u . u = En H47x NH 4. BEIHEFT - 2. TEIL ZUM JAHRBUCH DER HAMBURGISCHEN WISSENSCHAFTLICHEN ANSTALTEN XXVIIL. 1910 MITTEILUNGEN aus dem MUSEUM FÜR HAMBURGISCHE GESCHICHTE HERAUSGEGEBEN VOM DIREKTOR PRORESSORSDR. OTTO-LÄAUFFER NR,2 INHALT: HUBERT STIERLING: LEBEN UND BILDNIS FRIEDRICHS VON HAGEDORN HAMBURG 1911 KOMMISSIONSVERLAG VON LUCAS GRÄFE & SILLEM DER 1. TEIL DIESES BEIHEFTES ENTHÄLT DEN JAHRESBERICHT DES MUSEUMS FÜR HAMBURGISCHE GESCHICHTE FÜR 1910 GEDRUCKT BEI LÜTCKE & WULFF, HAMBURG LEBEN UND BILDNIS FRIEDRICHS VON HAGEDORN VON DR. HUBERT STIERLING WISSENSCHAFTLICHEM HILFSARBEITER AM MUSEUM FÜR HAMBURGISCHE GESCHICHTE MIT 5 TAFELN UND 8 TEXTBILDERN INHALTSVERZEICHNIS Seite Vorwort ...... EIER Eu ne 85 Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur.. 7 I. Der Adelsanspruch der Familie Hagedorn... ....... 9 Il. Die Vorfahren des Dichters. ..... ... 1 1l]2 Eriedrich von’Hagedonn.-.......... .. 20 1. Jugendjahre . - ee 2) 2. Jugendwerke .. AEG 26 3. Sekretär am Englischen Court .... ...... 28 4. Ehe... 30 5. Pläne und Hoffnungen ... 3 6. Hamburger Freunde. Klopstock und Geßner 33 7. Korrespondenz mit dem Bruder, mit Giseke und Fuchs i en AMD 8. Schriftstellerische Tätigkeit. Harvestehude 46 9. Krankheit und Tod ar i - 8 10. Eine Selbstbiographie ... 55 IV. Das Bildnis Friedrichs von Hagedorn 56 l--Familienbilderz......... REST ER REREN:|;) 2. Die Bildnisse des Dichters .... > 57 a) Das Dennersche Genrebild. 87 b) Das Dennersche Porträt ..... en 60 c) Das erste van der Smissensche Porträt 64 d) Das zweite van der Smissensche Porträt 69 3. e) Die erweiterte Kopie nach dem vorigen Bilde. Unsicheres und Unausgeführtes .. . Ein unbezeichnetes Pastell .. [66] . Eine unausgeführte Zeichnung von C. A. Wagner 3. Eine unausgeführte Büste Die Denkmalsbewegung im 18. Jahrhundert und das Harvestehuder Relief von 1897 Anhang 1. Quellen zur Familiengeschichte [69] rw 9. 10. . Brief des Seneca Hagedorn .. . Stammbaum der Anna Maria von Hagedorn . Die wichtigsten Quellen zur Lebensge- schichte Friedrichs von Hagedorn ......... a) Handschriftliche Quellen . b) Gedruckte Quellen... .....2.. 2.0200: . Cyrill von Wich . Verhältnis zu älteren Dichtern . Brief Friedrichs über die hamburgisch-eng- lischen Gesandtschaftsverhältnisse . Kontrakt zwischen dem Verleger König, dem Sekretär J. F. Liscow und Hagedorn über die Herausgabe der Privilegierten ham- burgischen Anzeigen. 1737. Drei Briefe Hagedorns an Giseke Herold über Harvestehude Seite 90 9 98 VORWORT. WAS Ziel dieser Arbeit war anfangs, die Bildnisse des hamburgischen Dichters Friedrich von Hagedorn zusammenzu- stellen. Zu diesem Zweck mußte ich mich eingehend mit dem Briefwechsel der beiden Brüder Hagedorn beschäf- tigen, weil sich hier Aufschlüsse über die Entstehung und Bewertung der Bilder finden sollten. Beim Durchlesen der äußerst umfangreichen Korrespondenz fielen mir aber nebenher noch allerhandbiographische Notizen in die Hände. Ich Konnte mich nicht ent- schließen, sie unbenutzt liegen zu lassen, denn ich merkte sehr bald, daß sich aus ihnen ein wesentlich volleres Bild des Dichters gewinnen ließ, alsesunsEschenburgvor reichlich 100 Jah- ren in seiner verdienstvollen Ausgabe und Bio- graphie gegeben hatte. Ich durfte mir auch sagen, daß die Aufhellungder Lebensgeschichte desjenigen Mannes, der wie kaum ein anderer den Namen seiner Vaterstadt zu Ehren gebracht hatte, eine Aufgabe sei, zu deren Lösung das Museum für hamburgische Geschichte eine Art inneren Berufes fühlen mußte. So bin ich schließlich über den Briefwechsel der beiden Brüder Hagedorn hinausgegangen, habe alles mir bekannte Material herangezogen und das Bild nach der biographischen Seite abgerundet. Die literarhistorische Seite habe ich nur kurz berührt. Sie ist durchaus eine Aufgabe für sich. Ich habe mich darauf beschränkt, das zu verarbeiten, was mir aus meinen Studien unmittelbar zugeflossen ist, wobei ich freilich hoffe, daß auf das Wurzelgebiet der Hagedorn- schen Kunst ein helles Licht gefallen sei. Wie das biographische, so ist mir auch das Bildermaterial unter den Händen gewachsen. Eschenburg, der in seiner Biographie auch von den Porträts mit einer damals ungewöhnlichen Sorgfalt berichtet, kannte nur zwei; mir sind sechs bekannt geworden: zwei von Denner, drei von van der Smissen, und eine erweiterte Kopie eines van der Smissenschen Bildes von einem Unbekannten. Mit Ausnahme des ersten Dennerschen Porträts und eines van der Smissenschen Pastells sind sie sämtlich nach- zuweisen. Für wesentliche Förderung meiner Studien bin ich den Herrn Rudolf E. und Hermann Hagedorn verpflichtet, die mir den Nachlaß des Oberleutnants a. D. Hermann Hagedorn zur Verfügung stellten. Oberleutnant Hage- dorn hatte in der Hoffnung, den Zusammen- hang seiner Familie mit der des Dichters er- weisen zu können, weitverzweigte Studien ge- trieben. Istesmirauch nichtmöglich gewesen, seine Hypothese stützen zu helfen, so habe ich doch in seinen genealogischen Sammlungen manchen Hinweis gefunden, der mir für die Aufhellung der Familiengeschichte von großem Werte war. In gleicher Weise fühle ich mich Herrn Senator Dr. Lappenberg verbunden, der mir mit seltener Liberalität die gesamten Hagedorniana aus dem Nachlaß seines Vaters, des Hamburger Archivars Dr.M.J.Lappenberg, zur Verfügung stellte. Und endlich habe ich auch Herrn Dr. Moriz Stübel in Dresden dankbar zu nennen, der mich aus seinen Vor- studien zu einer Biographie des Kunstgelehrten und Sammlers Christian Ludwig von Hagedorn mit manchem guten Rat unterstützte. VERZEICHNIS DER ABGEKÜRZT ZITIERTEN LITERATUR Schmid, Biographie der Dichter, von C.H.Schmid. II. Teil. Leipzig, in der Dyckischen Buchhandlung 1770. Baden, Briefe über die Kunst von und an Christian Ludwig von Hagedorn. Herausgegeben von Torkel Baden. Leipzig 1797. In der Weidmannischen Buch- handlung. Eschenburg, Friedrichs von Hagedorn Poetische Werke. Mit seiner Lebensbeschreibung und Charakteristik und mit Auszügen seines Briefwechsels begleitet von Johann Joachim Eschenburg. Fünf Teile. Hamburg, bei Carl Ernst Bohn. 1800. Litzmann, Briefe von Anna Maria von Hagedorn an ihren jüngeren Sohn Christian Ludwig 1731—32. Heraus- gegeben von Berthold Litzmann. Hamburg und Leipzig, Leopold Voß. 1885. (Sonderabdruck aus Koppmann, Aus Hamburgs Vergangenheit I. 1885.) Bobe, Geheimrat Detlef v. Ahlefeldts Memoiren aus den Jahren 1617—1659. Nach der Originalhandschrift im Haseldorfer Archiv. Herausgegeben von Louis Bobe. Kopenhagen, A. F. Höst. 1896. Rachlov, Genealogie der Familie Hagedorn. Geschrieben um 1785. Siehe Anhang |. Genealogische Tabelle der Familie Hagedorn. Geschrieben 1780. Siehe Anhang |. I. DER ADELSANSPRUCH DER FAMILIE HAGEDORN. Is im Jahre 1895 der Däne Louis Bobe aus dem Haseldorfer Archiv in Holstein die Memoiren Detlefs von Ahlefeldt heraus- gab, fiel zum ersten Mal ein helles Licht auf die Familie des hamburgischen Dichters Fried- rich von Hagedorn. Hatten wir bisher kaum über den Vater ein paar dürftige Nachrichten, so lernten wir jetzt in Bobes kritischen An- merkungen auch noch den Großvater und den Großonkel kennen und im Texte selber den Urgroßvater und die Urgroßmutter des Dichters. In den folgenden Jahren haben sich be- sonders im Kopenhagener Reichsarchiv noch einige andere aufschlußreiche Akten gefunden, und so läßt sich heute zum ersten Mal über die Vorfahren Friedrichs von Hagedorn etwas sagen, was mehr ist als Tradition und Kom- bination.') Vor allen Dingen sind wir jetzt imstande, mit demjenigen Satze aufzuräumen, der seit der Mitte des 18. Jahrhunderts jede der zahl- reichen Biographien?) des Dichters einleitet: daß er der Sproß eines alten niedersächsischen ') Über die Quellen zur Familiengeschichte siehe Anhang 1. - °) Die älteste von Huber, Choix de Poesies Alle- mandes I (1766), 143 erwähnt nur den Stand des Vaters. Die folgende von C.H.Schmid, Biographie der Dichter Il (1770), 359 vertritt den Adelsanspruch klar und deut- lich. Von da ab ändert sich in dieser Anschauung nichts mehr. — Die Literaturgeschichten sprechen in ihrer Weise vom edelmännischen Charakter der Hage- dornschen Muse, z. B. Scherer (1902) 375; auch Goethe in Dichtung und Wahrheit II, 10 (Jubiläums-Ausgabe XXIII, 220). Adelsgeschlechts sei. In Ahlefeldts Memoiren, die die Jahre 1617— 1659 umspannen, begegnet uns mehrfach der Urgroßvater und Begründer der dänischen Linie Hagedorn, und zwar in dem Amte eines Gutsverwalters und Hand- schreibers bei Pogwisch und Ahlefeldt. Der Charakter dieser Stellung und die Art, wie Ahlefeldt von ihm spricht und ihn behandelt, zeigen deutlich, daß Ahlefeldt weit davon ent- fernt war, in ihm einen Standesgenossen zu sehen. Philipp Johann selber aber, ein findiger Kopf, war in diesem Punkte anderer Ansicht. Er stellte sich im Jahre 1610 als junger Mann einen langen Stammbaum zusammen. Die Art und Weise, in der er zu Werke ging, ist charakteristisch und entscheidend für die ganze Frage. Er fühlte, daß dem Namen Hage- dorn alles Adelsmäßige abging, und knüpfte daher an Botkam, ein Gut in Holstein, an. Er beginnt seine Ahnenreihe mit Johann Bot- kam um 1250 und verfolgt diese Familie bis auf einen Johann Hendriksen Botkam, dem im Jahre 1439 von Kaiser Albrecht ein adeliges Wappen und Schild mit dem Namen Hage- dorn gegeben sein soll. Und nun kommt die charakteristische Erklärung: Dieser Johann Hendriksen von Botkam war 1438 kaiserlicher Offizier in Belgrad, als die Stadt von den Türken belagert wurde. Ihm war ein wichtiger Posten anvertraut, den er auch tapfer verteidigte. Aber er verlor seine Leute und endlich zersprang ihm sogar die Klinge seines Schwertes. Da riß er einen Dorn aus dem Boden, verteidigte sich, bis er Ersatz erhielt, E) Io und trieb zuletzt mit neuen Leuten und seinem Dorn den Feind zurück, so daß Bel- grad befreit wurde. Seitdem wurde er nicht mehr Botkam, sondern allgemein der Türken- dorn genannt; der Kaiser aber verlieh ihm den Namen Hagedorn. Aufdiesenach bewährtem Muster erfundene Geschichte, an der wir keine Kritik üben wollen, gründete Philipp Hagedorn seinen Adelsanspruch.') Philipp selber starb im größten Elend, der Anspruch aber mag, wie es in solchen Dingen zu gehen pflegt, lebendig geblieben sein, und immerhin fand er in Philipps Sohn Johann Ernst, der es vom Unteroffizier bis zum Major brachte, und in seinem Enkel Hans Statius, der aus ganz kleinen Anfängen bis zur Re- sidentenwürde emporstieg, Träger, mit deren Lebensführung er sich wesentlich besser ver- band. Wie man aber in unterrichteten Kreisen über die Familie Hagedorn urteilte, zeigt sich deutlich, wenn eine Mari Elisabet Büttners (aus Hamburg?) in ihrer Beschwerdeschrift an den dänischen König sagt: „die meinige, davon ich entsprossen, sind so vornehme Leuthe als die Seinige (die Eltern des Hans Statius) nimmer seyn“; Hans Statius habe daher keinen Grund, sein Eheversprechen !) Die abenteuerliche Geschichte erzählt Rachlov wieder, und zwar „nach einem deutschen Manuskript, geschrieben von Philipp Johann, dem Stammvater der dänischen Hagedorns, im Jahre 1610“. An den „Türken- dorn“ schließt sich eine lange Reihe neuer Hagedorns bis zu Philipp Johann. Oberleutnant Hagedorn schenkte diesen Ahnen anscheinend sein Vertrauen, wenigstens stellte er an vielen Archiven Nachforschungen nach den so bestimmt genannten und mit allerhand Würden beschwerten Hagedorns an; er erhielt aber jedesmal die Antwort, daß weder von den Botkams noch von den Hagedorns noch ihren Gattinnen irgend etwas bekannt sei, im Gegenteil war das Amt mit einem anderen besetzt, oder in den Stammbäumen bekannter Adels- familien fehlte gerade diejenige Jungfrau, die einem Hagedorn die Hand gereicht haben sollte. (Oberleutnant Hagedorns Korrespondenz z. B. mit den Archiven in Wien, Hannover, Schleswig, Bremen und Münster i. W.) ihr gegenüber nicht einzulösen. Der Adels- anspruch existiert für sie also gar nicht.') Hans Statius hat später, wie wir aus einem Brief?) seines Vetters, des dänischen Admirals Seneca Hagedorn, erfahren, selber den Ver- such gemacht, einen Stammbaum aufzustellen. Er knüpfte dabei aber nicht an die Geschichte von dem Türkendorn, sondern an die im alten Sibmacher (1703) aufgeführten schwei- zerischen und schwäbischen Hagendorns und Hagentorns an; „davon seindt wir gahr gewiß, nach Euer selbigen Vatters Eigen Erfindung“, schreibt Seneca dem Dichter; „Erfindung“, d.h. Feststellung — ob es aber im Grunde mehr war als Erfindung? Vom Vater hat Friedrich den Adelsanspruch überkommen, ohne ihm einen tieferen Wert beizumessen — im genauen Gegensatz zu seinem jüngeren Bruder, dem Geheimen Le- gationsrat Christian Ludwig von Hagedorn in Dresden, der sein Leben lang mit Eifersucht über alle ihm gebührenden Standesehren ge- wacht hat. Der einzige, der diesen Kombinationen skeptisch gegenüberstand, war der eben ge- nannte Seneca. In seinem Brief an Friedrich spricht er hinsichtlich des Adels von einer Prätention seiner Vorfahren; er korrigiert auch die Meinung Christian Ludwigs, daß einer seiner Ahnen vom dänischen König Friedrich III. (1648-1670) einen Adelsbrief erhalten habe.’) Dagegen scheint er die An- sicht des Hans Statius zu teilen, die Familie sei aus Süddeutschland nach Niedersachsen gewandert. Aber sollen wir den Blick wirklich so weit ') Der Brief (ca. 1696, da Hans Statius schon Kanzleirat genannt wird) liegt bei den Briefen des Hans Statius an den Großkanzler Reventlov im Kopen- hagener Reichsarchiv. ; ?) Siehe Anhang 2. ') Während der Drucklegung schreibt mir Bobe, der diese Verhältnisse von Grund auf kennt: „Von einer Nobilitation der Hagedorns ist mir nichts bekannt, ich bezweifele, daß eine solche je erfolgt ist.“ schweifen lassen, wo für die Hypothese des Hans Statius nicht einmal aus der Familien- tradition sich eine Wahrscheinlichkeit ge- winnen läßt? Ich glaube nicht, denn alles, was wir wissen, weist auf Niederdeutschland: Anna Maria, die Frau des Hans Statius, schreibt, die Familie stamme aus Westfalen; ') die genea- logische Tabelle weist ebendahin; Rachlovs ') Litzmann 70. POHL TORR JOB TOR TOR Jar. OR TOR JIoR TOR TOR JORR JR TOR TOR DIR BORR TOR DIER HR TIER YORK TOR TOR TOoR AO TOR TIER DIOR. KOHL BIER RL BER} DXY) ee ee KRR} EINRE HR Jar JR Hu HR ER) KARL EL SEEN SR ERT DOSE DIT, D ICE RENTEN II Genealogie oder der märchenhafte Bericht des Verwalters Philipp nennt das Gut Bot- kam in Holstein. Hier im niederdeutschen Ge- biet begegnet uns denn auch schon damals eine Fülle bürgerlicher Familien, die den Namen Hagedorn tragen, so in Cöln, Bremen, Verden, Hamburg, Lübeck, Eutin. Hier wird also wohl die Heimat auch unserer Hagedorns sein. D . IR JaRR Tao OHR TOR TIER oe TIoR YORE TORR JORR WORR YIRR JIOR BR) DIR, ” ” ee ee ee ee harte Il. DIE VORFAHREN DES DICHTERS. nsere Kenntnis der Hagedornschen Vor- fahren ist verhältnismäßig reich, und wir dürfen um so eher bei ihnen verweilen, als bei ihnen mancherlei Züge zum Vorschein kommen, die wir nachher bei dem Dichter wiederfinden werden. Der älteste, greifbar vor uns tretende Hagedorn ist jener schon genannte Philipp,') derStammvaterder dänischenLinie und Urgroßvater des Dichters. Er wurde 1586 geboren,’) studierte Jura, Politik und Kameral- wissenschaften und schrieb 1610 die aben- teuerliche Geschichte vom Ursprung seines Namens. Dann soll er fürstlich bremischer Rat’) gewesen sein. Erst 1631 treffen wir ihn wieder: da bestellte ihn Christoph Pogwisch ') Vergl. über ihn besonders Bobe 47, 49, 51 f., 105 ff., dazu die Anmerkungen 162ff. Außerdem Rachlovs Genealogie und die Genealogische Tabelle, die mit Vorbehalt zu benutzen sind und hinsichtlich der Ehe des Verwalters grundfalsche Angaben machen. ?) Das Geburtsjahr Philipps teilt die Genealogische Tabelle mit, bei Rachlov fehlt es anscheinend zufällig; es wird richtig sein: Philipp starb 1660, 1610 schreibt er schon seinen Stammbaum, dürfte also um 1586 ge- boren sein. ») Sein Studium vermerkt Rachlov, seine Stellung als fürstlich bremischer Rat etc. außerdem auch die Tabelle. Die Angabe, daß er studiert habe, gewinnt eine Stütze dadurch, daß Ahlefeldt bei seinem nächsten Verwalter ausdrücklich hervorhebt (Bobe& 107), „daß er nicht studiret und daß er keine großen Kenntnisse hatte noch weitläufig war“. zum Verwalter seiner holsteinischen Güter Haselau und Caden und gab ihm für bereits geleistete Dienste den nahgelegenen HofEllerau zur Nutznießung. Mit diesen Ämtern ging er 1642 in den Dienst Detlefs von Ahlefeldt über, derihngleichzeitigalsseinen Handschreiber be- zeichnet. Ahlefeldt zog dann bald in hessischen Kriegsdienst, und nun begann sein Verwalter ein Leben in dulci jubilo. Als Ahlefeldt zurück- kehrte, stellte er fest, daßbei 4000 Talern fehlten, die in stetigem Wohlleben und Banquettieren mit Herrn Rist, Pastor zu Wedel und renom- miertem teutschen Poeten, Münchhausen, Kgl. Voigt zu Ütersen, und andern guten Zech- brüdern draufgegangen waren. Den Gutsherrn hat es begreiflicherweise nicht trösten Können, daß man auch seine Gesundheit dabei nicht vergessen; er war vielmehr ernstlich ent- schlossen, Hagedorn judicialiter zum Schelm deklarieren zu lassen. Wenn er es schließlich unterließ, geschah es in der Einsicht, daß kein Prozeß ihm sein Geld wiederschaffen könne, da Hagedorn nichts als ein kleines Haus in dem nahen Holm besaß. Erliefihn also ziehen, und so starb er 10 Jahre später (1660) zu Holm in summa miseria.') ') Vergl. Bobe 105—107 und 162. Nach Ausweis des Wedeler Kirchenbuches starb Philipp 1660 (nicht 1652); in Wedel ist er auch begraben. Es beruht auf Irrtum, wenn Anna Maria, die Mutter des Dichters, ihrem 2* I2 Das war das klägliche Ende eines lebens- frohen Mannes, der in seinen guten Tagen nach Ahlefeldts eigenem Zeugnis unter allen Verwaltern „der erste und bei männiglich in großem Respect und Ansehen gewesen war“, ') der sich durch Studium und Umgang auch wohl über seinesgleichen erhoben hatte und der nach Rists Lobgedicht „Herberge der Redligkeit“ ein Mann von Treue und Beständig- keit — das ist der ältere Sinn des Wortes — gewesen ist. Vom Makel des Betruges hat Ahlefeldt ihn selber zu reinigen gesucht, in- dem er versichert, daß Hagedorn weniger aus böser Absicht als ex nimia et supina negligentia (Sorglosigkeit) gehandelt habe.”) Johann Rists Gedicht steht in Poetischen Schauplatz 1646, 235: Herberge der Redligkeit. An seinen hochvertrauten und in beiderley Glük sehr beständigen Freund Herrn Philip Hagedorn der Adelichen Gühter Haselau und Kaden wolbenahmten Verwalter. seinem Als einst die Tugenden durch vieler wunsch bewogen in unser Cimberland zu gaste sind gezogen, vertheilten sie sich zu den Leuten weit und breit, bei Heren Hagedorn kert’ ein die Redligkeit. Bald aber flohen sie von Jungen und von Alten Die Redligkeit allein hat ihren sitz behalten; sie blieb an ihrem Ohrt auch mitten in Gefahr dieweil kein besserer Wirth vor sie zu finden war.) Nur zu verwandten Schlages war Urgroß- jüngsten Sohne mitteilt, Philipp sei in Hamburg ge- storben (Litzmann 70). — Bemerkt sei noch, daß Philipp einen Bruder Christopher Christophersen besaß, dessen abenteuerliches Leben man bei Rachlov beschrieben findet. ') Bob& 105; vergl. auch 106. ®) Bobe 107. *) Das im Poetischen Schauplatz S. 293 gedruckte Gedicht „Hochzeitlicher Schimpf und Ernst Herrn Johann Hagedorn, vornemen Bürger und Weinhändler in Hamburg ... übergeben“ gilt einem Hagedorn, der nicht zu den Vorfahren des Dichters zählt (trotz seinem Beruf). % mutter Anna Hagedorn.') Von ihr erzählt Ahlefeldt eine artige Historie, in der wiederum Pastor Rist eine Rolle spielt, die bei dem Dichter des geistlichen Liedes „O Ewigkeit Du Donnerwort* überrascht. Ahlefeldt be- richtet, daß die Frau Verwalterin, wann ihr Mann nicht zu Hause gewesen, Gäste gebeten und mit dem Herrn Rist sich ganz abgekleidet, auch die Hemder ausgezogen und so nackt um den Pfeiler herumgetanzt und die Comoedie von Adam und Eva im Paradies auf seine Unkosten praesentiret habe; das Übrige, so dabei vorgelaufen, remittiere er einem jed- wedem seinen judicio. Welches unordentliche Haushalten dann nicht anders als eine böse Rechnung, und die dabei vorgelaufene Sünde Gottes schwere Strafe unfehlbar causiren und nach sich ziehen mußte, wie auch erfolget ist und vorhin bereits erwähnet worden.) Pastor Rist ist vor kurzem in Wedel ein Denkmal errichtet worden. Hätte diese an- mutige Szene nicht vielleicht zu einem Sockel- relief getaugt?°) Das Hagedornsche Ehepaar schenkte sechs Kindern das Leben.') Von ihnen interessieren ') geb. Badenhop, Tochter des erzbischöflich bre- mischen Rentmeisters B. auf der Rotenburg, geboren 1612, gestorben 1680; vergl. Bobe& 162. ®) Bobe 107. °) Rist hat übrigens 4 Jahre nach Hagedorns Tode seine Eva geheiratet. In einem Schreiben an Ahle- feldt (1664) setzt er seine ehrenwerten Motive aus- einander; der Hauptgrund war nämlich, daß Anna Hage- dorn die Schwägerin des Rentmeisters Gabel war, durch dessen Einfluß Rist seinen Schwiegersohn Dr. Petri lancieren wollte. Er gesteht „um dieser Beförderung willen habe ich meine Heirath mit der Frauen Hage- dornschen zum Theil angefangen, eine Wittfrau, die doch sonst keine oder schlechte Mittel hatte“. (Mit- teilung aus dem Haseldorfer Archiv von Bobe 2. V. 1903 an Oblt. Hagedorn.) ') Anna Maria, die Mutter des Dichters, nennt ohne Namen acht (Litzmann 70), danach (?) ebenso Bobe& 162; Rachlov und die Tabelle fünf, doch sind die beiden Söhne Johann Ernst und Johann Christoph irrig in einen Johann Ernst Christoph zusammengezogen, uns nurdie beiden Söhne. Johann Christoph war ein rechter Abenteurer: 1656 war er als Freireuter in Prag, nannte sich Baron Argan- ton, wurde als Betrüger entlarvt und floh nach Dänemark. Hier war er 1659 Oberstleutnant und Generaladjutant in Norwegen und nahm 1664 den bekannten Hamburger Arzt Dr. Sper- ling hinterlistig gefangen, nachdem er ihn aus der Stadt herausgelockt hatte. Die Folge war ein klingender Dank des Königs. In Ham- burg aber durfte er sich nicht mehr sehen lassen, denn der Rat hatte 200 Taler auf seinen Kopf gesetzt, und eine weitere Folge war es, daß er 1679 auf Hamburgs Ansuchen vom Kaiser zurückgewiesen wurde, alser unter dem Namen eines Baron Estroo als spanischer Resident im Niedersächsischen Kreise desig- niert war.') Sein Bruder, Johann Ernst Hagedorn, war der Großvater des Dichters. Er wurde 1637 in der Grafschaft Pinneberg geboren, kam mit 13 Jahren in Kanzler Detlev Reventlows ') Quellen für seine Lebensgeschichte: Bobe 163. Rachlov und die Tabelle. Trotz der gemeinsamen Behandlung der beiden Brüder daselbst ist ihr Anteil glatt zu trennen. Kopenhagen, Provinzarchiv: Bericht von cand. mag. Nanna Lange an Oblt. Hagedorn, bringt vor allem neues Material für die Gefangennahme des Hamburgers Dr. Sperling durch Hagedorn, vergl. Stelzner, Versuch (1733) III, 874 ff. Altona, Hauptkirche: 11. Januar 1658 Trauung von Hagedorn mit Margareta von Anten. (Über Mar- gareta vergl. auch den Bericht von Nanna Lange.) Schleswig, Staatsarchiv: Hatzburgisches Kom- missions- oder verneuertes Erdbuch de 1684; Hatz- burgisches Amtsregister hero 1689/90; Bericht des Feldmarschalls v. Eberstein und des Amtmanns Krüger vom 17. VI. 1661. (Sämtlich über Hage- dorns kleinen Grundbesitz.) f) Zeitschrift des Vereins für Hamb. Geschichte III, 479: „Joh. Christoph Hagedorn im Jahre 1679 unter dem Namen Baron Estroo als spanischer Resident im Niedersächsischen Kreise designirt, auf Ham- burgs Ansuchen vom Kaiser zurückgewiesen.“ — a b \g) d _ e 13 Haus, entlief aber aus gekränktem Ehrgefühl, weil die Kanzlerin ihn zweimal zu kleinen häuslichen Verrichtungen heranzog. Der Junge schlug sich nach Holland durch, ward Unter- offizier und kehrte 1662 als Major nach Holstein zurück. Hier begann er von neuem als Haupt- mann, ward Amtsvogt in Ütersen und erhielt 1671 als Rittmeister und Chef der pinneber- gischen Kompagnie königliche Bewilligung auf einen Hof und die Einnahmen des Kruges zu Wedel. 1676 fiel er als Major in der Schlacht bei Lund.') Johann Ernst war seit 1667 mit Margarethe Roitze aus Ütersen verheiratet. Sie starb schon im folgenden Jahre, nachdem sie einem Sohne, Hans Statius, dem Vater des Dichters, das Leben gegeben hatte. Die Namenswahl er- klärte dieser später selber in dem einzigen uns wörtlich erhaltenen Satze seiner 1719 auf- gezeichneten Vita: „Den 12. Oktober 1668 bin ich gebohren und nach meiner Großmutter- Schwester-Mann, Herr Hans Statius von Münchhausen, mit dem Namen Hans Statius dem Buch des Lebens durch die heilige Taufe eingeschrieben.“°) Münchhausen, dem wir schon als einem getreuen Zechbruder des Verwalters Philipp Hagedorn begegneten, war seinerzeit königlicher Vogt zu Ütersen; seine Frau Agnes vermachte dem kleinen Hans Statius 6000 Taler, von denen der dänische König ihm den Zehnten erließ.”) Dies an- sehnliche Legat ermöglichte dem jungen Manne später seine große Reise durch Süddeutsch- land und lItalien.') Der Lebenslauf des Hans Statius liegt klar vor unsern Augen; denn wenn uns von !) Für seine Lebensgeschichte vergl. Bobe& 162 f., dazu Rachlov und die Tabelle. ?) Rachlov, und zwar deutsch. ') Kopenhagen, Reichsarchiv, Patente 25. II. 1673 Nr. 31 und 21. X. 1682 Nr. 439. ') Seine Frau schreibt später dem jüngsten Sohne gar: „Dein Sehl. Vatter hatte 14000 Th. wie er studierte.“ Litzmann 68. 14 seiner Selbstbiographie auch nur ein Satz wörtlich erhalten ist, so besitzen wir an- scheinend doch alles andere in einer dänischen, vielleicht resümierenden Umschrift. Soweit wir diese durch Briefe oder sonst bekannte Tatsachen kontrollieren können, ergibt sich nichts Irriges. Die Umschrift, die sich in Rach- lovs Genealogie findet, liegt dem folgenden wörtlich zugrunde: „Hans Statz von Hagedorn ist geboren den 12. Oktober 1668, verlor seine Mutter, als er 11 Tage, und seinen Vater, als er 9 Jahre alt war. Gleich nach dem Tode seiner Mutter kam er zur Erziehung in das Haus seiner Tante Anna Elisabeth von Hage- dorn,') der Gemahlin des Präsidenten in Fredericia Christopher Nielsen, wo er zu- sammen mit ihren Söhnen erzogen wurde. Bei dieser Gelegenheit wurde zwischen ihr und dem Präsidenten verabredet, daß ihre Kinder in völlig brüderlicher Gleichheit mit dem kleinen Hans den mütterlichen Namen Hagedorn tragen sollten, gleichwie dieser mit ihnen sowohl das Wappen des Präsidenten als dasjenige der Hagedorns führen sollte, zu welchem Ende das Wappen der Hagedorns, das vordem in einem aus dem Boden ge- rissenen Hagedornstrauch mit Blättern und Wurzeln im ganzen Felde bestanden hatte, mit des Königs allergnädigster Bewilligung so ver- ändert wurde, daß das Wappen der Länge nach in zwei Felder geteilt wurde: mit einem grünenden und mit den Wurzeln ausgerissenen Hagedornstrauch in dem einen und zwei Balken in dem andern; darüber als Helm- schmuck an Stelle der früher hervorstecken- den Schwertklingen vier Paar Pfauenfedern, womit auf die vier Söhne abgezielt wurde, welche sie damals hatten, nämlich: Johann Ernsts Sohn Hans Statius und die drei damals geborenen Söhne der Anna Elisabeth: Chri- stopher, Philipp Johann und Eilert. Durch ') Älteste Tochter des Verwalters Philipp, lebte 1633-93, siehe Tabelle und Rachlov. dieses Wappen unterscheiden sich die däni- schen evangelischen Hagedorns von allen andern dieses Namens.') 1685 zog Hans Statz von Hagedorn, der die Wissenschaften erwählte, aufdie Universität Frankfurta.d.Oder,’) um Strykium und andere über Jurisprudenz zu hören; im Jahre danach disputierte er im Dezember unter Schöpfer publice de tutelis. Dann reiste er nach Leyden in Holland’) und im Juni 1687 nach Jena in Thüringen,‘) wo er sich auf Jus Naturae und Mathesin (Astrologie) legte und bis 1689 blieb, als er, um das bevorstehende kaiserliche Krönungsfest’) zu sehen, über Regensburg nach Augsburg zog und von da nach Venedig, wo er sah, wie der neue Doge Marosini ge- krönt wurde. Weiter setzte er seine Reise über Bologna, Loretto und Rom nach Neapel fort, von hier zurück nach Rom, wo er einige Monate blieb, und reiste dann über Florenz, Livorno, Genua, Turin und Mailand durch die Schweiz nach Deutschland, wo er die be- merkenswertesten Städte besuchte, und kam ') Johann Ernsts Wappen zeigt einen „grünen Dorn- busch zwischen zwei Elephantenrüsseln“, Bobe 163; Hans Statius (Briefe an Reventlov im Kopenhagener Reichsarchiv) und seine Frau Anna Maria (Sammlung Lappenberg) siegeln mit einem Petschaft, das im un- geteilten Feld den Dornbusch als vollen Baum auf- weist, Friedrichs Wappen ist geteilt: rechts drei Balken, links zwei verschlungene Hagedornsträucher; ebenso das Petschaft seines Bruders; nur Christina Friderica von Tönsberg, die Tochter Senecas und Enkelin der Anna Elisabeth Nielsen, geb. Hagedorn, siegelt mit dem oben erwähnten Wappen: links zwei Balken, rechts der Hagedorn als Baum, vergl. Dresden Amtsgericht H. 548, 241. ”) Matrikel der Un. Frankfurt a. d. O. (Publikationen aus den K.Pr. Staatsarchiven Bd. 36) 191°: 6. Juli 1685 Johannes Statius Hagedorn Uterso-Holsatus. *) Album studiosorum Acad. Lugd. Bat. 1575— 1875 (Haag 1875), Spalte 688: Johannes Statius Hagedoorn, Utersa-Holsatus. 20(jährig), J(urist), 24. Dezember 1686. *) „Hagedorn, Joh. Statius Utersum i. Holstein 1687. n. 3. Febr.“ Mitteilung der Universitäts-Biblio- thek Jena. °) Litzmann 68, im Januar 1691 nach Crempe in Holstein. Hier mußte er wegen Krankheit einige Zeit still liegen, so daß er nicht vor September desselben Jahres sein Ziel erreichte, nämlich Kopenhagen.') Den 24. September 1692?) wurdeer Sekretair beiden auswärtigen Angelegenheiten, 1693 nach dem Gottorpschen Hofe gesandt, wo er vier Jahre blieb und inzwischen den 19. April 1696 Kanzleirat wurde;’) später wurde er nach Hamburg gesandt, um als Legationssekretär der Pinnebergischen Affaire beizuwohnen.*) Den 12. Oktober 1698 wurde er beauftragt, das Protocoll indem bemerkenswerten Succes- sionstractatzu führen, sowie dieHamburgischen Angelegenheiten zu besorgen. Den 18. August 1700wurde erbeauftragt, dem Travendahlschen Tractat mitden Häusern Lüneburgund Holstein beizuwohnen;unddanach wechselte er die Rati- fikationen mit beiden aus; 1701 wurde er ver- wendet, den Mecklenburgischen und den Hol- steinischen Nebenvergleich abzuschließen;°) auch mußte er assistieren beim Vergleich zwischen dem Herzog von Schwerin und der Herzogin-Wittwe von Güstrow und den Prinzessinnen. Den 13. Juli 1702 wurde er ') Schmid, Biographie der Dichter II, 360 bemerkt: „Das Journal von seiner Reise durch Deutschland und Italien würde die Welt eben so sehr von seinen Ein- sichten überzeugen, wenn es sich ihr wegen der vielen eingeflochtnen wirthschaftlichen Dinge mittheilen ließ.“ Eine Bemerkung, die Schmid wohl wörtlich von C.L. v. Hagedorn übernahm (vergl. S. 85); dieser besaß das Tagebuch damals gewiß noch, vergl. Dresden Amts- gericht H. 582, 351. ”) Demgemäß spricht er 1699 öfter von seinem siebenjährigen Staatsdienst; Briefe an Großkanzler Reventlovim KopenhagenerReichsarchiv,z.B.17.11.1699. *) Hier aus Schleswig datieren 8 Briefe an den- selben Reventlov vom 12. XI. 1692 bis 5. II. 1696. ') Dererste Briefaus Hamburg datiert vom 1.1.1697; an Reventlov. Aus dem folgenden vom 19. III. 1697 scheint hervorzugehen, daß er eine Art Sekretärstelle einnimmt. ’) In einem Briefe vom 18. VIII. 1699 schreibt er Reventlov, er habe diesen Traktaten bereits über drei Jahre beigewohnt. 15 königlicher Resident beim Niedersächsischen Kreise,') 1705 Justizrath mit Vorpatentierung vom 4. August 1702. 1707 war er Bevoll- mächtigter bei dem Holsteinischen Declara- tionstractat. Den 8. Mai 1708 wurde er Etatsrat. Den 3. Januar 1711 war er mit auf Seiten des königl. dänischen Hofes, den Hamburgischen Declarationstractat mit Holstein-Gottorp zu unterschreiben, und half bei der Auswechslung der Ratificationen in Kiel. Den 10. September 1712wurde er Königlich Dänischer Regierungs- rat in den Großherzogtümern Bremen und Verden. Im selben Jahre wurde er verwendet beim Abschluß des Satisfactionstractats mit Hamburg, der den 18.November 1712 in Altona unterschrieben wurde. Den 15. März 1718 wurde er Conferenzrat.“ Soweit die dänische Umschrift. Was sie weiteres bietet, ist von keinem Belang, außer- dem auch nicht fehlerfrei, da es sich ja nicht mehr auf das von Hans Statius 1719 nieder- geschriebene Original gründen konnte. Hans Statius hat noch bis 1722 gelebt. In diesem Jahre war er das Haupt der In- quisitoren, die in Rendsburg den Mord an dem Grafen Rantzau aufklären sollten.?) Mitten in dieser Tätigkeit ist er am 17. Dezember 1722 an einer ihm zugestoßenen Ohnmacht sanft und selig entschlafen und am 22. in ') Um diesen Posten hatte er sich bereits am 18. VIII. 1699 brieflich bei Reventlov beworben, und zwar so de- und wehmütig als denkbar. Er habe bis- her nur 300 Taler gehabt, dreimal so viel verbraucht, infolgedessen starke Schulden machen müssen. Mit der Residentenstelle wolle er sich wieder aufhelfen, da sie ja mit 1500 Talern dotiert sei. Sein eigenes Vermögen habe er beigesetzt. Außerdem, sagt er, sehe ganz Hamburg in ihm den Nachfolger des kranken Residenten von Linker. Vergl. auch den Brief vom 24. XI. 1699; dazu Zeitschrift für Hamb. Geschichte III, 428. — Aktenstücke der politischen Tätigkeit des Hans Statius in Hamburg findet man bei Stelzner, Versuch einer zuverlässigen Nachricht von dem kirchlichen und politischen Zustande der Stadt Hamburg (1731— 39) Bd.V. ?) Zeitschrift für schleswig-holsteinsche Geschichte XVII, 252. 16 sein Erbbegräbnis zu Barmstedt zur Erde be- stattet worden, wie die Hamburger Relations- Post meldet.!) Sein Tod traf Frau und Kin- der um so schwerer, als er ihnen „nichts als das traurige Andenken an ehemalige Reich- thümer und die Bildung hinterlassen konnte, die er ihnen durch Erziehung und Umgang mit der großen Welt gegeben hatte“. Un- wetter in Dithmarschen und eine Bürgschaft über 6000 Taler sollen ihn schwer geschä- digt haben.?) Vom inneren Leben und den Charakter- eigenschaften des Hans Statius wissen wir un- gleich weniger. Daß er ein geschickter Diplo- mat war und sich im Dienste seines Herrn gleichsam „zu vervielfältigen wußte“,’) wird angesichts seiner Karriere keinem Zweifel be- gegnen. Wichtiger aber und interessanter sind uns im Hinblick auf Friedrich die litera- rischen Neigungen des Vaters. In Schmids Biographie des Dichters (1770), die vor ihrem Abdruck von Hagedorns damals noch leben- dem Bruder in Dresden durchgesehen wurde und von ihm verschiedene Berichtigungen und Zusätze erhielt, heißt es, „Hans Statius war in seiner Jugend selber den Musen nicht ab- geneigt gewesen, und eines von seinen Sinn- gedichten bey Zurücklegung des 20. Jahres soll sich unter den Wernikischen erhalten haben.*) Er war auf Kanitzens Bekanntschaft stolz, und weil dieser Knittelverse gemacht, hielt er sich auch zuweilen dergleichen zu gute. Er be- wies sich auch, besonders ehe er verheirathet war, gegen Dichter überaus gastfrey. Einige Nachricht hiervon findet man in des Menan- ') Hamburg. Relations-Post 22. XII. 1722. „Elms- horn und Barmstedt bildeten mit 23 kleineren Dörfern die freie Reichsgrafschaft Rantzau.“ Zeitschrift für schlesw.-holst. Geschichte XVIII, 202. ?) Schmid, Biographie II, 362. &)2ib. 11, 359) ') Schmid II, 360. Die Richtigkeit dieser Angabe bezweifelt schon Eschenburg IV, 6 Anm. 2 mit Grund. In Betracht käme aus den „Überschriften“ wohl nur 1701, 657.(— 17763,, 78). tes [Hunold] Leben, das von dessen bestem Freunde, dem altorfischen Buchhändler Ben- jamin Wedeln, geschrieben worden. Hunold und Wernike genossen seine Gesellschaft immer, und oft war Barthold Feind der dritte Mann.') Er zog Amthorn in dänische Dienste, und um Richey machte er sich auf ähnliche Art verdient, indem er ihn in Stade, wo er Rector war und nicht unter dänischer Herr- schaft bleiben mochte, zwar sorgfältigst, je- doch vergeblich beyzubehalten gesucht hatte. Kurz er wäre wie Bernstorf unsterblich, wenn es damals schon Klopstocke gegeben hätte.“ Diese Angaben, die Schmid wohl dem Bruder des Dichters in Dresden verdankte, sind nicht frei von Irrtümern, sie bezeugen aber reichlich, dal Hans Statius der Dichtkunst seiner Zeit ein aufmerksames Ohr geliehen habe, und bezeichnend genug ist die Tatsache, daß er die Verse seiner 12- und Sjährigen Kinder frischweg zum Druck beförderte ?) — bezeich- nend wohl auch für die Sinnesart des Vaters, der kein Mann von Bedenklichkeiten gewesen zu sein scheint. Und das möchten wir auch aus seinem Umgang schließen: Wernike, Hu- nold, Feind, Richey, in denen sich das litera- rische Hamburg um 1700 zum guten Teil ') Was sich in „Geheime Nachrichten ... von Menantes... Schriften“ (1731) 57 und 133 findet, be- weist nichts für die angebliche Gastfreiheit. Zweifel- los haben auch Wernike und Hunold, die in bekannter Feindschaft lebten, sie nicht gemeinsam genossen. Die Tatsache selber jedoch bezeugt Friedrich: Wernike habe „genauen Umgang“ mit seinem Vater gehabt; Hunold und Feind seien seine „Parasiten gewesen; doch weiß ich nicht, ob als Poeten“; vergl. Briefe an Bodmer 18.1.1745 und 19. V. 1753, Universitätsbibliothek Zürich. — Übrigens war Hans Statius bis 1702 selber noch ein armer Schlucker. ”) „Poetische Unterredung zwischen dem Marti... und der Irene, ... abgefasset von Friedrich von Hage- dorn. Im 12. Jahre seines Alters. ... Als Anhang: Frohlockende Zeilen ... wegen des Friedens ... von dem Sjährigen Christ. Ludwig von Hagedorn abgefasset. Altona, gedruckt bei Jobst Heinr. Baak. 1720. 4°.“ Hamb. Schriftsteller-Lexikon Ill, 57. — Vergl. S.26f. verkörpert, waren Männer, die im Leben herumgekommen waren, es gerne satirisch be- trachteten und — mit Ausnahme von Richey einer freien ungebundenen Lebensführung huldigten, ja, Hunold trieb es so toll, dal) er 1706 heimlich die Stadt verlassen mußte: sein „Satirischer Roman“ (1705), der Hamburgs Chronique scandaleuse ans helle Licht zog, war die Ursache, aber bei weitem nicht die einzige. Hatte Hans Statius früher an dem losen Gesellen Gefallen gefunden, so wird er auch jetzt nicht zu den Mifsvergnügten gezählt haben. —- Übrigens hatte er auch keinen Grund zur Prüderie, denn er war selber ein ganz gefährlicher Galan gewesen: im Kopenhagener Reichsarchiv wird noch heute die Beschwerde- schrift einer Mari Elisabet Büttners (aus Ham- burg?) bewahrt, die Hans Statius zu Fall gebracht hatte und entgegen seinen Verspre- chungen nicht heiraten wollte;') und aus seinem Briefwechsel mit dem Großkanzler Reventlov, der an dem gleichen Orte liegt, ergibt sich sogar, daß auch die Tochter des Landvogts Hey in Bretsted ihr Verlöbnis mit ihm einklagen mußte. Geheiratet hat er keine von beiden, hätte es auch bei seiner völligen Mittellosigkeit gar nicht können, denn er ver- diente nicht mehr als 300 Taler; erst als Ham- burgischer Resident kam er in bessere Um- stände. Sicher aber hat sich der gesellige Verkehr des Hans Statius mitden hamburgischen Poeten nicht in Scherzen erschöpft; denn sie alle waren Männer von beträchtlichen Kenntnissen, wie sich das übrigens für einen Dichter jener Zeit vonselbstversteht. HansStatiusim besonderen war ein Mann, der Welt und Menschen gesehen hatte: in der Jugend die Universitäten, seine große Italienreise und später der diplomatische Dienst zwischen Kopenhagen und Hamburg. Dazu kam früh eine gewisse literarische Tätig- keit: zuerst sein italienisches Tagebuch, später ') Vergl. S. 10 Anmerkung |. 17 genealogische Bemühungen um den eigenen Stammbaum, endlich 1719 seine Vita. Von diesen persönlichen Aufzeichnungen ist uns leider nichts erhalten. — Außerdem verfügte Hans Statiusüber eine gute, hauptsächlich fran- zösische Bibliothek,') die später den Söhnen zu statten kam; einer von ihnen versichert uns überdies einmal, daß der Vater ein Mann von großem Bildungstrieb gewesen sei.’) Das istalles, was wir über den Charakter des Hans Statius sagen können. Ich glaube aber, es reicht hin, um in ihm ein Ähnliches Naturell zu vermuten, wie in seinem Großvater Philipp oder in seinem Sohne Friedrich. Alle drei sind Männer von frischem Schlage, alle drei stehen mit lebensmunteren Poeten im Bunde, alle drei waren herzlich schlechte Haushalter, alle drei haben ihren gelehrten Zug. Ungleich reicher ist unsere Kenntnis vom inneren Leben der Anna Maria von Hage- dorn, der Gattin des Hans Statius und Mutter des Dichters. Anna Maria hieß mit ihrem Mädchennamen Schumacher,’)- war 1676 in Hamburg geboren‘) und hatte am 1. Mai 1693 den Kämmereibürger Nicolaus von Beseler ge- heiratet, der 13 Jahre älter war als sie selber. Beseler starb am 22. Februar 1706; die neun- jährige Ehe war kinderlos geblieben. An- derthalb Jahre später — am 25. Juli 1707 reichte Anna Maria dem Residenten Hans Statius von Hagedorn die Hand, dem sie (in Maylaans Haus am Gosemarkt’) 4 Kinder gebar: Friedrich 1708, Anna Sophia Maria 1709, Christian Felix 1712(?) und Christian Ludwig ') Schmid II, 361. ?) Brief Christian Ludwigs an 24. VII. 1741, Wolfenbüttel Bibliothek. ») Ihren Stammbaum siehe im Anhang. 1) „wo ich geboren, von jeher auch commode und mit distinction gelebt habe“ Litzmann 9. °) Hochzeitsgedicht von K.P.G.J.R.in Behrmanns Sammlung auf der Stadtbibliothek in Hamburg. Friedrich vom 3 18 1713. Die Tochter starb noch im selben Jahre, Christian Felix 1716.') Von den beiden überlebenden Söhnen hat Christian Ludwig zweifellos dem Herzen der Mutter nähergestanden. Wesentliche Züge ihres eigenen Charakters fand sie in ihm wieder, und an ihn, den 2Ojährigen Studenten in Altorf, sind denn auch jene rührend schönen Briefe ge- richtet, die uns einen tiefen, unendlich wohl- tuenden Einblick in ihre Seele eröffnen. Der Charakter der Anna Maria ist bereits 1885 von Litzmann, der diese Briefe der Jahre 1731/32 herausgab, anziehend geschildert worden; wir wollen uns aber nicht auf diesen Verweis beschränken, denn mehr als alle andern Hage- dornschen Vorfahren verdient diese Mutter, daß ihr Bild lebendig bleibe — mag auch von ihrem Wesen wenigaufdenältesten Sohn über- gegangen sein: Briefe dieser Artsind in unserer Literatur vom Anfang des 18. Jahrhunderts überhaupt eine Seltenheit. Die Briefe der Anna Maria umspannen das geistige und leibliche Wohl ihres Lieblings, und alle die kleinen Alltäglichkeiten, wie Klei- dung, Essen und Trinken, Bier und nichts- würdiger teurer Toback,’) ziehen an uns vor- über, daneben aber auch alle die herzlichen Ermahnungen und klugen Ratschläge, die aus dem innig besorgten Mutterherzen fließen - dies alles in so einfacher, klarer Sprache und mit weiblicher Beredsamkeit und Eindring- lichkeit, daß Mutter und Sohn lebendig vor uns stehen. Der Inhalt dieser Briefe ist wesentlich durch die Tatsache beeinflußt, daß sich in Friedrich schon damals jenes allzu joviale Temperament offenbarte, daß ihn zu Schulden, Wein und auch wohl ein wenig Müßliggang verführte. Der Mutter Denken und Trachten ') Geburtsdaten der Kinder nach Rachlov und der Tabelle; die Tochter nur bei Rachlov; bei beiden die Geburtsdaten der beiden jüngsten Söhne anscheinend vertauscht. °) Litzmann 13. ist nun ständig darauf gerichtet, wie sie ihren lieben Louis, ihr klein Jüngschen, auf einen guten Weg bringe. Je winziger die Geldmittel sind, die sie ihm gewähren kann, desto mehr sorgt sie sich, er könne schuldig bleiben, und sucht ihn von allem irgend vermeidlichen Aufwand zurückzuhalten mit Gründen, die das Herz dieses strebsamen Jünglings nicht verfehlten: „Eine Person von deinen umbständen mus sich durch seine conduite und Fleiß, nicht aber durch schmaußen di- stingiren.... eine eingebildete ehre wird mit einen Kreuzer zu teuer bezalt.“') oder: „Es scheinet aber allen klugen resonablen leuten mehr in die augen, wen einer sich durch Fleis und Studiren als durch weitlaufige splen- dite lebensart bekannt zu machen trachtet, ordinair geschicht das letztere, wo das erste fehlt.<®) Und als ies"sichr.darum handelt, daßß Christian Ludwig die Universität wechseln möchte, da schreibt sie ihm ernst: „Jedoch weis wol daß die reellen Studia in Straßburg nicht mit solchem eyffer als die galante lebensart getrieben wird; die ersteren ernehren einen ehrlichen Mann, das andere lernet man aller orten.“®) Christian Ludwig hielt ihr darauf die berühmten Namen der Straßburger Ordinarien entgegen, sie aber antwortet ihm schlagfertig: „was an sehr be- rühmten Professoris abgehet, ersetzen die Doctoris oder Professores extraordinair“, und diese findet man auf allen Universitäten.*) Mit solchen Ermahnungen aber lag Anna Maria nichts ferner, als die Lebensfreude ihres Lieblings zu dämpfen; im Gegenteil „sorge gar nicht, denn daß gehört nicht beym Studieren.“°) Auch für seinen „gesunden Bücherappetit“,‘) der sich schon damals in ') Litzmann 87. °) Litzmann 97. ') Litzmann 94. ') Litzmann 83. ») Litzmann 54. ®) Litzmann 55. fortwährendem Kaufen äußerte, hat sie volles Verständnis. Am meisten aber verstanden Mutter und Sohn sich in dem point d’honneur, im Standesbewußtsein, dasin beiden in gleicher Schärfe ausgeprägt war. Mochte sie dem Sohne auch noch so viel schreiben, er müsse sich menagiren, so war ihr doch im Grunde nichts sympathischer, als daß er um jeden Preis „das exterieur salvieren“') wollte; sie schalt ihn, daß er sich'sam Munde absparte („hungern mustu absolut nicht, wie wilstu sonst groß werden“,?) schreibt sie ihm, als ob er noch der kleine Junge wäre), und fühlte doch im Herzen mit Frohlocken, dal wenigstens dies Kind von ihrem „sentiment seyn würde.“ ®) Anna Maria hatte einen tiefen Wandel ihrer Vermögensverhältnisse erleben müssen. Nach dem Tode des Hans Statius mußte sie das Haus am Gänsemarkt verlassen, und sie, die „von jeher commode und mit distinction gelebt“) hatte, mußte sich mit einem Garten- häuschen in St. Jürgen vor der Stadt begnügen, ja „sogar allen Leuten zum Schimpf zu Fuße gehen“.’) Und selbst diese Beschränkung drohte noch immer, ihre Kräfte zu über- steigen; besonders der Garten ward ihr zu teuer.‘) Aber sie ließ ihn doch nicht, so wenig wie sie die vornehmen Bekanntschaften ihrer guten Zeit vergaß; oft genug spricht sie es aus, daß sie „ehrenhalber“') an allerlei Aufwand gebunden sei. Und da ist es dann so rührend zu beobachten, wie sie an der eigenen Person wiedereinzusparen sucht, was die mancherlei Wünsche ihres fernen Jungen ') Litzmann 85. ”) Litzmann 23. ») Litzmann 54. ') Litzmann 99. °) Litzmann 94. ‘) „Der Garte verursacht mir viele Gelegenheit zu kleinen depansen, die ich ehrenhalber so wenig evitiren kan, als wenn du visiten bekommest, den da mus aufgetragen werden, waß man sich entbricht.“ Litzmann 92. ‘) Litzmann 68, 92. 19 erfordern. „Kanstu mir nur anzeigen, wo ich etwas für mich erspahren oder mir mehr einschrencken könne, als ich albereit gethan, ich wil es von grundt des hertzens mit Freuden thun ich wil so subtil zulangen, damit du das meiste behalten mögest.“') Welchen Stolz sich dies Gemüt aber in aller Bedräng- nis bewahrt hat, das kommt einmal sehr deutlich zum Ausdruck, als Friedrich gegen das innere Gefühl von Mutter und Bruder eine Hofmeisterstelle bei dem Sohn des Ge- sandten von Wich angenommen hatte.’) Da schreibt sie an Ludwig: „Wie schwer ist mir die Überwindung ankommen; wehr es möglich gewesen und ich freiheit im gemüthe gehabt, ich wehre davon gezogen umb kein gegenwärtigen Zeugin abgeben zu dürffen, allein ich mus mit geduldt unter Gottes beystandt mich ergeben und auf bessere Zeiten hoffen.“ °) Dies Gottvertrauen ist es denn auch ge- wesen, das Anna Maria die innere Kraft und Freudigkeit erhalten hat. Sie spricht ihr Be- kenntnis einmal so schön aus, daß wir es nur mitihren eigenen Worten hierhersetzen mögen: „Wie wil es aber mit erlernung der Phfilosoffi ablauffen? ich wünschete dir wol eine recht gründliche, welche Gottes Wordt zum grunde hat, sie heise den wie sie wolle. ich verstehe nichts davon, daß aber weiß ich, daß man sich viele sachen und bilder vorstellen kan, die speculatifund hoch sint, sollen sie aber (sonder- lich die von Gott und dem Göttlichen Weßen betreffende Puncten) in der Krafft empfunden und im Hertzen erfahren oder gefühlet werden, so sindt viele ungegründte Chimeren darunter, da zuweillen die Vernunfft einem selbst über- rädt, sie seyen also, aus der ursache, weil sie nicht fähig ist oder zulänglich, das gegenteil und wahrhaffte zu begreiffen. meine meinung ist, daß derliebe Gottdie reineste am besten lehren !) Litzmann 44. 2) Vergl. S. 25. ») Litzmann 94. 20 kan.“') Dies Vertrauen zu Gott ist der Grund- ton aller ihrer Briefe, der sich stets so warm und unaufdringlich ausspricht, daßerdenemp- fänglichen Sinn des Jünglings nicht verfehlt hat; hier gleichen sich einmal beide Söhne, denn auch Friedrich hat noch in späten Jahren jeglichen Spott auf die Religion energisch zu- rückgewiesen: Freiheiten auf diesem Gebiete schienen ihm mehr den Mangel an Erziehung als den Reichtum der Einbildungskraft an- zuzeigen.”) Hier dürfen wir auch das schöne Lob der Einsamkeit wiederholen, das in ihren Briefen mehrfach wiederkehrt. Sie schreibt einmal: „übrigens liebster Ludewig recommandiere ich dir die einsahmkeit, als welche so viel kluge Gottesgelehrte Männer so nützlich geachtet, ') Litzmann 54. °) Brief an Gleim 1747, Eschenburg V, 150 f. zu deinen Besten zu gebrauchen, dich zu er- holen, deine gedancken zu samlen und das ge- müthe zu beruhigen, damit der liebe Gott ein bequemes (d. h.bereites) lediges, oder ruhiges Hertze finde, in welches Er wircken und gute gedancken einflösen könne, und wie würde dir sodan die Zeit kurtz und die einsahmkeit angenehm vorkommen, auch im geistlichen zu- nehmen, denn die Sonne in keinen trüben Wasser kan gesehen werden... .“') Am 10. Oktober 1732 ist Anna Maria un- vermutet gestorben.”) — Ihr Verhältnis zu Friedrich, das an Innigkeit viel verloren hatte, wollen wir im Zusammenhang seiner Lebens- geschichte ins Auge fassen. ') Litzmann 77. ”) Ein Trauergedicht von Sammlung Lappenberg. Litzmann 11. Christian Ludwig in Eine Strophe desselben bei Ill. FRIEDRICH VON HAGEDORN. 1. Jugendjahre.') Friedrich von Hagedorn wurde am 23. April 1708 in Hamburg geboren. Über seine Kind- heit hat sich keine Nachricht erhalten, doch dürfen wir nach dem, was uns über den Cha- rakter und die Lebensart seiner Eltern be- kannt geworden ist, unbedenklich voraus- setzen, daßdiese Jahreihm heiter und freundlich dahingeflossen sind: Er selber ein aufgeweck- ter, fröhlicher Junge, der Vater von ähnlichem Temperament und damals so recht auf der Höhe seines äußeren Glücks, und die Mutter voll von jenem gütigen, verständigen Wesen, das sich uns in ihren Briefen an den jün- ') Die Quellen für seine Lebensgeschichte siehe Anhang S4ff. geren Sohn Christian Ludwig offenbarte; man muß diese Briefe selber lesen, um zu emp- finden, wie innig die Gedanken der Mutter das geistige und leibliche Wohl der Kinder umfangen und immer umfangen haben. Aber die sorgenlosen Jahre waren mit dem Tode des Vaters (Dezember 1722) plötzlich zu Ende. Der Hauslehrer Günther ') mußte entlassen werden, und Friedrich bezog am 6. April 1723 das Akademische Gymnasium,‘) an dem damals berühmte Männer wie Fabri- cius, Wolf und Richey wirkten. Er gehörte ') Heinrich Anton Günther aus Oldenburg, gest. 1731; vergl. über ihn Schmid 362 und das wesentlich anders lautende Urteil der Mutter bei Litzmann 58f. ®) Matrikel desselben, hrg. von C. H. W. Sillem, S. 97 Nr. 2132, ihm drei Jahre an, dann zog er auf die Univer- sität, und zwar nach Jena, wo schon der Vater studiert hatte: am 20. April 1726 wurde er immatrikuliert.') Nun begann ein Leben in Saus und Braus. Nur anderthalb Jahre hat Friedrich der Univer- sität angehören dürfen, aber er hat sie dauernd im Gedächtnis behalten, und als später die „runtzlichten Zeiten“) kamen, da lebte die Erinnerung an den „edlen und mehr als fürst- lichen Studenten-Stand“ nur desto stärker in ihm auf. Der Rechtswissenschaft hat Friedrich kei- nen Geschmack abgewinnen können, desto lebhafter packte ihn die Wolffsche Philosophie. In einem Briefe an Weichmann, den Heraus- geber der Poesie der Niedersachsen, ergreift er mit frischer Offenheit die Partei des damals noch hart kämpfenden Philosophen. Dieser Brief, dem schon ein allgemeines Interesse anhaftet, kennzeichnet zugleich so vortreff- lich den hellen Kopf und die präzise, ge- dankenreiche Sprache des 19jährigen Jüng- lings, daß wir ihn hier zum Abdruck bringen: enarden2232SepL.1727. „Die Wolfische Philosophie ist der vor- nehmste Glanz, der den sonst einigermaßen dunkeln Zustand der Jenischen Akademie lichte macht. Die meisten Studirenden, denen die res angusta domi nicht das Speichellecken anbehehlt, sind von der demonstrativen Ge- wißheit des Wolfischen Systems äusserst ein- genommen. Und ob zwar Dr. Buddeus bei den Höfen alles anwendet, diese Sekte zu stürzen, sich auch alle mühsam ersonnene Wege zu gehen so wenig, als sein Schwieger- sohn, der Dr. Walch, verdrießen läßt, und mein tiefsinniger Herr Wirth, der Prof. Syrbius, ') Matrikel der Universität Jena: (Nach Litzmann 4 Anm. 1.) °) Brief an Giseke vom 25. VII. 1748, Sammlung Lappenberg. 20. April 1726. 21 gratis und publice gegen die Wolfische Meta- physik, wiewohl oft in solitudine erudita und mit sehr lockrer Frequenz zu lesen fortfährt; so kann doch alle Mühe den Beifall der Wolfianer nicht schwächen, und alles Beten und Kopfhängen hilft nichts. ') Die Wol- fische Philosophie gleicht der Kriegsfahne, worüber der Italiäner Bartoli die Worte setzte: Quanto piü lacera, tanto piü bella. Es studirt hier ein sehr spekulativer Grieche, Parascevas,’) der ehedesten, indem er die Wolfische Lehre von Gott auf unumstößliche Gründe setzt, die sehr baufällige Struktur der Langischen Theodicee lächerlich machen will, welches in diesen Streitigkeiten eine der wich- tigsten Schriften sein wird. Der Mensch ist eines der unauflöslichsten Geheimnisse. Wir gleichen sehr oft den alten Leuten, die aus blossem Eigensinn, und der neuen Welt zum Trotz, in derselben Tracht einherziehen, die in ihrer Jugend gebräuchlich war. Die Neuigkeitensind uns verhaßt; unsere Fehlersinduns Tugenden: abundamusduleibus vitiis. Neue Erfindungen in den Wissenschaf- ten sind der menschlichen Trägheit und Ein- bildung entgegen. Jener, weil man sich mit dem gesammelten Weisheitsschatze begnügt, und nicht weiter grübeln mag; dieser, weil das Vorurtheil des Ansehens uns zu sehr schmei- chelt, und die Lehren unserer Altväter gleich- ') Buddeus, Walch und Syrbius waren Jenenser Theologieprofessoren. Der letzte hatte 1725 das feind- liche Gutachten über die Wolffsche Philosophie auf- gesetzt, vergl. Borkowsky, Das alte Jena und seine Universität (1908) 82. — Bei Syrbius wohnte Friedrich im Hause, vergl. Eschenburg V, 5. Im Hinblick hierauf schrieb die Mutter später an Christian Ludwig: „daher du Hertzens Ludewig ja auf die gedancken nicht kommen must, an eines Professores Tisch zu speißen ...; waß Gelegenheit die Tischgesellschaft zu depensiren und die Zeit zu verdendeln giebt, habe ich bei Friedrich erfahren.“ Litzmann 19. ®) Unter dem Namen Damian Sinopeus gab er verschiedene Verteidigungsschriften für die Wolfische Philosophie heraus. S. Ludovici, Geschichte derselben, Th. 3. S. 83. Anmerkung Eschenburgs. 22 sam das Recht der Verjährung gegen allen Widerspruch erhalten zu haben scheinen. Um nun den neuen Meinungen recht weh zu thun, giebt uns unser Verderbniß die Bosheit zur Waffe; und ist Verstand und Wille verderbt, so geben solche Klopffechter mit ihren Luft- streichen ihren Feinden zum Spotten, Klügern aber zum Hohngelächter Anlaß. Und so geht es auch bei der Verfolgung der Wolfischen Philosophie. Die Wahrheit will durch gewisse Erweise, nicht aber mit Schmähen vertheidigt, und lachend, nicht aber scheltend und lärmend, ridendo, non rudendo, gesagt werden. Denn Non tali auxilio, nec defensoribus_ istis Tempus eget.“!) - Der Jüngling, der sich hier so gescheit und welterfahren gebärdet, kannte aber auch Stimmungen, die aller Weltweisheit bar waren in denen er sich rückhaltlos dem poculo hilaritatis anvertraute und jene später an ihm bewunderte Fähigkeit ausbildete, andere beim Trunk zu überleben.’) Das sind die Stunden, aus denen seine ansehnlichen Schulden da- tieren. Lessing ließ sich später in Hamburg erzählen, er habe ihretwegen ein halb Jahr auf dem Karzer gesessen „Eine Zeit, die er sehr gut zubrachte“®) —, das ist wohl freie Erfindung, immerhin aber sind die Schulden wahrscheinlich die Ursache gewesen, die dem lieben lustigen Studentenleben nach andert- halb Jahren mit einem Schlage ein Ende setzten. Friedrich schreibt zwar am 13. Dezember 1727, „gewisse Koppenhagener Umstände“ ') hätten seiner Rückkehr erfordert, wie er über- haupt sich gerne den Anschein gab, er sei ein braver Studiosus gewesen und habe die '), In dieser abgekürzten Form bei Eschenburg V, 12f; das Original des Briefes damals im Besitz des Braunschweigschen Kammerdirektors Hugo, eines Neffen Weichmanns, vergl. Eschenburg V, 3. A) Äußerung des Lübeckers von Wiebekind, mitge- teilt in einem Briefe Christian Ludwigs an seinen Bruder vom 20. VIII. 1744, Wolfenbüttel 632, 15. ») Kollektaneen 325. ') Eschenburg V, 13—15. erübrigten „Neben-Stunden und die Zeit, in welcher sich andere an ihren Matadoren und vollen Stutzern vergnügen, auf die Poesie ver- wandt.“') Aber leider hat sich ein Briefwechsel zwischen einem Jenenser Professor und einem Hamburger Pastor erhalten, dereine ungeahnte Perspektive eröffnet. Der Jenaer war der Professor der Theologie Buddeus, dem wir eben in dem Briefe Friedrichs über Wolff be- gegneten, der Hamburger der Senior Winckler an der St. Nikolaikirche, ein Freund und Be- rater der Mutter Hagedorn.?) Winckler hatte seinerzeit dem jungen Stu- denten einen Empfehlungsbrief an Buddeus mitgegeben, den Friedrich auch abgab. Der erste Eindruck war auf seiten des Professors der denkbar beste, wie er in seinem ersten Briefe an Pastor Winckler bezeugt; Friedrich dagegen scheint wenig Gefallen an ihm ge- funden zu haben, wenigstens ging er frei- willig nicht wieder hin. Vielleicht daß ihm Buddeus als Feind von Wolff schon nicht an- genehm war. Der zweite Brief des Professors aber lautet wesentlich anders: ”) Hochehrwürdiger, Hochachtbarer und Hochgelahrter Insonders Hochzuehrender Herr Pastor. Hochgeschätzter Gönner. Ew. Hochehrwürden werthestes Schreiben ist mir sehr angenehm gewesen, weil ich dero beständige hohe Gewogenheit gegen mich mit Vergnügen darausersehen. Wasden Herrn vonHagedorn anlanget, so ist derselbe, nach- dem er mir Ew. Hochehrwürden erstes Schrei- ben übergeben, nicht wieder zu mir gekommen und hat mir also die Gelegenheit, ihm zu ') Versuch einiger Gedichte von F. v. H. 1729 Vorrede IIl. ?) Litzmann 47. °») Epistolae autographae ad Jo. Frid. Wincklerum S. 29 ff., Hamburg. Stadtbibliothek. dienen und mich seines Zustandes zu er- kundigen, selbst benommen. Dal} er sich nunmehr in der größten Unordnung und Cor- ruption befindet ist leider mehr als zu gewiss. Unterdessen habeich denselben zumirkommen lassen, und mit ihm geredet, ihm auch einige Vorstellung gethan und dabei Alles was Ewer Hochehrwürden in dero werthesten Schreiben verlanget, bestermaßßen beobachtet. Da er zwar unterschiedenes zu seiner Entschuldigung verwenden wollen, wie es ihm denn an Worten nicht fehlet, allein ermußtedochselbstgestehen, dass erin weitläuftigen compagnien stecke und Schulden gemacht habe. Ich fragte ihn, wie viel er schuldig wäre, da er mir zur Antwort gab, es wäre über 150 Taler. Ich habe aber von anderen gehöret, das er weit ein mehreres solle schuldig sein.’) Wenn ich nun in dieser Sache etwas rathen sollte, so würde wohl das beste Mittel seyn, denselben ohne einzigen Verzug von hier weg zu nehmen und ihn eine Zeitlang zu einem Mann zu thun, unter dessen inspection er in der Einsamkeit leben müßte, bis er wieder auf bessre Gedanken komme. So lang er hier bleibet ist keine Hoffnung, das er aus seinem Elend könne her- ausgerissen werden. Es scheinet auch der gute Mensch unter solche Lehrmeister oder Anführer gerathen zu seyn, welche ihm nicht die besten prineipia beygebracht, welches heutiges Tages leider mehr als zu gemein ist. Ich wündsche von Herzen, daß der gnädige Gott Ew. Hochehrwürden gnädiglich erhalten, und mit guter Gesundheit erfreuen wolle. Sollte es Gelegenheit geben, so bitte bey dem Herrn Dr. Fabricio wie auch bey dem Herrn Past. Wolfio meine gehorsamste Empfehlung zu machen. Im Uebrigen will mir dero hohe Gewogenheit ferner ausgebeten haben, als der ich versichern kann das mir nichts angeneh- ') Friedrich rät dem Bruder am 5. Sept. 1732 ab, wegen seiner dort hinterlassenen Schulden nach Jena zu gehen; er riskiere die Beschlagnahme seines Wechsels. Sammlung Lappenberg, vergl. Litzmann 98. 23 meres wiederfahren könne wie denn hiermit verbleibe Ew. Hochehrwürden Meines hochgeschätzten Gönners ergebenster Jo. Franc. Buddeus. Jena den 25. Aug. 1127% Dieser Brief ist vom 25. August 1727 da- tiert. Am 23. September war Friedrich noch in Jena.!) Kurz vor Semesterschluß scheint die Mutter dann den Rat des Professors be- folgt zu haben, indem sie Friedrich zurück- berief: ein Brief vom 13. Dezember 1727 ist bereits aus Hamburg datiert.”) So fröhlich die Vergangenheit, so ernst lag jetzt die Zukunft vor ihm. Die Mittel der Mutter waren denkbar beschränkt, ihr Wille, ihn zu unterstützen, nach den letzten Erfah- rungen zweifellos auch nicht allzu freudig. Friedrich mußte nehmen, was sich ihm bot, und derartige Gelegenheitsarbeiten, wie die „Schriften in einer ziemlich verwirrten Erb- schaftssache“, von denen er am 23. Februar 1729 einem Freunde schreibt, werden sein einziger Verdienst gewesen sein. Aus dem- selben Briefe aber geht hervor, daß seine Hoffnung damals noch unerschütterlich nach Kopenhagen blickte,’) wie er das auch in ') Dies Datum trägt der Brief über Wolff, vergl. S. 21. >) Eschenburg V, 13. ») Brief Friedrichs an einen Unbekannten („mon tres cher cousin“, gebürtig aus Holland). Er schreibt, es sei nicht seine Absicht, bei Seiner Exzellenz dem Herrn von W. in Dienst zu kommen, da dieser die Königlichen Dienste zu verlassen gesonnen und mit dem von ihm so hoch geschätzten Herrn Großkanzler in keinem besondern Verständnis zu stehen scheine. „Zudem ist mir noch Hoffnung genug übrig, unter göttlicher Hertzens-Lenkung und hoher Gönner Vor- sprache vor den künftigen Sommer mein Brod und eine Stelle auszuwircken, wodurch ich zu ferneren Ge- schäften brauchbar gemacht werde; insonderheit da anwesend dasjenige zu versuchen gedenke, was ich ab- wesend durch Schreiben umsonst erbeten.“ Kopen- hagen, Kgl. Bibliothek, Böllings Sammlung. 24 seiner Satire „Der Schwätzer“, gedruckt 1729, zum Ausdruck brachte: „Das weite Norden zeigt durch vieler Beyspiel an, Wie-immer Witz und Kunst dort Zuflucht finden kan: Es darf kein Musen-Sohn am Belte brodlos sterben: Verdienste werden stets des Königs Huld erwerben. Es zeigt sein weises Volk noch manchen Bartholin, Noch manches Amthors Geist, dem dieser Glücks- Stern schien: Und ich ereile noch mit freudigem Gemüthe, Aus angebohrner Treu die königliche Güte.“ ') Diese Hoffnung aber, die auch Anna Ma- ria lebhaft teilte, erwies sich als trügerisch, und mit bitteren Worten suchte Friedrich später dem jüngeren Bruder die gleiche Enttäuschung zu ersparen: die 30jährigen Dienste des Va- ters würden dem jüngeren Sohne so wenig nützen wie dem älteren.’) Und doch sollte die ersehnte Hilfe von dänischer Seite kommen, nicht amtlich, aber privat; denn noch im selben Jahre (1729) en- gagierte der dänische Gesandte in London Freiherr von Söhlenthal Friedrich als seinen Privatsekretär; zu einem Amte also, mit dem der 21jährige junge Mann wohl zufrieden sein durfte und das ihn wie später seinen Bru- der in Dresden leicht in den Staatsdienst hätte überleiten können. Ein Gehalt war mit dieser Stellung nicht verknüpft, doch wohnte und aß Friedrich bei dem Gesandten.’) Friedrich ist etwa zwei Jahre in London gewesen und hat sich ihrer dauernd als des Höhepunktes in seinem Leben erinnert, als „der einzigen Jahre, die (er) wieder zu er- leben wünschte.“!) Die Ursache hat er selbst oft ausgesprochen: es war die Harmonie seines und des englischen Wesens (es wird davon noch die Rede sein), die rasch zu einer festen und dauerhaften Sympathie auf beiden ') Versuch einiger Gedichte, 1729, 46. ?) Brief in Lappenbergs Sammlung vom 6. Ill. 1732. ”) Schmid 374, Lessings Kollektaneen 325, Eschen- burg IV, 8. ") An Bodmer 19. IX. 1748, Univ.-Bibliothek Zürich. Seiten führte; ihr letzter, für Hagedorn so wichtiger Ausdruck sollte später seine Sekre- tärstelle beim Englischen Court in Hamburg werden. — Nach Nachrichten, die Anna Ma- ria von Freunden und Bekannten Friedrichs erhielt, war Söhlenthal ihm gewogen und die Liebe und estime der Engländer so ungemein, daß sie bei einer Wegberufung des Gesandten Friedrich an seine Stelle verlangen würden. Die Mutter sah schon goldene Berge: eine Carosse für sich und ein soubpe für ihren Louis.!') Aber als Söhlenthal 1731 abberufen wurde, ging Friedrich mit.) Söhlenthal ward Präsi- dent beim Obergericht in Schleswig, Friedrich wartete vergeblich auf eine Sekretärstelle da- selbst.) So stand er wiederum vor dem Nichts, hatte Schulden aus England mitgebracht‘) und mußte wiederum nehmen, was sich ihm irgend bot. In seinem Briefe vom Anfang des Jahres 1732 klagt er seinem Bruder, daß er des täglichen Brodes willen manches tun müsse, wozu ihn, Christian Ludwig, sein hitziges Temperament untauglich mache;?) und dahin wird er es selbst gerechnet haben, wenn er für einen Juden vier Suppliken aufsetzte und sich in praemium laboris den Kanaster erbat, den er dem Bruder zum Geschenk versprochen hatte.‘) Dieser aber wird seinen Augen nicht getraut haben! ') Litzmann 16, 42. — Wir hören auch von einer schriftstellerischen Tätigkeit Friedrichs in London; sie war jedenfalls unbedeutend, umfaßte anscheinend Über- setzungen, vergl. Litzmann 16 u. 34; Christian Ludwig zeigt einiges im Juli 1733 seinen Jenaer Freunden, vergl. Wolfenbüttel, Nov. 630, 9. °) Er traf am 9. Juli 1731 in Hamburg ein, aber nicht über Holland (Eschenburg IV, 9), Litzmann 34. 42. ”) Litzmann 42. ') Brief an Christian Ludwig vom 6. Ill. 1732, Sammlung Lappenberg. ib. ®) Brief an Christian Ludwig vom 22. I. 1732, Samm- lung Lappenberg. Anfangs scheint Friedrich seine Hoffnung noch nach England gerichtet zu haben. Die Mutterspricht davon,') und der Bruder schreibt einmal launig: „Wenn Johnn nach Engelland gehet: so ist noch nicht alle Hoffnung ver- schwunden, liebster Bruder; ich will mich nicht darauf beziehen, daß er ein guter Freund unseres Hauses gewesen, sondern du darfst dich nur anheischig machen, alles wieder auf- zuheben was er mit seinem Ellenbogen compli- mentando über den Haufen wirft, zum Exempel wenn er bei der ersten Audience den König- lichen Baldachin umschmeißt, solchen wieder aufzurichten: so wird er froh seyn, dich mit- zunehmen.“ °) Indessen das blieben Hoffnungen: weder England noch Dänemark boten ihm eine Zu- flucht, und was seine Lage noch schwerer machen sollte, war das getrübte Verhältnis zur Mutter. Dies ist nämlich die Zeit, aus der uns die Briefe der Anna Maria an ihren jüngeren Sohn erhalten sind. Während der ersten dieser Briefe ist Friedrich noch in England, und die Mutter erwartet den Sohn zurück, der sich die Ach- tung Söhlenthals und der Engländer erworben hat. Seiner Ankunft aber gehen zuletzt Nach- richten von allerhand Unordnungen und Ver- lusten voraus, die die Mutter um so unan- genehmer empfindet, als sie es immer wieder schaffen muß.’) „Ach Ludwig gedencke die haußhaltung mit ihm, was wil daraus werden. Er solte doch einmahl anfangen hauß- halter und ordentlich zu werden, nicht alles verlieren noch sich stehlen lassen.“') — Die gemeinsame Haushaltung hat denn auch nur kurze Zeit gewährt: am 22. Januar 1732, viel- leicht schon wesentlich früher, hat Friedrich ') Litzmann 83. >) 22. 11. 1733, Wolfenbüttel, Nov. 630, 5. — Über Johnn vgl. Zeitschrift des Vereins für Hamb. Ge- schichte III, 429. °») Litzmann 20, 38. *) Litzmann 21. 25 eine eigene Wohnung. Von nun ab haben sich Mutter und Sohn recht selten gesehen. „So unverbeßerlich auch mein Wille, so sehe ich doch unsere liebe Mutter kaum jede Woche“!) wegen zu großer Beschäftigung; und wenn sie einander sahen, so sprachen sie von gleichgültigen Dingen: wie tief resig- niert sind die Worte der alten Frau „ich habe die kurtze Zeitt von indifferenten Dingen gesprochen, umb ihn mit meine gegenwart und discurse nicht lästig zu fallen.“ *) Die Ursache dieser tiefgehenden Ver- stimmung waren im Grunde nichts als die Schulden und die mit ihnen nicht im Ein- klang stehende Lebensweise des Sohnes. Die Mutter klagt, Friedrich sei der Meinung, „es stehe Privatpersonen gut an, schuldig zu seyn, weil es an großen herren nicht zu tadlen; aber ach wie betrübt mich, daß ich ein solch gemüth an ihm wahrnehmen mus.“’) Was half es der. alten Frau, wenn sie sich sagen durfte, „dumme Gutheit ohne judieium“ bringe ihren Sohn ums Geld,') denn Friedrich hat sein Leben lang Bedürftigere gesucht und ihnen geholfen — das Resultat war doch das gleiche: die Zukunft lag überaus ernst vor ihr, zumal auch das Silberzeug, das letzte refugium der Familie, einem unbekannten Begehren Friedrichs bereits geopfert war.’) Da endlich bot sich ein Ausweg; er war nicht standesgemäß, aber Friedrich kannte keine Bedenklichkeit, zumal unter den da- maligen Umständen: er nahm eine Hofmeister- stelle bei dem englischen außerordentlichen Gesandten von Wich an;') „der Her Envoye und seine Liebste haben Friedrich versichert, !) Briefan Christian Ludwig vom 22. I. 1732, Samm- lung Lappenberg. Friedrich wohnte also nicht mehr bei ihr. ?) Litzmann 46. “) Litzmann 9. ') Litzmann 87. °) Litzmann 38, 44. ") Siehe Anhang S. S6f. 26 wenn er nur wol bey Ihrem Sohn thäte, daß Sie, so lange sie lebten für ihn sorgen wolten, daß er keinen Mangel haben sollte.“') Anna Maria war tief beschämt — hatte doch Wich die Familie in ihrem Glanze gekannt — und wäre am liebsten davongezogen, „umb kein gegen- wärtigen Zeugin abgeben zu dürffen“,°) und ebenso dachte Christian Ludwig; noch in spä- teren Jahren schreibt er einmal an Friedrich: „Sei versichert, daß ich dich, solange ich lebe, nicht in Hamburg in Ruhe lasse, bif} du deiner Capacite (nicht deiner commodite) gemäß ver- pflanzet bist und das ehemalige Etablissement bei Wich, zur Ehre unseres seeligen Vaters, in billige Vergessenheit geraten ist.“°) Friedrich selber aber war nach dem Geständnis seiner Mutter reichlich versorgt und so vergnügt, als wenn er eine köstliche Charge bei Hofe be- diente.') Friedrich, der übrigens kein schlechter Pädagoge war, sondern — wie so oft im Leben — die Theorie da am besten kannte, wo ihm die Praxis am meisten mißlang,’) war nur etwa anderthalb Jahre der Erzieher des jungen Wich. In diese Zeit fällt der Tod seiner Mutter (10. Oktober 1732) und - wohl in Erbschaftsangelegenheiten — eine Reise nach Halle, wo er sich mit Christian Ludwig traf und ihn nach Jena begleitete. Dort haben sich die beiden Brüder, die in herzlicher und tatkräftiger Liebe aneinander hingen, zum letztenmal gesehen. Das war im Dezember 1732.°) Friedrich kehrtenach Hamburg zurück, und hier bescherte ihm im Jahre 1733 ein wahrhaft ') Litzmann 54. ®) Litzmann 54. ») Wolfenbüttel Nov. 631,66. ') Litzmann 54. Sein Gehalt anscheinend 200 Taler, Litzmann 52. ’) Vergl. die gescheiten Briefe dieser Zeitan seinen Bruder auf der Universität, Eschenburg IV und Samm- lung Lappenberg. ') Schmid 376; bestätigt durch einen Brief Chri- stian Ludwigs an Friedrich, Wolfenbüttel Nov. 630,56. gütiges Geschick das Sekretariat am Eng- lischen Court; vielleicht war es eine Frucht seines englischen Aufenthalts, vielleicht auch dankte er es der nie veränderten Gewogenheit und Fürsprache des englischen Gesandten Wich. Nun war er lebenslang geborgen, hatte ein gutes Gehalt, freie Wohnung, mäßige Arbeit und eine geachtete Stellung. — Ein Jahr zuvor, und Anna Maria hätte Zeugin seines Glücks sein dürfen. 2. Jugendwerke. An diesem Wendepunkt von Friedrichs Leben wollen wir kurz seine erste literarische Tätigkeitüberblicken. Der Triebzum Dichten, in bescheidenem Maße ein Erbteil vom Vater, hat sich früh in dem Knaben geregt. In der ersten Sammlung seiner Gedichte, dem Ver- such von 1729, erinnert er sich dieser kind- lichen Reimereien und beschreibt seinen Eifer in reizenden, anspruchslosen Versen: „Mich hat von Jugend auf ein starcker Zug regiert, Der den gereizten Sinn zum Dichten angeführt: Der Kindheit liebster Schertz und kaum verständlich Lallen, War oft ein Reimlein zart, das andern nicht mißfallen. Ich nahm zum Zeit-Vertreib die Poesie schon an, Eh noch der schwache Fuß zum Gehen Krafft gewann, Und eh die kleine Hand die Lettern deutlich schriebe, Empfand schon meine Brust zu Versen Lust und Liebe; Weil oft der Alten Lob in meinen Zunder bließ, Und ohne Schelten mich den Reim verstimmen ließ, Da, wann des Vaters Mund des Sohnes Blat belachte, Mir gleich ein frischer Muht zum neuen Scherz erwachte. So ging ich und mein Reim: ich haßte Lust und Spiel, Warff Ball und Docke weg und übte Witz und Kiel: Ein Eifer trieb mich an, in ungestallten Zügen, Den innerlichen Ruf zum Dichten zu vergnügen: Ich mahlte sonder Ruh auf Bank und Tafel ab, Was mir mein wildes Feu’r an Wort und Einfall gab.“ ') Was bei diesem kindlichen Bemühen her- aussprang — Friedrich war 12 Jahre, Christian ') F. v. H. Versuch einiger Gedichte, oder Erlesene Proben Poetischer Nebenstunden. Hamburg, bey König und Richter 1729. (Neudruck von Sauer in Deutsche Litteraturdenkmale des 18. Jhdts. 10. Heilbronn 1883.) S. 101 bezw. 88. Ludwig 8, als der Vater ihre Verse drucken ließ —, ist billig der Vergessenheit anheimge- fallen. Essind Gelegenheitsgedichte, die nichts von dem künftigen Dichter ahnen lassen.') Viel interessanter sind dagegen die beiden satiri- schen Prosabriefe im Hamburgischen „Patri- oten“ von 1726, die er noch auf dem akade- mischen Gymnasium geschrieben hat. Sie zeigen bereits die elegante, präzise und ge- dankenreiche Sprache, die Hagedorn wie kaum einem seiner Zeitgenossen zu Gebote gestan- den hat, und ihr Thema ist jene Art der Sa- tire, die er lebenslang geübt hat, hier die Schilderung (jugendlicher) Fehler und Tor- heiten, vorgestellt in verschiedenen Charak- teren des „eleganten Müssiggangs; der Ver- säumniß der Wissenschaften und der Pflichten; der eitelen Hoffahrt; der Unmässigkeit“ usw.?) In einem Briefe dieser Zeit (1726) lesen wir denn auch das später oft wiederholte Bekennt- nis, daß keine „Katechisation, Trost, Lehre und Vermahnung so viel fruchte als ein lehr- reicher Scherz und die freie Entdeckung der Torheiten“°); das ist der Grund und Boden, in dem seine lehrhafte und satirische Poesie wurzelt. Nebenher entstanden Gedichte, gereimte Satiren und Charakterschilderungen, die in der „Matrone“*') und Weichmanns „Poesie ') In Auswahl bei Eschenburg IV, 155 ff} einzeln aufgeführt im Hamburger Schriftstellerlexikon IIl, 57. ®) Der Patriot, Hamburg bey Johann Christoph Kißnern, 1726, Nr. 111; unterzeichnet Philaretus und Charles von Sotenville. Von Eschenburg leider nicht aufgenommen, obgleich beide Briefe des Abdrucks viel würdiger als etwa die kompilatorische Abhandlung von den Trinkgefäßen der Alten IV, 145 ff. — Über Fried- richs sonstige Tätigkeit für den Patrioten vergl. seine Briefe an Weichmann, Eschenburg V, 1-15. ») Brief an Weichmann aus Jena vom 25. X. 1726, Eschenburg V, 8. ') „Matrone“, Wochenschrift 1728— 30, herausge- geben von J. G. Hamann, der eine Zeitlang Christian Ludwigs Hauslehrer war; vergl. Eschenburg IV, 33 f. Über Hamann vergl. Litzmann 14 (mit Anmerkung), 65. 27 der Niedersachsen“ '!) erschienen. Wir über- gehen sie hier; sie haben für Hagedorn wenig Bezeichnendes, und er hat sich ihrer später energisch gewehrt, wünschte, sie nicht ge- schrieben, noch weniger dem Druck über- geben zu haben.‘) Nicht viel anders steht es um die erste Sammlung seiner Jugendgedichte, den „Ver- such“ von 1729.”) Lessing fand sie „noch immer merkwürdig“,') Schmid aber, der erste Biograph des Dichters, schrieb, die Musen müßten ihn wohl sehr geliebt haben, daß sie ihm solche Verse vergaben.’) Und das war alsbald auch Hagedorns Ansicht: die Erinne- rung an diese erste Sammlung ist ihm zeit- lebens peinlich gewesen, und in seinen Briefen liest man gar nicht selten Äußerungen wie „Niemals hat ein Buch den Titel eines Ver- suchs mehr verdient, als eben dieses. Es steckt so voller Fehler, daß ich der Welt gleichsam eine öffentliche Buße schuldig bin.“®) Das in- teressanteste an der ganzen Sammlung ist ei- gentlich ihre Vorrede, nicht nur weil ihre Sprache wieder so leicht und klar und doch voller Antithesen dahinfließt, sondern mehr noch wegen der in ihr entwickelten theore- '!) „Poesie der Niedersachsen“, herausgegeben von Weichmann, später Kohl. (Über letzteren vergl. Eschen- burg V, 21 und Litzmann 66 mit Anmerkung.) Hage- dorns Beiträge verzeichnet Eschenburg IV, 46, An- merkung. 2) Eschenburg I, 137, Anmerkung. ») Vergl.26 Anm. I; nach Hagedorns Brief an Bodmer vom 3. VII. 1742, Eschenburg V, 86, war die Herausgabe dieser Gedichte veranlaßt durch J. G. Ha- mann. Das Hamb. Schriftstellerlexikon III, 58 weist in einer etwas verworrenen Notiz auf den Jenaer Prof. Stolle hin. ") Kollektaneen 330. °») Biographie der Dichter II, 368. ') Brief an Bodmer vom 3. Vll. 1742, Eschenburg V, 86; oder an Gleim vom 23. VI. 1745, Eschenburg IV, 36, Anmerkung: „Indeß sind sie so beschaffen, daß ich nur zu gern alle Exemplare aufgekauft und vertilgt hätte.“ — Eine nichtssagende Kritik im 34. Stück (29. IV. 1729) der Niedersächsischen Neuen Zeitung, Ham- burg 1729. 4* 28 tischen Anschauungen, die mit der Praxis noch in barem Widerspruch stehen. Wie schön weiß Hagedorn hier das Ziel, dem seine Muse zustrebt, zu beschreiben: „Die Anmuht mit der Tiefsinnigkeit, das Feuer mit der Ordnung und Reiffe, die Schönheit wohl- gewählter Worte mit der Schönheit neuer Ge- dancken, die Natur mit der Kunst zu ver- binden“;'!) aber wie schwer sind seine Ge- dichte in der Praxis noch mit „fremdem Zier- rath, schwülstigen Gedancken und falschen Schönheiten“) beladen! Oder: wie begeistert weiß er seinen Beruf zu preisen: „Es ist der Poet von einem eintzigen Gegenstande gantz eingenommen; er erblicket, er betrachtet, er erkennet nichts, als solchen allein. Sein Hertz gewinnet eine eifrige Liebe zu einer gewissen Sache, und er besinnet sich kaum, daf) außer dieser noch andere Dinge vorhanden. Eine un- gemeine Gewalt bemeistert sich seiner Seele: ein außerordentlicher Trieb führet oder reisset ihn vielmehr auf neue Wege. In diesem so glücklichen Augenblicke durcheilen seine Ge- dancken Welt, Natur, Zeit und Geschichte: denn nichts hält sie auf, nichts giebt ihnen Gesetze... .“°) Aber wie wenig ist von diesem leidenschaftlichen Schwung in die fol- genden Gedichte übergegangen! (einzig die Ode vom Wein läßt manchmal gleiche Töne hören!) und darin hat auch die Folgezeit !) S. VIII, Sauer S.6; vergl. die ähnliche Formu- lierung Wernikes „Sintemal sich (am preußischen Hofe) einige vornehme Hoffleute hervor gethan, welche Ord- nung zu der Erfindung; Verstand und Absehn zur Sinn- ligkeit; und Nachdruck zur Reinligkeit der Sprache in ihren Gedichten zu setzen gewußt.“ (Zitiert von E. Schmidt in der Allg. d. Biogr. XLII, 92.) 2)2S. VII, Sauer Ss. 5. >) S. XII, Sauer’ S. 7. ') „So brausender, als süsser Most! Du jährend Marck der schlancken Reben! Geschenck des Bacchus: Nectar Kost! Laß Dein Verdienst den Reim erheben. Du feuerreicher Götter-Safft! Auf! gib allhier den Worten Kraft: Auf! laß mir Wort und Reim gelingen... “ nichts geändert: Hagedorn ist nichts weniger als ein innerlich schwungvoller, Iyrischer Poet geworden. Was diesen Mann schließlich auf- wärts geführt hat, ist nicht der mächtige Zug eines vollen Herzens, sondern sein tadelloser, durch unzählige Einwirkungen bewußt geläu- terter Geschmack.') Es ist ein merkwürdiger Gang des Ge- schicks: der Jüngling, der von den Fluten eines wilden akademischen Lebens fortge- rissen zu sein scheint, und dessen Poesie so himmelweit von allem Geschmack und aller Mäßligung entfernt ist, sollte bald darauf die erste Kompetenz Deutschlands in Dingen des Geschmacks und der weisen Mäßigung werden. Wir kehren zunächst zu seiner Lebens- geschichte zurück. 3. Sekretär am Englischen Court. Das neue Amt, das Friedrich 1733 als Se- kretär des Englischen Court übernahm, war keinschweres.’) Die Kompagnie der Merchants Adventurers (gegründet 1567) bestand im 1S. Jahrhundert nur aus 20 Mitgliedern, und ihrem Sekretär lag die Ausstellung der Zoll- zettel und wohl auch der Schriftverkehr mit dem Senat und der englischen Heimat ob, soweit ihn nicht der erste Vorsteher der Ge- sellschaft, der Courtmaster, selber erledigte. Schwer kann die Aufgabe, zumal für einen so federgewandten Mann wie Hagedorn, nicht gewesen sein, denn unter seinen Nachfolgern S. 13. Sauer 22. Gedichtet 1728, vergl. Brief an Bodmer 28. IX. 1745, Univ.-Bibliothek Zürich. ') Sein achtungsvolles Verhältnis zu ältern Dichtern siehe Anhang S. 87. Über seine Tätigkeit an den Hamburger Zeitungen vergl. Litzmanns inhaltreiche Schrift über C. L. Liscow (1883) 111—114, 121. — Über Arbeiten aus der englischen Zeit vergl. S.24 Anm. |. °) Für diesen Abschnitt vergl. als Hauptquelle Heinrich Hitzigrath, Die Kompagnie der Merchants Adventurers und die englische Kirchengemeinde in Hamburg 1611-1835. 1904. 8"; dazu den Aufsatz desselben Verfassers im Hamburgischen Correspon- denten 1901. j fanden sich dreimal Ärzte, die neben dem Sekretariat ihre Praxis zu erledigen Zeit fanden. Friedrich hat denn auch nie eine er- hebliche Klage verlauten lassen. — Als Ent- gelt dieses auf Lebensdauer verliehenen Amtes gewährte die Gesellschaft ein Gehalt von 100 £!) und freie Wohnung im Englischen Haus, Gröningerstraße 42; außerdem genoß der Sekretär, einerlei welcher Nationalität, die sämtlichen sehr zahlreichen Privilegien des Court, unter welchen Friedrich die Zoll-, Steuer- und Akzisenfreiheit besonders will- kommen gewesen sein wird, da sie ihm den „feuerreichen Götter-Safft“ so wohlfeil zuführte. Welches Gefühl des Glücks ihn damals durchströmte, sagen ein paar Verse, die uns an verstecktem Orte erhalten sind: „Mein eigner Herr und Freund in einer eignen Hütten, Mit Titeln unbeschwert, ein Mitglied freier Britten, Nicht dürftig, auch nicht reich, entfernt von Schand und Neid, Wünsch’ ich dem ärgsten Feind des Hofes Eitelkeit.“ °) Das Glück seiner äußern Umstände wurde durch die innere Harmonie erhöht. Von seinem ersten Aufenthalt in England hatte er die denkbar größte Sympathie für diese „glückselige Nation“ mitgebracht, ja schon mit hinübergenommen.’) Die Jahre in Eng- land sind ihm später, wie er Bodmer schreibt, die einzigen, die er noch einmal zu erleben wünscht.!) Grundzüge seines eigenen klaren, ') Hitzigrath sagt nichts vom Gehalt; Lessing, Kol- lektaneen 325, 600 Taler; Eschenburg IV, 11, 100 Pfund. ”) „Hamburg und Altona. Eine Zeitschrift zur Ge- schichte der Zeit, der Sitten und des Geschmacks.“ V. (1806), 2 S.309, und zwar aus der Behrmannschen Manuskripten-Sammlung. (B. „als Schriftsteller für die Bühne bekannt“ war ein Freund Hagedorns, der seiner im Briefwechsel mit Bodmer mehrfach anerkennend gedenkt; ein Brief B.s an H. in der Lappenbergschen Sammlung, 17. VII. 1749.) ") Eschenburg V, 15. ‘) An Bodmer 19. IX. 1748, Universitätsbibliothek Zürich; vergl. die nahe verwandten Urteile des Hage- 29 natürlichen und verständigen Wesens fand er im englischen Charakter wieder, und so ent- wickelte sich wechselseitig ein Verhältnis dauernder Hochachtung. Zwei Dinge vor allen haben ihn angezogen und in seiner Poesie ihr Echo gefunden: Das englische Gefühl für Freiheit und die englische Schätzung der geistigen Bildung. Der Freiheit, die ihm „mehr angebohren, als eingeflößt worden“,') gelten die Verse: „O Freyheit! dort, nur dort ist deine Wonne, Der Städte Schmuck, der Segen jeder Flur, Stark wie das Meer, erquickend wie die Sonne, Schön wie das Licht, und reich wie die Natur.“ ') Bei einem so lebhaft ausgeprägten Freiheits- gefühl — es kommt in seiner Poesie noch öfter zum Ausdruck?) — durfte Friedrich sich doppelt glücklich preisen, daß sein Geschick ihn nicht mit „des Hofes Eitelkeit“ verknüpft hatte, sondern mit einer Handelsgesellschaft, deren Gliedern er frei und gleichgeachtet gegenüber- stand. Und hier unter ihnen fand er denn auch jenen andern Zug wieder, der im Mittel- punkt seines eigenen Wesens und oft genug auch seiner Poesie stand: das Streben nach Bildung und Kenntnissen. Die zahllosen An- merkungen zu seinen Gedichten legen davon schon äußerlich ein nur allzu beredtes Zeug- nis ab, und schon zu seinen Lebzeiten sah Hagedorn sich genötigt, ihre Existenz zu ver- teidigen.’) Aber wie dem auch sei — er fand dorn bekannten Redakteurs des Hamburgischen Corre- spondenten Lamprecht, bei Litzmann, C. L. Liscow (1883) 107. ') „Der Weise“ 1741, Eschenburg I, 16. °) „Du schönstes Himmelskind! Du Ursprung bester Gaben, Die weder Gold erkauft, noch Herrengunst gewährt, O Freyheit! Kann ich dich nur zur Gefährtin haben, Gewiß, so wird kein Hof mit meinem Flehn beschwert.“ „Wünsche.“ 1733. Eschenburg I, 39. *) Eschenburg I, XXXIIl. Eschenburg hat sie etwas vermindert I, IX. Auch der Freiherr von Bielfeld nahm Anstoß an ihnen, siehe dessen Freundschaftliche Briefe, Danzig und Leipzig 1770 °, 1, 228 (20. VIII. 1740). 30 Verständnis für sein Streben auf englischer Seite, und nicht nur in Worten! Er, und durch ihn wieder andere — z.B. der sächsische Dichter Fuchs!) —- haben oftmals englische Unterstützung erfahren, und Hagedorn hat in seinem vielbewunderten Lehrgedichte „Der Weise“ die Gelegenheit ergriffen, diesen Zug des englischen Wesens zu feiern: „Wie edel ist die Neigung echter Britten! Ihr Überfluß bereichert den Verstand. Der Handlung Frucht, und was ihr Mut erstritten, Wird, unbereut, Verdiensten zugewandt; Gunst krönt den Fleiß, den Macht und Freiheit schützen; Die Reichsten sind der Wissenschaften Stützen.“ °) Und schließlich gab es noch ein drittes Gebiet, auf dem Hagedorn und die Engländer sich merkwürdig gut verstanden: das weite Gebiet der Lebensfreude. Die Mitglieder des englischen Court waren große Herren ge- worden, besaßen schöne Landhäuser an der Elbe und an der Bille, hielten sich einen Jäger aus der Courtkasse und einen Reitstall auf dem Gänsemarkt, feierten rauschende Feste, besonders an den heimischen National- tagen, kurzum es herrschte eine Geselligkeit, wie sie keiner mehr zu würdigen wußte als der Sekretär dieser hochpreislichen Societät. Und da ihnen der Wein akzisefrei zufloß, so wird es auch hierin noch so gewesen sein, wie John Taylor es 1616 schildert: „Bei der Mahlzeit ward ich als ein Fremdling an den fürnehmsten Platz bei der Tafel befördert, wo einem alten Brauch zufolge jedermann sich alle erdenkliche Mühe gab, mir zum Will- komm eins zuzutrinken, in welcher Art des Zechens unsere Engländer nachgerade so stramme Fortschritte gemacht haben, daß einige von denselben es mit den Deutschen, ihren Lehrmeistern, frank und frisch auf- nehmen.“ °) So ist es denn kein Wunder, wenn Hage- ') Vergl. S. 46. °) Eschenburg I, 16. ') Hitzigrath im Hamb. Correspondenten 1901. dorn etwas vom englischen Wesen annahm. Er selber merkte es und gestand es oftmals zu; dem blinden sächsischen Dichter Enderlein gegenüber bezeichnete er sich als „halben Engländer“;') Bodmer gegenüber gesteht er, daß ihm „die Art zu denken und die Sprache der Engländer gewiß üblicher und vielleicht eigener sei als der Deutschen“;?) und Büsching, der ihn 1751 kennen lernte, schilderte ihn so: „Als ich ihn... empfing, und einen leb- haften Mann erwartete, erblickte ich einen ernsthaften, in sehr ehrbarer, mehr alt- als neumodischer Kleidung, der zu mir sagte, nehmen Sie nicht übel, daß ich so wenig Complimente mache, ich habe mich an das trockne Wesen der Engländer gewöhnt, usw.“ °) Auch die Vorliebe des Dichters fürs Kaffee- haus, in dem er die Besuche derer, die ihn kennen zu lernen wünschten, empfing, erklärte man aus seiner Vorliebe für englische Sitten.') Ein äußerer Ausdruck mag schließlich auch sein Übertritt zur High Church sein, doch steht hier das Freiwillige nicht fest.’) 4. Ehe. Größere Ereignisse sind fortab nicht mehr in Friedrichs Leben getreten, das größte noch ist die Ehe, die er am 28. November 1737 mit Elisabeth Butler, der Tochter des englischen Courtschneiders, schloß.°) Es ist mißlich, je- mand sein Eheglück nachzurechnen; groß war hier die Summe gewiß nicht, vielleicht aber ') Eschenburg V, 74. >) Universitätsbibliothek Zürich 3. VII. 1742. ’) Beyträge VI (1789), 198. ') Herold in den Hamb. Adreß-Comtoir-Nachrichten 1800, 347. >) Anscheinend schon 1732; vergl. Brief an den Bruder vom 20. VIll. 1732, Sammlung Lappenberg. °) „according to the Rites and Ceremonies of the Church of England by Charles Lake“, Hitzigrath, Die Kompagnie der Merchants Adventurers 42 Anm. 2, 94. Ein Gedicht auf diese Hochzeit „von einem treuen Freund“ in Behrmanns Sammlung auf der Stadt- bibliothek Hamburg. doch auch nicht so klein, wie traditionell be- hauptet wird. In dem Bestreben, Friedrich möglichst weiß zu waschen und seine Liebe zum Wein und zu geselligen Freuden als die natürliche Entschädigung für das mangelnde häusliche Glück hinzustellen, hat man Elisabeth möglichst abschreckend gemalt: alt, buckelig und dazu noch unvermögend.') Das ist denn doch ein wenig stark aufgetragen. Einmal spielt die Altersdifferenz damals noch eine sehr nebensächliche Rolle, im übrigen war Elisabeth ein halb Jahr jünger als Friedrich, d. h. sie hatte gerade ihr 29. Jahr vollendet; zum andern ist von ihren äußeren Reizen nichts bekannt, und endlich hatte sich hinsichtlich ihrer Vermögens- lage ein so gescheiter Mann wie Friedrich nicht verrechnet. Wenn trotzdem kein Wandel in seinen Glücksgütern eintreten wollte, so lag das an der sehr ökonomischen Schwieger- mutter, die zwar auf Zins an Christian Ludwig in Dresden auslieh,’) den armen Poeten aber sehr knapp hielt. Friedrich hatte sie mit in das Englische Haus übernehmen müssen, und so mochte sie bald einen unangenehmen Ein- blick in seine Haushaltungskunst gewonnen haben. Jedenfalls hielt sie mit ihren Unter- stützungen zurück, und Friedrich, der es mit ihr nicht verderben durfte, stand zu ihr ineinem Abhängigkeitsverhältnis, das der Komik nicht entbehrte. Er schüttete dann das volle Herz dem Bruder in Dresden aus; dieser zerriß als vorsichtiger Diplomat den peinlichen Bogen und tröstete den armen Friedrich aus seinem immer liebevollen Gemüte. Andere aber be- nutzten die Gelegenheit zum Spott, und so malt ihm sein Freund Stüven in einer poetischen Epistel ein Land aus, das neben anderen !) Herold inden Hamb. Adreß-Comtoir-Nachrichten 1800, 347; Lessing, Kollektaneen 325; Eschenburg IV, 12f.; u.a. 2) Vergl. z. B. Wolfenbüttel Nov. 631, 15 — 11. Vl. 1742. Zum Neujahr wünscht Christian Ludwig dem Bruder „eine ergiebige Schwiegermutter“, 631, 30 — 2. 1. 1743. Su Vorzügen auch den bietet: „da fürchr't kein Schwieger Sohn die Mutter seiner Frau“.!) Über Elisabeth selber ist wenig bekannt. Sie hat ihren Mann in seiner letzten Krank- heit treu gepflegt, wie er selbst bezeugt, und hat die Sympathie ihres Schwagers in Dresden besessen, der sie in ihrem Witwenstand le- benslänglich mit einer Rente unterstützte und ihr testamentarisch sein Silberzeug vermachte. Beides wäre wohl unterblieben, wenn sie die anfangs erwähnte Xantippe gewesen wäre.”) Kinder sind dieser Ehe nicht entsprungen: 5. Pläne und Hoffnungen. Äußere Ereignisse spielen fortab keineRolle mehrin Friedrichs Leben. Nurvon Plänen und Hoffnungen ist hier noch kurz zu berichten. Als Cyrill von Wich, der englische Ge- sandte und Gönner des Dichters, 1741 sein Amt niederlegte,') beabsichtigte er nach Pe- tersburg') zu gehen und Friedrich als seinen Privatsekretär mitzunehmen. Dieser beriet die Sache heimlich mit seinem Bruder und erhielt von ihm die Antwort:’) Wich würde ') Baireuth 12.1X. 1741, Sammlung _Lappenberg. Über Stüven vergl. A.D. B. 37, 94ff. — Die Schwiegermutter war eine geborene Mitley, verwitwete Wolfenden (Hitzigrath 15, 1), seit dem 10. Il. 1708 verheiratete Butler. Sie stirbt am 2. VII. 1751, also 3 Jahre vor Friedrich, im Alter von 66 Jahren, an den Folgen eines unbekannten Unfalls, der auch ihre Tochter sehr schwer betroffen hat, vergl. Friedrichs Brief an Giseke 2. VII. 1751, abschriftlich in Sammlung Lappenberg. ?2) Brief Friedrichs, Eschenburg V, 120; Brief Chri- stian Ludwigs, Wolfenbüttel Nov.633,24; sein Testament, Dresden Amtsgericht H. 655, 100. — Übrigens dürfte die größere Hälfte von Friedrichs letztem Brief an den Bruder von ihr geschrieben sein, zuerst nach Diktat. Die Worte sind deutsch, der Duktus englisch. Der Name in der Unterschrift ist weggerissen,;, Sammlung Lappenberg. Der Eschenburg IV, 13 erwähnte Brief von ihr fehlt heute, wie so manches andere. ') Zeitschr. des Vereins für Hamb. Gesch. Ill, 442. ') Brief Friedrichs an Christian Ludwig vom 17. X1. 1741, Sammlung Lappenberg. Siehe Anhang. °») Briefe Christian Ludwigs, Wolfenbüttel Nov. 630, 45, 47, 87. 32 zwar in seinem Sekretär den Cavalier noble- ment distinguieren; der Schritt würde aber Aufsehen erregen; das Gehalt (200 Reichstaler) reiche nicht für das „enorm teure Petersburg“, überhaupt für keinen Hof; in Hamburg könne er „ländlich-sittlich“ leben, brauche keine goldenen und silbernen Westen; Frau und Schwiegermutter könne er auch nicht mitneh- men, müßte sie also logieren; und endlich sei er überhaupt zu gut, um als Privatsekretär in einen nexum quasi Söhlenthalianum zurückzu- treten. Friedrich gab diesen Gründen Gehör, und so unterblieb die „Wallfahrt nach Peters- burg“; auch Wich ging nicht hin, blieb aber nach wie vor Friedrichs treuer Freund. Wichs Nachfolger in Hamburg ward James Cope.') Auf diesen nun setzte Christian Lud- wig seine Hoffnungen für den Bruder, aber Friedrich versicherte ihm, daß durch Cope kein neuer Plan anzulegen stehe, weil er gewiß noch in ziemlicher Zeit keine neue graces für sich oder für andere suchen noch erwartenkönne. Undselbst wenn er es könnte, so würde er ihn so gern als einen andern als seinen Sekretär haben. Er (Friedrich) erweise ihm zwar alle Höflichkeiten, aber nie auf eine basse Art — Christian Ludwigs stete Sorge! —, indem er ihm an den beiden Posttagen die depeches bringe und dann bei ihm speise. Er verdiene keine Vorwürfe.?) Christian Ludwigs Hoffnungen aber wollten nochhöherhinaus. Friedrichsollte nicht Copes Sekretär werden, sondern sein Nachfolger.‘) Da schrieb ihm Friedrich einen Monat später, am 17. November 1741, in seiner klaren Art: „Ob aber unter den vielen Sollicitanten, die bei Erledigungeiner solchen Stelle sich melden, ein ') Zeitschrift des Vereins für Hamb. Geschichte III, 442; vergl. auch den eben genannten Brief Friedrichs an seinen Bruder vom 17. XI. 1741, der wegen der interessanten Erörterung der hamburgischen Gesandt- schaftsverhältnisse im Anhang mitgeteilt ist. ”) Brief Friedrichs an Christian Ludwig vom 17.X1. 1741, Sammlung Lappenberg. Siehe Anhang. ») Wolfenbüttel Nov. 630, 51. Abwesender und nicht naturalisierter Fremder sich angeben dürfe? ist nicht fragenswerth.“') Gleichzeitig machte nun Christian Ludwig, wie man z. B. aus einem Brief vom 9. De- zember 1741 erfährt, eigene Versuche, für den Bruder zu sorgen: er wollte ihn nämlich in den sächsischen Staatsdienst hinüberziehen. Friedrich sollte seine Oden dem allmächtigen Brühl schicken, in der Vorrede aber den Namen Gottsched auf jeden Fall vermeiden, sonst werde der Minister das Buch bei der Einleitung aus der Hand legen.’) — Schon vier Wochen darauf aber stiegen Christian Ludwig ernste Bedenken bei seinem eignen Plan auf, und er schrieb dem Bruder nach Hamburg: „Liscow ist sehr attent und expedit, steht früh auf, und ist bey der Hand; mit- hin möchte er zu dem Hofleben fast bieg- samer seyn, als nun ein gewisser Fabulist, der die Ruhe zu sehr geschmeckt hat. Denn, den bewußten Plan betreffend, fürchte ich, wenn die Umstände auch noch so favorabel fielen, daß der Fabulist die Fatiguen der so nöthigen Aufmerksamkeit bey Hofe nicht mehr würde ausstehen können; mithin wird seine jetzige Situation die angenehmste seyn; es wäre denn, daß er Lydio succedieren könnte;’) wie ich aber merke, hat Longin') Augen darauf. ... Ohne Dir einen Vorwurf zu machen, da du armer Teufel ganz verang- ') Friedrich an Christian Ludwig am 17. XI. 1741, Sammlung Lappenberg. Siehe Anhang. Diese Stelle auch bei Eschenburg V, 29. Sie wird irrig angezogen bei Litzmann 17 Anm. 1. °) Wolfenbüttel 630, 59. ') Lydius, gewiß der Hofpoet v. König 1688-1744; der vorsichtige Christian Ludwig nannte hochstehende Personen stets mit Geheimnamen, vergl. Neue Irene II (1806), 121. Zur obigen Stelle vergl. auch, was Christian Ludwig am 1. Oktober 1745 aus Mannheim schreibt: „deine prächtigen Gedichte vergnügen mich sehr. Ist es nicht betrübt, daß ein so schönes Talent nicht in königlichen Diensten gebraucht wird?“ Neue Irene Il, 145, Anmerkung. ') von Heinecken, Kunstschriftsteller und Vertrauter Brühls, 1706—1791. lisirt werden müssen, glaube ich nicht, dafs du in der praxis die Geduld haben könnest, dich in Zeit und Umstände so gut zu schicken, als Liscus noch thut. Deine theoretischen Einsichten können bei dem allen ganz gut seyn. Aber das frühe Aufstehen, das Warten, das Antichambriren, das lange Stehen, die so nöthige Mässigkeit, dies alles, wenn man sich in Affären recht habituiren will, erfordert einen Körper, der die Seele secundiren muß.“ ') So hat Christian Ludwig seinen Plan denn selber wieder fahren lassen, und Friedrich blieb lebenslang in Hamburg, ja er ist kaum noch über die Grenzen der Stadt hinausge- kommen. Man hört nur noch von kleinen, wohl oft amtlichen Reisen nach Hannover 1743,°) nach Stade 1749,°) nach Neumünster 1751,') nach Itzehoe im gleichen Jahr;’) aus einem für 1754 geplanten Besuch in Sachsen ist nichts mehr geworden. ‘) 6. Hamburger Freunde. Klopstock und Geßner. Hier in Hamburg hat es Friedrich an freier Zeit nicht gemangelt. Sie ging dahin im ge- selligen Verkehr, in einer ausgedehnten Kor- respondenz und nicht zuletzt im Dichten. Friedrichs treuster Freund war der Wund- arzt Peter Carpser, damals vielleicht Ham- burgs geehrteste Persönlichkeit, ein Mann, „der sich eben so sehr durch gründliche Kenntnis der Heilwissenschaft und durch thätige Menschenliebe.... als durch feine Lebensart und geistvollen Wiz auszeichnete“.') Büsch hat ihm in seiner Abhandlung über ') Brief vom 6. Januar 1742, mitgeteilt in der Neuen Irene II (1806), 144 ff. 2) An Bodmer 12. X. 1743, Univ.-Bibliothek Zürich. ”) An Bodmer VI. 1749, ib. ') An Giseke 19. IX. 1751, Sammlung Lappenberg. ») Büsching, Beyträge VI (1789), 189, ') An Prof. Wideburg in Jena 18. Ill. 1754, Samm- lung Lappenberg. ‘) Herold in den Hamb. Adreß - Comtoir - Nach- richten 1800, 354. " 33 Manieren und Sitten ein schönes Denkmal errichtet; er schreibt, der ganze Inhalt seines Aufsatzes habe ihn dauernd an diesen Mann erinnert, der Hamburg ein Muster feiner, liebenswürdiger, herzgewinnender Sitten ge- wesen sei, und teilt dann mit, daß die Straße, in der dieser liebe, gute Mann gewohnt habe, noch lange nach seinem Tode (1759) die Carpser-Straße gehießen habe; seit kurzem trage sie jetzt den offiziellen Namen „Düstere Straße“; von Heß aber versichert uns in seiner bekannten gleichzeitigen Topographie, daß sie im Volksmunde noch immer den Namen des Arztes führe, dessen Andenken der Stadt teuen Ssei..) Carpsers vielgerühmte Güte haben auch die Hagedorns erfahren. Aus dem Brief- wechsel der Brüder ist klar zu ersehen, wie oft er dem verschuldeten Friedrich aus der Not geholfen hat, ja sogar Christian Ludwig nennt ihn einmal „unseren Erretter“,?) was auf eine unbekannt gebliebene Hilfe von Seiten des Arztes schließen läßt, denn Carpser wußte zu geben, wie es in einem Epigramme des Dichters heißt: Wer übertrifft den, der sich mild erzeigt? Der seltne Freund, der es zugleich verschweigt.’) Auch noch ein anderes Epigramm hat Friedrich dem Freunde geweiht, reichlich kunstlos, doch möge es zum Gedächtnis des edlen Mannes hier seinen Platz finden: Auf den Cheselden der Deutschen. Es lebe CaPpser lang! er zieret unsere Zeiten. Wünscht Ärzten seine Kunst, und Königen sein Herz! Sein Anblick selbst erquickt, die Schwermut hemmt sein Scherz, Und er vergißt sonst nichts, als seine Gütigkeiten.*) ') Büsch, Erfahrungen I (1790), 287 ff.; Eschen- burg IV, 14 u. 161; von Heß, Topographie I (1787), 284. °) Brief 0. D. (1741), Wolfenbüttel 630, 22. ") Eschenburg I, 155. ') Eschenburg I, 123. Cheseld war ein berühmter Wundarzt in London. Hagedorns Epigramm war nach Herold, Hamb. Adreß-Comtoir-Nachrichten 1800, 354 ein Trinkspruch auf einer Gesellschaft bei Carpser. 5 34 Zu Carpsers Gewohnheiten gehörte es, daß er jeden Freitag offne Tafel hielt, und hier trafen sich dann geistvolle Männer jeden Standes,durchreisende Fremde, selbst Fürsten. Geselligkeit bedeutete im 18. Jahrhundert unendlich mehr als heute. Gegenwärtig ver- mitteln Zeitungen, Vorträge, Aufsätze, Museen und Konzerte uns mühelos und billig, was nur irgend unsern Sinn reizt. Das 18. Jahr- hundert aber kannte ein Leben in der Öffent- lichkeit noch kaum, und so suchte man sich im geschlossenen „Salon“ oder in der Carp- serschen Art Unterhaltung und edlen Genuß zu verschaffen. Besonders willkommen war natürlich der Fremde, denn er war der Träger der Neuigkeiten. Als solcher trat z. B. 1751 der junge Schweizer Salomon Geßner, der spätere Idyllendichter, in diesen Kreis, eingeführt von Hagedorn. Er hat seinem Landsmann Hottinger später eine Schilderung dieser Tafel- runde entworfen, und Hottinger hat sie in seine Biographie Geßners verwoben. Es heißt dort: „Noch öfter nahm Hagedorn ihn mit sich zu dem berühmten Carpser, bei dem gewöhnlich eine zahlreiche Gesellschaft von Weltleuten, witzigen Köpfen und komischen Originalcharakteren, die man oft in schlauer Auswahl zusammengesucht hatte, miteinander zu Tische saßen. Hier hatten guter Ton, feine Lebensart und ungezwungene Munter- keit den Vorsitz, und würzten mit unter- haltenden Erzählungen, witzigen Einfällen und geistreichem Scherze das fröhliche Gast- mahl.“'!) Ein regelmäßiger Gast dieser Freitagstafel war Friedrich von Hagedorn; aber nicht aus materiellen Gründen. Gewißß war er als guter Hamburger ein Verehrer aller Tafelfreuden; wie sehr ihm aber gerade die gewählte Art der Carpserschen Gastlichkeit zusagte, hat er in einem Epigramm deutlich genug aus- gesprochen: ') J. J. Hottinger, Geßner (1796) 63. Die Wissenschaft, ein Gastmahl anzustellen, Wo zwanzig sich, als wie durchs Loos gesellen, Geliebte Stadt, die war dir längst bekannt; Allein die Kunst, drey, die von gleichen Sitten Und Herzen sind, auf Ein Gericht zu bitten, Die fremde Kunst wird Reichen nie genannt. Der einen kann es nicht an Schmeichlern fehlen; Die andre wird mit Sorgfalt Freunde wählen. O stolzes Geld, ach hättest du Verstand.') Oftmals erschien auch der regierende Herzog von Holstein-Plön, und da keinerlei Rang beobachtet wurde, nahm er den Stuhl, der gerade frei war. — Ward Carpser zu einem Kranken gerufen, so machte Görner, der Musikdirektor und Vicarius am Dom, die Honneurs;’) er war übrigens auch der Kom- ponist der Hagedornschen Lieder, und wir dürfen voraussetzen, daf) sie hier öfter zu Gehör gebracht wurden. Hagedorn selbst war ganz unmusikalisch. Sein Bruder schreibt einmal: „Es ist besonders, daß ein Mensch, der weder singen noch Ton halten kann, Chansons schreibet. Liscus meldet, daß um die Andacht der Gemeinde nicht zu stören, die Englische Gemeinde bloß deinetwegen eine Orgel bauen müssen, damit man deine Stimme nicht hören dürfte.“ ®) Auf einer dieser Carpserschen Gesell- schaften ereignete sich denn auch jene Ge- schichte, die Lessing später so sehr amüsierte, daß er sie in seine Kollektaneen aufnahm: „Hagedorn speiste einmal bei Carpsern in Ge- sellschaft des Ritters Taylor, und verschiedner andrer, worunter auch Lipstorp war. Taylor sprach beständig, und ließ keinen zu Worte kommen,worüber Hagedorn ungeduldigwurde, und das nächstemal einen gewissen Mann, welcher das Etablissement Sola Bona Quae ') Eschenburg I, 178. Ebenso urteilten die späteren Hamburger: treffend, wie immer, F.J. L. Meyer in seinen „Skizzen“ (1801) I, 135. Über die Freitagstafel bei Carpser vergl. Herold, Hamb. Adreß-Comt.-Nachr. 1800, 354; Eschenburg IV, 15. >) Handschriftliche Notizen Herolds in Sammlung Lappenberg. ) 5.11. 1742, Sammlung Lappenberg. Honesta bei Hamburg hatte,') anstellte, ihn zu Boden zu plaudern, und ihn nichts auf- bringen zu lassen, was er ihm nicht wider- spräche. Dieses gelang; und Taylor, dem man weiß machte, daß dieser Mann ein pol- nischer Woywode (Statthalter) sey, denn er sprach ein ziemlich polnisches Latein sehr fertig, getraute sich kaum, den Mund mehr aufzuthun. Lipstorp, der sonst ein Mann von wenig Worten war, trank bei dieser Komödie etwas reichlich, so daß er darüber sehr ge- sprächig wurde; worauf Hagedorn aus dem Stegereif die Zeilen machte: O Wunder! welches sich hier zeigt: Daß Lipstorp spricht, und Taylor schweigt!“ °) Neben Carpser waren wohl der Jurist Dr. M. A. Wilckens und der Verleger Bohn Hagedorns vertrauteste Freunde; von ihnen wird noch bei anderer Gelegenheit die Rede sein müssen.°) Des englischen Gesandten Wich ist dagegen schon mehrfach gedacht worden. Er hat zeitlebens treu zu Friedrich gestanden. Ihm verdankte der junge Mann in seiner kritischen Zeit die Hofmeisterstelle, ihm vielleicht auch das Sekretariat am eng- lischen Court. Als Wich dann später an den St. Petersburger Hof überzusiedeln gedachte, wollte er Friedrich als seinen Sekretär mit- nehmen. Dann fehlen eine Zeitlang die greif- baren Zeugnisse ihrer Verbindung, aber gegen Ende von Friedrichs Leben hört man wieder, daß der Dichter „halbe Tage und die Abende ') Ein nicht sonderlich berufenes und seiner Über- schrift sehr unwürdiges Haus. Anmerkung Eschen- burgs. Das Gegenteil bei Schütze 116 (s. u.). ?) Lessing, Kollektaneen I, 325. Die Anekdote, ähnlich in J. F. Schützes Hamb. N. Taschenbuch 1801, 112ff., ereignete sich ca. 1751, vergl. Hagedorns Briefan Fuchs, Eschenburg V, 63. Taylor war Augenarzt, vergl. Eschenburg V, 78. — Eine begeisterte Schilderung Carpsers, „dieses Menschenkleinods“, findet sich auch bei C.L.v. Griesheim, Die Stadt Hamburg (1760) 250 ff. ; sie ist mir erst während des Druckes bekannt geworden. °) Vergl. S. 49. 3J mit ihm in der französischen Comoedie etc. zubringe“ und dal Wich ihn kurz vor seinem Tode liebevoll aufsuchte.') Auch der Sekretär Liscow und der Le- gationsrat Borgeest haben ihm eine Zeitlang nahe gestanden; Liscow, der Bruder des Sati- rikers, anscheinend sogar recht nahe. Mit ihm zusammen gab er 1737 die „Priviligierten Hamburgischen Anzeigen“ heraus und setzte den humorvollen Kontrakt auf, der im An- hang mitgeteilt ist. An ihn ist das Send- schreiben vom 10. März 1735 gerichtet, das in köstlicher Weise den Brockesschen Stil parodiert; und auch in seinem Lehrgedichte „Der Schwätzer“ (1744) gedenkt er seiner freundlich.) Später wurde das Verhältnis ernstlich gestört, wodurch — ist unbekannt. Nach einem Briefe Friedrichs vom 4. April 1740 an Liscows Bruder hatte der Hamburger Liscow damals den abenteuerlichen Plan ge- faßt, die Tochter des Kaffeehausbesitzers Galli zu heiraten, um bei dem erwarteten Tode des Vaters das Cafe zu übernehmen. Friedrich erhielt davon Kunde, schrieb ausführlich an den Satiriker, erhielt von ihm aber eine so lustige Antwort, daß man wohl glauben muß, das ganze Projekt sei nichts als einer der vielen Scherze, die zwischen den Brüdern ') Brief an C.L. v. Hagedorn 28. XI. 1753, Samm- lung Lappenberg, und Eschenburg V, 46. *) Eschenburg IV, 118; I, 94. Dagegen ist die Fabel „Die Thiere“ II, 18 nicht, wie Eschenburg IV, 87 an- gibt, an den Sekretär Liscow gerichtet, sondern an den Satiriker; der gleiche Irrtum bei Helbig, C. L. Liscow 44. — Der jüngere Liscow war 1705 geboren (Helbig 44), also 3 Jahre älter als Friedrich. Er lebte als Sekretär, Rechtsgelehrter und Redakteur in Hamburg, vergl. Helbig 44; Neue Irene I, 251; Litzmann, Liscow 148. In Herolds handschriftlichen Notizen, Sammlung Lap- penberg, findet sich folgende Bemerkung: „Er hatte, wie ich noch in meinem elterlichen Hause gehört zu haben mich erinnere, die rechte Hand gegen einen Mann im Zweykampf verlohren, der seine Schwester zu heirathen versprochen, sie geschwängert und her- nach nicht hatte heirathen wollen.“ Den Verlust der Hand bestätigt C. L. v. Hagedorn, Neue Irene II, 127. 5* 36 Hagedorn und den Brüdern Liscow erfunden wurden.') Jedenfalls ist Hagedorns Brief nicht die Ursache jener Verstimmung geworden, denn vier Jahre später stand er mit Liscow, wie sein „Schwätzer“ (1744) zeigt, noch im besten Einvernehmen. Erst 1748/49 trat hier der Wandel ein. Damals schrieb Hagedorn in seinem Lehrgedicht „Die Freundschaft“, 1748 die folgenden Zeilen, die Liscow auf sich selbst bezog: Der Freundschaft edlerStand prägtWeisen Ehrfurchtein: Er wird, in Andern auch, ihm unverletzlich seyn: Und nimmer hat ein Mann von richtigem Gewissen Der Eintracht einen Freund verlockt, entwöhnt, entrissen. Der schadenfrohe Stolz, den dieser Raub erweckt, Verräth ein schwarzes Herz, das nur in Frevlern steckt.’) Das Geständnis des jüngeren Liscow, ver- bunden mit einer heftigen Anklage gegen Hagedorn, findet sich in einem Briefe des- selben an den Satiriker vom 12. Februar 1749: „Le poeme, que celui-ci [F. v. H.] a fait sur l’amitie et qu’il Vous a fait envoyer par le Dr. Bansow, contient quelques lignes, qui me regardent pag. 22. die Freundschaft — ent- rissen. Puisque je mange regulierement chez le Commissaire Borgess et que je passe plus mon tems lä qu’ailleurs, il suppose, quoique faussement, que ces gens-lä sont cause de l’eloignement ou je me tiens ä son &gard. Aussi a-t-il rompu tout commerce avec eux; chose dont ils se consolent d’autant plus aisement, qu’ils se sentent par la delivres d’un ami tres incommode. A Vous dire la verite, jjai grande peine A pardonner ä notre grondeur ces manieres la, et si jamais nous venons ä des explications, que j’evite, il pourroit bien lui arriver le malheur, dont il se plaint sans fondement, ') Friedrichs Brief im Hauptstaatsarchiv Dresden, Loc. 1394: Zu denen Commissions-Acten . wider Macphail...; z. T. abgedruckt bei Helbig, C. L. Liscow (1844) 51. Liscows Antwort aus Preetz in Holstein vom 1. May 1740 findet sich in der Neuen Irene I, 251 ff. ”) Eschenburg I, 72, c’est-ä-dire, de perdre en moi un ami, qu'il ne trouveroit peut-etre de sa vie. Si Vous Vous avises de repondre ä la lettre, qui a accompagne& ce poeme; ne faites semblant de rien. J’en use de la maniere avec lui et renferme en moi ce qui me d&- plait dans son procede ä la verite peu honnet et si Vous voulez, ingrat m&me, si non envers moi, du moins envers ses anciens amis ci- dessus nommes, gens tres estimables.“') Wem hier die Schuld beizumessen, ist nicht auszumachen. Helbig stellte sich auf Liscows Seite.’) Ich will nur darauf hin- weisen, daß diese Äußerung des jüngeren Liscow über Hagedorn die einzig ungünstige ist, die mir überhaupt bekannt geworden ist. Und das will bei der Fülle des erhaltenen Materials doch auch etwas sagen. Außerdem hat Liscow in späteren Jahren selber anders geurteilt; in seinem Leichengedichte auf Peter Carpser, der fünf Jahre nach Hagedorn starb (1759), schreibt er: Ich muß des Lebens Trost, den besten Freund entbehren. Was Hagedorn mir war, was noch Borgeest mir ist, Der wahre warme Freund, der wird mit ihm (Carpser) vermißt. Der augenblickliche Erfolg aber war der, daß Friedrich das Haus des feinsinnigen Legationsrates Borgeest auf den Großen Bleichen nicht mehr betrat. Liscow hatte ihm, wie Friedrich sagt, diesen Freund „verlockt, entwöhnt, entrissen“.?) Helbig, C.L.Liscow (1844), 62. fehler sind stillschweigend berichtigt. 2) Helbig 44 und 62 Anmerkung. *) Herold macht in seinen handschr. Notizen der Sammlung Lappenberg folgende interessante Anmer- kung: „Borgeest, Legationsrath und Postmeister der Braunschweigischen Communion auch Holsteinischen Post. Er war ein Mann vom feinsten Geschmack und Liebhaber und Kenner der schoenen Künste. Bey ihm wohnte der berühmte Casselsche Rath und Professor Johann Heinrich Tischbein, wie er mit seinem Herrn, dem Landgraven von Hessen-Cassel, dessen Liebling Helbigs Druck- Auch Brockes müssen wir hier nennen. Seiner Posie allerdings hat Hagedorn in rei- feren Jahren keinen Geschmack mehr ab- gewinnen Können, und wo er seiner gedenkt, geschieht es in Worten, die der Person und nicht der Muse gelten: „Wie finden sie den Brocks, Hammoniens Mäcen ?“ Ich find’ und ehr’ in ihm den Weisen unsrer Zeiten; Allein er wird, daher, kein Freund von allen Leuten. Er wählet, die er liebt, ist sinnreich ohne Tand, Leutselig ohne Falsch, noch edler als sein Stand, Und ihn vergnügen nur die Würden, die er schmücket, Wenn er sein Vaterland und das Verdienst beglücket.') In ähnlicher Weise entledigte er sich seiner Aufgabe, als er auf Brockes Wunsch einen Auszug aus dessen „Irdischem Vergnügen“ er war, sich im siebenjährigen Kriege in Hamburg aufhielt. Wie ich die Ehre hatte, von zwey unsrer liebenswürdigsten Frauen in Hamburg der Madame von Winthem (itzigen Legationsräthin Klopstock) und Madame Ohmann zum Mitglied der vom Dichter Klop- stock errichteten Lesegesellschaft ernannt zu werden, war ich oft im Borgeestischen Hause auf den großen Bleichen, das des Borgeests Schwiegersohn, der Le- gationsrath Bostel bewohnte, und worinnen der Ver- sammlungssaal der Lesegesellschaft war. In demselben hiengen viele schoene Gemählde vom Rat Tischbein, die meine ganze Aufmerksamkeit reizten, ohngeachtet es mir damahls nicht ahndete, daß ich mit diesem edlen Manne in eine so freundschaftliche Verbindung kommen würde. Nachmals schenkte der Rat Tisch- bein der Lesegesellschaft das Bildnis der Muse Pol- hymnia. Bey diesem Gemaehlde, einem der vorzüg- lichsten Stücke dieses Künstlers, ist der Umstand sonderbar, daß das Gesicht einigermaßen dem Gesicht seiner Tochter der Frau geheime Räthinn, vielmehr aber noch seines Bruders Tochter, meiner mir so theuren Freundinn Antoinette (itzigen Consistorial- räthinn und Inspecktorinn Roentgen) zu Esens in Ost- friesland ganz aehnlich ist und alle schoenen Züge ihrer sanften und reizenden Bildung hat, und doch hatte der Rath nie seine Niece gesehen, ohngeachtet er, ein sonst so strenger Kunstrichter, ihre Arbeiten sehr hochschätzte, wie sie denn bey meinem acht- täglichen Aufenthalt bey ihm im Jahre 1786 in Cassel oft der Gegenstand unsrer Unterredungen waren.“ Die Polyhymnia hängt heute im Zeitschriftenzimmer der Stadtbibliothek. ') Der Schwätzer (1744), Eschenburg I. 91. 37 herausgab und dabei fast lediglich auf die religiöse Wirkung der Gedichte verwies.) Wie er persönlich über Brockes’ Dichtkunst dachte, hat er in zwei Parodien zum Ausdruck gebracht, die erst lange nach seinem Tode zum Druck gekommen sind.”) Desto mehr aber hat auch er den „recht- schaffenen“ und immer hilfsbereiten Charakter des hamburgischen Senators geschätzt, wird auch wohl öfter in dem gastfreien Hause mit Telemann, dem Komponisten seiner Lieder, zusammengetroffen sein.*) Alsletzten der näheren Hamburger Freunde des Dichters gedenken wir hier noch des Pa- stors an St. Catharinen J. J. D. Zimmermann. Friedrich war, was man nicht so ohne weiteres von ihm erwartet, eine religiöse Natur oder, wenn das zuviel gesagtsein sollte, ein Mann, der nichts aufdie Religion kommen ließ. Erschreibt 1747 einmal an Gleim: „ich hätte gewünscht, ') Eschenburg IV, 104— 108. Christian Ludwig nahm an dieser Gefälligkeit seines Bruders gegen Brockes den denkbar schärfsten Anstoß, vergl. Brief vom 5.1. 1741 und Denneriana 3, beide in Sammlung Lap- penberg; zitiert bei Eschenburg a. a. O. °) Eschenburg IV, 115 ff. ') Herold bemerkt in seinen handschriftl. Notizen, Sammlung Lappenberg: „Mein seeliger Vater (Christian H.; Schriftstellerlexikon III, 207) war ein Verwandter von Brockes und der Verleger der vielen Theile B.scher Gedichte, und von dem erinnere ich mich gehört zu haben, daß B. ein Mäcen aller geschickten Mahler, Zeichner, Tonkünstler etc., die nach Hamburg kamen, war, wie denn auch unsers Telemanns seeliges Erwägen zuerst in B’'schen Hause aufgeführt wurde, da B. meh- rere Jahre seinen Saal zu Telemannschen Wintercon- certen hergab, welche dem Kapellmeister viel Geld einbrachten. Auch das Verdienst, bey allen Ständen sich beliebt zu machen, soll B. in hohem Grade gehabt haben, so sagt man, Kayser Karl VI., zu dem er mehr- mahlenals Hamburgischer Gesandterabgeordnetwarund der ihn mit einer goldenen Kette, seinem Bildnisse und dem besten Tokaierwein, vielleicht dem einzigen echten, derjemahls nach Hamburg gekommen war, (beschenkte,) hätte ihn ebenso ungern von sich gelassen als ein Vier- länder Bauer, wenn er ihn besucht.“ Eine Charakteristik nach der persönlichen Seite gibt Friedrich in einem Briefe an Bodmer 3. V. 1747, Univ.-Bibliothek Zürich. 38 in einigen (Liedern anderer) keine unanstän- dige Freiheiten wider die Religion wahrge- nommen zu haben, welche meines Erachtens mehr den Mangel der Erziehungals den wahren Reichtum der Einbildungskraft anzeigen... Alter und Erfahrung werden den Verfassern solcher Gedichte diesen wilden Auswuchs des Witzes dereinst nothwendig verhaßst machen.“ Und ebenso heißt es einmal in einem Briefe an Wilckens: „Läppischer Witz, derdieReligion verächtlich machet.“') Das Thema ist für die Beurteilung des innerlich so ernsten Mannes zu wichtig, als daß ich mir versagen könnte, noch eine Äußerung zu Bodmer hier einzurücken: „Mit dem Herrn Gleim geht es mir nicht besser, vielleicht weil er mit meiner, ausguten Ursachen aufgesetzten Ode Anacreon, in welcher ich kaum an ihn gedacht, unzufrieden ist, obwohl ich mich dar- über gegen ihn erkläret habe. Wie es Höfe giebt, an welchen man, sich befördert zu sehen, seufzen und fromm sprechen muß; so ist auch ein Hof vorhanden, bey dem öffentliche Merk- male des Unglaubens und der Kühnheit im Denken, mit und ohne Untersuchung, wie einige glauben, Kenntnif) und Fähigkeit vor- zustellen und fortzuhelfen, hinlänglich sind. In dieser Meynung, obwohl nicht immer mit dem gewünschten Erfolg, haben einige neu- eren Dichter, worunter ich aber garnicht den Herrn Gleim rechne, dem herrschenden Ge- schmack sich gemäß verhalten und, da sie die ganze Natur, die unerschöpfliche Quelle der Freuden und Belustigungen, vor sich haben, doch immer ihre Silvien deistisch besingen und ihre Becher, die doch mit dem Glauben und Unglauben in keiner Verwandschaft stehen, mit einem Religionstrotze, ausleeren wollen, mithin in ihre Ergetzungen fremde und ') An Gleim, Eschenburg V. 150 f.; an Wilckens contra Gleim u. a. Brief X o. D., aufbewahrt auf der Stadtbibliothek hier (außerdem vergl. auch „Über die Natur der Seelenkräfte“ ca. 1729, Eschenburg IV, 33, und „Über Eigenschaften Gottes“ 1744, Eschenburg I, 8). rohe Ideen hineingebracht, die garnicht zum Wesen des Vergnügens gehören, aller poli- tischen Klugheit verboten und nicht immer so witzig sind, als die Herren glauben, für welche ich, aus redlicher Absicht, den kurtzen Anacreon entworfen habe. Ob ich aber in Verdacht einer Scheinfrömmigkeit oder augs- purgischen Confessions-Knechtschaft zuziehen stehe, werden Sie von allen erfahren können, die mich kennen.“') So liegt nichts Ungereimtes darin, wenn Friedrich an dem Pastor Gefallen fand und seinem Bruder mit Freuden meldete, daß Zimmermann an die Catharinenkirche gewählt und somit sein Nachbar geworden sei, denn durch das Englische Haus führte ein viel be- nutzter Durchgang zur Kirche.*) Friedrich hat dem Pastor eine seiner Fabeln gewidmet, ja Herold glaubt versichern zu können, daß auch in dem Sinngedichte „Cha- rakter eines würdigen Predigers“ niemand anders gemeint sei als Zimmermann.’) Später aber soll er sich gründlich geändert, ja den Dichter auf dem Totenbette gequält haben, daf3 er zur englischen Kirche übergetreten sei.') ') 19. 1X. 1748, vergl. auch 19. V. 1753 an denselben. wo er u.a. auf sein Epigramm Celsus verweist; beide Briefe in Zürich, Univ.-Bibliothek. — „Anacreon“ und „An Celsus“ Eschenburg Ill, 67 und I, 143. 2) Antwort Christian Ludwigs: Maynz 14. VIIl. 1741 „Über die Beförderung Deines Freundes Zimmermann erfreue mich recht“, Wolfenbüttel Nov. 630, 44. — Hitzigrath, Kompagnie der Merchants Adventurers (1904) 42, 2. °») Stentor. An Herrn J. J. D. Zimmermann. Eschen- burg Il, 77. — Eschenburg I, 140. 1) In Herolds handschr. Notizen, SammlungLappen- berg, heißt es: „Charakter eines würdigen Predigers: Dies war, wie man mir glaubwürdig ver- sichert hat, der bekannte Archidiakonus zu St. Catha- rinen in Hamburg J. J. D. Zimmermann, an den auch Hagedorns Gedicht Stentor im ersten Buch seiner Fabeln und Erzählungen gerichtet ist. Diese Ab- schilderung mag in den jüngeren Jahren auf den Pastor Zimmermann zugetroffen seyn, in den letzeren Jahren seines Lebens war sie nicht mehr auf ihn an- wendbar, denn wie konnte man mit Warheit von ihm Die Anekdote verdient aber nur geringen Glauben, denn sowohl der Herr von Bar, der Hagedorn persönlich befreundet war, als Schmid in seiner Biographie, die von Christian Ludwig durchgesehen war, versichern das genaue Gegenteil.') sagen: „Dem Irrthum billig feind, ohn irrende zu hassen.“ Wenn er auch sich überzeugt glauben mochte, der seel. (Pastor) Alberti hätte irgend einen Irrtum gehabt, wie konnte er ihn so entsetzlich hassen, daß er ihn sogar vom heiligen Abendmahl zurück- weisen wollte? „Voll Liebe, wie sein Gott, undals sein Knecht gelassen.“ Zimmermann gehörte, wenigstens in den letzten Zeiten, zu den Geistlichen, die gar keine Gelassenheit an sich hatten. Ich erinnere mich noch, seine letzte Predigt angehört zu haben, die er gegen eine Recension einer seiner Schriften in der allge- meinen deutschen Bibliothek hielt, und wobey er sich so ereiferte, daß er bald darauf krank ward und starb. Deswegen sagte sein Arzt, der alte würdige Dr.Jenisch: Er wäre an der allgemeinen deutschen Bibliothek ge- storben... Der seelige Senior Dr.Herrnschmidter- zählte mir, Zimmermanns Vater, ein Probst im Branden- burgischen, wäre eben so unruhig und heftig wie sein Sohn gewesen. Er wäre aber, weil man im Branden- burgischen gegen unruhige Geistliche nicht so viele Nachsicht wie in Hamburg hätte, abgesetzt worden. In jungen Jahren soll Zimmermann von schönem äußerlichen Ansehen gewesen und bey einem guten Anstande und für die Zeit hochzuschätzenden Bered- samkeit als Catechet am Zuchthause ein Liebling der Damen gewesen seyn. — Wie Hagedorn auf dem Todtenbette lag und Zimmermann ihn besuchte, quälte er ihn noch mit dem Vorwurfe, daß er, als ein ge- borenerLutheraner,zur Englischen Kirche übergegangen wäre. Kein aufgeklärter Geistlicher würde das itzt thun, zumahl bey dem geringen Unterschiede der Lutherischen und Englischen Kirche, und als Freund handelte Zimmermann ganz verwerflich... Professor Schwabe in Leipzig erzählte mir diesen Umstand.“ — Alberti kam erst 1755 nach Hamburg, wo er mit Zimmermannan der Catharinenkirche wirkte. Möglicher- weise hat sich also die von Herold geschilderte Un- duldsamkeit erst nach Hagedorns Tode (1754) heraus- gebildet. Über beide Pastoren vergl. das Hamburger Schriftstellerlexikon; eine ehrenvolle Charakterisierung Albertis bei F. J. L. Meyer, Skizzen II (1802), 185f. ') (v. Bar) Soliloque a l’occasion de la Mort pre- maturee de Mr. de H. 1754. (Croppsche Sammlung auf der hiesigen Stadtbibliothek.) — Schmid II, 395. 39 MitCarpser, Wilckens, Bohn, Wich, Liscow, Borgeest, Brockes und Zimmermann haben wir die Männer aus Hagedorns näherem Um- gang in Hamburg genannt. Gewiß begegnen noch mancherlei andere, doch scheint der Dichter keine engeren Beziehungen zu ihnen angeknüpft zu haben. Voran wären hier seine Engländer zu nennen, die als große Herren gastfreie Häuser führten und die dem ewig verschuldeten Poeten auch manchmal hilfreich unter die Arme griffen.') Näher hat ihm höchstens der englische Prediger Dr. Murray gestanden, der mit ihm im gleichen Hause wohnte.?) Zu einem aber hätte sich ein inniges Freundschaftsverhältnis herausgebildet, wenn er schon damals dauernd in Hamburg ge- wesen wäre: zu Klopstock. Wie die ganze jüngere Dichtergeneration schaute auch Klopstock zu Hagedorn wie zu einem gütigen Vater und unerreichten Muster empor, und Hagedorn wiederum — der doch sonst mit beiden Füßen auf dem Erdboden stand und praktische Lebensphilosophie dichtete — stand diesem himmelstürmenden Jüngling mit vollem Verständnis gegenüber und schrieb an Bodmer, noch ehe erihn gesehen hatte: Klopstock selbst ist - „— Einer welche der Nachwelt Geschäfte Heiligen, und von Enkel zu Enkel unsterblicher werden. Oft bleibt ihr Ruhm nicht auf Erden allein. Unbe- gränzter und ewig Geht er von einem Gestirne zum andern.“ ') Von den Unsterblichen, ihre Solche Worte aus dem Munde Hagedorns zu vernehmen, wenn auch nur als Zitat, über- rascht; und doch sind sie kein momentaner Aus- ') z.B. Simpson mit 100 geschenkten Talern, vergl. Brief an C.L. v. Hagedorn vom 2. Mai 1753, Sammlung Lappenberg. Dieser Brief gibt auch Auskunft über die Katastrophe im Simpsonschen Haus; vergl. dazu Hitzigrath, Merchants Adventurers 46. °) Hitzigrath a. a. O. 42 und 9. ») Eschenburg V, 104, auch 112. 40 bruch. Aus den Briefen an Bodmer wissen wir, daß ihn Richardsons Clarissa und Pamela bis zu Tränen gerührt haben‘) und daß Miltons Paradies ihn bis zur höchsten Bewunderung hingerissen hat — ein „Werk des Lebens, das tausende Leben der Adler durchlebet.“?) Als Klopstock und Hagedorn einander dann im April 1751 kennen lernten, war Hagedorn nach den ersten Worten sein Freund. Wir sind so glücklich, einen unmittelbar darauf geschriebenen (noch unveröffentlichten) Brief Hagedorns zu besitzen, in dem er seinem Freunde Giseke den ersten Eindruck schildert: „Am Sonntage kam Klopstock endlich an, und war mir auch am Sonntage ungemein will- kommen. Sie wissen, wie sehr ich sonst als- dann einsam und unsichtbar zu seyn pflege. Kaum aber hatte ich mit ihm die ersten Worte gewechselt, so fand ich seinen Umgang so ge- fällig als seine Schriften rührend und tiefsinnig sind; miteinem Worte, nichts würde mir damals unerträglicher gewesen seyn als meine sonn- tägliche Einsamkeit. Nachmittags führte ich ihn auf den Altan des Baumhauses’), Abends unter das Eimbeckische Haus, wo unserer Lieben Frauen Milch zu haben... Dingstag wirthschafteten wir im schwarzen Adler, und die Begierde, den Herrn Klopstock kennen zu lernen, brachte nicht nur den Herrn Bohn, ferner den Herrn Baron v. Bar, sondern auch den Herrn Lic. Ankelmann zu unserer Tisch- gesellschaft, der uns auch zu dem Herrn Rektor Müller begleitete, um den Herrn Klopstock, den er sehr hochschätzet, nicht zu früh aus den Augen zu lassen. Zu uns kam unser lieber Herr Pastor Zimmermann, und ohne die Ein- ladung der vorzüglichen Mile Müllern, der ich selbst gefolgt seyn würde, hätten wir diesen \) Vergl. z. B. G. F. Stäudlin, Briefe an Bodmer (1794), 196 f. und Herm. Schuster, F. v. Hagedorn. Diss. Leipzig 1882, 38. >) 17. 1X. 1752, Univ.-Bibliothek Zürich; vergl. auch Stäudlin 193. ') Bekanntes Hamburger Wirtshaus. würdigen Freund einige Stunden mehrgenießen können. Am Mittwochen nahmen wir bei dem ehrlichen Bohn von einander Abschied, in der Hoffnung, uns im Sommerin und bey Hamburg wieder zu umarmen. Wie sehr wünsche ich dieses... Klopstock hat mich so redselig ge- macht, daß ich ihm garnichts verschwiegen und mich in die Gefahr gesetzet habe, einen rechten Schwätzer abzugeben. So offenherzig machte mich das unvermehrliche Vertrauen zu seiner rechtschaffenen Gemüths-Art, daßin den vielen Materien, worüber ich meinem Vorhaben nach ausführlich mit ihm sprach, eine mehr als lyrische Unordnung herrschte, undiich meynte, ihm noch eben so viel zu sagen zu haben als er, mir viel zu früh, fort mußte... Nimmer kann er so glücklich seyn, daß ich ihn nicht noch glücklicher wünschen sollte.“') So ausführlich sind wir aus Klopstocks Mundeüber Hagedorn nun nicht unterrichtet, doch können wir auch aus dem wenigen schließen, daß er Hagedorns Freundschaft voll erwiderte. Er schreibt demselben Giseke, daß er Hagedorn ganz und gar so gefunden, als er dachte; und Meta Moller bestätigt in jener rührend verliebten Schilderung, die sie Giseke von dem Messiasdichter macht, daß ihr Klop- stock Hagedorn „erstaunlich lieb hatte“. So ward denn Hagedorn Klopstocks Ver- trauter in seiner eben erblühenden Liebe zu Meta. Er hatte ihre ersten Keime sehen dürfen während jener denkwürdigen Tischgesellschaft im Hause von Klopstocks späterem Schwager Schmidt in der Großen Reichenstraße, als der Messiasdichter sich gar nicht wie ein „Geist“ benahm, sondern sehr irdisch nach Metas Tour de gorge sah und seufzte. Und ihm übergibt Klopstock später den Auftrag, den wir nicht ohne Lächeln zu lesen vermögen: „Ich wünsche daf3 Sie, und kein Anderer, Meta in meinem Namen küßten. Und weil ich nichts ungerner lange aufschiebe als einen Kuß, so bitte ich ') Der ganze Brief, nebstandern Briefen Hagedorns an Giseke, ist im Anhang mitgeteilt S. 91. Sie, das süße Mädchen in dieser Absicht bald einmal zu besuchen.“ ') Klopstock hat denn auch dem verehrten Freunde im sechsten Wingolfliede das schönste Denkmal gesetzt. Er schrieb die Verse noch ehe er Hagedorn von Angesicht gesehen hatte, und doch wie klar erkannte er durch die Hülle der leichten Hagedornschen Lieder das „männ- liche Herz“ und die tiefe „Harmonie“, die dies Leben auszeichneten und es als ein Muster im unsokratischen Jahrhundert erscheinen ließen. In meinem Arme, freudig, und weisheitsvoll, Sang Ebert: Evan, Evoe Hagedorn! Da tritt er auf dem Rebenlaube Muthig einher, wie Lyäus, Zeus Sohn! Mein Herz entglühet! Herschend und ungestüm Bebt mir die Freude durch mein Gebein dahin! Evan, mit deinem Weinlaubstabe Schone mit deiner gefüllten Schale! Ihn deckt’ als Jüngling eine Lyäerin, Nicht Orpheus Feindin, weislich mit Reben zu! Und dieß war allen Wassertrinkern Wundersam, und die in Thälern wohnen, In die des Wassers viel von den Hügeln her Stürzt, und kein Weinberg längere Schatten streckt, So schlief er, keinen Schwätzer fürchtend, Nicht ohne Götter, ein kühner Jüngling. Mit seinem Lorber hat dir auch Patareus Und eingeflochtner Myrte das Haupt umkränzt! Wie Pfeile von dem goldnen Köcher Tönet dein Lied, wie des Jünglings Pfeile Schnellrauschend klangen, da der Unsterbliche Nach Peneus Tochter durch die Gefilde flog! Oft wie des Satyrs Hohngelächter, Als er den Wald noch nicht laut durchlachte. Zu Wein und Liedern wähnen die Thoren dich Allein geschaffen. Denn den Unwissenden Hat, was das Herz der Edlen hebet, Stets sich in dämmernder Fern verloren! ') Lappenberg-Weiland, Briefe von und an Klopstock (1867), 89, 84, 82, 100. Hierselbst auch die rührenden Briefe Metas an Klopstock; vergl. auch 78 ff. — Die Briefe Nr. 6, 11, 49 sind von Klopstock an Hagedorn. — Eine sehr anerkennende Charakteristik der Meta Moller gibt Hagedorn in einem Briefe an Bodmer, o. D., Bogen 105 der Briefsammlung in der Univ.- Bibliothek Zürich. 4I Dir schlägt ein männlich Herz auch! Dein Leben tönt Mehr Harmonien, als ein unsterblich Lied! Im unsokratischen Jahrhundert Bist du für wenige Freund’ ein Muster!') Fremde, die Hagedorn kennen zu lernen wünschten, empfing er nicht in seiner Woh- nung, sondern im Dresserschen, später (1800) Eckmeierschen Kaffeehause an der Zollen- brücke. Hier — im Tiergarten des Kaffee- hauses, wie Hagedorn sich etwas boshaft ausdrückt — versammelten sich in den Mittags- stunden „nach einem in Hamburg wie in Eng- land eingeführten Gebrauche“ Gelehrte und Künstler?) und hier widerfuhr einem Hambur- ger, dem Dichter und Sekretär Dreyer, der sich immer an Hagedorn heranmachte, einmal die folgende scharfe Abfertigung. Am Tage, als Bürgermeister Lipstorp gestorben war (S. Dez. 1750), hatte Dreyer auf ein Karten- blatt, das er offen liegen ließ, geschrieben: „Gerührt durch Lipstorps Tod, wünsch ich bei seinem Sterben Dem Rate den Verstand, mir seine Frau zu erben.“ Hagedorn fand das Blatt und schrieb dar- unter: „Bei unsers Lipstorps Tod ist deiner Wünsche Ziel Zu wenig für den Rat, und für dich, Narr, zu viel.““) ') Muncker und Pawel, Klopstocks Oden (1889) S. 27. Die oben gewählte jüngere Form weicht in keinem für uns wesentlichen Punkte von der älteren (1747) ab. — Klopstock lernte Hagedorn erst 1751 im April kennen, vergl. Lappenberg-Weiland, Brief78 (auch Eschenburg V, 64, 105 u. 112). — „Keinen Schwätzer fürchtend“ geht auf Hagedorns bekannte Abneigung gegen zudringliches Geschwätz, vergl. sein Lehrgedicht „Der Schwätzer“ 1744, Eschenburg I, 84. °) Brief Hagedorns an Giseke vom 25. IX. 1746, abschriftlich in Sammlung Lappenberg. Herold in den Hamb. Adreß-Comtoir-Nachrichten 1800, 347. 5) Die Anekdote erzählt Eschenburg IV, 91. — Über Dreyer vergl. Herolds handschriftl. Notizen in Sammlung Lappenberg. — Hagedorn charakterisiert ihn gegen Bodmer: „Dieser Dreier ist, seiner Lebensart nach, ein rechter Gelehrter (?), unstät und flüchtig; und es ist immer schade um diesen guten Kopf, daß er sich selbst verwahrloset, seinen Sinn, in Ansehung der 4. Bitte, auf nichts Künftiges richtet und das tägliche 6 42 So etwas aber war bei Hagedorn eine Aus- nahme, und man muß sich schon dessen be- wußt sein, wie peinlich ihm Geschwätz und Zudringlichkeit waren — er hat's in seinem Lehrgedicht, dem Schwätzer, ja deutlich ge- nug ausgesprochen. Im allgemeinen aber mag es Fremden so gegangen sein, wie es dem 20Ojährigen Schweizer Salomon Geßner, der später durch seine Idyllen bekannt wurde, ergangen ist. Wir besitzen eine alte Schil- derung seiner Bekanntschaft und seines Um- ganges mit Hagedorn, die das liebenswürdige, heitere Temperament des Dichters so hübsch charakterisiert, daß wir sie hier einrücken: „Von Berlin reiste Geßßner nach Hamburg. Er hatte ein Empfehlungsschreiben an Hage- dorn mit sich genommen: allein ehe er dief} übergab, wollte er den Vater der Deutschen Dichtkunst ohne Empfehlung kennen lernen, und sich ihm, wo möglich, ein wenig durch sich selbst empfehlen. Er ging daher auf ein Kaffee, welches Hagedorn zu besuchen pflegte, und wartete die Gelegenheit ab, mit ihm in Unterredung zu kommen. Diese war bald gefunden, und Geßßner sah seine kühnsten Wünsche übertroffen. Er hatte die Schriften des vortrefflichen Mannes mit Entzücken ge- lesen, und fand ihn als Gesellschafter nicht minder liebenswürdig. Jenem behagte der Umgang mit dem unbekannten Jüngling nicht weniger. Den zweiten und dritten Tag fanden sie sich wieder beisammen. Beide schienen stillschweigend die Abrede dazu getroffen zu haben. Endlich wünscht Hagedornzu wissen, wer der Unbekannte sei, den er bereits so lieb gewonnenhat. Nunerstüberreichtihm Geßner sein Empfehlungsschreiben, mit dem Zusatze, daß nichts als der Wunsch, ihn nicht bloß als neugieriger Reisender zu sehen, sondern, wo möglich seine Achtung und Freundschaft zu “ Brod nur immer auf heute suchet...“; das Datum habe ich leider nicht notiert; vergl. außerdem G. F. Stäudlin, Briefe... an Bodmer (1794), 75 und das Hamb. Schriftstellerlexikon. erwerben, ihn nach Hamburg gelockt habe. Man kann sich leicht vorstellen, wie der liebens- würdige Mann, nach dem was vorhergegangen war, eine solche Erklärung aufgenommen habe. Seltenwarnun Hagedornohneseinen Schwei- zerischen Freund zu sehen. Er fuhr oft mit ihm nach Harvstehude, wo sie in dem Schatten dieser lieblichen Gegend schwatzten, lachten und tranken.... Wie glücklich war Geßner in Erinnerung dieser Zeiten! Ich habe ihn nie den Namen Hagedorn aussprechen gehört, ohne dal) sein Auge sich erheitert, und seine ganze Seele in seine sprechenden Züge hervortrat.“') 7. Korrespondenz mit dem Bruder, mit Giseke und Fuchs. Aus Hagedorns lebhaftem Briefwechsel hat sein Biograph Eschenburg eine reiche Aus- wahl geboten. Ich beschränke mich darauf, drei seiner Korrespondenten, die diesen Brief- wechel nach drei verschiedenen Seiten be- leuchten, kurz ins Auge zu fassen: den Bruder Christian Ludwig, den Freund Giseke und den von Hagedorn unterstützten Fuchs. Die Schilderung wird es mit sich führen, auch den Dichter jedesmal in einem neuen Lichte zu zeigen. Bei Christian Ludwig kann ich mich verhältnismäßig kurz fassen, da ihm demnächst Dr. Moriz Stübel in Dresden eine eigene Studie widmen wird.?) Die beiden Brüder Hagedorn hatten einander zuletzt in Jena ge- sehen, wohin Friedrich nach dem Tode der ') J. J- Hottinger, Sal. Geßner (1796) 61 ff. ?) Sein Lebenslauf ist im Hamb. Schriftstellerlexikon Ill, 54 ff. beschrieben. Irrig sind die nach Lappenbergs Notizen gegebenen Anmerkungen: Christian Ludwig hat nicht in Straßburg studiert, vergl. Dresden Haupt- staatsarchiv Loc. 461, 48 ff.: Der Minister Brühl und Wackerbarth Correspondenz 1736. — Christian Ludwig starb als Geh. Legationsrat und Generaldirektor der Kunstakademien in Dresden und Leipzig 1780, nicht 1779. — Am Montag, den 3. XII. 1741 (nicht 1745) ward er Legationsrat, vergl. Wolfenbüttel Nov. 630, 59. — Über den Prozeß um seinen Nachlaß vergl. S. 82f. Mutter den jüngeren von Halle aus begleitet hatte. Das war Ende 1732. Seitdem haben sie einander nicht wiedergesehen. Christian Ludwig hat der sächsische Diplomatendienst zwar oft in den Süden, nach Mainz, Frankfurt, Wien und anderen Orten geführt, nach Ham- burg aber ist er nie wieder gekommen, und so ist es unerfüllt geblieben, was er einmal so treuherzig schreibt: „Adieu mein Engels- brüderchen. Die Vorstellung eines künftigen Wiedersehens kann mich oft vergnügen, un- geachtet es in weitem Felde ist.“ ') Bei der innigen Zuneigung der beiden Brüder entwickelte sich nun die Korrespon- denz desto lebhafter. Von Friedrichs Briefen ist nicht allzuviel erhalten, denn sie brachten gar zu oft Erörterungen über peinliche Familien- verhältnisse, die böse Schwiegermutter u. a., und da er sich nicht entschließen mochte, solche Dinge auf einen eigenen Bogen zu schreiben, fühlte sich der vorsichtige Dresdner Diplomat verpflichtet, sie zu verbrennen.’) Christian Ludwigs Briefe dagegen liegen in großem Reichtum vor. Ihr Inhalt beschäftigt sich weit überwiegend mit der bekannten Kunstsammlung des Verfassers, ihrer Ver- mehrung und ihrer Bewertung, denn Friedrich sollte im Falle von Christian Ludwigs Tode angeleitet sein, die Bilder richtig zu verkaufen und sich vor den Intriguen der Händler hüten zu können.’) Aber wer heute diese überaus weitläufigen Episteln zur Hand nimmt und ') Undatierter Brief (Ende Lappenberg. 2) Neue Irene II (1806), 121. »), Zu diesem Zwecke verfaßte Christian Ludwig u.a. sein Mahlerisches Testament Politique; Sammlung Lappenberg. Es heißt darin z. B.: „Hüte dich vor allen Einstreuungen der Bilderhändler und noch boshaftern Mäklern.... Wie fein diese Leute zu sein vermögen, ist unbeschreiblich. Sie ... streun bei Zeiten einen Samen aus, um nach etlichen Jahren die Früchte zu genießen. ... Der Nachstellungen nach guten Ge- mälden sind garzuviel ... kein Guzmann d’Alfarache kann soviel Intriguen entdecken, als die pictorischen 1736) in Sammlung 43 studiert, der darf das sichere Bewufßßtsein haben, daß er sie vor dem Empfänger gelesen hat. Denn Friedrich war durchaus kein Mann vonUmständlichkeiten;außerdem interessierte ihn die Malerei nicht; er wird die Briefe für den gegebenen Fall auf die Seite gelegt haben, wie man überhaupt das Gefühl hat, daß er sein Lebenlang mit Bewußtsein sich alles fernhielt, was nicht in seine Kreise paßte; daher wohl auch die Harmonie seines Wesens, die schon den Zeitgenossen ins Auge fel. Für uns und für Friedrich interessanter sind dagegen die bald rührenden, bald zürnenden Beweise der Bruderliebe, die oft genug be- gegnen. Nach Friedrichs eignem Zeugnis sorgte Christian Ludwig „pro restauranda familia“,') aber Friedrich tat nicht wie der Bruder wollte; was gab es da nicht alles zu klagen! Friedrich ließ sich von Schlegel und andern als „Hochedler Herr“ statt „Wohl- geborener Herr“ anreden;’) er gab sich dazu her, empfehlende Vorreden für andrer Leute Gedichte (Brockes) zu schreiben;’) er sacri- heredipetae ins Mittel bringen.... Ich hoffe dies weit- läufige Exempel werde dir mehr zur Warnung dienen als General Regeln, die man wohl erfinden, aber in casu obveniente vergißt.“ ') Brief Friedrichs an den Bruder vom 2.V. Sammlung Lappenberg. ”) „Notire dir, daß in Maynz jeder Edelmann de bonne maison Baron heißt; ein Herr von... ist ins- gemein ein novus homo. Also heiße ich ... Herr Baron ... Vermeide die Schlegelsche B£tise... Es ist impardonable. Dem geringsten Postmeister muß ich ja Ehrenhalber Hochedler Herr geben. Es muß ihm bedeutet werden. Denn wenn er von Engels Charakter wäre, so rechtfertigt dieses nicht eine demarche, so uns den größten Tort tut. Ich weiß nicht, wie man es dir bieten darf. Du mußt im Umgang sehr sociable seyn, weil der Poete so brüderlich gemein worden.“ Undatiert; bewahrt in Wolfenbüttel. ”) Vergl. die übermäßig scharfen Auslassungen Christian Ludwigs vom 5. 1. 1741, Eschenburg IV, 106 Anmerkungen. Womöglich Brief vom 14. Il. 1741 in Sammlung Lappenberg; hier auch Vorhaltungen darüber, daß Friedrich das „von“ Namens unterdrücke, 1753, noch schärfer ein seines 44 ficierte seinen Stand in Hannover, obwohl er mit seinen Diäten hätte standesgemäß auf- treten können;') er unterschreibt sich im Stammbuch des Nürnberger Patriziers Kref ganz offen als secretarius mercatorum;”) er nimmt unwürdigen Dienst beim Englischen Gesandten von Wich an — Christian Lud- wig verzweifelt fast: „Mit großer Mühe und Schweiß suche ich Häuser zu bauen, aber deine Sorglosigkeit und gewählte Knecht- schaft reißen mehr nieder als dein sonst gutes und unverbesserliches und liebenswürdiges Gemüthe wieder bauen kann.“°) Und mag dies alles, klagt Christian Lud- wig, wenigstens zum kleinen Teil seine Ent- schuldigung in der philosophischen Resigna- tion des Poeten finden, nicht zu rechtfertigen sind die stetig neu auftauchenden Schulden. Was hilft es, wenn Christian Ludwig von jedem Gehalt einen Teil für den Bruder zurücklegt — öfter als das Gehalt laufen Friedrichs Bitten ein;') was hilft es, wenn er sich gutherzig schämt, ein Bild zu kaufen, wo er den Bruder noch in Sorgen weiß;’) was nützt es, wenn er für ein gemeinsames ruhiges Alter zurücklegt — Friedrich treibt doch sein stimulus, das Geld dem Spiel und Scherz nach der Welt Lauf zu opfern.‘) „Könnte ich meinen Charakter auf dich trans- ferieren, ich wolte von neuem wie Jacob um die Rahel dienen!“') — Einmal aber ist Christian Ludwig dem älteren Bruder auch ganz anders gekommen; da schrieb er ihm einen Brief, wie Friedrich weder gedruckt !) Brief Christian Ludwigs vom 7. X1. 1741, Wolfen- büttel 630, 57. ?) Brief Christian Ludwigs vom 23. XI. 0. J., Wolfen- büttel 633, 38. ") 14. 11. 1741, Sammlung Lappenberg. ') 24. XI. 1745, Wolfenbüttel; 5. V1l. 1743, Sammlung Lappenberg. >) 29. X. 1743, Wolfenbüttel Nov. 631, 47. ») 5. VII. 1744, Neue Acquisitionen, Lappenberg. ‘) 20. XII. 1741, Wolfenbüttel Nov. 630, 60. auch Sammlung noch geschrieben etwas ähnliches gelesen haben wird.') Trotzdem war Friedrich jederzeit weitdavon entfernt, zu zürnen. Ihm mochte bei diesen Vorwürfen, die seine nicht standesgemäße Aufführung und seine Schulden betrafen, so sein, als höre er seine Mutter sprechen, denn Christian Ludwig war ihr getreues Ebenbild. Friedrich erkannte die Berechtigung an, und mehr als einmal heißt es in seinen Briefen an andere: „Ich habe keinen größeren Reichtum als diesen Bruder.“°) Billig beschließt denn auch sein Name das große Lehrgedicht von der Freundschaft: Mein Bruder, den ich stets mit neuer Freude nenne, An dem ich noch weit mehr, als Brudertreu, erkenne, Ich eigne billig dir der Freundschaft Abriß zu: Wen lieb ich so, wie dich? Wer liebt mich so, wie du? Du bist, und dieses Lob wirst du umsonst verbitten, Gerecht nach jeder Pflicht, und würdig deiner Sitten. Mein allertheuerster, mein angebohrner Freund, Der mit der Höfe Witz das beste Herz vereint: Es kann das reichste Glück mir nichts erwünschters geben, Als deine Zärtlichkeit, dein Wohl, dein langes Leben. O nahet nicht einmal der holde Tag heran, Da ich dich wiedersehn, und froh umarmen kann?“ °) Dieser ersehnte Tag ist nicht mehr ge- kommen, aber Christian Ludwig hat dem Bruder die Treue übers Grab hinaus zu be- wahren gesucht, indem er seine Witwe durch eine jährliche Rente unterstützte, sie auch testamentarisch bedachte.*') Wenn ich aus der nicht geringen Zahl Hagedornscher Korrespondenten als zweiten Giseke hervorhebe und Hagedorns Briefe ') 24. X1. 1745, Wolfenbüttel. >) An Fuchs, 16.V. 1751, EschenburgV,64; an Bodmer 24. IX. 1754, Eschenburg V, 120: „... noch einmal um- armen muß, den rechtschaffenen Bruder, wenn ich männlich sterben und der Vorsehung, so wie ich soll und hoffe, mich unterwerfen soll.“ ») Eschenburg I, 78 (1748). ') Dresden Amtsgericht H. 548, 49b; H. 655, 99. — Über Christian Ludwigs Herzensgüte vergl. C. F. Weiße in seiner Selbstbiographie (1806) 98 f. an ihn im Anhang teilweise zum Abdruck bringe, so sind hierfür der tiefe innere Gehalt und die Unbekanntheit der Briefe maßgebend. Johann Nikolaus Giseke war 1724 in Ungarn geboren, wo sein Vater deutsch-evangelischer Prediger war. Beide Eltern aber waren Ham- burger, und nach Hamburg kehrte die Mutter mit den beiden Kindern zurück, als ihr Mann gestorben war. Johann Nikolaus stand damals noch im ersten Lebensjahr. Hier in Hamburg fand er dann seine Erziehung, machte als Gymnasiast seine ersten poetischen Probe- fahrten und erregte wohl durch sie die Auf- merksamkeit Hagedorns. 1745 bezog er als Student der Theologie die Universität Leipzig, und seit diesem Jahre datiert jener Brief- wechsel, der sich durch große Innigkeit aus- zeichnet.') Gisekes sanfte, bescheidene und stille Art hatte Hagedorns ganzes Herz gewonnen, und so schlägt der 16 Jahre ältere Mann dem Jüngling gegenüber oft einen Ton an, der in dieser Vertraulichkeit nirgends wieder klingt. Hagedorn sagt selbst, seine Briefe hätten fast den Charakter von Soliloquien angenommen, jedenfalls hat er keinen andern einen so tiefen Einblick in seine innersten Gedanken nehmen lassen. Ganz vereinzelt stehen z.B. die Äuße- rungen über das innere Schönheitsbedürfnis, das ihm den Einblick in eine tiefere Harmonie eröffnete und ihn doch nur desto unglück- licher machte, da er ihm nicht zu folgen ver- mochte. Er bekennt: „Bestraft ihn der Himmel mit dem, was man Geschmack heißt, so er- hält er eine neue Art Empfindungen, einen neuen Sinn, den tausend so wenig kennen und errathen als sie ihn besitzen, aber eben diese Empfindungen, dieser feine Sinn machen ihn in allem schwieriger, dürftiger, unglück- licher, und in gewissen Augenblicken kann ihm das Utinam nescirem literas natürlicher ') Gisekes Lebenslauf im Hamb. Schriftsteller- lexikon II, 493. Er starb 1765 als Superintendent in Sondershausen. 45 einfallen als einem unentwickelten Nero. ... Eine große Einsicht in vollkommene Schön- heiten verwöhnet, und vermehrt unsere Be- dürfnisse. Sie lassen sich nicht so hemmen und einschränken als die gemeinen Erforder- nisse, die nur die menschlichsten Nothwendig- keiten angehn... Wenn ich Ihre vortheil- haften Jahre‘oder noch weniger hätte, ich würde gewiß viele Neigungen, in Ansehung des Geschmacks, aufopfern und für mein Glück eigennütziger seyn als ich jemahls gewesen bin, da ich für die anmuthigste Kenntnis, die nur den Verstand berühret und das Hertz veredelt, zärtlicher gewesen als so viele, deren curae coelestium inanes sie emporgebracht haben. Itzo aber ists für mich zu spät und ich muß in meinen Einschrän- kungen bleiben. . .“') Hier in diesen Briefen begegnet auch das schönste Lob der Jugend und der Freund- schaft, das je über Hagedorns Lippen ge- kommen ist — viel unmittelbarer als in dem bekannten großen Gedichte von der Freund- schaft, das des gelehrten Rüstzeuges noch gar nicht entraten will. So rundet sich in diesen Briefen das Bild des gütigen und tiefempfindenden Mannes am schönsten und vollkommensten ab. — Die im Anhang mitgeteilten Briefe sind in dieser Hinsicht ausgewählt. Hagedorns Freundschaft aber kannte nicht nurWorte, siedrängteim Gegenteil fortwährend nach Betätigung. So suchte er den Satiriker Liscow in preußische Dienste zu bringen,°) so sorgte er für Klopstock, als er ihn noch gar nicht kannte,’) so schaffte er dem aus Ham- burg gebürtigen Dichter Ebert Verdienst durch eine umfangreiche Übersetzung aus dem !) Siehe Anhang S. 96f. ») Durch Vermittlung seines geistvollen Freundes v. Bielfeld, siehe dessen Lettres familieres I, Lettre 19 (1740. 18. Aoüt.) *) Eschenburg V, 105. 46 Französischen, die er der Aufnahme in seine eigenenWerke würdigte, und regte ihn zu Über- setzungen ausdem Englischen an, die er höchst wahrscheinlich selbst honorieren wollte,') so sammelte er für den blinden sächsichen Dichter Enderlein 200 Taler.’) Am tiefsten aber hat der Dichter Fuchs, ein armer Bauernsohn aus dem Obererzgebirge, seine Güte gespürt. Im 110. Stück des Hamburgischen Corre- spondenten von 1756 — also nach Hagedorns Tode — berichtet er selber davon. Man wird sich eines Lächelns nicht erwehren können, wenn man sieht, wie Hagedorn, der sein Lebenlang das aes alienum selber nicht losgeworden ist, von seinem Hertzen getrie- ben wurde, immer wieder Bedürftigere auf- zusuchen und ihnen ein Mäcen zu sein: für Fuchs hat er nicht weniger als 700 Taler zusammengebracht — die doch keiner not- wendiger hatte als der Absender selber. Und nicht genug damit, hat er für seine Kleidung gesorgt, ihm Dankbriefe aufgesetzt, ihn an seine Freunde empfohlen, kurz so für ihn gehandelt, daß er mit Recht von sich sagen durfte: „Ihr Vater kann Sie nicht viel mehr lieben als ich Sie liebe und immer lieben werde“; und dement- sprechend die wahrhaft herzliche Freude bei Fuchsens Verlobung — den er übrigens nie gesehen hatte! °) Dieser menschlich so schöne Zug sichert dem Dichter dauernd die Sympathie und ver- söhnt, wo es nötig sein sollte, mitandern Eigen- schaften. In diesem Zusammenhang darf auch gesagt werden, dal Hagedorn so zu geben wußte, daß der Empfänger nicht erfuhr, wer ihm geholfen hatte.') — „Wie gereicht es dem ') dela Nauze, Zwei Abhandlungen von den Liedern der alten Griechen (Eschenburg Ill, XXIV); geplante Übersetzungen aus dem Englischen, Eschenburg V, 135. 2) Mitteilung Rabeners bei Eschenburg V, 72 An- merkung. *) Hagedorns Briefe an Fuchs bei Eschenburg V,48 ff. ‘) Für Enderlein z. B. bestätigt es Rabener in einem Briefe an Bodmer „auf eine so edle Art... , daß der arme Blinde nicht erfahren hat, von wem es gekommen.“ Hertzen zum Leben und zur Kraft, wenn man andere glücklich machen kann!“') 8. Schriftstellerische Tätigkeit. Harvestehude. (1729. Versuch einiger Gedichte.) 1738. Versuch in poetischen Fabeln und Erzählungen. 1742. Sammlung neuer Oden und Lieder. 1744. Sammlung neuer Oden und Lieder. Il. Teil. 1747. Oden und Lieder in Büchern. 1750. Moralische Gedichte; angehängt Fabeln und Er- zählungen II. 1752. Sammlung neuer Oden und Lieder. IIl. Teil. 1753. Vermehrte Ausgabe, darin „Horaz“. Poetische Werke.) Hagedorns schriftstellerische Tätigkeit zu behandeln, liegt nicht in der Absicht dieses Buches. Es ist eine Aufgabe für sich. Hier müssen die Grundzüge genügen. Billig aber geht ihnen die Schilderung desjenigen Ortes voraus, der jahrzehntelang das Ziel seiner Wanderungen gewesen ist und an dem ihm die Muse am freundlichsten gelächelt hat: Harvestehude. Hier in der „Stille voller Freuden“, im ländlichen Frieden des Pacht- hofes sind seine Gedichte gebildet und nieder- geschrieben. Harvestehude ist das Zauber- wort, das die Stadt mit aller ihrer Konvention, mit ihren zudringlichen Menschen und ihren vielen Sorgen versinken ließ. Hierher, „wo die grüne Nacht den entschlafenen Muth er- muntert und den Kummer schläfrig macht“, °) ist er an jedem hellen Sommertag gewandert, allein oder mit den empfindsamsten. seiner (Eschenburg V, 72.) — In einem Briefe Rabeners an Hagedorn findet sich eine witzige Charakteristik Enderleins und seiner Freiberger Landsleute, die unter der Erde denken. Hier auch näheres über Fuchs; Eschenburg V, 228. ') An Bodmer über Fuchs 17. 1X. 1752, vergl. auch 21. u. 26. XII. 1746, Univ.-Bibliothek Zürich; die Ge- dichte auf Hagedorns Tod (Eschenburg IV, 164 ff.) heben die Herzensgüte nachdrücklich hervor. °) An Giseke 12. IV. 1751, Zitat aus Tralles Riesen- gebirge (1750); der Brief abschriftlich in Sammlung Lappenberg. Freunde: mit Salomon Geßner, mit Klopstock und Giseke; hierher wünscht er sie zurück, wenn sie fern sind. Einen Rest des alten Charakters bewahrt Harvestehude auch heute noch, trotz der mächtig nachdrängenden Stadt. Nicht nur, dal} Striche Wiesenlandes unmittelbar an der Alster noch jetzt so liegen, wie Hagedorn sie gesehen hat. Wichtiger für den Ein- druck, der noch immer etwas von der alten ländlichen Freiheit ahnen läßt, sind die mächtigen Gartenanlagen mit dem gewellten Terrain und dem unregelmäßigen, oft hundert- jährigen Baumschlag. Auch gibt es dort noch manche Straße, der man ihre Ent- stehung aus einem alten Gewohnheitswege deutlich anmerkt. Von Hagedorns Harvestehude aber können wir uns nur noch auf literarischem Wege eine Vorstellung machen. Unser letzter Domherr F.J. L. Meyer (1760— 1844) hat uns eine Schilderung mit so vielfältiger Beziehung auf Hagedorn hinterlassen, daß wir sie hier einrücken. „Die Gegend vor dem Dammthor war bis in die Mitte der Jahre 1770, wie gesagt, noch wenig mit Gartenhäusern besetzt, und um desto einsamer und ländlicher. Sie hat sich in den vorletzten, besonders aber in den letz- ten zehn Jahren, durch allgemeinern Anbau sehr verändert. Vorher betrat man schon unmittelbar vor dem Thor, Felder und Triften. Wiesen und Gemüseland verbreitete sich nach allen Seiten, und auch dahin, wo jetzt hun- derte von Gartenhäusern stehen. Nur einige durch Baumpflanzungen gedeckte Gartenhäu- ser, lagen damals noch, mit Scheunen und Viehställen vermischt, rechts vor dem Thor. DerRabenweg, von den beiden Wirthshäusern, die (der) Rabe sogenannt, ward zuerst mit einer Reihe von neuen Gartenhäusern bebauet, und dadurch nach und nach der Ton zu der Gartenliebhabereiin dieser Gegendangegeben. Unmittelbar yor dem Thore links, ist die 47 Landaussicht seit zehn Jahren viel freundli- cher geworden. Wo vorher eine ganz un- kultivierte weite Strecke lag, ist jetzt Getrei- deland auf dem Glacis; weiterhin sind die Todtenäcker mit ihren kleinen Hainen und Todtenhallen; einige Fuß- und Fahrwege sind mit Bäumen bepflanzt. Selbst der Fußsteig auf dem Glacis neben dem Stadtgraben durch die Raveline bis an das Millernthor, — der Philosophengang genannt, — hat artige An- sichten, wenn man die geraden Linien, spitzen Winkel und geregelten Anlagen der Befesti- gungswerke dabei vergessen kann. Obgleich nun die Zahl der Gartenhäuser sich in der Damthorsgegend so sehr vermehrt hat, bleibt ihr doch noch viel Reiz durch die freien Aussichten auf Feld und Flur, auf Gemüse- ländereien und Baumgärten. Ihr bleibt das schöne Alsterbassin und der Schattengang an seinem Ufer. Ihr bleiben noch viele, den größten Teil des Tages stille, einsame Strecken und Fußwege in dem Lande umher. Vor allem die trefliche Lage des klösterlichen Pachthofes Harvestchude, eines der anziehendsten, ländlich schönsten Plätze, in einem von der Alster begränzten kleinen Thal, so ganz des romantischen Ka- rakters der Ruhe und friedlichen Abgeschie- denheit von der Welt, der fromme Eremiten des dreizehnten Jahrhunderts, zur Stiftung des Jungfrauen Thals, eines Cistercienserinnen Klosters, an diese Ufer lockte. Unter den verschiedenen Wegen, die nach diesem lieb- lichen Ort führen, ist der an der Alster hinab der anmuthigste, obgleich auch er, durch die Anlage vieler Gartenhäuser an dem Uferwege, jetzt minder einsam geworden ist als er vor- dem war. Dafür bietet er in einigen zwischen Buschpartien von Arensaufgeführten Gebäuden und Gärten, der Zeichnung nicht unwerthe Ansichten. Der Platz, wo einst das Nonnen- kloster zum Jungfernthale von einem Eichen- hain umschattet stand, und noch vor wenig 48 Jahren eine von der Alster bespülte Wiese war, ist seitdem in einen englischen Garten verwandelt... Ich will zwar die neue vor etwa fünfzehn Jahren gemachte Anlage des englischen Gartens von Harvestehude nicht verwerfen; sie hat Schatten, zutrauliche, selbst malerische Plätze: doch gewinnt sie bei mir der vorigen ländlichern Ansicht, einereinfachen mit einigen buschigten Lauben und mit ma- lerischen Eichengruppen besetzten Wiese den Vorzug nicht ab. Lieber sah ich diese ein- fache frisch grünende Wiese, mit dem wei- denden Vieh und dem freiern Blick auf die Alster, die jetzt gerade an der schönsten Stelle dieser Anlage, in der Platanenlaube durch Buschwerk, und, was noch schlimmer ist, durch geradlinigt gezogene Hecken und Bäume verdeckt wird. Hier stand einst Hagedorn’s Linde, und — wandelten Schatten unsichtbar unter den Sterblichen — hier wäre das Ely- sium der Manen unsers edlen vaterländischen Dichters. Der Sitz unter dieser Linde war sein täglicher Lieblingsplatz; hier saß er oft mit seinen Freunden, Klopstock und Karpser, in fröhlichem Gespräch, noch öfterer einsam, Lieder der Freude und der Liebe dichtend. Die Linde war so ganz sein, und er an dem Ort so allbekannt, daß, wenn andere Gäste dort saßen und Hagedorn nur in der Ferne erschien, sie aufstanden, um ihm die Stelle unter der Linde!) zu räumen. Diese Linde ist nicht mehr; ein Wetterstrahl hat sie vor fünf ') Hagedorn, der sehr kurzsehend war, hatte, wie Klopstock mir erzählt, in der ersten Ausgabe seiner Gedichte, in dem Gedicht: Harvestehude, diesen seinen Baum als eine Eiche besungen, wofür er die Linde an- sah. Da hieß es: — — Das schwör ich bei der alten Eiche usw. Sein launigter Freund Karpser entdeckte das lächer- liche Versehen zuerst, ging feierlich ernst zu Hagedorn, sprach von einem nicht zu verbessernden Verstoß gegen sich selbst, gegen die Menschen, ja gegen die Natur usw. — — und trieb seinen Freund, auch nach der Entdeckung der wichtigen Sache, so in die Enge mit der ihm eignen schraubenden Laune, daß er, in seinem Verdruß über den begangenen Schnitzer in der Baumkunde, gern die und zwanzig Jahren zersplittert: eine schon manchem fremden Wallfahrer nach Hagedorns Lieblingsort, von dem Wirth zu Harvestehude gegebene unwillkommne Antwort. Aber sein Geist umschwebt die Stelle wo sie stand, und wenn der schon oft geregte Gedanke, unserm grossen Hamburgischen Dichter ein Denkmal zu setzen, einmal ausgeführt wird, so ist dies viel mehr die dazu geeignete Stelle, als die in Vorschlag gebrachte, vor dem Hofe, auf den von Linden beschatteten Hügel, der Li- centiatenberg genannt.') Dieser hat zwar eine trefliche Aussicht auf den buschigten Eichen- grund von Harvestehude, mit den durchblik- kenden Armen der sich hier verengenden Al- ster, und über ihre jenseitigen Ufer hin, bis an die Stadt; das Denkmal aber wäre hier je- dem Anlauf ausgesetzt, gegen Muthwillen und Verderbungssucht roher Hände ganz unge- schützt, und würde in wenig Jahren nur noch als Ruine da stehen .... Hagedorn, mein vaterländischer Sänger! hier, im Harvestehuder Thal, wo die lieblichen Blumen Dir keimten, die Dein freundlicher Genius sammelte, und sie für uns und für Hamburgs späteste Generationen unverwelk- lich wand, feire ich Dein Andenken, und lege diesen Kranz von Weinlaub, Myrthen und Ro- sen nieder, wo Du die Leier stimmtest zu harmonischen Liedern der Jugend und der Freude, zu Feiergesängen der Schönheit, der Freundschaft und Liebe.“?) ganze Ausgabe seiner Gedichte zurückgenommen hätte, wenn er nur seine Linde dadurch gleich in ihre Rechte hätte einsetzen können. In der zweiten und den fol- genden Ausgaben hiess es denn — aber ohne Aus- sühnungsnote: — Das schwör ich bei der alten Linde, In der so mancher Vogel heckt usw. (Anmerkung Meyers.) — Hagedorns Kurzsichtigkeit war vom Vater ererbt, vergl. Wolfenbüttel Nov. 632, 17 und besonders an Bodmer 18. IX. 1753 (Zürich, Universitäts- bibliothek). Sein Bruder starb in Blindheit. ') Vergl. S. 78. °) F.J-. L. Meyer, Skizzen zu einem Gemälde von Hamburg. II (1802), 64 ff. Hier in Harvestehude werden wohl nur die Werke der leichteren Muse entstanden sein, die Oden und Lieder; denn die Mora- lischen Gedichte, die Fabeln und Erzählungen und die Epigramme haben bei ihrer und ihres Autors fast wissenschaftlicher Art des gelehrten Hintergrundes einer Bibliothek nicht entraten können. Von den Epigrammen wissen wir es geradezu, daßßsie im Bibliotheks- zimmer seines lieben Freundes und Verlegers Johann Karl Bohn entstanden sind. Hage- dorn pflegte dem Freunde, wenn er bei ihm arbeiten wollte, eine Nachricht der folgenden charakteristischen Art zu schicken: „Heute Nachmittag um drei Uhr werde ich mich in Ihrer Bibliothek einfinden, um einige ein- same Stunden daselbst zuzubringen. Ich bitte für mich bereit zu halten: drei Bouteillen Eutiner Bier, von denen die Pfröpfe so ge- löset sind, dafß man sie leicht und gleich ab- ziehen kann, und drei neue Pfeiffen, jede mit Kanaster leicht und gut gestopft.“') — Solche Gefälligkeit vergalt Hagedorn damit, daß er Bohn bei manchen Verlagsangelegen- heiten mit seinem einsichtigen, gelehrten Rate zur Hand ging: Aus Büschings Munde wissen wir z. B., daß Hagedorn die Übernahme der Büschingschen Erdbeschreibung persönlich veranlaßt hat.?) Wie sehr Bohn sich ihm wiederum verbunden fühlte, sagen am besten die Worte, die er der ersten Gesamtausgabe der Werke voranstellte (1757): „... die mehr als väterliche Freundschaft, deren mich der seelige Herr von Hagedorn würdigte und deren ich mich nie ohne die zärteste Weh- mut erinnere; eine Freundschaft, die mich in ihm den Menschenfreund so sehr schätzen lehrete, als die Welt den Dichter ewig in ihm bewundern wird.“ Dabei war Bohn — „der ehrliche Bohn“, wie Friedrich stereotyp schreibt — offenbar ein Mann, der mit seinen ') Herold in den Hamb. Adreß-Comtoir-Nach- richten 1800, 347. °) Büsching, Beyträge VI (1789), 198. 49 Worten sparte; an einen Brief an Giseke hat er „mit Vater Hagedorns Erlaubnis“ einen Gruß angehängt, in dem er von sich sagt: „bin ich gleich nicht durch und durch zärtlich, so habe ich doch ein freundschaftlich und redliches Hertz.“ Äußerlich betrachtet, ist das Lebens- werk des Dichters von bescheidenem Um- fang: in der enger gedruckten Ausgabe von 1757 ein Oktavband von normalem Umfang, in der luxuriöser ausgestatteten drei schmale Bände. Aber Hagedorn hat auch nichts weniger als den Ehrgeiz besessen, ein Vater vieler Bücher zu werden; dazu war er viel zu strenge gegen sich selbst. Seiner Natur war überhaupt das Lesen angemessener als das Schreiben; davon legen die in Zürich bewahrten Briefe des Dichters an Bodmer hinreichendes Zeugnis ab. Formal betrachtet, sind seine Werke von großer sprachlicher Reinheit. Er hat fort- während gefeilt und feilen lassen. So hatte sein Freund Dr. M. A. Wilckens — neben dem älteren Liscow der einzige, den er mit dem vertraulichen Du anredet’) — mandatum sine clausula, zu ändern was ihm nicht ge- fiel:®) Auf der Stadtbibliothek hat sich ein Dutzend Briefe erhalten, die Hagedorn dem Freunde in seinen poetischen Wehen geschrie- ben hat. — Die sprachliche Strenge veran- laßte ihn auch, die moralischen Gedichte einzeln drucken zu lassen und sie auserwähl- ten Freunden mit der Bitte um ihr Urteil zu übersenden. Denn im Gegensatz zu Bodmer, der die Kritiker kurzweg Esel!) nannte, hatte Hagedorn große Achtung vor seinem Publi- kum. Charakteristisch für diese sprachliche ') 11. III. 1753, abschriftlich in Sammlung Lappen- berg. ®) Köstliche, humorvolle Briefe Friedrichs an Lis- cow findet man bei Helbig, C.L. Liscow (1844). ') Brief 10, o. D. wohl 1745. ') 6. IX. 1744 bei Eschenburg V, 174. 50 Selbstzucht ist eine Äußerung, die sich in einem Briefe an Giseke findet: „Ein Autor hat eine unumschränkte Gewalt über seine Schriften und gleichsam ein Jus vitae et necis. Ich sehe gewisse unrichtige Ausdrücke, die sich in meine Gedichte einschleichen dürfen, als Wechselbälge an, die ich verstoßen und nicht erkennen muß; auch gedenke ich einigen Dichtern ein gutes Exempel zu geben, die, wie es scheinen könnte, die Auslöschung einer ihrer Zeilen für einen Kinder-Mord an- sehen.“?) Trotz alledem hat Hagedorn, wie er Bodmer und vielen andern gesteht, an seinen Gedichten nur eine „geringe Selbstzufriedenheit“ ge- funden.?) Ganz anders die Zeitgenossen, die ihn im Zusammenhang mit der vorangegan- genen Generation sahen: Herold nennt ihn geradezu die Morgenröte des guten Geschmacks in Deutschland; „denn in den Jahren, da die Verfasser der bremischen Beiträge ihre schrift- stellerische Laufbahn anfingen, gegen die Jahre 1741 bis 1750, näherte sich Hagedorn beinahe dem Ende der Seinigen... Nimmt man auf diesen Umstand Rücksicht, so kan man die Gedankenfülle, die Korrektheit des Styls, die Harmonie des Versbaus und den ungezwun- genen und doch kraftvollen Ausdruck unsers Dichters nicht genug bewundern, zu einer Zeit, wo die, welche damals für Dichter galten, ge- dankenleer, in ihrer Schreibart nachlässig, ohne Gefühl für das Wohltönende des Vers- baues, und voll gesuchten, und doch verfehlten Witzes waren.“®) Aus den zahllosen und ab- solut einstimmigen Urteilen, die Hagedorns sprachliche Kunst im 18. Jahrhundert erfahren hat, will ich hier nur noch das kompetenteste anführen: Wieland sagt in der Vorrede seiner poetischen Schriften: „Brauchen wir einen an- dern Beweis als unsern Hagedorn, den ächten 25. IX. 1746, abschriftlich in Sammlung Lappen- berg. 3. VI. 1742, Eschenburg V, 84. ') Hamb. Adreß-Comtoir-Nachrichten 1800, 361. Horaz unserer Nation, wenn anders jemand diesen Namen verdienen kann; den Dichter den an Feinheit des Geschmacks keiner, von welcher Nation essey, übertroffen hat, und dem wenige an Fleiß jemals gleichen werden... .“') Hagedorn selbst aber setzte solchen Erhe- bungen mit ungekünstelter Bescheidenheit entgegen: „Der mich lobt, mag mein Lob verantworten.“ ?) Inhaltlich betrachtet, istaller Hagedorn- schen Poesie ein starker lehrhafter Einschlag eigen, sogar seiner Lyrik. Dem heutigen Leser ist nichts peinlicher als diese Wahrnehmung. Wir haben längst die Fähigkeit verloren, ein Lehrgedicht zu lesen, in dem Zeile für Zeile epigrammatisch einen neuen Gedanken bringt; wir graben uns daher aus dem Vorrat Hage- dornscher Dichtung die leichteren Lieder aus und hoffen, in ihnen das Wesentliche seiner Kunst gefunden zu haben. Ganz anders das 18. Jahrhundert: Hagedorn hat seinen Werken die Moralischen Gedichte vorangestellt, und das war zweifellos im Sinne seiner Zeit! Man nimmt den Maßstab zur Beurteilung des 18. Jahrhunderts so leicht aus dem Rokoko der bildenden Kunst und denkt sich das Tempe- rament seiner Menschen so graziös und heiter wie die gleichzeitige Kunst — ob mit Recht, darf im Hinblick auf die verbriefte Wirkung der Hagedornschen Poesie bezweifelt werden. Gewiß ist er der Vater der anakreontischen Dichtung geworden und als solcher noch heutigen Tages allseitig bekannt; ebenso ge- wiß aber ist es — und das wird meistens über- sehen—,daßgeradeseineschwerfälligen,moral- philosophischen Gedichte esgewesen sind, die es seiner Zeit bis zur Rührung antaten! Zeuge dafür mag z. B. des Dichters Bruder sein: „Ich kann sagen, daß ich eine recht unbeschreibliche Freude über dein schönes Gedicht von der Glückseligkeit und den dir daraus billig er- wachsenden Ruhm empfunden habe. Vor ') Schmid 398. °) An den Bruder am 23. Ill. 1753, Eschenburg V, 33. Tische gestern vergaß ich über dem Lesen ein nöthiges Ausgehen und nach Tische hatte ich meinen Caffe in Gedanken hineinge- schlürfet, ohne zu wissen, wie die Kanne leer geworden. O Gott gebe dir ein langes Leben, lieber Bruder, und lasse dich die Glückseligkeit genießen, die du so schön beschreibst... Die ganze Austheilung ist in deinem Ge- dichte schön. Der Anfang klar und sanft wie ein Bach und führt den Leser unvermerkt in den Strom. Dahin gehört auch der recht erhabene Ausdruck: Ist Pöbel in dem Staub, ist Pöbel auf dem Thron... (Folgt eine Zer- gliederung der andern „erhabenen“ Schön- heiten.) Aber was den Leser vollends rühret, per modum alluvionis das Herz einnimmt und Thränen in die Augen stößt, ist die ganz unvergleichlich und unverbesserlich ge- schlossene Stelle, wo die Mildthätigkeit und das mitblutende Herz bei dem Schmerz des Nächsten beschrieben ist. Da habe ich aber auch das Blatt weglegen müssen... Eine der schönsten Beschreibungen, die ich in meinem Leben in solcher Kürze ge- lesen, ist wie der Landmann die Ruhe gäh- nend hascht und schnarchend fest verwahrt. So viel ich da erzählt, so viel und mehr werden auch Exempel seyn, so die Schweizer in ihrer Dichtkunst und Kritik anführen werdens ..@.) Solche Äußerungen, die zeigen, wie be- gierig ‘diese Lebensphilosophie eingesogen wurde und das Herz der Zeitgenossen im tiefsten Grunde ergriff, haben sich vielfach erhalten. So schreibt z. B. unser Landsmann, der Dichter Johann Arnold Ebert, als er in Leipzig Theologie studierte: „Ich bin, nach- dem ich es (die Glückseligkeit) gelesen, viel zufriedener und vergnügter, viel weiser, und also auch viel glücklicher geworden, als ich vorher gewesen bin. Ich habe in demselben einen nicht geringen Trost für meine jetzigen Umstände gefunden; ich habe seit der Zeit ') 16. X1. 1743, Sammlung Lappenberg. SL den Überfluß noch mehr, wie sonst, ver- achten, und dasjenige, wodurch man die Zu- friedenheit und einen gesetzten Geist erhält, emsiger, wie sonst, suchen gelernt; ja ich habe mir auf meinen geringen Stand und auf meine Armuth fast etwas einzubilden ange- fangen, seitdem Sie dieselbe in Ihrem Ge- dichte gleichsam geadelt haben, und ich in der Meinung befestigt Din, daß man in meinem Stande leichter ruhig, weise und glücklich werden könne, als in einem andern. Ich freuete mich, viele Gedanken, die ich mit Vergnügen in einigen Alten gelesen, oder von Ihnen gehört, und die an sich schon er- haben sind, hier in einer noch erhabnern und nachdrücklichern Sprache zu hören...“ ') Ähnlich Giseke über den „rHoraz*2 „Ich bin noch zu voll von Ihrem Gedichte, als daß ich mich unterstehen könnte, davon zu urtheilen. Aber ich habe es mit meiner ganzen Empfindung gefühlt, daß ces schön ist... Verstehen werden es freilich eben so wenig Leser, als Ihre Freundschaft, Ihren Falken, und fast alle Ihre Gedichte. Aber für die Einfalt singen Sie so wenig als die Nachtigall. Ich freue mich, daß ich es ver- stenere ) Hagedorn hat es Bodmer gegenüber oft ') Eschenburg V, 232 (16. XI. 1743). °) Eschenburg V, 283 (28. V1. 1751). Vergl. ferner die Beurteilung des Weisen durch Hagedorns Bruder („so stark als ich jemals etwas gelesen“) und die Schweizer, Eschenburg IV, 60#.; ferner C. H. Schmid im Nekrolog I (1785), 300 über die Moralischen Ge- dichte, z. B. über die Glückseligkeit: „Es enthält eine Rhapsodie edler Gedanken, die, wie von den Lippen natürlich, und dennoch nachdrücklich herabströmen. Hagedorn’s Lehrgedichte bestehen aus einer Reihe scharfsinniger und körnichter Sitten- sprüche mit treffend geschilderten Karakteren durch- flochten, mit einer urbanen Satire gewürzt, in einer gedrungnen Kürze, mit gefälliger Eleganz, und be- neidungswürdiger Harmonie vorgetragen. Vor ihm hatten wir unter den Dichtern noch keinen so beredten Sittenlehrer gehabt, vor ihm hatte noch keiner mora- lische Wahrheiten mit so vieler Wärme vorgetragen, eines Weisen, 7* 52 ausgesprochen, daß er den Schwerpunkt seiner Kunst in der didaktischen Poesie sehe. Von seiner Lyrik hat er wenig wissen wollen; und nicht aus Bescheidenheit, sondern aus prin- zipieller Überzeugung nennt er sie nugas ca- noras. Er wendet sich von ihnen ab, weil er das einzig würdige Ziel, dem ein gereifter Mann zustreben soll, in der Verkündigung edler Wahrheiten erkennt. Er gesteht, daß sein Lieblingsgebiet durchaus die moralischen Briefe sind, und er macht sich ein Bild von dem erhabenen Beruf des Dichters als des weltweisen Predigers, an dem gemessen ihm alles unpoetisch erscheint, was er bisher ge- schrieben. „So ist meine itzige Gesinnung, in Ansehung meiner Dichterey, beschaffen und ich stelle mir einen Poeten fast in der Vollkommenheit vor, nach welcher die sto- ischen Lehrer ihre unerfindlichen Weisen bil- deten, ja, solange ich dieser Ideemichüberlasse, bereue ich, als unpoetisch, alles was ich bisher meiner Feder entfallen lassen, und gerathe mit Gedanken und Wünschen in Sphären, in welche die meisten meiner deutschen Mit- brüder in Apollo sich nicht gewagt haben und, wohin zu dringen, mir weder Jahre noch Zeit, noch Kräfte zulassen. Alsdann scheint mir auch nichts so rahtsam zu seyn, als die Welt mit Kleinigkeiten zu verschonen.“') So schrieb Hagedorn ein Jahr vor seinem Tode, 1753. vor ihm noch keiner (und dies ist einer der größten Verdienste Hagedorn’s um unsre Dichtkunst) unsrer Sprache so viel Wohllaut gegeben“; vergl. auch des Freiherrn v. Bielefeld Freundschaftliche Briefe, Danzig und Leipzig 1770’; dort I, 226, 410 und II, 137 drei Briefe an Hagedorn. Im ersten vom 20. VIII. 1740 heißt es über die Fabeln: „Wir haben in unserer Mutter- sprache nichts das besser gedacht oder besser aus- gedrückt wäre; Sie verbinden mit des Fontaine natür- lichen Munterkeit im Erzählen eine unendliche Gelehr- samkeit, die sie, ohne sich dem Verdachte der Schul- füchserei zu nähern, auf eine überaus angenehme Art anzubringen wissen...“ ') An Bodmer 16. IX. 1753, Universitäts-Bibliothek Zürich; vergl. dazu 17. IX. 1752, 19. V. 1753 und 10. IV. 1743 ibidem. Von diesem Standpunkte aus versteht es sich, daß Hagedorn Milton und Klopstock mit vollem Verständnis gegenüberstand, da- gegen dem anakreontischen Treiben nur wenig Geschmack abgewann; und es ist ganz folge- richtig, daß er die jungen Leute, die sich ihm anschlossen, auf die moralischen Themen hinlenkte. Charakteristisch ist da vor allem der Rat, den er seinem Schützling Fuchs erteilt, „sich nützliche Wahrheiten zu wählen, um durch eine poetische Einkleidung sie gefälliger zu machen“, oder wie es in einem andern Briefe an denselben heißt: „Ich will nicht erwähnen, daß... noch viele Wahrheiten unerörtert sind, oder wenigstens nicht in dem ganzen Umfange ihres Einflußes ausgeführt worden; und daß z. E. ein Jacobi ein glückliches Bei- spiel gegeben, wie man ... mittelst einer neuen Einkleidung bekannter Wahrheiten, ihnen einen empfindlichen Nachdruck und eine vorteilhaftere Stellung geben kann... .“') Das war also eine Dichtkunst, die nicht aus dem vollen Herzen und einem musi- kalischen Formbedürfnis entsprang, sondern die mit dem Verstand erdacht wurde und bis zu einem gewissen Grade erlernbar war. Mit vollem RechtsagtdaherScherer, daß Hagedorns Muse mehr Geschmack, Verstand und Witz bewähre als Phantasie und Gefühl.”) Hagedorns Gedichte, Fabeln und Erzäh- lungen sind zweifellos zum großen Teile aus jenen weißen Kartenblättern entstanden, die er bei sich führte und auf denen er bei seinem unerschöpflichen Leseeifer notierte, was ihm durch Geist oder Form gefiel.’) Die zahllosen ', 13. 11. 1752 und 24. IX. 1753 bei Eschenburg V, 65 und 69; vergl. auch Äußerungen wie „Freundschaft... ., die, wahrer Dichtkunst gleich, so bessert, als ergetzet“ im Lehrgedicht „Die Freundschaft“ (1748), Eschenburg I, 69; oder an Wilckens 31. XI1. 1737: die Materie soll „mehr lehren und erbauen, als reitzen und rauschen.“ ?) Literaturgeschichte” (1902) 376. 3) Schmid 399: „Alle seine Einfälle schrieb er auf, warf sie in ein großes Portefeuille, und nach einem Anmerkungen und Quellenangaben legen Zeug- nisdavonab. Eine eindringende Untersuchung würde wohl auch belegen können, daß eine Fülle von Gedanken Wolffs und der Auf- klärung in seinen Werken poetische Form angenommen haben auch das ein Grund, weswegen seine Muse von den Zeitgenossen so hoch geehrt worden ist. Gegen Ende seines Lebens trug Hagedorn sich mit dem Gedanken, die Poesie gegen die Herausgabe kritischer Briefe einzutauschen, d. h. die Dichtung gegen die Wissenschaft. Und kann man sich darüber wundern, wenn man die Grundlagen seines Schaffens bedenkt? Schon 1745, also neun Jahre vor seinem Tode, schreibt er Gleim einmal, daß er geneigt sei, seine nugas canorasin Ansehung ihres mäßigen Wertes nicht fortzusetzen. „Überhaupt scheint mir die Kunst, in der Poesie zur rechten Zeit aufzuhören, eine der schwersten zu seyn. Man überlebt... seine besten Kräfte, ohne den Ab- gang zu merken...“') Die kritischen Briefe, die an ihre Stelle zu treten bestimmt waren, sollten die Untersuchung der Wahrheit, die Mitteilung gründlicher Gedanken zum End- zweck haben.?) Zweifellos hätte Hagedorn Jahre musterte er sie. Was ihm alsdann nicht gefiel, verbrannte er... der Überrest ward noch ein Jahr bey Seite gelegt, und alsdann nochmals mit der größten Strenge geprüft.“ Vergl. auch Lessing, Kollektaneen I, 326 und 329; Herold in den Hamb. Adreß-Comtoir-Nach- richten 1800, 353. ') Eschenburg V, 147. ?) Schmid 399, Herold inden Hamb. Adreß-Comtoir- Nachrichten 1800, 353. Mit diesem Plan in Zusammen- hang steht jedenfalls die folgende Anfrage an Giseke vom 16. XII. 1750: „Wer ist der Herr Stockhausen in Helmstädt? Mir gefallen seine Grundsätze wohl- eingerichteter Briefe... so sehr, daß ich wünschen möchte, ihn zu kennen, um meine Gedanken wegen der von ihm verheißenen Sammlung erlesener Briefe ihm eröffnen und dazu wenigstens ein Dutzend aus den englischen und französischen Briefen vorzuschlagen, die ich als Meisterstücke ansehe und immer mit neuem Vergnügen lese.“ Hagedorn trat alsbald mit Stockhausen in Briefwechsel (vergl. seinen Brief an 93 auch hierin etwas Großes und Größeres als seine Vorgänger geleistet, denn die Prosa stand ihm so flüssig und so geistvoll zu Ge- bote wie keinem seiner Zeitgenossen. Dazu war er ein Meister in der Pointe, die ihm grade in der ungebundenen Rede am schärfsten ge- lang. Die Briefe seiner reiferen Jahre sind schon äußerlich in ihrem großen klaren Duktus eine Freude.') Zur Ausführung kam dieser Plan nicht mehr. Hagedorn ist bis an sein schmerzens- reiches Ende der Muse treu geblieben. 9. Krankheit und Tod. Die Schatten waren lange vorausgefallen. Schon 1741 schreibt der 33jährige Dichter seinem Bruder: „Meine Unlust zum Rennen und meine podagrischen Steifigkeiten berech- tigen mich zu mehrmaligen Exclamationen über das schlechte Pflaster, über die rauhe Nacht- luft, und über das kaum verantwortliche Ver- fahren meines Vaters, mir seinen Wagen nicht zu lassen.“°) In einer poetischen Epistel die Hagedorn im gleichen Jahr von seinem Freunde Stüven erhielt, bekommen wir ein klares Bild seiner Krankheit, mit Ursache und Wirkung. Stüven schreibt: „Mein Freund, an den ich nie als mit Vergnügen denke Und den ich oft im Geist mit Bier und Porter tränke, Was macht dein kranker Fuß, was macht dein Podagra? Ist noch der truckne Brand zu nasser Hitze da?“') Giseke vom 2. V1l. 1751) und schickt ihm einen „fast mühsam ausgearbeiteten Plan“, an Giseke 19. IX. 1751, abschriftlich in Sammlung Lappenberg. ') Sein Gegensatz ist auch hierin Christian Ludwig, der ebenso undeutlich wie umständlich schreibt. >) Eschenburg V, 31. ») Baireuth 12. IX. 1741, Sammlung Lappenberg. Das Kuvert dieses Briefes trägt die Aufschrift: Monsieur de Hagedorn, le Peche Originel (wörtlich: Erbsünde) de la Magnifique et Tres Savante Libre Republique Imperiale de Hambourg au Bohm Haus par adresse de la Cuisiniere.*“ Das Baumhaus, durch dessen Köchin der Brief bestellt war ein bekanntes Hamburger Gasthaus, werden soll, 54 Wer weiß, daß Hagedorn an der Wasser- sucht gestorben ist, erkennt hier ihre ersten Symptome. Sie tritt an der Peripherie des Körpers auf, an den Stellen, wo schon im normalen Zustand die Blutzirkulation die meisten Schwierigkeiten zu überwinden hat, und führt daher zuerst zur Anschwellung der Knöchel und Füße, auch der Augenlider. Drei Jahre später — 1745 — zeigte sich ein neues Symptom derselben Krankheit: die Brustbeschwerden und der Husten, die durch den Eintritt des Wassers in die Brusthöhle hervorgerufen werden. Hagedorn klagt: „ich bin seit einigen Wochen fast niemals im Stande gewesen, etwas vorzunehmen, und Brustbe- schwerden, Husten und andere Zufälle haben mich dergestalt stündlich heimgesucht, daf nach Erachten der Ärzte es bey mir recht gefährlich werden können... .“') Beide Symptome kehren in seinem Todesjahr wieder.?’) Christian Ludwig macht einmal eine Be- merkung, als ob Friedrich das Podagra als Erb- teil überkommen habe. Vielleicht jeden- falls aber hat er seiner Entwicklung kräftig Vorschub geleistet, denn er gehörte durchaus nicht zu den Dichtern, die den Wein besingen und Wasser trinken; sicherlich waren auch die Tischgesellschaften nicht immer sokratisch —- so wenig es im Sinne des alten Philosophen war, drei Tage edendo, bibendo, ridendo mit dem Kanonikus von Rumohr ohne den ge- ringsten gelehrten Diskurs zu verbringen.‘) Auch Friedrichs Bequemlichkeit hat ihr Teil an dem endgültigen Ausgang. Das Jahr 1745 scheint einen Höhepunkt seiner Krankheit bedeutet zu haben. Wenig- stens hört man in der Folge weniger und nur ') An Ebert, Eschenburg V, 140. ?) Eschenburg V, 37 und 44; an Prof. Wideburg in Jena: „erwarte vom Frühling neue Kräftigung und die völlige Genesung meiner Brust und Füße.“ 18. III. 1754, Sammlung Lappenberg. °») 14. Juni 1750, Eschenburg V, 31, vom Podagra. Friedrich schildert seine Be- schwerden 1750 einmal sehr humoristisch: „Sie errathen wohl nicht aus meinem heutigen Brief-Styl, daß ich endesunterschriebener das Podagra habe. Aber ich habe es reichlich, und ich könnte meinen rechten unbändigen Fuß halsstarrig nennen, wenn es sich von einem Fuß sagen ließe. Gleichwohl verpflege ich schon seit 14 Tagen den Aufrührer als den besten Freund und er wird gestreichelt und eingehüllt als ein reicher Alter, der sein Testament macht.“') Die Hoffnung auf Genesung hat Friedrich nicht fahren lassen, obwohl er den Namen seiner Krankheit wußte.?) Aber wie es in ihm aussah, lassen die ergreifenden Worte an seinen Bruder erkennen: „Ich rüste mich zu neuer Geduld... auf den schon herandringenden traurigen Winter... Wenn ich ein Buch vor mir habe, so denke ich nicht an meine Krankheit... Zeit und wahre Muße zum Studiren möchte ich fast mit Blut erkaufen; so erfreut mich in meinen grauen Haaren die Lust zu lernen. Quelle folie! Als wenn das glücklich machte ..“®) — Wenn nicht seine letzte, so doch be- stimmt seine liebste Lektüre sind Reimarus Vornehmste Wahrheiten der natürlichen Re- ligion gewesen, die damals gerade erschienen waren.') Mit einem Buch in der Hand ist er ', An Giseke 16. XII. 1750 abschriftlich in Samm- lung Lappenberg. », „Noch bin ich krank, doch mit beständiger Hoffnung endlicher Genesung“, an Giseke o.D. (1754); „zehn wassersüchtige Krüppel, zu welchen ich noch wörtlich gehöre“, „ich bin mit langen altdeutschen Be- suchen, bey denen die phlegmatischen Sitzer auf eine mir empfindliche Art ihre Knochen ausruhen lassen (wassersüchtiger Einfall), mich aber schwatzen ge- macht und auf Stunden ermüdet... überhäuft worden.“ an Giseke o.D. (1754). ') 20. IX. 1754, Eschenburg V, 43. Auf der Rück- seite das Gedicht „In einer schweren, oft schmerzhaften Krankheit“, Eschenburg I, 139. Es findet sich auch in dem letzten Brief an Giseke o. D. (1754), ') An Giseke o. D. (1754). auch eingeschlafen, am 28. Oktober 1754, mor- gens gegen 7 Uhr.‘) Sein Freund Zimmermann hatte ihm vor- her das Abendmahl gereicht. Hatte er im Leben der englischen Kirche angehört, so trat er jetzt im Tode zur evangelischen zurück. Der Hamburger Arzt Dr. Olde schrieb kurz darauf an Giseke: „Viele Leute thun ihm hier die überflüssige Ehre an, und sagen, daß er als ein Philosoph gestorben ist. Ich freue mich, daß ich Dir sagen kann, daß er als ein Christ gestorben ist, sich mit seinem Erlöser ausgesöhnt, und im Glauben an ihn das Abendmahl empfangen hat.“ °) Hagedorn soll oft gesagt haben, ein ehrlicher Mann dürfe nicht mehr als 45 Jahre alt werden. Wie die Probe aufs Exempel mutet es an, dal) er sein Leben im 47. Jahre beschlossen hat.?) Am 1. November 1754 wurde er im Dom nahe der südwestlichen Tür in der Gruft seiner Schwiegereltern beigesetzt. Sein Name blieb ungenannt und nur wenigen war seine Grab- stätte überhaupt bekannt. 1796 liefen die Ruhe- jahre ab; die Gruft ward geleert und neu verkauft. Wo der Totengräber damals seine Gebeine verscharrt hat, weiß kein Mensch.*) ') Schmid 394; Hamburgischer Correspondent 29. Oktober 1754. ?) Kestnersche Autographensammlung in Dresden, zitiert bei Herm. Schuster, Hagedorn (1882) 43. Vergl. ferner Schmid II, 395 und v. Bar in seinem Leichen- gedicht der Croppschen Sammlung auf der Stadtbi- bliothek. — Über Olde vergl. das Hamb. Schriftsteller- lexikon V, 588; Hagedorn schätzte ihn wenig; eine bittere Charakteristik seines „windigen und pralenden Wesens“ gibt Herold in seinen handschriftl. Notizen der Sammlung Lappenberg; vergl. auch S. 93. ») Eschenburg IV, 16. ') F. J. L. Meyer, „Skizzen“ ]I, 272. Über die recht- lichen Verhältnisse, die der Bestattung im Dom zu- grunde lagen, vergl. Hitzigrath, Merchants Adventurers (1904) 74. Das Domkapitel war vom Senat und vom geistlichen Ministerium unabhängig; seit dem Stock- holmer Frieden (1719) unterstand es dem König von England als Kurfürsten von Hannover; seit 1503 wieder Hamburg. 99 Seine Witwe war 1778 noch am Leben. Christian Ludwig von Hagedorn und die Engländer sorgten für sie. „Die Landsleute des Dichters, die Dänen und Hamburger, würden sie haben verhungern lassen.“') 10. Eine Selbstbiographie. Wir besitzen aus Friedrichs Munde eine kurze, charakteristische Beschreibung seines Lebens und Wesens. Er hat sie Bodmer auf ausdrücklichen Wunsch am 19. September 1748 mitgeteilt. Diese Worte mögen unsere Lebensbeschreibung abrunden und beschlie- ßen: „Ich will also demjenigen, was ich von Zeit zu Zeit in meinen Briefen mit so alt- deutscher Offenherzigkeit Ihnen von mir an- gezeigt habe, als ob ich mit Ihnen spräche, wie Ihr Philocles, itzo noch hinzusetzen, da Sie meine Umstände zu wissen verlangen: daß ich zu einem beträchtlicheren Glücke ge- bohren und erzogen worden, als ich, nach dem frühzeitigen Ableben meines Vaters, eines Königlich Dänischen Conferentz- und Etats- Raths, auch vieljährigen Ministers im Nieder- sächsischen Craise, in dessen Fußstapfen mein Bruder am Dresdenschen Hofe getreten ist, gesucht und erhalten habe: dafl meine Nei- gung zu den Engelländern, bey welchen ich mich zwey Jahre in London aufgehalten, die einzigen Jahre, die ich wieder zu erleben wünschte, und die Liebe zur Freyheit, welche mir mehr angebohren, als eingeflößt worden, mich im Jahre 1733 veranlasset, der hiesigen Company of Merchants Adventurers of Eng- land, welche seit 1618 in Hamburg gewesen, mich, als Secretaire, zu verpflichten, von welcher Gesellschaft in des Savary Dictio- naire du Commerce eine gute Nachricht zu ') Schmid 396. In seinem Testament von 1760 ver- macht Christian Ludwig der Schwägerin sein Silberzeug, Dresden Amtsgericht H. 548, S. 49b; 1776 (oder früher?) fügte er 60 Taler jährliche Unterstützung hinzu, Dresden Amt H. 655, S.99; Empfangsbescheinigung der Schwä- gerin vom 5. XI. 1778 H. 548, S. 107. 56 finden ist: daß die Liebe zur Ordnung mich schon vor mehrenteils eilf Jahren bewogen, mit einer Engelländerin mich zu verehelichen: daß) übrigens mein größter und liebster, zeit- licher Reichtum in einem Vorrathe guter, von mir selbst gesammelter Bücher besteht, welche ich aber keine Bibliothek nennen Kann: daß ich meine Muße, die aber immer abnimmt, mehrentheils ihnen widme, überhaupt weit mehr lese, als schreibe; lieber denke, als rede; selten mehr, als Einen Freund mir zur Ge- sellschaft wähle, hier die Angesehensten ken- ne, ohne sie zu suchen und von ihnen etwas zu verlangen, neue Freundschaften meide und die mir so angenehme Dichtkunst doch nur als die schmackhafteste Würze anderer Wissen - schaften, welchen ich sie vorzeiten vorgezogen, itzo zu gebrauchen pflege. Gleichwohl lese ich noch immer nichts so gern, als den Ho- raz. Ich erinnere mich, daß der Tatler sagt: No one will ever relish an Author thoroughly well, who would not have been fit company for that Author had they lived at the same Time. Ich liebe den Horaz, oder vielleicht mich, dergestalt, daß ich mir oft träumen lasse, wir würden, wenn wir zu einer Zeit gelebt hätten, gar gute Freunde gewesen seyn. Er würde mich wenigstens, wie sich selbst, nicht zu groß, noch hager |:oder als einen Papeh- guier:'!) auch praecanum, solibus aptum, viel- ') Vergl. das Sinngedicht Auf einen Papefiguier und Verächter der schönsten Stellen im Milton, Eschenburg art © .0..00.0..0..0, 0.0.0 DD enter eher ee rie), u & leicht auch irasci celerem, tamen ut placabilis essem befunden, und, seine unübertreffliche Poesie ausgenommen, seinen sinnlichen und moralischen Geschmack von dem meinigen nicht gar sehr unterschieden zu seyn, wahrge- nommen haben. Dabey hätte ich ihm gerne gestattet, seinen August zu vergöttern, nicht aber den Labeo zu verkleinern, und er hätte mir erlauben müssen, lieber ein Salsamenta- rius oder Coactor zu seyn, als einen Regen- ten zu erheben, der wirklich nicht so glück- lich wäre, mein Hertz mit rechter Überzeu- gung gewonnen zu haben. Ich würde meinem Horaz vorgestellt haben, ob er nicht in seinen Gedichten einige Kleinigkeiten verändern und sein Proscripti Regis Rupili pus atque vene- num verbrennen müßte, aber auch ihm frey- stellend, wenn ich es nicht schon selbst vor- längst gethan hätte, nicht wenige von meinen Poesien einzuäschern. Und wie oft wollten wir am Ufer des Meeres, in Tarent und in Tibur des städtischen Geräusches vergessen und in der freyen, gesunden Luft die solli- citae jucunda oblivia vitae gesucht und ge- funden haben! Wollte ich weiter mit solchen Gedanken spielen, so sollten Sie unser Quin- til, Haller, welcher, wie ich vernehme, ein Helden-Gedicht von Carl dem Kühnen schrei- ben wird, unser Varius, Canitz unser Metell, Gellert unser Cervius gewesen seyn, andere aber hätten wir dem Tigell, dem Demetrius und ihren Schülern und Schülerinnen über- lassen.“ CINE) > ” =..6.:0. 0.0.0. 80 0) 9. »..0..0. 6. 6; ww: =. 0.0.0.0. .0./0..0..0,.0 DIR TOR Jar Ja JORR TIER. OR TaRR DIR TOR HIER DIR IHRER JO JR TOR JaRR TOR JaRR DIR TOR TOR. TIER. BORL BIR ODT DODXE D eco ee wet clee) .. D arte ntentunte.‘ DEN ENSESENENDETSENTNTSENTEENEENEEDE EEE EEE ER a oh aha ah an een ha nn an ha la ee an ee ee MEET Che Dal . “ . . IV. DAS BILDNIS FRIEDRICHS VON HAGEDORN. 1. Die Familienbilder. Als sich die beiden Brüder Hagedorn un- mittelbar nach dem Tode ihrer Mutter in Halle und Jena zum letzten Mal sahen (1732), trafen sie das Abkommen, daß die Familienbilder in den Besitz des jüngeren Bruders übergehen sollten.) Demnach fielen, soweit sich nach gelegentlichen Bemerkungen urteilen läßt, Christian Ludwig ein Porträt seiner Groß- mutter und ein Miniaturbild seines Vaters zu. Vom Bilde der Großmutter läßt sich nicht viel sagen. Es scheint ein Ölbild gewesen ') Wolfenbüttel Nov. 631, 12. zu sein. Christian Ludwig schreibt es dem Holländer Backer oder dessen Schule zu, möchte aber gerne wissen, ob Denner der gleichen Meinung ist.'!) Es geht daraus her- vor, daß das Bild 1744 noch in Hamburg war. — Hinsichtlich der Persönlichkeit bleibt die Auswahl zwischen Großmutter Hagedorn und Großmutter Schuhmacher. Die eine lebte in bescheidenen Verhältnissen in Ütersen, die andere wohlsituiert in Hamburg. Es besteht daher mehr Wahrscheinlichkeit für die letztere. Das Bild des Vaters war ein auf Porzellan gemaltes Miniaturporträt von Balthasar Denner. Der kleine Christian Ludwig hatte daneben gesessen, als der berühmte Mann den Vater malte (vor 1722), und hatte, als Denner dem Konferenzrat die Peruque anlegte, ängstlich gefragt, wo er denn des Vaters Ohren ließe; sein Papa habe Ohren! Man erfährt auch noch, daß der Kopf offenbar en face gemalt und das Gewand cremoisinfarben war — aber das Bildchen, das bestimmt in Christian Lud- wigs Besitz übergegangen war, wird mit seinem Nachlaß nach Dänemark gekommen und dort zugrunde gegangen sein.°) Von weiteren Familienbildern ist nichts bekannt; insbesondere scheint ein Porträt der Mutter nicht vorhanden gewesen zu sein.”) 2. Die Bildnisse des Dichters. Wohlunterrichtet sind wir dagegen über die Züge des Dichters. Er hat sich in reiferen !) Wolfenbüttel Nov. 632, 10 (Mainz 9. VII. 1744) und 633, 58 (o. D.). 2) Briefe Christian Ludwigs an Friedrich, Wolfen- büttel Nov. 630, 5 (Jena 22. 11. 1733), 13 (1740), 33 (1741), 34 (1741), 60 (0. D.); über das Schicksal seines Nach- lasses vergl. 82f. ») Nur ein Bild des Vizeadmirals Seneca Hagedorn, eines Vetters des Hans Statius von Hagedorn (vergl. S. 10), hat sich noch erhalten, und zwar auf seinem Gut Krumstrup auf Fyn bei dem jetzigen Eigentümer Niels Madsen, in Panzer und mit federgeschmücktem Helm. Mitteilung von cand. mag. Nanna Lange aus dem Provinzarchiv, Kopenhagen 17. VII. 1904 an Ober- leutnant Hagedorn, Hamburg. 37) Jahren mehrmals von Denner und van der Smissen porträtieren lassen, zwei Hamburger Malern, von denen der eine Weltruf genoß — allerdings mehr wegen seines absonderlichen Naturalismus, der andere als sein Schüler ihn künstlerisch nicht selten übertraf. Die von diesen Malern geschaffenen Porträts waren, wie es sich bei Friedrichs oft bezeugter Be- scheidenheit von selbst versteht, nicht für ihn, sondern für seine Freunde bestimmt: von den beiden Dennerschen Bildern ist bekannt, daß sie für Christian Ludwigs Kabinett gemalt wurden; von den van der Smissenschen Por- träts besaß das eine Ölbild Hagedorns treuester Freund, der Arzt Peter Carpser, das Pastell sein Verleger Johann Carl Bohn, das dritte Bild anscheinend ein Leipziger Freund, wenig- stens wurde es hier in Leipzig bereits ein Jahr nach Hagedorns Tode von dem jüngeren Fritzsch gestochen (1755). a) Das Dennersche Genrebild. Entstehungsgeschichte. Vonden beiden von Denner gemalten Bildern des Dichters ist das ältere bisher nicht wieder aufgefunden. Dochsind wirüber seine Entstehungsgeschichte und seine Komposition gut unterrichtet. Da die Entstehungsgeschichte die gleiche ist wie die des folgenden, uns erhaltenen Bildes, so findet sie zweckmäßig schon hier ihren Platz. Sie beginnt mit einem umständlichen Werbe- brief Christian Ludwigs von Hagedorn, der am 22. Dezember 1740 an Denner geschrieben wurde und für den Absender wie für den Empfänger charakteristisch ist: Hochedler Herr, Hochgeehrtester Herr. Ew.Hochedelgeboren bezeigteFreundschaft vor meinen Bruder, meine große Hochachtung vor die Malerkunst und in Sonderheit dieje- nige, so ich von Kindheit auf vor Ew. Hoch- edelgeboren geheget, werden die Freiheitrecht- fertigen, die ich mir nehme, denenselben hier- 8 58 durch schriftlich aufzuwarten. Darf ich hin- zusetzen, daß ein wenig Eigennutz dabei ist, so wird ein so offenherziges Geständniß auch um so eher Verzeihung verdienen. Und wo die Malerey einmahl die Neigung mit der Hoch- achtung eines Liebhabers rege gemacht, so hat man zum Eigennutz und dem Verlangen etwas von der Hand großer Künstler zu besitzen keinen weiten Schritt zu thun. Ich befinde mich in dem Fall, und da ich mit dem be- liebten Herrn Meytens in Wien und anderen mich so oft von Ew. Hochedelgeboren unter- redet, so viel Schönes und uniques von denen- selben gesehen, auch sonst, ich weil nicht wie, in Erkaufung guter Gemälde und Erwerbung der Freundschaft und des Zuschubs der besten Wiener Meister, (unter welchen die Land- schafter sich sonderlich hervorgethan zu haben scheinen) ganz besonders glücklich gewesen: so kann ich meiner Passion, wie meiner Hoch- achtung vor Ew. Hochedelgeboren jetzo um so weniger Einhalt tun; als ich nicht allein meines Bruders guten Willen, sondern auch sonderlich dero Gewogenheit benöthiget bin, um mein kleines Cabinet mit einem Gemählde, und wenn es nur eine Skizze wäre, von dero Hand zu bereichern. Meinen Bruder, den ich gern en portrait mit dem ältesten Weiber- kopf zwischen Maynz') und Hamburg ver- mählen, und um seinen Degout zu trösten, ein Toorenvlietisches Buch?) vorlegen und eine Schale Caffe in die Hand geben, die alte aber (?) mit Wein und Austern laben, aber so sauren Wein vorsetzen wollte, daß sie noch mehr Runzeln®) als gewöhnlich, ziehen sollte; mein Bruder, sage ich (: Ew. Hoch- edelgeboren verzeihen mir gütigst, wenn ich von der Mahlerey rede, bin ich noch einst so weitläuftig und vergesse über die Ordonnanz der Gemählde, die Ordonnanz meines Briefes:) ') Christian Ludwig war damals am Mainzer Hofe beschäftigt. °) d. h. ein Buch, wie Toorenvliet es malte. ') Denners weltberühmte Force. mein Bruder, den ich so oft um ein Portrait gebeten, vertröstet mich auf einen glückl. Zug aus der Hamburger Lotterie. Ohne aber auf Lotterie-Glück zu bauen, so beschwöre ich vielmehr denjenigen Genium, der über die Mahlerey präsidiert, und mir die Wienerischen Brand, Orient und Querfurt gewogen und in Ansehung des Preises, so sie für ihre, meinem von ihnen theils selbst ordinierten Cabinetchen sehr freundschaftlich gewidmete Arbeit gefor- dert, zurbesonderen Condescendenz vor meine Passion gelenket hat; daher dieser Genius auch Ew. Hochedelgeboren dahin disponiren wird, daß ohne auf Lotterie-Glück zu war- ten, mein Bruder oder ich, nach unserm geringen Vermögen, den Zeitverlust einiger- maßen ersetzen können, da wir die Kunst selber zu zahlen, uns nie in den Sinn kommen lassen können. Wenn aber Ew. Hochedel- geboren sich übrigens einer kleinen, aber auf- merksamen Figur erinnern, welche neben dem seel. Conferenzrath von Hagedorn gesessen, als sie denselben gemahlt, und wo dessen Ohren blieben, sehr besorgt war und darnach fragte, so haben sie nur eine kleine Idee von meinem jetzigen Fürwitz, da ich noch curieu- ser und dreister in der Frage bin, und den Meister um Meisterstücke anspreche. Der ich mit größter Hochachtung verharre Ew. Hochedelgeboren gehorsamster Diener C.L. v. Hagedorn. Denner willigte ein, und nun versuchen beide Brüder, den Künstler in guter Laune zu halten. Christian Ludwig spricht von „Douceurs“ und fragt bei Friedrich an, ob er den Töchtern italienische Arien senden soll. Friedrich versucht’s von einer andern Seite: ihm ist bekannt, daßß Madame Denner „die Regentin“ des Hauses ist, und so dediziert er ihr einen guten schweren Familienkäse aus England, mit dem sie ihre Tafel lange Zeit versehen kann.') Was Christian Ludwig erwartet, geht aus dem Briefwechsel der beiden Brüder hervor: zuerst einen Denner kat exochen, d. h. ein Bild, auf dem jedes Fältchen, jede Pore der Haut, jede Haarwurzel des Bartes genau nach der Natur abgeschrieben ist. „Ohne dergleichen Fleiß wäre das verlangte vielleicht ein dir ähnliches Porträt, aber kein Tableau, so man Denner zar’?£oyrjv zu nennen pfleget.“ °) Hinsichtlich der Komposition wünschte Christian Ludwig ein „historisches“ Gemälde, d.h. ein Genrebild, auf welchem Friedrich an einem Tisch mit Wein, Austern und Büchern dargestellt werde — in einer Situation also, die ihm nicht gerade fremd war. Auch sollten der Schlafpelz und die Pelzmütze nicht fehlen, zwei Kleidungsstücke, in denen man sich ge- rade in der Mitte des 18. Jahrhunderts be- sonders gern malen ließ.’) Friedrich scheint die Situation jedoch etwas gar zu vertraulich gewesen zu sein, und auf seinen Rat ist anscheinend das Buch, das ihn „wieder ehrlich machen“ sollte, hin- zugekommen; er wollte „nicht als Silen ge- mahlt sein“.*) Als das Bild seiner Vollendung entgegen- !) Christian Ludwig: Wolfenbüttel Nov. 630, 24 und 19 (8. III. und 6. 11. 1741); Friedrich: 634, 3 (19. IV. 41). — Die Kunsthalle in Hamburg besitzt ein vom Sohn ge- maltes Familienbild mit den Eltern, dem Sohn und den nicht gerade lieblichen Töchtern am Kaffeetisch; künst- lerisch ungleich bedeutender ist das schöne, von Vater Denner selbst gemalte Bildnis seiner „Regentin“, das erst kürzlich von der Kunsthalle erworben ist. °) Christian Ludwig macht noch einige andere ähn- liche Ansprüche (Wolfenbüttel Nov. 630, 22. 19. 77). Wie reimt es sich damit zusammen, wenn derselbe Mann zur selben Zeit schreibt: „Es stehet aber dahin, ob in der fleißigen Zeichnung der Geist bleibet, denn die Seele der Mahlerey habe ich mehr in diesen flüchtigen Skizzen als in seinen 100 Dukaten Stücken in Wien be- merket.“ Wolfenbüttel Nov. 630, 25 (27. IV. 1741). °) Wolfenbüttel Nov. 630, 15 (Mainz 29. XII. 1740). ') ib. 630, 26 (24. III. 1741). Se ging, tauchten bei Christian Ludwig aller- hand Bedenken auf, die für Denner wenig schmeichelhaft sind. Christian Ludwig war in seiner Sammlerpraxis bekannt geworden, dafs es piissima fraus unter dem Mahler Ge- schlechte sei, das Original selbst zu behalten und eine weniger sorgfältige Kopie zu ver- kaufen. Im besonderen steht der große Denner im Verdachte, retouchierte Kopien seines Sohnes in den Handel zu bringen. Friedrich soll sich daher das Bild von hinten genau besehen, um es an der Leinewand immer wiedererkennen zu können.') Ende März 1741 ist das Bild fertig.?) Christian Ludwig erhält die Nachricht davon am Churfürstlichen Hofe in Mainz und ver- faßt mit dem ihm innig befreundeten Satiriker Liscow einen launichten Aufsatz, der leider verschollen ist. Er spricht darin von 12 bis 15 Spezies-Dukaten als Bezahlung.*) ') ib. 630, 38 (4. V. 1741), 56 (23. X. 1741), 79 (o. D.), 80 (0. D.). 2) ib. 630, 30 (4. IV. 1741) u. ö. ') Eschenburg, dem nicht klar geworden war, daß es sich um zwei Dennersche Porträts handelte, bezog den Aufsatz („1741“) auf das zweite Dennersche Bild („1744“), vergl. IV, 173. Er hat den Aufsatz später an Gramberg gesandt, der ihn in der Neuen Irene (1806) II, 126 zitiert; die Irene ging mit diesem Bande ein; Gramberg schrieb zwar mit eigner Hand unter das Oldenburger Exemplar „Die Fortsetzung folgt. Gr.“, sie ist aber nicht erschienen, der Aufsatz also unge- druckt geblieben und heute verschollen. — Wenn in der langen, von Eschenburg mitgeteilten Überschrift von Friedrich gesagt wird „des Schwätzers Nicht- Verfasser“, so erklärt sich das aus der Abneigung, die Liscow und der jüngere H. gegen dieses Gedicht hatten, vergl. Neue Irene Il, 134. — „Pausias“ ist hier Christian Ludwig. — Liscow als „Vestungsmaler“ er- klärt sich aus den unaufhörlichen, lustigen Neckereien zwischen C.L.v.H. und Kriegsrat Liscow, vergl. Neue Irene, z. B. Il, 131: Plan de l’Isle Barataria fortifice, pour y mettre en surete les tableaux de Mr. de H. pendant la guerre future. Die Bastionen tragen die Namen der von H. geschätzten Maler Fyt, Houbraken, Querfurt, Orient und Mieris. Hierzu eine Zeichnung (1741). — Der „Dominus offerens mit der unnötigen Scham- haftigkeit“ ist F. v. H., der durch diesen „mathema- gr 60 Beschreibung. Das Bild ist später mit Christian Ludwigs Nachlaß nach Dänemark gekommen, vielleicht mit verbrannt, vielleicht unter den 13 geretteten Gemälden noch er- halten. Für den Fall, daß es einmal wieder auftauchen sollte, setze ich die Beschreibung hierher, die Christian Ludwig einem Herrn von Meytens in Wien selber gegeben hat: „C’est le portrait de mon frere, ä mi corps, de grandeur naturelle, en bonnet et draperie fourree. Il est assis a une table, et se tourne du cot& gauche en y portant la main, surpris d’avoir renverse un verre de vin [:Römer:], qui est sur la table, avec un citron entame et A moitie pel& avec des huitres et un livre passe en Carton qui finit le groupe. Le fond superieur est un rideau nou£.“') Der Verlust des Bildes ist um so be- dauerlicher, als es innerhalb der Dennerschen Porträtkunst durchaus einen Typus für sich darstellt: es ist hinreichend bekannt, daß Denner sich in seinen Bildnissen auf Kopf und Rumpf beschränkte, jede reichere Be- wegung vermied, selbst von den Händen ab- sah, weil er seine engen Grenzen kannte. b) Das Dennersche Porträt. Entstehungsgeschichte. Das erste Bildnis des Dichters fand nur mäßigen Bei- fall aufseiten der Brüder. Außerdem genierte Christian Ludwig sich, das Porträt „wegen des Weinglases und dem so oft besungenen Wein“ für ein Bild seines Bruders auszu- geben,?) und so ward denn ein neues bei tischen Beweis“ überzeugt werden soll, daß 12 bis 15 Dukaten mit einer guten harangue genug für Denner seien, vergl. Wolfenbüttel Nov. 630, 36 (23. IV. 41). ') Über den Nachlaß vergl. 83; die Beschreibung, Wolfenbüttel Nov. 633, 53 (Kopie o. D.). — Kritiken über das fertige Bild: ib. 630, 36. 38. 39. 52. 77. 80.81. 99; 631, 12; Stüven, Baireuth 1741: „da mahlt kein Denner Bier, wenn er soll Rheinwein mahlen“ (Sammlung Lappen- berg). Daran stieß sich auch der Kurfürst von Mainz, deran den Ankauf dachte. (Wolfenbüttel Nov. 630, 80.) >») Wolfenbüttel 631, 16 (20. VI. 1742). Denner bestellt. Es sollte nicht „historicirt“ d. h. genrehaft sein, nur Porträt, mit tableau- mäßiger Kleidung und Kontrastierung; und in dieser ehrbaren Form sollte es dann zu den Familienbildern geschlagen werden.') Der Auftrag für dies neue Bildnis wurde etwa in der Mitte des Jahres 1742 erteilt. Ein Jahr später hört Christian Ludwig durch einen Freund, Friedrich sei „schon völlig ge- troffen und der Kopf fertig, die Stellung aber steiff gewesen“.°) Es vergeht noch ein wei- teres Jahr, ehe das Bild fertig wird. Die be- deutungsvolle Nachricht lautet: „Mich freut, daß du dich ausmahlen läßest. Dennerus jun. hat minime fundatam intentionem (Fleiß).“ °) Diese beiden Sätze stehen in Christian Ludwigs Briefe ganz für sich, man wird sie also mit- einander in Beziehung setzen dürfen und an- nehmen, daß die Ausmalung durch den jün- geren Denner geschah, welcher „sehr faul“ war. Daher das späte Datum der Vollendung (1744), daher auch der fast gleiche braune Rock, den Hagedorn hier und Vater Denner auf dem von seinem Sohne gemalten Familien- bilde der Kunsthalle trägt. — Übrigens war eine solche Ausmalung von anderer Hand durchaus nichts Ungewöhnliches, entsprach vielmehr ganz dem handwerklichen Betriebe auch der gesuchten Maler. Der Preis des Bildes war 6 Dukaten.‘) Friedrichs Schwiegermutter wurde der An- kauf nahegelegt,’) aber sie verzichtete darauf, ihren lieben Sohn auch noch im Bilde vor ') ib. 630, 24 (8. 111. 1741) und 631, 12 (15. V. 42); die Perücke soll „nicht zu bürgerlich“ werden; sie soll vorne einer Mitauischen Beutelperücke gleichsehen, hinten mit fliegenden Haaren degagiert sein. Auch etwas weniges vom Harnisch soll hervorschimmern, es deutet den Edelmann an, ib. 631, 14 (2. Juni 1742); der Vorschlag wegen des Harnisches wird aber am 11. V1. 1742 wieder zurückgezogen, ib. 631, 15. °) ib. 631, 34 (18. VI. 1743). °») Wolfenbüttel, 14. III. 1744. ') Wolfenbüttel 631, 13. 34 (18.V. 1742 u. 18.V1. 1743). °) ib. 631, 12 (15. V. 1742). TAFEL 1. BILDNIS HAGEDORNS. Gemalt von Balthasar Denner 1744. Leinwand 50 > 63cm. Im Besitz des Museums für Hamburgische Geschichte. Augen zuhaben. So kam es nach Dresden und kehrte nach wechselvollen Schicksalen an den Ortseiner Entstehung zurück, wo es sich heute im Besitz des Museums für hamburgische Geschichte befindet. Eine Kopie dieses Dennerschen Porträts erhieltim Jahre 1759 der Ästhetiker J. G. Sulzer in Berlin von Christian Ludwig von Hagedorn. „Je ne scaurais assez vous exprimer le doux plaisir que j'ai eu de contempler et de baiser l’ombre d’un homme aussi estimable et aimable qu’etoit feu Mr. votre frere ... Agreez mes tendres remerciments pour le plaisir que vous venez de me faire. Je vous avoue cependant que ce plaisir est uniquement du au sujet du tableau; oserois-je le dire que je me suis at- tendu ä voir un ouvrage plus parfait du fameux Denner? Il y a des endroits par lesquels on le reconnoit dans la copie, mais generalement parlant l’ouvrage est un peu dur et les ombres sous le menton froides.“ Drei Monate später heißt es: J’envoye ce portrait en suisse ä Mr. Geßner..... un adorateur de feu Mr. votre frere et je vous prierai... de me permettre de tirer une nouvelle copie pour moi.“') Von dieser zweiten Kopie ist nichts bekannt. Beschreibung. Diese kann angesichts der Abbildung auf Tafel I kurz gefaßt werden. Das Brustbild des Dichters ist im Profil gegeben, der Kopf jedoch en face gedreht; von der Beigabe einer Hand ist abgesehen. Hagedorn trägt das Staatsgewand: Perücke, braunen Samtrock, braune Weste, von der ein schmaler Streifen am Halse sichtbar ist, und weißes Jabot. Die Augen haben eine etwas unentschiedene, dunkelblaue Farbe. Den Hintergrund füllen zwei Reihen französischer und klassischer Bücher. Das Bild wird vom alten, schwarzgebeiz- ten Rahmen mit innerer Goldleiste eingefaßt. Blumenverzierungen von Stuck sind aufgelegt ') Baden 306 und 314; Eschenburg IV, 177; über Geßners Verhältnis zu Hagedorn vergl. S. 42 u. 34. 61 und angesetzt, dabei von außerordentlich feiner Ausführung. ') Bewertung. Das Bild ist auf den ersten Blick ein typischer Denner: kegelförmig auf- gebaut, in Hüfthöhe glatt abgeschnitten, gering kontrastiert, ohne Hände; sie fehlen, weil Denner sie nicht malen konnte. Auch vom Körper sah er gerne ab; wo er sich jedoch dem nicht entziehen Konnte, zeichnete er eine mög- lichst einfache Form vor und ließ sie durch seinen Sohn „ausmalen“, wie für dieses Bild bereits nachgewiesen ist: vom Sohn sind hier das Gewand und der Hintergrund mit den zwei Reihen Büchern, die ungeschickterweise so aufgestellt sind, dal sie hinter dem Kopfe fehlen (z. B. über der Schulter); der Eindruck einer Bibliothek will daher nicht recht glaub- haft werden. Vom Vater stammt der schöne Kopf, der durch seine breite weiche Technik sich von der härteren Art des Sohnes abhebt. Porträtmäßig betrachtet hat das Bild seine großen Vorzüge. Denner hat den Dichter von der heiteren Seite genommen: die lachen- den Augen und der volle Mund zeigen den Genießer; aber der Mann, der uns da an- lächelt, verrät nicht nur ein lebensfrohes Tem- perament, sondern auch ein gut Teil geistiger Feinheit — odi profanum und natürlicher Gescheitheit liegt auf diesen Zügen, nicht zuletzt in den hochgewölbten Augenbrauen. Das Bild ist offenbar im bewußten Gegen- satz zum ersten genrehaften Porträt entworfen. Hatte Hagedorn dort sich in Hauspelz und Mütze als fröhlichen Zecher zwischen Wein und Austern malen lassen, so zeigte er sich hier im Staatskleid und vor seinen geliebten Büchern als Vertreter der anmutigen Gelehr- samkeit. Und diese Rolle warihm nach seinem eigenen Geständnis nicht nur lieber,’) sie ') Auch das erste Dennersche Bild hatte Christian Ludwig in dieser Art rahmen lassen, vergl. Dresden Amtsgericht H. 582, S. 56 Nr. 214 (vergl. auch Wol- fenbüttel Nov. 630, 19 — 6. II. 1741). >) Wolfenbüttel Nov. 630, 26 (24. III. 1741). 62 war ihm auch gemäßer: in seiner Lebens- beschreibung ist oft genug darauf hingewiesen, wie unzertrennlich fest das Band gewesen ist, das ihn mit der Wissenschaft verknüpfte. In einem Punkte aber hat Denner sich sozusagen inhaltlich — vergriffen: so militärisch stramm hat Hagedorn sich nie getragen! Das fällt auf das schon berührte Konto des Künst- lers, der auch den sächsischen Hofpoeten von König „wie im Stock“ gemalt hatte.') Provenienz. Die Geschichte der Rück- kehr dieses Bildes nach Hamburg ist folgende: Christian Ludwig hatte in seinem Testament vom Jahre 1760 bestimmt: „Meines seeligen Bruders Porträt in der Perücke kan in der Wittenbergischen Universitätsbibliothek auf- gehängt werden.“*) Das Testament ward aber mit Erfolg angefochten, und Christian Ludwigs Nachlaß kam in die Hände des Probstes Rachlov zu Snoldeslöv auf Seeland.”) Als Eschenburg im Jahre 1500 Hagedorns Poe- tische Werke herausgab, suchte er das Denner- sche Bild vergeblich; später aber wandte er sich an Rachlov und bekam von diesem etwa 1803 eine Kopie des Bildes, wie Gramberg in der Neuen Irene (1806) beiläufig mitteilt.‘) Es ist nun nicht gerade wahrscheinlich, daß der seeländische Pfarrer eine Kopie für Eschenburg hätte malen lassen; schon die Gelegenheit dazu hätte ihm in seinen länd- lichen Verhältnissen schwer werden müssen; er wird vielmehr, da er von dem Hagedorn- schen Nachlaß nichts als Verdruß und Kosten hatte, Eschenburg das Bild entweder verkauft oder geschenkt haben, wie er auch dem Pro- fessor Torkel Baden in Kiel, der ihn um Christian Ludwigs Kunstgeschichtlich inter- !) ib. 631, 1 (13.1. 1742); der Amsterdamer Kunst- händler Pahmann urteilte über ihn: „Der Mann macht einen Kopf, sonsten aber alle Leute zu Krüppeln“, ib. 630, 48 (21. IX. 1741). ?) Dresden, Amtsgericht H. 458, S. 51 ®) Vergl. S. 83. ‘) II, 110. Eschenburg hatte es ihm geschrieben. J. Canale. essierende Briefe bat, mit größter Liberalität diese und zahllose andere „zur beliebigen Nutz- anwendung“ übersandte.') Eschenburg starb 1820 in Braunschweig. Sein Nachlaß ward in den nächsten fünf Jahren versteigert. Auch das Hagedornbild ging mit durch die Auktion und trägt, wohl als Er- innerung daran, auf der Rückseite folgenden Ausschnitt aus einem alten Katalog: „28. Der Dichter Hagedorn. Original (guterhalten) von Balthasar Denner. 2’ 7” h. 2’ 2” br. Halb- goldrahmen.*?) — Dann verlieren wir das Bild eine Zeitlang aus den Augen. Vor 1860 aber besitzt es in derselben Stadt ein Herr von Berlepsch. Von diesem kaufte es vor 1860 der bekannte Senator Culemann. Seine Sammlung, darunter auch ein Hagedornbrief, kam zum größten Teil in den Besitz des Kestnermuseums in Hannover, wo sie den Grundstock der Sammlung bildet. Das Ha- gedornporträt aber vererbte sich in der Fa- milie und konnte von HerrnK.F.Leonhardt- München, dem Enkel Culemanns, für das Museum für hamburgische Geschichte er- worben werden. — Herrn Dr. Hans Börger in Hamburg verdankt das Museum den ersten Hinweis auf dies Bild. Stiche. Dieses Dennersche Porträt ist dreimal gestochen worden. Zuerst 1760 von Christian Ludwig von Hagedorn hatte sich nämlich beschwert, daß vor dem ersten Stück der (Leipziger) Bibliothek der schönen Wissenschaften und freyen Künste 1757 ein verunstalteter Stich des jüngeren ') Briefe über dieKunstvon und anC.L.v. Hagedorn, hrg. von Torkel Baden (1797) S. II. 2) Nach einem Exemplar des Kataloges habe ich mich vergeblich umgesehen. — Da der Katalog in seiner handschr. Fassung auf Eschenburg zurückgeht (Mitteilung von Frau Hofrat Eschenburg-Detmold, der Witwe des Enkels von J. J. Eschenburg) und es E. be- kannt war, daß von dem Dennerschen Bilde eine Kopie existierte (vgl.S.61), so gewinnt die eben ausgesprochene Vermutung eine neue Stütze: daß nämlich E. von Rach- lov nicht eine Kopie, sondern das Original erhalten habe. Mm Y Nenner pinz. 1744 IINEUENENERLYNHNERTNURDNDDENERUNUTENUNEUEUUDLUENENEN “ ann Aus: jedrich won —— N UNI In [ Abb. 1. Bildnis Hagedorns. Stich J. Canales 1760 nach dem Dennerschen Porträt 1744 Bibliothek der schönen Wissenschaften und freyen Künste I, 2, Auflage HEUIHITUN f mm NUNIRERKNN Aınımm Inh) IninZ LU IHNEN #$ Canale Jul. I Leipzig 1760 63 64 Fritzsch gestanden hatte (Abb. 3); seine Klage entsprach dem allgemeinen Urteil; und als von dem ersten Stück der genannten Bi- bliothek eine zweite Auflage nötig wurde, verwarf man Fritzschens Platte und betraute J. Canale damit, einen Stich nach dem Dresdner Denner zu fertigen. Der Erfolg war aber kaum besser. Der Stich gibt das Spiegelbild des Originals. Die Veränderungen an der Perücke, das Fehlen der Bücher, die Zutat des Stuhls und der schon damals „abgeschmackten“ Dra- perie fallen ins Auge, haben aber im Sinne der Zeit keine Bedeutung, denn in derartigen Kleinigkeiten ist dem Stecher freie Hand ge- lassen. Handwerksmäßig, wie ihr Betrieb war, wiederholen sie in der Kleidung und anderen Äußerlichkeiten, was ihnen am besten von der Hand geht. Die Porträtähnlichkeit be- schränkt sich auf die Gesichtszüge; aber auch hier versagte Canale in traurigster Weise; von dem Charme des Dennerschen Kopfes ist nichts geblieben; ein steifer lebloser Ge- selle steht vor uns. Abb. 1. Neun Jahre später versuchte sich Fried- rich Kauke an dem Dennerschen Bilde mit dem gleichen Mißerfolge. Er sah die Kopie des Ölbildes bei dem bekannten Ästhetiker Johann Georg Sulzer in Berlin, die dieser sich von Christian Ludwig von Hagedorn er- beten hatte. Auf seine Bitte erhielt er von Sulzer die Erlaubnis, den Kopf zu Studien- zwecken zu stechen. „Au lieu de cela il fait ce maudit portrait qu’il a l’insolence de me dedier... Soyez assure qu’il n’y a dans cela de ma part que be£tise d’avoir abanndonne le portrait a ce barbouilleur...“') !) Baden 314, Eschenburg IV, 177; ein Exemplar dieses Stiches im Berliner Kupferstichkabinett; es trägt die Unterschrift: Imaginem Friederici de Hagedorn Qui Poesi praestans, virtute praestuntior (sic) fuit V.A. Joanni Georgio Sulzero D.D.D. Friedericus Kauke Chalcographus. Oben links: Grave ä l’eau forte par Kauke 1769. Der Stich ist gleichzeitig nach der Denner- schen Kopie und dem Canaleschen Kupfer gestochen. Es lohnt nicht, den Vergleich ins einzelne zu führen; ich bemerke nur, daß er mit dem Bilde die rechtsgewendete Profil- stellung teilt, mit dem Stich dagegen die kleinen Abweichungen an der Perücke usw.; dagegen hat Kauke den Stuhl fortgelassen, die Draperie aber um den ganzen Körper geführt. — Im übrigen besteht Sulzers Urteil zu Recht: der Stich ist hart und leblos. Endlich hat sich 1775 auch der jüngere J. C. G. Fritzsch (aus Hamburg) an dem Bilde versucht. Der Zusammenhang aber blieb recht locker. Der Stich ist mit dem Original gleich- gewendet; im übrigen aber kehren eigentlich nur die Äußerlichkeiten wieder, wie die Falte an der Schulter, die langen Knopflöcher usw .; Zutat ist die reich ausgeführte Weste, von der im Original nur ein fingergroßer Streifen am Hals sichtbar ist. Abb. 2. c) Das erste van der Smissensche Porträt. Entstehungsgeschichte. Über dieselbe ist nichts bekannt. Doch läßt sich durch den Vergleich mit einem andern van der Smissen- schen Bilde wahrscheinlich machen, daß das Porträt bald nach 1740 gemalt wurde, also ziemlich zu gleicher Zeit wie die beiden Dennerschen Bilder. Beschreibung. Das Brustbild gibt den Dichter in Profilstellung, das Haupt ziemlich en face gedreht. Hagedorn trägt roten pelz- gefütterten Hausrock, der auf der Brust leicht geöffnet ist und graubraunen Waschbärpelz zu- tage treten läßt. Zum Schließen des Rockes dienen gelbpunktierte Ösen (denen Quasten auf der andern Seite entsprechen würden, vergl. Abb.3). Der Kopf ist mit einer Waschbärpelz- mütze bedeckt; sie endigt oben in einen roten Deckel, nach Artder Brauermützen,diein Ham- burg noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts CCW; Abb. 2. Bildnis Hagedorns. Stich von J. C. G. Fritzsch 1775 nach dem Dennerschen Porträt 1744. Herkunft unbekannt. 66 getragen wurden.') Die blonden Stirnhaare sind spätere Zutat. Die Augen sind wie immer von unentschiedener, zwischen blau und braun ste- hender Farbe. Tafel 2. Das Bild wird vom alten Rahmen mit reichen vergoldeten Stuckornamenten einge- faßt; barock gegen 1750. Bewertung. Ich bemerke voran, daß van der Smissen das Bild grundlegend verändert hat: Hagedorn trug nämlich zuerst nicht den Hauspelz, sondern das Staatsgewand. Nimmt man das Porträt aus dem Rahmen, so sieht man auf dem jetzt umgeschlagenen untern Rande noch die drei Knöpfe des ehemaligen Ärmelumschlags oberhalb des Ellenbogens; ferner erkennt man hinter dem Kopf deutlich den Schein einer früheren Perücke, die mit einem schwarzen Band hinter dem Ohr zu- sammengebunden wurde; und auf dem Rock sieht man zwischen den Schließen des Pelzes größere aufgenähte Verzierungen derselben Art wie sie Richter, Weise und Rabener auf ihren von Graff gemalten und von Bause ge- stochenen Porträts auf dem Rocke tragen; von diesen Verzierungen ist auf unserm Bilde die oberste zwischen der zweiten und dritten Pelz- öse besonders sichtbar, zwei weitere folgen mit fingerbreitem Abstand; und schließlich ließ sich bei der Behandlung mit Copaiva- balsam deutlich erkennen, daß der Pelz nicht von Anfang an vorhanden war, sondern auf das rote Gewand nachträglich aufgesetzt ist.?) Daß der frühere Zustand heute bei einer peinlich genauen Besichtigung wiederzuer- kennen ist, wird wohl die Folge einer Restau- rierung sein, der das Porträt voraussichtlich ') Abbildung 20 im Bericht des Museums für hamburgische Geschichte 1908. Dem daselbst auf dem roten Deckel sitzenden, nach hinten hängenden Quast scheint im Stich von Fritzsch, Abbildung 3, das ebenso angebrachte Mützentuch zu entsprechen. ?) Ich bin »hier Herrn Dr. Eduard Flechsig am Herzoglichen Museum in Braunschweig zu lebhaftem Dank verpflichtet, der meine Beobachtungen wesent- lich ergänzte. unterzogen wurde, als es kürzlich aus dem Privatbesitz in den Handel überging. Der Maler dieses Bildes ist unzweifelhaft van der Smissen. Die Braunschweiger Ge- mäldegalerie besitzt ein Selbstporträt des Künstlers,') das in allen inneren und äußeren Beziehungen die denkbar größte Verwandt- schaft zeigt: sie geht infolge der gleichen Stellung, Farben und Kleidung und selbst einer gewissen Ähnlichkeit im Typus so weit, daß man beim ersten Anblick dieselbe Per- sönlichkeit wiederzusehen glaubt. Doch ist das Hamburger Bild, wie der Vergleich an Ort und Stelle besonders deutlich erkennen ließ, dem Braunschweiger Selbstporträt nicht unwesentlich überlegen. Van der Smissen hat sich dort ein klein wenig schärfer ins Profil gestellt, wodurch ein Stück des Rückens — nicht zum Vorteil — mit ins Bild genommen werden mußte; der Maler steht ein wenig hart in seinem Bilde. Hagedorns Porträt da- gegen ist wundervoll breit auf die Fläche gebracht; da ist kein überschießender Raum mehr; man hat das Gefühl, daß diese Stel- lung die einzig mögliche und naturgegebene sei. Ebenso steht's um die Farben: die Braun- schweiger sind vergleichsweise — besonders im roten Rock — noch stumpf gegen die warmen, leuchtenden des Hamburger Bildes. Bei dieser überaus nahen Verwandtschaft beider Bilder wird ihre Entstehung ziemlich in dieselbe Zeit fallen. Man wird dabei aber ge- neigt sein, das Hagedornporträt wegen seiner höheren Qualität ein wenig später anzusetzen. Das Braunschweiger Selbstbildnis wurde 1740 gekauft (van der Smissen war 1739/40 daselbst Hofmaler); der Hagedorn mag dementspre- chend etwa 1741 gemalt sein. — Es be- steht natürlich die Möglichkeit, daß van der Smissen sein Selbstbild fertig mitbrachte; das würde für das Hagedornporträt bedeuten, daß '\ Nr. 617 des von Flechsig verfaßten Verzeich- nisses (1910). Eine kleine Abbildung bei Lichtwark, Das Bildnis in Hamburg I, 146. nn ee TAFEL 2. BILDNIS HAGEDORNS. Gemalt von Dominicus van der Smissen ca. 1741. Leinwand 42><52 cm. Im Besitz des Museums für Hamburgische Geschichte. wir es eventuell noch eine Kleinigkeit höher hinaufzurücken hätten; vielkann es aber nicht sein, denn der Dichter (geb. 1708) hat hier sein viertes Jahrzehntzweifellos schon erreicht. Porträtmäßig betrachtet, ist dieses van der Smissensche Bild das sympathischste, das wir 67 davon die Rede gewesen —, hier liegt es in jedem Zuge. Im Dennerschen Bilde standen wir vergleichsweise noch einem Epigonen jener stolzen, gelehrten Dichter des 17. Jahr- hunderts gegenüber, hier spricht lediglich der Mensch zu uns, und wie die klaren Züge rredrilben Hagedcr v2) ”, G i wre nein Freund mein Lehrer nem! Degleer DOG Altfeh je Lim 95- Abb. 3. Bildnis Hagedorns. Stich von J. C. G. Fritzsch 1755 nach dem ersten van der Smissenschen Porträt ca. 1741 Aus: Bibliothek der schönen Wissenschaften und freyen Künste I, 1. Auflage. Leipzig 1757. überhaupt von Hagedorn besitzen. Das freund- liche, heitere Temperament und das im tief- sten Grunde gutherzige Wesen sind nirgends so warm und schön zum Ausdruck gekommen — in der Lebensbeschreibung ist hinreichend und der geschwungene Mund zeigen, ein ge- scheiter, fein empfindender Mensch. Im Dennerschen Bilde trat uns der Dichter noch im Staatsgewande entgegen, wie er sich der Öffentlichkeit zeigte, hier sehen wir ihn im g# 68 bequemen Hauskleid, im Neglige, wie man damals sagte. Und in diesem Gewande war er vielmehr er selber, denn Hagedorn war durchaus kein Mann von Unbequemlichkeiten; seiner Liebe zum pelzgefütterten Hausrock, die er zwar mit der ganzen Zeit teilt,') auf den er aber wegen seiner podagrischen Be- schwerden besonders angewiesen war, hat er sogar einmal gereimten Ausdruck verliehen; in dem Sendschreiben an Liscow, jener Köst- lichen Satire auf Brockes, heiflt es (1735): „Nachdem ich nun die Hosen angezogen, Und mit gelungener Gewalt Den Fuß im Schuh verschränkt, die Schuhe zugeschnallt, Die Mütze, die noch gut, obgleich sie halb veraltet, Tief übers Ohr gezuckt, die Binde neu gefaltet, Den Nachtrock angelegt, dem ich so sehr gewogen, Und drauf ein Pfeifgen ausgesogen, Ergrif ich wiederum das Blatt...“ °) Gegenüber diesem Porträt wird man auch erkennen, daß van der Smissen, wenn er wollte, seinem Schwager und Lehrer Denner überlegen war: er drang ungleich tiefer ins Innere und verstand es, auch den Körper an der Beseelung teilnehmen zu lassen. Denner hätte oft genug die Körper seiner Menschen wahllos miteinander vertauschen können, so sehr gleichen sich Fürsten und Bürger in ihrer Haltung; van der Smissen dagegen be- ginnt in seinen besseren Bildern sorgfältig zu charakterisieren, und darum wohnt seinen Porträts eine Wahrscheinlichkeit inne, die hier beim Hagedorn z.B. den festen Glauben erweckt: so sah er aus, so hielt er sich. - Wie fein ist überdies die ganz leichte seitliche Beugung des Hauptes, die einen Zusammen- hang zwischen Brust und Kopf herstellt, wie er Denner nicht entfernt geglückt war. Provenienz. Das Porträt wurde 1909 für '!) Das pelzgefütterte Gewand spielt in der Ver- gangenheit schon wegen der mangelhaften Heizvor- richtungen eine ungleich größere Rolle, vergl. Hermann Fischer, Grundzüge der deutschen Altertumskunde 40 (Wissenschaft und Bildung 1908). ?) Eschenburg IV, 120. das Museum für hamburgische Geschichte erworben. Es hatte sich seit etwa 1860 im Besitze des bekannten Leipziger Kupferstich- sammlers Drugulin befunden. Weiteres ist über die Vorgeschichte nicht bekannt, doch möchte man aus der Tatsache, daß es 1755, im Jahre nach Hagedorns Tode, bereits in Leipzig gestochen wurde, schließen, daß es sich seit alter Zeit daselbst befunden habe. Der Stecher war der aus Hamburg gebürtige jüngere Fritzsch, der sich damals vorüber- gehend in Leipzig aufgehalten haben muß. Stiche. Das van der Smissensche Bild ist, soweit bekannt, nur einmal gestochen worden, und zwar von dem jüngeren Fritzsch im Jahre 1755, also unmittelbar nach Hagedorns Tode. Die Unterschrift besagt, daß Fritzsch (der sonst in Hamburg tätig war) die Platte in Leipzig gearbeitet habe; es liegt also der Schluß nahe, daß sich das Bild schon damals in Leipzig befunden habe. Abb. 3. Die Zusammenhänge zwischen dem Stich und seiner Vorlage sind nicht allzu fest, trotz- dem aber nicht zu leugnen. Zuerst ist es durchaus unwahrscheinlich, daß ein so hand- werklicher Stecher wie Fritzsch ohne Vorlage gearbeitet habe, zumal in Leipzig, wo ihm (außer diesem Bilde) nichts hätte eine Anleitung geben können. Dann aber finden sich doch bedeutsame Gemeinsamkeiten. Vorneweg sei darauf verwiesen, daß der Stich das Spiegel- bild des Ölbildes gibt, also durchaus der stecherischen Gewohnheit entspricht. Ferner sind dieser Stich und dieses Porträt die ein- zigen Bilder Hagedorns, die den vollen runden Typus geben (statt des länglichen). Dazu kommen einige Äußerlichkeiten, die, je belang- loser sie sind, desto mehr ins Gewicht fallen: auf keinem andern Bilde kehrt die Pelzmütze mit dem hinteren Zipfel wieder (im Porträt ist er als roter Deckel bei genauem Hinsehen deutlich zu erkennen); und auf keinem andern Bilde zeigt der Pelzrock die Ösen zum Schließen. Die einzige gegenständliche Abweichung liegt darin, daß Fritzsch den Pelz auf der Brust auseinandergeschlagen und mit Achsel- stücken wie beim Ornat der Oberalten und des Senats versehen hat und ein völliges Ge- wand darunter zum Vorschein kommen läßt — also eine Überbietung der Vorlage, die geradeinderartigenAbhängigkeitsverhältnissen oft zu beobachten; sie kehrt bei demselben Fritzsch z. B. auch in seinem Stich nach Denner wieder (Abb. 2), wo er gegenüber dem Original resp. dem Canaleschen Stich die reiche Weste, die Rockknöpfe, den rechten Arm und das feinere Jabot hinzugefügt hat; auch hier hat er den Gesichtsausdruck be- denklich verfehlt. Die Unterschrift des Stiches ist die Ein- leitungszeile von Hagedorns letztem Lehr- gedicht Horaz (1751).') Das Renommee des Stiches, der 1757 dem ersten Stück der (Leipziger) Bibliothek der schönen Wissenschaften und freien Künste vorangestellt war, war seit alter Zeit anerkannt schlecht. Christian Ludwig ging es nahe, das Bild seines Bruders „so verstellt zusehen“ und in solcher „Unförmlichkeit“;°) mit vollem Recht; war es doch das erste Bild, das über- haupt einem größeren Publikum vorgeführt wurde, denn Hagedorn hatte sich aus auf- richtiger innerer Bescheidenheit nie ent- schließen können, sein Porträt einer Ausgabe seiner Schriften voranzustellen. Andere Zeit- genossen spotteten über die „doppelte Nase“; °) ') Eschenburg I, 97. °) Die Klage Christian Ludwigs bei Eschenburg IV, 174 ff. Nicolai hatte ihm geschrieben, das Bildnis sei aus gewissen Umständen aus den zuverlässigen Nachrichten vom Zustande der Wissenschaften ent- lehnt worden (T. Baden, Briefe über die Kunst [1797] 228), ich habe es aber dort nicht finden können. Eschenburg sagt im Text und in der Anmerkung irrig, das Bild sei von Kauke gestochen worden; die tadelnde Rezension, deren er gedenkt, steht im Hamb. Corre- spondenten 1757 Nr. 169. °) Correspondent a. a. O. 69 der mittlere Nasensteg ist hier allerdings sehr tief hinuntergezogen, aber doch nicht so ganz gegen die Porträtwahrheit: in diesem ersten van der Smissenschen Bilde ist die Partie unter der Nase zu sehr in Schatten gehüllt, im folgenden Ölbild dagegen erkennt man durch den Schatten hindurch ganz deutlich, daß Fritzsch nur etwas zu drastisch gewesen ist; übrigens zeigt auch Christian Ludwig auf dem Stich von Bause nach Graff diese merkwürdige Bildung der Nase. — Der Erfolg dieser allgemeinen Unzufriedenheit war jedenfalls der, daß bei der zweiten Auf- lage desselben Stücks der Bibliothek (1760) Fritzschens monströser Kopf durch den Stich Canales nach Denner ersetzt wurde (Abb. 1). d) Das zweite van der Smissensche Porträt. Entstehungsgeschichte. Das nächste uns bekannte Bildnis des Dichters ist gut 10 Jahre später entstanden. Es trägt auf der Rückseite den Vermerk „F: v: Hagedorn Etatis: 44: Do: von der Smissen pinx.“ Da Hagedorn 1708 geboren wurde, wäre dies Porträt also 1752 gemalt. Dazu stimmt die folgende briefliche Äußerung Christian Lud- wigs vom 16. Januar 1752: „Ich habe von van der Smissen soviel gutes und soviel schlechtes gesehen, daß ich nicht weiß, ob ich dir Glück wünschen soll oder nicht. Doch ist er glück- licher in Manns-Porträt, nur muß er die per- spektivisch zurückstellte Seite des Gesichts nicht, wie er pflegt, zu sehr durch die Farbe hervortreiben, welche Contradiction mit der Perspektive dem Urbilde eine geschwollene Backe beylegt.“') Beschreibung. DerDichter ist in leichter Profilstellung gegeben, bekleidet mit dunklem Schlafpelz; der hochgeklappte Kragen und der Umschlag auf der Brust sind mit braunem Edelmarderpelz besetzt. Das Band zum Binden des Hemdes hat schwarze Farbe; es ist an der ') Sammlung Lappenberg. 70 linken Schulter und am unteren Bildrand sicht- bar. Das Haupt ist mit brauner Bärenfell- mütze bedeckt, deren Pelz nach oben heller wird. Die Ohren sind unter der Mütze fast verborgen. Die Augen sind blau mit ein wenig braun. Der mittlere Nasensteg ist etwas heruntergezogen (vergl. die übertreibende Dar- stellung auf dem vorbesprochenen Stich). Tafel 3. Bewertung. Die Autorschaft van der Smissens ist völlig gesichert: die Stiche nach diesem Bilde tragen seinen Namen; das Öl- bild ist auf der Rückseite signiert;') außer- dem besitzen wir auch noch die schon zitierte Äußerung Christian Ludwigs von Hagedorn, daß der Dichter sich gerade in diesem Jahre (1752) von van der Smissen malen lassen wollte oder malen ließ. Das Renommee des Bildes ist seit alter Zeit gut: Hagedorns Verleger Bohn erachtete es für würdig, im Stiche von Fritzsch der ersten Gesamtausgabe der Poetischen Werke (1757) vorangestellt zu werden; hätte es ihm nicht gefallen, so wäre es ihm bei seiner dau- ernden Verbindung mit Christian Ludwig von Hagedorn ein leichtes gewesen, von diesem eine Platte nach dem Dennerschen Bilde zu erhalten. Er spricht jedoch in seinem Vorwort geradezu von dem „wohlgetroffenen Bildniß“, welches man, „um nichts von der Ähnlichkeit zu verlieren“, im Stiche unverändert gelassen habe. Desgleichen sagt Herold im Jahre 1800: „Die, welche Hagedorn persönlich gekannt haben, versichern, es sey ihm sehrähnlich ge- wesen.“°®) Eschenburg dagegen schwächt ein wenig ab, wenn er (jedenfalls aus dem Munde des jüngeren Bohn) bemerkt: „soll in den Hauptzügen sehr ähnlich sein.“ °) ') Das Bild ist rentoilliert, die Inschrift im alten, an den Dichter selber erinnernden Duktus nachgemalt; dabei ist es passiert, daß statt F: v: Hagedorn heute F:r: Hagedorn auf der Leinewand steht. °) Hamb. Adref-Comtoir-Nachrichten 1800, 370. °») IV, 173. Uns überrascht die große Veränderung, die wir gegenüber dem vorigen Bilde be- merken. Es fällt schwer, zu glauben, daß derselbe Künstler denselben Mann so ver- schieden auffassen konnte, wenn auch 11 Jahre dazwischen liegen. Trotzdem aber gehen beide Bilder zweifellos auf van der Smissen zurück: das eine stand dem Braunschweiger Selbst- bildnis denkbar nahe, das andere ist signiert und anderweitig sicher bezeugt. Das ist erst einmal eine wichtige Feststellung, an der nicht zu rütteln ist. In den Farben sind die beiden Bilder schlecht miteinander zu vergleichen, denn das erste van der Smissensche Porträt hat ja die große Wandlung vom Staatsgewand zum Haus- rock über sich ergehen lassen müssen. Dagegen kehrt ein nicht unwesentlicher Faktor der Komposition wieder. Legt man die beiden Porträts nebeneinander, so wirken sie wie Pendants; nicht nur wegen der gleichen Tracht, der gleichen Stellung und des ziemlich gleichen Brustabschnitts, sondern auch wegen der gleichen ganz leichten seitlichen Beugung des Kopfes: er ist auf beiden Porträts gleich- mäßig auf die äußere Bildseite geneigt; eine Linie, die in der Richtung des Nasenrückens gezogen wird, zeigt auf beiden Bildern ganz die gleiche Schräge. Bei der Frage der Porträtähnlichkeit beider Bilder ist von vornherein zu bedenken, daß die 11 Jahre, die zwischen ihnen liegen, auch einen tiefen Wechsel der Gesundheit des Dichters einschließen. Um 1740 stand er in der Fülle seiner Kraft, 1752 dagegen fielen schon die schweren Schatten der töt- lichen Krankheit voraus. Vielleicht daß er deswegen hier schlanker erscheint, vielleicht auch daß van der Smissen ihn auf seinem ersten Bilde etwas korpulent gemalt hat, denn auch das Dennersche Bild von 1744 zeigt ihn weniger beleibt. Legt man beide Bilder nebeneinander, so wird man bei eingehender Vergleichung auch TAFEL 3. BILDNIS HAGEDORNS. Gemalt von Dominicus van der Smissen 1752. Leinwand 39><50 cm. Im Besitz von Frl. Helene Gaedechens in Hamburg. dieselben Züge der Gesichtsbildung wieder- finden: den vollen geschwungenen Mund (mit dem Schatten in den Winkeln); die kräftige Nase, deren Spitze ein wenig vornüberhängt, mit der Falte an der rechten Backe; die Augen, die so charakteristisch zwischen blau und braun stehen, mit den reichlichen Fettpolstern und den flach geschwungenen Brauen; die hohe Stirn und das Doppelkinn. Ob der mittlere Nasensteg auch auf dem ersten van der Smis- senschen Bilde so stark heruntergezogen ist, läßt sich selbst am Original wegen des tiefen Schattens nicht erkennen; auf dem zweiten ist es der Fall, wenn es auch im Lichtdruck nicht mehr wahrzunehmen ist. Denner hat von dieser, beiden Brüdern Hagedorn eigen- tümlichen Bildung keine Notiz genommen, wie er denn überhaupt konventioneller ge- malt hat. Hagedorn erscheint auf dem zweiten van der Smissenschen Porträt wesentlich ernster, obgleich auch hier ein leichtes Lächeln auf den Zügen liegt, besonders wiederum um die Augen. Die Jahre mögen das Ihre getan haben; außerdem aber ist bekannt, dal Hagedorn in seinem äußern Wesen etwas sehr Gesetztes, Englisch-Reserviertes beobachtete; Büsching, der ihn damals (1751) kennen lernte, sagt z. B., er sei erstaunt gewesen, einem so ernst- haften Manne gegenüberzutreten.') Wir Heu- tigen haben uns daran gewöhnt, in Hagedorn lediglich den Sänger des leichten Gesell- schaftsliedes zu sehen. Aber schon Klopstock weist das in der Wingolfode zurück: „Zu Wein und Liedern wähnen die Thoren dich allein geschaffen.“ Hagedorn gehörte seiner tiefsten Neigung nach durchaus der lehrhaften Muse an, fast der Wissenschaft. Wer sich dessen bewußt bleibt, wird in dem ernsteren Aus- druck nichts Unwahrscheinliches finden. Provenienz. Nach Bohns Zeugnis im ') Beyträge zu der Lebensgeschichte denkwürdiger Personen. VI (1789), 198. 71 Vorwort zur ersten Hagedornschen Gesamt- ausgabe befand sich das Bild im Jahre 1757 in den Händen von Hagedorns treuem Freund Dr. med. Peter Carpser. Später besaß es der Hamburger Kaufmann ©. C. Gaedechens; heute bewahrt es seine Enkelin Fräulein Helene Gaedechens- Hamburg. Kopie. Eine Pastellkopie, nachweislich aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, befindetsich in den Händen von Fräulein Olga Gaedechens- Hamburg. Stiche. Eschenburg sagt, ein van der Smissensches Pastellgemälde im Besitz des älteren Bohn habe dem Stecher zur Vorlage gedient;'!) Bohn selber dagegen versichert 1757 in seinem Vorwort zur ersten Gesamtausgabe, daß Fritzsch nach dem in Carpsers Händen befindlichen Bildnis gestochen habe. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß Bohns 43 Jahre ältere Aussage mehr Glauben verdient. Fritzsch hat das van der Smissensche Öl- bild zweimalim gleichen Jahre, 1756, gestochen. Die Stiche unterscheiden sich, auch in der Qualität, nur ganz gering. Das etwas bessere steht vor der dreibändigen, das andere vor der einbändigen Ausgabe von 1757. Äußerlich er- kennt man das bessere am einfachsten an der doppelten Umrahmung oder an dem größeren Schwung hinter der Jahreszahl 1756. Beiden Stichen gemeinsam ist, daß sie gegenüber dem Original einen größeren Brustabschnitt geben, etwa bis in Ellenbogenhöhe, dementsprechend auch den Arm weiter hinunterführen. — Im Gesichtsausdruck ist das leichte Lächeln ver- loren gegangen und einem fast morosen Ernst gewichen. Wennesinspäteren Auflagen wieder- kehrt, so beruht es lediglich auf Abnutzung der Platte: ganze Strichführungen, wie unterm Kinn, verschwinden, die schärferen Konturen, z. B. des Mundes, gehen verloren, der Aus- druck wird flauer, und so kann es kommen, daß die zwei Platten, die sich anfangs zum ') Eschenburg IV, 173 f. 72 Verwechseln ähnlich waren, in einer ersten und einer dritten Auflage einen so verschie- denen Typus zeigen. Abb. 4 und 5. An Fritzsch schließt sich J. R. Holzhalb an. Unter seinem Stiche, der der Berner Ausgabe bei B. L. Walthard (1766) voransteht, liest man zwar „VanderSchmissen pinx.“, aber der Stich hat mit dem besprochenen Bilde kaum noch etwas zu tun, auch mit keinem andernnoch unbekannten, dennsohatHagedorn nie ausgesehen. Dieser Nachstich seinerseits hat wiederum E. Verhelst-Mannheim 1778 zur genauen Vor- lage gedient. Nurdaß das Gesicht etwas jugend- FRIDERICUS AB HAGEDORN. NATUS HAMBURGI D. XXII.APR.MDCCVIL DENATUS D.XXVIN OCT. MDCCLIV Abb. 4. Bildnis Hagedorns. Stich von ©. Fritzsch 1756 nach dem zweiten van der Smissenschen Porträt 1752 Aus: Hagedorns Werke Dreibändige Bobnsche Ausgabe, 1757. licher geworden ist. Das Arrangement ist fast das gleiche geblieben. Abb. 6.') Endlich hat Fritzschens Stich noch A. Kohl ') Hier sollte eigentlich der Stich von Holzhalb stehen; er ist mir jedoch erst bekannt geworden, als die Klischees schon fertig waren. Bei dem geringen Unterschied beider Stiche fällt es nicht ins Gewicht. 73 in Wien zur Vorlage gedient, der für die Klein- oktavausgabe der Hagedornschen Werke bei Schrämbl in Wien 1790 eine Platte arbeitete. Der Dichter trägt den Hausrock, aber ohne die hohe Pelzmütze. Der Gesichtsausdruck verändert sich dadurch natürlich, doch ist der Zusammenhang mit Fritzsch hier noch wesent- FRIDERICUS AB HAGEDORN. NAT US HAMBURGI D.XXIITAPR. MDCCVIN DENATUS Abb. 5. D.XXVIN OCT. MDCCLIV. Bildnis Hagedorns. Stich von C. Fritzsch 1756 nach dem zweiten van der Smissenschen Porträt 1752 Aus: Hagedorns Werke Einbändige Bohnsche Ausgabe Dritte Auflage. 1764 10 74 Abb.6. Bildnis Hagedorns. Nachstich von E. Verhelst 1778 nach dem Nachstich von J- R. Holzhalb 1766 lich besser gewahrt als auf den Stichen von Holzhalb und Verhelst. Im ganzen genommen aber darf man bei Betrachtung dieser drei Nachstiche billig staunen, was ein Verleger des 18. Jahrhunderts seinem Publikum zumuten durfte. e) Die erweiterte Kopie nach dem vorigen Bilde. Enstehungsgeschichte unbekannt. Beschreibung. Die anscheinend sitzende Halbfigur des Dichters ist im Profil genommen, der Kopf en face gedreht. Hagedorn trägt blaugrauen pelzgefütterten Hausrock und eine Mütze von Bärenfell. Die Hände sind auf ein braunledernes Buch mit rotem Schnitt gestützt, welches wohl auf dem Knie ruht; das weiße Blatt der linken Hand ist unbe- schrieben. Die Augen zeigen eine etwas un- entschiedene dunkelblaue Farbe. Hinter dem Rücken des Dichters wird eine grüne Draperie sichtbar. Tafel 4. Bewertung. Das Bild macht einen flauen Eindruck. Der Körper verliert sich knochen- los im weiten Rock, der Gesichtsausdruck ist weder ernst noch heiter, der Kopf ohne Modellation und unangenehm eiförmig. So viel ist ohne weiteres klar, daß dieses und das vorbesprochene Bild nicht von einer Hand gemalt sind. Bedenkt man andererseits das peinliche Abhängigkeitsverhältnis, so drängt sich der Gedanke auf, daß wir es hier mit einer alten, erweiterten Kopie zu tun haben. Dazu pafst es dann vortrefflich, daß der Kopist seine Vorlage durch solche Klei- nigkeiten wie die Spitzenmalerei am Hemd zu überbieten sucht. Das Stilleben der Hände mit Buch und Blatt ist noch das beste im Bilde, wenngleich es auch hier keinem Zweifel unterliegen kann, daß die weiche, damenhafte Malerei mit van der Smissen nichts zu tun hat; auch wirkt die Anbringung von Buch und Blatt unmotiviert und kleinlich. Provenienz. Das Bild fiel der Kunst- halle in Hamburg 1879 durch Vermächtnis von J. Amsinck zu. Stiche sind nicht bekannt. f) Unsicheres und Unausgeführtes. 1. Ein unbezeichnetes Pastell. Hier ist voran ein Pastellbild zu nennen, das kürzlich in den Besitz des Museums für hamburgische Geschichte gelangt ist. Entstehungsgeschichte unbekannt. Beschreibung. Die im Profil dargestellte Persönlichkeit ist mit rotem Schlafrock be- kleidet, welcher um den Hals einen blauen TAFEL 4. BILDNIS HAGEDORNS,. Erweiterte Kopie nach dem zweiten v.d. Smissenschen Porträt. Leinwand 63<81 cm. Im Besitz der Kunsthalle in Hamburg. Aufschlag zeigt und mit roten Schnüren auf der Brust zusammengehalten wird. Die Mütze ist dunkel, die Augen sind geblich-braun. —- Alter Goldrahmen. Tafel 5. Bewertung. Voran ist zu bemerken, dal) ein Pastellbild Hagedorns tatsächlich vor- handen gewesen ist. Eschenburg berichtet, es sei von van der Smissen gemalt gewesen, habe sich im Besitz von Bohn befunden, sei aber durch die Unvorsichtigkeit eines Bedienten, der es von Staub reinigen wollte, sehr ver- wischt worden.!) Im Besitz des Museums für hamburgische Geschichte befindet sich nun heute ein Pastell- bild, das durch unvorsichtige Behandlung ver- wischt worden und außerdem eine gewisse Porträtähnlichkeit mit dem Dichter nicht ver- kennen läßt: sie findet sich, abgesehen von der Kleidung, in dem geschwungenen Mund, in der leicht vornüberhängenden Nasenspitze und im Doppelkinn; dagegen ist der Ausdruck wesentlich strenger als auf jedem anderen Hagedornbild, fast mürrisch; auch paßt die gelblich-braune Farbe der Augen schlecht, wenngleich zugegeben werden muß, daß Hage- dorns Augen auf allen Bildern einen deutlichen braunen Einschlag im Blau zeigen. In Summa dürften also die äußeren Gemeinsamkeiten nicht ausreichen, in diesem Bilde das von Eschenburg erwähnte Pastell des Dichters zu sehen. Prowmenienz. Halle. Stiche sind nicht bekannt. Aus dem Kunsthandel in 2. Eine unausgeführte Zeichnung von C. A. Wagner. Aus dem Briefwechsel der beiden Brüder ergibt sich, daß Christian Ludwig, als das erste Dennersche Gemälde eben vollendet war; sich ein neues Porträt seines Bruders IV, 174. 21=) bei Wagner bestellte. Wagner hatte hin und wieder Zeichnungen für Friedrichs Gedichte geliefert, und dieses neue Bildnis sollte denn auch nur eine Zeichnung werden, in Quart- oder Oktavgrößle. Christian Ludwig wünscht, daß es ein Kniestück werde in Kleinoktav (in einem andern Briefe spricht er von Groß- oktav oder Großquart), „damit du dich gra- cieusement an eine Galerie lehnen könntest, so aufs Feld geht(?); auf der Gallerie oder Geländer tut ein Rosenbusch in einer Vase nicht übel. Noch lieber aber wäre mir, wenn du [auf] einer solchen Skizze als ich erhalten, den Schäfer abgeben könntest. Herr Wagner mahlt excellent Paysage. Wenn auch dein ganz Gesicht erscheinen sollte, so wird es doch mit solcher grace panchiret seyn, daß es keine Steiffigkeit hat.“') In einemandern, undatierten Briefe der Zeit geht Christian Ludwig noch etwas näher auf seinen ersten Vorschlag ein, indem er schreibt: „so wünschte ich, daß... du an einer Gal- lerie stündest, wo etwa linker Hand Pfeiler und Gemäuer oder Vorhang und rechter Hand an der Brustlehne Vasen mit Basrelief, da- hinter ein Baumschlag und in der Ferne eine douce Landschaftzu sehen wäre, worin Wagner excellient.) Von diesen konventionellen Vorschlägen ist, soweit ich sehe, keiner zur Ausführung gekommen. Von der Zeichnung mit Galerie im Vordergrunde kann man sich eine Vor- stellung machen, wenn man sich an das ganz ähnlich komponierte Bild der Brockesschen Kinder von Denner in der Kunsthalle erinnert oder an Hallers Bild von Studer.) Ein Schä- ferbildchen dagegen, von Fritzsch (1756) und ohne Absicht auf Porträtähnlichkeit, beschließt in der ersten Gesamtausgabe von 1757 die Mo- ralischen Gedichte. ') Wolfenbüttel Nov. 630, 29 (31. IIl. 2) ib. 630, 90 (o. D.). Artur Weese, Die Bildnisse Albrecht von Hallers (1909), S. 35 und 153. 1741). 10* 76 3. Eine unausgeführte Büste. Endlich ist hier noch einer unausgeführten Büste aus Ton kurz Erwähnung zu tun. Auch sie fällt in diese bilderreiche Zeit, wo zwei Denner, ein van der Smissen und eine Zeich- nung von Wagner entstanden oder entstehen sollten, nämlich ins Jahr 1744. Christian Ludwig wollte sie haben, um sie auf den Tisch seines Kabinetts zu stellen; womöglich seine eigene dazu, wenn Friedrich den ungenannten, anscheinend nicht hamburgischen Künstler veranlassen könnte, nach Dresden zu kommen. Der geforderte Preis betrug 6 Taler. Von einer Ausführung hört man nichts.') 3. Die Denkmalsbewegung im 18. Jahr- hundert und das Harvestehuder Relief von 1897. Hagedorn war eine aufrichtig bescheidene Natur. Während die Zeitgenossen ihn gefeiert haben wie wenig andere Dichter vor ihm und nach ihm, während Cramer ihn „die allgemeine Bewunderung von Deutschland“ nannte,”) sah er selber mit geringer Zufriedenheit auf seine Gedichte und schränkte seine Produktion so ein, daßß nach seinem Tode ein einziger nor- maler Oktavband seine Lebensarbeit aufzu- nehmen imstande war (1757). Während all- seitig bewundernde Briefe an ihn einliefen, hat er selbst stets mit größter Bescheidenheit geantwortet. In dem umfangreichen Vorrat seiner Briefe findet sich nirgends der leichteste Schein einer Selbstbespiegelung; im Gegenteil zeigte „erallemal eine Begierde, sich insolchen Dingen belehren zu lassen, welche er gemeinig- lich besser verstund.“’) Bei einer solchen Gemütsart erscheint es denn auch durchaus ') Wolfenbüttel Nov. 633, 49 (o. D.), 632, 20 (1. X11. 1744). ®) C. F. Cramer, Klopstock Er und über Ihn (1780) 1,7214: ") Aus der Todesanzeige im Hamb. Correspondenten 30. Oktober 1754, unterzeichnet J. S.M.; vergl. über die Bescheidenheit auch z. B. S. 50. glaubwürdig, wenn C. H. Schmid, der erste Biograph des Dichters, versichert, er habe sich aus Bescheidenheit jede Art von Denk- mal oder Lebensbeschreibung verbeten.') Andererseits sind öffentliche Denkmäler, selbst fürstlicher Personen, im 18. Jahrhundert noch eine Seltenheit. Hamburg hat in dieser Zeit überhaupt wohl noch keins gesehen; das erste, das meines Wissens hier errichtet wurde, galt dem bekannten Nationalökonomen und edlen Patrioten Johann Georg Büsch (1801). Bezeichnenderweise fand man es für unum- gänglich nötig, das Denkmal im Schutzbereich einer Wache aufzustellen.?) Die Bewegung für ein Hagedorndenkmal wurde 1769 durch den Dichter J. G. Jakobi eingeleitet. In der ersten Ausgabe seiner Werke liest man einen Aufruf zur Erbauung einer Denkmalskapelle am Flußufer: An meine unbekannten Freunde in Hamburg. Für dieses Mal nur wünscht ich mir den Ruhm und das Ansehen eines Voltaire, der mit Städten und Provinzen reden darf, und von ihnen gehöret wird. Ich, ein Sänger we- niger Lieder, wie kann ich die Aufmerksamkeit einer ganzen Stadt fordern? Nicht an alle Be- wohner von Hamburg, an Sie allein darf ich schreiben, an Sie, meine Freunde, die ich durch meine Gesänge mir erwarb. Ihnen theil’ ich beyliegenden Brief mit, von Ihnen hoff” ich, daß Sie die Erhabenheit der Engelländer, und die Schande unserer Nation fühlen. Sehen Sie, meine Freunde, was jene für den großen Shakespeare thun, und fassen Sie Muth, die Deutschen zu beschämen, den Fürsten ein Bey- spiel zu geben, und die ersten zu seyn, welche die Ehre ihres Volkes retten. Kein prächtiges Gebäude, nur eine kleine Capelle bauen sie, an dem Ufer der Elbe, dem liebenswürdigen, ) 11,395. StattGleim istdaselbst Jakobi zuschreiben. >) F.J. L. Meyer, Skizzen II (1802), 27 ff. Hierselbst die Gründungsgeschichte. TAFEL 5. PASTELLBILD EINES UNBEKANNTEN. 30 ><39 cm. Im Besitz des Museums für Hamburgische Geschichte. ei . j BE . oz Fi 5 u u‘ u — . un u u 5 . ü j | u B = . Ze ö * 5 . . . u . u 5 u j 5 => u Fr & . 1) an “ 5 — PR . .. ‚ D . . u _ u . e - . pi . = En. r I . . . = . . . 5 u f . ” = . 5 u u 5 i e Fr . u e B = = Bu B u . = 5 _ a G . = Br e . = ü . . z Es 2 == 5 Zr | ZZ ee 2. u we: u % Er Am Pr nn u Fe . - u u dem großen Hagedorn. Wenn Sie die Bäume des Ufers blühen sehen, wenn Sie die Nachti- gall hören, so denken Sie dabey, daß ohne Hagedorns Lieder Ihnen die Blüten und die Nachtigall weniger gefielen. Wenn Sie mit Ihren Gattinnen am Fluße sich lagern, so er- innern Sie sich, daß Hagedorn Ihnen zärtliche Mädchen gebildet hat. Sie, meine Damen, an deren Freundschaft die Dose des heiligen Lo- renzo mir einigen Anspruchgiebt, Siebeschwör’ ich, Ihrem Dichter das Wortzureden. Brauchen Sie alle Rechte ihres Geschlechts, lassen Sie den Sänger der Schönheit und der Liebe Ihnen sein Denkmal schuldig seyn. Vielleicht sind einige von Ihnen so großmütig, etwas über- flüssiges von Ihrem Geschmeide darzu her- zugeben. Diese müssen dann den Grundstein legen, und ihre Nahmen eben so heilig, wie die Nahmen der Musen, würden neben dem Bildnisse des Dichters verewigt. Kehren Sie, meine Freunde, sich an das Gelächter dererje- nigen nicht, denen das Ordenszeichen des Lorenzo ein Aergerniss war, und die auch über diesen Brieflachen werden. Nichts bleibt von dem Spotte kleiner Gesellen verschont. Ich schäme mich keiner guten Empfindung; alles ist in meinen Augen edel und groß, was auch nur von ferne zur kleinsten Tugend ein Hülfsmittel werden kann. Eine schlechte Dose, die geselliger macht, eine unansehnliche Ca- pelle, die den Patriotismus verbreitet, sind für mich mehr, als für sinnliche Leute die kostbarsten Tempel. Wär ich einst so glück- lich, an den Ufern der Elbe das Denkmal er- richtet zu sehn; ich wäre stolzer darauf, als ich es seyn würde, wenn jede Stadt in Deutsch- land mir selbst eine Ehrensäule setzte. Hier haben Sie, meine Freunde den Brief, möch- ten Sie nur mit der Hälfte der Empfindungen ihn lesen, womit er von mir gelesen wurde.“!) Dieser Brief hatte sich an Hamburgs Frauen gewandt — charakteristisch für die Zeit, nicht für unsern Dichter, denn Hagedorns Kunst %)J. G. Jacobis Werke. 1. Aufl. I, 89. 7.7, war noch im tiefsten Grunde männlicher Art, herb, gedankenvoll und frei von jedem Über- schwang. Jacobi aber war schon ein Kind der neuen gefühlvollen Zeit, deren Sprache hier frühzeitig erklingt; der typische Wort- schatz der Romantik findet sich bereits bei- sammen: „edel“, „groß“, „heilig“, „erhaben“, nur „würdig“ fehlt noch. — Jacobi hatte richtig gerechnet. Einige Hamburger „Damen, die durch Geist und Schönheit ausgezeichnet waren, und mit größtem Recht bewundert und verehrt wurden, suchten die Sache ihres (?) Dichters mit edlem Eifer zu befördern. Ihrem vielvermögenden Einfluß war es auch zuzu- schreiben, daß die zusammengebrachte Summe wirklich beträchtlich war.“ ') Sie scheint aber trotzdem nicht genügt zu haben, und jedem Opferwilligen ward sein Beitrag zurückgezahlt. Der Gedanke lebte wieder auf, als das St. Johanniskloster 1787 die Gegend um das Harvestehuder Wirtshaus in einen englischen Garten verwandelte; auch diesmal ohne Er- folg. Dann dachte man bei der Erweiterung des Jungfernstiegs daran, dem Dichter hier ein Denkmal zu setzen; der Plan endigte wie seine Vorgänger; unter den Gegengründen findet man bezeichnenderweise wiederum die Schutz- losigkeitdes Denkmals. „Denn dem geringeren Teil der Einwohner Hamburgs kann man es wohl nicht zutrauen, daß er Denkmäler auf öffentlichen Plätzen mehr schonen werde, als es das Volk in andern deutschen Städten zu thun gewohnt ist, und es wird vielleicht noch eine gute Zeit nötig seyn, den italiänischen geringen Mann dem deutschen als Muster der Nachahmung in Schonung öffentlicher Kunst- werke vorzuhalten.“?) Die letzte hamburgische Anregung zueinem Denkmal ging um 1800 von dem Architekten Arens aus.°) Dieser hatte in der Bohnschen ') Herold i. d. Hamb. Adr.-Comtoir-Nachr. 1800, 371. ?) Herold a. a. O. ®) Eine begeisterte Schilderung seiner Tätigkeit in Meyers Skizzen I (1801), 339. 78 Buchhandlung das Modell einer Denksäule ausgestellt, die er für den Licentiatenberg in Harvestehude bestimmt hatte; denn Harveste- hude bot dadurch, daß es „nur von dem feineren Theile der Einwohner Hamburgs be- sucht“ wurde, die Gewähr, dal das Denkmal keiner Zerstörung ausgesetzt werde.') Von Hamburg aus bat man nun Hagedorns damals gefeierten Biographen Eschenburg (seine Aus- gabe der Schriften war gerade erschienen), einen Aufrufaufzusetzen. Eschenburgkam dem am 1.Oktober 1801 freudig nach?) — von einem Erfolge aber ist nichts bekannt. Die Denksäule übrigens dürfte sich von der, die derselbeklassi- zistisch geschulte Arens 1801 Büsch gesetzt hatte, nicht wesentlich unterschieden haben. Mittlerweile hatte auch ein Auswärtiger an einem Hagedorndenkmal Interesse genommen, nämlich der Apostel des englischen Gartens in Deutschland, der Kieler Professor Laurenz Hirschfeld. Der englische Garten war seinem Charakter nach auf gefühlsmäßliges Beiwerk angewiesen. Er wurde am Ende des 18. Jahrhunderts von einer Generation ins Leben gerufen, die mehr als jede andere vorher und nachher die Einkehr in die eigene Seele forderte. Die Konvention sollte fallen, und mit ihr fiel der aus einem klaren architektonischen Stilgefühl erschaffene französische Garten. Der neue Garten sollte ein Bild der großen, regellosen „Natur“ werden, denn nur so konnte er zu- gleich ein Abbild der sich grenzenlos erwei- ternden Seele sein. Aber er nahm die Seele auch gleichzeitig in seine Schule und führte sie wie im vorgeschriebenen Unterrichtswege an bestimmten Punkten zu bestimmten Emp- findungen. Ruinen gemahnten an die Ver- gänglichkeit, Tempel an das Heilige, tiefsinnige Inschriften reizten zum Philosophieren, Ge- ') Herold a. a. O. °) Sein Aufruf (nebst einem Briefan Senator Bartels in Hamburg) in handschriftlicher Fassung in Samm- lung Lappenberg. denksteine führten der empfänglichen Seele die großen Vorbilder vor Augen — künstlerisch ein höchst bedenkliches Prinzip, das sowohl in der nachgebildeten Landschaftsnatur wie in den ideologischen Reizmitteln zur Kleinlichkeit führen und unklare Empfindungen wachrufen mußte. Es ist hinlänglich bekannt, wie sehr die Romantik nach dieser Seite versagt hat. In derartigen Gärten dachte sich Hirschfeld die Denkmäler unserer deutschen Dichter auf- gestellt. Im dritten Bande seiner Theorie der Gartenkunst gab er gestochene Anleitungen dazu und sagt, wir haben keine Westminster- Abtei, auch keine Akademie wie Frankreich, aber in unsern Gärten ist Raum und Macht, uns selbst zu ehren, indem wir zur Ehre un- serer verdientesten Männer Denkmäler setzen. Welcher Fürst, welcher Große, oder welcher Privatmann will den Anfang machen ?') — Man wird Hirschfeld gerne zugeben, daß unter allen Requisiten des landschaftlichen Gartens keins sich ihm natürlicheranschloßals dieDenkmäler der vonihm vorgeschlagenen Naturdichter; und besonders sein schlichtes Hagedornmonument, aus dem sich der Quell so rein wie das Lied ergießt, wäre der Ausführung in dem öffent- lichen englischen Garten in Harvestehude würdig gewesen. Abb. 7. Die ganze Verirrung des Geschmacks aber kommt in einem der folgenden Sätze wieder zum Ausdruck: „Trauerdenkmäler sind Eigen- thum der melancholischen Scene... Wenn es die Absicht des Gartenkünstlers fordert, den Schauer einer solchen Scene zu verstärken, so können Monumente dieser Art in einer dunklen Felshöhle, die selbst in besonderen Fällen zu Begräbnißörtern dienen kann, mit einer guten Wirkung errichtet werden.“°) Es scheint, daß es Hirschfelds Anregung gewesen ist, die zu dem einzigen Denkmal geführt hat, welches Hagedorn im 18. Jahr- hundert gesetzt wurde; und das errichtete ihm ') III (1780), 148. 2), III, 150; mit entsprechender Abbildung. SEN NEL Abb. 7. Vorschlag für ein Hagedorndenkmal. Aus: Hirschfeld, Theorie der Gartenkunst 1777 1782, Bd. Ill 29 80 ein Nicht-Hamburger und Privatmann. Der großfürstliche Etatsrat Richardi besaß in Horn vor Hamburg Garten und Gartenhaus, in dem er, wie es im Stil der Zeit heißt, „nach Ge- schäften und Reisen ein glückliches zwischen den Wissenschaften und der Gastfreundschaft getheiltes Privatleben führte“.') Hier auf eig- nem Grund und Boden setzte er um 1780 vier bedeutenden Hamburgern steinerne Monu- mente, die er selbst entwarf: sie galten dem Dichter Hagedorn, dem Maler Denner, dem Ar- chitekten Sonnin und dem Musiker Telemann. Die Denkmäler sind längst verschwunden, schon vor 1796, doch haben sich Abbildung und Beschreibung in Hirschfelds Garten- kalender auf das Jahr 1783 erhalten, Es heißt dort: „Hagedorns Denkmal, oder die Ehre der Dichtkunst. Es stelt eine Säule mit einer Urne dar. Auf der einen Seite der Säule sieht man das medaillenförmige Bildnis des Dichters, mit einem Lorbeerkranze um das Haupt, und rings umher mit einer Guirlande verziert; unter dem Bildnis befindet sich am Fußgestell aufeiner von Epheu umschlungenen Tafel mit goldenen Buchstaben der Name: von Hagedorn. Auf der andern Seite hängt an der Säule die Leyer des Apoll, zur Trauer gesenkt. Die Säule nebst der Urne und dem Fußgestell hat eine Höhe von 9 und ein halb Fuß, und ruhet auf einem mäßigen mit Blumen ge- stickten Grashügel, den Begräbnißhügeln der alten Deutschen ähnlich. Die Säule hat im Durchschnitt 2 Fuß 4 Zoll. Sie ist mit Festons von Lorbeern geschmückt.“ Abb. 8. Während man sich so in fast ergebnislosen Plänen erschöpfte, waren unvermerkt die Ruhe- jahre des Butlerschen Familiengrabes, in dem ') Gartenkalender a.d. J. 1783, hrg. von Hirschfeld, S. 265— 268; vergl. dazu Schnitger und Kowalewski in den Mitteilungen des Vereins für Hamb. Geschichte 1909, 177 ff. und 213ff. Richardi war 1726 in Peters- burg geboren. Sein Garten entspricht den heutigen Grundstücken Hornerlandstraße 125—-145 (Nordseite). Hagedorn beigesetzt war, abgelaufen. 1804 mahnte nochmal ein Ungenannter im 69. Stück der wöchentlichen gemeinnützigen Nachrich- ten; damals stand der Abbruch des Doms un- mittelbar bevor. Aber schon 8 Jahre früher war das Grab an die Kirche zurückgefallen, ausgeleert und die Gebeine des Dichters an würdelosem Orte verscharrt worden.') Das 19. Jahrhundert, das in allen deutschen Städten einen beziehungslosen Überfluß an Denkmälern hervorgerufen hat, hätte den Dichter wiederum bald vergessen. Und doch, wenn Hamburg einem seiner Söhne auf dem Gebiete der geistigen Kultur verpflichtet war, so war es Hagedorn, denn kaum ein anderer hat seiner Zeit so viele neue Bahnen im wört- lichen Sinne eröffnet. Gewiß gehört Hage- dorns Kunst der Vergangenheit an und will historisch verstanden werden; von diesem Standpunkt aus aber ist sie nicht zu über- schätzen. — 1897 ist dem Dichter im Harveste- huder Eichengrund an der Krugkoppelbrücke, ziemlich da, wo das alte Klostergasthaus stand und unter den mächtigen Eichen, die schon ihm ihren Schatten gespendet haben, ein Stein mit einer bronzenen Relieftafel ge- setzt worden. Ein Hamburger Bürgerverein hatte die Initiative ergriffen und den hei- mischen Bildhauer Karl Börner mit der Aus- führung betraut. Börner wählte einen mäch- tigen, mehr als 4 m hohen Granitblock, in dessen leicht behauene Vorderseite er eine bronzene Reliefplatte einließ: Hagedorn sitzt mit Buch und Griffel auf einer Bank, welche an das Ufer seines lieben Alsterflusses gerückt ist; seine Linde, die er zu seinem großen Kummer als Eiche besungen hatte,°) spendet ihm Schatten; sein Blick schweift in die Ferne; zu seinen Füßen liegen Hut und Wanderstab. Darunter liest man: „Hier dichtete Friedrich von Hagedorn, geboren 1708, gestorben 1754.“ !) F. J. L. Meyer, Skizzen Il, 272 ff. ?) Vergl. S. 48. Die Rückseite des Steines trägt die Inschrift: „Gestiftet vom Pöseldorfer Verein 1897.“ Porträtähnlichkeit ist in keiner Weise an- gestrebt, wenigstens nicht erreicht. Selbst Haltung und Kleidung haben wenig Zeitcha- rakter, geschweige denn etwas Hagedornsches. Und doch berührt dieser Denkstein durchaus sympathisch, vor allem durch die glückliche 81 Art, in der er dem Landschaftsbilde eingefügt ist. Hagedorn hat sich zu Lebzeiten deutlich gegen ein Denkmal ausgesprochen, aber eine Erinnerung dieser bescheidenen Art würde auch er nicht abgelehnt haben.') ') Über die Entstehung und Enthüllung des Denk- mals vergl. z. B. den Hamburgischen Correspondenten 1897 Nr. 483 und 487. Abb. 8. Hagedorndenkmal. Ehemals im Richardischen Garten in Horn bei Hamburg Aus: Gartenkalender auf das Jahr 1783 KIN Jap TI TI} DDR £ 2920,77:.00:29.90,90.79,90:20.00,01,08,00507.0000087202020200700 RR Jar JR HR) tete. 07 SDNTTLTD CET OD UIRR r TaRr Ja I HER) DO O307 DOSE KETTE ET Metern Sesteieeteiude ‘ D 11 ANHANG 1. Quellen zur Familiengeschichte. 1. Bobe. Detlev v. Ahlefeldts Memoiren aus den Jahren 1617-1659; hrg. von Louis Bobe, Kopenhagen 1896. 2. Genealogische Tabelle der Familie Hagedorn; das Original s. Z. (1780) befind- lich bei der K. Dänischen Genealogischen und Heraldischen Societät in Kopenhagen. Beglaubigte dänische Abschrift in den Akten des Amtsgerichts Dresden, den Nachlaß des daselbst 1780 verstorbenen Geheimen Le- gationsrats Christian Ludwig von Hagedorn betreffend, Lit. H. 655, S. 105; deutsche Über- setzung daselbst S. 268. 3. Rachlovs Genealogie der Familie Hagedorn. Aufgefunden von Bobe 1901 im Reichsarchiv zu Kopenhagen (Gen. herald. Archiv), in seinem unter I aufgeführten Buche noch nicht benutzt, sondern dem in meinem Vorworte genannten Oberleutnant Hagedorn überlassen. Verfaßt von Rachlov zwischen 1780 und 1789, wie sich aus der Erwähnung des Todes Christian Ludwigs (1780) und der Noch-Nicht-Erwähnung des Todes der Chri- stiane Friederike von Tönsberg, geb. Hage- dorn (1789), ergibt, und zwar auf Grund von Studien, die Rachlov in Holstein, Schonen und Kopenhagen anstellte, vergl. Nyeste Skil- derie af Kjobenhavn 14. December 1804; außer- dem richtete er sich nach der unter 2 ge- nannten Genealogischen Tabelle; manches mag ihm auch in den Grundzügen bekannt gewesen sein, da er drei Jahre Hauslehrer bei einem Zweigder Hagedornschen Familiein Harrislev- gaard gewesen war, vergl. Danske Biografisk Lexicon. — Rachlov hat zweifellos alte Papiere vor sich gehabt, doch sind seine Worte überall mit Vorsicht aufzunehmen, und wo er von Bobe abweicht, gebührt diesem ständig der Vorzug. Vergl. über Rachlov und seine Machenschaften den ausführlichen, dänisch- handschriftlichen Bericht, dencand. mag. Nanna Lange am 27. Dezember 1905 an Oberleutnant Hagedorn einsandte; jetzt in dessen Nachlaß. Den unter 2 und 3 genannten Quellen liegen bestimmte Verhältnisse zugrunde, ‘die uns noch mehrfach interessieren werden. Ich schicke daher ihre Darstellung voraus. Christian Ludwig von Hagedorn, der Bruder des Dichters, war im Jahre 1780 als Geheimer Legationsrat und Generaldirektor der Kunstakademien in Dresden gestorben. Das kurfürstliche Amt übergab die Feststellung seines Nachlasses dem Notarius Publicus, dem nachherigen Kammerprokurator Joh. Jac. Rost, einem langjährigen Freunde des Verstorbenen. Unter Hagedorns Papieren fand sich nun ein Testament vom 14. Juli 1760, welches von ihm eigenhändig unterschrieben und gesiegelt war, doch fehlten ihm die Unterschriften der beiden gesetzmäßigen Zeugen. In diesem Testament war die Universität Wittenberg zur Universal- erbin eingesetzt, d. h. es fielen ihr u. a. 274 Bilder (im Schätzungswerte von mehr als 12000 Talern), 333 Handzeichnungen und eine äußerst umfangreiche Bibliothek zu, vom Silber und Porzellan gar nicht zu reden. Das Testament wurde aber von Hagedorns Verwandten in Dänemark angefochten, beson- ders von Rachlov. Es entstand ein 14 Jahre dauernder Prozel), in dessen Verlauf die Gene- alogische Tabelle nach Dresden eingesandt und Rachlovs Genealogie verfaßt wurde, vergl. den S.82 genannten Bericht von NannaLange S.sb. Die UniversitätWittenbergverlorendlich (1794) und mußte sich mit einer Entschädigung von 3500 Talern zufrieden geben; der Nachlaß wanderte dafür nach Dänemark. Dort war die Erbin Christiane Friederike vonTönsberg, geb.Hagedorn, bereitsam 28. Juni 1789 gestorben und an ihre Stelle war ihre Nichte, Frau Propst Rachlov zu Snoldelöv auf Seeland, getreten, die aber 1794 gleichfalls ver- schied. Ihr Mann, der Propst, sann nun auf den VerkaufderBilder (vergl. z.B. Baden S.IV), der aber trotz aller Anpreisungen nicht glücken wollte. Und als er endlich infolge früherer Betrügereien in Geldnot geriet — brannte sein leerstehender Hofin Snoldelöv, der die Bilder beherbergte, plötzlich ab; nur 13 wurden ge- rettet. Es ist kaum zu bezweifeln, daß der Propst das Feuer selber angelegt hat, um sich in den Besitz der hohen Versicherungssumme zu setzen. Vergl. den S.82 zitierten Bericht von Nanna Lange, außerdem das Danske Bio- grafisk Lexicon. Ich habe diese Verhältnisse nur kurz be- rührt, da Dr. Moritz Stübel-Dresden sie dem- nächst in einer Studie über Christian Ludwig von Hagedorn ausführlich behandeln wird. Die äußerst umfangreichen und auch kulturhisto- risch hochinteressanten Akten, die die Auf- zählung eines kompletten Hausstandes um 1780 von Zimmer zu Zimmer, die Beerdigungs- bräuche u.a. m. enthalten, liegen aufdem Amts- gericht Dresden: H. 548. 554. 579. 610. 586. 635. 691. 16. 582. 554. 82; dazu auf dem Haupt- 83 staatsarchiv daselbst Appellationsgericht Acta 256 CD deanno 1787 und 324 CD deanno 1790. — Das Testament selber H. 655 S. 100. 2. Brief des Seneca Hagedorn aus Kopenhagen vom 17. IX. 1732 (Wolfen- büttel Nov.634). Die betreffende Stelle, deren Interpunktion von mir stammt, lautet: „Was Sie sonsten schreiben, daß Ihr Bruder Ludwig zu Altorf (studiert) und da die Origine unserer Familie aufsuchen will, ist gahr viele mühe. Er wird sich in der Sweitz, in Swaben und der orhten sunst in Teutschland informieren. Die Kaufleute zu Norrenberg, so Hagedorns heißen, seindt nicht von denen. Sie konnen in daß große teutsche Wapenbuch sehen, so werden sie zweley finden, so sich Hagendorn und Hagentorn schreiben; da von seindt wir gahr gewiß, nach Euer selbigen Vatters Eigen Er- findung, dar von schon ein groß Theil zu meiner Zeit geschrieben. Friedrich der 3te (1648-70) hat keinen Adels-Brief gegeben an jemand, und wird Mons. Schnell dar in fehlen, denn ich solte glauben, daß solches unotig wehre, wenn sie sonsten adelleutte wehren wie Euer Groß Vatter und Groß oncle (?) altzeit pretendiert haben. Kommf(t) sein Bruder in Teutschland, so lasse er sich vernehmen, was vor Hagedorns dar seindt und informiere er sich, ob keiner daraus vor etlichen Jahren ist nach Niedersachsenkommen. Wenn ich selber mit Euch reden konte, wolte ich Euch bede ein Haufen weissen, aber nun kann ich solches nicht schreiben. Grüße er seiner Frau Mutter etc....“ — Das große teutsche Wapenbuch ist jedenfalls der alte Sibmacher, in dessen Aus- gabe von 1703 z. B. man die genannten Hagen- dorns und Hagentorns findet (V, 120. 207. 208); es sind schwäbische und schweizerische Familien. -—— Betreffs der Zugehörigkeit der NürnbergerHagedorns istRachlovanscheinend anderer Meinung als Seneca, der die Ansicht des Hans Statius ausspricht. Rachlov meldet, 11% 84 Johann Hinrich von Hagedorn, ein Onkel des Verwalters Philipp, habe in Nürnbergdie Witwe eines Ratsherrn geheiratet, sei 1581 oder 1591 als Kommandant in Lichtenau gestorben und habe Nachkommen hinterlassen. 3. Stammbaum der Anna Maria von Hagedorn, verwitweten von Beseler, geb. Schuhmacher.') Diedrich Fock, °F 1661 Zucker-Raffinadeur verehl. mit Agneta Dunt, + 25. V. 1635, Tochter des aus Brabant geb. Simon Dunt. Simon Fock, F 17. V. 1682 Jurat an St. Catharinen, Commerz Dep. 1675, Präses des Commerz Collegs 1679,°) Surrog. Oberalter 1677— 1680, verehl. mit Maria von Pieren 15. XI. 1652. Maria Elisabeth Fock,’) geb. 22. I. 1656, verehl. mit Joachim Schuhmacher (Schomaker) | 8. Xl. 1675. Anna Maria Schuhmacher‘) getauft 25. X. 1676, verehl. 1) mit Nicolaus von Beseler’) 1. V. 1693, -F 1706, 2) mit Hans Statius Hagedorn 25. VI. 17707, 71722. ') Aus archiv hier. 2) Wird 1679 am 4. Xll. zu 50000 Mk. Strafe ver- urteilt, weil er in Lauenburg hat Geld schlagen lassen, Stelzner Versuch III, 1179 f. ») Eine Schwester Susanna Fock, geb. 22. X. 1660, heiratet am 27.1. 1689 den schwedischen Postmeister Joachim Vatky in Stralsund, dem vom König von Schweden später der Name Rosenkrantz verliehen wird. Ein Brief von ihr in Wolfenbüttel Nov. 630 an Christian Ludwig von Hagedorn, unterschrieben „Tante (statt Großtante) Wittwe von Rosenkrantz geb. Focken“; sie starb am 3. August 1731, vergl. Litzmann 48. — Mit ihr wird wohl die Theodore von Schwanlohe in Stralsund zusammenhängen, die Friedrich als ihren Vetter anredet und von der sich mehrere Briefe in Lappenbergs Sammlung finden. Sie dichtete und er- dem Fockschen Stammbaum im Staats- 4. Die wichtigsten Quellen zur Lebens- geschichte Friedrichs von Hagedorn. a) Handschriftliche Quellen. 1. Wolfenbüttel, Bibliothek Nov.630 bis 634. Enthält ganz überwiegend die kunsttheo- retischen Briefe Christian Ludwigs an seinen Bruder. Von Eschenburg wenig benutzt. 2. Hamburg, Lappenbergsche Samm- lung, im Besitz von Senator Dr. Lappenberg. Enthält in der Hauptsache Friedrichs Korre- spondenz, doch auch die Briefe der Mutter an Christian Ludwig, außerdem die wertvollen Notizen Herolds für Eschenburg auf 16 Folioseiten, und neuere Abschriften der Briefe Hagedorns an Giseke. Von Eschenburg stark benutzt. Diese beiden Sammlungen repräsentieren den Nachlaf} der beiden Brüder Hagedorn; über Friedrichs Nachlaß vergl. Eschenburg I, Xff.; über Christian Ludwigs Nachlaß An- hang 1; dazu Dresden Amtsgericht H. 582 S. 357b, woselbst ein Protokoll über diese Briefschaften (von Vater, Mutter, Verwandten und vom Bruder; auch an den Bruder). 3. Zürich, Universitätsbibliothek. Mehr als 40 Briefe Hagedorns an Bodmer, auf 260 Quartseiten. Literarhistorisch äußerst wert- voll. Wenig benutzt von Herm. Schuster in seiner Leipziger Dissertation über Hagedorn und seine Bedeutung für die deutsche Lite- ratur. 1882. — Die Züricher Briefe werden ergänzt durch Nr. 4 der gedruckten Quellen. 4. Hamburg, Stadtbibliothek. a) 12 Briefe Hagedorns an seinen Freund Dr. bat sich Friedrichs Kritik; an sie sind vielleicht die beiden Gedichte, Eschenburg IV, I13ff. gerichtet; das erste, ohne Überschrift, in Lappenbergs Sammlung. ') In ihren Briefen ist oft von den Fockschen Ver- wandten die Rede, vergl. Litzmann 16, 18, 44, 63, 76, 84, 88; außerdem Brief Friedrichs an seinen Bruder 22.1. 1732, Sammlung Lappenberg. ’) Auf eine Lastrop-Beselersche Hochzeit hat Friedrich als „Vetter“ ein Gedicht verfaßt, 1730, vergl. Hamb. Schriftstellerlexikon Ill, 58 Nr. 10. M. A. Wilckens, in Cod. ms. supellex epi- stolica 111—113 fol. 68 ff. Der Vertrag Hagedorns und J. F. Liscows mit dem Buchhändler König über die Hamburger Privilegierten Anzeigen 1737; Sammlung Campe, daselbst. c) Briefwechsel Winckler- Buddeus in Epi- stolae autographae ad J. F. Wincklerum. 5. Dresden, Hauptstaatsarchiv Loc. 1394. Zu denen Commissions-Akten... wider Mack- phail...: vier Briefe Hagedorns an C.L. Liscow, ein Brief J.F.Liscows an seinen Bruder z. T. über Hagedorn; größtenteils gedruckt bei K. G. Helbig, C. L. Liscow. 1844. 6. Dresden, Autographen-Sammlung des Herrn Kestner, zitiert bei H. Schuster (siehe unter 3). Wosich die Sammlung heute befindet, habe ich trotz der Unterstützung der Herren Professor A.Köster, Leipzig, und Dr. M. Stübel, Dresden, nicht ausfindig machen Können. 7. Hannover, Kestner-Museum. Ein un- bedeutender Brief Friedrichs an unbekannten Adressaten. Datiert Hamburg 31. XII. 1746. 8. Leipzig, Universitätsbibliothek, Gott- scheds Briefwechsel. Ein Brief Hagedorns an Gottsched 1730, vergl. Suchier, Gottscheds Korrespondenten, in der kl. Gottsched-Halle VII, 35-36. 9. Detmold, Frau Hofrat Eschenburg. Ein Brief Hagedorns an unbekannten Adressaten 8. VIII. 1750 (über seine Bergwerkskuxe); ein Brief des Hofrats v. König, Dresden 4. X. 1740; ein Brief J. F. von Bars im Auftrag ihres Vaters, Hamburg 18.X. 1740; ein Brief von Jean Grou und Augustin Michel, Hamburg 26. VI. 1744, in kaufmännischen Angelegenheiten, und ein italienischer Brief von Jordini (?) 17467? 10. Kopenhagen, Kgl. Bibliothek. Ein Brief Hagedorns ä mon tres cher cousin, Hamburg 23. Il. 1729. (Außerdem drei Briefe C.L.s von Hagedorn aus Wien 2. VI. 1738, 20. V.174?, und aus Dresden 14.X. 1755; end- lich drei Briefe des Hans Statius aus Hamburg vom 26. XI. 1706, 23. IV. und 19. VII. 1710.) b — 85 b) Gedruckte Quellen. 1. C.H.Schmid, BiographiederDichterIl, 359 ff. 1760. Schmid wurde vom Bruder des Dichters bei dieser Arbeit unterstützt, vergl. C. H. Schmid, Nekrolog 1785, 312. 2. A. F. Büsching, Beyträge zu der Le- bensgeschichte denkwürdiger Personen VI, 189. 1789. 3. Lessing, Kollektaneen I, 325 ff. 1790. 4. G. F. Stäudlin, Briefe berühmter und edler Deutschen an Bodmer 1794. Ergänzung zu Nr. 3 der handschriftlichen Quellen. 5. J.J. Hottinger, Salomon Geßner. Zürich 1796. S. 61 ff. 6. Torkel Baden, Briefe über die Kunst von und an C.L. von Hagedorn, 1797. Baden hatte sich die Briefe von Rachlov, Hagedorns dänischem Erben, erbeten, vergl. sein Vor- wort; außerdem Anhang 1. 7.J.J.Eschenburg, Hagedorns Poetische Werke mit Lebensbeschreibung und Brief- wechsel, 1800. Fußt besonders auf Nr. 1 und 2 der handschriftlichen Quellen, die damals aber manches enthielten, was heute fehlt, z. B. Briefe der Mutter an Friedrich (Eschen- burg IV, 8). Selbstverständlich fehlen auch alle Briefe Hagedorns, die Eschenburg sich von den Erben der ursprünglichen Adressaten erbeten hatte. Nach Eschenburgs Tode (1820) kam ein großer Teil der Briefe zur Versteigerung und so wohl nach Wolfenbüttel; der kleinere und interessantere blieb bis etwa 1845 in den Händen seiner Söhne. Von ihnen ging er um diese Zeit — auf welche Weise ist nicht bekannt — in den Besitz des Hamburger Archivars Dr. Lappenberg über. Eschenburgs Abdruck ist durchaus nicht immer korrekt. Er ersetzt gelegentlich Worte durch andere, sehr häufig die so charak- teristischen Fremdworte durch deutsche; auch gibt er oft nicht an, wo er gekürzt und infolge- dessen manchmal auch leicht verändert hat. 8. J. H. Herold, Versuch eines Beitrages 86 zuFriedrich von HagedornsLeben und Charak- teristik. Hamburgische Adreß-Comtoir-Nach- richten 1800, 337 ff. — Herold ragt noch in die Hagedornsche Zeit hinein (geb. ca. 1743); er entstammt einer angesehenen Hamburger Buchhändlerfamilie. Sein Vater war Ver- leger von Brockes, auch des Hagedornschen Auszuges, war überhaupt mit den Hamburger Schriftstellern jener Zeit wohl bekannt. Vergl. das Hamburger Schriftstellerlexikon III, 207; Eschenburg I, XIII; Helbig, Liscow 61. 9. F.J. L. Meyer, Skizzen zu einem Ge- mälde von Hamburg. 1800ff. II, 64 ff. und 272 ff. 10. Gramberg, Etwas über Liscow, in Neue Irene. Eine Monatsschrift, hrg. von G.A. von Halem. Oldenburg 1806. I, 241 ff.; 11,109 ff. Gramberg verdankt sein handschrift- liches Material z.T. Eschenburg, vergl. Irenell, 124. Seine Mitteilungen sind für den Verkehr der Brüder Hagedorn mit den Brüdern Liscow hochinteressant. — Ein Exemplar des seltenen Buches, und zwar G.s korrigiertes Handexem- plar, in Oldenburg, Großherzogl. Bibliothek. il. Hamburg und Altona. Eine Zeit- schrift zur Geschichte der Zeit, der Sitten und des Geschmacks. 1806. 306 ff.: Hagedorn. 122 K. GC. Helbig, C. L. Liscow. 1844. Hier werden S. 42 ff. die Briefe mitgeteilt, von denen schon unter 5 der handschriftlichen Quellen die Rede war.') 13. Lexikon der hamburgischen Schriftsteller Ill. 1857. Artikel Hagedorn. 14. Lappenberg (-Weiland), Briefe von und an Klopstock. 1867. Brief 6, 11, 49 von Klopstock an Hagedorn. 15. H.Schuster, Hagedorn und seine Be- deutung für die deutsche Literatur. Diss. Leip- ') Folgende Druckfehler sind in den von Helbig mitgeteilten Briefen zu berichtigen: Seite 455 somne; 4515 frere (damit fällt die Anmerkung); 473 unten des savans; 50ıs les rimeurs; 50ı unten 8. April 1740; 51; n’auroit; 533 befiehlt; 53, Trünklein; 5315 unten von Rohr; 585 bien de; 58; unten deuxieme 4°; 5912 unten des depeches. zig 1882. — Schuster benutzte die mir nicht zu- gängliche Kestnersche Autographensammlung, vergl. Nr. 6 der handschriftlichen Quellen. 16. Litzmann, Briefe von Anna Maria von Hagedorn an ihren jüngeren Sohn Christian Ludwig 1731—32. Hamburg 1885. (Sonder- abdruck aus Koppmann, Aus Hamburgs Ver- gangenheit I. 1885.) Die Originale der Briefe in Sammlung Lappenberg. — Vergl. auch Litzmann, C._L.Liscow. 1883. 106 ff. 17. A.v.Haller, Tagebuch (1787) Il, 118 ff. Nicht als Quelle, aber als Charakteristik von hohem Wert. 5. Cyrill von Wich. Eine „Beschäftigung“ bei Wich wird zu- erst angemerkt im Hamburger Schriftsteller- lexikon Ill (1857), 53; es wird auf Eschenburg V,84 verwiesen, doch isthier zweifellos Söhlen- thal gemeint. Auch Litzmann 53 ist sich unklar. Daß in der Tat Wich gemeint ist, scheint mir aus folgenden Gründen hervorzugehen: 1) aus den im Text zitierten Worten Christian Lud- wigs; mit dem „ehemaligen Etabissement bei Wich“ kann nur das in Rede stehende gemeint sein, da Friedrich sonst nie in dienstlichen Be- ziehungen zu Wich gestanden hat; 2) in dem Brief, in dem die Mutter über Friedrichs Stel- lung bei dem Sohn des Herrn Envoye klagt, ist von einem kleinen W. die Rede, mit dem Friedrich sie besuche (Litzmann 56): das ist doch wohlder junge Wich (s. u.); 3) wird Fried- rich beim Tode von Wichs Schwiegermutter ein Trauerkleid versprochen (Litzmann 48), be- stimmt nicht von seiner Mutter; der Geber wird nicht genannt, kann aber wohl nur Wich sein, denn nur dieser hatte ein Interesse daran, daß Friedrich, als Angehöriger seines Haus- halts, Trauer anlege (s. u.). Wich stammte aus bürgerlicher Diplomaten- familie, war seit 1729 Baronet, vergl. Zeitschr. des Vereins für Hamb. Gesch. III, 442; die Hagedorns empfanden ihn als unebenbürtig, vergl. die scharfe Äußerung Christian Ludwigs in Denneriana 3, Sammlung Lappenberg; die Bekanntschaft Wichs mit den Eltern bezeugt Christian Ludwig, Wolfenbüttel Nov. 630, 45. Wichs Frau war die Tochter des holsteini- schen Geheimrats Magnus Wedderkop, sein Sohn Magnus wurde 1716 getauft, war also S Jahre jünger als Friedrich; er wird Litzmann S. 56 genannt „wen Friedrich bey mir ist, so geth die Zeit eilig vorbey und der kleine W: (Wich) eilt, umb nicht beschlossen zu werden“ (Anna Maria wohnte ja vor der Stadt); vergl. über die Familie Wich Heinrich Hitzigrath, Die Kompagnie der Merchants Adventurers und die englische Kirchengemeinde in’ Hamburg 1611-1835. 1904, S. 26; auch Litzmann 48: „die Frau Geheimbe Rähtin Wedderkoppen ist den 3. August gestorben, für welche zu trauren Friedrich ein Kleidt versprochen worden.“ Der arme Schelm wird sich gefreut haben! 6. Verhältnis zu älteren Dichtern. Der Titel „Nebenstunden“ weist rückwärts: KlenatsswEccard, Pfeffer, INiene, von Bostel, Canitz geben ihre Poesie für Neben- werk aus, vergl. Gervinus Ill‘, 465. Welchen Leitsternen Hagedorn in der früh- sten Jugend gefolgt sei, schreibt er Bodmer am 19. V. 1753: „Der erste Poet, der mir ge- fallen, ist Rachel gewesen, und der zweite Hofmannswaldau, den mir mein Mentor wegnahm, aber dadurch mich nur veranlaßte, ihn heimlicher zu lesen. Es ist kein Wunder, daß in den grünenden Jahren seine Helden- briefe mir angenehm waren. Hunold und Feind sind vorzeiten meines Vaters Parasiten gewesen; doch weiß ich nicht, ob als Poeten. Jenen habe ich nimmer, diesen aber, soviel ich mich erinnere, nur ein paarmal gesehen. Aber in denen Jahren las ich mehr franzö- sische, als deutsche Dichter, und ich hatte Recht. Andräas Gryphius ist, wie mir eben beyfällt, damals auch einer meiner Poeten ge- 87 wesen.“ Hiermit ist die Revue der Dichter zu vergleichen, die Hagedorn in seiner Jugend- satire „Der Poet“ (Versuch von 1729) gibt; er charakterisiert hier König, Canitz, Besser, Gottsched, Günther, Opitz, Brockes und Pietsch. Hagedorns ausgemachter Liebling war zeit- lebens Opitz, dessen Name in dem Züricher Briefwechsel mit Bodmer überaus häufig ge- nannt wird. Er schreibt z.B. am 11. V. 1745: „Den Deutschen gereicht es zur Schande, daß sie diesen Poeten, den sie fast auswendig wissen sollten, nicht öfter in die Hand genom- men und andern ... die Stelle zugestanden, die nur ihm gehörete.“ Vergl. außerdem die sehr nachdrücklichen Worte bei Eschenburg V,80f. — Über Besser schreibt er: „Wem bekannt ist, wieviel Zeit, Fleis und Mühe der seel. Mann sich zu seiner Arbeit genommen, wie oft und mit welcher Strenge er seine eigenen Werke ausgebessert und nach vielem Über- sehen recht reif und fast unverbesserlich wer- den lassen, der wird...sich vielleicht wundern müssen, daß mananeinersoschönen Gedichts- Bildung eine so geringe Narbe so richterlich zu meistern angefangen. Sollte mir hierbey wol mit Unrecht einfallen, was ich beym Statio mich gelesen zu haben erinnere — Nee tu divinam Aeneida tenta Sed longe sequere et vestigia semper adora.“ (Ungedruckter Brief Friedrichs an einen Un- bekannten, datiert Hamburg 23. Il. 1729. Ko- penhagen, Kgl. Bibliothek); über Wernicke Eschenburg I, 124; über Hofmannswaldau daselbst I, 158 f.: „Allein wie viele sind von denen, die dich schmähn, Zu metaphysisch schwach, wie du, sich zu vergehn.“ Über Brockes, in dessen Manier noch das „Jenische Paradies“ im Versuch von 1729 ge- pinselt ist, hat Hagedorn später seine Meinung in den beiden köstlichen, erst nach seinem Tode bekannt gewordenen Parodien ausge- sprochen, Eschenburg IV, 115ff. 88 7. Brief Friedrichs über die hamburgisch- englischen Gesandtschaftsverhältnisse. d. 17. Nov. 1741. Liebster Bruder, Den15terdieseshabeich durch Herrn Liscow deinen Cinna vom 7“, was die wiedertaufferi- schen Drangsahle anbetrifft, hinlänglich beant- worten lassen: additis Steinbeckianis. Hiemit schreibeichzur weiterenErörterungdesübrigen InhaltsundderReanalectorum. Die Möglichkeit eines Plans in Absicht auf einen Dienst beym Englischen Hof muß sich überhaupt aus der heutigen Art, solche Dienste zu vergeben, und in Betracht meiner, aus den besonderen Umständen des Gebers und Annehmenden entscheiden. Nur Einheimische können sich in Großbritannien zu Diensten Hoffnung machen, und es ist dir hoffentlich bekannt, daß die Naturalisation keinen fremden fähig machet, einen Dienst bei Hofe zu suchen. Dieses ist die Regel, und du kannst dir leicht vorstellen, daß solcher insonderheit nach- gelebet wird, wenn es auf beträchtliche Be- dienungen ankömmt, die das Interesse der gantzen Nation betreffen; als Gesandschaften und Würden, deren Folgen einen weiten Umfang haben und viele aufmerksam machen. Vielleicht giebt es dunklere aber einträgliche Unter-Bedienungen in Schottland, Irrland und den Colonien, welche post varia discrimina Fremden ex favore und dieser Regel zuwider zu Theil werden. Solche aber werden denn auch nicht vom Könige, sondern vom Vice- Roi vergeben, und hierher will ich gar nicht die mit guten Einkünften versehene Stellen rechnen, deren Vergebung ä mero arbitrio dieses oder jenen Lords, entweder aus an- geerbter Macht oder vigore seines Postens bei Hofe, (als Lord Chamberlain, Lord Privy- Seal, der Grand Ecuyer etc.) dependiren, welche oft stattliche Dienste sind und zu der sogenannten Civil-Liste, die vom Könige besetzt wird, eigentlich nicht gehören. Ob aber, unter den vielen Sollicitanten, die bei Erledigung solcher Stellen sich melden, ein Abwesender und ein unnaturalisirter Fremder, sich angeben dürfe? ist nicht fragenswerth. Der alte Sir Luke Shaub ist ein Schweitzer, und ist vor der Acte, die naturalisirte Fremde von Bedienungen der Crone ausschliesset naturalisirtworden. Wienach langen, schweren Diensten Zollmann, ein Gothaner, Secretaire d’Ambaßade bey Mr. Pointz in Stockholm, imgleichen ein Hannekenius dasselbe bey Mylord Marchmont in Copenhagen, Mr. Ro- beton, der schon lange todt, ein Unter-Sekre- taire in der Cantzeley geworden, weiß ich nicht zu determiniren. Daß aber dazu gantz besondere, seltene Umstände, viele Jahre und Freunde und interessante Geschäfte erfordert werden; das begreifest du, sowohl als ich. Mr. Laurency anbetreffend, der Sekretaire d’Ambaßade bei Mr. Trevor im Haag ist, aber auch sonst daselbst residirt, hat zum Theil diese Beförderung seiner vieljährigen Expec- tanz zu danken. Er hatte, doch nur auf kurze Zeit, nach dem Robeton, die fonctions dessen Dienstes zu verwalten und gute Intraden. Ob ihm aber gleich der König und die Königin nicht ungewogen war, so ging es ihm doch nicht sehr glücklich und wenn seine Frau nicht junge Fräuleins und andere pucellages auferzogen und den Dienst einer Hofwäscherin gehabt hätte, der 120 £ einträgt; so würde er schmale Bissen gezählt haben. Das Exempel des Dunants in Wien setzet auch gantz be- sondere Umstände voraus. Wenn die Kö- nigliche Famille diesen oder jenen versorgen will und ihm keine Pension angedeihen lässet ; so fliessen dieGnadenbezeugungen und Dienste gemeiniglich in Irrland und Schottland aus entfernten, versteckten Quellen, die mehr tränken, als rauschen. Sonst aber werden die Bedienungen nur Einheimischen zu Theil und die Nothwendigkeit alle und jede, die ein anständiges Votum im Parlamente selbst zu geben oder zu bewirken wissen, zu gewinnen oder in guten Neigungen zu erhalten, veran- lassen, daß geistliche, Civil- und Militair- Bedienungen auf ansehnliche Recomman- dations, demjenigen zufallen, der, wenn man seiner und seiner Verwandten und Freunde im Parliament und den Provinzen entbehren könnte, in gar keine Consideration kommen würde. Das übrige erkläret sich aus dem Laufe der Welt und dem 3'r und 4'" Theile des Gil Blas. Was nun meine Situation anlangt, deren empfindlichster Unsegen das aes alienum ist, so concurriren viele Umstände, die mich verhindern, einen neuen Plan anzulegen. Mr. Cope, der wenigstens 4&5 Jahre jünger ist, als ich, doch aber seitdem er die holländischen Universitäten und den Barbeyrai(?) verlassen, von Mr. Titley in Copenhagen formiert und hernach, mit Diäten Gelder von 2%, nach Ant- werpen geschickt worden, auch sonst viele Fähigkeit und Application hat, der würde diese Stelle nicht erhalten, oder wenigstens so früh nicht gekrigt haben, wenn 1) sein Vater, der General Major Cope, nicht ein Parlamentsglied und 2) der vertrauteste Freund des Mylord Harrington wäre. Hiesige Resi- denturwird nächst derungewisseren zu Florenz, für eine der besten angesehen, die König Georg auswärtig zu besetzen hat, und niemand hält den kränkelnden Cyrillum [Wich] für glück- licher, seitdem erdie Gesandschaft nach Peters- burg überkommen. Urtheile daraus, wie wenig es an Leuten fehlen muß), die darum werben, und wie sehr mancher wohlverdienter eng- lischer Minister die täglichen drey Pfund Sterling und die 300 £ Equipage-Money, die ein englischer Resident hat, hier zu verzehren wünschet, wenn er kein sonderliches Ver- mögen hat, das ihn, ohne Dienst und Character in Engelland hinlänglich etablieren kann. Gesandschaften an Höfe haben mehr Aufwand, mehr Verantwortung, mehr Mühe, und sind fast alle von kürzerer Dauer. Cope ist also wirklich glücklich und erkennet es auch. 89 Sein Vater hat den 300 £ Equipage-Money, die der König giebt, noch 500 & hinzugefügt. Cope est garcon et garcon Econome, dem der äußerliche Staat genug ist. Was will ein solcher mehr? Aussi se sent-il assez. Mir soll verlangen, woher er einen Secretaire bekommen will. Er muß einen haben, der bei ihm logiert. Ich speise des Posttags Abends bei ihm und bringe ihm Zeitungen, die zwar seine depeches wenig bereichern, gleichwohl aber meinen guten Willen bezeugen und Dank erhalten. Hingegen bin ich nicht sein Schwartz und verdiene desfals von dir keine Vorwürfe. Um aber in mein Gleiss weder einzulenken, so versichere ich dich, daf3 durch Ihn daher kein plan anzulegen stehet, weil er gewiss noch in ziemlicher Zeit keine neue graces für sich oder für andre suchen noch erwarten kann. Da auch zu den eigentlichen Hansee- städtischen Geschäften kein Gesandter erfor- derlich ist: da mit dem Hollsteinischen, braun- schweigischen und mecklenburgischen Hofe auch selten etwas abseiten Engellands, qua Engelland, vorfällt und, wenn ja sich plötzlich etwas hervorthun sollte, allezeit auf kurze Zeit, mithin wenigern Kosten, ein Gesandter überkommen kann: So ist ein Wunder und desto größeres Glück für den Nachfolger des Herrn Wich, daß der König, der sonst sehr auf Ordnung und Vermeidung überflüssiger Kosten siehet, die Hamburgische Residentur länger beybehält, als die florentinische, und daß solche nicht auch in ein Consulat ver- wandelt worden. Wäre hiesiges Ministere von dem Um- fange und der Beschaffenheit, daß dazu ein Legtions-Fetzer erfordert würde, und wäre alsdann dazu ein Subjectum annoch vorzu- schlagen (das ist, müßte ein angehender Mi- nistre wirklich vorschlagen und nicht einen jeden annehmen, den ein Harrington oder ein anderer Großer ihm vorschlägt, so wie ipse Cope den dir bekannten St. Pierre, der glaube ich, rasend gestorben, schon sich vor Zeiten 12 90 in Anvers aufdringen lassen müssen) so stünde ein Versuch zu thun, einen neuen Plan ein- zurichten. Und da glaube ich, daß Cope mich vielleicht so lieb in einer solchen Stelle sähe, als einen andern. Itzo aber kann er kein Werkzeug meines Glückes seyn, und ich habe ihm zwar alle assiduites, Aufmerksamkeit und wie er noch mein Nachbar im großen englischen Hause war, mein Dasein sistiert, aber so wenig mich gegen ihn auf eine basse Art erniedrigt, daß ich ihm bald anfangs zu ver- stehen gegeben, wie sein Vorweser mich zum privat-Sekretair engagiren und auf die Wall- farth nach Petersburg locken wollen, ich aber solches auch mit darum abgelehnt, weil ich durch einen solchen Dienst deinem an- wachsenden Ansehen und Glücke nichts nach- theiliges vornehmen und man die Sentimens deutscher Höfe und Minister nicht nach dem englischen Maßstabe abzirkeln könnte. Itzo wohnt er an dem von mir entlegentesten Winkel der Stadt, unfern dem Dragoner-Stall, dessen du dich noch wohl erinnerst. Ich beschränke also meine Visiten auf die beyden Post-Tags-Abende, da ich gegen neun Uhr, praevia invitatione, zu ihm komme und, so ungern er auch seinen Pferden dergleichen Mühe ansinnt, es auf den Fuß setze, daß sein Wagen mich zurückführen muß: daher ich nicht mich auf einen zu humilianten Fuß stellen lasse, ihn aber sonst, weil er bey der Compagnie auch sehr estimiert wird, sehr menagire. Meine Unlust zum Rennen, und meine podagrischen Steiffigkeiten berechtigen mich zu mehrmahligen Exclamationen über das schlechte Pflaster, über die rauhe Nacht- luft, über das kaum verantwortliche Verfahren meines Vaters, mir seinen Wagen nicht zu lassen. Mr. Cope, aile zur Compagnie gehörige Engelländer, utriusque sexus, kommen alle Mitwoch Abend um 5! Uhr zusammen, im großen Englischen Hause, und tantzen. Ich habe kein Sonderling seyn dürfen noch wollen; folglich auch nebst meiner Frauen jede Zehn rthlr. (da denn das Soup& mitbezahlt wird, doch ohne Wein) daran wagen und subscri- biren müssen. Ich bin Spectator tantum, so lange man tanzt. Da habe ich denn am letzten Mitwochen Abend überhaupt deine Meynung vom Porcellain dem Copio, doch auch zugleich dein Verlangen nach dem Richardson zu er- kennen gegeben. Den Richardson versprach er: so wie er auch mir das unvergleichliche Werk: The Life of Sully von Middleton ver- sprochen. Heute morgen habe ich aus deinem Briefe einen französischen Extract gemacht, nach welchem er seine mesures, Entschlüsse und Commissa einrichten kann, welche ich heut Abend von ihm vernehmen werde. S. Kontrakt zwischen dem Verleger König, dem Sekretär J. F. Liscow und Hagedorn über die Herausgabe der Privilegierten hamburgischen Anzeigen. 1737. Demnach ich endesunterschriebener Con- rad König, E. E. Rahts der Stadt Hamburg Buchdrucker, mich alltäglich mit einem schwachen Gedächtniß, das mit einer zu leichtfüßigen Unruhe mehrenteils verknüpfet ist, heimgesuchet finde, solche Vergessenheit und der dadurch veranlaßete Hin- und Her- Lauf meines wenigen Cörpers in allen mit einiger Ordnung, Gewißheit und Ruhe ein- gerichteten Geschäften und derer, die solche bestens zu betreiben, auf mein eiliges Er- suchen und Vorstellen sich angelegen seyn lassen, ganz nachtheilig und mit allem Rechte minder unerwartet, als grob und unangenehm wird, zumahl da ich bey gesunden Tagen nimmer hoffen noch mir einbilden kan, ob hätten meiner Freunde ihre Stunden nach obenerwähntem meinem täglichen und viertel- stündlichen Umschuß in Straßen, Gassen, Sälen, Stuben, Schlafkammern und was den- selben angehörig, ruhen oder arbeiten zu lassen, auch die Betreibung eines Intelligenz- Wassers!) mehr des Kopfes, als der Füße ge- brauchet, in dieser Intelligenz-Angelegenheit aber so wohl der Herr Joachim Friedrich Liscow, J. U. C. als Fridrich Hagedorn, der Englischen Compagnie Secretarius, mir bie- dermänniglich zu helfen und mit dem Kopfe ungleich nützlicher, als ich endesunterschrie- bener mit meinen Füßen, zu arbeiten sich erkläret: Als verspreche, verhafte, verbinde und verschreibe ich mich kraft dieses, in vernünftiger, für diesesmahl ruhiger Erwegung obiger Umstände und Erfordernisse, in denen Stunden, halben Stunden und viertelstunden, die ich erwehnten Freunden meinen Ge- schäften, mit Ausschliessung ihrer und andrer Geschäften alleinig offen und leer zu halten bestimmet, oder dieselbe mir bestimmet haben, mich zu meinem eignen besten, ohn Aufschub einzufinden, oder vorfinden zu lassen, eher daß dieser oder jener Fremder, oder Ein- heimischer, Bürger oder Schutzverwandter der Replublik Hamburg, Herr oder Laquay, unter welchem Vorwande es seyn mag, mich in der Straße oder im Hause aufhalte, fest- frage, sitzen oder warten mache, mit Perioden bespinne(?), oder matt erzähle, als in welchen erwähnten Mitcontrahenten bestimmten Stun- den ich um anderer Leute ihrer Witwen, Waysen, Mägde, Hunde, Pferde, Katzen, oder anderen Hausangelegenheiten, ererbter Ham- burgischer Artigkeit nach, mich nicht be- kümmern, fragen oder fragen lassen will oder soll: widrigenfalls aber für eine jede halbe Stunde, so ich, aus Vergessenheit und Ge- wohnheit länger abwesend seyn und in un- nöhtige Zerrüttungen, Müdigkeiten, oder gar, meiner bisherigen Enthaltung schädlichen Ein- flechtungen, mich vertrösten würde, ich es so gleich und ohne Gegenrede nicht nur mittelst Vorsetzung eines Quartiers Rheinweines, son- dern auch mit einem recht heiteren, ordent- ') König hatte seit 1736 ein Privileg auf die Heraus- gabe von Intelligenzzetteln, vergl. Lappenberg, Buch- druckerkunst (1840) LXXXIII, gI lichen und sittsamen Discurs verschulden und büssen will und soll, allso und dergestallt, daß} ich für die allererste, jedoch ohne Zustoß einiger Krankheit dem Versprechen zuwider ausgebliebene Stunde, ein; für die andere, zwo; für die dritte, drey; für die vierte, vier; für die fünfte, fünf; und für die sechste, sechs wolschmeckende Quartiere und zwar noch denselbigen Tag im Rahtskeller erwehnten Herren odereinem von ihnen aufmeine Kosten zu reichen habe: Dagegen dieselben auch, unter gleicher Verpflichtung sich hiermit ver- binden, keine Stunde mir zu benennen, die nicht in ihrem oder meinem Hause oder wo wir uns bestellet, mir zum Nutzen von Ihnen gehalten werde. Zu welchem Ende ich und erwähnte meine Herrn Mitcontrahentes gegen- wärtigen Contract eigenhändig untergezeichnet haben') Hamburg d. 3. Jan. 1737. J. F. Liscow. Conrad König F. Hagedorn 9. Drei Briefe Hagedorns an Giscke. In der Sammlung Lappenberg befinden sich in Abschriften, die Lappenberg selbst Kolla- tioniert hat, 11 Briefe Hagedorns an Giseke, von denen die drei schönsten hier mitgeteilt werden sollen. Wo sich die Originale heute befinden, ist mir unbekannt; eins von ihnen — der Brief vom 13. April 1751 befand sich vor wenigen Monaten im Besitz des Frankfurter Antiquars Joseph Baer; vielleicht darf man daraus schließen, daß die Sammlung der Originale neuerdings aufgelöst worden ist.?) ') Der von Hagedorn aufgesetzte Kontrakt befindet sich auf der hiesigen Stadtbibliothek, Sammlung Campe. König war der Verleger von Hagedorns Jugend- gedichten, dem Versuch von 1729. — Hagedorn spottet öfter darüber, daß König auch im unfreiwilligen Sinne ein „Verleger“ war. ?) Über Giseke vergl. S. 45. 92 IE Hamburg, den 25: Jul: 1748. Mein liebster Herr Gieseke, Um Ihnen auf Ihr vertrauliches Schreiben vom 16 dieses die Antwort nicht länger schuldig zu bleiben, werde ich heute curva in terras anima & coelestium inanis. Ich be- gebe mich des so rühmlichen, als gelehrten Vorwitzes, der, in dieser schwartzen Stunde, auch unzählige Ungelehrten beschäftiget, die der Sonnen-Finsterniß alle Zölle mit scharfen Augen abmerken. Sie wissen, wie sehr ich die Sonne verehre. Heute aber sehe ich sie so einfältig an, als mein Herrmann, der sie so oft ansiehet, als ob er sie nicht ansähe. Ich habe ihr es zu verdanken, daß mir nie- mand in Haus und Zimmer kömmt und daß ich mich auf kurze Zeit in dem Stande der beneidenswerthen Scribenten finde, welche ungestört schreiben. Dennoch werde ich er- fahren und für mich zeitig genug, wie die itzige Sonnenfinsterniß gegen die große, vom Jahre 1706 sich verhält, da um 9 Uhr die Tauben vom Felde nach Hause flogen und die Nation der Fledermäuse sich ungescheut sehen ließen: von welchem allen, nach dem Ausdrucke eines gewissen Canzel-Redners, sich ungemein vieles sagen und erklären ließe, wenn man es nur so wüste. Sie kennen und hochschätzen, halte ich für einerley. Ich glaube auch, daß Sie, ungeachtet der Einschränkungen, in welchen, fast aller Orten, ein sogenannter Informator stehet (wo- von Stoppe gar kläglich gesungen) dort recht- schaffenen Männern immer bekannter und be- liebter werden müssen, und daß es Ihnen also an wahren Freunden, welche Sie, wegen der politischen Ungleichheit, Gönner nennen wer- den, nicht wohl wird fehlen können. Aber Sie müssen Sich nicht vorstellen, Mein liebster Herr Gieseke, daß Sie, nach den academischen Jahren, solche gleiche, freye, zärtliche, auf- geweckte undeifrige Freunde antreffen werden, als Sie in Leipzig verlassen haben. Das ist der Lauf der Welt. Dieses ist nicht nur eine derallgemeinsten Wahrheiten und Erfahrungen, sondern, in Ansehung Ihrer, desto gewisser, da Sie in Leipzig ein größeres Glück gehabt als ich und hundert andere, in dem edlen und mehr als fürstlichen Studenten -Stande erreichet haben, indem Sie zum vertraulichen Umgange nicht nur jugendliche und gefällige, sondern die sinnreichsten, liebenswürdigsten und fähigsten Freunde gehabt haben, bei denen die academische Freyheit zum gemeinschaft- lichen Mittel der Kenntniß und des Vergnügens ward, die alle mitstarken und ähnlichen Kräften nach Einsicht und Freude strebten und ein- ander so wenig ihre Einfälle als ihre Wissen- schaften, so wenig ihre Umstände und persön- liche Geheimnisse, als Ihre Meynungen und Schlüsse jemahls verbergen durften. Solche Freunde zerstreuen sich immer zu bald und werden in ferneren, mit Eigennutz, Geschäften, Ernst und Widerwärtigkeiten mehr beschwer- ten und, wenn man das sagen könnte, runtz- lichten Zeiten kaum einzeln wieder angetroffen. Sinnreiche und poetische Freunde habe ich in Jena nicht gehabt, doch hat es mir an scherz- haften, guten Brüdern eben nicht gefehlet, die aber doch ein großes Theil meines Hertzens leer gelassen: wiewohl es auch meine Schuld gewesen seyn kan, daß ich zwar überhaupt mehr geliebt, als gehaßßt habe, sonst aberimmer, ohne im übrigen ein Maecen seyn zu können, wie er, paucorum hominum gewesen bin. Gleichwohl wünsche ich mir noch oft das frische, sorgenfreye Hertz, welches ich damals gehabt, die Empfindlichkeit und die Wallungen der lautern Freude, welche ich, ohne Absehen auf das Künftige, ohne Rücksicht auf das Ver- gangene,in dem ungestörten und gemeinschaft- lichen Genusse gegenwärtiger Stunden, mit nichtungelehrten und unvernünftigen, gleichen Freunden (mit welchen ich die Ihrigen nicht vergleichen kan) reichlich gefunden habe. Hernach gab mir, wie andern, das Glück und die immer nöthigere Sorgfalt so vielzu schaffen, daß mein voriges Leben mir fast selbst ein Traum zu seyn schien. Dergestalt ältert man und überlebt sich. Aber ein Daseyn ohne Freunde ist kein Leben. Man muß mit jemand sein Hertz, seinen Ernst, seinen Schertz, sein Lachen, sein Weinen theilen. Doch so verläßt uns auch die Schickung nicht, daß man immerlieben sollte, ohne geliebtzu werden, und insonderheit kan so zärtlichen Neigungen, wie die Ihrigen sind, keine Gegen-Gunst würdiger Freunde entstehen, ') obwohl Sie, wie ich gern gestehe, an den bisherigen nicht wenig ein- gebüßet haben und nur durch einen so flei- Bigen Briefwechsel, als der meinige seyn sollte, die Trennung sich erträglicher machen können. Sie dürfen Sich nicht entschuldigen, daß Sie gegen mich Ihre Klagen ausschütten. Auch diese sind mir Merkmahle Ihres Vertrauens und ich bitte solches gegen mich niemahls aufhören zu lassen. Est enim quaedam etiam dolendi voluptas: praesertim si in amiei sinu defleas, apud quem lacrymis tuis vel laus sit parata, vel venia. Meinen Brief bringt Ihnen der Herr Rector Müller. Mit ihm können Sie, als mit einem wahren Freunde vieles überlegen. Sein Auf- enthalt in Hannover wird für Sie, meines Erachtens, darinnen vortheilhaft seyn können, daß er Sie in nähere Bekanntschaft mit Leuten setzen kann, deren Umgang (so sehr auch der Hannöverische von dem englischen unter- schieden und gebundener ist) Ihnen angenehm und anständig seyn wird. Der geheimnißvolle Olde hat mir doch auch kein Wörtchen da- von gesagt, daß er mit seiner schönen Reise- gefährtin,?) Sie dort besuchen wollte. Mir d.h. fehlen. 2) Über Olde vergl. S.45 mit Anm. 2. Über seine Frau schreibt Herold in seinen Notizen der Sammlung Lappenberg: „Indessen hatte er zur Verwunderung aller das Glück, eines der schönsten und liebenswürdigsten Mädchen, eine Demoiselle Schlee- busch, zu heirathen, die ich als Wittwe sehr wohl gekannt habe. Sie ward nachher einem sehr hoch- 93 würde es gewesen sein, wie Balsam auf mein Haupt, wenn ich in so guter Gesellschaft Sie hätte überfallen und umarmen können. Eine solche Reise mul3 man recht oder gar nicht thun. Meine Umstände und Federn erlauben mir nicht, Ihnen den englischen Schreiber in Hannover zu liefern und die schöne Fon- taine in Herrenhausen wiederzusehen. Wann Sie den Herrn Gärtner dahin begleiten, so machen Sie ihm meine Empfehlung und bringen ihm hernach die Gesundheit zu: So viel Tropfen, so viel Glückseligkeiten. Die wünsche ich Ihnen von Hertzen und bin jederzeit, Meines lieben Herrn Gieseke Gehorsamer Diener Hagedorn. u 1751 April 12, Mein liebenswürdiger Herr Gieseke, Nach dem Vergnügen, Ihre verbindlichen Briefe zu erhalten, hätte mir gewiß nichts angenehmer seyn können, als die Überkunft des Herrn Klopstocks. Schon drey Tage hatten ich und der Herr D. Olde auf ihn gehoffet. Am Sontage kam er endlich an, und war mir, auch am Sontage ungemein will- kommen. Sie wissen wie sehr ich sonst als- dann einsam und unsichtbar zu seyn pflege. Kaum aber hatte ich mit ihm die ersten Worte gewechselt, so fand ich seinen Umgang so gefällig, als seine Schriften rührend und tief- sinnig sind; mit einem Worte, nichts würde mir damahls unerträglicher gewesen seyn, als meine sonntägliche Einsamkeit. Nachmittags führte ich ihn auf den Altan des Baumhauses, Abends unter das Eimbeckische Haus, wo schätzungswürdigen Manne, dem noch lebenden Amts- schreiber Arnold Gustav Alberti in Osterode, einem Bruder unseres vortrefflichen Pastors Julius Gustav Alberti (vergl. S. 39) zu Theil.“ 94 Unsrer Lieben Frauen Milch zu haben ist. Hier machte der Herr D. Olde ihn abspenstig und fuhr mit ihm nach Hause: Am Montage speiseten wir und seine Reisegefährten bey dem HerrnSchmidt') und nach Tische, hatten der Herr Rahn’) und ich bey Dressern‘) eine ausführliche Unterredung, in welcher er mir viele unerwartete Nachrichten von Zürich gab, die ich mehr dem Laufe der Welt, als meinen bisher gehabten Begriffen gemäß be- fand. Dingstag wirthschafteten wir im schwart- zen Adler, und die Begierde, den Herrn Klopstock kennen zu lernen brachte nicht nur den Herrn Bohn, ferner den Herrn Baron von Bar, sondern auch den Herrn Lic. Ankel- mann zu unsrer Tischgesellschaft, der uns auch zu dem Herrn Rector Müller begleitete, um den Herrn Klopstock, den er sehr hoch- schätzet, nicht zu früh aus den Augen zu lassen. Zu unskam unser lieber Herr Pastor Zimmer- mann,') und ohne die Einladung der vor- züglichen Mlle. Müllern, der ich selbst ge- folgt seyn würde, hätten wir diesen würdigen Freund einige Stunden mehr geniefjen können. Am Mitwochen nahmen wir bei dem ehrlichen Bohn von einander Abschied, in der Hofnung, uns im Sommer in und bey Hamburg wieder zu umarmen. Wie sehr wünsche ich dieses, und daß wir in den, alsdann schattigten Ge- genden um der Alster, wo die grüne Nacht den entschlafenen Muth ermuntert, und den Kummerschläfricht macht (Tralles)’) von einem kleinen, zärtlichen, liebkosenden Schleicher, der den Tokayer zum Landsmanne hat und den ich Ihnen nicht nennen darf, gesucht und gefunden werden möchten!") Von einer so fröhlichen Stunde lässet sich aber ') Meta Mollers Schwager. 2) Hartmann R. aus Zürich, Klopstocks Schwager; vergl. z. B. Hamb. Schriftstellerlexikon IV, 5. >) im Kaffeehaus, vergl. S. #1. !) Vergl. S. 37 ff. 5) Zitat aus Tralles Riesengebirge (1750). ») Giseke war in Ungarn geboren. nichts gewisses bestimmen. Klopstock muß allererst abwarten, wie in Copenhagen die Aussprüche der dortigen Orakel lauten werden. Das wenige, das ich ihm in Ansehung des Systems des Hofes, zu sagen gewußt, habe ich ihm angezeigt, und er hat mich so red- selig gemacht, daß ich ihm gar nichts ver- schwiegen und mich in die Gefahr gesetzet habe, einen rechten Schwätzer abzugeben. So offenhertzig machte mich das unvermehrliche Vertrauen zu seiner rechtschaffenen Gemüths- Art, daß in den vielen Materien, worüber ich, meinem Vorhaben nach, ausführlich mit ihm sprach, eine mehr als Iyrische Unordnung herrschte, und ich meynte, ihm noch eben so viel zu sagen zu haben, als er, mir viel zu früh, fort mußte. Ich bin begierig zu er- fahren, wie ergiebig er Dännemarck findet. An der geneigtesten Aufnahme und Begeg- nung, an allem, was der Franzose das Weih- wasser des Hofes nennt, wird es ihm nicht fehlen. Aber er muf) zu verhüten suchen, daß die Pension in keine Besoldung ver- wandelt werde, und daher solche entweder, wo er will, in unbeschwerter Muße verzehren können, oder wenn man ihn in Dännemarck behalten sollte, eine nicht zu geringe Zulage auswirken. Wenigstens macht man in Copen- hagen mit 400 Thalern eine höchstmittelmäßige Figur. Nach Soroe unter die academischen Lehrer versetzt zu werden, ist nicht die Sache des Verfassers des Messias und die vierhundert Thaler jährlichen Einkommens können ihm auch in Teutschland nicht entstehen,') wo er so beliebt und berühmt ist. Nimmer kann er so glücklich seyn, daß ich ihn nicht noch glücklicher wünschen sollte. Was den Vor- fall in Zürich anbetrifft, so ist er, wie ich schon gesagt habe, dem Laufe der Welt gantz gemäß. Die größte Liebe, die nicht die größte Gegenliebe wirket und erhält, verändert sich in den größten Haß und in die bittersten ') d.h. fehlen. Empfindungen, die mit den ersten Neigungen im äußersten Widerspruche stehen. Sehe ich also den bewusten Mann') als einen Menschen an, wie ich denn nimmer geglaubt habe, daß die Affecten ihn verlassen, so finde ich was er gethan hat, möglich und natürlich, ob ich gleich gestehen muß, daß ich ihm die feine Klugheit zugetraut hätte, sich, als er den Herrn Klopstock für einen abtrünnigen Freund hielte, zu verstellen, und aus einer gewissen Achtung für den einmahl angenommenen Cha- racter, solchen ferner zu behaupten und aus Grosmuth des Verstandes nichts von den un- philosophischen Gemüths- Bewegungen zum Ausbruch kommen zu lassen: insonderheit, da er sich dergestalt es so schwer machte, das Hertz eines, seiner Meynung nach, gegen ihn ungerechten Freundes wieder zu gewinnen. Indessen ist mir sehr lieb, daß das gute Ver- nehmen äußerlich wieder hergestellt worden und kein Dritter zu beyder Nachtheil ihnen nachsagen und sich freuen kann, daß ein so genaues Verständniß in eine offenbare Un- einigkeit ausgeartet sey. Und meines Er- achtens, muß, wenn dereinst davon geschwatzt und geklügelt werden sollte, die Sache selbst platterdings geläugnet werden; oder wenn der, welcher davon spricht, von den Umständen zu genau benachrichtiget zu seyn befunden wird, um alles zu läugnen, so müste man, was er weil} ihm einräumen, ihm aber im falschen Vertrauen, eröfnen, alles sey ein Spiegelfechten gewesen, indem beyde, um ihre Freunde genauer kennen zu lernen und dem Publico eine Unmöglichkeit glaubhaft zu machen, eins geworden, sich zu trennen und eine Feindseligkeit anzunehmen, unter deren Vorwande sie am glücklichsten die geheimsten Gesinnungen anderer erfahren würden. Sind Sie auch der Meinung? Dem ferneren geneigten Andenken des Herrn Abts Jerusalem und des Herrn Prof. ') Bodmer. 95 Gärtners empfehle ich mich bestens, und ich nehme freundschaftlichst Theil an der väterlichen Freude des letztern. Haben Sie des Herrn Rector Schmids') Erklärungen der Gemüthsbewegungen nach den Sätzen der stoischen Weisen gesehen? Er wird untröstbar seyn, daß der Herr Klop- stock seine Reise nicht über Lüneburg ge- nommen hat. Es ist mir so lieb, als es dem Dr. Young selbst seyn sollte, daß der Herr Ebert die Night-thougths übersetzt. Ich bitte ihm dafür meinen Dank zu vermelden und ihn meiner Ergebenheit zu versichern. Wann wird seine Uebersetzung ans Licht treten? — Gottsched hat in der Auflage seiner Gedichte in einem Schreiben an den Herrn von Scheyb in Wien, sein critisches Miß- fallen über den Messias nunmehr offenbar geäußert, dafür aber in einem Stücke der Berlinischen Zeitung, das ich dem Herrn Klopstock gegeben habe, ein scharfes Urtheil über sich ergehen lassen müssen, und zwar von Rechtswegen. Ich habe mit ungemeinem Vergnügen wahr- genommen, daß der Herr Steuer-Revisor Rabener zwey Bände satyrischer Schriften herausgiebt. Ich sehe denenselben mit Un- geduld entgegen, ob ich gleich in der so leichten Kunst ungeduldig zu seyn, sehr zu- rücklerne. Nur alsdann bin ich noch darinnen ein Meister, wenn mir einfällt, daß die schöne Jahr-Zeit herannaht, die, der bisherigen Hof- nung nach, Sie nach Hamburg und Harveste- hude zurückbringen sollte. Wann wird dieses Verlangen erfüllt? — Ich habe viel Freude nöthig. Ich kann die Ursachen meiner Unzufriedenheit so wenig zählen, als sagen. Mit Herrechnung der Ur- sachen meines seltenen Vergnügens würde ich desto leichter fertig werden. Ich habe mehr Daseyn als Leben; denn zum Leben gehört, ') In Lüneburg. 96 in einem gewissen Verstande, sehr viel, und ich werde, auch wenn ich das nicht behertzige, so wetterläunisch, als der mir unähnlichste, reichste Engelländer. In allem Ernst: Weder mein Temperament, noch meine Art zu denken machen mich mit der Schickung zänkisch: obwohl ich beweisen könnte, wie sehr die Begebenheiten meiner Jahre eine Reihe nicht ungereimter, aber unerfüllter Hofnungen ge- wesen sind. Aber das Alter (vom Podagra und dessen Folgen nichts zu erwähnen) und die Ehe machen auch einen vergnügsamen habsüchtig, folglich ärmer. Bestraft ihn der Himmel mit dem, was man Geschmack heißt, so erhält er eine neue Art Empfindungen, einen neuen Sinn, den tausend so wenig kennen und errathen, als sie ihn besitzen, aber eben diese Empfindungen, dieser feine Sinn machen ihn in allen schwüriger, dürftiger, unglücklicher, und, in gewissen Augenblicken kann ihm das Utinam nescirem literas natür- licher einfallen, als einem unentwickelten Nero. Der gute Geschmack überströmt alles und nichts, das nur einigermaßen gut und allen- fals untadelhaft, hinreichlich, erlaubt ist, ver- gnügt ihn, in der Fülle, in dem Reichthum seiner Emfindungen. Eine große Einsicht in vollkommene Schönheiten verwöhnet, und vermehrt unsere Bedürfnisse. Sie lassen sich nicht so hemmen und einschränken, als die gemeinen Erfordernisse, die nur die mensch- lichsten Nothwendigkeiten angehen. Besitze ich nicht in einem hohen Grade diesen edlen Geschmack, welcher der beste, aber auch der unversorgteste ist; so besitze ich wenig- stens mehr, als ich verlange, was er an Un- zufriedenheit zu empfinden pflegt, und nicht was an Vergnügen der pöbelhafteste, wenn ich ihn nicht füglicher den allgemeinen Ge- schmack nennen sollte (welches ich heute nicht beleuchten will) zu seinem Glücke voraus hat. — So philosophire'!) und ') Hier nehme ich das Philosophiren im wei- testen Verstande. Daß obiger gantze |. etwas dunkel schreibe ich mit flüchtiger Feder, in Gegen- wart eines Mannes, der mich heute überrascht hat, bey meinem Camine sitzet, ohne gehört zu werden, mir vorschwatzt, von mir mit Holl- bergs Barbier verglichen wird und hoffentlich seinen Abschieds-Gruß mir recht angenehm machen muß, weil er ihn beschleunigen zu wollen scheint. Hamburg, den 12! April 1751. El: Hamburg, den 13'r April, 1751. Ba Ich bitte, um herüberzukommen, den fröh- lichsten und jugendlichsten Monath zu wählen und bis dahin, zu unsern Unterredungen, alles zu sammeln, was aufgeräumt machen kann und würdig ist bey dem schönsten Wetter gesagt zu werden. Vielleicht können Sie den Herrn Professor Gärtner oder einen andern sinnreichen Freund der Freude mitbringen, und vielleicht fügt sich alles so, daß auch der Herr Klopstock alsdann hier ist und unsere Gegenden mit denen, die er verlassen hat, vergleichen und an dem Ufer bey Harvstehude uns viel neues erzählen kann. Sein Freund Rahn ist ein Mann, der viele gefällige Eigen- schaften besitzt, und hoffentlich mit mir so zufrieden ist, wie ich mit ihm. Er hat mir gewisse Dinge offenbaret, die nicht Zürch betreffen, wovon mündlich. So wenig ich zu errathen weiß, was Sie mir schreiben: daß Sie für mich etwas thun wollen, das ich nicht eher, als bis es geschehen, erfahren soll: so sehr schränke ich meinen Vorwitz ein. Dafür aber bin ich Ihnen nicht gut, daß ich nicht, wann wir uns wiedersehen, eine Anfrage wagen sollte. Ich kenne und liebe Ihr mir so bekanntes rechtschaffenes Hertz und weiß, wie sehr Sie mit den besten Gesinnungen sey und ich besser gedacht, als mich ausgedrückt habe, bekenne ich hiemit eigenhändig, muß es aber bey dem Pilatismo heute bewenden lassen. die beste Einsicht jederzeit verknüpft haben. Also bin ich gantz gelassen und unbekümmert bey allen freundschaftlichen Absichten, die Sie, in Ansehung meiner fassen und bewerk- stelligen mögen; und wollte der Himmel, daß ein reicher und milder Fürst mir nur halb so gewogen wäre, als Sie! Wie viele Bürden würden mir leichter werden! Wenn ich Ihre vortheilhaften Jahre, oder noch weniger hätte; ich würde gewiß viele Neigungen, in Ansehung des Geschmacks, aufopfern und für mein Glück eigennütziger seyn, als ich jemahls gewesen bin, da ich für die anmuthigste Kennt- niß, die nur den Verstand berühret und nur das Hertz veredelt, zärtlicher gewesen, als so viele, deren curae coelestium inanes sieempor- gebracht haben. Itzo aber ists für mich zu spät und ich muß in meinen Einschränkungen bleiben. Ich bitte dieses Pinseln ja für keine Philosophie, sondern für nichts als Grillen anzusehen, welches die erste Lesung eines guten Buches wird zerstreuen; aber nicht verhindern können, in meine Soliloquia (wohin ich auch fast das rechne was ich Ihnen; aber NBauchnurIhnen, itzo vertraulich beichte) sich wieder einzuschleichen. Ich weiß nicht, um auf etwas anders zu kommen, wie ich es anfangen werde, um von Klopstock zu er- fahren, wie sein Glück in Kopenhagen sich anläßt. Man glaubt kaum, wie oft die Briefe auf den Dänischen Posten erbrochen werden, und ich habe ihn gewarnet, weil auch seine Briefe erbrochen werden können. Indessen wird sich schon eine bequeme Gelegenheit hervorthun. — Nun habe ich Ihnen nichts zu melden, als was Sie schon wissen: nemlich das gegenwärtiger Brief zu lang ist und daß ich aufrichtigst und jederzeit bin Meines wehrten Herrn Gieseke Ergebenster Diener He Meine Frau ist noch immer, und nun schon über 7 Monathe, an ihrer fast unheil- 97 baren Wunde krank, ohne Kräfte und voller Schmertzen: ihre Mutter erhohlt sich zwar, aber langsam und im Bette. Meine Frau, die ich nie ohne Mitleid erblicke, hat mir an Sie ein Compliment aufgetragen, das ihre Hoch- achtung für Sie zum wahren Grunde hat. —'!) 3. S.T. Hochzuehrender Herr Oberhofprediger,?) Werthester Freund. Noch bin ich krank, doch mit beständiger Hofnung endlicher Genesung und itzo zugleich auf eine kurze Zeit beschäftigt, ungeachtet ich in gewissen Augenblicken fast so viel neue Schmerzen empfinde, als ich seither alte Kräfte verlohren habe. Meine Auge füllt sich leicht mit freundschaft- lichen Zähren: Itzt flößet mir die Dauer eigner Pein Die Thränen der Betrübniß ein. Die Weisheit wird sie nicht verwehren, Es ist erlaubt sein eigner Freund zu seyn. An dem heutigen Tage dieses Regen-Jahres bin ich nicht im Stande, lange zu schreiben: Aber mein Herz wills: ich muß Eur: Hoch- würden unverzüglich melden, daß über den Empfang Ihres heute eingelaufenen, erwünsch- ten Briefes, ich allein mich Zehnmal mehr erfreut habe, als sonst zehn wassersüchtige Krüppel, zu welchen ich noch wörtlich ge- höre, frölich zu werden wissen. Es ist mir besonders angenehm, daß Sie die anzutretende Ober-Hof-Prediger-Stelle und die damit ver- gesellschaften Ehren, die Ihnen gewiß nicht zu spät gewährt werden, der Achtung und dem vorzüglichen Wohlwollen eines nicht geringen Kenners, als des rechtschaffenen Herrn Abts Jerusalems zu verdanken haben. Ihnen gereicht dieses vor allen zum wesent- ') Vergl. S.31 Anm. |. 2?) Giseke erhielt, als Joh. Andreas Cramer 1754 als Hofprediger nach Kopenhagen berufen ward, dessen bisherige Stelle zu Quedlinburg. 98 lichen Ruhme, und daran wird es den Ver- diensten sowohl Ihrer Gesinnung als Ihrer Fähigkeiten gewiß nimmer fehlen. Sie sehen auch, wie sehr die Vorsehung immer für Ihre größere Zufriedenheit sorget. Dergestalt wird Ihnen immer leichter, das stille, wahre Glück des Verstandes, ohne Einbruch der Sorgen, sicher zu genießen, und, weil man nicht ohne Lust sinnreich ist, auch die gute Laune des Geschmacks und des Witzes wieder hervor- zulocken und Ihre Ergetzungen zu vermehren. Zu dieser Glückseligkeit, die in Ihnen die edle Folge des neuen anständigen Amts ist, wünsche ich Ihnen jede übrige zeitliche und alle Wohlfahrt, welche diese Würde begleiten kann. Ein langes Leben ohne Wassersucht, ohne Zipperlein, ja wo möglich ohne Zahn- schmerzen: was D. Luther weislich in die Auslegung der vierten Bitte gesetzt hat: eine Bibliothek, die Gemüth und Auge reitzet: O das verstehet sich, wenn man Glück wünschet, von selbst. Heute Mittag habe ich dem Herrn Pastor Zimmermann sogleich die gute Nach- richt sagen und dem Herrn Bohn Ihren Brief einhändigen, auch ersuchen lassen, weil ich meinen Scapin') selbst brauchte, den seini- gen damit zum Herrn Liet: Ankelmann zu senden, bey dem er noch ist. Ich habe diesen Freunden eine rechte Freude gemacht, so- wohl als meiner Frau, die der Ihrigen und Ihnen ihr freundschaftlichstes Compliment und die Versicherung ihrer Ergebenheit ab- statten läßt. Wie wird sich Ihr würdiger Vor- weser, der liebenswerthe Cramer, über Ihre Folge freuen. Ich habe ihn hier persönlich kennen lernen. Urtheilen Sie, wie sehr ich ihn lieben und unvergeßlich finden, aber auch beklagen muß, daß er ungeachtet einiger Fun- ken von Lebhaftigkeit, mich hier muthlos, schwach und nur krank vorgefunden, so daß mir würklich schwer fiel zu sagen, was ich wollte. Wann Sie den Herrn Klopstock !) d.h. Diener. wiedersehen, so will ich bitten, ihn meiner Dienstbegierde und Hochschätzung für ihn bestens zu versichern. Mit wie innerer Zärt- lichkeit wird auch der mit dem neuen Ober- Hof-Prediger in Quedlinburg zufrieden seyn! Ich frage Sie nicht einmal, ob Sie des Herrn Professor Reimarusvornehmsten Wahrheiten der natürlichen Religion gelesen und mit Bey- fall gelesen haben. Ich bin mit langen alt- deutschen Besuchen, bey denen die phleg- matischen Sitzer, auf eine mir empfindliche Art, ihre Knochen ausruhen lassen (wasser- süchtiger Einfall), mich aber schwatzen ge- macht und auf Stunden ermüder: mit solchen Kranken-Besuchen, wofür ich leider! danken müssen, bin ich überhäuft worden. Aber die wenigen Theile meiner Zeit, die ich ihnen und der vielfältigen Pflege und Wartung, die meine Zufälle erheischten, nur zum Denken stehlen können und die meinem schlaflosen Haubte frey verblieben, solche habe ich alle gierig auf ernstliche Lesung dieses Kern- Buchs gewandt, die mir so heilsam gewesen ist, daß ich versucht worden, den rechtschaffe- nen Mann meinen Aerzten an die Seite zu stellen. Diese würden mir gewiß befehlen, heute nicht mehr zu pflügen. Ich schließe also, empfehle mich Ihnen und der Mme,,...') 10. Herold über Harvestehude. Herold berichtet in seinen handschrift- lichen Notizen der Sammlung Lappenberg: Das eigentliche Harvestehuder Kloster stand auf der Stelle der Gegend, wo itzt das Wirthshaus steht. In den katholischen Zeiten war ein kleines Haus nahe am Kloster, wo Bauern, Pächter und andere, die Geschäfte beym Kloster hatten, Bier und Brantewein er- halten konnten, und so blieb es auch zu evan- gelischen Zeiten ein ordinaires Wirthshaus. Ein Klosterbürger, der ein reicher Kaufmann ') Der Rest ist abgeschnitten, bemerkt Lappenberg. war, ward banquerott. Nun ward hinter dem alten Hause ein modernes und massives Haus von Steinen aufgebaut, die Wirthschaft ward für reiche Leute eingerichtet, und so war das Wirthshaus beschaffen, wie es hernachmahls Toppe!) erhielt und wie es zu Hagedorns Zeiten war. Wie meine seelige Tante Kifßiner?) einige Zeit vor Michaelis 1787, nach dem sie einige Jahre Beysitzerin der Jungfer Domina Staphorst gewesen war, nach der letzteren Tode zur Domina erwählt ward, fing sie gleich ihre Regierung damit an, daß sie ein ganzes neues Wirthshaus bauen ließ, welches besonders in- wendig sehr gut eingerichtet ist. Bald darauf ließ sie durch einen geschickten Gärtner des Herrn Senator Westphalen einen Plan zu einer sogenannten englischen Parthie entwerfen, und auf das baldigste ausführen. Ein Jahr darnach ließ sie einige morästige Gegenden ausfüllen und einige Zaume niederreißen und entferntere angenehme Gegenden, unter andern einen kleinen Wald, den ich, wie ich damahls eine Stube zum Sommeraufenthalt in Harvestehude hatte, wegen seiner Entfernung von aller ge- räuschvollen Gesellschaft, seiner Einsamkeit und seiner stillen Reitze wegen den Hain der Liebenden genannt hatte, welcher Name her- nach auch ziemlich allgemein eingeführt ward, mit der englischen Parthie vereinigen, so daß die Spaziergänge nun viel ausgebreiteter waren. Noch einen Verdienst erwarb sie sich um Harvestehude dadurch, daß sie recht schoene “ ') „Flugs kommt der aufmerksame Toppe .. .“, Eschenburg III, 143. Näheres über den von Hagedorn oft belobten Wirt bei Herold a. a. O. Ein Ölbild des neuen, hier erwähnten Gasthauses besitzt seit kurzem das Museum für Hamburgische Geschichte. 2) Aus der Hamburger Buchhändlerfamilie, vergl. Lappenberg, Buchdruckerkunst (1840) LIII und LIV. tt DOSE destestenietestestedteteeteetustetenleetuntuntute Gestestedeciseiuste KR Ja RW DSDKEN DET 99 Wege dahin anlegen und da wo irgends noch Schatten fehlte mit Bäumen bepflanzen ließ. Nun wollte jedermann dort bauen, und weil es am Platze mangelte, suchte man die Land- leute zu verdrängen und da, wo ihre kleinen Häuser standen, große Gartenhäuser zu bauen. Meine Tante verordnete, daß keinem einzigen Landmann seine Pacht erhöht werden sollte, so lange er sie ordentlich bezahlte, damit durch das Überbieten der Leute aus der Stadt, die bloß pachten wollten, um dort Gartenhäuser zu bauen, (die Bauern nicht) von ihren Stellen verdrängt wurden. Dies zeigt sich am deut- lichsten, wenn man aus dem Dammthor gerade aus aufdem Wege nach Kiel fährt. Alles was linker Hand ist, ist Grund der Hamburgischen Kammer, und itztalles mitLandhäusern bebaut. Alles rechter Hand ist Klostergrund, und die vortreflichen mit Klever besaeten Wiesen, wo die schönsten Kühe gehen, die man sehen kann, sind unbebaut und den Harvestehudern, die sie gepachtet, erhalten geblieben, ohnge- achtet man viel Geld dafür geboten hat. Wären sie mit Häusern besetzt worden, wäre alles ländliche weggefallen, und hätte eine städtische Strasse ausgemacht. Auch das Klosterhaus ward zum Besten der Klosterdemoiselles mit neuen Meubles versehen, und neu ausgebaut, damit sie sich dort zum Vergnügen im Sommer aufhalten konnten. Meine Tante beschämte als Frauenzimmer die Hamburgischen Dom- herren weit, die noch, unglaublich zu sagen, bey dem itzigen Mangel an Plätzen in Ham- burg die Ruinen auf dem volkreichen und nahehaften Speersort liegen ließen. Kräftiger hätte Herr von Hess sie dafür nicht strafen können, als daß er den Dom mit seinen Ruinen ganz genau in Kupfer stechen und darunter setzen ließ: Der Dom in Hamburg. ©_,0,.0..0..0..0..0..0..0..0_0_ 0. 00.0.0, 0: 0:.0:0..0..0..0..0,.0, BO. 00. 20, 202.05 ESEL KENT TEE NE NEN NTKECEKENEN EEE EEE 13* IOoo Ahlefeldt, Detlev v. .... Alberti, Arnold Gustav se Jul. Gustav .... Amsinck, ]J.- Ber Amthor, Ch.H.... Ankelmann ... Arens, Joh. Aug.. Backer. ee Baden, Torkel .... Badenhop . Bansow . Bar, Georg Ludw. v.. Baer, Joseph .... Bartholin.... Bartoli ...... FR Behrmann, Georg...... Berlepschey. u...2.... Beseler; Nic. v. ......-- Besser, Joh. v.. Bielfeld, Jac. Friedr. v.. Bobe, Louis Bodmer, Joh. Jac. 30. 39. 49. 50. 51. 52. 55. 56. 84. (94 35. 40. 49. 57. 70. 71. 75. 77. 94. 98 Bohn, Joh. C. Borgeest, Joach. Barthol Börner, Karl.. d. Bostel, Lucas Andreas (?) 5 Nie. v. 2%: Botkam, J. H.. Brand ... Brockes, Barthold Heinr. .. Brühl, Heinrich Graf v... Buddeus, J. F. .. Büsch, Joh. Georg Büsching, Ant. Fried... Butler, Elisabeth . r Mary.. Büttners, Mari Elisab.. Canale, J. Ganitz, E-R. L.v.... Garpser, Peter... Cope, James.... NAMENVERZEICHNIS. Hauptstellen sind im Druck hervorgehoben. 35. 37. 43. 56, . 36. . 24 62 . 84 87 . 52 . 83 f.) 35. 36 f. . 80 Cramer, Joh. Andr... 5 Karl Friedr. Culemann . Denner, Balthasar. = Catharina .. ” Esther, geb. Winter .. . Jacob . \ Dresser . Dreyer, Joh. Matthias Drugulin .... Dunant .. Dunt, Agneta SIMON. klare ae Ebert, Joh. Arnold Eccard, Joh. Georg... Eckmeier. Enderlein FRRBRR- Eschenburg, Joh. Joachim Fabricius, Joh. Albert Feind, Barthold ... Fock, Diedrich . Bar » Maria Elisabeth ... „ Simon.. „ Susanna Friedrich III., König von Dänemark ... Ey ser ES ee Gabel : Gaedechens, Helene.............. » OEa an oa ae » Otto Christian.... Galli 58: s8f. . 41 68 88 84 84 84 Eee) . 70. 718. 75 57. 64. 68. 30. 46. 52 59 EENENERN yo 35 Seite Görner... a eis Re er! Gottsched, Tch. Chpbi; Bez 32. 85. 87. 95 | Gramberg . BREITEN. Sbocı . 58. 62. 86 Griesheim, Chr. RR B5 Grou, Jean . 85 Gryphius, Andräas . 87 Günther, Heinr. Anton . 20 5 Joh. Chr..... 87 Hagedorn, Anna, geb. Badenhop 12 E R Maria, geb. Schumacher 11. 17 R. 22f. 25. 84. S5. S6 Sophia Maria. sl = Christian Felix .... 17.18 Ludwig 10. 14 ff. 18 ff. 21. 24. 31. 32. 42 ff. SOf. 55. 57 ff. 82f. 85 ” „ „ Christopher „u - 2.0 .0u2 14 y Christophersen ..... 12 r Eilert EP ERBE e 14 Hans Statius 10. 13 ff. 26. 55. 57.83. 84. 85. 90 N) Hermann SEEFAHRT = Johann....... . ES. U » „ Christoph 23 13 » Ernst 10.138 » „ Hinrich ä . 84 nn Philipp Johann d.Ä.. 9F. I1F. 17. 84 ” „ en TE Were net: 14 e SENELAR A. 10. 57. 83 Flarendonna enae ns snherneete ala mans ana ailanseenue se . 83 Hapentomme essen au meer aaananene 2.185 Haller. AlDrecht% :s....::+:: 50.75 Hamann, Joh. Georg ......... 27 Hannekenius, Joh. Ludw. . Re an Harrington ....... ee 1 st aka Heinecken, Karl Henn, EEE E32 TORE KLOSE EN SEERHUETRERE TEEN HPIEBFERNERTE 86 Heräus, Karl Gust.... BERST Herold, Joh. Henrich“ .. „u... ..00. =... 50. 84. 85 f Herrnschmidt, Georg Ludw. .. ae ER}: KIel> Alonası BudWw. Venees on ne sense en 2 Fever ee / 17 Hirschfeld, Cajus hanrenz ee 78 Hofmannswaldau, Christian v. 2.222222 0 0cuccnec 87 Klollberg; JLUGdW. Mares anne act sata een Do Baal 96 KIOlZHAID]EIR ee ae. Saunas: dies warte 12 Houbraken.. ca een ae ae ses sane 59 Hunold.sChristian Friedr:. u... v4 mean 16f. 87 Jacobi, Joh. Georg ..... BE rlche Jenisch.... REN RER TERN 39 Jerusalem, J. F.W.. . 95. 97 NONNNR@S AV en. ehe 2 enable aan: =23 TOLdinb sense en seneeircee . 85 IOI Seite Kauke, Friedr. 64. 69 KESENETISE ee 2 P ner nee re . 85 Kiene, Christoph Erlede- 87 Kißner FE EEE N 2 99 Klopstock, rd Gottlieb 37.39 ff. 45.47.48. 52. 71.93 ff. Kohl, A. A 1) König, Conrad. 85. 90. Joh. Ulrich v. 32. 62. 85. 87 Kreß. . 44 Lamprecht, Jac. Friedr. 29 Lange, Joachim . | Nanna . 82. 83 Lappenberg, Joh. Martin 2 85 Lastrop 54 Laurency 88 Leonhardt, K. E. RE #202 Lessing, Gotthold Ephraim... 22. 27. 34 Linker, v. ls Lipstorp, Christian In 2): „35 Clemens Samuel nase 41 Liscow, Chr. Ludw. .. 32 f. 45. 4, 50. 85. 86 Joachim Friedr. ..35f. 68. 85. 86. 90Ff. Marchmond . 88 Marosini .. 14 Meyer, F.J.L. a AT Meytens, v. . 58. 60 Michel -AURUStINGE zus aa 0 De ee . 85 NNAdIELON Se Me ee TR 90 Mieris. 50 Milton 40. 52. 56 Moller, Meta A Müller, Joh. Samuel 40. 93. 94 Münchhausen, Agnes v. „13 e Hans Statius v. 11738 Murray 39 Nicolai, Christoph Friedr. . 69 Nielsen, Anna Elis., geb. Habedogn; rn 14 » Christopher .. 14 Ohmann.. . 87 Olde, Joh. ee - 55. 93. 94 Opitz Martina. ee 87 OF a er NEE > 58. 59 Banmannr: ee . 62 Barascevası.n 20a snas 21 Et 12 DIceN ee . 87 Pieren, Maria v..... . 84 Pietsch, JOH. Value oe zen warnen ee ee 87 IO2 85 | Seite I Staphorst, Hanna Amanda. .2.............u.e, .. 99 | StockHausens. ge. men ee .53 [#Stoppe, Danzer 92 | Strykilisi.r Hase an: Bess ae Er er 14 SB Mo 42. 83 | Studer wu sic dene re ee 15 Stüuven, Peter... u: = as ee ee 31. 53. 60 IE Sulzer, Jon Georgr an ee 61. 64 | SYLDIUS: % dar ante area ante ee 21 Taylon... a u ee a a 34 | 5 5, OHT. nt re ee ER 30 [Stelemann, Georg Bhilippr sorge ee 37. 80 | Tischbein, Joh. Heinr............ccc.c....... 36 f. | Titley .. ai nee ee ehe 227089 | Tönsberg, Chr. Fr. v., Hagedorn ... 14. 82. 83 | TOppe ee 99 [ETEAllesı2. , ana vemdr. Fee ee 46 ITEVOL. ; Ausa na eTee e a Nee ee 88 Vatky;, Teer na 34 |i Verhelst,dEr. ne ee 72f. Warner; CaA se Sue . 75 Walch ee A 21 Wedderkop, Magnus v. ui a a ae ee el Weichmann, Christian Friedr. ....... .. ..... 222, Wernicke, Christian. en eve 16. 28. 87 Westphalen, Joh. Siegm........ A‘) I Wich, CGyrill von. 19. 25. 31. 32. 35. 44. 86 f. 89 2 MaRnUSSVee ee . 87 IWHEDEKINd: Varıacr 2 nen ee en 22 | Wieland, Christoph Martin. 2. ve ee 50 ' Wilckens, Matthäus Arnold ............ 35. 38. 49. 85 Winckler, Joh. Friedrz zes en 22. 85 | Winthem, Joh. Elisabeth v................ . 37 L EWOolf. Joh. Christianerer ae " ... 20 Wolff, Christian v.... 121022.553 Youngs Edward 95 Seite BOSWISCHMCHEISIONHN een il BOZEN ..88 TEL UTT ne 58. 59 Rabener, Gottlieb Wilh. :.... -. -........ 46. 95 Rachel, Joachim zu... %. 0.06 #820 Yaztsaı. 87 Rachlov .............. . 62. 82f. 85 Rabn,sHlartmann. esse ae nn seen . 94. 96 BRantZa ee en a re won Reimarus, Herm. Sn. 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Zollmann .37 ff. 40. 55. 94. © SMITHSONIAN INSTITUTION LIBRARIES ZU 3 9088 01540 1383