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Jahrbuch

der

Goethe⸗-⸗Geſellſchaft

Im Auftrage des Vorſtandes herausgegeben von

Hans Gerhard Gräf

Achter Band

Weimar Verlag der Goethe⸗Geſellſchaft 1921

Wie ſchon im vorigen Bande angekündigt worden iſt, erſcheint das Jahrbuch mit dem vorliegenden Jahrgang in einer vergrößer⸗ ten Form, ähnlich der des alten Goethe-Jahrbuchs. Die dadurch be— | wirkte Vergrößerung des Satzſpiegels bietet im Verein mit einem =; engeren Druck die Möglichkeit, den Inhalt weſentlich zu erweitern. 5 Auch wird die neue Größenform für die Wiedergabe bildlichen Ma⸗ 5 terials günſtiger ſein als die alte. Von den dem gegenwärtigen Bande beigefügten Tafeln bedarf nur die erſte einer kurzen Erläuterung. Das zarte Bildchen, eine im Beſitz von Frau Dr. Malvina Buch⸗ holz in Halle, einer Enkelin Knebels, befindliche Bleiſtiftzeichnung, ſtellt ein Selbſtporträt der Prinzeſſin Karoline von Sachſen, der Tochter Karl Auguſts, dar, das dieſe, wie die Tradition des Knebel⸗ ſchen Hauſes berichtet, Knebel geſchenkt hat. Knebels Schweſter Hen⸗ riette war die Erzieherin und Freundin der jungen Prinzeſſin und folgte ihr, als fie den Erbprinzen von Mecklenburg⸗Schwerin heira⸗ tete, in die neue Heimat. Zwiſchen der jungen Fürſtin und dem Knebelſchen Geſchwiſterpaar ſpannen ſich ſchon früh zarte Fäden einer innigen Freundſchaft, die im Laufe der Jahre, als die Prinzeſſin heranwuchs, immer feſter wurde. In dem regen Briefwechſel zwiſchen den beiden Geſchwiſtern, den Düntzer 1858 herausgegeben hat, ſpielt die „Prinzeß“ eine große Rolle. Im Jahre 1811, nach der Verheira⸗ tung der Prinzeſſin, ſchreibt Knebel an ſeine Schweſter: „Ich freue mich nur, daß ſie ihren guten Sinn und ihr Gemüt beibehält; das iſt das wahre Hohe und Edle im Menſchen. Sie weiß Freunde zu ſchätzen und zu erhalten, und das durch innere, wahre Teilnehmung.“ . „Ihr immer gnädiges Andenken macht mich allein glücklich und er⸗ hält mich gleichſam noch. Wie groß iſt das Glück und das Verdienſt > echter Treue, die auf Geſinnungen gebaut iſt!“ Auch Goethe nahm eeein lebhaftes Intereſſe an ihr, und die Erwachſene war ſpäter ein ſtändiger Gaſt in ſeinem Hauſe, wenn er den Damen der vornehmen Goeſellſchaft naturwiſſenſchaftliche Vorträge hielt oder ſeine Kunſt⸗ (ſchätze vorführte und erläuterte. Sie zeigte von früh an Neigung und Talent zum Zeichnen und Malen, und Goethe ſchenkte dieſen Be⸗ mühungen gelegentlich ſeine Aufmerkſamkeit, ſo indem er ihr wieder⸗ holt eigene Zeichnungen ſandte und ihr im Jahre 1809, da ſie ſchon

IV Vorwort

das 23. Lebensjahr erreicht hatte, in dem Landſchaftsmaler Kaaz einen Lehrer vermittelte. Der Unterricht dauerte allerdings nur einige Monate, da Kaaz nach Dresden überſiedelte. In den Tag- und Jah⸗ resheften ſpricht er ihr einen ſchönen Sinn für landſchaftliche Zeich- nungen und die Gabe anmutiger Ausführung zu. Es entſteht nun die Frage, wann, wo und wie das hier vervielfältigte Selbſtporträt entſtanden ſein kann; da ergibt ſich nun die merkwürdige Tatſache, daß es ganz genau übereinſtimmt mit einem von dem Maler J. Roux angefertigten Paſtellbildnis der Prinzeſſin, das im Schlafzimmer der Herzogin Anna Amalia im Weimarer Wittumspalais hängt. Es kann demnach kaum ein Zweifel darüber herrſchen, daß unſer Bildchen, wenn die Tradition ſeiner Urheberſchaft ſicher iſt, eine von der Prin⸗ zeſſin angefertigte Kopie des Originals von Roup iſt, das hinter der Figur noch einen zart angedeuteten landſchaftlichen Hintergrund mit einem ſilbergrauen Himmel zeigt. Nun ſchreibt Henriette von Knebel am 23. März 1808 (Briefwechſel S. 331) an ihren Bruder: „Wenn Herr Roux [der in Jena lebte] wieder hierher kommt, ſo ſchicke ihn nur gerade zu mir herauf, ſonſt wird es nichts.“ Und am 28. Mai (ebenda S. 337): „An Herrn Roux habe ich nun ſelbſt alles beſorgt; denn er befindet ſich in dieſem Augenblick bei der Prinzeß, die er noch einmal malen ſoll, weil die Erbprinzeß das Bild, was er ſchon ge⸗ macht hat, für ſich behalten will.“ Roux hat alſo die Prinzeſſin zwei⸗ mal porträtiert, und zwiſchen den beiden Geſtaltungen hat wohl nur ein kurzer Zeitraum gelegen. Wahrſcheinlich wurde das eine Porträt im März, das zweite im Mai gemalt. Die Prinzeſſin war damals 22 Jahre alt.

Der Herausgeber des Jahrbuchs, Profeſſor H. G. Gräf, war durch Krankheit verhindert, den vorliegenden Band, der im Druck ſchon faſt beendet war, fertigzuſtellen. In ſeiner Vertretung hat dies der Unterzeichnete getan. :

Weimar, 27. Juni 1921. Julius Wahle.

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Über Goethe, den kosmiſchen Menfchen Von Gaſton Graul (Neuenahr)

Einleitung:

Bedeutung der Perſönlichkeit, kosmiſche Struktur derſelben; der empiriſche und kosmiſche Menſch. : Die Aufgabe.

£ (5° war im ganzen nicht meine Art, als Poet nach Verkörperung von er etwas Abſtraktem zu ſtreben. Ich empfing in meinem Innern Eindrücke, und zwar Eindrücke finnlicher, lebensvoller, lieblicher, bunter, hundertfältiger Art, wie eine rege Einbildungskraft es mir anbot; und ich hatte als Poet weiter nichts zu tun, als ſolche An- ſchauungen und Eindrücke in mir künſtleriſch zu ründen und aus⸗ zubilden.“ Mit dieſen Worten charakteriſiert Goethe Urſprung, Ent⸗ ſtehung und das Weſenhafte ſeiner künſtleriſchen Schöpfungen, die lebendiger Anſchauung, innerem Erleben entſpringen und ſomit = Offenbarungen ſeiner Perſönlichkeit ſind, nicht künſtleriſche For⸗ mungen ihm fremder Ideen, abſtrakter Begriffsbildungen. Die empirische Außenwelt gibt wohl den Reiz zum ſeeliſchen Erlebnis⸗ komplex ab, aber erſt in ihm entſteht ſpontan das künſtleriſche Motiv, das nun zur Darſtellung gelangt. Um dieſen geſtaltgeben⸗ den Sinn ſeiner Leiſtungen, der ihnen den ae 4 das

Be kin 9 Struktur ae erfaßt werden. Nur von dieſem Blickzentrum aus iſt ſein künſtleriſches Wollen in ſeiner Eigenart zu verſtehen und zu würdigen. Sind ſie aber Produkte

rausgewachſen iſt aus dem Eigenen, dem Naturhaften und dem rem - das aus der Umwelt in ihren mannigfachen eee

3 er ne chat der Perſonlichkel die Enftüſe d der Außen⸗ welt aufzunehmen. Kein Zweifel, daß bei Goethe der produktive, . = N Charakter der Perſönlichkeit den paſſiven, rezeptiven bei

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4 Abhandlungen

weitem überwiegt, er wäre ja ſonſt auch nicht als ſchöpferiſche In⸗ |

dividualität aufzufaſſen. Jeder pſychiſche Akt iſt aber ferner nicht nur Augenblick, Gegenwart, ſondern in ſich trägt er die inhalt- und form⸗ gebenden Kräfte, Tendenzen der individuellen wie genealogiſchen Ver⸗ gangenheit, die Tradition, die in jedem Erbgut liegt, und zielt auf die Zukunft; er iſt Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft zugleich. Die Richtung, nach der hin die pſychiſchen Kräfte ſich entwickeln, aus welchem Gut ſie ihren Inhalt ſchöpfen, das beſtimmt die Kultur⸗ arbeit eines jeden Menſchen, gibt ihm ſein Schickſal, ſeine dynamiſche Stellung in der Entwicklung des Lebens. Goethes Lebensarbeit war zukunftgerichtet, deshalb iſt er ein Pionier in der geiſtigen Kultur⸗ entwicklung. Hiermit tritt ſeine Perſönlichkeit weit heraus aus den Grenzen etwa der Literatur und Kunſt. Sein Leben gilt der ge⸗

ſamten gebildeten Menſchheit. Somit iſt es nicht nur aus Gründen und aus der Intereſſenſphäre von Kunſt, Literatur und Wiſſenſchaft

nötig, die Eigenart ſeines Schaffens zu erkennen, die eben dieſen pro⸗ duktiven, univerſell kulturellen Gehalt in ſich hegt und hervorbringt, ſondern dieſe Erkenntnis iſt nötig, um überhaupt das Weſen, das Eigenſte ſeiner Perſönlichkeit in ihrer pſychiſchen Struktur zu be⸗ greifen. Aus ſeiner Perſönlichkeit heraus verſtehen wir ſeine Kultur⸗ miſſion, die Tendenz ſeiner ſo zahlreichen Werke, den Sinn ſeines Lebens und Strebens. Dieſes Leben war bewußt, unabläſſig einer beſtimmten Seelenformung geweiht, die er als Reaktion gegen gegenſätzliche Anlagen erlangen mußte, um ſeine brünſtige Sehn⸗ ſucht nach Ausgleich, nach Harmonie befriedigen zu können.

Dieſe pſychiſchen Kräfte wurzeln nicht im logiſchen Verſtand, deſſen Gebiet die Ordnung des Empiriſchen, der Empfindungen, der Begriffe iſt. Sie entſpringen der transrationalen Bewußtſeins⸗ ſphäre, ſie ſind alogiſcher Natur und empfangen ihre Gültigkeit aus ihrem Erlebtwerden, ihre Sanktion aus der richterlichen Tätig⸗ keit des Gewiſſens, aus der im Erlebnis wurzelnden Überzeugung, die logiſch nicht bewieſen werden kann, einem Wahrheitsgefühl. Sie werden erlebt als Außerungen einer überbewußten Sphäre, als

Erfahrungen eines tranſzendenten Weltbewußtſeins. Sie ſind kos⸗

miſcher, nicht empiriſcher Natur.

Der empiriſche Menſch iſt pſychiſch orientiert nach den Ver⸗ ſtandeskategorien, ſein Bereich iſt die logiſche Ordnung, die Ab⸗ grenzung, Syſtematiſierung des empiriſch Gegebenen. Der kosmiſche Menſch iſt der Träger jenes unmittelbaren Wahrheitsgefühles, teil⸗ zuhaben und abhängig zu ſein von einer höheren Bewußtſeinskraft, die als eine kosmiſche unräumlich und ewig iſt, aus der der eigent⸗ liche Sinn irdiſchen Lebens ſtrömt. Der kosmiſche Menſch fühlt ſich als dynamiſches Glied einer kosmiſchen, dynamiſchen Totalität. Wahres Leben iſt ihm in dieſem urſprünglichen Kosmiſchen gegeben, nicht im zeitlich Empiriſchen. Alle logiſch-empiriſche Erkenntnis

über Goethe, den kosmiſchen Menſchen 5 kann ihm nur eine relative ſein, im kosmiſchen Gefühlserlebnis findet er abſolute Werte, die er freilich nach ſeiner kosmiſchen pfychi= ſchen Struktur erfaſſen wird. Sollen mithin Menſchenwerke dieſem wahren Sinn des Lebens, als einer Offenbarung des ewigen, grenzen⸗ loſen höheren Lebens, Ausdruck geben, jo müſſen ſie aus der fosmi- ſchen Pſyche entſpringen. Die Aufgabe iſt ſomit geſtellt, den Nach⸗ weis kosmiſchen Seelengehaltes als ſchöpferiſches Prinzip zu führen und ferner die Art und Weiſe ſeines Ausdruckes näher zu beſtimmen.

Methodik. Philoſophiſche Betrachtung. Kosmiſche Kategorien.

Es erhebt ſich dabei die Frage nach der Unterſuchungs-Methodik, die kurz beſprochen werden muß. Von vornherein wird eine empirijch- hiſtoriſche Betrachtungsweiſe ſeines Lebens, ſeiner Werke unmöglich zum Ziele führen können. Aus einem Aneinanderreihen von abge⸗ grenzten Tatſachen läßt ſich ein immanentes dynamiſches Geſetz nicht empiriſcher Natur insbeſondere niemals entdecken. Ebenſowenig wird die empiriſch orientierte Pſychologie dazu verhelfen. Auch fie vermag alogiſche ſeeliſche Strebungen nicht zu analyſieren, fie bewertet ſee⸗ liſche Vorgänge nicht, weiſt nur aſſoziative Verknüpfungen formali⸗ ter nach. Nur eine philoſophiſche, bezw. philoſophiſch-pſychologiſche Unterſuchung und Methodik wird den zu ſtellenden Anforderungen gerecht. Denn Philoſophie iſt Bewertungswiſſenſchaft und Totalitäts⸗ wiſſenſchaft. Ihre Aufgabe iſt es, alles Singuläre in und durch ein übergeordnetes Prinzip zu faſſen, zu bewerten und zu einer organi⸗ ſchen Einheit zu bringen. Neben die Erkenntnisarbeit alles Logiſchen tritt ihr eigentümlichſtes Gebiet, die Beziehungen zum Alogiſchen, Tranſzendenten zu erforſchen, neben die naturwiſſenſchaftliche, prag⸗ matiſche Kauſalbetrachtung die richtunggebenden pſychiſchen geſetzli— chen Verbindungen aufzudecken, die allem lebendigen Werden, Wan⸗ deln immanent ſind, die wir als pſychiſche Richtungskräfte, Entele⸗ chien bezeichnen. Sie ſucht den kosmiſchen Sinn des Lebens in der Erſcheinungswelt, erklärt und deutet jede Lebenserſcheinung im fo3- miſchen Zuſammenhang. Sie ſetzt dem Relativen in der empiriſchen Erkenntnis, zumal wenn ſie auf dem Grund eines Senſualismus, eines logiſchen oder naiven Realismus ſich aufbaut, kosmiſche All⸗ gemeingültigkeit (natürlich in praxi nur ſo weit, als es ſich um gleich ſtrukturierte Pſychen handelt) entgegen. Soweit die Pſychologie nicht pſychiſche Einzelakte beurteilt, ſondern auf Grund ausgearbeiteter pſy⸗ chiſcher Typen die Einzelfunktion als Außerung einer übergeordne⸗ ten, allgemeineren pſychologiſchen Struktur betrachtet, vermag ſie 3. T. dieſer Aufgabe zu genügen. Gegenüber aber der philoſophiſchen Betrachtung erachte ich dieſe Typenpſychologie als etwas Sekundä— res, ſie konſtruiert auf Grund der urſprünglicheren, a priori gegebenen, genetiſch nicht weiter auflösbaren, darum notwendigen Grundwahr⸗ heiten, die wohl primär aus dem pſychiſchen Erlebnis ſtammen, die

6 | Abbandlungen

aber verbunden find mit pfychifchen Forderungen. Sie enthalten in

ſich die Dignität einer Vernunftordnung, fie ſtellen ſeeliſche Bezie⸗ hungen her. Dieſer ihr philoſophiſcher Wert erhebt dieſe Vernunft⸗ akte über die Tatſächlichkeit eines individuellen phyſiologiſch-pſychi⸗ ſchen Vorganges.

Dieſe Gefühlskomplexe, die elementar unſer Wollen anregen, len⸗ ken, ſind gleichſam kosmiſche Schemata oder Kategorien, Funktionen

der übergeordneten kosmiſchen Bewußtheit zur Einordnung ſeeliſcher

Vorgänge in das umfaſſende kosmiſche Prinzip, das a priori als über⸗ individuelle Vernunft gegeben iſt, wie etwa die Verſtandeskategorien Ordnungsformen zur Ermöglichung der Verſtandeserkenntnis ſind.

Die Identität, die notwendige Einheit der einzelnen Empfindungs⸗ und Denkakte, wird durch ſynthetiſche Apperzeption des Verſtandes bedingt. Ebenſo verfügt die Vernunft als der kosmiſch orientierte

Bewußtſeinsteil über eine ſynthetiſche Fähigkeit zur Identität des kosmiſchen Erlebnisaktes mit dem Subjekt. Durch ſeine ſympathiſche

Einfühlung nimmt das Bewußtſein das kosmiſche Element auf und bewertet, ordnet es als ein ethiſch-kosmiſches, religibs-kosmiſches, künſtleriſch⸗kosmiſches. Ethik, Religion, Kunſt laſſen ſich auffaſſen als ſpeziell geordnete kosmiſche Schemata.

Beſteht nun in Goethes geiſtiger Struktur eine beſondere Auf⸗ nahmefähigkeit für kosmiſchen Inhalt, ſo muß dieſer ſich in der Form eines der genannten Schemata äußern, als ein kosmiſcher Inhalt im Gewand der Ethik, der Religion oder der Kunſt. Alle drei Schemata ſind aber Formen philoſophiſcher Art und beweiſen eine ſpezifiſch⸗ philoſophiſche Geiſtesſtruktur, die nicht nach dem Empiriſch⸗logiſchen,

ſondern eben nach dem alogiſchen, tranſzendenten Kosmiſchen orien⸗

tiert iſt.

Dieſe Unterſcheidung philoſophiſchen Denkens iſt von Wichtig⸗

keit, zumal Goethe ſich häufig dahin ausgeſprochen hat, für Philoſo⸗ phie im eigentlichen Sinne habe er kein Organ gehabt, vielmehr habe er ſich von der Philoſophie ſtets frei gehalten.

Er denkt bei dieſer deutlichen Abſage jedoch an die ſpekulative Be⸗ griffsphiloſophie. Bekannt iſt ja, wie er im Fauſt' an verſchiedenen Stellen über dieſelbe ſpottend urteilt. Im Gegenſatz zur Philoſophie betont er vielmehr den Standpunkt des gefunden Menſchenverſtandes.

Syſtematik hat er nie ausgeübt. Grauen Theorien gegenüber betont er die Wahrheit der reinen Natur, des Natürlichen. Sie irre niemals, dagegen ſei alles verfälſcht, was uns von der Natur trennt.

Dennoch iſt Goethe eine durchaus philoſophiſche Natur, jedoch iſt

ſie auf das Kosmiſche orientiert. Seinem Geiſtesleben iſt die Rich? tung auf das Allgemeine, auf das Synthetiſche, auf die Erfaſſung

immanenter Lebensprinzipien in den Dingen der Natur durchaus,

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und zwar in charakteriſtiſcher Weiſe, eigen. Denken, Fühlen, Streben

ringen nach Ganzheit, nach kosmiſcher Einheit. In ſeinem Welter⸗

= oftreben beſteht Ganzheit nicht im Vielwiſſen, nicht in enzy⸗ 5 lopädiſcher Ausdehnung einzelner Wiſſenſchaften obwohl er zu denen gehört, die gleich Solon „lernend alt werden“ —, ſondern es handelt ſich um Erweiterung, Vertiefung der geſamten kosmiſchen Seeinsſphäre, um das Singuläre, Vergängliche, räumlich Gebundene im Licht eines höheren Totalitätsgeſetzes zu erfaſſen, zu bewerten, um das Einzelne als Symbol des Allgemeinen zu begreifen. Er ſucht es einzureihen als dynamiſchen Faktor in funktioneller Wechjelbezie- hung in das Ganze des Lebens. Das Einzelne des Objekts beſteht nicht für ſich, er ſieht es als ein Typiſches, als die Erſcheinungsform eines kosmiſchen Prinzipes. Die Fähigkeit und die Tendenz, im Ein⸗ zelnen das Symbol einer kosmiſchen Totalität zu ſehen, war eine Er Grundeigenſchaft ſeiner Individualität, ihre naturbedingte Auße⸗ x rung, die ihn in Gegenſatz zur empirischen Forſchungsmethode ſtellt.

Symboliſche Auffaſſung.

Über ſeine Fähigkeit, die Gegenſtände ſymboliſch zu betrachten, ſchreibt er z. B. an Schiller: „Symboliſch betrachtete Fälle ſind emi⸗ nente Fälle, die in einer charakteriſtiſchen Mannigfaltigkeit als Re⸗ präſentanten von vielen anderen daſtehen, eine gewiſſe Totalität in ſich ſchließen und ... von außen wie von innen an eine gewiſſe Ein- heit und Allheit Anſpruch machen.“ Ein bekanntes Goethe-Wort lau⸗ tet: „Alle unſere Erkenntnis iſt ſymboliſch.“ Dadurch, daß die Er⸗

kenntnis als Repräſentant des Typiſchen gewertet werden darf, wird

ſie zu einer heuriſtiſchen Theorie. In dieſem Sinn muß wohl ſein Wort aufgefaßt werden: das Höchſte ſei, zu begreifen, daß alles Fak⸗ tiſche ſchon Theorie ſei. Theorie iſt in ſeinem Sinne Repräſentation des Tpypiſchen in anſchaulicher Idee, im ſog. Urphänomen. Das Sym⸗ ie bol bedeutet alſo etwas Urſprünglicheres. „Ein Faktum unſeres Le⸗ bens gilt nicht, inſofern es wahr iſt, ſondern inſofern es etwas zu be⸗ deuten hat.“

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# . * Perſönlichkeit, Individualismus, Kollektivismus. 3 Engſtens verbunden mit der ſymboliſchen Auffaſſung alles Einzel⸗ nen iſt notwendigerweiſe ſeine Wertſchätzung der individuellen Per⸗ ſönlichkeit. Perſon fein heißt: ein Selbſtändiges, Lebendiges, Aktives ſein gegenüber dem Kauſalabhängigen, dem Leidenden, der Sache. Individuelle Perſönlichkeit iſt der Menſch, wenn er gegenüber ſeiner geſamten Umwelt eine ſelbſtändige Qualitätsgröße iſt, wenn ſeine funktionellen Beziehungen zur Umwelt den Urſprung aus einer in⸗ dividuellen Seelenkonſtitution erkennen laſſen. Goethes Auffaſſung der Perſönlichkeit iſt eine Abweiſung jeder mechaniſchen, kauſal ge⸗ richteten naturwiſſenſchaftlichen Erfaſſung des Weltgeſchehens. Denn = dieſe baut ein Ganzes aus der Summation abgegrenzter Teile auf. 3 Es iſt die Abweiſung einer kollektiviſtiſchen Bewertung und Deutung

8 Abhandlungen

der ſozialen Erſcheinungsformen, Verwerfung eines überragenden Milieuſtandpunktes gegenüber dem Individuum zugunſten der dy⸗

namiſchen Totalität, die nicht ein Denkſyſtem iſt, ſondern eine leben-

dige Ganzheit aus Qualitätsgrößen, aus Perſönlichkeiten dynami⸗ ſcher Eigenart, die durch ihre pſychiſchen funktionellen Beziehungen zu⸗ einander eine lebendige Kontinuität bilden. Die Einzelformen ſtreben alſo nicht auseinander. Totalität verlangt ſomit Individualität und einen immanenten Kollektivismus. So muß auch Goethe neben ſei⸗ nen auf das Individuelle gerichteten Strebungen ſolche aufweiſen, die um der Totalität und der in ihr ruhenden Harmonie willen den Forderungen notwendiger Kollektivität genügen. „Im Grunde aber ſind wir alle kollektive Weſen, wir mögen uns ſtellen, wie wir wol⸗ len, ſowohl von denen, die vor uns waren, als von denen, die mit uns ſind. Selbſt das größte Genie würde nicht weit kommen, wenn es alles ſeinem eigenen Innern verdanken wollte.“ Deutlich erkennt

er hier die Bedeutung von Kulturtradition, Kulturkonvention an.

Durch Anerkennung der kollektiven Notwendigkeiten lehnt er jeden Solipſismus ab. In dieſem Sinn ſpricht er zu Eckermann: „Jeder muß ſich eigentlich als ein beſonderes Weſen bilden, aber den Be⸗ griff zu erlangen ſuchen, was alle zuſammen find.”

Iſt die Perſon nur eine beſondere Form des kosmiſchen Lebens, ſo iſt ſie als Lebensteil unſterblich. Goethe war überzeugt von einem Leben nach dem Tode. „Ich zweifle nicht an unſerer Fortdauer, denn die Natur kann die Entelechie nicht entbehren.“ Entelechie iſt gleich⸗ bedeutend mit der lebendigen Kraft der Perſönlichkeit.

Aus den bisherigen Betrachtungen erhellt der philoſophiſche Grund⸗ zug ſeiner Individualität, die nicht empiriſch, ſondern kosmiſch, uni⸗ verſell und harmoniſch orientiert war. Die höchſte Wiſſenſchaft war ihm eine ſolche Philoſophie. Riemer gegenüber äußert er ſich: „Die Wiſſenſchaften einzeln ſind gleichſam nur die Sinne, mit denen wir den Gegenſtänden Face machen. Die Philoſophie oder die Wiſſen⸗ ſchaft der Wiſſenſchaften iſt der sensus communis.“

Totalitätsſinn.

Sein ganzes Wirken als Wiſſenſchaftler, Künſtler, ſein Verhältnis zu den ſozialen Gemeinſchaftsformen, den religiöſen Fragen iſt ſomit getragen und beſtimmt von einem philoſophiſchen Sinn, deſſen Grund⸗ tendenzen auseinandergeſetzt wurden. Aus der Totalitätsanſchauung entſpringt ſeine naturwiſſenſchaftliche Betrachtungsweiſe, ſeine Über⸗ zeugung der biologiſchen Kontinuität, der morphologiſchen Metamor⸗ phoſe, der funktionellen Korrelationen alles Einzelnen untereinander und zum Ganzen. Vorzugsweiſe ſetzt er die Art ſeiner Naturauffaſ⸗ ſung in der Einleitung zur Morphologie der Pflanzen auseinander. Wir leſen da z. B.: „Jedes Lebendige iſt kein Einzelnes, ſondern eine Mehrheit; ſelbſt inſofern es nur als Individuum erſcheint, bleibt es

über Goethe, den kosmiſchen Menſchen 9

doch eine Verſammlung von lebendigen, ſelbſtändigen Weſen, die der Idee, der Anlage nach gleich ſind, in der Erſcheinung aber gleich oder ähnlich, ungleich oder unähnlich werden können.“ Es iſt dies die Lehre der Homologie der Organe, daß urſprünglich gleichangelegte Or— gane ſich morphologiſch wie funktionell verändern können (Schwimm⸗ blaſe der Fiſche, Lunge der Säugetiere z. B.). „Daß nun das, was der Idee nach gleich iſt, in der Erfahrung entweder als gleich oder als ähnlich, ja ſogar als völlig ungleich oder unähnlich erſcheinen kann, darin beſteht eigentlich das bewegliche Leben der Natur.“ Leben iſt alſo Entwicklung, Differenzierung. Aus ſeinem Totalitätsſinn er⸗ wachte als Reaktion gegen Linnés botaniſche Lehren, die feinem We⸗ ſen widerſtreiten mußten, das Bedürfnis, ſich mit Naturwiſſenſchaft zu beſchäftigen. „Denn indem ich ſein ſcharfes, geiſtreiches Abſondern, ſeine treffenden, zweckmäßigen, oft aber willkürlichen Geſetze in mich aufzunehmen verſuchte, ging in meinem Innern ein Zwieſpalt vor: das, was er mit Gewalt auseinanderzuhalten ſuchte, mußte, nach dem innerſten Bedürfnis meines Weſens, zu Vereinigung anſtreben.“ Der Totalitätsſinn fordert eine ſynthetiſche Naturbetrach— tung. Am Ende der italieniſchen Reiſe, in Sizilien, leuchtet ihm nach langem Durchdenken die urſprüngliche Identität aller Pflanzenteile vollkommen ein.

In der Abhandlung Der Verſuch als Vermittler von Objekt und Subjekt' ſteht: „In der lebendigen Natur geſchieht nichts, was nicht in einer Verbindung mit dem Ganzen ſteht. Da alles in der Natur, beſonders aber die allgemeinen Kräfte und Elemente, in einer ewigen Wirkung und Gegenwirkung ſind, ſo kann man von einem jeden Phänomen ſagen, daß es mit unzählig anderen in Verbindung ſtehe.“ Alſo nicht als vereinzelte, vom Ganzen losgetrennte, für ſich be= ſtehende Erſcheinung d. h. empiriſch iſt ein Naturgeſchehen zu betrachten, ſondern in ſeinem funktionellen Zuſammenhang. Aller⸗ dings trennt ihn eine ſolche Anſchauungsweiſe von der objektiven empiriſch notwendigen Einzelforſchung, die zuerſt den Gegenſtand analyſieren muß, bevor ſeine Betrachtung im funktionellen Zuſam⸗ menhang, in philoſophiſcher Weiſe erfolgverſprechend erſcheint. Ana⸗ luyſe und Syntheſe find notwendig je nach dem Ziel der Unterſuchung. Goethes philoſophiſche Struktur trennt ihn im wichtigſten Punkt von dem von ihm jo verehrten Spinoza ich verweiſe auf ſeine An⸗ ſchauung der Kontinuität alles Lebendigen, auf ſeine Auffaſſung der ſelbſtändigen Perſönlichkeit und zeigt ihn im Lichte der Leibnizſchen Weltauffaſſung, die Selbſttätigkeit, dynamischen Zuſammenhang der Individuen, der Monaden poſtuliert.

Synthetiſche, intuitive Erkenntnis; Urphänomen.

Jede Erkenntnis drückt ſich in einer Ausſage, einer beſtimmten Urteilsform aus, die das Subjekt über das Objekt fällt, nachdem

10 Abhandlungen

eine funktionelle Beziehung zwiſchen beiden hergeſtellt iſt. Die Er⸗ 8 E kenntnisform muß ſomit abhängig fein von der Beziehungsart wis

ſchen beiden; wir unterſcheiden ſubjektive, objektive Ausſagen. Trotz

aller Wandlungen, die Goethes wiſſenſchaftliches Denken durhmadte, indem er beſonders unter dem Einfluß Schillers, des methodiſchen

Denkers und Kantianers, den regulatoriſchen Kräften der Verſtandes⸗ reflexion mehr Raum gab als früher, bleibt die Tendenz ſeines wiſ⸗

ſenſchaftlichen Denkens ſtets eine ſynthetiſche, realiſtiſche und kos⸗

miſch orientierte. Bei ihm ſchrieb nicht der Verſtand den Dingen die

Geſetze vor, ſondern ſuchte ſie aus der reellen Dingwelt, im Symbol

zu erfaſſen.

Pſychologiſch war ſein Denken durchaus konkret-viſuell. „Ich glaubte wirklich, ich ſähe meine Meinung vor Augen.“ Das Geſetz⸗ liche abſtrahiert er nicht auf Grund von abſtrakten Denkbegriffen, ſondern erklärt es im ſog. Urphänomen, der bildlichen Idee, womit die Grenze der Erfahrungsmöglichkeit erreicht iſt. Ein Weiteres ſolle der Menſch nicht dahinter ſuchen. Die Idee des Urphänomens iſt aber nicht eine theoretiſche Idee, ſondern fie iſt ihm Anſchauung, Erleb⸗ nis. In gewiſſem Sinn könnte man ſagen, daß Goethe einem naiven Realismus huldigte, der die Objekte für das erklärt, wofür er ſie an⸗ ſchaut und vermeintlich erkennt und in der Erkenntnisdeutung den ſubjektiven Faktor, der in jedem Denk- und Erkenntnisakt unbedingt liegen muß, vernachläſſigt. Jedoch kann ich in voller Uneingeſchränkt⸗ heit dies nicht einräumen. Naiver Realismus iſt überhaupt kein wiſſenſchaftliches, philoſophiſches Denken, denn dieſes ſucht Geſetz⸗

lichkeit für die Erſcheinungswelt in irgendeiner Form. Wiſſenſchaft⸗

liches Denken iſt ſtets auch ein formales Denken, das abhängig iſt von einem formgebenden Bewußtſeinsakt. Auch Goethes Denken iſt ein wiſſenſchaftliches, formales, ſonſt könnte er ja nicht philoſophi⸗

ſcher Natur ſein. Das Formprinzip iſt bei ihm jedoch nicht ein logiſch⸗

abſtraktes, eine abſtrakte Theorie, ſondern ein Bewußtſeinsinhalt aus einem pſychiſchen Erlebnis, eben die im Urphänomen angeſchaute Idee. Sie gibt ſeiner Forſchung Richtung und das Kriterium der Wahrheit ab und zwar nach verſchiedenen Seiten hin, denn wir hörten ja, wie ſich im Urphänomen als Entfaltung lebendiger Tota⸗ lität Kontinuität, Metamorphoſe, Korrelation, Differenzierung zur Einheit verdichten.

Phänomenologiſcher Realismus.

Sein Realismus kann im Gegenſatz zum logiſchen Begriffsrealis⸗ mus phänomenologiſch genannt werden; gleichzeitig iſt ſeine Philo⸗ ſophie und Weltanſchauung eine Identitätsphiloſophie, denn alle Erſcheinung iſt nur eine Objektivation eines ihr immanenten geiſtigen

Prinzipes. Materie und Pſpychiſches find in letzter Linie identiſch, ſie

find polare Erſcheinungsgegenſätze eines Abſoluten, Tranſzendenten.

5

über Goethe, den kosmiſchen Menſchen 11

r.. c ( en eye Sein Anſchauen iſt ſein wiſſenſchaftliches Denken in Form einer intuitiven Erkenntnis. Schiller ſchreibt ihm in ſeinem berühmten Brief vom 23. Auguſt 1794, in dem er ſich über Goethes Entwid- lung ausſpricht: „In Ihrer richtigen Intuition liegt alles und weit 2 vollſtändiger, was die Analyſis mühſam ſucht, und nur weil es als 3 ein Ganzes in Ihnen liegt, iſt Ihnen Ihr eigener Reichtum ver⸗ RR borgen; ... Sie nehmen die ganze Natur zuſammen, um über das 5 Einzelne Licht zu bekommen; in der Allheit ihrer Erſcheinungsarten = ſuchen Sie den Erklärungsgrund für das Individuum auf.“ In einem ſpäteren Brief ſchreibt Schiller: „Ihr Geiſt wirkt in einem außer⸗ ordentlichen Grade intuitiv, . . . Im Grund tft dies das Höchſte,

was der Menſch aus ſich machen kann, ſobald es ihm gelingt, ſeine Anſchauung zu generaliſieren und ſeine Empfindung geſetzgebend zu

machen.“ Naturanſchauung; Pantheismus.

Aus dem lebendigen Totalitätsſinn entſpringt ſeine pantheiſtiſche Weltauffaſſung, die das Göttliche in jeder Naturerſcheinung ſymbo⸗ liſiert erſchaut. Natur iſt ihm nicht eine kauſal verknüpfte, empiriſche Dingwelt, nicht die mechaniſtiſche Atomiſierung derſelben, auch nicht eine logiſche Vernunftgeſetzlichkeit, ſondern ſie iſt eine Erlebnisform

. des Tranſzendenten, ſie iſt die Identität vom Göttlichen und dem E Gewordenen, ſie it eine Gott⸗Natur, wo in Baum und Buſch, in Luft 3 und Waſſer unſere Brüder leben. Natur wird zu einem metaphyſi⸗

ſchen Bewußtſeinsinhalt, ſie iſt Offenbarung des Weltgeiſtes, in ihr erkennen wir ſymboliſch die Quellen alles Lebens, an denen Himmel und Erde hängt. Neben dem urſprünglichen Totalitätsſinn zeigt eine ſolche Seelenſtimmung, da ſie gefühlsgetragen iſt, auch ſtarke Sym⸗ pathiebewegungen, neigt auch zum Myſtiſchen, zur Schwärmerei, wie wir fie z. B. bei Giordano Bruno, bei Franz von Aſſiſi antref⸗ fen. Um die Stimmungsähnlichkeit mit Goethe zu charakteriſieren, 22 führe ich eine Strophe aus dem Sonnengeſang des heiligen Franzis⸗ kus an:

Geprieſen ſei, mein Herr, durch unſere Brüder, den Mond und die Sterne,

Die du haſt am Himmel gebildet ſo ſchön, ſo helle.

Geprieſen ſei, mein Herr, durch unſeren Bruder, das Feuer,

Durch das du die Nacht erhellſt,

Und er iſt ſchön und freudig und ſtark und gewaltig.

Diithyrambiſch gehoben klingt die Sprache in Goethes Aufſatz Die . Natur', der im Jahre 1782 erſchien, überfließend iſt das urſprüng⸗ Hide Gefühl der Sympathie. Ich führe einige Sätze an: Bi Sie ld. h. die Natur] hat keine Sprache noch Rede, aber fie ſchafft Zungen Re und Herzen, durch die fie fühlt und Spricht. Ihre Krone ift die Liebe. Nur g durch ſie kommt man ihr nahe. Durch ein paar Züge aus dem Becher der Liebe hält ſie für ein Leben voll Mühe ſchadlos. Alles iſt immer da in ihr. Ver⸗ gangenheit und Zukunft kennt ſie nicht. Gegenwart iſt ihr Ewigkeit. Sie iſt gütig. Sie iſt weiſe und ſtill.

12 Abhandlungen

Aus dieſen wenigen Sätzen erhellt die tiefe Inbrunſt, mit der Goethe ſie erlebt, erfühlt, wie hoch die Gefühlsregungen der Einfüh⸗ lung, der Sympathie wogen, wie er ſie mit den Augen der Liebe, der Gemeinſchaft betrachtet.

Iſt nicht der Kern der Natur

Menſchen im Herzen? heißt ein bekannter Spruch, der hier anzuführen iſt. Entſteht ſie nicht in ihrem Weſen im Herzen der Menſchen, liegt ſie nicht in feiner _ tiefſten Innerlichkeit, hängen Natur und Menſch nicht an einer ge⸗ meinſamen Lebensader? Ein ſolcher Pantheismus hat innerlich keine Gemeinſchaft mit dem formalen pantheiſtiſchen Syſtem Spinozas, das modo geometrico die Welt, die Natur erfaßt.

Gott lebt, wirkt in der Totalität.

Was wär ein Gott, der nur von außen ſtieße, Im Kreis das All am Finger laufen ließe! Ihm ziemts, die Welt im Innern zu bewegen, Natur in Sich, Sich in Natur zu hegen,

So daß, was in Ihm lebt und webt und iſt, Nie Seine Kraft, nie Seinen Geiſt vermißt.

Solche Worte drücken klar eine Abſage jeder deiſtiſchen Gottes- auffaſſung aus, wie ſie in der Aufklärungszeit üblich war.

Wahrheit, Harmonie.

Sein Verhältnis zur Natur iſt kosmiſcher Art. Als kosmiſche Ka⸗ tegorien führen wir an ethiſche, religiöſe, künſtleriſche. Erfüllen ſie ihren Zweck als Kriterien? entſpricht ihnen das Reſultat der Auf- gabe, kosmiſchen Inhalt in Goethes pſychiſcher Struktur nachzuwei⸗ ſen? Als Formen eines Prinzipes ſtehen ſie miteinander in engſter organiſcher Verbindung und werden mit dem übergeordneten kos⸗ miſchen Prinzip durch die Tatſache innerer Wahrheit zuſammenge⸗ halten, denn Wahrheit liegt in jedem innerlich bedingten, organiſch notwendigen unlösbaren Zuſammenhang. Wahrheit liegt im Zu⸗ ſammenhang der einzelnen Kategorien mit dem höheren formalen Prinzip. Soll Goethes pſychiſche Struktur im Hinblick auf das Kos⸗ miſche den einzelnen Kategorien genügen, ſo muß auch in ihm ein Wahrheitsgefühl kosmiſcher Art lebendig ſein; er muß eine „wahre“ Seelenſtimmung haben. Goethe war eine Natur der Wahrhaftigkeit. Deshalb ſein unermüdliches Arbeiten an ſich jelbit, um dem Wahren in ihm, was er als das Wahre erkannt hatte, Wirklichkeit zu ver⸗ ſchaffen in allen ſeinen Betätigungen in Kunſt, Wiſſenſchaft, Reli⸗ gion, in allen ethiſchen Beziehungen. Ließe ſich ihm Heuchelei nach⸗ weiſen, ſo wankte unbedingt der kosmiſche Aufbau. So feſt war aber ſein Wahrheitsgefühl, daß er ſagen konnte: „Irrtum iſt eine Falſch⸗ heit.“

Es iſt nötig, den Wahrheitsbegriff weiter zu entwickeln. Wahrheit iſt die Übereinſtimmung des Denkobjektes mit dem formalen Denk⸗

BL

über Goethe, den kosmiſchen Menſchen 13

prinzip; ſie iſt alſo davon abhängig, in welchem Punkt, in welcher Beziehung, in welchem Umfang eine Übereinſtimmung herrſchen ſoll. Anders iſt die phänomenologiſche Wahrheit des Erlebniſſes, anders die objektive logiſche Denkwahrheit, eine andere die Wahrheit des naiven Realiſten, eine andere die des Begriffsrealiſten. Eine Wahr⸗ heit, die ſich auf das Kriterium der Zweckmäßigkeit gründet, iſt die pragmatiſche. Verſteht man unter Zweckmäßigkeit empiriſchen Uti⸗ litarismus, ſo iſt dieſe praktiſche Wahrheit eine ſekundäre und gar nicht mit den anderen Wahrheitsformen zu vergleichen, die in ſich, um ihrer ſelbſt willen das Wahrheitskriterium tragen. Betrachtet man jedoch die Zweckmäßigkeit als die jedem Geſchehen inliegende biolo- giſche Lebenstendenz, als ein immanent Pſychiſches, jo erhält dieſe jog. pragmatiſche Wahrheit Unmittelbarkeit, fie iſt dann eine bio- logiſche, damit urſprüngliche, aprioriſtiſche Wahrheit. Nur in dieſem Zuſammenhang gehört ſie ebenfalls zu der kosmiſchen Wahrheit. Dieſe kosmiſch⸗pragmatiſche Wahrheit war auch in Goethe lebendig. Bekannt iſt ſein Wort: „Was fruchtbar iſt, allein iſt wahr,“ oder: „Ich habe gemerkt, daß ich den Gedanken für wahr halte, der für mich fruchtbar iſt, ſich an mein übriges Denken anſchließt und zu⸗ gleich mich fördert. Nun iſt es nicht allein möglich, ſondern natür⸗ lich, daß ſich ein ſolcher Gedanke dem Sinn des Andern nicht an⸗ ſchließt, ihn nicht fördere, wohl gar hindere, und ſo wird er ihn für falſch halten.“ Pragmatiſche und logiſche Wahrheit können ſich na- türlich widerſprechen, denn ihr Kriterium iſt ein anderes, doch müſſen ſie, da ſie kosmiſchen Urſprungs ſind, in eine übergeordnete Wahr⸗ heit ſich harmoniſch eingliedern laſſen. Pragmatiſche Wahrheiten, die Gewiſſenskonflikte auslöſen, die in unüberbrückbarem Gegenſatz zur Religion, Ethik ſtehen, ſind keine urſprünglichen, naturnotwen⸗ digen, ſondern empiriſche, utilitariſtiſche. Goethes Pragmatismus iſt nicht dieſer Art. Bei der Frage nach der Fruchtbarkeit einer Er⸗ kenntnis hat er ihr Vermögen, weitere Wahrheitserkenntnis zu ver⸗ leihen, im Auge. Seine geſamte Produktivität atmet ethiſche und religiöſe Grundſtimmung, iſt kosmiſchen Charakters. Deshalb ſtimmt für ihn ſein Wort, daß der Irrtum, d. h. die falſche Wahrheit, eine Falſchheit alſo ein moraliſcher Defekt iſt. „Auch ein nützlicher

Irrtum iſt ſchädlich.“ Dieſem Grundſatz einer pragmatiſchen Wahr⸗

heit begegnen wir auch bei Spinoza, wenn er das für gut hält, was uns ſicher nützlich ſei, das Ideal zu erreichen.

Ein anderes wichtiges Wort zur Wahrheit lautet: „Kenne ich mein Verhältnis zu mir ſelbſt und zur Außenwelt, ſo heiß' ich's Wahrheit.“ Jeder Organismus ſteht in funktionellen Wechſelbezie⸗ hungen zur Umwelt. „In der lebendigen Natur geſchieht nichts, was nicht in einer Verbindung mit dem Ganzen ſteht.“ Nie iſt der Menſch iſoliert; aus den Gemeinſchaftsbeziehungen erwächſt ſein Le⸗ ben. Sein Verhältnis zur Außenwelt kennen, iſt eine logiſche Ein⸗

14 Abhandlungen

ſicht auf Grund biologischer Naturwahrheit. „Die Wahrheit fordert, .

daß wir uns für beſchränkt erkennen ſollen, der Irrtum ſchmeichelt

uns, wir ſeien auf ein oder die andere Weiſe unbegrenzt.“ Aber

nicht nur ſein Verhältnis zur Außenwelt gilt es zu erfaſſen, ſondern

ſein eigenes Ich. Auch dieſer Trieb entſpringt der ſynthetiſchen Auf—

faſſung, ſeinem Totalitätsſinn. Das eigene Ich muß wie jede andere

Naturerſcheinung ſymboliſch erfaßt werden, nicht nur als ein ſubjek⸗

tives Erlebtwerden, ſondern als ein typiſches, objektives. Der Menſch muß es lernen ſich zu objektivieren, indem er „all ſein Wirken und

Leiſten nur ſymboliſch“ anſieht.

Künſtlertum.

Wir kommen zu ſeiner Betrachtung unter den Vernunftformen der Kunſt, der Religion, der Ethik.

Durchaus war ſich Goethe ſeiner Künſtlernatur bewußt. So ſagt er einmal: „Für uns andere, die wir doch eigentlich zu Künſtlern geboren ſind, bleiben doch immer die Spekulation und das Studium der elementaren Naturlehre [d. h. alſo der ſyſtematiſchen Naturlehre] falſche Tendenzen.“ Auf ſeine künſtleriſche Struktur weiſt in erſter Linie ſeine intuitive Erkenntnisſchau. Der Künſtler erſchaut intuitiv in einem äußeren Vorgang, in einem Objekt ein von allem Indivi⸗ duellen, von der Raumzeitlichkeit befreites Weſenhaftes, das ihm zum künſtleriſchen Motiv wird, ſeine Idee repräſentiert, die er im Kunſtwerk vergegenſtändlicht. Der Künſtler iſt in der Intuition kosmiſch orientiert, ihm erſchließt ſich in derſelben ein künſtleriſches Phänomen, das dem auslöſenden Gegenſtand, dem äußeren Vor⸗ gang als pſychiſch kosmiſcher Anteil immanent iſt. E

Im Moment der Intuition erlebt der Künſtler das Weſenhafte des Objektes; es muß hierzu auslöſend auf ihn wirken. Potentiell muß das Erlebnis des Phänomens im Objekt bereitliegen; es muß eine funktionelle Beziehbarkeit zwiſchen dem Künſtler und dem aus⸗ löſenden Motiv im Hinblick auf das phänomenale Erlebnis vorhan⸗ den ſein. Das drücken die Worte aus:

Wär' nicht das Auge ſonnenhaft,

Die Sonne könnt' es nie erblicken;

Läg' nicht in uns des Gottes eigne Kraft,

Wie könnt' uns Göttliches entzücken? Charakteriſtiſch für Goethes Kunſtauffaſſung ſcheinen mir fo Außerungen: „Natur und Kunſt läßt ſich nicht trennen.“ „Die Kunſt ſoll nicht wirklich ſein, ſondern wahr.“ „Die Kunſt iſt nur durch den Menſchen und für ihn.“ a

Kunſtwahrheit iſt demnach nicht Wirklichkeit, aber in ihr muß Naturwahrheit ſtecken, denn der Künſtler ſoll die Natur ſtudieren, ſie nachbilden und etwas hervorbringen, das ihren Erſcheinungen ähnlich iſt. Ahnlichkeit, nicht Nachahmung der Natur. Ein abſoluter

ralismus wird hiermit verworfen, obwohl ein jolcher bei einem Künſtler gar nicht möglich iſt. Der Künſtler ſoll dem Werk durch deſſen geiſtige Formung, in der Kunſtidee, die, wie oben geſagt wurde, aus der phänomenologiſchen Intuition entſteht, einen höhe— ren Gehalt geben. In ihm müſſen ſich Idee, Wahrheit und Natur harmoniſch ausdrücken; das geſchieht, wenn der höchſten Geſetzlichkeit, der die Kunſt unterſteht, Genüge geleiſtet wird, der Schönheit. Denn Schönheit iſt für Goethe durchaus nicht eine rein ſubjektive Ge- ſchmacksbewertung, ſondern ein Typiſches, Allgemeines, Kosmiſches. „Das Schöne iſt eine Manifeſtation geheimer Naturgeſetze, die uns ohne deſſen Erſcheinung ewig wären verborgen geblieben.“ Potentiell Br. liegt es als phänomenaler, kosmiſcher Gehalt in den Naturerſchei— = nungen. Das Kunſtwerk hat dadurch eine kulturelle Aufgabe, denn h 08 wird nicht erfchaffen, damit es da ſei, „ſondern damit es wirke,

immer wachſe und wieder werde und wieder hervorbringe.“ Hier

zeigt ſich der innere kosmiſche Zuſammenhang der Kunſt mit der

erwähnten pragmatiſchen Wahrheit. „Iſt es einmal hervorgebracht,

ſteht es in ſeiner idealen Wirklichkeit vor der Welt, ſo bringt es eine

dauernde Wirkung, es bringt die höchſte hervor; es erhebt, indem

e

b die menſchliche Geſtalt beſeelt, den Menſchen über ſich ſelbſt. = ichließt feinen Lebens⸗ und Tatenkreis ab und vergöttert ihn für die : Gegenwart“ (Winckelmann und ſein Jahrhundert)).

. Schönheit, Harmonie.

Br Das Mittel, das den Künſtler befähigt, feine äſthetiſche Idee zum Ausdruck zu bringen, iſt die „Form“. Wer formlos iſt, kann nicht künſtleriſch ſein.

Goethes Kunſtanſchauung bezeichnen wir als eine klaſſiziſtiſche, 5 idealiſtiſche. Sie erſtrebt den harmoniſchen Ausgleich von Gemüts⸗ 2 ſpannungen; edle Einfalt und ſtille Größe ſoll auch bei Goethe das 8 Kunſtwerk atmen. Es iſt bekannt, daß Goethe ſein Kunſtideal unter I Winckelmanns Einfluß bei den Griechen glaubte gefunden zu haben. Er So ſchreibt er aus Italien: „Dieſe hohen Kunſtwerke find zugleich als die höchſten Naturwerke von Menſchen nach wahren und natür- lichen Geſetzen hervorgebracht; alles Willkürliche, Eingebildete fällt zuſammen; da iſt Notwendigkeit, da iſt Gott.“ Oder der andere Aus⸗ öl „Die höchſte Schönheit iſt in Gott. Die Griechen waren wie Gott.“ In der Kunſt erlebt er mithin die Syntheſe, die Harmonie von Natur, Gott, Schönheit, Geſetzlichkeit.

In ihr liegt ein religiöſer Sinn, entſprechend ihrer kosmiſchen Er; on Sie iſt ja nur ein Organ, eine Form, in der das Kos⸗ Be: miſche, das Tranſzendente, das Göttliche fich offenbart.

f Bekanat iſt Goethes Spruch:

Wer Wiſſenſchaft und Kunſt e Hat auch Religion.

16 Abhandlungen

Freilich kann hier unter Wiſſenſchaft nicht die empirische Wiſſen⸗ ſchaft gemeint ſein, die mit Kunſt und Religion nichts zu tun hat, da ſie das Gebiet des logiſchen Verſtandes iſt. Wiſſenſchaft heißt philoſophiſche, kosmiſche Wiſſenſchaft.

Dieſe Überzeugung von dem kosmiſchen Innenwert der Kunſt, des Schönen, das Sehnen nach innerer Harmonie teilt Goethe mit den erleſenen Geiſtern des 18. Jahrhunderts, jenes philoſophiſchen Jahr⸗ hunderts, in dem die Geiſteskultur im Vergleich zu unſerer Zeit einen Höchſtſtand einnahm. Erlangung von Harmonie mit ſich und der Ge⸗ meinſchaft, Ausbildung der edlen individuellen Perſönlichkeit, Aus⸗ bildung der im Menſchen liegenden moraliſchen und äſthetiſchen An⸗ lagen zur weiteren Vervollkommnung verdichtete ſich vornehmlich in der Weltanſchauung der ariſtokratiſchen Perſönlichkeit Shaftesburys, der auf Herder, Schiller, Humboldt einwirkte, nur in dem Gedanken der Humanität. Nach ihm ſind im Menſchen die Tendenzen, Kräfte, die nach dem Guten und Schönen ſtreben, von Natur aus vorhanden. In der künſtleriſchen Betrachtung wird das Weſen, der Sinn der Welt am tiefſten erfaßt, ſie iſt erfüllt vom göttlichen Geiſt.

Ethik, Religion. Die tiefgehende Bedeutung ſeines urſprünglichen kosmiſchen Kunſt⸗ ſinnes, der innerlich engſtens verbunden iſt mit moraliſchen und reli⸗ giöſen Werten, iſt hiermit dargelegt worden. Moral und Religion ſind koordinierte kosmiſche Werte und Kräfte. „Der Menſch, wie ſehr ihn auch die Erde anzieht mit ihren tauſend und abertauſend Er⸗ ſcheinungen, hebt doch den Blick forſchend und ſehnend zum Himmel auf, . . . weil er tief und klar in ſich fühlt, daß er ein Bürger jenes geiſtigen Reiches ſei, woran wir den Glauben nicht abzulehnen noch aufzugeben vermögen. In dieſer Ahnung liegt das Geheimnis des ewigen Fortſtrebens nach einem unbekannten Ziele; es iſt gleichſam der Hebel unſeres Forſchens und Sinnens, das zarte Band zwiſchen Poeſie und Wirklichkeit.“ Die Moral iſt „ewiger Friedensvertrag zwiſchen unſeren perſön⸗ lichen Anforderungen und den Geſetzen jenes unſichtbaren Reiches“. In dieſen Worten wird auf die kosmiſche Herkunft und Wirkſam⸗ keit der Moral hingewieſen. Wir verſtehen ja unter Moral oder Ethik die Ordnung der mannigfachen Beziehungen des Individuums zu ſich ſelbſt und zur Gemeinſchaft auf Grund eines in uns liegenden überempiriſchen, überindividualiſtiſchen Regulatives, das wir Ge⸗ wiſſen nennen. Nur ſofern eine überſubjektive Gewiſſensregelung Ver⸗ hältniſſe regelt, ſprechen wir von Moral. Die Ordnung der Einzel⸗ weſen zum tranſzendenten Prinzip findet ihre Zuſammenfaſſung, ihren Ausdruck im Religiöſen. Weſſen Inneres erfüllt iſt vom kosmiſchen Geiſt, ſich der notwendigen Beziehungen zu ſeiner Mitwelt und zum Göttlichen bewußt iſt, der beſitzt ethiſche und religiöſe Seelenſtruktur

über Goethe, den kosmiſchen Menſchen 17

und wird auch ſein empiriſches Wirken mit dieſer Gewiſſensgeſetzlich— keit in Einklang zu bringen ſuchen. Nur nach eigenen Geſetzen zu leben, in fremde Kreiſe willkürlich übergreifen zu wollen, bezeichnet Goethe als Roheit.

Die Moral hilft zur Ausbildung jener harmoniſchen Seelenitim- mung, von der wir ſchon ſprachen.

Harmonie und Polarität.

Gegeben iſt dieſe Harmonie dem Menſchen nicht, ſie muß erſtrebt werden, um wohl immer nur ein ſchönes Ideal zu bleiben, denn jei- ner individuellen Natur kann der Menſch ſchließlich doch nicht ent— fliehen. Je mehr er ſeinen inneren Hunger nach Harmonie, nach See- lenruhe und Weltfrieden verſpürt, um ſo lebhafter müſſen in ihm die polaren Gegenſätze, die in jedes Menſchen Natur mehr oder weniger ausgebildet liegen, wirkſam ſein und Disharmonien auslöſen. Ihr Vorhandenſein iſt Bürgſchaft für urſprüngliche, kosmiſche Einheit, denn Polarität muß ſich da entfalten, wo eine Einheit zugrunde liegt. „Das Geeinte zu entzweien, das Entzweite zu einigen, iſt das Leben der Natur; dies iſt die ewige Syſtole und Diaſtole, die ewige Syn- kriſis und Diakriſis, das Ein- und Ausatmen der Welt, in der wir leben, weben und find.” Die Bejahung fordert gleichzeitig die Mög— lichkeit der Verneinung. Auch Mephiſtopheles iſt notwendig, wenn die bejahenden Lebenselemente wirkſam ſein ſollen; auch er iſt ein Knecht Gottes und dient der Erreichung höherer Zwecke. So ſagt er mit Recht von ſich, er ſei

Ein Teil von jener Kraft,

Die ſtets das Böſe will und ſtets das Gute ſchafft. Polarität, Gegenſätzlichkeit geht durch die ganze Welt der Erſchei⸗ nung, ihre Auflöſung findet ſie im tranſzendenten, metaphyſiſchen Begriff des Kosmiſchen. |

Polaritätserſcheinung iſt die Gegenſätzlichkeit der Individualität zur Gemeinſchaft. Es wurde ſchon darauf hingewieſen, daß Goethe ſtets ein energiſcher Verfechter der individuellen Perſönlichkeit war, die ihm eine Objektivation des Kosmiſchen iſt. Ganz teilte er da die Anſchauungen der Aufklärungszeit. Aber einſeitige Individualitäts⸗ betonung würde gegen die in der korrelativen Totalität liegenden Harmonie gerichtet ſein. Aus dieſem Grunde verlangt jede Indivi⸗ dualität Betätigung ihres Gegenſatzes, die Anerkennung und Auf⸗ nahme der Gemeinſchaftsnotwendigkeit. Iſolierung wäre unnatürlich und unmoraliſch. Nicht ſich von der Allgemeinheit abſchließen, ſon⸗ dern durch gegenſeitige Funktionsbeziehungen in das richtige Ver⸗ hältnis zu ihr kommen, dadurch Wahrheit über ſich ſelbſt erlangen, iſt fittliche, kosmiſche Pflicht. Einen herriſchen Individualismus, wie er zur Renaiſſancezeit vertreten wurde, mußte Goethe als unwahr, unſittlich und unnatürlich ebenſo ablehnen wie die Abſorption, die

VIII 2

18 Abhandlungen

bedingungsloſe Aufnahme der Perſon durch die Gemeinſchaft. Die ar

Macht, das Vorrecht der Maſſe hat er nie anerkannt. Perſönlichkeit zu bewahren, war ja eine Pflicht und ein Recht des Menſchen gegen⸗ über den kosmiſchen Forderungen, Perſönlichkeit barg ja in ſich Ur⸗ phänomene, Gottoffenbarungen; Perſönlichkeit iſt ihm ein heiliges Eigengut. Er war ariſtokratiſchen Sinnes, ohne ſich von der Welt ab⸗ zuſchließen, voll ſympathiſcher ethiſcher Stellungnahme zur Mitwelt.

„Der ganze Gang unſerer Kultur, der chriſtlichen Religion ſelber führt uns zur Mitteilung, Gemeinmachung, Unterwürfigkeit und zu allen geſellſchaftlichen Tugenden, wo man nachgibt, gefällig iſt, ſelbſt mit Aufopferung der Gefühle und Empfindungen, ja Rechte, die man im rohen Naturzuſtande haben kann.“

Durch die Selbſtüberwindung egoiſtiſcher Triebe, durch die Kraft, Entſagung üben zu können, wenn das höhere Geſetz es fordert, er⸗ reicht der Menſch Harmonie und beweiſt ſeine autonome Freiheit.

In den Lehrjahren' heißt es: „Betrachten wir uns in jeder Lage des Lebens, ſo finden wir, daß wir äußerlich bedingt ſind, vom erſten Atemzug bis zum letzten; daß uns aber jedoch die höchſte Freiheit ge⸗ blieben iſt, uns innerhalb unſeres Selbſt dergeſtalt auszubilden, daß wir uns mit der ſittlichen Weltordnung in Einklang ſehen und, was auch für Hinderniſſe ſich hervortun, dadurch mit uns ſelbſt zum Frie⸗

den kommen.“

In der Beſchränkung zeigt ſich erſt der Meiſter,

Und das Geſetz nur kann uns Freiheit geben. Wer freiwillig dem Sittengeſetz, dem Gewiſſen gehorcht, ſich in Be⸗ ziehung ſtellt zur Mitwelt, Reſignation übt und ſeinen Lohn in einem Glückgefühl innerer Seelenruhe findet, der hat keine Berührung mit denjenigen, die das Individuelle in der ſchrankenloſen Betonung bru⸗ talen Herrenmenſchentums ſehen, deren abnorm geſteigertes Ichge⸗ fühl die Anerkennung anderer Sphären verlernt hat. Goethe bezeich⸗ nete ſolchen Einbruch in das Heiligtum des Nächſten als Roheit. Sein Leben hindurch war Goethe eine konziliante Natur, zur Nachgiebigkeit bereit, keine kriegeriſche Natur, die ihre Ziele über die Leichen der Geg⸗ ner erreichen will.

Sittengeſetz, Gewiſſen.

Wie für Kant liegt auch für ihn im Gewiſſen ein Sittengeſetz, zu dem aus kosmiſchen Gründen der Menſch gelangen muß. Wer dem Sittengeſetz zuwiderhandelt, geht innerlich zugrunde, er handelt gegen heilige, göttliche Gebote. „Es iſt kein Produkt menſchlicher Reflexion, ſondern es iſt angeborene und angeſchaffene ſchöne Natur.“

Sofort nun wende dich nach innen: Das Zentrum findeſt du da drinnen, Woran kein Edler zweifeln mag. Wirſt keine Regel da vermiſſen: Denn das ſelbſtändige Gewiſſen

Iſt Sonne deinem Sittentag.

über Goethe, den kosmiſchen Menſchen 19

En In der Sonne des Sittentages wandeln zu können war ſein un⸗ = abläffges Bemühen. Seines langen Lebens Weisheit⸗Schluß war * eben die Erkämpfung freiwilliger Reſignation in Anerkennung der ſittlich⸗kosmiſchen Verpflichtung. Welch inneren Kampf mußte er durchmachen, um ſeinem Ideal, der Stille der Seele, ſich in etwas zu nähern! Wie wild anſtürmend, wie aufbrauſend wogten die Seelen⸗ mächte in der Jugend, als er gleich einem Prometheus ſich auflehnte gegen die Konventionen, Traditionen der Geſellſchaft im Denken und Fühlen, über die ſein künſtleriſches Streben hinausdrängte, glühend das Herz, begeiſtert die Sprache, himmelſtürmend ein urſprüngliches Naturwollen. Romantiſch, dionyſiſch geſtimmt war ſeine Natur. Und aus den Spannungen ſeiner Seele entſteht der Werther, durchtränkt von den Strömungen, die aus der Begeiſterung zur Natur fließen, Wilhelm Meiſter, Götz, Taſſo, die Wahlverwandtſchaften' und der Fauſt, der zerriſſen iſt von den zwei Seelen, die in ſeiner Bruſt wohnen, unerſättlich in Betätigung vollen Lebensgefühles, unſtillbar an Durſt nach Erkenntnis, nach Erſchauung, Vereinigung mit den wirkenden Kräften der Natur. In allen dieſen literariſchen Nieder⸗ ſchlägen der aufgepeitſchten, der Löſung harrenden Seelenkonflikte ſiegt aber die Einſicht, daß über dem Individuum ein höheres, kos⸗ miſches Geſetz liegt, dem es ſich beugen muß, freiwillig. Denn, wenn Gott in der Natur lebt und webt, alles Geſchehen in ihr eine Mani⸗ feſtation ſeines Wirkens iſt, dann muß ja der Menſch dem ethiſchen Geſetz als einem Naturgeſetz unterſtehen. Wer aber die ihm von der Natur gegebene Bahn eigenwillig verläßt, ſich in Gegenſatz ſtellt zu den naturmoraliſchen Verpflichtungen und dadurch außerhalb der kosmiſchen Ordnung zu ſtehen kommt, der wird moraliſch ſchuldig. So verfällt Ottilie in den Wahlverwandtſchaften' der Schuld. Sie erkennt dieſe mit den Worten: „Aber ich bin aus meiner Bahn ge⸗ ſchritten, ich habe meine Geſetze gebrochen, ich habe ſogar das Ge— fühl derſelben verloren.“ Durch völlige Entſagung für die Zukunft btkionnte fie hoffen, innerliche Befreiung zu erlangen.

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Reſignation, das Mittlere.

2 Reſignation wird zum Schutz gegen die Gefahren der Leidenſchaften, der Willkür, wird ein Opfer zur Annäherung an den Frieden ſee⸗ 2: liſcher Harmonie. Auch ein Übermaß des Guten iſt zu meiden, ſtört die Gleichgewichtslage der Seele. An Zelter ſchreibt er: „Niemand bedenkt leicht, daß uns Vernunft und ein tapferes Wollen gegeben find, damit wir uns nicht nur vom Böſen, ſondern auch vom über⸗ maß des Guten zurückhalten. “Er drückt mit dieſem Wort die Ein⸗ ſicht aus in die ewige Wahrheit der ariſtoteliſchen Lehre: die Tugend ſei das Mittlere zweier Übel, die ſowohl in der Übertreibung nach der einen Seite, wie in der Unterlaſſung nach der anderen Seite be⸗ ſtehen. Die Moral verpflichtet zu ſteten Aufgaben, die dem Menſchen

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20 Abhandlungen

jederzeit erwachſen, denn für den Menſchen ſind „die Extreme Haß

und Liebe, Sieg oder Tod, Herrſchaft oder Unterwerfung“, das Mitt⸗ lere dagegen, d. h. die indifferenten Zuſtände ſind für einen Gott. Der Menſch hat Freiheit des Willens. In ſeiner Anerkennung liegt

eine Trennung vom ſpinoziſtiſchen Pantheismus, der eine Freiheit des

Willens abweiſt. Bei ihm iſt alles Geſchehen notwendig beſtimmt aus der unbedingten Natur und der unendlichen Macht Gottes. Nach Spinoza iſt der Wille intellektuelle Vorſtellung, ein Modus, d. h. ein Zuſtand der denkenden Subſtanz. Aus ſich ſelbſt kann die menſch⸗ liche Natur zu ihrem Heil und Glück nichts tun. „Solange der Menſch ein Teil der Natur iſt, muß er den Naturgeſetzen folgen, worinnen der Gottesdienſt beſteht, und ſolange er das tut, befindet er ſich in ſeinem Glück.“ Sittliche Tätigkeit.

Durch den Willen muß vielmehr das im Gewiſſen zu uns ſprechende Geſetz betätigt werden. Tätigkeit iſt ja auch eine kosmiſche Bedingung; ſie entſpricht der biologiſchen Zielſtrebigkeit jedes Organiſchen. Für den Menſchen wird dadurch die Tätigkeit zur ſittlichen Forderung. Ihren Ausdruck findet dieſe ethiſche Sittenlehre in den Wander⸗ jahren', im Fauſt'.

Du im Leben nichts verſchiebe;

Sei dein Leben Tat um Tat! heißt es in den Grundſätzen des Wanderbundes in den Wander⸗ jahren'.

Weniger bekannt find die Worte aus Palaeophron und Neoterpe’:

Die Tätigkeit iſt, was den Menſchen glücklich macht,

Die, erſt das Gute ſchaffend, bald ein Übel ſelbſt

Durch göttlich wirkende Gewalt in Gutes kehrt. Leid wandelt ſie in Freud, aus ihr ſelbſt erwächſt das Gute, ein poſi⸗ tiver ethiſcher Zuſtand.

Da Tätigkeit ethiſchen Inhaltes iſt und ethiſche Ziele verfolgt, ſo iſt ſie nicht Aktivität an und für ſich, ſondern ihr Wert erwächſt ihr aus dem Geiſt, der ſie bedingt, dem Ziel, dem ſie nachſtrebt. Goethe

erweitert entſchieden den Gehalt des moraliſchen Pflichtenkreiſes der

Aufklärungszeit, die doch vornehmlich egozentriſch orientiert war, auf die Ausbildung des edlen Menſchentums im Individuum zielte und inhaltlich auf Erlangung des Aſthetiſch-Schönen, das in ſich das Gute bergen ſollte, ſich erſtreckte. Das war auch das Weſentliche der Humanitätsidee Schillers. Kants kategoriſcher Imperativ des Sitten⸗ geſetzes war anderſeits doch nur ein formaler Begriff, eine Vorſchrift, unter welchen Vorausſetzungen ſittliches Handeln möglich iſt. Goethe betont die ſittliche Tat, gibt ihr größeren Umfang, erweitert ihren altruiſtiſchen Beziehungskreis. Tätigkeit als Erfüllung einer Forde⸗ rung des Tages erhält dann höhere ſittliche Weihe, wenn ſie kos⸗

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3 über Goethe, den kosmiſchen Menſchen 21

miſche Werte in ihrer praktiſchen Betätigung als ſoziales, altruiſtiſches

Wirken umfaßt. Nicht Tätigkeit als ſolche, um ihrer ſelbſt willen, iſt ethiſch. Eine derartige Auffaſſung, wie fie im überſpannten Kapitalis⸗ mus, Mammonismus der heutigen Zeit als ein Arbeitsprinzip gilt, wäre entſchieden nicht goethiſch. Die Arbeit des Menſchen ſoll sub specie aeternitatis ſtehen. Dann erwächſt ihm aus ihr die wirkſame Hilfe gegen Betrübniſſe, Leiden der Seele. In den Wanderjahren heißt es (II, 11): „Seelenleiden, in die wir durch Unglück oder eigne Fehler geraten, fie zu heilen vermag der Verſtand nichts, die Ver⸗ nunft wenig, die Zeit viel, entſchloſſene Tätigkeit hingegen alles.“

Wenn mithin Reſignation als eine Notwendigkeit für ein ſittliches Leben genannt wurde, ſo iſt dies nicht gleichbedeutend mit der in⸗ diſchen Willensaufhebung, dem Zuſtand des Nirwana, ſondern es heißt: die Fähigkeit erringen, ſich unter kosmiſche Forderungen frei⸗ willig zu ſtellen bei raſtloſer Tätigkeit an ſich ſelbſt und für die Ge⸗ meinſchaft.

„Ohne Sittlichkeit iſt das Wirkliche gemein“, d. h. reine Empirie, um ihrer ſelbſt willen, iſt ſittlich verwerflich. Aus derſelben Grund⸗ ſtimmung erwächſt das Wort: „Genießen macht gemein“.

Gott. Durch Aufnahme jedoch des kosmiſchen Geſetzes gelangt die Seele zur Reinheit und nimmt teil am Göttlichen, erfährt die allmäch⸗

tige Liebe, die alles bildet, alles hegt. Durch die kosmiſchen Werte,

die dann des Menſchen Seele lenken, erfüllen, erkennt er Gott. Die Ahnung, die wir von Gott haben, wird dann zur Glaubenszuverſicht. Dieſen Grundgedanken ſpricht er im Gedicht Das Göttliche' aus:

Heil den unbekannten

Höhern Weſen,

Die wir ahnen!

Ihnen gleiche der Menſch;

Sein Beiſpiel lehr' uns

Jene glauben.

Verliert der Menſch dieſen kosmiſchen Glauben, jo muß er ſtrau⸗ cheln, verſtrickt ſich in Schuld. Als angeſichts der möglichen Rettung, in Erkenntnis der drohenden Gefahren, der ſich auftürmenden Wider- ſtände Iphigenie aufſeufzt und verzagt in Seelenpein, im Seelen⸗ kampf von Hoffnung und Verzagung, tiefſte Trauer ihr Herz bedrückt, da droht ihr großer, reiner Glaube an die Güte der Götter zu wan⸗ ken, er wird klein, und verzweifelnd ruft ſie aus:

Rettet mich, Und rettet euer Bild in meiner Seele.

In den düſteren Worten des Parzenliedes gibt ſich Gram und Hoffnungsloſigkeit kund. Doch die Glaubensſtarke überwindet durch fittliche Kraft die Stunde der Seelenverſuchung, fie ſiegt über Zwei⸗ fel und Verzagtheit, weiſt die Lüge von ſich. Thoas erfährt die Wahr⸗

22 Abhandlungen

heit, in deſſen Skythenbruſt ein Herz voll Humanität und Edelfinnes des 18. Jahrhunderts ſchlägt. Iphigenie iſt das aus reinſtem Su: manitätsideal geborene Drama, wo

Alle menſchlichen Gebrechen

Sühnet reine Menſchlichkeit.

Theiſtiſch⸗chriſtliche religibſe Anſchauungen verweben ſich bei Goethe mit dieſem Glauben an die befreiende Kraft der im Menſchen und durch den Menſchen wirkſamen Humanität. „Die göttliche Kraft iſt überall verbreitet und die ewige Liebe überall wirkſam“, es iſt die Liebe, von der Chriſtus, Paulus und Johannes reden. Ein für Goethe charakteriſtiſcher Satz iſt ſein Ausſpruch zu Eckermann: „Die Gottheit aber iſt wirkſam im Lebendigen, aber nicht im Toten; ſie iſt im Werdenden und ſich Wandelnden, aber nicht im Gewordenen und Erſtarrten.“

Alles Lebendige quillt und zeugt ſomit vom Göttlichen. Daß Goe⸗ the an ein geiſtiges Fortleben nach dem Tode glaubte, wurde ſchon erwähnt. „Die Überzeugung unſerer Fortdauer“, ſagte er zu Ecker⸗ mann, „entſpringt nur aus dem Begriff der Tätigkeit; denn wenn ich bis an mein Ende raſtlos wirke, ſo iſt die Natur verpflichtet, mir eine andere Form des Daſeins anzuweiſen, wenn die jetzige meinen Geiſt nicht ferner auszuhalten vermag.“

Tätigkeit iſt Außerung des Kosmiſchen und führt zu ihm hin, durch ſie erlangt der Geiſt die ewige Ruh in Gott, dem Herrn.

Tätigkeit im Sinne einer altruiſtiſchen Humanität, verbunden mit der gnadenvollen Gottesliebe erlöſen Fauſt. Er, der Zerriſſene, Un⸗ erſättliche an Begier, Unbefriedigte am Wiſſen, der von der Erde jede höchſte Luſt forderte, deſſen tiefbewegte Bruſt alle Näh' und alle Ferne nicht befriedigte, verfällt nicht dem Reich der Verneinung, der Seelenvernichtung. Die Engel, die Fauſtens Unſterbliches tragen, verkünden: Gerettet iſt das edle Glied

Der Geiſterwelt vom Böſen: „Wer immer ſtrebend ſich bemüht, Den können wir erlöſen.“

Und hat an ihm die Liebe gar Von oben teilgenommen, Begegnet ihm die ſelige Schar Mit herzlichem Willkommen.

Der gleiche chriſtliche Glaube, der Heiligung, Erlöſung vom jünd- haften Erdenreſt verheißt, waltet in der Ballade Der Gott und die Bajadere’:

Es freut fich die Gottheit der reuigen Sünder; Unſterbliche heben verlorene Kinder Mit feurigen Armen zum Himmel empor.

Es ſteckt in Goethe ein gutes Stück pauliniſchen Glaubens und pauliniſchen Erlöſungsdranges, Sehnens nach dem Frieden Gottes, welcher höher iſt, denn alle Vernunft. Er war ſich ſeiner verſchiede⸗

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Se 3 über Goethe, den kosmiſchen Nen ſchen 23

| nen Auffaſſung von Gott und Natur klar bewußt. An Jacobi ſchreibt N = er: „Ich für mich kann bei den mannigfachen Richtungen meines

Weſens nicht an Einer Denkweiſe genug haben; als Dichter und Künſtler bin ich Polytheiſt, Pantheiſt hingegen als Naturforſcher und eines ſo entſchieden wie das andere. Bedarf ich eines Gottes für meine Perſönlichkeit als ſittlicher Menſch, ſo iſt dafür auch ge⸗ ſorgt.“

Den ſeelenloſen Pantheismus des Spinoza teilte er ſomit in kei⸗ ner Weiſe. Es war die leidenſchaftsloſe Seelenruhe, die er in Spi- nozas Ethik fand, die ihn, den leidenſchaftlich Erregten, unruhig Da- hinſtürmenden, voll innerer Zerriſſenheiten, in der Jugend ſchon feſſelte, beruhigte. Und auch ſpäter kehrte er zur Ethik des Spinoza zurück, um inneren Seelenfrieden zu erlangen (ſo, als es im Jahre 1812 zum Bruch mit dem treuen Jugendfreund Heinrich Jacobi kam); denn Spinoza wollte durch ſeine Ethik den Menſchen von der Knechtſchaft befreien, in die er unter der Vorherrſchaft der Affekte gerät. Durch Erkennung unſerer Affekte wächſt in uns die Liebe zu Gott.

Chriſtentum.

Gegenüber dem dogmatiſchen Chriſtentum verhielt ſich der tief- religidje Mann, deſſen Herz voller Ehrfurcht war, dem Frömmigkeit, Hingabe zu Gott aus ſeiner Natur, aus dem kosmiſchen Anteil derſelben quoll, dem Kunſt und Betätigung ſittliche Aufgaben wa⸗ ren, ablehnend mit aller Energie. Vom Dogma der Dreieinigkeit wollte er nichts wiſſen, einen Gegenſatz von natürlicher Religion, der Konfeſſion Rouſſeaus und der Aufklärung, und geoffenbarter Religion wollte er nicht anerkennen. Der dogmatiſch chriſtliche Got⸗ tesglaube nahm ihm Gott aus der Natur. „Wie konnte mir“, ſchreibt er in den Tag⸗ und Jahresheften' von 1811 über ſeine Entfremdung mit Jacobi, „das Buch meines herzlich geliebten Freundes will- kommen ſein, worin ich die Theſe durchgeführt ſehen ſollte: die Natur verberge Gott. Mußte, bei meiner reinen, tiefen, angebornen und geübten Anſchauungsweiſe, die mich Gott in der Natur, die Natur in Gott zu ſehen unverbrüchlich gelehrt hatte, ſo daß dieſe Vorſtellungsart den Grund meiner ganzen Exiſtenz machte, mußte nicht ein ſo ſeltſamer, einſeitig⸗beſchränkter Ausſpruch mich dem Geiſte nach von dem edelſten Manne . . . für ewig entfernen?“

In Verwerfung der Konfeſſionskirche für ſeine Perſon bezeichnete

er ſich gern als „alter Heide“ und nannte ſich den dezidierten Nicht-

chriſten. Voller Ehrfurcht nannte er den Namen Chriſti. Zu Ecker⸗ mann ſagt er: „Dennoch halte ich die Evangelien alle vier für durch⸗ aus echt, denn es iſt in ihnen der Abglanz einer Hoheit wirkſam, die von der Perſon Chriſti ausging, und die ſo göttlicher Art, wie nur je auf Erden das Göttliche erſchienen iſt. Fragt man mich: ob es in meiner Natur ſei, ihm anbetende Ehrfurcht zu erweiſen? ſo ſage

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ich: Durchaus! Ich beuge mich vor ihm, als der göttlichen Offenba⸗ rung des höchſten Prinzips der Sittlichkeit.“

Die chriſtliche Religion iſt über alle Philoſophie erhaben: „Die chriſtliche Religion als ſolche iſt ein mächtiges Weſen für ſich, woran die geſunkene und leidende Menſchheit von Zeit zu Zeit ſich immer wieder emporgearbeitet hat, und indem man ihr dieſe Wirkung zu⸗ geſteht, iſt ſie über alle Philoſophie erhaben und bedarf von ihr keine Stütze.“ f

Bekannt iſt ſeine hohe Wertſchätzung der Heiligen Schrift, Luthers. Proteſtantiſches Empfinden war jederzeit mächtig in ihm.

Ehrfurcht.

Durchdrang ihn das Göttliche ſo lebhaft in ſeiner künſtleriſchen, ethiſchen, religibſen Offenbarung, ſo mußte eine ehrfürchtige Geſin⸗ nung ihn erfüllen. In den Wanderjahren' leſen wir von Goethes Glaubensbekenntnis über die Ehrfurcht, die den Menſchen erſt zum wahren Menſchen bildet, ihn ſeine Stellung zum Kosmiſchen ein⸗ nehmen läßt. Auf Ehrfurcht iſt jede Art von Religion, die heidniſche wie chriſtliche gegründet. Die höchſte Art der Ehrfurcht iſt die Ehr- furcht vor ſich ſelbſt, d. h. die Ehrfurcht vor dem Göttlichen, Kos⸗ miſchen im Menſchen, wovon er ein Phänomen iſt.

Sehnſucht.

Dieſes Göttliche zu erfaſſen, zu betätigen, es als Kulturmiſſion zu erfüllen, mit ihm in Einklang zu leben, das war ein Ideal, wonach Sehnſucht ihn erfüllte. Sein Streben war ſehnſuchtgeboren. Aus dem Empfinden der Unzulänglichkeit, aus den polaren Widerſprüchen der eigenen Seele, aus dem Drang nach Erlöſung entſtieg ihm die Sehnſucht, die ihm eine wirkende Seelenkraft wurde. Sehnſucht er⸗ ſchien ihm als eine Außerung des Kosmiſchen. „Der ſittliche Menſch erregt Neigung und Liebe nur inſofern, als man Sehnſucht an ihm gewahr wird.“ i

Die inneren Disharmonien.

Geboren wurde dieſes lebendige, dürſtende Sehnſuchtsgefühl als ethiſche, kosmiſch bedingte Reaktion gegen leidenſchaftliche Wallun⸗ gen, die beſonders in der Jugend oft die Oberhand über ihn zu ge= winnen drohten. Es ſteht dies im Widerſpruch mit dem Bild, das man ſich ſo im allgemeinen vom Menſchen Goethe macht. Gilt er doch als der Olympier, als die apolliniſche Geſtalt, deren Leben ewig klar, ſpiegelrein und eben, zephyrleicht, als einem Menſchen voller Harmonie, dahingefloſſen ſei. Daß es in Wirklichkeit ein Leben inne⸗ rer Stürme war, wurde ſchon erwähnt. Wohl war der Grund ſeines Weſens eine Frohnatur, getragen von einer optimiſtiſchen Tendenz, belebt von den lebendigen Quellen, die aus der kosmiſchen metaphy⸗

über Goethe, den kosmiſchen Menſchen 25

ſiſchen Einheit ſtrömen. Aber im Kampf des Tages, im Widerſtreit der empirischen Tages forderungen, in der naturbedingten polaren Disharmonie ſich ſpaltender, ſich bekämpfender Seelenkräfte er— lahmte doch oft der Lebensmut, wenn ſchwermütige Gedanken, fee- liſche Depreſſionen, Exaltationen affektiver Momente ihn bedrängten, erſchütterten, ihm die richtige Erkenntnis ſeines Verhältniſſes zum großen Komplex der Umwelt, ſeiner inneren Abhängigkeit von Kon- vention und Tradition, von der Macht des Zeitgeiſtes verdunkelten.

Die Phaſen, die Motive der Seelenkämpfe Werthers, Taſſos, des Fauſt hatte er ſelbſt durchlebt, durchkämpft zum Sieg. Er, der kos— miſch ſtrukturierte, ethiſch geſtimmte Goethe-Fauſt konnte gegenüber dem Prinzip der Verneinung, dem Mephiſtopheles, die Wette nicht verlieren. War er doch als kosmiſches Lebeweſen ein Gottesknecht, beſeelt und getrieben vom kosmiſchen Willen und deshalb, trotz allen dunkeln Dranges, des rechten Weges wohl bewußt. Wohl mußte er Lebensperioden durchmachen, in denen ihm das Leben als „ekelhafte Laſt“ erſchien, doch ſein geſunder Sinn überwand ſie als „hypochon— driſche Fratzen“. „Unſeliges Schickſal, das mir keinen Mittelzuſtand erlauben will“, ſchreibt er in Erkenntnis ſeines Seelenzuſtandes 1775 an Auguſte von Stolberg. Schnell war er in der Jugend zur Liebe, zur leidenſchaftlichen Begünſtigung, doch auch ſchnell zur Abkehr be— reit. Elementar regten ſich in der voritalieniſchen Lebensepoche fau⸗ ſtiſches Drängen und Gelüſt, geboren aus innerer Sehnſucht. Von ſich ſelbſt ſpricht er, wenn der alte Fauſt ſagt:

Ich bin nur durch die Welt gerannt, Ein jed' Gelüſt ergriff ich bei den Haaren, Was nicht genügte, ließ ich fahren, Was mir entwiſchte, ließ ich ziehn. Ich habe nur begehrt und nur vollbracht Und abermals gewünſcht, und ſo mit Macht Mein Leben durchgeſtürmt.

Zu Eckermann ſagte er: „Wollte ich mich ungehindert gehen laſſen, ſo läge es wohl in mir, mich ſelbſt und meine Umgebung zugrunde zu richten.“

„Ich kann wohl jagen,“ äußerte er ſich im Alter, „daß ich in mei- nen 75 Jahren keine vier Wochen eigentliches Behagen gehabt. Es war das ewige Wälzen eines Steines, der immer von neuem gehoben ſein wollte.“ Das Leben lehrte ihn, daß Menſch ſein gleichbedeutend iſt mit „Kämpfer ſein“. Dieſen Kampf zu beſtehen, befähigte ihn ſo⸗ wohl die von der Mutter ererbte „Frohnatur“ als das vom Vater er⸗ erbte „ernſte Führen“, die Fähigkeit, Kritik über ſich ſelbſt ausüben, ſich objektiv beurteilen zu können. Hierzu kommt aber der kosmiſche Gehalt ſeines inneren Menſchen, der Wille, entſproſſen aus dem über⸗ zeugten Glauben an den göttlichen Inhalt jeder Perſönlichkeit, dieſem kosmiſchen Gehalt zu dienen, ihn in ſich aufzunehmen. Durch die Orientierung ſeines Ich an den kosmiſchen Wertgeſetzen verliert ſein

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riſchen Erſcheinung, es offenbart ſich vielmehr als ein Symbol des Ewigen, Höheren und wird zum Typus menſchlichen Empfindens, Denkens, Wollens. Uns Deutſchen muß ſeine Weſenheit beſonders verſtändlich, begreifbar und deshalb verehrungswürdig ſein, empfin⸗ den wir doch die Innerlichkeit, ſeine kosmiſche Einfühlung als den Ausdruck germaniſcher Eigenart.

Sein langes Leben innerer Arbeit, raſtloſen Strebens, nach außen nützlich und fördernd zu wirken, die Außenwelt in ſich aufzunehmen, ihren Wahrheitsgehalt zu ergründen, ſie mit den Forderungen der Perſönlichkeit, des Gemeinſinns harmoniſch zu verarbeiten, durch⸗ glüht vom Verlangen, reinen Herzens zu ſein, im Lichte kosmiſchen

Abglanzes zu wandeln, um eine kosmiſche Kulturmiſſion nach Kräf⸗

ten zu erfüllen, Ewigen Liebens Offenbarung, Die zur Seligkeit entfaltet,

kennzeichnen die klaſſiſchen Verſe:

Weite Welt und breites Leben, Langer Jahre redlich Streben,

Stets geforſcht und ſtets gegründet, Nie geſchloſſen, oft geründet,

Alteſtes bewahrt mit Treue, Freundlich aufgefaßtes Neue, Heitern Sinn und reine Zwecke: Nun! man kommt wohl eine Strecke.

„Unter allen anderen Tugenden ſtehet hier: Das beſtändige Stre⸗ ben nach oben, das Ringen mit ſich ſelbſt, das unerſättliche Ver⸗ langen nach großer Reinheit, Weisheit, Güte und Liebe.“ Wer dieſes Strebens lebt, der lebt im Lichte des Kosmiſchen. Soweit es ihm glückt, ſeines Lebens Arbeit als Objektivierung kosmiſchen Inhaltes zu geſtalten, ſo weit lebt er ewig.

Leben den vergänglichen, ſubjektiven Gehalt einer flüchtigen, empi⸗ Be

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Goethe und Rußland Bon Eugen Zabel (Berlin)

13 Zeit, da ſich an unſerm größten Dichter als Greis ſein Wort: „Ein herzlich Anerkennen iſt des Alters zweite Jugend“ ſo reich erfüllte, begann ſich in unſerm Vaterland auch unfern der ruſſiſchen Grenze unter der Führung von jungen Gelehrten und Schriftſtellern eine treu zu ihm haltende Gemeinde zu bilden. Während der berühm⸗ teſte Sohn der alten oſtpreußiſchen Krönungsſtadt am Pregel, der Schöpfer der Kritik der reinen Vernunft', von Goethe niemals Kenntnis genommen und ihn in ſeinen Schriften nirgends erwähnt hat, ſuchten dieſe Männer für das Verſtändnis des Weiſen von Wei⸗ mar in immer weiteren Kreiſen zu wirken. Von der Vaterſtadt Kants, die unter demſelben Breitengrad wie der nördliche Teil des Baikal⸗ ſees und die Nordſpitze der Inſel Sachalin liegt, meinte allerdings in der Mark und am Rhein ſo mancher, daß dort die „Welt bereits aufhöre“. Aber ſolche Beſtrebungen bildeten einen unwiderleglichen Beweis dafür, daß der Geiſt Goethes immer weiter nach dem Oſten flute, durch die blauen ruſſiſchen Grenzgendarme nicht aufzuhalten ſei und ſich auch über die unendliche ſlawiſche Ebene auszubreiten beginne. Mehrere von dieſen begeiſterten Anhängern Goethes waren verdienſtvolle Förderer der Literatur, Kunſt und Wiſſenſchaft, deren Namen die wie Rom auf ſieben Hügeln gebaute Stadt mit Stolz zu ihren Mitbürgern und bis ins hohe Greiſenalter zu den Lehrern ihrer

Hochſchule, der Albertina, zählte.

Zu ihnen gehörte der feine Dichter und Kunſtforſcher Auguſt Ha- gen, über deſſen Jugenddichtung Olfried und Liſena' ſich Goethe in ſeinen Geſprächen mit Eckermann wie in ſeinen literariſchen Beſpre⸗ chungen ſo anerkennend äußerte, und der dem Unvergleichlichen als deſſen Tiſchgaſt in Weimar noch in die Augen ſchauen und ſeine Worte vernehmen durfte. Die Erinnerung daran verlieh Hagen, wenn

er mit kurzen, ſchnellen Schritten am alten Stadttheater vorbei durch

die Säulenhalle zur Univerſität ſchritt, für uns Studenten etwas gradezu Verklärtes. Ihm zur Seite dürfen wir den Phyſiker Franz Neumann nennen, der ſeiner Wiſſenſchaft ſo viel Neues zuführte, ſich aus den Freiheitskriegen ſeine Ehrennarben holte und erſt als faſt

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Hundertjähriger in die Ewigkeit hinüberging. Neumann gehörte je⸗ nem Kreiſe ſtudierender Jünglinge in Königsberg an, die ſich mit neuen dichteriſchen Erzeugniſſen eifrig beſchäftigten, Goethes Ge⸗ heimniſſe' einander vorlaſen und nun den Dichter um Aufſchluß über die darin enthaltenen Rätſel befragten, die ihnen in einem längeren Briefe aus Weimar gedeutet wurden. Zu ihnen beiden gehört in dieſem Zuſammenhang auch Karl Roſenkranz, der liebenswürdigſte und friſcheſte aller Hegelianer, der einzige Künſtler aus dieſer Schule, wie Georg Herwegh ihn genannt hat. Er las dort ein ausführliches Kolleg über Goethe und gab über ihn 1846 ein Werk heraus, das jetzt zwar veraltet iſt, aber nicht nur eine der erſten, ſondern fein⸗ ſinnigſten Schilderungen ihrer Art bildete. Auch an Alexander Jung darf erinnert werden, der freilich in ſeiner ſalbungsvollen Schreib⸗ weiſe nur noch ſchwer zu leſen iſt und an den Helden einer ſeiner Ro⸗ mane, an jenen Kandidaten gemahnt, der vor lauter Uberſchwang der Empfindung ſchließlich auf der Kanzel die Worte nicht mehr findet.

Als Goethe an ſeinem Lebensabend den jungen Eduard von Sim-

ſon, den ſpäteren Reichsgerichtspräſidenten, bei ſich empfing, der die

deutſche Kaiſerkrone nach Verſailles bringen ſollte, erkundigte er ſich, von der Uberſchwemmung in deſſen Vaterſtadt Königsberg aus⸗ gehend, nach den Zuſtänden in Oſtpreußen überhaupt als der letzten deutſchen Marke auf dem Wege nach Rußland, als ahnte er deſſen Eroberung durch ſeine dichteriſchen und wiſſenſchaftlichen Schöpfun⸗ gen. Die Bemühungen um die Anerkennung Goethes, die gleich— zeitig von den ſchöngeiſtigen Frauen in Berlin, einer Rahel und Bettina ausgingen, haben ihre verdiente Würdigung gefunden. Aber die ähnlichen Beſtrebungen im nordöſtlichen Winkel Preußens, die nach St. Petersburg hinüberweiſen, ſollten dabei nicht vergeſſen werden.

Auf dem Wege nach dem Oſten vollzog ſich übrigens mit dem Namen des Dichters in der Ausſprache eine bemerkenswerte Verän⸗ derung. In Altpreußen und beſonders in den deutſchen Oſtſeepro⸗ vinzen verwandelte ſich der Kehllaut des „G“ in einen Klang, der zwiſchen „J“ und „Ch“ die Mitte hält, wozu im eigentlichen Ruß⸗ land, das keinen Umlaut kennt, noch die Gepflogenheit kam, das „oe“ wie „e“ wiederzugeben. Auf dieſen Fehler machen die dortigen Sprach⸗ lehren und Wörterbücher allerdings aufmerkſam, indem ſie dafür ein „e“ mit zwei Punkten darüber hinſetzen, was aber bei der Unter- haltung kaum beachtet wird. Der flötende Laut des erſten Vokals geht bei ihnen faſt immer verloren, und es bleibt trotz aller Anſtren⸗ gungen der Söhne Ruriks, die den Mund ſpitzen, bei dem „Jete“. Ob dem Dichter dieſe Eigentümlichkeit bei der Sprechweiſe ſeiner ruſſiſchen Freunde aufgefallen war? Er blieb bekanntlich in ſolchen Dingen trotz ſeiner Frankfurter Ausſprache, die ihn „neige“ und „Schmerzenreiche“ als reinen Reim empfinden ließ, ſehr empfindlich

Goethe und Rußland 29

und wurde verſtimmt bei dem allerdings geſchmackloſen Scherz Her⸗ ders, der ihm bei der Bitte um Bücher die Zeilen ſchrieb: „Der du von Göttern ſtammſt, von Gothen oder vom Kothe, Goethe, ſende ſie mir.“

Die Übertragung von Goethes Kunſt und Weltanſchauung nach dem Zarenreich war allerdings mit mancherlei Umſtändlichkeiten und Schwierigkeiten verbunden. Man denkt an die langwierige Reife Di- derots, der dem Dichter geiſtig ſo nahe ſtand, zu ſeiner Gönnerin, der ruſſiſchen Kaiſerin Katharina II. an den Newaſtrand. In ſeinem Gedicht La poste entre Koenigsberg et Memel' hat er die gefährliche Strecke geſchildert, bei der er auf der einen Seite am Ufer des furi- ſchen Haffs in der Wüſte des Sandes zu verſinken und auf der andern den Wellen der Oſtſee zu erliegen fürchtete. Aber das Bild der „nor= diſchen Semiramis“ diente ihm dabei als Schutzgeiſt und er fand an dem Ziel ſeiner Reiſe eine wahrhaft glänzende Aufnahme. Sie drückte auch der Literatur ihres Landes den Stempel ihrer Perſönlichkeit auf.

Die Frage liegt nahe, wie ſich die Zarin in Erinnerung an ihre deutſche Abſtammung zu den Großtaten unſeres Vaterlands auf dem Gebiet der Dichtkunſt und insbeſondere Goethes verhielt. Die Ant⸗ wort, die darauf erfolgen muß, iſt reich an allerlei Überraſchungen und Rätſeln.

Der berühmteſte ruſſiſche Hiſtoriker Karamſin ſchildert in ſeinen, auch deutſch erſchienenen Briefen eines reiſenden Ruſſen (1797— 1801), ſeinen Aufenthalt in Weimar und ſchreibt im zweiten Bänd⸗ chen neben intereſſanten Bemerkungen über Herder, Wieland und andere auch folgendes: „Goethe habe ich nur geſtern im Vorbeigehen am Fenſter geſehen. Ich blieb ſtehen und betrachtete ihn einige Mi- nuten. Ein wahrhaft griechiſches Geſicht! Heute morgen, da ich ihn beſuchen wollte, fand ich ihn nicht. Er war ganz früh nach Jena gefahren.“

Das dürfte die älteſte Bemerkung ſein, die aus Rußland über den Dichter zu uns gekommen iſt.

Goethe hat jo alte Welt- und Kulturſtädte wie London, Paris und Wien überhaupt nie geſehen, Berlin als jugendlicher Dichter des Werther mit ſeinem Herzog nur auf wenige Tage, und dann nie⸗ mals wieder beſucht und ſelbſt das „ewige Rom“, wo er eine zweite Heimat finden ſollte, erſt mit achtunddreißig Jahren kennengelernt. Aber im vorgerückten Alter beſchäftigte ihn in ſeiner raſtloſen Phan⸗ taſie, die alles plaſtiſch ausgeſtaltete, die Entſtehung jener Stadt, die wie auf einem ungeheuren Teller am finniſchen Meerbuſen in⸗ mitten von Urwäldern und Sümpfen unter dem 60. Breitengrad von dem ruſſiſchen Gewaltherrſcher zu Anfang des 18. Jahrhunderts er⸗ zwungen wurde, mit ſolcher Lebhaftigkeit, daß er darüber Urteile von wahrhaft klaſſiſcher Prägung und Treffſicherheit fällte. Im Jahre 1829 äußerte er zu Eckermann: „Die Lage von Petersburg iſt ganz

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unverzeihlich, um ſo mehr, wenn man bedenkt, daß gleich in der Nähe =

der Boden ſich hebt, und daß der Kaiſer die eigentliche Stadt ganz

von aller Waſſersnot hätte frei halten laſſen, wenn er mit ihr ein

wenig höher hinaufgegangen wäre und bloß den Hafen der Niederung gelaſſen hätte. Ein alter Schiffer machte ihm auch Gegenvorſtellungen und ſagte ihm voraus, daß die Population alle ſiebzig Jahre erſau⸗ fen würde. Es ſtand auch ein alter Baum da mit verſchiedenen Spu⸗ ren eines hohen Waſſerſtandes. Aber es war alles umſonſt, der Kai⸗ ſer blieb bei ſeiner Grille und den Baum ließ er umhauen, damit er nicht gegen ihn zeugen möchte. Sie werden geſtehen, daß in dieſem Verfahren eines ſo großen Charakters durchaus etwas Problemati⸗ ſches liege. Aber wiſſen Sie, wie ich es mir erkläre? Der Menſch kann ſeine Jugendeindrücke nicht loswerden und dieſes geht ſo weit, daß ſelbſt mangelhafte Dinge, woran er ſich in ſolchen Jahren gewöhnt und in deren Umgebung er jene glückliche Zeit gelebt hat, ihm auch ſpäter in dem Grade lieb und wert bleiben, daß er darüber wie ver⸗ blendet iſt und er das Fehlerhafte daran nicht einſieht. So wollte denn Peter der Große das liebe Amſterdam ſeiner Jugend in einer Hauptſtadt am Ausfluß der Newa wiederholen, ſo wie die Holländer immer verſucht worden ſind, in ihren entfernten Beſitzungen ein neues Amſterdam wiederholt zu gründen.“ Mit der überſchäumenden Jugendkraft in Hanswurſts Hochzeit' ließ Goethe den alten klapp⸗ rigen Kilian Bruſtfleck von einem Jüngling ſprechen, „der Welt be⸗ kannt, von Salz⸗ bis Petersburg genannt“ und im Alter freute er ſich über den Abguß des größten, bisher gefundenen Goldklumpens, der ihm vom Newaſtrande zuging.

Ebenſo ließ er das Bild der großen Kaiſerin, die ſich auf den Spu⸗ ren Peters ſtets als Vollenderin ſeines Lebenswerks fühlte, durch ſeine Werke ziehen. Im Jahrmarktsfeſt zu Plundersweilern' ſpricht der Marktſchreier „von der Kaiſerin aller Reußen und von Friedrich, dem König von Preußen“. Im vierten Teil von Dichtung und Wahrheit' nennt er Katharina „eine große Frau, die ſich ſelbſt des Thrones würdig gehalten“ und den „tüchtigſten, hochbegünſtigten Männern einen großen Spielraum gab, der Herrſcherin Macht im⸗ mer weiter auszubreiten“. Ihr Wunſch, die Raffaelſchen Logen durch eine Kopie der ganzen Architektur in Petersburg wiederholen zu laj- ſen, wird im zweiten Teil der Italieniſchen Reiſe' als beſonders charakteriſtiſch für ſie erwähnt. In ſeinem Werk Philipp Hackert' kommt die Aufgabe des Malers zu ausführlicher Beſprechung, die Seeſchlacht bei Tſcheſme an der Küſte Kleinaſiens und die Verbren⸗ nung der türkiſchen Flotte in ſechs großen Gemälden, die ſich jetzt im Schloß von Peterhof befinden, zur Ausführung zu bringen. Be⸗

kanntlich veranlaßte Alexei Orlow zu dieſem Zweck für ſeine Herr⸗

ſcherin, um dem Künſtler eine richtige Vorſtellung des Vorgangs zu verſchaffen, daß eine im Hafen von Livorno liegende ruſſiſche Fre⸗

Zoethe und Rußland 31

a in Brand geſteckt und in die Luft geſchleudert wurde. Kathari⸗ nr a geiſtreiche, an bemerkenswerte Tagesereigniſſe anknüpfende Plau⸗ deereien, die fie in Zeitungen und Zeitſchriften veröffentlichte, und

die ganz Petersburg beſchäftigten, trugen den Titel Buili e Njebi- lizi', was ſich ungefähr mit Wahrheit und Dichtung überſetzen läßt, alſo an Goethes Selbſtbiographie erinnert.

Die Paralipomena aus dem zweiten Teil des Fauſt' mit dem Spott des Mephiſtopheles über den Ruhm im Hinblick auf Fried⸗ rich den Großen und Katharina kommen uns in den Sinn:

Semiramis! hielt ſie nicht das Geſchick

Der halben Welt in Kriegs und Friedens Wage? Und war ſie nicht ſo groß im letzten Augenblick Als wie am erſten ihrer Herrſchertage?

Doch kaum erliegt ſie ohngefähr

Des Todes unverſehenem Streiche,

So fliegen gleich, von allen Enden her,

Skarteken tauſendfach und decken ihre Leiche.

Wer wohl verſteht, was ſo ſich ſchickt und ziemt, Verſteht auch, ſeiner Zeit ein Kränzchen abzujagen; Doch biſt du nur erſt hundert Jahr berühmt,

So weiß kein Menſch mehr was von dir zu ſagen.

Sit es denkbar, daß die Kaiſerin von dem Erſcheinen des Werther und der beiſpielloſen Wirkung, die der Roman weit über die Grenzen Deutſchlands ausübte, nichts gewußt haben ſollte? Das Buch erregte nicht nur in unſerm Vaterland die Gemüter in einer Weiſe, wie es bisher keinem anderen dichteriſchen Werk beſchieden war, ſondern wurde bald nach ſeinem Erſcheinen in faſt alle europäiſchen Sprachen überſetzt. Es entſprach nicht nur dem Begriff der Nationalliteratur, die aus dem geheimſten Fühlen und Denken eines einzelnen Volkes ſchöpfte und es zu deſſen bleibendem Beſitz künſtleriſch ausgeſtaltete, ſondern legte bei uns den Grundſtein zur Weltliteratur in dem Sinne, den Goethe im Alter als höchſte Blüte der Kultur betonte. Meinte er doch in ſeinen Geſprächen mit Eckermann, daß niemand eine Zeile ſchreiben ſollte, der nicht eine Million Leſer erwarte. Ein ſolcher Erfolg war ſeinem Jugendwerk tatſächlich beſchieden. Ruß⸗ land eignete ſich den Roman allerdings am ſpäteſten an, denn die erſte Überſetzung erſchien dort erſt 1794, faſt zwanzig Jahre nach⸗ dem man in den literariſchen Kreiſen Frankreichs, Englands und Italiens von ſeinem Inhalt überall ſprach. Wir dürfen dabei aber

nicht vergeſſen, daß zu jener Zeit die Untertanen der Zarin noch weit davon entfernt waren, das Ruſſiſche für eine Schriftſprache im dichte⸗ riſchen Sinne zu halten. Die Gebildeten brauchten es nur ſo weit zu

beherrſchen, um mit den Leuten aus dem Volk verkehren zu können, während ſie unter ſich die Unterhaltung und das Leſebedürfnis fran⸗

zöſiſch oder deutſch beſtritten.

Katharina ſelbſt war nicht nur eine der unterrichtetſten Frauen

ihrer Zeit, ſondern im Sprechen, Leſen und Schreiben von einer

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Vielſeitigkeit und Geſchicklichkeit, daß man über ihren Eifer, ſich die geſamte Bildung ihrer Zeit anzueignen und ſelbſt ſchöpferiſch tätig zu ſein, nicht genug ſtaunen kann.

Bei der ruſſiſchen Kaiſerin iſt es anzunehmen, daß ſie die Werther⸗ ſtimmung wohl gekannt und empfunden, aber aus äußeren Gründen nicht zugegeben, ſondern gewaltſam unterdrückt habe. Als Beweis da⸗ für mag die Tatſache hervorgehoben werden, daß ſie Spuren dieſer ſentimentalen Seelenverfaſſung in einem Buche fand, das ſeinerzeit gewaltiges Aufſehen erregte, fie ſelbſt aber aufs tiefſte empörte, jo daß ſie deſſen Verfaſſer aufs grauſamſte verfolgte und beſtrafte. Es han⸗ delt ſich um das Werk eines ebenſo edeln wie unglücklichen Menſchen, Radiſchtſchew, der im Jahre 1790 unter dem harmlos klingenden Titel Reife von Petersburg nach Moskau eine der furchtbarſten An⸗ klagen gegen die inneren Zuſtände Rußlands veröffentlichte, die über⸗ haupt jemals erſchienen ſind. Der Verfaſſer war ein Beamter, deſſen Tüchtigkeit, Beſcheidenheit und Ehrenhaftigkeit von keiner Seite in Zweifel gezogen war. Mit Unterſtützung der Regierung war er nach Deutſchland geſchickt worden, hatte dort in Leipzig die Univerſität beſucht und ſich das Vertrauen Gellerts erworben. Nun veröffent⸗ lichte er zur allgemeinen Empörung des offiziellen Rußlands eine noch nicht annähernd vorhandene Verurteilung der dortigen Sklaverei und Leibeigenſchaft in einer Reiſebeſchreibung, die nach den einzelnen Poſtſtationen gegliedert und bei der Darſtellung der in Frage kom⸗ menden Mißſtände von rückſichtsloſer Schärfe war. Die Schrift wirkte mit ihren fünfundzwanzig Kapiteln und einer Ode an die Freiheit und Franklin wie eine Reihe von Brandraketen, die überall Schrecken und Entrüſtung hervorriefen. Radiſchtſchew wurde dafür zum Tode verurteilt, das Urteil ſelbſt zur Überführung des Sträflings nach Sibirien gemildert. Kaiſer Paul begnadigte den bejammernswerten Mann und Alexander J. ſtellte ihn wieder an, der ſich aber aus Furcht vor einer neuen Verſchickung in ſeinen früheren grauenhaften Auf⸗ enthalt vergiftete. Die Ausgaben ſeines Buches wurden vernichtet und ſelbſt ſein Name durfte unter der alten Regierung, gleichgültig in welchem Sinne, nicht mehr erwähnt werden.

Zenſur und Polizei hatten das Buch urſprünglich gar nicht be⸗ anſtandet. Es war Katharina ſelbſt, die dies entſetzliche Strafgericht über den Verfaſſer verhängte. Sie war nicht mehr die begeiſterte Schülerin der franzöſiſchen Aufklärung, die Freundin Voltaires und Diderots, ſondern eine alte, geiſtig und körperlich ſchwerfällige Dame geworden, die das Schreckgeſpenſt der großen Revolution im Weſten mit Angſt verfolgte. Sie witterte in der Verurteilung des flawiſchen Bauernlebens eine Nachwirkung des aus Paris eingeſchleppten Giftes und ſah, wie aus ihren eigenhändigen Anmerkungen hervorgeht, in Radiſchtſchew einen Empörer wie Pugatſchew, eine furchtbare Ge⸗ fahr für Thron und Reich. Während ſie ſich mit dem Buch beſchäf⸗

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Goethe und Rußland 33

tigte, mußte ſie aber auf eine Stelle ſtoßen, in der ſein Verfaſſer das Bekenntnis ablegte, daß ihm die Lektüre des Werther' „wonneſüße Tränen“ erpreßt habe. Fünf Jahre nach dem Tode der Kaiſerin, 1801, erſchien dann eine Nachahmung des Romans, der rruſſiſche Werther”.

In jedem Fall bleibt es merkwürdig, daß das dichteriſche Schaffen unſeres größten Dichters im Leben der Kaiſerin ebenſowenig eine Rolle geſpielt hat wie die dramatiſchen Schöpfungen Leſſings und Schillers, während ſie für Wielands Abderiten' ſchwärmte.

Sollte ihr Goethes Jugendfreund Maximilian Klinger, der Ver— faſſer von Sturm und Drang', der es aus wirren Verhältniſſen in St. Petersburg zum ruſſiſchen Offiziers- und Adelsrang, zum Erzieher ihres Sohnes, des Großfürſten Paul, zum Generalleutnant und Kurator der Univerſität Dorpat gebracht hatte, denn gar nichts von dem Gbtterliebling in Weimar erzählt haben? Das Drama des „treuen, feſten, derben Kerls wie keiner“ ſo nannte ihn Goethe dem Kanzler von Müller gegenüber bei der Nachricht von ſeinem Tode wies auf einen Weg, den auch die Semiramis des Nordens in ihrem dramatiſchen Schaffen ſelbſt eingeſchlagen hatte. Ihr Rurik' iſt eine unverkennbare Nachahmung der Hiſtorien Shakeſpeares und in den »Schlimmen Folgen eines Waſchkorbs' handelt es ſich um eine ver- kürzte Nachahmung von Shakeſpeares Luſtigen Weibern von Windſor', wobei ſich der dicke Ritter Falſtaff in den leichtſinnigen ruſſiſchen Aufſchneider Polkadow verwandelt und die Handlung vom eng— liſchen Königspark an die Ufer der Newa verlegt wird. Da ſie das Genie des „ſüßen Schwans vom Avon“ zu einer Zeit erkannte, als Friedrich der Große in deſſen Werken nur „lächerliche Farcen, der Wilden von Kanada würdig“ ſah, muß ſie auch von dem Dichter des Gbötz' und feinem ſtarken Bühnenerfolg in Berlin gehört haben. Wie ſie zu unſerm größten Dichter und Weiſen ſtand, iſt leider nicht völlig aufgeklärt, da die Ausgabe ihrer Schriften durch die Akademie der Wiſſenſchaften in St. Petersburg beim Ausbruch des Weltkriegs trotz der damals zwölf Bände noch immer nicht beendet war. Wenn die Archive vollſtändig geöffnet werden, dürften wir uns vielleicht noch auf mancherlei Neues hinſichtlich der Anſichten der Kaiſerin über unſere Klaſſiker und beſonders über Goethe gefaßt machen.

Zu den geſchichtlich bemerkenswerten Schickſalen des Werther' in Rußland gehört es auch, daß Napoleon ihn ſogar bei dem Rückzug aus Moskau bei ſich trug. Ein ſchönes, in Leder gebundenes Exem⸗ plar des Romans, der ebenſo wie er die Welt erobert hatte, ging ihm dabei verloren. Das gut erhaltene Buch ſoll nach den darin ent⸗ haltenen Angaben von einem Koſaken aus dem kaiſerlichen Schlitten geraubt worden ſein. Es kam dann nach einer Angabe, die der Deutſchen Petersburger Zeitung' aus Dorpat zuging, in die dortige Univerſitätsbibliothek, wo es mancher von unſern Feldgrauen nach der Eroberung der Stadt in Händen gehabt haben dürfte.

VIII 3

34 Abhandlungen

Beim Einzug der ruſſiſchen Garden in Dresden (1813) beobas = 5 tete der Dichter von einem Fenſter der Wohnung des Malers v. Kü- gelgen dies Schauſpiel mit dem Kaiſer Alexander J. und König Fried⸗ rich Wilhelm III. und ſtellte, wie in den Jugenderinnerungen eines alten Mannes' erzählt wird, mancherlei Fragen über Rußland an die aus den Oſtſeeprovinzen ſtammende Frau ſeines Gaſtfreundes.

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Es war kein bahnbrechender, ſchöpferiſcher Geiſt, wohl aber einer der gebildetſten, edelſten und angeſehenſten Ruſſen ſeiner Zeit, dem es das Schickſal vergönnte, ſich mit den Schätzen der abendländiſchen Poeſie verſtändnisfein zu beſchäftigen, ſie in allgemein anerkannten Übertragungen ſeinem Vaterlande anzueignen und mit Goethe in nähere perſönliche Beziehungen zu treten, an die man ſich gern er⸗ innert. Es handelt ſich um einen Mann, von deſſen Abſtammung Julius von Eckardt, einer der beiten Kenner des ſlawiſchen Kultur⸗ lebens, in ſeinem Werk Aus der Petersburger Geſellſchaft' mit tref⸗ fendem Humor ſagt, daß uns ſeine Abſtammung in wunderlicher Weiſe an die Wiege alter Ziviliſation, in die Zeiten Abrahams, Sa⸗ rahs und Hagars verſetzte, und dem es doch gelang, den Weg zu den Höhen der Menſchheit zu finden und ſeinen Namen in die Tafeln der Geſchichte einzuprägen. Er war nichts weniger als eine Kampf- oder Strebernatur, ſondern vielmehr eine Perſönlichkeit voll weicher, ſen⸗ timentaler Romantik, bis zu ſeinem Lebensabend, den er als halb⸗ erblindeter Greis auf deutſcher Erde, in dem badiſchen Wald⸗ und Wieſenparadies an der Oos, immer mit ſchönen Plänen und Träu⸗ men beſchäftigt, verbrachte.

Waſſili Shukowſki (der Anlaut wird im Ruſſiſchen nicht wie „ſch“, ſondern wie das franzöſiſche „g“ in „Genie“ ausgeſprochen) war der Sohn eines reichen Gutsherrn im Tulaſchen Gouvernement namens Bunin, deſſen Frau ihm elf Kinder geboren hatte, und der mit ihnen im Herrenhauſe nach den Sitten der guten alten Zeit ſchaltete und waltete. Gleichzeitig lebte der Herr, deſſen „Tumult im Blut“, wie Shakeſpeare von Hamlets Mutter ſagt, noch lange nicht „zahm“ geworden war, mit einer hübſchen Türkin, die ihm nach der Erobe⸗ rung von Bender im Jahre 1771 als Kriegsbeute mitgebracht und zum Geſchenk gemacht war, in wilder Ehe im Nebenhauſe, aus der vier Kinder hervorgingen. Das jüngſte war Waſſili, den ein Edel⸗ mann aus der Nachbarſchaft mit der Verleihung ſeines Namens an Kindes Statt annahm, und der mit den Angehörigen aus rechtmäßiger Ehe erzogen wurde. Er zeigte eine beachtenswerte Frühreife nicht nur beim Leſen und Schreiben, ſondern auch eine literariſche Begabung beim Verſemachen und Überſetzen aus dem Franzöſiſchen, Engliſchen und Deutſchen. Schiller und Goethe waren ſeine Lieblingsdichterr,

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Goethe und Rußland ß 35

. deren Verſe er in fließende ruſſiſche Reime zu bringen wußte. Der Krieg gegen Napoleon, den er als Landwehroffizier mitmachte, brachte

ſein Talent dann zur weiteren Entfaltung. Seine Dichtung Der Sän⸗

1 ger im ruſſiſchen Kriegslager' fand trotz ihrer Länge eine große Ver⸗

breitung. Eine Botſchaft an den Kaiſer Alexander' nach der Einnahme von Paris trug ihm ein anſehnliches Geldgeſchenk ein und brachte ihn mit den Damen des Zarenhofes in Verbindung. Um das Liebesleid, das über ihn gekommen war, zu vergeſſen, ſiedelte er nach Dorpat über, wo er ſich mit dem deutſchen akademiſchen Leben vertraut machte. In St. Petersburg gelang es ihm bald, in dem Kreiſe liberaler Dichter und Schriftſteller, der ſich dort unter dem Namen „Arſamaß“ gebildet hatte, ſich zur Geltung zu bringen und Verbindungen mit der Hofgeſellſchaft anzuknüpfen. Sowohl für die Gemahlin des Kaiſers Alexander J., die badiſche Prinzeſſin Eliſabeth, wie für deren mit dem Großfürſten Nikolai vermählte Schwägerin Charlotte, der Tochter Friedrich Wilhelms III. von Preußen und Schweſter des ſpä⸗ teren Kaiſers Wilhelm I. „übernahm er das Amt eines Vorleſers und

8 Überſetzers, der auch durch ſeine eigenen hochgeſtimmten Dichtungen

in dieſem Kreiſe die Verbindung zwiſchen dem geiſtigen Leben der beiden Länder herzuſtellen und zu pflegen wußte. Großfürſtin Char⸗ lotte, die in Berlin als „Prinzeſſin Lottchen“ und am Newaſtrande unter ihrem ruſſiſchen Taufnamen Alexandra Feodorowna als, weiße Roſe“ oder „blanche fleur“ wegen ihres ſanften ſentimentalen Cha⸗ rakters gefeiert wurde, ſchenkte ihrem Gatten 1818 einen Sohn, den nachmaligen Thronerben und „Zar-Befreier“ Alexander II. Shu⸗ kowſki, der dem glücklichen Paare aus dieſem Anlaß eine ſeiner Oden zu Füßen gelegt hatte, wurde zum Erzieher des Knaben beſtimmt und begleitete deſſen Mutter auf einer Erholungsreiſe nach Deutſchland, wo er in Berlin, Dresden und der Schweiz in die erſten Kreiſe ein⸗ geführt wurde und ſich mit der Eigenart deutſcher Kultur immer mehr befreundete.

Als Shukowſki mit dem Kanzler von Müller und Reutern am 6. September 1827 Goethe in Weimar beſuchte, fanden ſie ihn nach der Verſicherung Müllers abgeſpannt, leidend und matt, ſo daß ſie nicht verweilten, obwohl er über die „Sucht mancher ſein wollenden

. Kenner, alle Bilder für Kopien zu erklären“, ſich launig mit den

Worten äußerte: „So haben ſie uns ja auch manche alte Pergamente

3 = wie mit dem Beſen ausgekehrt und weggefegt. Ich will immer lieber

Er: eine Kopie für ein Original gelten laſſen, als umgekehrt. Bilde ich

mich doch in jenem Glauben an dem Bilde herauf. Nun laßt ſie im⸗ merhin gewähren; Sonne, Mond und Sterne müſſen ſie uns doch laſſen und können ſie nicht zu Kopien machen. Und daran haben wir

im Notfall genug. Wer es ernſt und fleißig treibt, wird daran genug

finden. Man laſſe ſich nur nicht irren, ſuche vielmehr das eigene Ur⸗ teil immer mehr zu beſtätigen, in ſich zu befeſtigen.“ 3*

6 Abhandlungen

Von dem Abſchiedsgedicht des Ruſſen an Goethe meinte dieſer, daß er darin zwar etwas Orientaliſches, Tiefes, Prieſterliches an— erkenne, tadelte es aber wie die Verſe des Königs von Bayern über Weimar als zu ſubjektiv. Es ſei gar nicht poetiſch, die Vergangenheit ſo tragiſch zu behandeln, ſtatt reinen Genuſſes und Anerkennung der Gegenwart, und jene erſt totzuſchlagen, um ſie beſingen zu können. Vielmehr müſſe man die Vergangenheit ſo wie in den Römiſchen Elegien' behandeln: „Weil die Menſchen die Gegenwart nicht zu wür⸗ digen, zu beleben wüßten, ſchmachteten fie jo nach einer beſſeren Zu— kunft, kokettierten fie jo mit der Vergangenheit. Auch Shukowfki hätte weit mehr aufs Objekt hingewieſen werden müſſen.“

Dieſer Bericht Müllers dürfte den Tatſachen beſſer entſprechen, als was der erwähnte Eckardt von dem Beſuch erzählt, wobei er von Shukowſki jagt: „Dem Habitus der großen Welt war die franzöſiſche

von allen fremden Sprachen die geläufigſte und in dieſer hatte er

ſich dem größten Lyriker des Weſtens' vorgeſtellt. Goethes etwas unbehilfliche franzöſiſche Ausdrucksweiſe wurde Shukowſfki ſofort be⸗ merkbar, und der gute feinfühlige Weltmann glaubte nur den Wün⸗ ſchen ſeines hochverehrten neuen Bekannten zu entſprechen, wenn er nach einiger Zeit deutſch zu reden begann. Goethe ſchien das als Verletzung anzuſehen und zeigte ſich fortan ſo ſteif und einſilbig, daß ſein ruſſiſcher Gaſtfrennd etwas enttäuſcht den Rückweg antrat.“

Am 7. September ſchrieb Müller an Shukowſki: „Ihre köſtlichen ſalbungsvollen Abſchiedsworte an Goethe haben ihn hoch erfreut. Oft gedenkt er Ihrer mit treuer Neigung und Achtung, forſcht oft bei mir nach Kunde von Ihnen und beklagt gleich mir, deren zu entbehren. Geiſt und Geſundheit ſind ihm friſch geblieben, in wenig Tagen wird die dritte Lieferung ſeiner Werke erſcheinen und darin viel Neues. Am zweiten Teil des Fauſt', der ſich in fünf Abteilungen ſpaltet, wovon Helena' als die dritte anzuſehen iſt, arbeitet er fortwährend. Goethe trägt mir herzlichſte Grüße auf.“ Für ſeine fürſtliche Schü⸗ lerin übertrug Shukowſki eine Reihe Balladen von Schiller, wie Graf von Habsburg' und Ritter Toggenburg', Bürgers Lenore', Uhlands Troſt' und andere ins Ruſſiſche. Darunter auch Goethes Erlkönig' und zwar meiſterhaft.

Goethe ſpricht bei ſeiner Anzeige von John Bowrings Servian popular poetry’ (London 1827) von Shukowſki: „Wir lernten auch daraus einen Mann, der uns ſchon längſt durch Lieb' und Freundſchaft verwandt war, Herrn Shukowſki, näher kennen und ihn, der uns bisher in zarten Gedichten freundlich und ehrend verpflichtet hatte, auch in der weiteren Ausdehnung ſeines poetiſchen Erzeugens lieben und bewundern.“

Auch Alexander Koſchelew, einen der Begründer der ſlavophilen

Partei, der in Genf und Paris ſtudiert hatte, finden wir unter den

Ruſſen, die ſich im Gefolge Goethes aufhielten und ihren Lands⸗

e 3

Goethe und Rußland 37

leuten gern von den klaſſiſchen Stätten an der Ilm berichteten, um

damit ihre politiſchen Beſtrebungen der Menge ſchmackhafter zu machen. Im Anſchluß an Männer wie M. N. Katkow, den einfluß- reichen Herausgeber der Moskauer Zeitung' und die beiden Akſakow war er, ein ehemaliger Branntweinbrenner und ſteinreicher Mann, unabläſſig bemüht, mit ſeinen Schriften „die Anſicht zu verbreiten, daß einſt alle ſlawiſchen Bäche ins ruſſiſche Meer fließen müſſen“. Er hat uns mit beredten Worten den Eindruck geſchildert, den er von Goethes Wohnung, von ſeiner Erſcheinung und ſeinem Intereſſe für ruſſiſche Zuſtände ein halbes Jahr vor deſſen Tode empfing. „Goethe begann ſofort“, heißt es in dieſer Schilderung weiter, „von der Großfürſtin zu reden, von dem Glück Weimars, einen ſolchen Schatz zu beherbergen und dergleichen mehr. Darauf ſprach er von unſerem großen Kaiſer [Nikolaus J.], von der Macht Rußlands uſw. Ich wünſchte das Geſpräch auf einen literariſchen Gegenſtand zu leiten und erlaubte mir deshalb eine kleine Lüge, indem ich Goethe ſagte, daß Shukowſki ihn grüßen laſſe. Ach, entgegnete Goethe, wie glücklich iſt der wirkliche Staatsrat von Shukowſki, der die ſchmei⸗ chelhafte Aufgabe hat, die Erziehung des Thronfolgers des ruſſiſchen Reichs zu leiten. Das nun folgende Geſpräch hatte durchweg einen ähnlichen Inhalt, und ich verabſchiedete mich endlich mehr als enttäuſcht.“ Am nächſten Abend war Koſchelew mit dem Kanzler Müller, dem Maler Meyer und noch drei oder vier Herren wieder bei Goethe, der es beklagte, daß die Politik und der Realismus jeg⸗ liche ſchöne Literatur und Kunſt töteten, und daß dieſe letzteren, die in unſrer gegenwärtigen Lage keine Möglichkeit hätten, weder die Menſchen direkt zu ändern, noch ſich den zeitweiligen Forderungen derſelben zu unterwerfen, einen höheren Standpunkt zu erringen ſuchen müßten, daß ſie der Menſchheit eine andere neue Welt eröffnen oder weiſen und ſie durch die Kraft neuer Ideen ſich unterjochen müßten. g

Wir möchten bei dieſer Gelegenheit darauf hinweiſen, daß die Vorliebe Shukowſkis für deutſches Geiſtesleben ſich auch auf ſeinen Sohn, den ruſſiſchen Maler Paul Shukowſfki übertragen hat, der unſerm größten Muſikdramatiker Richard Wagner in deſſen letzten Lebensjahren auf der Villa Angri bei Neapel freundſchaftlich nahe trat, die Entwürfe für die Dekorationen, Koſtüme und Requiſiten bei der erſten Aufführung des Parſifal' im Auguſt 1882 in Bay⸗ reuth ausführte und zu den zwölf Getreuen gehörte, denen die Aus⸗ zeichnung zuteil wurde, den Sarg des Meiſters nach dem Eintreffen in Bayreuth zur Grabſtätte in Wahnfried tragen zu dürfen.

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38 Abhandlungen

Beſonders eng waren die Beziehungen zwiſchen Weimar und Rußland geworden, ſeitdem die achtzehnjährige Enkelin der Kaiſerin Katharina, eine Schweſter Kaiſer Alexanders J., die Großfürſtin Maria Pawlowna ſich 1804 mit dem Erbprinzen von Sachſen⸗Wei⸗ mar, Karl Friedrich, Karl Auguſts Sohn, vermählt hatte. Goethe nannte die junge Fürſtin in einem Schreiben an Marianne v. Eyben⸗ berg vom 26. April 1805 „ein Wunder von Anmut und Artigkeit“, während ſie an ſeinem Schaffen wie bei allen künſtleriſchen Arbeiten regen und verſtändnisvollen Anteil nahm. Goethe rühmte 1828 ge⸗ gen Eckermann von ihr, wie ſie „im edelſten Sinne große Mittel verwende, um überall Leiden zu lindern und gute Keime zu wecken. Sie iſt von jeher für das Land ein guter Engel geweſen und wird es mehr und mehr, je länger ſie ihm verbunden iſt. Ich kenne die Großherzogin ſeit dem Jahre 1805 und habe Gelegenheit in Menge gehabt, ihren Geiſt und ihren Charakter zu bewundern. Sie iſt eine der beſten und bedeutendſten Frauen unſerer Zeit und würde es ſein, wenn ſie auch keine Fürſtin wäre. Und das iſt's eben, worauf es ankommt, daß, wenn auch der Purpur abgelegt worden, noch ſehr viel Großes, ja eigentlich noch das Beſte übrigbleibe.“

Im September 1827 machte, wie wir aus Goethes Tagebüchern erſehen, Geheimrat Perowſky aus Rußland mit dem Kanzler von Müller dem Weiſen von Weimar einen Beſuch, den er im Oktober und November desſelben Jahres wiederholen durfte. Als er Abſchied nahm, brachte er ſeinen Neffen, einen neunjährigen Knaben mit, der dem Dichter ſo wohl gefiel, daß er ihn auf den Schoß nahm und liebkoſte, als ob er fühle, daß der Kleine zeitlebens „einen Hauch ſeines Geiſtes ſpüren“ werde. Er irrte ſich darin nicht, denn aus dem Knaben wurde ſpäter eine Leuchte des ruſſiſchen Schrifttums, der Graf Alexei Tolſtoi, den wir aber nicht mit dem Grafen Leo Tolſtoi, dem noch berühmteren Verfaſſer von Krieg und Frieden', Anna Karenina und dem Volksſtück Die Macht der Finſternis' verwechſeln dürfen. Wie ſehr auf deſſen Namensvetter, der mit ihm in keiner verwandtſchaftlichen Beziehung ſteht, Goethes Perſönlichkeit wirkte, hat er in einer Anmerkung zu der autobiographiſchen Einleitung zur Ausgabe ſeiner Werke mit einer für ſein ganzes Weſen bezeichnenden Beſcheidenheit kurz erwähnt. Er hielt im Gegenſatz zu der natura⸗ liſtiſchen Richtung, die ſich während der vierziger Jahre in der Poeſie ſeines Vaterlands Bahn brach, an den Idealen der deutſchen Klaſſiker feſt, ohne das Perſönliche ſeiner Begabung durch äußerliche Nach⸗ ahmung abzuſchleifen und zu verflachen. Seine Balladen ſind ganz von ruſſiſchem Geiſt erfüllt, den er aus ſeiner kleinruſſiſchen Heimat einſog, und bereicherten ſein Vaterland um eine neue Dichtungsart. Sein geſchichtlicher Roman Fürſt Sſerebränij' gehört zu den be⸗ merkenswerteſten Werken dieſer Art, und in ſeiner dramatiſchen Tri⸗

ogie Der Tod Iwans des Schrecklichen', Zar Fedor Iwanowitſch'

1

1

4

*

2 ® = .

Goethe und Rußland 39

und Zar Boris hat er ſeiner heimatlichen Bühne Schöpfungen von unerſchöpflicher Lebenskraft geſchenkt. Eine ritterliche, tief humane Natur, einen unvergeßlichen Ruſſen und ruſſiſchen Dichter hat ihn Iwan Turgenjew genannt und den Goetheſchen Zug in ihm richtig erkannt. x

Was ich mich auch ſonſt erfühnt, Jeder würde froh mich lieben, Hätt' ich treu und frei geſchrieben All das Lob, das du verdient.

Goethes Feder aan Juli 18260 find dieſe Verſe überſchrieben, von denen die Anmerkung zum dritten Bande der Cottaſchen Jubi— läumsausgabe Goethes annimmt, daß ihre „Beſtimmung unbekannt“ ſei. Hingegen findet ſich in dem von Eduard von der Hellen mit ſo vielem Fleiß und Geſchick zuſammengeſtellten Regiſterbande zu den Werken des Dichters, allerdings mit einem Fragezeichen, der Hinweis auf den ruſſiſchen Dichter Alexander Sergejewitſch Puſch⸗ kin als Empfänger dieſer Gabe. In den literariſchen Kreiſen unſeres öſtlichen Nachbarlandes iſt man immer ſehr ſtolz darauf geweſen, daß eine Verbindung zwiſchen Goethe und dem größten ruſſiſchen Dichter in der Tat nachzuweiſen iſt.

Zu jenen im vierten Bande der Sophienausgabe abgedruckten Verſen bemerkt der Apparat in dem 1910 erſchienenen Band 5 U ausdrücklich, daß Madame Szymanowſka am 16/28. Juni 1828 aus St. Petersburg an den Kanzler von Müller ſchrieb: „Mr. de Joukofsky a apporte en cadeau à Mr. Puschkin, Poète Russe, une plume, avec laquelle Mr. de Goethe avait écrit.“ Dadurch wird, wor— auf uns der verſtorbene ausgezeichnete Direktor des Goethe- und Schiller-Archivs, Profeſſor Rudolf Schlöſſer aufmerkſam machte, die von Otto Harnack in ſeinen Eſſais und Studien zur Literatur⸗ geſchichte' Seite 223 f. mitgeteilte Überlieferung von Puſchkins Bio⸗ graphen Annenkow einwandfrei beſtätigt. Der im hohen Alter 1887 in Dresden verſtorbene P. W. Annenkow war zugleich der erſte be=

rufene Herausgeber der Werke feines Lieblingsdichters, der mit

ſeiner Szene aus Fauſt' dem Olympier in Weimar 1826 ſeine Be⸗ wunderung ausgedrückt hatte.

Wo Goethes Feder geblieben iſt, die Puſchkin in einem koſtbaren Futteral mit der Aufſchrift „Geſchenk Goethe's“ aufbewahrte und mit Stolz ſeinen Freunden zeigte, läßt ſich übrigens nicht nach⸗ weiſen. Jedenfalls weiß man im St. Petersburger Alexander-Lyzeum, in dem dort befindlichen Puſchkin⸗Muſeum, trotz der vielen Erinne⸗ rungen an den Dichter, der Schüler der Anſtalt war, nichts davon. Auch der ſorgfältig hergeſtellte Katalog, der auf feinen über fünf- hundert Seiten eine Fülle von Porträts, Anſichten und Schriß res

ben enthält, macht darüber keine ae

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„Mütterchen Moskau“ ließ es fich als Geburtsſtadt des Dichters nicht nehmen, ihm auf einem mit Gartenanlagen geſchmückten Platz ihrer belebteſten Straße, der Twerſkaja, ein Bronzedenkmal zu er⸗ richten. Dort blickt Puſchkin mit entblößtem Haupt, kurzem, büſchel⸗ förmig gewelltem Haar, charakteriſtiſch geformtem Backenbart, ſtark gebogener Naſe und ſinnlich aufgeworfenen Lippen auf ſein Volk her⸗ ab. Er ſtammte mütterlicherſeits von jenem Mohren ab, den Graf Tol⸗ ſtoi, der Botſchafter des Zaren in Konſtantinopel, als ſiebenjährigen

Knaben kaufte, und an dem der Zar, als Taufzeuge, ſo großes Ge⸗

fallen fand, daß er ihn nach ſeiner Ausbildung in Paris wegen ſei⸗ ner Anhänglichkeit und Ehrlichkeit in ſeine unmittelbare Umgebung aufnehmen ließ. Puſchkin hat ſeinem Urgroßvater in einer ſpannen⸗ den, leider unvollendet gebliebenen Erzählung Der Mohr des Zaren’ ein Denkmal von hervorragendem literariſchen Wert errichtet. Wie ſich ſlawiſches Blut und afrikaniſches Temperament in ihm kreuzten, trat er auch in ſeinem dichteriſchen Schaffen zunächſt als Miſchling auf, der die Literatur des Weſtens auf ſeine Heimat übertrug, um ſie dort als reich aufſprießende Saat auszuſtreuen. Bald aber ent⸗ wickelte er ſich nicht nur zum Schöpfer einer noch nicht vorhandenen poetiſchen Kunſtſprache, ſondern auch zum Dolmetſch der edelſten Gedanken und Empfindungen als Lyriker, Epiker und Dramatiker. Erſt neuerdings (1916) hat Theodor Commichau von ſeinem Haupt⸗ werk, der poetiſchen Erzählung: Eugen Onägin' eine würdige Über- tragung ins Deutſche geliefert, nachdem ſelbſt ein Meiſter der Über- ſetzungskunſt wie Bodenſtedt dabei manchmal verſagte. Beim Anhören der Melodien Tſchaikowskys in ſeiner, auch auf unſeren Theatern oft aufgeführten Oper wird es uns klar, von welchem Reichtum der Ge⸗ ſtaltung und welcher Tiefe der Empfindung grade dieſer Dichter er- füllt war. Sein dichteriſches Ideal war und blieb Goethe, und die⸗ ſem Vorbild blieb er bis zu ſeinem Tode treu, als er die Worte niederſchrieb: „Meine Seele weitet ſich, ich fühle, daß ich ſchaffen kann.“ Wenige Monate ſpäter raffte die Kugel eines Elenden, der ſeine häusliche Ehre beſchmutzt hatte, Rußlands größten Dichter in ſeinem achtunddreißigſten Lebensjahre dahin. Man übertreibt kaum, wenn man behauptet, daß ſein Denkmal in der alten Zarenſtadt zu⸗ gleich auch der Erinnerung an den größten deutſchen Dichter und Weiſen errichtet ſei, deſſen Spuren ſich ſeitdem durch die Entwick— lung des ſlawiſchen Schrifttums bis auf unſere Tage verfolgen laſſen.

Im Jahre 1840 erſchien in der damals eben begründeten Zeit⸗ ſchrift A. Krajewſkis Vaterländiſche Blätter ein Aufſatz Menzel der Goethekritiker', der ſich gegen die im Namen des chriſtlichen Glaubens und des Deutſchtums verſuchte Verunglimpfung des Dichters mit jugendlichem Feuer erhob und die Rechte des freien Künſtlertums beredt verteidigte. Der Verfaſſer dieſer Abhandlung war der ſchon damals viel beachtete Wiſſarion Grigorjewitſch Belinſki, der ſich

Goethe und Rußland 41

durch ſeine feſſelnden Beſprechungen von Gogols Novellen und des Luſtſpiels Der Reviſor im Moskauer Beobachter' und Teleſkop' einen Namen gemacht hatte und mit ſeiner Überſiedelung von der „weißmaurigen“ alten Zarenſtadt nach der neuen Reſidenz an der Newa ein noch ergiebigeres Feld für ſeine bedeutungsvolle literari— ſche Tätigkeit finden ſollte. Als Kritiker gewann er nunmehr durch die Schärfe ſeines Urteils, mit dem er gegen die falſchen Tagesgrößen Sturm lief und voll Begeiſterung ſich nicht nur für den kurz vorher verſtorbenen Puſchkin, ſondern auch für alle neuen, echten Begabun⸗ gen des poetiſchen Schaffens einſetzte, einen Einfluß, wie ihn viel⸗ leicht in ganz Europa kein anderer Meiſter der Kritik aufzuweiſen hatte. Für Deutſchland iſt Belinſki leider nicht viel mehr als ein Name und ein Begriff geblieben, da man jeine jo überaus frucht- bringende Arbeit nur aus einer abgeleiteten Quelle, J. P. Jordans 1846 erſchienener Geſchichte der ruſſiſchen Literatur' kennt, die ohne Nennung des wirklichen Verfaſſers auf dem Titel die Bezeichnung „Nach ruſſiſchen Quellen“ trägt, während ſie in Wirklichkeit eine Ausnützung von Belinſkis Aufſätzen enthält. Belinſkis Bild als Kritiker von beiſpielloſer Bedeutung für das geiſtige Leben ſeines Vaterlands, ſowie feine edle, durch ſein Bruſtleiden, die ihm drohen⸗ den Nachſtellungen und ſeinen frühen Tod tragiſch verklärte Menſch⸗ lichkeit treten uns aus den Literatur- und Lebenserinnerungen' Iwan Turgenjews mit vollſter Deutlichkeit entgegen. Man muß es dem Re⸗ clamſchen Verlag in Leipzig zum beſonderen Verdienſt anrechnen, daß er durch feine „Univerſalbibliothek“ dieſe ausgezeichneten Schilde— rungen auch den deutſchen Leſern zugänglich gemacht hat.

Die erwähnte Abhandlung Belinſkis über Goethe erſchien drei Jahre, nachdem Heinrich Heine in ſeiner Schrift Über den Denunzianten’ Menzel mit ſo viel geiſtiger Überlegenheit und vernichtender Uner⸗ bittlichkeit, die ſich niemals von der Wahrheit entfernen, zur Strecke gebracht hatte. Es iſt kaum anzunehmen, daß Belinſki von dieſer ritterlichen Verteidigung Goethes zu ſeinen eigenen Außerungen an- geregt wurde, die durchaus den Charakter des Perſönlichen tragen, abgeſehen davon, daß er mit keiner fremden Sprache näher vertraut war, ſich mit Überſetzungen und den Mitteilungen ſeiner Freunde be⸗ gnügen mußte und feine erſte Reiſe „ins Ausland“, wie man in Ruß⸗ land zu ſagen pflegt, erſt mit achtunddreißig Jahren, kurz vor ſeinem Ableben, antrat. Für ihn war es ſelbſtverſtändlich, daß Goethe ein welteroberndes Genie ohnegleichen war und ſeine Gegner nur als Dummköpfe oder Heuchler in Frage kommen konnten. Daher nannte er Menzel auch einen Menſchen, der von der Poeſie ſoviel verſtehe wie der Blinde von der Farbe und der Taube von der Muſik. In Wahrheit drückte ſich darin noch ein ſehr mildes Urteil aus, was jeder zugeben wird, der dieſen Goethehaſſer und Angeber des „jungen Deutſchlands“ bei der Regierung aus ſeinen Schriften als eine der

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bösartigſten Früchte am Baum des deutſchen Schrifttums wirklich er

kennengelernt hat. Einem Mann wie Belinſki, der als gefährlicher Umſtürzler im Reich des Zaren Nikolai J. galt und als Opfer der Schwindſucht noch von ſeinem Totenbett 1848 zum Chef der ge⸗ fürchteten politiſchen Polizei entboten wurde, mußten Goethes Schaf- fen und Perſönlichkeit unter dem Schutz Karl Auguſts in der freien Luft Weimars in gradezu verklärender Beleuchtung erſcheinen.

Bei niemandem haben aber das Verſtändnis und die Bewunde⸗ rung deutſcher Poeſie und Kunſt, insbeſondere Goethes, in Rußland einen wärmeren Ausdruck gefunden als bei Iwan Turgenjew, dem Nachkommen einer alten, aus der goldenen Horde ſtammenden Adels⸗ familie, dem die Kultur des Weſtens ſchon in früher Jugend Er⸗ leuchtung und Richtſchnur für ſein ganzes Leben wurde, mit ſo in⸗ niger Liebe er auch als Dichter an ſeinem Vaterland hing. Mit neun⸗ zehn Jahren hatte er zu Schiff ſeine erſte Reiſe nach Deutſchland angetreten, wobei der Dampfer „Nikolai J.“ kurz vor der Einfahrt in Travemünde in Brand geriet und die Paſſagiere in Lebensgefahr brachte. In der Friedrich- Wilhelms⸗Univerſität ſaß er zu den Füßen von Männern wie den Philologen Boeckh und Zumpt, den Hiſto⸗ rikern Ranke und Gans, dem Philoſophen und Aſthetiker Karl Wer⸗ der und war eine Zeitlang wie alle damaligen Studenten ein be⸗ geiſterter Schüler Hegels, bis er ſeinen Lebensberuf in dichteriſchem Schaffen erkannte. Der rieſenhaft aufgeſchoſſene junge Ruſſe mit dem üppig wallenden Bart, den träumeriſch ſchimmernden Augen und

der ſanften, hohen Stimme beherrſchte unſere Sprache, wenn auch

mit einem fremdländiſchen Akzent, bis zur Vollendung und ſah in Shakeſpeare und Goethe das Höchſte, was die germaniſche Poeſie überhaupt hervorgebracht hat. In einer ſeiner ſchönſten Novellen Fauſt ſchilderte er ſpäter den gewaltigen Eindruck, den dieſe Dichtung auf das Seelenleben einer jungen, von Poeſie und Liebe bisher un⸗ berührten Frau hervorbringt, ſo daß ihre Phantaſie davon noch in der Todesſtunde erfüllt iſt, mit unübertrefflicher Wahrheit und künſt⸗ leriſcher Vertiefung. Kurz vor ſeinem Tode, als ihn einer ſeiner beſten Freunde, Ludwig Pietſch, im Frühling 1882 in Paris beſuchte, machte er aus ſeiner Abneigung gegen die ausführlichen Detail⸗ ſchilderungen Emile Zolas in ſeinen Romanen kein Hehl. „Ich habe in der letzten Zeit wieder viel Goethe geleſen, den Fauſt' zum, ich weiß nicht, wieviel hundertſten Male. Junge Ruſſen, die mir jetzt ihre literariſchen Verſuche bringen, mich um Urteil und Rat fragen, verwies ich neulich auf eine Stelle darin. Daraus ſieht man am beſten, was ein Dichter iſt, wie ein Dichter ein Menſchenweſen mit Einem Worte lebendig hinſtellt, daß man es ganz und gar vor ſich ſieht, ohne daß irgend etwas vom Ausſehen der Perſon, von ihren Eigenſchaften erzählt oder irgendeine Reflexion voller geiſtreicher Ge⸗ danken über ſie angeſtellt wird. Ich meine die Stelle, wo Fauſt in

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Goethe und Rußland 43

| ſo großen Worten zu Gretchen redet, in der Gartenſzene: O, Beſte,

glaube, was man ſo verſtändig nennt, iſt oft mehr Eitelkeit und Kurz⸗

ſinn.' Was gibt fie darauf zur Antwort? Nichts ſagt fie als "Wie?

Dies Wie iſt ſublim, man ſieht und kennt das ganze Mädchen vom Kopf zu Fuß. So macht's ein Dichter.“ Ebenſo reich an feinen Be- merkungen iſt auch eine Abhandlung, die Turgenjew nach dem Er⸗ ſcheinen einer neuen Überſetzung des Fauſt' von Wrontſchenko ſchrieb, die leider wenig bekannt iſt. Dieſe Kritik befindet ſich in einer von mir 1885 herausgegebenen Sammlung ſeiner Vermiſchten Aufſätze'. Für ein kleines Gedicht von Goethe hätte er ſeinen ganzen Welt⸗ ruhm als Meiſter der Proſaerzählung hingegeben.)

Ein ſolches Bekenntnis wollte etwas bedeuten in einem Lande, in dem bereits einflußreiche Kritiker die künſtleriſche Phantaſiearbeit in der Literatur für etwas Überflüſſiges und Schädliches erklärten. Der ſchlimmſte unter ihnen war der früh verſtorbene Heißſporn Piſſarew, der Puſchkin und Lermontow als Poeten für ſchwindſüchtige Jung⸗ frauen und ſporenklirrende Huſarenleutnants hinſtellte, Heinrich Heine als einen charakterloſen Schreier bezeichnete und ſelbſt Shake⸗ ſpeare und Schiller anklagte, weil ſie keine „Realiſten“ ſeien. Das Köſtlichſte hat ſich dieſer „Bazarow des Journalismus“, wie ihn Alexander v. Reinholdt in feiner Geſchichte der ruſſiſchen Literatur’ mit Erinnerung an Turgenjews Helden in Väter und Söhne' nennt, mit der Behauptung geleiſtet, daß Goethe nur ein „In Verſen rä⸗ ſonnierender aufgeblaſener Ariſtokrat“ ſei. Kein Wunder, da derſelbe Piſſarew meinte, daß ein Paar Stiefel mehr wert ſeien als der ganze Puſchkin.

Man denkt dabei an des greiſenhaften L. N. Tolſtoi, des Einſiedlers

von Jasnaja Poljana, muffiges Moskowitertum, das ihm in ſeinen

Bemerkungen Über die Kunſt und gegen die Kunſt' den Ausſpruch eingab, daß Goethes Fauſt' ein auf Entlehnungen begründetes Werk ſei, das keinen wahren Eindruck hervorbringen könne, weil ihm der Hauptcharakter eines Kunſtwerks, die Einheit und tiefere Bedeutung von Form und Inhalt fehlte. In ſeiner Jugend war übrigens Tol⸗ ſtoi, wie Raphael Löwenfeld in den Geſprächen über und mit Tolſtoi' mitteilt, auf ſeiner Auslandsreiſe in Weimar, beſuchte das Goethe⸗ Haus, wurde mit Liſzt bekannt und bei Hofe eingeführt.

Es kann nicht überraſchen, daß ein ſo frei und hoch geſtimmter Geiſt wie der Ruſſe Alexander Herzen, in dem wir einen der bedeu- tendſten und einflußreichſten Publiziſten des 19. Jahrhunderts be⸗ wundern, und der von Jugend auf mit der Philoſophie und Literatur Weſteuropas vertraut war, ſich zur Weltanſchauung Goethes hin— gezogen fühlte. Das Blut ſeiner aus Schwaben ſtammenden Mutter

1) Auch der jüngſt verſtorbene ruſſiſche Revolutionär Peter Krapotkin ſchil⸗ dert in ſeinen Memoiren die „unermeßliche Freude“, die ihm im Petersburger Pagenkorps die erſte Lektüre des Fauſt' in der Urſprache bereitete.

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hatte ſeinem Gefühlsleben eine Feinheit und Wärme eingeflößt, die ihn die ſchwere Bedrückung unter dem Kaiſer Nikolai J. als uner⸗ träglich empfinden ließ. Schon als zweiundzwanzigjähriger Student wurde er wegen ſeiner angeblichen Beteiligung an einer Saint-Simo⸗ niſtiſchen Geſellſchaft verhaftet, ins Innere des Reichs verſetzt und ſpäter in St. Petersburg, wo er bei der Regierung arbeitete, ſcharf beobachtet. Nach ſeinem Ausſcheiden aus dem Staatsdienſt und dem Erſcheinen ſeiner erſten Romane erregte er vor allem durch ſeine Schrift Vom anderen Ufer', die Frucht gründlicher Reiſen durch Deutſchland, Frankreich und Italien, allgemeine Beachtung und ſchuf ſich mit feiner Zeitſchrift Kolokol' (Die Glocke) ein Inſtrument, das er gegen die ruſſiſche Gewaltherrſchaft zu außerordentlicher Wir⸗ kung auf die öffentliche Meinung in Rußland brachte, und mit dem er ſogar den Weg zu der Umgebung des inzwiſchen zur Regierung gelangten Alexander II. fand. Sein Einfluß ging ſo weit, daß ihm die fraglos echten Memoiren der Kaiſerin Katharina II. in die Hände fielen, die er herausgab, und die ſeitdem in allen europäiſchen Spra⸗ chen erſchienen ſind. In ſeinen Reiſeſchilderungen wie in ſeinen eige⸗ nen Memoiren eines Ruſſen' verrät ſich in dem immer ſchärfer her⸗ vortretenden Revolutionär überall der Einfluß Goetheſcher Gedanken und Ausſprüche, die er in den Überſchriften der einzelnen Kapitel mit Vorliebe anführt, und auf die er in ſeinen eigenen Betrachtun⸗ gen und Schilderungen zurückkommt.

In dieſen Erinnerungen gedenkt er auch des ruſſiſchen Staats- manns Sergei Semenowitſch Uwarow, eines Schülers der Göttinger Univerſität, der ſpäter Kurator der Univerſität von St. Petersburg, Präſident der Akademie der Wiſſenſchaften und Miniſter der Volks⸗ aufklärung wurde. Puſchkin hatte ihn in ſeinem Schreiben an Lu⸗ kullus' beſungen.

Herzen ſchildert Uwarow als einen Mann, der wegen ſeiner Sprach⸗ kenntniſſe und einer Menge anderer Dinge, die er wußte, bewundert wurde, und ſagt von ihm: „Er war ein richtiger Kommis in dem Kramladen der Aufklärung und bewahrte in ſeinem Gedächtnis die Muſter aller Wiſſenſchaften ſorgfältig auf; ein Endchen von einer jeden oder eigentlich die Anfangsgründe einer jeden . . . Er trug ge⸗ wiſſermaßen als Patent einen Brief von Goethe mit ſich in der Ta⸗ ſche herum, in dem ihm dieſer ein ſehr merkwürdiges Kompliment machte: Sie entſchuldigen ſich ohne Grund wegen Ihrer Sprache; Sie haben erreicht, was ich ſelbſt nicht vermochte; Sie haben die deutſche Grammatik vergeſſen.““

Leider iſt dieſe Stelle, wie mir auch von dem Leiter des Goethe— und Schiller-Archivs in Weimar, Profeſſor Dr. J. Wahle beſtätigt wird, in den gedruckten Briefen weder in der Sophien-Ausgabe noch in der Schrift Goethe und Uwarow und ihr Briefwechſel. Mit Er- läuterungen von Dr. G. Schmid’, Petersburg 1888, zu finden, ob-

RER

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wohl dieſer die im Uwarowſchen Familienarchiv zu Ponntſchje bei Moskau aufbewahrten acht Briefe Goethes nach den Originalen ab— gedruckt hat. Es muß daher angenommen werden, daß der Brief, der jene Stelle enthielt, verlorengegangen iſt. Von dem ſpäter zum Gra⸗ fen ernannten Uwarowp beſitzen wir auch eine Notice sur Goethe, lue A la séance générale de l' Academie impériale des sciences de St. Pétersbourg' (1833).

Es kann nicht überraſchen, wenn man erfährt, daß die Zenſur in St. Petersburg, die ſich an den edelſten Werken der heimiſchen Dichter austobte, auch den Schöpfungen der ausländiſchen Schrift- ſteller aus allerlei politiſchen, religibſen und moraliſchen Gründen große Schwierigkeiten bereitete. Nicht jeder Poet fand wie Puſchkin einen jo gnädigen Herrn an dem Zaren Nikolai l., der ihm bei ſeiner Verbannung nach dem Süden die Hand drückte und verſicherte: „Ich will fortan Dein eigener Zenſor ſein.“ Wie Schillers Räuber', Fiesko' und “Tell und Leſſings Emilia Galotti' in Rußland ver- boten wurden, jo geſchah es auch mit Goethes Egmont'. Dem ver- dienſtvollen Leiter des Deutſchen Theaters in der Reſidenz des Zaren, Philipp Bock, der dieſer Kunſtſtätte über vierzig Jahren angehörte und darüber in der Zeitſchrift Deutſche Bühne? intereſſante Erinne- rungen veröffentlicht hat, gelang es erſt 1883, Egmont' von dem bisher beſtandenen Aufführungsverbot zu befreien. Auch koſtete es nicht geringe Mühe, bei den Fauſt'-Aufführungen die Szene mit Gretchens Gebet „Ach neige, du Schmerzenreiche“ vor dem Bild der mater dolorosa durchzuſetzen, von anderen kleinlichen Maßnahmen ähnlicher Art zu ſchweigen.

Was die Überſetzungen Goetheſcher Dichtungen ins Ruſſiſche be— trifft, an die bereits erinnert wurde, ſo gelang es einer Reihe von Meiſtern auf dieſem Gebiet, die Schönheit und den Reichtum der von Puſchkin geſchaffenen Sprache in vollem Maße zur Geltung zu bringen und Goethes Rat: „Man laſſe den Leſer nicht die beſchwer— liche Reiſe ins fremde Land antreten, ſondern bringe dieſes zu ihm hinüber“ zu beherzigen. Shukowſkis Übertragung des Erlkönigs', von dem einzelne Züge auch auf Lermontows wundervolles Gedicht »Mzyri', d. i. Kloſternovize, übergegangen zu ſein ſcheinen, iſt in die ruſſiſchen Chreſtomathien wie die von Schafranow und Nikolitſch aufgenommen worden. Sie beweiſt, wie farbenreich und geſchmeidig ſich die Versſprache Goethes im Ruſſiſchen wiedergeben läßt, von deren Reichtum, Klangzauber und maleriſchem Charakter man in Deutſchland leider kaum eine Ahnung hat. Fjet, der Sohn einer Deutſchen, Cholodwoſki und Huber, der liberal angehauchte Inge— nieur von der Waſſerbaukommiſſion, haben ſich als Fauſt'-Über⸗ ſetzer in ähnlicher Weiſe hervorgetan. Fedor Iwanowitſch Tjutſchew, der Gatte einer Deutſchen, mit Heine und Schelling bekannt, ver⸗ öffentlichte 1832 ein von Fr. Fiedler in Reclams Univerſalbibliothek

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überſetztes ſchwungvolles Gedicht Auf Goethes Tod”. Auch fehlte es

nicht an opferfreudigen und unternehmenden Verlegern, die der⸗ gleichen Arbeiten in ein glänzendes künſtleriſches Gewand kleideten. Vor allem verdient dabei an den verſtorbenen A. F. Marcks erinnert zu werden, einen Deutſchen, der mit ſeiner illuſtrierten Wochenſchrift Niwa' (Die Flur) ein Unternehmen erſten Ranges ſchuf, ihr eine Verbreitung von gegen zweihunderttauſend Exemplaren gewann und den Abonnenten dabei Überſetzungen älterer und neuerer deutſcher Dichter, wie zuletzt noch Gerhart Hauptmanns, neben den Dichtern anderer Länder als koſtenloſe Beilage zur Verfügung ſtellte. Die von Marcks veröffentlichte Übertragung des Fauſt' mit den ſchönen Illu⸗ ſtrationen nach Seiberts ſtellt einen Prachtband dar, der an Reich⸗ tum und Geſchmack der Ausführung kaum zu übertreffen iſt. Auch die ausgezeichneten Goethe-überſetzungen von Michael Doſtojewski, dem Bruder des berühmten ruſſiſchen Erzählers, ſollen nicht vergeſſen ſein. Vergegenwärtigt man ſich, welchen Eindruck Goethe als Dichter und

mit ſeiner Perſönlichkeit auf den ſlawiſchen Oſten im allgemeinen ge⸗

macht hat, ſo will es ſcheinen, daß ſich für das Leuchtende und alles Umſpannende ſeines Geiſtes bei den Polen mehr Unmittelbarkeit des Verſtändniſſes als bei den Ruſſen zeige. Schon im Jahre 1785, bei dem erſten Aufenthalt des Dichters als Kurgaſt in Karlsbad, wurde er von den „Franzoſen des Nordens“, namentlich von den ſchönen, geiſtreichen und temperamentvollen Damen und ihren ariſtokratiſchen Männern enthuſiaſtiſch gefeiert, und dieſe Huldigungen wiederholten ſich im nächſten Jahre, als er mit ſeinem Herzog zum Kurgebrauch dorthin zurückkehrte. Mit ihm zuſammen unternahm er dann eine acht⸗ tägige „Luſtfahrt“ nach den Salinen von Wieliczka, nach Krakau und Czenſtochau, wo beide mehr Intereſſantes erlebt zu haben ſcheinen, als ſich für die Offentlichkeit ſchickte, denn Goethe hat nur wenigen Blättern ſeines Notizbuches einige flüchtige Erinnerungen anvertraut, aber über Einzelheiten, die wir gern erfahren hätten, geſchwiegen. Mit dem Fürſten Heinrich Radziwill ſchloß er eine Freundſchaft, die in deſſen Muſik zum Fauſt' einen feſten künſtleriſchen Beſtand erhielt. Der große Dichter Mickiewicz und ſein treuer Johannes Odyniec ge⸗ hörten zum Goetheſchen Kreiſe, und die beiden reizenden Polinnen Maria Szymanowfkaja, die gefeierte ruſſiſche Hofpianiſtin, und ihre Schweſter Caſimira Wolowska, eine Frau von ebenſoviel Geiſt wie Liebreiz, wußten dem Greiſe den Seelenfrieden wiederzugeben, den er durch ſeine Leidenſchaft für die ſechzehnjährige Ulrike von Levetzow verloren hatte. Es begannen ganze Wallfahrtszüge von Bewunderern ſeiner Genialität nach Weimar, und noch kurz vor ſeinem Tode er⸗ ſchien in ſeinem Salon, während er an ſeinem Schreibtiſch ſaß, ein junger Pole in militäriſcher Uniform und der Medaille „Virtuti mi- litari“ auf der Bruſt, der nach dem unglücklichen Aufſtand von 1831 durch Deutſchland flüchtete.

Goethe und Rußland 7 Dieſem aufflammenden Goethekultus der Polen ee haftet der Bewunderung der Ruſſen für ihn etwas Langſames und Schwer— fälliges an, das mehr an eine Glut unter der Aſche erinnert. Aber niemand kann es leugnen, daß ſie ebenſo viel Licht und Wärme verbreitet hat wie jene raſche polniſche Erregbarkeit, die mit einem gewiſſen Modegeſchmack gemiſcht war. Bei den ruſſiſchen Dichtern, die den Spuren der klaſſiſchen Poeſie Weimars folgten, lag die Sache weſentlich anders. Sie erkannten die Größe Goethes mit Recht in der Aufrichtigkeit und Wahrheit all ſeiner Gedanken und Empfindungen, in der Darſtellung deſſen, was er in Luſt und Leid ſelbſt erlebt hatte, und was ihm auf den Nägeln brannte. Alle großen ruſſiſchen Dichter ſind abgeſagte Feinde alles Gemachten und nur äußerlich Schillernden und haben dafür ihre Schöp— fungen mit ihrem Blut genährt. Das erkannte vor allem Proſper Merimee, der einmal zu Turgenjew ſagte: „Eure Poeſie ſucht vor allem die Wahrheit, und dann findet ſich die Schönheit von ſelbſt; unſere Dichter dagegen gehen einen ganz entgegengeſetzten Weg: ſie ſorgen vor allem um den Effekt, den Scharfſinn, den Glanz, und wenn mit dieſem ſich ihnen die Möglichkeit bietet, die Wahrſcheinlichkeit nicht zu verletzen, jo nehmen fie auch das allenfalls mit in den Kauf. Bei Puſchkin entfaltet ſich die Poeſie auf wunderbare Weiſe, gleich⸗ ſam von ſelbſt aus der nüchternſten Proſa.“ Merimee nannte dieſen, offenbar übertreibend, den größten Dichter ſeiner Zeit, wußte dieſe

Behauptungen aber durch die feinſten Bemerkungen über die Gleich⸗

mäßigkeit der Form, des Inhalts, der Geſtalten und der Objekte, das Fehlen jeglicher Auslegungen und moraliſchen Schlüſſe zu be⸗ gründen. Ebenſo äußerte ſich auch Bodenſtedt in der Vorrede zum erſten, Puſchkin gewidmeten Bande ſeines Überſetzungswerks Ruſſiſche Dichter': „Die geniale Überlegenheit und den höheren Flug Byrons zugegeben, finde ich doch in Puſchkin mehr Wahrheit, Geſundheit und Natur, weil der ruſſiſche Dichter ganz in ſeiner Heimat wurzelt ..“ Goethe hat es ſtets bedauert, daß ihm die Kenntnis der ruſſiſchen und polniſchen Sprache verſagt blieb. Der feinfühlige Kulturſchilderer und glänzende Stiliſt Dmitri Mereſchſkowſki nennt in ſeinem 1896 erſchie⸗ nenen Buche Ewige Gefährten’ (deutſch 1919 von Julius Eliasberg) die Engelsworte: „Wer immer ſtrebend ſich bemüht, den können wir erlöſen“ nicht nur, wie es deren Schöpfer meinte, den Schlüſſel zu Fauſts Rettung, ſondern vielleicht auch den Schlüſſel zur Rettung Weſteuropas. „Tolſtoi und Goethe“, fügt er hinzu, „ſtehen als zwei erzgemeißelte Geſtalten, als zwei Wächter vor den Thoren der beiden Zeitalter, der beiden Welten. Wem wird die Menſchheit ihre Herzen ſchenken? Wem wird ſie folgen? Jedenfalls liegt für uns Ruſſen in Tolſtoi eine ſchier unüberwindliche Verſuchung, und niemand kann ſie in uns niederkämpfen als Goethe.“ Und vorher meinte er, daß für die Ruſſen das Phänomen Goethe eine ganz beſondere Bedeutung

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habe, weil für das extreme Slawophilentum, das die ganze europäi⸗ ſche Ziviliſation zum Teufel jagen möchte, Goethe das beſte Gegen— gift ſei. Wir erblicken Goethe in ſeinem langen Leben in nahen Be⸗ ziehungen zum Zarenreiche, von jenem, im zehnten Buch von Dich— tung und Wahrheit' erwähnten „behaglichen Ruſſen“ namens Peglow, einem Bekannten Herders aus Riga, der nach Ludwig Geigers For— ſchungen ruſſiſcher Stabschirurg war, 1773 in Straßburg ſein Dok⸗ torexamen machte und ſpäter in ſeine Heimat zurückkehrte, bis zu dem Briefwechſel, den der Dichter im höchſten Alter mit Uwarow über die tiefſten Fragen der Wiſſenſchaft führte. Ihn beſchäftigten die Steine aus Sibirien, die ihm zugeſchickt wurden und die er in einer Kaſſette aus rotem Saffian aufbewahrte. Wenn er im Alter als Feinſchmecker ſeinen Gäſten neue Speiſen vorſetzte, mit denen ſie noch nicht um⸗ zugehen wußten, ſo befand ſich darunter neben den Artiſchocken, wie er an Charlotte von Kalb 1796 ſchreibt, als „wunderliche Speiſe“ auch der Rogen des Stör oder des Hauſen vom untern Lauf der Wolga, der Kaviar. Gewiß hielt man, wie es bei uns noch heute geſchieht, dieſen Namen für einen ruſſiſchen. In Wirklichkeit iſt er jedoch eine Verſtümmelung des italieniſchen „Caviale“ für den Rogen des dor⸗ tigen Thunfiſches, während man bei den Slawen ein ſo oder ähnlich lautendes Wort gar nicht kennt und immer nur von „ikra“ ſpricht, was zugleich „Wade“ bedeutet.

Die Anerkennung Goethes hat ſich in der Entwicklung der ruſſi⸗ ſchen Poeſie überall bemerkbar gemacht und wirkt noch weiter nach. Dieſen Spuren durch die furchtbaren Wirren der Gegenwart im Ein⸗ zelnen nachzugehen, bildet eine ebenſo lockende und lohnende Aufgabe wie die Nachforſchungen nach dem Verbleib der angeblich verlorenen Handſchrift Litteratur gegen Friedrichs des Großen Aufſatz über die deutſche Dichtung und die Geſpräche mit Napoleon in Erfurt und Weimar. Überall empfindet man die Wahrheit des Ausſpruchs: „Goethe und kein Ende!“

Wetzlar in Goethes Fauſt Von Heinrich Gloél (Wetzlar)

dethe hat in ſeinem Fauſt' mehrfach beſtimmte Grtlichkeiten als

Schauplätze angegeben, ſo Auerbachs Keller in Leipzig, den Harz und den Brocken mit der Gegend von Schierke und Elend, die pharſa— liſchen Gefilde, Sparta, Arkadien. Dagegen hat er Wittenberg und Augsburg, die in der Fauſtſage vorkommen, nicht namhaft gemacht; und die Gretchentragödie iſt weder im Ur⸗-Fauſt' noch in der ſpäte⸗ ren Ausgabe beſtimmt lokaliſiert.

Nun befindet ſich aber in Goethes Nachlaß unter den Entwürfen zum 1. Teil folgendes, ziemlich unbeachtet gebliebenes Paralipomenon (Werke 14, 295 Nr. 24): „Kleine Reichsſtadt. Das anmuthige be⸗ ſchränckte des bürgerlichen Zuſtands. Kirchgang. Neugetauftes Kind. Hochzeit.“ Danach dachte ſich der Dichter als Ort des Gretchendramas eine kleine Reichsſtadt und hatte vor, den Hintergrund zu Fauſts und Gretchens Begegnung vor dem Dome breit auszumalen, indem er uns einen Kindtauf⸗ und einen Hochzeitszug vorführte.

Bei der Objektivität des Denkens, die wir immer bei Goethe be— merken, müſſen wir annehmen, daß ihm ein beſtimmtes Städtchen vorſchwebte. Dies war m. E. Wetzlar, in dem er ſich im Sommer 1772 aufhielt, und das auch der Schauplatz von Werthers Leiden iſt. Daß ſich der junge Dichter während jenes Aufenthaltes mit dem Fauſt' beſchäftigte, wird durch ſeinen Briefwechſel mit Gotter bezeugt, auf den wir unten zurückkommen. Was ſich in der Gretchentragödie an örtlichen Beziehungen findet, läßt ſich alles auf Wetzlar beziehen. Von kleinen Reichsſtädten kannte Goethe zwar auch Friedberg in der Wetterau; dies kommt aber nicht in Betracht, weil ihm der Dom fehlt. Und Frankfurt würde Goethe nicht als Kleinſtadt bezeichnet haben; es hatte damals etwa fünfmal ſo viel Einwohner wie Wetzlar. Übri- gens hat der Dichter, der fich für das Straßburger Münſter jo be- geiſterte, die altehrwürdige Wetzlarer Stiftskirche, d. h. den Wetz⸗ larer Dom, der allerdings der Einheit des Stils entbehrt, ſonſt nir⸗ gends erwähnt.

Im Dom findet nach katholiſchem Brauch das Amt mit dem Chor— geſang „Dies irae, dies illa“ ſtatt; im Ur⸗Fauſt' iſt es das Toten⸗

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amt (die Exequien) für Gretchens Mutter. Aus der Sakriſtei flimmert

der Schein des ewigen Lämpchens. Dazu ſtimmt, daß nach der Ein⸗ führung der Reformation in Wetzlar der Chor des Doms bis auf den heutigen Tag dem katholiſchen Gottesdienſte verblieb; das Schiff ge⸗ hört der evangeliſchen Gemeinde.

Wetzlar war mit einer hohen Stadtmauer umgeben, wie ſie Mephi⸗ ſtopheles V. 3316 erwähnt. Vor dem Silhöfer Tore befand ſich außer⸗ halb der Mauer noch ein ſog. Zwinger, d. h. ein beſonderes Vorwerk, das wieder mit einer niedrigen Mauer umgeben war; Goethe verſteht aber hier unter dem Zwinger den ſchmalen Gang innerhalb der Stadt zwiſchen der Stadtmauer und den erſten Häuſern. Und die „Mauerhöhle“, in der das von Gretchen mit Blumen geſchmückte Andachtsbild der Mater dolorosa ſteht, iſt nicht etwa eine tiefe Höhle, ſondern nur der in der Innenſeite der Wetzlarer Stadtmauer auf der ganzen Strecke ausgeſparte große gotiſche Bogen.

In Wetzlar gab es zu Goethes Zeit mehrere Brunnen mit immer fließendem Waſſer, ſo auf dem Buttermarkt (Domplatz), dem Eiſen⸗ markt, der Hofſtatt, dem Kornmarkt. Der letztere, der noch jetzt mit dem doppelköpfigen Reichsadler geziert iſt, war faſt unmittelbar vor dem Fenſter von Goethes Wohnung bei dem Prokurator Ludolf. Im Ur⸗ Fauſt' kommt übrigens außer dem Brunnen, an dem Gretchen mit Lies⸗ chen ſchwatzt, noch ein anderer Brunnen vor der Mater dolorosa vor.

Zu Marthes Garten ſei bemerkt, daß es wie außerhalb ſo auch innerhalb der Stadt Wetzlar manche Gärten gab. Goethe dachte viel⸗ leicht beſonders an den Garten des reformierten Predigers Lorsbach, bei dem ſein Freund Johann Chriſtian Keſtner, Lottens Bräutigam, zur Miete wohnte. a

Daß Valentin Soldat iſt, paßt gut zu Wetzlar, wo zu Goethes Zeit eine heſſen⸗darmſtädtiſche Beſatzung lag, die dem Bruder des Amtmanns Buff, dem Major Buff, unterſtand, und außerdem ein Kontingent des oberrheiniſchen Kreiſes, zu dem die Stadt gehörte.

Vor dem Dome war beſonders Sonntags nach der Kirche das Stelldichein der feinen Welt. Darüber ſchrieb Auguſt Keſtner noch am 23. Mai 1802 an ſeine Mutter Lotte nach Hannover: „Nach der Kirche pflegen ſich hier die ſchönen Damen beſuchend auf den Straßen ſehen zu laſſen, welches eine Verſammlung aller Praktikanten auf dem Buttermarkt und Stiftskirchhofe zu veranlaſſen pflegt, der ich denn auch mit Vergnügen beiwohnte.“

Häufig wurden in der Nacht den jungen Mädchen Ständchen ge⸗ bracht. So verabſchiedete ſich der wunderliche Auguſt Siegfried von Goué am 6. Juli 1772 nach Joh. Chr. Keſtners Tagebuche „par une musique tr&s bruyante, qui s’arr&ta devant toutes les maisons de sa connaissance“.

Darauf lege ich keinen Wert, daß die Stadttürme in Wetzlar als Gefängnis dienten, auch darauf nicht, daß ſich auf einer Höhe über

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Wetzlar in Goethes Fauſt' 51

der Stadt der Rabenſtein erhob; denn dies traf wohl bei manchen Städten zu.

Nimmt man aber alles zuſammen, was ich angeführt habe, ſo iſt es ſehr glaubhaft, daß Goethe als Schauplatz der Gretchenhandlung Wetzlar im Auge hatte. Daraus folgt nicht, daß die betreffenden Szenen bereits in Wetzlar entſtanden ſeien. Nein, die örtlichen Be⸗ ziehungen können auch im Geiſte des Dichters haften geblieben und ſpäter verwertet fein. Und wenn Gotter im Sommer 1773 in einer an Goethe gerichteten Epiſtel ſagt:

„Schick mir dafür den Doktor Fauſt,

Sobald dein Geiſt ihn ausgebrauſt“, ſo ſcheint daraus hervorzugehen, daß ſich in Wetzlar 1772 noch alles in Gärung befand. Mit der Abfaſſung des Werkes wurde jedenfalls erſt 1773 begonnen, nachdem Goethe Hans Sachs kennen gelernt hatte, dem er für den 1. Teil des Fauſt' die deutſchen Reimverſe entnahm. Anderſeits: wenn Boie nach ſeinem Beſuch bei Goethe im Herbſt 1774 ausruft: „Sein Dr. Fauſt iſt faſt fertig und ſcheint mir das Größte und Eigentümlichſte von allem“, ſo müſſen ihm die wichtig⸗ ſten Szenen, deren Mittelpunkt Gretchen bildet, bereits vorgelegen haben.

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Varianten zu Claudine von Villa Bella Von Max Friedlaender (Berlin)

übe die Geſchichte der Claudine geben Otto Pniowers Anmer⸗ kungen zur Jubiläumsausgabe von Goethes ſämtlichen Werken (Cotta, Band 8) ausführliche und zuverläſſige Auskunft. Die erſte Geſtalt des Singſpiels war im Frühjahr 1775 entſtanden, ein Jahr darauf erſchien es als „Schauſpiel mit Geſang“ im Druck. Goethe ſelbſt äußerte ſich über den Charakter des Werkes in einem für Dich⸗ tung und Wahrheit (Buch 17) beſtimmten, dort aber nicht aufge⸗ nommenen Paſſus wie folgt: „Claudine' war früher fertig geworden, als ich im Gegenſatz von den Handwerksopern [gemeint ſind Sing⸗ ſpiele wie Chr. Felix Weißes Der luſtige Schuſter', Der Dorfbar⸗ bier’, Joh. Andres Der Hufſchmied', Der Töpfer’ u. a.] romanti⸗ ſche Gegenſtände zu bearbeiten trachtete und die Verknüpfung edler Geſinnungen mit vagabundiſchen Handlungen als ein glückliches Mo⸗ tiv für die Bühne betrachtete, das zwar in ſpaniſchen Gedichten nicht ſelten iſt, aber uns neu war zu jener Zeit, jetzt aber oft gebraucht, ja verbraucht worden.“

In ſeiner italieniſchen Periode dichtet Goethe das Singſpiel um, leider nicht in glücklicher Weiſe. Er verfällt oft ins Spieleriſche und tilgt manche der ſchönſten Stellen der früheren Verſion. Für den Muſiker aber war die neue Bearbeitung wegen der zahlreicheren, für die Kompoſition beſtimmten Einlagen viel geeigneter.

Gedruckt wurde dieſe veränderte Faſſung im fünften Bande von Goethes Schriften 1788. Die Arien mit Enſembles darin erregten ſogleich die Aufmerkſamkeit des Berliner Hofkapellmeiſters Johann Friedrich Reichardt, der kurz vorher Erwin und Elmire' in Muſik geſetzt hatte. Er ging unverzüglich ans Werk, und die erſte Auffüh⸗ rung ſeiner Claudine fand am 29. Juli 1789 am Berliner Hofe ſtatt zur Feier des Geburtstages des Kronprinzen, ſpäteren Königs

Friedrich Wilhelms III., die zweite im Königlichen Nationaltheater

am 3. Auguſt 1789; bis zum 20. Februar 1799 wurde das Werk ſechsmal gegeben, 1795 auch in Weimar; dauernden Erfolg hatte das Singſpiel nirgends, was Goethe in einem an Reichardt gerich⸗ teten Briefe vom 29. Juli 1792 beklagte. Reichardts Hoffnung, ſeine

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Varianten zu Claudine von Villa Bella 53

2 Rompoftion im Klavierauszug herausgeben zu können, verwirklichte

= ſich nicht; in feiner Zeitſchrift Muſikaliſches Kunſtmagazin' bot er

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die geſchriebene Partitur für 20 Louisdors zum Verkaufe an, fand aber anſcheinend keinen Käufer.

Über die erſte Aufführung ſteht ein ausführlicher Bericht im Ber⸗ liner Archiv der Zeit und ihres Geſchmacks' Band 1 (1789): „Sehr ſelten wurde die Vorſtellung eines Stückes mit ſo vieler Spannung und Sehnſucht erwartet, als dieſe. Das Stück und ſeine Vortrefflich— keit waren bekannt und anerkannt, ebenſo war über die Schönheit der Muſik nur Eine Stimme, und da auf dieſe Art der erſte Dichter der Deutſchen mit dem erſten Komponiſten Deutſchlands ) vereinigt war, ſo erwarteten die zahlreichen Verehrer Goethes und Reichardts von der mimiſchen Darſtellung einen vorzüglich ſchönen Effekt, und das feinere und gebildetere Publikum Berlins war daher an dieſem Tage im Theater verſammelt. Man hatte die Verſe, da die Schau- ſpieler ſie bekanntlich nicht ſprechen können, in gelungene Proſa auf⸗ gelöſt, aber das Ganze ſchlecht in Szene geſetzt. Weder Lucinde noch Rugantino waren imſtande ihre Rollen richtig aufzufaſſen und be⸗ gingen Verſtöße über Verſtöße; nur die Unzelmann ſpielte gut, war aber in den letzten beiden Akten unwohl. Auch die Dekorationen waren mangelhaft.“

Vervollſtändigt wird dieſe Kritik durch eine wichtige, bisher un— beachtet gebliebene Aufzeichnung des vorzüglichen Muſikers Karl von Dittersdorf, die ſpäter in ſeiner Selbſtbiographie veröffentlicht worden iſt:

„Reichardt hatte zu der bevorſtehenden Feierlichkeit die Claudine von Villa Bella', von Göthe, komponirt. Ich hörte gleich eine Probe davon, wozu mir der berühmte Gelehrte, Herr Profeſſor Engel ?), welcher Direktor des deutſchen Theaters in Geſellſchaft Rammlers war, Gelegenheit verſchaffte. Die Muſik war wirklich charmant. Während der Probe ſetzte ſich Engel zu mir ins Parterre und folgendes Geſpräch begann unter uns, deſſen Mittheilung in gewiſſer Hin⸗ ſicht nicht ohne Intereſſe ſein dürfte.

Engel. Iſt Ihnen dieſes Stück ſchon bekannt?

Ich. Ich habe es eben geſtern von Reichardt erhalten und heute durchgeleſen.

Engel. Wenn Sie doch ſich die Mühe nehmen wollten, eine Muſik dazu zu machen.

Ich. Das werde ich nie thun.

Engel. Warum nicht?

1) Der Kritiker dachte augenſcheinlich nicht daran, daß hinter den ſchwarz⸗ gelben Grenzpfählen Haydn und Mozart in friſcheſter Kraft wirkten. Aus Reichardts Claudine' habe ich im 31. Bande der Schriften der Goethe-Geſell⸗ ſchaft' unter Nr. 19 eine von Goethe ſelbſt gerühmte, ſehr geſchickt entworfene Szene veröffentlicht. Der größere Teil des Singſpiels aber iſt ſchwach und melo⸗ diearm, und durch Reichardts Kompoſition iſt Goethes Wunſch, daß zu ſeinen Werken „die Muſik hinzukäme, um den ganzen Begriff auszudrücken, den der Dichter ſich vorſtellte“, nicht erfüllt worden.

) Der bekannte Philoſoph Johann Jakob Engel.

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Ich. Aus mehreren Urſachen. Engel. So? Wollen Sie nicht die Güte haben, ſich näher zu erklären?

Ich. Eine will ich Ihnen wohl ſagen, aber die anderen behalte ich in petto. Ich ſchreibe nicht gern Jemanden nach, am wenigſten einem ſo renommirten Manne wie Herrn Reichardt. Solche muſikaliſche Turniere ſind nicht nach mei⸗ nem Geſchmack, und ich ambire niemals irgend einen Komponiſten aus dem Sattel werfen zu wollen.

Engel. Ihre Beſcheidenheit iſt lobenswürdig; aber das Publikum verliert dabei offenbar.

Ich. Bei dieſem Stücke hier verliert das Publikum nichts; denn ich ſetze voraus, daß meine Muſik nicht gefallen würde, und mir iſt es wahrhaftig um 5 ee und um die herrliche Muſik leid, die Herr Reichardt dabei verſchwen⸗

et hat.

Engel. Wäre etwa das Orcheſter ?.

Ich. Behüte! Nein. Sie tun alle ihre Schuldigkeit.

Engel. Oder ſind es die Sänger?

Ich. Noch viel weniger.

Engel. Nun! So kann es nichts anders fein, als Reichardts Muſik ſelbſt, die Ihnen nicht gefällt, Sie mögen nun ſagen, was Sie wollen.

Ich. Bitte um Vergebung! Die Muſik, ich wiederhole es Ihnen, iſt ſo ſchön, daß ich ihren Verfaſſer, wenn es anders meiner Denkungsart möglich wäre, darum beneiden könnte.

Engel. Sollte etwa die Schuld gar auf den Dichter fallen?

Ich. (zuckte die Achſel).

Engel. Ey! Ey! Ich glaube doch mich ſo etwas auf Dramaturgie zu verſtehen, und habe ſeither noch keinen Fehler darin entdeckt. Vielleicht ſind Sie ſcharfſichtiger, als ich. Sagen Sie mir doch gefällig, ob Sie einen gefunden aben. a

Ich. Ich wünſchte, daß alle Stücke, die ich geſchrieben habe und vielleicht noch ſchreiben werde, ſo rein wären, als dieſes iſt.

Engel. Nun, das iſt mir zu hoch. Sie loben Poeſie und Muſik; finden weder an den Sängern noch an dem Orcheſter etwas auszuſtellen und ſcheinen doch keinen guten Erfolg prophezeien zu wollen!

Ich. Leider! Belieben Sie mir aber meinen Beweis wenigſtens ſo lange zu erlaſſen, bis meine Prophezeiung eingetroffen ſein wird.“

Daß Dittersdorf letzten Endes doch der Dichtung die Schuld an |

dem Mißerfolg gibt, ſcheint mir zwiſchen den Zeilen zu ſtehen.

In der Berliner Staatsbibliothek werden zwei Exemplare der Partituren von Reichardts Werk aufbewahrt: eine Kopiſtenabſchrift in drei dickleibigen Bänden, außerdem aber das von Reichardt bei den Berliner Aufführungen benutzte Handexemplar. In dieſem fand ich zu meinem Erſtaunen nicht nur ſtarke Abweichungen von dem gedruckten Goetheſchen Texte, ſondern noch nie gedruckte Verſe zu eingelegten Arien Claudinens und Rugantinos. Der bequemeren Uberſicht halber laſſe ich hier beide Lesarten nebeneinander folgen.

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Varianten zu Claudine von Villa Bella' 55

Goethes gedruckte Faſſung (1788):

Alonzo: Das haſt du wohl bereitet; Verdienſt den beſten Lohn! Bekränzet und begleitet, Naht ſich Claudine ſchon. Heut' bin ich zu beneiden, Wie's kaum ſich denken läßt! Ein Feſt der Vaterfreuden Iſt wohl das ſchönſte Feſt.

Lucinde: Ihr habt mir wohl vertrauet, Ich habe nicht geprahlt;

Herr Onkel, ſchaut nur, ſchauet,

Hier iſt, was ihr befahlt.

Ihr habt nicht mehr getrieben, Als ich mich ſelber trieb;

Ihr könnt die Tochter lieben, Mir iſt die Nichte lieb.

(Zu Zwei.) Alonzo: Heut' bin ich zu beneiden, Wie's kaum ſich denken läßt!

Lucinde: Heut ſeid ihr zu beneiden, Wie ſich's empfinden läßt.

Alonzo und Lucinde:

Ein Feſt der Vaterfreuden Iſt wohl das größte Feſt.

Pedro (kommt): Gewiß, ich will nicht fehlen, Ich hab' es wohl bedacht! Von Gold und von Juwelen Habt ihr genug gebracht. Die Blumen in dem Garten, Sie waren mir zu ſtolz;

Die zärteſten zu wählen,

Ging ich durch Wieſ' und Holz.

Handſchriftliche Lesart der Partitur Johann Friedrich Reichardts (1788):

Sieh her, wie zierlich alles

Den ſchönen Tag geſchmückt; Wie lieblich und wie glänzend, Die [Wie?] alles Volk beglückt! Alles ſei heut' vergeſſen,

Was uns ſo lang gedrückt, Mein Glück iſt unermeſſen, Seh' ich dies Paar beglückt!

Auch ich war hier nicht läſſig, Ich wand die Kränze früh; Gefallen dir die Tänze,

So dank' es meiner Müh'. Die Schweſter liebt ich immer, Doch nie empfand ich's ſo, Ach, ſollt ich ſie verlieren,

Nie würd' ich wieder froh.

Alles ſei heut' vergeſſen, Was uns ſo lang gedrückt. Mein Glück iſt unermeſſen,

{ Seh’ ich dies Paar beglückt.

Vergönnt, daß ich mich nahe, Ich muß fie kommen ſeh'n; Sie ahnet nicht, die Holde, Wohin die Schritte geh'n. Bewegt ſtand ich von weitem, Sah ihrer Rührung zu;

Ach, daß kein wahres Leiden Betrüb die ſchöne Ruh.

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(Zu Drei.) Alonzo: Heut’ bin ich zu beneiden. Luecinde (zu Pedro): Heut' iſt er zu beneiden. Pedro (zu Alonzo): Heut' ſeid ihr zu beneiden.

Alonzo, Lucinde, Pedro:

Wie ſich's nicht ſagen läßt! Ein Feſt der Vaterfreuden Iſt wohl das größte Feſt. Fröhlicher, Seliger, Herrlicher Tag! Gabſt uns Claudinen, Biſt uns ſo glücklich, Uns wieder erſchienen, Fröhlicher, Seliger, Herrlicher Tag! Ein Kind: Sieh, es erſcheinen Alle die Kleinen; Mädchen und Bübchen Kommen, o Liebchen, Binden mit Bändern Und Kränzen dich an. Alle (außer Claudinen): Nimm ſie, die herzlichen Gaben, ſie an. Alonzo: Nur von dem Deinen Bring' ich die Gabe: Denn was ich habe, Das all iſt dein. Nimm dieſe Kleider, Nimm die Gefäße, Nimm die Juwelen, Und bleibe mein. Alle (außer Claudinen): Sieh, wie des Tages wir All' uns erfreun!

Alles ſei heut' vergeſſen, Was uns ſo lang gedrückt. Mein Glück iſt unermeſſen, Geh’ ich dies Paar beglückt.

Wonne dir,

Segen dir, Herrliche Braut! Rein wie die Lilje, Schön wie die Roſe

Vom Morgen bethaut,

Wonne dir, Segen dir, Herrliche Braut!

Du gabſt uns Freuden, Du gabſt uns Spiele; Sieh dieſe Körbchen, Bänder und Spitzen Bereiteten wir, Gelehret von dir

Freu dich der Liebe, Die alle dir weihn.

Ja, deine Tugend Ehren wir alle,

Wie deine Jugend, So bleibe beglückt. Freu dich der Triebe Edlerer Liebe

Freu' dich der Wonne Geliebt zu ſein.

Freu dich der Wonne Geliebt zu ſein.

N Lucinde:

DER | Roſen und Nelken Zieren den Schleier,

Den ich zur Feier

Heute dir reiche.

Blühen erſt werden ſie, Wenn er dich ſchmückt. Wenn du des Tages dich Wandelnd vergnügteſt, Wenn du in Träumen Die Nächte dich wiegteſt, Hab' ich mit eigner Hand ihn geſtickt.

Alle (außer Claudinen):

Nimm ihn und trag ihn Und bleibe beglückt.

Pedro: Blumen der Wieſe, Dürfen auch dieſe Hoffen und wähnen? Ach, es ſind Tränen Noch ſind die Tränen Des Taues daran.

Alle (außer Claudinen):

Nimm ſie, die herzlichen

Gaben, ſie an. Claudine:

Tränen und Schweigen

Mögen euch zeigen,

Wie ich ſo fröhlich

Fühle, ſo ſelig

Alles, was alles

Ihr für mich getan.

Alle (außer Claudinen):

Nimm ſie, die Gaben, Die herzlichen, an.

Claudine

(ihren Vater umarmend):

Könnt' ich mein Leben, Vater, dir geben!

(zu Lucinden und den übrigen):

Varianten zu Claudine von Villa Bella’

Wie ich dich liebe,

Fühlt deine Seele

Wie ich dir danke,

Sagt keine Rede.

Deut' es dies Bildnis dir Liebevoll an,

Sann ich der Wonne nach, Wie du mich liebteſt

Sah ich den Glücklichen,

Wie er dich liebte, O, dann genoß ich dein Künftiges Glück.

Nimm es und trag es Und ſieh ihn beglückt.

Darf ich mich nahen, Darf ich ſie faſſen, Halten und küſſen! Noch miſchen Thränen, Noch miſchen Thränen In unſ're Jubel ſich.

Freu dich der Liebe, Die ſie dir geweiht!

Thränen der Freude, Thränen des Dankes

Füllen das Auge,

Engen den Buſen, Alles, ach alles Fühlt dies Herz ſo ganz.

Sieh, wie ſich alle Der Liebe erfreu'n.

Könnt' ich mein Leben, Vater, dir geben!

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Könnt’ ich ohn' Schranken Allen euch danken!

(Sie wendet ſich ſchüchtern zu Pedro):

Könnt' ich (Sie hält an, die Muſik macht eine Pauſe, der Geſang fällt ein.)

Alle: Fröhlicher, Seliger, Herrlicher Tag!

Claudine: (Sie beſieht unter dem Ritornell die Geſchenke, und tritt zuletzt mit Pedros Strauß, den ſie die ganze Zeit in der Hand gehalten, hervor.) Alle Freuden, alle Gaben, Die mir heut' gehuldigt haben, Sind nicht dieſe Blumen wert. Ehr' und Liebe von allen Seiten, Kleider, Schmuck und Koſtbarkei⸗ ten, Alles, was mein Herz begehrt; Aber alle dieſe Gaben Sind nicht dieſe Blumen wert.

Könnt' ich ohn' Schranken Allen euch danken!

Könnt' ich

Wonne dir, Segen dir, Herrliche Braut!

Darf ich endlich ganz mich freuen, Dir mein ganzes Leben weihen, Der mir lang' der Liebſte war, Sieh im Blick ſein holdes Lächeln, Stirne, Haar ſo ſanft gelocket;

Alles ſtellt dies Bild mir dar, Ja, ich will mich ſeiner freuen, Der mir lang' der Liebſte war.

Claudine: Liebe ſchwärmt auf allen Wegen; Treue wohnt für ſich allein. Liebe kommt euch raſch entgegen; Aufgeſucht will Treue ſein.

Liebe hebt mit Macht die Seelen, Treue nur gibt ſtilles Glück. Liebe wird den Kampf beſeelen, Treue bringt ihn mir zurück.

NB. In Reichardts Partitur find die letzten vier Verſe Claudinens: „Liebe ſchwärmt auf allen Wegen“, in den zweiten Akt verlegt, und zwar zugleich mit der rechts abgedruckten Lesart: „Liebe hebt mit Macht die Seelen“. Im erſten Akt ſteht bei Reichardt an Stelle von „Liebe ſchwärmt auf allen Wegen“ ein neues, in Goethes Druck

nicht vorhandenes Gedicht:

Süßes Glück wär uns verliehen, Liebesketten abzuſtreifen,

Wenn uns Schmerz und Qual ergreifen, Uns zu retten vor der Pein.

es

Varianten zu Claudine von Villa Bella 59

Aber nein, wir müſſen glühen, Sehnſucht zieht das Herz zuſammen, Ja wir lieben dieſe Flammen, Senken willig uns hinein.

Und nach der bekannten Arie: „Mit Mädeln ſich vertragen“, findet ſich in der Partitur noch eine längere Arie Rugantinos mit den eben- falls nicht gedruckten Verſen:

Wie lieb' ich die Schöne, Wie feſſelt ſie mich!

Mit ſtrenger Gewalt Beherrſchet mich Amor. Kann ich nicht bald

An dieſen Buſen ſie drücken, O ſo zerſtöret

Ein inneres Feuer die Bruſt.

Meiner Meinung nach wird durch die Umgeſtaltung verſucht, den Stil der gedruckten Faſſung, der ganz überwiegend Seeliſches in ſinn⸗ licher Gegenſtändlichkeit plaſtiſch ausdrückt, ins rein Lyriſch-Emp⸗ findſame aufzulöſen und dadurch für die Kompoſition geeigneter zu machen. In einigen, nicht häufigen Fällen bedeutet die neue Form eine Verbeſſerung, ſo z. B. gleich am Anfang bei den Verſen Pedros: „Vergönnt, daß ich mich nahe.“

Es entſteht nunmehr die Frage, ob Reichardt es gewagt hat, ſelbſt Anderungen vorzunehmen, oder ob die Varianten und neuen Verſe von Goethe ſtammen.

Nicht lange vor der Aufführung war Reichardt nach Weimar ge- reiſt, ſeine Briefe, welche ſich auf die Kompoſition der Claudine' be⸗ ziehen, ſind aber leider verloren gegangen, und drei Antworten Goethes bieten keine genügende Aufklärung. Am 15. Juni 1789 wünſcht der Dichter „zur bevorſtehenden Aufführung Claudinens' das beſte Glück; und fährt fort: „daß Sie meine Jamben vor der proſaiſchen Fäul⸗ nis verwahrt haben, iſt mir ſehr angenehm.“ Vierzehn Tage ſpäter aber ſchreibt er dem Komponiſten die etwas rätſelhaften Worte: „Glück zu Claudinen'. Die Arie iſt zu dem Endzweck!) recht gut, ich getraue mir nicht, da die Worte ſehr bedeutend ſind, andre unterzulegen.“

Welche Arie mag der Dichter gemeint haben? Er dachte wohl nur an eines der beiden zuletzt ſtehenden Gedichte: „Süßes Glück wär uns verliehen“ oder „Wie lieb ich die Schöne“, Verſe, die dem⸗ nach Reichardt zuzuſprechen ſind. Bei den übrigen rechts gedruckten handſchriftlichen Lesarten der Reichardtſchen Partitur ſcheint es je⸗ doch zweifelhaft, ob Reichardt oder Goethe ſelbſt ihr Autor iſt. Durch bloße äſthetiſche Beurteilung wird man ſo heikle Fragen ſchwer zu entſcheiden vermögen, denn Goethe war gerade bei den Dichtungen

1) Ergänze: der Kompoſition.

60 Abhandlungen Br

für Singſpiele bekanntlich läſſiger als ſonſt irgendwo, und er hat gar manche leere Textverſe, gelegentlich ſogar pure Reimereien nicht geſcheut. Für ſeine Singſpieldichtungen war es verhängnisvoll, daß er in der Jugend ſo bedenkliche Muſter kennen gelernt hatte, wie die am Eingang erwähnten André-Weiße-Hillerſchen Texte, und daß er ſpäter in Italien merkte, an wie plattem Zeug die Hörer bei Operetten Gefallen fanden. Bezeichnend dafür ſind Goethes Be⸗ kenntniſſe in zwei Briefen: an Frau von Stein vom 26. Januar 1788: „Ihr müßt immer denken, daß dieſe Stücke geſpielt und ge⸗ ſungen werden müſſen, zum Leſen, auch zum bloßen Aufführen hätte man ſie viel beſſer machen können und müſſen,“ und an Reichardt vom 8. November 1790: „Um fo etwas zu machen, muß man nach dem edlen Beiſpiel der Italiener alle poetiſche Scheu, alle poetiſche Scham aufgeben.“ Daß Goethe dieſe Neben⸗ beſchäftigung ſeiner Muſe trotzdem von Außenſtehenden nicht leicht⸗ fertig abgetan ſehen wollte, mag man aus den folgenden wichti⸗ gen Sätzen aus einem Briefe an Seidel vom 15. März 1788 ent⸗ nehmen: „Was Claudinen' betrifft, ſo fehlen Dir einige Data, das Stück ganz richtig zu beurteilen. Habe ich eine fette Oper gemacht, ſo iſt mein Zweck erreicht. Du biſt eben ein proſaiſcher Deutſcher und meinſt, ein Kunſtwerk müſſe ſich verſchlingen laſſen wie eine Auſter. Weil Du die Verſe nicht zu leſen verſtehſt, denkſt Du, es ſolle niemand in Verſen ſchreiben. Wäre dieſe Claudine' komponiert und vorgeſtellt, wie ſie geſchrieben iſt, ſo ſollteſt Du anders reden. Was Muſikus, Akteur, Dekorateur dazu tun müſſen, und was es überhaupt heißt: ein ſolches Ganze von ſeiner Seite anzulegen, daß die übrigen mit⸗ arbeiten und mitwirken können, kann der Leſer nicht hinzutun und glaubt doch immer, er müſſe es können, weil es geſchrieben oder ge⸗ druckt iſt. Davon mehr, wenn wir uns wiederſehen.“

Die Vorſtellung, als habe Goethe dieſe kleinen Singſpiele nur ſo aus dem Armel geſchüttelt, wird von ihm ſelbſt in einem Briefe an Frau von Stein (aus Rom) vom 19. Januar 1788 berichtigt: „Es iſt ſchwer jo ein Werkchen, nach erkannten Geſetzen, mit Einſicht und Verſtand und zugleich mit Leichtigkeit und Laune zu machen. Es geht viel Zeit darüber hin.“

Wie gefährlich es wäre, Goethe die Autorſchaft der Varianten ein⸗ fach abzuſprechen, beweiſt auch das Beiſpiel von Erwin und Elmire; hier liegt eine Reihe wichtigſter Liedeinlagen vom Jahre 1776 (Werke 38, 69) bekanntlich nur in der handſchriftlich erhaltenen Partitur der Komponiſtin Herzogin Anna Amalia vor.

Vermochte dieſe kleine Arbeit auch nur wenig poſitive Ergebniſſe zu bieten, ſo dürfte es doch gelohnt haben, die Goethe-Kenner einmal mit dieſer Frage zu beſchäftigen. Vielleicht wird ein ſpäterer glück⸗ licher Fund uns der Löſung näher bringen.

Goethes Epigramme Grabſchrift' und Lähmung'

Ein Beitrag zum Thema: Goethe und Schopenhauer

Von Wilhelm Hertz (Frankfurt am Main) (Mit einer Tafel)

1

Ende 1919 kam eine Handſchrift von Goethes Epigramm Grab— ſchrift' in meinen Beſitz. Die Verſe find ohne Überſchrift eigenhändig mit Tinte in lateiniſchen Buchſtaben auf ein Blatt in Stammbuch⸗ format geſchrieben und lauten buchſtabengetreu:

Als Knabe verſchloſſen und truzzig, Als Jüngling anmaslich und ſtuzzig, Als Mann zu Thaten willig, Als Greis leichtſinnig und grillig! Auf deinem Grabſtein wird man leſen: ö Das iſt fürwahr ein Menſch geweſen. Weimar d. 9. Jan. Goethe 1814

Die Handſchrift iſt auf einen mit allegoriſcher Malerei umrahm⸗ ten Karton aufgeklebt; unter der Malerei ſteht rechts „Allwina From⸗ mann pinx.“ und links von derſelben Frauenhand „W. Herz inv. Berlin 1850“.

Wie Allwina Frommann in den Beſitz der Handſchrift gekommen iſt, läßt ſich nicht mehr feſtſtellen; im Jahre 1850 ſchenkte ſie das Blatt dem Verlagsbuchhändler Wilhelm Hertz in Berlin, der um 1840 ſeine Lehrzeit in der Frommannſchen Buchhandlung in Jena verbracht hatte und ſeitdem der Familie Frommann eng befreundet blieb. Von dieſem iſt es durch Erbgang und Schenkung im Familien⸗ kreiſe in meine Hände gekommen.

Die Verſe ſind zuerſt im zweiten Bande der Cottaſchen Ausgabe von Goethes Werken 1815 in der damals neu eingerichteten Ab— teilung Epigrammatiſch' gedruckt. Neu iſt an der Handſchrift zu⸗ nächſt, daß das Gedicht ohne Überſchrift entſtanden iſt. Dieſe iſt alſo erſt für den Druck rein äußerlich hinzugefügt und für die Erklärung

62 Abhandlungen

der Verſe nicht zu verwenden. Neu iſt ferner das Datum. Da es fich um eine Reinſchrift auf einem Stammbuchblatt handelt, iſt das Epi- gramm wohl vor dieſem Tage entſtanden und zwar, wie ſich aus dem Folgenden ergibt, vermutlich am 7. und 8. Januar 1814. Damit iſt endgültig entſchieden, wie aus Stilgründen ſchon bisher anzu⸗ nehmen war, daß das Gedicht nicht mit der Grabſchrift 1774 iden- tiſch iſt, die Barbara Schultheß in ihrem Verzeichnis Goethiſcher Dichtungen aufführt (Werke 1, 366; 2, 359; Morris: Der junge Goethe 6, 512). Neu iſt ſchließlich die, wie ſich zeigen wird, nicht ganz bedeutungsloſe Tatſache, daß ſich die Handſchrift im Beſitz von Allwina Frommann befand.

Das Datum iſt der Schlüſſel zu der Entſtehungsgeſchichte des Ge— dichts. Am 7. Januar 1814 findet ſich nämlich in Goethes Tage⸗ buch die Eintragung: „v. Trebra Neujahrsbetrachtungen.“ Welche Richtung dieſe Gedanken nahmen, ergibt ſich aus Goethes Brief an Trebra vom 5/7. Januar 1814, wo das Symbol der Ewigkeit durch eine ſich in einen Reif abſchließende Schlange zum Gleichnis einer glücklichen Zeitlichkeit umgedeutet wird, da der Menſch nichts Wün⸗ ſchenswerteres erlangen könne, als durch die Dauer der Zuneigung, des Vertrauens, der Liebe und der Freundſchaft das Ende des Lebens. an den Anfang zu ſchließen. f

Solche Neujahrsbetrachtungen verbanden ſich nun mit Goethes damaliger Tagesarbeit: der Redaktion ſeiner Sprüche in Reimen und in Proſa mit Hilfe Riemers für die bevorſtehende Neuausgabe ſeiner Werke. Dieſe Verbindung fand ihren Niederſchlag in neuen Epigrammen; hierher können wir, außer unſerer Grabſchrift', auch die Reimſprüche Das Alter' und Die Jahre' rechnen, die Goethe „zu luſtiger Raumfüllung aus der Taſche des Weltlaufs“ ſeinem Briefe an Zelter vom 22. Februar anſchloß. Sie ſind auch im erſten Druck an der erwähnten Stelle unmittelbar neben die Grabſchrift geſtellt. Überall handelt es ſich hier um Neujahrsbetrachtungen eines heiteren Weiſen, der das Alter zu fühlen beginnt, über Menſchenart und Menſchenlos. Während aber die beiden zuletzt genannten Sprüche Betrachtungen ganz allgemeiner Art enthalten, die ſich teilweiſe an Verſe des Horaz anſchließen, wird man in der Grabſchrift' nur der Kennzeichnung des Knabenalters im erſten und des Mannesalters im dritten Verſe einen derartigen allgemeinen gedanklichen Charakter beilegen können. Der zweite Vers über das Jünglingsalter und der vierte Vers über das Greiſenalter zeigen dagegen individuelle Züge, die den Erlebniſſen des Dichters in den Tagen der Entſtehung des Gedichtes ihren Urſprung verdanken.

2. Die Bezeichnung des Greiſenalters als „leichtſinnig und grillig“ wird man nach dem Sprachgebrauch der Gegenwart durch die Worte

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Goethes Epigramme Grabſchrift' und Lähmung' 63 „luſtig und wunderlich“ (vgl. Boucke: Wort und Bedeutung in Goethes Sprache S. 171) wiedergeben können. Dieſes Bild entſpricht nicht der allgemeinen Erfahrung und widerſpricht auch dem Inhalt der beiden anderen Reimſprüche, die nur von den Beſchwerden des Alters zu melden wiſſen. Die Eigenart unſeres Verſes beruht darauf, daß ſich in ihm im Gegenſatze zur herkömmlichen Betrachtung des Alters das eigene Daſeinsgefühl des Dichters in jenen Tagen aus— ſpricht. Dies beweiſt uns der aufgeräumte, muntere Ton des erwähn— ten Briefes an Trebra. Gerade während feiner Abfaſſung muß die Kunde von Blüchers Übergang über den Rhein bei Caub in der Neu— jahrsnacht nach Weimar gelangt ſein, und im Hinblick darauf ſchreibt Goethe: „Da wir den Kriegszuſtand gegenwärtig für den natürlichen und wünſchenswerten halten müſſen, ſo entſchlagen wir uns aller Sorgen, um frohen Mutes einen glücklichen Erfolg zu genießen.“ Dann erwähnt er den Auszug der Freiwilligen Jäger aus Weimar, zu denen ſich auch ſein Sohn Auguſt gemeldet hatte, und ſchließt: „Uns Überſechzigern aber bleibt nichts übrig, als den Frauen ſchön zu tun, damit fie nicht gar verzweifeln. Wie wollen wir das an- fangen? Mit den bejahrten ſpiele ich Karte, und die jüngeren lehre ich irgend etwas. Vivat sequens. Gott erhalte deinen Humor! Ich habe keine weitere Ambition, als daß man zu mir jagen möge: You are the merriest undone man in Europe.“ Zu der allgemein auf- ſteigenden Hoffnung auf endliche Befreiung von dem Elend des Krieges trat für Goethe noch ein perſönlicher Grund zur Zufrieden— heit hinzu. Es war ihm nämlich gelungen, einen Befehl des Herzogs auszuwirken, der ſeinen Sohn in militäriſcher Verwendung in der Heimat zurückhielt. So wußte er ihn vor Gefahren geſichert und brauchte auch nicht für längere Zeit auf deſſen ihm gerade damals unentbehrliche Hilfe in ſeinen geſchäftlichen Angelegenheiten zu ver— zichten. Er ſah daher beim Jahreswechſel auch in ſeiner nächſten Um- gebung „nichts als Gutes und Hoffnungsvolles“ (Briefe 24, 79. 83).

Mochten dieſe glücklichen Umſtände im weiteren und im engeren Kreiſe das Aufkommen heiterer Gefühle begünſtigen, ſo hatten dieſe ihre eigentliche Wurzel nicht in äußeren Verhältniſſen, ſondern vor⸗ nehmlich im innern Erleben des Dichters. Von ſeiner Stimmung in jenen Tagen unterrichtet uns ein Brief des Jenaer Profeſſors der Medizin Kieſer vom 18. Januar, der über einen Beſuch im Weima⸗ rer Goethe⸗Haus berichtet: „Unſer Goethe gefällt mir gar nicht. Er war geſtern abend wieder ſo bewegt, ſo feierlich, ſo weich, daß mir himmelangſt wurde. Er ſuchte alle alten Kupferſtiche zuſammen um ſich Geſchäfte zu machen, iſt ſehr heiter, aber auf ſo eigne Weiſe. Ich fürchte ſehr für fein Leben“ (Erinnerungen und Leben der Ma- lerin Louiſe Seidler, Berlin 1874, S. 136).

„Sehr heiter, aber auf ſo eigne Weiſe“ iſt nur ein anderer Aus⸗ druck für „luſtig und wunderlich“, „leichtſinnig und grillig“. Kein

64 Abhandlungen

Zweifel, der Vers über das Greiſenalter ſpricht das innere, perſn;

liche Erlebnis des Dichters, ſeinen Seelenzuſtand in dieſen Tagen aus. Es iſt das erſte Divan⸗Jahr mit ſeinem geſteigerten Lebensge⸗ fühl, das hier in innerer Gärung ſeinen Anfang nimmt, das Morgen⸗ rot der „temporären Verjüngung“, der „wiederholten Pubertät“, von der Goethe im Rückblick auf jene Zeit berichtet (Geſpräche 3, 495f.). So ſchlägt unſer Vers die Stimmung des Divans' an; er bildet | einen Auftakt, einen Vorſpruch zu deſſen Liedern. |

2

Der zweite Vers: „Als Jüngling anmaßlich und ſtutzig“ (= eigen⸗ ſinnig, widerſpenſtig) ſcheint auf den erſten Blick ganz in das Gebiet der allgemeinen Betrachtungen des alternden Dichters zu fallen, der ſo oft über die „Anmaßung der Jugend“ lächelt und ſchilt; das Datum der Grabſchrift' leitet uns indeſſen auch hier zu einem per⸗ ſönlichen Erlebnis in den Tagen der Entſtehung des Gedichtes, das dem Verſe zugrunde liegt.

Zu dieſem Erlebnis führte der Unterricht in der Farbenlehre, den Goethe ſeit dem 7. November 1813 den Winter hindurch dem damals ſoeben bei ſeiner Mutter in Weimar eingetroffenen fünfundzwanzig⸗ jährigen Arthur Schopenhauer erteilte. Im Verlaufe dieſes Lehrgangs empfing Schopenhauer in den Morgenſtunden des 8. Januar 1814, alſo am Tage vor unſerer Reinſchrift der Grabſchrift', von Goethe die briefliche Aufforderung, ſich noch an demſelben Vormittag in deſſen Hauſe zu optiſchen Verſuchen einzufinden. Schopenhauer iſt dieſer Einladung gefolgt. Goethes Tagebuch, das vom 7. November 1813 bis 15. Mai 1814 eine Reihe von Zuſammenkünften mit Schopenhauer verzeichnet, enthält zwar keinen entſprechenden Ver⸗ merk für dieſen Tag; darin liegt indeſſen kein negativer Beweis, da Goethe die Eintragung ſolcher fortlaufenden Beſuche, wie bekannt, auch ſonſt gelegentlich verabſäumte. Auch leuchtet ohne weiteres ein, daß der Schüler bei ſeiner ausgeſprochenen Verehrung für den Mei⸗ ſter ſchwerlich eine Abſage erteilt haben wird. Überdies bietet ein Brief Schopenhauers, der freilich undatiert iſt, einen poſitiven An⸗ halt für die Zuſammenkunft am 8. Januar. In dieſem Briefe fragt Schopenhauer an, ob er dieſen Abend aufwarten dürfe, um Goethe zu ſagen, wie es ihm „ſeit jenem lehrreichen Morgen mit der wieder vorgenommenen Farbenlehre“ gehe (S. W. 6, 186. 217). Dieſes Schreiben befindet ſich laut Auskunft des Goethe-Schiller- Archivs unter den nach der Reihenfolge des Abſendungsdatums geordneten Briefen an Goethe zwiſchen einem Schreiben von Eichſtädt, Jena den 15. Januar, und einem Schreiben von Rehfues, Stuttgart den

1) S. W. = Schopenhauers ſämtl. Werke herausg. v. Ed. Grieſebach (Reclam) 2. Abdruck 18927.

Goethes Epigramme Grabſchrift' und Lähmung’ 65

15. Januar. Hiernach iſt anzunehmen, daß es gleichfalls im Januar 1814 geſchrieben iſt. Dies ergibt ſich auch daraus, daß im Dezember 1813 die letzte Zuſammenkunft am 18. ſtattfand. Der neue Beſuch an jenem lehrreichen Morgen“ vom 8. Januar gab dann Schopenhauer Veranlaſſung, die Farbenlehre nach den dreiwöchigen Weihnachtsferien wieder vorzunehmen. Die neue briefliche Anmeldung muß alſo einen der beiden weiteren Januarbeſuche vom 13. oder vom 26. betreffen, die nachmittags ſtattfanden. Am 13. konnte aber Schopenhauer nicht wohl den kurz zuvor erfolgten Beſuch vom 8. als „jenen lehrreichen Morgen“ bezeichnen. Um ſo beſſer paßt der Ausdruck, wenn der Brief am 26. geſchrieben iſt und nun, über den letzten Nachmittagsbeſuch vom 13. hinweg, auf „jenen“ Morgenbeſuch vom 8. Bezug nimmt. Mit der Datierung vom 26. Januar ſtimmt auch die Einordnung des Schreibens in die Reihe der eingegangenen Briefe überein, da es ja mangels eines Abſendungsdatums dort verbleiben mußte, wo es bei ſeinem Eingang lag, nämlich vor dem etwa um dieſe Zeit aus Stuttgart angelangten Briefe vom 15. Januar.

Iſt hiernach nicht zu bezweifeln, daß Goethe am 8. Januar den jungen Schopenhauer in der Farbenlehre unterwies, und ſteht weiter feſt, daß er am 9. Januar den Vers „Als Jüngling anmaßlich und ſtutzig“ niederſchrieb, jo ergibt ſich die Frage, ob zwiſchen dieſen bei- den Tatſachen neben dem zeitlichen ein urſächlicher Zuſammenhang beſteht, ob dem Dichter am 8. Januar der Schüler als Repräſentant der anmaßenden Jugend erſchien.

5 4.

Goethes Tag- und Jahres⸗Hefte 1816 ſtellen in wohlwollendem Tone feſt, daß ſich nach anfänglicher Ubereinſtimmung eine Scheidung beider Männer wegen widerſprechender Anſichten in der Farbenlehre ſchließlich nicht vermeiden ließ. Der Bericht iſt indeſſen für unſere Frage nicht verwendbar, weil er die Monate perſönlichen Umgangs im Weimarer Winter 1813/14 und die ſpätere Zeit des brieflichen Verkehrs nach Schopenhauers Überfiedelung nach Dresden in den Jahren 1815 und 16 zuſammenzieht, ſo daß nicht erſichtlich iſt, in welchem Zeitpunkte der Widerſtreit der Meinungen zuerſt aufgetreten iſt. Einen beſtimmten Aufſchluß darüber gibt uns aber Schopen⸗ hauer ſelbſt.

Dieſer hatte in Dresden alsbald im Verfolg der in Weimar emp⸗ fangenen Anregungen die Schrift Über das Sehn und die Farben verfaßt, die 1816 in erſter, 1854 in zweiter Auflage erſchien. In dieſer zweiten Auflage findet ſich folgender, in der erſten Auflage feh⸗ lende Satz: „Bloß in zwei Punkten nötigt mich meine Theorie, von Goethen abzuweichen, nämlich im Betreff der wahren Polarität der Farben und hinſichtlich der Herſtellung des Weißen aus Farben, welch letztere Goethe mir nie verziehen, jedoch auch nie, weder münd⸗

VIII 5

66 Abhandlungen

lich noch brieflich, nur irgendein Argument dagegen vorgebracht hat“ (S. W. 6, 99). Schopenhauer verlegt alſo hier ſeinen Wider⸗ ipruch gegen Goethes Leugnung der Herſtellung des Weißen aus bunten Farben, der deſſen Zorn hervorgerufen habe, bereits in die Zeit des mündlichen Verkehrs. Ebenſo iſt der andere Streitpunkt ſchon in dem winterlichen Lehrgang mündlich zur Sprache gekommen. Schopenhauer ſchreibt darüber am 11. November 1815 an Goethe: „Der zweite Widerſpruch iſt, daß nur der phyſiologiſche Gegenſatz, nicht der phyſiſche, ein polarer ſei. Ich erinnere mich, dieſes Ew. Exzellenz ſchon in Weimar mündlich vorgetragen zu haben“ (S. W. 6, 227). Nach dieſen Zeugniſſen hat alſo Schopenhauer ſchon bei dem perſönlichen Unterricht im Winter 1813/14 die in feiner optiſchen Abhandlung aufgeſtellten Widerſprüche gegen Goethes Farbenlehre vorgebracht, und die Frage nach dem urſächlichen Zuſammenhang zwiſchen Schopenhauers Auftreten gegen Goethe am 8. Januar und Goethes gleichzeitigem Urteil über die anmaßende und eigenſinnig

widerſtrebende Jugend iſt demnach zu bejahen: als Goethe unſeren Vers niederſchrieb, erſchien ihm das Jünglingsalter unter dem Bilde ſeines beſſer wiſſenden Schülers.

5. Dieſes Ergebnis wird durch einen auffälligen Parallelismus be⸗ ſtätigt. Wir ſtellten feſt: Am 8. Januar Beſuch Schopenhauers bei

Goethe, am 9. Januar Reinſchrift des Verſes: „Als Jüngling an⸗

maßlich und ſtutzig.“ Schreiten wir vier Tage weiter, ſo finden wir: Am 13. Januar Beſuch Schopenhauers bei Goethe, am 14. Januar Reinſchrift folgender Verſe: g

Was Gutes zu denken, wäre gut,

Fänd' ſich nur immer das gleiche Blut;

Dein Gutgedachtes, in fremden Adern,

Wird ſogleich mit dir ſelber hadern. Dieſe Verſe ſprechen die Erfahrung aus, daß nur ein gleichgearteter Geiſt eine Lehre rein aufzunehmen vermag, daß aber im anderen Falle durch einen naturnotwendigen Prozeß das Überlieferte im Geiſte des Hörers nach deſſen eigenen Geſetzen alsbald gemodelt und umge⸗ ſchmolzen wird, bis es ſich ſchließlich als neue Lehre feindlich gegen den eigenen Urheber richtet. Sie ſind alſo deutlich einem Verhältnis entnommen, wie es ſich damals zwiſchen Goethe und ſeinem eigen⸗ willigen und durch und durch originalen Schüler ausgebildet hatte. Man wird demnach geneigt ſein, auch dieſes Epigramm wegen feines Entſtehungstages und wegen ſeines Inhalts auf Schopenhauer zu be⸗ ziehen. Der Parallelismus zwiſchen beiden Gedichten wird noch ver⸗ ſtärkt, wenn man hinzunimmt, daß ihre Handſchriften ſich beide im Beige von Allwina Frommann befanden, was auf ein gleiches Schick⸗ ſal und damit auf eine gewiſſe Zuſammengehörigkeit hindeutet.

l *

Goethes Epigramme Grabſchriſt und Lähmung 67

Die Verſe „Was Gutes zu denken“ uſw. hat nun Goethe im Jahre 1815 unter der gemeinſamen Überſchrift Lähmung' mit folgendem Reimſpruch veröffentlicht:

Trüge gern noch länger des Lehrers Bürden, Wenn Schüler nur nicht gleich Lehrer würden.

Es iſt demnach anzunehmen, daß dieſe bei der Veröffentlichung vereinten Zeilen auch zueinander gehören, daß ſie gleichzeitig und aus demſelben Anlaß entſtanden find. Der letzte Zweizeiler ſpricht das Verhältnis zwiſchen Goethe und Schopenhauer unmittelbar aus und kann nach ſeiner Entſtehungszeit nur durch das Verhalten des jungen Philoſophen als Schülers veranlaßt ſein.

Die Beziehung der beiden Gedichte Lähmung' auf Schopenhauer hat man auf Grund einer früheren, die Farbenlehre betreffenden Außerung Goethes: „Erziehe man ſich nur eine Anzahl Schüler, ſo erzieht man ſich faſt ebenſoviel Widerſacher“ (Briefe 22, 68) und auf Grund der erwähnten Darſtellung des Verhältniſſes in den Tag- und Jahres⸗Heften' ſchon früher vermutet und, nach Bekanntwerden der Tagebücher ſowie des Entſtehungstages der Verſe, durch die Daten beſtätigt gefunden. Immerhin bildeten dieſe Gründe für ſich allein keinen vollgültigen Beweis, und die Richtigkeit der Vermutung wird daher neuerdings wieder in Zweifel gezogen. Dabei wird indeſſen nicht beachtet, daß Schopenhauer ſelbſt die beiden Reimſprüche Läh⸗ mung’ auf ſich bezogen hat.

Im Jahre 1853 veröffentlichte nämlich Düntzer den Briefwechſel zwiſchen Goethe und dem Staatsrat Schultz, der zum überwiegenden Teil die Farbenlehre zum Gegenſtande hat. Hieraus erſah Schopen⸗ hauer, daß ihn Goethe in einem Briefe an Schultz vom 19. Juli 1816 mit Rückſicht auf die damals ſoeben erſchienene Abhandlung Über das Sehn und die Farben? geradezu als feinen Gegner bezeich⸗ net hatte. Als er daher im Jahre 1854 die Neuauflage der Abhand⸗ lung redigierte, nahm er rückblickend die Gelegenheit wahr, in die Einleitung einen Abſchnitt einzuſchieben, worin er der Öffentlichkeit darlegte, wie es ſich mit ſeiner von Goethe behaupteten Gegnerſchaft verhalte. Er bekennt ſich darin dankbar als den entſchiedenſten Ver⸗ fechter von Goethes Lehre und erklärt, er ſei nur inſofern über ſeinen Vorgänger hinaus fortgeſchritten, als er die von dieſem erforſchten Tatſachen theoretiſch erklärt habe. Er erwähnt darauf ſeine abwei⸗ chende Anſicht in der Herſtellung des Weißen und fährt fort: „Er jedoch verlangte die unbedingteſte Beiſtimmung und nichts darüber, noch darunter. Daher er, als ich durch meine Theorie einen weſent⸗ lichen Schritt über ihn hinaus getan hatte, ſeinem Unmut in Epi⸗ grammen Luft machte, wie:

Trüge gern noch länger des Lehrers Bürden, Wenn Schüler nur nicht gleich Lehrer würden.

5 *

65 Abhandlungen

Darauf zielte auch ſchon das vorhergehende:

Dein Gutgedachtes in fremden Adern, Wird ſogleich mit dir ſelber hadern.“ (S. W. 6, 19.)

Der Quellenwert von Schopenhauers ſpätem Bericht wird dadurch nicht beeinträchtigt, daß er die Epigramme ausdrücklich auf ſeine Ab⸗ handlung bezieht, während ſie tatſächlich ſchon früher entſtanden ſind. Denn da ihm das Entſtehungsdatum nicht bekannt war, konnte er nicht wiſſen, ob ſie bereits durch ſeinen perſönlichen oder erſt ſpäter durch ſeinen öffentlichen Widerſpruch veranlaßt waren. Es erhebt ſich aber die Frage, wie Schopenhauer überhaupt erfuhr, daß die Verſe ihm galten, da er den Zuſammenhang bei der ganz allgemeinen Ausdrucksweiſe der Gedichte keinesfalls erraten haben kann. Der ein⸗ zige, der hier einen Einblick in die Werkſtatt des Dichters hatte, iſt Riemer. Es erſcheint als ſelbſtverſtändlich, daß ihm als Vertrautem Goethes, als Mitarbeiter an deſſen Farbenlehre, als Mitredaktor der Epigramme und als Vermittler der Beziehungen Goethes zu Scho⸗ penhauer der Sinn der Verſe nicht verborgen bleiben konnte. Nahe⸗ liegend iſt auch, daß Riemer als vertrauter Freund des Frommann⸗ ſchen Hauſes Allwinen als Beſitzerin der Handſchrift den Kommen⸗ tar dazu geliefert hat. War aber das Geheimnis einmal verraten, ſo konnte es auch leicht zu den Ohren Schopenhauers, den es doch zu⸗ nächſt anging, vordringen, zumal Allwina Frommann und Adele, die Schweſter des Philoſophen, nahe Freundinnen waren. Jedenfalls iſt nicht zu bezweifeln, daß Schopenhauer dieſe Beziehung nicht öffent⸗ lich behauptet haben würde, wenn ſie ihm nicht aus einwandfreier Quelle bekannt geworden wäre. 5

Die voneinander unabhängigen Unterſuchungen über die Reim⸗ ſprüche Grabſchrift' und Lähmung' führen alſo zu demſelben Er⸗ gebnis: in beiden Gedichten kommt Goethes Urteil über das Verhal⸗ ten des jungen Philoſophen gegen ihn zum Ausdruck. Darüber hin⸗ aus aber beſtätigen unſere Betrachtungen ihre Ergebniſſe gegenſeitig kraft des aufgedeckten Parallelismus der Entſtehungsgeſchichte der Epigramme. “)

6

Es bleibt noch übrig, auf das bisher übergangene Epigramm ein⸗ zugehen, das Aber den beiden anderen Reimſprüchen unter der gemeinſamen Überſchrift Lähmung' eingeſchoben iſt. Es lautet:

1) Ins Kapitel vom „Treppenwitz der Weltgeſchichte“ gehört es, daß Schopen⸗ hauer ſelbſt als Greis in der zumeiſt auf Selbſtbetrachtung beruhenden Abhand⸗ lung Vom Unterſchiede der Lebensalter', unverkennbar im Rückblick auf die eigene Jugend, den Ausdruck, ſtutziges Benehmen“ vom Jünglingsalter gebraucht (S. W. 4, 538). Gewiß hat er, dem Goethes Gedichte jo geläufig waren, bei der Wahl dieſes ungewöhnlichen Wortes, obwohl in Unkenntnis der Beziehung auf ſeine Perſon, an unſere Grabſchrift' gedacht.

Goethes EpigrammeGrabſchrift und Lähmung 69

Ich wär noch gern ein tätig Mann, Will aber ruhn:

Denn ich ſoll ja noch immer tun, Was immer ungern ich getan.

Seine Stellung zeigt an, daß es ebenfalls bei Gelegenheit von Schopenhauers Unterricht in der Farbenlehre bei dem Dichter entſtan⸗ den iſt. Auch hierüber gibt uns der inhaltreiche Brief vom 11. No⸗ vember 1815 näheren Aufſchluß. Schopenhauer ſchreibt: „Ew. Ex⸗ zellenz ſelbſt gaben mir einmal die Lehre, man müfje ſtets poſitiv verfahren, ſtets aufbauen und nicht ſich mit dem Niederreißen des Fremden zu lange aufhalten“ (S. W. 6, 228). Goethes Ausſprüche, „daß Aufbauen mehr belehrt als Einreißen“ (Werke 251, 89) und „Es kommt nicht darauf an, daß eingeriſſen, ſondern daß etwas auf⸗ gebaut werde“ (Geſpräche 3, 164), ſowie überhaupt ſeine Lehre von der produktiven Kritik ſind bekannt genug; hier, im optiſchen Unter⸗ richt, hat er ſie Schopenhauer gegenüber, wie der Zuſammenhang von deſſen brieflicher Außerung beweiſt, auf ſein Verhältnis zu Newton angewendet. Er wünſchte ſehnlich: „Wenn wir nur erſt die Kontrovers los wären, die immer auf oder ab, dem reinen, natür⸗ lichen Vortrag ſchadet“ (Briefe 29, 260). Die Vereinigung unſeres Spruches mit den beiden Schopenhauer-Epigrammen beweiſt aber, daß Goethe in dieſen Verſen nicht nur ſeinem Überdruß an dem Fe⸗ derkrieg mit den Anhängern Newtons Ausdruck geben wollte, ſondern daß er auch aus den Widerſprüchen des gegenwärtigen Schülers im Geiſte bereits deſſen künftiges Lehrgebäude der Farbenlehre empor⸗ wachſen ſah, und daß er in ſeinem Ingrimm darüber ſich gelobte, eher ſeine optiſchen Studien ganz aufzugeben, als auch noch den Kampf gegen den neuen, ſelbſterzeugten Widerſacher aufzunehmen. Mit dieſem Vorſatze ſtimmt es überein, daß er trotz dem ſtürmiſchen Drängen Schopenhauers weder im perſönlichen Verkehr noch im Brief- wechſel deſſen abweichende Meinungen zu widerlegen ſuchte, und daß er auch in ſeinen ſpäteren einſchlägigen Arbeiten die vermeintliche Irrlehre mit Stillſchweigen überging.

7.

Die unter der Überſchrift Lähmung vereinigten drei Sprüche des Unmuts find durch eine wirkliche Begebenheit, durch ein äußeres Er⸗ lebnis veranlaßt; das innere, das Gefühlserlebnis des Dichters ge⸗ winnt aber hier nicht poetiſche Geſtalt; die ärgerliche Erfahrung ver⸗ anlaßt vielmehr Goethe zur Abſtraktion. Das Gedicht gehört zu den „Reflexionen“; Versmaß und Reim dienen ausſchließlich der äuße⸗ ren Formgebung.

Anders die Grabſchrift. Die Entſtehungszeit und die Einordnung des Gedichtes in die epigrammatiſche Gruppe neben die Reimſprüche »Die Jahre und Das Alter beweiſen, daß hier an feine beſtimmte

70 Abhandlungen

Perſon gedacht iſt, daß vielmehr eine der erwähnten „Neujahrsbe⸗

trachtungen“ vorliegt. Gewiß beſtand zunächſt die Abſicht, neben den beiden Altersſprüchen auch das ganze Leben mit den Vorſtufen des Alters in Anlehnung an die herkömmlichen Bilder vorzuführen. Dem entſprechen der erſte und der dritte Vers. An ſich ſelbſt hat dem⸗ nach der Dichter keinesfalls gedacht. Mögen ſich auch die beiden Ein⸗ gangsverſe durch dieſen oder jenen vereinzelten Zug aus dem Leben

des jungen Goethe belegen laſſen: wie wenig ſtimmen ſie doch im

Weſen zu dem eindrucksfähigen Knaben und zu dem die Welt mit allen Sinnen in ſich hineinſaugenden Jüngling, wie wenig zu dem frühen Bekenntnis: Ich war ein Knabe warm und gut, Als Jüngling hatt' ich friſches Blut.

Auch iſt es wohl kein Zufall, daß es im fünften Verſe nicht heißt: auf „meinem“, ſondern auf „deinem“ Grabſtein. Die Lebensalter ſtellen vielmehr Typen dar, wie ſie dem Dichter teils im Leben bei gelegentlicher Beobachtung, teils in der herkömmlichen Überlieferung entgegengetreten waren. Dabei nimmt das Jünglingsalter zwiſchen Erlebtem und Erdachtem eine beſondere Stellung ein. Die unmittel⸗ bare einzelne Beobachtung ſtimmt hier mit dem ſchon vorher vor⸗ handenen Urteil über die anmaßliche Jugend überein, ſo daß ſie ſich durch die Art, wie Goethe im Beſonderen das Allgemeine ſah, ohne weiteres mit den Reflexionen des erſten und des dritten Verſes ver⸗ band. Dagegen hat beim vierten Verſe das innere Erlebnis des Dich⸗ ters das in den beiden Schweſter-Gedichten des Jahresbeginns ge⸗ zeichnete Bild des beſchwerlichen Alters verdrängt, und wir leſen an ſeiner Statt ein Selbſtbekenntnis des ſich verjüngenden Greiſes. Auch dieſes wird ſymboliſch aufgefaßt und gleicht ſich dadurch dem übri⸗ gen Inhalt des Gedichtes an.

Gelegentlich hat Goethe die Übereinſtimmung ſeiner dichteriſchen Viſion und eines Modells, an dem die Viſion Geſtalt gewonnen hatte, dadurch geſteigert, daß er Einzelzüge, die er an einem anderen Modell beobachtete, mit dem Urbild verſchmolz. So iſt es nicht auffallend, daß er auch hier eine Erfahrung, die er an Schopenhauer machte, mit einer an ſich ſelbſt gemachten Erfahrung in demſelben Gedichte verband. Der Prozeß iſt indeſſen hier keine Verſchmelzung der Bil⸗ der, ſondern ein Erheben der Einzelzüge durch ſymboliſche Anſchau⸗ ung in eine Sphäre, in der ſie ſowohl nebeneinander wie neben den Reflexionen gleichberechtigt beſtehen. So iſt die Grabſchrift' ein reiz⸗ volles Beiſpiel dafür, wie ſich in Goethes Spruchdichtung perſön⸗ liches Erlebnis und allgemeine Betrachtung ununterſcheidbar inein⸗ ander verweben, ſo daß ſich aus den verſchiedenartigſten Beſtandteilen ein lebensvolles Ganzes geſtaltet.

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Goethe und die Reitkunſt Eine Skizze von Hermann B. Müller (Leipzig)

„ch habe durch Leibesübungen viel gewonnen; ich habe viel von

meiner gewöhnlichen Verlegenheit abgelegt und ſtelle mich ſo ziemlich dar.“ Dies ſchreibt der jugendfriſche Wilhelm Meiſter in einem Briefe an ſeinen Freund. Goethe bezeichnet Wilhelm häufig als ſein eignes „geliebtes dramatiſches Ebenbild“. Auch die ange: führten Worte ſind gewiß ein Goetheſches Selbſtbekenntnis. All die vielen, die ſo wie er erfahren haben, wieviel der Menſch durch Leibes⸗ übungen gewinnt, reizt es beim Leſen dieſer Sätze wohl, die Spuren jenes Großen zu verfolgen und zu ſuchen, in welchem Maße Goethe mit dem Sport in Beziehungen trat.

Bevor wir Goethe als Knaben, Studenten und Rechtsanwalt, als Geheimen Legationsrat, Finanzminiſter und Exzellenz ſelbſt in den Sattel ſteigen ſehen und ſeine Anſchauungen über Roß, Reiter und Reitkunſt aus Tagebüchern, Briefen und Geſprächen kennenlernen, wollen wir die Blicke in ſeine ſonſtigen Werke lenken. Sind doch nicht nur, nach ſeinen eigenen Worten, alle ſeine Gedichte „Gelegenheits⸗ gedichte“, „durch die Wirklichkeit angeregt“, welche „die Veranlaſſung und den Stoff dazu hergab“, ſondern iſt doch auch in ſeinen Dramen, Romanen und ſonſtigen Proſawerken der Niederſchlag ſeiner augen⸗ blicklichen Lebensweiſe und ſeiner außerdichteriſchen Tätigkeit wahr⸗ zunehmen. Finden wir Worte z. B. über Ballſpiel, Eislauf, Fecht⸗ kunſt, Bogenſchießen, Schwimmen uſw., ſo können wir ſicher ſein, daß auch hierfür die Anregung von außen, durch beſondere Erlebniſſe daheim oder auf Reiſen, durch berufliche Arbeiten, wiſſenſchaftliche oder Kunſtſtudien gegeben worden iſt.

Von allen Sportarten erwähnt Goethe am häufigſten in ſeinen Dichtungen die edelſte, die Reitkunſt; denn ſie war es auch, die er ſelbſt bis ins Alter ausübte. Schäumende jugendliche Reitersluſt atmet des 23jährigen Capriccio', im Concerto dramatico’ (1772), Var. 3:

Geritten wie Teufel Berg auf und Berg ab,

Galopp auf Galopp, Gehn die Hund' nur ein Trab.

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Bis Gaul wund am Kreuz is

Der Ritter am Steiß,

Frau Wirtin, ein Bett! Hol'

Der Teufel die Reiſ'! Im folgenden Jahre, bei der Bearbeitung des Götz von Berlichin— gen’, wendet Goethe erſtmalig einen Kunſtgriff an, den er ſpäter ähn⸗ lich öfter wiederholte. Um gewiſſe dramatiſche Geſtalten, Helden, Edelleute uſw. ſchon vor oder ſpäteſtens bei ihrem erſten Auftreten als ritterlich-ſympathiſche Charaktere erſcheinen zu laſſen und das Herz des Zuſchauers für ſie voreinzunehmen, läßt er andre Perſonen über ſie berichten, welche ſie bereits als kühne Reiter auf feurigen Roſſen bewundert haben, oder er läßt, nicht mehr in der Expoſition, ſondern in der Handlung ſelbſt, die Helden ſo zeitig wie möglich ihre Paſſion für Pferde kundtun. So fleht Götzens Bube Georg ange— ſichts des Bildes eines prächtigen Schimmels zu ſeinem Schutzpatron:

Ach, ein ſchöner Schimmel! Wenn ich einmal ſo einen hätte! .. Heili⸗

ger Georg! Mach mich groß und ſtark, gib mir ſo eine Lanze, Rüſtung und Pferd, dann laß mir die Drachen kommen!

Ahnlich erfährt die ungeduldig fiebernde Adelheid über den ſoeben, 1 der Szene, eingetroffenen Weislingen:

Er ſaß auf einem Schimmel. Das Pferd ſcheute, wie's an die Brücke kam

„Das Volk freute ſich über des Pferdes Unart ... Mit einer angemeſſenen

Gleichgültigkeit ſaß er droben, und mit Schmeichelei und Drohen brachte er es endlich zum Tor herein.

Um Egmonts reinen Charakter zu zeichnen und ſeine weitgehende, tragiſche Sorgloſigkeit noch kurz vor der Kataſtrophe zu were lichen, läßt Goethe Silva dem Alba melden: |

Den ganzen Tag von einem Pferd aufs andre, lädt Gäfte, iſt immer luſtig und unterhaltend bei Tafel, würfelt, ſchießt, und ſchleicht nachts zum Liebchen.

Beſſer kann ein argloſes, aber leichtſinnig⸗ausgelaſſenes Reiter⸗ leben nicht geſchildert werden. Egmont bedient ſich übrigens bei der Erklärung ſeiner politiſchen Anſichten, wie ein Volk regiert werden müſſe, eines ihm naheliegenden Vergleiches:

Leicht kann der Hirt eine ganze Herde Schafe vor ſich hintreiben; der Stier zieht ſeinen Pflug ohne Widerſtand; aber dem edlen Pferde, das du reiten willſt,

mußt du ſeine Gedanken ablernen, du mußt nichts Unkluges, nichts unklug von ihm verlangen.

Egmont ahnt in trügeriſcher Ruhe die nun aufs höchſte zuſammen⸗ gezogene Gefahr ſo wenig, daß er mit den letzten Worten bei ſeiner Gefangennahme dem Ferdinand ſelbſt, dem Überbringer des kaiſer⸗ lichen Haftbefehles, ſein prächtiges Roß zum Kaufe anbietet, das er weggeben möchte, da er es ſchon eine Weile befikt; er reitet ſich be⸗ reits ein andres zu, dasſelbe, das Ferdinand auf dem Markte ſah . bei der Arbeit bewunderte.

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Dieſelbe edle Sinnesart und der gleiche feurige Jugendmut klingen aus den Worten, die zu Beginn des erſten Auftritts der Knabe Elpenor im gleichnamigen Trauerſpiel⸗Fragment (1781) jeiner Mutter Evadne zuruft: Ein Pferd wird kommen, groß, mutig und ſchnell;

Was ich ſo lang entbehrt, das werd' ich haben, Und eigen haben. Denn was half es mir? Bald ritt ich dies, bald das, es war nicht mein, Und neben her voll Angſt ein alter Diener. Ich wollte reiten, und er wollte mich geſund Nach Haufe haben ... Nein, dieſes Pferd, es wird mein eigen bleiben, Und ich will reiten, es ſoll eine Luſt ſein. Ich hoffe, das Tier iſt jung und wild und roh; Es ſelber zuzureiten wär' mir größte Freude. Im weiteren Verlauf erſcheint Polymetis als Geſandter ſeines Va— ters, ihm Ehrengaben zu überreichen und ihn heimzugeleiten. So— bald Elpenor von den Geſchenken vernimmt, verrät er durch haſtig hervorgeſtoßene Worte, daß er nur auf Erfüllung jenes einen einzi- gen Herzenswunſches bedacht iſt: Elpenor: Sag', iſt's ein ſchönes Pferd, das heut mich tragen ſoll? Polymetis: Ein Schimmel, lebhaft, fromm und glänzend wie das Licht. Elpenor: Ein Schimmel, ſagſt du mir! Soll ich mich dir verraten?

Soll ich's geſtehn? Ein Rappe wär' mir lieber. Ein Pferd von dunkler Farbe greift viel feuriger Den Boden an. Denn ſoll es je mir wert ſein, Muß es mit Not nur hinter andern Gehalten werden, keinen Vormann leiden,

Muß ſetzen, klettern, vor rauſchenden Fahnen, Vor gefällten Speeren ſich nicht ſcheuen, Und der Trompete raſch entgegenwiehern.

Als letztes Beiſpiel von Goethes Verwendung des Reitſports zu den erwähnten Zwecken ſei das Trauerſpiel Die natürliche Tochter’ (1803) angeführt. Der Dichter hatte urſprünglich eine große Trilo- gie gleichen Namens geplant mit durchlaufender Titelrolle, deren Trä⸗ gerin Eugenie an ihrem Schickſal und jähem Glückswechſel die Folge⸗ erſcheinungen der franzöſiſchen Revolution und Greuel der Pöbel— herrſchaft verfinnbildlichen ſollte. Zu Beginn des Dramas iſt dem „König“ noch nicht bekannt, daß Eugenie die natürliche Tochter des „Herzogs“, ſeines eigenen Oheims iſt; ſie erregte jedoch bereits als Fremde auf der Jagd ſeine Aufmerkſamkeit; es iſt jene

. . . Amazonentochter,

Die in den Fluß dem Hirſche ſich zuerſt

Auf raſchem Pferde flüchtig nachgeſtürzt. Der Herzog eröffnet ſeine engen Beziehungen zu ihr dem Könige, und deſſen Anteilnahme iſt nun doppelt warm. In dieſem Augen⸗ blicke meldet man, die kühne Reiterin ſei ſoeben von einer Felſen⸗ wand herabgeſtürzt; die Hunde hatten den Hirſch tief unten im Tale geſtellt, Eugenie

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. . nötigt

Ihr Pferd von Klipp' zu Klippe, grad herein. Am untern ſteilen Abhang gehn dem Pferde Die letzten, ſchmalen Klippenſtufen aus,

Es ſtürzt herunter, ſie mit ihm.

Doch ſie lebt! Der König hat ihr ritterlich Weſen nun mehr denn je erkannt und öffnet ihr trotz ihrer verborgenen Geburt die Pforten ſeines Hofes. Der Wunſch des Vaters nach Anerkennung ſeiner Tochter iſt ſomit erfüllt; doch befällt ihn angeſichts der neuen Lebensverhält⸗ niſſe ſeiner Tochter ſchwere Furcht, ſein geliebtes Kind zu verlieren:

Geſteh' ich's nur! Wie öfters hat mich ſchon

Dein überkühner Mut, mit dem du dich,

Als wie ans Pferd gewachſen, voll Gefühl

Der doppelten, zentauriſchen Gewalt,

Durch Tal und Berg, durch Fluß und Graben ſchleuderſt, Wie ſich ein Vogel durch die Lüfte wirft,

Ach öfters mehr geängſtigt als entzückt!

Der Erhöhung folgt denn auch der Sturz auf dem Fuße. Der „Graf“, legitimer Sohn des Herzogs, will ſich die eingedrungene, erbteilſchmä⸗ lernde Halbſchweſter nicht gefallen laſſen ſie muß beſeitigt wer⸗ den. Die Verwegenheit ihrer Reitkunſt, die ſie ja ſoeben bewieſen hat, bietet der Intrigue willkommene Handhabe. Eugenie wird ent⸗ führt und das Gerücht verbreitet, ſie ſei auf dem Ritt zu einem alten Lehrer vom Felſen geſtürzt und zerſchmettert:

Sie nutzte kühn Des Morgenrittes abgemeſſne Stunden Mit ungeheurer Schnelligkeit, zum Zweck, Den alten, vielgeliebten Mann zu ſehn. Ein einz'ger Reitknecht nur war im Geheimnis, Er unterlegt ihr jedesmal das Pferd.

In herben Worten klagt ſich der unglückliche Vater an:

Ich ſollte ſtrafen die Verwegenheit,

Dem Übermut mich ſcheltend widerſetzen,

Verbieten jene Raſerei, die, ſich

Unſterblich, unverwundbar wähnend, blind, Wetteifernd mit dem Vogel, ſich durch Wald

Und Fluß und Sträucher von dem Felſen ſtürzt Wohl trag ich ſelbſt die Schuld und trag ſie ſchwer. Sie überall zu ſehn als Meiſterin,

Das war mein Stolz! Zu teuer büß' ich ihn.

Zu Pferde ſollte ſie, im Wagen ſie,

Die Roſſe bändigend, als Heldin glänzen.

Ins Waſſer tauchend, ſchwimmend, ſchien ſie mir Den Elementen göttlich zu gebieten.

So, hieß es, kann ſie jeglicher Gefahr

Dereinſt entgehen. Statt ſie zu bewahren

Gibt Übung zur Gefahr den Tod ihr nun.

So oft auf Erden der Rote Tod ein Menſchenleben in ſeine Arme ſchloß, haben weinende Eltern alſo geklagt!

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Aus den Romanen Goethes fällt uns hier jenes freundliche Bild in den Wanderjahren (1807 ff.) ein: Ein jugendlich ſchlankes Reiter⸗ paar am Waldrande. Felix reicht lächelnd der lieblichen Herſilie einen prächtigen Strauß leuchtender Feldblumen hinüber, die er ſoeben auf der abſeits gelegenen Wieſe für ſeine Begleiterin gepflückt hatte; ſeine Stirn trägt eine weiße Binde; ſein Pferd war beim Sprung über den Wieſengraben geſtürzt, er hatte eine leichte Kopfwunde davongetra— gen; Herſelie greift fröhlich nach dem Büſchel blühender Kronen und bietet ihrem Ritter ein buntes leichtes Halstuch, es gegen die verun— ſtaltende weiße Stirnbinde zu vertauſchen.

Schließlich werden wir auch nicht an Goethes wiſſenſchaftlichen Arbeiten vorübergehen, ohne zu beobachten, welche Sorgfalt er dort auf Fragen der Erziehung zu körperlicher Tüchtigkeit verwendet. In der Abhandlung zum Divan über „die älteren Perſer“ (1818) meint Goethe, daß die Parſi⸗Religion leicht zu Beſchaulichkeit und Weich⸗ lichkeit hätte verleiten können, doch wären die Perſer durch ihre Volks⸗ ſitten und ⸗gebräuche davor beſchützt worden:

Das geſchickteſte und heftigſte Reiten war bei ihnen herkömmlich; auch ihre Spiele, wie das mit Ballen und Schlegel, auf großen Rennbahnen, erhielten ſie rüſtig, kräftig behend.

Die erſte und klarſte Erkenntnis von den Eigentümlichkeiten des Orients verdankt Goethe dem Italiener Pietro della Valle; durch ſeine Beſchreibungen des Orients fand unſer Dichter erſt den beſonderen Grund und Boden zu feinem Divan'. Über deſſen Erziehung äußert er ſich, wie folgt:

Sprachſtudien, Grammatik, Red: und Stilkunſt wurden gründlich behandelt

. Waffenübungen zu Fuß und zu Roß, die edle Fecht⸗ und Reitkunſt dienten ihm zu täglicher Entwickelung körperlicher Kräfte und der damit innig verbun⸗ denen Charakterſtärke.

Schließlich teilt uns Goethe in der Divan-Abhandlung Von Diez’ den Inhalt eines alten, kulturhiſtoriſch wertvollen Buches voller Weis⸗ heiten zur Lebensführung mit, das zum Verfaſſer den hochgebildeten, betagten König eines kleinaſiatiſchen Stammes hat. Dieſer ſelbſt war als Kronprinz

aufs ſorgfältigſte zum N tätigſten Leben erzogen worden. Sein Vater hatte, die körperliche Ausbildung aufs höchſte zu feige ihn einem trefflichen Pädagogen übergeben. Dieſer brachte den Sohn zurück, geübt in allen ritter⸗ lichen Gewandtheiten: zu ſchießen, zu reiten, reitend zu ſchießen, den Speer zu werfen, den Schlegel zu führen und damit den Ball aufs geſchickteſte zu treffen.

Ein ganzes Kapitel dieſes merkwürdigen Buches Kabus' handelt insbeſondere von „Pferdekauf und Kennzeichen der beſten“.

Der Leſer wird ſich vielleicht noch manch andrer Stelle entſinnen, wo Goethe die Reitkunſt zu beſonderen Zwecken in ſeinen Werken ver⸗ wendet hat, z. B. in den Wahlverwandtſchaften', Wanderjahren', der Novelle’. Es würde jedoch ermüden, ſie alle anzuführen. Wir

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wollen jetzt vielmehr unterſuchen, welche Rolle ſie in ſeinem eignen Leben geſpielt hat und wollen Goethe als Reiter kennenlernen.

In Goethes Zeiten, als Reitpferde noch zu den Verkehrsmitteln zählten, war es eine Forderung praktiſchen Lebens, daß Söhne beſ— ſerer Stände Reitſtunde erhielten, um zu Pferde „kein ſchülerhaftes Ausſehen“ zu haben. So ſchickt der alte Herr Rat ſeinen 14jäh⸗ rigen Wolfgang im Herbſt 1763 auf die Frankfurter Reitbahn und böſe Stunden hat der Knabe dort verlebt. Der Reitlehrer gab ihm ſchlechte Pferde; er ſprach wohl dauernd von „Schluß“, erklärte aber nicht des Wortes höhern Sinn; ſtändig ſtellte er ſeinen Schüler bloß, verhöhnte ihn gar vor den anderen und kaſſierte für alle kleinen Fehler Geldſtrafen ein, ſelbſt ſchon, wenn er die Gerte fallen ließ. Zum Schmieren, wie die andern es wohl taten, ließ Wolfgang ſich aber nicht herbei. Die modrige, kalte, feuchte oder ſtaubige Reitbahn war ihm ſo zuwider, daß er „das ganze Geſchäft als höchſt verdrieß⸗ lich empfand, während es doch das luſtigſte von der Welt ſein ſollte“. Er ſchreibt in Dichtung und Wahrheit' (I, 4):

Der Eindruck von jener Zeit iſt mir ſo lebhaft geblieben, daß, ob ich gleich nachher leidenſchaftlich und verwegen zu reiten gewohnt war, auch tage: und wochenlang kaum vom Pferde kam, daß ich bedeckte Reitbahnen ſorgfältig ver⸗ mied und höchſtens wenig Augenblicke darin verweilte.“

Anfang April des folgenden Jahres macht der junge Goethe an⸗ läßlich der Kaiſerkrönung in Frankfurt Studien, wie die hohen Her⸗ ren in ihrer altertümlichen Tracht zu Pferde ſitzen; beſonders gefällt ihm der preußiſche Geſandte von Plotho, „ein guter Reiter und fröhlich“.

Nicht ganz ſo elegant, wohl aber ſehr würdig ſtellte ſich der Herr Profeſſor Chriſtian Fürchtegott Gellert als Reitersmann ihm dar, ſeit 1765 ſein Univerſitätslehrer in Leipzig, wenn er allmorgendlich „auf ſeinem zahmen Schimmel“ durchs Roſental ritt. Das Pferd hatte ihm der Kurfürſt von Sachſen geſchenkt, um ihn „zu einer ſei⸗ ner Geſundheit ſo nötigen Bewegung zu verbinden“. Goethe ſelbſt ſetzt in Leipzig das Reiten eifrig fort; am 12. Oktober 1767 ſchreibt er jedoch an ſeine Schweſter Cornelia nach Frankfurt, er habe dem Reiten gänzlich entſagt und ſich auch ſonſt zurückgezogen; und am 11. November berichtet er brieflich ſeinem Freunde Behriſch, daß „neulich“ ſein Pferd mit ihm durchgegangen ſei:

Ich konnte es nicht einhalten, ich ſah meinen Tod, wenigſtens einen ſchreck— lichen Fall vor Augen. Ich wagt' es und ſtürzte mich herunter. Da hatte ich Herz. Ich bin vielleicht nicht der herzhafteſte, bin nur geboren, in Gefahr herzhaft zu werden.

Nicht dieſer ſchwere Sturz allein war es, der ihn jetzt zum Auf⸗ geben des Reitens zwang; es erfolgte vielmehr um dieſe Zeit ein all⸗ gemeiner körperlicher Zuſammenbruch, der mancherlei Gründe hatte.

) Vgl. jedoch hierzu den Beſuch in Göttingen, ©. 84f.

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Goethe führt ihn in erſter Linie auf eine Bruſtbänderdehnung zu— rück, die er ſich bei Flottmachen des ſteckengebliebenen Reiſewagens auf der Fahrt nach Leipzig im Herbſt 1765 zugezogen hatte; die Schmerzen waren dann nach ſeinem Sturze mit dem Pferde merklich gewachſen. Beim Atzen von Kupferplatten hatte er ſich nicht genügend vor den giftigen Dämpfen der Atzlöſungen geſchützt; dazu trat eine falſche Diät, das ſchwere Merſeburger Bier, ſein rückſichtsloſes Ein- ſtürmen auf ſeinen Körper. Tagelang ſchwebte er zwiſchen Leben und Tod. Ganz allmählich erſt kam er, von ſeinen Freunden aufs liebe— vollſte gepflegt, wieder zu Kräften, ja, er verabredete ſogar im Som- mer des Jahres 1768 bereits wieder eine große Reitpartie nach Deſ— ſau und dem Wörlitzer Park —, aber ſeine alte Geſundheit erlangte er doch erſt viel ſpäter wieder.

Zwei Jahre brauchte der Schwerkranke, bevor er ſich im Vater— hauſe zu Frankfurt völlig erholte. Nach ſeiner Geneſung zieht er An- fang 1770 nach Straßburg zur Vollendung ſeiner juriſtiſchen Stu- dien. Er betreibt dieſe mit ungleich größerem Ernſte als in Leipzig, bereitet ſich ſchon im erſten Semeſter bei einem Repetitor aufs Exa⸗ men vor, bringt aber „alle abzumüßigenden Tage und Stunden zu Pferde und in freier Luft zu“. Reitgenoſſen waren ihm ſeine beiden Freunde Engelbach und Weyland. Dieſer, ein geborener Elſäſſer, führte ihn bei Freunden und Verwandten in der Umgebung ein, ſo auch bei dem Pfarrer Brion in Seſenheim. Wie oft im Laufe der beiden Jahre hat Goethe jene 35 Kilometer in eilendem Trab oder ſtürmiſchem Galopp zurückgelegt, ſeit er im Spätſommer 1770 Fries derike Brion kennengelernt und in ſein Herz geſchloſſen hatte:

Es ſchlug mein Herz: geſchwind zu Pferde! Und fort, wild, wie ein Held zur Schlacht! Der Abend wiegte ſchon die Erde,

Und an den Bergen hing die Nacht.

Den erſten zweitägigen Reitbeſuch in Seſenheim hatte Goethe einem unglücklichen Einfall zufolge in der ihn äußerlich arg herabſetzenden Verkleidung eines ärmlichen Studenten der Theologie unternommen. Nachdem er den freundlichen Haus wirt und vor allem deſſen liebliche Tochter kennengelernt hatte, ſchämte er ſich ſeines unpaſſenden Be⸗ truges:

Im Nu war mein Pferd geſattelt, und ich eilte in raſendem Unmut nach Druſenheim, . den Ort hindurch und immer weiter. Da ich mich in Sicher: heit glaubte, ritt ich langſamer und fühlte nun erſt, wie unendlich ungern ich mich entfernte ... und nun beſchloß ich, ſchnell in die Stadt [Straßburg] zu reiten, mich umzuziehen, ein gutes friſches Pferd zu nehmen; da ich denn wohl i Er noch vor Tiſche gewiß wieder eintreffen und meine Vergebung erbitten konnte.

Sechzig Kilometer an einem Vormittage im Sattel es wäre ihm nicht darauf angekommen! Er führte den Plan jedoch nicht aus, ſon⸗

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dern borgte ſich vom Wirtsſohn in Druſenheim deſſen Sonntags: f

tracht und kehrte in ihr nach Seſenheim zurück.

Am letzten Unterrichtsmorgen vor den Oſterferien 1771 rief Prof. Ehrmann ſeinen jungen Freunden im Klinikſaal zu: „Geben Sie Ihrem Körper Bewegung, durchwandern Sie zu Fuß und zu Pferde das ſchöne Land!“ Und Goethe bemerkt dazu: ;

Ich glaubte eine Stimme vom Himmel zu hören und eilte, was ich konnte, ein Pferd zu beſtellen und mich ſauber herauszuputzen. ... Ich kam nicht jo früh, als ich gehofft hatte. So ſtark ich auch ritt, überfiel mich doch die Nacht. Der Weg war nicht zu verfehlen und der Mond beleuchtete mein leidenſchaft⸗ liches Unternehmen. Die Nacht war windig und ſchauervoll, ich ſprengte zu, um nicht bis morgen früh auf ihren Anblick warten zu müſſen.

Doch zögernd nur ſetzte er den Fuß in den Bügel, wenn nach ſelig genoſſenen Stunden die Trennung nahte:

Sein Pferd ging ziemlich langſam fort,

Und ſeine Seele nicht geſchwinder,

und über den Heimritt berichtet er:

Die Nacht war wahrlich ziemlich düſter,

Mein Falbe ſtolperte wie blind;

Und doch fand ich den Weg ſo gut, als ihn der Küſter

Des Sonntags früh zur Kirche findt. Wem aber prägt ſich nicht für alle Zeiten unvergänglich ein Bild ein, ein „Reiters Abſchied“-Bild, wenn er in Dichtung und Wahr⸗ heit’ vom letzten Beſuche in Seſenheim lieſt (Auguſt 1771):

Als ich ihr die Hand noch vom Pferde reichte, ſtanden ihr die Tränen in

den Augen, und mir war übel zu Mute. Nun ritt ich auf dem Fußpfade gegen Druſenheim, und da überfiel mich eine ſonderbare Ahnung. Er ſah ſich im Geiſte acht Jahre ſpäter denſelben Weg noch einmal zurückreiten. Und tatſächlich ſchreibt er am 28. Sept. 1779 an Frau von Stein, daß er drei Tage vorher die alten Freunde im Pfarrhauſe beſucht habe!

Doch nicht nur kleine Touren in der Umgebung, ſondern auch große Reiſen zu Pferde unternahm Goethe zur Ergänzung ſeiner ge⸗ ſchichtlichen und naturwiſſenſchaftlichen Studien und zum Genuſſe der herrlichen Gegend. Von einer ſolchen berichtet er im 10. Buche von Dichtung und Wahrheit'; er führte ſie mit den oben erwähnten Freunden im Juni 1771 aus. Von den fruchtbaren Gefilden des El⸗ ſaß führte der Weg hinauf, an den ſteilen Abhängen der Vogeſen entlang, hinüber in das rauhe Lothringen, und zurück durch den ge⸗ werbereichen Strich, der dieſes Land von der Pfalz trennt. Es lohnt der Mühe, dieſe vierhundert Kilometer lange Reittour auf der Karte zu verfolgen; man wird kaum alle Schönheiten der Natur und die ſehenswerten Städte Zabern, Pfalzburg, Saargemünd, Saarbrücken, Reichshofen, Hagenau und Seſenheim auf geſchicktere Weiſe ver⸗ binden können.

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Trennungsleid und Schmerz über Friederikens Lage beängſtigten und bedrückten den 22 jährigen. Er ſuchte in gewohnter Weiſe Hilfe bei der Dichtkunſt, ſeine eigentliche Jugendfriſche und Lebensfreude aber erlangte er zurück durch körperliche Ubungen, Reiten, Fechten, Schlittſchuhlaufen:

Das Reiten verdrängte nach und nach jene ſchlendernden, melancholiſchen, beſchwerlichen und doch langſamen und zweckloſen Fußwanderungen; man kam ſchneller, luſtiger und bequemer zum Zweck.

Zu Pferde verließ Goethe Straßburg Ende Auguſt 1771 und kehrte nochmals ins Vaterhaus zurück. Dieſer Aufenthalt währte bis zum Herbſt 1775 und wurde durch einen Sommer in Wetzlar und man— cherlei Abweſenheit von kürzerer Dauer unterbrochen. In dieſe Frank⸗ furter Zeit fällt der Beſuch Friedrich Gottlieb Klopſtocks im Mai

1774. Klopſtock lebte als däniſcher Legationsrat a. D. in Hamburg; er hatte ſoeben den Meſſias' vollendet, man hörte ihn aber „von poe⸗ tiſchen und literariſchen Dingen ſelten ſprechen“, wohl aber unter⸗ hielt ſich der kleine, gut gebaute, elegante Fünfziger mit dem halb ſo alten feurigen Jüngling ausgiebig über Sport, beſonders über ſeine Liebhaberei, den Eislauf; „auch vom Kunſtreiten und ſogar vom Bereiten der Pferde wußte er Rechenſchaft zu geben und tat es gern“.

Der November des Jahres 17751! „Wie ein Stern ging Goethe in Weimar auf“. Sein Wertheranzug wurde Mode, ſprudelnde Lebens- luſt gewann ihm die Herzen aller guten Menſchen und die vertraute⸗ ſte Freundſchaft ſeines Fürſten. Dürfen wir ihn, den Einzigen, in dem die Schöpfung eines ihrer herrlichſten Wunder vollbrachte, noch verfolgen nach ſeinen menſchlichen Gewohnheiten und Liebhabereien, ohne dadurch ſein Gedächtnis zu entweihen? Wir tun es getroſten Mutes in dem Bewußtſein, daß nur der das Ewige in ihm erkennen lernt, der dies Ewige aus dem Irdiſch-Menſchlichen entſtehen ſieht.

Thüringerland! Wohlan, Reitersmann! Streifſt du am taufriſchen Morgen durch die duftenden Wälder und Wieſen, ſo folge dem Huf⸗ ſchlage der Roſſe, die den Mann mit den leuchtend⸗ſchauenden Augen vor dir dahintrugen, höre den Schlag ſeines ewigen Herzens, lauſche den rauſchenden Fittichen ſeines Geiſtes. Vierzig Jahre lang hat Goethe „zu Wagen, Pferd und Fuß Thüringen kreuz und quer durch⸗ wandert“ (Tag- und Jahres⸗Hefte 1807) und geſteht als Greis von 73 Jahren (Aufſatz über Tiſchbeins Idyllen 1821):

Der Menſch fühlt ſich körperlich niemals freier, erhabener, begünſtigter als zu Pferde, wo er, ein verſtändiger Reiter, die mächtigen Glieder eines ſo herr⸗ lichen Tiers, eben als wären es die eigenen, ſeinem Willen unterwirft und ſo über die Erde hin als höheres Weſen zu wallen vermag.

In den Spätherbſt des Jahres 1777 fällt der einſame Ritt in den Harz. Trotz drohenden Schneewetters reitet der nunmehrige Geh. Legationsrat am 29. November „in ſcharfen Schloßen, aber reine Ruh in der Seele“ über Sondershauſen, Nordhauſen, Ilfeld zur

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Baumannshöhle. In den verſchneiten Wäldern, auf dem Rücken des Pferdes, entſteht die Konzeption des Gedichtes Harzreiſe im Winter', dort kommt der Dichter zu ſich ſelbſt und zieht er die Summe ſeines bisherigen Lebens.

Dem Geier gleich,

Der auf Morgenſchloßen-Wolken

Mit ſanftem Fittich ruhend

Nach Beute ſchaut,

Schwebe mein Lied! Wer noch an der Berechtigung zweifelt, Goethe insbeſondere als Reiter und Touriſten zu betrachten, leſe ſeinen eigenen Kommentar zu zu dieſem Gedicht in Kunſt und Altertum (1821). Die tiefſten philoſophiſchen Betrachtungen werden ausgelöſt durch „die mut— ſtählende und geiſterheiternde Ausführung eines bedenklichen und be⸗ ſchwerlichen Unternehmens“. „Wer ſeine Bequemlichkeiten aufopfert, verachtet gern diejenigen, die ſich darin behagen.“ „Mühſam Reiſende bedürfen guten Mutes, der ſich leicht zu Übermut ſteigert.“ Der Ritt geht weiter nach Wernigerode, dem eigentlichen Reiſeziel, und am zwölften Reiſetage ſteht der Dichter auf dem Gipfel des Brockens, inmitten grenzenloſen Schnees, über ſich den klarſten Himmel, unter ſich ein unbewegliches Wolkenmeer. Auf einem ziemlichen Umwege kehrt er am 16. Dezember heim. Man leſe auch die Briefe an Frau von Stein vom 4. bis 10. Dezember 1777:

Liebes Gold! Ich hab an keinem Orte Ruh, ich habe mich tiefer ins Gebirg

geſenkt . . . Ich war oben heute und habe auf dem Teufelaltar meinem Gott

den liebſten Dank geopfert. Ich habe ein Zeichen ins Fenſter geſchnitten

zum Zeugnis meiner Freudentränen.

Reitersmann, lies und lebe deinen Goethe! Erlebniſſe und Ein⸗ drücke dieſes Harzrittes finden auch in den zu jener Zeit entſtandenen Lehrjahren' ihren Niederſchlag. Sahen wir früher ſchon ſein „ge⸗ liebtes Ebenbild“ Wilhelm, wie ihn ſelbſt, des öftern „zu Pferde in die Weite geſchickt“, ſo glauben wir Goethe vor uns zu haben, wenn er uns Wilhelm als Tourenreiter beſchreibt, „den Mantelſack hinter ſich“, oder wenn er ihn klagen läßt: eine Reiſe zu Pferde im Ge⸗ birge ſei mit unerträglichen Beſchwerden verknüpft. Auch folgende Epiſode ſcheint auf eigene Erfahrungen hinzuweiſen:

Wihelm vernahm nicht ohne Verdruß, daß ſein Pferd von Laertes geſtern dergeſtalt angegriffen worden, daß es wahrſcheinlich, wie man zu ſagen pflegt, verſchlagen!) habe, und daß der Schmied wenig Hoffnung zu ſeinem Aufkom⸗ men habe.

Vom Herbſt 1779 bis Mitte Januar 1780 unternahm Goethe mit Karl Auguſt eine Reiſe nach Frankfurt, Straßburg (Beſuche bei

1) Ein Pferd „verſchlägt“, wenn es wegen plötzlich unterdrückter Ausdünſtung krank wird, welche Krankheit ſich zuerſt durch eine Steife in den Füßen äußert 3 5 Adelungs Grammatiſch⸗kritiſchem Wörterbuch der hochdeutſchen Mundart, 5 Bde. 1774/86).

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Friederike und Lili), Baſel, Luzern, Stuttgart. Schon früher, von Frankfurt aus, hatte er eine Reiſe in die Schweiz ſtreckenweis zu Pferd zurückgelegt; auch diesmal ging's von Baſel aus im Sattel ins Gebirge. Am 3. Oktober ſtehen die Pferde in Baſel marſchbereit. Die Reiter genießen die Schönheiten und herrlichen Ausſichten auf das Hochgebirge vom Jura aus, den ſie über Münſter erreichen. Von Genf ſchicken ſie die Tiere mit Begleitleuten nach St. Maurice im oberen Rhonetale, ſie ſelbſt erreichen dieſen Ort zu Wagen und Fuß über Chamounix am Maſſive des Mt. Blanc. Zum Beſuche von Leukerbad an der Gemmi bedienen ſie ſich noch einmal der Pferde und ſenden ſie von da voraus über Vevey, Lauſanne, Freiburg, Bern nach Luzern. Sie begnügen ſich zur beſchwerlichen und in dieſer Jahreszeit recht waghalſigen Weiterreiſe mit zwei Mietpferden und Maultieren über die Furka zum St. Gotthard.

Wie ſchon erinnert, diente zu Goethes Zeiten das Reitpferd in viel größerem Maße zum Verkehrsmittel, als dies heute noch der Fall iſt. Auch Goethe ſcheint das Pferd zunächſt als Mittel zum Zweck, benutzt“ zu haben, denn es findet fich keine Stelle aus früheren Jahren, derzufolge er eine beſondere Neigung oder Liebe für das edle Tier empfunden, oder worin er beſonders gute Eigenſchaften erwähnt hätte. Das Reitpferd war ihm noch kein Individuum. Der Um⸗ ſchwung erfolgte erſt 1787 in Italien. Schon in Rom am 18. Januar, dem St. Antonius⸗Tage, klingt aus feinem Bericht über die Pferde- weihe ein wärmerer Ton:

St. Anton iſt Patron der vierfüßigen Geſchöpfe, ſein Feſt ein ſaturnaliſcher Feiertag für die ſonſt belaſteten Tiere .. . . Alle Herrſchaften müſſen heute... zu Fuße gehen ... Pferde und Maultiere, deren Mähnen und Schweife mit Bändern ſchön, ja prächtig eingeflochten zu ſchauen, werden vor die kleine ... Kapelle geführt, wo ein Prieſter, . .. das Weihwaſſer ... nicht ſchonend, auf die munteren Geſchöpfe derb losſpritzt, manchmal ſogar ſchalkhaft, um ſie zu reizen... Die Herrſchaften ſenden Almoſen und Geſchenke, damit die koſtbaren, nützlichen Tiere ein Jahr über vor allem Unfall ſicher bleiben mögen.

Am 3. März aber ſchreibt Goethe in Neapel:

Heute, als an einem Feiertage, war die große Spazierfahrt des Adels, wo

jeder ſeine Equipagen, Sure Pferde, produziert. Man kann unmöglich etwas Zierlicheres ſehen als dieſe Geſchöpfe hier; es iſt das erſtemal in meinem Leben, daß mir das Herz gegen ſie aufgeht. Aus der Italieniſchen Reife ſei im übrigen nur der gewaltige, mehr⸗ wöchige Ritt durch Sizilien vom 18. April bis 10. Mai 1787 er⸗ wähnt. Er führte den Dichter, in deſſen Seele ſich die folgenreichſten Umwandlungen vollzogen, kreuz und quer durch die herrliche Inſel. Man verfolge den Reiſeplan an Hand der Karte:

1. Reit⸗Tag: Palermo⸗Monreale⸗Alcamo 40 km 2. : Alcamo⸗Caſtel Vetrano 43 7 3. Caſtel Vetrano⸗Sciacca 40 4. Sciacca⸗Girgenti („ſtarke Tagreiſe“ 60

Aufenthalt in Girgenti 5 Tage VIII 6

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5. Reit ia. Girgenti⸗Caltaniſetta

6. : Caltaniſetta⸗ Caſtrogiovanni

7 vunterwegs ſeit 12 Tagen, in einem neuen Gaſthofe mit einiger Bequemlichkeit“

8. N : bis Catania 9. CCatania⸗ Taormina 45 10. Taormina -⸗Meſſina a 50 Ye

zuſammen 450 km

Gewiß gibt jeder Sachverſtändige ohne weiteres zu, daß dies eine

recht tüchtige ſportliche Leiſtung iſt, vor allem, wenn er die ganz ſchlechten Wege-, Gaſthofs- und Futterverhältniſſe der damaligen Zeit in Sizilien in Betracht zieht. Mit Pferd und Begleitmann war der Reiſende übrigens recht zufrieden, denn er erwähnt zum Schluſſe ausdrücklich ein „gutes Trinkgeld“.

Im Jahre 1790 reiſt Goethe mit dem Herzog zu deſſen Regimen⸗ tern nach Schleſien, die dort zur Stützung des Reichenbacher Kon⸗ greſſes eine bewaffnete Stellung beſetzt hielten. An der Seite ſeines Fürſten, vorzüglich beritten gemacht, ſieht er dort die maleriſch⸗krie⸗ geriſche Hofhaltung und die ſchönſten Regimenter der Zeit.

Kriegeriſch reiten wir aus, beſteigen Schleſiens Höhen, Schauen mit gierigem Blick vorwärts nach Böhmen hinein, ſchreibt er am 21. Auguſt 1790 aus Breslau an Herder.

1791 war ein ſtilles Jahr, aber bereits im Auguſt 1792 wurde er abermals ins Feld berufen, ins perſönliche Gefolge des Herzogs, zu ſeinem lebhaften Mißvergnügen wieder ohne Amt, aber „diesmal zu ernſteren Szenen“. Er eilt im Wagen über Frankfurt, Mainz, Trier, Luxemburg nach Longwy und Verdun, erlebt deſſen Bombarde⸗ ment und Fall (2. Sept.). Anfangs bedient er ſich zeitweilig einer leichten Chaiſe mit vier requirierten Pferden, beim Eintreffen an der Front werden ihm aber ſofort Reitpferde geſtellt. Zu Pferde reitet Goethe am 3. Sept. in Verdun ein, hält auch nach Reiterfitte an bei den „gerühmten Läden, wo der beſte Likör aller Art zu haben war, und probierte die mancherlei Sorten durch“. Zu Pferde beteiligt er Ach an der Verfolgung der Franzoſen in Richtung Menehould Chalons am 19. Sept.; er ſchließt ſich dabei nicht den Bagagen, ſon⸗ dern den Kavallerieregimentern, möglichſt der Leibſchwadron an. Zu Pferde, ganz allein, aus langer Weile, ſucht er vorwärts Verdun die Gefahrzone auf, „um an ſich ſelbſt die Wirkungen des Kanonen⸗ fiebers zu prüfen“. Meiſt ritt er im Gefolge des Prinzen Louis Fer⸗ dinand, des Herzogs von Weimar oder des Königs von Preußen. Karl Auguſt befehligte als Generalmajor eine Brigade, die aus dem

preußiſchen Küraſſierregiment „Herzog von Weimar“ (Aſchersleben),

deſſen Kommandeur er war, und dem Dragonerregiment „von Lottum“ beſtand. Sie bildete meiſt die Spitze der Armee.

Im Verlaufe der Entwicklung wurde der Reichskrieg erklärt. Dem⸗

zufolge nahmen im Jahre 1793 auch weimariſche Jäger im preußi⸗

44 Zi * r .

Goethe und die Reitfunft 83

ſchen Solde an der Belagerung von Mainz teil. Der Herzog, ganz in ſeinem Element, führte wieder ſein Küraſſierregiment. Längſt nicht ſo wohl fühlte ſich Goethe, der am 27. Mai wiederum, von Frank⸗ furt aus, zur Front abreitet. Am folgenden Tage meldet er ſich beim Herzog im Lager und beſichtigt ſofort im Sattel den Blodadehalb- kreis. Als die Franzoſen in der Nacht vom 30. zum 31. Mai bei Marienborn einen Ausfall machen, ſetzt er ſich ſchleunig zu Pferd

und reitet weiter vor, um das Gelände ſo gut als möglich zu be⸗

obachten. Nach glücklicher Abwehr des feindlichen Angriffs wird ihm die Ausarbeitung einer ſchriftlichen Meldung befohlen, die er auf Grund der eigenen Wahrnehmungen während ſeines Rittes und an Hand von Gefangenenausſagen anfertigt. Am 22. Juli erfolgte der Waffenſtillſtand; Goethe lenkt ſein Pferd durch die Wolfsgruben hin⸗ durch bis an die äußeren Tore der Stadt Mainz und reitet um ſie herum; am 23. Übergabe der Feſtung; am 26. reitet Goethe voll Schauderns durch die ſtark mitgenommene Stadt am 26. verläßt er endlich aufatmend den Kriegsſchauplatz.

Schon in den erſten Jahren ſeines Aufenthaltes in Weimar hatte der mit überreicher Arbeit beladene Mann dienſtlich regelmäßig in der näheren und weiteren Umgebung der Refidenz zu tun; für feine Beſuche in Jena, Ilmenau, Lauchſtedt uſw. hatte er ſich ſeiner Reit⸗ pferde bedient der herzogliche Marſtall wird ſie ihm in guter Aus⸗ wahl geſtellt haben. Jetzt ſchloß er Freundſchaft mit Schiller in Jena. Die Entfernung heträgt auf zwei guten, direkten Landſtraßen, über Magdala und über Iſſerſtedt, 20 bis 30 Kilometer. Aus dem Brief⸗ wechſel mit Schiller geht hervor, daß er nun oft, zeitweiſe ſogar regelmäßig hinüberritt, ſei es zum althergebrachten Beſuche der Uni⸗ verſität und ihrer Sammlungen und Inſtitute, zur Ordnung der Muſeen, oder neuerdings eben vor allem zu Beſprechungen mit Schil⸗ ler. Häufig ſtieg er nur zu kurzer Raſt aus dem Sattel und trat noch vor Abend den Heimritt an. f

Eine wichtige kulturhiſtoriſche Anmerkung machte Goethe in einer großen Schilderung, die die verſchiedenen Zweige der bürgerlichen und adminiſtrativen Tätigkeit in Weimar benutzt, um durch dieſe Kleinwelt die geiſtige Arbeit und das Schaffen jener Zeit überhaupt zu zeichnen. Dieſer Vortrag, 1795 in der „Freitags-Geſellſchaft“ gehalten, handelt über die zur Zeit waltenden Zuſtände in Handel und Induſtrie, Garten-, Forſt⸗ und Parkweſen, Landwirtſchaft, Bil⸗ dungsſtätten, Wiſſenſchaft und Kunſt. Von letzterer behandelt er nach⸗ einander Bildende Künſte, Muſik, Theater und Tanz. Dieſer dient ihm zum Übergang auf die Leibesübungen, inſonderheit auf Fecht⸗ und Reitkunſt:

Die Reitkunſt verdient um ſo mehr unſre Aufmerkſamkeit, da ſie die Ausbil⸗

dung, Erhaltung und zweckmäßige Benutzung des koſtbaren, einzigen und in ſeiner Vollkommenheit immer ſeltener werdenden Tiers zum Zweck hat.

6*

84 Abhandlungen

Im weiteren Verlaufe des Vortrags kommt er auf die weimariſche Pferdezucht zu ſprechen. Die herzogliche, Stuterei“ Allſtedt bei Sanger⸗ hauſen in der Goldenen Aue beſteht heute noch. Das Geſtüt wurde 1788 neu gebaut. Es hatte dem jungen Herzog ſehr am Herzen ge— legen verſtehen wir Goethe recht, ſogar mehr als genügend; dafür ſprechen die Worte, die dieſer 1776 in Kochberg, als „Bäuerlein“ verkleidet, an ſeinen jugendlichen Herrn gerichtet hatte und die dem Tone entſprachen, in dem er ihn zum Regenten zu erziehen begonnen

hatte: . Denn wir bäuriſch treues Blut

Sind doch immer Euer beſtes Gut, Und könnt Euch mehr an uns erfreun, Als an Pferden und Stuterei'n.

Seinen Eindrücken im Geſtüt Allſtedt entſpringen wohl auch in erſter Linie Erfindungen für die „pädagogiſche Provinz“ in den Wander⸗ jahren’ (II, 8):

In vollem Galopp ſtürzt eine große Maſſe ſolcher edlen Tiere heran, ſie werden durch reitende Hüter gelenkt und zuſammengehalten. An dem Wandrer

ſprengt das ungeheure Gewimmel vorbei, ein ſchöner Knabe unter den beglei⸗ tenden Hütern ſpringt ab und umarmt den Vater.

Der Sohn, Schüler in dieſer nach goetheſchen Idealen geiſtig errich⸗ teten Erziehungsanſtalt, berichtet, daß er nach ſeinem Eintritt wäh⸗ rend der erſten Prüfungszeit ſein Reitpferd recht vermißt habe, „bis er dann zur lebhafteren Reiterei endlich befördert worden; das Geſchäft, die Stuten und Fohlen zu hüten, ſei mitunter zwar langweilig genug, indeſſen, wenn man ein munteres Tierchen vor ſich ſehe, das einen vielleicht in drei, vier Jahren luſtig davontrüge, ſo ſei es doch ein ganz andres Weſen, als ſich mit Kälbern und Ferkeln abzugeben.“ Die Stellung, welche Goethe der Reitkunſt im Lehrplane jener Muſter⸗ anſtalt zuweiſt, zeigt beredter als alles andre, welchen erzieheriſchen Wert er ihr beimißt.

Mit Goethes zunehmendem Alter werden ſeine Tagebücher und Briefe ſparſamer in ihren Reitberichten. Es deutet aber vieles darauf hin, daß er, wennſchon er ſelbſt nur noch ſelten oder überhaupt nicht mehr zu Pferde geſtiegen ſein mag!), doch noch regen Anteil nahm an Pferdezucht und Reitkunſt. Am 5. Juni 1801 reiſt Goethe im Wagen über Göttingen nach Pyrmont. In Göttingen bringen Stu⸗ denten dem zweiundfünfzigjährigen Dichterheros eine begeiſterte Ova⸗ tion. Einer von ihnen, der nachmalig berühmte Dichter Achim von Arnim, und deſſen Freund Theodor Keſtner, Sohn der einſtigen Freundin Goethes Charlotte Buff, begleiten den Gefeierten zu der

[!) Noch am 27. Auguſt 1813, alſo im Alter von 64 Jahren, hat Goethe mit Karl Auguſt von Ilmenau aus einen ſechsſtündigen Ritt gemacht! Vgl. ſein Tagebuch 27. Auguſt 1813 und Julius Voigt: Goethe und Ilmenau S. 285.— Anm. d. H.]

nene

Goethe und die Reitkunſt 85

Sehenswürdigkeit der Stadt, der Reitbahn, wo er den damals be⸗ rühmten Univerſitäts⸗Stallmeiſter Gottfried Ayrer in ſeinem Wir⸗ kungskreiſe begrüßt. Wie hat ſich im Laufe der Jahrzehnte Goethes Anſicht über die Reitbahnen geändert! Jetzt ſchreibt er:

Eine wohlbeſtellte Reitbahn hat immer etwas Impoſantes; das Pferd ſteht als Tier ſehr hoch, doch ſeine bedeutende, weitreichende Intelligenz wird auf eine wunderſame Weiſe durch gebundene Extremitäten beſchränkt. Ein Geſchöpf, das bei ſo bedeutenden, ja großen Eigenſchaften ſich nur im Treten, Laufen, Rennen zu äußern vermag, iſt ein ſeltſamer Gegenſtand für die Betrachtung, ja, man überzeugt ſich beinahe, daß es nur zum Organ des Menſchen geſchaffen ſei, um geſellt zu höherem Sinne und Zwecke, das Kräftigſte wie das Anmutigſte bis zum Unmöglichen auszurichten. Warum denn auch eine Reitbahn ſo wohl⸗ tätig auf den Verſtändigen wirkt, iſt, daß man hier, vielleicht einzig in der Welt, die zweckmäßige Beſchränkung der Tat, die Verbannung aller Willkür, ja des Zufalls mit Augen ſchaut und mit dem Geiſte begreift. Menſch und Tier verſchmelzen hier dergeſtalt in eins, daß man nicht zu ſagen wüßte, wer denn eigentlich den andern erzieht.

Auf den beiden großen Rheinreiſen der Jahre 1814 und 1815 regte ſich wohl noch einmal „der tolle deutſche Burſch“ in ihm, und noch einmal fühlte Goethe „Frühlingshauch und Sonnenbrand“ im Herzen, aber das Alter macht ſich doch in mancherlei Beſchwerden recht bemerkbar; er ſchreibt nur noch von kleineren und größeren, teils ſehr heiteren Wagenfahrten und⸗Reiſen. Zum erſten Male fuhr er 1807 zur Kur nach Karlsbad, „im bequemen Wagen“, und dann alljährlich. Während des erſten Aufenthaltes arbeitet er daſelbſt an den Wanderjahren', vor allem an den darin eingeſtreuten Novellen. Wenn man annehmen darf, daß im Mann von funfzig Jahren' der Achtundfünfziger manche Züge ſeines eigenen Lebens verwendet hat, ſo tat er es zweifellos bei Schilderung der Gewohnheiten des alten „Majors“. So hatte auch Goethe einen alten Diener und Kutſcher, ſeinen „treuen Weggenoſſen“ Johann Karl Wilhelm Stadelmann, und ſo, wie er in ſpäteren Briefen ſeiner braven Dienſte dankbar ge⸗ denkt, dürfen wir wohl auch ein ehrendes Zeugnis für dieſen aus Goethes Worten in den Wanderjahren' (II, 3) leſen:

Er hatte ſeinem alten Reitknecht, der zugleich die Stelle des Bedienten und Kammerdieners vertrat, ſeit mehreren Jahren kein böſes Wort gegeben: denn alles ging in der ſtrengſten Ordnung ſeinen gewöhnlichen Gang, die Pferde waren verſorgt und die Kleidungsſtücke zu rechter Stunde gereinigt.

Erinnerungen an Jagderlebniſſe am weimariſchen Hofe klingen an in der Novelle', die im Jahre 1826 als Proſaausführung früherer Pläne zu einem Epos Die Jagd' entſtand; dieſe Novelle iſt voll der ſpannendſten Augenblicke eines Reiterabenteuers, voll der feſſelndſten, maleriſchen Bilder. Schon Eckermann erkannte dies, als Goethe ſie ihm zum erſten Male in die Hand gab, und wünſchte, eine ſolche Epiſode als Gemälde dargeſtellt zu ſehen. Goethe äußert hierzu:

Den Moment, wo Honorio auf dem Tiger kniet und die Fürſtin am Pferde gegenüber ſteht, habe ich mir wohl als Bild gedacht; und das wäre zu machen.

86 Abhandlungen.

Auf die Wiedergabe des Pferdes durch die Kunſt kam Goethe ſpäter, am 20. Oktober 1828, mit Eckermann nochmals zu ſprechen, und zwar anläßlich des Betrachtens einer Abbildung vom Frieſe des Apollo-Tempels von Phigalia; man fand, daß die Griechen bei Dar⸗

ſtellung von Tieren ſich nicht nach der Natur richteten, ſondern nach

einer gewiſſen Konvenienz verfuhren, fie ſteif und unförmlich ab- bildeten. Goethe ſchränkt aber dieſen Tadel ein:

Die Engländer, die erſten Pferdekenner der Welt, müſſen doch jetzt von zwei antiken Pferdeköpfen geſtehen, daß ſie in ihren Formen ſo vollkommen befunden

werden, wie jetzt gar keine Raſſen mehr auf der Erde exiſtieren. Es ſind dieſe

Köpfe aus der beſten griechiſchen Zeit.

Auf einem Spaziergange mit Eckermann im Frühling 1827 begegnen ihm einige Züge Koppel-Pferde, die für die Leipziger Meſſe beſtimmt waren, darunter mehrere ſehr ſchöne Tiere. Dies gibt Goethe Ver⸗

anlaſſung zu einer umfaſſenden Betrachtung des Schönen in der

Kunſt, im Verlaufe deren er meint:

Warum konnten wir vorhin einige der Reitpferde ſchön nennen, als eben wegen der Zweckmäßigkeit des Baues? Es war nicht bloß das Zierliche, Leichte, Graziöſe ihrer Bewegungen, ſondern noch etwas mehr, worüber ein guter Reiter und Pferdekenner reden müßte, und wovon wir andern bloß den allgemeinen Eindruck empfinden. Könnte man nicht auch, erwiderte Eckermann, einen Karren⸗ gaul ſchön nennen? Allerdings, ſagte Goethe, ein Maler fände an dem ſtark ausgeprägten Charakter, an dem mächtigen Ausdruck von Knochen, Sehnen und Muskeln eines ſolchen Tieres wahrſcheinlich noch ein weit mannigfaltigeres Spiel von allerlei Schönheiten, als an dem milderen, egaleren Charakter eines zierlichen Reitpferdes. Die Hauptſache iſt immer, daß die Raſſe rein und der Menſch nicht ſeine verſtümmelnde Hand angelegt hat. Ein Pferd, dem Schweif und Mähne abgeſchnitten, ein Hund mit geſtutzten Ohren, ein Baum, dem man die mächtigſten Zweige genommen und das übrige kugelförmig geſchnitzelt hat, und über alles eine Jungfrau, deren Leib von Jugend auf durch Schnürbrüſte verdorben und entſtellt worden, alles dieſes ſind Dinge, von denen ſich der gute Geſchmack abwendet, und die bloß in dem Schönheits⸗Katechismus der Philiſter ihre Stelle haben.

Den Wunſch, das Pferd durch die bildende Kunſt darzuſtellen, äußert Goethe häufig. Am ausführlichſten läßt er ſich im Alter von ein⸗ undachtzig Jahren hierüber aus in dem Aufſatz über die Ornamente und Gemälde aus Pompeji. Es iſt dies zugleich das letztemal, daß der gewaltige Geiſt Gedanken formt, die unſern beſonderen Ideen⸗ kreis als Reiter und Pferdekenner berühren, Worte, die uns wie ein letzter Wille des Olympiers anmuten, und deren Beherzigung und Erfüllung wir wünſchen:

Auch das Pferd, dieſes edle Geſchöpf, muß in unſern Bildkreis herangezogen werden. Durchdringe ſich der Künſtler von den geiſtigen Gebilden, welche die Alten ſo meiſterhaft im Centaurengeſchlecht darſtellten. Die Pferde machen ein zweites Volk im Kriegs⸗ und Friedensweſen aus. Reitbahn, Wettrennen und

Revuen geben dem Künſtler genugſam Gelegenheit, Kraft, Macht, Zierlichkeit

und Behendigkeit dieſes Tieres kennenzulernen.

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Goethe und die Reitkunſt 37

Wir ſchließen unſre kurze Betrachtung. Nicht für Goetheforſcher, kaum für Goethekenner find dieſe Zeilen geſchrieben, ſondern für fröh⸗ liche Reitersleute; und denen ſollen ſie ſagen, daß der größte Deutſche auch ſolch fröhlicher Reitersmann war. Und wenn ſie unſern Goethe nun noch inniger lieb gewinnen und Strahlen ſeiner ewigen Sonne künftig ihre Reitpfade vergolden, dann Horridoh! Schwing dich aufs Pferd im taufeuchten Morgen, blick in die ewig junge Welt mit ewig jungen Augen, laß ewig jung dein Herze ſchlagen, wie's jenem Jüngling im Greiſenalter ſchlug und lauſche auf den Huf- ſchlag deines Roſſes: Es formt ſich ein Goetheſches Lied und um⸗ ſummt euch beide, und dein Roß wiehert, und du jubelſt hell auf: Wir grüßen dich, Goethe!

Laßt mich nur auf meinem Sattel gelten! Bleibt in euren Hütten, euren Zelten Und ich reite froh in alle Ferne,

Über meiner Mütze nur die Sterne.

. 7 5 * 5

Heinrich von Kleiſt und Goethe Von Gertrud Prellwitz (Oberhof im Thüringer Wald)!)

Au dem wundervollen Bilde der Freundſchaft Goethes und Schil— lers ruht verehrend das Auge der Welt.

Viel näher verwandt als Schiller iſt unſerem herrlichen Olympier ein anderer deutſcher Dichter; unter allen Sterblichen ihm am näch⸗ ſten verwandt iſt Heinrich von Kleiſt. Ganz nahe neben dem uner⸗ ſchöpflichen Born der Goetheſchen Dichtung entſpringt der goldene Quell ſeiner naiven Dichterkraft. Die Verwandtſchaft ihrer ſeeliſchen Veranlagung reicht über die bloße geſetzmäßige Ahnlichkeit gleich hoch entwickelter Naturen weit hinaus und iſt eine individuelle.

Erſchauen wir in der Idee in der Ewigkeitswelt des reinen Ge— dankens— ihre Individualitäten nebeneinander, jo urteilen wir: Wä⸗ ren dieſe Beiden Zeitgenoſſen geweſen, vielleicht gar der eine werdend, als der andere reif und etwas müde war, wie hätte der Jüngere mit inbrünſtiger Verehrung dem Alten nahen müſſen, wie hätte der Alte ſein ſchönſtes Glück darin finden müſſen, dem jungen Bruder die Wege frei zu machen zur Betätigung ſeiner Kraft. Welch ein reiches, menſchlich und künſtleriſch fruchtbares Aufeinanderwirken hätte zwi⸗ ſchen ihnen hin und her ſpielen müſſen!

Wie rätſelvoll iſt die Wirklichkeit! Sie waren Zeitgenoſſen, Wolf⸗ gang Goethe und Heinrich von Kleiſt. Der eine war viel jünger und im brauſenden Werden, als der andere reif und etwas müde war. Und wohl nahte der Junge dem Alten voll inbrünſtiger Verehrung aber nun, welch ein anderer Verlauf! Die Luft erzittert von heim⸗ licher Reibung, von Spannung und Druck, gewitterhaft. Unruhe und Unficherheit iſt da. Der Alte will fördern, vergreift ſich, hemmt und ſchädigt, wird ungeduldig und ungerecht. Der Junge, der gern dank⸗ bar ſein möchte, ſieht ſich enttäuſcht, in ſeinem heiligſten Glauben verletzt, wird heftig, zornig und ungerecht, wird bitter, beißend und höhnend. Der Alte verbirgt nicht mehr eine tiefe grollende Abneigung, die mit der Kraft und Wirklichkeit des Naturereigniſſes da iſt, und gegen die ſeine edle Natur vorher nur ſich gewehrt. Und anſtatt durch

) Geſchrieben 1910, als Einleitung zu einer geplanten Kleift= Biographie.

Heinrich von Kleiſt und Goethe 89

die Macht ſeiner beherrſchenden Stellung in der deutſchen Dichter- welt dem jungen Bruder emporzuhelfen, wo er Luft gehabt hätte, Herrlichſtes zu ſchaffen nach der Kraft ſeines Genius, verſperrt er durch ungerechtes Verurteilen ihm den Weg, und Heinrich von Kleiſt geht zugrunde.

O wehe uns Deutſchen! Einer der allergrößten unſerer Dichter legte Hand an ſich ſelber, weil er verzweifelte nicht an ſeinem Schaffen, wohl aber daran, daß ihm inmitten ſeines Volkes noch Schaffensmöglichkeit werde beſchieden ſein.

Und das geſchah, als Goethe die Herrſcherſtellung hatte in der Welt der deutſchen Poeſie!

Und noch über das Grab hinaus folgte Heinrich von Kleiſt wie ein Fluch die Kraft des ungerechten Goethe-Wortes: „Mir erregte dieſer Dichter bei dem reinſten Vorſatz einer aufrichtigen Teilnahme immer Schauder und Abſcheu, wie ein von der Natur ſchön intentio— nierter Körper, der von einer unheilbaren Krankheit ergriffen wäre.“ Noch auf hundert Jahre war nun dieſes Dichters Bild ſeinem Volke verzerrt, denn grade die eigenartigſten, kraftvollſten, herrlichſten Auße— rungen ſeines Genius wurden auf dieſes Wort hin verkannt.

Wie nun nach hundert Jahren ſich die Nebel teilen und die Son- nenkraft dieſer Dichtungen durch die ſchweren Trübungen hindurch— bricht, und die Deutſchen endlich ihren Dichter erkennen, ſtehen ſie zugleich vor der ſchmerzlichen Notwendigkeit, ſich zu geſtehen, daß ihr Herrlicher, ihr Olympier, den ſie als Menſchen noch mehr faſt wie als Dichter verehren, daß Goethe ſeinen jungen, herrlichen Bruder ungerecht verkannt, bis in den Tod geſchädigt hat.

Aber wenn wir die Dinge aus hoher geiſtiger Schau betrachten lernen, ſo ſpüren wir eine tiefe Notwendigkeit, eine lichtvolle Geſetz⸗ lichkeit in dem Vorgange.

Denn nicht auf das arme Ziel einer nahen, lieblichen Wirkung für irdiſche Augen ſtellt ſich der Schritt des Schickſals ein. In gro— ßen Dimenſionen ſchreitend, zielt ſein Wille auf weitgeſpannte Har⸗ monien, in denen Erſcheinung, Widerſpiel und Ergänzung den Reich⸗ tum des Daſeins zur Entfaltung bringen.

Um die überreichen Möglichkeiten des Daſeins auszukoſten, ſtellte Natur die verwandteſten Dichtercharaktere in ſo verſchiedene irdiſche Lebens bedingungen, daß ihre wirklichen Erſcheinungen als Vertreter unvereinbar fremder Welten einander gegenübertreten.

Wolfgang Goethe erſchien als das Kind jener ſüdweſtlichen deut⸗ ſchen Gaue, in denen in Berührung mit den älteren Kulturvölkern deutſche Kultur am früheſten ſich entfaltete. Ein verhältnismäßig altes und reiches Geiſtesleben war hier reif geworden, zu ſchönſter Harmonie ſich zu vollenden. Und er erſchien als der begünſtigte Nach⸗ komme des politiſchen Oberhauptes in einem kleinen, alten, wohlge⸗ ordneten, partikulariſtiſch ſich abſchließenden Staatsverbande. Man

90 Abhandlungen

ließ ihm mit Eifer jede geiſtige Ausbildung und Förderung ſeiner künſtleriſchen Anlagen zuteil werden, und ſo wuchs er früh und all⸗ mählich und kampflos in ſeinen poetiſchen Lebensberuf hinein. Heinrich von Kleiſt aber kam als Sohn jenes jungen, norddeut⸗ ſchen Staates, in dem eine neue politiſche Zukunft des geſamten Va⸗ terlandes, des zerſplitterten, unbewußt, zielſicher, ſchwer ringend ſich

vorbereitete. Mitten aus den Traditionen eines Geſchlechts holte ihn

Natur, das bei der gewaltigen ſtaatbildenden Schmiedearbeit jenes Gaues einen Hauptanteil geleiſtet, es hatte den preußiſchen Kö⸗ nigen allein ſechzehn Generäle geſtellt! und das ganz fraglos alle ſeine Söhne dem militäriſchen Beruf zuführte, und langſam und in ſchwerem Kampfe mußte ſich nun ſeine tiefe, gründliche norddeutſche Natur erſt zu dem eigenen, dem viel geiſtigeren Beruf hindurchringen.

Und es hat für Wolfgang Goethe, durch ein ganzes Leben hindurch,

Natur alle die Schwierigkeiten, die dem genialen Menſchen ſo reichlich auf ſeinem Wege wachſen, mit beſonderer Sorgfalt hinweggeräumt. In den gefährlichen Kriſen der Frühzeit, wenn der erwachende Genius ſich ſtürmiſch aufmacht, die Werte alle umzuwerten und an die menſchliche Tradition anrennt, die die Erziehung gab: als es in des jungen Wolfgang Seele ſo „entſetzlich durcheinander ging“, hatte er Herder zum Führer! gewann er Geiſter wie Merck zum künſtleriſchen Gewiſſen und objektiven Spiegel deſſen, was er ſchuf. Die ſchmerzende innere Einſamkeit des genialen Menſchen, unter der ſeine zarte Natur ſchwer zu leiden veranlagt war, hat er nur zu kleinerem Teil zu er⸗

fahren brauchen. Er hatte eine Mutter, die ihn verſtand! Er hatte

eine Freundin, die ihn erlebte! Und als er in reifen Jahren den Ab⸗ ſtand zwiſchen ſich und den übrigen Menſchen voll begriff, was dem Genius immer Leiden iſt, da trat ihm Schiller entgegen und ſchenkte ihm das Wunder ſeiner Freundſchaft! Die aufreibenden Nöte des Lebenskampfes aber, die dem Dichter durch die ſchiefe ſoziale Lage entſtehen, in der ſich alles originale Schaffen bei uns befindet, wur⸗ den ihm völlig erſpart. Natur, die es ſonſt in keiner Weiſe liebt, ihre Genies aus den Häuſern der Reichen zu holen, machte bei ihm eine Ausnahme. Ein ungeheurer Schutz für ihn! So wurde ihm die dor⸗ nenvolle Bahn von Künſtlers Erdewallen durch die Sorgfalt der Natur, ſoweit es nur irgend in den Möglichkeiten lag, erleichtert.

Und umgekehrt hat Natur alle Schwierigkeiten und Hemmniſſe, die nur erdenklich ſind, in Heinrich von Kleiſts Weg getürmt.

Unheilverheißender, vernichtungdrohender nicht konnte für ihn die Konſtellation der mächtig einwirkenden Lebensbedingungen fein, als für den Jüngling die gefährliche poetiſche Entwicklungskriſis kam, als durch das feſte Fundament des irdiſch-intellektuellen Bewußtſeins der Schaffensgeiſt ſich Bahn brach.

Und daß er dennoch durch all dieſe Fährniſſe hindurch zu einem

geſunden, harmoniſchen Schaffen heranreifte nur ein ganz unge⸗

Heinrich von Kleiſt und Goethe 91

wöhnliches Maß von Geſundheit in dieſem Menſchen hat ihm dazu hinanhelfen können.

Keinen Führer hat er, keinen Freund, der ſeine geiſtigen Dimen⸗ ſionen hätte ermeſſen können, der ihm mit kritiſchem Rat in ſeine Notwendigkeiten hätte folgen können. Menſchlich viel geliebt, muß er doch als Schaffender, der Austauſchbedürftige, in völliger geiſtiger Einſamkeit ſein Leben verbringen, und er lernt ſie ertragen. Auch die unendlich befeuernde Kraft, die der Widerhall in freudig aufneh⸗ menden Seelen, die der dankbare Beifall ſeines Volkes dem Dichter bedeutet, er hat ſie gänzlich entbehren müſſen. Entbehren müſſen auch die gewaltig mitſchaffende Kraft, die dem Dramatiker die letzte Ver⸗ wirklichung ſeines Kunſtwerks, die Bühnendarſtellung, gewährt. Die Familie verkennt, mißachtet ihn. Und auch das Weib, das der dem Myſterium des Menſchlichen in ſeinem naiven, keuſchen und ſtrengen Gefühl ſo nah vertraute Dichter für ſich forderte und das er in im⸗ mer neuen Variationen in ſeinen Dichtungen aus ſich heraus ſtellte, ſo wie es mit wunderbarer Klarheit in ſeinem Inneren lebte er hat es ſich immer nur erdichten können. So verging ſein Leben in herber Einſamkeit, ſoviel er auch geliebt wurde, ſo innig er auch liebte. Und ſchließlich wurde der Widerſpruch, der zwiſchen der For- derung der genialen Natur beſteht, immer nur das Eigene, immer das Höchſte zu leiſten, müſſe es dann auch von der Mitwelt unerkannt bleiben, und dem blöden Brauch unſerer heutigen ſozialen Welt, auch die Genieproduktion in die Konkurrenz des Marktes zu ſtellen dieſer ungeheure, lächerliche und ach! tragiſche Widerſpruch wurde für Heinrich von Kleiſt verhängnisvoller als für irgendeinen andern. Um der weitausgreifenden kühnen Selbſtändigkeit ſeines Schaffens willen, und um ſeiner Mittelloſigkeit willen, bei vornehmer Abſtam⸗ mung! So hing ſich an den kühnen Flug feiner Dichtungen die ſo⸗ ziale Not als allerſchwerſte Laſt. Zuletzt aber noch mußte er, der Sohn des alten Kriegeradels, dem Liebe und Hingabe an das Vaterland als Lebenselement im Blute wohnten, das jammervollſte Schickſal Preu⸗ ßens, Deutſchlands, in tieffühlender Dichterſeele ertragen. Wahrlich, alle Plagen, alle Erdenlaſten, die dem Genius den Lauf erſchweren, hat Natur, die wiſſende Göttin, ſtreng und unerbittlich auf Heinrich von Kleiſts Schultern gewälzt.

Goethe hätte dieſe Leiden nicht ertragen. Er hätte keine geſunde Entfaltung dabei gewinnen können. Der großen Leidensfähigkeit ſeiner zarten, reichen Seele entſpricht nicht eine ebenſo große Kraft des Widerſtandes, des Darüberhinausſteigens. Große Leiden wur⸗ den ihm nicht tragiſch, ſondern ſchrecklich.

Mitten im Leiden die ewige Daſeinsluſt zu feiern, dieſe erhabene Kraft kennt er freilich wohl aber er ſcheut ſich doch vor dem Erlebnis davon. Früh geht er ſolchen ſeiner Dichtungen, die einen unglücklichen Ausgang zu nehmen drohen, aus dem Wege. Und

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= Sg reifſten Werken bricht er noch ſpät die Spitze der Tra⸗ gik a

Goethe verſagt dem großen Leiden des Lebens ſeinen ſittlichen Willen. Das tut er aus Selbſtbewahrung. Denn er iſt bei ſehr leicht⸗ beweglicher Seele ſeiner innerſten Kraft, auszuheilen und zu über⸗ winden, ſo ſicher nicht. An potentieller Geſundheit, das heißt: der Fähigkeit, ſich immer wieder ins Gleichgewicht der inneren Kräfte zu rücken, beſaß Kleiſt viel mehr als Goethe.

Es iſt gar keine Frage für den, der die Lebensäußerungen Goethes mit Aufmerkſamkeit beobachtet, daß er unter den Lebensbedingungen Kleiſts kein Werk von der Klarheit und Heiterkeit des Prinzen von Homburg' hätte ſchaffen können.

Nun diente Wolfgang Goethe, ſo wie er war, der ſchaffenden Natur, um Herrlichſtes vor das Auge der Menſchen zu ſtellen. Sie entfaltete in ihm das edle Bild der Harmonie ruhig und gleichmäßig entwickelter Menſchlichkeit. Sie tat es, indem ſie die großen, leidenbereitenden Hinderniſſe ihm ſorgend aus dem Wege räumte.

Kleiſt aber, was ſollte uns Heinrich von Kleiſt? Verkörpern ſollte ſich in ihm des jungen, werdenden, des neu ſich gebärenden Deutſch⸗ lands Spannkraft!

Wenn Goethe beſchreibt, wie der Genius, der Felſenſtrom, von ſeinen unſichtbaren, einſamen Quellen auf Bergeshöhn zu herrlich⸗ ſtem Schaffen in der Ebene drunten mächtigwerdend hinbrauſt, ſo läßt er ihn nicht durch Felſen brechen! „Schlangenwandelnd“ ſagt Goethe. Sie laſſen ſich alle umgehen, ſeine Berge! Und er wurde reich an Kraft, und trug ſeine Brüder, ſeine Schätze, ſeine Kinder dem erwartenden Erzeuger freudebrauſend an das Herz!

Den einen Bruder freilich nicht. Deſſen einſame Kraft brauſte durch ferne, fremde Regionen, und es gab keine Verſtändigung auf Erden, herüber und hinüber. Dem türmten ſich Berge auf dem Wege, die durchbrochen, verſetzt werden mußten! Der ſchreckte nicht zurück! Dieſer Dichter führte ſeine Geſtalten bis in die tiefſten Leiden, ſeine Wirkungen bis auf die kühnſten Gipfelhöhen weltüberwindender Tragik. Deſſen unerſchrockene Seele ſpielte mit ſonnigem Humor über den düſterſten Abgründen des Leidens. Aus der Verweſung Reiche lockte er gern Blumen der Schönheit hervor, und Grauen des Schick— ſals, und rohe Kraft ſchlichter, ſtarker Urgefühle zu leuchtender Schön⸗ heit zu verklären, iſt ſeiner weitgeſpannten Seele jauchzende Luſt!

Jeder großen Aufgabe, jedem großen Leiden iſt ſein ſittlicher Wille bereit. Unverwirrbare Wahrhaftigkeit des Gefühls, bis zum äußerſten gehende Konſequenz des Gedankens, unbeirrbar aufs Ziel gerichteter, ſtraff geſpannter Wille, das iſt Heinrich von Kleiſts Individualitäts⸗ rune. Und dieſem Menſchen, was ſollte Natur ihm anderes bereiten, als Leiden, Leiden, Leiden? Auf daß das Herrlichſte ſeiner Natur entfaltet werde, geläutert, geſtählt, bewährt, verherrlicht! Auf daß

Heinrich von Kleiſt und Goethe 93

er in unſerem werdenden Volke daſtehe als eine unendliche Forde— rung! Und als Kraft der Erfüllung! Es iſt ein anderes um ein Volk ob ſolche Worte wie dieſe Kleiſt-Worte darin geſprochen worden ſind oder nicht: „Türme das Gefühl, das in deiner Bruſt lebt, wie einen Felſen empor: halte dich daran und wanke nicht, und wenn Erde und Himmel unter dir und über dir zugrunde gingen!“ |

ob Geſtalten darin leben von ſo geſchloſſenem ſittlichem Mut, von jo bewußter ſittlicher Energie wie dieſer Hermann der Cherusker, der mit der Sonnenkraft ſeines Gemütes, wenn die vielfältig wogen— den und widerſtreitenden Vorſtellungen und Leidenſchaften das hei— lige Ziel zu verdunkeln drohen, jede Trübung zerſtreut: „Verwirre mein Gefühl mir nicht!“

ob ſolch eine Forderung innigſten Vertrauens, im tiefſten In⸗ neren gegründeten, jeder Verſuchung trotzenden Vertrauens zu dem, was man als echt erkannt, herantritt an unſer Innenleben, wie in der Novelle Die Verlobung auf St. Domingo' die arme Toni es fordert oder ihre glücklichere Schweſter, das liebliche Evchen im Zer— brochnen Krug'.

Ein anderes iſt es um eines Volkes Zukunft, ob ſeine heranwachſen⸗

den Geſchlechter ſolche Worte, ſolche Gemütsart finden in der Lebens⸗

luft, die ſie atmen, die ſie bildet. 8

Es iſt uns aus der Seele dieſes ringenden Menſchen eine Über⸗ winderkraft erwachſen, die ſich unſerem Volk in kommenden Leiden noch bewähren wird. Es iſt aus der Wahrhaftigkeit ſeines Gefühls und der Redlichkeit ſeines Denkens ein Licht aufgegangen, das noch manchem, der in der Wirrnis der fremden irdiſchen Einflüſſe bange das Ewige in der eigenen Bruſt zu behaupten, zu entdecken trachtet, wunderbar den Weg weiſt.

Ich ſprach von Kleiſts großer Verwandtſchaft mit Goethe. Ich halte die Behauptung aufrecht, und muß ihr doch eine gegenſätzliche als Ergänzung hinzufügen: Mit Kleiſt tritt eine neue Seelenraſſe in Erſcheinung; eine Raſſe, die mit unendlicher Forderung an ſich und an die Welt in die Zukunft hinausdeutet. (Hier ſcheint mir auch das Geheimnis davon zu liegen, weshalb Kleiſt heute entdeckt wurde. Es gibt heute unter uns Menſchen, die zu Kleiſt gehörig ſind, der Seelenraſſe nach; die ihn unmittelbar verſtehen und die mit ihrem Jubel die andern mitgeriſſen haben.)

Goethe iſt uns edle Erfüllung; Kleiſt ſteht als neue Forderung vor uns.

Es konnte aber der Segen, den Heinrich von Kleiſt uns bringt, nur Ereignis werden in einem Volk, dem die tiefe Herrlichkeit des Goethe⸗-Weſens in ſeligem Anſchauen inneres Beſitztum geworden iſt.

Und ſo wollte es der ewige Schaffensgeiſt! Zu dieſem Ende fügte er tiefverwandten Genien ihre irdiſchen Bedingungen ſo verſchieden

94 BER: Abhandlungen

ob dann auch der alternde Eine den jungen Bruder im brauſen⸗ den Werden nicht verſtehen, nicht ertragen konnte, ſondern in geiftiger Notwehr ihm vernichtendes Unrecht tat. Hat er ihm doch auch mit dieſem Unrecht nach der Idee ſeines Lebens gedient!

Und wenn ſpäteren Geſchlechtern nun das Schmerzliche der Er⸗ ſcheinung endlich ins Bewußtſein tritt, und ſie anheben zu fragen und anzuklagen fo ſchaut der ſchaffende Menſchheitsgeiſt in ſeiner lichten Sphäre ein tiefverſöhntes Ineinanderwirken unſterblicher Geiſter und lächelt.

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Hebbel und Grillparzer in ihren Theorien Von Abraham Suhl (Zürich)

. und Grillparzer lebten lange Zeit zuſammen in Wien. Trotz⸗ dem ſind ſie nicht in nähere Beziehungen zueinander getreten. Sie hatten gar zu viel aneinander auszuſetzen. Von Grillparzer kann man wohl einfach ſagen, daß er Hebbel ablehnte. Nicht ſo klar iſt das Verhältnis Hebbels zu ſeinem älteren Konkurrenten. Die Bemer⸗ kungen darüber in Briefen und Tagebüchern ſind ſchwankend, z. T. widerſpruchsvoll; Nebenbuhlerſchaft und Klatſch ſpielen hinein; im ganzen iſt ſicher, daß Hebbel an Grillparzers Kunſt gar vieles un⸗ genügend fand.

Intereſſant iſt nun aber, was ſie aneinander ausſetzen. Grill⸗ parzer ſchreibt z. B. (18, 104 1): „Friedrich Hebbel. In jedem Dichter iſt ein Denker und ein Künſtler. Hebbel iſt der denkenden Aufgabe vollkommen gewachſen, der künſtleriſchen aber gar nicht. Oder mit anderen Worten: Der Gedanke macht ſich bei ihm nicht im Eindruck geltend, ſondern in der Reflexion.“

So prinzipiell iſt Hebbels Kritik nicht. Aber es iſt faſt nicht we⸗ niger charakteriſtiſch, wenn er (Brief an Eliſe Lenſing) ſich z. B. an den beiden erſten Akten des Ottokar' begeiſtert, an den drei letzten bedeutend ernüchtert. Jene erſten zwei Akte bringen, was Hebbel ſelbſt erſtrebt: eine wuchtige Handlung, Schlag auf Schlag, und einen „maß⸗ loſen“, einſeitigen, mächtigen Charakter. Nun aber, wenn dieſer Cha⸗ rakter umbricht, das Drama in das Innere einer Seele ſein Schwer⸗ gewicht verlegt, wenn für Grillparzer wohl erſt das eigentlich Tra⸗ giſche zutiefſt beginnt, da folgt Hebbel nicht mehr.

Man iſt nun vielleicht raſch geneigt, ſich damit zufrieden zu geben, den Gegenſatz zwiſchen den beiden Dichtern aus der Eigenart einer jeden Perſönlichkeit heraus zu verſtehen und beide ſubjektiv im Recht zu finden. Aber, wie ſchon der oben gebrachte Ausſpruch Grillparzers andeutet, der Unterſchied zwiſchen ihnen hat eine prinzipielle Note. Man kann ſich nicht immer für Hebbel und Grillparzer entſcheiden, ſondern ſehr oft kann es nur heißen: Hebbel oder Grillparzer. Die

) Sämtliche Werke (20 Bände, Stuttgart 1892).

96 Abhandlungen Vorausſetzungen für ſolche Entſcheidung ſind aber notwendig mit der Klärung von Kunſtanſichten überhaupt verbunden. Unſer beſonderer Fall iſt nur ein anſchauliches und intereſſantes Beiſpiel einer all- gemeinen Frage. Es wird ſich alſo bei der folgenden Betrachtung jenes prinzipiellen Unterſchiedes, wie er ſich in den Theorien beider Dichter zeigt, erſt einmal nicht darum handeln können, eine Zuſam⸗ menſtellung, eine Darſtellung dieſer Theorien zu geben, die überaus große Menge von Ausſprüchen im einzelnen zu unterſuchen, chrono⸗ logiſche Wandlungen aufzuweiſen, ſcheinbare und wirkliche Wider— ſprüche überall aufzulöſen und zu erklären ſondern die Aufgabe wird ſein, aus der ganzen Maſſe dieſer Ausſprüche für jeden Dichter das Charakteriſtiſche herauszulöſen, um es unter einem prinzipiellen Geſichtswinkel gegeneinanderhalten und über feine Bedeutung ent- ſcheiden zu können, wozu eben gleichzeitig die Gründe und Richt- linien unſerer Entſcheidung jedesmal mitentwickelt werden müſſen. Hierbei wieder wird es naheliegen, gewiſſe Theorien, die ſich bejon- ders um Hebbel gebildet haben, auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfen und auch in dieſer Hinſicht klare Stellung zu beziehen. Bei der gan⸗ zen Auseinanderſetzung entrollt ſich eines der intereſſanteſten Ver⸗ gleichskapitel zwiſchen Hebbel und Grillparzer, und ſie ſollte inſofern die Vorausſetzung, das bedeutſame Vorgefecht für das entſcheidende Treffen einer vergleichenden Unterſuchung und Wertung der Werke beider bilden, als ſie geeignet iſt, den Nebel von Argumenten und Gegenargumenten, die aus den Theorien der Dichter gezogen werden, einmal zu zerreißen, auf entſcheidende Punkte aufmerkſam zu machen und einige prinzipielle Richtlinien für eine nachfolgende Wertung ſicherzuſtellen.

J. Aufgabe der Kunſt.

Der entſcheidende Ausgangspunkt aller Kunſttheorie wird immer die Frage nach der Aufgabe der Kunſt ſein. Denn je nachdem, was man als Ziel ſetzt, wird ſich auch alles andere, als Mittel, be⸗ ſtimmen. Bei allen Urteilen, allen Forderungen liegt, ausgeſprochen oder öfter unausgeſprochen, eine Entſcheidung über dieſe Frage zu⸗ grunde. Und wenn zwei vor einem Gemälde verſchiedener Meinung ſind, der eine etwa entzückt iſt, wie „großartig naturgetreu“ der Stier gemalt ſei, der andere eine „langweilige Naturgetreuheit“ zugibt, aber „Gefühl in der Form“ ſucht, ſo liegt das offenber nicht ſo an der Subjektivität des Eindrucks, als vielmehr an einer verſchiede⸗ nen Auffaſſung des Kunſtziels. So kommt unwillkürlich die Frage nach der Aufgabe der Kunſt in den Mittelpunkt jeder Kunſtbetrach⸗ tung zu ſtehen. Natürlich auch bei Hebbel und Grillparzer und zwar hier vorerſt mit einem meſſenden Seitenblick nach der Philoſophie.

a) Hebbel erkennt: „Kunſt und Philoſophie haben dieſelbe Auf- gabe, aber fie ſuchen ſie auf verſchiedene Weiſe zu löſen.“ Die Phi⸗

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loſophie ſei zwar dem Mittelpunkt allen Weltenproblems ſehr nahe gerückt, ſagt er, aber ihr ſei der Sprung in das myſteriöſe Zentrum ſelbſt noch nicht gelungen: fie habe die innere Notwendigkeit der Ver⸗ einzelung, die Urſache des Dualismus, noch nicht erklärt; aber wenn ſie das auch getan hätte, ſei das Drama nicht überflüſſig, es ſei die realiſierte Philoſophie. Wir ſehen alſo: die Aufgabe der Philoſo— phie, und ſo wohl auch der Kunſt, ſoll die Erklärung der Notwendig— keit der Vereinzelung ſein. Der Weg der Kunſt ſoll aber ein anderer ſein: ſie iſt realiſierte Philoſophie, etwa ſo: die nackte Idee hat eine Realiſation, das iſt die Welt; die Philoſophie reproduziert dieſe nackte Idee, die Realiſation dieſer Reproduktion iſt die Kunſt; das Drama iſt ein Analogon zur Welt. Iſt nun die Aufgabe der Philo— ſophie ſowohl als „Reproduktion der nackten Weltidee“, wie auch als „Erklärung der Notwendigkeit der Vereinzelung“ beſtimmt, ſo müßte beides wenigſtens ſo weit identiſch ſein, daß „Idee“ das in ſich faßt, woraus die innere Notwendigkeit der Vereinzelung fließt, die Urſache des Dualismus, und die Welt iſt die Realiſierung dieſer Vereinze— lung, die Urſache in Wirkung. Wie nun die Philoſophie die Urſache ſelbſt, ſo decke die Kunſt dieſe Urſache wirkend auf.

Das alſo ſcheint die Aufgabe der Kunſt nach Hebbel, und inſofern iſt ſie realiſierte Philoſophie.

Hebbel faßt aber ſeine Unterſcheidung zwiſchen Philoſophie und Kunſt auch jo: die Philoſophie habe die Idee unmittelbar zu er- faſſen, während die Kunſt ſich beſcheide, alles, was ihr in der Erjchei- nungswelt widerſpricht, zu vernichten. Auch hier iſt offenbar das Unterſchiedliche, daß die Kunſt die „Idee“ wirkend geſtaltet; und zwar wird hier angedeutet wie: „alles, was ihr in der Erſcheinungs⸗ welt widerſpricht, zu vernichten.“ Nun ſagt Hebbel jedoch: dadurch werde der Dualismus aufgelöſt. Daraus aber geht hervor, daß hier „Idee“ nicht im oben gemeinten Sinne (die Urſache des Dualismus faſſend) verſtanden ſein kann. Denn das vernichten, was der Urſache des Dualismus widerſpricht, kann nicht bedeuten: den Dualismus vernichten. Offenbar iſt hier „Idee“ einfach platoniſch als Urbild verſtanden. Und die Welt iſt die Realiſierung dieſes Urbildes injo- fern, als ſie eine der ungezählten Möglichkeiten ſeines In⸗Erſchei⸗ nung⸗Tretens verwirklicht darſtellt; der Dualismus aber iſt der Zwie⸗ ſpalt zwiſchen Urbild und Erſcheinung, alſo nicht einer in, ſondern gegenüber der Idee. Nun allerdings iſt auch der Dualismus ver- nichtet, wenn „in der Erſcheinungswelt vernichtet wird, was der Idee widerſpricht“. Während alſo die Philoſophie die Idee in völliger Abſtraktion von ihrer Erſcheinung erfaſſen ſoll, hat die Kunſt ſie in den Erſcheinungen wirkend zu zeigen, indem ſie darſtellt, wie alles, was der Idee in der Erſcheinungswelt widerſpricht und das iſt st, die Erſcheinung charakteriſierende Individuelle zugrunde geht.

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98 Abhandlungen

Oben gelangten wir zu dem Ergebnis: die Kunſt habe zu zeigen, wie die Urſache der Vereinzelung wirkend wird, alſo wie das Indi— viduelle hervortritt; hier: ſie habe darzuſtellen, wie es zugrunde geht. Beides ſoll nach Hebbel offenbar zuſammengehen: das Drama hat zu verkörpern, wie in der Welt das Individuelle hervortreten und zugrunde gehen muß (Mein Wort über das Drama.’ Vorwort zur Maria Magdalena’).t)

p) Grillparzer iſt der Anſicht: die Philoſophie ſei eine Art Wiſſenſchaft; wenn ſie logiſch und wahr das Welträtſel löſen könnte (und man fühlt, daß er es nicht glaubt), würde die Kunſt überwun⸗ den, nur noch Spielerei ſein. Aber in Wirklichkeit habe bisher der klare wiſſenſchaftliche Geiſt erſt die unterſten Sproſſen der Leiter er⸗ klommen, und weiter hinauf ragen die Stangen ſproſſenlos in den Himmel; da ſetze die Kunſt ein, nur fie könne uns eine Anſchauung der Welt bringen, die allerdings reine Phantaſie iſt; vielleicht ein- mal ganz kindiſch erſcheinen wird, wenn die Philoſophie die Tat⸗ ſächlichkeit enthüllt; aber bis dahin iſt die unmittelbare Anſchauung des Alls durch das empfindende Gemüt der einzige Weg, ſich Ant⸗ wort zu verſchaffen auf die unabweisbare Frage nach den letzten Dingen (15, 11. 61).

Was Grillparzer für die Aufgabe der Kunſt hält, läßt ſich ficht- lich nicht ſo ganz präzis abnehmen. Nur eins iſt deutlich: daß er die Kunſt nicht auf die Wirklichkeit bezieht, ſondern ihre Aufgabe darin beſtehen läßt, rein in der Phantaſie, in der unmittelbaren Anſchauung des empfindenden Gemütes ein Weltbild zu formen.

II. Schlüſſe auf die Künſtler.

Wir ſehen hierin einen grundlegenden Gegenſatz zwiſchen Hebbels und Grillparzers Theorie, der für beide charakteriſtiſch iſt.

Grillparzer, ſcheinbar beſcheiden, weicht der Rivalität zwiſchen Kunſt und Philoſophie aus, indem er gar keinen Anſpruch darauf macht, daß das Drama wirklich das Rätſel der Wirklichkeit enthülle was er offenbar, wie Hebbel, für die Aufgabe der Philoſophie hält —, weicht dieſer Rivalität ferner dadurch aus, daß er die Philoſophie einfach für noch unzulänglich erklärt, und befreit ſich ſo von aller Rückſicht auf die Wirklichkeit und auf das Denken. Grill⸗ parzer, dem anſcheinend Kants „Philoſophie der Beſcheidenheit“, wie er ſie nennt, als eine gefällt, „die, gerade weil ſie dem Denken ſeine Grenzen ſetzt, der Ahnung und Empfindung möglich mache, die leer gewordenen Räume als Religion und Kunſt auszufüllen“. Grillparzer iſt mit ſeiner Anſicht ſubjektiv ganz berechtigt, denn ihm

1) Auf die ſichtliche Inkongruenz der Definitionen gehe ich nicht ein. Uns intereſſiert nicht das einzelne Reſultat, ſondern die prinzipielle Richtung dieſes Kunſtdenkens.

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gibt das Denken eben nicht die Möglichkeit, zum letzten Begreifen zu kommen. Ihm iſt die Dichtkunſt, wie er ſagt: Philoſophie und Phyſik, Geſchichte und Rechtslehre, Liebe und Neigung, Denken und Fühlen (Briefe und Tagebücher 2, 122).

Und, was uns an dieſen Anſichten eben intereſſiert, ſie können den Dichter nur zur völligen Selbſtändigkeit leiten. Das aber iſt das Grunderfordernis wahrer Kunſt.

Anders Hebbel. Scheinbar ſelbſtherrlich, wie ſeine Natur ſonſt, findet er in Philoſophie und Kunſt ebenbürtige Rivalen, aber noch mehr: Rivalen, die einander nie ausſtechen können, ſondern, wie er ſogar jagt, einander nötig haben (Vorwort zur Maria Magdalena’). Ebendieſe Anſicht aber verleitet ihn, die Kunſt vom Standpunkte der Philoſophie rechtfertigen zu wollen, und zwar der Philoſophie, wie er ſie verſteht! Wie er nun die Philoſophie auf die Erklärung der Wirklichkeit richtet nämlich die Erklärung der Notwendigkeit der Vereinzelung z. B., in unſerer wirklichen Welt doch ſo bezieht er auch die Kunſt auf die Wirklichkeit. Er gibt ihr eine handgreif— liche, ich möchte ſagen wiſſenſchaftliche Aufgabe. Und dieſe Theorie kann ſichtlich zu nichts eher verleiten als zu einer Unſelbſtändigkeit des Dichters (der ja rein mit Gefühlen zu arbeiten hat und auf eine ganz andre Wirklichkeit als die der relativen Welt gerichtet iſt) gegen- über der tatſächlichen Wirklichkeit und der Philoſophie. D. h. letzten Endes würde durch eine ſolche Theorie die ſouveräne Kunſt zu etwas Demonſtrierendem erniedrigt und von ihrem wahren Ziele abgelenkt.

Zwar haben wir oben den Begriff „realiſierte Philoſophie“ in einem Sinne entwickeln können, der Hebbel rechtfertigt, wenn er den Vorwürfen verächtlich entgegentritt, die aus dieſem Begriffe Anlaß nehmen, zu ſagen, Hebbels Theorie ſchreibe der Kunſt vor, Demon— ſtrationspuppen für die jeweilige Philoſophie zu ſchaffen; man könnte ihm ebenſogut vorwerfen, ſeine Theorie ſchreibe der Welt vor, eine Demonſtration für die Weltidee zu ſein; Hebbel meint ja gar nicht nur zu ſagen: die Kunſt ſolle ſo ſein, ſondern er glaubt, daß ſie ſchon von ſelber und unabhängig ſo iſt und ſein muß.

So meinen wir alſo auch nicht, direkt aus Hebbels Theorie zu folgern, ſie müſſe zum Demonſtrieren und zur Unſelbſtändigkeit führen, ſondern wir ſchließen nur indirekt als Möglichkeit, daß eine ſolche Theorie, die das Kunſtwerk auf Erklärung der Wirklichkeit be⸗ zieht (und zwar mit einer faſt präziſen Angabe, was im beſonderen nachzuweiſen ſei), einen Dichter verleiten könne, auf eine nicht dichteriſch erſt zu erringende, ſondern ſchon gedanklich fixierte „Weltanſchauung“ hinzuarbeiten, wo dann allerdings das Werk letzten Endes nur Demonſtration und als Kunſtwerk un- wahr wäre.

Vor dieſer Möglichkeit müßte feine Theorie wenigſtens Grill- parzer ſchützen, der ſich dahin äußert, „daß, da metaphyſiſche und

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religiöſe Ideen wandelbar find, der Charakter des Schönen aber ein unwandelbarer, ſich die Kunſt auf etwas Feſteres gründen müſſe, als metaphyſiſche und religiöſe Ideen ſind, auf den Menſchen und die Natur nämlich“ (16, 31); in welcher (ſchiefen) Formulierung uns immer wieder die ſouveräne Selbſtändigkeit illuſtriert iſt.

III. Sinn und Bedeutung der Souveränität der Kunſt.

Worin liegt nun die behauptete Bedeutung dieſer Selbſtändigkeit? |

Worin liegt der Fehler, wenn auf eine „ſchon gedanklich fixierte Weltanſchauung“ hingearbeitet wird? Sagen doch viele (und bauen ihre ganze Kunſtanſicht darauf), daß es gerade die Aufgabe des Dich⸗ ters ſei, eine Weltanſchauung darzuſtellen, und daß der Dichter „ſeine Weltanſchauung ins Werk lege“!

Bevor ich darauf antworte, möchte ich auf die Auffaſſung der Phi- loſophie hinweiſen, die ſowohl Hebbel als auch Grillparzer zu haben ſcheinen. Sie reden beide von der Aufgabe der Philoſophie in einem Sinne, der ſie veranlaßt, ſich zu überlegen, ob die Kunſt noch Be⸗ rechtigung habe, wenn die Philoſophie die „Aufgabe gelöſt“ hat. Und dabei präziſiert Hebbel dieſe Aufgabe auch, z. B. dahin, die Not⸗ wendigkeit der Vereinzelung zu erklären. Das wäre nun, ſagen wir, eine Art wiſſenſchaftlicher Aufgabe. Und es wäre nicht einzuſehen, warum in dem Moment, wo ſie gelöſt wäre, noch immer neue philo⸗ ſophiſche Syſteme geſchaffen würden. Die Löſung des Problems wäre nun einmal da, und die Welt müßte beruhigt ſein. Nichts wäre lächerlicher als dieſe Anſicht, die das ewige Problem in der Art einer Rechenaufgabe faßt.

Ob nun wirklich die Aufgabe der Philoſophie ſo beſchaffen iſt, haben wir hier nicht weiter zu behandeln. Hingegen wollen wir feſt⸗ ſtellen, daß die Aufgabe der Kunſt ſicherlich nicht von dieſer Art iſt, wie zum mindeſten Hebbel es in Analogie zur Philoſophie aufzuſtellen ſcheint.

In der Wiſſenſchaft, die ſich auf die Feſtſtellung der Tatſächlich⸗ keiten unſeres relativen Lebens bezieht, und deren Einzelwahrheiten etwas ſür jeden Erlernbares und für jeden Fixiertes darſtellen, wäre es allerdings ſehr töricht, eine einmal gefundene Tatſache immer wieder neu unterſuchen und auffinden zu wollen. Dagegen haben wir in der Kunſt den Fall ſo, daß jedes Werk einen Weg nur fixiert, auf dem jeder, der ihn nachſchreiten kann, ſich ſelbſt das Re⸗ ſultat erſt erringen muß. Die Kunſt iſt etwas Nicht-Erlernbares, Intuitives, ihr Ziel iſt über die Sphäre der Relativitäten erhoben und läßt ſich eben nicht fixieren. Sie faßt eine ewige „Aufgabe“, die ſich jeder ſelbſt „löſen“ muß. Das iſt kein Rechenexempel, deſſen Reſultat man überliefern kann.

Nehmen wir nun an, daß auch die Aufgabe der Philoſophie gleicher Art wie die der Kunſt iſt, ſo zeigt ſich, daß keins dem anderen die

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„Löſung“ der „Aufgabe“ vorwegnehmen kann. Die da in Werten des Gefühls zur höchſten Vernunft kommen, werden in Kunſtwerken und nur in ihnen ſich hinaufſchwingen, und die, denen die Abſtrak— tionen des Verſtandes naheliegen, werden in der Philoſophie zum höchſten Begreifen kommen.

Wer aber, entgegen unſerer Meinung, findet, daß die Philoſophie eine anders (wiſſenſchaftlich) geartete Aufgabe hat, der kann erſt recht nicht glauben, daß eins dem anderen die „Löſung“ wegnehmen könne.

Daß aber ferner auch ein Kunſtwerk das andere nicht überflüſſig machen kann, folgt ebenfalls aus ſeiner Auffaſſung als Weg. Ent⸗ ſprechend der unendlichen Möglichkeit von Modulationen der einem jeden am meiſten angepaßten -Abſtraktionen, die im letzten wohl bei

jedem Individuum variieren, werden die Menſchen auf immer neuen

Wegen dem einen Ziel zuſtreben und müſſen es auch. Darin liegt alſo die unendliche Berechtigung und Notwendigkeit immer neuer Kunstwerke und der Grund ihrer unaufhörlichen Erzeugung. Jahr- tauſende hinter uns, Jahrtauſende vor uns ſind ſich darin gleich. „Fortſchritt“, „Aufgabe“, „Löſung“ ſind ja nur kleine, allzumenſch— liche Begriffe. Und dieſes Erhobenſein iſt nicht eine Eroberung ein für allemal, ſondern will unaufhörlich und von den verſchiedenſten Seiten errungen ſein. Es iſt ein Kampf in Permanenz, der nicht nur irgendeine Teil⸗Erkenntnis bringen, ſondern den ganzen Menſchen formen ſoll.

Weil nun aber jeder Menſch aus ſeinen Organen, aus ſeinen Mög⸗ lichkeiten, aus den ihm am nächſten liegenden Abſtraktionen ſich zum Ziel erheben muß, muß jedes Werk als ein Syſtem beſonders gear- teter Abſtraktionen vollkommen ſein, in ſich ſelbſt Anfang und Ende tragen, muß der Weg fein, den ein Menſch in ſeinen beſonderen Ab⸗ ſtraktionen zur Löſung ging. Er darf und kann keine Löſung voraus⸗ ſetzen, die für ihn ja gar nicht gilt, die zu erzielen ja überhaupt der Sinn ſeines Werkes erſt iſt. Da liegt der Fehler, wenn auf eine ſchon gedanklich fixierte „Weltanſchauung“ hingearbeitet wird. Soll alſo 3. B. eine Dichtung zum Ziel führen und nur dann iſt fie ja eine wahre Dichtung ſo muß ſie rein auf den Gefühlswerten, aus dichteriſchen Abſtraktionen aufgebaut ſein. Darin liegt die behauptete Bedeutung der Selbſtändigkeit des Dichters. Er darf nur rein dichteriſche Wege verfolgen, weil es eben ſeine Eigenart und Möglichkeit iſt, auf dichteriſchem Wege das zu erreichen, was der Philoſoph auf philoſophiſchem (nach meiner Auffaſſung von einer überwiſſenſchaftlichen, aufs Abſolute gehenden Philoſophie).

Anmerkung. Allerdings heißt das nicht, daß Gedanken nun ganz ausge⸗ ſchloſſen ſind. Nur ſind ſie nicht Ziel. Grillparzer ſagt: metaphyſiſche Ideen ſeien wandelbar, und der Dichter dürfe ſich nur auf den Boden allgemein menſchlicher Anſchauungen ſtellen, da ihn nur ihre ſubjektive und nicht ihre objektive Berechtigung angehe; und er berührt damit die grundlegende Tat⸗ ſache, daß der Dichter, der mit Gefühlswerten arbeitet, auch Ideen, Urteile

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und Vorurteile zwar gebrauchen kann, aber nur inſofern, als gewiſſe Ge⸗ fühle unter ihrer Marke kurſieren, daß fie ſelbſt aber ihm, als Künſtler, gleich- gültig ſind oder doch ſein können. Er hat ſie nicht zu demonſtrieren oder zurechtzuſetzen, ſondern hebt ſie ſchließlich gleicherweiſe, als relativ auf; ja ſogar dort, wo er ſcheinbar eine Idee an die Spitze ſtellt, bedeutet ſie, ſofern er nur wirklich dichteriſch verfährt, nichts mehr und nichts weniger als ein Sujet, anregenden Stoff, Mittel. Im beſten Falle entſteht ein beſonderer Stil.

Hat man dies eingeſehen, ſo verſteht man auch, daß ein Unterſuchen des Kunſtwerks auf die „großen und notwendigen Ideen“ (Hebbel und ſein Kreis) am Weſentlichen ganz vorbeigeht. Ideen ſind wohlfeil, ſagt Grillparzer, und die Kunſt mache das Geſtalten aus (15, 27. 33. 36. 18, 137). Das iſt aber nicht etwa die Anſchauung eines „Technikers“. Nein, das weiſt darauf hin, daß eben die „Ideen“ dem Dichter nicht Ziel, ſondern Sujet höchſtens ſind, alſo gar nicht das Weſentliche. Dies liegt im „Geſtalten“, d. h. im Dichten, im Schrei⸗ ten auf dem Wege gefühlsmäßiger Abſtraktionen zum wahren Ziel, das nur ſo erreichbar iſt. :

Insbeſondere läßt ſich nun aber weiter jagen, daß auch gedanklich ſich eine Weltanſchauung, wie wir ſie verſtehen, nämlich nicht als totes Wiſſen, ſondern als Erleben und Erhobenſein zum Schauen sub specie aeternitatis, worin das Glück liegt, nicht „fixieren“ läßt, da ſie ja erſt aus den mehr ſymboliſch zu nehmenden Einzelbegriffen aufwächſt. Eine ſolche gedankliche Fixierung kann nur einen bloßen Begriff treffen, alſo etwas, das nur ein Mittel zum Ziel ſein könnte. Und ein Werk auf eine „fixierte Weltanſchauung“ beziehen, heißt ſomit, ſtatt zum Ziel, auf ein Einzelnes, Wertloſes, Relatives hinarbeiten. Darum iſt jedes auf eine ſchon „gedanklich fixierte Welt⸗ anſchauung“ hinarbeitende Kunſtwerk von vornherein wertlos.

Ferner „legt“ der Dichter, der eben entwickelten Anſchauung zu⸗ folge, nicht „ſeine Weltanſchauung in ſein Werk“, wie eine gewiſſe Ideologie zu ſagen pflegt, ſondern das Werk iſt das Ringen um ſie und das Erringen derſelben. Und wie Hebbel ſelbſt in einer Kritik eines an Schiller gerichteten Körner-Briefes ſo richtig bemerkt: der Maler würde nie den Pinſel ergreifen, wenn die Göttin, die er in den Wolken ſieht, vor ihm ſchon alle Schleier abgeworfen hätte, erſt durchs Malen erobere er ſie ſich! d. h. nicht aus Weltanſchauung, ſon— dern aus Sehnſucht, Ahnung zur Weltanſchauung ſchafft der Künſt⸗ ler, das Geſtalten iſt zugleich erſt das Erringen!

Zu unſerer Darlegung zurückkehrend, daß Hebbels und Grillparzers Theorien über die Aufgabe der Kunſt uns zwar beide an und für ſich unrichtig erſcheinen, wir aber aus ihnen eine verſchiedene Wir- kung auf den Dichter vermuten können, nämlich, daß die Grillpar— zers nur deſſen Selbſtändigkeit als Dichter unterſtützen, die Hebbels ihn zur dichteriſchen Unſelbſtändigkeit, zum Hinarbeiten auf eine ſchon gedanklich fixierte „Weltanſchauung“ (d. h. alſo auf einen Begriff) verleiten können, ſtellen wir feſt: falls ſich dies tatſächlich in Hebbels Werken bewahrheiten ſollte, ſo hätten wir in ihnen keine wahre Dich— tung.

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Hebbel und Grillparzerinihren Theorien 103

IV. Tragiſche Schuld und Verſöhnung.

Der gekennzeichnete Gegenſatz zwiſchen Hebbels und Grillparzers Theorien von der Aufgabe der Kunſt läßt ſich auch in anderen weſent— lichen Anſichten über Kunſt (insbeſondere Drama) verfolgen.

a) Wir haben gefunden, daß Hebbel die Kunſt, das Drama, auf die Wirklichkeit bezieht, und zwar nach ſeinem philoſophiſchen dua— liſtiſchen Standpunkt, und haben auch erkannt, welche grundſätzliche Gefahr darin liegt. Ebendieſe Richtung können wir auch in der für ihn als Dramatiker gewiß bedeutſamen Unterſuchung über tragiſche Schuld und Verſöhnung verfolgen, wo er eigentlich nur des wei— teren die Aufgabe der Kunſt darlegt.

Hebbel erkennt ganz objektiv das Geſetz des Dualismus im Leben, konſtruiert aus ihm eine „Schuld“ des Lebens und eine „Verſöh— nung“ des Lebens, überträgt dieſe als tragiſche Schuld und Ver— ſöhnung in die Kunſt, ins Drama, und glaubt anſcheinend, daß damit auch deſſen Ziel erfüllt wäre (das ja nicht das der Philoſophie ſein ſoll: unmittelbar die Urſache des Dualismus zu enthüllen, ſondern nur: dieſe Urſache wirkend darzuſtellen), indem es uns ſo die Geſetze des Daſeins offenbart. Seine Theorie ſtellt ſich mir un⸗ gefähr ſo dar: Der Dualismus iſt, ſpeziell ausgedrückt, der zwiſchen Weltwille und Einzelwille. Im Kampfe dieſer beiden formt ſich erſt das Individuum. Je mehr nun das Individuum Individuum iſt, um jo mehr muß es gegen den Weltwillen ankämpfen, um jo ſchnei— dender wird alſo der Dualismus. Das iſt aber gerade das Weſen

des Individuums, daß es ſich als Sonderbewußtſein und Sonder—

wille aus dem All heraushebt: darin beſteht es. Das aber gerade iſt auch, was Hebbel die „Maßloſigkeit“ nennt, das, worin die Schuld des Individuums beſteht. Dieſe iſt alſo uranfänglich, von dem Begriff des Menſchen nicht zu trennen und fällt kaum in ſein Bewußtſein. Sie begleitet alle menſchlichen Handlungen, wir mögen uns dem Guten oder Böſen zuwenden, das Maß können wir hier wie dort überſchreiten. Aus der Maßloſigkeit folgt aber auch der Untergang des Vereinzelten, ſo daß in ihr auch die Verſöhnung liegt; das Individuum ſelbſt nämlich iſt die Krankheit, ſein Unter- gang der der Krankheit, alſo die Heilung, die Verſöhnung, nämlich der Idee.

Analog hat man bei Hebbel die tragiſche Schuld zu verſtehen: da die Schuld nicht erſt aus der Richtung des menſchlichen Willens entſpringt, ſondern aus dem Willen ſelbſt, aus der ſtarren eigen— mächtigen Ausdehnung des Ichs, iſt es dramatiſch völlig gleichgültig, ob der Held an einer vortrefflichen oder verwerflichen Beſtrebung zu— grunde geht, ja, korrigiert ſich Hebbel ſpäter, es iſt notwendig für das erſchütterndſte Bild, daß jenes, nicht dieſes geſchieht; da aber die „Schuld“ etwas metaphyſiſch Konſtruiertes, Unausweichliches iſt,

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fällt fie konſequenterweiſe auch kaum ins Bewußtſein, ſondern die tragiſche Schuld entſteht gerade aus der unbeirrten Einſeitigkeit, der Maßloſigkeit der Figuren (Mein Wort über das Drama'. Vorwort zur Maria Magdalena’).

Was nun die Theorie der Verſöhnung anbetrifft, ſo iſt es viel⸗ leicht angebracht, ſie etwas näher zu verfolgen, da man gerade dem Dualiſten Hebbel, wie man ihn nennt, die Verſöhnung abſtreiten möchte, indem man behauptet, das Unterſchiedliche des Dualiſten gegenüber anderen Dichtern läge darin, daß bei ihm der Zwieſpalt, aus dem ja ſchließlich alle großen Dramen hervorwachſen, beſtehen bleibe. Hebbel ſchreibt aber mit viel Nachdruck: „Das Drama, wie ich es konſtruiere, ſchließt keineswegs mit der Diſſonanz.“ So ſpricht er allerdings in der publizierten Antwort an Heiberg. Ins Tagebuch ſchreibt er noch 1842: „Es gibt keine Verſöhnung“, 1843 aber: er wolle die Verſöhnung und zwar der Idee, nicht des Individuums, und erklärt in einer weiteren Notiz näher, die Verſöhnung im Tra⸗ giſchen geſchehe im Intereſſe der Geſamtheit, nicht des einzelnen, und es ſei gar nicht nötig, obgleich beſſer (!), daß der einzelne ſelbſt ihrer bewußt werde. Vom ſelben Jahr aber finden wir die Bemer⸗ kung: „Es iſt töricht, vom Dichter zu verlangen, was Gott ſelbſt nicht darbietet, Verſöhnung und Ausgleichung der Diſſonanz.“ Nicht lange nachher notiert er jedoch: „Verſöhnung im Drama: Heilung der Wunde durch den Nachweis, daß ſie für die erhöhte Geſundheit notwendig war.“

Dieſe Zuſammenſtellung zeigt, daß die Behauptung, Hebbel laſſe den Zwieſpalt beſtehen, in ſeiner Theorie allerdings auf einiges ſich berufen darf. Aus den Tagebuchnotizen wenigſtens ergibt ſich ein ſchwankendes Bild. Die Sache liegt aber ſichtlich ſo, daß Hebbel ſeinem metaphyſiſch konſtruierten Begriff von i die nicht eine ins Empfinden fallende iſt, eine ebenſo konſtruierte, Verſöhnung“ entgegenſtellt, die ebenfalls nicht bewußt wird (deswegen iſt das oben angemerkte „obgleich beſſer“ als gar nicht aus Hebbels Theorie flie⸗ ßend intereſſant); wenn er nun die Verſöhnung ablehnt, ſo meint er offenbar die empfundene, und wo er ſie annimmt, iſt klar, daß er von einer beſonderen, gar nicht gefühlten ſpricht. (In dieſer Abſtrakt⸗ heit, falls ſie ſich auch in Hebbels Werken finden ſollte, würde aller⸗ dings ein Unterſchied gegenüber anderen Dichtern liegen, eben weil echte Dichtwerke in ſich ſelbſt ruhen und ſich nicht auf Abſtraktem aufbauen. Wäre alſo Hebbel auch in ſeinen Werken ein „Dualiſt“, ſo läge in dieſer Bezeichnung ein Vernichtungsurteil.)

Aber wir können von Hebbels Begriff der Verſöhnung noch mehr ausſagen, als daß er abſtrakt ſei. Wie die Schuld nur eine gegenüber dem Weltwillen, gegenüber der Idee iſt, ſo iſt auch die Verſöhnung nur eine der Idee. Und zwar beſteht ſie darin, daß ſie die unvoll⸗ kommene Vereinzelung untergehen läßt, ſo die dualiſtiſche Form des

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Seins auflöſt und die Idee von ihrer mangelhaften Form befreit. Das alſo iſt die „Verſöhnung der Idee“. Und gerade in dieſer Ver- ſöhnung findet Hebbel den beſonderen Weg der Kunſt, der Aufgabe zu genügen: alles, was der Idee „in der Erſcheinungswelt wider— ſpricht, zu vernichten“. So iſt es alſo gerade die Aufgabe des Dra— mas nach Hebbel, die Schuld aufzuheben, wie er ſich ausdrückt, wenn auch nicht die causa prima, den inneren Grund der Schuld zu ent— hüllen, die Notwendigkeit der Vereinzelung.

b) Hören wir dagegen Grillparzer: „Dem geſamten Altertum wird der Marionettendraht, die Schickſalsidee beigegeben, und Atriden und Labdakiden mußten ſich abmartern, bloß um den breitgetretenen Heiſcheſatz: daß niemand ſeiner Beſtimmung entgehe, beiſpielsweiſe einzuſchärfen. . . Mit dem Schubfache der neueren Zeit ging das nicht ſo leicht an. Daß namentlich das Tragiſche im Kampfe der Freiheit mit der Notwendigkeit liege, darüber war man bald einig, nur darüber nicht, ob der Freiheit oder ihrer Gegnerin der Sieg bleiben ſolle ein kleiner Unterſchied, wie man ſieht. Statt eines allgemeinen Prinzips ward daher jeder einzelnen Hervorbringung ein beſonderes zugewieſen, eine Schulidee, deren Verfinnlichung die Aufgabe des Kunſtwerkes ſein ſollte; ein Satz, und zwar kein mora= liſcher worauf hingearbeitet zu haben, man den Vorgängern ſehr übel nahm ſondern womöglich ein theoretiſch-dogmatiſcher, was we— niger veraltet, dafür aber bedeutend lächerlicher war.“ „Im Trauer- ſpiel . . . wird entweder der Freiheit über die Notwendigkeit der Sieg verſchafft oder umgekehrt. Die Neuern halten das erſte für das allein Zuläſſige, worüber ich aber ganz der entgegengeſetzten Meinung bin. Die Erhebung des Geiſtes, die aus dem Siege der Freiheit ent— ſpringen ſoll, hat durchaus nichts mit dem Weſen des Tragiſchen gemein und ſchließt nebſtdem das Trauerſpiel ſcharf ab, ohne jedes weitere Fortſpielen im Gemüte des Zuſchauers zu begünſtigen, was eben die eigentliche Wirkung der wahren Tragödie ausmacht. Das Tragiſche, das Ariſtoteles nur etwas ſteif mit Erweckung von Furcht und Mitleid bezeichnet, liegt darin, daß der Menſch das Nichtige des Irdiſchen erkennt, die Gefahren ſieht, welchen der Beſte ausgeſetzt iſt und oft unterliegt; daß er, für ſich ſelbſt feſt das Echte und Wahre hütend, den ſtrauchelnden Mitmenſchen bedauere, den Fallenden nicht aufhöre zu lieben, wenn er ihn gleich ſtraft, weil jede Störung ver- nichtet werden muß des ewigen Rechts. Menſchenliebe, Duldſamkeit, Selbſterkenntnis, Reinigung der Leidenſchaften durch Mit⸗ leid und Furcht wird eine ſolche Tragödie bewirken. Das Stück wird nach dem Fallen des Vorhangs fortſpielen im Inneren des Men⸗ ſchen, und die Verherrlichung des Rechts, die Schlegel in derber An- ſchaulichkeit auf den Brettern und in den Lumpen der Bühne ſehen will, wird glänzend ſich herabſenken auf die ſtill zitternden Kreiſe des aufgeregten Gemütes“ (15, 80. 87). |

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V. Schlußfolgerungen; über die Bedeutung tragiſcher Schemata.

Grillparzer hat nicht die Abſicht, ſcheint mir, eine Theorie über das Tragiſche aufzuſtellen; er hält das, wie auch aus anderen Stel- len hervorgeht, für ausſichtslos und nutzlos. Er ſchreibt ganz allge— mein; was er als tragiſch definiert, iſt empiriſch und gibt mehr eine Schilderung der Wirkung des echt Tragiſchen, als einen Verſuch über ſein Weſen. Er denkt ſich das Kunſtwerk als ein Mittel, gewiſſe Erregungen ausgehen zu laſſen, und auf dieſe zielen ſeine Argu— mente, nach dieſen mißt und verwirft er die Theorie. Hebbel dagegen betrachtet die Geſetze des Daſeins und findet ihre Erkenntnis, ihre Enthüllung im Drama eben wohl, was Grillparzer ſpöt— tiſch einen „theoretiſch-dogmatiſchen Satz“ „beiſpielsweiſe einzu- ſchärfen“ nennt.

Wir haben das ſchon in ihren Beziehungen zur Philoſophie ein- geſehen: Grillparzer glaubt nicht, daß das Kunſtwerk die Tatjächlich- keit enthüllt, ſondern daß es reine Phantaſie, etwas aus der menſch— lichen Empfindung Entſtandenes iſt: „die Geſtalten find die Ge— danken, die Überzeugung der Beweis“, und: das Kunſtwerk will erheben über die Nichtigkeiten; Hebbel aber findet in der Kunſt eine Realiſation der von der Philoſophie reproduzierten Idee, und dementsprechend ſtellt er die Ubereinſtimmung der Kunſt mit der ob- jektiven Erkenntnis feſt; ſie iſt ihm nicht etwas (gegenüber der rela— tiven Tatſächlichkeit) nur ſubjektiv Menſchliches.

Die ganze Unterſuchung kann ſich nur um die Frage drehen, welche Wirkung die verſchiedenen Motive ausüben können, und darnach zu beſtimmen, was tragiſch ſei oder nicht, denn nur auf die Wirkung kommt es an. Darin liegt ſchon mein Urteil über Hebbels und Grill- parzers Theorie. Ich habe gegen die letztere in ihrer Richtung nichts einzuwenden, und gegen die erſtere bemerke ich nur, daß ſie ſich viel mehr bemüht feſtzuſtellen, was nach metaphyſiſch orientierten Not⸗ wendigkeiten tragiſch ſei, als was tragiſch wirkt; und nur dies darf uns intereſſieren, während jenes dichteriſch gleichgültig iſt.

Gerade weil ich aber alles auf die Wirkung bezogen haben möchte, kann ich in der Unterſuchung tragiſcher Schemata nicht das letzte Heil finden, da auch das beſte tragiſche Schema abſolut nicht auch die tragiſche Wirkung verbürgt. Das Schema enthüllt im beſten Falle nur die Möglichkeit dazu. Die Wirklichkeit des Tra- giſchen aber wächſt aus jenem lebendig wirkſamen Geſtalten des Dichters.

Vielleicht können das, was ich unter „Geſtalten“ hier verſtehe, einige über⸗ legungen verdeutlichen. Grillparzer ſagt z. B. über Shakeſpeare, er bringe oft ganz plötzlich und unmotiviert ſeine Wandlungen: Romeo liebt noch Roſalinde und plötzlich ſeine Leidenſchaft für Julia; Othello liebt ſein Weib und plötzlich nach einigen Worten Jagos feine raſendſte Eiferſucht uſw.; Shakeſpeare ver⸗ ſtehe es aber, ſo hinreißend wahr und eindringlich die Leidenſchaft Romeos für

Hebbel und Grillparzer in ihren Theorien 107 Julia zu ſchildern, die Worte des Jago zu ſetzen und die Eiferſucht des Mohren zu malen, daß man vergißt, über die Motivierung nachzudenken, und glaubt, weil es vor uns lebt. Hier iſt der „Fehler“ im Schema ganz richtig als völlig zurücktretend charakteriſiert gegenüber dem Weſentlichen, dem Geſtalten. Und wäre umgekehrt die Motivierung unangreifbar im Schema das Stück wäre trotzdem dichteriſch nichtig, wenn jenes Geſtalten fehlte, das unmittelbar dich⸗ teriſch überzeugt und hinreißt, das wir „Leben“ nennen, das aber in Wirklich⸗ keit eben jenen Weg der zielenden Gefühlsabſtraktionen bedeutet. Das Schema iſt immer noch etwas verſtandesmäßig Feſtſtellbares, und für ſich betrachtet iſt es ſchon etwas ganz anderes als im Organismus des Dramas, weshalb ſo ande Reſultate aus der beliebten ſchematiſchen Betrachtung hervorgehen müſſen.

Vielleicht noch draſtiſcher wäre ein Beiſpiel aus der bildenden Kunſt. Man hört viel über Linie, Aufbau, Poſen antiker Skulpturen in einer Art reden, als wenn wirklich das klaſſiziſtiſche Schema auch die Güte dieſer Skulptur ver- bürgt. Aber wir haben Überreſte antiker Werke, Arme, Beine, Rümpfe, bei denen von Poſe, Linie des Zuſammenhangs uſw. nicht geſprochen werden könnte; ſie ſind herausgeriſſen aus dem Zuſammenhang und wirken doch groß; es lebt eine Geſtaltungskraft in ihnen, die keine „Logik des Geſamtaufbaus“ erklären kann. Dieſes auch da noch wirkſame Element, das ſich nie und nimmer erräſonnieren läßt, iſt das urſprünglich und eigentlich künſtleriſche. Das, was ich künſtleriſche Abſtraktion nenne. Auch in der Dichtung. Von dieſer Haupt⸗ bedingung jedoch, auch für die tragiſche Wirkung, kann man theoretiſch nichts ausmachen (wenn man ſich auch auf ſie, die Abſtraktionen, gerade unbedingt beziehen muß). Die dichtet man eben. Wo ich im folgenden mich mit ſolchen Schemata beſchäftige, handelt es ſich eben nur um Schemata, um Möglichkeiten.

VI. Tragiſche Charaktere und tragiſche Fabel.

Aus den verſchiedenartigen Anſichten über das Tragiſche laſſen ſich nun auch einige Folgen einſehen oder wenigſtens vermuten in Be⸗ zug darauf, wohin unſere Dichter nach der Theorie den Schwerpunkt im Drama legen müßten, worin bei ihnen das Tragiſche ſich aus⸗ drücken müßte (ſofern ſie tragiſch wirken wollen).

Hebbels Theorie, die eine unausweichliche geſetzmäßige Allſchuld und daraus folgend ihr Nicht⸗ins⸗Bewußtſein⸗Fallen und unbeirrte Einſeitigkeit der Figuren ergibt, ſchließt nämlich tragiſche Charak— tere aus. Die unbeirrte, ſich kaum einer oder richtiger keiner Schuld bewußte Einſeitigkeit kann tragiſche Folgen haben, d. h. ſie kann eine tragiſche Geſchichte ermöglichen, aber in ihr ſelbſt kann nicht die Tragödie ruhen. Ich könnte mir denken, daß Hebbel bei ſeiner Theorie das Beiſpiel von dem Mädchen vorſchwebte, welches gerade wegen ſeiner Schönheit und ſtandhaften Unſchuld in Leiden und Unglück gerät und untergeht. Aber dieſes Mädchen, das nicht ſtrauchelt, das von Anfang bis zu Ende ſich nichts vorzuwerfen, keinen Zwieſpalt im Bewußtſein hat und bleibt, was es war, iſt keine tragiſche Figur, ſondern ihre Geſchichte, ihr Schickſal iſt nur tragiſch. Und gerade damit die Geſchichte tragiſch ſei, darf das Mädchen möglichjt nicht wanken und muß an ſeiner Vortrefflichkeit zugrunde gehen, wie ja Hebbel davon ſpricht, daß „für das erſchütterndſte Bild“ der Held an einer vortrefflichen Beſtrebung ſcheitern muß. Und hier, für die

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tragiſche Geſchichte, reicht Hebbels Theorie inſofern vortrefflich zu, als ſie erlaubt, die „Schuld“ in der Schönheit und Unſchuld zu finden, injofern ſie maßlos find; und dieſe Schuld bleibt natürlich unbewußt.

Grillparzers Schuldbegriff dagegen, der nur mit der Wirkung rechnet und nicht metaphyſiſch orientiert iſt, ſondern ſogar tatſäch⸗ lich eine „Verletzung des ewigen Rechts“ faßt, alſo ein Schuldbegriff, der wirklich mit Schuld mehr oder weniger im bewußten Sinne (wenn auch ebenfalls nicht aus dem moraliſchen Geſichtspunkte) arbeitet, bedingt geradezu den tragiſchen Charakter. Denn ſoll hier eine tragiſche Wirkung entſtehen, ſo kann ſie offenbar nicht in dem Schema der Geſchichte liegen, wo Schuld und Strafe einander folgen, was, im Schema wenigſtens, nicht tragiſch iſt, ſondern vielmehr im Charakter. Um dem oben bei Hebbel gebrachten Beiſpiel etwas Ana⸗ loges folgen zu laſſen, komme ich etwa auf folgendes Motiv von leicht erkennbarem Urſprung (Hero): Ein Mädchen, das durch die zum erſtenmal erlebte Liebe im tiefſten verändert wird, in Anſchau⸗ ungen und Wünſchen, gerät durch dieſe Wandlung ihres Charakters, ja ihres ganzen Seins, in Schuld gegenüber den Verpflichtungen, die ſie einging, als ſie noch nicht umgeſchmolzen war und von der Möglichkeit einer ſolchen Umſchmelzung nichts wußte und nichts wiſſen konnte. Hier haben wir gerade den umgekehrten Fall wie oben. Das Tragiſche beruht nicht auf der unbeirrten Einſeitigkeit, ſondern auf der Wandlung des Charakters. Da trägt alſo der Charakter die Tragödie.

VII. Tragiſche Notwendigkeit im beſonderen Fall und eine allgemeine.

Die Notwendigkeit und Unentrinnbarkeit kann und braucht hier gar nicht auf abſtrakte, metaphyſiſche Notwendigkeit zurückgeführt zu werden. Das Tragiſche beruht gerade darauf, daß wir aus der Wandlung des Charakters die Verkettung der gegebenen Umſtände begreifen, ſo ſein Verfallen in Schuld einſehen und ein Unausweich⸗ liches im beſonderen Falle erkennen, was „Mitleid und Furcht“ bewirkt.

Hebbel dagegen meint eine metaphyſiſch begründete allgemeine Notwendigkeit: in dem Untergang der Vereinzelung ſiegt die verletzte Idee, der Weltwille, die Allgemeinheit.

Wendet ſich ja Hebbel ſogar gegen Goethe am Schluß jener Tage⸗ buchſtelle, wo er ſagt, man könne vom Dichter fordern, daß er nicht in der Mitte zwiſchen dem Zufälligen und dem Notwendigen ſtehen⸗ bleibe, daß er zeige, wie der Untergang unvermeidlich, wie der Tod mit der Geburt ſelbſt geſetzt iſt: „Dämmert noch die leiſeſte Mög⸗ lichkeit einer Rettung, ſo iſt der Poet ein Pfuſcher. Von dieſem Ge⸗ ſichtspunkt aus ergibt ſich dann aber auch eine viel höhere Schönheit

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und ein ganz anderer, zum Teil umgekehrter Weg, ihr zu genügen, als diejenige war, die Goethe anbetete.“ Wenn ich richtig verſtehe, ſoll die gefühlsmäßige Verſöhnung des harmoniſchen Goethe nicht genug Notwendigkeit tragen, Goethe ſoll in der Mitte zwiſchen dem Zufälligen und dem Notwendigen ſtehenbleiben offenbar, weil für ihn nur die oben ſchon bei Grillparzer gezeigte Nowendigkeit im: beſonderen Falle beſteht.

VIII. Schlußfolgerungen und Beiſpiele.

In dieſer Forderung einer metaphyſiſchen allgemeinen Not- wendigkeit liegt wieder ein gefährlicher Punkt der Hebbelſchen Theo— rie. Wenn dieſe nicht erlaubt, tragiſche Charaktere zu bringen, jo haben wir den anderen Weg erkannt, den Schwerpunkt des Dramas in die tragiſche Geſchichte zu verlegen. Aber auch dieſe tragiſche Ge— ſchichte kann, inſofern ſie dichteriſch bleibt, nur eine Notwendigkeit im beſonderen Falle bilden, aus der ſich die unmittelbare tragiſche Wirkung ergeben ſollt e. Eine metaphyſiſche Allſchuld und Allnot⸗ wendigkeit läßt ſich in ihr nur darſtellen, wenn ſie in Demonſtration aufgelöſt wird. Übel klingt, aus dieſem Geſichtspunkt betrachtet, eine Tagebuchnotiz von 1844: Hebbel bedauert unter dem Eindruck einer Antigone- Aufführung in Paris, was unſere Tragödie an dem Chor verloren hat: wenn in unſeren Stücken die Helden weggemäht ſind, welch eine ſchwere Arbeit wird dem Geiſt, der endlich ausruhen möchte, noch ganz zuletzt in dem Reproduzieren der nicht plaſtiſch hervor- tretenden Idee zugemutet! Während bei den Alten der Chor als der breite Stamm des Geſchlechts, an dem das Schickſal einzelne zu geile Auswüchſe abſchnitt, unmittelbar alles das vergegenwärtigt, was wir erſt auf dem Wege der Reflexion gewinnen können!

Man kann hier verfolgen, wie Hebbel ſich die Sache denken mag: nach dem Stück müſſen wir erſt die Idee reproduzieren, auf dem Wege der Reflexion natürlich, nämlich wohl die Idee, daß der einzelne dadurch, daß er ſich vom „Allgemeinen“ entfernt, in Schuld gerät und untergehen muß; während bei den Alten im Chor das Allgemeine, der Weltwille, ſozuſagen perſonifiziert iſt, und jo die Idee „plaſtiſch“ hervortritt, wenn neben den einzelnen in Schuld Geratenen und Untergehenden der Chor als das Allgemeine beſtehen bleibt. Da wäre alſo zweifellos, daß Hebbel im Drama eine Demonſtration ſeiner metaphyſiſchen Anſchauungen ſucht, ſeine Figuren nur als Beiſpiel für Allſchuld und⸗Verſöhnung zuſammenſtellen möchte.

Ein Troſt iſt nur, daß Hebbel Sophokles meint, und mit den Neue- ren wohl auch Shakeſpeare; da bezieht ſich die falſche Theorie wenig- ſtens auf unzweifelhaft wahre Kunſt. Der Troſt iſt aber nur halb, weil Hebbel dieſe Dichter falſch aufzufaſſen ſcheint und dann doch etwas Falſches auch meint. Iſt es bei Macbeth etwa nötig und weſentlich zu reflektieren, daß hier eine Vereinzelung in Schuld geriet

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wider die Allgemeinheit und untergehen mußte? Wenn wir verfolgen, wie aus Begierden und Wünſchen gegen die innere Stimme die ver— brecheriſche Tat entſteht, wie ſie den Verbrecher zwingt, wider die immer lauter ſchreiende Stimme des Gewiſſens immer tiefer ins Blut hineinzuſchreiten, und wie er zuletzt daſteht, tief durchdrungen von der Nichtigkeit aller Begierde und überhaupt alles Irdiſchen und, innerlich ſchon dieſem Leben entrückt, den Todesſtreich empfängt, da iſt es dem Dichter gelungen, uns durch eine reiche Skala von Gefühlen hindurch eben auch zu einem Niveau zu erheben, das den Qualm der Nichtigkeiten dieſer Welt überwunden fühlt. Da brauchen wir wahrhaftig nicht zu reflektieren und irgendeine Idee zu reproduzieren. Wir haben's gefühlt mit Allgewalt. Und alle Reflexion kann nichts Weſentliches mehr ergeben, wie erſt gar die, welche Hebbel von uns verlangt.

Und ebenſo will Hebbels Beiſpiel ſelbſt, die Antigone', nicht die „Idee verdeutlichen“, daß die Vereinzelung in Schuld gerät und geraten muß und untergeht im Widerſtreit mit der Allgemeinheit. Wo dann der Chor als Symbol der Allgemeinheit, als Sieger her— vorgehe. Wenn Kreon, durch den Gang der Ereigniſſe von ſeiner Selbſtüberhebung zu Boden geſchmettert, gegen Ende ein ähnliches Gefühl wie Macbeth in den Worten ausdrückt: „O menſchliches Be⸗ mühn, du mühſeliger Traum!“ ſo ſcheint mir darin auch die Wirkung der ganzen Tragödie angemerkt, die ſich ſo als gar nicht grundſätzlich verſchieden ergibt von der des Macbeth'. Mit einem durch das Daſein des Chors plaſtiſcheren Hervortreten der „Idee“ hat dieſe Wirkung nichts zu tun.

Gerade die Antigone' allerdings ſcheint den Konflikt der Auf- lehnung des einzelnen wider die Allgemeinheit zu behandeln, ja ſie ſcheint ſogar ein Schulbeiſpiel für Hebbels Theorie zu ſein, auch mit der an einer edlen Beſtrebung zugrunde gehenden Antigone. Aber dieſer Konflikt und dieſe Heldin ſind darum doch für Sophokles nicht mehr als Motiv, Sujet, Mittel und nicht Beiſpiel für den all⸗ gemeinen Gang der Welt. Und nicht in ſolcher Demonſtration liegt Ziel und Wert ſeines Werkes, ſondern in der rein gefühlsmäßigen Wirkung, in den Erregungen, welche die dichteriſche Geſtaltung dieſes Motivs erreicht!

Wir ſehen alſo, Hebbel hat ſeine Beiſpiele: Sophokles und Sha⸗ keſpeare wahrſcheinlich nicht durchaus einwandfrei aufgefaßt. Und wir haben Grund zu befürchten, daß er im Drama kunſtzerſtörende Zwecke des Demonſtrierens aufweiſen will, ſo ſehr er auch glauben mag, nichts Neues aufzubringen.

Aber auch das iſt nicht einmal wirklich durchweg der Fall. Wenn Hebbel behauptet: „den Widerſpruch im Zentrum ſelbſt“ ſtatt in den Figuren zu finden, die „Dialektik unmittelbar in die Idee ſelbſt“ hineinzuwerfen, das ſei noch nach Shakeſpeare zu tun übrigge⸗

Hebbel und Grillparzer in ihren Theorien 111 blieben; und wir dabei nicht vergeſſen, daß eben dieſes Hineinwerfen der Dilalektik in die Idee, das Aufweiſen des Widerſpruchs im Zen— trum ſelbſt ſtatt in den Individuen, doch nur iſt, was Hebbels oben dargelegte Begriffe von Schuld und Verſöhnung zu wollen ſcheinen, ſo erkennen wir, daß Hebbel entgegen ſeiner Behauptung: ſeine Theo— rie nehme kein Moment auf, welches ſie nicht bei Sophokles und Shakeſpeare finde, doch etwas Neues will. Daß alſo ſein Zurück— weiſen auf Sophokles und Shakeſpeare, ſogar wenn er ſie nicht falſch aufgefaßt hätte, ſein richtiges Meinen nicht verbürgt, weil ſeine Theorie nunmehr zugeſtandenermaßen ſich gar nicht mit jenen decken will. Hebbels hier vorliegenden Widerſpruch weiß ich nicht zu löſen. Es iſt nur zu ſagen, daß tatſächlich Sophokles und Shakeſpeare direkt und ganz Hebbels Konſtruktion auch im Schema nicht genügen, da ſie natürlich nur Einzelſchuld und Einzelnotwendigkeit und nicht Hebbels Allſchuld und Allnotwendigkeit bringen, was Hebbel aber dem Schluß des Zuſchauers überlaſſen zu wollen ſchien, ſei es nun ganz durch Reflexion, oder aus dem Daſein des Chors und ſeinen Betrachtungen. Mir ſcheint, daß das Neue, was Hebbel noch nach Sophokles und Shakeſpeare zu tun finden will, jenes Dritte iſt, worauf ich am Anfang dieſes Kapitels als Gefahr der Hebbel— ſchen „Allſchuld“- und „Allnotwendigkeits“-Theorie hinwies: daß er über die eigentlich dichteriſchen Elemente, Fabel und Charakter, hinausgehn, ſie auf einen metaphyſiſchen tragiſchen „Widerſpruch in der Idee“ beziehen will, und zwar ſo, daß das eigentlich Dichte— riſche im letzten Sinne nicht mehr in ſich ſelbſt ruhen, ſondern De— monſtration ſein würde.

IX. Zeit und Drama.

Wir haben im obigen davon geſprochen, wie jene Auffaſſung, die es erlaubt zu fragen, ob die Poeſie noch Berechtigung habe, wenn die Philoſophie die „Aufgabe“ gelöſt hat, wie jene Auffaſſung der „Aufgabe“ nicht erkennen laſſe, worin die Berechtigung immer neuer philoſophiſcher Syſteme und künſtleriſcher Produktionen liege. Ge⸗ rade nun Hebbels Anſchauung von dem „Verhältnis der dramatiſchen Kunſt zur Zeit“ (aus dem Untertitel des Vorwortes zur Maria Magdalena’) und der hiſtoriſchen Aufgabe des Dramas gibt uns an, worin Hebbel dieſe Berechtigung und Notwendigkeit erblickte und wie er ſie ſich fürs Drama vorſtellte.

Hebbels Auffaſſung des Verhältniſſes von Drama und Geſchichte beruht auf ſeinem Schuldbegriff und dieſer wieder auf ſeiner An- ſchauung, „die Individuen als Glieder der ſittlichen Weltordnung, als Monaden, worin die höchſte Idee ſich geheimnisvoll zu mani— feſtieren ſucht“, zu betrachten. Sonſt, meint er, hätte es keinen Sinn, von Maß und Schuld zu ſprechen. Die gegenüber „einem ſittlichen Zentrum“ angenommene, in der „Maßloſigkeit“ liegende Schuld

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nun ſei die den pofitiven Religionen zugrunde liegende innerfte Be.

Idee, die Erbſünde nur eine chriſtliche Modifikation. Dieſe poſitiven Religionen aber und ihre Ideen ſeien die geheimnisvollſten Quellen des Geſchichtsſtroms. Und ein Drama, das den Strom der Geſchichte bis dahin verfolge, indem es in dialektiſcher Form alle Konſequenzen dieſer Ideen an den zuerſt davon ergriffenen Individuen veranſchau⸗ licht, ein ſolches Drama werde ein „Symbolum der geſamten hiſto⸗ riſchen und geſellſchaftlichen Zuſtände aufſtellen“, die ſich im Laufe der Jahrhunderte daraus entwickeln mußten. Ein ſolches Drama müßte im Verhältnis des Individuellen zum Allgemeinen zugleich das Verhältnis des Welt- und Menſchenzuſtandes zur Idee, d. h. zu dem alles bedingenden ſittlichen Zentrum, veranſchaulichen. Alſo es wäre eben ein Drama mit Hebbels ſchon dargelegten Schuldbegriffen. Und rein dieſe Zurückführung trage die hiſtoriſche Bedeutung des Dramas, indem es jo ein „Symbolum“ wird. Da der Welt- und Menſchenzuſtand aber nicht immer der gleiche iſt, ſoll es Aufgabe des Dramas ſein, von dem jedesmaligen Welt- und Menſchen⸗ zuſtand dies Verhältnis zur Idee, das ewig gleichbleibende, zu ver⸗ anſchaulichen.

Solange alſo der Welt- und Menſchenzuſtand derſelbe bleibt, kann dieſes eigentliche und höchſte Drama nicht mehrmals auftreten, da der jeweilige Zuſtand immer nur einmal die Aufgabe bietet. Dupli⸗ kate ſeien von Überfluß. Nur wenn ein neuer Zuſtand entſteht, wenn in der Geſchichte entſcheidende Kriſen eintreten, nur dann immer ſei dieſes höchſte Drama wieder möglich, „es iſt daher durchaus ein Pro⸗ dukt der Zeit“. Und nun kommt noch eine weitere Beſtimmung hin⸗ zu: es ſei das verbindende Mittelglied zwiſchen einer ſich ſchließen⸗ den Kette von Jahrhunderten und einer neu beginnenden. Von da aus geht Hebbel weiter zu behaupten, die Aufgabe des Dramas ſei, die eingetretenen Kriſen überwinden und den welthiſtoriſchen Prozeß beendigen zu helfen. So alſo erklärt er Berechtigung und Notwendig⸗ keit des Auftretens wenigſtens des „Gipfelpunktes der Kunſt“.

Nicht weil es das Schickſal mit dem Theater der Athener ſo gut gemeint habe, ſeien die griechiſchen Dramatiker aufgetreten, ſondern wegen der damals vor ſich gehenden Kriſe, und das griechiſche Drama habe den durch die bunten Göttergeſtalten des Olympzs ſich hindurch⸗ ziehenden Nerv bloßgelegt, das Fatum. Und eine zweite Kriſe habe das Shakeſpeareſche Drama hervorgerufen, welches ſich am Proteſtan⸗ tismus entwickelt und das Individuum emanzipiert habe. Dieſe bei⸗ den Kriſen wären alſo durch zwei Jahrtauſende getrennt. In der neueren Zeit wird Hebbel auffallend raſcher. Wohl im Hinblick auf die franzöſiſche Revolution ſoll Goethe den Grundſtein zu einem neuen großen Drama gelegt haben, indem er, was nach Shakeſpeare nur noch zu tun übrig geblieben geweſen ſei, die „Dialektik unmittel⸗ bar in die Idee ſelbſt hineingeworfen“ habe, indem er den „Wider⸗

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ſpruch in dem Zentrum ſelbſt aufzuzeigen“, „den Punkt, auf den die gerade wie die krumme Linie zurückzuführen ſchien, in zwei Hälften zu teilen geſucht habe“. Nicht mehr im Individuum liege der Wider— ſpruch, ſondern in der Idee, auf die es bezogen wird. Daraus folgt z. B. wohl die Zeichnung einſeitiger, geradliniger, in ſich ſelbſt nicht Zwieſpalt tragender Charaktere. Was auf Goethe nicht zutrifft. Ferner haben wir ſchon bemerkt, daß man bei dem, was da neu zu tun geblieben ſein ſoll, höchſtwahrſcheinlich nur noch an Demon— ſtration zu denken habe. Nachdem darum Goethe mit ſolchen zu demonſtrierenden Ideen belaſtet wird, muß ſich herausſtellen, daß ſeine Produktionen, trotz des zugeſtandenen „unermeßlichen Wertes“ große innere Fehler tragen, und „man kaum ſagen könne“, daß Goe— the den erſten Schritt auf dem neuen Weg getan hat. Goethe näm— lich ſei in dieſer Beziehung geſtrandet, weil er ſich nicht „in gläubi— gem Vertrauen an die Geſchichte hingeben“ konnte. Und nun öffnet ſich offenbar die Bahn für Hebbel ſelbſt, der alſo nicht zu befürchten braucht, Duplikate zu erzeugen, der das oben gekennzeichnete, in die Idee den Widerſpruch verlegende, für den hiſtoriſchen Verlauf ſym— boliſche Drama will und wohl „der alles umfaſſende Geiſt“ iſt, der ja erſt das „höchſte Drama“ ſchaffen kann. Und was die „Kriſe“ an⸗ belangt, ſo habe ſie ſich ſeit Goethe nur verſchärft. Alſo Gelegenheit genug. (Vorwort zur Maria Magdalena’.)

Hebbel erklärt alſo das Auftreten des Dramas aus der Zeit, er glaubt, „die großen Taten der Kunſt ſeien noch ſeltener als die übrigen, aus dem einfachen Grunde, weil ſie eben erſt aus dieſen reſultieren“. Eine Auffaſſung, die Grillparzer bei Gervinus ſieht, der das Auftreten dichteriſcher Genies aus dem Gang der Geſchichte erklären wolle, und die Grillparzer mit dem höchſten Widerwillen als borniert materialiſtiſch zurückweiſt. Und gerade zu der Behaup⸗ tung bei Gervinus, die franzöſiſche Revolution habe den großen Ein- fluß hervorgebracht, bemerkt Grillparzer: Goethe habe vorher ſchon die bedeutendſten Werke geſchaffen (18, 12). Hebbel aber iſt durch die Aufgabe, die er dem Drama zuweiſt, auf ſolche Auffaſſung hin⸗ geleitet.

Veoon dieſer hiſtoriſchen Aufgabe wieder, der Zeit Kriſen über- winden zu helfen, wie die Griechen durch die Geſtaltung des Fatums, Shakeſpeare durch die Emanzipation des Individuums es getan ha⸗ ben ſollen, von dieſer Aufgabe könnte man ſo leicht glauben, ſie be⸗ ſtehe i in Geſtaltung der Zeitideen. Hebbel ſchreibt aber in einem Auf⸗ ſatz Über Literatur und Kunſt' (1840): er müſſe es rügen, „daß die Zeit jetzt ſonderbarerweiſe die Geſtaltung dieſer [ihrer]! Ideen von der Kunſt, ſtatt wie ſonſt, vom Leben verlangt“. Vielleicht wollte aber Hebbel damit nur ausdrücken, was er ſpäter ſo ſagt: die Poeſie iſt und war von jeher Spiegel des Jahrhunderts und der Bewegung im allgemeinen, nicht aber Spiegel des Tages und der Stunde (Vor-

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wort zur Maria Magdalena’). Alſo vielleicht nicht beſchränkte Zeit⸗ ideen, wohl aber das in der Form der Zeit auftretende Weſentliche, jenes ſchon gekennzeichnete „Verhältnis zur Idee“, ſoll der Weg ſein, auf dem das Drama ſeine hiſtoriſche Aufgabe erfülle.

Von ſeinem ganz anderen Standpunkt aus ſchreibt Grillparzer ähnlich: der Dichter ſtehe natürlich unter dem Einfluſſe ſeiner Zeit und werde ſo die Natur durch ihr Medium ſehen; nicht aber das Medium, ſondern die Auffaſſung der Natur ſelbſt bleibe die Haupt- ſache (16, 31). Nur daß Grillparzer von „Natur“ ſpricht und nicht von „Verhältnis zur Idee“ und nicht an eine „hiſtoriſche Aufgabe des Dramas“ denkt. Ahnlich klingt es ja auch in jenem frühen Auf- ſatz Hebbels Über Literatur und Kunſt': „Die Zeit prägt jedem ihrer Erzeugniſſe ihr Monogramm auf. . . Aber eben weil dies immer ge⸗ ſchieht, braucht es nicht förmlich zum Zweck erhoben zu werden.“

Doch ſtellt ſich nur der große Zug in Hebbels Theorie ſo dar. Klarer können wir erſt ſehen, wenn wir betrachten, wie ſich Hebbel die Sache des näheren denkt, und das lehren Stellen wie folgende aus der Abfertigung eines äſthetiſchen Kannegießers' (1851):

„(Schmidt) meint, wir lernten in dem Stück (Trauerſpiel in Sizilien’) nicht „die ſittliche Grundlage der Zeit“, ſondern nur einzelne unſittliche Menſchen kennen. Nun, wodurch ſollen wir die ſittliche Grundlage der Zeit kennen lernen, als durch einzelne unſittliche Menſchen ... verlangt Herr Schmidt, daß die geſamte Einwohnerſchaft Siziliens im Stück auftreten ſolle? Oder ſoll er, wenn er der Kunſt auch im Allgemeinen die Notwendigkeit der Abbreviatur zugibt, wie er wohl muß, etwa die Richtigkeit meiner Abbreviatur anfechten? Das dürfte nicht glücken, denn Familie und Staat repräſentieren Volk und Land, und Familie und Staat ſind im Trauerſpiel von Sizilien repräſentiert!“

Hebbel will alſo wirklich über die Zeit etwas ausſagen, eine Er⸗ kenntnis bringen. Man ſoll in ſeinem Stück die ſittliche Grundlage der Zeit kennenlernen. Nicht ſoll man ſeine Menſchen als Schöpfun⸗ gen der Phantaſie, auch nicht als Einzelfälle nehmen. Nein, ſie ſind Repräſentanten, Beiſpiele. Nun kann man dann allerdings nach dem Beweis fragen: was eigentlich zwinge, dieſe Figürchen als wirklichen Ausdruck des allgemeinen Zuſtandes anzuerkennen? Sollte für Er- kenntnis der Wirklichkeit nicht eine gute Statiſtik und überhaupt ſo⸗ ziale und wiſſenſchaftliche Forſchung vertrauenswürdiger und verläß- licher ſein? Darauf antwortet Hebbels Hinweis auf die Notwendig— keit der Abbreviatur in der Kunſt ganz unbefriedigend. Eben aus dieſer Notwendigkeit ergibt ſich, daß die Kunſt nicht nur ſolche Auf- gaben zu niedrig findet, ſondern ſie überhaupt nicht erfüllen kann.

Hebbels Drama will, wenn ſein letztes Ziel Zeichnung des Ver⸗ hältniſſes des Welt⸗ und Menſchenzuſtandes zur Idee iſt, dieſen vorhandenen Menſchenzuſtand ſelbſt wirklich, der Tat⸗ ſächlichkeit gemäß, kennen lehren, will nicht nur, wie die Aufſtellung jenes letzten Ziels noch immer als Möglichkeit offen ließe, in ſeiner Totalität eine „ewige Wahrheit“ faſſen, ſondern, offenbar

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um dieſer Aufgabe zu genügen, ſchon in den Einzelhei— ten wahr“ ſein, jo daß Hebbel darüber ſtreiten kann, ob feine Figuren wirklich der Zeit entſprechen. Während alſo Hebbels Be— hauptung, daß das Drama jenes ewige Verhältnis zur Idee zu zeich— nen habe, auch wegen der im letzten darin liegenden Myſtik, nicht unbedingt und ſicher erkennen läßt, in welche Abgründe die Kunſt dadurch treiben würde, ſo muß uns hier, wo wir ſehen, wie Hebbel ſich ſeine Theorie konkreter geſtaltet denkt, klar werden, wie ſehr das alles die ſouveräne Kunſt von ihrem einzigen Ziel: der erhebenden und befreienden Wirkung auf einen Irrweg des Demonſtrierens ab— lenken würde. X. Das hiſtoriſche Drama.

Da Hebbel das Hiſtoriſche im Drama eben in der Zeichnung jenes „Verhältniſſes des Weltzuſtandes zur Idee“ ſieht, iſt ihm das Drama „ohne jede ſpezielle Tendenz“ ſchon hiſtoriſch, und die Kunſt ſchon an und für ſich die „höchſte Geſchichtſchreibung“ (Vorwort zur Maria Magdalena’). Sie „wird der Nachwelt den allgemeinen Gehalt der Geſchichte in der Schale der ſpeziellen Perioden überliefern, deren Spitze ſie in ihren verſchiedenen Gliederungen bildet“. „Der wahre hiſtoriſche Charakter des Dramas liegt niemals im Stoffe“ (Vorwort zur Maria Magdalena’). Auch bei dem im engeren Sinne, dem Stoffe nach, hiſtoriſchen Drama bleibe die Geſchichte „für den Dich— ter ein Vehikel zur Verkörperung ſeiner Anſchauungen und Ideen“, und nicht ſei „umgekehrt der Dichter der Auferſtehungsengel der Ge- ſchichte“. Der Dichter ſoll uns „die neroniſchen Menſchenfackeln frü— herer Jahrhunderte, die ein grauſamer Blitz des Schickſals in Brand ſteckte, vorführen nur wegen des düſterroten Lichts, womit ſie ein Labyrinth, in das ſich auch unſer Fuß hineinverirren könnte, erhell— ten“ (Vorwort zur Judith'). Dies letzte Zitat zeigt ſchon, daß es ſich im eigentlich (auch ſtofflich) hiſtoriſchen Drama doch nicht nur darum handeln ſoll, ſich ſelbſt darzuſtellen, auch nicht das Verhält⸗ nis des Welt⸗ und Menſchenzuſtandes, wie er zur Zeit des Dichters beſteht, zur Idee, ſondern doch das Verhältnis eines vergangenen Zuſtandes, ſo weit er uns über unſeren eigenen aufklärt. Und Hebbel ſagt: die Kunſt könne „die großartigſten und bedeutendſten Lebens⸗ prozeſſe gar nicht darſtellen, ohne die entſcheidenden hiſtoriſchen Kri- ſen, welche ſie hervorrufen und bedingen, die Auflockerung oder die allmähliche Verdichtung der religiöſen und politiſchen Formen der Welt, als der Hauptleiter und Träger aller Bildung, mit einem 10 1 0 die Atmoſphäre der Zeiten zugleich mit zur Anſchauung zu

ringen“.

Da iſt alſo die Kriſe jener hiſtoriſchen Zeit darzuſtellen, wenn auch ſonſt „hiſtoriſche Treue“ nicht nötig iſt. Und Hebbel bindet Kunſt und Geſchichtsverlauf inſofern ſehr eng, ols er für fein „ſymboliſches Drama“ „an eine großartige Darſtellung der wenigen Charaktere, die

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die Jahrhunderte, ja die Jahrtauſende, als organiſche Übergangs- punkte vermitteln“, offenbar nur denkt, weil das die Kriſe jeiner Zeit überwinden helfende Drama ſelbſt hiſtoriſche Kriſen darzuſtellen hat.

Vielleicht eben das verleitet Hebbel, alles bedeutſame hiſtoriſche Geſchehen auf die wenigen „Kriſen“ zu beziehen, die er im Geſchichts⸗ verlauf annimmt. Und, was uns erſt intereſſiert, das, was ihm der Gang der Geſchichte zu ſein ſcheint, die Motive, die er darin findet, die Abſichten des Weltgeiſtes, ſcheint er im Drama offenbart ſehen zu wollen. Das läßt eine Tagebuchſtelle aus der Zeit der Judith' vermuten, wo an der Jungfrau von Orleans' gerügt wird: der nig ſei zu erbärmlich, als daß die Taten der Heldin, obwohl im Hin⸗ tergrunde auf ganz Frankreich bezogen, doch ſichtbarlich und zunächſt für ihn geſchehen könnten, und Hebbel fährt fort: „Daß Frankreich beſtehen bleiben, daß Gott ein Wunder tun mußte, um dies zu ver⸗ anlaſſen: dies war nötig, weil von Frankreich die Revolution ausgehen ſollte.“

Schiller hätte wohl ſo tiefer motivieren ſollen? Das wäre jene verhängnisvolle „Wiſſenſchaftlichkeit“, die die aufs Ewige, Abſolute zielende Kunſt leicht auf den Sand fraglicher Relativitäten baut, wo ſie noch vor ihnen zuſammenſtürzt. Selbſt wenn Schiller für das Wunderbare ſeiner Tragödie einer Motivierung bedürfte, ſo doch nur einer innerhalb der Handlung und durch Anſchauung, nicht einer ſo außerhalb liegenden, rein verſtandesmäßigen, grotesk dogmatiſchen, einer für (hegelianiſche) Glaubensgenoſſen. Hebbel denkt offenbar gar nicht an die künſtleriſche Frage, die ſich auf Dichtung bezieht, ſondern an die metaphyſiſche, die ſich auf Tatſachen bezieht. Aber es iſt nicht gut vorſtellbar, wie Hebbel es ſich eigentlich dachte, daß ſeine An⸗ ſicht, welche die Jungfrau von Orleans mit der großen Revolution, jener „entſcheidenden Kriſe“ in Verbindung ſetzt, im Drama Platz haben ſollte, wenn wir auch gehört haben, daß Hebbel ein ſolches Drama denkt, das, auf die Quellen des Geſchichtsſtroms zurück⸗ führend, für die nachfolgenden hiſtoriſchen Zuſtände ein Symbo⸗ lum wird aus welcher Anſchauung heraus er wohl Schiller kri⸗ tiſiert. |

Eine Tagebuchſtelle von 1837 kann vielleicht noch etwas klären: „Ein Drama, welches Napoleon zum Gegenſtand hat, muß ſich ge⸗ wiſſermaßen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zugleich zur Aufgabe ſetzen, muß ihn durch die Vergangenheit motivieren und die Zukunft durch ihn.“ Zu dem obigen Zitat dies hinzugebracht, würde fich die Sache wohl jo darſtellen: die Taten der Jungfrau ſollen nicht direkt aus der Zukunft motiviert werden, nichtsdeſtoweniger aber ſoll man im Drama irgendwie ſpüren, daß die zukünftige Revolution in dieſen ihren Taten gegründet iſt, und ſo einſehen, „daß Gott ein Wunder tun mußte“ alſo doch indirekt eine rückläufige, „meta⸗ phyſiſche“ Motivierung!

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Hebbel und Grillparzer in ihren Theorien 117

Es genüge uns immer wieder, den Finger auf den wunden Punkt

zu legen, und hypothetiſch zu ſagen: Wenn Hebbel wirklich im Drama

feine Anfichten abſtrakt erkennen laſſen würde, jo könnte dies Drama kein vollkommen dichteriſches und aufs letzte Ziel ſich richtendes ſein, das ja über alle ſolche Anſichten hinweggehen muß!

Obenhin genommen bringt Hebbel in ſeiner Theorie über das hiſtoriſche Drama vieles vor, was mit Grillparzer ungefähr zuſam⸗ mentrifft, welcher jagt: „. .. was iſt denn die Geſchichte anders als die Art, wie der Geiſt des Menſchen dieſe ihm undurchdringlichen Begebenheiten aufnimmt; das, weiß Gott ob, Zuſammengehörige verbindet; das Unverſtändliche durch etwas Verſtändliches erſetzt, ſeine Begriffe von Zweckmäßigkeit nach außen einem Ganzen unter⸗ ſchiebt, das wohl nur eine nach innen kennt; Abſicht findet, wo keine war, Plan, wo an kein Vorausſehen zu denken, und wieder Zufall, wo tauſend kleine Urſachen wirkten . ..“ Hebbel ſchreibt: „Dann wird man aufhören, mit beſchränktem Sinn nach einer gemeinen Identität zwiſchen Kunſt und Geſchichte zu forſchen und gegebene und verarbeitete Situationen und Charaktere ängſtlich miteinander zu vergleichen, denn man hat einſehen gelernt, daß dabei ja doch nur die faſt gleichgültige Ubereinſtimmung zwiſchen dem erſten und zwei⸗ ten Porträt, nicht aber die zwiſchen Bild und Wahrheit überhaupt herausgebracht werden kann“; das Drama ſei nicht nur in ſeiner Totalität, ſondern ſchon in allen Elementen ſymboliſch.

Beide Dichter ſtimmen alſo darin überein, in der Geſchichte nur eine menſchliche Auffaſſung zu ſehen, und Hebbel folgert, daß das hiſtoriſche Drama dann nicht an die Geſchichte ſtreng gebunden iſt, weil es ja nicht gelten kann, einer Auffaſſung zu entſprechen. Überdies ſei das Drama ſymboliſch etwa die überlegung: die Bühne iſt nicht das Leben und muß darum auch ganz anders verfahren, „wie der Maler die roten Wangen ſeiner Geſichter nicht mit Blut, ſondern mit Zinnober malt“.

Das würde man alſo im ganzen ſo auffaſſen können, daß Hebbel wohl das hiſtoriſche Drama ſich nach der hiſtoriſchen Wahrheit richten laſſen will, daß er aber der Geſchichtswiſſenſchaft nicht das Beſitz⸗ monopol dafür einräumen will und ferner die Nachahmung im anderen Stoff betont alſo doch die Feſtſtellung der Wahrheit und die Nachahmung ſelbſt als Ziel des Dramas gelten läßt. Nun können wir zwar über dieſe Stelle hinaus nach dem Obigen hinzu⸗ fügen, daß dieſe Feſtſtellung der hiſtoriſchen Wahrheit und Nach⸗ ahmung überhaupt nicht nur Einzelheiten treffen will, ſondern die Grundidee. Nichtdeſtoweniger aber bleibt es Feſtſtellung und Nach⸗ ahmung, Demonſtration.

Und da liegt der Unterſchied von Grillparzer, der die Unzuläng⸗ lichkeit der Geſchichte dartut, um überhaupt zu zeigen, daß man aus ihr das Walten des Weltgeiſtes nicht erfahren könne, daß der als darin

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liegend behauptete Vorzug des hiſtoriſchen Dramas ſomit ganz weg⸗ falle, ſogar wenn er einer wäre, und es völlig gleichgültig ſei, ob ein Drama eines mit hiſtoriſchem oder mit erfundenem Stoffe iſt.

Das ergibt ſich uns ſchon daraus, daß wir einſehen, wie es nur auf künſtleriſche Geſichtspunkte, das ſind die der Wirkung, an⸗ kommt. Jedes Ziel, das nicht rein auf dieſer Wirkung beruht, bei aller Myſtik ſchließlich doch nur verſtandesmäßig erreichbare Er- kenntniſſe vorſchreibt, muß das Kunſtwerk zerſtören.

So ſchreibt denn auch Grillparzer in ſeiner Selbſtbiographie: „Zu

meinem Troſte konnte ich mir übrigens ſagen, daß mein Stoff wenig⸗ ſtens jenes Erfordernis habe, das eine hiſtoriſche Tragödie allein zu⸗ läſſig macht, daß nämlich die hiſtoriſch oder ſagenhaft beglaubigten Begebenheiten imſtande wären, eine gleiche Gemütswirkung hervor⸗ zubringen, als ob ſie eigens zu dieſem Zwecke erfunden wären.“ Klarer konnte das nicht geſagt werden.

XI. Kauſalität und Zufall.

Wir haben zu zeigen verſucht, wie Hebbel aus ſeiner allgemeinen metaphyſiſchen Auffaſſung heraus im Drama eine Allnotwendigkeit zu verlangen jcheint, haben weiter geſehen, daß er ſich deren Er⸗ kenntnis möglicherweiſe nur durch Reflexion aus dem Drama ge⸗ zogen denkt (Antigone'), haben aber dann geſehen, wie er im hiſto⸗ riſchen Drama (Jungfrau von Orleans') zu wünſchen ſcheint, daß die Notwendigkeit der Ereigniſſe nicht nur eine im beſonderen Falle ſei, aus der nachher die allgemeine Notwendigkeit reflektiert werden

kann, ſondern er ſchien uns zu verlangen, daß der Dichter geradezu

mit den „Abſichten des Weltgeiſtes“ motiviere. Welcher Widerſpruch nun auch darin liegen möge, uns war nur intereſſant, daß in beiden Fällen das Drama nicht nur auf ſein Ziel der Gefühlswirkung, ſondern auf die Enthüllung irgendwelcher Teilwahrheiten gerichtet wird.

Nun ſpricht ſich aber auch Grillparzer über den Gang der Motivie⸗ rung im Drama verſchiedentlich aus. Und wenn ich oben ſage, Grill⸗ parzer betrachte das Drama mehr von dem Standpunkte, daß es Mittel ſei zu gewiſſen Wirkungen, ſo ſcheint das, was ich jetzt von ſeinen Anmerkungen vorführen will, nicht immer konſequent. Auch Grillparzer ſcheint ſtellenweiſe einer objektiven Betrachtung zu hul⸗ digen. Während er die groben Unwahrſcheinlichkeiten ſpaniſcher Dramatiker, die „im Spiel eben nichts als Spiel ſehen“, als zu einer durchaus poetiſchen Auffaſſung gehörend bezeichnet, betont er anderer⸗ ſeits gerade: die Tragödie habe kein höheres Geſetz als ſtrenge Kau⸗ ſalität. Die Wirklichkeit zwinge. Die Häuſer in meiner Straße ab⸗ zuleugnen, falle mir nicht ein. Wenn mir aber jemand erzähle, er habe ein Schiff in der Luft fahren ſehen, ſo werde ich es erſt dann glauben, wenn ich es durch Urſache und Wirkung vermittelt in den

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Kreis meiner Überzeugung aufnehmen kann. Kauſalität zwinge den Geiſt, wie das Wirkliche die Sinne. Daher verweigere auch das Drama dem Zufall ſein Spiel (15, 75).

Man könnte alſo, ſcheint's, ſich die Sache fo denken: In der Wirf- lichkeit beſteht zwar ſtrenge Kauſalität, aber wir können fie nicht im- mer nachweiſen: trotzdem glauben wir der Wirklichkeit ohne weiteres. Nicht ſo dem Drama. Deshalb muß dieſes die Kauſalität immer nachweiſen. Und das wäre gewiß eine falſche Theorie, die ſich be— mühte, dem Drama den Schein der Wirklichkeit zu geben nicht nur, wie Grillparzer merkwürdigerweiſe meint, den der Gegenwart alſo etwas, was Grillparzer ſelbſt ſtreng abweiſt. Gerade an der hier herangezogenen Stelle ſagt er: „Eine unabweisbar zwingende Täu— ſchung würde alle Kunſt von vornherein aufheben“ (15, 75). In einer anderen Notiz verweiſt er das Häßliche von der Bühne, „weil es durch ſeine, ich möchte ſagen: phyſiſche Wirkung auf die Nerven ſich als ein Wirkliches darſtellt“. „Selbſt das Tragiſche müßte von der Bühne verbannt bleiben,“ meint er, „wenn nicht das Be— wußtſein, daß es erdichtet ſei, es immer begleiten könnte“ (15, 90). Aber Grillparzer ſagt: der Zuſchauer müſſe das Geſetz der Kauſalität fühlen, wenn er es auch nicht nachweiſen kann (18, 188). Alſo auch der Dichter ſoll gar nicht nachweiſen. Aber wie zwingt er? Durchs Gefühl! ſagt Grillparzer. Und das iſt eben der Schwerthieb durch den gordiſchen Knoten. Denn abgeſehen davon, daß der Dichter mit ſeinem kauſalen Nachweis ins Unendliche kommen müßte, würde dieſer uns abſolut nicht intereſſieren; denn welches Intereſſe haben für uns an und für ſich die Verknüpfungen von irgendwelchen Tat— ſachen, die ſich auf irgendwelche Schemen beziehen? Das erſte Er— fordernis iſt, daß wir, wie man ſich ausdrückt, das Leben glauben, daß die dichteriſchen Figuren vor uns mit Atmoſphäre und in unend- licher Belebung erſcheinen, jo erſcheinen, daß wir uns für fie inter- eſſieren. Und dies dichteriſche Beleben, das unzertrennbar mit dem Intereſſeerregen iſt, bedeutet ſchon ein Schreiten auf dem Weg dichte— riſcher Abſtraktionen, die ja nur um des Zieles willen ſind. Eine Figur wird ſcheinbar entwickelt, aber aus lauter erregenden Punkten. Jene erforderliche Fülle den „Glauben“ erzwingender Züge zielt ſchon. Das iſt alſo gar nicht das Leben der Wirklichkeit, wo es auf unſer Intereſſe natürlich nicht ankommt. Wir befinden uns hier in einem Zweckgebäude. Nicht Urſache und Wirkung Ziel und Mittel ſind die Zauberworte hier. Aber wenn wir uns nun auch rein im Schema über die Verknüpfungen der Handlung im Drama unter- halten wollten, würden wir die Frage Kauſalität und Zufall viel komplizierter finden.

Auch das, was wir gewöhnlich Zufall nennen, kann im Drama von logiſcher und notwendiger Bedeutung fein, da die Logik des Dra- mas oder überhaupt der Dichtung ſich nur auf das in der Wirkung

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liegende Ziel richtet. Und jo kommt es nur darauf an, wie der „Zu⸗ fall“ verwendet wird. Alles, was dichteriſch zum Ziel führt, hat „Kauſalität“. Es hat überzeugt. Es war innerhalb der vorausgeſetz⸗ ten Abſtraktionen, hat ſie nicht durchbrochen, war kein „Zufall“. Was in der Wirklichkeit zufällig iſt, kann im Drama logiſch ſein und um⸗ gekehrt. Dieſe ganze „Wahrſcheinlichkeitstheorie“ ſpricht von Dingen, die das Drama und die Kunſt überhaupt nichts angehen.

Aber es gibt eine Geſetzmäßigkeit im Kunſtwerk. Die Richtſchnur

iſt nur die Logik des dichteriſcheu Gefühls, die ſich aus dem Ziel der erhebenden und befreienden Gefühlswirkung herſchreibt und auch ſtrenge, aber von der Wirklichkeit unterſchiedene Geſetze diktiert. Und das meint Grillparzer! Man kann das am beſten gerade aus dem ſchon gekennzeichneten Widerſpruch erkennen, der ſich auch in dieſer Form wiederholt: daß Grillparzer, der einerſeits behauptet, der Wirk⸗ lichkeit müſſe man glauben, die Dichtkunſt aber müſſe „durch Urſache und Wirkung vermittelt“ den Geiſt zwingen, andererſeits gerade gegenüber den „Ideologien der Zeit“ unermüdlich auf die Natur ver⸗ weiſt und ſagt: die Wiſſenſchaft überzeuge durch Gründe, die Kunſt aber ſolle durch ihr Daſein überzeugen, wie die Natur, wie die Wirk⸗ lichkeit (15, 29. 61). Der Widerſpruch löſt ſich nur ſo, daß Grill⸗

parzer im erſten Falle die Kunſt von der Wirklichkeit unterſcheiden,

im zweiten ſie gegenüber dem Denken charakteriſieren will: Wie die Natur braucht die Kunſt nicht zu begründen, nämlich verſtandes⸗ mäßig, nicht wie die Natur muß die Kunſt überzeugen, näm⸗ lich gefühlsmäßig.

XII. Die Ideologie.

Dieſes gefühlsmäßig Überzeugende jedoch läßt ſich auch durch das beſte Schema einer logiſch verknüpften Handlung nicht entfernt garan⸗ tieren, iſt aus ihm noch durch nichts beſtimmt, ſondern gerade jenes Gefühlsmäßige hat auf das Schema beſtimmend einzuwirken. Und ſo ſehen wir immer wieder, daß die Kunſtbetrachtung einen verſtan⸗ desmäßig⸗theoretiſch nicht auseinanderzulegenden und nur immer an Beiſpielen zu verdeutlichenden Hauptfaktor niemals außer acht laſſen darf. Und nur mit denen, die dieſen Hauptfaktor ſehen, läßt ſich über Kunſt reden. Es iſt geradezu auch eine der Aufgaben ehr⸗ licher Kunſtbetrachtung, jener Art von Aſthetik und literariſcher Kri⸗ tik entgegenzutreten, die, blind für dieſen Hauptfaktor, gegenſtands⸗ loſe Begriffe bildet, in ihnen gegenſtandsloſe Probleme entwickelt, welche ſie mit gegenſtandsloſen Definitionen löſt. Ob dieſe Ideolo⸗ gie einen Dichter bejaht oder verneint, iſt in gleicher Weiſe nichts⸗ ſagend. Ja, man darf vielleicht ſagen, ſie kompromittiert ihn, wenn fie ihn lobt. Denn dann hat fie vielleicht ihre Ideologie in ihm wie⸗ dererkannt, und das iſt gewiß ein Todesurteil. Dieſe Ideologie pocht auf ihre, konkrete Wiſſenſchaftlichkeit“. Aber was iſt denn das Wiſſen⸗

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ſchaftliche? Das Wiſſenſchaftliche handelt vom allgemein Begreif- lichen und Erlernbaren. An einem Muſikſtück iſt begreiflich und er⸗ lernbar, daß da Töne ſind, und welche, und in welcher Folge, aber daß die Töne in dieſer Zuſammenſetzung uns aufwühlen, Gefühle, Stimmungen, Vorſtellungen, Gedanken erregen, in einer ganz be— ſonderen Weiſe, das iſt nicht jedem zugänglich, nicht jedem begreif— lich und nicht erlernbar, ſondern das muß man erleben und dazu muß man eine eigene Begabung, die Organe mitbringen. Eine wij- ſenſchaftliche Betrachtung wird ſich alſo mit allem Außeren nur be— ſchäftigen können, nicht mit dem, was eigentlich der Kernpunkt, das Angeſtrebte iſt: die erhebende Erregung durchs Gemüt. Entſprechend kann ungefähr jeder aus einem Drama, einem Roman die Inhalts- angabe davontragen. Wir wiſſen aber, daß bei demſelben Inhalts— ſchema verſchiedene Dichtungen ganz verſchieden wirken können, die eine vielleicht tief erſchüttert, die andere ganz kalt läßt. Und ſicher⸗ lich nicht die gleiche Inhaltsangabe, ſondern die grundverſchiedene Wirkung wird das Weſentliche und Entſcheidende für eine Betrach— tung der Werke ſein. Um dieſe Wirkung aber zu ſpüren, dazu gehört etwas Unerlernbares, die Organe ſich von poetiſchen Vorſtellungen erregen und ſteigern zu laſſen. Die wiſſenſchaftliche Betrachtung be— zieht ſich darum, wenn ſie konſequent iſt, auf Inhaltsangaben. Will ſie nun weiter gehen, ſo drückt ſie aus ihnen „Ideen“ und Klaſſifi⸗ kationen heraus, und aus dieſen Ideen und Klaſſifikationen ſtellt ſie, wenn nötig, auch Urteile zuſammen. Und hat ſo in Wirklichkeit kein Wort von der Dichtung geſprochen. In dieſer Weiſe verfährt nun tatſächlich auch unſere Ideologie, ſo daß man ihren Erörterungen völlig folgen kann, wenn man die Werke nicht geleſen, ſondern nur ihre Inhaltsangabe gehört hat.

XIII. Hebbel gegen die Ideologie.

a) „Das Schaffen aus der Idee.“ Dieſer Ideologie ſcheint Hebbel ganz vorzüglich zu gefallen. Sie kann ſich, als „ideal“ ge⸗ richtet, „keinen großen Dichter denken, der nicht Philoſoph ſei“. Sie braucht das, weil ſie glaubt, der Dichter geſtalte aus ſeiner „Welt⸗ anſchauung“ und damit meint ſie etwas Begriffliches während wir ja ſahen, wie der Dichter nicht aus, ſondern zu einer Weltan⸗ ſchauung geſtaltet, die er eben nicht begrifflich, ſondern dichteriſch erlangt. Die Ideologie iſt daher erfreut, bei Hebbel ein ganzes be— griffliches Syſtem einer Weltanſchauung in ſeinen Theorien zu fin⸗ den. Hier ſcheint ihr ganz beſonders deutlich zu verfolgen möglich, 7 der Dichter ſeine „Weltanſchauung hat“ und ſie in Werke um⸗ ſetzt.

Aber, und das iſt's, wovon wir hier reden müſſen, Hebbel ſelbſt hat in ſeinen gelegentlichen kritiſchen und äſthetiſchen Artikeln und auch an jo manchen Stellen in feinen größeren theoretiſchen Ar-

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beiten genug Derartiges geſagt, was ihn vor der kompromittierenden Bruderſchaft dieſer Ideologie ſchützen darf.

Eben jener Behauptung: der Dichter müſſe aus der Weltanſchau⸗ ung oder aus der Idee heraus ſchaffen, tritt Hebbel an manchen Stellen deutlich genug entgegen. Er klagt darüber, daß ſogar ein- ſichtige Männer ſich das Schaffen als ein, wenn auch „veredeltes“ Machen vorſtellen; der Dichter könne nicht willkürlich ſeine Stoffe wählen, das empfangende Stadium ſei tief unter der Grenze des Be— wußtſeins, gehe oft in die fernſte Kindheit zurück (wie ja auch Grill- parzer ſchreibt: man merke ſeinen Dramen an, daß er ſich in der Ju⸗ gend an Geiſter- und Feenſtücken des Leopoldſtädter Theaters ergötzt habe) und wenn man überhaupt von einem Vor und Nach im Schaf⸗ fensprozeß reden könne, ſo werden dem Dichter (wer ſich für einen hält, möge ſich darnach prüfen! bemerkt Hebbel) jedenfalls eher die Geſtalten bewußt als die Idee oder vielmehr ihr Verhältnis zur Idee (Vorwort zur Maria Magdalena’).

Die Stelle zeigt jedenfalls ſo viel, daß er „ein Schaffen aus der Idee, der Weltanſchauung“ als undichteriſch zurückweiſt. Ob aller⸗ dings nicht nachträglich doch etwas Verſtandesmäßiges ins Dichten hineinkommen darf, läßt dieſe Stelle nicht mit Sicherheit verneinen. Schon eher ließe ſich das aus einer anderen Außerung Hebbels ſchlie⸗ ßen, wo er ſich auf die eben gebrachte Stelle bezieht: „Ich ſage in der Vorrede zur Maria Magdalena’: Das Drama ſoll den jedes⸗ maligen Welt- und Menſchenzuſtand in ſeinem Verhältnis zur Idee, d. h. hier zu dem alles bedingenden ſittlichen Zentrum des Weltorga— nismus veranſchaulichen und alſo im höchſten Sinne Geſchichtsſchrei⸗ bung ſein. Dabei wird ausdrücklich gegen die tendenziöſe Auffaſſung meines Gedankenganges Verwahrung eingelegt und der Dichtungs⸗ prozeß auf eine Weiſe beleuchtet, die gar keinen Zweifel übriglaſſen kann, daß es mir nicht von fern in den Sinn kam, ein Adjektiv, das die reinſte Erſcheinung der Gattung charakteriſiert, in einen Im⸗ perativ für den hervorbringenden Künſtler zu verwandeln, der eines ſolchen nach meiner eigenen Darſtellung nicht bedarf, weil die Schöpfung unbewußt und unwillkürlich in ihm vor ſich geht und er nur Organ iſt“ (Abfertigung eines äſthe⸗ tiſchen Kannegießers'). Scheint uns alſo auch Hebbel das Drama als eine Demonſtration letzthin aufzufaſſen, ſo will er doch keinesfalls den Dichter in ſolcher Abſicht ſchaffen laſſen.

Die Ideologie aber, die den Dichter von der „Idee“ ausgehen läßt, behauptet, aus dem „Vor“ der „Weltanſchauung“ das „Nach“ der „Form“ entwickeln zu können, d. h. ſie glaubt das Rätſel des künſtleriſchen Schaffens löſen zu können. Ja, ſie vermißt ſich ſogar, aus der „Weltanſchauung“ und dem „Stoff“, in dem formuliert wer⸗ den ſoll, bis aufs Versmaß genau, „mit wiſſenſchaftlicher Schärfe“ nachzuweiſen, warum dieſe und keine andere Form gewählt wurde.

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Eine Logik der Form beſteht, aber ſie fließt nicht aus einer Verſchie— denheit der „Weltanſchauung“, ſondern etwa aus einer pſychiſchen Verſchiedenheit, die verſchiedene Wege zum gleichen Ziel bedingt.

Dieſe Logik iſt alſo eine aus organiſcher Bedingung, nicht eine verſtandes mäßiger Berechnung. Wir können dieſe Lo— gik angepaßter Abſtraktionen nur nachfühlen, nicht aber etwa er— füllen. Und Hebbel ſagt, glaube ich, einmal: jo wenig er Schiller weiter leben könne, ſo wenig auch könne er deſſen Demetrius' weiter dichten! Mit jenen Irrungen, die nur ganz konſequenterweiſe aus der Anſicht eines „Schaffens aus der Idee“ folgen, hat Hebbel alſo nichts gemein.

b) Das Begriffliche. Hebbel ſagt, daß die abſtrakten Stellen im Kunſtwerk ſolche ſind, wo entweder der Geiſt des Ganzen nicht zur Form durchdrang, oder wo eine der Form nicht bedürftige Kopula herzuſtellen war, d. h. alſo die ſchwächſten oder unbedeutendſten Stellen; und er ſagt mit Spott: wenn die nur an Begriffe Gewöhnten im Kunſtwerk auf einzelne Partien ſtoßen, die (ſollten's unter einem Gemälde auch nur die Unterſchriften des Regiſtrators ſein) in der ihnen allein geläufigen Ausdrucksweiſe des Gedankens und der Re— flexion abgefaßt ſind, ſie dies nun für die Hauptſache hielten (Vor⸗ wort zur Maria Magdalena’). Das iſt allerdings die treffende Cha— rakteriſtik der Ideologen, die für jedes Drama einen Begriff bereit haben für den “Macbeth” das Probelm des Ehrgeizes, für Die Weber' das der ſozialen Not uff. und die auf ihre Begriffsbeſtim— mungsart zu einer Kritik von Schlagwörtern kommen, nicht aber der Kunſt und Unkunſt.

c) Naivität. Eben das Begriffliche, wie geſagt, faßt der Ideo— loge dieſer Richtung bei Hebbel auf. Und da das Umſetzen von be— grifflich Bewußtem in Dichtung (das wäre, was Hebbel „machen“ nennt) nicht dichteriſcher Naivität entſprechen kann, wird feſtgeſtellt, daß Hebbel „natürlich“ kein naiver Dichter ſei. Ob Hebbel ſelbſt das ſo ſehr „natürlich“ finden könnte? Es gebe zwei Arten von Naivität, ſagt Hebbel, eine triviale ohne Geiſt, und eine, die nicht Geiſt und Bewußtſein, wohl aber eine beſtimmte Form des Geiſtes: die Re— flexion ausſchließe; dieſe echte Naivität ſei die reinſte Er⸗ ſcheinung des Genies und die einzige des vollen und ganzen; fie beſteht darin, daß ſich das Geſetz ganz von ſelbſt in ihr vollzieht, daß fie ſich auf dasſelbe gar nicht zu beſinnen braucht ( Wie verhält ſich im Dichter Kraft und Erkenntnis zueinander?“).

d) „Hiſtoriſche Betrachtungsweiſe.“ Dieſe „wiſſenſchaftliche“ Ideologie liebt es, ſich ein hiſtoriſches Mäntelchen umzuhängen, und ſie erklärt, wenn ſie Hebbel gegen Angriffe verteidigt: Hebbel ſei aus ſeiner Zeit und ihren Ideen zu erklären, gewiß, es habe nachher eine Zeit gegeben, wo man ihn nicht mehr verſtand, weil man dieſe Ideen nicht mehr kannte; Leute, die nicht denken könnten, machten ihm ſeine

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Ideen nun zum Vorwurf. Was würde Hebbel zu dieſer Verteidigung ſagen? Nun, er hat dazu ſchon geſprochen: „Es gibt eine doppelte Art von Produktion, eine abſolut ſchöpferiſche, die, wie Schiller ſagt, „in der Natur die Natur vermehrt“, weil ſie den Weg zum Brunnen ſelbſt findet, aus dem die ewigen Bildungen aufſteigen, und eine untergeordnete, auf die Reflexion angewieſene, die aus der zweiten Hand lebt und den Ideengehalt der Zeit, ſei dieſer nun ein vorzugs⸗ weiſe religiöſer, philoſophiſcher oder poetiſcher, verarbeitet. Jene wird nie überwunden ... Dieſe wird oft ſchon durch das nächſte Dezennium überholt, denn die Stimmung der Welt, die ſie auffing und wieder⸗ gab, braucht nur zu wechſeln oder auch nur in eine neue Phaſe mit neuen Fernſichten auf neue Verhältniſſe zu treten, und es iſt um ſie geſchehen. Beide Arten kommen in jeder Art der Poeſie vor.. Man braucht ih... im einzelneu Falle . .. nur einfach zu fragen, ob eine Leiter zu dem Produkt hinaufführt oder nicht, d. h. ob es die bloße höhere Potenz einer längſt vorhandenen Gedankenreihe iſt, oder ob es an die Minerva erinnert, die plötzlich aus Jupiters Haupt ent⸗ ſprang“ (Zur Anthologienliteratur')). Wir ſehen: Hebbel ſelbſt macht hier klar, daß jene obige Charakteriſtik ein Todesurteil faßt, ſtatt ihn zu verteidigen. Hebbel vermengt nicht die (für einen beſtimmten Eindruck) ewig geltende äſthetiſche Wertung mit der geſchicht⸗ lichen Erklärung. Ja, er ſieht ſogar ein, daß jedes Werk ur⸗ ſprünglich und ſelbſtändig dichteriſch ſein muß, und nicht nur, daß die ewigen Werke ſo ſind, ſondern daß Werke, welche nicht ſolche ewig gültige ſind, ſchon von Anfang an undichteriſch waren, daß alſo mit geſchichtlichen Betrachtungen da nichts zu retten iſt; ſondern gerade, wenn dieſe wirklich nötig ſind, es keinen ſchlagenderen Be⸗ weis für den dichteriſchen Fehler geben kann.

Wenn man behauptet, man müſſe den hiſtoriſchen Zuſammenhang und die biographiſchen Vorausſetzungen kennen, um Werke richtig zu beurteilen, ſo meine ich gerade umgekehrt; man muß dieſe Be⸗ dingungen übergehn können, wenn je ein Urteil möglich iſt. Was wahr, iſt immer und unter allen Bedingungen wahr. Sonſt gibt es keine Wahrheit. Auch nicht für unſer Urteil. Und dann auch über⸗ haupt kein Urteil. Alle Erklärung und Entwicklung aus der Zeit würde im beſten Falle die Eigenart des Weges nur entwickeln kön⸗ nen. Das Ziel bleibt ewig dasſelbe. Wie wenig aber erſt wird unſere Ideologie zu einem Urteil kommen können, die ganz grob Hebbel aus Hegel, Gerhart Hauptmann aus der Sphäre des Sozialiſtengeſetzes „verſteht“, jedem Jahrzehnt eine „Weltanſchauung“ gibt und die Dichter aus den „Ideen ihrer Zeit“ erklärt. Sie weiß nicht, was wir Hebbel in ſeiner Art oben ſagen hörten, daß wahre Künſtler „nicht aus der zweiten Hand leben“, nicht „aus dem Ideengehalt der Zeit“, ſondern „den Weg zum Brunnen ſelbſt finden, aus dem die ewigen Bildungen aufſteigen“, und daß (nur) dieſe „nie überwunden werden“.

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XIV. Schlußfolgerungen.

Es ſtellt ſich heraus, daß unſere Kritik Grundzügen von Hebbels äſthetiſcher Auffaſſung viel eher entſprechen mag, als die viel zu niedrig ſtehende Verteidigung dieſer Ideologie. Er ſtimmt mit unſerer Kritik überein, verteidigt ſeine metaphyſiſche Theorie aber, indem er erklärt, ſie als charakteriſierendes Adjektiv und nicht als Imperativ für den ſchaffenden Dichter gedacht zu haben. Wir könnten dieſe Ver- teidigung gelten laſſen und doch ganz im Rechte ſein, wenn wir hypothetiſch die großen Gefahren dieſer Theorie zeigen und jo er- kennen, wie ſehr weſentlich, ja entſcheidend dieſe von Hebbel gemachte Einſchränkung iſt. Wir erkennen dann auch jedenfalls, daß das Verfahren der Ideologie, eine Übereinſtimmung zwiſchen Hebbels Theorie und Praxis aufzuſuchen und damit zu— frieden zu ſein, gar nichts für die äſthetiſche Wertung be⸗ deutet. Was Hebbel „gewollt“ hat, iſt für uns kein Grund und kein Maß unſeres Urteils. Wir glauben, daß Hebbels Theorie, auch als rein charakteriſierende, das Weſen der Kunſt nicht trifft. Ferner ſahen wir, daß ſie, wenn überhaupt Dichteriſches, die tragiſche Ge— ſchichte, nicht aber den tragiſchen Charakter meinen kann.

XV. Charaktere.

a) Nun iſt es aber gerade eine der vielen Zwieſpältigkeiten in Hebbels Theorien, daß er die Theorie der Charaktere nach ſeiner metaphyſiſchen Schuld⸗ und Verſöhnungstheorie ganz anders ge— ſtalten müßte, als er ſie in ſeinen Kritiken, insbeſondere auch anläß⸗ lich des Schiller-Goethe-Problems, bildet. Wir haben oben zu zeigen verſucht, welche Art der Charaktere aus Hebbels Theorie folgt, und Hebbel war ſich dieſer Konſequenz ſeiner Theorie bewußt, wie folgende Tagebuchnotiz von 1843 zur Maria Magdalena’ beweiſt: „... daß alſo die Gebundenheit des Lebens in der Einſeitigkeit, aus der von vornherein alles Unheil der Welt entſpringt, ſo recht ſchneidend hervortritt, weshalb ich mich auch wohl gehütet habe, den Haupt⸗ charakter, den eiſernen Alten in dem Scheidewaſſer, das der Sekre— tär . . gegen ihn ausſpritzt, aufgelöſt erſcheinen zu laſſen, er darf nicht weiter kommen, als zu einer Ahnung .. .“. So, einſeitig, un- beirrt, geradlinig, mußte Hebbel nach ſeiner tragiſchen Konſtruktion die Figuren bringen, und doch iſt ſein Ideal der Charakterzeichnung Goethe und Kleiſt und Schiller rügt er.

Laſſen wir Hebbel ſelbſt ſprechen: „. . . Allein fie [Körners Cha⸗ raktere] find nun einmal, wie alle Geſchöpfe des bloßen Talents, Pfeile, die von einer gewiſſen Sehne ab einem gewiſſen Ziele zu⸗ fliegen, und daher nur nach ihrer Abweichung von dieſer ihrer Bahn beurteilt werden können. Hier iſt auch der Unterſchied zwiſchen Goethes und Schillers Charakteren zu ſuchen. Schillers Charaktere find um

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mich eines Wortſpieles, das hier einmal das Richtige ausdrückt, zu bedienen dadurch ſchön, daß ſie gehalten ſind, Goethes dadurch, daß ſie nicht gehalten ſind. Schiller zeichnet den Menſchen, der in ſeiner Kraft abgeſchloſſen iſt, und nun wie ein Erz durch die Ver⸗ hältniſſe erprobt wird, deswegen war er im hiſtoriſchen Drama groß. Goethe zeichnet die unendlichen Schöpfungen des Augenblicks, die ewigen Modifikationen des Menſchen durch jeden Schritt, den er tut, dies iſt das Zeichen des Genies . . .“ (Tagebuch). Hebbel ſchreibt aber ſpäter in ſeinem Aufſatz Mein Wort über das Drama': die Charaktere „dürfen in keinem Falle als fertige erſcheinen, die nur noch allerlei Verhältniſſe durch- und abſpielen und wohl äußerlich an Glück oder Unglück, nicht aber innerlich an Kern und Weſen— haftigkeit verlieren und gewinnen können. Dies iſt der Tod des Dra- mas, der Tod vor der Geburt“. Das Drama werde eben erſt lebendig, indem es uns veranſchauliche, wie das Individuum ſeine Form ge— winne.

Würde man dieſe beiden Stellen ganz wörtlich nehmen, dann würde die über den Unterſchied zwiſchen Schillers und Goethes Charakteren nicht nur, wie ſie beſagt, Schiller als Talent dem Genie Goethe unter- legen erklären, ſondern es würde ſich die Behauptung ergeben, daß die als in ihrer Kraft abgeſchloſſen gekennzeichneten Schillerſchen Charaktere das Drama von vornherein töten müſſen. Aber das meint Hebbel wohl nicht. Und das trifft auch nicht zu, weil weder der Fall ganz extrem eintritt, noch das Drama wirklich nur von der Ent— wicklung der Charaktere und dem Intereſſe an ihnen abhängen muß: wohl werden die Charaktere dann nicht lebendig ſein, aber nicht auch das Drama nicht, das feinen Schwerpunkt in die Geſchichte ver- legen kann. Ebenſo fällt die in jenem Zitat offenbar behauptete Sonderſtellung des hiſtoriſchen Dramas dahin.

Was uns aber an beiden Zitaten hier intereſſiert, iſt, daß ſie den ſich entwickelnden, ſich durch jeden Schritt modifizierenden Charakter als Ideal aufſtellen. In dieſem Sinne ſind auch Hebbels Bemer⸗ kungen über Kleiſts Prinzen von Homburg gehalten, den Hebbel als genial bewunderte, weil er uns den Entwicklungsprozeß, die be⸗ deutſamen Umwandlungen eines Menſchen erleben läßt.

Wie läßt ſich nun dieſer Zwieſpalt bei Hebbel erklären? Es iſt einleuchtend, daß wir, wenn wir unſeren Blick ganz für ſich auf die Charaktere richten, den unmeßbaren, ſich modifizierenden, ent= wickelnden den Vorzug vor den einſeitigen, geradlinigen, auf eine beſtimmte Bahn berechneten geben, weil nur in jenen erſteren Pro⸗ bleme liegen und geſtaltet werden können, während die der zweiten Art, einmal im Typus erkannt, für ſich nicht mehr feſſeln und nichts mehr entwickeln können. Denkt nun Hebbel nur an die Charaktere, ſo wird er eher den als Charakter ſchon bedeutſamen den Vorzug geben, als wenn er aus ſeiner Theorie heraus unterſucht.

Hebbel und Grillparzerinihren Theorien 127

b) Es iſt nicht nötig, viel von dem anzuführen, was Grillparzer über die Frage der Charaktere äußert, da er ziemlich mit dem über— einſtimmt, was wir eben von Hebbel hörten. Gerade aus Grillpar— zers geſamten Anſchauungen iſt dieſe Betrachtungsart der Charaktere höchſt folgerichtig. Und die Übereinſtimmung liegt, wie wir ſchon ſahen, an einer Inkonſequenz Hebbels. Vielleicht das für ihn Kenn⸗ zeichnendſte hat Grillparzer darin ausgedrückt, daß er erſt die aus der Natur gegriffenen Inkonſequenzen einem Charakterbilde Leben geben und das Höchſte der dramatiſchen Kunſt ſein läßt (15, 102), womit offenbar, etwas zugeſpitzt, eben das formuliert iſt, was Hebbel mit dem Nichtgehaltenſein der Goetheſchen Charaktere, den Umwand— lungen des Prinzen von Homburg meint.

XVI. Der Charakter von Hebbels und Grillparzers Theorien.

Gerade in der Frage der Charaktere erſehen wir, daß die Diskre— panz in Hebbels Theorie ſich nicht vollſtändig auflöſen läßt. Wenn Hebbel auf der einen Seite eine ganze metaphyſiſche Theorie von dem entwirft, was das Drama zu leiſten habe, auf der anderen Seite aber erklärt, der Künſtler ſchaffe unbewußt und unwillkürlich, ſo können wir zugeben, daß darin noch kein Widerſpruch liegen muß. Wenn er aber aus ſeiner Theorie heraus eine Art der Charakterzeichnung fol— gert und folgern muß, die er dann als Kritiker und Empfindender für inferior erklärt, ſo ſteckt darin zweifellos ein Zwieſpalt. Und ähn⸗ lich ſcheint er, etwa in ſeiner Beurteilung Goethes, ſich in einem Zwieſpalt zu befinden. Wir haben geſehen, wie er aus ſeiner Theorie heraus mit Goethe unzufrieden iſt, ihm ein Stehenbleiben in der Mitte zwiſchen dem Zufälligen und Notwendigen vorzuwerfen ſcheint; auf der anderen Seite aber, nicht als metaphyſiſcher Theoretiker, ſondern als empfindender Kritiker, ſieht er in Goethe geradezu ein Ideal. Und ſo ließe ſich noch vieles angeben, was zum mindeſten widerſpruchsvoll erſcheint. Hingegen bereiten Grillparzers Theorien keine großen Schwierigkeiten in der Geſamtrichtung.

Nichts iſt für Grillparzers Verhältnis zur Theorie der Kunſt be— zeichnender als die Notiz, mit der er ſeine Betrachtungen beginnt: „Ich nehme mir bei dieſen Anmerkungen vor, ohne Rückſicht auf ein Syſtem, über jeden Gegenſtand dasjenige niederzuſchreiben, was mir aus ſeinem eigenen Weſen zu fließen ſcheint. Die dadurch ent— ſtehenden Widerſprüche werden ſich am Ende entweder ſelbſt geben, oder, indem ſie nicht zu entfernen ſind, mir die Unmöglichkeit eines Syſtems beweiſen“ (15, 9). Dieſer Dichter ſammelt Züge, gibt eine Vielheit über einen Gegenſtand, ſucht nicht einen innern Kern⸗ punkt; man ſpürt bei ihm faſt immer das empiriſche Fundament, er gibt ſeine Eindrücke und analyfiert fie; er bleibt dabei in der Hauptſache real und verſtandesmäßig und entwickelt klar, wenn die Grundlage auch, wie geſagt, der gefühlsmäßige Eindruck iſt. Betont

128 Abhandlungen

er ja jelbjt den gefunden Menſchenverſtand gegenüber der verrückten“ Philoſophie der Zeit, die den Kopf warm mache, indes nur das Herz warm zu ſein habe. Wenn ihm aber der Gedankenknäuel zu bunt wird, und er ſieht, daß die Theorie doch nicht ganz paſſen will, ſo kann er auch ſeine Erörterungen abſchneiden und ausrufen: „Der Teufel hole alle Theorien“. Dabei ſpinnt er eigentlich nur ſelten weiter aus⸗ holend etwas wie eine Theorie. Wo er ſich wirklich in tiefergehende theoretiſche Unterſcheidungen einläßt, hat man doch gewöhnlich den Eindruck, daß er aus der momentan gegebenen Situation heraus entwickelt, nicht etwas völlig zu Ende Geführtes, endgültig dogmatiſch Gemeintes geben will. Auch hier find es mehr einmalige Gedanken⸗ gänge, geſcheite Verſuche eines regſamen, über vieles denkenden Kop⸗ fes, die ſich wiederholen können, variieren und nun aber nicht etwa nach allen Seiten auseinanderlaufen, ſondern in der Grundtendenz dieſes originellen und in Kunſtſachen recht entſchiedenen Mannes zuſammengehen. Meiſt aber darf man eher von Anmerkungen ſprechen, die gewöhnlich nicht tiefer begründen, nichtsdeſtoweniger aber auch den regen und feinen Geiſt verraten. Grillparzer iſt eben im ganzen kein Theoretiker. Und will keiner jein. „Wenn Schiller“, ſchreibt Grillparzer 1857, „in ſeinem Aufſatz Über das Pathetiſche' meint: das Tragiſche liege in dem Widerſtreit der geiſtigen Kraft gegen die ſinnliche Gewalt, jo möchte ich wiſſen, wo in Romeo und Julia auch nur der geringſte Widerſtand gegen die Empfindung geleiſtet wird, und doch iſt Romeo und Julia im höchſten Grade tragiſch. Darin ſoll kein Tadel gegen Schiller liegen, ſondern gegen die philo⸗ ſophiſchen Theorien in Kunſtſachen überhaupt. Die Regel paßt nie auf alle Fälle, und darum hat Schiller in den Jahren ſeiner Reife ausdrücklich jede Stunde bedauert, die er mit ſolchen Spekulationen verloren“ (15, 73). „Gewöhne dich, die Kunſt mit voller Kraft des Gemüts, ſtatt mit dem grübelnden Verſtande aufzufaſſen, und du wirſt einſehn lernen, daß nicht theoretiſch erwieſene, ſondern prak⸗ tiſch vorhandene Grundlagen es ſind, die das Weſen der dramatiſchen Kunſt ausmachen, ja der Kunſt überhaupt“, ruft er einem Kritiker der Ahnfrau (18, 168) zu. So iſt es auch nicht ſo ſehr die Abſicht, das Weſen der Kunſt theoretiſch zu ergründen, die Grillparzer die Feder führt, als vielmehr oft gerade die, das „Theoretiſch-Dogmati⸗ ſche“, die „Ideologien der Zeit“ abzuſchütteln. Iſt es ja überhaupt einer der typiſchen Züge an dieſem Dichter, daß er ſozuſagen ſeine ganze Zeit ablehnt, und vieles, was er nun niederſchreibt, iſt leicht mißmutige Abwehrbewegung eines Einſamen, ſich dieſe Zeit vom Leibe zu halten.

Aber Grillparzer iſt ein empfindſamer und einſichtiger Kritiker. Und was er hauptſächlich ſehr gründlich eingeſehen hat, das iſt die ſtrenge Selbſtändigkeit, die Souveränität der Künſte. Wie er die Dichtung gegenüber dem Gedanklichen möglichſt frei gehalten haben

Hebbel und Grillparzer in ihren Theorien 129

will, ſo kann er ſich in der Muſik gar nicht genugtun in Verſpot⸗ tung der Programm-Muſik; und eben in dieſem Sinne opponiert er energiſch Weber und Wagner, weil ſie die Muſik „poetiſieren“. Zweifellos iſt dieſe ſeine Erkenntnis für ihn als Dichter von großem Wert.

Anders Hebbel. Er ſucht den Kernpunkt, das allgemeine Geſetz, und will die Erſcheinungen aus einem Syſtem heraus erklären und zuſammenfaſſen, er zweifelt nicht an der Möglichkeit eines Syſtems; er iſt Theoretiker und hat oft gar weit geſponnene Betrachtungen in ſeinen Aufſätzen angeſtellt, die nicht nur begleitender Art, ſondern von ſelbſtändigem Werte ſein wollen. Ganz im Denken will Hebbel zu Ende kommen. Man ſpürt bei ſeinen Theorien nicht immer den em— piriſchen Boden, verliert leicht auch den letzten Faden einer Beziehung auf konkretes, dichteriſches Schaffen. Und das iſt auch leicht zu ver— ſtehen. Denn er geht von ſeinen philoſophiſchen Grundanſichten aus. Hebbel, nicht etwa wie Grillparzer ein mit ſeiner Zeit zerfallener Einſamer, der alle Parteien gleicherweiſe ablehnt, ſondern ein echter Sohn ſeiner Tage, ſelbſt Parteimann, entnimmt Grundvorausſetzun⸗ gen ſeiner Kunſttheorie mehr oder weniger jener von Grillparzer ge— geißelten zeitgenöſſiſchen Philoſophie. Er möchte geradezu vom Stand- punkte ſeiner Philoſophie die Kunſt begründen.

Dabei iſt aber auch Hebbel ein tüchtiger Kritiker.

Hebbel und Grillparzer unterſcheiden ſich jedoch in der Art ihrer Kritik. Hebbel iſt verſtandesſcharf, er ſucht in ſeinen Kritiken ſtets zu begründen, geht aber ſo weit, noch dort Gründe geben zu wollen, wo nur mehr das Gefühl beſtimmt. Er vertieft ſich manchmal bis ins Einzelne des Aufbaus; und ſind ſeine Gründe dann ſogar auch an ſich überzeugend, ſo fühlt man doch, daß dieſe Kritik ein Werk im Weſen nicht treffen kann. Viel öfter aber ſucht Hebbel den großen Zuſammenhang. Und wie er da in Kürze eine Darſtellung eines gan⸗ zen Dramas in weſentlichen Linien gibt, iſt zweifellos für ſich mei⸗ ſterhaft. Nichtsdeſtoweniger aber wird eine ſolche Zuſammenfaſſung immer ein Auf⸗ein⸗Schema⸗Bringen bedeuten, und jo gerade größte Werke, die viele Deutungen zulaſſen, ſchon auf ein Schema aus⸗ deuten. Ferner kann auch die klaſſiſchſte Zuſammenfaſſung mit der ſchönſten Entwicklung eines logiſchen Aufbaus eigentlich noch gar nicht die Wirkung des Werkes faſſen, die trotz dieſes Schemas noch eine ganz verſchiedene ſein kann. Auf die Wirkung aber kommt es natürlich an. Dieſe jedoch läßt ſich eben im letzten nicht erklären und begründen.

Von der Wirkung geht der Kritiker Grillparzer aus. Darum iſt er mit Gründen ſparſam, und es kommt alles auf ſeine Empfindung an. Nur wenn wir die gleiche Empfindung haben, werden wir ſeinen Kritiken beipflichten. Grillparzer hat wenig für die Veröffentlichung geſchrieben, iſt nicht ſyſtematiſch, geht ebenſo ſelten ſcharfſinnig in

VIII 9

130 Abhandlungen

die Einzelheiten des Aufbaus, als er mit Verſtandesſchärfe Zufam menfaſſungen gibt, ſondern merkt ſich bei loſer Aufzeichnung der Geſamthandlung die ihm auffallenden Stellen heraus, ſo daß ihn z. B. eine „geniale Wendung“ entzücken kann, ihn die Überbrückung einer Schwierigkeit oder das Scheitern an ihr intereſſiert, oder er ſchlechte Stellen, unpaſſende Reden kritiſierend herausgreift. Er ver⸗ leugnet auch als Kritiker nicht den Dichter, und er ſchreibt ſeine An⸗ merkungen als Genießer von ſicherem, feinem Empfinden und leben⸗

diger Einſicht. =

Schon wenn man die Tagebücher Hebbels und Grillparzers nur oberflächlich durchblättert, fällt ein Unterſchied auf, deſſen Analogon in der Theorie wir oben bereits (als Vermutung) entwickelt haben. Hebbel nämlich ſammelt unermüdlich Anekdoten, ſeltſame Geſchich⸗ ten, Einfälle, kurz Fabelmotive, Grillparzer beſchreibt Bekannte, ſucht ihr Charakteriſtiſches zu faſſen, zerfaſert vor allem ſich ſelbſt, kurz er ſucht und ſammelt pſychologiſche Motive, Charakter- motive.

Das geſchieht bei beiden natürlich ganz unwillkürlich. Die ver⸗ ſchiedene Richtung ihres Intereſſes beruht offenbar auf der großen Verſchiedenheit der Naturen. Aus dieſer reſultiert die Verſchieden⸗ heit ihrer Theorien. i

Aber bei all den Unterſchieden und ſtellenweiſe auch Gemeinſam⸗ keiten der Theorie iſt Hebbel und Grillparzer überhaupt ein gewiſſer gemeinſchaftlicher Boden eigen, den man am beſten mit Grillparzers eigenen Worten charakteriſiert: „Niemand kann ſich von der Richtung der Zeit freihalten, in der er lebt. Selbſt den, der ſie beſtreitet, zwingt ſie, wenn auch nicht mit ihren Waffen, doch immer auf ihrem Boden zu kämpfen, und, wovon gar nicht die Rede ſein ſollte, davon muß er reden, wenn er überhaupt ſprechen will“ (15, 35). Die Zeit bot ihnen fertige Frageſtellung, fertige Formulierungen, die ſie beide ge⸗ brauchten (Grillparzer allerdings nur widerwillig), ſo daß ſie uns, während ſie etwas ſehr Verſchiedenes meinen mögen, doch durch dieſe Art der Formulierung in einigem ähnlich erſcheinen.

Prinzipiell aber, das hat dieſe Unterſuchung wohl gezeigt, ſind ſie gründlich verſchieden in ihren Theorien: die Hebbels, metaphyſiſch und dogmatiſch, iſt voller Gefahren für den Dichter, hingegen läßt ſich die unverbindliche, empiriſche Grillparzers leicht als eine ſolche erkennen, die von vornherein nur von dichteriſchen Vorausſetzungen ausgeht.

Man wird ſich nun aber zu hüten haben, etwa mit der Theorie auch den Dichter zu billigen oder zu verwerfen oder überhaupt ſich

in irgendeiner Weiſe aus der Theorie des Dichters in ſeiner Stel⸗ S 85

> a 9 der e fragen, auch 1 den verſchlungenſten

. 8 Wegen das ethiſche Ziel abzugewinnen ſuchen und nur nach dem Mehr oder Minder oder Garnicht der Erreichung dieſes Zieles ur⸗ teilen. Dies ſoweit wir werten. Soweit wir aber erklären und ver- ſtehen wollen, dürfte uns die Theorie auch manche Einſicht in den

7 Dichter eröffnen.

A

Goethe und Ritter

Bon Graf Carl v. Klinckowſtroem (München) (Mit Ritters Briefen an Goethe)

elmholtz hat über den Naturforſcher Goethe das harte Urteil H gefällt, er hätte die auf naturwiſſenſchaftliche Studien verwen- dete Zeit lieber beſſer nutzen ſollen. Wir urteilen heute darüber an- ders. Seine Verdienſte um die Naturwiſſenſchaft ſind heute nicht mehr verkannt, auch nicht die um die Farbenlehre. Goethe lehnte ſo— wohl die Newtonſche, zu ſeiner Zeit noch allgemein herrſchende kor— puskulare Emiſſions-Lichttheorie ebenſo ab wie die heute geltende, von Grimaldi, Huygens, Hooke und Euler bereits vertretene Undu— lationstheorie (Goethes Beiträge zur Optik' erſchienen 1791/92, jeine Farbenlehre' 1810). Eine eigene ſyſtematiſch durchgeführte Theorie hat uns Goethe, dem das Verſtändnis für eine mathemati— ſche Behandlung der Frage abging, dafür allerdings nicht geliefert. Für ihn entſteht die Farbe, allgemein gejagt, aus der Wechſelwir— kung zweier einander entgegengeſetzter und entgegenwirkender Kräfte, nämlich des Lichtes und einer dieſem entgegenwirkenden Hemmung („trübe Mittel“). Er poſtuliert, eine Analogie zwiſchen Optik und Akuſtik vorausſetzend, daß zwiſchen den inneren (ſubjektiven) phyfio- logiſchen Farbenempfindungen und den dieſe hervorrufenden äußeren Reizen (den phyſikaliſchen Farben) wie bei den Tönen eine einfache Beziehung ſtrenger Parallelität beſtehe. Während Goethes Theorie in ihrem phyſikaliſchen Teil, bis auf die richtige Erklärung der Himmelsbläue und der Dämmerungserſcheinungen, als verfehlt an- zuſehen iſt, hat ſie in ihrem phyſiologiſchen Teil nach dem Urteil von Fachleuten wie Johannes von Müller und Rudolf Virchow bahn⸗ brechend gewirkt. |

Die meiſten Phyſiker jeiner Zeit, jo Gren ), Lichtenberg ?), Wünſch, Prevoſt, Poſelger, Döbereiner, Schweigger (wenn auch wohlwollend),

) Gren hat Goethes Beiträge zur Optik' im 6. Bande ſeines Journals für Phyfik', 1793, S. 3 eingehend beſprochen und die Lehre Newtons verteidigt. Goethe klagt in einem Brief an Schiller vom 13. Januar 1798, daß „Gren das Alte wiederholt wie einer, der ein ſymboliſches Glaubensbekenntnis abbetet, und ver⸗ ſichert, es ſei das rechte“. |

2) Bol. Erich Ebſtein: Lichtenberg und Goethe über die Theorie der Farben, 7185 für die Geſchichte der Naturwiſſenſchaften und der Technik' 3 (1910), 71/8. N

136 Mitteilungen aus dem Goethe- und Shiller-Ardiv

C. H. Pfaff; ſpäter u. a. Du Bois⸗Reymond, Bruecke, Dove, Helmholtz, v. Bezold, lehnten Goethe ab oder ſchwiegen ihn tot!), während Phy- ſiologen und Philoſophen wie Johannes von Müller, Purkinje, Loder, Sömmering, Schopenhauer, Hegel, L. v. Henning (der 1822 an der Berliner Univerſität Vorleſungen über Goethes Farbenlehre hielt) ihm mehr Gerechtigkeit widerfahren ließen. Von dem Phyſiker Tho⸗ mas Joh. Seebeck, der Goethe bei ſeinen optiſchen Verſuchen ſeit 1806 mit Rat und Tat zur Seite ſtand, berichtet Schopenhauer in ſeiner biſſigen Art: Seebeck habe jemandem, der ihn danach befragte, im Jahre 1830 eingeſtanden, daß Goethe in der Tat in vielem im Recht und Newton im Unrecht ſei, daß es aber nicht ſeine, Seebecks, Sache ſei, der Welt das zu ſagen. „Der alte Feigling!“ ſagt Scho⸗ penhauer dazu (Sämtl. Werke 1, 12; vgl. Joh. K. Bähr: Vorträge über Newtons und Goethes Farbenlehre, Dresden 1863, ©. 85). Goethe hatte von Seebeck, ſeinem vieljährigen Freund und Mit⸗ arbeiter, wie er ihn nannte, viel erwartet und glaubte insbeſondere, die von Seebeck 1813 gemachte Entdeckung der entoptiſchen Farben würde ſeiner Theorie zum Siege verhelfen. Er drückte eine gewiſſe Enttäuſchung über Seebeck noch 1832 in einem Briefe an Zelter aus (vgl. Bähr, a. a. O., S. 139). Immerhin hat Seebeck Goethes Verdienſte in gewiſſen Grenzen durchaus nicht verkannt, wie ſchon ſein Brief an Goethe vom 25. April 1812 zeigt (ſ. Bratranek, a. a. O. 2, 316), und hat ſich von ihm bei ſeinen eigenen optiſchen Verſuchen in mancher Hinſicht anregen laſſen.

Entgegen dem ſarkaſtiſchen Urteil von Schopenhauer hat J. C. Poggendorff in ſeiner Gedächtnisrede auf Seebeck (Abhandlungen der Königl. Preuß. Akademie der Wiſſ., 1839, S. XIXff.) ausdrücklich bezeugt, daß Seebeck auch in ſpäterer Zeit, als Berliner Akademiker, ſeine Anſicht über Goethes Farbenlehre weder geändert noch verheim— licht hat. Er ſagt: „In der Farbenlehre ſtand er auf Goethes Seite und behauptete, wie dieſer, die Einfachheit des weißen Lichts“ (vgl. auch Kuno Fiſcher: Erinnerungen an Moritz Seebeck, Heidelberg 1886, S. 19).

1) Dieſes „Totſchweigen“ iſt übrigens vielfach übertrieben worden. Th. J. Seebeck hat ſeinem Brief an Goethe vom 25. April 1812 bereits eine Liſte von 9 Rezenſionen über die Farbenlehre' beifügen können, die allerdings faſt durch⸗ weg ablehnend lauteten (ſ. Bratranek: Goethes naturwiſſenſchaftliche Korre⸗ ſpondenz 2, 316). Wir finden hier unter den Gegnern der Goetheſchen Anſchau⸗ ung weiterhin: Chr. Sam. Weiß, Malus, Jungius, E. Th. Fiſcher, Mollweide. Dagegen haben ſich von Naturforſchern Nees von Eſenbeck, J. Fr. Ch. Werneburg (1817), H. Ficinus (1828), K. L. Marx und der Breslauer Chemiker N. W. Fiſcher mehr oder weniger auf die Seite Goethes geſtellt, und auch L. F. Kämtz verhielt ſich wohlwollend (ſ. Bratranek, a. a. O. 1, 109/10. 236). Goedekes Grundriß (3. Aufl., IV, 3, 584) verzeichnet über Seebecks Liſte hinaus noch 11 weitere z. T. ſehr eingehende Beſprechungen der Farbenlehre aus der Zeit. Im übrigen haben Goethes Hypotheſen in der 2. Auflage von Gehlers Phyſikaliſchem Wörterbuch eine naturgemäß kritiſche, aber durchaus objektive Beurteilung erfahren.

Goethe und Ritter 137

Neben Seebeck war wohl Ritter einer der wenigen Phyſiker, die Goethes optiſche Verſuche nicht ablehnten, wenn er ſich auch über Goethes theoretiſche Vorausſetzungen, wohl abſichtlich, nicht näher ausgeſprochen hat.

Über Johann Wilhelm Ritter (1776/1810) kann ich mich kurz faſſen, da ich an anderer Stelle ) über ſein Verhältnis zur Natur⸗ philoſophie und über ſeine Verdienſte als Phyſiker geſprochen habe, und da ich ferner eine umfaſſende Bearbeitung dieſes genialen Ro— mantikers im Rahmen einer kritiſchen Neuausgabe ſeiner Fragmente aus dem Nachlaß eines jungen Phyſikers' (2 Bde., Heidelberg 1810) vorbereite, wenn auch zur Veröffentlichung eines ſolchen Neudrucks vorläufig die Ausſichten gering ſind. Die vorliegende Arbeit ſtellt gewiſſermaßen einen erweiterten Ausſchnitt daraus dar.

Was von ſeiten der Phyſiker Ritter immer zum Vorwurf gemacht wurde und bis vor gar nicht langer Zeit zu einer erheblichen Unter— ſchätzung ſeiner Verdienſte geführt hat, iſt ſeine Brandmarkung als „Naturphiloſoph“. Auch Haym behandelt ihn als einen unklaren Kopf und unbedeutenden Schwärmer, wobei er auf dem einſeitigen und ſtark perſönlich gefärbten Urteil von Steffens fußt, der tatjäch- lich ein typiſcher Vertreter der naturphiloſophiſch gerichteten Natur- forſchung war. Ich meine aber, daß man Ritter Unrecht tut, wenn man ihn kurzerhand als Naturphiloſophen etikettiert. Gewiß hatte ſich der Romantiker Ritter, der in Jena jenem geiſtig ſo regſamen Kreiſe der Schlegel, Schelling, Hardenberg angehörte, manchen Schel— lingſchen Grundgedanken, ſo den von der Allbeſeelung der Natur und von der Einheit der Naturkräfte, zu eigen gemacht. Aber Ro— mantik und Naturphiloſophie, ſo ſehr ſie Hand in Hand gingen und ſich gegenſeitig befruchteten, ſind keineswegs identiſche Begriffe. Der andere Phyſiker unter den Romantikern, Ludwig Achim v. Arnim, hatte zu der naturphiloſophiſchen Richtung überhaupt keine Bezie— hung, und wenn Novalis-Hardenberg Ritterſche Gedanken und Hypo— theſen allzu phantaſtiſch ausbaute, jo kann dafür Ritter kein Vor⸗ wurf treffen. Die hervorſtechende Eigentümlichkeit der naturphiloſo— phiſchen Denkweiſe iſt doch gerade die, unter ſouveräner Behandlung der Einzeltatſachen deduktiv zu einem philoſophiſch vertieften Welt— bild zu gelangen. Niemand wird heute die grandioſe Intuition des Schellingſchen Identitätsprinzips verkennen. Ritter war jedoch vor— wiegend der Mann des ſorgſamen Experiments. Er galt mit Recht zu ſeiner Zeit als einer der erſten Experimentalphyſiker und hat in der kurzen Spanne ſeines arbeits- und entbehrungsreichen Lebens (er war noch nicht 34 Jahre, als er ſtarb) als ſolcher ganz Erſtaun⸗ liches geleiſtet. Schellings hinreißende Perſönlichkeit war ſelbſtver⸗

5 ) Johann Wilhelm Ritter und der Elektromagnetismus im Archiv f. d. Ge⸗ ſchichte der Naturwiſſenſchaften und der Technik' 20 (1921).

138 Mitteilungen aus dem Goethe- und Schiller⸗ Archiv

ſtändlich beſonders in den erſten Jahren des Zuſammenſeins in Jena N

nicht ohne Einfluß auf Ritter, wie auch Ritters Erſtlingsſchrift Beweis, daß ein beſtändiger Galvanismus den Lebensprozeß in dem Tierreich begleite (Weimar 1798) auf Schelling befruchtend gewirkt hat. Ritter hat aber deshalb doch ſein eigenes Urteil bewahrt und der ſpekulativen Methode bewußt kritiſch gegenübergeſtanden. Das geht unzweideutig aus dem im Anhang wiedergegebenen Briefe Ritters an Goethe vom 25. Dezember 1800 hervor. H. F. Link, ein Gegner der Naturphiloſophie, jagt geradezu !), Schelling habe Ritter von ſich gewieſen, weil er das Tribunal der Erfahrung höher hielt als die Ausſprüche des Idealismus, und habe ihm ſeine „lederne Empirie“ vorgeworfen. Daß ſich Ritter vom Schellingſchen Einfluß ſchon früh freigemacht hatte, bezeugt indirekt auch Henrik Steffens (Was ich erlebte' 4, 87), der die Entfremdung zwiſchen Schelling und Ritter allerdings auf Eiferſüchtelei des letzteren zurückführt. Übrigens ſpürte auch Friedrich Schlegel, der damals noch mit Schelling befreundet war, den Unterſchied zwiſchen der exakten Me⸗ thode Ritters und der ſpekulativen Schellings und ſeiner Jünger, wenn er am 25. Auguſt 1800 an ſeinen Bruder Auguſt Wilhelm ſchreibt: „Ritter arbeitet jetzt mit e Schnelligkeit und Sicher⸗ heit, daß ich es ſehr geraten fände, Du lüdeſt ihn gleich zu förm⸗ licher Teilnahme ein, da ſeine Gelehrſamkeit und ſein kritiſcher Über- blick weder durch die Beiträge von Schelling noch von Steffens er⸗ ſetzt werden kann.“ 2) Noch deutlicher äußert ſich Fr. Schlegel im 1. Stück der Europa', 1803, S. 50: „Schellings Naturphiloſophie muß bei der kraſſen Empirie, zu deren Vernichtung ſie beſtimmt war, viel Widerſpruch finden; es ſteht aber um ſo weniger zu fürchten, daß die Unwiſſenſchaftlichkeit und die Unwiſſenheit in dieſem Fache den Sieg davontragen werde, da Ritter zu gleicher Zeit das Beiſpiel einer Phyſik aufgeſtellt hat, die reine Empirie iſt, und doch durch

1) Aber Naturphiloſophie', Leipzig und Roſtock 1806, S. 122.

2 Dieſe Briefſtelle bezieht ſich auf die eventuelle Mitarbeit Ritters am Athe⸗ näum’ (1798/1800). Es iſt aber nicht dazu gekommen. Es konnte nicht fehlen, daß ſich Ritter bei ſeiner ſtändigen Berührung mit den Dichtern der Frühroman⸗ tik auch in dichteriſcher Produktion verſuchen würde. „Ritter ſchreibt, wenn er ſich regen und ſchwingen will, reine Jamben“ ſchreibt Fr. Schlegel einmal an Schleiermacher (Haym S. 678). Und A. W. Schlegel ſchreibt in einem Brief an Tieck vom 23. November 1800, Ritter habe ſich auch mit poetiſchen Studien ab⸗ gegeben, und er, Schlegel, habe ſeinen Bruder Friedrich ermahnt, Ritter väter⸗ lich anzuleiten. Wir kennen aber von Ritter außer einem auf Novalis anſpielen⸗ den Gedicht in der Einleitung zu ſeinen Fragmenten' nur ein ungedrucktes Ge⸗ dicht in den Ritteriana der Münchner Staatsbibliothek jowie ein ebendort zu fin- dendes Diſtichon:

Blätter, Schlegel, pflückſt du, und du, Tieck, herrliche Blumen; Aber, Schiller, nur du windeſt aus beiden den Kranz. Wie hoch Schlegel Ritter einſchätzte, geht ferner aus der Canzone An Ritter hervor, die er in Tiecks Poetiſchem Journal 1800 (S. 217) veröffentlicht hat.

Goethe und Ritter 139

den Rigorismus der Methode die ſtrengſten Forderungen an wiſſen— ſchaftliche Form befriedigt. Wäre dieſer Geiſt allgemein herrſchend, ſo würde es keine zufälligen Entdeckungen mehr geben, ſondern nur abſichtliche Erfindungen nach einer ſicher fortſchreitenden Methode.“ Jedenfalls gründete Ritter ſeine Schlüſſe immer auf die Erfahrung. Das erkannten auch ſeine Gegner, wie z. B. der Kieler Phyſiker C. H. Pfaff, an. Wenn er einmal irrte, ſo z. B. in der Frage der Waſſerzerſetzung, wer will ihm das ſo ſehr verübeln? „Es irrt der Menſch, jo lang’ er ſtrebt.“ Und daß ihm ſeine ſchwerfälligeren Fach— genoſſen bei ſeinem hohen Gedankenfluge nicht immer zu folgen ver— mochten, wird auch nicht weiter wundernehmen. Was wohl ſehr da— zu beigetragen hat, Ritter in den Ruf eines Phantaſten und Myſti— kers zu bringen, waren ſeine Experimente mit der Wünſchelrute und dem ſog. ſideriſchen Pendel, die er 1807/08 in München vornahm.“) Auch hier hat er in der Deutung dieſer Phänomene er meinte auch hier wieder das allgemeine Polaritätsprinzip in der Natur wieder- zufinden geirrt. Wir ſind aber noch heute in der Klärung der Wünſchelrutenfrage nicht ſehr viel weiter! Und heute wird man Rit- ter das Intereſſe für dieſes annoch „okkulte“ Phänomen nicht mehr zum Vorwurf machen, ſeitdem das Wünſchelrutenproblem zum Gegenſtande ernſter wiſſenſchaftlicher Forſchung geworden iſt. Daß Goethe aus dieſen Verſuchen Ritters eine Anregung gewann, die er in ſeinen Wahlverwandtſchaften' (II, 11) verwertete, hat zuerſt O. Brahm feſtgeſtellt.?)

Wenn Ritter in ſeinen Fragmenten' vielfach rein naturphiloſo— phiſch anmutende Ausſprüche tut, die oft dunkel und unverſtändlich bleiben, jo mag darauf hingewieſen werden, daß es ſich hier feineg- wegs um eine wiſſenſchaftliche Arbeit handelt. Ritter führt uns hier, wie er in der ſchönen Einleitung zu ſeinen Fragmenten' ſelbſt ſagt, in die geheime Werkſtatt des Phyſikers. Er hat hier Gedanken und Einfälle zuſammengetragen, deren Wert natürlich ſehr ungleich iſt. Neben überraſchenden Erkenntniſſen ſtehen Ausſprüche, von denen Heilborn mit Recht ſagen konnte: „nicht ohne Flachheit gibt ſich dieſer Tiefſinn“ (Novalis der Romantiker', 1901). Naturphiloſo⸗ phiſch iſt in dieſem Werk Ritters das in weitgehendem Maß von ihm angewandte Prinzip, Zuſammenhänge herzuſtellen und nach Analo—⸗ gien zu ſuchen. Er ſchießt oft über das Ziel hinaus. Aber auch hier möchten wir, ebenſo wie in ſeiner Phyſik als Kunſt' (1806), eher eine poetiſche und künſtleriſche als eine ausgeſprochen naturphiloſo— phiſch gerichtete Intuition erblicken. Das iſt eben Ritters Art dichte- riſchen Schaffens; das iſt der oft dunkle Ausdruck ſeines künſtleriſchen

i 2 Bol. darüber meine Arbeit Johann Wilhelm Ritter und die Wünſchelrute' in Das Waſſer (Beiblatt), 1913, Nr. 32/4.

2) Zeitſchrift für deutſches Altertum 26 (1882), 194; vgl. Goethe-Jahrbuch 27 (1906), 187. N

140 Mitteilungen aus dem Goethe- und Sdiller-Ardiv

Empfindens. Ganz gewiß trifft auf Ritter Friedrich Schlegels Aus⸗ ſpruch zu, wenn er ſagt 1): „Viele der erſten Stifter der modernen Phyſik müſſen gar nicht als Philoſophen, ſondern als Künſtler be— trachtet werden.“

Daß Ritter auch bei ſeinen Fachgenoſſen ſich hoher Wertſchätzung erfreute, habe ich an anderer Stelle (a. a. O.) dargelegt.

Dies mag zur Charakteriſierung, Ritters genügen. ;

Ritter veröffentlichte in Gehlens Journal für die Chemie und Phy⸗ ſik' 6 (1808), 719/29, einen an ihn gerichteten Brief Goethes vom 7. März 1801 über Herſchels thermometriſche a in den Far⸗ ben des Lichts, im Anſchluß an ſeine kritiſchen Bemerkungen über C. E. Wünſch: Beiträge zu Herſchels Arbeit über Licht und Wärme (Verſuche über die vermeintliche Sonderung des Lichts der Sonnen— ſtrahlen von den Wärmeſtrahlen derſelben)'. Ritter konnte Herſchels Verſuche im Farbenſpektrum des Prismas beſtätigen, in denen jener feſtgeſtellt hatte, daß die Wärmewirkung nach der roten Seite zu— nimmt und außerhalb der Grenze des ſichtbaren Farbenſpektrums ihr Maximum erreicht, während die Erleuchtung ungefähr in der Mitte des ſichtbaren Spektrums am intenſivſten iſt (Ritters Phy⸗ ſiſch⸗chemiſche Abhandlungen’2 [1806], 81). Ritter erkennt Herſchels Unterſcheidung der leuchtenden und der wärmenden Sonnenſtrahlen als richtig an und verteidigt fie gegen Wünſch, deſſen Verſuchsergeb— niſſe, bei ſtrenger Prüfung, mit denen Herſchels nicht im Widerſpruch ſtänden. Ritter hält es für ſeine Pflicht, bei dieſer Gelegenheit den Brief Goethes, des „auch als Optiker wohl kaum noch ganz ver- ſtandenen Mannes“, mitzuteilen. Er kommentiert ihn, ohne auf Goethes theoretiſche Vorausſetzungen kritiſch einzugehen (die er als Newtonianer naturgemäß nicht gutheißen konnte), mit Anerkennung und bringt hiſtoriſches Material bei.?) 5

Ritter iſt, durch Herſchels Unterſuchungen angeregt, der Entdecker der chemiſchen Dignität des Prismenſpektrums geworden, wie er auch als erſter die reduzierende (beim Ultraviolett), bzw. oxydie⸗ rende (beim Ultrarot) Wirkung der jenſeits der Enden des ſichtbaren Spektrums liegenden Strahlen entdeckte.) Goethe kann hingegen als der Entdecker der Tatſache angeſehen werden, daß die Phosphoreſzenz

1) Fragment 381 im Athenäum' 1798. Vgl. Schlegels Fragmente Nr. 97 und 99 aus dem Athenäum' 1800.

2) Intereſſant iſt, daß Ritter ſpäter ſelbſt zum Zweifler an Newtons Theorie wurde. Denn er ſchreibt am 11. Mai 1809 an Carl Erenbert Frhrn. v. Moll: „Gelegentlich die Bemerkung, daß ſich immer mehr Gründe dafür finden, daß Wärme und Licht in Schwingungen beſtehen, wie ſchon ſo früh behauptet wurde, nur daß wir nicht mehr wußten, was Schwingungen eigentlich ſeien.“ (Moll, Mitteilungen aus ſeinem Briefwechſel, 1834, 3, 626).

3) ſ. Gilberts Annalen der Phyſik 7 (1801), 527. 12 (1802), 409; Intelli⸗ genzblatt der Erlanger Lit.⸗Zeitung 1801, Nr. 16, S. 121; Ritters Beiträge 2 (1805), 213.

Goethe und, Ritter 141

durch blaue Strahlen angeregt, durch rote Strahlen ausgelöſcht wird (1792); doch haben Al. Wilſon und M. v. Groſſer lange vor Goethe bereits ähnliche Beobachtungen gemacht (ſ. darüber Ritter im Jour— nal f. d. Chemie’ 6 [1808], 661).

Der Sturz der Newtonſchen Emiſſionstheorie wurde durch die Verſuche des engliſchen Phyſikers Th. Young über die Interferenz— erſcheinungen (1802ff.) eingeleitet. Doch iſt trotz Goethe Newtons Lehre von der verſchiedenen Brechbarkeit verſchiedenfarbiger Licht- arten im weſentlichen noch heute als gültig anerkannt. Die Beu— gungserſcheinungen am Beugungsgitter haben uns den Beweis für die Wellennatur des Lichts erbracht, während die Photographie uns das Mittel geliefert hat, die Abhängigkeit der Farbe als Beſtandteil des Weiß von der Wellennatur des Lichtes zu erkennen. Die in neue- ſter Zeit aufgekommene Quanten- und Relativitätstheorie ſtellt ſich allerdings wieder als eine Annäherung an Newtonſche Anſchauungen dar.“)

Daß Goethe bei ſeinen phyſikaliſchen Experimenten nicht nur See— becks und Göttlings, ſondern auch Ritters Rat und Unterſtützung vielfach in Anſpruch nahm, iſt bisher wenig beachtet worden. Nur Julius Schiff hat, ſoviel ich ſehe, einmal darauf hingewieſen ), während z. B. Kurt Speyerer ?) Ritters überhaupt nicht gedenkt. Es geht dies aus zahlreichen Eintragungen Goethes in ſeinen Tag— und Jahresheften' ſowie aus ſeinem Briefwechſel hervor, und die Briefe Ritters an Goethe, die das Goethe- und Schiller-Archiv be- wahrt, zeugen von dem lebhaften Anteil, den Goethe an den For- ſchungen und Experimenten des jungen Pyſikers nahm. Goethe wußte Ritters Kenntniſſe und unermüdliche Arbeitskraft wohl zu ſchätzen. So nennt er Ritter in ſeinem Briefe an Schiller vom 28. September 1800 eine „Erſcheinung zum Erſtaunen, einen wahren Wiſſenshim—

1) Aus der reichen Literatur über Goethes Farbenlehre ſei hier nur noch eini⸗ ger neuerer Arbeiten gedacht: Max Geitel: Entlegene Spuren Goethes, München⸗ Berlin 1911, S. 140; Walter König: Goethes optiſche Studien, Frankfurt a. M. 1899; Ernſt Lange: Über Goethes Farbenlehre vom Standpunkte der Wiſſen⸗ ſchaftstheorie und Aſthetik. Göttinger Diſſ. Berlin 1882; Edm. O. v. Lippmann: Goethes Farbenlehre. Stuttgart 1901 (S.⸗ A. a. d. Zeitſchr. f. Naturwiſſen⸗ ſchaften', Bd. 74); Rud. Magnus: Goethe als Naturforſcher. Leipzig 1906; Otto Meyerhof: Goethes Methode der Naturforſchung, Göttingen 1910; Wilhelm Oſt⸗ wald: Goethe, Schopenhauer und die Farbenlehre. Leipzig 1918; Ed. Raehlmann: Goethes Farbenlehre (Jahrbuch der Goethe-Geſellſchaft 3, 3); A. Sommerfeld: Goethes Farbenlehre im Urteile der Zeit (Deutſche Revue, 1917, Juli, S. 100), beſonders gegen Karl Horn in den Techniſchen Mitteilungen für Malerei 33 (1917), 52 gerichtet.

2) Schiff: Goethes chemiſche Berater und Freunde (Deutſche Rundſchau 1912, S. 456). Während der Korrektur wurde mir noch Schiffs Arbeit Die roman⸗ tiſchen Naturforſcher Ritter und Schubert und ihre Beziehungen zu Goethe bes kannt (Nord und Süd 1920, Sept., S. 295/305).

8) Speyerer: Goethes phyſikaliſche Sammlungen im Neubau des Weimarer Goethehauſes (Geſchichtsblätter für Technik, Induſtrie und Gewerbe 1[1914],134).

142 Mitteilungen aus dem Goethe- und Schiller⸗ Archiv

mel auf Erden“. In den Tag- und Jahresheften iſt oftmals Ritters

Erwähnung getan, beſonders in den Jahren 1800 bis 1803.) Oft war Ritter in Weimar in Goethes Haufe als Gaſt, und die Phäno- mene das Galvanismus ſowie die optiſchen Verſuche bildeten vor— wiegend das Geſprächsthema. So lautet z. B. die Tagebuch-Ein⸗ tragung vom 25. Februar 1801: „früh optiſche Verſuche mit Rit⸗

ter“. 2) Daß Ritter offenbar auch Anteil hat an den Weimarer Samm-

lungen phyſikaliſcher Apparate, ſcheint bisher überſehen worden zu ſein. So ſchreibt Hegel am 16. November 1803 an Schelling (K. Roſenkranz, G. W. Fr. Hegels Leben, Suppl., Berlin 1844, S. 222): „Goethe geht ſehr auf das Reelle und auf Apparate los. Nicht nur veranlaßte er Schelver, ein botaniſches Kabinett anzulegen, ſondern es wird auch ein phyſiologiſches errichtet, und von Rittern forderte er ſogleich den Plan zu einem galvaniſchen Apparate.“ Jedenfalls geht auch aus Ritters Brief an Goethe vom 8. April 1804 ſo viel hervor, daß Goethe Ritter den Auftrag erteilt hatte, ihm ſeine Ge⸗ danken über die Beſchaffung eines phyſikaliſchen Kabinetts mitzu⸗ teilen, ein Wunſch, dem Ritter in dieſem Brief in großen Umriſſen nachkam. Ritter ſtellt einige prinzipielle Richtlinien für ein ſolches phyſikaliſches Kabinett auf. Der Brief iſt im Anhang unter Nr. 5 wiedergegeben. Bei der Ausführung des Projektes hat wohl Ritter allerdings kaum noch viel mitwirken können, da er im Frühſommer 1805 einem Rufe an die K. Bayeriſche Akademie der Wiſſenſchaften in München folgte. Sicherlich hat aber ſein fachmänniſcher Rat bei der Zuſammenſtellung der elektriſchen und galvaniſchen Apparate mitgewirkt, die das Goethe-Haus jetzt unter Goethes phyſikaliſcher Sammlung bewahrt, und die Goethe bei ſeinen phyſikaliſchen Vor⸗ leſungen im Winter 1805 in ſeinem Hauſe benutzte. Möglicherweiſe bezog ſich auch der Auftrag, den Goethe nach dem angeführten Briefe Ritter erteilte, auf die Sammlung Karl Auguſts, die jetzt gleichfalls im Neubau des Goethe-Hauſes aufgeſtellt worden iſt.

Auch nach Ritters Scheiden von Jena erhielt Goethe durch See⸗ beck fortlaufend Nachricht über Ritter. Seebeck las öfters Briefe Ritters aus München vor, die ſich leider nicht erhalten zu haben ſcheinen (vgl. Goethes Tagebücher 4, 49. 68). Goethe hat ſich, wie ebenfalls aus Goethes Tagebüchern (3, 300. 324. 327) hervorgeht, auch für Ritters Wünſchelruten- und Pendelexperimente lebhaft in⸗ tereſſiert und dieſes Motiv, wie bereits oben erwähnt, in ſeinen Wahlverwandtſchaften' (1809) verwertet. In perſönlichem Brief- wechſel hat er nach 1804 mit Ritter nicht mehr geſtanden.

1) Werke 35, 72. 255. 36, 161. 218; Tagebücher 2, 306 /9. 3, 7. 11. 86. 91. ) J. J. Wagner ſchreibt am 17. Dezember 1802 an A. Adam: „Goethe will eine Geſchichte der Optik ſchreiben und ſteht nicht gut mit Ritter, der ihm mit Experimenten ſeine Theorie bedrängt“ (Johann Jakob Wagner: Lebensnach⸗ richten und Briefe, von Dr. Ph. L. Adam und Dr. Aug. Koelle, Ulm 1849, S. 207).

Goethe und Ritter, 143

Anhang Ritters Briefe an Goethe

5 | Jena, am 13 Octob. 1800

Die Urſache meines heutigen Schreibens an Ew. Hochwohlgeboren iſt ſo verſchieden von dem, was dieſelben nach dem, was wir in Jena verabredet hatten, vorausſetzen könnten, daß ich Tadel erwarten würde, wenn ich eins zu dem andern bringen wollte. Erlauben Sie mir daher heute blos meine Angelegenheit kürzlich beſorgen zu dür⸗ fen. Ich werde nicht vergeſſen, daß ich künftig an das Gegentheil um deſto ſorgfältiger zu denken habe.

Ich bin wohl gewohnt, Hinderniſſe, die die Welt meinen reinen Bemühungen auf manchen Seiten ſetzt, wenn auch nicht immer zu überwinden, doch zu ertragen. Eben aber möchten ſie mich für den Augenblick faſt erdrücken, und verlaſſen von anderer Hülfe, wende ich mich zutrauensvoll zu Ihnen. Es war mir nicht möglich, eine Menge Ausgaben zu vermeiden, die mir dieſe Michaelis große Zah- lungen nötig machen. Ein Freund, der mir ehedem ſchon einmal thätig half, war es jetzt nicht vermögend, und mein Verleger From— mann, an den zu wenden mir jetzt übrig blieb, hatte mir als Honorar eben nichts mehr zu zahlen, und einen Vorſchuß bis Oſtern auf neue Rechnung, um den ich ihn bat, ſchlug er mir auch ab. Doch werde ich auf das Zerſtörendſte nicht nur unterbrochen, ſondern ſelbſt ab— geſchnitten, und mehr, werden, wenn ich ([durchſtrichen: genöthigt durch das äußerſte] noch länger ohne Geld bleiben müßte. Werden Sie es mir alſo wohl verzeihen, wenn ich, durch das äußerſte ge— nöthigt, Sie bitte, mir auf einige Zeit 200 N. als Darlehen zu geben, oder, im Fall Sie ſelbſt mir dies abſchlagen müßten, ſich für das Gleiche bey Seiner Durchlaucht, dem Herzog, zu verwenden?

Die Zeit der Zurückgabe kann ich freylich jetzt noch nicht beſtim⸗ men. Ich bin noch nicht ſo weit, daß ich das Schickſal in meiner Gewalt hätte. Vermuthen will ich, daß die nahe Erfüllung der ſchönen Hoffnungen, die ſich mir jetzt täglich für unſere Wiſſenſchaft öffnen, die Zeit der Tilgung dieſer Schuld nicht fern halten werde; verſprechen aber kann ich, daß es, wenn es erſt ſpät geſchieht, doch eher nicht möglich geworden ſeyn müſſe.

Dies iſt meine Bitte, die ich durch nichts rechtfertigen kann, als durch meine Lage, und das, was ihre Verbeſſerung begründen könnte. Sie wiſſen um beydes, Ihre Verzeihung iſt mir alſo ſicher.

Damit ich aber in künftigen Briefen an Sie mich ſelbſt ganz über⸗ gehen könne, füge ich zu jener erſten Bitte noch eine zweyte letzte hin⸗ zu. Es liegt mir viel daran, mir dieſen Winter eine beträchtliche

144 Mitteilungen aus dem Goethe- und Schiller⸗Archiv

Galvaniſche Batterie zu unterhalten, über die ich allein zu dispo⸗ niren habe. Die meiſten Umſtände macht mir das dazu nöthige Sil— ber. Es ſelbſt leidet keine Veränderung bey den Verſuchen. Hätten Sie Gelegenheit, mir auf 3 bis 4 Monate zu 150-200 Laubthaler, zu dieſem Behuf einzig, zu helfen? Ich würde viel wichtiges da— mit entdecken können, was die Naturwiſſenſchaft recht nöthig hat. Ich kann's doch nicht unterlaſſen, Ihnen ſchon jetzt zu melden, daß mir der Verſuch, durch Magnetism. das Waſſer ſogenannt zu zerſetzen, wirklich gelungen ſey. Zu genauen Verſuchen über die Modification der Cryſtalliſation des ſchwefelſauren Eiſens durch den Magnet bin ich und das Uebrige noch nicht ruhig genug geweſen. Ueber das optiſche Grundphänomen, und deſſen Durchführung durch das ganze Syſtem werde ich Ihnen bald etwas Ordentliches

ſchreiben können. Joh. Wilh. Ritter (im Wucher'ſchen Hauſe)

2. Jena d 25 Dec. 1800

Ich bitte Ew. Hochwohlgeboren um Verzeihung, daß ich die Zeit Ihres diesmaligen Hierſeyns über Ihnen noch meinen Beſuch nicht abgeſtattet habe. Mein böſes Gewiſſen, den mir von Ihnen aufge⸗ tragenen Verſuch über die Anziehung der Cryſtalle des ſchwefelſauren Eiſens während ihrer Bildung vom Magnet noch immer nicht an- geſtellt zu haben, hielt mich zurück. Nun iſt es aber geſchehen, und ich würde Ihnen die Nachricht darüber ſelbſt überbracht haben, glaubte ich nicht Ihre Zeit zu beſchränkt, indem man mir geſagt hat, daß Sie wahrſcheinlich morgen ſchon von hier wieder abgingen.

Ich habe den Verſuch mit der mir möglichſten Genauigkeit und Vorſicht angeſtellt. Ich habe 2 kleine ſogenannte Zuckergläſer mit heißer geſättigter Auflöſung von ſchwefelſaurem Eiſen in Waſſer an⸗ gefüllt, und an jedem der unteren Pole des Magnets eines daran gebracht. Magnet und Gläſer ſtanden auf einem feſtgeſtellten Tiſch [(durchſtrichen: mitten] in der Mitte eines ungeheizten Zimmers gleicher Temparatur wie die äußere Luft, und aller Luftzug war ſorg⸗ fältig vermieden. Von Abends 5 Uhr bis folgenden Morgen 8 Uhr hatte ſich die Auflöſung zum Theil chryſtalliſirt. Blos der Boden beyder Gläſer war mit Chryſtallen belegt. Aber folgender Unterſchied hatte Statt: In dem Glaſe, was am Npol des Magnets ſtand, war an der dieſem zugewandten Seite die Chryſtalliſation weit ſtärker als an der ihm in gerader Linie entgegengeſetzten. In dem Glaſe hin⸗ gegen, was ich an den Spol des Magnets gebracht hatte, waren nach dieſem Pol zu beträchtlich weniger Chryſtallen entſtanden, [durch⸗ ſtrichen: und] mehr aber u. die meiſten auf der dieſem entgegen⸗ geſetzten Seite des Glaſes. Das Schema des Ganzen war alſo:

Ich ließ die Gläſer beyde noch 12 Stunden in der vorigen Lage ſtehen. Aber die Chryſtalliſation nahm blos auf die ſo angefangene Weiſe zu.

Es iſt möglich, daß der reguläre Schein des Erfolges dieſes Ver- ſuchs immer noch von äußeren Umſtänden gerade ſo wurde, wahr— ſcheinlich aber, daß doch der Magnet die erſte Urſache davon, und das Ganze ſomit ein wirklich magnetiſches Phänomen ſey. Ich darf nicht erſt hinzufügen, daß ich das Ganze weiter verfolgen werde.

Der Verſuch, deſſen Erfolg ich Ihnen neulich ſo beſtimmt vorher— zuſagen wagte, iſt wirklich eingetroffen. Aber darf ich glauben, daß Sie mich bis zur mündlichen Unterredung entſchuldigen werden, wenn ich Sie ergebenſt bitte, von dieſem Verſuch u. deſſen Erfolg beſon— ders gegen Schelling nichts zu äußern? Es wäre Schade, wenn Phänomene von dieſer Wichtigkeit zu früh ſich einer Behandlung unterwerfen müßten, die ihnen ein Jahr oder etliche ſpäter nicht mehr nachtheilig ſeyn kann. Ich verkenne Schellings große Tendenz nicht; ich bin ihm früh gefolgt, und ehre ihn, was kann ich aber dafür, wenn die Natur mit dem Materiellen ſeines Verfahrens in der Phyſik Urſach hat, unzufrieden zu ſeyn! Uebrigens wird das nur auf einige Zeit unter uns geſagt bleiben. Es liegt mir lange ſchon am Herzen, die Phyſik gegen Nachtheile zu ſchützen, die Sch. ſelbſt jetzt ſo genau nicht vorherſehen kann. Ich werde es öffentlich thun. Aber es wird eine große Arbeit ſeyn, die tiefe Gründlichkeit erfordert, und das mag mich entſchuldigen, wenn ich nicht heute, nicht morgen ſchon ein Verſprechen halte, was ich ohne dieſe Veranlaſſung [durch- ſtrichen: außer mir] ſelbſt ſanſtatt des durchſtrichenen: auch] Ihnen, dem einzigen bisher außer mir, noch nicht gethan hätte.

Sollten Sie ſich noch länger hier aufhalten, ſo werde ich zu einer Stunde, die Sie dann beſtimmen werden, das Uebrige, was die Gal— vaniſchen Verſuche im Großen, die Zinkplatten, u. ſ. w. betrifft, noch mündlich mit Ihnen beſprechen können. Ganz kürzlich habe ich An⸗ ziehung, Abſtoßung u. Mittheilung beym Galvanismus entdeckt.

Ew. Hochwohlgeboren ergebenſter

J. W. Ritter.

3. |

[Weimar, 24. Februar 1801] Ich muß Ew. Hochwolgeboren um Verzeihung bitten, wenn ich

es mir verſagen muß, heute bey Ihnen zu ſeyn. Unvorhergeſehene VIII 10

146 Mitteilungen aus dem Goethe- und Schiller-Archiv

Geſchäfte nöthigen mich, heute Nachmittag ſogleich nach Oßman— ſtädt zu reiſen. Ich werde mir daher Morgen früh, da ich bis Mit- tag noch hier bleibe, die Ehre geben, um 11 Uhr Sie auf einige Augenblicke zu ſprechen. Ich bleibe Ew. Hochwohlgeboren ergebenſter Diener

J. W. Ritter Dienſtag früh. (bey Dr. Meyer in der Breitengaſſe) 4. Weimar, den 10 April 1801 Ritter

Ich habe mit Hrn. Bauinſpektor Stephany geſprochen, der mir auftrug, die drückenden Poſten aufzuſetzen, um darnach zu urtheilen, ob wohl mit Hrn. Frommann Gutſagungsweiſe u. ſ. w. manches zu beſeitigen ſey. Ich habe es gethan. Aber leider wird das eben der Fall nicht ſeyn können, da wir, ich und Frommann, ſchon das Nem— liche einmal wollten. Meine guten Glaubiger ſind ganz gerade, und durch und durch, ſolche, die ſelbſt ſehr verlegen ſind, wenn ich ihnen das Wort nicht halte, was ich ihnen nothgedrungen und mit dem Gefühl der ſchlechteſten Indignation ſchon ſo oft brechen mußte. Ich werde mit dem H. Bauinſpektor weiter ſprechen.

Sr. Durchlaucht haben ſich vor einigen Tagen nach mir erkun⸗ digen laſſen, bis ſie mich endlich in Weimar ſelbſt fanden. Ich habe geſtern vor ihm und dem übrigen geſammten Hof mit der Batterie experimentirt. Ob man Gefallen daran gefunden hat, weiß ich nicht. Kunſtverſtändige habe ich freylich niemand unter der Geſellſchaft entdeckt, und dies macht dem, der ſich einzig auf ſolche berufen kann, allerdings eine drückende Empfindung. Doch iſt das Ganze doch mehr wie ſonſt zur gelegenen Zeit. Ich glaube in der Anlage derſelben Ihre gütige Hand wiedergefunden zu haben.

Sr. Durchlaucht ſind Morgen (Sonnabend) bey Ihnen. Gewiß wird die Rede doch auch von mir ſeyn. Ich weiß es, daß Sie gute Gelegenheiten für mich benutzen werden, und zweifle nicht daran, daß Sr. Durchlaucht wohl etwas Dauerndes für mich thun dürften. Es ziemt dem, der es zu erwarten hat, nicht, ſeinen Willen erfüllt wollen zu ſehen. Aber die einzige herzliche Bitte verzeihen Sie ihm dennoch, daß, was geſchehen kann, mit der mindeſten äußeren Ge— bundenheit für ihn verknüpft ſey, inſofern Sie, mein Gönner und Retter, dies leiten könnten. Sie wiſſen, was ich dem Leben und der Wahrheit zu halten habe; Muße iſt die erſte unerläßlichſte Bedingung

Goethe und Ritter 147

dafür freye fich ſelbſt beſtimmende Muße. Die wenigen Augen— blicke ſolcher, die ich mir bisher erkämpfte, haben mir durch ihre Fruchtbarkeit zu ſehr gezeigt, was mehrere, ununterbrochene, thun könnten, als daß ich nicht noch immer und ſelbſt mit Aufopferung an ſie denken ſollte. Aber Sie wiſſen weit beſſer, als ich es Ihnen ſagen kann, was die Wünſche deſſen ſeyn müſſen, der die Wahrheit ſchon zu nahe geſehen hat, als daß er nicht die kurze Zeit, die ihm dafür vergönnt ſeyn kann, ernſt verwenden ſollte. Ihnen vertraue ich mich kindlich und ganz.

Ich habe bey Gelegenheit der geſtrigen Verſuche in kurzen Zeilen etwas für Sr. Durchlaucht aufgeſetzt „Reſultate“. Die Art dieſer Darſtellung hat mir jo gefallen, daß ich die Zeit, daß ich noch Wei— mar hüten muß, darauf verwenden will, was ich bis jetzt für Reſultat alles phyſikaliſchen Treibens halte, gedrängt in kurzen Aphorismen aufzuſetzen. Ich werde es Ihnen ſenden, wie ich damit fertig bin.

Sr. Durchlaucht ließen mir geſtern Abend durch Hrn. Hofr. Starke 6 Loisd'or einhändigen. Ich war bewegt bey dem Gedanken, was nun das nöthigſte ſey ich konnte es nicht finden ſo nöthig war alles.

5. Jena, den Sten April, 1804 Hochwohlgeborener Hochzuverehrender Herr Geheimer Rath!

Ew. Hochwohlgeboren werden ſeit längerem eine ſchuldige Antwort auf Dero Auftrag, Ihnen meine Gedanken zu einem phyſikaliſchen Cabinet, zunächſt mit Hinſicht auf Galvanismus, von mir erwartet haben. Ich habe indeß gern erſt meine Erfahrung dieſes Winters ab— warten wollen, um nicht durch einen zu voreiligen Entwurf, an eine auf längere Zeit bedachte Anlage, entweder zu große Forderungen zu machen, oder auch, durch das Intereſſe des Augenblicks verleitet, ſie auf einen bloß momentanen Werth herabzuwürdigen.

Mich ſelbſt überraſchten die gehaltenen Vorleſungen in einer Un⸗ geſchicklichkeit, die mich gewiß noch ſpät nicht ganz verlaſſen wird, in der: Die abgeſchloſſene Darſtellung des Gegenſtandes zu tren- nen von ſeiner mir zu ſchließenden ferneren Entwicklung. Und doch gehört, wie jetzt die Sachen ſtehen, dem akademiſchen Vortrag nur jene, während dieſe das geheime Geſchäft des Lehrers bleibt, was nur aus ſeinen in die nächſte Darſtellung aufgenommenen Reſulta⸗ ten dem Zuhörer . . .. verrathen werden darf.

Es muß dahin kommen, dieſe widernatürliche Trennung einſt auf- gehoben zu ſehen; Phyſik muß nur als Geſchichte der Phyſik, Chemie

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148 Mitteilungen aus dem Goethe— und Schiller⸗ Archiv

nur als Geſchichte der Chemie u. ſ. w., vorzutragen ſeyn. Allein, wo irgend iſt, das, was man Theorie nennt, bereits ſo weit, daß es wür⸗ dig wäre, in der Geſchichte, wie es doch ſollte, nichts als ſeine Wie⸗ derholung zu finden. Noch weniger: wo iſt das Auge, das ſogleich in dieſer ſähe, wozu ihn jene erſt ſpät führen kann!

So bleibe jene Trennung alſo noch immer eine unvermeidliche, und auch unſer Verſuch hätte ſich ihr zu fügen. |

Aber eben, was man Theorie nennt, das in die Darſtellung Ein⸗ heit bringende, iſt dann ein beſchränktes, ein jeden Tag anderes Ein nach ſeinem Sinne eingerichtetes Cabinet, ein wandelbares, jeden Tag zu veränderndes, dem nur ein läſſiger Cuſtos den Anſtrich eini⸗ ger Dauer verleihen könnte. Verleitet durch den Schein, entwarf ich mehrere Pläne; ſchon dieſen aber ging es, wie einſt es ihren Aus⸗ führungen ſelbſt ergangen wäre.

Ein ungeheurer Fond allein wäre vermögend, alle dieſe Revolu⸗ tionen auszuhalten, ſelbſt wenn man ihrer Folge auch Zwiſchenräume von halben oder ganzen Jahren ſetzte.

Es iſt indeß nur von den Ausführungen die Rede, was aller Widerſprüche ohngeachtet, doch bleibenden Wert haben ſoll. Mitten in aller Veränderung muß es von ſelbſt als bleibendes Glied ſich in jede, die dem Lehrer in der mündlichen Ausführung gefällt, oder Noth iſt, ſchicken. Und damit beſchränkt es ſich auf ſehr weniges.

So für die weite Lehre v. d. Electricität z. B. gehörten bloß: Elec⸗ triſirmaſchine, (Leidener Flaſche), electriſche Batterie, Electrophor, Condenſator, (ein einfaches Plattenpaar), Volta's Säule. Jedes in ſeiner Art freylich groß u. gut; die Scheibenmaſchine nicht unter 4 Fuß, die Batterie nicht unter 50 Quadratfuß, u. Volta's Säule kräftiger, als irgend eine ſeitherige. Wieviel für jeden andern Theil der Phyſik gehörte, ergiebt ſich nach dieſem Maaßſtabe von ſelbſt.

Mit dieſem aber wäre doch erſt eine Funktion des Lehrers be⸗ dacht, die ſeines Vortrages. Eben ſo weſentlich, aber, wo möglich noch weſentlicher, iſt die ſeines Studiums. Was hierzu nöthig, könnte der innere Theil des Cabinets, leiſten. Außerer kann er nie werden. Er iſt immer nur momentanes Organ der Unterſuchungen jenes, und ganz kurz: durch nichts: als eine jährliche Summe be⸗ gründet, deren Geber einmal damit zufrieden ſeyn muß, am Ende jedes Jahres die Berechnung ihrer Verwendung mit den Reſultaten der Arbeit vergleichen zu können. Denn viele können vergehen (bey der Electricität bisher gewöhnlich 18—20) ehe der äußere Theil des Cabinets wieder ein würdiges Glied zubekommt.

Obige Summe ſelbſt müßte wieder nach den Zeitumſtänden ſo gut der Vermehrung als der Verminderung fähig ſeyn. Denn unerwartet kann ſich etwas zeigen, deſſen Unterſuchung keinen Aufſchub leidet, und ihre Koſtbarkeit kann ſie nicht entſchuldigen. Dagegen werden

Goethe und Ritter 149

Zeiten minderen Aufwandes kommen, und jo das Ganze auf eine mitt- lere Größe zurückbringen.

Dies wären ohngefähr die Gedanken, welche ich Ew. Hochwohlgeb. vorzulegen wage. Ich habe dabey die mir ſo ſcheinende Beſtimmung eines akadem. Lehrers, Vortrag und Studium in beſtändiger Ver— bindung zu erhalten, zu ernſt vor Augen gehabt, u. ungern habe ich bey ſo beſchränkten Reſultaten, wie die obigen, ſtehen bleiben müſſen.

Ich kam auf viele weit ausſchweifende Betrachtungen, alle aber führten darauf zurück, daß unſere gegenwärtige Art, Phyſik . . . zu treiben, doch nur ein nothwendiges ad interim ſey. Mehrmals gefiel es mir weit beſſer, geradezu jene Verbindung von Theorie und Geſchichte dreiſt zu verfuchen, und unvollkommen, wie es anfinge, doch dem vollkommeneren entgegen zu gehen. Unendliche Schwierigkeiten aber traten in den Weg. Zunächſt konnte es doch kein fortlaufendes Geſchäft bleiben. Der ältere Gang mußte es beſtändig wieder unter- brechen. Das jetzige Auge reicht durchaus noch nicht aus, und wo wir die gefliſſentlichſten Übergänge vor uns zu haben glauben, be— trügt der Schein im Raum die Thätigkeit der Zeit um ihre beſte Frucht. Immer ſpiegelt jener uns gerade Linien vor, ja macht ſelbſt dieſe auf fie verdächtig, indeß dieſe letztere überall nur die Krüm⸗ mungen liebt, und auf verwickelten Wegen noch zehn mal zum vori⸗ gen zurückkehrt, wenn wir ſie längſt in weiter Ferne glauben. Aber alle Dinge bezeichnen nur ſie.

So glaubte ich noch vor wenig Monaten, die Summe der Cörper- individuen überhaupt ordnen zu können, nach Einer großen Richtung, und in ihr das Streben realiſirt zu ſehen, was am Magnet nur un- befriedigt daſteht. Ich meinte damit die Baſis zu haben, von welcher jeder untergeordnete Proceß zur Errichtung ſeines Gebäudes aus ihr ſich erhöbe. Eine Maſſe von Erſcheinungen bildeten das ſchönſte Ein- verſtändnis. Aber nur durch meine Wahl.

Jene Linie iſt keine gerade: wie das S der Erdmagnetiſchen iſt ſie gekrümmt. Dies S ijt ſelbſt nur die allgemeinere Geſtalt einer Reihe von Verſchlingungen, die wieder wechſeln, und nirgends gleich ſind. Das Princip dieſer Krümmung, dieſes Wechſelns in der Krüm⸗ mung ... aber iſt, was fehlt.

Kein Gegenſatz bleibt bey ſeiner Negirung quantitativ. Glas, was als Maſſe, mit Wolle poſitiv, als Pulver wird es negativ. Mit Metall die concentrirte Säure negativ, die diluirte null, dann poſitiv. Das conc. Alkali aber poſitiv, das diluirte Null, dann negativ. Gegen ein- u. dieſelbe Körperdifferenz verhält ſich im galv. Verſuch daſſelbe Organ bey ſehr hoher Erregbarkeit ganz umgekehrt, als wie bei niederer. Von zwey Stücken „che= milch gleichen“ Metall, wird das dünne +, das dicke —. Bey andern Körpern kann es umgekehrt ſeyn.

150 Mitteilungen aus dem Goethe- und Schiller-Archiv

Und dann dies große Ganze, was wir, ſo, doch erſt ahnen, iſt wieder nicht bleibend; morgen iſt ſeine Geſtalt ſchon verändert. Es kehrt zurück, auch war die Aenderung gering, aber beydes ſind Theile höherer Größen, und dieſe ſtören. Schon kamen mir Fälle vor, wo Verbindungen, hart genug, daß kleine Veränderungen für ſie von großen Folgen waren, jetzt ſo, und wenig Minuten ſpäter wieder anders, dann wieder wie zuvor, jedoch immer noch nicht ganz ſo, verhielten. Es waren freylich bloß Silberamalgame, aber mehrere habe ich auch noch nicht unterſucht.

Eines jeden Körpers Verhältnis zum andern wird unaufhörlich geändert. Der ſchönſte Zeuge iſt Volta's Säule. Sie, die auf jenes Verhältnis gegründet iſt, ſchien faſt aus Willkühr zu täuſchen, ließen ſich nicht ſchon eine Menge wunderbar geregelt unter ſich verfloch— tener Perioden ihrer Action erkennen. Sie ſtellt ein Chronometer dar, mit dem die Erde frühe Zeiten hält, eben weil es mit ihr ſie hält. Und alles, was ihr einwohnt, hält ſie mit. Die zitternde Flamme des Lichts zählt mit, das ſchlagende Herz wiederholt andere. Auch der blinkende Stern dort oben nimmt vielleicht theil daran.

So iſt alles in Bewegung, und die geträumte Ruhe ſoll uns in ihr erſt wirklich werden. Und ſie wird da ſeyn, wenn die Zeit wiedergefunden ſeyn wird. Dieſer Entdeckung gehen wir ent⸗ gegen, und es wird auf lange die höchſte ſeyn. Dann kehrt der Gott des Friedens in die Hütten des Raums zurück, und der ängſtliche Kummer ihrer Bewohner iſt gehoben. Dann ſind wir wieder in der Welt, aus der wir uns verloren hatten, und höher wird der Mann es achten, mit, als über ihr, zu ſeyn.

So ſollte nur, der feine Steine, dieſer Pflanzen, jener Thiere, ge= trennt mit ſich nach Hauſe nehmen, um dies daraus zu lernen, ſo wären die ganze Phyſik, Chemie, u. wie ſie weiter heißen, nur un⸗ geahnte Wege, ihn dieſem Gut näher zu führen; ſo wird er endlich die höchſte Schönheit erſt dann erkennen, wenn ſie, zerſtört von ihm, vor ſeinen Füßen liegt. Aber den Schmerz heilt ſein eigener Ge⸗ winn.

Freylich mag es noch fern ſeyn, dieſes Gut. Aber es uns zu vergegenwärtigen, wo von dem Wege zu ihm die Rede war, kann nur gut ſeyn. Und, wieder zurückzukommen auf das, wovon wir ausgingen, bey dem, was ferner zu thun ſey, iſt es vor allem zu bedenken. In den 8 Jahren, ſeit denen ich mich aus bloßer Ahnung, kaum mit einem bewußten Zweck, dem Studium der Natur ergab, hat ein ſolches mir beſtändig am Herzen gelegen; ſeit Einem erſt glaube ich die Spur gefunden zu haben, die mich dahin leite. Und möge der Weg, auf dem ich ihm künftig näher eilen will, auch wieder nur ein einzelner, individueller, ſeyn, ſo iſt es genug für mich, wenn es nur im Sinne deſſen, was alle regiert, geſchieht.

Goethe und Ritter 151

Und jo möge auch das, was ich Ihrem Auftrag gemäß, in diejen Zeilen zu beantworten ſuchte, aus einer ſolchen beſonderen Anſicht gefloſſen ſeyn; ſobald es nur Ihr Urtheil billigt. Es ſcheint nicht, daß ich das Glück haben ſollte, unter Ihrer Leitung ihm nachzugehen. Aber dankbar werde ich für den ehrenvollen Auftrag ſelbſt, beſtändig ſeyn, der mir ſelbſt zu ſo mancher Erkenntniß die erſte Veranlaſſung gegeben hat.

Der ich verharre Ew. Hochwohlgeboren gehorſamſter J. W. Ritter.

Wielands letzte Tage nach einer Aufzeichnung ſeiner Enkelin Wilhelmine Schorcht Mitgeteilt von Hans Gerhard Gräf

nter den Handſchriften aus Knebels Nachlaß, die vor kurzem von der Enkelin Knebels, Frau Dr. Malvina Buchholz, dem Goethe— und Schiller-Archiv geſchenkt worden ſind, befindet ſich die folgende Niederſchrift von Wielands Enkelin Wilhelmine Schorcht über die letzten Tage und Stunden ihres Großvaters; ſie zeichnet ſich durch Ausführlichkeit und anmutige Einzelnheiten aus vor den kurzen Stellen aus ihrem Briefe an Friedrich David Gräter, die dieſer in ſeiner Zeitſchrift Idunna und Hermode' (1813 Nr. 9 S. 44) ver⸗ öffentlicht hat, wie auch vor allen andern Berichten, die wir ſonſt über Wielands Tod haben.

Wilhelmine Schorcht überſandte ihre Niederſchrift dem väterlichen Freunde Knebel am 28. Februar 1813; in dem Begleitbrief heißt es über Wielands ſchwarzes Samtkäppchen: „Das Käppchen, welches der Verewigte noch Tags vorher trug, lege ich bei, wir freuen uns ſämtlich, daß es ein ſo würdiges Haupt gefunden hat!“ Knebel ſchrieb am 7. März 1813 an Goethe: „Ich habe mir unterdeſſen von den Kindern des Alten ſein ſchwarzes Käppchen zum Geſchenk machen laſſen und dachte damit wenigſtens meinem Haupte einige Salbung zu geben. Es will aber nicht recht darauf paſſen, und ſomit werde ich es nur als eine Reliquie aufbewahren. Die letzten Tage und Stun- den ſeines Lebens haben mir die Kinder gleichfalls aufgezeichnet, und mit dieſen hat ſich eine ſtärkende Kraft über mein Weſen verbreitet.“ Vgl. auch Knebel an ſeine Schweſter Henriette, 11/12. Februar 1813 (Briefwechſel S. 647/8).

Die letzten Tage Wielands

Sonntag, den 10. Januar [1813], befand ſich Wieland noch ganz wohl, er noch mit Appetit, man konnte keine Ahndung einer Krank— heit haben. Des Abends ſpielte er noch mit ſeinen Kindern Boſton, das ſich ungewöhnlich verlängerte und ihn etwas erhitzte. Über Tiſch

Wielands letzte Tage 153

ſprach er wenig, und als er ſeine Kinder entließ, um ſich niederzu— legen, äußerte er eine Beklemmung auf der Bruſt, die er ſich aber durch Reiben zu vertreiben gedachte. Gegen 11 Uhr ließ er ſich aus— kleiden, wobei ihn ein ſo ungeheurer Froſt befiel, daß jedes Glied ſteif und unbiegſam wurde. Nun bekam er heftige Krämpfe in den Füßen, die ihm faſt der Sprache beraubten. Gegen Morgen ſchlief er einige Stunden, doch konnte er bei des Arztes Ankunft wenig ſprechen; er klagte über große Trockenheit und Ermattung. Dieſer erſte Tag verging in gänzlicher Bewußtloſigkeit. Dienstags konnte er ſchon mehr über ſeinen Zuſtand nachdenken, er meinte, er habe einen hefti— gen Anfall gehabt, doch ſei die Gefahr vorüber. „Ich war bisher (ſagte er in der Meinung, er ſei ſchon lang krank,) ein ganz anderer Menſch, jetzt bin ich wieder Ich ſelbſt.“ Nachmittags ließ er ſich vor ſpielen, wobei er ſanft einſchlief.

Mittwoch fand ihn der Arzt beſſer, er meinte, das Fieber, das jetzt ſeinen Anfang nahm, beweiſe noch große Kraft. Wieland bat, ihm den ganzen Hergang und Lauf ſeiner Krankheit aufzuſchreiben, denn er könnte dießmal nicht klar darin werden. Da der Arzt von baldiger Herſtellung ſprach, ſo ſagte Wieland: er möchte den fürſtlichen Perſonen ſeinen Zuſtand nicht zu gut ſchildern, weil er ſo bald noch nicht ausgehen wollte. Er ließ ſich das Recept aus der Apotheke wie— derholen, um es ſelbſt zu leſen; im Adelung und Funke ließ er ſich mehrere Artikel, die darin vorkamen, aufſchlagen. Dieſen ganzen Tag befand er ſich gleich gut, eine Wiederherſtellung war zu hoffen.

Donnerstag hatte es ſich wieder verſchlimmert; er ſchien ſeine Krank— heit ſelbſt für gefährlich zu halten; er fühlte ſich immer den Puls und ſagte: „Ich muß über den Huſchke (ſein Arzt) lächeln, wie er ſich be— müht, mir etwas überreden zu wollen, woran er ſelbſt nicht glaubt Seine Weisheit geht nun zu Ende.“

Freitag fühlte er ſich wieder beſſer, er ließ ſich vorſpielen und ſagte nachher zu ihr ganz freundlich: „Ich ſehe Dich auch 1) gern!“ Die Liebe zur Muſik verließ ihn auch hier nicht. An dieſen Tag be— kam er von der Kaiſerlichen Hoheit?) Apfelſinen, mehrere Tage vor— her hatte er ſie ſehnlichſt gewünſcht; indem er wieder davon ſprach, wurden ſie gebracht. Sein Entzücken ſprach ſich auf dem Geſicht aus; „Sagen Sie ihr (er meinte die Hoheit), daß ich glaube mich im Land der Feen zu befinden.“ 8

Frühmorgens am Sonnabend fand ihn die Wärterin, die einen Augenblick das Zimmer verlaſſen hatte, am Rand des Bettes und er— ſchrocken fragte ſie, was das bedeute? „Aus meinen Augen,“ rief er heftig, „immer muß ſie mich in meinen Unternehmungen ſtören.“ Dieſe wollte ſich aber durchaus nicht entfernen; endlich erzählte er,

1) Handſchrift: aus. 2) Großfürſtin Maria Paulowna.

154 Mitteilungen aus dem Goethe- und Schiller⸗-Archiv

indem er laut zu lachen anfing über die erſchrockene Miene, er habe nur probiren wollen, ob er allein aufſtehen könnte. Dieſen Tag befand er ſich leidlich, doch verließ ihn das Fieber nicht. Abends ſprach er eine Viertelſtunde mit einem jungen Freund, den er gern ſah, ſehr freundlich. Nachts unterhielt er ſich ſo lebhaft mit einer Tochter, die bei ihm wachte, daß dieſe ihn bitten mußte aufzuhören, aus Furcht ſich dadurch zu ſehr zu erhitzen.

Sonntags war er bis Mittag ſehr ſtill, er zum erſten Mal etwas gern. Nach Tiſch ließ er ſeine Familie hereinkommen. !) Er ſaß auf ſeinem Lehnſtuhl und ſah wie ein ſehr ehrwürdiger Patriarch aus! zu einem Jeden ſprach er einige Worte; da es ihm aber zu kalt vorkam, ging er wieder zu Bette. Abends beſuchte ihn ein Freund, von dem er ſich erzählen ließ; er erkundigte ſich wieder nach politi= ſchen Neuigkeiten. Sein Cicero beſchäftigte ihn auch ſehr; er äußerte gegen dieſen, daß nun wohl zu Oſtern nur zwei Alphabete heraus⸗ kommen könnten.?)

Am Montag nahm er Ricinusöl ein, wovon er und ſein Arzt ſich viel verſprachen. Er litt dieſen Tag viele Schmerzen, einmal rief er: „Wenn wird doch mein Erlöſer kommen! Heut iſt es der neunte, es iſt der Tag der Schmerzen, aber auch der Weg zur Beſſe— rung.“ Während großer Schmerzen ließ er ſich vorſpielen; bei einer Pauſe rief er: „O hör um Gottes Willen nicht auf!“

Dienstags war er ſehr ſchwach und war ſich auch einer großen Entkräftung bewußt. Durch Wein glaubte er dem Übel abzuhelfen; „Begießt mich, überſchüttet mich mit Wein!“ Er ſprach öfters irre. Doch Nachmittags hatte der Arzt Hoffnung und meinte unbe- greiflicher Weiſe, die Gefahr ſei nun überſtanden. Abends folgte nach ſtarkem Fieber große Schwäche, ſeine Sprache war hohl und dumpf; „Die Nacht wird mir wie ein Jahrhundert vorkommen“, klagte er einigemal. Mehrmals fragte er, ob morgen der 20. ſei, und verlangte den Kalender zu ſehen. Des Nachts ſchlief er auch wirklich gar nicht; von ſeiner Lebhaftigkeit und Kraft konnten ſeine Wärterinnen nicht genug erzählen. Immer wollte er unterhalten ſein, ſie ſollten ihm erzählen, vorleſen. „Wißt ihr keine Märchen, ſprecht das dummſte Zeug, nur vertreibt mir die Zeit. Hat fie denn (ſich zu Einer wen— dend) keine Großmutter gehabt, die ihr Märchen erzählte?“ Nein. „Nun, ſo iſt ſie ja ein gar armer Schelm!“ Er wollte ſich aus der Bibel vorleſen laſſen, in Sirach und Salomo, ſie war aber nicht zu finden. Sein ganzes Weſen war nicht das eines Kranken, ſondern

1) Bei Wieland wohnten in der letzten Zeit ſeine Tochter Karoline Maria Friederike, Witwe von Johann Salomo Gottlieb Schorcht, Diakonus an der Stadtkirche in Jena, mit zwei Töchtern (Amalie und Wilhelmine), und ſeine jüngſte Tochter Luiſe. Wielands Gattin war ſchon 1801 geſtorben.

2) Die ſeit 1808 erſcheinende Überſetzung von Ciceros ſämtlichen Briefen hat Wieland bis zur Hälfte des 6. Bandes ausgeführt; ſie wurde von Gräter vollendet.

Wielands letzte Tage 155

eines kräftigen, geſunden Menſchen. Seine Sprache war wieder wie ſonſt, kräftig und voll. Dieſer Zuſtand dauerte bis gegen 5 Uhr Morgens, wo er wieder Fieber bekam und zu träumen und zu phan— taſiren anfing. Er ſprach von Erfurt, von Menſchen, die, wie er ſagte, vor 2000 Jahren gelebt hätten. Auch dieſen Morgen, den 20. Januar, ließ er ſich ſpielen, doch meinte er nachher, es wäre ohne Takt, er könnte die Töne nicht mehr unterſcheiden. Er war immer ſehr freund— lich, es ſchien aber, als gehöre er nicht mehr zu unſerer Welt; denn als eins ſeiner Kinder wieder hereintrat, fragte er freundlich verwundert: „Wie kommt denn die zu uns?“ Mittags, als ſeine Familie im Nebenzimmer ſich befand, fragte er, die bei ihm geblieben war: „Sind ſie alle da? nun nenne mir ſie alle beim Namen.“ Nach Zeitung fragte er auch; nachher ſagte er: „Napoleon ſchämt ſich“ —. Nach⸗ mittags ſprach der Arzt von ſeiner Arznei mit Lob, worauf er durch einzelne ironiſche Worte antwortete. Als dieſer nochmals von der Wir- kung [ſprach], die feine Arznei hervorbringen würde, ſagte er: „Es fällt mir nicht ein es kann nicht in meine Seele kommen, daß ich einen Freund myſtificiren könnte zumal da ich kein Buchhändler bin.“ Hier fiel ihm Iffland, von dem er in ſeiner Krankheit öfters geſprochen hatte, wieder in der Rolle des Magiſter Lämmermeyer ein.) Der Arzt wollte Hoffnung machen; Er ſagte leichthin: „Sein oder Nichtſein, das iſt mir jetzt ſo ziemlich egal“; hierauf ſprach er den Anfang dieſes Monologs engliſch.?) Auch ſagte Wieland bei ſeinem Eintreten: „Ich befinde mich ſehr wohl mit meinem Fieber, das ich aber wohl in meinen Leben nicht verlieren werde.“ Er ſchien ſich über ihn zu moquiren. „Die Götter“, ſagte er, „haben die Erlaubniß grob zu ſein, weil ſie Götter ſind, aber ein vernünftiger Menſch muß vernünftig handeln.“ Gegen 5 Uhr kam ein anderer Arzt, der ihn fragte, wie er ſich befinde? „Recht wohl, ich habe gut geſchlafen.“ Auf eine andere Frage ſagte er: „Das iſt eine ſchwere mathematiſche Aufgabe, die wir da haben.“ Um 9 Uhr fragten wir ihm, ob er etwas Suppe wolle; er lachte laut über dieſe Frage. „Ihr führt ja ein Leben herrlich und in Freuden, bei [euch] geht es bunt zu, nun bringt mir's nur.“ Er war mit der Zeit immer in Irrthum, er glaubte, es wäre Mitternacht. Nach einer halben Stunde kam ſein Arzt, der ihm Wildunger Waſſer vom Herzog mitbrachte. „Der Herzog iſt ſehr gnädig, aber was ſoll ich damit? ich verderbe mich mit dieſem Zeug.“ Da der Arzt ihm nochmals dieſes Waſſer rühmte, trank er davon und fand es gut. Als wir ihm um 8 Uhr die Bouillon brachten, rief er aus: „Das iſt zum todt lachen

5 8 An Ifflands meiſterhaftem Spiel als Lämmermeyer in dem Luſtſpiel Künſtlers Erdenwallen' von Julius v. Voß hatte Wieland ſich noch am 23. Des zember 1812 erfreut.

2) Über „Wielands to be or not to be im Sterben“ ſprach Goethe am 4. Ja⸗ nuar 1821 mit dem Kanzler Müller (Unterhaltungen? S. 39).

156 Te enge * be

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das iſt ja eine wahre Kosaken 5 5 bif derin“, ſagte er zu der, die es ihm überreichte; er nahm es aber fr lich und lächelnd an.

Dieß mochten die letzten Worte geweſen ſein feine u waren noch bis gegen 11 Uhr und ſpäter lebhaft, aber er konnte nicht mehr ſprechen. Der Puls ging noch ſehr ſtark, nur das öftere mim tenlange Aufhören desſelben machte uns aufmerkſam. Ein ſtärkere Athemzug geſchah, und fein ſchönes Leben war geendet! man kor dieſes Hinſcheiden eher für einen Schlummer halten. f

Mitteilungen

aus dem Goethe-Nationalmuſeum

Die italienischen Kleinbildniſſe Goethes und das neue römische Goethe-Bild Tiſchbeins Von Hans Wahl (Weimar)

(Mit einer Tafel)

Yon den drei bekannten römischen Bildniſſen Goethes, über deren Entſtehung uns der Dichter ſelbſt berichtet hat, entſchwanden zwei für immer dem Geſichtskreis des Dargeſtellten. Die häufig in ihrem Porträtwert überſchätzte apolliniſche Büſte Trippels beſaß er ſelbſt in einem guten Abguſſe nach dem Marmororiginal der Groß— herzoglichen Bibliothek. Das liebenswürdige, aber ſchwache Gemälde der „zarten Seele“ Angelika Kauffmann wurde durch ihren Neffen Johann Kauffmann aus ihrem Nachlaß (1810) verſteigert; Ottilie von Goethe erwarb es neun Jahre nach Goethes Tode aus dem Be— ſitze des Grafen d' Harnoncourt in Brünn. Das bedeutende Werk Jo— hann Wilhelm Tiſchbeins ging wahrſcheinlich bald nach Goethes Rück— kehr aus Italien in den Beſitz des mit dem Maler befreundeten deut- ſchen Kaufmanns Chriſtian Heigelin in Neapel über, von deſſen Erben es in den vierziger Jahren der Bankier Karl Mayer von Rothſchild in Rom kaufte. 1887 hundert Jahre nachdem es gemalt wurde gelangte es durch Schenkung, nicht, wie es nahe gelegen hätte, in das eben eröffnete Goethe-Nationalmuſeum in Weimar, ſondern in das Städelſche Inſtitut in Frankfurt am Main. Als Goethe nach der zweiten Wiederanknüpfung der Beziehungen zu Tiſchbein Ende 1821 ſich von dem Künſtler eine kleine Aquarellſkizze danach erbat, war dieſer nicht imſtande, den Wunſch zu erfüllen, weil er ſelbſt den Aufenthaltsort des Werkes, das ihn unſterblich gemacht hat, nicht mehr kannte. Goethe beſaß unter ſeinen Erinnerungen aus Italien nur den ganz flüchtigen wahrſcheinlich erſten Entwurf, der in der Tiſchbein⸗-Mappe der Goethe-Geſellſchaft (Schriften Bd. 25, Tafel 9) wiedergegeben iſt. Aber manches andere hat ſich in Goethes Nachlaß, z. T. von ihm ſelbſt in beſtimmte Gruppen eingereiht, auf- finden laſſen, das zwar nicht das Antlitz des römiſchen Goethe wieder— ſpiegelt, aber uns vertraulich in ſein Treiben innerhalb ſeiner vier Wände in dem Eckhauſe gegenüber dem Palazzo Rondanini einweiht, oder ihn uns auf den Straßen Roms und in ſeiner Umgebung be— gegnen läßt.

Allbekannt iſt Tiſchbeins flüchtige Federzeichnung, auf der wir Goethe im Begriff ſehen, „das verfluchte zweite Küſſen“ von ſeiner

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160 Mitteilungen aus dem Gocthe-Nationalmufeum

Dan 2 2

Lagerſtatt mit Schwung zu entfernen, ehe er fich zur Ruhe begibt. Die brennende römiſche Ollampe neben der blumengefüllten Vaſe auf dem Tiſchchen zur Linken deutet die Nachtzeit an. Drei Zeichnungen ſchmücken die Wand zu Häupten des Lagers, an deſſen Fußende das wohlbekannte, dem Jupiterkult ergebene Hauskätzchen der Familie Collina hockt. An der rechten Wand tragen Winckelmanns Werke und des Livius Römiſche Geſchichte, zu einem Pfeiler übereinandergeſchich— tet, ein Brett, auf dem der Abguß der Juno Ludoviſi, der einer klei— neren Juno und der eines großen Fußes laſten; darunter der Reiſe— koffer des Romfahrers; neben ihm auf dem Boden der Hammer des Geologen. Denken wir uns noch eine dritte Juno dazu, die nach Goethes Aſchermittwochbrief 1787 wohl auch auf das Brett gehörte, und den koloſſalen Jupiterkopf, den Goethe ſich ſchon Weihnachten 1786 „angeſchafft“ hatte und der „wohlbeleuchtet, damit ich ſogleich meine Morgenandacht an ihn richten kann,“ dem Bett gegenüber an der Wand etwa neben dem Zeichner des Bildchens auf einem Tiſche ſtand, ſo haben wir ein annähernd vollſtändiges Bild von Goethes Wohnung während ſeines erſten Aufenthalts in Rom. Die Zeichnung mag im Januar oder Februar 1787 entſtanden ſein.

Hält das ungebundene Leben unter den römiſchen Künſtlern ſchon in dieſer Zeichnung den intimen Augenblick vor dem Schlafen⸗ gehen feſt, ſo zeigt uns eine andre ſogar Goethe im Bette. Sie iſt noch nicht veröffentlicht und findet ſich in den Tiſchbeinmappen, wo ſie Goethe einſtmals in der Rubrik: „Von Tiſchbein meiſt Abends wenn wir beyſammen ſaßen gezeichnet“ eingeordnet hatte (26, 5 x 19 em). Die Bezeichnung: „Abend Geſpräch. Ich lag im Bette“ kann ſich nur auf ein Blatt beziehen, das mit ganz lockeren Blei⸗ ſtiftſtrichen, ohne die Geſichter zu individualiſieren, folgende Szene darſtellt: Ein Mann redet, in eifrigem Geſpräch über den Tiſch ge⸗ lehnt, auf einen zweiten ein, der auf der andern Seite ſitzt. Hinter dem Tiſch hört Goethe, im hohen Bette halb aufgerichtet, mit ver⸗ ſchränkten Armen auf den rechten Ellenbogen geſtützt, ruhig zu. Eine merkwürdige Nachtmütze deckt ſeine Friſur. Ein Kunſtgeſpräch in vor⸗ gerückter Stunde.

Auch außerhalb der Wohnung am Corſo begegnet uns Goethes Geſtalt mehrfach in Zeichnungen der Freunde. Beſtimmt und durch Tiſchbein ſelbſt beſtätigt (Schriften der Goethe-Geſellſchaft 25, S. 20) auf der Federzeichnung: „Moritz der den Arm gebrochen, vom Chi- rurgen bedient, von Freunden getröſtet“ (Schriften der Goethe-Ge⸗ ſellſchaft 25, Tafel 8). Goethe kniet vor dem Geſtürzten und „dämpft“ deſſen „hölliſches Fluchen mit ſanften Freundes Worten“. So Tiſch⸗ bein in ſeinem Schreiben an Goethe vom 14. Mai 1821, das am Briefrande ebenfalls ein gemeinſames Erlebnis Goethe und Tiſch⸗ bein in Gefahr, beim Abklopfen von Steinſchichten von einem Ochſen⸗ wagen überrannt zu werden illuſtriert. Und ſo dürfen wir auch

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Goerbe in feiner römiſchen Wobnung (1787)

Handzeichnung von . H. W, Tiſchbein

Ital. Kleinbildniſſe Goethes u. d. neue röm. Goethe: Bild Tiſchbeins 161

mit einiger Wahrſcheinlichkeit vermuten, in einem der beiden in den Mantel gehüllten Zuſchauer links auf dem Tiſchbeinſchen „Mord— protokoll“ (Schriften der Goethe⸗Geſellſchaft 25, Tafel 9) Goethe zu ſehen, wenn wir aus Goethes Beiworten: „Tiſchbein kam dazu als eben der Notar den Proces verbal dreſſirte“, nicht herausleſen wollen, daß der Maler allein Zeuge des Vorgangs war.

Weiter hinaus in eine römiſche Villa führt uns ein Blatt Fritz Burys, das aus deſſen Nachlaß in die Sammlung Kippenberg in Leipzig übergegangen iſt und bezeichnet wird: „Bury malt Goethe im Kreiſe der Künſtler“ (abgebildet in der großen Inſel-Ausgabe der Italieniſchen Reiſe, Nr. 119). Ob freilich das unbeholfen ſitzende Malobjekt wirklich Goethe darſtellen ſoll wir kennen weder ein Goethe-Bild Burys aus jenen Jahren, noch iſt es bezeugt und ob Bury wirklich der Zeichner des Blattes und zugleich der auf ihm vor der Leinwand ſitzende Maler iſt, muß bezweifelt werden.

Dagegen dürfen wir auf wenigſtens einer der ſizilianiſchen Umriß⸗ zeichnungen Knieps Goethe als Staffage im linken Vordergrund er- kennen (noch unveröffentlicht im Goethe-Nationalmuſeum).

Keines der Kleinbilder des römiſchen Goethe iſt aber ſo köſtlich, wie jenes Blatt, das Paul Heyſe in ſeinem Gedicht an Wilhelm Hemſen beſingt:

mit der Feder umriſſen und leicht ſchattiert mit dem Pinſel, Wo er ſo häuslich erſcheint in der Sommerfrühe, nur eben

Aus dem Bette geſprungen und erſt notdürftig bekleidet,

Wie er, den hölzernen Laden zurückgeſchlagen, des ſchönen

Römiſchen Morgens genießt und bequem hemdärmlich am Simſe Lehnt und der Sonne die Bruſt und das atmende Antlitz zukehrt. Nur vom Rücken belauſcheſt du ihn, doch glaubſt du in jeder

Linie den Hauch zu empfinden des Wohlſeins, der aus dem Lichtquell Sich durch Adern und Nerven des Neuerweckten ergoſſen.

Selbſt im Nacken das Zöpfchen, der Fuß, der aus dem Pantoffel Halb ſich erhob, die Schnalle, die unterm Kniee den Strumpf hält, Jeglicher Zug ſpricht aus: dem Mann iſt wohl; wie ein Halbgott Schlürft er, vom Zwange befreit, den verjüngenden Atem der Frühe ..“

Es iſt das die Aquarellzeichnung, die, von Tiſchbein dem Berliner Nicolai geſchenkt, nunmehr durch Erbgang in den Beſitz der Nach⸗ kommen von Frau Veronika Parthey, einer Verwandten Nicolais, gelangt iſt. Dieſes verhältnismäßig große Blatt (42 * 27 em) hat die Aufmerkſamkeit auf eine Federzeichnung gelenkt, die im Oktober vorigen Jahres in Berlin zur Verſteigerung kam. Das Goethe⸗Natio⸗ nalmuſeum konnte ſie erwerben, und das Jahrbuch zeigt ſie zum erſten⸗ mal. An der Autorſchaft Tiſchbeins konnte ein Zweifel nicht beſtehen; ſein xaſcher Strich, die etwas ſummariſche Art, durch Schatten- ſchraffierung in größter Schnelligkeit Plaſtik anzudeuten, zeigt ſeine Hand, auch die Papierprobe beſtand das Blatt, zu guterletzt war die Herkunft aus Tiſchbeins Nachlaß geſichert. VIII 11

162 Mitteilungen aus dem Goethe-Nationalmuſeum

Die Rückſeite zeigt ein Liebespaar, vertraulich aneinandergelehnt an einem Treppenabſatz plaudernd, vor ihnen ein etwa vierjähriges Kind; unentwegten Fauſtina⸗Forſchern ſei es unbenommen, in ihnen Goethe und die als ſeine römische Geliebte „ermittelte“ junge Witwe Fauſtina Annunciata Lucia Antonini aus der Oſteria della Campana mit ihrem vierjährigen Knaben zu erblicken. Die andere Hälfte der Seite wird durch zwei ſitzende Frauen in zärtlicher Umarmung aus⸗ gefüllt. Beide Skizzen ſind noch flüchtiger umriſſen als die Zeichnung auf der Vorderſeite.

Ebenſo ſummariſch wie die Formgebung iſt dort das Räumliche behandelt: die Fenſterniſche, wie auf dem Partheyſchen Bilde, an⸗ gedeutet durch den quadrierten Fußbodenabſchnitt, und das Fenſter ſelbſt. In der Niſche ſitzt auf einem Stuhle, der ſchräg gegen die Wand gekippt iſt, in völliger Ungezwungenheit in die Lektüre eines Buches vertieft, derſelbe Mann, den Heyſes Verſe beſingen. Auch die Pan⸗ toffeln fehlen nicht, im Nacken das Zöpfchen und die „Schnalle, die unterm Kniee den Strumpf hält“. Wie auf dem Partheyſchen Bilde trägt er nur Hemd und Hoſe. Obwohl die Porträtähnlichkeit, wie bei allen Tiſchbeinſchen römiſchen Augenblicksbildern keine Rolle ſpielt, kann der Beſchauer eine Linie finden, die zu dem Olbild der Angelika führt.

Es iſt nicht zu bezweifeln, daß wir eine Skizze vor uns haben, in der Tiſchbein, vielleicht am gleichen Tage mit dem Partheyſchen Bilde, den „pittore Filippo Miller“ alias Johann Wolfgang Goethe in ſeiner flüchtigen Manier auf das Papier bannte, als er etwa in Carlo Feas italieniſcher Überſetzung von Winckelmanns Kunſtge⸗ ſchichte hingegeben ſtudierte oder aus der Römiſchen Geſchichte des Titus Livius die Kultur eines Teils ſeiner römiſchen Umwelt neu auferſtehen ließ, oder auch wie er am 2. Februar 1787 an Char⸗ lotte von Stein ſchrieb in „des guten trocknen Volkmann zweytem Theil“, was er „noch nicht geſehen“, ſich anmerkte. Im Erraten des Leſeſtoffs iſt der Phantaſie des Beſchauers freies Spiel gelaſſen, an der Hingegebenheit des Leſers wird er kaum zweifeln. Daß dieſe Stimmung des römiſchen Goethe gewiß keine ſeltene uns durch die Zeichnung feſtgehalten wird, iſt ja auch das Weſentliche.

Das Blatt ſelbſt hat die Ausmaße 31 >< 21,8 em, iſt alſo kleiner als das Partheyſche Aquarell; die Geſtalt ſelbſt jedoch iſt in den Maßen größer und ſo die größte ganzfigurige Zeichnung, die wir nach dem lebenden Goethe beſitzen. Die Zeit der Entſtehung läßt ſich nicht genau beſtimmen, doch, da die Monate der Abweſenheit Tiſch⸗ beins ausſcheiden, begrenzen auf November 1786 bis Februar 1787 oder Juni 1787. Fühlt man mit Paul Heyſe auf dem Partheyſchen Bilde die Stimmung der „Sommerfrühe“, ſo wird man auch unſer

Blatt datieren: Rom, Juni 1787.

Neue und alte Quellen

Nachträge zu Goethes Briefen

I. Drei Briefe, deren Handſchriften ſich in Schweden befinden.

Mitgeteilt von Hans Gerhard Gräf

1. An Friedrich Juſtin Bertuch.

Wollten Ew. Wohlgeb. die Gefälligkeit haben mir, von Nürnberg, die amerikaniſchen Gewächſe 3 Centurien [od. Complett! Auswahl ſchöner und ſeltener Gewächſe [Complett und Continuat.] verſchreiben zu laſſen. Ich entſchließe mich zu dieſer Acquiſition um ſo eher, als ſie mir durch den gefällig zugeſagten Rabat erleichtert wird. Ich wünſche freylich ein ſorgfältig illuminirtes Exemplar, auf gutes ſtarkes Papier und zwar roh zu erhalten. Der ich recht wohl zu leben wünſche.

Weimar am 7 Febr. 1800. G.

Eine buchſtabengetreue Abſchrift des im Reichsarchiv zu Stockholm befind: lichen Briefes und die Erlaubnis zur Veröffentlichung verdanke ich der Güte des Herrn Reichsarchivars Sam. Claſon.

2. An Gräfin Konſtanze von Fritſch.

Warum ich meiner theuren Freundinn auf Ihren lieben Brief noch nicht geantwort [so] muß ich doch endlich einmal ausſprechen: Seit vierzehn Tagen hat ſich leider meine adoptive rechte Hand kranckheits⸗ halber in's Bette gelegt und meine angebohrne Rechte iſt ſo faul als ungeſchickt, dergeſtalt daß ſie immer Entſchuldigung zu finden weis wenn ihr ein Briefblatt vorgelegt wird. Nun aber ſoll ſie ſich nicht ferner weigern ſondern Ihnen verſichern, daß mir Ihr reiches Blat viel Freude gemacht hat. Ich ſchaffte mir ſogleich die Beſchreibung und den Plan von Prag und bin ſchon dort ziemlich zu Hauſe. An

| Ä | 166 Neue und alte Quellen Bi jedem ſchönen Morgen wünſchte ich mich zu Ihnen auf die Teraffe; der Anblick von Prag en relief muß, wie ich dem Grundriß ſchon abſehen kann, auſerordentlich ſchön ſeyn. Bey Betrachtung ſo vieler Merckwürdigkeiten hätte ich auch ſo gern an Ihrer Seite geſtanden

und die Dinge hätten dadurch an ihrem Intereſſe für mich viel ge⸗ winnen müſſen. Denn eigentlich wird mir das kleine Gärtchen nach⸗

grade ein wenig enge, die Menſchen machen mir durch Wahrheiten

und Fabeln den Kopf warm und wenn es nicht noch Berg und Ge—

ſtein gäbe, ſo wüßt' ich nicht wohin flüchten. In Außig habe ich Docktor Stolz beſucht und an ihm einen ſehr wackern und unterrich⸗

teten Mann, auch beſondern Stein- und Cryſtallfreund gefunden.

Meine Abſicht Ihro Hoheiten in Prag aufzuwarten iſt mir bis jezt auch verkümmert worden. John erhohlt ſich langſam und ich mag ihm das Herzeleid nicht anthun ohne ihn die Reiſe zu machen. Schreiben Sie mir bald von dem Befinden der Hohen und theuren Perſonen und empfehlen mich überall mit Anmuth und verſchaffen mir die Fortdauer einer erwünſchten Gnade und Gunſt.

Von dem ſchönen Albr. Dürer habe ich mir von Ambroſi erzählen laſſen welcher ihn gleichfalls ſehr hochſchätzt.

Wegen Docktor Fauſt iſt mir noch nicht gelungen ſichere Kund⸗ ſchaft einzuziehen. Geht es nicht beſſer ſo zitire ich einmal zur rechten Stunde die Geiſter ſelbſt und erkundige mich direckt und wir glauben nachher gerade das Gegentheil von dem was ſie ausſagen.

Mit einem ganz geſchickten jungen Künſtler von Prag zeichne ich alle Tage, die Blätter ſehen ein bißchen wild aus; aber Sie werden doch nicht verſchmähen eins anzunehmen. Sie werden wenigſtens daraus erſehen in welchen Einöden ich meiner Freunde gedachte, mittlerweile Sie [aus: fie] über Palläſte und Kuppeln hinwegſahen. Leben Sie tauſendmal wohl empfehlen mich überall, halten mich Sich Selbſt empfohlen und geben mir bald ein Lebens und Freund⸗ ſchaftszeichen. Tepliz d. 16. Juni 1813. Goethe

Dieſer (wie auch der folgende) Brief befindet ſich in der großen Handſchriften⸗ Sammlung des Freiherrn Axel und der Freifrau Tyra von Klinckowſtröm, geb. Gylden, einer Urenkelin Knebels, in Stafſund auf Ekerö bei Stockholm, denen ich für die Erlaubnis zur Veröffentlichung verpflichtet bin. Ich habe ihn in der Feſtgabe zu Julius Wahles 60. Geburtstag Funde und For⸗ ſchungen (Inſel⸗Verlag zu Leipzig, 1921) S. 14/5 erſtmals veröffentlicht.

Ein Quartbogen, ganz eigenhändig (da Goethes Schreiber John erkrankt war); im Tagebuch unterm 17. Juni vermerkt: „[Brief] An Gräfin Fritſch nach Prag.“ „Ihr reiches Blat“: nicht bekannt; Goethes Tagebuch 23. Mai: „Briefe von Comt. Fritſch und Lämel“. „die Beſchreibung und den Plan von Prag“: Goethe an v. Lämel 2. Juni: „Möchten Dieſelben anordnen, daß ein Grundriß von Prag auf Leinwand gezogen, dergleichen wahrſcheinlich in den dortigen Kunſthandlungen zu haben ſein wird, beigelegt werde, ingleichen etwa eine kurze Beſchreibung der Merkwürdigkeiten dieſer Hauptſtadt, ſo würde ich mich einſtweilen zur Anſicht derſelben vorbereiten können. Denn ob es gleich

r Nachträge zu Goethes Briefen! i 167

gegenwärtig Zeiten ſind, wo man nicht lange voraus ſagen kann, was man zu thun wünſcht, ſo gehört doch dieſer Plan unter meine angenehmſten Hoffnungen.“ „das kleine Gärtchen“: zum Goldnen Schiff gehörig; Goethe an Chriſtiane 7. Juni: „Ich wünſchte nur, du könnteſt ein Paar Tage mit mir in meinem Gartenhauſe ſein. Das Gärtchen iſt klein, liegt aber frei und hat die ſchönſte Ausſicht.“ „Ihro Hoheiten: Maria Pawlowna und ihre Schweſter Katha⸗ rina Herzogin von Oldenburg.“ „ohne ihn die Reiſe zu machen“: Goethe an v. Lämel 31. Juli: „Ew. Hochwohlgeb. zeige ſehr ungern und nach einigem Zaudern hierdurch an, daß die Krankheit meines Reiſegefährten für mich manche unangenehme Folge gehabt, worunter jedoch die darüber abermals verſäumte Reiſe nach Prag mich am meiſten ſchmerzt.“ „Ambroſi“: der Teplitzer Arzt Ambroſius, deſſen Kupferſtichſammlung Goethe fleißig betrachtete. „Docktor Fauſt“: ohne den leider nicht bekannten Brief der Gräfin, auf den Goethe hier antwortet, iſt die Beziehung ſchwerlich zu ermitteln. „jungen Künſtler von Prag“: Maler Neuendorf, den Goethes Tagebuch in der Zeit vom 2. Juni bis 3. Juli häufig nennt.

3. An Theobald Renner

Unterzeichnetem ward am 1 ſten Juny von Sereniſſimo ein in dem Torfmoore bey Haßleben gefundenes Thier⸗Skelet überſendet, Reſte eines ungeheuren Stieres der Vorzeit. Die Theile wurden ſämmtlich auf dem Fußboden meines Gartenhauſes in Ordnung gelegt und man fand ſolche, bis auf Weniges, vollſtändig. Sie werden nunmehr wohleingepackt nach Jena geſendet und folgendes dabey angeordnet und vorgeſchlagen. |

Das Skelet wäre auf dem Fußboden des großen Saales, da im aſtrologiſchen nicht Raum iſt, auszubreiten und ſeine Theile ſorg⸗ fältig zu unterſuchen und zu ordnen, alsdann würden Herr Hofrath D. Renner, der Gehülfe und Cuſtos zu Rathe gehen, ob man nicht das Skelet aufſtellen ſollte. Was den Rückgrat betrifft und was von dem abging würden ſich wenig Schwierigkeiten finden. Den Kopf müßte man mit Sorgfalt behandeln und es würde ja wohl Mittel geben ſelbigen an den Atlas anzufügen und in der Höhe zu halten. über alles dieſes wünſche, ehe man zu Werke ſchreitet, nähere Nach⸗ richt.

Weimar d. 6te Juny .

1821. Goethe

Von Kräuter geſchrieben, Unterſchrift eigenhändig. Das Tagebuch vermerkt unter dem 1. Juni: „Sendung Sereniſſimi von Haßleber thieriſchen Aus⸗ grabungen. Das große Skelett im Gartenhauſe geſondert und zurecht gelegt.“ Am 2.: „Betrachtungen über das große Skelett.“ Am 6.: „Herrn Profeſſor Renner, ... Promemoria wegen des Haßleber Skeletts; detaillirte Specifica⸗ tion desſelben durch Färber; Brief zu weiterer Erläuterung“ und „das Haß⸗ leber Skelett nach Jena geſendet“. Vgl. auch Goethes Brief an Carl Auguſt vom 1. Juni. Durch nachträgliche Funde im Haßlebener Torfmoor konnte das Ske⸗ lett des Stieres beinahe vollſtändig ergänzt werden (Goethe an Carl Auguſt 25. Juli). Goethe berichtete darüber in dem Aufſatz „Foſſiler Stier“ (Weim. Ausg. II 8, 237 f.). Auch ſpäterhin wurden Knochen im Torfmoor bei Haßleben gefunden (vgl. Tagebucheintrag vom 4. Auguſt 1825).

168 Neue und alte Quellen

II. An Chriſtian Gottlob v. Voigt d. ä. Mitgeteilt von Werner Deetjen

Am 8. Oktober 1805 ſtarb in Eiſenach, im Begriff, zu ſeiner Schwe⸗ ſter, der Herzogin Anna Amalia, nach Weimar zu reiſen, der Herzog Friedrich Auguſt von Braunſchweig-Oels und wurde neun Tage darauf in der Fürſtengruft der Weimarer Stadtkirche beigeſetzt. Aus ſeinem Beſitz erbte ſein Neffe Karl Auguſt unter anderem den größ⸗ ten Teil der hinterbliebenen Handſchriften, ferner die Bibliotheken ſeiner Schlöſſer Sibyllenort und Wilhelminenort, ſowie von der Bibliothek in Oels die Bücher, die der Verſtorbene ſelbſt aus eige⸗ nen Mitteln angeſchafft hatte. Als der wegen der Hinterlaſſenſchaft mit den übrigen Erben entſtandene Konflikt endlich beigelegt war und die für Weimar beſtimmten Bücher eingepackt und verladen werden ſollten, wandte ſich Goethe als Mitglied der Kommiſſion, welche die Oberaufſicht über die Anſtalten für Kunſt und Wiſſen⸗ ſchaften führte, an ſeinen Miniſterkollegen v. Voigt mit folgendem Schreiben, das die „Geh. Kanzley Acta Die Berichtigung der Her⸗ zogl. Oelsiſchen Legaten Sache betr. (1806. Vol. II. p. 200)“ ent⸗ halten Y):

Unſer neues Bibliotheks Gebäude?) in Weimar iſt durch alle Etagen nunmehr in ſo guter Ordnung, auch ſcheint es nicht unmög⸗ lich, daß der zur Bibliothek geſchlagene Archivs Theil?) vor Winters noch in Ordnung komme; deshalb ich für Pflicht halte Ew. Excellenz auf einen Umſtand aufmerkſam zu machen, durch den wir abermals ſehr zurückgeſetzt werden können. Es iſt nehmlich die Ankunft der Oelsiſchen Bibliothek. Wollte man dieſe in einem von unſeren Räu⸗ men auspacken und ſondern, ſo würde manches von der Stelle ge⸗ ſchaft und aus der bisherigen Ordnung wieder gebracht werden müſ— ſen. Mein Vorſchlag wäre daher, die Kiſten nach Jena ſogleich zu inſtradiren, ſie hier auszupacken und die Bücher hier aufzuſtellen; wozu auf jeden Fall genugſamer Raum vorhanden. Man ginge ſie alsdann nach dem Catalog durch, ſchaffte nach Weimar was man aus⸗ wählen wollte, ſchaffte nach Eiſenach was Serenissimus dorthin be— ſtimmten und ließe zu einem allenfallſigen Auctionsverkauf hier, was man an jenen beyden Orten nicht brauchen könnte. Durch dieſe Manö⸗

1) Herr Archivar Dr. Müller machte mich freundlichſt darauf aufmerkſam. Die Erlaubnis zur Mitteilung erwirkte mir die Direktion des Geheimen Haus⸗ und Staatsarchivs in Weimar. Der Brief (2 S. eines gebrochenen Foliobogens ſtammt von Schreiberhand, nur die Unterſchrift iſt eigenhändig.

2) Das „neue Bibliotheksgebäude“ iſt der am 27. Juni 1803 begonnene und am 13. März vollendete ſüdliche Anbau.

) Im Erdgeſchoß des Hauptgebäudes, des ehemaligen „grünen Schloſſes“, war früher das Archiv des Erneſtiniſchen Hauſes untergebracht.

Nachträge zu Goethes Briefen II 169

ver blieb unſre Weimariſche Ordnung und Einrichtung unverrückt, welches um ſo wünſchenswerther wäre, als wir ſeit dem Tode Bütt⸗ ners 1) und dem Abbrechen des Vorgebäudes 2) unſrer Bibliothek in der größten Zerſtreuung und Unordnung gelebt haben; wodurch alle eigentlichen Arbeiten retardirt worden ſind und wobey, wegen des vielen Hin⸗ und Wieder⸗Schaffens mancher Schade geſchehen, indem rohe) Werke defect geworden, andere ſich wo nicht verloren, doch wenigſtens verkrochen, und der eigentliche Zweck unſrer Bemühungen den vorhandenen Büchervorrath im Allgemeinen kennen zu lernen, immer weiter hinausgeſchoben worden.

Ew. Excellenz habe deshalb dringend erſuchen wollen, dieſen mei- nen gethanen Vorſchlag gefällig zu begünſtigen, umſomehr, als der Tranſport von Magdeburg oder Halle hierher keinen Unterſchied machen wird. Sollte man aber die Bücher gleich nach Weimar zu ſchaffen demungeachtet beſchließen; jo bitte wenigſtens die Einrich— tung zu treffen, daß fie zuerſt außerhalb unſrer Bibliotheksräume, es Ic) nun in einem herrſchaftlichen oder Privatgebäude aufgeſtellt werden.

Jena den 16 Junius 1806. Goethe.

Dem Wunſche Goethes entſprechend, wurde der Transport zuerſt nach Jena geleitet. Freilich vergingen darüber noch faſt zwei Jahre.

1) Chriſtian Wilhelm Büttner (1716— 1801), Sprachforſcher in Göttingen, in in Jena. Seine bedeutende Bibliothek war durch Karl Auguſt angekauft worden.

2) Das einſt zum „grünen Schloſſe“ gehörige Türmchen.

3) D. h. ungebundene.

Ein Brief Alexander Trippels Mitgeteilt von Georg Witkowski (Leipzig)

Der Schweizer Alexander Trippel, allbekannt durch ſeine apolli⸗ niſche Goethe-Büſte, trat ſogleich nach der Ankunft des Dich⸗ ters in Rom in deſſen Geſichtskreis. Der Brief vom 7. November 1786 meldet den Weimarer Freunden: „An Trippeln hab ich einen ſehr braven Künſtler kennen lernen“, und unter den Notizen über die erſten römischen Monate (Werke 30, 304) lieſt man: „Trippel Gleich anfangs.“

Unſer Brief beſtätigt in ſeinem Schlußabſatz dieſe frühe Berüh⸗ rung und beleuchtet zugleich den Eintritt Goethes in die Künſtler⸗ welt Roms, nicht ohne den deutlichen Ausdruck einer Eiferſucht, die den Bevorzugten Tiſchbein, Reiffenſtein, Angelica Kauffmann den Alleinbeſitz des „großen Löwen“ mißgönnt.

Vorher ſchildert Trippel breit das unglückſelige Ende des Medail⸗ leurs Kaſpar Joſeph Schwendimann, jene Mordtat, von der die

Italieniſche Reife’ unter dem 24. November 1786 als einem Bei⸗

ſpiel der in Rom herrſchenden Unſicherheit berichtet.

Der Eingang des Briefes handelt von Beſorgungen von Kunſt⸗ werken. Aus der Trippel-Monographie C. H. Vogler? (Schaffhäuſer Neujahrsblätter 1892 und 1893) wiſſen wir, daß der Bildhauer häufig ſolche Kommiſſionen für ſeine Gönner in der Heimat über⸗ nommen hat, namentlich für den Kunſthändler Chriſtian von Mechel. Da Trippel mit dieſem ſchon vor dem Jahre 1782 gebrochen hat (laut der Angabe Voglers S. 23), kann unſer Brief ſchwerlich an ihn ge- richtet ſein, und auch ſonſt läßt ſich über den Adreſſaten nichts erkunden.

Ebenſo wenig laſſen ſich die beiden erwähnten Maler Müller und Meier mit völliger Sicherheit feſtſtellen, obgleich bei dem erſten wohl zunächſt an den Dichter-Maler Friedrich Müller, bei dem zweiten an Goethes ſpäteren Lebensfreund Heinrich Meyer zu denken iſt. Dagegen iſt der von Trippel „Köller“ genannte Künſtler ohne Zweifel mit dem ſchon 1789 verſtorbenen Schweizer Koella (vgl. Schriften der Goethe-Geſellſchaft 32, 8. 47f.) identiſch, Biermann jener Schweizer Landſchaftsmaler, der für Goethe zeichnete und malte (Schriften der Goethe⸗Geſellſchaft 5, 106. 112. 139. 238) und der in dem Aufſatz

Ein Brief Alexander Trippels 171

„Chalkographiſche Geſellſchaft zu Deſſau“ (Werke 47, 367) erwähnt wurde.

Der Brief umfaßt vier Seiten 4 und befindet ſich gegenwärtig im Beſitz des Herrn Rechtsanwalt Nathanſohn in Dresden, dem wir die Erlaubnis zum Abdruck zu danken haben.

*

Wohledler Hochgeehrſter Herr und Freünd

Vermutlich werden Sie meinen letzſternen Brieff vom 2ten Nofb. bekommen haben worinnen ich Ihnen gemeldet habe das das Schiff welches Ihre Sechs Kiſten führt hat in Livorno einlaufen und ſich bis dato noch da befindt und nicht weitter gehen kan ſo das alle Wahren müßen ausgepackt und in ein ander Schiff welches gleich nacher Genua abgeht, und alſo ſchon kan angelangt ſein oder in dieſen Tagen muß anlangen, den Brieff den der hieſſige Speditioner den vergangen Samſtag derwegen aus Livorno erhalten hat von ſei— nem Freünd Francesco antoni de Filippo habe ich ſelber geleſen, worinnen er meldete das die Kiſten zum Glücke nicht das geringſte ge— litten haben, und auch nicht im geringſten naß worden ſo das bey all den Unglück noch immer ein großes glück iſt, bey jo villen Comi— sione die ich hier ſchon gehabt habe iſt es mir noch niemahls ſo ver— drießlich gegangen, und hat mir ſchon ville Schlaff loße Nächte ver⸗ urſacht, die Kiſten find adressiert an Sg! Gioanna Luca olliva a Ge- nua, und der hieſſige Speditioner heißt Gioseppe dell Prato, ſo wen Sie es vor gutt finden ſo können Sie noch ſelber nacher Genua Schreiben, ob die Kiſten ohne Gefahr diſen Winter noch über die Bergen können gebracht werden, ich habe mit der heütigen Poſt auch dahin deswegen Schreiben laſſen, den es ſolte mir ſehr lieb ſein, wen Sie es noch diſes Jahr bekommen könten.

Der Müller iſt mit der Schweffel Samlung noch nicht ferttig, da— hin [gegen] aber iſt der Meier und Köllar mit ihren Zeichnungen ferttig und ſehr gutt, das iſt der Gladiator moribondo und die Sizilie von Domenichino und die Sibilla nach Qurcina, der Birman würd auch bald ferttig mit den ſeinigen, ich habe anſtatt 6 Brasselet Pasten nur viere gekaufft, dafor käufte ich zwey ander von die Muſchlen die ich ſehr wolfeil bekomen habe und ſehr gutt gemacht ich hoffe ich werde nicht unrecht gethan habe, den ſie koſten nicht mehr als 5 Paul das ſtück mehr als die andern, und ſind angehend der arbeit vier mahl mehr wertſt als die andern.

Vor ungefehr viertzehn Tagen iſt ein groß unglück über den gutten Schwende Man gekommen, es wurde ihm ein Teüſcher Pütſchafft Stecher von dem Kaiſerlichen Agenten anentfohlen, ein Menſch ohne Naſe

172 Neue und alte Quellen

und der dabey noch ſtarck hinckte, diſer überlieff ihn ſehr oeffters und fragte ihn um Arbeyt, der gutte Schwende Man konte ihm nicht ſo vile verſchaffen das er dafon leben konte, weillen diſer ſich mit die Menſcher abgab, eines Morgens früh komt diſer böſſewicht zu ihm und will ihm Werckzeüg verkauffen, der S. Man ſagt ihm er brauchte es nicht, diſer drang es ihm aber auf, er fragte ihn was er dafor haben wolte, diſer forderte ihm dafor 2 Zechin, darauf ſagte ihm der S: Man das all die ſachen Neü nicht mehr als zwölff Paule koſte, diſer drang ihn ſo darauf das ihm Endlich 30 Paul dafor gab um ihn loß zu werden, den andern Morgen darauf komt diſer Verruchte wider zu ihm, und ſagte er könne die ſachen nicht um das Geldt geben, und er thäte es ihm abdrücken weillen er in Nöthen währe, darauf gab ihm der S: Man den Werckzeug wider zurück und ſchenckte ihm die 30 Paul, darauf wurde der böſſewicht ſo verboſt und ſagte das will ſo vill ſagen das ich nicht mehr kommen ſoll, der arme S: Man ohne was böſſes zu dencken arbeittete fort diſer gab ihm einen Hib mit einem Hirſchfenger an den Hals, der S: Man grieff mit der Hand zu und nahm ihm den Hirſchfenger aus der Hand und warff ihn gleich zum Fenſter hinaus, er hatte aber dabey ſeine Hand ſehr verwundt, den Kerll aber hat er zu boden geſchmieſen und wolte ihm weiters nichts thun diſer aber wie er geſehen hat das er das Gewehr nicht mehr hatte zog ein Zwey ſchneidiges Meſſer herfor, und gab dem armen S: Man mehr als 24 Stich, das wurde ein Lermmen, die Wache wird geholt die ſprangen die Thür auf, und fanden noch wie ſie mit einander ringen, der böſſewicht wie er die Wache geſehen hat ſchnidt ſich ſelber den Bauch auf und kreppierte drauf in Zeit von einer Vier⸗ tel ſtund, der andere wurde nach dem Hoſpital gebracht alle Conso- lation, da wurde alles mögliche an ihm gethan, er wurde noch dazu vom Papſt Entfohlen, das halffe aber alles nichts er bekam die Con- voltion und Sechs Tage darauf müßte er ſterben das wahr den 30 Nofemb in der Nacht, er hat ausgeſtanden wie ein Martirer, den er wahr aller wegens verwundt, Jeder Man hat ihn bedauert, und wahr auch bedaurenswürdig den er wahr der beſte Man von der Weldt der keine Mücke beleidigen konte, daran kan man ſehen, er hatte den andern Entwafnet und konte ihn umbringen und wurde durch ſeine guttheit von dem andern umgebracht. Woher der andere wahr das weis kein Menſch nicht, ich habe den böſſewicht befters ge- ſehen und wolte bekantſchafft mit mir haben, aber ſein geſicht hat mir nicht gefallen und ließ ihm keine gelegenheit, das er nur mit mir ſprechen konte, man jagt er habe noch zwey ander Erſtechen wol⸗ len wenn ihm diſer gutt gerathten währe, und darunter wahr der große Ratht Reiffem Stein, und der ander ein Teüſcher abati. Was hatt nun der arme Schwende Man gehabt vor all ſeine Müh und Arbeit, als das er hat auf eine Elendige art aus diſer weldt gehen das wahr ſeine Belohnung vor ſeine Rechtſchaffenheit. Wehr er ein

Ein Brief Alexander Trippels 173

ſchlechter Menſch geweſen, ſo hette er gewüß mehr Glück in dieſer weldt gehabt.

Der H. Göde iſt vor ungefehr vier wochen hierher gekommen unter dem Nahmmen Müller eines Teütſchen Gelehrten, er Lochiert beim Thiſchbein, er geht bey niemand als beim Reiffenstein und bey der Angelica Kaufman, den ſie haben einen Complot gemacht das er nirgends darff hingehen als wo ſie ihn hinführen, alſo dieſer große Löwe läſt ſich durch die Gaſſe an der Naſſe herumführen, es heiſt er bleibt den gantzen Winter hier, und er Schreibt Tragödi die liph— genia, er iſt einmahl bey mir geweſen, ſonſten bey keinem anderen. Der H. Liptz iſt glücklich und wohl hier angelangt, er läßt ſich Ihnen auf das freündſchafftlichſte entfehlen wie auch der H. Müller und ich, und habe die Ehre mich in Dero Wohlgewogenheit zu Empfehlen, und habe die Ehre zu ſein

Dero

Rom d. 9! Deb Ergebenſter 1786 Freünd und Diener

Alex! Trippel

Ein Barbiergejell über Weimar Mitgeteilt von Eduard Berend (München)

Tn der Autographenſammlung der Preußiſchen Staatsbibliothek Js (Berlin) befinden ſich achtzehn aus dem Nachlaß Jean Pauls ſtammende ungedruckte Briefe eines gewiſſen Karl Chriſtian Rolſch aus den Jahren 1794 bis 1796. Der Schreiber war ein armer, un⸗ gebildeter, aber äußerſt ſtrebſamer und bildungseifriger Barbier⸗ geſell, deſſen ſich Jean Paul während ſeiner Schwarzenbacher Lehr⸗ amtszeit (1790 1794) liebevoll angenommen hatte, indem er ihn mit Büchern verſah und anſcheinend auch an ſeinem Unterricht teil⸗ nehmen ließ. Als Richter im Mai 1794 nach Hof zog, ſetzte ſich das Verhältnis in einem Briefwechſel fort. Rolſchs Briefe, von ortho⸗ graphiſchen und grammatiſchen Schnitzern oft bis zur Unverſtänd⸗ lichkeit wimmelnd, aber von einem aufgeweckten Geiſt und ſogar Humor zeugend, ſtrömen über von rührender Liebe und Dankbarkeit gegen ſeinen Lehrer, ſeinen „Genius“ und geiſtigen Vater, der ihn erſt zu einem Menſchen gemacht habe. Richter, von deſſen Briefen nur unvollſtändige (eigenhändige) Kopien erhalten find ), war un⸗ abläſſig bemüht, den aus der Nacht zum Lichte aufſtrebenden Jüng⸗

ling durch Rat und Tat, durch Empfehlungen an ſeine Bekannten

und durch echt pädagogiſche Anleitungen auf ſeinem dornenvollen ſittlichen und geiſtigen Bildungsgange zu fördern. Zu Anfang des Jahres 1795 ging Rolſch zur Fortſetzung ſeiner Lehrzeit nach Wei⸗ mar. Offenbar hatte ihn nun Jean Paul, der damals ſchon einen Beſuch der Muſenſtadt beabſichtigte, beauftragt, ihm über die dorti- gen Verhältniſſe und Perſönlichkeiten Bericht zu erſtatten. Die Brief⸗ ſtellen, in denen Rolſch dieſem Auftrage nachkam, geben uns zwar keine neuen Aufſchlüſſe und Offenbarungen über Weimar, ſind aber, als aus der Froſchperſpektive geſehene Bilder, immerhin der Mit⸗ teilung wert.

In dem erſten erhaltenen Briefe aus Weimar vom 15. März 1795 ſchreibt Rolſch mit einem Gleichnis, das den gelehrigen Schüler

1) Einige davon ſind abgedruckt in Wahrheit aus Jean Pauls Leben', 5. Bd., Breslau 1830, S. 50, und in Jean Pauls literariſchem Nachlaß', 4. Bd., Berlin

. 1838, S. 251 und 264.

Ein Barbiergeſell über Weimar 175

Jean Pauls erweiſt: „Nichts neues kan ich Ihnen melden, als das es hir in Köpfen gärt, wie das Bier, welches fie trinken, welches im- mer beſſer wird, gemehr [je mehr] mahl es zum gären gebracht wird.“ Im folgenden Briefe vom 24. April 1795 zeigt er ſich mehr von ſeiner beruflichen Seite: „Göthe iſt wieder hier !), und wird ſich warſcheinlich nicht ganz entfernen, er iſt vor wenig Tagen wieder von Jena gekommen, wo er eben ſo lange war. Ich weis nicht, hat er Obſtruckzion, weil er nicht Spazieren geth, ausgenommen in die Comödien, weil vielleicht daß ein Mittel iſt, daß zur Digeſtion hilft, wenſn] man lange weille daſelbſt hat. Wieland, [den] ich jo getrofen in Spazier gänl[glen (als in Wälſchen Garthen, Stern p.), hat das gegen theil im Kopf tragen und in der Freſſur [Friſur] von Göthen; daß [heißt!] er trägt ihn erhaben, und Englfifch] die Hare; jener dief— ſinnent, die Haare ſtat einer Stuſtparocke [Stutzperücke]. Wieland hat Stiefeln, die den H. Verwalder in Schwarzen[bach] zu rathen währen, und ein Arth kammaſchen bilten, oder wie ſie der verſtor— bene Friderich?) ein mahl trug. Göthe geth auch in Stiefeln, aber nicht die der Schneider macht wie Wielanden j[eine]. Herder bald wie Wieland, auſſer daß der nur eine locke und knaper am Kopfe [dat], und in Schuhen, Mandel An Karfreitfag] und erſte Feier⸗ tlag] predigde er . . . . Gerne hätte ich von allen die Portraite mit eingeſchloßen; aber ich war nicht ſo glücklich ſie zubekommen.“

Am 12. Mai 1795 ſchreibt er in Erwartung von Richters baldi⸗ gem Beſuch: „Sie werden hir viel kennen lernen, als den Hofrath Albrecht, der mit den Prinz Constandin auf reißen und ſein Hof⸗ meiſter war, der ganz für ſich lebt.?) Eine Schweſter von der gelieb- teln] des Jungen Werthers.) Ich gebe ihn den Nahmſen], mit dem ihn der Autor Taufte, und wen[n] Sie bald kommlen!, Gelehrte von der Schweiß, wo einer eine Tochter des Wielands heuerrath 5), welche aber für jezt wider fort find, doch aber bald wieder kommen. Wie- landen finden Sie in Pelpetehr [Belvedere], ein Luft Schluß eine Stunde von hier, er wird noch die Woche mit der verwittben Her— zogin Amalie nauf ziehn.“

Und am 15. Juni 1795, als ihm Jean Paul ſein demnächſtiges Eintreffen angezeigt hatte: „Fliegen Sie fliegen Sie! Sie finden alle, die Sie wünſchen, Wielanden Herdern Göthen ebens komme ich aus deßen Hauße, mit der Nachricht, daß Göthe mit Ende dB. Monats oder mit anfang des künfdigen verfliegt.) O! hätte ich

) Das muß ein Irrtum ſein. Goethe kehrte erſt am 2. Mai von Jena zurück.

) Friedrich der Große? N

) Joh. Karl Albrecht, Legationsrat, war in Ungnade gefallen.

) Amalie Buff, Gattin des Kammerrats Ridel.

) Der Züricher Buchhändler Heinrich Geßner heiratete im Juni 1795 Char: lotte Wieland.

6) Nach Karlsbad.

176 Neue und alte Quellen

nur eine Brief Taube, um ſie ſtatt eines Courriers zu ſchicken, um Sie gleich mit zu nehmen, damit Sie noch zur Hochzeit bei Wielands kommen. Auf den Donnerſtag !) wird eine Tochter mit dem Buch- händler Geſſener aus Zürch von Herdern getraut.“

Jean Paul hat ſeinen beabſichtigen Beſuch erſt ein Jahr ſpäter ausgeführt. Rolſch ging, nachdem er in einem ſpäteren Briefe noch verſprochen hatte, ein Porträt Wielands an Richter zu ſchicken, im Sommer 1795 von Weimar nach Berlin, wo er auf Jean Pauls Empfehlung in der Familie des Verlegers Matzdorff freundliche Auf⸗ nahme fand und an dem jüngeren Bruder des Dichters Karl Philipp Moritz einen Freund und Lehrer gewann. Im folgenden Jahre zog er nach Hamburg, wo er bald darauf erkrankte und ſtarb. Jean Paul hat ihm bis ins Alter ein wehmütig-frohes Andenken bewahrt; und ſo mögen auch dieſe Zeilen den wackern Badergeſellen, der von den großen Geiſtern ſeiner Zeit einen Hauch verſpüren durfte, für einen Augenblick dem Staube der Vergeſſenheit entreißen.

1) 18. Juni 1795.

Schiller und das Weimarer Theater

Feſtvortrag, gehalten am 21. Mai 1921 Von Julius Peterſen

VIII

Hochanſehnliche Feſtverſammlung!

Cem Mai 1821 genau vor 100 Jahren entſtand als eine der N letzten Bühnendichtungen Goethes der ſzeniſche Prolog zur Er- öffnung des neuerbauten Berliner Schauſpielhauſes. Als Heerſchau der dramatiſchen Muſe über ihr ganzes Aufgebot, als mildes Toleranz⸗ edikt für alle dramatiſchen Spielarten vom Tragiſchreinen bis zur niedern Poſſe, als befriedigter Überblick über die Prachtentfaltung eines durch alle Schweſterkünſte unterſtützten Geſamtkunſtwerks und als heiterer Lobpreis der verſöhnenden Heilkraft der Kunſt bietet dies Werk des Altersſtiles die Summe der theatraliſchen Lebenserfahrung ſeines Dichters.

Zarte Fäden laufen von da aus rückwärts zu jener Gelegenheits⸗ dichtung, die 23 Jahre zuvor Goethes eigener Bühne, dem neudeko— rierten Weimarer Theaterſaal, die Weihe gegeben hatte. Schillers Wallenſteinprolog hatte damals der Kunſt Thaliens eine neue Ara des Aufſchwunges angeſagt, der aus dem engen Kreis kleinlicher Wirk⸗ lichkeit zu den höchſten GGegenſtänden der Menſchheit emporführen ſollte.

Beim Vergleich der beiden Theaterreden klingt manches zuſammen. Ein heitres Reich der Kunſt beanſprucht die Muſe als „des Tanzes freie Göttin und Geſangs“ ſchon in Schillers Prolog, ehe ſie in Goethes Szenenfolge ihre Künſte ſpielen läßt. Und vielleicht hat Goethe geradezu an den Freund erinnern wollen, als er das ſchwere Programm der Briefe über äſthetiſche Erziehung', auf dem, wie auf ſteinernem Sockel der Wallenſteinprolog ſich erhebt, gefällig in poe⸗ tiſches Gold prägte:

Empfangt das Schöne, fühlt zugleich das Gute, Eins mit dem andern wird euch einverleibt; Das Schöne flieht vielleicht, das Gute bleibt. So nach und nach erblühet, leiſe, leiſe,

Gefühl und Urteil, wirkend wechſelweiſe;

In eurem Innern ſchlichtet ſich der Streit, Und der Geſchmack erzeugt Gerechtigkeit.

Solche Umſetzung des Themas in andere Tonart läßt aber gerade die elementare Weſensverſchiedenheit der Perſönlichkeiten und den Wandel der Zeit erkennen. Schillers Prolog iſt Anfang und Ver⸗ heißung, Anſpannung eines ins Unendliche gerichteten Strebens, Auf⸗ ſtellung höchſten Wertmaßes und Ausſchließung alles deſſen, was dahinter zurückbleibt. Goethes Vorſpiel iſt Ruhepunkt und Erfüllung,

12*

180 Schiller Er das Weimarer 8

freies Kräfteſpiel eines ſicheren Könnens, Hinnahme des Gee und duldſame Freude an der Mannigfaltigkeit der Erſcheinungen.

Werden die beiden Dichtungen unter Ausſchaltung des zeitlichen

Abſtandes nebeneinandergeſtellt, ſo ſcheint ſich eine Zwieſprache zwi⸗ ſchen ihnen zu entwickeln, ähnlich der des Theaterdirektors und des Dichters im Vorſpiel zum Fauſt'. Goethes Prolog, entſtanden auf Beſtellung des Berliner Intendanten, iſt kommandierte Poeſie; ein Stück in Stücken, das Proſpekte nicht und nicht Maſchinen ſchont und das die Menge ſtaunend gaffen läßt. An keiner Stelle verrät ſich, daß das reinſte Seelendrama Iphigenie' als Aufführung folgen fol. Schillers Wallenſteinprolog dagegen iſt über den Glanz des Augen⸗ blicks hinaus auf die Nachwelt bedacht; er ſpricht in eigener Sache und iſt nur auf das eine noch im Werden begriffene Werk eingeſtellt, auf das er vorbereitet. Und trotzdem gewann dieſe Theaterrede die allgemeinere Bedeutung; ſie iſt der Prolog geworden nicht nur für das einzelne Stück, ſondern für die ganze Handlungsreihe des klaſſi⸗ ſchen Dramas, das mit ihm Einzug auf der deutſchen Bühne hielt; die edle Säulenordnung des verjüngten Tempels, die hier begrüßt wurde, ſchmückte das Siegestor dieſes Triumphzuges; die Blütezeit des deutſchen Klaſſizismus wurde zur Glanzzeit des Weimarer Thea⸗ ters. Der Epilog aber, der Schillers Prolog entſpricht, iſt Goethes Totenklage, der Epilog zu Schillers Glocke.

Theaterdirektor und Theaterdichter? Sollte damit das Verhältnis bezeichnet werden dürfen zwiſchen den beiden Brüdern auf dem Throne, zu deren Doppelſtandbild wir verehrend aufblicken? In der Tat, wenn wir die Denkmalgruppe zurückverſetzt denken aus dem Tageslicht der Gegenwart in den Dämmerſchein des kleinen Hauſes, das einſtmals an der Stelle des ſtolzen Nationaltheaters ſtand, dann ändert ſich die Stellung der beiden Geſtalten, und Schiller iſt es, der aus Goethes Händen den dramatiſchen Lorbeer entgegennimmt. Goethe ſelbſt hat in den Annalen von 1805 die gemeinſame Arbeit für das deutſche Theater auf eine Formel gebracht, die dieſem Bilde entſpricht: „er dichtend und beſtimmend, ich belehrend, übend und ausführend“. Der Briefwechſel aber erklärt, wie dieſe Rollenverteilung ohne Selbſt⸗ entäußerung zuſtande kam und wie die Zweiheit im Einklang geradezu organiſch wurde, als eine Art Kreuzung, indem jeder auf dem Gebiete, das ihm zufiel, die Meiſterſchaſt des andern anerkennen mußte. Goethe, der Theaterfachmann, bewunderte Schillers Theaterfinn, während Schiller, der Dichter, ſich Goethes Überlegenheit im rein Poetiſchen unterwarf. So ſieht Schiller die Urſache für Goethes Scheu vor dem Unternehmen einer wahren Tragödie in der Abneigung gegen ihre nichtpoetiſchen Erforderniſſe, in dem Widerwillen gegen die Berech⸗

nung auf Zuſchauer, Zweck und äußeren Eindruck. Und wenn er nun

dem Freunde entgegenhält, er ſei gerade deswegen weniger zum Tra⸗ gödiendichter geeignet, weil er ſo ganz zum Dichter in ſeiner gene⸗

2 4% 8 nz 5 .

8 Be Feſtvortrag, gehalten am 21. Mai 1921 181

=

x riſchen Bedeutung erſchaffen ſei, ſo nimmt er im Dezember 1797

einen Gedanken wieder auf, dem er ſchon im 22. Briefe über äſthe⸗ tiſche Erziehung Ausdruck gegeben hatte: als Kunſt des Affektes ſei

die Tragödie keine ganz freie Kunſt, denn ſie ſtehe unter der Dienft-

barkeit eines beſonderen Zweckes, des Pathetiſchen. Um ſo eindring— licher zwingt er Goethe immer wieder auf die Dichtung hin, die jen- ſeits aller theatraliſchen Zweckbeſtimmung einer pathetiſchen Tra⸗ gödie liegt, auf den Fauſt'. Hier iſt Schiller der unermüdliche An⸗ treiber, deſſen Drängen ſich Goethe kaum erwehren kann. Die Rollen ſind getauſcht. Man könnte ſagen, daß Schillers Stellung zur Fauſt⸗ dichtung der des Theaterdirektors im Vorſpiel entſpräche, wenn ſeine Forderungen nicht ideeller geweſen wären und wenn es nicht ſchließ⸗ lich Goethe ſelbſt wäre, der in dem Widerſpiel zwiſchen Theaterdiref- tor und Dichter ſich ſpaltet und ſpiegelt. Er konnte dieſe Zerlegung ſeines Weſens vornehmen, ähnlich wie im Taſſo', weil der Beruf des Theaterleiters ſich mit ſeinem eigenen dichteriſchen Schaffen ſo gut wie gar nicht berührte.

Für fein eigenes Schaffen hat Goethe das Theater niemals ge= braucht, und die Hoffnung, durch feine Direktion jedes Jahr zur Ab- faſſung von ein paar ſpielbaren Stücken gebracht zu werden, hat ſich trotz Großcophtha' und Bürgergeneral' nicht erfüllt. Für Schillers dramatiſche Welt dagegen war das Theater die Lebensluft, und keines ſeiner Bühnenwerke konnte ohne befruchtende Bühnenanſchauung er⸗ wachſen. So wurde der Zug zur Bühne für ihn der Leitſtern, der ſein Leben lenkte, der ihn zweimal nach Mannheim wies, der zweimal nach Norden lockte (nach Hamburg und Berlin), und der ſchließlich über Weimar, dem Bethlehem in Juda, leuchtend ſtehen blieb. Da⸗ zwiſchen aber liegt eine Periode völliger Verdunklung, eine gänzliche Abkehr von Bühne und Drama; das iſt die große Antitheſe, die den dialektiſchen Aufbau des Schillerſchen Lebensganges charakteriſiert.

In ganz knappen Zügen ſei dieſe Gegenſätzlichkeit, zu der der Wei⸗ marer Schiller die Syntheſe ſucht, gekennzeichnet, wobei wir die jedes⸗ malige Stellung zu Goethe nicht aus dem Auge laſſen wollen. Der Dichter der "Räuber? Hatte in Mannheim durch den brauſenden Er-

folg ſeines eigenen Stückes eine Wirkungsgewalt der Schaubühne

KLennengelernt, wie fie Goethe nie erfahren hat. Durch dieſes Erlebnis

wurde Schiller feſtgehalten bei dem Aufklärungsoptimismus eines Sulzer, den der junge Goethe ſchon in Frankfurt über Bord geworfen hatte. Wenn es gelang, eine aus oberflächlichem Intereſſe zuſammen⸗ geſtrömte Zuſchauermenge in wenigen Stunden ſo im Innerſten auf⸗ zuwühlen, zu erſchüttern und unter die Herrſchaft eines Willens zu zwingen, welches Machtmittel bedeutete dann das Theater in guten

Händen, um durch ſtetige planmäßige Einwirkung die Bildung eines

ganzen Volkes zu beeinfluſſen! So wurde die Frage aufgeſtellt: Was kann eine gute ſtehende Schaubühne eigentlich wirken?, und Schil⸗

182 Schiller und das Weimarer Theater

lers Mannheimer Rede von 1784 wurde nicht nur eine Verteidigung der moraliſchen Anſtalt gegen alle Theaterfeinde, ſondern zugleich ein Programm, das alte Ideen wiederaufnimmt, um deren Verwirk⸗ lichung ſich ſchon ein halbes Jahrhundert gemüht hatte. Leſſing hatte der Idee des Nationaltheaters, das in Überwindung des Gegenſatzes zwiſchen verrohtem Volkstheater und einem in Sprache und Geſchmack verfremdeten Hoftheater über alle Klaſſen- und Bildungsunterſchiede hinweg zum Ganzen der Nation ſprechen ſollte, ſeine Kraft gewidmet, bis er reſigniert die Feder aus der Hand legte und den gutherzigen Einfall belächelte, den Deutſchen ein Nationaltheater zu ſchaffen, da ſie doch keine Nation ſeien. Der junge Schiller aber, der eine Mann⸗ heimiſche Dramaturgie der Hamburgiſchen an die Seite zu ſtellen plant, wagt es, mit prophetiſchem Optimismus dieſen Satz umzu⸗ kehren: „Wenn wir es erlebten, eine Nationalbühne zu haben, dann würden wir eine Nation.“ Dieſe große Zukunftsaufgabe einer Ge⸗ meinſchaftsbildung durch die Bühne war ſchon einmal im Laufe der Menſchheitsentwicklung erfüllt worden. „Was kettete Griechenland ſo feſt aneinander? Was zog das Volk ſo unwiderſtehlich nach ſeiner Bühne? Nichts anders als der vaterländiſche Inhalt der Stücke, der griechiſche Geiſt, das große überwältigende Intereſſe des Staats, der beſſeren Menſchheit, das in demſelbigen atmete.“ Es war nicht das erſtemal, daß die Bodenſtändigkeit und nationale Beſtimmtheit der griechiſchen Kunſt als Vorbild angerufen wurde, und von dem erſten unbeholfenen Verſuch, im Wettbewerb mit der griechiſchen Tragödie ein deutſches Nationaldrama zu ſchaffen, zieht ſich zum jungen Schiller eine Kette, deren Mittelglied Goethe iſt. Als Leipziger Student hatte Goethe der Aufführung des Herrmann' von Johann Elias Schlegel beigewohnt und trotz der trockenen Darſtellung einer allzu entlegenen Zeit doch einen Eindruck von der Wirkungsmöglichkeit nationaler Stoffe mitgenommen, der bei ſeinem erſten großen dramatiſchen Wurf nachwirkte. Die eiſerne Hand des Götz von Berlichingen aber wies dem Räuberdichter den Weg noch über ſein Erſtlingsdrama hinaus. Nach dem Mannheimer Erfolg ſcheint ihn der Gedanke, ein National⸗ theater gemeinſam mit Goethe ins Leben zu rufen, bewegt zu haben, denn indem er den Intendanten für ſich ſelbſt um ein intereſſantes teut⸗ ſches Thema zu einem Nationalſchauſpiel bittet, ſpricht er gleichzeitig die Abſicht aus, Goethes Götz von Berlichingen' für die Bühne zu be⸗ arbeiten, wozu ihm Dalberg die Genehmigung des Verfaſſers erwirken ſoll. Solche Erlaubnis war damals nicht nötig, denn gegen drama⸗ turgiſche Experimente ſchützte kein Urheberrecht. Gewiß hatte Schil⸗ ler auch weniger Furcht, den Verfaſſer durch unerlaubte Benutzung ſeines Werkes zu beleidigen, als Hoffnung, ſeine Aufmerkſamkeit auf ſich zu ziehen und ihn für die Sache zu gewinnen, die ihm am Herzen lag. Es iſt ſchwer zu ſagen, wie ſich Goethe verhalten hätte, wenn Dalberg dem Wunſche willfahren wäre. Schwerlich hätte er

Feſtvortrag, gehalten am 21. Mai 1921 183

mit Freude ſein Stück dem gefährlichen Meſſer des Stuttgarter Regi⸗ mentsmedikus ausgeliefert. Aber vielleicht wäre ihm der junge Idea⸗ liſt doch intereſſant geworden als ein verwildertes Ebenbild ſeines eigenen Romanhelden, der eben dieſelbe Idee des Nationaltheaters

als ſeine theatraliſche Sendung betrachtete. In den erſten Büchern

des Romans, an dem Goethe gerade damals arbeitete, erſcheint frei= lich die Idee immer im Streiflicht einer gewiſſen Ironie, bald als Gerede ſchlechter Komödianten, bald unter den jugendlichen Frag⸗ menten einer überwundenen Entwicklungsperiode, bald als flüchtiger Einfall bei Betrachtung des Jahrmarkttheaters, und wenn Wilhelm Meiſter, „der alte Hoffer“, der ſich durch keine Enttäuſchung ernüch- tern läßt, ſchließlich zu einem Ziele gelangen ſollte, ſo konnte das nur die Eroberung Shakeſpeares für die deutſche Bühne ſein, alſo eine individuelle dramaturgiſche Leiſtung ohne die Tragweite einer großen national⸗pädagogiſchen Miſſion.

Einige Jahre danach iſt auch Schiller von dieſen Ideen abgekom⸗ men. Aber nicht mit Skeptizismus und Ironie ſteht er ihnen jetzt gegenüber, ſondern in ausgeſprochener Gegnerſchaft. In den Abhand⸗ lungen und Briefen der Jahre 1789 bis 1791 iſt geradezu allen Tendenzen der Mannheimer Zeit widerſprochen. Es iſt hier keine Gelegenheit, auf die innerſten Urſachen dieſes großes Umſchwunges einzugehen, der negativ als ein Rückſchlag gegen den Mannheimer Naturalismus beginnt und poſitiv mit der Aneignung der Kantſchen Philoſophie endet. Die Nation iſt jetzt nur ein Fragment der Menſch⸗ heit, deren Ganzes das in ſich vollendete Kunſtwerk zu ſpiegeln hat. Für eine Nation zu ſchreiben erſcheint jetzt als ein armſeliges Ideal, deſſen Begrenzung dem philoſophiſchen Geiſte unerträglich iſt. Sogar die Möglichkeit eines Nationalgeiſtes wird im Hinblick auf die Bil⸗ dungsunterſchiede der Neuzeit beſtritten. Dazu verbietet die Selbſt⸗ beſtimmung der Kunſt jede moraliſche Zweckbeſtimmung, durch die man den Künſten die Gunſt des Staates und die Ehrfurcht aller Men⸗ ſchen erwerben wollte. Jede ſtoffliche Wirkung wird von dem Kan⸗ tianer verworfen, denn aller äſthetiſche Eindruck kann nur von der reinen tragiſchen Form ausgehen. Schließlich wird mit einer Ver⸗ beugung vor den Franzoſen auch der alte Kampf gegen die froſtigen Behorcher ihrer Leidenſchaft aufgegeben. Ein neuer Gegenſtand des Studiums ſind die Griechen, und ehe er ihrer Tragödie mächtig ſei, will ſich Schiller auf keine dramatiſche Ausarbeitung mehr einlaſſen. Auf das Studium der Griechen aber hat eine neuere Dichtung hin⸗ geführt, die als reines, in ſich vollendetes Kunſtwerk dem Theater ganz fern zu ſtehen ſcheint, nämlich Goethes Iphigenie'.

Die letzte Auswirkung dieſer Gegen bewegung iſt die Verleugnung der eigenen Jugenddramen und das Gefühl der eigenen Unſicherheit gegenüber dem Werk, in dem ein neuer Stil ſich angebahnt hat. Nachdem Don Carlos' im September 1790 von Goethes Weimarer

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184 Schiller und das Weimarer Theater

Schauſpielern in Erfurt geſpielt worden iſt, ſoll er auch in Weimar

wiederholt werden, Die Räuber ſowohl als Fiesko' ſollen in Um

arbeitungen, die man von ihrem Dichter erwartet, folgen. Schiller

aber läßt durch Wielands Vermittlung Goethe um vier bis ſechs Wochen Friſt für eine Anderung des Don Carlos' bitten, und er bleibt das Manujfript noch viel länger ſchuldig; die Bearbeitung der Jugenddramen aber hat er der Weimarer Bühne überhaupt nicht geliefert. Hatte er früher eine Begegnung auf dem Theater geſucht,

ſo weicht er jetzt der Gelegenheit aus, in unverkennbarer Scheu, mit

Werken, die ihm ſelbſt nicht mehr genügen, vor Goethe hinzutreten. Nicht auf dem Weimarer Theater hat ſich der Freundſchafts bund

geſchloſſen, ſondern in Jena, wo Schiller ſich in ſeinem Ideenkreis

heimiſch und ſicher fühlte, und wo Goethe Zuflucht ſuchte, wenn er der Weimarer Masken⸗ und Theaterwelt überdrüſſig war. Die über⸗

raſchende Übereinſtimmung bei gegenſätzlichem Ausgangspunkt, die

ſich in allen Geſprächen herausſtellte, erſtreckt ſich auch auf die Fra⸗ gen des Theaters. Wenn Schillers neue Kunſtlehre die Perſönlichkeit des Schauſpielers nur als Stoff betrachtet, der ſich in der Form der Darſtellung zu verlieren hat, ſo hat er theoretiſch den Erfahrungs⸗ grundſatz vorausgenommen, nach dem Goethe bei der Erziehung ſeiner Schauſpieler zur Vielſeitigkeit handelt und den bald ſein Wil⸗ helm Meiſter durch Jarno hören wird: „Wer ſich nur ſelbſt ſpielen kann, iſt kein Schauſpieler.“ Aber bei der vollſtändigen Unterdrük⸗ kung der Individualität bleibt es nicht. Außer der Wahrheit der

Darſtellung, die das Werk der Kunſt iſt, muß auch die natürliche

Anmut als freiwilliges Geſchenk der Natur zur Geltung kommen. So ſchlägt die Abhandlung Über Anmut und Würde' den Weg der Syntheſe ein, den die Briefe über äſthetiſche Erziehung weitergehen. Indem ſie den Gegenſatz zwiſchen Stofftrieb und Formtrieb im Spiel⸗

trieb verſöhnen, kehren ſie zurück zu jenem mittleren Zuſtand zwiſchen

tieriſchem und geiſtigem Trieb, der in der Mannheimer Rede das Erzeugnis des äſthetiſchen Sinnes war. An allen Enden knüpfen ſich jetzt in zunehmender Lebensannäherung die abgeriſſenen Fäden wieder an. Das Programm der äſthetiſchen Erziehung rettet ſogar, unter Preisgabe aller moraliſchen Zweckbeſtimmung, wenigſtens eine mittel⸗ bare Wirkung der Kunſt auf das öffentliche Leben, auf Staat und Politik. Damit wird einer neuen Zuwendung zum Theater der Weg bereitet. Und jetzt erfüllt ſich in ſeltſamer Fügung der Jugendwunſch.

Die erſte neue Theateraufgabe, die Schiller zufällt, iſt die Bearbei⸗

tung eines Goetheſchen Werkes, das zwiſchen der freien Formloſigkeit des Götz von Berlichingen’ und der Gebundenheit der Iphigenie in der Mitte liegt. Für das Ifflandſche Gaſtſpiel des Jahres 1796 hat Schiller den Egmont einzurichten, und in ſeiner Bearbeitung greift er ſo rückſichtslos durch, daß er wagen kann, zu ſagen: „Es iſt gewiſſermaßen Goethens und mein gemeinſames Werk.“

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Feſtvortrag, gehalten am 21. Mai 1921 185

Das iſt das Bekenntnis einer Arbeitsgemeinſchaft, in der einer für den Anteil des anderen eintritt. Wie die Xenien' des Muſenalma⸗

nachs als untrennbare Einheit erſchienen, jo ſollte auch das Theater

die Chorizonten herausfordern. Und wie Goethe ſich gewiſſermaßen als Mitherausgeber der Horen' betrachtete, ſo ſpricht er ſpäter in der Rückerinnerung von jener Zeit, da Schiller und er dem Weimarer Theater vorgeſtanden hätten, als ſei es eine gemeinſame Unterneh⸗ mung geweſen.

Welchen Anteil gewann nun Schiller tatſächlich an Goethes Thea- terleitung? Die Schwägerin Caroline von Wolzogen berichtet, ihn habe oft der Gedanke an die Leitung und Einrichtung eines größeren Theaters, mit dem er ganz nach ſeinem Plane auf die Bildung und Geſtaltung aller Lebensformen einwirken könnte, beſchäftigt. Aber über ſolche Freiheit verfügte nicht einmal Goethe ſelbſt, geſchweige denn, daß Schiller ein ſelbſtändiger Einfluß dieſer Art in Weimar hätte zu⸗ teil werden können. Zwar wäre es denkbar, daß Goethe, als er 1794 Schiller zum Beſuch des Theaters und zum Studium der Schau— ſpieler einlud, es nicht allein auf die Malteſer' abgeſehen hatte, die er als Feſtvorſtellung für den Geburtstag der Herzogin erhoffte, ſondern, daß er, des Theaters längſt überdrüſſig, noch von einem anderen Hintergedanken geleitet war. Im folgenden Jahre macht er dem Herzog den Vorſchlag, Schiller als Stellvertreter oder ſogar als Nachfolger in die Leitung des Theaters zu übernehmen. Aber der Herzog, deſſen franzöſiſcher Geſchmack Schiller die Räuber' nie ganz verziehen hat er hatte gegen ſeinen theatraliſchen Takt ein un⸗ begrenztes Mißtrauen —, ſchnitt jede weitere Erörterung dieſes Ge— dankens ab. So iſt Schiller auch ſpäter ein amtliches Verhältnis zum Weimarer Theater etwa als Mitglied der Theaterkommiſſion verſagt geweſen.

Um ſo wichtiger war die ideelle Förderung, die ſich Goethe von einer ganz freien, zwangloſen Einwirkung Schillers zur Ergänzung ſeiner eigenen formalen Theaterleitung verſprach. „Zwiſchen dem, der zu befehlen hat“, ſo ſchreibt er am 9. Dezember 1797 an Schiller, „und dem, der einem ſolchen Inſtitute eine äſthetiſche Leitung geben ſoll, iſt ein gar zu großer Unterſchied. Dieſer ſoll aufs Gemüt wirken und muß alſo auch Gemüt zeigen, jener muß ſich verſchließen, um die politiſche und öbkonomiſche Form zuſammenzuhalten. Ob es ınög- lich iſt, freie Wechſelwirkung und mechaniſche Kauſalität zu verbinden, a ich nicht, mir wenigſtens hat das Kunſtſtück noch nicht gelingen wollen.“ f

Damit war Schillers Aufgabe umriſſen: Freie Wechſelwirkung von Gemüt zu Gemüt, geiſtige Anregung der Schauſpieler und Ein⸗ gehen auf ihre Individualität, äſthetiſche Leitung ohne Befehlsgewalt und beſtimmender Einfluß auf die künſtleriſche Richtung des ganzen Unternehmens. Schiller kommt dem nach, indem er ein Vertrauens⸗

186 Schiller und das Weimarer Theater verhältnis zu den Schauſpielern in geſelligem Verkehr zu erwerben ſucht; er lädt ſie nach Proben und Aufführungen zu ſich ins Haus, er ſpricht mit ihnen die Rollen durch, er ermuntert ſie, ihr Beſtes daranzuſetzen, und er legt ihnen ſogar Stücke ans Herz, die ihm ſelbſt nicht zuſagten, wie Schlegels Alarcos'. In den Leſeproben, die er nicht nur für ſeine eigenen Stücke abhielt, hat er beſtimmen⸗ den Einfluß auf Vortrag und Auffaſſung der Rollen gewonnen, auf den Bühnenproben hielt er ſich dagegen zurück und ergänzte nur ge⸗ legentlich einen bereits auf der Leſeprobe gegebenen Wink. Caroline von Wolzogens Charakteriſtik der Arbeitsteilung dürfte das Richtige treffen: Schiller wirkte mehr auf das Fühlen und innige Verſtehen der Rollen, Goethe auf die Erſcheinung im Leben. Mag auch Schiller nach ſeinem Temperament einer ausdrucksvolleren Beweglichkeit und ſtärkeren Akzenten zugeneigt geweſen ſein als Goethes auf plaſtiſche Bildwirkung gerichteter Sinn, ſo verurteilte er doch gleich entſchieden die beliebte Natürlichkeit und den falſch verſtandenen Konverſations⸗ ton des bürgerlichen Theaters und teilte Goethes Entſetzen über die Nachricht, daß auf einer anderen deutſchen Bühne die Schauſpieler geradeſo ſpielten, als ob gar keine Zuſchauer gegenwärtig wären. Es lag ihm fern, an den Grundlagen des Weimarer Stiles, der noch in der Ausbildung begriffen war, zu rütteln. Er betrachtete ſich als aus⸗ führendes Organ, und der einzige Ausſpruch auf einer Probe, der uns wörtlich (ſogar auf ſchwäbiſch) überliefert iſt, lautete: „Ei was! Mache Sie's, wie ich's Ihne ſag' und wie's der Goethe habbe will.“ Damals, bei der Einſtudierung des Tancred', hat Schillers milde Freundlichkeit und Geduld, die ſich gegenüber Goethes Strenge manch⸗ mal ins Mittel gelegt hatte, verſagt. Er ſah ein, daß er ohne die Machtbefugnis des kurzen Imperativs nicht durchdringen könne, und zog ſich verärgert vom Theater zurück. Selbſt das Einſtudieren eigener Werke war ihm jetzt wegen der ſchrecklichen Empirie des Einlernens, des Behelfens und des Zeitverluſtes der Proben zuwider. Nach einiger Zeit des Grolles war er freilich wieder für die Einſtudierung der Iphigenie' zu haben, und ſpäter hat er einmal in Lauchſtädt Goethe vertreten, aber jene ſtändige Teilnahme an der künſtleriſchen Leitung und ihrem Mechanismus, die Goethe erwartet hatte, erwies ſich als undurchführbar.

Um ſo freier und ungezwungener bewegte ſich Schiller auf dem zweiten Arbeitsfelde, das ihm zufiel, dem des Dramaturgen. Goethe ließ ihm ſorglos freie Hand, auch in der Bearbeitung eigener Stücke, und mußte mit Staunen zuſehen, wie ſein Egmont unter Schillers Händen zum rechten Theaterſtück wurde, wie das Zarte preisgegeben, aber das Wirkungsvolle um ſo energiſcher herausgearbeitet wurde durch Streichung, Zuſammenlegung, Verſchiebung, durch Ausein- anderbrechen der lockeren Form und Wiederzuſammenſchmieden in ſtraffem Aufbau und planmäßiger Steigerung. Vor dieſer Folgerich⸗

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tigkeit theatraliſcher Geſtaltungskraft verſtummte ſein Widerſpruch. „Das hat unſer großer Freund beſſer verſtanden als wir“, hat er ſpäter Tadlern der Egmontbearbeitung entgegengehalten, während er allerdings in anderen Geſprächen dieſe ihm weſensfremde Gewaltſam— keit als einen Sinn für das Grauſame anſah, der Schillern noch von den Räubern her angehaftet habe. In der Tat, die ganze Achtung, die Schiller in ſeiner äſthetiſchen Periode für die Freiheit der Erſchei— nung und die innere Form des in ſich vollendeten Kunſtwerkes be— kannt hat, ſcheint jetzt verloren zu ſein, wenn er ſogar an das Seelen— drama Iphigenie als Theaterpraktiker herantritt und ſtärkere ſinn⸗ liche Eindrücke, Motive ad extra, wie die Erſcheinung der Furien, ohne die Oreſt nicht denkbar ſei, verlangt. Schillers Theaterbearbei— tung der Iphigenie' iſt verlorengegangen, wir wiſſen nicht, welcher Ausgleich zwiſchen ſolchen Vorſchlägen und der Unantaſtbarkeit der Dichtung gefunden wurde. Goethe ſelbſt hat erſt im Alter, als er den Briefwechſel mit Schiller herausgab, in Freundesbeifall Rückhalt gegenüber der Gewaltſamkeit der Schillerſchen Zumutungen gewon- nen, aber zu Schillers Lebzeiten konnte er ſich dem Einfluß dieſes ſtarken theatraliſchen Willens nicht entziehen. Als Theaterdirektor mußte er ihm recht geben. Er iſt ſogar ſelbſt bei Schiller in die Schule gegangen, als er 1803 ſeinen Götz von Berlichingen’ mit Schillers Beihilfe und in ſeiner Art, aber nicht ganz mit ſeinem

Geſchick und ohne eigene Befriedigung, für die Weimarer Theater⸗

aufführung einrenkte. So ſind Goethes eigene Werke in einer durch Schiller beſtimmten Theaterform auf die Weimarer Bühne gekom⸗ men, und den eigentlichen Goetheſtil hat das Weimarer Theater erſt nach Schillers Hingang gefunden. Als im Jahre 1807 die Weimarer Schauſpieler, Pius Alexander Wolff an der Spitze, ohne Goethes vorheriges Wiſſen den Taſſo einſtudierten, da erfüllte ſich erſt ſein Traum von einer Nationalbühne klaſſiſchen Stiles, für die er einſt⸗ mals Iphigenie und Taſſo' geſchrieben hatte. Was da zuſtande kam, war freilich die harmoniſche Wirkung einer ſehr viel ſtilleren Theaterkunſt, die auf rein künſtleriſche Sphäre beſchränkt blieb.

Damals ſoll Goethe nach der Aufführung auf die Bühne gekommen

ſein und zu den Schauſpielern geſagt haben: „Nun ſind wir da an⸗ gekommen, wohin ich euch haben wollte. Natur und Kunſt ſind jetzt auf das engſte miteinander verbunden.“

Aber wodurch waren diefe Schauſpieler zu ſolchen Aufgaben be= fähigt worden? Schillers Dramatik war die Schule, die die Weimarer Schauſpielkunſt durchlaufen mußte, um zur Vielgeſtaltigkeit, zur Herr⸗ ſchaft über alle Regiſter, zur Polyphonie und ſchließlich auch zur vornehmen Schlichtheit zu gelangen.

Schillers Enthuſiasmus und lebenweckender Impuls mußte zu den großen Aufgaben mitreißen. In der erſten Periode der Goethe⸗ ſchen Theaterleitung waren auf der Weimarer Bühne Iffland und

188 Schiller und das Weimarer Theater

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Schröder mit ihren Familiendramen an der Gertsch, 25 Gag = ſelbſt wagte kaum auf einen baldigen Wandel zu hoffen. Das waren Stücke von Schauſpielern, mit ſicherer Bühnenroutine verfaßt, Stücke, die ſich ſelbſt ſpielten und dem Publikum behagten, das ſich ſelbſt und ſeine guten Bekannten auf der Bühne freundlich begrüßte. Das Publikum wollte es nicht anders, und in der lähmenden Über⸗ zeugung, daß das Publikum im Grunde ſich ſelbſt das Theater er⸗

zeuge, das ſeinem Geſchmack entſprechend ſei, hatte Goethe die Theater⸗ leitung übernommen. Ebenſo gering war ſein Zutrauen zu der Lei⸗ ſtungsfähigkeit der Schauſpieler geweſen, die auf dem ebenen Wege der Natur und Proſa ihre Sache ganz gut machten, aber bei der gelindeſten Tinktur von Poeſie verſagten.

Für Schiller gab es keine matte Reſignation. Zwar iſt ſein Ver⸗ hältnis zum Publikum wechſelnd, es ſchwankt zwiſchen enthuſiaſti⸗ ſcher Hingabe und Kriegserklärung, aber der Krieg gegen das Publi⸗ kum, den er einmal als das einzige Verhältnis, das nicht reuen könne, bezeichnet, wird zum Eroberungskrieg, zur Ausbreitung zwingender Wirkungsgewalt und ſieghafter Durchdringung. „Nicht das Publi⸗ kum zieht die Kunſt herab. Zu allen Zeiten, wo die Kunſt verfiel, iſt ſie durch den Künſtler gefallen.“ Dieſer Satz, der den optimiſti⸗ ſchen Erziehungsgedanken der Mannheimer Zeit wieder aufnimmt und zugleich ein abgewandeltes Zitat des Schluſſes der Künſtler darſtellt, konnte in der Vorrede zur Braut von Meſſina aus⸗ geſprochen werden, nachdem der Sieg errungen war.

Wallenſteins Lager' war der erſte Verſuch geweſen, die Rhyth⸗ mophobie, die Reim- und Taktſcheu, an der die deutſche Schauſpiel⸗ kunſt krankte, zu überwinden. Und es ging; die Schauſpieler dekla⸗ mierten die gereimten Verſe, als ob ſie ihr Lebtag nichts anderes getan hätten. Nun konnte auch von anderen Bühnen die gleiche Lei⸗ ſtung verlangt werden. Für Schiller ſelbſt war es eine Erlöſung, denn nach den traurigen Erfahrungen, die er mit ſeinem Don Car⸗ [08° gemacht hatte, war er darauf gefaßt geweſen, die eigentliche Wallenſtein⸗Tragödie in Proſa abfaſſen zu müſſen. Jetzt gab ihm die Weimarer Bühne Rückhalt zu immer größeren Anforderungen, und Goethe hieß die wachſenden Aufgaben für die Erziehung ſeiner Schauſpieler willkommen. Derſelbe Pius Alexander Wolff, der die Rolle des Taſſo ſchuf, hatte, wie Goethes Regeln für Schauſpieler' zeigen, ſeine erſte Schulung an den Verſen der Braut von Meſſina' empfangen.

Es war eine Wechſelwirkung, wie ſie deutſches Drama und Theater ſeit Jahrhunderten nicht mehr kannten. Schillers Drama, an dem die Weimarer Schauſpielkunſt ſich entwickelte, gewann erſt auf dem Weimarer Theater ſeine Bühnenform. Noch war es keineswegs Regel, den Verfaſſern einen Einfluß auf die Inſzenierung einzuräumen, und einem Kotzebue beiſpielsweiſe verweigerte Goethe die Teilnahme an

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Feſtvortrag, gehalten am 21. Mai 1921 189

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2 den Proben eigener Stücke. Schiller aber, für den die Anpaſſung an

den Theaterzweck eine nachträgliche Verſtandesſache war, fand hier ſeine Verſuchsbühne. Er änderte bis zum letzten Augenblick und ſchrieb den fünften Akt der Maria Stuart', während die erſten vier bereits auf der Probe waren. Manchmal wurde es Goethe zu viel, und bei Wallenſteins Lager' mußte er trotz verantwortlichen An— teils an den letzten Umgeſtaltungen ſchließlich Einhalt gebieten und um Rückſicht auf die Schauſpieler bitten, die ſich an ihre Rollen klammerten wie der Ertrinkende ans Brett.

Was als Rückſichtsloſigkeit erſchien, war im Grunde Rückſicht⸗ nahme. In den letzten Stücken, bei geſicherter Herrſchaft über das theatraliſche Handwerk, tritt das Experimentieren zurück, aber dafür wachſen die Anſprüche an den theatraliſchen Aufwand, um ſchließlich die beſchränkten Mittel des Weimarer Theaters faſt zu überſteigen. Was beinahe wie ein Rückfall in die ungebundene Theaterphantaſie der Jugenddramatik anmutet, iſt die Anwendung eines neuen Maß⸗ ſtabes, der außerhalb Weimars ſich darbietet.

Ifflands Berliner Bühne tritt mit Weimar in Wettbewerb. Hatte Goethe damit begonnen, feine Schauſpieler durch ein Gaſtſpiel Zff- lands zur Vielſeitigkeit und Wandlungsfähigkeit anzuregen, ſo konnte bald die vernachläſſigte Rhythmik des Berliner Stiles der nach Grabbes Wort die Verſe bequemeren Weges halber zu poetiſchen Chauſſeeſteinen zerſchlug gegen die Geſchloſſenheit des Weimarer Vortrages nicht mehr aufkommen. Aber gerade in dem Zeitpunkt, da hier die Stilreinheit ihrer Vollendung zuſtrebt, ſucht man dort ſein Übergewicht durch das Aufgebot großer Mittel zur Geltung zu bringen, und auch dort iſt es Schillers Drama, an dem die neue Richtung ſich entwickelt. Iffland, der einſtmals als bürgerlicher Dra⸗ matiker mit dem Mannheimer Schiller rivaliſiert hatte, ſieht mit Wallenſtein' und Maria Stuart” für das Drama großen Stils die Bahn eröffnet. „Von Erſcheinung dieſer Koloſſen“, ſo ſchreibt er 1802 an Schiller, „war ich bemüht, das große Trauerſpiel in ge- reimter Sprache wiedereinzuführen. Publikum und Künſtler bedurften Erhebung.“ So hat Weimar geſiegt, auch in Berlin.

Nicht nur der Vortragsſtil, auch der Spielplan der Weimarer Bühne

ſollte für die andern Theater Deutſchlands ein Muſter werden. Die Erziehung des Publikums zur Vielſeitigkeit und Empfänglichkeit war,

nachdem der Bann gebrochen war, der vornehmſte Gedanke in Goethes Theaterpädagogik. Aber im lebendigen Wechſel ſollte auch die Dauer walten, und ein Grundkern ſollte als feſter Beſtand eines bleibenden Repertoriums der Nachwelt überliefert werden. Unter dem Titel Ein Vorſatz Schillers und was daraus folget', erwähnt Goethe 1815 den Plan eines deutſchen Theaters, einer gedruckten Sammlung, die ältere Stücke in bühnengerechter Form lebendig erhalten ſollte. Der Gedanke an eine Bearbeitung von Klopſtocks Hermannsſchlacht',

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190 Schiller und das Weimarer Theater

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vor dem er freilich bald zurückſchreckte, zeigt, wie eng dieſer Plan mit

dem alten Gedanken des Nationaltheaters zuſammenhing, und die Bearbeitung von Leſſings Nathan? beweiſt, daß auch den Aufklä⸗ rungstendenzen der Mannheimer Zeit Treue gewahrt blieb. Auch die Meiſterwerke des Auslandes wurden nicht vergeſſen: Racine, Cor⸗ neille, Voltaire, Crébillon in neuen Bearbeitungen auf die deutſche Bühne zu bringen, war ſchon in Mannheim Schillers Plan geweſen. Jetzt aber dachte er an nichts Geringeres, als durch die Folge ſämt⸗ licher Shakeſpeareſcher Königsdramen eine Epoche für das deutſche Theater einzuleiten. Alle dieſe Werke ſollten, wie es für den Macbeth und die Phädra' geſchehen iſt, in die deutſche Form des fünffüßigen Jambus gegoſſen werden, denn es kam nach Goethes Wort darauf an, daß ſich die Tragödie durch rhythmiſche Form von dem Luſtſpiel und Drama loslöſte.

Es war eine ähnliche Situation wie damals, als Gottſched den Naturalismus der Wandertruppen durch den Alexandriner aus dem Felde ſchlug. Aber Schiller, im Gegenſatz zum Geſchmack des Wei⸗ marer Hofes, verwahrt ſich dagegen, daß jetzt noch immer die fran⸗ zöſiſche Muſe die Führung haben ſolle. Als Goethe ſich von dem Herzog den Titel eines „Doctor Meccanus“ verdiente, indem er Vol⸗ taires Mahomet' in die Muſik ſeiner Sprache ſetzte, wurde Schiller die Aufgabe zugedacht, in einem Prolog das Unternehmen zu ver⸗ teidigen, deſſen ſtilbildenden Wert Wilhelm v. Humboldts Bericht über das Pariſer Theater beleuchtet hatte. Das Publikum ſollte mit geladener Flinte erwartet werden, aber der Lauf des Gewehrs richtete ſich im Verſteck mehr gegen den Befehlshaber als auf die Gegner⸗ ſchaft. Es ging Schiller nicht viel anders als ſeinerzeit in Mann⸗ heim, da er eine beſtellte Theaterrede mehr Pasquill als Lobrede werden ließ, ſo daß ſie für den beſtimmten Zweck nicht zu gebrauchen war. Auch dieſes Gedicht An Goethe. Als er Voltaires Mahomet auf die Bühne brachte' iſt keine Lobrede geworden. Wohl wird die Be⸗ deutung des Wohllauts und der ſchönen Bewegung für die Schau⸗ ſpielkunſt, aus der „der Natur nachläſſig rauhe Töne“ verbannt werden müſſen, anerkannt. Aber im ganzen gilt die Rechtfertigung faſt mehr der zurückliegenden Gottſchedſchen Zeit als der Gegenwart. Damals konnte es heißen: „Nur bei dem Franken war noch Kunſt zu finden“;

damals mußte der fremde Geiſt als Führer zum Beſſern herbeige⸗

rufen werden, um die entweihte Szene zu reinigen. Seitdem iſt es anders geworden. Daß er einmal in ſeiner Stuttgarter Zeit den Dich⸗ ter des Götz' geprieſen hat, weil er die Schleichhändler des Geſchmacks

über den Rhein zurückgejagt habe, das hat Schiller nicht vergeſſen,

und er hält die Erinnerung wach an den jungen Helden, der in der Wiege ſchon die den Genius umſchnürende Schlange erſtickte. Jetzt iſt der Genius gewachſen; die einheimiſche Kunſt iſt ſtark genug, um den Schauplatz für ſich zu beanſpruchen.

Feſtvortrag, gehalten am 21. Mai 1921 191

Selbſt in der Künſte Heiligtum zu ſteigen,

Hat ſich der deutſche Genius erkühnt,

Und auf der Spur des Griechen und des Briten Iſt er dem beſſern Ruhme nachgeſchritten.

Hier iſt nun Schillers eigenes Programm ausgeſprochen: der Spur des Griechen und des Briten nachzufolgen, Shakeſpeare und die Antike zur Einheit zu binden und jene Syntheſe des Edlen mit dem Barbariſchen zu ſchaffen, der im ſelben Jahre 1800 die erſten Pro— ben des Goetheſchen Helena-Aktes ein großes Symbol wieſen.

Sophokles und Shakeſpeare nach Herders Wort waren ſie zwar im Innern Brüder, in ihrem Außeren aber ſtellten ſie den denkbar größten Gegenſatz theatraliſcher Formgebung dar: dort Beſchränkung, hier Fülle, dort Einheit, hier Vielheit, dort rückſchauende Enthüllung, hier vorwärtstreibende Handlung. Schillers dramatiſches Schaffen ſeit dem Wallenſtein ſtellt ſich dar als einePendelbewegung zwiſchen dieſen bei= den Extremen mit einem ſich ſteigernden Ausſchlag nach beiden Seiten, denn zwiſchen Braut von Meſſina' und Tell' iſt der Gegenſatz ein größerer als zwiſchen Maria Stuart' und Jungfrau von Orleans'.

Wenn Schiller einmal wirklich der Syntheſe nahegekommen war, dann war es im Wallenſtein geweſen. Seitdem miſchen ſich die Elemente in jedem Werke in anderer Weiſe (in Maria Stuart die analytijche Technik mit einem Überſchuß hiſtoriſcher Stoffbe⸗ laſtung, in der Jungfrau von Orleans' die Shakeſpeariſche Füh- rung der Handlung mit homeriſchen Retardationen, in der Braut von Meſſina' die ſophokleiſche Form mit einer individualiſtiſchen Behandlung der Maſſe), und erſt im Tell' iſt wieder eine organiſche Form gefunden; etwas ganz Neues, auch über Shakeſpeare Hinaus⸗ gehendes in der Behandlung der Volksgemeinſchaft als Held, von der ſich der Titelträger nur vorübergehend loslöſt, um zum Schluß wieder in ihr aufzugehen.

Zwiſchen dem Tell' und dem Demetrius' aber bleibt der Rückſchlag nach der Seite des andern Extremes aus, und damit ſcheint die Wag⸗

ſchale endgültig nach der Seite der freieren beweglicheren Form ſich

zu ſenken. Denn auf der andern Seite war die Form des Chordramas kaum zu überbieten.

Nach allen Grundſätzen ſeiner äſthetiſchen Periode hätte ſich Schiller umgekehrt entſcheiden müſſen, denn die antikiſierende Technik gab die Möglichkeit, ohne jedes ſtoffliche Intereſſe allein durch die tra⸗ giſche Form zu wirken und die Charaktere ohne jede innere Anteil— nahme und Neigung nur mit der reinen Objektivität des Künſtlers zu behandeln. Das ſind Vorſätze, mit denen er zunächſt wohl an jeden Stoff herangetreten iſt, die er aber ſelbſt in der ſtrengen Form nicht ganz wahren konnte, weil er ſchließlich doch zur gefühlswarmen An⸗ teilnahme an beſtimmten Charakteren oder Situationen mitgeriſſen wurde. Bei der freieren Form mußte er ſie endlich ganz aufgeben.

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192 Schiller und das Weimarer Theater ee BTL

Gerade die äſthetiſche Theorie erklärt feine Entſcheidung. Den beiden Richtungen ſeiner Kunſt entſprechen die beiden Wirkungs⸗ arten der Schönheit, die er in den Briefen über die äſthetiſche Er⸗ ziehung' unterſchieden hat: die ſchmelzende Schönheit, die vom Zwang der Materie erlöſt, und die energiſche Schönheit, deren anſpannende Wirkung den verweichlichten Geiſt zur Kraft zurückführt. Der Idee nach ſollte es nur eine einzige Schönheit ſein das wäre das im Unendlichen liegende Ziel der Syntheſe aber „die Er- fahrung bietet uns kein Beiſpiel einer ſo vollkommenen Wechſelwir⸗ kung dar, ſondern hier wird jederzeit, mehr oder weniger, das Über⸗ gewicht einen Mangel und der Mangel ein Übergewicht begründen“.

Ich mache mich keiner gewaltſamen Konſtruktion ſchuldig, ſondern folge mit dieſer Anwendung nur Schillers eigener Spur. In einem Brief an den Thorner Rektor Süvern, der einen Vergleich zwiſchen Wallenſtein und der griechiſchen Tragödie gezogen hatte, bezeichnete er die ſophokleiſche Tragödie als eine Erſcheinung ihrer Zeit, die nicht wieder kommen könne .. „Die Schönheit iſt für ein glückliches Ge⸗ ſchlecht, aber ein unglückliches muß man erhaben zu rühren ſuchen. Unſere Tragödie, wenn wir eine ſolche hätten, hat mit der Ohnmacht, der Schlaffheit, der Charakterloſigkeit des Zeitgeiſtes und einer ge⸗ meinen Denkart zu ringen, ſie muß alſo Kraft und Charakter zeigen, ſie muß das Gemüt zu erſchüttern, aber nicht aufzulöſen ſuchen.“

Die auflöſende Wirkung der ſchmelzenden Schönheit würde Schiller wie der ſophokleiſchen Tragödie jo auch feiner damals erſt geplanten Braut von Meſſina' zugeſchrieben haben, deren lyriſchen Charakter er ſpäter mehrfach betont. Der Brief aber, geſchrieben zur Zeit, da die Arbeit an der Jungfrau von Orleans' begann, erklärt die Wahl dieſes Stoffes und der freien Form. Es ſollte ein Stück werden, das aus dem Herzen kommend zum Herzen geht, das fortreißen und wir⸗ ken ſoll, das den Zeitgeiſt aufrüttelt und die gemeine Denkart beſiegt und das ſomit die Aufgaben wieder aufnimmt, die der Mannheimer Schiller einſtmals der Schaubühne geſtellt hatte. Und wie der Zeit⸗ bürger, der geweckt worden war durch die franzöſiſche Revolution, in den Briefen über äſthetiſche Erziehung' die ſchmelzende Schönheit angerufen hatte als Mittel, der Verrohung der Zeit zu begegnen, ſo läßt ihn jetzt die Verdunklung des politiſchen Horizontes für Deutſch⸗ land die Gefahren einer Erſchlaffung durch rein äſthetiſche Kultur mit energiſcher Schönheit bekämpfen. Die Jungfrau von Orleans', Wilhelm Tell', Demetrius' ſind Werke der energiſchen Schönheit.

Wenn Demetrius' von Schiller ſelbſt als Gegenſtück zur Jung⸗ frau von Orleans' bezeichnet wird, ſo liegen die Zuſammenhänge vor allem in der äußeren theatraliſchen Geſtalt. Der Aufwand des Krönungszuges, mit deſſen Schaugepränge Ifflands Berliner Auf- führung die Form des Stückes beinahe geſprengt hatte, ſollte durch den Einzug des Demetrius in Moskau noch überboten werden. Da

Feſtvortrag, gehalten am 21. Mai 1921 193 waren (wenigſtens in der erſten Skizze) Anforderungen, denen die kleine Weimarer Bühne nicht mehr entſprechen konnte. Auch beim Tell' hat das Perſonal kaum zur Beſetzung der Rollen ausgereicht, und ſchon bei der Weimarer Julius-Cäſar'- Aufführung, durch die ſein Schifflein gehoben wurde, hatte Schiller den Eindruck gehabt, daß die Bühne zu eng ſei. So heißt der Gegenſatz der beiden Rich— tungen ſchließlich nicht mehr Antike oder Shakeſpeare, ſchmelzende oder energiſche Schönheit, ſondern Weimar oder Berlin, kleines Stil- theater oder große Volksbühne. Und durch die Hinwendung zur freien Technik und zum Aufwand der großen perſonenreichen Staatsaktio⸗ nen ſcheint Schiller Weimar zu entwachſen.

Wir wiſſen, wie groß die Verſuchung war, ſich für Berlin zu bin⸗ den und wie weit die Verhandlungen bereits gediehen waren. Aber ſchließlich atmete Schiller doch befreit auf, als es ihm ermöglicht wurde, in Weimar zu bleiben. Gewiß gab es hier mancherlei Arger- niſſe, und das Theater hatte wohl Anteil, wenn er etwa ein Jahr vor ſeinem Tode ſchrieb: „Ich bin nicht willens, in Weimar zu ſter⸗ ben.“ Dieſes Weimar kam ihm zwar tumultuariſch vor gegenüber dem ſtillen Jena, aber ſeine Enge und Gebundenheit war ihm doch bereits zu Bewußtſein gekommen, als Zenſureinwände zur Anderung der Abendmahlſzene in Maria Stuart' zwangen, als kleinliche Bedenklichkeit den Plan eines großen theatraliſchen Volksfeſtes zur Feier des Jahrhundertwechſels vereitelte, als die Erſtaufführung der Jungfrau von Orleans' wegen lächerlicher Beſetzungsſchwierig⸗ keiten unterbleiben mußte. Er fühlte gewiß auch die Widerſtände, die bereits Goethes Autorität beim Theater zu untergraben begannen. Er war ſich über die Geſchmacksrichtung des Herzogs im klaren und vielleicht auch über die Lauheit, mit der gerade die Beſten der Wei⸗ marer Geſellſchaft, wie wir aus Herders, Wielands, Knebels Brief⸗ wechſel ſehen, ſeine Dramen aufnahmen. Das war die ältere Gene⸗ ration. Anderen Widerhall gab die Jugend. Aber als Jenaer Stu⸗ denten nach der Erſtaufführung der Braut von Meſſina dem Dichter ein Vivat brachten, wurde der junge Enthufiaft, der das Signal ge⸗ geben hatte, wegen Verletzung des guten Anſtandes vor die Polizei geladen. Es blieb eben doch ein familiäres Hoftheater, bei dem Adel und Bürgertum getrennte Sitze hatten und die Anweſenheit Sere- niſſimi jede ſpontane Kundgebung unterdrückte. Wie anders war es in Leipzig geweſen bei der Uraufführung der Jungfrau von Orleans', da das Orcheſter die Hochrufe am Aktſchluß mit Tuſch begleitete und ſchließlich am Ausgang die Menge ſich drängte, den Dichter zu be- jubeln. Sowenig es Schiller um ſolche Huldigungen zu tun war, denen er ſich z. B. in Lauchſtädt entzog, jo notwendig war doch ſeinem Frei⸗ heitsgefühl und Wirkungsdrang der Widerhall der bewegten Maſſe.

Eine gewiſſe Lebens wirklichkeit, die ihm die übrige Menſchenmaſſe vor Augen bringen müſſe, hatte er von Weimar erhofft, als er Jena

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194 Schiller und das Weimarer Theater

verließ. Das bot ihm nun Berlin. Und je mehr er es als ſeine Sen⸗ dung betrachtete, für eine größere Welt zu ſchreiben und auf den ganzen Geiſt der Zeit zu wirken, um ſo mehr mußte ſein unbe⸗ zwingbarer Weltdrang ihn zu dem Standort treiben, der weittra⸗ gende Wirkung auf die ganze Nation gewährte. Iffland, der auf jedes neue Schillerſche Stück wartet wie auf die Taube mit dem Glzweig, ſucht ihn jetzt ganz in die Bahn des Nationaldramatikers zu lenken und wirbt für Stoffe aus der deutſchen Geſchichte, wie den Großen Kurfürſten, Guſtav Adolf, Heinrich den Löwen. Aber gerade jetzt, da er von dem einſtigen Mannheimer Genoſſen zu ſeinem damaligen Programm zurückgeführt wird, macht ſich auch die folgende Auflehnung des Selbſtbeſtimmungsrechtes der Kunſt gegen jede Bevormundung, wieder geltend. „Für einen Zweck, der außer meinen poetiſchen Inter⸗ eſſen liegt,“ ſchreibt er an Iffland, „habe ich mein lebelang nichts tun können.“ Er fürchtet die Veräußerlichung; er ſcheut davor zu⸗ rück, ſich ganz dem Theater zu verſchreiben, und er wird ſogar be⸗ denklich wegen ſeiner bisherigen Hingabe. Der letzte Brief an Wil⸗ helm von Humboldt zeigt in ergreifender Weiſe, wie Schiller ſich am Ende ſeines Lebens mit der Frage quälte, ob er nicht, wider Willen vom Zeitſtrom ergriffen, durch Berührung mit der großen Maſſe ſeine Reinheit verloren habe. „Anfangs gefällt es, den Herrſcher zu machen über die Gemüter, aber welchem Herrſcher begegnet es nicht, daß er auch wieder der Diener ſeiner Diener wird, um ſeine Herrſchaft zu behaupten; und ſo kann es leicht geſchehen ſein, daß ich, indem ich die deutſchen Bühnen mit dem Geräuſch meiner Stücke erfüllte, auch von den deutſchen Bühnen etwas angenommen habe.“

In Berlin drohte die Gefahr, ſich an das Theater zu verlieren. In Weimar fand das künſtleriſche Gewiſſen Halt und Ankergrund. Schiller blieb in Weimar anſäſſig, und wenn er bei längerem Leben vielleicht für ein paar Monate des Jahres nach Berlin gegangen wäre, ſo wäre er dorthin gekommen als der Sendbote Weimars.

Es wäre eine müßige Frage, welche Entwicklungsmöglichkeit dem deutſchen Drama verlorenging dadurch, daß es Schiller nicht be⸗ ſchieden war, die ſchwerſte Zeit Preußens mitzuerleben und die ge⸗ waltige Zeit, die ihr folgte. Der tote Schiller hatte an der großen Erhebung ſoviel Anteil als irgendein lebender Dichter, und die politiſchen Wirkungen, die ſein Geiſt auf die ganze Zeit des Aufſtiegs bis zur deutſchen Einigung ausübte, ſind unermeßlich. Die Ver⸗ ſprechungen der Mannheimer Rede hat ſein Drama gehalten. N

Als vor 100 Jahren Schinkels Prachtbau in Berlin eröffnet wurde, der wohl dazu beſtimmt war, ein Nationaltheater der Deutſchen zu werden, fehlte Schillers Stimme. Keiner der Epigonen, die auf Schil⸗ lers Spuren einem nationalen Geſchichtsdrama zuſtrebten, beſaß die dramatiſche Kraft dazu. Keiner der großen Dramatiker des 19. Jahr⸗ hunderts, die auf eigenen Wegen dasſelbe künſtleriſche Ziel im Un⸗

Feſtvortrag, gehalten am 21. Mai 1921 195

endlichen winken ſahen denn für Kleiſt, bei dem ſich die Geiſter des Sophokles, Aiſchylos und Shakeſpeare trafen, wie für Grillparzer, bei dem Calderon hinzutrat, wie für Hebbels novantikes Stilideal iſt es die gleiche Grundrichtung —, keiner hat den lebendigen Zuſammen⸗ hang mit der Bühne beſeſſen, den Schiller Weimar und ſeinem Freund⸗ ſchaftsbund mit Goethe verdankte. Wehmütig vernahm der einſame Grillparzer hier von Goethe das Wort, was er und Schiller gewor⸗ den wären, verdankten ſie großenteils der fördernden und ergänzenden Wechſelwirkung.

Bayreuth war ſeiner Idee nach in gewiſſem Sinne eine Vollen⸗ dung Schillerſcher Theaterbeſtrebungen, wie es zugleich das Sinnbild der durch den nationalen Einheitswillen erreichten politiſchen Höhe wurde. Nun find wir nach Weimar zurückgeworfen, und die Wirkung der Bühne auf den Nationalgeiſt ſoll von hier aus neuen Ausgang nehmen, wenn die deutſche Jugend wieder alljährlich zu Feſtſpielen im Namen Schillers zuſammenſtrömt die Jugend, die unſere Hoff⸗ nung iſt. Stürzte auch in Kriegesflammen

Deutſches Kaiſerreich zuſammen, Deutſche Größe bleibt beſtehn.

Ein ſchlechter Troſt, wenn dieſe Worte Verzicht bedeuten ſollten und Vorliebnehmen mit großer Vergangenheit ein Gift, wenn ſie eitler Selbſtbeſpiegelung einer nichtswürdigen Gegenwart zum Vorwand dienen dürften eine Arznei, wenn ſich mit dem Zukunfts⸗ glauben auch der Wille und die Würde im Schillerſchen Sinne ver⸗ binden. Das Wort von der Ohnmacht, Schlaffheit und Charakterloſig⸗ keit des Zeitgeiſtes, den die Tragödie bekämpfen ſolle, greift tief in unſer Herz. Es iſt, als habe Schiller für unſere Zeit gedichtet. Schiller lebt, und wenn es durch nichts anderes bewieſen werden könnte, ſo dadurch, daß ſeine lebendige Wirkung gefürchtet wird.

In Deutſchlands dunkelſten Tagen konnte es zu unſerer Schande geſchehen, daß Schillers Jungfrau von Orleans' in einer deutſchen Stadt verboten wurde; ſolche zündende Kraft wurde dem Aufruf an die Ehre der Nation zugetraut. Und wenn wir dieſer Tage leſen, daß einer Stadt an der Moſel unterſagt wird, den Schillervers: „Ans Vaterland, ans teure, ſchließ' dich an“ auf ihr Notgeld zu drucken, ſo bedeutet das wohl, daß Schiller unter den Entwaffnungspara⸗ graphen geſtellt werden ſoll. Aber niemand kann uns verwehren, bei jedem Geßlerhut, der zu grüßen iſt, an Tell zu denken und an den Dichter der Freiheit.

Das find Waffen, die uns nicht genommen werden können. Und mit ihnen bleibt uns etwas von dem unüberwindlichen Glauben Schillers, durch den auch Goethe mitgeriſſen wurde

Von jenem Glauben, der ſich ſtets erhöhter

Bald kühn hervordrängt, bald geduldig ſchmiegt,

Damit das Gute wirke, wachſe, fromme, Damit der Tag dem Edlen endlich komme. 155

36. Jahresbericht (Berichtsjahr 1920/21)

= * Hauptverſammlung der Goethe⸗Geſellſchaft am 21. Mai

1921, der am Tage zuvor eine Vorſtandsſitzung vorangegangen war, wurde am Abend des 20. eingeleitet durch eine Feſtvorſtellung im Deutſchen Nationaltheater. Eine gelungene Aufführung der Mit⸗ ſchuldigen (in der erſten einaktigen Faſſung) und eine ebenſo vor⸗ treffliche Aufführung von Erwin und Elmire' (Proſafaſſung) mit der intereſſanten, geiſtvollen Mufik des Schweizers Ottmar Schoek gaben eine allgemein befriedigende ſtimmungsvolle Einleitung der feſtlichen Tagung. Die Hauptverſammlung am Vormittag des 21. Mai im Saale der Armbruſt⸗Geſellſchaft eröffnete der erſte ſtellvertretende Borfigende Exzellenz Dr. Bürklin mit einem warmen Nachruf auf den verſtorbenen Vorſitzenden Exzellenz Freiherrn von Rheinbaben, woran ſich eindringliche Worte ſchloſſen, die auf die Bedeutung und die Aufgaben der Geſellſchaft in der gegenwärtigen Zeit und die Not⸗ wendigkeit eines Fortwirkens im Sinne Goethes hinwieſen. Darauf hielt Profeſſor Dr. Julius Peterſen (Berlin) den Feſtvortrag: „Schil⸗ ler und das Weimarer Theater“, der in dieſem Bande abgedruckt iſt.

Den Geſchäftsbericht erſtattete der Vorſitzende des Geſchäftsführen⸗ den Ausſchuſſes, Miniſterialdirektor Dr. Neumann, den Finanzbericht an Stelle des durch Heiſerkeit verhinderten Oberbürgermeiſters a. D. Dr. Donndorf der Kaſſierer Rat Rothe. Ihre Berichte ſind unten ab⸗ gedruckt mit den Berichten über die Tätigkeit des Geſchäftsführenden Ausſchuſſes, über die Bibliothek der Goethe-Geſellſchaft, das Goethe⸗ und Schiller⸗Archiv und das Goethe-Nationalmuſeum. Beide Be⸗ richterſtatter betonten die mißliche Finanzlage, infolge deren die Publikationen in Zukunft etwas eingeſchränkt werden müſſen. Eine Erhöhung des Mitgliedsbeitrags kann nicht umgangen werden. Die

Valutafrage berührt auch die Goethe⸗Geſellſchaft in Hinſicht auf ihre

zahlreichen Mitglieder im Auslande. Die Maßnahme, den Beitrag derſelben in der Währung ihres Landes feſtzuſetzen, hat teilweiſe Mißſtimmung erregt; man hat daher in einzelnen Fällen, um beſon⸗ dere Härten zu vermeiden, dieſe Maßnahme gemildert, und das ſoll

2 auch in Zukunft geſchehen. Auch die Fragen der Sicherung der wei⸗ maariſchen Kulturſtätten, ſowie die Entwicklung der Ortsgruppen wur⸗

den berührt. Zum Schluß gedachte Dr. Neumann des verſtorbenen weimariſchen Staatsminiſters Exzellenz Dr. Carl Rothe, der in den vielen Jahren ſeiner Amtstätigkeit die Intereſſen der Geſellſchaft tat⸗ kräftig gefördert hat. Der Kaſſebericht begründete die vom Vorſtand beſchloſſene Erhöhung des Jahresbeitrags auf 30 „#6, die aber erſt

von 1922 ab eintreten ſoll; doch wird an alle Mitglieder durch Zir⸗

200 36. Jahresbericht (Berichtsjahr 1920/21)

kular die Bitte gerichtet werden, ſchon für 1921 freiwillig eine Er⸗ höhung zu leiſten. Dagegen iſt bei Erwerbung lebenslänglicher Mit⸗ gliedſchaft der Beitrag ſchon von jetzt ab auf 600 , feſtgeſetzt.

Zur Ergänzung des Vorſtandes ſchlägt dieſer die Zuwahl von Frau Ricarda Huch und Freiherrn v. Pechmann in München ſowie von Profeſſor Dr. Kippenberg in Leipzig vor. Dieſer Vorſchlag wird mit großer Majorität angenommen. Hierauf macht Exzellenz Bürklin Mitteilung von den in der Vorſtandsſitzung vollzogenen Wahlen, wonach er zum 1. Vorſitzenden, Geheimrat Profeſſor Dr. Roethe zum 1. und Geheimrat Profeſſor Dr. v. Oettingen zum 2. Stellvertreter des Vorſitzenden gewählt worden iſt. Nachdem Geheimrat Direktor Dr. Trendelenburg (Berlin) zwei Exemplare ſeines eben erſchienenen Kommentars zum 2. Teil Fauſt' mit einer ſeine Ziele erläuternden Anſprache übergeben hatte, kam der 1. Antrag der Berliner Orts⸗ gruppe zur Verhandlung. Er lautete:

„Die Hauptverſammlung wolle beſchließen: Der §9 der Satzungen erhält folgende Faſſung:

Der Vorſtand der Geſellſchaft beſteht aus 11 bis 15 Mitgliedern, von denen mindeſtens 4 am Sitze der Geſellſchaft oder in Jena wohnen müſſen. Die Vorſtandsmitglieder ſollen tunlichſt verſchiedenen Kreiſen entnommen werden, außerdem iſt auf eine angemeſſene Vertretung der Orts⸗ und Bezirksgruppen Bedacht zu nehmen.

Der Vorſtand wird von der Hauptverſammlung auf drei Jahre gewählt, dabei wird in beſonderem Wahlgange durch Stimmzettel der Vorſitzende, in einem zweiten Wahlgange deſſen 1. Stellvertreter in gleicher Weiſe gewählt. Zurufswahl bei dieſen zwei Wahlgängen iſt nicht zuläſſig.

Die übrigen Mitglieder des Vorſtandes werden in einem gemeinſamen e gewählt, bei dem Zuruf zuläſſig iſt, falls kein Widerſpruch erfolgt.

Der Vorſtand wählt aus ſeiner Mitte einen zweiten Stellvertreter des Vorſitzenden. :

Der Vorſitzende hat die Geſellſchaft nach außen zu vertreten. Seine a genügt zur Rechtswirkſamkeit aller Urkunden der Geſell⸗ chaft.“

Nachdem der Vorſitzende der Berliner Ortsgruppe Freiherr v. Bie⸗ dermann den Antrag begründet und Geheimrat Prof. Dr. Michels den ablehnenden Standpunkt des Vorſtandes dargelegt hatte, wurde

nach lebhafter Debatte der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt.

Darauf folgt der 2. Antrag der Berliner Ortsgruppe: „Die Hauptverſammlung wolle beſchließen: f Der Vorſtand wird beauftragt, Mittel und Wege zu finden, um den Beſtand, die wiſſenſchaftliche Verwaltung und allgemeine Zugänglich⸗ keit des Goethe⸗Nationalmuſeums, des Goethe- und Schiller⸗ Archivs ſowie des Goethehauſes und Goethemuſeums in Frankfurt a. M. in einer ihrer nationalen Bedeutung entſprechenden Weiſe ſicherzuſtellen.“

Mit dieſem Antrag wird verbunden der Antrag von Dr. Hans Hampel (Köln), daß durch einen Aufruf unter den Mitgliedern für

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36. Jahresbericht (Berichtsjahr 1920/21) 201

eine freiwillige Spende zum Beſten des Goethehauſes in Frankfurt a. M. geworben werde.

Nach der mündlichen Begründung des Berliner Antrages durch Freiherrn v. Biedermann führt Dr. Neumann aus: Das Goethe— Nationalmuſeum iſt Eigentum des Staates, ſeine Verhältniſſe find geordnet, ſein Fortbeſtand iſt geſichert. Das Goethe- und Schiller— Archiv iſt eine Stiftung des Großherzoglichen Hauſes mit eigenem Vermögen. Durch die Stiftungsurkunde iſt beſtimmt, daß die Anſtalt ſich dem Wohnſitz des jeweiligen Oberhauptes des Fürſtenhauſes an— ſchließen ſolle. Es iſt eine Auseinanderſetzung mit dem Großherzog zu erwarten, wonach Weimar als ſein Wohnſitz anerkannt und da— durch die Beſorgnis beſeitigt werden wird, daß das Archiv je von Weimar weggenommen werden könnte. Das vorhandene Stiftungs— vermögen reicht allerdings unter den gegenwärtigen Geldverhält— niſſen nicht hin, eine Beſchäftigung mehrerer Beamten zu ermöglichen, und es muß daher eine tunlichſte Einſchränkung ſtattfinden. Für das Frankfurter Goethehaus iſt, nachdem der Staat und die Stadt Frank⸗ furt verſagt haben, eine Sammlung freiwilliger Beiträge eingeleitet worden; der Ruf an die Öffentlichkeit, in den die Goethe⸗ Geſellſchaft einſtimmt, wird nicht verhallen. Zum Schluß macht der Direktor des Frankfurter Goethemuſeums, Profeſſor Otto Heuer, Mitteilung über die im Intereſſe der Erhaltung dieſer Anſtalt bereits unter⸗ nommenen Schritte und erſucht um weitere Förderung der eingelei— teten Sammlung durch Erwerbung der Mitgliedſchaft beim dortigen Freien deutſchen Hochſtift (Mindeſtbeitrag 20%) oder durch frei— willige Spenden.

Die Verſammlung wird um 2 ½½ Uhr geſchloſſen.

Nach dem kurz darauf folgenden gemeinſamen Mittageſſen, das in angeregteſter Stimmung verlief, ſpazierte man, vom Wetter begünſtigt, durch die herrliche Belvederer Allee nach dem Schloß Belvedere, wo den Mitgliedern außer Kaffee und Kuchen noch ein beſonderer, im Feſt— programm nicht vorgeſehener Kunſtgenuß dargeboten wurde. An der Rückſeite des Schloſſes war eine Schar junger Mädchen gruppiert, die unter der anfeuernden Leitung des Herrn Dr. O. Reuter (Weimar) vierſtimmige Geſänge von Brahms und vierſtimmig geſetzte Volks⸗ lieder zum Vortrag brachten. Dazwiſchen gab die ehemalige weima⸗ riſche Hofſchauſpielerin Frau Obriſt-Jenicke Goethiſche Gedichte, darunter die Zueignung' („Der Morgen kam“) und heitere Dich— tungen wie Offne Tafel? zum beiten. Der liebliche Anblick der anmutigen, hellgekleideten Mädchen, ihr friſcher, fröhlicher Geſang, der kunſtvolle Vortrag der vortrefflichen Künſtlerin und als Rah: men des Ganzen Schloß und Park, von der untergehenden Sonne beleuchtet, gaben dem in jeder Hinſicht gelungenen Feſte einen IR nen, ſtimmungsvollen Abſchluß.

202 36. Jahresbericht (Berichtsjahr 1920/21)

Zur Erledigung der laufenden Geſchäfte ſind vom Geſchäftsfüh⸗ renden Ausſchuß im Berichtsjahr 1920/21 5 Sitzungen abgehalten worden. Einen Punkt mehrfacher Beratung bildeten die Anregungen zur Sicherung der Weimarer Kunſt- und Erinnerungs⸗ ſtätten. Vorſtand und Ausſchuß haben ſich in dieſer Angelegenheit wiederholt mit den zuſtändigen Stellen in Verbindung geſetzt. Da es ſich beim Schutze der in Frage kommenden Kunſt- und Erinnerungs⸗ ſchätze nicht nur um Weimariſchen Beſitz handelt, ſondern um höchſte Kulturwerte, auf deren unverſehrte Erhaltung nicht nur ganz Deutſch⸗ land, ſondern die ganze gebildete Welt einen Anſpruch erheben darf, hat man eindringlichſt ſeine Stimme zum ausreichenden Schutze dieſer Werte erhoben und auf die hohe Verantwortung hingewieſen, die die maßgebenden Regierungsſtellen vor aller Welt hierbei tragen.

Der Anregung der Ortsgruppe Eſſen, eine Sammlung einzuleiten, um für die in der Fürſtengruft geſtohlenen Kränze Erſatz zu beſchaf⸗ fen, glaubte man keine Folge geben zu ſollen. Sie ſind inzwiſchen auf das Geſtändnis der Diebe hin wieder zur Stelle gebracht worden.

Für Herrichtung des Lotte-Hauſes in Wetzlar iſt wiederum wie vor einigen Jahren ein kleiner Beitrag bewilligt worden, und der Direktor des Goethe-Nationalmuſeums, Dr. Wahl, hat durch perſönliche Vermittelung dazu beigetragen, daß die nötigen Herſtel⸗ lungen von der Stadtvertretung beſchloſſen worden find.

Herſtellungen an der Grabſtätte von Alma von Goethe auf dem Weimarer Friedhofe ſind vorgenommen und an der Grabſtätte Wielands im Gutspark zu Oßmannſtedt durch einen Beitrag er⸗ möglicht worden.

Den Ortsgruppen in Berlin, München und Eſſen ſind ſolche in Mülheim Ruhr, Duisburg und Gelſenkirchen hinzugetreten. Auch eine „Däniſche Gruppe“ hat ſich gebildet. In Hamburg hat man nach den vorliegenden Mitteilungen von einer feſten Organiſation einſtweilen noch abgeſehen, aber Einrichtung getroffen, daß die Ziele der Goethe⸗ Geſellſchaft gefördert und neue Mitglieder geworben werden. Die Be⸗ richte der Ortsgruppen, ſoweit uns ſolche zugingen, ſind angefügt.

Fräulein Adele Marianne Heyden in Eſſen hat der Goethe⸗Ge⸗ ſellſchaft wie der Vereinigung der Freunde des Goethehauſes namhafte Zuſchüſſe gewährt, wofür auch an dieſer Stelle verbindlichſt gedankt ſei.

Im Jahre 1920 konnten wir den Mitgliedern nur das Jahr⸗ buch (Band 7) zugehen laſſen. Von einer weiteren Veröffentlichung mußte zu unſerm Bedauern Abſtand genommen werden, da die Deckung der im Vorjahre entſtandenen Mehrausgabe einen erheb⸗

lichen Teil der verfüglichen Mittel in Anſpruch nahm. Der nächſte Band der „Schriften“: Goethes Briefwechſel mit Heinrich Meyer, III. Teil, wird vorausſichtlich im Frühjahr 1922 erſcheinen.

Dem Geſchäftsführenden Ausſchuß trat 1920 neu hinzu das Vor⸗

ſtandsmitglied Profeſſor Dr. Friedrich Lienhard, dagegen ſchied

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36. Jahresbericht (Berichtsjahr 1920/21) 203 unſer bisheriger eifriger Mitarbeiter Hofkapellmeiſter Dr. Peter Raabe infolge ſeiner Berufung als Generalmuſikdirektor nach Aachen aus.

Am 25. März 1921 verſchied in Düſſeldorf unſer verehrter Prä— ſident, Seine Exzellenz Dr. Freiherr von Rheinbaben, deſſen Wir⸗ ken im Intereſſe der Goethe-Geſellſchaft von edler ſelbſtloſer Hin- gabe an die ihm erwachſenen Pflichten geleitet war. Sein Heimgang hat uns tief bewegt und erſchüttert. Das von ihm bei Gelegenheit der Tagung der Goethe-Geſellſchaft 1914 als Gabe eines rheiniſchen Freundes bei einer Bank in Coblenz für die Goethe-Geſellſchaft bereit

geſtellte Kapital iſt nunmehr in 5 proz. Wertpapieren zu 11000 %

in unſere Verwaltung übergegangen.

Sehr erfreulich iſt der Zuwachs an Mitgliedern. Ihre Zahl hat ſich im Jahre 1920 von 4340 auf 4905 erhöht. Der inbegriffene Beſtand an lebenslänglichen Mitgliedern iſt von 77 auf 106 geſtiegen. Einen weiteren beträchtlichen Zuwachs haben uns die neuen Orts— gruppen gebracht.

Aus den Ortsgruppen. Berlin.

Unſere Veranſtaltungen wurden eröffnet durch den bedeutungs— vollen Vortrag Ernſt Caſſierers über „Goethe und Platon“, ihm folg- ten Artur Eloeſſer mit dem Thema „Goethe und die Schauſpieler“; Oskar Fiſchel ließ „Bilder von Goethes italieniſcher Reiſe“ an uns vorüberziehen. Fritz Stahl brachte Gegenſätze zwiſchen Anſchauungen von einſt und jetzt in dem Vortrag „Was Goethe in Italien nicht ſah“ zum Bewußtſein und Hans Timotheus Kröber gewährte, unter- ſtützt durch Lichtbilder, wie die beiden vorhergehenden Redner, einen

Einblick in Goethes Sammlertätigkeit auf künſtleriſchem und wiſſen⸗

ſchaftlichem Gebiete. Dieſe Veranſtaltungen erſtrecken ſich über das Berichtsjahr hin⸗ aus in die erſten Monate des laufenden Jahres und werden mit

einer Vorführung dreier kleiner Goethiſcher Dramen, die unſer Mit-

glied Berthold Held am 8. Mai im Deutſchen Theater mit einer Schar jüngerer Künſtler darbieten wird, ihren Abſchluß für dieſe erſte „Saiſon“ oder „Kampagne“ finden. Die Vorträge waren durch— ſchnittlich ſehr gut beſucht, ſo daß wir auch mit den wirtſchaftlichen Ergebnis wohl zufrieden ſein können. Da wir auch weitere Unter⸗ nehmungen ins Auge zu faſſen hatten, zu deren Durchführung ein größerer Kaſſenbeſtand erforderlich iſt, ſo hatten wir uns an einen kleineren Kreis gewendet, um das Kapital zu einer „Berliner Goethe- Stiftung“ zuſammenzubringen. War auch der Erfolg dieſer Samm— lung nicht ſo bedeutend, wie wir es erwartet hatten, ſo können wir für den Anfang doch mit dem Reſultat zufrieden ſein.

Neben dieſen gegen Entgelt zugänglichen Veranſtaltungen begannen wir auch unſere Mitglieder geſellig zuſammenzuführen. In der erſten

204 36. Jahresbericht (Berichtsjahr 1920/21)

dieſer Verſammlungen wurde zunächſt durch Herrn Dr. Monty Jacobs eine Diskuſſion über die Frage der Aufführbarkeit des Ur-Fauſt' ange⸗ regt. Von den in Berlin wohnenden Mitgliedern der Goethe-Geſellſchaft haben ſich bisher annähernd 300 unſerer Ortsgruppe angeſchloſſen, wir hoffen bald die Mehrzahl der anderen auch noch an uns zu ziehen.

Der Vorſtand hat von den Mitgliedern, die vor einem Jahre ge= wählt wurden, leider ehe er in ſeine Tätigkeit eintreten konnte, den Prinzen von Schönaich-Carolath durch den Tod verloren. Er war ein intimer Kenner und verſtändnisvoller Verehrer Goethes, ein in weiten Kreiſes unſeres Volkes hochgeſchätzter Patriot und Staats⸗ mann, von deſſen Mitarbeit wir uns viel für unſere Ortsgruppe und die Goethe-Geſellſchaft verſprechen durften.

Der Kaſſenbericht des Schatzmeiſters wies für den 31. Dezember 1920 einen Barbeſtand von 5718,40 auf. Der Jahresbeitrag wurde wieder auf 50 % des Beitrages der Goethe-Geſellſchaft feſt⸗ geſetzt. Der Vorſtand beſteht nach den vollzogenen Wahlen aus fol⸗ genden Mitgliedern: Vorſitzender: Freiherr von Biedermann; Stell⸗ vertreter: Marie von Bunſen; 1. Schriftführer: Eugen Zabel; 2. Schriftführer: Wolfgang Goetz; 1. Schatzmeiſter: Dr. Georg Paetel; 2. Schatzmeiſter: Reinhold Borſtell; Beiſitzer: Dr. Hugo Bieber, Studienrat Dr. Wilhelm Böhm, Geheimer Juſtizrat Wilh. v. Bülow, Fritz Engel, Profeſſor Ferdinand Gregori, Profeſſor Dr. A. W. Liebert, Dr. Max Osborn, Dr. Rud. Pechel.

Frh. v. Biedermann. München. 5

Die Ortsgruppe München der Goethe-Geſellſchaft veranſtaltete im Winter drei Vorträge: Prof. Wilhelm Worringer aus Bonn ſprach über „Künſtleriſche Zeitfragen“, Dr. Ludwig von Pignerot über „Hölderlin“, Prof. Dr. Chriſtian Janentzky über „Myſtik und Welt⸗ anſchauung“. Außerdem erzählte Frau Selma Mönckeberg aus Ham⸗ burg deutſche und außerdeutſche Märchen aus den Märchen der Welt⸗ literatur; der ſehr lebendige und anregende Abend wurde durch einige kurze Worte von Prof. Friedrich v. der Leyen über „Goethe und die Märchen“ eingeleitet. Alle Vorträge fanden lebhaftes und ge⸗ ſpanntes Intereſſe, beſonders der Vortrag von Prof. Worringer wurde von der e Teilnahme begleitet.

Die Überfiedelung des Vorſitzenden der Ortsgruppe nach Köln und die lange Abweſenheit des Herrn Paul Heine von München machten Neuwahlen nötig. Den Vorſitz führt nunmehr Prof. Dr. H. H. Bor⸗ cherdt, das Amt des Schatzmeiſters verwaltet Dr. Ludwig Streit.

Prof. Friedrich v. der Leyen.

Eſſen.

Die Ortsgruppe Eſſen veranſtaltete in ihrem erſten Vereinsjahre vier öffentliche Abende und vier engere Zuſammenkünfte der Mit⸗

36. Jahresbericht (Berichtsjahr 1920/21) 205

glieder. In den öffentlichen Abenden ſprachen: im Oktober Geh. Rat Prof. Dr. Guſtav Roethe über Goethes Fauſt' Teil 2 (Weltanſchau— ung und künſtleriſche Bedeutung), im November Waldemar Bonſels über das Chriſtusproblem, Ernſt Zahn, Vorleſungen aus eigenen Werken, im Januar Direktor Dr. Hans Wahl über Goetheſtätten in Weimar (mit Lichtbildern). Der Waldemar Bonſels-Abend wurde von uns gemeinſam mit der Geſellſchaft für Literatur und Theater veranſtaltet. In den engeren Zuſammenkünften der Mitglieder ſpra— chen: im Juni Hauptſchriftleiter Heinz Amelung über Goethe und Marianne von Willemer, Legationsſekretär a. D. von Simſon über Weimar zu Goethes achtzigſtem Geburtstage (Aus Familienpapie— ren), im Dezember Studienrat Dr. Hanns Wegener über Goethe als Erzieher, im April Kaufmann Middelmann über Goethe als Frei— maurer. Eine Erweiterung erfuhren dieſe engeren Zuſammenkünfte durch Rezitation Goethiſcher Gedichte und Geſang Goethiſcher Lie— der in Kompoſitionen ſeiner Zeitgenoſſen. Den öffentlichen Abenden ſowie den Vorträgen im engeren Kreiſe wurde das größte Intereſſe entgegengebracht, und wir glauben darin einen Beweis ſehen zu können, daß wir mit unſeren Veranſtaltungen den richtigen Weg gegangen ſind, um dem geiſtigen Leben unſerer Stadt neue Impulſe zu geben. Als eine beſondere Gabe wurde unſeren Mitgliedern eine auf Anregung von Herrn Heinz Amelung herausgegebene Sonder— publikation „Lieder der Suleika“ überreicht. Die Zahl der Mitglieder iſt im Laufe des Jahres auf 170 geſtiegen. Der Vorſtand beſteht aus den Herren Studienrat Dr. H. Wegener (1. Vorſitzender), Studien⸗ direktor Dr. Oſt (2. Vorſitzender), Oberbibliothekar Dr. Schumm (3. Vorſitzender), E. Haake (Schriftführer), K. Hirſchland (Kaſſen⸗ wart). Dem Beirat gehören an Frl. Dr. v. Langsdorf, Frau Direktor Plehn und die Herren Dr. Heßberg, Legationsſekretär a. D. v. Simſon, Stadtbibliothekar Dr. Sulz und Lehrer Tidten. Erich Haake.

Gelſenkirchen.

Auf eine Einladung des Herrn Oberbürgermeiſter von Wedelſtaedt erſchienen am 5. März d. J. in der Stadthalle Gelſenkirchen eine An- zahl Damen und Herren zur Vorbeſprechung über die Frage der Gründung einer Ortsgruppe Gelſenkirchen der Weimarer Goethe— Geſellſchaft. Als Ergebnis längerer Verhandlungen wurde feſtgeſtellt:

1. Die Begründung erſcheint allſeitig erwünſcht.

2. Als Hauptziel der hieſigen Goethe-Geſellſchaft wird angeſehen der Zuſammenſchluß der für gute Literatur und für Lebens— kultur im Goethiſchen Sinne intereſſierten Perſönlichkeiten zum Zwecke gegenſeitiger Anregung.

3. Die Werbung von Gleichgeſinnten für den Zweck künftiger Mitgliedſchaft ſoll mündlich erfolgen.

206 36. Jahresbericht (Berichtsjahr 1920/21)

Eine Zuſammenkunft am 7. April führte nach einleitenden Worten des Herrn Oberbürgermeiſters von Wedelſtaedt zu nochmaliger ein⸗ gehender Erörterung der Ziele der hieſigen Vereinigung. Man kam dahin überein, daß vorläufig jedenfalls irgendwelche Wirkungen nach außen wie die Werbung eines großen Mitgliedskreiſes, öffent⸗ liche Veranſtaltungen, Einflußgewinnung auf das Arbeitsprogramm von literariſchen Beſtrebungen der Vereine oder der Stadt zurück- geſtellt werden ſollen vor der intenſiven Beſchäftigung im Sinne einer Arbeitsgemeinſchaft. Es erfolgt nach dieſer Ausſprache die Wahl eines Vorſtandes: Vorſitzender Herr Oberbürgermeiſter von Wedel⸗ ſtaedt, als weitere Mitglieder: Herr Lehrer Fermum, Beigeordneter Dr. Gaertner, Frau Sanitätsrat Dr. Robbers, Herr Oberlyzealdirektor Dr. Töwe, Dr. Wendenburg.

Duisburg.

Am 13. Mai hat ſich hier eine Ortsgruppe der Goethe-Geſellſchaft gebildet, der bisher 20 Mitglieder beigetreten ſind. Eine ganze Reihe weiterer Anmeldungen iſt beſtimmt zu erwarten. Der Vorſtand be⸗ ſteht aus dem Unterzeichneten als 1. Vorſitzenden, Herrn Dr. Erich Thyßen, Speldorf, als 2. Vorſitzenden, Herrn B. Schnoepf als 1. Schriftführer, Frau Marga Braumann als Schatzmeiſterin ſowie aus einem Beirat. Die Satzungen entſprechen mit ganz unweſent⸗ lichen Abweichungen denjenigen der Ortsgruppe Eſſen.

F. Wichmann. Mülheim- Ruhr.

Am 28. November 1920 wurde in Mülheim - Ruhr eine Orts⸗ | gruppe der Goethe-Geſellſchaft gegründet. Sie ſetzt ſich zum Ziel, die

Beſtrebungen der Goethe-Geſellſchaft zu unterſtützen und die geiſti⸗

gen Intereſſen in Mülheim zu pflegen. Es traten der Ortsgruppe

bis zum 1. April 1921 etwa 850 Mitglieder bei. Der Vorſtand ſetzt ſich folgendermaßen zuſammen: Oberſtudiendirektor Kneuper 1. Vor⸗ ſitzender, Frau Hugo Stinnes sen. 2. Vorſitzende, Dr. Schmidt 1. Schriftführer, Fabrikdirektor Dr. Dyckerhoff 2. Schriftführer, Buch⸗ händler Wolff Schatzmeiſter. Das Programm für das Jahr 1921 bietet Veranſtaltungen: drei Abende deutſcher Dichtung, dargeboten von Mitgliedern des Düſſeldorfer Schauſpielhauſes unter Mitwir⸗ kung von Frau L. Dumont; drei Abende deutſcher Weltweisheit: Vorträge von Graf Keyſerling, Dr. Wüllner (Berlin) und Geheimrat Profeſſor Dr. G. Roethe (Berlin); drei Abende deutſcher Muſik: Vor⸗ träge von Muſikdirektor Hablwachs (Kaſſel), Profeſſor Freiherr v. d. Pfordten (München) und ein Liederabend, veranſtaltet von Haus Pfitzner und Tiny Debüſer. Außerdem drei Sonderveranſtaltungen „Oſtliche Welten“ mit Vorträgen von Frau Profeſſor Fiſcher (Köln), Generalmajor v. Lettow-Vorbeck und Profeſſor Dr. H. Ranke (Heidel⸗

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36. Jahresbericht (Berichtsjahr 1920/21) 207

Nachſtehend folgen die Berichte über den Abſchluß der Jahres— rechnung (A), über die Bibliothek der Goethe-Geſellſchaft und das Goethe- und Schiller⸗Archiv (B), über das Goethe-Nationalmuſeum (C). . A.

Der Rechnungsabſchluß für 1920 geſtaltete ſich, wie folgt: Die laufenden Einnahmen beſtanden in

\ 85 942,15 % Jahresbeiträgen der Mitglieder, 3 7004,00 außerordentlichen Beiträgen, 4 3304,43 Kapitalzinſen, = 19524,22 Erlös für „Schriften“ und Jahrbücher (19443 „%) 3 u. a. m. 4 115 774,80 . 3 Dieſen Einnahmen ſtanden folgende Ausgaben gegenüber: : 15 227,25 % Mehrausgabe voriger Rechnung,

79 271,87 für das Jahrbuch der Goethe-Geſellſchaft Band 7

und für frühere Bände,

998,91 für die „Schriften“, 622,85 für die Bibliothek der Goethe-Geſellſchaft,

. 1012,00 Beitrag für die „Deutſche Dichter-Gedächtnis⸗Stif⸗ = tung“, den Verein für das Deutſchtum im Ausland I ü di i.,

. 20 176,17 Verwaltungskoſten,

1600,00 von dem 2000 % betragenden „Verfügungsfonds“, nämlich 600 % an das Goethe-Nationalmuſeum und 1000 .% an das Goethe- und Schiller-Archiv zu Ankäufen.

118 909,05 J. 3134,25 % Mehrausgabe.

Der Nennwert des Kapitalvermögens (Reſervefonds) bezifferte ſich am Schluſſe des Jahres 1920 auf 118 027,65 /, zu Ende des Vorjahres auf 109 327,65 .

Der Vermögenszuwachs von 8700 „/ beſteht in Beiträgen für lebenslängliche Mitgliedſchaft. |

Der Kurswert des Vermögensbeſtandes berechnete ſich am 31. De- zember 1920 auf nur 76 624,15 M.

N B. Der Bibliothek der Goethe-Geſellſchaft ſind auch im vergangenen Jahre mancherlei Schenkungen zugegangen, wofür den freundlichen Spendern im Namen des Vorſtandes hiermit der herz-

208 36. Jahresbericht (Berichtsjahr 1920/21)

lichſte Dank ausgeſprochen wird. Ihre Namen ſind: H. Amelung (Eſſen), Dr. H. Becker (Berlin), C. Behrens (Kopenhagen), Dr. Ru⸗

ben G: ſon Berg (Stockſund), Dr. E. Blanckmeiſter (Dresden), Dr.

R. Blume (Freiburg i. B.), Dr. O. v. Boenigk (Jena), Dr. J. M. Bopp (Colmar), Dr. P. Braun (Oberweimar), Geheimrat Dr. P. Cauer (München), Dr. H. v. Egloffſtein (Würzburg), Prof. Dr. E.Firmenich⸗ Richartz (Bonn), Dr. C. E. Gleye (Lund), Frau G. Goth (Berlin), Prof. Dr. H. G. Gräf (Weimar), H. N. Hanſen (Kopenhagen), Prof. Dr. M. Hecker (Weimar), Landgerichtsrat M. Hufſchmid (Heidel⸗ berg), N. A. Kuyper (Arlington U. S.), Prof. Dr. A. Leitzmann (Jena),

Dr. H. Liſt (Gießen), S. Loewy (Wien), L. L. Mackall (New Pork), F. Mannſtedt (Bremen), G. Mayer (Eßlingen), Prof. Dr. H. Mayne (Bern), Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. M. Möbius (Frankfurt a. M.), Dr. H. Neſtler (Regensburg), Dr. A. Otto (Breslau), Dr. R. Payer v. Thurn (Wien), Prof. Dr. J. Peterſen (Berlin), Dr. F. Rapp (München), Dr. M. v. Rauch (Heilbronn), Geheimrat Prof. Dr. G. Roethe (Berlin), Prof. Dr. G. Roſenthal (Lübeck), Dr. Th. Satori-Neumann (Charlottenburg), Prof. Dr. E. Scheidemantel (Weimar), Prof. Dr. J. Schiff (Breslau), Dr. E. Traumann (Heidelberg), Prof. Dr. A. Trendelenburg (Berlin), Prof. Dr. J. Wahle (Weimar), E. Zabel (Charlottenburg), E. Zaniboni (Neapel), Dr. B. Zehme (Konſtanz), die J. G. Cotta'ſche Buchhand⸗ lung Nachfolger (Stuttgart), der Inſel-Verlag (Leipzig), die Buch⸗ handlung des Waiſenhauſes (Halle a. S.), das Goethe-Muſeum (Frankfurt a. M.), die Deutſche Bücherei (Leipzig), die University of California Press, die Redaktion der Wiener Zeitung (Wien), die Ortsgruppe Eſſen der Goethe⸗Geſellſchaft.

Über das Goethe- und Schiller-Archiv iſt in dieſem Jahre nicht viel zu berichten. Auch im vergangenen Winter mußten die Arbeiten durch mehrere Monate hindurch wegen Kohlenmangels ein⸗ geſtellt werden. Spenden von Handſchriften gingen nur ſpärlich ein. Herr K. E. Henrici (Berlin) ſchenkte einen ungedruckten Brief Goethes an Mad. de Stasl und 2 Briefe von Freiherrn v. Biedenfeld an Freiherrn v. Spiegel; Frau Luiſe Eggert (Weimar) ſchenkte einen Brief von Ernſt Renan, 2 Briefe von Agnes Strauß ⸗Schebeſt und einen Brief von Heinrich Kurz, ſämtlich an Carl Candidus gerichtet; Frau Senior Ranke (Lübeck) 8 Briefe von Emilie v. Gleichen-Ruß⸗ wurm an Emma v. Bever. Zwei andere Zuwendungen ſind belang⸗ los. Den gütigen Spendern wird auch an dieſer Stelle im Namen des hohen Beſitzers und Schutzherrn der Anſtalt, S. K. H. des Groß⸗

herzogs Wilhelm Ernſt, der verbindlichſte Dank ausgeſprochen. Die wertvollſte Bereicherung hat das Archiv erfahren durch das Teſta⸗ ment Ernſt von Wildenbruchs, der beſtimmt hat, daß ſein hand⸗ ſchriftlicher Nachlaß zwiſchen dem Goethe- und Schiller-Archiv und der Berliner Literatur-Geſellſchaft ſo geteilt werde, daß jenes zwei Drittel, dieſes ein Drittel deſſelben erhalte. Der Nachlaß umfaßt die

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36. Jahresbericht (Berichtsjahr 1920/21) 209

eigenhändigen Niederſchriften der Dramen: Der Generalfeldoberſt, Der Fürſt von Verona, Meiſter Balzer, Das neue Gebot, Die Quit— zows, Die Haubenlerche, Der neue Herr, Chriſtoph Marlowe, Hein- rich und Heinrichs Geſchlecht, Gewitternacht, Der deutſche König, Die Lieder des Euripides, Ermanarich, Die Rabenſteinerin, Der un— ſterbliche Felix, Bernhard von Weimar, König Laurin, Der Junge von Hennersdorf, Das heilige Lachen, Jungfer Immergrün, Wille— halm. Von mehreren Dramen ſind Abſchriften vorhanden, außerdem Bruchſtücke und Vorarbeiten. Ferner die eigenhändigen Handſchrif— ten von Proſawerken, darunter die Romane und Erzählungen: Der Liebestrank, Auf den Trümmern von Akragas, Das Wunder, Das tote Haus am Bodenſee, Die letzte Partie, Die Danaide, Tintenfiſch, Schweſterſeele, Semiramis, Lukrezia, Das wandernde Licht, Unter der Geißel, Claudias Garten, Die Alten und die Jungen, Wald— geſicht, Das Märchen von den zwei Roſen, Orakel, Eifernde Liebe, Das ſchwarze Holz, Marie Lene, ferner kleinere Erzählungen, Auf- ſätze, Reden, verſchiedenartige Aufzeichnungen und endlich eine An⸗ zahl lyriſcher Gedichte und Briefe. Die Teilung des Nachlaſſes nach dem Willen des Erblaſſers iſt noch nicht vollzogen, doch iſt ſie in die Wege geleitet und wird auf Grund gütlicher Übereinkunft zwiſchen den Vorſtänden der beiden Anſtalten demnächſt erfolgen.

An Büchern ſind dem Archiv Schenkungen zugegangen von Prof. Dr. A. Bettelheim (Wien), Dr. J. M. Bopp (Kolmar), Dr. E. Ebſtein (Leipzig), Prof. Dr. A. Kippenberg (Leipzig), Prof. Dr. H. Mayne (Bern), Dr. B. Th. Satori-Neumann (Charlottenburg), Prof. Dr. E. Scheidemantel (Weimar), ferner vom Inſel-Verlag (Leipzig), vom Verlag J. J. Weber (Leipzig), von der Direktion der Städtiſchen Sammlungen (Wien). Auch ihnen ſei an dieſer Stelle nochmals ver- bindlichſt gedankt.

Am 1. Mai iſt Profeſſor Dr. Hans Gerhard Gräf aus ſeiner Stel- lung im Archiv, die er ſeit Anfang des Jahres 1913 innehatte, ge= ſchieden. Der ausgezeichnete Gelehrte, der ſich ſchon vorher an der Goethe⸗Ausgabe erfolgreich betätigt hatte, war in dieſen Jahren der Anſtalt ein wertvoller Mitarbeiter. Zuletzt hat er ſich noch durch die mühevolle und undankbare Herſtellung des Schlußregiſters zur 3. Ab⸗ teilung der Ausgabe ein großes Verdienſt erworben. Mit ſchmerzlichem Bedauern ſahen ihn ſeine Kollegen aus ſeinem Amte ſcheiden.

C.

Zum erſtenmal ſeit dem Jahre 1916 iſt es möglich geweſen, das Goethe-Nationalmuſeum den ganzen Winter über zu erwärmen und ohne Störung den äußeren und inneren Betrieb aufrecht zu er⸗ halten. Wir verdanken das der tätigen Hilfe von Freunden des Goethe⸗ hauſes, denen es nicht nur gelang, die entſcheidende Reichsbehörde von der Notwendigkeit der Beheizung beſonders des alten Hauſes,

VIII 14

210 36. Jahresbericht (Berichtsjahr 1920/21)

das empfindlich zu leiden begann, zu überzeugen, ſondern auch opfer⸗

freudig die nicht unerhebliche Summe für das Heizmaterial zum größten Teil aufzubringen. Ihnen danken wir es, daß die Arbeiten, beſonders an der Katalogiſierung der reichen Silhouettenſammlung des Muſeums, ohne Unterbrechung weitergeführt werden konnten und vor dem Abſchluß ſtehen. |

Der Beſuch des Muſeums nahm weiter zu. Im vergangenen Jahre haben wir eine Beſucherzahl, doppelt ſo hoch als die bisher höchſte, überſchritten.

Unter den Neuerwerbungen wohl die intereſſanteſte iſt die Tiſch⸗ bein'ſche Zeichnung des römiſchen Goethe, die die Leſer des Jahrbuchs demnächſt kennen lernen werden. Sie fand einen Stifter in Herrn Konſul Gumprecht (Hamburg). Ein reizvolles Selbſtbildnis der Bettina von Arnim konnte aus dem Beſitze entfernter Verwandter erworben werden. Zwei italieniſche Zeichnungen Goethes, darunter eine Aquarelle aus der Villa Borgheſe, fanden ſich im Nachlaſſe des im Jahre 1787 damit beſchenkten Baumeiſters Arens und konnten unter teilweiſer Mithilfe des Inſel⸗Verlags angekauft werden. Die hochbetagte Tochter eines Beſuchers Goethes aus dem Jahre 1825/26, Fräulein Helene Stromeyer in Karlsruhe, ſchenkte drei Scheren⸗ ſchnitte der Adele Schopenhauer, die Louis Stromeyer von der eng mit ihm befreundeten Künſtlerin damals als Andenken empfangen hatte, ein dazu gehöriges Gedicht Adelens und einen ſehr charakte⸗ riſtiſchen Brief der Ottilie von Goethe an Stromeyer. Schließlich konnte noch eine feine unter Glas gemalte Silhouette Wielands aus ehemaligem Familienbeſitz erworben werden, wohl die letzte der Dar⸗ ſtellungen des Alten nach dem Leben, die wir kennen. Sie wurde ge⸗ ſtiftet von dem „Weimarbund deutſcher Mädchen und Frauen“.

Die graphiſche Abteilung der Goethebildniſſe bereicherte Herr Ver⸗ lagsdirektor Neubert (Leipzig) und Herr Ogoleit (Landsberg a. W.); die der Goetheſtätten Freiherr von Biedermann (Berlin) und Direk⸗ tor H. Graf (Düſſeldorf); die Malerin Margarethe Geibel (Weimar) überreichte mit ihren farbigen Holzſchnittzyklen des Goethehauſes, des Wittumspalais und der Bibliothek eine koſtbare Gabe. Zu den Bildniſſen von Zeitgenoſſen ſteuerten bei: Fräulein Heeſe (Berlin),

Herr W. Hettich (Warſchau), Frau Julie Merck-Bucherer (Jugen⸗ E heim), Herr Geheimrat Möbius (Frankfurt a. M.). Die Direktion 5 vermehrte durch Ankäufe dieſe Abteilung um mehr als 60 Porträts, | ſodaß fie nunmehr, abgejehen von den im Muſeum ausgeſtellten Bild- 5 niſſen und ohne die Silhouetten, mehr als 600 Nummern umfaßt. a Der kleinen Handbibliothek kamen außer den Pflichtexemplaren 5 Geſchenke zu gute von J. H. der Fürſtin von Albanien, Dr. Wil⸗

helm Bode, Muſeumsdirektor Dr. Crome (Göttingen), dem Inſel⸗ Verlag, Prof. Dr. Liepmann (Berlin), Dr. Morecki (Prag), Geheim rat Pick (Gotha), Dr. Rapp (München), Frau Beatrice Zade (Leipzig).

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36. Jahresbericht (Berichtsjahr 1920/21) 211

Allen den freundlichen Gebern, zugleich den Spendern der „Ver— einigung der Freunde des Goethehauſes“, die an dieſer Stelle nicht genannt werden können, ſei der herzlichſte Dank des Muſeums aus— geſprochen.

Zum Schluſſe ſei noch mitgeteilt, daß Ausſicht beſteht, ein beſon⸗ ders wertvolles Goethebildnis, das vor etwa 40 Jahren nach Amerika verſchlagen wurde, zurückzuerwerben. Schwierigkeiten, die mit der Weltlage zuſammenhängen, verbieten eine nähere Andeutung. Hof- fentlich iſt das Muſeum in der Lage, die Mittel aufzubringen. Aber auch wenn das der Fall ſein ſollte, werden tatkräftige Gönner jederzeit mit Freuden begrüßt.

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- 14*

Verzeichnis der ſeit 1. Juni 1920 neu eingetretenen Mitglieder (Abgeſchloſſen Ende Mai 1921)

Mitglieder auf Lebenszeit

Barmen Stracke, Ernſt Auguſt, Kaufmann Berlin und Vororte Behrendt, Peter Henius, Bruno, Direktor Henius, Frau Käte Halenſee Bacharach, Frl. Berta Schöneberg Caminer, Hans, Dipl. = ingenieur, Patentanwalt Bern Moſer, Hans Coblenz (Rhein) Bertram, Fritz, Kaufmann Edenkoben (Pfalz) Haas, Frl. Eliſe Eſſen (Ruhr) Heyden, Frl. Adele Marianne Munkel, Frau Präfident Friedenberg (Oſtpr.) v. Böttinger⸗Mehleden, Ritterguts⸗ beſitzer Fürth (Bayern) Tiegel, Anton, Fabrikbeſitzer Gelſenkirchen Dr. Robbers, Sanitätsrat Robbers, Frau Sanitätsrat Gleiwitz Völkel, Oswald, Kaufmann

Göttingen Egenolf, Wilhelm, Großkaufmann

Guben

Bornitz, Frl. Eliſe, ord. Lehrerin am Lyzeum Hamburg

Koehne, Ernſt, Direktor des Deutſchen

Schauſpielhauſes

Heidelberg

Rothacker, Dr. Erich, Privat⸗Gelehrter

Holthof (Kr. Grimmen i. P.) Steinmüller, Paul, Rittergutsbeſitzer

Kalkberge (Mark)

Grohe, Eliſabeth, Frau Juſtizrat geb.

Zaubitzer

Kopenhagen Leſter, Max Landsberg (Warthe) Ogoleit, Wilh., Buchhändler Leipzig Mittelſtaedt, Lore, stud. philos. Stöhr, Frau Lotte München Roſenthal, Martin, Kommerzienrat Sondershauſen Heinrichs, Frl. Auguſte, Oberlehrerin Wachwitz b. Dresden

Schobloch, Ernſt, Verlagsbuchhändler

Weimar Vulpius, Wolfgang, stud. phil.

Weißenthurm b. Coblenz Piel⸗Weber, Frau Lina

Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder 213

Zürich Bodmer-Abegg, Frau Dr. Anny Bodmer-Abegg, Dr. jur. Henry Bodmer, Martin, stud. phil.

Deutſches Reich

N Aachen

Schotte, Dr. Heinrich, Studienrat Altdöbern (N.⸗L.)

Siebenhaar, Dr. phil. Ewald, Pro⸗

t

Be Altona

Stumme, Frl. Maria Apolda

Kaden, Alfred, Fabrikbeſitzer Aurich (Oſtfriesland) Opitz, Alfred, Lehrer d Barmen

Bauer, Emil, Kaufmann Deutſchmeiſter⸗Verlag

Diederichs, Frl. Frieda, Lehrerin

Klemna, Frl. Alice

Klingelhof, Robert, Kaufmann

Rittershaus, Hugo, Kaufmann

v. Roſenberg⸗Gruſzczynſki, Friedr., Kaufmann

Schuſter, Lotte

Uthmann, Frau Ella

Uthmann, Heinz, Kaufmann

Bautzen Stark, Walter (Wellerſche Buchhandl.)

Berlin und Vororte Berlin

Aulmann Rudolf

Bäumer, Dr. med. Eduard, Arzt

v. Berenberg⸗Goßler, Paul, Landwirt

Biſchoffswerder, Dr. Franz, Rechts⸗ anwalt

Blanckertz, Klaus

Böhm, Frau Gertrud geb. Baumann, Studienrat

Böhm, Dr. jur. Joſeph, Landrichter

Borſtell, Reinhold, Hofbuchhändler

Brandt⸗Jacoby, Oskar Ludwig, Schriftſteller

Braun, W., Kaufmann

Braun, Willy, i. Fa. W. Bode Nachf. Gebr. Braun

Breithaupt, Chriſtoph

Budy, Frau Elſe

v. Bülow, Geheimrat

Bund der Freien Wiſſenſchaftlichen Vereinigungen

Diem, Carl, Generalſekretär

Edler, Dr. Fr., Beamter

Eiger, Frau Enno

Fabian, Dr. jur. Franz B., Syndikus

Federn, Robert, Verlagsdirektor

Fernbach, Dr. Fritz, Mag.⸗Aſſeſſor

Fiſchel, Bernhard, Kaufmann

Franck, Dr. Erwin, Sanitätsrat

Franzke, Frl. Käte, stud. phil.

Friedrich, Frau Dr. Selma, Arztin

Georgi, Arthur

Gieſeler, Hans

Gleſinger, Max, Fabrikbeſitzer

Gleſinger, Frau Max

Goethe⸗-Bund Berlin, Vorſtand

Hamburger, Frl. Ernahedi

Hampel, Margarethe, Bibliothekarin

Heckmann, Frl. Ellen

Heilbron, Emil, Fabrikbeſitzer

Heilbron, Frau Paula geb. Klar

Helfferich, Dr., Staatsminiſt., M. d. R. ellmann, Ulrich, Dr. phil. erfurt, Frau Anna

Herz, Frau Dora

Jahn, Frau Olga, Privatiere

Iſeke, Johannes, Kaufmann

Jürgenſen, Karl, Kaufmann

Kalſer, Fried (Frieda Kaliſcher), Schriftſtellerin

Kaniſch, Frl. Irene

Kirmße, Fritz, stud. phil.

Kirſtein, Walter, Kaufmann

Kleiſt⸗Lyzeum

Kloth, Lehrer s

Kocherthaler, Frl. Mathilde

Köhler, Dr. Albrecht, Kaufmann

Körting, Georg, Prokuriſt d.National⸗ bank für Deutſchland

Kotelmann, Frl. Hertha

214

Lagro, Rechtsanwalt u. Notar

Landsberg, Robert, stud. med.

Laux, Dr. Max, Profeſſor, Studienrat

Levin, Dr. Julius, Schriftſteller

Levinger, Grete

Liebmann, Frl. S.

Litthauer, Carl Felix

Löwenthal, Guſtav

Loofmann, Richard

Mankiwicz, Frl. Joh.

Meyer, Georg H.

Mierſch, Dr. jur. Heinrich, Magi⸗ ſtratsrat

Müller, Erna

Müller, Frau Franziska

Müller, Frida, Privatſekretärin

Müller, Lotte

Müller ⸗Caſſel, 1 Maler

Nauenberg, Frau Eva

Nelſon, Alfred A., Kaufmann

Neumann, Erna, Redaktionsſekretärin

a tue, Schloſſer

Peter, E. W., Konſul

Pofſner, Hilde

Prochnow, Emil, Bankprokuriſt

Puppel, Weine Kunſthändler

Renner, Frl. Gertrud

Richter, ‚Beofefior Dr., Miniſterialrat u. vortrag.

Richter, Frl. Thusnelda

Rieß, Frl. Gertrude

Roſen, Herbert

Roſenbaum, Frau Elfriede

Roſenberg, Heinrich, Antiquar

Runze, Dr. Maximilian, Pfarrer u. N Philoſophie

Sachſe, K

en Dr. Ernſt, Direktor der Osram: Werke

Sander, Dr., Rechtsanwalt

Scheele, Gertrud, Bibliothekarin an der Preuß. Staatsbibliothek

Schindler, Dr. Ernſt, Rechtsanwalt u. Notar

Zr Hans, Verlagsbuchhänd⸗

Schmiel, Eliſe

Schulze, Prokuriſt i. Fa. Speyer u. Peters

Schwarzer, . Sekretärin

Schweitzer, Frau Algunde

Seydel, Carl F.

Sigismund, Karl, K. S. Geh. Hofrat, Kommerzienrat

Simon, Dr. Richard, Univ.⸗Profeſſor

a. D.

Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder

Simoni, S., Direktor

Simoni, Frau Zerline

Stahl, Fritz, I des Berl. Tagebl.

Stein, Frl. Hedwig

Stollberg, Hauptmann

Streckfuß, Karl, Ingenieur

Streſemann, Dr. Guſtav, M. d. R.

zer Heinz, stud. jur. et rer.

v. x Fran Mathe Dr. Frei⸗

8 Frau Valerie

Taube, Frl. Margarete

Vogel, Rudolf, Abteilungsvorſteher

Volksverband der 1 . Wegweiſer⸗Verlag, G. m. b. H.

Waetzold, Margarete, Mittelſchul⸗ lehrerin

Walter, Dr. Benno, Rechtsanwalt u. Notar

Wieſner, Dr. phil. R. A.

Wigand, Bruno, Kaufmann

Charlottenburg u Berthold, Gerichtsaſſeſſor

9 Dr., Regierungsrat

Breslauer, Frau Anna, geb. W

Brie, Bruno, Syndikus

Elkan, Paul, Fabrikant

Fleiſcher, Frl. Charlotte

Friedmann, Dr. Georg

Gaſiorowski, Erni, Chemikerin

Georgi, Arthur, stud. phil.

Hooſt, Max, Kaufmann

Horowitz, Dr. S., Rechtsanwalt

Horowitz, Frau verw. Profeſſor

Jacobſohn, De, 9. W

Jänecke, Frl. Hild

Kaper, Franz, a: jur.

Langheinrich, Frl. Erika, Chemikerin

Lehmann, P., ſtellvertr. Direktor d. Deutſchen Bank

Leß, Frl. Hede

Luckwald, Anni, Frau Geheimrat

Michel, Dr. Artur, Schriftſteller

Möbus, Gertrud, Bibliothekarin

Moeller, Hans, Verlagsbuchhändler

Niebuhr, Frau Clara

Oeſer, Rudolf, 17

Sachs, Frl. Heide

Wittig, Dr., Studienrat

Wolff, Fritz, Zahnarzt

Zaduk, Gerhard, Kaufmann

meme han ia a en ce 11 1 7 1 m 2 A rd 7 fi 5 2;

1 g

Dahlem

Böckenhoff, Karl, stud. phil. Wiener, Martin, Kaufmann

Friedenau i en Johanna, Kaſſenbuchhal⸗

ter

Nauthe, Oskar, Buch⸗ u. Kunſtanti⸗ quariat

v. Schuler, Hauptmann u. Adjutant b. d. Sicherheitspolizei d. Berliner Polizei⸗Präſidiums

Zetzmann, Frau Eliſabeth

Zimmermann, Eugen

Grunewald Bieber, Dr. u Schriftſteller Buchthal, Feli Henrici, 12 5 er Henrici, Karl Ernſt, Kaufmann

1 k lien 1 a geb. Herms⸗

Schwllbe Dr. Walter, Arzt Weigert, Dr. Erich, Landgerichts⸗ direktor Halenſee

Heidmann, Walter, Redakteur Knoblauch, Frau Erika geb. Weiſe Kühne, . stud. phil.

Nord, D

Welcker, Wirkl. Geh. Oberregierungs⸗

F Schwenke, Hedwig, Frau Fabrikbeſitzer

Lichterfelde Böhm, Dr. Artur

enning, Frau Hedi ubert, Frida, Lehrerin

Kümmel, Margarete, gepr. Muſik⸗ lehrerin

Müller, Ernſt Theodor, Dipl.⸗Ing., Reg.⸗Baumeiſter

Nikolaſee Frenzel, Dr. Heinrich Weber, Dr. Hans Siegfried

Pankow 8 Puttlitz, Hans, Elektrotechniker

Schlachtenſee Juliusberger, Dr., Sanitätsrat

Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder

215

Schöneberg Blühm, Fritz, Steuerinſpektor Goldſchmidt, Hermann Joſeph, Fritz, Kaufmann Isbert, Frau et Offiziersgattin Roch, Karl, Architekt

Steglitz

v. Biedermann, Clara, Freifrau

v. Biedermann, Lothar, Freiherr,

dee Gangloff, Frl. Helmine Klug, Johannes, Verbandsſekretär Prey, Kurt, Bankbeamter Salomon, Dr. Gerhard, Studienrat Schaefer, Hugo, Studienrat Wichmann, Frau Anne, Bibliothe⸗

karin Tegel Harkort, Frau Luiſe geb. Laporte

Tempelhof Hartung Matthes, Frl. Luiſe Weißenſee Roegner, Eugenie, Sekretärin

Wilmersdorf Balcke, Paul, ee Braun, Frau Emma Grobe, Walter, Bankvorſteher Hellersberg, Frl. Dr. Anna Hirſchberg, Dr. med. Martin Ichenhäuſer, Frau Dr. Koch, Edwin, stud. phil. Levy, Frl. Margarete, Turnlehrerin Löſener, Dr. jur. Bernhard, Bank⸗ beamter, Referendar a. D. Norden, Frl. Elſe Roſenthal, S., Kaufmann Ruppel, Karl Conrad A. Spielhagen, Frl. Olga Talla, H. Zehlendorf Bork, Georg Cramer, Frau Sanitätsrat Dr. Annie Krell, E. M., Bankdirektor

Bernsdorf (Schleſien) Kurſawe, Joſeph, Lehrer

Biebrich (Rhein) Albrecht, Dr. Karl, Fabrikdirektor

216

Bielefeld

Friedmann, Franz, Kaufmann Schrader, Fritz, Kaufmann

Birkenwerder b. Berlin Blank, M., Gemeindekaſſenrendant

Braunfels (Lahn) v. Starck, Hugo, Freiherr

Braunſchweig v. Ahlefeld, Major a. D. Borch, Rudolf

Breechen b. Jarmen (Vorpommern)

v. Heyden, Ernſt, Rittergutsbeſitzer

Bremen

Engelhardt, Frau Wilma Kamloth, Karl, Buchhändler Leuwer, Franz, Buchhandlung Schelp, Fritz, cand. jur. Wiedemann, Arthur, Buchhändler

Bremerhaven Schröter, Th. A., Studienrat

Breslau

Bernau, Max, Verlagsbuchhändler, Inh. d. Fa. J. H. Kerns Verlag (Max Müller)

Fraenkel, Dr. Ernſt, Kaufmann

Goldſchmidt, Dr. Martin, Juſtizrat

Joſt, Ernſt, Kaufmann

Prinz, Georg, kaufm. Direktor

Brieg (Bez. Breslau) Sattig, Dr. Fritz, Direktor des Staatl. Gymnaſiums. Briesnitz (Schleſien) Brandt, Robert, Lehrer

Buchſchlag (Heſſen) Binding, Rudolf G. Buer⸗Beckhauſen Oſtermann, Heinrich, Ingenieur Caſtrop (Weſtfalen) Küper, Dr. phil. Walther, Studienrat Chemnitz

Bohacek, Karl Albin, stud. chem. Laffé, Raimund, stud. chem.

Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder

Löſer, Hartmann, Klempner

Otto, Friedrich Karl, Ratsſchreiber Rafeld, Amtsgerichtsrat Steinmann, Guſtav Fritz, Rats⸗

ſchreiber Zieger, Alfred Ernſt, Aſſeſſor

Coblenz Meinecke, Dr. Ludwig, Theaterdirek⸗

tor Wallenda, Carl, Schauſpieler

Coburg Baer, Dr. Moritz, Rechtsanwalt und Notar

Cöln (Rhein) Hahn, Dr. Arno Hahn, Hermann, Kunſthändler Hampel, Dr. jur. Hans, Gerichts⸗ aſſeſſor a. D. Kroh, Dr. med. Rümpler, Dr. med. Tiedge, Johannes, Studienrat

Crefeld

Stockhauſen, Frau Thea Triller, Frau Emma

Croſſen (Oder) Matz, Eliſabeth, Oberlehrerin

Dachau b. München Bornſtein, Dr. phil. Paul

Danzig Goldſtein, Annie

Darmſtadt Hollatz, Dr. jur. et phil., Profeſſor, Privatdozent a. d. techn. Hochſchule

Delmenhorſt

Arnholz, Franz, Direktor Arnholz, Frl. Liſa Arnholz, Frl. Lorchen Bartſchot, Fritz, Profeſſor, Oberlehrer Buſch, Ingenieur Coburg, Hermann, Abiturient Dillmann, Zeichenlehrer Ganß, Alexander Hubert, kaufm. An⸗

geſtellter Gericke, Direktor Grundig, Edgar, Oberlehrer Hartong, Direktor Hennig, Walther, kaufm. Angeſtellter Himke, Privatſekretär

W

n A 75

W

Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder 217 Horſt, Dr. jur. v. Stapff, Wirkl. Geh. Oberjuſtizrat, Jenke, Wilhelm, Mittelſchullehrer Oberlandesgerichtspräſident

Ihnen, Dr., Zahnarzt

Klein, Friedrich, Studienaſſeſſor Lehmkuhl, Winterſchuldirektor Meiſter, Dr. jur.

Muſer, Dr. phil.

Nutzhorn, Dr., Rechtsanwalt Schaper, Kurt, Mittelſchullehrer Schrader, Apotheker

Seitz, Erich, kaufm. Angeſtellter Specht, Dipl.⸗Ingenieur Wittich, Otto, kaufm. Angeſtellter

Rittergut Derſen o w. Mecklenburg) Buchs, Erna, Gutsſekretärin

Deſſau

Kobert, Dr. phil. Karl, Vorſteher des ſtädt. chem. Unterſuchungsamts

Müller, Kurt, Miniſterialdirektor

v. Oechelhäuſer, Dr. ing. h. c. u. Dr. phil. h. c., Wilhelm, Generaldirek⸗ tor a. D.

Realgymnaſium

Detmold v. Donop, Hans, Major a. D.

Dinkelsbühl (Bayern) Droßbach, Dr. Max, Bezirksarzt Döbeln (Sachſen) Schmidt, Dr. phil. Walther Dortmund Jahn, Frau Thilde, Geſchäftsinhabe⸗ rin

Dresden en Martin, Major im General: a

e Gutmann, Dr. jur. Fritz, Oberlandes⸗

gerichtsrat Hammer, Lena Hucho, Dr. jur., Geh. Juſtizrat v. Koenneritz, Freiherr Ferdinand, Kammerherr, Oberregierungsrat Oeſt, Wilhelm, Kaufmann Rowland, Franz, Kunſtmaler Sibyllen⸗Verlag, G. m. b. H. Striegel, Alfred, Bibl.⸗Aſſ. v. Witzleben, Frau, geb. Freiin v.

Weber Düſſeldorf

Budde, Dr. Joſef, Realgymn.⸗Direktor Poensgen, Martha

Duisburg Braach, Johann Heinrich, Redakteur Braumann, Frau Marga Büdenbänder, A., Rechtsanwalt Deerberg, Dr. F., Mitgl. d. Preuß. Landesverſ. Engels, K., Amtsgerichtsrat Fiſcher, Hans Rudolf, Chefredakteur Gatermann, H., Landgerichtsrat Hofmann, R., Stadtbaurat Immeln, Dr. H., Landgerichtsdirektor Kahners, Frl. Meta Lütgen, Frau Clara Maiweg⸗Bormann, Frau Regierungs rat Malli Scheuermann, Hermann, Buchhändl. Schnoepf, Herr B. Spaarmann, Marga Stein, Dr. G., Verwaltungsdirektor Steiner, Dr. med., Arzt Teuſcher, Dr. med., prakt. Arzt Thyßen, Dr. Erwin

Edlendorf b. Helmbrechts (Oberfranken)

Neuner, Hans, Volksſchullehrer

Eidelſtedt (Holſtein) Dahm, Otto, stud. theol.

Eiſenach Zenker, Friedrich, Oberſekretär

Eisleben

Bindſeil, Frau Stadtrat

Heinhold, Dr. Max, Bergaſſeſſor, Ge⸗ neraldirektor

Heinhold, Dr., Generaldirektor der Mansfeldſchen Gewerkſchaft

Heinhold, Frau Grete

Klingſpor, Bergaſſeſſor, Bergwerks-

direktor Schrödter, Bergaſſeſſor

Elberfeld

Glückſohn, Landgerichtsrat Habicht, Viktor, Aſſiſtent des Mu⸗

ſeumsvereins Hartung, Frau Renate 5 Hartung, Dr. Walter, Studienrat Merkel, Dr. phil. Benedikt, Chemiker Stadtbücherei

218 Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder

Erbach (Odenwald) Rumpf, Karl, Reg.⸗Baumeiſter

Erfurt

Boerner, Dr. Erich, Facharzt für Chi⸗ rurgie

Halbe, 8 Frieda, Geſanglehrerin

Heß, Frau Georg

Heß, b Fabrikbeſitzer

Olbertz, Stadtrat

Wolterstorff, Dr., Studienrat

Erlangen

Heinz, Profeſſor

Eſſen Abel, Frau Rechtsanwalt

Artzinger, Emil, Ingenieur See Frau Maria

Bertermann, Dr. jur.

Borchardt, Paul, Direktor

Breindl, Tedy

Büchner, Frau Dr.

Bungardt, Hugo, Direktor

Dicke, Dr. Heinrich, Stadtbibliothekar

Emde, Otto, Abteilungsvorſteher

Eßmann, Emil

Fiſcher, Alfred, Reg.⸗Baumeiſter, Di- rektor d. Kunſtgewerbeſchule

Frank, Ernſt

Fuchs Frl. ar, Oberlehrerin

Funke, Frl. T

Gärtner, Frig, 50

Girardet, Wilhelm, Verleger

Solbichmikt, Bernhard Goßmann, Frl. Trude

Hagenbucher, Eugen, Reg.⸗Baumeiſter

Hehemann, Max, Schriftleiter der Eſſener Allgem. Zeitung

Heilemann, Dr. W.

Herbrüggen, Frau

Hillebrand, Rechtsanwalt

Hillebrand, Frau Liſa

Hirſchland, Dr. Georg, Bankier

Hirſchland, Kurt, Bankier

vom Hövel, Auguſt

vom Hövel, Felix

Holtz, Frau Anna

Huff, Karl, Bankdirektor a. D.

Kätelhöhn, Herr

Keßler, re, 1 erale

Klein, Frau Lieſel

Klein, Robert

Klems, Rechtsanwalt

Körner, Edmund, Profeſſor Kötter, Frl. Ellen, Lehrerin Korsmeier, Guſtav Kosmann, Frl. Trudi Krela, Franz

Krupp v. Bohlen⸗Halbach, Dr. Guſtav

Küfer, Oberſtadtſekretär Kugelmann, Max v. Langsdorf, Frl. Dr. Lüthgen, 178 N Meiſenburg, D Meyer, Frau Bankier Louis Mohn, Frl. Margarete, Lehrerin Müller, Wilhelm, Zivilingenieur Nell, Frau Lene Oſt, Pr. Gotthard, Direktor N Wilhelm, Bergbauunter⸗ nehmer Pfeiffer, Profeſſor Dr. Plehn Frau Direktor Pohl, G. E. Popp, Addi, Frau Direktor Preuſſing, Rudolf, Abteilungsdirekt. Pütt, Frl. Paula, Lehrerin Puſch, Max, Oberreg.⸗Rat Ramſer, Paul, Prokuriſt Reſchofe, Walter Rheiniſch⸗ e Schriftleitung Richter, Dr. Heinrich Rieck, Landgerichtsdirektor Roſendahl, Frau Direktor Ruperti, Frau Dr. Ruſchen, Otto, Rechtsanwalt Samſon, Frau Samuel, Dr., Rabbiner Schäffer, Frau Bergwerksdirektor Schertel, Dr.-ing. Ludwig, Chemiker Schmidt, Hauptmann a. D Schroeder, Bruno, Kaufmann ter Schüren Schumm, Dr. Felix ke Frau Elfriede Stephan, Frl. Stinnes, Frl. Meta Storkebaum, C., Direktor Streuff, Frl. Gertrud Tidten, Hermann Timmers, Alex, Direktor v. d. Trappen, W., Prokuriſt 2 d. Trappen, Frau Wilhelmine Vogel, Frau Vogt, Frl. Warnemünde, C. Weir, Frl. Julie, Lehrerin Weis, Carl, Kaufmann

Weiß, Frl. Emma, Lehrerin Wilhelm, Frl. Paula Willers, Frau Anna 5 Winnecken, Frau Rechtsanwalt Woltze, Dr. Carl Woltze, . Bankdirektor 4 Wulff, Frl. Hildegard F Zaubitzer, Frau Dr. - Zimmermann, Frau Fe, geb.Rimborn

Eßlingen (Neckar) Schmid, Julius, Poſtſekretär

| Falkenhagen b. Berlin Dahl, Frau Profeſſor Maria

Frankfurt (Main) Adler, Bertha, Buchhändlerin 2 Edwin (i. Fa. Joſeph Baer &

Fulda, ya 2 Sanitätsrat Giebel, K

Heidingsfelder, Ludwig, Kaufmann Neſtle, Otto, Privatier

Roſenzweig, Dr. Franz

Stern, Arthur, Kaufmann

Thun, Oskar, Verbandsgeſchäftsführ. Tiedemann, Heinrich, Buchhändler Titze, Dr. jur. Heinrich, Univ.⸗Prof. Zippert, Bertha Ilſe, Bankbeamtin

Frankfurt (Oder) Fleſch, Martin, Schüler Hirſch, Alfred, Kaufmann Ramelow, Curt, Oberprimaner

Freyburg (Unſtrut) Otto, Frau Kommerzienrat Frieda

Friedeberg (Queis)

8 Jacob, Dr. Georg, Sanitätsrat a Roſenthal, Dr. W., prakt. Tierarzt

Friedrichsdorf (Nm.) b. Kreuz Schulz, Emil, Lehrer

a (Spree)

Höhne, A Pernice, Alfred, Amtsgerichtsrat

Denner ; a

Fulda Maier, Ernſt, Hof-Muſikverleger

Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder

219

Gautzſch b. Leipzig Kees, Frau Charlotte

Gelſenkirchen Arendt, Stadtbaurat Beiſenherz, Direktor d. a;

Bruns, Profeſſor Dr. med

Dehnke, Frau Generaldirektor

Deutelmoſer, Adolf, Major

Didore, Dr., Zahnarzt

Fermum, Lehrer

Gaertner, Dr., Beigeordneter

Gans, Frau Amtsgerichtsrat

Groſſe, Frau Oberin Erna

Haerter, Frl. Emmi

Holtz, Frau Anna a

Huchzermeier, Eduard, Rechtsanwalt

Hultzſch, Theodor, Profeſſor, Stu⸗ dienrat

Janitzky, Max, Apotheker

Iwowski, Alice, Fürſorgerin

Kampmann, Frau verw. Lilly

Kaufmann, Frau Juſtizrat

Krug, Stadtrat

Leopold, Dr. Otto, Spezialarzt

Linde, Dr. med.

Moenikes, Dr. Richard

Münſtermann, Frl. Mieze

Nandelſtedt, Margret, Lehrerin

v. Obſtfelder, Frau Martha

Pfeiler, Frau Marie

e Dr. jur. Theodor, Refe⸗

endar Sami Heinrich Waſſerwerksdirek⸗

Se Otto, Paſtor Schwarzburger, Dr. 5 W., Arzt Stegemann, Dr., Arz

Töwe, Dr. Carl, Oberlhzealdirektor v. Wedelſtaedt, Sberbürgermeiſter Weineck, Dr., Studienrat Weitzmann, Dr. Wilh., Schulrat Wendenburg, Dr. Friedrich, Stadtarzt Werners, Erna, Frau Bankdirektor Wibberenz, Frl. Martha

Winkel, Heinrich, Schulrat

Wirtz, Fabrikbeſitzer

Wiſſemann, Dr. Conrad, Arzt

Gera (Reuß)

Feiſtkorn, Walther, Fabrikant Luboldt, Frau Felix geb. Feiſtkorn

Rittergut Gerdau (Kr. Uelzen) Voigts, Frl. Ulla

220 Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder

Gießen Liſt, Dr. jur. Friedrich, Bibliothekar Walbrach, Carl Görlitz Meyer, Elſe, Lehrerin Schultheiß, Dr. Hermann, Studienrat

Göttingen

Bachmann, Frau Henny

v. Bodenhauſen, Freiherr Bodo⸗Wilke, cand. jur., Oberleutnant a. D.

Eberwein, Frl. Grete

Egenolf, Frau Hilken

Hahn, Frau Gertrud i

Kornrumpf, Lena, stud. phil.

Proskauer, Walter, Rechtsanwalt

Ruhſtrat, Frl. Elſe

Gotha Greiner, Aſſeſſor

Greifswald Hartnack, Wilhelm, cand. germ.

Griesheim (Main) Berge, Dr. ing. Paul, Chemiker

Groß⸗Salz e b. Magdeburg Kempfe, Urſula⸗Ruth Peitz, Frau Eva Marie geb. Kempfe

Guben Salomon, Fritz, Rechtsanwalt

Gumbinnen Mayer, Paul, Regierungsrat

Gummersbach (Bez. Cöln) Dreyer, Robert, Seminarlehrer

Halle (Saale) Bennewitz, Bernd, Rechtsanwalt Eulenberg, Philipp, Juſtizrat, Rechts⸗

anwalt u. Notar Ficker, Hans, stud. hist. Gandenberger v. Moiſy, Fritz, Ober⸗ leutnant a. D. Glaſer⸗Gerhard, Ernſt, Studienrat Kaempf, Erich Lange, Auguſte, Dr. rer. pol., Direk⸗ torin des ſtädt. Wohnungsamts Loeſt, Dr. Curt, Fabrikbeſitzer Marcard, Hans, Hauptmann a. D., Buchhändler Rummel, Frau Katharine

Hamburg Baum, Alfred Bock, Ella, stud. phil. Calvary, Dr. J. Conitzer, L., Dr. med. v. Crompton, Frau E. geb. Gewert, Kunſtmalerin Delbanco, Dr. med. Ernſt Duhne, Frl. Anna, Oberlehrerin Galle, Alfred, Verwaltungsbeamter Grimm, Guſtav, Staatsbeamter Kayſer, Rudolf, Profeſſor Dr. Kelter, Frau Profeſſor Dr. Liſt, F. H., Kaufmann ° - Lüders, Frl. Melanie, stud. phil. Maluck, Albert Münden, D., Herr Owert, Dr. Hermann, Zahnarzt v. Ritter, Freiherr Theodor, Kauf⸗ mann v. Ritter, Freifrau, geb. v. Aichinger Ruſt, Frau Dr. Mallita geb. v. Minden Tebrich, Dr. med. Martin, Arzt Tiemann, Frau verw. Eliſabeth Vogt, Dr. Paul, Oberlandesgerichts⸗ rat Hannover Benzinger, Dr. med. Werner, Sani⸗ tätsrat Jacobſen, Fritz, Staatsanwalt Köpper, Margarete, Lehrerin Winter, Frau Inka

Harburg (Elbe) Peyſer, Dr., Sanitätsrat, Arzt

Hartenſtein (Sachſen) Hoffmann, Erich, Buchhandl.⸗Gehilfe

Heidelberg Lobſtein, Dr. Muthmann, Fritz, stud. phil. Schöll, Frl. Dora

Herne (Weſtf.) Schmitz, M. M., Lehrerin Spennemann, Helma, Oberlehrerin

Hofgeismar b. Caſſel

Helm, Käthe, Lehrerin

Honnef (Rhein) Voigt, Eliſabeth, Stiftsdame

Jarmen (Pommern)

Henk, Paul, Buchdruckereibeſitzer

1 E

8

F

Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder 221

Henske, Dr. Bruno, Arzt Henske, Frau Dr. Klara en, Marcus, Arztgattin

Jena e Dr. Erich, Verlagsbuch⸗ händler Schwiſow, Theodor, stud. phil.

Kiel Engelhardt, Frau Elſa geb. Hoerning, Oberlehrerin Hen un H. H., Generalſtaats— anwal

Königsberg (Preußen) Döring, Leo, Hauptmann a. D. Gerlach, Eliſabeth Heinemann, Paul, Poſtrat Martini, Dr. Karl, Landgerichtsdirek⸗

tor Mühling, Dr. med. Paul, Arzt Schweter, Dr. Guſtav Adolf Stu⸗ dienrat Weiß, Gerhard

Kreuth (Oberbayern) v. Stockhauſen, Frau

Landsberg (Warthe) Boeden, Lehrer

Landshut (Bayern) Geß, Frl. Felizitas Hornung, Alois, Studienaſſeſſor Roſt, Paul, Lehramtskandidat

Leipzig Achelis, J. D., cand. med. Bär, Eliſabeth, Lehrerin Brann, Julius, Kaufmann Bux, Dr. E., Gymn.⸗Lehrer, Stud.⸗

Aſſeſſor Chamizer, Frau Dr. Ella Chamizer, Dr. Raphael Doernberg, Ilſe Eberwein, Hugo, Seminaroberlehrer Graeve, Dr. Wilhelm, Arzt Härtwig, Frl. Hildegard Heilpern, Frl. Roſa Hübler, Dr. Gerhard, Rechtsanwalt Kluge, Kurt, akad. Bildhauer u. Maler Kremnitzer, Dr. jur. Bernard Löbl, Dr. Alexander Loeſche, E rna

Ludewig, Elly

Markert, Karl, Buchhändler Mejer, J. O. Wolfgang, 1 philos. Mertens, P., cand

1 Frau verw. Oberſütn. Eliſa⸗

t Mittelſtaedt, Dr., Juſtizrat, Rechts⸗ anwalt am Reichsg ericht Mittelſtaedt, Frau Justizrat Sophie geb. v. Bomhard Neuſtadt, Alice Ollendorf, Paul, Muſikverleger Queckenſtedt, Käte e Richard Otto, Verlagsbuch⸗ händler Richter, Johannes, cand. phil. Schingnitz, Werner, stud. phil. a. Geh. Mediz.⸗Rat, Profeſ⸗

t Dr. Weddy⸗ Boenidh, Dr. Walther, Ner⸗ venarzt Wolff⸗ Röder, Frau Eliſabeth

Löbau (Sachſen)

Brückner, Hans, Rechtsanwalt Seidel, Walter, Kand. d. höh. Lehr⸗ amts

Lotzen (Neumark) Döring, Artur, Lehrer

Luckau (N. L.)

Heeſe, Frau Elli Mattner, Max, Bürgermeiſter

Ludwigsſtadt (Oberfranken) Krenzer, Theodor, Amtsgerichtsrat

Magdeburg Banck, Frau Irmgard v. Bülow, H. G., Oberſtleutnant a. D. v. Donat, Helga, „Frau verw. Reg.⸗Rat Gaedke, Frau Tierarzt Grube, Frau Franziska ag Charlie, Schweſter vom Roten

reuz

Papke, E., Regierungs⸗ u. Geh. Baurat Schulze, Hans, stud. phil.

Mainz

Kräuter, F. A., Bankdirektor Stimbert⸗ ⸗Gunderloch, Frau Maria

Mannheim Strauß, Dr. Sigismund, Rechtsan⸗ walt

222 Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder

Marburg (Lahn) Chriſtenſen, Hans, cand. phil. aus Dortmund .

Marienwerder (Weſtpreußen) Steffenhagen, Dr. med. Karl, Reg.⸗ u. Med.⸗Rat

Melle (Hannover)

Oelrich, Frau Hertha Oelrich, Emil, Buchdruckereibeſitzer

Merſeburg Stößel, Otto

Meuſelwitz Meyer, Heinrich, Fortbildungsſchul⸗ lehrer

Mosbach (Neckar)

Ottendörffer, Frau verw. Landge⸗ richtsdirektor Dr.

Mühlhauſen (Thüringen) Flatter, Dr. phil. Otto Richard, Stud.⸗Aſſeſſor Herrmann, Wilhelm, Amtsgerichtsrat

Mülheim (Ruhr) Adams, Frl., Lehrerin Alliſat, Walter, Markſcheider Antrop, Gertrud, Lehrerin Apel, Karl, Leutnant a. D., Stud. d. Chemie Arends, Felix, Studienrat Arndt, Robert, Dipl.⸗Ing. Arnfeld, Adolf, Kaufmann Auer, Frl. Helene, Jugendpflegerin Baer, Horſt, Kaufmann Ballhaus, Frau Lehrer Bauer, Frau Zahnarzt E. Bauer, Georg, Ingenieur v. Bebber, Dr. Robert, Ohrenarzt Becker, Ingenieur Becker, Frau Chriſtian, geb. Lindgens Becker, Ernſt, Hüttendirektor Becker, Dr., Juſtizrat, Rechtsanwalt u. Notar Becker, Paul, Kaufmann Bender, Luiſe, Lehrerin a Berenbrock, Antonie, Zeichenlehrerin Berendes, Kurt, Handlungsgehilfe Berger, W., Diplom⸗Kaufmann Bever, Elſe, Kettwigerſtr. Bever, Elſe, Dickswall Biſpinck, Frau Sanitätsrat Ottilie

2—BW' a . * * *

Blank, Dr. Arthur, Arzt

Bleſius, Dr. med., Arzt

Blettner, Martha, Lehrerin

Blume, Carl, Ingenieur

v. Bock u. Polach, Hans, Kaufmann

Bölling, Ewald, Rektor

Böninghaus, Maria

Bohnes, Frau Louis

Borgwardts, Zeichenlehrer

Bottler, Studienrat

Boufſier, Moritz, Lehrer

Brandt, Oberingenieur

Braun, Hugo, Oberingenieur

Brettſchneider, Dr., Arzt

Breuer, Dr. phil. Paul Karl, Che⸗ miker

Broermann, Kaufmann

Broeſchen, Olga

Bromm, Ernſt, Landrichter

Broß, W., Dipl.⸗Ingenieur *

v. Bruch, Carl, Pfarrer

Brüggemeier, Herbert, Verw.⸗Gehilfe

Bruhn, Frau Oberingenieur Eliſe

Brunne, Max, Kaufmann

Buchen, W., Betriebsdirektor

Buchloh, Hermann ee

Buchmüller, Karl, Fabrikant

Buddemeier, Chriſtine, Lehrerin

Bulsmann, Lisbeth

Bungert, Emil, Kaufmann

Bungert, Erna

Burbach, Pfarrer

Burchardt, Julius, Lehrer

Buſch, Dr. Julius, Profeſſor

Caeſar, Johanna, Lyzeal lehrerin

85 va 7 * N nnn

x 223 x 9 N ee ee ee

3

el

Camphauſen, Anna, Geſchäftsinhabe⸗ 8 4

rin Camphauſeu, Carl, Kaufmann Cars, Auguſte Chemnitz, Eliſabeth, Lehrerin Chriſtmann, Geſanglehrer Chriſtoffel, Apothekenbeſitzer Claßen, Hans, Hauptmann a. D. Cleff, J. Cohn, Hanna Comberg, Dr. Hugo, Arzt Coupienne, Adeline N Coupienne, Jean Baptiſt, Kaufmann Coupienne, Ernſt, Fabrikant Coquelin, M., Oberin des Kinderſol⸗ bades Dahlmann, Kläre, Lehrerin Dahmen, Georg, Prokuriſt Degener, F. Walter, Kaufmann Deicke, Dr. Karl, Amtsgerichtsrat Denkhaus, C. Hch., Kaufmann

3 > E

F- >

E. =

Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder 223

Dennenburg, Frl. Hedwig Denzel, Dr. Alfred, Med.⸗Rat Dibbern, Auguſt, Kaufmann Dicke, Paul

Diepenbeck, Dr., Studienrat Dilg, Frl. F., Chemo⸗Techn. Döll, Dr. H., Studienrat Droſt, Adolf, Direktor Druſchel, Ernſt, Kaufmann Dültgen, Richard, Major a. D.

Dupin, Dr. med., Arzt

Dupré, Franz, Kaufmann Dyckerhoff, Dr. Ernſt, Fabrikdirektor Ebbecke, Frau Ebert, Käthe, Kontoriſtin

Eckell, E. Dorothea, Lehrerin Eichholtz, Frau Chr.

Eichholz, Meta, Lehrerin

Eick, Karl, Kaufmann

v. Eicken, Frl.

Einert, Margarete, Lyzeallehrerin Eiſterbrock, Maria

Elkan, L., Zahnarzt

Emmerich, Maria

Erdmann, Helene

Eſch, Karl, Photograph

Eſſer, Dr. jur., Rechtsanwalt Ewald, Alfred, Ingenieur

Fabian, Dr. med. Rudolf, Sanitäts⸗

rat Faelker, Elſe, Kontoriſtin Fehlenberg, Auguſte Fehlenberg, Melanie Feldhaus, Dr., Juſtizrat, Rechtsan⸗ walt und Notar Feldhege, Frau Anna Feldmann, Hans, Kaufmann Feldmann, Heinrich, Kaufmann Feldmann, Hermann, Lederfabrikant Feldmann, Dr.jur. Oskar, Kaufmann Feldmann, Frau Paula Feldmann, Frau Fabrikbeſ. Roſe Fieſeler, Arthur, Kaufmann Fiſcher, Geheimrat Flaskamp, Frau E. Flaskamp, Frieda Förſter, Moritz, Leutnant a. D. Förſter, Wilhelm, Kaufmann Franke, Emilie, Muſiklehrerin Freitag, Hermann, Kaufmann Friedrich, Dr. Alfred, Chemiker de Fries, Hildegard, Säuglings⸗ ſchweſter Friſter, Hans, Arzt Fritzſche, Richard, Bankdirektor Fuglſang, H., Kaufmann

Funke, Friedrich, Oberingenieur

Funke, Paul, Studienrat

Gaaſch, Direktor

Gaſters jun., Dr. Ferd., Kaufmann

Gaſters, Dr. med., Med.⸗Rat

Geiersbach jun., Fritz, Bankdirektor

Gerhartz, Dr. med.

Gertz, A., Lehrerin

Gies, Hugo, Betriebsaſſiſtent

Giller, Direktor

Gith, Hans, Lehrer

Gleim, Frau, Schneiderin

Goedecke, Apotheker

Goedecke, Eliſe, Privatlehrerin

Goldmann, Dr. Hans, Stadt⸗Aſſ.⸗Arzt

Goſſe, Frl. Olga

Gothot, Tia

Gottſchalk, O., Lehrer

Gronenberg, Mathilde, Dipl.⸗Kauf⸗ mann

Grotſtollen, Heinrich, Gymnaſial⸗ lehrer

Grundies, Editha, Lehrerin

Gutſche, Guſtav

Haag, Frau Dr. S.

Haas, Fritz, Paſtor

Hebe Theodor, Kaufmann aberland, Auguſte, Buchhalterin

Hachmann, Johanna

Hägele, Tilde

Hahn, Erna, Privatſekretärin

Härle, Direktor

Hammann, Kaufmann

Hammenſtein, Walter, Kaufmann

Hanau, H.

Hanemann, Theodor, Kaufmann

Hartmann, Julie, Lehrerin

Hartung, Carl, Kaufmann

Haſenbeck, Irene

Haun, Käte, Lehrerin

Haußels, Hermann, Lehrer

Heckmann jun., Franz, Kaufmann

eer, Anna, Lehrerin Hegeuböhmer, Wilhelmine, Lehrerin Hegner, Martin, Buchhändler Heidſick, Marianne, Muſiklehrerin Heilbrunn, Dora, Photographin Heilmann (i. d. Buchdruckerei Marcks) Heimannsfeld, Dr. Karl, Arzt Heinen, Mathilde, Lehrerin Heinz, Dr. Wilhelm, Arzt Heinzerling, Dr. phil. Otto, Stu⸗ dienrat 85 Helbing, Eliſabeth, Volksbibliothe⸗ kari

arin Helfer, Frau verw. Karl

224 Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder

Heller, Karl, Molkereiinſpektor Hennenbruch, Wilhelm Henning, Erna, Buchhalterin ennings, Profeſſor Dr. e Guſtav, Lehrer Heudorfer, Dr. rer. pol. Hinz, Max, Buchhändler Hobirk, Fräulein Höffgen, Mia Höfmann, Anna, Kindergärtnerin Höfmann, Otto, Kaufmann Hoffmann, Hans, Architekt u. Ge⸗ ſchäftsführer Hoffmeiſter, Emilie, Lehrerin Hohmeyer, Carl, Ingenieur Hollender, Cläre, Lehrerin Holz, Anton, Kaufmann Holzwartz, Hans, Dipl.⸗Ingenieur Hoosmann, Beigeordneter Horſt, Dr. Hütgens, Peter, Kaufmann Hungeus, Agnes, Lehrerin Hunne, Albrecht, Dipl.⸗Ingenieur Hupe, Heinz, Lehrer Huppert, Wilhelm, Bergwerksdirektor Jaenigen, Karl, Kaufmann Jaenigen, Paula Ibing, Frau Brauereibeſitzer Hugo John, Dr. M., Chefarzt Jonas, Frau Kaufmann Carl Jonas, Dr. de Jong, Helene, techn. Lehrerin Iſſel, Dr. Emil, Studienaſſeſſor ter Jung, Friedr. Heinr., Kaufmann Kalb, Elfriede, Privatſekretärin Kantelberg, Frau E. Kaſſack, Friedrich, Bankprokuriſt Kaufmann, Guſtav, Kaufmann auf dem Keller, Hermann, Lehrer Kellermann, Meta, Lehrerin Keßler, Direktor Kiehl, Emilie Kirchberg, Guſtav, Lehrer Kirchrath, Hermann, Oberingenieur Kiſtemann, Paul, Bankbevollmäch⸗ tigter Klein, Heinrich, Bankbeamter Kleinen, Hermann, Kaufmann Kleinert, Heinrich, Fabrikant Kleinheiſterkamp, Guſtav, Lehrer Kleinkemp, Elfriede, Buchhalterin Kleinkemp, Frau Willi Klewer, Hugo, Kaufmann Klewer, Wilhelm, Rektor Klingenberger, Emma, Bankbeamtin Klingenburg jun., Bankbeamter

Klinkhardt, Paul, Dipl.⸗Ingenieur

Kloſter, Frau Käte

Klusmann, Frau Anny

Klusmann, Wilhelm, Kaufmann

Kneip, Joſef, Studienrat

Kneuper, Otto, Gymnaſialdirektor

Knippen, Dr. Rudolf, Studienaſſeſſor

Kober, Friedrich, Gymnaſiallehrer

Koch, Emil, Oberingenieur

Koch, Frl. E.

Kochs, Guſtav, Fabrikbeſitzer

Köhne, Frl. Helene

Kolkmann, Frl. Mimy

Konrad, Wilhelmine, Lehrerin

Korbowicz, Rektor

Kraatz⸗ Heckmann, Frau Clara

Krack, Profeſſor

Krauſe, Martha, Lehrerin

Krauſe, Werner, Kaufmann

Kröner, R., Dr.⸗Ing.

Kronenbach, Henny, Fürſorgerin

Kühn, Frau J.

Kürth, Erich, Ingenieur

Kunze, Johannes, Dipl.⸗Handels⸗ lehrer

Kunze, M., Oberſchweſter

Laeſchke, Bruno, Kaufmann

Lätſch, Rudolf, Muſikdirekor

Lampe, Frau verw. Direktor

Lang, A., Rektor a. D.

Lange, Walter, Kaufmann

Langer, Stephan, Gärtner

Langmann, Fritz, Lehrer

Langner, Elſe, Lehrerin

Lankhorſt, Max, Kaufmann

Larbig, Caroline, kaufm. Angeſtellte

Lauber, Otto, Markſcheider

Lauf, Julius, Verwaltungsdirektor

Laupert, Ernſt, Lehrer

Leffmann, Frl. Silvia

Lehnhoff, Hans, Schriftleiter

Lempke, Frau Oberbürgermeiſter M.

v. Lemmers⸗Dauforrth, Reg.⸗Baurat

Lenzen, Heinrich, Kaufmann

L'hoeſt, Frl. Eliſabeth

Lichfeld, Hermann, Apotheker

Lindemann, Dr. med. Karl

Lindermann, Frl. Elfriede

Lindgens, Gertrud, Rentnerin

Lindgens jun., Frau Ludwig

Lindow, Paul, Bankbevollmächtigter

Lippert, Dr. med., Arzt

Loos, Dr. Wilhelm, Beigeordneter

Lorenz, Dr. Paul, Arzt

Lucas, Frl. Juliane

Ludwig, Dr. Johannes, Studienrat

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Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder 225

Luhr, Martha

Luther, Dr., Studienrat

Maaß, Dietrich, Kaufmann Maaß, Käthe, Städt. Fürſorgerin

| Maduſchka, Ludwig, Dipl.⸗Ing., Ober⸗

ingenieur Mannheimer, Juſtizrat Manns, Käthe, Laborantin Marcus, Leo, Kaufmann Marks, Frau Selma Maßmann, Dr. Werner, Hautarzt Mattonet, Anna, Lehrerin Maxrath, J., Prokuriſt van Meetern, Direktor Meiſenkothen, Frl. Berta Mellinghoff, Carl, Kaufmann Mellinghoff, Hermann, Kaufmann Mewes, Luiſe, Lehrerin

Meyer, Auguſte, Kaufmannsgattin

Meyer, Dr. Friedr., Schlachthofdirekt.

Meyer, J., Kaufmann

Meyer, Martha, Gärtnerin

Meyer, Martin, Bankprokuriſt

Meyer, Melly

Meyer, Rudolf, Ingenieur

Meynen, Hermann, Kaufmann

Mirow, Frl. Hanna

Möhlenbeck, Wilhelm

Moll, Hermann, Praktikant

Molle, Erich, Oberſtleutnant a. D. (Duisburg)

Mühlendick, W., Landwirt

Müller, Frau Emmy geb. Schmidt

Müller, Franziska, Lehrerin

Müller, Mathilde, Lehrerin

Münch, W., Kaufmann

Natorp, Frl. Marie, Lehrerin

Natorp, Oskar, Kaufmann

Natorp, Frau Ida

Nedelmann, Frau Carl

Neuendorff, Frau Oberrealſchuldirek⸗ tor Kläre

Neuhaus, Bruno, Inſtallateur

Neuhaus, Frl. Franziska

Neumann, Frau Dr.

Niebel, Ernſt

Niedermeyer, Dr., Studienrat

Nies, Karl, Lehrer

Noevermann, Fritz

Nollenburg, Dr., prakt. Arzt

Oberheid, Dr. Heinrich, Dezernent im Zechenvorſtand Eſſen

Oertmann, Friedrich, Geh. Juſtizrat

Ohle, Otto, Bankdirektor

Otto, Clara, Lehrerin

Pade, Hermann, Rektor

VIII

Pappit, Dipl.⸗Ingenieur

Peppinghaus, Hubert, Büroaſſiſtent

Perge, Friedr., Oberingenieur

Peter, Karl, Kreisſchulrat

Peters, Hans, Bankdirektor

Peterſen, Dr. phil. Jürgen Karl, Studienrat

Pieper, Frl. Gerta

Pieper, Frl. Grete

Pietſcher, Studienrat

Piſtorius, Margarete, Kontoriſtin

Pleß, Frau Martha

Pohl, Frau Eliſabeth

Pohl, Frl. Klara

Pohlmann, Wilhelmine, Lehrerin

Pratje, Otto, Leutnant a. D.

Prömper, André, Kaufmann

Pungs, Ewald, Buchhändler

Quehl, Frl. Luiſe

Rahmann, Wilhelmine, Lehrerin

Rating. Anna, ſtädt. Fürſorgerin

Redeker, Johanna, techn. Lehrerin

Rehmann, Frau Fritz

Reiermann, Aloys, Lehrer

Ricken, Dr., Amtsgerichtsrat

Röder, Dr. Karl, Dipl.⸗Ingenieur

Röſch, Karl, Kaufmann

Rohland, Frl. Frieda

Rolf, Eliſabeth, Schülerin

Roos, Hermann, Oberingenieur

Roſe, Franz, Schriftſteller u.⸗Leiter

Roſer, Heinr., Dipl.⸗Ingenieur

Rottberg, Frau Gerichtsrat

Rottmann, Wilhelm, Kaufmann

Rudolphie, F.

Rudorf, Gertrud, Bibliotheksgehilfin

Rühl, Walter, Kaufmann

Rühl, Wilhelm, Kaufmann

Rüping, Dr., Sanitätsrat

Saam, Eliſabeth, Lehrerin

Sandmann, Elfriede, techn. Lehrerin

Sandmann, Eliſabeth, Lyzeallehrerin

Sauerland, Guſtav, Bankdirektor

Schacht, Ernſt, I. Beigeordneter

Schallenberg, Dr. A.

Schauland, Gertrud, Lehrerin

Schlenſtedt, O., Oberingenieur

Schlüter, Hans, Direktor

Schmidt, Reichsbankdirektor

Schmidt, Dr. Alfred, Beigeordneter

Schmidt, Elſe, Lehrerin

Schmidt, Lilli, Lehrerin

Schmidt⸗Köppen, Kaufmann

Schmits, Henriette

Schmits, Rudolf, Juſtizrat

Schmitz, Frl. Pia

15

226

Schmitz⸗Lindgens, Frau Dr.

Schmitz⸗ Scholl, Kommerzienrat

Schneider, Friedr., Ingenieur

Schnidder, Hermine, Lehrerin

Schöll, Hans, Gerichtsaſſeſſor

Schöndorf, Frau Fanny

Schonlau, Juſtizrat

Schriever, Auguſte, Diakoniſſin

Schröder, Frl.

Schroer, Frau Maria

Schubart, Joachim, Leutnant a. D., Kaufmann

Schüler, Wilhelm, Muſiklehrer

Schüller, Eva, Dipl. Handelslehrerin (Duisburg)

Schürholz, R., Kaufmann

Schürmann, Frl. Annie

Schürmann, Otto, Kaufmann

Schütz, Guſtav, Landmeſſer

Schultin, Agnes, Buchhalterin

Schultz, Frl. Margarethe

Schwartz, W., Fabrikdirektor

Seul, Frl. Cläre

Seyfried, Studienrätin

Sieburg, Prokuriſt

Sonnenſchein, H., Lehrerin

Sopp, Frau F.

Sorge, Paul, Stadtbauingenieur

Spering, Wilhelmine, Tel.⸗Betr.⸗Aſſ.

Staat, Eliſe, Direktorsgattin

Stamm, Dr. phil. Eugen, Studienrat

Stamm, Rudolf, Studienrat

Stamm, Frau Johanna

Steinhaus, Max, Kaufmann

Stens, Emil, Bergaſſeſſor a. D.

Stinnes, Kommerzienrat

Stinnes, Frl. Deſirée

Stinnes, Guſtav

Stinnes, Hugo

Stinnes⸗Weſtermann, Frau Adeline

Störing, Octavie, Lehrerin

Stoffel, Lehrer

Straeſſer, Paul, Kaufmann

Strauch, Georg, Lehrer

Stuelp, Dr., Profeſſor, Augenarzt

Suhnel, Theodor, Architekt B. D. A.

Tepel, Frau

Tepel, Frau Dore

Terjung, Friedr., Kaufmann

Terjung, Paul, Lehrer

Ternieden, Wilhelm, Lehrer

Thaesler, Frl. Anna

Theiſen, Frl. Hermine

Thielen, Frau Hedwig

Thomas, Hermann, Amtsrichter a.D. Thomas, Dr., Apotheker

Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder

| Thyſſen, Hans, Kaufmann

Thyſſen, Willy, Kaufmann Tillich, Frau Margarete Traub, Lina, Heimleiterin Traut, R., Betriebsdirektor Tropſch, Dr. Hans, Chemiker

Truſchta, Richard, Abt. Ingenieur.

Tünsmeyer, Dr. Heinrich, Arzt Unterhöſſel, Ernſt, Lederfabrikant Unterhößel, Wilhelm, Fabrikant Urbanczyk, Georg, Betr.⸗Ingenieur Urff, Erich Studienaſſeſſor Vetter, Elſe, Lehrerin

Vielhaber, Toni, Aſſiſtentin 7 Wächter, Dr. med. Friedrich, Arzt Wagner⸗Sankar, Frau San.⸗Rat Wallmann, Carl, Direktor Walter, Frl. f

Weber, Fritz, Geſchäftsführer Wefelnberg, Martha, Lehrerin Weinrich, Dr., Arzt

Welke, Marie, Studienrätin Weuſte, Frau Chr.

Wentſcher, Dr., Arzt f Werner, Hugo, Oberingenieur Werth, Hans, Oberingenieur Werth, Frau a

Weth, Heinrich, Fabrikdirektor Wiegand, Conrad, Landmeſſer Wilhelmi, Heinrich, Fabrikant Wilhelmi, H., Fabrikant

Wilke, Frl. Mia a

Willner, Frl. Trude

Winnesberg, Wilhelmine Wiſchendorf, G., Ingenieur

Witt, Lotte, Lehrerin

Wöldicke, Ernſt, Betr.⸗Ingenieur Woiſin, Frl., Lehrerin

Woldt, Frau Paula geb. Horn Wolff, Johannes, Buchhändler Wollenberg, Anna, Lehrerin Woller, Eliſabeth, Lehrerin Zarnikow, Richard, Fabrikant Zenſen, Maria

Zimpel, Guſtav, Kaufmann

Zinn, Wilhelm, Direktor Zſchieſche, Goldmacher 5 Zſchieſche, Adolf Wilhelm, stud. ehem.

München

Arndt, Dr. Paul, Profeſſor, Privat:

gelehrter Bach, Rudolf Bauer, Karl, stud. phil. er Buttmann, Dr. Rudolf, Oberbiblioe - thekar we

En, Frau Ricarda

Loewe, Erich, cand. phil.

Magdeburg, Dr. W.

Muthmann, Wilhelm, stud. phil.

Reim, Bankier

Sämmer, Clemens, Kaufmann

ben Marie, Bankbeamtin

Schweitzer, Ignaz, Antiquar

Steiger, Frl. Käthe, Studienrat Münſter (Weſtfalen)

ten Hompel, Dr. Auguſt

Naugard (Pommern) Brachmann, Heinrich, Paſtor a. D.

Naumburg (Saale) Burkhard, Rechtsanwalt Kiel, Jeſſen, Rechtsanwalt Neu⸗ Babelsberg Friedlaender, Felix, Ingenieur

Neukölln b. Berlin Genutat, Antonie, Telephoniſtin

Neuſalz (Oder)

Schlüter, Viktor, Rechtsanwalt und

t er Neuſtrelitz

Mohr, Loni, Frau Dr. med. Neu⸗Wegersleben (Bez. Magdeburg) Kappelmeyer, Frl. Erna

Nörten b. Göttingen Breitenbach, Hubert, cand. phil.

Nürnberg Gerlach, Dr. med. V Heckel, Adolf, Hoſſchauſpieler a. D.

Oberilm b. Stadtilm

Moeller, Frau Margarethe

Oberweimar Roſt, Carl, Pfarrer i. R.

Oels (Schleſien)

Bielſchowsky, Frl. Marianne

Bielſchowsky, Frl. Hanni Oeſe (Kreis Iferlohn) Vogt, Carl, Fabrikbeſitzer Offenbach (Main) Katzenbach Wilhelm, Oberleut. a. D.

Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder 227

Paſing b. München Lerch, Dr. Eugen, Univ.⸗Prof.

Pirmaſens (Rheinpfalz) Bernfeld, Felix, Kaufmann

Plauen (Vogtland) Günther, Dr. Ernſt, Oberſtudienrat

Potsdam

Berger, e am Ob⸗ ſervatorium Hartmann, Georg, Studienrat

Schloß Pretzſch (Elbe), Bez. Wittenberg

Starke, Frau Käte

Putbus auf Rügen Kehrl, Rudolf, Studienaſſeſſor

Raſchwitz b. Leipzig Hempelmann, Dr., Profeſſor

Rathenow Buchholz, Robert, Direktor

Regensburg Hofmann, Elſe, Hauptlehrerin an der ſtädt. höh. Mädchenſchule f Rendsburg Heeſchen, Paul, Kaufmann Roſtock (Mecklenburg) Schulenburg, Agnes, Lehrerin

Rothenkirchen (Vogtland) Kallas, Dr. med. Herbert, prakt. Arzt Rudolſtadt

Hotz, Dr. W. v. Ketelhodt, Gerd Freiherr, Vorſtand

des Landesarchivs und der Landes⸗ bibliothek

Saarbrücken Koehler, Dr. jur. Karl, Geh. Juſtiz⸗ rat, Landgerichtsdirektor

Saleske (Kr. Stolp, Pommern) v. Below, Frau Annie, geb. v. Herder

Schandau

Meuſel, Dr. phil. Walter, Chemiker

157

228 Scheidegg (Bay. Allgäu) Stehle, Joſef, Bankbevollmächtigter

Rittergut Schöneiche bei Friedrichshagen Lyons, G., Major a. D. Schreiber hau (Rieſengeb.) Bölſche, Wilhelm, Naturforſcher

Schwarza (Kr. Schleuſingen)

Kutſchelis, Frieda, Schweſter, Kreis⸗

fürſorgerin

Sondershauſen Harwardt, Margarete, Oberlehrerin Kelm, Frl., Oberlehrerin Pohle, Walter, Oberlehrer

Stettin

v. Dörnberg, Emmy, Freifrau Müller, Frau Alice Müller, Hans, Fabrikbeſitzer Schroeder, Karl, Juſtizoberſekretär

Steudnitz b. Dorndorf (Saale) Ollendorf, Fabrikbeſitzer Ollendorf, Frau Fabrikbeſitzer

Tabarz (Thür.)

Zoozmann, Richard, Schriftſteller

Tamſel b. Küſtrin

Silex, Frl. Elſe Tilſit Gieſe, Fritz, Sanitätsrat Traunſtein Weingarten, Ernſt, Bankdirektor

Trier Loeb, Sigmund

Tübingen Dahm, Otto, stud. theol.

Uelzen Wedemeyer, Frau Dr. Luiſe

Unna Freytag, Karl, Poſtdirektor

Velbert (Rheinland) Lillotte, Dr. med. Wilh., Arzt

Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder

Waldheim (Sachſen) Pfeifer, Arthur, Lehrer Weimar Becher, Max, Rendant Bergmann, Dr. Ernſt, Spezialarzt

für Haut⸗ u. Geſchlechtskrankheiten Bernhardt, Staatsanwalt

Chemnitius, Carl, Dr. jur., Bezirks⸗ kommiſſar

Dietrich, Frl. Marlene

Eggert, Frau verw. Geh. Baurat

Flöl, Maria, Redakteurin u. Schrift⸗ ſtellerin

Graf, Friedrich, Poſtſekretär

Guthery, Frau Regiſſeur a. D.

Krüger, Frl. Anna, Schauſpielerin

Martin, Frl. Dora, Kunſtgewerblerin

Mehler, Frl. Amanda, Schauſpielerin

Mitſchke, Frau Archivrat Ellen

Müller, Frau Reg.⸗Baumeiſter Elſe

Mueller, Dr. W. F., Oberbürgermſtr.

Neuffer, Frau Hildegard

Oelsner, Frau Tina

Ortloff, Dr. Ernſt, Regierungsrat

Perrin, Frau A.

Primaveſi, Frau Margarete

Roſt, Frau Lina

Schmidt, Carlos, Rentner

Schmidt, Frau verw. Amtsger.⸗Rat Marie

Stadtgemeinde Weimar

Stange, Frl. Margarete

Telchmann, Willy, Schauſpieler a. D.

Thanel, Frau Berta

Wellendorf b. Osnabrück Ballhauſen, Hans

Werden (Ruhr) Klövekorn, Dr. H., Studienrat

Weſſentin b. Lübz (Mecklenburg) Vick, Hans, Lehrer

Wetzlar

Beeck, Bankdirektor

Beeck, Frau Bankdirektor Clara Kanter, Frl. Marie, Studienrat Lang, Dr., Rechtsanwalt

Roth, Dr. Ludwig, Bankdirektor Seher, Ludwig, Oberlehrer a. D.

Wiesbaden v. Mutzenbecher, Dr. Kurt

Be 4

5 2

Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder 229 Witten (Ruhr) Wolfenbüttel Cziske, Grete, Bibliotheks⸗Aſſiſtentin Block, Carlos, Oberzollinſpektor Wittenberg Zwickau (Sachſen) Hoffmann, Frau Rechtsanwalt Jäckel, Bergwerksdirektor

Deutſch-Oſterreich Baden b. Wien Wien v. Juriskovic⸗Hagendorf, Melitta, Dollmeyr, Dr. Viktor, o. ö. Univ.⸗

Frau Major Profeſſor 4 Jockl, Dr. Alfred, Rechtsanwalt St. Gilgen b. Salzburg Seidel ſche Sort.⸗ Buchhandlung (O. Mauracher, Friedrich, Maler 1 ni unge Co.) 8 rich, Berthold, Kaufmann v. d. Trelde, Fred Robert, Schriftſteller und Verleger

Tſchecho-Slowakei Prag Reichenberg

Zilchert, Rob., Senior, Profeſſor D. Fernegg, Dr. Rudolf, 1. Sekretär des

Dr., Pfarrer der deutſchen evang. Verb. nordböhm. Induſtrieller Gemeinde

Schweiz Baſel Winterthur Edler, Ilka, stud. phil. Hirt, Dr. Ernſt, Profeſſor a. d. Kan⸗ Knuchel, Dr. E. F., Feuilleton⸗Redak⸗ tonsſchule teur d. Baſeler Nachrichten

Wieland⸗Burckhart, Frau Profeſſor | Zürich Emil Leber, Hermann, Sekundarlehrer Pura, Teſſin Speidel, E., i. Fa. Speidel & Wurzel, Kronecker, Frl. Eliſabeth Buchhandlung. Dänemark Kopenhagen Marcus, Aage, Bibliothekar Berendſen, Ivan, Toldinſpektor Meyer, Raphael, Bibliothekar

Clauſen, Frl. Chriſtine, Inſpektorin Philologiſch⸗hiſtoriſches Laborato⸗ Fiche, 5 1 ee > rium der Univerſität

Lampe, Paſtor Raehlen, Anders, Komponiſt England Edinburg Rocheſter Schulze, Otto, i. Fa. Wilſon Roß & Lomb, Karl F. Comp. London

Japhet, Saemy

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Fiunland 3 3

Forſſa Monthen, O. A.

Holland

Amſterdam de Buiſonjé, J. C., Oberlehrer

Polen | Bromberg Warſchau Plaſſe, Heinrich, Stadtrat Germaniſches Seminar Schweden Stockholm Fe

Uppiala v. Edelſtam, Anna, geb. Hierta Königl. Univerſitätsbibliothek 5 Oswald, Oberſt⸗Leut. i ee

Türkei n

Conſtantinopel 5 Meldjanopoulos, Dr. Branko, Juriſt und Schriftſteller Fer

China

Peking a = Peterſen, V., Ingenieur ers

Amerika 8 St. Louis (Mo a Cornitius, Felix, Rechtsanwalt

New Haven (Conn.) Schreiber, C. F.

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Regiſter

J. Perſonen⸗ und Ortsnamen

Seite

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Braunſchweig, Heinrich der Löwe 194 Braunſchweig⸗Oels, Herzog

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232 Regiſter Seite Seite Caſtrogiovannnn i 82 Färber, J. M. Cchh. 167 Catania. 8 Fi, ..... 162 Centauren 86 Fitinns, dd en 136 CHalonE s 82 Fiedler, . 45 Chim. 81 Filippo, F. A. di 171 Cold 1) ) | a 45 b . 8 29 Chriſtliche Kirche 23/4 Fische E . ee 136 Chriſtus ſ. Jeſus R.. 136 c 154 —, N. W.. 136 P 165: Feklklk‚l.˖. 45 o er 160 9 155 a. M. 49. 76/7. 79/83. Commichau, Tm. 40 181 CC 190 d eifemueum) 0 de 190 Stiädelſches Inſtitut . 159 TTT 46 Franklin, 5. 32 Frankreich 31/2. 36. 73. 82/3. 1123. Dalberg, W. H. vd. 182 116. 183. 185. 190. 192 T 79. 202 —, Napoleon I. 33. 35. 48. 116. oo 168,9 155 C 77. 111 Franz v. Ait. Hi Deutſchland, deutſch, Germanen Freiburg (Schweiz .... 26. 31. 35. 41. 87. 89/93. 171/3. Fritſch, Konſtanze Gräfin v. 100 180. 182. 183/92. 194 5. 202 Friedberg (Wetterau) C 29.32 Friedlaender, M........ 5260 Diez, H. 5 De 75 Frommann, K. F. E. 143. 146 Dittersdorf, K. Do 53/4 —, Allmina 61/2. 66 Döbereiner, J. W. 135 —, Familie, in Jena... 61. 68 Domenichino ſ. Zampieri Frommannſche Buchhandlung . 61 FTP 33.35 Funke, K Ph): 153 5 C 46 Furka, Alpenpa jj 81 ĩᷣ v 46 T ER 136: Gans, . 42 Dresden IV. 34½5. 171 Gehlen, . 140 Drujenheim o 778 Gehler, J. S. .. . 136 Du Bois⸗Reymond, . 136 Geitel, MWM. 141 DSDS Er ne III Gellert, Chr. S . 32. 76 Eee RR ER A 166 Sermmi, Alpen pas 81 Genf er 81 CTP 135 Genua... 171 r 34.36 Georg, Heiliger 72 Eckermann, J. P. 8. 22/3. 25. 27. Germanen ſ. Deutſchland 29. 31. 85/6 Gervinus, G. Geꝛ. 113 Ehrmann, J. W . 78 Geßner, 9 F 175% Eichſtädt, H. K. A... 64 —, Charlotte geb. Wieland . 1435 at: LER BR 168 Gilbert, 08.2... Ne PFC 166 Girg enti et ne 312 WWW 49 Gleichen⸗ Rußwurm, Emilie v. 208 CCF 17/8 Glos, . 49/51 o 53/4 Goedeke, K. 136 Z 5. 77/8 Göttingen ä 44. 76. 84/5 England 31. 86. 141. 155. 175. 191 Göttling, J. F. M.. 141 C 48. 155. 184 Gogol, 4. 41 Eule, . 135 Gotter, F. W. 49.51 Eybenberg, Marianne v., geb. 3 Ob. ee 190 N 38 Gone, A. S. v. 50

9 79. 176. 181/2. 202 Hardenberg, F. L. v. (Novalis) 137/9

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Hertz, W., Landgerichtspräſid. 61/70

—, W., Verlagsbuchhändler 261 Herwegl PF 28 PF 43/4 —, deſſen Mutter ...... 43/4 Heyſe, FFF .161/2 Folder o 60 T 204 TTT 174 TT! a 30 FFP 191 CCC 135 TT 62

J. Perſonen⸗ und Ortsnamen 233 Seite Seite CC uber ER Gräf, H. G. IV. 152/6. a 209 ah W. v. . . 16.190. 194 K. D.. 154 Huſchke, W. E. Cĩů g. 153 /5 TECC“ 3.26 Dupgens Gg.... 135 o 135 Griechenland 15. 29. 86. 112/3. Iffland, A. W. 156. 184. 187. 189. 182/3. 191/2 192. 194 Grillparzer, W. / 79 Grimaldi, F. Mm. S e A a a 83/4 R n ee ar ie 21 Guercino ſ. Barbieri Ifferſte tt 83 Italien 9. 15. 25. 31. 52. 60. 75. Hackert, 5 RE RTL 30 81. 159/62. 202 2 2 NE er Jab, 2 RE 23 Vw en. 7 Jean Paul ſ. Richter %% III. 169 Jena IV. 61. 83. 1378. 142/4. 147.

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234 Regiſter

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VVV Nicolai, Ch. W. , 2. 83 Nikolitſc hh INnadebutd =. 212.6, 20. 169. Nordhauſen.

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R Perſonen⸗ und Ortsnamen

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Oſt⸗ m ſ. unter Preußen Oſtwald, B

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Prellwitz, Gertrun

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Riemer, F. W. 62. 68 Ritter, 7 PW 43551 it t, 174% Rom 29. 81. 159/62. 170/3 —, Palazzo Rondanini . . . 159 Roſenkranz, . 28. 142 Rothſchild, K. „M. b 159 Rouſſeau, o 23 P Be IV Runckel E ERE N 76 Rußland FF 27/48 —, Alexander JI. 32. 34/5 —, Alexander II.. . . 35. 37. 44

—, Alexandra Feodorowna .. 35 —, Eliſabeth Alexejewna (Frau Alexanders I. —, i —, ern I.

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Saarbrücken 78 S N

Sachs, H Sachſen, Kurfürſt Friedrich Au⸗ guſt III. (irrtümlich ſtatt Prinz Heinrich von Preußen) 76 Sachſen⸗Weimar⸗ Sifenag), Arne Amalia . 60. 168. 175 —, Karl Auguſt I. 29. 38. 42. 46. 63. 79/80. 82/4. 142/3. 146/7. 155. 167/8. 185. 190. 193 —, Luiſe —, Conſtantin 175 —, Karoline Luiſe ſ. . —, Karl Friedrich 38 —, Maria Paulowna .. 37/8. 153 Saint Maurice

236 Regiſter

Seite Salzb ug 30 Sanct Gottharrd 81 Sangerhauſen 84

Sankt Petersburg 28/31. 35. 39. 44/5

Schaffhauſen 170

Shoranon .r : 45

Schelling, F. W. J. 45. 137/8. 142. 145

FF ee 142 FFF 49 EEE 141 Schiller, F. v. 7. 10. 16. 20. 33/5.

43. 83. 88. 90. 102. 116. 123 /6. 128. 135. 138. 177/95. Briefe an: Goethe 11. W. v. Humboldt 194. Iffland 194. An Goethe (Prolog zu Mahomet) 190. Balladen 36. Briefe über die äſthetiſche Erziehung 179/80. 184. 192. Demetrius 123. 191/2. Die Braut von Meſſina 188. 191/3. Die Jung: frau von Orleans 116. 118. 191/3. 195. Die Künſtler 188. Die Malteſer 185. Die Räuber 45. 181/2. 184/5. Deutſche Größe 195. Don Carlos 183/4. 188. Fiesko 45. 184. 187. Maria Stuart 5 191. 193. Phädra 190. Über Anmut und Würde 184. Wallenſtein 179/80. 188/9. 191/2. Was kann eine an ſtehende Schaubühne eigentlich wirken? 181/2. 184. Wilhelm Tell 45. 191/3. 195. Xenien 185. Horen 185. Bearbeitung des Egmont 184. 186/7., der Iphige⸗ nie 187., des Nathan 190

Schinkel, K. „„ 194 Schlegel, A. W. . 105. 137% 7 11555 137/8. 140. 186

De EIER 182 Salle, F. D. E. 1 ö SFR 82 Erulaner, Di: 2.0 er 39 ET PR 114 Z 199

Schönemann, Lili, ſ. Türckheim Schopenhauer, A. 61/70. 136. 141

Johanna 1% 64

c en a Ne 68. 210

Schorcht, Karoline, Wielands Tochter 3 152/5

Seite Schorcht, Amalie 152/5 —, Wilhelmine 152/6 Schröder, JZ... 188 Schubert, G. . 141 Schultheß, Barbara 62 Schultz, Ch. F. L. 67 Schwarzenbach 174/5 Schweden 165 —, Guſtav Adoll; Ww. 194 Schweigger, J. S. C0 135

Schweiz 35, 81. 170. 175 Schwendimann, K. J. 3

Sciacea--. 2... Seebeck, Th. J 136/7. 1412 MDMw 136 Seiberts (Seiberb) , FZE 46 Seidel, Ph. . 60 Semiramis. 29. 31. 33 Seſenhe imm 77/8 Shaftesbury, A Graf v. 16

Shakeſpeare, W. 85 4203. 106/7. 109/13. 183. 190/1. 198. 195. Romeo und Julie 106. 128. Othello 106/7. Macbeth 109/10. 123. 190. Hamlet 155. Julius Cäſar 193

Shukowſki, W. . 34/7. 39. 45

—, deſſen Vateeeeeeerer 34 —, Mutter 34

ee Bee 87 Sibirien 48 Sibyllenort 168 Simſon, E. v. 28 Sizilien . . . 9. 81/2. 114. 171 Sky then 22 Sömmering, S. Th. vo. 136 Solon 7 Sommerfeld, . 141 Sondershauſen 2 Sophokles . . 109/11. 191/2. 195 —, Antigone 2 109/10. 118 Spanien 52. 118 Sharla +12. V Vree 49 Speyerer, .. 141 Spiegel, nin. 208 Spinoza, B. 9. 12/3. 20. 23. Stadelmann, J. K. W 28: 85 Staffind - » .n. „Are 166 Stark, J. Ch. d. a. 147 Steffany, G. Ce. 146 Steffens, G... 137/8

Stein, Charlotte A. E. v., geb. v. Schardt 60. 78. 80. 90. 162

Stockholm e 165%

I, Perſonen⸗ und Ortsnamen 237 Seite Seite Stolberg, Auguſte Gräfin zu. 25 Wagner, J. J). 142 CCC CPF 37. 129 Straßburg i. . Wahl, 5. 159/62 Strauß⸗Schebeſt, Agnes .... 208 Wahle, N) N a IV. 44. 166 Erromeyer, 3.0 000 Busse scher, K. N v. 129 igart 81. 183. 190 Weimar 3708. 42/3. 48. 59. 61. Süvern, J. W. 192 63. 79. 82/5. 142. 145/7. 159. o 95/131 165. 167/9. 174/6. 181. 183/90. PVC 181 1935. 201/2. 205. Hoftheater Szymanowſka, M. 39. 46 52. 177/95. Wittumspalais IV. s Bibliothek 159. 168/9. JT 82 Park 175 Taſſo, ——— 19. 25 Weiß, Ch. S.. 136 PFF» ccc 165/7 Weiße, . 52. 60 Textor ſ. Goethe⸗Regiſter: Großvater Werder, . 42 PPP 179 Werneburg, J. F. ChhUMRlé 136 Thorn 192 Wernigerode 80 Thüringen. 79 Wetzlar 1 79. Lottehaus 202 Tieck, . 25 138 Wehland, F. 4. 77/8 . J. H. W. 79. 159/62. 170. Wieland, C. M. 29. 33. 152. 210 8 175/6. 184. 193. 202. 210 A F. J. JJ) ò ͤ³VIV’ivC 8 152/5 Tolſtoi, A „Graf 2 8 46 ee 29. 95 Trebra, r 92 Wildenbruch, E. v... . 2089 Trier. Wildungen 155 Trippel, Au. 159. ur Wilhelminenortt ........ 168 Tſchaikowsky, PVP. Willemer, Marianne vs. 205 Tſches mee Lo Wilſon, , 141 Türckheim, A. E. v., geb. Schöne Winckelmann, J. J. 15. 160. 162 maunn Witkowski, GWG. 170/3 Türkei. Wiktenter gs 49 Turgenjew, )J Mile ne 77 N ee e 1 Magen E. S., Graf. 448. 48 Molomätn, Safimin : 46 5 N Wolzogen, Caroline v.. . . 185/6 Valle, Pietro dellla. 5 Mrontſchen g 43 Varnhagen, Rahel. 28 bene De 144 PF 8MWünſch, Ch NT 135. 140 :: 81 r ang, een 141 . ĩ ( 78 IFW 170 Zabel, . 8 27/48 Voigt, Ch. G. v., d. ä. S enn 78 CF 84 Janne, D. (onen, 171 P ag net 2, 162 Zelter, K N . 136 Volta, A. Graf. . . 148. 150 Zola, . 42 )))) 176 155 Zumpt, N eo 42

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Wohnhaus in Weimar

a * JE RA ee EIER 2 238 N N II. Goethe Seite l = N, EN 161. Kauffmann Schiller 7. 135. 141. 185. Kniep 161. a Arth. 64. Se

Tiſchbein 159/62. Trippel 159. 170. Unbekannt 211

Geſicht „wahrhaft griechiſch“ . 29

Großvater Textor 89 V 210 C 25. 90 Schwester = se GCC 167 5ßß7ààààààWSdꝓd:d̈ꝛ¾i 8 63 Schwiegertochter 159. 210 ma 2.2 23% 202

Wohnhaus in Frankſurt . 77. 79

Gartenhaus am Stern . . 167 Wohnung in oem 160

Sammlungen 202. Mineralien⸗ ſammlung 30. 48. Phyſikaliſche Sammlung 142. 147/50. Bo: taniſche Sammlung 142.— Phyſiologiſche Sammlung 142.

Beiträge zur Optik 135

Belagerung von Mainz . 83 Bowring: Servian popular poetry

Briefe 84. 141. an: Behriſch 76.

Bertuch 165. Brion, Friederike und Sophie 78. Eybenberg, M. v. 38. Fritſch, Konſtanze Gräfin v. 165/6. Goethe: Chriſtiana 167; Cornelia 76. Herder 82. Jacobi, F. H. 23. Reichardt 52. 59/60. Renner 167. Ritter 140. Fachſen⸗ Weimar, Karl Auguſt 167.

Mad. de Stasl 208. Sbein Charl. v. 60. 78. 80. 162 7 Stolberg, Auguſte zu 25. en v. 62/3. Uwarow 44/5.

Voigt d. ä., E. G. 1580 Zelter 19. 62. 136. Freunde in Weimar 170

Briefwechſel mit: Gotter 49. Meyer 202. Schiller 83. 180 187. Schultz 67

Campagne in Frankreich

ſau 1 en an Villa Bella Concerto dramatico E 2

Das Göttliche N Das Jahrmarktsfeſt zu bn. =

dersivellern 2; 22 30 Der Bürgergenerallln ER; Der Gott und die Bajadere. . Der Großcophta Der Verſuch als Vermittlern 9 8 Wahrheit 30/1. 48. =

Die Geheimniſſe Dichtung). 28 2

S2 W

Die Mitſchuldigen ee Die Natur (Bruchſtück )... 1 Die natürliche Tochter 73/4. 1120 Die ſchönſten Ornamente und merkwürdigſten Gemälde aus C . 9 5 DEAL 19. 75

an 425

ah 45. 72. Schilters va. | beitung 184. 186/7

Einlaß

Ein Vorſatz Schillers

5 var

Elegien J. Elpenor Epigrammatiſch eee

—T—ZZA 68/9 Epilog zu Schillers Glocke 180 195 Erlkönig 36. 45 Erwin und Elmire

. 52. 60. 199

Farbenlehre 64/5. 68/9. 135/06. 142 Tauft 6. 17. 19/20. 22. 25. 39.

42. 43. 181. Vorſpiel auf dem Theater 180/1. I. Teil 11. 42/3. 45/6. 49/51. II. Teil 21/2. 26. 31. 36. 47. 49. 205; Akt III

Hana 36. 191. Urs Kauft

49/51 ieee 167 Freiſinn („Laßt mich nur“). . 87 WW 43. 71

Geſpräche mit: Eckermann 8. 22/25. 27. 29/31. 38. 85/6. Kieſer 63. Koſchelew 37. Kügelgen, Frau 34. Müller, Kanzler 33. 36. Napoleon I. 48. Perowſky 38. Reutern, v. 35. Riemer 8. Schopenhauer, Arth. 64/6. Shukowſki 35/6. Simſon 28. Tolſtoi, A. 38

[Goethes Feder an Puſchkin! . 39

Götz v. Berlichingen 19. 33. 72. 182/4. 187. 190

o 61/70

Grabſchrift 1774 ſ. „Ich war ein Knabe“ uſw. „Grün iſt der Boden der Woh⸗

rn 82 Hanswurſts Hochzeit 30 Harazeiie im Winter (Gedicht) 80

V 80 „Ich war ein Knabe warm FFF 62. 70

Jyphigenie auf Tauris 21/2. 173.

180. 183/4. 186/7

Italieniſche Reife 15. 30. 81. 160/1. 170. 203 :

Kunſt und Alterrum 80 TTT 61/70 Literatur⸗Geſprähga r. 48 Ludwig Tiecks dramaturgiſche CCCCCCVVVVVVVVCT 89 Mahomet (nach Voltaire) .. . 190 Mahomets Gelfang -.... .- 92 Maximen und Reflexionen 62 Morphologie der Pflanzen (Bil⸗ dung und Umbildung orga⸗ niſcher Naturen) 8/9

II. Goethe

„Natur und Kunſt, ſie ſcheinen

ich zu fliehen“ elle Notizbuch von der Schleſiſchen

N SE RL RL 46 „Nun ſitzt der Ritter“ 78 JJC 201 Olfried und Liſenn an 27 Aae und Neoterpe 20

Philipp Hackert 30 Prolog zur Eröffnung des Ber⸗

linen Theater?s?s 179/80 Regeln für Schauſpieler . 188 Römiſche Eleginie 36 Röman nenen e 71. 75 ‚Schritten d 8 52 Sprüche in Verfſenn 62 Tagebücher 38. 62. 64. 67. 71. 84.

142. 166/7 Tag⸗ und Jahres⸗Hefte IV. 23. 65.

67. 79. 85. 141/½. I,

Tancred (nach Voltaire). 186 Tiſchbeins Idyll 79

Torquato Taſſo 19. 25. 181. 187/5 über die verſchiedenen Zweige

der hieſigen Tätigkeit 83 e 12 Vermächtnis 13. 18/9 „Wär nicht das Auge “.. 14 „Was ich mich auch 39

„Was wär' ein Gott“ .... 12

„Weite Welt und breites Leben“

Wer Wiſſenſchaft und Kunſt Benkeir ei.

Werke Cotta? 61/2. Werke Gotta ®

36 a 19. 25. 29. 31/3. 49. 79.

wet öſtlicher Divan 64. 75. 85. 1555 Noten und Abhandlungen

Wilhelm Meiſter: e . dung 183. Lehrjahre 18/9 - 80. 184. Wanderjahre 20 l. 24. 75. 84/5. Der Mann von funf⸗ zig Jahren 85

Willkommen und Abſchied 77 Winckelmann und ſein Jahr⸗ CCC 15 p ee ar 185 Zueignung » «=. er... 201 Werke. Weimarer Ausgabe 39.

Jubiläumsausgabe 39. 52

i - Seite .

Goethe⸗National⸗Muſeum 43. 14/2. 157/62. 199/201. 207. 209/11 Goethe: und Schiller-Arhiv 133/56.

199/201. 207/9 Goethe⸗Geſellſchaft 199/201. Orts⸗ 5 Berlin 202/4, Duisburg 202. Eſſen 202. 204/5, Gelſentirchen 202. 205/6, Mül⸗ heim: Ruhr 202. 206, München 202. 204

N der Sr

Goethe Jaht (L. 7825

chaft Schriften der ef 159/61. 170. 202. 207 Vereinigung der Freunde > Goethe: a

Inhalt

Seite , r I Abhandlungen Graul, Gaſton: Über Goethe, den kosmiſchen Menſchen . 3 Zabel, Eugen: Goethe und Rußland .. .. ........ 27 Gloel, Heinrich: Wetzlar in Goethes Fauſt ... 49 Friedlaender, a Varianten zu Claudine von Villa P a 52 Hertz, Wilhelm: Goethes bene Gable und 5 Lähmung'. (Mit einer Tafel) . 61 Müller, Hermann B.: Goethe 25 die Reittunſt Fer Prellwitz, Gertrud: Heinrich von Kleiſt und Goethe .. 88

Suhl, Abraham: Hebbel und Grillparzer in ihren Theorien 95 Mitteilungen aus dem Goethe- und Schiller—

Archiv Klinckowſtroem, Graf Carl von: nr und Ritter. ER Ritters Briefen an Goethe). d 135 Gräf, Hans Gerhard: Wielands lezte Tage 100 einer er Auf zeichnung ſeiner Enkelin Wilhelmine Schorcht... . 152 Mitteilungen aus dem Goethe-National⸗ muſeum

3 | Wahl, Hans: Die italienischen Kleinbildniſſe Goethes und

. das neue römiſche Goethe-Bild Tiſchbeins. (Mit einer Tafel) 159 Neue und alte Quellen

Nachträge zu Goethes Briefen 165 I. Drei Briefe, deren Handſchriften ſich in n Schweben senden (Mitgeteilt von Hans Gerhard Gräf) .. 165 1. An Friedrich Juſtin Bertun cg 165 2. An Gräfin Konſtanze von Fritſch . 3. An Theobald Renner . 167 II. An Chriſtian Gottlob v. N d. ä. eee. von 1 Deetjen).. j 3 . . 168

VIII 16

242 Inhalt

Seite

Ein Brief Alexander N Mg von Es Wit⸗ 19W3T1).. 2. 148

Ein i über Weimar. ene von Eduard Berend). . 174

Peterſen, Julius: Schiller u und das Weimarer e .. vortrag 1921) .... 179 36. Jahresbericht 5 a A Verzeichnis der neu eingetretenen Mitglieder .. 212

Regiſter | I. Perſonen⸗ und Ortsnamen II. Soetſ e Tafeln

1. Selbſtbildnis der Prinzeſſin Karoline von Sachſen-Weimar.

2. Goethes „Grabſchrift“ in allegoriſcher Umrahmung von Allwina Frommann.

3. Goethe in ſeiner römiſchen Wohnung 1787. Handzeichnung von J. H. W. Tiſchbein.

Gedruckt in der Hofbuch⸗ .

Weimar.

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Bd. 8

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