung erzeugen,
die sich durch Auftreten von Tröpfchen in Brownscher Bewegung
verrät. Diese Veränderung geht nach Auswaschen des Alkali
nach einiger Zeit zurück. Wahrscheinlich hat man hier elektro-
negatives (Alkali) Eiweiß aus unelektrischem Plasmaeiweiß erzeugt,
ein Vorgang, der reversibel ist.
Aus verschiedenen Gründen ist anzunehmen, daß im Proto-
plasma sowohl unelektrische als ionisierte Eiweiß-Sole vorkommen,
und von dem relativen Mengenverhältnisse beider Stoffgattungen
müssen die phj'sikalischen Eigenschaften des Zellprotoplasmas in
hohem Maße beeinflußt werden.
Nonelektrolyteiweiß und lonenprotein unterscheiden sich auch
in sehr bestimmter Weise hinsichtlich der Adsorption von Salzionen.
Da das lonenprotein in seinen Eigenschaften viel mehr lösungs-
ähnlich ist, als das unelektrische Eiweiß, so darf man voraussetzen,
daß in dem letzterem die lonenadsorption viel ausgeprägter möglich
ist. So ist es auch tatsächlich gefunden worden. Setzt man zu
ausdialysiertem Eiweiß eine geringe Menge von Neutralsalz, so
ward die Koagulationstemperatur merklich erhöht und die Viskosität
\Q^ rriedrich Czapek,
erniedrigt (Wo. Pauli). Das Salzeiweiß ist dann stabiler als das
salzfreie Nonelektrolyteiweiß. Da sehr geringe Salzmengen bei der
Herbeiführung dieser Veränderung relativ viel wirksamer sind als
größere, so ist die Annahme einer Salzeiweißadsorptionsverbindung
nahegelegt, womit auch sonst alle Momente bei solchen Erschei-
nungen stimQien. Nur Elektrolyte, nicht aber Nichtleiter (Zucker,
Harnstoff) sind in diesem Sinne wirksam. Während bei den Albu-
minen sowohl das Nonelektrolyteiweiß wie die Salzadsorptionsver-
bindungen löslich sind, ist das Nonelektrolyt- Globulin unlöslich
und dessen lonenadsorptionsverbindungen wasserlöslich. Es ist
also möglich, daß Salzionen in der Zelle durch die Bildung von
Globulinadsorptionsverbindungen bestimmte Eiweiß-Sole des Plasmas
konstituieren helfen. Fügt man Aäel Salz zur Lösung eines Non-
elektrolyteiweiß, so tritt außer der Adsorption die als Aussalzung
bekannte Fällungserscheinung ein, welche mit echten Adsorptionen
nichts mehr zu tun hat.
Wenn man zu loneneiweiß, z. B. Säureprotein, kleine Zusätze
von Neutralsalz fügt, so beobachtet man, wie Pauli zeigte, Sinken
der Viskosität, Förderung der Hitzegerinnung und Alkoholfällbar-
keit, demnach Veränderungen, welche nicht anders als durch Rück-
gang der Ionisierung zustande kommen können. Die Zahl der
elektroneutralen Eiweißteilchen vermehrt sich und diese adsorbieren
die zugesetzten Salzionen.
An lebenden Zellen lassen sich verschiedene dieser lonen-
adsorptionen beobachten und erläutern. Szücs zeigte, daß Pflanzen-
zellen in Gegenwart sehr verdünnter Lösungen von Aluminium-
chlorid keine Schädigungen durch sonst unbedingt letale Konzen-
trationen von Kupfersalzen erfahren, weil das dreiwertige AI-Ion
stärker adsorbiert wird als die Cu-Ionen. Mit AI-Ionen gehen die
Kolloide des Cytoplasmas von Spirogjjra starre Adsorptionsverbin-
dungen ein, welche jede plasmolytische Kontraktion verhindern, so
daß Fluri gemeint hatte, daß Aluminiumsalze das Cjioplasma
durch Permeabilitätserhöhung unplasmolysierbar machen. Auch
diese Adsorptionserscheinung ist reversibel. Ferner ist lonen-
adsorption bei der Aufnahme von Alkaloidbasen und von vielen
Anilinfarben in lebende Zellen nach den Ermittlungen von Szücs
vorauszusetzen. Immerhin ist es bei den Farbstoffen, wie Methyl-
violett oder Methylenblau, nicht leicht, Lösungs- und Adsorptions-
erscheinungen im Zellplasma auseinanderzuhalten. Endler, welcher
diese Verhältnisse unter meiner Leitung eingehend studierte, konnte
Ausblicke auf biologische Adsorptionserscheinuugen. 105
aber doch herausfinden, daß die Beeinflussung der Aufnahme von
Methylenblau durch gleichzeitig anwesende verdünnte Salzlösungen
bei saurer Reaktion entgegengesetzt verläuft, wie bei alkalischer
Reaktion, was bei reinen Löslichkeitsbeeinflussungen nicht zu er-
warten wäre. Es dürfte sich somit wesentlich um Adsorptions-
verdrängung von Farbstoff- und Salzionen handeln. Da die
Umkehrung der Fällungsreihe der Salze gerade bei einer Säure-
konzeutration von 1 Mol auf rund 7000 Liter erfolgt, so kann man
daraus einen Rückschluf3 auf die Lage des isoelektrischen Punktes,
auf Ladungssinn und Ladungsquautität der Plasmakolloide ziehen.
Allerdings stirbt das Zellplasma bei Erreichung di(;ser Säuregrenze
stets ab und es ist nicht möglich, dasselbe reversibel elektropositiv
aufzuladen.
An die Feststellung der lonenadsorption und der Bedeutung
derselben für die Untersuchung der Plasmakolloide knüpfen sich
manche fundamentale Fragen der Zellphysiologie, vor allem das
Problem, wie Aufnahme von Elektrolyten und Durchtritt derselben
in das Zellinnere zustandekommt. In der Pflanzenphysiologie wird
dieser Vorgang meist als Lösungsdiffusion behandelt. Diese Vor-
stellung verliert ihre unbeschränkte Gültigkeit sofort mit dem
Nachweise, daß das Cytoplasma Nonelektrolyt- Proteine mit aus-
geprägter Salzadsorption enthält. Ferner müßte die Salzaufnahme
im Falle einer Diffusion echter Lösungen umso schneller erfolgen,
je kleiner das Molekulargewicht der aufzunehmenden Salze ist,
Avährend wir den Versuchen von Endler und von Szücs entnehmen
müssen, daß umgekehrt die mehrwertigen Ionen der hochmolekularen
Salze bei der Aufnahme bevorzugt werden. Dementsprechend wer-
den ferner die am stärksten eiweißfällenden Anionen der lyotropen
Reihe: Sulfate, Tartrate und Zitrate am schnellsten in die Zellen
aufgenommen. Besonders bei Zellen, welche mit sehr verdünntem
Kaliumcyanid oder Ammoniak behandelt worden sind, konnte
Krehan in hierorts angestellten Untersuchungen die verstärkte
Aufnahme der Sulfate und zweiwertigen Kationen in die Zelle sehr
leicht an der auffällig erhöhten plasmolytischen Grenzkonzentration
von Salzen mit solchen Ionen erkennen. Aus allen diesen Er-
fahrungen w^äre der wichtige Grundsatz abzuleiten, daß bei Salz-
aufnahme in lebende Zellen die lonenadsorption in den Plasma-
kolloiden den entscheidenden Faktor darstellt, konform den auch
von Pauli geäußerten Ansichten über die Stoffaufnahme in Zellen.
Dies erklärt uns die Erscheinung, weshalb Salzionen mit hohem
IQß Friedrich Czapek,
Adsorptionswert wie Ca, AI, NH4, aber auch Alkaloid- Kationen
rasch in die Zelle eindringen, w^ährend Kalium- oder Natrium-
hydroxyd relativ langsam permeieren.
Die großen Differenzen im Adsorptionswert der Salzionen legen
uns ferner nahe, die Folgerung zu ziehen, daß das Leben der Zelle
sehr stark von einer geeigneten Mischung der außerhalb der Zelle
gebotenen Ionen abhängt, von einem „physiologischen lonengleich-
gewicht". Die wohlbekannte Erscheinung des Ionen-Antagonismus
muß voraussichtlich Ionen von verschiedenem Adsorptionswert be-
treffen, und große Mengen schwächer adsorbierbarer Ionen werden
durch kleine Mengen stark adsorbierbarer Ionen zu äquilibrieren
sein. So ist es tatsächlich der Fall mit Natrium und Kalzium oder
mit den Chlor- und Sulfationen. Die Vant 't Hoff sehe Mischung,
das „künsthche Seewasser", ist nichts anderes als eine Gemeinschaft
von Neutralsalzen, welche zum Plasmaeiweiß im Adsorptions-
gleichgewicht stehen, d. i. seinen lonengehalt durch Adsorptions-
verdrängung in keiner Weise ändern. Solche Wirkungen sind in
der Pflanzenphysiologie bei jedem plasmolytischen Versuch zu ge-
wärtigen, und streng genommen sollte die Untersuchung des os-
motischen Zelldruckes mittels plasmolytischer Methoden ausschließ-
lich mit der Vant't Hoff sehen Salzmischung und nicht mit reinem
Kaliumnitrat oder Natriumchlorid vorgenommen werden.
VI.
Die Adsorption von Nonelektrolyten durch gelöste Kolloide ist
theoretisch noch sehr wenig studiert worden. Ansätze finden sich
erst in jüngster Zeit in den Untersuchungen von S. Loewe über
die Aufnahme von Farbstoffen, Alkaloiden, Chloroform durch Fette.
Die Ergebnisse dieser Arbeit lassen keinen Zweifel darüber, daß
es sich in solchen Fällen nicht um Lösungsgleichgewichte und
Lösungsverteilung handelt, sondern um typische Adsorptionen. Be-
kanntlich hat schon 1899 H. H. Meyer für die Erscheinungen der
Narkose an Tieren die Ansicht ausgesprochen, daß hierbei der
Fettgehalt des Zentralnervensystems als lösendes Agens eine
hervorragende Rolle spielt. Er faßte die Verteilung der Narkotika
im Körper geradezu als einen Fall des Berthelotschen Verteilungs-
satzes auf und maß die narkotische Wirkung der einzelnen Sub-
stanzen nach der Größe der Quotienten aus deren Löslichkeiten
in Fett und in Wasser, unter der Annahme, daß für jeden Stoff
Ausblicke auf biologische Adsorptionserscheinuiigen. 107
dieser Quotient bei einer bestimmten Temperatur unabhängig von
der Konzentration eine konstante Größe sei. Wenn man jedoch
die Verteilung der Narkotika auf Fett und Wasser in weit ver-
schiedenen Konzentrationsbereichen ]>rüft, so gelangt man, wie
Loewe zeigte, zum Ergebnis, daß der Quotient CFett/Cwasser nicht
dem Henry-Berthelot sehen Satze gemäß konstant ist, sondern
für niedere Konzentrationen relativ höhere Werte, für hohe Kon-
zentrationen relativ niedere Werte im Vergleiche zur Proportionali-
tätsregel annimmt. Es folgen vielmehr die Konzentrationen in Fett
und in Wasser, wie es sonst bei Adsorptionsvorgängen der FaU
ist, einer annähernd parabolischen Abhängigkeitsbeziehung. Schon
vor längerer Zeit hat .J.Traube auf ein weiteres beachtenswertes
Moment aufmerksam gemacht, welches sich gleichfalls nicht aus
der Annahme einer Lösungsverteilung erklären läßt. Die narkotische
Wirkung homologer Alkohole und Ester nimmt nämlich in dem-
selben Verhältnis zu, wie die Kapillaraktivität dieser Stoffe, so daß
in Molen ausgedrückt von jedem höheren Glied einer Reihe nur
der dritte Teil der Konzentration des nächst niederen Gliedes ge-
nügt, um Narkose hervorzurufen. Damit war ausdrücklich auf eine
Beteiligung von Grenzflächenphänomenen im Protoplasma bei der
Narkose hingewiesen.
Für Pflanzenzelleu hat, wie wohlbekannt, E. Overton auf die
wichtige Tatsache zuerst aufmerksam gemacht, daß Plasmolyse
durch eine große Zahl von organischen Verbindungen nicht zu er-
reichen ist, offenbar deshalb, weil die Plasmahaut für jene Sub-
stanzen in hohem Maße durchlässig ist. Overton betonte, daß
gerade solche Stoffe ein derartiges Verhalten zeigen, welche, wie
Alkohole, Ester und andere Narkotika oder wie Alkaloide, in Fetten
gut löslich sind, und er suchte deshalb diese Permeabilität der
Plasmahaut für solche Substanzen durch die Annahme fettartiger
Bestandteile im Protoplasma verständlich zu machen. Hier wollen
mr darauf liindeuten, daß das reichliche Permeieren jener Stoffe
auf starke Adsorbierbarkeit derselben an Plasmakolloide zu beziehen
ist, und daß jene Substanzen gerade solche sind, welche als stark
kapillaraktiv und stark adsorbierbar bekannt sind. Dabei spielt
ein Prinzip mit, welches Willard Gibbs dahin formuliert hat,
daß in Systemen, worin gelöste Substanzen enthalten sind, welche
die Oberflächenspannung des Lösungsmittels herabsetzen, jene
Stoffe sich an der Oberfläche ansammeln müssen, welche die stärkste
Erniedrigung der Oberflächenspannung bedingen. Deshalb müssen
IQQ Friedrich Czapek,
sich in kolloiden Systemen die kapillaraktiven gelösten Stoffe vor
allem an den Grenzflächen ansammeln, d. h. an diesen positiv ad-
sorbiert werden. In der Tat sind höhere Alkohole, Fettsäuren und
andere stark kapillaraktive Stoffe durch Kohlenpulver stark ad-
sorbierhar, und dem Gibbs sehen Satze entsprechend» kann man
eine solche Substanz durch Hinzufüg-en einer stärker kapillaraktiven
Substanz von den Grenzflächen verdrängen. So wird die Bestim-
mung der Oberflächenspannung zu einem wichtigen Hilfsmittel in
der Adsorptionsforschung.
An Pflanzenzellen läßt sich leicht zeigen, daß die tödliche
Wirkung homologer Alkohole der oben genannten Regel von
Traube entspricht. Die Wirkung nimmt mit dem Molekulargewicht
in gleichem Schritte zu wie die Kapillaraktivität. Wie ich in
früheren Arbeiten dargetan habe, läßt sich aber die Traubesche
Regel für Pflanzenzellen zu dem wichtigen Satze erweitern, daß
alle kapillaraktiven Lösungen ihre Giftgrenze in äquikapillaren
Konzentrationen erreichen, sobald sie nicht besondere Giftwirkungen
schon in geringeren Konzentrationen entfalten, was bei den Fett-
alkoholen, Ketonen, Estern der Fettreihe nur ganz vereinzelt der
Fall ist. Stark fetthaltige Zellen folgen dieser Kapillaritätsregel
nicht, sondern werden von den höheren Alkoholen erst in etwas
höheren Konzentrationen bleibend geschädigt, als es nach der
obigen Regel der Fall sein sollte. Diese Erfahrungen sprechen
dafür, daß die Aufnahme und physiologische Wirkung aller dieser
kapillaraktiven Stoffe wesentlich in das Gebiet der Grenzflächen-
und Adsorptiouserscheinungen fällt. In der Plasmahaut müssen
Substanzen vorhanden sein, welche sich mit den Narkoticis beladen
und durch diese Adsorptionserscheinungen schließlich jene Ver-
änderungen erfahren, welche den unabwendbaren Tod der Zell-
plasmateile herbeiführen. Auf die Gründe, welche dafür sprechen,
daß die bei solchen Adsorptionen wirksamen Plasmakolloide lipoid-
artiger Natur sind, womit bis zu einem gewissen Grade Overtons
Anschauungen über die Gegenwart fettartiger Stoffe im Plasma
bewahrt bleiben, kann hier nicht näher eingegangen werden. Es
sei nur bemerkt, daß von einer geschlossenen Lipoidmembran im
Sinne Overtons nicht die Rede sein kann, sondern das Fett in
kolloiddisperser Form vorliegen dürfte. Auch läßt sich Overtons
Meinung nicht halten, daß die Plasmalipoide den Weg der Stoff-
aufnahme in die Zelle darstellen. Es spricht vielmehr alles dafür,
daß die Diffusion in die Zelle sich nur in hydroiden Medien ab-
Ausblicke auf biologische Adsorptionserscheinungen. ]^09
spielt und auch die Narkotika nur soweit diffusionsfähig sind, als
sie sich in den hydroiden Medien echt oder kolloidal lösen. Anderer-
seits muß natürlich die Neigung dieser Stoffe, sich an den Grenz-
flächen der Plasmakolloide anzusammeln, eine rasche Diffusion und
Ausbreitung der Narkotika in der Zelle unterstützen.
Daß beim Austausche wenig kapillaraktiver Nonelektrolyte,
wie z, B. der Zuckerarten, wesentlich Adsorptionen mitspielen, ist
nach dem Gesagten unwahrscheinlich. Indem solche Stoffe aber
Alkaliverbindungen eingehen können, die ionisierbar sind oder
komplexe Fettsäure- oder Eiweißverbindungen formulieren können,
welche kapillaraktiv sind, so bieten sich viele Möglichkeiten, auch
solche Substanzen in lonenadsorption oder Molekularadsorption
überzuführen, ein Prozeß, welcher reversibler Natur ist und allent-
halben Zucker regenerieren lassen kann. Voraussichtlich liegt die
ökologische Bedeutung der vielen Pflanzeuglukoside ebenfalls auf
diesem Gebiete, und als Säure- oder Phenolglukosid ist Zucker
allenthalben fähig, an Elektro-Adsorptionen teilzunehmen.
VII.
Teilweise noch unvollkommen erforscht sind die Adsorptions-
erscheinungen zwischen gelösten Kolloiden untereinander. Am
meisten ist bekannt von der durch elektrische Eigenschaften wesent-
lich bestimmten wechselseitigen Adsorption von Snspensoiden. Hin-
gegen ist die Adsorption anderer flüssiger Kolloide durch Ij^ophile
Sole, welche Vorgänge umfaßt, die offenbar in großer Zahl und
Mannigfaltigkeit im lebenden Zellinhalte stattfinden, nur wenig
bekannt. Man darf von einer Reihe biologischer Erscheinungen
voraussetzen, daß dieselben hier hingehören. Dies sind z. B.
die Absättigungserscheinungen zwischen Enzymen und Antienzymen.
Schon vor längerer Zeit konnte ich angeben, daß die durch Anti-
enzym in ihrer Wirksamkeit gehemmte Wurzelspitzen -Oxydase
wieder wirksam wird, wenn man die inaktivierte Lösung auf 62° C
erwärmt. Dies beweist uns, daß keine Enzymzerstörung vorlag,
sondern wahrscheinlich eine Adsorptionsverbiudung, welche durch
die Zerstörung des mehr thermolabilen Antienzyms wieder freies
wirksames Enzym liefert. Allerdings sind jene Enzym- An tienzym-
Bindungen streng spezifische Reaktionen, was sie von den gewöhn-
lichen Kolloidadsorptionen unterscheidet. Adsorptionsverbindungen
dürften auch vorliegen, wenn sich Enzyme vom Zellplasma nicht
1\Q Friedrich Czapek,
oder nur unvollkommen abtrennen lassen, also wo man nach dem
heute üblichen Sprachgebrauche von „Endoenzymen" spricht. Ob
man das Recht hat, alle Agglutinationsreaktionen, Präzipitin-
reaktionen, Antitoxin-Toxinbindungen in das Gebiet der Adsorptions-
erscheinungen einzubeziehen, muß noch abgewartet werden. Jeden-
falls hätte man hier überall spezifisch verlaufende Adsorptionen vor
sich, für welche die chemische Struktur, wahrscheinlich der sterische
Aufbau (Konfiguration) von Wichtigkeit ist. Da die Kapillar-
aktivität bei Solen lyophiler Natur oft sehr ausgeprägt vorhanden
ist, wie z. B. bei Alkalieiweiß, so darf man vermuten, daß starke
Adsorptionsaffinitäten hier vorkommen können. In der Tat läßt
sich Eiweiß durch Kaolin und andere Adsorbentien binden, und
ähnliches dürfte bei flüssigen Adsorbentien vorkommen, wenngleich
derartige Fälle erst unzureichend studiert sind.
Solche reversible und irreversible Kolloidadsorptionen müssen
ferner bei der Bildung von Grenzflächenmembranen im Protoplasma
eine bedeutsame Rolle spielen. Durch die Adsorption von Salz-
ionen, die speziell beim amphoteren EiAveiß weitgehende Bedeutung
hat, nehmen die Sole den Charakter von elektrisch positiv oder
negativ aufgeladenen Kolloiden an und müssen dementsprechend
beim Eingehen von Adsorptionsverbindungen entgegengesetzt ge-
ladene Kolloide an sich reißen. GeAAäß spielen elektrische Ladungs-
differenzen aber auch bei den Funktionen der Schutzkolloide eine
wichtige Rolle. Es ist zu erwarten, daß ferner die Mengenverhält-
nisse beider Kolloide von Bedeutung sind, und im allgemeinen wird
die Kolloidadsorptionsverbindung die Eigenschaften jenes Kolloids
zeigen, welches im Überschusse vorhanden ist. So läßt sich ver-
dünnte Eiweißlösung mit viel Mastixkolloid versetzt, wie Michaelis
und Rona ausführten, ebenso wie Mastixsuspensoid allein, durch
kleine Elektrolytmengen flocken, während das Mastixkolloid mit
viel Eiweiß versetzt ein System von ausgeprägt lyophilen Eigen-
schaften darstellt. Daher kommt es zur x\usbildimg mehrerer
Fällungszonen bei niederer und höherer Elektrolytkonzentration.
Wahrscheinlich gehört die von Szücs im hiesigen Institute
beobachtete Tatsache in den Kreis dieser Erscheinungen, daß die
charakteristische starre Beschaffenheit des Zellplasmas durch
Aluminiumsalze bei sehr geringer Al"'-Konzentration eintritt, jedoch
nicht bei höheren. Erst bei sehr hohen AI" --Konzentrationen sieht
man wieder ein Starrwerden des Plasmas bewirkt werden. Sonst
sind uns an der lebenden Zelle bisher einschlägige Fälle noch nicht
Ausblicke auf biologische Adsorptidiisersclieiiiungen. 111
vor Aug-en g-ekomnieii. Wie man sieht, liaben solche Erscheiuimgen
manche Analogien mit Komplexl)iklung-en bei chemischen Reaktionen.
Mit diesen Andeutungen müssen wir uns derzeit begnügen.
Geg-enüber dem geschlossenen Aufbau der Lehre von den
osmotischen Erscheinungen in der Zelle bietet die Zellkolloidchemie,
me aus unserer Darstellung hervorgeht, noch einen höchst un-
fertigen Zustand dar. Wir müssen darauf gefaßt sein, in der Lehre
von den Adsorptionen im biologischen Substrat des Protoplasmas
noch manches fallen zu sehen, worauf wir jetzt vielleicht große
Hoffnungen setzen. Außerordentlich viel Arbeit wird noch zu
leisten sein, um die verläßlichen physikalischen Fundamente zu
schaffen, auf denen sich ein bleibender Bau als die Lehre von den
Biokolloiden erheben soll.
Wichtig für die Physiologie bleibt aber die allgemeine Er-
kenntnis, daß nur von einer gründlichen physikalischen Erforschung
des Lebenssubstrates dauernder und wahrer Fortschritt zu er-
hoffen ist.
Der Verfasser erinnert sich oft und dankbar eines Wortes aus
dem Munde des Meisters der pflanzenphysiologischen Forschung,
das er vor nunmehr zwanzig Jahren während seiner Arbeitszeit
im Leipziger Institute im Laufe der vielen lehrreichen wissenschaft-
lichen Gespräche vernommen hat: daß in der Physiologie nichts
sicher sei, was nicht dem Boden exakter physikalischer Methodik
entsprossen ist."
Prag, Juli 1914;
Pflanzenphysiologisches Institut der deutschen Universität.
Beiträge zur Kenntnis der Ernährungsphysiologie
extrem atmosphärischer Epiphyten.
Von
Rudolf Lieske.
Die Aufnahme des Wassers von Epiphyten ist schon oft Geg-en-
stand eingehender Untersuchungen gewesen. Die bisher in der
Literatur beschriebenen Versuche beziehen sich aber meist auf
Beobachtungen an Gewächshauspflanzen. Die Bedingungen, unter
denen die Pflanzen in unseren Gewächshäusern gedeihen, dürften
nun aber keineswegs immer denen an ihren natürlichen Standorten
entsprechen. Es seien daher im folgenden einige Versuche über
die Wasseraufnahme von Epiphyten an ihren natürlichen Stand-
orten mitgeteilt.
Während meines Aufenthaltes in Brasilien im Winter 1912/13
bot sich mir eine vorzügliche Gelegenheit zur Ausführung der er-
wähnten Untersuchungen. Im Botanischen Garten in Rio de Janeiro
besteht eine natürliche Epiphyten -Vegetation von seltener Reich-
haltigkeit. Das im Garten gelegene Laboratorium ist mit den
modernsten Instrumenten ausgestattet und ermöglicht in bequemer
Weise die Ausführung genauer Messungen.
Zunächst wurden über die Funktion des Velamens epiphytischer
Orchideen Versuche angestellt. Untersuchungen hierüber sind
bereits in größerer Zahl angestellt worden. Die älteren Forscher
nahmen, hauptsächlich veranlaßt durch den anatomischen Bau des
Velamens, an, daß die Luftwurzeln imstande sind, den Wasser-
dampf der Atmosphäre zu kondensieren und für ihren Stoffwechsel
nutzbar zu machen. (Vgl. Unger, Chatin, Leitgeb.) Später
vertrat man auf Grund physiologischer Versuche die Ansicht, daß
das Velameu infolge seiner schwammigen Beschaffenheit lediglich
dazu diene, tropfbar- flüssiges Wasser in größerer Menge möglichst
rasch aufzusaugen. (Vgl. Duchartre, Schi m per, Goebel,
Beiträge z. Kennluis d. Ernährungsphysiologie extrem atmosphärischer Epiphj'ten. 113
Nabokicli.) Durch keiue der angeführten Untersuchungen ist
aber ein zwingender Beweis für die Richtigkeit der einen oder
anderen Ansicht erbracht worden. Die Versuche wurden im Ge-
wächshaus und teilweise nur mit Wurzeln, nicht mit ganzen, unver-
letzten Pflanzen ausgeführt.
Zur Entscheidung der Frage, ob die epiphytischen Orchideen
an ihren natürlichen Standorten mit den Luftwurzeln Wasserdampf
zu kondensieren vermögen oder nicht, wurden folgende Versuche
ausgeführt.
Zahlreiche Exemplare einer im Botanischen Garten häufigen,
kleinen Ejiidendnnn- Art ^} mit gut ausgebildeten Luftwurzeln wurden
von ihrem Standort losgelöst, teilweise mit, teilweise ohne das
Substrat, an dem sie hafteten. Nur völlig unverletzte Exemplare
wurden für den Versuch verwendet, da leicht beschädigte rasch
eine beträchtliche Menge Wasser verlieren.
Die Versuchspflanzen wurden dann teils an ihreiii natürlichen
Standort im Garten, teils im Laboratorium aufgehängt, nachdem
ihr Gewicht festgestellt worden war.
Das Gewicht aller im Laboratorium am offenen Fenster auf-
gehängten Exemplare nahm vom ersten Versuclistage an dauernd
ab, nach Verlauf von 10 Wochen waren fast alle Pflanzen gänzlich
vertrocknet. Alle im Freien befindlichen Versuchspflnnzen, die
nicht vom Substrat getrennt worden waren, wuchsen normal weiter,
ihr GeA\icht nahm dauernd zu. Die von der Unterlage losgetrennten
Exemplare vertrockneten teilweise, trotzdem sie völlig unverletzt
waren. Die Orchideen scheinen im Gegensatz zu den Tillandsien
ein gewisses Substrat für die Ernährung nötig zu haben.
Als zweiter Versuch wurden mehrere Exemplare derselben
Orcliidee genau gewogen und in den Exsikkator gebracht. In ver-
schiedenen Zeiträumen (1 — 6 Tage) wurde je ein Exemplar aus
dem Exsikkator genommen, gewogen und im Lal)oratorium auf-
gehängt. Je nach der Dauer des Aufenthaltes im Exsikkator war
durch den Wasserverlust eine mehr oder weniger große Gewichts-
abnahme eingetreten. Bei keiner der Pflanzen, die in vollkommen
lebensfähigem Zustande aus dem Exsikkator genommen wurden,
zeigte sich in der feuchten Laboratoriumskift eine Gewichtszunahme.
Sie vertrockneten alle nach einiger Zeit. Zwei aus dem Exsikkator
^) Die Art konnte nicht nälier bestimmt werden, da Blüten nicht vorhanden waren.
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI. "
124 Kudolf Lieske,
ins Freie gebrachte Exemplare erreichten nach einigen Tagen ihr
ursprüngliches Gewicht und wuchsen weiter.
Wenn die Luftwurzeln fähig wären, Wasserdampf zu konden-
sieren, so ist nicht einzusehen, weshalb die Versuchspflanzen im
Laboratorium vertrocknen mußten. Die Pflanzen hatten im Labora-
torium einen Wassergehalt der Luft von 80 bis 100*^/0 zur Ver-
fügung, genau wie an ihren natürlichen Standorten. Die Temperatur-
unterschiede zwischen dem Versuchsort im Laboratorium und den
wenige Meter davon im Freien befindlichen Versuchsorteu waren
kaum nennenswert. Das Vertrocknen der Versuchspflanzen im
Laboratorium kann daher nur auf den Mangel an tropfbar-flüssigem
Wasser, das den Pflanzen im Freien in Form von Regen und Tau
zur Verfügung stand, zurückgeführt werden.
Weitere Versuche wurden mit epiphytischen Tillandsien an-
gestellt, die im Botanischen Garten in Rio de Janeiro in großer
Menge wachsen. Wie günstig das Klima dort für das Wachstum
der Tillandsien ist, beweist die Tatsache, daß in der Nähe des
Gartens melirere Telegraphendrähte ganze Reihen von Tillandsia
strida tragen.
Daß die extrem atmosphärisclien Tillandsien ihr Wasser aus-
schließlich mit den Blattschuppen aufnehmen, ist eine allgemein
bekannte und anerkannte Tatsache. Die Frage, ob die Tillandsien
auch fähig sind, den Wasserdampf der x^tmosphäre auszunützen,
ist ebenfalls schon bejaht worden. (Vgl. Reiche, \.)
Zur Entscheidung der Frage, ob die Tillandsien fähig sind,
Wasserdampf zu kondensieren, wurden folgende Versuche mit
Tillandsia usneoides, T. strida und T. recurvata angestellt.
Die Versuchspflanzen wurden gewogen und in den Exsikkator
gebracht. Das Gewicht betrug bei
T. usneoides T. strida T. recurvata
am 9. X. 12 33,54 g 31,57 g 46,72 g
14. X. 12 30,15 „ 27,52 „ 42,18 „
16.x. 12 29,78,, 26,35,, 40,90,,
Verlust 3,76 g = 11,2^' ',, 5,22 g = 16,5^Vo 5,82 g = 12,4 '^/o.
Der Versuch zeigt zunächst, daß die epiphj^tischen Tillandsien
sehr gut gegen Wasserverlust geschützt sind, denn die im Verlauf
von einer Woche im Exsikkator abgegebene Wassermenge ist ver-
hältnismäßig gering.
Beiträge z. Kenntnis d. Ernährungsphysiologie extrem atmosphärischer Epiphyteu. 115
Die Versuchspflanzeu wurden nunmehr möglichst schnell aus
dem Exsikkator auf eine genaue Wage gebracht. Für Tülandsia
usneoides, ein ansehnlicher, über 30 cm langer Schweif, ergaben
sich folgende Gewichte:
16. X. vorm. 11 h 29,78 g
11,30 ., 29,95 „
12 „ 30,01 ,,
nachm. 1 ,, 30,04 „
2 „ 30,00 „
3 ., 29,98 „
17. X. Yorm. 10 ., 29,90 .,
Der Wassergehalt der Luft schwankte während der Beob-
achtungsdauer zwischen 85 und 93 •'o.
Es zeigt sich also bei Till, icsn., wenn sie aus dem Exsikkator
in feuchte Luft gebracht A\ird, eine merkliche Gewichtszunahme
(0,87 ^7o), was zweifellos auf Kondensation von Wasserdampf beruht.
Der Vorgang ist aber für die Pflanze durchaus nicht spezifisch,
denn alle Körper kondensieren auf ihrer Oberfläche nicht nur
Wasserdampf, sondern überhaupt alle Gase. Wenn man einen
Körper aus einer wasserfreien Atmosphäre in eine stark wasser-
haltige bringt, erfährt er naturgemäß eine Gewichtszunahme, die
um so größer ist, je größer seine Oberfläche ist.
Ein Stück Holzkohle z. B. wog bei 26" und loo^lo Wasser-
gehalt der Luft 18,8852 g. Es wurde im Trockenschrank bei 105"
getrocknet. Nach dem Erkalten im Exsikkator wog es 17,5355 g,
hatte also 7,15 °/o seines Gewichtes verloren. Es wurde nun an
der Luft liegen gelassen und erreichte nach einiger Zeit durch
Kondensation von Wasserdampf wieder sein ursprüngliches Gewicht.
Die Kohle, aus dem Exsikkator gebracht, wog
17,5355 g
nach 1 Stunde 17,5982 „
„ 2 Stunden 17,7523 „
,, 5 ,, 18,0620 „
„ 24 „ 18,8026 „
Bei T. stricta und T. reciirvata konnte, nachdem sie aus dem
Exsikkator genommen w^aren, eine Gewichtszunahme nicht gemessen
werden. Das liegt natürlich daran, daß die Oberfläche dieser
Arten im Vergleich zum Gewicht ganz wesentlich kleiner ist als
bei T. usneoides.
116 Eudolf Lieske,
Ernähruug-spliysiologiscli hat die Kondensation des Wasser-
dampfes durch T. usneoides sicher keine Bedeutung. Es ist ja
theoretisch sehr wohl denkbar, daß die Pflanze etwa mit Hilfe
osmotischer Kräfte das auf der Oberfläche kondensierte Wasser für
ihren Stoffwechsel nutzbar machen könnte. Es würde dann auf
der Oberfläche neues Wasser aus der Atmosphäre niedergeschlagen,
und die Pflanze könnte vielleicht ihren Wasserbedarf aus dem
Wasserdarapf der Atmosphäre decken. Die Versuche ergaben aber,
daß dies nicht der Fall ist.
Das Gewicht von T. usneoides nahm, nachdem die Pflanze aus
dem Exsikkator genommen war, in der stark wasserdampfhaltigen
Luft nicht etwa bis zu dem Anfangsgewicht zu, sondern es fiel
dauernd, nachdem die rein physikalische Kondensation des Wasser-
dampfes beendet wai-.
Nach Beendigung der beschriebenen Wägungen wurden die
Versuchspflanzeu einmal kurz in Wasser untergetaucht. Nachdem
sie einige Stunden im Freien gehangen hatten, so daß äußerlich
kein Wasser mehr anhaftete, wurden sie gewogen. Es ergal) sich
bei allen drei Arten eine l)eträchtliche Gewichtszunahme, das Ge-
wicht der Pflanzen war größer als zu Anfang des Versuches. Hier-
auf wurden die Pflanzen frei am offenen Fenster des Laboratoriums
aufgehängt. Nach drei Wochen war bei allen Exemplaren eine
beträchthche Verminderung des Gewichtes eingetreten, nach längerer
Zeit vertrockneten sie ganz.
T. usneoides
Anfangsgewicht 33,54 g
Nach Untertauchen in
Wasser am 16. X. 37,10 „
am 3. XI. 25,18 „
Die Versuche zeigen also, daß die Tillandsien im Laboratorium
bei immer offenen Fenstern vertrocknen, während sie nur wenige
Meter davon entfernt im Freien ihren natürlichen Standort haben
und üppig gedeihen.
Die Temperatur schwankte während der Beobachtungsdauer
im allgemeinen zwischen 20*^ und 28° C, die Feuchtigkeit zwischen
80 und 100%. Die Unterschiede zwischen Temperatur und Luft-
feuchtigkeit im Garten und Versuchslaboratoriura waren nur gering.
Es weisen übrigens auch die natürlichen Standorte der Epiphyten,
je nachdem sie mehr oder weniger weit vom Erdboden entfernt
T. stricia
T
. recurvata
31,57 g
46,72 g
31,65 „
46,99 „
22,05 „
33,58 „
Beiträge z. Kenntnis d. Ernälirungsphysiologie extrem atmosphärischer Epiphyten. 117
siud oder mehr oder weniger frei in der Luft sich befinden, be-
trächtliche Unterschiede von Temperatur und Wassergehalt auf.
Diese Faktoren dürften also für die angeführten Versuchsergebnisse
kaum ausschlaggebend sein.
Es ist jedenfalls kein Grund ersichtlich, weshalb die Tillandsien
ebenso wie die Orchideen vertrocknen müßten, wenn sie fähig
wären, sich den Wasserdampf der Atmosphäre nutzbar zu machen.
Der Wasserdampf und die vielleicht nötigen Temperaturschwankungen
standen ihnen im Laboratorium ebenso wie im Freien zur Ver-
fügung. Daß dem Wind, der im Laboratorium natürlich nur in
sehr geringem Maße einwirken konnte, eine entscheidende Be-
deutung zuzuschreiben wäre, ist kaum anzunehmen, da in der Natur
die erwähnten Epiphyten oft an Standorten zu finden sind, an
denen starke Luftströmuugen ausgeschlossen sind.
Der wesentliche Unterschied der angewendeten Versuchsorte
liegt ausschließlich in dem Gehalt der Luft an flüssigem Wasser.
Aufnahme von Regen und Tau ist im Laboratorium natürlich aus-
geschlossen.
Für die Ernährung von Tillandsia usneoides scheint mir der
Nebel von besonderer Bedeutung zu sein, den ich während meines
Aufenthaltes in Rio de Janeiro jeden Morgen beobachten konnte.
Die feinen Wassertröpfchen des Nebels, der vom Wind über die
Pflanzen getrieben wird und der sich au anderen Gegenständen
durchaus nicht immer als Tau niederschlägt, werden wahrscheinlich
von den Schuppen der Tillandsia aufgesogen und bieten ihr täglich
reiclüiche Wassermengen. Die Wassertröpfchen dürften in der-
selben Weise von den Schuppen festgehalten werden wie die Staub-
teilchen der Luft, was später noch näher liesprochen wird.
Daß z. ß. auf dem Jaraguä, dem höchsten Berge des Hoch-
landes von Säo Paulo, auf dem epiphytische, rosettenbildende
Bromelia ceen in großer Menge wachsen, Tillandsia usneoides fast
ganz fehlt, während sie in den Küstengebirgen sehr häufig ist,
erklärt sich meiner Ansicht nach lediglich daraus, daß die tägliche,
reichliche Nebelbildung der Küstenländer im Gebirge nicht auftritt.
Reiche (1) berichtet über das Auftreten von Tillandsia
usneoides in Chile: „Zu ihrem Gedeihen braucht sie einen beträcht-
lichen Wasserdampfgehalt der Luft, wie er durch die der Küsten-
region öder der Umgebung größerer Landseen charakteristischen
Nebel geboten wird. Daß die Pflanze durch die eigentümliche
Organisation der sie bekleidenden Schuppen imstande ist, den
WQ Rudolf Lieske,
Wasserdampf der Luft auszunutzen, braucht hier nicht erörtert
zu werden."
Diese Angaben über das Vorkommen der Tülandsia stimmen
mit meinen Beobachtungen vollkommen überein. Daß Tülandsia
usneoides den Wasserdampf der Luft nicht ausnutzen kann, sondern
nur flüssiges Wasser, wahrscheinlich auch in feinster Verteilung
als Nebel, hatten die beschriebenen Versuche ergeben. Wahr-
scheinlich hält der Autor nur die Begriffe „Wasserdampf" und
„Nebel" nicht scharf auseinander.
Wenn auch durch vorstehende Versuche die Frage, ob Epi-
phj^ten fähig sind, den Wasserdampf der Atmosphäre zu konden-
sieren, nicht völlig entscliieden ist, so mrd es doch durch die-
selben recht unwahrscheinhch gemacht, daß sie ihren Transpirations-
verlust auch nur teilweise durch Kondensation von Wasserdampf
decken können.
Asche -Analysen.
Daß viele Epiphyten ihre Nahrung ausschließlich aus der Luft
beziehen, ist eine bekannte Tatsache. Die extremsten Vertreter
dieser physiologisch so interessanten Gruppe sind zweifellos Tüland-
sia usneoides, T. stricta und einige ähnliche, aber weniger häufige
Arten. Diese Pflanzen gedeihen ohne jedes Substrat, frei in der
Luft hängend. T. usneoides findet sich hauptsächlich an Baumästen
hängend, die langen Schweife schweben frei in der Luft, oft nur
durch wenig dünne Stränge festgehalten. Jedes Stückchen, vom
Winde fortgeweht, wächst da weiter, wo es gerade hängen bleibt.
Tillandsia stricta bildet im Gegensatz zu der eben erwähnten
Art noch einige Haftwurzeln aus, mit denen sie an dem Substrat
festgeheftet ist. Ich fand sie häufig auf glatten Cere-it^- Säulen,
selbst auf den harten Stacheln von Kakteen und Palmen üppig
wachsend. Das Vorkommen auf kupfernen Telegraphendrähten in
Rio de Janeiro wurde bereits erwähnt.
Daß die genannten Pflanzen auch ihre mineralischen Nährstoffe
aus der Atmosphäre beziehen, unterliegt keinem Zweifel. Da ge-
naue Angaben über üire Aschebestandteile in der mir zugängigen
Literatur fast ganz fehlen, seien dieselben im folgenden für T. us-
neoides und T. stricta mitgeteilt.
Die veraschten Pflanzen stammen aus dem Botanischen Garten
in Rio de Janeiro, wo sie auf fast allen Bäumen in großer Zahl
wachsen. Das Material wurde ganz besonders sorgiältig ausgewählt,
Beiträge z. Kenntnis d. Eniährungsphysiologie extrem atmosphärischer Epiphyten. 119
SO daß es ausgeschlossen war, daß die Mineralstoffe aus dem Sub-
strat stammten. Für die Untersuchung von T. iisneoides wurde
ein langer Schweif verwendet, der nur an einem dünnen Strange
an einem glatten Ast befestigt war und frei in der Luft liing. Für
die Untersuchung von T. stricta wurden mehrere Exemplare ver-
wendet, die frei auf langen, nadeiförmigen Stacheln einer Palme
gewachsen waren. Besondere Sorgfalt wurde darauf verwendet, den
Pflanzen äußerlich anhaftenden Mineralstaub und fremde Pflanzen-
teilchen zu entfernen, was durch Abspülen mit Wasser und Absuchen
mit der Pinzette ausgeführt wurde.
Zunächt wurde das Frischgewicht der Pflanzen festgestellt.
Hierauf wurden sie im Trockenschrank bei 105" C getrocknet,
dann gewogen und in einer großen Platinschale verascht. Die
Analyse der Aschen wurde später in Heidell)erg ausgeführt.
Eine Angabe von Reiche (2) über die Aschenbestandteile von
T. Iisneoides, auf die im folgenden wiederholt Bezug genommen
wird, sei hier zunächst mitgeteilt: ., Aschegehalt 10,09 ''/o. Inder
Asche mirde gefunden: K2O 4,89%, NaaO 0,05%, CaO 3,45%,
MgO 0,170o, AI2O3 18,20%, FeaOs 7,70%, SiOa 55,20% (! !),
SO3 2,25%, P2O5 1,01%, Cl 0,67%, Kohleteilchen 0,50%,
CO2 5,91 °/o. Die Asche ist also sehr reich an Tonerde-Silikat."
Meine Untersuchungen ergaben folgende Resultate:
T. usneoides T. stricta
Frischgewicht . . . 250,13 g 120,50 g
Trockengewicht . . 101,00 ,. 40,50 „
Asche 3,20 ,. 1,46 g
Der Wassergehalt beträgt für beide Pflanzen ungefähr 60 "/o
{T. usneoides 59,6 "/o, T. stricta 66,3*^/0), was für vegetative Sprosse
verhältnismäßig gering ist. Auch in bezug auf den Aschegehalt
stimmen beide Pflanzen annähernd überein. Er beträgt ungefähr
3Vo {T. usneoides 3,17 *^/o, T. stricta 3,61 "/o) des Trockengewichtes
und ist im Vergleich zu anderen, terrestrischen Pflanzen als normal
zu bezeichnen. Daß Reiche in seiner Untersuchung 10,09% Asche
fand, ist auffällig und wird später noch näher erörtert.
Die Analyse der Mineralbestandteüe ergab folgende Resultate:
T. usneoides T. stricta
K2O 11,8% 12,7%
Na.O 31,9 „ 2,9 „
CaO 19,7 „ 23,8 „
T. vsneoides
T. strida
0,1 %
Spuren
5,2 „
4,9 «/o
3,4 „
1,5 „
3,9 ,
6,2 „
19,2 „
30,6 „
0,6 „
0,8 „
11
1,8 „
2,1 .,
4,8 „
3,8 „
14,0 „
101,7 + Chlor
104,0
J20 Rudolf Lieske,
MgO . . .
FeaOs . .
AI2O3 . .
P2O5 . . .
SiOa + Sand
Kohle . .
Cl . . . .
SO3 . . .
CO2 . . .
Die gefundenen Zahlen sind in beiden Fällen ein wenig zu
hoch, was wahrscheinlich auf Fehler in der Alkalibestimmung
zurückzuführen ist, die wegen Mangel an Material nur einfach
ausgeführt werden konnte. Die Chlorbestimmung von T. iisneoides
mißlang und konnte nicht wiederholt werden. Die angegebenen
Prozentzahlen sind auf eine Dezimale abgerundet, eine größere
Genauigkeit ließ sich mit dem zur Verfügung stehenden Material
nicht erzielen.
Besonders interessant sind die für Kieselsäure und Aluminium
gefundeneu Werte. Gerade die im Wasser fast unlöslichen Haupt-
bestandteile des Erdbodens finden sich in größter Menge in der
Tiilandsien-Asche. Reiche fand in seiner Analj'se noch viel größere
Mengen, nämlich 55,20% SiOo und 18,20 "/o AI2O3. Ich vermute
nun, daß die Kieselsäure und das Aluminium zum größten Teile
überhaupt nicht in den Pflanzen enthalten waren, sondern daß
sie denselben nur äußerlich anhafteten. Die von mir analysierten
Pflanzen, die sorgfältig von anhaftendem Staub befreit worden
waren, enthielten nur geringe Mengen von Aluminium und 30,6
bezw. 19,2*^/0 Kieselsäure, also bedeutend weniger, als von Reiche
angegeben wurde.
Die unter den Schuppen sitzenden, mikroskopisch immer nach-
weisbaren Staubteilchen lassen sich natürlich niemals ganz ent-
fernen und bedingen bei den Analysen den großen Prozentsatz
von Erdmineralien. Daß der hohe Kieselsäuregehalt in der Ana-
lyse von Reiche auf anhaftenden Staub zurückzuführen ist, scheint
mir auch daraus hervorzugehen, daß der Aschegehalt auf 10,09 °/o
(gegen 3,17*^/0) des Trockengewichtes angegeben wird, was außer-
gewöhnlich hoch ist.
Beiträge z. Kenntnis d. Emälirungsphysiologie extrem atmospliärisrlier Epiphyten. 121
Im Gegensatz zu den Angaben von Reiche ist in den vor-
liegenden Untersuchungen der Kalkgehalt der Asche recht groß.
Man könnte sich das einfach daraus erklären, daß der Erdboden
in der Gegend, aus der das Material von Reiche stammt, haupt-
sächlich aus Aluminium-Silikat besteht, während er in Rio de Janeiro
stärker kalkhaltig wäre. Größere Kalkablagerungen habe ich aller-
dings bei Rio de Janeiro nicht beobachten können, dagegen kann
das Kalzium auch aus dem Meerwasser stammen.
Aus den Analysen geht ferner hervor, daß die Blätter der
untersuchten Tillandsien dasselbe Elektions vermögen für Mineral-
salze besitzen wie die Wurzeln terrestrischer Pflanzen. Das Natrium
z. B. steht den Tillandsien bei der unmittelbaren Nähe des Meeres
und der fast immer starken Brandung au der Felsenküste sicher von
allen Elementen am reichlichsten zur Verfügung und wird trotz
seiner leichten Wasserlöslichkeit doch nur im Vergleich zum Kalium
in verhältnismäßig geringer Menge aufgenommen. Kalium und
Natrium sind als Chloride im Meerwasser ungefähr im Verhältnis
1 : 45 enthalten, in der Tillandsien -Asche finden sich die Oxyde
der betreffenden Metalle nur im Verhältnis von 1 : 3 bez. 1 : 0,23.
Auf welche Weise die extrem atmosphärischen Tillandsien ihre
Mineralnährstoffe erhalten, ist noch recht wenig aufgeklärt. Daß
sie dieselben nur in gelöster Form mit dem Wasser zugeführt be-
kommen, ist bei dem hohen Gehalt der Aschen an unlöslichen
Mineralien sehr unwahrscheinlich. Ich vermute, daß die Funk-
tion der Blattschuppen nicht ausschließlich darin besteht, daß sie
das Wasser aufsaugen, sondern daß sie vor allem auch dazu be-
stimmt sind, die Staubteilchen der Luft festzuhalten. An dem
von mir gesammelten Material konnte ich immer und meist in
großer Menge Mineralstaub unter den Schuppen mikroskopisch
nachweisen.
Wie gut die Schuppen befähigt sind, Staubteilchen der Luft
festzuhalten, kann man durch ein einfaches Experiment leicht fest-
stellen. Wenn man in der Nähe eines aufgehängten Tülandsia-
Sprosses Mineralpulver (etwa fein verteiltes Kalziumkarbonat) zer-
stäubt und den Staub an der Pflanze vorbeibläst, so kann man
nachher die Staubteilchen in großer Menge unter den Schuppen
nachweisen, auch wenn man vor der Untersuchung den Sproß sorg-
fältig mit reiner Luft abbläst oder mit Wasser abspült.
Daß unter den Schuppen ähnlich me an den Wurzeln terre-
strischer Pflanzen Stoffe ausgeschieden werden, die imstande sind,
122 Eudolf Lieske, Beiträge zur Kenntnis der Ernähruugsphysiologie usw.
gewisse Bestandteile des Mineralstaubes zu lösen und für die
Pflanze nutzbar zu machen, ist durchaus nicht ausgeschlossen.
Schon die ausgeatmete Kohlensäure kann ja einen Teil des Staubes
in wasserlösliche Form überführen. Weitere Untersuchungen werden
hierüber Aufschluß geben.
Für die Ausführung eines großen Teiles der Analysen bin ich
Fräulein Gertrud Wiegand zu Danke verpflichtet.
Heidelberg, Juli 1914.
Literatur.
Cliatin, Anatomie des plantes aeriennes de l'ordre des Orchidees. Mem. d. soc. d.
scienc. nat. de Cherbourg, 1856, p. 7.
Duchartre, Experiences sur la Vegetation des plantes epiphytes. Journal de la soc.
imper. et centrale d'horticulture, 1856, p. 67.
Goebel, Pflanzenbiologische Schildei-ungen, I.Teil, Marburg 1889, S. 188.
Leitgeb, Die Luftwurzeln der Orchideen. Denkschriften d. Wiener Akademie, math.-
nat. Klasse, Bd. 24, 1864, S. 179.
Nabokich, t'ber die Funktionen der Luftwurzeln. Botan. Zentralbl., 1899, Bd. LXXX,
S. 331.
Reiche (IJ, Die Vegetation der Erde VIII, Pflan/.enverbreitung in Chile. Leipzif? 1907,
S. 113.
(2). Ebenda.
Schimper, Die epiphytische Vegetation Amerikas, .Jena 1888, S. 46.
Unger, Versuche über die Funktion der Luftwurzeln der Pflanzen. Sitzungsber. d.
Wiener Akad., inath.-nat. Klasse, 1854, Bd. XII, S. 389.
über die Schutzmittel einiger Pflanzen
gegen schmarotzende Citseuta,
Von
Dr. Otto Gertz,
Privatdozent an der l'niversität I.und.
Die vorliegenden Untersuchnngeu wurden während des Sommer-
semesters 1909 im pflanzen-physioloofisclien Institut zu Leipzig- und
unter Leitung des Gelieimrats Prof. W. Pfeffer ausg-eführt. Sie
beziehen sich auf die Frage, ob Organisationseigentümlichkeiten
verschiedener Art, die bei gewissen Pflanzen vorkommen, eine
ökologische Rolle spielen und zwar derart, daß sie infolge schäd-
licher Einwirkung auf schmarotzende Cuscuta die Bedeutung von
Schutzmitteln zur Abwehr von dieser Pflanze haben und infolge-
dessen den betreffenden Pflanzen gewissermaßen eine natürliche
Immunität beibringen. Diese Frage stellt sich sozusagen von selber
ein infolge des Einblicks, den wir durch die- grundlegenden Unter-
suchungen Stahls hinsichtlich der Bedeutung biologischer Schutz-
mittel im Kampfe der Pflanzen ums Dasein bekommen haben.
Für die Frage sind schon diejenigen Angaben von Interesse,
die von Hildebrand, Wittrock, Blomqvist und noch einigen
anderen Autoren gemacht worden sind, deren Mitteilungen ich
bereits an anderer Stelle zusammengestellt habe (G-ertz, II, S. 5, 6).
Diese Untersuchungen beziehen sich auf Pflanzenformen, die als
Wirte für schmarotzende Cuscuta in der Natur angetroffen werden.
Wie mir scheint, kann jedoch diesen Angaben keine zu große Be-
deutung beigemessen werden, weil ein konstatiertes Vorkommen
von Cuscuta auf der einen oder der anderen Pflanze keineswegs den
entscheidenden Beweis dafür liefert, daß die fragliche Pflanze der
wirkliche Wirt für Cuscuta ist. Besonders wenn sich derartige An-
gaben auf Studien von Herbarmaterial gründen, kann der Verdacht
224 *^^^° (jertz,
nicht ganz nnterdrückt werden, daß es sich manchmal nnr um Cuscuta-
Sprosse handelt, die eine Pflanze umwunden und Haustorien auf
dieser gebildet haben, die aber infolge giftiger oder anderer, Cuscuta
nicht zusagender Eigenschaften ihre nahrungsaufnehmende Funktion
eingestellt haben, so daß Cuscuta gänzlich oder wenigstens teilweise
die Nahrung von einem sich in der Nähe vorfindenden Pflanzen-
individuum anderer Art geschöpft hat, welches also die eigentliche
Wirtspflanze darstellt. Einige Beobachtungen, die ich im folgenden
näher beschreiben werde, bestätigen diese Vermutung.
Die Entscheidung können in dieser Frage offenbar nur ver-
gleichende Kulturversuche liefern. In der älteren Literatur liegen
nur bei Peirce und Miraude Mitteilungen derartiger, in dieser
Richtung zielbewußt durchgeführter Untersuchungen vor. So er-
wähnt Peirce (S. 83) Kulturen von Cuscuta auf Euphorbia, Aloe,
Juncus und Equisetum. In diesen Fällen entwickelte sich Cuscuta
zwar bis zu einem gewissen Grade, aber es stellten sich im all-
gemeinen früher oder später bei dem Schmarotzer kränkliche
Symptome ein, die sich auf einen Einfluß der in den Wirtspflanzen
vorhandenen, für Cuscuta schädlichen Substanzen, wie Mlchsaft
(Euphorbia) und Schleim (Aloe), zurückführen ließen, die zu einer
Vergiftung der Haustorien geführt hatten, oder auch durch einen
Einfluß stark sklerifizierter Zellwände (Juncus und Equisetum)
bedingt waren, welche den Haustorien erschwerten, die genannten
Pflanzenteile zu durchdringen.
Von Mirande besitzen wir ausführliche Untersuchungen über
Cuscuta-Kiütnren auf Giftpflanzen mit besonderer Rücksicht auf
die Bedeutung hier vorkommender spezifischer Substanzen als
Schutzmittel gegen C?*5fMfa- Parasitismus. Die Untersuchungen
Mirandes haben allerdings zu Ergebnissen geführt, die mit den
von Peirce gewonnenen nicht in allen Punkten völlig überein-
stimmen, und auch von den Beobachtungen einigermaßen abweichen,
die ich selbst gemacht habe. Die bestehenden Widersprüche finden
vielleicht darin eine Erklärung, daß Mirande andere Cuscuta- Arten
gewählt hat als diejenigen, die in Peirce s und meinen Versuchen
zur Verwendung kamen. Hinsichtlich der wichtigeren Punkte, in
denen meine Untersuchungen die Beobachtungen Mirandes be-
rühren, komme ich im folgenden auf diese Arbeit zurück.
Auch Spisar scheint die hier berührte Frage bemerkt zu haben,
aber er erwähnt in seinen Mitteilungen keine speziellen Beobach-
tungen hierüber.
über die Schutzmitte! einijjer Pflanzen ijeiien scliniarotzende Cuscufa. 125
Meine Kiütiin'ersuche machte ich in den Monaten Juni und Juli
und zwar mit Cuscuta Gronovii Wilkl. Die verschiedenen Pflanzen,
die als "Wirte dienen sollten, wurden in Töpfe eingepflanzt, und
man brachte Cwscw^rt-Sprosse auf einfache Weise zum Schmarotzen
dadurch, daß die wachsenden Sproßspitzen eines Cuscuta -Ydi^^ns
auf den Wirtspflanzen zur Berülirung befestigt wurden. In einigen
Fällen wurden die als Wirtspflanzen dienenden Topfgewächse durch
abgeschnittene, im Wasser vegetierende Sprosse ersetzt, welche
sich bei täglichem Wechseln des Wassers und bei sukzessiver Er-
neuerung der Schnittflächen bis zu drei Wochen ganz gesund er-
hielten. Weil es mir ein wenig schwierig schien, die Fehlerquellen
ganz genau zu kontrollieren, die in der Einwirkung störender äußerer
Einflüsse, vor allem von starker Insolation und Austrocknung,
begründet waren, wurden meine Versuche nicht im Freien unter-
nommen, sondern die Kulturen wurden ins CTewächshaus des La-
boratoriums hineingestellt, wo ich nur dafür zu sorgen hatte, daß
die Pflanzen nicht unter zu intensiver Sonnenbeleuchtung litten.
Zunächst waren meine Versuche auf eine Untersuchung des
Einflusses gerichtet, den ein Gehalt von stark saurem Zellsaft,
ätherischen Ölen, Milchsaft und Alkaloiden auf Cuscuta ausübt.
Als Versuchspflanzen, die infolge eines bedeutenden Gehaltes
au freien organischen Säuren im Zellsaft als Wirtspflanzen für
Cuscuta ungeeignet schienen, wurden zur Kultur folgende Pflanzen
mit notorisch starker Azidität ausgewählt: Begonia metaUicaG.'^xmHi,
Oxalis Valdiviensis Barn., Rumex domesticus Hn. und Bryophyllum
calycinum Salisb.
Begonia metallica wirkte als Wirtspflanze auf Cuscuta stark
giftig. Nachdem die Cwsci^^a-Sprosse in Kontakt mit der erwähnten
Begonia-Art gebracht worden waren, umwanden sie mit mehreren
Drehungen die Stengelglieder und Blattstiele von ihr. Ein Einfluß
der schädlichen Eigenschaften der Wirtspflanze zeigte sich speziell
darin, daß die Cuscuta-Fäden immer dünn und zart blieben, und
daß sie durch eine merkbare Umfärbung in Grün ein von
dem normalen abweichendes Aussehen erliielten. Haustorien ent-
wickelten sich zwar in verhältnismäßig bedeutender Anzahl auf den
Haustorialsegmenten, aber nachdem diese die Wirtspflanze durch-
bohrt hatten, stellten die Cuscuta-Si^rosse das weitere Wachstum
ein. Als diese nach einiger Zeit von der Verbindung mit der
Mutterkultur abgeschnitten wurden, so daß sie individuelle, allein
126 *^'^to Gertz,
auf Begonia schmarotzende Cu5cr«-Pflanzen darstellten, ergab sich
der bemerkenswerte Erfolg, daß sich Cuscuta verhältnismäßig lange,
bis zu drei Wochen (die Zeit, während welcher diese Versuche
durchgeführt wurden) , mit einer erstaunenswerten Zäliigkeit am
Leben erhielt und zuletzt ' sogar einige wenig entwickelte Blüten
erzeugte.
Daß sich Cuscuta trotz der Giftwirkung, die ihre Wirtspflanze
auszuüben schien, bei diesen Versuchen dennoch erhalten konnte,
findet wohl wenigstens teilweise seine Erklärung in der Selbst-
verdauung, die die wachsende Sproßspitze von Cuscuta auf die älteren
absterbenden Teile des Fadens ausübt, indem die plastischen Sub-
stanzen in jenen trauslociert und den Teilen in den Spitzen der
Sprosse, wo Neubildung vor sich geht^), zugeführt werden. Zum
Teil darf wohl das erwähnte Verhalten auch der Fähigkeit der
CwscMia-Pflanzen zugeschrieben werden, unter gewissen Bedingungen
als autotrophe Pflanzen auftreten zu können, welche dank der
abnorm gesteigerten Chlorophyllproduktion, die die Sprosse in ge-
wissen pathologischen Fällen darbieten, durch Photosynthese den
Bedarf organischer Nahrungsstoffe zu decken vermögen.
Weil in diesem Falle offenbar freie Oxalsäure oder vielmehr
saures Kaliumoxalat die für Cuscuta spezifisch schädliche Substanz
bildet und die Giftigkeit der Wirtspflanze zunächst von dem
reichlichen Gehalt dieses Stoffes verursacht wurde, wurden mit
Begonia Bestimmungen der Azidität des Zellsaftes gemacht. Für
meine Untersuchungen kam es weniger in Betracht, eine absolute
quantitative Messung des Säuregehaltes vorzunehmen, als nur
relative Werte von ihm zu bekommen. Die Bestimmungen wurden
deshalb nach der einfachen Methode, die Kraus (I) empfohlen
hat, ausgeführt. Stücke von Stengeln und Blattstielen von Be-
gonia metallica wurden zerquetscht, und aus der so erhaltenen
Masse wurde Rohsaft ausgepreßt; die Aziditätsbestimmungen
wurden dann durch Titrieren mit O,lproz. Kalilauge in der Weise
ausgeführt, daß 2 ccm des Preßsaftes mit 50 ccm destillierten
Wassers verdünnt und mit einem Tröpfchen alkoholischer Phenol-
phthaleinlösung als Indikator versetzt Avurden, wonach aus einer
Bürette die zur Neutralisation der Lösung erforderliche Menge von
Kalilauge tropfenweise zugesetzt wurde. Eine eintretende, schwach
rötliche Färbung gab den erreichten Neutralisationspunkt an.
^) Spisar (I, S. 331) hat gefunden, daß die Keimpflanzen von Cuscuta Gronovii
ohne Wirtspflanzen 7 Wochen leben können und dabei eine Länge von 35 cm erreichen.
t'ber die Schutzmittel einiyer Pflanzen «etren scluuarotzende Cuscuta. 127
Die Azidität des ^e^owea- Saft es war ziemlich hoch, indem
für Neutralisation in vier Bestimmungen durchschnittlich 15,3 ccm
Kalilaug-e verbraucht wurden.
Zur Vergleichung- unternahm ich eine Aziditätsbestimmung von
dem durch Auspressung zerquetschter Stengelglieder von Impaüens
parviflora DC. gewonnenen Rohsaft. Diese Pflanze war bei anderen
Versuchen mit Cuscuta die gewöhnliche Wirtspflanze und konnte
infolgedessen als Norm hinsichtlich der für Cuscuta geeignetsten
Säurekonzentration gewählt werden. In vier Titrieranalysen er-
forderten 2 ccm Saft für Neutralisation durchschnittlich 1,3 ccm
Kalilauge, was also eine 12 mal geringere Azidität dX^ h^i Begonia
metdllica bedeutet.
Einige entsprechende Untersuchungen über die Azidität des
Zellsaftes bei Cuscuta Gronovü wurden nicht ausgeführt, obgleich
diese Frage in dieser Hinsicht von Interesse gewesen wäre. Llber
Cuscuta europaea besitzen wir Untersuchungen von Wehmer
(S. 147), aus denen hervorgeht, daß sich Oxalat bei dieser Pflanze
nicht nachweisen läßt.
Oxalis Valdiviensis. Meine Cuscuta-KwWwvew auf dieser Pflanze
zeigten im Anfang ein ziemlich üppiges und wucherndes Aussehen.
Bei näherer Untersuchung waren indessen die Haustorien im all-
gemeinen nui' schwach entwickelt und in den meisten Fällen bräun-
lich gefärbt und abgestor])en. Wenn die Cw^cu^a- Sprosse durch
Abschneidung von der Mutterkultur isoliert wurden, trat in den
Tochterkulturen, wo Cuscuta auf Blatt- und Infloreszenzstielen
der genannten Oxalis-Xxt schmarotzte, binnen kurzem eine aus-
geprägte Grünfärbung ein, was auch in den eben erwähnten
Begonia-KvMwYQn der Fall war. Die Fäden wurden dünn und
stellten schnell alles weitere Wachstum ein. Eine Untersuchung
der Haustorien ergab, daß tliese, wie erwähnt, nur schwache Aus-
bildung erreicht hatten und in großer Ausdehnung bräunlich gefärbt
waren. In einigen Fällen konnte ich doch hier korallenförmig ver-
zweigte oder pinselartig aufgelöste Haustorialmycelien bemerken, die
an einigen Stellen in deutlichen Kontakt mit den Gefäßbündelu
der Wiitspflanze getreten waren.
Es stellte sich also heraus, daß die Wirtspflanze auch in (Uesem
Falle eine ausgeprägte Giftwirkung ausgeübt hatte, die sich in
Sistierung des Wachstums der schmarotzenden Cuscuta äußerte.
Es war indessen auch eine bedeutende Resistenz gegen die Ein-
128 f'tto Gertz,
Wirkung des sauren Zellsaftes vorhanden, die sich bei Ciisciäa
geltend machte, nachdem diese auf Oxalis als Wirtspflanze ge-
bracht worden war. Eine Erklärung der letzterwähnten bemerkens-
werten vSachverhältnisse liegt vielleicht darin, daß die relative
Üppigkeit der in den Versuchen angewandten Mutterkulturen von
Cuscuta eine bedeutende ßolle spielt, besonders in bezug auf die
Resistenzfäliigkeit gegen die Einwirkung schädlicher Stoffe. In
mehreren Fällen habe ich nämlich gefunden, daß die Versuchs-
ergebnisse etwas verschieden ausfallen, wenn lippig oder dürftig
ausgebildete Cnscwte-Iudividuen als Versuchspflanzen angewendet
wurden. In diesem speziellen Falle vegetierten an Oxalis kräftige
(7t<5ci<^a-Sprosse, und sicherlich war es gerade dadurch bedingt,
daß sich die Kulturen hier ein wenig mehr abgehärtet zeigten
als in den Versuchen mit Begonia, wo ich mit weniger üppigen
Mutterkulturen von Cuscuta experimentierte.
Der Gehalt der Wirtspflanze an saurem Kaliumoxalat, welches
auch in diesem Falle der spezifische Giftstoff war, wurde auf
analoge Weise wie bei den Versuchen auf Begonia bestimmt. Bei
vier Analj^sen des aus Blättern und Blütenstielen von Oxalis ge-
wonnenen Saftes erforderten 2 ccm durchschnittlich 34 ccm Kali-
lauge zur vollständigen Neutralisation. Die Azidität war also doppelt
so hoch wie bei Begonia, und Cuscuta hatte sich offenbar — ab-
gesehen von der etwas größereu individuellen Resistenz — durch
Selbstverdauung und auf Grund ihrer Fähigkeit, als autotrophe
Pflanze assimilieren zu können, am Leben erhalten.
Einige Cuscuia-Kulturen auf Oxalis stricta L. verhielten sich
im großen Ganzen in derselben Weise wie die Kulturen auf Oxalis
Valdiviensis.
Rumex domesticus. Mit dieser Wirtspflanze machte ich nur
eine einzige Cuscuta -Kultur. Der Citscuta-Sproß, welcher an
einem Blattstiel der Wirtspflanze befestigt wurde, führte um
diesen drei bis vier flache Windungen aus. Nachdem über diese
Strecke Haustorien gebildet worden waren, hörte das weitere
Wachstum des Sprosses, der nel)enbei eine auffallende Grünfärbung
zeigte, auf. Bei anatomischer Untersuchung fand ich die Haustorien,
welche überall in die Gewebe des Blattstiels eingedrungen waren,
braun gefärbt und abgestorben.
Die Azidität dieser Wirtspflanze war bedeutend geringer als
in den mit Begonia und Oxalis angestellten Versuchen. Der rohe
Iber die Schutzmittel einiger Pflanzen gegen schmarotzende Cuscuta. 129
Preßsaft erforderte nämlich zur Neutralisation von 2 com durch-
schnittlich 7,7 ccm Ojlproz. Kalilauge.
Hinsichtlich dieses Versuches soll noch erwähnt werden, daß
au den Stellen, die von den Cuscuta -ILsiMstoYieii durchbohrt wor-
den waren, die Gewebe des Blattstiels aufgerissen waren, so daß
breite und tiefe, in der Längsrichtung des Stieles verlaufende Ein-
schnitte, durcli welche die Haustorieu beinahe entblößt wurden,
gebildet worden waren. Die Möglichkeit ist deshalb nicht aus-
geschlossen, daß die pathologischen Symptome weniger durch eine
Einwirkung der Oxalsäure entstanden waren, als infolge einer Zer-
störung der Haustorialmycelien durch Zersprengung der Blattstiel-
gewebe, da der Gehalt der genannten Substanz keineswegs be-
sonders hoch war. Diese Vermutung findet vielleicht eine Stütze
in der von Witt rock (S. 13, 16) angeführten Angabe, daß Cuscuta
europaea sowohl auf Riimex Acctosa L. (siehe auch Blomqvist,
S. 364) und Rumex Acetosella L., als auf Rumex domesticus Hn.
als Schmarotzer angetroffen worden ist. Es ist jedoch andererseits
nicht unwahrscheinlich, daß Cuscuta europaea gegen den Oxalsäure
führenden Zellsaft der Ru7nex-ATten eine höhere Resistenz besitzt
als die von mir untersuchte Cuscuta Oronovü. Jedenfalls sind
erneute Kulturversuche mit dieser Pflanze erforderlich, um den
erwähnten Punkt genau zu ermitteln.
Bri/opht/IJum cahjcinum wurde als Wirtspflanze zunächst in
bezug auf die Frage ausgewählt, inwiefern eine periodische Steige-
rung und Verminderung der Azidität des Zellsaftes eine schädhche
Einwirkung auf schmarotzende Cuscuta ausübt. Die sauren Eigen-
schaften des Zellsaftes rühren bei Bryophyllum, in Übereinstimmung
mit dem Verhalten anderer sukkulenter Pflanzenformen, nicht von
löslichem Oxalat her, sondern von Isoäpfelsäure, einer Substanz,
welche, wie die Versuche von Kraus, de Vries, Warburg und
anderen Forschern gezeigt haben (vergl. Pfeffer, I, S. 309; Czapek,
I, S. 426), einem periodischen Wechsel in quantitativer Hinsieht
unterworfen ist. In der Nacht nimmt nämlich infolge der Atmung
die Äpfelsäuremenge auf Grund partieller Oxydation von Kohle-
hydraten in bedeutendem Grade zu, während die Äpfelsäure am
Tage zum größeren Teil, vielleicht unter assimilatorischer Regene-
ration von Kohlehydraten, wieder verschwindet.
Aus den Kulturversuchen auf Bnjophijllwn calyeinum ging
rvor, daß kein im erwähnten Verhältnis begründetes zuwachs-
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI. "
,130 '^^*^o liertz,
hemmendes Moment konstatiert werden konnte. Es zeigte sich näm-
lich, daß Cuscuta sich besonders wohl auf dieser Pflanze fühlte
und sehr kräftige Vegetationen entwickelte. Die Kulturen blühten
sogar reichlich und boten keine pathologischen Merkmale dar: nicht
einmal eine Tendenz zur Grttnfärbung wurde an den Fäden beob-
achtet. Die angeführten Ergebnisse scheinen zu befremden, weil
es sich bei der täglichen Periodizität, welcher die Säure des Zell-
saftes bei BryophyUum quantitativ unterworfen ist, um sehr bedeu-
tende Differenzen handelt. Azidimetrische Bestimmungen wurden von
mir nicht ausgeführt. Kraus (II, S. 452) teilt indessen über
BryophyUum folgende Beobachtung mit: „Bei diesem fand ich an
sonnigen Augusttagen nachts die Azidität mehr als 11 mal so groß
als bei Tag (1 ccm Saft ergab tags 0,45, nachts 5,5 ccm Lauge-
verbrauch)."
Es soll noch erwähnt werden, daß laut einer Angabe Witt-
rocks (S. 12) Cuscuta europaea als Schmarotzer auf Sedum Te-
lephium L. beobachtet wurde, welche Pflanze mit BryophyUum hin-
sichtlich der periodisch wechselnden Azidität des Zellsaftes über-
einstimmt.
Die angeführten Versuche haben also ergeben, daß Cuscuta
Gronovii zu keiner normalen Entwicklung kommt, wenn sie auf die
verhältnismäßig reichlich Oxalsäure führenden Pflanzen Begonia
metallica, Oxalis Valdiviensis oder RiXmex domesticus angewiesen
ist. Das bei diesen vorkommende saure Kaliunioxalat scheint also
die Rolle eines Schutzmittels gegen Angriffe dieses Schmarotzers
zu spielen. Während Cuscuta auf den genannten Pflanzen fast
unmittelbar alles weitere Wachstum einstellte, scheint sie, wie aus
den Kulturversuchen auf BryophyUum calycinum hervorgeht, für
das periodische Wechseln des Äpfelsäuregehaltes der letzterwähnten
Pflanze unempfindHch zu sein.
Eine weitere Aufgabe für meine biologischen Cztscw^a-Unter-
suchungen bezweckte die Frage, ob auch die Exhalation von
ätherischem Ol verschiedener Pflanzen als ein prophylaktisches
Mittel gegen C-w^cw^a-Parasitismus zu betrachten wäre. Meine Ver-
suche, die hinsichtlich dieses Punktes ebenfalls zu positiven Resul-
taten führten, wurden hauptsächlich an Elsholzia cristata Willd.
angestellt, einer Pflanze, die mir für diese Untersuchungen ganz
über die Schutzmittel einig:ei- Pflanzen sietien schiuai'otzende Guscuta. 131
besonders geeignet zu sein schien, weil sie ätherisches Öl von
Drüsenhaaren auf Blättern und Steugelgliedern reichlich ausscheidet.
Die Ergebnisse, welche aus den Kulturversuchen hervorgingen,
waren auch in hohem Grade bemerkenswert. Cuscuta gedieh be-
sonders gut und lieferte kräftige, luxuriierende Vegetationen, deren
gToße Kraft sieh nebenbei in ihrer ausgeprägt orangegelben Färbung
äußerte. Nach 3 Wochen begann jedoch in sämtlichen Kulturen
eine Braunfärbung der Sproßspitzen sich einzustellen, und die
Cuscuta-YM^n begannen von der Spitze gegen die Basis hin suk-
zessiv abzusterben. Eine Woche, nachdem derartige Veränderungen
hervorgetreten waren, waren alle Kulturen auf ElshoJzia braun
gefärbt und tot, wenn man von einigen basalen Sproßstücken ab-
sieht, die auf einer Länge von 6 — 8 cm noch gesund w^aren.
Die Ursache des plötzlichen Absterbens meiner vorher üppigen
Cuscu^a-Kulturen konnte nicht dem Einflüsse der Vertrocknung zu-
geschrieben werden, weil andere Cit^CM^rt-Pflanzen, die gleichzeitig in
Kultur waren, keine Spui-en ähnlicher Veränderungen zeigten, und
konnte auch nicht auf einei" Ansiedelung von Blattläusen beruhen,
die allerdings in einigen Fällen Verwüstung in den Versuchskulturen
anstellten. Statt dessen hatten sich die letalen Wirkungen offen-
bar durch eine langsame Vergiftung des Schmarotzers durch die
Exhalation der Wirtspflanze von ätherischem Öl ergeben. Diese
Vermutung wird schon durch die Untersuchungen Stahls über
ätherische Öle als besonders effektive Schutzmittel gegen Angriffe
von Schnecken gestützt, und in noch höherem Grade fand ich die
oben skizzierte Auffassung der ökologischen Bedeutung der äthe-
rischen Öle durch die Beobachtungen von Detto und Heller be-
stätigt, welche es zweifellos gemacht haben, daß ätherische Öle
mehr oder weniger toxische Wirkungen ausüben und sogar in den
meisten Fällen entschieden tödlich auf Pflanzenteile einwirken.
Wie die Versuche Hellers ergeben haben, gehen auch solche
Pflanzen wie Dictamnus, Salvia, Mentha piperita u. a. in der At-
mosphäre ätherischen Öles, das sie selbst produzieren, zugrunde.
Um die Richtigkeit dieser Auffassung festzustellen, setzte ich
Cw^ci^^a-Kulturen der Einwirkung von Dämpfen verschiedener äthe-
rischen Öle aus. Weil ein Präparat des für Elsholzia cristata eigen-
tümlichen Ätheröles mir nicht zur Verfügung stand, führte ich
die Versuche in dieser Richtung mit folgenden Substanzen aus:
Eukalyptusöl {Oleum eucalypti), Zitronenöl {0. citri aethereum),
Terpentinöl (0. terehhithinae), Senf öl (0. sinapis verum rectificatum),
J32 0*^° Gertz,
Thymianöl (0. tliymi albwn rectificatum), Pfefferminzöl (0. menthae
piperitae) \).
Nebenbei wurde zu demselben Zweck auch das Kouiin ge-
prüft, welches meiner Vermutung nach analoge Wirkungen aus-
üben konnte, weil es eine ölartige Substanz mit spezifischem,
betäubendem Geruch ist.
Von den unwesentlichen Modifikationen des Ausführens ab-
gesehen, die von der Parasitennatur der Ci(sci(ta-Fü&nze bedingt
wurde, war die Methodik im großen Ganzen dieselbe, die in
den Untersuchungen Hellers zur Anwendung gekommen war.
Von kräftig entwickelten Impatiens parviflora -Vü^mzen schnitt
ich etwa 2 dem lange Gipfelsprosse, auf welchen üppige Cuscuta-
Vegetationen wucherten, ab und brachte sie mit der Schnitt-
fläche in einen mit Wasser gefüllten Glaszylinder, wo sie zur
Hälfte oder einem Diittel ihrer Länge während des Versuches
unter Wasser gehalten wurden. Neben die Sprosse wurde ein
Schälchen mit ätherischem Öl gestellt, dessen Exhalation in ilirer
Wirkung auf Cnscida und deren Wirtspflanze geprüft werden
sollte. In diese Flüssigkeit wurden Filtrierpapierstückchen ge-
hängt, welche zur Vermehrung der verdampfenden Fläche dienten.
Das Ganze wurde mit einer hohen Glasglocke bedeckt. Da es von
besonderer Bedeutung war, diejenige Fehlerquelle zu vermeiden,
die in einem vermehrten Gehalt von Kohlensäure und Wasserdampf
in der eingeschlossenen Atmosphäre begründet liegen könnte, sowie
auch im fehlenden Zutritt an Sauerstoff, einem Faktor, der bei
länger dauernden Versuchen besonders in Betracht zu ziehen war,
bediente ich mich derselben Anordnungen, die Heller für diesen
Zweck in seiner Untersuchung empfohlen hat.
Als Resultat stellten sich in den Versuchsreihen nach längerer
oder kürzerer Zeit postmortale Veränderungen ein, welche sich bei
Cuscuta in Braunfärbung der Sprosse sowie in Turgormangel , bei
Impatiens ebenfalls durch Mangel an Turgor und durch eine glas-
ähnlich durchleuchtende Grünfärbung der Blätter äußerte, welche
von der Injektion der Interzellularen durch den Zellsaft herrührte.
An den Anthocyan führenden Stengelteilen von Impatiens gab sich
die aufgehobene Vitalität dadurch zu erkennen, daß die Anthocyan-
färbung verschwunden war, augenscheinlich infolge einer post-
■') Die Präparate, deren Bezeichnungen nach E. Mercks Index, II. Auflage, 1902,
angeführt sind, wurden von den chemischen Fabriken Merck in Darmstadt bezogen.
über die Schutzmittel einiger Pflanzen gegen schmarotzende Cuscuta. 133
iiiortal eintretenden, gleichmäßigeren Verteilung des Farbstoffes
über größere Gewebekomplexe. In zweifelhaften Fällen benutzte
ich Plasmolyseversuche mit Salpeterlösung, um mich zu über-
zeugen, inwiefern vitale Phänomene sich noch in den Zellen gel-
tend machten. Bei mikroskopischer Untersuchung zeigte es sich,
daß das Protoplasma neben den Chloroplasten und Stärkekörnern
in den abgestorbenen Teilen von Impatiens sich um den Zellkern
zusammengezogen hatte. Bei Cuscuta hatte sich in den toten Sproß-
teilen der Zellinhalt ebenfalls kontraliiert und ein stark schaumiges
Aussehen angenommen.
In den Versuchen konnte ich bei Cuscuta sehr oft eine be-
deutend höhere Resistenzfähigkeit gegen die Giftwirkung der äthe-
rischen Öle feststellen als bei der "Wirtspflanze Impatiens. Kausal
dürfte dies im Zusammenhang damit stehen, daß die Oberfläche,
wodurch die Sprosse von den Dämpfen beeinflußt werden, bei
Impatiens infolge ihrer breiten, dünnen Blattspreiten mit zahl-
ivichen Spaltöffnungen verliältnismäßig groß war, bei Cuscuta
dagegen infolge der schuppenartigen Blattgestalt und des spär-
licheren Vorkommens von Stomata stark reduziert war. Es ver-
dient allerdings auch erwähnt zu werden, daß sowohl bei Cuscuta
als auch bei Impatiens submerse Sproßteile konstant noch völlig
gesund waren, nachdem das über Wasser befindliche Sproßsystem
derselben Pflanzen abgestorben wai-. Diese Beobachtung scheint
mir um so erwähnenswerter zu sein, als in den Untersuchungen
Hellers nichts davon erwähnt wurde.
Eukalyptusöl. Kräftige, auf Impatiens parvifiora fest-
sitzende Cuscuta-FMen wurden den Dämpfen dieser Substanz aus-
gesetzt. Nach einer Einwirkung von 5 Stunden waren die beiden
Pflanzen tot, ausgenommen ihre unter Wasser befindlichen Teile.
Dieses Ergebnis meines Versuches stimmt mit der Angabe Hellers
überein, daß die Versuchspflanzen (Smapis und Brassica) schon
nach 5 Stunden in einer mit Dämpfen von Eukalyptusöl gesättigten
Atmosphäre zugrunde gingen.
Etwas weniger kräftig wirkte das Zitronenöl. Nach 5 Stunden
waren die Sproßspitzen von Cuscuta braun gefärbt und auf einer
Länge von etwa IV2 cm hin tot. Auf der Wirtspflanze waren nach
der genannten Zeit Blätter, Blüten, Früchte und Blutenknospen
abgestorben, während die Stengel noch ein gesundes Aussehen
hatten. Dies war auch mit den submers gehaltenen Teilen der
beiden pflanzen der Fall.
134 Otto Gertz,
Im Yersuch mit Terpentinöl waren nach 6 Stunden die
Cuscuta-Kiütnren verfärbt und tot. Ein besonders kräftiger und
offenbar auf höherer Giftigkeit beruhender Effekt kam dem Senf öl zu,
indem in Versuchen mit dieser Substanz schon nach 2 Stunden die
Kulturen getötet worden waren. Die unter Wasser befindlichen
Teile von Ctiscuta und Impatiens waren indessen nach der ge-
nannten Zeit noch unbeschädigt.
Die Versuche Hellers mit den drei zuletzt erwähnten äthe-
rischen Ölen: Zitronen-, Terpentin- und Senföl, führten zur Kol-
labeszenz der Versuchspflanzen nach 5 bezw. 6, 4V2 — 5 und 18 bis
22 Stunden, Angaben, die ich also im großen Ganzen für meine
Versuchspflanzeu bestätigen kann, jedoch mit Ausnahme für Senf-
öl, von dem Heller auf Origanum, Lavandula und Mentha eine
Einwirkungszeit von 18 — 22 Stunden nötig fand, das aber,
meinen Versuchen zufolge, auf Impatiens und Cuscufa schon nach
2 Stunden tötend wirkte. Da Senföl zu den notorisch giftigsten
flüchtigen Ölen gehört, rühren offenbar diese Abweichungen in
bezug auf die Länge der Einwirkungsdauer von einer verschieden
hohen Eesistenzfähigkeit bei den Versuchspflanzen her. Die er-
wähnten Pflanzen Hellers produzierten ja selbst ätherisches Öl,
und einige Beobachtungen von ihm deuten darauf hin, daß eben
solche Gewächse im allgemeinen eine höhere Resistenz gegen die
Exhalationen von ätherischen Ölen besitzen.
Thymi an öl. Sowohl Cuscuta als ihre Wirtspflanze zeigte in
einer Atmosphäre von Thymianöl eine relativ hochgradige Resistenz.
Noch nach 104 Stunden — beinahe 4^'2 Tag — , als mein Versuch
unterbrochen wurde, waren noch bedeutende Teile der Cuscuta-
Sprosse bei völliger Vitalität, was auf Grund ihres frischen,
turgeszenten Aussehens deutlich entschieden werden konnte und
sich durch plasmolytische Versuche mit Salpeterlösung bestätigen
ließ. Auch das Stengelsystem von Impatiens war intakt.
Die verschiedenen Phasen der Giftwirkung Ijei den einzelnen
Versuchspflanzen sollen nach den Beobachtungen, welche in den
Protokollen aufgezeichnet worden sind, angeführt werden.
16 Stunden nach dem Anfang des Versuches zeigten einige
Sproßspitzen der Ci(scuta -Yääieii eine schwache Andeutung zur
Braunfärbung. Nach 28 Stunden — von Beginn des Versuches
gerechnet — waren auf Cuscuta sämtliche Sproßspitzen auf 2 bis
3 cm hin braun gefärbt und abgestorben. Nach 34 Stunden war
t'ber die Schutzmittel einiger Pflanzen gegen schmarotzende Cuscuta. 135
Cuscuta bis 2 cm unterhalb der Spitzen abgestorben. Die Wirts-
pflanze war noch intakt. Eine Einwirkung von 52 Stunden hatte
den Erfolg-, daß sowohl die Knospen, als die jungen Blätter und
Früchte von Impatiens getötet worden waren, während Cuscuta
noch unverändert dasselbe Aussehen wie nach einer Exposition von
34 Stunden zeigte.
Als der Versuch nach 104 Stunden unterbrochen wurde, war
die Braunfärbung der Cw^cw^a- Sprosse 3—5 cm abwärts fortge-
schritten, im übrigen waren die Sprosse noch lebend und gesund.
Bei Impatiens waren sämtliche Blätter abgefallen, die Stengelteile
aber gesund, abgesehen von 1 cm der Sproßspitze. Die unter
Wasser sich befindenden Teile von Cuscuta und Impatiens —
Stengel und Blätter — fand ich von den Dämpfen unberührt.
Bemerkenswert waren auch die Resultate, die aus meinen
Versnchsreihen mit Pf ef ferminzöl hervorgingen. Es zeigte
sich, daß die Versuchspflanzen hier eine noch höhere Resistenz-
fähigkeit besaßen. Die Phasen der Ein\A'irkung von den Pfeffer-
minzdämpfen werden durch folgende Data angegeben.
Nach 2 Tagen — 48 Stunden — war auf Cuscuta eine schwach
hervortretende Brauiifärl>ung der Blattränder zu bemerken. Die
Wirtspflanze zeigte keine Veränderung. Einen weiteren schädlichen
Einfluß der Dämpfe des ätherischen Öles konnte ich nach einer
Versuchszeit von 5 Tagen (120 Stunden) auf Cuscuta nicht nach-
weisen, aber auf der Wirtspflanze war eine Einwirkung derselben
deutlich zu sehen, indem Blüte, Knospen und jüngere Früchte ab-
gestorben waren. Nach noch 6 Tagen (144 Stunden) zeigte sich
Cuscuta im großen Ganzen von den Dämpfen unberührt, doch waren
an einigen Stellen ihre Sproßspitzen braun gefärbt. Bei Impatiens
dagegen waren die Blätter tot und abgefallen, und die Infloreszenz-
zweige wurden auf einer größeren Fläche braun gefärbt und ab-
gestorben befunden.
Die weiteren Veränderungen, die eine längere Versuchszeit
hier mit sich bringen würde, wurden nicht untersucht, weil nach
einer Woche das Experiment abgebrochen wurde. Es ist jedoch
schon aus dem Versuche deutlich ersichtlich, daß ein mit der
Giftwirkung der früher geprüften Ätheröle analoger Effekt sich
auch in diesem Falle geltend gemacht hätte, und es ist nicht zu
bezweifeln, daß auch dieses Experiment zu vollständiger Kollabeszenz
der Versuchskultur geführt hätte. Aber ein solches Ergebnis hätte
eine bedeutend längere Zeit gebraucht als das der obigen Versuche,
136 Otto Gertz,
in Anbetracht der weniger ausgeprägten Giftigkeit, die dem in
diesem Versuche angewandten Pfefferminzöl zukam.
Es verdient hinzugefügt zu werden, daß in den Versuchen
Hellers mit Keimlingen von Sinapis und Brassica die Pflanzen
schon nach 32 Stunden in einer Atmosphäre von Thymian- und
Pfefferminzöl zugrunde gingen, daß aber Keimpflanzen von Mentha
piperita nach 74 Stunden (Pfefferminzöl) starben, und daß eine
Keimpflanzenkultur von Brassica erst nach 5 Tagen getötet wurde,
wenn die Keimlinge den Dämpfen eines Mentha piperita-lndividimms
ausgesetzt wurden.
Die Versuche mit Coniiim maculatum L. als Wirtspflanze für
Cuscuta Oronovii, auf welche ich im folgenden in anderem Zu-
sammenhang näher eingehen werde, lenkten meine Aufmerksamkeit
auf die Möglichkeit, daß schon den Koniinexlialationen dieser Pflanze
einigermaßen die toxische Wirkung zugeschrieben werden könnte,
die Conium auf schmarotzende Cuscuta ausübte. Diese Vermutung,
daß das Koniin Eigenschaften besitze, welche mit denen der äthe-
rischen Öle als analog anzusehen wären, fand ich durch die mit
der genannten Substanz angestellten Versuche bestätigt. Ich
operierte liier mit der reinen freien Alkaloidbase, einer wasser-
hellen, ölähnlichen Flüssigkeit, die schon bei gewöhnlicher Tempe-
ratur ein wenig flüchtig ist und einen durchdringenden, widerlichen
Geruch besitzt. Während des Versuches veränderte sich die
Substanz zum Teil chemisch, indem sich die l)etreffende , im An-
fang farblose Flüssigkeit rasch gelb färbte, wahrscheinlich infolge
einer Oxydation, und schließlich zu einem gelblichen, klebrigen
Körper halbfester Konsistenz zusammentrocknete.
Der Versuch wurde auf ähnliche Weise wie die vorhergehenden
Experimente mit ätherischen Ölen ausgeführt. Ein abgeschnittener
Im'patiens-^])vo^ mit einer kräftigen Ciiscw^a -Vegetation wurde
unter einer Glasglocke den Dämpfen von Koniin in einem Glas-
schälchen ausgesetzt Schon nach 30 Stunden hatten sich deut-
liche Vergiftungssymptome eingestellt, indem bei Impatiens die
Mehrzahl der Blätter braun gefärbt waren und schlaff herunter-
hingen. Die Cit5cw^a- Sprosse zeigten dagegen keine Spur von Ver-
färbung, sondern sie waren normal gefärbt und kräftig turgeszent.
Nach einer Einwirkung von 72 Stunden wurde der Versuch ab-
gebrochen. Alle Blätter, Blüten, Früchte und Knospen nel)st kleinen
Infloreszenzzweigen von Impatiens waren dann braun und zum
über die Schutzmittel einiger Pflanzen gegen schmarotzende Cuscuta. 137
Teil abgefallen, ihre Stengel und Blattstiele aber intakt, was mit
den Blattspreiten derselben Pflanze, die in Wasser submers gehalten
worden waren, auch der Fall war. Die Cuscuta -S\n-osse hatten
während des Versuches überhaupt wenig gelitten. Die meisten
Sproßspitzeu und Knospen waren zwar braun gefärbt, aber im
übrigen zeigte sich die Pflanze gesund und turgeszent. Die
während des Versuches gebildeten neuen Axillarsprosse waren eben-
falls unbeschädigt.
Die angeführten Versuche mit ätherischen Ölen verschiedener
Art geben also eine Erklärung der rätselhaften Bedingungen, unter
welchen meine üppigen und luxuriierenden C'uscw^a- Kulturen auf
Elsholzia cristata zugrunde gingen. Obgleich nicht alle diese
Versuche zu Ende geführt worden sind, haben sie gleichwohl
feststellen können, daß die Auffassung, die ich vorher nur an-
deutungsweise in bezug auf Elsholzia ausgesprochen habe, voll-
kommen berechtigt ist, nämlich: daß Elshohia cristata durch ihre
Fähigkeit, sich eine Atmosphäre von ätherischen Ölen zu schaffen,
eine nicht unwesentliche Waffe gegen die Angriffe schmarotzender
Cuscuta besitzt. Zwar haben die Versuche daneben ergeben, be-
sonders diejenigen mit Thymianöl, daß eine bedeutende Resistenz
gegen die Gift Wirkung dieser Dämpfe vorhanden ist. Diese Resistenz
kann aber doch nicht verhindern, daß bei längerer Einwirkung
Cuscuta schließlich zugrunde geht. Gerade der Vergleich zwischen
dem Verlauf der Cuscuta -Kiütnr an Elshohia und den Versuchen
mit Pfefferminzöl und Thymianöl, die im wesentlichen einen durch-
gängig analogen Charakter haben, scheinen nicht gegen eine solche
Schlußfolgerung zu sprechen.
Mit den Versuchen auf Elshohia stimmten meine Versuche
überein, in denen Dictamniis Fraxinella Pers. und Ruta graveolens L.
als Wirtspflanzen für Cuscuta angewandt wurden. Weil jedoch
der Verlauf hier nicht in derselben Weise wie in den Kulturen auf
Elshohia untersucht wurde, verzichte ich, diese hier zu erwähnen.
Auch Mira n de ist es aufgefallen, daß den ätherischen Ölen
und nahestehenden chemischen Substanzen eine Bedeutung als
biologische Schutzmittel gegen Cuscuta zukommt. Nach den Be-
funden Mirandes (S. 119) vegetiert Cuscuta europaea mit Schwierig-
keit auf Cheiranthus Cheiri, Cochlearia Ärmorica, Tropaeolum
majus und Sinapis wegen der diesen Pflanzen zukommenden spezi-
fischen Stoffe. Was die Labiaten wie Mentha, Origanum vulgare,
]^gg Otto Uertz,
Ballota foetida, Nepeta cataria betrifft, sind diese nach Mir an de
den kleinen Cuscuta-kvien überhaupt weniger schädlich als die
vorhergehenden.
In diesem Zusammenhang soll andererseits erwähnt werden,
daß Cuscuta europaea nach Wittrock (S. 6, 8, 9) solche Pflanzen
mit reichlicher Sekretion von ätherischem Öl als Artemis? a vulgaris L.,
A. Absinthium L. (auf der letzten Art als var. Schkuhriana Pfeiff.)
und Hyssopus officinalis L. und Carum Carvi L. (als Cuscuta
halophyta Fr.) als Wirte verwenden kann, wie auch, daß Cuscuta
Epithymum gerade auf solchen Pflanzen, die an ätherischen Ölen
reich sind, wie auf Thymus- Arten und ähnlichen, auftritt.
Die letzterwähnten Angaben l^ezieheu sich allerdings auf andere
Cuscuta- Äxten als die von mir untersuchte Cuscuta Oronovii. Es
ist offenbar, daß man bei verschiedenen Cuscuta- Arten mit einer
graduell verschiedenen Empfindlichkeit für die toxische Wirkung
ätherischer Öle rechnen kann, einer Empfindlichkeit, die auch so
gering werden kann, daß sie sich bei gewissen Cuscuta-Yovmen
geradezu als Immunität in der genannten Hinsicht äußert, was
jedenfalls mit Cuscuta Epithymum der Fall sein dürfte. Eine Be-
obachtung, die entschieden hierauf hindeutet, wurde von Mirande
hinsichtlich der Einwirkung des Milchsaftes auf Cuscuta gemacht,
eine Frage, die ich im folgenden noch ausführlicher behandeln
werde. Mirande (S. 119) ist es nämlich aufgefallen, daß die großen
Cuscuta- Arten sich kaum auf Euphorbiaceen ansiedeln lassen,
während Cuscuta europaea z. B. auf Euphorhia Cyparissias ein
ephemeres Leben führt und Cuscuta Epithymum hier ganz gut
leben kann.
Schon Errera, Maistriau und Clautriau haben neben Stahl
erkannt, daß die biologische Bedeutung der Alkaloide und anderer
spezifischer Giftstoffe darin besteht, die Pflanzen, welche diese
Substanzen als Zellinhalt führen, gegen Angriffe von Tieren oder
Pflanzen zu schützen. Um zu untersuchen, inwiefern diese pro-
phylaktische Funktion auch gegen Cuscuta- Angriiie wirksam sein
könnte, stellte ich mehrere Versuchsreihen au, in denen sich als
Wirtspflanzen für Cuscuta -Kultur die folgenden alkaloidführenden
oder in anderer Hinsicht notorisch schädlichen Pflanzenformen an-
wendete: Solanum nigrum L., Solanum tuberosum L., Atropa
Belladonna L., Hyoscyamus niger L., Datura Stramonium L.,
Digitalis purpurea L., Conium maculatum L., Ranunculus arvensis
über die Scliutzmittel einigei- Pflanzen g'ejren schmarotzende Cuseuta. 139
L., Tropaeoliim majus L., Papaver Argemone L., Papaver duhium
L., Euphorbia Helioscopia L., Rhus Toxicodendron L.
Bevor ich zu einer Besclireibuug- dieser Kulturversiiclie über-
gehe, will ich einen Bericht über einige Hauptpunkte vorausschicken,
die aus den Untersuchungen Mi ran des hervorgegangen sind. Diese
sind in großem Maßstabe durchgeführt und hinsichtlich der hier
vorliegenden Frage besonders ausführlich. In der Zusammenstellung
seiner Versuchsresultate führt er mehrere Beobachtungen über
Kulturen von Cuseuta europaea und Cuseuta japonica auf alkaloid-
führenden Pflanzen an, die als Wirte einen ungünstigen Einfluß
auf den Schmarotzer ausübten.
Eingehender sind von Mirande die Kulturen von Cuseuta
japonica auf folgenden Wirtspflanzen untersucht worden: Berheris
aristata, Delphinium Staphisagria, Hyoscyamus niger, Aconitum
Napellus und Amorpha fruticosa, in welchen Fällen die Wirtspflanzen
entschieden schädlich, zum Teil sogar tötend wirkten. Die Kulturen
derselben Cuseuta- kri auf Atropa Belladonna und Datura gaben
dagegen, trotz der kräftig wirkenden Giftstoffe, die für diese Pflanzen
eigentümlich sind, besonders üppige und luxuriierende Cuscuta-
Vegetationen. In ph^'siologischer Hinsicht sind die Untersuchungen
Mirandes noch andererseits von Bedeutung. Aveil hier ermittelt
worden ist, inwiefern die in den Wirtspflanzen vorhandenen Alka-
loide die Fähigkeit besitzen, durch die Zellen des Haustorialmj^cels
in den Körper des Schmarotzers einzudringen.
Solanum nigrum. Auf dieser Pflanze stellte ich mehrere
Kulturen an, denen eine ausführliche Beschreibung ge"v\ädmet werden
soll, weil die Ergebnisse den Beweis führen, daß sich Cuseuta hier
durch einen Akt physiologischer Anpassung eine Immunität gegen-
über den schädigenden Substanzen der Wirtspflanze erwerben kann.
In einer Kultur zeigte Cuseuta, solange sie sich mit ihren
Sprossen mit der Mutterkultur in Zusammenhang befand, eine kräftige,
geradezu üppige Entwicklung. Die Cuscuta-Stengel bildeten mehrere
Reihen flacher Windungen und erzeugten in reichlicher Menge
Haustorien, die tief in die Gewebe der Wirtspflanzen hineindrangen.
Als inzwischen 10 Tage nach dem Anfang des Versuches die auf
Solanum befestigten Cuseuta -Si)YOSse von der Mutterpflanze ab-
geschnitten wurden, trat unmittelbar eine auffallende Retardierung
ein, und die Sprosse w^urden binnen kurzem deutlich grün. Nach
140 Otto Gertz,
einiger Zeit begannen sich wieder Anläufe zu einem kräftigen
Wachstum und reichlicher Neubildung- von Sprossen zu zeigen, und
die Farbe der Cuscuta-TÜSinzeii wurde orangegelb, eine wieder-
gewonnene höhere Vitalität andeutend. Als gegen Ende Juli ein
Blühen eintrat, hatten sich auf Solanum die ursprünglichen Cuscuta-
Sprosse zu Vegetationen mit völlig so üppigem und wucherndem
Aussehen wie auf der normalen Wirtspflanze Impatiens ausgebildet.
Andere Kulturversuche auf dieser Pflanze zeigten ein nicht
weniger bemerkenswertes Verhalten. Die durch eindringende Hau-
storien auf Solanum fixierten Cii^cw^a- Sprosse, deren Kontinuität
mit der Mutterpflanze in diesem Falle nicht unterbrochen war,
wurden nach einem anfangs eintretenden kräftigen Wachstum auf-
fallend grün und stellten weiteres Wachstum ein, während basal
vom Ansatzpunkte der fraglichen Sprosse auf Solanum axillare
Seitensprosse von der Cwscuif«- Mutterpflanze auswuchsen, welche
bedeutend üppiger und dicker als die grün gefärbten, auf Solanum
schmarotzenden Sprosse waren. Diese Sekundärsprosse wuchsen
danach auf Kosten und unter Einschränkung der auf Solanum
schmarotzenden Primärsprosse zu kräftigen, sympodialen Si)roß-
systemen aus.
Offenbar lag in letzterem Falle ein Bestreben der Cv^cuta-
Mutterpflauze vor, sich durch Entwicklung kräftiger Ersatzsprosse
von den auf Solanum schnuirotzenden Primärsprossen unabhängig
zu machen, deren Ernährung eine greifbar deprimierende Einwirkung
von den giftigen Substanzen in den Zellen des Solanum -Stengels
erlitten hatte. Wie allerdings aus dem vorher erwähnten Versuch
ersichtlich ist, war bei den Cuscuta-S^^rossen, die von der Mutter-
kultur abgetrennt worden waren und also individuelle, zum Schma-
rotzen auf Solanum angewiesene Pflanzen darstellten, diese Her-
absetzung der Vitalität vorübergehend. Vielleicht können wir mit
Mirande (S. 106 ff.) dies in Zusammenhang damit stellen, daß
nach einiger Zeit in den Zellen des Haustorialmycels eine regula-
tive Veränderung der Permeabilität des Protoplasmas in bezug auf
gewisse in Solanum befindliche Substanzen eingetreten ist.
Hauptsächlich auf Grund meiner Beobachtungen in den Cuscuta-
Kulturen auf Solanum nigrum habe ich im vorhergehenden — ohne
damit die Bedeutung der Untersuchungen von Hildebrand,
Wittrock und anderen Autoren herabsetzen zu wollen — hervor-
gehoben, daß man auf rein floristische Beobachtungen und auf die
Untersuchungen von den Studien des Herbariummaterials keinen
über die Schutzmitte! eiiiii;er Pflanzen sre^en schmarotzende Cuscuta. 14X
allzu gToßen Wert leg-eii darf. Gerade die eine meiner Solanum-
Kulturen hat deutlich gezeigt, daß Cuscuta mit Haustorien an einer
Pflanze befestigt sein kann, ohne ihre hauptsächlichste Nahrung
von dieser zu holen, und daß eine ganz andere, in der Nähe sich
befindende Pflanzenart die wirkliche Wirtspflanze darstellt. Die
für Cuscuta charakteristischen physiologischen Eigentümlichkeiten,
Selbstverdauung der basalen Sproßstücke und die Fähigkeit, zum
Teil als autotrophe Pflanze zu assimilieren, sind ohne Zweifel auch
in diesem Falle Faktoren, die in Betracht zu ziehen sind.
An Solanum tuberosum gelang es, Kulturen von Cuscuta
Gronovii aufzuziehen, doch bekamen diese nicht die üppige Aus-
bildung, die die Kultaren auf Solanum nigrum auszeichnete, sondern
boten deutliche pathologisclie Konnzeichen dar. Dies Verhalten
wird einfach dadurch erklärt, daß ich als Wirtspflanze ganz junge,
aus Kartoffelstücken aufsprießende Sprosse auswählte, deren Gehalt
an Solanin, mit demjenigen älterer Solanum tuberosum -J^ümizen
verglichen, relativ groß ist. Es kann also nicht befremden, daß
in der Literatur mehrere Angaben (von Al»romeit [siehe Wittrock,
S. 15], Wydler, Sorauer [S. 44]) über beobachtete Fälle vorliegen,
wo Cuscuta europaea auf Solanum tuberosum schmarotzt hat, weil
sich diese Angaben zweifellos auf völlig entwickelte Kartoffelstauden
beziehen, w^elche einen reduzierten Solaningehalt haben und infolge-
dessen w^eniger giftig wirken.
Daß das Alkaloid der Atropingruppe, welches das wirksame
Prinzip in Lycium harbarum L. (Czapek, 11, S. 309) darstellt,
kein Hindernis für Cuscuta europaea zu sein scheint, diese frag-
liche Pflanze als Wirt zu benutzen, geht aus einer Beobachtung
Rostrups (S. 120) hervor.
Mit gutem Erfolg benutzte Mirande (S. 85, 105) als Wirts-
pflanzen für Cuscuta europaea, außer Solanum nigrum und S.
tuberosum, sowohl S. Dulcamara L. als Physalis AlheJcengi L. und
Nicotiana -Äxten. Peirce (S. 93) zog Cuscuta auf Solanum jas-
minoides Paxt. auf.
Atropa Belladonna. In Übereinstimmung mit den Befunden
Mirandes (S. 85, 106) erzielte ich auf Atropa Belladonna üppige
und kräftig entwickelte Ci<5Ci(fa -Vegetationen. Cuscuta schien hier
besonders w^ohl zu gedeihen, und die Haustorien, welche in die
Gew^ebe der Wirtspflanze eingedrungen waren, hatten kräftige axiale
]^42 *-**^^ öertz,
Tracheidenbüudel ausgebildet, die iu histologische Yerbiudimg- mit
dem Gefäßblmdelsystem der Wirtspflanze g-etreteu waren.
Hyoscyamus niger. Während Cuscuta bei Kultur auf den vorher
erwähnten Solanaceen zu verhältnismäßig- guter Entwicklung-, in
einigen Fällen sogar iu luxuriierenden Formen gekommen war, so
zeigten die auf Hyoscyamus niger aufgezogenen Cw^CM^a-Kulturen
ein auffallend kränkliches Aussehen. Der Cnseuta-'^\wQ& führte um
den Stengel der Wirtspflanze drei bis vier Windungen aus, und
es entwickelten sich Haustorien in verhältnismäßig reichlicher
Anzahl. Danach aber stellten sich die gewöhnlichen Vergiftungs-
sj^mptome ein. Das Wachstum hörte auf, und die Sprosse wurden
dünn und kräftig grün.
Beinahe einen ganzen Monat hindurh erhielt sich die Cuscuta-
Kultur in diesem hinsiechenden Zustande. Eine anatomische Unter-
suchung ergab, daß die Mehrzahl der Haustorien braun gefärbt und
abgestorben waren, daß aber einige — vielleicht sekundäre Ersatz-
haustorien — am Leben geblieben waren und ein axiales Spiral-
tracheidenbündel entwickelten, so daß sie sich einen Weg durch
die Epidermis, das Kollenchym und das Rindengewebe nach dem
geschlossenen Xylemzylinder bahnen konnten, wo ein reichlich ver-
zweigtes Haustorialmycel entstand.
Es lag also hier ein Fall vor, der eine deutliche Analogie zu
den Verhältnissen zeigte, die ich z. B. in den Kulturen auf Begonia
und Oxalis beobachtet hatte. Die in den Parenchymzellen der
Wirtspflanze sich befindenden Alkaloide, Hyoscyamin nebst anderen
Basen derAtropingruppe (Czapek. II, S. 304), hatten zur Vergiftung
der meisten Haustorien geführt ^). Nur einige besonders kräftig aus-
gebildete Haustorien hatten, vielleicht nach erworbener Immunität,
nach dem Gefäßbündelgewebe der Wirtspflanzen vorzudringen ver-
mocht, wo wahrscheinlich nur Absorption roher Nährsäfte eingetreten
w^ar, die Cuscuta als fakultativ autotrophe Pflanze durch Photo-
synthese in organische Substanz umgewandelt hatte. Nur so läßt
es sich erklären, daß sich Cuscuta solange, wenn auch nur in stark
hinsiechendem Zustande, hatte erhalten können. Zw^eifellos hatte
die Selbstverdauung der älteren Teile des Cusczt^a-Sprosses von der
Schnittfläche herauf mitgewirkt.
l.j Es verdient doch näher untersucht zu werden, ob diese Wirkung auch einiger-
maßen deni schleimigen Drüseusekret zuzuschreiben ist, das in reichlicher Menge von den
Haaren auf Stengeln und Blättern des Bilsenkrauts ausgeschieden wird.
(''her die Scluitziiiittel eiui'iei" Pflanzen irefren schmarotzeiidi' Ctiscuta. 143
lu den Kultuiversuchcu ]\lir;iudes (S. 105, 107) stellte sich
heraus, daß Cuscuta japonica nicht auf Hyoseyamus zur Ent-
wickhing- kam, sondern auf dieser Pflanze nur ein ephemeres
Leben führte.
Datura Stramonium. Unter allen toxische Eigenschaften be-
sitzenden Pflanzen, die in meinen Versuchen als Wirte schma-
rotzender Cuscuta fungierten, zeigte Datura die kräftigsten Gift-
wirkungen. Unmittelbar nach ein oder zwei Windungen hörte das
Wachstum auf, und die Versuchssprosse wurden merkbar grün und
dünn. Haustorien kamen nur in geringer Anzahl und, wie es
schien, mit großer Schwierigkeit zur Entwicklung. Ebenso wie es
bei den vorher beschriebenen Versuchen mit Begonia, Oxalis und
Hyoseyamus der Fall war, hielten sich diese auf Datura hin-
siechenden Sprosse lange Zeit, und kleine akzessorische Blüten-
knospen kamen auch zum Schluß in der Nähe der Haustorien zur
Entwicklung.
Die Schädlichkeit der Wirtspflanze war zweifellos durch ihren
Alkaloidgehalt, durch das A tropin und Hyoscyamin (Czapek, II,
S. 312), bedingt.
Dieser Kulturversuch auf Datura ist auch andererseits von
Interesse, weil sein Resultat in auffallendem Widerspruch zu
den Ergebnissen steht, die Mirande (S. 55) in seinen Kulturen
von C. japonica auf Datura- krXinx bekommen hat. Diese gaben
nämlich üppige, beinahe luxuriierende Vegetationen. Es darf also
diesen Versuchen zufolge als festgestellt betrachtet werden, daß ver-
scliiedene Cuscuta- kvi^n eine verschiedene spezifische Empfindlich-
keit gegen die schädlichen Eigenschaften gewisser Wirtspflanzen
besitzen.
Digitalis purpurea. Im Anfang entwickelte sich Cuscuta ver-
hältnismäßig gut und bildete mehrere Systeme flacher Haustorial-
windungen um den Stengel der Wirtspflanze. Aber nach etwa
10 Tagen stellte sie das Wachstum ein, und ihre Sprosse welkten
ab. Eine anatomische Untersuchung ergab, daß Haustorien zwar
in reichlicher Zahl die Rinde der Wirtspflanze durchbohrt hatten
und nach dem geschlossenen Bastfaserzylinder des Stengels hervor-
gedrungen waren, daß aber ihr weiteres Eindringen hier verliindert
worden war. Die äußersten Zellagen des Bastgewebes, das die
bedeutende Mächtigkeit von 5—7 Lagen erreichte, war freilich auf
14:4 ^^^° Gertz,
lange Strecken vom Verbände mit den übrigen Zellkomplexen
derart isoliert worden, daß hanstoriale Zellen sich zwischen die
Zellen eingekeilt hatten; offenbar aber hatten jene nicht die Fällig-
keit gehabt, das kräftige Bastgewebe vollständig zn durchdringen,
um die Elemente des Phloems und Xylems zu erreichen. Besonders
deutlich trat dieses Verhalten auf radialen Längsschnitten durch
den Stengel der Wirtspflanze hervor.
Es ist ja möglich, daß das in den Zellen der Wirtspflanze
sich befindende Glykosid, Digitalin, durch seine Giftigkeit mit-
gewirkt hat, aber die primäre Ursache des Absterbens der Kulturen
dürfte jedoch in diesem Falle das mechanische Hindernis gewesen
sein, das der Hartbastzylinder gegen die Versuche der Haustorien
gesetzt hatte, um liistologische Kontinuität mit den nahrungsleiten-
den Elementen der Wirtspflanze zu erreichen. Es ist nämlich durch
die Beobachtungen Peirces (S. 84) und Kochs (S. 41) deutlich er-
sichtlich, daß Cuscuta-S^YOSHB in ihrer Entwicklung eine bedeutende
Verzögerung durch harte, mechanische Zellelemente erleiden.
Eigene auf diesen Punkt direkt eingerichtete Versuche habe
ich nicht unternommen. Von Interesse ist allerdings folgende
Beobachtung Hildebrands (S. 94) über eine Cuscuta hipuliformis-
Vegetation auf Phragmites communis L. : „Die an den Berührung-
stellen aus der Cuscuta lupuliformis hervortretenden Saugwarzen
hielten sich nur schwach an der Oberfläche der Grasstengel fest,
vielleicht weniger deswegen, weil der Saft der Gräser dem Schma-
rotzer nicht behagte, sondern wohl hauptsächlich aus dem Grunde,
daß die Härte der kieseligen Oberhaut für die zartwandigen Zellen
der Cw^cit^a- Saugwarzen nicht zu durchdringen war". Daß es
Cuscuta schwierig fällt, den Stengel von Equisetum zu durchbohren,
hat schon Peirce gezeigt. Doch liegen andererseits Angaben
über CM5ct(^o-Parasitismus auf Equisetum von Wittrock (S. 14, 16)
und König (vgl. Koch, S. 121) vor, sowie auch auf Juncus
eompressus Jacq., Carex glauca Scop. und C. muricata L. von
Bio mq vi st (S.'364).
Conium maculatum. Auf dieser Pflanze wurde nur eine Cuscuta-
Kultur gemacht, die leider schon nach 14 Tagen zugrunde ging.
Cuscuta schien während dieser Zeit verhältnismäßig gut auf der
Wirtspflanze zu gedeihen, doch war eine in die Augen fallende
Tendenz zur Grünfärbung zu bemerken. Bei der anatomischen Unter-
suchung ging hervor, daß die Haustorien durch das zwischen den
i'bev die Schutzmittel piniger Pflanzen «regen schmarotzende Cuscuta. 145
subepidermaleu Kolleuchymbüudelii in deu Ecken des Steng-els
liegende Chlorenchym in das Grundgewebe der Wirtspflanze hinein-
gedrungen waren und axiale Tracheidenbündel nebst reich ver-
zweigten und vorzugsweise im Phloeni sich ausdehnenden Hau-
storialmycelien entwickelt hatten. Spuren von Desorganisation
dieser Haustorialzellen durch das giftige Koniin beobachtete
ich nicht.
Daß die Kulturen zugrunde gingen, hatte zunächst seinen
Grund in einer Ansiedlung von Blattläusen, welche in auffallendem
Grade die Cz/^atfa -Vegetation beschädigte. Trotz des Bespritzens
mit Parasitol, einer geringprozentigen, durch Auslaugen von Roh-
tabak erhaltenen Infusion von Nikotin, ließen sich die Tierchen
nicht vollständig vertreiben, und die von diesen verursachte Aphiasis
führte wahrscheinlich zum Absterben der Kultur. Vielleicht war die
Resistenz der Cuscuta-Siivosse in iliesem Falle schon früher durch
die Einwirkung des Koniins herabgesetzt. Aber auch an vollkommen
gesunden Cuscuta-Kulturen auf der normalen Wirtspflanze Impatiens
parviflora, wo dieselbe Apliiasis in einigen Fällen auftrat, stellten
die Blattläuse große Verwüstungen an, so daß die Gtsci^^rt-Kulturen
in vielen Fällen verwelkten.
Es wäre sehr interessant gewesen, das weitere Schicksal dieser
Kulturen zu verfolgen, weil ich erwartete, hier eine Parallele zum
^MoZem -Versuch zu finden, eine Vermutung, die mir um so mehr
begründet zu sein schien, als ein oben angeführter Versuch gezeigt
hatte, daß Koniindämi)fe gewissermaßen eine analoge Giftwirkung
wie Exhalationen ätherischer Öle besitzen.
Zur Ermittelung der eventuellen Giftwirkung des Koniins wurde
außerdem ein anderer Versuch gemacht. In diesem benutzte ich
Füedermarkstäbchen, welche unter der Luftpumpe mit O,lpro-
zentiger Wasserlösung des genannten Alkaloids (Mercks Prä-
parat Coniin puriss. wasserhell) injiziert wurden. Zu der Koniin-
lösung war eine Spur Glyzerin gesetzt, um ein Eintrocknen zu
verhindern. In den Versuchen bekam ich zwar Haustorienbildung,
aber Haust orialmycelien entwickelten sich nicht. Cuscuta schien
während des Versuches keinen nachweisbaren Schaden erlitten zu
haben, aber weil das Koniin sich ziemlich rasch vom Stäbchen ver-
flüchtigte, konnte offenbar der Versuch keine Antwort auf die an-
gestellte Frage geben.
Cuscuta europaea ist von Mirande (S. 104) auf Cicuta virosa L.
eingepflanzt worden, wo sie nur ein ephemeres Dasein führte.
Jahrb. f. ^nss. Botanik. LVI. 10
J46 ^^^° Gertz,
Ranunculus arvensis. Cnscuta gedieh vorzügiich auf dieser
Pflanze, und die Kulturen zeigten ein besonders üppiges Aussehen
mit stark ausgeprägter Gelbfärbung der Sprosse. Haustorien waren
überall in die Gewebe der Wirtspflanze eingedrungen und hatten
Kontinuität mit den Gefäßbündeln erreicht.
Mit diesem Resultat harmonieren gut einige in der Literatur
vorliegenden Mtteilungen ,• denen zufolge Cuscuta europaea und
andere Cuscuta- Axt^n als Schmarotzer auf Arten von Ranunculus
[arvensis L. (Sorauer, S. 44, König; vgl. Koch, S. 121), acris L.
(Wittrock, S. 12), bulbosus L. (Blomqvist, S. 364)] und auf
anderen Ranunculaceen, wie Clematis Vitalba L. (Wittrock, S. 12),
Aconitum (Sorauer, S. 44) und Delphinium Ajacis L. (üppig
wuchernd, Hildebrandt, S. 93) beobachtet wurden.
Daß sich doch einige dieser Angaben ohne Zweifel auf mehr
oder weniger kränkliche C^<5CMfrt-Indi^^duen beziehen, geht aus den
Cuscuta-Kiütnren Mirandes (8. 105) auf Aconitum Napellus L.,
Delphinium ornatum Bouche und D. Staphysagria L. hervor, auf
denen sich nämlich der Schmarotzer nur mit Schwierigkeit am
Leben erhielt.
Tropaeolum majus. Zeigte sich als Wirtspflanze für Cuscuta
Gronovii wenig geeignet. Nach einigen Windungen unregelmäßiger,
beinahe konvulsivischer Art um Stengel und Blattstiele von Tro-
paeolum wurden die Cuscuta -Si^YOSse außerordentlich dünn und
kräftig grün, und sobald sich Haustorien ausgebildet hatten, hörte
alles weitere Wachstum auf. Eine anatomische Untersuchung ergab,
daß die Mehrzahl der Haustorien tot waren. An einigen Stellen
konnte doch festgestellt werden, daß sich lebende jüngere — viel-
leicht Ersatzhaustorien — vorfanden, die außerdem in Kontinuität
mit dem Gefäßbündelsystem der Wirtspflanze getreten waren. Fast
überall in Rinde und Gefäßbündeln, wo die Haustorien eingedrungen
waren, waren die Zellen der Wirtspflanze tot und hatten ein rot-
braunes amorphes Pigment entwickelt, welches sowohl die Zell-
membranen als die abgestorbenen Plasmareste tingiert hatte.
Die Cuscuta-KultureTi erhielten sich in diesem Zustande mehrere
Wochen. Die Ursache der ausgeprägt schädlichen Wirkung, die
Tropaeolum als Wirtspflanze auf Cuscuta ausübte, dürfte ihrem
Gehalt an ätherischem Öl zugeschrieben werden. Weil mir kein
Präparat dieser Substanz zur Verfügung stand, konnte ich nicht
experimentell ermitteln, inwiefern diese Vermutung berechtigt war.
über die Schutzmittel einijrer Pflanzen gepen schmarotzende Cuscuta. 147
Wie ich oben erwähnt habe, fand Mirande (S. 119), daß
Cuscuta europaea nnr mit Schwierigkeit auf Tropaeolum^) und auf
einigen mit dieser übereinstimmenden Pflanzen, ^ie Cheiranthus,
Cochlearia, Sinapis und Reseda, vegetierte.
Papaver Argemoyie und Papaver dubium. Kulturversuche auf
diesen Arten zeigten, daß Cuscuta eine bedeutende Entwicklung
erreichte. Die Kulturen, welchen ich während mehr als 4 Wochen
folgen konnte, waren groß und kräftig und trieben reichliche Blüten.
Doch waren alle Sprosse grün gefärbt und entbehrten der kräftigen
Anschwellung der haustorienproduzierenden Stengelglieder (Hausto-
rialsegmente), die normale Cuscuta-KwWwY^w kennzeichnen.
Die Entwicklung, welche die Cw^CM^a-Kulturen hier genommen
hatten, war um so l)emerkenswerter, als die anatomische Unter-
suchung ergab, daß sich bei Cuscuta deutliche Vergiftungssymptome
eingestellt hatten. Die Haustorien waren nämlich stark braun ge-
färbt und erinnerten an dunkle, s<'hwammartige Klumpen infolge
ihres Überzugs von geronnenem Milchsaft. In den Haustorial-
zellen waren gelbbraune, ölartige Tröpfchen zu sehen. In keinem
Falle gelang es deutlich nachzuweisen — die Untersuchung wurde
an einer .3 Wochen alten Cuscuta-KwMwr gemacht — , daß die
Haustorien zu den Gefäßbündeln der Wirtspflanze vorgedrungen
waren, sondern diese Saugfortsätze saßen wie in die Rinde der
Wirtspflanze eingekeilte Zapfen, die keine Haustoiialmycelien aus-
zubilden vermocht hatten. In diesem Zustande, in welchem die
Haustorien nicht in erwähnenswertem Maße hätten normal funk-
tionieren können, scheinen sie jedoch die Fähigkeit gehabt zu
haben, sich verhältnismäßig lange Zeit am Leben zu erhalten.
Der in den Wirtspflanzen sich vorfindende jVIilchsaft übt also
eine schädliche Einwirkung auf eindringende CWcw^a -Haustorien
aus. Andererseits verdient jedoch erwähnt zu werden, daß Cuscuta
europaea auf Papaver somniferum L. (Hildebrand, S. 93) und auf
Chelidonium majus L. (Wittrock, S. 12, 15) als Wirtspflanzen ge-
wachsen ist. Es ist möglich, daß sich Cuscuta europaea hier, gleich
wie gewissen anderen Wirtspflanzen gegenüber, abweichend von
Cuscuta Qronovii verhält, und außerdem ist es nicht uuwahrschein-
*) Offenbar ist es einem Versehen Mirandes zuzuschreiben, daß er auf der
Seite 85 seiner Arbeit Tropaeolum als eine vorzügliche Wirtspflanze für Cuscuta europaea
angegeben hat.
10*
148 Otto Gertz,
lieh, daß, wie es in anderen Cuscuta-Knltm-en der Fall gewesen ist, be-
sonders kräftig ernährte Cuscuta G^ronofii-Individuen auf einer schäd-
lichen Wirtspflanze ein kümmerliches Dasein führen können, während
weniger üppige Individuen derselben Pflanze auf ihr schnell absterben.
Von Interesse sind in dieser Hinsicht zwei von Hildebrand
(S. 93, 94) angeführte Beobachtungen: „Selbst an eine Pflanze von
Papaver somniferum hatte sich die Cuscuta europaea gemacht;
einen Fruchtstiel hatte sie zwar nur schwach umschlungen, aber
in der Frucht selbst hatte sie jedoch von dem Schröpfen abgelassen,
indem allem Anschein nach ihr der Milchsaft des Papaver nicht
behagte. "
Von einem von Cuscuta lupuliformis angegriffenen Chelidonium
majus heißt es weiter: „Es wurden hier nicht nur die Stengel
und Blätter von Cuscuta lupuliformis angesaugt, sondern auch die
Früchte, und es l)lieb nicht nur bei diesem Ansaugen, sondern es
kam auch zur Bildung von dicken Samenkapseln."
Euphorbia Helioscopia. Meine Cuscuta -KxAiwv&n auf dieser
Pflanze zeigten ein ausgeprägt kränkliches Aussehen, und betreffs
der Haustorienentwicklung war eine wesentliche Übereinstimmung
mit den elten beschriebenen Papav er -KwWwr^n zu sehen.
Ich habe schon oben die Kulturversuche Peirces (S. 84, 95)
und Mirandes (S. 105) auf Euphorbia Helioscopia h., E. Myrsinites
L. und E. Lath//ris L. angeführt, aus welchen deutlich hervorgeht,
daß die genannten Pflanzen als Wirte für Cuscuta nicht geeignet
sind. Es soll hier hinzugefügt werden, daß sowohl Euphorbia
palustris L. als auch eine Milchsaft führende Pflanze wie Cynan-
chum Vincetoxicum R. Br. als Wirtspflanzen für Cuscuta europaea
beobachtet worden sind (Wittrock, S. 9, 12). Zweifellos würde
eine nähere Untersuchung der fraglichen Fälle gezeigt haben, daß
die an diesen Pflanzenformen parasitierende Cuscuta früher oder
später zugrunde geht. So war es wenigstens der Fall in der Kultur
Mirandes (S. 85) von Cuscuta europaea auf Cynanchum Vince-
toxicum. Daß Hildebrand (S. 92) Campanula rapunculoides L.,
die ebenfalls Milchsaft führt, als eine gute Nährpflanze für dieselbe
Cuscuta-Art gefunden hat, kann dagegen nicht befremden, weil der
Milchsaft dieser Pflanze giftiger Stoffe entbehrt.
Kulturversuche auf Bhus Toxicodendron wurden auf abge-
schnittenen, in Wasser stehenden Zweigen angestellt. Alle Cuscuta-
Sprosse zeigten deutliche Grünfärbung.
t'ber die Schutzmittel einij;er Pflanzen }re^'en selimarotzende Cuscuta. I49
Im Anst'hluß au die aiig:eführten Versuche solleu einige Ciis-
cuta-KwMwY^n Erwähnung finden und zwar solche, die ich auf
nichtg-iftigeu Wirtspfhinzeu ausgeführt habe. Diese Versuche
scheinen mir nämlich in biologischer Hinsicht von Bedeutung zu
sein, weil es sich hier zeigte, daß Cuscuta dank gewissen den
Wirtspflanzen zukommenden Organisationseigentümlichkeiten anderer
Art nicht zur Entwicklung kam. Die im Versuch vorliegenden
experimentellen Bi'dinguugen sind zwar in der Natur nur selten
realisiert, deuten aber jedoch auf eine Schutzfunktion gegen An-
griffe schmarotzender Cuscuta hin. Die fraglichen Versuche be-
ziehen sich auf Kulturen an Quercus, Pimis, Picea und Larix.
Ein Jahressproß von Quercu^ rohur L. wurde abgeschnitten
und in Wasser gesetzt und mit ihm ein Cuscu/rt- Stengel in
Kontakt gebracht. Nach 3 Wochen, als die Blätter des Wirts-
sprosses vergilbten und al)fielen, unterbrach ich den Versuch, und
es stellte sich dann heraus, daß sich Haustorien in erheblicher
Menge gebildet hatten, aber die dicken Zellwände der Epidermis-
zellen und des kräftigen Hvpodermas im Stengel der Wirtspflanze
nicht hatten durchdringen können, sondern nach der Seite gebogen
worden waren. Vielleicht waren die Haustorien beim Versuche,
die Oberfläche zu durchdringen, an dem glatten, auf dei- Länge
geriffelten Q/^ercus-Stengel abgeglitten. Für diese Vermutung finde
ich darin eine Stütze, daß Äi/ü- Sprosse, deren periphere Gewebe kaum
von dickerer Konsistenz als die der Qi-cu5-Sprosse sind, vorzüg-
liche Wirtspflanzen {\\v Cuscuta Gronovn darstellen (Gertz, I, S. 72;
Spisar, I, S. 330j. Der reichliche Gehalt der Wirtspflanze (Quercus)
an Gerbstoff braucht nicht berücksichtigt zu werden, weil die
Perforation der Epidermiszellen , wie erwähnt, nicht zustande ge-
kommen war.
In Versuchen mit Sprossen von Picea omorica Pancic gelang es
mir auch nicht zu konstatieren, daß die Haustorien in die Blätter
hineingedrungen waren. Offenbar hatten das sklerenchymatische
Hautgewebe und die sehr kräftigen sul)epidermalen Bastbelegungen
ein rein mechanisches Hindernis gebildet. Auf dieselbe Weise
fielen Versuche mit Pinus sylvestris L. aus.
Die Ergebnisse, die aus den Kulturen auf Picea und Pinus
sowie auch auf Larix enropaea DC. hervorgingen, sind noch für
eine andere, mehr theoretische Frage von Bedeutung. Es konnte
nämlich festgestellt werden, daß Haustorien rein lokal und zwar nur
auf den Punkten der Haustorialsegmente, wo ein Kontakt mit einer
150 ^*^° Gertz,
Nadel zustande gekommen war, gebildet wurden. Wenn die Cuscuta-
Sprosse ihre windenden Bewegungen um die nadelbekleideten
Sprosse der Yersuchspflanze ausführten, so legten sich diese nur
auf den Punkten, die von den Nadeln berührt wurden, an die Wirts-
pflanze an. Auf jedem solchen Punkte bildete sich dann ein Hau-
storium, während die dazwischenliegenden Stengelteile haustorien-
frei blieben. Noch deutlicher trat dieses Verhalten an einigen
Picea-Zweigen hervor, wo ich die meisten Nadeln weggeschnitten
hatte, so daß Cuscuta nur auf voneinander ziemlich entfernten
Punkten Berührung mit der Stütze erreichte. Auch hier kamen
nämlich Haustorien ausschließlich auf den Kontaktstellen hervor.
An einem näher untersuchten Haustorialsegment wurden somit nur
zwei Haustorien in einer Entfernung von 2 cm voneinander ge-
funden, die liinsichtlich ihrer Lage den Berührungspunkten zweier
Picf'a-Nadeln genau entsprachen.
Die Versuche bestätigten also sehr deutlich die von Peirce
(S. 74) gemachten Beobachtungen, daß die Haustorienbildung rein
lokal auf dem Kontaktpunkte eintritt und daß eine Leitung dieses
Reizes nicht stattfindet.
Zum Schluß sollen andeutungsweise noch einige Versuche er-
wähnt werden, Cw^cM^a-Kulturen auf Oleome violacea L., Chenopodium
alhum L., Portulaca oleracea L., Allium sphaerocephalum L. und
Myriophyllum proserpinacoides Gill. aufzuziehen. Von den erwähnten
Pflanzen zeigten sich die zwei ersten und s])eziell Cleome violacea
als Wirtspflanzen wenig geeignet, indem die Qiscuta - St^vossb
grün gefärbt ^\^lrden, und ihr Wachstum merkbar verlangsamt
wurde. Daß auch Cuscuta europaea schwierig vegetiert, wenn sie
zum Schmarotzen auf Chenopodium -ArteB angewiesen ist, hat
Mirande (S. 104) gefunden. In der Zusammenstellung Wittrocks
(S. 12) werden Atriplex patula L. und ,,Chenopodia marina succu-
lenta'-'- als Wirte für Cuscuta europaea angegeben.
Auf Portulaca oleracea erzielte ich Cuscuta-KwltMY^w, die ver-
hältnismäßig gut gediehen, weil sie ein üppiges Aussehen hatten
und reichliches Blühen erreichten. Die Haustorien, welche tief in
die Gewebe der Wirtspflanze hineindrangen, waren alle lebend, aber
in den mycelialen Hyphenzellen beobachtete ich große Öltropfen.
Auch meine Kulturen auf Allium sphaerocephalum lieferten
verhältnismäßig kräftige Vegetationen. Allium sp. wird von Witt-
rock (S. 14) als Wirtspflanze für Cuscuta europaea angegeben.
über die Scbutzinittel einiger Pflanzen sogen srhmarotzende Guscuta. 15\
Daß ebenfalls Myriophyllum proserpinacoides mit ihren sub-
niersen Sprossen sich als eine gute Nahrung-spflanze für Cusciita
zeigte, habe ich an anderer Stelle (Gertz, III) beschrieben und
mit dem von Glück (S. 113) beobachteten Verhalten der amphibi-
schen Ciiscuta alba Presl, die auf Isoetes, Batrachium, Echinodorus,
Cham und anderen Wasserpflanzen schmarotzen kann, in Zusammen-
hang gebracht.
Es dürfte eine schwierige Sache sein, auf der Basis des mit-
geteilten Versuchsmaterials, das in einigen angeführten Fällen kaum
etwas anderes als ein Ausgangspunkt für weitere Forschungen ist,
eine zusammenfassende Behandlung der Frage nach den Schutz-
mitteln verschiedener Pflanzenformen gegen Cw.9C?t#a-Parasitismus
zu gel)en. Es geht jedoch aus der obigen Darstellung mit voller
Evidenz hervoi-, daß mehrere in der Organisation der Pflanzen ge-
gründete Eigentümlichkeiten als Schutzeinrichtungen in der ge-
nannten Hinsicht zu betrachten sind.
Um einen orientierenden Rückblick auf die in meinen Versuchs-
reihen erhaltenen Resultate zu geben, mag zuerst hervorgehoben
werden, daß die Wirkung, welche eine Wirtspflanze auf schmarotzende
Cuscuta ausübt, sich unter gi-aduell verschiedenen Formen äußert.
Als allgemeine Symptome, die die Cwscwia- Vegetationen auf Pflanzen
kennzeichnen, die wenig oder gar nicht als Wirt(^ geeignet sind,
sind stets eine mehr oder weniger reichliche Chlorophyllproduktion
und eine stärkere oder schwächere Hemmung des Wachstums
hervorgetreten. In einigen Fällen, wo diese pathologischen Ver-
änderungen nur sehr leicht angedeutet waren, führte die Sjonbiose
zu verhältnismäßig guter Entwicklung des Schmarotzers, welcher
sogar reichliches Blühen und guten Fruchtansatz zeigte. In anderen
Fällen dagegen deuteten die besonders kräftige Grünfärbung der
schmarotzenden Sprosse, das außerordentlich retardierte Wachs-
tum und die hochgradige Hemmung der Blütenbildung auf eine
bedeutende Schwierigkeit dieses Schmarotzers, sich von der fraglichen
Wirtspflanze zu ernähren, und schließlich zeigte in einigen Fällen
die totale Kollabeszenz des Parasiten, daß die Wirtspflanzen die
Existenz des Sclimarotzers aufs Spiel setzten. Es darf in bezug
auf den letzten Punkt nicht unbemerkt bleiben, daß in meinen
Versuchen nur selten dieser Fall realisiert war, daß die Wirkung der
Wirtspflanze auf den Schmarotzer zu seinem Zugrundegehen führte,
sondern daß Cuscuta vielmehr, vorausgesetzt, daß es ihr gelang,
152 Otto Gertz,
einen mehr oder weniger intimen Kontakt mit dem wasserleitenden
System der Wirtspflanze zu erreichen, lange Zeit ein hinsiechendes
Dasein auf dieser führte. In der Hauptsache war dies drei be-
merkenswerten Eigentümlichkeiten zuzuschreiben, die für die Or-
ganisation von Cuscuta eigentümlich sind: nämlich Selbstverdauung
der basalen Sproßteile, Fähigkeit, bis zu einem gewissen Grade als
fakultativ autotrophe Pflanze, dank einer kräftig gesteigerten Chloro-
phyllproduktion, durch Photosynthese selbst organische Nahrung
zu bereiten, und, nach Mirande, Impermeabilität der Haustorial-
zellen für gewisse giftige Substanzen. Die letzterwähnte Eigen-
schaft darf jedoch noch als hypothetisch betrachtet werden, weil
die Untersuchungen Mirandes in diesem Punkte nicht völlig be-
weisend sind^).
Hinsichtlich der Qualität der Mittel, die von verschiedenen Pflan-
zen als Schutz gegen Ct/5c?(^a-Parasitismus in Anspruch genommen
werden und diesen gewissermaßen eine natürliche Immunität ver-
leihen, ersieht man aus dem Bericht über diejenigen Kulturversuche, die
so vollständig durchgeführt worden sind, daß definitive Folgerungen
aus denselben gezogen werden können, daß diese Mittel von
heterogener Natur sind. Ein rein mechanisches Moment machte sich
bei den Zweigen von Quercus, den Blättern von Picea und Pinus
geltend, sowie vielleicht auch bei der Infloreszenzachse von Digitalis,
wo sklerenchymatisch gebaute Zellen und im übrigen Elemente mit
kräftiger Membranverdickung einen hemmenden Einfluß auf das
Eindringen der Haustorieu ausübten. Die große Bedeutung eines
hohen Aziditätsgrades, welche besonders bei Begonia und Oxalis
studiert worden ist, dürfte auf einen Einfluß der ausgeprägten
Giftigkeit des Wasserstoffions zurückgeführt werden. Dem Milchsaft
(Euphorbia und vielleicht auch Papaver), den Alkaloiden (Daiura,
wahrscheinlich auch Hyoscyamus) und im übrigen verschiedenen
Substanzen mit giftigen Eigenschaften (Tropaeolum, Cleome) ist
auf dieselbe Weise eine analoge prophylaktische Funktion zuzu-
schreiben. Ein Einfluß von ätherischen Ölen wurde speziell im
1) Daß Cuscuta gleich wie Viscum album eine ausgeprägte Wahlfähigkeit be-
züglich der Aufnahme von den Nährstoffen der Wirtspflanze besitzt und also in einigen
Beziehungen von ihrer Wirtspflanze unabhängig zu sein scheint, geht aus den Analysen
hervor, die über die chemische Zusammensetzung — vor allem was den Wasser- und
Aschengehalt betrifft — des Körpers des Schmarotzers und der Wirtspflanze gemacht
worden sind. Diese Frage ist besonders von Knop, Zöbl und König näher untersucht
(vgl. Czapek, II, S. 814 und Koch, S. 121;.
über die Schutzmittel einifier Pflanzen o:egen scliiuarotzeiide Cuscuta. 15S
Versuche mit Elsholzia gefunden, wo das Resultat mit den direkt
angestellten Yersucheu über die Giftwirkuug ätherischer Ölexhala-
tioneu übereinstimmte.
Besondere Aufmerksamkeit verdient ein Punkt, auf welchen
ich schon im Bericht über die Pajjaver -Versuche hingewiesen habe,
nämlich die nicht geringfügige Bedeutung, die dem Alter und dem
Yitalitätsgrade der Ci^sc^^^a-Individuen zukommt, wenn sie sich an
ungeeignete Wirtspflanzen anpassen sollen. Für eine endgültige
Behandlung der Frage nach der Wirkung der biologischen Schutz-
mittel sind demnach Beobachtungen an (7M5ci'a- Kulturen erforder-
lich, die aus völlig entwickelten und kräftig vegetierenden Mutter-
kulturen aufgezogen worden sind.
Ein anderer Punkt soll auch erwähnt werden. In den Mit-
teilungen über meine Versuche habe ich schon mehrmals auf die
Tatsache lüngewiesen, daß in den meisten Fällen, wo die Schäd-
lichkeit der Wirtspflanze sich in so hohem Grade geltend machte,
daß das Wachstum der Ct<5c H^a-Sprosse total eingestellt wurde, doch
hier Blütenbildung — meist durch akzessorische Sproßbildung —
eintrat. Offenbar ist durch den pathologischen Zustand der Cuscuta-
Pflanze eine stärkere reproduktive Tätigkeit auf Kosten der vege-
tativen ausgelöst worden. Biologisch gesehen bedeutet dieses
Verhalten, daß Cuscuta mit Aufbieten ihrer letzten Kräfte Produktion
von Samen zu erreichen sucht, imi auf diese Weise die Art zu
erhalten, wenn die Existenz des Individuums durch die schädliche
Wirkung der Wirtspflanze aufs Spiel gesetzt wird.
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Gesetzmäßigkeiten
im kompensierenden Verhalten parallel und gegen-
sinnig wirkender Licht- und Massenimpulse.
Von
Adolf Sperlich.
Mit 7 Textfiguren.
Nachdem v. Gutteuberg- sich iu Leipzig imd Graz mit der
Frage des Zusanimeiiwirkens vou Geo- und Phototropismus in
parallelotropen Organen beschäftigt und gezeigt hatte ^), daß bei
äußerst geringen Lichtintensitäten eine schließliche Kompensation
in der tropistischen Wirkung von Schwerkraft und Licht derart
eintritt, daß ein parallel und gegensinnig von den zwei Faktoren
beeinflußtes Organ in der resultierenden Horizontalen geradlinig
weiterwächst, wurde die Frage trotz der vielen ungelösten Probleme,
die sich an die genannten Versuchsergebnisse knüpfen, nicht mehr
experimentell in Angriff genommen. Oder vielleicht gerade wegen
dieser Probleme. Denn bei Verfolgung der neuereu und neuesten
Arbeiten, die sich die Vertiefung unserer Einsicht in den Mechanis-
mus der photo- und geotropischen Reizbewegungen zum Ziele setzen,
gewinnt man den Eindruck, daß \\ir bisher allein im Reizmengen-
gesetze, sofern es sich auf die erste sichtbare Ablenkung eines
radiären Organs von der geraden Wachstumsrichtung bezieht, eine
relativ gesicherte, wenig umstrittene Tatsache-) besitzen, während
i; V. Guttenberg, tJber das Zusammenwirken von Geotropismus und Heliotro-
pismus in parallelotropen Pflanzenteilen. Jahrb. f. wiss. Bot., Bd. 45, 1908. — Der-
selbe, Über das Zusammenwirken von Geotropismus und Heliotropismus und die tro-
pistische Empfindlichkeit in reiner und unreiner Luft. Jahrb. f. wiss. Bot, Bd. 47, 1910.
2) Doch machen sich auch Stimmen gegen die absolute Sicherheit von Schwellen-
bestimmungen und deren Verwendbarkeit zur Beurteilung der Empfindlichkeit geltend;
156 Adolf Sperlich,
die Meinimgeu über alle Vorgäng-e vor und nach Überschreitung-
der Schwelle noch sehr des klärenden Ausgleiches bedürfen. Dies
gilt in ganz besonderem Maße für die tropistische Wirkung des
Lichtes, zu der sich bald mehr bald weniger offenbar eine tonische
Wirkung gesellt, deren Gesetzmäßigkeiten und Beziehungen zum
tropistischen Effekt noch nicht feststehen. Denn die Bemühungen
der Forscher nach Pringsheim^), dem wir eine gewissermaßen
immer noch befriedigende Theorie des phototropischen Verhaltens
verdanken^), machten uns bloß mit der Tatsache bekannt, daß der
Stimmungswechsel im motorischen Effekte viel häufiger und mannig-
faltiger zum Ausdrucke gebracht werden kann, als es seit den
Versuchen Oltmanns"^) den Anschein hatte.
Von allen Bedenken möglichst frei, stellte ich mir vor einem
Jahre .die Frage: gibt es eine Lichtmenge, einer Massen Wirkung
von bestimmter Intensität und Dauer der Bichtung nach parallel
und gegensinnig angreifend, die jede Krümmungstätigkeit eines
parallelotropen Organs verhindert. Wenn ja, wie muß ich die
Lichtmenge bei Steigerung von Dauer oder Intensität der Massen-
wirkung, wie diese Faktoren bei Steigerung jener verändern, um
immer wieder Kompensation zu erhalten. Mein Ziel war also die
vollkommene Kompensation im motorischen Effekte zweier hete-
rogener, parallel, gegensinnig und gleichzeitig wirkender Reize
von bestimmter Intensität und Dauer und die Aufdeckung einer
möglichen Gesetzmäßigkeit in deren wechselseitigen Beziehungen.
Es sollten sich demnach meine Versuche von denen Guttenbergs
und früherer Forscher^), die sich mit dem Probleme befaßt haben,
fürs erste dadurch unterscheiden, daß ich nicht eine Gleichgewichts-
vgl. die Zusammeiiistelhmg bei Noack, ])ie Bedeutung der schiefen Lichtrichtung für
die Helioperzeptiou parallelotroper Organe. Zeitschr. f. Bot., Bd. 6, 1914, S. 5 — 7.
1) K. Frings heim jun., Einfluß der Beleuchtung auf die heliotropische Stim-
mung. Beitr. z. Biolog. der Pflanzen, Bd. 9, 1909. — Derselbe, Einfluß der Beleuch-
tung auf die heliotropische Stimmung. Ebenda. — Derselbe, Heliotropische Studien.
Ebenda, Bd. 10, 1911. — Blaauw, Die Perzeption des Lichtes. Rec. des travaux bot.
neerl., Bd. 5, 1909. — Arisz, On the connection between Stimulus and eti'ect in photo-
tropic curvatures of seedlings of Avena sativa. Sitziuigsber. der Amsterdamer Akademie,
1911- — 0. L. Clark, Über negativen Phototropismus bei Avena sativa. Zeitschr. f.
Bot, Bd. 5, 1913. — Arisz, Positive and negative phototropy of the apex and base
in oat-seedlings. Eef. in Zeitschr. f. Bot., Bd. 6, 1914, S. 454.
2). Pringsheim, 1909, a.a.O., S. 453 ff'.
3) Oltmanus, Über positiven und negativen Heliotropismus. Flora, Bd. 83, 1897.
■i) Vgl. die Literaturangaben bei Guttenberg, 1908, a. a. 0., S. 193ff'.
(iesetzmäliigkeiten im kompensierenden Verhalten usw. X57
läge suchte, die sich erst uach einiger Krümmuugstätigkeit ein-
stellt, sondern von allem Anfange an jeden tropistischen Effekt
ausgeschaltet haben wollte. Sie unterscheiden sich auch dadurch,
daß auf Grund der neuen Erkenntnisse nicht nur die Intensität
des Reizes, sondern auch die Eeizdauer berücksichtigt ist.
Über die bisherigen Ergebnisse meiner Untersuchung, die das
in Frage gestellte Problem lange nicht restlos lösen, soll in den
folgenden Zeilen berichtet werden; sie sind als bescheidener Bei-
trag für die Ehrung Pfeffers gedacht, dessen im Handbuche
niedergelegte (ledanken wohl den Großteil der Forschung über die
Reizerscheinungen im Pflanzenreiche angeregt und befruchtet haben.
Methode.
Soll es sich um das Studium der gemeinsamen Wirkung zweier
bestimmter Faktoren handeln, so ist vor allem darauf zu achten,
daß alle übrigen übersehbaren Faktoren möglichst konstant sind.
Dies gilt, wie bekannt, für Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Alter und
Beschaffenheit des Versuchsmaterials und in ganz besonderer Weise
für die stoffliche Zusammensetzung der Atmosphäre. Spuren gas-
förmiger Verunreinigungen der Luft beeinflussen das geo- und
phototropische Verhalten, wie uns 0. Richter in einer Reihe von
Arbeiten gezeigt hat M- Bezüglich des Phototropismus hat Richter
erst jüngst gezeigt, daß die Reizschwelle in unreiner Luft bedeutend
tiefer liegt als in reiner Luft-), so daß hier wohl von einer Er-
höhung der Empfindlichkeit und nicht bloß von einer Änderung
im verfolgbaren tropistischen Gesamtverhalten gesprochen werden
darf. Es ist erinnerlich, daß v. Guttenbergs Angaben über die
ünbeeinflußbarkeit des Heliotropismus durch Laboratoriumslicht"')
Richter zu erneuten Llitersuchungen über diese Frage veranlaßt
haben.
Meine Versuche wurden im Dunkelzimmer des neuen Inns-
brucker Institutes ausgeführt. Die Luft ist hier wie in allen an-
grenzenden Räumen vollkommen frei von Leuchtgasspuren ^). Die
1) Diese sind in der letzten Veröffentlichung durchwegs berücksichtigt: 0. Richter,
ITber die Steigerung der heliotropischen Empfindlichkeit von Keimlingen durch Narkotika.
Sitzungsber. der Wiener Akademie, 1912. Bd. 121, Abt. I. S. 1225 und 1226.
2) A. a. 0., S. 1208.
3) V. Guttenberg, 1910, a.a.O., S. 482 ff.
i) tJber die Lage des Raumes und des ganzen Institutes vgl. Heinrich er, Das
neue botanische Institut der Universität Innsbruck, G. Fischer, .lena 1914.
X58 Adolf Sperlich,
Beheizung erfolgt durch Wasserdampf. Durch einen sehr kräftigen,
elektrisch betriebenen Ventilator kann jederzeit ohne Lichtzutritt
sowohl Luft aus dem Freien eingesogen als auch die Luft aus
dem Räume entfernt werden. Die einzige Möglichkeit zu gas-
förmigen Verunreinigungen könnte der Anstrich der Möbel, Türen,
Fenster und Heizkörper bieten. Das Dunkelzimmer stand jedoch
vor der Benützung durch ein ganzes Jahr, Winter und Sommer
— während des Winters in geheiztem Zustande — offen, so daß
sich der Geruch, den frisch gestrichene Gegenstände aussenden,
vollständig verloren hatte. In dieser Hinsicht dürften auch in
einem Gewächshause mit seinen vielen gestrichenen Eisenbestand-
teilen kaum andere Verhältnisse anzutreffen sein. Die Temperatur
ließ sich durch Regulation der Heizung zwischen I7V2 und 19^2^ C
erhalten, die Feuchtigkeit um 60 "/o. Zur Einhaltung dieses Feuchtig-
keitsgrades wurde der ganze Boden des Raumes täglich je nach
Bedarf mit einer Brause befeuchtet. Der aus Terrazzo hergestellte
Boden verträgt dies ohne Schaden.
Gearbeitet wurde ausschließlich mit 0,8 l)is 1,2 cm laugen
Koleoptilen von Avena sativa, über d(;ren Verwendbarkeit jedes
Wort überflüssig ist. Das Samenmaterial wurde auf einmal am
Orte bezogen, nachdem eine Probe gezeigt hatte, daß bei Auswahl
von Samen möglichst gleicher Größe die daraus erwachsenden
Keimpflanzen sich in bezug auf Keimung, Wachstum und Krüm-
mungsfähigkeit befriedigend und gut übereinstimmend verhielten.
Die Auslese des Versuchsmaterials war eine dreimalige. Zu-
nächst wurden von den durchaus entspelzten Früchten, wie schon
gesagt, nur möglichst gleiche gewählt. Die Früchte kamen sodann
wurzelrecht in mit mäßig feuchtem Sägemehl gefüllte Keimschalen
und erwuchsen hier in drei Tagen zu Keimlingen, deren Koleoptile
beiläufig die Höhe der Frucht erreicht hatte. In diesem Zustande
fand die zweite Auslese statt. Nur Keimlinge mit gleichmäßig
und gerade gewachsener Koleoptile wurden weiter verwendet.
Nach vorsichtiger Abspülung der Würzelchen wand ich um Frucht,
Koleoptile und Wurzelansatz einen entsprechend breiten Watte-
streifen, welcher zusammengerollt als Befestigung des Pflänzchens
in der Öffnung des Kulturgefäßes diente. Aus Gründen, auf die
gleich eingegangen werden wird, mußte jedes Pflänzchen sein
eigenes Kulturgefäß haben. Die nebenstehende Fig. 1 a zeigt eines.
Es ist aus einem 1 cm weiten Glasrohre hergestellt, 3 cm hoch,
von 2V2 ccm Inhalt. Am zugeschmolzenen Ende trägt es ein 1 cm
OesetzmälMirkeiieii im koiiiiieiit-iereiiden Verhalten usw.
159
langes Glasstäbcheu, welches in eine entsprechende Bohrung" eines
Korkes (Fig. Ib) gesteckt wird, womit das Röhrcheu seinen Halt
gewinnt. Gewöhnlich wurden für jeden Versuch 50 solche mit
Brunnenwasser gefüllte Röhrchen beschickt, Sie staken in 1 cm
hohen Korken, die auf Holzl>rettchen festgemacht waren.
Die Fig. 1 a zeigt, bis zu welcher Größe die Koleoptile in
weiteren 18 — 24 Stunden nach der Überpflanzung in das Röhrchen
heranwuchs, und Vei-gleiche mit Sämlingen, die in Sägemehl belassen
oder in Erde pikiert wurden, zeigten, daß das Wachstum in jedem
Falle gleichen Schritt hielt. Im dargestellten Stadium, also 18 — 24
Stunden nach der Verpflanzung in die Röhrchen kamen die Keim-
linge in Gebrauch und zwar höchstens
für weitere 8 Stunden. Es zeigten
übrigens die in den Röhrchen wach-
senden Pflanzen auch in den nächst-
folgenden Tagen keine Wachstums-
hemmung gegenüber den Keimlingen
in anderem Sul)strate. NachEn-eichung
einer Länge von 2 cm oder etwas später
begannen alle mit recht ansehnlichen
einfachen Nutationon und Zirkuinnuta-
tionen, Erscheinungen, die nach den
Erfahrungen Richters in reiner Luft
stets eintreten. Das vorzeitige Aus-
wachsen der Hypokotyle, das Xoack
nach seinen Erfahrungen als Folge un-
genügender Feuchtigkeit betrachtet^),
konnte bei Keimung und Kultur in nicht
allzuhoher Temperatur (um 17^'C) stets
vermieden werden. Vor jedem Versuche fand die dritte Auslese
statt, indem von den jeweiligen 50 Röhrchen meist nur 18 mit
den gleichmäßigsten Pflänzchen in Verwendung kamen. Die Mani-
pulation mit den Röhrchen ist eine sehi' angenehme, es wird hierbei
jede Berührung des Keimlings, dessen Kontaktempfindlichkeit erst
jüngst wieder Wilschke gezeigt hat-), ausgeschaltet.
Fig. 1.
1) Noack, a. a. 0., S. 16 und 17.
2) Wilschke, Über die Verteilung der phototropischen Sensibilität in Gramineen-
keimlingen und deren Empfindlichkeit für Kontaktreize. Sitzungsber. der Wiener Aka-
demie, 1913, Bd. 122, Ab. I, S. 101 ff.
\QQ Adolf Sperlich,
Ich hatte gleich die Absicht, die Wirkung der Erdschwere
durch den zentripetalen Trägheitswiderstand bei kreisförmiger Be-
wegung („Fliehkraft") zu ersetzen und hierbei Wirkungen von
7 — 20 g in Anwendung zu bringen. Es sollte hierdurch eine
kürzere Reizdauer und ein rascheres Verstärken der Krümmung
ermöglicht werden und so der Unterschied bei Einwirkung variierter
antagonistischer Lichtimpulse besser hervortreten.
Als Zentrifuge benutzte ich einen Apparat, den ich in Inns-
bruck unter Zugrundelegung der Einrichtung der elektrisch be-
triebenen Klinostaten des Leipziger Institutes vom Mechaniker
Karl Graß ausführen ließ. Unter Hinweis auf die Abbildung
S. 511 in Bd. .50 dieser Jahrbücher möchte ich bemerken, daß sich
die Klinostatenachse durch direkte Verbindung mit der Achse des
Motors oder mit einer der ersten daran angeschlossenen, etwas
verlangsamten Achsen leicht zu einer Zentrifugenachse umgestalten
läßt, wenn nur das Lagergestell genügend fest und zitterfrei ge-
baut ist. Dem wurde bei der Konstruktion Rechnung getragen^).
Auf das eine Ende der horizontalen Botationsachse kam eine exakt
zentrisch gebaute Scheil)e, auf welcher in 6 Kreisen 36 gebohrte
Korke festgemacht waren. In diese wurden die vorhin beschriebenen
Gläschen mit den Keimlingen gesteckt. Die angeschmolzenen Glas-
stäbchen mußten freilich bei öfterer Versuchswiederholung wegen
der Erweiterung der Korkbohrung nach Bedarf mit Watte umwickelt
werden. Ich will gleich bemerken, daß diese Fixierung auch viel
stärkeren Schleuderkräften, als sie bei meinen Versuchen in An-
wendung kamen, tadellos standhält. Die Verteilung der Gläschen
auf der Rotationsscheibe wird aus Fig. 2 bei B ersichtlich. Die
gebohrten Korke sind zu je 6 in Entfernungen von 4, 6, 8, 10, 12
und 14 cm vom Mttelpunkte angebracht und zwar so, daß kein
Gläschen ein anderes in radialer Richtung deckt.
Die Wirkung der zugeführten Reizmengen wurde stets bei
langsamer Rotation um die horizontale Klinostatenachse verfolgt,
wobei die Pflanzen dieser parallel orientiert waren. Um nun den
Übergang von der schnellen zur langsamen Klinostatendrehung
möglichst geschwind und ohne Verlagerung der Versuchspflanzen
durchzuführen, stellte ich neben den als Zentrifuge dienenden Klino-
1) Eine genaue Beschreibung dieses in seiner mannigfaltigen Verwendbarkeit be-
sonders für kleine Institute recht empfehlenswerten, vom genannten Mechaniker sehr
«xakt ausgeführten Apparates wird an anderer Stelle erfolgen.
Gesetzmäßigkeiten im kompensierenden Verhalten usw.
161
stateu einen zweiten ähnlichen, doch nicht so vielseitig verwend-
baren Klinostaten {K in der Figur) auf, dessen langsam rotierendes
großes Transmissionsrad T mit der Zentrifugenachse verbunden
werden konnte. Die Aufeinanderfolge der Handgriffe war bei diesen
Versuchen folgende: Einsetzen der Gläschen mit den Keimlingen
auf die zunächst horizontal auf dem Tische liegende Scheibe, An-
lassen des Motors Mi , Anstecken der Scheibe an die langsam rotie-
rende Achse, Stoppen des Motors l/i und gleichzeitige Lockerung
des Siemens ri , Anlassen des Motors M2 , wobei zu möglichst
prompter Erzielung der gewünschten Rotationsgeschwindigkeit zu-
/,
;^?^
Fig. 2.
nächst mehr Strom durchgelassen wurde, Regulierung durch Ein-
schaltung des entsprechenden Widerstandes, nach Ablauf der fest-
gesetzten Reizdauer Stoppen des Motors M2 und gleichzeitig starkes
Bremsen der Achse, neuerliche Spannung des Riemens n unter
gleichzeitiger Einschaltung des Motors Mi (Beginn der langsamen
Drehung). Die Zeitmessung erfolgte mittels Stoppuhr, die stets
gleichzeitig mit dem Anlassen von Motor Mo in Gang gesetzt wurde.
Den Übergang von rascher zu langsamer Drehung konnte ich nach
einiger Übung in 5 — 10 Sekunden bewerkstelligen.
Geradeso wie die Massenwirkung für sich allein, mußten auch
die Lichtmengen, die beim Zusammenarbeiten der beiden Reize in
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI.
11
2ß2 Adolf Sperlich,
Anwendung kamen, in ihrer spezifischen Wirkung auf das Ver-
suchsobjekt geprüft werden. Hierzu wurden die Keimlinge in ihren
Gläschen senkrecht zur horizontalen Achse des Klinostaten K
orientiert und rotierten, während Licht von entsprechender Inten-
sität und Dauer einseitig und rechtwinklig auf sie fiel. Die Korke
zur Aufnahme der Gläschen waren bei diesen Versuchen in Reihen
zu 6 auf dickeren Korkleisten befestigt, diese wiederum in gewöhn-
lichen Tongefäßen entsprechend eingegipst. Die Tongefäße kamen
in bekannter Weise ^) in die mit rechtwinklig gebogenem Halter
ausgestatteten Klinostatenringe.
Für das gleichzeitige Zusammenwirken beider Reize war an
folgende Versuchsanordnung zu denken: Einstecken der Gläschen
nicht senkrecht auf die Rotationsscheibe, sondern unter einem be-
stimmten Winkel und zwar stets in der Ebene des Scheibenradius
und rasche Drehung unter gleichzeitiger senkrechter Beleuchtung
der Rotationsscheibe. Von dieser allerdings sehr einfachen Ver-
suchsanordnung wurde jedoch zunächst deshalb abgesehen, weil
hierbei sowohl die Massen- als auch die Lichteinwirkung nur unter
Winkeln erfolgen konnte, für welche die entsprechenden Reiz-
momente jedes Agens wieder durch eigene Versuche hätten fest-
gestellt werden müssen. Um bei der Verfolgung des Kompeusations-
problems nicht neue Unbekannte zu den ohnedies reichlich vor-
handenen hinzuzuführen, mußte eine Versuchsanordnung gefunden
werden, die eine parallele, in bezug auf das Organ orthogonale
und gegensinnige Reizrichtung ermöglichte. Dies wurde dadurch
erreicht, daß jeder Keimling während der raschen Drehung auf
der Zentrifuge in einer phototropischen Kammer stak, in welcher
er von den rings um die Scheibe angeordneten Lampen (Fig. 2,
Li Z/2 Z>3 Lx) einseitig und stets in der Richtung des Radius
Licht empfing. Fig. Ic zeigt die Einrichtung dieser Kammern:
ein 7 cm hohes und innen 15,25 mm weites, an einem Ende gut
verschlossenes Röhrchen aus mattschwarzer Pappe, welches an
einer Seite unter dem geschlossenen Ende einen 3 mm breiten und
25 mm langen Spalt für den Lichtzutritt trägt. Die Dimensionen
des Pappröhrchens sind so gewählt, daß es gerade über das in
der Korkbohrung steckende Gläschen und über den Kork selbst
paßt und daß hierbei der untere Rand des Spaltes etwas über
l) Vgl. Sperlich, Über Krümmungsursachen bei Keimstengeln und beim Mono-
kotylenkeimblatte. Jahrb. f. wiss. Bot., Bd. 50, 1912, S. 512.
Gesetzmäßigkeiten im kompensierenden Verhalten usw. 163
den oberen Gläschenrand zu liegen kommt. Derart wird bei guter
Zentrierung des Keimlings und senkrechtem Lichteinfall die ganze
Koleoptile und nur diese von einseitigem, normal gerichtetem
Lichte getroffen. Um eine Lockerung und Verlagerung des dunklen
Röhrchens während der raschen Drehung zu verhindern, sind am
unteren offenen Rande zwei feste Laschen angebracht, durch
die mit kleinen Haken versehene Reißnägel gesteckt werden
können. Diese befestigen das Röhrchen au der Korkplatte, mit
der die ganze Rotationsscheibe gleichmäßig bedeckt ist. Die be-
schriebene Versuchsanordnung erklärt auch die Wahl der Glas-
röhrchen als Kulturgefäße, was zunächst dem Fernstehenden gewiß
befremdlich erscheint.
Bei den Versuchen mit antagonistischer Reizung durch Licht
und Masse vermehrten sich die vorhin aufgezählten Handgriffe um
folgendes: 1. Nach Befestigung der Gläschen mit den wohlzentrierten
Keimlingen auf der horizontal auf dem Tische liegenden Scheibe
wurden die Pappröhrclien dariibergestülpt und nach Bedai-f mit
Nägeln befestigt. Es wurde genau darauf geachtet, daß der Spalt
jeweilig in die Richtung des Radius fiel, der Keimling demnach
bei der folgenden Rotation ausschließlich in radialer Richtung voll
beleuchtet wurde. 2. Gleich nach Ablauf der schnellen Drehung
erfolgte vorsichtig und rasch die Entfernung der Pappröhrchen,
um die Beobachtung der Reaktion zu ermöglichen. Dies Abheben
geschah während der langsamen Klinostatendrehung und war nach
einiger Übung in 5 Minuten zu bewältigen. Um ein gegenseitiges
Anstoßen und Verschieben der Dunkelröhrcheu beim Arbeiten zu
verhindern, kamen bei den Versuchen mit zweifacher Reizung nicht
alle 36 Plätze der Scheibe in Verwendung, sondern nur 18, wobei
bald die Radien 4, 8 und 12 cm, bald die Radien 6, 10 und 14 cm
benutzt wurden. Zu diesen Versuchen mußte eine Hilfsperson zu-
gezogen werden, die auf ein gegebenes Kommando das Licht ein-
und ausschaltete. Es ist leicht einzusehen, daß in jedem Versuche
drei verschiedene Verhältnisse zwischen Licht- und Massenreiz
hergestellt waren, indem die mit verscliiedenem Radius kreisenden
Keimlinge infolge der abweichenden Entfernung von den Licht-
quellen auch von versclüedener Lichtintensität getroffen wurden.
Daß diese Einrichtung die Auffindung eines Kompensationspunktes
wesentlich erleichtern mußte, ist klar.
Es erübrigt noch, mit ein paar Worten auf die Beleuchtungs-
weise und -dauer bei der raschen Drehung einzugehen. Aus einer
11*
164 ^--"-"
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Fig. 4.
der Zustand längstens eine weitere halbe Stunde mehr oder
weniger stationär, und nach Ablauf von 2 Stunden, bei schwächerer
Reizung auch viel früher, setzten die Keimlinge stets mit lebhafter
Zirkumnutationsbewegung ein. Ein Ausgleich der Krümmung er-
folgte innerhalb der Beobachtungszeit nur bei schwächerer Reizung
und dementsprechend schwacher Krümmung, bei der Mehrzahl der
Versuche konnte selbst nach 8 Stunden wohl eine Veränderung
der Keimlingskonturen, niemals jedoch ein recht ansehnlicher Aus-
Gesetzmäßigkeiten im kompensierenden Verhalten usw. 17 X
gieich in der Krümniuiig uacligewiesen werden^). Eine Vorstellung-
vom Krümmungszustand der Keimlinge eine und zwei Stunden nach
einer Exposition von 2 Minuten gibt Fig. 4. Die Darstellung er-
folgte auf Grund von Scliattenbildern, die bei rotem Licht direkt
auf der langsam rotierenden Scheibe abgenommen wurden. Nach
länger andauernden Reizen denke man sich die Keimlinge der
kleineren Radien in einem Krümmungszustande, wie ihn in der
Figur die Keimlinge mit größerem Rotationsradius zeigen, diese
selbst aber etwa zu einem Viertel des Kreises gekrümmt. Eine
stärkere Einkrümmung kam nicht zur Beobachtung.
Nicht so klar und eindeutig waren die Resultate, die mit den
phototropischeu Versuchen erzielt wurden. Es ist daher auch un-
möglich, hier auf Fragen abschließend zu antworten, wie sie durch
die Versuche Clarks-) und neuerdings wieder durch die Arisz'^)
angeschnitten wurden. Peines jedoch will ich bemerken: der mo-
torische Effekt scheint mir in seinem Gesamtverhalten von der
Menge des zugeführten Lichtes viel weitergehend abhängig, als es
sich aus den Ergebnissen der bisherigen Forschung ergibt. Da
meine Versuche mir ein sicheres Urteil weder über die Abhängig-
keit der Reaktionszeit noch über die Pendulationsvorgänge gestatten,
die häufig vor dem Auftreten der endgültig im eingeschlagenen
Sinne verharrenden Krümmung zur Beobachtung gelangen, möchte
ich mich darauf beschränken, über den Grad und die Dauer der
endgültigen Krümmung etwas zu sagen.
Verlängert man in aufeinanderfolgenden Versuchen die Ex-
positionszeit bei was immer für einer Lichtintensität, so wird in
der Reaktion je nach dem gewählten Ausgangspunkte entweder ein
1) Weiter wurde der Vorgang nicht verfolgt. Über die Abhängigkeit der Aus-
gleichsbewegung von dem erreichten Krümmungsgrade vgl. auch Simon, Untersuchungen
über den autotropischen Ausgleich geotropischer und mechanischer Krümmungen der
Wurzel; Jahrb. f. wiss. Bot., Bd. 51, 1912, S. 106 ff. Zum Studium autotropischer Aus-
gleichsbewegungen scheinen die AveMa-Koleoptilen wegen der starken, im Dunkeln auf-
tretenden Zirkumnutationen nicht sehr brauchbar. Auch das Baranetzkysche Phänomen
der Gegenkrümmung TBaranetzky, t'ber die Ursachen, welche die Richtung der Aste
der Baum- und Straucharten bedingen; Flora, Ergbd. 89, 1901), um dessen nähere Er-
gründung sich erst jüngst Härder vergeblich bemüht hat (Härder, Über den auto-
tropischen Ausgleich mechanisch aufgezwungener Krümmungen des Sprosses; Ber. der
Deutsch. Bot. Ges., Bd. 32, 1914, S. 197), wurde mir durch entsprechende Drehung der
ursprünglichen Krümmungsebene öfter vorgetäuscht.
2) Clark, 1913, a. a. 0.
3) Arisz, 1914, a. a. 0.
J^72 Adolf Sperlich,
Fallen bis zur schließlichen motorischen Indifferenz oder ein
Steigen bis zum motorischen Maximaleffekte offenbar. Fallen und
Steigen ergeben sich aus dem Grade der erzielten Krümmung, aus
der Zahl der gekrümmten Individuen einer Yersuchsserie und
schließlich, worauf noch niemals hingewiesen wurde, aus der
Dauer des krümmenden Wachstums. Während gewisse Licht-
mengen im Dunkeln eine nachträgliche Krümmung erzielen, auf
welche schon nach 2 — 3 Stunden Zirkumnutationen und Ausgleichs-
bewegungen folgen, beeinflussen andere Lichtmengen die Koleoptile
derart, daß sie noch nach 8 — 12 Stunden streng in der einge-
schlagenen Richtung, die Krümmung verstärkend, weiterwächst.
Wir können also durch Variation der Lichtmenge ähnliche Ver-
schiedenheiten im motorischen Effekte erzielen, wie sie 0. Richter
bei ein und derselben Lichtinduktion durch reine und unreine Luft
hervorrufen konnte^). Diese beiden Tatsachen zusammengenommen
sind nebenbei ein Beweis für die Verschiebung der phototropischen
Struktur durch Narkotika.
Der motorische Effekt pendelt also, wenn wir zunächst von
der Umschaltung des Krümmungssinnes absehen, bei Steigerung
der Lichtzufuhr um zwei Punkte: die motorische Indifferenz und
das Krümmungsoptimum. Dazu kommt für gewisse Lichtmengen
noch die ümschaltung des Krümmungssinnes. Dies Variieren des
motorischen Effektes ist im Prinzipe .seit Oltmanns' und ganz
besonders seit Frings hei ms Untersuchungen wohlbekannt.
Blaauw trachtete für das Eintreten der Indifferenz und der
negativen Reaktion schließlich für das erneute positive Krümmungs-
bestrebeu die Gültigkeit des Reizmengengesetzes zu erweisen,
Clark entdeckte auch bei geringen Lichtintensitäten und kleinen
Lichtmengen negativ phototropische Reaktionen, Arisz, wenn ich
recht verstehe, ein Zunehmen und dann wieder Abnehmen des
KrümmungsgTades bei Steigerung der Reizmenge bis zu 100 MKS,
aus meinen Versuchen endlich, die bloß der Orientierung dienten,
scheint heiTorzugehen, daß fortschreitende Lichtmengen schon vor
Erreichung der von Blaauw und innerhalb der von Clark an-
gegebenen MKS eine mehrmalige wellenförmige Zu- und Abnahme
im motorischen Effekte bedingen. Alle diese Tatsachen bringen
uns in der Erklärung des Phänomens nicht weiter, als Pringsheim
auf Grund seiner Versuche gelangt ist. Ihm ist der schüeßliche
1) 0. Eichter, 1912, a. a. 0., S. 1203, Taf.-Fig. 8 u. 9.
Gesetzmäßigkeiten im kompensierenden Verhalten usw. 173
Effekt bekanntlich die Resultierende aus der tropistischen Er-
regung und der Stimmung, welche durch das Licht an sich
verändert wird. Es ist hier nicht der Platz, auf die Prings-
h ei m sehe Theorie im einzelnen und ihre Anwendbarkeit für alle
gefundenen Tatsachen näher einzugehen, es sei nur bemerkt, daß
eine Vertiefung unserer Einsicht vielleicht von Versuchen zu er-
hoffen wäre, welche uns exakt zeigten, wieviel sich des einseitig
A\arkenden Lichtes durch allseitiges Licht zur Erzielung be-
stimmter, scharf faßbarer motorischer Effekte ersetzen läßt. Was
bis heute an entsprechenden Versuchen vorliegt, ist nicht aus-
reichend und birgt zudem in den Eesultaten noch ungeklärte
Widersprüche ^).
Für unsere folgenden Koiupensationsversuche war es mchtig,
gesehen zu haben, daß, im Gegensatze zu dem stetig zunehmenden
Effekte bei Steigerung der Massen Wirkung, das Licht bei Stei-
gerung seiner Menge, sei es durch Erhöhung der Inten-
sität, sei es durch Verlängerung seiner Wirkung, einen
wellenförmigen Wechsel des motorischen Effektes be-
dingt^). Wenn wir von schwachen Schwingungen absehen, auf
die schon vorhin aufmerksam gemacht wurde, und deren exakte
Verfolgung sich gewiß lohnte, so kann der Zeitpunkt für den Ein-
tritt der endlich bleibenden Krümmung für die verwendeten Licht-
mengen ^) mit 30 — eOlVIinuten angegeben werden. Eine Verstärkung
der Krümmung bis zu einem Grade, wie er durch Massenmrkung
erzielt wurde, konnte, wenn überhaupt, erst nach Ablauf von
2 Stunden oder noch viel später erreicht werden, oft zu einer
Zeit, da der durch die Massenwirkung geschaffene Zustand offen-
bar schon im Ausklingen begiiffen oder schon ganz ausgeklungen war.
Mit Rücksicht auf diese Ergebnisse war eine Möglichkeit der
Kompensation ausgeschlossen: die Kompensation während
1) Clark, a. a. 0., S. 750. Meines Erachtens ist die Äußerung des Verfassers,
durch seine Versuche Pringsheims Theorie den Boden entzogen zu haben, zu weitgehend
und solange verfrüht, als die Differenzen im Ausfalle der Pringsheimschen und seiner
Versuche über Verlängerung bezw. Verkürzung der Präsentationszeit nicht geklärt sind.
2) Nach den Untersuchungen von M. M. Riß (Über den Einfluß allseitig und in
der Längsrichtung wirkender Schwerkraft auf Wurzeln; Jahrb. f. wiss. Bot., Bd. 53, 1914)
konnte in der Tat ein tonischer Einfluß diffuser Schwerewirkung für Intensitäten von
0,6 — 20 g nicht gefunden werden.
3) Es wurde die Mehrzahl der Lichtmengen geprüft, die sich bei den folgenden
Versuchen angegeben finden, allerdings nicht intermittierend; vgl. übrigens die
Bemerkung hierzu auf S. 164.
174 ^dolf Sperlich,
der von den beiden antagonistischen Impulsen veranlaß-
ten Bewegung.
Die Versuche mit antagonistischen Licht- und Massenimpulsen.
I. Auf der Suche nach kompensierenden Reizmengen.
Die ersten Versuche mit antagonistischer Einwirkung der be-
zeichneten Reize in verscliiedener Menge boten mehr oder weniger
stets das gleiche Ergebnis: nach beiläufig einer halben Stunde
Eintritt der zentripetalen Krümmung im Sinne des negativen Geo-
tropismus, hierauf zunehmende Verstärkung dieser Krümmung, dann
zwischen dreiviertel und einer Stunde Einsetzen der zentrifugalen
Krümmungsbewegung im Sinne des positiven Phototropismus zu-
nächst an der Spitze; auch diese Krümmung verstärkt sich, die
Koleoptilen nehmen S-Form an und verbleiben entweder in dieser
Lage oder erscheinen schließlich rein positiv phototropisch gekrümmt.
Die soeben beschriebene Reaktion entspricht dem im vorhergehenden
Abschnitte über den Verlauf der Einzelreaktionen Mitgeteilten voll-
kommen. Von kleinen, nicht scharf kontrollierbaren Schwankungen
abgesehen, laufen die beiden Reizprozesse ohne jede wechselseitige
Störung so ab, als handelte es sich um zwei voneinander völlig
unabhängige Mechanismen; vorerst tritt der geotropische Effekt ein,
dann der phototropische. Den rascheren Verlauf des geotropischen
Prozesses bis zum Erregungsmaximum hat bekanntlich schon
Gruttenberg aus seinen Erfahrungen erschlossen^).
Die Hoffnung, zum Ziele zu gelangen, war auf Grund dieser
ersten Versuche ziemlich gesunken, erst ein zufälliges Ergebnis
gab neuen Ansporn. Als sich Impulse von 8,2, 16,5 und 24,8 g
und Lichtintensitäten von 380,5, 512 und 725,6 MK durch
60 Sekunden, bezw. 15,79 Sekunden 2) gegenüberstanden, blieb bei
den Keimlingen im innersten Kreise und zum Teil im mittleren
Kreise die geotropische Reaktion völlig aus, und nach einer
Stunde setzte die phototropische Reaktion, sich in der Folge ver-
stärkend, ein. Durch diesen mit gleichem Erfolge wiederholten
Versuch war bewiesen, daß eine wechselseitige Einflußnahme der
Prozesse erzielbar ist, freihch zunächst nur im Sinne der Unter-
drückung des geotropischen Effektes. Ich schritt nun bei gleicher
1) V. Guttenberg, 1908, a. a. 0., S. 213.
2) Diese Zahl ergibt sich unserer Versuchsmethodik entsprechend aus 60 Sek. : 3,8;
siehe die Erläuterung auf S. 166.
Gesetzmäßigkeiten im kompensierenden Verhalten usw. 175
Massenwirkuiig- und Reizdauer zu Veränderungen der Lichtintensität
nach oben und nach unten und erreichte für die Keimlinge im
innersten und mittleren Kreise tatsächlich reine Kompensation.
Die iQipulse, durch welche zum erstenmale die Unterdrückung jeder
tropistischen Bewegung gelang, sind 8,2 und 16,5 g durch 60 Se-
kunden gegen 307,0 bezw. 400 MK durch 15,79 Sekunden.
Es galt nun weitere Kompensationspunkte zu suchen. Die
nächstliegende Frage war die nach dem Verhalten der Pflanzen
bei Verdoppelung der Dauer beider Reize; der Erfolg dieser Ver-
suche war negativ. Weiter wurde daran gedacht, bei gleich
bleibender Intensität von Licht und Massenwirkung und bei 2 Minuten
währender Rotation die kompensierende Belichtungsdauer zu suchen.
Sie wurde nach mehrmaligem Herumprobieren schließlich gefunden.
Das Resultat kam allerdings unerwartet: bei Verdoppelung der
Rotationszeit (2 Minuten) mußte, um Kompensation zu erhalten,
die Dauer der Belichtung auf die Hälfte, das ist 7,89 Sekunden,
reduziert worden; und wieder verhielten sich die Keimlinge im
innersten Kreise gleich wie die des mittleren.
Es stand somit fest, daß Belichtungen von kürzerer Dauer
kompensatorisch wirksamer sein können als länger andauernde
Belichtungen, und diese Erkenntnis im Zusammenhange mit den
vorliin gewonnenen Erfahrungen über Fallen und Steigen des
motorischen Effektes bei allmählich fortschreitender Belichtung
ließen die Vermutung zu, es könnten auf ein und denselben Massen-
impuls verschiedene Lichtmengeu kompensatorisch wirken. Die
Versuche bestätigten diese Annahme. Zunächst wurde untersucht,
ob sich eine Rotation von 60 Sekunden durch eine kürzere Be-
lichtung kompensieren lasse (die betreffenden Intensitäten sollten
stets gleich bleiben). Eine solche wurde, abwärts schreitend, bald
gefunden: 3,94 Sekunden. Wieder entsprach dies nicht nur für
den inneren, sondern auch für den mittleren Kreis der Versuchs-
pflanzen. Eine Verlängerung der Belichtung über die Dauer der
Rotation war, wie leicht einzusehen, bei der verwendeten Versuchs-
methode ausgeschlossen, und so griff ich denn, um einen weiteren
Kompensationspunkt nach oben zu finden, zur Erhöhung der Licht-
intensität. Ich fand ihn für den mittleren Kreis mit 800 MK
durch 15,79 Sekunden. Die bei den früheren Versuchen zutage
getretene Gesetzmäßigkeit bezüglich der Reaktion der Keimlinge
im inneren und mittleren Kreise findet demnach bei Veränderung
der relativen Lichtintensitäten ihr Ende. Weitere Versuche wurden
176 ^dolf Sperlicli,
in dieser Richtung- nicht ausgeführt; das Mitgeteilte genügt wohl,
um sagen zu dürfen: ein und derselbe Masseninipuls und
verschiedene Lichtmengen können sich in ihrem tropisti-
schen Effekte wechselseitig* völlig aufheben.
Damit ist freilich nicht gesagt, die Kompensation lasse sich
in jedem Falle auf dieselben uns unbekannten Ursachen zurück-
führen , vielmehr könnte die Art des wechselseitigen Eingreifens
für jede Lichtmenge eine andere sein. Wir kommen auf diesen
Punkt noch später zurück. Immerhin ist das Steigen und Fallen
der wechselseitigen Beeinflussung zunehmender Lichtmengen und
desselben Massenimpulses zusammengenommen mit dem entsprechen-
den Verhalten zunehmender Lichtmengen in ihrem spezifischen
motorischen Effekte ein Hinweis auf Beziehungen, die zwischen
dem tropistischen und kompensatorischen Effekte des Lichtes be-
stehen dürften.
II. Über Kompensationen
länger andauernder Massenimpulse gleicher Intensität und
über das Verhalten der Keimlinge bei Lichtmengen oberhalb
und unterhalb der Kompensationspunkte.
Nachdem die im vorhergehenden Abschnitte mitgeteilten Tat-
sachen feststanden, lag ein weites Feld experimenteller Betätigung
offen. Von den vielen Fragen, die sich von selbst an die Ergeb-
nisse knüpften, wurde zunächst folgende in Angriff genommen:
wie verhalten sich die Reizzeiten für gleich bleibende
Lichtintensitäten, wenn bei Verlängerung der gleichfalls
konstanten Rotation von Minute zu Minute immer wieder
vollkommene Kompensation eintreten soll.
Die Intensitäten für Licht und Massenwirkung waren die
gleichen wie bei den vorhin beschriebenen Versuchen. Für Rota-
tionen von ein und zwei Minuten Dauer bestätigten die wieder-
holten Versuche das bereits mitgeilte Ergebnis; der Effekt einer
drei Minuten langen Rotation von konstanter Geschwindigkeit
konnte durch eine Lichtzufuhr von 15,79 Sekunden mit aller Exakt-
heit kompensiert werden. Wiederum verhielten sich die Keimlinge
im innersten und mittleren Kreise gleich.
Vergegenwärtigen mr uns das bisher Gefundene, wobei wir
von den Lichtmengen, die den Rotationseffekt einer Minute aus-
Gesetzmäßigkeiten im kompensierenden Verhalten usw. 177
löschen, nur die kleinste in Betracht ziehen, so ergibt sich, daß
für Massenimpulse von 8,2 bezw. 16,5 g und Lichtintensitäten von
307,0 bezw. 400 IVIK dann Kompensation eintritt, wenn die be-
treffenden Reizzeiten sich folgendermaßen verhalten (die erste Zahl
gilt für den Massenreiz, die zweite für den Lichtreiz): 60 Sek.
: 3,9 Sek.; 2 X 60 Sek. : 7,8 (= 2 X 3,9) Sek.; 3 X 60 Sek. : 15,7
(=z 2 X 7,8) Sek. Das Licht muß also bei fortschreitender Massen-
wirkung zur Erzieluug eines konstanten Effektes zunächst von
Stufe zu Stufe in doppelter Menge zugeführt werden.
Schon auf der nächsten Stufe, also bei einer vier Minuten
währenden Rotation, stimmt diese angenommene Gesetzmäßigkeit
nicht mehr: eine Lichteinwirkung von 2 X 15,7 Sekunden erzielt
die tropistische Indifferenz nicht. Ich übergehe die Schilderang
der weiteren Bemühungen und will bemerken, daß sich schließlich
auch für diese Stufe die Kompensation fand: 2ö,^ Sekunden. Will
man diese Zahl zu den vorhergehenden in Beziehung bringen, so
entspricht sie folgender Forderung: tu = 2 tn_i ""'^ \' °~^
Die Lichtmenge, die eine 4 Minuten währende Rotation kom-
pensiert, beträgt somit nicht das Doppelte der vorhergehenden
Stufe, sondern dieses vermindert um das arithmetische Mittel der
zwei weiter zurückliegenden Kompeusatiousmengen. Bevor wir auf
die Versuche übergehen, welche die Auffindung des Kompensations-
punktes für weiter fortschreitende Massenwirkungen auf Grund der
angeführten Formel zum Ziele hatten, sei die "Frage erörtert, ob
es berechtigt ist, die für fortschreitende Massenwirkung gefundenen
Kompensationen als auf gleiche Weise veranlaßte Erscheinungen
anzusehen oder nicht. Die Annahme erscheint berechtigt, sofern
es gelingt zu zeigen, daß die Kompensation auf jeder Stufe nach
unten und oben, d. h. bei Verkleinerung und Vergrößerung des
Lichtimpulses in äquivalente Reaktionserscheinungen übergeht.
Dies ist nun, wie die folgende Tabelle (S. 178) zeigt, tatsächlich
der Fall. In dieser Tabelle finden sich alle mit Rotationen von
1 — 4 Minuten Dauer ausgeführten Versuche kurz zusammengefaßt.
Die vorhandenen Lücken auszufüllen, war mir vorderhand nicht
möglich. Die Angaben beziehen sich stets auf die gleichen Inten-
sitäten, also 8,2 g gegen 307,0 MK und 16,5 g gegen 400 MK.
Auch bei den Versuchen mit 4 Minuten Rotation verhielten sich
die Keimlinge des innersten Kreises genau so wie die des mittleren
Kreises.
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI. 12
178
Adolf Sperlich,
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28Sek.
Zunächst galt es, einige Anhaltspunkte über die Transpiration
der krautigen Urwaldgewächse zu erhalten, die bis jetzt so gut
wie ganz fehlen.
Als Objekte für die verschiedenen Versuche wurden unter den
krautigen Pflanzen folgende gewählt: Cijrtandra picta Bl. (Ges-
neriaceae), Begonia rohusta Bl. (Begoniaceae), Campanumaea
javanica Bl. (Campanulaceae), Trichosporum Horsfieldii Ktz. (Ges-
neriaceae), Gomphostemma javanicum (Bl.) Bth. (Labiatae), Scutel-
laria discolor Colebr. (Labiatae), Pilea angulata Bl. (Urticaceae),
Elatostemma acuminatum Brogn., E. nigrescens Mig. (Urticaceae),
Peperomia sp. (tjibodasana?), F. laevifolia (Bl.) Miq. (Piperaceae),
Impatiens javensis Steud. (Balsaminaceae), Coleus sp. (galeatus?)
(Labiatae), Sanicida montana Beinw. (Umbelliferae), Argostemma
montana Bl. (Rubiaceae).
Von kleinen strauchartigen Formen im Unterholz: Hypericum
Hoolcerianum W. et Arn. (Guttiferae), Äcronichia laurifolia Bl.
(E-utaceae), Medinüla laurifolia Bl. (Melastomataceae), Melastoma
setigerum L. (Melastomataceae), Solanum verhascifolium L. (So-
lanaceae), Strohilanthes filiformis Bl. (Acanthaceae), Ruhus lineatus
Reinw. (Bosaceae).
Im allgemeinen neigt man zu der Annahme, daß die Tran-
spiration eine geringe sein muß, besonders da die Luftfeuchtigkeit
eine sehr hohe ist.
Wiesner ^) hebt hervor, daß eine „enorme Transpiration selbst
bei der hohen Luftfeuchtigkeit in den Tropen sich einstellen kann
und sich immer einstellt, wenn die Organe insoliert sind usw."
1) .1. Wiesner, Untersuchungen über die mechanische Wirkung des Eegens auf
die Pflanze. Ann. d. Jard. Bot. de Buitenzorg, Vol. XV, S. 2 — 77.
Physiologische Fragmente aus einem tropischen Urwald. 201
Wiesner stützt sieh dabei auf die Beobachtungen in Buitenzorg",
wo die Luftfeuchtigkeit noch nicht einmal so hoch ist als im Ur-
wald von Tjibodas; dagegen muß der Umstand berücksichtigt werden,
daß im dichten Urwald nur selten eine Insolation stattfindet.
Zwecks Ermittlung der Transpirationsgröße wurden die Ver-
suchsobjekte in Töpfe gepflanzt und erst, nachdem sie gut an-
gewurzelt waren, zum Versuch verwendet. Dazu kamen sie in gut
sclüießende Zinkbehälter, die eine Verdunstung anderer Teile als
der oberirdischen ausschlössen. Die so präparierten Pflanzen wurden
im Urwald an ihrem natürlichen Standort auf eine empfindliche
Wage gebracht und in bestimmten Zeitabschnitten gewogen^).
Aus einer Reihe von Versuchen gebe ich hier nur die am
meisten charakteristischen zahlenmäßig an:
10. Januar 1912. Elatostennna aciiminatiim.
Die Pflanze besaß 8 ausgebildete Blätter und, wie die nach-
trägliche Bestimmung lehrte, ein Lebendgewicht von 48 g und eine
Gesamtoberfläche der transpirierenden Organe von ca. 80 qcm. Die
Temperatur schwankte zwischen 18,9° bis 19 "^ C, relative Feuchtig-
keit der Luft 99'^' o. Das Wetter war trüb, das Licht annähernd
konstant.
ie Pflanze gab
ab
Von 9—10 Uhr
a. m. .
• 0,02 g
Wasserdampf
„ 10-11
:5
11
. 0,03 „
11
„ 11-12
n
11
. 0,01 „
n
„ 12- 1
•1
p. m. .
. 0,021 „
11
„ 1- 2
11
11
. 0,022 „
11
„ 2- 3
11
11
. 0,02 „
11
Es betrug also die Transpiration pro qcm im Mittel während
6 Stunden etwas mehr als 0,001 g.
21. Januar 1912. Cyrtandra picta.
Die Pflanze 4 besaß ausgewachsene Blätter mit einem Lebend-
gewicht der transpirierenden Organe von ca. 160 g und einer Ober-
fläche von ca. 120 qcm. Die Temperatur schwankte während des
Versuches zwischen 18,4° bis 18,6° C, relative Feuchtigkeit der
Luft 97°/o. Das Wetter war trübe, die Beleuchtung annähernd
konstant.
l) Zur Bestimmung der Transpirationsverluste kam eine empfindliche Transpira-
tionswage in Anwendung.
202
F. C. von Faber,
Die Pflanze gab ab:
Von 9—10 Uhr a. m.
* „ 10—11 „
„ 11—12 „ „
„ 12— 1 „ p. m.
V 1 ■^ n :i
0,05 g Wasserdampf
0,05 „
0,04 „
0,03 „
0,03 „
0,04 „
Es betrug- also die Transpiration pro qcm während 6 Stunden
im Mittel 0,002 g.
23. Januar 1912. Ttnpatiens Javensis.
Die Pflanze besaß 5 ausgewachsene und 3 junge Blätter, ein
Lebendgewicht der oberirdischen Teile von 18,2 g und eine Ober-
fläche der Transpirationsorgane von ca. 50 qcm. Die Lufttemperatur
schwankte zwischen 17,8° bis 17,3° C; relative Feuchtigkeit der
Luft 95°/o. Die Beleuchtung war wechselnd, da die Sonne ab und
zu schien, ohne aber die Pflanze direkt zu bestrahlen.
Die Pflanze gab ab:
Von 9—10 Uhr a. m.
„ 10—11 „
V 11 12 „ „
„ 12— 1 „ p. m.
V 1 2 „ „
2 — 3
i),Ol g Wasserdampf
0,04 „
0,08 „
0,10 „
0,02 „
0,01 „
Die Transpiration betrug während 6 Stunden im Mittel pro
qcm 0,005 g.
16. Dezember 1912. Strobilanthrs filiformis.
Eine junge Pflanze mit 7 ausgewachsenen und 5 jungen Blättern,
deren Lebendgewicht, wie die nachträgliche Bestimmung lehrte,
60,8 g betrug, mit einer Gesamtoberfläche der transpirierenden
Organe von ca. 180 qcm. Die Temperatur schwankte zwischen
18,2 0 bis 18,3« C; relative Luftfeuchtigkeit 95^/0. Die Beleuchtung
der Pflanze wechselte sehr, da die Sonne ab und zu durch die
Wolken kam.
Die Pflanze gab ab:
Von 8—9 Uhr a. m. . . 0,031 g Wasserdampf
• . 9—10 „ „ . . 0,02 „
„ 10—11 „ „ . . 0,091 „
Physiologische Fragmente aus einem tropischen Urwald. 203
Von 11 — 12 Uhr a. m. . . 0,14 g- Wasserdampf
„ 12—1 ,. p.m. . . 0,056 „ „
„ 1—2 „ „ . . 0,02 „
Es betrug- die Transpiration also während 6 Stunden im Mittel
pro qcm ca. 0,02 g.
Diese wenigen xA.ngaben genügen, um zu beweisen, daß die
Transpiration der krautigen und strauchartigen Urwaldpflanzen
tatsächlich im tiefen Schatten, also au ihrem natürlichen Standort,
sehr gering ist. Die letzten beiden Beispiele zeigen außerdem
erhebliche Schwankungen der Transpirationswerte. Da die Tem-
peratur während der in Frage kommenden kurzen Zeitabschnitte
und auch die Luftfeuchtigkeit keine nennenswerten Schwankungen
zeigten, so könnten die Schwankungen der Transpirationswerte
vermutlich nur durch die wechselnde Beleuchtung verursacht worden
sein. Diese Annahme findet ihre Bestätigung, wenn wir für die
letzten beiden Versuche die Unterschiede in der Beleuchtungs-
intensität berücksichtigen. So finde ich für deu Versuch vom
23. Januar (Versuch mit Impatiens javensis) die Beobachtung
notiert, daß von 9 bis kurz nach 10 Uhr a. m. die Beleuchtung
infolge der Bewölkung nur schwach war, während kui-z nach 10
bis ca. V2I Uhr p. m. die Sonne schien und daher auch die Be-
leuchtung im Unterholz intensiver wurde; die Nachmittagsstunden
waren wieder trübe. Vergleicht man diese Angaben mit den Zahlen
im Versuch, so geht der Einfluß der intensiveren Beleuchtung
unzweifelhaft hervor. Auch der Versuch vom 16. Dezember (mit
Strohilanthes ßiformis) zeigt den Einfluß der Beleuchtung auf die
Transpiration. An dem Tage kam nämlich die Sonne erst kurz
vor 11 Uhr a. m. aus den Wolken, während es 10 Minuten nach
12 Uhr p. m. wieder trübe wurde. Auf diese nur kurz andauernde
Steigerung der Intensität der Beleuchtung reagiert die Pflanze
schon mit einer merkbaren Steigerung der Transpiration. Auf
diese Weise kann die Verdunstung an sonnigen Tagen trotz des
stark herabgeminderten Lichts im Unterholz größere Werte er-
reichen, als mau dies anfänglich vermuten würde. Es ist daher
auch anzunehmen, daß die Transpiration w^ährend der trockneren
Zeit bedeutend größere Werte erreichen kann als in der feuchtesten
Zeit des Jahres.
Es gelang, eine Anzahl Pflanzen mit Beibehaltung ihrer natür-
lichen Standorte im Unterholz vergleichsweise an einem trüben
Wa s s e r d
ampf abgäbe^)
Trübes "Wetter
Heiteres, sonniges
Wetter
0,005 g
0,014 g
0,003 ,,
0,012 „
0,002 „
0,018 „
0,008 .,
0,022 „
204 F- C. von Faber,
und an einem heiteren, sonnigen Tage zu untersuchen; die Resul-
tate waren folgende:
Trichosporu)» Horsfieldii-)
Oomphostemnia javanicum ^)
Trichosporum Horsfieldii^)
Begonia robusia^) 0,008
Aus diesen Beobachtungen, die durch weitere Versuche aus-
gedehnt werden könnten, läßt sich mit großer Sicherheit der Schluß
ziehen, daß die krautigen und strauchartigen, im tiefen
Schatten des Urwalds lebenden Pflanzen hinsichtlich
ihrer Transpiration von der Beleuchtung sehr abhängig
sind. Die Wasserdampfabgabe kann im Urwald schon
durch geringe Steigerung der Intensität des diffusen
Lichtes beträchtlich gefördert werden. Wiesner^) sagt
mit Recht, daß man bei der Beurteilung der Trauspirationsverhält-
nisse der Pflanzen des heißfeuchten Tropengebietes gewöhnlich nur
an die dort herrschende, zumeist enorm hohe Luftfeuchtigkeit denke
und dabei die von ihm schon seit langer Zeit konstatierte Steige-
rung der Verdunstung grüner Pflanzenteile im Lichte, infolge Um-
setzung des in das Chlorophyll einstrahlenden Lichtes in Wärme,
vergesse. Ob hier allerdings nur die Wärme eine Rolle spielt oder
das Licht noch eine andere spezifische Wirkung ausübt, müssen
weitere Untersuchungen zeigen.
Gewöhnlich wird im Leben der Urwaldpflanzen stets mit Recht
an den Kampf um das Licht gedacht, wobei man dann aber stets
1) Während 6 Stunden im Mittel pro qcm berechnet.
2) Eine Pflanze mit 6 ausgewachsenen Blättern; Lebendgewicht 60 g; Oberfläche
ca. 90 qcm; Temperatur 18" bis 18,2" C; relative Feuchtigkeit 96% bei trübem, 94%
bei heiterem Wetter.
3) Mit 8 ausgewachsenen und 3 jungen Blättern; Lebendgewicht 46 g; Oberfläche
70 qcm; Temperatur 18,6° bis 18,8*' C; relative Feuchtigkeit 98% bei trübem und 96%
bei heiterem Wetter.
4) Mit 7 ausgewachsenen Blättern; Lebendgewicht 52 g; Oberfläche ca. 80 qcm;
Temperatur 17,4" bis 17,7" C; relative Feuchtigkeit 98 "/^ bei trübem und 96 "/^ bei
heiterem Wetter.
5) Mit 4 ausgewachsenen und 2 kleinen Blättern; Lebendgewicht 48 g; Oberfläche
130 qcni; Temperatur 18,8" bis 19,3° C; relative Feuchtigkeit 96"/o bei trübem und
94 "/„ bei heiterem Wetter.
6) A. a. 0., S. 325.
Phj'siologische Fragmente aus einem tropischen Urwald. 205
die Bedeutung des Lichtes für die Assimilation im Auge hat.
Dieser Kampf gewinnt nach dem oben Angeführten noch mehr an
Bedeutung, wenn man dabei auch die fördernde Wirkung des Lichtes
auf die Transpiration in Betracht zieht.
Während beim tropischen Laubblatt, das „vorzugsweise dem
intensiven, tropischen Sonnenlicht angepaßt zu sein scheint"
(Haberlandt), die geringe Steigerung an Intensität des diffusen
Lichtes keiue merkbare Wirkung auf die Transpiration ausübt, ist
dies, wie T\ir gesehen haben, wohl mit dem Laubblatt der krautigen
und strauchartigen Urwaldpflanzen der Fall. Diese Fähigkeit, auf
schwache Lichtintensitätssteigerung mit einer stärkeren Transpira-
tion zu reagieren, ist allerdings eine der zweckmäßigsten An-
passungen in der tropischen Natur. Die Pflanzen sind dabei trotz
der sehr erschwerten Transpirationsbedingungen doch noch im-
stande, den nötigen Wasserdampf abzugeben.
Wie verhalten sich nun die krautigen und strauchartigen
Pflanzen hinsichtlich der Regulation ihrer Transpiration : von vorn-
herein dürfte es wenig wahrscheinlich erscheinen, daß sie tatsäch-
lich einer solchen bedürfen. Wie die Untersuchung ergibt, ist
auch von einem Spaltenverschluß bei ihnen keine Rede, auch bei
beginnendem Welken tritt er nicht ein. Stahl ^) weist schon auf
die Tatsache hin, daß manche erdbewohnende Stauden der feuchten
tropischen Wälder das Kobaltpapier bis zum völligen Eintrocknen
verfärben.
Fehlenden Spaltenverschluß fand ich unter den liier lebenden
Pflanzen bei Amaranthus sp., Gomphostemma javanicum, Procris
frutescens, Pilea frinerva, Elatostemma acuminatum, Cyrtandra
picta, Impatiens javensis, Begonia rohusta, Peperomia laevifoUa,
Strohilanthes ßiformis u. a. Der fehlende Spaltenverschluß würde
auch des Nachts eine, wenn auch nur geringe Transpiration er-
möglichen, doch die meist sehr hohe Luftfeuchtigkeit (bis zum
Sättigungsgrad) und vor allem das Fehlen des Lichtes verliindert
eine Abgabe von Wasserdampf. Bei einer Reihe von Vertretern des
Urwalds ist dagegen eine Ausscheidung flüssigen Wassers wohl wahr-
zunehmen. Eine Guttation wurde sowohl unter den Kräutern als
auch unter den Sträuchern gefunden. Sicher wurde sie nachgewiesen
h^i Impatiens javensis, Amaranthus sp., Elatostemma acuminatum,
1) E. stahl, Einige Versuche üher Transpiration und Assimilation. Bot. Ztg.,
1894, Bd. I, S. 123.
206 ^- C. von Faber,
Pe^erowiia- Arten, Cyrtandra picta, Scutellaria discolor, Strohüanthes
filiformis, Medinilla laurifolia, Melastoma sp., Polygonum sp. Diese
kurze Liste dürfte durch eine diesbezügliche spezielle Untersuchung
noch erheblich bereichert werden.
Das Ausscheiden flüssigen Wassers findet man in der feuchtesten
Zeit nicht allein des Nachts, sondern häufig auch am Tage, wenn
die Luftfeuchtigkeit, wie es nicht selten zu dieser Zeit passiert,
den Sättigungsgrad erreicht.
Die Menge des ausgeschiedenen Wassers, durch Wägungen
genauer festgestellt, ist verglichen mit der Transpiration bedeutend
größer. So verliert Elatostemma acuminatum am Tage bei trübem
Wetter während 6 Stunden im Mittel pro qcm 0,002 g Wasserdampf,
während dreier Nachtstunden (1 — 4 Uhr a. m.) 0,018 g Wasser im
Mittel pro qcm; Peperomia laevifolia verlor am Tage im IVIittel pro
qcm während 5 Stunden ca. 0,004 g Wasserdampf, dagegen während
4 Stunden (1,50 — 6 Uhr a. m.) in der Nacht nicht weniger als
0,026 g Wasser im Mittel pro qcm; Cyrtandra picta schied am
Tage während 6 Stunden 0,002 g pro qcm Wasserdampf und nachts
während derselben Anzahl Stunden 0,048 g im Mittel pro qcm
Wasser aus. Wenn auch eine Anzahl dieser Gewächse das Wasser
aus Hydathoden ausscheiden, so preßt doch eine nicht unbeträcht-
liche Anzahl von solchen das Wasser aus den gewöhnlichen Spalt-
öffnungen. Als solche führe ich an: Pilea angulata, Peperomia
laevifolia, Impatiens javensis, Scutellaria discolor, Elatostemma
acuminatum, Cyrtandra picta, Argostemma montana. Ein unver-
kennbares Verhältnis besteht z-^ischen Transpiration und Guttation;
Pflanzen, die am Tage wegen ungünstiger Witterung nur wenig
Wasser durch Transpiration verloren haben, zeigen eine starke
Guttation, umgekehrt hat eine ausgiebigere Transpiration auch
eine geringere Guttation zur Folge. Nach alledem wird man die
Annahme macheu können, daß die Guttation eine Art Ersatz für
die geringe Transpiration darstellt. Die Pflanze sucht eben auf
eine andere Weise die notwendige Wasserbewegung zu beschleu-
nigen, w^enn die normale Transpiration zu gering ist. Aus dem-
selben Grunde dürften auch die submersen Pflanzen in der Aus-
scheidung flüssigen Wassers einen Ersatz für die fehlende Tran-
spiration besitzen^).
1; Vgl. Burgerstein, Die Transpiration der Pflanzen. Jena 1904, S. 246.
Physiologische Fragmente aus einem tropischen Urwald. 207
Die physiologische Bedeutung wurde bekanntlich von einigen
Forschern (Volkens, Reinitzer) im Hinblick auf die großartige
Fülle der Vegetation im dauernd dunstgesättigten Raum und des
feuchtwarmen tropischen Urwalds in Frage gezogen. In bezug
auf die krautartigen Pflanzen des tropischen Urwalds wurde hier
oben schon die geringe Abgabe von gasförmigem Wasser und die
ausgiebigere Ausscheidung von flüssigem Wasser betont. Fassen
wir den Begiiff „Transpiration" im weiteren Sinne auf und ver-
stehen wir darunter die Wasserabgabe sowohl in gasförmiger als
in flüssiger Form, so müssen wir gestehen, daß die Transpiration
der Urwaldgewächse nicht so gering ist, als man dies anfänglich
vermuten würde, und daß bei diesen Pflanzen doch für die notwen-
dige ausgiebige Wasserbewegung gesorgt ist. Die im ewig feuchten
Wald lebenden Pflanzen besitzen natürlich auch verschiedene Ein-
richtungen zur Förderung der Trauspiration. Eine sehr auffallende
Form derselben sind die sog. Träufelspitzen, ein, wie StahU)
richtig bemerkt, charakteristisches Merkmal der regenreichen west-
javanischen Flora.
Daß die Träufelspitzen tatsächlich das Ablaufen des Wassers
von der Blattspreite befördern, unterliegt keinem Zweifel. Wie
Stahl nachwies, setzt die langsame Verdampfung des Wassers auf
der Blattoberfläche die Temperatur des Blattes herab und beein-
trächtigt mithin wesentlich die Wasserdampfabgabe durch die Spalt-
öffnungen. Ich möchte liier nodi auf die Möglichkeit hinw^eisen,
daß die auf der Oberfläche der Blätter befindliche Wasserschicht
das Licht reflektiert, also die Absorption der Licht- und Wärme-
strahlen herabsetzt und damit auch die Transpiration vermindert.
Ein Wasserüberzug kann, wie Baumert-) nachwies, die Gesamt-
menge der auf das Blatt fallenden Lichtstrahlen um etwa 10 — 20°/o
schwächen. Diese Verminderung der Lichtintensität ist für die in
so ungünstigen Lichtverhältnissen lebenden Pflanzen sicher von
großer Bedeutung.
Auf die Bedeutung der Träufelspitzen für die Assimilation
komme ich später noch zu sprechen.
1) E. stahl, Regenfall und Blattgestalt. Ann. d. Jard. Bot. de Buitenzorg.
Vol. XI, 1893, S. 98.
2) K. Baumert, Experimentelle Untersuchungen über Lichtschutzeinrichtungen
an grünen Blättern. Cohns Beiträge z. Biol. d. Pfl., Bd. 9, 1909, S. 83.
208 •^- ^- '^°° Faber,
Soeben wurde schon auf die häufige Erscheinung des Saft-
ausflusses bei den Urwaldpflanzen hingewiesen; im nachfolgenden
komme ich nun auf diese in der Pflanze herrschenden Druckkräfte
in Hinblick auf die Bäume des Urwaldes zurück. Bei näherer
Beobachtung kann auch bei einer Reilie von Bäumen ein solcher
Blutungsdruck nachgewiesen werden. Bedenkt man, daß im feucht-
warmen Urwald die Bedingungen für das Bluten die denkbar
günstigsten sind, so kann es nicht wundernehmen, diese Erscheinung
häufig anzutreffen. Konnte bereits Molisch ^) in Buitenzorg das
Bluten bei drei völlig belaubten Holzgewächsen nachweisen, so
gelang es mir hier noch bei einer ganzen Reihe von Bäumen
dasselbe Phänomen zu beobachten, und zwar waren dies in der
feuchten Zeit 1912: Manglietia glauea Bl. (3163)^), Machilus
rimosa Bl. (3159), Dysoxylum excelsum Bl. (3156), Ficus varie-
gata Bl. (3162), Laportea Stimulans Miq. (3179), Celtis tetrandra
Roxb. (3232), Vernonia arhorea Hmlt. (3217), Turpinia pomifera
De. (3185).
Während am Tage beim Abschneiden von Ästen bald nach
der Verwundung der Saft aus der Wundfläche reichlich zu fließen
beginnt, bemerkt man während der Nacht das Abtropfen des
Saftes von den Blättern; diese Erscheinung kann häufig bei gün-
stiger Witterung so stark werden, daß sie Regen vorzutäuschen
vermag.
Es sei hier besonders die Wasserabsonderung kurz nach An-
bringung einer Wunde betont, so daß wir annehmen dürfen, ein
normales und kein sogenanntes „lokales Bluten", also keine patho-
logische Erscheinung vor uns zu haben.
Einige Versuche mittels Manometern^) geben eine einigermaßen
richtige Vorstellung von der Größe dieses Blutungsdruckes:
1) H. Molisch, tber das Bluten tropischer Holzgewächse im Zustande völliger
Belaubung. Ann. d. .Tard. Bot. d. Buitenzorg, I. Suppl., 1897, S. 23.
2) Die Zahlen geben die Nummern der Bäume nach der Koordersschen Be-
stimmung an.
3) Zur Anwendung kamen die für solche Versuche üblichen Manometer. Ihre
Unterbringung sowie die dabei zu berücksichtigenden Vorsichtsmaßregeln, die Berech-
nung der Uruckhöhe usw. setze ich als bekannt voraus. Vgl. dafür die Arbeit von
Molisch (a. a. 0., S. 26) und von Figdor (Sitzber. d. Kais. Akad. d. Wiss. Wien,
Bd. 107, 18d8). Die Manometer wurden in etwa 1 Meter Höhe vom Boden gerechnet
angebracht.
Physiologische Fragmente aus einem tropischen Urwald.
MacJiiliis rimosa Bl.
209
Relative
Druck
Luft-
Feuchtig-
Datum
Stunde
in
Temperatur
keit
Wetter
Atmosphären ^)
in "C
der Luft
in %
18. Februar 191 3
3 h p. m.
+ 2,64
17,4
95
trübe
4,49 h „
+ 2,67
17,2
96
,,
6,50 h „
+ 2,82
17,1
96
,,
9,20 h „
+ 3,04
16,3
97
,,
11 h „
+ 3,40
16
98
bewölkt
19- „
.0,10 h a. m.
+ 4,08
13,5
99
11
8 h „
+ 2,10
15,4
98
Sonnenschein
12,08 h p. m.
+ 0,86
18,2
95
11
3,10 h „
+ 1,40
17,7
96
bewölkt
6 h „
+ 2,20
17,4
96
trübe
8 h „
+ 2,82
16,2
97
,,
10,40 h „
+ 3,16
15,4
97
bewölkt
20. „
b h a. m.
+ 5,20
14,2
99
trübe, regnerisch
8,50 h „
+ 3,40
14,6
98
))
12,50h p.m.
+ 1.02
15,7
97
,,
4,40 h „
+ 2,80
15,5
98
Regen
7,30 h „
+ 3,45
14,7
98
,,
11,50 h „
+ 4,07
13,2
99
,,
21. „
5,10 h a. m.
+ 4,65
13
98
heiter
8,05 h „
+ 2,07
14,7
97
bewölkt
1,15 h p. m.
+ 1,60
16
97
Eegen
6,08 h „
+ 3,30
15,4
98
)i
10,05 h „
+ 4.65
14,3
99
1)
22.
5,10 h a. m.
+ 5,80
14
100
11
Der Versuch zeigt, wie denn auch schon von Molisch beob-
achtet wurde, daß nachts der Druck höher ist als am Tage. Der
höchste Druck, den ich bei dieser Pflanze feststellte, war am letzten
Tag des Versuchs ganz früh morgens, nämlich 5,80 Atm., die einen
außerordentlich hohen Druck darstellen. Molisch konstatierte in
Buitenzorg viel niedrigere Drucke, allerdings ist das Klima von
Buitenzorg trockner als im Urwald. Figdor fand in Buitenzorg
bei Schizolohium einen Druck von 8,2 Atm., wobei es sich nicht
um einen normalen, sondern um einen pathologischen Vorgang
handelte.
Als höchsten Druck während der Versuche beobachtete ich bei:
Manglietia glauca 6,8 Atm., Dysoxylum excelsum 5,2 Atm., Ficus
1) Die Zahlen geben den Atmosphären druck, nicht den der Quecksilbersäulen an.
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVL 14
210
F. C. von Faber,
variegata 5,6 Atm,, Laportea Stimulans 4,62 Atm., Celtis ietrandra
4,5 Atm., Vernonia arborea 6,4 Atm., Turpinia pomifera 3,8 Atm.
Mit Ausnahme von Turpinia pomifera konnten in der feuch-
testen Zeit des Jahres bei allen Versuchsbäumen nur positive
Drucke festgestellt werden. Dies ist aber keineswegs in der
trockneren Zeit der Falll. Ich lasse diesbezüglich den Versuch mit
Machilus rimosa während dreier Tage im Juli 1913 folgen:
Maehilus rimosa Bl.
Eelative
Druck
Luft-
Feuchtig-
Datum
Stunde
in
Temperatur
keit
Wetter
Atmosphären
in "C
der Luft
in %
4. Juli 1913
1,08 h p. m.
— 0,90
19,2
90
Sonne
4 h „
— 0,40
18,9
90
))
8 h „
+ 1,10
17,2
94
bewölkt
10,05 h „
+ 2,04
16,5
96
))
5' 1) )i
5,10 h „
+ 4,06
14
98
,,
12,05 h „
— 0,56
18,4
92
Sonne
4,30 h „
+ 1,80
17,6
95
Regen
10 h .,
+ 3,03
16,5
97
trübe
6- „ „
5,08 h „
+ 4,20
15,2
97
„
11 h „
+ 0,80
17,8
96
bewölkt
Bei klarem sonnigem Wetter wurden also auch negative Drucke
beobachtet. Erklärlich ist dies, weil die im Urwald wachsenden
Bäume mit ihrem Laub aus dem feuchtesten Teil des Waldes
hervorragen und Sonne und Wind ausgesetzt sind, alles Faktoren,
die geeignet sind, die Transpiration zu erhöhen.
Ich habe den letzten Versuch besonders hervorgehoben, um
zu beweisen, daß sogar in dem feuchtesten Gebiete der Tropen bei
sonnigem Wetter negative Drucke vorkommen.
Nach Figdor^) kommen in den Tropen im Gegensatz zum
gemäßigten Klima stets nur positive Drucke vor. Es muß hier
aber bemerkt werden, daß Figdor, wie auch schon Mo lisch 2)
vermutet hat, keinen normalen Blutungsvorgang, sondern ein durch
Wundreiz verursachtes lokales Bluten, also mehr einen pathologi-
schen Vorgang für einen normalen angesehen hat. Vor etwa
1) A. a. 0.
2) A. a. 0.
Physiologisclie Fragmente aus einem tropischen Urwald. 211
anderthalb Jahren habe ich im Anschhiß an meine in Tjibodas ge-
machten Beobachtungen auch in Buitenzorg Blutungsversuche an-
gestellt und dabei u. a. auch die von Figdor benutzten Bäume
untersucht (Schizolohium , Alhizzia, Casuarina, Cocos, Oreodoxa,
Actinorkijtis , Spathodea und Conocephalus) , und zwar auch zur
feuchtesten Zeit. Außer bei Conocephalus azureus wurde bei keinem
der genannten Bäume ein normaler Blutungsdruck, d. h. ein positiver
Druck, der sich kurz nach Anbringung des Manometers einstellt,
beobachtet. Erst nach längerer Zeit stieg das Quecksilber be-
trächtlich und zwar infolge des Wundreizes. Dieser lokale Druck
beschränkte sich aber auch nur auf die Umgebung des eingebohrten
Manometers, andere Stellen der Äste und des Stammes zeigten
dagegen gleichzeitig negativen Druck. Der normale Blutungsdruck
bei Conocephalus azureus erreichte auch während der feuchten Zeit
in Buitenzorg nicht die beträchtliche Höhe, die Figdor für den
lokalen Blutungsdruck angegeben hat, und zur Mittagszeit wurde
fast immer negativer Druck beobachtet.
Es war soeben schon von der vermutlich größeren Transpiration
der Bäume im Urwald die Rede. Um diese richtig beurteilen zu
können, müßte man die Transpiration in den Baumkronen selbst
messen, was natürlich mit zu großen Schwierigkeiten verknüpft
sein würde. Die Wasserverdunstung der Bäume im Verhältnis zu
den am Boden wachsenden Kräutern muß schon deshalb bedeutend
größer sein, weil Sonne und Wind in diesen Höhen ihren Einfluß
geltend machen können, was bei den kraut- und strauchartigen
Pflanzen nicht der Fall ist. Auch die Feuchtigkeit der Luft ver-
mijjdert sich mit zunehmender Höhe über dem Erdboden beträcht-
lich. Einige diesbezügliche Beobachtungen zeigten, daß die relative
Feuchtigkeit oberhalb des Unterholzes^), also in einer Höhe von
etwa 5 — 8 Metern, ungefähr 5°/o geringer ist als im Unterholz
selbst 2).
Im Anschluß an die Transpiration im Urwald sei liier kurz
einiges über das Wachstum mitgeteilt, weil in den Tropen Wachs-
tum und Transpiration eng miteinander verknüpft sind.
1) Als Unterholz bezeichne ich die zusammenhängende, aus Kräutern und niederen
Sträuchem bestehende Pflanzendecke des Urwalds. In diesem Teil herrscht die größte
Feuchtigkeit der Luft, an trüben Tagen den Sättigungsgrad erreichend. Man könnte diesen
Teil die Dunstregion nennen, nicht zu verwechseln mit den sogenannten Nebelwäldern
in der Nähe des Gipfels vom Vulkan.
2) Als Mittel aus 15 Messungen an verschiedenen Stellen des Waldes.
14*
212
F. C. von Faber,
Das Wachstum ist in dem heißfeuchten Gebiete der Tropen
im allgemeinen ein recht schnelles. Beispiele eines auffallend
langsamen Wachstumes stellen im Gegensatz hierzu u. a. die Orchi-
deen^) und Taeniophyllum Zollingeri^) dar.
Wie diese Beispiele lehren, gibt es auch unter den denkbar
günstigsten Wachstumsbedingungen noch Faktoren, die hemmend
auf das Wachstum wirken können.
Des Raummangels wegen gebe ich im nachfolgenden resümierend
die Resultate meiner Untersuchungen wieder und hoffe später bei der
Veröffentlichung der Buitenzorger Studien auf sie zurückzukommen.
Um in der Frage der Wachstumsintensität Vergleiche ziehen zu
können, wurden Pflanzen des Urwalds gewählt, die auch in Buiten-
zorg im sogenannten Waldgarten unter Bäumen im Schatten an-
gepflanzt sind, also unter Wachstumsbedingungen stehen, die denen
der natürlichen Standorte am meisten gleichkommen. Es waren
dies Hornstedtia paludosa, Peperomia reßexa, Elatostemma acumi-
natum und Cyrtandra picta.
Die Wachstumsmessungen sowohl in Buitenzorg als in Tjibodas,
beide in der feuchtesten Zeit des Jahres^) vorgenommen, ergaben
als Resultat, daß die Urwaldpflanzeu in demselben Zeitabschnitt
einen größeren Gesamtzuwachs erreichen als die Buitenzorger
Exemplare unter Schatten gezüchtet. Während der Gesamtzuwachs
nachts in Buitenzorg ebenso groß, sogar etwas größer als in
Tjibodas ist, finden wir ihn am Tage in Buitenzorg bedeutend
kleiner als oben.
Mittlerer
Mittlerer
Versuchspflanze
Gesamtzuwachs
Gesamtzuwachs ,
in
bei Tag
in der Nacht*)
Tjibodas Buitenz.
Tjibodas
Buitenz.
Tjibodas 1 Buitenz.
Hornstedtia paludosa .
90,6 cm
72,2 cm
44,4 cm
28 cm
45,6 cm
44,2 cm
Peperomia reflexa
6,26 „
4,08 „
3,12 „
1,02 „
3,14 „
3,06 „
Elato&temrna acuminata
7,02 „
6,81 „
3,54 „
2,86 „
3,48 „
3,95 „
Cyrtandra picta .
9,08 „
9 „
4,52 „
4,28 „
4,56 „
4,72 „
\) Vgl. E. Pfitzer, Morphologie der Orchideen. Heidelberg 1882.
2) Vgl. J. Wiesner, Zur Physiologie von Taeniophyllum Zollingen. Sitzber. d.
Kais. Akad. d. Wiss. Wien, Bd. 106, 1897, S. 77.
3) Die Messungen in Tjibodas geschahen vom 2. bis 30. November und in Buiten-
zorg vom 1. bis zum 28. Februar desselben Jahres, und zwar zweimal täglich, einmal
morgens um 6 Uhr und einmal abends um 6 Uhr.
4) Von 6 TIhr abends bis 6 Uhr morgens gerechnet.
Physiologische Fragmente aus einem tropischen T^rwald. 213
Aus diesen Zahlen geht das stärkere Wachstum der Urwald-
pflanzen deutlich hervor, am meisten bei der monokotylen Horn-
stedtia paludosa und am wenigsten bei Cyrtandra pida. Dieses
Resultat ist deshalb überraschend, weil man im allgemeinen an-
nehmen würde, tue Buitenzorger Pflanzen unter günstigeren Be-
dingungen zu finden als im Urwald. Die Temperatur ist in Buiten-
zorg höher, das Licht für die Assimilation jedenfalls günstiger und
die Ernährung vielleicht reichlicher, als dies im Urwald der Fall
ist, wo so viele gleichartige Pflanzen auf einen beschränkten Raum
angewiesen sind. Nur die relative Feuchtigkeit der Luft ist im
Urwald höher als in der Regenzeit in Buitenzorg, welcher Umstand
eventuell das intensive Wachstum der Urwaldpflanzen bewirken
könnte.
Aus der Tabelle ist besonders bei den Buitenzorger Exemplaren
ein merkbarer Unterschied in der Wachstumsintensität zwischen
Tag und Nacht ersichtlich, während diese Unterschiede im Urwald
sehr klein und kaum bemerkbar sind.
Eine ähnliche Periodizität wurde in den Tropen zuerst von
Kraus ^) an dem Riesenbambus in Buitenzorg festgestellt, dann
von Lock 2) ebenfalls an Bambus in Ceylon. Wie beide Forscher
feststellten, wachsen die Bambusrohre nachts fast doppelt so schnell
als am Tage. Lock wies durch eine Reihe eingehender Versuche
nach, daß die von Kraus und von ihm beobachteten „Oszillationen"
nicht, wie Kraus dies angenommen hatte, sogenannte autonome
oder spontane seien, sondern von den stetigen Änderungen in dem
Feuchtigkeitsgehalt der Luft und der damit in Zusammenhang
stehenden Transpiration hervorgerufen werden. Weshalb meine
Versuchspflanzen in Buitenzorg während der Nacht stärker wuchsen
als am Tage, hat dieselbe Ursache wie bei den Bambusen, nämlich
weil nachts die Luftfeuchtigkeit bedeutend größer und die Tran-
spiration kleiner ist als am Tage. Licht und Temperatur dürften
diesen bedeutenden Einfluß nicht ausüben. Werden nämlich die
Pflanzen am Tage verdunkelt und sorgt man dabei für genügende
Ventilation, so zeigt sich trotz der Verdunkelung das Wachstum
am Tage schwächer als während der Nacht. Übrigens würden
1) Gr. Kraus, Das Längenwachstum der Bambusrohre. Ann. il. Jard. Bot. de
Buitenzorg, Vol. XII, 1895, S. 196.
2) K. H. Lock, On the Growth of Giant Bamboos etc. Ann. of the Koy. Bot.
Gard. Peradeniya, Vol. II, 1904—05, S. 211.
214 F- C. von Faber,
auch die Urwaldpflanzeu den großen Unterschied zwischen Wachs-
tum am Tage und während der Nacht aufweisen müssen, wenn das
Licht die Ursache wäre. Die Temperatur ist in BuitenzOfrg
während der Nacht niedriger als am Tage und kann auch schon
deshalb nicht den Unterschied verursachen, dagegen ist die Luft-
feuchtigkeit während der Nacht bedeutend höher als am Tage.
Auch in der Regenzeit sind die Morgen nicht selten heiter und
sonnig, und es erreicht die Luftfeuchtigkeit ein Minimum ; die Tran-
spiration ist eine bedeutende zu nennen.
In Tjibodas leben die Pflanzen unter wesentKch anderen Be-
dingungen. Die meteorologischen Verhältnisse sind viel regel-
mäßiger und ohne große Schwankungen in der Luftfeuchtigkeit
zwischen Tag und Nacht, woraus sich auch das fast gleich starke
"Wachstum am Tage und in der Nacht erklärt.
Es sei an dieser Stelle noch eine Arbeit über Wachstum von
Luftwurzeln in den Tropen angeführt, da diese Wachstumsmessungen
auch im Urwald von Tjibodas angestellt wurden. Blaauw^) kommt
bei seinen Messungen der Luftwurzeln von Cissiis puhiflora var.
papulosa zu dem Schluß, daß diese nachts bedeutend stärker als
am Tage wachsen und dieser Umstand durch den Feuehtigkeits-
unterschied zwischen Tag und Nacht und die damit in Zusammen-
hang stehende Schwankung in der Transpiration verursacht wird.
Diese Befunde stehen nur scheinbar in Widerspruch zu den
meinigen. Bedenkt man aber, mit welcher Pflanze Blaauw experi-
mentierte, so erklärt sich der scheinbare Widerspruch leicht.
Cissus ist eine Kletterpflanze, deren Blätter hoch oben in den
Baumkronen leben, wo sie vielem Licht, häufig der Sonne und dem
Winde ausgesetzt sind und somit auch kräftig transpirieren. Nur
die Luftwurzeln steigen bis in die „Dunstregion" des Urwalds
herab, doch wird deren Wachstum von der beblätterten Pflanze
reguliert, weshalb sie, obwohl ebenso wie die krautigen Pflanzen
unter ziemlich konstanten äußeren Bedingungen lebend, doch eine
ausgesprochene Periodizität des Wachstums besitzen.
Aus eigener Erfahrung kann ich noch einen anderen Fall er-
wähnen, woraus der Einfluß der Transpiration auf das Längen-
wachstum vielleicht noch frappanter hervorgeht, nämlich bei einer
hier im Urwald lebenden Pflanze, Nepenthes melamphora. Diese
l; A. H. Blaauw, Das Wachstum der Luftwurzeln einer Cissus-kxi. Ann. d.
Jard. Bot. de Buitenzorg, Vol. XI, 1912, S. 266.
Physiologische Fragmente aus einem tropischen Urwald. 215
interessante, mit Kannen zum Insektenfang ausgerüstete Pflanze,
kommt hier besonders an zwei Stellen, bei den Wasserfällen von
Tjibeurum und auf dem alten Wege nach dem Krater des Gedeh,
in Massen vor.
Nepenthes melamphora entwickelt z\Yei Arten von Sprossen^),
Kurztriebe, die am Boden kriechend wachsen und Rosetten kannen-
tragender Blätter besitzen, und Langtriebe, die Klettersprosse
darstellen und hoch in die Bäume (bis 25 und 30 Meter) klettern.
Wachstumsmessungen an beiden Arten von Sprossen, allerdings im
Hinblick auf die Bildung von Kurz- und Langsprossen angestellt,
zeigten bei den Klettersprossen eine überraschend deutliche Periodi-
zität in Tag- und Nachtwachstum, während die Kurzsprosse, am
Boden wachsend, eine solche ausgesprochene Periodizität nicht er-
kennen ließen. Diese auffallende Periodizität findet bei den Kletter-
sprossen wohl hierin ihre Erklärung, daß sie bis hoch in die Baum-
krone gelangen, wo sie tagsüber einer viel trockneren Atmosphäre
als des Nachts ausgesetzt sind. Die Kurzsprosse, in der „Dunst-
region" des Waldes wachsend, sind diesen großen Schwankungen
in der Feuchtigkeit der Luft nicht unterworfen. Auch die viel
leistungsfähiger ausgebildeten Leitungsbahnen der lianenartigen
Klettersprosse deuten schon auf eine regere Transpiration im
Gegensatz zu den Kurzsprossen hin-).
1) Vgl. E. Heinricher, Zur Biologie von Nepenthes etc. Ann. d. Jard. Bot.
de Buiteuzorg, Vol. V, 1906, S. 277.
2) Bei dieser Gelegenheit sei noch auf die Bedingungen zur Bildung von Kurz- und
Klettersprossen bei Nepenthes besonders hingewiesen. Heinricher (a. a. 0., S. 291) ver-
mutet, „daß einzelne Kurztriebe zu Lang- und bezw. Klettersprossen werden, und daß dieser
Wechsel in der Sproßnatur von äußeren Bedingungen, die als Reize wirken, abhängig ist.
Wahrscheinlich ist die den Blättern sich darbietende Gelegenheit, zu ranken, Stützen zu er-
greifen, das veranlassende Moment, daß ein Kurzsproß zum Lang- und Klettersproß wird."
Ich kenne im Urwald von Tjibodas haupteächlich zwei, schon vorhin erwähnte Stellen, an
welchen Nepenthes melamphora in zahlreichen Individuen auftritt. .Jedem, der diese
beiden Standorte (den lichten Wald bei den Wasserfällen von Tjibeurum und den dichten,
sehr schattigen Wald auf dem alten Wege nach dem Krater) besucht, wird das ver-
schiedene Aussehen der Pflanzen auffallen. Im lichten, bedeutend trockneren Wald sehen
wir Nepenthes häufig als Kletterpflanze, die hoch in die Bäume wächst, während Kurz-
sprosse nur seltener am Boden an den feuchtesten Stellen des Unterholzes vorkommen.
An dem anderen Fundort dagegen beobachten wir umgekehrt viele Pflanzen nur mit
Kurzsprossen, kleineren, nicht rankfähigen Blättern, kürzeren Kannen, im allgemeinen mit
einem erheblich schwächeren Habitus als die Kletterpflanzen. Stützpunkte zur Ver-
ankerung der Blätter gibt es an beiden Stellen genügend. Wie Experimente an Ort und
Stelle zeigten, ist die Anwesenheit von Stützen, woran sich die Blätter festranken könnten.
216 F. C. von Faber,
Das verhältnismäßig- schnelle Wachstum vieler tropischen Ur-
waldkräuter setzt auch eine intensive Atmung- derselben voraus,
was sie auch von den in gemäßigtem Klima wachsenden Schatten-
pflanzen unterscheidet. Da die Atmung mit einem Stoffverbrauch
verknüpft ist, muß die Assimilation, um trotzdem eine Massen-
zunahme zu bewirken, ansehnlich sein. Die ausgezeichnete An-
passung der im Urwald lebenden Pflanzen an das schwache Licht
und die Möglichkeit, es durch verschiedene Einrichtungen möglichst
auszunutzen, setzen sie instand, trotz der mangelhaften Beleuchtung
noch intensiv zu assimilieren. Auf diese Einrichtungen ist schon
von anderen Forschern häufig hingewiesen worden. An dieser
Stelle sei die Träufelspitze im Dienste der Assimilation erwähnt.
Von Baumert^) wurde die Vermutung geäußert, daß die Träufel-
spitze als Ausdruck der Organisation eines Schattenblattes vielleicht
in dem Bestreben liegt, das Wasser deshalb schnell zu entfernen,
um die an sich schon geringe Lichtintensität zwecks größerer
Assimilation möglichst auszunutzen. Wie schon betont, schwächt
eine dünne Wasserschicht das Licht um 10 — 20°/o. Einige orien-
tierende Versuche in Buitenzorg an einer Reihe von Blättern fielen,
wenn auch nicht stets, doch häufig zugunsten dieser Annahme aus.
nicht imstande, die Kurzsprosse in eine Klettersprosse umzuwandeln. Bei den früher er-
wähnten Wachstumsmessungen fiel besonders der Unterschied in der Wachstumsgeschwindig-
keit zwischen Kurz- und Klettersprossen und die Kürze der Internodien im Gegensatz zu
denen der Langsprosse auf. Heinricher erwähnt schon diese gestauchten Internodien der
Kurztriebe; genaue Wachstumsmessungen an Kurz- und Langtrieben haben das bedeutend
schnellere Wachstum letzterer bestätigt, das Verhältnis ist etwa 1 : 3. Scheinbar übt das
Licht einen bedeutenden Einfluß auf das Wachstum der Kurzsprosse aus, da eine Steige-
rung der Lichtintensität eine Beschleunigung des Wachstums zur Folge hat. So sieht
man denn auch an lichten Stellen des Waldes die Kurzsprosse bedeutend länger werden
und die Literuodien nicht mehr gestaucht erscheinen, sondern hier eben tjbergänge zu
Langsprossen bilden. Auch die Blätter ändern ihren Habitus mit der Intensität des
Lichtes, ihre Spreite wird größer und das ganze Blatt nimmt mehr den Charakter eines
Assimilationsorganes an, was bei den Blättern der Kurztriebe nur unvollständig der Fall
zu sein scheint. Am auffälligsten entwickeln sich beim Wachstum im intensiveren Lichte
die rankenartigeii Fortsätze der Blattspreiten. Da bei Lichtintensitätssteigerung auch die
Feuchtigkeit der Luft ab- und die Temperatur zunimmt, so wäre es doch möglich, daß
eine Kombination dieser Faktoren die beschriebene Wirkung ausübt, doch können dies
nur eingehendere Experimente zeigen.
Aus diesen Beobachtungen möchte ich vorläufig den Schluß ziehen, daß als direkt
veranlassendes Moment zum Wechsel der Sproßnatur die Steigerung der Lichtintensität
angesehen werden kann. Natürlich ist das Vorhandensein von Stützen eine weitere Be-
dingung für das Klettern der Pflanze.
1) A. a. 0., S. 150.
Physiologische Fragmente aus einem tropischen Urwald. 217
Die Untersuchung über die Ernährungstätigkeit der Blätter
einer Anzahl krautartiger Pflanzen hat gezeigt, daß das Maximum
der Stärkezunahme regelmäßig am Nachmittag erreicht wird und
eine nächtliche Entleerung der Blätter von Stärke niemals statt-
findet. Die Jodprobe, morgens früh vorgenommen, zeigte stets
eine mehr oder weniger starke Bläuung des Mesophylls. Dieser
Umstand liegt vermutlich in der langsamen Stärkewanderung und
ist eine bei zahlreichen tropischen Pflanzen wiederkehrende Er-
scheinung. So hat auch schon Costerus^) bei seinen Versuchs-
pflanzen in Buitenzorg eine gänzliche Entleerung der Blätter bei
Nacht niemals eintreten sehen.
Das Quantum der während der Nacht abgewanderten Stärke
ist verglichen mit der am Tage durch die Assimilation gebildeten
klein. Da aber auch am Tage die Abwanderung stets fortschreitet,
so kommt es trotzdem nicht zu einer gänzlichen Üljerfüllung des
Mesophylls mit Stärke.
Bei den krautigen Urwaldpflanzen, die zum größten Teil des
Jahres unter ziemlich gleichen äußeren Bedingungen wachsen, ist
dies erklärlich; eine plötzliche starke Bildung von Stärke durch
Insolation kommt bei ihnen selten vor. Anders verhalten sich in
dieser Beziehung die unter viel unregelmäßigeren Bedingungen
wachsenden Pflanzen, bei denen am Tage durch Insolation eine
starke Anhäufung von Stärke in den Blättern stattfindet und leicht
zu einer Überfüllung des Mesophylls führen könnte. Nach den
Beobachtungen von Costerus ist dies keineswegs der Fall, sondern
es hält sich im Gegenteil die Menge der gebildeten und der ab-
gewanderten Stärke ungefähr das Gleichgewicht, aber nur bei
klarem sonnigen Wetter; bei trübem Wetter dagegen findet nach
üim die Abwanderung bedeutend langsamer statt, so daß z. B. die
Blätter von Delima sarmentosa am Nachmittag eines trüben Tages
bedeutend mehr Stärke enthalten als an einem sonnigen Tag. Aus
diesen und einigen anderen Beobachtungen ist der Forscher ge-
neigt den wichtigen Schluß zu ziehen, daß in den Tropen das
Licht den Transport der Stärke aus den Blättern beschleunigt.
Costerus möchte auch das schwache Wachstum der Schatten-
pflanzen aus diesem Grunde erklären, da bei schwachem Licht der
Transport der Assimilationsprodukte nach den Orten des Verbrauchs
1) .J. C. Costerus, Sachs's lodine Experiment tried in the Tropics. Ann. d. Jard.
Bot. de Buitenzorg, Vol. XII, 1895, S. 73.
218 F. C. von Faber,
langsam stattfindet. Geg-en die Beobachtung-en von C oster us in
Buitenzorg-, die ich bestätigen kann, ist nichts einzuwenden, doch
müßten zunächst eingehendere Experimente mit einer größeren
Anzalil von Pflanzen die Stichhaltigkeit seiner Interpretation zeigen.
Ich stehe ilir aus dem Grunde allerdings etwas skeptisch gegen-
über, weil die scheinbar schnellere Entleerung der Blätter von
Stärke in der Sonne bei vielen Pflanzen auch auf andere Weise
zu erklären ist. Bei ihnen ist der schnellere Transport bei In-
solation nur ein scheinbarer, in Wirklichkeit nicht existierender.
Zur weiteren Erklärung dieser Tatsache sei darauf hingewiesen,
daß bei einer Reihe von tropischen Pflanzen der Spaltöffnungs-
apparat für intensive Beleuchtung äußerst empfindlich ist und die
Stomata bei Insolation bald mit einem gänzlichen Verschluß reagieren.
Diese Pflanzen bilden diesbezüglich gerade einen Gegensatz zu
den krautigen Urwaldpflanzen, denen, wie wir sahen, ein solcher
Verschluß auch bei starker Insolation fehlt. Wie StahP) nach-
gewiesen hat, findet bei geschlossenen Spaltöffnungen und bei
normalem Kohlensäuregehalt der Luft der Assimilationsgaswechsel
nicht mehr statt. Dies ist leicht bei den vorhin erwähnten Pflanzen
nachzuweisen, wenn sie insoliert werden; der feste Verschluß des
Spaltöffnungsapparats verhindert trotz günstiger Bedingungen zur
Assimilation die Bildung von Stärke. Der Transport der vor-
handenen Kohlehydrate ei-folgt aber trotzdem und vermindert das
vorhandene Quantum, je länger die Insolation stattfindet. Am
Abend eines sonnigen Tages wird bei diesen Pflanzen weniger
Stärke in den Blättern gefunden als am Abend eines trüben. Man
könnte dies auch bei Pflanzen, w^elche die Fähigkeit, ihre Spalt-
öffnungen bei Insolation zu schließen, nicht besitzen, auch künst-
lich bewirken, wenn man die Spaltöffnungen mit einem unschäd-
lichen Wachsgemisch verschließt; ihre Blätter besitzen schon nach
kurzer Zeit weniger Stärke als andere assimililationsfähige.
Schließung des Spaltöffnungsapparats durch die Insolation wird
wahrscheinlich durch eine Turgeszenzänderung erzielt, wie Pfeffer^)
dies auch für die Variation der Spaltweite im allgemeinen an-
genommen hat.
1) E Stalil, Einige Versuche über Transpiration und Afsyimilatioii. Bot. Ztg.,
Bd. I, 1894, S. 117.
2) W. Pfeffer, PflaDzenphysiologie, Bd. I, 1897, S. 176.
Physiologische Fragmente aus einem tropischen Urwald. 219
Resümee.
1. Das Klima des Urwalds von Tjibodas ist, wie aus
den meteoroloo^ischen Wahrnehmungen hervorgeht, ein
sehr gleichmäßig-es. Die Luftfeuchtigkeit ist eine hohe
und kann nicht selten den Sättigungsgrad erreichen,
2. An einer Anzahl von krautigen Pflanzen wurden
an Ort und Stelle Beobachtungen angestellt und zwar zu-
nächst hinsichtlich ihrer Transpiration. Der Verlust an
gasförmigem Wasser ist bei ihnen im allgemeinen ein sehr
geringer. Kleine Schwankungen in der Intensität des
diffusen Lichtes sind bereits imstande, die Verdunstung
bedeutend zu fördern.
3. Die Ausscheidung des flüssigen Wassers ist eine
nachts häufige Erscheinung, die aber auch während der
feuchtesten Zeit des Jahres tagsüber beobachtet wird und
den Wasserverlust in gasförmigem Zustand bedeutend
übertrifft. Die Guttation dürfte einen Ersatz für die ge-
ringe Transpiration darstellen. Nicht allein Hydathoden,
sondern auch die gewöhnlichen Spaltöffnungen sind im-
stande, flüssiges Wasser hinauszupressen.
4. Das Bluten von Bäumen in völlig belaubtem Zu-
stand ist eine für den Urwald häufige Erscheinung. Der
Blutungsdruck kann dabei sehr hohe Werte erreichen.
Während der feuchten Zeit werden nur positive Drucke, in
der trockneren Zeit aber auch negative wahrgenommen.
Es sind also sogar in den feuchtesten Teilen des regen-
reichen West-Java nicht immer positive, sondern auch
negative Drucke zu verzeichnen.
5. Der Gesamtzuwachs der krautigen ürwaldpflanzen
erreicht in demselben Zeitabschnitt während der Regen-
zeit höhere Werte als die derselben Spezies in Buitenzorg
unter annähernd gleichen Wachstumsbedingungen gezüch-
teten. Dies ist nur dem größeren Gesamtzuwachs am
Tage im Urwald zuzuschreiben. Tag- und Nachtwachstum
hält sich im Urwald ungefähr die Wage, ohne die durch
die Schwankungen der Luftfeuchtigkeit bedingte Periodi-
zität der Buitenzorger Versuchspflanzen aufzuweisen.
Auch im Urwald kommt es zu einer solchen Periodizität,
wenn die Sprosse aus der Dunstregion hinausragen.
220 ^- C. von Faber, Physiologische Fragmente aus einem tropischen Urwald.
6. Die Assimilation der Urwaldpflanzen ist dank ihrer
Anpassung an das schwache Licht noch ausgiebig genug,
um das verhältnismäßig schnelle Wachstum zu ermög-
lichen. Das Maximum der Stärkezunahme findet stets am
Nachmittag statt. Die Stärkeabwanderung geschieht so-
wohl tags- als nachtsüber, aber niemals in dem Maße, daß
eine gänzliche Entleerung der Blätter die Folge wäre.
7. Bei einer Reihe von tropischen Pflanzen wird durch
Insolation ein gänzlicher Verschluß der Spaltöffnungen
herbeigeführt und somit die Bildung von Stärke, trotz
günstiger Assimilationsbedingungen, verhindert. Beider
Beurteilung des Einflusses des Lichtes auf den Transport
der Kohlenhydrate muß diesem Umstand Rechnung ge-
tragen werden.
Urwaldlaboratorium Tjibodas,
Juli 1914.
Die Wirkung der Zentrifugalkraft auf Pflanzen.
Von
F. M. Andrews,
Associate Professor of Botany, Indiana Fniversitj', Bloomington, Indiana, U. S. A.
Mit Doppel-Tafel I und 2 Textfiguren.
Einleitung.
Nur wenige Untersuchuugen an Pflanzen unter Anwendung
einer sehr hohen Zentrifugalkraft haben bisher stattgefunden.
Gerade so wichtig, wie es ist, zu beobachten, wie Pflanzen sich
unter normalen Bedingungen verhalten, so wichtig ist es auch,
festzustellen, was sie unter dem Einfluß der abnormsten oder
widrigsten Bedingungen tun werden. Es ist sogar in manchen
Fällen notwendig. Pflanzen für eine Weile abnormen Bedingungen
zu unterwerfen, um ihr Reagieren auf gewisse Reize festzustellen.
Die Wirkung der Zentrifugalkraft auf das Wachstum der Pflanze
ist von großer Bedeutung. Ihr Einfluß wurde zuerst von Knight^)
klargestellt, der mit Samen experimentierte, die an horizontalen
und vertikalen Rädern befestigt waren. Die von K night benutzten
Räder hatten einen Durchmesser von 28 cm und rotierten mit einer
Geschwindigkeit von 150 bis 250 Umdrehungen in der Minute^).
Diese Bedingungen erzeugen eine zu geringe zentrifugale Wirkung,
als daß sie manche Inhaltsbestandteile der Pflanzenzelle bewegen
könnte. Einige Zellbestandteile würden zunächst überhaupt nicht
durch eine so geringe Kraft in Bewegung gesetzt werden, aber
bei anderen würde dies der Fall sein, wenn nämlich die Zentri-
fugalkraft eine bis mehrere Stunden oder noch länger hintereinander
1) Knight, T. A., Horticultural Papers, 1840, p. 124.
2) Knight, T. A., a. a. 0., S. 125 und 126.
222 ^- ^^- Andrews,
einwirkte. Da sich nun Knights Experimente ununterbrochen
über „mehrere Tage" (a few days) erstreckten^), muß eine gewisse
Verschiebung des Zellinhalts bei den von ihm benutzten Pflanzen
stattgefunden haben. Selbstverständlich werden einige Zellsub-
stanzen ihre Lage verändern und beständig nach der unteren Seite
fallen, wenn die Zelle zu einer Rotation um ihre Achse gezwungen
wird. Dies zeigten die Experimente von Dehnecke ^). Andere
Körper, wie z. B. Kalziumoxalatkristalle, verhalten sich ebenso.
Auch die mit genügend großen Stärkekörnern verbundenen Cliloro-
plasten und Leukoplasten fallen, gleichwie die Kalziumoxalatkristalle
in 10 — 20 Minuten nach der unteren Seite der Zelle ^). Die Be-
w^egung dieser Körper verlangsamt sich mit fallender Temperatur'^).
Die bei niederen Temperaturen vermehrte Viskosität des Proto-
plasmas hat, wie Ewart zeigte, Einfluß auf die Fallgeschwindig-
keit dieser Gebilde^). In einem jungen Stengelquerschnitt von
Aristolochia Sipho zeigt sich die Stärkescheide teilweise mit Stärke-
körnern gefüllt, die man mit Leichtigkeit veranlassen kann, ihre
Lage in der Zelle zu verändern"). Dagegen sind manche Zellen
derartig mit Stärke erfüllt, daß es sogar unter Anwendung sehr
hoher Zentrifugalkraft unmöglich ist, ihre Lage in der Zelle zu
verändern. Dies war der Fall mit eingeweichten Samen von Vicia
sativa, selbst wenn eine Zentrifugalkraft von 4400 g. für eine Zeit-
dauer von 2 Stunden in Anwendung kam '). Wo eine Verlagerung
des Zellinhaltes stattfand, wie in einigen Samen anderer Pflanzen,
war dies keiner der betroffenen Zellen verhängnisvoll. Wurden
übrigens die Samen von Vicia sativa zur Keimung gebracht und
dadurch eines Teils ihres Zellinhalts entledigt, so war es nunmehr
leicht, Verlagerungen des Zellinhalts mittels Zentrifugierens zu
erzielen.
Ein weiterer Punkt von speziellem Interesse ist es, festzustellen,
welche außerordentlich ungünstigen Bedingungen, die durch hohe
1) Knight, T. A., a. a. 0., S. 125.
2) Dehiiecke, C, Über nicht assimilierende Chlorophyllkörper, 1880, S. 10.
Zitiert bei Pfeffer, W., PBanzenpliysiolog-ie, 2. Aufl., Bd. II, S. 789.
3) Pfeffer, W., Pflanzenphysiologie, Bd. II, S. 789.
4) Pfeffer, W., a. a. 0., S. 789.
5) Ewart, A. J., Protoplasmic Streaming in Plants, 1902, p. 16 — 20.
6) Strasburger, E., Lehrbuch der Botanik, 11. Aufl., 1911, S. 114.
7) Andrews, F. M., Die Wirkung der Zentrifugalkraft auf Pflanzen. Jahrb. f.
wiss. Bot., 1902, Bd. 38, S. 11.
Die Wirkung der Zentrifugalkraft auf Pflanzen. 223
Zentrifugalkraft hervorgebracht werden, Pfhmzen ertragen können.
Es ist interessant, daß eingeweichte Samen durch eine Zentrifugal-
kraft von 4400 g. weder getötet noch an ihren Zellen beschädigt
wurden. Aber noch überraschender ist es, daß zartere Pflanzen-
teile und sogar sehr zarte Pflanzen solche hohe Zentrifugalkräfte
und grobe Behandlung aushalten können, ohne dabei getötet oder
in vielen Funktionen völlig gehindert zu werden^). Ich werde
an anderen Stellen dieses Aufsatzes auf diesen Punkt näher ein-
gehen, wo direkte Experimente uns einige der betreffenden Tat-
sachen zeigen werden.
Außerdem kann man gewisse Untersuchungen an der Pflanzen-
zelle nur machen, wenn die Inhaltsbestandteile durch eine zeitweise
Einwirkung der Zentrifugalkraft verlagert worden sind. In einem
früheren Aufsatze über Zentrifugalkraft-) habe ich Pfeffers An-
gabe^) bestätigt, der bewies, daß die sogenannten Ölkörper nicht
vollständig aus Öl bestehen, sondern teilweise aus einer Eiweiß-
substanz aufgebaut sind, und also beim Zentrifugieren in Richtung
der wirkenden Kraft geschleudert werden. Dasselbe gilt von dem
Kern, der ein größeres spezifisches Gewacht hat als der Zellsaft,
und von einigen anderen häufig anwesenden Zellbestandteilen.
Dadurch, daß man die leichteren Zelleinschlüsse, wie Öl usw. von
den schwereren, wie Proteinkörpern, Stärkekörnern und anderen
abscheidet, ist es möglich, von gewissen Vorgängen, die von be-
stimmten Bestandteilen innerhalb des Protoplasten ausgeführt
werden, ein klares Bild zu erhalten.
Apparat*).
Der zu den Experimenten verwendete Apparat war eine modifi-
zierte Form einer Milchzentrifuge, wie Textfig. 1 zeigt. Die Ma-
schine ist auf einer Basis A montiert und kann vermittels der
Stellschrauben B wagerecht eingestellt werden. Hierauf ruht ein
Va Pf.-K. Motor C, der mit einer Riemenscheibe D versehen ist.
Diese Riemenscheibe besitzt einen geschlossenen Riemen E, der
1) Andrews, F. M., a. a. 0., S. 24.
2) Andrews, F. M., a. a. 0., S. 34.
3) Pfeffer, W., Die Ölkörper der Lebermoose. Flora, 1874, S. 2. — Pfeffer, W.,
Pflanzenphysiologie, 2. Aufl., Bd. H, S. 789.
4) Die in Textfig. 1 (S. 224) abgebildete Maschine wurde von F. Ludloff & Söhne,
Berlin, erbaut. Textfig. 1 wurde nach ihrer Zeichnung gemacht.
224
F. W. Andrews,
Über die Holle F zu dem vertikalen Schaft (7, der an seinem
unteren Ende die konische Scheibe H trägt und von dort über
die Rolle / zu dem Motor zurückläuft, und zwar in der durch die
Pfeile angedeuteten Richtung. Der Schaft Q trägt auf seinem
oberen Ende die Trommel I, welche 3000, 4500 oder 6000 Um-
drehungen in der Mnute zu machen vermag. Bei Benutzung eines
Fig. 1.
elektrischen Motors übrigens, der mit verschiedenen Geschwindig-
keiten laufen kann, ist es möglich, noch weitere Umlaufs Verände-
rungen der Trommel pro Minute zu erhalten. Die Spannung des
Riemens E wird vermittels der Stellung des Gewichtes / reguliert.
Der Schaft Q läuft auf Kugellagern und wird durch elastischen
Federdmck in seiner Lage erhalten. Der innere Durchmesser der
Die Wirkung der Zentrifugalkraft auf Pilanzen.
225
rotierenden Trommel beträgt 25 cm, und sie balanciert auf dem
konischen Ende K des Schaftes. Die Trommel / wird beim Zentri-
fugieren durch einen Deckel L geschlossen, der von zwei Verschluß-
bogen M an seinem Platze gehalten wird. Die Geschwindigkeit
wird mit Hilfe des Braunschen Geschwindigkeitsmessers N fest-
gestellt. Auf dem Boden der Trommel befindet sich eine Aluminium-
scheibe 0, 3,5 mm dick, die genau in den inneren Durchmesser
der Trommel und um den hervorragenden Zylinder T paßt. Diese
Aluminiumscheibe wiegt 400 g. Eine Holzscheibe von demselben
Durchmesser und 24 mm Dicke, die ich in früheren Experimenten
verwandte, wog 500 g. Die Aluminiumscheibe hat den weiteren
Vorteil, mehr verti-
kalen Spielraum in
der Trommel zu ge-
währen. Diese Alu-
miniumscheibe trägt
vier starke Messing-
zylinder von glei-
chem Gewicht (Text-
fig. 10 und Text-
fig. 2 A). Die Mes-
singzylinder sind mit
Bolzen (Textfig. 2 D)
befestigt. Diese Mes-
singzylinder sind in
genau gleichen Ent-
fernungen voneinan-
der augebracht und
tragen die später zu
erwähnenden Glaszylinder. Die Aluminiumscheibe bietet Raum für
acht von solchen Messingzylindern. Die vier hier benutzten können
sämtlich vermittels der Löcher in der Aluminiumscheibe (Textfig. 2 B)
leicht auf das Zentrum zu oder von ihm weg bewegt werden. Der-
artig ließ sich die Intensität der Zentrifugalkraft durch Ausgleich
der Länge des Radius und Veränderung der Umlaufsgeschwindigkeit
der Trommel / in jedem gewünschten Grade verändern. Die Alu-
miniumscheibe wurde an der Trommel / durch Metallbolzen (Text-
fig. 1 8 und Textfig. 2 C) befestigt. Die benutzten Glaszylinder waren
von zwei verschiedenen Größen und hatten 3 mm dicke Wände. Der
größere hatte bei einer Länge von 55 mm einen Durchmesser von
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI. 15
Fip
226 F. W. Andrews,
35 mm. Der kleinere war 55 mm lang bei 22 mm Durchmesser. Die
Messing-Zylinder auf der Aluminiumscheibe waren abnehmbar und
von verschiedener Größe, so daß die verschiedenen Glaszylinder
benutzt werden konnten. Gelegentlich konnte der kleine Glas-
zylinder durch Vermittlung einer festen Korkhülle in dem großen
Messingzylinder benutzt werden.
Experimenteller Teil.
Diese Untersuchung über die Wirkung der Zentrifugalkraft auf
Algen wurde teilweise unter Benutzung einer durch einen Wasser-
motor angetriebenen Zentrifuge angestellt, was gestattete, die Ver-
suche ununterbrochen über jede beliebige Zeitspanne auszudehnen.
Oscillaria princeps wurde zuerst benutzt. Wenn die zur An-
wendung kommende Kraft nicht sehr groß war, wurden die Exem-
plare während des Zentrifugierens zwischen einem Objektträger
und einem Deckglas in ihrer Lage erhalten. Die zentripetalen^)
Enden der Fäden wurden mit Gips befestigt''^). Wenn diese An-
ordnung benutzt werden konnte, gestattete sie die Exemplare
direkt unter dem Mikroskop zu beobachten, ohne sie nach ihrer
Herausnahme aus der Zentrifuge weiter zu beunruhigen. Auch
fuhren sie in dieser Lage für viele Tage fort zu leben und konnten
wiederholt beobachtet werden.
In meinem ersten Experiment versuchte ich festzustellen, ob
es möglich wäre, den Zellinhalt von Oscillaria princeps zu verlagern.
Ich zentrifugierte daher die auf dem Boden der Glasz} linder an-
gebrachten Exemplare 2 Tage und 4 Stunden lang mit einer Kraft
von 1738 g.^). Diese Einwirkung jedenfalls verlagerte den Inhalt
nicht. Auch das Wachstum der Fäden hatte nicht aufgehört, und
die so charakteristischen Bewegungen dieser Pflanze waren nicht
unterbrochen. Kurz, ich konnte nicht sehen, daß die Exemplare
durch die lange und intensive zentrifugale Behandlung geschädigt
worden seien, denn bei dem Vergleich mit den Kontrollexemplaren
waren ihre Bewegungen ebenso kräftig und ihr Wachstum fast
ebenso stark. Diesen Punkt werde ich in einer gesonderten Publi-
1) Ich gebrauche die Ausdrücke zentripetal und zentrifugal in dem gleichen Sinne,
wie es in meinem frühereu Aufsatze, a. a. 0., S. 4 dargelegt wurde.
■2) Pfeffer, W., Über Anwendung des Gipsverbandes für pflanzenphysiologische
Studien, 1892.
3) g. = Anziehungskraft der Erde.
Die AVirkung der Zentrifugalkraft auf Pflanzen. 227
kation behandeln. Die Exemplare wurden sowohl quer zur
Fadenrichtung wie längs zu ihr (wie oben) zentrifugiert, ohne daß
eine Veränderung im Zellinhalt sichtbar war. Die geringe Größe
der Zellen und besonders die Form des Chromatophors machen
eine Verlagerung äußerst schwierig. Selbst die verschiedenen
Granularsubstanzen, die häufig in der Zelle vorhanden sind, zeigten
keinerlei Lageveränderung.
Bei einem zweiten Versuch wurden die Fäden von OsciUaria
prineeps 4400 g. für 2 Stunden und weiterhin 5843 g. für 3 Stunden
unterworfen, aber es wurde keine Verlagerung des Inhalts erzielt.
Bei einem dritten Experiment ließ man eine Stunde lang 13467 g.^)
quer auf die Fäden wirken, ohne daß eine Verlagerung des Inhalts,
Einstellung des Wachstums oder der gewohnten Bewegungen eintrat.
Wenn OsciUaria zwischen Objektträger und Deckglas zentrifugiert
wurde, wurden die Fäden meistens zerbrochen, aber sehr kurze,
aus wenigen Zellen bestehende Stücke widerstanden oft einer Kraft
von 1738 g. Bei Anwendung sehr hoher Zentrifugalkräfte, wie
oben angeführt, war es notwendig, die Fäden direkt auf den Boden
der Glaszylinder zu tun und sie transversal zu zentrifugieren, wie
oben angegeben. Die Fäden waren dann in ihre scheibenförmigen
Zellen auseiuandergebrochen, die vom Ende aus beobachtet werden
konnten, aber keine Verlagerung des Inhalts war zu konstatieren.
Die Widerstandsfähigkeit solcher zartgebauten Pflanzen ist einiger-
maßen überraschend. Ebenso ist die Beobachtung von Interesse,
daß bei allen Experimenten mit Zentrifugalkraft an OsciUaria, ihre
charakteristischen Bewegungen weder aufhörten noch anscheinend
verzögert wurden, obgleich die Zentrifugalkraft zwischen 1738 g. und
dem hohen Betrage von 13467 g. wechselte. Dies wurde an Exem-
plaren von OsciUaria festgestellt, die direkt auf den Boden der Glas-
zylinder gebracht worden waren, auf deren Außenseite sich eine gra-
duierte Skala befand. Die Maschine wurde für einige Sekunden
zum Stillstand gebracht, und es konnte durch Beobachtung fest-
gestellt werden, daß die für eine oder mehrere Stunden mit jedem
Aufwand von Zentrifugalkraft zentrifugierten Exemplare sich eben-
soweit bewegt hatten oder ausgestrahlt waren wie die Kontroll-
exemplare in derselben Zeit. Diese Bewegungen können also unter
großen Erschwerungen und gegen großen Widerstand ausgeführt
werden, wenigstens gegen gewisse Arten von Hindernissen, wie
1) Erhalten durch eine hesondere Form elektrischer Zentrifuge.
15*
228 ^- ^ • -A^iidrews,
z. B. seitlich einwirkende Zeutrifug-alkraft. Bei dem ersten Be-
wegungsexperiment, als 1738 g. eine Stunde lang in Anwendung
kamen, bewegten sich die zentrifugierten Fäden während dieser
Zeit, resp. sie strahlten von dem Zentrum der geringen Faden-
masse gleichmäßig nach allen Richtungen aus. Die Messung er-
gab, daß sich die Fäden in der gewöhnlichen Art und Weise um
5 mm fortbewegt hatten. Die Kontrollexemplare hatten sich binnen
derselben Zeit ebenfalls um 5 mm l^ewegt. Die allgemeine Anord-
nung oder Erscheinung der Fäden, die in beiden Fällen von der
sehr geringen zentralen Masse ausgestrahlt waren, wies bei den
zentrifugierten und den Kontrollexemplaren nicht den geringsten
Unterschied auf. In allen Fällen war die einzige Vorbedingung
das Vorhandensein einer sehr dünnen AVasserschicht über den
Exemplaren.
Bei dem zweiten Experiment wurden die Exemplare ebenfalls
1 Stunde lang zeutrifugiert, jedoch mit einer Kraft von 5000 g.
anstatt 1738 g. Der Bewegungsbetrag der zentrifugierten und der
Kontrollexemplare war genau der gleiche. Beide bewegten sich
während der einstündigen Dauer des Versuchs in strahlender
Richtung um 5 mm von der geringen zentralen Masse liinweg.
Dies zeigt, daß innerhalb der Versuchsgrenzen der Betrag der Be-
wegung bei Anwesenheit einer Kraft von 5000 g. ebenso groß war,
als wenn 1738 g. zur Anwendung kamen. Eine längere Zeitdauer
als 1 Stunde kam nicht zur Anwendung, und es ist nicht fest-
gestellt worden, welche Einwirkung, wenn überhaupt, dies auf die
Bewegungen haben könnte.
Bei dem dritten Experiment, in dem 13467 g. in Anwendung
kamen, bewegten sich sowohl die zentrifugierten wie die Kontroll-
exemplare um 2 mm während der halbstündigen Dauer des Ver-
suchs^). So weit also die Experimente gehen, hat es sich als nicht
möglich erwiesen, die Bewegung bei Oscillaria princeps durch
Zentrifugalkraft zu hemmen oder ihren Betrag sichtlich zu verringern.
Wenn eine Zentrifugalmaschine mit einer eingeschlossenen
Trommel mehr als 1 Stunde bei sehr hoher Umdrehungszahl läuft,
so hat die Trommel eine Neigung sich zu erhitzen. Dies wird durch
die Reibung der schnell gedrehten Trommel mit der Luft ver-
1) Ernst Willy Schmidt hat kürzlich bei Spirogyra 11593 g. angewandt. „Das
Vei'halten von Spirogyra-ZtW^u nach Einwirkung- hoher Zentrifugalkräfte". Ber. d. bot.
Gesellschaft, Bd. 32, 1914, Heft 1, S. 42.
Die "Wirkung der Zentrifugalkraft auf Pflanzen. 229
ursacht. Infolgedessen muß bei lange fortgesetzten Experimenten
mit großer Geschwindigkeit die nötige Vorsorge getroffen werden,
die Exemplare vor Temperaturen zu bewahren, die ihrem normalen
Verhalten während der Dauer des Versuchs ungünstig sein würden.
Closteniim monüiferum.
Exemplare von Closterium monüiferum wurden zentrifugiert,
indem einfach eine Anzahl der Pflanzen mit ein wenig Wasser in
den Glaszj'linder getan wurden. Eine größere Anzahl Exemplare
war leicht dadurch zu erhalten, daß eine beträchtliche Menge des
sie enthaltenden Wassers filtriert wurde. Da die Exemplare in
verschiedenen Stellungen lagen, wirkte die Zentrifugalkraft in sehr
vielen Richtungen auf diese einzelligen Pflanzen ein. Die Inhalts-
bestandteile wurden infolgedessen einmal nach einem Ende hin, das
andere Mal an die Seiten oder diagonal verlagert, je nach der Rich-
tung, in welcher die Zentrifugalkraft gewirkt hatte.
Bei Closterium monüiferum genügt bereits die Einwirkung
einer zentrifugalen Kraft von 1207 g. während der Dauer einer
Minute, um eine Verlagerung des Zellinhalts zu bewirken. Wie
Fig. 1, Taf. P) zeigt, ist überall der Zellinhalt von den Wänden
an das zentrifugale Ende getrieben worden, während er im Zentrum
in einer strangartigen Masse über ungefähr ^/s der Zellenlänge hin
verblieben ist. Das Chlorophyll sowohl als auch die Gipspartikelchen,
welch letztere lebhafte Brownsche Bewegung aufwiesen, waren
ebenfalls verlagert. Eine vollständige Rückkehr des Zellinhaltes
vollzog sich bei 22*^ C in 3 Tagen. Protoplasmabewegung kann unter
normalen Verhältnissen bei Closterium monüiferum deutlich gesehen
werden. Sobald die Zentrifugalmaschine angehalten wurde, und
die Exemplare geprüft werden konnten, was ungefähr innerhalb
von 2 ]\Iinuten geschah, konnte eine außerordentlich lebhafte Proto-
plasmabewegung in allen Richtungen festgestellt werden. Ein Teil
des Inhalts war sehr kompakt in das zentrifugale Ende der Zelle
getrieben worden.
Fig. 1, Taf. I zeigt ein feines Netzwerk. Dieses war vor dem
Zentrifugieren nicht sichtbar, wohl aber unmittelbar danach. Es
stellte eine sehr schöne Anordnung von transparenten, polygonalen,
1) Von hier ab sind in dieser Abhandlung die angeführten Figuren auf Taf. I
zu finden.
230 ^- ^^ • Andrews,
protoplasmatischen Platten dar, die so augeordnet waren, daß sie
einer Honigwabe oder einer Schaumstruktur ähnlich waren. Die-
selbe Erscheinung habe ich in Samenzellen von Phaseolus multi-
florus beobachtet, wenn sie, nach erfolgtem Ankeimen, zentrifugiert
worden waren ^). Das Überraschende ist, daß diese zarten honig-
wabenartigen Strukturen durch die Zentrifugalkraft allein weder
zerstört noch in das zentrifugale Ende der Zelle geschleudert
wurden. Noch überraschender ist es, daß, wenn die schweren
Zellbestandteile durch diese honig^v^abenartigen Strukturen hin-
durchgeworfen wurden, die letzteren nicht zerstört-) wurden oder daß
wenigstens sichtbare Risse in den zarten Lamellen nicht vorhanden
waren. Wenn dieselbe Zelle, wie Fig. 1, Taf. I zeigt, zentrifugiert
und alle Inhaltsbestandteile ein zweites Mal verlagert wurden, war
keine Einwirkung auf diese Strukturen erkennbar. Bei vielen Exem-
plaren von Closterium monüiferum war die Verlagerung des Inhalts
vollständiger als es Fig. 1, Taf. I zeigt, indem die zentrale Portion
sich nicht so weit gegen das zentrifugale Ende der Zelle hin er-
streckte. Selten wurden die Zellen durch das Zentrifugieren und
die Verlagerung ihres Inhalts getötet. Wenn nicht das letztere
zufällig eintrat, so kehrte der Inhalt jeweils in seine ursprüngliche
Anordnung zurück. Dieser Prozeß begann mit einem allseitigen
Ausbreiten der zentrifugierten blasse. Diese zuerst sehr langsame
Ausbreitung wurde allmählich geschwinder. Am Ende des ersten
Tages bei 22" C war nur ungefähr Vio der entleerten Area der
Zelle zurückgekehrt. Am zweiten Tage wurde ungefähr ein Drittel
des entleerten Gebietes wieder eingenommen und, wie bereits mit-
geteilt, hatte der Inhalt am Ende des dritten Tages überall seine
ursprüngliche Anordnung in der Zelle wieder angenommen. Der
sich ausbreitende Inhalt war anfangs nicht von der gewöhnlichen
Dichtigkeit, aber zeigte diese allmählich, während der Prozeß
fortschritt. Die Rückkehr des ZelHnhalts wurde in seiner Wieder-
verteilung wesentlich durch die oben erwähnten schnellen Proto-
plasmaströmungen unterstützt. Die Gipskristalle kehrten ebenfalls
auf ihren früheren Platz in der Zelle zurück, obgleich sie, wie
auch einige andere Bestandteile des Zellinhalts, eine Weile durch
das sich bewegende Protoplasma in allen Richtungen transpor-
tiert Avurden. Wenn der bew^egliche Zellinhalt dicht in ein Ende
1) Andrews, F. M., a. a. 0., S. 15.
2) Andrews, F. M., a. a. 0., S. 15.
Die Wirkung der Zentrifugalkraft auf Pflanzen. 231
der Zelle getrieben worden war, so konnte festgestellt werden,
daß er ungefähr ^Z? des Zellvolumens einnahm. Falls der Inhalt
auf eine Seite der Zelle geschleudert war, so erfolgte seine Wieder-
anordnung einigermaßen schneller, da in diesem Falle eine viel
größere Oberfläche gegeben war, über die hin die Wiederanordnung
eintreten konnte. Die durchschnittliche Zeit für die Wiederanord-
nung des Zellinhalts bei 22" C betrug bei einer gToßen Anzahl
von Exemplaren, deren Inhalt nach einer der Seiten zentrifugiert
worden war, 2 Tage.
Nachdem der Inhalt zurückgekehrt worden war, zentrifugierte ich
dieselben Exemplare yon ClosteriummoniUferum aufs neue mit 1207 g.
wie zuvor. Der Inhalt wurde in der erwarteten Weise verlagert.
Das eine. Gefäß mit Exemplaren wurde ins Licht, das andere ins
Dunkle gestellt. Der Inhalt kehrte bei allen Exemplaren zurück
wie in dem vorigen Falle. Aber während bei den Exemplaren im
Licht die Inhaltsbestandteile bei 22° C vollständig innerhalb von
3 Tagen zurückgekehrt waren, brauchten die im Dunkeln auf-
gestellten ExeQiplare eine beträchtlich längere Zeit, indem voll-
ständige Wiederverteilung des Inhalts erst binnen 5 Tagen erfolgte.
Da bei den im Lichte stehenden Zellen nach dem zweiten Zentri-
fugieren der Inhalt in derselben Zeit wie vorher zu seiner normalen
Lagerung zurückkehrte, schien die Aktivität der Zellen unver-
mindert geblieben zu sein. Die Zellen schienen durch diese Be-
handlung nicht geschädigt zu sein.
Ich- zentrifugierte dieselben Exemplare ein drittes Mal und
stellte diejenigen, die im Lichte gewesen waren, wiederum ins
Licht und die, die im Dunkeln gewesen waren, wieder ins Dunkle,
um die Wirkung auf die Rückkehr des Zellinhalts zu beobachten.
Der Inhalt kehrte bei den belichteten Exemplaren durchschnittlich
in 3V2 Tagen zurück. Der Inhalt der ins Dunkle gestellten Exem-
plare brauchte 10 Tage, um vollständig zurückzukehren. Während
die ins Licht gestellten Exemplare einen sehr geringen Unterschied
zeigten, machte sich bei den dunkel gehaltenen ein sehr ausgeprägter
Unterscliied von 7 Tagen bemerkbar. Die Exemplare wurden einige
Tage im Licht belassen und abermals zentrifugiert. Diesmal kehrte
der Inhalt der Exemplare im Licht in 3 Tagen zurück, wie zuvor.
Die im Dunkeln jedoch brauchten 12 Tage. Bei einem fünften
Experiment wurden die Exemplare von Closterium monüiferum mit
1207 g. 1 Minute lang zentrifugiert. Der verlagerte Inhalt kehrte
in den ins Licht gestellten Exemplaren abermals in 3 Tagen zurück.
232 ^- ^^ • Andrews,
Die ins Dunkle gestellten Exemplare wurden 3 Tag-e darin gelassen
und dann ins Licht gestellt. Der Inhalt hatte sich nur über un-
gefähr Vs der entleerten Zellarea von neuem ausgebreitet. Nach-
dem sie ins Licht gestellt worden waren, vollzog sich die vollstän-
dige Rückkehr des Zellinhalts binnen weiteren 2V2 Tagen, also im
ganzen in 5V2 Tagen. Man sieht hieraus, daß die ziemlich rohe
Behandlung wiederholten Zentrifugierens und Verlagerns des Zell-
inhalts die Zelle nicht sichtbar schädigte, wenigstens nicht irgendwie
erheblich. Der Einfluß des Lichts beförderte eine schnellere Rück-
kehr des Inhalts, und Dunkelheit hatte eine einigermaßen hemmende
Wirkung, wie vorauszusehen war. In vielen Fällen genügte die
Kraft einer kleinen Handzentrifuge, um bequem den Inhalt bei
Closterium moniliferum zu verlagern. Der zur Inhaltsverlagerung
in Pflanzenzellen benötigte I^etrag von Zentrifugalkraft hängt von
der Anzahl g. und von der Betriebszeit ab. So waren z. B. 1207 g.
erforderlich, um den Inhalt bei Closterium moniliferum zu ver-
lagern, wenn die Zeit nur 1 Minute betragen sollte. Dagegen
fand ich, daß bei 600 g. die zur Verlagerung des Inhalts erforder-
liche Zeit mindestens 45 Minuten betrug. Ein noch geringerer
Kraftbetrag würde dasselbe leisten, wenn die Zeit wiederum stark
verlängert würde. Durch eine große Anzahl von Experimenten
stellte ich fest, daß 100 g. der geringste Betrag von Zentrifugal-
kraft ist, der lünreicht, um teilweise oder ganz den Inhalt der
von mir benutzten Closterium moniliferum zu verlagern. Zu diesem
Zwecke muß die Zentrifugalkraft auf die Zellen einen Tag und
15 Stunden lang ununterbrochen einwirken. Am Ende dieser Zeit
war der Inhalt nur teilweise verlagert. Der Inhalt kehrte nach
Einstellung des Zentrifugierens bei 22" C in einem Tage zurück.
Man könnte annehmen, daß eine Verlagerung des Zellinhalts bei
Closterium moniliferum ziemlich schwierig sei und zwar wegen
der Form der Chloroplasten so^de der honigwabenartigen Lamellen-
anordnung, die schon vor dem Zentrifugieren 'bestehen dürfte.
Aber die dünnen Lamellen scheinen keinen großen Widerstand zu
leisten, da der Inhalt leicht durch die ganze Masse hindurch-
geworfen wird, me Sand durch Schaum, und ohne daß eine sehr
beträchtliche Anzahl g. zur Anwendung kommt. Daß die honig-
wabenartige Struktur immerhin einen gewissen Widerstand aufweist,
zeigt Fig. 1, Taf. I. Bei der Betrachtung dieser Figur wird man
bemerken, daß der Inhalt von den Seiten der Zelle durchaus nach
dem zentrifugalen Ende befördert worden ist. Im Zentrum der
Die Wirkung der Zentrifugalkraft auf Pflanzen. 233
Zelle jedoch hat die 1 Minute lange Einwirkung von 1207 g. den
Inhalt nur teilweise verlagert, denn er bleibt in Form einer spitz
zulaufenden Scäule auf eine Strecke von vollen zwei Dritteln der
Zelllänge erhalten. Alter, Lebenskraft, vor allem Größe der Zelle
haben Einfluß auf die zur Verlagerung des Inhalts erforderliche
Anzahl von g. Da diese Faktoren variieren, variiert, wie ich bei
verschiedenen Zellen gefunden habe, der zur Verlagerung des In-
halts erforderliche Betrag von Zentrifugalkraft ebenfalls, und sogar
bei derselben Zelle kann man Unterschiede feststellen. Die Rich-
tung der Zentrifugalkraft ist in Fig. 1, Taf. I durch den Pfeil an-
gezeigt. Selbst mit der höchsten Zentiifugalkraft, die ich erhalten
konnte und die bei dem von mir benutzten Apparat 13467 g. be-
trug, wurde die Hautschicht bei keiner der von mir untersuchten
Pflanzen von der Zellwand abgerissen oder bewegt. Daß die
Hautschicht und auch die feinen Plasmalamellen durch die Zentri-
fugalkraft nicht abgerissen und an das zentrifugale Ende der Zelle
geworfen werden, wird von Pfeffer^) folgendermaßen erklärt:
„Daß ein sehr dünner Wandbelag und sehr feine Plasmalamellen
sogar bei einer Zentrifugahvirkuug = 4400 g. erhalten bleiben,
erklärt sich, wie hier nur angedeutet sein mag, daraus, daß die
umgelagerten Massen gegen die Zellwand gestützt sind, also keinen
Zug ausüben, daß ferner die Kohäsion der zudem der Zellhaut
adhärierenden Wandschicht mit der Verdünnung dieser zunimmt,
und daß die besagte Zentrifugalwirkung bei kürzeren Zellen nicht
ausreicht, um die osjnotische Anpressung des Plasmaschlauches
aufzuheben." Die Zellwand würde wahrscheinlich durch die Zen-
trifugalkraft zerbrochen oder zerquetscht werden, ehe es gelänge,
die Hautschicht von ihr zu trennen. Obgleich die 13467 g. bei
diesen Versuchen häufig in Anwendung kamen, ist es interessant
festzustellen, daß die Mehrzahl der Zellen durch solche harte Be-
handlung nicht getötet und sogar nicht sichtbar geschädigt wurden.
Um festzustellen, wie lange Zeit der Inhalt von Pflauzenzellen
brauchte, um bei verschiedenen Temperaturen zurückzukehren,
wurde das folgende Experiment angestellt. Die Pflanzen oder
Pflanzenteile wurden für V2 Stunde mit einer Kraft von 5000 g.
zentrifugiert, welche den Inhalt in all ihren Zellen verlagerte.
Eine Pflanze oder ein Teil von jeder dem Experiment unterworfenen
Pflanze wurde dann bei 25'^ und 15 ^ C ins Licht gestellt. In allen
1) Pfeffer, W., Pflanzenphysiologie, 2. Aufl., 1904, Bd. II, S. 790.
234 ^' ^^ • Andrews,
Zellen kehrte der Inhalt schließlich zurück. Die ganzen zentri-
fugierten Pflanzen schienen sehr wenig- durch die Verlagerung ihrer
Zellinhalte gelitten zu haben, am wenigstens diejenigen, die in der
höhereu Temperatur gehalten worden waren. Dies Experiment,
gleichme auch andere in dieser Abhandlung, zeigt klar, daß viele
Pflanzen imstande sind, die günstigsten Bedingungen zu empfinden,
selbst wenn die Zellinhalte vollständig verlagert sind und die Zelle
einem ziemlich ernstlichen Shoek ausgesetzt war. Die neben-
stehende Tabelle gibt die Pflanzen und die in jedem Falle zur
Rückkehr des Zellinhalts nach dem Zentrifugieren erforderlich ge-
wesene Zeit an.
Alle Blätter und andere in dem obigen Experiment benutzten
Pflanzenteile waren jung und kräftig. Die benutzten Früchte
waren nicht reif. Man ersieht aus nebenstehender Tabelle, daß die
Rückkehr des Zellinhalts nach dem Zentrifugieren bei ein und der-
selben Pflanze weniger Zeit bei 25" als bei 15° C erforderte. In
manchen Fällen wurde die Zeit auf die H;ilfte und mehr reduziert.
Bei 25 "^ C erfolgte eine weit größere Reduktion der für die Rück-
kehr des Zellinhalts nötigen Zeit, als man voraussetzen möchte.
Während bei 15° C in vielen Zellen ein oder mehrere Tage er-
forderlich waren, wurde der Betrag der nötigen Zeit bei 25° C
manchmal bei derselben Pflanze auf eine verhältnismäßig geringe
Anzahl von Stunden herabgesetzt. Die Früchte der Versuchs-
pflanzen brauchten ziemlich lange Zeit, die im Falle von Cornus
florida bei 25° C 5 Tage betrug. Die Blattzellen von Agave
americana brauchten eine längere und die Blattzellen von Impa-
tieyis Sultani eine ebensolange Zeit für die Rückkehr des Zell-
inhaltes, als die Fruchtzelleu von Pyrus fforibunda und Crataegus
coccinea. Eine überraschend lange Zeitspanne brauchte der Zell-
inhalt von 'Begonia manicata zu seiner Rückkehr. Selbst bei
25° C waren 10 Tage erforderlich. Wenn die Blätter der in vor-
stehender Tabelle genannten Pflanzen zentrifugiert und dann dunkel
gestellt wurden, kehrte der Inhalt zurück, aber die für die Rück-
kehr nötige Zeit war länger. Ganze etwa 7 cm hohe Pflanzen
von Stellana media wurden in der Längsrichtung mit 5000 g. nur
15 Minuten lang zentrifugiert. Im Laufe dieser kurzen Zeit waren
sämtliche Zelhnhalte verlagert. Wieder eingepflanzt kehrte in
sämtliche Zellen der Inhalt binnen 5 Stunden zurück, und die
Pflanzen fuhren fort zu wachsen. Der verlagerte Inhalt nahm bei
kräftigen Exemplaren durchschnittlich Vs des Zellvolumens ein.
Die Wirkung der Zentrifugalkraft auf Pflanzen.
235
Tage oder Stunden, die der Inhalt
Name der Pflanze
brauchte, um bei den folgenden
Temperaturen zurückzukehren
15°C
25° C
Thuya ocddentalis fBlättei
) . . .
4 Tage
1 Tag
Pinus strobus (Blätter; .
3V2 Tage
18 Stunden
Pinus austriaca (Blattei";
3 Tage
2 Tage
Pinus silvestris (Blätter)
4 Tage
2 Tage
Picea pungens (Blätter;
3 Tage
2 Tage
Picea excelsa (Blätter) .
4 Tage
2 Tage
Picea nigra (Blätter)
3 Tage
1V2 Tage
Taxus canadensis (Blätter) . . .
7 Tage
4 Tage
Ginkgo biloba ('Blätter)
2 Tage
1V2 Tage
Py}-us floribunda (Blätter) . . .
2 Tage
- 1 Tag
Pyrus floribunda CFrucht)
3 Tage
2 Tage
Pyrus spectabilis (Blätter)
3 Tage
1 Tag
Crataegus coccinea (Frucht) . . .
4 Tage
2 Tage
Ricinus communis (Blätter)
27» Tage
1 Tag
Hedera helix (Blätter)
2 Tage
20 Stunden
Pavia flava (Blätter)
3 Tage
2 Tage
Arctium lappa (Blätter) ....
2 Tage
1 Tag
Lysimachia nummularia (Blätter)
18 Stunden
10 Stunden
Tropaeolum rnajus (Blätter) . . .
1V2 Tage
8 Stunden
Plantago lanceolata (Blätter) .
2 Tage
1V2 Stunden
Begonia manicata (Blätter) . . .
30 Tage
10 Tage
Ligustrum vulgare (Blätter) .
1 Tag
12 Stunden
Geranium sanguineum (Blätter; .
2 Tage
1 Tag
Philadelphus coronarius (Blätter)
2V2 Tage
1 Tag
Viola palmata (Blätter) ....
1V2 Tage
1 Tag
Setaria glauca (Blätter) ....
1 Tag
18 Stunden
Comus florida (Frucht) ....
12 Tage
5 Tage
Agave americana (Teil des Blattes) .
6 Tage
4 Tage
Impatiens Sultani (Blätter) . . .
8 Tage
2 Tage
Primula sinensis (Blätter) ....
2 Tage
7 Stunden
Primula sinensis (Trichome) .
15 Stunden
5 Stunden
Nasturtium officinale (Blätter)
1 Tag
8 Stunden
Nasturtium officinale (Wurzeln) .
10 Stunden
3 Stunden
Nasturtium officinale (Stengel)
18 Stunden
12 Stunden
Marchantia polymorpha (Thallus) .
3 Tage
1 Tag
Marchantia polymorpha ((Jemmen) .
2 Tage
10 Stunden
Lunularia vulgaris (Thallus) .
4 Tage
2V2 Tage
Lunularia vulgaris (Gemme
n) . .
3 Tage
15 Stunden
236 F- ^^- Andrew»,
Diese kurze Dauer war übrigens, wie ich durch andere Experimente
dieser Art gezeigt habe, hinreichend, das Wachstum der Pflanzen
in gewissem Umfange zu stören. Ähnliche Experimente wurden
an Salvinia natans angestellt, wo 5000 g. für 30 Minuten zur
Anwendung kamen. Alle Zellinhalte der Haare bei den schwim-
menden Laubblättern ^) wurden in einer kompakten Masse in das
zentrifugale Ende der Zelle geworfen und nahmen dort ungefcähr
Va des Zellvolumens ein. Die Rückkehr erfolgte in 5 Stunden.
Die Zellinhalte der schwimmenden Laubblätter selbst wurden eben-
falls verlagert und nahmen ^'-i der Zellvolumina ein. Die Rück-
kehr erforderte einen Tag. Die Temperatur betrug 26° C. Die
Pflanzen wurden durch dies Experiment, welches viermal wieder-
holt wurde, um festzustellen, welche Wirkung hervorgebracht werden
würde, nicht getötet, sondern nur leicht geschädigt. Die Zellinhalte
kehrten in allen Zellen binnen derselben Zeit zurück wie zuerst.
Ein einzelnes Experiment wurde mit Mimosa pudica angestellt,
um zu sehen, welche Wirkung die Anwendung ziemlich hoher Zen-
trifugalkraft auf ihre Bewegungen haben möchte. Demgemäß
wurden einige junge, kräftige Pflanzen in der Höhe von 8 cm
1 Stunde laug der Quere nach mit einer Kraft von 5000 g. zen-
trifugiert. Dies verlagerte den Zellinhalt in allen Teilen der Pflanze.
Die Pflanzen wurden sofort wieder eingepflanzt. In V2 Stunde
nach dem Zentrifugieren waren die Pflanzen imstande, auf eine
leichte Berührung zu reagieren und hatten unter günstigen Be-
dingungen wenige Stunden später anscheinend ihre normale
Empfindhchkeit wiedererhalten. Sobald die Pflanzen nach dem
Zentrifugieren zeigten, daß sie empfindlich seien, wurden meder
Schnitte angefertigt und man konnte sehen, daß die Zellinhalte
in einigen Parenchymzellen der Blättchen und in den Blattstiel-
zellen oberhalb des Kissens noch nicht ganz zurückgekehrt waren.
Die für vollständige Rückkehr des Inhalts benötigte Zeit betrug
bei diesen Zellen 1 Stunde. Dies zeigt, daß der Zellinhalt nicht
zurückzukehren braucht, bevor die Pflanze einen Reiz empfinden
kann. Man möchte geneigt sein sich vorzustellen, daß eine solche
Pflanze vielleicht dauernd invalide oder aber durch solch rauhe
Behandlung getötet werden könnte. Nach einigen Tagen aber
1) Andrews, F. M. und Ellis, M. M., "Some Observations conceming the Eeac-
tions of the Leaf Hairs of Salvinia natans". Bulletin of the Torrey Botanical Club,
1913, Vol. 40, p. 441— 445.
Die Wirkung der Zentrifugalkraft auf Pflanzen. 237
waren die zentrifugierten Exemplare von Mimosa pudica gerade
ebenso kräftig wie die Kontrollexemplare und schienen keine üblen
Wirkungen des Experiments aufzuweisen.
Nukleolus.
Einer der Zwecke dieser Untersuchung- war, das Scliicksal
des Nukleolus sicherzustellen. In meiner früheren Veröffentlichung
zeigte sich, daß bei verschiedenen Pflanzen der Nukleolus aus dem
Zellkern herausgeworfen werden kann^). In allen Fällen, in denen
die zentrifugale Wirkung groß und lange genug fortgesetzt wurde,
W'Urde der Kern gegen das zentrifugale Ende der Zelle hin ge-
schleudert, der Nukleolus aus dem Kern herausgetrieben und ge-
legentlich gegen das zentrifugale Ende der Zelle geworfen. Bei
mit Safranin gefärbten Exemplaren konnte der Nukleolus nach dem
Zentrifugieren als eine rote Kugel in der Zelle außerhalb des Kernes
gesehen werden. Aber der aus dem Kern herauszentrifugierte
Nukleolus kann auch in lebenden Zellen ohne Färbung gesehen
werden. Viele der folgenden Experimente wurden durch verschiedene
Färbemethoden variiert. Durch das Herauswerfen des Nukleolus
aus dem Kern wird letzterer nicht getötet, und der Nukleolus bleibt
eine beträchtliche Zeitdauer intakt, häufig ganze 27 Tage^). Er
kehrt nie \deder in den Kern zurück, sondern löst sich allmählich
auf und verschwindet.
Ich erzog Sämlinge von Zea Mays in feuchter Luft, um ein
dichtes Wachstum von Wurzelhaaren zu erzeugen. Diese Sämlinge
hatten 2 — 3 cm lange Wurzeln und wurden in aUen Fällen mit
einer Kraft von 5000 g. 2 Stunden hindurch zentrifugiert. Die
Wurzeln wurden zuerst nach der Spitze zu zentrifugiert, aber bei
dieser Methode wurden viele Wurzelhaare zerbrochen. Infolge-
dessen wurden die Wurzeln quer zentrifugiert, wobei in den meisten
Fällen die Zentrifugalkraft in Richtung der Spitze der Wurzelhaare
wirksam w'ar. Die Sämlinge wurden für das transversale Zentri-
fugieren in ihrer Lage gehalten, indem sie mit einer Seite in Gips
eingebettet wurden und so auf der Unterseite eines kräftigen
Korkes in den Glaszylindern gehalten wurden. In allen Experi-
menten wurden die bew^egUchen Inhaltsbestandteile inkl. des Zell-
1) Andrews, F. M., a. a. 0., S. 36—37.
2) Andrews, F. M., a. a. 0., S. 37.
238 F- W. Andrews,
kerns an das zentrifugale Ende der Haare geschleudert. Die Wieder-
verteilung des Inlialts in den Wurzelhaareu fand in zwei Stunden
statt. Manchmal übrigens erreichte der Kern nicht das zentrifugale
Ende der Haare, da ihm eine Protoplasmamasse vorausging und
das zentrifugale Ende des Haars auf eine Strecke hin ausfüllte.
Der Kern war häufig auf eine Strecke hin in diese Protoplasma-
masse eingebettet. Bei der Wiederverteilung des Inhalts blieb
der Kern nicht stets an oder nahe der Spitze des Wurzelhaars,
selbst wenn er vor dem Zentrifugieren sich nahe der Spitze
befunden hatte. In manchen Fällen begab sich der Kern in dem
Wurzelhaar in seine frühere Lage zurück. In andern Wurzel-
haaren bewegte er sich zu dem zentripetalen Ende, während er
vor dem Zentrifugieren an oder nahe der Spitze gewesen war.
Diese die Lage des Kerns betreffenden Tatsachen bewahrheiteten
sich in jungen und kräftig wachsenden Wurzelhaaren ebenso wie
in alten, die zu wachsen aufgehört hatten^). In einem andern Ex-
periment wurden die Wurzelhaare von der Spitze nach der Basis zen-
trifugiert und zwar 2 Stunden mit 5000 g. wie vorher. Diese Kraft
schleuderte allen beweghchen Inhalt von der Spitze der Haare zu
der Basis, natürlich einschließlich des Zellkerns, der manchmal vor
dem Zentrifugieren an oder nahe der Spitze des Haares sich be-
fand. Hier wie zuvor kehrten in schnellwachsenden Haaren die
Kerne nicht stets zu der Spitze zurück und verblieben dort. In
manchen schnellwachsenden Haaren allerdings kehrte der Kern an
die Spitze zurück, manchmal sogar ihr näher, als er vor dem
Zentrifugieren gewesen war. Aber er kehrte nicht in allen Fällen
zu der Spitze zurück, wenn er diese Stellung vor dem Zentrifugieren
eingenommen hatte. In den meisten Wurzelhaaren kehrte er nur
einen Teil der Strecke bis zur Spitze zurück. Dann nahm er ent-
weder eine zentrale Haltung ein oder war der einen oder der andern
Flanke ohne anscheinende Beziehung zu seiner früheren Stellung
angelagert. Eine interessante Tatsache ist, daß, wo die Wurzel-
haare von Zea Mays an der Wurzel sehr dicht standen, selbst
3000 g. sie nicht alle zerbrachen oder sie alle flach gegen die
Wurzel trieben. Dies war der FaU, wo die Zentrifugalkraft direkt
parallel zu der Längsachse der kurzen Haare einwirkte. Wie bei
anderen Experimenten kehrte auch bei den Wurzelhaarzellen von
Zea Mays der Inhalt in geringerer Zeit zurück, wenn nach der
Ij Vgl. Haberlandt, G., Physiologische Pflanzenanatomie, S. 24.
Die Wirkung der Zentrifugalkraft auf Pflanzen. 239
Flanke des Haars, als wenn nach einem der beiden Enden zentri-
fugiert wurde. Dies geschah, weil im ersteren Falle mehr Kaum
für die Wiederverteilung- war. War nach der Seitenwand zentri-
fugiert worden, so brauchte es im allgemeinen ^U bis 1 Stunde
zur Wiederverteilung des Zellinhalts.
Der Nukleolus TAiirde aus dem Kern der Wurzelhaarzellen von
Zea Mays bei zweistündiger Anwendung von 5000 g. in praktisch
jedem Falle herausgeworfen. Dies konnte sowohl bei lebenden wie
bei gefärbten Exemplaren festgestellt werden. In einigen Fällen,
in denen der Nukleolus nicht aus dem Kern geworfen wurde, rückte
er aus seiner ursprünglichen Stellung im Kern fort. Er lag dann
entweder direkt an der Kernmembran oder ragte teilweise aus ihr
heraus. Der Kern wurde durch die Zentrifugalkraft einigermaßen
in seiner Form verändert, besonders dann, wenn der Nukleolus
sich durch die Kernsubstanz bewegt, und im Falle des Heraus-
geworfenwerdens die Kernmembran durchriß. Der Kern wurde
durch diese Behandlung nicht getötet. Er nahm schließlich seine
normale Gestalt wieder an und zeigte keine Spur der Ver-
lagerung des Nukleolus. Der aus dem Kern herausgeworfene
Nukleolus war in günstigen Fällen von Zeit zu Zeit sichtbar, und
zwar so lange die Wurzelhaare lebten. In einigen Fällen be-
gann der Nukleolus sich aufzulösen. Er trat nicht wieder in den
ZeUkern ein und wurde nie neugebildet. Die Haare wurden durch
das Zentrifugieren nicht getötet, sondern lebten so lange wie die
Kontrollexemplare.
Urtica clioica.
Ich experimentierte w^eiter an Urtica dioica, um festzustellen,
ob der Nukleolus aus dem Kern herausgeworfen werden könnte,
und was die Wirkung davon sein möchte. Die Trichome dieser
Pflanze sind auch vonMottier^) zentrifugiert worden. Es gelang
ilim nicht, den Nukleolus aus dem Kern hinauszuwerfen, da er nur
1820 g. 1 — 2 Stunden lang benutzte.
Große kräftige Schosse von Urtica dioica mit lebendigen Haaren
können in Wasser gestellt 7 Tage am Leben bleiben und Proto-
plasmaströmung zeigen. Ein Epidermisstreifen wurde entfernt und
in dem Glaszylinder in der gewöhnlichen Weise mit Gips zwischen
1) Mottier, D. M., The Effect of Centrifugal Force upon the Cell. Annais of
Botauy, 1899, Vol. 13, pp. 341—342.
240 ^- ^ ■ Andrews,
Deckg-las und Objektträger befestigt. Der Epidermisstreifen war
bog-euförmig angebracht, so daß die Zentrifugalkraft parallel zu
der langen Achse der meisten Haare wirkte. Eiue Kraft von 5000 g
wurde während 2 Stunden ununterbrochen angewandt. Weder
Epidermisstreifen noch Haare zerrissen während des Experiments.
Fig. 2, Taf. I zeigt eines der Haare mit dem an das zentrifugale
Ende der Zelle getriebenen Zellinhalt. In kräftigen Exemplaren
nimmt der Inhalt durchschnittlich etwa ^i des Zellvolumens ein.
Die Haare wurden sofort geprüft, nachdem sie von der Maschine
genommen worden waren, was etwa in 2 Minuten der Fall war.
In allen Fällen war gleich nach dem Zentrifugiereu eine außer-
ordenthch lebhafte Protoplasmastrcimung sichtbar. Der Kern war
gegen das zentrifugale Ende der Zelle getrieben, derart, daß
er oft in den engen Teil der Zelle eingeklemmt wurde (Fig. 2).
Der Nukleolus wurde herausgeworfen, und bei günstigen Exemplaren
konnte er (Fig. 2D) oft weiter unten gegen das zentrifugale Ende
der Zelle hin inmitten des Zellinhalts gesehen werden. Der dis-
lozierte Nukleolus war bei unmittelbarer Beobachtung nicht stets
leicht zu sehen. Der Kern zeigte gelegentlich, besonders in ge-
hörig gefärbten Exemplaren, die durch den Nukleolus bei seinem
Passieren der Kernmembran gemachte Öffnung (Fig. 2). Infolge
der schnellen Protoplasmaströmung fand die Wiederverteilung des
Zellinhalts in 3 bis 5 Stunden statt.
Fig. 3, Taf. I zeigt ein anderes Haar von Urtica dioica, wo
der Nukleolus aus dem Kern herausgeworfen worden ist. Eine deut-
liche Linie durch das Protoplasma hindurch ist sichtbar, verursacht
offenbar durch den Nukleolus. als er seinen Weg tiefer nach dem
zentrifugalen Ende der Zelle zu bahnte. Nach einiger Zeit ver-
schwand diese Linie infolge der Protoplasmaströmungen. Fig. 3
zeigt an einem weiteren Fall, daß es nicht nötig ist, daß der Kern
unbeweglich zwischen den Zellwänden festgehalten ^^Ird wie in
Fig. 2, damit der Nukleolus liinausgeworfen werden kaün. In
Fig. 3 ist eine große Menge von Protoplasma so dicht in das
zentrifugale Ende der Zelle gepreßt worden, daß eine weitere Be-
wegung des Kernes unmöglich war. Der Nukleolus jedoch, der ein
weit höheres spezifisches Gewicht hatte, fuhr fort, seinen Weg weiter
durch den dichten Zellinhalt zu forcieren. In Fig. 3 ist die schaum-
artige Beschaffenheit des Protoplasmas an dem zentripetalen Ende
des Yorgelagerten Zellinhalts angezeigt. — Kleine Zweige von Urtica
dioica ebensowohl als Epidermisstreifen wurden nach dem Zentri-
Die "Wirkung der Zentrifugalkraft auf Pflanzen. 24X
fugieren in feuchte Kammern gebracht. Dasselbe geschah mit den
Kontrollexemplaren. Die Exemplare lebten durchschnittlich 7 Tage.
Dies ergab eine günstige Möglichkeit, das Verhalten der lebenden
zentrifugierten Haare zu beobachten. Der Kern kehrte in einigen
Fällen an seinen gewöhnlichen Platz an der Basis des Haars zurück
und stellte seinen Zusammenhang mit dem Rest der Zelle durch
protoplasmatische Verbindungen wieder her. In einigen andern
Fällen nahm der Kern an der Basis des Haares eine wandständige
Stellung ein. In sehr vielen Haaren kehrte der Kern nicht zur
Basis des Haares zurück, sondern bewegte sich zuerst zu dem einen,
dann zu einem andern Platze in dem Haar ohne Beziehung zu
seiner gewöhnlichen Lage. Der Nukleolus trat nie wieder in den
Kern ein. Auch wurde nie im Kern ein neuer Nukleolus gebildet,
sondern er löste sich im Protoplasma auf.
Trichome der jungen Zweige von Lycopersieum esculentum
wurden ebenfalls für 2 Stunden mit einer Kraft von 5000 g. zen-
trifugiert. Der bewegliche Zellinhalt wurde in einer dichten Masse
nach dem zentrifugalen Ende der Zelle zusammengetrieben. Sobald
das Präparat beobachtet werden konnte, war eine rapide Proto-
plasmabewegung in allen Riclitungen sichtbar. Diese Bewegung
verursachte eine Wiederverteilung des Protoplasmas binnen 1 Stunde.
Vor dem Zentrifugieren lag der Kern in dem zentripetalen oder
basalen Ende der Zelle. Bei der Wiederverteilung des Inhalts
bewegte sich der Kern manchmal in seine ursprüngliche Stellung
zurück, manchmal aber auch nur einen Teil des Weges. Der
Nukleolus wurde aus dem Kern herausgeworfen (Fig. 4 u. 5, Taf. I).
Er konnte meist im Protoplasma weiter gegen das zentrifugale
Ende der Zelle zu liegend gesehen werden. In den Kern trat er
nicht wieder ein, sondern wurde einfach von dem Protoplasma in
der Zelle hierhin und dorthin geführt, bis er nicht länger unter-
schieden werden konnte oder sich auflöste. Ein anderer Nukleolus
wurde niemals gebildet. Die kleinen zentrifugierten Trichome
wurden bei 21" C in einer feuchten Kammer gehalten. Sie fuhren
5 Tage fort zu leben und Plasmaströmung zu zeigen. Dies ge-
währte reichliche Zeit, die Wirkung der Entfernung des Nukleolus
auf den Kern zu beobachten. Der Kern war durch den Verlust
seines Nukleolus anscheinend nicht geschädigt. Wie bei Urtica dioica
war die kleine Öffnung in der Kernmembran, da wo der Nukleolus
herausgeschleudert worden war, oft sichtbar fFig. 4). Diese
Öffnung schloß sich indessen bald und ließ keine Spur ihres
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI. lo
242 ^- W- Andrews,
früheren Vorhandenseins zurück. Der Zellinhalt erfüllte in kräftigen
Zellen, wie Fig. 5, wenn zentrifugiert, ungefähr Vis ihres Volumens.
Die schnelle Wiederausbreitung des Zellinhalts bei Lycopersicum
esculentum zeigt Fig. 5. Die Trichomzelle wurde unmittelbar nach
dem Zentrifugieren für 2 Minuten beständig beobachtet. Während
dieses kurzen Zeitraums haben sich die beweglichen Protoplasma-
stränge über etwa ^/s der Zellänge ausgebreitet. Die Bewegung
fand in allen Richtungen statt. Ich fand, daß 3000 g., die
V2 Stunde lang einwirkten, den beweglichen Zellinhalt bei dieser
Pflanze zu verlagern vermochten, aber nicht hinreichten, um den
Nukleolus aus dem Zellkern herauszuwerfen.
Torenia asiatka.
Bei Torenia asiatka ragt bekanntlich das obere Ende des
Embryosacks aus der Mikropyle heraus. Der gesamte Eiapparat
ist lediglich von der dünnen Wand des Embryosacks bedeckt. Der
Eiapparat ist infolgedessen leicht sichtbar. In den Synergiden
liegt der Kern im oberen Teil und die Vakuole im unteren. In
der Oosphäre ist dies Verhältnis umgekehrt^).
Ich wünschte die Wirkung der Zentrifugalkraft auf die Kerne
des Eiapparats festzustellen. Ganze Ovarien mit ihren zahlreichen
Ovulis wurden 2 Stunden mit einer Kraft von 5000 g zentrifugiert.
Diese Kraft trieb den Inhalt des Embryosacks in allen Fällen gegen
sein zentrifugales Ende hin. Manchmal war der Inhalt hinreichend,
um den nicht aus der Mikropyle herausragenden Teil dicht an-
zufüllen. In manchen Fällen bildete der Inhalt des oberen Endes
des Embryosacks eine Art Pfropfen in dem engen Teil und wurde
nicht weiter gegen das zentrifugale Ende geworfen (Fig. 7, Taf. I).
Gelegentlich wurde das hervorragende Ende des Embryosacks mehr
oder weniger abgeplattet (Fig. 7). Wenn die Kraft in der Eichtung
des dünnen Endes des Embryosacks angriff, wurde der Eiapparat
gewöhnlich losgerissen und gegen das zentrifugale Ende geworfen
(Fig. 6 und 7). Häufig wurde auch nur die Eizelle abgerissen.
Oder es wurde, wie in Fig. 9, die Eizelle und eine der Synergiden
teilweise zerrissen. In einigen andern Fällen wurden die Wände
der Eizelle und Synergiden beträchtlich durch die Zentrifugalkraft
1) strasburger, E. und Koernicke, Max, Das botanische Praktikum. Fünfte
Auflage, 1913, S. 619.
Die Wirkung der Zentrifugalkraft auf Pflanzen. 243
ausgedehnt (Fig. 10). Die Wände des gesamten Eiapparates waren
folglich einer beträchtlichen Ausdehnung fähig, ohne zu brechen,
und waren stärker, als man voraussetzen möchte.
Ich wünschte ferner die Einwii"kung der Zentrifugalkraft
hauptsächlich auf den Inhalt des Eiapparates festzustellen. In allen
Fällen wurde der Inhalt sowohl der Synergiden als auch der Eizelle
iu das zentrifugale Ende geworfen. Bei reifen Exemplaren machte
der Inhalt des Eiapparats ungefähr Ve des Volumens jeder Zelle
aus. Die Kerne der Synergiden wurden durch die oben erwähnte
Vakuole in ihrem unteren Ende hindurchgeworfen. Die Nukleoli
wurden in fast allen Fällen aus den Kernen herausgeworfen und
konnten im allgemeinen in dem zentrifugalen Ende der Eiapparat-
zellen gesehen werden. Manchmal konnten sie wegen ihres ge-
ringen Umfanges in dem umgebenden Protoplasma nicht gesehen
werden. Vor dem Zentrifugieren konnte keine Protoplasmabewegung
in dem Protoplasma des Eiapparates direkt gesehen werden. Nach-
dem jedoch der Inhalt verlagert war, wie in Fig. 10, Taf. I, war
oft in der Eizelle eine schwache Protoplasmabewegung sichtbar.
Wenn der Eiapparat nicht von der Wand des Embryosacks los-
gerissen worden war, breitete sich der Inhalt in allen drei Zellen
im allgemeinen in 7 Stunden wieder aus. War dagegen der Ei-
apparat selbst verlagert, wie in Fig. 6 abgebildet, so trat keine
Wiederausbreitung des Inhalts ein, da die Zellen dann nur eine
kurze Zeit am Leben zu bleiben schienen. Wirkte die Zentrifugal-
kraft in Richtung des verbreiterten Endes des Embryosacks, so
riß die Wand oft, und der Eiapparat mitsamt Inhalt wurde heraus-
geschleudert. In manchen Ovulis wurde der außerhalb der Mikropyle
liegende Teil des Embryosacks durch die zweistündige Wirkung
einer Ivraft von 5000 g. abgerissen. Im allgemeinen verlagerten
3000 g. den Zellinhalt, wenn sie für mehrere Stunden in Anwen-
dung kamen. Diese Kraft verursachte weder ein Zerreißen der
Wände des Eiapparates noch eine Verlagerung der Nukleoli. Die
Zellen des Eiapparates von Torenia asiatica sind also ungeachtet
ihrer anscheinenden Zartheit imstande, einem überraschend hohen
Betrage rauher Behandlung zu widerstehen. Der Nukleolus trat
nicht wieder in den Kern ein und wurde nicht neugebildet.
Tradescantia virginica.
Da der Prozeß der Kern- und Zellteilung in den lebenden
Zellen der Staub fädenhaare von Tradescantia virginica leicht direkt
16
*
244 ^- ^- J^ndrews, '
verfolgt und beobachtet werden kann^), war diese Pflanze für die
folgende Untersuchung besonders gut geeignet. Für einige Ex-
perimente wählte ich kleine ungestielte Knospen, deren Staubfaden-
haarzellen entweder in Teilung begriffen oder zur Teilung bereit
waren. Diese Knospen wurden in konischen Aushöhlungen in Kork
angebracht und durch Gips festgehalten. Bei andern Experimenten
wurden alle Teile der jungen Blüte entfernt bis auf einen Staub-
faden mit seinen angewachsenen Haaren, deren Zellen in dem für
die Teilung geeigneten Zustande waren. Dieser einzelne Staub-
faden wurde mittels Gips zwischen Objektträger und Deckglas be-
festigt. Diese letzte Methode, obschon keineswegs ebenso sicher
oder bequem, war notwendig, um direkt und sicher das Verhalten
des Zellkerns unter dem Einflüsse des Zentrifugierens beobachten
zu können. Bei jeder der genannten Methoden wirkte die Zentri-
fugalkraft auf die meisten Zellen der Staul)fadenhaare parallel zu
ihrer Längsachse. Immer konnte dies nicht der Fall sein, da die
Haare oft ineinander gewirrt oder so gelagert waren, daß die
Zentrifugalkraft mehr oder weniger in einem Winkel zu der Längs-
achse eines Teils der Zellen wirkte.
Mein Zweck war zunächst, die allgemeine Wirkung der Zentri-
fugalkraft auf den Zellinhalt festzustellen. Die Zellen wurden
zuerst 1 Stunde lang einer Kraft von 5000 g. unterworfen. Sie
wurden sodann schnell geprüft, was 2 bis 5 Minuten dauerte, wenn
ganze Knospen zentrifugiert worden waren. Die meisten Zellen
waren unverletzt. Wenn ein einzelner Staubfaden zwischen Objekt-
träger und Deckglas zentrifugiert worden war, war etwa ein Viertel
der Zellen verletzt oder getötet. Hieran trug also sicher nicht
die Zentrifugalkraft allein die Schuld, sondern hauptsächlich die
Manipulationen der Vorbereitung, so sorgfältig letztere auch aus-
geführt werden mochte. — Jedenfalls waren alle beweglichen
Inhaltsbestandteile in einer kompakten Masse in das zentrifugale
Ende der Zelle geschleudert worden. Aktive Zirkulation des Proto-
plasmas war unmittelbar sichtbar und erstreckte sich in allen Rich-
tungen. So schnell waren die Strömungen des Protoplasmas, daß
die Wiederverteilung durchschnittlich in 5 Minuten erfolgte. Der
Zellkern kehrte nicht stets zu seiner ursprünglichen Lage zurück.
1) strasburger, E. und Koernicke, Max, Das botanische Praktikum. Fünfte
Auflage, 191.3, S. 657. — Strasburger, E., Zellbildung und Zellteilung. Dritte Auf-
lage, 1880, S. 109. — Lundegardh, H., Zur Kern- und Zellteilung an lebenden Ob-
jekten. Jahrb. f. wiss. Bot., Bd. 51, 1912, S. 263 fif.
Die Wirkung der Zentrifugalkraft auf Pflanzen. 245
In den meisten Fällen bewegte sich der verlagerte Kern von dem
zentrifugalen Ende der Zelle zurück und nahm dann irgendwo in
der Zelle, ohne Beziehung zu seiner früheren Lage, wie man er-
warten könnte, seinen Platz ein. In Zellen wie Fig. 11, Taf. I
füllte der verlagerbare Inhalt etwa Vs des Zellvolumens aus. In
jüngeren Zellen wie Fig. 12 füUte der Inhalt die Zelle nahezu voll-
ständig an.
Bei Tradescantia virginica hat der Zellkern oft mehrere
Nukleoli. Ich unterwarf die StaubfadenhaarzeUen 5000 g. wäh-
rend 2 Stunden. Der Inhalt wurde verlagert wie zuvor. In allen
lebenden Zellen wurde der Kern nach dem zentrifugalen Ende
geworfen.
Manchmal erreichte der Kern das zentrifugale Ende nicht,
dank dem Umstände, daß die Zelle bisweilen eng wird. Dann bheb
der Kern zwischen den Zelhvänden stecken (Fig. 13 und 14, Taf. I).
In anderen Zellen wurde der Kern durch eine ihm vorausgehende
Protoplasmamasse festgehalten. Wie der Kern auch immer gehalten
wurde, ob durch die Zellwände oder das Protoplasma, ob einer oder
mehrere, die Nukleoli wurden stets aus dem Kern herausgeworfen.
Das spezifische Gewicht der Nukleoli war groß genug, um sie
w^ährend der 2 Stunden Zentrifugierens den ganzen Weg oder doch
ziemlich den ganzen Weg durch das Protoplasma hindurchzuführen
(Fig. 13, 14 und 15). Wie in anderen Zellen riß der Nukleolus die
Kernmembran durch und hinterließ eine Öffnung, die häufig einige
Zeit hindurch sichtbar blieb. Der Kern selbst wurde durch die starke
Zentrifugalkraft bisweilen in seiner Gestalt verändert oder ab-
geplattet (Fig. 15). Durch Anwendung von 5000 g. während
2 Stunden wurde der Kern nicht getötet. Er nahm schließlich
seine frühere Gestalt wieder an und bewegte sich in vielen Fällen
nach dem zentripetalen Ende der Zelle zurück. Der Nukleolus
trat nicht wieder in den Kern ein, und ein neuer Nukleolus oder
mehrere Nukleoli wurden nicht im Kern gebildet. Auf dem Objekt-
träger befestigte Exemplare konnten 10 bis 24 Stunden lebendig
erhalten und so von Zeit zu Zeit beobachtet werden. Ganze
Knospen, die zentrifugiert und dann auf feuchtes Filtrierpapier in
eine feuchte Kammer gebracht w^orden waren, blieben 10 Tage am
Leben. Derart wurden die StaubfadenhaarzeUen eine beträchtliche
Zeit hindurch geprüft. In allen Fällen wurde der Nukleolus in
dem strömenden Protoplasma schließlich aus dem Gesicht verloren
oder aufgelöst. Einzelne Haare wurden auch in einem Tropfen
246 F. AV. Andrews,
einer Iproz. Zuckerlösung in die feuchte Kammer gebracht^), wobei
die Exemplare für nahezu 24 Stunden lebendig und kräftig blieben.
Obwohl die Nukleoli bei Tradescantia virginica von größerem
spezifischen Gemcht als das Protoplasma sind, muß die Zentrifugal-
kraft für einige Zeit einwirken, um sie vollständig aus dem Kern
herauszuschleudern. Experimente, bei denen 5000 g. für Vs Stunde
in Anwendung kommen, fallen in der Regel unbefriedigend aus.
Die Entfernung des Nukleolus scheint keine Wirkung auf den
Zellkern zu haben. Die Kernmembran ymd zerrissen, und der
Nukleolus, indem er seinen Weg durch die Kernmasse bahnt, bringt
offenbare Verletzungen hervor. Abgesehen von der allgemeinen
Wirkung der Zentrifugalkraft auf den Kern selbst, ist diese Ver-
lagerung des Nukleolus an sich hinreichend, zu zeigen, daß der
Kern kein so zartes Gefüge hat, als man anzunehmen geneigt sein
möchte. Daß der Kern imstande ist, seine Membran in verhältnis-
mäßig kurzer Zeit wiederherzustellen und wie vorher weiterzuleben,
sich zu teilen oder seine Funktionen auszuüben, beweist eine be-
trächtliche Widerstandsfähigkeit gegenüber einem mechanischen In-
sult. Die Entfernung des Nukleolus hindert nicht die Bildung der
Chromosomen. Ein seines Nukleolus beraubter Kern kann sich genau
in derselben Weise teilen wie ein Kern, der seinen Nukleolus behalten
hat. Wenn der Nukleolus zur Ernährung dienen sollte, so können
wir nicht sagen, daß dies für irgend eine besondere Struktur nötig
wäre. Wenn der Nukleolus aus dem Kern herausgeworfen worden
ist, so kann das Baumaterial natürlicherweise nicht ganz oder teil-
weise von ihm genommen werden. Die Chromosomen und andere
Kernstrukturen, die bei Abwesenheit des Nukleolus in durchaus
normaler Weise gebildet werden, müssen aus anderen Quellen her-
stammen. Strasburger sagt, als er von den Kernen der Staub-
fadenhaare von Tradescantia virginica spricht: „Gleichzeitig neh-
men die beiden Tochterkerne an Größe zu, und es liegt die An-
nahme nahe, daß sie sich auf Kosten des umgebenden Cytoplasma
ernähren"").
Da der Nukleolus aus dem Kern herausgeworfen werden
kann, scheint keine Rechtfertigung für Dixons Hypothese zu sein,
daß er eine Rolle bei der Vererbung spielt^). Wagners Abhand-
1) strasburger, E., ZeUbildung und Zellteilung, 3. Aufl., 1880, S. 110.
2) strasburger, E., Das botanische Praktikum, 4. Aufl., 1902, S. 601.
3) Dixon, H. H., Annais of Botany, Vol. 13, 1899, pp. 269—278.
Die Wirkung der Zentrifugalkraft auf Pflanzen. 247
lung sollte in diesem Zusammenhang verglichen werden^). Auch
Nemee^) hat andere Gründe angegeben, weshalb der Nukleolus
für die Erblichkeit nicht von Bedeutung ist. Da die Chromosomen
in normaler Weise gebildet werden, auch wenn der Nukleolus aus
dem Kern geworfen ist, so kann Georgevitchs^) Vorstellung, daß
die Chromosomen direkt von dem Nukleolus herstammen, nicht
korrekt sein. Auch Nemec hat gezeigt, daß diese Vorstellung
Georgevitchs unrichtig ist*). In dieser Art ist häufig dem Kern
und seinen Bestandteilen eine ungerechtfertigte Wichtigkeit bei-
gelegt worden.
Es ist sogar nicht zweifelsfrei festgestellt worden, daß der
Zellkern selbst der Träger der erblichen Eigenschaften ist. Denn
Pfeffer sagt: „Da mit dem Samenfaden (wie es scheint, in allen
Fällen bei der Befruchtung) der Eizelle auch Cytoplasma zugeführt
wird, so kann schon dieserhalb aus den bezüglichen Erfahrungen
die Alleinherrschaft des Kernes mit Recht nicht gefolgert werden,
und für das Dogma, daß der Kern der alleinige Träger der Erb-
masse sei, ist ein zwingender Beweis überhaupt nicht erbracht
worden"^). Verworn hat ebenfalls die verschiedenen Ansichten
über die Bolle des Kerns bei der Vererbung besprochen^')- Auch die
Diskussion von Nemec") über „Der Kern als Träger des Idio-
plasmas" und die von ihm zitierte Literatur sollte zu Rate gezogen
werden. Nemec sagt: „Die Hypothese, daß der Kern als alleiniger
stofflicher Träger der Vererbung fungiert, w^irde von Strasburger
(1884) und 0. Hertwig ausgesprochen, unzweideutig bewiesen
wurde diese Annahme nicht" ^). Dixon^) stellt fest, Wilson
zitierend, daß Haeckel diese Anschauung bereits 1866 ausgesprochen
habe. Wilson sagt^°) „that Haeckel expressed this view as early
as 1866 — only, however, as a speculation".
1) Wagner, Harold, The Nucleolus and Nuclear Division in the Koot-Apex of
Phaseolus. Annais of Botany, Vol. 18, 1904, S. 29—55.
2) NSmec, B., Das Problem der Befruchtungsvorgänge, 1910, S. 466.
3) Georgevitch, P., Zur Nukleolusfrage. Beihefte zum Botan. Centralblatt,
Bd. 23, 1908, S. 45—53.
4) Ngmec, B., a. a. 0., S. 323.
5) Pfeffer, W., Pflanzenphysiologie, 2. Aufl., Bd. I, 1897, S. 46.
6) Verworn, Max, Allgemeine Physiologie, 3. Aufl., 1901, S. 529 — 536.
7) Nemec, B., a. a. 0., S. 461—483.
8) Nemec, B., a. a. 0., S. 46.
9) Dixon, H. H., a. a. 0., p. 269.
10) Wilson, E.B., The Cell in Development and Inheritance, 2»'^ Edition 1911, p. 7.
248 F- ^^^- Andrews,
Die Einwirkung der Zentrifugalkraft auf die Kernteilung in
den Zellen von Tradescantia virginica ist eine interessante Frage.
Zu diesem Zwecke wurden die Zellen zunächst einer zweistündigen
Zentrifugal Wirkung von 5000 g. unterworfen. Dieser Betrag der
Kraft trieb den sich teilenden Kern an das zentrifugale Ende der
Zelle. Die Chromosomen und die Spindel wurden ebenso vollständig
nach dem zentrifugalen Ende der Zelle hingetrieben, wie es mit
dem ganzen Zellkern vor der Teilung der Fall gewesen war. Bei
Anwendung von 5000 g. wurden Spindel und Chromosomen in den
meisten Fällen als eine unterscheidbare Masse an das Ende der
Zelle geworfen. Bei einigen Zellen jedoch war dies nicht der
Fall. Wenn die Chromosomen sich an den Polen befanden und
die Spindel so verlagert wurde, daß sie mit ihrer Längsachse
parallel an der Querwand des zentrifugalen Endes der Zelle lag,
wurde die Spindel öfters nicht zerquetscht. Dies zeigt, daß sie
eine starrere Struktur besitzt, als man voraussetzen möchte. Auch
bei sich teilenden Wurzelzelleu von Vicia faba habe ich das gleiche
beobachtet. Wenn sich jedoch die Chromosomen an der Äquatorial-
platte befanden, wurde die Spindel in dieser Lage durch das Ge-
wicht derselben platt gedrückt. Die Spindel wurde ebenfalls fast
immer zerdrückt, wenn 5000 g. parallel zu ihrer Längsachse ein-
wirkten, während die Chromosomen sich an den Polen befanden.
Häufig wurde die Spindel dadurch zerquetscht, daß eine Protoplasma-
masse auf sie niedergedrückt oder durch sie hindurchgeschleudert
wurde. In allen Fällen, in denen die Zelle nicht getötet wurde,
kehrte der Inhalt zurück, der Kern stellte sich gegebenenfalls
wieder her und teilte sich schließlich in vielen Fällen, wenn die
Zelle jung war.
Da durch 5000 g. die Spindel im allgemeinen zerquetscht und
der Kern meist arg beschädigt wurde, verminderte ich die Kraft.
Durch zahlreiche Experimente fand ich heraus, daß der Kern einer
Kraft von ungefähr 1107 g. widerstehen konnte, ohne in den meisten
Fällen ernstlich beschädigt zu werden. Es ist überraschend, daß
der sich teilende Kern auch nur 1107 g. aushalten kann, ohne
gänzlich zerstört zu werden. Bei halbstündiger Anwendung von
1107 g. wurden Kern und Zellinhalt an das zentrifugale Ende der
Zelle verlagert. In manchen Fällen bewegte sich der Kern nach
dem zentripetalen Ende der Zelle zurück, ungefähr in seine frühere
Stellung. Manchmal tat er dies nicht und verblieb an oder nahe
dem zentrifugalen Zellende, und in manchen Fällen teilte er sich
Die Wirkung der Zentrifugalkraft auf Pflanzen. 249
unter Bildung einer kurzen und einer langen Zelle. Dies ist auch
durch Mottier^) bei derselben Pflanze festgestellt worden, und
ich kann somit diesen Punkt bestätigen.
Ich wünschte demnächst festzustellen, ob der Kern imstande
sei, sich während des Zentrifugierens zu teilen. Um hierüber
ins klare zu kommen, befestigte ich in der beschriebenen Weise
einen einzelnen Staubfaden auf dem Objektträger, so daß das Prä-
parat sowohl vor als nach dem Zentrifugieren beobachtet werden
konnte. Ich wählte einen Staubfaden, dessen Haarzellen sich nicht
teilten, aber jung und in teilungsfähigem Zustande waren. Ich
zentrifugierte 3 Stunden ununterbrochen mit 1107 g. Bei Nach-
prüfung der Haare fand ich, daß Kern und andere Zellinhalts-
bestandteile sich an das zentrifugale Ende der Zelle begeben hatten.
Der Kern einer jeden zur Teilung bereit gewesenen Zelle hatte
sich nicht nur zu teilen begonnen, sondern hatte in den
meisten Fällen seine Teilung zu Ende geführt und eine
Zell wand gebildet. Daß der Kern unter solchen Umständen
sich zu teilen vermag, zeigt eine überraschende Widerstands-
fähigkeit des in Teilung begriffenen Kernes. Weitere Experi-
mente wurden in derselben Weise mit 1107 g. angestellt, aber die
Dauer des Zentrifugierens auf 2 Stunden beschränkt. Die Kerne
teilten sich während des Zentrifugierens wie zuvor. Die Kontroll-
exemplare vollendeten ihre Teilung durchschnittlich in 1 Stunde
und 30 Minuten. Die zentrifugierten Kerne brauchten durchschnitt-
lich 2 Stunden, um sich zu teilen.
Morgan-) hat gezeigt, daß die Eier gewisser Tiere, wie die
von Cumingia und Cerehratuliis, sich während des Zentrifugierens
zu teilen vermögen. Eine derartige Teilung ist auf Taf. 2, Fig. U
von Morgans Abhandlung abgebildet.
Ich fand häufig, daß wenn ein Staubfadenhaar mit sich teilen-
den Zellen auf einem Objektträger in die Maschine gesetzt wurde,
die Kernspindel bogenförmig gekrümmt wurde (Fig. 16, Taf. I).
Dies ist auch von Mottier^) gefunden worden. Er stellt fest,
daß die bei der Teilung erzeugte Wand, wie auf seiner Fig. 7,
nur wenig schief steht ^). Ich habe demgegenüber gefunden, daß
l; Mottier, D. M., The Effect of Centrifugal Force upon the Cell. Annais of
Botany, Vol. 13, 1899, p. 339.
2) Morgan, T. H., Journal of Experimental Zoology, 1910, Vol. 9, p. 610.
3) Mottier, I). M., 1. c, p. 338.
250 F- ^^ • Andrews,
ein solcher sich teilender Kern eine mehr oder weniger schief
stehende Wand bildete, entsprechend dem Betrage, um den sich
die Kernspindel während des Zentrifugierens gedreht hatte. Oft
war eine Abweichung der Wand um einen Winkel von 35^ (Fig. 22)
oder von 45 "^ (Fig. 23) nicht ungewöhnlich. Die Fig. 16 bis 21
zeigen die Bildung der schiefen Wand. Fig. 21 zeigt eine ge-
krümmte Spindel mit der fertigen diagonalen Wand. Die Spindel-
fasern eines derartigen sich teilenden Kernes sind folglich von un-
gleicher Länge. Die Zeichnung zeigt auch, daß die bei der Kern-
teilung erzeugte Wand nicht den gleichen Abstand von beiden
Polen zu haben braucht. In manchen Zellen wurde der in Teilung
begriffene Kern während des Zentrifugierens um einen Winkel von
80^ gedreht. Der Kern lagerte sich dann in dem zentrifugalen
Ende der Zelle derartig, daß die Längsachse seiner Spindel quer
oder nahezu quer durch die Zelle hindurchging. Dann bildete der
Kern bei seiner Teilung eine Wand, die beinahe in der Längs-
richtung der Zelle stand (Fig. 24 und 25).
Die schiefe Wand, die meine Fig. 16 bis 21 aufweisen, wurde
bisweilen gebildet, während junge Staubfadenhaare ununterbrochen
in der Maschine mit 1107 g. zentrifugiert wurden. Der Prozeß
der Kernteilung wurde durchschnittlich um 40 Minuten über die
gewöhnliche Zeitdauer hinaus verlängert.
Der Kern teilte sich übrigens binnen kürzerer Zeit, wenn die
Zellwand quer stand, als wenn der Kern eine schiefstehende Wand
bildete.
Lillie^) hat gezeigt, daß die Spindel des Eies von Chaetopterus
durch Zentrifugieren bewegt werden kann und verschiedene Lagen
im Ei einnimmt. Morgan-) hat dasselbe gezeigt. Morgan hat
in seiner Abhandlung auch beschrieben, daß die Spindel durch
Zentrifugalkraft gekrümmt werden kann, und hat dies Fig. 32 und 33
auf Taf. 6 abgebildet.
Einige der Spindeln in meinen Experimenten wurden gelegent-
lich durch 1107 g. zerstört, aber nur in wenigen Fällen. Lillie^)
dagegen unterwarf die Spindel des Eies von Chaetopterus einer
Zentrifugalkraft von „7800 revolutions in a minute at a radius of
6 cm", ohne die Spindel zu zerquetschen.
1) Linie, Frank R., Karyokinetic Figures of Centrifuged Eggs, An Experimental
test of the Center of Force Hypothesis. Biological Bulletin, Vol. 17, p. 108 — 112.
2) Morgan, T. H., I. c, p. 624, 628, 634.
3) Linie, Frank E., 1. c, p. 111, Fig. 6.
Die Wirkung der Zentrifugalkraft auf Pflanzen. 251
In manchen der Staubfadenhaare von Tradescantia virginica
fand ich kernlose Zellen und andere mit zwei und manchmal sogar
mit drei Kernen. Fig. 26, Taf. I zeigt fünf Zellen eines Staub-
fadenhaares, von dessen Zellen zwei, a und h, keinen Kern haben,
während eine andere Zelle c drei Kerne hat. Fig. 27 zeigt zwei
Kerne in einer Zelle. Diese Erscheinung ist, wie Miehe in seiner
bewundernswerten Arbeit gezeigt hat ^), auf Beschädigung zurückzu-
führen. Arnoldi-) hat ebenfalls die x\nwesenheit der Hofmeister-
schen Körper^) in der Eizelle der Abietineen auf diese Ursache
zurückgeführt. Farmer^) hat ebenfalls dasselbe erwiesen. Nemec^)
gibt in seinem Buch eine vortreffliche Schilderung von Kernen,
die von einer Zelle zur andern wandern. Bei Tradescantia sterben
die ihres Kernes beraubten Zellen (Fig. 26 a und &) eher als
die Zellen, die einen oder mehrere Kerne besitzen (Fig. 26 c). In
meinen Experimenten wandern die Kerne durch die Wände infolge
von Beschädigung entweder bei der Präparation oder beim Zentri-
fugieren. Fig. 28 und 29 zeigen Zellen, in denen der Kern nur
halbwegs durch die Zellwand hindurch gegangen ist. Ich beob-
achtete Kernwanderung in den Staubfadeuliaaren von Tradescantia
virginica in keinem Falle, in dem die Zellen nicht ziemlich schwer
beschädigt worden waren.
Zusammenfassung.
Die hauptsächlichsten Ergebnisse der in dieser Abhandlung
dargestellten Untersuchungen können kurz wie folgt aufgezählt
werden :
1. Das Zentrifugieren von Oscillaria princeps mit der höchsten
zur Verfügung stehenden Zahl von g. verursachte keine Verlage-
rung des Zellinhalts. Auch brachte es die Bewegungen der Pflanze
weder zum Stillstand noch verlangsamte es sie sichtlich.
2. Die 1 IVIinute lang dauernde Einwirkung einer Zentrifugal-
kraft von 1207 g. ist liinreichend , um den Inhalt von Closterium
moniliferum zu verlagern. Nach dem Zentrifugieren zeigte sich
1) Miehe, Hugo, Über die Wanderungen des pflanzlichen Zellkernes. Flora,
Bd. 88, 1901, S. 105.
2) Arnoldi, W., Beiträge zur Morphologie der Gymnospermen. Flora, Bd. 87,
1900.
3) Hofmeister, W., Vergleichende Untersuchungen, 1851.
4) Farmer, J. B., Nature, 1903, Vol. 68, p. 71.
5) Ngmec, B., a. a. 0., S. 237 ff.
252 ^- ^- Andrews,
eine schaumartige Struktur und rapide Plasmabewegung. Der Zell-
inhalt kehrte in allen Fällen zurück. Jedoch brauchte der Zellinhalt
im Dunkeln eine längere Zeit für seine Rückkehr als im Licht.
3. Der verlagerte Zellinhalt kehrt bei den in Tabelle I auf-
gezählten Pflanzen bei 25^ C in kürzerer Zeit zurück als bei 15° C.
4. Ganze zentrifugierte Pflanzen von Mimosa pudica erhielten
ihre Empfindlichkeit teilweise in V2 Stunde zurück, obwohl der Zell-
inhalt in einigen der Parenchymzellen der Blättchen und Stiele
noch nicht vollständig zurückgekehrt war.
5. Der Kern wurde in jeder zentrifu gierten Zelle an das zen-
trifugale Ende geschleudert. Er wurde durch das Zentrifugieren
oder das Herauswerfen des Nukleolus nicht getötet oder sichtlich
schwer geschädigt. Wenn sich der Kern vor dem Zentrifugieren
an der Stelle des stärksten Wachstums befand und aus dieser
Stellung vertrieben worden war, kehrte er manchmal an dieselbe
Stelle zurück. In den meisten Fällen jedoch kehrte er nicht zu der
Stelle des stärksten Wachstums zurück, sondern nahm nach dem
Zentrifugieren irgend eine Lage in der Zelle ein ohne Beziehung
auf seinen früheren Ort.
6. Wenn der Nukleolus aus dem Kern herausgeworfen worden
war, trat er nicht wieder in den Kern ein und wurde auch nicht
neugebildet.
7. Wenn der Nukleolus aus dem Kern herausgeworfen worden
war, teilte sich der letztere in völlig normaler Weise. Während
der Teilung benahm sich der Kern in jeder Hinsicht ebenso, als
ob 'der Nukleolus vorhanden gewesen wäre.
8. Das Schicksal des durch Zentrifugalkraft aus dem Kern
herausgeworfenen Nukleolus ist, daß er sich auflöst und in dem
allgemeinen Zellinhalt verschwindet.
9. Der Kern der Staubfadenhaarzellen von Tradescantia vir-
ginica kann sich während des Zentrifugierens teilen oder eine Zell-
wand bilden, wenn eine Kraft von 1107 g. oder weniger zur An-
wendung kommt.
10. Manchmal ist die durch einen zentrifugierten Kern ge-
bildete Wand nicht quergestellt, sondern mehr oder weniger schief.
In einigen wenigen Fällen wurde die Wand beinahe parallel der
Längsachse der Zelle gebildet, indem die Spindel des sich teilen-
den Kerns um einen Winkel von fast 80° gedreht wurde. Im Falle
sich eine schiefe Wand bildete, waren die Spindelfasern von un-
gleicher Länge.
Die Wirkung der Zentrifugalkraft auf Pflanzen. 253
Figuren - Erklärung.
Tafel I.
Fig. 1. ClosteHurn monilifet-um mit verlagertem Inhalt und protoplasmatischen
Lamellen.
Fig. 2 und 3. Haare von Urtica dioica mit verlagertem Inhalt und aus dem Kern
herausgeworfenem Nukleolus.
Fig. 4 und 5. Haare von Lycopersicum esculentum mit verlagertem Inhalt und
Nukleolus.
Fig. 6, 7, 8, 9 und 10. Torenia asiatica mit dem außerhalb befindlichen Teil
des Embryosacks und dem Eiapparat nach dem Zentrifugieren.
Fig. 11, 12, 13, 14 und 15. Zellen der Staubfadenhaare von Tradeseantia virginica
mit verlagertem Inhalt und durch die Zentrifugalkraft aus den Kernen herausgeworfenen
Nukleoli.
Fig. 16, 17, 18, li), 20 und 21, Zellen der Staubfadenhaare von Tradeseantia
virginiea mit durch Zentrifugalkraft gekrümmter Kcrnspindel und schief gebildeter Zellwand.
Fig. 22 und 23. Zellen der Staubfadenhaare von Tradeseantia virginica mit ruhen-
den Kernen nach der Teilung und schiefer Zelhvand.
Fig. 24 und 25. Zellen der Staubfadenhaare von Tradeseantia virginica mit durch
Zentrifugalkraft gedrehter Kernspindel und fast longitudinaler, der Längsachse der Zelle
parallellaufender Zelhvand.
Fig. 26 und 27. Zellen der Staubfadenhaare von T7-adescantia virginica mit
einigen Zellen ohne Kern und andern Zellen mit mehr als einem Kern.
Fig. 28 und 29. Zellen der Staubfadenhaare von Tradeseantia virginica mit
durch die Zellwand wandernden Kernen.
Die Richtung der Zentrifugalkraft wird durch die Pfeile angegeben. Alle Figuren
bei 450facher Vergrößerung.
Beiträge zur Kenntnis
des Gaswechsels der Meeresalgen.
Von
Richard Härder.
Die Atmung- der Meeresalgen ist bisher nur selten einer Unter-
suchung- unterzogen worden. Genaue Studien fehlen mit Ausnahme
einer Arbeit Knieps vollkommen, die Angaben in der Literatur
beziehen sich fast stets auf gelegentliche Beobachtungen.
Auch die im folgenden mitgeteilten Untersuchungen sind noch
nicht in allen Punkten gründlich durchgeführt. Besonders die Be-
ziehung zwischen Atmung und Assimilation bedarf noch weiterer
Erforschung. Durch den Eintritt der kriegerischen Ereignisse im
Sommer 1914 w^irde ich an ihrer Durcharbeitung verhindert. Ich
hoffe jedoch später noch wieder darauf zurückkommen zu können.
Die Mitteilung meiner bisher gemachten Beobachtungen scheint
mir jedoch nicht überflüssig zu sein, da eine Kenntnis der Atmung
der in Form und Farbe so mannigfaltigen Meeresalgen an sich
schon interessant ist.
Die ältesten Untersuchungen ü1)er die Atmung der Meeres-
algen wurden von Garreau im Jahre 1851 mit Chara, Nitella und
Conferva rivularis gemacht. Garreau fand im Dunkeln bei 18° C
und ISstüudig-er Versuchsdauer, daß je 100 g Chara vulgaris
27,5 ccm COä, Nitella flexilis 29 ccm CO2 und Conferva rivularis
Spuren CO2 abgaben. Garreau fand damit schon die von allen
späteren Autoren stets wieder beobachtete außerordentliche Niedrig-
keit des Gasaustausches der Meeresalgen.
Die ersten Atmungsversuche mit Rotalgen (Rodymenia pal-
mata und Lomentaria artieulata) machte mehr als ein Jahrzehnt
später Rosanoff. Seine Angaben sind ohne großen Wert.
Genauere quantitative Untersuchungen wurden erst von
Bonnier und Maugin ausgeführt. Wie ihre Vorgänger arbeiteten
Beiträge zur Kenntnis des Gaswechsels der Meeresalgen. 255
sie in dampfgesättigter Luft. Sie ließen Fucus (Pelvetia) canali-
culatus unter einer Glasglocke eine bestimmte Zeitlang atmen und
fanden durch Analyse der Luft unter der Glocke vor und nach
dem Versuch den Atmungskoeffizienten 0,5. Bei nicht ganz sechs-
stündiger Versuchsdauer bei 14^ bis 15*^ C wurden pro g Frisch-
gewicht und Minute 0,006 ccm COo und 0,012 ccm 0^ aufgenommen.
Die Anwendung des feuchten Raumes statt des Seewassers
für die Atmungsversuche mit Algen ist natürlich nicht das Richtige.
Für feinere büschelförmige Arten schon darum, weil die zum Teil
recht empfindlichen Algen sich dabei unter zu abnormen Bedingungen
befinden. Aber auch die derben, in der Natur im Gezeiteuwechsel
zeitweise trocken liegenden Formen geben bei Untersuchung ihres
Gaswechsels in Luft kein richtiges Bild desselben. Darauf weist
Kniep hin. Er nimmt mit Recht an, daß nicht alle von der
Pflanze produzierte Kohlensäure in die Luft gelangt, sondern daß
ein Teil von dem Imbibitionswasser der Membranen zurückgehalten
wird, solange die Alge nicht von Wasser umgeben ist. Der Koeffi-
COo
zient -^ muß danach in der Luft kleiner ausfallen als im Seewasser.
Im dampf gesättigten Raum wurden auch Versuche über die
Atmung von Meeralgen von Kolkwitz und Kylin (1) gemacht.
Kolkwitz ließ bei Zimmertemperatur Furcellariu fastigiata
und Chondrus crispus in kohlensäurefreier Luft atmen und be-
stimmte die C02-Abgabe nach der Pettenkoferschen Methode.
25 g Frischgewicht Chondrus gaben in 2 Stunden 8 — 10 mg CO2
ab, grüne Exemplare, die nach Kolkwitz mehr an der Oberfläche
wachsen als die roten und infolge des stärkereu Lichtgenusses
mehr Stärke bilden können, obgleich sie schwächer assimilieren
als die roten, bildeten einige mg CO2 mehr; Zostera marina atmete
etwa doppelt so stark wie Chondrus.
Kylin bediente sich zu seinen Versuchen des Thunberg-
Wintersteinschen Mikrorespirometers mit den von Widmark
an dem ursprünglichen Winter st einscheu Modell vorgenommenen
Veränderungen. Kylin erhielt folgende Atmungskoeffizienten:
Fucus vesicidosiis 0,78, Fucus serratus 0,74, AscophijUum nodosum
0,80 und Chondrus crispus 0,81. Auf weitere Einzelheiten seiner
Untersuchungen komme ich weiter unten noch zu sprechen. Die
PO-
tiefer als 1 liegenden Koeffizienten -^ schreibt er den sauer-
U2
256 Richard Härder,
stoffarmen Eeservesubstanzen der Fucoideen zu — eine Erklärung,
die für Chondrus nicht anwendbar ist.
Atmungsversuche in Meerwasser wurden bisher nur von
Hedvig Loven und Kniep ausgeführt.
Loven machte eine nicht unerhebliche Anzahl von Versuchen
mit einer größeren Zahl verschiedener Grün-, Rot- und Braunalgen.
Sie brachte die Versuchsalgen in ein mit Wasser ganz gefiilltes,
luftdicht verschlossenes Gefäß, dessen COä- und 02-Gehalt vor Be-
ginn und nach Ende des Versuches bestimmt wurde. Sowohl
Kj^lin wie Kniep weisen auf die Fehler ihrer Methode hin. Da-
hin ist in erster Linie zu lange Ausdehnung der Versuche zu
rechnen, wobei aller Sauerstoff im Wasser völlig verbraucht wurde
und intramolekulare Atmung eintrat. Es scheinen sich aber auch
noch anderweitige Fehler eingeschlichen zu haben, denn die Er-
gebnisse sind so stark schwankend, daß \x\v die Ursachen dafür
nicht nur in dieser Richtung suchen können. Der Atmungs-
CO-
koeffizient -^^ verhielt sich, um ein Beispiel herauszugreifen, für
CO-
Äscophyllum nodosum folgendermaßen: 102,2 g, 6 Stunden, -^^ 3,07;
PO. PO
223,15 g, 62/3 Stunden, ^ 0,71; 69,5 g, 84 Stunden, -^ 22,13;
Uä U2
die Versuchswassermenge betrug in allen drei Fällen 18,5 1.
Im Prinzip die gleiche Methodik verwendet Kniep, jedoch
wurden die Zeiten gegenüber den Loven sehen verkürzt. Die CO2-
Bestimmung nahm Kniep nach der Methode Tornöes vor, die
02-Analyse nach Winkler. Gegenüber den bisher immer an-
gewendeten Beziehungen auf das Frischgewicht macht Kniep
Trockengewichtsbestimmungen seiner Versuchspflanzen, so daß eine
exaktere Beziehung der Atmung zur tatsächlichen Substanz der
Alge hergestellt wurde.
Die Atmungsgröße folgender Algen wurde bestimmt: Viva
Lactuca, Ulva Lima, Laminaria saccharina, Fucus serratus, Por-
phijra laciniata, Chondrus crispus (Oberflächen- und Tiefenform),
Furcellaria fastigiata, Polyides rotundus, Plocamium coccineum,
Gigartina Teedii. Die grünen Flächenalgen atmeten am stärksten,
unter Umständen zehn Mal so stark als die derben Formen der
Braun- und Rotalgen. Porphyra und die feinbüscheligen Formen
hielten sich etwa in der Mitte zwischen den beiden Extremen.
Beiträge zur Kenntnis des Gaswechsels der Meeresalgen. 257
Atmungskoeffizienten wurden von Fucus serratus als 1,001, 0,975,
1,06, 1,012, 0,881, von Ulva als 0,946 und von Gigartina als 0,946
COo
bestimmt. Der Koeffizient -^ liegt also um 1.
Sehr interessant sind Knieps Versuche über die Wirkung der
Dunkelheit und der Temperatur. Mehrere Monate verdunkelte
Fucus Thalli atmeten noch nach dieser Zeit in allerdings etwas
abgeschwächtem Maße. Bei Temperaturerniedrigung fand bei Fucus
eine starke Verminderung der Atmung statt, die Assimilations-
intensität dagegen war bei weitem nicht in demselben Maße herab-
gesetzt, was in ökologischer Beziehung von Bedeutung ist. Darauf
und auf weitere Einzelheiten der Kniep sehen Arbeit werde ich
später noch eingehen.
Methodik.
Die Untersuchungen über den Gasaustausch der Meeresalgen
wurden mit wenigen Ausnahmen im Frühjahr angestellt, zur Zeit,
als sich die Algen im intensivsten Wachstum befanden. Alle ver-
wendeten Pflanzen waren nicht ausgewachsen, zum Teil hatten sie
erst weniger als die Hälfte ihrer endgültigen Länge erreicht. Wo
die Vermutung bestand, daß auch ältere Exemplare mit zu den
Versuchen verwendet wurden, ist das im Protokoll vermerkt. Ich
benutzte nur frisch gedredgte oder bei Ebbe auf den Helgoländer
Klippen frisch gepflückte Algen. Beim Transport wurden Berührung
mit Metall, Erwärmung durch Sonne, dichte Lagerung und ähn-
liche schädliche Faktoren vermieden. Es wurden nur tadellose Exem-
plare verwendet, die mikroskopisch auf das Vorhandensein von
Diatomeen oder anderer Epiph3'ten beziehungsweise Parasiten unter-
sucht wurden. Ältere Pflanzenteile wurden nicht benutzt, son-
dern von den jungen Teilen abgetrennt. Das geschah durch
Abknipsen mit den Fingernägeln, wodurch die nach Oltmanns
sehr schädliche Berührung mit Metall vermieden wurde. Dadurch
entstand natürlich ein Wundreiz, der den Gasaustausch beeinflussen
konnte. Genaue Untersuchungen zeigten, daß die Wirkung von
Verwundungen auf die Atmung der Algen nur von untergeordneter
Bedeutung ist. Da außerdem die Wundfläche in fast allen Fällen
im Vergleich zur Gesamtmasse der Alge sehr gering war, konnte
diese Fehlerquelle vernachlässigt werden. Die Abtrennung der zur
Atmung zu verwendenden Teile geschah zudem schon einen Tag
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI. 17
258 Richard Härder,
vor dem Versuch, so daß die Reizung mindestens größtenteils aus-
klingen konnte.
Bei allen Versuchen, bei denen die Temperatur des Versuchs-
wassers höher war als die des Standortswassers, wurden die Algen
meistens 1 Tag oder länger vorher ins Institut gebracht, um sie
allmähhch auf die Versuchstemperatur zu bringen. Diese Vorsichts-
maßregel schien notwendig, weil in anderen Fällen, z. B. von
Iraklionow beobachtet worden ist, daß eine plötzliche Temperatur-
erhöhung eine explosionsartige Verstärkung der Atmung bewirkte.
Die Algen wurden in kühlen, gleichmäßig temperierten, gas-
und rauchfreien Räumen in flachen Glasaquarien mit frischem See-
wasser in gedämpftem Oberlicht aufbewahrt. Derbe Algen wie
Fucus, Ascophyllum und ähnliche liielt ich in feuchter Luft.
Das Versuchswasser wurde in der offenen See in großer Ent-
fernung von der Insel Helgoland resp. vom Kieler Hafen ohne Be-
rührung jnit Metall geschöpft. Sobald es an Land kam, wurde es
durch sehr feinporige, gehärtete Papierfilter filtriert, um möglichst
alle Planktonorganismen daraus zu entfernen. Dann wurde es in
dunklen, 50 — 100 1 fassenden Ballons mehrere Tage bei Luftzutritt
im Versuchsraum stehen gelassen, ehe es verwendet wurde.
Alle Atmungsversuche wurden in 500 ccm fassenden weit-
halsigen Flaschen aus schwarzbraunem, zum Teil außen schwarz
lackiertem Glas gemacht. Die Flaschen wurden nach Einl)ringen
des Wassers und der Alge sofort durch eingeschliffene Stöpsel
luftdicht verschlossen und dunkel gestellt. Natürlich wurde darauf
geachtet, daß keine Luftblasen eingeschlossen wurden. Während
des Versuches wurde der Inhalt der Flaschen wiederholt durch-
geschüttelt, um lokale Unterschiede in der Gasverteilung im Wasser,
die durch die Atmung entstehen müssen, zu vermeiden. Bei einigen
sehr kleinen, rasch zu Boden sinkenden Formen wurden aus Glas-
stäben Stützetagen geschaffen zur besseren Verteilung der Algen.
Außer den Algen atmen natürlich bei der angewandten Methode
auch die an den Algen stets vorhandenen Bakterien. Da es aber
keine Möglichkeit gibt, sie zu entfernen, müssen wir diesen Fehler
als unvermeidlich hinnehmen.
Die Assimilationsversuche wurden in derselben Weise, jedoch
in weißen Flaschen oder viereckigen, durch aufgeschliffene Platten
dicht verschließbaren Kuvetten gemacht. Als Lichtquelle benutzte
ich elektrisches oder Gaslicht.
Beiträge zur Kenntnis des Gasweclasels der Meeresalgen. 259
Bei der Untersnclnmg- der Einwirkung der Temperatur auf die
Atmung und Assimilation wurden die Algen in Wasser gebracht,
das in großen Gefäßen durch Umgeben mit Kältemischung auf die
gewünschte Temperatur vorgekühlt worden war. Während der Ver-
suche wäre eine erhebliche Temperatursteigerung eingetreten, wenn
die Assimilations- bezw. Atmungsgefäße an der Luft gestanden
hätten. Sie wurden darum in größere Gefäße mit Wasser gestellt,
in denen durch Zugabe von Eisstücken oder Kältemischungeu die
gewünschte Temperatur herrschte. Dieses Wasser und das um-
gebende Gefäß absorbierten natürlich Licht, darum wurden auch
alle Versuche bei höherer Temperatur unter ganz gleichen Außen-
bedingungen gemacht, nur wurde natürlich kein Eiswasser ver-
wendet.
Die feineren, wattenbildenden Algen wurden zur Assimilation
als Bäusche in die Flaschen gesteckt, flächenförmige dagegen auf
Glasgitter vorsichtig lose aufgebunden, um eine gleichmäßige Licht-
ausnutzung durch alle Exemplare zu erreichen. Die Wassermenge,
welche die Gefäße füllte, war für jedo Flasche genau bestimmt.
Sie wurde bei der Berechnung der Anal3'Se berücksichtigt. Nicht
berücksichtigt wurde dagegen das Volumen der zum Versuch ver-
wendeten Algen und die mit ihrem Einbringen in die Versuchs-
flaschen bedingte Verringerung der Wassermenge. Die bei den
Versuchen in Kechnung gezogenen Wassermengen sind also in
allen Fällen etwas zu groß. Der dadurch entstehende Fehler ist
bei der stets relativ geringen Algenmenge jedoch wohl zu ver-
nachlässigen.
Für Atmungsversuche konnte das filtrierte Seewasser direkt
verwendet werden, für Assimilationsuntersuchungen war der Sauer-
stoffgehalt jedoch zu groß. Es traten in dem Wasser schon nach
kurzer Assimilationszeit Oo-Blasen auf. Ich brachte das für diese
Versuche zu verwendende Wasser deshalb in große Flaschen aus
dunklem Glas und hing Büschel von Fucus hinein. Infolge Licht-
mangels assimilierte Fucus darin nicht, veratmete jedoch einen
großen Teil des vorhandenen Sauerstoffs und reicherte das Wasser
gleichzeitig mit CO2 an. Vor Benutzung zum Versuch "WTirde das
Wasser filtriert. In anderen Fällen wurde das Wasser durch Aus-
kochen gasfrei gemacht und dann durch Einleiten von Kohlensäure
wieder mit genügenden Mengen letzteren Gases versehen.
Der Gaswechsel wurde durch Analyse des Versuchswassers
vor und nach dem Versuch gemessen. Nur in wenigen Fällen
17*
260 Kichard Härder,
machte ich COa-Bestimmimgen, meistens begnügte ich mich mit
der weit einfacheren Methode der O2- Bestimmung.
Zur Sauerstoffanalyse benutzte ich die Methode von Winkler.
Genauere Angaben darüber findet man in Abderhaldens Hand-
buch der biochemischen Arbeitsmethoden oder in Treadwells
Lehrbuch der analytischen Chemie. An dieser Stelle soll nur kurz
das Prinzip der Methode in Erinnerung gerufen werden: das zu
untersuchende Wasser wird in einer Flasche mit MnCU, Na OH
und KJ versetzt. Dabei entsteht Manganohydroxyd, das allen in
Wasser gelösten Sauerstoff an sich reißt und sich in H2Mn03 um-
wandelt. Das Gefäß muß natürlich luftdicht verschlossen sein,
weil sonst weitere Oxydation durch Luftsauerstoff stattfindet. Wird
nun Salzsäure dazu gebracht, so bildet sich aus der manganigen
Säure MnCU, H2O und Clo. Das freiwerdende Chlor bildet mit
dem Jodkalium Chlorkalium und Jod wird frei. Durch Titration
des J mit "/loo Natriumthiosulfatlösung (Indikator Stärke) läßt sich
die ursprünglich im Wasser vorhanden gewesene Sauerstoff menge
leicht ermitteln.
Zur Kohlensäurebestimmung benutzte ich die von Henze in
Abderhaldens Handbuch empfohlene Methode. Das Versuchs-
wasser wird danach unter Luftabschluß ausgekocht bei Anwesen-
heit von etwas verdünnter Schwefelsäure und einem Stückchen
Aluminiumdraht. Durch die kochende Flüssigkeit wird ein CO2-
freier Gasstrom geleitet, der die aus dem Wasser austretende
Kohlensäure mit sich reißt und bei Durchleiten durch Petten-
kofersche Röhren mit Barytwasser wieder abgibt. Durch Titra-
tion mit "/lo HCl (Phenolphthalein als Indikator) läßt sich die
Gesamtkohlensäure des Wassers bestimmen.
Es bedarf wohl kaum einer Erwähnung, daß bei allen Analysen
nur chemisch reine Reagentien verwendet und mit der größten
Sorgfalt gearbeitet wurde.
Allgemeine Atmungsergebnisse.
Die genauen Ergebnisse der einzelnen Versuche sind in den
Anhangstabellen wiedergegeben.
Eine übersichtliche Anordnung der beobachteten Durchschnitts-
werte der Atmung ist in Tabelle 1 zusammengestellt.
Die Durchschnittsatmungsintensität der 43 untersuchten Meer-
algen schwankt unter gleichen Außenbedingungen zwischen den
Beiträge zur Kenntnis des Gasweclisels der Meeresalgeu.
261
Tabelle 1.
Durchschnittswerte der Atmung der untersuchten Meeresalgen.
ccm 0, -Ver-
brauch pro
Alge
Farbe
Form
Wachstumsort
Gramm
Trocken-
gewicht und
Minute
Scytosiphon lomentarius .
braun
hohle Eiemen
flaches Wasser
0,04900
Phyllitis faseia ....
braun
Fläche
Wassergrenze bis
flaches Wasser
0,03813
Pogotrichum filifortnis
braun
zarte Büschel
flaches Wasser
0,03467
Desmarestia viridis . . .
braun
derbe Büschel
tieferes Wasser
0,02776
Ulothnx flacca
grün
zarte Büschel
flaches Wasser
0,02685
Bhodomela subfusca .
rot
Büschel
flaches Wasser
0,02683
Urospora penicillioides
grün
zarte Büschel
flaches Wasser
0,02671
Viva Lactuca
grün
Fläche
Wassergrenze bis
flaches Wasser
0,02533
Monostroma Grevillei . . .
gi'ün
Fläche
Wassergrenze bis
flaches Wasser
0,02475
Chorda Filum
braun
hohle Kiemen
flaches Wasser
0,02433
Dumontia filiformis .
rot
dünne Riemen
flaches Wasser
0,02334
Enteromorpha cotnpressa
grün
Röhre bis Fläche
Wassergrenze bis
flaches Wasser
0,02333
Enteromorpha Lima .
grün
Fläche
Wassergrenze bis
flaches Wasser
0,02308
Ectocarpus siliculosus
braun
zarte Büschel
flaches Wasser
0,02307
PoJysiphonia urceolata .
rot
zarte Büschel
flaches Wasser
0,02162
Chordaria flagelliformis . .
braun
Riemen
flaches Wasser
0,02150
Desmarestia acideata . . .
braun
Büschel
tieferes Wasser
0,02076
Delesseria sanguinea .
rot
Fläche
tieferes Wasser
0,01792
Cladophora arcta ....
grün
Büschel
flaches Wasser
0,01520
Laminaria phyllitis ^)
braun
Fläche
flaches Wasser
0,01512
Laminaria hyperborea
braun
derbe Fläche
tieferes Wasser
0,01440
Porphyra leucostida .
rot
Fläche
Wassergrenze
0,01434
Cladophora sericea
grün
zarte Büschel
flaches Wasser
0,01425
Laminaria saccharina . .
braun
derbe Fläche
tieferes Wasser
0,01333
Cladophora speeies
grün
zarte Büschel
flaches Wasser
0,01235
Punetaria plantaginea
braun
Fläche
flaches Wasser
0,01225
Delesseria simiosa
rot
Fläche
tieferes Wasser
0,01111
Phyllophora Brodiaei
rot
Fläche
tieferes Wasser
0,01115
Cystoclonium purpurascens .
rot
derbe Büschel
tieferes Wasser
0,01082
Chorda tomentosa ....
braun
Eiemen
flaches Wasser
0,01043
Ectocarpus tomentosus .
braun
Büschel
flaches Wasser
0,01006
Delesseria alata ....
rot
Fläche
flaches Wasser
0,008572
Cladophora rupestris .
grün
derbe Büschel
Wassergrenze
0,008130
Plocamium coccineum
rot
Büschel
tieferes Wasser
0,007725
Chondnis crisims ....
rot
derbe Fläche
flaches bis tieferes
AVasser
0,006402
Furcellaria fastigiata . . .
rot
Riemen
tieferes Wasser
0,006367
Polyides rotundus ....
rot
Riemen
tieferes Wasser
0,006042
Fucus serratus
braun
derbe Fläche
Wassergrenze
0,005809
Fiicus vesiculosus ....
braun
derbe Fläche
Wassergrenze
0,005717
Halidrys siliquosa ....
braun
derbe Riemen
flaches bis tieferes
Wasser
0,005545
Laminaria digitata
braun
derbe Fläche
tieferes Wasser
0,003814
Fucus platycarpus
braun
derbe Fläche
Wassergrenze
0,003161
(ans der Spritzzone)
Ascophyllum nodosum
braun
derbe Riemen
Wassergrenze
0,002335
^) Als Laminaria phyllitis ist im folgenden immer der .Tugendzustand von Lami-
naria saccharina bezeichnet (größte Länge 50 cm).
262 Ricliard Härder,
Werten 0,049 und 0,0023 ccm O2 -Verbrauch durch 1 g Trocken-
substanz in 1 Minute. Die stärkste Atmung ist also mehr als
zwanzigmal größer, als die schwächste. Hohe Atmungsintensitäten
sind jedoch selten, nur bei drei Algen ist der Durchschnittswert
höher als 0,03, bei 1-1 liegt er zwischen 0,03 und 0,02, bei eben-
falls 14 zwischen 0,02 und 0,01 und bei 12 unterhalb 0,01.
Für die Stärke der Atmung von großer Bedeutung ist der
Habitus der betreffenden Alge. Derbe, fleischige Formen atmen
schwächer als feinere Pflanzen. Die unterste Stufe nehmen daher
Ascophyllum, Halidrys, Fiicus- AYien und die ebenfalls oberflächen-
kleinen Kotalgen Polyides und Furcellaria ein.
Verfolgen wir unsere Tabelle weiter von unten nach oben, so
sehen wir Algenformen folgen, bei denen der Habitus allein nicht
maßgebend für die Intensität der Atmung sein kann. Als einen
anderen Faktor müssen wir wohl die Wachstumsstärke ansehen.
Je stärker das Wachstum einer Pflanze ist, desto stärker ist be-
kanntlich im allgemeinen auch ihre Atmung. Die in unserer Tabelle
folgenden Pflanzen sind Algen, deren Wachstumsgeschwindigkeit
wohl gering ist, denn sie erreichen alle nur eine Größe von
wenigen Dezimetern. Trotz zarten Baues mit großer Oberfläche
atmen sie daher nur schwach. Mit geringer Wachstumsgeschwindig-
keit können wir die schwache Atmung von Chondrus (bei dem
auch noch der derbe Bau mitwirkt), Edocarpus tomentosus, Phyllo-
phora Brodiaei, Delesserla alata und anderen erklären, weshalb aber
Algen wie Chorda tomentosa, die 20 bis 100 cm lang wird und
einen dichten Pelz von feinen Härchen besitzt, schwach atmen, ist
nicht einzusehen.
Auch die sehr starke Atmung von Scytosiphon, Phyllitis,
Pogotrichum ist nicht für eine allgemeine Kegel verwendbar.
Ich vermute, daß die eben genannten Algen sich in einem sehr
starken Wachstumsstadium befanden und daher relativ stärker
atmeten als die meisten anderen Algen. Das dürfte besonders für
Scytosiphon zutreffen. Die Alge wird bis 60 cm lang, die jungen
Exemplare, die ich benutzte, waren jedoch erst 5 bis 10 cm lang,
also zweifellos in intensivem Wachstum begriffen. Möglich ist
aber auch, daß die starke Atmung eine besondere Eigentümlichkeit
der genannten Arten ist.
Wie Tabelle 1 zeigt, gibt der Standort der Meeresalgen
keinen sicheren Aufschluß über die Atmungsintensität.
Beiträge zur Kenntnis des Gaswechsels der Meeresalgen. 263
Eine Reihe von Algen sind unter der Standortsbezeicbnung
„Wasserg-renze" angeführt. Ich verstehe darunter alle Standorte,
die bei normaler Ebbe trocken liegen. Eine exakte Grenze gegen
das Vorkommen im flachen Wasser läßt sich hier nicht ziehen.
Denn die Oberfläche liebenden Formen kommen sowohl an Brücken-
pfählen, Mauern, Steinen wie auch an schwimmenden Gegenständen,
wie Pontons, Seetonnen, Hummerkästen vor. Ani ersten Standort
liegen sie während der Ebbe trocken, am letzten nicht. Immerhin
ist die Flora der beiden Standorte doch etwas verschieden; einige
Algen wie Forjphyra, Fuciis- Arten und andere kommen meist an
Orten vor, die zur Ebbezeit trocken liegen, während z. B. Lami-
naria phyllitis häufig die an der Wasseroberfläche schwimmenden
Gegenstände bewächst. Als Algen des flachen Wassers bezeichne
ich auch noch die Pflanzen, die bei gewöhnlichen Tiden nicht mehr
auftauchen, dagegen bei Springtide und ebbeförderndem Wind
trocken liegen.
Man könnte erwarten, daß diejenigen Algen, welche die Re-
gion der Gezeitengrenze besiedeln, also die halbe Zeit ihres Lebens
direkt an der Luft liegen, auch ein starkes Sauerstoffbedürfnis
hätten. Infolge der starken mechanischen Inanspruchnahme ihres
Thallus ist dieser jedoch meistens sehr derb ausgebildet, die den
Gasaustausch vermittelnde Oberfläche ist klein, und wir finden
daher gerade einen Teil der am schwächsten atmenden Algen in
dieser Zone. Das sind die Pflanzen, welche der Brandung be-
sonders stark ausgesetzt sind (Fucus und ähnliche). An anderen
Standorten, wo die Brandung weniger heftig ist, wachsen Algen
mit nicht so derbem Bau (ülven und ähnliche), ihre Atmung ist
ihrer relativ größeren Oberfläche entsprechend größer, nimmt je-
doch durchaus nicht die erste Stelle in bezug auf die Intensität
ein. Die nur in tiefem Wasser vorkommende Delesseria sanguinea
atmet z. B. stärker als die an der Gezeitengrenze lebende Porphyra.
Ein besonders starkes Sauerstoffbedürfnis ist also bei den Ober-
flächenformen nicht vorhanden.
Die Beziehung der Algenoberfläche zur Atmung konnte bei
den flächenförmigen Algen einer etwas näheren Prüfung unter-
zogen werden. Bei fast allen anderen Formen war es gänzlich
unmöglich, eine genaue Oberflächenbestimmung zu machen. In
der folgenden Tabelle 2 sind die Trockengewichte von je 100 qcm
einer Anzahl Algen oiit flächenförmigem Thallus zusammengestellt.
Je geringer das Gewicht der Flächeneinheit ist, desto größer ist
264
Kichard Härder,
die Oberfläche der Alge im Vergleich zu den inneren Zellmassen.
Ich stellte mir die 100 qcm-Flächen auf folgende Weise her: Ein
Quadrat von 10 cm Seitenlänge wurde auf Papier gezeichnet und
diese Fläche mit der Alge ausgelegt. Verwendet wurden dazu
dieselben Teile wie zu den Atmungsversuchen, also z. B. von
Fuchs nur die etwa 5 cm langen jungen Thallusenden, bei Lami-
naria dagegen die wachsenden basalen Teile nahe am Stiel.
Tabelle 2.
Beziehung zwischen Oberfläche und Atmung bei flächen-
förmigen Algen.
O2 -Verbrauch
Gramm
durch
Trock.-n-
Rang nach
Eang nach
Alse
1 g Trocken-
gewiclit von
dem Flächen-
der Atmungs-
gewicht in
100 qcm
gewicht
intensität
1 Minute
Frischfläche
1
Uha Laduca ....
0,025
0,0890
6
1
Monostroma Grevillei .
0,024
0,0697
1
2
Enteromorpha eompressa
0,023
0,0817
3
3
Enteromorpha Lima .
0,023
0,1055
7
4
Delesseria sanguinea . .
0,018
0,0849
4
5
Laminaria phyllitis .
0,015
0,1198
0,2666
9
6
Porphyra leucosticta .
0,014
0,0690
0,0754
2
7
Laminaria saccharina
0,013
0,3993
0,4718
11
8
Pundaria
0,012
0,3046
10
9
Delesseria sinuosa .
0,011
0,08750
5
10
Phyllophora
0,011
0,1538
8
11
Fucus x>io,tycarpus
0,0095
0,7310
0,7434
14
12
(aus der Spülzonej
Chondrus crispus .
0,006
0,4561
12
13
Fucus serratus ....
0,0058
0,8491
1,0015
15
14
Fucus vesiculosus .
0,0057
0,8907
16
15
Laminaria digitata
0,0038
0,6688
0,7464
13
16
Die Zusammenstellung in Tabelle 2 zeigt uns, daß die Algen,
die eine große Oberfläche haben, auch stark atmen. Bei der Be-
urteilung dürfen wir uns nicht zu eng an die Zahlenwerte halten,
Beiträge zur Kenntnis des Gaswechsels der Meeresalgen. 265
denn wie wir später noch sehen werden, ist die Atmung der
Algen sehr starken Schwankungen unterworfen, so daß auch die
O2- Durchschnittswerte unserer Tabelle noch etwas unsicher sind.
Die Atmungsintensität von Monostro)na, Enteromorpha, Delesseria
sanguinea steht in Einklang mit der Größe der Oberfläche dieser
Algen. Im Vergleich zur Oberfläche zu hoch ist die Atmung von
ülva. Das Trockengewicht ist hierfür weniger ausschlaggebend,
denn die Gewichte der die größte Fläche besitzenden ersten sechs
Algen bewegen sich innerhalb sehr enger Grenzen (0,069 bis 0,089),
dagegen sollte man erwarten, daß die zweischichtige Ulva schwächer
atmet als die einschichtige Monostroma, während das Umgekehrte
der Fall ist.
Auffallend ist auch die schwache Atmung von Porphyra. Nach
dem Flächengewicht sollte die Alge nach Analogieschlüssen fast
doppelt so stark atmen, als sie es wirklich tut. Den Grund dafür
müssen wir vielleicht in einem relativ trägen Wachstum der Alge
suchen. In später noch zu besprechenden Versuchen ließ ich junge
Porphyren neben fast oder ganz ausgewachsenen atmen. Die
Atmungsintensität war die gleiche. Da ich für alle Versuche bei
allen Algen stets nur junge Pflanzen benutzte und diese fast
immer stärker atmen als ältere, so muß für Porphyra im Vergleich
mit anderen Algen ein verhältnismäßig zu niedriger Atmungswert
resultieren. Der Atmuugswert von Delesseria sinuosa ist ebenfalls
niedriger, als aus dem Flächengewicht zu erwarten ist. Es handelt
sich liier aber um Ostseepflanzen, während alle anderen Versuchs-
pflanzen aus der Nordsee stammen ; ein Vergleich ist deshalb nicht
gut möglich. Die übrigen Algen fügen sich dem Schema ein bis
auf Chondnis und die Laminaria- Arten. Bei Chondrus ist die
Atmungstätigkeit sehr niedrig. Das kommt entschieden daher,
daß die ausdauernde, kleine Pflanze nur sehr langsam wächst.
Bei den Laminarien fällt der Unterschied in der Intensität der
Atmung der verschiedenen Arten sehr auf. Daß die kleinen sehr
stark wachsenden Laminaria phyUitis-'PÜSinzeii lebhaft atmen, ist
nicht verA\^inderlich, daß sich aber die derbe Laminaria saccharina
und, wie Tabelle 1 zeigt, L. hyperborea anschließen, ist etwas
überraschend. Wenn man die riesigen Dimensionen der Laminarien
(mehrere Meter) berücksichtigt, so kann man allerdings verstehen,
daß in ihrem basalen Teil ein sehr lebhaftes Wachstum und damit
verbunden eine starke Atmung stattfindet. Unverständlich bleibt
dann aber der sehr niedrige Atmungswert von L. digitata, der
266 Richard Härder,
trotz größerer Oberfläche hinter der Atmung von Fucus serratus
und F. vesiculosus zurückbleibt.
Ordnen wir die erhaltenen Atmuug-swerte nach Farbe und
Form und berechnen daraus die Durchschnittswerte, so kommen
wir zu den Zahlen der Tabelle 3. Die Zahlen drücken die Kubik-
zentimeter 0-2 aus, die von 1 g Trockengewicht in 1 Minute ein-
geatmet wurden.
Den höchsten Durchschnittswert der Atmung erreichen nach
Tabelle 3 die riemenförmigen Braunalgen. Ausschlaggebend dafür
ist die hohe Atmung von Scytosiphon. Da die Zahl der hierher
gehörigen Algen sehr beschränkt ist, ist der gefundene Wert ohne
große Bedeutung.
Anders ist es mit dem niedrigsten Durchschnittswert, den die
derbthallösen Formen aufweisen. Er ist völlig sicherstehend. Rot-
und Braunalgen ergeben ungefähr die gleiche Zahl.
Vergleichen wir die Büschel- und die Flächenform, so sehen
wir, daß die büschelförmigen Algen infolge der gegenüber der
Flächenform günstigeren Oberflächengestaltung insgesamt etwas
stärker atmen als diese. Dieses Verhältnis besteht auch bei zwei
der UntergTuppen, den Braun- und den Rotalgen. Bei den Grün-
algen atmen hingegen die flächenförmigen Algen stärker als die
büscheligen.
Unter den drei großen Algengruppen haben die Grünalgen
den höchsten Durchschnittswert. Das kommt daher, daß derb-
thallöse Formen nur bei den Rot- und Braunalgen vorkommen.
Lassen wir die derben Formen beiseite, so erhalten wir als Durch-
schnittswert der Atmung für die Grünalgen 0,021, für Rotalgen
0,015, für Braunalgen den höchsten Wert 0,022. Grün- und Braun-
algen haben also im Frühling ungefähr die gleiche Atmungsstärke,
die Rotalgen atmen dagegen etwas schwächer.
Auf die Einzelheiten dieses Ergebnisses darf mau nun aber
nicht allzuviel Gewicht legen. Die Unterscliiede sind gering und
bei Wiederholung der Atmungsversuche zu anderen Jahreszeiten
würden sich vielleicht andere Resultate ergeben.
Wir wollen uns nun einer etwas genaueren Betrachtung der
Einzelwerte zuwenden. Das Verhalten der flächenförmigen Algen
haben wir schon besprochen bis auf Delesseria alata, die in
Tabelle 2 fehlt, weil ich keine Flächengewichtsbestimmung von
der Alge gemacht habe. Die Alge atmet sehr schwach. Der Grund
dafür ist wohl sehr langsames Wachstum zur Zeit der Beobachtung.
Beiträge zur Kenntnis des Gaswechsels der Meeresalgen.
267
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B I I
«
« ic o
--H '-1 O
;-l
r^
als die
Knieps
JJlva Laetuea
0,0091
11,5—11,9
0,025
2,7
Enter omorpha Lima .
0.0113
12,0—16,9
0,023
1"
2,1
Laminana saccharina .
0,00126
12,0—16,9
0,013
10,3
Fums serratus . . .
0,00315
17,3—16,1
0,0058
!»
1,9
Porphyra laciniata .
0,00506
12,0 — 17,3
—
o
o
—
Porphyra leucosticta
—
—
0,014
ct;
2,8
Chond)-us crispus
0,00311
14,1—14,3
0,0064
^
2,1
Furcellaria fastigiata .
0,00117
13,6
0,0063
05
5,7
Polyides rotundus .
0,00081
13,6
0,0060
O
7,4
Plocamium coccineum .
0.00357
13,6
0,0077
2,2
Dieser Erklärung widerspricht nur das Verhalten von Ulva
Laduca; da Kniep seine Versuche mit dieser Alge jedoch in
Straßburg mit Material machte, das von Neapel gesandt worden
war, ist eine Verminderung der Atmungstätigkeit der Pflanzen nach
dem Transport denkbar. Außerdem ist der von mir gefundene
Wert von Ulva vielleicht höher als man erwarten sollte, worauf
ich schon oben hingewiesen habe.
Ob die enorm viel höhere Atmung der derben Algen in meinen
Versuchen auch auf jahreszeitlichen Schwankungen beruht, ist
allerdings recht zweifelhaft.
Den von Kniep gefundenen Unterschied in der Atmungsgröße
von Polyides und Furcellaria habe ich nicht beobachtet.
Spezielle Beobachtungen.
Bei den allgemeinen Atmuugsversuchen konnte ich einige Be-
obachtungen über Faktoren machen, welche die Stärke der Atmung
beeinflussen.
Beiträge zur Kenntnis des Gaswechsels der Meeresalgen.
271
Aa erster Stelle ist die Wirkung- der Temperatur zu be-
rücksichtigen. Wie bei allen Pflanzen wird die Atmung der Meeres-
algen durch Temperaturerniedrigung herabgesetzt. Bei den Meeres-
algen ist dieses insofern von sehr großer Bedeutung, als nach
Kniep die Assimilation nicht im selben Maße durch Temperatur-
senkung vermindert ward. Tabelle 5 enthält eine Bestätigung von
Knieps Beobachtung über die Einwirkung der Temperatur auf die
Atmung der Algen. Es wurden Vergleichsversuche bei hoher und
niedriger Temperatur mit dem gleichen Exemplar gemacht.
Sehr stark wird die Atmung bei zwei nicht näher bestimmten
Cladophora- Arten des Süßwassers durch die Temperatur beeinflußt.
Die Atmungserniedrigung bei einem Temperaturfall von 20° C,
wobei der Nullpunkt nicht erreicht wird, beträgt ungefähr ^U der
Anfangsintensität. Bei Fueus wurde sie um mehr als die Hälfte
vermindert bei einer Temperaturherabsetzung von + l^*^ C auf
einige Grade unter 0° C. Da Fucus eine Meerespflanze ist und
der Gefrierpunkt des Seewassers tiefer liegt als der des Süßwassers,
so liegt diese Temperatur noch über dem Gefrierpunkt des die
Alge umgebenden und ihre Membranen imbibierenden Wassers.
Tabelle ö.
Wirkung der Temperatur auf die Atmung der Algen.
ProtokoH
Nr.
Alge
Temperatur
Atmung ccm 0^ in
1 Minute durch
"C
1 g Frischgewicht
600
Fucus serratus .
+ 15.25
[-16,6
0,0006227
601
desgl. . .
+ 6
- + 2,5
0,0005127
602
desgl. . .
+ 16,5
[-16,5
0,0006030
605
d.'sgl. . .
+ 16,5
-+17
0,0005479
606
desgl.
— 1
3
0,0002311
607
desgl. . .
+ 16,5
- +16,5
0,0005860
569
Cladophora X, Species
aus Süßwasser .
+ 22,5
[-23
0,006777
570
desgl. . .
+ 2
-+ 4
0,001683
574
Cladophora Y, Species
aus Süßwasser . .
+ 2,5
-+ 4
0,005574
575
desgl. . .
+ 20,5
(- 20,5
0,01848
580
desgl. . .
+ 20.25
[-20,5
0,005110
583
desgl. . .
+ 2
-+ 2
0,001685
272
Eichard Härder,
Wurde eine Fucus-Fila^nze, die soeben bei niedriger Temperatur
geatmet hatte, sofort in hohe Temperatur gebracht, so war ihre
Atmung wieder normal. Das zeigen die Versuche 600 bis 607
in Tabelle 5. Iraklinow machte Angaben über eine explosions-
artige Erhöhung der Atmung von Landpflanzen bei plötzlicher
Temperatursteigerung. Bei Fucus ist eine solche Reizwirkung
nicht vorhanden.
Sehr starker Wundreiz wirkte als Shock, schwache Ver-
wundung blieb ohne Einfluß auf die Atmung der Algen. Junge
Pflanzen und vegetative Enden älterer Pflanzen von Fucus serratus
zerhackte ich mit einem gut vernickelten sauberen Messer zu kleinen
Würfeln von einigen mm Durchmesser. Die Atmung wurde da-
durch um Vr. beziehungsweise V4 herabgesetzt. Weitere Versuche
machte ich mit Zamman'a- Stielen. Von den Stielen wurden die
obersten Zellschichten so dünn wie möglich abgeschält, um die
Oberfläche möglichst wenig im Verhältnis zu den Innenzellen zu
vermindern. Die Atmung sank dadurch um Vg. (Tabelle 6.)
Tabelle 6.
Wirkung des Wundreizes auf die Atmung.
Proto-
Oj veratmet von
koll
Alge
Art der Verwundung
1 g Frischgewicht
Nr.
^
in 1 Minute
63
Junge Pflanzen von Fucus serratus
unverletzt
0,001273
64
desgl.
-
0,001222
65
desgl.
zerhackt zu Stücken von
1 — 3 mm Durchmesser
0,001007
66
desgl.
desgl.
0,0009407
588
Vegetative Enden von Fucus serratus
unverletzt
0,0005703
589
desgl.
"
0,0005736
592
desgl.
zerhackt wie Vers. 65/66
0,0004154
593
desgl.
desgl.
0,0004562
86
Stiele von Laminaria
unverletzt
0,00002932
87
desgl.
"
0,00002683
88
desgl.
geviertelt
0,00004051
89
desgl.
»
0,00004181
90
desgl.
geschält
0,00002479
91
desgl.
„
0,00002172
Beiti'äge zur Kenntnis des Gaswechsels der Meeresalgen. 273
An demselben Versuchsobjekt suchte ich Aufschluß über die
Atmung' der inneren Teile der Algen zu erlangen. Wir haben
gesehen, daß die derben, dickfleischigen Algen bedeutend schwächer
atmen als die feinen oberflächegroßen Formen. Diese Tatsache
wurde auch schon in beschränkterem Umfang von Kniep gefunden.
Kniep diskutiert die dafür möglichen Gründe. Einmal kann
mangelnde Diffusiousfähigkeit für die Atmungsgase eine Verlang-
samung des Gasaustausches zwischen den inneren Zellen und dem
umgebenden Wasser, eine schwächere Atmung der derben Algen
gegenüber den feinen bedingen. Andererseits kann aber auch ein
Unterschied in der physiologischen Funktion der äußeren und
inneren Zellen bestehen. Es könnten die inneren Zellen aus
Mangel an Atmungsmaterial, beschränkter Enzymtätigkeit oder
ähnlichen Gründen trotz genügender Zufuhr und Abfuhr von Gasen
schwächer atmen als die oberflächlichen.
Um die Frage zu lösen, zerlegte ich die zylindrischen Laminaria-
Stiele durch zwei senkrecht aufeinander stehende Längsschnitte in
vier gleiche Teile. Die Oberfläche der unverletzten Stiele ist gleich
der Oberfhiche des Zylinders 2 jtv {y -\-]i). Durch die Schnitte wird
die Oberfläche vermehrt um 4 Rechtecke von der Fläche r h. Der
Durchmesser der verwendeten Lammarm-Stielstücke betrug 1 cm,
ihre Länge 7 cm. Setzen wir diese Zahlen in die Formeln ein, so
erhalten wir als Oberfläche des unverletzten Stieles l^b jc oder
23,57 qcm. Die 4 Rechtecke haben eine Fläche von 14,0 qcm.
Nach Versuch 86/87 (Tabelle 6) ist der mittlere Atmungswert für
diese Fläche 0,00002808 ccm. Durch Schälen der Stiele, also
durch eine Verletzung, welche der gesamten Oberfläche ent-
spricht, wird nach Versuch 90/91 die Atmung auf 0,00002325 ccm
herabgesetzt, also um Ve vermindert. Da die Fläche 23,57 qcm
0,00002808 ccm O2 aufnimmt, muß die Fläche der 4 Rechtecke von
,,^ 0,00002808-14 r^ • , ^- a- n nnm ^cq »«rv,
14,0 qcm — ccm 0> einatmen. \ on diesen 0,0001668 ccm
^ 23,57
müssen wir aber einen Verlust von V«; für den Wundreiz in An-
rechnung bringen, so daß der theoretisch veratmete Sauerstoffwert
0,00001390 beträgt. Addieren mr diesen Wert zu dem von der
Zylinderoberfläche aufgenommenen, so erhalten wir eine Sauerstoff-
aufnahme von 0,00004198 cm durch 1 g Frischgewicht in 1 Minute
bei dem geviertelten Stiel. Dieser Wert kann nur dann tatsächlich
auftreten, wenn die Atmung der inneren und äußeren Teile völlig
gleich ist. Aus Versuch 88/89 lesen wir den experimentell ge-
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI.
18
274
Eichard Härder,
fundenen Mittelwert 0,00004116 ab, der außerordentlich gut dem
geforderten Wert entspricht.
Wir dürfen aus diesem Versuch den Schluß ziehen, daß die
Atmung der inneren Teile der dicklauhigen Algen ebenso lebhaft
ist wie die der äußeren Zellen, Die schwächere Atmung dieser
Algen gegenüber den dünnlaubigen kommt nur durch die mangelhafte
Diffusion der Gase im dicken Thallus zustande, wodurch eine hin-
reichende Sauerstoffversorgung der zentralen Teile verhindert wird.
Die Atmungstätigkeit der Algen ist, wie zu erwarten, vom
Alter der Pflanzen und dem damit verbundenen Wachstums-
zustand abhängig.
Tabelle 7.
Einfluß verschiedener Algenteile und verschiedenen Alters
auf die Atmung.
_
^
Alge
p
Verwendete
Teile
Atmung
o
Verwendete
Teile
Atmung
Fucus serratus
63
junge Pflanzen von
wenig cm Länge
0,010
118
vegetative Enden
großer Pflanzen
0,0068
Ascophyllum
156
wachsende
Spitzenteile
großer Pflanzen
0,0023
157
Teile aus den mitt-
leren Partien der
Pflanzen
0,0016
Desmarestia
281
dicht behaarte
0,022
122
Winterpflanze
0,0035
aculeata
Sommerpflanze
Laminaria
81
diesjähriges Laub
0,016
83
vorjähriges Laub
0,0088
hyperborea
desRl.
84
dicsjäliri^er Stiel
0,0011
87
vorjähriger Stiel
0,00029
Fucus i-esiculosus
215
Laub
0,0069
152
Stiel
0,0014
Polyides rotundus
126
wachsende Spitzen
des Thallus
0,0071
143
ganze Pflanzen
0,0050
Chond)-us crispus
55
junge Pflanzen von
1 — 2 cm Länge
0,0034
56
ältere verzweigte
Pflanzen
0,0055
Porphyra
172
20 junge Pflanzen
0,012
173
1 große Pflanze
0,014
leucostictu
vom gleichen
Gewicht wie die
20 Pflanzen
Bei fast allen Pflanzen ist die Atmung der jüngeren Teile
wesentlich stärker als die der älteren (Tabelle 7). Das trifft nicht
nur für die Laubteile zu, sondern ist ebenso auch bei jungen und
Beiträge zur Kenntnis des Gaswechsels der Meeresalgen.
275
alten Stielen von Laminaria. Der junge Stiel, der allerdings auch
dünner ist als der alte und somit eine größere Oberfläche besitzt,
atmet vier Mal stärker als der alte. Ein so großer Unterschied
in der Atmung verschieden alter Teile ist bei den anderen Algen
nicht vorhanden mit Ausnahme von Desmarestia. Die Winterform
der Pflanze ist völlig nackt und derb, die Sommerform ist dagegen
mit einem dichten Ül)erzug feinster Härchen versehen, wodurch
eine Atmungserhöhung um mehr als das Sechsfache entsteht.
Bei Forphyra ist kein wesentlicher Unterschied in der Atmung
junger und älterer Pflanzen vorhanden und bei Chondrus atmen
sogar die älteren Pflanzen stärker als die jungen. Die älteren
Pflanzen sind flächenfönnig und verzweigt, die jungen dagegen
pfriemförmig und besitzen eine sehr viel kleinere Oberfläche als
die alten, atmen daher schwächer.
Der Einfluß der Oberfläche zeigt sich auch deutlich bei einem
Vergleich der Atmung der Laminaria- und -FMCW5-Blätter und
-Stiele. Die Atmung des Laubes ist bis 30 mal stärker als die
des Stieles.
Fruktifikation wirkt ebenfalls vermindernd auf die Atmung.
Tabelle 8.
Wirkung der Fruktifikation auf die Atmung.
Alge
Protokoll
Nr.
nicht
fruktifizierend
Protokoll
Nr.
fruktifizierend
Polysiphonia urceolata
Ghondnis crispus
Fueus serratus . . ...
275
56
588
0.0017
0,0010
0,00057
246
93
591
0,00074
0,00060
0,00034
Bei Fucus wird nicht nur die durch die Fruktifikation ein-
tretende Wachstumsverzögerung die Herabsetzung der Atmung ver-
ursachen sondern auch die gleichzeitig damit verbundene Verkleine-
rung der Oberfläche im Verhältnis zum Gewicht der Alge. 100 qcm
Konzeptakeln wiegen nämlich frisch 12,5 g, die gleiche Fläche
Thallusenden 7,7 g.
Ein Unterscliied der Atmung in verschiedener Jahreszeit
zeigt sich selbstverständlich zwischen Sommer und Winter. Bei
Fueus serrahis, der einzigen darauf geprüften Alge, ist er auch
schon zwischen Frühling und Sommer zu erkennen, und zwar ist
infolge stärkeren Wachstums die Atmung im Frühjahr bedeutend
18*
276
Eicliard Härder,
höher als im Sommer. Der Mittelwert von 5 im April angestellten
Atmungsversuchen war 0,00072, Ende Juli war das Mittel von
6 Versuchen trotz höherer Temperatur 0,00058. Die niedrigste
Atmuugsgröße im Frühjahr war 0,00070, die höchste im Sommer
0,00062. Eine weitere Abnahme gegen den Herbst ist zu er-
warten, so daß dann die von Kniep beobachteten relativ niedrigen
Atmungsgrößen auftreten.
Von weiterer Bedeutung sind Standortsmodifikationen der
Algen. Bei Fucus platycarpus wurden Atmungsversuche angestellt
mit Pflanzen, die in der höchsten Spritzzone an den Felsen Helgo-
lands wuchsen und mit seltenen Exemplaren aus der Fucus serratus-
Zone, die nur bei sehr niedrigem Wasser trocken lagen. Ihr Thallus
war sehr breit und fleischig, während die Exemplare der höchsten
Spritzzone schmallaubig, lederig, eingeschrumpft und kümmerlich
waren.
Tabelle 9.
Atmung von Standortmodifikationen von Fucus plahjcarpus.
Pflanzen aus der
Spritzzone
(Vers. 155, 34)
0,003190
0.003146
Pflanzen aus der
Spülzone
(Vers. 217, 218)
0,009016
0,01026
Die Atmung der breitlaubigen Form war, wie Tabelle 9 zeigt,
drei Mal so stark wie die der schmalblättrigen.
Bei allen Algen kommen sehr große individuelle Schwan-
kungen vor. Das zeigt eine Durchsicht der Gesamtprotokolle
ohne weiteres (vgl. z. B. das Protokoll von Dumontia ftliformis).
Auch aus Knieps Untersuchungen gehen sie bereits hervor. In
manchen Fällen werden sie allerdings durch ungünstige Wirkung
von Außenfaktoren veranlaßt sein. Bei verschiedenen zarten Algen
war trotz sorgfältigster Behandlung die Atmung am zweiten Tage
des Aufenthaltes im Laboratorium schon sehr stark vermindert,
obgleich die Pflanzen äußerlich noch vollkommen gesund aussahen.
Ein Teil dieser Schwankungen dürfte bis zu gewissem Grade
auch von anderen Außenfaktoren abhängen. Die Untersuchungen
hierüber sind noch nicht abgeschlossen, Beobachtungen an Entero-
morpha compressa deuten jedoch darauf hin, daß die Assimila-
tion der Algen vor dem Versuch für den Ausfall der Atmung
von Bedeutung ist. In Tabelle 10 sind die Atmungswerte zu-
sammengestellt, die an Algen gemessen wurden, von denen ein
Beiträge zur Kenntnis des Gaswechsels der Meeresalgen.
277
Teil in der eingangs geschilderten Weise bei gedämpftem Oberlicht
im Lichtschacht des helgoländer Aquariums einen Tag aufbewahrt
war, während der andere Teil im April am Fenster im direkten
Sonnenlicht gestanden hatte. Diese Algen waren dicht mit O2-
Biasen bedeckt, die natürlich vor Versuchsbeginn sorgfältig ent-
fernt wurden. Die Algen, die stark assimiliert hatten, absorbierten,
wie Tabelle 10 zeigt, eine weit größere Sauerstoff menge in der
Zeiteinheit, als die Exemplare, deren Lichtgenuß schwächer ge-
wesen war.
Tabelle 10.
Atmung von Enteromorpha nach verschieden
starker Assimilation.
Versuch-
Beleuchtung vor
cm Oj-Absorption pro g
Nr.
dem Versuch
Friscbgewicht in der Minute
167
gedämpft
0,001270
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"
0,002403
Vergleichen wir die Atmungsgrößen der Meeresalgen mit denen
von Süßwasser- oder Landpflanzen, so sehen wir, daß bei
letzteren die Atmung wesentlich höher ist. Diese Beziehung ist
von fast allen früheren Autoren behandelt, ich gehe deshalb nicht
näher darauf ein. Einige Vergleichszahlen mit der Atmung von
Süßwasseralgen möchte ich aber mitteilen. Die bereits oben er-
wähnten beiden nicht näher bestimmten Cladophora-Arten des Süß-
wassers atmeten durchschnittlich in 1 j\Iinute und bezogen auf 1 g
Frischsubstanz bei etwas über 20" C 0,010 ccm O2 ein. Demgegen-
über erscheint der Atmungswert der untersuchten marinen Clado-
phoren (ohne Cladophora rupestris) mit durchschnittlich 0,0012 ccm O2
sehr niedrig. Die Temperatur bei den Versuchen mit den Meeres-
algen war allerdings nur etwa 11- C, das ist aber ohne große
Bedeutung, denn selbst bei + 3 "^ C ist der Durchschnittswert der
Atmung der Süßwasser- CZrt(iop/zora immer noch wesentlich höher,
nämlich 0,0029.
278 Kichard Härder,
CO
Der Atmungskoeffizient -t™.
Das Hauptziel der vorliegenden Untersuchimgen war ein Ver-
gleich der Atmungsintensität verschiedener Meeresalgen miteinander,
das Verhältnis der ausgeschiedenen Kohlensäure zum aufgenommenen
Sauerstoff wurde daher nur gelegentlich bestimmt.
Drei bis vier Tage im Lal)oratorium aufbewahrte Thallusenden
von Fucus vesiculosus (gesammelt in der Kieler Bucht) ließ ich in
zwei Versuchen 8 Stunden lang im Dunkeln atmen. Es kamen
40 bis 50 g Frischgewicht in 1 1 Wasser zur Verwendung. Die
Kohlensäurebestimmung wurde nach der in der Einleitung ge-
schilderten Methode vorgenommen. Vor dem Versuch wurden zur
Titration von 25 ccm Barytwasser, die den äderten Teil der Ge-
samtkohlensäure enthielten, 40,8 ccm "/20 HCl verbraucht. Nach
der Atmung waren dazu 39,9 bezw. 39,7 ccm nötig. Die Kohlen-
säurezunahme betrug also 1,992 bezw. 2,491 ccm V20 HCl. 1 ccm
"/20 HCl entspricht 0,5597 ccm CO2. Die verwendete Salzsäure war
jedoch nicht genau V20 normal, sondern hatte auf Grund von Ein-
96 5
Stellung auf NH4()H den Titer ^-.- Setzt man diesen Wert ein,
so erhält man für unsere l)eiden Versuche eine Gesamtkohlensäure-
ausscheidung von 1,992 bezw. 2,491 ccm.
Die Sauerstoffanalyse wurde nach Winkler gemacht. Der
Titer des dabei verwendeten Thiosulfats l)etrug für Versuch 1
102,75 ccm NaaSoOa auf 10 ccm "/lo KsCräCv, für den zweiten Ver-
such 104 ccm "/loo Na2S203. Vor dem Versuch war in dem Wasser
eine Sauerstoffmenge enthalten, die 10,5 ccm unseres Thiosulfats
verbrauchte, nach dem Atmungsversuch 6,8 bezw. 5,5 ccm. Unter
Berücksichtigung des Titers ergibt das einen Sauerstoffverbrauch
CO
von 2,010 bezw. 2,684 ccm. Der Koeffizient -^ beträgt also
O2
1 992 2 491
im ersten Versuch ^£r- = 0,991, im zweiten ~-^ = 0,928.
2,010 2,684
Auf analoge Weise wurde (A^ersuch 319) der Atmungskoeffi-
zient für Pohjsiphonia elongata (Kiel) festgestellt. Das Verhältnis
CO2 2,113
^^ war —-- = 0,998.
O2 2,116
Der Koeffizient liegt also sowohl bei der Braun- me bei der
Rotalge sehr nahe an 1. Damit können wir die von Kuiep ge-
fundenen Werte bestätigen.
Beitrüge zur Kenntnis des Gasweclisels der Meeresalgen. 279
Am interessantesten ist die Kenntnis des Atmungskoeffizienten
der Braunalgen, weil wir über die Reservesubstanzen dieser Algen
noch nicht genau orientiert sind. Nach den Untersuchungen
Kylins (2) sind die Reservesubstanzen verschiedener Phaeophj^ceen
verschieden.
Laminaria saccharina und digitata, Fucus vesiculosus und
Ascophyllum enthalten einfache Zuckerarten, Dextrose und Lävu-
lose, die das erste Assimilationsprodukt dieser Phaeophyceen dar-
stellen. Außerdem kommt ein „dextrinähnliches Polj^saccharid"
vor, das den Algen als Reservestoff (entsprechend der Stärke)
dienen soll. Bei Laminaria ist es in reichlicher Menge vorhanden,
bei Aseophylliim und Fucus weniger, weil letztere nicht unbe-
deutende Massen Fett enthalten.
Nach dem Ausfall des Koeffizienten müssen wir schließen, daß
zunächst nicht die Fette, sondern nur die Kohlehydrate veratmet
werden. Diese werden vielleicht erst angegriffen, wenn alle Kohle-
hydrate verbraucht sind. Bei Verhinderung der Assimilation, deren
erstes Produkt ja Zuckerarten sein sollen, würde zu erwarten sein,
daß sich der Koeffizient nach längerer Verdunkelungszeit ändert.
Daß das innerhalb der von mir angewendeten Versuchszeit von
8 Stunden noch nicht geschah, ist bei dem trägen Stoffwechsel der
in Betracht kommenden Alge nicht verwunderÜch.
r\ ly ££• • i. Assimilation
Der Koeffizient ~j^~,-^-
Für die Ökologie der Meeresalgen erfahren wir aus den mit-
geteilten Atmungswerten nichts Wichtiges, obgleich es nicht aus-
geschlossen scliien, daß Unterschiede in der Atmungsintensität
eine entsprechende Anordnung der Algen zur Luft bedingten.
Dafür ist von großer Bedeutung die Assimilation und, wie neuer-
dings Kniep gezeigt hat, das Verhältnis der Atmung zur Assimi-
lation. Kniep fand, daß bei Fucus die Atmung durch Temperatur-
erniedrigung rascher sinkt als die Assimilation. Die Folge ist die
Möglichkeit einer hinreichenden Ernährung der Algen in kalten
nordischen Gewässern.
Mit einer Nachprüfung und weiteren Bearbeitung dieses Ge-
bietes war ich beschäftigt, als durch den Kriegsausbruch weitere
Untersuchungen unmöglich wurden. Die wenigen Versuche, die ich
anstellen konnte, möchte ich hier jedoch mitteilen, da sie eine
280
Eichard Härder,
kleine Erweiterung- unserer Kenntnisse vom Gasaustausch der
Algen bedeuten.
Tabelle 11.
Wirkung der Temperatur auf die Assimilation.
21,5—23,5
+ 3,5 bis +2,5
+ 0,003986
+ 0,002693
+ 0,0007810
+ 0,0005132
+ 0,002187
+ 0,003469
In Tabelle 11 sind die Versuche zusammengestellt. Bei dem
Versuch mit Fucus serratus sehen wir in der Kälte eine Sauer-
stoffzunahme, die das 20 fache von der bei hoher Temperatur be-
trägt. Das Resultat ist im ersten Augenblick höchst überraschend,
läßt sich aber ganz einfach erklären. Leider machte ich bei dem
Versuch keine Gewichtsbestimniung der verwendeten Pflanzen, so
daß eine genaue Angabe der Assimilation von 1 g Gewicht un-
möglich ist. Die Angabe bei Versuch 603 und 604 bezieht sich
daher auf die Gesamtmenge der verwendeten Pflanzen. 10 g Frisch-
gewicht wurden ganz sicher mindestens verwendet ; wenn wir also
den AssimilationswTrt danach umrechnen würden, erhielten wir
eine Zahl, die bei der hohen Temperatur erst mit der vierten, bei
der niedrigen mit der dritten Stelle hinter dem Komma beginnt.
Das ist ein sehr niedriger Wert, der hinter der Atmungsgröße bei
gleicher Temperatur zurückbleibt. Aus dieser schwachen Assi-
milation folgt, daß die Lichtintensität nahe der unteren Schwelle
für die Assimilation stand. Bei hoher Temperatur findet die nor-
male Atmung der Algen statt, die bei der geringen Lichtstärke
1) Die Lichtwerte bei den drei Versuchsgruppen mit Cladophora wurden nicht
näher bestimmt. Sie sind in den drei Gruppen verschieden und nicht miteinander zu
vergleichen.
Beiträge zur Kenntnis des Gaswechsels der Meeresalgen. 281
des Versuches der x\ssimilation fast gleichwertig ist. Die Folge
ist eine nur geringe O2- Zunahme im Versuchs wasser. Bei tiefer
Temperatur hingegen findet, wie wir aus Tabelle 5 gesehen haben,
eine starke Herabsetzung der Atmung statt. Würde die Assimi-
lation im gleichen Maße erniedrigt werden, so würden wir im Ver-
suchswasser eine Verminderung der Sauerstoffzunahme gegenüber
dem Versuch bei höherer Temperatur finden. Da das nicht der
Fall ist, ziehen wir den Schluß, daß die Assimilation nicht in
gleichem Maße herabgesetzt wurde, wie die Atmung.
Aus dem Versuch geht hervor, daß sich die Alge bei schwachem
Licht bei niedriger Temperatur viel besser ernähren kann als bei
höherer.
, Bei noch etwas schwächerem Licht muß der Fall eintreten,
daß bei hoher Temperatur überhaupt keine Aufnahme von orga-
nischen Stoffen mehr stattfindet, weil der Abbau durch die Atmung
stärker ist als die Zufuhr durch die Assimilation, während bei
tieferer Temperatui- noch Speicherung von C -Verbindungen mög-
lich ist.
Daß Pflanzen mit einem derartigen Stoffwechsel prädestiniert
sind, die kalten, lichtarmen Meere der Polarzone zu bevölkern, ist
ohne weiteres verständlich.
Eine Erklärung, warum nur bestimmte Algen im Eismeer vor-
kommen, ist damit jedoch nicht gegeben. Man könnte annehmen,
daß die eben besprochenen Eigenschaften den nicht in arktischen
Gewässern lebenden Algen fehlen. Das ist aber nicht der Fall,
wie die Versuche mit Süßwassercladophoren (Tabelle 10) zeigen.
In Versuch 581/84 haben wir ein ganz gleiches Verhalten wie bei
Fucus, in der Kälte stärkere Assimilation wie in der Wärme. In
den anderen vier Versuchen war die Assimilation (wohl infolge
höheren Lichtes) stärker; sie überwog auch bei höherer Temperatur
die Atmung, und infolgedessen tritt bei niedriger Temperatur eine
Verminderung der O2- Ausscheidung ein. Die Assimilation sinkt
dabei um Vs ihres Wertes, die Atmung der gleichen Exemplare
der Algen sank bei entsprechender Temperaturerniedrigung (Ta-
belle 5) aber um ^'i des Wertes bei hoher Temperatur.
Noch deutlicher tritt uns die Bedeutung der Temperatur für
den Gaswechsel bei der Zusammenstellung in Tabelle 12 entgegen.
Leider konnte ich dort nur die Versuche mit den Süßwasserclado-
phoren aufnehmen, weil ich bisher nur mit diesen Pflanzen Assi-
milations- und Atmungsversuche am selben Exemplar machte.
282
Richard Härder,
Der Koeffizient
Tabelle 12
Assimilation
Atmung
bei verschiedener Temperatur.
Protokoll-Nr.
Hohe Temperatur
(20— 22''C)
Protokoll-Nr.
Niedrige Temperatur
(2— 3,5°C)
567/69
572/75
581/80
0,003986
0,006777
0,0007810
0,01848
0,002187
0,005110
0,5882
0,04227
0,4280
568/70
573/74
584/83
0,002697
0,001683
0,0005132
0,0005574
0,003469
0,001685
1,603
0,9207
2,059
Bei hoher Temperatur fällt bei den angewandten Lichtmengen
T- er- ■ . Assimilation j. ^ k^ m ^
der Koeffizient — v, zugunsten der Atmung aus, wahrend
Atmung
bei niedriger Temperatur das Umgekehrte eintritt. Nur bei der
mittleren Versuchsreihe, wo wir es mit einer ganz besonders starken
Atmung, deren Grund nicht zu ermitteln ist, zu tun haben, ist
auch in der Kälte die Atmung noch etwas stärker als die Assimilation.
Die Veränderung des Koeffizienten ist aber trotzdem deutlich.
Die vorliegenden Untersuchungen wurden bereits im Jahre 1911
begonnen. Die mitgeteilten Atmungswerte hal)e ich vollkommen
unabhängig von den inzwischen erschienenen Ergebnissen Knieps
gewonnen. Die Versuche wurden in den botanischen Instituten
der Universitäten in Kiel und Würzburg, der weitaus größere Teil
an der biologischen Anstalt auf Helgoland ausgeführt. Dem Di-
rektor der Anstalt, Herrn Geheimrat Heiucke, bin ich für die
wiederholte Überlassung von Arbeitsplätzen sowie für die An-
schaffung der für die Untersuchungen nötigen Arbeitsmittel zu
großem Dank verpflichtet. Ferner danke ich den Herren Profes-
soren Kniep, Kuckuck, Küster, Nordhauseu, Keincke und
Schröder, die das Zustandekommen der Arbeit gefördert haben.
Würzburg, Botanisches Institut
Anfang August 1914.
Beiträge zur Kenntnis des Gaswechsels der Meeresalgen. 283
Anhang I.
Protokolle der allgemeinen Atmungsversuche.
In den folgenden Tabellen sind die Protokolle einer g-roßen
Zahl der angestellten Atmimgsversuclie wiedergegeben.
Die meisten Rubriken sind ohne Erörterung verständlich. In
der Rubrik „vorgewärmt" ist die Zeit angegeben, welche die Alge
im Versuchszimmer vor der Atmung verbrachte. Das frisch ge-
sammelte Material gelangte stets in längstens 4 Stunden ins Zimmer
und konnte sich in der „Vorwäriiizeit" an die dortige Temperatur
gewöhnen. Unter „O2 vor Versuch" und „O2 nach Versuch" ist
die Sauerstoffmenge mitgeteilt, welche in 100 ccm des Versuchs-
wassers vor resp. nach der Atmung der Algen enthalten war. Es
ist jedoch nicht die direkte Sauerstoffmenge angegeben, sondern
die Menge der zur Titration von 100 ccm Versuchswasser ver-
brauchten Thiosulf atmenge. Ich verwendete "/u.o Thiosulfatlösung,
von der 1 ccm 0,055825 ccm O2 entspricht. Die benutzte Lösung
war jedoch nicht genau V'ioo normal, sondern schwankte. Der für
die einzelnen Versuche gültige Titerwert ist aus Anhang IV er-
sichtlich. Die Neueinstellung der in großen Mengen (10 1) her-
gestellten Normallösung auf "/,o KsCraOT- resp. KJO3 -Lösung ge-
schah nach Verlauf einiger Tage. Für die Zwischenzeit wurde der
Wert aus der Differenz der vorhergehenden und der letzten Ein-
stellung berechnet.
Die Zahlen in der Abteilung Versuchsgefäß geben die Menge
Wasser an, w^elche die verwendete Flasche enthielt.
Dann folgen die aus den vorhergehenden Zahlen l)erechneten
Kubikzentimeter Sauerstoff, die von den Algen in 1 Minute ver-
atmet wurden, und zwar bezogen auf 1 g Frischgewicht und auf
1 g Trockengewicht.
Die Algen sind in alphabetischer Reihenfolge geordnet.
Die Versuche über die Wirkung der Besonnung und die
Einwirkung der Temperatur auf die Atmung und die Assimilation
sind gesondert am Schluß aufgezählt.
284
Eichard Härder,
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298 Richard Härder, Beiträge zur Kenntnis des Gaswechsels der Meeresalgen.
Anhang IV.
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(100 ccm Vioo NaaSäOs würden zur
Neutralisation verbraucht werden)
Literatur.
Boiinier, G. et Mangln, L., Recherches sur la respiration des feuilles ä l'obscurite.
Ann. d scienc. nat., 6. 8er., Bot. t. XIX, 1884, p. 249.
Engelmann, W., Untersuchungen über die quantitativen Beziehungen zwischen Ab-
sorption des Lichtes und Assimilation der Pflanzenzellen. Bot. Zeitg., Bd. 42, 1884.
Garreau, De la respiration ihez les plantes. Ann. d. scienc. nat., 3. Ser., Bot. t. 15,
1851, p. 17.
Henze, M., Untersuchungen an Seetieren. Abderhaldens Handbuch d. biochem. Arbeits-
methoden, Bd. 3, S. 1084, Berlin u. Wien 1910.
Iraklinow, Jahrb. f. wiss. Bot., Bd. 51, 1912, S. 519.
Kniep, H., Über Assimilation und Atmung der Meeresalgen. Intern. Revue d. ges.
Hydrobiologie u. Hydrographie, Bd. 7, 1914.
Kolkwitz, R., Beiträge zur Biologie der Florideen. Wiss. Meeresuntersuch., N. F.,
Bd. 4, 1900, Abt. Helgoland.
Kylin, H., fl) Einige Versuche über die Atmung der Meeresalgen. Archiv, f. Botanik,
Vol. 11, 1911.
— — (2) Zur Physiologie der Meeresalgen. Hoppe-Seylers Zeitschr. f. physiol. Chemie,
Bd. 83, 1913.
Loven, Hedwig, Nägra Ron om Algernas Andning Bihang tili k. Svenska Vet. Akad.
Handlingar, t. 17, Afd. III, 1891.
Oltmanns, F., Morphologie und Biologie der Algen, Bd. II, Jena 1905.
Richter, A. v., Farbe und Assimilation. Ber. d. deutsch, bot. Ges., Bd. 30, 1912.
Rosanoff, Observations sur les fonctions et les proprietes des pigments de divers
algues. Extrait des memoires d. la soc. imp. sc. nat. de Cherbourg, t. 17, 1868,
p. 168.
Die Erzeugung und Befreiung der Sporen bei
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Vou
A. H. Reginald Buller.
Prof. d. Bot. an der Universität Manitoha.
Mit Tafel II u. III und 2 Textfigureu.
I. Vorbemerkungen.
Es ist bekannt, daß die Fruchtkörper der typischen Coprinus-
arten (z. B. Coprinns comatus, C. picaceus, C. niveus, C. fimeta-
rius, C. atramentarius, C. stercorarius, C. sterquUinus usw.), wenn
sie reifen, sich einem sogenannten Verflüssigungsprozeß unter-
ziehen, die zu einer Zerstörung des Hutes führt, wobei oft schwarze
tintenähnliche Tropfen gebildet werden. Die biologische Bedeutung
der Verflüssigung blieb bis zur Veröffentlichung des ersten Bandes
meiner „Besearches on Fungi"^) (1909) völlig dunkel. In diesem
Werk, das meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Geh. Hofrat Prof.
Dr. Wilhelm Pfeffer, gewidmet ist, habe ich die Art und Weise
der Erzeugung und Befreiung der Sporen bei Coprinus comatus
ausführlich beschrieben-). Ich zeigte, daß bei dieser Gattung, wie
bei den Copriuen überhaupt, 1. die Sporen auf jeder Lamelle nach-
einander von unten nach oben reifen, 2. daß die Sporen auf jeder
Lamelle nacheinander von unten nach oben in die Luft hinaus
geschleudert werden und 3. daß die Verflüssigung ein Selbstver-
dauungsprozeß ist, der auf jeder Lamelle von unten nach oben
1) A. H. R. Buller, Researches on Fungi. An Account of the Production,
Liberation and Dispersion of the Spores of Hymenomycetes treated botanicallj' and phy-
sically; also some Observation upon. the Discharge and Dispersion of the Spores of
Ascomycetes and of Pilobolus. Longmans, Green and Comp. London 1909. p. 1 — 274,
5 Tafeln und 83 Figuren im Text.
2) 1. c. Kap. XIX, p. 196—215.
3QQ A. H. Eeginald Buller,
fortschreitet und diejenigen Teile der Lamelle zerstört, die ihre
Sporen schon abgeworfen haben und deren längeres Vorhanden-
sein das Fallen der übrigen Sporen verhindern würde. So wurde
klar, daß die Selbstverdauung bei der Befreiung der Sporen eine
ganz bestimmte und sinnreiche Rolle spielt.
Seit 1909 habe ich meine Untersuchungen über die Organi-
sation der Fruchtkörper des Coprinus fortgesetzt und Näheres
über deren Bau und Tätigkeit ans Licht gebracht. 1910 ver-
öffentlichte ich eine Arbeit über Coprinus atramentarius, worin
ich die Aufgabe und das sehließliche Los der großen Zystiden
dieser Pilzart beschrieb^). Ich zeigte, daß die Vorrichtung zur
Erzeugung und Befreiung der Sporen bei Coprinus atramentarius
wesentlich die gleiche ist wie bei Coprinus comatus, daß die beiden
Arten sich aber darin unterscheiden, wie die benachbarten Lamellen
voneinander getrennt gehalten werden während des Reifens und
Abw^erfens der Sporen. Bei Coprinus comatus werden die Ober-
flächen der Lamellen dadurch auseinander gehalten, daß die La-
mellenkanten so anschwellen, daß sie einen verdickten Rand bilden,
während sie bei Coprinus atramentarius auseinander gehalten
werden durch das Vorhandensein von zahlreichen Zystiden, die
über die ganzen interlamellaren Räume verteilt sind und als
Spreizen dienen. Bei Coprinus atramentarius sind die Lamellen
ungewöhnlich breit, außerordentlich dünn, und daher gar nicht
steif. Das Vorhandensein der Zystiden bei dieser Art ist durch-
aus notwendig, um die gegenseitige Berührung benachbarter La-
mellen zu verhindern, und ist ein wesentlicher Faktor bei einer
erfolgreichen Erzeugung und Befreiung der Sporen. Ich machte
darauf aufmerksam, daß die Lamellen bei Coprinus atramentarius
parallelseitig sind, und stellte fest, was mir das Wichtigste scheint,
daß bei den Co^nnw^-Arten das Reifen und Freiwerden der Sporen
von unten nach oben an jeder Lamelle und die von unten nach
oben fortschreitende Selbstverdauung der sporenfreien Partien der
Lamellen als besondere Anpassung an die erfolgreiche Sporen-
befreiung von parallelseitigen Lamellen zu betrachten sind.
In einer weiteren Arbeit 2) (1911) zeigte ich, daß bei den
1) A. H. R. Buller, The Function and Fate of the Cystidia of Coprinus atra-
mentarius together with some General Remarks on Coprinus Fruitbodies. Annais of
Botany, Vol. XXIV, 1910, p. 613—629.
2") A. H. R. Buller, The Production and Liberation of Spores in the Uenus
Coprinus. Trans, of the British Mycological Soc, 1911, p. 348 — 350.
Die Erzeuguntr und Befreiung der Sporen bei Copnnus sterquilinus. 301
Coprinen — im Unterschied zu den meisten Agaricineen {Psalliota
campestris usw.) — die Lamellen nicht auf den Reiz der Schwer-
kraft reag-iereu, d. h. ag-eotropisch sind, außerdem, daß die Basi-
dien dimorph sind. Die Basidien im Hymenium der meisten
Coprimis- Arten (z. 13. Coprinns comatus, C. atramentarius, C. sterco-
rarius, C. ephemenis usw.) sind zweierlei Art: lang; und kurz. Die
lang'en und kurzen Basidien sind untereinander und zwischen den
ParaphA'sen verstreut und bilden so ein schönes Mosaik. Ich legte
dar, daß der Dimorphismus einen engeren Zusammenschluß der
Basidien erlaubt, als es bei monomorphen Basidien möglich wäre,
und daß dadurch der hymeniale Raum für die Sporenerzeugung
nutzbar gemacht wird. Die Bedeutung des merklichen Auswuchses
an den langen Basidien wurde so zum ersten Male klar. Immer-
hin, meine Mitteilung war kurz und ohne Abbildungen.
Während der letzten 10 Jahre habe ich die Art der Erzeu-
gung und Befreiung der Sporen bei ca. 30 Coprinus-kview studiert
und ca. 20 Arten in meinem Laboratorium kultiviert. Ich glaube
jetzt, daß meine Ansichten für eine Deutung der Tatsachen bei
der Einrichtung der Fruchtkörper von Coprinns zu ihrer Reife ge-
langt sind, und werde deshalb diese Gelegenheit benutzen, sie bei
der Beschreibung von Coprinus atramentarius vorzutragen. Die
Abbildungen stellen zunächst dar: 1. den Dimorphismus der Basi-
dien, 2. die Tatsache, daß in der Zone der Sporenabstoßung die
langen Basidien ihre Sporen vor den kurzen abstoßen: 3. falsch
gefallene Sporen, die an den Räudern der Lamellen haften, und
4. den Flüssigkeitstropfen, der an der Basis jeder Spore ausge-
schieden wird, wenige Sekunden bevor die Spore heftig in die
Luft geschleudert wird.
II. Untersuchungen an Coprinus sterquilinus,
Coprinus sterquilinus ist eiue der größten Allen und nahe
verwandt der Spezies comatus, was sein Annulus, seine Schuppen
und die Anatomie seiner Lamellen beweisen. Immerhin, im Unter-
schied zu dieser Art, welche zwischen Gras aufwächst, ist Coprinus
sterquilinus koprophil: er wächst auf Pferdedung. In England
habe ich bei Birmingham Exemplare mit Fruchtkürpern angetroffen
auf Pferdedung, der auf einem Felde ausgestreut war; in Kew
Gardens auf Pferdedung, der auf Blumenbeeten lag; und bei London
auf Pferdedung, der von der Straße geholt und teilweise in den
302 A. H. Reginald Buller,
Boden eines Gartens eing-efülirt war. Ebenso erhielt ich aus
Wales mit Mycelium infizierten Pferdedung. In Canada habe ich
im Freien den Pilz noch nicht gesehen, aber bei anderen Gelegen-
heiten schoß er in meinem Laboratorium plötzlich hervor auf Pferde-
dungballen, die von den Straßen von Winnipeg aufgelesen waren.
Massee schreibt, daß man den Pilz in Britannien, Frankreich,
Deutschland, Spanien, Portugal, Schweden und Belgien findet^).
Möglicherweise fällt seine Verbreitung mit der der Pferde zu-
sammen. Die Fruchtkörper sind groß, von auffallender Erschei-
nung und häufig; doch hat sich bis jetzt noch niemand die Auf-
gabe gestellt, ihre Einrichtung für die Erzeugung und Befreiung
der Sporen zu schildern. Im folgenden will ich versuchen, diese
Lücke unserer Kenntnis auszufüllen.
Coprinus sterquilinus ist ein typisches Beispiel für die den
Coprinen eigentümliche Einrichtung, daß die Lamellen, während
sie die Sporen abwerfen, einer Selbstverdauung anheimfallen. Der
Pilz ist auch besonders für eine Detailuntersuchung geeignet dank
der Leichtigkeit seiner Kultur, dank der ansehnlichen Größe der
Basidien und Sporen. Bei meinen Exemplaren waren die Sporen
20 — 22 // lang und 11 — 12 // breit. Die Größe der Basidien und
der anderen Lamellenelemente kann man aus den Maßstäben in
Fig. 17 u. 18 auf Taf. ID erkennen.
Ich habe Coprinus sterquilinus bei mehreren Gelegenheiten in
Winnipeg erhalten, indem ich die Tatsache benutzte, daß die Sporen,
ohne Schaden zu leiden, den Verdauungskanal der Pferde passieren
können. Der Winter in Manitoba ist streng. Der Boden ist ge-
wöhnlich von Mitte November bis Ende März mit Schnee bedeckt,
und während dieser Zeit schwankt die Temperatur zwischen 0"
und — 40° C. Pferdedungballen, die im tiefen Winter auf den
Schnee der Straßen entleert werden, frieren gewöhnlich in wenigen
Minuten hart und bleiben in cÜesem Zustand, bis die Frühjahrs-
schmelze einsetzt. Außer der Unzahl von Bakterien enthalten die
Pferdefäces immer auch die Sporen von einer Anzahl koprophiler
Pilze. Diese Sporen sind mit dem Futter verschlungen worden
und haben trotz ihres Durchgangs durch den Verdauungskanal
ihre Lebensfähigkeit behalten. Wenn daher die Ballen auf den
Straßen von Winnepeg gefrieren, so frieren die Sporen von ver-
1) G. Massee, A Revision of the genus Coprinus. Annais of Botany Vol. X.
1896. S. 139.
Die Erzeugung und Befreiung der Sporen bei Coprinus sterquilinus. 303
schiedenen koprophilen Pilzen, die darin eingeschlossen sind, mit
ein. Wenn solche gefrorenen Ballen von den Straßen zu irgend
einer Zeit im Winter aufgelesen und im Laboratorium in eine be-
deckte Kristallisierschale gelegt wurden, so fand man, daß im
Laufe von wenigen Wochen auf ihnen die Fruchtkörper einer oder
mehrerer Arten von Coprinus wuchsen; die häufigsten waren:
C. ephemerus, C. radiatus, C. fimeta.rius. Unter anderen Arten
trat mehrfach Coprinus sterquilinus auf. Es ist immer möglich zu
erkennen, ob auf einem Ballen, der einige Wochen lang aufbe-
wahrt ist, ein Fruchtkörper zu sprossen beginnt oder nicht, denn
dann erscheint immer zuerst eine weiße flockige Schicht von Myce-
lium außen an dem Ballen, indem sie ihn teilweise oder ganz be-
deckt. Wenn ferner einzelne benachbarte Ballen infiziert sind,
so breiten sich dicke weiße Myceliumstränge aus, welche die Myce-
lien der verschiedenen Ballen miteinander verbinden (vgl. Fig. 1
u. 2, Taf. n). Auf einem Ballen entsteht immer nur ein Frucht-
körper, und sehr oft saugt ein einzelner Fruchtkörper aus verschie-
denen Ballen seine Nahrung. Das Vorhandensein der oberfläch-
lichen Myceliumlage zusammen mit den verbindenden Mycelium-
strängen hängt offenbar damit zusammen, daß der Pilz auch aus
einem Substrat, das mehr oder weniger in kleine Portionen geteilt
ist, große Fruchtkörper bilden kann. Um in einem einzelnen
vegetativen Körper genügend Nahrung zur Bildung eines Frucht-
körpers von durchschnittlicher Größe zusammen zu bringen, ist
eine Einrichtung getroffen, welche die vorhandenen Mycelien
mehrerer Dungballen zu einem System vereinigt.
Eine Reinkultur von Coprinus sterquilinus herzustellen, ist
eine leichte Sache, wenn man einmal einen Fruchtkörper hat. Ich
ging gewöhnlich so vor: 12 oder 15 Pferdedungballen wurden in
eine Kristallisierschale (18 cm breit und 6 cm hoch) gelegt, so daß
sie den Boden bedeckten. Die mit einer Glasplatte bedeckte Schale
wurde dann in einen Dampfsterilisator gesetzt und 45 Minuten
lang in einer Temperatur von 100 "^ gehalten. Ich nahm sie her-
aus und ließ abkühlen. Ich infizierte die Ballen, indem ich den
Deckel hob und genau über jeden Dungballen einen Pilzhut, der
eben Sporen entwickelte, einige Sekunden lang hielt. Gelegentlich
schlug ich einen sichereren Weg ein. indem ich die Ballen mit den
sporentragenden Lamellen bestrich. Noch eine andere Methode
der Infektion wandte ich an: Der basale Teil des Stieles bleibt
lebendig noch für einige Stunden, nachdem der übrige Teil des
304 -^- H- Regiiiald Buller,
Fruchtkörpers zugrunde geg-augen ist. Ich fand nun, daß, wenn
der basale Teil des Stieles in einzelne längliche Stücke zerteilt
und jedes Stück zwischen zwei sterilisierte Dungballen gebracht
wird, eine Infektion leicht durch die Hyphen zustande kommt.
Noch bessere Resultate erlangt man, wenn man junge Stiele
nimmt ^). Die Stielmethode der Infektion hat den Vorteil vor der
Sporenmethode, daß bei ihrer Anwendung die Zeit zwischen In-
fektion und Bildung von neuen Fruchtkörpern um 7 — 14 Tage ver-
kürzt wird. Bei der Sporenmethode verstreichen 6 oder 7 Wochen,
bis der erste Fruchtkörper gebildet wird, aber mit der Stielmethode
nur 4 — 5 Wochen.
Der junge Fruchtkörper beginnt seine Entfaltung auf einer
oder mehreren von den weißen Mycelstnängen, die, wie schon er-
wähnt, außen an den Dungballen erscheinen. Zuerst ist er nur
ein kugeliger Hyphenknäuel, wenn er aber größer wird, nimmt er
die Form eines Kornes an. Der obere Teil des Kornes wird gelb-
lich und zeichnet sich durch eine leichte Einschnürung von dem
unteren Teil ab, der bald anschwillt. Der obere Teil wird bald
konisch und bildet den Hut, während der untere eine kugelige
Gestalt annimmt und zu der geschwollenen Basis des Stieles wird
(Fig. 1, Taf. II). Ungefähr eine Woche später hat der Hut seine
Entwicklung begonnen, der Stiel verlängert sich rasch, der Hut
breitet sich aus, und die Sporen werden in die Luft abgestoßen
(Fig. 2—8, Taf. II).
Die Spitze des Hutes hat im jüngsten Stadium ein graugelbes
Aussehen, wenn der Hut aber an Größe zunimmt, beschränkt sich
diese Färbung auf die Scheibe, wo sie erhalten bleibt, bis der
Fruchtkörper zusammenbricht. Bevor der Stiel sich zu verlängern
beginnt, sind die Seiten des Hutes glänzend weiß, wenn sie auch
in feine Schuppen gespalten sind. Die allgemeine weiße Farbe
des Hutes beginnt sich zu verändern, sobald der Stiel eine Länge
von ca. 8 cm erreicht hat. Das schneeweiße Aussehen wird zu
einem Silbergrau, dieses dann zu einem Blaurot. Das Botwerden
des Hutes breitet sich aus auf die oberen freien Teile des Stieles
und wird herbeigeführt durch einen roten Zellsaft, der sich in
den betroffenen Teilen entwickelt. Der rote Zellsaft wurde in all
1) Die Stielmethode zur Herstellung reiner Kulturen wurde ausgearbeitet durch
B. M. Duggar. Siehe: The Principles of Mushroom growing and Mushroom spawn
making. U. S. Dep. of Agricult. Bureau of Plant Industry, Bull, no 85. 1905.
Die Erzeugung und Befreiung der Sporen bei Coprinus sterquüinus . 305
den Zellen der Lamellen beobachtet, welche Basidien und Para-
physen einschließen. Seine Bildung geht einer Entwicklung von
schwarzem Pigment in den Wänden der Sporen voraus. Einer
ähnlichen Bildung von rotem Zellsaft begegnet man bei Coprinus
comatus. Bei dieser Art werden die Lamellen, wie man leicht
beobachten kann, von unten nach oben rötlich und nachher, wenn
die Sporen zu reifen beginnen, werden sie schwarz von unten
nach oben. Die physiologische Bedeutung des roten Zellsaftes
bleibt ein Problem einer späteren Untersuchung. Wenn der Stiel
eine Länge von ca. 10 cm erreicht hat, werden — bei feuchten
Bedingungen — oft einzelne Tropfen des roten Zellsaftes von den
Rändern des Hutes abgesclüeden. Verlängert sich der Stiel weiter,
so wird der Hut dumpfrot und endlich schwarz. Der Farben-
wechsel ist vor allem darauf zurückzuführen, daß in den Wänden
der Sporen ein schwarzes Pigment sich entwickelt; er rührt aber
teilweise davon her, daß der rote Zellsaft allmählich in eine
dumpf braune Farbe übergeht. In dem Stadium, das auf Fig. 5 — 8,
Taf. II zu sehen ist, hat der Hut eine so dunkle Farbe, daß
man ihn als schwarz bezeichnen kann.
Der konisch-zylindrische Hut wird bei seiner Entfaltung zu-
erst glockenförmig (Fig. 4, Taf. II), dann schirmförmig (Fig. 5
u. 6) und dann fast eben. Schließlich biegt sich sein Rand zu-
rück (Fig. 7 u. 8). Die Scheibe bleibt gewöhnlich bis zum Schlüsse
etwas nabeiförmig. Wenn man den entfalteten Hut von oben be-
trachtet, so ist er schwarz, außer der braungelben Scheibe und
den Schuppen, die gewöhnlich weiß, manchmal auch rötlich sind.
Die Größenverhältnisse des reifen Hutes eines gutgewachsenen
Fruchtkörpers mag man aus den Abbildungen auf Tafel II entnehmen.
Wenn der Hut glockenförmig wird, erscheinen unterhalb der
Schuppen längliche Streifen. Diese Streifen rühren davon her,
daß sich die Lamellen nach unten zu zu spalten beginnen. Öffnet
sich der Hut weiter, so werden aus den Streifen Furchen, die
1 — 2 mm tief und ebenso breit werden können, an der Peripherie
des Hutes. Die unvollständige Spaltung der Lamellen an ihrer An-
satzstelle — siehe den Vertikalschnitt auf Fig. 15, Taf. II — er-
laubt dem Hut eine sehr rasche Entfaltung ohne eine entsprechende
Zunahme des Hutfleisches. Gelegentlich teilen sich, wenn der
Hut sich ausbreitet, einige Lamellen vollständig in zwei Hälften.
Der Hut wird dann in ein Halbdutzend oder mehr Strahlen
zerschlitzt.
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI. 20
306 ■^- H. Reginald Buller,
Entfleisch ist praktisch nicht vorhanden, ausgenommen an der
Scheibe, wo sein Vorhandensein für eine Vorrichtung notwendig
ist, die das Gewicht der Lamellen hält, während der Hut sich
ausbreitet (vgl. Fig. 3—8, Taf. n).
Die Lamellen sind 3 — 6 mm breit und 2,5 — 5 cm lang. Sie
sind anfangs ganz weiß, dann rötlich, da sich in jeder Zelle der
schon erwähnte Zellsaft bildet, und schließlich rotschwarz infolge
der Bildung eines sehr dunkelbraunen Pigments in den Sporen.
Der Farbenwechsel findet an jeder Lamelle von unten nach oben
statt (vgl. Fig. 3, Taf. II). Die Form der Lamellen im Querschnitt
zeigt Fig. 9, Taf. IL Die beiden Seiten einer Lamelle sind nicht
ganz parallel, sondern leicht konvergent, vom Fleisch zum freien
Rand gerechnet; aber anstatt am freien Rand scharf zu enden,
wie bei Psalliota campestris, Marasmius oreades usw., geht jede
Lamelle in einen verdickten Rand über (Fig. 9 u. 10, Taf. ü).
Die verdickten Ränder der Lamellenkanten berühren einander, be-
vor der Hut sich öffnet und solange die Entwicklung der Sterig-
mata und der Sporen andauert (Fig. 11, Taf. II).
Nahezu parallelseitige Lamellen mit verdickten Rändern kommen
ebenso bei Coprinus comatus vor^). Hier, wie bei den eben be-
handelten Arten, hat die Gestalt der Lamellen die Bedeutung,
Raum zu schaffen für die Entwicklung der Basidien an den gegen-
überliegenden hymenialen Oberflächen benachbarter Lamellen.
Gegenüberliegende sporentragende Basidien dürfen nicht mitein-
ander in Berührung kommen, oder es wäre eine gegenseitige Ver-
mischung die Folge, die während der Bildung der Sporen schädlich
sein würde. Nun sind bei diesen beiden Arten keine Zystiden an
der Seite der Lamellen vorhanden. Bei Coprinus atramentarius,
zeigte ich, wirken die Zystiden, die zwischen benachbarten Lamellen
die interlamellaren Räumen durchkreuzen, als Schutzpfosten und
halten so die Oberflächen benachbarter Lamellen, die sehr dünn
und mechanisch schwach sind, in einer für die freie Entfaltung
der Basidien notwendigen Enfernung voneinander^). Wenn keine
Zystiden vorhanden sind, so müssen die interlamellaren Räume
auf eine andere Weise erhalten bleiben. Dies ist erreicht bei
Coprinus comatus und bei C. sterquilinus erstens durch die leichte
Ausbreitung des Hutes, so daß die Lamellen, da wo sie mit dem
1) A. H. R. Buller, Eesearches on Fungi loc. cit. Taf. I, Fig. 5.
2) A. a. 0. in den Vorbemerkungen.
Die Erzeugung und Befreiung der Sporen bei Copnntis sterquilinus. 307
Hutfleisch verbunden sind, in angemessener Entfernung vonein-
ander stehen, und zweitens durch die Bildung von verdickten
Rändern, dort wo die Lauiellen in der Nähe des Stieles zusammen-
kommen (Fig. 9 u. 11, Taf. II). Ferner sind die Lamellen etwas
dicker und entsprechend steifer, als bei Coprinus airamentarius u. a.,
wo die Z3"stiden als raumschaffende Organe wirken. So werden
dadurch, daß die Lamellen voneinander getrennt w^erden — ein-
mal am Fleisch des Hutes, und dann am Stiel — und daß die
Lamellen genügend steif sind, um Versackungen in den mittleren
Teilen zu verhindern, die für die freie Entwicklung der Basidien
notwendigen Bäume erhalten.
Der Stiel w^ächst sehr schnell in die Länge, einige Stunden
bevor die Sporen ausgeworfen werden. Er geht von dem Zustand
auf Fig. 2, Taf. II über in den auf Fig. 3, Taf. II im Laufe eines
einzigen Abends. Als größtes Maß seines Wachstums wurde be-
obachtet 1 cm pro Stunde.
Der völlig ausgestreckte Stiel ist 9 — 15 cm lang. Er ist an
der Basis verdickt, in seinem unteren Teil ist er ungefähr 0,5 — 1 cm
dick und verjüngt sich etw^as nach oben (Fig. 2 u. 3, Taf. 11).
Zuerst ist er weiß, w^rd aber in seiner oberen Hälfte während
der Verlängerung rötlich und endlich schwärzlich. Das Schw^arz-
werden des oberen Teües ist eine normale Erscheinung und nicht
auf einen Zufall zurückzuführen. Ich hebe das hervor, weil
Massee^) irrtümUch behauptet hat, daß der Stiel schwarz wird,
wenn er zerquetscht wird. Ich habe mehrmals versucht, den Pilz
durch Quetschung zur Schwärzung zu bringen, habe es aber nie-
mals erreicht. Der Schaft des Stieles ist, wie bei allen anderen
Coprinus-Xrten, hohl (Fig. 3, Taf. II) und zerbrechlich. Er hat,
scheint es, seine Substanz zum äußersten Minimum reduziert, das
gerade noch für seine stützende Aufgabe ausreicht. Die verdickte
Basis des Stieles ist solid, weiß und einschließlich die losen HjT)hen,
die ilin bedecken, hat er oft einen Durchmesser von 1,3 cm,
wenn auch die mehr solide Partie nur 0,8 — 1,0 cm dick ist. Die
Basis kann oben enden in einer ausgew^achsenen Hülle oder Scheide,
in W'elchem Falle kein freier Bing gebildet wird (Fig. 2, Taf. II);
gewöhnlich wird von der Basis des Hutes ein Bing am Stiel ge-
bildet in einer Höhe von 1 — 2 Drittel der Gesamtlänge (Fig. 3,
Taf. 11). Ich glaube, daß äußere Bedingungen der Kultur es be-
1) G. Massee, A Eevision of the genus Coprinus a. a. 0. S. 139.
20*
308 ^- ^- Reginald Buller,
stimmen, ob ein Ring oder eine Scheide gebildet werden soll. Es
kann sein, daß sehr feuchte Bedingungen der Bildung eines Ringes
günstig sind und ziemlich trockene der Bildung einer freien Scheide;
doch bedarf diese Annahme noch genauer Prüfung.
Die Struktur des Hymeniums bei einer völlig entwickelten
Lamelle gerade vor der Sporenentladung ist dargestellt in der
Zone a der Fig. 17 u. 18, Taf. II. Die Elemente, aus denen das
H^anenium zusammengesetzt ist, sind Basidien und Paraphysen.
Zystiden sind an den Seiten der Lamellen nicht vorhanden. Die
Basidien sind dimorph: wir können sie in zwei Gruppen teilen:
lange und kurze. Bei der Entfaltung irgend eines kleines Bezirks
des Hymeniums entwickeln sich die langen Basidien ein wenig
schneller als die kurzen^). Die Zahl der kurzen Basidien ist der
der langen annähernd gleich; doch herrschen die ersteren ein
wenig vor.
Die Zone a der Fig. 17 wurde aus Camera-lucida-Zeichnungen
konstruiert, die denen auf Fig. 12 u. 13, Taf. II ähneln, wenn sie
auch vergrößert sind. Fig. 12 stellt genau die Stellung der Sporen
der langen und kurzen Basidien dar, entsprechend einem kleinen
Bezirk des Hymeniums, während Fig. 13 die Anordnung der Basi-
dien und Paraphysen gibt. In Fig. 13 sind die langen Basidien
schattiert worden, die kurzen blieben unschattiert. Es ist wegen
der optischen Schwierigkeiten unmöglich, eine Camera-lucida-Zeich-
nung zu machen, welche die Sporen zugleich mit den Umrissen
der Basidien und Paraphysen einschließt. Bei der Konstruktion
der Zone a in Fig. 17 wurde deshalb zuerst eine Zeichnung wie
in Fig. 13 gemacht und dann die Sporen oben an den Sterigmaten
eingezeichnet.
In der Zone a der Fig. 18 kann man leicht die langen Basi-
dien (l) von den kurzen (s) unterscheiden. Die kurzen Basidien
ragen nicht über die Paraphysen hervor, während die langen sich
ca. 28 fi hinaus in die Luft fortsetzen. In der Zone a von Fig. 17
sind die Körper und Sporen der langen Basidien tiefer schattiert
als die der kurzen. Ich bemerke, daß die Sporen hier wie in
Fig. 12 oft zum Teil vertikal stehen über den Sporen der kurzen;
aber der Vorsprung an den langen Basidien ist so beschaffen, wie
1) Ich werde die Bedeutung dieser für das Verständnis der Entwicklung der
Coprinen interessanten Tatsache in dem nächsten Band meiner ,,Researches on Fungi"
darstellen.
Die Erzeun;uiig und Befreiung der Sporen bei Coprinus sterquilinus. 309
man in Fig. 18 sehen kann, daß die ersteren nicht die letzteren
berühren können. Wenn man die Zone a betrachtet — auf Fig. 17
wie 18 — bei deren Zeichnung ich den höchsten Grad der Ge-
nauigkeit zu erreichen suchte, so ist es augenscheinlich daß,
wenn die Basidien monomorph anstatt dimorph wären, entweder
ihre Zahl verringert werden müßte oder daß ein ernstliches An-
einanderstoßen stattfinden würde. Dadurch, daß es zweierlei Art
von Basidien gibt, kurze und lange, kann eine größere Anzahl
von Basidien auf einen kleinen Bereich des Hymeniums zusammen-
gedrängt werden, als es möglich wäre, wenn sie dieselbe Länge
hätten. Wir können also annehmen, daß der Dimorphismus der
Basidien eine für die Sporenbildung ökonomische Einrichtung ist
und den Frnchtkörper als Ganzen leistungsfälliger macht.
In einem Querschnitt durch eine Lamelle, wie er in Fig. 18,
Taf. III gegeben ist, fallen die langen Basidien durch ihre Vorsprünge
auf. Frühere Beobachter, wie Patouillard ^), Brefeld^) und
Massee ^), haben die kurzen Basidien übersehen. Als ich Coprinus
comatm und C. atramentarius studierte, habe auch ich unglücklicher-
weise die kurzen Basidien übersehen und nur lange für das Hy-
menium dieser Arten gezeichnet^). Die Zeichnungen auf Taf. H u. III
dieser Arbeit berichtigen bis zu einem gewissen Grade diesen Fehler.
Ich werde auch neue Zeichnungen für das Hymenium der oben
genannten zwei Arten veröffentlichen in dem zweiten Bande meiner
"Researches on Fungi", der zum Druck vorbereitet wird.
Paraphysen sind überall im Hymenium der Co^rmw^- Arten vor-
handen. Sie sind groß, verschmolzen und bilden ein zusammen-
hängendes System. Sie trennen benachbarte Basidien voneinander.
Ihr Vorhandensein im Hymenium von Coprinus sterquilinus zeigen
deutlich Fig. 13, Taf. H und Fig. 17 u. 18, Taf. III. Die Notwendig-
keit ihres Vorhandenseins erkennt man vielleicht leichter, wenn
man für einen Augenblick sich vorstellt, daß alle Paraphysen weg-
genommen würden und alle Basidien in Berührung miteinander
kämen. Ein allgemeines Durcheinander wäre das Resultat. Die
1) N. Patouillard, Tabulae analyticae fungorum, Ser. 1, 1883 — 86; siehe die
Figuren für Coprinus Palouillardii usw.
2) 0. Brefeld, Untersuchungen, Heft III, 1887, Tafeln iviv Coprinus stercorarius.
3) G. Massee, A Revision of the Genus Copnnus. Ann. of Bot., Vol. X, 1896,
PI. XI, fig. 25.
4) A. H. R. Buller, Eesearches on Fungi, für Coprinus comatus, PI. III,
fig. 14 — 16; Ann. of Bot. XXIX, 1910, PI. 50—51 für C. atramentarius.
310 A. H. Reginald Buller,
Paraphysen wirken als notwendig'e Elemente in dem Hymenium
einer jeden Coprinus- Art, indem sie als raumschaffende Org-ane
gebraucht werden. Sie verhindern die Berührung benachbarter
Basidien und ermöglichen so eine freie Ent\\'icklung und Befreiung
der Sporen. Wenn, meiner Meinung nach, die Paraphysen eine
raumschaffende Wirkung haben, so erfüllen sie doch eben so gut
andere Funktionen. Sie stützen die Basidien und halten sie in einer
zum Hymenium senkrechten Stellung. Sie versorgen wahrscheinhch
die Basidien auch mit Wasser und vielleicht mit anderen Substanzen.
Wie oben bemerkt, bilden die Paraphysen ein zusammenhängendes
System. Sie verstärken die Festigkeit der Lamellen im Ganzen.
Während der Entfaltung des Hymeniums erreichen die Basidien
ihren maximalen Durchmesser in einem frühen Stadium. Die Para-
physen sind zuerst schmal und werden weiterhin immer breiter.
Sie können als die elastischen Elemente des Hymeniums angesehen
werden. Durch Ausbreitung passen sie sich den Ansprüchen des
Hymeniums bei Öffnung des Hutes an.
Die Basidien, die zuerst Sporen bilden, finden sich immer an
den untersten Teilen der Lamellen. Eine hymeniale Entwicklungs-
welle rückt langsam vor, aufwärts an jeder Lamelle von der Basis
bis hinauf. Die Sporen werden, während sie reifen, schwarz da-
durch, daß sich in ihren Wänden ein ganz schwarzbraunes Pigment
bildet. Deshalb werden die Lamellen zuerst an der Basis schwarz
und die Schwärzung schreitet von unten nach oben an jeder Lamelle
fort (vgl. Fig. 3, Taf. H).
Wenn der Hut sich soweit ausgebreitet hat, wie Fig. 4, Taf. II
zeigt, beginnt der Prozeß der Sporenabstoßung. Die ersten Sporen,
die abgestoßen werden, sind die, welche an einer schmalen Zone
sich befinden, die sich beiderseits längs, der untersten Kante jeder
Lamelle erstreckt (s auf Fig. 5, Taf. IT). Diese Zone der Sporen-
entladung bewegt sich aufwärts an jeder Lamelle fortschreitend von
der Basis bis hinauf. Bei großen Fruchtkörpern fand man für die
Zeit dieses Fortschreitens 8 bis 12 Stunden unter den Bedingungen
des Laboratoriums. Gerade bevor die Sporen abgestoßen w^erden,
unterliegt der verdickte Rand der Lamellenkante unter der Zone
der Sporenbildung einer Selbstverdauung: er wird flüssig und ver-
schwindet. Er kann deshalb nicht den freien Austritt der ersten zu
entladenden Sporen behindern. Sobald eine schmale Zone (ca. 0,1 mm)
längs der Basis jeder Lamelle dadurch sporenfrei geworden ist,
daß die Sporen von den Basidien weggeschleudert wurden, so setzt
Die Erzeugung und Befreiung der Sporen bei Copriniis sterquüinus. 311
sich der Prozeß der Selbstverdauun^, der, wie wir oben sahen,
den Rand der Lamelle zerstört hat, nach oben hin fort. Die
unteren Zellen, aus denen sich die Lamellen in den sporenfreien
Zonen zusammensetzen, fallen zusammen und werden flüssig. Ich
habe den Zerstörungsprozeß, der den Mykologen als Verflüssigung
bekannt ist, Selbstverdauung ^) genannt; denn man hat einigen
Grund aus Analogie zu schließen, daß die Lamellengewebe durch
Enzyme zerstört werden, welche aus dem Zellsaft der absterbenden
Lamellen frei werden. Diese Annahme ist gestützt worden durch
die Arbeit von Weir''^), welcher gezeigt hat, daß der Hut einer
Coprimis-krt ein Enzym enthält, welches geeignet ist, die Wände
bestimmter Hyphen zu zerstören. Die Zone der Selbstverdauung,
die in der oben beschriebenen Weise beginnt, steigt stufenweise
an jeder Lamelle empor, die so von unten nach oben zerstört
wird. Die Zone der Selbstverdauung folgt hart hinter der Zone
der Sporeuabstoßung, geht aber nie in sie liinein. Sie befällt nur
die Zone, die frei von Sporen geworden ist.
Nachdem die Selbstverdauung begonnen hat, kann man auf
der Oberfläche jeder Lamelle — parallel der Kante und V2 mm
nach innen — fünf aufeinanderfolgende Zonen unterscheiden. Die
Zonen, die auf Fig. 17 u. 18, Tai. III abgebildet sind, sind folgende:
a) eine Zone von Basidien mit reifen Sporen, die sich aufwärts bis
zur oberen Kante jeder Lamelle erstreckt, und die daher mehrere
Millimeter hoch sein kann; b) eine Zone der Sporeuabstoßung,
zusammengesetzt aus zwei Unterzonen; c) eine Zone sporeufreier
Oberfläche, von der die Sporen eben entfernt sind; d) eine Zone
der Selbstverdauung und e) ein dunkler, klebrig-flüssiger Streifen,
der die Produkte der Selbstverdauung und eine Anzahl von Sporen
enthält, die nicht auf die normale Art ausgestoßen wurden. Diese
5 Zonen behalten ihre relativen Abstände unverändert bei. Sie
bewegen sich allmählich aufwärts, so daß sie im Laufe von 8 bis
12 Stunden die ganze Länge jeder Lamelle zurücklegen.
Das Kürzerwerden der Lamellen infolge der Selbstverdauung
ist abgebildet auf Taf. H durch die Fig. 5—8. In Fig. 5, Taf. II
ist ungefähr Vs jeder Lamelle zerstört worden. Die Zone der
1) A. H. R. Buller, Eesearches on Fungi, a. a. 0., S. 200, ebenso The Function
and Fate of the Cystidia of Coprinus atramentarius. A. a. 0., S. 619.
2) J. R. Weir, Untersuchungen über die Gattung Coprinus. Flora, Bd. 103,
1911, S. 271.
312 A. H. Eeginald Buller,
Sporenabstoßung befindet sich gerade über der Lamellenkante, sie
ist mit a bezeichnet. Gebrochene Linien zeigen die Form und die
Stellung der Lamellen gerade nach dem Beginn der Sporenabstoßung
an. Die ersten Sporen, die frei werden, befinden sich gerade über
der Lamellenkante bei s. In Fig. 6, Taf. 11 ist ungefähr die Hälfte
jeder Lamelle verschwunden, in Fig. 7, Taf. II ca. ^U und in Fig. 8,
Taf. II fast die ganze Lamelle. In den letzten drei Figuren ist
diagrammatisch dargestellt worden, wie die Sporen von der Lamellen-
kante herabfallen und von einem leichten Wind weggetragen werden.
Auf Fig. 15, Taf. II ist ein Yertikalschnitt durch drei Lamellen
— in der Richtung o — p auf Fig. 6, Taf. II — zu sehen, während
Fig. 16, Taf. II ein kleines Stück einer Lamelle in Flächenansicht
darstellt. In beiden Figuren ist die Vergrößerung 15 fach. Die
Pfeile zeigen die Richtung an, in der sich die Sporen bewegen,
wenn sie von der Zone der Sporenabstoßung in ruhige Luft ge-
schleudert werden.
Die 5 Zonen, welche in der Nähe der Lamelleukante, die von
Sporen frei wurde, unterschieden werden können, und welche auf
Fig. 17 u. 18, Taf. III abgebildet sind, sollen nun genauer be-
schrieben werden.
a) Die Zone der Basidien mit reifen Sporen. Sie ist schon
genügend beschrieben worden. Sie besteht aus langen und kurzen
Basidien und aus Paraphysen, und bildet mit deren Anordnung
ein schönes und raumsparendes Mosaik.
b) Die Zone der Sporenabstoßung. Sie ist ca. 12 mm breit
und besteht aus 2 Unterzonen: &i, eine obere Zone der Sporen-
abstoßung für die laugen Basidien und &2 eine untere für die
kurzen Basidien. Als ich die lebende Lamelle, welche Sporen ab-
warf, in eine geschlossene Glaskammer aufhing und dann sorgfältig
mit einem Horizontalmikroskop beobachtete, fand ich, daß in jeder
schmalen Zone — parallel zu der Lamellenkante (Zone &i &i in
Fig. 17, Taf. III) — die langen Basidien ihre Sporen zuerst abstoßen
und erst, wenn alle Sporen dei- langen Basidien verschwunden
sind, die kurzen Basidien die ihren abstoßen. Das ist eine schöne
Verfeinerung in der Einrichtung des Hymeniums. Da die Sporen
der langen Basidien oft teilweise senkrecht über den Sporen der
kurzen stehen, ist es klar, daß, wenn es keine solche Ordnung der
Sporenabstoßung gäbe, wie ich sie oben beschrieben habe, die
Sporen der langen Basidien, wenn sie abgestoßen werden, oft
gegen die Sporen der kurzen schlagen würden. Da die Sporen
Die Erzeugung und Befreiung der Sporen bei Coprinus sterquilinus. 313
klebrig' sind, würde das zu einem ansehnlichen Verlust von Fort-
pflanzungszellen führen. Aber dieser Nachteil ist beseitigt dadurch,
daß die langen Basidien jeder Zone ihre Sporen zuerst abstoßen.
Die Abstoßung- der Sporen von einem Basidium bei Coprinus
sterquilinus geht in derselben Weise vonstatten wie bei den Hj^meno-
myceten im allgemeinen. Die 4 Sporen eines jeden Basidiums
werden heftig mehr oder weniger senkrecht von dem Hymenium
vorgestoßen in den benachbarten Raum zwischen den Lamellen.
Die 4 Sporen verlassen ihre Sterigmata nacheinander und werden
nicht alle zusammen abgestoßen. Die Abtrennung kann leicht
beobachtet werden, wenn man eine Lamelle, wie sie auf Fig. 6,
Taf. II abgebildet ist, in eine geschlossene Glaskammer oder unter
ein großes Becherglas legt, wo sie vor zu großem Wasserverlust
geschützt ist, und von oben auf sie herabschaut. Man kann
dann sehen, wie die Sporen ihre Basidien in der Zone der Sporen-
abstoßung verlassen. Man wird l^asidien finden, die 4, einige, die
3 oder 2, andere, die eine oder gar keine Sporen mehr haben. Die
Abstoßung aller 4 Sporen von einem Basidium braucht, wenn ein-
mal der Prozeß begonnen hat, 1 — IV2 Minuten. Mit Hilfe eines
Horizontalmikroskops, das ich 1909 beschrieben habe^), fand ich,
daß die Sporen von dem Hymenium ungefähr 0,2 mm weit in den
Raum zwischen den Lamellen geschleudert werden. Dann machen
sie eine kurze Wendung, nach der sie bei ruhiger Luft senkrecht
abwärts fallen. Die Flugbahn, die von den Sporen der Hymeno-
myceten beschrieben wird, habe ich eine Sporabola genannt^). Für
Coprinus sterquilinus sind 2 Sporabolen auf Fig. 14, Taf. II dar-
gestellt und sechs weitere in Fig. 15, Taf. II.
Aus Messungen der Fallgeschwindigkeit von Sporen verschie-
dener Größe, die an anderer Stelle gemacht wurden^), kann ge-
schätzt werden, daß die Geschwindigkeit des Sporenfalles bei
Coprinus sterquilinus in ruhiger Luft ungefähr 4 mm/sec beträgt,
wenn die Luft mit Wasserdampf gesättigt ist, und 2,5 mm/sec,
wenn sie trocken ist. Die Verringerung der Fallgeschwindigkeit
bei trockener Luft kommt daher, daß die Sporen durch Verlust an
Feuchtigkeit rasch kollabieren. In der freien Natur hat eine sehr
schwache Luftbewegung zur Folge, daß die Sporen weite Strecken
1) A. H. R. Buller, Researches on Fungi, loc. cit., p. 142.
2J A. H. R. Buller, Researches on Fungi, p. 185.
3) Ibid. p. 175.
314 A. H. Eeginald Buller,
fortgetrag-en werden. Die Art, in der die Sporen die Unterseite
des Hutes bei einem leichten Luftzug verlassen, ist dargestellt
auf Fig. 6, 7 u. 8, Taf. H. Wenn ein Fruchtkörper in einem Becher-
glas in aufrechter Stellung gehalten und nun die Luft unter dem
Hut durch ein konzentriertes Lichtbündel eines elektrischen Bogeus
beleuchtet mrd, so kann man den Fall der einzelnen Sporen mit
bloßem Auge direkt beobachten^). Wieviel Sporen im ganzen an
einem großen Fruchtkörper entwickelt werden, wurde nach der
Zahl der Sporen berechnet, die auf einem kleinen Bezirk des
H3'meniums produziert werden, und aus der Größe der Gesamtober-
fläche der Lamellen. Bei einem Fruchtkörper mit einem 4 cm
hohen Hut war die Anzahl der Sporen pro qmm der H3'menium-
oberfläche 2900, und die Gesamtoberfläche des HjTiieniums ungefähr
34 500 mm-. Daraus ergibt sich, daß die Gesamtzahl der von dem
Hut gebildeten Sporen ungefähr 100 000000 war.
Nun ist noch ein Punkt bei dem Vorgang der Sporenbefreiung
der Hymenomyceten zu erwähnen, den ich bis vor 3 Jahren über-
sehen und bis jetzt noch nicht beschrieben habe. Ungefähr 5 — 15
Sekunden, bevor eine Spore abgestoßen werden soll, wird immer ein
winziger Wassertropfen an der Basis jeder Spore ausgeschieden und
zwar an der Seite, die der Achse der Basidien am nächsten ist, und
an dem Punkt, wo die Spore mit dem Sterigma verbunden ist (vgl.
Fig. 18, Zone 6). Fayod-) beol)achtete die Ausscheidung dieser
Tropfen bei Galera tenera, aber er gab keine Abbildung davon.
Meine eigenen Beobachtungen wurden gemacht, bevor ich mit
Fayods Resultaten bekannt wurde. Kürzlich hat DieteF) ent-
sprechende Tropfenausscheidungen für die Sporidien der Bostpilze
beschrieben, bei denen die Teleutosporen ohne Ruheperiode keimen.
Ich habe gefunden, daß bei allen Hymenomyceten (ca. 50 Spezies,
die die Hauptgruppen repräsentieren) die Ausscheidung eines
Flüssigkeitstropfens vor der Sporenabstoßung die Regel ist. Ich
habe auch Dietels Beobachtungen auf einen Rostpilz ausgedehnt,
bei dem die Teleutosporen eine Ruheperiode vor ihrer Keimung
1) Meine Lichtbündelmethode für das Studium des Sporenfalls von den Frucht-
körpern der Hymenomyceten ist genau beschrieben in meinen Eesearches on Fungi
S. 94 — 101. Sie kann mit gutem Erfolg bei Klassendemonstrationen angewendet werden.
2) M. V. Fayod, Prodrome d'une histoire naturelle des Agaricines. Ann. de sc
nat., T.. 9, 1889, p. 272.
3} P. Dietel, Über die Abschleuderung der Sporidien bei den Uredineen. Myco-
logisches Centralbl., Bd. 1, 1912, S. 355—359.
Die Erzeuguntr und Befreiung der Sporen bei Coprinus sterquiliniis. 315
brauchen, uämlicli Puccinia graminis. So scheint es sehr wahr-
scheinlich, daß der Prozeß der Sporenabstoßung bei Hymenom3^ceten
und Uredineen derselbe ist. In dieser Hinsicht kann die Annahme
der Homologie der Basidien der beiden Gruppen als wesentlich
bestätigt gelten. Der am Nabel der Spore ausgeschiedene Wasser-
tropfen hat bei Coprinus sterquilinus einen Maximaldurchmesser,
der so groß ist wie ein Drittel des Sporendurchmessers. Die
Tropfen sind in verscliiedenen Stadien ihrer Bildung in der Zone
der Sporenabstoßung auf Fig. 17 u. 18, Taf. III abgebildet. Wenn
eine Spore fortgeschleudert wird, so wird der Tropfen mitgenommen.
Weitere Bemerkungen und Abbildungen über die Tropfenausschei-
dung bei der Sporenabstoßung der Hvmenomyceten im allgemeinen
bleibt einer Veröffentlichung an anderer Stelle vorbehalten.
c) Die Zone der sporenfreien Oberfläche. Hier kann man
beobachten, daß keine Sporen mehr vorhanden sind. Die Zone ist
ungefähr 0,08 mm breit. Die langen und die kurzen Basidien und
die Paraphysen kann man leicht voneinander unterscheiden. Keines
der Elemente ist kollabiert. Die Sterigmata haben noch ihre ur-
sprüngliche Form bewahrt. Rechts von der Zone in Fig. 17, Taf. IH
sieht man eine Basidie, die zu kleine Sporen trägt und diese daher
nicht abgestoßen hat. Diese 4 Sporen würden nach dem Abfall
zu den vergeudeten Sporen an der Lamellenkaute hinzukommen.
d) Die Zone der Selbstverdauung. Auf dieser schmalen Zone,
die ca. 0,05 mm breit ist, kann mau die Zei-störung der Zelle be-
obachten. Die Wände verlieren allmählich ihre scharfen Konturen,
sie werden körnig und verschwinden als bestimmte Strukturen.
Die am besten standhaltenden Teile des Hymeniums sind die
äußersten Teile der Basidien, besonders der langen Basidien; aber
schließlich verschwinden sie ebenfalls.
e) Die Zone der Selbstverdauungsprodukte. Diese Zone, die
sich an der Lamellenkante befindet, wechselt etwas in ihrer Breite.
In dem auf Fig. 17 u. 18, Taf. III dargestellten Fall ist sie ca.
0,06 mm breit. Oben geht sie in die Zone der Selbstverdauung
über. Längs ihrer oberen Kante enthält sie die körnigen Über-
reste der Basidien, aber weiter unten verschwinden alle Spuren
bestimmter Elemente. Längs ihrer unteren Kante befindet sich
gewöhnlich eine ansehnliche Zahl von Sporen, die das Unglück
hatten, nicht auf normale Weise abgestoßen zu werden. Wir können
sie vergeudete Sporen nennen. Sie sind nicht fähig aus dem flüs-
sigen Streifen zu entkommen, der sie umschließt, und fallen zu
316 A. H. Eeginald Buller,
Boden, wenn der Friichtkörper im ganzen kollabiert. Die Zone
der Selbstverdauungsprodukte dehnt sich allmählich immer weiter
nach oben ans. Sie folgt der Sporenabstoßungszone in einer Ent-
fernung von ca. \'2 mm. Die Flüssigkeit, aus der sie hauptsächlich
besteht, verschwindet zum größten Teil zweifellos durch Verdunstung.
Es ist ebenso möglich und in der Tat wahrscheinlich, daß ein Teil
durch Kapillarattraktion längs der subhymenialen Schicht aufgesogen
wird. Jedenfalls sammelt sie sich nicht so an, daß sie den Fall
der ins Freie abgestoßenen Sporen hemmt. Die vergeudeten Sporen
bilden möglicherweise nur 5"/o der Gesamtzahl, es sind immer
relativ wenig im Vergleich mit denen, die frei in die Luft ge-
schleudert werden.
Die Zone der Selbstverdauungsprodukte hüllt, sobald sie kon-
tinuierlich fortschreitet, langsam alle Sporen ein, die aus irgend
einem Grunde nicht von ihren Sterigmaten abgestoßen wurden,
als sie sich in der Zone der Sporenbefreiung befanden. Das Ein-
schließen zweier Sporen ist in Fig. 17, Taf. III bei m und n gezeigt.
Wenn ein Fruchtkörper seine Sporen in eine sehr feuchte
Atmosphäre abstößt, sammeln sich am Rand des Hutes, wo die
Abstoßung der Sporen aufhört, Tropfen einer dunklen tintenähn-
lichen Flüssigkeit, die Selbstverdauungsprodukte, an (Fig. 7, Taf. II).
Diese Tropfen, welche in Intervallen vom Hutrand herabtropfen,
enthalten relativ wenig Sporen an ihrem untersten Ende. Die
schwarze Farbe kommt nicht von den Sporen, sondern von einem
braunen Farbstoff, der in den Tropfen gelöst ist. Durch eine Reihe
eigens zu diesem Zweck angestellter Versuche fand ich, daß das
Schwarzwerden der Flüssigkeit von der Gegenwart einer Oxydase
herrührt, die wie eine Laccase oder Tyrosinase wirkt.
Es ist nun genug gesagt worden, um zu zeigen, wie be-
wundernswert die Fruchtkörper von Coprinus sterquilinus ein-
gerichtet sind zum Zweck der Bildung und Befreiung der Sporen.
Es ist augenscheinlich, daß die Anpassung der Struktur an die
Funktion zusammen mit der Reproduktion genau so vollkommen
ist bei Coprinus wie bei den Phanerogamen.
III. Untersuchungen über den Bau der Fruchtkörper bei
Agaricineen.
Bei den Agaricineen finden wir zwei Typen von Fruchtkörpern,
welche sich in bezug auf die Einrichtungen für die Bildung und
Die P^rzeugung und Befreiung der Sporen bei Coprinus sterquilinus.
317
das Abwerfen von Sporen unterscheiden: der Psa^^io^a- Typus,
welcher alle Arten von PsaUiota, Stropharia, Panaeolus, PhoUota
und wahrscheinlich die meisten Agaricineen einschließt, und der
Coprinus-Typus, welcher ungefähr 200 Arten von Coprinus umfaßt.
Bei dem Psalliota-Typus ist das Hymenium während der Ab-
stoßung der Sporen so gerichtet, daß jeder seiner Teile mehr oder
weniger nach unten schaut (vgl. B und C in Textfig. 1). Diese
Orientierung des Hymeniums wird durch die Kombination zweier
Dinge bewirkt : 1 . Die
Lamellen sind im Quer-
schnittkeilförmig, 2. die
Lamellen sind positiv
geotropisch. Mit der
Tatsache, daß jeder
Teil des Hymeniums
während der Abstoßung
der Sporen nach unten
schaut, verknüpft sich
die andere Tatsache,
daß jeder kleinste Teil
der Oberfläche der La-
mellen (jedes Quadrat-
millimeter) Sporen her-
vorbringt und sie ab-
stößt während der gan-
zen Trennungspeiiode.
Sobald das Hymenium in
der für die Abstoßungs-
periode charakteristi-
schen Art orientiert
worden ist, beginnt das
Abwerfen der Sporen. Der Fruchtkörper ist so organisiert, daß er
als Ganzes bestehen bleibt, bis alle Sporen abgestoßen worden
sind. Damit eine gegebene kleine Fläche des Hymeniums eine
sehr große Menge Sporen hervorbringen und sie sicher abwerfen
kann, treten die Basidien hervor und bringen ihre Sporen in
Serien von aufeinander folgenden Generationen zur Reife. Der
Fruchtkörper bleibt erhalten, bis alle Basidien ihre Funktion
der Erzeugung und Abstoßung ihrer Sporen vollständig erfüllt
haben.
Fiff. 1.
O mm.. 1 mwu Zv
Querschnitt durch eine Lamelle.
A ^ Coprinus atrametUariuK ; B = Collyhia platyphylla ; C ^
PsaUiota eampestris. Die Pfeile in B und C zeigen die Wurf-
bahnen einiger Sporen, welche vom Hymenium in nihige Luft
geschleudert werden.
313 A. H. Reginald Buller,
Bei dem Coprinus -T\])us der Fruchtkörper muß man haupt-
sächlich berücksichtigen, daß während der Abstoßung der Sporen
das Hymenium nicht so orientiert ist, daß jeder Teil nach unten
gerichtet ist. Das hat einen doppelten Grund: 1. die Lamellen
sind im Querschnitt nicht keilförmig, 2. sie sind nicht positiv
geotropisch. Bei Coprinus sterquilinus und C. comatus sind die
Lamellen, abgesehen von ihrem verdickten Band, fast parallelseitig,
während sie bei vielen anderen Spezies von Coprinus, z. B. bei
C. atravfientarius ganz parallelseitig sind {A in Textfig. 1, S. 318).
Der Bequemlichkeit halber bezeichnen wir von nun an die Lamellen
des Coprinus-Ty^MS, als parallelseitige und diejenigen des Psalliota-
Typus als keilförmige.
Da die Lamellen von Coprinus parallelseitig und nicht geo-
tropisch sind, können nicht alle Teile des Hymeniums nach unten
schauen. Im günstigsten Falle können bei einer einzelnen Lamelle
beide Seiten in vertikaler Ebene liegen, was aber selten vorkommt.
Gewöhnlich ist die eine Seite der Lamelle ein wenig nach oben,
die andere etwas nach unten gerichtet. Infolgedessen würde es
für jede kleine Fläche des Hymeniums (jedes Quadratmillimeter)
an der oberen Seite jeder Lamelle unmöglich sein, zu derselben
Zeit Sporen erfolgTeich während der Abstoßungsperiode abzuwerfen.
Sporen, welche von den Basidieu abgestoßen werden, würden wieder
auf das Hymenium fallen. Daher ist die Art der Sporentrennung,
welche wir bei dem Psalliota-'V\^\\9, gefunden haben, für die Frucht-
körper vom Coprinus-l^y\)Vi^ ungeeignet.
Das erfolgreiche Freiwerden der Sporen bei den nicht geo-
tropischen, parallelsei tigen Lamellen des Coprinus-Ty^u^ wird durch
folgende Einrichtung erreicht: 1. die Sporen reifen in einer Zone,
die auf jeder Lamelle von unten nach oben fortschreitet, 2. die
Sporen werden auch in der Beihenfolge von unten nach oben frei,
3. die sporenfreieu Teile der Lamellen werden, sobald sie in Er-
scheinung getreten sind, durch Selbstverdauung zerstört. Infolge
dieser Selbstverdauung der sporenfreien Teile von unten nach oben
ist die Zone der Abstoßung immer nahe und parallel der Lamellen-
kante gelegen, und die Sporen, welche von der oberen Seite der
Lamelle losgelöst werden, können vom Fruchtkörper frei abfallen.
Dies wird für Coprinus atramentarius in der beigefügten Textfig. 2
dargestellt.
Hier steht die Lamelle um einen Winkel von 20° geneigt, und
nun können alle Sporen unter dem Fruchtkörper in die Luft fallen
Die Erzeugung- und Befreiung der Sporen bei Coprinus sterquilinus.
319
uucl vom Wind fortg:etrageii werden. Drei Stadien der Sporen-
abstoßiing A, B und C sind abgebildet; aber in jedem ist die Ab-
stoßungszone gerade oberhalb der Lamellenkante. Es ist klar, daß
die Selbstverdauung ein notwendiger Faktor für das erfolgreiche
Arbeiten des Fruchtkörpers vom Coprmw^- Typus ist; sie dient
dazu, die sporenfreien Teile der Lamellen zu entfernen, die nicht
nur nutzlos für den Fruchtkörper sind, sondern ein mechanisches
Hindernis für das Abfallen
der zurückbleibenden Sporen
sein würden, besonders für
diejenigen, die von den ol)e-
ren Seiten der Lamellen ab-
gestoßen werden.
Mit diesen hauptsäch-
lichen Einrichtungen bei dem
Fruchtkörper des Coprinus-
Typus sind noch andere ver-
bunden, die feiner und weni-
ger auffallend sind. Wir
haben gesehen, daß die Spo-
ren bei jeder Lamelle in der
Reihenfolge von unten nach
oben abgestoßen werden.
Die Zone der Abstoßung ist
schmal (ungefähr ] mm). Nun
bildet diese Zone, wenn man
sie in einem gegebenen Mo-
ment an der Lamelle be-
trachtet, ein enges Band
von bestimmtem Flächen-
raum. Die Sporen auf dieser
Fläche werden alle im Laufe
von wenigen Minuten abge-
stoßen. Daraus folgt, daß bei den zunächstliegenden Basidien die
Sporen annähernd zur gleichen Zeit reif und bereit zur Abtren-
nung sein müssen. Büerin liegt ein deutlicher Unterschied zwischen
dem Coprinus- und Psalliota-Tyinis. Bei dem ersteren müssen alle
Basidien auf einem schmalen Streifen des Hymeniums (0,1 qmm)
annähernd zur gleichen Zeit ihre Sporen ausgebildet und zur Ab-
stoßung bereit haben, während das beim letzteren nicht so not-
Fig. 2. Coprinus atramentarius.
Zwei Lamellen in einem Winkel von 20", Sporen ab-
stoßend. Die Wurfbahnen der Sporen, die die Zone
der Sporenabtrennung bei ruhiger Luft verlassen, wer-
den durch die Pfeile angezeigt. Infolge der Selbstver-
dauung ist die Zone der Sporenabtrennung immer ge-
rade über der freien Lamellenkante.
320 ^- H. Keginald Buller,
wendig ist. Bei dem Psalliota-Ty Tßiis kommt es häufig' vor, daß
der Zeitraum zwischen dem Reifwerden und der Abtrennung der
Sporen auf den angrenzenden Basidien nicht einige Minuten, son-
dern bis zu mehreren Tagen betragen kann.
Mit der Tatsache, daß auf jedem schmalen Streifen des Hy-
meniums von Coprinus alle Sporen fast zur gleichen Zeit zur Ab-
stoßung bereit sein müssen, verbindet sich eine besondere Ein-
richtung der Bestandteile des Hymeniums. Damit nebeneinander
liegende Basidien zur selben Zeit fertige Sporen tragen können,
ohne daß diese sich verdrängen, sind große Paraphysen nötig, um
den nötigen Raum zu schaffen (spacial ageuts). Durch ihre Gegen-
wart halten sie benachbarte Basidien in möglichst angemessenen
Entfernungen auseinander.
Da alle Sporen, welche auf irgend einer kleinen Fläche des
Hymeniums abgestoßen werden, nabezu im selben Augenblick reif
sein sollen, muß die Gesamtzahl der Basidien auf solch einer Fläche
notwendigerweise sehr reduziert sein im Vergleich mit der Zahl
der Basidien auf einer ähnlichen Lamellenfläche eines Frucht-
körpers, der nach dem PsaUiot a-Tyims gebaut ist. Diese Reduktion
wird indessen infolge des Dimorphismus der Basidien vermindert.
Der Dimorphismus erlaubt ein engeres Zusammenstehen der Ba-
sidien auf dem Hymenium, als es auf andere Weise möglich wäre.
Auf diese Weise ist der Raum des Hymeniums für die Sporen-
bildung gut ausgenutzt. Damit alle Sporen auf der Abstoßungs-
zone sicher von dem Hymenium abfallen können, werden die Sporen
der langen Basidien einige Minuten früher abgestoßen als die der
kürzeren, von denen sie umgeben sind.
Aus diesen Untersuchungen können wir schheßen, daß die
große Menge der Paraphysen und der Dimorphismus der Basidien
besondere Anpassuagsformen sind, die eine zweckentsprechende
und zuverlässige Sporenbildung auf denjenigen Lamellen sichern,
welche ihre Sporen in der Abstoßungszone von unten nach oben
abwerfen; weiter stellt die Einrichtung, daß die langen Basidien
ihre Sporen früher abwerfen als die kurzen Basidien, eine andere
Anpassung dar, welche den Sporen, die von dichtbesetzten dimorphen
Basidien erzeugt werden, die Möglichkeit gibt, sicher von den
Lamellen abzufallen.
Wir haben bis jetzt gesehen, daß die Anordnung, die Struktur
und die Art der Funktion der Elemente des Hymeniums das Ziel
haben, eine ökonomische und erfolgreiche Bildung und Abstoßung
Die Erzeugung und Befreiung der Sporen bei Coprinus sterquüinus. 321
der Sporen von parallelseitigen und nicht geotropischen Lamellen
zu sichern. Wir müssen nun die Frage stellen : Ist es von irgend
einem Vorteil, daß die Lamellen parallelseitig und nicht keilförmig
im Querschnitt sind?
Bei dem Fruchtkörper des PsalUota-Typus sind die Lamellen
keilförmig im Querschnitt. Daher sind sie am oberen Teil dicker
als an ihrer freien Kante. Je höher solch eine Lamelle ist, um
so größer muß ilire durchschnittliche Dicke sein. Da hei dem
Coprinus-Typüs die Lamellen parallelseitig sind, besteht hier keine
proportionale Beziehung zwischen der Höhe und der Dicke der
Lamellen. Daraus folgt, daß, wenn wir zwei Fruchtkörper, einen
vom Coprinus -Typns, den anderen vom PsalUota-Ty-pyis mit La-
mellen von gleicher Oberfläche nehmen, die Menge der Lamellen-
substanz bei dem erstereu geringer sein wird als bei dem letzteren.
Gleich große Lamellen von Coprinus atramentarius und von
Collißia platyphylla wurden verglichen (Textfig. 1 A und B). Es
ergab sich, daß das Volumen von Collyhia 7 mal größer war als
das von Coprinus. Bei einer Höhe von 7 mm (Textfig. 1, C) hatten
die Lamellen von Psalliota eampestris ein 3 — 4 fach größeres Vo-
lumen als diejenigen von Coprinus atramentarius. Da nun das
Hymenium die Oberfläche der Lamellen überzieht, folgt, daß bei
der gleichen Menge Lamellensubstanz die Fläche des Hymeniums
bei C. atramentarius ungefähr 7 mal größer ist als bei Collyhia
platyphylla und 3 — 4 mal größer als bei Psalliota eampestris. So
kommen wir zu dem Schluß, daß die Parallelität der Lamellenseiten
eine größere Oberfläche des Hymeniums pro Volumeneinheit der
Lamelle herbeiführt als die Keilform. Bei dem Co^rmi<5- Typus
wird die Lamellensubstanz also auf ein Minimum reduziert.
Wenn man den Coprinus- und Psalliota-^y^Vi^ nach der rela-
tiven Größe der Oberfläche des Hymeniums, welche sie bei gleicher
Lamelleusubstanz hervorbringen, beurteilen will, so muß man zu-
geben, daß der erste Typus dem letzteren überlegen ist. Aber es
sind noch andere Dinge zu beachten. Die Parallelität der La-
mellenseiten, welche eine besondere Art der Sporenbefreiung er-
fordert, schließt zugleich eine Verminderung der Basidienzahl ein,
welche auf der Flächeneinheit des Hymeniums hervorgebracht
werden kann. Es wurde ein Vergleich der Sporenmengen von
Stropharia seniiglohata und von Coprinus comatus, Spezies mit
Sporen von annähernd gleichem Durchmesser, angestellt, indem
wir von beiden gleich große Hymeniumflächen nahmen und die
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI. 21
322 ^- H. Reginald Buller,
Gesamtzahl der Basidien auf ihnen feststellten. Die erhaltenen
Zahlen wurden mit 4 multipliziert. Die Rechnung zeigte, daß
Stropharia, welche den Psalliota -TyT^us repräsentiert, dreimal so
viel Sporen erzeugt wie Coprinus. So sehen wir, daß, obgleich
die Parallelität der Lamellenseiten eine Vergrößerung der Hy-
meniumoberfläche bei Volumeneinheit erlaubt, sie zu gleicher Zeit
eine ganz beträchtliche Reduktion der Sporenzahl mit sich bringt,
welche auf der Flächeneinheit des Hymeniums erzeugt werden
kann. Es ist daher unzweifelhaft, daß die parallele Anordnung
sowohl Vorteile wie Nachteile bietet im Vergleich mit der keil-
förmigen.
Vergleicht man Fruchtkörper des Fsalliota-Ty^us mit gleich
großen vom Coprm wsf-Typus, so bemerkt man außer den schon er-
wähnten Verschiedenheiten noch einen auffallenden Unterschied in
bezug auf den Pilzhut. Vergleichen wir den Längsschnitt der
Fruchtkörper von Coprinus comatits und Psalliota campest ris, so
können wir sofort sehen, daß die fleischige Masse des Hutes beim
ersteren viel geringer ist als beim letzteren (A. H. R. Buller,
Researches on Fungi, loc. cit. Plate I Fig. s 1 and 2). Bei Co-
prinus comatus können die Lamellen infolge der besonderen Art
der Sporenabstoßung ihre Sporen fallen lassen, wenn sie noch fast
senkrecht stehen. Nur dadurch, daß die Lamellen kürzer und kürzer
werden infolge ihrer Reduktion durch Selbstverdauung und daher
immer leichter, werden sie allmählich nach oben gedreht, so daß
ihre Überreste zusammen mit dem Hauptteil des fleischigen Pilzhutes
eine Art von Schirm bilden. Wäre für irgend einen Teil des Hyme-
niums jeder Lamelle eine solche Lage notwendig, daß er seine Sporen
zu gleicher Zeit wie jeder andere Teil fallen lassen könnte, so
müßte die fleischige Masse des Hutes unbedingt sehr groß sein.
Die sehr langen Lamellen müßten mehr oder weniger horizontal
ausgestreckt sein me bei Agaricus campestris. Bei diesem spannt
sich der Hut vor der Abtrennung der Sporen so aus, daß die
Längsachsen der Lamellen tatsächlich horizontal stehen. In dieser
Stellung bleiben sie während der ganzen Abtrennungsperiode, die
mehrere Tage dauert. Die Streckung der Längsachsen der La-
mellen in horizontaler und die feste Lage ihrer Ebenen in verti-
kaler Richtung erfordert eine große Masse des Pilzhutes. Ver-
gleichen wir daher den ganzen Hut eines großen Exemplars von
Coprinus eomatus mit demjenigen eines großen Exemplars von
Psalliota campestris, so müssen wir sagen, daß bei dem ersteren
Die Erzeugung und Befreiung der Sporen bei Coprinus sterquilinus. 323
die Hymeniumfläche bei gleichem Volumen des Hutes (Fleisch und
Lamellen eingeschlossen) sehr viel größer ist als bei dem letzteren.
Es steht fest, daß die Zahl der Sporen, welche auf der Flächen-
einheit des Hymeniums erzeugt werden kann, bei dem Coprinus-
T3^us — die Gleichheit der übrigen Elemente vorausgesetzt —
um ^/s reduziert ist. Trotz dieser Betrachtung ist es wahrschein-
lich, daß, wenn man zwei Pilzhüte, einen von Coprinus comatus,
den andern von einer Spezies des Psalliota-Tyi^ns, die beide gleich
große Sporen und gleiches Gewicht haben, beim Beginn der Sporen-
abstoßung betrachten würde, der erstere eine sehr viel größere
Menge Sporen hervorbringen würde als der letztere. Coprinus
comaius ist eine der häufigsten Arten der Hymenomyceten. Das
Vorwiegen und die große Zahl, in welcher Coprinus comatiis oft
vorkommt, sind ein Beweis für seinen Erfolg im Kampfe ums
Dasein. Zweifellos ist dieser Erfolg einer Anzahl von Faktoren
zuzuschreiben, wie der Übermacht des Myceliuins über Konkurrenten
usw. Aber auf jeden Fall scheint er Zeugnis abzulegen für die
große Leistungsfähigkeit der Fruchtkörper in bezug auf Bildung
und Befreiung der Sporen.
Der Bau der Fruchtkörper des Coprinus- wie des Psalliota-
Typus ist bei beiden in hohem Grade wirksam. Ich möchte daher
nicht den einen höher als den andern stellen. Wir werden in-
dessen mit Recht den Co/j?7n«5- Typus für den spezialisierteren
betrachten, denn wir haben eine Menge Anhaltspunkte, daß er im
Laufe der Entwicklung aus dem P^a^/eoifa- Typus entstanden ist.
Vielleicht können wir auch beide Typen als nahezu gleich glück-
liche Variationen desselben Themas betrachten. Die ^'atur hat
gewissermaßen zwei Wege für dieselbe Aufgabe gefunden: nämlich
für die Bildung und Befreiung der Sporen bei den Fruchtkörpern
der Agaricineen. Die Tatsache, daß unter gewissen Bedingungen
beide Arten der Fruchtkörper gleich erfolgreich sind, wird da-
durch bestätigt, daß Fruchtkörper des Coprinus- wie des Psalliota-
Typus oft nebeneinander vorkommen. Es ist nicht wahrscheinlich,
daß Spezies vom Co^nnws- Typus jemals zu einem vollständigen
Verschwinden der Spezies vom Psa7^iofa-T}q)us führen werden und
umgekehrt. Es scheint eher wahrscheinlich, daß beide Typen fort-
fahren werden, nebeneinander zu existieren, wie wir es beobachten
bei Bäumen mit verschiedener Anordnung der Blätter, oder bei
Kräutern mit verschiedenen Einrichtungen, um Nährstoffe für den
Winter aufzuspeichern, mit verschiedenen Arten der Bestäubung
21*
324 ^- H. Reginald Buller,
ihrer Blüten und mit verschiedenen Mitteln ihre Samen in der
Natur zu zerstreuen.
IV. Zusammenfassung der Hauptresultate.
Coprinus sterquilinus besitzt Fruchtkörper, welche in ihren
Einrichtungen für Bildung und Befreiung der Sporen denjenigen
von Coprinus comatus gleich sind. Beide Spezies haben keine
Zystiden an den Seiten der Lamellen, wohl aber verdickte Stellen
an den Lamellenrändern. Diese Verdickungen leisten einen wich-
tigen Dienst, indem sie gegenüberliegende Hymeniumflächen auf
benachbarten Lamellen während der Entwicklung der Sporen aus-
einander halten.
Die Basidien der meisten Coprinus -kvi&ü. sind dimorph. Sie
bestehen aus zwei verschiedenen Sorten, aus langen und kurzen
Basidien. Der Dimorphismus erlaubt eine Anhäufung der Basidien
und ermöglicht eine zweckentsprechende Sporenbildung. Die langen
Basidien lassen in der Zone der Abstoßung ihre Sporen früher
fallen als die kurzen.
Große sterile Paraphysen sind wesentliche Bestandteile des
Hymeniums der Co/??-mMs- Arten. Sie dienen dazu, aneinander
grenzende Basidien zu trennen und ermöglichen dadurch diesen,
ihre Sporen ohne gegenseitige Störung zu entwickeln.
Einige Sekunden bevor eine Spore von dem Basidium der
H3anenomyceten — Coprinus eingeschlossen — abfällt, wird ein
kleiner Tropfen, dessen Durchmesser gewöhnlich halb so groß ist
wie der der Sporen, am Nabel der Spore und dem Anheftungspunkt
an das Sterigma ausgeschieden. Der Tropfen wird mit der Spore
fortgetragen. Eine gleiche Ausscheidung findet nach Dietel auch
bei den Uredineen vor der Abstoßung der Sporen statt. Ich habe
diese Ausscheidung bei Puccinia graminis beobachtet. Die Art
der Sporenbefreiung scheint demnach bei den Hymenomyceten und
Uredineen die gleiche zu sein.
Bei dem FsaUiota-Typns sind die Lamellen des Fruchtkörpers
keilförmig im Querschnitt und positiv geotropisch. Daher schaut
das Hymenium auf beiden Seiten jeder normal gerichteten Lamelle
mehr oder weniger nach unten. Mit dieser Orientierung des Hy-
meniums ist die Tatsache verbunden, daß jeder schmale Streifen
des Hymeniums (jedes Quadratmillimeter) auf jeder Lamelle gleich-
zeitig die Sporen während der ganzen Abstoßungsperiode erzeugt
und abgibt. Auf jeder kleinen Fläche des Hymeniums kommen
Die Erzeugung und Befreiung der Sporen bei Coprinus sterquilinus. 325
die Basidien zur Reife und stoßen ihi^e Sporen nacheinander ab,
so daß die Bildung; und Befreiung der Sporen häufig- mehrere Tage
lang fortdauert.
Bei dem Fruchtkörper vom Coprinus -Ty^iis ist die Substanz,
bestehend aus Stiel, Pilzhut und Lamellen, auf ein Minimum re-
duziert. Die Reduktion der Lamellensubstanz ist auf die Paralle-
lität der Lamellenseiten zurückzuführen. Die Lamellen sind nicht
geotropisch. In der Natur schaut die eine Seite der Lamellen etwas
nach oben, die andere ein wenig nach unten. Eine erfolgreiche
Abstoßung der Sporen von den nicht geotropischen parallelseitigen
Lamellen von Coprinus wird durch folgende Einrichtungen erreicht:
1. Die Sporen reifen und fallen ab in der Reihenfolge von unten
nach oben. 2. Die sporenfreien Teile werden nacheinander von
unten nach oben durch die Selbstverdauung zerstört. Infolge
dieser Zerstörung ist die Zone der Sporenabstoßung auf jeder La-
melle ein Bruchteil eines Millimeters der freien Lamellenhaut. Die
Sporen werden mehr oder weniger geradeaus von ihren Sterigmaten
in den Raum zwischen den Lamellen bis zu einer Entfernung von
ca. 0,1 — 0,2 mm geschleudert, bevor sie anfangen, senkrecht zu
fallen. Daher haben die Sporen an der oberen Seite der Lamelle,
welche schief geneigt ist, wie an der unteren Seite keine Schwierig-
keit, unter dem Pilzhut in die Luft zu gelangen, von wo sie dann
durch den Wind fortgetragen werden.
The University of Manitoba, Winnipeg.
Figuren -Erklärung.
Tafel II. Coprinus sterquilinus.
Fig. 1. Junger Fruchtkörper auf Pferdedung sich entwickelnd. Die Sporen-
bildung hat noch nicht begonnen. Myceliumstränge sind auf der Oberfläche des Sub-
strats zu sehen. Nat. Gr.
Fig. 2. Ein älterer Fruchtkörper auf einem Pferdeapfel. Der Stiel beginnt ge-
rade sich zu strecken. Der Annulus bleibt an der geschwollenen Basis nach Art einer
Volva zurück. Der ganze Fruchtkörper ist schneeweiß. Sporen sind auf den Lamellen
entstanden, sie sind aber noch ungefärbt. Flockige Lagen und weiße Myceliumstränge
sieht man auf der Oberfläche des Substrats. Nat. Gr.
Fig. 3. Ein Fruchtkörper, dessen Stiel schon die volle Größe erreicht hat. In
diesem Falle hat sich ein Ring und keine Volva gebildet. Der Pilzhut und der obere
Teil des Stieles sind im Längsschnitt abgebildet. Infolge des Eeifwerdens der Sporen
werden die Lamellen von unten nach oben schwarz. Nat. Gr.
326 ^-^^ Keginald Buller,
Fig. 4. Längsschnitt durcli einen älteren Pilzhut. Da die Sporen alle reif, sind
die Lamellen ganz schwarz. Die Abstoßung der Sporen beginnt gerade. Nat. Gr.
Fig. 5. Längsschnitt durcli einen Pilzhut, ungefähr 1V2 Stunde nach der Ab-
stoßung der Sporen. Sporen sind abgefallen, und die Selbstverdauung beginnt längs der
Lamelleiikante bei a. Die punktierten Linien zeigen den Umriß und die Ausdehnung
der Lamellen in dem Moment, als die Selbstverdauung begann, s, die untere Kante
der Lamelle, wo die Abstoßung und die Selbstverdauung zuerst anfing. Ungefähr ein
Yg jeder Lamelle ist bis jetzt zerstört. Nat. Gr.
Fig. 6. Längsschnitt durch einen noch älteren Fruchtkörper ungefähr 3^2 Stunden
nach Beginn der Sporenabstoßung. Der Hut ist jetzt helmförmig infolge der Ausdeh-
nung. Die Lamellen sind durch die Selbstverdauung bis auf die Hälfte der ursprüng-
lichen Größe reduziert. Die Sporen sind nach Art eines Diagramms gezeichnet, wie sie
von den unteren Seiten der Lamellen abfallen und durch einen seitlichen Luftzug fort-
getragen werden. Die Linie ap zeigt die Richtung, in welcher der Schnitt, dargestellt
in Fig. 15, herausgenommen wurde. Nat. Gr.
Fig. 7. Längsschnitt durch einen noch älteren Fruchtkörpor ungefähr 5 Stunden
nach Beginn der Sporenabstoßung. Der Hut ist an der oberen Spitze fast flach ge-
worden. Die Lamellen sind auf Y^ ihrer ursprünglichen Größe reduziert durch Selbst-
verdauung. Die erschöpften Teile der Lamellen sind nach oben gebogen. An der
rechten Lamelle sieht man einen braunen Tropfen, welcher bei der Selbstverdauung
entstanden ist. Die Spon-n sind nach Art eines Diagramms gezeichnet, wie sie von den
unteren Kanten der Lamelle abfallen. Nat. Gr.
Fig. 8. Längsschnitt durcli einen Hut im letzten Stadium der Entwicklung, un-
gefähr 7^8 Stunden nach Beginn der Sporenabstoßung und ungefähr 8 Stunden nach dem
Stadium in Fig. 4. Die Lamellen sind durch die Selbstverdauung fast ganz verschwun-
den. Das Abwerfen der Sporen hört auf. Die erschöpften Teile der Lamelle sind nach
oben gedreht. Die wenigen Sporen, die noch abfallen, sind nach Art eines Diagramms
gezeichnet. Nat. Gr.
Fig. 9. Teil eines Querschnittes durch einen Hut in einem etwas früheren
Stadium als in Fig. 2, den hohlen Stiel und sieben Lamellen zeigend. Zwischen jedem
Paar aneinanderliegender Lamellen befindet sich ein freier Raum. .Jede Lamelle hat
eine verdickte Kante nahe am Stiel. ^"/^ vergr.
Fig. 10. Eine der Lamellen von Fig. 9, welche die Verdickung infolge der An-
schwellung der Laraellenkante zeigt, ^''/j vergr.
Fig. 11. Teile von drei Lamellen im Querschnitt wie in Fig. 9, ausführlicher die
Struktur der verdickten Lamellenkanten zeigend, die verhindern sollen, daß sich die
gegenüberliegenden Hymeniumflächen aneinander reiben. Die dimorphen Basidien ragen
in den freien Raum zwischen den Lamellen. Jedes Basidium ist nach Art eines Dia-
gramms dargestellt mit nur zwei anstatt vier Sporen. Zystiden fehlen. Die äußeren
Zellen der verdickten Lamellenkante sind groß und steril. ®*/i vergr.
Fig. 12. Eine Camera lucida Zeichnung einiger Sporen in Oberflächenansicht
des Hymeniums. Die Sporen der langen Basidien sind dunkel, die der kurzen hell.
Die Sporen der langen Basidien stehen teilweise senkrecht über den Sporen der kurzen
Basidien. **''/j vergr.
Fig. 13. Camera lucida Zeichnung der Basidien und Paraphysen auf einem
kleinen Teil des Hymeniums in Oberflächenansicht. Die Sporen wurden vor dem Zeichnen
durch Waschen entfernt. Die langen Basidien sind dunkel, die kurzen hell. Die Basi-
dien sind durch sterile Paraphysen getrennt. **''/i vergr.
Die Erzeugung und Befreiung der Sporen bei Coprinus .iterquilinus. 327
Fig. 14. Ein kleiner Teil des Hymeniums aus Fig. 18&, Taf. III genommen, um
die Wurfbahn der Sporen zu zeigen. Das lange Basidium d hat alle Sporen abgestoßen.
Das lange Basidium l ist im Begrifif, seine letzte Spore abzugeben. Ein Tropfen Flüssig-
keit wird an der Spitze des Sterigma ausgeschieden. Die Wurfbahn, welche die Sporen
bei ruhiger Luft hätten, wenn sie senkrecht vom Hymenium abgestoßen würden, ist
durch die Linie mit Pfeil angegeben. Die maximale horizontale Weite des Wurfes be-
trägt ungefähr 0,2 mm. Die besondere Form der Wurfbahn, welche der Verf. eine
Sporabola genannt hat, ist begründet durch sorgfältige Messungen und Berechnungen, die
er in seinen „Researches on Fungi" dargelegt hat. Es ist auch die Wurflinie des
kurzen Basidiums o gezeichnet. Zwischen den Basidien befinden sich die Paraphysen p. p.
**Vi vergr.
Fig. 15. Längsschnitt durch drei Lamellen eines ausgespannten Hutes, welcher
Sporen abstößt. Der Schnitt ist ausgeführt in der Richtung, welche durch die Linie op
in Fig. 6 angedeutet ist. Die Lamellen sind in bestimmtem Abstand von oben nach
unten durch ihre Medianebene gespalten. Die Wurfbahn einiger Sporen, welche in der
Abtrennungszone abgestoßen werden, sind durch Pfeile angedeutet. **/i vergr.
Fig. 16. Ein Teil einer Lamelle von Fig. 15 Toder Fig. 6 in der Gegend um die
Linie a p) in Oberflächenansicht. Die Sporen werden von der Trennungszone gerade
oberhalb der Lamellenkante abgestoßen. An dem äußersten Teil der Lamellenkante
deutet eine schwarze Linie die vergeudeten Sporen an (Fig. 17, Zone e, Tafel III). Die
helle Zone darüber umschließt die sporenfreie Zone und die Zone der Selbstverdauung.
Die Basen der Pfeile zeigen die Lage der Abstoßungszone, die Pfeile selbst die Rich-
tung, in welcher die Sporen bei ruhiger Luft fallen. Oberhalb der Pfeile ist die
Lamelle mit Basidien bedeckt, die ihre Sporen noch nicht abgestoßen haben. ''Y^ vergr.
Tafel III. Coprinus sterquilinus.
Fig. 17. Diese Zeichnung entspricht dem Schnitt in Fig. 18. Sie zeigt das Aus-
sehen eines Teiles der Oberfläche einer Lamelle, einschließlich die Lamellenkante, nach-
dem die Sporenabstoßung und die Selbstverdauung begonnen haben (Fig. 5, Taf. II eine
Flächenansicht irgend eines Stückes oberhalb der Lamellenkante bei a würde dieses
Aussehen von Fig. 17 haben). Man unterscheidet fünf Zonen, parallel zur schrägen
Lamellenkante : 1 . a — a Zone der Basidien mit reifen Sporen. Die Basidien sind
dimorph, lang und kurz. Die Sporen der langen Basidien, welche dunkler schattiert
sind, stehen zum Teil oft über den Sporen der kurzen Basidien. Die Paraphysen sind
immer steril und verhindern ein gegenseitiges Verdrängen benachbarter Lamellen,
2. ftj — b^ und 6, — 5j Zone der Sporenabstoßung, wo die Basidien ihre Sporen in den
Raum zwischen den Lamellen abgeben. Wir unterscheiden zwei Unterzonen, ö^ — b^^ Zone
der Sporenabstoßung für die langen Basidien, b^ — b^ Zone für die kurzen Basidien.
In der Unterzone ft^ — b^ werden die vier Sporen jedes langen Basidiums von ihren
Sterigmata nacheinander abgestoßen, so daß an einigen noch drei, an anderen zwei oder
eine Spore sitzt. Einige Sekunden bevor eine Spore abgestoßen wird, scheidet sich ein
kleiner Tropfen Wasser aus an der Spitze des Sterigma. Dieser Tropfen ist dargestellt,
als springe er unter einigen Sporen z. B. beim Basidium w gegen die Achse des Basi-
diums vor. In der Unterzone fe^ — &j, haben die kurzen Basidien noch keine Sporen
abgestoßen. In der Unterzone der Abstoßung der kurzen Basidien &j — &j tragen die
langen Basidien l keine Sporen mehr. Man kann sie erkennen an der dunkleren Schat-
tierung und an den leeren Sterigmata. Nur die kurzen Basidien s stoßen ihre Sporen
328 ^- H. Eeginald Buller,
ab. Einige von ihnen besitzen noch drei, andere zwei oder eine Spore. Gerade vor
der Abtrennung jeder Spore wird ähnlich wie bei den Basidien der Unterzone b^ — b^
ein Tropfen "Wasser an der Spitze jedes Sterigma ausgeschieden, siehe S. 314 c— c Zone
der Basidien, welche alle Sporen abgestolSen haben. Beide Arten, die langen wie die
kurzen Basidien haben ihre Sporen normal abgestoßen. Ein Basidiuni i hat noch seine
vier Sporen. Die Sporen sind unreif und vereinigen sich eventuell mit den vergeudeten
Sporen an der Lamellenkante, l langes Basidium, s kurzes Basidiuni, pp Paraphysen.
4. d — d Zone der Selbstverdauung. Die Paraphysen und Basidien sind undeutlich ge-
worden. Die Zellwände sind in feine Körnchen zerfallen. Die Sporen m und n sind
nicht mehr zur rechten Zeit abgestoßen worden und werden vergeudet wie die Sporen
an der Lamellenkante, l langes Basidium, s kurzes Basidiuni, pp Paraphysen. 5. e — e
Der flüssige Streifen an der Lamellenkante, der die Produkte der Selbstverdauung und
die Sporen enthält, welche aus irgend einem Grunde nicht in normaler Weise abge-
stoßen wurden. Am oberen Ende dieser Zone sind die zusammengefallenen Basidien
undeutlich durch Reihen kleiner Kömer skizziert. In der Zone weiter unten sind die
Produkte der Selbstverdauung homogener. An der Lamellenkante befindet sich eine
Anzahl nicht abgestoßener oder vergeudeter Sporen. Einige haben ein normales Aus-
sehen, während andere über oder unter normaler Größe, farblos oder unvollständig gefärbt
sind. Sie bilden aber nur einen geringen Prozentsatz der Gesamtzahl der Sporen. Da
die Zone nacli oben fortschreitet, wird sie auch die Sporen m und n einscliließen. Der
Maßstab an der rechten Seite der Figur zeigt die Dimensionen jedes Teiles.
Fig. 18. Diese Zeichnung entspricht der Oberflächenansicht von Fig. 17 und ist
in gleicher Größe hergestellt, was einen genauen Vergleich ennöglicht. Sie zeigt das
Aussehen eines Schnittes durch den unteren Teil einer Lamelle, einschließlich Laniellen-
kante, nachdem die Sporenabstoßung und die Selbstverdauung begonnen haben, hym =
Hymenium, sub = Subhymenium, tr = Trama (Mittelschicht;. Wie in Fig. 17 unter-
scheiden wir fünf Zonen. 1. a Zone der Basidien mit reifen Sporen. Der Dimorphis-
mus der Basidien ist sehr deutlich. An der rechten Seite der Figur wechseln immer
lange Basidien mit kurzen ab. Obgleich eine Spore des langen Basidiums l teilweise
über einer Spore des kurzen Basidiums s steht, ist eine Berührung unmöglich infolge
des weiteren Hervorragens des langen Basidiums. pp = Pharaphysen. 2. b Zone der
Sporenabstoßung, in welcher die Basidien ihre Sporen in den Eaum zwischen den
Lamellen abwerfen. Sie besteht aus zwei Unterzonen: b^ Trennungszone der langen
Basidien, b^ Trennungszone der kurzen Basidien. In der ersten hat das lange Basi-
dium w zwei seiner Sporen schon abgestoßen, während es eben im Begrifl' ist, die
beiden andern abzuwerfen. An der Basis dieser beiden letzten bildet sich ein Wasser-
tropfen, der unterste Tropfen hat tatsächlich seine volle Größe erreicht, auf der gegen-
überliegenden Seite der Figur ist ein langes Basidium im Begrifl", die letzte Spore ab-
zustoßen. Dia Pfeile zeigen die Richtung an, in welcher die Spore geschleudert wird.
Eine vollständige Wurfbahn ist auf Fig. 14 u. 15, Taf. II dargestellt. Die kurzen
Basidien in der Unterzone b^ haben noch keine Sporen abgegeben. In der Unterzone 6j
stoßen nur die kurzen Basidien ihre Sporen ab, die langen haben leere Sterigmata.
Auf der linken Seite der Figur bei r hat das kurze Basidium eine Spore schon abge-
worfen und ist eben dabei, die oberste abzustoßen. An der Basis der Spore wird
gerade ein Wassertropfen ausgeschieden. Auf der gegenüberliegenden Seite der Figur
hat ein. kurzes Basidium zwei seiner Sporen abgestoßen, die beiden andern fallen bald
ab, da der Wassertropfen schon hervorgetreten ist. Die Pfeile zeigen wieder die
Richtung, in der die Sporen geschleudert werden. Die Pfeile zeigen auch die
Die Erzeugung und Befreiung der Sporen bei Cojjrinus sterquilimis . 329
Sporen an, die zunäclist abfallen. Die Sporen des langen Basidiums w auf der linken
Seite werden abgestoßen vor denjenigen des kurzen Basidiums r. Das kurze Basidium v
kann nun seine Sporen ohne Hindernis abstoßen, da die Sporen an benachbarten langen
Basidien verschwunden sind. Die Reihenfolge, in welcher 8 Basidien auf der rechten
Seite der Figur ihre Sporen abstoßen, ist durch die Nummern 1 bis 8 angezeigt, die
den Basidien innerhalb der Klammer gegenüber stehen. 3. c, Zone der Basidien, die
alle Sporen abgestoßen haben. / = langes Basidium, s = kurzes Basidium, p = Para-
physen. Die einzelnen Teile sind noch nicht zusammengefallen. 4. d, Zone der Selbst-
verdauung. Hier sind die Zellen undeutlich und verflüssigt. Die Zellwände werden
körnig und verschwinden. Das vorspringende Ende des langen Basidiums l ist wenig
oder fast gar nicht verändert, während das kurze Basidium s stark zusammengeschrumpft
ist. p = eine verschwindende Paraphyse. 5. e, der flüssige Streifen der Lamellen-
kante, welche die Produkte der Selbstverdauung und diejenigen Sporen enthält, welche
aus irgend einem Grunde nicht normal abgestoßen wurden. An der oberen Seite dieser
Zone sind die Umrisse der verschwindenden Basidien noch undeutlich durch Reihen
kleiner Körner angedeutet. Einige von den vergeudeten Sporen, in der Flüssigkeit fest-
gehalten, sehen normal aus, während andere zu klein, farblos oder nur teilweise gefärbt
sind. Die vergeudeten Sporen bilden nur einen Bruchteil des Ganzen. Der Maßstab an
der rechten Seite der Figur zeigt die Dimension jedes Teiles.
Ein multipler Klinostat.
Von
George Peirce.
Mit 2 Textfiguren.
Iqi Jahre 1907 veröffentlichte Van Harreveld^) eine geschicht-
liche Übersicht über die Entwicklung des Klinostaten. Darin richtete
sich seine Kritik gegen alle Instrumente, die seinen eigenen vor-
ausgingen. Sogar gegen die besten machte er Einwendungen, weil,
wie er sagt, ihre Rotationsrate nicht einheitlich sei. Ob für ein
Instrument, das für verhältnismäßig langsame Umdrehungen be-
stimmt ist, eine absolute oder eine möglichst absolute Rotations-
einheit nötig ist, mag in Frage gezogen werden. Jedenfalls aber
gibt es schwerer wiegende Einwendungen als die von Van Harre-
veld gemachten.
Abgesehen von der fundamentalen Frage, ob eine Pflanze, die
auf einem Klinostaten rotiert, überhaupt in einem genügend normalen
Zustande ist, um uns zu berechtigen, aus ihrem Verhalten Schlüsse
auf die Einflüsse zu ziehen, unter denen sie sich in ihren gewöhn-
lichen, festen Stellungen befindet, sind keine Klinostate, die mir
vor Augen gekommen sind oder von denen ich gehört habe, ein-
wandsfrei, w^eil sie nur die Rotation einer einzigen Pflanze oder
Kultur für jeden Versuch erlauben. Wenn wir den Klinostat über-
haupt haben müssen, so benötigen wir einer ganzen Batterie; denn
sonst ziehen wir aus einem einzigen Experiment einen allgemeinen
Schluß. Die Wiederholung eines Experimentes kann seine Fort-
setzung nur insoweit verbürgen, als es in gewissen, notwendiger-
weise weiten Grenzen kontrolliert werden kann.
Die Alternation zwischen mehreren oder zahlreichen Klinostaten
ist gewöhnlich der Kosten wegen unausführbar. Ist Ungenauig-
1) Van Harreveld, Ph. 1)., Die Unzulänglichkeit der heutisen Klinostaten für
reizphysiologische Untersuchungen. Eecueil des Travaux Bot. Neerlandais: III, 1907.
Ein multipler Klinostat. 33J
keit in eiuem Kliuostat gewiß ein Fehler, so ist es ebenso gewiß,
daß, je billiger ein Klinostat ist, desto unzuverlässiger er ist.
Wenn der Besitz eines Instrumentes von großer Genauigkeit
einem botanischen Institute möglich ist, so kann es gewiß nur
eins oder höchstens zwei solcher besitzen. Hat es mehrere oder
zahlreiche, so müssen die meisten minderwertig sein. Gewöhnlich
ist der Gang keiner zwei Instrumente gleich und das nicht einmal
innerhalb verhältnismäßig weiter Grenzen. Das Resultat ist Un-
genauigkeit, und die daraus entstehenden Fehler mehren sich mit
der Zahl der Instrumente.
Außerdem ist Zuverlässigkeit völlig so wichtig wie Genauigkeit.
Dies gilt besonders von Experimenten, die sich über eine bedeutende
Zeitlänge erstrecken müssen. Das Instrument muß nicht nur gleich-
mäßig, sondern auch ununterbrochen gehen, widrigenfalls der Fehler
um so verhängnisvoller ist, je länger das Experiment gedauert hat.
Im Universitätsjahre 1905 — 06 benützte ich etwa 20 billige
Klinostaten in einer Serie von Experimenten, die durch das Erd-
beben vom 18. April 1906^) unterbrochen wurden.
Im folgenden Jahre begann ich mit der freundlichen Unter-
stützung von Dr. Durand, Professor der Maschinentechnik auf
der hiesigen Universität, Versuche anzustellen mit einem einzigen
Triebwerk, das bestimmt war, eine bedeutende Zahl von Pflanzen
oder Kulturen gleichzeitig in Umdrehung zu setzen. Dieser
Mechanismus ist seitdem nur wenig verändert worden; dagegen
sind wiederholte Veränderungen bezüglich der Mittel der Kraft-
übertragung von dem Uhrwerk auf die Drehscheiben gemacht
worden. Es ist nicht nötig, hier auf diese Veränderungen und
späteren Verbesserungen einzugehen. Der Apparat ist in seiner
gegenwärtigen Form hauptsächlich in Verbindung mit gewissen
damit erzielten Resultaten beschrieben worden^). Dagegen habe
ich eine eingehende Beschreibung des multiplen Klinostaten bis
auf diese Gelegenheit gespart und zwar zu Ehren des Entwerfers
desjenigen Klinostaten, der, wie allgemein anerkannt, die meiste
Befriedigung gewährt, nämlich desjenigen von Pfeffer.
In der Vorbereitung für die Konstruktion eines multiplen Klino-
staten, dessen Betrieb ich so gleichmäßig und so dauernd zuver-
lässig als möglich machen w^ollte, bin ich durch Überlegung von
den Wasser- und Elektrizitätsmotoren abgekommen, weil diese durch
1) Peirce, G. J., Annais of Botany, Bd. 20, 1906.
2) Dudley Memorial Volume, Stanford Universitj Publications, 1913.
332 George Peirce,
Ströme betrieben werden, die nicht gleichmäßig- und vielleicht nicht
einmal konstant sind. Die Natur meiner Versuche verlangte so-
wohl eine konstante als auch eine gleichmäßige Kraft. Springfedern
waren außer Frage, weil es sich um eine Kraft zur Bewegung
von etwa 40 Drehscheiben handelte. Die einzig anzuwendende
Kraft, die zugleich ununterbrochen, unveränderlich und einheitlich
ist, war die Schwerkraft^). Diese konnte mittels Gewichte an
Stahldrahtseilen von der Decke meines Laboratoriums herabhängend
angewendet werden (s. Fig. 1 u. 2).
Ein Ende des Seiles ist an einer Schraube im Querbalken der
Decke befestigt. Das Seil geht dann durch einen Stahlflaschenzug,
der an einen Eisenstab geschmiedet ist, auf dem die Gewichte
aufgereiht sind (s. Fig. 1). Diese Gewichte sind Scheiben aus Guß-
eisen und Blei. Ihr Totalgewicht beträgt etwa 215 kg. Von diesem
Flaschenzug wird der Draht wieder nach oben geführt und geht
durch eine zweite Stahlrolle, die an einer Schraube in der Decke
hängt. Dann geht er wieder abwärts und wird an einer Trommel
im Uhrwerk befestigt (Fig. 1). Die Achse dieser Trommel steht
über den Rahmen des Uhrwerks und über die Kante des starken
Tisches, an dem es festgeschraubt ist, vor. Das Ende der Achse
ist viereckig und mit einer Kurbel versehen (Fig. 2), mit der das
Uhrwerk aufgezogen wird. Durch das Aufwinden des Seiles auf
die Trommel werden die Gewichte zur Decke emporgezogen. Die
Trommel und die Kurbel werden durch den normalen Gang des
Uhrwerks sowie durch einen gewöhnlichen Klammerhaken am Ab-
winden verhindert. Das Uhrwerk wird nur einmal täglich auf-
gezogen und läuft 28 Stunden. Die so gewonnene Kraft wird
durch ein Triebwerk, wie es in den beiden Figuren erscheint, auf
Zahnräder übertragen, die sich außerhalb des Uhrwerkrahmens am
Ende einer der Achsen befinden (Fig. 2). Ein anderes Zahnrad-
getriebe, das auf dem einen Ende einer horizontalen Welle sitzt,
greift in jenes ein. Auf der entgegengesetzten Seite der Welle
greift ein weiteres Räderwerk in ein entsprechendes Getriebe auf
einer vertikalen Welle ein. Diese vertikale Welle trägt gezahnte
oder einfache Rädergetriebe in angemessener Höhe, um in andere
entsprechende Räder an der ersten Drehscheibe jeder Reihe ein-
zugreifen. Die Drehscheiben sitzen auf Regalen, die in die Fenster-
nische eingebaut sind (s. Fig. 1 u. 2). Das Fenster ist oben mit
einem undurchsichtigen, unten mit einem durchscheinenden Stoffe
1) Peirce, Textbook of Plant Physiology, p. 280 et seq., 1903.
Ein multiplex- Klinostat.
333
verhang-en. Die Kanten sämtlicher Drehscheiben sind gezahnt, und
diese selbst sitzen in Kugelachsenbüchsen aus Gußstahl. Sie
Fig. 1. Multipler Klinostat im Fenster des Laboratoriums.
Zeigt den Mechanismus, den Regulator und die Gewichte. Von einer Blitzlicht -Photographie.
334 • George Peirce,
werden so gestellt, daß sie ineinander eingreifen, ohne ineinander
festzulaufen. Die Achse jeder Drehscheibe ist gekerbt und eine
Schraube, die durch die Wand der Achsenbüchse geht und in die
Einkerbung paßt, dient dazu, die Scheibe unter jedem möglichen
Winkel festzuhalten. Wie die zwei Figuren zeigen, sind die Regale
verschiebbar mit Ausnahme des obersten und untersten. In den
Figuren erscheint das oberste Regal ohne Drehscheiben, es kann
aber wie die übrigen mit solchen versehen werden.
Jedes Regal trägt 10 Drehscheiben. Die Rotationsgeschwindig-
keit jeder Scheibe auf ein und demselben Regal ist gleich, doch
kann die Geschwindigkeit der Scheiben auf den verschiedenen
Regalen gleich oder verschieden sein, je nach dem Getriebe, das
angebracht wird. So drehen sich z. B. in meinem Apparat die
Scheiben der untersten Reihe mit einer Geschwindigkeit von vier
ganzen Umdrehungen pro Minute und diejenigen der obersten mit
einer solchen von einer pro Minute.
Wie Fig. 1 zeigt, gescliieht die Regelung des ganzen Apparates
durch einen Fächerregulator. Die Verbindung dieses Regulators
mit dem übrigen Mechanismus ergibt sich aus der Photographie.
Es liegt auf der Hand, daß durch gegenseitiges Eingreifen
jede Scheibe mit derselben Geschwindigkeit wie die ihr zunächst
liegende, jedoch in entgegengesetzter Richtung rotiert, daß sich
dagegen die alternierenden Scheiben in derselben Richtung bewegen.
So ist es möglich, die Wirkung der Rotation in entgegengesetzter
Richtung, z. B. in Beziehung auf die Zirkumnutation, auf eine
bedeutende Zahl von Pflanzen gleichzeitig zu prüfen.
Das Ulirwerk ist mit Bolzen an den Tisch geschraubt und
dieser gleicherweise an den Fußboden befestigt. Um jenes vor Staub
zu schützen, wird es gewöhnlich bedeckt. Das Getriebe ist großen-
teils nach dem Normalmaß und für seinen besonderen Zweck zu-
sammengesetzt. Der Rahmen, sowie die Scheiben und Büchsen
mußten besonders gegossen werden.
Der Leichtigkeit halber sind die Scheiben aus einer Legierung
von Aluminium und Zink, Alzink, gemacht.
Wie beide Figuren zeigen, ist eine Reihe der Drehscheiben
so eingestellt, daß sie sich auf einer horizontalen Achse drehen.
Die Kulturen werden durch Stäbe, die mit Haken versehen sind
und die sich an geeigneter Stelle in mit Gewinden versehenen
Löchern in die Scheiben einschrauben lassen, an Ort und Stelle
gehalten. Dies läßt eine genau zentrale oder eine beliebig exzen-
Ein multipler Klinostat.
335
trische Stellung' zu. Durch entsprechende Veränderungen in der
Stellung der Regale und in dem Getriebe auf der vertikalen Welle
Fig. 2. Multipler Klinostat.
Zeigt Mechanismus. Transmission und Drehscheiben mit Kulturen. Von einer Blitzlicht-Photographie.
336 George Peirce, Ein multipler Klinostat.
kann jeder beliebige Rotationswinkel zwischen der Vertikalen und
der Horizontalen erlangt und festgehalten werden, und zwar nicht
nur für eine Kultur, sondern für die ganze Reihe, Dies kann
für jede Reihe von 10 Scheiben geschehen, ohne daß die andern
Reihen dadurch beeinflußt werden.
Ich habe absichtlich eine Angabe über die Dimensionen der
einzelnen Teile des multiplen Klinostaten unterlassen, denn sie
wurden durch den mir in meinem Laboratorium zur Verfügung
stehenden Raum und durch den Umfang der Gefäße, die ich zu
gebrauchen wünschte, bestimmt.
Indem man von ungefähr 8 cm Durchmesser für die Dreh-
scheiben ausgeht, kann man den übrigen Apparat den Verhältnissen
jedes botanischen Institutes anpassen. Das Uhrwerk steht in
meinem Laboratorium im rechten Winkel zu den Scheiben, die in
Umdrehung versetzt weiden; dies ist jedoch nicht wesentlich.
Es kann, soweit ich voraussehe, von jedem kompetenten
Mechaniker hergestellt werden.
Ich wünsche an dieser Stelle den Herren Universitätsmechanikern
Stevens und Banham meine Anerkennung für die Hilfe auszu-
sprechen, die sie mir während des ganzen Versuchsstadiums zuteil
werden ließen. Sie haben mit Ausdauer und Gescliick die Ver-
änderungen ausgeführt, die durch die Erfahrung im Laufe der
Konstruktion notwendig oder wünschenswert erschienen.
Da dieser Apparat auf experimentellem Wege hergestellt werden
mußte, waren die Kosten bedeutend. Seine Herstellung für das gewöhn-
liche botanische Institut sollte jedoch 800 Mark nicht übersteigen.
Mittels eines solchen Mechanismus können 40 — 50 Drehscheiben
und Kulturen gleichzeitig, mit gleicher oder ungleicher Geschwindig-
keit und in derselben oder in entgegengesetzter Richtung in Um-
drehung versetzt werden. Und so fallen die Einwendungen gegen
den Einzelversuch, wenn auch oft wiederholt, weg.
Wenn der Apparat gut konstruiert, richtig eingestellt und
rein gehalten wird, so ist seine Rotation auffallend regelmäßig.
Er ist so gut wie geräuschlos. Außerdem kann die gewonnene
Kraft zu andern beliebigen Zwecken angewendet werden.
Es gereicht dem Unterzeichneten zur Freude, diesen multiplen
Klinostat seinem Lehrer, dem Herrn Geheimrat Professor Dr.
Wilhelm Pfeffer ergebenst zu widmen.
Dr. George J. Peirce, Professor der Pflanzenphysiologie
an der Leland Stanford Junior Universität, Kalifornien.
Untersuchungen über die Auflösung der Tapetenzellen
in den Pollensäcken der Angiospermen.
Von
H. 0. Juel.
Mit Tafel IV und V.
In der Entwicklung der Sporangien bei den Gefäßpflanzen
spielen die Tapetenzellen eine sehr wichtigfe Rolle, denn alle Nah-
rung, die den heranwachsenden Sporen zugeführt wird, muß diese
Zellschicht durchwandern. Daß es sich dabei um ein einfaches
Durchfiltrieren gelöster Nährstoffe handeln sollte, ist kaum wahr-
scheinlich. Der Reichtum der Tapetenzellen an Plasma und Kernen
verleiht ihnen eine große Ähnlichkeit mit Drüsenzellen und läßt
vermuten, daß in ihnen irgend eine Synthese von speziellen Nah-
rungsstoffen vor sich geht. Auch ist es möglich, daß sie ein
Enzym ausscheiden, das die Wandkomplexe der Tetraden auflöst,
dies kann aber nur eine nebensächliche Aufgabe sein, denn jene
Wandauflösung bildet nur eine sehr schnell vorübergehende Phase
in der Entwicklung. In den meisten Fällen wird endlich die Ta-
petenschicht vor der Sporeureife gänzlich aufgelöst. Es handelt
sich dabei oft nicht um ein Absterben und Eintrocknen, sondern
um eine totale Resorption dieser Zellschicht. Die Stoffmengen,
die ihre Zellen enthalten, werden dabei ohne Zweifel verwertet.
Daß sie nach außen, in die Gewebe der Antherenwandung abge-
leitet w^erden sollten, ist wohl wenig wahrscheinlich, vielmehr ist
anzunehmen, daß die von den aufgelösten Tapeteuzellen gelieferten
Baustoffe in den Sporangienraum gelangen und beim Aufbau der
Sporen in irgend einer Weise verwendet werden.
Einen lebhaften Eindruck von der wichtigen Rolle der Tapeten-
zellen bekommt man in denjenigen Fällen, wo diese Zellen ihre
Selbständigkeit aufgeben und zu einer kontinuierlichen Plasma-
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI. 22
338 H. 0. Juel,
masse mit eingestreuten Kernen zusammenfließen, in welcher die
Sporenmutterzellen, bezw. Sporen eingebettet liegen. Ein solcher
den Sporangienraum ausfüllender Plasmakörper wird von H annig
(1911) Periplasmodium genannt. Dieser Forscher hat in einer
Reihe von Abhandlungen sowohl eingehende eigene Untersuchungen
über die Periplasmodiumbildung bei Equisetum und Azolla mitge-
teilt, als auch eine Zusammenstellung von allem, was bis jetzt
über Periplasmodien bei höheren Pflanzen überhaupt bekannt ist,
gegeben. Man ersieht daraus, daß Periplasmodien bei allen unter-
suchten Pteridophyten-Gattungen auftreten, nur mit Ausnahme der
LjTopodineen, d. h. der Gattungen Lycopodium, Selaginella und
Isoetes. Was die Psilotaceen betrifft, so bezweifelt Hannig (1911,
S. 360), daß sie ein Periplasmodium bilden, obgleich Angaben von
Bower und Wettstein dafür sprechen. Präparate von Fsüotwn,
die ich verfertigt habe, zeigen aber, daß "hier ein wohlentwickeltes
Periplasmodium vorhanden ist, dessen Ursprung ich jedoch nicht
verfolgt habe.
Bei Phanerogamen können Periplasmodien nur in den Mikro-
sporangien auftreten. Bei den Gymnospermen sind sie in keinem
Falle nachgewiesen worden. In Ix'zug auf die Angiospermen
kommt Hannig (a. a. 0., S. 358) zu dem Resultate, ,,daß die Ta-
petenzellen in der Regel aufgelöst werden und ein Plasmodium
bilden." Er stützt sich hierbei fast ausschließlich auf Angaben
von Strasburger. Er sagt nämlich: „Strasburger hat bei
seinen ausgedehnten Untersuchungen eine große Reihe von Pflanzen
aus den verschiedensten Familien (Potamogeton, Araceen, Lilia-
ceen, Orchideen, Geraniaceen, Malvaceen, Passifloreen, Oenothereen,
Polemoniaceen, iVcanthaceen, Dipsaceen, Cucurbitaceen und Kom-
positen) untersucht und bei fast allen Plasmodiumbildungen be-
sclirieben. Bei einigen wenigen (Ericaeeen, Boraginaceen, Labiaten,
Valerianeen und Campanulaceen) ist die Plasmodiumbildung nicht
beschrieben. Da aber keine besondere Angaben über ein Fehlen
derselben vorliegen, so ist es wahrscheinlich, daß diese Fälle kein
abM'eichendes Verhalten zeigen." Einiges Bedenken erweckt zwar
bei Hannig der Umstand, daß bei den in späterer Zeit von ver-
schiedenen Amerikanern ausgeführten Untersuchungen über Pollen-
entwicklung, sowie in Coulter und Chamberlains „Morphology
of Angiosperms" ein Periplasmodium bei Angiospermen im allge-
meinen nicht erwähnt wird. Nur in zwei Fällen, bei der Aracee
Symplocarpus und der Komposite Süphium, sind von diesen Ver-
Untersuchungen über die Auflösung- der Tapetenzellen usw. 339
fassern Periplasmoclien beschrieben worden. Auch die Beschreibung
von Lemna könnte in derselben Weise gedeutet werden. Dagegen
ist nur in einem Falle, bei Sarracenia, ausdrücklich augegeben
worden, daß Tapetenzellen nicht zwischen die Pollenköruer ein-
wandern, dies Verhältnis könnte jedoch vielleicht weiter verbreitet
sein. „Soviel steht trotzdem fest", schließt H annig, „daß das
typische Verhalten bei den Pollenkörnern der Angiospermen die
Auflösung der Tapete ist." Wahrscheinlich meint Hannig auch
hier: Auflösung unter Bildung eines Periplasmodiums.
Die Arbeiten von Strasburger, auf welche sich Hannig
beruft, sind offenbar „Über den Bau und das Wachstum der Zell-
häute" von 1882 und „Über das Wachstum vegetabilischer Zell-
häute" von 1889. In diesen Abhandlungen wird nur von den
folgenden angiospermen Pflanzen angegel)en. daß die Tapetenzellen
ihre Selbständigkeit aufgeben und zwischen die Pollenkörner ein-
wandern:
Arum (1882, S. 111), /m (1882, S. 110), Geranium (1882,
S. 94, 1889, S. 65), Malva, Althaea (1882, 8. 89, 1889, S. 60), Gaura
(1882, S. 97), Oenoihera (1889, S. 39), Passiflora (1889, S. 57),
Cohaea (1882, S. 108, 1889, S. 76), Thunhergia (1882, S. 105),
Scabiosa (1882, S. 101), Cephalaria (1889, S. 69), Cucurbita (1882,
S. 103, 1889, S. 72), Senecio (1882, S. 105, 1889, S. 50).
Diese Untersuchungen Strasburgers sind vor der Einführung
der Älikrotomtechuik ausgeführt. Welcher Methoden er sich be-
dient hat, um die Auflösung der Tapetenzellen festzustellen, gibt
er nicht an. In einer späteren Arbeit über Zell wände, „Die pflanz-
lichen Zellhäute" (Jahrb. für \\iss. Botanik, 31, 1898), welche an
Mikrotomschnitten ausgeführt ist, hat Strasburger keine An-
gaben über Plasmodiumbildung in den Pollensäcken gemacht.
Es ist aber unumgänglich notwendig, diese Verhältnisse an
Mikrotomschnitten von gut fixiertem Materiale zu studieren.
Frisches Material ist absolut untauglich. Wenn man nämlich den
Inhalt eines Staubbeutels herauspreßt, bersten die Tapetenzellen
und mischen ihren Inhalt mit den Pollenmutterzellen oder Pollen-
körnern, wodurch ein Periplasmodium vorgetäuscht werden kann.
Dies tritt sogar oft ein, wenn ein Staubbeutel bei der Fixierung
verletzt wird. In einigen Schnitt Serien, z. B. von Picea und Ulmus,
die keine Periplasmodien bilden, fand ich zwischen Pollenkörnern
ziemlich ^iel Plasma mit zahlreichen Kernen. Eine nähere Unter-
suchung zeigte dann, daß der betreffende PoUensack eine Wunde
22*
340 M. 0. Juel,
hatte. Auch g-ewöhnliches Alkoholmaterial ist zu diesen ünter-
suchimgeu ungeeignet, weil man mit dem Rasiermesser keine zu-
sammenhängenden Schnitte davon bekommen kann, wenigstens nicht
in den späteren Entwicklungsstadien.
Es dürfte hieraus hervorgehen, daß die ganze Frage nach
dem Verhalten der Tapeteuzellen in den Pollensäcken der Angio-
spermen einer neuen Prüfung bedarf. Ich werde hier versuchen,
einige Beiträge zu dieser Frage zu liefern. Zum Gegenstand der
Untersuchung wählte ich vorwiegend Repräsentanten solcher Fa-
milien, die Strasburger untersucht hat, um seine Angaben zu
kontrollieren, dann aber auch einige andere beliebig gewählte
Gattungen. Die Anzahl derselben ist recht bescheiden, ich hoffe
aber hauptsächlich durch meine Arbeit anregend zu wirken, damit
im allgemeinen dieser Frage mehr Aufmerksamkeit zugewendet
wird, als bisher geschehen ist.
Inwieweit Schlüsse über natürliche Verwandtschaftsverhält-
nisse aus dem Vorkommen oder Fehlen eines Periplasmodiums
gezogen werden kiinnen, darüber wird man sich erst dann eine
Ansicht bilden können, wenn eine weit größere Anzahl von Fa-
milien in bezug auf diesen Punkt untersucht worden ist.
Es mag hier erwähnt werden, daß später über zwei neue
Fälle von Periplasmodiumbilduug berichtet worden ist, nämlich von
Murbeck (1902, S. 7) bei Ruppia und Holmgren (1913, S. 62)
bei Butoimis.
Untersuchungsmethoden.
Das Blütenmaterial wurde, soweit möglich, so ausgewählt, daß
mir von jeder Art eine Reihe von mehreren Entwicklungsstadien,
von der Tetradenteilung an bis zur völligen Reife des Pollens,
zur Verfügung stand. Bei Pflanzen mit sukzessiv aufblühenden
Infloreszenzen ist dies leicht zu bewerkstelligen, indem man eine
passende Reihe von Blüten aus einer einzigen Infloreszenz auf
einmal aussuchen kann. Es ist aber schwieriger bei simultan
blühenden Pflanzen, wie Ulmus oder Syringa, von welchen die
Reihe durch mehrere aufeinanderfolgende Fixierungen hergestellt
werden muß. Die Blütenknospen wurden vor der Fixierung
unter der Lupe so vorsichtig . als möglich von den Perigon-
blättern befreit.
Zum Fixieren l)enutzte ich fast ausschließlich Essig-Alkohol
(1 Teil Eisessig, 4 Teile abs. Alkohol), der sich für diese Unter-
Untersucliuiis:en über die Auflösuiiy; der Tapetenzelleu usw. 341
siK'liimgeu recht gut bewährt hat, indem er schnell eindringt und
gut und gleichmäßig fixiert. Die Schnittdicke war 10 ^m. Beim
Aufkleben der Schnitte hätte ich gern das Eiweiß vermieden,
wenn mir eine andere zuverlässige Methode bekannt gewesen
wäre. Die Eiweißlösung wurde so dünn wie möglich aufgetragen,
jedoch ließ sich nicht ganz vermeiden, daß kleine Ansammlungen
von geronnenem Eiweiß hie und da auch in den Polleusäcken auf-
traten. Die Gefahr, daß mau solche Eiweißfällungeu für natür-
liche Inhaltkörper der Pollensäcke hält, ist jedoch nicht so groß,
als man befürchten könnte, denn man lernt sie bald an ihrer
charakteristischen Struktur erkennen, wenn man sie mit anderen
solchen Ansammlungen außerhalb der Pollensäcke vergleicht.
Die Schnittserien wurden zuerst mit Eisen-Hämatoxylin ge-
färbt. Bei der Differenzierung wurde darauf geachtet, daß die
Tapetenzellen einen passenden Färbungsgrad bekamen. Daß die
übrigen Gewebe dabei zu stark entfärbt, die Pollenkörner oft noch
ganz schwarz sind, hat wenig zu sagen. Dann wurde mit einer
mäßig starken Lösung von Lichtgrün in Nelkenöl nachgefärbt, um
eine gute Wandfärbung zu bekommen, was hier wichtig war, da
es galt, die Auflösung der Tapetenzellen zu verfolgen. Das Nelken-
öl wurde in Toluol ausgewaschen, indem das Präparat mehrere-
male sehr rasch im Toluolgefäß auf und nieder getaucht wurde.
Hierdurch wurde verhütet, daß das in Toluol unlösliche Lichtgrün
in ausgefällter Form am Präparate haften blieb.
Anthurium cristallinum Linden. (Fig. 1, Taf. lY.)
Das Material stammt von einem Gewächshausexemplar. Leider
fehlen mir jüngere Entwickluugsstadien, so daß ich die Tapeten-
zellen nicht beschreiben kann.
In meinen Präparaten enthalten die Pollensäcke schon junge
Pollenkörner, die fibröse Schicht in der Antherenwaud ist schon
ausgebildet. An der Peripherie des Pollensackes liegt eine Plasma-
scliicht mit sehr großen Vakuolen, die vielleicht der Lage nach
den einzelnen Tapetenzellen entsprechen. Innerhalb dieser liegt
eine dichte Masse von Pollenkörnern. Zwischen der PoUenmasse
und der Plasmaschicht ist keine Grenze zu sehen, der Pollen liegt
offenbar direkt im Plasma, welches sich auch im Innern der Pollen-
masse fortsetzt, wenn es auch hier spärlicher ist. Zahlreiche gut
erhaltene, ziemlich große Kerne liegen im Wandplasma und zwischen
342 K- 0. Juel,
den Pollenkörneru. Der Pollensack ist also von einem typischen
Periplasmodiiim erfüllt (Fig. 1).
Für Araceen sind Periplasniodien schon früher beschrieben
worden, nämlich von Strasburg'er (1882, S. 111) bei Ariim macu-
latum und von Duggar (1900, S. 90) bei Symplocarpus foetidiis.
Galtonia candicans (Bak.) Dcne.
In jungen Antheren mit Pollentetraden sind die Tapetenzellen
stark radial verlängert, sie sind nicht besonders plasmareich und
enthalten in jedem Ende eine große Vakuole, in der Mitte eine
Plasmaausammlung mit zwei Kernen.
Wenn die jungen Pollenkörner eben frei geworden sind, er-
scheint das Plasma der Tapetenzellen etwas dunkler, sonst sind
sie wenig verändert. Der Pollensack enthält jetzt zwischen den
Pollenkörnern eine ausgefällte Substanz, die nicht sehr reichlich
ist und einen von Lichtgrün gefärbten feinen Schaum bildet. Sie
kann \äelleicht von den aufgelösten und dann beim Fixieren wieder
gefällten Zellwandstoffen der Tetraden herrühren.
Während der hierauf folgenden Vergrößerung des Antheren-
faches werden die Tapetenzellen zuerst isodiametrisch, dann all-
mählich sehr flach. Sie sind jetzt von dichtem und dunkel
gefärbtem Plasma ziemlich gleichmäßig gefüllt. Die Substanz
zwischen den Pollenkörnern hat jetzt au Menge und Dichtigkeit
zugenommen, eine Sekretion aus den Tapetenzellen scheint daher
stattgefunden zu haben.
Sobald die Pollenkörner sich mit Reservestoffen zu füllen
beginnen, erscheinen die Tapetenzellen sehr flach gedrückt. Ihr
Plasma verschwindet zuerst, dann die Kerne, zuletzt werden auch
die Wände aufgelöst. Während dieser Vorgänge verändert sich
das Aussehen der Substanz im Antherenraum, ihr Maschenwerk
wird gröber und unregelmäßiger, sie nimmt dann an Menge ab
und verschwindet allmählich.
Hyacintkus amethystinus L. (Fig. 2 u. 3, Tai. IV.)
Ein jüngeres Stadium ohne Wandverdickungen in der fibrösen
Schicht und mit ausgewachsenen, aber noch einzelligen Pollen-
körnern zeigt gut erhaltene und von dichtem Plasma gefüllte Ta-
petenzellen. Der Raum zwischen den Pollenkörnern wird von
üntersuchunfren über die Auflösung der Tapetenzelleu usw. 343
einer feinwabig'en, einigermaßen plasmaähnlichen Substanz einge-
nommen (Fig. 2).
In einem späteren Stadium mit ausgebildeter fibröser Schicht
und zweizeiligen Pollenkörnern sind die Tapetenzellen arm an
Plasma geworden. Die ausgefällte Substanz bildet jetzt ein gröberes,
aus dickeren Fäden zusammengesetztes Maschenwerk (Fig. 3).
In einer fast reifen Anthere sind keine Spuren mehr zu sehen
weder von jener Substanz noch von der Tapete.
Da bei diesem Objekte die ausgefällte Substanz im Pollensack
besonders reichlich auftritt, so versuchte ich ilire Natur durch
einige Reaktionen zu prüfen. Vielleicht war aber das Material
dazu nicht sehr geeignet, da es mit Platin-Chrom-Essig fixiert war.
Konzentrierte Salpetersäure gab keine Reaktion, auch nicht
Millons Reagens. Bei Kochen in Ammoniak schwillt die Sub-
stanz, ohne sich zu lösen, durch Kochen in Kalilauge wird sie
ziemlich vollständig gelöst. Jodjodkalium färbt die Substanz
schwach gell)lich, während die Tapetenzellen braun werden, Chlor-
zinkjod gil)t keine Blaufärl)ung der Substanz, aber auch die Zell-
wände im Präparat wurden davon nicht gebläut.
Auch einige Färbemittel wurden versucht. Safranin färbte
die Substanz hellrot mit einem Stich ins Gelbe, während Plasma
und Kerne kirschrot erschienen. Methylenblau färbte die Substanz
rotviolett, Plasma und Kerne gleichzeitig blau. Orange gab keine
Färbung. Kongorot färbte die Substanz recht kräftig, und die
Färbung blieb noch nach längerem Stehen in starkem Alkohol
erhalten, obgleich sie dann in den übrigen Teilen des Präparats
fast verschwunden war.
In den Dauerpräparaten ist die Substanz von Lichtgrün, nicht
aber von Eisen-Hämatoxylin gefärbt, sie verhält sich also unge-
fähr wie die Zellwände. Sie kann schwerlich aus Plasma oder
Eiweißstoffen liestehen, sondern wahrscheinlich aus zellw^andähn-
lichen Körpern. Die Färbung mit Kongorot deutet auf Zellulose,
das Verhalten gegen Safranin und Methylenblau eher auf Pektin.
Vielleicht sind beide Stoffe zugegen.
Iris squalens L.
Die Pollenbildung ist bei dieser Art schlecht. Jüngere Stadien
wurden nicht untersucht. In einem Stadium, wo die Pollenkörner
schon ziemlich entwickelt sind, enthalten die flachen Tapetenzellen
344 H- ö- Ju^i'
noch Plasma und Kerne, stehen aber nicht mehr auf dem Höhe-
punkt ihrer Entwicklung. Später findet man von der Tapete nur
leere Wände, stark zusammengedrückt.
Strasburger sagt (1882, S. 110) von /. sibirica: „Zur Zeit,
da die Tapetenzellen ihre Selbständigkeit aufgeben usw." Wahr-
scheinlich ist diese Angabe irrtümlich.
TJhnus montana With. (Fig. 5 u. 6, Taf. IV.)
Fixierung: Platin-Chrom-Essig.
In einer Anthere mit einzelligen Pollenkörnern und dünn-
wandiger hypodermaler Schicht (Fig. 5) sind die Tapetenzellen fast
isodiametrisch und mit dichtem Plasma gefüllt. Später werden sie
flacher, ihr Inhalt wird spärlicher und beginnt desorganisiert zu
werden. In einem Stadium mit zweizeiligen stärkereichen Pollen-
körnern und ausgebildeter fibröser Schicht (Fig. 6) sind von der
Tapete meist nur tue leeren Wände übrig gebheben.
An einigen Stellen in den Präparaten von dem jüngeren Ent-
wicklungsstadium findet man zwischen den Pollenkörnern Plasma
mit Kernen, das aus den Tapetenzellen stauimt. Das Plasma ist
aber intensiv und homogen gefärbt, weil es beschädigt worden
ist. Es handelt sich nämlich nicht um Periplasmodiumbildung,
sondern uui die Folge einer Verwundung der Anthere bei der
Fixierung. Durch die Verwundung sank der innere Druck im An-
therenraum, und dies verursachte ein Platzen der Tapetenzellen
an mehreren Stellen, so daß ihr Inhalt zwischen die Pollenkörner
eindringen konnte.
Arahis alpina L. (Fig. 4, Taf. JX.)
Fixierung: Platin-Chrom-Essig; Färbung: Eisen-Hämatoxylin-
Lichtgrün.
Das jüngste untersuchte Stadium hat einzellige Pollenkörner,
die In-podermale Wandschicht ist schwach ausgebildet. Die Ta-
petenzellen sind fast isodiametrisch oder wenig abgeflacht und
haben einen dichten ziemlich homogenen Inhalt. Zwischen den
Pollenkörnern keine ausgefällte Substanz.
In älteren Antheren mit zweizeiligen Pollenkörnern und ziem-
lich ausgebildeter fibröser Wandschicht finde ich die Tapetenzellen
zum größten Teil schon verschwunden. Die Pollenköruer liegen
aber jetzt in einer Substanz eingebettet, die einem Vakuolen-
Untersuchungen über die Auflösung der Tapetenzellen usw. 345
reichen Protoplasma außerordentlich ähnlich ist (Fig. 4). Kerne
konnte ich in diesem Plasma nicht entdecken, wenn sie vorhanden
sind, so treten sie jedenfalls nicht durch stärkere Färbung; her-
vor, sie dürften daher entweder schon aufgelöst oder doch stark
rückgebildet sein. Die Substanz färbt sich wie Plasma, also
hellgrau, ohne grüne Färbung. Sie kann nichts anderes sein
als der herausgeflossene Inhalt der Tapetenzellen. Daß es sich
hier nicht um eine von der Tapete sezernierte Substanz handelt,
geht sowohl aus ihrem Aussehen und ihrer Färbungsweise hervor,
als auch aus dem Umstände, daß vorher, als die Tapetenzellen
noch erhalten waren, keine Spur einer ausgefällten Substanz im
Antherenrauni zu entdecken war.
Sehr bald nach diesem Stadium ist die Anthere reif, die
Scheidewand in der Theka reißt ein. Von jener Substanz ist dann
nichts mehr zu sehen.
Der Vorgang bei Arabis ist mit der Bildung eines Periplas-
modiums in dem wesentlichen Punkte identisch: die Tapetenzellen
fließen zu einer einheitlichen Masse zusammen, in welcher die
Pollenkörner eingebettet sind. Es bestehen aber auch wichtige
Unterschiede von einem echten Periplasmodium. Der Vorgang wird
hier nicht durch Formveränderungeu der Tapetenzellen vorbereitet;
kurz vor ihrer Auflösung sieht es "säelmehr so aus, als ob sie
sich wie bei Ulmiis entleeren sollten. Ihre Auflösung geschieht
auch zu einem so späten Zeitpunkt, daß eine Rückbildung ihres
Inhalts schon begonnen hat, was sich besonders dadurch kundgibt,
daß die Kerne nicht mehr sichtbar sind. Ein echtes Periplas-
modium ist dies daher nicht.
Linum austriacuiii L. (Fig. 7 u. 8, Taf. IV.)
Ich beginne mit einem Stadium, das Tetraden mit dicken und
von Lichtgrün stark gefärbten Wandkomplexen enthält. Die Ta-
peteuzellen sind isodiametrisch oder ein wenig radial gedehnt und
enthalten ein nicht sehr reichliches Plasma, das einen großen Saft-
raum einschließt.
Ein Stadium mit eben freigewordenen, sehr dünnwandigen
Pollenkörnern. Die Tapetenzellen sind etwas reicher an Plasma
geworden. Außer den Pollenkörnern enthält jetzt der Autheren-
raum eine nicht sehr reichliche, sehr fein netzförmige oder wabige
Substanz, die von Lichtgrün deuthch gefärbt ist. Ich vermute,
daß sie aus den aufgelösten Tetradenwänden stammt.
346 ^- ^- J"®^'
Späteres Stadium mit dickwandigerem, noch einkernigem Pollen.
Die Tapetenzellen zeigen häufig eine nach innen gewölbte Wan-
dung, an anderen Stellen sind sie flach und zusammengefallen,
was aber \^elleicht durch die Fixierung hervorgerufen ist. Die
Substanz im Antherenraume hat abgenommen und ist meist zu
dünnen Häutchen zusammengeflossen.
Ein folgendes Stadium zeigt zweizeilige Polleukörner, aber in
der Antherenwand noch keine Differenzierung des Hypoderms.
Die Tapetenzellen erscheinen zum großen Teil flachgedrückt, ärmer
au Plasma und mit etwas rückgebildeten Kernen. Au einigen
Stellen dagegen erheben sie sich und schieben sich zwischen die
Pollenkörner ein. Auch kommt es vor, daß eine Partie der Ta-
petenschicht zerflossen und in den Antherenraum eingedrungen ist,
wo sie die Pollenkörner umgibt. Die Kerne erscheinen dabei
dunkel und abgestorben (Fig. 8).
Sobald in der Antherenwand die hypodermale Schicht sich zu
differenzieren anfängt, sind die Tapetenzellen gänzlich verschwun-
den. Auch ihr Plasma ist zum größten Teil resorbiert, im An-
therenraum sind davon nur spärliche Reste vorhanden, meist in
der G-estalt dünner Häutchen, die zwischen der Wand und den
Pollenkörnern ausgespannt sind. Sobald die fibröse Schicht aus-
gebildet ist, enthält der Autherenraum nichts als Pollenkörner.
Auch bei Linum ereignet sich etwas, das einer Periplasmodium-
bildung sehr nahe kommt. Das aus den Tapetenzellen heraus-
fließende Plasma ist aber ohne Zweifel schon im Absterben be-
griffen, und eine zusammenhängende, den Antherenraum ausfüllende
Plasmamasse wird wahrscheinlich nie gebildet. Von einem wirk-
lichen Periplasmodium kann daher auch bei Linum keine Rede sein.
Geranium.
Strasburger untersuchte G. cristatum und sanguineum und
macht darüber 1882 (S. 94) folgende Angabe: „Ist das Pollenkoru
in seiner äußeren Gestaltung vollendet, so geben die Tapeten-
zelleu ihre Selbständigkeit auf und wandert ihr Plasma z^vischen
die Pollenzellen ein. Auch bei Geranium hatten sich die Tapeten-
zellen zuvor bedeutend vergrößert und die nächst äußere Zellen-
schicht der Antherenwandung, wenn auch hier relativ spät,
zerquetscht. Das Einwandern der Tapetenzellen zwischen die
Pollenkörner erfolgt hier auf verhältuismäßig vorgerücktem Ent-
wicklungsstadium.'"
Untersuchungen über die Auflösung der Tapetenzellen usw. 347
Ich untersuchte G. silvaticum L. und Uvidum (Pers.) L'Her.
Das teils mit Platin-Chrom-Essig, teils mit Zink-Essig- Alkohol
fixierte Material lieferte aber nur ziemlich schlechte Präparate.
Jedoch kann ich aus diesen Präparaten ersehen, daß kein wirk-
liches Periplasmodium gebildet ^örd, sondern daß es sich hier
ungefähr me bei Linum verhält. Das Zerfließen der Tapeten-
zellen tritt, wie Strasburger es angibt, sehr spät ein, und fällt
mit ihrer Desorganisation zusammen.
Aesculus hippocastanum L.
Fixierung: Platiu-Chrom-Essig.
Im Stadium der Tetradenteilung ist der Antherenraum bei
dieser Art ungemein groß. Die Pollenmutterzellen sind zwar recht
zahlreich, füllen aber den Raum bei weitem nicht aus. Der übrige
Raum enthält ziemlich viel von einer feinfädig-netzförmigen Sub-
stanz, welche also hier in einem früheren Stadium als gewöhnlich
auftritt. Die Tapetenzellen sind ziemlich groß und führen schon
ein sehr dichtes und dunkles Plasma.
Wenn die Pollenkörner ziemlich ausgewachsen sind, die fibröse
Schicht aber noch keine Verdickungen zeigt, sind die Tapeten-
zellen noch ziemlich gesund und inhaltsreich, die Substanz im An-
therenraum ist dann verschwunden.
Später verlieren die Tapetenzelleu allmählich ihren Inhalt und
fallen zusammen. SchUeßlich bildet die Tapete nur ein dünnes
Häutchen, in welchem die Kernreste als schwarze Punkte erscheinen.
Lavatera trimestris L. (Fig. 9 — 11, Taf. IV.)
In jungen Antheren mit Tetraden bildet die Tapete eine
geschlossene und ebene Schicht von ziemlich isodiametrischen
Zellen mit dichtem und dunkel gefärbtem Inhalt und zwei bis
vier Kernen.
In einem Stadium mit jungen Pollenkörnern, die schon mit
Stacheln besetzt sind, enthält der Antherenraum eine spärliche,
feinkörnige oder feinfädige, von Lichtgi^ün gefärbte Substanz, die
vielleicht von den aufgelösten Tetradenwandungen stammt. Die
Tapete zeigt die ersten Vorbereitungen zur Periplasmodiumbildung,
indem sich ihre Zellen voneinander isoliert haben, so daß die
Tapete keine geschlossene Schicht mehr darstellt. Die radialen
348 ^- 0- •T"'^^'
und inneren Zellwände dieser Schicht sind dabei aufg'elöst worden
(Fig. 9j.
Ein späteres Stadium mit dickwandigen Polleukörnern. Die
Substanz im Anthereuraum ist fast verschwunden. In den Ta-
peteuzellen entstehen große Vakuolen im basalen Teil, das Plasma
mit den Kernen sammelt sich dabei im entgegengesetzten Ende,
wobei die Zelle sich oft schnabelförmig nach innen verlängert und
z^dschen die Pollenkörner eindringt. Die Grenzen zwischen den
einzelnen Zellen sind im allgemeinen noch zu sehen (Fig. 10).
Etwas älteres Stadium, Pollenkörner noch einzellig und ziem-
Hch arm an Inhalt. Die Tapetenzellen sind jetzt mit ihren Spitzen
soweit vorgedrungen, daß sie sich von entgegengesetzten Seiten
in der IVIitte begegnen. An der Peripherie sind ihre leeren basalen
Teile noch zu erkennen, ihre plasmareichen und kernhaltigen Teile
bilden einen zentralen Körper, in welchem die Pollenkörner ein-
gebettet Liegen. Das Periplasmodium ist jedoch nicht fertig, denn
an vielen Stellen sind Grenzen zwischen den einzelnen Zellen
deutlich zu sehen.
Sobald die Pollenkörner etwas inhaltsreicher gew^orden sind,
die fibröse Schicht der Antherenwand aber noch keine Verdickungen
zeigt, scheint das Periplasmodium im Höhepunkt seiner Entwick-
lung zu stehen. Das Plasma bildet um jedes Pollenkorn eine
dünne Schicht, die von seinen Stacheln durchbohrt wird und
vde ein Sieb aussieht. Wo diese Plasmaschichten einander be-
rühren, fließen sie zusammen. Jedoch findet man hie und da
im Plasmodium Spalten, die darauf deuten, daß das Zusammen-
fließen der Zellen nicht immer vollständig ist. Das Plasma ent-
hält zahlreiche ziemlich unveränderte Kerne. Das Periplasmodium
reicht bis an die Antherenwand, bildet aber hier an vielen Stellen
nur eine dünne Haut, die von der zentralen Masse durch große
leere Räume getrennt ist (Fig. 11).
Sobald sich die Anthere ilu'er Reife nähert, die Pollenkörner
mit Stärke gefüllt sind, und die fibröse Schicht ausgebildet ist,
beginnt die Desorganisation des Periplasmodiums, seine Kerne sind
schwarze Klumpen geworden, und sein Plasma ist grobkörnig. In
der reifen Anthere ist vom Periplasmodium nichts mehr übrig.
Ich untersuchte auch diese Verhältnisse bei einem Gewächs-
hausexemplar von Hihiscus rosa sinensis L. Die früheren Ent-
wicklungsstadien zeigen die eben bei Lavatera beschriebenen Ver-
hältnisse. Das Periplasmodium ist aber sehr substanzarm und
Untersucliungeii über die Auflösuno: der Tapetenzellen usw. 349
bildet ein Mascheuwerk von sehr dünnen Häutchen, dessen Maschen
von den Pollenköruern ausgefüllt werden.
Strasburger (1882, S. 89, 1889, S. 60) hat schon für Malva
und Althaea angegeben, daß die Tapetenzellen ihre Selbständigkeit
aufgeben und zwischen die Pollenkörner einwandern.
Tilia ulmifolid Scop. und platyphyllos Scop.
Junge Antheren von T. ulmifolia mit eben frei gewordenen
Pollenkörnern haben eine Tapete von ziemlich isodiametrischen
Zellen mit dichtem, dunkelgefärbten Inhalt.
Ältere Stadien von T. platyphyllos zeigen Tapetenzellen mit
erheblich spärlicherem Inhalt, während die Wände noch erhalten
sind. In fast reifen Antheren sieht man hie und da leere Tapeten-
zellen oder Fetzen von ihren Zellwänden.
Fas;siflora sp.
Das Material stammt von einem Gewächshausexemplar mit
reichlicher Pollenlüldung.
In den jüngsten untersuchten Antheren sind die Zellwände
der fibrösen Schicht noch unverdickt, die Pollenkörner zweizeilig,
aber arm an Inhalt. Die Tapetenzellen sind schon ziemlich flach
und führen einen dichten, ziemlich kräftig gefärbten Inhalt und
gut erhaltene Kerne. Im Antherenraum ist eine fein netzförmige,
von Lichtgrün kräftig gefärbte Substanz reichhch vorhanden.
In Antheren mit Wand verdickungen in der fibrösen Schicht
und von Stärke gefüllten Pollenkörnern sind die Tapetenzellen
noch flacher geworden. Sie sind weniger reich an Inhalt, ihre
Kerne scheinen noch gesund. Die ausgefällte Substanz ist gröber
und weniger dicht als vorher.
Ältere Stadien konnte ich nicht untersuchen. Strasburger
(1889, S. 57) behauptet, daß die Tapetenzellen bei F. caerulea
üire Selbständigkeit aufgeben und zwischen die Pollenkörner ein-
wandern. Ich muß al)er dies für weniger wahrscheinlich halten.
Gaura Lindheimeri Engelm.
Nach erfolgter Tetradenteilung in den PoUensäcken erscheinen
die Tapetenzellen isodiametrisch und von stark färbbarem Plasma
dicht gefüllt.
350 H. 0. Juel,
In den folgeudeu Eutwicklungsstadien schrumpfen die Aii-
thereu erheblich bei der Präparation zusammen, und die jungen
Pollenkörner werden dabei ziemlich stark deformiert. In Antheren,
deren fibröse Schicht schon großzellig ist, aber keine Wandver-
dickungen zeigt, sind die Tapetenzellen stark zusammengedrückt,
enthalten aber ein dichtes Plasma. Zwischen den Pollenkörnern
treten jetzt von Lichtgrün gefärbte Fäden auf, wahrscheinlich
sind dies die Yiscinfäden.
Sobald die fibrösen Zellen der Antherenwand ihre Verdickungen
bekommen haben, die Pollenkörner aber noch sehr inhaltsarm
sind, hat in den Präparaten die Tapete sich häufig von der Wand
losgelöst und bildet einen den Pollenhaufen dicht umschließenden
Mantel. Ihre Zellen sind jetzt arm an Inhalt, stellenweise fast
leer. Wenn diese Ablösung der Tapete kein Artefakt, sondern
ein natürlicher Vorgang ist, und es sieht allerdings danach aus,
so erinnert dies einigermaßen an das Verhalten bei den Poly-
podiaceen.
Strasburger behauptet, daß bei Oaura Inennis (1882, S. 97)
und Oenothera hiennis (1889, S. 38) die Tapetenzellen ungefähr
bei dem eben beschriebenen Entwicklungsstadium zwischen die
Pollenkörner einwandern. Ich fand kein Anzeichen davon bei der
untersuchten Art. P^twas später, wenn die Pollenkörner Reserve-
stoffe zu speichern begonnen haben, sind die Tapetenzellen gänz-
lich resorbiert.
Die Visciufäden treten in den späteren Stadien wenig hervor,
weil sie sich den Pollenkörnern anschmiegen und wenig färbbar sind.
Änthriscus silvestris (L.) Hoffm.
Im Tetradenstadium sind die Tapetenzellen isodiametrisch und
mit stark färbbarem Plasma dicht gefüllt. Sie werden während
der folgenden Entwicklung abgeflacht. In dem Stadium, wo die
fibröse Zellschicht ihre Wandverdickungen bekommen hat, sind
sie noch ziemlich reich an Inhalt. Erst zu einem Zeitpunkt, wo
die Scheidewand der Theka aufgebrochen war, fand ich die Ta-
petenzellen zum großen Teil fast leer. Ihre Zellwände waren da-
bei gut erhalten.
Syringa vulgaris L.
In Antheren mit ausgewachsenen, aber einzelligen Pollen-
körnern und ohne Wandverdickungen der fibrösen Schicht sind
Untersuchungen über die Auflösung der Tapetenzellen usw. 351
die Tapetenzelleu nicht oder wenig abgeflacht und haben einen
dichten und dunkelgefärbten Inhalt.
Ältere Antheren mit fast reifen, stärkereichen Pollenkörnern
und mit Verdickungen an den Wänden der fibrösen Schicht zeigen
eine Tapete aus sehr flachen Zellen mit geringem und wenig färb-
barem Zellinhalt. Nichts deutet also auf Periplasmodiumbildung.
Spigelia splendens Wendl.
Das Material stammt von einer Gewächshauspflanze mit guter
Pollenbildung.
Jüngere Antheren ohne Wandverdickungen in der fibrösen
Schicht haben schon ziemlich flache Tapetenzellen, die noch ziem-
lich reich an färbbarem Inhalt sind. Sobald die Wandverdickungen
der fibrösen Schicht sichtbar sind, erscheinen die Tapetenzellen
noch flacher und arm an Inhalt. In fast reifen Antheren sind sie
zum großen Teil verschwunden, nur hier und da sieht man einige
leere Zellwände, die dieser Schicht gehören.
Folemoniuni caeruleum L.
Außer meinen eigenen Präparaten untersuchte ich von dieser
Art auch einige Präparate von Alkohol -Essig -Material, die mir
Dr. G. Samuelsson freundlichst überließ. In jungen Antheren
mit Tetraden ist die Tapete sehr schön und kräftig entwickelt.
Wo diese Zellschicht am dicksten ist, sind ihre Zellen paHsaden-
förmig, Sie führen einen dichten ziemlich stark färbbaren Inhalt.
Wenn die jungen Pollenkörner frei geworden sind, erscheint die
Tapete wenig verändert, nur sind ihre Zellen etwas niedriger ge-
worden.
In einem späteren Stadium, jedoch mit noch einzelligen Pollen-
körnern und ohne Wandverdickungen in der fibrösen Schicht, sind
die Tapetenzellen sehr abgeflacht, ihr Plasma erscheint etwas
weniger dicht als vorher.
Sobald die Pollenkörner zweizeilig geworden sind und die
Wandverdickung der fibrösen Schicht eben angefangen hat, sind
die Tapetenzellen au vielen Stellen schon verschwunden, an anderen
Strecken sind sie erhalten, zusammengedrückt. Die Wände der
Tapetenzellen sind bei Polemonium immer sehr zart, und in diesem
Stadium kam es mir vor, als ob an einigen Stellen das Plasma
352 H. 0. Juel,
aus gewissen Zellen lierausgeflossen wäre. Ich kann aber dies
nur als eine zufällige Erscheinung auffassen.
Cobaea seandens Cav. (Fig. 12 u. 13, Taf. IV.)
Wenn die Kerne der Polleninutterzellen sich in der Prophase
befinden, bildet die Tapete schon eine recht dicke Schicht aus
schmalen, mehr oder weniger palisadenförmigen Zellen mit recht
dichtem Zellinhalt und zwei oder mehreren kleinen Kernen. Im
Tetradenstadium hat die Tapetenschicht noch an Dicke zuge-
nommen, jedoch nicht gleichmäßig, da einige Partien weiter in den
Raum hineinragen. Ihre Zellen sind jetzt breiter, die Kerne
gTößer, das Plasma erscheint noch dichter.
Das nächste Stadium zeigt schon große Pollenkörner mit an-
gelegter Wandskulptur, die fil)röse Schicht hat noch keine Wand-
verdickungen. Die Tapete hat jetzt ein sehr unregelmäßiges Aus-
sehen, einige Zellen sind gegen die angrenzenden Pollenkörner
flachgedrückt, andere zeigen eine nach innen gewölbte Kontur
und haben sich seitlich voneinander isoliert, noch andere senden
schlauchförmige Ausstülpungen zwischen die Polleukörner hinein
(Fig. 12). Die Zellen haben einen dichten Inhalt und sind nicht
vakuolisiert, und ihre Kerne sind gut erhalten. Die Zellwände
sind dagegen dem Anscheine nach aufgelöst. Zwischen den Pollen-
körnern findet sich ziemlich viel von einer fein netzförmigen Sub-
stanz, die von Lichtgrün gefärbt ist. Wahrscheinlich ist es der-
selbe Stoff, der sich an den Pollenkörnern niedergeschlagen hat,
besonders am Boden der Gruben in der Exine.
In einem etwas späteren Stadium sah ich einige Auswüchse
der Tapetenzellen schon bis ins Zentrum vordringen. Wenn dies
Hineinwachsen der Tapetenzellen seinen Höhepunkt erreicht hat,
sind schon fibröse Verdickungen sowohl im Hypoderm als in den
ein bis zwei folgenden Schichten vorhanden (Fig. 13). Das Plasma
der Tapetenzellen füllt jetzt die engen Zwdschenräume zwischen
den Pollenkörnern vollständig aus. Eine totale Verschmelzung der
Tapetenzellen dürfte jedoch nicht erreicht werden, denn an mehreren
Stellen in diesen Präparaten sah ich die sich begegnenden Schläuche
der Tapetenzellen deutlich voneinander gescliieden. Die Kerne
scheinen jetzt schon mehr oder weniger desorganisiert zu sein,
und auch das Plasma zeigt eine gröbere Struktur, die einen be-
ginneiiden Zerfall andeutet. In einem benachbarten Fache der-
selben Anthere ist das Plasma schon zum größten Teil zu grob-
Untersuchungen über die Auflösung der Tapetenzellen usw. 353
körnigen Massen zerfallen. Die ausgefällte Substanz liegt in diesen
Antlieren fast nur als grobkörnige ScMcht am Boden der Gruben
in der Exine.
Strasburgers Angabe (1889, S. 76) über diese Art lautet
folgendermaßen: „Zwar geben hier die Tapetenzellen erst relativ
spät ihre ganze Selbständigkeit auf, doch kann man konstatieren,
daß frühzeitig schon aus denselben C^'toplasma zwischen die jungen
Pollenkörner eindringt.'" Wahrscheinlich meint er hiermit die hin-
einragenden Ausstülpungen der Tapetenzellen.
Thunbergia alata Boj.
Das jüngste untersuchte Stadium zeigt in einigen Antheren
Tetraden, in anderen eben freigewordene Pollenzellen. Der An-
therenraum enthält schon eine mehr oder weniger deutlich netz-
förmige, von Lichtgrün gefärbte Substanz, welche da reichlicher
auftritt, wo die Tetradenwandungen aufgelöst sind, und welche
wahrscheinlich von diesen stammt. Die Tapetenzellen sind zum
größten Teil schon ziemlich flach; etwas radial verlängert sind sie
aber an der Stelle, wo die Scheidewand eine plazentaähnliche
Wucherung in den Antherenraum sendet. Sie sind überall von
färbbarem Plasma dicht gefüllt.
In Antheren mit zweizeiligen, al)er noch inhaltsarmen Pollen-
körnern erscheinen die Tapetenzellen etwas zusammengedrückt.
Ihr Inhalt ist weniger tlicht.
Wenn die Pollenkörner sich mit Reservestoffen angefüllt haben
und zu reifen beginnen, verlieren die Tapetenzellen allmählich ihren
ganzen Inhalt, nur die Kerne bleiben lange erhalten. Die im
Antherenraum ausgefällte Substanz verschwindet allmählich. So-
bald die Scheidewand der Theka resorbiert worden ist, sind von
den Tapeten nur hier und da Zellwandreste zu finden.
Strasburger scheint eine Periplasmodiumbildung bei Thun-
bergia anzunehmen, er sagt nämlich (1882, S. 105): „Die Tapeten-
zellen von Thunbergia alata zeigen vor Aufgabe ihrer Gestalt
schöne Kernfragmentationen.'' Meine Beobachtungen geben aber
keinen Anhalt für diese Ansicht.
Galimn cruciata L. (Fig. 14, Taf. Vj.
Im Stadium der Tetraden sind die Tapetenzellen schon ziem-
lich groß, isodiametrisch, und enthalten eine oder zwei größere
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI. 23
354 H. 0. Juel,
Vakuolen. Nach der AiiflösiiDg der Tetraden tritt im Antheren-
raum eine fädige, von Lichtgrün gefärbte Substanz auf.
Sobald die Pollenkörner ausgewachsen sind, verändert sich
das Aussehen der Tapetenschicht. Ilire Zellen sind sehr reich an
stark färbbarem Plasma, dies ist jedoch nur in der inneren (an
den Antherenraum grenzenden) Hälfte der Zelle gesammelt, die
äußere Hälfte wird von einer großen Vakuole eingenommen (Fig. 14).
Die Zellwände sind wahrscheinlich zum großen Teil aufgelöst, und
die Zellen sind häufig seitlich voneinander isoliert. Das Plasma
der Tapetenzellen wölbt sich nach innen hervor und entsendet
hierbei zwischen die Polionkörner und in den Antherenraum Vor-
sprünge von sehr wechselnder Gestalt. Diese erinnern an die
Pseudopodien der Mj'xomycetenplasmodien. Zuweilen sieht man
sie in einen dünnen Faden auslaufen, der am Ende zu einem
kleinen Tropfen anschwillt. Die ausgefällte Substanz im Antheren-
raum ist jetzt sehr spärlich geworden.
Obgleich das eben beschriebene Entwicklungsstadium ganz so
aussieht, als ob Vorbereitungen zur Bildung eines Periplasmodiums
getroffen würden, so wird doch kein solches gebildet. Die Tapeten-
zellen sinken nach dieser Phase wieder zusammen. In einem nur
wenig älteren Stadium, wo die Verdickungsleisten der fibrösen
Zellen kaum deutlich sind, bildet die Tapete eine sehr dünne
Schicht von stark abgeflachten Zellen mit stark reduziertem Inhalt.
Ihre freie Innenfläche scheint auch jetzt von keiner Zellwand be-
kleidet zu sein. Im Antherenraum tritt wieder eine ausgefällte,
mit Lichtgrün sich färbende Suljstanz auf.
Ehe noch die Pollenkörner zweizeilig geworden sind, ist die
ganze Tapetenschicht gänzlich verschwunden. Auch die ausgefällte
Substanz ist dann resorbiert.
"Was dies eigentümliche Verhalten der Tapete bei Oalium be-
deutet, ist schwierig zu beurteilen. Es hat ja den Anschein, als
ob ein Teil vom Plasma der Tapetenzellen in der Form von
Pseudopodien oder Tröpfchen in den Antherenraum ausgegossen
würde. Ich wage jedoch nicht zu behaupten, daß es sich so verhält.
Lonicera caerulea L. (Fig. 15 u. 16, Taf. V.)
Sobald die Tetraden gebildet sind, erscheint die Tapete als
eine ebene und kontinuierliche Zellschicht aus ziemlich großen und
inhaltreichen Zellen.
Untersuchuugen über die Auflösung der Tapetenzellen usw. 355
Bald nachher, während der Tetradeuauflösiing-, beginnen die
Vorbereitungen zur Periplasmodiumbildung. Die Tapetenzellen, die
jetzt einen noch dichteren Inhalt führen, haben ihre Zellwände
aufgelöst, so daß sie in den Präparaten leicht auseinanderfallen.
Sie wölben sich nach innen hervor und senden hier und da schnabel-
förmig:e Fortsätze zwischen die Pollenkörner hinein (Fig*. 15),
Antheren mit großen, noch einzelligen Pollenkörnern enthalten
schön ausgebildete Periplasmodien mit überall eingestreuten Kernen.
In einigen, die offenbar jüngere Stadien darstellen, sind im Zentrum
Grenzen zwischen den einzelnen Zellen zu sehen, in anderen ist
aber die Verschmelzung vollständig (Fig. 16).
Wenn die Polleakörner zweizeilig geworden sind und Ver-
dickungsleisteu in den fibrösen Zellen aufzutreten anfangen, sind
vom Plasmodium nur Fetzen zwischen den Pollenkörnern zurück-
geblieben.
Sanibucus ebiihis L.
Mein Material von dieser Art ist unvollständig. In einem
Stadium mit ausgewachsenen, aber inhaltarmen Pollenkörnern bildet
die Tapete noch eine ebene und kontinuierliche Schicht von nur
wenig abgeflachten, plasmareichen Zellen. In etwas älteren An-
theren mit fibrösen Verdickungen der Wand ist die Form der
Tapetenzellen kaum verändert, ihr Zellinhalt ist aber weit spär-
licher geworden. Nichts deutet darauf, daß hier ein Periplasmodium
gebildet werden sollte.
Vihiirnum lantana L.
Von dieser Art habe ich nur ältere Antheren mit fast reifen
Pollenkörnern und mit Verdickungsleisten in der fibrösen Zell-
schicht untersucht. In einigen sind die Tapetenzellen noch voll-
kommen erhalten, sie sind aber ziemlich flach und enthalten fast
kein Plasma. In anderen sind sie ganz zusammengedrückt und
bilden eine dünne Haut, in welcher hier und da die schwarzen
Kernreste eingeschlossen liegen. Also kein Periplasmodium.
Valeriana officinalis L. (Fig. 17 — 19, Taf. V.)
In jungen Antheren mit ungeteilten PoUenmutterzellen bildet
die Tapete eine ziemlich ebene Schicht von fest zusammengefügten
Zellen mit wenig dichtem und nicht besonders stark färbbarem
Plasma.
23*
356 H. 0. Juel,
Im Tetradenstadium sind die Tapeteuzellen etwas gTößer ge-
worden, sie wölben sich häufig- nach innen hervor und haben sich
zum Teil voneinander isoliert. Ihr Plasma enthält viele Vakuolen
und erscheint noch heller als vorher (Fig. 17).
In Anthereu mit ziemlich kleinen Pollenkörnern wird die
Periplasmodiumbildung eingeleitet. Die Tapetenzellen senden jetzt
Fortsätze aus, die sich zwischen die Pollenkörner hineinzwängen,
sich dabei häufig verzweigen und recht wechselnde Gestalten an-
nehmen können. Das Plasma dieser Fortsätze ist dicht und ho-
mogen. Ein Teil der Zellkerne tritt in sie herein (Fig. 18).
In einem nur wenig späteren Stadium scheint das Peri-
plasmodium schon fertig gebildet zu sein. Jedoch sind die Zwischen-
räume zwischen den Pollenkörnern in diesen Antheren noch so eng,
daß es schwierig ist, festzustellen, ol) die Grenzen zwischen den
Zellen überall schon verwischt sind. Die Kerne sind sehr zahl-
reich und gleichmäßig verteilt,
Wenn die Pollenkörner zweizeilig geworden, noch aber recht
arm au Inhalt sind, und die fibröse Zellschicht aus ziemlich großen,
jedoch dünnwandigen Zellen l)esteht, erscheint das Periplasmodium
in seiner schönsten Entfaltung. Der Raum im Pollensack hat jetzt
zugenommen, so daß die Pollenkörner nicht mehr so gedrängt
liegen, und man sieht nunmehr deutlich, daß eine ununterbrochene
Plasmamasse den ganzen Raum ausfüllt (Fig. 19). Die Kerne sind
unverändert.
In einem Stadium, wo Verdickungsleisten in der fibrösen
Schicht auftreten, die Pollenköruer aber noch wenig Inhalt führen,
ist das Periplasmodium schon in Rückbildung begriffen. Sein
Plasma ist spärlich und zeigt Lücken, die Kerne bilden meist
schwarze Klumpen. Sobald sich die Pollenzellen mit Reserve-
stoffen angefüllt haben, ist vom ganzen Periplasmodium nichts mehr
zu sehen.
Knautia süvatica (L.) Dub. (Fig. 20, Taf. Y.)
Wenn die Pollensäcke Tetraden enthalten, sind die Tapeten-
zellen schon ziemlich groß, isodiametrisch, ziemlich reich an Zell-
inhalt, aber mit einer großen Vakuole in der Mitte.
Sobald die Pollenkörner nur halb erwachsen sind, liegen auf
dem Querschnitt ihrer vier bis sechs in einem engen Kreis ge-
ordnet; Die Tapetenzellen verlängern sich zentripetal und füllen
radspeiclienförmig die Lücken zwischen den Pollenkörnern aus.
Untersuclumgen über die Auflösung der Tapeteiizellen usw. 357
Ihre Spitzen begegnen sich im Zentrum, sie verschmelzen aber
nicht, obgleich die Zellwände wahrscheinlich aufgelöst sind.
Bei ausgewachsenen Pollenkörnern ist jene rad förmige An-
ordnung im Pollensack nicht mehr erhalten. Ein gleichförmiges
Plasma mit eingestreuten Kernen scheint den Raum zwischen den
Pollenkörnern auszufüllen. Jedoch sind Grenzlinien hier und da
zu sehen, welche offenbar die Bezirke der einzelnen Zellen angeben
(Fig. 20).
In späteren Stadien mit von Reservestoffen gefüllten Pollen-
körnern ist das Periplasmodium mehr heterogen geworden, an
einigen Stellen liegen Anhäufungen von dichtem Plasma, zwischen
diesen treten größere Lücken auf. Die Grenzlinien im Plasma
sind noch nicht vermscht. Von den Kernen findet man nur un-
deutliche Reste.
"Wegen der im Plasma sichtbaren Grenzlinien ist das Peri-
plasmodium bei Knautia kein ganz typisches, steht aber einem
solchen sehr nahe.
Daß die Tapetenzellen zwischen die Pollenkörner einwandern,
wird von Strasburger für Scabiosa caucasica (1882, S. 101) an-
gegeben, bei Cephalaria tatarica (1889, S. 69) spricht er sogar von
einem Plasmodium.
Cuciirbita pepo L. (Fig. 22 u. 23, Taf. Y.)
Die Wandkomplexe der Pollenmutterzelleu und Tetraden sind
sehr dick, scheinen aber aus einer ziemlich schleimigen Substanz
zu bestehen, welche den Raum bis zur Tapete ganz ausfüllt, und
an der Peripherie oft vakuolig-netzartig erscheint. Die Tapete
bildet keine ganz ebene Schicht, an der Mitte der radialen Wände
sind ihre Zellen höher, sonst sind sie klein und niedrig. Sie sind
noch nicht sehr reich an Inhalt.
Wenn die Antheren größer geworden sind und ziemlich große,
noch glatte Pollenkörner enthalten, ist die Tapetenschicht nicht
dicker geworden, ihr ZelUnhalt hat aber zugenommen und ist
dunkler gefärbt. Zwischen den Pollenkörnern liegt eine geringe
Menge einer von Lichtgrün gefärbten Substanz, die ein unregel-
mäßiges Netz- oder Wabenwerk bildet. Außerdem finde ich in
diesen Präparaten kleine von Hämatoxj^Hn gefärbte Körner im
Antherenraum. Diese scheinen aus den Tapetenzelleu am äußeren
Rande des Pollensacks zu stammen, denn hier scheint die Tapete
beschädigt worden zu sein (Fig. 22).
358 H. 0. Juel,
Während der folgenden Ent\\'icklung werden die Tapetenzellen
allmälilicli ärmer an Inhalt. Die im Antherenraum ausgefällte
Substanz bekommt eine gröbere Struktur.
Sobald die Pollenkörner mit Reservestoffen angefüllt sind,
haben die Tapetenzellen ein wenig an Größe zugenommen, sie sind
im allgemeinen gar nicht zusammengedrückt, haben wohl erhaltene,
von Lichtginin kräftig gefärbte Zellwände, wohl erhaltene Kerne,
sonst aber fast keinen Inhalt. Die ausgefällte Substanz erscheint
jetzt als ein großzelliges Wabenwerk, dessen Hohlräume von den
Pollenkörnern ausgefüllt werden. Die Wände dieser Hohlräume
bilden ziemhch dünne Häutcheu einer homogenen, von Lichtgrün
stark gefärbten Substanz, an den Knotenpunkten zeigt diese Sub-
stanz eine netzartig-blasige Struktur (Fig. 23).
Cucumis sativus zeigt im allgemeinen dieselben Verhältnisse.
In ganz reifen Antheren dieser Art sind die Tapetenzellen zu
einem Häutcheu zusammengesunken, in welchem Kernreste noch
zu erkennen sind. Die ausgefällte Substanz ist dann verschwunden.
Nach Strasburger sollen bei C. verrucosa (1882, S. 102) und
C. pepo (1889, S. 72) die Tapetenzellen zwischen die Pollenkörner
einwandern, er muß sich aber hierin geirrt haben.
Campanula rotundifolia L. (Fig. 21, Taf. V.)
Wenn die Kerne der Pollenmutterzellen sich in der Prophase
befinden, enthalten die Tapetenzellen ein ziemlich dunkel gefärbtes
Plasma, das den äußeren Teil der Zelle einnimmt, während der
dem Antherenraum zugewendete Teil eine große Vakuole enthält.
In Antheren mit sehr jungen und dünnwandigen Pollenkörnern
sind die Tapetenzellen kaum verändert. Von einer ausgefällten
Substanz ist dann im Pollensack kaum etwas zu bemerken.
Sobald die Pollenkörner zweizelhg geworden sind, ist der In-
halt der Tapetenzellen spärlicher. Die engen Lücken und Spalten
zwischen den Pollenkörnern werden jetzt von einer sehr homogenen,
von Lichtgrün gefärbten Substanz ausgefüllt. Wo im Präparate
die Pollenkörner weggefallen sind, bleibt daher ein ziemlich regel-
mäßiges, zierliches Wabenwerk zurück (Fig. 21).
Etwas später, wenn die Pollenkörner mit Reservestoffen ge-
füllt sind, und die fibröse Schicht ihre Wandverdickungen be-
kommen hat, scheint die ausgefällte Substanz deutlich abgenommen
zu haben. Die Tapetenzelleu sind dann ziemlich gut erhalten, al)er
Untersuchungen über die Auflösung der Tapetenzellen usw. 359
ziemlich flachg'edrückt. lu noch älteren Antheren ist sowohl die
Tapete als die ausgefällte Substanz verschwunden. Wie die schließ-
liche Auflösung der Tapetenzellen vor sich geht, habe ich also
nicht beobachtet, ein Periplasmodium wird aber jedenfalls nicht
gebildet.
Acicarpha trihuloides Juss.
Während der Tetradenteilung sind die Tapetenzellen ungefähr
isodiametrisch und von einem mäßig dichten Plasma gleichmäßig
gefüllt. Wenn die Pollenkörner frei geworden sind, erscheinen die
Tapetenzellen flacher, ihr Plasma dichter und dunkler. Später
verlieren sie allmählich ihren Inhalt und werden zusammengedrückt,
die Zellwände bleiben lange erhalten. Erst wenn die Antheren
sich zu öffnen anfangen, verschwindet die Tapete ganz.
Doronicum grandiflorum Lam. (Fig. 24 — 27, Taf. V.)
Das jüngste untersuchte Entwickluugsstadium enthält Pollen-
körner, die einzellig, aber schon mit Stacheln versehen sind. Die
Tapete bildet kaum mehr eine kontinuierliche Schicht, ihre Zellen
berühren einander auf dem Querschnitt fast nur an ihrer Basis. An
ihrer freien Innenfläche scheinen sie nackt zu sein und zeigen hier
sehr wechselnde Konturen. Einige wölben sich einfach nach innen
hervor, andere zeigen hier eigentümliche Fortsätze, die ihnen ein
gezähneltes Aussehen verleihen (Fig. 24). Zum Teil wenigstens
dürfte die Berührung mit der stacheligen Oberfläche der Pollen-
körner diese Zähnelung verursacht haben.
In etwas älteren Antheren sieht man auf dem Querschnitte
einige Tapetenzellen sich zu schlauchförmigen Fortsätzen ver-
längern, die zwischen den Pollenkörnern gegen das Zentrum hinein-
wachsen (Fig. 25). Aus einem Längsschnitt ersieht man, daß diese
Auswüchse an den ziemlich langen Tapetenzellen nur lokal hervor-
sprossen (Fig. 26). Ihr Auftreten ist natürlich von den Lücken
zwischen den Pollenkörnern bedingt. Diese Auswüchse enthalten
ziemlich viel Plasma und auch Kerne. Sie sind wahrscheinlich
nicht von Zellwänden bekleidet.
In Antheren, deren fibröse Schicht schon Andeutungen von
Wandverdickungen zeigt, sind die Tapetenzellen der Form nach
kaum verändert, sie haben aber fast ihren ganzen Zellinhalt, bis
auf die Kerne, verloren (Fig. 27). Sie sind noch voneinander
360 H. 0. Juel,
Überall getrennt und scheinen keine ZelhA'ände zu haben, denn
ihre Grenzscliichten werden von Lichtgrün nicht gefärbt. Dies
Stadium bezeichnet schon den Anfang der Desorganisation, denn
in benachbarten Blüten, wo die Antheren sonst nicht weiter ent-
wickelt sind, findet man nur undeutliche Reste der ganzen Tapete.
Da also die TapetenzeUen ihre Selbständigkeit nie aufgeben,
kann der Ausdruck Periplasmodium liier nicht ange])racht sein.
Die Ähnlichkeit mit einem solchen ist jedoch groß, und ich wurde
anfangs selbst davon getäuscht.
Strasburger nimmt an, daß bei Senecio vulgaris (1882, S. 105,
1889, S. 50) die Tapetenzellen ihre Selbständigkeit aufgeben.
Merrell (1900, S. 112) hat einige Silphium-XxiQM untersucht und
beschreibt mit folgenden Worten die Auflösung der Tapete: „While
these changes have been taking place the tapetum and middle
layer have been disorganizing. In this wav a plasma is formed
which gradually distributes itself among the pollen grains. The
nuclei of the disorganized cells are ^isible for quite a long time."
Ich habe selbst einige Präparate von Silphium perfoliatum ge-
macht und konnte konstatieren, daß die Tapete sich ungefähr so
wie bei Doronicion verhält. An einem Stadium, das dem in Fig. 25
dargestellten entspricht, sind die Grenzen zwischen den Tapeten-
zellen mit ihren Vorsprüngen deutlich zu sehen. Ich halte es nicht
für wahrscheinlich, daß in einem späteren Stadium eine Ver-
schmelzung stattfindet.
Zusammenfassung der Resultate.
Die Vorgänge, die sich bei der Auflösung der Tapetenschicht
in den Pollensäcken der Angiospermen abspielen, können ziemlich
verschiedenartig sein. Als extreme Fälle können betrachtet werden:
einerseits die Periplasmodiumbildung, andererseits die Entleerung
der Tapetenzellen ohne vorhergehende Wandauflösung oder Gestalt-
veränderung. Zwischen diesen Extremen gibt es aber einige
Zwischenstufen.
Ein Periplasmodium wird gebildet l)ei: Änthurium, Lavatera,
Cohaea, Lonicera, Valeriana und Knautia. Bei der letzteren
Gattung ist es vielleicht nicht ganz tA-pisch, weil die Grenzlinien
zwischen den einzelnen Zellen nie gänzlich verwischt zu werden
scheinen. Bei Cohaea dürfte eine totale Verschmelzung nie erreicht
werden. Die Vorgänge, welche die Periplasmodiumbildung vor-
rntersuchunjren über die Auflösung der Tapetenzellen usw. 3ß\
bereiten, sind im allgemeinen die folgenden: die Zellwände der
Tapetenzellen werden aufgelöst, und die Zellen isolieren sich seit-
lich voneinander, sie wachsen dann in der Gestalt von verschieden
geformten Schläuchen zwischen die Pollenkörner in den Pollen-
sackraum hinein, und erst wenn sie sich in der Mitte begegnet sind,
tritt die Verschmelzung zu einem Plasmodium ein. Bei Lavatera
konzentriert sich das Plasma um die einzelnen Pollenkörner, da-
zwischen treten Lücken im Periplasmodium auf, bei den übrigen
füllt das Plasmodium den ganzen Raum aus.
Bei Doronicum verhalten sich die Tapetenzellen ganz so, als
wenn ein Periplasmodium gebildet werden sollte, die Tapetenzellen
behalten aber bis zum Ende ilire volle Selbständigkeit.
Galium zeigt auch anscheinend Vorbereitungen zur Peri-
plasmodiumbildung. Nach erfolgter Wandauflösung treiben die
Tapetenzellen pseudopotheuähuliche Fortsätze z\\ischen die PoUen-
körner hinein. Ob sie in dieser Weise einen Teil ihres Plasmas
abstoßen, konnte nicht ermittelt werden. Der Prozeß wird dann
rückgängig gemacht, die Tapetenzellen sinken zusammen und
werden in gewöhnlicher Weise entleert.
Bei Ardbis bleiben die Tapetenzellen lange unverändert. Erst
in einem sehr späten Stadium werden die Zellwände aufgelöst, und
die Plasmen fließen zu einem den Pollensackraum ausfüllenden
Plasmakörper zusammen, in welchem aber die Kerne schon des-
organisiert sind.
Auch bei Linuni findet in einem sehr späten Stadium eine
Wandauflösung der Tapetenzellen statt, die Desorganisation des
Zellinhaltes tritt aber dabei sofort ein, so daß kein Plasmodium
gebildet wird.
Daß die Tapetenzellen ohne vorhergehende Gestaltsverände-
rung oder Wandauflösung ihren Inhalt entleeren, wurde bei folgen-
den Gattungen konstatiert: HyacintJius, Galtonia, Iris, Ulmus,
Tilia, Aesculus, Gaura (wahrscheinlich Passiflora), Anthriscus,
Syringa, Spigelia, Polemonium, Thunbergia, Samhucus, Vihurnum,
Campanula, Cucurbita, Acicarplia.
In den Pollensäcken treten oft zwischen den Pollenkörnern
geformte Substanzen auf, öfters von netz- oder wabenförmiger Struk-
tur. Nach ihrem Verhalten gegen Färbemittel zu schließen, sind sie
nicht plasmatischer Natur, sondern eher mit den Zellwandstoffen
verwandt. Wahrscheinlich waren sie in der lebenden Pflanze in
gelöster Form da und sind bei der Fixierung ausgefällt worden.
362 H. 0. Juel,
Jedoch werden sie oft bei verschiedenen Entwicklung'sstadieu in
verscliiedenen Formen ausgefällt. Zum Teil dürften solche Sub-
stanzen aus den aufgelösten Zellwandkomplexen der Tetraden
stammen. Da sie jedoch oft in späteren Stadien in gesteigerter
Menge auftreten, muß auch eine Sekretion aus der Tapetenschicht
angenommen werden.
Bei Cucurbita und Campanula stellt in späteren Entwicklungs-
stadien die ausgefällte Substanz ein großzelliges Wabenwerk dar,
dessen Maschen von den Polleukörnern ausgefüllt werden.
Es ist wahrscheinlich, daß gewisse natürliche Abteilungen
der Angiospermen sich durch Periplasmodiumbildung in den Pollen-
säcken auszeichnen. Ein Beispiel davon liefern die Rubiales, denn
Repräsentanten von vier Familien dieser Ordnung, Rubiaceae,
Caprifoliaceae, Valerianaceae und Dipsacaceae, haben Periplas-
modien oder zeigen Veränderungen in der Tapete, die daran er-
innern.
Andererseits ist es auffallend, daß in mehreren Fällen mehr
oder weniger nahe verwandte Typen ein entgegengesetztes Ver-
halten der Tapetenzellen zeigen. Als Beispiele hiervon können die
Polemoniaceen (Cohaea, Polemonium) und Caprifoliaceen (Lonicera,
Vihurnum) hervorgehoben werden.
Botanisches Institut der Universität Upsala,
September 1914.
Literatur.
Coulter und Chamberlain, Morpliolog;y of Angiosperms. New York 1903.
Duggar, Studies in the development of tlie.pollen grain in Symplocatyus foetidus and
Peltandra undulata. Botan. Gazette, Bd. 29, 1900.
Hannig, über die Bedeutung der Periplasmodien. III. Kritische Untersuchungen über
das Vorkommen und die Bedeutung von Tapeten und Periplasmodien. Flora,
Bd. 102, 1911.
Holmgren, Zur Entwicklungsgeschichte von Butomus umbellatus L. Svensk Botan.
Tidskr., Bd. 7, Stockholm 1913.
Merrell, A contribution to the life history of Silphium. Botan. Gazette, Bd. 29, 1900.
Murbeck, Über die Embryologie von Rupina rostellata. Svenska Vet.-Akad. Handl.,
Bd. 36. Stockholm 1902.
Strasburger, Über den Bau und das Wachstum der Zellhäute. Jena 1882.
— Histologische Beiträge. II. Über das Wachstum vegetabilischer Zellhäute. .Jena 1889.
Untersuchungen über die Auflösuna: der Tapetenzellen usw. 363
Figuren -Erklärung.
Sämtliche Bilder sind Mikrophotogramme nach Mikrotomschnitten. Die Bilder sind
bei den unten angegebenen Vergrößerungen aufgenommen, in der Reproduktion aber um
Yjq verkleinert worden.
Tafel lY.
Fig. 1. Anthurium cristallinum. Periplasmodium im Polleuscak. 400 : 1.
Fig. 2. Hyacinthus amethystinus. Junges Stadium mit inhaltreicher Tapete, fein
netzförmiger Substanz zwischen den Pollenkörnern. 300 : 1.
Fig. 3. Hyacinthus amethystinus. Älteres Stadium, Tapete fast entleert, aus-
gefällte Substanz von grober Struktur. 300 : 1.
Fig. 4. Arabis alpina. Spätes Entwicklungsstadium, das Tapetenplasma ist her-
ausgeflossen und umhüllt die Pollenkörner. 400 : 1.
Fig. 5. Ulmus montana. .Tunges Stadium. Tapetenzellen reich an Inhalt. 300 : 1.
Fig. 6. Ulmus montana. Spätes Stadium. Tapetenzellen fast leer. 300 : 1.
Fig. 7. Linum austriacum. Jüngeres Stadium, Tapetenzellen ziemlich gut er-
halten. 300 : 1 .
Fig. 8. Liimm austriacum. Älteres Stadium, Inhalt der Tapetenzellen zum Teil
in den Pollensackraum herausgeflossen. 300 : 1.
Fig. 9. Lavatera trimestiis. Früheres Stadium, Tapetenzellen seitlich voneinander
isoliert. 300 : 1.
Fig. 10. Lavatera trimesiris. Älteres Stadium, die Tapetenzellen beginnen
zwischen die Pollenköruer hineinzuwachsen. 200 : 1.
Fig. 11. Lavatera trimestris. Fertiges Periplasmodium. 120 : 1.
Fig. 12. Cobaea scandens. Die Tapetenzellen wachsen zwischen die Polleukörner
hinein. 140 : 1.
Fig. 13. Cobaea scandens- Tapetenzellen überall zwischen die Pollenzellen her-
vorgedrungen, wahrscheinlich ein Periplasmodium bildend. 140 : 1.
Tafel V.
Fig. 14. Galiu7n cniciata. Die Tapetenzellen senden pseudopodienähnliche Vor-
sprünge zwischen die Polleukörner hinein. 400 : 1.
Fig. 15. Lonicera caerulea. Zerfallene Tetraden, die Tapetenzellen haben ihre
Wände aufgelöst und zeigen Gestaltveränderungen. 400 : 1.
Fig. 16. Lonicera caerulea. Fertiges Periplasmodium. 400 : 1.
Fig. 17. Valeriana officinalis. Tetradenstadiuni, die Tapetenzellen beginnen sich
voneinander zu isolieren und sich hervorzuwölben. 400 : 1.
Fig. 18. Valeriana officinalis. Späteres Stadium, die Tapetenzellen wachsen als
verzweigte Schläuche zwischen die Pollenkörner hinein. 600 : 1.
Fig. 19. Valeriana officinalis. Fertiges Periplasmodium. 400 : 1.
Fig. 20. Knautia sylvatica. Periplasmodium, in welchem jedoch Grenzen zwischen
den einzelnen Zellen sichtbar sind. 300 : 1.
Fig. 21. Cami)anula rotundifolia. Eine im Pollensackraum ausgefällte homogene
Substanz bildet ein Wabenwerk, deren Maschen die Pollenkörner ausfüllen. 250 : 1.
Fig. 22. Cucurbita pepo. Sehr junge PoUenkörner , Tapetenzellen inhaltreich,
ausgefällte Substanz fein netzförmig, außerdem kleine Kugeln im äußeren Teil, wo die
Tapete wahrscheinlich beschädigt worden ist. 200 : 1.
364 H. 0. Juel, Untersuchungen über die Auflösung der Tapetenzellen usw.
Fig. 23. Cucurbita pepo. Ziemlich reife Polleukörner, Tapetenzellen leer, die
ausgefällte Substanz bildet ein großzelliges Wabenwerk, das die Pollenkömer einschließt.
120 : 1.
Fig. 24. Doronicum grandiflorum. Jüngeres Eutwicklungsstadium, Tapetenzellen
gezähnt, wahrscheinlich durch den Druck gegen die stacheligen Pollenkörner. 600 : 1.
Fig. 25. Doronicum grandifloi-um. Späteres Stadium, die Tapetenzellen wachsen
zwischen die Pollenkörner hinein. 400 : 1.
Fig. 26. Doronicum grandiflorum. Dasselbe in Längsschnitt. 400 : 1.
Fig. 27. Doroyticum grandiflo)-um. Noch älteres Stadium, Tapetenzellen fast ent-
leert, keine Verschmelzung hat stattgefunden. 400 : 1.
Die Verbreitung gewisser Lebermoose
der malaiischen Region.
Von
Douglas Houghton Campbell.
Die tropischen Länder des Ostens, besonders die Gebirgs-
gegenden der großen vulkanischen Inseln von Java, Sumatra und
den Philippinen sind außerordentlich reich an interessanten Leber-
moosen, und obwohl schon einige Sammlungen dieser Pflanzen
gemacht worden sind, so waren sie doch meist sehr unvollstän-
dig, und die Lebermoos-Flora mancher Distrikte ist so gut wie
unbekannt. Infolge der UnvoUständigkeit der Sammlungen be-
schränkt sich die Kenntnis mancher Arten nur auf eine einzige
Örtlichkeit oder auf weit voneinander getrennte Gegenden, z. B.
die Blyttia Levieri von Java, Samoa, Tahiti und Hawai. Es
ist klar, daß eine sorgfältigere Sammlung seitens der Botaniker,
die die Lebermoose kennen, den Umfang weniger bekannter Arten
bedeutend erweitern wird. Während zweier Besuche in der malai-
ischen Region hat der Verfasser sich bemüht, gewisse Lebermoose,
besonders der thallosen Formen zu sammeln, und einige Beobach-
tungen wurden gemacht bezüglich ihrer Verbreitung. Das Resultat
dieser Arbeit liegt hier im Auszug vor.
Bei der Angabe der Örtlichkeiteu, wo die verschiedenen Arten
bisher gesammelt worden sind, hat sich der Verfasser hauptsächlich
auf die Arbeiten von Schiffner und Stephani gestützt.
Im Frühling 1906 wurde ein dreimonatlicher Besuch auf Java
gemacht, und die Lebermoose wurden an mehreren Orten gesammelt,
besonders in der Nähe von Buitenzorg und auf der Bergstation
von Tjibodas an den Abhängen der großen vulkanischen Masse
vom Gedeh. Es ist fraglich, ob die Erde irgendwo eine reichere
Lebermoos-Flora hat, als dieser Bergabhang sie aufweist. Manche
366 Douglas Houghton Campbell,
neue Arten aus dieser Geg-eud sind beschrieben worden, und eine
bedeutende Zahl ist bis heute nur von hier aus bekannt.
Auf einer zweiten Reise nach Ostindien im Jahre 1912 — 13
wurde auch die malaiische Halbinsel, das nordöstliche Sumatra,
Sarawak auf Borneo und die Insel Luzon auf den Philippinen besucht.
Die Sammlung-en des Verfassers beschränkten sich im wesent-
lichen auf die thallosen Lebermoose und schlössen verhältnismäßig
nur wenige der viel zahlreicheren foliosen Arten ein.
Die Ricciaceen sind in dem malaiischen Distrikt nur schwach
vertreten; bis jetzt ist davon für die ganze Gegend nur ein halbes
Dutzend Arten verzeichnet. Dies ist nicht merkwürdig, da diese
Lebermoose sich am besten entwickeln in Ländern, wie wir sie
an den Strandgebieteu des Mittelmeeres und den Küstenstrichen
Kaliforniens finden, die eine ausgeprägte trockene Jahreszeit haben.
Von 6 Arten der Riccia, die von Stephani dem malaiischen
Distrikt zugeteilt werden, ist eine, E. canaliculata {^= R. fiuitans)
kosmopolitisch, und von den andern ist eine, R. amboiniana, von
Amboina und 3 Arten von -Java allein verzeichnet. Die größte
und hervorragendste der letzteren ist die R. Treuhiana Schiff., die
in den botanischen Gärten von Buitenzorg sehr gewöhnlich ist.
Eine Art, die zu dieser zu gehören scheint, fand ich in Djokja,
auf Java und ebenfalls in Kuchiiig, Sarawak (Borneo) und in Luzon
in der Nähe des Mt. Banajao. Eine zweite kleinere, noch nicht
festgestellte Art wurde gleichfalls in Kuching gesammelt.
Die Targioniaceen sind durch eine einzige Art der Targionia
vertreten; sie ist der weit verbreiteten T. hypophijlla sehr ähnlich,
wird aber von Schiffner unter dem Namen T. clioica als eine
neue Art beschrieben. Schiffner gibt für diese Pflanze nur eine
Station an, den Berg Gunung Guntur bei Garoet in Java. Lang^)
berichtet, daß er diese Art auch in Ceylon gefunden hat.
Die eigentümliche Gattung Cyathodium, die auch zu den
Targioniaceen gehört, ist durch ganz Malaisien weit verbreitet, es
bedarf aber noch weiteren Studiums, die Arten festzustellen. Die
hervorragendste ist die C. foetidissimum Schiff., die zuerst aus
Java von Schiffner beschrieben, von ihm aber auch in Sumatra
gefunden worden ist.
Stephani gibt auch einen Standort in Java an. Lang^)
1) Lang, W. H., On tlie Morphology of Cyathodium. Anuals of Botany,
Vol. 19, 1905.
Die Verbreitung gewisser Lebermoot^e der malaiischen Region. 367
bemerkt, daß er diese Art in Maxwells Hill bei Taiping-, in den
malaiischeu Bundesstaaten gefunden hat. Ich selbst habe diese
Pflanze dort nicht gefunden, habe sie aber auf mehreren Stationen
in Java gesammelt und in großer Zahl auch in Bandar Bahroe
(Deli, Sumatra) getroffen. Sie wurde gleichfalls auf Mt. Maquiling
bei Los Banos und an dem Fuß des Mt. Banajao auf den Philippinen
gesammelt. Ich glaube, sie ist auch an anderen Orten auf den
Phihppineu gesammelt worden und ist wahrscheinlich weit über
die Inseln verbreitet.
Eine zweite, viel kleinere Art findet sich in Java. Sie wird
von Stephani als C. aureo-nitens angesehen. Sie wurde von mir
sehr zahlreich in Djokja gefunden und wächst dort in den Spalten
auf der großen Pagode von Boro-Boedoer. Augenscheinlich die-
selben Arten wurden in den Batu-Höhlen, bei Kuala Lumpur, in
den malaiischen Staaten gefunden. Lang, der diese Pflanze an
demselben Ort gesammelt hat, nimmt an, daß sie identisch sei mit
der cubamscheu C. cavernarum. Dieselbe oder eine sehr ähnliche
Art ist sehr gewöhnlich bei Manila.
Die Gattung Marchantia ist durch mehrere Arten vertreten
und wird oft in großen Mengen getroffen. Einige Arten, z. B.
M. emarcjinata und M. geminata sind gewöhnlich und weit ver-
breitet, andere dagegen sind, wie es scheint, lokal. So ist
M. Cataractanim Schiff, bis jetzt nur an einem Ort, Tjiburrum,
einem Wasserfall auf Mt. Gedeh in Java, gesammelt worden, wo
ich diese Pflanze im Jahre 1906 fand.
Berichte über die gewöhnliche M. polymorpha liegen von ver-
schiedenen Stationen der östlichen Tropen vor, aber sie ist wahr-
scheinlich, in einigen Fällen wenigstens, mit anderen Arten ver-
wechselt worden. Schiffuer erklärt, daß er sie in Java nicht
hätte finden können, \newolil sie von jener Insel durch verschiedene
Sammler gemeldet wurde.
Ich sammelte in der Bergprovinz von Luzon, in der Höhe
von ungefähr 2500 m, eine sehr große Marchantia, die von Stephani
als M. polymorpha identifiziert wurde.
Yon den anderen Gattungen der Marchantia ceen wird von
Schiffner die kosmopolitische Rehoidia hemisphaerica aus Java
und Sumatra gemeldet, sie ist auch aus verschiedenen anderen
Orten in Asien bekannt. Fimhriaria ist in mehreren Arten in
Java und Sumatra vertreten und ist wahrscheinlich ziemlich all-
gemein durch den ganzen malaiischen Distrikt verbreitet.
368 Douglas Houghton Campbell,
Die Plagiochasma ist nach Stephani in einer einzigen Art,
der P. appendiculata, für Manila vertreten.
Von allen tropischen Marchantiaceen ist die Dumortiera die
am meisten charakteristische, sie -wird gewöhnlich in gToßen Mengen
in den feuchten Dschungeln der Bergtropen gefunden. Die größte
Art ist die D. trichocephala, die unter günstigen Bedingungen, wie
die von Tjibodas, eine riesenhafte Größe erreicht. Diese Art ist
sehr weit verbreitet, sie hat eine sehr große Ausdehnung durch
die Tropen der alten "^"elt und erstreckt sich bis nach Hawai.
Ein merkwürdiger Fall der Verbreitung dieser Art wurde auf
Mt. Mattang in Sarawak beobachtet. Während sie sich in einer eng
begi'enzten Zone bei einer Höhe von etwa 600 m außerordentlich
zahlreich und üppig vorfand, konnte außerhalb dieser Zone kein
Exemplar entdeckt werden. Die von dieser Pflanze bewohnte Zone
hörte plötzhch auf, so daß im Umkreis von 20 m einer von dem
Lebermoos völlig bewachsenen Bank nicht ein einziges Exemplar
gefunden werden konnte.
In den malaiischen Staaten ist die Pflanze selten. Ich fand
sie nur an zwei Orten: bei den Kalksteinliöhlen „Batu Caves" bei
Kuala Lumpur und an zwei Punkten auf Maxwells Hill bei Taiping.
Eine zweite Art, D. velutina Schiff., findet sich sehr zahlreich
bei Buitenzorg und an anderen Orten in den Niederungen von
Java, sowie im westlichen Sumatra.
Der Verfasser sammelte eine dritte, bisher noch nicht be-
schriebene Art in Sarawak, Borneo, in der Nähe einiger Kalkstein-
höhlen bei Bidi. Diese ist sehr viel schlanker als die anderen
Arten. Nur die männlichen Pflanzen wurden gefunden.
Wiesner eUa denudata (= W. Javanica Schiff.) ist eine interes-
sante monotj^pische Gattung, die zuerst als eine Dumortiera be-
schrieben w^urde. Während sie zweifellos dieser am nächsten
verwandt ist, unterscheidet sie sich darin, daß derThallus die Struk-
tur der typischen Marchantiaceen besitzt. Stephani hält die java-
nische Pflanze, von Schiffner beschrieben, für identisch mit einer
Pflanze des Himalayagebirges, die zuerst unter dem Namen Dumor-
tiera denudata beschrieben wurde. Die javanische Pflanze ist an
gewissen Orten auf Mt. Gedeh zahlreich, sie wurde von Schiffner
auch in Sumatra gesammelt. Stephani berichtet, daß sie auch
in Hawai und Japan vorkomme. Es ist höchst wahrscheinlich,
daß sie auch in einigen Teilen des dazwischen liegenden Gebietes
getroffen werden wird.
Die Verbreitung gewisser Lebermoose der malaiischen Region. 369
Jungermanniales,
Die große Mehrheit der Jungermanniales, die zu den foliosen
Formen gehören, sind „Acrogynae". In der Tat enthalten einige
der Genera unter den Acrogynae mehr Arten als alle thallosen
Lebermoose zusammen. Die einzige Gattung Plagiochüa enthält
nach Stephanis Aufzählung mehr als 700 Arten. Es wurde kein
Versuch gemacht, die Verbreitung dieser foliosen Formen zu studieren.
Unter den thallosen Jungermanniales (Anacrogynae) gibt es
eine Anzahl Arten, die bis jetzt nur von wenigen Orten verzeichnet
sind, und die den Verfasser besonders interessieren. Mehrere
Gattungen, besonders die Metzgeria und Aneura enthalten zahl-
reiche Arten, von denen einige eine sehr große Verbreitung haben.
Die Aneura ist besonders zahlreich in den Tropen und einige
der Arten haben sehr auffallende und sch(3ne Pflanzen. Die
A. maxima ist vielleicht die größte der Gattung. Der dicke,
fleischige Thallus hat zuweilen eine Breite von 15 mm. Diese Art
ist in den Gebirgswäldern von Java gewöhnlich, und Schiffner
erklärt, daß er sie auch im westlichen Sumatra gesammelt hat.
In den Taiping- Hügeln, in den malaiischen Staaten und auch in
Bandar Bahroe, in Delhi, Sumatra fand ich Pflanzen, die mir zu
derselben Art zu gehören scheinen. An dem zuletzt genannten
Ort entdeckte ich eine sehr große Art, die von Stephani A. gigantea
genannt wird.
Die Gattung Padomitrium, die zuweilen zu der Gattung Hy-
menophytum gerechnet wird, die aber wahrscheinlich der Typus
einer neuen Gattung ist, enthält 2 Arten, die P. phyllanthiis von
Neuseeland, Australien und Tasmanien und die P. Malaccense
Steph., die nach Stephani aus Siugapore, aber auch aus Neu-
Caledonien bekannt ist. Ich fand diese Pflanze außerordentlich
zahlreich auf mehreren Stationen in Sarawak, und sammelte sie
gleichfalls an einer Stelle in Luzon. Sie sieht der Pallavicinia so
sehr ähnlich, daß man vermutete, sie gehöre zu dieser Gattung,
bis man die Fruchtpflanzen gesehen hatte. Sie war dann sogleich
erkennbar an der Stellung der Fortpflanzungsorgane, die auf
ventralen Zweigen getragen werden, ganz ähnlich wie bei Metzgeria.
Die Pallavicinia (Blyttia) ist eine charakteristische Gattung
der Tropen, und eine Menge Arten kommen in der malaiischen
Region vor. Einige Arten, z. B. P. indic2i Schiff, sind weit ver-
breitet, während andere eine viel lokalere Verbreitung haben. Die
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI. 24
370 Douglas Houghton Campbell,
Abteilung Mitienia, die man vielleicht besser von der Pallavicinia
trennt, hat ungefähr ein halbes Dutzend Arten, die, ähnlich den
Blättern eines kleinen Farnkrauts, durch wiederholte Gabelung
der aufrecht stehenden Schößlinge charakterisiert sind. Von diesen
Typen ist vielleicht die P. Zollingeri aus dem Gebirgslaud von
Java und Sumatra die bekannteste. Diese Pflanze wächst sehr
üppig unweit der Höhen des Pangerango, auf Mt. Gedeh, wo sie
von dem .Verfasser im Jahre 1906 gesammelt wurde. In den
Philippinen wurde augenscheinlich dieselbe Pflanze an zwei Orten
gefunden, auf Mt. Banajao auf einer Höhe von ungefähr 2000 m
und in der Bergprovinz von Luzon. Die Exemplare von den
Philippinen waren etwas kleiner als die in Java gesammelten,
sonst aber erscheinen sie nicht verschieden von diesen.
P. Levieri ist eine nicht ungewöhnliche Art in Java und
Sumatra und ist auch verzeichnet von Tahiti und Hawai. Man
wird sie wahrscheinlich auf dem malaiischen Arcliipel weit ver-
breitet finden, doch ist sie nicht so leicht erkennbar wie einige
der anderen Arten.
Bei weitem die auffallendste Art von Pallavicinia ist die
P. radiculosa. Sie ist nicht nur die größte Art der Gattung,
sondern wächst auch in großen Mengen, so daß sie sehr leicht ins
Auge fällt. Schiffner gibt für sie nur eine Stelle an in Java,
in der Nähe einiger heißer Quellen — Ayer Panas — auf den
Abhängen des Pangerango, in einer Höhe von 2140 m. Ich sam-
melte diese Pflanze an diesem Ort in dem Jahre 1906 und 1913,
fand aber auch eine große Menge derselben Art unter ähn-
lichen Bedingungen wachsend, doch beinah auf dem Niveau des
Meeresspiegels bei Taiping, in den malaiischen Staaten. Der Höhen-
unterschied kann vielleicht dadurch erklärt werden, daß die heißen
Quellen auf dem Pangerango die niedere Temperatur der Atmo-
sphäre auf jener Höhe ausglichen. Die Pflanze ist auch von Borneo
und Tenasserim in der Bucht von Bengalen verzeichnet.
Die Gattung Symphyogyna ist für die malaiische Region weder
von Schiffuer noch von Stephani verzeichnet. Der Verfasser
hat in Java auf dem Gunung Goentoer, bei Garget, in einer Ritze
z\\dschen Lavablöcken dieses Vulkankegels ein Lebermoos gesammelt,
von dem man damals annahm, daß es eine Pallavicinia, wahrschein-
lich eine P. Levieri sei. Eine neuere Untersuchung dieses Materials
zeigt jedoch, daß es eine Symphyogyna ist, ob es aber eine be-
schriebene Art ist oder nicbt, ist noch nif^ht festgestellt.
Die Verbreitung gewisser Lebermoose der malaiischen Region. 371
Über die Verwandtschaft der Gattung Calycularia bestehen
noch einige Zweifel. Die Art C. radiculosa Steph. ist zuerst aus
Tjibodas, in Java, beschrieben. Diese Pflanze ist der Pellia nahe
gestellt worden, sie steht aber der MörTcia viel näher, mit der sie
nach Schiffner vereinigt werden sollte. Während Schiffner ihr
nur Java als Wohnort zuschreibt, erklärt Steph ani, daß sie auch
in Borneo und Samoa vorkomme. Ich fand sie in den malaiischen
Staaten (Selangor) auf einer Höhe von ungefähr 4000 Fuß und
gleichfalls auf den Taiping- Hügeln auf ungefähr gleicher Höhe.
In Bandar Bahroe, in Sumatra, kommt sie ebenfalls vor, oder mög-
licherweise eine andere verwandte Art, da die Exemplare etwas
größer und stärker verzweigt waren als die von Java. Sie wurde
auch auf den Philippinen gesammelt. Eine andere, viel größere,
doch bis jetzt noch nicht bestimmte Art, wahrscheinlich auch eine
Calycularia, fand sich sehr zahlreich in einer Höhe von ungefähr
2500 m in der Bergprovinz von Luzon.
Die Gattung Makinoa ist nur durch eine einzige japanische
Art, M. crispata, bekannt. Während der Verfasser auf den Philippinen
war, fand er auf Mt. Banajao eine große Menge Exemplare, die
anscheinend zu MaJcinoa gehörten. Sie wurden zur Feststellung
an Stephani gesandt, welcher erklärte, daß es eine neue Art von
Symphyogyna sei. Diese neue Art unterscheidet sich jedoch von
Symphyogyna in der Struktur des Thallus, indem sie kein Leit-
gewebe in der Mittelrippe hat. Keine Sporenkapseln wurden ent-
deckt, aber sowohl die männlichen wie die weiblichen Pflanzen
hatten Ähnlichkeit mit den Abbildungen von Makinoa bei Miyake.
Eine ähnliche, vielleicht identische Form wurde in der Bergprovinz
von Luzon in der Höhe von ungefähr 2000 m gefunden.
Eins der merkwürdigsten Lebermoose ist die Treubia insignis,
die zuerst von Goebel in Tjibodas, in Java, gesammelt wurde.
Diese prächtige Pflanze wurde später in Sumatra gefunden, und
dieselbe oder eine nahe verwandte Art wurde von Goebel in Neu-
seeland entdeckt. Sie ist auch aus Tahiti und Samoa bekannt.
Ich sammelte einige Exemplare auf Mt. Banajao in Luzon, aber
die Exemplare waren nicht fruchttragend. Sie waren etwas kleiner
als meine javanischen Exemplare, waren ihnen aber sonst ganz
ähnlich.
Ein anderes, sehr schönes und charakteristisches Lebermoos
ist die Colobryum Blumii, die an gewissen Orten bei Tjibodas wie
auch an anderen naheliegenden Stellen nicht ungewöhnlich ist.
24*
372 Douglas Houghton Campbell,
Schiffner fand sie im westlichen Sumatra, sie wurde auch in
Neu-Guinea gesammelt.
Unter den Inseln des malaiischen Archipels ist Java am reichsten
au Zahl und Mannigfaltigkeit der beschriebenen Arten der Leber-
moose. Das gilt besonders vom westlichen Teil der Insel. Die
Umgegend von Tjibodas, auf Mt. Gedeh, steht bisher an Reichtum
der Lebermoos-Flora unübertroffen da.
Sumatra hat, wie zu erwarten ist, viel mit Java gemein; viel-
leicht mrd es, wenn es einmal gründlich erforscht ist, eine gleiche
Fülle von Lebermoosen aufweisen.
Borneo, wenigstens die Teile von Sarawak, die der Verfasser
besucht hat, ist, verglichen mit Java, Sumatra und den Philippinen,
merklich ärmer an Lebermoosen, Die Philippinen haben viel ge-
mein mit Java und Sumatra und besitzen manche derselben Tj^pen.
Unter den von dem Verfasser besuchten Regionen waren die
malaiischen Bundesstaaten die ärmsten ; die Erd-Lebermoose waren
hier äußerst gering an Zahl. Sogar in den Taiping-Hügeln. wo
doch die Bedingungen für ein üppiges Wachstum dieser Pflanzen
günstig zu sein scheinen, zeigten sie sich viel weniger zahlreich
und mannigfaltig als auf den größeren Inseln des malaiischen
Archipels.
Bei dem Versuch, eine Erklärung zu finden für diese Spärlich-
keit in den malaiischen Staaten, erwies sich der Charakter des
Bodens als der wahrscheinlichste Grund. Die Gegend besteht großen-
teils aus Granit, und der verwitterte Granit bildet einen Boden, der
diesen Pflanzen nicht günstig zu sein scheint. Miss L. S. Gibbs,
die auf Mt. Kina-Balu, im britischen Nord-Borneo, Lebermoose ge-
sammelt hat, berichtet über eine ähnliche Spärlichkeit dieser Pflanzen
auf jenem Granitberg,
Es sind die Regionen vulkanischen Ursprungs, die den Erd-
Lebermoosen die günstigsten Lebensbedingungen zu bieten scheinen.
Wie bereits bemerkt, ist die Nachbarschaft von Tjibodas, in Java,
auf den Abhängen der großen vulkanischen Masse von Gedeh, er-
staunlich reich an Lebermoosen, und in allen feuchteren Teilen
dieser rein vulkanischen Insel sind viele Arten zahlreich vorhanden.
Sumatra, das hauptsächlich vulkanischen Ursprungs ist, und
Luzon auf den Philippinen, sind merklich fruchtbarer an Leber-
moosen als das nicht vulkanische Borneo und die malaiische Halb-
insel. Im Zusammenhang damit mag bemerkt werden, daß ver-
schiedene andere Regionen, in denen die Erd-Lebermoose besonders
Die Verbreitung gewisser Lebermoose der malaiischen Region. 373
reichlich auftreten, vulkanischen Ursprungs sind. Unter diesen
mögen genannt werden: Japan, Hawai, Samoa und Neuseeland.
Es bleibt noch zu untersuchen, ob dies mehr als ein bloßer
Zufall ist: doch ist es wohl denkbar, daß in dem reichen vulka-
nischen Boden gewisse Elemente vorhanden sind, die dem aus ver-
witterten Granitfelsen bestehenden Boden abgehen, und die den
Bedürfnissen der Lebermoose besonders entsprechen.
Stanford University.
April 1914.
Anatomisch -physiologische Studien an den
Blüten der Orchideengattungen Catasetum Rieh.
und Cycnoches Lindl.
Von
Hermann Ritter von Guttenberg.
Mit Tafel VI und VII und 6 Textfiguren.
Gelegentlich meiner üntersuchung-en über den Bau der An-
tennen bei einigen Catasetum- kvi^n^) hatte ich auch den anato-
mischen Bau des Stipes von Catasetum callosum Lindl, an einigen
Freihandschnitten studiert, darüber jedoch keine Angaben gemacht,
da das mir zur Verfügung stehende Material zu knapp war, um in
allen Punkten befriedigende Aufschlüsse zu gewähren. Die übrigen
damals von mir untersuchten Arten hatten ihre PoUinarien bereits
abgeschleudert, lebendes Material konnte ich mir überhaupt nicht
beschaffen. Da aber schon eine oberflächliche Betrachtung der
anatomischen Verhältnisse des Stipes erkennen ließ, daß hier recht
ungewöhnliche Verhältnisse vorliegen^), trachtete ich in den letzten
Jahren lebende Catasetum-WiüwzQYi zu erwerben, was mir durch
das gütige Entgegenkommen der Herren Geheimräte Prof. Dr.
G. Haberlandt und Prof. Dr. A. Engler auch gelang. Beiden
Herren danke ich auch an dieser Stelle wärmstens für ihre Unter-
stützung.
Die Ausschleuderung der PoUinarien ist nicht auf die Gattung
Catasetum lieschränkt, sondern findet sich auch bei den verwandten
Gattungen Cycnoches und Mormodes. Von letzterer konnte ich
1) Guttenberg, H. von, tJber den Bau der Antennen bei einigen Catasetum-
Arten. Sitzungsber. d. Kais. Akad. d. Wiss. in Wien, Mathem.-naturw. Klasse, Bd. CXVII,
Abt. I, März 1908.
2) Auch Jost hat in seinen Vorlesungen über Pflanzenphysiologie (zuerst in der
1. Aufl., S. 528) darauf aufmerksam gemacht.
Anatomiscli-physiologische Studien an den Blüten der Orcliideeugattungen usw. 375
bisher lebendes Blütenmaterial nicht bekommen, wohl aber konnte
ich Blütenstände von Cycnoches maculatum Lindl. durch mehrere
Jahre beobachten. Ergänzende Studien wurden ferner an Cycnoches
stelliferimi Lodd. und Cycnoches chlorochüon Lindl. angestellt. Von
Catasetum stand mir reichliches Blütenmaterial des Catasetum
fimbriatum Lindl. zur Verfügung-. Überdies konnte ich einen Blüten-
stand von Catasetum Trulla Lindl., zwei von Catasetum purum
Nees et Sinn, und einen von Catasetum luridum Lindl. untersuchen.
Es galt zunächst den anatomischen Bau des Stipes genau zu
studieren, zu welchem Zwecke Freihand- und Mikrotomschnitte in
der Längs- und Querrichtung dieses Organs angefertigt wurden.
Dann trachtete ich auf Grund des anatomischen Baues und mit
Hilfe verschiedener Experimente den Ursachen der elastischen
Spannung im Stipes und der bei der Reizung eintretenden Schleuder-
bewegung nachzugehen. Einen weiteren Gegenstand der Unter-
suchung bildete der bisher noch unbekannte feinere Bau der Kleb-
scheibe und die Natur des ausgeschiedenen Klebestoffes. Selbst-
verständlich versäumte ich es auch nicht, weitere Beobachtungen
über die Art der Reizbarkeit dieser Pflanzen anzustellen und
schließlich bedurfte noch das die Insekten anlockende Futtergewebe
bei der Gattung Cycnoches einer Untersuchung. Die Resultate
dieser Studien, die ich noch fortzusetzen gedenke, soUen im folgen-
den beschrieben werden.
A. Anatomischer Teil.
1 . Catasetum.
Bevor ich auf die anatomischen Verhältnisse näher eingehe,
will ich den Blütenbau von Catasetum fimbriatum Lindl. in Kürze
schildern. Die allgemeinen Bauverhältnisse der männlichen Cata-
setum-Blüte sind seit den grundlegenden Untersuchungen Darwins^)
ziemlich allgemein bekannt. Die Blüten von C. fimbriatum ähneln
im ganzen der von Darwin als „Myanthus barbatus" beschriebenen
Form, die nach den Untersuchungen Rolf es ^) mit der männlichen
1) Darwin, Ch., Die verschiedenen Einrichtungen, durch welche Orchideen von
Insekten befruchtet werden. Übers, von J. V. Carus, 2. Aufl., Stuttgart 1877, Kap. 7.
2) Kolfe, R. A., On the Sexual Forms of Catasetum with special reference to
the Researches of Darwin and others. Journal of the Linnean Society, Botany Vol. XXVII,
1891, p. 206—225, Plate VIII.
376
Hermann Ritter von Guttenberg,
Blüte von Catasetum harhatum Lindl. identisch ist. Die paarigen
Fetalen und das vor ihnen liegende Sepalum sind in der geöffneten
Blüte steil aufgerichtet, von grünlicher Grundfarbe und mit schwarz-
purpurnen Punkten reichlich bedeckt. Die
senkrecht nach abwärts stehenden restlichen
Kelchblätter sind von ähnlicher Form und
gleicher Färbung. Die Lippe ist wesent-
lich breiter als die von C. harhatum, bildet
eine tiefe Grube und trägt davor einen Höcker.
Der seitlich aufgerichtete, vorne herabge-
schlagene Rand ist in lauge, schmale Fran-
sen aufgelöst. Der mittlere Teil des Label-
lums ist gelblichgrün bis orangegelb, die
Ränder sind heller gefärbt, manchmal fast
weiß. Am Grunde der Lippe treten schwarz-
rote Flecken auf. Die gleichfalls rot punk-
'S tierte Säule trägt zwei lange symmetrische
Antennen^) und ist zu einer langen Spitze
ausgezogen, von welcher die Anthere mit
einem schnabelartigen Fortsatz (dem Kon-
nektiv?) herabhängt. Die Anthere enthält
in ihren zwei Fächern je ein Pollinium und
bildet über dem Stipes einen dachartigen
Yorsprung. Die Pollinien sind mit je einem
kurzen, sehr elastischen Band mit dem obe-
ren Ende des Stipes verbunden, der aus den
äußersten Scliichten des Rostellums besteht
und sich bei der Blütenreife von diesem ab-
löst. Der Stipes ist um das Rostellum so
gebogen, daß die an seinem Ende befindliche
Klebscheibe gegen die Rückenwaud der
Narbenhöhle gewendet ist. Der rückwärtige
Teil der Klebscheibe bleibt zunächst mit dem
Rostellum verwachsen. Gute Abbildungen
der ganzen Blüte, darunter auch eine farbige,
Fig. 1.
Catasetum fimbriattini Lindl.
Längsschnitt durch die Säule
einer blühreifen Knospe. Der
Schnitt ist in der Nähe der
Medianebene so geführt, daß
ein Pollinium, seitlich ge-
troffen, eben noch zu sehen
ist. a = Anthere, p = Pol-
linium, r = Eostellum, s =
Stipes, k ^= Klebscheibe,
n = Narbenhöhle, L ==
Labellum, S ^= Sepalum,
beide abgeschnitten. Im Ro-
stellum gibt die punktierte
Linie die Trennungslinie zwi-
schen Stipes und Klebscheibe
einerseits und Rostellum an-
dererseits an. Die gestri-
chelte Linie trennt die Basis
der Klebscheibe von der
eigentlichen Klebmasse.
.Vergr. 2,5.
1) Vgl. Haberlandt, G., Sinnesorgane im Pflan-
zenreich zur Perzeption mechanischer Reize. 2. Aufl.,
Leipzig 1906, S. 63 ff. und Guttenberg, H. v., a. a. 0.,
S. 9—12, Taf. I, Fig. 5.
Anatomisch-physiologische Studien an den Blüten der Orchideenfjattungen usw. 377
hat Forsch^) gegeben. Nebenstehend ist ein vergrößerter Längs-
schnitt durch die Säule zur leichteren Orientierung beigefügt (Text-
fig. 1).
Eine leise Berührung der Antennen hat bekanntlich das Aus-
schleudern des Stipes samt Klebscheibe und Pollinien zur Folge.
Der früher um das Rostellum gebogene Stipes streckt sich dabei
gerade, die Klebscheibe wird vorgeschleudert und bleibt am Rücken
des die Blüte besuchenden Insektes haften, so daß dieses jetzt
das ganze Pollinarium trägt. Beim Besuche einer weiblichen Blüte
(diese wurde früher wegen ihres sehr abweichenden Aussehens als
eigene Gattung „Monachanthiis" beschrieben) können die Pollinien
in der klebrigen Narbenhöhle festhaften und von ihren Stielchen
abreißen, worauf die Befruchtung eintreten kann. Auf Einzelheiten
des Schleudermechanismus will ich hier noch nicht eingehen und
nur vorausschicken, daß nach den bisherigen Untersuchungen
zwischen einer im Stipes vorhandenen elastischen Spannung und
einem Reizvorgang zu unterscheiden ist, welch letzterer durch die
Berührung der Antennen hervorgerufen und in diesen bis zum
Rostellum geleitet wird. Hier löst er dann — nach Darwin
durch Auflösung der letzten Verbindungen zwischen Klebscheibe
und Rostellum — den Bewegungsvorgang aus.
Die Längsschnitte durch den Stipes wurden zum Teil an ab-
geschleuderten Pollinarien angefertigt, es wurden aber auch Mkro-
tomschnitte durch ganze Säulen hergestellt, welche Knospen ent-
nommen waren, die knapp vor dem Aufblühen standen. Ist die
Blüte einmal geöffnet, so ist es unmöglich. Schnitte durch das
Rostellum anzufertigen, ohne daß der Stipes abspringt. Dieser
Vorgang tritt nämlich, wie wir noch hören werden, auch dann ein,
wenn man versucht eine offene Blüte zu fixieren. Die Mkrotom-
schnitte wurden in der üblichen Weise in der Dicke von 10 und
15 jM hergestellt und zwar aus Material, das nach der Fixierung
in Alkohol oder Chromessigsäure über Xylol in Paraffin eingebettet
worden war. Zur Färbung diente das Flemmingsche Dreifarben-
verfahren, mit welchem gute Resultate erzielt wurden.
l) Porsch, 0., Die deszendenztheoretische Bedeutung sprunghafter Blüten-
variationen und korrelativer Abänderungen f. d. Orchideenflora Südbrasiliens. Zeitschr.
f. induktive Abstamm.- und Vererbungslehre, I, 1908/9, S. 223, Fig. 26. — Derselbe,
Orchidaceae in Ergeb. d. botan. Expedition d. Kais. Akad. d. Wiss. nach Südbrasilien.
Denkschriften d. Kai.<. Akad. d. Wiss., Bd. 79 1, Wien 1908, Taf. XIV, Fig. 11.
378 Hermann Eitter von Guttenberg,
Wir wollen an den Längsschnitten zuerst ausschließlich den
Bau des Stipes betrachten. Vor allem fällt an diesem die Form
der nach außen gerichteten Epidermiszellen auf (Taf. VI, Fig. 1).
Diese sind von ansehnlicher Größe und bestehen aus einem oberen
fast quadratischen Teil und einem schlauchförmigen Fortsatz, der
sich seitlich unter die benachbarten Zellen scliiebt. Diese Fort-
sätze sind mit ihren Enden gegen die Säulenbasis gekehrt. Die
Zellen werden von einer mächtigen Kutikula bedeckt, an welche
sich stellenweise, besonders an den Zellgrenzen dicke kutinisierte
Höcker anschließen, welche wohl einen festeren Verband mit den
darunter liegenden Schichten bewirken. Die kutinisierten Membran-
teile färben sich mit Sudan HI intensiv rot, werden durch Chlor-
zinkjod gebräunt und sind in konzentrierter Schwefelsäure unlöslich.
Interessant ist, daß sie sich an ]yiikrotomschnitten stellenweise los-
lösen und nach außen einrollen. An der übrigen Membran können
wir drei Schichten unterscheiden und zwar eine dicke auf die
Kutikula folgende Lamelle, welche sich in die Radialwände fort-
setzt, eine stark Lichtbrechende, das Lumen umkleidende Schicht
und eine dritte Lamelle, welche zwischen den beiden genannten
in der Außenwand zu unterscheiden ist und eine feine Streifung
erkennen läßt. Der Inhalt der Zellen besteht aus einem kräftig
entwickelten Protoplasten, der mehrere Vakuolen einschließt und
einen großen Zellkern sowie zahlreiche Fetttröpfchen enthält.
Über die chemische Beschaffenheit der Membran geben folgende
mikrochemische Reaktionen Aufschluß. Chlorzinkjod färbt nur die
Innenlamelle deutlich blau, die Zwischeulamelle nimmt einen grauen
Ton an, die Außenlamelle und ihre Fortsetzungen in den Radial-
wäuden bleiben weiß. Als bestes Färbungsmittel für diese Lamelle
wurde Methj'lenblau erkannt, welches in dunkler Lösung angewandt,
diese Membranpartien fast schwarz färbt. Dieselben Schichten
werden bei längerem Liegen in wässeriger Rutheniumrotlösung rosa
gefärbt: Kongorot dagegen tingiert nur die luuenlamelle. Andere
Farbmittel geben weniger distinkte Färbungen. In kalter konzen-
trierter Salzsäure lösen sich die Außenscliichten und die Mittel-
lamellen der Seitenwände langsam auf; beim Erwärmen tritt die
Lösung sofort ein und führt zur gänzlichen Isolierung dieser
Zellen.
Aus den angeführten Reaktionen läßt sich entnehmen, daß
nur die Innenlamelle aus reiner Zellulose besteht. Dagegen geben
die Außenscliichten ähnliche Reaktionen, wie sie für die Pektin-
Anatomisch-physiologische Studien an den Blüten der Orchideensattunoen usw. 379
Stoffe beschrieben werden; sie sind also vielleicht diesen anzu-
schließen.
Auf die beschriebenen Epidermiszellen folgen — meist in fünf
Lag-en — Elemente, die in der Längsrichtung- des Stipes gestreckt,
dabei aber meist etwas wellig verbogen sind (Taf. VI, Fig. 1). Im
Gegensatz zu den Epidermiszellen, an welchen ich niemals Tüpfel
auffinden konnte, sind diese Zellen sehr reich getüpfelt. Auch an
ihnen lassen sich verschiedene Scliichten unterscheiden und zwar
eine kräftige mittlere Lamelle und ein zartes, das Lumen um-
kleidendes Häutchen. Letzteres verhält sich wie die Innenlamellen
der Epidermiszellen und tritt besonders bei Chlorzinkjodbehandlung
durch Blaufärbung hervor. Die mittleren Lamellen bestehen aus
derselben Substanz wie die der Epidermiszellen; sie geben die-
selben Farbreaktionen und lösen sich gleichfalls in warmer kon-
zentrierter Salzsäure sofort auf.
An diese langgestreckten Zellen schließt sich jene Schichte
des Rostellums an, welche als Trennungsgewebe fungiert und in
der geöffneten Blüte bereits fast vollständig aufgelöst ist. Es
handelt sich um plasmareiche, etwa isodiametrische Zellen, deren
Wände einem Auflösungsprozeß unterliegen. Die Membranen sind
zuni'Teil in den Mittellamellen voneinander getrennt, vielfach auch
zerrissen und machen keinen homogenen Eindruck mehr, sondern
erscheinen als feinste, aus kleinen Körnchen zusammengesetzte
Fäden. Diese färben sich mit Chlorzinkjod braun und sind in
Salzsäure löslich. In dem beschriebenen Auflösungszustand befinden
sich etwa drei Zellagen, dann schließen sich weitere Zellen mit
gleichfalls sehr zarten Wänden an, welche sich aber in Chlorziuk-
jod bläuen. Diese Zellen gehören nicht mehr zum Stipes, sondern
verbleiben nach dessen Abschleuderung am Rostellum, wo sie bald
zugrunde gehen, sich bräunlich verfärben und jene verschrumpfte
braune Masse bilden, die am Rostellum von Catasetum -Bliiten,
welche ihre Pollinarien ausgeschleudert haben, stets zu sehen ist.
Die tieferen Schichten des Rostellums bestehen aus derbwandigeren
großen Parenchymzellen, die durch ein Gefäßbündel unterbrochen
werden, w^elches in der Rückenwand der Säule aufsteigt, sich im
Bogen über die Narbenhöhle wendet und dann im Rostellum bis
zur Klebscheide verläuft.
Zu erwähnen wäre noch, daß die Richtung der Enden der
Epidermiszellen im oberen Ende des Stipes wechselt. Der Stipes
ist — yne auch aus der Längsschnittfigur durch die Säule ent-
380 Hermann Ritter von Guttenberfc,
nommen werden kann — unter dem dachartig'en Vorsprung der
Anthere hakenförmig gebogen. Die früher beschriebene Epidermis
überzieht auch diesen Teü, dabei stellen sich die schlauchförmigen
Verlängerungen der Zellen nach uud nach senkrecht zur Ober-
fläche, um nach dem Überschreiten der höchsten Spitze des Stipes
allmählich wieder schräg zu werden, jedoch nach der entgegen-
gesetzten Richtung wie früher. Auch die seitlichen Ränder des
Rostellums sind von derartigen Epidermiszellen umkleidet.
Am unteren Ende des Stipes, also dort, wo er an die Kleb-
scheide grenzt, befindet sich ein schon von Darwin beschriebenes
Gelenk, welches es ermöglicht, „daß der Stiel rückwärts und vor-
wärts spielen kann, soweit es das nach oben gewendete Ende der
Scheibe gestattet" (Darwin, a. a. 0., S. 157). Nach den Beob-
achtungen Crügers^) an Catasetum tridentatum und dem zu-
gehörigen weiblichen „Monachanthns viridis^^ liegt infolgedessen
„wenn die Hummel umhergeht die Pollenmasse platt auf
dem Rücken und den Flügeln : wenn das Insekt aber in eine weib-
liche Blüte eintiitt, an der das Labellum immer nach oben gekehrt
ist, fällt das Polliniuni .... durch sein eigenes Gewicht zurück
und liegt an der Vorderfläche des Säulchens. Wenn das Insekt
rückwärts aus der Blüte herausgeht, so werden die Pollinien vom
oberen Rande der Narbenhöhle gefangen, welcher ein wenig von
der Fläche des Säulchens vorspringt."
Die anatomische Untersuchung der Gelenkstelle lehrte, daß
hier die eigenartigen Epidermiszellen des Stipes fehlen. Dafür
treten kleine, etwas nach außen vorgewölbte Zellen auf, deren
Wände kräftig, aber doch viel dünner wie die der früher be-
schriebenen Zellen sind. Die Außeuwanddicke vor allem beträgt
nur etwa V5 von der der abgebildeten Epidermiszellen. An die
äußerste Zellage schließen sich etwas gestreckte Zellen an, die
gleichfalls wesentlich kleiner und zartwandiger sind als die
entsprechenden Zellen des oberen Stipesteiles. Im ganzen beträgt
die Dicke des Gelenkes etwa V3 der des übrigen Stipes. Die Ge-
lenkstelle ist sehr kurz und scharf von der Klebscheibe und dem
oberen Teile des Stipes geschieden. Sie kann, abgesehen von den
erwähnten Dickenuuterschieden, auch deshalb gut funktionieren,
weil an ihr die seitliche Einrollung des Stipes aufhört.
1) Crüger, H., A few Notes on the Feeundation of Orchids and their Morpho-
logy. Journal of the Proceedings of the Linnean Society, Botany, Vol. VII, 1864, p. 127
to 135, Plate IX. Zitiert nach Darwin, a. a. 0., S. 176.
Anatomisch-physiologische Studien an den Blüten der Orchideengattuugen usw. 381
All Querschnitten durch Säulen, welche ihren Stipes noch be-
sitzen, erkennt man, daß dieser das Rostellum auch zu beiden
Seiten umfaßt. Diese seitlichen Partien sind es, welche beim Ab-
spring-en des Stipes sich so stark einkrümmen, daß sie an der
Stelle, wo sie am breitesten sind, sich fast oder ,ganz berühren.
Die Epidermiszellen erscheinen am Querschnitt ziemlich schmal
und bilden liier ein palisadenartiges Gewebe (Taf. Yl, Fig. 2). Die
schlauchförmigen Enden haben kreisrunden Querschnitt und lassen
jetzt ihre Zusammengehörigkeit mit den Epidermiszellen nicht er-
kennen. Auch die Querschnitte der folgenden Zellagen nähern
sich der Kreisform. Überall ist das aus Zellulose bestehende Innen-
häutchen leicht zu erkennen.
Ein Oberflächenschnitt zeigt die in der Längsrichtung des
Stipes gestreckten, mit geraden, sehr dicken Wänden aneinander
grenzenden Epidermiszellen. Stellenweise treten längsverlaufende
Furchen auf, die durch Einsenkung einer Reihe von Epidermis-
zellen zustande kommeu. Wird ein Oberflächenschnitt von der
Innenseite betrachtet, so lassen sich die schlauchförmigen Verlänge-
rungen der Epidermiszellen gut beobachten. Der Stipes ist in
bltihreifen Knospen meist schon mehr oder weniger vom Rostellum
abgelöst. Die Lösung beginnt an der Ansatzstelle der Klebscheibe
und reicht oft hoch hinauf; doch ist das obere Ende des Stipes
mit dem Rostellum stets noch verwachsen. Die letzte Verbindung
bildet ein meristemartiges Gewebe, welches am tiefsten Punkte der
unter der Anthere liegenden Grube auftritt und hier an die Ge-
webe des Stipes anschließt. Ebenso sind die seitlichen Ränder
des Stipes bis zur Abschleuderung mit einem jugendlichen, gänzlich
undifferenzierten Gewebe mit den Seiten des Rostellums verbunden.
Auch die äußerste Zellage nimmt nicht den Charakter einer Epi-
dermis an, sondern bleibt ganz zartwandig. Die sich loslösenden
Teile des Stipes zeigen ein starkes Verlängerungsbestreben, welches
sich in einer deutlichen Vorwölbung äußert.
An das früher beschriebene Gelenk schließt sich die große
Klebscheibe an. In jüngeren Knospen ist diese rückwärts noch
ganz mit dem Rostellum verwachsen. Später tritt Auflösung einiger
Zellagen in der in Textfig. 1 punktierten Linie ein. In Knospen,
die knapp vor dem Aufblühen standen, fand ich die Klebscheibe
nur mehr am oberen und an den seitlichen Rändern mit wenigen
ZeUreihen mit dem Rostellum verbunden. Der ganze mittlere Teil
der Scheibe war bereits völlig losgelöst. Die sich lösenden Zellen
382 Hermann Kitter von Guttenberg,
bilden die Fortsetzung des Trennungsgewebes, welches am Stipes
entlang läuft. Sie haben ebenfalls sehr zarte Wände, lassen liier
aber deutlich erkennen, daß sie von einer Zellreihe abstammen,
deren Elemente sich mehrfach tangential geteilt haben (Taf. VI,
Fig. 3). Es handelt sich um lebende Zellen mit ziemlich kräftig
entwickelten Protoplasten. Die in der blühreifen Knospe noch
nicht aufgelösten Zellen an den Rändern der Klebscheibe sind
etwas derbwandiger und noch ungeteilt. Sie bilden ein ziemlich
festgefügtes, von wenigen Interzellularen durchsetztes Gewebe.
An der Klebscheibe lassen sich schon makroskopisch zwei
Teile unterscheiden: ein fester Sockel, der an die Trennungsschicht
und an das Gelenk des Stipes grenzt, und eine breiige Masse, welche
als Klebstoff dient. Nach der Ausschleuderung erstarrt diese Sub-
stanz an der Luft sehr rasch und verfärbt sich bräunlich; in Wasser
dagegen quillt sie auf und bleibt weich. Die Masse ist außer-
ordentlich klebrig und haftet nach dem Erstarren sehr fest an der
Unterlage.
Es sei hier zunächst der Aufbau des Sockels beschrieben. An
frischem Material sieht man, daß er aus ziemlich gleichartigen,
außerordentlich reich getü])felten Zellen besteht (Taf. Yl, Fig. 3, 4),
welche von einer fast homogenen, stark lichtbrechenden Substanz
erfüllt sind. Diese verschwindet in absolutem Alkohol und be-
sonders in Xylol ziemlich rasch und ist daher in den Mikrotom-
schnitten nicht mehr vorhanden. Dafür erkennt man an diesen
einen zarten Protoplasten und den Zellkern in jeder Zelle. Der
stark lichtbrechende Inhalt färbt sich mit Sudan III und Alkanna-
tiuktur intensiv, wird in Jodlösungen braun und ist wohl mit dem
noch zu beschreibenden Stoff, der sich in der Klebmasse befindet,
identisch. Die Zell wand erhält in Chlorzinkjod sofort eine schwarz-
violette Färbung, besteht also aus Zellulose.
Die Dicke des Sockels beträgt etwa 10 — 12 Zellagen, auf
welche unvermittelt die Klebmasse folgt. Überträgt man von dieser
Stückchen auf den Objektträger in Wasser und sorgt man durch
einen leichten Druck auf das Deckglas dafür, daß sie nur eine
dünne Schicht bildet, so erkennt man bei mikroskopischer Betrach-
tung eine Menge dunkler Klümpchen, welche von vielen glänzenden
Kügelchen durchsetzt und in einer farblosen, durchscheinenden
Grundsubstanz eingebettet sind. Gelegentlich findet man auch
Stellen, wo der Auflösungsprozeß noch nicht so weit fortgeschritten
ist und man erkennt nun, daß die schaumigen Massen dem Zell-
Anatomisch-pliysioloirisclie Studien an den Blüten der Orchideenjirattungen usw. 383
Inhalt entsprechen untl die durchscheinende Grundsuhstanz aus
gequollenen Wänden besteht, deren Mittellamellen manchmal noch
erhalten sind (Taf. VI, Fig-. 5). Auch Zellkerne kann man erkennen,
die weiß und gänzlich strukturlos erscheinen.
Ich versuchte zunächst über die chemische Natur des Zell-
inhalts näheres zu erfahren und stellte zu diesem Zwecke folgende
mikrochemische Reaktionen an. Kalter, absoluter Alkohol löst die
Masse nur wenig, warmer Alkohol wesentlich rascher. In Chloro-
form lösen sich die Kügelchen sofort, wobei sie zunächst zu großen,
schaumigen Klumpen sich vereinigen, dann in kleine Tröpfchen
zerfallen, die schließlich zerfließen. Weniger rasch erfolgt die
Lösung in Xylol und Benzol. Konzentrierte Salzsäure löst lang-
sam, viel rascher 10 "/o Kahlauge. In dieser sowie in Eau de
Javelle, das etwas schwächer wirkt, werden die Massen erst gelb
gefärbt. Sudan III und Alkannalösung färben lebhaft rot, Jod-
lösungen dunkelbraun. Nach den beschriebenen Reaktionen handelt
es sich wohl um einen harzartigen Körper, möglicherweise auch
um Kautschuk, für welchen es eine eindeutige mikrochemische
Reaktion bekanntlich bisher nicht gibt. Die für Harze charak-
teristische Unverdorben-Franchimontsche Reaktion, nämlich
Grünfärbung nach längerem Liegen in konzentrierter, wässeriger
Kupferazetatlösung, gab kein klares Resultat. Es hatte sich
nämlich nach einmonatlichem Liegen in der Flüssigkeit die Kleb-
masse wohl makroskopisch grün gefärbt, doch war es bei mikro-
skopischer Betrachtung nicht möglich, eine Färbung der Inhalts-
massen nachzuweisen.
Wir wollen uns nunmehr den gequollenen Zellwändeu zuwenden.
Diese färben sich in Chlorzinkjod gar nicht und quellen in diesem
Reagens noch weiter auf: von Farbstoffen geben Kongorot und
Eosin die besten Resultate. In wässerigen Lösungen dieser Sub-
stanzen färben sich die gequollenen Wände rosa, in Methylenblau
nehmen sie eine schwach bläuliche Färbung an, in den Mikrotom-
schnitten sind sie durch Orange gefärbt. Keinerlei Erfolg haben
Kallose- Farbstoffe, wie AniHnblau und KoraUinsoda. Ein höchst
eigenartiges Bild erhält man bei Zusatz von absolutem Alkohol.
Die plötzliche Entwässerung hat ein momentanes Zusammen-
schrumpfen der Wände zur Folge und man erkennt nun eine Menge
kugeliger oder eiförmiger Körper, die zweifach oder dreifach zu-
sammengesetzt sind und lebhaft glänzen. Die Kugeln liegen lose
oder sind durch Fäden miteinander verbunden. Sie können durch
oo^ Hermann Ritter von Uuttenberg,
Wasser jederzeit wieder aufgequollen werden, quellen auch nach
Vorbehandlung- mit absolutem Alkohol etwas in Xylol, Benzol und
Chloroform. In Kalilauge sehwellen sie sehr stark an, ohne sich
aber zu lösen.
Erst die Betrachtung von Mikrotomschnitten durch Kleb-
scheiben, welche Knospen entnommen waren, gab über die Natur
dieser Körper Aufschluß. Man erkennt an diesen (Taf. VI, Fig. 4)
entwässerten und in Kanadabalsam eingebetteten Schnitten noch
vollkommen den zelligen Aufbau der Klebmasse und sieht, daß die
Zellwände an genau gegenüberliegenden Stellen, ferner in den
Zellecken halbkugelig aufquellen; so erklären sich die doppelt oder
dreifach zusammengesetzten Kugeln. Diese hängen an den Schnitten
noch überall zusammen, und zwar sind sie durch sehr feine Wand-
partien miteinander verbunden, welche sich dann als Mittellamellen
durch die Kugeln verfolgen lassen. Es gelingt jetzt auch, diese
zarten Wände zu färben. Sie werden in Chlorzinkjod braun und
färben sich gut mit Rutheniumrot, auch etwas mit Metlwlenblau.
Diese Membraustücke bestehen also wohl aus leicht löslichen Pektin-
stoffen und ermöglichen den Zerfall der Zellwände in einzelne Teile.
Über die chemische Natur der Membrankugeln läßt sich Sicheres
nicht aussagen. Jedenfalls wird man sie den verschleimten Pflanzen-
membranen zuzurechnen haben und wenn wir uns an die Einteilung
der Pflanzenschleime in Zellulose-, Pektin- und Kalloseschleime
halten, so sind sie am ehesten den erstgenannten zuzuzählen.
Gegen ihre Natur als Pektin- oder Kalloseschleime spricht vor
allem die Tatsache, daß sie sich in den angeführten quellenden
Reagentien niemals vollständig auflösen und ferner die charakte-
ristischen Farl)enreaktionen nicht geben. Dagegen spricht die gute
Färbbarkeit in Kongorot für Zelluloseschleim, ebenso das Ausbleiben
der Färbung in Chlorzinkjod, welches allerdings manche Zellulose-
schleime bläut, die andern Schleimarten aber braun färbt. Bemerkt
sei noch, daß man an den harzfreien Mikrotomschnitten in den
Zellen deutlich einen vakuolenreichen Protoplasten mit einem stark
geschrumpften Zellkern erkennen kann.
Betrachten wir jetzt die chemische Natur der Klebmasse im
Zusammenhange mit der Aufgabe, welche diese zu erfüllen hat, so
müssen wir sagen, daß die gebildeten Stoffe in hohem Maße ge-
eignet sind, als Klebstoffe zu dienen. Zweierlei klebrige Substanzen,
ein harz- oder kautschukartiger Körper und eine Schleimmasse
werden gebildet, die beide bei Austrocknung rasch erstarren und
Anatomisch-physiologische Studien an den Blüten der Orchideengattungen usw. 385
dann das außerordentlich feste Ankleben der Scheibe bewirken.
Die Aufgabe der Schleimkugeln liegt meines Erachtens besonders
noch darin, daß sie die Harzmassen zunächst auseinanderhalten
und so verhindern, daß diese zu einem festen Klumpen zusammen-
schmelzen. Daraus erklärt sich auch die lockere Beschaffenheit
der frischen Klebsubstanz, welche erst beim Eintrocknen sich zu
einer festen Masse verbindet.
Die Pollinien sind, wie schon erwähnt wurde, mit dem Stipes
durch je ein elastisches Band verbunden. Diese Bänder sind gelb
gefärbt und tütenförmig eingerollt, wobei die Spitze der Tüte der
Anheftungsstelle am Stipes entspricht. Wie schon Darwin angibt,
erfolgt die Verbindung der Pollinien mit dem Stipes erst in einem
ziemlich vorgeschrittenen Knospenstadium. Nach meinen Beob-
achtungen kommt die Anheftung folgendermaßen zustande. Die
Pollinien sind derart eingerollt, daß sie eine lange, etwas ab-
geplattete Röhre biklen, welche auf der der Säule zugewendeten
Seite der Länge nach geschlitzt ist. Im Innern dieser Röhre be-
findet sich in jugendliclien Knospen ein Gewebezylinder, welcher
durch den Schlitz mit der Antherenwand, die in diesem Alter noch
undifferenziert ist, in Verbindung steht: in blühreifen Knospen da-
gegen ist dieses Gewebe verschwunden, der Raum im Innern der
Pollinien ist leer. An Zwischenstadien konnte ich erkennen, daß
der ursprünglich meristematische Gewebezylinder bald degeneriert,
die Verbindung mit der Antherenwand ■v\ird aufgelöst und es bleibt
schließlich nur eine Gewebemasse am basalen Ende des Polliniums
übrig. Hier ragt diese Masse aus dem Ende des PoUiniumschlitzes
hervor und kommt nun — wohl durch das Wachstum der einzelnen
Teile — mit dem Stipes in Verbindung und klebt an diesem an.
Die mikroskopische Untersuchung der fertigen Bänder lehrt, daß
sie aus weißen, stark gequollenen Zellwänden bestehen, zwischen
welchen der ZeUinhalt in Form einer stark lichtbrechenden Masse
auftritt, welche dieselben Reaktionen wie der Zellinhalt der Kleb-
scheibenzellen gibt und wohl mit diesem identisch ist. Die Klebrig-
keit der Bänder dürfte auf den Zellinhalt, die Elastizität auf die
Beschaffenheit der Zellwände zurückzuführen sein. Die Elastizität
ist eine so hohe, daß die Bänder auf ein Mehrfaches ihrer Länge
gedehnt werden können, ohne daß die Elastizitätsgrenze über-
schritten wird.
Im Anschluß an die anatomische Beschreibung des Pollinariums
seien noch einige anatomische Einzelheiten anderer Teile der
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI. 25
386 Hermann Ritter von Guttenberg,
Catasetum-Blüte erwähnt. Den Bau der Antennen von Catasetum
fimhriatum habe ich in meiner früher zitierten Arbeit beschrieben,
ebenso das im Labellum vorhandene Futtergewebe, welches Eiweiß
und Stärke enthält. Außer dem schon erwähnten Gefäßbündel,
welches in das Rostellum mündet, verläuft noch ein zweites Bündel
in der Medianebene an der Rückenwand der Säule bis in deren
Spitze. Hier wendet es sich in spitzem Winkel um und setzt sich
nach abwärts in die Anthere fort. An der Stelle des Umbiegens
liegen zahlreiche, große, speichertracheidenartige Zellen mit vielen
langgestreckten Tüpfeln,* welche senkrecht zur Längsrichtung der
Elemente verlaufen. Die Zellen enthalten einen zarten plasmatischen
Wandbelag mit Zellkern. Die Wände der Antherenfächer sind innen
mit 4 — 5 Schichten von Zellen ausgekleidet, welche sehr kräftige
Verdickungsleisten besitzen. Die Anordnung derselben ist ähnlich
der für Lilium bekannten. Die Zellen der Pollinien sind durch
kräftige Wände voneinander getrennt. In jeder Zelle ist der vege-
tative und der generative Kern, letzterer meist von einer hyalinen
Plasmapartie umgeben, leicht zu erkennen. Die Wände der peri-
pheren Zellen sind nach außen zu stark verdickt und fast ganz
kutinisiert. Die einzelnen Tetraden sind hier häufig etwas von-
einander getrennt (vgl. die entsprechende Figur für Cycnoches,
Taf. VI, Fig. 6). Zum Schluß sei noch bemerkt, daß die zum Ver-
gleiche untersuchten Arten: C. callosum Lindl., C. Trulla Lindl.,
C. purum Nees et Sin. und C. luridum Lindl. im Bau des ganzen
Pollinariums im wesentlichen mit C. fimhriatum übereinstimmen.
Die Antennen der beiden erstgenannten Arten habe ich schon an
früherer Stelle beschrieben. Bei C. purum sind sie sehr lang, an-
nähernd parallel und fast ganz vom Labellum eingeschlossen; nur
ihre Spitzen ragen über dieses vor. Die Lippe ist durch starke
Vorwölbung des vorderen Endes und der Seitenränder soweit ver-
schlossen, daß größere Insekten nur von der Säule aus, also über
die Antennen, in die Höhlung des Labellums gelangen, wobei sie
mit ihrem Rücken die Antennenspitzen streifen müssen. Die An-
tennen sind glatt und bestehen aus lebenden, langgestreckten Ele-
menten ; sie sind also dem ersten von mir seinerzeit beschriebenen
T}T)us anzureihen. Das Labellum ist außen grün, innen braun
gefärbt und enthält in der papillösen inneren Epidermis und den
darunterliegenden Schichten in großer Menge Öltröpfchen und feinste
Stärkekörnchen als Futter für die Blütenbesucher. Das Labellum
ragt zufolge Ausbleibens der Torsion des Fruchtknotens fast senk-
Anatomisch-physiolofcische Studien an den Blüten der Orchideenpattungen usw. 387
recht nach aufwärts, die Säule liegt horizontal und die übrigen,
dunkelgrünen Blätter der Blüte bilden einen nach abwärts ge-
wendeten Helm. C. luridum zeigt ähnliche Verhältnisse, doch ist
hier der Fruchtknoten gedreht. Die Lippe liegt horizontal, ist
vorne etwas herabgeschlagen, ihre Seitenränder sind aufgebogen.
Alle übrigen Blätter der Blüte bilden einen Helm, welcher der
Lippe seitlich fest anliegt und sie oben verschließt, so daß ein
Insekt nur vom Vordereude der Lippe aus durch eine niedrige
Öffnung in das Innere der Blüte gelangt. Die Grundfarbe der
Blüte ist gelbgrün. Auf der Innenseite der paarigen Fetalen und
der Sepalen finden sich zahlreiche rotbraune Flecken. Die Lippe
ist außen grün, innen dunkelgelb, am Eingang aber rotbraun ge-
färbt. Im Innern treten zahlreiche, vorspringende grüne Längs-
leisten auf, unter welchen Gefäßbündel verlaufen. Die Prüfung
auf Futterstoffe ergab wieder das Vorhandensein zahlreicher Öl-
tröpfchen, besonders in der Epidermis. Stärke fehlte hier, doch
ließ Fehlingsche Lösung deutlich erkennen, daß die Zellen reich-
lich Zucker enthalten. Die Epidermiszelleu der Innenseite treten
stellenweise auseinander, so daß Lücken und Furchen entstehen,
welche das Benagen durch die Insekten wesentlich erleichtern
dürften. In den tieferen Schichten des Labellums treten große
mit Schleim erfüllte Zellen auf, die manchmal kleine Raphiden-
bündel enthalten. Die langen symmetrischen Antennen liegen der
Lippe zum größten Teile auf. Sie sind rotl)raun gefärbt und ähnlich
wie die von C. purum gebaut. Allen untersuchten Catasetum-kviQn
ist gemeinsam, daß die ganze Narbenhöhle nicht von einer festen
Epidermis begTenzt, sondern mit losen Zellen ausgekleidet ist.
Dies kommt dadurch zustande, daß die ursprünglich vorhandene
Epidermis nebst 4 — 6 Lagen darunterliegender langgestreckter
Zellen einem Auflösungsprozesse unterliegt. Die Wände quellen
erst stark auf, dann lösen sich die weißlichen mittleren Schichten,
bis die Zellen völlig isoliert sind. Demselben Lösungsprozesse
unterliegen die inneren Schichten der Antennen. Sämtliche von
mir beobachteten Arten besitzen einen intensiven angenehmen
Geruch, der sehr an den Geruch der Stanhopea- kview erinnert.
Bemerken möchte ich schheßlich, daß bei C. fimhriatnm und
ebenso bei Cycnoches macnlatum jene Blüten, die ihr Pollinarium
ausgeschleudert haben, sehr rasch, manchmal schon nach einem
Tage, zugrunde gehen, wogegen ungereizte Blüten bis zu zwei
Wochen, vielleicht auch noch länger, unverändert bleiben. Das
25*
388
Hermann Ritter von Uuttenber"'.
Absterben besteht in einem raschen Verwelken, die Blätter der
Blüte werden schlaff und sind bald zu dünnen braunen Häuten
zusammengeschrumpft. Durch das Abschleudern des Pollinariums
werden allerdings epidermislose Stellen der Blüte bloßgelegt, doch
sind diese viel zu klein, um allein das rasche Verwelken zu er-
klären. Es liegt vielmehr zweifellos eine interessante Reizerschei-
nung vor, die ein näheres Studium verdient. Der ökologische Vor-
teil des Vorgangs liegt auf der Hand: durch das Absterben der
pollenlosen Blüten wird bewirkt, daß die Insekten sich nicht mehr
diesen, sondern nur den noch pollentragendeu Blüten des Blüten-
standes zuwenden.
2. Cycnoches.
Auch die Gattung Cycnoches
entwickelt zweierlei " Blüten,
männliche und wei})liche. Bei
der Sektion Eucycnoch es ^) unter-
scheiden sich beiderlei Blüten
hauptsächlich durch den Bau
der Säule ; bei der Sektion Hete-
ranthae dagegen sind männ-
liche und weibliche Blüten völlig
verschieden. Das von Darwin
untersuchte und abgebildete
(Fig. 39, S.188) C.ventricosum^)
gehört zur ersteren Sektion, die
von mir am eingehendsten stu-
dierte Spezies C. maculatum
LindPj zur letzteren. Die
männlichen Blüten von C. macu-
latum (Textfig. 2) bilden eine
lange herabhängende Ähre. Se-
palen und Fetalen sind, abge-
Fig. 2. Cycnoches maculatum Lindl.
Männliche Blüte in natürlicher Größe. Das
Pollinarium ist abgeschleudert (Original).
1) Vgl. Rolfe, R. A., A Revision of the Genus Cycnoches. The Orchid Review,
Bd. XVII, 1909, p. 269 ff.
2j Das nach Darwin abgebildete C. ventricosum ist von dem in Engler-Prantl
Nat. Pflanzenfamilien, Bd. II. Abt. 6, S. 160 abgebildeten und beschriebenen C.ventncosum
Lindl. völlig verschieden, da dieses nach der Abbildung zur Sektion Heteranthae gehört.
Auch sind in Abbildung und Text männliche und weibliche Blüte stets verwechselt.
3) Vgl. Rolfe, R. A., Cycnoches maculatum. The Orchid Review, Bd. XVII,
1909, p. 273, Fig. 21.
Anatomisch-physiologisclie Studien an den Blüten der OrcludeenjiattunKen usw. 389
ECL
sehen vom Labellum, von ziemlich gleichem Aussehen. In der
offenen Blüte sind sie stark nach rückwärts geschlagen, schließ-
lich eingerollt. Sie sind gelbgrün gefärbt und mit zahlreichen
schwarzroten Punkten versehen. An dem aufrecht stehenden
oder etwas zurückgeschlagenen Labellum können drei Teile unter-
schieden werden. Auf einem grün gefärbten festen Sockel (dem
Hypochil) sitzt ein bogig nach rückwärts gekrümmtes elastisches
Gelenk (Mesochil), welches ein derberes blattartiges Endstück
(Epichil) trägt (vgl. den Längsschnitt Textfig. 3). Dieses End-
stück läuft in eine lanzettliche zurückgeschlagene Spitze aus und
besitzt im unteren Teile eine Grube. Die Ränder des Labellums
springen hier zu beiden Seiten vor und
tragen je 5 — 6 etwa 3 — 5 mm lange
Zipfel; ein weiterer springt über die
Grube in der Mitte vor. Zwei ähnliche,
aber etwa doppelt so starke Vorsprüuge
stehen nebeneinander an der Basis der
Grube. Der unterste Teil des Labellums
ist, wie erwähnt, gTün gefärbt, die
übrigen Teile sind erst schneeweiß und
werden später elfenbeinfarben. Rote
Flecken treten besonders auf der Rücken-
seite und am Hypochil, sonst nur ver-
einzelt auf. Fig. 3. Schematischer Längs-
Gegenüber der Basis des Labellums schnitt durch das Laheiium von
entspringt die eigenartige Säule. Diese Cycnoches macuiatum.
ist ungewöhnlich lang, bogig gekrümmt
und trotz ihrer schlanken Form ziem-
Ea = blattartiger Teil, Eb =
grubiger Teil des Epichils, M =
Mesochil (Gelenk), H = Hypochil,
lieh kräftig. Sie ist grün gefärbt und g = Säuie, st = Blütenstiel,
schwarzrot punktiert. An ihrem freien Sm = das mediane Sepaium, alle
Ende, das infolge der starken Krümmung
dem Labellum zugekehrt ist, trägt sie
die Anthere, welche mit einem feinen
fadenförmigen Band, das wohl als Fila-
ment anzusehen ist, mit dem Säulenende
in Verbindung steht. Zu beiden Seiten dieses Bandes springen
zwei kleine blattartige Zipfel der Säule vor, die der Oberseite der
Anthere auf hegen. Letztere ist zweifächrig und enthält zwei Pol-
linien, welche auch hier mit kleinen elastischen Fortsätzen mit dem
Stipes verbunden sind. Dieser besteht wieder aus den äußersten
drei abgeschnitten. Das Epichil
trägt oben den medianen Zipfel
;= z, unten den in Wirklichkeit
etwas tiefer liegenden Zapfen = Z.
Vergr. 2.
39Q Hermann Eitter von Guttenberg,
Zellagen des Eostellums {vgl. Textfig. 4 und 5), ist sehr stark ge-
bogen und vom Rostellum in der offenen Blüte bereits größten-
teils losgelöst. Das bei Catasetum auftretende basale Gelenk fehlt
liier gänzlich. Die Klebscheibe ist sehr groß und besitzt einen
Lappen, der nach abwärts reicht und den Eingang in die Narben-
höhle wie ein Vorhang verschließt. Von der Narbenhöhle führt
ein offener Narbenkanal bis zur Basis der Säule.
Über die Reizbarkeit und die besonders empfindlichen Stelleu
soll erst später berichtet werden. Hier sei nur erwähnt, daß bei
gewissen Berührungen des Säulenendes eine Abschleuderung des
Stipes samt Ivlebscheibe und Anthere erfolgt, die mit großer Kraft
vor sich geht. Die Klebscheibe löst sich zuerst. Sie fliegt erst
nach oben, dann nach rückwärts, und der mit ihr verbundene Stipes
nimmt die Pollinien samt der Anthere mit, wobei das früher be-
schriebene zarte Filament entzweireißt. Die anfängliche Verbindung
der Anthere mit der Säule gibt einen Drehpunkt für die Bewegung
ab und ist für die bogige Flugrichtung des Pollinariums ausschlag-
gebend. Ein vorzeitiges Abreißen des Filamentes wird dadurch
verhindert, daß die steifen blattartigen Enden der Säule die Anthere
herabdrücken. Hat man den Schleudervorgang durch entsprechende
Berührung mit dem Finger ausgelöst, so trifft das Pollinarium
diesen stets. Wie bei Catasetum erhärtet die Klebmasse nach dem
Ausschleudern sehr rasch und haftet dann außerordentlich fest auf
der Unterlage. Der Stipes ist nach dem Ausschleuderu so stark
nach rückwärts gekrümmt, daß die Anthere der Rückseite der Kleb-
scheibe aufliegt; nach 5 — 15 Minuten streckt er sich dann gerade
und verbleibt in dieser Lage. Eine Einkrümmung der seitlichen
Ränder des Stipes ist hier nur in geringem Maße zu beobachten,
was damit zusammenhängt, daß dieser das Rostellum seitlich nur
wenig umfaßt. Im Gegensatze zur Beobachtung Darwins an
C. ventricosum konnte ich ein Abfallen der Anthere nach der Ge-
radestreckung des Stipes nur selten beobachten; doch läßt sie sich
stets sehr leicht abstreifen.
Ich will nunmehr zur Beschreibung des anatomischen Baues
der einzelnen Teile übergehen. Die anatomischen Verhältnisse des
Stipes weichen auffallenderweise von den für Catasetum beschrie-
benen nicht unerheblich ab. Auch bei Cycnoches ist eine mächtige
Epidermis mit sehr starken Wänden vorhanden, doch fehlt diesen
Zellen das für Catasetum so charakteristische schlauchförmige Ende ;
überdies treten in der Epidermis nicht selten Teilungen auf
Anatomisch-physiologische Studien an den Blüten der Orchideengattungen usw. 391
(Taf. VI, Fig. 7). Die genauere Untersuchung läßt auch hier,
abgesehen von der derben Kutikula, drei Schichten erkennen. Das
Lumen wird von einer Innenhimelle umkleidet, darauf folgt eine
zweite Schicht, die hier aber nicht nur nach außen zu ent-
wickelt ist, sondern sich deutlich rings um die Zelle verfolgen läßt.
Oberseits setzt diese Lamelle direkt an die Kutikula an, und die
dritte Schicht tritt nur in den Radialwänden auf, von welchen aus
sie sich in die Mittellamellen der folgenden Zellen fortsetzt. Die
für Catasetum beschriebene Streifung der zweiten Lamelle ist nur
hin und wieder schwach zu erkennen. Das chemische Verhalten
der einzelnen Schichten ist dasselbe wie bei Catasetum. Die
innerste Lamelle gibt deutliche Zellulosereaktionen, die zweite färbt
sich mit Chlorzinkjod schwächer, die dritte gar nicht. Diese ist
wieder in Salzsäure leicht löslich, so daß -man durch Anwendung
dieser Säure alle Zellen isolieren kann. Die Kutikula sowie auch
die übrige Epidermisaußenwand zeigt an eingerissenen Epidermis-
zellen das deutliche Bestreben, sich nach auswärts einzukrümmen.
Die Zellen enthalten reichlich Plasma, das Fetttröpfchen und einen
großen Zellkern einschließt.
Die auf die Epidermis folgenden Zellen sind langgestreckt,
dabei aber stets etwas wellig gebogen. Ihre innerste Membran-
lamelle ist oft so dünn, daß sie nur nach Chlorzinkjodbehandlung
durch Blaufärbung deutlich hervortritt. Dann folgt eine in der
genannten Lösung ungefärbt bleibende Schicht, welche der mittelsten
Lamelle in den Radiahvänden der Epidermis entspricht. Sehr auf-
fällig ist, daß diese Mittelschichten zmschen sich reichlich Kutin-
massen einschließen, welche teils miteinander verbunden, teils
unterbrochen sind und häufig tüpfelartig gekerbt erscheinen, obwohl
die Wände ziemlich wenig Tüpfel erkennen lassen. Daß es sich
tatsächlich um Kutin handelt, läßt sich aus folgenden Reaktionen
ziemlich sicher ableiten: Chlorzinkjod färbt braun, Sudan III rot,
und konzentrierte Schwefelsäure vermag die Substanz auch beim
Erhitzen nicht zu lösen. Überdies ist das Lichtbrechungsvermögen
dem der Kutikula gleich. Die Aufgabe der Kutineinlagerung glaube
ich darin erblicken zu sollen, daß sie die Transpiration des ab-
geschleuderten Stipes auf der Innenseite herabsetzt. Diese besitzt
keine Kutikula, auch fehlt der bei Catasetum durch Einrollung der
Seiteuränder bewirkte Schutz.
An die langgestreckten Elemente schließen sich kürzere, reicher
getüpfelte an, dann folgt das Trennungsgewebe. Dieses ist auch
392 Hermann Eitter von Gruttenberg,
bei Cycnoches äußerst zartwandig, unterscheidet sich aber von dem
bei Catasetum auftretenden dadurch, daß es viele Zellagen ein-
nimmt, welche allmählich zug^runde gehen. Auch erfolgt die Lösung
nicht gleichmäßig, sondern es bleiben zwischen großen Lücken
noch dünne fadenförmige Verbindungen zwischen Stipes und Rostellum
erhalten, welche aus zugrunde gegangenen Zellen bestehen und erst
bei der Abschleuderung zerrissen werden.
An Querschnitten durch den Stipes, der bei Cycnoches das
Rostellum seitlich nicht umfaßt (Taf. VII, Fig. 8), sind die anato-
mischen Verhältnisse den für Caiasetinn beschriebenen sehr ähnlich;
doch erkennt man auch hier deutlich die Kutinmassen zwischen
den Zellen, ferner zeigen sämtliche Wände eine auffallende Quer-
streifung. Das Trennungsgewebe reicht bis an den Rand. Die
letzte Verbindung wird durch die ziemlich kräftige Epidermis der
Rostellum-Seiten wände gebildet.
Auch die Klebscheibe weicht in ihrem Bau einigermaßen von
der für Catasetum beschriebenen ab. Unterschiede finden sich vor
allem bei dem mit dem Stipes verwachsenen Sockel, der aus schräg-
gestellten langen Zellen besteht, welche nicht so derb und weniger
getüpfelt sind (Taf. VII, Fig. 9). Auf den Sockel folgt übergangs-
los die Klebmasse. Diese zeigt frisch in Wasser beobachtet
(Taf. Vn, Fig. 10) ein etwas anderes Aussehen als die von Cata-
setum; hier sind nämlich die Schleimkugeln ohne weiteres zu er-
kennen. Sie sind meist regellos gelagert, nur manchmal gelingt
es noch, ihren Zusammenhang zu erkennen. Die Entstehung der
Schleimkugeln ist, ude Mikrotomschnitte durch jüngeres Material
lehren (Taf. Wl, Fig. 11), dieselbe wie bei Catasetum. Auch die
Reaktionen sind die gleichen, wieder erfolgt in starkem Alkohol
Schrumpfung, in Laugen Quellung usw. Die Inhaltsmassen sind
undurchsichtig, die Tröpfchen kleiner. Chloroform löst sie sofort,
auch die übrigen Reaktionen verlaufen wie bei Catasetum.
Das Trennungsgewebe zwischen Sockel und Rostellum besteht
aus zarten, reihenweise angeordneten Zellen. In der fertigen Blüte
ist es zum größten Teile bereits aufgelöst. Als letzte Verbindung
dient dann an den Rändern ein wenige Zellagen breites Gewebe
dünnwandiger, ziemlich fest gefügter Parenchynizellen.
Die Anthere, welche in der Knospe noch teilweise mit der
Säulenspitze verwachsen ist (vgl. Textfig. 5), bildet einen kräftigen
vorhangartigen Lappen, der fast bis zur Hälfte des Stipes reicht
und jedenfalls dazu beiträgt, daß die Anthere mit den Pollinien
Anatoniisch-physiolojcrische Studien an den Blüten der Orchideenjrattungen usw. 393
bei der Abschleuderuug mitgerisseu wird (Textfig. 4 uud 5). Das
fadenförmige Filament enthält ein von der Epidermis und einigen
Parenchymzellagen umgebenes Gefäßblindel, das hauptsächlich aus
Tracheiden besteht. Dieses Bündel setzt sich in der Medianebene
der Anthere bis an das Ende des beschriebenen Lappens fort. Es
entstammt der Säule und verläuft an deren Unter- bezw. Außen-
seite. Ein zweites, dem beschriebenen in der Säule paralleles
Fig. 5. Etwas .seitlich der
Medianlinie geführter Längs-
schnitt durch das Säulenende
einer Knospe vpn Cycnoches
maculatum.
p = Pollinium, b = blattartiger
Anhang der Säule. Die übrigen
Bezeichnungen und die Tren-
nungslinien wie in Fig. 4.
Vergr. 10.
Fig. 4. Medianer Längsschnitt durch das
Säulenende einer Knospe von Cycnoches
maculatum Lindl.
f = Filament, a = Anthere, rl = Riß-
linie des Filamentes, s = Stipes, r ^ Rostel-
lum, k = Klebscheibe, n = Narbenhöhle,
M A; = Narbenkanal. Die Trennungslinien sind
punktiert eingetragen. Das zwischen Stipes
. und Rostellum gelegene Gewebe geht später
zugrunde. Die Grenze zwischen Sockel und
Klebmasse der Klebscheibe ist durch eine Strich-
linie angedeutet, ebenso die Verwachsungslinie
von Filament und Anthere. Yergr. 10.
Bündel biegt in das Rostellum ein und endet in der Nähe der
Klebscheibe. Die Rißlinie des Filamentes ist in Textfig. 4 ein-
gezeichnet. Obwohl das Abreißen stets an derselben Stelle erfolgt,
konnte ich an dieser keine anatomischen Besonderheiten nachweisen.
Die Pollinien stellen unten offene Hohlkugeln dar; anatomisch
gleichen sie denen von Catasetum (Taf. VI, Fig. 6).
394 Hermann Ritter von Guttenberg:,
Schließlich bedarf noch das Labelliim einer genaueren Be-
schreibung. Dieses wird meist von 13 Gefäßbündeln durchzogen,
welche an der dünnen, durchsichtigen Gelenkstelle leicht zu sehen
sind. Jedes Gefäßbündel mündet in einen der beschriebenen Vor-
sprünge. Von den sieben obersten Zipfeln führen Bündelabzweigungen
in die Spitze des Labellums. Die bisherigen Beobachtungen an
Catasetiden und anderen Orchideen ^) machten es wahrscheinlich,
daß auch hier das Labellum ein Futtergewebe enthalte. Eine
Prüfung verschiedener Partien mit Millonschem Reagens und anderen
zum Nachweis von Eiweiß benutzten Reageutien ergab keinen
Erfolg. Ebensowenig konnte Zucker oder Stärke nachgewiesen
werden. Dagegen enthalten fast alle Zellen des Labellums stark
lichtbrechende Tropfen, die in besonders großer Menge in den be-
schriebenen Voi'sprüngen auftreten; hier sind die etwas papillösen
Epidermiszellen fast ganz davon erfüllt (Taf. VII, Fig. 11). Die
Tropfen färben sich in Sudan III und Alkannatinktur intensiv rot,
werden durch Osmiumsäure geschwärzt und sind in starkem Alkohol
löslich. Es handelt sich anscheinend um ein fettes Öl, das geruch-
los und nicht klebrig ist, wodurch es sich sofort von dem harzigen
Inhalt der Klebscheibe unterscheidet. Letzterer nimmt auch in
Sudan eine wesentlich gell)ere Färbung an. Die Zipfel enthalten
ferner große, isoHerte Speichertracheiden mit feinen Spiralbändern,
ähnlich denen, die in den Kannen von Nepenth.es vorkommen.
Das gleichfalls anatomisch genau untersuchte Cycnoches stelli-
ferum Lodd. stimmt mit C. macidatum weitgehend überein. Die
männliche Blüte ist der der letztgenannten Spezies sehr ähnlich,
nur ist sie wesentlich kleiner und nicht rot gefleckt. Der Bau
der Säule und des Labellums zeigt so wenig Unterschiede, daß
darauf nicht näher eingegangen zu werden braucht. Von Cycnoches
chlorochüon Lindl. , das zur Sektion Eucycnoches gehört, standen
mir nur eine in Alkohol konservierte und eine lebende Blüte zur
Verfügung. Die Blüten sind ungewöhnlich groß (Gesamtlänge
13 cm, größte Breite 8 cm), ihre Blätter sind abgesehen vom La-
bellum ziemlich gleich gestaltet, derb und von gelbgrüner Farbe.
Das unbewegliche, 6 cm lange Labellum ist fleischig und steht fast
aufrecht. Der obere schüsseiförmige Teil ist elfenbeinfarben, unten
1) Vgl. Haberlandt a. a. 0., S. 67. — Guttenberg a. a. 0. — Forsch, 0.,
Über zwei neue Insektenanlockungsmittel der Orchideenblüte. Österr. Botan. Zeitschrift,
LV, 1905, S. 165 flf. — Derselbe, II. Weitere Untersuchungen über Futterhaare usw.
Österr. Botan. Zeitschrift, LVI, 1906, S. 41 ff.
Anatomisch-pliysiologisclie Studien an den Blüten der Orchideengattung:en usw. 395
springt ein schwarzgrüner, gefurchter Höcker vor (Textfig. 6j. Die
Säule ist relativ kürzer und derber, im wesentlichen aber gleich
gebaut wie die von C. maculatwn. Die anatomische Untersuchung
des Pollinariums ließ keine besonderen Verschiedenheiten gegenüber
C. maculatum erkennen. Der Stipes ist kräftiger, die Epidermis-
Fig. 6. Cycnoches chlorochilon Lindl.
Männliche Blüte in natürlicher Größe. Das Pollinarium befindet sich noch an der
Säule (Original;.
Zellen sind dünnwandiger, dafür aber die darunter liegenden
Schichten stärker entwickelt. An der sehr großen Klebscheibe sind
gleichfalls ähnliche Verhältnisse wie bei C. maculatum zu beobachten.
Auch hier schließt die Scheibe die Narbenhöhle vollkommen zu.
Das Labellum verbreitet einen starken, angenehmen, zimtartigen
396 Hermann Ritter von Guttenberg,
Geruch. Es enthält sowohl im weißgelben Teile, besonders aber
im grünen Höcker massenhaft Öl und reichlich feinste Stärkekörnchen
in den Zellen. Die Epidermis des schüsseiförmigen Teiles ist ziem-
lich derb, glänzend glatt und daher für die Insekten wohl nicht
leicht zu benagen. Der grüne Höcker dagegen zeigt die Eigen-
tümlichkeit, daß zwischen Epidermiszellen mit kräftigen Außen-
wänden ganz zartwandige auftreten, welche bald einsinken und
zugrunde gehen. Dadurch wird die Oberfläche gefurcht und so
den Insekten das Anfressen erleichtert. In den tieferen Schichten
des Labellums finden sich zahlreiche große eiförmige Speicher-
tracheiden mit feiner Spiralverdickung.
B. Experimenteller Teil.
1. Die Reizbarkeit.
a) Catasetum.
Nach den eingehenden Untersuchungen Darwins kann es
keinem Zweifel mehr unterliegen, daß die Abschleuderung des Stipes
bei Catasetum durch einen Reizprozeß ausgelöst wird, der sich
zunächst in der berührten Antenne abspielt und in dieser zum
ßostellum geleitet wird. Darwin fand, „daß kein mäßiger Grrad
von Gewalt, auf irgend einen Teil der Blüte ausgenommen auf die
Antennen ausgeübt, irgend eine Wirkung hervorbringt" (a. a. 0.,
S. 160). „Die äußerste Spitze und die ganze Länge der Antennen
sind sensitiv. Bei einem Exemplar von C. iridentatum genügte
eine Berührung mit einer Borste; bei fünf Exemplaren von
C. saccatum war eine sanfte Berührung mit einer feinen Nadel not-
wendig; aber in den anderen Exemplaren war ein leichter Schlag
erforderlich. Bei C. tridentatum war ein Luftzug und ein Strom
kalten Wassers aus einer kleinen Röhre nicht hinreichend, ebenso-
wenig in irgend einem Falle eine Berührung mit einem mensch-
lichen Haar." Wichtig sind ferner Darwins Beobachtungen, daß
bei Catasetum callosum zwei in heißes Wasser getauchte Blüten
von selbst ihre Pollinien auswarfen, daß ferner ein dünner Strom
fast kochenden Wassers ebensowenig wie auf die Antennenspitze
geträufelte Schwefelsäure die Reizbew^egung auslösen.
Gegen Darwins Angaben hat sich bisher wohl nur Hart^)
1) Hart, J. H., Bull. Mise. Inform. Roy. Bot. Gard. of Trinidad 2, 1896, nach
dem Referat in Bot. Gazette, Bd. 22, 1896, S. 505.
Anatomisch-physiologische Studien an den Blüten der Orchideengattungen usw. 397
gewendet, welcher faud, daß bei C. fimbriatum die Ausschleuderung
der Pollinarien nicht nur bei Berührung- der Antennen, sondern
auch bei Erschütterung: der Blüte, Entfernung- der Anthere, Druck
auf die Säule und Reizung der Bänder der Narbenhöhle erfolgt,
wenn sich die Blüte in einem vorgeschrittenen „Reifestadium" be-
findet. Dazu ist zu bemerken, daß auch Darwin nicht leugnet,
daß stärkere Erschütterungen usw. den Schleudervorgang auslösen
können; vor allem ändert dies aber nichts an der Tatsache, daß
die Antennen zufolge ihrer besonderen Empfindlichkeit als spezielle
Perzeptionsorgane aufzufassen sind und daß, im Falle die Aus-
schleuderung nach Berührung der Antennen erfolgt, tatsächlich ein
Reizvorgang vorliegt. Dies bestätigt auch Jost^), der noch be-
merkt, daß es ihm nicht gelang, durch Anprall eines Wasserstrahls
eine Reizung der Antennen herbeizuführen.
Die Ausführungen Darwins und der späteren Autoren lassen
die Frage offen, ob bei Catasetum eine Art der Reizbarkeit vor-
liegt, welche der von Mimosa an die Seite zu stellen ist, oder ob
es sich um eine Empfindlichkeit ähnlich der der Ranken handelt,
ob wir die Erscheinung also als eine seismonastische oder als eine
thigmonastische aufzufassen haben. Meine eigenen Untersuchungen
über die Reizbarkeit waren vor allem der Entscheidung dieser
Frage gewidmet. Zunächst konnte ich sowohl bei C. fimbriatum
als auch bei C. Trulla, C. callosum und C. purum bestätigen, daß
ein durch ein menschliches Haar bewirkter „Kitzel", auch wenn
er längere Zeit andauert, niemals die Ausschleuderung herbeiführt.
Ebenso löst eine vorsichtige Berührung mit einer kräftigen Borste,
einem Pinsel oder einer Nadel den Schleudervorgang nicht aus,
solange man es vermeidet, einen Druck auf die Antennen auszuüben.
Dagegen genügt bei C. fimbriatum der geringste Druck, der eine
wenn auch noch so leichte Verbiegung der Antennen, vielleicht
auch nur eine geringfügige Deformation der Epidermiszellen herbei-
führt, zur Auslösung der Schleuderbewegung. Auch C. Trulla,
C. callosum und ein Blütenstand von C. purum erwiesen sich als
sehr empfindlich, viel weniger die Blüten des zweiten Exemplares
von C. purum und die von C. luridum. Bei diesen bedurfte es
einer kräftigen Verbiegung der Antennen, um die Abschleuderung
des Pollinariums herbeizuführen.
Sprechen schon die angeführten Versuche wenig dafür, daß es
1) .Tost, L., Vorlesungen über Pflanzenphysiologie. 3. Aufl., 1913, S. 569/70.
398 Hermann Ritter von Outtenberg,
sich bei Catasetum um Kontaktreizbarkeit handelt, so wird diese
Möglichkeit durch folgendes an C. fimhriatum mehrfach angestellte
Experiment meines Erachtens vollkommen ausgeschaltet. Wurde
aus einer Pipette ein Wasserstrahl mit geringem Druck auf die
Antennen geleitet, so trat keine Reizung ein, obwohl eine nach-
folgende Berührung der Antennen deren Reizbarkeit bewies. Wurde
der Wasserstrahl aber durch einen kräftigen Druck auf die Gummi-
blase der Pipette plötzhch mit größerer Gewalt aus einer Entfernung
von ca. 3 cm auf die Antennen geleitet, so erfolgte sofort Aus-
schleuderung ^). Es unterliegt keinem Zweifel, daß die frei vor-
ragenden Spitzen der Antennen durch den kräftigen Wasserdruck
etwas verbogen werden. Die Reizung durch den Wasserstrahl
erfolgte ferner auch dann, wenn ich die Blüte am Stiele so fest-
hielt, daß sie selbst sich nicht bewegen konnte. Das Experiment läßt
daher den sicheren Schluß zu, daß keine Koutaktreizbarkeit im
Sinne Pfeffers vorliegt, daß die Erscheinung vielmehr als eine
seismonastische anzusprechen ist. Die höhere Reizbarkeit der
Antennenspitze hat daher ihren Grund vielleicht nur darin, daß
die zarte Spitze leichter deformiert wird als die unteren Teile;
ferner können die hier bei einigen Arten auftretenden Papillen die
Deformation des Plasmas begünstigen. Auch folgender Versuch
zeigt eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Verhalten von Mimosa.
Hält man ein brennendes Streichholz unter die Antennen, so daß
diese angesengt werden, so erfolgt Ausschleuderung. Dieser Ver-
such scheint in einem gewissen Widerspruche mit den Angaben
Darwins zu stehen, daß kochendes Wasser oder Schwefelsäure,
auf die Antennen gebracht, keine Reizung herbeiführen. Leider
konnte ich den Versuch an dem empfindlichen C. fimhriatum infolge
Materialmangels nicht wiederholen. Bei C. purum ließen sich leicht
Versuche vornehmen, da man nur das schubförmige Labellum mit
den Flüssigkeiten zu füllen braucht. Übereinstimmend mit Darwin
fand ich, daß dabei keine Reizung erfolgt, doch möchte ich, da die
Versuche an den Blüten des wenig empfindlichen Exemplars von
C. purum vorgenommen wurden, keine weiteren Schlüsse daraus
ziehen. Sollte sich aber das Resultat auch bei den empfindlichen
Formen bestätigen, so ist daran zu denken, daß der Zellentod durch
Verbrennung jedenfalls ganz anders verläuft als der durch Ein-
l) Nach Abschluß des Manuskripts untersuchte Blüten von Catasetum triden-
tatum Hook, verhielten sich — entgegen der Angabe Darwins — ebenso.
Anatomisch-physiologische Studien an den Blüten der Orchideengattunsen usw. 399
Wirkung- von Säure oder heißem Wasser herbeigeführte. In
ersterem Falle dürfte es zu einer Explosion des Zellinhaltes kommen,
die in den letzteren Fällen wohl fehlt.
Sehr auffällig ist schließlich die Tatsache, daß eine lange
dauernde Einwirkung von Chloroform oder Ätherdämpfen die Reiz-
barkeit nicht aufhebt. Ich brachte abgeschnittene Blüten von
C. fimhriatiim mit dem Stiel in Wassergläschen tauchend unter
Glasglocken, nachdem ein größerer mit Äther oder Chloroform ge-
tränkter Wattebausch daneben ausgelegt worden war. In beiden
Fällen erwiesen sich die Blüten nach einstündiger Einwirkung der
Narkotika als unvermindert reizbar. Dieses Resultat ist so auf-
fällig, daß man, wenn nicht alle übrigen Versuche mit Bestimmtheit
für eine Reizerscheinung sprechen würden, dazu neigen könnte,
eine solche zu leugnen.
h) Cycnoches.
Ich komme nunmehr zur Beschreibung der Reizbarkeit von
Cycnoches macidatum und C. stelliferum und will zunächst wieder
Darwins Beobachtungen an der Gattung Cycnoches vorausschicken,
bemerke aber noch, daß das von Darwin allein studierte C. ven-
tricosum mit C. macidatum relativ weit verwandt ist, da es zu der
sich durch ähnliche männliche und weibliche Blüten auszeichnenden
Sektion Eucycnoches gehört. „Weder das Labellum, noch die Vor-
ragungen an den Seiten der Narbe'', schreibt Darwin (a. a. 0. S. 190),
„sind irgendwie sensitiv. Als ich aber bei drei Gelegenheiten für
einen Augenblick das Filament zwischen den beiden blattartigen
Anhängen berührte, wurde das Pollinarium in derselben Art und
Weise und durch denselben Mechanismus wie bei Mormodes aus-
gestoßen." Diese Beobachtung Darwins konnte ich an C. macu-
latum und C. stelliferum nur teilweise bestätigen. Eine schwache Be-
rührung des Filamentes an der angegebenen Stelle führte bei zahl-
reichen Blüten zu keinem Erfolg. Ein leichter Druck auf dasselbe
führte allerdings meist zur Abschleuderung. In diesen Fällen konnte
ich aber mehrfach mit Sicherheit feststellen, daß zuerst die Anthere
abspringt, das Filament also beim Aufdrücken reißt und der Stipes
samt Klebscheibe auf diese Weise frei wird. Dann fliegt aber in einer
für das Funktionieren des Apparates völlig ungeeigneten Weise die
Anthere voran und die Klebscheibe hinten nach. In zwei Fällen
wurde diese überhaupt nicht mitgerissen, sondern blieb am Rostellum
haften. Manchmal trat allerdings auch der von Darwin beschriebene
400 Hermann Ritter von Uuttenberj;',
Vorgang ein, d. h. es löste sich nach einem leichten Druck auf
das Filament die Klebscheibe los. In einigen Fällen kam es dabei
zur Abschleuderung des Pollinariums, in anderen löste sich der
Stipes unter Zurückrollen ab, ohne daß die Anthere mitgerissen wurde.
Nach diesen Versuchen glaubte ich die für die Reizung durch
die Insekten bestimmte Stelle an anderen Teilen der Blüte suchen
zu müssen und trachtete durch Druck, Stoß und Reibung der ver-
schiedensten Partien, zunächst ohne jeden Erfolg, die Ausschleude-
rung herbeizuführen. Nur wenn durch einen mäßigen Druck des
Fingers auf das Säulenende, die Anthere oder den Stipes die ganze
Säule herabgebogen wurde, kam es zur Explosion. Als ich aber
einmal die Säule an der Stelle, wo sich die Narbenhöhle befindet,
so zwischen Daumen und Zeigefinger nahm, daß ich auf die etwas
vorgewölbten Seitenwände der Narbenhöhle einen leichten Druck
ausübte, erfolgte momentan die Ausschleuderung und zwar viel
rascher als bei Berührung des Filamentes. Weitere Beobach-
tungen zeigten dann einwandfrei, daß der leiseste Druck auf
die Wände der Narbenhöhle zur Abschleuderung führt, jedoch nur
dann, wenn der Druck gleichzeitig von beiden Seiten erfolgt. Ein
Druck auf eine Seitenwaiid allein führte den Schleudervorgang nur
in seltenen Fällen und nur dann, wenn er ziemlich kräftig war, herbei.
Es kann nun die Frage aufgeworfen werden, ob wir überhaupt
berechtigt sind, bei Cycnoches von einer Reizerscheinung zu sprechen.
Ich glaube die Frage bejahen zu dürfen, wenn auch strenge Be-
weise, wie sie für Catasetum möglich sind, nicht so leicht erbracht
werden können. Die Ausschleuderung auf Grund eines auf das
Filament ausgeübten Druckes kann nur dann als Erfolg einer
Reizung gedeutet werden, wenn sich zuerst die Klebscheibe löst.
Andernfalls genügt wahrscheinlich der Druck, um die nicht allzu
feste Verbindung der Elemente im Filament, welche wir überhaupt
annehmen müssen, zu lösen. Auch die Ausschleuderung durch
einen Druck auf das Ende der Säule, welcher diese herabbiegt, ist
nicht als Reizvorgang anzusehen. Vielmehr wird dabei offensicht-
lich die zwischen Stipes und Rostellum bestehende Spannung
durch die Verbiegung vergi^ößert und führt so zum Zerreißen der
Verbindungen und zur Abschleuderung. Wie steht es nun aber
bei der Auslösung durch beiderseitige Berührung der Seiten-
wände der Narbenhöhle? Hier genügt schon ein so schwacher
Druck, daß von einer Deformation der Klebscheibe kaum, von einer
solchen des Rostellums sicher nicht gesprochen werden kann.
Anatomis(;h-physiologische Studien an den Blüten der Orchideengattungen usw. 401
Denn die „ empfindliche " Stelle liegt nicht zu beiden Seiten der
Anheftungsstelle der Klebscheibe, sondern wesentlich tiefer in der
unteren Hälfte der Narbenhöhle, ungefähr an der Stelle, wo bei
Catasetum die Antennen entspringen. Hier scheint also tatsächlich
Reizbarkeit vorzuliegen. Auch die Analogie des ganzen Vorgangs
mit dem Verhalten von Catasetum deutet auf einen Reizvorgang.
Besonders auffällig ist, daß die reizbaren Stellen von Cycnoches
den Ansatzstellen der Antennen von Catasetum entsprechen. Ich
habe mich ferner davon überzeugt, daß auch bei letzterem ein
beiderseitiger schwacher Druck auf die Seitenwände der Narben-
höhle an der angegebenen Stelle sofort zur Ausschleuderung führt.
Wie bei Catasetum wurden Blüten 1 Stunde lang Äther- oder
Chloroformdämpfen ausgesetzt und erwiesen sich nachher als reiz-
bar. Wollte man dies aber als Beweis gegen das Vorhandensein
echter Reizbarkeit anführen, so müßte man letztere auch für
Catasetum leugnen. Schließlich sprechen noch die im letzten Ab-
schnitte zu schildernden Versuche dafür, daß auch bei Cycnoches
eine echte Reizerscheinung vorliegt.
Es fragt sich nunmehr, wie man sich das Verhalten der In-
sekten beim Besuche der Blüte von Cycnoches maculatum und
ähnlichen Formen vorzustellen hat, und bei welcher Gelegenheit
es dabei zur Abschleuderung des Pollinariums kommt. Da Beob-
achtungen in der Natur noch nicht vorliegen, ist man auf Ver-
mutungen angewiesen, und ich glaube, daß folgende Deutung die
Wahrheit trifft oder ihr wenigstens zunächst kommt. Das Insekt
trachtet die Futterstoffe der Lippe zu gewinnen. Zu diesem Zwecke
könnte es sich auf die Säule setzen, die dabei herabgebogen würde.
Das kann die Abschleuderung des PoUinariums zur Folge haben,
welches dann der Ventralseite des Insektes anhaften würde.
Dieses hätte aber seinen Zweck nicht erreicht, denn es hinge an
der Säule, ohne zum Labellnm zu gelangen. Es ist daher viel
wahrscheinlicher, daß sich das Insekt am Labellum selbst an-
klammert, welches ihm dazu durch die vorragenden Zipfel aus-
gezeichnete Gelegenheit bietet. In demselben Momente tritt aber
das früher beschriebene Gelenk der Lippe in Funktion, und das
Epichil sinkt soweit herab, daß die beiden kräftigen zangeuartigen
mittleren Zapfen das Fußstück (Hypochü) des Labellums zwischen
sich einklemmen und ein weiteres Herabsinken verhindern. Von
dem guten Funktionieren dieser Sperrvorrichtung kann man sich
durch Herabbiegen des Epichils leicht überzeugen. Da es sich
Jahib. f. wiss. Botanik. LVI. 26
402 Hermann Eitter von Guttenberg,
jedenfalls wie bei Catasetum um große Insekten (vielleicht auch
um Euglossa- Arten) handelt, stößt das Tier mit dem rückwärtigen
Ende an das dem Labellum zugekehrte Säulenende, und es ist an-
zunehmen, daß das Insekt dieses mit den rückwärtigen Beinpaaren
umklammert. Dabei muß die Ausschleuderung erfolgen und die
Klebscheibe der Unterseite des Insektes angeheftet werden. Das
auffällige Gelenk im Labellum und die beiden deutlich als Sperr-
vorrichtung dienenden mittleren Zipfel lassen mir diese Deutung
sehr wahrscheinlich erscheinen. Daß diese beiden Zapfen eine
andere Funktion wie die übrigen besitzen, wird besonders bei
C. stein ferum deutlich, da sie hier ganz grün gefärbt sind, sich
also von den weißen restlichen Zipfeln sofort unterscheiden; auch
bei C. maculatum weichen sie durch rote Punktierung meist von
den übrigen etwas ab.
Alle im vorstehenden gemachten Angaben beziehen sich auf
männliche Blüten der Sektion Heteranthae. Über die Keizbarkeit
der männlichen Blüte von C. chlorochüon kann ich vorläufig nichts
Näheres mitteilen, da mir nur eine lebende Blüte dieses Vertreters
der Sektion Eucycnoches zur Verfügung stand. Die Ausschleude-
rung des Pollinariums erfolgte bei diesem Exemplar infolge eines
Druckes auf das Säulenende, nachdem eine vorhergehende Berührung
des Filamentes erfolglos gewesen war. Eine beiderseitige Berührung
der Narbenkammer war nicht vorgenommen worden, da ich zu
diesem Zeitpunkte meine darauf bezüglichen Beobachtungen an
C. maculatum noch nicht gemacht hatte. Bei der weitgehenden
Übereinstimmung der Bauverhältnisse halte ich es indes für sehr
wahrscheinlich, daß die Eeizungsstellen dieselben sind wie bei der
oben genannten Spezies. Dagegen müssen wir uns den Insekten-
besuch wesentlich anders vorstellen. Die mit dem Futtergewebe
ausgestattete Innenseite des Labellums ist im oberen, schüssei-
förmigen Teil spiegelglatt, bietet den Insekten also keine Möglich-
keit der Anklammerung. Sie könnten das Labellum höchstens vom
Bande her benagen, wenn sie sich an diesem oder an der Bück-
seite festhalten. Wohl aber können sie den futterreichsten Teil,
nämlich den dunkelgrünen Höcker leicht anfressen, wenn sie sich
vorne an diesem anklammern und rückwärts das gegenüberliegende
Säulenende umfassen. Beides ist leicht möglich, da der Höcker,
wie erwähnt, durch Furchen rauh und die Säule wesentlich kürzer
und fester wie bei C. maculatum ist, so daß sie durch das Gewicht
auch größerer Insekten nur wenig herabgebogen werden dürfte.
Anatomisch-physiologische Studien an den Blüten der Onhideengattungen usw. 403
Auch in diesem Falle würde der Stipes der Unterseite des
Insektes angeheftet. Es ergibt sich nun die Frage, ob die Pol-
linien auf der Bauchseite ihres Trägers sich in einer für die Be-
fruchtung der weiblichen Blüten vorteilhaften Lage befinden. Nach
den Abbildungen weiblicher Blüten, die mir zur Verfügung standen
(besonders zahlreiche Abbildungen Rolf es in der Zeitschrift "The
Orchid Review") glaube ich diese Frage bejahen zu können. Das
Labellum dieser Blüten hat die Form eines derben fast senkrecht
aufgerichteten Blattes, das keinerlei Anklammerungspunkte für die
Insekten erkennen läßt. Im unteren Teile ist meist ein ähnlicher,
wenn auch schwächer entwickelter Höcker, wie in der männlichen
Blüte von C. chlorochilon, zu bemerken. Die gegenüberliegende,
fast horizontale, kurze, kräftige Säule dagegen kann dem Insekte
sehr gut als Stützpunkt dienen. Drei am Ende der Säule befind-
liche, hakenförmig zurückgekriiinmte Vorsprüuge düi-ften beim Rück-
zuge des Insektes die an dessen Unterseite befindlichen Pollinien
erfassen, von den Stielchen abreißen und so die Befruchtung sichern.
2. Der Schleudermechanismus.
Wir haben bisher einen Punkt noch gänzlich außer acht ge-
lassen, nämlich die Frage, wie die im Stipes vorhandene Spannung
zustande kommt. Daß diese von der Reizerscheimmg unabhängig
ist, hat schon Darwin angenommen und später besonders Haber-
ia n dt ^) nachdrücklichst hervorgehoben.
Die nächstliegende Annahme ist wohl die, daß im Stipes eine
Gewebespannung vorliegt, die darauf beruht, daß die inneren
Schichten zufolge eines höheren Turgors ein starkes Ausdehuungs-
bestreben besitzen, das beim Freiwerden des Stipes dessen Gerade-
streckung (bei Catasetum) oder Überkrümmung (bei Cycnoches) be-
wirkt. Ähnliche Mechanismen sind ja bei Schleuderbewegungen
anderer lebender Pflanzenteile mehrfach bekannt geworden. Ich
erinnere nur an die Früchte von Impatiens und Cyclanthera, bei
welchen Schwellgewebe mit hoher Turgorspannung und sehr elasti-
schen Wänden auftreten. Diese Gewebe dehnen sich nach Auf-
lösung der Trennungsschichten der Frucht plötzlich sehr stark aus
und veranlassen so das explosive Aufspringen derselben. Für der-
artige, durch Turgorspannung bewirkte Bewegiingen haben wir in
1) Haberlandt, G., a. a. 0., S. 65.
26*
404 Hermami Eitter von Gruttenberg,
der Plasmolyse ein bequemes Prüfuugsmittel. Sowohl die Frucht-
k läppen von Impatiens als auch die Fruchtwände von Cyclanthera
werden nach starker Plasmolyse ganz weich und kehren entweder
selbst in die ursprüngliche Lage zurück oder setzen wenigstens
einer Rückkrümmung keinerlei Widerstand entgegen. Ganz anders
liegen die Verhältnisse beim Stipes der Catasetiden. Da das Ver-
halten von Catasetum und Cycnoches nicht ganz gleichartig ist, so
sollen sie im folgenden zunächst getrennt besprochen werden. Auch
stärkste Plasmolyse, herbeigeführt durch konzentriertes Glyzerin
oder konzentrierte Kalisalpeterlösung, übt auf den Stipes von
Catasetum keinerlei Wirkung aus. Er behält seine gestreckte Form
bei, die Ränder bleil)en umgeschlagen und die Festigkeit der Ge-
webe bleibt unverändert. Eine gewaltsame Krümmung, sei es in
die ursprüngliche Lage oder in entgegengesetzter Richtung, wird
beim Freiwerden des Stipes sofort wieder elastisch ausgeglichen.
Ebenso verhalten sich Stipes, welche in kochendes Wasser getaucht
oder mit Fixierungsinitteln behandelt werden. Die anatomische
Untersuchung eines frisch abgeworfenen Stipes bringt dafür eine
einfache Erklärung: die Zellen der Epidermis besitzen nach dem
Abschleudern und zwar auch dann, wenn sie sicher durch den
Schnitt nicht verletzt sind, aljgestorbene Protoplasten. Diese sind
überall stark von der Wand abgehoben, so daß man zunächst an
Plasmolyse denken möchte. Doch läßt sich weder durch Plasmo-
lytika eine weitere Kontraktion bewirken, noch ist es möglich,
durch Einlegen in Wasser die Schrumpfung rückgängig zu machen.
Über die vermutliche Ursache dieser Erscheinung wird noch zu
sprechen sein, hier sei nur noch bemerkt, daß die Zellen zweifellos
eben erst — wahrscheinlich im Momente der Abschleuderung —
abgestoßen sind, denn die Protoplasten zeigen keine Spur von Ver-
trocknung und der Zellkern hat normales Aussehen. Auch ließen
Schnitte durch blühreife Knospen erkennen, daß sich die Epidermis-
zellen des Stipes vorher in kräftiger Turgeszenz befinden; Sproz.
Kalisalpeterlösung bewirkte deutliche, aber nicht sehr weitgehende
Plasmolyse. Die inneren Zellagen des abgeschleuderten Stipes ver-
halten sich etwas anders. Auch hier sind manchmal die Proto-
plasten etwas von der Membran abgehoben, doch konnte ich mehr-
fach einw^andfreie Plasmolyse erzielen.
Daß im Stipes auch ohne Turgor eine starke Spannung besteht,
geht ferner aus folgendem Versuche hervor. Werden abgeschnittene
offene Blüten in 96proz. Alkohol gebracht, so streckt sich nach
Anatomisch-physiolopische Studien an den Blüten der Orchideenjjattungen usw. 405
geraumer Zeit (V4— 1 Stunde) der Stipes gerade, wobei sich die
Klebscheibe vom Rostellum löst. Die Anthere wird aber nicht
abgerissen und das Pollinarium nicht ausgeschleudert. Daß im
plasmolysierten Stipes noch eine starke Spannung besteht, wurde
auch bei C. Trulla, C. luridum und C. purutn beobachtet.
Bei Cycnoches maculatum findet, wie erwähnt, nach der Ab-
schleuderung zunächst eine starke Überkrümmung des Stipes statt,
welche an der Luft nach einiger Zeit wieder zurückgeht. Die
Geradestreckung erfolgt auch in plasmolysierenden Lösungen. Da-
nach möchte man annehmen, daß die Überkrümmung durch höheren
Turgor der Innenschichten herbeigeführt und dann durch Aus-
trocknung oder Plasmolyse dieser Zellen wieder aufgehoben wird.
Dem kann aber nicht so sein, denn auch in Leitungswasser ge-
brachte Stipes strecken sich gerade. Nur bei Übertragung in ab-
soluten Alkohol bleibt die schlingenförmige Krümmung erhalten.
Dies kann nicht verwundern, da die Wände hier sofort erhärten
und nun zur Rückbewegung ebenso unfähig sind wie die Wände
von Schließzellen, die in absolutem Alkohol fixiert wurden. Die
Rückbewegung des Stipes könnte ebenso durch ein allmähliches
Kontraktionsbestreben der Membranen der tieferen Schichten wie
durch ein Nachlassen im Kontraktionsbestreben der Epidermis
herbeigeführt werden.
Auch bei Cycnoches konnte es durch Eintauchen in plasmoly-
sierende Lösungen oder siedendes Wasser nicht erreicht werden,
die Steifheit oder die geradegestreckte Form des Stipes zu beein-
flussen. Der anatomische Befund im abgeschleuderten Stipes war
derselbe wie bei Catasetnm. Eine in kochendes Wasser geworfene
Blüte warf ihr Pollinarium momentan aus, wobei zunächst unent-
schieden bleiben muß, ob es sich um eine Wirkung auf den Stipes,
die Klebscheibe oder auf die reizbaren Stellen handelte. Bei Fixie-
rung in 50 — 96proz. Alkohol erfolgt wie bei Catasetum nach sehr
langer Zeit, oft erst nach 1 — 2 Stunden eine Lösung der Kleb-
scheibe und Geradestreckung des Stipes, ohne daß das Filament
reißt. Auch bei Fixierung mit Chrom-Osmium-Essigsäure trat der
selbe Erfolg jedoch noch später (nach 3 — 4 Stunden) ein. Eine in
konzentriertem Glyzerin untergetaucht gehaltene frische Säule
streckte gleichfalls nach V 2 Stunden den Stipes aus der Narben-
höhle vor.
Betrachten wir nunmehr Catasetum und Cycnoches gemeinsam,
so läßt sich sagen, daß im gebogenen Stipes auch ohne Turgor
406 Hermann Ritter von tTuttenber^,
eine starke elastische Spannung besteht. Doch ist diese nicht so
stark wie die Spannung des lebenden Stipes bei der Abschleude-
rung; plasmolysierte und tote Stipes haben wohl noch das Vermögen
sich gerade zu strecken, nicht aber die Kraft, das Pollinarium aus-
zuschleudern. Die Lösung der Klebscheibe vom Rostellum kann
in diesen Fällen nur dadurch zustande kommen, daß durch die
Einwirkung der genannten Reagentien eine allmähliche Lösung der
letzten Verbindungen zwischen Klebscheibe und Rostellum eintritt.
Eine anatomische Untersuchung dieser Stellen läßt erkennen, daß
in der offenen Blüte sich auch jene Zellen zmschen Klebscheibe
und Rostellum, welche in der blühreifen Knospe noch ungeteilt
waren, geteilt haben. Die neu gebildeten Zellen haben dasselbe
Aussehen wie die früher l)eschriebenen Elemente des Trennungs-
gewebes. Die außerordentlich dünnen Wände, die in Lösung be-
griffen erscheinen, sind zerrissen. Wir müssen also annehmen,
daß die Reagentien eine Lockerung des Zellverbandes herbeiführen,
ohne indes eine völlige Trennung der Elemente zu be^\irken.
Diese Lockerung kann sowohl in einer chemischen Lösung der
Mittellamellen als auch darin bestehen, daß durch die Plasmolyse
ein Schrumpfen der früher gespannten Zellen eintritt, was gleich-
falls eine teilweise Trennung der Mittellamellen, besonders in den
Zellecken zur Folge haben muß. Schließlich ist der Zellverband
nicht mehr stark genug, um dem Zuge des Stipes zu widerstehen,
das Gewebe reißt und zwar nicht bloß in den Mittellamellen,
sondern auch mitten durch die Zellwände, was bei deren außer-
ordentlicher Zartheit ganz verständlich ist.
Wir wollen nunmehr den Ursachen der Spannung, welche im
Stipes auch ohne Turgor besteht, näher nachgehen. Da an eine
Quellungserscheinung nach dem anatomischen Befund nicht zu
denken ist, muß ungleichmäßiges Wachstum zur Erklärung des
Spannungszustandes herangezogen werden. Die entspannte Lage ist
sowohl für den Stipes von Catasetum als auch für den von Cycnoches
schheßlich die geradegestreckte. Da bei Cycnoches mangels der seit-
lichen Einrollung die Verhältnisse einfacher liegen, sei zunächst diese
Gattung besprochen. Von vornherein kommen folgende beiden Erklä-
rungsmöglichkeiten in Betracht: es kann in der Epidermis, besonders
in der dicken Außenwand ein Kontraktionsbestreben vorliegen,
oder es können die tieferen Schichten ein Ausdehnungsbestreben
besitzen. Im ersten Falle wäre die Epidermis in ilirem Wachstum
gegenüber den tieferen Scliichten des Rostellums zurückgeblieben.
Anatomisch-physiolos^ische Studien au den Blüten der Orclüdeengattungen usw. 407
befände sich also in einem Zustande der Zugspannung, im zweiten
Falle wären die unteren Zellagen in ihrem Wachstumsbestreben
durch den Verband mit den übrigen Teilen behindert worden, so
daß sie sich in Druckspannung l)efäuden. Der anatomische Befund
spricht dafür, daß beides zutrifft. Wie schon früher erwähnt wurde,
zeigt die Epidermisaußeuwand und besonders auch die Kutikula
an eingerissenen Epidermiszellen ein auffälliges Bestreben, sich
nach außen einzurollen. Es herrscht also in der Außenwand selbst
schon eine Spannung. Ebenso krümmen sich Oberflächenschnitte
des Stipes, die nur oder vorwiegend aus Epidermiszellen bestehen,
unter Verkürzung zurück. Andererseits behalten die tieferen Zell-
lagen im abgeschleuderten Stipes ihre geradegestreckte Gestalt
auch dann, wenn man die Epidermiszellen durch Schnitte entfernt.
Sie werden also nicht etwa von der Epidermis gespannt, sondern
besitzen selbst ein Ausdehnungsbestreben ; üire Verlängerung drückt
sich auch darin anatomisch aus, daß die ursprünglich wellenförmig
gekrümmte Form nach der Abschleuderung mehr oder weniger
ausgeglichen ist. Solange der Stipes an beiden Enden mit dem
Kostellum zusammenhängt, kann dieses Ausdehnungsbestreben nur
bewirken, daß die Epidermis noch weiter gedehnt wird und der
Stipes sich im Treunungsgewebe vom Rostellum löst und so vor-
wölbt, daß die Innenseite konkav wird, eine Erscheinung, die, wie
erwähnt, an Quer- und Längsschnitten durch blühreife Knospen
stets beobachtet werden kann.
Bei Catasetum liegen die Verhältnisse im Prinzipe ebenso wie
bei Cijcnoches, nur kommt noch das Umschlagen der Bänder als
weitere Erscheinung hinzu. Dieses Zurückschlagen ist eine not-
wendige Folge der Geradestreckung des früher eingekrümmten
Stipes. Solange der Stipes sich am Rostellum befindet, liegen seine
umgeschlageneu Räuder den Seiten des Rostellums an und schließen
mit der Vorderfläche des Stipes einen Winkel von etwa 75 "^ ein.
Bei der Geradestreckung ^ird auf die Ränder eine Zugspannung
ausgeübt, die um so geringer ist, je mehr sich die Ränder der
Vorderfläche nähern, je stärker sie also zurückschlagen. Dieser
Vorgang läßt sich mit einem nach Art eines Stipes zurechtgebogenen
Papierstreifen leicht nachahmen.
Wir haben bisher nur über die im Stipes ohne Turgor be-
stehende Spannung gesprochen, haben aber andererseits erfahren,
daß diese lange nicht so stark ist wde die Spannung im lebenden
Stipes ; nur die letztere fühlet zur Ausschleuderung des Pollinariums,
408 Hermann Ritter von Guttenberg,
während erstere nichts anderes als eine Geradestreckung des Stipes
unter Ablösung der Klebscheibe zur Folge hat. Es kann also
keinem Zweifel unterliegen, daß der Turgor die im Stipes vorhandene
Spannung wesentlich erhöht. Es ist ohne weiteres verständlich,
daß ein kräftiger osmotischer Druck in den inneren Zellagen deren
Ausdehnungsbestrebeu erhöhen muß. Andererseits hat es zunächst
den Anschein, als ob ein starker Turgor der Epidermiszellen der
Zugspannung der Epidermis entgegenwirken und sie eventuell auf-
heben würde. Dies ist aber deshalb nicht richtig, weil die Epi-
dermisaußenwände (besonders bei Catasetum) wesentlich dicker als
die Innenwände sind und die Zellen daher ebenso wie eine Schließ-
zelle bei steigendem Turgor das Bestreben haben müssen, sich so
zu krümmen, daß die dickere, weniger dehnsame Seite zur Konkav-
seite wird. Infolgedessen erzeugt der Turgor ein Krümmungs-
bestreben, das der tatsächlich vorhandenen Krümmung entgegen-
gesetzt ist und so gleichfalls die Spannung erhöhen muß. Voraus-
setzung ist natürlich, daß sich die Gewebe des Stipes überhaupt
im lebenden Turgeszenzzustande befinden. Wie schon früher er-
wähnt wurde, konnte ich am noch nicht abgeschleuderten Stipes
das Vorhandensein einer starken Turgorspannung durch Plasmolyse
feststellen. Die Gründe, die dafür sprechen, daß die im abgeworfenen
Stipes teilweise zu beobachtende Plasmolyse erst nach dem Ab-
springen desselben eintritt, möchte ich erst im letzten Abschnitt
erörtern.
Die anatomische Untersuchung des Stipes von Catasetum und
Cycnoches ergab als wichtiges Unterscheidungsmerkmal das Vor-
handensein schlauchförmiger Fortsätze an den Epidermiszellen bei
der erstgenannten Gattung. Daß diese Verlängerungen für den
Schleudervorgang nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein
können, geht ohne Aveiteres daraus hervor, daß sie bei Cycnoches
fehlen; doch ist kaum anzunehmen, daß diese bisher bei keiner
andern Epidermis beobachtete Erscheinung bedeutungslos sein
sollte. Vermutlich haben die Fortsätze folgende Aufgaben zu er-
füllen. Im spannungslosen Zustand des Stipes stehen sie von den
Epidermiszellen, denen sie angehören, in fast rechtem Winkel ab.
Dieser Winkel muß sich bei einer Verbiegung des Stipes ändern,
und zwar wird er bei der E.ückki'ümmung in die ursprüngliche
Lage gewaltsam vergrößert, bei entgegengesetzter Krümmung ver-
kleinert. Im ersten Falle drücken die Fortsätze aufeinander, im
letzteren auf die unter ihnen liegenden Zellen. Dadurch wird die
Anatomisch-physiologische Studien an den Blüten der Orchideenjrattunjjen usw. 409
Spannung im gebogenen Stipes noch erhöht und so können die
Fortsätze sowohl den Schleudervorgang fördern, als auch eine
Überkrümmung des Stipes nach der entgegengesetzten Seite ver-
hindern. Eine solche tritt ja tatsächlich bei Catasetum im Gegen-
satze zu Cycnoches nicht ein. Freilich dürften dafür noch andere
Gründe, so z. B. das Auftreten des umgeschlagenen Randes von
Bedeutung sein.
3. Der Trennungsvorgang.
Wir kommen schließlich noch zu der bisher ungelösten Frage,
welcher Art die Veränderuugeu sind, welche der Reiz im Rostellum
(einschließlich Klebscheibe und Stipes) herbeiführt, und die zur
Trennung der Klebscheibe beziehungsw^eise des Stipes Veranlassung
geben. Darwin war der Ansicht, daß bei der Berührung der
Antennen „die Ränder der oberen Membran der Scheibe^), w^elche
kontinuierlich mit der umgebenden Fläche im Zusammenhang stehen"
(a. a. 0. S. 159), reißen. Wie das „Bersten" (a. a. 0. S. 162) dieser
Zellen zustande kommt, darüber gibt Darwin keinen Aufschluß.
Auch die späteren Autoren, die sich mit dem Objekte beschäftigt
haben, lassen die Frage offen.
Zunächst seien ganz allgemein die überhaupt in Betracht
kommenden Erklärungsmöglichkeiten besprochen. Man muß dabei
vor allem an der Tatsache festhalten, daß bei normaler Reizung
zuerst eine Lösung der Klebscheibe vom Rostellum erfolgt. Dies
kann seine Ursache darin haben, daß sich tatsächlich hier auf
Grund der Reizung die letzten Verbindungen lösen; es könnte
aber das Einreißen auch deshalb zuerst an dieser Stelle erfolgen,
da die Zusammenhänge hier am schwächsten sind. Es ist nämlich
von vornherein nicht ausgemacht, daß der Reiz eine Lösung der
Verbindungen — sei es der Klebscheibe oder des Stipes selbst —
bewdrkt, sondern es besteht auch die Möglichkeit, daß auf Grund
des Reizes die Spannung im Stipes erhöht wird und dies den An-
stoß zur Abschleuderung gibt. Wir wollen auf diese Möglichkeit
gleich näher eingehen. Eine direkte Erhöhung der Spannung im
Stipes könnte wohl nur durch eine Turgorsteigerung in seinen
Zellen erzielt werden. Eine solche ist aber schon deshalb unw^ahr-
scheinlich, da der Stipes nur mehr an seinen Rändern mit dem
1) D. i. des von mir als Sockel bezeichneten Teiles.
4-]_0 Hermann Eitter von Guttenberg,
Eostellum in Verbindung steht, also schwerlich das zu einer Volum-
zunahme nötige Wasser erhalten kann. Keinesfalls ist es vor
allem möglich, daß diese Wasserzufuhr momentan erfolgt, und doch
müßte man das annelimen, da die Abschleuderung im Momente der
Berührung der Antenne eintritt. Nur an eine andere Eventualität
wäre zu denken, für welche die anatomische Untersuchung schein-
bar Stützpunkte bietet. Wir haben früher gehört, daß im ab-
geworfenen Stipes sämtliche Epidermiszellen unter starker Schrump-
fung der Protoplasten abgestorben sind. Des dabei austretenden
Wassers könnten sich die darunter liegenden langgestreckten Zellen
bemächtigen und damit eine Volumvergrößerung erreichen, da jetzt
der Gegendruck und die osmotische Saugung der Nachbarzellen
fehlen. Ausgeschlossen ist dies nicht, denn die tieferen Zellagen
des Stipes sind nach der Abschleuderung z, T. sicher noch am
Leben. Es fragt sich nur, ob wirklich durch ein gleichzeitiges
Absterben der Epidermiszellen und eine angestrebte Volumzunahme
der langgestreckten Zellen eine Erhöhung der Gesamtspannung
bewirkt wird. Eine sichere Entscheidung darüber läßt sich meines
Erachtens nicht gewinnen. Denn eine Volumzunahme der tieferen
Zellagen muß wohl die Spannung erhöhen, andererseits glaube ich,
daß das Rückkrümmungsvermögen der Epidermis durch Turgor-
verlust vermindert wird. Denn wie schon früher erwähnt wurde,
muß — vor allem bei Catasetum — infolge der dickeren Epidermis-
außenwand der Turgor die Zellen besonders an ihren Innenwänden
dehnen, wogegen die Außenwände konkav zu werden trachten.
Erlischt der Turgor in der Epidermis, so hört diese Spannung auf,
und es ist zweif(4haft, ob das erhöhte Ausdehnungsbestreben der
inneren Zellagen ausreicht, um trotzdem die Gesamtspannung zu
erhöhen. Ich halte dies nicht für wahrscheinlich und glaube, daß
der Tod der Epidermiszellen nicht durch die Reizung, sondern erst
nach dieser als Folge der bei der Abschleuderung eintretenden
Form Veränderungen im Stipes eintritt. Bei der Abschleuderung,
die zur Geradestreckung oder Überkrümmung des Stipes führt,
werden die früher in Zugspannung befindlichen Epidermiszellen
plötzlich stark komprimiert, ihr Volumen wird bedeutend verkleinert,
und ich vermute, daß der starke Druck der Zell wände auf die
Protoplasten diese zerstört. Dies wird durch folgende Beobachtung
besonders wahrscheinlich gemacht. Drückt man den Stipes bei der
Reizung mit dem Finger gegen das Rostellum, so daß er sich nur
allmählich loslösen kann, so zeigt eine nachfolgende anatomische
Anatomisch-physiologische Studien an den Blüten der Orchideengattungen usw. 411
Untersuchung:, daß zahlreiche Epidermiszellen noch am Leben sind
und sich plasmolysieren lassen.
Nehmen wir mithin an, daß der Reiz nicht direkt auf den
Stipes einwirkt, so könnte dessen Spannung- doch dadurch erhöht
werden, daß als Erfolg der Reizung: eine Turgorsenkung- im Ro-
stelhim eintritt. Wenn sich dieses durch plötzliche Turgorabnahme
verkürzt, so rücken die Endpunkte der Befestigung des Stipes und
der Klebscheil)e einander näher, wobei die Krümmung des Stipes
verstärkt und damit seine Spannung erhöht wird. Andererseits
kann auch eine Turgorsenkung, die ausschließlich im Yerbindungs-
gew^ebe zwischen Klebscheibe und Rostellum vor sich geht, zur
Abschleuderung führen. Denn w^enn in diesen Zellen eine Turgor-
abnahme eintritt, so werden sie sich infolge ihrer Kontraktion teil-
weise in den Mittellamellen voneinander lösen und besonders an
den Zellecken trennen. Damit kann die Festigkeit des Zusammen-
hanges soweit herabgesetzt werden, daß sie dem Zuge des Stipes
nicht mehr widerstehen kann und die Verbindung reißt. Tatsäch-
lich zeigt das anatomische Bild nach der Abschleuderung an den
Trenuungsstellen teils in den Mittellamellen voneinander gelöste,
teils mitten durchgerissene Zellen.
Die beiden Annahmen, daß der Schleudervorgang durch Turgor-
senkung im Rostellum oder in den Rändern der Klebscheibe ein-
geleitet wird, lassen sich bis zu einem gewissen Grade einer
experimentellen Prüfung unterziehen, da es möglich ist, solche
Turgorsenkungen künstlich herbeizuführen. Für meine Versuche
verwendete ich mehrere Blüten von Catasetum purum und Cycnoches
maculatum. Bei Catasetum gelingt es leicht, mit Hilfe einer zu-
gespitzten Pipette etwas lOproz. Kalisalpeterlösuug in die Narben-
höhle zu tropfen. Da die Säule bei dieser Art horizontal liegt
oder etwas nach abwärts geneigt ist, bleiltt der Tropfen in der
Narbenhöhle haften und fließt zur Klebscheibe. Nach 10 — 20
Sekunden erfolgte in allen Fällen spontan und mit voller Kraft
die Ausschleuderung des Pollinariums^). Denselben Erfolg erzielte
ich mit 90proz. Alkohol, wogegen ein Tropfen fast siedenden
Wassers die Explosion momentan herbeiführte. Es gelingt also
sow^ohl durch Plasmolyse als auch durch Abtötung der Zellen des
Verbindungsgewebes zwischen Klebscheibe und Rostellum den
1) Das gleiche Resultat erhielt ich nach Abschluß des Manuskripts an Blüten von
Catasetum tridentatuni Hook.
412 Hermann Eitter von Guttenberg,
Schleudervorgang herbeizuführen, und es ist demnach kaum mehr
daran zu zweifeln, daß auch bei der Berührung der Antennen der
Reizerfolg in einer Turgorsenkung in diesen Zellen besteht. In
welcher Weise dadurch eine Lockerung des Verbandes bemrkt
wird, ^\^lrde bereits oben ausgeführt. Daß eine Turgorsenkung
im Rostellum selbst eintritt, ist nicht anzunehmen, da sonst
der Schleudervorgang nicht so rasch nach dem Eintropfen der
Flüssigkeiten erfolgen könnte. Aus demselben Grunde ist es
unwahrscheinlich, daß der Reiz in den letzten Verbindungen
des Stipes mit dem Rostellum Veränderungen hervorruft. An
diesen Stellen ist das Zerreißen wohl nur eine Folge des
Rückkrümmungsbestrebens des Stipes nach Freiwerden der Kleb-
scheibe.
Weniger leicht gelingt, die Beweisführung bei Cycnoches, da
hier der vorhangartige P''ortsatz der Klebscheibe die Narbenhöhle
fast völlig verschließt. Ich trachtete mit Hilfe einer kapillar zu-
gespitzten Pipette durch die kleine Öffnung Kalisalpeterlösung ein-
zuspritzen. Die im Innern der Narbenhöhle vorhandene Luft ver-
hindert aber das Ausbreiten des Tropfens. Nur in einem Falle
hatte ich positiven Erfolg: einige Minuten nach der Einspritzung
wurde das Pollinarium ausgeworfen. Wurde der rückwärtige Teil
des Säulenendes in siedendes Wasser getaucht, ohne daß der Stipes
mit dem Wasser in Berührung kam, so erfolgte nach sehr kurzer
Zeit Abschleuderung: ebenso wenn unter das Säulenende eine
Flamme gehalten wurde. In beiden Fällen läßt sich aber nicht
entscheiden, ob die Tötung der Seitenwände der Narbenhöhle als
Reiz wirkte, oder ob die Abschleuderung eine Folge des Absterbens
der Klebscheibeuränder war. Immerlün wird man auf Grund der
sonstigen Analogien mit Catasetum annehmen dürfen, daß auch bei
Cycnoches der Erfolg der Reizung in einer Turgorsenkung in den
Zellen des Klebscheibenrandes besteht. Es schließt sich also die
Reizerscheinung bei den Catasetiden enge an die von Pfeffer
beschriebenen Fälle an, in welchen als Folge eines Berührungs-
reizes Turgorsenkungen eintreten. Daß in jenen Versuchen, in
welchen die ganze Säule in das Plasmolytikum getaucht oder fixiert
wurde, eine Abschleuderung nicht stattfindet, sondern nur nach
geraumer Zeit eine Lösung der Klebscheibe vom Rostellum zu be-
obachten ist, kann nicht verwundern. Denn in diesen Fällen wird
gleichzeitig der Stipes seines Turgors beraubt und dadurch seine
Spannung wesentlich herabgesetzt.
Anatomisch-physiologische Studien an den Blüten der Orchideengattungen usw. 413
Was für Veränderungen der Reiz in den Antennen herbeiführt,
konnte ich nicht ergründen. Sicher ist nur, daß liier eine Turgor-
abnahme auszuschließen ist. Denn wie schon früher erwähnt wairde,
führt Zerstörung der Antennen durch Schwefelsäure oder siedendes
Wasser nicht zur Explosion. Ich habe ferner bei je einer Blüte
des hochempfindlichen Exeniplares von Catasetum purum Glyzerin
und Alkohol 96 "/o in das schuhförmige Labellum gebracht und die
Flüssigkeiten läugere Zeit darin belassen, ohne daß der Schleuder-
vorgang ausgelöst wurde. Ebensowenig läßt sich derzeit über die
Reizleitung sagen. Wichtig für diese ist jedenfalls der Umstand,
daß an den Wänden der langgestreckten meist prosenchymatischen
Zellen der Antennen zweifellos reichlich Plasmaverbiudungen auf-
treten. Denn man bemerkt bei der Plasmolyse, daß die Proto-
plasten benachbarter Zellen stets an gegenüberliegenden Punkten
an den Wänden festhafteu. Diese Haftpunkte sind so zahlreich,
daß die Protoplasten bei der Plasmolyse \\ie gekerbt erscheinen.
Die Reizleitung erfolgt bei Catasetum zweifellos von der Antenne
auf kürzestem Wege zum Klebscheibeurande; denn es gelang mir
wiederholt, die Antherenkappe vorsichtig zu entfernen und die Ab-
schleuderung nachher durch Berührung der Antennen auszulösen.
Bei Cycnoches wird man auch eine Reizleitung vom Filament zur
Klebscheibe annehmen müssen, die wohl durch das Rostellum erfolgt.
C. Zusammenfassung.
Die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung lassen sich in
folgenden Sätzen zusammenfassen:
1. Der Stipes besteht aus einer mächtigen Epidermis, deren
Zellen bei Catasetum eigenartige schlauchförmige Fortsätze
aufweisen, und mehreren Lagen langgestreckter Zellen.
Sämtliche Wände sind sehr kräftig und aus mehreren
Schichten zusammengesetzt, von welchen nur die innerste
typische Zellulosereaktionen gibt.
2. Die Klebscheibe setzt sich aus zwei Teilen zusammen:
einem Sockel, dessen derbe Zellen stark getüpfelt sind,
und der Klebmasse, welche aus Schleimkugelu und harz-
haltigen Klümpchen besteht. Erstere gehen aus den Wänden,
letztere aus dem Inhalt der Zellen hervor, welche die Kleb-
masse aufbauen.
414 Hermann Kitter von Guttenberg,
3. Zwischen Stipes und Klebscheibe einerseits und Rostellum
andererseits befindet sich ein Trennungsgewebe, dessen
Zellen allmählich durch Lösung der zarten Wände zugrunde
gehen. In der geöffneten Blüte sind Stipes und Klebscheibe
nur mehr an ihren Rändern mit dem Rostellum verbunden.
4. Auch die Gattung Cycnoches besitzt im Labellum ein
Futtergewebe. Als Futterstoff kommt hauptsächlich das
reichlich vorhandene fette Ol in Betracht.
5. Der Reizvorgang von Catasetum ist den seismonastischen
Erscheinungen anzuschließen, da auch ein Wasserstrahl
die Antennen zu reizen vermag. Auch bei Cycnoches sind
wir berechtigt einen Reizvorgang anzunehmen.
6. Die Spannung im Stipes beruht zum Teile auf einer
durch Wachstum begründeten Gewebespannung, da auch
der tote Stipes seine Form und Festigkeit beibehält. Die
Spannung wird aber durch den Turgor der beteiligten
Zellen noch wesentlich erhöht. Zur kräftigen Abschleude-
rung des Pollinariums ist das Vorhandensein des Turgors
in den Zelk'u des Stipes notwendig.
7. Der Trennungsvorgang kommt dadurch zustande, daß
auf Grund der Reizung der Antennen in den Zellen,
welche die letzte Verbindung zwischen Klebscheibe und
Rostellum herstellen, eine Turgorsenkung eintritt. Die
dadurch l)edingte Kontraktion der Zellen führt zur Locke-
rung des Verbandes, der dann nicht mehr imstande ist,
dem Zuge des Stipes zu widerstehen, und reißt. Es geüngt
durch künstliche Plasmolyse dieses Gewebes den Schleuder-
vorgang auszulösen.
Pflanzenphysiologisches Institut der Universität Berlin,
Oktober 1914.
Anatomisch-physiologische Studien an den Blüten der Orchideeugattungen usw. 415
Figuren - Erklärung.
Tafel VI.
Die Figuren sind — mit Ausnahme von Fig. 5, 10 und 11 — nach Mikrotom-
schnitten durch Säulen blühreifer Knospen bei der Vergrößerung Zeiss Obj. E, Oc. 2 ge-
zeichnet; Fig. 11 nach einem Freihandschnitt durch lebendes Material bei gleicher Ver-
größerung, Fig. 5 und 10 nach frischem Material bei der Vergrößerung Zeiss Obj. 2 mm
Imm., Comp. Oc. 4.
Fig. 1. Catasetum flmbriatum. Längsschnitt durch den Stipes.
Fig. 2. Catasetum fimbriaium. Querschnitt durch den Stipes.
Fig. 3. Catasetum fimhriatum. Teil eines Säulenlängsschnittes, r =^ Zellen des
Rostellums, t = Trennungsgewebe, s = Sockel der Klebscheibe.
Fig. 4. Catasetum fimbriaium. Teil eines Säulenlängsschnittes, s ;=^ Sockel,
k = Zellen der Klebmasse.
Fig. 5. Catasetum Tndla. Zwei Zellen der Klebmasse in Wasser.
Fig. 6. Cycnoches maculatum. Querschnitt durch den Band eines Polliniums.
Fig. 7. Cycnoches maculatum. Längsschnitt durch den Stipes.
Tafel VII.
Fig. 8. Cgcnoches maculatum. Querschnitt durch den Stipes.
Fig. 9. Cycnoches maculatam. Teil eines Säulenlängsschnittes, s ^ Sockel,
k --= Zellen der Klebmasse der Klebscheibe.
Fig. 10. Cycnoches maculatum. Zellen der Klebmasse in Wasser.
Fig. 11. Cycnoches maculatum. Längsschnitt durch einen Zipfel des Labellums
mit Futtergewebe und Speichertracheide.
über die Wirkung
verschieden starker Röntgenstrahlen auf Keimung
und Wachstum bei den höheren Pflanzen.
Von
M. Koernicke, Bonn.
Mit 4 Textfiguren 1).
Gelegentlich eines Studienanfenthalts (Winter 1902/03) in
Leipzig, den ich vor allem zur Arbeit im dortigen botanischen
Institut verwendete und der für mich schon wegen der vielen
Anregungen von hohem Wert war, die ich dem Leiter dieses In-
stituts, dem Jul)ilar, verdanke, wurde ich auf die Frage nach der
Wirkung von stark durchdringenden Strahlen auf den lebenden
Organismus lüngelenkt. Im Anschluß an die damals gerade im
Gange befindlichen Untersuchungen über den Einfluß von Röntgen-
bezw. Radium strahlen auf menschliche und tierische Gewebe und
Sexualzellen ^j, deren Ergebnisse auf einen wachstumshemmenden
Einfluß dieser Strahlen hinwiesen, studierte ich die Wirkungen
von Röntgen- und Radiumstrahlen auf die verschiedensten Lebens-
tätigkeiten der Pflanze^), vor allem auf die Keimung und das
1) Die photographischen Vorlagen zu den Bildern, welche kurz vor dem Kriegs-
ausbruch abgesandt worden waren, konnten bis zum Termin der Drucklegung nicht
ausfindig gemacht werden. Statt ihrer sind z. T. Schemata reproduziert worden, welche
die an den gegebenen Orten geschilderten Verhältnisse genügend klar erkennen lassen.
2) G. Perthes, Über den Einfluß von Eöntgen- und Eadiumstrahlen auf mensch-
liche und tierische Gewebe und auf die befruchteten Eier von Ascaris megalocephala.
Archiv für klinische Chirurgie, Bd. LXXI, 1903, Heft 4, S. 46 fif. Ferner: Derselbe,
L'ber die Behandlung des Karzinoms mit Röntgenstrahlen und über den Einfluß der
Röntgenstrahlen auf die Zellteilung. Münch. med. Wochenschrift, LI. Jahrg., 1904, Nr. 6,
S. 282/3, und Versuche über den Einfluß der Röntgenstrahlen und Radiumstrahlen auf
die Zellteilung. Deutsche med. Wochenschrift, XXX. .Jahrg., 1904, Nr. 17, S. 632 und
Nr. 18, S. 668,
3) M. Koernicke, Über die Wirkung von Röntgenstrahlen auf die Keimung und
das Wachstum. Ber. d. Deutsch. Botan. Gesellsch., Bd. XXII, 1904, S. 148 fif. — Der-
über die Wirkun• (Licht etwas stärker). 20 Blasen in 13,8 Sekunden.
Menge des in 2 Minuten aufgefangenen Gases: 51,4 Skalenteile,
CO2- + Oo-Gehalt: 32,2 %i),
N2- Gehalt: 67,8%.
3. Versuch (28. Juni). Ranunculus aquatiUs. Diffuses Tageslicht.
11.15 h. 20 Blasen in 13,1 Sekunden. Aufgefangene Gasmenge
in 32,6 Sekunden: 82,9 Skalenteile.
GO2- Gehalt: 2,0<^/o,
O2 -Gehalt: 45,1%,
No- Gehalt: 54,6%.
12.1*^ •*■ Licht hat infolge stärkerer Bewölkung in der Zwischen-
zeit abgenommen. 20 Blasen in 18,4 Sekunden. Aufgefangen
in 92 Sekunden: 79,2 Skalenteile.
CO2- Gehalt: 2,2%,
O2- Gehalt: 39,7%,
N2- Gehalt: 60,3%.
1) Bei dieser Analyse wurde nur mit Kaliumpyrogallat absorbiert. Die Sauer-
stoffmenge ist also um 1 — 2 % der Gesamtgasmenge geringer anzunehmen.
30*
468 Hans Kniep,
4. Versuch (8. Juli). Banunculus aquatilis. Diffuses Tageslicht.
405h. 20 Blasen iu 7,1 Sekunden. iVufg-efangen in 3 Minuten:
104,1 Skalenteile.
CO2- Gehalt: ?
O2- Gehalt: 42,7*^/0,
N2- Gehalt: 57,3^/0.
4 20 h. Pflanze vom Fenster entfernt. 20 Blasen in 14,2 Sekunden.
4.^'^^- Licht in der Zwischenzeit unverändert. 20 Blasen in
14,2 Sekunden. Aufgefangen in 6 Mnuten: 90,4 Skalenteile.
CO2- Gehalt: 1,5%,
O2- Gehalt: 30,0%,
Na -Gehalt: 70,0%.
4 55h. Pflanze wieder heller gestellt. 20 Blasen in 8,2 Sekunden.
4.''^^- 20 Blasen (wie 4."'>) in 8,2 Sekunden
CO2- Gehalt: 1,6%,
O2- Gehalt: 40,0%,
N2- Gehalt: 60,0%.
5. Versuch (28. Juni). Hydrilla verticülata. Diffuses Tageslicht.
i;[ ooh. 20 Blasen in 6,5 Sekunden. Aufgefangen in 2 Minuten:
81,8 Skalenteile.
CO2- Gehalt: 2,2%,
O2- Gehalt: 45,0%,
N2- Gehalt: 55,0%.
Zwischen 11."^" '> und 11.*^^ hat die Lichtintensität und folglich
die Blasenzahl ahgenommen, kurz vor 11.^^^- ist sie wieder gestiegen.
]^j^45h. 20 Blasen in 6,3 Sekunden. Aufgefangen in 2 Minuten:
87,2 Skalenteile.
CO2- Gehalt: 1,8%,
O2- Gehalt: 44,1%,
N2- Gehalt: 55,9%.
Zwischen 11.*^^- und 2.^^^- hat die Pflanze unausgesetzt assi-
miliert. Die Lichtintensität hat sich etwas verringert.
2.^^^- 20 Blasen in 6,3 Sekunden. (Blasen scheinen kleiner
zu sein als zuvor). Aufgefangen in 2 Minuten: 83,8 Skalenteile.
CO2- Gehalt
O2- Gehalt
Nä- Gehalt
1,1 %,
42,0 %,
58,0 %.
t'ber den Gasaustausch der Wasserpflauzen. 469
3.^^ ^- Lichtiutensität hat in der Zwischenzeit weiter abgenommen.
20 Blasen in 6,5 Sekunden. (Blasen kleiner). Aufgefangen in
2 Minuten: 64,1 Skalenteile.
COä- Gehalt: 1,3 «/o,
O2- Gehalt: 39,9%,
N2- Gehalt: 60,1%.
400 h. Pflanze etwas vom Fenster entfernt. 20 Blasen in
13 Sekunden.
4.^"'*- 20 Blasen in 13 Sekunden. Aufgefangen in 3,5 Minuten:
64,1 Skalenteile (in 2 Minuten also 36,6 Skalenteile).
CO2- Gehalt
O2- Gehalt
Nä- Gehalt
0,6 Vo,
32,6 0/0,
67,4 %.
5 15h. Licht schwächer. 20 Blasen in 15,5 Sekunden. Auf-
gefangen in 5 Minuten: 66,7 Skalenteile (in 2 ]\Iinuten also
26,7 Skalenteilej.
COs-Gehalt: 1,3%,
O2- Gehalt: 30,9%,
N2- Gehalt: 69,1%.
5 20 h. ^yjj.j ^l^Q Pflanze dem Fenster wieder genähert. Die
Blasenzahl steigt: 20 Blasen in 7,6 Sekunden. Das Licht nimmt
langsam ab.
b.^^^- 20 Blasen in 10,5 Sekunden. Aufgefangen in 4 Minuten:
78,0 Skalenteile (in 2 ^Vlinuten also 39,0 Skalenteile).
CO2- Gehalt: 1,3%,
O2- Gehalt: 36,2%,
Nä-Gehalt: 63,8 7o.
6. Versuch (30. Juni). HydrÜla verücülata. Diffuses Tageslicht,
trübes Wetter.
3.^0 ^- 20 Blasen in 25,6 Sekunden. Aufgefangen in 90 Sekunden :
142,2 Skalenteile.
CO2- Gehalt: 1,7%
O2 -Gehalt: 38,7%
N2- Gehalt: 61,3%
Nach 3.^^''- klärt sich das Wetter etwas auf.
470 Hans Kniep,
4 ook 20 Blasen in 14,4 Sekunden. Aufgefangen in 50 Sekunden:
96.1 Skalenteile.
CO2- Gehalt: 2,0*^/0
O2- Gehalt: 42,1 °/o
N2- Gehalt: 57,9%
4.^^^- Lichtintensität hat weiter zugenommen. 20 Blasen in
7,6 Sekunden. Aufgefangen in 45 Sekunden: 105,5 Skalenteüe.
CO2- Gehalt: 1,2%,
O2 -Gehalt: 45,0%,
N2-Gehalt: 55,0%.
7 . Ve r s u e h (8. Juli). Potamogeton polygonifolius. Diffuses Tageslicht.
5.*^^^- 20 Blasen in 21,2 Sekunden. Aufgefangen in 2 Minuten :
92.2 Skalenteile.
CO2- Gehalt: 1,8%,
O2- Gehalt: 27,9%,
Na -Gehalt: 66,6%.
X 50 h.
Licht schwächer geworden, 20 Blasen in 60 Sekunden.
CO2- Gehalt:
1,8%,
O2- Gehalt:
27,9 %,
N2- Gehalt:
72,1 %.
8. Versuch (24. Juni). Heleodea canadensis. Diffuses Tageslicht.
l.^"^- 20 Blasen in 7 Sekunden. Aufgefangen in 2 Minuten:
140,7 Skalenteile.
CO2- Gehalt: 0,9%,
O2- Gehalt: 49.6%,
N2- Gehalt: 50,4 «/o.
4 30 h. ij{(.\yi in ^QY Zwischenzeit intensiver geworden. 20 Blasen
in 5,2 Sekunden. Aufgefangen in 90 Sekunden: 96,4 Skalenteile
(in 2 Minuten würden es somit sein 128,5).
CO2- Gehalt: 0,6%,
O2- Gehalt: 54,4 % i),
N2- Gehalt: 46,6%.
1) Daß hier der Prozentgehalt an Sauerstoff größer ist als in der vorstehenden
Analyse, obwohl die Blasenabgabe i.-^oh. schwächer war, rührt wohl daher, daß kurz vor
4.30 h. die Lichtintensität höher war und sich der Og- Gehalt der Interzellularluft noch
nicht auf die etwas geringere Intensität eingestellt hatte.
t'ber den Gasaustausch der Wasserpllanzen. 471
4.'**"'' Starke Bewölkung, Licht schwächer. 20 Blasen in
14,7 Sekunden. Aufgefangen in 5 Minuten: 77,2 Skalenteile (in
2 Minuten also 30,9 Skalenteile).
COo- Gehalt: 1,2 0/0,
Oo- Gehalt: 36,6*^/0,
Nä- Gehalt: 63,4 ^'o.
In der folgenden Zeit nimmt die Lichtintensität ständig ab.
6.^^^- 20 Blasen in 93,2 Sekunden. Aufgefangen in 6 Minuten:
20,4 Skalenteile (in 2 Minuten also 6,8 Skalenteile).
CO2-+O2- Gehalt: 27,9^/0,
N2- Gehalt: 72,1 «'/o.
Von der Mitteilung weiterer Versuche, die alle das gewonnene
Resultat bestätigen, sehe ich hier ab. Aus der Tatsache, daß der
Sauerstoff gehalt der Gasblasen umso höher ist, je stärker die Blasen-
abgabe ist, und umgekehrt, folgt, daß bei Veränderung der
Lichtintensität die Blasenzahl langsamer zu- und abnimmt
als die Assimilationsgröße. Hieran wird auch nichts geändert
durch den Umstand, daß der mit den Gasblasen aufsteigende Sauer-
stoff nicht der gesamte bei der Assimilation ausgeschiedene Sauer-
stoff ist, sondern daß ein Teil au das umgebende Wasser abgegeben
wird. Diese letztere Menge wird bei hohem Sauerstoffgehalt der
Interzellularen sicher nicht geringer sein als bei niedrigem. Ich
will indessen auf diesen Punkt hier noch nicht eingehen.
Bevor wir an die Erklärung der Erscheinung herantreten, ist
ein Einwand zu erledigen. Bei langsamer Blasenabgabe ist, wie
aus obigen Versuchsdaten ersichtlich, die Zeit, während der die
Gasblasen vom Analysenapparat aufgefangen werden, sich also in
der unteren Erweiterung des Kapillarrohres ansammeln, entsprechend
größer. Da es nun nicht möglich ist, den Analysenapparat mit
einer Flüssigkeit zu füllen, deren Gasgehalt mit dem der aufgefangenen
Gasblasen völlig im Gleichgewicht ist (aus dem einfachen Grund,
weil der Gasgehalt der letzteren ja erst bestimmt werden soll), so
wird man daran denken müssen, daß ein Diffusionsausgleich an-
gestrebt wird, der um so mehr ins Gewicht fallen muß, je länger
das Gas mit der Fttllflüssigkeit in Berührung ist. Man könnte
daher meinen, der geringere Gasgehalt der laugsamer aufsteigenden
Blasen sei zum Teil dadurch vorgetäuscht, daß während der längeren
Auffangszeit mehr Sauerstoff durch Diffusion an die Füllflüssigkeit
übergehe. Um diesem Einwand zu begegnen, wurden zahlreiche
472 Hans Kiiiep,
Versuche in folgender Weise durchg-ef ührt : dieselbe Pflanze wurde
(wie oben beschrieben) zuerst intensivem, dann schwächerem Licht
ausgesetzt oder umgekehrt. Da im intensiven Licht die Blasen-
ausscheidung lebhafter ist, ist auch die Zeit zum Auffangen einer
bestimmten Gasmenge geringer. Die Analj'se wurde nun nicht
sofort durchgeführt, sondern das aufgesammelte Gas blieb mit der
Füllflüssigkeit in der unteren trichterförmigen Erweiterung so lange
in Berührung, als die Differenz der Auffangszeit bei starkem und
schwachem Lichte betrug. Die Zeit, während der das Gas mit der
Füllflüssigkeit in Berührung war, war also in beiden Fällen die-
selbe, trotzdem war das Versuchsergebnis bei intensivem Licht stets
ein höherer Sauerstoffgehalt als bei schwachem.
Wie haben wir dies nun zu erklären? Wir wollen dabei ein-
mal von dem praktisch wohl nur äußerst selten verwirklichten,
theoretisch aber einfachen Fall ausgehen, die Interzellularluft
befände sich im völligen Diffusionsgleichgewicht mit dem umgebenden
Wasser und dessen Gasspannung stehe ebenfalls im Gleichgewicht
mit der Atmosphäre. Dann wird das Wasser bei 15** und 760 mm
Druck 35^,0 Sauerstoff und 65 °/o Stickstoff absorbiert enthalten,
die Interzellularluft müßte dieselbe Zusammensetzung haben wie
die Atmosphäre. Wir fragen uns jetzt, was tritt ein, wenn die
Pflanze plötzlich beleuchtet wird und zu assimilieren beginnt? —
Es ist bekannt, daß dann sogleich im Innern infolge der Sauerstoff-
abscheidung in die Interzellularen ein Überdruck entsteht; wenn
dieser eine bestimmte Größe erreicht hat, beginnt aus der Schnitt-
fläche die Blasenabgabe. Würde ausschließlich die in den Inter-
zellularen befindliche Kohlensäure verarbeitet, so würde man, da der
assimilatorische Quotient 1 ist, meinen können, daß ein Überdruck
gar nicht zustande kommen könnte. Nun entstammt aber sicher
der größte Teil der Kohlensäure dem Wasser, gelangt von hier aus
durch Diffusion zu den chlorophyllführenden Zellen und wird dort
zersetzt. Zweifellos wird auch ein Teil des gebildeten Sauerstoffs
ins Wasser abgeschieden, es ist aber sehr fraglich, ob diese Menge
der von dort stammenden CO2- Menge entspricht. Wenn die Pflanze
sich in ruhigem Wasser befindet, so wird jedenfalls sehr bald
ihre Oberfläche mit einer mit Sauerstoff gesättigten oder gar
übersättigten Wasserschicht überzogen sein und die Gasabgabe
wird dadurch infolge der Verringerung des Diffusionsgefälles
erschwert. Die Diffusion des gelösten Sauerstoffs von dieser
Oberflächenschicht in das umgebende Wasser ist ohne Zweifel
über den Gasaustauscli der AYasserpflanzen. 473
viel geringer als die Neuproduktiou bei einigermaßen starker
Assimilation. — Andererseits ist nun nach den Interzellularen die
Gasabg-abe namentlich dann erleichtert, wenn sich im Innern ein
in Bewegimg- befindlicher Gasstrom befindet. Damit dieser zustande
kommt, muß aber schon ein Überdruck vorhanden sein, der an der
Schnittfläche die Blasenabg'abe veranlaßt. Der wichtigste, diesen
Überdruck bedingende Umstand besteht zweifellos in der ver-
schiedenen Diffusionsgeschwindigkeit der einzelnen Gase im Wasser
und den mit Wasser imbibierten Zellen. Nach Exner (1875) be-
steht für N2 : O2 : CO2 in Wasser das Verhältnis der Diffusions-
geschwindigkeiten 1:2,3: 54,8 ^). Der Partiärdruck der im Wasser ge-
lösten CO2, der in der direkten Umgebung der Chloroplasten während
der Assimilation eine Verminderung erfährt, wird infolge der hohen
Diffusiousgeschwindigkeit dieses Gases sogleich wieder erhöht
werden und sich, wenn die Assimilation schwach ist, konstant auf
einer Höhe halten, die der des im umgebenden Wasser vorhandenen
Teildrucks sehr nahe kommt. In diesem Falle wird von der in den
Interzellularen befindlichen CO2 nur wenig aufgenommen werden.
Anders steht es mit dem Sauerstoff. Derselbe wird sich wegen
seiner viel geringeren Diffusionsgeschwindigkeit schnell in der Um-
gebung der Chloroplasten anreichern. In dem an die Interzellularen
direkt angrenzenden Imbibitionswasser muß somit sehr bald eine
Sauerstoffspaunung herrschen, welche mit dem Partiärdruck des
Sauerstoffs der Interzellularhift nicht mehr im Gleichgewicht steht;
es muß Sauerstoff in die letztere abgegeben werden. Eine für
diese Evasion gültige Regel hat Bohr (1899) aufgestellt. Nach
dessen Untersuchungen, die sich allerdings nur auf Kohlensäure
beziehen, vermutlich aber auch für andere Gase Geltung haben,
besteht die Beziehung
worin ß der Evasionskoeffizient ist, d. h. diejenige Anzahl ccm Gas,
welche in 1 Minute durch 1 qcm Oberfläche die Flüssigkeit ver-
läßt, wenn die Dichtigkeit des Gases (d. i. der Absorptionskoeffizient)
in der Flüssigkeit gleich 1 ist. « (der Absorptionskoeffizient) ist
bekanntlich die in der Volumeinheit (1 ccm) der Flüssigkeit bei
760 mm Druck gelöste Gasmenge. 7 ist der Invasionskoeffizient,
d. h. die Anzahl ccm Gas, die in einer Minute unter 760 mm Gas-
druck durch 1 qcm Oberfläche eintritt. Beiläufig bemerkt wurde
die Evasion der CO2 aus dem Wasser in der Weise bestimmt,
1) Vgl. auch Hüfner, Wiedem. Ann., Bd. 60, 1897, S. 134.
474 Hans Kniep,
daß über eine mit COi> gesättigte Wassermenge von bekanntem
Volumen und bekannter Oberfläche ein CO2- freier Luftstrom ge-
leitet wurde. Bohr fand für ß bei 0*^ und 760 mm Druck 0,077,
für 7 unter gleichen Bedingungen 0,124. Die Gleichung gilt
zweifellos auch für den Fall, daß zmschen Gas und Wasser
Diffusionsgleichge wicht eingetreten ist, da letzteres darauf beruht,
daß in der Zeiteinheit gleichviel Gas in entgegengesetzter Richtung
die Flüssigkeitsoberfläche passiert. Dieser Gleichgewichtszustand,
in dem praktisch Evasion und Invasion = 0 sind, hat nun für
uns wenig Interesse.
Wir haben es ja bei dem assimilierenden Helodea-SißroQ mit
einem ständigen Ungleichgewicht zu tun. Normalerweise wird hier
der Maximalwert der (direkt meßbaren) Evasion niemals erreicht,
denn der würde eintreten, wenn die Interzellularluft völlig O2- frei
wäre, was nie zutrifft. Auch der Minimalwert tritt bei dem assimi-
lierenden abgeschnittenen Sproß nicht ein, denn in diesem Falle
würde gar kein Sauerstoff an die Interzellularen abgegeben werden,
mithin auch den Gasdruck hier nicht erhöhen können. Für diesen
Minimalwert, der gleichbedeutend mit dem Diffusionsgleichgewicht
ist, gilt nun nach dem Henryschen Gesetz die Beziehung:
1>
worin « den Absorptionskoeffizient, p die Spannung des gelösten
Gases, P die des ungelösten, in der Umgebung der Flüssigkeit be-
findlichen ist (bei der gleichen Temperatur).
Wenn auch eine experimentelle Prüfung der Frage nicht vor-
liegt, so dürfte doch wohl die Annahme berechtigt sein, daß die
Größe der (direkt meßbaren) Evasion proportional der Abweichung
von der Größe des Diffusionsgleichgewichts zu- und abnimmt.
Stellen wir uns vor, das Diffusionsgleichge wicht k ~ « würde
in der Richtung größerer Evasion plötzlich dadurch gestört, daß
P um den Betrag x vermindert wird, so wird offenbar die Evasion
proportional der Größe p — (P — x) a vergrößert werden.
Wir kehren nun zu unserer ursprünglichen Betrachtung zurück.
Es gilt, wie wir sahen, zu erklären, weshalb bei schwacher Assimila-
tion der Sauerstoffgehalt der Interzellularluft kleiner ist als bei starker.
Die Gasblasen, die infolge des im Innern herrschenden Über-
drucks an der Schnittfläche abgegeben werden, werden zunächst
natürlich prozentualiter nur wenig mehr Sauerstoff enthalten, als in
über den Gasaustausch der Wasserpflanzen. 475
der Interzellularluft vor dem Assimilationsbeginu enthalten war.
Es werden fortgesetzt Stickstoff und Kohlensäure mitgerissen.
Würden die beiden Gase nicht wieder ersetzt w^erden, so müßte
allerdings bald ein ausschließlich aus Sauerstoffblasen bestehender
Strom entstehen. Wir sehen von der Kohlensäure ab, die nur zu
einem geringen Prozentsatz vorhanden ist und vermöge ihres hohen
Diffusionskoeffizienten schnell wieder ersetzt werden kann. Es ist
klar, daß auch der Stickstoff ersetzt werden muß, sobald der Prozent-
gehalt des Stickstoffes in der Interzellularluft geringer wird, als
der Spannung des im Wasser gelösten Stickstoffes entspricht.
Wie Pfeffer (1871, S. 52) mit Recht hervorgehoben hat, wird
ein Ausgleich der Gase (d. h. eine Annäherung an die Zusammen-
setzung der Interzellularluft vor der Assimilation) umso voll-
ständiger sein können, je langsamer die Blasenabgabe, je geringer
also die Geschmndigkeit des interzellularen Gasstromes ist. —
Steigt die Blasenzahl zu ansehnlicher Höhe, so wird pro Zeiteinheit
sehr viel Stickstoff mitgerissen. Die Interzellularluft muß also
stickstoffärmer werden und relativ mehr Sauerstoff enthalten. Je
geringer die Stickstoffkonzentration wird, je mehr das Diffusious-
gleichgewicht gestört wird, umso stärker wird andrerseits das Be-
streben, den entfernten Stickstoff wieder zu ersetzen. Ein solcher
Ersatz kann nur durch Evasion aus dem umgebenden Wasser er-
folgen. Wir beobachten nun bald bei gleichbleibender Blasenabgabe
ein konstantes Verhältnis zwischen N2 und O2, von dem Moment
an nämlich, in welchem die in die Interzellularen durch Evasion
aus dem umgebenden Wasser eintretende Nä- Menge ebenso groß
ist als die in der gleichen Zeit mit dem Blasenstrom w^eg-
gespülte. Bei starker Assimilation ist trotz des geringen Prozent-
gehalts an N2 doch die absolute Menge des pro Zeiteinheit ab-
gegebenen Nä größer als bei schwacher. Das zeigt der gleich
mitzuteilende Versuch. Nur unter diesen Bedingungen ist es auch
möglich, daß eine Konstanz des Mengenverhältnisses Nä : O2 bei
fortdauerndem Blasenstrom erzielt wird, da eine absolut größere
Menge N2 pro Zeiteinheit in die Interzellulare nur dann diffundieren
kann, wenn das Diffusionsgefälle sich vergrößert.
Ein Helodea-SproQ wurde von zwei 20 cm entfernt stehenden
Nernstlampen beleuchtet^). Die in 12 Minuten abgeschiedene Gas-
1) Bei diesem wie bei allen Versuchen wurde natürlich dafür gesorgt, daß durch
die Lampe keine Erwärmung des Versuchswassers eintrat, die das Eesultat hätte trüben
476 Hans Kniep,
menge entsprach 146 Skalenteilen des Analysenapparats. Das Gas
enthielt 60,3 °/o Stickstoff, entsprechend 88 Skalenteilen des Ana-
lysenapparats. Darauf wurde die eine Lampe gelöscht und nach
einiger Zeit (20 Min.) das Gas ^^iede^ aufgefangen und analysiert.
Diesmal wurde in 12 Min. eine 62,3 Skalenteilen entsprechende
Menge ausgeschieden, deren Stickstoffgehalt 69,2 '^/o betrug und
43,1 Skalenteile einnahm.
"Wir sehen liieraus also: oliwohl der Stickstoffgehalt bei Be-
leuchtung mit schwächerem Licht von 60,3 auf 69,4 °/o gestiegen
ist, beträgt doch die absolute unter diesen Bedingungen abgegebene
Ns- Menge nicht einmal die Hälfte der bei etwa doppelt so starker
Beleuchtung abgegebenen.
Ein Rückschluß von dem Nä-Gehalt der abgegebenen Gasblasen
auf den N2-Gehalt der Interzellularluft und auf die Größe der
N2-Evasion in die Interzellularen ist nun, das muß noch betont
werden, nur unter einer Voraussetzung möglich, die nicht immer
verwirklicht ist. E)s muß die Zusammensetzung der abgeschiedenen
Gasblaseu unter gleichen Bedingungen eine konstante sein. Das
ist immer erst einige Zeit nach der Beleuchtung mit Licht von
konstanter Intensität der Fall. War die Lichtintensität und somit
die Blasenzahl pro Zeiteinheit vorher geringer, der Ng- Gehalt der
Blasenluft also höher, so wird gleich nach Einsetzen der stärkeren
Beleuchtung der N«- Gehalt der Blasen begreiflicherweise nur um
weniges geringer sein als vorher, allmählich aber bis zu einem
konstanten Wert abnehmen. Die Konstanz ist erreicht, wenn durch
Evasion in die Interzellularen immer ebensoviel ersetzt wird als
an der Schnittfläche herausgespült wird. In unserem eben zitierten
Versuch ist diese Gleichsetzung von Evasion des No und Abgabe
in den Gasblasen in beiden Fällen, bei höherer und geringerer
Intensität, zulässig, wie aus folgendem erhellt. Bei der höheren
Intensität wurden 2 Analysen in einem Abstand von 13 Minuten
ausgeführt. Die erste (oben zitierte) ergab 69,2 °/o Ng, die zweite
69,4 ^/o, also einen Wert, der sehr gut mit ersterem übereinstimmt.
Ehe die erste Analyse ausgeführt wurde, war die Pflanze, wie oben
angegeben, 20 Min. dem gleichen Licht exponiert worden. Diese
Zeit reichte also zur Erzielung der Konstanz aus. Bei der
können. Die Küvette mit der Pflanze war eingesenkt in einem gi'oßen, etwa 20 1 Wasser
fassenden Glaskasten, in dem die Temperatur konstant gehalten wurde. Zur Kontrolle
wurde die Pflanze öfter verdunkelt, wobei der Blasenstrom sofort aufhörte.
l'bei' den Gasaustausch der Wasserpflanzen. 477
schwächeren Beleuchtung ergaben sich im Abstand von 18 Min.
die Werte 60,6 und 60,3, die auch hinreichend übereinstimmen.
Es bedarf nun kaum noch der Erwähnung, daß nach Erzielung
der Konstanz (aber auch nur dann) die absolute Menge des in den
Gasblasen austretenden Sauerstoffs ein direkter Ausdruck für den
in der gleichen Zeit an die Interzellularen abgegebenen ist. Eben-
so selbstverständlich ist es aber, daß dieser Wert nicht der Assimi-
lationsgröße gleichgesetzt werden darf. Wie schon hervorgehoben,
wird ja ein Teil des Sauerstoffs an das umgebende Wasser abge-
geben und dabei handelt es sich, wie die Analyse ergibt, um Mengen,
die keineswegs vernachlässigt werden dürfen.
Die Methode, deren ich mich zu diesem Nachweis bediente,
habe ich bereits an anderer Stelle (Handwörterbuch der Natur-
wissenschaften, Bd. 7, 1912, S, 784: vgl. auch V. Gräfe, Ernährungs-
phj-siologisches Praktikum der höheren Pflanzen, Berlin 1914,
S. 109) kurz augegeben. Ich kann mich daher hier auf Mitteilung
des nötigsten beschränken und tue das am besten an der Hand
eines Versuchs. In eine 750 ccm Wasser fassende Küvette wurden
sechs unverzweigte Helodea-S^rosse gebracht, die eine Gesamtlänge
von 64 cm hatten. Die Sprosse hatten frische Schnittflächen, aus
denen Blasenströme austraten: einer stellte im Verlauf des Ver-
suchs die Blasenabgabe ein. Das Wasser war abgestandenes,
kurz vor dem Versuch gut durchgeschütteltes Leitungswasser^).
Die Oberfläche wurde mit Paraffinöl überdeckt, um das Heraus-
diffundieren von Sauerstoff aus dem Wasser in die Atmosphäre
möglichst zu verhindern. Vor und nach dem Versuch wurden be-
stimmte Wassermengen (etwa 2 X 100 ccm) abgehebert und ihr
Sauerstoffgehalt nach der Methode von L. W. Winkler (Ber. d.
d. ehem. Ges. 1888, Bd. 21, S. 2843) bestimmt. Der Versuch dauerte
5 Stunden (12'' mittags bis 5^ nachmittags): die Küvette war an
einem Westfenster dem diffusen Tageslicht ausgesetzt. Der Himmel
war grau bewölkt. Vor dem Versuch enthielt das Wasser pro
100 ccm 0,88 mg 0, nach dem Versuch 1,41 mg. Es hat also
eine Zunahme von 0,53 mg, auf den Endwert (= 1,41 mg) be-
rechnet demnach von 37,6 ^l^ stattgefunden. Die absolute Zu-
nahme an 0-2 in dem Wasser war somit 3,98 mg. Aus diesen und
mehreren anderen Bestimmungen geht hervor, daß es sich um
l) Es ist in diesem Falle nicht möglich, 1 proz. Bikarbonatlösungen zu verwenden,
da sich deren Sauerstoifgehalt mit der Winklerschen Methode (s. o.) nicht bestimmen läßt.
478 Hans Kniep,
Werte handelt, die nicht vernachlässigt werden dürfen, wenn es
darauf ankommt, die absolute Assimilationsgröße zu bestimmen.
Angelstein ist daher im Unrecht, wenn er (1910, S. 35) meint,
es scheide sich aller Sauerstoff in Blasenform aus, wenn das um-
gebende Wasser mit Sauerstoff gesättigt*) sei. Er sagt: „Bei
einer intakten Pflanze herrscht im Innern ein hoher Druck, und
damit steigt die Löslichkeit des Gases, so daß trotz der Sättigung
des umgebenden Wassers ein Diffusionsgefälle herrscht. Bei einer
angeschnittenen Pflanze dagegen, wie sie ja bei der Blasenzähl-
methode allein in Betracht kommt, herrscht im Innern der Pflanze
kein wesentlich höherer Druck als außen, die Löslichkeit ist auf
beiden Seiten die gleiche. Ist also das umgebende Wasser mit
Oä gesättigt, so ist das Diffusionsgefälle fast Null, aller abge-
spaltene Sauerstoff scheidet sich in Blasenform aus, und die Methode
liefert gute Werte." Sehen wir einmal ganz davon ab, ob im
Innern einer angeschnittenen Pflanze der Gasdruck dem Atmo-
sphärendruck annähernd gleichgesetzt werden darf oder nicht, und
nehmen wir erstercs an. so leuchtet ohne weiteres ein, daß auch
dann die Bedingungen für ein Diffusionsgefälle (Invasion von O2
in das umgebende Wasser) gegeben sein können, denn dieses hängt
ja nicht vom Gesamt druck der Interzellularluft, sondern vom
Partialdruck des Sauerstoffes ab und ist auch bei schwacher Assi-
milation schon höher als in der Atmosphäre, mit der das Wasser
im Diffusionsgleichge\\'icht steht. Das hat Angelstein anscheinend
übersehen. — Alles das gilt indessen nur, wenn man annimmt, daß
das direkt an die Interzellularen grenzende Imbibitionswasser den-
selben Gasgehalt hat wie das Wasser außerhalb der Pflanze. Daß das
irrig ist, und daß somit Angelstein schon von falschen Prämissen
ausgeht, geht aber aus der näheren Betrachtung der Versuchs-
bedingungen leicht hervor. Bei der Assimilation wird sich das
Imbibitionswasser des Plasmas in der Umgebung der Chloroplasten
sehr bald mit Sauerstoff sättigen. Damit ist gegenüber der Um-
gebung ein Ungleichgewicht geschaffen, und es tritt eine Diffusion
nach den Orten geringerer O2 -Konzentration ein. So gelangt der O2
auch an die die Interzellularen begrenzenden Membranen und wird
hier an die Interzellularen abgegeben, sofern dort (was in der
1) Unter Sättijrung kann man hier wohl nichts anderes verstehen als das Gleich-
gewicht des im Wasser gelösten Sauerstoffs mit dem der Atmosphäre, dessen Partialdruck
^/s Atm. beträgt.
über den Gasaustausch der Wasserpflanzen. 479
Regel der Fall ist) der Partialdruck des Sauerstoffs so gering ist,
daß die Bedingungen für eine Evasion gegeben sind. In gleicher
Weise diffundiert aber der O2 von den Produktionszentren aus nach
allen anderen Richtungen, also auch in das umgebende Wasser.
Oben (S. 472) wurde schon darauf hingewiesen, daß sich an der
Oberfläche der Pflanze der Sauerstoff anreichern muß und liier
leicht eine Übersättigung entstehen kann, namentlich bei starker
Assimilation, wo die Produktion von O-i im Verhältnis zu seiner
Diffusionsgeschwindigkeit im Wasser sehr groß ist.
So erklärt sich die Zunahme des Sauerstoffs im Wasser, das
(gegenüber der Atmosphäre) ursprünglich mit O2 gesättigt ist. So
erklärt es sich auch, daß selbst dann, wenn der O2- Gehalt des
Wassers durch Einleiten von O2 erhöht und die Wasseroberfläche
mit Paraffinöl bedeckt wird, im Wasser O2- Zunahme beobachtet
wird. Um das zu zeigen, leitete ich in eine mit abgestandenem
Leitungswasser gefüllte Küvette '^U Stunden lang aus einer Bombe
Sauerstoff, in den letzten drei Minuten außerdem einen CO2- Strom,
brachte dann sechs i/cZot?e«-Sprosse von 61,5 cm Gesamtlänge hinein
und schloß die Oberfläche mit Paraffinöl ab. Das Wasser enthielt
vor dem Versuch 2,78 mg O2 pro 100 ccm (=1,964 ccm 0 bei
der Versuchstemperatur von 15 ** und 760 mm Druck). Nach 5-
stündiger Versuchsdauer im diffusen Tageslicht, während der die
Sprosse alle aus der Schnittfläche Gasströme abgegeben hatten,
enthielt das Wasser 2,93 mg O2 (pro 100 ccm), die absolute Ge-
samtzunahme betrug 0,74 mg (=0,525 ccm bei 15^ und 760 mm
Druck).
Anhangsweise sei noch erwähnt, daß auch in Wasser, das
nicht mit Paraffinöl bedeckt ist, an dessen Oberfläche also ein
Diffusionsausgleich stattfinden kann, eine deutliche O2- Zunahme
festzustellen ist, wenn Äe/o6?ea- Sprosse, die an ihren Schnittflächen
Gasblasen abgeben, darin assimilieren. Das rührt daher, daß die
Diffusion des Oä nach der Oberfläche sehr langsam vor sich geht,
so daß der Ausgleich noch nicht stattgefunden hat, wenn man
am Ende des Versuchs Wasser abhebert und den O2- Gehalt be-
stimmt.
Man könnte vielleicht daran denken, daß man durch das Zählen
und die Volumbestimmung der ausgeschiedenen Blasen einen völlig
exakten Ausdruck der Assimilationsgröße bekommen müßte, wenn man
dem vom Stickstoff völlig befreiten Versuchswasser so viel Sauerstoff
zuführen würde, als es unter den gegebenen Temperatur- und Druck-
480 Hans Kniep,
verliältuisseu zu fassen vermag^). Daneben müßte natürlich für eine
ausreichende Kohlensäuremenge gesorgt sein. Das Versuchswasser
wäre in einer eine konstante Menge CO2 enthaltenden Sauerstoff-
atmosphäre aufzubewahren. Auch durch diese Versuchsanordnung
kann indessen das Ziel nicht völlig erreicht werden, wie folgende
Überlegung zeigt. Damit sich ein Blasenstrom entwickeln kann,
muß im Innern der Pflanze (Interzellularsystem) ein Überdruck
herrschen, der groß genug ist, um die der Blasenabgabe entgegen-
stehenden Widerstände zu überwinden (näheres hierüber s. Ab-
schn. 3 dieser Arbeit, S. 493). Angenommen nun, die Interzellu-
laren enthalten reinen Sauerstoff, und das Versuchswasser stehe
unter Atmosphärendruck. Der Gasstrom wird sich erst dann ent-
wickeln, wenn in den Interzellularen ein etwas höherer als Atmo-
sphärendruck herrscht. Nun ist nach dem Henry sehen Gesetz
bekanntlich die Gasraenge, welche sich bei gegebener Temperatur
in der Volumeinheit einer Flüssigkeit lösen kann, dem Drucke des
ungelöst bleibenden Gases i)roportional. Erhöht sich also der
Druck des Sauerstoffs in den Interzellularen, so muß auch das
die Pflanze umgebende Wasser Sauerstoff absorbieren, woraus
eben fol«!, daß tatsächlich nicht der gesamte bei der Assimilation
produzierte Sauerstoff in die Interzellularen, sondern ein, wenn
auch kleiner Teil davon an das Wasser abgegeben wird. Daran
zwar, daß bei dieser praktisch allerdings nicht einfach durchzu-
führenden Versuchsanordnung genauere Resultate erzielt werden
als mit der gewr»bnlichen Zählmethode, besteht kein Zweifel.
Fassen wir kurz zusammen, was sich aus diesem Abschnitt
für die praktische Verwendbarkeit der Gasblasenmethode als quanti-
tativer Methode ergibt: Unbestritten ist der Satz, daß Zu- und
Abnahme der Blasenzahl unter völlig konstanten Außenbedingungen
Zu- und Abnahme der Assimilationsgröße bedeutet. Beide Größen
verändern sich aber nicht proportional, da der Sauerstoffgehalt der
Gasblasen bei starkem Blasenstrom größer ist als bei schwachem.
Nachdem sich gezeigt hat, daß diese Schwankungen des O2- Ge-
halts sehr beträchtliche sind, müssen wir schließen, daß die
Blasenzälilung als relativer Maßstab für die Assimilationsgröße
nur innerhalb sehr enger Grenzen brauchbar ist. Man kommt
der Wahrheit näher, wenn man den 0^- Gehalt der Gasblasen be-
1) Eine tJbersättigung muß natürlich peinlichst vermieden werden, da dadurc|i
ein „physikalischer" Blasenstrom erzeugt wird.
über den Gasau.stau.s(;h de:* Wasserpflanzen. 481
rücksichtigt, diese also analysiert. Auch dann dürften sich aber
keine exakten Vero:leichswerte ergeben; da nämlich der dii^ekt an
das Wasser abgegebene Sauerstoff bei ruhigem Wasser nur laug-
sam wegdiffundiert, so wird jedenfalls bei starker Assimilation
verhältnismäßig mehr Sauerstoff au die Interzellularen abgegeben
als bei schwacher^).
Um die absolute Größe der Assimilation bei verschiedeuen
Lichtintensitäten kennen zu lernen, ist es nötig
1. das Volumen der in der Zeiteinheit in Blasenform abge-
schiedenen Gasmengen und deren Sauerstoffgehalt zn
kennen. Bleibt die Lichtintensität konstant, so bleibt
auch die Blaseuzahl und der Sauerstoffgehalt konstant, es
ist also nicht nötig, die gesamte während der Versuchszeit
abgegebene Gasmeuge zu anahsieren, sondern man kann
sich mit Stichproben begnügen. Wesentlich ist, wie wir
oben sahen, daß die erste Analyse nicht sofort nach Be-
ginn des Versuchs ausgeführt wird:
2. ist die Sauerstoffzunahme des Wassers in der oben an-
gegebenen Weise titrimetrisch zu bestimmen.
2. Der Einfluß der Wasserbewegung auf die Blasenabgabe.
Über den Einfluß der Wasserbewegung auf die Blasenabgabe
gibt es in der Literatur Angaben, die völlig miteinander in Wider-
spruch zu stehen scheinen. So geben Darwin u. Pertz (1896)
an, daß unter diesen Bedingiingen der Blasenstrom beschleunigt
wird, währeud Xathansohn (1907) die Beobachtung mitteilt, „daß
das Überleiten einer Lösung über ein Objekt mit nicht allzu leb-
hafter Blasenausscheidung diese gänzlich zum Stillstand bringt".
Ehe ich zur Erklärung dieses scheinbaren Widerspruchs übergehe,
will ich einige eigene Beobachtungen mitteilen.
Wenn man Helodea-ST^rosse in einer Iproz. Kaliumbikarbonat-
lösung, die in der üblichen Weise mit abgestandenem destilliertem
Wasser hergestellt ist, assimilieren läßt und die Lösung umrührt
oder, was auf das gleiche hinauskommt, die Pflanze bewegt, so
hört entweder der Blasenstrom momentan auf, um alsbald wieder —
zunächst in langsamerem Tempo — einzusetzen, oder er wird vor-
übergehend stark verlangsamt.
1) Das gilt allerdings zunächst nur für völlig ruhiges Wasser; auf den Einfluß
der Wasserbewegung komme ich im folgenden Abschnitt zu sprechen.
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI. ol
482 Hans Kniep,
Alle Versuche wurden mit Helodea canadensis gemacht, in
diffusem, während der kurzen Versuchszeit praktisch konstantem
Tageslicht.
Versuch 1. 20 Blasen in 6,8 Sekunden. Wasser mit Glasstah
etwas bewegt. Der Blasenstrom hört einige Sekunden auf.
Sofort nach Wiederbeginn werden die aufeinanderfolgenden
Zeiten, in denen 20 Blasen aufsteigen, gemessen. Es er-
gibt sich:
15,4 9,5 8,5 7,4 6,8 6,9 7,0 6,8 Sek.
Das Wasser wird jetzt wieder bewegt, worauf der Blasenstrom
wieder einige Sekunden aufhört. Nach Wiederbeginn ergaben sich
folgende Zeitwerte:
14.8 9,6 8,4 7,4 6,8
Nochmals Bewegung des Wassers. Nach Wiederbeginn des
Blasenstroms:
14,2 8.5 7,6 7,2 7,0 6,8
Versuch 2. 20 Blasen in 10,1 Sekunden. Wasser bewegt. Blasen-
strom setzt 1,5 Sekunden aus, nach Wiederbeginn ergeben
sich pro 20 Blasen folgende Zeiten:
14.9 11,5 10,6 10,1 10,2
Wasser bewegt. 1,6 Sekunden keine Blasenabgabe. Dann:
16,0 11,6 10,9 10,9 10,4 10,3
Wasser bewegt. 1,5 Sekunden keine Blasenabgabe. Dann:
15,2 11,3 10,7 10,6 10,2 10,4
Versuch 3. 10 Blasen in 18,1 Sekunden. Wasser bewegt. 3,5 Se-
kunden keine Blasenabgabe. Dann:
23,0 18,6 18,1 18,0
Wasser bewegt. 6 Sekunden keine Blasenabgabe. Dann:
22.4 18,7 17,9 18,0
Wasser bewegt. 5,2 Sekunden. Keine Blasenabgabe. Dann:
23,2 19,2 18,5 18,5 18,5
Wasser bewegt. 3,5 Sekunden. Keine Blasenabgabe. Dann:
24,0 20,0 19,1 18,4 18,2 18,5
Versuch 4. 10 Blasen in 16.0 Sekunden. Wasser bewegt. 4,5 Se-
kunden keine Blasenabgabe. Dann:
22.5 17,5 16,5 16,1 16,6
(ber den Gai*austausch der Wasserpflanzen. 483
Versuch 5. 20 Blasen in 10,5 Sekunden. Wasser bewegt. 1,9 Se-
kunden keine Blasenabgabe. Dann:
14,0 11,5 10,7 10,5
Wasser bewegt. 1,5 Sekunden keine Blasenabgabe. Dann:
15,9 11,0 10,2 10,2
Versuch 6. 20 Blasen in 5,5 Sekunden. Wasser bewegt. 23,2 Se-
kunden keine Blasen. Dann:
8,8 7,2 7,0 6,2 6,2 5,5 5,6
Wasser bewegt. 21,9 Sekunden keine Blasen. Dann:
8.5 7,2 6,2 6.2 5,7 5,6 5,7
Wasser bewegt. 21,5 Sekunden keine Blasen. Dann:
8,4 6,5 6,0 5,7 5,9 5,5 5,6
Versuch 7. 10 Blasen in 11,2 Sekunden. Wasser bewegt. 6,5 Se-
kunden keine Blasen. Dann:
17,0 13,3 11,7 11,2 10,8 11,2
Wasser bewegt. 8,5 Sekunden keine Blasen. Dann:
18,0 13,8 13,0 12,5 12,1 13,1 11,5 11,6 12,0
Versuch 8. 20 Blasen in 4,9 Sekunden. Wasser bewegt. Der
Blaseustrom wird nicht deutlich unterbrochen, jedoch ver-
langsamt:
8.6 5,3 5,2 5,0 4,9
Wasser bewegt:
8,4 5,4 5,2 5,0
Wasser bewegt:
8,8 5,4 4,9
Versuch 9. 10 Blasen in 11,2 Sekunden. Wasser bewegt. 4,6 Se-
kunden keine Blasen. Dann:
12,5 11,2 10,9 11,1 10,9
Wasser bewegt. 7,0 Sekunden. Keine Blasen. Dann:
12,7 11,9 11,4 11,3 11,2 11,2
Versuch 10. Anstatt der KHCO3- Lösung wurde abgestandenes
Leitungswasser genommen. 20 Blasen in 9,2 Sekunden.
Wasser bewegt. 2,1 Sekunden keine Blasen. Dann:
12 4 9,7 9,2 9,1 9,2
31*
484 Hans Kuiep,
Wasser bewegt. 2,8 Sekunden keine Blasen. Dann:
11,4 9,6 9,1
Wasser bewegt. 3,8 Sekunden keine Blasen. Dann:
10,9 9,8 9,1 9,1
Die mitgeteilten und viele andere in derselben Weise durch-
geführten Versuche stehen also in Einklang mit der Angabe von
Nathan söhn und führten zu einem gegenteiligen Ergebnis \ne die
Beobachtungen von Darwin und Pertz. Die Richtigkeit der
letzteren will ich damit durchaus nicht in Zweifel ziehn; wir werden
gleich sehen, wie sich der Widerspruch aufklärt.
Was zunächst die Deutung meiner Versuche anlangt, so dürfte
folgende Erklärnug den Tatsachen gerecht werden. Es ist schon
nielu'fach hervorgehoben worden, daß bei der Assimilation der Sauer-
stoff nur zum Teil in die Interzellularen, zum andern Teil in das
umgebende Wasser abgegeben wird, und daß wegen der im ruhigen
Wasser langsam vor sich gehenden Diffusion die Oberfläche der
Pflanze von einer mit Sauerstoff gesättigten oder übersättigten
Wasserschicht überzogen sein muß. Durch die Wasserbewegung
wird nun diese Schicht weggesi)ült und durch O^-ärmeres Wasser
ersetzt. Das hat zweierlei Konsequenzen: Einmal wird momentan
von dem bei der Assimilation entstehenden O2 verhältnismäßig mehr
nach außen, weniger nach den Interzellularen abgegeben. Zweitens
wird von dem unter ziemlich hohem Partiärdruck stehenden O2 der
Interzellularen etwas nach außen diffundieren. Beide Momente
wirken dahin, daß der Gesamtdruck der Interzellularluft erniedrigt
wird, und das führt vorübergehend zum Aussetzen bezw. Ver-
langsamen des Blasenstroms.
Gleichzeitig werden nun durch die Wasserbewegung Be-
dingungen geschaffen, die gerade im entgegengesetzten Sinne
wirken, den Gasblasenstrom also zu beschleunigen trachten. Wenn
letzterer tatsächlich zeitweise verlangsamt wird, so rührt das nur
daher, daß die verlangsamenden Faktoren die beschleunigenden
überwiegen. Indem das die Oberfläche der Pflanze umgebende
Wasser ersetzt wird, wird hier der O2 -Gehalt zwar herabgemindert,
der COä-Gehalt aber erhöht. Damit wird die Assimilation und viel-
leicht auch der COo-Gehalt der Interzellularen gesteigert. Diese
beiden Momente bewirken also Erhöhung des Interzellulardrucks.
Wie es kommt, daß dennoch eine Unterbrechung oder Verlangsamung
des Blasenstroms resultiert, ist leicht verständlich. Die Diffusions-
über den Gasaustausch der Wasserpflanzen. 485
g-escliwindigkeit der CO2 im Wasser ist imgleich viel größer (vgl.
S. 473) als die des Sauerstoffs. Infolgedessen wird die verbrauchte
COä immer sehr schnell wieder aus dem umgebenden Wasser er-
setzt werden. Auch der in den im 1. Abschnitt mitgeteilten
Analysen gefundene C02-Gehalt der Interzellularen beweist, daß
an CO2 kein Mangel herrscht. Wenn also die Assimilation nicht
sehr intensiv ist, so wird unter den Versuchsbedingungen der bei
Bewegung des Wassers stattfindende CO2 -Ersatz und die damit zu-
sammenhängenden Erscheinungen keine Rolle spielen, die irgend-
wie ins Gewicht fällt.
Es muß noch hervorgehoben werden, daß in allen obigen Ver-
suchen der Blasenstrom sofort zum Stillstand kam, wenn die Pflanze
verdunkelt wurde. Es handelte sich also immer um einen durch
die Assimilation hervorgerufenen Gasstrom.
Den gegenteiligen Effekt wie in obigen Versuchen, also Er-
höhung der Strömungsgeschwindigkeit bei Bewegung des Wassers,
erzielt man mit Sicherheit, wenn man frisches Leitungswasser
wählt. Folgende Beispiele mögen das erläutern:
Versuch 11. 20 Blasen in 10,7 Sekunden. Wasser bewegt; jetzt
20 Blasen in:
6,2 6,4 7,3 8,3 9,5 9,8 10,5 10,7 10,7 Sekunden.
Wasser bewegt:
5.7 6,2 7,2 8,0 8,4 8,7 9,8 9,5 9,5 10,1 10,5 10,5
Wasser bewegt:
6,0 6,3 7,5 7,5 8,7 9,2 9,3 10,7 10,7
Versuch 12. 20 Blasen in 13,0 Sekunden. Wasser bewegt:
8,5 10,0 11,4 12,6 13,0
Wasser bewegt:
9.8 12,2 13,1
Versuch 13. 20 Blasen in 10,2 Sekunden. Wasser bewegt:
7,8 9,4 10,5
Versuch 14. 10 Blasen in 10,7 Sekunden. Wasser bewegt:
8,5 9,5 9,6 9,6 9,9 10,8
Wasser bewegt:
8,2 8,9 9,5 9,5 9,9 9,9 (Licht ist etwas stärker geworden).
Wasser bew^egt:
6,0 7,9 8,3 8,4 9,2 9,3 9,5
486 Hans Kniep,
Versuch 15. 20 Blasen iu 10,2 Sekunden. Wasser bewegt:
8.4 9,1 9,5 9,8 10,3 10,2
Wasser bewegt:
7,3 8,9 9,4 10,1 10,1
Wasser bewegt:
8,0 8,6 9,6 9,9 10,3 10,0 10,2
Wasser bewegt:
7.5 8,0 9,3 9,9 10,1 10,2
Für die Versuche 10 — 15 ist charakteristisch, daß nach Ver-
dunkelung der Blasenstrom nicht gleich aufhört, sondern uur ver-
langsamt wird und erst nach mehr oder weniger langer Zeit zum
Stillstand kommt. Hier liegt also kein reiner ..Assimilationsstrom"
vor, und darin liegt auch der Grund dafür, daß der Blaseustrom
nach Bewegung des Wassers nicht, wie im Versuch 1 — 9 verlangsamt,
sondern beschleunigt wird. Die Erklärung liegt auf rein physi-
kalischem Gebiet. Das frische Leitungswasser pflegt sich im Zimmer
sehr bald mit Gasen zu übersättigen, da seine Temperatur meist
beträchtlich geringer ist als die Zimmertemperatur. Eine Folge da-
von ist, daß sich an den Gefäßwänden und au der Oberfläche der
Pflanze Gasblasen abscheiden; eine weitere tue, daß die ursprünglich
(bei Einbringen der Pflanze in das Wasser) unter Atmosphären-
druck stehende Interzellularluft einen Zuwachs aus dem umgebenden
Wasser erfährt, da dessen Gasspannung höher ist als dem Atmo-
sphärendruck entspricht. Dieser Druckzuwachs der Interzellularluft
bedingt eine gesteigerte Gasaltgabe an der Schnittfläche, und da
dadurch der Innendruck wieder vermindert wird, muß von neuem
aus dem Wasser an die Interzellularen Gas abgegeben werden.
So wird ohne Mitwirkung des Lichts der Gasblasenstrom zustande
kommen können, wie das namentlich seit Devaux' Untersuchungen
bekannt ist.
Überläßt man die Pflanze im Dunkeln - ruhig sich selbst, so
wird dieser Blasenstrom allmählich schwächer und hört schließhch
auf ^). Die Zeit, nach der das auftritt, hängt naturgemäß in erster
1) Es ist selir wohl möglieb, daß in stark übersättigtem Wasser der Blasenatrom
im Dunkeln sehr lange anhält. Die Beobachtung Van Tieghems flSeO;, daß dies mehrere
Stunden dauern kann, ist wohl so zu erklären. .Jedenfalls ist Pantanelli (1904, S. 168)
im Unrecht, wenn er meint, daß diese Angabe gewiß auf einer Täuschung beruhe. Zwar
hat Van Tieghem seinen längere Zeit dem direkten Sonnenlicht ausgesetzten Pflanzen
eine Wasserkühlung vorgeschaltet, es ist jedoch bei der Art der Versuchsanstellung in
über den Gasaustausch der Wasserpflanzen. 487
Linie davon ab, wie stark das Wasser übersättigt ist. Durch den-
selben Faktor wird auch liestiinmt, um wieviel die tatsächliche
Blasenabgabe diejenig-e übertrifft, die dem reinen Assimilationsstroni
entsprechen würde.
Indem nun das in dem übersättigten Wasser befindliche Gas
die Pflanze passiert und in die Interzellularen abgegeben wird,
muß sich der Gasgehalt des Wassers in der direkten Umgebung
der Pflanze gegenüber weiter entfernten Wassergebieten vermindern,
da der Diffusionsnachschub im Wasser nicht so schnell vor sich
geht, als daß sofort Ausgleich geschaffen würde. Der Umstand, daß
es bei Anwendung größerer Wassermengen ziemlich lange dauert,
bis der Punkt erreicht ist, wo der abgegebene Blasenstrom ein
reiner Assimilationsstrom ist, beweist immerhin, daß die Diffusion
ausreicht, um das Wasser in der direkten Umgebung der Pflanze
im übersättigten Zustande zu erhalten, wenn auch hier, wie gesagt,
die Übersättigung geringer ist als in weiterer Entfernung von der
Pflanze. Eine Bewegung des Wassers ruft nun eine plötzliche
Störung dieses Zustands hervor. Wie ohne weiteres ersichtlich,
wird dadurch stärker übersättigtes Wasser in die direkte Umgebung
der Pflanze gebracht, das schwächer übersättigte weggespült bezw.
mit dem andern gemischt. Das muß eine Erhöhung des Blasen-
stroms zur Folge haben, die auch tatsächlich beobachtet wird.
Genau so wie bei Versuch 1 — 9 müssen unter diesen Be-
ding-ungen der CO2- Gehalt und damit auch die Assimilation ein
wenig erhöht werden. Dieser Einfluß addiert sich liier zu ersterem,
er spielt ihm gegenüber aber wohl nur eine sehr geringe Rolle.
Wenn wir die erwähnten Versuche von Darwin und Pertz
mit Rücksicht auf diese Erörterungen ansehen, so werden wir,
ohne fehlzugehen, annehmen dürfen, daß sie mit übersättigtem
Wasser angestellt worden sind. In der Tat geben D. u. P auch bei den
meisten Versuchen an, daß sie frisches Leitungswasser verwendet
haben. Da wo abgestandenes Wasser benutzt wurde, war eben
vermutlich die Übersättigung noch nicht ge^^^chen, oder es spielen
Temperaturveränderungen mit, die sie von neuem herbeigeführt
hat. Es ist ja klar, daß man denselben Effekt erzielen muß, wenn
man ge-(aber nicht über-) sättigtes Wasser nimmt, das man etwas
erwärmt. Ich hal)e auch unter diesen Bedingungen Versuche ge-
liohem Grade zweifi'lhaft, ob diese ausgereicht hat, einer Teniperatursteigerung vorzu-
beugen.
488 Hans Kniep,
macht, die ganz der Erwartung entsprechend ausgefallen sind. In
praktischer Beziehung erhellt daraus zugleich, daß man bei den
Versuchen mit peinlichster Sorgfalt darauf achten muß, daß sich
die Temperatur des Versuchswassers konstant hält. Schon eine
Erwärmung um 0,2*^ pflegt die Gleichmäßigkeit der Resultate zu
beeinflussen.
Darwin und Pertz geben auch bereits der Meinung Ausdruck,
daß die von ihnen beobachtete Erscheinung ein rein physikalisches
Phänomen ist und führen als Beweis dafür an, daß man bei Pflanzen,
die im Dunkeln die Blasenabgabe eingestellt haben, wieder einen
Blasenstrom erzeugen kann, wenn man das Wasser bewegt. Solche
Versuche gelingen in der Tat ohne Schwierigkeit, wenn das Wasser
mit Gasen übersättigt ist. Auch die Annahme von Darwin und
Pertz, daß es sich um Diffusionsvorgänge handelt, ist ganz richtig;
wie sie sich das im einzelnen vorstellen, geben sie allerdings nicht
näher an.
Ich kann noch hinzufügen, daß man die Erscheinung auch
bei abgetöteten Pflanzen beobachten kann, wenn man z. B. Wasser
wählt, in das längere Zeit aus einer Boml)e Kohlensäure eingeleitet
worden ist^). Unter diesen Bedingungen kann bei der lebenden
Pflanze der „physikalische Blasenstrom" so stark sein, daß der Assi-
milationsstrom demgegenüber fast verschwindet und man im Hellen
und Dunkeln nur geringe Unterschiede der Blasenzahl beobachtet^).
In einem Versuch, im welchem das Wasser mit CO^ stark ange-
reichert und jnit Paraffinöl überdeckt-^), die Pflanze durch Zugabe
einiger Subliinatkiistalle abgetötet war, habe ich den „physikali-
schen Blasenstrom" volle 15 Tage beobachten können. Bei jedes-
maliger Bewegung des Wassers trat Verstärkung des Stromes ein;
gegen Ende der Versuchszeit wurde er langsamer und hörte
schließlich auf: auch dann war es während einiger Zeit noch
möglich, ihn wieder hervorzurufen, wenn das Wasser bewegt wurde.
1) Ähnliche Beobachtungen hat schon Van Tieghem (1869, S. 531) gemacht.
2) Es ist möglich, daß der hohe COj-Gehalt des Wassers eine narkotische Wirkung
auf die Pflanze ausübt und die Assimilation hemmt. Aus den vorliegenden, ziemlich
zahlreichen Untersuchungen über den Einfluß verschiedener COg-Spannung auf die Assi-
milation geht jedenfalls hervor, daß die letztere mit zunelimendem COg- Gehalt zuerst
ansteigt, dann aber wieder sinkt.
3)- Obwohl Paraffinöl Kohlensäure absorbiert, bildet es doch einen ganz guten
Abschluß, da die Absorption sehr langsam vor sich geht.
über den Gasaustausoh dei' Wasserpflanzen. 489
Die Pflanze hatte schon wenig-e Tage nach der Vergiftimg' völlig-
bleiches Aussehen angenommen.
Ich muß es dahingestellt sein lassen, ob die obige Erklärung
ausreicht, um in diesem besonderem Falle die auffallend lange
Gasabgabe restlos zu erklären. Vielleicht spielen hier noch be-
sondere Tatsachen mit, die sich noch nicht übersehen lassen. Mit
dem zuletzt von Ohno (1910) und Ursprung (1912) näher be-
handelten Phänomen der Gasausscheidung aus Blättern hat die
Erscheinung jedenfalls nichts zu tun. da die Versuchsbedingungen
dort völlig andere sind.
Für die Praxis ergibt sich aus dem Versuch die Lehre, daß
man mit dem Einleiten von Kohlensäure in das Versuchswasser
sehr vorsichtig sein muß, wenn es sich darum handelt, zu demon-
strieren, daß der Assimilatiousstrom im Dunkeln aufhört. Vor-
sichtiges Einblasen von COs-reicher Luft schadet zwar nichts, 'ist
im Gegenteil, w^enn COü-armes Wasser vorliegt, förderlich, längeres
Einleiten von COa, etwa aus einer Bombe, muß aber vermieden
werden.
Daß sich die Gasblasenmethode für die Untersuchung des Ein-
flusses hoher COo- Spannungen auf die Assimilation wenig eignet,
dürfte aus dem Gesagten ohne weiteres hervorgehen. Das läßt
sich auch aus den Angaben Pantanellis (1904) ersehen, der sich
der Methode zu diesem Zwecke bediente. Pantanelli hat u. a.
auch festgestellt, daß bei starker COä-Zufuhr die ausgeschiedenen
Blasen prozentualiter sehr viel CO2 enthalten. Er teilt trotzdem
einige Versuchsreihen mit, in denen es „unter Vornahme gewisser
Maßregeln gelang, schöne Kurven der CO-2- Einwirkung bei ver-
scliiedener Lichtintensität zu gewinnen, ehe der physikalische Strom
in Tätigkeit trat (S. 194).'- Welche Maßregeln das sind, Anrd
leider nicht angegeben. Nach meinen Erfahrungen erscheint es
mir sehr zweifelhaft, ob es möglich ist, mit Helodea- Sprossen in
kohlensäurereichem Wasser zu arbeiten, ehe der physikalische Strom
in Tätigkeit tritt. Angaben darüber, wann das geschieht, werden
nicht gemacht. Infolge der sehr schnellen Diffusion der Kohlen-
säure tritt letzterer jedenfalls sehr bald ein. — Übrigens ist es
auch Pantanelli aufgefallen, daß durch Stöße (beim Verdunkeln
usw.). also durch Bewegung der Pflanze oder des Wassers der
Blasenstrom l)ei starkem CO2- Gehalt erhöht wird. Er vermutet,
daß dies durch ., Aufrühren der eingeschlossenen Gase" bewirkt
wird (S. 197). Diese Vermutung erledigt sich wohl durch die
490 Hans Kniep,
obigen Erörterung-en (S. 486 dieser Arbeit). Aus der Bemerkung
geht zugleich hervor, daß Pantanelli mit .Pflanzen gearbeitet hat,
die im Dunkeln den Blasenstrom nicht eingestellt haben.
Es soll mit dem Vorstehenden nicht gesagt sein, daß die Gas-
blasenmethode für das Studium des Einflusses der CO2- Konzen-
tration auf die Assimilation unter allen Umständen untauglich sei.
Wenn es sich um eine konstante CO2- Menge im Yersuchsw^asser
handelt, so kann der physikalische Strom als konstanter Faktor
eingesetzt werden und die gefundenen Werte sind untereinander
vergleichbar. Zu vermeiden ist dabei allerdings jede Erschütterung
der Pflanze, die bei Entfernung und Annäherung au die Licht-
quelle kaum zu umgehen ist. Wenn die Wirkung verschiedener
COä-Konzentrationen verglichen werden sollen, so kann der physi-
kalische Strom natürlich nicht als Konstante gesetzt werden. In
diesem Falle muß er mindestens für jede Konzentration ermittelt
und als Korrektur angebracht werden, was Pantanelli versäumt hat.
3. Die Unterbrechung des Blasenstroms durch zeitweilige
Verdunkelung und der Wiederbeginn desselben.
Wenn man den Blaseustrom eines assimilierenden Helodea-
Sprosses durcli plötzliche Vcrdunkehmg unterl)richt und nach einiger
Zeit mit derselben Lichtintensität wieder beleuchtet, so setzt die
Blasenabgabe nicht sofort wieder ein. Der Wiederbeginn erfolgt
vielmehr um so später, je länger die vorübergehende Verdunkelung
ist. Voraussetzung dabei ist natürlich, daß der Blasenstrom am
Licht ein reiner Assimilationsstrom ist, der bei Verdunkelung so-
fort zum Stillstand kommt. Ehe ich versuche, die Erscheinung zu
erklären, will ich einen Teil der Vei'suche mitteilen, die obigen
Satz beweisen. Da sie alle übereinstimmend ausfielen, sehe ich
von einer Wiedergabe sämtlicher Protokolle ab.
Als Lichtquelle diente bei Versuchen, die nur kurze Zeit
dauerten, das diffuse Tageslicht, sofern es sich als gleichmäßig
genug erwies, also nur dann, wenn der Himmel völlig wolkenfrei
oder von einem gleichmäßigen Wolkenschleier bedeckt war. Als
beste Kontrolle für die Konstanz des Lichtes diente die Blasenzahl
selbst, die häufig kontroüiert wurde. Außerdem verwandte ich
zwei Auerbreuner. Um die infolge der Schwankungen des Gas-
drucks eintretenden Intensitätsänderungen des Lichts auszuschalten,
über den Gasaustausch der '\\'asserpflanzeu.
491
war den Brennern ein Gasdruckregulator (nach Moitessier) vor-
geschaltet, der die Lichtschwankungen praktisch völlig ausgleicht.
Einer Erwärmung des Versuchswassers war natürlich durch ge-
eignete Kühlung vorgebeugt. Versuchsobjekt war Helodea cana-
densis.
Versuch 1. 20 Blasen in 4,8 Sekunden.
Dauer der Verdunkelung in |
Sekunden J
20 1)
20
80
180
300
600
Zeit bis zum Beginn des Blasen- »
Stroms nach Wiederbelichtung; !
4,1
4,0
9
13,2
17,2
25,8
in Sekunden f
Versuch 2. 20 Blasen in 5,4 Sekunden.
Bauer der Verdunkelung in 1
Sekunden J
20
20
40
40
80
300
300
600
Zeit bis zum Beginn des Blasen- i
Stroms nach Wiederbelichtung; >
8
8,2
13,2
13,0
18,2
60,0
61,0
93,5
in Sekunden J
Versuch 3. 20 Blasen in 8,0 Sekunden.
Dauer der Verdunkelung in
Sekunden
Zeit bis zum Beginn des Blasen-
stroms nach Wiederbelichtung;
in Sekunden
15 j 15
12,6|12,6
30
21,5
30 60 • 60
20,7 35,5133,2 20,3 51,2
30
120
15
12,2
15
11,6
15
11,8
Versuch 4. 20 Blasen in 6,5 Sekunden.
Dauer der Verdunkelung in \
Sekunden J
15
15
30
30
30
15
30
60
60
Zeit bis zum Beginn des Blasen- ^
Stroms nach Wiederbelichtung; |
in Sekunden >
10,2
10,2
17,7
18,2
18,5
10,8
17,2
28,6
27,9
1) Aus Gründen, die erst im folgenden auseinandergesetzt werden können, sind
die Werte für die Zeiten des Wiederbeginns des Gasstroms nur dann direkt miteinander
vergleichbar, wenn der Sproß zwischen den einzelnen Dunkelperioden mehrere (mindestens
3) Minuten normal assimiliert.
492 Hans Kniep,
Versuch 5. 20 Blasen iu 16,2 Sekunden.
Dauer der Verdunkelung in
Sekunden
Zeit bis zum Beginn des Blasen-
stroms nach 'W'iederbeliclitung;
in Sekunden
:i
30
60
60
60
30
120
30
120
30
6,2
9,6
9,8
10,0
6,1
14,2
5,9
14,5
6,1
120
15,0
Versuch 6. 20 Blasen in 8,5 Sekunden.
Dauer der Verdunkelung in ^
Sekunden i
30
30
60
960
30
3600
Zeit bis zum Beginn des Blasen- \
Stroms nach Wiederbeleuchtung; /
in Sekunden )
6,5
6,9
11,5
73,5
6,5
139,5
Versuch 7. 20 Blasen in 6,7 Sekunden.
Dauer der Ver- i
dunkelung in Se- >
30
120
30
240
30
480
30
30
960
30
30
1920
30
30
künden f
Zeit bis zum Be-1
ginn des Blasen-
stroms nach Wie-
14,5
38,6
14,5
72,4
15,0
110,8
15,7
15,1
164,0
15,8
15,5
213,5
16,5
16,3
derbeliclitung
60
25,4
Aus diesen Versuchen geht, wie oben bemerkt, hervor, daß
der Beginn der Gasblasenabgabe nach Beleuchtung um so später
einsetzt, je länger die vorausgehende Verdunkelung war. Die
nähere Durclisicht der Zahlen zeigt zugleich, daß keineswegs eine
Proportionalität zwischen der Dauer der Verdunkelung und der
Zeit bis zum Wiederbeginn des Gasstroms besteht. Letztere ist
vielmehr relativ um so kürzer, je länger die vorausgehende Dunkel-
periode gewesen ist. Es scheint, als nähern sich die Werte der
Reilie II langsam einer konstanten Größe, die bei einer gewissen,
ziemlich langen Dauer der vorausgehenden Verdunkelung erreicht
wird, so daß dann eine weitere Verlängerung dieser Verdunkelungs-
zeit ohne Einfluß auf die Zeit des Wiederbeginns des Gasstroms
wäre. Ich habe versucht, die Verdunkelungszeit, bei der dieser
maximale Wert für die Zeit des Wiederbeginns erreicht ist, fest-
zustellen, bin dabei aber leider auf bisher unüberwindliche Schwierig-
keiten. gestoßen. Nach zwei Stunden ist sie sicher noch nicht er-
reicht. Wenn man die Versuche längere Zeit fortsetzt und lange
über den Gasaustausch der "Wasnerptlanzen. 493
Dunkelperiodeu zwischensclialtet, so zeigt sich uiir zu oft, daß die
Pflanze scliließlich pro Zeiteinheit nicht mehr die gleiche Zahl
Gasblasen abgibt wie zu Beginn des Versuchs; die gewonnenen
Zeitwerte lassen sich also nicht mehr vergleichen. Sehr leicht
verändert sich unter diesen Umständen die Größe der Blasen, was
auf eine, durch irgendwelche unkontrollierbaren Einflüsse hervor-
gerufene Veränderung der Schnittfläche hindeutet.
Zur Erklärung der Erscheinung gehen wir von folgender ein-
facher Betrachtung aus. Damit an der Schnittfläche Blasen abge-
geben werden, muß sich die Interzellularluft unter Überdruck be-
finden, denn es müssen erstens die ßeibungswiderstände, die dem
Blasenaustritt entgegenstehen, überwunden werden, zweitens das
Gewicht der kapillaren Wassersäule, die an der Schnittfläche in
die Interzellularkanäle eindringt, wenn innen Atmosphärendruck
herrscht, drittens der Druck der über der Schnittfläche befind-
lichen Wassersäule, der naturgemäß um so größer ist, je tiefer
die Schnittfläche unter dem Wasserspiegel Uegt. Die beiden letz-
teren Größen lassen sich leicht berechnen. Wir bezeichnen die
Entfernung der Schnittfläche des Helodea-Si^rosses von der Wasser-
oberfläche mit h, den Radius des kapillaren Interzellulargangs,
aus dem die Gasblasen austreten, mit r, den Atmosphärendruck
mit P, den Druck in den Interzellulargängen mit P' und das
spezifische Gewicht das Wassers mit s. Dann gilt folgende Be-
ziehung:
P . r- jr + h s r'^-T + " . s . r- jr = F • r^ Ji,
s • r
worin h s r^ jt das Gewicht des über der Kapülaröffnung liegenden
2 a
Wasserzylinders ist, ;«S'r-jr das Gewicht des in den Inter-
zellulargang infolge der Kapillarität eingedrungenen Wasserzylinders.
In letzterem Ausdruck ist a eine Konstante, die gewöhnlich Ober-
2 a
flächenspannung genannt wird; der Ausdruck — wird auch als a^
bezeichnet, und diese Größe ist die KapiUaritätskonstante oder
spezifische Kohäsion. Sie ist definitionsgemäß die Steighöhe einer
gegebenen Flüssigkeit in einer Röhre vom inneren Durchmesser 1.
Nach dem Gesetz von Juriu ist nun die Steighöhe einer Flüssig-
keit in einer Kapillarröhre dem Radius der letzteren umgekehrt
proportional. In unserem Falle hätten wir also für die Steighöhe
a" 2 et
zu setzen — = und das Gewicht des kapillar aufgesaugten
r s • r
494 Hans Kniep,
2 a
Zj^linders wäre • s • r- jr = 2 « • r jr. Aus obiger Gleichung
ergibt sich für P':
P' = P + hs + ~.
r
Davon sind s und die Konstante a bekannt, P, h und r direkt
meßbar. Für letztere Größe fand ich als Durchschnittswert etwa
0,12 mm.
Bei einer Temperatur von 16 "^ ist für Wasser « = 7,45 mg/mm.
Nehmen wir den Druck P zu 760 mm Hg an, und setzen wir vor-
aus, daß die Schnittfläche dei- Pflanze sich 30 mm unter der Ober-
fläche befinde und r = 0,12 mm betrage, so ergibt sich für P' in
mm Hg ausgedrückt
P' = 771,3.
Dieser Berechnung liegt die (gewiß berechtigte) Annahme zugrunde,
daß die Wandung des kapillaren Interzellularkanals von Wasser
vollständig benetzbar ist, daß also der Rand winkel der aufgesaugten
Wassersäule = 0 ist.
Sobald nun eine assimilierende Pflanze verdunkelt wird, muß
der Überdruck in dem Interzellularsystem zurückgehen. Das ge-
schieht durch Diffusion der Gase in das umgebende Wasser; parallel
damit geht natürlich (Üe kapillare Aufsaugung von Wasser an der
Schnittfläche. Man könnte nun meinen, daß der Ausgleich ziemlich
schnell vor sich gehen müßte, und daß daher schon nach relativ
kurzer Verdunkelung die Zeit des Wiederbeginns des Gasstroms
bei darauffolgender Belichtung einen konstanten Wert erreichen
müßte. Das ist, wie wir sahen, nicht der Fall. Bei näherem Zu-
sehen ergibt sich auch sofort, daß die Diffusion nicht etwa auf-
hört, wenn der Gasdruck im Innern im Gleichgewicht mit dem
Außendruck steht, sondern daß sie weitergehen muß, bis im Innern
ein Unterdruck entsteht. Das erhellt ohne weiteres, wenn man
bedenkt, daß der Innendruck sich aus mehreren Partiärdrucken
zusammensetzt, und die Diffusion der Gase eines Gemischs unab-
hängig voneinander, proportional dem Gefälle der Partiärdrucke
vor sich geht. Nach lebhafter Assimilation ist ja der Partiärdruck
des Sauerstoffs, verglichen mit dem in der Atmosphäre (und im
umgebenden Wasser, das bezüglich seines Gasgehalts als mit der
Atmosphäre iui Gleichgewicht befindlich angenommen werden soll)
sehr hoch, der des Stickstoffs sehr gering. Es muß also Sauer-
stoff nach außen, in das umgebende Wasser, Stickstoff in um-
über den Gasaustausch der Wasserpflanzen. 495
gekehrter Richtimg- diffundieren. Da nun ferner, wie wir bereits
iii Abschnitt I (S. 473) sahen, die Diffusionsgeschwindig'keit des
Sauerstoffs erheblich größer ist als die des Stickstoffs, so wird für
Sauerstoff der Gleichgewichtszustand früher erreicht sein als für
den Stickstoff, d. h. es wird in dem Gasgemisch so lange Unter-
druck herrschen müssen, bis der Ausgleich auch für den Stickstoff
ein vollständiger geworden ist. Man sollte daher erwarten, daß
die Kurve für die Zeit des Wiederbeginns des Blasenstroms nach
verschieden langer Verdunkelung, ehe sie in eine gerade Linie
übergeht, eine Senkung unterhalb dieser Geraden erfährt. Ich habe
dies aus obigen Gründen im Versuche leider nicht feststellen können.
Fassen wir das eben Gesagte zusammen, so können wir wohl
sagen, daß (Ue herangezogenen physikalischen Momente völlig aus-
reichen, um das Ergebnis der Versuche 1 — 7 (S. 491 ff.) zu erklären;
es bedarf jedenfalls nicht notwendigerweise der Annahme, die viel-
leicht auf den ersten Blick nahe liegen könnte, daß die Pflanze
durch Verdunkelung in ihrer physiologischen Beschaffenheit be-
einflußt \\ird, derart, daß ihre Assimilationsfähigkeit nach Wieder-
beleuchtung anfangs eingeschränkt ist und erst allmählich regene-
riert wird (und zwar umso langsamer, je länger die vorausgehende
Dunkelperiode war). Ausgeschlossen ist freilich die letztere An-
nahme nicht; für sehr lange Verdunkelung ist es sogar sehr wahi-
scheinlich, wenn nicht sicher, daß derartige Schädigungen eintreten.
Das eine allerdings ist immer im Auge zu behalten: der Mangel
der Blasenabgabe ist kein Zeichen dafür, daß die Pflanze nicht
assimiliert. Wenn die Assimilation so gering ist, daß der in den
Interzellularen entstehende Überdruck nicht ausreicht, um die oben
genannten Widerstände zu überwinden, so werden eben keine Blasen
aus der Schnittfläche abgegeben. Wenn demnach, wie das nach
Verdunkelung aus den auseinandergesetzten Gründen der Fall ist,
in den Interzellularen ein Unterdruck entsteht, so muß dieser,
wenn die Assimilation wieder einsetzt, erst überwunden werden,
es muß also einige Zeit vergehen, ehe der Blasenstrom beginnt.
Zur Illustration der obigen Erklärung dienen nun noch eine
Reihe von Versuchen, die ich hier folgen lassen will. Wenn man
nämlich Dunkelperioden von gleicher Länge (z. B. 30 Sekunden)
sehr schnell aufeinanderfolgen läßt, etwa mit einer Unterbrechung,
die gerade genügt, um den Wiederbeginn der Blasenabgabe und
deren Einstellung auf die ursprüngliche Höhe zu konstatieren, so
beobachtet man die merkwürdige Erscheinung, daß die Zeit bis
496 Han.s Kniep,
zum Wiederbeginn des Gasstroms immer kürzer wird, bis sie
schließlich einen annähernd konstanten, minimalen Wert erreicht.
Als Beweis hierfür dienen die folgenden Versuchsreihen:
Versuch 8. 20 Blasen in 6,1 Sekunden. Jeweilige Dauer der
intermittierenden Verdunkelung- 30 Sekunden. Zeit bis zum
Wiederbeginn des Blasenstroms (in Sekunden):
5,0; 4,3; 4,2; 3,5; 2,9; 2,2; 2,3; 2,1; 2,1; 2,0.
Nachdem der Wert 2,0 Sekunden erreicht war, wurde die Pflanze
nicht sofort wieder verdunkelt, sondern ununterbrochen 5 Minuten
beleuchtet. 20 Blasen (wie vorher) in 6,1 Sekunden. Darauf wieder
intermittierende Verdunkelung von 30 Sekunden. Zeit bis zum
Wiederbeginn des Blasenstroms: 3,5; 2,9; 2,7; 2,1; 1,8.
Versuch 9. 20 Blasen in 10,9 Sekunden. Dunkelperiode 30 Se-
kunden. Zeit bis zum Wiederbeginn des Blasenstroms (in
Sekunden) :
17,0; 15,2; 16,0; 15,0; 15,0; 14,5; 13,4; 13,5; 13,5; 13,4;
12,2; 12,0.
Versuch 10. 20 Blasen in 7,0 Sekunden. Dunkelperiode 30 Se-
kunden. Zeit bis zum Wiederbeginn des Blasenstroms:
13,6; 12,0; 10,1; 9,9; 8,9; 8,5; 8,5; 8,4.
Von jetzt ab 5 Minuten ununterbrochen beleuchtet. 20 Blasen
in 6,8 Sekunden. Darauf wieder je 30 Sekunden intermittierend
verdunkelt. Zeit bis zum Wiederbeginn des Blaseustroms :
14,0; 13,4; 11,8; 11,0; 10,2; 9,8; 9,5; 9,6; 9,6; 9,4; 9,3;
i/jOj *7j0j »7j0»
Jetzt 7 Minuten ununterbrochen beleuchtet. 20 Blasen in
6,8 Sekunden. Dann wieder je 30 Sekunden intermittierend ver-
dunkelt. Zeit bis zum Wiederbeginn des Blasenstroms:
14,2; 13,5; 12,9; 11,7; 10,8; 10,3; 10,4; 10,3; 10,1; 10,1; 9,8.
Versuch 11. 20 Blasen in 8,5 Sekunden. Dunkelperiode 30 Se-
kunden. Zeit bis zum Wiederbeginn des Blasenstroms:
29,5; 27,6; 26,5; 25,8; 24,8; 24,8; 23,5; 22,3.
Jetzt 2 Minuten ununterbrochen beleuchtet. 20 Blasen in
8,2 Sekunden. Dann wieder je 30 Sekunden intermittierend ver-
dunkelt. Zeit bis zum Wiederbeginn des Blasenstroms:
22,9; 22,9; 21,9; 21,0; 21,1; 20,2.
Andere, in ähnlicher Weise durchgeführte Versuche ergaben
das gleiche Resultat.
über den Gasaustausch der Wasserpflanzen. 497
Wenn wir uns nun nach der Erklärung dieser eigenartigen
Erscheinung fragen, so könnte man vielleicht zunächst daran denken,
daß eine Art Adaptation der Pflanze vorliegt, etwa in der Weise,
daß die Assimilation, die nach einmahger Verdunkelung nicht sofort
in voller wStärke einsetzt, nach mehrmaliger Wiederholung der Ver-
dunkelung sogleich mit der der Lichtstärke entsprechenden Intensität
beginnt, wodurch ein früheres Eintreten des Blasenstroms bedingt
wäre. Eine solche Annahme ist jedoch von vornherein nicht sehr
wahrscheinlich. Wenigstens liegen m. W. bisher keinerlei Tatsachen
vor, aus denen zu schließen wäre, daß eine so kurze Verdunkelung
von 30 Sekunden nach erstmaliger Einwirkung den Wiederbeginn
der Assimilation erheblich beeinflußt; es wäre eher anzunehmen,
daß das nach häufiger Wiederholung der Verdunkelung im Sinne
einer Verringerung der Assimilation geschieht, und danach sollte
man vermuten, daß sich in diesem Falle die Zeit bis zum Wieder-
beginn des Gasstroms eher verlängere als daß sie sich verkürzt.
Wie schon oben angedeutet, gewinnen ^viv eine völlig ungezwungene
Erklärung für den Ausfall der Versuche, wenn wir an die ge-
schilderten Diffusionsverhältnisse anknüpfen. Gehen wir von der
ersten Dunkelperiode aus, so werden sich während der 30 Sekunden
die Partialdrucke des Sauerstoffs und Stickstoffs der Interzellular-
luft in der Weise verändern, daß ersterer ab-, letzterer zunimmt.
Sobald nach darauffolgender Belichtung die Assimilation wieder
einsetzt, erhöht sich der Sauerstoffdruck wieder, und die Blasen-
abgabe beginnt in dem Augenblick, in dem der Gesamtdruck der
Interzellularluft die Höhe erreicht, die er vor der ersten Verdunke-
lung hatte. Da während der Verdunkelung die Interzellularluft
stickstoffreicher geworden ist, wird jetzt anfangs ein stickstoff-
reicheres und Sauerstoff ärmeres Gas ausströmen. Erst allmählich
reichert es sich wieder zur ursprünglichen Höhe an Sauerstoff an
(s. hierüber Abschnitt 1, S. 476). Soweit kommt es aber in unserem
Versuch nicht, da sehr bald nach Beginn der Blasenabgabe von
neuem 30 Sekunden verdunkelt wird. Das Gasgemisch ist also
bei Beginn der zweiten Verdunkelung sauerstoffärmer und stick-
stoffreicher als bei Beginn der ersten, dasselbe gilt für die dritte
Verdunkelung im Vergleich zur zweiten, für die vierte im Vergleich
zur dritten usf. Das Diffusionsgefälle für beide Gase wird dabei
immer geringer, damit auch die pro Zeiteinheit diffundierenden
Gasmengen und schließlich werden während der kurzen Zeit von
30 Sekunden nur noch sehr geringe Diffusionsänderungen statt-
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI. 32
498 Hans Kniep,
finden. Wir verstehen so, weshalb nach wiederholter Verdunkelung
die Zeit bis zum Wiederbeginn des Blasenstroms kürzer wird.
Dieser Wiederbeginn tritt ein, wenn der Gesamtdruck des inter-
zellularen Gasgemisches eine bestimmte Höhe erreicht, und diese
Höhe wird umso früher erzielt, je höher der Druck am Ende der
jeweiligen Dunkelperiode war. Diese letztere Druckhöhe hängt
nun ab von der Verminderung des Drucks während der Verdunke-
lung, und die Verminderung wiederum muß umso größer sein, je
höher der Partialdruck des Sauerstoffs bei Beginn der Verdunkelung
war. Dieser ist aber, wde wir sahen, am höchsten vor der ersten
Verdunkelung und nimmt von Dunkelperiode zu Dunkelperiode
etwas ab. Dazu kommt, daß der Stickstoffgehalt von Dunkelperiode
zu Dunkelperiode etwas zunehmen muß, was eben bewirkt, daß
der Gesamtdruck am Ende der späteren Duukelperioden höher ist
als am Ende der ersten. Demnach muß die Zeit bis zum Wieder-
beginn des Gasstroms nach wiederholter Verdunkelung abnehmen
und sich, wie auch leicht einzusehen ist, langsam einem konstanten
Wert nähern.
Wenn diese Ausführungen richtig sind, so muß sich die Ver-
änderung der Interzellularluft auch auf analytischem Wege fest-
stellen lassen. Das ist auch der Fall, wie folgender Versuch be-
weist. Ein Helodea-SproQ gab in 9,0 Sekunden 20 Blasen ab.
(Beleuchtung 2 Auerbrenner. Gasdruckre^iilator. Kühlung. Die
Temperatur des Versuchswassers schwankte zwischen 21° und
21,05° C.) Das aufgefangene Gas enthielt (nach Abrechnung der
CO2) 37,74 °/o O2 und 62,26 Vo N2. Der Sproß wurde dann inter-
mittierend 16 mal je 30 Sekunden verdunkelt, wobei die Zeit bis
zum Wiederbeginn des Gasstroms von 12,5 Sekunden bis 7,5 Se-
kunden abnahm. Dann wurde, um die Zusammensetzung der Inter-
zellularluft im gleichen Sinne weiter zu ändern, zweimal je 2 Mi-
nuten verdunkelt. Wiederbeginn des Blasenstroms nach 20 resp.
20.7 Sekunden. Darauf wiederum Verdunkelung von 30 Sekunden
(zweimal). Wiederbeginn nach 6,8 bezw. 6,3 Sekunden. Dann
wurde das ausströmende Gas sofort analysiert. Es ergaben sich
31,040/0 O2 und 68,96 °/o Na, also Abnahme des Gs-Gehalts um
17.8 "/o (auf den Anfangsgehalt an O2 berechnet). Der Sproß wurde
dann sich selbst überlassen und assimilierte in gleicher Stärke
weiter. Nach 15 Minuten wurde nochmals analysiert. Der O2-
Gehalt betrug jetzt 36,94 °/o, war also fast bis zur ursprünglichen
Höhe gestiegen.
über den Gasaustausch der Wasserpflanzen. 499
Zum Überfluß mögen hier noch ein paar Versuche Erwähnung:
finden, die eine Modifikation der Versuclie 1 — 7 (S. 491 f.) dar-
stellen. Sie unterscheiden sich von letzteren darin, daß Licht von
verschiedener Intensität angewandt wurde.
Versuch 12. Diffuses Tageslicht. Wolkenfreier Himmel.
20 Blasen in 16,9 Sekunden. 30 Sekunden verdunkelt. Wieder-
beginn des Blasenstroms nach 7,1 Sekunden.
Der ^e^o^ea-Sproß wird jetzt durch einen schräg vorgehaltenen
dunklen Schirm beschattet. 20 Blasen in 24,1 Sekunden. 30 Se-
kunden verdunkelt. Wiederbeginn nach 9,9 Sekunden. Verdunke-
lung nach 2 Minuten wiederholt. Wiederbeginn nach 9,4 Sekunden.
Beschattung entfernt. 20 Blasen in 18,1 Sekunden. 30 Se-
kunden verdunkelt. Wiederbeginn nach 7,2 Sekunden. Verdunke-
lung nach 2 Minuten wiederholt. Wiederbeginn nach 6,8 Sekunden.
Nochmals beschattet. 20 Blasen in 27 Sekunden. 30 Sekunden
verdunkelt. Wiederbeginn nach 10,7 Sekunden. Verdunkelung
nach 2 Minuten wiederholt. Wiederbeginn nach 10,2^) Sekunden.
Versuch 13. Diffuses Tageslicht. Wolkenfreier Himmel.
20 Blasen in 5,0 Sekunden. 30 Sekunden verdunkelt. Wieder-
beginn nach 9,0 Sekunden. Verdunkelung nach 3 ]\Iinuten wieder-
holt. Wiederbeginn nach 9,2 Sekunden. Beschattet. Jetzt 20 Blasen
in 7,5 Sekunden. 30 Sekunden verdunkelt. Wiederbeginn nach
15,7 Sekunden. Verdunkelung nach 3 Minuten wiederholt. Wieder-
beginn nach 15,2 Sekunden.
Beschattung entfernt. 20 Blasen in 5,1 Sekunden. 30 Sekunden
verdunkelt. Wiederbeginn nach 8,9 Sekunden.
Versuch 14. Diffuses Tageslicht. Wolkenfreier Himmel.
20 Blasen in 11,7 Sekunden. 30 Sekunden verdunkelt. Wieder-
beginn nach 5,4 Sekunden. Verdunkelung nach 3 Minuten wieder-
holt. Wiederbeginn nach 5,2 Sekunden. Beschattet. Jetzt 20 Blasen
in 29,0 Sekunden. 30 Sekunden verdunkelt. Wiederbeginn nach
15,7 Sekunden. Verdunkelung nach 3 Minuten wiederholt. Wieder-
beginn nach 15,2 Sekunden.
1) Obwohl in diesem Versuch die zweite Verdunkelung in allen Fällen von der
ersten durch einen Zeitraum von 2 Minuten getrennt war, erfolgte doch der Wiederbeginn
des Blasenstroms früher als nach der ersten, ein Zeichen, daß 2 Minuten noch nicht
ausreichen, um die Zusammensetzung der Interzellularluft zu regulieren.
32*
500 Hans Kniep,
Aus diesen 3 Versuchen geht hervor, daß bei schwächerer
Lichtintensität der Wiederbeginn des Blasenstroms nach einer vor-
übergehenden Verdunkelung von 30 Sekunden verzögert wird. Das
Ergebnis war vorauszusehen, denn es ist ohne weiteres klar, daß
bei geringer Lichtintensität der Druck in dem Interzellularsystem
infolge der geringeren Sauerstoffproduktion langsamer zunimmt.
Als Maßstab für die Assimilationsgröße bietet die Zeit des Wieder-
beginns bei verschiedener Lichtintensität gegenüber der einfacheren
Blasen Zählung keine Vorteile, da das Verhältnis dieser Zeiten bei
verschiedenen Lichtintensitäten etwa dasselbe ist wie das Verhältnis
der Blasenzahlen. In dieser Hinsicht ist also die Methode mit
ebenso großen Fehlern behaftet wie die Blasenzählmethode, über die
im Abschnitt I näheres mitgeteilt worden ist.
Noch eine, unter Umständen praktisch wichtige Konsequenz
ergibt sich aus den in diesem Abschnitt mitgeteilten Resultaten.
Die Druckverminderung in den Interzellularen, die während der
nach stattgefundener Assimilation einsetzenden Verdunkelung sich
geltend macht, muß, wenngleich in schwächerem Maße, auch ein-
treten, wenn an Stelle der Verdunkelung eine schwächere Beleuch-
tung tritt. Ist diese Beleuchtung noch so groß, daß sie Blasen-
ausscheidung veranlaßt, so ist zu erwarten, daß der Blasenstrom
zuerst eine Depression erfährt, die ihn auf ein niedrigeres Niveau
herabdrückt als der beleuchtenden Lichtstärke entspricht. Sehr
bald wird dann eine Erhöhung der Blasenzahl bis zu einem kon-
stanten Werte eintreten. Auf Grund der oben (S. 494) gescliilderten
Diffusionsverhältnisse ist das leicht einzusehen. Sofort nach Ver-
minderung der Lichtintensität sucht sich der relativ hohe Sauer-
stoffdruck in den Interzellularen durch Diffusion durch die Pflanze
in das umgebende Wasser auszugleichen. Dieser Druckverminde-
rung T\irkt zwar die (gegenüber der ursprünglichen geringere)
Neuproduktion von O2 und eine schwache Zufuhr von Stickstoff
aus dem umgebenden Wasser entgegen, doch ist die Druckverminde-
rung so groß, daß sie den Blasenstrom zunächst auf ein ziemlich
tiefes Niveau herabdrückt, von dem aus dann (wenn das große
Diffusionsgefälle des Sauerstoffs in der Richtung des umgebenden
Wassers alhiiählich abgenommen hat) langsam eine Steigerung bis
zu einer konstauten Höhe zu beobachten ist. Ich habe diese Er-
scheinung mit Pflanzen, die auf Verdunkeln durch sofortiges Ein-
stellen, der Blasenabgabe reagierten, ausnahmslos beobachtet und
teile hier nur einige beliebig herausgegriffene Versuche mit.
über den Gasaustausch der Wasserpflanzen. 501
Versuch 15. Helodea canadensis. Die Beleuchtung-sintensität
wurde durch schnelles Verschieben der Lichtquelle (100-
kerzige Wotanlampe) geändert.
Entfernung der Lichtquelle von der Pflanze 10 cm. 20 Blasen
in 7,2 Sekunden.
Entfernung der Lichtquelle von der Pflanze 20 cm. 20 Blasen
in 22,4; 15,0i); 13,2; 12,8; 12,6; 12,5; 12,2; 12,2; 12,2 Sekunden.
Entfernung der Lichtquelle 10 cm. 20 Blasen in 6,4; 6,7;
6,9; 7,0; 7,3; 7,6, 7,4; 7,3; 7,0; 7,4; 7,2; 7,2 Sekunden.
Entfernung der Lichtquelle 20 cm. 20 Blasen in 18,0; 13,4;
12,2; 11,5; 10,9; 11,1: 11,1; 10,8; 11,0; 10,8; 11,0 Sekunden.
Entfernung der Lichtquelle 10 cm. 20 Blasen in 6,1; 6,3;
7,0; 7,0; 7,4; 7,2; 7,1; 7,0; 7,0 Sekunden.
Entfernung der Lichtquelle 20 cm. 20 Blasen in 16,7; 12,9;
11,3; 10,5; 10,8; 10,8 Sekunden.
Versuch 16. Helodea canadensis. 100-kerzige Wotanlampe.
Entfernung der Lampe 20 cm. 5 Blasen in 9,8 Sekunden.
Entfernung der Lampe 12,5 cm. 5 Blasen in 4,7; 5,3; 5,4;
5,4; 5,4 Sekunden.
Entfernung der Lampe 20 cm. 5 Blasen in 13,3; 11,4; 10,4;
10,2; 10,0; 10,1; 9,8; 9,8; 10,0; 9,8 Sekunden.
Entfernung der Lampe 12,5 cm. 5 Blasen in 4,4; 4,8; 4,9;
5,2; 5,2; 5,4; 5,2; 5,4; 5,4 Sekunden.
Entfernung der Lampe 20 cm. 5 Blasen in 13,4; 11,3; 10,4;
10,2; 9,9; 9,9; 9,8; 9,8 Sekunden.
Entfernung der Lampe 12,5 cm. 5 Blasen in 4,6; 4,8; 5,1;
5,2; 5,4; 5,4; 5,3; 5,4 Sekunden.
Versuch 17. Helodea canadensis. 100-kerzige Wotanlampe.
Entfernung der Lampe 10 cm. 20 Blasen in 4,6 Sekunden.
Entfernung der Lampe 15 cm. 20 Blasen in 9,8; 7,9; 6,7;
6,3; 6,5; 6,2: 6,2; 6,2 Sekunden.
Entfernung der Lampe 10 cm. 20 Blasen in 3,9; 4,1; 4,3;
4,4; 4,4; 4,4; 4,4 Sekunden.
Entfernung der Lampe 15 cm. 20 Blasen in 10,0; 8,1; 6,2;
5,8; 5,7; 5,7; 5,7; 5,7 Sekunden.
1) Die Zählungen wurden so schnell wie möglich hintereinander gemacht, etwa
in Abstanden von 2 Sekunden, die zum Notieren der gefundenen Werte nötig sind.
5Q2 Hans Kniep,
Entfernung der Lampe 10 cm. 20 Blasen in 3,3; 3,9; 4,2;
4,4; 4,2; 4,2: 4,2 Sekunden.
Entfernung- der Lampe 15 cm. 20 Blasen in 9,6; 8,4: 7,2;
6,5; 5,8; 5,5; 5,5; 5,7 Sekunden.
Versuch 18. Helodea canadensis. 100 -kerzige Wotanlampe.
Entfernung der Lampe 10 cm. 20 Blasen in 6,8 Sekunden.
Entfernung der Lampe 20 cm. 20 Blasen in 12,9; 10,6; 9,7;
8,9; 8,7; 8,6; 8,6; 8,5; 8,6 Sekunden.
Entfernung der Lampe 10 cm. 20 Blasen in 5,6; 6,2; 6,3;
6,4; 6,7; 6,8; 6,7; 6,8 Sekunden.
Entfernung der Lampe 20 cm. 20 Blasen in 12,0: 10,2; 9,3;
8,7: 8,6: 8,5: 8,6 Sekunden.
Entfernung der Lampe 10 cm. 20 Blasen in 6,0; 6,5; 6,8;
6,8: 6,8 Sekunden.
Entfernung der Lampe 20 cm. 20 Blasen iu 14,4; 10,2; 8,9;
8,5; 8,6 Sekunden.
Ähnliche Versuche führten alle zu dem gleichen Ergebnis, daß
bei plötzlicher Abschwächuug der Lichtintensität die Blasenzahl
zuerst stark verlangsamt wird und dann bis zu einer konstanten
Höhe steigt. Es soll hier nur noch ein A^ersuch mitgeteilt werden,
der zeigt, daß, wenn die Abschwächuug der Lichtintensität genügend
groß ist bezw. die Pflanze aus irgend welchen physikalischen oder
physiologischen Gründen nur einen schwachen Blasenstrom abgibt,
man es leicht erreichen kann, daß nach der Intensitätsverminde-
rung die Pflanze während längerer Zeit aufhört. Blasen auszu-
scheiden, dann aber der Blasenstrom mit langsam zunehmender
Energie wieder einsetzt. Die Erklärung liierfür ergibt sich aus
dem oben Gesagten von selbst.
Versuch 19: Helodea canadensis. 100 -kerzige Wotanlampe.
Entfernung der Lampe 15 cm. 20 Blasen in 7,3 Sekunden.
„ ,. ,, 25 „ Es werden während 31,0 Se-
kunden keine Blasen abgegeben; dann 20 Blasen in 34,4: 27,6;
27,6: 25,4; 23,8; 24,2; 25,0: 24,4 Sekunden.
Entfernung der Lampe 15 cm. 20 Blasen in 6,4; 6,9; 6,8;
7,1: 7,0; 7,2; 7,2 Sekunden.
Noch eine zweite Erscheinung, auf die oben nicht hingewiesen
wurde,- tritt in den Versuchen zutage. Nach plötzlicher Steige-
rung der Lichtintensität nimmt der Blasenstrom plötzlich sehr
über den Gasaustausch der 'WasserpUanzen. 503
stark zu, um alsbald auf ein konstantes Niveau herabzusinken.
Es tritt also genau das Umgekehrte ein als nach Abschwächung
der Lichtintensität. Die Erklärung hierfür dürfte folgende sein:
Bei Einsetzen der starken Beleuchtung ist der Partialdruck des
Sauerstoffs in den Interzellularen infolge der vorausgehenden
schwachen Assimilation verhältnismäßig gering. Dadurch wird
die Sauerstoffaufnahme in die Interzellularen wegen des starken
Gefälls in Richtung der Interzellularen bei plötzHch einsetzender
verstärkter Assimilation erleichtert. Der bei der Assimilation pro-
duzierte Sauerstoff muß also zu einem höheren Prozentsatz nach
innen, zu einem geringeren in das umgebende Wasser abgegeben
werden, als das der Fall sein würde, wenn im Innern von vorn-
herein ein höherer Sauerstoff druck herrschte. Daher die momen-
tane Steigerung und das schnell folgende Sinken des Blasenstroms
bei plötzlicher Erhöhung der Lichtintensität.
Man wird an den beobachteten Erscheinungen nicht vorbei-
gehen dürfen, wenn man sich der Gasblasenmethode bedienen will,
um den Einfluß verschiedener Lichtintensität auf die Assimilation
zu untersuchen. Bei Reinke (1883), der das getan hat, findet
sich S. 715 die Bemerkung, daß die Versuchspflanzen in jeder
Intensität '/ä — 1 Minute verweilten, ehe abgelesen wurde. Das
dürfte nicht in allen Fällen zur Einstellung der Blasenzahl auf
ein konstantes Niveau hinreichen. Pantanelli schreibt (1904,
S. 177), daß in seinen Versuchen beim plötzlichen Übergang von
starkem zu schwachem Licht in der Mehrzahl der Fälle die Blasen-
zalil zuerst unterhalb den den neuen Beleuchtungsbedingungen
entsprechenden Wert sank, in 21,2 "/o der Fälle dagegen war sie
zuerst größer und sank erst allmählich. Im umgekehrten Ver-
suche fiel das Resultat meist so aus, wie ich es auch gefunden,
in 26,1 "/o der Fälle war die Blasenzahl aber beim Übergang zur
höheren Intensität anfangs zu niedrig.
Demgegenüber muß ich hervorheben, daß meine Resultate
immer einheitlich ausgefallen sind. Wie sich der Widerspruch
aufklärt, läßt sich begTeiflicherweise mit Bestimmtheit nicht sagen.
Daß die Versuchsbedingungen Pantanellis nicht ganz einheitliche
waren, unterliegt wohl keinem Zweifel. Ich will hier nur auf
eine Möglichkeit hinweisen, die Pantanellis Ergebnis erklären
könnte. Pantanelli hat die Beleuchtung mit verschiedener In-
tensität nicht durch Bewegung der Lichtquelle (was in diesem
Falle nicht möglich war), sondern der Pflanze erzielt. Dabei statt-
5Q4 Hans Kniep,
findende leichte Erschütterungen könnten es z. B, bewirkt haben,
daß beim Übergang zu stärkerem Licht die Blasenzahl zunächst
gering ausgefallen ist (vgl. Abschnitt 2 dieser Arbeit). Ob die
Pflanzen in Pantanellis Versuchen bei Verdunkelung immer
durch sofortiges Einstellen des Blasenstroms reagiert haben, ist
nicht angegeben. Angenommen, das Versuchswasser sei in einigen
Fällen ein wenig mit Gasen übersättigt gewesen, so hört die
Blasenausscheidung nach Verdunkelung nicht momentan auf: bei
Erschütterung der Pflanze oder Bewegung des Wassers tritt dann
vorübergehend Erhöhung der Blasenzahl ein. So ist es möglicher-
weise zu erklären, daß bei plötzlicher Entfernung von der Licht-
quelle der Blasenstrom in 21,2 "/o der Fälle zuerst stärker war,
als der verminderten Lichtintensität entspricht.
4. Eine neue Methode zur Feststellung der (minimalen) Licht-
intensität, die zum Eintritt der Assimilation nötig ist.
Die Frage, welche Lichtintensität gerade hinreicht, um die
Assimilation hervorzurufen oder besser, die Pflanze zur Produktion
einer Sauerstoff menge zu veranlassen, welche den 0^- Verbrauch
bei der Atmung gerade kompensiert, hat in physiologischer und
ökologischer Hinsicht ein gewisses Interesse. Eingehendere Unter-
suchungen, die sich speziell dieser Frage widmen, liegen m. W.
nicht vor. Narh Kreuslers Angaben beträgt die bei der Atmung
abgegebene Kohlensäuremenge etwa den 10. — 40. Teil derjenigen,
die bei gemäßigtem Tageslicht von der Pflanze zersetzt wird. Es
ist zu erwarten, daß der Wert bei verschiedenen Pflanzen sehr
verschieden ist. Nehmen wir an, daß die Assimilation proportional
der Lichtintensität zu- und abnimmt, so würde eine Intensität, die
dem 10. — 40. Teil des gemäßigten Tageslichtes gleich ist, dem
Punkt entsprechen, bei welchem Assimilation und Atmung sich
gerade das Gleichgewicht halten, und ein äußerlich nachweisbarer
Gasaustausch nicht stattfindet.
Um diesen Punkt zu bestimmen, war man bisher auf die
quantitative Analyse und diejenigen Methoden angewiesen, die dazu
dienen, die Produktion geringer Sauerstoffmengen nachzuweisen
(Bakterienmethode, Indigomethode, Aufleuchten des Phosphors,
Oxyhämoglobinspektrum, Leuchtbakterien). Jede dieser Methoden
hat ihre Vorzüge und Nachteile; die Phosphormethode eignet sich
z. B. nur für in Luft befindliche Objekte, die Indigo- und Bakterien-
über den Gasaustauscli der Wasserpflanzen. 505
methode nur für Wasserpflanzen ; letztere hat außerdem den Nach-
teil, daß die Bestimmung des Grenzwertes dem subjektiven Er-
messen überlassen ist und es sehr schwer ist, auch bei möglichst
gleichmäßigem Bakterienmaterial zu exakten Werten zu gelangen.
Aus den im vorigen Abschnitt mitgeteilten Versuchen ergibt sich
nun eine neue Methode, die allerdings nur für Wasserpflanzen mit
Interzellulars3'stem brauchbar ist, aber den Vorteil hat, bei sehr
einfacher Handhabung recht exakte Werte zu geben.
Wir haben gesehen, daß es bei einem Helodea-S-proQ nach
einer bestimmt bemessenen Verdunkelung und darauffolgender Be-
leuchtung eine bestijiimte Zeit dauert, l»is der Überdruck in den
Interzellularen durch die Assimilation so weit gestiegen ist, daß
die Blasenabgabe l)eginnt. Diese Zeit hängt in erster Linie ab
von der Lichtintensität und nimmt, wie wir sahen, zu, wenn
letztere schwächer wird. Wenn man nun die Pflanze, anstatt sie
plötzlich zu verdunkeln, plötzlich mit einer Intensität beleuchtet, die
sehr schwach ist, so wird sich äußerlich zunächst derselbe Effekt
ergeben wie bei Verdunkelung: der Blasenstrom wird momentan
aufhören. Ob aber bei dieser geringen Lichtintensität auch die
Assimilation aufhört, das ergibt sich erst, w'enn man wieder mit
der ursprünglichen, stärkeren Intensität belichtet und bestimmt,
welche Zeit nunmehr bis zum Wiederbeginn des Blasenstroms
verstreicht. Ist diese Zeit kürzer als nach Verdunkelung, so
hat die Pflanze bei der schwachen Intensität assimiliert, denn dann
ist der Druck in den Interzellularen während der Einwirkung des
schwachen Lichts nicht auf das Niveau gesunken, das er bei
Dunkelheit erreicht, weil eine, wenn auch geringe Sauerstoff-
prodiiktion stattgefunden hat. Ist die Zeit ebenso lang als nach
Verdunkelung, so hat die Pflanze nicht assimiliert, und es gilt
nun, diejenige Intensität zu finden, bei welcher die Zeit bis zum
Wiederbeginn des Gasstroms gerade ein w'enig kürzer ist als nach
Verdunkelung. Sie ist als die minimale Lichtiutensität anzusprechen,
bei der die Sauerstoffabgabe an absolutem Wert die Sauerstoff-
aufnahme bei der Atmung eben übertrifft \).
1) Man könnte vielleiclit den Einwand erheben, daß bei sehr schwacher Assimi-
lation eventueU gar kein Sauerstoff in die Interzellularen, sondern allein direkt nach
außen, in das umgebende Wasser abgegeben wird und infolgedessen auch dann, wenn
die Zeit bis zum Wiederbeginn des Blasenstroms nach schwacher Beleuchtung sich als
ebensogroß ergibt wie nach Verdunkelung, doch eine geringe Assimilation bei der
schwachen Beleuchtung stattfinden könnte. Abgesehen davon, daß diese Eventualität
506 Hans Kniep,
Ich habe zunächst einige ganz rohe Versuche gemacht, um
die Brauchbarkeit der Methode zu erweisen.
Ein Helodea -SproQ, der 20 Blasen in 7,9 Sekunden abgab,
wurde 15 Sekunden verdunkelt. Wiederbeginn des Blasenstroms
nach 11,8 Sekunden. Nunmehr wurde nach einigen IVIinuten ein
schwarzer Schirm vorgehalten, der den Sproß zwar beschattete,
aber doch noch viel Licht von der Seite zuließ. Der Blasenstrom
hörte bei der Beschattung ebenso wie nach der Verdunkelung sofort
auf. Nach Wegnahme des Schirms begann er aber wieder nach
4,5 Sekunden, also 2,62 mal früher als nach gleichlanger Ver-
dunkelung. Derselbe Sproß begann bei 30 Sekunden langer Ver-
dunkelung mit der Blasenabgabe nach 21,0 Sekunden: wurde er
an Stelle der Verdunkelung 30 Sekunden beschattet, so setzte der
Gasstrom nach 7,5 Sekunden ein. Das Zeitverhältnis ist hier
2,8, also etwa dasselbe wie oben ^).
In einem anderen Versuch war die Beschattung schwächer,
jedoch noch völlig ausreichend, um sofortige Unterbrechung des
Blasenstroms herbeizuführen. 20 Blasen in 6,5 Sekunden. Wieder-
beginn des Blasenstroms nach 60 Sekunden langer Verdunkelung
in 27,9 Sekunden, nach 60 Sekunden langer Beschattung in
6,0 Sekunden. Hier hat also während der Beschattung eine ziem-
lich starke Assimilation stattgefunden, ohne daß es zur Blasen-
abgabe gekommen ist.
Weitere Versuche wurden, um für die absolute Größe der
Lichtintensität und die durch die Beschattung bewirkte Ab-
schwächung derselben einen Maßstab zu gewinnen, in folgender
Form angestellt. Als Lichtquelle diente eine 100 -kerzige Wotan-
lampe. Der Helodea-S\)roß befand sich in einem lichtdicht schließenden
Kasten, an dessen Vorderseite eine Durchbrechung in Gestalt eines
kassetteuartigen Rahmens in der Größe 13X18 cm augebracht war.
Zur völligen Verdunkelung des Sprosses wurde in diesen Rahmen
eine schwarzlackierte Eiseublechplatte eingesetzt. Zur Beschattung
dienten verschiedene Rauchgläser von bekannter Lichtdurchlässig-
selir unwalirsclieiulich ist, müßte sicli auch in diesem Falle eine Beschleunigung des
Wiederbeginns geltend machen, weil die Sauerstoffabgabe in das umgebende Wasser eine
Verlangsamung der Uasdiffusion aus den Interzellularen in der gleichen Richtung be-
dingen muß.
l) Eine genaue Übereinstimmung war bei der Art der Versuchsanstellung nicht zu
erwarten, läßt sich aber ohne große Schwierigkeit erzielen.
über den (iasaustau.sch der AVasserpflanzen. 507
keit ^). Um ilie Verdunkelung und Beschattung- plötzlich eintreten
lassen und unterbrechen zu können, war dafür gesorgt, daß die
Kassette schnell ein- und ausgeklappt werden konnte.
Der erste Versuch, den ich in dieser Weise machte, war
folgender: Lichtquelle in 30 cm Entfernung von der Pflanze.
20 Blasen in 11,5 Sekunden.
Wiederbeginn der Blasenabgabe nach 30 Sekunden Verdunke-
lung in 20,3 Sekunden.
Wiederbeginn der Blasenabgabe nach 30 Sekunden Beschattung
mit Scheibe III in 10,8 Sekunden.
Wiederbeginn der Blasenabgabe nach 30 Sekunden Beschattung
mit Scheibe V in 15,3 Sekunden.
Der Blasenstrom erreichte bei voller Beleuchtung immer meder
die gleiche Höhe. ZA\ischen den einzelnen Verdunkelungs- bezw.
Beschattungsperioden assimilierte die Pflanze stets mehrere (4 — 6)
Minuten bei voller Intensität: es ist oben (S. 497) erörtert worden,
weshalb das nötig ist. Nach einer Beschattung mit Scheibe III
(die 97 *^/„ des Lichts durchläßt) hört die Blasenabgabe bereits
sofort auf. Der Versuch zeigt, daß die Pflanze trotzdem noch
ziemlich stark assimiliert, da die Blasenausscheidung nach Be-
leuchtung mit der vollen Intensität schon nach 10,8 Sekunden
wieder einsetzt, während das nach Verdunkelung fast doppelt so
lange dauert. Auch in dem bis auf 2,5 "/o abgeschwächten Licht
(Scheibe V) ist die Assimilation noch deutlich.
In einem zweiten Versuch befand sich die Lampe in 25 cm
Entfernung von der Pflanze. Temperatur des Versuchswassers
15,6 ^ 20 Blasen in 9,6 Sekunden.
Wiederbeginn der Blasenabgabe nach 15 Sekunden Verdunke-
lung-) in 8,6 Sekunden.
Wiederbeginn der Blasenabgabe nach 15 Sekunden Beschattung
mit Scheibe V in 6,4 Sekunden.
1) Die Hauclitrläser habe ich von der Firma KrüK in Hamburg bezogen, die die-
selben auch geeicht hat. Die Lichtdurchlässigkeit der 5 mir zur Verfügung stehenden
Gläser betrug (in 7o): 41 (I); 27 (U); 17 (III;; 7 (IV): 2,5 (V).
2) Dieser Verdunkelungsversuch muß zur Kontrolle während der Versuchsreihe
häufig wiederholt werden. Die einzelnen nach Beschattung gewonnenen Werte für den
Wiederbeginn des Blasenstroms sind natürlich nur dann miteinander vergleichbar, wenn
die Zeit des Wiederbeginns nach Verdunkelung sich als konstant erweist. Für das Auge
unmerkbare Schwankungen des elektrischen Stroms können da schon äußerst störend
wirken.
508 Hans Kniep,
Wiederbeginn der Blasenabgabe nach 15 Sekunden Beschattung
mit Scheibe m und V in 7,9 Sekunden.
Wiederbeginn der Blasenabgabe nach 15 Sekunden Beschattung
mit Scheibe IV und Y in 8,2 Sekunden.
Hinter Scheibe I schied die Pflanze noch Blasen aus, wenn
auch viel langsamer als bei voller Beleuchtung. Hinter allen
übrigen Scheiben dagegen fand keine Blasenabgabe mehr statt.
Nach Beschattung mit Scheibe H oder IH wurde der Blasenstrom
allerdings nicht momentan unterbrochen, sondern es wurde von
der beschatteten Pflanze noch eine Blase abgeschieden. Das
kommt daher, daß die Abnahme des Gasdrucks in den Interzellu-
laren hier ziemlich langsam erfolgt und sich im ersten Moment
noch die Wirkung des vorher hohen Drucks geltend machen kann.
Wir sehen aus dem Versuch, daß selbst bei Beschattung mit
Scheibe IV und V noch Assimilation stattfindet, wenn auch der
Wert 8,2 dem Wert 8,6, der der völligen Verdunkelung entspricht,
schon nahe kommt. Da Scheibe IV 7 °/o, Scheibe V 2,5 °/o Licht
durchläßt, so \\ird die Pflanze bei Kombination beider Scheiben
von einer Lichtinteusität beleuchtet, die nur 0,17 °/o der vollen
Beleuchtung beträgt. Da die Entfernung der 100 -kerzigen Lampe
von der Pflanze 25 cm betrug, so wirkte bei voller Beleuchtung
eine Intensität von 1600 Kerzen, bei Beschattung mit Scheibe IV
und V eine solche von 2,8 Kerzen. Letztere Intensität hegt vom
Minimum, bei dem die Assimilation gerade die Atmung überwiegt,
nicht mehr weit entfernt.
Der Versuch zeigt zugleich schlagend, wie verkehrt es wäre,
anzunehmen, daß Aufhören des Blasenstroms und Aufhören der
Assimilation gleichbedeutend sei. Wir sahen, daß der Blasenstrom
bereits hinter Scheibe II aufhört, die noch 27 °/o des Lichts der
Wotanlampe durchläßt, während die Pflanze noch bei 0,17 °/o, also
bei einer nahezu 160 mal schwächeren Intensität deutlich assi-
miliert.
Zwei weitere Versuche, in denen anstatt 15 Sekunden 20 Se-
kunden verdunkelt bezw. beschattet wurde, ergaben folgendes:
a) 20 Blasen in 14,6 Sekunden. Lichtintensität 1600 Kerzen.
Wiederbeginn des Blasenstroms nach
Verdunkelung in 7,3 Sekunden.
Wiederbeginn des Blasenstroms nach
Beschattung mit Scheibe IV und V ,, 6,6 „
über den (iasaustausch der "Wasserpflanzen. 509
b) 20 Blasen iu 17,5 Sekunden. Lichtintensität 1600 Kerzen.
Wiederbeginn des Blasenstroms nach
Verdunkelung in 12,6 Sekunden.
Wiederbeginn des Blasenstroms nach
Beschattung mit Scheibe IV und V „ 10,8 „
Hier ist die Differenz, also die Assimilation der beschatteten
Sprosse noch größer. Der Grenzwert ist sicher individuellen
Schwankungen unterworfen und ohne Zweifel auch von der Art
der Vorbehandlung der Pflanzen abhängig. Die von mir ver-
wandten Pflanzen waren in einem an einem Nordfenster aufge-
stellten Aquarium kultiviert worden. Die Versuche wurden im
November ausgeführt.
Es war zunächst nur meine Absicht, eine Orientierung zu ge-
winnen. Über weitere Versuche zur genaueren Bestimmung des
Assimilationsminimums und andere Anwendungsmöglichkeiten der
Methode soll später berichtet «werden.
Würzburg, Botanisches Institut.
510 Hans Kiiiep. Über den Gasaustausch der WasserpHanzeu.
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Bd. 69, S. 482.
Das Verhalten der Windepflanzen in der Dunkelheit.
Von
Frederick C. Newcombe.
University of Michigan.
Einleitung.
Die Untersuchung:, welche in dieser Abhandlung beschrieben
wird, beschäftigt sich nicht mit den Ursachen von dem Winden
der Pflanzen, sondern vielmehr mit den Tatsachen ihres Verhaltens
in der Dunkelheit und des Verhaltens derselben Pflanzen, nachdem
sie wieder dem Lichte ausgesetzt worden waren.
Der Literatur nach warPalm^) der erste, der den Effekt der
Entfernung des Lichtes auf das Winden der Pflanzen untersuchte.
Er zog den Schluß, daß die Pflanzen ohne Licht nicht winden
können.
In demselben Jahre gab Mo hl-) eine Untersuchung heraus,
in welcher er Überzeugungen aussprach, die sich wesentlich von
denen Palms unterschieden. Er benutzte Ipomoea purpurea,
Pharbitis hispida und Phaseolus vulgaris und behauptete, daß
diese winden würden, bis sie im Dunkeln einen Zustand des Ver-
hungerns erreichten. Er meinte, daß sie aufhörten zu winden,
weil sie zu wachsen aufgehört hätten.
Nach Verlauf von beinahe vierzig Jahren wandte sich Du-
chartre^) dieser Frage zu. Er trug Windepflanzen der Dioscorea
1) Ludwig H.Palm, Über das Winden der Pflanzen, 1827. Preisschrift, Stutt-
gart. Leider habe ich das Original nicht zu Gesicht bekommen, auch habe ich nicht die
Namen der Pflanzen, deren sich Palm bediente, finden können.
2) Hugo von Mohl, Über den Bau und das Winden der Ranken- und Schling-
pflanzen. 1827, Tübingen.
3; P. Duchartre, Experiences relatives ä l'influence de la lumiire sur l'en-
roulement des tiges. Comp. rend. Acad. Sc. Paris, Vol. CXI, p. 1142, 1865.
5J2 Frederick C. Newcombe,
hatatas vom offenen Garten in einen dunkeln Keller, hin und her,
und fand, daß sich diese Pflanze, nachdem sie einige Tage im
Keller geblieben war, senkrecht neben der Stütze erhob und so
aufhörte, zu winden. Es wurden mehrere Pflanzen dieser Art
benutzt, und stets ergab der Versuch dasselbe Resultat. Da Dios-
corea hatatas einen großen Vorrat an Nahrung in ihrer knolligen
Wurzel hat, so konnte sie viele Tage lang in Duchartres Keller
wachsen; aber als derselbe Versuch an der Mandevillea suaveolens
angestellt wurde, starben die Pflanzen bald in der Dunkelheit.
Diese Schwierigkeit \\^rde jedoch beseitigt, indem man nur den
oberen Teil der Pflanze in einen Zylinder von Zink einschloß und
den untern Teil zur Bildung des Nahrungsvorrates dem Lichte
ausgesetzt ließ. Bei dieser Behandlung starb die Spitze des be-
deckten Stammes ab, nachdem er ein Wachstum von 10 cm in der
Dunkelheit erzielt hatte, aber der Stamm brachte einen Zweig her-
vor, der in der Dunkelheit nicht wand, jedoch schnell die Fähigkeit
zu winden erlangte, nachdem der bedeckende Zylinder entfernt
wurde.
Mit Ipomoea purpurea gelangte Duchartre zu demselben
Resultat wie Mohl; er fand, daß diese Pflanze bis zu ihrem Ab-
sterben wand, zwei Wochen, nachdem man sie der Dunkelheit
übergeben hatte.
Im Jahre 1865 stellte Sachs ^), ohne sich auf irgendwelchen
näheren Aufschluß einzulassen, die bloße Behauptung auf, daß
Phaseolus mvltiflorus und Ipomoea purpurea sich an gänzlich etio-
lierten Internodien gerade so um die Stützen in der Dunkelheit
wanden, wie ähnliche Pflanzen im Lichte.
Mehrere Jahre später, nachdem de Vries^) in Sachs' Labo-
ratorium eine Untersuchung über Windepflanzen zu Ende geführt
hatte, mäßigte Sachs ^) in seinem Lehrbuch seine frühere Äuße-
rung, indem er nun die endgültige Meinung aussprach, daß grüne
Pflanzen in normalem Zustande fortfahren, in der Dunkelheit zu
winden, aber das Rotieren und Klettern einstellen, sobald sie
etioliert werden.
De Vries experimentierte ausschließlich mit Dioscorea hata-
1) Julius Sachs, Wirkung des Lichtes auf die Blütenbildung unter Vermitte-
lung der Laubblätter. Bot. Zeit., Bd. 23, S. 119, 1865.
2) Hugo de Vries, Zur Mechanik der Bewegungen von Schlingpflanzen. Arbeit.
Bot. Inst. Würzburg. Bd. 1, S. 327, 1873.
3) Julius Sachs, Lehrbuch der Botanik, 1874.
Das Verhalten der Windepflanzen in der Dunkelheit. 513
tas, und bestätigte die Ergebnisse Duchartres, denn er fand,
daß diese Pflanze wand, solange der Sproß grün blieb, aber weder
Zirkuninutation noch Torsion noch Winden zeigte, nachdem der
Sproß etioliert worden war.
In meiner eigenen Untersuchung^) wurde dargelegt, daß die
windenden Stämme des Asparagus plumosus, nach der Aus-
schließung des Lichtes, einige Tage fortfahren zu winden, allmäh-
lich aber den Radius ihres Umlaufes verkürzen, und endlich das
Winden völlig einstellen, indem die Sprosse ihre Aufwärtsbewegung
als orthotrope Glieder fortsetzen.
Nach dem Bestand des gegenwärtigen Beweismaterials zu ur-
teilen, fahren alle Pflanzen, mit denen Untersuchungen angestellt
worden sind, fort, einen Tag oder ein paar Tage zu winden, nach-
dem das Licht ausgeschlossen worden ist. Ipomoea purpurea,
Pharhitis hispida und Phaseolus vulgaris setzen das Winden fort,
bis das Verhungern sie vermutlich nötigt, das Wachsen einzu-
stellen. Ipomoea haiatas und Asparagus plumosus hören auf, in
der Dunkelheit zu winden, während sie noch kräftig wachsen*
Das Verhalten der Mandevillea suaveolens wurde durch das
einzelne Experiment Duchartres nicht sicher festgestellt, aber
die eine dazu benutzte Pflanze wand in der Dunkelheit nicht.
Versuche.
Die in allen folgenden Versuchen befolgte Methode war
diese, außer wo sie anders angegeben wird: Die Pflanzen, welche
der Untersuchung dienen sollten, wuchsen kräftig, entweder in
großen Töpfen oder in Beeten. Die unteren Teile der Pflanzen
wurden bis zu einer Höhe von 20 cm bis 40 cm im Lichte gelassen,
und nur der obere, fadenförmige Teil des Sprosses wurde in eine
lichtdichte Bedeckung eingehüllt. Diese Bedeckung war gewöhn-
lich ein Zj^linder aus schwarzer Pappe, ungefähr 15 cm im Durch-
messer, in welchen in verschiedenen Höhen Fenster geschnitten
waren, durch welche man Beobachtungen anstellen konnte. Diese
Fenster waren, außer während der Zeit der Beobachtungen, durch
größere Blätter schwarzen Pappdeckels verschlossen. Um diesen
Zylinder am unteren Ende lichtdicht zu machen, wurde er in einen
1) F. C. Newcombe, Sensitive Life of Asparagus jjlumosus. Beih. Bot. Cen-
tralbl., Bd. 31, S. 13, 1913.
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI. 33
^\^ Frederick C. Newcombe,
Blumentopf gestellt, welcher auf einem großen Ring eines Stativs
ruhte. Das Loch im Boden des Blumentopfes wurde bis zu etwa
3 cm Durchmesser vergrößert, und durch dieses Loch ließ man den
Stamm der Pflanze gehen. Das Loch um den Stamm der Pflanze
und die Rinne zwischen dem Pappzylinder und dem Topfe wurden
mit schwarzer Watte verstopft. Als eine weitere Vorsichtsmaß-
regel bedeckten 3 — 5 cm Erde den Boden des Topfes inwendig,
und der schwarze Pappzylinder wurde in diese Erde hineingedrückt.
Um die Überheizung im Sonnenlicht zu verhindern, wurde der
schwarze Zylinder mit gioßen Blättern weißer Pappe bedeckt, wo-
bei man jedoch einen Luftraum zwischen den beiden Zj-lindern ließ.
Asparagus plumosus Baker var. nanus. Da das Verhalten
dieser Pflanze in einer früheren Schrift M erwähnt worden ist,
soll hier nur das allgemeine Ergel)nis berücksichtigt werden: Die
Pflanze bildet, nachdem sie ein oder mehrere Jahre alt ist,
lange kletternde Sprosse, welche keine Zweige oder assimilierende
Nadeln entwickeln, bis der Sproß sich dem Ende seiner Verlänge-
rung nähert. Das Winden kann entweder links- oder rechts-
drehend sein. Die Enden von vier solcher Sprosse wurden in
Zylinder aus schwarzer Pappe eingehüllt : die Zylinder waren unten
mit schwarzem Tuche verschlossen, welches an das untere Ende
des Zylinders und an den Sproß gebunden war, um das Licht
ganz auszuschließen. Oben waren sie mit schwarzen Pappdeckeln
verschlossen. Die ersten Stützen waren Bambus-Stengel von 5 mm
bis 10 mm im Durchmesser: sobald sieh die Pflanzen über die
Stützen erhoben, wurden ihnen Schnüre, 2 mm im Durchmesser,
zum Klettern angeboten.
Der erste Sproß war beinahe bereit zum Winden, als er be-
deckt wurde. Er wurde 20 Tage lang im Dunkelzylinder gehalten
während er sich verlängerte. Seine Gesamtverlängerung während
dieses Zeitraums betrug 108,5 cm. Er kletterte gar nicht die
Stütze liinauf, sondern erhob sich in ziemlich gerader Richtung
parallel mit der angebotenen Stütze. Die Versuche wurden im
August im Gewächshause angestellt, bei einer Temperatur, die
öfters bis auf 30 '^ C stieg. Die Pflanze wuchs kräftig, als der
Deckel entfernt wurde; und, nachdem man sie 4 Tage lang dem
Lichte ausgesetzt hatte, begann sie das normale Winden.
1) F. C. Newcombe, Sensitive Life of Asparagus plumosus. Beili. Bot. Cen-
tralbl., Bd. 31, S. 13, 1913.
Das Verhalten der Windepflanzen in der Dunkelheit. 515
Die zweite Pflanze war im Winden begriffen, als man sie in
einen Zylinder einschloß, setzte das Winden 3 Tage lang in der
Dunkelheit fort, und erhob sich dann weitere vier Tage senkrecht
neben ihrer Stütze, als ein Zufall dem Versuch ein Ende machte.
Der eingeschlossene Sproß verlängerte sich 9 cm während der
letzten 4 Tage im Zylinder.
Der dritte Sproß war am Winden, als er eingeschlossen wmrde,
wand sich dann während 4 Tage, erhob sich 53 cm während
dieses Zeitraums, und erhob sich dann noch weitere 35 cm senk-
recht neben seiner Stütze. Der Versuch war am zwanzigsten
Tage nach dem Bedecken bei gutem Wachstum des Sprosses be-
endigt. Das Winden stellte sich ungefähr 72 Stunden nach der
Entfernung des Zylinders wieder ein.
Myrsiphyllum asparagoides, Willd. Diese gewöhnliche Ge-
wächshauspflanze ist, wie ihre schon berücksichtigte Verwandte,
sowohl rechtswindend wie auch linkswindend. Der Diameter ihres
Kreislaufs beträgt gewöhnlich 1 bis 3 cm. Ihre assimilierenden
Phyllocladien bleiben unentfaltet über eine gipfelständige Strecke
von einigen Zentimetern.
Alle Versuche an diesen Pflanzen wurden in Februar und
März veranstaltet, daher war die Temperatur des Gewächshauses im
Durchschnitt 7°C oder 8° C niedriger als bei den Versuchen mit
Asparagus.
Fünf Pflanzen, welche sich um Stützen von 5 mm bis 7 mm
Durchmesser wanden, wurden mit Dunkelzylindern bedeckt; nach
24 Stunden waren alle noch im Winden begriffen; aber 55 Stunden
nachdem sie bedeckt worden waren, hatten alle aufgehört zu
winden. Vier zeigten senkrechte Richtungen von 5 bis 10 cm
Höhe, und die fünfte zeigte eine gerade Richtung von 10 cm, in
einem Winkel von 30^0 von der Senkrechten. Die Deckel wurden
von allen Pflanzen um 5 Uhr nachmittags entfernt, und am nächsten
Tage um V2I2 Uhr vormittags hatten zw^ei Sprosse das Winden
wieder begonnen, einer war noch in die Höhe gerichtet, und die
zwei andern waren in dem warmen Sonnenschein verwelkt. Alle
Pflanzen wuchsen kräftig, als die Deckel entfernt wurden, wie die
täglichen Beobachtungen bewiesen.
Drei andere Pflanzen dieser Art wurden ein Jahr später als die
fünf vorhergehenden benutzt. Alle drei waren im Winden begriffen
als sie bedeckt wurden. Die erste Pflanze stellte das Winden
48 Stunden nach dem Bedecken ein, und wand während der
33*
516 Frederick C. Newcombe,
nächsten 4 Tage im Dunkeln gar nicht mehr. Drei Tage lang
nach der Entfernung des Deckels fuhr der Sproß fort, aufrecht zu
wachsen, fing aber am vierten Tage an zu winden. Was diese
Pflanze und die zwei folgenden betrifft, so ist die langsame Wieder-
aufnahme des Windens wahrscheinlich dem Wolkenwetter während
jener Zeit zuzuschreiben.
Die zweite Pflanze stellte das Winden einen Tag nach dem
Bedecken ein, und wuchs 33 cm aufrecht bis zum 9. Tage, an
welchem der Deckel entfernt wurde. Nachdem der Sproß 3 Tage
lang dem Lichte ausgesetzt worden war, nahm er das Winden
wieder auf, aber am nächsten Tage bei Wolkenwetter wuchs er
wieder aufrecht, und setzte das Winden erst 3 Tage später
^^1eder fort.
Die dritte Pflanze stellte das Winden 2 Tage nach dem
Bedecken ein, wuchs dann während der folgenden 9 Tage 15 cm
in wellenförmiger Richtung in die Höhe. Spätere Wiederaufnahme
des Windens wurde nicht probiert.
Phaseolus vulgaris Linn. Diese Pflanze erzeugt bekanntlich,
wenn sie sich der Windezeit nähert, einen fadenförmigen Stamm
von 15 bis 20 cm Länge, an welchem sich die Blätter erst spät
entfalten. Sie klettert linkswindend.
Es wurden nur drei dieser Pflanzen benutzt, und zwar im
Dezember, wo es sehr wenig Sonnenschein gibt. Die Ergebnisse
sind also nicht so gut, wie man es erwarten könnte.
Sechs Tage lang nach dem Bedecken setzten die 3 Stämme
ilir Winden um die Draht-Stützen, 4 mm im Durchmesser, fort.
Das Winden hörte am siebenten oder achten Tag auf, und wurde
während der 5 folgenden Tage, währenddessen der Deckel benutzt
wurde, nicht erneuert. Das Wachstum im Dunkeln, nachdem das
Winden aufgehört hatte, betrug 6 bis 8 cm. Eiue Pflanze zeigte
eine senkrechte Strecke von 6 cm, eine andere eine senkrechte
Strecke von 8 cm, und die dritte eine gerade Strecke von 4 cm,
über welcher die Spitze in einer Länge von 2,5 cm sich von der
Senkrechten um 20'' neigte.
Diese 3 Pflanzen wurden 10 Tage lang nach der Entfernung
des Deckels beobachtet, aber, trotzdem die etiolierten Stämme in
ein dunkles Grün übergingen, war sehr wenig Verlängerung und
gar kein Winden bemerkbar.
Phaseolus multiflorus, Willd. Diese Art windet nach links,
die apikale Strecke von 10 bis 12 cm ist fadenförmig und entfaltet
Das Verhalten der Windepflanzen in der Dunkelheit. 517
ihre Blätter nicht. Es wurde nur dieser fadenförmige Teil in
den Zylinder eingeschlossen, während eine beträchtliche Masse des
ausgebreiteten Laubes im Lichte unter dem Zylinder gelassen
wurde.
Pflanze 1, im Winden begriffen als sie bedeckt wurde, begann,
nach 24 stündigem Aufenthalt im Dunkeln, ihre letzte Windung
gerade zu machen. Diese Pflanze wurde 16 Tage lang im Dunkeln
behalten und machte nach dem Bedecken nur eine ganze Windung.
Sie gab alle Versuche zu klettern auf, nachdem sie 3 Tage lang
im Dunkeln gewesen war. Ihre ganze Verlängerung im Dunkeln
betrug 135 cm. Größtenteils wuchs sie parallel mit der Draht-
stütze, welche 2 mm im Durchmesser hatte. Ihre Spitze w^ar für
den größten Teil der letzten 10 Tage gänzlich aufrecht. Wenn
sie nicht aufrecht war, waren die gipfelständigen 15 mm in einem
Winkel von 30 "^ bis 60 "^ mit der senkrechten Strecke nach unten
geneigt. Um zu verhindern, daß diese große Länge des Stammes
von dem senkrechten Draht wegfiel, wurde der Stamm an ver-
schiedenen Stellen und zu verscliiedenen Zeiten an dem Drahte
festgebunden.
Pflanze 2, im Winden begriffen als sie an demselben Tage
wie Pflanze 1 bedeckt wurde, verhielt sich ähnlich, verlängerte
sich 123 cm in dem Zylinder innerhalb der 16 Tage, die sie bedeckt
war, und machte nur eine ganze Windung gleich nachdem sie der
Dunkelheit ausgesetzt worden war. Diese eine Windung war eine
lange Spirale, nicht weniger als 30 cm in vertikaler Höhe. Auf 50 cm
oberhalb dieser letzten Strecke war der Lauf wellenförmig, nicht
windend, und für die letzten 43 cm war der Stamm vertikal und
gerade, indem die apikalen 15 mm meistenteils aufrecht waren,
aber sich zuweilen sogar 60^ von der Senkrechten wegneigten. Wie
die vorhergehende Pflanze wand sie mit Unterbrechungen, nachdem
sie bedeckt w^orden war, stellte aber nach 3 Tagen in der Dunkel-
heit jeghches Winden ein.
Pflanze 3 wurde wie Nr. 1 und 2 behandelt, wurde aber nur
10 Tage lang im Dunkeln behalten. Sie machte eine senkrechte
Verlängerung von 70 cm nach dem Bedecken, begann unregel-
mäßige Nutation 3 Tage nach dem Bedecken, machte in den ersten
3 Tagen dreieinhalb Windungen um die Drahtstütze, verfolgte so-
dann einen wellenförmigen Lauf ohne zu winden, und w^uchs end-
lich die letzten 34 cm parallel mit dem Drahte, mit meistenteils
aufrechter Spitze.
518 Frederick C. Newconibe,
Pflanze 4 war zu derselben Zeit und während desselben Zeit-
raums in der Dunkelheit. Sie machte 4 lauge spiralige Windungen
während der ersten 3 Tage nach dem Bedecken; schwankte
einige Tage lang hin und her an dem Drahte vorbei, ohne zu
winden, und wuchs die letzten 33 cm parallel mit dem Drahte,
indem sie für 15 mm ihre Spitze 45^ von der vertikalen Richtung
wegneigte, als der Deckel endlich entfernt wurde. Ihr ganzes
Wachstum in dem Zylinder betrug 83 cm.
Die zwei letzten Pflanzen erneuerten das Winden 24 Stunden
nach der Versetzung in das Licht.
Senecio scandens Buch-Harn. Diese Art bringt sowohl win-
dende wie nichtwindende Sprosse hervor. Die windenden Sprosse
klettern linkswindend: nachdem sie unter Gewächshausbehand-
lung eine Höhe von 40 cm bis 100 cm, oder mehr, erreicht haben,
stellen sie die Verlängerung ein und beendigen ihr Wachstum in
einem Büschel von Infloreszenzen.
Bei zwei Pflanzen wurden die oberen windenden Teile in
Dunkelzyhndern eingeschlossen im März, als die Temperatur im
Gewächshause zwischen 12^0 nachts und 28^0 bei Sonnenschein
wechselte. Nach 3 Tagen in der Dunkelheit wurde das Winden
unregelmäßig. Die eine Pflanze stellte endlich das Winden nach
9 Tagen im Dunkeln ein, die andere nach 15 Tagen. Da die
Pflanzen über die stützenden Drähte hinauswuchsen, wurden die
Drähte 1,5 mm im Durchmesser verlängert. Die Pflanzen fuhren
fort kräftig zu wachsen, wanden aber nicht, und die Deckel
wurden 24 Tage, nachdem sie über die Pflanzen gebracht
worden waren, entfernt. Eine Pflanze wuchs 49,5 cm in der
Dunkelheit, wovon die letzten 15 cm parallel mit dem Drahte
liefen. Die zweite Pflanze wuchs 40 cm nach dem Bedecken, wo-
bei die letzten 11 cm gerade waren. Die dritte Pflanze, welche
13 Tage nach dem Bedecken ihre erste Windung machte, wuchs
12 cm aufrecht in den letzten 11 Tagen ihres Aufenthaltes in der
Dunkelheit. Keine Pflanze hatte ihr Wachstum im Dunkeln ein-
gestellt.
Eine der vorhergehenden Pflanzen erneuerte ihr Winden nach
3 Tagen im Lichte, die andere nach 4 Tagen im Lichte. Beide
Pflanzen entwickelten Blätter und Blumenknospen nach 7 Tagen
im Lichte und beendigten so ihre Verlängerung.
Zwei andere Senecio-I'üainzen wurden im Dezember bedeckt.
In 3 Tagen hatten beide das Winden eingestellt. Nach weiteren
Das Verhalten der Windepflanzeu in der Dunkelheit. 519
2 Tagen im Dunkeln hatte sich keine von beiden um den Draht,
4 mm im Durchmesser, gewunden. Eine Pflanze hatte einen geraden
distalen Teil, 82 mm lang, welcher sich in einem Winkel von 30"
von dem Drahte wegneigte. Die andere hatte eine aufrechte Strecke
von 60 mm.
Die Deckel wurden 5 Tage nach der Anwendung entfernt,
und die Pflanzen fingen wieder an zu winden 3 Tage nachdem
sie dem Lichte wiedergegeben worden waren.
Drei andere Pflanzen wurden am 31. Januar mit den Dunkel-
zylindern bedeckt. Nach 4 Tagen war die Zirkumnutation in
zweien unregelmäßig geworden, und 6 Tage nach dem Bedecken
zeigten alle 3 Pflanzen, daß sie, schon geraume Zeit vorher, das
Winden eingestellt hatten. Zwei dieser Pflanzen fuhren laugsam
zu wachsen fort (die Temperatur \\\ar fortwährend niedrig, von
10" bis 15° schwankend), 13 Tage nach dem Bedecken, als die
Deckel entfernt wurden. Nach 10 Tagen im Lichte erneuerten
sie das Winden, aber zögernd, indem sie bald den Draht völlig
oder teilweise umschlangen, bald sich zu einem Wachstum von
einigen Zentimetern parallel mit dem Drahte aufrichteten. Die
dritte Pflanze wurde 23 Tage lang im Dunkeln aufbewahrt und
wuchs kräftig während dieser ganzen Zeit, indem sie 74 cm an
Länge zunahm. Sie nutierte unregelmäßig in den 15 mm ihrer
Spitze, wand aber nicht in der Dunkelheit während der letzten
19 Tage. Sie wuchs noch kräftig, als der Deckel entfernt wurde.
Sieben Tage nach Entfernung des Deckels erneuerte der Stengel
das regelmäßige Winden um den Draht.
Ipomoea - bona - nox Linn. Diese Pflanzen haben die all-
gemeine Gewohnheit des Wachsens ihrer ])esser bekannten Ver-
wandten, Ipomoea purpiirea. Von drei windenden Pflanzen bei
einer Temperatur von 15° bis 26°, wurden die oberen 15 bis
20 cm in Dunkelzylindern eingeschlossen. Eine Pflanze wurde
nach dem Bedecken täglich beobachtet. Sie wand 5 Tage lang
im Dunkeln, und machte am letzten Tage, im Vergleich mit den
älteren, eine sehr lange und steile Windung. Darauf erhob sich
die Spitze aufrecht am Drahte entlang.
Die anderen zwei Pflanzen wurden 10 Tage lang nach dem
Bedecken nicht beobachtet. Sie hatten sich während dieses Zeit-
raums ungefähr einen Meter verlängert, und über die Hälfte dieses
Wachstums war aufrecht und parallel mit dem Drahte. Man darf
also annehmen, daß das Winden 4 oder 5 Tage nach dem Be-
520 Frederick C. Newcombe,
decken eingestellt wurde. Alle drei Sprosse waren in kräftigem
Wachstum begriffen, als die Deckel entfernt wurden.
Ipomoea purpiirea Roth. Bei drei Pflanzen der Ipomoea
purpurea wurden die oberen Teile in Dunkelzylindern einge-
schlossen und durften so wachsen und sich um senkrechte eiserne
Drähte, 2 mm im Durchmesser, winden. Dieser Versuch wurde
im Mai und Juni im Gewächshause ausgeführt, wo die Tempe-
ratur zwischen 15° und 30" schwankte. Man ließ die windenden
Stengel 17 Tage im Dunkeln wachsen, in welcher Zeit sie um
120 cm bis 135 cm zunalinien. Drei andere Pflanzen unter den-
selben Umständen ebenso behandelt wuchsen 28 Tage lang in den
Zylindern und fügten ihren ursprünglichen Windungen 180 bis
210 cm zu. Als der Versuch beendigt wurde, waren die sechs
Pflanzen noch im Wachsen begriffen, und hatten das Winden noch
nicht völlig eingestellt, obgleich gute Anzeichen vorhanden waren,
daß das Winden aufgehört haben würde, falls man den Versuch
lange genug fortgesetzt hätte. Auch ist noch zu bemerken, daß die
Beobachtungen der letzten 3 Wochen, gewisser Umstände halber,
nur unvollständig gemacht werden konnten.
Am 7. und 8. Tage, nachdeui man die Sprosse in die Zylinder
getan hatte, zeigten drei der sechs Pflanzen die Schraube steiler
als vorher, die Spitzen hatten ihren charakteristischen, zurückge-
bogenen Haken verloren und an Stelle desselben war ein aufrechter
Teil des Stammes für 3 — 4 cm mit dem Drahte parallel aufge-
treten; diese senkrechte Strecke, welche in eine 1,5 bis 2 cm
lange Spitze auslief, neigte sich ungefähr 45 "/o von der vertikalen
Richtung. Mit einem so beschaffenen Stamm wie dieser ist das
Klettern uuiuöglich, und die drei Sprosse stellten einstweilen das
Winden ein, erneuerten es aber bald wieder.
Verteilung des Wachstums im verdunl-<^i<^a-Eigenschaft überhaupt zeigt, sie jahr-
aus, jahrein streng beibehält. Beim Austreiben sind zunächst die
Sprosse normal, dann treten, wie bei Sämlingen, die braunen
Sprenkel flecken auf. Äußere Einflüsse wirken, soweit meine Er-
fahrung reicht, kaum auf das Auftreten ein. Umgekehrt habe ich
nie eine Pflanze, die im ersten Jahre die normale Belaubung zeigte,
in späteren Jahren sordida werden sehen.
über eine nach den Mendel sehen Gesetzen vererbte Blattkrankheit (Sordago) usw. 599
Eine nähere Untersuchung- zeigte nun bald, daß die Sordago
erblich ist und dabei ganz einfach den Mend eischen Gesetzen
folgt.
Traten sordidae und normale Pflanzen in der durch Selbst-
befruchtung erzielten Nachkommenschaft einer normal aussehenden
Pflanze auf, so ließ sich leicht feststellen, daß die sordidae etwa
V4 der Gesamtzahl ausmachten, die normalen Pflanzen aber etwa V4.
Daraus ließ sich schon schließen, daß die betreffende normal aus-
sehende Pi- Pflanze eine Heterozygote (normal -|- sordida) gewesen
war, und daß der normale Zustand über die Sordago dominiert.
Bestätigt wurde das durch das weitere Verhalten der Nachkommen-
schaft. Die sordidae gaben bei Selbstbestäubung ausschließlich
nur ihresgleichen, waren also Homozygoten; die normal aussehen-
den Geschwisterpflanzen verhielten sich verschieden: etwa Vs von
ihnen gab nur normale Nachkommen, die anderen ^/s dagegen
wieder je eine sordida auf drei normale Pflanzen usw.
Es handelt sich also um tj^pischeu Monohybridismus; das
sordida -M.eYkm?i\ ist rezessiv, und zwar so vollständig, daß ich,
zurzeit wenigstens, die normalen Homozygoten und die Heterozy-
goten nicht unterscheiden kann.
Das Gesagte mag durch Mitteilung einiger Versuchsreilien be-
legt werden^).
Versuchsreihe I.
Die Versuche gingen von einer völlig normal aussehenden,
hell- und dunkelgrün gescheckten (variegata) Pflanze von niedrigem
Wuchs (f. nana) aus (2675), von der zwei Äste zur Selbstbestäubung
in Gazesäcke eingeschlossen worden waren. Alle Nachkommen,
71 an Zahl, waren wieder variegata, dagegen hatten nur 52 nor-
males Laub, 19 (etwa 27 ^,0) waren sordidae.
Von 23 beliebig herausgegriffenen, normal aussehenden Pflanzen
wurde wieder nach Selbstbestäubung die Nachkommenschaft auf-
gezogen. Das Ergebnis bringt Tab. 1 (S. 600).
Von den 23 normalen Pflanzen der zweiten Generation waren
also 8 Homozygoten und 15 Heterozygoten, also 35 und 65 "/o statt
33,3 und 66,6*^/0, wie es das Spaltungsgesetz verlangt..
1) Es wurden Versuche der letzten Jahre ausgesucht, weil diese größere Zahlen
umfaßten.
600
C. Correns,
Tabelle 1.
Nr. des
Gesamt-
zahl
Davon
Nr. des
Versuches
Gesamt-
zahl
Davon
Versuches
sord.
7o
sord.
7o
12311
28
—
12310
45
13
29
12313
7
—
—
12312
27
7
26
12321
85
—
—
12314
44
10
23
12324
48
—
—
12315
20
5
25
12325
44
—
—
12316
30
8
27
12327
55
—
—
12317
14
5
36
12330
38
—
12318
28
7 i 25
12332
56
— —
12319
12320
12322
42
40
45
17 40
Zusammen
361
— ■ —
15 38
11 24
12323
17
5 29
12326
54
14 26
12328
46
7 15
12329
20
5 25
12331
38
11 29
Zusammen
510
140
27
Zählt man alle Pflanzen der dritten Generation, die von den
15 Heterozygoten abstammen, zusammen, so sind es 510; davon
waren 140, also 27 "/o (statt 25°/o) sordidae.
Einige Versuche gaben, wie zu erwarten^), neben variegata-
Pflanzen auch einzelne dunkelgrüne typicae; darauf ist in der
Tabelle keine Rücksicht genommen.
Versuchsreihe II.
Ausgangspunkt war eine Pflanze (1017), die sonst auf hell-
grünem Grund (chlorina) schwach dunkelgrün gesprenkelt (also
variegata) und völlig normal belaubt war, aber auch einen dunkel-
grünen (typica) Trieb besaß. 4 Äste, darunter auch der dunkelgrüne,
wurden zur Selbstbestäubung gesackt^). Das Ergebnis ist in Ta-
belle 2 für die vier Äste getrennt zusammengestellt.
1) Vgl. die Anm. auf S. 587.
2) Wegen des Verhaltens der verschiedenen Grünfärbung, speziell der „Amphotero-
gonie" des dunkelgrünen und der variegata - Äste, sei auf die Abhandlung: Der tJber-
gang aus dem homozygotischen in einen heterozygotischen Zustand im selben Individuum
bei buntblättrigen und gestreiftblühenden üfiVa&iZis- Sippen, Berichte d. Deutsch. Botan.
Gesellsch., Bd. 28, S. 418 (1910), verwiesen, sowie auf die „neuen Vererbungsgesetze",
S. 69 (1912).
über eine nach den Mendel sehen Gesetzen vererbte Blattkrankheit (Sordago; usw. ßOl
Tabelle 2.
Aussehen
Nr. des
Ver-
suchs
Ge-
samt-
zahl-
normal
sordida
des
Astes
^
i
^
s
i
i
i
(3
«/oder
Gesamt-
zahl
variegata
11256
5
1
3
1
5
—
—
—
—
—
variegata
11257
40
6
23
—
29
2
9
—
11
27,5
variegata
11258
33
4
22
1
27
1
5
—
6
18
dunkelgrün .
11259
13
1
1
8
10
—
—
3
3
25
Zusammen
91
71
20
22
Von den Nachkommen der Pflanze 1017 waren also, ganz un-
abhängig von der Laub färbe, 22 "/^ sordidae und der Rest normal.
Bei allen vier Versuchen war eine Anzahl dieser normalaus-
sehenden Pflanzen, zusammen 33, zur Selbstbestäubung gesackt
worden. Die Nachkommenschaft ist in Tabelle 3 zusammengestellt.
Tabelle 3.
•:; 1 ■
..^,. .
^^^^
Fortsetzung
von
Versuch
Nr. des
Versuchs
-2
il
/o
Fortsetzung
von
Versuch
Nr. des
Versuchs
C8
s
C3
05
Vo
r
12252
18
—
—
12255
28
8
29
11256 1
12253
29
—
—
12256
27
8
29
1
12254
21
—
12258
25
4
16
12257
26
—
11257 ■.
12361
60
12
20
12259
39
—
—
12263
26
4
15
11257 \
12260
43
—
12264
16
4
25
12262
36
—
—
12265
17
3
18
11258 !
12267
25
—
12266
20
3
15
12268h
27
—
—
12268 &
10
1
10
1
12272
39
—
11258
12269
30
5
17
11259 \
12275
20
—
12270
18
3
17
12276
23
—
l
12271
*1
7
17
1
12279
33
—
—
12273
12274
12277
22
51
26
3
13
5
14
zusammen
13 Vers.
379
—
—
25
19
11259
12278
12280
27
91
6
25
22
27
12281
21
5
23
12282
61
10
16
12283
33
8
24
zusammen
20 Vers.
651
137
21
602
C. Correns,
Es waren also von den 33 untersuchten, normal aussehenden
Pflanzen der 2. Generation 20, d. h. 61 ^/q, Heterozygoten, statt
66,6 "/o, wie zu erwarten war.
Zählt man die Nachkommenschaft dieser 20 Heterozygoten
zusammen, so sind es 651 Pflanzen; davon waren 137, also 21%,
sordidae (statt 25 °/o), der Rest war normal.
Der Versuch 12 256 wurde 1914 fortgesetzt. Wie aus Tab. 3
ersichtlich, hatte er unter 27 Individuen 8 sordidae gegeben. Nach
der Laubfarbe waren es gewesen:
davon normal sordidae
7 chlorinae (hellgrün) 4 3
14 variegatae (hell und dunkelgrün) 12 2
6 typicae (dunkelgrün) 3 3.
11 Pflanzen waren zur Selbstbestäubung gesackt worden,
2 chlorinae, 3 variegatae und 6 typicae, teils normale Indi-
viduen (3), teils sordidae (8). Das Resultat der Aussaat bringt
Tab. 4.
Tabelle 4.
■n _S
Aussehen der
Stammpflanze
normal
sordida
5
1
et i »
38
—
—
—
—
38
—
—
38
100
Die drei Pflanzen mit normaler Belaubung haben sich dem-
nach als Heterozygoten herausgestellt; sie weisen zusammen unter
1) Bei diesem einen Versuch war die Abgrenzung der ehlorina von der variegata
wohl nicht sorgfältig genug vorgenommen worden.
über eine nach den Mendelschen Gesetzen vererbte Blattkrankheit fSordago) usw. 603
ihren 117 großg-ezogenen Nachkommen 26 sordidae, also etwa
22 °/o auf. Die 8 sordidae haben alle wieder ausschließlich
ihresgleichen hervorgebracht, zusammen 254 Pflanzen, wobei
das sordida -'Merkmal z. T. wieder mit verschiedener Farbe des
Laubes kombiniert auftrat.
Versuchsreihe III.
Hier stelle ich einige Versuche zusammen, aus denen die
Konstanz isolierter sordidae hervorgeht. Es handelt sich dabei
teils um variegatae, teils um dunkelgrüne Pflanzen.
Tabelle 5.
sordidae typicae
sordidae variegatae
Nr.
Gesamt-
Aus-
davon
Nr.
Gesamt-
Aus-
davon
des Versuchs
zahl
sehen
varieg.
des Versuchs
zahl
sehen
typic.
12293
13
sord.
2
12284
11
sord.
12294
13
11
5
12283
30
1
12298
15
„
4
12286
32
—
12299
7
„
2
12287
32
"
—
12300
11
»
3
1228S
20
1
12301
17
26
"
4
4
12289
37
—
12302
Zusammen
162
sord.
■2
12304
26
„
3
12306
18
„
2
12307
17
„
3
12309
14
„
1
Zusammen
177
sord.
33
12303
6
„
—
12305
12
—
1230S
8
„
—
Zusammen
26
sord.
—
Versuchsreihe IV.
Obwohl durch das regelmäßige Spalten der Nachkommenschaft
heterozygotischer Individuen eigentlich schon sichergestellt ist,
daß die Sordago sowohl durch die männlichen als durch die weib-
lichen Keimzellen vererbt wird, habe ich 1912 doch noch besondere
Versuche angestellt, bei denen dieselbe sordida-ViXdi^zQ einmal die
Eizellen und einmal den Pollen lieferte. Es war eine t^^pisch
604
C. Correns,
grüne Pflanze (2745), deren Konstanz hinsichtlich der Sordago
bekannt war, die aber in der Laubfarbe eine Heterozygote (typica -|-
variegata) war.
A. Im einen Fall wurde sie mit dem Pollen einer konstant
normalen, dunkelgrün aussehenden Pflanze (2760) bestäubt, die
ebenfalls eine Heterozygote typica -\- variegata war. (Nach
Selbstbestcäubung hatte sie 1912 z. B. unter 70 normalen Säm-
lingen 48 dunkelgrüne und 22 hellgrüne (variegata und chlorina)
gegeben.)
Die 20 großgezogenen Bastarde der Kombination sordida $
-\- normal cT hatten alle normale Blätter, 17 waren typisch grün,
2 variegata und 1 chlorina. Hellgrüne Nachkommen waren zu
erwarten, da ja beide Eltern hinsichtlich der Laub färbe hetero-
zygo tisch waren. Von drei tjrpisch gi'ünen Bastarden wurde
nach Selbstbestäubung die Nachkommenschaft aufgezogen. Das
Ergebnis bringt Tab. 6.
Tabelle 6.
Nr. des
Ver-
Ge-
samt-
zahl
normal
sordida
suches
chlor.
var.
typ.
zu-
sammen
chlor.
rar.
typ.
zu-
sammen
7o
14098
14099
14100
48
44
61
6
3 26
— 32
Kl 41
35
32
51
1
4 8
— 12
4 6
13
12
10
27
27
16
Zu-
sammen
IT) 3
118
35
23
Die zweite Generation der drei Bastarde bestand also zu 27,
27 und 16°/o aus sordidae, zusammen aus 23°/o. 2 Bastarde waren
hinsichtlich der Laubfarbe heterozygotisch, ihre Nachkommenschaft
zeigt deshalb das Sordago-Merkmal sowohl wieder mit der typisch
grünen Farbe als mit dem variegata- und c/i^nna-Merkmal kom-
biniert.
B. Im zweiten Falle wurde eine normal aussehende, typisch
grüne Pflanze (2755) verwendet, die aber, wie der Erfolg der
Selbstbestäubung lelirte, sowohl liinsichtlich der Laubfarbe als der
normalen Beschaffenheit der Blätter heterozygotisch war^). Sie
1) Unter 11 Nachkommen war freilich nur eine sordida gewesen und zwei
variegatae.
über eine nach den Mendel sehen Gesetzen vererbte Blattkrankheit (Sordago) usw. 605
wurde mit dem Pollen derselben sordida (2745) bestäubt, die zum
Versuch A verwendet worden war. Von den 14 großgezogenen
Bastarden waren 7 normal und 7 sordidae, lag doch die Rück-
kreuzung einer Heterozygote (2755) mit der rezessiven Sippe
vor. Von den normalen Pflanzen war eine, von den sordidae
waren zwei variegatae, der Rest typisch grün.
Wieder wurde von drei normal aussehenden, typisch grünen
Bastarden nach Selbstbestäubung die Nachkommenschaft aufge-
zogen. Tabelle 7 bringt das Ergebnis.
Tabelle 7.
Nr. des
Ver-
suches
Ge-
samt-
zahl
normal
sordida
chlor.
var. 1 typ.
zu-
sammen
chlor.
var.
typ.
zu-
sammen
7o
14101
14102
14103 j
14104 )
45
4.T
104
— 10 25
— — 34
— — 80
35
24
80
1
9
11
24
10
11
24
22
24
23
Zu-
sammen
194
149
45
23
Die 3 Bastarde gaben also 22, 24 und 23°/o sordidae, zu-
sammen 23*^/0. Der eine war hinsichtlich der Laubfarbe heterozy-
gotisch, er zeigte sowohl unter den variegatae wie den typisch
grünen Nachkommen sordidae.
Das in den 4 Versuchsreihen angeführte Beweismaterial wird
genügen, um zu zeigen:
1. daß das Sordago -Merkmal im strengsten Sinne erb-
lich ist;
2. daß die Vererbung den Mendelschen Gesetzen folgt,
3. daß das Sordago-Merkmal durch eine einzige Anlage (ein
Gen) bedingt ist;
4. daß es dem normalen Zustand gegenüber rezessiv ist.
Die Versuche, das sordida-M.erkma\ mit dem albomaeulata-
Merkmal zu verbinden, schlugen, wohl nur zufällig, alle fehl.
Unter den 11 Bastarden, die ich durch Bestäuben einer oXbomacu-
?a^a-Pflanze (3158) mit dem Pollen einer sordida (3084) erhalten
ß06 C- Correns,
hatte, war kein einziger weißgesprenkelt; auch die umgekehrte
Bestäubung {sordida 3084 mit dem Pollen von alhomaculata 3158)
lieferte nur (5) grüne Pflanzen. Letzteres war nach dem Ver-
halten der alhomaculata'^) von vornherein nicht anders zu erwarten.
Die Verbindung der Mirabilis Jalapa sordida mit der normalen
M. longifiora gelang unschwer und lieferte normale Bastarde; die
2. Generation ist noch nicht aufgezogen, ich zweifle nicht, daß sie
Spaltung zeigen wird.
Höhe und Gewicht der .sordidae.
Es ist schon hervorgehoben worden (S. 586), daß die sordida-
Pflanzen merklich niedriger und wesentlich leichter sind, als die
normalen Individuen der gleichen Abkunft. Auch hierfür seien
einige Belege in Tabellenform angeführt-).
Die Versuche selbst, die das Material lieferten, sind uns schon
in den vorhergehenden Tabellen begegnet. Bei jedem Versuch
und jeder Pflanzenklasse sind (soweit möglich) drei Werte für
Höhe und Gewicht gegeben, der Wert für die schwächste (Mi.)
und stärkste Pflanze (Ma.) und, fettgedruckt, das arithmetische
Mittel (Me.) aus den Einzelwerten für alle zu dem Versuch, resp.
zu der Pflanzenklasse gehörigen Individuen. (Maxima und Minima
in Höhe und Gewicht fielen durchaus nicht immer auf die gleichen
Pflanzen). Vorausgestellt ist bei jeder Pflanzenklasse die Zahl der
1) Zur Kenntnis der Eolle von Kern und Plasma bei der Vererbung. Zeitschr.
f. indukt. Abstam. und Vererbungslehre, Bd. II, S. 331 u. f. (1909). Eine Berechti-
gung der Kritik, die Lundegärd (Ein Beitrap; zur Kritik zweier Vererbungshypo-
thesen, Pringsh. Jahrb. Bd. 48, S. 301 u. f. 1910) an dieser Arbeit geübt hat, kann
ich, auch nach dem Ausfall weiterer Experimente, nicht anerkennen.
2) Die Messungen und Wägungen wurden im September an einjährigen Pflanzen
vorgenommen, wenn in unserem Klima die Entwicklung für das .Jahr zum Stillstand
gekommen war. Gemessen wurde bei den einen Versuchen an den im Boden stehenden
Pflanzen der Abstand von der Erdoberfläche bis zu den Hüllkelchspitzen in der Mitte des
Busches, bei den andern an den abgeschnittenen, senkrecht herabhängenden Pflanzen der
Abstand zwischen dem Anfang der Eübe und den Hüllkelchspitzen. Bei stärker ungleich-
seitig entwickelten Büschen wurde ein Mittelwert jrenommen. Der Natur der Sache nach sind
die Maße ziemlich unjrenau; es wurde deshalb in den letzten .fahren weniger gemessen
als gewogen. Dabei wurden die dicht über den Eüben abgeschnittenen Pflanzen mit
der untersten Gabelung an einer Federwage aufgehängt, die direkt je 10 g abzulesen
erlaubte; eine Schätzung von Grammen war möglich. Die Wage wurde von Zeit zu Zeit
mit Gewichten auf ihre Genauigkeit geprüft und bis zuletzt stets gut brauchbar
gefunden.
über eine nach den Mendelschen Gesetzen vererbte Blattkrankheit (Sordagoj usw. 607
Individuen, aus der der Mittelwert berechnet wurde. Die letzte
Kolonne zei^ das mittlere Gewicht der sordidae, wenn das mitt-
lere Gewicht der zum selben Versuch gehörigen Pflanzen der
gleichen Laubfarbe zu 100 angenommen wird.
Die Tab. 9 (S. 609) ist aus Versuchen zusammengestellt, deren
Pflanzen sich alle unter möglichst gleichen Bedingungen ent-
wickelt haben, so daß die Werte der einzelnen Versuche unter-
einander gut vergleichbar sind, was für Tab. 8 (S. 608) nicht zu-
trifft, wo nur die Werte jedes einzelnen Versuches für sich ver-
glichen werden dürfen.
Beide Tabellen lehren, daß 5orc/i-i '"i »H »-H
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Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI.
39
(510 ^- t'orrens,
Eine zweite Mög-lichkeit wäre, daß die Verzwerg'ung- der sordidae
durch einen besonderen Hemmung'sfaktor bedingt wird, ähnlich den
Faktoren, die bei den Sippen humüis und nana — zu denen die
meisten mit Sordago behafteten Linien gehören — den niedrigen
resp. zwergigen Wuchs bedingen. Dieser Faktor müßte aber, im
Gegensatz zu den eben genannten humüis- und na na -Faktoren,
mit dem Sordago -Faktor fest verkoppelt sein.
An und für sich genügt die eine und die andere Annahme
den Tatsachen; es kann aber kaum einem Zweifel unterliegen, daß
die erste die innere Wahrscheinlichkeit für sich hat, wonach der
Zwergwuchs also eine direkte Folgeerscheinung der Krankheit ist.
Ergebnisse.
Die Sordago scheint mir in verschiedener Hinsicht von Inter-
esse zu sein.
Zunächst einmal das Krankheitsbild selbst: Die Lokalisation
der eigentlichen Erkrankung auf die Palisaden, und hier wieder
auf einzelne Flecken der Palisadenschicht, die Abtötung und das
Zerdrücktwerden der einen, das Anschwellen der anderen Zellen,
schließlich das Absterben und Zusammensinken des ganzen Fleckes
mit der darüber liegenden Ei)idermis, und der teilweise Ersatz
durch auswuchernde, tieferliegende Zellen: all das sind Züge, die
in ihrer Gesamtheit bei keiner andern mir bekannten Pflanzen-
krankheit wiederkehren .
Dann die Art, wie das einzelne Individuum die Krankheit
erwirbt. Sie kann nicht direkt von einer Generation auf die
folgende durch das Plasma übertragen werden, etwa wie die
aZ&o??iacw?afa-Eigenschaft, und sie kann auch nicht ansteckend (in-
fektiös) sein. Beides ist schon dadurch ausgeschlossen, daß die
Sordago genau nach den Mendelschen Gesetzen vererbt wird.
Es muß also für ihr Auftreten eine bestimmte Anlage, ein Gen,
verantwortlich sein^).
Eine weitere Möglichkeit wäi-e, daß es sich nur um die Ver-
erbung einer scharf ausgesprochenen Disposition zur Erwerbung
der Krankheit handelte, und daß diese selbst jedesmal wieder neu,
von jedem dazu disponierten Sämling, erworben werden müßte.
1) Dabei kann an dieser Stelle unentschieden bleiben, ob die Sordago durch die
Anwesenheit oder durch das Fehlen einer Anlage bedingt ist.
l'ber eine iiacli den Mendelsclien Gesetzen vererbte Blattkrankheit (Sordago) usw. ßU
durch eine Infektion mit einem Kranklieitserreger. Eine solche
Annahme ist aber außerordentlich unwahrscheinlich. Würde die
Infektion von außen erfolgen, so müßte der Krankheitserreger bei
uns überall im Boden vorhanden sein, obwohl es sich um den
Befall einer in Zentralamerika beheimateten Pflanze handelt. Denn
die Sordago trat in Leipzig und Münster i. W. auf jedem Boden
auf, in den die Sämlinge gesetzt wurden. Auch wäre es sehr
wunderbar, daß die Infektion stets, bei den hunderten von Nach-
kommen von sordida-Yüniizen, die ich aufgezogen habe, eingetreten
wäre, und mit ganz geringen Schwankungen in dem Grade der
Erkrankung. Eher ließe sich denken, daß es sich um einen Er-
reger handelte, der dem Samen regelmäßig mitgegeben würde,
etwa so wie das Bacferinm folikola nach Miehe bei Ardisia
crispaia oder das Mycohaderium Ruhiacearum nach von Faber
bei Pavetta. Dann müßte dieser Erreger aber stets, bei kranken
und bei gesunden Pflanzen, vorhanden sein; denn nur dann wäre
die Vererbung der Krankheit auch durch den Pollen bei der Be-
fruchtung, ihre Latenz während der ersten Generation und ihr
Wiederauftreten in der zweiten Generation möglich. Bei den ver-
schiedensten Sippen müßte er dann bei Selbstbestäubung von
Generation zu Generation weitergegeben werden, ohne je aktiv zu
werden, um sich, sobald durch eine fremde Keimzelle die Disposi-
tion vererbt worden ist, bemerkbar zu machen und die Sordago
hervorzurufen. Wahrscheinlich ist das alles ge^dß nicht ^) ; dazu
kommt noch, daß sich ein solcher Erreger niemals finden ließ,
weder an frischem noch an fixiertem Material, ol)wohl genau nach
ihm gesucht wurde. Er müßte also submikroskopische Größe
haben. Wir dürfen deshalb ruliig annehmen, daß die Krankheit
als solche, nicht eine Disposition dazu, durch eine Anlage ver-
erbt wird.
Wer von vornherein den Begriff „Krankheit'' auf die Fälle
beschränkt, bei denen man entweder äußere Einflüsse oder In-
fektionen als Ursache feststellen kann, und einen Fall von Varie-
tätenbildung sieht, sobald für eine Krankheit echte Vererbung
1) Mir ist wenigstens kein Fall bekannt, wo ein derartiger Organismus regelmäßig
von Generation zu Generation weitergegeben würde, ohne irgend eine Einwirkung zu
zeigen, wie es bei den stets gesunden Sippen der Fall sein müßte, und ebensowenig ein
Fall, bei dem der übertragene Organismus eine so weitgehende Schädigung des beher-
bergenden Organismus gerade in den vegetativen Teilen bedingen würde, wie sie die
sordida -Füa,nzei\ zeigen.
39*
ß-j^2 C. CoiTens,
durch eine Anlage nachgewiesen ist, ohne Eücksicht auf die anderen
Merkmale der Erkrankung, wird auch die Sordago nicht als Krank-
heit anerkennen. Eine solche Beschränkung des Begriffes schließt
natürlich eine Diskussion von vornherein aus.
Pflanzenkranklieiten von so ausgesprochenem Charakter, wde
die Sordago eine ist, nicht durch äußere Einflüsse hervorgerufen,
nicht infektiöser Natur und auch nicht direkt übertragbar, sondern
erblich im engeren Sinne des Wortes und den Mendel sehen Ge-
setzen folgend, sind bis jetzt freilich wohl kaum bekannt. Eine
chlorina-, variegata- oder alhomarginataSi^^Q ist so w^enig wirk-
lich „krank", wie etwa eine nana -Sippe oder die mancherlei Mon-
strositäten, die „mendelu". Zurzeit müssen wir uns zum Menschen
wenden^), wenn wir etwas Ähnliches finden wollen (Stoffwechsel-
krankheiten, etwa Polyurie oder Diabetes, manche Nervenkrank-
heiten usw.); ich glaube aber, daß sich auch im Pflanzenreich noch
mancher ähnliche Fall wird finden lassen.
Schließlich hat die Sordago -Kranklieit noch ein theoretisches
Interesse dadurch, daß ihre Vererbungs weise in besonders drastischer
Weise den Wert einer Hvi)othese zeigt, die in der modernen Ver-
erbungslehre eine große Rolle spielt, der sogenannten Presence-
und Absence-Theorie^). Es bleibt sich dabei völlig gleich, ob
die Krankheit als solche vererbt wird, oder nur die Disposition
für sie (was, wie wir sahen, sehr unwahrscheinlich ist).
Nach der genannten Hypothese ist von den zwei Eigenschaften,
die ein meudelndes Merkmalspaar bilden, die eine durch die An-
wesenheit einer bestimmten Anlage, eines „Genes", für das be-
treffende Merkmal l)edingt, die andere durch das Felilen dieser
Anlage. Bei dem durch Mendel selbst klassisch gewordenen
Paare : gelbe Kotyledonen — grüne Kotyledonen der Erbsen, wäre
beim einen Elter die gelbe Farbe durch die Anwesenheit einer
Anlage bedingt, die, kurz gesagt, aus Grün Gelb macht, die
grüne Farbe beim andern Elter durch das Fehlen dieser An-
lage, infolgedessen eben das Grün unverändert zum Vorschein
kommt. Dann ist es auch ohne weiteres klar, daß der Bastard
\) Eine Zusammenstellung z. B. hei Plate, Vererbungslehre, S. 304 u. f.
1913).
2) Ich habe darauf schon in dem Referat für die Sitzungsberichte der Versamm-
lung Deutscher Naturforscher und Arzte hingewiesen.
Übei' eine nacli den Mendelsclien Gesetzen vererbte Blattkranklieit (Sordago) usw. 613
zwischen einer „grünen" und „gelben" Erbsensippe gelbe Kotyle-
donen hat: die von der einen Keimzelle übertragene, \drklich vor-
handene Anlage für Gelb macht sich dem Grün gegenü])er eben
geltend. „Grün" bekommt er von beiden Eltern, .,Gelb" noch dazu
von dem einen. Das Merkmal, für das eine Anlage, ein Gen, vor-
lianden ist, muß (mehr oder weniger) dominieren resp. prävalieren;
umgekehrt schließt dann die Presence- und Absence- Hypothese
aus dem Dominieren oder Prävalieren des einen Merkmals eines
Paares, daß für dieses Merkmal eine Anlage vorhanden ist.
Nichts ist natiirlich leichter, als diese Anschauung auch auf
den vorliegenden Fall anzuwenden und zu sagen, daß die Krank-
heit durch das Fehlen einer Anlage zustande komme, deren An-
wesenheit den normalen Zustand der BLätter bedinge. Es ist da-
mit ja nur der Sachverhalt anders ausgedrückt. Es fragt sich
aber, ob die Annahme hier überhaupt — nicht bloß auf dem Papier
— möglich, oder doch nur etwas wahrscheinlich sei. Bei einiger
Überlegung wird mau das nicht zugeben können.
Stehen wir auf dem Boden der Deszendenzlehre — und diesen
Standpunkt wird man im allgemeinen zugeben — so müssen wir
doch annehmen, daß der phylogenetische Fortschritt darauf beruht,
daß zu den vorhandenen Anlagen (Genen) neue hinzukommen, oder
daß die vorhandenen Anlagen abgeändert werden. Halten wir uns
an den ersten Fall, dem gegenüber der zweite für unsere Be-
trachtung nichts Neues bietet. Aus einer Sippe mit den Anlagen
n^)-|-A.-|-B + C-|-D entsteht eine neue, jüngere, phylogenetisch
höher stehende dadurch, daß eine neue Anlage E dazu kommt,
daraus eine noch höher stehende Sippe durch das Hinzutreten
einer Anlage F usw. Aus Sippe I: n + A + B-l-C-f-D wird
Sippe II: n + A + B + C-i-D-l-E, daraus Sippe III: n -j- A -f
B + C+D + E + F usw.
Wirkt nun eine der vorhandenen Anlagen nicht mehr, so sinkt
damit die Sippe in dem fraglichen Punkte, auf den sich die Anlage
l)ezieht, z. B. in der Blütenfarbe, auf eine frühere phylogenetische
Stufe herab. Dafür bleibt es sich gleich, ob die Anlage nur in-
aktiv (latent) wird oder, wie es die Presence- und Abseuce-Hypo-
these annimmt, einfach ganz wegfällt. Aus der Anlagengarni-
tur n-fA-fB-|-C + D + E + F ist dann z. B. die Anlagen-
1) n bedeutet hier und im folgenden natürlich eine ungenannte, gleichbleibende
Zahl Anlagen.
Q\4: ^" t'orrens,
garuitiir u + A + B + D4-E-|-f (Gen F inaktiv) oder n + A
4-B-|-C + D-|-E (Gen F wegg-ef allen) geworden. Das heißt
nichts anderes, als daß die Sippe IV dann, in dem bestimmten
Punkt, z. B. der Blütenfarbe, wieder so aussieht wie Sippe II,
also so, wie sie früher einmal ausgesehen haben muß.
In manchen Fällen — z. B. bei dem schon genannten Merk-
malspaar: grüne Kotyledonen — gelbe Kotjdedonen der Erbsen —
paßt nun die Presence- und Absence-Hjpothese zu dem, was die
Deszendenzlehre verlangt, ausgezeichnet. Denn Grün — dem die
Anlage für Gelb fehlen soll — ist sicher phylogenetisch (und
ontogenetisch noch heutzutage) die Vorstufe des Gelb.
Andere Fälle, und besonders auffallend die Sordago, stimmen
dagegen gar nicht. Wendet man die Presence- und Absence-Hypo-
these hier an, so muß man daraus, daß der normale Zustand dominiert,
schließen, daß der sordida-Zustaud durch das Fehlen einer An-
lage bedingt sei. Die Sordago müßte also, was den Bau des Blattes
anbetrifft, einen i»hylogenetisch älteren Zustand darstellen, einen
Zustand, den die Mirahilis Jalapa auf ihrem phylogenetischen
Werdegang einmal durchlaufen hätte. Der gesunde Zustand
verdeckte heutzutage diesen ki-ankhaften. Nun ist die Sordago
eine so ausgesprochen pathologische Erscheinung, daß die be-
fallenen 50?-6?/(^«e-Pflanzen eben noch existenzfähig sind. Niemand
wdrd schon deshalb in ihnen phylogenetische Vorstufen der heutigen,
normalen Mirahilis Ja^a^j «-Sippen sehen wollen, und damit ist eben
gesagt, daß die Presence- und Absence-Theorie in unserem Falle
völlig versagt.
Das tut sie überhaupt in all den Fällen, in denen das rezessive
Merkmal so beschaffen ist, daß sein Träger nicht als phylogenetische
Vorstufe des Sippe aufgefaßt werden kann, die das dominierende
(oder prävalierende) Merkmal entfaltet zeigt ^). Nur sind diese
Fälle selten so einfach, eindeutig und schlagend, wie der, den uns
die sordagokranken Mirabilis liefern.
So viel ich sehe, lassen sich gegen diese Argumentation, für
unseren speziellen Fall und überhaupt, nur zwei Einwendungen
machen, die wenigstens diskutierbar sind. Einmal könnte man
1) Ich habe schon früher auf solche Fälle aufmerksam gemacht (einige
Bastardierungsversuche mit anomalen Sippen usw. Jahrbücher f. wiss. Bot., Bd. 41,
S. 458 u. f. ri905).
i'ber eine nach den Mendel sehen Gesetzen vererbte Blattkrankheit rSordagoj usw. 615
denken, daß die Keilieufolge, in der die neuen Aulagen zu den
alten hinzukommen, beim Weg'fallen oder Inaktivwerden von Ein-
fluß wäre. Um bei dem oben verwendeten Schema zu bleiben, wäre
es von Bedeutung-, ob aus der Garnitur der Sippe III: n -4- A -j-
B-|-C + D-|-E-i-F F wegfiele oder C oder A ; im ersteren
Falle entstünde die phylogenetische Vorstufe, im anderen etwas
Abnormes. Man beachte aber, daß bei ein- und derselben Sippe
eine ganze Reihe von Anlagen für Blüten- und Laubfärbung, für
den Wuchs usw. inaktiv werden oder wegfallen können, bald einzeln
diese oder jene, l)ald zu mehreren oder vielen, ohne daß etwas
Anomales entstünde, während doch eine Anlage die letztentstandene
(F), eine die nächstältere (E) usw. sein muß. Daraus kann man
schließen, daß die Reihenfolge des Entstehens der Anlagen keine
Rolle beim Erfolg des Schwindens spielen kann.
Mau könnte ferner annehmen, es handle sich bei der Sordago
nicht um eine einzelne Anlage, sondern um einen Komplex
seinerzeit zusammen aufgetretener, verkoppelter Anlagen, von
denen eine, aus ilirem Verbände herausgelöst, eben durch ihr
Fehlen den Sordago-Zustand bedinge, der von den übrigen Au-
lagen, ohne diese eine, hervorgerufen würde, während zur Hervor-
bringung des normalen Zustandes des Blattes alle Anlagen im
Verband vorhanden sein müßten. Die phj'logenetische Vorstufe
würde nur dann wieder zum Vorschein kommen, wenn alle An-
lagen auf einmal wegfallen oder inaktiv würden, wie sie auf ein-
mal aufgetreten wären. Eine solche Annahme steht aber voll-
kommen in der Luft: ich kenne wenigstens keinen Fall, wo von
verkoppelten Anlagen der Wegfall einer Anlage einen krankhaften
Zustand hervorrufen würde.
Sordago und ähnliche Merkmale müßen durch besondere An-
lagen hervorgerufen werden, die neu, als progressive Mutationen
aufgetreten sind. Solche Sippen, die ilirer Beschaffenheit nach
einen blind endigenden, kurzen Ast am Stammbaum bilden, von
dem aus es nicht weiter geht, können den normalen gegenüber
dominieren (z. B. die Calycanthemie bei Campanula Medium) oder
rezessiv sein (eben die Sordago, manche Krankheiten des Menschen).
Auf die einen paßt die Presence- und Absence-Hyi3othese, auf die
andern nicht. Will man an der Deszendenzlehre festhalten, so
gibt es also Fälle, die der Presence- und Absence - Hypothese
direkt widersprechen: will man an der Presence- und Absence-
Hypothese festhalten, so mag man die Deszendenzlehre ruhig ganz
616 C. Correiis, Über eine nach den M ende Ischen Gesetzen vererbte Blattkrankheit usw.
aufgeben. Im übrigen lassen sich auch andere experimentelle
Ergebnisse gegen die genannte Hypothese anführen, worauf ich
zurückzukommen vorhabe.
Berlin-Dahlem,
Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie
im November 1914.
Figuren- Erklärung.
Tafel VIII.
Fig. 1 und 2. Sordagok ranke Blätter von Mirabilis Jalapa, Naturgröße. Photogr.
Dr. Lenz.
Fig. 3. Quersclinitt durch ein sordagokrankes Blatt, 0 = Ober-, U = Unterseite.
Bei S die zusammengefallenen Palisaden. Zeiß Syst. D, Ok. 4. Photogr. Dr. Windel.
Fig. 4. Ähnlicher Querschnitt, 0 = Ober-, U = Unterseite. Von x bis x' hat
Wuchergewebe aus der Sammeizellschicht die abgestorbenen Palisaden (und die Epi-
dermis) verdrängt. Darüber abgestorbene Palisaden zwischen normalen, an der Grenze
bei X eine sehr stark angeschwollene Zelle, etwa ähnlich der in Fig. 3 B im Text ab-
gebildeten. Zeiß Syst. D. Ok. 4. Photogr. Dr. Windel.
Theoretisches und Experimentelles
zur Kohäsionstheorie der Wasserbewegung.
Von
O. Renner.
Mit Tafel IX und 4 Textfigureu.
I. Theoretisches zur Energetik der Wasserversorgung.
Die im folgendeu initg-eteilten Übeiiegungen betrachten die
Energetik der Wasserbewegiiug von dem rein physikalischen
Staudpunkt der Kohäsionstheorie aus. Solche ins einzelne gehende
Deduktionen, ^ne sie andere Autoren schon früher angestellt haben,
scheinen mir jetzt um so eher erlaubt, als ich der Überzeugung
bin, daß die Richtigkeit des Kerns der Kohäsionsh^-pothese unwider-
leglich und ausreichend beAnesen ist. In der dritten Auflage von
Josts Vorlesungen, deren jeweilige Stellungnahme zu den aktuellen
Fragen im allgemeinen als autoritativ angesehen wird, sind die
Schlüsse, die ich aus meinen Experimenten ziehe, in der Haupt-
sache nicht abgelehnt. Jost schreibt aber (S. 95): „Wenn man
nachw^eisen könnte, daß solche Saugkräfte (von mehreren Atmosphären)
im intakten Baum existierten, ohne daß die Blätter welk sind, und
w^enn diese Kräfte dauernd erhalten blieben, dann würde das stark
für die Kohäsionstheorie sprechen. Einstweilen fehlt es an solchen
positiven Beweisen für diese Theorie." Dem gegenüber weise ich
darauf hin. daß ich über Unterdrucke von 5 Atmosphären im Holz
bewurzelter Sträucher, und zwar in regnerischer Jahreszeit, berichtet
habe^). In trockener Zeit sind die Saugkräfte, wie das zeitweilige
Welken zeigt, jedenfalls noch höher, sie bleiben also in wechselnder
Größe solange erhalten, als die Pflanze sie eben nötig hat. Wie
1) 1912 b, S. 578.
39 =
Q\Q 0. Renner,
mächtig- die von den Blättern anstehenden Saugkräfte werden können,
das zeigt besonders schlagend das Auftreten von „Hitzerissen" am
lebenden, nicht vertrocknenden Banm^).
Man wird sich später einmal darüber wundern, daß die Er-
scheinung des Welkens bewurzelter Pflanzen mit all ihren Eigen-
tümlichkeiten: Fortdauer starken Wasserverlustes ohne Vertrocknen,
Möglichkeit augenblicklicher Wiederherstellung des Turgors bei ge-
nügender Wasserzufuhr, nicht als eindeutiger, ausreichender Beweis
für die Richtigkeit der Kohäsionshypothese anerkannt worden ist,
nachdem sie einmal als solcher erkannt war-). Die erschlafften
Parenchym Zellen müssen eine Saugkraft von mehi-eren Atmosphären
entfalten. Die Gefäße in der Blattspreite müssen mindestens teil-
weise wassergefüllt sein, wenn das Blatt bei starker Transpiration
stundenlang well^ bleibt statt zu vertrocknen. In Berührung mit
den erschlafften Parenchymzellen muß das Wasser in den
Gefäßen negativ gespannt sein. Dieses Gefäßwasser muß, um in
den gespannten Zustand zu geraten und sich darin zu erhalten,
in Zusammenhang mit Wassersäulen stehen, die ununterbrochen bis
in die Wurzel reichen. Das sind Selbstverständlichkeiten, die aus
der Betrachtung der physikalischen Gleichgewichte mit unausweich-
licher Notwendigkeit sich ergeben, die aber im folgenden einmal
ausführlicher erörtert werden müssen, weil die Literatur sie vor-
läufig noch nicht als Selbstverständlichkeiten anerkennt.
Was an dem Gebäude der Kohäsionstheorie noch fehlt, ist allein der
anatomische Nachweis der zusammenhängenden Wassersäulen. Nun
wird von niemand 1)estritten, daß tätige Leitbahnen neben Wasser
auch Gasblasen enthalten, und zwischen den luftführenden Elementen
das Netz der ganz mit Wasser gefüllten Gefäße zu verfolgen, ist
natürlich sehr schwer. Der Mangel dieses unmittelbaren Nachweises
hat aber kein Gewicht neben der regelmäßig zu wiederholenden
Beobachtung von Leistungen, die ohne Kohäsionswirkung im
Wasser unmöglich sind^). Über dieKohäsion des Wassers in Pflanzen-
zellen wird unten und demnächst ausführlicher an anderer Stelle
berichtet werden.
Die Erscheinungen des Blutungsdrucks sind zweifellos in ihrem
Endergebnis für die Wasserversorgung hochbedeutsame Vorgänge*).
1) Renner 1914a, S. 552; daselbst Literatur.
2) Renner 1912 b, S. 576.
3) Renner 1911. 1912 b. 1912 c.
4) Vergl. Renner 1914 a, z. B. S. 554.
Theoretisches und Experimentelles zur Kohäsionstheorie der Wasserbewegung. 619
Die. beim Bluten wirksaineii Energiepotentiale dürften aber, mit der
SaugMirkung- der Blätter verglichen, bescheidene Größe haben. Das
komplizierende Eingreifen des Blutungsdruckes ist deshalb im folgen-
den nirgends berücksichtigt, trotzdem es. soweit es sich um Wurzel-
druck handelt, sehr leicht in Rechnung zu stellen wäre.
1. Osmotischer Druck, hydrostatischer Druck, Dampfdruck.
Eine mit einer osmotisch wirksamen Lösung gefüllte, oben offene,
unten mit einer semipermeablen Membran verschlossene Röhre
tauche aufrecht stehend mit dem unteren Ende in ein Gefäß mit
reinem Wasser (Textfig. 1, rechts). Das
Ganze befinde sich in einem luftdicht ab-
geschlossenen Raum, in dem überall die
gleiche, konstante Temperatur herrscht.
Dann steigt die Lösung in der Röhre so
weit, bis der hydrostatische Druck am
Grund der Säule gleich dem osmotischen
Druck der Lösung ist; genau genommen
ist die Höhe der Flüssigkeitsäule von dem
spezifischen Gewicht des Lösungsmittels,
nicht der Lösung, abhängig^), weil die Kon-
zentration der Lösung nicht auf der ganzen
Länge der Säule gleich ist. Die Verhält-
nisse der Dampfspannung in der einge-
schlossenen Atmosphäre liegen, wenn sich .
Gleichgewicht eingestellt hat, so : über der
Wasserfläche am Grunde der Röhre herrscht
der Sättigungsdruck des Wasserdampfes bei der gegebenen Tempe-
ratur, mit der Entfernung von der Wasserfläche nimmt der Teildruck
des Dampfes ebenso ab wie der Gesamtdruck der Atmosphäre, und in
der Höhe der freien Oberfläche der aufgestiegenen Lösung muß der
Dampfdruck in der Atmosphäre gleich dem der Lösung sein. Man
kann also sagen, die osmotisch wirksame Lösung steigt so hoch, bis
ihr Dampfdruck mit dem der umgebenden Atmosphäre übereinstimmt.
Neben der Röhre mit der Lösung haben wir nun eine zweite,
die mit dem unteren offenen Ende in das Wasser taucht und oben
mit einer fein porösen, für Wasser, aber nicht für Gase durch-
Fiff. 1.
1) Literatur bei Kenner 1912 a, S. 493.
Q20 ^- I^e"iier,
lässigen Membran abgeschlossen ist. Genügende Tiefe des Wasser-
beckens angenommen, halten wir die Röhre erst bis zn der Membran
ins Wasser eingetancht (Fig. 1, Mitte). Dann ziehen wir die Röhre
heraus (Fig. 1. links). Falls die Kohäsion des Wassers und die
Festigkeit der Membran ausreichen, können wir die Membran so
weit von der Wasserfläche entfernen, wie wir wollen, der Dampf-
druck in der Membran muß doch bei jeder Länge der Röhre mit
dem in der umgebenden Atmosphäre im Gleichgewicht sein; wenn
nicht, könnten \sär ja ein perpetuum mobile zweiter Art konstruieren.
Mit der Entfernung von der Wasserfläche nimmt natürlich nicht
bloß der Dampfdruck, sondern auch der hydrostatische Druck in der
Wassersäule ab. Die Erniedrigung des hydrostatischen Drucks ist
die Ursache der Verminderung des Dampfdrucks.
Geben wir nun der oben geschlossenen Röhre mit Wasser die-
selbe Länge wie die Steighöhe der Lösung in der oben offenen
Röhre beträgt (wie in der Figur), so ist der Dampfdruck in der
wassergetränkten Membran gleich dem der Lösung, weil beide gleich
der Dampftension in der umgebenden Atmosphäre sind.
Der osmotische Druck der Lösung sei 10 Atm., dann ist die
vSteighöhe 10« 10, .33= 103,3 m; wir setzen ja den osmotischen Druck
gleich dem hydrostatischen Druck einer Säule, die wir aus reinem
Wasser bestehend uns denken. In der ebenso langen Wassersäule,
die an der wassergetränkten Meml)ran hängt, statt wie die Lösung
auf der semipermeablen Membran zu stehen, muß der hydrostatische
Druck vom Grund, d. h. von der Wasserfläche, bis zur Membran
ebenfalls um 10 Atm. abnehmen, entsprechend dem Gemcht der
aufgehängten Säule. Am Grund ist der Druck -\-l Atm., über der
Membran beträgt er also — 9 Atm. Allgemein entspricht in unserem
Schema einem osmotischen Druck von P Atm. in einer Lösung,
ein negativer Druck von (P — 1) Atm. in reinem Wasser, und die
Dampftension einer Lösung vom osmotischen Druck P Atm. ist
gleich der Dampfspannung reinen Wassers, das einen negativen
Druck von (P — 1) Atm. besitzt. Einem osmotischen Druck von
1 Atm. z. B. entspricht reines Wasser, in dem der Barometerdruck
durch Hebung auf 10 m eben aufgehoben, der hydrostatische Druck
Null ist. Bei hohen Werten sind osmotischer Druck und negativer
Druck, die beide gleiche Dampfdruckerniedrigung hervorbringen,
praktisch gleich.
Wird auf die Membran, unter der ein negativer Druck von
9 Atm. herrscht, ein Tropfen Wasser aufgesetzt, der unter Barometer-
Theoretisches und Experimentelles zur Kohäsionstheorie der "Wasserbewegung. 621
druck steht, so wird das Wasser mit derselben Kraft vou 10 Atm.
eingesogen, wie wenn reines Wasser durch Vermitthing einer semi-
permeablen Membran mit einer Lösung in Berührung kommt, die
einen osmotischen Druck von 10 Atm. entwickelt.
Wie in der Röhre mit reinem Wasser, so nimmt auch in der
Steigröhre mit Lösung der Dampfdruck vou oben nach unten zu.
Oben ist die Dampfspannung gegenüber dem Sättigungsdruck des
Wassers vermindert, unten, an der semipermeablen Membran, ist
die Lösung im Gleichgewicht mit reinem Wasser, hat also denselben
Dampfdruck. Die Erhöhung der Dampftension wird natürlich durch
die Zunahme des hj'drostatischen Drucks verursacht. Eine Lösung
vom osmotischen Druck P, die unter einem hydrostatischen Druck
von der gleichen Größe P steht, hat also dieselbe Dampfspannung
Avie das reine, unter Barometerdruck stehende Lösungsmittel, keine
niedrigere; die Wirkung der osmotischen Konzentration ist durch
den hydrostatischen Druck aufgehoben^). Auch an jeder anderen
Stelle in der Steigröhre unter der Oberfläche ist der Dampfdruck
höher als dem osmotischen Druck der Lösuug entspricht. Wenn
P der osmotische Druck ist, T der hydrostatische Druck au der
entsprechenden Stelle, so entspricht die Dampftension einem osmo-
tischen Druck von der Höhe (P — T).
Die zuletzt betrachteten Beziehungen interessieren uns nur in
ihrer Anwendung auf die lebende Zelle. Eine Zelle vom osmotischen
Druck P liege in reinem Wasser, dann herrscht Gleichgewicht, wenn
die Dampfspannungen sich ausgeglichen haben. In der Vakuole ist
durch gelöste Körper der Dampfdruck zunächst erniedrigt, aber durch
den Turgordruck T. den die gespannte Zellwand auf den Inhalt
ausübt und der gleich P ist, ist er wieder zur Dampf tension des
reinen Wassers erhöht. Ebenso ist die Dampfspannung des Wassers
in der Zellhaut gleich der des umgebenden Wassers, weil die Membran
vollkommen gequollen, gesättigt ist.
Wird die Zelle in nicht dampfgesättigte Luft gebracht, so ver-
liert sie so lange Wasser, bis der Dampfdruck in der Membran dem
in der Luft gleich geworden ist. Mit der Zellhaut setzt sich der
Zelhnhalt ins Gleichgewicht. Der osmotische Druck des Zellsafts
soll durch Regulation auf der Höhe von P Atm. konstant erhalten
werden. Der Turgordruck ist durch den Wasserverlust von T auf
1) Bei Tammann finde ich den Satz: „Der osmotische (ileichgewichtsdruck
macht die Dampfspannung der Lösung gleich der Dampfspannung des Lösungsmittels" (S. 179).
622 0- Renner, ^
Ti Atm, vermindert, die Dampfspannung des ganzen Systems muß
also einem osmotischen Druck von (P — Ti) Atm. entsprechen. Reinem
Wasser gegenüber entwickelt die Zelle jetzt eine Saugkraft von
(P— Ti) Atm.
Jede maximal turgeszente Zelle besitzt also den Dampfdruck
reinen Wassers, gleichgültig wie hoch der osmotische Druck des
Zellsaftes ist, und erst bei vollkommenem Verlust der Turgeszenz
sinkt die Dampftension der Zelle auf die Größe, die dem osmotischen
Druck des Zellsaftes entspricht ^).
Die quantitative Wirkung des osmotischen Drucks auf die
Dampfspannung berechnet sich nach der Formel^)
, p P . M ^ P . M . p
In — = T^^TTTi ü — n^ ^^^^ ungenauer p — pi —
p, 1000 . s . R . T "^— ^ i- 1- loQo . s . R . T-
Dabei bedeutet p den Sättigungsdruck des Wassers: pi den Dampf-
druck der Lösung: P den osmotischen Druck der Lösung in Atmo-
sphären; M das Molekulargewicht des Lösungsmittels, also 18:
s das spezifische Gewicht des Lösungsmittels, also 1 ; R die Gas-
konstante in Literatmosphäreu, also 0,0821; T die absolute Tempe-
ratur. Bei T = 293° (t = 20°) ist ]) = 17,54 mm Hg. Für P =
]00 Atm. l)erechnet sich dann (nach der ersten Formel) pi zu
16,28 mm Hg. Der Dampfdruck ist also bei einem osmotischen
Druck von 10(i Atm., und somit auch bei einem negativen Druck
von 99 Atm.. um 7.2 % erniedrigt^).
1) Dixon hat diese Beziehung in der Hauptsache richtig, docii noch niclit ganz
exakt dargestellt (Progr. S. 7).
2) Xernst, S. 136.
3) Keinganum berechnet, dal! im Askenasyschen Versuch das Quecksilber auf
105 m steigen würde, wenn die verdunstende Gipsplatte bei 17° in Luft von 90 %
Dampfsättigung sich befände. Das heiüt, ein negativer Druck von 138 Atm. (1423 ni
Wasser) erniedrigt die Dampfspannung des Wassers bei 17" um 10 "/q. — Nathan-
sohn (S. 157) hat aus den 105 m Quecksilber 150 m Wasser gemacht. — Hulett
('S. 461 i findet im Askenasj-schen Versuch die Geschwindigkeit des Quecksilberaufstiegs
bei einer Höhe der Quecksilbersäule zwischen 565 und 589 mm zu 1,56, von 857 bis
878 mm zu 1,40, von 838 — 857 mm sogar zu 1,26. Der Quecksilberaufstieg zeigt die
Größe der Verdunstung des Wassers von der porösen Platte an, aber die Verringerung
der Verdunstung mit zunelimender Höhe der Quecksilbersäule ist viel zu bedeutend, als daß
sie auf Erniedrigung des Dampfdrucks infolge der negativen Spannung des Wassers zu-
rückzuführen sein könnte, wie Hulett meint. Wahrscheinlich weicht das Wasser in
den groben Poren des Gipses ziemlich weit von der Oberfläche zurück, wenn das Queck-
silber höher steigt. Der Dampfdruck braucht dann nicht vermindert zu sein, aber die
Diffusion des Dampfes durch die engen Röhren ist verlangsamt.
Theoretisches und Experimentelles zur Kohäsionstheorie der Wasserbewegung. 623
In einer Parenchymzelle, deren Zellsaft einen osinotischen Drnek
von 100 Atm. entwickelt, tritt diese Verminderung- der Dampf-
spannung erst bei vollständiger Aufhebung- des Turgors ein.
2. Wasserverschiebung in Parenchym.
Pfeffer hat die energetischen Verhältnisse bei der osinotischen
Saugung in Parenchymzellen in einer Weise klargelegt (1892,
1897), daß man meinen sollte, die von ihm gewonnene und mit-
geteilte Erkenntnis hätte unverlierbarer Besitz der Physiologie
bleiben müssen. In Wirklichkeit ist aber seine exakte Fassung
in der ganzen neueren Literatur durch unscharfe, wenn nicht un-
richtige Darstellungen ersetzt worden. Die von mir bisher ge-
übte, der Polemik sich enthaltende Verfechtung der Pfefferschen
p]insicht hat nicht den gewünschten Erfolg gehabt, es ist deshalb
nötig, den springenden Punkt in aller Schärfe hervorzuheben.
Ganz kurz ist das schon an anderer Stelle geschehen^).
Pfeffer schreibt-): „Natürlich kommt für die Wasseranziehung
nur die Senkung des Turgors unter den Gleichgewichtszustand,
nicht aber die absolute Höhe der Turgorkraft in Betracht. Jedoch
ist es selbstverständlich, daß mit fortschreitendem Wasserverlust
in einem Gewebe die Zellen mit geringerer osmotischer Energie
bereits kollabieren, während die Zellen mit höherer Energie noch
straff erscheinen. "
In den neueren Darstellungen ist überall darauf Gewicht ge-
legt, daß durch Wasserverlust in der Zelle der osmotische Druck
steigt. Jost^) spricht von Wasserbewegungen, „die durch Störung
des osmotischen Gleichgewichts zustande kommen und so lange
dauern müssen, als Konzentrationsunterschiede zwischen den ein-
zelnen Zellen bestehen." Nathansohn sagt z. B. S. 53: „Ist
ursprünglich der osmotische Druck überall gleich, so wird er zu-
nächst bei den verdunstenden Zellen eine gemsse Erhöhung er-
fahren. Dadurch werden diese in die Lage versetzt werden, den
unter ilmen liegenden Wasser zu entziehen." Ganz ähnlich drückt
sich Livingston*) aus. Bei Pringsheim steht neben allerhand
1) Kenner, 1914 a, S. 550.
2) Physiologie L, S. 195. Ganz ähnlich 1892, S. 259.
3) Vorlesungen. 1. Aufl. S. 58; 3. Aufl. S. 67.
4) 1903, 8. 96; ob er auch später noch (1913, S. 174J unter increase in osmotic
forces dasselbe versteht, ist nicht ganz klar.
g24 ^- Renner,
einwandfreien Sätzen z. B. der Passus (S. 107): „Solange eine osmo-
tische Potentialdifferenz l3enaclibarter Zellen besteht, wird bis zum
Ausgieich der Konzentrationen ein Wasserstrom in umgekehrter
Richtung unterhalten." Hier ^\1e in dem Zitat aus Jost müßte
nur das Wort Konzentration durch Sättigung ersetzt werden, dann
wäre nichts zu beanstanden. Bei Hannig- l)eruht die ganze Frage-
stellung-, die ihn bei dem Vergleich der osmotischen Drucke in
Wurzel und Blatt leitet, auf der unzutreffenden Annahme, Unter-
schiede im osmotischen Druck der Zellen könnten zu einer Wasser-
verschiebung führen.
Die Steigerung des osmotischen Druckes, die bei Turgorver-
minderung sich einstellt, ist neben der Turgorsenkung ganz un-
wesentlich und keineswegs die Ursache dafür, daß die Zelle ihren
Nachbarzellen gegenüber saugfällig wird. Oben (S. 621) ist der
Einfachheit wegen angenommen, daß der osmotische Druck trotz
dem Wasserverlust konstant bleibt. Sehen wir jetzt von dieser
Vereinfachung ab, so ändert sich doch sehr wenig. Der osmotische
Druck der turgeszeuten Zelle sei 10 Atm., die Volumverminderung
der Zelle bei vollständigem Ei'schbiffen betrage 10 °/o, dann er-
höht sich infolge der Konzentration des Zellsaftes der osmotische
Druck auf etwa 11 Atm. Ebensogroß ist die Saugkraft der ge-
welkten Zelle. Durch das Welken ist also der osmotische Druck
um 1 Atm. gestiegen, von 10 auf 11, die Saugkraft aber um 11
Atm., von 0 auf 11.
Zwei aneinanderstoßende Zellen dürfen so verschiedene
osmotische Drucke haben wie sie wollen: so lange das Plasma
für die Stoffe des Zellsafts impermeabel ist und so lange die Zellen
wassergesättigt sind, findet kein Wasseraustausch statt^). Wird
das Plasma permeabel, so wandert Zellsaft von der Zelle mit
höherem osmotischem Druck zu der mit niedrigerem, bis zum Aus-
gleich der Konzentrationen: die Wasserverschiebung erfolgt in
diesem Fall in umgekehrter Richtung, als die oben genannten
Autoren durch Konzentrationsunterschiede zustande kommen lassen
wollen. Wird aber bei impermeablem Plasma von den beiden
Zellen die mit niedrigerem osmotischem Druck welk, so entzieht
sie der anderen Zelle Wasser, trotzdem diese höheren osmotischen
Druck hat.
Die Dehnung der Zellwand unter der Wirkung des Turgor-
1)' Pfeffer 1892, S. 259. Das sagt auch Pringsheim ausdrücklich (S. 107).
Theoretisclies und Experimentelles zur Kohäsionstlieorie der Wasserbewegung. 625
drucks ist eine Funktion der Dehnbarkeit; danach hängt auch die
Turg-orsenkung-, außer vom osmotischen Druck und vom Wasser-
verlust, von den elastischen Eigenschaften der Zellhaut ab. Bei
vollkommen starrer Wandung ist keine Turgorsenkung möglich.
Je dehnbarer die Wand ist, desto mehr Wasser muß die Zelle
verlieren, um eine Turgorsenkung oder Saugkraft von einer be-
stimmten Größe zu erreichen. Oder wenn wir das Sättigungs-
defizit ^) definieren als die — etwa in Prozenten ausgedrückte —
Differenz zwischen dem bei voller Turgeszenz möglichen und dem
jeweils gegebenen Wassergehalt, so bedeutet ein Sättigungsdefizit
von gewisser Größe je nach der Dehnbarkeit der Zellwand eine
verschieden große Turgorsenkung. Zellen mit verschieden dehn-
baren Wänden kommen bei verschiedenem Wasserverlust ins Gleich-
gewicht, und Gewebe, deren Membranen sehr nachgiebig sind, eignen
sich deshalb besonders dazu, für andere Gewebe Wasser zu speichern
und es im Notfall an diese Gewebe abzugeben.
In Parenchj^men läuft demnach der Wasserstrom gegen das Ge-
fälle der Turgorsenkung^), und soll in einer Richtung ein Wasserstrom
unterhalten werden, so muß ein Gefälle der Turgorsenkung in um-
kehrter Richtung hergestellt sein. Von einer 5-gliedrigen Zellreihe
nehme allein die untere Wand der untersten Zelle Wasser auf,
die Außenwand der obersten Zelle soll allein transpirieren. Der
Wasserverlust soll so groß sein, daß der Filtrationsstrom zur Über-
windung einer Zelle eine Druckdifferenz von 0,2 Atm. erfordert.
Zunächst schöpft die aufnehmende Zelle aus reinem Wasser; dann
ist in dieser ersten Zelle die Turgorsenkung 0,2 Atm., in jeder
folgenden um ebenso viel mehr, also 0,4, 0,6, 0,8, in der 5. Zelle
1 Atm.
Schöpft nun die unterste Zelle aus einer Lösung, die einen
osmotischen Druck von sagen wir 2 Atm. besitzt, so muß in dieser
Zelle der Turgor mindestens um so viel mehr gesenkt sein, also
die Turgorsenkung im ganzen 2,2 Atm. betragen, und in der 5.
Zelle beträgt sie 3 Atm. Jetzt wäre aber die unterste Zelle erst
im statischen Gleichgewicht mit der Lösung. Um der Lösung
dauernd Wasser zu entziehen, muß der Turgor noch weiter er-
niedrigt werden, und zwar um so weiter, je rascher die Wasser-
1) Renner, 1911, S. 241.
2) Nicht gegen das Gefälle des Sättigungsdefizits, wie ich 1914 a, S. 550 versehent-
lich geschrieben habe.
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI. 40
g26 0. Eenuer,
aufnähme vor sich geht. An der Oberfläche der aufnehmenden Zelle
wird jedenfalls die Konzentration der umspülenden Lösung erhöht,
weil der Lösung Wasser entzogen wird und nicht augenblicklich
durch Diffusion der Verlust sich ersetzt. Die Wasseraufnahme einer
Wurzel z. B., die aus einer Salzlösung schöpft, verlangt in der
Wurzel eine um so höhere Saugkraft, je stärker die Transpiration
ist. Experimentelle Belege, die vor dieser theoretischen Einsicht
gewonnen wurden, habe ich seit längerer Zeit in Händen.
Hohe Saugkraft von Parenchymen verträgt sich sehr gut mit
scheinbar unverminderter Turgeszenz^). Bei einem osmotischen
Druck von 20 Atm., wie er in Blättern ganz gew'öhnlich ist, wird
eine Turgorsenkung von 5 oder 10 Atm. sich äußerlich noch gar
nicht bemerkbar machen. Denn daß ein Turgordruck von 10 Atm.
vollkommen ausreicht, die Parenchyme zu straffen, zeigen die
Pflanzen, die keine höheren osmotischen Drucke haben. Die hohe
osmotische Energie, die wir in den allermeisten Pflanzen finden,
scheint demnach viel weniger den mechanischen Bedürfnissen als
der Wasserversorgung zu dienen.
3. Gefäßwasser in Berührung mit Parenchym.
Dixon schreibt (Progr., S. 60, und ähnlich S. 52): „Die osmo-
tischen Kräfte werden im allgemeinen für die Hebung des Wassers
nicht herangezogen, sondern der durch Verdunstung aus den Wänden
entstehende Zug wird quer durch den Zellraum fortgepflanzt. Dieser
Zug besteht im Lösungsmittel, während der osmotische Druck durch
die gelösten Substanzen ausgeübt wird .... Wenn der Zug größer
wird als der osmotische Druck, verliert die Zelle ihren Turgor . . .
Solange die Blätter turgeszent sind, muß der osmotische Druck
der Zellen so groß oder größer als die Spannung im Gefäßwasser
sein; ist er größer, so wird der Drucküberschuß von der gespannten
Wand aufgenommen." Diese Stelle hat Hannig (S. 194, 203) zu
der Ansicht verleitet, man müsse experimentell entscheiden, ob die
l) Darauf ist liinzuweisen g'egenüber Bemerkungen, die Pfeffer (1892, S. 260)
maclit: „Es möge nochmals betont werden, daß, sofern die transpirierenden Blätter in
liohen Bäumen sich dem maximalen Sättigungszustand zu nähern vermögen, als Betriebs-
mittel hohe Imbibitionskräfte ausgeschlossen sind" und „doch macht es den Eindruck,
als ob bei reichlicher Wasserversorgung der Wurzeln und bei mäßiger Transpiration die
am Gipfel hoher Bäume befindlichen Blätter nur wenig von dem maximalen Turgeszenz-
zustand abweichen."
Theoretisches und Experimentelles zur Koliäsionstheorie der Wasserbewegung'. 627
Imbibitionsenergie der Membranen oder die osmotische Energie des
Zellsaftes die Hubkraft bei der Wasserbewegung liefere. Aber
Pfeffer hat schon 1892 (S. 258) die einzig mögHche Entscheidung,
die keiner experimentellen Prüfung bedarf, getroffen und wieder-
holt in seiner Physiologie^): „In der Pflanze setzen sich die wasser-
anziehenden Wirkungen von ZeUsaft und Zellwand unter allen Um-
ständen ins Gleichgewicht." Das heißt für unsere Frage, daß die
osmotische Energie des Zellsaftes genau so wirksam ist wie die
Imbibitionsenergie der Zellwand. In noch näherer Beziehung zu
dem in der Überschrift des Abschnitts genannten Gegenstand sagt
Pfeffer an einer anderen Stelle^): „Mit dieser Energie (nämlich
der Energiegröße, die der Senkung des Turgors entspricht) wirken
die umgebenden Zellen gegen das wasserleitende Xylem". Wie
groß die Energie der Turgorsenkung ist, wissen wir; es bleibt zu
untersuchen, in w^elchem Zustand das Gefäß wasser, das immer im
Gleichgewicht mit dem umgebenden Parenchym ist, sich je nach
der Turgeszenz des Parenchyms befindet.
Dixon spricht immer meder davon, daß der Turgor einer
Zelle nur aufgehoben werde, wenn auf die Zelle eine der osmo-
tischen Energie des Zellsafts überlegene w^asseranziehende Kraft
wirke; z. B. ein negativer Druck im Gefäßwasser, der höher ist
als der osmotische Druck in der Parenchymzelle. In Wirklichkeit
vermindert sich der volle Turgor der Zelle, sobald der Druck des
Gefäßwassers unter den Barometerdruck sinkt; und wenn der
negative Druck in den Gefäßen gleich dem osmotischen Druck im
Parenchym (annähernd, s. unten) vdrd, ist der Turgor im Parenchym
vollständig vernichtet; das alles gilt auch für einen Zustand, in
dem Transpiration fehlt.
Die Unterscheidung zwischen Lösungsmittel und gelösten
Stoffen, wie sie Dixon einführt, läßt sieht rechtfertigen, erleichtert
aber die Anschauung kaum. Es kommt einfach auf die Dampf-
spannung an. Nach der Erniedrigung des Dampfdrucks bemißt
sich das Wasseranziehungsvermögen der imbibierten Zellwand, des
Zellsafts und des Gefäßwassers, und im Zellsaft wird, wenn wir
vom normalen, d. h. turgeszenten Zustand der Zelle ausgehen, die
Dampftension erst erniedrigt durch Senkung des Turgors. Dabei
ist es gleichgültig, ob die Erniedrigung des Turgors erfolgt, weil
1) Bd. I, S. 144.
2) Physiologie, Bd. I, S. 195. Ähnlich 1892, S. 260.
40^
g28 ^- Renner,
der Zelle überhaupt kein Wasser mehr zugeführt wird, wie einer
einzelligen Alge auf einer Baumrinde, oder weil die Wasserauf-
nahme einer Parench3^mzelle infolge negativer Spannung des Gefäß-
wassers erschwert ist. Bei der Alge wird man zunächst nicht
von negativer Spannung des Wassers im Zellsaft reden, und bei
der Parenchj'mzelle gewinnt man mit dieser Fiktion auch nichts.
Man kann allerdings, wie Hulett im Anschluß an Noyes tut
(S. 362), sich vorstellen, daß das Wasser durch Auflösung osmotisch
wirksamer Stoffe in Zugspannung versetzt mrd. Dann beruht die
Erniedrigung der Dampfspannung auch bei einer Lösung auf dem
negativen Druck, unter den das Wasser gerät, und es wird doppelt
leicht verständlich, daß durch positiven hydrostatischen Druck, dem
die Lösung ausgesetzt wird, die Dampfspannung wieder erhöht
wird. Diese Hypothese scheint mir aber, wenigstens auf den ersten
Blick, mit der Tammannschen Theorie vom Binnendruck ^) im
Widerspruch zu stehen, derzufolge der Binnendruck im Lösungs-
mittel umgekehrt durch gelöste Stoffe erhöht wird, und die sich
weitreichender Anerkennung erfreut-). Jedenfalls ist die Hyi)Othese
von Noyes und Hulett für die Betrachtung der lebenden Zelle
überflüssig, und dasselbe gilt von dem erwähnten Gedanken
Dixons, der sich an die genannte Hypothese anschüeßen ließe.
Der osmotische Druck einer Parenchymzelle sei 20 Atm., dann
ist im Zustand höchster Wasserfülle die Turgorspaunung eben so
hoch, und im Gefäßwasser herrscht der Barometerdruck; dieser
Zustand wird z. B. erreicht, wenn wir ein abgetrenntes Blatt in
Wasser legen. Sinkt nun der Turgordruck um 5 Atm., so muß,
wenn Gleichgewicht herrscht, auch der hydrostatische Druck in
den Gefäßen um 5 Atm. erniedrigt sein, also auf — 4 Atm. Gefäß-
wasser und Parenchymzelle üben nun dieselbe Saugkraft von 5 Atm.
auf Wasser aus.
Allgemein sei der osmotische Druck des Zellsafts P, der Turgor-
druck T, der hydrostatische Druck des Gefäßwassers H, die Saug-
kraft des Systems S, dann ist
T — P = H — 1 oder H = T — P+1,
und S = P — T 3= 1 — H.
1) Tanimaun selber spricht kurz „über die Beziehungen des inneren Druckes
zur Dampfspannung" (S. 179 u. f.).
2) Vgl. z. B. Nernst, S. 249, 418.
Theoretisches und Experimentelles zur Kohäsionstheorie der Wasserbewegung. 629
Bei vollständig-em Welksein herrscht also in den Gefäßen eines
Blattes, solange sie wassergefüllt sind, ein negativer Druck von
(P— 1) Atiii.
4. Die bei der Wasserversorgung wirksamen
Energiepotentiale.
Nathansohn (S. 55, 56) sagt sehr anschaulich, die Pflanze be-
gebe sich in das Potentialgefälle zwischen dem Wasser der Erdober-
fläche und dem ungesättigten Dampfe der Luft und nütze es für die
Wasserhebung aus. Natürlich kann nicht eine Dampfdruckdifferenz
zwischen dem Wasser in den Wurzeln und dem in den Blättern die
treibende Kraft für die Wasserverschiebung im Pflanzenkörper sein.
Nehmen wir einmal den idealen Fall an, daß Boden, Pflanze und
Atmosphäre genau dieselbe Temperatur haben, so könnte ein kon-
tinuierliches Gefälle der Dampfspannung zwischen den Wurzeln und
den Blättern zwar hergestellt werden, aber die Druckdifferenz zwi-
schen Wurzel und Gipfel beliefe sich auf wenige Millimeter Queck-
silber, während doch alle Widerstandsmessungen im Holz, Filtrations-
ströme von der erforderlichen Geschwindigkeit vorausgesetzt, nötige
Druckdifferenzen von vielen Atmosphären ergaben.
Gewöhnlich sind aber die Temperaturverhältnisse gar nicht der-
art, daß ein stetiges Gefälle der Dampftension von unten nach oben
vorhanden sein könnte. Hat z. B. der Boden einmal eine Tempe-
ratur von 10° C, die Luft 25*^0 und nur 60 "/o relative Feuchtig-
keit, so beträgt der Dampfdruck im Boden 9,2 mm, in der Atmo-
sphäre 0,6 • 23,8 = 14,3 mm Hg; das Dampfdruckgefälle läuft also
von oben nach unten, und trotzdem wird die Pflanze ungestört fort-
fahren Wasser zu heben und an die Luft abzugeben. Wenn wir
den Dampfdruck im Auge behalten, so besteht in der Pflanze ein
Gefälle nicht der absoluten Größe der Dampfspannung, sondern des
relativen Dampfdrucks, d. h. des Verhältnisses zwischen der wirklich
vorhandenen Tension und dem bei der gegebenen Temperatur mög-
lichen Sättiguugsdruck. Es sei durch Welken am Gipfel die Dampf-
spannung um 7"^/o vermindert, entsprechend einer Saugkraft von
100 Atm., dann fäflt der relative Dampfdruck vom Boden bis zum
Gipfel von 100 "/o auf 93°/o. Die absolute Dampfteusion kann dabei
von unten nach oben abnehmen oder zunehmen, das Gefälle kann
stetig oder unstetig sein, es kann sogar im Stamm seine Richtung
ändern, je nach den Temperaturverhältnissen. Aber wie wir gesehen
haben, gehen Veränderungen in der Dampftension Hand in Hand
630 0- Renner,
mit Veränderungen des hydrostatischen Drucks. Was bei beliebigem
Wechsel der Temperatur von unten nach oben stetig abnehmen kann,
ist der hydrostatische Druck im Gefäßwasser, und die Differenz der
hydrostatischen Drucke zwischen unten und oben ist nach Dixon
die treibende Kraft bei der Wasserbewegung innerhalb der Pflanze.
Wenn Nathansohn (S. 60) schreibt: „Die treibende Kraft für
die Bewegung bleibt die Spannungsdifferenz zwischen dem unge-
sättigten Wasserdampf der Luft und der Dampftension des Wassers
in den Geweben", so meint er damit augenscheinlich nur die Ent-
bindung von Wasserdampf aus den transpirierenden Flächen, die
ja tatsächlich den Anstoß zum Transpirationsstrom gibt. Für die
Bewegung des dampfförmigen Wassers kommt natürlich nur eine
Dampfdruckdifferenz in Betracht. Unter der Wirkung von Dampf-
spannungsunterschieden hebt sich das Wasser als Dampf aus dem
feuchten Erdboden in hohe Schichten der Atmosphäre. Nimmt das
Wasser seinen Weg dabei zunächst, wenn es die Erde verläßt, durch
Pflanzenkörper, so müssen viel bedeutendere Druckkräfte auftreten,
weil es hier in flüssiger Form gehoben wird. Nach dem Austritt aus
der Pflanze setzt das Wasser seinen Weg erst als Dampf fort.
Im statischen Gleichgewicht, wenn die Pflanze nicht transpi-
riert, hängt die Wassersäule ruhig an der die Oberfläche bildenden
Membran, und die Abnahme des hydrostatischen Drucks von der
Wurzel zum Gipfel entspricht allein der Höhe der Pflanze. Die
Druckabnahme beträgt also bei einem 100 m hohen Baum nur
10 Atm., demnach der negative Druck in den Blattgefäßen 9 Atm.
Transpiriert die Pflanze, so ist ein dynamisches Gleichgewicht her-
gestellt, wenn aus dem Boden ebensoviel Wasser in die Wurzel
eintritt, als aus den Blättern entweicht. Die Druckdifferenz, die
diesen Filtrationstrom treibt, muß um so größer sein, je größer
die zu befördernden Wassermengen und je größer die Widerstände
des Bodens und der Leitbahnen sind. Der hydrostatische Druck
im Boden ist unveränderlich gleich 1 Atm., die erforderliche Druck-
differenz kann also nur durch Erniedrigung des hydrostatischen
Drucks in den Blättern hergestellt werden. Um bei dem 100 m
hohen Baum Transpiration von einer gewissen Größe zu decken,
müsse der Filtrationstrom mit einem Druckunterschied von 50 Atm.
getrieben werden; dann muß der Druck in den Gefäßen der Blätter
auf — 59 Atm. sinken.
Betrachten wir für dasselbe Beispiel die Verhältnisse des
Dampfdrucks, so finden wir im statischen Gleichgewicht die Dampf-
Theoretisches und Experimentelles zur Kohäsionstheorie der Wasserbewegung. 631
tension des Wassers im Blatt eines 100 m hohen Baumes noch
nicht einmal um 1 ^/o vermindert, entsprechend dem negativen Druck
von 9 Atm, Die umgebende Luft muß also ebenfalls mehr als 99 "/o
relative Feuchtigkeit haben, wenn weder Transpiration noch Kon-
densation erfolgen soll. Soll aber in dem Baum ein Transpirations-
strom unterhalten werden, der im Blatt eine negative Spannung von
59 Atm. und demgemäß eine Dampfdruckerniedrigung auf ungefähr
96 *^/o des Sättigungsdrucks erfordert, so muß die relative Dampf-
spannung in der Luft noch unter 96 °/o sinken. Das Dampf druck-
gefälle zwischen Blatt und Luft muß ebensoviel Wasser in Dampf-
form beseitigen, als das Gefälle des hydrostatischen Drucks zwischen
Boden und Gipfel flüssiges Wasser durch den Pflanzenkörper treibt.
Wasser besitzt in einer nicht wasserdampfgesättigten Atmo-
sphäre Arbeitsfähigkeit (freie Energie), weil es Dampf entwickelt,
der bei seiner Ausdehnung Arbeit leisten kann. Diese Energie
kann dazu benutzt werden, Wasser selber — in flüssiger oder in
Dampfform — zu heben. Die Potentialdifferenzen zwischen Wasser
von verschiedener Dampfspannung müssen denselben Energiewert
haben, einerlei ob wir das flüssige Wasser oder den Wasserdampf
betrachten. Wir vergleichen zur Veranschaulichung eine Differenz
des hydrostatischen Drucks von 100 Atm. oder 76 000 mm Hg mit
der zugehörigen Differenz der Dampfspannungen, die bei 20° 17,54 —
16,28 = 1,26 mm Hg beträgt (vgl. oben S. 622).
Um 1 g Wasser auf 1033 m zu heben, ist eine Arbeit von
1033 Metergramm oder 1033 : 427 cal. = 2,42 cal. nötig. Am an-
schaulichsten ist für unseren Fall die Vorstellung, daß eine Wasser-
säule von 1033 m Höhe und 1 qcm Querschnitt um 1 cm gehoben
wird, wobei das obere Zentimeter oder Gramm während der Hebung
für Transpiration verfügbar wird : so ist die Arbeit die gleiche wie
bei der freien Hebung eines Gramms um 1033 m. Dieselbe Arbeit
wird auch in einer niedrigeren Pflanze geleistet, wenn 1 g gegen
einen Filtrationswiderstand von 100 Atm. befördert wird.
Bei der Verdunstung wird Dampf von höherer auf niederere
Spannung gebracht, also ausgedehnt. Die Arbeit, die dabei geleistet
w^erden kann (und ebenso die bei dem umgekehrten Vorgang, bei
der Kompression, aufzuwendende Arbeit) ist für 1 Mol, also bei
Wasser für 18 g:
1,985 . T • In— cal. (Nernst, S. 54),
Pi
wobei T die absolute Temperatur, p den Anfangs- und pi den End-
632 0- I^enuer,
druck des Dampfes bedeutet. Für t = 20" C, p = 17,54 mm, pi —
16,28 mm berechnet sich der Arbeitswert zu 2,42 cal, für Vis Mol
oder für 1 g-.
Die beiden verglichenen Potentialdifferenzen stellen also tat-
sächlich den gleichen Energiewert dar. Im Grunde beruht ja die
Berechnung des osmotischen Drucks aus der Dampfdruckerniedri-
gung auf nichts anderem als der nach thermodynamischon Prinzipien
gemachten Annahme der Gleichheit der beiden Arbeitsgrößen. Die
verschiedene Größe der auftretenden Kräfte, der Druckdifferenzen,
hängt mit der verschiedenen Dichte des Wassers in den beiden
Aggregatzuständen zusammen. Der Dampfdruckunterschied in unse-
rem Beispiel ist 1,26 mm Hg; die Differenz der hj^drostatischeu
Drucke ist 100 Atm. oder 76 000 mm Hg; das Verhältnis zwischen
beiden Differenzen ist 60 300. 1 c])m Wasserdampf von 17,54 mm
Hg Druck wiegt 17,3 g, 1 cbiii von 16,28 mm Hg Druck wiegt
16 g; das Gewicht eines Kul>ikmeters von mittlerem Druck ist
16,65 g oder 0,01665 kg; 1 cbm Wasser wiegt 1000 kg; das Ver-
hältnis zwischen beiden Gewichten ist 60100.
Wenn das Wasser als zusammenhängende Säule gehoben oder
gegen einen hohen IleibungsA\iderstand bewegt wird, so daß es in
Zugspannung gerät, geht an der Dampfspannkraft so viel Arbeits-
fähigkeit verloren, als bei der Hebung und Filtration Arbeit geleistet
wird. Im Fall eines statischen Gleichgewichts, etwa bei einer
negativen Spannung des Wassers von 100 Atm. und einer relativen
Luftfeuchtigkeit von 92,8 °/o (bei 20° C) ist das ganze Potential
des Dauipf drucks verschwunden, in ein gleichwertiges hydrostatisches
Potential umgewandelt. Das Wasser hat oben die Überlegenheit
des Dampfdrucks gegenüber der nicht gesättigten Atmosphäre ganz
eingebüßt und dafür potentielle Energie gewonnen, die für das
oberste Gramm den Wert von 1033 Metergramm darstellt.
Für die Betrachtung eines d3^namischen Gleichgewichts, wobei
Verdunstung stattfindet, nehmen wir an, daß die Luftfeuchtigkeit
80 "/o beträgt. Bei 20" ist dann die Dampfdruckdifferenz zwischen
Wasser und Luft 17,54 — 14,03 = 3,51 mm Hg. Wenn das Wasser
aus einer Schale oder von einer vollkommen turgeszenten Zelle
verdunstet, wird diese ganze Dampfdruckdifferenz bei der Verdun-
stung wirksam. Muß aber das Wasser in einer Askenasyschen
Röhre oder in einer Pflanze gegen einen Zug von 100 Atm. für
die Verdunstung nachgeschoben werden, so wird ein Teil der
Potentialdifferenz zwischen Wasser und Luft für die Schaffung
Theoretisches und Experimeulelles zur Kohäsionstheorie der Wasserheweguii^. 633
eines hydrostatischen Potentials verbraucht. Einem neg'ativen Druck
von 100 Atm. entspricht bei 20° eine Dampfdruckclifferenz von
17,54 — 16,28 = 1,26 mm Hg;. Um ebensoviel wird die ursprüng-
liche Dampfdruckdifferenz vermindert, sie sinkt von 3,51 mm auf
16,28 — 14,03 = 2,25 mm Hg. Dieser Rest des Dampfspannungs-
uuterschieds bleibt allein für Verdunstung- verfügbar.
Allgemein wird von dem primären Potential, das in der Dampf-
druckdifferenz zwischen Wasser und Atmosphäre gegeben ist, ein
um so gi'ößerer Teil in «ine dem flüssigen Wasser gegenüber wirk-
same Form gebracht, je größer der beim Wassernachschub zu über-
windende Widerstand ist. Bei der Pflanze ist das Mittel zur Um-
formung des Potentials die quellbare Zellmembran, die wohl für
Wasser, aber nicht für Wasserdampf (und Luft) durchlässig ist.
Ein Ungleichgewicht zwischen den Dampfdrucken an der Oberfläche
der Membran und in der Atmosphäre wird durch Entquellung der
Membran so weit vermindert, bis ein dynamisches (jleichgewicht
hergestellt ist. Dabei ist zunächst in der submaximal gequollenen
Membran ein Potential der Quellungsenergie geschaffen. Mit der
Membran setzt sich die Vakuole der lebenden Zelle ins Gleichgewicht,
wol)ei ein osmotisches Potential entsteht. Mit der submaximal turges-
zenten Parenchymzelle setzt sich das Gefäßwasser ins Gleichgewicht,
wobei ein hydrostatisches Potential erzeugt wird. Die in der Pflanze
in die Erscheinung tretende Zugkraft ändert bei den Umwandlungen
des Potentials, vom Gefälle abgesehen, ihre Größe nicht, weil sie
dauernd auf flüssiges Wasser zu wirken hat. Erst in der letzten
Form wird das Potential auf weite Strecken hin wirksam, wie die
Pflanze es nötig hat. Ein Potential der Imbibitionsenergie arbeitet
im quellbaren Körper selber auf weite Strecken viel zu langsam,
wegen der riesigen Widerstände für die Wasserbewegung. Ein
osmotisches Potential im Parenchymgewebe ist schon leistungsfähiger,
aber auch noch nicht leistungsfähig genug. Erst ein hydrostatisches
Potential von derselben Größe wie das Imbibitions- und das osmo-
tische Potential erzwingt in zusammenhängenden Wassersäulen
gegen die Schwerkraft und gegen die Widerstände der seitlichen
Reibung und der — nicht sehr zahlreichen — zu passierenden Wan-
dungen eine Wasserverschiebung von der nötigen Geschwindigkeit.
Bei niedrigen Pflanzen ist der Aufwand von Arbeit bei der
Beförderung des Wassers von der Wurzel zu den Blättern wahr-
scheinlich gering gegenüber der Arbeit, die bei der Aufnahme des
Wassers aus dem Boden geleistet wird, und selbst bei hohen
ß34 ^- Kenner,
Bäumen ist die Arbeit beim Wassererwerb sicher noch immer be-
trächtlich neben der Hebungsarbeit. Auch die Wasseraufnahme muß,
wenn Wurzeldruck fehlt, durch die Saugung der Blätter bewirkt
werden. Die Kohäsion des Wassers im leitenden Gewebekörper
erlaubt, das durch die Imbibitionsenergie der transpirierenden Mem-
branen geschaffene Potential mit verhältnismäßig geringem Verlust
auf die Wurzel zu tibertragen, die Wurzel arbeitsfähig zu machen.
Imbibition ist, wie schon Sachs erkannt hat, die treibende
(genauer ziehende) Kraft bei der Wasserbewegung. Insofern bleibt
seine Imbibitionstheorie noch heute bestehen. Daß die Pflanze
das Imbibitions-Potential mit Hilfe der kohärenten Wasserfäden
umzuformen und damit erst leistungsfällig zu machen vermag, diese
Einsicht ist das Verdienst der Kohäsionshy])Othese. Es soll aber
nicht vergessen werden, daß die Kohäsionstheorie nichts als eine
umgeformte und damit leistungsfähigere Imbibitionstheorie ist. In
der Dixon sehen Darstellung der Kohäsionstheorie ist die Ein-
schaltung des osmotischen Systems der Parenchymzelle zwischen
trausi)irierender Membran und Gefäßwasser in ihrer Wirkung nicht
ganz scharf erfaßt; die hier nötigen Korrekturen waren im An-
schluß an Pfeffers Überlegungen auszuführen, und die sich hier-
aus ergebende Wichtigkeit des auch ex])erimentell til)erall gefundenen
Sättigungsdefizits in allen transpirierenden Geweben habe ich seit
1911 verfochten.
5. Der Energieumsatz bei Transpiration und Wasserhebung.
Dixon hat zu berechnen vei'sucht (Progr. S. 60), welches der
Energie vei'bi'auch ist, wenn die Wassei'hebung ebenso wie die
Transpiration durch die Wärme der umgebenden Atmosphäre be-
stritten wird. Daß die Energiequelle ftir die bei der Verdunstung
geleistete Arbeit die Wärme der Atmosphäre ist, bezweifelt ja
niemand. Aber für die Wasserhebung nimmt nur die Kohäsions-
theorie dieselbe Energiequelle in Anspruch, während die vita-
listischen Theorien hierfür die Blutungskräfte der lebenden Zellen
heranziehen.
Dixon meint, wenn Wasser gehoben werde, dann werde in
der Verdunstung so viel Arbeit (Wärme) gespart, als die Hebung
Arbeit erfordere. Wenn zur Hebung des Transpirationsstroms lun
10 m im Baum 2 Atm. nötig sind, so macht das bei einem 100 m
hohen Baum für 1 g Wasser 200 Metergramm oder weniger als
Theoretisches und Experimentelles zur Kohäsionstheorie der Wasserbewegung. 635
0,5 eal. Die Verdanipfiing:s\värme von 1 g- Wasser ist 584 cal.
Die Hebung- erfordert ungefähr den tausendsten Teil der zur Ver-
dunstung nötigen Energie, folglich soll bei der Hebung auf 100 m
*/iooo weniger transpiriert werden, als wenn keine Hebung statt-
findet. Bei höheren Widerständen wäre das Verhältnis ein etwas
anderes, aber immer würde der gesamte Energieumsatz mit Hebung
ebenso groß ausfallen wie ohne Hebung.
Diese Betrachtung ist gar zu summarisch und führt zu einem
unrichtigen Ergebnis.
Für eine exakte Erörterung müssen wir zwei Fälle auseinander-
halten. 1. Ein Wärmezufluß aus der Atmosphäre in die Pflanze
wird erzwungen nur durch das Dampfdruckpotential. Das geschieht
im Dunkeln, wo die Pflanze sich unter die Temperatur der Luft
abkühlt, vorausgesetzt, daß die Atmungswärme vernachlässigt
werden darf. Wenn die Pflanze durch Änderung des eigenen
Dampfdrucks das primäre Energiepotential zu verändern vermag,
wird auch die thermische Potentialdifferenz zwischen Pflanze und
Atmosphäre verändert. 2. Der Pflanze fließt aus der Atmosphäre
dauernd strahlende Energie zu in einer Menge, mit der die Pflanze
sich abfinden muß, ohne die Möglichkeit, durch eine Zustands-
änderung dieses Energiepotential zu verändern. Das geschieht im
Licht, vor allem im direkten Sonnenlicht.
Bei 20" und 80 ^o Luftfeuchtigkeit wird im Dunkeln die Ver-
dunstung beherrscht durch die Dampf druckdifferenz^) 17,54 — 0,8«
17,54 = 17,54 — 14,03 = .3,51 mm Hg. Wird nun das Wasser auf
1033 m gehoben oder stellt sich an der Oberfläche der Pflanze in-
folge schlechter Wasserversorgung ein negativer Druck von 100 Atm.
her, so wird der Dampfdruck in den Interzellularen von 100 "/o
auf ungefähr 93°/o vermindert, von 17,54 auf 16,28 mm (vgl. oben
S. 622). Die Transpiration ist jetzt beherrscht durch die Differenz
16,28 — 14,03 = 2,25 mm. Statt 3,51 g werden also nur 2,25 g tran-
spiriert, es werden somit 1,26 g (oder 36*^/0) gespart. Dafür müssen
aber die 2,25 g gegen einen Zug von 100 Atm. gehoben werden.
Die bei der Hebung geleistete Arbeit ist 2,25 • 1033 = 2324 Meter-
1) Genauer durch ein von dieser Differenz und vom Bewegungszustand der Luft
abhängiges Gefälle des Dampfdrucks. Wir müssen natürlich für die folgenden Be-
trachtungen den Bewegungszustand der Luft als konstant annehmen und können dann für
Vergleichszwecke die Entfernung zwischen den Punkten größter und kleinster Spannung
als konstant vernachlässigen, also das Gefälle ersetzen durch die Differenz. Vgl. dazu
Renner, 1910.
ß36 ^' I^enner,
g-ramm oder 5,47 Kalorien. Die bei der Transpiration eingesparte
Arbeit beträgt aber 1,26 • 584 ^ 736 Kalorien. Der gesamte
Energieverbranch ist demnach bei hoher negativer Spannnng; ge-
ringer als bei voller Turgeszenz; zwischen der Euergieersparnis
bei der Transpiration und dem Energieaufwand bei der Hebung
besteht keine Beziehung.
Die Berechnung ist noch nicht ganz genau, weil die Tempe-
ratur des transpirierenden Blattes nicht berücksichtigt ist. Der
Wärmezustrom aus der Atmosphäre, der die Verdunstung unter-
hält, wird dadurch erzwungen, daß das Blatt sich unter die Tempe-
i'atur der Umgebung abkühlt. Wird nun die Transpiration infolge
der Dampfdruckerniedrig:ung vermindert, so steigt die Temperatur
des Blattes und damit auch die Dampfspannung. Die Ersparnis
an verdunstetem Wasser fällt also etwas geringer aus als oben
berechnet. Aber das Verhältnis zwischen der bei der Transpiration
ersparten und der bei der Hebung aufgewendeten Arbeit wird nicht
wesentlich verändert.
Im zweiten Fall, bei kräftiger Bestrahlung der Pflanze, dürfen
die Temperaturverhältnisse nicht außer acht gelassen werden^).
Die auf 1 während wir sie bei 20" zu
7,2 "/j gefunden haben.
2) Ein osmotischer Druck von 50 Atm. drückt bei 20" die Dampfspannung von
17,54 auf 16,87 mm, also um 3,8 "/o herab.
Theoretisches und Experimentelles zur Kohäsionstlieoric der AVasserbewegung. 641
Experimentelle Daten, die wir hier heranziehen können, hat vor
allem Livingston^) beigebracht. Er findet in einer größeren
Versuchsreihe die Verminderung der relativen Transpiration, (d. h.
des Verhältnisses zwischen der Transpiration einer Pflanze und
der Verdunstung eines Evaporimeters), wie sie an warmen, trockenen
Tagen gegen Mittag sich einstellt, im Durchschnitt zu 49 ''/o. Bei
E. B. Shreve findet an beblätterten Zweigen gar eine Erniedri-
gung der relativen Transpiration im Mittel von 227 auf 78 statt
(S. 36), die Verminderung beträgt also 66 °/o. Wie viel von dieser
Verringerung auf Engerwerden der Spaltöffnungen zurückzuführen
ist, läßt sich noch nicht sicher entscheiden. Daß aber bei Blättern
mit ausgiebiger stomatärer Transpiration die regulierende Tätigkeit
der Spaltöffnungen an der Herabdrückung der relativen Transpi-
ration einen wesentlichen Anteil hat, scheint mir zweifellos, im
Gegensatz zu Livingston-). Shreve hat nämlich die Verände-
rung der Spaltweite gleichzeitig mit dem Gang der relativen Tran-
spiration beobachtet und, wenigstens vormittags, eine recht nahe
Übereinstimmung gefunden (vgl. S. 40, Exp. XIV, XVI). Die Be-
rechnung der Diffusionskapazität einer Spaltöffnung ist sehr un-
sicher^), schon die Messung der mittleren Spaltweite mühsam*),
1) 1906, S. 42; 1912, S. 311.
2) Livingston u. Brown, 1912, S. 311. — Livingston vertritt, ebenso wie
Shreve, augenscheinlich den Standpunkt von Lloyd (1908), daß die Spaltöffnungen die
Transpiration nicht zu regulieren vermögen. Ich habe die Schlüsse von Lloyd mit aus-
führlicher Begründung abgelehnt (1910), und Experimente von Darwin und Pertz
haben dasselbe Ergebnis gehabt (1911, S. 141) wie die meinigen. Lloyd hat jetzt
seinen Standpunkt von Grund aus geändert (1912, 1913), ohne sich aber mit mir aus-
einander zu setzen und ohne zuzugeben, daß er seine frühere Auffassung verlassen hat.
Während er früher bewiesen zu haben glaubte, daß die Transpiration durch die Sto-
mata nicht reguliert wird, sagt er jetzt, der Wassergehalt werde durch die Spalt-
öffnungen nicht konstant erhalten. Das letztere scheint mir durch seine Versuche be-
wiesen. Aber daß seine frühere Auffassung irrtümlich war, halte ich fest. Der Fehler
wäre dadurch zu vermeiden gewesen, daß Lloyd nach Livingstons Vorgang die rela-
tive Transpiration bestimmt hätte, nicht nur die absolute. L"nd wenn Lloyd selber
das eingesehen haben .sollte, so zeigen doch die Arbeiten von Livingston und besonders
von Shreve (S. 44), daß die betreffenden Autoren noch in dem Lloydschen Irrtum von
1908 befangen sind. Es wäre sehr zu wünschen, daß über einen außerordentlich ein-
fachen Gegenstand, der in jeder Anfängervorlesung behandelt wird, durch offene Diskussion
endgültige Einigung hergestellt würde.
3) Vgl. Renner 1910.
4) Auch die von Darwin und Pertz angegebene Porometermethode, deren Prinzip
von den Autoren noch gar nicht analysiert worden ist, verlangt eine sehr kritische
Handhabung.
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI. 41
642
0. Eenner,
und die aus den linearen Dimensionen des Porus abgeleiteten Ver-
hältniswerte für die Diffusionskapazität sind deshalb nicht als ganz
zuverlässig zu betrachten. In der folgenden Tabelle sind nach
den Zahlen von Shreve (S. 41, 42) die Verhältniswerte der
Spaltweiten und der zugehörigen relativen Transpirationsgrößen
nebeneinander gestellt. Die Übereinstimmung ist, abgesehen von
dem Ende des Versuchs XVI, gar nicht schlecht. Und wenn auch,
wie gesagt, auf die Zahlen kein fester Verlaß ist, so ist es
doch äußerst wahrscheinlich, daß die Veränderung der Spaltweite
wenigstens mit eine Ursache der Veränderung der relativen
Transpiration ist.
Spalt-
relative
Verhältnis
weite
Transpiration
der der relativen
Spaltweite Transpiration
Exp. XIV
3,6
0,181
100
100
1,6
0,079
44
43
1
2,2
0,124
61
68
4,4
0,302
100
100
Exp. XVI
2,5
3,1
0,205
0,215
57
70
67
70
3,3
0,108
75
38!
Nach Shreve zeigen aber auch blattlose Zweige, deren Spalt-
öffnungen immer geschlossen sein sollen (S. 41), den normalen
Gang der relativen Transpiration. Das Maximum der relativen
Transpiration (Mittel aus zwei Versuchen, S. 36) ist 0,155, das
Minimum 0,069. die Herabdrückung also 56 "/o. Das wäre ohne
Mitwirkung der Stomata derselbe Erfolg, wie in dem oben zitierten
Experiment XIV, wo die Verminderung 57°/o beträgt. Nun ist
bei einem Blatt mit offnen Spalten immerhin auch noch eine kuti-
kuläre Transpiration da, und wenn am selben Blatt die stomatäre
Komponente durch die Schließzellen und die kutikuläre auf eine
gleich zu untersuchende Weise annähernd im selben Verhältnis
herabgedrückt werden, dann ist der Gang der relativen Transpira-
tion mit und ohne Spaltöffnungen derselbe.
Bei den blattlosen Zweigen müssen wir jedenfalls zu der
Deutung greifen, die Livingston überall anwenden möchte.
Livingston schließt: die Spaltöffnungen sind es nicht, die die
relative Transpiration herabdrücken: Konzentrationen, die den
Theoretisches und Experimentelles zur Kohäsionstheorie der Wasserbewegung. 643
Dampfdruck um 49 ^/o eruieclrig-en, gibt es auch nicht ; folglich muß
ein anderes Moment wirksam sein. Und dieses findet er in einem
leichten Austrocknen der Membranen^). Daß es allein die Zell-
wände sind, die von ihrem Quellungswasser verlieren, ist sehr
unwahrscheinlich. Die Verminderung des Wassergehalts, die im
Laufe des Tages mit zunehmender Evaporation sich an den tran-
spirierenden Organen allgemein einstellt^), betrifft also sicher auch
die Zellräume und führt ja tatsächlich an sehr warmen trockenen
Tagen nicht selten zu vorübergehendem deutlichem Welken. Eine
Zunahme des Sättigungsdefizits bezw. der Turgorsenkung mit der
Zunahme des Wasserverbrauchs ist auch im Interesse des Wasser-
ersatzes unvermeidlich, weil erst das Sättigungsdefizit die Saug-
kraft liefert.
Solange wir annehmen, daß der Quellungszustand der ganzen
Zellwand mit dem Dampfdruck des Zellsaftes im Gleichgewicht sei,
können wir eine Verminderung der relativen Transpii^ation um
50 "/o oder mehr unter den Bedingungen der Versuche nicht et-
klären, auch nicht bei vollem Welken. In den hier allein ver-
wertbaren Experimenten von Shreve mit blattlosen Zweigen war
kein sichtbares Welken erreicht, der osmotische Druck betrug
sicher nicht mehr als 100 Atm., die Erniedrigung der Dampf-
tension im Zellsaft behef sich also höchstens auf wenige Prozent.
Die Transpiration hätte dadurch um nicht viel mehr Prozent ver-
mindert sein können, weil die relative Feuchtigkeit der Luft zu
nur 10 "^/o registriert ist.
Die bisher gemachte Annahme über die Imbibition der Mem-
bran gilt aber streng nur für solche Zustände, in denen die ZeU-
haut im statischen Gleichgewicht mit der Atmosphäre sich befindet,
also keine Transpiration statthat. Sobald die Zelle Wasser abgibt,
muß innerhalb der ZeUwand ein Potential vorhanden sein, das das
Wasser mit ausreichender Geschwindigkeit durch die Membran
treibt. Die Zellhaut darf also nicht auf ihrer ganzen Dicke gleich-
mäßig imbibiert sein. Nur in der innersten Schicht hat die Zell-
wand den Dampfdruck des Zellsaftes, nach außen nimmt die
Dampfspannung ab. Das Gefälle der Wassersättigimg muß um so
1) „iucipient drying" bei Livingston und Brown, 1912, S. 311, 314;
Livingston, 1913, S. 172; vorher von Livingston (1911b, S. 419) „incipient wil-
ting" genannt. Noch früher habe ich (1910, S. 516) von Austrocknen der Wände bei
beginnendem Welken gesprochen.
2) Livingston u. Brown, 1912; Lloyd 1912, 1913; Shreve 1914.
41*
g44 0. Renner,
steiler sein, je rascher das Wasser durch die Membran filtriert
und je größer der Filtrationswiderstaud der Membran ist.
Am wirksamsten wird dieser Faktor deshalb bei kutikulari-
sierten Zellhäuten. Grewöhnliche Epidermen transpirieren merkbar,
auch wenn ihnen Spaltöffnungen ganz abgehen, die Kutikula ist
also gequollen, wenn auch wenig. An einem vollkommen turges-
zenten Blatt muß die Kutikula wassergesättigt sein, wenn der ab-
solute Wassergehalt auch gering ist^). Wenn nun Transpiration
einsetzt, muß die Kutikula im ersten Augenblick ebenso stark
transpirieren wie jede andere Zellhaut, weil in ihr der Sättigungs-
druck des Wassers herrscht. Aber schon ein geringer Wasser-
verlust verlangt zu seiner Deckung bei der schwachen Imbibition
und den riesigen Filtrationswiderstäuden ein steiles Druckgefälle
in der Außenwand. Die Zelle kann deshalb fast maximalen Turgor
haben, die Dampfspannung an der Oberfläche der Kutikula ist
trotzdem weit erniedrigt. So erklärt sich der gute Transpirations-
schutz, den die Kutikula auch einem wohl turgeszenten, etwa ab-
geschnitten in Wasser stehenden Blatt gewährt. Das Dampf-
druckgefälle in der Membi-an hat nur für den Wassertransport
durch die Membrau aufzukommen, in ihrer innersten Schicht kann
die Außenwand reichlich imbibiert sein.
Bei bewurzelten Pflanzen wird aber der Turgor im transpi-
rierenden Parenchym immer beträchtlich gesenkt, um den Wasser-
strom bis zu den verdunstenden Zellhäuten zu unterhalten. Die
innerste Schicht der Epidermisaußenwand ist jetzt mit der nicht
mehr voll turgeszenten Zelle im Gleichgewicht, das Sättigungs-
gefälle in der Membran beginnt also schon an einem tieferen
Punkt. Der Filtrationswiderstand der ganzen Wand ist außerdem
durch die Entquellung erhöht, das Gefälle in der Wand muß also
auch noch steiler werden als an der turgeszenten Zelle. So nimmt
der Dampfdruck an der Oberfläche der Kutikula mit zunehmender
evaporierender Kraft der Atmosphäre immer mehr ab, und damit
die relative Transpiration.
Was für Zellen mit kutikularisierten Außenwänden ohne
weiteres einleuchtet, daß an der Oberfläche die Dampfspannung
weit unter die des Zellsaftes sinken kann, das könnte nun, wenn
schon in geringerem Maß, auch für die gewöhnlichen Zellulose-
wände des Parenchj^ms gelten, an denen die „innere Transpiration"
1) Vgl. dazu Living-ston, 1913, S. 168.
Theoretisches und Experimentellps zur Kohäsionstheorie der Wasserhewegung. 645
in die Interzellularen stattfindet. Eine Druckdifferenz von einer
Höhe, die im äußersten Fall dem osmotischen Druck des Zellsaftes
entspricht, besorgt aber den Transport des Wassers durch das
Parenchym der Wurzel, durch die Gefäße zu den Blättern und
hier wieder durch einige Parenchymschichten bis zu den Inter-
zellularen, und dabei filtriert das Wasser durch zahlreiche Zell-
wände. Vorausgesetzt, daß die Beschaffenheit der an die Inter-
zellularen grenzenden Wände dieselbe ist wie im übrigen Parenchym,
genügt also eine sehr geringe Druckdifferenz, um das Wasser
zu guter Letzt durch die letzte Zellulosehaut in den Interzellular-
raum zu treiben; die betreffende Membran wird folglich außen
ziemlich ebenso stark iml)ibiert sein wie innen. Demnach ist
es recht fraglich, ob ein „beginnendes Austrocknen" im Sinne
Livingstons, nach unseren Festsetzungen eine Senkung der Im-
bibition unter das Gleichgewicht mit dem Zellsaft, auch an den
die Interzellularen begrenzenden Zellwänden eintreten kann; und
an diese scheint Livingston vorzugsweise zu denken^).
Es dürfte jetzt auch klar geworden sein, daß Livingstons
beginnendes Austrocknen nicht, wie er tut-), mit meinem Sätti-
gungsdefizit ^) gleich zu setzen ist. Das Sättigungsdefizit ent-
spricht der Turgorsenkung und liefert das Energiepotential für
die Wasserversorgung bis zu den oberflächlichen Membranen hin;
die dadurch bedingte Dampfdruckerniedrigung kann im äußersten
Fall dem osmotischen Druck des Zellsafts entsprechen. Das be-
ginnende Austrocknen liefert, soweit es über das Gleichgewicht
mit dem Zellsaft hinausgeht, das Energiepotential für die Wasser-
filtration durch die oberflächlichen Wände und ist mit Sicherheit
bis jetzt nur von der Epidermis bekannt.
Alles in allem müssen wir sagen: durch die Potentialgefälle
in den transpirierenden ZeUwänden, deren Größe wir noch nicht
kennen, werden die Dampfdruckverhältnisse so kompliziert, daß
wir über die Wirkung hoher Zellsaftkonzentrationen auf die Tran-
spiration keine zahlenmäßigen Angaben machen können. Das
Minimum der Wirkung bei vollem Welken, entsprechend der Dampf-
druckerniedrigung im Zellsaft (was aber keineswegs proportionale
1) Ebenso meint Fitting (S. 260): „Namentlich die sog. innere Transpiration
dürfte auf einen sehr niedrigen Betrag dadurch (nämlich durch hohe Zellsaftkonzentra-
tion) herabgedrückt sein.
2) 1913, S. 172.
3) Vgl. oben S. 625.
g46 ^- Kenner,
Verminderung der Transpiration bedeutet, sondern meistens be-
trächtlichere), kennen wir. Wie aber der Dampfdruck an der
Oberfläche der verdunstenden Zellwäude bei starker Transpiration
dadurch beeinflußt wird, können wir nicht schätzen.
Natürlich kann die relative Transpiration (man sollte Tran-
spii^ation nie mehr ohne gleichzeitige Messung der Evaporation
bestimmen), außer durch Spaltenverengerung und durch primäre
Dampfdruckerniedrigung in der Membran, auch durch Verände-
rungen in den Eigenschaften des Plasmas hervorgerufen werden^).
Davon wissen wir aber noch nichts, und die für die Transpiration
unmittelbar maßgebende Folge solcher Veränderungen wäre immer
letzten Endes eine Veränderung des Dampfdrucks in der Membran.
Wir können jetzt vielleicht auch dem Problem der starken
Schleimbildung bei Xerophyten eine neue Ansicht abgewinnen.
Verschleimte Epidermis z. B. ist viel häufiger als man im allge-
meinen annimmt'-). Neger sagt darüber (S. 156): „Kolloide Sub-
stanzen (Schleim usw.) geben in flüssigem Zustand üir Wasser nur
langsam ab. Demnach kann es keinem Zweifel unterliegen, daß
der in den Oberhautzellen vieler Pflanzen vorkommende Schleim
die Wasserabgabe einschränkt." Älit solchen „zweifellosen" Fest-
stellungen tut sich die Ökologie, wie wir sie bis jetzt haben, noch
immer viel zu leicht. Sie begnügt sich oft, anstatt zu wissen, mit
einem Meinen, das bald zu einem durch keinen Zweifel getrübten
Glauben wird. Aus diesem Zustand kann die Ökologie nur her-
auskommen, wenn sie sich ans Rechnen gewöhnt, denn in solchen
Dingen ist ein Wissen erst da, wo Zahlen sind. Oerade in der
Ökologie sind ja die quantitativen Verhältnisse alles, noch mehr
als in der unangewandten Ph^^siologie.
Kolloide in flüssigem Zustand, also kolloidale Lösungen,
geben ihr Wasser ab entsprechend ihrem Dampfdruck, und der
ist wenig erniedrigt. Aber der Schleim liegt ja nicht an der
Oberfläche, sondern im Innern der Zelle, und kann in dem kom-
plizierten System der l)ewurzelten Pflanze ganz andere Wirkungen
haben als in einer Glasschale.
1) Vgl. Livingston und Brown, S. 317.
2) Viele Beispiele z. B. bei Soler eder, Systematische Anatomie der Dikotyle-
donen, 1899. Aus meiner Assistentenzeit bei Pi'of. Radlkofer ist mir bekannt, daß
verschleimte Epidermis bei tropischen Sapindaceen außerordentliche Verbreitung hat,
desgleichen bei Moraceen; vgl. Eenner, Beiträge zur Anatomie und Systematik der
Artocarpeen und Conocephaleen, Englers Jahrb., 1906, Bd. 39, S. 324.
Theoretisches und Experinientiiles zur Koliäsionstheorie der Wasserbew eguiig. 647
In einer Epidermiszelle, deren Innenwand verschleimt ist, be-
wegt sich bei hoher Turgeszenz das Transpirationswasser ver-
hältnismäßig leicht durch die stark imbibierte Schleimmembran.
Wird die Zelle welk, so verliert die Schleim membran von ihrem
Wasser verhältnismäßig mehr als die anderen Teile der Wandung,
eben wegen ihrer hohen Quellbarkeit. In diesem Zustand wirkt
die Schleimauflage der Innenwand wie eine kräftige Verdickung;
als solche stellt sie sich ja z. B. in Alkohol auch dar. Schon
innerhalb dieser Wand ist eine gewisse Druckabnahme nötig, um
das Wasser mit der nötigen Geschwindigkeit nach außen zu be-
fördern. Die Epidermis wird also stärker welk als es einer nicht
verschleimten Oberhaut in Berührung mit Parenchym von einem
gewissen Turgeszenzgrad begegnen würde, und das führt zu einer
Verminderung der kutikularen Transpiration (vgl. S. 644). Eine
dicke, nicht verschleimte Epidermisinnenwand wirkt im selben
Sinn, doch dauernd, nicht wie die verschleimte nur bei schwie-
riger Wasserbeschaffung. Bei Zellen mit Schleim im Zellsaft wird
das Welken ähnliche Folgen haben, Erhöhung des Filtrations-
widerstaudes^). Bei der Wasserversorgung ist eben alles Dynamik,
nichts Statik.
Diese Betrachtungen sind aber erst physiologische Orientie-
rung, noch keine Ökologie. Für die Ökologie ist das Ausmaß der
Wirkung ausschlaggebend, in unserem Fall der Umstand, ob die
Wasserersparnis eine praktisch ins Gewicht fallende Größe erreicht.
Darüber wissen wir gar nichts, wir können nicht einmal annähernd
schätzen, und deshalb müssen wir uns zu dem Geständnis be-
quemen, daß die ökologische Bedeutung der Schleimbildung noch
unbekannt ist.
II. Messung der Kohäsion des Wassers mit Hilfe des Rings am
Farnsporangium.
Für die Kohäsionstheorie der Wasserbewegung ist es natürlich
von großer Bedeutung, welche Zerreißungsfestigkeit das in den
Leitbahneu eingeschlossene Wasser hat. In der botanischen Literatur
wird diese Festigkeit des Wassers nach dem Vorgang von Dixon
allgemein als Kohäsion bezeichnet. Physikalisch scheint der Begriff
1) Bei meiner Darstellung der Xerophyten (1914b, S. 674) war ich auf diesen
Punkt noch nicht aufmerksam geworden.
ß48 ^- I^enner,
Kohäsion ganz mangelhaft definiert zu sein. Er wird bald gieich-
bedeutend mit Binnendruck gebraucht, bald ungefähr im gleichen
Sinn wie Oberflächenspannung^). So ist es begreiflich, daß viele
Autoren den Ausdruck Kohäsion auf Flüssigkeiten überhaupt
nicht anwenden^). Wir Botaniker können aber, eben weil der Be-
griff nicht scharf umgrenzt ist, dem Schlagwort Kohäsionstheorie
zuliebe bei dem Terminus bleiben, mindestens so lange wir nicht
wissen, was eigentlich geschieht, wenn in einer wassererfüllten
Pflanzenzelle eine Gas- oder Pampfblase auftritt und den Zusammen-
hang der Wasserfüllung aufhebt. Es sind ja mindestens vier Möglich-
keiten ins Auge zufassen. Der Riß kann auftreten : 1. im Innern
der Wasserfüllung a) infolge Überwindung der Zugfestigkeit (des
Binnendrucks) des Wassers, b) infolge Ausscheidung eines vorher
gelöst gewesenen Gases; 2. zwischen Wasser und Wand a) infolge
Überwindung der Adhäsion des Wassers an der Wand, b) infolge
Eindringens von Luft durch die Wand.
Die von verschiedeneu Autoren und mit Hilfe verschiedener
Methoden am Wasser experimentell bestimmten Werte für die Ko-
häsion weichen weit voneinander ab. Jul. Meyer hat bei anschei-
nend sehr exakten Versuchen mit seinen „Flüssigkeitstonometern"
im besten Fall 34 Atm. gefunden. Dixon dagegen will mit einer
ganz ähnlichen Methode-') auf 158 Atm. (1909 b, S. 42) und neuer-
dings gar auf 207 Atm. gekommen sein (1914, S. 233); die Berechnung
der Druckwerte ist aber sehr umständlich und eine anschauliche
Vorstellung von der Höhe der auftretenden Spannungen geben die
Experimente deshalb nicht. Die viel durchsichtigeren Resultate
von Meyer lassen die Festigkeit des Wassers geringer erscheinen,
als daß die Kohäsionstheorie sich damit begnügen könnte, denn falls
die in Pflanzen vorkommenden osmotischen Drucke von 100 Atm.
für die Wasserversorgung voll ausgenutzt werden sollen, muß die
Kohäsion des Wassers mindestens diesen Wert von 100 Atm. er-
reichen.
1) Die Tabellen von Landolt-Börn. stein z. B. kennen nur die „spezifische
Kohäsion" (S. 112), die aus der Oberflächenspannung abgeleitet ist.
2) Z. B. Nernst, Jul. Meyer. Ursprung, der den letztgenannten Autor aus-
führlich zitiert, setzt den Ausdruck Kohäsion ein, wo Meyer von dem erreichten negativen
Druck spricht.
3) Nach der Darstellung von Ursprung (S. 397) muß man notwendig annehmen, die
Ablehnung der Berthelotschen Methode richte sich auch gegen D i x on. Daß Dixon diese
Methode viel sorgfältiger handhabt, deutet Ursprung in der Anmerk. 3 nur eben an.
Theoretisches uml Experiiiicntelks zur Kohäsionstheorie der Wasserbeweffung. 649
Gegen die bisher versuchten Bestimmungen samt und sonders
ist der Einwand zu erheben, daß sie mit Gefäßen aus anderem
Material arbeiten als die pflanzlichen Zellwände sind. Einmal kann
die Adhäsion des Wassers an den imbibierten Zellhäuten größer
sein als an Glas. J. Meyer weist mehrfach darauf hin, daß seine
Bestimmungen die eigentliche Zugfestigkeit des Wassers noch gar
nicht treffen. Er sagt z. B. S. 23: „Der Entstehungsort der Blase,
also die Bruchstelle, befand sich, so oft ich die Erscheinung zu
beobachten Gelegenheit hatte, niemals im Inneren der Flüssigkeit
selbst, sondern an der Berührungsstelle Flüssigkeit — Glas"; und
weiter S. 27: „Das Ergebnis dieser 165 Messungen ist also, daß
ein Grenzwert der negativen Drucke, der der Zugfestigkeit der
untersuchten Flüssigkeit entspricht, bisher nicht erreicht werden
konnte.'' Zweitens befinden sich die im Wasser gelösten Gase
unter verschiedenen Bedingungen, je nachdem das Wasser in Glas"
oder in eine Pflanzenzelle eingeschlossen ist. Dei- Punkt ist wichtig,
weil die meisten Autoren betonen, hohe negative Drucke ließen
sich nur mit luftfreien Flüssigkeiten erzielen; Dixon allerdings hat
seine höchsten Werte mit luftgesättigtem Holzsaft erhalten (1914).
Die im Gefäßwasser gelöste Luft kann, wenn das Lösungsvermögen
des Wassers für Luft sicli einmal verringert, durch die Gefäßwand
nach außen diffundieren und braucht sich nicht in der Gefäßzelle
in Gasform auszuscheiden. In einer Glasröhre ist das ganz anders.
Im Askenasyschen Versuch z. B. ist das Wasser nur auf der Quer-
schnittfläche des Gipspfropfens mit der Luft in Berührung, der
Gasaustausch zwischen Atmosphäre und Wasser auf dem Weg der
Diffusion deshalb sehr erschwert. Und in allseits geschlossenen
Glasröhren, wie Dixon und Meyer sie verwenden, besteht gar kein
Verkehr zwischen Wasser und Atmosphäre.
Wir müssen also Wasser beobachten, das im Innern von Pflanzen-
zellen in Zugspannung versetzt wird. Dazu eignen sich am besten
die sogenannten Kohäsionsmechanismen, weil wir hier an einer auf-
fallenden Beweguugsreaktion erkennen, wann der Zusammenhang in
der Wasserfüllung der Zelle aufgehoben wird. Ob dabei der Biß
im Wasser selber oder zwischen Wasser und Zellwand auftritt, ob
also die Kohäsion oder die Adhäsion zuerst überwunden wird, braucht
uns vorerst nicht zu beschäftigen. Das schönste Beispiel eines
Kohäsionsmechanismus ist der Bing (Annulus) am Sporangium der
Polypodiaceen. Bei Wasserverlust werden die dünnen Außenwände
der Bingzellen eingedrückt, die Seitenwände einander genähert,
gQQ 0. Renner,
der g:esamte äußere Umfang- des Auuulus verkleinert, und dadurch
am schwächsten Punkt in der Fortsetzung- des Ringes, am Stomium,
die Sporangienwand aufgerissen^). Bei fortschreitendem Wasser-
verlust wird die vorher konvexe Außenseite des Rings konkav, bis
die Wasserfüllung der Ring-zellen reißt, die Zellen mit einem Ruck
ihre ursprüng-liche Gestalt annehmen, der Außenumfang- des Annulus
seine ursprüngliche Länge wiedergewinnt und damit der ganze Ring
in die Ausgangsstellung zurückschnellt. Es handelt sich nun
bloß darum, die Spannung des Wassers in dem Augenblick zu be-
stimmen, bevor die eingedellte Außenwand sich aus ihrer Zwangs-
lage losreißt und nach außen springt. Während der ganzen De-
formation bis zu diesem Augenblick hat ja das Wasser den Zug
der adhärierenden Membran auszuhalten, und daß das keine geringe
Spannung ist, läßt sich bei der Stärke der Deformation an den
kleinen Wandflächen von vornherein annehmen.
Zur Bestimmung der Spannung stehen zwei Wege offen: 1. die
Ausnutzung der Semipermeabilität der Wände der Annuluszellen,
2. die Ermittlung des Dampfdrucks durch Vergleich.
1. Die Semipermeabilität der Annulusmembranen.
Den wassererfüllten Ring kann man bekanntlich statt durch
Austrocknenlassen auch durch Einlegen in wasserentziehende Mittel
zum Springen bringen, wie es Glyzerin, starker Alkohol und Salz-
lösungen sind. Die Wände der Ringzellen sind also für diese
Flüssigkeiten viel weniger leicht durchdringlich als für Wasser.
Aber sie sind dafür nicht vollkommen undurchlässig. Denn die
Blasen, die in den Ringzellen beim Springen in Luft oder in einer
der Flüssigkeiten aufgetreten sind, verschwinden in den genannten
Flüssigkeiten mit der Zeit; bei Glyzerin dauert das mehrere Tage,
bei Salzlösungen viel kürzere Zeit. Und wenn in verdünntem
Glyzerin oder in Salzlösungen der Annulus sich nur deformiert hat
ohne zu spnngen, so geht die Deformation langsam zurück.
Die Ausnahmestellung, die der Rohrzucker in seinem Verhalten
gegen alle semipermeablen Membranen einnimmt, ließ vermuten,
1) Der Riß läuft bei den mir bekannten Polypodiaceen nur im Stomium
zwiscben den beiden ZeUen, auf den Backen des Sporangiums geht er quer durch
die Zellen durch, ohne sich an die Zellgrenzen zu lialten. Das wird gewölmlicli un-
genau abgebildet.
Theoretisches und Experimentelles zur Kohäsionstheorie der Wasserbewegung. 651
daß er auch durch die Annuluswände nicht eindringt. Tatsächlich
wird in starken Zuckerlösungen die Deformation in vielen Tagen
nicht rückgängig gemacht, und in Luft gesprungene Annuli be-
halten, wenn sie in starke oder schwache (bis zu 10 °/o herunter)
Zuckerlösung eingetragen werden, die Blasen viele Tage lang. Rohr-
zucker dringt also gar nicht ein.
In einer Ilohrzuckerlösung, die 2 Gewichtsteile Zucker auf
1 Teil Wasser, also 5,8 Mole im Liter Wasser, enthielt, deformierten
sich reife Sporangien von Polystichum filix mas, Scolopendrium
off'icinarum und Pteris quadriaurita (Gewächshausnmterial) sehr
stark, ohne aber im allgemeinen zu springen (Fig. 3, 10, 12, 13,
Taf. IX). Nur die Sporangien von Polystichum filix mas var. decorum,
die im Freien schon geöffnet und wohl etwas vermttert waren,
sprangen größtenteils in dieser Lösung. Die Sporangien der ge-
wöhnlichen Form von Filix mas wurden auch in etwas verdünnteren
Lösungen beobachtet, und zwar in solchen, die auf 1 Teil Wasser
1,12 bezw. 1,5 Teile Rohrzucker enthielten. Die Deformation war
hier natürlich beträchtlich schwächer, wie Fig. 1 und 2, Taf. IX
(zu vergleichen mit Fig. 3), zeigen. Sporangien desselben Sorus
verhalten sich, wohl je nach dem Reifezustand, recht verschieden.
Am raschesten und stärksten krümmen sich die Annuli von schon
geöffneten, also ganz reif gewesenen Sporangien. Die noch ge-
schlossenen reißen in den schwächeren Lösungen manchmal gar
nicht auf (Fig. 1) oder sehr spät, also wohl erst wenn die Liisung
unter dem Deckglas durch Verdunstung vom Rand konzentrierter
geworden ist. Der dünnwandige Annulus von Scolopendrium krümmt
sich viel stärker als der der beiden anderen Arten, auch vor dem
Springen in der Luft. Fig. 12, Taf. IX, zeigt einen solchen voll-
kommen zum Ring zusammengebogenen Annulus von Scolopendrium
in der stärksten Zuckerlösung; damit ist Fig. 13, Taf. IX. von Filix
mas zu vergleichen. L"m die Reihe der Stadien voll zu machen,
sind in Fig. 4. Taf. IX noch Sporangien nach dem Springen in
Glyzerin wiedergegeben: sie sind fast geschlossen und der gas-
förmige Inhalt der Ringzellen erscheint dunkel.
In sehr stark deformierten Ringzellen zeigt der Inhalt innerhalb
der konzentrierten Zuckerlösung ein optisches Verhalten, das mit-
unter den Anschein erweckt, als ob schon Gasblasen vorhanden
wären. Bei Zugabe von Wasser schließt sich aber das Sporangium,
ohne daß die „Blasen" sich dehnen, vielmehr zeigen die Zellen
sich vollkommen wassererfüllt. Glyzerin bringt solche Annuli auch
CK 9 0. Eenner,
prompt zum Spring-en, ebenso kann man durcli Drücken aiifs Deck-
glas die Spannung vollends soweit steigern, daß das Wasser reißt.
Weiter unten wird mitzuteilen sein, daß auch Annuli, in denen
schon Blasen aufgetreten sind, unter gewissen Umständen nicht
vollständig zu springen vermögen. Aber bei der gescliilderten Er-
scheinung ist es ganz sicher noch nicht zur Zerreißung des Zell-
wassers gekommen. Andererseits kann der Brechungsindex des
Wassers durch die Zugspannung nicht in merklicher Weise verändert
sein. Mit der Steigerung des positiven Druckes nimmt nämlich
nach Röntgen der Brechungsindex außerordentlich wenig zu, und
nach J. Meyer ist der Dilatationskoeffizient des Wassers gleich
dem Konipressionskoeffizienten. Daß der Zellinhalt dunkel erscheint,
fast (wenn auch nicht ganz) so dunkel wie die Gasblasen in zer-
sprungenen Zellen, hängt also wohl mit der sehr starken Krümmung
der Außenwände zusammen. Der Brechungsindex der dicken
Zuckerlösung ist von dem des Wassers beträchtlich verschieden, es
kann deshalb wohl zu einer totalen Reflexion kommen.
Nach tagelangem Verweilen in der stark deformierenden
konzentriertesten Zuckerlösung (in einem verschlossenen Gläschen,
nicht unter dem Deckglas) führten die Sporangien bei Glyzerin-
zugabe unvollkommene Springbewegungen aus, wobei in den Ring-
zellen zweifellose Blasen sichtbar wurden. Die Annuli blieben aber
auf der Außenseite stark konkav, die Wände waren nicht imstande
sich vollständig auszufüllen, wohl infolge von Überdehnung (vgl.
unten S. 658).
Die Deformation des Anuulus kommt zum Stillstand, wenn
der Dampfdruck im Füllwasser der Riugzellen gleich der Dampf-
tension der Lösung geworden ist. Der Dampfdruck des Füllwassers
kann von vornherein erniedrigt sein durcli gelöste Stoffe, und bei
der Deformation steigt die Konzentration der Lösung, wenn eine
solche vorhanden ist. Wir müssen also fürs erste erfahren, welcher
osmotische Druck in den Zellen im Zustand starker, schon nahe
ans Springen hinreichender Deformation herrscht. Bei sehr hohem
osmotischem Druck im Innern ist mit wasserentziehenden Mitteln
nicht einmal eine schwache Deformation zu erreichen; Sporangien,
die in 70proz. Alkohol gelegen haben, ändern in absolutem Alkohol
und in Glyzerin ihre Form gar nicht.
Lebend waren von den verwendeten Sporangien nur die von
Pteris quadriaurita zur Hand. Im reifen, zum Springen bereiten
Annulus enthalten die Zellen noch einen lebenden Plasmabelag,
Theoretisches und Experimentelles zur Kobäsionstheorie der Wasserbewegung. 653
der auf der Innenwand am stärksten ist; hier liegt auch der Zell-
kern. Der osmotische Druck des Zellsaftes läßt sich natürlich mit
Zucker nicht bestimmen, weil dieser nicht durch die Zellwand bis
zum Protoplasten permeiert. Eine Mollösung- von Kalisalpeter
plasmolj^siert die Zellen kräftig. Die Substanzen des Zellsaftes
oder ein Teil davon könnten auch in der toten Zelle von der Wand
festgehalten werden, wie die Wand dem Zucker den Eintritt verwehrt.
Daß das Füllwasser der toten Annuluszelle Stoffe in Lösung
enthält, hat schon Prantl (1886) wahrscheinlich gemacht. Prantl
glaubt das rasche Verschwinden der „Luftblasen", wenn der ge-
sprungene Annulus in Wasser gebracht wird, auf osmotischen Druck
in den toten Ringzelleu zurückführen zu müssen und beobachtet
tatsächlich, daß die Blasen, wie in Wasser, so auch in 3proz.
CaCU-Lösung verschwinden, aber in Sproz. und noch konzentrier-
teren Lösungen des Salzes erhalten bleiben.
Zuverlässiger ist jedenfalls die Verwendung von Rohrzucker.
Sporangien von Pteris quadriaurita wurden lebend in Luft zum
Springen gebracht, dann nach Zusatz SOproz. Zuckerlösung ^) rasch
beobachtet. Die Blasen, die zuerst die Zellen ganz ausfüllten,
verkleinerten sich beträchtlich, einzelne verschwanden sogar ganz.
Die Zellen vermochten also der Lösung, die als solche nicht per-
meiert, Wasser zu entziehen. In 40*^/o Zucker blieben die Blasen
größer, in 50 ^'/o Zucker waren zwischen der Blase und den Zell-
wänden in den Ecken nur dünne Plasmamassen sichtbar. Diese
verloren an Volumen noch weiter bei Zugabe von sehr konzentrierter
Zuckerlösung oder von Glyzerin.
Durch Kochen der Sporangien in destilliertem Wasser wird
der osmotische Druck der Ringzellen etwas vermindert. Gekochte
Sporangien, in Luft zum Springen gebracht, behielten in 30 und
40*^/0 Zucker größere Blasen als Sporangien, die vor dem Springen
noch lebten. Auch in 20 "/o Zucker blieben die Blasen noch ziem-
lich groß. In 10 'Vo Zucker dagegen verschwanden die allermeisten.
In sehr verdünnter Salzsäure gekochte und dann in destilliertem
Wasser ausgewaschene Sporangien unterschieden sich nicht von
den in Wasser gekochten.
Der osmotische Druck der toten, nicht deformierten, vollkommen
von Flüssigkeit erfüllten Ringzellen entspricht also etwa lO^lo
1) 30 7o bedeutet 30 g Zucker auf 100 g Wasser; ebenso sind die folgenden Kon-
zentrationsangaben zu verstehen.
654
0. Eenner,
Rohrzucker. Im Zustand stärkster Deformation ist der osmotische
Druck höchstens bis zum Grieichge wicht mit 30*^/0 Rohrzucker er-
höht; das entspricht einem osmotischen Druck von etwa 24 Atm.,
weil die Lösung 0,9 Mol auf 1 1 Wasser enthält^). Denn in dieser
Lösung ist neben den großen Blasen ja nur noch eine dünne
Flüssigkeitsschicht erhalten.
In Sporangien von Scolopendrium, die ein Jahr lang in 70proz.
Alkohol aufbewahrt waren und dann in destilliertem Wasser ge-
kocht wurden, ist der osmotische Druck noch niedriger. Aus ge-
sprungenen Annulis verschwinden die Blasen zwar in Iprozentiger
Zuckerlösung, sie bleiben aber in den meisten Zellen sehr groß bei
4tägigem Liegen in 10 "/o Zucker. Wird gesprungenen Sporangien
Wasser zugesetzt, so werden die Bla-
sen rasch kleiner und verschwinden
zuletzt. Bei Übertragung in Iproz.
Zuckerlösung wird das endliche Ver-
schwinden der in Wasser schon ver-
kleinerten Blasen kaum verlangsamt.
In 5 °/ 0 Zucker dagegen dehnen sich
die klein gewordenen Blasen beträcht-
lich, und in 10*^/0 geht die Dehnung
so weit, daß sie die meisten Zellen
bis in die äußersten Ecken ausfüllen
(Textfig. 2); 10 g Zucker auf 100 g
Wasser sind etwa 0,3 Mol auf 1 1
Wasser, und diese Konzentration gibt
einen osmotischen Druck von etwa
7,5 Atm.^).
Der osmotische Druck der Zuckerlösung, die 1,12 Teile
Zucker auf 1 Teil Wasser enthält, beträgt nach Berkeley und
Hartley-) etw'a 102 Atm. Um die osmotischen Drucke der stär-
keren Lösungen durch Extrapolation annähernd zu finden, habe
ich die von Berkeley und Hartley angegebenen Werte in ein
Koordinatensystem eingetragen (Textfig. 3), die Schnittpunkte der
Koordinaten mit Hilfe des Kurvenlineals verbunden und die Kurve
nach oben verlängert. So ergeben sich für Lösungen, die 1500
Fig. 2.
Teil eines Annulus von Scolo-
jjendrium, in Rück(»nansicht. Die
Wände sind schwarz ausgezogen,
die Gasblasen in den Zellen sind
schraffiert,
a = in I proz., 6 = in Sproz., c = in
lOproz. Zuckerlösung. Der Zustand a
ist vorübergehend. Die weitere Ver-
kleinerung der Blasen wurde dadurch
verhindert, daß das Sporangium aus
der Lösung a in die Lösung 6 ge-
bracht wurde. Die Zustände h u. c
sind stabil.
1) Renner, 1912 a, S. 491, nach Morse.
2) Vgl. Renner, 1912 a, S. 496.
Theoivtisclios und Experinu'utelles zur Koliäsionstheorie der AVassevbewegung. 655
bezw. 2000 Teile Rohrzucker auf 1000 Teile Wasser enthalten,
osmotische Drucke von 148 bezw. 210 Atm.
Der osmotische Druck in den deformierten Annuluszellen ist also
dem osmotischen Druck der konzentrierten Rohrzuckerlösung- gegen-
über verschwindend niedrig. Die Erniedrigung der Dampftension
in den Ringzellen muß demnach zum allergrößten Teil durch nega-
tiven Druck des Füllwassers, an dem die eingedrückte Zellwand
zerrt, zustande kommen. Der negative Druck ist gleich dem os-
motischen Druck der Zuckerlösung, also im äußersten Fall etwa
200 Atm., und dabei springen die Sporangien im allgemeinen noch
nicht einmal.
Mit noch kouzentrierteren Rohrzuckerlösungen ist wegen
ihrer sirupartigen Beschaffenheit nicht angenehm zu arbeiten.
Gesättigte Kochsalzlösung,
die noch höheren osmoti-
schen Druck hat (vgl. unten),
bringt ganz reife Sporangien
von Pteris quadriaurifa, le-
bende wie gekochte, zum
Springen, 0,9 -gesättigte Lö-
sung deformiert sie nur
stark, und die Deformation
geht bald zurück. Das Koch-
salz dringt also ziemlich leicht
ein und kann zu genauer Be-
stimmung der Zugspannung
beim Springen nicht ver-
wendet werden.
(^rarnm 5p 6i6
im Liter Wasser
1125 M13 1500
Fig. 3.
2. Die Dampfspannung im Annulus vor dem Springen
in Luft.
Wir können uns von der Semipermeabilität der Annuluswände,
die den meisten Stoffen gegenüber mangelhaft ist, leicht unabhängig
machen. Dazu brauchen wir die wassergesättigten Sporangien nur
in einem geschlossenen Raum über Lösungen beliebiger Stoffe
unterzubringen. Dann destilliert Wasserdampf so lange aus dem
Annulus zur Lösung, bis der Dampfdruck an der Oberfläche der
Zellwände mit der Dampftension der über der Lösung liegenden
g56 ^- Renner,
Luft sich ausgeglichen hat. Im stationären Zustand ist die Dampf-
spannung an der Oberfläche der Ringzelleu gleich der des Füll-
wassers; nur solange die Verdunstung kräftig ist, kann die Zell-
wand trockener sein, als dem Spannungszustand des Füllwassers
entspricht (vgl. oben S. 643).
Auf dem Boden kleiner Glasschälchen mit abgeschliffenem
Rand (Durchmesser etwa 30 mm, Höhe 15 — 20 mm) wurde ein
kurzes Stück Glasstab oder Glasröhre mit Siegellack befestigt und
auf den Stab mit Kanadabalsam ein Deckglas aufgeklebt, das dicht
unter den Schalenrand zu liegen kam (Textfig. 4). Wurde nun in
das Schäfchen eine Lösung eingegossen, auf das Deckglas eine
Anzahl wassergesättigter Sporangien gebracht und dann auf den
mit Yaselin bestrichenen Schalenrand eine dünne Glasplatte luft-
dicht aufgelegt, so konnten die Annuli noch bei mittelstarker Ver-
größerung bequem beobachtet werden. In den Schälchen stellt
„ sich rasch der der Lösung zukommende
Dauipfdruck her und die Sporangien
deformieren sich bei geringer Luft-
feuchtigkeit rasch, bei hcUierer lang-
samer, bis zur Erreichung des Gleich-
lllllllllllllllllllllilfllülllMllllHl
'^' ■ gewichts.
Über Rohrzuckerlösungen ist die Deformation, wie zu er-
warten, ebenso groß wie in ihnen; Fig. 10, Taf. IX stellt Sporangien
von Filix mas in der stärksten Zuckerlösuug dar, Fig. 14, Taf. IX
darüber. Salzlösungen geben mit der zweiten Methode stärkere
Krümmung als mit der erst beschriebenen, wo das Permeieren des
Salzes stört, außerdem bleibt die Deformation in der Atmosphäre
der Schälchen konstant, sie geht nicht zurück.
Eine gesättigte Kalisalpeterlösung, deren osmotischer Druck
etwas über 100 Atm. beträgt^), bringt die meisten Sporangien von
Filix mas — nur mit diesen wurden die vergleichenden Beobach-
tungen ausgeführt, weil sie flach sind und deshalb oft auf der
Breitseite liegen bleuten — zum Aufreißen und deformiert manche
Ringe auch deutlich, doch nie bis zum Konkavwerden der Außen-
seite (Fig. 9, Taf. IX). Noch niedrigere Luftfeuchtigkeit wurde
mit Kochsalzlösungen hergestellt, und zwar durch verschiedene
Verdünnung einer gesättigten Lösung, nachdem ermittelt war, daß
über der gesättigten Lösung die Sporangien aller drei Arten fast
1) Renner, 1912 a, S. 500.
Theoretisches und Experimentelles zur Kohäsionstheorie der Wasserbewegung. 657
ausnahmslos springen. Die den Lösungen zukommenden osmotischen
Drucke mögen gleich beigefügt werden, die Berechnung folgt
weiter unten.
Vs- gesättigte NaCl-Lösung^); osmotischer Druck 96 Atm. Die
Sporangien reißen größtenteils auf (Fig. 5, Taf. IX) und krümmen
sich ungefähr so weit wie über der gesättigten KNOs- Lösung
(Fig. 9, Taf. IX) und wie in Zuckerlösung von der Konzentration
1,12 : 1 (Fig. 1).
V2- gesättigte NaCl- Lösung; Druck 153 Atm. Der Kücken der
Sporangien wird deutlich konkav, etwa so wie in Zuckerlösung von
der Konzentration 1,5 : 1. Man vgl. Fig. 6, Taf. IX (über NaCl)
mit Fig. 2, Taf. IX (in Zucker).
Vö-gesättigte NaCl-Lösung: Druck 279 Atm. (Fig. 8, Taf. EX).
Die Sporangien deformieren sich sehr stark, noch stärker als in
Zuckerlösung von der Konzentration 2:1. Vereinzelte Sporangien
springen nach längerem Liegen im Schälchen; die Fig. 8, Taf. IX
zeigt ein solches geschlossenes Sporangium.
0,9 -gesättigte NaCl-Lösung; Druck 323 Atm. Alle Sporangien
springen.
Man sieht, wie die Stärke der Deformation wieder mit der
Konzentration der Lösung ganz regelmäßig zunimmt und wie über
den Salzlösungen die Krümmung des Annulus ebenso stark ist wie
in Zuckerlösungen von der gleichen osmotischen Energie.
Die Grenzwerte der Spannung vor dem Springen, die uns am
meisten interessieren, liegen bei den beiden anderen untersuchten
Arten noch höher als bei Polystichum filix mas. Über 0,9 -gesättigter
NaCl-Lösung springen nämlich die Sporangien von Scolopendrium
und von Pteris quadriaurita (lebende wie gekochte) nur zum Teil.
Sogar über NaCl 0,95 -gesättigt (osmotischer Druck 350 Atm.)
bleiben von Scolopendrium noch immer manche Sporangien un-
gesprungen. Noch nach IV2 Tagen führen diese Sporangien, wenn
der Deckel vom Schälchen abgenommen wird, Springbewegungen
aus, wenn auch unvollkommene (vgl. unten). Selbst über gesättigter
1) D. h. eine Lösung, die aus 1 Volumteil gesättigter Lösung und 2 Teilen Wasser
hergestellt ist. Der Salzgehalt, auf 100 g Wasser bezogen, ist deshalb nicht genau gleich
dem dritten Teil des Gehalts der gesättigten Lösung, und die unten angegebenen Werte
für den Salzgehalt (S. 662) und für den osmotischen Druck stimmen nur angenähert.
Das ist aber ohne Belang, weil der Grenzwert der Spannung erst mit der gesättigten
Lösung erreicht wird und der Grad der Deformation durch geringe Unterschiede des
osmotischen Drucks nicht beeinflußt wird.
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI. 42
(358 0. Eenner,
NaCl-LösuDg (osmotischer Druck 368 Atm.) wurden unter sehr
zahlreichen Sporangien von Scolopendrium nach 1^2 Tagen einmal
ganz wenige deformiert gefunden, die beim Zutritt trockner Luft
sprangen. Die Schälchen wurden bei diesen Grenzbestimmungen
in Schachteln mit Watte eingepackt, um Temperaturunterschiede
zwischen verschiedenen Teilen des Schälchens und rasche Temperatur-
schwankungen zu vermeiden; es hatte sich nämlich gezeigt, daß
bei Zuckerlösungen von wenigen Prozenten die Deckplatten der
frei auf dem Tisch stehenden Schälchen sich mit Wasser beschlugen,
also kälter waren als die Flüssigkeit.
Werden deformierte Sporangien durch Abheben des Deckels
vom Schälchen der trocknen Luft ausgesetzt, so schreitet die De-
formation weiter bis zum Springen. Über ^'a - gesättigt NaCl und
über gesättigt KNO3 erfolgt normales Springen noch, wenn die
Sporangien 6 Tage lang deformiert gelegen haben; ob nach noch
längerer Zeit, wurde nicht untersucht. Bei den höheren Konzen-
trationen (von '/a- gesättigt XaCl aufwärts) springen die Annuli
nicht mehr, wenn die Zwangslage einen Tag gedauert hat. Beim
Offnen des Schälchens machen sie nur kleine ruckförmige Bewegungen,
l)ei denen die Deformation um einen geringen Beti'ag vermindert
wird. Fig. 7 stellt einige Sporangien von Scolopendrium dar. die
erst IV2 Tage über 0,9-gesättigter NaCl-Lösung gelegen haben und
dann der trockenen Luft ausgesetzt worden sind. Ein Sporangium
ist fast geschlossen ; es war augenscheinlich im Schälchen früh ge-
sprungen. Das zweite ist noch deutlich deformiert; es war vielleicht
später gesprungen. Bei den 3 übrigen, die noch sehr stark deformiert
sind, ist das unvollkommene Springen erst beim Offnen des Schäl-
chens eingetreten. Bei diesen Bewegungen zerreißt aber die Wasser-
füllung wie beim vollständigen Springen; denn wird jetzt Wasser
zugegeben, so schließen sich die Sporangien, und alle Ringzellen er-
weisen sich von Blasen erfüllt. Durch die lang dauernde starke Defor-
mation und Austrocknung werden also, ebenso wie bei langem Liegen
in sehr konzentrierter Zuckerlösung (vgl. S. 652), die mechanischen
Eigenschaften der Zellwände so verändert, daß sie die Einfaltung
nicht mehr rasch auszugleichen vermögen, wenn der Widerstand
des Füllwassers beseitigt ist. Einige Wochen später war die De-
formation in Luft weit zurückgegangen.
Wird zu deformierten Sporangien, bevor sie zu springen ver-
mögen, Wasser zugesetzt, so schließen sie sich rasch, doch nicht
ruckförmig, ohne daß in den Ringzellen Blasen erscheinen; das
Theoretisches und Experimentelles zur Kohäsionstheorie der Wasserbewegun?. 659
gespannte Wasser in den Zellen entwickelt natürlich hohe Saug-
kraft. Auch in dampfgesättigter Luft, ohne Berührung mit flüssigem
Wasser, schließen sich deformierte Sporangien, freilich langsam.
Feuchte Luft in der Nähe der Sporangien läßt sich in der Weise
herstellen, daß man nach Abheben des Schalendeckels die Sporangien
rasch mit einem Deckglas bedeckt und vom Rand her destilliertes
Wasser einfließen läßt. Stellenweise bleiben dann Luftinseln, in
denen unbenetzte Sporangien hegen. Die Schließbe^vegung wird
dadurch ermöglicht, daß vom Wasser Dampf zur Annulusmembran
destilliert, dort sich kondensiert und an das Lumen der Ringzellen
weitergegeben wird. Das dauert so lange, bis Wasser, Membran
und Füllwasser den gleichen Dampfdruck haben, d. h. bis der Annulus
vollkommen wassergesättigt ist.
Die rasche Einstellung des Rings auf che jeweilige Feuchtig-
keit der Atmosphäre ist am bequemsten in der Weise zu beoljachten:
von Schälchen, die ^'s- oder V2- gesättigte Na Gl -Lösung enthalten
und in denen die Sporangien noch nicht zu weit deformiert sind,
braucht man nur den Deckel unter dem ]\Iikroskop mehr oder weniger
weit zu lüften und wieder dicht aufzusetzen, um das rasche Zunehmen
und Zurückgehen der Krümmung zu verfolgen. Die Annuli verhalten
sich ganz wie hygroskopische Körper, deren Bewegungen durch
Quellung und Entquellung hervorgerufen werden. Ein Unterschied
besteht ja auch nur darin, daß im Annulus die wassererfüllten
Räume mikroskopisch sichtbar sind, in einem quellbaren Körper
nicht. Und die Reaktionen des Rings sind auch nur durch das
Vorhandensein eines quellbaren Körpers, der Zellwand, ermöglicht,
denn mit Hilfe der Quellungsenergie der Wand wird die Zugspannung
des Füllwassers herbeigeführt.
Die Wirkung hohen osmotischen Druckes in den Ringzellen
läßt sich \neder leicht demonstrieren. Sporangien werden mehrere
Tage lang in einer Salzlösung untergetaucht gehalten. Die Lösung
dringt in dieser Zeit in die Ringzelleu bis zum Gleichgewicht ein,
und wenn jetzt die Sporangien rasch in Wasser abgew^aschen und
auf die Deckgläser in den Schälchen gebracht werden, so ist die
Lösung in den Zellen gefangen und erniedrigt den Dampfdruck
des Annulus. Die Deformation über einer gegebenen Lösung geht
deshalb weniger weit als bei Sporangien, die vor dem Versuch in
destilliertem Wasser gelegen haben. Annuh von Filix mas, die
eine Normallösung von Kalisalpeter enthalten, deformieren sich
über 0,9 -gesättigt Na Gl noch ganz kräftig, aber lange nicht bis
42*
ßßO ^- Renner,
zum Springen (Fig. 11, Taf.IX). Sporangien, die mit V4- gesättigter
Na Cl- Lösung getränkt sind, reißen über 0,9 -gesättigt NaCl nur
eben erst auf.
3. Die Spannungen bei Lebermooselateren.
Von den übrigen Kohäsionsmechanismen wurden nur noch
die Elateren einer Jungerraanniacee (Lophozia spec.) geprüft. Mit
Einlegen in osmotisch wirksame Flüssigkeiten ist diesen Schleuder-
zellen nicht beizukommen, weil ihre Membranen, bezw. die un-
verdickten Flächen der Wand, allen geprüften Stoffen, auch dem
Rohrzucker, den Eintritt ohne weiteres gestatten. Wassererfüllte
Schleuderzellen führen bei Zugabe von Glyzerin oder konzen-
trierter Zuckerlösung keine Bewegungen aus, und in Luft ge-
sprungene Elateren lassen in Glyzerin die Blasen in einigen
Minuten verschwinden, in Rohrzuckerlösung langsamer. Daß die
Elateren lösliche Stoffe enthalten, die nicht durch die Wand per-
meieren können, ist nach diesem Verhalten des Rohrzuckers sehr
unwahrscheinlich.
Die zweite beim Farnsporangium angewandte Methode ist auch
auf die Elateren anwendbar. Der Inhalt reifer Sporogone, die in
70proz. Alkohol aufbew^ahrt waren und dann einen halben Tag in
destilliertem Wasser gelegen hatten, wurde in den beschriebenen
Schälchen auf die Deckgläser ausgestrichen.
Die Elateren einer und derselben Probe verhalten sich viel
ungleichmäßiger als die Farnsporangien. Schon über gesättigter
Kalisalpeterlösung springen ganz vereinzelte Zellen, die meisten
bleiben tagelang zusammengedreht liegen. Über 0,8 -gesättigt NaCI
über Nacht liegende Elateren sind zum allergrößten Teil gesprungen,
einzelne sind noch zusammengedreht und springen erst beim Öffnen
des Schäfchens. Sogar über 0,9 -gesättigt NaCl sind nach einiger
Zeit einzelne Zellen noch deformiert, die beim Abnehmen des Schalen-
deckels springen.
Wahrscheinlich haben bei dem kleinen Volumen der Schleuder-
zellen geringfügige Schwankungen der Temperatur und damit der
relativen Luftfeuchtigkeit ausgiebige Wirkung. Außerdem können
aber auch Unterschiede der Wandbeschaffenheit zwischen den Zellen
vorhanden 'sein. Die orientierenden Versuche zeigen aber, daß die
Spannung in den Elateren vor dem Springen von derselben Größen-
ordnung ist wie bei den Farnsporangien.
Theoretisches und Experimentelles zur Kohäsionstheorie der Wasserbewegung. (j61
4. Die Kohäsion des Wassers.
Im äußersten Fall ist das gespannte Wasser in den Ring-zellen
mit gesättigter Natrium chloridlösung im Gleichge-wdclit (bei Scolo-
pendrium). Der osmotische Druck im Annulus ist gerade bei
Scolopendrium sehr niedrig (vgl. S. 654), wir dürfen also den
negativen Druck im Annulus vor dem Springen fast gleich dem
osmotischen Druck der Kochsalzlösung setzen.
Eine bei 18" gesättigte Kochsalzlösung enthält 35,77 g NaCl
auf 100 g Wasser; im Liter Wasser sind das 6,11 Mole NaCP).
Die Dampfspannung einer bei 0*^ gesättigten Lösung, die auf
100 g Wasser 35,5 g NaCl enthält, ist von Dieterici^) bei 0" zu
3,504 mm Hg gemessen; der Sättigungsdruck reinen Wassers bei
0" beträgt 4,620 mm Hg. Der osmotische Druck der Lösung be-
rechnet sich aus der Dampfdruckerniedrigung nach der Formel
(vgl. oben S. 622):
oder ungenauer
p =
lOOC
) -K
M
. '1'
.InP
Pi
p =
1000
.R.
•T^
P Pi
M
R ist wieder gleich 0,0821, T = 273 (t = 0°), M = 18, p = 4,620,
pi = 3,504. Danach ist der osmotische Druck der gesättigten
Kochsalzlösung bei O*' 343 Atm. und bei 18" 365,5 Atm. Die bei
18° gesättigte Lösung entwickelt bei dieser Temperatur einen
osmotischen Druck von 368 Atmosphären^). Als genau können
diese Werte aber aus verschiedenen Gründen nicht gelten (vgl.
Nernst; Renner 1912a). In der folgenden Tabelle (8. 662) sind
einige weitere Werte, nach Dieterici berechnet, zusammen-
gestellt und für Konzentrationen, die uns interessieren, die Werte
interpoliert.
Das Wasser im Annulus hält demnach häufig eine Zugspan-
nung von über 300 Atm. aus, ohne zu reißen, und in Ausnahme-
fällen einen Zug von etwa 350 Atm. Was dann beim Springen
des Ringes überwunden wird, ob das die Zugfestigkeit des Wassers
1) Die Lösung hat die Dichte 1,2; im Liter Lösung sind also 317 g oder
5,42 Mole NaCl enthalten. Diese Zahl gibt Shull an (S. 189).
2) Aus Landolt-Börnstein, S. 360, entnommen.
3) Shull (S. 189) gibt 375 Atm. an.
662
0. Renner,
ist oder etwas anderes, haben wir bis jetzt nicht erörtert. Wäre
es die Zugfestigkeit, so müßten wir immer sehr nahe beieinander-
liegende Werte erhalten; denn die osmotischen Drucke in den
Ringzellen sind so niedrig, daß die Unterschiede zwischen diesen
Drucken erst recht unbedeutend sein müssen. Wir sehen aber die
Sporangien bald bei 0,8 gesättigt NaCl schon springen, bald bei
gesättigt NaCl noch nicht springen; der Druckunterschied beläuft
sich hier auf etwa 80 Atm. Es ist also so gut wie sicher, daß
selbst mit den höchsten Spannungswerten die Grenze der Zug-
festigkeit des Wassers noch gar nicht erreicht ist, ebenso wie in
den Versuchen von J. Meyer.
Sättigungrs-
grad
g NaCl
GM
Dampfdruck
Osmot.
in 100 ?
' in 1000 g
bei 0° in
Druck bei 18"
HgO
HgO
mm Hg
in Atm.
1
35,77
1
6,11
368
1
35,5
6,07
3,504
365,5
0,95
33,98
5,81
350
0,9
32,19
5,50
323
29,25
5,0(1
3,722
285,5
0,8
28,62
4,89
279
0,5
17,81»
3,06
153
17,50
3,00
4,125
149
0,333
11,92
2,04
96
11,70
2,00
4,301
94
Daß der Gasgehalt des Füllwassers das Reißen bedingt, ist
nicht wahrscheinUch. Es liegt deshalb nahe, bei der Verschieden-
heit der Spannungen vor dem Springen an eine Wirkung der
Wandbeschaffenheit zu denken. Das ließe sich etwa in der Weise
prüfen, daß man ermittelte, ob jedem Sporangium seine bestimmte
Springspannung zukommt. Dabei bleibt offen, ob die Adhäsion
zwischen Wasser und Wand variiert, oder ob Luft von außen,
bei verschiedenen Überdrucken, durch die Zellwand eindringt.
Falls die negative Spannung, die in einer wassererfüllten Pflanzen-
zelle auftreten kann, eine Funktion der Wandbeschaffenheit ist
(von der selbstverständlich notwendigen Starrheit der Wand ab-
gesehen), hängt die Ausgiebigkeit von Kohäsionswirkungen im
Pflanzenkörper von den Zellwänden ab, sie kann also bei ver-
schiedenen Zellformen verschieden sein. Untersuchungen über
Theoretisches und Experimentelles zur Kolüisionstheorie der Wasserhewegung. 663
diesen Gegenstand sind schon ziemlich abgeschlossen und werden
demnächst mitgeteilt werden.
Das eine ist jedenfalls durch die Beobachtungen am Farn-
sporangium sichergestellt, daß die Zugfestigkeit des Wassers nicht
bloß ausreicht, die Anforderungen der Wasserversorgung im Sinn
der Kohäsionstheorie zu decken, sondern viel größer ist. Ob aber
in den Gefäßen die Kohäsion des Wassers ähnliche Werte erreicht,
bleibt noch zu ermitteln.
Zusammenfassung einiger Ergebnisse.
1 . Theoretisches.
Voll turgeszente Zellen besitzen den Dampfdruck reinen
Wassers. Auf die Größe, die d,em osmotischen Druck des Zell-
safts entspricht, sinkt die Dampftension erst bei vollem Welken
der Zelle. Bei den höchsten osmotischen Drucken, die von Pflanzen-
geweben bekannt sind (100 Ätm.), beläuft sich die Erniedrigung
der Dampfspannung auf 7°/o.
Wasserverschiebung in Parenchymen ist abhängig von Unter-
schieden im Turgeszenzgrad der Zellen, unabhängig von Unter-
schieden im osmotischen Druck.
Wenn in einem ganz welken Blatt der osmotische Druck des
Parenchyms P x4.tm. beträgt, herrscht in den angrenzenden Ge-
fäßen eine Zugspannung (eiu negativer Druck) von (P — 1) Atm.
In negativ gespanntem Wasser ist die Dampfspannung ebenso er-
niedrigt wie in einer Lösung.
Die bei der Wasserversorgung tätigen Euergiepotentiale im
Pflanzenkörper sind Potentialdifferenzen der Imbibitionsenergie,
der osmotischen Energie und des hj^drostatischen Drucks. Diese
Potentiale entstehen durch Umformung eines Teiles des Energie-
potentials, das in der Dampfdruckdifferenz zwischen Oberflächen-
zellen und Atmosphäre gegeben ist. Der Rest des primären
Potentials bleibt allein für die Transpiration verfügbar.
Der gesamte Energieumsatz bei der Transpiration ist bei der
welken Pflanze, wenn das Wasser gegen beträchtliche Widerstände
zur Oberfläche gebracht werden muß, kleiner als bei der voU-
turgeszenten (von Regulation durch die Spaltöffnungen ist dabei
gß4 0. Renner,
ganz abgesehen). Die bei der Hebung des transpirierten Wassers
geleistete Arbeit ist viel kleiner als der durch Verringerung der
Transpiration gesparten Verdampfungswärme entspricht.
Bei gleicher prozentualer Erniedrigung der Dampfspannung
ist die prozentuale Verringerung der Transpiration um so größer,
je höher die relative Luftfeuchtigkeit ist.
Bei hohen Filtrationswdderständen der Dampf abgebenden
Membranen, also vor allem in den kutikularisierten Außenwänden
der Epidermis, sinkt bei lebhafter Transpiration die Dampfspan-
nung an der Membranoberfläche weit unter die Dampftension des
Zellsafts.
2. Experimentelles.
Die Zellwände des Annulus am Farnsporangium (z. B. von
Polystichum filix mas) sind für Rohrzucker vollkommen imper-
meabel. Ebenso undurchlässig ^sind sie für unbekannte Stoffe im
Zellinnern. In den toten Ringzellen erhält sich deshalb ein ge-
wisser osmotischer Druck. Salzlösungen dringen rascher oder
langsamer ein.
In konzentrierten Rohrzuckerlösungen, die viel höheren os-
motischen Druck haben als der Inhalt der Ringzellen, deformiert
sich der Annulus bis zu einem von der Konzentration der Zucker-
lösung abhängigen Gleichgewichtszustand. Wenn fast reines Wasser
im Gleichgewicht mit einer Lösung ist, also dieselbe Dampfspan-
nung wie die Lösung besitzt, muß das Wasser in Zugspannung
versetzt sein. Die eingedellten Außenwände der Ringzellen zerren
an dem Füllwasser und erzeugen, wenn das Sporangium in einer
Lösung von 2 Teilen Zucker auf 1 Teil Wasser liegt, einen nega-
tiven Druck von etwa 200 Atm., ohne daß das Wasser reißt.
Werden Sporangien in einem abgeschlossenen Raum über
Lösungen von Zucker oder von Salzen, demnach in einer nicht
wasserdampfgesättigten Atmosphäre, untergebracht, so deformieren
sie sich je nach der Feuchtigkeit der Luft, also je nach dem
osmotischen Druck der Lösung, verschieden weit. Im Gleich-
gewicht ist die Zugspannung des Füllwassers der Ringzellen wieder
gleich dem osmotischen Druck der Lösung.
Die Zugspannung, der das Füllwasser auf diese Weise unter-
worfen werden kann, ohne zu reißen, beträgt häufig 300 Atm.
Über gesättigter Kochsalzlösung, die einen osmotischen Druck von
Theoretisches und Experimentelles zur Kohäsionstheorie der Wasserbewegung. 665
368 Atm. entwickelt, springen die allermeisten Sporangien. Aus-
nahmsweise bleiben auch über dieser Lösung einzelne Sporangien
deformiert, ohne zu springen. Die Kohäsion des Wassers in diesen
Zellen ist damit im äußersten Fall zu etwa 350 Atm. bestimmt.
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1912 c. — , Versuche zur Mechanik der AVasserversorgung. 2. Über Wurzeltätigkeit.
Ebenda, S. 642.
1914a. — , AVasserversorgung der Pflanzen. Handwiirterbuch der Naturw. , Bd. 10,
S. 538.
1914b. — , Xerophyten. Ebenda, S. 664.
1914. Edith B. Shreve, The daily march of transpiration in a desert perennial.
Carnegie Instit. Wash., Publ. Nr. 194.
1913. Ch. A. Shull, Semipermeability of .sead coats. Bot. Gaz., 56, p. 169.
1909. Stahl, Zur Biologie des Chlorophylls. .Tena.
1907. Tammann, Über die Beziehungen zwischen den inneren Kräften und Eigen-
schaften der Lösungen. Hamburg.
1913. Ursprung, Zur Demonstration der Flüssigkeitskohäsion. Berichte d. Deutsch.
Bot. Ges., 31, S. 388.
1909. Warming, Oecology of Plauts. Oxford.
Theoretisches und Plxperinientelles zur Kohäsionstheorie der W'asserbewegung. 667
Figuren - Erklärung.
Tafel IX.
Die Figuren sind sänitlicli mit einem Zeil.ischen mikropbotographischen Apparat
aufgenommen, bei aufrecht stellendem Mikroskop. Die Anpassung des Apparats als
Vertikalkamera ist in den Werkstätten von "Winkel besorgt worden.
Fig. 1 — C, 8 — 11, 1.5, 14 von Polystichum filix mas.
Fig. 7 und 12 von Scolopendritim officinatiim.
1. Sporangien in Zuckerlösung von der Konzentration 1,12 Teile Zucker auf 1 Teil
Wasser; osmot. Druck 100 Atm.
2. Sporangien in Zuckerlösung 1,5:1; osmot. Druck 148 Atm.
3. Sporangien in Zuckerlösung 2:1; osmot. Druck 210 Atm.
4. Sporangien in Glyzerin gesprungen, die Ringzellen dunkel, von Dampf erfüllt.
5. Sporangien in Luft über ^/g- gesättigter NaCl- Lösung: osmot. Druck 96 Atm.
6. Sporangien in Luft über ^ j ^- g^&'&iiigin NaCl- Lösung; osmot. Druck 153 Atm.
7. Sporangien von Scolopendrium in trockener Luft, vorher 1^2 Tage in Luft
über 0,9 -gesättigter NaCl-Lö.sung (osmot. Druck 323 Atm.)
8. Sporangien in Luft über 0,8 -gesättigter NaCl-Lösung; osmot. Druck 279 Atm.
9. Sporangien in Luft über gesättigter KNOj-Lösung; osmot. Druck über 100 Atm.
10. Sporangien in Zuckerlösung 2:1; osmot. Druck 210 Atm.
11. Sporangien mit einer Normallösung von KNO3 getränkt, dann in Luft über
0,9 - gesättigter NaCl - Lösung.
12. Sporangium \ on Scolopendrium nach mehrstündigem Liegen in Zuckerlösung 2 : 1 .
13. Sporangium von Polystichum nach mehrstündigem Liegen in Zuckerlösung 2 : 1.
14. Sporangien in Luft über Zuckerlösung 2:1; osmot. Druck 210 Atm.
Beiträge zum Windeproblem.
Von
Hugo Miehe.
Mit Tafel X und 5 Textßguren.
I. Einleitung.
Das Winden g:ehöit zu den am wenigsten befriedigenden
Kapiteln der Reizphysiologie der Pflanzen. Trotz zahlreicher Unter-
suchungen und vieler wichtiger Einzelbeobachtungen gibt es heute
keine allgemein anerkannte Theorie des Windens und eine Dar-
stellung des Windens, die sich nicht auf eine der vorhandenen
Hypothesen festlegen will, muß sich etwa mit dem nackten Satze
bescheiden: die Windepflanze legt sich in spiraligen Windungen
um die Stütze. Gleichwohl gibt es einige ganz allgemein wieder-
holte Behauptungen, die als feststehend angesehen und auch viel-
fach als die Grundlage für theoretische Vorstellungen gewählt
worden sind, wie z. B. der fast zu einem Dogma gewordene Satz,
daß die Windepflanzen nicht an wagerechten Stützen zu winden
vermöchten, daß am Klinostaten das Winden unmöglich sei usw.
Es war gerade die Ansicht von der Unmöglichkeit des Um-
windens wagerechter Stützen, die mir nicht allgemein genug be-
gründet zu sein schien. Ich wurde in diesem Zweifel durch manche
Beobachtungen bestärkt, die ich in Java machte. Ich bemerkte
oft, daß Lianen an ziemlich stark geneigten Stützen entlang wanden
und eine von der ökologischen Seite ausgehende Überlegung schien
jener Beobachtung entgegen zu kommen. Keimpflanzen, Einjährige
und Stauden müssen möglichst rasch in die Höhe steigen, jeder
andere Weg als der senkrechte ist ein Umweg für sie. Holzige
Lianen hingegen breiten sich in dem Buschwerke und den Baum-
kronen nach allen Seiten aus und müssen es.
Da man bisher als Versuchspflanzen überwiegend Keimpflanzen
bevorzugt hatte, schien es mir aussichtsreich, einmal holzige Lianen
Beiträge zum Windeproblem. 669
ZU untersuchen. Ich habe somit in erster Linie die mir im Bo-
tanischen Garten zu Leipzig erreichbaren holzigen Windepflanzen
auf die einfache Frage hin geprüft: gibt es unter ihnen solche,
die an wagerechter Stütze entlang winden können?
Die einfache Beobachtung natürlicher Situationen, wie sie die
Windepflanzen im Garten darbieten, ist, wie bereits H. v. Mohl^)
betont, trügerisch, da durch Wind, Begen, Schwere die ursprüng-
liche Lage von Stütze und Pflanze verändert werden kann. Man
muß also die Sprosse gesondert zu passend und dauerhaft ein-
gerichteten Stützen führen. Das geschah einfach in der Weise,
daß in der Nähe der Stützen, Spaliere usw., an denen die Lianen
wuchsen, Pfähle eingeschlagen und an ihnen und den betreffenden
Gerüsten lange Blumenstöcke in bestimmten Lagen angenagelt
oder festgebunden wurden. Neben der vorwiegend gewählten wage-
rechten Lage habe ich, wenn auch nicht systematisch, andere Lagen
geprüft. Lebhaft wachsende Sprosse wurden dann aus dem Wirr-
sal des Lianendickichtes vorsichtig herausgezogen und so an den
Stäben mit Bast befestigt, daß der Spitzenteil frei blieb. Die
Pflanzen wurden dann sich selber überlassen und mehrere Male
täglich kontrolliert.
Es war ein glücklicher L^mstand, daß gleich unter den ersten
Versuchspflanzen sich eine und zwar die einzige befand, welche
wirklich an horizontaler Stütze sicher und dauernd zu winden
vermochte. Es war Akehia quinata. Ich habe mich dann haupt-
sächlich mit diesem Objekt befaßt und werde dementsprechend
mit der Mitteilung der an dieser Pflanze gewonnenen Versuchs-
ergebnisse beginnen, indem ich die übrigen Beobachtungen später
in einer mehr summarischen Form erwähnen werde.
II. Beobachtungen an ALebia quinata.
1. Das Winden an horizontaler Stütze.
Das Exemplar von Akehia quinata im Leipziger Botanischen
Garten bekleidet, an einem Spalier gezogen, eine nach Westen
gew'andte, etwa 3 m hohe Wand. Junge, üppig wachsende Triebe
wurden vom Juni bis in den August hinein au horizontale Stützen
1) H. V. Mohl, Über den Bau und das Winden der Eanken- und Schlingpflanzen.
Tübingen 1827.
(370 Hugo Miehe,
geleitet und etwa an der Grenze der Wachsturaszone mit Bast
befestigt. In allen diesen ziemlich zahlreichen Versuchen war
das Ergebnis das gleiche:
Die Triebe wanden sich ganz regelmäßig und stetig
um die Stäbe bis zum Ende und sehritten so je nach üirer Länge
bis zu 2 m in horizontaler Richtung vor. Sie verloren die Stütze
nie. Die einzige Unregelmäßigkeit, die gelegentlich, aber selten,
beobachtet wurde, war die, daß der Trieb umkehrte und sich in
entgegengesetzter Richtung um den Stab samt den um ihn ge-
schlungenen unteren Teil des Sprosses wand. Doch geschah dies
mit der gleichen Sicherheit T\ie vorher.
2. Einfluß des Lichtes.
Obwohl die Stäbe der ersten Versuchsreihe (je nach den ört-
lichen Verhältnissen) entweder senkrecht oder in anderen Rich-
tungen von der Wand abgingen, die Triebe sich also unter etwas
verschiedenen Beleuchtungsverhältnissen befanden, so war doch
während eines Teils des Tages, hauptsächlich vormittags, die Be-
leuchtung derart, daß sich die Windesprosse, indem sie von der
Wand hinweg ins Freie wuchsen, einem Lichtgefälle entgegen-
bewegten. Es erhob sich somit die Frage, ob diese Lichtverhält-
nisse von Einfluß auf den Erfolg der Versuche wären, und damit
die Notwendigkeit, die Richtung des Windens noch weiter . zu
variieren.
Ich ließ einen besonders langen, aus dem Spalier losgelösten
Trieb so an einem Stabe wachsen, daß er von Westen her etwa
auf eine Länge von 1,50 m nach dem Dunkel der Wandbekleidung
fortschreiten mußte. Zwei andere wurden an Stäben l)efestigt,
welche dicht vor der Wand i)arallel zu ihr gerichtet waren. Der
eine Sproß mußte sich so von Süden nach Norden, der andere von
Norden nach Süden bewegen. Schließlich wurde am Rande des
ziemlich stumpfen Daches des Verbindungsganges, an dessen Wand
unsere Akebia wuchs, ein Stab so angebracht, daß der an ihm
befestigte Sproß von den Morgenstunden bis zum Abend von der
Sonne beschienen wurde. Er wurde von Osten nach Westen
orientiert.
Alle diese Versuche hatten das gleiche Ergebnis: das Winden
ging in derselben Weise vonstatten, wie in den ersten Versuchen.
Etwa das Winden begünstigende Beleuchtungsverhältnisse an dem
Beiträge zum AViiideproblem. 671
natürlichen Standorte konnten also nicht die Ursache des horizon-
talen Windens sein. An den Einfluß der Beleuchtung- zu denken,
wurde durch die Versuche von Yoß^) nahegelegt. Er beobachtete
nämlich, daß Bowiea volubüis (aber nicht z. B. Phaseolus multi-
ßorus, Convolvulus sephim) durch einseitig-e Beleuchtung dazu ge-
l)racht werden konnte, an einer um 25° über den Horizont ge-
hobenen Stütze zu winden, was sie unter gewöhnlichen Licht-
verhältnissen nicht vermochte. Wenn auch kein Versuch mit
streng allseitiger Beleuchtung angestellt wurde, so glaube ich doch
auf Grund der oben angeführten Experimente mit ziemlicher Sicher-
heit den Einfluß des Lichtes aus dieser Diskussion ausschalten zu
dürfen (siehe aber S. 683 u. 686).
Es lag in diesem Zusammenhange nahe, zu prüfen, wie die
Pflanze in horizontaler Richtung bei vollständigem Lichtentzuge
winden würde. Der einzige zu diesem Zwecke angestellte Ver-
such, in welchem ich einen Trieb in einer Tonröhre entlang wach-
sen ließ, verlief nicht ganz befriedigend, da sich die Dichtung
später als nicht zureichend erwies. Ein Winden war nicht ein-
getreten; doch möchte ich auf diesen Versuch kein Gewicht legen.
3. Der Verlauf des horizontalen Windens im einzelnen.
Nachdem die Tatsache festgestellt war, daß ein dauerndes
und normales Winden auch an horizontaler Achse möglich ist,
scliien es mir wichtig, die Einzelheiten dieses Vorganges so genau
wie möglich zu verfolgen. Zu diesem Zwecke beobachtete ich
dauernd die Bewegungen des Gipfelteiles some vermittels auf-
getragener Tuschemarken die Drehung des Triebes.
Die fortlaufende Beobachtung der schlingenden Spitze wurde
durch Reihenskizzen unterstützt, die über längere Zeiträume hin
die einzelnen Phasen festhielten. Ich bediente mich dazu eines
aus einer großen photographischen Kamera von Herrn Dr. Buder
in sehr zweckmäßiger Weise hergerichteten Zeichenapparates. So
ist unter anderen die Reihenskizze Fig. 1 entstanden. Außerdem
habe ich eine Serie photographischer Aufnahmen hergestellt, die
auf der Tafel X wiedergegeben sind. An der Hand dieser Tafel
will ich eine kurze Beschreibung des Verlaufes des Windens geben,
1) W. Voß. Neue Versuche über das Winden des Pflanzenstengels. Bot. Ztg.
Bd. 60, 1902, S. 231.
572 Hugo Mi%he,
indem ich in bezug auf feinere Einzelheiten auf das Studium der
Bilder selber verweise.
In I liegt der Gipfel in Form eines mäßig gekrümmten Hakens
über der Stütze, aber nicht locker, sondern er drückt leicht federnd
gegen den Stab da, wo er ihm anliegt. Zwischen II und III ist
die Spitze, die sich in // schon etwas gestreckt hatte, plötzlich
über den Stab geglitten und hat sich in die Höhe gedreht und
zwar, wie man z. B. durch Vergleich der Blättchen sehen kann,
im Sinne einer Linksdrehung. Sie läßt sich durch die Annahme
einer Rechtstorsion erklären, die infolge des Widerstandes des
Stabes zu einer Spannung führte, die sich plötzlich durch das Ab-
gleiten des Gipfels in einer entgegengesetzten Drehung ausghch.
Nunmehr wendet sich der inzwischen halbkreisförmig gewordene
Gipfel von IV bis V von links nach rechts, bis er bei V nach vorn
und unten zeigt. Dann hebt sich die fast kreisförmige Schlinge,
indem sie sich etwa um den Stab als Achse dreht, durchläuft bei VI
die horizontale Ebene und wandert bei VII so über die Stütze, daß
die Spitze dicht über den Stab streift. Sehr häufig, wie das z. B.
in Fig. 1, Phase 5 u. 6" zu sehen ist, federt sie auch hier eine längere
Zeit gegen den Stab, um schließlich mit einem plötzlichen Ruck
darüber hinweg zu gleiten. Jetzt streckt sich, von unten her be-
ginnend, der Gipfel mehr und mehr (VIII u. IX), bis er bei X in
flacher Krümmung dem Stabe aufliegt, also in eine Stellung gelangt,
die der anfänglichen bei / entsi)richt. Doch sieht man jetzt deutlich
die Andeutung einer langen Schraubenwinduug. Hier mußte wegen
der einbrechenden Dunkelheit die Serie abgebrochen werden. Wie
das folgende Bild zeigt, bat sich während der Nacht die eben er-
wähnte lockere Schraube um den Stab gelegt, während sich der
Gipfel in Form eines Halbkreises wagerecht unter dem Stabe
hervor nach vorn geschoben hat (XI). Dieser begann sich nun
ganz ähnlich wie bei VI wieder hakenförmig zu heben (XII), bildete
wieder die sehr charakteristische Schleife, die eine Weile mit zu-
nehmender (absolut al>er nicht sehr bedeutender) Kraft gegen den
Stab federt (XIII), bis sie, sich weiter hebend, mit einem kleinen
Ruck über ihn binweggleitet (XIVj. Dann gleicht sich die Krüm-
mung zu einem flachen Bogen aus, der sich über den Stab zu
legen strebt (XV, XVI). Doch mißlang dies, die Spitze ging über
den Stab hinweg (XVII) und das Spiel mußte sich von neuem
wiederholen, wie es die Stadien XVIII— XX zeigen. Ob in der
folgenden Nacht abermals ein solches Abgleiten stattfand oder das
Beiträge zum Wiudeproblem.
673
Stadium XXI die unmittelbare Fortsetzung des vorhergehenden
ist, läßt sich nicht entscheiden; genug, bei XXI sehen wir den
inzwischen stark verlängerten Gipfel auf einem Wege ähnlich dem
bei VI—X und XIV—XVII zurückgelegten. Diesmal fällt er mit
Fig. 1. Akehia quinata, an wagerechter Stütze windend; 14 aufeinander folgende Stadien.
5 Uhr 43 schnellt der vorher in flachem, fast horizontalem Bogen gegen den Stab federnde
Gipfel über diesen hinweg.
einem ziemlich langen Bogen richtig über den Stab (XXIII), um
dann bei XXIV sich wieder unterhalb hervorzuschieben, wobei
wiederum eine, allerdings zum guten Teil durch den Stab ver-
deckte Andeutung der neuen Windung sichtbar wird.
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI.
43
674 Hugo Miehe,
In diesem Falle hatte also der Sproß etwa 2 Tage zur Her-
stellung- eines festen Windeumganges gebraucht. Da ich bei
anderen Exemplaren in 18 Tagen zehn, in 12 sechs, in 8 fünf
Umläufe feststellte, scheint ein Zeitraum von etwas weniger als
2 Tagen das gewöhnliche zu sein. Natürlich wird dies von all-
gemeinen Wachstumsbedino^ungen abhängen.
Da die übrigen, mit der Zeichenkamera hergestellten Skizzen-
serien nichts wesentlich Neues bieten, so kann ich hier mich da-
mit begnügen, auf eine von ihnen hinzuweisen (Fig. 1).
4. Die Torsionen.
Das zweite wichtige Phänomen, dem ich besondere Aufmerk-
samkeit zuwandte, sind die, man kann fast sagen berüchtigten
Torsionen. Sie sind oft in der Literatur erwähnt, ohne daß, wie
ich glaube, ihnen die gebührende Bedeutung beigemessen wurde.
Ich trug in kurzen Abständen auf der konvexen Seite der Win-
dungen und auf dem ja meist bogig gekrümmten Endteil bis zur
Spitze feine Tuschepunkte auf, legte also eine Linie, deren ursprüng-
licher Verlauf jederzeit ziemlich gut feststellbar war, fest und
verfolgte dauernd während der Bewegungen die Verschiebung der
Punkte. Ich habe solche Beobachtungen immer von neuem wieder-
holt und in manchen Fällen über viele Stunden ausgedehnt, so
daß ich alle Phasen der oben an Hand der Skizzen erläuterten
Bewegung: studieren konnte. Das allgemeine Ergebnis läßt sich
in wenige Worte zusammenfassen. Ich vermochte immer nur eine
Drehung des Stammes im entgegengesetzten Sinne des
Windens zu bemerken, d. h. also, da Akehia ein Linkshänder ist,
eine im Sinne des Uhrzeigers verlaufende Torsion^).
Zur Veranschaulichung lasse ich an der Hand einiger (ohne
Hilfe der Zeichenkamera entworfener) Skizzen, die in Fig. 2 dar-
gestellt sind, ein Protokoll folgen, das die Verschiebung der Marken
in den einzelnen Internodien angibt. Die Internodien sind von
der Basis her mit römischen Ziffern, die Knoten mit Buchstaben
bezeichnet.
Beginn: 11 Uhr. Marken überall von a an auf der konvexen
Flanke angebracht.
1) Die Ausdrücke links und rechts beziehen sich auf die Lasre eines Beobachters,
der von der Spitze der Pflanze nach der Basis schaut.
Beiträge zum Windeproblem.
675
11 Uhr 30 Min. Die Marken sind iu /// am Uberrücken auf
die untere Flanke. Die Spitze ist schräg: nach rückwärts
gewandt.
Fig. 2.
11 Uhr 45 Min. IV— VI folgen nach, die Marken sind im Sinne
einer Kechtsdrehung weiter nach der unteren Flanke g-e-
rttckt. Am stärksten in V und VI, die sich ganz einheit-
43*
gyg Hugo Mi ehe,
lieh verhalten. /// etwas weiter gedreht. Die Spitze
schräg nach hinten.
12 Uhr 15 Min. In IV— VI sind die Marken auf der Seite an-
gelangt. In /// nimmt die Torsion gegen c allmählich
ab. Spitze schräg nach hinten.
12 Uhr 45 Min. Nicht wesentlich verändert. In V und VI ist
die Drehung etwas weiter gegangen.
4 Uhr 30 Min. Jund II unverändert, wie auch vorher; III von
c nach d zunehmend bis V4 rechts gedreht; 17 etwas mehr
als V4 rechts gedreht; FV2 bis ^U rechts gedreht; F/ desgl.,
an der Spitze fast ^U ^). Die Spitze liegt locker an dem Stabe.
5 Uhr 30 Min. / und // unverändert. III etwas über V4;
IV bis V2, V 3/4, VI über ^U, oben fast V4. Alles Rechts-
drehung. Die schräg nach hinten und abwärts gewandte
Spitze liegt der Stütze federnd an.
8 Uhr. / und // unverändert. III V4 bis fast V2; IV V2 bis
Vi-, V und VI ^4 bis '^k.
Aus diesen Aufzeichnungen geht hervor, daß die Internodien,
die eben eine fertige Windung gemacht haben, d. h. also I und //
eine merkliche Drehung nicht mehr zeigen. Ob bei noch genauerer
Messung gegen c hin nicht noch eine ge^visse Torsion nachweisbar
ist, bleibe dahingestellt. Kräftiger werden sie in dem folgenden
Internodium, ///, d. h. in dem untersten des sich frei bewegenden
Gipfels. Internodium IV ist noch stärker gedreht und in den
beiden Spitzeninternodien sind die Marken während der 9 Stunden
gar um den ganzen Stamm gewandert. Dabei zeigt sich aber ein
auffallender Unterschied. Während in den unteren Internodien III
und IV die Marken entsprechend einer allmählich zunehmenden
Torsion eine spiralige Linie beschreiben, zeigt die Spitzenregion
gewöhnlich eine im wesentlichen ziemlich gemeinsame Verschiebung
der Marken.
5. Werden auch Stützen umwunden, die unter den
Horizont geneigt sind?
Da Äkehia quinata so sicher an wagerechter Stütze zu winden
vermochte, erhob sich die Frage, ob und bis zu welchem Grade
1) Inwieweit immer eine wirkliche Drehung vorliegt, wollen wir hier uuerörtert
lassen. Hier ist nur der Kürze halber dieser Ausdruck für jede seitliche Verschiebung
der Marken gebraucht.
Beiträge zum Windeproblem. 677
auch unter den Horizont geneigte Stützen umwunden werden können.
Ganz leichte Neigungen unter den Horizont, wie sie sich bei meinen
Versuchen gelegentlich unabsichtlich herstellten, beeinträchtigten
das Winden nicht. Als ich aber einen Stab, an dem ein Sproß
bisher 6 normale Windungen ausgeführt hatte, aus seiner wage-
reehten Lage um etwa 15*^ senkte, vermochte der Trieb nicht mehr
zu fassen, sondern entwickelte sich zu einer jener langen Peitschen,
wie sie überall aus dem Spalier heraushängen. Dementsprechend
wurden auch senkrecht nach abwärts gerichtete Stäbe nicht um-
wunden.
6. Sind die Triebe von Äkebia durch Berührung reizbar?
Auch diese Frage läßt sich ganz kurz beantworten. Ich rieb
freie aus dem Spalier hervorragende Triebe mit einem Hölzchen
und wiederholte diese Behandlung in bestimmten Zeiträumen. Eine
Krümmung im Sinne der Reizung war nie zu beobachten. Eben-
sowenig bemerkte ich einen Erfolg, als ich den Gipfel eines auf-
recht windenden Sprosses so an seiner Stütze in die Höhe schob,
daß die Spitze bis zur ersten sich anlegenden Windung über das
Ende des Stabes hinausragte, und dann einen Stab von Zeit zu
Zeit in die Spirale steckte und auf und ab bewegte. Das Ende
streckte sich in der üblichen Weise gerade.
7. Winden an aufrechter Stütze.
Obgleich die Beobachtung des Windens an aufrechter Stütze
nichts wesentlich Neues ergab, ist es doch vielleicht nicht tiber-
flüssig, zum Vergleich das Wesentliche hier mitzuteilen.
Die frei aus dem Spalier herausragenden Triebe sind ziemlich
gerade bis zu dem Gipfel, der etwa halbkreisförmig gekrtimmt ist.
Wie die Fig. 3 zeigt, bleibt dieser Haken auch beim Winden er-
halten. Dieses selbst stellt sich im wesentlichen als ein Umwandern
des mit seinem gekrümmten Teil der Stütze fest anliegenden Hakens
um die Stütze dar, wobei sich der Bogen kontinuierlich höher
schiebt, aber als Bogen bestehen bleibt. Gelegentlich kann sich
aber auch das Ende mehr oder weniger heben, so daß es zeitweilig
wagerecht liegt oder sich sogar noch etwas höher aufrichten kann.
Doch sind diese Streckungen nur selten und vorübergehend; vor
allem erfolgen sie nicht in regelmäßigen Rhythmen oder überhaupt
678
Hugo Miehe,
notwendig- nach einer gewissen Zeit. Bei vielen dauernd beob-
achteten windenden Sprossen traten sie während der Zeit der
Beobachtung überhaupt nicht ein. Äkehia „greift" also sicher
nicht im Schwendenerschen Sinne.
Tuschepunkte, die auch an den aufrecht windenden Sprossen
angebracht wurden, ließen in ihren allmählichen Verschiebungen
auch hier ausnahmslos erkennen, daß sich der Sproß nach rechts,
d. h. also im entgegengesetzten Sinne der Windebewegung dreht.
rvE
Fig. 3.
Akebia quinata, 10 aufeinander folgende Stadien des Windens an aufrechter Stütze.
Auch die Verteilung der Drehung entsprach ganz der bei den
wagerecht windenden Exemplaren. Von der ersten fest angelegten
Windung an wuchs die Torsion innerhalb 24 Stunden in allmählich
zunehmendem Maße bis etwa zu der dem Stabe anliegenden Zone
auf ^k an. Das äußerste Endstück war meder einheitlich, und
zwar auch um ^U, gedreht, doch begann hier wenigstens bei dem
diesen Angaben zugrunde liegenden Protokoll die Drehung später
als bei dem basalwärts anschließenden Stücke. Dieses, d. h. also
Beiträge zum Wiudeproblem. 679
das der Stütze bogig anliegende Stück, zeigte am frühesten eine
Verschiebung der Marken.
Schließlich muß ich hier noch auf eine Beobachtung aufmerksam
machen, die nach der durch die Torsion bewirkten Spannung zu
erwarten ist, die ich aber in der Literatur nirgend betont fand.
Der überhängende Gipfelteil liegt nämlich mit seinem bogigen Teil
der Stütze federnd an. Zieht man den Bogen in der Ebene
seiner Krümmung zur Seite, so schnellt er in dem Augenldick, wo
die Spitze von der Stütze abgleitet, wie ein Uhrzeiger herum, und
zwar im entgegengesetzten Sinne des Uhrzeigers, d. h. gleichsinnig
mit der Windebewegung und gegenläufig gegen die Torsionsrich-
tung. Eine Drehung von etwa 45" kann so ganz leicht erreicht
werden, gelegentlich sogar etwas mehr. Ich kann aber hier gleich
einschalten, daß die ebenfalls hakig gebogenen Gipfel von Dioscorea-
Arten, deren äußerst geschwind wachsende Triebe sich sehr kräftig
auf ein der längeren Wachstumszone entsprechendes größeres Stück
torquieren, sich sogar über 90° zurückdrehten, wenn sie in der
oben angegebenen Weise von der Stütze losgelöst wurden.
Wenn wir die Fig. 1 und die Taf. X mit Fig. 3 vergleichen,
,so fällt sofort die ^iel größere Länge des in Bewegung befindlichen
Gipfelteiles und sein viel lockerer Anschluß an die Stütze bei den
wagerecht windenden Sprossen auf. Während an senkrechter Stütze
sich der Sproß, ihr dicht anliegend, kontinuierlich emporschiebt, ist
an der wagerechten Stütze zeitweilig der gesamte in Windebewegung
begriffene Gipfelteil weit von ihr entfernt. Ferner ist die Kompli-
ziertheit der Stadien auffallend gegenüber dem einförmigen Bilde,
das sie am aufrechten Stabe bieten. Der Hakenkrümmung des
Gipfels, die hier, von gelegentlichen Hebungen abgesehen, immer
beibehalten wird, stehen dort viel mannigfaltigere Formen gegenüber.
Bald ist der Gipfel in flachem Bogen gestreckt (Taf. X, X), bald in
ziemlich scharfem Knick basalwärts gekrümmt (yil), bald in flacher
Spirale gebogen (XVIII) usw. Auch verdient die regelmäßig auf-
tretende vorbereitende flache Spiralkrümmung am Stabe, auf die ich
bereits früher (S. 673) aufmerksam machte und die z. B. bei X gut zu
sehen ist, Erwähnung. Schließlich ist das zum Teil mit den oben
besprochenen Besonderheiten zusammenhängende häufige Abgleiten
von der Stütze bemerkenswert, das beim aufrechten Winden nur
ganz selten einmal (z. B. bei Wind und an zu dicken Stützen)
eintritt. Trotzdem ist, wie noch einmal betont werden mag, das
Ergebnis hier wie dort das gleiche: feste, straff anliegende
680
Hugo Miehe,
Windungen. Leider habe ich bisher versäumt, Angaben über die
Zeitdauer der Windungen und ihre durchschnittliche Höhe beim
aufrecht klimmenden Sproß zu sammeln und sie mit den ent-
sprechenden Daten bei den wagerechten zu vergleichen. Auffallend
ist aber ein etwa vorhandener Unterschied sicher nicht.
8. Klinostatenversuche.
Von besonderem Interesse ist die Frage, wie sich Ahehia am
Klinostaten verhält. Die Versuche machten insofern besondere
Schwierigkeiten, als ich gezwungen war, an den Trieben des Frei-
landexemplars zu operieren.
Fip. 4.
Akebia quinata am Klinostaten. Der Pfeil bezeichnet den Beginn des Versuches.
Klinostatenversuch 1. Ich löste einen sehr kräftigen Trieb so
weit wie möglich, etwa 3 m aus dem Spalier los, leitete seinen
Gipfel an den Fuß eines langen, geraden und runden Holzstabes
und ließ ilin zunächst ein Stück an ihm heraufklettern. Alsdann
wurde von oben her ein Messingrohr von genügender Weite über
den Stab und den Gipfel geschoben und etwa 50 cm unterhalb
desselben mit Gips angefüllt. Auf diese Weise war der Sproß
an dieser Stelle unverrückbar und ohne irgend welche Verletzung
mit dem Stabe verbunden. Darauf wurde (vgl. Fig. 4) das obere
Ende des Stabes in die Klemmschraube des Klinostaten eingeführt
und befestigt, während das untere Ende an der Stelle des Messing-
rohr-Gipsverbandes auf ein Lager gelegt wurde. Dies bestand aus
Beiträge zum AVindeproblem. 681
einem gebogenen Stück dicken G-lasstabes, das mit Siegellack auf
einer hölzernen Unterlage befestigt war. Über den Klinostaten
war ein mit einem Schlitz versehener hölzerner Kasten gestülpt,
der noch mit einem großen Stück Wachstuch eingehüllt wurde.
Dieser Schutz bewahrte trotz gelegentlicher heftiger Regengüsse
das Ulirwerk rollkommen vor Rost. Die ganze Apparatur w^urde
auf einem langen Tische genau wagerecht aufgestellt. Der über
2 m lange untere Teil des Sprosses wurde wie ein Gewinde locker
an einem Pfahle aufgehangen. Die Umdrehungszeit des Klinostaten
wurde mit Hilfe eines Ansatzstückes auf 3 Stunden 20 Minuten
eingestellt. Da durch die Drehung der Klinostatenachse der untere
Teil des Triebes gezwirnt wurde, mußte sie von Zeit zu Zeit zu-
rückgedreht werden, um eine Verletzung zu verhüten. Dies geschah
anfänghch alle 6 — 10 Stunden, d. h. nachdem das Uhrwerk zwei bis
drei Umdrehungen vollführt hatte. Da sich aber später herausstellte,
daß der basale Sproßteil ganz gut eine größere Zahl von Drehungen
aushalten konnte, brauchte die Rückdrehung erst in wesentlich
längeren Intervallen vorgenommen zu werden (etwa alle 15 bis
20 Stunden). Zweckmäßig war es dann, den freien Teil jedesmal
etwas im entgegengesetzten Sinne zu zwirnen. An der Stelle, wo
die jüngste fertige Windung in den beweglichen Gipfelteil über-
ging, wurde an dem Stabe eine Marke angebracht. Beginn des
Versuches 1.3. Juli 1914, mittags 12 Uhr.
Schon einige Stunden nach Beginn des Versuches zeigte sich
eine auffällige Erscheinung. Die hakenförmige Endkrümmung glich
sich ganz allmählich zu einem ganz flachen Bogen aus. Diese
Form wurde im großen und ganzen während der Dauer des Ver-
suches beibehalten, doch war es merkwürdig, daß zeitweilig auch
einmal eine stärkere Krümmung wieder eintrat. Die Folge der
starken Verflachung der Endkrümmung war die, daß die Spitze
häufig von dem Stabe abglitt und dann der ganze obere Sproßteil
nach unten hing. Besonders geschah dies naturgemäß, wenn er
durch die Klinostatendrehung nach abwärts schaute. Doch brachte
ihn dann die weitere Drehung der Achse wieder nach oben und
in näheren Kontakt mit dem Stabe, so daß nie eine dauernde Los-
lösung statthatte.
Wie die Fig. 5 zeigt, kann auch unter Ausschaltung der ein-
seitigen Schwerewirkung ein Winden zustande kommen. Der Sproß
hatte bis zu dem am 20. Juli erfolgten Abbruch des Versuches
zwei vollständige Windungen ausgeführt. Sie waren ganz eben-
ßD2 Hugo Miehe,
mäßig und lagen dem Stabe dicht an, waren aber insofern abnorm,
als sie ganz auffallend steil waren. Während die von dem Sprosse
vorher angelegten Windungen etwa 10, 5, 12, 5, 12, 13 cm hoch
waren, waren die beiden am Klinostaten vollendeten 18 und
19 cm hoch.
Auch während der Drehung wurden Marken am Sprosse an-
gebracht. Dabei zeigte sich, daß die sonst ganz gesetzmäßige
Rechtstorsion nicht immer scharf hervortrat, zeitweilig sogar ganz
vermißt wurde. Ich bemerkte sogar zuweilen eine entgegengesetzte
Torsion.
Nach dem Abbruch des Versuches wurde der Stab wieder auf-
recht hingestellt. Die in den folgenden Tagen angelegten Win-
dungen waren abnorm niedrig (2, 5, 2, 3 cm).
Klinostatenversuch 2 verlief ganz ähnlich ^^^e der erste. Der
Versuchssproß war diesmal vorher an wage rechter Stütze gezogen.
Der Versuch lief vom 20. bis zum 27. Juli, während welcher Zeit
wiederum zwei vollständige Windungen ausgeführt wurden. Die erste
war sehr steil (19 cm hoch), die zweite mit 11 cm Umgangshöhe
wesentlich kürzer. Die nach dem Versuch ausgeführten Windungen
waren wiederum auffallend flach. Die Torsionen waren ebenso
unregelmäßig wie oben. Desgleichen trat auch hier das öftere
Loslassen ein. Dabei habe ich hier notiert, daß der abgeglittene
Teil gelegentlich eine deutliche, wenn auch schwache, Schrauben-
windung zeigte.
Ganz kurz erwähnen will ich nur noch einen vom 27. Juli
bis zum 19. August laufenden Klinostatenversuch mit einer Topf-
pflanze von Akehia. Abgesehen davon, daß die auch hier sehr
langen Windungen etwas lockerer, „unordentlicher" als bei den
vorigen Versuchen waren, ist nichts Bemerkenswertes hinzuzufügen.
Höchstens verdient die Beobachtung Erwähnung, daß die unter der
Wirkung der Drehung l)ald senkrecht von der Achse abspreizen-
den Blättchen zuweilen das im übrigen auch hier oft eintretende
Abgleiten erfolgreich verhinderten.
III. Beobachtungen an anderen Windepflanzen.
Außer Akehia quinata habe ich noch eine Reihe anderer z. T.
holziger, z. T. einjähriger Pflanzen oder Stauden auf ihr Verhalten
an wagerechten oder schrägen Stützen untersucht. Ich gebe die
Resultate in aller Kürze wieder.
Beiträg:e zum Wiiuleproblem. 683
a) Periploca graeca. An 45° geneigten Stützen winden die
Sprosse sicher und elegant, an wagerechten krümmen sich die
Gipfel ziemlich kräftig in die Höhe, verlieren den Anscliluß und
krümmen sich halbkreisförmig nach rückwärts. Nachdem dann
meist die Andeutung einer Spirale sichtbar geworden ist, findet
eine Geradestreckung statt, so daß schließlich ein senkrecht vom
Stabe in die Höhe strebendes und am Ende die übliche hakenför-
mige Krümmung der freien Triebe zeigendes Sproßende resultiert.
Ein langer, ziemlich weit unten aus dem Spalier hervorkommen-
der Trieb wurde in eine seichte Erdgrube geleitet, hier in flachem
Bogen aufwärts gebogen und an einem Stabe befestigt. Nachdem
dann die Grube mit Erde gefüllt war, wurde ein aus zwei Stücken
zusammengekittetes Kanalrohr über den Stab gestülpt, das unten
durch Anhäufelung von Erde lichtdicht an den Boden und oben
mittels eines verklebten Blumentopfes ebenfalls lichtdicht geschlossen
wurde.
Nach 11 Tagen zeigte sich folgendes: Die erste seither ge-
bildete Windung war fast normal, dann folgte eine sehr steile
Windung. Die folgende war ebenso steil, lag aber oben nicht
mehr an. Das ganze obere Ende einschließlich der Triebspitze
war fast vollkommen gerade und lag parallel neben der Stütze.
Der Trieb war vollständig etioliert. Periploca vermag also im
Dunkeln nicht normal zu winden.
b) Celastrum scandens erwies sich als träger Klimmer. Ein
Fassen erfolgte weder an wagerechter noch an geneigter Stütze.
c) Menispermum canadense, in zwei Exemplaren untersucht,
vermochte an wagerechter Stütze nicht zu ^\inden, die Sprosse
krümmten sich rasch aufwärts. Dagegen klommen die Pflanzen
an Stützen, die 45 und sogar 30° über den Horizont gehoben waren,
gut hinauf. Dabei war es sehr merkwürdig, daß bei dem einen
Exemplar (einer erwachsen kahlen Sippe) die jüngste Spirale sehr
häufig oberhalb des Stabes angelegt und erst nachher durch weitere
Drehung der tieferen Partie um die Stütze geschoben wurde.
d) Wistaria sinensis sowie e) eine nicht näher bezeichnete
Aristolochia des Gewächshauses stiegen sehr elegant noch an um
35° gehobenen Stützen liinauf, versagten jedoch ganz an wage-
rechten.
f) Phaseolus muUiflorus, Freilandexemplar. Anfänglich über-
wand die Feuerbohne noch eine Neigung von etwa 35° gut, später
jedoch, nach 8 Tagen, verlor der Trieb die Stütze und richtete sich
go^ Hugo Mielie,
senkrecht auf. An wagerechtem Stabe sofort scharfe senkrechte
Aufkrümmung.
g) Äpios tuberosa verhielt sich an wagerechtem Stabe wie
die Feuerbohne; 35° tiberwand von drei Trieben nur einer. Ob
in diesem Falle die Orientierung nach Süden günstig war, lasse
ich vorläufig dahingestellt.
h) Humidus Liipuhis krümmte sich von wagerechter und um
4.5° gehol)ener Stütze sofort scharf nach oben.
i) Dioscorea sativa, Freilandexemplar.
Die starken Triebe kletterten an 45 Grad-Stützen leicht hinauf,
vermochten jedoch horizontale Stangen dauernd nicht zu über-
winden. Sie machten meist 2, einmal sogar 3 Windungen, ver-
loren aber dann wieder die Stütze. Über die Torsionen, die hier
sehr kräftig sind, habe ich folgendes notiert: Die Torsion wird
zuerst sichtbar in der Zone des stärksten Wachstums, die mit der
Stelle zusammenfällt, wo sich eine neue Windung vorbereitet. Sie
setzt sich aber auch nach unten noch ziemlich weit fort. Nach
20 Stunden war die Verschiebung der Marken folgende: Spitze,
aus den jüngsten Internodien bestehend, Vi; 2. Internodium ^U — V2;
3. Internodium V2 — Vi; 4. Internodium V4 — 0. Alles Rechtstorsion
entsprechend der linksläufigen Windebewegung. Die hakenförmige
Spitze schnellte, losgelöst, sehr, kräftig zurück (vgl. S. 679).
Die Höhe der Windungen erleidet keine auffällige nachträg-
liche Veränderung.
k) Dioscorea discolor wurde im Gewächshause an einen straff
gespannten horizontalen Draht geleitet. Sie machte meist 2 Win-
dungen und verlor dann den Diaht. Die starke Torsion ist links-
läufig, die Pflanze ist ein Rechtswinder. Zurückschnellen des End-
hakens sehr kraftvoll.
1) Dioscorea reticulata (?), die am gleichen Orte ebenfalls an
horizontalem Drahte gezogen wurde, verhielt sich sehr interessant
(vgl. Fig. 5). Nach 5 schönen Windungen verlor sie den Draht.
Der Sproß wurde jetzt wieder angelegt (nicht angebunden) mit
dem Erfolge, daß er alsbald weitere 4 elegante Windungen aus-
führte. Jetzt verlor der Gipfel wieder die Stütze, streckte sich
gerade und machte, inzwischen stark herangewachsen, unregel-
mäßige Schwingungen, in deren Verlauf er abermals, und zwar
diesmal spontan, mit dem Draht in Berührung kam. Er kletterte
nun wieder an ihm ein Stück entlang, worauf sich das Spiel von
Beiträge zum Wiiideproblem.
685
früher wiederholte. Es dauerte aber jetzt länger, bis er wieder
„faßte". Es folgten dann 4 Windungen und nach einer geringen,
sich durch ein kurzes, gerades Stück dokumentierenden Unter-
brechung noch 4 weitere. Jetzt, d. h. nach 30 Tagen, w^urde der
Versuch abgebrochen,
m) Hoya carnosa machte im Gewächshause an wagerechter
Stütze 2 sehr lange Windungen, worauf der Gipfel mit einer
kräftigen Rechtsdrehung von der Stütze abschnellte. Hoija windet
links. Nähere Untersuchung scheint erwünscht.
Die eben mitgeteilten Beobachtungen lassen sich dahin zu-
sammenfassen, daß keine Pflanze wie Akebia imstande ist, dauernd
wagerechte Stützen zu umschlingen, daß aber etliche insofern eine
Art Übergang zu Akebia bilden, als sie 2, 3, sogar 4 bis 5 nor-
male Windungen an horizontaler Achse ausführen können.
Fig. 5.
Dioscorea reticulata, nachdem sie 30 Tage an wagerechtem Draht ge-
klettert war. Der Trieb ist abgeschnitten photographiert; die großen
Blätter sind vorher entfernt. Der Pfeil bezeichnet den Yersuchsbeginn.
Allgemeiner ist die Fähigkeit verbreitet, Neigungen von 45"
zu überwinden. Mit Ausnahme des Hopfens, der ganz, und von
Phaseolus und Apios, die teilweise versagten, erwiesen sich alle
Versuchspflanzen als dazu befähigt.
IV. Kurze Zusammenfassung und Erörterung.
Eine an die Literatur anschließende, ausführliche theoretische
Diskussion der oben mitgeteilten Beobachtungen wurde durch den
Krieg vereitelt, der den Verf. bald zum Heeresdienste rief. Die
folgenden Bemerkungen mögen daher als vorläufige Betrachtungen
aufgefaßt werden, die durch weitere experimentelle und theoretische
Studien Vertiefung, Erweiterung, wahrscheinlich sogar Korrektur
erfahren müssen.
686 Hugo Miehe,
Das Problem ist: mit welchen Mitteln erreicht die Winde-
pflanze die feste, pressende, schraubige Umschling-ung der Stütze.
Daß es ein eigenartig- gelenkter Wachstumsvorgang ist, ist
allgemein anerkannt. Bei weiterer Analyse scheint man mir von
zwei Seiten auszugehen. Die einen heften den Blick auf die merk-
würdige kreisende Bewegung des freien Gipfels und fassen das
Umschlingen als das direkte Resultat des Umstandes auf, daß
diese Zirkumnutation an der Stütze einen Widerstand findet. Die
anderen suchen die in fortschreitenden Spiralen erfolgende schlin-
gende, würgende Bewegung zu verstehen und vernachlässigen
das Kreisen der freien Peitschen entweder ganz oder betrachten
es als eine abgeleitete, durch die besonderen Bedingungen des
Nichtfassens gegebene Erscheinung.
Ich neige der letzten Auffassung zu. Beide Prozesse hängen
natürlich zusammen, aber das Kreisen muß durch die Windebewe-
gung aufgeklärt werden, nicht umgekehrt. Auch die für die letzte
Auffassung ins Feld geführte biologische Funktion scheint mir sehr
überschätzt zu werden. Eine direkte Folge des Kreisens kann
jedenfalls das Schlingen nicht sein; das sieht man schon daran,
daß ja viele freie Umläufe erst auf eine Windung kommen.
Was das Sichherumlegen der Sprosse angeht, so darf man wohl
auf Grund unserer Versuche hinter die Theorie, daß dies ein
geotropisch geleiteter Vorgang ist, ein Fragezeichen machen. Aller-
dings zunächst mit einiger Wahrscheinlichkeit nur bei Akehia qui-
nata. Ob man die Theorie für die übrigen Pflanzen beibehalten
will, ist eine Meinungssache. Man würde sie aber auch ebenso
gut vom Standpunkte der AJcehia aus in gleichem Sinne beurteilen
können. Damit ist nicht gesagt, daß die Schwerkraft überhaupt
nicht als wirkender Faktor in das Winden eintritt. Zur Vorsicht
nötigt nämlich der Ausfall der Klinostatenversuche, die zwar eine
Art Winden zeigten, jedoch ein abnormes. Ich suche den Grund
dafüi- in der weitgehenden Geradestreckung des normal gekrümmten
Gipfels, die das sichere Fassen vereitelt. Es muß al)er nicht die
ausgeschaltete einseitige Schwerewirkung sein, die diesen Erfolg hat.
Auch die einseitige Lichtwirkung war in meinen Versuchen aufgehoben,
und daß in der Dunkelheit Aufrichtung des Gipfels eintritt, lehrte
ja das Verhalten von Periploca. Hier hätten erneute Versuche ein-
zusetzen (einseitige Beleuchtung von der Spitze am Klinostaten *).
1) Voss (a. a. 0.) hat schon ähnliche Versuche gemacht. Wurde Bowiea volubilis
an wagerechter Klinostatenachse von vorne her heleuchtet, so machte sie in (! Tagen
Beiträge zum Windeproblem. 687
Ich bin geneigt, der hakenförmigen Überkrünimung eine be-
sondere Bedeutung zuzuschreiben, selbst dann, wenn sie nicht
überall so ausgeprägt ist, wie bei ATcehia und vielen anderen Ob-
jekten. Sie scheint mir mit dem zweiten Faktor zusammenzu-
wirken, der das Winden ermöglicht, nämlich der stark entwickelten
Torsion, die die Schlingpflanze als eine besonders gesteigerte
Eigenschaft auszeichnet. Die energische gegenläufige Torsion des
Stammes kann nur dann zu einem, und zwar sehr straffen Um-
schlingen führen, wenn die Spitze gekrümmt oder wenigstens nicht
vollkommen gerade ist. Man kann sich diesen Prozeß durch fol-
genden Versuch anschaulich machen, der natürlich nicht für den
gesamten Vorgang des Windens ein Schema sein soll. Gibt man
einem Gasschlauch dadurch, daß man in sein oberes Ende ein
Stück Bleirohr einführt, ein Hakenende, so kann man ihn sofort
in festen, bleibenden Windungen um einen Stab legen, wenn man
ihn in der entgegengesetzten Richtung torquiert und um den
Stab herumlegt. Das geht nicht ohne eine endständige Krüm-
mung. Es geht auch nicht, wenn man etwa den Schlauch gleich-
läufig zwirnt. Löst man den Haken von dem Stabe, so schnellt
er ebenso selbstverständlich zurück, wie es der Gipfel von AJcehia
oder Dioscorea tut und er liegt ebenso federnd vorher dem Stabe
an, wie dieser. Man kann diesen Versuch mit dem gleichen Er-
folge auch an einem freien Windesproß anstellen. Zwirnt man
ihn in einer Richtung und legt ihn in entgegengesetzter um einen
Stab, so ])leiben die Windungen sofort liegen, sofern eine hakige
Endkrümmung vorhanden ist. Beseitigt man diese oder zwirnt
man gleichläufig mit der künstlichen Windung, so gleitet der Sproß
sofort beim Loslassen ab.
Wenn man die Taf. X und die Fig. 1 betrachtet, so könnte
man zu der Vorstellung kommen, daß das Erfassen der Stütze
dann eintrete, wenn der inzwischen lang genug gewordene End-
teil nach geotropischer Aufkrümmung mit Hilfe der jetzt ebenso
wie in aufrechter Lage verlaufenden Kreisbewegung an den Stab
stößt. Doch wird man bei näherer Überlegung und Berücksichti-
gung der sämtlichen Stadien bald finden, daß damit weder ohne
weiteres das horizontale Winden auf das vertikale zurückgeführt
worden ist, noch allein auf diesem Wege verständlich gemacht
werden kann.
zwei volle, fest anliegende Windungen unter antidromer Torsion. Bei seitlicher Be-
leuchtung fand jedoch kein Winden statt.
gog Hugo Miehe, Beiträge zum Windeproblem.
Ich möchte also folgende Auffassung des Windevorganges zur
Diskussion stellen: Der Gipfel ist, wahrscheinlich aitiogen, über-
gekrümmt und hält sich dauernd in dieser Form, indem stets die
obere Flanke stärker wächst. Durch autonome Torsion des Stammes,
die in der Zone des stärksten Wachstums am energischsten ist,
entsteht eine Spannung, die das Hakenende federnd gegen die
Stütze drückt und es an ihr beim Wachstum emporgleiten läßt.
Durch den Widerstand des Hakenendes wird gleichzeitig die spiralige
Krümmung der nächst tieferen Partie eingeleitet, die sich dann an
die Stütze anlegt und schließlich durch Wachstum fixiert wird.
Ein solches Winden würde an wagerechter Achse ebenso gut
vonstatten gehe^i, wie an aufrechter, vorausgesetzt, daß zwei Um-
stände nicht hindernd eingreifen, nämlich eine länger dauernde
Geradestreckung des Gipfels und zweitens starker negativer Geo-
tropismus. Das erstere tritt nun tatsächlich bei Akebia nicht ein,
obwohl zeitweilige Streckungen stattfinden und dann Abgleiten
herbeiführen. Was das zweite Moment anlangt, so ist es meines
Erachtens hauptsächlich dafür verantwortlich zu machen, daß bei
den meisten Windepflanzen die wagerechte Stütze bald verlassen
wird. Erfolgt die negativ-geotrope Aufrichtung rasch und energisch,
so verliert die Pflanze die Stütze, ist die Reaktion träge und
schwach, so gescliieht dies nicht, oder wenigstens nur vorüber-
gehend und unvollkommen, so daß der Fortgang des Windens nicht
gestört wird^). Es ist sogar denkbar, daß bis zu einem gewissen
Grade der negative Geotropismus günstig wirkt, indem er (indirekt
durch Herstellung bestimmter Lichtrichtung oder direkt?) zeitwei-
lige stärkere Einkrümmung des Endes bewirkt. Schließlich sei
wieder betont, daß diese Überlegungen zunächst nur für Akebia
gelten sollen. Es ist sehr wohl denkbar, daß sich verschiedene
Pflanzen verschiedener Mittel beim Winden bedienen.
Es darf nicht verhehlt werden, daß manche Phasen des wage-
rechten Windens dieser Auffassung noch Schwierigkeiten bereiten.
Vor allem würde es aber notwendig sein, von dem hier vorgetra-
genen Standpunkte aus das Herumschwingen des nicht fassenden
Gipfels zu verstehen. Es ergeben sich da recht bedeutende Schwie-
rigkeiten, die ich in vollem Umfange anerkenne und über die ich
bisher nicht zu einer bestimmten Ansicht kommen konnte.
1) Auch die Torsion könnte modifizierend eingreifen, indem sie die Wirkung der
Schwerkraft abschwächt.
über lonenaufnahme.
Von
E, Pantanelli.
I. Einleitung.
Erscheiuungen, welche nur auf einer ungieichen lonenaufnahme
beruhen können, sind bei der Salzaufnahme durch Pflanzenorgane
längst bekannt. Die Wasser- und Sandkultureu zeigen alltäglich,
daß mindestens drei solche Erscheinungen allgemein aufzutreten
pflegen :
1. Aus der gebräuchlichen Knop-Pfefferschen Nährlösung
nehmen die Wurzeln das Nitration schneller als K- und Ca-Ionen
auf, so daß die Nährlösung bald alkalisch wird: später werden
auch K und Ca absorbiert, wodurch eine neutrale oder auch schwach
saure Reaktion wieder hergestellt wird. Liefert man NaNOs an
Stelle von KNO3, so tritt die Alkalibildung noch schärfer hervor;
da das Na-Ion von den meisten Sandpflanzen nicht oder wenig
absorbiert wird, so kann die Alkaleszenzsteigerung der Nährlösung
bis zum Notleiden und Sterben der Pflanzen führen (Knop, 1862:
Krüger, 1905—1910: Maze^ 1913—1914).
2. Bei Darbietung von anorganischen Ammonsalzen wird von
den meisten Pflanzen das NHi-Ion viel schneller als das Anion
aufgenommen, wodurch eine so starke Ansäuerung der Nährlösung
einsetzt, daß die Pflanzen bald eingehen, sofern man durch Kreide-
zusatz die befreite Schwefelsäure nicht bindet (Knop, 1860 — 1862:
Rautenberg und Kühn, 1864: Maze, 1899; Prjanischnikow,
1901—1912: Kossowitsch 1904; Schulow, 1904—1912; Nathan-
sohn, 1904; Nagaoka, 1904; Söderbaum, 1905; Aso und Baha-
dur, 1907: Ehrenberg, 1908; Hall, GiminghamundMiller, 1908;
Hutchinson und Miller, 1909—1911; Pantanelli und Se-
verini, 1910—1911; Maschhaupt, 1911: Maze, 1913—1914).
Dieselben Erscheinungen treten bei Schimmelpilzkulturen auf (Niki-
tinsky, 1904; Cohn und Czapek, 1906; Ritter, 1914, u. a.
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI. 44
ggQ E. Paiitanelli,
3. Aus löslichen Phosphaten werden HP04-Ionen bis zum
völligen Verbrauch innerhalb einiger Stunden absorbiert, so daß
zunächst das neutrale, dann das basische Phosphat zurückbleibt
und stetiger Zusatz freier Phosphorsäure notwendig ist, um die
nachteilige Wirkung der Alkaleszenz zu vermeiden (Knop, 1860).
K-, Mg-, Ca- und Fe-Ionen werden dabei sehr langsam. Na meistens
kaum aufgenommen. Darauf beruht die chlorotische Wirkung
der löslichen Phosphate bei Wasserkulturen, die von der Crone
durch Benutzung unlöslicher Phosphate zu vermeiden suchte; da-
durch wird eigentlich nur eine Verzögerung der Phosphataufnahme
erzielt, die Chlorose hängt aber nicht von der schnellen Aufnahme
des Phosphatsalzes, wie meistens angenommen wurde, sondern vom
Alkalisch werden der Lösung ab.
Diese Erscheinungen deuten schon auf eine ungleiche lonen-
aufnahme hin; der Einwand von Ruhland (1909), daß „diese An-
gaben dringend einer Nachprüfung von modernen mikrobiologischen
Gesichtspunkten aus bedürfen", kann nunmehr fallen, da die Ver-
suche von Maze (1899 und 1913—14), Kossowitsch (1904), Hut-
chinson und Miller (1910—11), Severini und mir (1910 — 11),
Schulow (1912) und die Untersuchungen an Schimmelpilzen mit
sterilen Kulturen ausgeführt wurden. Ich kann sogar liiuzufügen,
daß bei Reinkulturen die erwähnten Erscheinungen viel schärfer
hervortreten, da sich entwickelnde Mikroorganismen das normale
Wahlvermögen der Wurzeln bald störend beeinflussen.
Trotz der hohen Bedeutung dieser Tatsachen für die Zell-
physiologie sind entsprechende Versuche nur von Nathansohn und
M eurer, Sella und mir ausgeführt worden. Die erstgenannten
Forscher brachten Scheiben aus knolligen Wurzeln von Dahlia,
Helianthus, Beta und Daucus in reine Lösungen eines einzigen
Salzes und bestimmten die Aufnahme der einzelnen Ionen durch
chemische Analyse des Preßsaftes (Nathansohn, 1903) oder der
Außenlösung (Nathansohn, 1904, Meurer, 1909). Die Wurzel-
scheiben nahmen dabei Kation und Anion in ungleicher Menge,
und zwar bis zu einer Gleichgewichtskonzentration auf, die für
beide Ionen ungemein stark abweichen konnte. Nathansohn war
nach dieser Feststellung offenbar beängstigt, wie die Zelle gegen
die elektrostatischen Anziehungskräfte so weit arbeiten könnte,
und suchte eine Erklärung in der gleichzeitigen Ausscheidung
anderweitiger Ionen aus der Zelle, wodurch das Neutralbleiben
der Außenlösung unter allen Umständen, und zwar regulatorisch
über loneuaiifnahme. 691
gesichert werden dürfte. Meistens soll es sich um die Ausscheidung
von Ca- und Mg-Iouen handeln.
Gegen diese Schlüsse sind vou Kuhland (1908 — 09) Ein-
wände erhohen worden. Er hält die Versuchsmethode von Nathan-
sohn und Meurer für unzuverlässig, da 1. die Salzlösung nur
äußerst langsam und graduell in das Innere der Wurzelscheiben
gelangt; 2. ein unbekannter Bruchteil der Lösung in den Zwischen-
zellräumen verbleibt; 3. die Wurzelscheiben während des Versuches
eine langsam anwachsende Schädigung erfahren.
Der erste Einwand ist für unsere Frage von geringem Inter-
esse, da der Gesamt- und JVlittelwert der Aufnahme durch das
graduelle Eindringen nicht beeinflußt wird ; es ist nur eine Frage
der Versuchsdauer. Der zweite Einwand scheint mir wichtiger,
obwohl er eigentlich nur den absoluten Wert des Gleichgewichts-
quotienten z\\ischen Preßsaft und Außenlösung, nicht das Wesen
der Tatsache trifft. Der dritte Einwand ist auch zu berücksich-
tigen; man kann sich nicht verhehlen, daß infolge der schweren
Verwundung und des submersen Lebens eine Änderung der Zell-
permeabilität eintreten könnte; allerdings dürfte es sich eher um
eine Zunahme als um eine Herabsetzung der Permeabilität handeln,
Vkie es von Nathansohn gefordert wird. Daß Zufluß fremder
Elektrolyte oder nicht balancierter Lösungen breite Schwankungen
der Permeabilität herbeiführen kann, wurde neuerdings von Oster-
hout (1912) gezeigt^). Diese Tatsache kann aber auch zugunsten
der Nathan söhn sehen Auffassung verwertet werden.
Die massenhafte Einströmung von Salzen in den Versuchen
Nathansohns und Meurers beweist auch, daß es sich kaum um
eine bloße Verteilung zwischen Protoplasma resp. Zellsaft und
Außenlösung vermittels einer semipermeablen Wand (Nathan-
sohn, 1902 — 1905), wohl aber um Adsorptiouserscheinungen han-
delte, woran die Zellkolloide einen hervorragenden Anteil hatten.
Diese Mögliclikeit ist später auch von Nathan söhn zugegeben
worden (1910, S. 113). Die Natur der Objekte und das Versuchs-
verfahren gestatten aber nicht einzusehen, in wie weit Adsorption
an toten Flächen mitspielte.
1) Beobachtungen über Salzpermeabilität waren schon früher von van Ryssel-
berghe (1899—1901;, Vandervelde (1901), Pantanelli (1905), Raciborski (1905),
Lepeschkin (1909), Fluri (1910J und Lundegärdh (1911; auf verschiedenem Wege
gemacht worden.
44*
gQO E. Pantanelli,
Trotz der iiiethodisclien Unsicherheit behalten die Beobach-
tungen von Nathansohn und Meurer als Tatsachenmaterial ihren
Wert bei. Der Einwand von Ruhland, die Ca- und Mg-- Abgabe
sei lediglich eine von der Salzaufnahme unabhängige Folge der
Beschädig-ung der Zelle, richtet sich eigentlich nur gegen die Be-
obachtung Nathansohns, daß die Zelle durch regulatorische lonen-
abgabe die neutrale Reaktion der Außenlösung zu gewähren sorgt.
Gegen eine ungleiche lonenaufnahme bringt Ruhland keine eigene
Beobachtung, denn der einzige nach dem Meurer sehen Verfahren
ausgeführte Versuch von Ruhland (1909, S. 753) bestätigt die
Möglichkeit einer ungleichen lonenaufnahme.
Auch die Möglichkeit von chemischen Umsetzungen zwischen
dargebotenen und absorbierten Ionen spricht gegen eine ungleiche
lonenpenetration nicht; so lange keine Fällung entsteht und die
Dissoziation nicht sehr weit zurückgeht, kann man von einer Um-
setzung zwischen nebeneinander freien Ionen nicht reden.
Neuerdings spricht sich auch Osterhout (1912) für die Mög-
lichkeit einer ungleichen lonenaufnahme aus; er führt aber keine
eigene Beobachtung an.
Schon 1909 haben S<'lla und ich ungleiche Absorption von
Kation und Anion an Kürbiskeimlingen festgestellt. Normal ab-
sorbierende Organe eignen sich zu solchen Versuchen viel besser
als Gewebestücke, wie auch die Kulturversuche von Severini und
mir (1910 — 1911) gezeigt haben. Es wurde dabei konstatiert, daß
schnell eindringende Ionen um so rascher aufgenommen werden,
je stärker dissoziiert das entsprechende Salz ist; ferner, daß Am-
moniumionen um so weniger schädigen, als das Verhältnis der
Amnion- und Anionaufnahme sich der Einheit nähert, da die An-
säuerungsgefahr verringert wird. Das gleiche gilt für KNO3,
NaNOa und Ammoniumtartrat, deren Lösungen infolge ungleicher
lonenaufnahme bald alkalisch werden.
Seitdem haben Colin und de Rufz de Lavison (1910) die
Aufnahme beider Ionen aus CaClo und BaCb, Plate (1914) aus
Maugansalzen verfolgt : dabei wurden beide Ionen im gleichen Ver-
hältnis aufgenommen. Da aber diese Versuche, wie auch meine
früheren, zu lange dauerten, so sind sie im Lichte meiner neueren
Erfahrungen für unsere Frage nicht brauchbar.
Überhaupt bedurfte die ganze Frage der lonenaufnahme einer
erneuten Prüfung mit chemischen Methoden an geeigneten Ob-
jekten, wie sie wohl nur unter normal absorbierenden Organen zu
über loneiiauf nähme. 693
findeu sind, lu vorlieg-ender Arbeit ist eine gedrängte Übersicht
meiner Untersuchungen gegeben: für nähere Angaben über die
Ausführung der Versuche, Methoden und Literatur muß ich auf
die ausführlichere Dnrstellung in italienischer Sprache hinweisen.
II. Unabhängigkeit der Aufnahme von Kation und Anion.
Bei diesen Versuchen ging ich von der Vorstellung aus, daß ein
Wahlvermögen nur bei ganz normalen Organen zu beobachten ist,
während ein sehr mäßiger Zusatz von Anaestheticis das Wahlvermögen
transitorisch, d. h. ohne irreversible Störung der mittleren (statischen,
normalen, regulierteuj Permeabilitätsverhältnisse des Plasmas, auf-
heben dürfte. Daß dieser Ausgangspunkt nicht unkorrekt Avar, ist
neuerdings von Beobachtungen amerikanischer Forscher erwiesen;
Osterhout (1913) fand, daß verdünnte Anaesthetica die elektro-
lytische Leitfähigkeit der Gewebe verringern; da die Erscheinung
l)ei sorgfältigem Ar1»eiten reversibel ist, so sieht Osterhout mit
Recht darin eine typische Xarkosewirkung, während die bei länge-
rer Wirkungsdauer oder höherer Konzentration einsetzende, irre-
versible Zunahme der Permeabilität auf einer von der Giftwirkung
des Narcoticums bedingten, heillosen Schädigung beruhen dürfte.
Höber (1907), Lepeschkin (1911) und Lillie (1911—1913) führen
die Herabsetzung der Permeabilität für Salze und Farbstoffe bei
der Einwirkung von Narcoticis auf die Ansammlung von Lipoiden
in der Plasmahaut zurück; darauf beruht wahrscheinlich auch die
von Kisch (1913) beobachtete Abnahme des Sauerstoffverbrauches
bei der Narkose. Weitere Erfahrungen bezüglich eines Antagonis-
mus zwischen Anaestheticis und Salzen verdankt man Hibbard
(1913) und Krehan (19U).
Bei meinen Versuchen wurde jedes Salz unter sonst gleichen
Bedingimgen ohne und mit einem genau bestimmten Zusatz (0,05 ^q)
von Chloralhydrat dargeboten.
Wird das eine Ion bei der Aufnahme bevorzugt, so läßt sich
das Wahlvermögen der Zelle bei diesem Vorgange auch durch Ver-
gleichung von Salzen nachweisen, welche ein Ion gemeinsam haben,
während das andere Ion einmal ein willkommenes, das andere Mal
ein nicht begehrtes ist. Darum wurden meine Versuche meistens
mit solchen Salzpaaren an demselben Material gleichzeitig ausgeführt.
Die Objekte wurden derart gewählt, daß bei ihnen die wähle-
rische Absorption von Ionen aus der Außenwelt zu einer der
aQA E. Pantanelli,
normalen und ständig g-eübten Funktionen gehörte und eine strenge
Bewachung ihres Zustandes in jedem Augenblick möglich war. Man
ließ sie nur kurze Zeit in den Salzlösungen verweilen, um sekun-
däre Stoffwechselvorgänge möglichst auszuschalten.
Von der Verwendung reiner, unbalancierter Lösungen in
destilliertem Wasser wurde Abstand genommen; Na-, K-, Li- und
Mg-Salze wurden in kalkhaltigem Leitungswasser, die Salze der
übrigen Kationen in Regenwasser gelöst: für Meeresalgen wurden
die mit Eegenwasser hergestellten Salzlösungen im Verhältnis von
1 : 10 dem Seewasser zugesetzt. Wir werden später sehen, inwie-
weit die Anwendung unbalancierter Lösungen die Resultate be-
einflussen kann.
Die Lösungen wurden vor und nach Berührung mit dem Ver-
suchsobjekt chemisch analysiert (Verfahren von Nathansohn [1904],
Meurer, Sella und mir). Osterhout (1913) traut der quanti-
tativen chemischen Methode nicht, da Adsorptionserscheinungen
(in der Zellwand?) täuschen können, im Grunde ein von Ruhland
bereits erhobener Einwand. Diese Fehlerquelle kann nur das
absolute, nicht das relative Ergebnis beeinflussen, solange man
nicht mit Hansteen-Cranner (1912 — 1914) annimmt, daß auch
die Zellwand infolge eines Fettsäuregehaltes eigene selektive Per-
meabihtät besitzt. In diesem Falle, da die Zellwand leblos ist,
hätten wir, etwa wie bei der toten Samenhülle des Getreidekornes
nach Brown (1909) und Schröder (1911), mit statischen Eigen-
schaften der Zellwand zu tun, welche vom physiologisch gelenkten
Wahlvermögen des Plasmas nicht schwer zu trennen wären; ohne-
hin zeigen die plasmolytischen Erfahrungen aller Forscher, zuletzt
von Lundegärdh (1911), daß für die meisten Salze die Zellwand
der Absorptionszellen völlig permeabel ist^).
Die in der äußerst dünnen Zellwand der Absorptionsorgane
zurückgehaltene lonenmenge kommt nicht in Betracht; an eine
Injektion der Interzellularräume mit Salzlösung ist bei unserer
Versuchsanordnung nicht zu denken.
Übrigens muß man bei der Bestimmung einzelner Ionen die
chemische Methode unbedingt benutzen: die von Osterhout be-
vorzugte, in der Tat sehr elegante und bequeme elektrische Messung
zeigt nur die Summe der lonenvariationen an.
1) Bei den Membranen der Torfmoose haben Baumann und Gully (zit. nach
Czapek, 1913, S. 48) eine ungleiche Adsorption von Kationen und Anionen beobachtet.
über lonenaufnahme. 695
Keiner unter meinen Vorgängern hat die Variationen des Volumens der Außen-
flüssigkeit berücksichtigt, obwohl ich bereits vor zehn Jahren (1905) gezeigt habe, daß
die Wasseraufnahme durch normaltätige Wurzeln von der Salzaufnahme völlig unabhängig
ist; später ist diese Beobachtung von Hansteen (1910), Pouget und Chouchak (1910
bis 1912), Schreiner und Skinner (1910), Lundegärdh (1911) und Hasselbring
(1914) auf verschiedenem Wege bestätigt worden. Auch bei der Versuchsanorduung von
Nathansohn^j und Meurer sind Veränderungen des Volumens der Außenlösung zu er-
warten, welche die Aufstellung einer Bilanz der Aufnahme auf Grund der Analyse der
Außenflüssigkeit illusorisch machen können.
Bei den hier zu berichtenden Versuchen wird die Wasseraufnahme oder -abgäbe
absichtlich verschwiegen, weil die betreffenden Erfahrungen in anderem Zusammenhang
zu besprechen sein werden. Um diese Fehlerquelle auszuschalten, wurde die Außenflüssig-
keit am Ende jedes Versuches auf das ursprüngliche Volumen mit destilliertem Wasser
zurückgebracht, wenn sie verringert war; hatte dagegen eine Wasserausscheidung statt-
gefunden, so wurde die entsprechende Verdünnung bei der Analysenberechnung berück-
sichtigt.
Die Salzlösungen wurden durch wiederholte Analyse auf die angegebene Konzen-
tration (Anzahl Mol im Liter) eingestellt.
Die Bestimmung der einzelnen Ionen erfolgte nach den üblichen Methoden: K
wurde als Chloroplatinat bestimmt. Na aus der Differenz berechnet, Li als LigPO^ (in
Abwesenheit von Mg und Ca) gefällt, NH^ durch Destillation mit 0,01 Mol NaOH ge-
wonnen, Ca als Oxalat, Ba als Sulfat, Mg als MgNH^PO^ • 6 aq, Zn, Mn, Fe, Cu, As
als Sulfide, AI als Phosphat abgeschieden, Cl, Br, .1 und CN mit AgNOg titriert, NOg
durch i'berführung in NO nach der Schulze-Wagnerschen Methode gewonnen, HPO^
mit Magnesiamixtur, Weinsäure mit Bleiessig, Oxalsäure mit CaClg gefällt. .Jede Lösung
wurde vor und nach dem Versuche analysiert. Bei der ungeheuren Anzahl von Be-
stimmungen wurde ich von meiner Frau Enrica eifrig unterstützt.
a) Versuche mit Süßwasserpflanzen.
Ich benutzte eine submers lebende Elodea canadensis, und eine oberflächlich
schwimmende Wasserpflanze, Azolla caroliniana. Die erstere dürfte gelöste Stoffe durch
ihre Gesamtoberfläche, besonders bei jüngeren Sprossen, aufnehmen (vgl. Snell, 19Ö7),
die letztere besitzt zahlreiche Wurzeln, welche, wie das Verhalten zu Farbstoffen zeigt,
die Hauptrolle bei der Aufnalime spielen.
Von Azolla wurden soviel Pflänzchen auf die Lösung sorgfältig gelegt, als es der
Raum der benutzten Doppelschale mit 250 ccm Flüssigkeit gestattete; von Elodea wurden
je 10 g frische, 5 cm lange Sproßspitzen mit vernarbter Schnittwunde in 250 ccm Lösung
getaucht. Der Versuch dauerte in jedem Falle 2 Stunden. TJm Eaum zu ersparen,
führe ich nur die Ergebnisse der Versuche mit Azolla an. Elodea wurde nur in Lö-
sungen von CaClj, BaClj, K.^SO^ und (NH4)S0^ geprüft, da die Gegenwart der Luft-
kanäle im Stengel die absoluten Angaben unsicher machen konnte. Die Eesultate deckten
sich übrigens mit den von Azolla bis auf einige Einzelheiten.
Es werden hier, wie bei den folgenden Objekten, nur Versuche mit gleichen oder
sehr nahen Konzentrationen angeführt CTab. I).
1) Bei einigen Versuchen an Codium (1902) hat Nathansohn die Wasseraufnahme
berücksichtigt.
696
E. Pantanelli,
Tabelle I.
Azolla earulmiana. 250 ccm. 2 Stunden. Temp. : 16 — 18^.
Konzen-
tration
Mol. : Liter
Absorbierte
mg-Ionen
Kation Anion
Ver-
liältnis
Kation
Auion
0,05 °i
0 Chloralhydrat
Äqui-
valent-
ver-
hältnis
Salz
Absorbierte
nig-Ionen
Kation Anion
Ver-
hältnis
Kation
Anion
CaCl^ . .
0,05
0,26
0
—
0,27
0
—
0,5
BaClj . .
0,05
0
0
—
0,039
0,34
0,12
0,5
KNO3. .
0,05
1,89
0,91
2,07
1,25
0,4
3,14
1
AKXOj^g .
0,0125
0,16
0,23
0,7
0,38
0,18
1,28
0,33
KjjSO^. .
0,025
2,67
2,5
1,07
2,17
2,81
0,7 7
2
(NHJ.SO,
0,025
0,17
2,28
0,075
0,11
2,30
0,048
2
MgSO^ .
0,025
3,58
2,48
1,45
3,94
2,38
1,65
1
ZnSO^ .
0,025
0,76
0,61
1,25
0,16
0,73
0,22
1
MnSO^ .
0,025
0,49
0,48
1,02
0,67
0,51
1,32
1
FeSO^ .
0,025
0,30
0,44
0,68
0,44
0,44
0,93
1
A1,(S0,)3.
0,0125
0,95
0,062
15,3
0,71
0,23
3,09
0,66
b) Versuche mit Keimpflanzen.
Zu diesen Versuchen wurden zylindrische, halbliterige, innerlich gut glasierte
Steingutgefäße mit seitlichen Handgriffen benutzt. Solche Gefäße gestatten eine
ständige Beobachtung der Wurzeln nicht, sind aber viel bequemer als Glasgefäße, da
eine Umhüllung vermieden, der Ti'ansport bequemer und ein eventuelles Überspritzeu
der Nährlösung besser überwacht wird; außerdem wird die Glasur von Salzlösungen
kaum angegriffen, während aus Glasgefäßen das l'bertreten von Alkali in Berührung mit
Ammonsalzen u. a. unvermeidlich ist.
Der Deckel jedes Gefäßes war ebenfalls aus glasiertem Steingut, besaß einen 5 ccm
tief übergreifenden Eand, und paßte zu jedem Gefäß in der Breite ziemlich genau, so
daß ein Verlust durch Verdunstung ausgeschlossen war, wie Kontrollversuche zeigten.
Der Deckel war von 13. mit einem 2 cm hervorragenden, 1 cm breiten Tubulus ver-
sehenen Löchern durchbohrt; in jedem Gefäß wurden 12 Keimpflanzen gezüchtet. Der
frei bleibende Tubulus diente während der Kultur zur Einfüllung der Nährlösung oder
zum Einblasen von Luft, während des Absorptionsversuches war er verkorkt. Nachdem
die Keimlinge in der Kultur mit Yio Pfefferscher Nährlösung ein reiches "Wurzelsystem
entwickelt hatten, wurde der Deckel samt Pflanzen aufgehoben, in einem Bassin auf
langsam fließendes Leitungswasser vorsichtig gehalten und nacli 2 Minuten auf das die
Versuchslösung enthaltende Gefäß übergestülpt.
Als Versuchsobjekte dienten Keimpflanzen von Gartenbohne, Lupine, Kichererbse
und Feldbohne. Nur die Tabellen der beiden letzten Pflanzen sind hier beigefügt (Tab. II
und IIIj, da mit Gartenbohnen und Lupinen nur einige Salze geprüft wurden. In Tulpen-
gefäßen mit 300 ccm Leitungswasser gezüchtete Speisezwiebeln ergaben bei Übertragung
in verschiedene Salzlösungen im wesentlichen dieselben Resultate wie die erwähnten Keim-
pflanzen.
über lonenaufnahme.
697
Beim Arbeiten mit "Wurzeln muß man ihre trotz Einhaltung möglichst gleicher
Kulturbedingungen oft ungleiche Entwicklung berücksichtigen; um diese Fehlerquelle
möglichst auszuschalten, bestimmte ich das Trockengewicht der Wurzeln am Ende des
Versuches und führte die Absorptionswerte für je 100 ccm Außenlösung auf 100 mg
AVurzeltrockensubstanz zurück. Unter den erwähnten Kulturbedingungen erhält man bei
den genannten Pflanzen in 30 Tagen ein "Wurzeltrockengewicht von etwas mehr als 0,5 g
pro 500 ccm Nährlösung, was die Umrechnung besser rechtfertigt.
Tabelle IL
Cicer arietinum. 500 ccm. 8 Stunden. Temp.: 15 — 17".
30-tägige Keimpflanzen.
"Werte für 100 mg Wurzeltrockeng-ewicht in 100 ccm.
Konzen-
tration
Mol.: Liter
Absorbierte
mg-Ionen
Kation Anion
Ver-
hältnis
Kation
Anion
0,05 "i
'° Chloralhydrat
Äqui-
valent-
ver-
hältnis
Salz
Absorbierte
mg-Ionen
Kation Anion
Ver-
hältnis
Kation
Anion
KCl . .
0,025
0,35
0,23
1,54
0,22
0,34
0,64
1
KBr
0,025
0,23
0
—
0,074
0,026
2,85
1
K.I.
0.025
0,74
0,60
1,23
0.7 7
0,67
1,15
1
KCN
(•,02.0
0.6
0,84
0,71
0,3
0,53
0,57
1
CaCl,
0,02 ö
0.025
0.14
0,18
0,40
0,45
0,89
0.5
BaClg
0,025
0,29
0,8
0,36
0,81
0,81
1,00
0,5
KNO3
0,025
2,74
1,95
1,43
2,74
1,5
1,82
1
NH.XOs .
0,025
0
1.4
—
0,41
0,58
0,79
1
MgCNOa)^.
0,025
0.99
1,72
0,58
0,82
1,39
0,59
U,5
BaCNOgjj .
0,025
0,16
1,92
0,083
0,36
1,44
0,25
0,5
Aiaxoj), .
0.0125
0,68
2,31
0,29
0,65
1,80
0,36
0,33
KoSO^. .
0,025
1,82
0,51
3,58
1,79
0,59
3,01
2
Mg SO, .
0,025
1.57
0,43
3,66
1,35
0,52
2,65
1
ZnSO,. .
0,0125
0.64
0,45
1,42
0,46
0,23
2,0
1
MnSO, .
0,0125
0,11
0,36
0,31
0,19
0,26
0,72
1
Fe SO, . .
0,0125
0,31
0,43
0,72
0,23
0,26
0,88
1
CuSO,. .
0.0125
0,35
0,52
0,67
0,24
0,41
0,59
1
A1,(S0,)3.
0,0125
0,38
0,80
0,48
0,26
0,78
0,33
0,66
KHjPO, .
0,025
0,38
0,34
1,12
0,25
0,27
0,93
1
KjHPO, .
0,025
0,29
0,61
0,48
0,16
0,38
0,42
2
KjHAsO,.
0,025
0,60
0
—
0,43
0,076
5,73
2
(NH,y
IP04
0,025
0
i 1,56
—
0,81
1,07
0,76
2
Ein schwieriger Punkt war, hier wie bei den übrigen Objekten, die mittlere Ver-
suchsdauer festzustellen. Versuche über die zeitliche Aufnahme hatten gezeigt, daß manche
Ionen ungeheuer rasch in die Zelle eindringen, andere etwas langsamer, daß aber die
Penetrationsschnelligkeit von der Konzentration stark beeinflußt wird. Um die mittlere
Erscheinung herauszugreifen, wurden bei den hier zu berichtenden Versuchen ungefähr
698
E. Pantanelli,
die gleichen niederen Konzentrationen gewählt und die Versuchsdauer auf 8 Stunden
fixiert, da eine maximale lonenaufnahme gegen Ende dieser Zeit meistens erreicht wird,
bei manchen Ionen schon zum zweiten Mal nach der Berührung der "Wurzeln, wie es
später zu erörtern sein wird.
Tabelle III.
Vicia Faba. 500 ccm. 8 Stundeu. Temp.: 15—17".
30-tägige Keimpflanzen.
Werte für 100 mg- Wurzeltrockengewicht in 100 ccm.
0,05 7
Q Chlorathydrat
Konzen-
tration
Mol -Liter
Absorbierte
nig-Ionen
Kation Anion
Ver-
hältnis
Kation
Anion
Äqui-
valent-
ver-
hältnis
Salz
Absorbierte
mg-Ionen
Kation Anion
Ver-
hältnis
Kation
Anion
CaClj . . .
0,025
0,18
1,62
0,11
0,26
0,75
0,35
0,5
BaCIg . . .
0,025
0,53
2,5
0,29
0,99
1,16
0,85
0,5
KNOg. . .
0,025
1,43
1,26
1.13
1,05
0,96
1,09
1
NH^NOg . .
0,025
0
1,14
(1
0,25
0,41
0,61
1
CaCNOj), . .
0,025
0,13
2,21
0,0G
0,48
2,02
0,24
0,5
BaCNOjjg . .
0,025
0,18
0,87
0,21
0,54
0,2
2,7
0,5
MgCNOa)^ .
0,025
2,68
4,11
0,65
2,15
3,6
0,39
0,5
Al(NOs), . .
0,0125
0,64
2,69
0,24
0,43
2,2
0,19
0.33
Mg SO, . .
0,025
1,88
0,11
17,74
0,5
0,41
1,22
1
ZnSO,. . .
0,0125
0,50
0,5
1,"
0,52
0,59
0,88
1
KH,PO, . .
0,025
0,58
3,37
»1,17
0,51
2,88
0,18
1
K2HPO4 . .
0,025
0,88
2,53
0,35
0,87
2,56
0,34
2
(NH,)jHPO, .
0,025
0,45
2,51
0,18
0,95
2,64
0,36
2
(NH^),HAsO^
0,025
0,63
0,79
0,80
1,77
0,81
2,19
2
c) Versuche mit Hefezellen.
Untersuchungen über Aufnahme einiger Salze bei Hefezellen
sind von Paine (1911) angestellt worden, der aber das Verhalten
der einzelnen Ionen nicht verfolgt hat, so daß seine Beobachtungen
unsere Frage nicht berühren; schon früher hatten S welle ngrebel
(1905) und ich (1905—1906) die starke Permeabilität der Hefe-
zellen für verschiedene anorganische Salze festgestellt^).
. Um ein homogenes Material zu benutzen, züchtete ich A\'einhefe der Rasse Barbira
in je 1 1 Nährlösung unter Durchlüftung (Methodik bei Pantanelli, 190.")j; nach 4 Tagen
l) Nach Herzog und Betzel (1910) handelt es sich bei der Aufnahme von
CHClg und HgClj in Hefezellen um eine typische Adsorption, während Formaldehyd eine
irreversible chemische Bindung eingeht.
über lonenaufnahnie.
699
war die Gärung bei 25" vorüber, worauf die Satzhefe nach Entfernung der klaren
Flüssigkeit und Zusatz von Leitungswasser wiederholt abgeschleudert wurde. Die Zellen
waren dann reich an Protoplasma und Glykogen; jede Kultur lieferte etwa 10 g frische
Hefe, die auf 40 ccm mit Regenwasser gebracht und je 20 ccm des Breies mit 20 ccni
der betreffenden Salzlösung mit oder ohne Chloralhydrat gemischt wurde.
Der Kontakt dauerte 10 Minuten unter kräftigem Schütteln, worauf das Ganze auf
ein trockenes, gewogenes Hartfilter von Schleicher und Schüll gegossen wurde. Da-
mit war eine ziemlich befriedigende, rasche Trennung der Hefezellen von der Lösung und
die Ermittlung des Hefetrockengewichtes bezweckt.
Der Zustand der Zellen wurde vor und nach dem Versuch durch Plasmolyse mit
CaClg (Pantanelli, 1905) und Behandlung mit nichtvitalen Farbstoffen kontrolliert.
In der Tabelle IV sind die Konzentrationen des fertigen Gemisches angegeben.
Tabelle IV.
Weinhefe B arber a. 10 Minuten. Temp.: 14 — Iß*^.
Konzen-
tration
Mol. -Liter
Absor
mg-I
Kation
bierte
men
Anion
Ver-
hältnis
Kation
Anion
0,05 0/
0 Chloralhydrat
Äqui-
valent-
ver-
hältnis
Salz
Absor
mg-I
Kation
bierse
onen
Anion
Ver-
hältnis
Kation
Anion
KCl . . .
0,25
2,24
0,29
7,73
1,40
0,55
2,55
1
KBr
0,05
0,44
0,06
7,46
0,084
0,12
0,7
1
K.T
0,05
0,89
0
—
0,55
0,29
1,9
1
KCN
0.05
0,20
0,25
0,8
0,095
0,16
0,59
1
CaClj,
0,1
0,52
0,45
1,16
0,29
0,53
0,55
0,5
BaClg
0,1
0,29
0,1
2,9
0,77
0,40
1,93
0,5
KNO3
0,25
2,04
1,8
1,13
1,01
1,12
0,90
1
CaCNOg)^
0,1
1,87
2,98
0,63
1,44
0,29
4,97
0,5
BaCNOa)^
0,1
0,81
2,0
0,41
1,01
0,19
5,32
0,5
Mg{m,\
0,05
0
1,52
—
0,68
0,67
1,01
0,5
Zn(N03)2
0,05
1,05
1,18
0,89
3,09
1,04
2,97
0,5
CuCNOg),
0,025
0
0,086
—
0,2
0
—
0,5
K.jSO^
0,1
1,02
1,17
0,87
0
0,72
—
2
Mn SO^
0,05
0,67
0,17
3,94
0
1,23
—
1
Fe SO,
0,05
0,34
0,32
1,00
0
1,31
-—
1
CuSO^
0,025
0
1,0
—
0,5
0,093
5,38
1
AI, (SO,),
0,05
0,87
1,26
0,69
3,03
1,40
2,16
0,66
K.jHPO,
0,25
5,7
3,49
1,63
5,9
3,46
1,70
2
Kj HASO4
0,1
2,27
1,61
1,41
1,61
1,80
0,89
2
(NH,)2HP0,
0,25
3,88
2,77
1,4
2,12
2,56
0,82
2
(NHj,HAsO,
0,1
1,47
0
—
0,51
0,74
0,69
2
(NH,)2 tart.
0,25
2,17
0,52
4,17
0,42
0,13
3,23
2
(NH,).3
ox
al.
0,05
1,16
0,053
21,9
0,11
0,52
0,21
2
700
E. Pantanelli,
d) Versuche mit Meeresalgen.
Zahlreiclie Versuche über AufDahme von NaNOs wurden von
Nathausohn (1901 — 1902) an Codium tomentosum angestellt; er
kam dabei im wesentlichen zum Ergebnis, daß die Aufnahme der
NOs-Ionen zunächst sehr schnell, dann immer hmgsamer fort-
schreitet und vor Erreichung des Diffusionsgleichgewichtes abge-
brochen mrd. Die Aufnahme der NO.s -Ionen zeigte sich von der
der Na-Ionen ziemlich unabhängig; Nathan söhn suchte diese Tat-
sache durch Austritt einer entsprechenden Menge Chlorioneu aus der
Alge zu erklären; auch SOd-Ionen kamen aus Codium nach Über-
tragung in SOi-freie Lösungen bis zu einem Drittel heraus. Leider
war die Alge unglücklich gewählt, da sie große, mit der Umgebung
frei kommunizierende Hohlräume besitzt (Jost). Außerdem wTirden
unbalancierte Lösungen benutzt, und es wurde ül)er das Verhältnis
der angewandten Alge zum Volumen der Außenlösung nichts gesagt.
Übrigens hat Nathansohn in jener Arbeit die Möglichkeit einer
gesonderten lonenaufnahme nur flüchtig berücksichtigt.
Tabelle V.
Ulva Lactuca.
0,05 7
„ Chloralhydrat
Konzen-
tration
Mol.-Liter
Absorbierte
msr-Ionen
Kation Anion
Ver-
hältnis
Kation
Anion
Aqui-
valent-
ver-
hältnis
Salz
Absorbierte
mg-Ionen
Kation Anion
Ver-
hältnis
Kation
Anion
CaCl^ . . .
0,025
3,29
2,79
1,18
2,74
3,78
0,72
0,5
BaClj* . .
0,025
0,54
1,61
0,34
1,29
2,79
0,46
0,5
KNO, . . .
0,05
2,24
2,22
1,01
2,12
2,07
1,02
1
NH.NOj . .
0,05
0,63
1,88
0,34
0,44
1,52
0,29
1
Ca(N02)3 . .
0,025
3,65
2,32
1,57
3,10
1,88
1,65
0,5
Ba(X03)2^= .
0,025
0
0,11
0
0,13
0,69
0,19
0,5
KjSO, . .
0,025
1,48
0,18
8,22
0,58
0,11
5,27
2
(NHJ,S0, .
0,025
0,25
0,51
0,49
0,38
0,29
1,31
2
Mg SO, . .
0,025
5,19
0,73
7,11
4,06
0,26
15,62
1 ■
ZnSO^ . . .
0,025
0,75
0,38
1,97
0,82
0,18
4,56
1
KH,PO, . .
0,025
1,0
0,69
1,45
0,87
0,67
1,30
1
(NH,),HPO,^^
0,025
1,2
0,63
1,90
0,95
0,65
1,46
2
(NHjo.tart. ,
0,025
0,56
1,37
0,41
0,31
1,24
0,25
2
(NHJa oxal.*
0,025
(1,25
0,18
1,39
0,19
0,58
0,33
2
über lonenaufnahme.
701
Ich wählte Algen, die man aus dem Neapler Golfe mit Leichtigkeit rein, epipliyten-
arm und in beliebiger Menge beziehen kann : Ulva Lactuca, Valonia utricularis, Cysto-
sira amentacea, Dktyota dichotoma, Phyllophora nervosa, Criyartina acicularis, Cryjjto-
nemia Lomation. Ausgezeichnet war für diese Versuche Valonia utricularis, die man
nur vom September bis Februar in gutem Zustande aus den Grotten von Posillipo erhält.
Die macrojjhysa- Form ist noch günstiger, es bietet aber große Schwierigkeit, diese in
ausreichender Menge aus 50 — 90 m tiefen Korallbänken herauszudretschen, so daß ich
nur wenige Versuche mit ihren 2 — 5 cm dicken Zellen ausführen konnte.
Für die zunächst zu berichtenden Versuche ließ man je 10 g frische, mit
reinem Seewasser gut gereinigte Alge in 100 ccm Lösung 2 Stunden verweilen. Icli
mußte eine mittlere Versuchsdauer einhalten, um vergleichbare Angaben zu gewinnen;
diese Zeit war aber für einige Ionen zu lang, für andere zu kurz gewählt, wie wir im
Kap. VIT sehen werden. Außerdem geht die lonenaufnahme bei Valonia, Ulva und Didyota
sehr schnell, bei den übrigen vielschichtigen Algen etwas langsamer vor sich.
Von Ulva kamen mehrere 8 cm lange, 4 cm breite, bereits vernarbte Streifen aus
verschiedenen Individuen, von Valonia mehrere gleich große Blasen, von den übrigen
Algen mehrere Sprolospitzen in jedes Versuchsgefäß; die erhaltenen Zahlen waren also
Mittelwerte.
Das Seewasser des Neapler Golfes entspricht in osmotischer Hinsicht einer etwa
0,6 niol. Lösung, wenn man die Forchhammersche Analyse zugrunde legt (vgl. Bethe,
1908j. Ich beobachtete aber, daß die meisten Meeresalgen bei der Übertragung in ein
Tabelle VI.
Valonia utricularis.
0,05 »/
g Chloralhydrat
Konzen-
Absorbierte
Ver-
Äqui-
Salz
tration
Mol.-Liter
mg-I(
Kation
)nen
Anion
hältnis
Kation
Anion
Absorl
mg-I
Kation
bierte
jnen
Anion
Ver-
hältnis
Kation
Anion
valent-
ver-
hältnis
CaCla . . .
0,025
i,"*
1,41
3,33
4,15
3,44
1,21
0,5
BaCl,* . .
0,025
1,03
1,77
0,58
1,86
2,79
0,67
0,5
KNO3. . .
0,05
2,03
2,06
0,99
1,83
1,47
1,24
1
LiNOg . .
0,05
2,37
2,33
1,02
3,58
1,98
1,89
1
NH^NOg . .
0,05
0,40
2,76
0,14
0,52
1,83
0,28
1
Mg(NOs),. .
0,025
2,14
2,30
0,93
1,30
1,65
0,79
■0,5
Ca(N03)2 . .
0,025
2,44
2,53
0,96
2,0
2,12
0,94
0,5
BaCNO«)., . .
0,025
1,26
2,32
0,54
1,28
1,66
0,7 7
0,5
K^SO^ . .
0,025
1,78
0,52
3,42
1,44
0,68
2,12
2
(NHJ.,S0, .
0,025
0
0,31
0
1,07
0,71
1,51
2
Mg SO, . .
0,025
2,64
0,93
2,84
1,85
1,09
1,70
1
ZnSO, . .
0.025
1,78
0,28
6,36
1,74
1,94
0,90
1
KHjPO, . .
0,025
0,97
1,55
0,63
0,96
1,41
0,68
1
(NH,),HPO,*
0,025
1,04
1,82
0,57
1,09
1,70
0,64
2
(NHJ2 tart. .
0,025
0,86
1,29
0,67
0,55
1,10
0,5
2
(NH^)2 oxal. .
0,025
0,44
0,14
3,01
0,43
0,60
0,72
2
702 E. Pantanelli,
dem Seewasser isosmotisches Gemisch leiden, während ihre Resistenz bedeutend erhöht
wird, wenn man etwas schwächere Konzentrationen benutzt. Da NaCl im Seewasser vom
Neapler Golfe zu 3,03% vorkommt und die übrigen Salze nur 0,83% ausmachen, so
wählte ich als Konzentration der zuzusetzenden Salzlösung 0,5 Mol für Univalente,
0,25 Mol für bivalente Salze; eine 0,5 Mol Kochsalzlösung enthält 2,925 "/o- Je 10 ccm
der Salzlösung wurde mit 90 ccm Seewasser oder, wenn eine Fällung mit den Sulfat-,
Karbonat oder Calciumionen des Seewassers entstehen konnte, mit 90 ccm 0,5 Mol NaCl
vermischt; diese Gemische sind in den Tabellen mit einem Sternchen bezeichnet. Es
wird also zunächst nur über Versuche mit balancierten Lösungen berichtet; die Versuche
mit unbalancierten Lösungen werden später erörtert. Cystosira amentacea wurde nur
in künstlichen Gemischen geprüft (Kap. III); die übrigen Algen verhielten sich wie TJlva
und Valonia, wenn auch manche spezifische Eigenheiten bezüglich der lonenauswahl zu-
tage traten.
e) Übersicht.
1. Unter 130 Koiiibiuatiouen von Pflanzen und Salzen wurde
eine annähernd äquivalente Aufnahme beider Ionen nur in 13 Fällen
beobachtet und zwar in:
KNO3: Viva, Vdlonia ZnS04: Vicia
LiNOs: Valonia MnS04: Azolla
Mg(N03)2: Cicer FeSOi und AUCSOi)»:
Ba(N03)a: Valonia Hefezellen
A1(N03)3: Cicer K2HPO4: Lupinus
K2SO4: Gigartina (NH4)2HP04: Viva.
Sieben unter diesen Salzen lieferten giftige Ionen, zwei waren
alkaliseh, in beiden Fällen war eine Veränderung der Plasma-
durchlässigkeit zu erwarten. Die übrigen drei Salze (KNO3, Mg
(N03)2 undK2S04) bestanden aus ernährungsphysiologisch wichtigen
Ionen. Für diese Fälle könnte man an die Absorption undisso-
ziierter Moleküle denken: da aber dieselben Salze von anderen
Pflanzen oder in anderen Konzentrationen oder auch von denselben
Pflanzen unter äußerlich gleichen Bedingungen bei anderen Ver-
suchen eine recht ungleiche lonenauf nähme ergaben, so könnte man
die äquivalente Aufnahme beider Ionen als reinen Zufall betrachten ;
sie kommt durch die Realisierung verscliiedener Bedingungen, wie
Konzentration, Versuchsdauer, Bedarf einzelner Ionen, Beeinflussung
der Permeabilität usw. zustande. Jedenfalls ist sie so selten, daß
sie gegen die Annahme einer gesonderten Absorption beider Ionen
kaum heranzuziehen ist.
2. Bald wurde das Kation, bald das Anion je nach ihrer
Natur und Wirkung, nach dem spezifischen Wahlvermögen usw.
in größerer Menge absorbiert.
über louenauf nähme. 703
K wurde aus den meisten Salzen stärker als das Anion auf-
genommen; es kam aber auch das Gegenteil vor, so bei Feldbohnen
aus KH2PO4 und K2HPO4, bei Kichererbsen aus K2HPO4, bei
Hefezellen aus KCN, KXO3 und KäSOi.
Li drang in Valonia gleich schnell wie NO3 ein.
NH4 wurde überhaupt nicht oder in viel geringerer Menge
als das Anion von grünen Pflanzen und Meeresalgen absorbiert,
doch fehlte es hier auch nicht an den Ausnahmen, wie das Ver-
halten des Phosphates und Arsenates bei Feldbohnen lehrt. Hefe-
zellen nahmen NH4 gern, jedoch weniger als HPO4 auf.
Ca und Ba traten schneller als Cl, langsamer als NO3 ein.
Bei Cicer und Vicia wurde aber Cl stärker als Ca und Ba absorbiert.
Mg wurde von Hefezellen überhaupt nicht, sonst aber stärker
als NO3 und SO4, Zn, Mn, Fe und AI bald mehr, bald weniger,
Cu weniger als SO4, Cu weniger, Zn mehr als NO3 aufgenommen.
Unter den Anionen drang NO3 in den meisten Fällen in größerer
Menge als das Kation ein, besonders in Begleitung giftiger oder
unwillkommener Ionen, bei Gegenwart von K oder Mg blieb es
aber meistens zurück.
HPO4 wurde immer mehr als das Anion (K, NH4) aufgenommen;
dagegen wanderte HAsO^ in viel geringerem Maße als K oder
XH4 ein.
SO4 trat bei Erdpflanzen und Meeresalgen in sehr geringer
Menge, meistens viel weniger als das entsprechende Anion ein;
bei Hefezellen kam aber das Gegenteil vor.
Cl wurde von Elodea, Azolla, AUiiim, Phaseolus, Hefezellen
und Meeresalgen recht wenig und zwar viel weniger als Ca, Ba
und K, von Cicer, Vicia und Liipimis aber stärker als Ca und Ba
absorbiert.
Br und J drangen überhaupt nicht oder viel weniger als K
in Hefezellen und Cicer-Keimhnge ein; CN wurde dagegen sehr
wenig, aber immer mehr als K absorbiert.
Das Weinsäureanion trat bei Meeresalgen schneller, bei Hefe-
zellen langsamer als NH4 ein; das Oxalsäureanion drang nicht
oder in sehr bescheidener Menge ein.
Interessant sind auch einige die absolute Aufnahme betreffende
Beobachtungen, wie die reiche Absorption von Ca bei Meeresalgen,
die beschränkte Absorption desselben Kations bei Leguminosen,
die geringe Aufnahme von SO4 und NH4, das Nichteindringen in
Hefezellen des von grünen Pflanzen gierig absorbierten Mg usw.
7Q4 E. Pantanelli,
Natürlich gelten diese Beobachtungen vorläufig nur für die ge-
nannten Versuchsbedingungen ^).
3. Mit Chloralhj'drat schwach narkotisierte Pflanzen nahmen
meistens weniger Kation als völlig tätige, wenn es sich um solche
Kationen handelte, die in gleichartige, nicht narkotisierte Zellen
eindringen. Für schwer perm eierende Kationen galt aber oft das
Gegenteil. Wir sind daher noch nicht imstande, die allgemeine
Gültigkeit des von Höber (1907), Lillie, Osterhout und anderen
Forschern aufgestellten Salzes zu erkennen, wonach Anaesthetica
die Permeabilität für Elektrolyte verringern.
Der Widerspruch läßt sich möghcherweise dadurch erklären,
daß die antagonistisch wirksame Konzentration des Narkotikums
je nach der lonennatur schwankt; für schädliche Kationen dürfte
sie tiefer hegen als für unschädliche, weil die direkte Beobachtung
lehrt, daß die toxischen Wirkungen von Kation und Anaestheticum
sich oberhalb einer bestimmten Konzentration addieren. Da ander-
seits die toxische Konzentration je nach der Pflanzenart schwankt,
so war eine gleichsinnige Beeinflussung giftiger Ionen durch
Chloralhydrat bei meinen Versuchen kaum zu erwarten.
Eine Erklärung für die ungleiche Beeinflussung der Aufnahme
seitens des Chloralhj'drates würde sich auch aus der Berück-
sichtigung der hydrolytischen Spaltung der Schwermetallsalze er-
geben (Kap. VIII).
Bei den angewandten Konzentrationen von Salz und Anaesthe-
ticum wurde die Aufnahme folgender Kationen in abnehmender
Reihe von Chloralhydrat verringert:
K > Mg > Ca > Nm > AI > Zu > Fe > Mn,
während nach der Förderung der Aufnahme eine zweite Reihe
aufzustellen wäre:
Ca < Mg < Li < KSi < Zu < AI < Mn < Fe < Ba < Cu.
Wir finden mehrere Kationen in beiden Reihen, da z. B. Mg
von Hefezellen, Ca von Cicej- und Vicia, NH4 von den meisten
grünen Pflanzen unter schwacher Narkose in beträchtlicherer Menge
als unter normalen Bedingungen aufgenommen wurden. Die
Hemmung, resp. Förderung durch Chloralhydrat wird übrigens
auch von der Anionennatur beeinflußt.
1) Das Nichteindringen eines lones bei der verfolgrten Versuchsmethode schließt
natürlich nicht aus, daß bei längerem Kontakt beträchtliche Mengen absorbiert werden
können; Vgl. Kap. VII.
über lonenaufuahme. 705
Dieselben Erscheinungen traten bei der Anionauf nähme auf;
nach der Einwirkung des Chloralhydrates ließen sich die Anionen
bei den angewandten Konzentrationen in folgende Reihen ordnen:
Hemmung der Aufnahme durch Chloralhydrat :
tart. > NO3 > PO4 > SO4 > CX.
Förderung der Aufnahme durch Chloralhydrat:
SO4 < Cl < Br < J < ASO4 < oxal.
Solche Beeinflussungen waren manchmal ganz erheblich; so
wurde K von Hefezellen bei Gegenwart von Chloral üljerhaupt
nicht absorbiert, während Mg, Cu, J, ASO4, Oxalsäure nur in die
schwach narkotisierte Hefezelle eindrangen; ähnliches geschah für
Ba bei Azolla und Viva, für KH4 bei Cicer und Valonia, für Br
und AsOi bei Cicer usw.
Halten wir nur den physiologischen Erfolg im Auge, so finden
wir unter den von schwach narkotisierten Zellen spärlicher auf-
genommenen lauter ernährende oder irgendwie nützliche Ionen,
während die schädlichen oder im weiteren Sinne die von der völlig
tätigen Pflanze nicht begehrten Ionen in narkotisierte Zellen leichter
eindrangen. Wir haben also im Vergleich der Absorptionseigen-
schaften einer Zelle mit dem Verhalten einer gleichen, schwach
narkotisierten eine schnelle Methode, um die von einer Pflanzen-
art begehrten resp. verschmähten Ionen aufzufinden, sofern man
nur die statischen (habituellen) Eigenschaften studieren will, d. h.
ohne die ernährungsphysiologischen Komplikationen zu berück-
sichtigen.
3. Da die Permeabihtät bei schwacher Narkose für beide Ionen
eines Salzes oft in entgegengesetztem Sinne schwankt, so kann
bei Gegenwart von Chloralhydrat ein dem Grenzwert etwas näheres
Aufnahmeverhältnis oder eine äquivalente lonenaufuahme erreicht
werden. Vgl. ZnSOi und FeSOi bei Azolla, CaCl bei Älliiim,
Mg(N03)u', A1(X03)3 und KH.POi bei Cicer, KNO3, A1(N03)3 und
(NH4)2HAs04 bei Vicia, CaCb bei Hefe, ZnS04 bei Valonia usw.
Man kann sich aber durch Vergleich verschiedener Versuche
oder ungleicher Konzentrationen überzeugen, daß die Annäherung
des Aufnahmeverhältnisses an den Grenzwert lediglich eine Folge
der ungleichen Beeinflussung der Aufnahme beider Ionen durch
das Anästhetikum ist, keineswegs aber auf erhöhter Aufnahme
undissoziierter Salzmoleküle beruht. Bei der starken Verdünnung
ist auch eine Verringerung der Ionisierung durch Chloral ausge-
Jahrb. f. wiss. Botanik, LVI. 45
yng E. Pantanelli,
schlössen; übrigens dürfte dieser in wässeriger Lösung hydrolysierte
Stoff die lonensumme erhöhen.
Wir kommen also zum Schlüsse, daß eine äquivalente Auf-
nahme beider Ionen eher von schwach narkotisierten Zellen, wo
das Wahlvermögen vorübergehend aufgehoben ist, als von der
völlig tätigen Zelle zu erwarten ist.
4. Trotz des Bestrebens des lebendigen Protoplasten, den
Eintritt schädlicher Ionen zu verliiuderu, wurde zuweilen eine er-
hebliche Penetration giftiger Ionen beobachtet; dann aber gestattete
die mikroskopische Kontrolle eine Störung der Permeabilitätsver-
hältnisse nachzuweisen. Das geschah z. B. bei Azolla, Cicer und
Vicia in ZnSO^, bei Hefezellen in BaCU- und Zn(N03)2, bei ülva
und Valonia in BaClo und Ba(N03)o. Noch mehr hatte das Wahl-
vermögen in Lösungen von BaCU -|- Chloral bei Ällium, Vicia,
Ulva und Valonia, bei Ba(N03)2 -f- Chloral bei Ulva und Valonia,
von MnSOi + Chloral und FeSOi -j- Chloral bei Hefezellen, von
(NH4)2HP04 + Chloral bei Vicia, von Zn(N03)2 + Chloral bei
Hefezellen usw. gelitten.
Andererseits können einige Pflanzen erhebliche Mengen solcher
Ionen aufnehmen, welche für andere Arten giftig sind; eine syste-
matische Untersuchung des spezifischen Wahlvermögens gegenüber
allen möglichen Ionen gehört alier nicht in den Eahmen dieser
Arbeit.
IM. Änderung der chemischen Reaktion der Außenlösung
infolge der lonentrennung.
Die ungleiche Aufnahme beider Ionen eines Salzes muß eine
Änderung des H-Ionen- resp. OH-Ionengehaltes der Außenflüssig-
keit herbeiführen. Eine große Reihe von Erfahrungen an Wasser-,
Sand- und Pilzkulturen zeigt, daß in manchen Fällen eine deutliche
Ansäuerung resp. Alkaleszenzsteigerung der Außenlösung statt-
findet. Die Ausscheidung von Ca- und Mg- Ionen, welchen trotz
der Einwände Ruhlands nach den übereinstimmenden Angaben
von Nathanson, Meurer, Niklewski (1909), True und Bart-
lett (1912), Maschhaupt (1911) sehr wahrscheinlich eine regula-
torische Bedeutung zukommt, schließt nicht aus, daß unter Um-
ständen eine Änderung des H"*" -Gehaltes in der Außenlösung meß-
bar wird, um so mehr als die lonenausscheidung erst als Folge
der ungleichen Einwanderung anderweitiger Ionen einsetzen dürfte.
über lonenaufiiahme.
707
Entsprechende Versuche sind von mir an Keimpflanzen der
Feldbohne und Lupine und an Cystosira amentacea angestellt worden.
Bei Keimpflanzen konnten die Ausschläge durch Titrierung- nach-
gewiesen werden, um so mehr als alle Salze in Regenwasser ge-
löst wurden, um den störenden Einfluß der Bikarbonate zu ver-
meiden.
Tabelle VII.
Yicia Faha. 8 Stunden. 500 ccm. Temp. 16 — 18^.
30-tägige Keimpflanzen. Werte für 100 mg Wurzeltrockengewicht
in 100 ccm Lösung-.
Auf-
*^cnoniiii6iicr
Absorbierte
Variation der
Prozentsatz
mg-I
onen
Gesamtsäure
starken Basen
Salz Konzentration
Kation
Anion
Kation
Anion
ccm ^/j^Q norm.
ccm ^/;^o norm.
CaClj 0,05 mol.
3,6
16,2
0,18
1,62
-4,8
+ 3
-f- Cliloralhydrat
5,1
7,5
0,26
0,43
-5,2
+ 2,25
BaCIä 0,05 mol.
10,7
11,6
0,53
1,16
— 0,75
+ 0,375
+ Chloralhydrat
17,9
25,0
0,99
2,50
— 0,9
+ 0,375
Ca(N08)2 0,05 mol.
2,6
36,9
0,13
3,69
— 5.4
+ 1,5
„ -\- Chloralhydrat
19,5
29,3
0,98
2,21
— 4,95
+ 1,5
Ba(N0g)2 0,05 mol.
^,7
41,9
0,23
4,19
— 3,45
+ 1,5
„ -f Chloralhydrat
7,0
19,0
0,35
1,90
— 3,15
+ 2,25
MgSO^ 0,05 mol.
37,5
2,1
1,88
0,11
+ 0,3
-1,5
+ Chloralhydrat
9,2
8,3
0,46
0,41
+ 0,6
— 0,75
ZnSO^ 0,05 mol.
5,0
6,7
0,25
0,33
— 0,75
-1,5
+ Chloralhydrat
8,0
8,4
0,40
0,42
+ 0,75
— 3,75
(NHjjHPO, 0,05 mol.
45,1
54,6
4,51
2,76
+ 1,5
+ 0.75
+ Chloralhydrat
45,1
46,4
4,51
2,34
+ 0,75
— 0,75
(NHjoHAsO, 0,05 mol.
15
12,5
1,5
0,63
— 0,75
— 2,25
-f Chloralhydrat
16,5
14,7
1,65
0,73
+ 0,75
-2,0
Bei Bohnenkeimlingen (Tab. VII) nahm die Gesamtsäure (mit
Vio normal Na OH und Lackmus titriert) in Lösungen von CaCl2,
Ca(N03)2 und Ba(N03)2 ab, wo das Anion stärker als das Kation
absorbiert wurde; in Lösungen von Sulfaten, Phosphaten und
Arsenaten, wo das Kation mehr oder ungefähr gleich stark wie
das Anion aufgenommen wurde, nahm die Azidität zu. Eine strenge
4.5*
yOg E. Pantanelli,
Proportion zwischen loueuabsorption und Variationen der Azidität
war nicht zu beobachten; die schwach narkotisierten Wurzeln ver-
hielten sich uno:efähr wie die völlig tätigen.
Die Kontrolltitration mit HoSOi und Methylorange (starke
Basen) zeigte eine Steigerung der starken Basen (Ca, Ba) dort an,
wo die Säure (Cl, XO3) abnahm und umgekehrt (Mg aus MgSO^).
Ausnahme machten ZnSO^ und (NHi)2HAs04, wo Gesamtsäure und
starke Basizität gleichzeitig abnahmen, und (NH4)oHP04, wo Ge-
samtsäure und starke Basizität gleichzeitig zunahmen. Im ersten
Falle hatten wahrscheinlich die Wurzeln schwache Basen ausge-
schieden, um die schwache Azidität der Salze zu neutralisieren:
im zweiten Falle dürften aber schwache Säuren ausgetreten sein,
um die Alkaleszenz des Ammonphosphates zu neutralisieren.
Man könnte darin ein Bestreben der Zelle sehen, eine günstige
H"''-Konzentration in der Außenlösung ^^eder herzustellen, um so
mehr als bei Gegenwart von Chloral die Reaktion ausblieb; bei
den übrigen Salzen hätte ihre Verwirklichung vielleicht längere
Zeit erfordert^).
Die Lupinenkeimlinge zeigten ungefähr dasselbe Verhalten.
Die ungleiche louenaufnahme ruft zunächst eine Änderung des
H"''-Ionengeh altes der Außenflüssigkeit hervor, welche im Zurück-
bleiben eines Ions des dargereichten Salzes ihre nächste Erklärung
findet (vgl. Kap. VIII).
Cystosira amentacea. Eine lauge Versuchsreihe wurde mit je
25 g dieser Alge in Gemischen von 125 ccm 0,5 Mol. NaCl und
125 ccm 0,5 resp. 0,25 Mol. des betreffenden Salzes ausgeführt.
Alle Salzlösungen wurden mit Regenwasser hergestellt; K, Na, Li
und Mg waren also nicht balanciert. Jeder Versuch dauerte zwei
Stunden. Ich l)estimmte den H-Ionengehalt vor und nach dem
Kontakt mit Hilfe der Indikatorenreihe nach Sörensen, außer bei
den letzten fünf Salzen, welche mit Vio normal H2SO4 und Alizarin
direkt titriert wurden (Tab. VIII).
Da ich mich sehr kurz fassen muß, so sei nur bemerkt, daß
in Gemischen mit Chloriden die Zunahme der H- Ionen von der
Mehraufnahme von K, Ca und Ba und von einer schnellen Ein-
w^anderung der Na -Ionen abhängen mußte, während Cl meistens
zurückblieb.
Ij Vgl. die Erfahrungen über Aufnahme von Ammonphosphat bei Severini und
mir (1910); die Versuche von Nathansohn und Meurer dauerten einen Tag und
darüber.
über lonenaufnahme.
709
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■N
in
fl -\- Seewasser
25,3
19,6
0,64
0,99
—
—
—
, rein . . .
19,1
37,0
4,97
18,52
—
—
—
—
Mg (N 03)2 -\- Seewasser
7(.,7
64,8
5,34
3,24
—
—
—
—
, rein . . .
50,0
21,0
12,49
1,52
—
—
—
—
('NH4)2S0^+Seewasser
10,66
3,76
0,53
0,21
4,88
9,17
0,24
0,51
„ , rein . . .
32,26
7,31
16,12 1,83
4,0
9,58
2
2,40
Zn SO4 -|- Seewasser .
24,18
11,39
0,60
0,63
—
—
—
—
„ , rein. . . .
28,8
26,08
7,2
6,10
—
—
—
KHjPO« + Seewasser
28,4
58,6
0,97
1,47
—
—
—
„ , rein . . .
9,2
21,1
2,31
5,28
—
—
""
—
Weitere Versuche mit Gemischen von 5 Teilen 0,.5mol. NaCl
und 5 Teilen halb- oder viertelmolekularer Salzlösung im Vergleich
zum Seewassergemisch führten zu denselben Ergebnissen : nur war
die Permeabilitätszunahme für NH4, Zn, Li und SO4 in reinen Lö-
sungen viel größer, was im Lichte der Autagonismustheorie auf
dem Vorhandensein der unbalancierten Na-Ionen beruhen konnte
(Tab. X).
714
E. Pantanelli,
Tabelle X.
Valonia utricularis. 10 g in 100 ccm. 2 Stunden. Temp. 16—18".
Salzlösung
50 ccm + 50 ccm
Aufo^enommeuer
Prozentsatz
Absorbierte
m^-Ionen
Aufnahme-
Verhältnis
Kation
Anion
Kation
Anion
LiNOg -1- Seewasser . . .
47,4 '
46,7
11,9
11,7
1,02
„ + NaCl . .
100
46,8
25,0
11,7
1,12
NH4NO3 -\- Seewasser
8,89
45,9
22 2
11,5
0,19
+ NaCl . .
9,33
38,7
2,3
9,7
0,24
Ca(N03)2 -j- Seewasser
67,8
50,6
8,88
12,6
0,70
+ NaCl . .
22,0
48,0
2,75
12,0
0,23
Ba(N03)2 + Seewasser
25.3
39,2
3,2
9,9
0,32
-f NaCl .
19,3
30,6
2.42
7,6
0,32
Mg(N0g)2 -|- Seewasser
70,7
64,8
10.81
10,2
0,67
+ NaCl
49,7
42,8
6,21
10,8
0,53
(NH4)2S04 + Seewasser
10,88
3,74
2,7
0,53
5,09
-j- NaCl .
13,64
11,03
3,4
1,38
2,46
MgSO^ + Seewasser .
51,93
9,14
7,94
1,30
6,11
„ + NaCl . .
49,2
33.5
0,16
4,18
1,47
Zn SO4 -(- Seewasser .
24,11
11,39
3,0
1,62
1,85
„ -f-^aCl . .
32,37
50,0
4,04
6,26
0,65
Wie dem auch ist, so zeig'en doch unsere Versuche, daß eine
getrennte (wählerische) Aufnahme von Kation und Anion auch in
unbalancierten Lösungen erfolgen kann; das Wahl vermögen wird
nur quantitativ, nicht aber dem Sinne nach verschoben.
VI. Einfluß der Konzentration.
Für die ernährungs wichtigen Ionen NO3, PO4, K und NH4
existiert nach Schreiner und Skinner (1910), Pouget und
Chouchak (1910 — 12) ein Konzentrationsoptimum, welches die
maximale Absorption durch Keimpflanzen gestattet; in stark ver-
dünnten Lösungen geht die Absorption sehr träge vor sich und
herrscht meistens Exkretion; bei ultraoptimaler Konzentrations-
steigerung läßt die Absorption nach. Nach True und Bartlett
(1912) kommt eine bestimmte Konzentration von Ca(N03)2 und
Mg(N03)2 oder einem Gemische beider Salze vor, wo die Absorption
über lonenaufualime. 715
von der Ausscheidung balanciert wird; unterhalb dieser Konzen-
tration überwiegt die Ausscheidung, oberhalb die Absorption, welche
schließlich ein tiefes Sinken der Außenkonzentration unterhalb des
Gleichgewichtswertes herbeiführt. Interessant sind auch die Be-
obachtungen von de Rufz de Lavison (1911), welche die Im-
permeabilität des Protoplasmas für eine Reihe schädlicher Salze in
stark verdünnten Lösungen dartun, während dieselben Salze in
etwas stärkerer Konzentration das Plasma völlig permeabel machen :
bei kurzer Wirkungsdauer wird diese reversible Permeabilitätszu-
nahme ohne Schädigung überwunden.
Nach M eurer ändert sich das Aufnahmeverhältnis beider Ionen
mit der Konzeutration; meistens wird aus verdünnten Lösungen eine
relativ größere lonenmenge als aus konzentrierten aufgenommen.
Allerdings waren alle von M eurer untersuchten Ionen unschädlich.
Zahlreiche Beobachtungen über den Einfluß der Konzentration
auf das Aufnahmeverhältnis beider Ionen wurden von mir im Laufe
dieser Untersuchungen gemacht, als es sich um das Herausfinden
der geeignetsten Konzentration handelte; später habe ich diesen
Punkt speziell betreffende Versuche mit Kichererbsen, Bohnen,
TJlva und Valonia ausgeführt, wovon nur die Versuche mit Cieer
hier ausführlich behandelt werden sollen (Tab. XI, S. 716).
Die absolute Aufnahme von Ca, Ba, Mg, Mn, K, NO3 und SO4
stieg stetig bei einer Konzentrationszunahme von 0,01 auf 0,2 Mol,
d. h. von niederen bis auf beinahe plasmolytische Konzentra-
tionen; für NHi, Cl und PO4 finden wir bei einer Konzentration
von 0,1 Mol eine geringe Herabsetzung der absoluten Absorption,
die dann bei weiterer Konzentrationssteigerung -sNiederum zunimmt.
Eine nähere Betrachtung zeigt, daß die Aufnahme aller Ionen im
Gebiete von 0,01 bis auf 0,1 Mol zunächst rasch, dann immer lang-
samer mit der Konzentration zunimmt, bis eine geringe Konzen-
trationssteigerung (in der Nähe von 0,1 Mol) überhaupt keine
Förderung, bei einigen Ionen (NH4, Cl, PO4) sogar eine geringe
Herabsetzung der Absorption bedingen würde. Wächst aber die
Konzentration oberhalb 0,1 Mol weiter, so nimmt die Absorption
aller Ionen mederum sehr stark zu und nur gegen 0,2 Mol ist ein
Nachlassen bei einigen Ionen (Ca, K, Cl, NO3, PO4, SO4) nochmals
zu beobachten. Oberhalb 0,1 Mol sind aber die Konzentrationen
für Cicer beinahe plasmolytisch und können jedenfalls nicht lange
ertragen werden, so daß dieses obere Aufnahmegebiet kaum mehr
als das normale betrachtet werden kann.
716
E. Pantanelli.
Tabelle XL
Cicer arietinum. 500 ccm. 8 Stunden. Temp. 15 — 17*^.
Werte für 100 mg Wurzeltrockeng-ewicht in 100 ccm.
Konzen-
Aufgenommener
Absorbierte
Aufgenommener
Absorbierte
tration
Prozentsatz
mg-Ionen
Prozentsatz
mg-Ionen
mol.
Liter
Kation
Anion
Kation
Anion
Kation
Anion
Kation
Anion
CaCl^
BaCU
0,2
10,8
8.6
2,13
3,44
0,15
10,4
6,5
1,56
1,95
0,1
8,5
3,1
0,85
0,62
18.4
4,2
1,84
0,84
0,075
8,9
4,9
0,67
0,74
8.9
6,1
0,62
0,91
0,05
10,2
4,5
0,51
0,45
5,6
10,8
0,28
1,08
0,025
19,2
4,0
0,48
0,20
7,3
11,8
0,18
0,59
0,01
25,0
3,5
0,25
0,07
8,4
8,1
0,08
0,16
NH.NOg
Ba :N03)2
0,2
5,6
27,6
1,12
5,52
0,15
4,2
27,5
0,63
4,13
0,1
3,4
28,0
0,34
2,80
7,8
25,2
0,78
5,04
0,075
6,0
26,8
0,45
2,01
4,5
23,4
0,33
3,51
0,05
7,6
24,3
0,38
1,22
4,0
19,9
0,20
1,99
0,025
4,1
21,0
0,10
0,52
5,1
8,8
0,13
0,44
0,01
0
14,5
0
0,15
4,9
4.6
0,05
0,09
Mg SO,
MnSO,
0,2
72,8
15,5
14,55
3,10
0,15
58,6
13,4
8,70
2,01
0,1
51,5
12,9
5,15
1,26
30,0
18,0
3,00
1,80
0,075
47,2
14,0
3,54
1,05
24,7
17,5
2,33
1,31
0,05
45,1
14,3
2,26
0,71
22,9
17,2
1,15
0,86
0,025
44,0
13,1
1,10
0,33
20,8
11,5
0,52
0,29
0,01
25,0
12,4
0,25
0,12
19,4
2,9
0,19
0,03
KHj PO,
(NH^j^HPO,
0,2
29,0
41,5
5,80
8,30
29,8
41,3
11, 90
8,26
0,15
27,0
39,2
4,05
5,88
22,4
37,8
6,72
5,67
0,1
21,8
32,4
2,18
3,24
19,1
28,0
3,82
2,80
0,075
22,4
44,1
1,68
3,31
27,0
39,2
4,05
2,94
0,05
21,1
47,5
1,05
2,37
30.9
44,9
3,09
2,25
0,025
16,5 .
43,0
0,41
1,07
20,1
43,0
1,01
1,08
0,01
8,7
35,4
0,09
0,35
5,0
39,5
0,11
0,40
über lonenauf nähme. 717
Die relative (prozentische) Aufnahme ergibt ungefähr dasselbe
Bild, nur scheiden dabei die Ionen in mehrere Gruppen, je nach
der Konzentration, wo die maximale Absorption erreicht wird. Für
Ca und Ba liegt sie bei 0,01—0,025, für NHi und PO4 bei 0,05,
für K und Cl bei 0,075, für Mg- und NO3 bei 0,1, für SO4 bei
0,1 — 0,15 Mol. Die "Werte der relativen Aufnahme ergeben im
Gebiete von 0,01 bis auf 0,1 Mol eine gute Adsorptionsisotherme;
oberhalb 0,1 Mol scheint eine zweite Adsorptionsisotherme vorzu-
liegen, wenn auch meine Beobachtungen bei höherer Konzentra-
tion unzureichend sind. Der physiologisch normalen AbsoriJtion
entspricht aber nur die erste Adsorptionskurve; Pouget und
Chouchak, Szücz und Czapek hatten die Absorptionssteigerung
bei zunehmender Konzentration verschiedener Salze bereits als
typische Adsorptionsisothermen gedeutet.
Haben diese Kurven für alle Ionen eine ähnliche Gestalt, so
fallen dagegen Kardinal- und Wendepunkte auch für die Ionen
eines und desselben Salzes kaum zusammen, ein Beweis, daß Kation
und Anion gesondert adsorbiert werden. Die Mehraufnahme des
Kations (Ca, Ba, Mg) oder des Anions (NO3, PO4) war bei allen
Konzentrationen im gleichen Sinne zu beobachten; die starken
Änderungen des Auf nähme Verhältnisses oberhalb 0,1 Mol waren
wohl von der Permeabilitätsäuderung der Wurzelzelleu beim Ver-
weilen in konzentrierten Lösungen bedingt, was mit den Erfah-
rungen an unbalancierten Lösungen im Einklang steht.
Die übrigen Versuchsobjekte ergaben im wesentlichen dieselben
Ergebnisse.
VII. Verlauf der lonenaufnahme.
Durch Verfolgung der Deplasmolyse wurde die Durchtritts-
schnelligkeit verschiedener Salze von Janse (1888), van Byssel-
berghe (1899—1901), Pantanelli (1903—1904), Lundegärdh
(1911), Osterhout (1912) wiederholt untersucht; Pfeffer (1877)
hat auch die momentane Penetration von Säuren und Laugen,
Janse von NO3, van Rysselberghe von XO3, Cl und SO4 mikro-
chemisch festgestellt. Dabei wurde allgemein angenommen, daß
die ganzen Salzmoleküle hereintraten: erst die Untersuchungen
von Nathan söhn und Meurer haben die ungleiche Aufnahme-
schnelligkeit der Ionen erwiesen. Von Codium wurden NO3, Cl,
SO4, Na innerhalb einer Stunde zum größten Teil ausgetauscht;
yj^g E. Pantauelli,
bei den Versuchen mit Knollen- und Wurzelscheiben machten
Nathansohn und Meurer die erste Beobachtung meistens nach
1 — 2 Tagen. Die übrigen Autoren (Pantanelli und Sella, Colin
und de Rufz, Plate) untersuchten die Veränderungen der Außen-
lösung erst nach mehreren Tagen.
Wir haben schon gesehen, daß lonendurchtritt in wenigen
Stunden, bei Hefezellen in wenigen Minuten erfolgt; man könnte
danach denken, daß zunächst das ganze Salzmolekül hereindiffun-
dierte, dann aber infolge einer Doppelunisetzung in der Zelle das
eine Ion festgehalten, das andere sofort, und zwar in Form eines
anderweitigen Salzmoleküls ausgeschieden wurde. Nach diesem
auch von Ruhland ausgedachten Mechanismus würden die be-
obachteten Konzentratiousveränderungen in der Außenlösung ohne
Heranziehung der lonenpermeabiMtät zu erklären sein. Es war
daher von großer Wichtigkeit, den zeitlichen Verlauf der lonen-
auf nähme zu verfolgen.
Ich führe hier nur einige Versuche mit Bohnenkeimlingen und
Valonia an, weil die Besprechung dieser äußerst komplizierten
Vorgänge in der Kürze schwer wiederzugeben ist; Versuche an
Weizeukeimlingen und Ulva mit verschiedenen Salzen lieferten
dieselben allgemeinen Ergebnisse.
Es wurden kleine Kulturen mit je drei Keimpflanzen in
150 ccm Lösung benutzt; um zuverlässige Werte zu erhalten,
wurden jedesmal die Flüssigkeiten von drei Kulturen vermischt,
auf genau 150 ccm gebracht und analysiert. Es waren z. B. von
Vicia 21 Kulturen für jeden Versuch notwendig (Tab. XII).
Trotz der recht ungleichen lonenaufnahme haben die Kurven
für Kation und Anion meistens dieselbe Gestalt. K, Br, Ba, NO3
drangen sofort in die Zelle ein, so daß die maximale Absorption
in der ersten Stunde bereits erreicht war; darauf wurden diese
Ionen zum Teil wieder ausgeschieden und nach 4 — 16 Stunden
war ihr Gehalt in den Zellen auf ein Minimum gesunken, um
nachher wiederum langsam zu steigen. Na und PO4 traten zuerst
ziemlich schnell, dann aber langsamer ein und erreichten erst nach
4 — 8 Stunden das Maximum; dann setzte Exkretion ein und nach
32 — 64 Stunden fing die Aufnalune wiederum an. Ca, Zn und SO4
wurden dagegen zunächst langsam, später etwas schneller absorbiert ;
das Maximum war gegen die achte Stunde erreicht, dann fand
Ausscheidung und am zweiten oder dritten Tage wiederum Auf-
nahme statt.
über loneuaufnahme.
719
Tabelle XII.
Vicia Faha. 150 ccm. Temp. 14—16". Werte für 100 mg.
Wurzeltrockengewiclit in 100 ccm Lösung.
Versuchs-
dauer
Aufgenommener
Prozentsatz
Kation j Anion
Absorbierte
mg-Ionen
Kation i Anion
Aufgenommener
Prozentsatz
Kation l Anion
Absorbierte
mg-Ionen
Kation 1 Anion
1 Stunde
2 Stunden
8 „
16
32 „
64
1 Stunde
2 Stunden
4
16
32
64
59,4
34,6
37,3
41,3
46.7
34.8
40,3
5,8
12,4
26,7
32,9
21,8
27 2
1 stunde
0
2 Stunden
0
4 ,,
3.5
8
6,9
16 „
12,3
32
16,2
64
18,1
0,05 mol. KBr
0,025 mol. NagHPO^
30,2
2,97
21.2
1,73 '
22,7
1,87
24,7
2,07
26.4
2,34
18,7
1,74
19,9
2,02
0,025 mol. Ca(N08)2
70,2
0,08
53,8
0,15
50,0
0,31
56,3
0,67
65,8
0,82 ,
52,5
0,55
63,4
0,63
1,51
1,0G
1,14
1,24
1,32
1,44
1,50
3,51
2,69
2,50
2,82
3,29
2,63
3.17
53,7
58,3
65,6
70,4
56,0
65,5
75,7
72,1
46,2
43,1
42,2
40,1
44,9
46,8
84,6
2,69
86,3
2,92
89,6
3,28
77,8
3,52
75,5
2,80 1
72,5
3,28
77,0
3,89
0,025 mol. Ba(N0j)2
62,3
1,80
41,1
1,15
38,2
1,08
34,5
1,05
42,4
1,00
48,6
1,12
57,0
1,17 '
0,025 mol. fNH^joSO^
0,025 mol. ZnSO^
12,4
0
0,31
1,4
9,8
0,03
14,5
0
0,36
9,0
12,7
0,22
17,7
0,18
0,44
35,8
13,0
0,85
24,0
0,35
0,60
49,4
19,1
1,23
20,0
0,61
0,50
43,7
14,9
1,09
21,2
0,81
0,53
46,6
15,8
1,14
26,3
0,90
0,66
53,7
17,8
1,34
2,12
2,16
2,24
1,95
1,89
1,81
1,93
3,11
2,05
1,91
1,73
2,12
2,43
2,85
0,25
0,32
0,33
0,48
0,37
0,39
0,45
Es ist ZU bemerken, daß NHi in den ersten Stunden absolut
nicht einwanderte, später aber in stetiger Weise absorbiert wurde,
wodurch 1. die Unhaltbarkeit der Annahme einer Molekülabsorption
unter sofortiger Ausscheidung des unwillkommenen Ions und 2. die
verschwindend geringe Bedeutung einer interzellularen lonen-
adsorption erwiesen werden.
yOO ^- Pantanelli,
Ferner zeigen diese Versuche, daß 3. Kation und Anion ge-
sondert aufgenommen werden, 4. das Konzentrationsgefälle sich in
beiden Richtungen stetig ändert, 5. jedes Ion bis zu einer be-
stimmten Konzentration aufgenommen, dann teilweise ausgeschieden,
dann wiederum absorbiert A\ird usw. Der Vorgang vollzieht sich
daher nach Art einer gehemmten Pendelschwingung, sofern keine
ernährungsphj^siologische Komphkationen oder toxische, die Permea-
bilität irrreversibel verändernde Wirkungen eingreifen^).
Was hier besonders wichtig erscheint, ist die völlige Un-
abhängigkeit der lonenauf nähme trotz einer so verwickelten Re-
aktion; wir erkennen jetzt auch, warum bei längerer Versuchs-
dauer ein äquivalenter Verbrauch beider Ionen in l)estimmten
Fällen zu beobachten ist: Ionen, die man nach mehreren Stunden
oder Tagen in der Außenflüssigkeit findet, waren vielleicht ab-
sorbiert und wiederum ausgeschieden worden oder es wurde das
eine Ion sofort, das andere erst später, aber zuletzt bis zur
Äquivalenz aufgenommen. Es absorbierten z. B. Weizenpflanzen
aus 1 Liter 0,05 mol. NaNOa:
nia: Ionen Na mg Ionen NO,, Verhältnis
in den ersten 24 Stunden: 14,21 30,21 0,47
„ „ weiteren 48 „ : 12,69 0 —
„ •• •• 72 „ : 1,75 0 — _
in 6 Tagen: 28,65 30,21 0,95
Die Versuche mit Valonia, deren Zellsaftvolumen und -Zu-
sammensetzung mit Sicherheit ermittelt werden können, gestatten
einen tieferen Einblick in diese merkwürdigen Erscheinungen zu
werfen (Tab. Xni).
1 g frischer FaZonia-Schläuche enthält fast genau 1 ccm Zellsaft. A. Meyer (1891)
hat eine Analyse des Zellsaftes von Valonia geliefert", ich lasse einen Vergleich seiner
Angaben mit meinen Bestimmungen an der zu den hier berichteten Versuchen gebrauchten
Valonia folgen. 10 ccm Zellsaft enthielten:
nach A. Meyer (1891) nach mir (1914)
K 143,6 mg 113,6 mg
Na 4,7 „ 34,9 „
% 2,4 „ 5,12 „
PO4 1,21 „ 1,37 „
SO4 17,99 ,, 18,12 „
Cl 131,2 „ 148,7 „
1) Eeversible Schwankungen der Permeabilität nach Zusatz von Elektrolyten sind
von Osterhout (1912) beobachtet worden; vgl. auch Lepeschkin (1908 — 09),
Tröndle (1909 — 10), Fluri (1910), Lundegärdh (1911) und meine früheren Er-
fahrungen an Schimmelpilzen (1904), Hefezellen (1905 — 06), Mucor (1906 — 07) usw.
über lonenaufnahme.
721
Ein empfindlicher Unterschied ist nur beim K und Na zu verzeichnen; die Summe
der mg-Ionen war aber im wesentlichen dieselbe (7,9 und 9,0), ein merkwürdiges Bei-
spiel der Konstanz des Wahlvermögens bei dieser Siphonee.
Tabelle XIK
Valonia utricularis. 10 g in 100 ccm Lösung. Ternp. 16 — 18*^.
Versuchs-
dauer
Aufgenommener
Prozentsatz
Absorbierte
mg-Ionen
Aufgenommener
Prozentsatz
Absorbierte
mg-Ionen
Kation
Anion
Kation Anion
Kation Anion
Kation 1 Anion
0,5 mol. KBr
0,25 mol. CaClj
15 Min.
10,0
3,8
4,97
1,89
11,4
0
2,84
0
30 „
10,3
3.8
5,13
1,89
22,3
. 0,09
5,59
0,04
1 Stunde
14,7
2,9
7,33
1,46
37,9
0,2
9,48
0,10
2 Stunden
15,9
2,1
7,96
1,06
40,5
2,0
10,13
1,01
4 „
14,7
1,7
7,33
0,83
40,6
1,4
10,15
0,71
24
5,:i
2.1
2,65
1,06
40,7
1,2
10,17
0,61
0,5 mol. NH^XOg
10 ccm 0,25 mol.(NHjjSO^ -|- 90 ccm
Seewasser
15 Min.
2,5
8,1
1,24
4,03
0
0
0
0
30 „
3,0
7,5
1,50
3,77
0
3,8
0
0,21
1 Stunde
3,5
9,0
1,75
4,81
0
3,1
0
0,17
2 Stunden
4,0
10,7
3,0
5,33
4
2,5
0,2
0,14
4
6,5
14,0
3,22
7,0
7
1,9
0,35
0,11
24
8,5
12,2
4,23
6,8
10
2,8
0,5
0,15
10 ccm
0,25 mol. MgSO^ + 90 ccm
10 ccm 0,25 mol. KHjPO^ -f" ^0 ccm
Seewasser
Seewasser
15 Min.
27,9
3,5
2,10
0,20
21,9
42,5
0,74
1,06
30 „
25,7
4,6
1,94
0,26
24,5
53,0
0,83
1,33
1 Stunde
19,5
3,9
1,47
0,22
28,6
61.5
0,97
1,54
2 Stunden
14,6
4,3
1,10
0,24
41,9
83,1
1,42
2,08
4 „
19,6
1,9
1,48
0,11
29,3
64,1
1,0
1,60
24
10,3
2,3
0,78
0,13
13,2
29,6
0,45
0,74
Die angeführten Versuche genügen zum Nachweis, daß auch
bei Valonia die Penetration des Kations vollkommen unabhängig
vom Verbrauche des Anions verläuft. SO4, Br und Cl wurden z. B.
zunächst schwach absorbiert, dann mederum ausgeschieden, ob-
wohl die Außenkonzentration beträchtlich höher war. Mg trat
sehr schnell ein und hatte innerhalb 15 Minuten eine höhere Kon-
zentration innerhalb als außerhalb der Zelle erreicht; dieser An-
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI.
46
722 ^- Pantanelli,
häufung folgte aber Ausscheidung-, dann wiederum Aufnahme usw.
Wir haben hier ein Beispiel sehr ungleicher Regulation der Extra-
meabilität im Vergleich zur Intrameabilität.
NH-t drang zunächst nicht ein, während doch das SO4 ein-
wanderte; später fing auch die Ammoniakabsorption an und verlief
langsam bis zur Überschreitung des Gleichgewichtes in 24 Stunden.
Aus der reinen NHiNOs-Lösung, wo die Ammonkonzeutration be-
deutend höher war, begann die Aufnahme von XH4 sofort und
setzte ununterbrochen fort; trotz der absolut stärkeren Aufnahme
war aber nach 24 Stunden das Gleichgewicht noch nicht erreicht.
Ca, K, NO3, PO4 wurden schnell und viel über dem Diffusions-
gleichgewicht absorbiert bis zu einem Maximum, das gegen die
zweite bis vierte Stunde fiel; darauf kamen diese Ionen langsam
wieder heraus, die Anhäufung war aber nach 24 Stunden noch
erhalten.
Solche überaus schnelle Anhäufungserscheinuugen von im Zell-
saft nachweisbar keine Fällung eingehenden Ionen und der ganze
Verlauf der Aufnahme zeigen, daß es sich kaum um Diffusions-
vorgänge, wohl aber um Adsorption handelt. Denn nur im Falle
einer Adsorption können die bereits aufgenommenen Ionen an die
Außenflüssigkeit gegen die Diffusionskraft, d. h. unter Arbeits-
leistung (aktive Ausscheidung) abgegeben werden, wie es im Kap. VIII
näher erörtert wird.
Die Aufstellung der erwähnten Bilanzen der Aufnahme und
Ausgabe, als wäre die Trennungsschicht zwischen Binnen- und
Außenlösung ganz indifferent, hat also nur insofern eine Bedeutung,
als sie die Erkennung der Anhäufung, der „aktiven"' Ausscheidung
und der ungleichen Intra- und Extrameabilität gestattet, die mit
einer Diffusions- oder Verteilungstheorie der lonenaufnahme un-
vereinbar sind.
VIII. Über die Mechanik der Salzaufnahme.
Bei der Darstellung der empirischen Feststellungen habe ich
von lonenaufnahme und lonenaustausch vorläufig gesprochen, um
die Tatsachen unter Vermeidung längerer Ausdrücke kurz und
klar zu beschreiben. Wir wollen jetzt näher betrachten, ob eine
lonenpermeabilität physikalisch verständlich ist und welche Folgen
eine solche lonenscheidung haben würde.
über lonenaufnalime. 723
1. Eine Trennung: und gesonderte Aufnahme der einzelnen
Ionen ist in Anbetracht der ungeheuer starken elektrostatischen
Anziehungskraft ohne Lieferung eines entsprechenden Energie-
quantums nicht denkbar. Doch wird die Entfernung eines einzigen
Ions aus der Lösung auch ohne Kraftzufuhr möglich, wenn es
zusammen mit einem aus dem Wasser stammenden H"*"- oder
OH~-Ion verschwindet, was man als Absorption der ganzen Basen-
oder Säuremoleküle auffassen könnte (Osterhout 1912). Als Folge
sammeln sich in der Außenlösung H^- oder OH~-Iouen an, je
nachdem Kationen (Basen) oder Anionen (Säuren) weggenommen
wurden. Das Avird von der Erfahrung bestätigt. Bei einer solchen
Aufnahme der freien Base und freien Säure in äußerst starker
Verdünnung und in ziemlich weiter Unabhängigkeit voneinander
würde der äußere und der physiologische Effekt ganz derselbe
bleiben, als ob die Zelle die freien Kationen und Anionen auf-
genommen hätte, da in der Zelle jedes Ion sofort neue Gleich-
gewichte mit den dort vorhandenen Ionen eingeht und die H"*"-
und OH~-Ionen bald Gelegenheit finden, sich zu Wassermolekülen
wiederum zu vereinigen.
Auch ein einfacher lonenaustausch durch Diffusion im Sinne
Nathansohns ist unter Voraussetzung gleicher Durchlässigkeit
denkbar.
2. Unsere Beobachtungen, insbesondere die über Anhäufung
einzelner Ionen weit oberhalb des Diffusionsgleichgewichtes, über
den zeitlichen Verlauf der Aufnahme und über den Einfluß der Kon-
zentration haben nachge\desen , daß es sich kaum um Diffusions-
vorgänge handeln kann; es hegen vielmehr typische Adsorptionen
an die Plasma- oder allgemein gesagt an die Zellkolloide vor,
wobei es zunächst gleichgültig erscheint, ob sich die Plasmakolloide
im Hydrogel- oder im Hydrosolzustande befinden (Ostwald, 1911
und Lottermoser, 1911). Eine ähnliche Auffassung wird übrigens
von Szücs (1910—12), Endler (1911—12), Czapek (1913) und
anderen Forschern vertreten, welche sich in neuerer Zeit mit
Adsorptions Vorgängen beschäftigt haben.
Hätte man ein ganz reines, von H- und OH-Ionen freies
Adsorbens und eine ganz reine Lösung eines nicht hydrolysierten
Salzes vor sich, so wäre sehr wahrscheinlich keine Salzadsorption
zu beobachten (vgl. Estrup 1912 — 14), oder im Falle einer gering-
fügigen Adsorption dürften beide Ionen im gleichen Verhältnis
46*
"724 ^- Pantanelli,
adsorbiert werden, wenn auch diese Forderung bisher in äußerst
seltenen Fällen experimentell begründet wurde.
Bei den von mir und den übrigen Physiologen angewendeten
Salzlösungen in Berührung mit lebendem Plasma hat man aber
mit einem OH- und H-Iouen führenden Adsorbens (vgl. Endler 1912)
und mit Elektrolytgemischen immer zu tun, da die meisten Salz-
lösungen hydrolysiert sind und durch bereits gelöste oder vom
Versuchsobjekt ausgeschiedene Kohlensäure an lonenarteu bereichert
werden. Eine weitere Anzahl von Gleichgewichtskombinationen
kommt bei Anwendung mehrerer Salze, wie von balancierten
Lösungen, Nährlösungen usw. hinzu. Damit sind aber die Be-
dingungen für eine lonentrennung auf der Oberfläche jeder Plas-
mamizelle gegeben. Bekanntlich genügen Spuren von H- oder
OH-Ionen, um eine Membran für wandernde Ionen permeabel
zu machen (Elektroendosmose nach Perrin und Girard, 1907
bis 1912), und zwar entscheidet der Sinn der Membranladung über
den Durchtritt von Kationen oder Anionen. Ist das Plasma
negativ geladen oder enthält die Außenlösung OH-Ionen in solchem
Überschuß, daß sich die Plasmaoberfläche sofort negativ lädt, so
sammeln sich in beiden Fällen Kationen auf der Grenzschicht
an (vgl. Endler, 1912) und werden H- Ionen in entsprechender
Menge in der Lösung befreit (Ansäuerung) ; das Gegenteil geschieht,
wenn sich das Plasma positiv gegen die Lösung lädt. Die Ionen
treibende, resp. trennende Energie wird dabei vom Adsorptions-
potential selbst geliefert, me es heute kaum mehr zu bezweifeln
ist (vgl. Michaelis, 1909, S. 71; Freundlich, 1909, S. 245).
Eine ungleiche Adsorption beider Ionen kann also schließlich
in jedem Falle eintreten; denn die Unabhängigkeit der Kation-
und Anionaufnahme stellt nur den einfacheren Fall bei der Salz-
adsorption dar (Estrup, 1914).
Der weitere Nachschub von Ionen zum Ersatz der zuerst
adsorbierten minimalen Ionen mengen wird dann vom Diffusions-
potential besorgt.
3. Da aber gleichsinnige Ionen sich bei der Adsorption
innerhalb weiter Grenzen gegenseitig ersetzen und einander ver-
tauschen können, wofür auch experimentelle Beweise vorhegen,
so lassen sich die beobachteten kompensatorischen Ausscheidungen
leicht erklären; ein vollständiger Austausch wird aber nur bei
gleicher Durchlässigkeit des Plasmas in beiden Richtungen für
die vertauschten Ionen möglich sein. Ebenso findet auch die
über lonenaiif nähme. 725
gegenseitige Hemmung der Aufnahme bei antagonistischen Kationen
in der oft zu beobachtenden gegenseitigen Herabsetzung der Ad-
sorption eine Erklärung (Michaelis und Rona, 1908). Die physi-
kalischen Erfahrungen gestatten auch vorauszusehen, daß Austausch
und Antagonismus gleichsinniger Ionen einer weitgehenden Ab-
stufung je nach dem Konzentrationsverhältnis fähig sind.
4. Da die Adsorptionsvorgänge sehr rasch verlaufen, so ist
rasche Aufnahme der adsorptionsfähigen Ionen zu erwarten, wie
ich sie in der Tat für manche Ionen feststellen konnte. In anderen
Fällen wurde aber eine im Vergleich zu physikalischen Adsorptionen
enorm langsame Aufnahme konstatiert, und für einige Ionen verlief
der Vorgang derart, als ob sie erst bei langer Berührung mit dem
Plasma die Fähigkeit allmählich erlangt hätten, sich adsorbieren
zu lassen.
Eine einheitliche Vorstellung über diese scheinbar wider-
sprechenden Tatsachen läßt sich durch nähere Betrachtung des
Absorptionsvorganges im Plasma selbst gewinnen. Wir haben im
Plasma ein heterogenes System aus Hydrogelpartikeln oder -Maschen
und Hydrosolflüssigkeiten vor uns, wobei man von den sehr wahr-
scheinlich allgemein vorhandenen, fein verteilten Lipoiden zunächst
absehen kann; die Grenzschichten dürften hauptsächlich aus einem,
wenn auch stark gequollenen Hydrogel infolge der unvermeidlichen
Haptogenmeinbranbildung bestehen (Pfeffer, 1877, 1890: Le-
peschkin, 1913). Die verschiedenen Phasen befinden sich unter
einem w^echselnden Quellungsdruck, w^eil in jedem Moment der
Quelluugsgrad durch die lonenverteilung zwischen und innerhalb
der einzelnen Phasen bestimmt wird; sobald aber die elektrische
Ladung schwankt, kann eine Vergrößerung ebenso wie eine Ver-
ringerung des Quellungsgrades stattfinden, wie zahlreiche Erfah-
rungen über lonenwirkung auf Quellung und Entquellung der
Gele erwarten lassen. Dabei spielen aber die befreiten H- oder
OH-Ionen wiederum die Hauptrolle. Kommt z. B. negativ ge-
ladenes Plasma in Berührung mit Kaliumsulfat, so steuert K aus
den besagten Gründen hinein, die hydrolytisch gespaltenen OH-Ionen
bewirken aber gleichzeitig eine plötzliche Zunahme der Quellung;
d. h. Wasser wird auch mit absorbiert.
5. Die Wasserabsorption kann in bestimmten Fällen die
lonenaufnahme übertreffen; es tritt dann die sogenannte negative
Adsorption des gelösten Stoffes ein. Schon 1905 habe ich die
Unabhängigkeit der Wasser- und Salzaufnahme bei Keimpflanzen
"726 E. Pantanelli,
nachge^iäesen (vgl Pfeffer, 1897, S. 111): obwohl meine Beob-
achtung späteren Forschern entgangen, ist doch ihre Richtigkeit
von Hansteen (1910), Schreiner und Skinner (1910), Pouget
und Chouchak (1910—12), Lundegärdh (1911) und Hassel-
bring (1914) bestätigt worden. Mittels kryoskopischer Messung
habe ich dann 1911 die negative Adsorption von Stoffen im
lebenden Plasma erAdesen. Obwohl die zuerst von Lagergren
(1899) angegebene negative Adsorption von Hägglund (1910)
geleugnet wurde, so kann man ihre Existenz nach den neueren
Forschungen von Herzog (1908—12), Estrup (1912—14),
Pomplun (1912), Schmidt-Walter (1912) und Oryng (1913)
nicht mehr bezweifeln: an quellbaren Adsorbeutien beobachtet
man sie natürlich viel besser.
Negative Adsorption dürfte in allen Fällen eintreten, wo Ionen
nicht oder sehr langsam durchtreten, während doch die Wasser-
aufnahme fortschreitet. Als Gegenstück ist eine Quellungsabnahme,
d. h. Wasserabscheidung bei der lonenaufnahme denkbar; ohne
Messung des Volumens der Außenlösung würden wir dann keine
oder eine scheinbar negative lonenadsorption angeben.
6. Negative Adsorption durch Quellung kann auch erst als
Folge einer sekundären lonenwirkung erfolgen, wobei bereits auf-
genommene Ionen gezwungen werden, das Plasma wiederum zu
verlassen: ein derartiger Mechanismus würde schon genügen, um
die Ausscheidung einer lonenart in eine Lösung zu erklären, wo
seine Partialkonzentration höher als im Plasma ist. Aus den Ver-
suchen ül)er Quellung in Salzlösungen ist es nämlich bekannt, daß
infolge negativer Adsorption die Außenlösung bis zum Auskristalli-
sieren des Salzes konzentriert werden kann. Die Quellungsenergie
genügt, um derartige ..aktive" Ausscheidungen gegen das Diffusions-
potential zu verwirklichen. Da übrigens auch die Quellung ein
Adsorptionsvorgaug ist (Pfeffer, 1892), so handelt es sich bei der
gegenseitigen Beeinflussung von Salz- und Wasseraufnahme immer
nur um Adsorptionsgleichgewichte, die durch Verwendung derselben
Betriebskraft hergestellt werden.
7. Die Berücksichtigung des unter dem spezifischen lonen-
einfluß in weiten Grenzen modifizierbaren Quellungszustandes des
adsorbierenden Plasmas gestattet nicht nur alle möglichen Fälle von
relativer Ionen- und Wasserabsoqjtion zu erklären, sondern zeigt
auch, warum so große Unterschiede in der Aufnahmeschnelligkeit
der einzelneu Ionen zu beobachten sind. Quellungserscheinungen
über lonenaufnahme. 727
vollziehen sich in der Tat um so träg-er, je g-eringer das Quellimgs-
potential, d.h. je näher dem Solzustande das Gel ist, wie das der Fall
gerade bei den Plasmabestandteilen ist; je nach der spezifischen
Wirkungsintensität und der Richtung der Grieichgewichtsverschiebung
der wirksamen Ionen nimmt die Quellungsschwankung verschiedene
Zeit in Anspruch, mit der Änderung des Quellungszustandes
variieren aber auch lonengehalt des Absorbens und Adsorptions-
bedingungen stetig.
Während die ausgelöste Quellungsvariation langsam verläuft,
vollziehen sich lonenaustausch und Entladung äußerst rasch, wo-
durch ganz neue Faktorenkonstellationen entstehen, die in be-
stimmten Fällen den vorher ausgelösten Wirkungen entgegen-
arbeiten. Die erste Quellungsvariation muß dann aufhören und
durch eine neue, oft in entgegengesetztem Sinne ersetzt werden:
das Prinzip von Aktion und Reaktion, welches besonders bei physio-
logischen Erscheinungen eine hervorragende Rolle spielt, fordert
sogar, daß in allen Fällen eine Variation der Quellung, überhaupt
der physikalischen Plasmazustände von entgegengesetzten Be-
strebungen gefolgt \nrd.
Aus dem Unterschied in der Schnelligkeit des lonenaustausches
und der dadurch bedingten Quellungsvariation des Adsorbens, die
ihrerseits eine neue lonenverteilung herbeiführt, erklärt sich, warum
trotz der ungeheuer schnellen lonenwanderung die beobachteten
Schwingungen bei der Aufnahme sich doch in meßbarer Zeit ab-
spielen, um so mehr als nicht der ganze vorhandene lonenvorrat
auf einmal verbraucht wird, sondern nur die hydrolytisch ge-
spaltenen minimalen lonenmengen nach und nach ins Bereich der
wirksamen 01)erflächenkräfte gelangen.
8. Nach dem Gesagten erübrigt es sich, den Fall der laugsam
steigenden Permeabilität für bestimmte Ionen näher zu betrachten,
denn das setzt nur eine Änderung der spezifischen Reaktion der
Plasmakolloide voraus, die bei der unvermeidlichen chemischen
Modifikation der Plasmabestandteile unter dem Einfluß bestimmter
Ionen wohl zu erwarten ist (vgl. auch Luudegärdh (1911).
9. Die oft beobachtete gegenseitige Beeinflussung von Kationen
und Anioneu desselben Salzes findet auch in einer ungleichsinnigen
Wirkung auf den physikaUschen Zustand des Plasmas ihre nächste
Erklärung, wobei die entgegengesetzten Wirkungen gleichzeitig
oder zeitlich getrennt sein können.
'J28 ■^* Pantanelli,
10. Natürlich sind alle Adsorptionserscheimmgeu im lebenden
Plasma, so auch die lonenadsorptionen, beim ununterbrochenen
chemischen Stoffwechsel mit chemischen Bindungen und Auflocke-
rungen stark verknüpft, welche auch an dem oft zu konstatierenden
Überschreiten der erwarteten Gleich g-ewichte schuld sind.
11. Die entwickelten Vorstellungen passen zunächst für den
einfachsten Fall einer kolloiden Plasmamasse in Berührung mit der
Außenlösung; infolge des Vorhandenseins größerer molekular-
disperser Phasen innerhalb der Plasmamasse, die man als Vakuolen
bezeichnet, kommen noch zahlreiche Komplikationen hinzu, und es ist
z. B. eine Aktion und Reaktion auch auf der inneren Plasmaober-
fläche bei jedem Wechsel der lonenverteilung in der Plasmamasse
zu erwarten. Die Binnenlösung kann auch durch chemische Bin-
dungen mit eingreifen, die sich auf der Außenfläche des Plasmas
nicht abspielen, und in diesem Sinne findet die ältere Anschauung
von Janse (1888) über die Unabhängigkeit von Intra- und Extra-
permeabilität eine Anwendung; das ungleiche Verhalten unserer Ob-
jekte bei der Aufnahme und Ausscheidung des nämlichen Ions
zwingen zur Wiederaufstellung der Auffassung der Permeabilität
als einer Resultante aus der jederzeit antagonistisch wirkenden
Intra- und Extrapermeabilität. Die physikalisch-chemischen Er-
fahrungen über Adsorption lehren hier auch, daß die Entfernung
des adsorbierten Stoffes nicht immer im gleichen Grade oder unter
dem gleichen Kraftaufwande wie die vorausgehende Adsorption
möglich ist, wenn z. B. chemische Bindung nachfolgt.
12. Ich möchte nun meine Darlegung mit deui Hinweis
schließen, daß die direkte Feststellung der Adsorptionsnatur der
Salzaufnahme und die sich ergebenden Energie- und Zustandsände-
rungen der hydrotropen Plasmakolloide mit der gleichzeitigen Auf-
nahme der lipoidlöslichen Stoffe in die emulgierten Lipoide ganz
gut vereinbar ist, wie die Beeinfhissung der lonenaufnahme durch
verdünnte Auaesthetica zeigt.
Das lebende Plasma verfügt also dank seiner Emulsionsnatur
über zwei ganz verschiedene Mechanismen, die Adsorption in der
Wasser durchtränkten Phase und die Auflösbarkeit in der Lipoidphase,
um lipoidunlösliche ^) und lipotrope Stoffe gleichzeitig zu absorbieren,
während seine mit dem chemischen Stoffwechsel und dem physika-
lischen Stoffaustausch stetig variable elektrische Ladung die lonen-
1) über Zuckeradsorption bei Hefezellen vgl. Eubner, 1913.
i'ber lonenauf nähme. 729
aufnalime in weiten Grenzen zu variieren gestattet. Unter solchen
Variationen können diejenigen, die vom physiologfischen Standpunkte
aus nützlicli erscheinen, als Regulationen aufgefaßt werden; es ist
wohl ein l)edeutender Fortschritt, daß man solche Erscheinungen
auch vom physikalischen Standpunkte aus rechtfertigen kann.
Fügen wir die Mechanik der Kolloidaufnahme durch Ultra-
filtration hinzu, wie es dank den Untersuchungen von Ruhland
(1912 — 14) in höchstem Maße plausibel wurde, so können wir das
gleichzeitige Spiel der drei Mechanismen : 1. Adsorption wasser-
löslicher Stoffe, einschl. Ionen; 2. Lipoidlöslichkeit; 3. Kolloid-
filtration als die normale Ausrüstung der Zelle betrachten, um
allen Anforderungen des Stoffaustausches gerecht zu werden.
iX. Schlußfolgerungen.
I. Die Salzaufnahme durch lebendes Plasma ist ein Adsorp-
tionsvorgang.
II. Nicht die ganzen Salzmoleküle, sondern die einzelnen Ionen
werden gesondert adsorbiert.
III. Kation und Auion werden meistens in recht ungleicher
Menge adsorbiert, nicht nur die Adsorptionsisotherme, sondern auch
die Zeitkurve ist für die Aufnahme beider Ionen sehr verschieden.
IV. Die Annahme einer gesonderten Absorption von freier
Base und freier Säure ist überflüssig, da die natürHche elektrische
Ladung der Plasmakolloide das zur lonentrennung führende Ad-
sorptionspotential schafft. Übrigens würde sich das Bild auch beim
ausschließlichen Durchtritt von Säure- und Basenmolekülen kaum
ändern.
V. Die lonenadsorption ist von der Wasseradsorption (Quellung)
ganz unabhängig; die weitgehende Möglichkeit der negativen Ad-
sorption in den Plasmakolloiden ist erwiesen; dadurch wird auch
die Betriebskraft für die „aktive" lonenausscheidung gewonnen.
VI. Die Aufnahmeschnelligkeit variiert mit der lonennatur;
langsam permeierende Ionen erlangen bei langer Berührung die
Fälligkeit, vom Plasma sich adsorbieren zu lassen.
VII. Die zeitliche Aufnahme der Ionen vollzieht sich nicht
geradlinig, sondern nach Art einer gehemmten Schwingung. Die
Ursache dieser merkwürdigen Erscheinung dürfte in dem Umstände
liegen, daß die von der lonenaufnahjue bedingte Quelluugs Variation
der Plasmagele weit langsamer als die Herstellung des louengleich-
730 ^- Pantanelli,
gewichtes verläuft, so daß die Reaktion erst später als die Aktion
und unter schon veränderten Bedingungen einsetzt.
Vin. Oberhalb einer bestimmten Konzentration bewirken alle
Ionen eine Steigerung der spezifischen Permeabilität, wodurch ein
neues Adsorptionsgebiet eröffnet wird.
IX, Das Bestehen einer gesonderten Intra- und Extrapermea-
bilität für Ionen wird direkt gezeigt.
X. Schwache Narkose verringert die Aufnahme der meisten,
doch nicht aller Ionen; physiologische, d. h. unbestimmte Faktoren
scheinen dabei mitzuwirken, denn es wird die Aufnahme nützlicher
Ionen von schwacher Narkose verringert, die von schädlichen Ionen
oft gefördert.
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über Wachstum und Ruhe tropischer Baumarten.
Von
Georg Klebs.
Mit 4 Textüguren.
Während die periodischen Bewegungen der Püanzen, z. B. die
Tag- und Nachtstellung-en der Blätter und Blüten, seit den bahn-
brechenden Arbeiten Pfeffers ein sehr genau bearbeitetes Gebiet
der allgemeinen Physiologie darstellen, sind die Probleme, die sich
an die periodischen Entwicklungsvorgänge knüpfen, noch heute ein
Tummelplatz schroff widerstreitender Meinungen. Allerdings liegen
die Beweise bereits klar dafür vor, daß die in der freien Natur
periodisch verlaufenden Entwicklungsprozesse bei niederen Pflanzen,
Algen und Pilzen im notwendigen Zusammenhange mit ihrer Um-
gebung stehen. Aber diese Tatsachen, wie viele andere, die bei
höheren Pflanzen bereits festgestellt worden sind, haben noch nicht
die Vorstellung beseitigt, nach der die Entwickelungsprozesse der
höheren Pflanze wesentlich allein von ihrer erblichen Struktur be-
stimmt werden. Diese Annahme ist gerade durch das Verhalten der
tropischen Bäume anscheinend gestützt worden, seitdem Treub,
Haberlandt (1893) und besonders Schimper (1898) nachgewiesen
hatten, daß solche Bäume in einem ziemlich gleichmäßigen warmen
und feuchten Klima periodisch wachsen und ruhen.
In einer Arbeit von 1911 habe ich auf Grund meiner Be-
obachtungen und Versuche in Buitenzorg den Nachweis geführt,
daß die Periodizität durch äußere Einwirkungen verändert werden
kann, und daraus die Folgerung gezogen, daß sie überhaupt von
der Außenwelt abhängig ist. Als dann Volkens (1912) seine
wichtigen Beobachtungen aus Buitenzorg ausführlich veröffentlichte
und meine Auffassung zurückwies, habe ich 1912 einige Resultate
meiner Versuche mit tropischen Pflanzen in Heidelberg bekannt
l^ber Wachstum und Euhe tropischer Bauinarten. 735
gemacht. Sie zeigten zwei wesentliche Ergebnisse: 1. es gibt
eine ganze Anzahl Tropenpflanzen: Kräuter, Stauden, Sträucher,
Bäume, die ein ganzes Jahr ununterbrochen fortw^achsen — es
waren 8 verschiedene Arten. Ich kann noch drei andere hin-
zufügen: Blechnum hrasüiense als Vertreter der Farngruppe,
ferner Lantana camara, ein in Java überall verbreiteter Strauch,
und der ebenfalls dort gemeine Phyllanthus piilcher. 2. es gibt
Tropenpflanzen, die als ältere Bäume in Java monatelang ruhen,
als jüngere Pflanzen entweder ständig das ganze Jahr wachsen
oder nur im Zusammenhang mit der geringen Lichtintensität eine
Zeitlang in unserem Winter ruhen.
Aber auch diese Tatsachen haben den Glauben an eine be-
stimmte erbliche Periodizität nicht erschüttern können, wie aus
den Arbeiten von Drude (1913), W. Magnus (1913) u. a. her-
vorgeht. In der neuesten Arbeit von Simon (1914) findet man
wieder ein reiches Material von Beobachtungen, die das periodische
Verhalten zahlreicher Tropeubäume in Java schildern. Die von
mir festgestellten Tatsachen werden nicht näher berücksichtigt,
mein Erklärungsversuch wird abgewiesen, und an seine Stelle tritt
wieder die erbliche Periodizität.
Aus den Arbeiten von Schimper, Volkens, Simon lernen
wir kennen, daß tropische Bäume im Klima von Westjava ab-
wechselnd wachsen und ruhen. Ferner erfahren wir, daß das
Treiben resp. die Ruhe in keinem erkennbaren Znsammenhang
mit Licht, Feuchtigkeit und Temperatur steht. Es ist schon
heute klar, daß es auf dem Wege, den diese Forscher beschritten
haben, aussichtslos ist, eine Erklärung der Periodizität zu geben.
Das Ergebnis ist auch in dieser Beziehung rein negativ. Simon
ist keinen Schritt weiter gekommen als Schimper, nur daß die
Zahl der Einzelfälle sehr vermehrt worden ist. Ich habe schon
mehrfach hervorgehoben, daß diese Annahme einer erblichen Peri-
odizität nur auf unzureichender Kenntnis der Beziehungen von
Pflanze und Außenwelt beruht, daß sie auch unter diesen Um-
ständen keinen Erklärungswert besitzt — eine Auffassung, die
Volkens (1912, S. 142) eigentlich auch teilt. Die Frage nach
dem Wesen der Periodizität bleibt genau so offen, als wenn man
sagen würde, wir kennen die Gründe der Periodizität nicht.
Man kann nun ganz vorurteilsfrei das Problem in Angriff
nehmen, indem man einfach festzustellen versucht, wie das
Wachstum der Sprosse tropischer Pflanzen unter bekannten und
ygg Georg Klebs,
dabei vielfach veränderten Bedingimg-en verläuft. Auf diesem
Wege ist es wirklich möglich, die Reaktionsweisen der gegebenen
spezifischen Struktur einer Pflanze im Verhältnis zur Außenwelt
zu erkennen. Je weiter diese Kenntnis fortschreitet, um so besser
wird man dann auch später das Verhalten unter den Bedingungen
der freien Natur verstehen lernen.
Aus diesem Grunde habe ich seit Sommer 1911 die Unter-
suchungen an tropischen Pflanzen, besonders Baumarten, konse-
quent weiter geführt. Im Laufe der Jahre habe ich mit zahlreichen
Pflanzen gearbeitet mit sehr verschiedenem Resultat, weil nicht
jede Tropenpflanze sich unter den Bedingungen meines Gewächs-
hauses immer gut entwickelt. Aber gerade eine Anzahl der Arten,
mit denen ich bereits in Buitenzorg experimentiert hatte, haben
sich als geeignet erwiesen. Wegen des beschränkten Raumes, der
der Abhandlung zur Verfügung steht, bespreche ich nur eine kleine
Anzahl der Versuchspflanzen.
Das Instituts-Gewächshaus, das aus einer kühleren und einer
wärmeren Abteilung besteht, liegt nach Süden. Im Sommer sind
bei dem hohen Sonnenstande die Beleuchtungsverhältnisse sehr gut,
an sonnigen Tagen mußten während der heißen Stunden Schatten-
decken angewandt werden; zugleich wurde stark gelüftet. Im Winter
dagegen war die Lage uiclit gut, weil ])ei dem niedrigen Sonnen-
stande gegenüberliegende Häuser den Zutritt der Sonne nur wenige
Stunden gestatteten. Das Gewächshaus wurde im Winter wie
Sommer geheizt. Als Beispiel für die Temperaturverhältnisse gebe
ich die Zahlen für das Jahr 1913, die auf den täglichen Messungen
mit Hilfe eines Maximum -Minimum -Tliermometers beruhen (siehe
Tab. 1).
Die für das Wachstum sehr entscheidenden Minimum-Tempe-
raturen bewegten sich zwischen 19 — 20" in den Wintermonaten,
21 — 24" in den Sommermonaten. Die Feuchtigkeit der Luft war
im ganzen Winter sehr hoch, am Tage 70 — 80 "/o, in der Nacht
80 — 95°/o; während des Sommers konnte sie bei starker Lüftung
am Tage zeitweilig bis auf 50 — 60 "/o sinken, während sie in der
Nacht 80— 95"/o betrug.
Die Pflanzen wurden zum Teil frei in einen Erdhügel gesetzt
— eine Methode, die sich sehr bewährt hat. Ich benutzte mit
wenigen Ausnahmen die Tablette, die auf der Südseite lag. Die
Wurzeln verbreiteten sich vielfach in den Nachbarhügeln., so daß
auch hier ein Konkurrenzkampf um die Nährsalze zwischen benach-
über Wachstum und Ruhe tropischer Baumarten.
737
barteu Pflanzen eintrat. Die Erde verändert sich mit der Zeit,
namentlich im Winter bei der großen Feuchtigkeit, bei der die
Cyanophyceen sehr gut gedeihen. Von Zeit zu Zeit wurde die
Erde aufgelockert und gewöhnlich im Herbst und Frühling bei
möglichster Schonung der Wurzeln durch frisch gedüngte Erde
ersetzt.
Tabelle 1.
Temperaturen in der warmen Abteilung des Instituts-
Gewächshauses im Jahre 1913 in C".
Monat
Durchschnitts-
Mittleres
Mittleres
Absolutes
Absolutes
Temperatur
Maximum
Minimum
Maximum
Minimum
Januar .
24
27,1
20,9
30,6
15,9
Februai
24,2
28,7
19,7
35,4
17,3
März
25,5
30,4
20,6
38,7
18,7
April
26,5
32,3
20,8
39,8
17,6
Mai.
28,6
35,6
21,7
42,6
19,4
Juni
3U
36
23,8
42
20,5
Juli.
29,.-)
35,9
23,1
44,2
20,4
August
28,8
35,6
22,1
45,2
18,2
September .
25,9
30
21,8
39,5
19,4
Oktober .
25,2
29,7
20,7
33,4
19
November .
28,4
27,1
19,7
30,6
18,5
Dezemb
er .
21,9
24,5
19,3
31,2
14,4
Ich bestimmte in erster Linie das Wachstum durch tägliche
Messungen der Blätter. Ich maß die Blätter durch Anlegung
eines Millimeterstabes. Bei Blättern von Terminalia, Theohroma
lassen sich die Messungen genau genug ausführen, der Fehler
beträgt nicht mehr wie +1 mm. Dagegen bei den stark geteilten
Blättern, z. B. von Älbizda, Fithecolobium steigt der Fehler auf
+ 2 mm. Für die Zwecke meiner Untersuchung ist die Genauig-
keit ausreichend, die wesentlichen Resultate würden nicht ver-
ändert werden bei genaueren Wachstumsmessungen.
Die Messungen wurden täglich am Morgen ausgeführt, im
Sommer zwischen 8^/2 und 9 ühr, im Winter zwischen 9 und 9V2
Uhr. Eine Unterbrechung erfuhren die Messungen gewöhnlich durch
eine Beise im April und August (1912 auch im September, 1914
keine Unterbrechung). Vor der Reise wurden die letzten jungen
Blätter bezeichnet, nach der Reise das Resultat des Zuwachses
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI.
47
ygo Georg Klebs,
bestimmt. Bei den näher besprocheneu Pflanzen findet in den
genannten Monaten stets das Wachstum statt; die eigentlich kri-
tische Zeit ist wegen des Lichtmangels der Winter.
Da die Angaben der täglichen Messungen viel zu umfangreich
sind, so werde ich mich im folgenden auf gewisse Resultate, die
sich auf das Blattwachstum beziehen, beschränken. Ich gebe die
Zahl in Tagen an, die das Blatt von einer gemessenen Anfangs-
größe bis zu seiner Endgröße gebraucht hat. Ich berechne daraus
die durchschnittliche Zuwachsgröße pro Tag — eine Zahl, die eine
gute Vorstellung von den verschiedenen Wachstumsgrößen , z. B.
zu verschiedenen Zeiten des Jahres gibt.
Terminalia vatcippa (Fig. 1, S. 740)
(Combretaceae).
Dieser in Java einheimische und überall kultivierte Baum ist
an seinem ursprünglichen Standort nahe der Meeresküste höchstens
für eine Woche blattlos (Koorders und Valeton IX, S. 26). Im
Garten von Buitenzorg erfolgte nach den Beobachtungen von Yol-
kens (1912, S. 13) an 20 Bäumen ein starker Laubabfall Ende
Februar bis Mitte März, worauf durch Treiben der Knospen
die neue Belaubung entstand. Ende Juli wurde das Laub wieder
rot, und nach den Beobacbtungen von Smith, die Volkens an-
führt, warfen die Bäume zum zweiten Male ihre Blätter ab und
belaubten sich darauf von neuem. Ich konnte im Winter 1910/11
feststellen, daß ein 13aum des Gartens von Ende Dezember bis
Mitte Februar völlig ruhte; die Entblätterung eines Zweiges am
7. XII. 10 hatte keinen Erfolg (Klebs, 1912, S. 261).
Terminalia ist auch von Simon (1914, S. 88 — 90) untersucht
worden. Abgesehen von mancherlei Verschiedenheiten bei den ein-
zelnen Individuen bestätigte Simon die Beobachtungen von Vol-
kens. Teils im Januar, teils im Februar oder März warfen die
Bäume ihr Laub ab und trieben ziemlich gleichzeitig die neuen
Blätter aus. Über ein zweites Treiben wird nichts berichtet. Da-
gegen gibt Wright (1905, S. 441) an, daß Terminalia zweimal im
Jahre in Ceylon das Laub abwirft und dann treibt, das erste Mal
Januar bis Februar, das zweite Mal August bis September.
Im Winterhalbjahr 1910/11 standen mir in Buitenzorg eine
Menge Topfexemplare von Terminalia zur Verfügung. Sie waren
etwa zweijährig und seit der Keimung nicht umgepflanzt. Das
über Wachstum und Ruhe tropischer Baumarten. 739
Verhalten war sehr charakteristisch. Die meisten Exemplare gingen
nach der Bildung einiger neuer Blätter zur Euhe über oder ruhten
gerade, als ich sie untersuchte. Ich konnte die Ruhe beseitigen,
indem ich die alten Blätter entfernte oder ihr Abfallen durch Ver-
dunkelung bewirkte (Klebs, 1911, S. 35). Nach einiger Zeit des
Wachstums gingen die Exemplare von neuem zur Buhe über,
konnten aber wieder durch Entblätterung zu einer neuen Blatt-
bildung veranlaßt werden. Diese jüngeren Topfpflanzen verliielten
sich demgemäß ganz anders als die älteren Bäume des Gartens.
Ich gebe die Beobachtungen an den beiden Exemplaren, die ich
nach Heidelberg schickte und hier weiter untersuchte.
Pflanze I.
An diesem Exemplar hatte ich aus anderen Gründen eine halb-
seitige Ringelung (1 cm) gemacht, die übrigens in einigen Wochen
verheilte. Es war die einzige Pflanze unter zwölf, die bei sehr
langsamem Wachstum keine Ruhe zeigte; als Beispiel gebe ich
die Messungen zweier Blätter.
AnfanjjTS- End- Zuwachs Zeit Zuwachs
Datum der Beobachtung^! „ , .
große grölse lu cm in Tagen pro Tag
12. XL 10 bis 11. 1. 11 2,6 — 13,9 = 11,3 60 0,2
18. XII. 10 ., 7.11.11 1 — 13,9 = 12,9 51 0,23
Pflanze IL
Am 27. X. 1910 hatte die Pflanze 7 Blätter, das jüngste von
2 cm Länge: bis zum 3. I. entwickelten sich 3 neue Blätter:
31. X. 10 bis 6. XII. 10 2 —14,5 = 12,5cm; 36 Tg.; pro Tg. 0,3cm
28. XI. 10 ., 22.XIL10 2 —13,8 = 11,8 „ ; 24 „ ; „ „ 0,5 „
lO.Xn.lO ,, 3. 1.11 1,8—12,4 = 10,6 ,. : 24 „ : „ ., 0,4 „
Das jüngste Blatt w^uchs seit dem 22. XII. nicht weiter; am
3. I. war die Pflanze ganz in Rulie. Am 3. I. wurde sie ent-
blättert; am 11. I. traten 3 junge Blätter hervor: 5,6; 3,6; 2,6 cm
lang. Sie entwickelten sich bis zum 7. IL zu Längen von 14,9;
18,8; 12,6 cm, dazu kamen 3 neue Blätter. Die Pflanzen wurden
dann in einen Ward sehen Kasten gepflanzt und reisten darin nach
Heidelberg.
\) Da die Tabellen iu der ganzen Arbeit nach dem gleichen Schema gemacht
worden sind, wiederhole ich diese Bezeichnungen nicht mehr.
47*
740
Georg Klebs,
Zur Orientierung über die Blattgröße gebe ich einige Messungen
der Gesamtlänge an den Blättern von Topfpflanzen sowie einiger
Blätter eines erwachsenen Baumes:
Durchschnitts- 1 20 Blätter Topfpflanzen 17,2 cm, Min. 13,8, Max. 23,6
I 7 .. älterer Bäume 27,5 „ „ 22 „ 32
länge
Pflanze I in Heidelberg.
Ende April 1911 wurde die Pflanze in einen Topf mit neuer
Erde gesetzt; sie begann ein kräftiges Treiben, das im Mai und
Fig. 1. Tenninalia catappa.
Pflanze aus Buitenzorg, 24. VI. 1911 frei im Gewächshaus (Heidelberg) ausgepflanzt,
11. X. 1911 in finen Topf gesetzt. Am 11. VII. 1912 photogr.; V20-
Juni fortging. Am 24. VI. 1911 wurde sie in einen Erdhügel im
Gewächshaus frei ausgepflanzt. Täglich wurde das Blattwachstum
gemessen, d. h. die Länge von der Stielbasis bis zur Spitze:
30. AT:. llbislS. Vn. 11 7,2— .34,4 = 27, 2 cm; 8Tg.; pro Tg. 1,5cm
4.^TI. 11 „ 16. ^^I.ll 3,8—29,4 = 25,6
7.Vn. 11 „ 22. Vn.ll 2,1—34,6 = 32,5
9. VII. 11 „ 26. Yll.n 1,4—34,6 = 33,2
14. vn.ll „ 29. ^TI.ll 1,2—33,3 = 32,1
17.Vn.ll „ 2.VIIL11 1,2—29,4 = 28,2
14
)5 r
55
55
1,8
15
5? T
5?
55
2,1
17
n 1
55
55
2
15
1' 5
55
55
2,1
16
55 5
5)
55
1,8
über Wachstum und Ruhe tropischer Baumarteii. 741
Der Sommer 1911 war wegen der langen Zeit sonniger Tage
sehr günstig' für die Tropenpflanzen, günstiger als die Regenzeit
in Java. Die Blätter waren sogar größer als an dem erwachsenen
Baum in Buitenzorg; der tägliche Zuwachs übertraf den der Topf-
pflanzen in Buitenzorg (0,2 — 0,5) um das 4 — 10 fache.
Am 9. Till, wurde das letzte jüngere Blatt bezeichnet, am
11. IX. der Zuwachs im August bestimmt. Es hatten sich in der
Zeit 4 bereits fertige und 4 jüngere Blätter entwickelt. Außerdem
hatten sich die im Juli angelegten zwei Seitensprosse sehr stark
gestreckt, es war ein 3. (26 cm) entstanden mit einem sekundären
Trieb von 31,3 cm. Die Hauptachse war um 12 cm verlängert.
Es begannen die täglichen Messungen:
ll.IX. llbis 24.IX. 11 6,5— 31,4 = 24,9 cm; 13Tg.: pro Tg. 1,9cm
11. IX. 11 „ 29. IX. 11 3,1—37,6 = 36,5 ,, : 18 „ : „ „ 1,9 „
Leider war das Gewächshaus zu niedrig für die stark gestreckte
Pflanze, ich mußte am 11. X. 1911 sie fortnehmen und in einen
Topf setzen, der tiefer gestellt wurde. Trotz großer Vorsicht beim
Umpflanzen wurde das Bäumchen etwas welk, das Wachstum stand
für 6 Tage still, setzte dann wieder ein:
17. X. bis 29. X. 7—21,7 = 14,7 cm; 12 Tg.; pro Tg. 1,2 cm.
Die beiden nächsten Blätter wuchsen aber seit dem 29. X. nicht
mehr: der Hauptsproß trat in Buhe ein.
Einer der Seitensprosse zeigte noch Wachstum bis zum 13. XI.;
dann ruhte das ganze Bäumchen. Ich entblätterte den Seitenzweig
am 13. XI., sein jüngstes Blatt fing bald darauf an zu wachsen
und verlängerte sich von 3,1 cm bis 6,7, d. h. um 3,6 cm in
25 Tagen; pro Tag 0,14 cm. Es entstand außerdem ein junger
Seitensproß, dessen erstes Blatt bis zum 29. XII. sich um 2,1 cm
verlängerte (pro Tag 0,15 cm). Ende Dezember bis Anfang
Januar wurden die Blätter gelb und fielen ab: An den Seiten-
sprossen blieben die jüngeren Blätter erhalten und wuchsen weiter.
Blätter der Seitensprosse:
30.XIL 11 bis 20. 1.12 8,2—15 = 6,8 cm: 21 Tg.: pro Tg. 0,3 cm
2. 1.12 „ 9.n.l2 2,4—22,1 = 19,7 „ ; 38 „ : „ „ 0,5 „
23. 1.12 „ 12.n.l2 3,9—21,8 = 17,9 „ ; 20 „ ; „ „ 0,9 „
Mit steigender Lichtmenge nahm das Wachstum deutlich zu.
Mitte Januar begann der Hauptsproß nach einer Ruhezeit
von 2V2 Monaten neue Blätter zu bilden.
•742 Georg Klebs,
16. 1.12 bis 9. 11.12 4 — 28,9 = 24,9 cm; 24 Tg.; pro Tg. 1 cm
29. 11.12 .. 18. III. 12 3,5—25,5 = 22 „ ; 18 „ : „ „ 1,2 „
7.III.12 „ 30.in.l2 2,6—27,7 = 25,1 „ ; 23 „ : „ „ 1,1 „
Ende März fielen die letzten älteren Blätter ab, das Bäumchen
war frisch belaubt. Während des Aprils bildete der Hauptsproß
4 große fertige Blätter, alle Seitensprosse hatten 3 oder 4 neue
Blätter entfaltet:
7. V. 12 bis 15. V. 12 7,8—29,1 = 21,3 cm: 8 Tg.; pro Tg. 2,1 cm
6. V. 12 „ 22. X. 12 2,2—29,5 = 27,3 „ ; 16 .. ; „ „ 1,7 „
16. V. 12 .. 1. VI. 12 4,3— 32.3 = 28 „ : 16 „ : „ „ J,8 „
Das jüngste Blatt, 1,6 cqi laug, wuchs vom 16. VI. ab nicht
mehr, der Hauptsproß ruhte, bis am 1. VII. das Blatt sein
Wachstum wieder aufnahm, während gleichzeitig neue Blätter er-
schienen. Dagegen entwickelten sich die Seitensprosse ohne
Buhe bis zum Ende des Versuches am 20. VII. 1912.
Die Pflanze I hatte, als Ganzes betrachtet, vom Mai 1911 bis
Juli 1912 ununterbrochen Wachstumserscheinungen gezeigt. Der
Hauptsproß hatte nach der Versetzung in einen Topf eine längere
Buheperiode von 2 V/2 Monaten durchgemacht zur Zeit der gering-
sten Lichtmenge, dann eine kurze Ruheperiode von 14 Tagen,
gerade zur Zeit größter Lichtuienge. Zur weiteren Prüfung dieses
Verhaltens diente die zweite Pflanze.
Pflanze IL
Diese Pflanze (s. S. 739) war ebenfalls nach ihrer Reise von
Java im April 1911 in frische Erde gesetzt worden, sie wuchs
darin den ganzen Sommer, genaue Messungen wurden zu dieser
Zeit nicht augestellt. Am 11. November 1911 wurde sie frei in
einen Erdhügel des Gewächshauses gesetzt und täglich gemessen:
16. XI.llbisl2.XILll 2,9— 27,6 = 24,7 cm: 26 Tg.: pro Tg. 0,9 cm
20.XIL11 2,1-29,2 = 27,1 „ ; 24 „ ; „ „ 1,1 „
XILll 3,9-31,2 = 27,3 „ : 23 „ ; „ „ 1,2 „
L12 2,7—26,8 = 24,1 „ ; 29 „ ; „ „ 0,8 „
L12 2,6—26,6 = 24 .. : 31 „ ; „ „ 0,8 „
L12 1,8—26,6 = 24,8 „ ; 29 „ : „ „ 0,8 „
IL 12 2 -34,5 = 32,5 „ : 31 „ ; „ „ 1 „
IL 12 2,5-31,9 = 29,4 „ ; 27 „ ; „ „ 1,1 „
n.l2 2,2-39,7=37,5 „ : 26 „ ; „ „ 1,4 „
IIL12 3,8—38,5 = 34,7 „ ; 19 „ ; „ „ 1,8 „
26. XL 11
.. 20.
2. XILll
„ 25.
7. XILll
„ 15.
22. XILll
., 22.
29. XILll
„ 27.
8. L12
„ 8.
20. 1.12
,. 16.
2. U.12
„ 28.
17. n.i2
,, 7.
über Wachstum und Ruhe tropischer Baumarten.
743
21. IL 12 bis 10. III. 12 4,4—36,4 = 32 cm ; 18 Tg.
pro Tg. 1 ,8 cm
1 7
24. 11.12 „ 16. in.l2 2,9—38,4 = 35,5 „ ; 21
4. ni.l2 „ 22. III. 12 2,4—35,4=^33 „ : 18 „ : „ „ 1,8 „
9. III. 12 „ 25. III. 12 3 —42,5 = 38,5 „ ; 16 „ : „ „ 2,4 „
12. III. 12 „ 29. III. 12 3,4—39 =35,6 „ ; 17 „ ; „ „ 2,1 „
15.111.12 „ 30. III. 12 3,3—31,8 = 28,5 „ : 15 „ : „ „ 1,9 „
19. ni.l2 „ 31. III.12 3,5—32,9 = 29,4 „ ; 12 „ ; „ „ 2,3 „
Diese zweite Pflanze, die frei ansgepflanzt worden war, hatte
die kritische Zeit der geringen Lichtmenge im Winter ohne zu
ruhen überstanden; der Hauptsproß war ununterbrochen ge-
wachsen nur mit starker Yeriangsamung November bis Januar,
während im Februar mit steigender Lichtmenge das Wachstum
lebhafter wurde.
Die Pfhinze II hatte auch im Gegensatz zu I keinen Laub-
abfall im Winter gezeigt, abgesehen von ganz vereinzelten un-
periodisch abfallenden Blättern,
Im Laufe des Aprils 1912 entstanden 5 ausgewachsene und einige
jüngere Blätter. Sehr kräftig entwickelten sich die Seitensprosse,
4 an der Zahl (Länge = 38, 38, 36, 29,5 cm), dazu 3 kleinere,
alle wurden entfernt, um die Breitenausdehnung einzuschränken.
Neue tägliche Messungen:
1. Y. 12 bis 11. V. 12 6,7—34 = 27,3 cm: 10 Tg.; pro Tg. 2,7 cm
8. V. 12 „ 19. V. 12 7,4—39,5 = 32,1
4,3—28 = 23,7
4,7—38,6 = 33,9
7,1—35,9 = 28,8
3,7-36 =32,3
2,6—41,9 = 39,3
12
9. V. 12
11. V. 12
18. V. 12
20. V. 42
31. V. 12
9.Y1. 12
19.VL 12
V. 12
V. 12
V. 12
Yl. 12
VI. 12
11
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77
77
2,9
11
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57
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14
.^.^
71
77
2
19.
22.
25.
30.
2.
17.
20. VL 12 11,6—43,4 = 31,8
3.YII. 12 5,8—34,5 = 28,7
Die Pflanze befand sich in kräftigster Entwicklung zur Zeit
der größten Lichtmenge: ein Vergleich des Wachstums zur Zeit
geringerer Lichtmenge zeigt es unmittelbar:
Durchschnittslänge der Blätter:
Nov. bis Jan. = 29,3 cm,
Mai „ Juni = 36,8 „
Durchschnittszuwachs pro Tag:
Nov. bis Jan. = 0,9 „
Mai .. Juni = 2,4 „
in. 25,6,
„ 28
Max. 34,5
„ 44,4
„ 0,8
,7 2
77 1,2
„ 2,9
744 Georg Klebs,
Auch die Bildung- von Seitensprossen ging- sehr lebhaft vor
sich, sie wurden bis auf 2 entfernt.
Im Juli 1912 war das Bäumchen wieder zu groß für das
Gewächshaus geworden, ich mußte es in einen Topf setzen am
10. VII, nachdem es länger als ein Jahr ununterbrochen gewachsen
war. Die Messungen selbst erstreckten sich auf 8 Monate.
Die Versetzung war mit einer starken Verletzung der Wurzeln
verbunden: innerhalb 3 Tagen warf die Pflanze ilire älteren Blätter
ab. Doch begann das Wachstum bereits am 18. VII. und ging
fort während der Monate August bis September. Es wurde fest-
gestellt, daß der Hauptsproß in dieser Zeit 11 neue Blätter ge-
bildet hatte, daß ferner 4 neue Seitensprosse, 2 mit sekundären
Zweigen, entwickelt worden waren. Die weiteren Messungen er-
gaben :
4. X. 12 bis 23. X. 12 1,7—38,4 =-- 36,7 cm; 19 Tg.: pro Tg. 1,9 cm
ll.X. 12 „ 30. X. 12 5,3—42,5 = 37,2 „ ; 19 „ ; „ „ 1,9 „
ll.X. 12 „ 31. X. 12 3,8—39,2 = 35,4 „ ; 20 „ ; „ „ 1,7 „
20.X. 12„ 6. XL 12 11,3— 36,4 = 25,1 „ ; 17 „; „ „ 1,5 „
Während das Wachstuui im Oktober noch ziemlich lebhaft
war, hörte es mit dem 7. Nov. auf. Sowohl der Hauptsproß wie
auch die Seitensprosse ruhten bis 4. L, d. li. ca. 2 Monate.
Die Pflanze verhielt sich also in frei ausgepflanztem Zustand den
Winter vorher ganz entgegengesetzt wie als Topfpflanze in diesem
Winter, sie zeigte das gleiche Verhalten wie die Pflanze I im Topf,
nur daß bei dieser einige Seitensprosse ein kümmerliches, durch
Entblätterung etwas befördertes Wachstum aufwiesen. Im Laufe
des Oktobers fielen auch einige Blätter ab. Anfang Januar be-
gann erneutes Wachstum.
4. L 13 bis 23.L13 5,5—27,8 = 22,3 cm: 19 Tg.: pro Tg. 1,3 cm
4.L13 ., 23.L13 4,7—24,2 = 19,5 „ ; 19 „ : „ „ 1 „
9. L13 ,, 24. L13 6,6—20,2 = 13,6 „ ; 15 „ ; ,, „ 0,9 „
Das jüngste Blatt des Hauptsprosses wuchs seit dem 16. I.
nicht mehr, der Vegetationspunkt ruhte bis 5. IL ca. 14 Tage.
5. n. bis 23. n. 4 —25,5 = 21,5 cm; 18 Tg.; pro Tg. 1,2 cm
5. IL „ 26. IL 3,6-29,5 = 25,9 „ ; 21 „ ; „ „ 1,2 „
10. IL „ l.m. 4,2—38,5 = 34,3 „ ; 19 „ ; „ „ 1,8 „
8. in. „ 22.IIL 3,8—27 = 23,2 „ ; 14 „ ; „ „ 1,7 „
über Wachstum und Ruhe tropischer Bauinarten.
745
Vom 22. III. bis 30. IV. 1913 entstanden 5 neue Blätter;
außerdem hatten sich 3 Seitensprosse entwickelt (Länge = 27,
26,8, 23,5) mit je 5 Blättern. Diese Sprosse wurden entfernt:
1. V. 13 bis 23. V. 13 2,8-40,5 = 37,7 cm; 22 Tg.: pro Tg. 1,7 cm
1. V. 13 „ 25. V. 13 2,3—41,8 = 39,5
3. V. 13 „ 30. V. 13 4,5—34,9 = 30,4
26. V. 13 „ 23. VI. 13 3,2—36,6 = 33,4
26. V. 13 „ 24. VI. 13 2,5—29,7 = 27,2
;24
;i7
; 28
: 29
1,6
1,8
1,2
0,9
Das Vv'achstum nahm deutlich ab, der Hauptsproß trat in
eine Ruhe von 10 Tagen ein, während die Seitensprosse
weiter wuchsen. So wuchs ein Blatt eines solchen vom 2. VI.
bis 1. Vni. von 2,4 auf 32,1 cm (pro Tag 1 cm). Anfang Juli
begann der Hauptsproß wieder sein Wachstum:
10. VII. bis 31. VII. 3 —30,6 = 27,6 cm; 21 Tg.; pro Tg. 1,3 cm
15. Vn. „ 5. VIII. 3,9—30,2 = 26,3 „ ; 21 „ ; „ „ 1,2 „
Während des Augusts bildete der Hauptsproß 3 neue Blätter,
dazu einen neuen Seitentrieb mit 4 Blättern. Ein älterer Seiten-
sproß hatte im August 4 neue Blätter entfaltet. Das Wachstum
ging fort bis zum 13. September und hörte dann auf, obwohl der
September sehr sonnig war. Die Lichtabnahme konnte nicht die
Ursache der Ruhe sein. Da die Pflanze über ein Jahr in dem
Topf mit der gleichen Erde intensiv gewachsen war, so konnte
Nährsalzmangel der Grund für die frühe Ruhe sein. Ich ent-
fernte vorsichtig die alte Erde und ersetzte sie durch neue am
18. X. Im Laufe des Oktobers fand ein starker Laubab-
fall statt.
Nach einer Ruhezeit von IV2 Monaten (Seitensprosse ruhten
auch) begann das Wachstum am 3. November, also zu einer Zeit
sehr ungünstiger Lichtmenge, veranlaßt durch die neue
Erde.
3. XI.13bis24. XL13 2,9— 22,4 = 19,5cm; 21Tg.
6. XL 13 „ 14.XIL13 2 —32,8 = 30,8
17.Xn.l3 ., 12. L14 5,5—27,5 = 22
17.Xn.l3 „ 17. 1.14 3,4—28 =24,6
3. L14 „ 17. L 14 14,9— 27,7 = 12,8
3. L14 „ 19. 1.14 13,1—24,8 = 11,7
Am 21. I. 1913 trat bei dem Hauptsproß Ruhe ein, während
die Seitensprosse weiter wuchsen. Das jüngste Blatt des Haupt-
21 Tg.
pro
Tg
0,9 cm
38 „
V
5)
0,8 „
26 „
»
V
0,8 „
31 „
??
n
0,8 „
14 „
»
V
0,9 „
16 „
«
V
0,7 „
746 Georg Klebs,
Sprosses hatte bis 13. I. eine Läng:e von 5 cm erreicht nnd blieb
unverändert bis 31. 1. 1914 (Ruhezeit 18 Tage). Dann erfolgte
wieder Wachstum:
31. I.14bis 1.111.14 5,3—9,4= 4,1 cm; 28 Tg.: pro Tg. 0,15 cm
11.111.14 „ 30.III.14 2,7—20,8 = 18,1 „ : 19 „ ; „ „ 0,9 „
ll.in.l4 ,. 31.III.15 1,4—24,5 = 23,1 „ ; 20 „ ; „ „ 1,1 „
Im Laufe des Aprils entstanden 5 bis zum Ende des Monats
ausgewachsene Blätter und 2 jüngere:
29. IV. 14 bis 17. V. 14 2,8—29,5 = 26,7 cm: 18 Tg.: pro Tg. 1,5 cm
2 ' «I ii 11 1)1
8 11 ', 11 11 2,D
6. V. 14 „ 2. VI. 14 1,8—32,1 = 30,3
27. V. 14 „ 4. VI. 14 8,9—30 =21,1
27. V.14 „ 13. VI, 14 3,5—31,2 = 27,7 ,. ; 17 „ : „ „ 1,6 „
Das Wachstum des Hauptsprosses stand wieder still. Das
jüngste Blättchen am 12. VI. 1 cm bUeb unverändert l)is 21. VI. —
eine Ruhezeit von 9 Tagen. Dann ging das Wachstum l)is zum
Winter ununterl)rochen weiter:
22. VI. 14 bis 7. VII. 14 1,4— 31,5 = 30,1cm: 15Tg.;proTg.2 cm
2. VII. 14 „
21. VII. 14 2,5-
-37,9 =
35,4
)i
19
11
11
11
1,8
17. VII. 14 „
31. VII. 14 4,2-
-34,4 =
30,2
11
14
11
W
11
2,1
19. VII. 14 .,
3. VIII. 14 5,4-
-33,1 =
27.7
V
14
11
11
11
2
5. VIII. 14 „
23. VIII. 14 6,1-
-32,2 =
26,1
r
; 18
11
1 «
11
1,4
20. VIII. 14 „
11. IX. 14 3,2-
-23,3 =
20,1
»
; 22
11
11
V
0,9
26. VIII. 14 „
17. IX. 14 6,4-
-27,5 =
21,1
11
; 21
11
1 11
)i
1
16. IX. 14 „
2. X.14 6,7-
-34,2 =
27,5
V
; 16
11
11
11
1,7
20. IX. 14 „
10. X.14 5,8-
-34.4 =
28,6
V
; 20
»
11
11
1,4
3. X.14 „
20. X.14 14,2-
-39 =
24,8
11
; 17
11
1 «
11
1,7
9. X.14 ..
16. XI. 14 4,3-
-21,4 =
17,1
11
: 38
7'
• V
5?
0,4
Vom 17. XI ab fand kein Wachstum mehr statt, das Bäumchen
ging zur Winterruhe über. Da die Messungen an dem Bäum-
chen II am 11. XL 1911 begonnen hatten, so war das Wachstum
an ihm während drei Jahre beobachtet worden.
Es fällt auf, daß die Zuwachsgröße während der Monate Juli,
August, September sehr ungleich war, viel schwankender als bei
den früheren Messungen. Man muß dabei berücksichtigen, daß
die Pflanze wieder ein volles Jahr in der gleichen Erdmenge in-
tensiv gewachsen war. Infolgedessen mußte der Nährsalzgehalt
schon relativ erschöpft sein, und deshalb mußte der Konkurrenz-
kampf der Hanpt- und Seitenspross^ eine wichtige Rolle spielen.
Solange die Pflanze frei ausgepflanzt war, wuchsen auch die Seiten-
rber AVachstiuii und Euhe tropischer Baumarten. 747
sprosse sehr lebhaft. Im Topf war das Verhältnis geändert.
Während der kurzen Ruhezeiten des Hauptsprosses wuchsen
Seitensprosse weiter: Andererseits ruhte einer oder der andere
von ihnen, während der Hauptsproß wuchs. Genauer verfolgte
ich das Verhalten der Seitensprosse in den Monaten Juni bis
November 1914. Ich beobachtete das Wachstum an drei Seiten-
sprossen von 4, die ich überhaupt hatte stehen lassen. Ich bezeichne
sie mit A, B und C : A und B sind Seitentriebe des Hauptsprosses,
C ein solcher von A.
Seitensproß A.
Er war während der kurzen Ruhezeit des Hauptsprosses im
Juni fortgewachsen.
14. VI. bis 29. VI. 3,8—27,3 = 23,5 cm; 15 Tg.; pro Tg. 1,6 cm.
Dann ruhte er, da das jüngste Blatt von
30. VII. bis 13. VII. (13 Tage) unverändert blieb. Es folgte eine
Zeit des Wachstums:
14. \^I. bis 31. VII 2,5—29,6 == 27, 1 cm; 17 Tg.; pro Tag 1,6 cm.
Das folgende Blatt wuchs vom 25. VII. bis 6. VIII. nur von
2,7 bis 3 cm und ruhte dann vollständig bis 9. IX (also ca.
1 Monat)! erneutes Wachstum:
10. IX. bis 4. X. 3,3—22,1 = 18,8 cm; 24 Tg.: pro Tg. 0,8 cm
16. IX. „ 14. X. 3,1—35,5 = 32,4 „ ; 28 „ ; „ „ 1,1 „
Dann trat Ruhe ein: das jüngste Blatt ruhte bereits vom
7. X. ab bis zum 26. X. (19 Tage). Vom 27. X. ab begann erneutes
Wachstum, ging aber nur bis zum 4. XI. weiter, worauf Winter-
ruhe eintrat.
Seitensproß B.
Sein Blattwachstum ging ebenfalls während der Ruhezeit des
Hauptsprosses fort in der ersten Hälfte des Juni. Messungen
vom 17. VI:
17. VI. bis 3. Vn. 6,9—34,8 = 27,9 cm; 16 Tg.; pro Tg. 1,7 cm
7. VII. „ 31. ^^I. 1,6—37,7 = 36,1 „ ; 24 „ ; „ „ 1,5 „
Dann ruhte das Wachstum; das jüngste Blatt 1,9 cm blieb
unverändert vom 27. VII. bis 8. VIIL, 12 Tage.
9. VIIL bis 29. VIIL 3 —26,5 = 23,5 cm; 20 Tg.; pro Tg. 1,1 cm
21. VIIL „ 7. IX. 5,6—25,7 = 20,1 „ ; 17 „ ; „ „ 1,2 „
24. Vm. „ 10. IX. 4 —15,9 = 11,9 ., ; 17 „ ; „ ,, 0,7 ,.
12. IX. „ 5. X. 2 —32,7 = 30,7 „ ; 23 „ ; „ „ 1,3 ,.
16. IX. „ 10. X. 4,3—24,7 = 20,4 „ ; 24 „ ; „ „ 0,8 „
748 Georg Klebs,
Das folgende Blatt war in der ersten Zeit nicht gemessen
worden, es erreichte am 22. X. seine Endgröße von 32 cm, das
Wachstum hörte auf. Das nächste Blatt 2,2 cm ruhte bis in den
Winter hinein.
Seitensproß C (Seitentrieb von A).
Seit Anfang Juli war dieser Zweig im Wachstum begriffen:
9. Vn. bis 28. VII. 4,5—27,4 = 22,9 cm; 19 Tg.; pro Tg. 1,2 cm
25. vn. „ 4. VIII. 8,6—30,7 = 22,1 „ ; 10 „ ; „ „ 2,2 „
l.VIII. „ 21. VIII. 2,8—28 =25,2 „ ; 20 „ ; „ „ 1,2 „
Dann ruhte das Wachstum, das jüngste Blatt (1,4 cm) blieb
unverändert vom 21. VIII. bis 9. IX. C19 Tage): dann streckte
es sich:
10. IX. bis 30. IX. 2—28,2 = 26,2 cm; 20 Tg.; pro Tg. 1,3 cm
es folgten 3 neue Blätter, eines wurde zufällig verletzt, die beiden
anderen wurden gemessen:
3. X. bis 13. X. 14,2—22 = 7,8 cm; 10 Tg.; pro Tg. 0,8 cm
11. X. „ 4. XL 2,4—35,0 = 33,1 „ ; 24 „ ; „ „ 1,4 „
Dann trat vom 4. XI. Winterruhe ein.
Das periodisch wechselnde Verhalten der Seitensprosse wird
viel deutlicher hervortreten, wenn ich die beobachteten Zeiten
kurz zusammenstelle. Dabei will ich als Ruheperiode diejenige
Zeit bestimmen, die von dem Aufhören des Wachstums des letzten
Blattes bis zum merklichen Wachstum des folgenden jüngsten
Blattes verläuft, obwohl dieses sich schon eine Zeit vorher in
Ruhe befand. Für die Seitensprosse A und B begann die Messung
im Juni, für C erst im Juli 1914.
Ruhezeit Wachstumszeit
Hauptsproß 31. 1. 14 bis 13. VI. 14 4V2M.
14. VI. bis 21. VI. 7 Tg.
22. VI. 14 ., 16. XI. 14 4V4 „
17. XI. Winterruhe.
Seitensproß A 14. VI. 14 bis 29. VI. 14 15 Tg.
30. vn. bis 13. VII. 13 Tg.
14. VII. 14 ., 6. VIII. 14 23 „
7. VIII. „ 9. IX. 33 Tg.
10. IX. 14 ., 14. X. 14 34 „
15.x. „ 27.x. 12 Tg.
27. X. 14 „ 4. XI. 14 8 „
5. XI. Winterruhe.
über Wachstum imd Ruhe tropischer Bauniarteu. 749
Seitensproß B 17. YI. 14 bis 31. VII. 14 44 Tg.
9. Vni. 14 „ 22. X. 14 74 „
1. YIU. bis 8. Vlll. 7 Tg.
23.x. Wintemihe.
Seitensproß C 9. VII. 14 bis 21. Vin. 14 43 Tg.
22. Vin. bis 9. IX. 19 Tg-.
10. IX. 14 „ 4. XL 14 55
5. X. Winterruhe.
Aus dieser Tabelle erkennt man, in welchem Maße die ein-
zelnen Sprosse mit Ruhe und Wachstum abwechselten. Die Peri-
oden waren sowohl für den gleichen Sproß (z. B. A) sehr ungleich
an Länge wie auch für die 3 Seitensprosse untereinander. Diese
ruhten auch vielfach zu verschiedenen Zeiten. Temperatur. Feuch-
tigkeit der Luft und Lichtmenge waren für das ganze Bäumchen
gleich. Die Gründe für das Verhalten von Haupt- und Seiten-
sprossen können nur in dem Boden liegen. Der Topf wurde
regelmäßig und reichlich mit Wasser versehen: es ist nicht gerade
wahrscheinlich, daß das zugeführte Wasser dem Bäumchen nicht
gentigt hätte; aber bei den zahlreichen großen Blättern könnte
immerhin die durch den Stamm zugeführte begrenzte Masse
Wasser eine gewisse Rolle gespielt haben. In erster Linie wird
aber die begrenzte und relativ bereits erschöpfte Nährsalzmenge
der über ein Jahr alten Topferde die Entscheidung geliefert haben.
Diese Nährsalzmeuge mußte sich auf die verschiedenen Vegeta-
tionspunkte der Sprosse verteilen. Am stärksten beansprucht der
Hauptsproß die Nährsalze; nur für kurze Zeit wurde er zur Ruhe
verurteilt. Was er übrig ließ, fiel dem Konkurrenzkampf der
Seitensprosse anheim, der aus dem Hin- und Herschwanken von
Ruhe und Wachstum deutlich hervorgeht.
Vorhin wurde mehrfach bemerkt, daß ich Seitensprosse erster
und auch zweiter Ordnung entfernte; ich ließ im ganzen nur vier
von ihnen stehen. Die Zalü der Seitensprosse war sehr verschieden
in den Zeiten sehr intensiven Wachstums im frei ausgepflanzten
Zustand und in den Zeiten des Lebens im Topfe. Im ersten
Jahre vom 11. XI. 11 bis 11. VH. 12 (8 Monate) hatte ich 22 Seiten-
sprosse entfernt, 3 stehen lassen — im ganzen waren es 25. In
den 27 Monaten des Topflebens (11. VE. 12 bis 11. XI. 14) ent-
fernte ich 20 Seitensprosse und ließ einen stehen — 21 in Summa.
Daraus ergibt sich, daß das Bäumchen im Topf in gleicher Zeit
750 '^ßoi'g ^i^P*'
(8 Monate) clurchscliuittlich etwa viermal wenig-er Sprosse g-ebildet
hatte als frei ausg-epflanzt.
Nachdem das Bäumchen II Mitte November zur Ruhe über-
gegangen war, wurde es am 30. XI. aus dem Topf genommen, in
dem es ein volles Jahr gewachsen war. Das Wurzelsystem wurde
durch Wasserspülung von der alten Erde befreit und in neue ver-
setzt. Einer der längeren Seitentriebe wurde gleichzeitig entfernt.
Die Pflanze ertrug das Einpflanzen sehr gut, ohne zu welken.
Am 8. XII begann der Hauptsproß merkbar zu wachsen, er trieb
im Laufe des Dezembers zur Zeit der geringsten Licht-
menge 6 neue Blätter^).
Aus den Messungen ergibt sich das wesentliche Resultat, daß
der Vegetationspunkt einer Terminaiia catappa wie derjenige zahl-
reicher anderer Pflanzen die Potenz zu einem ununterbrochenen
Wachstum besitzt. Frei ausgepflanzt, unter günstigen Boden-
bedingungen wächst die Spezies sogar fort in der kritischen Zeit
geringster Lichtmenge unseres Winters. Die Wachstumsgröße,
gemessen durch die Endgrciße der Blätter und die durchschnittliche
tägliche Zuwachsgrciße ist zur Winterszeit wesentlich geringer als
zur Zeit der größten Lichtmenge im Sommer.
Sobald aber die Pflanze sich in einem Topf mit begrenzter
Erdmenge befindet, zeigt sie in unserem Klima einen ausgesprochenen
Wechsel von Wachstum und Ruhe. Wir können dabei zweierlei
Formen der Periodizität unterscheiden:
1. Längere Ruheperiode zur Zeit geringster Lichtmenge.
Pflanze I ruhte im Winter 11/12 am Hauptsproß, von Ende
Oktober bis Mitte Januar ca. 2S'2 Monate.
Pflanze 11, die im Winter 11/12 frei ausgepflanzt, ständig fort-
wuchs, ruhte im Topf, Winter 12/13, von Anfang November bis
Anfang Januar 2 Monate. Aber im folgenden Jahre verhielt sich
die Pflanze etwas anders, sie ruhte bereits im Winter 13/14 von
Mitte September bis Anfang November IV2 Monate.
Bei dieser Ruhe, September — Oktober kann die geringe Licht-
menge allein nicht entscheidend gewesen sein, sondern diese frühe
Ruhe muß zugleich durch die starke Erschöpfung des Bodens hervor-
gerufen worden sein. Dafür spricht auch die relativ frühe Aufhebung
1) Nachtrag bei der Korrektur. Die Pflanze wuchs ununterbrochen den ganzen
Januar 1915, ohne die kurze Ruheperiode zu dieser Zeit wie 1913 und 1914 zu zeigen;
sie verhielt sich in dieser Beziehung wie im Januar 1912.
über Wachstum und Kulie tropischer Baumarten. 751
der Eulie bei noch sehr ungünstiger Lichtnienge im November, das
weitere Wachstum sogai" im Dezember — eine unmittelbare Folge
des Ersatzes der alten Erde durch neue, frisch gedüngte am 18. X.
Der Beweis für die Richtigkeit dieser Auffassung ergab sich aus
dem Verhalten der Pflanze im dritten Winter. Kaum war sie bis
November in der alten Erde zur Ruhe gekommen, als sie am 30. XI
in neue Erde versetzt wurde. Die Folge war neues Wachstum im
Dezember, ebenso im Januar 1915. Wir erkennen daraus, daß die
beiden wichtigsten Faktoren: Licht (C-Assimilation) und
Nährsalze in richtigem Verhältnis zusammenwirken müs-
sen, um Wachstum zu bewirken und daß sowohl die quanti-
tative Verminderung des einen als auch die des anderen
Faktors zur Ruhe führen muß (Klebs, 1914, S. 68).
2. Kurze Ruheperioden des Hauptsprosses. Die am längsten
untersuchte Pflanze II zeigte solche kurzen Ruhezeiten und zwar
in den beiden aufeinander folgenden Jahren ziemlich zu gleicher Zeit.
24. I. 13 bis 5. IL 13 11 Tage,
24. VI. 13 bis 4. VI. 13 11 Tage,
21. L 14 l)is' 31. I. 14 10 Tage,
13. VI. 14 bis 22. VL 14 9 Tage.
Eine wirkliche Erklärung für den Zeitpunkt und die Dauer
der Ruhe weiß ich nicht zu geben. Der Gedanke, daß hier viel-
leicht doch „Nachwirkungen" von der Mutterpflanze her mitgewirkt
hätten, muß deshalb von vornherein abgewiesen werden, da die
gleiche Pflanze, so lange sie frei ausgepflanzt war, keine Spur
einer solchen Periodizität aufwies ^t. Dieses Verhalten trat doch nur
bei begrenzter Nährsalznienge auf und war zugleich mit der Er-
scheinung verbunden, daß withrend der Ruhezeit des Hauptsprosses
die Seitensprosse gerade wuchsen. Das Bäumchen als Ganzes
wnichs, abgesehen von der Winterruhe (s. vorhin), ununterbrochen
fort. Andererseits zeigen während des Wachstums des Haupt-
sprosses die Seitensprosse einen auffallenden Wechsel von Ruhe
und Wachstum, der aus dem Konkurrenzkampf um die begrenzte
Nährsalzmenge zu verstehen ist (s. S. 749).
Vergleichen wir jetzt mit den gegebenen Resultaten die Be-
obachtungen von Volkens in Buitenzorg, von Wright in Ceylon,
nach denen Terminalia zweimal im Jahre kurze Zeit treiben und
sonst ruhen soll, so ergibt sich allerdings eine außerordentliche
1) Vgl. Anmerkung S. 750.
17^2 Greorg Klebs,
Verschiedenheit des Verhaltens. Es gibt, soweit ich die Sache
übersehen kann, keine andere Möglichkeit als anzuerkennen, daß
das Verhalten in Biiitenzorg oder Ceylon nur aus dem Verhält-
nis der Bäume zu dem bestimmten Klima und Boden jener
Tropengebiete zu verstehen ist. Niemals aber kann das Verhalten
in den Tropen, das nur einen Einzelfall unter anderen möglichen
Fällen darstellt, der Ausdruck einer erblich fixierten und von der
Außenwelt unabhängigen Periodizität sein, wie das noch neuerdings
von Simon trotz aller meiner Einwände und Nachweise so be-
stimmt behauptet wird.
Theohroina cacao (Fig. 2)
(Sterculiaceae).
Nach den Beobachtungen von Smith (1909, S. 274) treibt der
Kakaobaum im Klima von Ceylon fünfmal im Jahr. Anders ver-
hielten sich einzelne Bäume in Buitenzorg nach den Untersuchungen
von Volkens (1912, S. 65). An einem Baum zeigten sich einzelne
treibende Sprosse am 13.1.; 14.11.; 28.11.; 16. VI.; I.V.; 10. V.;
13. VI. Am 20. Juni stellte sich ein allgemeines Treiben ein, bei
dem die überwiegende Zahl der Endknospen und ein Teil der
Seitenknospen in wenigen Tagen (?) ihre Blätter ausbildeten.
Wie Sir de Moncey Volkens mitgeteilt hat, trat ein zweites all-
gemeines Treiben am 4. Oktober ein.
Ich beobachtete im Winter 10/11 in Buitenzorg eine Anzahl
junger Keimlinge (Aussaat vom 10. VIII. 10), die meist zu 4 — 6
in einem Topf standen und kümmerlich aussahen. Diejenigen
Pflänzchen, welche ruhten, reagierten auf Entblätterung mit der
Bildung neuer Blätter. Ein Topf mit 4 Keimlingen wurde am
26. XII. 10 mit 0,05 °/o Knoplösung begossen, sie standen unter
einer Veranda vor Regen geschützt. Am 2. I. 11 waren bei einem
Exemplar die ersten neuen Blätter bemerkbar, von denen das eine
bis zum 9. I. eine Länge von 14,7 cm erreichte. Währenddessen
hatten auch die anderen Exemplare neu getrieben, sie wurden am
7. n. in den Wardschen Kasten gesetzt, um nach Heidelberg zu
reisen. Einen anderen Topf stellte ich am 27. X. 10 dunkel; die
Blätter fielen ab. Am 12. XI. hell gestellt, entwickelten die Exem-
plare neue Blätter, bis am 25. XII. Ruhe eintrat. Ich entblätterte
die Pflanzen am 13. I., und am 19. I. zeigten sich bereits die neuen
Blätter. Wir sehen hier ein mit Terminalia übereinstimmendes
tJber Wachstum und Ruhe tropischer Baumarten.
753
Verhalten der ärmlich ernährten Topfpflanzen, indem sie ab-
wechselnd treiben und ruhen. Aus der Ruhe konnten sie durch
Entblätterung oder durch Knopsche Lösung zu neuem Treiben ver-
anlaßt werden.
Von den nach Heidelberg gesandten Exemplaren wurden zwei
im Laufe der nächsten Jahre genauer untersucht.
Fig. 2. Theobroma cacao.
Junge Pflanze aus Buitenzorg, 19. VII. 1911 frei ausgepflanzt im Gewächshaus Heidelberg,
5. X. 1912 in einen Topf gesetzt; photogi'.; Vis-
Pflanze L
Sie wurde am 11. VII. 1911 frei ausgepflanzt in das Gewächs-
haus in einem Zeitpunkt, wo sie gerade im Treiben begriffen war.
Wie Volkens (1912, S. 65) hervorhebt, werden die Blätter ge-
wöhnlich in Schüben von je 4—5 ziemlich gleichzeitig angelegt.
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI.
48
754
Georsr Klebs,
Nach der Beendig-img des Wachstums soll eine notwendige Ruhe
eintreten. Ich bestimmte die Gesamtlänge der Blätter von der
Basis des kurzen Stieles bis zur lang ausgezogenen Spitze der
Spreite. Zuerst tritt zwischen den schmalen Nebenblättern ein
hellgrünes lineales Blättchen hervor, das sich dann abwärts krümmt
und das bald den Unterschied von Stiel und Spreite erkennen läßt.
Die Spreite biegt sich nach unten, so daß sie einen scharfen Winkel
mit dem Stiel macht. In der ersten Zeit wachsen beide Teile, bis
dann der Stiel zuerst sein Wachstum beendet. Die Spreite, noch
lange durch ihre lichtgrtine Farbe ausgezeichnet, beendet schließ-
lich ihr Wachstum und wird dunkler grün.
Das letzte Blatt des vorhergehenden Blattschubs endigte sein
Wachstum am 14. VII. Der neue Schub begann sofort sich zu
zeigen.
17.Vn.llbis31. VII. 11 0,9— 25,5 = 24,6 cm; 14 Tg.; pr. Tg. 1,7cm
20.VIL11 „ l.VIII.ll 1,7—25,3 = 23,6 „ ; 12
22.^^1.11 ,. 2.^aiT.ll 1,3—24,9 = 23,6 „ ; 11
25.VII.11 „ 3.VIII. 11 1,9—21,5 = 19,6 „; 9
26.Vn.ll „ 3.VIIL 11 1,2—20,3 = 19,1 „; 8
28.VII.11 „ 7.VIII. 11 1,2—16,7 = 15,5 „ ; 10
1,9 ..
2.1 „
2.2 „
2.4 „
1.5 „
Innerhalb des Schubes bemerkt man eine langsame Abnahme
der Blattgröße, dagegen bis auf das letzte Blatt eine Zunahme der
Zuwachsgröße.
Am 7. bis 9. VIII. erschienen 3 neue Blätter; bis 10. IX. hatten
sich 6 fertige Blätter entwickelt, während das eine bis zum 15. IX.
zu einer Länge von 20,9 cm heranwuchs. Unterdessen trat ein neuer
Schub hervor:
17. IX. 11 bis 6.x. 11 1,1—32,1 = 31 cm
19. IX. 11 „ 6.x. 11 1,3— 39,6 = 38,3 „
19. IX. 11 „ 9.x. 11 1,2— 35,4 = 33,3 „
21. IX. 11 „ 9.x. 11 1,5—29,4 = 27,9 „
25. IX. 11 ,, 10. X. 11 1,7—30 =28,3 „
Das 6. Blatt wurde nicht täglich gemessen es erreichte eine
Länge von 28,1 cm. Infolge der Erstarkung der ganzen Pflanze
war die Blattgröße im September gegenüber dem Juli gestiegen.
Das 7. Blatt, zufällig verletzt, wurde beiseite gelassen. Es ent-
stand Mitte Oktober ein neuer Blattschub von 7 Blättern, von
19 Tg.
pr. Tg. 1,6 cm
17 „
„ 5, 2,2 „
20 „
1 7
18 „
» » 1,5 5,
15 „
1 9
„ 11 ^1"^ 11
über Wachstum und Euhe tropischer Baumarten.
755
0.
n.
n
21. II
10.
n.
,5
25. II
14.
II.
„
27. n
4.
m.
„
28. m.
4.
m.
,5
28. m.
14.
m.
„
30. III
18.
m.
n
30. III
; 13
Tg.;
; 14
5, ,
; 16
„ ,
; 15
5, ,
; 13
5, ,
; 24
» ,
; 24
» ,
; 16
„ ,
; 12
M ,
pr. Tg.
denen aber nur 2 gemessen wurden, da 3 verletzt wurden, 2 ver-
kümmerten.
25. X. 11 bis 11. XI. 11 4,8—37,4 = 32,6 cm; 17 Tg.; pr. Tg. 1,9 cm
2. XL 11 „ 19. XI. 11 2,4—35,8 = 33,4 „ ; 17 „ ; pr. „ 2 „
Am 19. XL trat Ruhe ein bis 6. XIL = 17 Tage. Am 6. XL
begannen deutlich 2 neue Blättchen zu erscheinen, sie vertrockneten
in einigen Tagen. Am 10. XII. trat das 3. hervor, das am 30. XII.
abfiel. Das 4. erschien am 30. XIL, das 5. — 7. am 9.1. Eines
der Blättchen wuchs vom 5. I. bis 22. I. von 1,5 cm auf 8,2 cm,
(pro Tag 0,4 cm). Am 13. I. zeigten sich das 8. — 10. Blättchen, die
auch später vertrockneten. Der Vegetationspunkt des Sprosses
starb Ende Januar ab, in Verbindung mit dem Treiben von 3 neuen
Seitensprossen, von denen der eine gemessen wurde. Die Achse
streckte sich vom 2. IL bis 21. LT. von 1 cm auf 15 cm; ihre Blatt-
anlagen entwickelten sich normal, aber nicht in einem Schub,
sondern nacheinander.
3. IL bis 21. n. 4,1— 25,7 = 21,6 cm;
5. n. „ 19. n. 2,2—25,3 = 23,1
1,7—33,9 = 32,2
2,2—27,7 = 25,5
2,2—23,6 = 21,4
0,5—36,2 = 35,7
0,7—29,8 = 29,1
1,1—28,3 = 27,2
1 —24 = 23
Die beiden anderen Seitensprosse ebenso me 2 neu entstehende
wurden entfernt; am 29. III. fielen weitere Blätter ab.
Im Laufe des Aprils hatte der jetzige Hauptsproß 4 neue Blätter
und 6 neue Seitensprosse mit jungen Blättern entwickelt. Die
Seitensprosse wurden bis auf einen wieder entfernt. Am Haupt-
sproß beendete das letzte Blatt sein Wachstum am I.V., an dem
Seitensproß ging es weiter bis 3. V. Es folgten neue Blätter.
Hauptsproß:
0,9—20,4 = 19,5 cm;
2,3—20,9 = 18,6
1,5—20,8= 19,3
1,5—19,4=: 17,9
1 —23,5 = 22,5
1,4—20,2 = 18,8
48^
1,6
cm
1,6
5,
2
«
1,7
„
1,6
„
1,5
»
1,2
»
1,7
„
1,9
5,
8. V.
bis
23. V.
16. V.
„
27. V.
17. V.
„
30. ^T[.
2.VL
„
13. VI.
7. VI.
5,
21. AT
14. VI.
n
28. VI.
15 Tg.
pr.
Tg.
1,3 cm
11 „
„
1,7 „
13 „
„
1,5 „
11 „
«
1,6 „
14 „
.,
1,5 „
14 „
„
1,3 „
756
Georg Klebs,
Seitensproß:
5. VI. bis 22. VI.
0,6—28,1 =27,5 cm;
17 Tg.
pr. Tg. 1,6 cm
15. VI. „ 26. VI.
2,4—23,3 = 20,9 „ ;
11 .
1 9
11 11 ^1^ 11
25. VI. „ 10. vn.
1,2-22,2 = 21 „ ;
15 „
1 4
11 11 ■'-5^ 11
28. VI. „ 13. \LL
1,1—24,6 = 23,5 „ ;
15 „
11 11 1,6 11
Im Juni entwickelten sich neue Seitensprosse in den Achseln
der älteren. Seit Ende Juli wurden keine Messungen mehr gemacht,
nachdem die Pflanze ein volles Jahr mit Ausnahme einer
Ruhepause von 17 Tagen ununterbrochen gewachsen war.
Die Pflanze wurde im Oktober, wo sie noch lebhaft trieb, in einen
Topf gesetzt, sie starb später ab.
Pflanze IL
Diese ebenfalls aus Buitenzorg stammende, etwa zweijährige
Pflanze war sehr klein geblieben, sie hatte eine Länge von 20 cm
und trug 7 Blätter. Am 5. Oktober 1912 wurde sie frei ausgepflanzt;
am 11. X. wurde das erste Blättchen sichtbar, dem bis 20. X. zwei
andere folgten. Die Blättchen wuchsen etwas, vertrockneten aber
bis 9. XL Es trat genau der gleiche A^organg ein wie bei Pflanze I
zur Winterszeit, nur mit dem wichtigen Unterschied, daß die Pflanzen
überhaupt nicht ruhte. Unaufhörlich entstanden kleine neue
Blättchen, die etwas wuchsen und dann abstarben. Am Hauptsproß
entstanden langsam nacheinander bis 9. XII. zehn junge Blatt-
anlagen, dann starb der Vegetationspunkt ab. Es entwickelten sich
Seitensprosse, von denen einige nach Bildung einiger Blättchen ab-
starben und durch neue (im Januar) ersetzt wurden. Von diesen
wurde der stärkste genauer in seinem Wachstum verfolgt. Im
Laufe des Dezembers fielen einige wenige alte Blätter ab. Am 18. IL
\\airde die alte Erde des Hügels vorsichtig entfernt und durch neue
ersetzt. Im Februar entfalteten sich einige der angelegten Blätter.
3. 11.13 bis 21. 11.13 2,2— 13,3= 11,1 cm: 18 Tg.; pr. Tg. 0,6 cm
22. IL 13 „ 22. III. 13 0,5— 6,8 = 6,3 ,. ; 28 „ ; „ „ 0,2 „
Im Laufe des Aprils entwickelten sich 4 Seitensprosse zu
kräftig beblätterten Trieben, ich ließ im Mai nur einen als künf-
tigen Hauptsproß stehen, dessen Blätter gemessen wurden:
17. V. 13 bis 27. V. 13 0,9— 9 = 8,1 cm; 10 Tg.
17. V. 13 „ 24. V. 13 2,2—10,9 = 8,7 „ ; 7 „
28. V. 13 „ 2. VL 13 4 —10,8 = 6.8 „ ; 5 „
pr. Tg. 0,8 cm
1 9
r> 11 -^1^ 11
1 S
» n ■■■)" 11
1. VL 13 „ 13. YI. 13 0,6— 9,2 = 8,6 „ ; 12 „ ; „ „ 0,7
über Wachstum und Ruhe tropischer Baumarten.
757
11. VI. 13
bij
;20. VI. 13 2,2-
-12,9 = 10,7 cm
9 Tg.
pr.
Tg.
1,2
cm
18. VI. 13
«
26. VI. 13 1,8-
-11,5= 9,7 „
; 8 „
, „
„
1,2
»
21. VI. 13
„
4. vn. 13 1,1-
-14,3 = 13,2 „
;13 „
„
„
1
«
27. Yl. 13
5,
11. vn. 13 0,9-
-14,5 = 13,6 „
,14 „
„
„
0,9
„
30. Yl. 13
„
15. VII. 13 0,7-
-16,2 = 15,5 „
; 15 „
»
„
1
,5
4.T[I. 13
„
22. vn. 13 0,6-
-13,5 = 12,9 „
, 15 „
„
»
0,8
„
16.VII. 13
„
26. VII. 13 3,1-
-14,6 = 11,5 „
;io „
, „
„
1,1
„
27.VII. 13
„
9.\T:II. 13 0,8-
-21,1 = 20,3 „
12 „
»
„
1,7
„
30. Vn. 13
„
10.\ail. 13 1,2-
-22,8 = 21,6 „
;ii „
„
„
1,9
»
31.Vn. 13
„
lo.vm. 13 1,1-
-18,8 = 17,7 „
,11 „
„
„
1,7
„
Vergleicht man diese Werte mit jenen, die bei Pflanze I zur
gleichen Sommerszeit, allerdings in dem günstigeren Sommer 1911,
beobachtet wurden, so erkennt man, daß die Pflanze II weniger
kräftig wuchs. Die Blätter waren deutlich kleiner, der tägliche
Zuwachs geringer.
Im Laufe des Augusts wurde das Wachstum lebhafter, die
Blätter erreichten größere Längen. Es waren im August 7 Blätter
fertig ausgebildet (2 davon Ende Juli angelegt). Ihre Längen =
18,6; 26,9; 27,7; 26,4; 23,6; 21,2; 19,1. Hier trat die Zunahme,
dann Abnahme der Größe innerhalb eines Blattschubes deutlich
hervor. Dazu kamen 4 im Wachstum begriffene Blätter.
Die Hauptfrage war, wie die Pflanze sich im Winter verhalten
würde. Zunächst entfalteten sich die Blätter normal:
10. IX. bis 19. IX. 13 0,9— 28,8 = 27,9 cm:
0,9—27,1 = 26,2 ,,
1,1—18,1 = 17 .,
1,2—21,2 = 20 „
0,7—20,1 = 19,4 „
1,1—30,3 = 29,2 „
1,7—35,5 = 33,8 „
0,7—25,8 = 24,1 -,
0,9—19,2 = 18,3 „
1,3—28,5 = 27,2 „
0,9—25,3 = 24,4 „
1,2— 5,4= 4,2 „
0,7— 2,5 = 1,8 „
Während in den Monaten September und Oktober noch leb-
haftes Wachstum der Blätter stattfand, die übrigens nicht in regel-
mäßigen Schüben, sondern sukzessive angelegt wurden, nahm
11. IX.
„
28. IX. 13
17. IX.
„
4. X. 13
19. IX.
„
6. X. 13
25. IX.
5. X. 13
30. IX.
„
20. X. 13
6. X.
n
23. X. 13
7. X.
w
25. X. 13
12. X.
„
29. X. 13
19. X.
„
3. XI. 13
23. X.
„
9. XL 13
10. XL
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22. XI. 13
10. XL
„
22. XI. 13
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Tg.
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12
«
„
„
0,15,,
ygg Georg Klebs,
es mit dem November infolge der Abnahme der Lichtmeng-e stark
ab. Jetzt begann wieder der Kampf der Pflanze mit dem Nach-
teil der zu geringen Lichtmenge. Unaufhörlich legte der Vege-
tationspunkt neue Blätter an, die nach geringer Verlängerung ab-
starben und abfielen. Ich erwähne kurz die Termine des Er-
scheinens und die Zahl der Blättchen. 3. XL 3; 24. XL 3;
26. XL 3; 27. XI. 1; 6. XIL 2; 8. XIL 3; 10. XU. 2; 14. XH. 1;
21. XII. 1; 24. XII. 3 — im ganzen 22 Blätter im November
und Dezember. In diesen Monaten fand auch ein stärkerer Laub-
abfall statt, indem langsam nacheinander 25 alte Blätter abfielen.
Von Ende Dezember ab wurde das Wachstum der jungen Blätter
ein wenig stärker:
27. Xn. 13 bis 18. L 14 1,3—19,3 = 18 cm; 22 Tg.; pr. Tg. 0,6 cm
andere Blattanlagen fielen frühzeitig ab.
18.
L bis
8. IL 0,9— 22,5 = 21,6 cm; 21 Tg.; pr. Tg. 1 cm
21.
L „
8. IL 1 —25,5 = 24,5 „ ; 18 „ ; „ „ 1,4 „
22.
L „
9. n. 1 —22,5 = 21,5 „ ; 18 „ ; „ „ 1,2 „
3 andere Blättchen fielen bis 12. IL ab.
13.
IL bis
1. in. 0,9— 25,8 = 24,9 cm; 16 Tg.; pr. Tg. 1,5 cm
14.
IL „
l.m. 1,1-17,8 = 16,7 „ ; 15 „ ; „ „ 1,1 „
Am 2
. in. traten 2 Blättchen auf, die später abfielen.
12.
III. bis
30.111. 0,6— 31,1 = 30,5 cm; 18 Tg.; pr. Tg. 1,7 cm
15.
III. „
31. III. 1,2—34,8 = 33,6 „ ; 16 „ ; „ „ 2,1 „
15.
iil. „
31. III. 0,8—31,6=30,8 „ : 16 „ ; „ „ 1,9 „
Im Laufe des Aprils 1914 entwickelten sich 6 neue kräftige
Blätter; noch lebhafter wurde das Wachstum im Sommer:
2. V. bis 17. V. 14 1,3— 27,4 = 26,1 cm; 15 Tg.: pr. Tg. 1,6 cm
4. V. „ 20. V. 14 1,4—23,7 = 22,3
9. V. „ 23. V. 14 1,3—24,9 = 23,6 .
27. V. „ 18. R^14 0,9—51,1 = 50,2
9. Yl. „ 20. Yl. 14 2 —42,2 = 40,2 .
9. VI. „ 20. VI. 14 2 —33,3 = 31,3 ,
9. VL „ 20. VI. 14 1,6—31,7 = 30,1
11. VI. „ 21.^T:. 14 1,3—27,2 = 25,9
11. VL „ 22. Yl. 14 1,2—24,6 = 23,4
15. VI. „ 23. VL 14 2,7—22 = 19,3
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2,2
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55
55
2,4
über Wachstum und Ruhe tropischer Bauuiarteii. 759
Die Pflanze war im intensivsten Treiben begriffen, in einem
Grade, wie es auch bei Pflanze I nicht beobachtet worden war.
Die Länge eines Blattes erreichte 50 cm, der durchschnittliche
tägliche Zuwachs den Wert von 3,6 cm.
Das Wachstum ging ununterbrochen weiter. Am 23. VI.
zeigte sich das erste Blättchen eines neuen Schubes, der bis zum
14. VII. vollendet war; die Länge der aufeinanderfolgenden Blätter
= 27,2: 36,3; 39,3; 30,9; 29; 29; 19,8 cm. Am 13. VH. sah ich
das erste Blättchen des nächsten Schubes, es wurden wieder 7
Blätter angelegt, von denen aber nur 4 zur Entfaltung gelangten.
Länge am 31. VIL = 35,8; 22,2; 23,8; 13,1.
Der Sproß hörte mit seinem Wachstum auf im Zusammenhang
damit, daß seit 23. VII. 3 Seitensprosse an ihm sich stärker ent-
wickelten, von denen ich nur einen stehen ließ. An dem sich
langsam streckenden Triebe entstanden im August sukzessive
16 neue Blätter, von denen sich aber nur die ersten 8 zu ansehn-
licher Länge streckten: 25,7; 26,1; 28,8; 23,6; 24,2; 26,1; 25,8.
Das Wachstum nahm nach dem 8. Blatte ab, die Blätter erreichten
bis zum 9. IX. eine Länge von 7,6; 7,7; 4,4; 4,5; 2,4; 2.2 cm
und vertrockneten bald.
Gleichzeitig erfolgte ein auffallend lebhaftes Treiben von neuen
Seitensprossen; an dem letzten Trieb entstanden im August 8 neue
Triebe, im September wuchsen auch die Kjiospen an den älteren
Trieben hervor. Möglicherweise hing diese Tätigkeit damit zu-
sammen, daß ich im August die Erde mehrere Male mit Dung-
wasser (Taubenkot seit längerer Zeit mit Wasser angesetzt) be-
goß. In dieser Zeit starker Sproßbildung, d. h. vor allem der
Streckung der Achsen wird korrelativ die Ausbildung der Blatt-
anlagen in hohem Grade behindert, da der Zustrom der Nährstoffe
zu ihnen sehr eingeschränkt ist. Ich nahm am 11. IX. die meisten
Seitensprosse fort. An der Spitze des obersten Triebes entstanden
Mitte September 8 Blätter, die bis zum 30. IX. nur geringe Längen
erreichten und abfielen. Erst die vom 2. X. ab gewachsenen Blatt-
anlagen entfalteten sich zum großen Teil normal. Gleichzeitig trieb
der Sproß nahe der Spitze einen neuen Trieb mit sukzessive ent-
stehenden 7 Blättern, die im Laufe des Oktobers zu kräftiger Aus-
bildung gelangten. An der ganzen Pflanze waren Mitte Oktober
9 Sprosse in Blattbildung begriffen.
Die Pflanze II hatte vom 5. Oktober 1912 bis Ende Ok-
tober 1914, also volle 2 Jahre, ununterbrochen getriebe n
IQQ ' Georg Klebs,
Theodroma cacao treibt in Ceylon nach Smith 5 mal im Jahr,
in Java nach Volke ns 2 mal allgemein, in einzelnen Zwischen-
zeiten nur an 'gewissen Zweig'systemen. Junge Topfpflanzen in
Buitenzorg zeigten im Winterhalbjahr abwechselnd Treib- und
Euheperioden ; sie ließen sich aus der Ruhe zum Treiben durch
Entblätterung oder durch Ncährsalzlösung erwecken (s. S. 752).
Ganz anders verhielten sich die jungen aus Buitenzorg stammen-
den Pflanzen im Gewächshaus in Heidelberg. Bei Pflanze I un-
unterbrochenes Wachstum während eines Jahres mit Ausnahme
einer Ruhezeit von 17 Tagen im November; bei Pflanze II un-
unterbrochenes Wachstum von 11. X. 1912 bis Ende Oktober 1914,
also volle 2 Jahre. Folglich existiert in der spezifischen Struktur
der Iheohroma keine Einrichtung dafür, daß nach einem vorher-
gehenden Wachstum notwendig Ruhe eintreten müsse. Wenn tat-
sächlich Ruhepausen z. B. in den Tropen erfolgen, so muß der
Grund in den besonderen Außenbedingungen liegen.
Im Vergleich zu Terminalia fallen bei Theohroma zwei Unter-
schiede auf. Diese Art vermag nicht zur Zeit geringster Licht-
menge in unserem Klima (genauer gesagt, in dem bestimmten Ge-
wächshaus von Heidelberg) ihre Blätter zur normalen Ausbildung
zu bringen. Sie erzeugt unaufliörlicli junge Blätter, die im No-
vember, Dezember sehr frühe abfallen. Ferner besteht bei den
Vegetationspunkten der Sprosse der Theohroma die Neigung, nach
einigem sehr verschieden langem Wachsen abzusterben ; sie werden
durch Seitensprosse ersetzt — ein Vorgang, der bei einheimischen
Bäumen, Linde usw., die Regel ist — . Dieses Absterben erfolgt
besonders zur Zeit geringster Lichtmenge; es wurde aber auch
beobachtet im Sommer in Verbindung mit sehr intensiver Bildung
von Seitensprossen.
Die ziemlich gleichzeitige Bildung von Blättern in einem Blatt-
schube (Volkens) ist für Theohroma charakteristisch — aber wie
jedes andere Merkmal gebunden an bestimmte äußere Bedingungen,
durchaus nicht notwendig unter allen Umständen eintretend. Die
Blattschübe traten in Heidelberg am ausgeprägtesten im Sommer
ein, wenn die Streckung der Blätter sehr lebhaft war, diese relativ
sehr groß wurden. Die starke Längenzunahme, bei der viel
Nahrungssubstanz in Anspruch genommen wurde, hält möglicher-
w^eise die jungen Blattanlagen zurück, so daß diese sich erst
strecken können, w^enn das Wachstum des Blattschubes abnimmt.
Daraus w^ürde sich auch das Verständnis für die andere Art der
über Wachstum und Euhe tropischer Baujiiarten. 761
Blattbildung ergeben, bei der die Blätter ganz sukzessiv wie bei
den meisten einheimischen Bäumen entstehen. Wir bemerken
dieses langsame Nacheinander in der Entstehung während des
ganzen Winters, in dem die Blattstreckung sehr stark gehemmt
ist, ferner während des Frühjahrs, in dem die Blattstreckung noch
relativ langsam vor sich geht, schließlich auch im Sommer für den
Fall, daß die Streckung der Äste sehr lebhaft ist, die dann eine
gewisse Hemmung auf die Entwicklung ihrer Blätter ausübt.
Alhizzia stiptildta
(Mimosaceae).
Dieser Baum ist nach Koorders (K. u. V. I, S. 305) in Java
besonders in Mitteljava mit deutlich periodischem Klima verbreitet.
Er steht zur Zeit des trocknen Ostmonsuns (unserer Sommerzeit)
monatelang kahl. Nach Simon (1914, S. 107) ruhten größere
Exemplare in Buitenzorg zwischen Januar und Juli etwa 2 bis
3 Monate ; die einzelnen Individuen trieben zu verschiedenen Zeiten
von April bis Juli. In Ceylon steht nach Wright (1905, S. 499)
die Art 9 — 21 Tage blattlos im Februar und treibt darauf neue
Blätter.
Ganz entgegengesetzt verhielten sich die jungen Exemplare,
die ich in Buitenzorg Winter 10/11 untersuchte. Die jungen Topf-
pflanzen wuchsen von Oktober bis Mitte Februar (Abschluß der
Beobachtung) ununterbrochen fort. Alhizzia stipulata wie mo-
luccana waren die einzigen Baumarten (unter 20 Arten), die in
den kleinen Töpfen dieses Verhalten aufwiesen (Klebs, 1911,
S. 34). Ich stellte einige Versuche an, hauptsächlich um den Ein-
fluß des Lichtes zu prüfen. Eine Topfpflanze wurde am 27. X. 10
dunkel gestellt. Sie warf in 2 — 3 Tagen ihre sämtlichen Blätter
ab und zeigte bis 12. XI. keine Neubildung. An diesem Tage hell
gestellt, entwickelte sie in wenigen Tagen neue Blätter. Am 2. XII.
stand das Bäumchen in vollem Laube. Es wurde am 24. XII. 10
wieder ins Dunkle gebracht mit dem gleichen Erfolg schneller Ent-
blätterung ohne merkbares Wachstum. Am 28. XII. beleuchtet,
bildete die Pflanze in wenigen Tagen Blätter an der Spitze wie
aus zahlreichen Seitenknospen. Ich wiederholte den Versuch mit
einer zweiten Topfpflanze mit dem gleichen Resultat.
Gegenüber den Beobachtungen Simons ist hervorzuheben,
daß ein jüngerer Baum im Leguminosenquartier des Buitenzorger
762
Georg Klebs,
14 T^.
pro
Tg
1,7 cm
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1,5 „
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1»
11
1,8 „
Gartens ebenfalls von Oktober bis Februar (jedenfalls auch weiter)
ununterbrochen wuchs. Messungen des Blattwachstums wurden
erst am 28. XI. begonnen und dauerten bis 4. I. 11. Das Bäumchen
hatte eine Höhe von ca. 2 m; an einem Seitenzweig wurden die
Messungen ausgeführt. Die Sproßachse hatte sich vom 1. XII.
bis 21. I. von 8,2 auf 85,6 cm, d. h. um 77,4 cm verlängert —
pro Tag durchschnittlich 1,5 cm. Ich gebe die Messungen einiger
Blätter, deren Länge bestimmt wurde, von der Stielbasis bis zur
Spitze der obersten Fiedern:
S.Xn.lObis 17.XIL10 3 — 27, 6 = 24,6 1
3.XIL 10 „ 19.XII. 10 2,8— 25,5= 22,7
5.XII.10 „ 19. XII. 10 4,3— 27,1 = 22,8
9.Xn.lO „ 19. XII. 10 2,8— 26,8 = 24
ll.Xn.lO „ 19.Xn. 10 4,5— 21,5= 17
16.XII.10 „ 3.1. 113,7—29,0 = 25,3
17. XU. 10 „ 3.1. 113,8—29,5 = 25,7
21.Xn. 10 „ 4.1. 116,7—32,2 = 25,5
Die täglichen Messungen, bei denen das Blatt gestreckt werden
mußte, schädigten die empfindlichen Blätter etwas. Denn ich be-
merkte, daß an nicht gemessenen Zweigen die Blätter eine Länge
von 40 — 50 cm erlangten.
Untersuchungen in Heidelberg.
Ich benutzte dazu junge Keimlinge (Aussaat Februar 1911).
Ein solcher 5,2 cm hoch wurde am 20. VII. 11 frei ausgepflanzt.
Blattmessungen:
14.Vn. 11 bis 20.YII. 11 2,9— 7,5 =
18.Vn. 11 „ 26.VII. 11 0,9— 8,2 =
23.Y1L11 „ 3. Vm. 11 0,4— 10,4 =
28.Vn.ll „ 6.VIIL110,6— 9,8 =
s.vm.ii „ 9.vnLii 0,7— 10 =
Die Pflanze wuchs allmählich stärker: im Laufe des Augusts
erreichte sie, am 9. IX. gemessen, eine Höhe von 38,8 cm, d, h.
das 7 fache der Länge bei Beginn der Verpflanzung; Blattwachstum :
10. IX. bis 24. IX. 1,2—20,8 = 19,6 cm; 14 Tg.; pro Tg. 1,4 cm
17. IX. „ 28. IX. 2 —25 r= 23 „ ; 11 „ ; „ „ 2,1 „
26. IX. „ 6. X. 3,6—27,5 = 23,9 „ ; 10 „ ; „ „ 2,4 „
Im September erreichte der tägliche Zuwachs bereits die
Werte, die an dem jungen Baum in Buitenzorg beobachtet worden
waren.
4,6cm; 6 Tg.; pro Tg. 0,7cm
' ,3 „ ; 8 „ ; „ „ 'J," 11
10 „ j 11 „5 ,5 5, 0,9 „
Q 9 • Q ■ 1
",3 „ ; b ,, ; „ „ 1,0 „
über Wacliistum und Ruhe tropischer Bauiaarten. 763
Im Oktober stellte ich aus anderen Gründen Versuche mit der
Pflanze an, wobei ich an jungen Blättern teils die Fiedern der
einen Seite, teils die beider Seiten entfernte. Ich gehe nicht
Aveiter darauf ein, weil sich keine besonderen Resultate ergaben;
das Wachstum der betreffenden Blätter wurde nur stark verringert.
Am 16. X. 11 nahm ich die Pflanze von ihrem Platz und setzte
sie in einen Topf. Die Neubildung von Blättern ging zunächst
ungestört weiter, das letzte gemessene Blatt erreichte am 27. XII.
seine Endgröße (23,6 cm). Das folgende, 13 cm, wuchs aber seit
dem 20. XJI. nicht mehr — die Pflanze ruhte bis 15. I. 12.
In dieser Zeit der geringsten Lichtmenge warf die Pflanze auch
den größeren Teil der Blätter al). Ich entfernte am 15. 1. die drei
letzten Blätter — es begann sofort das Wachstum des jüngsten Blattes:
16. I. 12 bis 10. IL 12 1,6—15,3 = 13,7 cm; 25 Tg.; pro Tg. 0,5 cm
31. L 12 ., 20. n. 12 1 —14 =13 „ ; 20 „ ; „ „ 0,65 „
15.11.12 „ 23.11.12 1,1—16,8 = 15,7 „ ; 10 „ ; „ „ 1,5 „
Mit zunehmender Lichtmenge wuchs die Pflanze stärker und
trieb von nun ab ununterbrochen weiter; besondere Messungen
wurden nicht angestellt.
Dagegen untersuchte ich im folgenden Winter, ob die Ruhe-
zeit im Dezember nicht ebenso wie bei Terminalia durch gute
Bodendüngung beseitigt werden könnte. Ein anderes Exemplar
(gleichaltrig), das bisher in einem kleinen Topf kultiviert worden
war, wurde am 20. XII. 12 in einen großen Topf mit gut gedüngter
Erde versetzt.
21. XI.12bis l.Xn.12 4,3— 8 = 3,7 cm; 9 Tg. ; pro Tg. 0,4 cm
21. XI.12 „ 11.XII.12 0,7— 10,2
6.Xn.l2 „ 28. XIL 12 0,7— 7,7
16.Xn.l2 „ 16. 1.13 0,6—10,5
8. L13 „ 3. 11.13 0,7— 8,3
1. IL 13 „ 21. n.l3 0,7— 8,5
Das im November frisch eingepflanzte Bäumchen wuchs un-
unterbrochen den ganzen Winter nur mit stark verminderter
Geschwindigkeit. Es gab demnach keine Ruhezeit, und zugleich
zeigte die Pflanze keinen deutlichen Laubabfall.
Eine zweite Frage, die mich interessierte, betraf den Einfluß
des Lichtes. In den Dunkelversuchen in Buitenzorg hatte ich kein
Wachstum bemerkt, ohne allerdings Messungen anzustellen. Daher
wiederholte ich den Versuch.
= 9,5 „
; 20 „ ;
„
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= 7 „
; 22 „ ;
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— Q Q
; 31 „ ;
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; 20 „ ;
51
n
0,4
yß^ Georg Klebs,
Ein drittes Exejiiplar war in einem kleineu Topf seit einiger
Zeit gewachsen; am 13. V. 1912 begann ich die Messungen:
13. V. bis 30. V. 1,6—23,5 = 21,9 cm; 17 Tg.; pro Tg. 1,3 cm.
Am I. VI. wurde die Pflanze an ihrem Platz im Gewächshaus durch
einen schwarzen Pappzylinder verdunkelt. In den nächsten Tagen
fielen, wie in Buitenzorg die Fiedern, dann die Spindeln ab. Bei
Beginn des Versuches waren zwei Blattanlagen vorhanden, 6,6 und
1,1 cm lang. Das erste Blättchen streckte sich bis zum 6. VI. bis auf
10,6 cm, das zweite wuchs nach 24 Stunden (2. Yl.) bis auf 1,4 cm
und blieb dann unverändert — der Vegetationspunkt ruhte.
Am 7. VI. wurde diese Pflanze hell gestellt und fing in den ersten
24 Stunden au zu wachsen:
8.VI. 12bisl8. VI. 12 2 —22,1 = 20,1 cm; 10 Tg.
15. VI. 12 „ 24. VI. 12 4,8—19,8=15 „ ; 9 „
20. VI. 12 „ 1. VII. 12 1,4—20,6 = 19,2,, ; 11 „
25. VI. 12 „ 7. VII. 12 2 —20 =18 „ ; 12 „
pro Tg. 2 cm
V 55 -'■5'-* 55
V 55 ■'■»" 55
1 f^
55 55 -'■5" 55
Am 8. VII. wurde die Pflanze von neuem verdunkelt; in wenigen
Tagen wurde sie blattlos. Die jungen Blätter, 4,9 und 1,1 cm,
streckten sich in den ersten 24 Stunden auf 5,5 und 1,2 cm,
wuchsen dann aber nicht mehr. Am 13. VII. hell gestellt,
begann die Pflanze sofort zu wachsen.
Der Aufenthalt im Dunkeln bewirkt bei Alhizzia stipulata
einen schnellen Eintritt der Ruhe. Beleuchtung regt sofort wieder
zum Wachstum an. Es fragte sich, ob hier eine besondere Licht-
wirkung vorliege, ähnlich wie bei der Buche, oder ob wesentlich
nur der Mangel an aufgespeicherten Assimilationsprodukten Schuld
daran wäre. Ich nahm die Pflanze II, die sehr kräftig heran-
gewachsen war, und setzte sie am 15. V. 1913 noch in neue Erde,
in der sie sehr lebhaft sich entwickelte.
Am 9. VI. 13 wurde die Pflanze unter einen großen Dunkel-
zylinder gestellt. Das jüngste Blatt war 1,4 cm lang. Die älteren
Blätter fielen in den nächsten Tagen ab, die Pflanze stand am
12. VI. kahl. Aber das Wachstum ging weiter.
9.AT:. 13bis22.VI. 13 1,4— 11,8 = 10,4 cm; 11 Tg.; pro Tg. 0,9 cm
12. VI. 13 „ 24. VI. 13 1,2—18,4 = 17,2 „ ; 12 „ ; „ „ 1,4 „
Dabei fielen während des Wachstums der jungen Blätter einige ihrer
Fiedern ab. Noch eine dritte Blattanlage wuchs im Dunkeln bis
auf 16,5 cm — dann trat Ruhe ein. Das jüngste Blatt wuchs
über Wachstum und Euhe tropischer Baumarteii. 765
seit dem 24. VI. nicht mehr. Am 3. VII. hell gestellt, begann die
Pflanze von neuem zu wachsen.
Es hängt sehr wahrscheinlich von dem Vorrat an Assimilations-
produkten ab, ob die jungen Blätter im Dunkeln eine Zeitlang
wachsen oder nicht. Im allgemeinen speichert Alb. stipulata bei
nicht sehr üppiger Bodenernährung zu wenig auf; außerdem beraubt
der schnelle Abfall aller älteren Blätter die Pflanze vieler brauch-
barer Stoffe, so daß schnell die Ruhe eintritt. Eine Nachwirkung
des Aufenthaltes im Duukeln in bezug auf den Beginn des Wachs-
tums Heß sich nicht erkennen, da die Pflanze im Licht sofort ihr
Wachstum wieder aufnahm.
Die Untersuchungen in Heidelberg haben meine Beobachtungen
in Buitenzorg in allen Punkten bestätigt und erweitert. Alhizzia
stipulata besitzt zweifellos die Potenz zu fortdauerndem Wachstum,
sie wächst sogar ununterbrochen bei geringer Lichtmenge im Winter
Heidelbergs, vorausgesetzt, daß sie vom Boden aus reichlich ernährt
wird. Sobald das nicht der Fall ist, bewirkt die Lichtmenge des No-
vembers und des Dezembers eine Ruhezeit. W^iyü. Alhizzia monatelang
kahl bleibt und sehr wahrscheinlich dabei ruht wie zur Trockenheit
in Mitteljava, sich belaubt und wächst zur Regenzeit, so liegt hier
die Abhängigkeit der Periode von dem Wechsel des Klimas, speziell
der Feuchtigkeit klar vor Augen. Wenn ältere Bäume im regen-
feuchten Klima von Westjava nach Simon 2 — 3 Monate ruhen, so
kann man mit großer Wahrscheinlichkeit vermuten, daß diese Ruhe
mit einer gewissen Verminderung der Nährstoffsalzzufuhr nach
vorhergehender starker Inanspruchnahme zusammenhängt.
Ein periodischer Wechsel von Ruhe und Wachstum läßt sich
bei Alhizzia stipulata jederzeit hervorrufen durch den Wechsel
von Licht und Dunkelheit. Die Ruhe im Dunkeln tritt um so
schneller ein, je weniger gut der allgemeine Ernährungszustand
der Pflanze ist.
Sterculia macrophylla (Fig. 3, S. 767)
(Sterculiaceae).
Dieser in Java verbreitete Baum wirft nach Ko Orders (K. u.
V. n, S. 144) einige Tage vor dem Blühen im Mai seine Blätter
ab. Auch Volkens (1912, S. 13) gibt an, daß diese wie andere
Arten zur Zeit unseres Frühlings kahl werden und darauf sich neu
belauben. Für St. macrophylla var. falco gibt dagegen Simon
766 Georg Klebs,
(1914, S. 121) an, daß der Baum erst Ende Juni kahl wurde und
dann sich belaubte. Aus den Beobachtungen der beiden Forscher
geht nicht hervor, ob die Spezies ein- oder zweimal im Jahre
treibt.
Ich untersuchte im Winter 10/11 in Buitenzorg eine Anzahl
junger Pflanzen (Aussaat 9. ATII. 09); sie befanden sich seit ihrer
Keimung im gleichen Topf. Ich gebe einige Versuche mit ihnen
genauer an.
Pflanze I zeigte Oktober 1910 kein Wachstum; sie wurde
21. X. dunkel gestellt und nach Verlust ihrer Blätter hell Am
9. XTT. waren junge Blätter sichtbar — im ganzen fünf; sie er-
reichten bis 4. I. 11 die Längen: 20,1; 27,4; 22,3; 18,1; 9,9 cm.
Die Länge wurde bestimmt von der Basis des Stieles bis zur Spitze
des mittleren größten Lappens des bandförmig geteilten Blattes.
Da keine neuen Blattanlagen vorhanden waren, entblätterte ich die
Pflanze am 4. L; am 19. I. erscliieu das erste junge Blatt, und im
Laufe des Februars folgten neue.
Pflanze II wurde im Ruhezustand am 27. X. 10 verdunkelt, am
12. XI. ohne Blätter hell gestellt. Sie fing erst am 1. XII. an zu
treiben, es entstanden vier neue Blätter, die bis zum 31. XII.
folgende Längen erreichten: 35,6; 27,3; 22,9; 14,1 cm. Die Pflanze
ruhte bis zum 13. f., an welchem Tage ich sie entblätterte; bei ihr
dauerte es ungefähr einen Monat, bis die neuen Blätter erschienen.
Pflanze in befand sich im November in Ruhe, sie wurde am
28. XI. frei in ein Beet ausgepflanzt. Am 14. XII. trat ein deut-
liches Treiben von fünf Blättern ein: Längen von drei = 32,9;
33,6; 26,4 cm bis zum 4. I. An diesem Tage nahm ich die fünf
Blätter fort: am 11. I. erschienen bereits vier neue Blätter.
Pflanze IV wurde am 27. X. entblättert, die jungen Blätter
erschienen am 4. XJ., blieben aber klein. Am 6, XII. wurde der
Topf mit der wieder ruhenden Pflanze durch tägliche Zuführung
von 0,1 Knoplösung ernährt. Am 21. XII. trat ein neuer Blatt-
schub hervor, der sich bis zum 4. I. fertig ausbildete. Zwei der
Blätter erreichten im Vergleich zu den bisher gemessenen Blättern
die auffallende Größe von 44,8 und 41,8 cm. Am 11. I. wurde die
Pflanze entblättert, vom 22. I. ab nur mit Wasser begossen. Ende
Januar erschienen die neuen Blätter.
Die jungen, ärmlich ernährten Pflanzen zeigten nach den Ver-
suchen die Neigung, nach Erzeugung eines Blattschubes in Ruhe
überzugehen. Man konnte sie wieder zum Wachstum erwecken
tiber Wachstum und Ruhe tropischer Baumarten.
767
durch Entblätterung oder Verpflanzen in frische Erde oder Be-
gießen mit Nährsalzlösung. Durch Kombinationen dieser Methoden
konnte die gleiche Pflanze im Laufe von 3 Monaten dreimal zum
Treiben gebracht werden.
Eines der Versuchsexemplare (nicht sicher welches) wurde
nach Heidelberg gebracht. Es befand sich in vollem Treiben seit
Mai und wurde am 8. VII. 1911 frei ausgepflanzt. Neben 3 be-
Fig. 3. Sterculia macrophylla.
.Junge Pflanze aus Buitenzorg, am 8. VII. 1911 frei ausgepflanzt im Gewächshaus Heidel-
berg, am 11. X. 1911 in einen Topf gesetzt; photogr. 10. VII. 1912; Via-
reits ausgewachsenen Blättern fanden sich 3 Anlagen, die gemessen
wurden :
8. Vn. bis 26. VII. 1,4—30 = 28,6 cm; 18 Tg.: pro Tg. 1,6 cm
8. vn. „ 26. vn. 1,1—28,6 = 27,5 ., : 18 „ ; „ „ 1,5 „
27. vn. „ 9.Vni. 0,7—42,8 = 42,1 „ ; 13 „ ; „ „ 3,3 „
Am 28. VII. erschienen 2 neue Blattanlagen, am 3. Vin. eine
3., die während des Augusts heranwuchsen, in welcher Zeit 5 neue
ygg Georg Klebs,
Blätter sich entwickelten mit Längen von 35; 64,1; 62,7; 49,7;
29,6 cm, Größen, die zum Teil die in Buitenzorg beobachteten Werte
weit übertrafen. Außerdem zeigten sich 2 neue Blättchen:
10. IX. bis 1. X. 1,2—61,9 = 60,7 cm; 21 Tg.; pro Tg. 3 cm
Am 17. IX. entstanden 3 neue Blätter, am 2. X. und 5. X.
wieder je ein neues. Die Pflanze hatte in den 5 Monaten Mai
bis Oktober ununterbrochen neue Blätter getrieben. Während
die Pflanze in Buitenzorg je einen typischen Blattschub erzeugte,
bei dem die jungen Blätter fast gleichzeitig angelegt wurden, hat
sich dieser Charakter im Sommer 1911 im Heidelberger Gewächs-
haus stark verändert, da die Blätter im Laufe der Monate nach-
einander angelegt wurden.
Der Stamm der Pflanze hatte sich im gleichen Sommer sehr
mächtig entwickelt, so daß die jungen Blätter an das Glasdach
anstießen. Ich mußte die Pflanze am 11. X. in einen Topf setzen
und tiefer stellen. Das Wachstum hörte sofort auf, das letzte
junge Blatt, 1,4 cm, veränderte sich nicht und fiel später ab. Die
Buhe dauerte bis Anfang Februar 1912; es entstanden dann
3 neue Blätter; 2 gemessen:
15. n. 12 bis 16. III. 12 1 —31,5 = 30,5 cm; 30 Tg.; pro Tg. 1 cm
16. IL 12 „ 14. m. 12 1,3—44,1=42,8 „ ; 27 „ ; „ „ 1,6 „
Während dieses Treibens fielen allmählich die alten Blätter ab.
Am 5. III. wurden wieder 3 neue Blattanlagen sichtbar, von
denen eines sich gut entwickelte; am 21. III. erschienen 2, am
29. IV. 5 neue Blätter; eines gemessen:
2.V. 12 bis 27. V. 12 1,2—76,2 = 75 cm; 25 Tg.; pro Tg. 3 cm
Am 13. V. wurden 3 Blätter sichtbar
„ ly. V. „ o „ „
1 VT 3
Das letzte jüngere Blatt entwickelte sich vom 1. VI. ab nicht
weiter — es trat Ruhe ein bis 27. VI. Am 25. VI. düngte ich
den Topf mit Wagnerschem Düngsalz. Vom 27. VI. ab entfaltete
sich das junge Hlatt:
27. VI. bis 9. VII. 2,7 — 60,4 = 57,7 cm; 12 Tg.; pro Tg. 4,8 cm
Anfang JuH traten 7 junge Blätter ziemlich gleichzeitig auf,
die sich schnell streckten, das jüngste unter ihnen beendigte am
13. Vn. sein Wachstum. Dann trat wieder Ruhe ein bis 1. X.,
zwei neue ganz kleine Blattanlagen blieben unentwickelt und
starben ab.
über Wachstum und Ruhe tropischer Baumarten. 7G9
Am 1. X. erschien ein neuer Blattschub, aber die sämtlichen
jungen Blätter hörten nach kurzem Wachstum damit auf und
starben nach einiger Zeit ab, zweifellos infolge zu geringer Licht-
menge. Im Laufe des Novembers und Dezembers fielen die Blätter
nacheinander ab, am 29. Xu. war die Pflanze kahl.
Anfang März 1913 trat ein neuer Blattschub hervor; es ent-
wickelten sich 13 Blätter. Am 27. V. erschien ein 2. Blattschub,
der bis Mitte Juni ausgewachsen war. Ich nahm aus dem Topf
vorsichtig die alte Erde fort und ersetzte sie durch neue. Die
Pflanze wurde auch in den kühleren Teil des Gewächshauses
gestellt.
Das Bäumchen ruhte von Mitte Juni 1913 bis Mtte April 1914,
d. h. 10 Monate. Im Laufe des Oktobers begann der allmähliche
Blattabfall; am 26. XII. 1913 war die Pflanze kahl.
Mitte April 1914 trat der neue Blattschub von 9 Blättern auf,
die ihr Wachstum am 10. Mai abschlössen. Ich machte am 10. V.
am oberen Teil des Stammes Einschnitte und umgab die Stelle
mit feuchtem Moos, um Wurzelbildung zu veranlassen. Vielleicht
wirkten diese Einschnitte dabei mit, daß am 5. VI. ein 2. Blatt-
schub entstand, der bis zum 26. VI. fertig ausgebildet war. Von
dieser Zeit ab ruhte die Pflanze, wahrscheinlich ruht sie bis zum
folgenden Frühjahr April 1915.
Nach tUesen Ergebnissen zeigt Sterculia macrophylla sehr auf-
fällige Variationen ihrer Wachstums weise je nach den Bedingungen,
unter denen sie lebt.
Ältere Bäume in Buitenzorg im Jahr einmal (vielleicht auch
zweimal) treibend, sonst ruhend. Junge Exemplare im Topf in
Buitenzorg im Winter- (Regen-) halbjahr nach der Bildung eines
Blattschubes ruhend; erneutes Treiben nach Entblätterung oder
nach Verpflanzung ins freie Gartenland oder durch Begießen des
Topfes mit Nährsalzlösung. Zwei- oder dreimaliges Treiben vom
November bis Februar (4 Monate).
Junges Exemplar in Heidelberg.
Frei ausgepflanzt, ununterbrochenes Wachstum von Juni bis
Oktober 1911 — 5 Monate. Keine deutlichen Blattschübe, suk-
zessiv entstehende Blätter.
Nach Versetzung im Topf Ruhe während der Winterszeit
1911/12, von Anfang Oktober bis Anfang Februar — 4 Monate.
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI. 49
J'JQ Georg Klebs,
Treiben von Anfang Februar 1912 bis Anfang Juni — 4 Monate.
Keine deutlichen Blattschübe.
Ruhe vom 1. Juni bis 27. Juni — 26 Tage.
Treiben mit Bildung eines Blattschubes im Juli — 16 Tage.
Euhe vom 18. Juli bis 1. Oktober 1912 — 2V2 Monate.
Treiben eines Blattschubes im Oktober, Blattanlagen ver-
kümmernd.
Ruhe im Winter 1912/13 von Anfang Oktober bis Anfang
März — 5 Monate.
Treiben eines neuen Blattschubes Anfang März bis Ende
April 1913 — ca. 3 Wochen.
Ruhe von April bis Ende Mai 1913 — ca. 4 Wochen.
Treiben von Ende Mai bis Mitte Juni — ca. 3 Wochen.
Ruhe Sommer und Winter 13/14, von Mitte Juni bis Mitte
April 1914 — lü Monate.
Treiben von Mitte April bis Anfang Mai 1914 — ca. 3 Wochen.
Ruhe vom 1(). Mai bis 5. Juni — 26 Tage.
Treiben Anfang Juni bis Ende Juni — 3 Wochen.
Ruhe von Ende Juni 1914 bis wahrscheinlich April 1915.
Die interessanteste Erscheinung tritt uns in der Tatsache ent-
gegen, daß je länger die Pflanze sich im Topf mit be-
grenzter Erdmenge befand, um so länger die Ruhezeiten
wurden. Im ersten Jahr nach der Versetzung in den Topf erfolgte
noch ein längeres Treiben im Frühjahr und Sommer ohne deut-
liche Blattschübe und der Versuch eines Treibens im Oktober.
In den darauffolgenden l)eiden Jahren gab es nur noch 2 durch
eine kurze Ruhezeit getrennte Blattschübe, den größten Teil des
Jahres (10 Monate) ruhte das Bäumchen. Es ist nicht unwahr-
scheinlich, daß es bei nicht gewechselter Erde im folgenden Jahre
nur noch einmal treibt und sich dann verhält wie ältere Bäume
in Java.
Ich hatte keine ganz jungen Exemplare zur Verfügung, um
zu prüfen, wie solche, frei ausgepflanzt, sich während unseres
Winters verhalten. Indessen halte ich es für wahrscheinlich, daß
diese großblätterige Art bei der geringen Lichtmenge nicht ver-
mag zu dieser Zeit neue Blätter zu erzeugen.
über 'Wachstum und Ruhe tropischer Baumarten.
771
Pithecolohium Saman (Fig. 4, S. 774)
(Mimosaceae).
Dieser aus Amerika stammende Baum ist in Java vielfach an-
gepflanzt. Volkens (1912, S. 64) hat 4 kräftige Bäume im Garten
von Buitenzorg untersucht und vom 14. Januar bis 1. Juli keinerlei
Veränderungen bemerkt. Im Juli begann der bis dahin vollbelaubte
Baum seine Blätter abzuwerfen. Unter Berücksichtigung der Be-
obachtungen von Smith hält Volkens es für wahrscheinlich, daß
der Baum im Juli kahl wird und sich Anfang August neu belaubt.
Diese Art würde danach nur einmal im Jahr während kurzer Zeit
treiben. In Ceylon fallen nach Wright (1905, S. 441) die Blätter
gewöhnlich im Januar und Februar; die neuen Blätter erscheinen
im Februar und März.
Ein Keimling (Aussaat Anfang 1912) wurde am 28. X. 1912
frei ausgepflanzt, er war in vollem Treiben begriffen. Das junge
Blatt endigt wie bei anderen Mmosaceen (auch Alhizzia) in eine
nackte Spitze, dem Ende der Spindel. Nachdem es 1 — 2 cm lang
geworden ist, krümmt sich das Blättchen bei weiterem Wachstum
etwas S- artig nach unten, biegt sich dann stark konkav, bis es,
länger geworden, sich schief aufrecht erhebt und seine Fiederäste
entfaltet. Ich habe auch hier die Gesamtlänge des Blattes be-
stimmt als die Entfernung von der Basis des Blattgelenkes bis
zur Spitze der obersten Fiederu. Die Messungen begannen am
1. XL 1912.
1
13
24
XL 12 bis 17. XI. 12 0,8— 15,4 = 14,6 cm; 16 Tg,
XI. 12 „ 27. XI. 12 1,2— 15,1 = 13,9
XL 12 „ 3.Xn.l2 3,4—15,7 = 12,3
29. XI. 12 „ 15.Xn. 12 3,6— 18,4= 14,8
5.XIL12 „ 5. L 13 1,2— 15,1 = 13,9
28.Xn.12 „ 16. L13 2—17,8 = 15,8
8. 1.13 „ 9. n. 13 0,7— 13 =12,3
8. n.l3 ., 21. n.l3 3—15,9 = 12,9
11. n.l3 „ 27. IL 13 1,2— 16,4=15,2
Die Pflanze war demgemäß den ganzen Winter ununter-
brochen gewachsen, wenn auch zu dieser Zeit geringer Licht-
menge der tägliche Zuwachs im Durchschnitt bis auf 0,4 cm sank.
Am 28. n. beobachtete ich einen Stillstand von 3—4 Tagen am
49*
16 Tg.
; pro
Tg. 0,9 cm
14 „
1 V
., 1 „
9 .
n
„ 1,2 „
16 „
55
„ 0,9 „
31 „
n
„ 0,4 „
19 „
n
75 0,8 „
32 „
V
,5 0,4 „
13 „ ;
5?
5, 0,9 „
16 „
55
55 o,y „
772
Georg Klebs,
Hauptsproß, während ein basaler Seitensproß ungestört weiter
wnichs. Am Hauptsproß:
5. m. bis 16. m. 1,3—12,6 = 11,3 cm; 11 Tg.; pro Tg. 1 cm
12. III. bis 22. III. 5,4—17,6 = 12,2 cm; 10 Tg.; pro Tg. 1,2 cm
Im Laufe des Aprils entstanden 8 neue Blätter, die auch länger
wurden als im Winter; noch deutlicher trat das in den Sommer-
monaten hervor:
29. IV. 13 bis 17. V.13 5— 23,8 = 18,8 cm; 18 Tg.; pro Tg. 1 cm
29. IV. 13 „ 24. V.13 1,9—27 =25,1 „ ; 25 „ ; „ „ 1 „
10. V.13 „ 28. V.13 2,8—29,6 = 26,8 „ ; 18 „ ; „ „ 1,5 „
18. V. 13 „ 4. VI. 13 3,7—33,6 = 29,9 „ ; 17 „ ; „ „ 1,7 „
19. V.13 „ 4. VI. 13 1,8—33,6 = 31,8 „ ; 16 „ ; „ „ 1,9 „
27. V.13 „ 6. VI. 13 3,9—34,9 = 31 „ ; 10 „ ; „ „ 3,1 „
27. V.13 „ 18. VI. 13 1,5—31,5 = 30 „ ; 14 „ ; „ „ 2,1 „
27. V.13 „ 10. VI. 13 0,9—33,4= 32,5 „ ; 14 „ ; „ „ 2,3 „
3. VI. 13 „ 17. VI. 13 2,7—29,9 = 27,2 „ ; 14 „ ; „ „ 1,9 „
6. VI. 13 „ 21. VI. 13 2,9—26,3 = 23,4 „ ; 15 „ ; „ „ 1,5 „
9. VI. 13 „ 21. VI. 13 2,9—20,8= 17,9 „ ; 12 „ ; „ „ 1,5 „
15. VI. 13 „ 30. VI. 13 1,5—33,1 = 31,6 „ ; 15 „ ; „ „ 2,1 „
21. VI. 13 „ 2. VII. 13 3,5—33,2 = 29,7 „ ; 11 „ ; „ „ 2,1 „
24. VI. 13 „ 7.Vn. 13 3,4—33,9 = 30,5 „ ; 13 „ ; „ „ 2,3 „
24. VI. 13 „ 9.Vn. 13 1,1—33,5 = 32,4 „ ; 15 „ ; „ „ 2,1 „
27. VI.13 „ 15.Vn.l3 2—32,1 = 30,1 „ ; 18 „ ; „ „ 1,7 „
l.Vn.l3 „ 20.Vn. 13 2,2—30,5 = 28,3 „ ; 19 „ ; „ „ 1,5 „
9. VII. 13 „ 29.VIL13 1,7—33 = 31,3 „ ; 20 „ ; „ „ 1,5 „
Die Pflanze war für den Platz zu gi'oß geworden, ich mußte
sie in einen Topf am 29. M;I. 13 setzen.
Vergleicht man das Wachstum im November bis Ende Februar
mit demjenigen von Mai bis Juli, so ergibt sich im Zusammenhang
mit dem Wechsel der Lichtmenge ein großer Unterschied des Blatt-
wachstums.
Nov. bis Febr. 15,9 cm; Min. 13 ; Max.
Mai „ Juli
Durchschnitts- f Nov. bis Febr.
Zuwachs pro Tag 1 Mai „ Juli
Durchschnittslänge
15,9 cm; Min. 13 ;
31,3 „ ; „ 20,8;
0,8 „ ; „ 0,4;
1,8 ,, ; „ 1,5;
18,4
34,9
1,2
3,1
Infolge der starken Verletzung der Wurzeln beim Versetzen
warf die Pflanze in 2—4 Tagen ihre sämtlichen Blätter ab. Die
jüngsten Blätter, anfangs schlaff, wurden vom vierten Tage ab
straff und begannen von neuem ihr Wachstum.
über Wachstum \uul Kühe tropischer Baumarten. 773
Während des Augusts entstanden 9 fertige BLätter und 4 junge,
von denen das letzte bis zum 24. IX, ausgewachsen war (Länge =
27,6 cm). Die neu angelegten Blätter (3,7 und 1,6 cm) wuchsen
aber bereits seit dem 12. IX. nicht mehr.
Der Hauptsproß ging zur Buhe über. Dagegen ging
das Wachstum an dem basalen Seitensproß weiter:
23. IX. bis 13. X. 2,9—31,5 = 28,6 cm; 21 Tg.: pro Tg. 1,3 cm
23. IX. „ 9. XL 1,8-19,4 = 17,6 „ ; 47 „ ; „ „ 0,4 „
Das Wachstum verlangsamte sich im Oktober sehr auffällig;
am 9. XL ruhte auch der Seitensproß. Ich schnitt am 18. XL
seine Spitze ab, es bildete sich in einem Monat eine Seitenknospe
(deutlich am 13. XII.), deren erstes Blättchen bis zum 11. I. 1914
auf 3,1 cm wuchs, dann abstarb. Das zweite Blättchen verlängerte
sich äußerst laugsam vom 22. XII. bis 20. IL, d. h. in 2 Monaten
um 6,9 cm (pro Tag 0,1 cm).
Der Hauptsproß zeigte am 11. IL 1914 nach einer Kuhe-
zeit von 5 Monaten neue Blattbildung, die von nun ab fort-
dauerte. Messungen wurden nicht weiter ausgeführt. Im März
wurden die seit August gebildeten Blätter zum größeren Teil ab-
geworfen. Ende Oktober 1914 war die Pflanze noch im Wachstum
begriffen, da 5 junge Blätter an der Spitze sich befanden. Der
Stamm hatte eine Länge von 2,45 m erreicht. Ich schnitt ihn am
28. X. 1914 bis auf einen basalen Teil von 45 cm ab, entfernte die
alte Erde und setzte das Wurzelsystem in frische Erde. Auffallend
war, daß die bei dieser Spezies vorhandenen N- bindenden Wurzel-
knöUchen nur in geringer Zahl und ausschließlich in der obersten
Erdschicht vorhanden waren. Nahe der Schnittfläche saß ein junger
Seitentrieb, der am 6. XI. sein Wachstum wieder aufnahm und von
jetzt ab trotz der geringen Lichtmenge im November und
Dezember fortwuchs, während im Jahr vorher, 1913/14, die
Pflanze in dieser Zeit bereits lange ruhte. Dieses Winterwachs-
tum 1914/15 war genau wie das von 1912/13 durch die starke
Nährsalzzufuhr bedingt; durch sie wurde die hemmende Wirkung
der geringen Lichtmenge beseitigt.
Pithecolohium Sanian zeigt im wesentlichen das gleiche merk-
würdige Verhalten wie Terminalia. Frei ausgepflanzt wuchs die
Pflanze den ganzen Winter wie Sommer ununterbrochen; in einem
Topf mit begrenzter Erdmenge mußte sie im folgenden Winter
eine lange Ruhezeit durchmachen; im dritten Winter wuchs sie
nach Entfernung des Hauptsprosses ununterbrochen an einem
yy^ Georg Klebs,
Seitentrieb nach Versetzung in einen Topf mit frischer Erde. Es
gelang mir, von der Pflanze Stecklinge zu machen, so daß ich
eine Reihe Versuche anstellen konnte, um das Verhältnis der
Spezies zur Außenwelt genauer festzustellen.
Stecklingspflanze 1.
Ein Zweig wurde am 9. \TI, 13 in Sand gesteckt (Schwitz-
kasten), am 6. VIII. in Erde, 1. X. in einen kleinen Topf gesetzt.
Im November 1913 zeigte die Pflanze kein deutliches Wachstum.
Fig. 4. Pithecolobium Saman.
Steckline: am 9. VII. 1913 in Sand (Schwitzkasten), 6. VIII. 1913 in einen Topf mit
Erde, Gewächshaus Heidelberg; photogr. am 5. IX. 1913.
Die Wurzeln wurden ausgewaschen und am 17. XI. in ein Glas
mit 0,1 pro z. Knoplösung gebracht. In wenigen Tagen bil-
deten die alten an ihrer Spitze nicht mehr wachsenden Wurzeln
neue weiße. Bis zum 26. XI. zählte ich 18, bis 30. XI. 30
neue Wurzeln. Das Blattwachstum setzte am 24. XI. ein und
ging ununterbrochen, wenn auch entsprechend der geringen
Lichtmenge sehr langsam vor sich bis 30. XII. An diesem
Tage wurde die Pflanze wieder in einen Topf gesetzt; am 4. I.
brachte ich sie in den elektrischen Lichtraum (1000 -Kerzenlampe
über AVachstum und Euhe tropischer Bauiiiarten. 775
s. Klebs, 1914, S. 7). Das Wachstum hörte trotz der kon-
tinuierlichen Beleuchtung- sofort auf, höchstwahrscheinlich,
weil die Trockenheit der Luft und die damit verbundene Tran-
spiration zu stark war; die Blätter fielen auch ab. Am 13. I. 14
wurde die Pflanze in das feuchte kühlere Gewächshaus gebracht,
wo sie sich wieder erholte und neue Blätter bildete. Ende April
1914 befand sich die Pflanze in lebhaftem Treiben.
Am 27. IV. 14 wurde das Wurzelsystem von der Erde durch
Auswaschen befreit und in gewöhnlichen Flußsand (nicht ge-
reinigt) gesetzt. Das Wachstum ging anfangs fort:
27. IV. bis 23. V. 1 —16,4 = 15,4 cm; 26 Tg.; pro Tg. 0,6 cm
18. V. „ 3. VI. 1,6-13,2 = 11,6 „ ; 16 „ ; „ „ 0,7 „
27. V. „ 17. VI. 1,5- 9,2 = 7,7 „ ; 21 „ ; „ „ 0,3 „
Es hatten sich drei Blätter gebildet mit deutlicher Abnahme
der Größe, ebenso war der tägliche Zuwachs gesunken, das Wachs-
tum hörte am 17. VI. auf. Das jüngste Blatt 0,7 cm ruhte bereits
seit dem 6. \T;.
Am 22. VI. wurde der Topf mit der ruhenden Pflanze mit
einem halbierten Zinkdeckel bedeckt, durch dessen zentrales Loch
der Stengel hervorragte und dann in ein genau passendes Glas
mit O,lproz. Knoplösung gestellt. Die Salzlösung trat von unten
in den Sand hinein.
Nach 48 Stunden am 24. VI. hatte sich das junge Blättchen
bereits von 0,7 auf 1 cm verlängert:
24. VL bis 3. VII. 1,1—11,7 = 10,6 cm; 9 Tg.; pro Tg. 1,2
28. VI. „ 7. VII. 0,9—12,2 = 11,3 „ ; 9 „ ; „ „ 1,25
7. VIL „ 14. Vn. 2,5—14,8 = 12,3 „ ; 7 „ ; „ „ 1,7
Die Größe der Blätter wie die Zuwachsgröße nahmen deutUch zu.
Am 17. vn. wurde der Sand durch Wasser abgespült und
das Wurzelsystem in ein Glas mit destilliertem Wasser ge-
bracht. Das Wachstum ging zunächst ungestört vor sich, die
vorher angelegten zwei Blätter erreichten noch eine Länge von
15,9 und 15,7 cm. Die bei Beginn des Versuchs angelegten Blätter
dagegen nahmen sofort in ihrem Wachstum ab:
18. vn. bis 1. Vni. 14 1,4—9 = 7,6 cm; 13 Tg.; pro Tg. 0,6 cm
29. VIL „ 21. Vm. 14 1 —8 = 7 „ ; 23 „ ; „ „ 0,3 „
Am 21. VIII. hörte jedes Wachstum auf; das jüngste Blätt-
chen, 0,7 cm, ruhte bereits seit 13. VIII.
776 Georg Klebs,
Am 1. IX. wurde das Wasser in dem Gefäß durch 400 ccm
stickstofffreie Salzlösung von 0,1% ersetzt (1 Teil Mono-
kaliumphosphat, 1 Teil Magnesimnsulf at , 4 Teile Chlorkalzium).
Das jüngste Blättchen fing in einigen Tagen ganz langsam an
sich zu strecken:
5. IX. bis 16. IX. 1,5—7,6 = 6,1 cm; 11 Tg.; pro Tg. 0,5 cm
16. IX. „ 2. X. 1,4-4,4 = 3 „ ; 16 „ ; „ „ 0,2 „
Das dritte Blättchen zeigte seit 29. IX. keine Veränderung.
Durch die Nährsalze, wie Kali, Phosphorsäure, Magnesiumsulfat,
Kalk, wurde das Wachstum zweifellos angeregt, aber es war von
vornherein gering und hörte infolge N- Mangels schon innerhalb
vier Wochen auf. Das zweite Blatt, 4,4 cm, hatte überdies keine
normale Ausbildung erfahren, da die Fiederblättchen sich nicht
völlig entfalteten.
Am 13. X. wurden an Stelle der N- freien Lösung 400 ccm
N-haltiger Knoplösung zugesetzt. Sehr langsam fing das
Wachstum wieder an:
15. X. bis 28. X. 14 0,9— 6,6 = 5,7 cm;
22. X. „ 3. XI. 14 1,7—14,9 = 13,2
30. X. „ 8. XL 14 0,9—12,8 = 11,9
Das Wachstum hatte demgemäß trotz des Oktoberlichtes ein-
gesetzt und allmählich zugenommen. Am 7. XI. wurde die Pflanze
in reinen Sand versetzt. Das Wachstum ging zunächst weiter:
7. XL bis 24. XI. 5,7—11,4 = 5,7 cm 17 Tg.; pro Tg. 0,3
7. XI. „ 14. XIL 0,8—16 = 15,2 „ 37 „ ; „ „ 0,4
Am 14. XIL 14 hörte jedes weitere Wachstum auf, jedenfalls
auch mitbedingt durch die geringe Lichtmenge.
Das Verhalten der Pflanze lehrt unzweideutig, daß
durch Minderung oder Steigerung des Nährsalzgehaltes
ein periodischer Wechsel von Ruhe und Wachstum her-
vorgerufen werden kann. An den Wurzeln der Pflanze be-
fanden sich keine N-bindenden Knöllchen, so daß sie ganz auf die
Nährsalze angewiesen war.
Stecklingspüanze 2.
Sie war gleichzeitig mit 1 am 9. VII. 13 in Sand gesteckt
worden; sie hat viel später (am 18, IX.) Wurzeln gebildet und
zeigte an dem Vegetationspunkt bis 29. IX. kein Wachstum. An
13 Tg.
pro Tg.
0,4 cm
12 „ ;
5, 5,
1,1 „
9 „ ;
„ „
1,3 „
über Wachstum und Ruhe tropischer Baumarten.
777
diesem Tag:e wurde der Steckling aus dem Sande herausgenommen
und mit seinen jungen Wurzeln in ein Gefäß mit 0,lproz. Knop-
lösung gesetzt. Schon in den nächsten Tagen entstanden neue
Wurzeln. Das jüngste Blättchen, 0,7 cm, fing am 6. X. an zu
wachsen. Am 18. X. wurde die Nährsalzlösung durch frische er-
setzt, das Wachstum wurde lebhafter:
6. X. 13 bis 1. XI. 13 0,7—13,4 = 12,7 cm; 26 Tg.
19.x. 13 „ 3. XL 13 0,8—11 =10,2 „; 15 „
29.x. 13 „12. XI. 13 2,1— 16,3 = 14,2 „ ; 14 „
31.x. 13 „18. XI. 13 0,9—13,1 = 12,2 „ ; 18 „
pro Tg. 0,5 cm
0 7
» „ -•- „
0 7
Während die Mutterpflanze im Topf zu dieser Zeit am Haupt-
sproß ruhte (s. S. 00), wuchs der Steckling in der Nährsalzlösung
weiter. Er wurde am 18. XI. frei ausgepflanzt.
In den beiden ersten Wochen war das Wachsen der Blätter
kaum merklich, während höchstwahrscheinlich die Wurzeln lebhaft
wuchsen. Dann begann trotz der geringen Lichtmenge des De-
zembers auch das Blattwachstum:
30. XL 13bisl2. 1.14 1,8—8 = 6,2 cm:
29. XI. 13 „ 27. 1.14 0,6—10,1= 9,5 „
17. L 14 „ 12. IL 14 0,8—15,2 = 14,4 „
29. I. 14 „ 17. IL 14 0,7—13,6 = 12,9 „
16. IL 14 „ 28. IL 14 1,5—21,1 = 19,6 „
18. IL 14 „ 4. III. 14 2,4—19,5 = 17,1 „
27. IL 14 „ 16. III. 14 1,3—18,3 = 17 „
15. III. 14 „ 31. III. 14 1,9—21,9 = 20 „
Aus der Tabelle ersieht man, wie die junge Pflanze nach dem
Auspflanzen allmählich erstarkte, zur Zeit geringer Lichtmenge im
Dezember bis Januar langsam wuchs, dann aber vom Februar ab
sich kräftiger entwickelte. Die Pflanze wuchs nun ununterbrochen
weiter — ein deutlicher Blattabfall fand nicht statt. Ich
gebe noch die Zahlen für die Zeit günstiger Lichtmenge Mai— Juni:
1. V. 14 bis 15. V.14 2,5—22,7 = 20,2 cm:
2. V.14 „ 18. V.14 0,9—25,7 = 24,8 „
10. V.14 „ 20. V.14 1,7—24,2 = 22,5 „
16. V.14 „ 30. V.14 3,7—26 =22,3 „
20. V.14 „ 29. V.14 3,7—23,7 = 20 „
27. V.14 „ 5.VL14 3,4— 30,4 = 27 „
29. V.14 „ 8.\T14 1,9—30,3 = 28,4 „
43 ^
fg-
pro
Tg
0,14 cm
29
„
5,
5,
0,3 „
26
„
),
„
0,5 „
19
w
„
0,7 „
17
?,
„
1,2 „
14
„
„
1,2 „
17
„
1 „
16
„
7,
1,3 „
14 Tg.
pro
Tg.
1,4 cm
16 „
n
„
1,5 „
10 „
„
H
2,2 „
14 „
„
„
1,6 „
9 „
„
„
2,2 „
9 „
„
„
3 „
10 „
»
5,
2,8 „
yro Georg Klebs,
2. VI. 14 bis 15. VI. 14 2,4—29,4 = 27 cm; 13 Tg.; pro Tg". 1,9 cm
5.VI.14 „ 19.VI.14 2,1— 31,8 = 30,7 „ ; 14 „ ; „ „ 2,2 „
9.VI.14 „ 22.VI.14 2,1— 33,2 = 31,1 „ ; 11 „ ; „ „ 2,8 „
Vergleich des Blattwachstums im Sommer und Winter:
r Dez. bis März = 16 cm; Min. 8 ; Max. 21,1
Durchschnittslänge I ^^. ^^ j^^. ^ ^7,7 „ : „ 22,7; „ 33,2
Durchschnitts- f Dez. Ws März = 0,8 „ ; „ 0,14; „ 1,3
Zuwachs pro Tag | Mai „ Juni = 2,1 „ ;. „ 1,4 ; „ 3
Die Werte stimmen im wesentlichen überein mit jenen, die
an der Mutterpflanze zu den entsprechenden Zeiten erhalten
wurden (s. S. 772).
Die ungemein kräftige Pflanze mit 20 frischen Blättern wurde
am 22. VI. herausgenommen und in einen kleinen Topf gesetzt,
der mit reinem Sande gefüllt war. Der Sand war mit Salzsäure
behandelt, dann lange ausgewaschen und schließlich geglüht worden.
DasWurzels3'stem war dicht mit zahlreichenWurzelknöllchen
besetzt.
Die Pflanze wurde für 8 Tage in den ganz feuchten Schwitz-
kasten gestellt, so daß das Welken nicht eintrat. Nur zwei der
ältesten Blätter warfen ihre Fiedern ab. Anfangs ging das
Wachstum fort, das letzte nicht ausgewachsene Blatt, am 22. VI.
16,8 cm lang, streckte sich bis zum 26. VI. auf 22,3 cm. Das
jüngere Blatt 3,9 cm wuchs bis zum 26. VI. auf 5,6 cm. Dann
hörte das Wachstum auf, das jüngste Blatt 1,3 cm veränderte
sich nicht. Am 30. VI. wurde der Topf frei in das Gewächshaus
gestellt. Die Pflanze zeigte zunächst kein Wachstum. Erst vom
8. VII. bis 16. VII. fand eine ganz geringe Verlängerung des jungen
Blattes statt, indem es von 5,6 auf 6,3 cm wuchs; die unteren
Fiedern entfalteten sich, die oberen dagegen nicht. Das jüngste
Blatt zeigte nichts von Wachstum.
Nach 3 Wochen fingen die unteren bisher grünen Blätter an
gelbe Fiedern zu bekommen, die auch abfielen, während die
Wurzeln augenscheinlich sehr lebhaft wuchsen, da sie sogar über
den Sand nach außen vortraten. Am 19. VII., d. h. 4 Wochen
nach dem Versetzen in Sand, begann ein deutliches Wachs-
tum. Das jüngere Blatt (s. oben) erlangte nur eine Länge von
10,4 cm, blieb dabei unentfaltet. Dann folgten normal ausge-
bildete Blätter:
über Wachstum und Ruhe tropischer Baumarten.
779
28. VII. 14 bis 20.VIIL 1,6-
-19,8 = 18,2
cm
23
rg.
pro
Tg-
. 0,8ci
1.VIIL14
n
22.Vni. 1 -
-23,6 = 22,6
5"
21
55
55
55
1,1 55
13.Vm.l4
ii
27.
vm. 1,1-
-22,6 = 21,5
„
14
55
55
55
1,5 „
17.yiII.14
V
4.
IX. 1,5-
-21 = 19,5
7^
18
55
55
55
1 ,5
23. VIII. 14
?)
13.
IX. 1,4-
-19,7 = 18,3
55
21
55
55
55
0,9 ,
29.Vin.14
?)
17.
IX. 1 -
-20,9 = 19,8
55
19
55
55
55
1,0 „
7. IX. 14
»
29.
X. 1,2-
-20 = 18,8
55
22
55
55
55
0,8 „
11. IX. 14
■>j
9.
X. 1,1-
-18,7 = 17,6
55
30
55
55
55
0,6 „
17. IX. 14
55
20.
X. 1,1-
-19,2 = 18,1
55
33
55
55
55
0,5 „
30. IX. 14
1>
30.
X. 1,1-
-27,4 = 26,3
55
30
55
55
55
0,9 „
14. X.14
75
2.
XI. 1,2-
-15 = 13,8
55
21
55
5'
55
0,6 „
25. X.14
55
3.
XI. 2,1-
- 7,2 = 5,1
55
9
55
55
55
0,5 „
Am 3. XI. hörte jedes Wachstum auf, da auch das jüngste
Blättchen, 1,1 cm lang, bereits seit 29. X. ruhte.
Das Verhalten dieses Stecklings erscheint sehr auffällig, wenn
man es mit demjenigen von Steckling- 1 vergleicht. Bei diesem
ging das Wachstum in den ersten 4 Wochen in Sand oder reinem
Wasser weiter, bis allmählich Ruhe eintrat. Hier bei Steckling- 2
war in den ersten 4 Wochen nach der Versetzung in Sand so gut
wie kein Wachstum bemerkbar; g-leichzeitig fand ein deutlicher
Blattabfall statt. Dann aber begann das Wachstum von neuem,
stieg an, nahm langsam ab und erhob sich sogar noch etwas im
Oktober, bis es dann schließlich aufhörte. Jedenfalls hat die
Pflanze ca. 3^2 Monate hindurch im Sande neue Blätter gebildet.
Die Erklärung für dieses relativ langandauernde Wachstum
ohne Nährsalzzufuhr ergibt sich in erster Linie aus der Tatsache,
daß die Pflanze vor der Versetzung in Sand ung-emein kräftig
herangewachsen war und im Zusammenhang damit an den Wur-
zeln zahlreiche X-bindende Knöllchen besaß. Ob die Knöll-
chen N -Verbindungen stark gespeichert hatten oder ob sie noch
fortfuhren, im Sande Stickstoff zu binden, kann ich nicht wissen.
Was die übrigen Salze anbetrifft, so könnte man daran denken,
daß sie auch bis zu einem gewissen Grade gespeichert worden
w^ären, aber es kann noch dazu kommen, daß kurz vor dem Ab-
fall der älteren Blätter in den ersten 4 Wochen die betreffenden
Salze aus ihnen in den Stamm gewandert sind — ein Vorgang,
der auch bei unseren Bäumen vor dem Laubabfall stattfindet
(Sw^art, 1914).
yoQ Georg Klebs,
Stecklingspflanze 3,
Am 9. Vin. 13 wurde gleichzeitig mit 1 und 2 ein Zweig in
Sand gesteckt, am 6. YIII. in einen Topf mit Erde versetzt. Die
Pflanze wuchs seit der Zeit fort; das Blattwachstum wurde seit
Mitte September gemessen:
pro Tg. 1,3 cm
0 ^
0 4
17. ES. bis 29. IX. 13 7,7— 24,3 = 16,6 cm; 12 Tg.:
17. rX. „ 5. X. 13 1,4—19,6 = 18,2 „ ; 18
21. IX. „ 14. X. 14 1,1—13,4 = 12,3 „ ; 23
2. X. „ 3. X. 13 1,3—13,2 = 11,9 „ ; 32
Auch hier sehen wir wieder die Abnahme des Wachstums im
Oktober — November. Seit 3. XI. ruhte die Pflanze, blieb dabei
frisch grün. Am 30. XII. schnitt ich die obere Hälfte der Pflanze
fort; am 18. I. entwickelte sich ein junger Trieb, der seit Februar
lebhafter wuchs, noch stärker im April — Mai.
Am 8. V. 1914 nahm ich die Pflanze aus ihrem Topf; an dem
kräftigen Wurzelsystem saßen viele Knöllchen. Die Pflanze wurde
in Wasser (Leitung) gesetzt, das täglich eine Zeitlang erneuert
wurde, weil die Knöllchen sich zersetzten. Das Wachstum ging
in der ersten Zeit fort; ein Blatt verlängerte sich vom 8. V. bis
16. V. von L5,9 — 19,9 cm. Das junge Blatt, 2,5 cm, streckte sich
in den ersten 4 Tagen auf 3,3 cm und veränderte sich nicht mehr;
seit 16. V. ruhte die ganze Pflanze. Infolge der Entfernung
der WurzelknöUchen rief der Mangel an Nährsalzen im Medium
Ruhe hervor.
Am 23. V. wurde die Pflanze in Erde gesetzt; schon nach
24 Stunden fing das junge Blättchen, das 10 Tage geruht hatte,
an zu wachsen. Das Wachstum ging bald lebhaft vor sich.
Die frisch beblätterte Pflanze wurde am 13. VI. halbdunkel
gestellt, unter der Tablette des Gewächshauses, an einen Ort, wo
Pothos aurea noch eben wachsen konnte. In diesem schwächeren
Licht ging das Wachstum fort:
14. VL bis 22. VI. 10,4— 23,2 = 12,8 cm; 8 Tg.; pr. Tg. 1,6 cm
14. VI. „ 26. VL 2,6—23,7 = 21,1 „ ; 12 „ ; „ „ 1,7 „
28. VL „ 14. VIL 1,2—17,4 = 16,2 „ ; 16 ., ; „ „ 1 „
Nach 3 Wochen nahm das Wachstum, wie das letzte Blatt
zeigt, ab. Am 14. Yll. wurde die Pflanze ganz verdunkelt.
Das jüngere Blatt 5,6 cm verlängerte sich in den beiden ersten
Tagen nur bis 8 cm und wuchs dann nicht mehr. Das jüngste
Blatt 0,2 cm veränderte sich überhaupt nicht. Nach 4 Tagen
über Wachstum und Ruhe tropischer Baumarten. 781
wurden die Fiederblättchen gelb und fielen ab, nach 7 Tagen stand
die Pflanze kahl. Später hell gestellt, erholte sie sich nicht mehr,
sondern starb ab.
Stecklingspflanze 4.
Ein im Frühjahr 1914 in Sand gesteckter Trieb wurde am
18. Vn. in Erde verpflanzt. Der Steckling bildete im Sommer
bis in den Herbst hinein Blätter. Am 6. Oktober setzte ich den
Topf in den ungeheizten Glasgang, der zwei Gewächshäuser verband
und dessen Temperatur von der Außenwelt abhing. In der Zeit
vom 6. X. bis 22. X. war nach den Messungen an einem Maximum-
Minimumthermometer
Durchschnittliche f Maximum -Temperatur 19,5° abs. Max. 23«
I Minimum- .. 10,7« „ Min. 8«
Die maximalen Temperaturen am Tage wären für das Wachs-
tum ausreichend gewesen, aber füi' den Stillstand waren die Mni-
mumteraperaturen in der Nacht maßgebend. Als ich am 22. X.
die Pflanze in das warme Gewächshaus brachte, dessen durch-
schnittliche j\Iinimumtemperatur 19,5« betrug, verlängerte sich das
jüngste Blatt in den ersten 24 Stunden. Das Wachstum ging
fort, bis ich den Topf am 31. X. wieder in den Gang stellte, dessen
Minimumtemperatur am 1. XI. 12«, am 2. XI. 9« betrug. Dann
hörte das Wachstum sofort auf, die Blätter wurden auch etwas
welk, am folgenden Tage straff, blieben aber unverändert bis 7. XI.,
an welchem Tage ich den Topf in das warme Gewächshaus zurück-
brachte. Hier trat nach Abfall der Blätter Absterben ein. Wie
vorauszusehen war, ist es möglich, durch einfachen Wechsel
niederer und höherer Temperatur abwechselnd Ruhe und Wachs-
tum hervorzurufen.
Pithecolohium Saman ist unter den vielen tropischen Baum-
arten, die ich im Laufe der Jahre geprüft habe, bisher das beste
Versuchsobjekt, an dem sich die Abhängigkeit der Periodizität von
der Außenwelt nachweisen läßt. Die Versuche mit dieser Art sind
auch besonders geeignet, das Verhalten der anderen besprochenen
Pflanzen klarzulegen.
In dem feuchtwarmen Klima in Buitenzorg soll Pithecolohium
nach dem Blattabfall im Juli und August nur einmal im Jahre
treiben, auch für Ceylon wird das einmalige Treiben angegeben, nur
daß es im Februar— März eintritt (s. S. 771). Wie wenig diese
Beobachtungen uns Aufschluß geben über die Potenzen der spezi-
782 '^«org Klebs,
fischen Struktur, zeigen die Untersuchungen in Heidelberg, die sämt-
lich an einem Individuum und den von ihm herrührenden Stecklingen
ausgeführt worden sind, so daß der Einwurf — es handle sich um die
Mitwirkung von Rassenunterschieden — nicht gemacht werden kann.
Fithecolohium besitzt zweifellos ebenso wie Terminalia, Theo-
broma, Alhizzia u. a. die Potenz, ununterbrochen fortzuwachsen; sie
tut es auch in unserem Winter trotz der geringen Lichtmenge,
nur daß in dieser Zeit das Wachstum stark verringert ist. Bei
der Mutterpflanze betrug im Durchschnitt die Länge der Blätter
im Sommer 31,3, im Winter 15,9 cm, also ziemlich das Doppelte, der
tägliche Zuwachs im Sommer 1.8, im Winter 0,8 cm, etwas mehr als
das Doppelte. Dieses ununterbrochene Wachstum erfolgt aber nur
bei reichlicher Nährsalzzufuhr in frei ausgepflanztem Zustand,
Ein Steckling verhielt sich unter den gleichen Bedingungen genau
ebenso. Die gleiche Pflanze seit Juli in einem Topf mit be-
grenzter Erd menge zeigte eine ausgesprochene Periodizität.
Der Hauptsproß ruhte im folgenden Winter 5 Monate. Die
verminderte Lichtmenge in Verbindung mit der relativ beschränkten
Nährsalzaufnahme übte diese Wirkung aus. Aber die gleiche Pflanze
wuchs im dritten Winter ihres Heidelberger Lebens ununterbrochen
im November und Dezember, nachdem sie am 28. X. 1914 in eine
neue Erde versetzt, und der obere Teil des Stammes abgeschnitten
worden war.
Man kann aber auch unter sonst sehr günstigen Außen-
bedingungen des Lichtes, der Temperatur, der Feuchtigkeit einen
periodischen Wechsel von Ruhe und Wachstum hervorrufen, wenn
man den Nährsalzgehalt des Mediums, in dem die Wurzel lebt,
stark einschränkt. Am klarsten treten die Resultate der Versuche
hervor bei solchen Pflanzen, die keine N-bindenden Wurzelknöllchen
besitzen. Zur Veranschaulichung gebe ich kurz die Daten des
einen am längsten durchgeführten Versuches an. Ich nehme als
Anfang der Ruhe den Zeitpunkt an, in welchem das letzte
wachsende Blatt stillsteht; das jüngste Blatt ruhte immer schon
eine Zeitlang früher.
Wachsen seit Januar 1914 bis Ende April in Erde,
27. IV. Flußsand.
Wachsen bis 17. VI. — Ruhe bis 22. VI.,
22. VI. Sand mit Nährsalzlösung (Knop 0,1 "/o).
Wachsen vom 24. VI. bis 17. VII.
17. VII. destilliertes Wasser,
i'ber Wachstum und Ruhe tropischer Baumarten. 783
Wachsen bis 21. VIII. — Ruhe bis 1. IX.
1. IX. Nährsalzlösimg- o,l ^/o ohne N- Verbindungen,
Wachsen bis 29. IX. — Ruhe bis 13. X.
13. X. Nährsalzlösung- mit N- Verbindungen,
Wachsen vom 15. X. bis 7. XI.
7. XI. reiner Sand,
Wachsen bis 14. XII. — Ruhe.
Die Wachstumszeiten in nährsalzreichem Medium wie die
Ruhezeiten in nährsalzarmem hätten je nach dem Datum des Ver-
suchs kürzer oder länger sein können. Allgemein aber gilt, daß
nach dem Versetzen aus nährsalzreichem in ein nährsalzarmes
Medium das Wachstum eine Zeitlang noch fortgeht; nach vorher-
gehender Ernährung in Erde sogar 7 Wochen, nach einer solchen
in nährsalzhaltigem Sand 5 Wochen. Andererseits begann nach
Versetzung aus nährsalzarmem in ein nährsalzreiches Medium das
Wachstum stets nach 24 — 48 Stunden.
In jenem Falle, wo nach sehr kräftiger vorhergehender Er-
nährung bei freier Auspflanzung zahlreiche X-bindende Knöllchen
an den Wurzeln saßen, konnte das Wachstum in nährsalzarmem
Sande nach einer 4 wöchentlichen Ruhepause 3 V2 Monate andauern.
Allgemeines.
Wenn mau die Resultate der Beobachtungen an den fünf
untei*suchten , unter sich sehr verschiedenartigen Baumarten der
Tropen überblickt, so erkennt man, daß die Wachstumsweise ebenso
wie irgend ein anderer physiologischer Vorgang oder irgend eine
Formbildung mannigfachen Variationen (oder, wie man vielfach
sagt, Modifikationen) unterworfen ist. Der Umfang und die Grenze
werden bestimmt durch die spezifische Struktur. Sie enthält mit
ihren zahlreichen Potenzen den erbhchen Faktor, der auch für
unsere gewöhnlichen Versuche als konstant vorauszusetzen ist. Die
Entscheidung, welche von den Potenzen in einem gegebenen Falle
verwirklicht wird, kann, rein theoretisch betrachtet, nicht wieder
von der spezifischen Struktur allein abhängen (Klebs, 1903, S. 26).
Wenn man diese Ll)erlegungen nicht anerkennt, so beuge man
sich vor den Tatsachen. Sie beweisen, daß die verschiedenen
Variationen der Wachstumsweise durch verschiedenartige äußere
Bedingungen hervorgerufen werden. Bei einer Pflanze wie Pithe-
colobium kann man mit der gleichen Sicherheit Wachstum oder
'7QA Georg Klebs,
Ruhe bewirken wie bei einer Vancheria Zoosporenbildung oder ge-
schlechtliche Fortpflanzung oder wie bei einer chemischen Sub-
stanz den flüssigen oder festen Zustand.
Aus diesen Tatsachen ergibt sich die Folgerung, daß das Ver-
halten einer Pflanzenspezies an einem bestimmten Ort z. B. im
Garten von Buitenzorg auch nur der sichtbare Ausdruck der Reak-
tionen ist, die an der spezifischen Struktur durch den an dem
Standort herrschenden Bediugungskomplex hervorgerufen werden.
Es gibt nicht eine bestioimte Periodizität, es gibt zahlreiche
Formen periodischen und unperiodischen Verhaltens, und das bleibt
richtig, auch wenn wir im Augenblick nicht imstande sind, den
Bedingungskomplex bis ins einzelne zu analysieren.
Die entscheidende Tatsache, die als Grundlage für jede Theorie
der Periodizität dienen muß, liegt in dem Nachweis, daß die Vege-
tationspunkte der untersuchten tropischen Baumarten die Potenz
zu einem unbegrenzten Wachstum besitzen, genau so wie
zahlreiche einheimische Baumarten, wie selbst die Buche (Klebs,
1914). Die tropischen Baumarten sind für diesen Nachweis sehr
viel geeigneter als die unsrigen. Denn sie vertragen länger und
besser eine höhere Temperatur auch bei relativ geringer Licht-
menge im Winter.
Volkens (1903, 1912, S. 49—50) hat zuerst auf das Vor-
kommen lange Zeit fortwachsender Bäume in den Tropen auf-
merksam gemacht, wie Alhizzia moluccana und Felicium decipiens.
Berthold (1904, S. 243) hat in Göttingen ein jahrelang fort-
dauerndes Wachstum bei Ficus elastica beobachtet, der in den
Tropen längere Zeit ruhen kann.
Ich habe (1911, 1912) auf eine große Anzahl lange fort-
wachsender tropischer Pflanzen hingewiesen. In dieser Arbeit ist
der Nachweis geführt worden, daß Baumarten wie Terminalia
catappa, Theobrotna cacao, Alhizzia stipulata, Pithecolobium Sa-
man unter den geeigneten Bedingungen Jahre hindurch ununter-
brochen wachsen können.
Jede von diesen wie andere Pflanzen haben aber ebenso die
Potenz zu ruhen. Es ist im allgemeinen leichter die Ruhe hervor-
zurufen als beständiges Wachstum. Wenn daher Simon (1914,
S. 150) glaubt besonders betonen zu müssen, daß auch Alhizzia
moluccana in irgend einem älteren Exemplar ruhte, so ist das
nichts weniger als überraschend, vielmehr selbstverständlich. Ich
wies bereits nach (1911, S. 41), dSiQ Alhizzia moluccana bei Licht-
über A\'aclistum und Euhe tropischer Baumarten. 78t5
inan^el zur Ruhe übergeht. Ebenso könnte sie auch durch an-
dere Faktoren, vor allem Nährsalzmangel, dazu veranlaßt werden.
Man könnte einwerfen, daß die Verscliiedenheit des Verhaltens
mancher Arten in Java, Ceylon, Heidelberg auf spezifischen Diffe-
renzen der beobachteten Individuen (Rassen) beruhen. Das könnte
der Fall sein bei den von Wright, Volkens, Simon unter-
suchten Exemplaren. Meine Versuchspflanzen waren zum Teil die
gleichen wie in Buitenzorg. Vor allem treten die verschiedenen
Formen des Wachsens bei dem gleichen Individuum oder
bei Stecklingen der gleichen Pflanze hervor. Auf der
andern Seite verhalten sich die verschiedenen Individuen der
gleichen Art, z. B. von Terminalia, Theohroyna, Albüzia unter
wesentlich gleichen Bedingungen auch tatsächlich gleich. Über-
haupt sind die Reaktionen, me sie sich im Wachsen oder Ruhen
darbieten, im Prinzip nicht wesentlich verschieden bei den niedrig-
sten wie höchsten Pflanzen. Die Verschiedenheiten der erblichen
Strukturen zeigen sich doch nur darin, daß diese ein verschie-
denes Verhältnis zu der Außenwelt besitzen, so daß die gleiche
Reaktion bei zwei Pflanzenarten eben durch verschiedenen Einfluß
bedingt wird. Terminalia kann noch bei einer Lichtintensität an-
dauernd neue Blätter entfalten, bei der Theobroma nur kümmer-
liche Anlagen zu bilden vermag, bei der Eriodendron ruhen muß.
Wenn also wirklich zwischen Individuen der gleichen Spezies
Unterschiede des Verhaltens existieren, die man selbst als spezifisch
bezeichnen müßte, so würde eben doch nur die Relation zu einer
bestimmten Außenwelt verschieden sein. Jedes Individuum würde
mau zum Wachstum oder zur Ruhe bringen können, man müßte
nur für jedes die dafür geeigneten Bedingungen herausfinden.
Das häufig so verschiedenartige Verhalten einzelner Individuen,
worauf alle Tropenforscher seit Schimper liinge wiesen haben, ist
aber gar kein Beweis für das Vorhandensein spezifischer Diffe-
renzen, weil die möglichen oder sogar wahrscheinlichen Differenzen
der Bodenfaktoren bisher nicht berücksichtigt worden sind.
Für den Nachweis des fortdauernden Wachstums sind junge
Individuen von mir benutzt worden. Wright (1905, S. 512) so-
wohl wie ^^olkens (1902) haben beobachtet, daß junge Exemplare
sich in bezug auf den Laubabfall verschieden von älteren verhalten.
So sind z. B. „junge Exemplare von Tectona grandis immergrün,
ältere wechseln ihr Laub nach genügender Erstarkung in regel-
mäßigen Perioden" (Volkens, 1. c, S. 124). Bei Albizzia moluceana
Jahrb. f. wias. Botanik. LVI. 50
7gß Georg Klebs,
soll sich nach Volke ns (S. 50) neben der unperiodischen Blattbildung-
noch eine periodisch sich vollziehende Steigerung- der
blatterzeug'enden Tätigkeit einstellen. Simon (1914, S. 142)
schließt sich dieser Meinung an, er erwähnt später die Beobachtungen
Hubers (1898), nach denen junge Hevea-Bänme in der Jugend
häufiger treiben als im Alter, und er kannte auch meine Versuche,
in denen sehr junge Bäume in der Jugend beständig trieben, während
sie im Alter monatelang ruhten. Wie kommt Simon dazu, diese
Zunahme der Kuhezeiteu als eine Steigerung der Blattbildung auf-
zufassen, während sie doch tatsächlich eine Abnahme ist? Die Auf-
fassung von Volkens und Simon bedeutet überhaupt nur den
Versuch einer Umschreibung des Problems, sie geht auf die Gründe
der Erscheinung nicht ein. Ich habe eine Erklärung dafür gegeben,
indem ich darauf hinwies, daß die Wachstumsbedingungen für die
älteren Bäume nicht das ganze Jahr optimal sein können (Klebs
1912, S. 275). Die Beobachtungen an einheimischen Holzpflanzen
(s. Klebs, 1914, S. 105) stimmen mit den Erfahrungen an Tropen-
bäumen durchaus überein. Ein junges Exemplar mit einem oder
ganz wenigen Vegetationspunkten erhält reichlich Wasser und Nähr-
stoffe aus dem Boden. Die vielen Tausende Knospen eines älteren
Baumes, der dabei seit Jahrzehnten an dem gleichen Standort ge-
wachsen ist, womöglich in unmittelbarer Nähe anderer Konkurrenten,
erhalten nicht durch das ^^'urzels3'Stem und den Stamm fortdauernd
die ausreichende Menge von Wasser und Nährsalzen. Man kann
diese Auffassung nicht klarer und sicherer beweisen als durch die
in dieser Arbeit gegebenen Versuche, in denen die gleiche junge
Pflanze in gut gedüngtem l^oden beständig fortwuchs, in nälirsalz-
armem Medium zeitweilig ruhen mußte.
Da das Wachstum von einer ganzen Anzahl Faktoreu abhängt,
so kann Ruhe unter selir verschiedenen Umständen eintreten, je
nachdem die Quantität eines oder mehrerer Faktoren bis zu einem
für jede Spezies verschiedenen Minimum herabsinkt. So bewirkt eine
Erniedrigung der Temperatur bei sonst günstigen Bedingungen
einen Stillstand des Wachstums, Erhöhung seinen Wiedereintritt
(Fühecolobium, S. 781); ebenso kann der Wechsel der Feuchtigkeit
der Luft die entsprechenden Vorgänge herbeiführen. Bei den Ver-
suchen in Heidelberg habe ich in erster Linie den Einfluß der beiden
Hauptfaktoren : Licht und Nährsalze berücksichtigt unter der Vor-
aussetzung, daß Wärme, Feuchtigkeit der Luft, Wassergehalt des
Bodens in ausreichendem Maße wirksam waren.
über Wachstum und Ruhe tropischer Bauniarten. 787
Die Bedeutung- des Lichtes für die Entwicklung der Laubtriebe,
die Wirkung der Lichtverniinderung auf das Absterben von Knospen,
das zu einer starken Zweigreduktiou führt, ist von Wiesner
(1907, S. 145) eingehend untersucht worden. Berthold (1904, S. 244)
hat für den besonderen Fall von Ficus elastica die Abnahme der
C-Assimilation als Grund für den Knospenschluß im November an-
genommen. In unserem Klima nimmt die Lichtmenge (Intensitcät
und Dauer) in dem letzten Viertel des Jahres sehr stark ab (Wiesner,
1907, S. 21; Klebs, 1914, S. 59), sie erreicht Ende Dezember ihr
Minimum. Der Einfluß dieser Lichtverminderung tritt bei den
Tropenpflanzen sehr auffcällig hervor. Je nach der Spezies kann man
folgende Verschiedenheiten des Verhaltens beobachten für den Fall
guter Nährsalzversorgung aus dem Boden:
1. Die Pflanze bildet während des ganzen Winters ununter-
brochen neue Blätter, die auch zur Entfaltung kommen, nur daß
die Größe der Blätter wie auch die Größe des täglichen Zuwachses
vermindert ist, so bei Terminalia (S. 743), Alhizzia (S. 762), Pithe-
colobium (S. 772).
2. Die Pflanze bildet ununterbrochen Blätter, aber diese kommen
während der Monate November bis Januar nicht zur normalen Ent-
faltung; Theohroma cacao.
3. Die Pflanze kommt während der Mx)nate mit geringer Licht-
menge zur Ruhe.
Zu der letzten Gruppe gehört sehr wahrscheinlich Sterculia
macrophylla, da die Blattaulagen sich bereits im Oktober nicht mehr
entfalten konnten. Aber es fehlt noch der Versuch mit einem frei
ausgepflanzten Exemplar. Regelmäßig kamen frei ausgepflanzte
Individuen von Eriodendron anfractuosum (Klebs, 1912, S. 262) in
den Wintermonaten zur Ruhe. (Näheres in einer späteren Arbeit).
Die wachstumshemmende Wirkung einer Lichtverminderung
beobachtet man auch im Sommer; am stärksteu tritt sie hervor bei
völliger Verdunkelung, in der Alhizzia wie Piihecolobium schnell
zur Ruhe kommen. Aus den Versuchen mit Alhizzia (S. 764) folgt,
daß das Licht keine so spezifische Wirkung ausübt, wie bei der
Buche (Klebs, 1914). Vielmehr ist es höchstwahrscheinlich, daß der
Stillstand der C-Assimilation der Grund für den Eintritt der Ruhe
ist. Alhizzia vermag im Dunkeln eine Zeitlang fortzuwachsen, so-
fern sie vorher gut ernährt war und Reservestoffe in sich auf-
gespeichert hatte.
50*
7gg Georg Klebs,
Von großem Interesse für das ganze Problem der Periodizität
ist die Tatsache, daß das Verhältnis zu der gleichen Lichtmenge
sich ändert, wenn die Pflanze sich in einem Topf mit begrenzter
Erdmenge befindet. In diesem Falle tritt bei den untersuchten
Arten in unserem Winter Ruhe ein, bei Alhizzia stipulata 3 Wochen,
bei Pithecolohium 5 Monate, bei Terminalia IV2 bis 2'/2 Monate.
Es bildet sich also unter diesen Umständen eine ausgesprochene
Periodizität aus: langes Wachsen vom Februar bis in den No-
vember, eine Ruhezeit vom November bis Januar.
Bei der Entstehung der Ruheperiode können ver-
minderte Lichtmeuge und begrenzte Nährsalzmenge zu-
sammen wirken.
Ein Verständnis für die zunächst sehr auffallende Erscheinung,
daß Nährsalzzufuhr die hemmende Wirkung des Lichtes aufheben
kann, ist doch jnöglich, wenn man an das Verhalten der Buche
denkt (Klebs, 1914, S. 61 usw.). Denn bei dieser Baumart, die
nach schneller Blattentfaltung im April bereits im Mai zur Ruhe
übergeht, läßt sich ein lang andauerndes Wachstum erreichen bei
kontinuierlicher elektrischer Beleuchtung. Diese wirkt, abgesehen
von dem besonderen Lichteinfluß für das Austreiben (vielleicht
Bildung der Eiweißstoffe), deshalb, weil die C- Assimilation im Ver-
hältnis zur Atmung (Dissimilation) eingeschränkt ist. Bei reich-
licher Zufuhr von Nährsalzen befinden sich diese im Verhältnis
zu den Kohlehydraten in der für das Wachstum geeigneten Menge.
In der freien Natur ist im Mai und Juni die C-Assimilation sehr
intensiv, die Kohlehydrate befinden sich in einem Überschuß
gegenüber der durch die Wurzel aufnehmbaren Nährsalzmenge, und
die Folge davon ist die Bildung der Ruheknospen.
Bei den tropischen Pflanzen im Heidelberger Gewächshaus
haben wir den gleichen Vorgang wie im elektrischen Lichtraume
bei der Buche. Die Lichtmenge der Wintermonate genügt gerade,
um bei reichlicher Nährsalzmenge das geeignete Konzentrations-
verhältnis von dieser und der C-Assimilation herbeizuführen. Ist
aber die Nährsalzmenge selbst gering, so kann dieses Verhältnis
auch bei verminderter Assimilation nicht erreicht werden — die
Pflanze ruht.
Man wird jetzt die Frage auf werfen, ob nicht in den Tropen,
z.B. in Buitenzorg, zu gewissen Zeiten auch die C-Assimilation
mancher Baumarten zu intensiv werden kann, so daß diese
wie unsere Buchen deshalb eine Zeitlang ruhen müssen.
über Wacli.sfuiii und Rulie Ironischer Bauuiarten. 789
Aus nieiuen Untersuclmugeii in Heidelberg- läßt sich bisher keine
sichere Antwort auf diese Frage gewinnen. Hier müßten wohl
Versuche in den Tropen gemacht werden.
Aber auch unter völlig ausreichenden Lichtverhältnissen kann
Ruhe eintreten, wenn die Nährsalzmenge des Bodens zu gering
wird. Bei dem Topfexemplar von Terminalia trat 2 mal im Jahre
eine kurze Ruhepause des Hauptsprosses ein, während die Seiten-
sprosse weiter wuchsen. Das läßt sich durch die Annahme ver-
stehen, daß infolge vorhergehenden lebhaften Wachstums eine
gewisse Erschöpfung au Xährsalzen eingetreten ist, bis wieder
langsam der Zufluß aus dem Boden soweit steigt, um erneutes
Wachstum zu erregen. Dabei spielt auch der Konkurrenzkampf
der Haui)t- und Seitensprosse eine Rolle. Gerade bei den letz-
teren zeigte sich ein periodischer Wechsel von Wachstum und Ruhe
(s. S. 747), der eine Folge der l)egrenzten Nährsalzmenge war, da
diese nicht für das gleichzeitige Wachsen aller Vegetationspunkte
genügte : Aus diesem Verhältnis der Pflanze zu der relativ kleinen
Erdmenge im Topf ergab sich auch die interessante Tatsache, daß
Sterculia macroplujlla, je länger sie im gleichen Topf blieb, um
so kürzere Wachstums- resp. um so längere Ruhezeiten aufwies
(S. 770).
Mangel an Nährsalzen hatte Berthold (1904, S. 242) als
möglichen (irund für den Eintritt der Ruhe liei Winterknospen
einheimischer Bäume angegeben. In seinen wichtigen Unter-
suchungen über das Wachstum tropischer Pflanzen hat Smith
(1909, S. 288) darauf hingewiesen, daß in Ceylon das häufigere
Treiben der Baumarten während der Trockenzeit auf der stärkeren
Zufuhr von Nährsalzen infolge gesteigerter Transpiration beruht.
Andererseits führt Smith die in der Regenzeit bemerkbare Ab-
nahme der Blattproduktion bei der Teepflanze auf den Mangel
an Nährsalzen infolge zu geringer Transpiration zurück. Wie
es sich auch damit in Wirklichkeit verhalte, meine Versuche an
tropischen Pflanzen in Buitenzorg und Heidelberg lehrten den ent-
scheidenden Einfluß des Bodens auf die Periodizität; ich legte
daher dem Nährsalzgehalt des Bodens große Bedeutung bei.
Es ist etwas verwunderlich, daß diese Auffassung eine solche
schroffe Ablehnung durch Jost (1912) erfahren hat und daß auch
neuerdings Simon genau den Pfaden von Jost folgt. Es erweckt
den Anschein, als wenn diese Physiologen nie wirklich Pflanzen
kultiviert hätten. Jeder praktische Landwirt oder Gärtner weiß,
790 Georg Klebs,
was für einen außerordentlichen Einfluß die Menge der Nährsalze
auf die Wachstunisg-escliwindigkeit wie auf die ZuwaclisgTöße aus-
übt. Seit Lieb ig weiß man, daß, wenn nur ein Nälirsalz sich in
einem Minimum befindet, das Wachstum aufhören muß. Daraus folgt
notwendig, daß auch die Wachstumsdauer von den Nährsalzen
abhängen muß. Die Versuche bestätigen doch nur das, was man
theoretisch hätte voraussagen können.
Um die Bedeutung der Nährsalze in den A^ersuchen von mir und
Lakon (1912) noch stärker herabzudrücken, bezeichnet Jost sie
als bloße „Reize" und setzt sie direkt in eine Reihe mit den nar-
kotisierenden Substanzen, wie Äther und Chloroform. Simon (1914,
S. 170) stimmt wieder ohne jedes Bedenken der Ansicht von Jost
zu. Diese bedeutet doch sicher keine Aufklärung, sondern nur eine
Verwirrung der Sachlage. Der Äther ist eine Substanz, die nichts
mit dem Wachstum als solchem zu tun hat, er wirkt bei der
Verkürzung der Ruheperiode mit, vielleicht durch irgendwelchen
indirekten Einfluß, z. B. auf die Mobilisierung der aufgespeicherten
Stoffe. Dagegen bei der Wirkung der Nährsalze handelt es sich
um die «luantitative Steigerung eines schon vorher vor-
handenen und absolut notwendigen Wachstumfaktors.
Man kann schließlich diese Wirkung der Nährsalze als Reiz
bezeichnen — aber einmal wird an ihrer Bedeutung nicht das
Mindeste geändert, und zweitens ist diese Bezeichnung nur irre-
führend, weil das Wesen der Sache — eben die quantitative
Steigerung — dadurch nicht klar ausgedrückt ist.
Simon (1914, 8. 179) hat noch einen anderen Einwand mir
gegenüber erhoben. Ramann und Bauer (1912, S. 67) wiesen
nach, daß verschiedene Baumarten, wie Ahorn, Rot-, Weißtanne
usw., die einzelnen Nährsalze dem Boden zu ungleichen Zeiten und
in wechselnder Menge entziehen. Diese verschiedene Nährsalz-
aufnahme soll durch „innere Faktoren" allein (?) bewirkt werden.
Daraus schließt Simon, daß die Pflanze nicht die Fähigkeit
besitze, dem Boden dauernd Nährstoffe in größerer Menge zu
entnehmen. Nun beweisen die Beobachtungen an den von mir
untersuchten Tropenbäumen, daß diese tatsächlich das Vermögen
besitzen, die für dauerndes Wachstum ausreichende Nähr-
salzmenge aufzunehmen, sofern diese ihnen geboten ist. Denn
sonst könnten sie doch unmöglich fortwachsen. Es ist also nicht
einzusehen, was die Beobachtungen von Ramann und Bauer
gegenüber den festgestellten Tatsachen beweisen sollen.
über Waclistum uud Kühe tropischer Baumarten. 791
Schon wiederholt habe ich (Klebs, 1911, S. 53, 1902, S. 275)
hervorgehoben, daß die Bodenfrage sehr verwickelter Natur ist.
Ich sagte: „Es kommt nicht bloß auf die Menge der einzelnen Nähr-
salze an, sondern auch auf das Verhältnis ihrer Mengen, auf den
Einfluß der physikalischen Struktur des Bodens, ferner auf Bakterien
und Pilze, die Verwesung und Zersetzung bewirken, auf die Aus-
scheidungsprodukte der Wurzeln und auch auf die gegenseitige Ein-
wirkung der nebeneinander wachsenden Pflanzen/' Auch in einem
Topf mit begrenzter Erdmenge müssen bei längerer Wachstumszeit
einer Pflanze alle möglichen Änderungen des Bodens eintreten,
Dinge, die wir heute noch nicht übersehen können. Es wäre denk-
bar, daß auch bei an und für sich gut ausreichender Nährsalzmenge
solche Änderungen das Wachstum zeitweilig hemmen können, vor
allem dann, wenn das Wurzelsystem in seiner Aufnahmefähigkeit
irgendwie beschränkt wird. Sowie durch einen Faktor die Bildung
der jungen Wurzeln verlangsamt oder ganz beliindert ist, muß die
Aufnahme der Nährsalze zurückgehen ; sie kann soweit eingeschränkt
werden, daß Ruhe eintritt. Ich führte das kümmerliche Wachstum
junger Tec^onri-Pflanzen in meinem Gewächshaus während des
Winters auf zu große Nässe des Bodens zurück (1912, S. 277).
Es ist sehr möglich, daß das eigentümliche Verhalten unserer
einheiuiischen Bäume im Berggarten von Tjibodas (Java) auf den
gleichen Grund zurückzuführen ist (Klebs, 1911, S. 53).
Aber unter allen mannigfaltigen Faktoren des Bodens ist eben
doch die Menge der Nährsalze weitaus am entscheidendsten. Es
handelt sich gar nicht mehr um eine Hypothese, die man, wie
Simon es noch tut, beliebig verwerfen kann, sondern um sichere
Tatsachen, die man anerkennen muß. Die Versuche mit Pitlie-
colohium zeigen einwandfrei (s. S. 782), daß durch Entziehung
der Nährstoffe allmählich Ruhe, durch Hiuzufügung schnell wieder
Wachstum hervorgerufen wird. Man kann auf diesem Wege an
der gleichen Pflanze den periodischen Wechsel von Ruhe und
Wachstum mehrere Male hervorrufen.
Die vielen Fragen, die sich an den Einfluß der N;ihrsalze
knüpfen, können vorläufig noch nicht beantwortet werden, da sie
kaum in Angriff genommen worden sind; meine eigenen Unter-
suchungen werden fortgesetzt. Wir beginnen eben erst das Problem
der Periodizität physiologisch zu bearbeiten, nachdem der Nachweis
ihrer Abhängigkeit von der Außenwelt sicher geliefert worden ist.
Die weiteren Untersuchungen werden auch mit darüber entscheiden,
792 Georg Klebs, Über Wachstum und Ruhe tropischer Baumarteu.
in welchem Grade es möglich sein wird, die äußeren Bedingungen
genau zu erkennen, die eine bestimmte tropische Baumart zwängen,
in ihrer Heimat, z. B. in Java, zeitweilig zur Buhe überzugehen.
Vorläufig muß man sich mit gewissen Andeutungen begnügen, wie
ich sie früher und hier gegeben habe. Die in den Tropen arbeitenden
Forscher finden darin vielleicht die Anregung, den Problemen dort
in bestimmter Richtung nachzugehen.
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Als Sonderabdruck herausgegeben 1869; dann in Bd. XXIV
der Neuen Denkschriften der allgemeinen schweizerischen
Gesellschaft für die gesaraten Natiirwissenschaften, Zürich
1871, 40, 142 Seiten.
50**
yoA Verzeichnis der Urucksclirit'teii von W. rtetier.
1871.
8. Die Wirkung farbigen Lichtes auf die Zersetzung der
Kohlensäure in Pflanzen.
Arbeiten des botanischen Institutes in Würzburg, heraus-
gegeben von J. Sachs, Bd. I, Heft 1, S. 1—76, 3 Holz-
schnitte ; separat als Habilitationsschrift zur Erlangung der
venia docendi bei der Philosophischen Fakultät Marburg,
März 1871.
9. Studien über Symmetrie und spezifische Wachstums-
ursachen.
Arbeiten des botanischen Institutes in Würzburg, Bd. I, Heft 1,
S. 77—98, 1 Holzschnitt.
10. Zur Frage über die Wirkung farbigen Lichtes auf die
Kohlensäurezersetzung.
Bot. Zeitung, XXIX, S. 319-323.
11. Entwickelung des Keimes der Gattung Selaginella.
Botanische Abhandlungen aus dem Gebiete der Morphologie
und Physiologie, herausgegeben von J. Hanstein, Bonn,
Bd. I, Heft 4, 80 Seiten, Tafel I— VI.
12. Über geformte Eiweißkörper und die Wanderung der
Eiweißstoffe beim Keimen der Samen.
Aus den Sitzungsberichten der Gesellschaft zur Beförderung
der gesamten Naturwissenschaft zu Marburg, Nr. 9, Dez.
Bot. Zeitung, XXX, S. 276—279, 299-302.
1872.
13. Über die Wirkung der Spektralfarben auf die Kohlen-
säure-Zersetzung in Pflanzen.
Aus den Sitzungsberichten der Gesellschaft zur Beförderung
der gesamten Naturwissenschaft zu Marl>urg, Nr. 4, S. 65;
ferner Annalen der Physik und Chemie, 1873, Bd. 148,
S. 86—99.
14. Die Wirkung der Spektralfarben auf die Kohlensäure-
Zersetzung in Pflanzen.
Bot. Zeitung, XXX, S. 425—439, 449—462, 465—472.
15. Bemerkungen zu A. Schmidt Mitteilungen über die
Mittellinie der Naviculeen.
Tageblatt der 45. yersammlung deutscher Naturforscher und
Ärzte zu Leipzig; Bot. Zeitung, XXX, S. 743.
Verzeichnis der Dnickschrifteu von W. Pfeifer. 795
16. Über das Öffnen und Schließen der Blüten.
Verhandlungen der botanischen Sektion bei der 45. Versammlung-
deutscher Naturforscher und Ärzte zu Leipzig; Bot. Zeitung,
XXX, S. 733.
17. Über Wasserbewegung im x-Vnschluß an einen Vortrag
von Sorauer.
Verhandlungen der 45. Versammlung deutscher Naturforscher
zu Leipzig; Bot. Zeitung, XXX, S. 749.
18. Untersuchungen über Reizbewegung.
Aus den Sitzungsberichten der Gesellschaft zur Beförderung
der gesamten Naturwissenschaft zu Marburg, Nr. 9, Oktober,
S. 129; Bot. Zeitung, XXX, S. 877—882.
19. Zur Blütenentwicklung der Primulaceen und Ampe-
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Jahrbücher für wissenschaftliche Botanik, Bd. VIII, S. 194 bis
214, Tafel XIX— XXII.
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deutung des Asparagins beim Keimen der Samen.
Jahrbücher für wissenschaftliche Botanik, Bd. VIII, S. 429 bis
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Aus den Sitzungsberichten der Gesellschaft zur Beförderung
der gesamten Naturwissenschaft, Marburg, Nr. 1, Februar,
S. 1; Bot. Zeitung. XXXI, S. 239—240, 247—250.
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8^ 216 Seiten, 1 Tafel.
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Berichte der königl. sächsischen Gesellschaft der Wissen-
schaften, luathemat.-physische Klasse, Leipzig, Bd. XLIII,
7. Dezember, S. 638—643.
1892.
61. Studien zur Energetik der Pflanze.
Abhandlungen der mathemat.- physischen Klasse der königl.
sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, Leipzig,
Bd. XVni, Nr. 3, 276 Seiten.
62. t^ber Anwendung des Gipsverbandes für pflanzen-
physiologische Studien.
Herichte der königl. sächsischen Gesellschaft der Wissen-
schaften, matheniat.-physische Klasse, Leipzig, Bd. XLTV,
5. Dezember, S. 538—542.
1893.
63. Druck- und Arbeitsleistung durch wachsende Pflanzen.
Abhandlungen der mathemat. -physischen Klasse der königl.
sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, Leipzig,
Bd. XX, Nr. 3, 474 Seiten, 14 Holzschnitte.
64. Über Untersuchungen des Herrn Dr. Miyoshi aus Tokio,
betreffend die chemotropischen Bewegungen von
Pilzfäden.
Berichte der königl. sächsischen Gesellschaft der Wissen-
schaften, mathemat.-physische Klasse, Leipzig, Bd. XLV,
6. März, S. 319—324.
65. Über die Ursachen der Entleerung der Reservestoffe
aus Samen, auf Grund der von Herrn Barthold
Hansteen im botanischen Institut ausgeführten Unter-
suchungen.
Berichte der königl. sächsischen Gesellschaft der Wissen-
schaften, mathemat.-physische Klasse, Leipzig, Bd. XLV,
8. Juli, S. 421—428.
66. Die Reizbarkeit der Pflanzen.
Verhandlungen der Gesellschaft deutscher Naturforscher und
Ärzte, Leipzig, allgemeiner Teil, S. 1 — 31.
Verzeichnis der Druckschriften von W. Pfeffer. 801
67. L'irritabilite chez les plantes.
Revue scientifiqiie, Paris, LH, S. 737 — 744.
68. De l'irritabilite chez les plantes.
Arcliives des Sciences pliysiques et naturelles Geneve, III. Pe-
riode, t. XXX, S. 1—25.
69. Herausgabe von J. G. Koelreuter: Vorläufige Nachricht
von einigen das Geschlecht der Pflanzen be-
treffenden Versuchen und Beobachtungen nebst
Biographie und Würdigung der Verdienste des
Verfassers.
Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften, Leipzig, Nr. 41.
1894.
70. Über Arbeitsleistungen der Pflanzen.
Verhandlungen der Gesellschaft deutscher Naturforscher und
Ärzte, 65. Versammlung, 1893, II, 1, Leipzig, S. 145.
71. Über die geotropische Sensibilität der Wurzelspitze
nach den von Dr. Czapek im Leipziger Institute an-
gestellten Untersuchungen.
Berichte der köuigl. sächsischen Gesellschaft der Wissen-
schaften, niathemat.-phj'sische Klasse, Leipzig, Bd. XL VI,
2. Juli, S. 168—172.
72. Geotropic Sensitiveness of the Root-tip.
Annais of Botauy, London, vol. Vm, S. 317—320.
1895.
73. Ein Zimmer mit konstanten Temperaturen.
Berichte der Deutscheu Botanischen Gesellschaft, Bd. XIU,
S. 49—57, 1 Holzschnitt.
74. Berichtigung über die korrelative Beschleunigung
des Wachstums in der Wurzelspitze.
Jahrbücher für wissenschaftliche Botanik, Leipzig, Bd. XXVII,
S. 481—483.
75. Über Elektion organischer Nährstoffe.
Jahrbücher für wissenschaftliche Botanik, Leipzig, Bd. XXVHI,
S. 205—268.
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI. 51
gQ2 Verzeichnis der Druckschriften von W. Pfeffer.
76. Über ein Zimmer mit konstanten Temperaturen.
Berichte der königl. sächsischen Gesellschaft der Wissen-
schaften, mathemat.-physische Klasse, Leipzig-, Bd. XLVn,
S. 52.
77. Über elektiven Stoffwechsel.
Berichte der königl. sächsischen Gesellschaft der Wissen-
schaften, mathemat.-physische Klasse, Leipzig, Bd. XLVH,
S. 324.
1896.
78. Einleitende Betrachtungen zu einer Physiologie des
Stoffwechsels und Kraftwechsels in der Pflanze.
Akademische Dissertation Lipsiae, 49 Seiten.
79. Über die vorübergehende Aufhebung der Assimi-
lationsfähigkeit in Chlorophyllkörpern auf Grund
der im botanischen Institut von Herrn Ewart ausge-
führten Untersuchungen.
Berichte der königl. sächsischen Gesellschaft der Wissen-
schaften, mathemat.-physische Klasse, Leipzig, Bd. XLVIII,
L Juni, S. 311—314.
80. Über die lockere Bindung von Sauerstoff in gewissen
Bakterien, welche von Herrn Ewart untersucht wurde.
Berichte der königl. sächsischen Gesellschaft der Wissen-
schaften, mathemat.-physische Klasse, Leipzig, Bd. XLVILT,
27. Juli, S. 379—383.
81. Über die Steigerung der Atmung und der Wärme-
produktion nach Verletzung lebenstätiger Pflan-
zen; traumatische Reaktionen, welche von Herrn Dr.
H. M. Richards näher studiert wurden.
Berichte der königl. sächsischen Gesellschaft der Wissen-
schaften, mathemat.-physische Klasse, Leipzig, Bd. XLVHI,
27. Juli, S. 384—389.
82. Über die im botanischen Institut ausgeführten Untersuchungen
des Herrn Townsend über den Einfluß des Zell-
kerns auf die Bildung der Zellhaut.
Berichte der königl. sächsischen Gesellschaft der Wissen-
schaften, mathemat.-physische Klasse, Leipzig, Bd. XLVIII,
7. Dezember, S. 505—512.
Verzeichnis der Druckschriften von "W. Pfeffer. 803
83. Über regnlatorisclie Bildung von Diastase auf Grund
der von Herrn Dr. Katz im botanischen Institut aus-
geführten Untersuchungen.
Berichte der königl. sächsischen Gesellschaft der Wissen-
schaften, mathemat.-physische Klasse, Leipzig, Bd. XLYIII,
T.Dezember, S. 513— 518.
1897.
84. Pflanzeuphysiologie. Ein Handbuch der Lehre vom
Stoffwechsel und Kraftwechsel in der Pflanze.
2. völlig umgearbeitete Auflage, I. Bd., Stoffwechsel, Leipzig,
8°, 620 Seiten, 70 Holzschnitte.
1898.
85. The Nature and Significance of functional Metabolism
in the plant.
Proceedings of the Royal Society, London, LXHI, Cronian
Lecture, S. 93—101.
1899.
86. Über die Erzeugung und die physiologische Bedeu-
tung der Amitose nach Untersuchungen des
Herrn AI. Nathansohn.
Berichte der mathemat.-physischen Klasse der königl. sächsi-
schen Gesellschaft der Wissenschaften, Leipzig, 3. Juli,
Bd. LI, S. 4—12.
1900.
87. Die Anwendung des Projektionsapparates zur De-
monstration von Lebensvorgängen.
Jahrbücher für wissenschaftliche Botanik, Leipzig, Bd. XXXV,
S. 711—745, 7 Textfiguren.
1900—1906.
88. The Physiology of Plauts translated by Ewart.
Oxford, Bd. I, 1900; Bd. II, 1903—1906.
1901—1904.
89. Pflanzeuphysiologie. IL Band, Kraftwechsel.
(Vergleich I. Bd., 1897), erste Hälfte des H. Bandes (1901),
zweite Hälfte 1904, Leipzig, 8^ 986 Seiten, 91 Textfiguren.
51*
gQ^ Verzeichnis der Druckschriften von W. Pfeffer.
1905—1912.
90. Physiologie vegetale.
Etüde des echanges de substance et d'energie dans la plante;
traduit par J. Friedel, Paris, T. I, 1905, II 1, 1908,
112, 1912.
1907.
91. Untersuchiingeu über die Entstehung der Schlafbe-
wegungen.
Abhandlungen der mathemat.- physischen Klasse der königl.
sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, Leipzig,
Bd. XXX, Nr. 3, 259 Seiten.
92. Über die Ursache der Schlafbewegung.
Naturwissenschaftliche Rundschau, Bd. XXII, S. 618.
93. Über die Entstehung der Schlafbewegungen bei
Pflanzen.
Tageblatt der Verhandlungen der Gesellschaft deutscher Natur-
forscher und Ärzte, 79. Versammlung, Dresden, Teil II, 1
S. 219.
1908.
94. Die Entstehung der Schlafbewegungen bei Pflanzen.
Biologisches Centralblatt, Leipzig, Bd. XXVIII, S. 389—415.
1909.
95. Die botanischen Institute.
Festschrift zum 500jährigen Jubiläum, Leipzig, 8°, 8 Seiten,
3 Pläne, 1 Tafel.
1911.
96. Der Einfluß von mechanischer Hemmung und von
Belastung auf die Schlafbewegung.
Abhandlungen der mathemat. -physischen Klasse der königl.
sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, Leipzig,
Bd. XXXII, Nr. 3, S. 163—295, 31 Textfiguren.
Die Schüler Pfeffers
und ihre in den Botanischen Instituten zu Tübingen und
Leipzig unter seiner Leitung ausgeführten oder auf seine
Anregung begonnenen Arbeiten.
Äkermann, Äke (Luud), 1914/15 i).
**Ambronn, H., Kustos am Herbarium bis 1887, a.o. Professor
1889 — 99.
^Andrews, Frank Marion (Vienna U. S.A.), 1900/01 und
1901 — 0 2.
Über die Wirkung der Zentrifugalkraft auf Pflanzen. —
Dissert. Leipzig 1903 — Jahrb. f. wissensch. Botanik
Bd. XXXVIII, (1903), S. 1.
*Artari, Alexander (Moskau), 1899.
Bachmann, Fritz (Plauen i.V.), 1908 — 11.
Beitrag zur Kenntnis obligat anaerober Bakterien. —
Dissert. Leipzig 1912 — Centralblatt f. Bakteriol. Abt. II,
Bd. 36, S. 1.
^) Die Jahreszahlen hinter den Namen beziehen sich auf die Tätigkeit im Leip-
ziger Botanischen Institute. Dabei bedeuten zwei durch Schrägstrich verbundene Zahlen,
z. B. 1901/02 ein Semester (das betr. Winter-Sem.). Durch geraden Strich verbundene
Zahlen entsprechen mehreren Semestern. Bei den Schülern aus der Tübinger Zeit steht,
da sich der genaue Zeitraum ihrer Tätigkeit nicht mehr ermitteln ließ, nur das Wort
Tübingen. In die Liste sind außer den Schülern im engeren Sinne auch alle Dozenten,
Kustoden und Assistenten aufgenommen worden, die an den von Pfeffer geleiteten In-
stituten tätig waren. Die Namen der Herren, die als Professoren oder Dozenten
an einer reichsdeutschen Hochschule wirken oder gewirkt haben, sind mit zwei Stern-
chen **, die der an ausländischen Hochschulen tätigen Herren mit einem Sternchen *
versehen.
gQg Verzeichnis der Schüler "\V. Pfeffers.
*Ball, Oscar Melville (Miami U.S.A.), 1901—03.
Der Einfluß von Zu«: auf die Ausbildung von Festi-
gungsgewebe. — Dissert. Leipzig 1904 — Jahrb. f.
wissensch. Botanik Bd. XXXIX, (1904), S. 305.
Bäßler, Friedrich (Leipzig), 1906—08.
Über den Einfluß des Dekapitierens auf die Richtung
der Blätter an orthotropen Sprossen. — Dissert. Leipzig
1909. — Botan. Zeitung Bd. 67 (1909).
Barladean, Alexis (Bessarabien), 1910 — 12.
Bartetzko. Hugo (Königshtitte), 1906—08.
Untersuchungen über das Erfrieren von Scliimmelpilzen.
— Dissert. Leipzig 1909 — Jahrb. f. wissensch. Botanik
Bd. XLYII, (1910), S. 57.
Barth, Richard (Leipzig), 189 3 — 94.
Die geotropischenWachstuniskrünimungeu der Knoten. —
Dissert. Leipzig 1894.
**Benecke, Wilhelm (Straßburg), Assistent 1892—93.
Ein Beitrag zur mineralischen Nahrung der Pflanzen. —
Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. Bd. 12, (1894), S. (105).
Die zurErnährung der Schimmelpilze notwendigen Metalle.
— Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. XXVIII, (1895), p. 487.
Mechanismus und Biologie des Zerfalls der Konju-
gatenfäden in die einzelnen Zellen. — Jahrb. f. wissensch.
Botanik Bd. XXXH, (1898), S. 453.
Berthold, Erich (Bodenbach) 1912 — 15.
Beyse, H. (Aschersleben), 1890.
Bitter, Georg (Bremen), 1898.
Blochwitz, Adalbert (Dresden), 1901.
Boysen-Jensen, P. (Kopenhagen), 1908.
La transmission de l'irritation phototropique dans l'Avena.
Acad. roy. de Danemark Bull. 1911.
Über die Leitung des phototropischen Reizes in der
Avenakoleoptile. — Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. Bd. XXXI,
(1913\ S. 559.
Verzeichnis der Schüler TT. Pfeffers. 807
Brenner, Widar (Helsingfors), 1913 — 14.
**Bruck, Werner Friedrich (Breslau), 1901 — 03.
Untersucliungen über den Einfluß von Außenbedingungen
auf die Orientierung- der Seitenwurzel. — Dissert. Leipzig
1904 — Zeitschr. f. allg, Physiologie 1904.
Brunchorst, J. (Bergen, Norwegen), Tübingen, zeitweise
Assistent.
Über Wurzelanschwellungen von Alnus und den Elae-
agnaceen. — Unters, aus dem Botan. Inst. Tübingen.
Bd. II, (1886), S. 151.
Brunn, Julius (Altona), 1904—06.
Untersuchungen über Stoßreizbarkeit. — Dissert. Leipzig
1908 — Beitr. zur Biologie d. Pflanzen Bd. 9 (1908).
Bruns. E., Assistent 1894—95.
Bücher, Hermann (Kirberg), 1903 — 05.
Anatomische Yeränderungen bei gewaltsamer Krümmung
und geotropischer Induktion. — Dissert. Leipzig 1906 —
Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. XLIII, (1906), S. 271.
Büchner, Emil (Leipzig), 1898 — 1900.
Zuwachsgrößen und Wachstumsgeschwindigkeiten bei
Pflanzen. — Dissert. Leipzig 1901.
**Buder, Johannes (Berlin), Assistent seit 1910, Privat-
dozent seit 1911.
*Buller, Reginald (Birmingham), 1897—98.
Die Wirkung von Bakterien auf tote Zellen. — Dissert.
Leipzig 1899.
Burgeff, Hans (Geisenheim», 1909 10.
Burkhard! Walter (Xeugersdorf), 1908 — 11.
Die Lebensdauer der Pflanzenhaare, ein Beitrag zur
Biologie dieser Organe. — Dissert. Leipzig 1912.
* Butkewitsch, W. (Tula, Rußland), 1900—01.
Umwandlung der Eiweißstoffe durch die niederen Pilze
im Zusammenhange mit einigen Bedingungen ihrer Ent-
gQg Verzeichnis der Schüler W. Pfeffers.
mcklung. — Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. XXXVHI,
(1903), S. 147.
* Campbell, Douglas H. (Ü.S.A.), Tübingen.
The staining- of living Niiclei. — Unters, aus dem
Botan. Inst. Tübingen Bd. II, (1888), S. 569.
^Celakovsky, Ladislav (Prag), 189 0.
Über die Aufnahme lebender und toter verdaulicher
Körper in die Plasmodien der Myxomyceten. — Flora
Bd. 75 (Ergänzungsband), (1897), S. 182.
Chapin, Paul (Easthampton U.S.A.), 1900 — 02.
Einfluß der Kohlensäure auf das Wachstum. — Dissert.
Leipzig 1902 — Flora Bd. 91 (1902), S. 348.
*Chudiakow. Nicolaus von (Kiew), 1891 — 92, Assistent 1893
bis 1894.
Beiträge zur Kenntnis der intramolekularen Atmung. —
Dissert. Leipzig 1894 — Landw. Jahrbücher, (1894), S. 333.
Untersuchungen über die alkoholische Gährung. —
Landw. Jahrbücher, (1894), S. 391.
Clark, (England), Tübingen.
Über den Einfluß niederer Sauerstoffpressung auf die
Bewegungen des Protoplasmas. — Ber. d. Deutsch. Botan.
Gesellsch. Bd. 6 (1888), S. 273.
Copeland, E. B. (Monroe Wisc. U.S.A.), 1895/96.
Einfluß von Licht und Temperatur auf den Turgor. —
Dissert. Halle 1896.
**Correns, Carl (München), 1891—92, von 1899 — 1910 a.o.
Professor in Leipzig.
Über die Abhängigkeit der Reizerscheinungen höherer
Pflanzen von der Gegenwart freien Sauerstoffs. — Flora
Bd. 75, (1892), S. 87.
*Czapek, Friedrich (Prag), 1893 — 94.
Untersuchungen über Geotropismus. — Jahrb. f. \viss.
Botanik Bd. XXVH, (1895), S. 243.
Verzeichnis der Sclüiler AV. Pfeffers. 809
*Demoor, Jean (Brüssel), 1892.
Contribiition ä l'etude de la Physiologie de la cellule. —
Archives de Biologie Bd. XIII (1894).
Derschau, Max von (Dortmund), 1890 — 93.
Einfluß von Kontakt und Zug auf rankende Blatt-
stiele. — Dissert. Leipzig 1893.
Diakonow, N. W. (Rußland), Tübingen.
Intramolekulare Atmung. — Ber. d. Deutsch. Botan.
Gesellsch., (1886), S. 2. (Vorl. Mitteilung der später
anderweitig erschienenen Abhandlungen).
*Dietz, SändOP (Budapest), Tübingen.
Beiträge zur Kenntnis der Substratrichtung der Pflanzen. —
Unters, aus dem Botan. Inst. Tübingen Bd. II, (1888),
S. 478.
Dorn, Otto (Werdau i./S), 1910 — 13.
Beiträge zur Kenntnis von der Durchbohrung pflanzlicher
Membranen durch Pilzhyphen. — Dissert. Leipzig 1914.
Dude. Max (Zittau), 190 0/02.
Über den Einfluß des Sauerstoffentzugs auf pflanzliche
Organismen. — Dissert. Bern 1903 — Flora Bd. 92, (1903),
S. 205.
*Duggar, M. (U.S.A.), 1899.
Physiological Studies with reference to the Germination
of certain fungous Spores. — Botan. Gazette Bd. XXXI,
(1901), S. 38.
Engelmann, Walther (Rußdorf i. S.-A.), 1911 — 14.
^Eriksson, Jacob (Stockholm), Tübingen.
Über Wärmebildung durch intramolekulare Atmung der
Pflanzen. — Unters, aus dem Botan. Inst. Tübingen,
Bd. I, (1881), S. 105.
Eschenhagen, Franz (Stolpen), 1888 — 89.
Über den Einfluß von Lösungen verschiedener Kon-
zentrationen auf das Wachstum von Schimmelpilzen. —
Dissert. Leipzig 1889.
Q\() Verzeichnis der Schüler AV. Pfeffers.
*Ewart, Alfred J. (Liverpool), 1894—96.
On assimilator}^ Inhibition iu chlorophylloiis Plants. —
Dissert. Leipzig- 1896 — Journ. of the Linuean Society
Bd. 31, (1896), S. 429.
On the Evolution of Ox^-g-en froui coloured Bakteria. —
Journ. of the Linnean Society Bd. 33, (1897).
Faber, Friedrich v. (Amsterdam), 1903.
Fehiner, (St. Polten, Österreich), Tübing-en.
Ficker, Johannes (Dresden), 1908 — 10. "
Studien über die Dauer des Orientierungsvermögens der
Laubblätter. — Dissert. Leipzig 1911.
**Fischer, A., Assistent 1887—89, Privatdozent 1882—89
a.o. Professor 1889 — 1902.
Einfluß der Schwerkraft auf die Schlafbewegungeu der
Blätter. — Botan. Ztg., (1890). Nr. 42—44.
Glykose als Reservestoff der Laubhölzer. — Botan. Ztg.,
(1888), Nr. 26.
**Fitting, Hans (Halle a. S.), 1901/02.
Untersuchungen über den Haptotropismus der Ranken.
(Vorl. Mitteil.). — Ber. d. Deutsch. Bot. Gesellsch. Bd. XX,
(1902), S. 373.
Untersuchungen über den Haptotropismus der Ranken. —
Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. XXXVin, (1903), p. 545.
Weitere Untersuchungen zur Physiologie der Ranken
nebst einigen neuen Versuchen über die Reizwirkung bei
Mimosa. — Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. XXXIX,
(1904), S. 424.
Frankfurt, Saiomon (Wilna), 189 6.
Freundlich, Helmut (Biebrich), 1905—07.
Untersuchungen über die Entwicklung und Regeneration
der Gefäßbündel in Kotyledonen und Laubblättern. —
Dissert. Leipzig 1909 — Jahrb. f. wissensch. Botanik
Bd. XL VI, (1909), S. 137.
Frleling, Rudolf (Oelde i. Westfalen), seit 1912.
Verzeichnis der Schüler ^y. Pfeffers. 811
Fritzsche, Alfred (Würzen), 1908 — 10.
Untersuchungen über die Lebensdauer und das Absterben
der Elemente des Holzkörpers. — Dissert. Leipzig. 1910.
Fritzsche, Kurt (Liebschwitz), 189 7 — 98.
Über die Beeinflussung der Circumnutation durch ver-
schiedene Faktoren. — Dissert. Leipzig 1899.
*Gertz, Otto (Lund, Schweden), 1906.
Fysiologiska undersökningar öfver slägtet Cuscuta. —
Botaniska Notiser (1910), S. 97.
Gießler, Rudolf, Assistent 1895 — 1900, Kustos seit 1900.
Göbel, Johannes Kurt (Roßweiu), 1900 — 02.
Über die Durchlässigkeit der Kuticula. — Dissert. Leipzig.
*Goodale, George Lincoln (Cambiidge, Ü.S.A.), Tübingen.
Grabendörfer, zeitweise Assistent in Tübingen.
*Gran, Haakon «Christianiai, 1896—97.
Gräntz, Friedrich (Chemnitz), 1895 — 98.
Über den Einfluß des Lichtes auf die Entwicklung
einiger Pilze. — Dissert. Leipzig 1898.
**Guttenberg. Hermann Ritter von (Triest), 1906/0 7.
Über das Zusammenwirken von Geotropismus und
Heliotropisnius in parallelotropen Pflanzenteilen. — Jahrb.
f. wissensch. Botanik. Bd. XLV, (1908), p. 193.
Über das Zusammenwirken von Geotropismus und
Heliotropismus und die tropistische Empfindlichkeit in reiner
und unreiner Luft. — Jahrb. f. wissensch. Botanik
Bd. XLVn, (1910), S. 762.
Haacke, Otto (Eythra), 1889—91.
Über die Ursachen elektrischer Ströme in Pflanzen. —
Dissert. Leipzig 1892 — Flora Bd. 75 (1892), S. 455.
Hahmann, Curt (Marienberg i. Sa.), 1909 — 12.
Über Wachstumsstörungen bei Schimmelpilzen durch
verschiedene Einflüsse. — Dissert. Leipzig 1913.
312 Verzeichnis der Schüler W. Pfeffers.
Hallbauer, Walter (Leipzig), 1907 — 09.
Über den Einfluß allseitiger mechanischer Hemmung-
durch einen Gripsverband auf die Wachstumszone und die
innere Differenzierung der Pflanzen. — Dissert. Leipzig 1909.
*Hansgirg, (Prag), 1889.
Phytodj'namische Untersuchungen. Prag 1891.
*Hansteen. Barthold (Christiania), 1892 — 93.
Über die Ursachen der Entleerung der Reservestoffe
aus Samen. — Flora Bd. 70 (1894 Ergänzungsband).
Härder, Richard (Hamburg), 1913/14.
Über den autotropischen Ausgleich mechanisch auf-
gezwungener Krümmungen des Sprosses. — Ber. d. Deutsch.
Bot. Gesellsch. Bd. XXXII, (1914), S. 197.
Hartmann. Friedrich (Helmsgrün), 1910 — 12.
Beiträge zur Kenntnis der Festigkeits- und Dehnbar-
keitsverhältnisse bei Pflanzensprossen. — Dissert. Leipzig
1913.
Hassak, Carl (St. Polten), Tübingen.
Über das Verhältnis von Pflanzen zu Bikarbonaten und
über Kalkinkrustation. — Unters, aus dem Botan. Inst.
Tübingen Bd. II. (1888), S. 465.
Haupt, Hugo (Görlitz), 1899 — 01.
Zur Sekretionsmechanik der extrafloraleu Nektarien. —
Dissert. Leipzig 1900 — Flora Bd. 90 (1902), S. 1.
** Hauptfleisch. P. (Greifswald), 1890—91.
Untersuchungen über die Strömung des Protoplasmas in
behäuteten Zellen. — Dissert. Leipzig 1892 — Pringsh.,
Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. XXIV, (1892), Heft 2.
*Heald de Forest, Fred (U.S.A.), 1896—97.
Gametophytic Regeneration as exhibited bj- Mosses and
Conditions for the Germination of cryptogam Spores. —
Dissert. Leipzig 1897.
Verzeiclinis der Schüler ^y. Pfeffers. 813
**Hegler, Robert (Eßling-eu), 1889—90, Assistent 1890—92.
Über den Einfluß des mechanischen Zugs auf das
"Wachstum der Pflanze, — Dissert. Leipzig 1893 — Beitr.
z. Biologie d. Pflanzen Bd. Yl (1893).
Heinich, Kurt (Xoßwitz), 1904—06.
Über die Entspannung des Markes im Gewebeverbaude
und sein Wachstum im isolierten Zustand, — Dissert.
Leipzig 1908 — Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. XL VI,
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Heller, Arthur (Stendal), 1901—03.
Über die Wirkung ätherischer Öle und einiger ver-
wandter Körper auf die Pflanze. — Dissert. Leipzig 1903
— Flora Bd. 93, (1904).
Hering, Franz (Döbraj, 1894—95.
Über Wachstuniskorrelationen bei mechanisch gehemmtem
Wachstum. — Dissert. Leipzig 1896 — Jahrb. f. wissensch.
Botanik Bd. XXIX, (1896), S. 135.
Hering, Georg (Bischofswerda ), 1901 — 03.
Untersuchungen über das Wachstum invers gestellter
Pflanzenorgane. — Dissert. Leipzig 1904 — Jahrb. f.
wissensch. Botanik Bd. XL (1904), S. 499.
Hilbrig, Johannes (Zittau), 1897 — 99.
Über den Einfluß supramaximaler Temperatur auf das
Wachstum der Pflanzen. — Dissert. Leipzig 1900,
Hilburg, C, zeitweise Assistent in Tübingen.
Über Turgescenzänderungen in den Zellen der Be-
wegungsgelenke. — Unters, aus dem Botan. Inst. Tübingen,
Bd. I (1881), S. 23.
Holman, Richard (Alleghany U.S.A,), 1912 — 14,
Hosseus, Kurt (Stromberg), 1901 — 02,
Beeinflussung der autonomen Variationsbewegungen durch
äußere Faktoren. — Dissert. Leipzig 1903.
814 Verzeichnis der Schüler W. Pfeffers.
*Hryniewiecki, B. (Dorpat), 1904—06.
Untersuchungen über den Rheotropismus der Wurzeln. —
Schriften der Naturf. Gesellsch. d. Univ. Jurjeff (Dorpat)
(1908), 144 S. (Russisch mit deutscher Zusammenfassung).
Hume, A. (Plvmouth U.S.A.), 1908.
Irmscher, Edgar (Dresden), 1909 — 11.
Üljer die Resistenz der Laubmoose gegen Austrocknung
und Kälte. — Dissert. Leipzig 1912 — Jahrb. f. wissensch.
Botanik Bd. L (1912), S. 387.
Issatschenko (Petersburg), 1896.
* Iwanoff. L. (Moskau), 1902—04.
Das Auftreten und Schwinden der Phosphorverbindungen
in der Pflanze. — Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. XXXVI
(1901), S. 355.
Jensen. (Kopenhagen), 1892.
Jentsch. Arno (Lohmen), 1913—15.
*Jentys, Stephan (Dublany b. Lemberg), Tübingen.
Über den Einfluß hoher Sauerstoffpressungen auf das
Wachstum der Pflanzen. — Unters, aus dem Botan.
Inst. Tübingen Bd. II, (1888), S. 419.
*Jönsson, B. (Lund). Tübingen.
*Johannsen. W. (Kopenhagen), Tübingen.
Über den Einfluß hoher Sauerstoffspannung auf die
Kohlensäureausscheidung einiger Keimpflanzen. — Unters,
aus dem Botan. Inst. Tübingen Bd. I, (1885), S. 686.
Josing, Eugen (Breslau), 1899 — 1900.
Der Einfluß der Außenbedingungen auf die Abhängig-
keit der Protoplasmaströmung vom Licht. — Dissert.
Leipzig 1901 — Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. XXXVI
(1901), S. 197.
*Juel, 0. H. (Stockholm), 1899.
Untersuchungen über den Rheotropismus der Wurzeln. —
Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. XXXIV (1900), S. 507.
Verzeichnis der Schüler W. Pfeffers. 815
Kaiser, Johannes Friedrich (Jocketa i.V.), 1904 — 05.
Vergleichende Untersucliungen über den Einfluß von
Abtrennungen und Verwundungen auf die geotropische
Reaktion von Pflanzenorganen. — Dissert. Leipzig 1907.
**Karsten, Georg (Rostock), 1891; 1892 — 95 Privatdozent.
Katz, J. (Leipzig), 1896 — 97.
Die regulatorische Bildung von Diastase durch Pilze. —
Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. XXXI, (1898), S. 599.
*Keeble, Fredericl< (Cambridge, England), 1893.
Keller, Ida (ü.S.A.j, 188 7—88.
Protoplasmaströmung im Pflanzenreich. — Dissert. Zürich
1890.
Kerstan. Karl (Markneukirchen), 1904 — 06.
Über den Einfluß des geotropischen und heliotropischen
Reizes auf den Turgordruck in den Geweben. — Dissert.
Leipzig 1907 — Beitr. z. Biologie d. Pflanzen Bd. IX (1907),
8. 163.
**Klebs, Georg (Xeidenburg, Ostpr.), Tübingen, zeitweise
Assistent.
Über die Organisation einiger Flagellaten-Gruppen und
ihre Beziehungen zu Algen und Infusorien. — Unters,
aus dem Botan. Instit. Tübingen Bd. I (1883), S. 233.
Beiträge zur Morphologie und Biologie der Keimung. —
Untersuch, aus dem Botan. Inst. Tübingen Bd. I (1885),
S. 536.
Über die Organisation der Gallerte bei einigen Algen
und Flagellaten. — Unters, aus dem Botan. Inst. Tübingen
Bd. II (1886), S. 333.
Beiträge zur Physiologie der Pflanzenzelle. — Unters,
aus dem Botan. Inst. Tübingen Bd. II (1888), S. 489.
Klemm. Paul, Assistent 1888 — 1903.
Beitrag zur Erforschung der Aggregationsvorgänge in
lebenden Pflanzenzellen. — Flora 1892, S. 395.
Über die Aggi^egationsvorgänge in Crassulaceenzellen. —
Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. Bd. X, (1892), S. 237.
g]^ß Verzeichnis der Schüler "VS'. Pfeffers.
Desorganisationserscheinungen der Zelle. — Jahrb. f.
wlssensch. Botanik Bd. XXVni, (1895), S. 627.
*Klercker, J. E. F. af (Stockholm) — Tübingen, Leipzig, 1889.
Studien über Gerbstoffvakuoleu. — Dissert. 1888 —
Bihang tili K. Svenska Yet. Akad. Handlingar Bd. 13,
Afd. III Xo. 8.
**Kniep, Hans (Jena), 1904—05, Assistent 1905—06.
Untersuchungen über die Chemotaxis der Bakterien. —
Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. XLIII, (1906), S. 215.
Köhler, Paul (Würzen), 1903—05.
Beiträge zur Kenntnis der Eeproduktions- und Regene-
rationsvorgäuge bei Pilzen und der Bedingungen des Ab-
sterbens mycelialer Zellen von Aspergillus niger. — Dissert.
Leipzig 1907 — Flora Bd. 97, (1907), S. 216.
Köhler, Richard (Altenburg), 189 9 — 1901.
Über die plastischen und anatomischen Veränderungen
bei Keimwurzeln und Luftwurzeln, hervorgerufen durch
partielle mechanische Hemmungen. — Dissert. Leipzig 1902.
**Koernicke, Max (Bonn), 1903/04.
Üljer die Wirkung von Röntgenstrahlen auf die Kei-
mung und das Wachstum. — Ber. d. Deutsch. Bot. Ges.
Bd. XXII, (1904), S. 148.*
*Kosanin, Nedeljko (Yionica, Serbien), 1901 — 02.
Über den Einfluß von Temperatur und Ätherdampf auf
die Lage der Laubblätter. — Dissert. Leipzig 1905.
Kosaroff, Peter (Slivno, Rußland), 1894—96.
Eiufluß verschiedener äußerer Faktoren auf die Wasser-
aufnahme der Pflanzen. — Dissert. Leipzig 1897.
Kosinski, Ignacy (Jaslo, Bulgarien), 1898 — 1900.
Die Atmung bei Hungerzuständen und unter Einmr-
kung von mechanischen und chemischen Reizmitteln bei
Aspergillus niger. — Dissert. Leipzig 1901 — Jahrb. f.
wissensch. Botanik Bd. XXXVII, (1902), S. 137.
Verzeichnis der Schüler W. Pfeffers. 817
Kretzschmar, Paul (Leipzig), 1900 — 02.
Über Entstehung und Ausbreitung- der Protoplasma-
strömung infolge von Wundreiz. — Dissert. Leipzig 1903
— .Jahrb. f. ^^issensch. Botanik Bd. XXXIX, (1903), S. 273.
*Krzemieniewski, Severin (Krakau), 1909.
Ein Beitrag zur Kenntnis der phototaktischen Bewe-
gungen. — Anz. d. Akad. d. Wiss. zu Krakau, Abt. ü,
(1909), IL Semester, S. 859.
**Küster, Ernst (Breslau), 1896/97.
Kunath, M., Assistent 1894—97.
Kunstmann, Hugo (Freystadt i. Schles.), 1892 — 94.
Über das Verhältnis zwischen Pilzernte und verbrauchter
Nahrung. — Dissert. Leipzig 1895.
Kurzwelly, Walter (Leipzig), 1900—01, Assistent 1901—05.
Über die Widerstandsfähigkeit trockener pflanzlicher
Organismen gegen giftige Stoffe. — Dissert. Leipzig 1903
— Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. XXXVIII, (1903), S.290.
*Kylin, Harald (Upsala), 1912 — 13.
Über Enzymbildung und Enzj^mregulation bei einigen
Schimmelpilzen. — Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. LIII,
(1914), S. 465.
Lange, Theodor (Dohna i. Sa.), 1889—91.
Beiträge zur Kenntnis der Entwicklung der Gefäße und
Tracheiden. — Dissert. Leipzig 1891. — Flora Bd. 74,
(1891), S. 393.
**Lehmann, Ernst (Dresden), 1907.
Zur Kenntnis des anaeroben Wachstums höherer Pflan-
zen. — Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. XLIX, (1911), S. 61.
Leonhardt Walter (Meissen), 1911 — 14.
Über das Durchbrechen und das Verhalten von Sprossen
bei zu hoher oder viel Widerstand bietender Erdbedeckung.
— Dissert. Leipzig 1915 — Jahrb. f. wissensch. Botanik
Bd. LV, (1915), S. 91.
Jahrb. f. wiss. Botanik. LVI. 52
Q1Q Verzeichnis der Schüler W. Pfeffers.
*Lepeschkin, Wladimir (Moskau), 1900 — 01.
Bedeutung" der "Wasser absonderudeu Organe für die
Pflanzen. Flora Bd. 90 (1902), S. 42.
*Lidforss, Bengt (Lund), 189 3 u. 190 6.
**Lieske, Rudolf (Dresden), 1908—10. Von 1910—11 Assi-
stent.
Beiträg'e zur Kenntnis der Physiologie von Spirophyllum
ferrugineum Ellis, einem tjq)isrlien Eisenbakterium. —
Dissert. Leipzig 1911 — Jahrb. f. wiss. Botanik Bd. XLIX
(1911), S. 91.
Untersuchungen über die Physiologie eisenspeichernder
Hyphomyceten. — Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. L (1912),
S. 328.
Untersuchungen über die Physiologie denitrifizierender
Schwefelbakterien. — Sitzungsber. d. Heidelberger Akad.
d. Wissensch., Biolog. "Wissensch. 1912, 6. Abhandl.
Lind, Karl (Griedelbach), 1896 — 97.
Über das Eindringen von Pilzen in Kalkgesteine und
Knochen. — Dissert. Leipzig 1899 — Jahrb. f. wissensch.
Botanik Bd. XXXII, (1899), S. 603.
Lindner, Johannes (Altenburg, S.-A.), 1912 — 14.
Über den Einfluß günstiger Temperaturen auf gefrorene
Schimmelpilze. (Zur Kenntnis der Kälteresistenz von
Aspergillus niger.) — Dissert. Leipzig 1915 — Jahrb. f.
wissensch. Botanik Bd. LY, (1915), S. 1.
Lippe, Erich (Dresden), seit 1912.
*Liro, Ivar (Helsingfors), 1907—09.
Über die photochemische Chlorophyllbildung bei den
Phanerogamen. — Annales Acad. scientiarum Fennicae
Ser. A, tom. I (1908).
Lode, Alfred (Dresden), seit 1913.
Lohse, Robert (Chemnitz), seit 1914.
Verzeichnis der Schüler W. Pfeffers, 819
*Lundegärdh, Henrik (Stockholm), 1912/13.
Einige Bedingungen der Bildung und Auflösung der
Stärke. — Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. LIII (1914),
S. 421.
Luxburg, Hermann Graf von (Würzburg), 1902 — 04.
Untersuchungen über den Wachstumsverlauf bei der
geotropischen Bewegung. — Dissert. Leipzig 1905 —
Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. XLI, (1905), S. 399.
*Mac Dougal (Minnesota, U.S.A.), 189 5.
The Mechanism of Movement and Transmission of Im-
pulses in Mimosa and other sensitive Plauts. — Botan.
Gaz. XXII, (1896), S. 293.
*Mc. Kenney, Rudolf (Philadelphia), 1900/01.
Observations ou the Conditions of Light Production in
luminous Bacteria. — Dissert. Basel 1902 — Proceedings
of the Biological Society of Washington Vol. XV, (1902),
S. 213.
*Mägoosy-Dietz siehe Dietz.
Mann, Bruno (Thurm), 1903—05.
Untersuchungen über die Zellhautbildung um plasmoly-
sierte Protoplasten. — Dissert. Leipzig 1906.
*Massart, Jean (Brüssel), 1892.
*Maurizio, Adam (Lemberg), 1909/10.
=^Maximoff, Nicolai (St. Petersburg), 1899 u. 1903.
Mayenburg, Ottomar von (Schönheide), 1899 — Ol.
Lösungskonzentration und Turgorregiüation bei den
Schimmelpilzen. — Dissert. Leipzig 1901 — Jahrb. f.
wissensch. Botanik Bd. XXXVI, (1901), S. 381.
Medisch, Marc (Charkow), 1910—11.
Meischke, Paul (Groitzsch), 1897—98, Assistent 1898—1900.
Über die Arbeitsleistung der Pflanzen bei der geo-
tropischen Krümmung. — Dissert. Leipzig 1898 — Jahrb.
f. wissensch. Botanik B.d. XXXHI, (1899), S. 397.
52*
g2Q Verzeichnis der Schüler W. Pfeffers.
Meiser, Paul (Stolpen i. Sa.), seit 1913.
Meissner, Curt (Leipzig), 1900—02.
Akkommodationsfähigkeit einiger Schimmelpilze. — Dis-
sert. Leipzig 1902.
Meurer, Reinhard (Dresden), 1906—08, Assistent 1908—14.
Über die regulatorische Aufnahme anorganischer Stoffe
durch die Wurzeln von Beta vulgaris und Daucus Carota.
— Dissert. Leipzig 1909 — Jahrb. f. wissensch. Botanik
Bd. XL VI, (1909), S. 503.
Meyer, Johannes (Hamburg), 1910 — 13.
Die Crataegomespili von Bronvaux. — Dissert. Leipzig
1915 — Zeitschr. f. induktive Abst. u. Vererbungslehre
Bd. 13, (1915).
**Miehe, Hugo (Braunschweig), 1899— Ol, Assistent 1901—10,
Privatdozent 1902—08, a.o. Professor seit 1908.
Über koiTelative Beeinflussung des Geotropismus einiger
Gelenkpflanzen. — Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. XXXVII,
(1902), S. 527.
*Miyoshi, Manabu (Tokyo), 1891—95.
Über den Chemotropismus der Pilze. — Botan. Ztg.
1894, S. 1.
Über Reizbewegungen der Pollenschläuche. — Flora
Bd. 78, (1894), S. 76.
Die Durchbohrung von Membranen durch Pilzfäden. —
Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. XXVIH, (1895), S. 269.
Mogk, Walter (Leipzig), 1908 — 10. Gefallen in Frankreich
im September 1914.
Untersuchungen über Korrelationen von Knospen und
Sprossen. — Dissert. Leipzig 1913 — Archiv f. Ent-
mcklungsmechanik Bd. 38, (1914).
*Moisescu, Nicolai (Bukarest), 1904—5.
Kleine Mtteilung über die Anwendung des horizontalen
Mikroskopes zur Bestimmung der Reaktionszeit. — Ber.
d. Deutsch. Bot. Ges. Bd. XXIII, (1905), S. 364—367.
Verzeichnis der Schüler "\V. Pfeffers. 821
Untersuchimg-eu über den Autotropismus der Keim-
wurzeln. Leipzig (G-. Fock), 1906, (8 Seiten).
Morgenstern. Richard (Schellenberg), 1910 — 12.
Über den mechanischen Ausgleich der durch Verhinde-
rung der g-eotropischen Krümmung in den Pflanzen ent-
standenen Spannungen. — Dissert. Leipzig 1913. — Cohns
Beiträg:e z. Biologie Bd. XII, (1913).
^Mottier, David M. (U.S.A.), 189 7—9 8.
The Effect of centrifugal Force upon the Cell. — Ann.
of Botany Bd. XIII. (1899), S. 325.
Müller, C. (Dobrowitz, Osterreich), 1888 — 89.
Über die Entstehung von Kalkoxalatkristallen in pflanz-
lichen Zellmembranen. — Dissert. Leipzig 1890.
Müller, Friedrich (Glauchauj, 1907 — 11, Assistent seit 1912.
Untersuchungen über die chemotaktische Reizbarkeit
der Zoosporen von Chytridiaceen und Saprolegniaceen. —
Dissert. Leipzig 1911. — Jahrb. f. ^^issensch. Botanik
Bd. XLIX, (1911), S. 421.
Müller, Gottfried (Glashütte i. S.), 1910 — 13.
Beiträge zur Keimungsphysiologie. — Dissert. Leipzig
1915 — Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. LIV, (1914), S. 529.
Munk. Max (Jux in Württemberg). 1913/14.
**Nathansohn, Alexander (Brzezany, Österreich), 1897—1900,
Assistent 1903—09, Privatdozent 1902— 09, a.o. Pro-
fessor seit 1909.
Beiträge zur Kenntnis des Wachstums der trachealen
Elemente. — Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. XXXII, (1898),
S. 671.
Physiologische Untersuchungen über amitotische Kern-
teilung. — Dissert. Leipzig 1900 — Jahrb. f. wissensch.
Botanik Bd. XXXV. (1900), S. 48.
(zusammen mit Pringsheim, E.):
Über die Summation intermittierender Lichtreize. —
Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. XLV, (1908), S. 137.
g22 Verzeichnis der Schüler W. Pfeffers.
Nedokutschaeff, Nicolai (Jeletz, Rußland), 1902—03.
Über die Speicherung der Nitrate in den Pflanzen. (Vorl.
Mitt.) — Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. Bd. XXI, (1903), S. 431.
Neubert Ludwig (Leipzig), 1908—10.
Geotropliismus und Kamptotrophismus bei Blattstielen. —
Dissert. Leipzig 1911. — Beiträge z. Biologie d. Pflanzen
Bd. X, (1911».
Neubert, Richard Oswald (Oberstützengrün), 1900 — 02.
Untersuchungen über die Nutationskrümmungen des
Keim])lattes von AUium. — Dissert. Leipzig 1903 — Jahrb.
f. wissensch. Botanik Bd. XXXVIII, (1903), S. 119.
*Newcombe, Frederick Carl iFlint, U.S.A.), 1892—9.
The Effect of mechanical Resistance on the Growth of
Plant Tissues. — Dissert. Leipzig 1894.
The Influence of mechanical Resistance on the Develop-
ment and Life-period of Cells. — Botanical Gazette Bd. XIX,
(1894). S. 149.
The Cause and Conditions of Ivsigeuous Cavity-formation.
— Ann. of Botany Bd. 8, (1894), S. 403.
Nikitinsky, Jacob (Moskau), 1902—03.
Über die Beeinflussung einiger Pilze durch ihre Stoff-
wechselprodukte. — Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. XL,
(1904), S. 1.
*Niklewski, Bronislaus Stephan (Hohensalza), 1902 — 05.
Untersuchungen über tUe Umwandlung einiger stickstoff-
freier Reservestoffe während der Winterperiode der Bäume.
— Dissert. Leipzig.
Über die Wasserstoffoxydation durch Mikroorganismen.
— Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. XL VIII (1910), S. 311.
*Nilsson-Ehle, Hermann (Lund), 1909/10.
Noack, Kurt (Stuttgart), 1910 — 12.
Beiträge zur Biologie der thermophilen Organismen. —
Dissert. Leipzig 1913 — Jahrb. f. wissensch. Botanik
Bd. LI, (1913), S. 593.
Verzeichnis der Schüler W. Pfeffers. 823
Nobel, Rudolf (Zweinauudorf b. Leipzig), seit 1914.
**Nordhausen, Max (Berlin), 1897 — 98.
Beiträge zur Biologie parasitärer Pilze. — Jahrb. f.
wissensch. Botanik Bd. XXXIII, (1899), S. 1.
Ockel, Walter (Ebingen), 1898 — 1900. f 1900.
*Ohno, Naoge (Tokyo), 1904 — 07.
Über das Abklingen von geotropischen und heliotropischen
Reizvorgängen. — Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. XLV,
(1908), S. 601.
*Oliver, F. W. (London) — Tübingen.
Fortleitung des Reizes bei Narben. — Ber. d. Deutsch.
Bot. Ges. (1887), S. 162.
Paäl, Ärpad (Budapest), 1913 — 14.
Über phototropische Heizleitungen. (Vorl. Mtt.) — Ber.
d. Deutsch. Bot. Ges. Bd. XXXII, (1914), S. 503.
*Pantanelli, E. (Rom), 1902—03.
Zur Kenntnis der Turgorregulation bei Schimmelpilzen.
— Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. XL, (1904), S. 303.
*Peklo, Jaroslav (Prag), 1909 — 10.
*Peirce, George J. (Cambridge, Mass. U.S.A.), 1893 — 94 und
19 04.
A Contribution to the Physiologie of the Genus Cuscuta.
— Dissert. Leipzig 1894 — Ann. of Botany Bd. VIII,
(1894), S. 53.
Das Eindringen von Wurzeln in lebendige Gewebe. —
Botan. Ztg. 1894 Bd. 52, S. 169.
Perekalin, Boris (Moskau), 1910.
Pfundt, Max (Stauchlitz), 1906 — 08.
Der Einfluß der Luftfeuchtigkeit auf die Lebensdauer
des Blütenstaubes. — Dissert. Leipzig 1909 — Jahrb. f.
wissensch. Botanik Bd. XLVII, (1909), S. 1.
Pollock, James B. (U.S.A.), 189 7—98.
The Effect of Shock on longitudinal Growth of Plant
Organs. — Science N. S., Bd. XIIL (1901), S. 251.
324 Verzeichnis der Schüler "W. Pfeffers.
Popovici, Alexandru P. (Jassy, Rumänien), 1899.
Der Einfluß der Veg-etationsbeding-ungen auf die Länge
der wachsenden Zone. — Botan. Centralbl. Bd. LXXXI,
(1900), S. 33.
*Porodko, Theodor (Lotice, Bußland), 1903 — 04 u. 1907.
Studien über den Einfluß der Sauerstoffspannung auf
pflanzliche Mikroorganismen. — Jahrb. f. wissensch. Botanik
Bd. XLI, (1905), S. 1.
Nimmt die ausgewachsene Region des orthotropen Sten-
gels an der geotropischen Krümmung teil? — Ber. d.
Deutsch. Bot. Ges. Bd. XXVI a, (1908), S. 3.
**Pringsheim. Ernst (Breslau), 1904 — 06.
Wasserbewegung und Turgorregulation in welkenden
Pflanzen. — Dissert. Leipzig 1906 — Jahrb. f. wissensch.
Botanik Bd. XLIII, (1906), S. 89.
und Nathansohn, A. Siehe diesen.
Pulst, Karl (Berlin), 1898 — 1900.
Die Widerstandsfähigkeit einiger Schimmelpilze gegen
Metallgifte. — Dissert. Leipzig 1902 — Jahrb. f. wissensch.
Botanik Bd. XXXVII, (1902), S. 205.
*Purlewitsch, K. (Kiew), 1896.
Über selbsttätige Entleerung der Reservestoffbehälter.
(Vorl. Mitteilung.) — Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. Bd. 14,
(1896), S. 207.
Phjsiologische Untersuchungen über die Entleerung der
Reservestoffbehälter. — Jahrl». f. wissensch. Botanik
Bd. XXXI, (1898), S. 1.
Rabe, Franz (Xeuhaldensleben), 1903 — 05.
Über die Austrocknungsfähigkeit gekeimter Samen und
Sporen. — Dissert. Leipzig 1905 — Flora Bd. 95 (Er-
gänzungsband, 1905), S. 253.
Rawitscher, Felix (Frankfurt a. M.), 1913 — 14.
**Renner, Otto (Xeu-Ulm), 1907.
Experimentelle Beiträge zur Wasserversorgung. — Flora
Bd. 103, (1911), S. 173.
Verzeichnis der Schüler TV. Pfeffers. 825
* Richards, Herbert M. (U.S.A.), 1895/6.
The Respiration of wounded Plants. — Ann. of Botany
Bd. X, (1896), S. 531.
Die Beeinflussung des Wachstums einiger Pilze durch
chemische Reize. — Jahrb. f. wissensch. Botanik Bd. XXX,
(1897), S. 665.
The Evolution of Heat by wounded Plants. — Ann. of
Botany Bd. 11, (1897), S. 29.
Richter. Johannes (Pegau), 189 2 — 94.
Über Reaktionen der Characeen auf äußere Einflüsse.
— Dissert. Leipzig 1894. — Flora Bd. 78, (1894), S. 399.
Risse. Fritz (Dresden), seit 1912.
* Ritter, Georg (Moskau), 189 5/6 u. 1898/9.
Die Abhängigkeit der Plasmaströmung und der Geißel-
bewegung vom freien Sauerstoff. — Flora Bd. 86, (1899),
S. 329.
*Rosenvinge. L. K. (Kopenhagen) — Tübingen.
*Rothert, W. (Kasan, jetzt Krakau), 1891/2 u. 1900.
Über die Fortpflanzung des heliotropischen Reizes. —
Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. Bd. X, (1892), S. 374.
Über Heliotropismus (1894). — Cohns Beiträge z. Bio-
logie der Pflanzen Bd. VII, (1896), S. 1.
Beobachtungen und Betrachtungen über taktische Reiz-
erscheinungen. — Flora Bd. 88, (1901), S. 371.
Zur Terminologie der taktischen Reizerscheinungen. —
Botan. Ztg. Bd. LX (D), (1902), S. 17.
Über die Wirkung des Äthers und Chloroforms auf die
Reizbewegungen der Mikroorganismen. — Jahrb. f. wissensch.
Botanik Bd. XXXIX, (1904), S. 1.
van Rysselberghe, F. (Brüssel), 1898/99.
Influence de la temperature sur la permeabilite du proto-
plasma vivant. — Bullet, de l'Academie royale de Belgique
(Classe des sciences) Xo. 3, (1901), S. 173.
826
Verzeichnis der Schüler W. Pfeffers.
Sammet, Robert (Mumsdorf), 1902—04.
Untersuchungen über Chemotropismus und verwandte
Erscheinungen bei Wurzeln, Sprossen und Pilzfäden. —
Dissert. Leipzig 1905 — Jahrb. f. wissensch. Botanik
Bd. XLI, (1905), S. 611.
Schaller, K., Dr. phil., Assistent 1897 — 98.
**Schiliing, August (Hessen), 1894.
Der Einfluß von Bewegungshemmungen auf die Arbeits-
leistungen der Blattgelenke von IVIimosa pudica. — Habi-
litationsschrift für die technische Hochschule in Darmstadt,
1907. Jena (1907), 20 Seiten.
Schmidt, Alexander (Limbach i. Sa.), seit 1913.
Schmidt, Georg (Berlin), 1895—98.
Über die Atmung ein- und mehrjähriger Blätter im
Sommer und im Winter. — Dissert. Leipzig 1902.
Schmidt, Richard Hermann (Steinhorst b. Rostock), 1889 — 90.
Über die Aufnahme und Verarbeitung von fetten Ölen
durch Pflanzen. — Dissert. Rostock 1891 — Flora Bd. 74,
(1891), S. 300.
Schnee, Friedrich (Hettstedt), 1904—06.
Über den Lebenszustand allseitig verkorkter Zellen. —
Dissert. Leipzig 1906.
Schönfeld, Erich (Borna), 19 11 — 13.
Über den Einfluß des Lichtes auf etiolierte Blätter. —
Dissert. Leipzig 1913.
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Bd. XXX, (1897), S. 423.
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Fig. 8.
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