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Jahrbuch

DES

Deutschen Archäologischen Instituts

Band xxxv

1920

MIT DEM BEIBLATT ARCHÄOLOGISCHER ANZEIGER

BERLIN UND LEIPZIG 192 1

VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER

WALTER DE GRUYTER & CO. vcrmals G. J. Göschen'sche Vttlagihandlung J. Guttentag-, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer

Karl J. 'l'rübner Veit 61 Comp.

I N H A LT

Seite

Amelung \V., Archaischer Jünglingskopf in Hannover. Mit Tafel

IV— VI 49

Braun- Vogelstein J., Die ionische Säule. Mit Tafel I III I

Pernice E., Tarentiner Bronzegefäße. Mit 8 Abbildungen . . 83 Pomtow, H., Die Tänzerinnen-Säule in Delphi. Mit 6 Abbildungen

auf Beilage 113

Preuner E., Archäologisch-Epigraphisches. Mit 1 Abbildung . 59 Schmidt E., Ein Akroter des »peisistratischen« Athenatempels.

Mit 11 Abbildungen 97

IV

Inhalt.

ARCHÄOLOGISCH ER ANZEIGER

Spähe Jahresbericht des Archäologischen

Instituts für das Jahr 1919 I

Institutsnachrichten 56, 106

Nachruf für E. Petersen

Roßbach O.,

Schröder Br.,

53

32

>3

Bissing F. W. v. , Eine neue Frauen- figur Myrons?... Preuner E., Pausanias V 11,3 ... Rodenwaldt G., Nordischer Einfluß im M y k e n i s c h e 11 ? . Der Torso von Bei- vedere. Mit 2 Ab- bildungen 57

Ägyptische Helmmo- delle. Mit Beilage I und 3 Abbildungen . 3 Neues vom Diskos- werfen. Mit 7 Ab- bildungen 61

Nachtrag zu Arch.

Anz. 1920, 61 ff 105

Sitte H., Zu E^-A. 2533 16'

Spalie Archäologische Gesellschaft zu Berlin 1920: Januar-Sitzung (Dragendorff, Koldewey, Val.

Müller) 6

Februar-Sitzung (N'eugebauer), mit Beilage II 19

März-Sitzung (Dessau, Wiegand, Noack).. 41

April-Sitzung (Schiff, Hub. Schmidt) 42

Mai-Sitzung (Regling) 45

Juni-Sitzung (Koldewey, Schach hardt). .. . 47 November-Sitzung (Dragendorff, Wiegand,

Neugebauer, Volbach) 84

Dezember-Sitzung (Watzingerj 96

Archäologische Doktordissertationen

(Yasters, Lange, Jastrow) 98

Neue kauf liehe Gipsabgüsse der For- merei der Staatlichen Museen. 54 Verkäufliche Lichtbilder 104

Register 107

DIE IONISCHE SÄULE.

Mit Tafel 1—3.

Einleitung.

»Als die Ionier der Diana einen Tempel errichten wollten, wählten sie die Maße der weiblichen Gestalt; gegenüber der kraftvoll männlichen Erscheinung des dorischen Tempels sollte hier ein schlankerer Bau die zarteren Formen weiblicher Bildung verkörpern. Die schneckenförmigen Windungen des Kapitells glichen den gekräuselten Locken des Haupthaares zur Rechten und Linken, die Blüten an der Stirnseite dem Schmuck. Am Stamme deuteten Streifen das faltige Frauen- gewand an.«

So erklärt Vitruv1) die Entstehung der ionischen Säule. Die symbolische Bedeutung, die er mit dieser Erzählung dem Baugliede gibt, entbehrt sichtlich nicht einer gewissen inneren Berechtigung. Noch am Ende des 19. Jh. zögert Heinrich Wölfflin2) nicht, das Urteil, daß die ionische Säule den Eindruck einer aufgerichteten Gestalt mit herabfallenden Haaren darbiete3), als treffend anzuer- kennen. Diese Betrachtungsweise findet in der Einfühlungstheorie ihre wissen- schaftliche Bestätigung 4). Sie ist eine rein ästhetische, die von der Wirkung auf den Beschauenden ausgeht und an der Erscheinung, ja an den Formen der Ausführung und Ausschmückung haftet. Über die Struktur des Gebildes, über seine Entstehung, seinen Beruf vermag sie nichts auszusagen.

') De Architectura IV 1, 7.

l) Prolegomena zu einer Psychologie der Archi- tektur, München 1886. Dissertation.

3) A. a. O. 44. Vgl. auch 39: »Bei alledem kommt es natürlich nur auf das Prinzip an, es liegt durchaus nicht die Absicht vor, mensch- liche Gesichtszüge nachzuahmen«; und S. 37/38 : »Die Architektur nähert sich hier der mensch- lichen Organisation in sehr bedeutender Weise, so daß sich physiognomische Analogien mit großer Entschiedenheit einstellen.«

4) Schon Lotze äußert sich, freilich noch zurück- haltend, in diesen) Sinne, wenn er von »ver- allgemeinerter Erinnerung an die Regsamkeit unseres eigenen Körpers« spricht (Mikrokosmos, 2. Aufl. Leipzig 1869, II, 199). Vgl. auch die bei Wölfflin a. a. O. angeführte Literatur und aus neuerer Zeit: Joh. Volkelt, System der Ästhetik I (München 1905), 212 ff. und III (1914), 167fr., sowie Theodor I.ipps, Ästhetik I (Hamburg-Leipzig 1903), 96 fC., II (1906), iff.

Jahrbuch des archäologischen Instituts XXXV*.

Julie Braun- Vogelstein, Die ionische Säule.

Während Theoretiker und Praktiker der Baukunst zur Zeit der Renaissance und des Klassizismus1) sich vorzugsweise mit jenen von Vitruv als Locken ge- deuteten Windungen und dem Problem ihrer Nachbildung befaßten, stellten die Archäologen der anthropomorphen Symbolik eine andere gegenüber. Die Voluten, auch von ihnen als das Wesentliche angesehen, führten sie auf Tier- vorbilder2) zurück, und indem sie ihnen eine kultische B e d e u t u n g beilegten 3), schien die Entstehung des Kapitells damit begründet zu sein.

Gingen alle diese Erklärungen immer wieder über die Säule als Gebilde hinaus und suchten sie ihr eine Erfüllung jenseits ihrer selbst zu geben, so be- trachteten Stieglitz, Kugler und Schnaase4) die Formen mehr als Ausdruck von Kraft, Bewegung oder Druck, ohne jedoch andere als ästhetische Gründe für ihre Auffassung geltend zu machen und ohne damit mehr als eine Schilderung des Eindruckes geben zu wollen 5).

Erst Karl Bötticher brach der Erkenntnis Bahn, daß das Grundwesen aller Bauformen in den statischen Verhältnissen der Architekturglieder beruhe. In dem ersten, 1844 erscheinenden, Bande seiner Tektonik der Hellenen fand der ionische Stil noch keine eingehende Erörterung, aber die Wirkung der Gesamtanschauung konnte nicht ausbleiben.

Guhls Schrift über die ionische Säule6) bedeutet die Wende. Er bricht mit der allgemeinen Auffassung, die in den Voluten den Hauptteil des ionischen Ka-

') Siehe die bei E. Guhl, Versuch über das Ionische Kapital (Journal für die Baukunst XXI 1845), auf S. 190 genannten Werke. Neuerdings: F. C. Penrose, On the Origin and Construction of the Jonic Volute (Journal of the Royal Institute of British Architects), London 1902, 21 ff.

2) VVinckelmann, Versuch einer Allegorie. Sämt- liche Werke Bd. IX. Donaueschingen 1825. S. 200: »Es hatten auch die Kapitaler Antheil an der Allegorie und in gewisser Maße können die aus Schlangen geformten Voluten ionischer Kapitaler an einigen erhaltenen Werken hier angeführt werden, weil die Spiralwindung dieser Glieder einer Schlange ähnlich ist, oder weil diese zu jenen den ersten Begriff gegeben.«

Stackeiberg, Apollotempel zu Bassac, 40, fuhrt aus, daß die »Verzierung der dem Ionischen Ka- pital charakteristischen Voluten unzweifel- haft von Widderhörnern herrühren«. Vgl. auch J. G. v. Hahn, Motive der Ionischen Säule. Wien 1862. Er sieht in der Schnecke das Vorbild.

3) Stackeiberg a. a. O. 41 unter Ablehnung der »gezwungenen Beziehung der Voluten auf Haar- locken«.

<) C. L. Stieglitz, Beiträge zur Geschichte der Aus- bildung der Baukunst I. Leipzig 1834. S. 122: »Bei der Construction des dorischen Capitäls

geht Alles aus der Nothwendigkeit hervor, die Naturgesetze in einfacher Bildung aufstellend ; bei der jonischen hingegen zeigt sich das Pro- dukt aus der Bewegung der Kraft hervorgegangen, wodurch die Volute entstand.« K. Kugler, Hand- buch der Kunstgeschichte. Stuttgart 1842, 159: »Statt der rohen unbeweglichen Form des do- rischen Abacus wird sodann aber ein Glied an- gewandt, welches ein reiches glänzendes Leben entwickelt und die Kraft des vom Gebälk nieder- wirkenden Druckes in kuhner geistreicher Ent- faltung zeigt.« C. Schnaase, Geschichte der bildenden Künste. II. Düsseldorf 1843, 31 und zumal 37: »Das Gesetz elastischer Be- wegung«. Vgl. auch Hegel, Vorlesungen Über die Ästhetik II. (:o. Bd. 2. Abt. der vollständigen Ausgabe seiner Werke). Berlin 1836, 326: »Die .Schneckenwindungen am Polster deuten das Ende der Säule an, die aber noch höher steigen könnte, doch sich in diesem möglichen Weitergehen hier in sich selber krümmt.«

5) Erwähnenswert ist auch Rumohrs Erklärung des Stiles »als ein zur Gewohnheit gediehenes Sich- fügen in die inneren Forderungen des Stoffes«. (Italien. Forschungen 1. Berlin-Stettin 1827, 87).

6) A. a. O. #

Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule.

pitells sieht1), verwirft jede symbolische Deutung, geht auf »die Grundform, das Kernschema«1) zurück und erkennt in dem mit Spiralen geschmückten Gliede den Abakus3), der in lebendiger Weise die Belastung veranschaulicht. Die Voluten, »eine gänzlich unsolide, jedes statischen Haltes entbehrende Form« 4), erklärt er »lediglich als ein Ornament, welches .... hier weder durch symbolische, noch durch struktive Motive veranlaßt, sondern ganz einfach und ungezwungen aus der Form der zu ornirenden Fläche hervorgegangen ist«. Wie eine Vorahnung kom- mender Funde mutet seine, freilich nicht prophetische Behauptung an : »Wäre die Volute durch Malerei dargestellt worden, so wäre Niemand darauf gefallen, in ihrer Spirallinie . . . den eigentlichen Kern des ganzen Kapitals zu suchen und sie anders, denn als ein bloßes Ornament zu betrachten« 5).

Diese erste struktive Erklärung des ionischen Volutengliedes entbehrte aber der geschichtlichen Grundlage, denn indem Guhl die ionische Form als die Er- füllung der im Dorismus angedeuteten Forderungen ansieht und sie aus ihm ent- wickelt6), fußt er einzig und allein auf seinen eigenen Vorstellungen und gelangt damit zu unhaltbaren Ergebnissen.

War somit das Wesen des ionischen Volutengebildes als ein tektonisches erkannt worden, so suchte Hittorf7) auch das Werden darzulegen. Seine Ab- leitung aus dem Sattelholz la piece de bois transversale8) führt die Ent- wicklung zum griechischen Kapitell als eine folgerichtige, rein sachliche vor, un- beirrt von fremden Einflüssen oder zufälligen Umständen 9). Für ihn wie für Guhl sind die Spiralen ein untergeordnetes Etwas, das in keiner Weise über den Ur- sprung des Gebildes Aufklärung zu geben venrjag. Nach Böttichers Auffassung hingegen, die er in der zweiten Auflage seines Werkes10) begründet, dienen sie als »stellvertretende Zeichen der (statischen) Idee«11), bieten sie die »allegorische Erklärung« ™) der struktiven Leistung. Auch er nimmt eine Kernform an, die er als Werkform bezeichnet, aber die Kunstform ist für ihn die »unerläßliche Bei- gabe«, »weil es nicht möglich ist, die verschiedenen Eigenschaften und Leistungen jedes Baugliedes, in gleicher Art wie das körperliche Schema der Werkform, bloß mathematisch aus dem Begriffe zu konstruieren«^). Damit erkennt Bötticher der Kunstform wir dürfen wohl besser sagen der Schmuckform r4) wieder eine besondere Bedeutung zu, sie gibt den Schlüssel für das Wesen uns verborgener Organe. An Stelle der anthropomorphen oder der kultischen Symbolik

') A. a. O. 237. 8) A. a. O. 334.

') Ebenda. 9) A. a. O. 338. 3) A. a. O. 228a. Vgl. auch Kuglers oben S. 2 ,0) Die Tektonik der Hellenen2. Berlin 1874.

Anm. 4 angeführte Worte. ") A. a. O. 32.

1) A. a. O. 237. ■') A. a. O. 31.

5) A. a. O. 241. >3) A. a. O. 35.

6) A.a.O. 225 ff. 14) Vgl. Lipps a.a.O. II, 509. Außerdem Rieh.

7) J. Hittorf, Recueil des Monuments de Segeste Streiter, Karl Böttichers Tektonik der Hellenen. et de Selinonte. Paris 1870. Hamburg-Leipzig 1896.

Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule.

tritt bei ihm die statische. Seine Erklärung des ionischen Volutengliedes •) aber bleibt auf die Äußerung beschränkt, daß in der involutirten Fascia die hier bloß einseitige Junktur der Säule mit dem Epistylbalken« verbildlicht sei2).

Glaubte Hittorf auf Grund des struktiven Gedankens aus dem damals vor- handenen Material mit Hilfe von Vasenbildern eine lückenlose Entwicklungsreihe bieten zu können 3), so schienen neue Funde diese einfache Linie zu durchkreuzen und das Bild verworrener zu gestalten. Die äolischen Kapitelle mit mächtigen aufsteigenden Voluten 4) brachten eine von den ionischen Gebilden seltsam ab- weichende Form und mußten- um so mehr zur Nachprüfung altgewonnener Er- kenntnisse anregen, als schon seit geraumer Zeit Stimmen laut geworden waren, die eine orientalische Abstammung des ionischen Kapitells behaupteten 5).

Dennoch lehnte Otto Puchstein im Winckelmann-Programm von 18876) die Beziehungen des ionischen Kapitells zum ägyptischen Blütenkelch mit der Begründung »allzuweiter Sprünge«?) ab, trennte den äolischen Typ von dem ionischen, der als eine Kompositbildung8) freilich seine Grundform in altklein- asiatischen, unentwickelten Kapitellen 9) haben dürfte, ohne darum seine Bedeutung als Sattelholz einzubüßen10).

Diese durch eingehende Untersuchungen gewonnenen Ergebnisse glaubt Otto Puchstein zwanzig Jahre später auf Grund genauerer ^Kenntnis vorgriechischer Kunstformen verwerfen zu müssen. In einer zweiten Arbeit über die ionische Säule") führt er die Entstehung des ionischen Kapitells auf den ägyptischen Blütenkelch zurück und erkennt in den äolischen Säulenbekrönungen die unmittel- baren Vorläufer des ionischen Volutengliedes12).

') Unausgesprochen läßt Bötticher, was in diesem 5) Schon Kugler a. a. O. 156 und Schnaase a. a. O. besonderen Falle die Kunstform zum Ausdrucke 34 sprachen diese Auffassung aus. Nach- bringt. — Siehe Lipps' Erörterungen »des ela- drlicklicher sodann Julius Lange, Det ioniske stischen Widerstandes« der Spirale (a.a.O. II, 448) Kapitaeis. Abhandlungen der Kgl. Akademie und Lichtenberg, Die Ionische Säule, Leipzig- von Kopenhagen. Histor.-phil. Abteilung 1S77, New York 1907, 65 ff. Schon Kugler hatte diese 143.

Auffassung vertreten: »In elastisch geschwungener 6) Das Ionische Kapitell. 47. Winckelmann-Pm-

Linie senkt sich dasselbe (das Polster mit Vo- gramm. Berlin 1887. (Im folgenden als Puch-

luten) auf den Echinus nieder . . ., aber in einer stein I angeführt.)

Weise, daß es sich hier spiralförmig, mit ela- 7) A. a. O. 56.

stiscber Federkraft, zusammenzieht, und daß um- 8) A. a. O. 58.

gekehrt aus dem Auge der Voluten stets neue 9) Ebenda und 52. Vgl. auch Gottfried Semper,

Kraft in das Ganze hinauszuströmen scheint.« Der Stil II, 400: »Gewiß bleibt, daß die mehr

(A. a. O. 159.) Vgl. auch Schnaase a. a. O. 37. oder weniger entwickelte ionische Ordnung . .

1) A. a. O. 41. schon auf assyrischen Reliefs vorkommt.«

') A.a.O. PI. 81 und 82: »Transformations succes- I0) A. a. O. 56.

sives des chapiteaux de bois equarri en chadi- ") Die ionische Säule als klassisches Bauglied

teaux ä volutes.« orientalischer Herkunft. (Nach einem Vortrag

4) ^ £'■ J- T. Clarke, American Journal of Arehae- in der Deutschen Orientgesellschaft.) Leipzig

ology II 1886, I ff. u. 136fr. R. Koldewey, 1907. (Hinfort als Puchstein II bezeichnet.)

Neandria, 51. Winckelmann-Programm. Berlin ,!) Siehe auch die nachdruckliche Erklärung in der

1891. Ders., Die antiken Baureste der Insel Anmerkung zu Abb. 51 auf S. 51; der Puchstein-

Lesbos. Berlin 1890. Perrot-Chipiez, Histoire sehen Arbeit. * de l'art dans l'antiquite. Paris 1882 fr. VII Taf. 52.

Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule. r

Mochten aber auch neue Funde ägyptischer und asiatischer Werke eine noch- malige Prüfung der alten Anschauung veranlaßt haben, so hätten sie doch kaum das frühere Urteil völlig umstoßen können, wenn nicht bei der Wiederauf- nahme der Untersuchung mit dem anderen Material auch eine andere Betrachtungs- weise angewandt worden wäre. Im Winckelmann-Programm widmete Puchstein den Profilen verschiedenartiger ionischer Kapitelle seine besondere Aufmerksam- keit1} und erwies damit die Körperform' als das Wesehhafte; bei seinen späteren Darlegungen geht er von der äußeren Erscheinung, von der Schmuckform aus, auf deren oft losen Zusammenhang mit der plastischen Gestalt er dereinst wieder- holt nachdrücklich hingewiesen hatte2).

Es hat den Anschein, als äußere sich in diesem Umschwünge der Einfluß Riegls3) und seiner den Semperianern so entgegengesetzten Bevorzugung ornamen- taler Fragen +); denn vermochten auch nur vereinzelte Gelehrte der neuen Meinung Puchsteins beizupflichten 5), war auch die alte von Guhl und Hittorf erkannte struktive Bedeutung und Entstehung des Volutengebildes zu überzeugend, um plötzlich vergessen zu werden, hatte auch Puchstein im Winckelmann-Programm diese Grundlagen gefestigt und erweitert6), so neigten selbst Anhänger der Sattel- holztheorie zu einer Scheidung nach ornamentalen Formen. Die Trennung in vertikale und horizontale Volutenbekrönungen 7), die Zuweisung der mit auf- steigenden Spiralen bemalten Kapitelle aus Delos und Athen8) zunf äolischen Typus 9), ja selbst die Versöhnung der Gegensätze durch das Ableiten der eigent- lich ionischen Form aus der äolischen10) beruht immerhin auch auf den Umriß- linien des Schmuckmotives und bewertet deren Zeichnung als einen wesenhaften Bestandteil des Kapitellgebildes.

l) Vgl. die wiederholten Hinweise anläßlich der 6) Vgl. auch Kawerau, Archäolog, Jahrb. XXII 1907,

Besprechung aller abgebildeten Beispiele bei 200: »die im 47. Winckelmann-Piogramm vorge-

Puchstein !. nommene Analyse verschiedener Kapitelltypen,

:) Z.B. Puchstein I, 7 und 9/10. namentlich attischer Herkunft, wird in ihrer Geltung

3) A. Riegl, Stilfragen. Berlin 1893. durch die neue Ausführung kaum berührt.«

4) »Wenn Semper sagte: beim Werden einer Kunst- 7) Furtwängler, Zur Einführung in die griechische form kämen auch Stoff und Technik in Betracht, Kunst. Deutsche Rundschau XXXIV 190S, so meinten die Semperianer sofort schlechtweg: 371/72. Wolters in Springers Handbuch der Die Kunstform wäre ein Produkt aus Stoff und Kunstgeschichte I10 (Leipzig 19 15), 151 u. 152. Technik.« Riegl a. a. O. VII. Vgl. auch Hans 8) Vgl. Borrmann, Archäolog. Jahrb. III 1888, 270, Prinzhorn, Gottfried Sempers Ästhetische Grund- Fig. 16; Antike Denkmäler I Taf. 18, 3; Perrot anschauungen. Stuttgart 1909. a. a. O. VII Tafel LIII Fig. I und 4.

5) So z. B. Felix von Lasehan, Entstehung und 9) Kurtwängler a. a. O. 37.

Herkunft der Ionischen Säule, Berlin 1912. (Der I0) Vgl. Noack, Die Baukunst des Altertums, 30.

alte Orient XIII Heft 4.) Meurer, Archäol. Jahrb. Auch Thiersch, der Kaweraus Ansicht bei-

XXIX 1914, 8. M. v. Grootes Schrift, Die Ent- pflichtet, daß in Puchsteins zweiter Schrift »der

stehung des jonischen Kapitells. Straßburg 190;, die Einflull der dekorativen Elemente gegenüber den

schon zuvor eine orientalische Herkunft behaup- zugrunde liegenden Bauformen stark überschätzt

tete, für diese Auffassung aber wenig sachliche zu werden scheint« (a. a. O. 200) nimmt auf

Begründung erbrachte und sich zumeist damit Grund der aufsteigenden Voluten einiger Stelen-

begnügte, Puchsteins Darlegungen im Winckel- kapitelle eine vorübergehende Beeinflussung des

mann-Prograinm zu bestreiten, mag hier auch ionischen durch den äolischen Typus an (a. a.

erwähnt werden. ( ), 207).

Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule.

Die vorliegende Untersuchung geht, gestützt auf die Tatsache, daß die ionische Säule ein körperhaftes Glied des Baukörpers ist, von der Körperform aus und fühlt sich dazu noch besonders veranlaßt durch den auffallenden Widerstreit der abgeflachten Volutengestalt und des gerundeten Schaftes. Der bemerkenswerte Umstand, daß das Volutenmotiv bei einigen Stelenkapitellen nur aufgemalt ist1) und diese Verzierung in den Schmuckformen wechselt 2), läßt es vollends berechtigt, ja geboten erscheinen, Körpergestalt und Ornament nicht als unverbrüchliche Einheit zu betrachten, sondern ihrem jeweiligen Ursprünge im einzelnen nachzu- spüren, um dann die Vereinigung und Vermählung beider in den reifen Werken ionischer Kunst klarer und sicherer zu erkennen.

Grundform und Seh muck form des frühgriechischen Voluten- kapitells.

In der Weihgabe der Naxier zu Delphi sehen wir heute das älteste uns er- haltene Beispiel einer ionischen Säule 3). Neben ihr mögen zwei Stelenkapitelle aus Delos und Athen (Taf. I Abb. i und 2), deren primitive Art sich schon in der unplastischen, nur aufgemalten Verzierung erweist 4), die Urelemente früh- griechischer Volutenköpfe auf rundem Schafte vergegenwärtigen. Gleichviel, ob diese Gebilde einer späteren Zeit entstammen, ihr altertümlicher Typ darf als Stell- vertreter des alten, uns verlorenen gelten. Denn das Unfertige und Unausgeglichene ihres Gesamtcharakters, dessen Formen in vorgeschrittenen Werken nicht Wieder- kehren, muß als Überbleibsel früher Bildungen angesehen werden 5).

Die Stelenkapitelle aus Delos. und Athen (Tafel I Abb. 1 und 2) und die Bekrönung der Naxiersäule (Taf. I Abb. 3) zeigen bei aller Verschiedenheit im einzelnen doch bedeutsame Übereinstimmungen, die den Typus scharf erkennen lassen6). Allen drei gemeinsam ist ein längliches, nach zwei Seiten über den Schaft hinausragendes Querglied mit im wesentlichen linearen Verzierungen der

') Perrot a. a. O. VII Tafel LIII Fig. I und 2. tonischen Formen von Kapitell und Säule gelangt

Puchstein I Abb. 6 und 9. Borrmann a. a. O. Noack a. a. O. 33 zu gleichem Ergebnisse.

Fig. 17. 4) Vgl. Borrmann a. a. O. 275 ff. ; Perrot-Chipiez

*) Fig. 1 und 4 bei Perrot zeigen aufsteigende a. a. O. VII, 630/31; Puchstein II,- 41 und vor

Voluten, Fig. 17 bei Borrmann (lachgeschwungene, allem Kawerau im Archäol. Jahrb. XXI 1 1907.

aber unverbundene, die Abbildungen 6 und 9 197 ff., zumal 206.

bei Puchstein I in Machern Bogen vereinte. 5) Daß es sich nicht um vereinzelte spätere Ver-

3) Für die Datierung der Naxiersäule ist die Arbeit suche einer anderen Ausgestaltung handeln kann, Löwys in den Österr. Jahresh. XII 1909 wohl als wollen die Erörterungen auf S. 23fr. der vor- ausschlaggebend anzusehen. Er erweist aus dem liegenden Studie dartun.

Stile der SphinxS. 261 ff. Furtwänglers Datierung 6) Um ein deutliches Bild der Körperformen zu

auf die erste Hälfte des 6. Jh. als die richtige gewinnen, die für unsere Betrachtung zunächst

(siehe dessen Meisterwerke 715 und Delphica in wesentlich sind, wurden die Aufnahmen nach

der Berliner Philolog. Wochenschrift 1894, 1274), Perrot a. a. O. VII Taf. 53, I u. 4 und Taf. 54

entgegen der Ansicht Homolles' (Bulletin de gewählt. Sie kommen der von Hittorf (a. a. O.

Corresp. Hellenique XXI 1897,188) und Perrots 269 Anm.) angewandten isometrischen Perspektive

(a. a. O. VIII, 394). Aus dem Charakter der tek- am nächsten und gewähren damit zuverlässige Aufklärung über die stereometrischen Verhältnisse der Gebilde.

Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule.

ebenen Stirnseiten und .mit abgerundeten Schmalseiten. Dieses Querglied ist durchaus nicht organisch dem runden Schafte verbunden, was bei der Naxiersäule durch den dazwischen weit ausladenden Blattüberfall besonders betont erscheint, aber bei dem delischen Kapitell, zumal in der Untersicht (Tafel I Abb. ib), am augenfälligsten und überzeugendsten wirkt. Hier ist die technische Verbindung klar erkennbar, eine Formvereinigung aber nicht einmal versucht oder angedeutet. Das Klotzige, fast Ungegliederte des de- lischen und des athenischen Kapitells verrät noch die blockartige Urgestalt, die sich dem aufgemalten Ornament gegenüber spröde verhält. Die Werkform bleibt das Beherrschende, der Schmuck Zutat. Schließt sich dieser auch auf dem athe- nischen Blocke mehr zum Muster, zum einheitlichen Bilde zusammen als auf dem delischen Querstücke, so vermählt er sich doch nicht dem Kapitellkörper. Unter- halb des horizontalen Bandes und über der Palmette bleibt die Steinfläche leer. Die Naxiersäule erreicht freilich eine Verschmelzung von Gestalt und Schmuck, das Volutenglied ist in den Formen der Verzierung plastisch ausgemeißelt, dafür liegt es aber als eine so abgesonderte Platte dem blattgekrönten Schaft auf, daß man meint, sie abheben zu können.

Als körperhafte Grundform der frühionischen Säulenköpfe ergibt sich somit ein geradwandiger, nur an den Schmalseiten geschweifter Querblock, der einem runden Stützgliede aufgesetzt ist, als Schmuckform eingerollte Win- dungen und Palmetten. Ob sich ähnliche Bildungen oder die Formkeime zu jenen wesentlichen Bestandteilen ionischer Kapitelle in den Kunstwerken des Orients finden, soll die folgende Untersuchung zunächst erweisen. Dann erst kann die künstlerische Aufgabe verstanden und ihre Erfüllung auf griechischem Boden be- trachtet werden.

ÄGYPTEN. Pflanzensäulen und gemalte Baldachinstützen.

Wir kennen in der ägyptischen Architektur außer den Papyrus-, Lotus- und Palmsäulen1), die im Naturmotiv einheitlich bleiben, obgleich ihre schwanken Stiele oft zu Bündeln zusammengefaßt werden, auch Pflanzenstützen mit gemengten, verschiedenartigen Blüten1). Wenn Puchstein das ursprüngliche Vorbild dieser Mischlinge in den zahlreich auf Wandgemälden dargestellten Baldachinträgern und Laubenpfosten zu finden meinte, so lag der Einwand nah, daß sich doch die im Bündelschaft zusammengedrängten Stiele 3) wesentlich von den Etagentürmen

') Vgl. hierzu Catalogue du Musee de Caire 191 1 ; 3) Die Frage, wie die ägyptische Säule entstanden,

Borchardt, Die ägypt. Pflanzensäule. Berlin 1897; ob der Einzelstamm oder das Bündel die frühere

Petrie, Tell-el-Amarna. London 1894; sodann von Form ist, braucht hier nicht erörtert zu werden,

älteren Werken: Prisse d'Avennes, Hist. de l'art Siehe Borchardt a. a. O. ; derselbe, Zeitschrift

egyptien. Paris 1879; L. Sybel, Kritik des ägyp- für ägyptische Sprache und Altertumskunde XL

tischen Ornaments. Marburg 1883, passim. 1903; Köster, Zur ägyptischen Pflanzensäule,

J) Z. B. Puchstein II Abb. 2S. ib. XXXIX, die weitere Literatur angeben.

Ferner Lichtenberg a. a. O. 34.

8 Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule.

jener gemalten Baldachinsäulen unterscheiden, deren Übereinanderlagern konstruktiv unverständlich bleibt (Tafel I Abb. 4 und 5). Und in der Tat haben die Gegner der Puchsteinschen Ansicht, das ionische Kapitell leite sich von den »Lilien«- Kelchen ägyptischer Kompositkapitelle her1), die technische Möglichkeit jener seltsamen Gebilde bestritten. Für freie Erfindung oder mindestens phantastische Ausschmückung des Malers müsse man diese Blütensträuße halten, keineswegs entsprächen sie Vorbildern aus der Wirklichkeit2).

So einleuchtend dieser Einwurf auch ist, so sehr er mit einem gewissen Rechte den Beweis für die reale Existenz jener Darstellungen denen zuschiebt, die eben diese Existenz behaupten, er scheint doch nicht zwingend genug, um die Hypothese vollständig zu entkräften. Denn sollte auch diese Häufung von Gebilden eine phantastische Wucherung sein, so bliebe doch die Möglichkeit offen, daß ein Teil davon und eben jener wichtige ;>Lilienkelch<:3) als Säulenbekrönung gedient habe.

Freilich selbst damit wäre noch immer nichts für die Beziehung des ägyp- tichen Lilienkapitells zur ionischen Volutenbekrönung gewonnen; denn entsprächen auch die gemalten Baldachinsäulen wirklichen Pfosten leichter altägyptischer Bauten so begründete das noch keineswegs einen tektonischen, ja auch nur einen Form- zusammenhang jener Lilienkelche mit irgendeinem ionischen Kapitell.

Oder dürfen wir mit Otto Puchstein in der Umgestaltung des Lilienmotives vom Naturalistischen zum rein Künstlerischen, deren Entwicklung sich auf ägyp- tischen Gemälden und Reliefzeichnungen, im ägyptischen Ornament, in assyrischen und zuletzt in griechischen Mustern stufenweise verfolgen läßt, eine Parallele zu der Umwandlung des ägyptischen Lilienkelches in das ionische Kapitell erblicken ?4)

Dagegen erhebt sich sogleich ein gewichtiges Bedenken: Untrennbar von dem Begriff des ionischen Kapitells ist die längliche Grundrißform des Voluten- stückes. Weicht auch der Abakusumriß in vorklassischen Kapitellen bald ein wenig mehr ins Rechteckige, bald mehr ins Quadratische ab, der Volutenkörper behält stets die langgestreckte Gestalt bei.

Alle ägyptischen Säulen, die in Stein erhalten sind, zeigen hingegen, gleich den mykenischen und dorischen, einen im ganzen runden Umriß des Kapitell- saumes5). Bringt man aber jene Lilienkapitelle gemalter Baldachinsäulen in irgend- einen näheren Formzusammenhang mit dem ionischen Volutengliede, so' wäre doch die stille Voraussetzung geboten, auch die ägyptischen Lilienkelche als ab- geflachte Gebilde (mit rechteckigem Querschnitte) aufzufassen6).

') Siehe auch Julius Lange a. a. O. mit Puchstein eine Lilie, Dieulafoy die geöffnete

2) So urteilt z. B. Lichtenberg a. a. O. 39 und Lotusblute, Thiersch unterscheidet Lilie und Iris. Noack a. a. O. 36. 4) Vgl. dazu auch Furtwängler a. a. O. 243; Sybel

3) Als Lilie bezeichnet Puchstein die Blüte »mit a.a.O. 7; Riegl a.a.O. S. XIII. dreiblättrigem Hüllkelch, zwei nach außen über- 5) Die Ausbogungen der Pflanzensäulen, /. B. Puch- fallendcn Blumenblättern und einem Kolben in stein II, Abb. 30 und 31, beeinträchtigen natür- der Mitte«. Über das Urbild dieser Korm ist lieh diesen kreisförmigen Gesamtkontur nicht, viel gestritten worden. Meurer nennt es einen 6) Dieulafoy, L'art antique de la Perse, III. "Paris Lauch, Luschan und Würz die Palme, Borchardt 1885, betont, die schmale Deckplatte sei für das

Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule.

Die ägyptische Linearzeichnung und ihr körperhaftes Urbild.

Allerdings erscheinen die Lilienbekrönungen der Baldachinsäulen auf den Malereien wie flachgepreßt, doch jeder Vergleich einer ägyptischen Zeichnung mit perspektivisch aufgenommenen Abbildungen steinerner Säulen macht die ägyptische Darstellung als die möglichst liriienhafte Wiedergabe eines körperhaften Gebildes klar, und niemand wird annehmen, daß z. B. auf Abb. 26 bei Puchstein II die Basis ein schmales Brett, der Schaft ein bandartiges zweidimensionales Glied, die Umschniirungen flache, ebene Horizontalstücke und endlich die halberblühte Knospe der Lotusblume ein plattgedrücktes Etwas sei, das im wesentlichen nur zwei also flächige Ausdehnungen besitzt.

Was auf der ägyptischen Zeichnung in das spezifisch Linienhafte übertragen ist, entspricht einem in Wahrheit runden Gebilde, dessen Umriß in möglichst klarer Vereinfachung, ohne Überschneidung dargestellt ist.

Daß für die Flächendarstellung eine solche Vereinfachung und Übertragung in die reine Liniensprache dem ägyptischen Auge und seinen künstlerischen Be- dürfnissen entsprach, bezeugt das Gesamtmaterial der ägyptischen Reliefs und Zeichnungen.

Das Plastische, ja das Tiefenhafte ist eben mit der Linie nur mittelbar, nur andeutend darzustellen und wird aus der ägyptischen Zeichenkunst verbannt.

Für die Skulptur gelten andere Gesetze. Ihr ist das Körperhafte das spezi- fisch Gegebene. Um den Körper in deutlichster Form wirken zu lassen, ihn als das Wesentliche zu betonen, wird in möglichst frontaler Einstellung die Symmetrie der Körpermassen gesucht, die Gestalt gebaut. In der Flächendarstellung schweigen die Massen, schweigt das Volumen. Hier spricht die Linie und sie allein. Und so wählt der Ägypter die denkbar einfachste, vor allem die eindeutige, eindring- liche Einstellung, um jedes Glied der Erscheinung auf lineare Klarheit zu pressen. Deshalb stellt er das Gesicht scharf ins Profil, das es am faßbarsten gibt, den Rumpf aber in die Vollansicht, weil diese die Schulterlinie freilegt und den Um- riß der Arme verfolgen läßt, und breitet die Hände voll aus, um der Linie jedes Fingers ihr Recht zu lassen.

Wie die Papyrusdolden und Lotusblüten wohl in der Säule zu voller körper- licher Rundung ausgeformt wurden, in der Zeichnung aber flach und körperlos erscheinen, ohne die Weite und Fülle ihres Kelches zu verraten, so sind auch die »Lilien «-Darstellungen nach dem Naturvorbilde körperhafter Kelche ins Flächen- hafte projiziert (Tafel I Abb. 4 und 5).

Das »Lilien« - Kapitell und die ägyptische Flächenperspektive. Doch es bedarf gar nicht dieses Analogieschlusses, um für die flachen Lilien- kelche ägyptischer Umrißbilder auch ihre körperhafte Rundgestalt in ägyptischen

Volutenkapitell bezeichnend (S. 41), ja es sei aus gemalten Volutenkapitelle seiner Kig. 20 und 23

dem üblichen Lotuskapitell überhaupt erst da- haben aber keineswegs eine größere Längenaus-

durch entstanden, daß man einen rechteckigen dehnung, die zu dieser Erklärung berechtigen

Abakus auflegte (S. 39). Die Deckplatten der würde.

IQ Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule.

Kapitellen als sicher hinzustellen. Wir haben den direkten, unleugbaren Beweis vor Augen ! ») Als Beleg diene eine Säule der ägyptischen Spätzeit in Turin 2) (Tafel I Abb. 9), die eine Fülle von durchaus gerundeten Lilienkelchen am Kapitell trägt. Ein Vergleich dieser Blütenbekrönung mit den Zeichnungen ägyp- tischer Baldachinsäulen ergibt klar, daß der Lilienkelch bei jener Übertragung in die Flächenkunst in genau der gleichen Weise wie auf dem Bilde des Lilien- und Papyrusdickichtes (Abb. 9 bei Puchstein II) ins Profil gerückt ist; statt des ge- rundeten körperhaften Kelches ward sein klarster, prägnantester Umrißausdruck gesucht mit jener unbarmherzigen Konsequenz und Energie, die den verkürzt er- scheinenden, überschnittenen Teilen rechts und links kein Recht zubilligt 3).

Die runde Gestalt des ägyptischen Volutenkelches wird noch durch zwei weitere Beispiele erwiesen: das hölzerne Blütengebilde, von Garstang aufgenommen 4) gehört der Zeit des mittleren Reiches an (Tafel I Abb. 8), aus Theben stammt das Lilienkapitell bei Durm5). Dieses besteht aus einem Lilienkelch ähnlicher Art, wie sich rund um die Säule im Turiner Museum (Tafel I Abb. 9) ihrer viele drängen. Mit Recht zeigt die Durmsche Abbildung das Lilienkapitell in anschau- licher Dreidimensionalität. Unser Auge sieht klar ein zur Volute umgerolltes Kelchblatt in der Vollansicht, von zwei weiteren erscheinen die Profile, und das vierte in der Mitte der verdeckten Rückseite ist nun leicht zu ergänzen. Von einem derart plastisch dargestellten Kapitell (Tafel I Abb. 6a) gewinnt man die ägyptische Flachdarstellung nicht einfach durch Fortlassen des die Rundung ma- lenden Schattens. Nicht unsere, dem Naturvorbild getreu folgende, recht eigent- lich mathematische Linienzeichnung, sondern die hierarchisch strenge, den Ge- setzen der Wirklichkeit entrückte, rein künstlerisch bedingte, extremste Umriß- pressung müssen wir erreichen, um es den ägyptischen Zeichnern gleichzutun.

Das Kapitell ist um 45 ° gedreht zu denken, sodaß die Mitte des unteren Kelchblattes, nicht das obere Volutenblatt, dem Beschauer gegenübersteht, flankiert von zwei aufgerollten Kelchblättern, deren Gestalt zunächst, auf der Schwelle zwischen Voll- und Seitenansicht, in der Umrißlinie etwas unbestimmt erscheint. Rechts und links bleibt ein Stück Kelchblatt am unteren Teile, Kelchrand am oberen übrig. Auch diese Stücke sind Andeutungen, Ansätze von Formen der abgewandten Seite, die in die Vorderansicht hineinragen, und deren Sinn als überschnittene Anfänge rückwärts gelegener Kelchteile verständlich, aber nicht spontan dem Auge gegeben ist. Diese Unklarheiten gilt es zu bezwingen, um

■) Dies muß entgegen Thiersch' Behauptung (Zeit- förmige Gebilde überhaupt erklären, das auf

schrift für Architektur I 190S, 260), daß tragende Abb. 59 bei Puchstein zweimal wiederkehrt:

1 .iliensäulen in Ägypten nicht vorkommen, durch- (Tafel I Abb. 5). Es ist der geöffnete Papyrus-

;ius betont werden. Vgl. auch Lichtenberg a. a. O. kelch, der sich rund um den Bündelschaft legt,

39 und Noack a. a. O. 36. in Wahrheit dem Auge stark verkürzt erscheinen

>) Meürer, Vergleichende Formenlehre des Oma- müßte, vom ägyptischen Künstler aber flach äus-

ments und der Pflanze. Dresden 1909, Abb. gebreitet wird.

■S, 261. 4) Burial Customs of Ancient Egypt. London 1907,

3) Wie läßt sich denn, ohne Verständnis für ägyp- 141 Fig. 139.

tische Flächenperspektive, das halbscheiben- 5) Durm, Die Baukunst der Griechen 3, Abb. 331.

Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule.

ein Bild zu gewinnen, das freilich die Wirklichkeit vergewaltigt, selbst aber in strenger Gebundenheit den Gesetzen reinlinearer ägyptischer Darstellung unter- worfen ist1). Meine Zeichnung Taf. I Abb. 6 b veranschaulicht die ägyptische Flächenperspektive in ihrer praktischen Anwendung. Leichter noch ist die Über- tragung des Garstangschen Kapitells (Taf. I Abb. 8) in den ägyptischen Zeichenstil. Das vordere Kelchblatt, dessen Umrollung die Umrißlinien verkürzt, ist fort- zulassen und die Seitenblätter in der Mitte zusammenzuführen.

Diese einfache Klarstellung erweist, daß sich die Körperform ägyptischer Lilienkapitelle bedeutsam von der Gestalt griechischer Volutenglieder unterscheidet. Während sich jene rundplastisch als Blütengebilde ausformen, bleibt der Schmuck der abgeplatteten altertümlichen ionischen Werkstücke Zutat. Das Ziermotiv findet sich freilich in ägyptischen Ornamenten vorgebildet, aber nur in "ganz flachen Gegenständen wird es mit silhouettenhafter Wirkung, die den von Puchstein ab- gebildeten Malereien gleichkommt, dort gestaltet-). Irgendein noch so fernes

') Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, daß die »Lilienkelche« fast auf jedem Bilde etwas ver- schieden dargestellt werden, und darum auch unsere Abstraktionszeichnung nicht im einzelnen genau einem bestimmten Originalbilde gleicht. In den Variationen desselben Typus, wie ihn die Abb. 27a, b, c bei Puchstein II zeigen, sehen mit Recht alle Forscher das gleiche Ge- bilde, das sie freilich so verschieden Sudzeichen, Lilie, Lotus, Palmkrone benennen. Vgl. dazu Tafel I: Abb. 7a zeigt eine Reproduktion des steinernen Paryruskapitells, Abb. 7b und 7c ägyp- tische Klächenzeichnungen desselben. In gleicher Weise bringen die Abb. 6c und 6d »Lilienkelch«- Kapitelle ägyptischer Malereien, denen die Durmsche Kelchbekrönung Abb. 6a in der Haupt- form entspricht.

2) Vgl. die Emailplättchen, die z. B. E. Würz, Spirale und Volute. München 1914 in Nr. 81, 82 nach Dieulafoy abbildet. Da ist Zier und Ge- bilde eins geworden. Thiersch a. a. O. 263: Dieulafoy, der bei den Verzierungen der Elfen- beine usw. von ihrer Ausführung sagt: »en ge- neral faites au trait ou en bas-relief«, bezeichnet damit treffend, wie diese Umrißformen von Körperformen verschieden sind. Ob freilich die Volutenkapitelle dargestellt wurden: Eher ist eine Darstellung des Urbildes anzunehmen (a.a.O. 41).

Schmückend sind auch die BiUten am »Granitpfeiler mit Papyrus und Lilien« vom Annalensaal Thutmosis* III. (Noack a. a. O. Tafel 48c). Sie entwachsen organisch ihren Stielen und sind in keiner Weise tektonisch dienstbar, sondern rein als Ziermotiv dem Bau-

gliede aufgelegt. Vgl. auch Thiersch a.a.O. 260. Meurers Behauptung, das »sogenannte SUdzeichen des Vereinigungswappens von Ober- und Unter- ägypten« sei als »Vorläufer des ionischen Kapi- tells« anzusehen, stützt sich seltsamerweise auf die Reliefdarstellung jenes Wappens an den Chefrenstatuen im Museum von Kairo (Vgl. Ca- talogue generale du Musee du Caire Bd. 53, S. 17 und 18, abgebildet auch bei Würz a. a. O. Nr. 106 und F. W. v. Bissing, Die Kunst der alten Ägypter, Leipzig 191 1, Tafel III Fig. 3). Mit dem Volutenkapiteü haben die dort an den Thronseiten dargestellten Blüten aber auch nicht einmal eine äußere Ähnlichkeit. Denn gerade jener Kelch, den Meurer als »ein frühestes Bei- spiel« der »Umgestaltung zu einem tragenden Gliede« anspricht, zeigt unabweisbar eine ge- rundete Gestalt, die freilich im Relief nicht körperhaft ausgemeißelt werden konnte. Es fällt die große Ähnlichkeit mit Palmkapitellen ägyp- tischer Säulen auf, und somit verliert die Be- hauptung, daß die Blüte »hier als ein Kapitell gedacht ist«, an Gewicht. Auf der bei Bissing abgebildeten Thronverzierung ruht der »Abakus« durchaus nicht auf einer Blüte, sondern liegt über dem mittleren Schaft, an den die Blumen- stiele der Wappenpflanze geknüpft sind. Daß diese säulenartigen Mittelglieder »die Sitzfläche des Thrones stutzen«, kann angesichts der nur flachplastischen Reliefarbeit doch kaum behauptet werden. Es scheint vielmehr, als seien die Pflanzen in symmetrisch dekorativer Weise, eben wappenmäßig, zum Schmucke des Thrones zu- sammengefügt worden, und als schüfe jener Abakus den vermittelnden Übergang zwischen

12 Julie Kraun-Vogelstcin, Die ionische Säule.

Urbild der frühionischen Volutenkapitelle, deren Körperform das Eigenartige ist, bietet die ägyptische Architektur nirgends. Die flachen Papyruskelchdarstel- lungen ägyptischer Baldachinstützen geben die ins Flächenhafte übertragene Pa- pyrusdolde, deren Rundgestalt als ägyptisches Säulenkapitell auf den stereometrischen Abbildungen deutlich wird. In den flachen scheibenförmigen Seltsamkeiten jener gemalten Baldachinstütze (Tafel I Abb. 5) bietet sich der überzeugende Beweis für die Art, wie in Ägypten die Linienzeichnung sich ein körperhaftes Gebilde zurechtlegt, wie sie es in ihre Eigenart transponiert; und diese Erkenntnisse führen zu dem Schlüsse, daß auch dem ägyptischen Lilienkelchkapitell der Baldachin- säulen ein gerundetes Naturvorbild, ja ein gerundetes Säulenkapitell zugrunde liegt (vgl. Tafel I Abb. 6a, 6b und 8). Damit erscheint die Frage, ob das ionische Volutenkapitell als Körper, als Gestalt auf das ägyptische Lilienkapitell zurück- gehen kann, durchaus verneint zu sein. Jene wesenhafteste Eigenschaft des ionischen Volutengliedes, die rechteckige quergelagerte Form, ist in keinem ägyp- tischen Kapitelle vorgebildet. Daß diese ägyptischen Kapitelle Darstellungen sind, die ionischen aber Eigenbildungen mit rein schmückenden Motiven, geht dabei auch klar hervor, erweist sich aber nicht als ein so schlagendes Argument gegen die Puchsteinsche Ansicht, da eine Umbildung der ursprünglichen orientalischen Naturform zu abstrakter Kunstform, analog der Ornamententwicklung von ägyp- tischer zu assyrischer, zu griechischer Typik, durchaus denkbar wäre. Unerklärlich aber bleibt bei Puchsteins Auffassung, wie aus dem runden, allseitigen Kapitell- körper ägyptischer Lilienkelche, der- einem runden Schaft organisch entwächst, der klotzige, ungehobelte rechteckige Block ionischer Volutenkörper entstehen sollte, der dem Rundstamm der Säule nur äußerlich, nur künstlich verknüpft werden kann.

BABYLONIEN. Voluten stützen.

Aus dem Gebiete der babylonischen Kunst hat man die Doppelvoluten- ornamente des Ziegelmosaiks im Thronsaale Nebukadnezars1) (Tafel II Abb. 1) als Kapitelle und Säulen angesprochen2). Die gleichmäßige, gleichfarbige Umsäumung von Schaft und Krone läßt aber eher eine Darstellung eckiger Pfeiler3) vermuten. Jedenfalls verspüren wir nichts von einem Konflikte zwischen Rundglied (Schaft) und Balkenglied (Kapitells der auf allen ionischen Gebilden sichtbar wird. Und nähme man darum entgegen dem augenfälligen Flacheindruck an, daß der Schaft

der Darstellung des Wappens und dem tektoni- ein flacher Blutenkelch ist nicht bei ihnen wahr-

schen Gebilde, dessen struktiv unwesentliche zunehmen. Vgl. Meurer, Archäol. Jahrb. XXIX

Fläche sie schmücken. Denn sollten die Pflan- 1014. 8.

zen wirklich als Stützen des Thronsessels dienen, ') Zuerst in den Mitteilungen der Deutschen Orient-

und nicht nur sinnbildlich als solche erscheinen, Gesellschaft Nr. 13 abgebildet.

so wurden sie nicht an den Seiten funktionslos ») Puchstein II, 6. I.uschan a. a. O. 23. Koldewey,

aufsteigen und abfallen, sondern das Gewicht Das wiedererstehende Babylon (1913). 103, 104.

des Querlagers auffangen. Wie immer man sie 3) So nimmt auch Lichtenberg an. a. a. 0.'5o.

aber auch anschauen mag, ein oblonges Kapitell, Springer l1", ö^.

Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule. »•

rund vorzustellen sei, so läge der Schluß nahe, auch die Volutenkelche im Urbild körperhaft rund zu denken.

Alle Motive des Mosaiks sind ornamental behandelt und gestatten keinen einfachen Rückschluß auf Natur- oder Architekturvorbilder1). Wie die Rosetten in strenger Stilisierung und Anordnung alles Naturhafte abgestreift haben, so bietet auch das Volutenmuster, das ein Wandschmuck ist und vielleicht einer Wandgliederung entsprach, keinen Beweis für die tektonische Verwertung ähnlich gestalteter Ge- bilde als Träger oder Stützen an babylonischen Bauten, denen Säulen etwas Fremdes bedeutete3).

Es fehlt zum mindesten ein Zwischenglied, das als Auflager dienen könnte. Die Palmette, weit über die Volutenbögen hinausragend, ist in dieser Form natür- lich jeglichem Gebälk, das wir zu ergänzen hätten, im Wege. Aber selbst, wenn wir sie fortdenken, bleibt die völlig abgerundete obere Kelchform konstruktiv un- verwertbar. Statt einer Verteilung des Gebälkdruckes auf einen geeigneten Last- empfänger würde hier ein Zusammenziehen des Gesamtgewichtes auf eigentlich zwei Punkte erreicht werden. Diese beiden höchsten Kelchrandstellen müßten der Schwere erliegen und abbrechen.

Freilich bliebe noch immer die Möglichkeit, als Urbilder dieser ornamental verwerteten Volutenformen freistehende Stelen zu vermuten, die keinerlei Trag- dienste zu leisten hatten. Diese Frage mag hier offen bleiben. Im Verlaufe unserer Untersuchung werden wir in Kypros ähnlichen Gebilden begegnen 3) , mit der notwendigen Verdichtung in das Stoffliche, wie sie ein tektonischer Gegenstand bedingt, und gerade dieser Vergleich bestätigt den auffälligen Ein- druck, daß die Volutenglieder des Ziegelornamentes, wenn man in ihnen über- haupt die Wiedergabe eines tektonische n Gebildes sehen will, ohne jede Gegensätzlichkeit zur lotrechten Stütze, und mit ihr gleichmäßig um- säumt, einen einheitlichen Körper, einen rechteckigen Pfeiler mit rechteckiger Bekrönung darstellen. Der Widerstreit von Rund und Eckig, der die ionischen Säulen kennzeichnet und dessen Herkunft wir nachspähen, ist selbst bei freiester Ausdeutung dieses Mosaikmusters nicht wahrzunehmen.

Ersichtlich konfliktlos fügen sich auch die Doppelvoluten der Standarte von Assur4) an den rechteckigen Stab ; sie sind in keiner Weise tektonisch dienstbar, denn ihre Breite wird von dem darüber aufragenden Stangenstücke nicht einmal völlig ausgenutzt, und die Voluten ihrerseits nehmen nicht die ganze Fläche in Anspruch. Wie ein Schmuckmotiv sind sie dem Stabe aufgesetzt. Dessen- ungeachtet mag eine tiefere symbolische Bedeutung der Volutendarstellung durch- aus bestehen, ja sie wird durch einen Vergleich mit dem in vielen Formen über-

') Thiersch a. a. O. 262 erkennt in dem Ornament Scholle im ganzen fremdartig erscheinen mußte;

eine umgewandelte Darstellung von Krone und denn der kannte fUr gewöhnlich weder

Kelch der Iris. Säulen noch Gebälke«.

s) Koldewey a. a. O. 104 spricht von einer Säulen- 3) vgl. Koldewey a. a. O.

Stellung, »wie sie der König und seine Leute 4) Vgl. Mitteilungen der Deutschen Orientgesell- wohl im Westen bei seinen Kriegszügen gesehen schaft Nr. 32, 22 und Puchstein II, 5 Abb. 1 ; haben konnten, wie sie aber dem Bahvlonier der Luschan a. a. O. 24 Abb. »22.

14 Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule.

einstimmenden Gegenstande, der auf dem Sippara-Relief1) vor dem Throne* des Sonnengottes steht, vielleicht nahegelegt. Auch dort ist eine runde Scheibe in ein Gestell gefügt, das in Windungen ausschwingt.

Das Kapitell der Baldachinstütze« auf diesem babylonischen Relief scheint dagegen eine runde Baumkrone darzustellen (Tafel II Abb. 2). Man vergleiche damit nur den Baum auf dem assyrischen Zylinder bei Ward Nr. 707 »), der durch die befruchtende Handlung des geflügelten Dämon 3) als Palme gekennzeichnet ist, oder das Baumgebilde auf dem Orthostaten von Saktsche-Gözii (Luschan a. a. O. Abb. 23), das ähnlich eingerollte Formen zeigt und trotz der flächenhaften Wieder- gabe als Palme gedeutet werden muß. Die symmetrisch flach ausgebreitete stili- sierte Vedutenkrone des Sippara-Reliefs mag, analog den eben angeführten Werken, einem runden Xaturvorbilde entsprechen, an welches der mit Blattstümpfen be. setzte Stamm auch noch ausdrücklich erinnert. Für eine struktive Stütze fehlt die deutliche Eingliederung in den Bau, die Betonung des Zusammenhanges. Vieles weist daraufhin, daß nicht ein Architektur-, sondern ein Naturgebilde dargestellt ist. Andere assyrische Reliefs bilden Zelte mit zum mindesten zwei Stützen ab und das Dach greift entweder in deren Pfostenköpfe ein (vgl. Puchstein II Abb. 35) oder die Zusammenfügung der lastenden und tragenden Glieder wird unterhalb der Stangenbekrönungen sichtbar (Puchstein II Abb. 34 und 35). Dagegen steht der einzige bekrönte Stamm des Sippara-Reliefs frei vor dem Sonnengotte, und damit drängt sich die Frage auf, ob die Palme hier nicht eine rein kultische Be- deutung hat und als Wiedergabe des geheiligten Baumes, der lebenden Pflanze, die keinerlei tektonische Dienste verrichtet, angesehen werden müßte*).

Wohin wir auch in Babylonien blicken, nirgends finden wir die Ahnen des ionischen Tragkapitells. Der Ursprung seiner abgeflachten Gestalt und des un- organischen Verknüpfens zweier formfremder Glieder läßt sich aus den Werken babylonischer Architektur nicht erklären.

ASSYRIEN. Reliefdarstellung. Auch assyrische Volutenkapitelle sind nur aus Relief bildern bekannt. Wie sehr bei diesen mit einer, der ägyptischen Flächenkunst ähnlichen Übertragung in die Ebene zu rechnen ist, macht z. B. die Darstellung einer Dattelpalme deutlich, die Puchstein II Fig. 16 abbildet. Ja das Verflachen des Baumkörpers zu einem ebenen Gebilde scheint hier noch strenger durchgeführt als in dem ägyptischen Gegenstücke 5).

■) Siehe Perrot a. a. O. II, 21 1; Puchstein II, 30; Proceedings of the Society of Biblical Archaeo-

Luschan a. a. O. 32; Lichtenberg a. a. O. 47, logy XII London 1889/90, 383fr.

Abb. 41. Das Relief wird in das 9. Jahrhundert 4) Vgl. auch F. Hommel, Memnon I 1907, Soff.,

datiert und geht somit um etwa drei Jahrhunderte der in dem Sippara-Relief die Symbolisierung des

dem Nebukadnezarmosaik voran. Paradiesbaumes und der Schlange sieht.

J) Ward, The Seal Cylinders of Western Asia. 5) Luschan a. a. O. 36. Material zu diesen Fragen

Washington 1910. findet man bei Place, Xinive et l'Assyrie. .Paris

1) Siehe Ed. B. Tylor, The winged l'tgure«. In: 1867—70, und Ward a. a. O.

Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule. ] -

Nach gültiger Ansicht1) kannte die assyrische Architektur ursprünglich keine Säulen. Es heißt, daß sie erst mit dem neuassyrischen Reiche auftreten2), und nur wenige Beispiele sind auf uns gekommen.

Für die vorliegende Untersuchung besonders merkwürdig ist ein von Voluten eingefaßtes flächiges Gebilde, das wir aus dem Relief von Chorsabad 3) kennen (Tafel II Abb. 3). Zwar muß man auch hier mit einer halbplastischen Form statt eines erhaltenen Säulenkörpers fürlieb nehmen, aber diese Darstellung unterscheidet sich im Charakter doch wesentlich von allen bisher betrachteten Umrißbildern. Der Säulenschaft ist wirklich gerundet nur die Frage ob Halb- ob Vollsäule bleibt unentschieden , steht deutlich auf einer gerundeten Basis auf .und endet mit sichtlich gerundeten Wülsten. Darauf lagert ein Doppelvolutenstück, dessen Form viel mehr der darüber befindlichen Deckplatte als dem vollen Schaftkörper ähnelt. Nichts erinnert an einen Blütenkelch, der aus dem Schaft aufwüchse, fremd ist die Volutenplatte dem runden, abgeschlossenen Säulenstamm, der selbst nichts Gewachsenes, kein Naturgebilde ist oder es darstellt. Ja auch die Ver- zierung des Querstückes hat etwas durchaus Geometrisches, das in seiner unkomplizierten und anspruchslosen Art gewiß nicht als Ergebnis einer letzten Stilisierung der Naturform zur Kunstform anzusprechen ist. Dieser kunstlose Werkcharakter und die in seiner Eigenschaft als Lastempfänger der Gebälk- form angepaßte Flachgestalt ist für die Beurteilung dieses Kapitells entscheidend, keineswegs die horizontale Volutenverbindung. Denn horizontal sind z. B. auch die Voluten ägyptischer Baldachinkapitelle bisweilen verbunden, wie Abb. 6 c auf Tafel I zeigt 4). Nur weist das ägyptische Bild deutlich auf einen Kelch hin und läßt als solchen, wie sich ergab, nur eine Rundform denken, keinen flachen Gebälkträger, während das assyrische Volutenstück als ein sich verklammernder Balken, als ein reines Zweckglied erscheint.

Hier also bietet sich zum ersten Mal ein Volutengebilde, das weniger Bekrönung als Widerlager ist, eine flache ebene Werkform auf einem runden Säulenkörper, die auch nicht einmal den Versuch macht, sich aus der Natur ein Schmuckmotiv zu entlehnen und in sein Gewand zu kleiden.

Das Relief von Chorsabad mit seinem Flachkapitell über rundem Schaft scheint demnach der ionischen Säule im Körperbau verwandt; doch bleiben bei der Kleinheit des Bildwerkes die tektonischen und formalen Einzelheiten arg im unklaren 5).

') Puchstein, Archäol. Jahrb. VII 1892, 7: »Aus (pieu sacre) auf der Stele des Gudea, der völlig

alledem geht mit vollkommener Sicherheit her- einer Säulenform gleicht (Monuments Piot XVI

vor, daß die Säule der echt assyrischen Palast- Paris 1909, Tafel 1 Kragm. 3).

architektur immer gefehlt hat und erst als Be- 3) Vgl. auch P. E. Botta, Monuments de Ninive,

standteil des hethitischen Chilani an den Tigris Vol. II, Paris 1S49. PI. 114.

gelangt ist«. L. W. King, Journal of Hellenic 4) Vgl. Julius Lange a. a. O. 123, der, gemäß

StudiesXXX 1910, 327 fr. G. Rawlinson, The Five seiner Theorie, die Beziehungen der Chorsabad-

Great Monarchie? of the Ancient World, I 380, Voluten sowohl nach Ägypten hin als zu den

389. ionischen Kapitellen behauptet.

») Siehe aber den Wappenkolben als heiligen »Pfahl« 5) Siehe King a. a. O. 333 und 334.

l6 Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule.

Ersichtlich unterscheidet sich zumal das eingerollte Glied des Chorsabad-Reliefs von den frühgriechischen Volutenkapitellen durch die geringere Länge im Verhältnis zu den Maßen des Säulenschaftes. Es läßt sich nicht als der Unterzugbalken unter dem Dachbalken erklären, sondern ist ein gedoppeltes Vermittlungsstück zwischen diesem abgeschrägten Lastempfänger und der runden Säule. In ähnlicher Weise gaben .assyrische Geräte einen vielfach gestuften allmählichen Übergang vom Rund der Stütze zum abgeflachten Oberteil1).

Die gleichen Zweifel erweckt auch das Relief von Kujundjik2), das King an ein templum in antis gemahnt. Auffallend ist hier, daß die einrahmenden Pilasterbekrönungen aus aufeinanderlagernden Voluten bestehen und sich nicht wesentlich von den Säulenkapitellen unterscheiden; eine sehr bemerkenswerte Tatsache, die mit der Ableitung dieser Formen aus ägyptischen Vorbildern (King) durchaus nicht erklärt wird. Denn nirgends lassen sich in Ägypten abgeplattete Volutenkapitelle nachweisen 3). In diesem Zusammenhange wird denn auch die Annahme bedeutungsvoll, daß ionische Werkleute, die als Gefangene aus dem cilicischen Feldzuge an den Bauten Sanheribs tätig waren, von Einfluß auf die assyrische Architektur gewesen seien 4).

Volutenendung am flachen, einem flachen Körper auflagernden Balken zeigt das kleine Relief, das Rawlinson a. a. O. auf S. 389 Fig. III abbildet. Hier kann von einem Anklang an Naturvorbilder, an pflanzliche Formen schlechterdings nicht gesprochen werden. Der vorstehende Türbalken rundet sich an den Enden aus. Freilich fehlt auch jegliche Vergleichsmöglichkeit mit ionischen Volutenbekrönungen und ihrer bedeutsamen Gegensätzlichkeit zu dem ^runden Stützgliede. Dagegen ähnelt die' Art der Verwendung ein wenig den eingerollten Gliedern' auf dem Chorsabad-Relief. Rawlinson hält diese für verstümmelte Steinbfickhörner und findet seine Annahme in dem Widderkapitell von Nimrud bestätigt 5). Liegt nicht viel- mehr eine gewisse Übereinstimmung dieser Kapitellformen von Nimrud mit dem Oberteil der Basaltstele von Assur (siehe Exkurs I) vor.' Und läßt sich die Stütze, die den Steinbock trägt, nicht eher als ein eckiger freilich nur vier- kantiger — Pfeiler auffassen, für den dann wiederum eine flache Bekrönung das Gegebene wäre?

Unsere Ausbeute in Assyrien bleibt gering. Spiralklammern an Geräten der Kleinkunst und an winzig im Relief dargestellten Bauten geben über die tek- tonischen Fragen keine Auskunft, wenn freilich auch, im Gegensatze zu Ägypten und Babylonien, die rein sachliche Form dieser Volutenspangen ihre Entstehung

') Vgl. z. B. Egle, Praktische Baustile und Bau- und Deckplatte noch einen Querbalken erkennen,

formenlehre, Stuttgart s. a. Abt. III Taf. 3, 1 1 , der dann allerdings als Sattelholz anzusehen

von Puchstein schon im Winckelmann-Programm wHre und damit die Volutenbekrönung von der

erwähnt. struktiven Aufgabe in gleicher Weise entlastete,

■) Rawlinson a. a. O. 389 Abb. V und King a. a. O. wie dies auf dem Chorsabad Relief geschieht.

Fig. 2. 4) King a. a. O. ; derselbe, Cuneiform Texts in the

3) Auf der Abbildung Dieulafoys (a. a. O. Nr. 63) British Museum. Part. XXVI.

läflt die linke Mittelsäule zwischen Volutenglied 5) A. a. O. 416 und Fig. III. Zur Widdertheorie

vgl. auch Stackeiberg a. a. O. 40 und 41.

Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule. \n

aus dem Zweck erweist und diese artverschiedene Herkunft äußerlich ähnlicher Bildungen eine beachtenswerte Erkenntnis bietet.

Das hethitische »Säulen «-Relief.

Im Bereiche der hethitischen Kunst hat jenes oft angeführte Felsrelief von Boghazköi, dessen «Säulen« Puchstein schon im Winckelmann-Programm (S. 59 ff.) als ferne Urbilder der ionischen anspricht, eine besondere Bewertung gefunden1) (Luschan Abb. 37, nach Perrot IV, Taf. 8). Sind auch Säulen als wesentliche Kennzeichen hethitischer Architektur gesichert, so bietet sich dennoch kein beweis- kräftiger Anhaltspunkt für die Behauptung, daß jene volutenbekrönten Gegenstände Baugliedern entsprechen2). Vor allem aber bleibt die technische Struktur des hethitischen Gebildes zu unklar, um eine Vorstellung des Aufbaues zu gewähren.

Der völlige Mangel an Artikulation gibt über das Verhältnis vom Kapitell zum Schaft nicht die geringste Aufklärung. Ein Vergleich mit den ähnlichen Darstellungen auf der Bronzeschale von 01ympia3) führt auch keinen Schritt weiter und dient jedenfalls durchaus nicht als Beleg dafür, daß wir in dem Relief von Boghazköi die Wiedergabe eines dort bestehenden Bauwerkes zu sehen haben. Da uns die Ansatzstelle des »Volutenkapitells« völlig entzogen ist*), das »Dach« der geflügelten Sonnenscheibe die Bogen nicht einmal berührt, vermögen wir eine unsere Erkenntnis fördernde Vorstellung nicht zu gewinnen, und die bloße Umriß- ähnlichkeit der Volutengebilde mit ionischen Säulenkapitellen berechtigt noch keineswegs zu dem Schlüsse, in ihnen tektonische Vorbilder zu sehen.

Führt somit schon eine rein struktiv-künstlerische Betrachtung dazu, das selt- same Werk als Erkenntnismaterial bautechnischer Entwicklung abzulehnen, so ist zum Überfluß auf ganz anderem Wege inzwischen des Rätsels Lösung gefunden worden. »Die angeblichen Säulen« erweisen sich, wie Eduard Meyer darlegt, als »Hieroglyphen, die den Königstitel bezeichnen und den Königsnamen zu beiden Seiten symmetrisch einschließen «5). Damit darf wohl jegliche

■) Siehe auch Koldewey, Neandria 42. Hinweis auf die enge Verwandtschaft der hethi-

3) Zum Problem des »Chilani« vgl. Puchstein, tischen Religion zur kretischen ist bemerkens-

Archäoh Jahrb. VII 1892, 1 ff., hier wird wert.

Chilani als Tor mit Säulen definiert. Heinr. 3) Luschan a. a. O. 38 ff.; Puchstein I Abb. 52

Redisch, Der bit hillani und seine Verwen- und 59.

düng bei salomonischen Bauten. (Festschrift 4) Puchstein I, 59.

für Ad. Schwarz, Berlin-Wien 191 7): »So muß 5) Reich und Kultur der Chetiter, Berlin 1914, man wohl annehmen, daß hillani »Säule«, 32. Die in Abb. 16, 17, 18, 19, 21 wiederge- und zwar Holzsäule bedeutet« (S. 4). Zur gebenen Inschriften ähneln der »Aedicula« von Frage nach dem kulturellen Zusammenhange Boghazköi ungemein; auf Abb. 22, 23 wie auch der Hethiter mit den übrigen Orientalen vgl. 20 wird die Bedeutung des Volutengliedes als Fr. Hrozny, Die Lösung des hethitischen Problems Schriftzeichen auch dem Laien klar. Vgl. dazu (Mitteilungen der Deutschen Orient-Gesellschaft die Anmerkung Ed. Meyers S. I39ff. Der Hin- Nr. 56, Dezember 1915, 17fr.). Eduard Meyer, weis von Jensen, Hittiter und Armenier, Straß- Die Entzifferung der hethitischen Sprache bürg 1898, 219, daß die Hieroglyphe für Himmel (ib. 5 ff), der sie (S. 9) als »Mischsprache« und zugleich für Gott bei den Assyrern ein Bügel,

und die Kultur als »durchaus boden- bald flach, bald rund gewölbt sei, hat wohl auch

stänflig kleinasiatisch« bezeichnet. Auch der Wolters (Springer I10, 79) veranlaßt, die Mög- jahrbuch des archäologischen Instituts XXXV. 2

l8 Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule.

Erörterung dieses Felsreliefs 'im Zusammenhange mit der ionischen Säule als er- ledigt angesehen werden.

KYPROS UND PHÖNIK1EN. Voluten Stelen.

Bedeutsames bringen die phönikischen, zumal die kyprischen Funde1). Dort mischen sich babylonischer, assyrischer, ägyptischer, ja auch mykenischer und alt- ionischer Einschlag2), und doch bildet sich eine eigenartige kyprische Pfeiler- bekrönung heraus. Da auch hier allein die stereometrische Erscheinung über das Wesen aufzuklären vermag, ist nicht die Flächenabbildung der Vorderseite, sondern eine stereometrische Aufnahme den frühionischen Volutenköpfen von Delos und Athen gegenüberzustellen (Tafel II Abb. 4, 5 und 6; Taf. I Abb. 1 und 2).

Zum ersten Mal fällt die Ähnlichkeit der Kapitellkörper auf. Selbst die Stelen mit reicher entwickeltem Stirnschmuck (vgl. Ohnefalsch-Richter Tafel 58 und 59) haben manches mit den griechischen gemein : die ebene Front und ihre rein in der Fläche gehaltene Verzierung, die leeren Schmalseiten, die Gesamtform des langen, der Deckplatte untergeschobenen Lastempfängers, endlich diese Deckplatte selbst in ihrer Betontheit und maßgebenden (wörtlich: Maße gebenden) Körperhaftigkeit. Noch mehr gleicht freilich die Gestalt des einteiligen Kapitelles von Trapeza (Tafel II Abb. 6) den frühionischen Stelen aus Delos und Athen, ja jene erscheinen als Form fast primitiver, ängstlicher im Blocke verharrend, zag- hafter der Volutenrundung folgend als das geschmeidigere kyprische.

Wesentlich wie diese Gemeinsamkeit ist auch ihre ins Auge springende Verschiedenheit: die Verknüpfung von Schaft und Krone. Die griechische«! Volutenkapitelle sind Querglieder, deutlichst dem artfremden runden Säulenschaft verzapft (vgl. Perrot VII Taf. 53, 2), die kyprischen Stelenbekrönungen aber er- scheinen als eine natürliche Fortsetzung des in schräger Form verjüngt auf- steigenden Ständers 3).

Wie der flache Körper ohne jegliche Artikulation den Volutenkopf trägt,

lichkeit einer dekorativen Verwendung des Schrift- asiatischen Gesellschaft, XI 1906. Wilh. v.

Zeichens einzuräumen. Landau, Die phönizischen Inschriften. Leipzig

') Vgl. Ohnefalsch-Richter, Kypros, die Bibel^und 1907. (Der alte Orient VIII Heft 3.) Furtwängler.

Homer, Berlin 1893; Murray, Smith, Walters, Zur Einführung in die griechische Kunst.

Excavations in Cyprus, London 1900; Poulsen, Deutsche Rundschau 1908, 235 fr. (37>)' Hugo

Der Orient und die frühgriechische Kunst, Berlin YVinckler, Die Euphratländer und das Mittel-

1912; ders., Archäol. Jahrb. XXVI 1911, 215fr. meer. Leipzig 1905. (Der alte Orient VII Heft 2.)

2) Siehe auch D. C. Hogarth, Jonia and the East.. Fr. W. v. Bissing, Der Anteil der ägyptischen

Oxford 1909. F. v. Reber, Über die Anfänge Kunst am Kunstleben der Völker. MUnchener l'est-

des ionischen Baustils. Abh. d. bayr. Akademie. rede 1912.

Bd. XXII 1. Abt. Hist. phil. Klasse. München 3) Perrot-Chipiez III 114 spricht seltsamerweise

1901. R. v. Lichtenberg, Beitrage zur ältesten diese kyprischen Gebilde als »colonnes« an, wo-

Geschichte von Kypros. Mitteilungen der Vorder- bei er ihre Verwendung »sous forme de pilastre«

einräumt.

Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule.

19

lehrt die gut erhaltene Stele aus Athienu (Tafel II Abb. 4). Nach ihr lassen sich die im Oberteil ähnlichen Stücke z. B. Abb. 5 ergänzen1).

Die geringe Tiefe dieser Kapitelle im Durchschnitt 19 cm überzeugt von Dörpfelds und Borrmanns Auffassung, daß sie »möglicherweise nicht zu einer Architektur gehören, sondern Votivdenkmäler für sich bedeuten, die in einem

heiligen Bezirke aufgestellt wurden« 2). Auf der oberen Fläche der

Stelenbekrönungen finden sich keinerlei Spuren, die ein Befestigen von Bildwerken oder eine Einfügung in den Baukörper verraten 3).

Als das Weihbild selbst, nicht als ein Votivträger, der noch des Aufsatzes bedürfte, gibt sich die Stele von Athienu am überzeugendsten 4). Brächte sie in dem von aufstrebenden Voluten eingerahmten Oberteile auch nicht die Wieder- gabe eines heiligen, von zwei Sphingen umfaßten Baumes (vgl. auch Ohnefalsch- Richter Tafel 26 Fig. 2 und 3), so ließe schon die Ähnlichkeit mit anderen Dar- stellungen vermuten, daß sie in dem oberen Relief ihr eigenes Bild zeigt, d. h. daß auch sie selbst eine symbolische Verkörperung des heiligen Baumes ist 5).

Die im heiligen Hain gefundenen Kapitelle von Idalion und die Stelen von Athienu, in denen Dörpfeld und Borrmann keine Architekturglieder sehen, und die sich durch die Schmalheit ihrer Köpfe und die starke Verjüngung ihrer Stützen als ungeeignet zu Trägern oder Ständern erweisen, dürfen wohl ohne Ver- gewaltigung als Darstellungen des heiligen Baumes und mithin als Ascheren

') Sie ist aus einem Blocke gehauen (vgl. Perrot- Chipiez III 114); ihre Höhe beträgt 1,45 m, ihre Breite und, was noch wesentlicher wäre, ihre Tiefe gibt Ohnefalsch - Richter leider nicht an; doch geht aus der perspektivischen Abbildung bei Perrot III Fig. 198 hervor, daß diese verschwindend gering gegenüber dem Brei- tenmaße ist. Auch ist es wohl berechtigt, für die Athienustele ungefähr die gleiche Tiefen- ausdehnung zu vermuten, die nach Untersuchun- gen Dörpfelds für die Volutenbekrönungen aus Idalion feststehen. Unterscheiden sich doch die ge- schmückten Oberteile jener Athienustele der Form nach nicht wesentlich von diesen losgelösten Kapitellen, die bei Ohnefalsch-Richter Taf. 58, 1 11. 2 und Taf. 59, I abgebildet sind. Sie wurden auf dem östlichen Akropolishügel von Idalion und im Berghain der idalischen Astarte-Aphrodite gefunden, während Taf. 59 Fig. 2 eine Be- krönung wiedergibt, die Dörpfeld und Ohnefalsch- Richter in der Wand eines Hauses des Dorfes Dal« vermauert entdeckten. Vgl. Ohnefalsch-Richter a. a. O. 190. Die Maße betragen für Taf. 58, I : Breite der unteren Fläche 0,373 nli Dicke 0,185 m (Breitenangabe für die obere Fläche fehlt). Taf. 58, 2: Breite der oberen Fläche

1,164 m> der unteren 0,425 m; Dicke 0,20 m. Taf. 59, 1: Breite der oberen Fläche 1,118 m, der unteren 0,310, Dicke 0,175 m.

2) So gibt Ohnefalsch-Richter a. a. O. 193 Dörpfelds und Borrmanns Ansicht wieder.

3) Daher kann auch Thierschs Annahme nicht gelten, daß diese Gebilde »als Träger heiliger Symbole oder einzelner Votive in den Höfen cyprischer Heiligtümer« verwandt wurden (a. a. O

264).

4) Ohnefalsch-Richter datiert die vollständige Stele Fig. i auf »Mitte der ersten Hälfte des 6. Jh.«; das Fragment Fig. 3 rückt er ans »Ende des 7. Jh.«

5) Vgl. dazu Poulsen, Der Orient und die früh- griechische Kunst, Abb. 40, die Gemme bei Ohnefalsch- Richter Taf. 32, 7 und besonders den Tonkrug ebenda Taf. 61, dessen Mittelbild der Stele im Gesamtbau ähnelt. Auch den Idalion- kapitellen, die im heiligen Bezirke der Astarte gefunden wurden, entsprachen zahlreiche Dar- stellungen des heiligen Baumes, wie sie uns aus Kypros bekannt sind und in den Beispielen: Ohnefalsch-Richter Taf. 37, Fig. 10; 114, Fig. 6 u. 8; 117, Fig. 8; 139, Fig. 2; 159, Fig. 5! v°r allem aber 162, Fig. 6 u. 7 in mannigfachster Weise deutlich werden.

20 Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule.

gedeutet werden (siehe Exkurs II), gleichviel ob wir mit Robertson Smith in diesen das Weihbild für irgendeine Gottheit oder mit den meisten Fachgelehrten das be- sondere Astarte- Symbol zu erblicken meinen1). Die Darstellung auf flachem Gebilde, so überraschend sie zunächst wirkt, erklärt sich aus der Entwicklung der Aschera vom Baum zum Pfahl, zum geschnitzten Pfahl und dann zur steinernen Stele. Auch haben wir es ja durchaus mit einem Sinnbild, nicht mit einer Baum- nachbildung zu tun, wie es sich in der Reliefdarstellung der Sphingen und des Kultbaumes deutlich zeigt. Eine stilisierte Formsprache, gleich der auf Tonge- fäßen, Gemmen, Schalen und Geräten jeder Art, genügte wohl auch hier2), um das Bild zu vergegenwärtigen, und die Kyprer durften darauf verzichten, den Stamm darzustellen; in der üppig entfalteten, dekorativ verwerteten Krone 3) war das Kultbild hinreichend bezeichnet.

So sind wohl auch die Idalionkapitelle (z. B. Tafel II Abb. 5) mit einem untergeschobenen Sockel zu einem ähnlichen Steinwerk zusammengefügt gewesen, wie es jene aus einem Blocke gehauene Athienustele ist. Erscheint doch der Ständer auch bei ihr bedeutungslos. Für die Idalionstücke und für die bei Ohnefalsch -Richter Fig. 159, 160, 161 abgebildeten Bekrönungen eine runde Stütze zu vermuten, liegt angesichts der äußerst schmalen Ansatzfläche der Voluten- köpfe 4) fern.

Wie aber waren diese Votivbilder aufgestellt? Und in welchem Verhältnis stehen ihre vielförmigen Aufsätze, also die eigentlichen Sinnbilder, zu dem vorher erwähnten Trapezakapitell (Tafel II Abb. 6), das nur einen Teil des Gebildes ausmacht.'

Dem Hathorkapitell im'Louvre dürften wir einige Aufklärung über Ort und Art der Verwertung solcher Ascheren entnehmen (Tafel II Abb. 7). Auf der einen Seite erscheint dort über dem Hathorkopfe »ein von Blätterwerk umranktes Tempelchen, in dessen Eingang eine Gottheit steht'.

Wesentlicher aber sind für unsere Betrachtung die zu beiden Seiten des Tores an die Mauer gelehnten Gebilde, die mit Hathorköpfen gekrönt, die Stein- stele, von der sie selbst ein Teil sind, darzustellen scheinen: ein Bild im Bilde. Ob diese den Eingang flankierenden Steinwerke als Glieder oder Stützen der Wand, in sie einbezogen, zu denken sind, bleibt ungewiß. Wahrscheinlicher ist die An- nahme, daß jene Torposten frei vor die Tempelmauer traten. Denn das körper- hafte Hathorkapitell jenes gemeißelte Gesamtwerk, das mit der Reliefdarstellung geschmückt und nach unserer Annahme deren Urbild ist, verrät in seinen beiden

■) Freilich wendet sich Lichtenberg, Mitt. Vorderas. Bissing a. a. O. 79. Thiersch freilich erklärt das

Ges. XI 1906, 31 gegen die »Hypothese des Volutenglied als Irisdarstellung (a. a. O. 264).

phönikischen Astarte-Kultus auf Kypros«. Vgl. ferner unten S. 44, Exkurs III.

2) Vgl. z. B. die Vasen, Excavations in Cyprus 4) Auch Thiersch ist der Ansicht, daß innerhall) Kig. 14 und Fig. 71, die Poulsen im Archäol. des syrisch-phönikischen Kunstkreises kaum je- Jahrbuch XXVI 1911, 245 abbildet, mit dem mals der Versuch gemacht wurde, das »kom- »sehr stilisierten Palmbaum«. plizierte BlUtenmotiv von dem flächigen Pfeiler

3) Siehe auch Poulsen, Der Orient und die früh- auf die RtindstuUe zu Übertragen« (n. a' O. griechische Kunst Abb. 40 u. S. 50 m. Anm. 1; 266).

Julie Braun- Vogelstein, Die ionische Säule. 21

ausgearbeiteten Seiten eine gewisse Unabhängigkeit des Standortes. Auch läßt die Tempelabbildung nicht vermuten, daß die Stelen als Wandstiitzen von irgend- einer tektonischen Bedeutung waren. Andererseits erwiese sich der flache Abschluß der Steinbekrönung wohl als geeignet, die Gebilde unterhalb einer vorspringenden Leiste einzugliedern, wie es auch in der Reliefdarstellung ersichtlich ist.

Da der Gesamtkörper jener Stelen im Grundriß und im oberen Abschluß eine gewisse Ähnlichkeit mit den Ascheren aufweist, ja die unausgeführten Stelen- schäfte des Reliefbildes den sich schräg verbreiternden Ascherenpfählen gleichen, wie der Athienufund zeigt und fernerhin die Rückseite des Hathorkapitells in ihren Motiven an »die bekannten Darstellungen des heiligen Baumes« erinnert, . so ist gewiß die Annahme gestattet, daß auch das kyprische Astartevotiv bisweilen in verwandter Beziehung zu dem Tempelbau gestanden hat1).

Bedeutsam für unsere Betrachtung werden diese Ascheren im Zusammenhange mit zwei weiteren Funden auf Kypros, die aus dem Reiche des Kultischen in das Gebiet des Bautechnischen führen.

Aus den schmalen Zierkapitellen von Athienu und Idalion, deren Sinn im Symbolischen, deren künstlerischer Ausdruck im Dekorativen beschlossen bleibt, die nicht trag fähig sind, mit ihrem schmalen Körper und nicht zum Tragen bestimmt mit dem aufstrebenden, bekrönenden Schmuck ihrer Blüten und Blätter, hat sich der tektonisch brauchbare Teil der unteren Voluten herausgelöst, und ist im Trapezakapitell zum dienstfähigen Gebilde geworden (Tafel II Abb. 6). Bewahrt es auch noch in den Schmuckmptiven viel von seinem Vorbilde, so hat es doch den krönenden Aufbau abgeworfen und damit eine sachliche Form gewonnen. In seiner größeren Tiefenausdehnung und in der wuch- tigen Kraft seiner. Voluten gibt es sich unverkennbar als Lastempfänger. War es ein Votivträger? Gehört es zu einer Architekturstütze?

Die Pfeiler am Königsgrabe von Tamassös (Tafel II Abb. 8) führen auf diese Vermutung hin. Sie sind auch mit senkrechtem Seitenumriü gegenüber den schrägen Stelenprofilen der zuvor betrachteten Gebilde deutlich als Stützen betont. Hier mag wirklich der erste sichere Beweis für die reale Existenz eines schmalen Volutenkapitells als tragendes Glied vorliegen.

Der kyprische Wandpfeiler.

Der Pfeiler von Tamassös vollzieht die Vereinigung von wandgliederndem Pflaster und schmückender Reliefierung, die der Pfeiler von Karnak (vgl. Noack, Tafel 48" a) nicht anstrebte. Pfeilerform und Schmuckform wird ein Körper, und wir sind geneigt, beiden Elementen eine starkwirkende Gestaltungskraft zu-

') Vgl. dazu Perrots Auffassung der Säulen an miere vue, les colonnes semblent porter l'auvent

der kyprischen Tonkapelle von Idalion (Ohne- qui fait saillie au dessus de la porte; mais, si

falsch-Richter Taf. 109, 3; Perrot III Fig. 208) Ton y regarde de plus pris, on reconnaft que

»On incline ä y reconnaitre l'image reduitc dun le fiit se termine par un chapiteau en forme de

temple, peut-etre dun temple d'Astarte. A pre- fleuron. qui ne parait pas fait pour servir de

support« (a. a. O. IV 291).

22 Julie Braun- Vogelstein, Die ionische Säule.

zuerkennen. Der Typ des stützenden Pfeilers war alter architektonischer Besitz die reliefierte Volutenstele als Kultgegenstand in Kypros vertrautes Gut. Wurde aus beiden Eines, streckte sich das schräge Standglied der Aschera (vgl die Athienustele) zum steilen Stützgliede, und traten die so gestrafften Pfeiler- stelen als Weihbild und Pfosten zugleich an das Königsgrab von Tamassosr So müssen schon die einfachen Volutenkapitelle mit deutlicher Deckplatte, wie jenes, von Trapeza (Tafel II Abb. 6), als eine Auslösung der funktionell verwertbaren Unterglieder der Aschera (Tafel II Abb. 4 und 5) zu architektonischem Dienst ver- standen werden. Ohnefalsch-Richter, der -in ihnen Ascheren sieht, widerlegt diese Annahme darum noch keineswegs, denn er räumt die Möglichkeit wohl ein, daß sie auch als Torträger dienten. Und dem heiligen Baum entspräche es wohl, Wache zu- halten am Heiligtum. (Exkurs III.)

' Die Entwicklung des Pfeilers aus der Aschera ließe sich somit als eine Ver- sachlichung des Votivgebildes zum Baugebilde oder als eine Ausschmückung des architektonischen Gliedes nach dem Muster des Kultgegenstandes erklären. Wie dem auch sei, die Aschera gibt eine symbolische Darstellung des heiligen Baumes auf dem Flachkörper einer Stele. Diesem Votivbilde ähnelt der Pfeiler, das Trag- glied, sich zum mindesten äußerlich an und erreicht eine völlige Einheit1) von Werkform und Schmuckform einfacher Art.

Das Trapeza-Kapitell und die Pfeilerbekrönung von Tamassos (Tafel II Abb. 6 und 8) sind Lastempfänger, das wird deutlich an der Auflagefläche der Deck- platte sichtbar, die breit gelagert den Druck aufnimmt und mit elastischem Schwünge trägt. Betrachtet man diese Kapitelle ohne Voreingenommenheit, so ist es un- möglich, in ihnen Zierstücke zu sehen, die, tektonisch lahm, zu nichts dienen könnten. Jenes Dreieck, das vielleicht ein Symbol der Astarte ist, wird von den meisten Archäologen als Hüllblatt erklärt. Weil die Volutenbögen sich nicht zu einer Linie vereinen, sondern spitz, durch jenes Hülldreieck verdeckt, aneinander- stoßen, meint man den vertikalen, »also vegetabilen« Typ vor sich zu haben. Wie wenig bedeutet aber die flachprofilierte Verzierung, deren Linien, ohne daß der Gesamteindruck sich änderte, leicht ein wenig anders geführt werden dürften? Man vergleiche mit diesen alten kyprischen Kapitellen solche der späteren Zeit, unter griechischem Einfluß verwandelt (Tafel II Abb. 9). Der runde torusartige Unterteil läßt das jüngere freilich sogleich als Säulenbekrönung erkennen ; in der tektonischen Prägung des eigentlichen Volutengliedes hat sich aber gegenüber der Frühzeit wenig verändert. Als dienende Bauglieder geben sich auch die alten Pfeilerbekrönungen, ja sie scheinen fast noch gebundener, der Rückwand bedürftiger

■) Louis P. di Cesnola, A descriptive Atlas of the schied besonders deutlich. Vgl. auch Weegc, Cesnola Collection, Berlin 1885, bildet auf PI. Archäol. Jahrb. XXXI 1916, 164 Abb. 34. Dcretrus- 15 Fig. 1 das Kapitell eines Pfeilers mit Hathor- kische Pfeiler hat ein trapezförmiges ziemlich köpf über Doppelvoluten ab; Fig. 2 zeigt auf hohes Kapitell, vom Schaft durch zwei kräftige flacher Tafel von rechteckigem Umriß dagegen \V\iIstringe_ getrennt, und trägt Voluten und Pal- die Hathordarstellung nur im Relief, nicht aus- metten als Reliefschmuck, ohne in der Aus- geformt. An diesen Beispielen wird der Unter- meißelung ihrer Form zu folgen.

Julie Biaun-Vogelstein, Die ionische Säule. . 2X

als das Säulenkapitell, dessen allseitige Rundung ein enges Anlehnen an den Bau nicht sucht und nicht erfordert.

Die Ähnlichkeit der Volutenkörper kyprischer Pfeiler und altionischer Stelenbekrönungen ist unabweisbar. Freilich sind flache Wandpfeiler mit Voluten- kapitell, ähnlich jenem am Königsgrabe von Tamassos, in frühionischer Kunst nirgends nachzuweisen •). Vielleicht ist in den späten, unter griechischem Ein- flüsse gestalteten Halbsäulen an den Felsdenkmälern von Maschnaka in Phönikien2) noch ein Nachbild alter Pilaster erhalten, deren Verwendung wohl nicht allein auf Phönikien, das Sammel- und Verkehrsland aller Kultur, beschränkt geblieben ist 3).

Doch das Rätsel jener Verknüpfung heterogener Formen des Runden mit dem Abgeflachten, des Allseitigen mit dem Zweiseitigen lösen auch die kyprischen Volutenkapitelle nicht. Es bleibt der bedeutsame Unterschied bestehen, daß die kyprischen Bekrönung'en dem rechteckigen Schaft als natürliche Aufsätze entsprechen, aus einem Block mit dem kantigen Pfeiler diesem entwachsen zu sein scheinen, während bei den altionischen Kapitellen deutlich eine Einrenkung, eine Verschienung, also eine künstlich technische Zusammenfügung der in der Körperform scharf kontrastierenden Teile nötig wird.

Und dieser Gegensatz zwischen dem flächenhaft begrenzten oblongen Voluten- stück und dem runden Säulenschaft ist auch bei dem eigentlich ionischen Kapitell*) so fest und unverrückt geblieben, daß darin eine Grundeigenschaft gesehen werden muß, aus der sich am besten die Erklärung seiner Herkunft ergeben dürfte.

GRIECHENLAND. Die Werk form der früh ionischen Kapitelle. Die altertümlichen Volutenkapitelle von Delos und der Akropolis zu Athen (Taf. I Abb. i a und 2) dienten als Bekrönung der Weihgeschenkträger. Ihre Körpermasse erscheint im Vergleiche mit den kyprischen Kapitellen noch un- gegliederter, noch blockmäßiger als zuvor. An dem delischen Stücke münden die Seitenflächen unentwegt geradwandig in die Deckplatte ein, ohne den geschwungenen Lauf zu wagen ; am athenischen verharrt der Volutenkörper noch in seiner ge- schlossenen Masse und rundet sich nicht am unteren Bogen mit den Formen des

,) In Apulien ist die gewöhnliche Form des ioni- 3) Vgl. auch das Volutenkapitell »an Altcypern er- sehen Kapitells mehr den kleinasiatischen Fels- innernd«, »sicher verschleppt« : Thiersch, Arch. gräbern verwandt. Vgl. Watzinger, Studien zur Anz. 1908, 307 mit Fig. 23.

unteritalischen Vasenmalerei, Darmstadt 1899, 8; 4) Das Beispiel eines modernen persischen Bauern-

H. Koch, Rom. Mitt. XXII 1907, 406 Abb. 21; hauses die Abbildung ging nach Dieulafoys

Bruno Schröder, Athen. Mitt. XXIX 1904, 21 und Aufnahme in alle Handbücher über und findet

Abb. 3 und 4. Über die phrygischen Felsen- sich z. 13. Springer I '■> Nr. 219 macht die

denkmäler und ihre Spiralkapitelle siehe unten Konstruktion solcher »gesattelter« Säulen im

S. 39 Anm. 1. Holzbau anschaulich. (Siehe für das Folgende

') F. v. Reber, Über die Anfänge des ionischen vor allem Hittorf a. a. O. Tafel 82.) Eine dem

Baustiles. Äbh. der histor. Klasse der Kgl. bayi. Steinschnitt nicht eigene Ausarbeitung der unteren

Akademie XXII 1. Abt.. München 1901, 105 und Einsatzfl&che des delischen Kapitells scheint noch

Fig. 3. seine Abstammung aus dem Holzbau zu verraten.

ZA Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule.

Ornamentes aus. So erweisen sich diese Ouerlager deutlich als Werkform, und in der technisch sicheren, wenn auch künstlerisch unbefriedigenden, Verbindung mit dem Schafte scheinen sie eine langgeübte Verwendung vorauszusetzen1).

Läßt schon das ablehnende Verhalten des ungegliederten Blockes die Herr- schaft der Werkform klar erkennen, so widerlegt doch am überzeugendsten die Gestalt des Sattels selbst und ihre anorganische Beziehungslosigkeit zum Schafte jede Deutung als Blütenkelch. Statt des runden Aufblühens aus dem runden Säulenstamm, wie es der pflanzlichen Form entspricht, und in ägyptischen Architekturgliedern nachgebildet wird, statt des natürlichen organischen Ansatzes herrscht hier eine Fremdheit zwischen Kopf und Rumpf, die in der rein technischen Verknüpfung des Einzapfens nur noch mehr hervorgehoben wird (Tafel I Abb. i b). Warum diese naturwidrige Bildung, wenn dem Künstler ein Blütenkapitell vorschwebte? Warum dann vor afTem dieser Formgegensatz des runden Schaftes und des hart abgeflachten Krongliedes?

Wenn der ägyptische Künstler die Säulenbekrönung als Blütenkelch meißelt, so tut er dies in formbildender Absicht; er gibt dem ganzen Baugliede die Gestalt des pflanzlichen Motives und schafft im Ebenbilde des Naturgewächses ein seinem Zwecke dienendes Werk. Die Masse unterwirft sich der bildnerischen Form, der Körper rundet sich nach dem Muster des Blütenkelches, dessen plastische Darstellung er trotz aller Stilisierung ist. Bei den altertümlichen ionischen Kapitellen hingegen ist es deutlich, daß eine geläufige Werk form vorhanden war, daß eine gegebene Gestalt nur, um ihres gefälligeren Ansehens wegen, mit einem Schmuckmotiv bemalt wurde. Hier ist das pflanzliche Muster nicht formend, nicht bildend2), sondern dem Kapitellkörper dienstbar, ein untergeordnetes Etwas.

Die ägyptische Säule, deren Stamm als Pflanzenstengel eine Blütenkrone trägt, läßt diesen runden Kelch organisch dem runden Schaft entwachsen 3). Da wird die Säule als ein Wesen, als Einheit empfunden, da ist sie als Ganzes ge- bildet und gestaltet, ein Körper, dessen Glieder miteinander im Einklänge stehen. Setzt man dagegen einem runden Stamm ein längliches Querstück auf, so wider- legt diese Zusammenfügung durch sich selbst jede Vermutung ihres einheitlichen Entstehens, so geben sich die Teile nicht als Glieder eines Organismus, sondern als selbständige, verschiedenartige Gebilde, die zu Dienst und Leistung verbunden wurden : Stütze und Sattelholz, Ständer und Lastempfänger.

In den kyprischen Stelen ist die runde Form des Naturvorbildes auf die Fläche projiziert. Doch wird damit eine Reliefdarstellung gegeben, die bei aller ornamentalen Stilisierung und dekorativen Wucherung in einheitlicher Weise einen runden Körper aufdieEbene überträgt. Kein Gegensatz, kein Widerstreben

*) Von frühionischen Pfeilerkapitellen sei auf die J) Es sei wiederum betont, daß der Kapitellkörper

von Fiechter (Archäol. Jahrb.1 XXXIII! 191S. nicht einmal den Linien der Voluten folgt

211, 217, 218) wieder angeführten Stücke aus und entspricht.

Slavochori (Fiechter, Abb. 54, 55, 56, 69, 70) 3) Auch die j kretisch-mykenischen Säulen geben

hingewiesen. Vgl. dazu Bruno Schröder, a. ;i. einen organischen Übergang vom runden Stamm

O. 37 und 33 Abb. 4. zum runden Wulst.

Julie Braun- Vogelstein, Die ionische Säule. 2S

trennt die Teile voneinander, und in den Formen des Reliefumrisses ist auch die Gestalt der Stele selbst beschlossen.

Die ionischen Stelenkapitelle in ihrer unfügsamen Masse dulden die Voluten nur als Verzierung. An der Stirnseite des Blockes tauchen sie, zumal an dem delischen Stücke, wie aus dem Ungefähr auf. Eine organische Fortbildung des ägyptischen Kapitells im Sinne der Klarheit und Zweckdienlichkeit ist hier völlig ausgeschlossen, da nichts Organisches zugrunde liegt, sondern eine Werkform in durchaus unorganischer Weise mit einem Ornamente bekleidet ist. Die nackte Körperform des Blockes blickt durch das nur dürftig bedeckende Gewand und verrät damit deutlich den Ursprung ihres Wesens aus dem Reiche der Konstruktion. Dieses Übergewicht tektonischen Charakters bewahren die griechischen Kapitelle bei allen Wandlungen und Entwicklungen, ob es sich auch in späteren Bildungen weniger schroff äußert und seine bestimmende Macht nur in der verfeinerten Beherrschung der Schmuckformen sichtbar wird. Nicht leicht, nicht mühelos ge- lang die Unterwerfung und Einordnung selbständiger Motive.

Körper und Kleid.

Wie lose der innere Zusammenhang von Verzierung und Gestalt *) am selben Kapitell sein kann, zeigt auch das Beispiel einer Stelenkrönung rechteckiger Form aus der Erythraia. 2) Der trapezförmige Block ist mit einem Blütenband und darüber mit großen Voluten und Palmetten in Flachrelief geschmückt. Schon Zahl und Zusammenstellung der Motive läßt hier jegliche Deutung auf Naturform sinnlos erscheinen. Der rein ornamentale Charakter ist augenfällig. Verzierung und Verziertes stehen in keinerlei organischer Verbindung, die Körperform be- quemt sich in nichts den Linien der Schrhuckform an, sie bietet ihr nur ein Feld und läßt sich den Zierrat auf der Vorderfläche gefallen ; an den übrigen drei Seiten bleibt der Block nackt und leer. Und ein erhabener Rand, der an der linken Kante noch gut erhalten ist, rahmt die Reliefplatte in sehr bestimmter Weise abgrenzend ein.

Das Schmuckmotiv gleicht durchaus dem des Akropoliskapitells (Tafel I Abb. 2). Der athenische Steinblock verhält sich freilich schon weit gestaltungs- kräftiger. Er überläßt der Verzierung seine Fläche nicht mehr zur freien Ver- fügung und bestimmt selbst Größe und Einheit des Ornamentes. Das Über- wiegen der tektonischen Gestalt jener altertümlichen Stelenkapitelle tritt aber be- sonders stark in Erscheinung im Vergleich mit ausgemeißelten Voluten- und Palmettenbildungen, wie sie sich in Antefixen und Akroterien3) finden. Ja, selbst schwere Steinmassen formen sich in diesem Muster aus4). In den milesischen Eckakroterien 5) ist Material und Schmuck ein Leib geworden. Die Konsolen des

') Schon im Winckelmann-Programm (S. 7) be- J) Österr. Jahreshefte XV 1912, Beibl. 65 (Keil) merkt Puchstein: »daß das lesbische Profil des 3) Vgl. z.B. Furtwängler, Aegina Taf. 48, 49, 51. Abakus ebenso wie das Kymation mit dem so- 4) Auch das Relief des Läufers im Nationalmuseum genannten Eierstabsohema bemalt ist, zeigt, wie zu Athen aus dem 6. Jh. hat z. B. eine Voluten- lose ursprünglich ein bestimmtes Ornament mit und Palmettenbekrönung.

den einzelnen plastischen Zierformen zusammen- 5) Wiegand, Milet I Heft IV (1915) Taf. V, 2,

hing«. XIX, XX, XXIII, XXV.

26 Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule.

knidischen Schatzhauses zu Delphi schwingen sich als Volutengebilde, in deren freie Winkel sich der plastische Palmettenkörper schmiegt. Werkform und Schmuckform ist unlöslich eins.

Die freie Bekrönung des Eckakroters konnte in der Zierform aufgehen ; den Konsolen des knidischen Schatzhauses bot sich das Schmuckmotiv wie ein Gewand dar, das ihnen auf den Leib geschnitten ist; für den als Funktion gebundenen Stein- sattel bleibt die Vereinigung von Zweck und Form eine viel schwierigere Aufgabe.

Das äolische Kapitell.

Freilich das äolische Kapitell1) bringt sie zuwege. Mit Recht betont schon Puchstein im Winckelmann-Programm (S. 56), »daß die Spiralen des ionischen Kapitells ein rein lineares Ornament, jene (von Neandria, vergl. Tafel III Abb. I) eine vegetabilische, nur linear ausgebildete Form, nämlich das aufgerollte Kelch- blatt darstellen-. Es gelang eine seltsame Vereinigung von Naturform und Funktion. Die Voluten des Neandriakapitells sind tragend geworden, nicht wie die Blüten- kelche ägyptischer Säulen zum Schein, sondern in deutlichster Sichtbarkeit als Lastempfänger wirksam. Selbst die zarte Palmette breitet sich^ stützend aus, und ihr horizontaler Abschluß nimmt auch den letzten Zweifel an ihrer Dienstbarkeit2).

Betrachten wir den Volutenkelch von Neandria als Gestalt, so fällt es schwer, in ihm die Werkform zu erkennen, so bestimmt gebärdet er sich als plastisches Naturgewächs. Er ist nicht mehr Dekoration des Sattelholzes, sondern dieses wird selbst zum Schmuckgebilde. Ein so restloses Aufgehen des tragenden Architekturgliedes in plastische Form läßt einer weiteren Ausgestaltung und Ver- vollkommnung dieses ihm eigentümlichen Wesens nicht Raum.

Doch das äolische Kapitell hat noch ein anderes vegetabilisch gestaltetes Glied, das auffällt und ihm das Aussehen eines Kompositgebildes gibt: jenen doppelten Blattkranz unterhalb des Kelches. Ein Blattkranz fehlt den altertümlichen Voluten-Rundstelen von Delos und Athen völlig, ist anderen nur aufgemalt (vgl. das Poroskapitell der Akropolis Tafel III Abb. 2 und die Weihestele des Alkimachos bei Puchstein I, 6) ; für das klassisch-ionische Kapitell, freilich in sublimierter Form, ist er jedoch charakteristisch und schon der Naxiersäule 3) eigen (Tafel I Abb. 3 u. Tafel III Abb. 3, ferner Noack Tafel 46 b und 47 a). Ja an der Naxiersäule erscheint dieser runde Blattüberfall fast als das Wesentliche. Ihm räumt das Volutenstück willig seinen Platz ein, weicht ihm aus, geht ihm, wo es seinen freien Umlauf stören könnte, aus dem Wege und gibt sich selbst in seiner schmalen brettartigen Form mehr als Unterlage des Weihgeschenkes, die Bekrönung des runden Schaftes jenem Blattkranz überlassend.

*) S. oben S. 4 Anm. 4. erhalten. Die Kundgestalt ägyptischer Voluten-

z) Furtwänglers Zurückführen der äolischen Bildung kelche und die abgeflachte der äolischen Träger

»auf die volutenartig stilisierten Blütenblätter unterscheiden sich bedeutsam voneinander,

einer IJlienform, die schon in Ägypten für Kapi- 3) Vgl. Th. Homolle, Fouilles de Delphes, Paris

teile verwendet wurde« (a. a. O. 371), 1904, IV. Taf. 5 u. 6, Xoack a. a. O. Taf. 46b,

läßt sich nur mit großer Einschränkung aufrecht- 47a und Springer I ••>, 176.

Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule. 27

Äolisches und ionisches Kapitell.

Kann diese seltsam gegensätzliche Verbindung von Blattüberfall. und Voluten- glied *), um deren harmonisches Vereinen das ionische Kapitell in seiner späteren Ge- staltung mit aller künstlerischen Kraft ringt, als eine Entwicklung aus dem äolischen angesehen werden? Erwächst »das Bemühen diese so verschiedenen Elemente zu einen«2) aus den noch unaufgelösten Dissonanzen des äolischen Typus3)?

Wohl weiß auch die äolische Rundstütze dieselben Gegensätze zu verknüpfen, die in der altionischen Säule nach harmonischer Lösung verlangen ; dennoch bleibt ein wesenhafter Unterschied bestehen : Im Kapitell von Neandria wird die oblonge Form des Sattelholzes noch innerhalb des Volutengliedes selbst zur Rundung geführt 4). Bei den altionischen Kapitellen stpßen die Teile, stößt Rund und Eckig hart aneinander (vergl. Tafel I, Abb. i und 2). Neandria (Tafel III Abb. 1) findet einen unmerklichen verschleiernden Übergang, hebt die Kontrast- wirkung auf, die in den frühionischen Werken so aufs äußerste gesteigert erscheint. In Äolien fehlen jene schreienden Dissonanzen, weil man sie geflissentlich vermied, sie geschickt zu mildern wußte. Dort konnte darum kein Verlangen nach neuer Lösung entstehen, dort konnte keine Anregung dazu geboten werden.

Ob uns, mit griechisch geschulten Augen, die äolische Gestaltung ganz be- friedigt, ob wir in jenem Übergleiten, in jenem Vermeiden des Konfliktes eine armseligere Leistung?) sehen als in der aus dem Streit der Formen mit höchster Gestaltungskraft gewonnenen Harmonie klassisch ionischer Werke, ob wir für ein tektonisches Glied die abstrakte Kunstform des rein ionischen jener darstellenden äolischen Naturform vorziehen, das vermag nimmermehr eine kausale Notwendig- keit, ja auch nur Wahrscheinlichkeit für die genetische Entwicklung des einen aus dem anderen zu begründen. Mag die äolische Form immerhin die niedrigere sein, aus ihr konnte die ionische nicht erwachsen, denn ihr fehlen die Keime, die nach Reife verlangen. In plastischer Gestaltung eint sie Sein und Schein, Dienst und Spiel, in plastischer Geschmeidigkeit hebt sie in sich die Gegensätze der Körper- form auf. Sie trägt das Gebälk, aber in der Maske der nur zum Blühen ge- borenen Pflanze, und mit leichter Wendung gleitet sie spielend vom schmalen Rechteck hinab zum Rund. Da bleibt nichts ungelöst.

Das altionische Volutenglied betont seine technische Bedeutung, seinen

') Siehe auch N'oack im Archäolog. Jahrb. XI 1896, Journ. of. Arcli. II 1886, 4 bemerkte Abweichen

zumal 239, 240. des Kapitellquerschnittes (an der Ansatzstelle)

*) Noack, Baukunst 36. . von der reinen Kreisform. Der Seitendurch-

3) Puchstein II, 41 ff. nimmt eine solche Weiter- messer ist um 0,01 m breiter als der von bildung an. vorn nach rückwärts gemessene. Die Über-

4) Auch hier können Abbildungen nur, wenn sie führung des Rechteckes in den Kreis des stereometrisch klare Aufnahmen wiedergeben, Rechtkantes in den Zylinder erfolgt also so das rechte Verständnis der Gebilde erschließen. allmählich, daß innerhalb des Volutengliedes Vgl. auch Kawerau a. a. Ü. 201. Be- noch eine elliptische, wenn auch geringfügige achtenswert ist das schon von Clark, Amer. Abflachung übrig bleibt.

5) Dagegen Thiersch a. a. O. 261.

28 Julie Braun- Vogelstein, Die ionische Säule.

Beruf als Sattel. Nur auf der Oberfläche läßt es sich eine farbig aufgemalte oder leicht eingeritzte, oder erhabene Liniendekoration gefallen. Hart legt es sich auf den runden Schaft, nur der Pflicht lebend, eckig und unbiegsam. (Vgl. Tafel III Abb. 2 und die Alkimachosstele bei Puchstein I, 6.) Und weit wölbt sich der Torus oder die Blattwelle am Schafthals vor, dessen allseitige Rundform noch ausladend verstärkend. Hier lagen Aufgaben, die nach Lösung verlangten, un- gebärdige, eigenwillige Kräfte, die es zu bilden und zu sänftigen galt. Dort in Äolien scheint alles erfüllt, alles in sich befriedet, ein Letztes, Gesättigtes.

Gelingt es aber der äolischen Säule, unser Auge über den Widerstreit ihrer Formen durch die leichte man ist versucht zu sagen: elegante Verschleifung hinwegzutäuschen, so verrät sich dem schärferen Auge doch das Vorhandensein dieses Konfliktes »). Selbst die geschmeidigen Bildner Äoliens wußten ihm nicht zu entrinnen und konnten nur bedacht sein, seine Härte zu mildern, seine Er- scheinung zu verhüllen. Der Gegensatz des flächigen länglichen Oberteiles und des runden Stützgliedes lag auch hier zugrunde und beweist, daß beide Elemente gegebene Größen waren, mit denen der äolische Baumeister zu rechnen hatte. Ein oblonges Querstück unter dem Deckbalken läßt sich aber nur als struktives Gebilde deuten, als »Sattelholz«, das die Last trägt. Und ein runder Schaft muß in Äolien schon zuvor verwandt und auch am Bau von Neandria als die gemäße Stütze empfunden worden sein, sonst wäre man der Schwierigkeit jenes Zwiespaltes aus dem Wege gegangen und hätte dem flächigen Oberteil einen eckigen Pfeiler untergeschoben. Beide Glieder waren darum als tektonische Formen der äolischen Kunst vertraut und eigen, ehe ihre gewandte Verbindung an der Säule von Neandria gelang. Allüberall trugen Säulen den ihnen gemäßen allseitig gerun- deten Kopf. Sollte nun die Bekrönung von Neandria eine Blütenform darstellen, ähnlich jenen ägyptischen Lilien- und Palmkapitellen, so hätte man diese doch nicht erst mühselig ins Flächenhafte umgebildet, sondern zumindest den Blumen- kelch in seiner runden unverstümmelten Gestalt unterhalb des Sattelholzes an der Stelle organisch aufsteigen lassen, an der sich nun Blattkranz und Knauf befinden. Das äolische Kapitell aber kleidet sich nur in das Blütengewand; Volute und Palmette sind ihm nur die Maske, unter der es seine sachliche Notwendigkeit, seinen nüchternen Zweck verbirgt.

Die Gestalt des äolischen Volutengebildes läßt sich daher nicht aus orien- talischen Liliensäulenkapitellen ableiten2), so wenig wie die Körperform, des ionischen Volutengliedes auf orientalische Blütenbekrönungen zurückgeführt werden konnte. Es sind das (das äolische und das ionische Kapitell) zwei an demselben Stamm grünende Zweige« 3) und aus gleicher Wurzel erwachsend, tragen sie die deutlichen Zeichen ihrer Abstammung in dem länglichen Sattel mit Voluten und

') Darum trifft auch Bissings Bemerkung: »Der flächigen Gestalt befangen, während das äolische

Typus des kyprischen Kapitells verbreitete sich Flachform und Kundform zeigt.

.... nach Syrien und fand auch in Lesbos und ») Siehe dagegen Furtwänglers oben S. 26 Anm. 2

Kleinasien Eingang« (a. a. O. 47), kaum das erwähnte Ansicht; Springer I1», 515.

Rechte, denn das kyprische bleibt ganz in der 3) Koldewey, Xeandria 42.

Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule. 20

der runden Blattkrone. Die Elemente sind die gleichen; verschiedenartige Ge- staltung und Einigung macht aus ihnen freilich recht unähnliche Geschöpfe.

Das Sachlich-Notwendige in organisch künstlerische Form umzuschaffen, war die Aufgabe der ionischen Meister, und mit kühnstem Mute haben sie sie durchgeführt. Nicht durch Entkräftung und Schwächung der widerstreitenden Körper suchen sie den Zwiespalt von Rund und Eckig zu mindern, nein durch Bereichern und Vollenden entwickeln sie die Glieder zu selbständigen Gebilden, um dann erst die so beseelten Formen in letzter Einheit versöhnend zu verbinden.

Der Querblock wird aus roher, klotziger Masse zu klar durchgebildeter Ge- stalt. Anfangs ist Körper und Form das verraten noch die altertümlichen Stelenkapitelle einander fremd gewesen. Doch wie dieser sein reines Zweck- dasein aufgibt, um künstlerischen Forderungen zu genügen, so opfert jene ihr ursprüngliches Eigenwesen und versachlicht sich im schmückenden Dienst; ein Geschehen, das es nunmehr zu erkunden gilt.

Flächen füllung.

Das Schmuckgewand des äolischen Querträgers ist der Volutenkelch, den wir schon auf mykenischen Vasen finden J) und der auf Gefäßen des 8. und 7. Jh. immer wiederkehrt2), zumeist mit Palmettenformen gesellt. In mannigfacher Weise abgewandelt, erscheinen diese Motive auf äolischen, ionischen, protokorinthischen wie frühattischen Tonwaren 3), häufig ohne den Kelch und mit sichtlicher Ent- wirklichung. Es beginnt der Prozeß ihrer rein dekorativen Gestaltung, die sich nicht mehr an das Naturvorbild klammert und eine Verwertung freierer Art ge- stattet. Wenn die Abbildungen von Brunnenhäusern auf Vasen schon in früher

■) Ob dieses Motiv orientalischen Vorbildern ent- gewonnenen Erkenntnisse in betrefT der Archi-

nommen ist, vgl. Riegl a. a. O. 160 und Furt- tekturformen keineswegs verändern könnte,

wängler a. a. O. 243, oder ob es umgekehrt :) Vgl. z. B. die trichterförmige Vase aus Pseira

aus der ägäischen Kunst nach Ägypten gelangte bei Seager, Excavations on the Island of Pseira,

(Lichtenberg a.a.O. 44, Thiersch a. a. 0.256), mag Philadelphia 1910, 25, Fig. S und die Amphora

dahingestellt bleiben. Graefs Hinweis auf das Tafel C in Archaeologia io,os;Conze, Melische

Pflanzenbild am Goldkästchen des V. myke- Thongefäße, Leipzig s. a. (1862), dazu Rho-

nischen Grabes (Schuchhardt, Schliemanns Aus- dische Vasen wie Sieveking-Hackl, Münchener

grabungen, Leipzig 1891, 294) ist sehr be- Vasensannnlung I Abb. 54 u. 55 und die von

achtenswert. (Vortrag in d. Arch. Gesellschaft, Riegl a. a. O. Fig. 71, 75, 7 (nach Salzmann)

Archäologischer Anzeiger 1900, 203. Dazu abgebildeten Muster.

Noack, Homerische Paläste, 94, Anm. 24.) 3) Obgleich sich bei der Fülle der Belege Hinweise

Siehe auch Furtwängler, Olympia IV, 109fr. und erübrigen, seien doch einige genannt, wie etwa

Taf. 42, 736a, 737, 738; Springer I IO, 133fr. J. Böhlau, Aus ionischen und italischen Nekro-

Therall, i63ff.(Dragendorff); Fiechtera.a. O.226. #polen, Leipzig 1898, Fig. 58 und 61; Antike

Als das Wesentliche ist aber im Auge zu behalten, Denkmäler II Tafel 44; 'Efljft. otp"/. 1897, Taf.

daß wir es jetzt nur mit dem ornamentalen Muster, 5 und 6; Graef, Die antiken Vasen von der

nicht mit seiner körperhaften Darstellung zu tun Akropolis, Berlin 1909, Taf. XXII 1 ; DUmmler,

haben und folglich der etwaige Nachweis einer Kleine Schriften III Tafel VI. Die Ausbeute an

Übernahme orientalischer Motive unsere vorher Beispielen ist reich, wohin man auch greifen mag.

ßO Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule.

Zeit Akroterien in Yolutenform zeigen1), so tritt bei den Porosfunden auf der Akropolis »die Form zum ersten Mal in der großen Architektur auf«2). Der Körper ist auch hier in seiner wesentlichen Gestalt vorbestimmt, und das geläufige Schmuckmotiv belebt ihn zumeist nur im Hauptumriß nach den eigenen Linien um. (Vgl. Wiegand a. a. O. Abb. 207, 208, 20y.)

Die Volute, anfänglich bedeutsam und meist von Überwiegeader Größe, schrumpft allmählich zusammen und läßt der krönenden Palmette den Vorrang. Sie dient nur als Fuß, als Ständer der ragenden vielblättrigen Form, die in ihrem hochgerichteten freien Streben die besondere Aufgabe zu erfüllen weiß.

Eine ähnliche Entwicklung zur sachgemäßen Gestalt erfährt das Schmuck- bild bei der Verzierung des ionischen Sattelholzes. Während das äolische Kapitell sich der Form des Blütenkelches bediente, um mit seiner Hilfe das rechteckige Glied dem Rund des Schaftes anzunähern, zeigen die niedrigeren altertümlichen Stelensattel das Motiv zerpflückt, seines Kelches beraubt. Durch das breite Band, das auf dem athenischen Stücke die Voluten quer verknüpft, sind die Teile nur noch linear-ornamental zusammengehalten, das delische läßt selbst diese Verbindung vermissen. Der gegebene Raum mit seinem geradwandigen oberen und unteren Abschluß, der sich der Kelchform versagt, ist auch zur Entfaltung einer Palmette ungünstig, doch behauptet sie noch immer ihre Stellung zwischen den Voluten im Mittelpunkte der geschmückten Fläche. Deutlich legen der rechteckige Block in seiner kunstlosen Gestalt und die etwas verirrten Schmuckbestandteile die Aufgabe bloß, deren Erfüllung allmählich gefunden werden mußte. Gebieterisch erhebt sich die Forderung, die Verzierungen dem Raum und den Maßen der Stirnseite anzupassen, Ausgleich und Geschlossenheit innerhalb des gegebenen Rahmens zu erreichen 3). Gleichwie sich die Ornamente den Formen der Tongefäße bequemen 4), sich bald zu Ketten und Kränzen um das Rund reihen, bald am Griff als einzelnes Motiv sich behaupten, so galt es auch die abgegrenzte Fläche des länglichen Steinblockes mit einer angemessenen Füllung zu zieren. Eine solche Umbildung vollzieht sich mit dekorativer Folgerichtigkeit, nach den Gesetzen der ornamentalen Logik, die von den Bedingtheiten organischer Gestalt und naturwahrer Erscheinung sehr verschieden ist. Sie kann darum nicht aus der Kenntnis des Urbildes ver- standen und ihre Formen nicht mit ihm verglichen werden. Das Motiv wird entwurzelt, um in den neuen Boden des Ornaments verpflanzt zu werden, in ein Reich, das nach anderen Regeln bewertet 5). Rhythmik und lineare Ein- heitlichkeit tritt an Stelle von Lebendigkeit und natürlichem Zu- sammenhange. Neue Formen entstehen aus alten Mustern, oft noch im Bilde der früheren befangen, aber dennoch mit der ihnen innewoh- nenden ornamentalen Kraft nach eigenem Gepräge strebend (Exkurs IV).

') Auch an Endungsformen der Sessel und Throne <) Siehe auch Hugo Prinz, Funde aus Naukratis, darf hier erinnert werden, z. B. Studniczka, Leipzig 1908, 30.

Kyrene, Leipzig 1890, Fig. 3. 5) Vgl. Julie Vogelstein, Von französischer Buch-

2) Wiegand, Die Archaische Horosarchitektur 68. maierei, München-Leipzig 1914, 52. *

3) Vgl. Kawerau a. a. O. und Noack a. a. ü. 36.

Julie Braun- Vogelstein, Die ionische Säule.

31

Die Versachlichung des Schmuckmotivs.

Das Problem der Kapitellverzierung ist ein wesentlich bestimmteres; herrischer als auf den freien, weiten Feldern der Vasen tritt hier die Forderung an ein ge- schlossenes, in sich beruhendes Werk hervor.

Die Voluten des delischen Stelenkapitells, die aus dem Unsichtbaren auf- steigen und deren Herkunft im Dunkel bleibt, tragen den Charakter der Willkür. Im Unbestimmten schwebt die Palmette zwischen ihnen. Mag unser Wissen um das Urbild den Kelch dazu ergänzen, dem Auge bedeuten verstandesmäßige Überlegungen nichts, es fordert ein befriedigendes Bild, es will Einheit schauen. So galt es, die versprengten Teile in neuer Weise zusammenzufügen. Ein Kapitell aus Delos (Perrot VII Tafel LIII Fig. 3) läßt, ob es gleich aus späterer Zeit stammen mag als vollkommenere Bildungen, die Wege erraten, auf denen sich die Entwicklung vollzog1). Die Voluten sind noch durch eine Palmette getrennt, doch statt des Ungefähr, aus dem sie bei dem altertümlichen Kapitell auftauchten, ist eine feste Begrenzung gegeben. Es spielt sich nichts mehr außerhalb der sichtbaren Erscheinung ab, bleibt nichts hinzuzudenken und zu vervollständigen. Die langgezogenen Spiralenden streben zueinander, wollen über die sie hindernde Palmette hinweg, die auf dem schmaler gewordenen und geschmeidigeren Sattel ohnehin ein verkümmertes Dasein fristet, ineinander- strömen.

Auf dem Kapitell Antike Denkmäler I 18,1 (Tafel III Abb. 4) ist das Bild vielleicht noch klarer. Mit der Verschmälerung des Sattelstückes verbot sich das Aufsteigen der Voluten von selbst; da es an Raum fehlte, sie hochgehen zu lassen, mußte eine andere Linienführung gefunden werden. So erklärt sich der Versuch, die vertriebenen Anfangsstreifen eingerollt in der Mitte einander begegnen zu lassen. Dadurch wurde aber die Volutenform der Seiten in gar zu winzigem Maßstabe wiederholt, und es hat den Anschein, als preßten die kraftvollen Volutenringe gegen die zwerghaften Gebilde, um sie zu verdrängen und über die Stauung hinüber ihre eigenen Spannungen auszugleichen. Mit der Erfüllung dieser immanenten Forderung ist dann zugleich die Versachlichung der Zierformen erreicht. Das Eigenleben der schmückenden Zeichnung geht unter im Dienste des geschmückten Körpers; seinem Urbild entfremdet, verliert das Motiv alles Sonderwesen; es wird zum Linienornament, das die Fläche gliedert und belebt und späterhin in plastischer Ausarbeitung die starre Kapitellgestalt reicher zu formen weiß 2).

') Vgl. auch Wiegand a. a. (1. Fig. 69. aus dem Eindringen des Säulenkopfes in die

*) Die hier dargelegte Ansicht entfernt sich in Kernmasse des Volutenstllckes erklärt und in der

vielem von den geltenden Theorien. Wenn ein Spirale die Profilansicht des aufgerollten Blattes

Teil der Gelehrten den Zusammenhang zwischen 'erkannt; a. a. O. 31 und Taf. 44. (Vgl. auch

vertikalem und horizontalem Typ leugnet die ägyptischen Zeichnungen, die als Umrißbilder

Furtwängler a. a. O. 372 und, mit einer ge- jene Seitenlinie des aufgerollten Blattes bevor-

wissen Einschränkung, auch Thiersch a. a. O. zugen.) Ihm folgte Wolters, diese Auffassung be-

267; Lichtenberg a. a. O. 61 ff. , so hat kräftigend Springer 1 ,0, 1J2 während

Noack, Baukunst, 36 die Zerstörung des Kelches Weickert (Das lesbische Kymation, Leipzig IQI3)

32

Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule.

Blatt kränz und Blattwelle.

Die flache Volutengestalt des länglichen Sattels bildete sich aus den Körperverhältnissen des Querblockes und dem geläufigen Schmuckmotiv in reiner Erfüllung des künstlerischen Form- verlangens zu fester Einheit folgerichtig um. Um so erstaunter aber betrachten wir den Blattüberfall der Naxiersäule, den die altertümlichen Stelen- kapitelle aus Delos und Athen noch nicht kennen, und verwundert fragen wir nach seiner Herkunft, nach Grund und Sinn seiner Aufnahme in die ionische Säule. Bei dem Kapitell von Neandria'), dessen Tragglied sogar sich ganz in das Gewand

in starker Übertreibung der Theorie die ver- bundene Volute aus den Profilen zweier gegen- einander gestellter Blattüberfälle ableitet. Doch bringt er keinerlei Belege für diese merkwürdige Zusammensetzung zweier Schmuckreihen, bei der das zu schmückende Gebilde eigentlich weg- fallen oder doch fast körperlos werden mußte. Aber auch die Volutenkapitelle selbst wider- sprechen dieser Annahme. Zum mindesten hätte man einen völligen Richtungswechsel voraus- zusetzen. Das Bedeutsame, die eigentliche Stirn- seite des Kapitells würde zur Nebenseite, die formerzeugende Hauptseite (der BlattUberfall) geriete von frühesten Zeiten an in Vergessenheit, wie die Kanäle der Schmalseiten an den Voluten- gliedern der Naxiersäule und der alten Artemi- siumsäule beweisen. (Vgl. Perrot-Chipiez VII, Taf. LH D). L'nd für das äolische Kapitell, in dem das vegetabilische Element so stark zur Geltung kommt, trifft Weickerts Voraussetzung ebensowenig zu. Die Schmalseiten sind glatt und durchaus als Ergebnisse der Vorderansicht gestaltet. In Neandria war freilich nur die eine Breitseite ausgeführt, aber gerade diese Tatsache erweist sie unwiderleglich als Stirn- und Haupt- seite. (Vgl. Koldewey, Neandria 43.) Anten- kapitelle aus späterer Zeit kennen jenen Zu- sammenhang der Seitenvoluten und Frontblatt- reihen kaum, doch hält die Pytheosante vonPriene zum mindesten eine leise Erinnerung daran fest. Vgl. Noacks Darlegungen a. a. O. 39 und 42, dazu Wiegand-Schrader, Priene, Berlin 1904. Nr. 64/65 und Kothe-Watzinger, Magnesia, Berlin 1904. Ein gewisser Zwiespalt der beiden Or- namente zeigt sich schon auf einer samischen Be- krönung, die Schede, Athen. Mitt. XXXVII 191 2, 200 (Taf. 15) bespricht. Verrät sich in jener Profilbildung' an der Antenbekrönung von Didyma (Noack a. a. O. 31 Taf. 44) das Bestreben,

den Kapitellkörper einheitlich auch im Schmucke zu gestalten, so bleibt dennoch die Stirnseite als bestimmend bestehen. Auch in den Voluten- gliedern der Naxier- wie der Artemisiumsäule ist die Übereinstimmung gewahrt, doch wird sie in rein sachlicher Form und mit rein geometri- scher Verzierung erreicht. Spätere Kapitelle kehren freilich wieder zu Blattmotiven zurück, aber das nachträgliche Schmücken mit quer- gestellten Blätterbündeln (vgl. etwa die Seiten- ansicht der Säulenköpfe am Didym'aion von Milet) oder die schuppenartige Anordnung vieler Blättchen, die schon ein so frühes Werk wie das Akropoliskapitell bei Puchstein I Abb. 9 (Taf. III Abb. 2) zeigt, läßt sich nicht mit der »Profil- ansicht« der Stirnseiten vereinen. Ohne des weiteren auf die älteren Lehren von der Ent- stehung der Spirale und ihrer bald technischen Bedingtheit, bald symbolischen Bedeutung ein- zugehen, muß doch betont werden, daß das Motiv des Einrollens in seiner ornamentalen Verwen- dung bisweilen hart an die Grenzen der Blatt- volute stößt. Eine gegenseitige Beeinflussung und Steigerung der Können ist durchaus möglich, und der Apollokopf aus dem Ptoion, Bulletin de Corresp. Hellen. XXXI 1907, pl. XVII, XVIII, zeigt in der Stilisierung seiner. Stirn- locken Spiralen, die in der Mitte fast als Voluten zusammenstoßen, an den Seiten aber mit einem »Eierstabmuster<. enden. Hier wären auch die spiralförmigen Ohren zu erwähnen, von denen Thiersch, Tyrrhenische Amphoren, Leipzig 1899. 110 spricht. Vgl. über volutenähnliche Bildungen Dragendorff a. a. O. 163 und die dort angeführte Literatur, über die horizontale Volute als latentes Muster siehe unten S. 47, Exkurs IV. ') Vgl. Weickert a. a. O. 37. . *

Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule. 5?

der Pflanze hüllt, erscheinen die Blattkränze ich lege Koldeweys Zusammen- setzung zu Grunde verständlicher (Tafel III Abb. 1). Sie begreifen sich aus dem Gesamtcharakter, der eine Zierform angenommen hat und sich der Pflanzengestalt anzupassen sucht. Seltsam jedoch mutet dieses fast naturalistische Gebilde in Verbindung mit der zweckhaften Sachlichkeit des ionischen Volutenkapitells an.

Der lose überhängende Blattkranz ist in den Ländern zu Hause, aus denen wohl auch das Urbild des griechischen Palmetten- und Lotusornämentes stammt: im alten Orient1). Assyrisches Kunsthandwerk kennt den frei überfallenden, wie den eng der Grundform anhaftenden Blattschmuck, meist als Endglied eines Geräteteils, am Gelenk könnte man sagen. Luschan gibt dafür einige gute Belege an assyrischen Möbeln2) des Britischen Museums (vgl: seine Abb. 5 und 6). Ein Weihrauchständer aus Palästina (zuerst im Archäol. Anzeiger 1907 reproduziert) zeigt trotz aller naturnachahmenden Einzelheiten ein deutliches Artikulieren der Gerätglieder und erinnert schon eher an die Blätterkragen des äolischen Kapitells3). Für die feste, der Masse verbundene Form des gegliederten Blattstreifens findet sich in der Basis von Sendschirli4) aus dem 9. Jh. (abgebildet bei Luschan, Nr. 7 und 8) ein Vorbild. 5)

Doch statt wie bei diesen Beispielen an untergeordnetem Platze oder in unwichtiger Stellung erscheint die rund ausladende Blätterreihe am Naxierkapitell (Tafel I Abb. 3) in besonderer Bedeutsamkeit und weiß sich so sehr zur Geltung zu bringen, daß der Volutensattel ihr nachgiebig ausweicht. Sie ist hier eine Krone, dem Rundschaft schmückend aufgesetzt.

Wenn Dörpfeld die Innensäulen von Neandria einzig mit den geradwandig abfallenden Blattkränzen, ohne Volutenglieder rekonstruieren zu können meinte6), so bietet die Blattkappe von Aegae in Äolien7) allerdings ein Beispiel ähnlicher Kapitelle. Diese Form geht auf orientalische Vorbilder zurück, wie eine assyrische Säulenbekrönung (Dieulafoy a. a. O. Fig. 68) anschaulich macht.

Näher noch scheint die Beziehung zur Urheimat der Pflanzehsäulen bei den Palmkapitellen ionischer Kunst, die kürzlich an den Bauten der Klazomenier in Delphi8) ausgegraben wurden. Durch diesen Fund ist unsere Kenntnis der ionischen Kapitellbildungen wesentlich bereichert worden (Tafel III Abb. 8). Wir wissen nun mit Sicherheit von runden sich ausbreitenden Blattkapitellen in Ionien, die wie das äolische von Aegae keines weiteren Aufsatzes bedurften, und da diese Formen wenig Ursprünglichkeit zeigen, sich vielmehr deutlich an ägyptische Vor-

') Noack a. a. O. 35. 4) Vgl. Ausgrabungen in Sendschirli IV 191 1.

») Vgl. auch Weickert a" a. O. 19, der auf Per- 5) Vgl. auch Lehmann-Haupt, Zur Herkunft der

rot II 25 und auf Koppen, Geschichte des Möbels, ionischen Säule, Klio XIII 1913, 4S0 Abb. 15.

Fig. 130 hinweist. 6) Perrot VII Fig. 277.

3) Zwei weitere Weihrauchständer aus Palästina: 7) Rieh. Bohn. Altertümer von Aegae, Berlin 1889,

Archäol. Anz. 1907, 300 Abb. 18; 1909, 388 Abb. 31.

Abb. 23 (Thiersch). ' 8) Vgl. H. Pomtow, Delphica, Berl. Philol. Wochen- schrift 191 1 Nr. 49 fr. Sp. 1547 ff-

Jahrbuch des archäologischen Instituts XXXV. 3

ii Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule.

bilder anlehnen '), so lassen sie der Annahme Raum, daß sie in der ionischen Architektur schon vor der Errichtung des Klazomenierbaues Verwendung fanden.

Ein wenig von der Selbständigkeit derartiger Palmkronen besitzt auch der abstehende Blattkranz der Naxiersäule (Tafel I Abb. 3), obwohl die Einheit von Blattüberfall und Riefelung gesprengt ist und den Rundstegen des Kymation nicht wie dort die zwischen Rundstegen gebetteten Furchen am senkrechten Säulenkörper entsprechen, sondern dorische Kannelüren, 44 an Zahl, zu 16 Kymationblättern stehen und Säulenrumpf und Säulenhaupt deutlich geschieden ist2).

Wir kennen also runde, frei überfallende Blattkapitelle und runde, fest ge- drängte Blattbekrönungen an frühionischen Rundstützen. Da kann uns das Kymation der Naxiersäule, für sich allein betrachtet, nicht wundernehmen. Noch aber bleibt es unerklärt, warum sich diese freie Blattkrone mit dem rechteckigen Volutenlager verband. Gibt sie keinen weiteren Aufschluß, so ist zu untersuchen, ob das Volutenglied nichts verrät.

Das Sattelholz und seine Gestaltung.

Das Volutenkapitell in seiner primitiven Form auf den kymatienlosen Stelen von Delos und Athen erweist sich als Sattel, dessen ursprüngliche Er- findung und Gestalt an dem neupersischen Bauernhaus anschaulich wird, das Dieulafoy abbildet. So deutlich nun auch die oft genannten Stelenkapitelle noch den Charakter ihrer Funktion bewahren, so haben sie doch schon eine künstlerische Umgestaltung erfahren. Jene hölzernen Rundschäfte des persischen Bauernhauses tragen ein hölzernes Auflager, einen Sattel, der an den Schmalseiten flach, an den Längsseiten aber, als natürliche Rundung des Holzstammes, gewölbt ist. Nehmen wir an, daß Schaft wie Sattel vom selben Durchmesser sind, so fällt die Tangentialebene am weitest vorkragenden Punkte des Querholzes mit der vordersten (äußersten) Schaftlinie zusammen. Und da der runde Querstamm nicht auf dem Längsstamm schwebend, sondern in ihn einschneidend und ein wenig versenkt zu denken ist, so bleibt bei gleichem Durchmesser am Auflagewinkel nur ein kleines sphärisches Dreieck als leerer Raum übrig.

Die ionischen Votivträger aus Delos und Athen und das Volutenglied der Naxiersäule (Tafel I Abb. 1, 2, 3) unterscheiden sich von jener tektonischen Urform merklich und z. T. in verschiedenem Sinne. Gemeinsam ist ihnen, im Gegensatze zur primitiven Holzform, die ebene Fläche der Langseiten, die Abrundung der Schmalseiten, gemeinsam auch das Abweichen ihrer Maße von denen des Schaftes, nur daß das Volutenglied der Naxiersäule schmaler, das der beiden anderen breiter als ihr Säulenstamm ist.

Schon 'innerhalb der kunstlosen Verwendung ist die uranfängliche Gestalt

') Durm 351 bildet in Fig. 337 und 338 ein Stoa ab. Vgl. auch die Eumenes-Stoa zu Athen,

ägyptisches Palmkapitell aus Soleb und das in ebenda Abb. 339.

der Gesamtanlage dem delphischen Klazome- *) Ob auch diese Form schon ihre Vorläufer hatte? nierkapitell sehr ähnliche der pergamenischen Vgl. aus später Zeit: Altertümer von J'ergamon

Bd. II Taf. 24. ' .

Julie Braun- Vogelstein, Die ionische Säule. 5 c

des Querholzes verändert zu denken. Die obere Rundung wird beseitigt, um durch eine ebene Fläche dem Deckbalken sicherere Unterlage zu bieten. Damit ist die Bearbeitung des Blockes zu einem Rechtkant begonnen. Den stützenden Stamm ebenfalls abzukanten, lag kein Anlaß vor, er mochte rund in den Quer- körper einschneiden, der anfangs gewiß so breit gehalten wurde, daß die Schnitt- linie ein eingeschriebener Kreis war. (Dieses Verhältnis verrät sich noch in den altertümlichen Beispielen aus Delos und Athen, Tafel I Abb. i und 2, während es sich bei der Naxiersäule, Abb. 3, schon umgekehrt hat.) In dieser zweckhaft gebundenen Gestalt ist vielleicht Stütze und Deckbalken-Sattel auch im Steinbau verwendet worden, doch bleibt eine Abrundung der unteren freistehenden Kanten des Langstückes als einfachste Art, seine harte Form gefälliger zu machen, schon vorher wahrscheinlich '). Wie zögernd die Ausarbeitung an dem Oberteil des Blockes erfolgt, läßt sich noch aus dem delischen Beispiel erkennen, dessen obere Hälfte durchaus geradwandig gehalten ist und in ihrer ganzen Ausdehnung zum Dienste des Auflagers bereit bleibt.

Erfährt auch im weiteren Verlaufe der Entwicklung durch die Vermählung von Stirnfläche und Ornament der Querblock eine biegsamere Gestaltung, so läßt er doch keinen Zweifel, daß seine Körperform von oben her, von dem Auflager bestimmt ward. Dem Zweck muß das Volutenglied seine Entstehung verdanken, denn nur aus ihm erklärt sich seine Erfindung, nur am Sattel, der die Last in breiterer Fläche empfängt, als es der schmale Schafthals vermöchte, begreift sich die oblonge Bildung, nur aus der Abhängigkeit von seinem Reiter, aus der dienst- baren Anpassung an ihn ist es zu verstehen, daß jener Zwiespalt mit dem runden Stützgliede so schroff in Erscheinung treten konnte.

Die Entstehung der ionischen Säule.

Da uns der Entwicklungsgang der ionischen Bausäule verborgen ist, und das erste erhaltene Beispiel einer architektonischen Säule ionischen Stiles vom alten Artemisium in Ephesos schon eine Verschmelzung der Elemente zeigt, so müssen Votivsäulen einen Ersatz bieten und mit ihren verschiedenartigen Formen als Pfadfinder dienen.

Im Perserschutt der Akropolis zu Athen fanden sich außer jenen altertümlich ionischen Rundstelen mit oblongem Volutengliede noch eine große Zahl anderer in mannigfachster Form: rechteckige Ständer mit verbreitertem Abschluß, Rund- stelen mit im Grundriß rundem Aufsatz von verschiedenster Gestalt des Profils und verschiedenster Ornamentierung2). Borrmann erklärt die Vielfachheit der. Formen aus der Gestalt des Weihgeschenkes, dessen Träger diese Stelen waren. Eine im Ganzen runde Votivgabe forderte eine runde Basis, der langgestreckten mußte eine ebenfalls oblonge Unterlage dienen. Wenn nun auch im Einzelnen

') Hittorfs Entwipklungsreihe auf Tafel 82 Fig. a) R. Borrmann, Archaol. Jahrb. III 1888, 26aff.;

7 II bleibt angesichts des Mangels an damals dazu Kaweraus Rekonstruktion ebenda XXII

bekannten Zwischengliedern etwas theoretisch. 1907, 197 Abb. 1 und Perrot VII Fig. 259. Vgl. Kawerau a. a. O. 201.

26 Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule.

sich das Profil und die Ausschmückung jener Weihgeschenkbasis, die zugleich Stelenkopf ist, nicht aus dieser Zweckform ableiten läßt und der freien Gestaltung Raum gewährt, die Bedeutung des getragenen Votivstiickes für den tragenden Ständer, zumal für die Größe und Ausmessung seiner Oberfläche ist einleuchtend. Der Schaft ist hier durchaus dienend, durchaus unwichtig. Erst sein »Aufsatz« erhält Wert, freilich in seiner Eigenschaft als Untersatz, als Basis des Anathems, nicht als Stelenkopf. So erklärt sich auch die harte, etwas grobe Zusammen- setzung jener Stelen von Delos und der Akropolis (Tafel I "Abb. I und 2), die auf den runden Schaft unvermittelt das oblonge »Kapitell« stülpen. Dem Weihgeschenk ist das Volutenglied dienstbar, nicht der Stütze, die als untergeordnetes Zweck- wesen beliebig gestaltet werden mag. Gleich wie sich hier das Sattelholz nach der Auflage formt, nicht nach dem vertikalen Stützkörper, so entstand seine Ur- gestalt einst in der Architektur als ein kurzer Querbalken, der die Last des Decken- und Dachgebälkes empfängt1).

Ein Vergleich der ionischen Votivträger mit den kyprischen Stelen mag an dieser Stelle die Darlegung kurz unterbrechen, um noch einmal die völlig anderen Wurzeln und damit die verschiedenartige Fortbildung der griechischen Formen zu erweisen.

Ob die kyprischen Weihbilder aus einem Blocke gearbeitet waren wie jene Athienustele oder an der Ansatzstelle des Volutenteiles gestückt wurden (Tafel II Abb. 4 und 5), immer erhält sich der Formzusammenhang: ein flächiger Sockel und eine flächige Relieftafel. Und selbst für den Pfeiler von Tamassos (Tafel II Abb. 8) ist das Volutenglied die natürliche Bekrönung. Wohl dient es als Unter- lage des darauf lastenden Steinbalkens, doch zugleich ist es in seiner länglich ver- breiterten Gestalt der Kopf des rechtkantig aufsteigenden Stützgliedes ; es weiß beiden Aufgaben gerecht zu werden2).

Die runden ionischen Votivständer hingegen konnten den künstlerischen Sinn nicht befriedigen, zumal wenn ein größerer Maßstab sie aus ihrer Nichtigkeit hob und zur Schau stellte. Das oblonge Sattelstück erfüllt wohl seinen Beruf als Postament als Bekrönung des Rundstammes versagt es. Sobald man diesem eine bessere Ausschmückung angedeihen, sobald man den Ständer des Standbildes auch zu einem Kunstwerk werden ließ, machte sich das Bedürfnis fühlbar, diesem zum Säulenschaft erhobenen ehemaligen Zweckglied einen eigenen Abschluß zu geben. Da griff man naturgemäß zu dem runden Blattüberfall, den die Rundsäulen Ioniens schon kannten.

Doch die Votivsäule, die somit geschaffen ward, ist ein Einzelwesen, ein Fremdling in anderer, andersgestalteter Umgebung. Sie bedarf eines eigenen Bodens, der ihr allein gehört, ihr überall Recht und Raum sichert. Auf eigenem

') Vgl. Borrmann a. a. O. 276. kyprischen Pfeilern. Auch die Volutenkapitelle ') Die im Relief gearbeiteten Stutzen einer etruskischen aus Sparta, deren „Bestimmung als Weihgeschenk- Hausurnet Delbrück, Die drei Tempel am Forum träger gesichert" ist (Fiechter a. a. O. 218) ge- Holitorum in Rom, Rom 1903 Taf. IV, 6, haben horten wohl zu einem rechteckigen Stlftzgliede. eine gewisse Ähnlichkeit der Formen mit den

Julie Braun- Vogelstein, Die ionische Säule. ?j

Grund, einer selbständigen Basis, erhebt sich die ionische Votivsäule als ein freies künstlerisches Werk : die Naxiersäule entsteht. Noch ist die Basis von schlichter, rein sachlicher Form J), doch auf gefurchtem Schafte, den ein schwellender Blatt- kranz krönt, liegt, jeglicher Funktion als Kapitell enthoben, breit der Volutensattel, ein geeignetes Postament für die von rechteckigen Ebenen begrenzte Sphinxgestalt, die auf ihm ruht (Tafel III Abb. 9).

Das vermeintliche »Kompösit«.

Was an der Naxiersäule widerspruchsvoll erscheint, erklärt sich im Ge- samten der Naxiergabe, in Säule mit Sphinx, von selbst. Jetzt hat die scheinbare Doppelbildung der »Kapitelle«, das vermeintliche »Komposita seinen Sinn, jetzt erweist sich das Sattelglied als das, was es uranfänglich war und immer blieb, als Träger, als Lastempfänger, als Unterlage2). Jetzt erklärt sich das Kymation einfach als Kronschmuck, als einziger Säulenkopf.

In der Naxiersäule sind die Elemente noch so weit gesondert, daß wir ihren Ursprung und ihre Zusammenfügung erkennen können. Hier liegt aber auch zu- gleich die bildnerische Aufgabe klar zutage. Das unvermittelte Übereinander von runder Bekrönung und flächigem Querlager mußte schon an der Votivsäule als unerfreuliche Härte empfunden werden, um wie viel mehr im Bau, wo, wie immer auch das Volutenstück zu deuten und ob es gleich in der Form vom Deckbalken abhängig ist, alle Stücke des Traggliedes noch sichtbarer zu einem Körper werden. Lenkt doch das Weihgeschenk, als einzelner Gegenstand, die Blicke zuerst auf sich und läßt somit eher Unstimmigkeiten seines Ständers über- sehen. Im festen Fug des Gebäudes verstärken sich die Wirkungen des Zwie- spaltes durch seine Wiederholung wie durch eine gewisse Absonderung der ge- reihten Teile von den fortlaufenden: der Stützen von dem Architrav. Liegt nun aber auch in der glücklichen Verschmelzung der widerstrebenden Teile zu künst- lerisch befriedigenden Formungen die Hauptentwicklung ionischer Säulen beschlossen, gelingt es auch den Griechen der klassischen Zeit, aus den Teilen ein Ganzes zu gestalten, Blattkranz und Sattel zu einem Kapitell umzuschaffen, so bleiben ihre ursprünglichen Wesenheiten doch noch lange gewahrt. Die ionischen Säulen des Mnesikles (Tafel III Abb. IO) haben noch das frei ausgearbeitete Kymation, das kaum an den Polsterseiten eingeschränkt erscheint.

Und wie dieses klassische Kapitell in seiner attischen Formveredlung noch die Elemente der Naxiersäule sichtbar enthält, so läßt das Kapitell des Erechtheion in geklärter und höchst verfeinerter Weise noch seine Urbilder erkennen. Denn neben der Schaftbekrönung mit freiem Blattüberfall, wie ihn die Naxiersäule zeigt,

■) Für die ursprünglich rein sachliche Form der 2) Schon Guhl a. a. O. spricht das Volutenglied

Basis ist auch die Votivsäule aus Aegina ein Be- der ionischen Säule nicht als Kapitell an, wäh-

leg. (Furtwängler, Aegina Taf. 64). Vgl. auch rend Kawerau bei der Rekonstruktion seiner

Th. Wiegand, Athen. Mitt. XXV 1900, 208. Säule (zu dem von Puchstein I Fig. 6 abgebil-

Weickert a.a.O. 38, 2. Dagegen Furtwängler, deten Kapitell) bemerkt: »Erst wo der Übergang

Einführung 369. in die Rechteckform beginnt, fängt das Kapitell

an« (a. a. O. 205).

^8 Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule.

findet sich auch festverbundener, wulstartiger Abschluß an altertümlichen Votiv- ständern aus dem Perserschutt der Akropolis. Das Poroskapitell mit Torus, das Puchstein im Winckelmann-Programm beschreibt1), gehört noch der Mitte des 6. Jahrhunderts an (Tafel III Abb. 2).

Aus gleicher Zeit etwa vor 546 stammt die älteste uns erhaltene ionische Bausäule, vom Tempel der Artemis zu Ephesos (Tafel III Abb. 11). Läßt sich hier auch der Widerstreit der runden Schaftbekrünung und des läng- lichen volutengezierten Traggliedes noch deutlich verspüren, so scheint doch der Anfang einer Verknüpfung eingeleitet; das flächige Querstück erweckt nicht mehr wie bei der Naxiersäule den Eindruck, als sei es leicht abhebbar.

Es liegt außerhalb des Rahmens dieser Darstellung, die mannigfachen Wege zu verfolgen, die von den ersten ionischen Bildungen bis zu den vielfältigen Formen führen, wie sie von Griechen und Römern im Laufe der Jahrhunderte gestaltet wurden. War das Grundthema gegeben und die allgemeine künstlerische Aufgabe bezeichnet, so bedeuten die Abwandlungen wohl wertvolle Variationen und Bereicherungen, in denen der Zeitstil und das Formgefühl der Bildner sich kundgibt, über das eigentliche Wesen des Gebildes selbst vermögen sie nichts Neues mehr auszusagen. Wohl aber werden sich, in tausend Formen versteckt, unveränderliche Eigenschaften, unverlierbare Besonderheiten durch deren ewige Wiederkehr überzeugender dartun.

Der Kampf gegen die Einseitigkeit.

Im Gegensatze zu dem dorischen Kapitell, das sich allseitig rundet, hat das ionische Volutenglied ausgesprochene Stirn- und Nebenseiten. Bleiben auch die gerundeten Schmalseiten nicht, wie bei den kyprischen Pfeilerkapitellen, ganz leer und schmucklos, so sind sie doch von Natur gegenüber den reichen Formen der Hauptseiten vernachlässigt und müssen erst mit neuerfundenen Motiven gegliedert werden. Am Artemisiumkapitell (Tafel III Abb. 1 1 b) treffen die schnurartigen Säume der Stirnfläche fünfmal gedoppelt auf den Rundseiten aneinander, und man gewinnt den Eindruck, als sei das Sattelstück aus vier gleichschichtigen Längs- blöcken zusammengefügt, was die horizontale Richtung des Ganzen besonders betont. Eine für sich befriedigende Seitenansicht läßt sich bei dieser Säule durch- aus nicht gewinnen. Unklar in den Teilen ihres Körpers, das überschnittene Kymation bleibt ebenso fragmentarisch wie die ausdruckslose Rolle des Voluten- gliedes — noch unklarer in ihrer Zusammensetzung, überzeugt sie von der ein- seitigen Gebundenheit ihres Wesens. Des Auge flüchtet von diesem quälenden Anblick zur Stirnseite, um auf einem organischen Bilde ruhen zu können (Tafel III Abb. 11a). Seit ihrer Aufnahme in die attische Baukunst wird die ionische Säule freilich nach Möglichkeit von dieser Befangenheit erlöst, und an den späten Bauten des Artemisium zu Magnesia und des Didymaion bei Milet*) etwa (Noack, Baukunst Tafel 51a und 53 a) arbeitet man bewußt dem einseitigen Charakter

') Vgl. auch Borrmann a. a. O. und vor allem Ka- ») Th. Wiegand, Abhandl. preuß. Akad. Berlin 191 1. werau a. a. O.

Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule. -,Q

entgegen. Statt wie in Ephesos die Schmalseiten als ein Ergebnis der Stirnseiten anzusehen und deren Sinne angepaßt nur in Schichten zu gliedern, betont man hier ihre Ausdehnung und ihren Eigenwert besonders. Die langgestreckten Blätter, im Kranz oder im Bündel zusammengefügt, haben einen eigenen Sinn und beanspruchen somit eine eigene Betrachtung. Aus dem Vernachlässigten, als nebensächlich Verachteten ist ein selbständig Wirkendes geworden. Für eine allseitig freie Verwertung in der Architektur ist damit wenig gewonnen. An Stelle der Tyrannei der Langseiten ist ein Gegeneinander gleichberechtigter, aber recht ungleich gearteter Stirn- und Querseiten erreicht, und gerade dieser Dualismus erschwert die Verwendung im Bau. Man mag umgestaltenjgpnd ändern, ein Etwas haftet der ionischen Säule an, das nicht zu überwinden ist. Fast könnte man es ihr Rassenmerkmal nennen : die unabänderliche Gegensätzlichkeit ihrer Seiten.

Bei den kyprischen Pfeilern, die im Baukörper bleiben, tritt die Seitenansicht so stark zurück, daß sie nichts Ungelöstes bedeutet. Die phönikischen Halbsäulen in Maschnaka fügen sich der Rückwand ein und vermeiden es, ihre Profile zu zeigen '). Für die freie allseitig wirkende Stellung ist das ionische Kapitell nicht geboren, und als ein gleichmäßig der Lang- und Querwand dienendes kann es nicht entstanden sein. Es trägt nur den Längsbalken, dem Querbalken der ent- gegengestemmten Seite versagt es sich als Auflager. Dafür zeugt deutlich seine Gestalt. Die Fassade schmückend, die Fassade gliedernd, so muß ihrem Wesen nach, ursprünglich die ionische Säule verwendet worden sein2).

Und doch dringt sie, zuerst nur ein Einzelgast in Griechenland und nur außer- halb der Baugesetze als Votivträger geduldet, in die attische Baukunst ein und wird als tektonisches Glied dorischen Tempeln und den dorischen Propyläen eingefügt.

■) Die persischen Säulen, die Rund-, Vier- und Form des Tierleibes, dort in Gestalt der Voluten- Zweiseitigkeit an einem Körper vereinen, Sattel- platte in der Naxiersäule enthalten. Perrot, der liolz.Volutenglied und Pflanzenkapitell zusammen- die persischen Bildungen auch als die jüngeren fügen, erweisen sich, da sie der Zeit des Darius ansieht, gibt der Vermutung Ausdruck, daß sie und Xerxes entstammen, als jünger gegenüber und die altionischen auf gleiche Ahnen zurück- der Naxier- und der Artemisiumsäule. Vgl. gehen. Diese gemeinsamen Vorfahren könnten Dieulafoy a. a. O. 77 und Fig. 105. Daß die assyrische Spiralverklammerungen sein, wie sie Tierleiber hier den Sattelkörper bilden und so- an Geräten (vgl. Puchstein I Abb. 49) und mit die Stelle des ionischen Volutengliedes ein- wahrscheinlich an Säulen vorkamen. Nur die nehmen, führt Dieulafoy a. a. O. 63/64 aus. ionischen Volutenglieder haben aber ihren tek- (Siehe auch seine Taf. X.) Mit den vierseitigen tonischen Sinn bewahrt, während die persischen Spiralen, die somit aller konstruktiven Bedeutung lediglich ein Übergangsgebilde zwischen runder ledig sind, vergleicht Reber die Ausläufer des Säulenkrone und länglichem Sattel darstellen, Rahmenwerkes an dem Felsgrabe bei Bakschisch ohne einem struktiven Zweck zu dienen. Über in Phrygien. (Abhandlungen der bayr. Akademie Phrygien und seine kulturelle Abhängigkeit siehe d. Wiss. III. Cl. XXI, 3. München 1898 Taf. VIII). Erich Brandenburg, Phrygien, Leipzig 1907 (Der Es läßt sich darum Furtwänglers Äußerung (Ein- alte Orient IX 2. Heft), 31; und A. Körte, fUhrung, 371), daß diese persischen Säulen »ganz Athen. Mitt. XXIII 1898, 140.' so gebildet wie die Naxiersäule« seien, nicht 2) Auch die äolische Säule von Neandria diente wörtlich nehmen. In Wirklichkeit sind nur die entweder nach Koldewey als Innenstütze Elemente des Blattkranzes (der aber bei dem eines nur von der F'ront zugänglichen Raumes persischen Beispiel dem äolischen von Neandria oder nach Dörpfeld am Außenbali als viel näher steht) und des Sattelstückcs, . hier in Schmuck.

40 Ju'ie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule.

Mnesikles wählte freilich die fremden Säulen, weil die dorischen an der be- sonderen Stelle, wo er ihrer bedurfte, versagten. Die Unmöglichkeit, ein Zwischen- gebälk aufzuführen, zwang ihn, die schlankere, hohe Gestalt des ionischen Säulen- körpers als Innenstützen des erhöhten Mittelbaus zu verwenden '). Doch er konnte sie auch an dieser Stelle verwerten, ohne ihrem eigentümlichen Charakter Zwang anzutun, ohne daß ihre einseitige Befangenheit das Auge hier verletzte. Dem Tor mit seiner wesenhaften Richtung, durch das der Weg ein und aus, vorwärts und zurück, nicht aber nach links und nach rechts führt, entspricht das ionische Kapitell mit seinen Stirnseiten vorzüglich. Immer wieder bietet sich dem Schreitenden die Fass^le neu dar, immer wieder baut sich ihm ein Eingangstor auf, und wie er schrittweise vordringt, so nimmt das Kapitell schichtweise von dem Raum Besitz.

Am Tempel der Athena Nike stehen die ionischen Säulen wie ein Relief- schmuck vor der Wand. Mit der ausgesprochenen Vertikalwirkung ihrer Kannelüren*) und der ausgesprochenen Horizontalwirkung ihrer Volutenkapitelle sind sie ein rhythmisch gliederndes, die Fläche belebendes Element. Vor der Eintrittseite stehen sie wie Posten, die mehr den Eingang bewachen und bezeichnen, als in das Innere führen.

Und so wenig raumgestaltend sich der ionische Stil am Erechtheion erweist, so wie dort seine Wirksamkeit sich allein auf die Außenerscheinung erstreckt, für diese freilich seine glänzende formgestaltende Kraft zeigt 3), so wenig lag es über- haupt im Wesen der ionischen Kunst, den Raum zu erobern und zu gestalten. Als Schmuckkunst, als Linien-, als Reliefkunst erscheint die ionische neben den Schwestern im Mutterlande.

Das Wesen der ionischen Architektur.

In der feinen, zierlichen Gestaltung des Einzelnen sah die ionische Kunst ihre Aufgabe. Hier fand sie Lösungen und Bildungen, die dem schwerfälligeren dorischen Stil nicht gelingen konnten. Denn ihm blieb Raum und Masse der bildnerische Stoff. Aus der Unendlichkeit des Raumes formt er mit mächtigen Blöcken einen Raumbereich, ja er sucht recht eigentlich den Raum in sein Haus einzufangen. In den großen Fluten des Lichtes und den tiefen Lagerungen der Schatten wirkt die Fülle, die Fülle des Raumes, die Fülle der Masse. Das runde Kapitell, das kein Vorn und kein Hinten, kein Rechts und kein Links kennt, der im Peripteros, dieser wohl echt dorischen Erfindung, erreichte Raumklang, die Einheit und Beschlossenheit aller Teile in das Ganze: das alles verleiht dem dorischen Bau den unantastbaren Charakter der Monumentalität. Die Raumehrfurcht be- herrscht diesen Tempel, der Raumgott gibt die ehernen Gesetze, die erhabenen Maße.

Und doch, wie in der Plastik dem Blockmäßigen, Massigen der dorischen Kunst die linienfeine, am Einzelnen geschärfte ionische Skulptur gegenübersteht und trotz ihrer Fremdheit in Griechenland Eingang findet und dann, in wunder-

') Vgl. Noack, Baukunst 26. ») Vgl. Xoack a. a, O. 27. 3) Vgl. Xoack ebenda.

Julie Braun- Vogelstein, Die ionische Säule. ^j

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barer Verschmelzung mit der dort heimischen, Werke wie den Parthenongiebel schuf, wie das dorische Chorlied sich mit ionischem Einzelgesang und ionischem Rezitativ zur attischen Tragödie vermählte, so nahm man auch die zierliche, schmuckvolle ionische Säule, den ionischen Bau auf und suchte ihn ins Attische umzubilden.

Gegenüber dem kanonischen Gesetze des dorischen Stils, der kein Verschieben, kein Sichabsondern des Einzelgliedes kannte, da alles wie bei einem Organismus ineinandergreift und füreinander wirkt, lockert sich der Zusammenhang. Das Einzelne erhält erhöhten Wert, wird durchgebildet und bereichert. Auch die Säulenbasen, deren der dorische Stil nicht bedurfte, da im Stylobat der Gesamtbau sein Postament fand und ein Sonderdasein des einzelnen Baugliedes nicht geduldet wurde, gestaltet der ionische Stil zu einem Schmuckwerk. Reich verziert und verschiedenartig gebildet, erheben sie Anspruch auf eigene künstlerische Be- deutung1). Jede Zweckform wird nicht nur wie bei der dorischen Säule zur vollendet schönen Werkform, nein zur Kunst- und Schmuckform geführt.

Den Raum, den man als Ganzes, als Raummasse empfunden hatte, beginnt man nun schichtweise auszumessen; statt des großen Tiefenhaften herrscht die Wand- oder Reihengliederung. Man zerlegt die kubische Ausdehnung in Flächen, den Baukörper in Fassaden, bis man wieder zum Rund, zhm spezifisch Raum- haften zurückkehrt: zum korinthischen Kapitell.

Freilich das korinthische Kapitell kennt in dem Allseitigen doch die feste Richtung, kennt nicht nur ein Überall, auch ein Vorn und Hinten, ein Links und Rechts, nicht allein das spezifisch Raumhafte: das Rund, auch das spezifisch Körperhafte: das Vierkant. Mit seinen vier klaren Ecken steht es unverrückbar da, es wird allen Seiten gerecht, von keiner beherrscht. Es ist wieder ein Volles, ein Ruhendes. Die Synthese ist vollbracht: Aus dem richtungslosen Rund und der Raumehrfurcht zur einseitigen Bestimmtheit und Raumteilung und von ihr zurück zum Ganzen als Summe seiner Teile. Eine dialektische Entwicklung: das im Ahnen, im Unbestimmten Gegebene zu zergliedern und im Einzelnen zu erfassen, bis es als Erkanntes zum bewußten Besitze wird.

Und wurde auch nie die hehre Größe des dorischen Tempels, deren Ge- heimnis eben in der Ungeteiltheit, der Wucht, dem Massigen liegt, wieder er- reicht, — dieser Weg mußte gegangen werden. Denn über das Vollendete, in sich Geschlossene gibt es kein Aufwärts; nur neben ihm ein Anderes.

Die immanente Gebundenheit der ionischen Säule. Auf die strenge Bindung des dorischen folgt die Freiheit des ionischen Baus, der eine Fülle von Bildungen zu verheißen scheint. Doch so geschmeidig er ist, auch seine Elastizität der Form hat ihre Grenzen, auch seine lockeren Glieder haben ihre immanente Gebundenheit Die ionische Säule bleibt in ihrer Frontalität be- fangen, und keine noch so künstliche Drehung und kein noch so erfindungsreicher Versuch kann sie davon befreien. Um sie als Ecksäule zu verwerten, zwingt man ') Vgl. z. B. die Basen am Didymaion bei Milet und besonders betont am Artemisium zu Ephesos.

42 Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule.

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ihr die seltsamsten Formen ab, biegt und preßt ihre Glieder, zerschneidet sie und setzt sie willkürlich wieder zusammen '), tut ihr auf jede erdenkliche Weise Ge- walt an, eine befriedigende Lösung wird nicht gefunden. Erst das korinthische Kapitell bricht den Bann der Frontalität.

Diese wesenhafte Gebundenheit an die Stirnstellung bestimmt auch in späten nachklassischen Zeiten noch die Verwertung des ionischen Kapitells 2), das im 18. Jahrhundert vornehmlich als Pilaster- oder Halbsäulenbekrönung seinen Platz findet 3). Mögen sonst solche Belege aus anderen Kulturen, für die andere Voraussetzungen und Werte gelten, meist unzutreffend sein, hier äußert sich einmal ein unabweisbar zwingendes Gesetz, das noch in fernen Zeiten wirksam sein mußte: die unentrinnbare Frontalität. Die besonderen Eigenschaften des oblongen Körpers und der ausgesprochenen Verschiedenseitigkeit teilt das ionische Kapitell mit keinem. Sie sind sein Wesen, sind unausrottbar, sie bedingen seine Verwendung und seine Leistung. In ihnen liegen gewiß auch alle Geheimnisse des Entstehens und Werdens der ionischen Säule verborgen, und nur aus ihnen können diese erschlossen werden.

EXKURS I (zu S. 16). Die Basaltstele in Assur.

Bei den Ausgrabungen in Assur 4) fand man unter zahlreichen, verschieden geformten Stelen auch jenen achteckigen Basaltpfeiler mit höchst eigenartigem Oberteil, der für Samsi Adad, einen Sohn des Königs Tiglatpileser, errichtet worden ist. An zwei Seiten abgeflacht, an zweien geschweift und gerundet, steht das obere Glied zu dem achtkantigen Schafte in einem gewissen Gegensatze, der an die Unstimmigkeit der frühgriechischen, länglich-flächigen Volutenkapitelle und ihrer runden Säulenstämme erinnern könnte. Doch wie wenig tritt der Kontrast bei der Stele- von Assur in Erscheinung! Fallen doch die zwei Flachseiten des Aufsatzes genau in die Fortsetzung zweier Schaftflächen, erscheinen durchaus als ihm entwachsend, ihn weiterführend, und selbst die geschweiften nehmen ihren Ablauf in fast paralleler Ebene zu den entsprechenden Pfeilerseiten. Front und Profil, die hart und eckig aneinanderstoßen, zeigen ein verschiedenes Bild. Aber diese Selbständigkeit der beiden Ansichten entspricht dem assyrischen Verlangen nach Klarheit und dem Bedürfnis, in jedem Anblick etwas möglichst Voll- ständiges zu geben. Von vorn betrachtet erinnert die Stele an einen Baum, ähnlich der Dattelpalme auf assyrischen Reliefs. Die Kanten der vordersten

■) Vgl. u. a. die ionischen Kapitelle der Tuffperiode Tempel am Ponte Rotto in Rom hingewiesen,

in Pompeji bei Ad. Michaelis, Rom. Mitt. XIV den Fiechter in den Rom. Mitt. XXI 1906. 220 ff.

1899, 205 und das dort 207 erwähnte Anten- abbildet,

kapitell vom Propylon zum Temenos der Athen;] 3) Vgl. auch Phigalia.

Polias zu Pergamon ("Altertümer von Pergamon II 4) Vgl. Walter Andrae, Die Stelenreihen in Assur,

"*•• 23> 3<>)- Ausgrabungen der Deutschen Orientgcsellschaft.

*) Unter vielen Beispielen sei auf den ionischen Leipzig 191 3.

Julie Braun- Vogelstein, Die ionische Säule. ai

Fläche, gerade im Schaft aufsteigend und dann darüber im Bogen sich neigend, begrenzen das Bild wie ein fester Kontur; einer Ergänzung durch die übrigen Seiten bedarf es nicht. Stellt man sich aber den Rundteilen gegenüber, so meint man die Blätter des Baumes zu sehen, das Einzelne gegenüber der Gesamtwirkung. Lediglich die schräggerichteten Seiten des Schaftes bilden den verbindenden Übergang, sie verwischen die Naht jener beiden zusammengefügten Stücke.

Entscheidend ist nicht die Gegensätzlichkeit der Seitenansichten, sondern die einheitliche Gestaltung in der Längsrichtung, und vor allem die Fortsetzung des Schaftes über den geschwungenen Zierteil hinaus. Dieser wird somit nicht zum eigentlichen Kapitell und entbehrt jeglicher tektonischen Bedeutung. Die kleinen trennenden Horizontalstreifen vermögen die Einheit von Pfeiler und Bogen nicht zu beeinträchtigen. Ein Körper, aus einem Basaltblock gehauen, steht als einheitliches Gebilde da, wenn uns auch Bau und Bild fremdartig erscheinen mag.

EXKURS II (zu S. 20).

Die Aschera.

Die Bibel unterscheidet ausdrücklich Ascheren von Masseben, den Gedenk- steinen. Masseba heißt wörtlich statua, das Verbum, von dem es sich ableitet, ist mit sistere und statuere identisch also das Denkmal des Gottes, das Zeichen seiner Anwesenheit1). Aschera hingegen bedeutet die Glückliche, Glück- bringende (assyrisch: asirat, hebräisch: asera) und ist der indirekte Name der größten semitischen Göttin, deren eigentliche Benennung Astarte ist2). Diese ist das empfangende Prinzip neben dem Baal, dem aktiven zeugenden 3). Dann aber wird Aschera in der Bibel als Bezeichnung für sinnbildliche Darstellungen der Göttin in geweihten Hainen oder für ihr geheiligte Bäume gebraucht, wie die in diesem Zusammenhange verwendeten Ausdrücke des Aufrichtens (2. Buch d. Könige 17, 10; 2. Buch d. Chronik 33, 19) des Aufpflanzens (Deuteron. 16, 21) und des Umhauens (Exod. 34, 13; Richter, 6, 28; 2. Buch d. Könige 18, 4; 23, 14; Chronik 14, 2) zeigen 4).

■) Ich verdanke diese Aufklärung der privaten Hebräisches und aramäisches Handwörterbuch

Mitteilung eines Fachgelehrten, der auch darauf über das Alte Testament. 15. Aufl. Leipzig

hinweist, daß es irrig sei, in den Masseben vor- 1910.

nehmlich Baalsdenkmäler zu sehen. Sie wurden 4) Vgl. Schlottmann, Bibl. Handwörterbuch, Art.

irgendeiner Gottheit errichtet, wie die Bibel »Astarte«; W. von Baudissin, Jahve et Moloch,

von Jakob erzählt (Genesis 28), daß er den Leipzig 1874; Stade, Geschichte des Volkes Is-

Stein, auf dem er geruht, als Massebe aufstellte. rael, 458.

!) Siehe aber auch Max Frh. v. Oppenheim, Der Gegen diese Ansicht wendet sich freilich

Tall Halaf und die verschleierte Göttin. Leipzig Robertson Smith, Lectures on the Religion of

1908, (Der alte Orient X Heft 1), 38: »Die the Semites. London 1894, 188, 189 Anm.

Aschera-Ischtar ist die Göttin der Liebe und Kr legt dar, daß zu jedem Altar urprUng-

Fruchtbarkeit, die Helferin in aller Not.« lieh eine Aschera gehörte, gleichviel welcher

3) Vgl. Buch der Könige 21 und 23, 4 und aus der Gottheit der Altar geweiht war. »The Ashera

orientalistischen Literatur, auf die ich von fach- therefore is a sacred symbol, the seat of the

kundiger Seite gewiesen wurde, Wilh. Gesenius, deity, and perhaps the name itself, as G. Hoff-

44 Ju''e Braun-Vogelstein, Die ionische Säule.

Daß Aschera ursprünglich etwas Hölzernes war, im Gegensatz zur steinernen Massebe, geht aus vielen Bibelstellen hervor1). Doch außer dem heiligen Baum- Aschera und dem hölzernen Pfahl-Aschera haben wir mit Sicherheit auch ein steinernes Sinnbild-Aschera anzunehmen, wie ein in Ras el ain an der Chabur- Quelle gefundenes verschleiertes Bi}d der Istar-Asera beweist »das uns zugleich die überraschende Lösung für die Frage gibt, warum Aschera im Alten Testament oft einen Pfahl, der neben dem Altar steht, bezeichnet und dann wieder die weib- liche Göttin, die Venus foecunda« 2).

EXKURS III (zu S. 22). Das Volütenmotiv und das Urbild des heiligen Baumes.

Wie die Hathorkapitelle im oberen Aufsatz eine Abbildung ihrer selbst bringen, so zeigt auch die Stele von Athienu (Tafel II Abb. 4) den von zwei ge- flügelten Sphingen umfaßten Palmettenbau 3), der nur im Zusammenhange mit den Darstellungen des heiligen Baumes verstanden werden kann*). Sobald man diese Stilisierung von klaren Anfängen bis zu seltsam rätselhaften Umgestaltungen auf- merksam verfolgt, verliert die zunächst verblüffende Auffassung an Erstaunlichem, daß auch in den eingerollten Riefen Palmwedel angedeutet sein könnten.

Aber diese Einsicht überzeugt noch nicht von der Luschan'schen Theorie, daß alle Volutenbildungen, ja auch die Volutenkelche in jedem Falle als Stilisie- rung des Palmbaumes aufzufassen seien. Die mannigfache, oft inhaltlich völlig unbegründete Verwendung des Volutenmotivs 5), läßt durchaus der Anschauung Raum, daß es dafür vielfache Anreger gibt, vielfach als Vorbild und als Trieb. Nicht allein den Palmwedeln, auch anderen Blättern ist das Aufrollen eigen, das Schneckenhaus ist spiralförmig gebildet, die Schlange ringelt sich in Voluten. Und

mann has suggested. means nothing niore than Altäre nieder, zertrümmert ihre Masseben, ver- the »mark« of the divine presence.« Er weist brennt ihre Ascheren im Feuer.« Und unstreitig ferner darauf hin, daß die Altäre ursprünglich auf die Aschera als den lebenden Baum hin- unter einem lebenden Baum standen, an dessen weisend, Deuteron. 16,21: »Du sollst dir keine Stelle der hölzerne Pfahl trat, der dann auf einer Aschera pflanzen, irgendwelchen Baum, neben weiteren Stufe der Entwickelung eventuell mit dem Altar des Ewigen deines Gottes.« einem Schnitzbild versehen wurde. Aber auch 2) Alfred Jeremias, Das Alte Testament im Lichte nach seiner Ansicht ist Aschera sowohl der des Orients1 (1904) 287 und in wenig veränderte^ Baum als auch der Pfahl als auch der geschnitzte Form '(1906) 3S0 Anm.2. Siehe auchM. v. Oppen- Pfahl. heim a. a. O." 38 »als lebenspendende Göttin wird ') Vgl. 2. Buch d. Könige 18, 14 und 23, 14; Chron. sie verschleiert dargestellt«.

14,2 sprechen von dem Zertrümmern der Mas- 3) Vgl. Studniczka, Archäol. Jahrb. XXVI 1911, 74.

seben und dem Umhauen der Aseren; Exod. 34, 4) Es sei nochmals auf Luschans Entwicklungsreihe

13: »Du sollst ihre Altäre zerstören, ihre Mas- solcher Bilder (a. a. O. 26ff.), sowie auf Tylor

seben zertrümmern und ihre Aseren abschneiden.« a.a.O. und auf Schraders Aufsatz: Ladanum

(»Abschneiden« soll die Grundbedeutung des und Palme, Monatsber. preuß. Akad. der Wiss.

Verbums sein, das dann zu »ausrotten« wird.) Berlin 1882 (1881), 413fr. hingewiesen. Dagegen

An dieser Stelle ist anscheinend ein lebender Thiersch a. a. O. 264.

Baum, jedenfalls aber ein Holz gemeint. Noch 5) Die Voluten am Kapitell des Chorsabadreliefs

bezeichnender ist Deuteron. 12,13: »Reißt ihre »ind inhaltlich nicht zu erklären. Vgl. oben S. 15 ff.

Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule. ij

neben dem darstellenden, uranfänglich nachahmenden Trieb ist der Spieltrieb tätig und bildet sich in der Kunst zum Schmucktrieb, zum Formtrieb um. Doch selbst solche Kunstformen, die deutlich das Naturvorbild verraten, lassen sich nicht immer gerade nur auf die Palme zurückführen, und es scheint allzu einseitig, daß Luschan nun auch jeglichen Voluten kelch als Palmdarstellung deutet1).

Eine Vermengung verschiedener Naturmotive ist nun bei ägyptischen Voluten- kelchen .unleugbar vorhanden. Doch was berechtigt uns, in einem Lande, das die Lotus- wie die Papyrusblüte in jeglicher Technik nachbildete, das eine Lotus-, eine Papyrussäule, ja eine Liliensäule neben der Palmsäule kannte, die unbeschränkte Tyrannis des Palm-Motivs für den Volutenkelch anzunehmen? Sollte nicht eher eine Mischung mannigfacher Motive zu ornamentaler Gestaltung vorauszusetzen sein, eine allgemeine Unterwerfung vielfacher Naturvorbilder unter das Gesetz der rhythmisch-dekorativen Form, die beherrschend wird?'

Ob nun aber der Voluten kelch durchaus nicht unbedingt auf die Palme zurückzuführen ist, bei jenen Volutenbekrönungen kyprischer Stelen dürfte es vielleicht angenommen werden. Hier diente das Ornament eben nicht künst- lerischen, sondern kultischen Zwecken, hier ist es nicht Zutat, nicht Beigabe, hier ist es nicht Zier, sondern Sinn, ist selbst Symbol und Gabe2).

Auf den Palmbaum deutet vielleicht auch die Zwickelpalmette der kyprischen Stelenbekrönungen. Sie dient nicht wie auf ionischen Kapitellen als Bindeornament zwischen Volute und Wulst oder Welle, diese Rundglieder fehlen den kypri- schen Votivbildern ja wohl aber erfüllt sie als verbreiternde Stütze von der Volute zur Deckplatte hin eine wichtige Aufgabe. Daß die Zwickelpalmette an dieser Stelle auch in Griechenland ihren Platz fand, beweisen u. a. die Konsol- kapitelle von Amyklae und der Stelenkopf Tafel I Abb. 2, bei dem Raum und Form für eine gleiche Verwendung gegeben ist3). Puchsteins Behauptung, die Zwickelpalmette sei »eine echt attische Erfindung« 4), könnte angesichts der

') Freilich hält er sich zumeist im allgemeinen und Lotusblüte oder den Hüllkelch der Papyrusdolde wäre bei der Durchführung seines Prinzips viel- »hinzugefügt«. (Würz, a. a. O. Abb. 78 u. 85.) leicht selbst stutzig geworden. Welche Kon- ») Vgl. auch die Goldbleche aus Enkomi in Murray, struktionen und kläglichen Flickereien diese Auf- Smith, Walters, Excavations in Cyprus, London fassung, zum Dogma erhoben, aber nötig macht 1900, Tafel 7; Fig. 184 zeigt das Palmetten- zeigen Würz' Anwendungen auf Schritt und Volutenmotiv gegenständig, und auf Fig. 517 ist Tritt. Er bringt wohl noch manches beweis- die Darstellung in ihrer symbolischen Bedeutung kräftige Material, das Luschans Ansicht in ein- augenscheinlich. Rene Dussaud, Les civilisations zelnen Fällen bestätigt. (Merkwürdigerweise er- prehelleniques, Paris 1910, 189fr. erklärt das wähnt er Luschans Entdeckung nur nebenher kyprische Kapitell als ein Komposit aus der und läßt die Theorie als seine eigene gelten.) ägyptischen Lotus- und Papyrusblüte. Dagegen Doch bisweilen, wenn auch die willkürlichen sieht Thiersch (a. a. O. 264), wie schon oben Deutungen nichts nützen, wenn die Funde selbst erwähnt, die Iriskrone in den kyprischen Voluten- unabweisbar gegen ihn sprechen, greift er zu köpfen dargestellt.

dem Hilfsmittel, Zutaten und Ergänzungen zur 3) Vgl. auch Wiegand, Die Archaische Poros-

Palmvolute anzunehmen. Der Palmbaum und architektur Abb. 66, 203, 204.

nur er allein ist nach Wurzscher Ansicht dar- 4) Puchstein I 55. Vgl. dazu Riegl a. a. O. 62

gestellt, aber man hat den Fruchtboden der und seine Theorie von dem »Postulat der

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Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule.

kyprischen Mischkultur immerhin doch zu Recht bestehen, wenn sie auch sehr an Wahrscheinlichkeit einbüßt1).

Die Terebinthe.

Die Deutung des in den kyprischen Stelen dargestellten Bildwerkes auf die Palme begegnet vielfachem Widerspruch der Gelehrten 2). Es könnte nun diese Frage dem engeren Kreise der Spezialforscher überlassen bleiben, wenn nicht eine andere Auslegung die oben (S. 22) erwähnte Vermutung, daß im Pfeiler von Tamassos ein Kultbild zu einem Baugebilde geworden sei, in bemerkenswerter Weise zu bestätigen und zu stützen schiene. Denn nehmen wir mit vielen Fach- gelehrten an, die Terebinthe (Pistacia terebynthus) sei das vornehmlich der Astarte heilige Balsamgewächs 3), von dem es eine eigene kyprische Abart gibt . so

Zwickelfüllung«. Beachtenswert ist auch Wie- gands Hinweis auf die Zwickelpalmette auf me- lischen Vasen, den er für die Akroterien gibt (a. a. O. 68).

') Hogarth a. a. O. sieht den griechischen Einfluß auf Kypros als den entscheidenden an und leugnet die Abhängigkeit der dortigen Kultur von der pbönikischen. Vgl. auch Lichtenberg a. a. O. 41 und 74. Landau a. a. O. 19. Winckler

a. a. O. 22 : »Cypern stellte sich damals

(zur Zeit der phrygischen Gesandtschaft des Midas an Sargon, also etwa um 700) freiwillig unter den Schutz des anerkannten Herrn von Vorderasien.« Und (S. 25): »Außerdem wird unter Asserhaddon noch einmal auf Cypern ein König mit einem deutlich phönizischen Namen genannt Sonst zeigt die Liste der Königs- namen, daß damals eine andere Bevölkerung als die phönikische das Übergewicht gehabt haben muß. In persischer Zeit scheint umgekehrt dann wieder der phönikische Einfluß gestiegen zu sein.« So nimmt auch Kurtwängler a. a. O. 371 die kypri- schen Kapitelle als beste Beispiele für die phöni- kischen an. Diese Fragen bleiben also vor- läufig noch ungeklärt. Erwähnenswert ist aber Thierschs von ihm selbst als »hypothetisch« und »persönlich« bezeichnete Auffassung, die er im 3. Kapitel (S. 47 und dazu Anhang 143 Anm. 3) seines Buches: An den Rändern des römischen Reiches. München 1911, darlegt: »Die über Cypern erfolgte Transplantation der alt- kretischen Marinemacht an die syrische Küste.«

2) Vgl. Furtwängler a. a. O. 371, der die ägyp- tische Lilienform in den kyprischen Kapitellen wiederfindet, und Thierschs oft erwähnte Deu- tung auf die Iris.

3) Jeremias a. a. O. nimmt für Babylon als heiligen Baum eine Dattelpalme, aber auch eine Ver- quickung dieser mit einer Koniferenart (Zeder) an. Die Bibel jedoch nennt am häufigsten Eichen und Terebinthen, deren Namen übrigens ein- ander sehr ähnlich sind. Viktor Hehn, Kultur- pflanzen und Haustiere, 8. Aufl. Berlin 1902, 425: »Die beerentragende Terebinthe ist wie die eicheltragende Eiche, von der sie nicht immer zu unterscheiden ist, der Urbaum, unter dem die Erscheinung des Göttlichen empfangen und der Altar errichtet und das Opfer dargebracht wird.« Um einige Beispiele anzuführen: Ezech. 6, 13; Jesaias 6,13; 57,5 und 1,29 30: »Sie sollen wegen der Terebinthen, an denen ihr Gefallen hattet, und der Gärten, die ihr erwählt hattet, zu Schanden werden ; denn ihr sollt werden wie

eine Terebinthe, deren Laub welkt «

Schon die Septuaginta übersetzt das Wort ela mit Tepeß(v8o;, so auch die Neueren, u. a. Kautzsch. Vgl. auch Im. Low, Aramäische Pflanzennamen. Eichen und Terebinthen werden in ähnlichem Sinne z. B. Hosea 4, 13 genannt. Nebenbei sei erwähnt, daß diese götzen- heiligen Bäume ihre Bedeutung als solche all- mählich verloren und dann wie die Eiche und Linde der Germanen zur Ortseiche, Orts- terebinthe wurden. Vgl. dazu Gesenius a. a. O., Stade a. a. O. und Wellhausen, Israelitische und jüdische Geschichte, Berlin 1898. Wie weit diese Umdeutung ihres Wesens ging, beweist Josua 24, 26, wo der »große Stein« und »die Eiche, (oder Terebinthe, wie die Septuaginta übersetzt), die bei dem Heiligtum des Ewigen ist.» genannt werden. <

Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule. ,-

könnte es von Bedeutung werden, daß der semitische Name dieser Pflanze (ela, Plural elim) eine höchst merkwürdige Übereinstimmung mit einem t er minus technicus der Archite-ktur nahelegt, wie ihn die Bibel anläßlich der Be- schreibung des Tempelbaues gebraucht. Ezechiel 40, 10: »Dazu die Nischen des Tores auf der Ostseite, drei hier und drei dort, alle drei hatten dasselbe Maß, und ein einheitliches Maß hatten die elim von beiden Seiten.. Ferner Ezech. 40, 14: »Und seiner Nischen waren drei von dieser und drei von der andern Seite; und seine elim und elammim hatten dasselbe Maß wie das erste Tor: 50 Ellen seine Länge und 25 Ellen seine Breite. Und seine Fenster und sein elam (Singular von elammum) und seine Palmen hatten dasselbe Maß.« Weiter heißt es Vers 26: »Und sieben Stufen bilden seinen Aufgang und seine elammim vor ihm, und es hatte Palmen, eine von dieser, eine von jener Seite zu ihren elim.« Hierzu wird mir mitgeteilt: das dort gebrauchte hebräische Wort für Palme, timora, kommt nicht für den lebenden Palmbaum vor, der tamar heißt, sondern nur für die künstliche stilisierte Säulenpalme (Luther übersetzt: Palmlaubwerk). Elim ist Plural von ajil = Widder, aber es wäre wohl denkbar1), daß diese maskuline Form des Singulars und die Gleichsetzung und Beziehung zu ajil = Widder erst später erschlossen worden ist, weil das Überkragende des Kapitells dem Widder- kopf ähnlich zu sein schien, während der terminus' technicus ursprünglich auf ela = Terebinthe zurückgeht. Elammoth und elammim wird gewöhnlich »Vorhalle« übersetzt.

Ob in der biblischen Beschreibung nicht Torbauten in der Art der Pylonen gemeint sind, ist eine Frage, die hier nicht entschieden werden kann. Es wäre dann möglich, daß elam die Vorhalle oder die Torhalle selbst bedeutet, elim aber, das gleichlautende Wort wie Terebinthe, die vorspringenden Pfeiler, und Palmen die Säulen bezeichneten.

EXKURS IV (zu S. 30). Die horizontal-verbundene Volute als latentes Muster.

Die Entwicklung von der aufsteigenden Volute zur flachverbundenen, oder, um die eingebürgerte Bezeichnung zu gebrauchen: vom vertikalen zum horizon- talen Typus, wie ich sie oben erklärte, wurde erleichtert und vorbereitet durch Formen gleicher Art, die sich vielfach dem Blick darboten. Schon seit den frühesten Zeiten kannte das Handwerk Spiralbügel mit flach geschwungenem Lauf, die Funde der Bronzezeit bringen die mannigfachsten Figuren, S-förmige, einfach ge- knickte, doppelt eingebogte, in Form einer 8 verschlungene, in vielfachen Win- dungen verknüpfte, gleichlaufende und gegenständige, vertikal aufsteigende und horizontal verbundene Spiralen, bisweilen gar verschiedene Bildungen am selben Gerät. Aber auch im Ornamente der Tongefäße sind die beiden Hauptarten der Volutengestalt enthalten. Nicht allein die nur geometrischen C-Spiralen, selbst

') Ich bin leider nicht in der Lage, diese philo- stelle daher selbstverständlich die Hypothese nur

logischen Kragen selbst kritisch tu prüfen, und zur Erörterung auf.

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Julie Braun-Vogelstein, Die ionische Säule.

kyprischen Mischkultur immerhin doch zu Recht bestehen, wenn sie auch sehr an Wahrscheinlichkeit einbüßt1).

Die Terebinthe.

Die Deutung des in den kyprischen Stelen dargestellten Bildwerkes auf die Palme begegnet vielfachem Widerspruch der Gelehrten 2). Es könnte nun diese Frage dem engeren Kreise der Spezialforscher überlassen bleiben, wenn nicht eine andere Auslegung die oben (S. 22) erwähnte Vermutung, daß im Pfeiler von Tamassos ein Kultbild zu einem Baugebilde geworden sei, in bemerkenswerter Weise zu bestätigen und zu stützen schiene. Denn nehmen wir mit vielen Fach- gelehrten an, die Terebinthe (Pistacia terebynthus) sei das vornehmlich der Astarte heilige Balsamgewächs 3), von dem es eine eigene kyprische Abart gibt . so

Zwickelfilllung«. Beachtenswert ist auch Wie- gands Hinweis auf die Zwickelpalmette auf me- lischen Vasen, den er für die Akroterien gibt (a. a. O. 68).

') Hogarth a. a. O. sieht den griechischen Einfluß aufKypros als den entscheidenden an und leugnet die Abhängigkeit der dortigen Kultur von der phönikischen. Vgl. auch Lichtenberg a. a. O. 41 und 74. Landau a. a. O. 19. Winckler

a.a.O. 22: »Cypern stellte sich damals

(zur Zeit der phrygischen Gesandtschaft des Midas an Sargon, also etwa um 700) freiwillig unter den Schutz des anerkannten Herrn von Vorderasien.« Und (S. 25): »Außerdem wird unter Asserhaddon noch einmal auf Cypern ein König mit einem deutlich phönizischen Namen genannt Sonst zeigt die Liste der Königs- namen, daß damals eine andere Bevölkerung als die phönikische das Übergewicht gehabt haben muß. In persischer Zeit scheint umgekehrt dann wieder der phönikische Einfluß gestiegen zu sein.« So nimmt auch Furtwängler a. a. O. 371 die kypri- schen Kapitelle als beste Beispiele für die phöni- kischen an. Diese Fragen bleiben also vor- läufig noch ungeklärt. Erwähnenswert ist aber Thierschs von ihm selbst als »hypothetisch« und »persönlich« bezeichnete Auffassung, die er im 3. Kapitel (S. 47 und dazu Anhang 143 Anm. 3) seines Buches: An den Rändern des römischen Reiches. München 191 1, darlegt: »Die über Cypern erfolgte Transplantation der alt- kretischen Marinemacht an die syrische Küste.«

2) Vgl. Furtwängler a. a. O. 371, der die ägyp- tische Lilienform in den kyprischen Kapitellen wiederfindet, und Thierschs oft erwähnte Deu- tung auf die Iris.

3) Jeremias a. a. O. nimmt für Babylon als heiligen Baum eine Dattelpalme, aber auch eine Ver- quickung dieser mit einer Koniferenart (Zeder) an. Die Bibel jedoch nennt am häufigsten Eichen und Terebinthen, deren Namen übrigens ein- ander sehr ähnlich sind. Viktor Hehn, Kultur- pflanzen und Haustiere, 8. Aufl. Berlin 1902, 425: »Die beerentragende Terebinthe ist wie die eicheltragende Eiche, von der sie nicht immer zu unterscheiden ist, der Urbaum, unter dem die Erscheinung des Göttlichen empfangen und der Altar errichtet und das Opfer dargebracht wird.« Um einige Beispiele anzuführen: Ezcch. 6, 13; Jesaias 6, 13; 57, 5 und 1, 29 30: »Sie sollen wegen der Terebinthen, an denen ihr Gefallen hattet, und der Gärten, die ihr erwählt hattet, zu Schanden werden ; denn ihr sollt werden wie

eine Terebinthe, deren Laub welkt «

Schon die Septuaginta übersetzt das Wort ela mit tepeßi'vDo;, so auch die Neueren, u. a. Kautzsch. Vgl. auch Im. Low, Aramäische Pflanzennamen. Eichen und Terebinthen werden in ähnlichem Sinne z. B. Hosea 4, 13 genannt. Nebenbei sei erwähnt, daß diese götzen- heiligen Bäume ihre Bedeutung als solche all- mählich verloren und dann wie die Eiche und Linde der Germanen zur Ortseiche, Orts- terebinthe wurden. Vgl. dazu Gesenius a. a. O., Stade a. a. O. und Wellhausen, Israelitische und jüdische Geschichte, Berlin 1898. Wieweit diese Umdeutung ihres Wesens ging, beweist Josua 24, 26, wo der »große Stein« und »die Eiche, (oder Terebinthe, wie die Septuaginta übersetzt), die bei dem Heiligtum des Ewigen ist,» genannt werden. *

Julie Braun- Vogelstein, Die ionische Säule.

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könnte es von Bedeutung werden, daß der semitische Name dieser Pflanze (ela, Plural elim) eine höchst merkwürdige Übereinstimmung mit einem terminus technicus der Archite-ktur nahelegt, wie ihn die Bibel anläßlich der Be- schreibung des Tempelbaues gebraucht. Ezechiel 40, 10: »Dazu die Nischen des Tores auf der Ostseite, drei hier und drei dort, alle drei hatten dasselbe Maß, und ein einheitliches Maß hatten die elim von beiden Seiten.- Ferner Ezech. 40, 14: »Und seiner Nischen waren drei von dieser und drei von der andern Seite; und seine elim und elammim hatten dasselbe Maß wie das erste Tor: 50 Ellen seine Länge und 25 Ellen seine Breite. Und seine Fenster und sein elam (Singular von elammum) und seine Palmen hatten dasselbe Maß.« Weiter heißt es Vers 26: »Und sieben Stufen bilden seinen Aufgang und seine elammim vor ihm, und es hatte Palmen, eine von dieser, eine von jener Seite zu ihren elim.« Hierzu wird mir mitgeteilt: das dort gebrauchte hebräische Wort für Palme, timora, kommt nicht für den lebenden Palmbaum vor, der tamar heißt, sondern nur für die künstliche stilisierte Säulenpalme (Luther übersetzt: Palmlaubwerk). Elim ist Plural von ajil = Widder, aber es wäre wohl denkbar1), daß diese maskuline Form des Singulars und die Gleichsetzung und Beziehung zu ajil = Widder erst später erschlossen worden ist, weil das Überkragende des Kapitells dem Widder- kopf ähnlich zu sein schien, während der terminus' technicus ursprünglich auf ela = Terebinthe zurückgeht. Elammoth und elammim wird gewöhnlich »Vorhalle« übersetzt.

Ob in der biblischen Beschreibung nicht Torbauten in der Art der Pylonen gemeint sind, ist eine Frage, die hier nicht entschieden werden kann. Es wäre dann möglich, daß elam die Vorhalle oder die Torhalle selbst bedeutet, elim aber, das gleichlautende Wort wie Terebinthe, die vorspringenden Pfeiler, und Palmen die Säulen bezeichneten.

EXKURS IV (zu S. 30). Die horizontal-verbundene Volute als latentes Muster.

Die Entwicklung von der aufsteigenden Volute zur nachverbundenen, oder, um die eingebürgerte Bezeichnung zu gebrauchen: vom vertikalen zum horizon- talen Typus, wie ich sie oben erklärte, wurde erleichtert und vorbereitet durch Formen gleicher Art, die sich vielfach dem Blick darboten. Schon seit den frühesten Zeiten kannte das Handwerk Spiralbügel mit flach geschwungenem Lauf, die Funde der Bronzezeit bringen die mannigfachsten Figuren, S-förmige, einfach ge- knickte, doppelt eingebogte, in Form einer 8 verschlungene, in vielfachen Win- dungen verknüpfte, gleichlaufende und gegenständige, vertikal aufsteigende und horizontal verbundene Spiralen, bisweilen gar verschiedene Bildungen am selben Gerät. Aber auch im Ornamente der Tongefäße sind die beiden Hauptarten der Volutengestalt enthalten. Nicht allein die nur geometrischen C-Spiralen, selbst

') Ich bin leider nicht in der Lage, diese philo- stelle daher selbstverständlich die Hypothese nur

logischen Fragen selbst britisch zu prüfen, und zur Erörterung auf.

CO ' W. Amelung, Archaischer Jünglingskopf in Hannover.

ins Graublaue.« Herr Dir. Brinckmann schreibt mir, daß er diesen Bemerkungen im allgemeinen zustimmen könne, und ich habe mich selbst noch vor Drucklegung dieses Manuskriptes von ihrer Richtigkeit überzeugt.

Über die Erhaltung des Kopfes belehren die Abbildungen deutlich genug. Erwähnt sei nur, daß der Oberkopf nicht etwa besonders gearbeitet und angestückt war. An der Art, wie der Hals unten stumpf abgerundet und an seiner Unterseite leicht gerauht ist, erkennen wir, daß der Kopf bestimmt war, in einen besonders gearbeiteten Körper eingesetzt zu werden, einen Körper, den wir uns augenscheinlich bekleidet vorstellen müssen. Man vergleiche z. B. den Wagenlenker von Delphi, dessen Gewandausschnitt dem hier erforderlichen ziemlich genau entspricht. Die ungleiche Spannung der Kopfnicker an dem verhältnismäßig sehr starken Halse verrät uns, daß der Kopf nach seiner rechten Seite gewendet ist. Damit steht im Zusammenhange, daß der linke Kapuzenmuskel stärker gespannt und gehoben ist, als der rechte, sowie daß die Furche zwischen Hals und Wange unter dem rechten Ohre stärker einschneidet als unter dem linken. Der Kopf neigt sich zudem leicht nach der rechten Seite; die ganze rechte Gesichtshälfte hängt etwas im Verhältnis zur linken und ist um ein geringes voller und weicher gebildet. Merkwürdig flach ist der breite Nacken gestaltet das ist wohl die breite Aussparung an Stelle der Halswirbel im Nacken, von der Willers spricht , so flach, daß wir annehmen müssen, dieser Teil sei dem Beschauer der Figur unsichtbar geblieben. Daß der Kopf haupt- sächlich von seiner linken Seite aus gesehen werden sollte, können wir aus der ver- schiedenen Sorgfalt schließen, mit der die kleinen Haarbüschel hinter den Ohren ausgeführt sind: hinter dem linken Ohre fein und mannigfaltig in ihrer Bewegung, hinter dem rechten ziemlich grob und gleichmäßig. Auch das linke Ohr und Auge sowie der linke Mundwinkel sind mit größerer individueller Feinheit behandelt als die entsprechenden Teile der rechten Gesichtshälfte. In auffallendem Gegensatze zu der sparsamen, aber lebendigen Modellierung der übrigen Gesichtsteile steht die vollkommen glatte Bildung der Stirn und des Nasenrückens, soweit sie erhalten sind ; beide liegen in einer unbewegten Ebene. Die Haare umgaben die Stirn von Schläfe zu Schläfe in hohem Relief, von dem sich nur einige Ansätze erhalten haben. Darüber umschließt den Kopf in seiner größten Ausdehnung ein flaches Band, unter dem am Hinterkopfe die langen Haarsträhnen abwärts gekämmt sind. Jederseits setzt hinter den Ohren in hohem Relief ein in gerader Linie schräg abwärts geführter »Leisten« an mit einem breiteren Längsstreifen in der Mitte und zwei schmäleren oben und unten. Sie trafen über dem Nacken zusammen; wie, können wir nicht mehr sagen. Die Haarsträhnen des Hinterkopfes erheben sich unten in leichter Welle, zu diesen »Leisten«, ohne doch in sie überzugehen. Die »Leisten« selbst müssen wir uns auch aus Haaren gebildet denken; wie freilich, bleibt uns ebenfalls ein Rätsel. Unterhalb der »Leisten« legen sich rechts und links hinter den Ohren kleine Haar- büschel in langer Reihe an den Hals bis zum Nacken, wo sie unter der abstehenden Endigung der beiden »Leisten« nicht mehr ausgeführt wurden.

Für diese ganz seltsame Frisur gibt es unter den uns bekannten Antiken nur zwei Parallelen: die eine an einem Jünglingskopfe der estensischen Sammlung, die

W. Amelung, Archaischer Jünglingskopf in Hannover.

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sich ehemals im Schloße von Catajo in Oberitalien befand, jetzt in Wien im Esterhazy- Palais aufgestellt ist (Tafel V) *). Auch, hier liegen die Haare in starkem Relief um Stirn und Schläfen; die Enden der Haarsträhnen, die vom Wirbel aus strahlenförmig nach allen Seiten auseinandergekämmt sind, bilden hier einen dichten Kranz lebhaft geringelter Löckchen. Darüber liegt auch hier die glatte Binde in der gleichen, ungewöhnlichen Führung wie dort, und am Hinterkopfe sehen wir dieselben »Leisten«, gut erhalten nur hinter dem linken Ohre. Der breite Mittelstreifen ist hier noch einmal durch eine Längs- rille in zwei Hälften geteilt. Wie diese »Leisten« hergestellt waren und wie sie im Nacken endigten, können wir auch hier nicht erkennen.

Hausers Scharfblick war es nicht entgangen, daß sich diese selt- same Haartracht noch an einem dritten Kopfe wiederfindet: an einem männlichen Köpfchen, das aus der Sammlung Dressel in das Dresdener Albertinum gelangt ist (s. Arndts Notiz im Text zu den Einzelauf- nahmen I* S. 18 zu Nr. 50/51; wir geben das Köpfchen mit Herrmanns gütiger Erlaubnis, für die wir ihm aufrichtigen Dank sagen, nach dem Marmor auf Taf. VI, nach dem Ab- guß in Abb. 1 wieder). Herrmann hat über die Erwerbung des Stückes im Arch. Anz. 1889, 97 berichtet; er erkennt darin mit Recht ein gutes

altgriechisches Originalwerk. H. 0,155 m. Wenn Herrmann angibt, der Kopf sei in parischem Marmor gearbeitet, so bedeutet das wohl nur, daß wir es weder mit italischem noch mit pentelischem Marmor zu tun haben. Nach meinen Auf-

Abb. 1. Kopf in Dresden nach Gips.

") Dütschke, Antike Bildwerke in Oberitalien V n. 685; Arndt-Amelung, Einzelaufnahmen I n. 50, 51. Die Erlaubnis, den Kopf neu publi- zieren zu dürfen, sowie die prächtigen Aufnahmen, die unseren Abbildungen zugrunde liegen, ver- danke ich der Liebenswürdigkeit des Herrn Dr. Banko, dem ich hiermit schuldigen Dank ent- richte. Er schreibt mir zudem über den Erhal- tungszustand des Kopfes: »Ergänzt ist nicht nur, wie Dütschke angibt, ein großes Stück des wie Dütschke angibt.

Hinterkopfes hinter dem r. Ohre, sondern auch ein flaches Stück unter dem 1. Ohre. Die Nasen- spitze war ergänzt, ebenso das Kinn; was man jetzt auf der Photographie sieht, ist alt. Die Binde ist an dem modernen Stück hinter dem r. Ohre ergänzt; sie müßte höher verlaufen. Die Verknotungsstelle ist so abgescheuert und ver- schmiert, daß sich auch vor dem Originale keine klare Vorstellung gewinnen läßt, wie sie aus- gesehen hat. Die Gesichtslänge beträgt nicht 30, sondern nur 13 cm.«

4*

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W. Amelung, Archaischer Jünglingskopf in Hannover.

Zeichnungen ist der Marmor feinkörnig und gelblich, jedenfalls nicht großkristalli- nisch, wie der parische Lychnites. Auffällig ist es, daß die ganze r. Kopfhälfte weit besser ausgeführt ist als die 1. ; besonders deutlich wird das, wenn man die beiden Ohren miteinander vergleicht. Der Kopf sollte also doch wohl von dieser Seite hauptsächlich gesehen werden; da er andrerseits, wie Herrmann richtig angibt, ganz gerade auf seinem Halse sitzt, müßten wir danach annehmen, die ganze Figur habe nach 1. gewendet gestanden. Die Haare sind vom Wirbel aus strahlenförmig ge- kämmt. Unter dem Reifen durch, der ebenso liegt wie die Binden an den beiden andern Köpfen, hängt jederseits ein Büschel kurzer Strähnen über die Schläfe abwärts. Oberhalb der Stirn sind längere Strähnen von beiden Seiten aus nach der Mitte zu aufgenommen und in der Mitte verknotet; soweit entspricht die Frisur vollkommen der des archaischen Bronzekopfes in Berlin, den Furtwängler in den Meisterwerken 675 ff. Taf. XXXII veröffentlicht hat,, nur ist in Dresden der Stirnknoten augen- scheinlich über den Reifen rückwärts gelegt und hier befestigt. Hinter den Ohren setzt wieder je eine straff nach rückwärts und abwärts gekämmte Strähnenmasse an, ebenso wie die »Leisten« an den Köpfen in Hannover und Wien; hier ist es deut- licher, daß es sich um Haare handelt, und hinten erkennen wir noch über der Stelle des Zusammentreffens Reste, die nur von dem aufwärts befestigten Endschopfe dieser Haare herrühren können. Damit erhalten wir also auch die erwünschte und erwartete Antwort über diesen Teil der eigenartigen Tracht 1).

Ihretwegen hatte sich Willers seinerzeit an Studniczka gewendet, der ihm antwortete: »Die Abarbeitung am Hinterhaupt bei Ihrem Kopfe kann s>o nicht zutage gelegen haben, sondern muß bedeckt gewesen sein; hier hat ein Helm aufge- legen.« Diese Annahme konnte schon durch die sorgfältige Ausarbeitung der Haare am Hinterhaupte des Kopfes in Hannover widerlegt werden; vollends wird sie jetzt durch die Parallelen der Köpfe in Wien und Dresden hinfällig. Augenscheinlich handelt es sich um eine seltene, zeitlich und wohl auch örtlich begrenzte Erscheinung, eine festliche Haartracht athletisch gebildeter Jünglinge; tragen doch die beiden Köpfe in Hannover und Wien die Siegerbinde. Daß es sich tatsächlich um eine nur an bestimmtem Ort übliche Tracht handelt, können wir daraus schließen, daß alle drei Köpfe, ihrer stilistischen Eigenart nach zu urteilen, aus der gleichen Kunst- schule stammen.

Es erübrigt noch, kurz eines scheinbaren weiteren Beispiels dieser Haartracht zu gedenken: eines Porträtkopfes auf Schloß Erbach (Anthes, Die Antiken der gräfl. Erbachischen Sammlung in Erbach i. 0. [Darmstadt 1885] S. 18 f. n. 17; Bernoulli, Rom. Ikonographie II 1, 2i2f.. Fig. 40; Six, Rom. Mitt. XIII 1898, 66 ff., Taf. III; Arndt-Bruckmann, Griech. u. röm. Porträts 497/8). Die Nackenpartie erinnert merkwürdig stark an die entsprechenden Teile der oben be- handelten Köpfe, aber Herr Prof. Anthes teilt mir nach erneuter Prüfung des Marmors mit, es könne gar keinem Zweifel unterliegen, daß

es sich hier um einen Fellhelm mit leicht aufge- bogenem Nackenschutz handle. Verschweigen will ich nicht, daß mir in der Physiognomie des Kopfes die charakteristischen Anzeichen des claudischen Familientypus, auch in der Formen- behandlung die stilistischen Merkmale der claudi- schen Zeit ganz unverkennbar scheinen (gegen claudisches Gepräge Bernoulli; nach Arndt un- bekannter Grieche, nach Six Seleukos Nikator). Dragendorff meint, der Helm sei die galea; man habe dem Leder hier nur seine Haar« gelassen (vgl. Marquardt, Rom. Staatsverwaltung S, 343 mit Anm. 3).

VV. Amelung, Archaischer Jünglingskopf in Hannover.

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Um zu erkennen, welcher Schule der Kopf in Hannover zuzuschreiben sei, genügt ein Blick auf unsere Abbildung 2 und die Tafel Nr. 293 der Brunnschen Denk- mäler griechischer und römischer Skulptur, und zwar auf den rechten der beiden dort abgebildeten, in Palermo befindlichen Köpfe, der auf der Pronaos- Seite des Heratempels in Selinunt gefunden wurde und zu den Resten der Metopen auf dieser Seite gehört r). Nicht nur die Bildung der einzelnen Formen man achte z. B.

Abb. 2. Kopf in Hannover und Kopf aus Selinunt in Palermo.

auf die leicht vorquellenden Augen stimmt an beiden Köpfen genau überein, auch die besondere Art, wie der Kopf auf dem Halse getragen wird, ist hier wie dort die gleiche. Trotziger Stolz, herbe Kraft und gesunde Frische, tatenfrohe Energie und gehaltene Vornehmheit alles spricht sich an beiden Köpfen gleichartig in den jugandlichen Zügen eines kaum zur Blüte entfalteten Wesens aus. Dabei ist eine größere Feinheit der Durchführung an dem Kopfe in Palermo unverkennbar. Aber auch die Größe beider Köpfe und die Art, wie der Hals unten zum Einfügen in einen Körper zugerichtet ist, stimmen überein; ob auch die Qualität des Marmors, muß später einmal festgestellt werden. So ist es begreiflich, daß Furtwängler, wie mir Schuchhardt mitteilte, geradezu vermuten konnte, der Kopf in Hannover habe ebenfalls zu den Metopen des Heraions gehört. An sich wäre das sehr wohl möglich:

■) Vgl. Benndorf, Die Metopen von Selinunt S. 60, Taf. XI 1. Wir bilden in Abb. 2 den Kopf nach

einer anderen Vorlage zugleich mit einer ent- sprechenden Ansicht des Kopfes in Hannover ab.

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W. Amelung, Archaischer Jünglingskopf in Hannover.

Kestner ist, wie wir hörten, von 1817 1853 in Rom ansässig gewesen; die ersten Funde in Selinunt kamen 1822 zutage; seitdem sind dort bis 1831 fortgesetzt Nach- forschungen angestellt worden. Kestner selbst ist im November des Jahres 1824 in Selinunt gewesen. Herr Dir. Brinckmann hatte die große Güte, die betreffenden Stellen es handelt sich um die ersten Tage des November aus dem Tagebuch und einem zugehörigen Skizzenbuche nachzuprüfen *)• Aus ihrem Wortlaut ergibt sich nichts für die Herkunft unseres Kopfes. Aber angenommen, Kestner habe das Stück damals in Selinunt erworben, wäre es doch begreiflich, wenn er eine Auf- zeichnung über den Kauf unterlassen hätte. Jedenfalls muß der Kopf damals ge- legentlich gefunden und beiseite geschafft worden sein; entweder an Ort und Stelle oder auf dem Umwege durch den Kunsthandel kam er in Kestners Besitz. So sicher wir demnach aber auch mit der Herkunft des Kopfes aus Selinunt rechnen können, seiner Zuteilung an die Metopen stehen doch gewisse Bedenken gegenüber: die größere Feinheit der Arbeit am Kopfe in Palermo wurde schon hervorgehoben, würde jedoch an sich wenig besagen; aber der Kopf in Hannover ist männlich, während in jener Metopenreihe nur die weiblichen Köpfe in Marmor gearbeitet sind, und auch nicht die ganzen Köpfe, sondern nur Gesicht und Hals (in der westlichen Metopenreihe Vorderkopf und Hals). So müssen wir uns doch wohl damit begnügen, in dem Kestnerschen Kopf einen nahen Verwandten des palermitaner Kopfes zu erkennen, verwandt in stilistischer wie auch technischer Hinsicht, das Fragment einer Figur aus der gleichen Werkstatt, in der auch jene Metopenreihe gearbeitet wurde.

Mit der Kunst von Selinunt steht nun aber auch der Wiener Kopf in engster Beziehung. Das springt weniger deutlich bei Betrachtung seiner Vorderansicht in die Augen als bei der seiner Profile. Man vergleiche mit ihnen in der Festschrift für Benndorf S. 1 23, Abb. links, die Profilaufnahme des andern auf jener Tafel des Brunnschen Werkes abgebildeten Kopfes er stammt aus der westlichen Metopenreihe des Heraion (Benndorf a. a. 0. Taf. XI 2, 3, 5) und diejenige des kleinen, aus Selinunt stammen- den Köpfchens im Berliner Museum ebenda Taf. VI. Vor allem findet sich auch hier wieder die eigenartig charakteristische Bildung des Untergesichtes und die auf- fällig kurze Form der Nase. Dabei ist es unverkennbar, daß der Wiener Kopf zeitlich

■) Die folgenden Zeilen entnehme ich einem an Schuchhardt gerichteten, mir gütigst zur Ver- fügung gestellten Briefe Brinckmanns: »Selinunt selber hat Kestner erst am Schlüsse seiner mit Stackeiberg unternommenen Rundreise durch Sizilien besucht. Leider weist das laufende Tagebuch gerade für jene Tage (erste November- tage) leere Seiten auf; doch finden sich in einem zugehörigen Skizzenbuch längere, über fast 6 Seiten hin dicht geschriebene Bemerkungen über die drei Selinunter Tempel, die von K. am 2. November 1824 unmittelbar zwischen den Tempeltrümmern »auf einem Säulenstück« nie- dergeschrieben sind. Diese Bemerkungen be-

ziehen sich nur auf die Architektur.« Unter dem 10. September berichtet K. von einem Besuch im Museum zu Palermo und Besichtigung der Metopen und Basrelief-Fragmente aus Selinunt unter Führung des Barone Pisani, dann unterm 10. November von einem letzten Besuch im Mu- seum zu Palermo, wo er zu seinem Schmerz erfuhr, »daß der Herakles Melampygos und die Medusa mit Perseus in dem mittleren Tempel im Castell von Selinunt, auf dem nördlichen Hügel ausgegraben« seien; er und Stackeiberg waren dorthin »verleitet durch die Lügen des Schäfers und aus Mangel an Zeit nicht ge- kommen«.

W. Amelung, Archaischer Jünglingskopf in Hannover.

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einer jüngeren Schicht angehört, als die beiden verglichenen Köpfe, auch als der Kopf in Hannover und die mit ihm verwandten Köpfe der Ostmetopen; man beachte die Bildung der Augen und die Stellung der Ohren. Andrerseits ist es nicht zufällig, daß wir zum Vergleich mit ihm den Kopf von der Westseite des Tempels und den in Berlin gewählt haben, denen er stilistisch zweifellos näher steht als jenen andern. Wir können uns das Verhältnis wohl so vorstellen, daß sein Künstler ein Schüler der Werkstatt war, der die Herstellung der Westmetopen in Auftrag gegeben war. In der Werkstatt der Ostmetopen hatte noch vor der Zeit seines Wirkens der Stil der Selinunter Kunst durch das Auftreten eines etwas jüngeren Meisters eine eigen- artig neue Prägung erhalten, die wir in dem Kestnerschen Kopfe wiedergefunden haben. Bedeutsam ist es zudem, daß der Wiener Kopf mit diesem und den Metopen- köpfen auch in der Größe übereinstimmt, um so bedeutsamer, als wir es hier zweifellos mit der Kopie eines Einzelbildes zu tun haben, einer Kopie, die wir, nach den gut erhaltenen Teilen der Haare zu urteilen, recht hoch einschätzen dürfen: das Gesicht ist einer durchgreifenden Reinigung unterzogen worden und hat wohl erst dabei die Frische seiner Formengebung eingebüßt.

Ich denke, man wird mir, einmal auf diesen Zusammenhang aufmerksam ge- worden, auch für das Dresdener Köpfchen ohne weiteres seinen Zusammenhang mit der Kunst von Selinunt zugeben. Man braucht ja nur den Bau des Gesichtes und des Schädels mit dem der andern hier behandelten Werke zu vergleichen, um die Übereinstimmung zu erkennen. Auch beachte man von Einzelheiten die Form der Augen, mit der wir uns noch eingehender beschäftigen werden, und die eigenartig flache Stirn, die ebenso an dem Kestnerschen Kopfe wiederkehrt. Ich sehe in dem Dresdener Köpfchen einen Vorboten des Stiles, den wir ausgereift an den Ostmetopen finden; zeitlich steht es den Westmetopen und dem Berliner Köpfchen näher, mit dem es auch die Gleichheit des Materials zu verbinden scheint (auch Kekule hielt ja den Marmor, aus dem das Berliner Köpfchen gearbeitet ist, für parisch oder dem parischen gleichartig).

Die drei für unsere Vorstellung der selinuntischen Kunst neugewonnenen Köpfe bestätigen vollauf ein Ergebnis bisheriger Forschung: die Feststellung des innigen Zusammenhanges dieser Kunst mit der attischen des Kritios und Nesiotes J). So deutlich aber auch der Typus des Harmodios- Kopfes in allen selinuntischen Köpfen verfeinert nachklingt, einen Zug besitzen sie alle, der sie ganz bestimmt von jenem unterscheidet: die Bildung der Augen, insbesondere die Zeichnung der Lider mit dem abwärts gezogenen inneren Augenwinkel. Es ist die gleiche Form, die sich später

0 Milchhöfer war der erste, der in den Athen. Mitteilungen IV 1879, 76 Anm. auf diesen Zu- sammenhang hingewiesen hat. Seitdem sind seine Beobachtungen oft und mit größerer Zu- versicht wiederholt worden; wie mir scheint, mit Recht. Den gleichen Zusammenhang verrät die in Selinunt gefundene Bronzestatuette in Castel- vetrano (vgl. Furtwängler, Meisterwerke S. 77 Anm. und Hauser bei Arndt-Amelung E.-A.

Nr. 569 572). Sie ist nichts anderes als eine durch provinzielles Ungeschick verkümmerte Nachbildung des Typus, den wir in originaler Vollendung noch heute in dem Knaben von der Akropolis vor uns sehen. Dabei kann es sehr wohl zu Recht bestehen, daß Furtwängler die Bronze für »älter« erklärt als die Marmorfigur, und daß Hauser diesen Unterschied im Grade der Entwicklung noch stärker betont haben will.

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W. Amelung, Archaischer Jünglingskopf in Hannover.

noch stärker betont an den Werken des Kresilas wiederfindet1). In dem vorliegenden Falle dürfen wir diesem Zuge um so mehr Bedeutung beimessen, als wir die gleiche Bildung auch bereits an den Köpfen der Metopen vom mittleren Burgtempel C in Selinunt vorfinden, und zwar hier wiederum als unterscheidendes Merkmal beim Vergleiche mit Werken derjenigen Kunstschule, zu der diese Metopen in demselben Abhängigkeitsverhältnis stehen wie die hier besprochenen Köpfe zu der des Kritios

und Nesiotes beim Vergleich mit Werken der »daidalischen«,kretisch-pelo- ponnesischen Schule2). Augenscheinlich können wir in diesem Zuge einen ganz eigenen Besitz des selinuntischen Stiles erkennen, denn in so früher Zeit findet er sich an keinem andern Orte der grie- chischen Welt, und als eigensten Besitz haben ihn denn auch die selinuntischen Künstler des S.Jahrhunderts beibehalten, als sie im übrigen die Herrschaft des peloponnesischen Stiles mit der des attischen Stiles vertauschten 3). Endlich bemerken wir an dem Kopfe einer Knaben- figur in Girgenti (vgl. Kekule a. a. 0. und Hauser E.-A. Nr. 759 761; dazu Herrmanns Nachtrag im Text zu der IV. Serie S. 6j), daß diese Form auch in andern Kreisen der sizilischen Kunst gleicher Zeit Eingang gefunden hat.

Eben diese Figur in Girgenti gibt mir den Anlaß, hier eine Beobachtung mitzuteilen, die wiederum geeignet ist, den Zusammenhang der sizilischen Kunst mit der des Kritios und Nesiotes zu erweisen, für manchen vielleicht sicherer, als es stilistische Betrachtungen ver- mögen, handelt es sich doch hier um ein ganz äußerliches technisches

Abb. 3. Kopf aus Selinunt in Palermo.

') vg^ Sieveking-Bu?chor im Münchner Jahrbuch VII, 191a, 132.

*) Wir geben in unserer Abbildung1 3 einen einzeln gefundenen Kopf aus jener Metopenreihe, der auch bei Brunn-Bruckmann Nr. 292 veröffent- licht ist, nach einer andern Aufnahme wieder. Man vergleiche ihn mit dem Kopfe der einen von den beiden Jünglingsstatuen des Polymedes in Delphi (Fouilles de Delphes IV, Taf. I) und dem der weiblichen Statuette von Auxerre im Louvre (Monum. Piot XX, 19 12, Taf. I).

a, a. O. Taf. 74 und

3) Von den äginetischen Skulpturen, die in ihrem Stilunterschiede beider Tempelseiten eine so bedeutsame Parallele zu den selinunter Skulp- turen bieten, zeigt diese Augenform durchgängig nur der Westgiebel, aus dem Ostgiebel dagegen einzig der Kopf des rechts Zugreifenden, der auch sonst verhältnismäßig viel vom Gepräge des älteren Stiles bewahrt hat (Furtwängler, Aegina Taf. 97; Bulle, Der schöne Mensch. 2. Aufl., Taf. 193, 3), und ein behelmter Kopf, der nicht zu den Giebeln gehört (Furtwängler

i, 260, Abb. 217, 218),

W. Amelung, Archaischer Jttndlingskopf in Hannover.

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Hilfsmittel. In Abb. 4 habe ich die Schädelaufsicht des Knaben in Girgenti zusammengestellt mit derjenigen des archaischen Kolossalkopfes einer Göttin in der Sammlung Ludovisi (s. zuletzt Heibig, Führer 3 II Nr. 1288). Da wir an diesem Kopfe keine Spur jener charakteristischen Augenform finden, dürfen wir ihn desto zuversichtlicher der attischen Kunst, statt, wie man früher geneigt war, der sizili- schen, zuschreiben. Wir finden nun auf beiden Köpfen eine ganz regelmäßige Ein- teilung der Schädeldecke vom Wirbel aus bis zu dem umschließenden Bande durch gerade Linien, zwischen denen gleichartige Segmente entstehen; diese sind dann mit strahlenförmig geführten Rillen ausgefüllt. Es handelt sich, wie gesagt, nur um ein Hilfsmittel, das die regelmäßige Angabe der strahlenförmig geordneten Haarlinien erleichtern sollte, ein Hilfsmittel, das mir aber bei keinem andern antiken Kopfe

Abb. 4. Kopf der Knabenstatue in Girgenti und Kolossalkopf Ludovisi im Aufsicht.

aufgefallen ist und dessen Wiederholung sich doch wohl am ehesten aus Atelier- tradition erklären dürfte.

Können wir, ausgehend von dem Wiener Kopfe, das Bild der selinuntischen Kunst noch reicher gestalten? Arndt nennt in dem Texte der Einzelaufnahmen als nächste Verwandte des Kopfes den des wagenbesteigenden Jünglings im Con- servatorenpalast und den sogenannten Lysias in Villa Albani J). Auch Furtwängler (Meisterwerke S. 685 Anm. 2) nennt den Kopf in Wien und den wagenbesteigenden Jüngling in engstem Zusammenhange nebeneinander, und auch er rechnet an einer andern Stelle (S. 115) den Lysias zu der gleichen Gruppe. Diesen lassen wir hier wohl besser beiseite; er ist, wenn wir von den in die Stirn hängenden Locken absehen, mit dem Wiener Kopfe nicht einmal durch Züge einer allgemeinen Ähnlichkeit ver- bunden, wie das für den Kopf der Statue auf dem Capitole zweifellos zutrifft. Darüber hinaus scheint mir nach immer erneuter Prüfung aber auch hier die Verwandtschaft nicht zu gehen, wenigstens nicht mehr an greifbaren Formen nachweisbar zu sein.

') Vgl. über sie zuletzt Heibig, Führer (3. Aufl.) I, S. 556 f. u. 973.

cg W. Amelung, Archaischer Jünglingskopf in Hannover.

Allerdings müssen wir das Original der Statue um die Zeit einer Generation später datieren als das des Kopfes; in dieser müßten sich aber auch die für den besonderen Stil charakteristischen Formen in der Selinunter Schule vollkommen gewandelt haben. Dagegen scheint es mir nicht ausgeschlossen, daß uns in einem andern, einem weiblichen Kopfe, tatsächlich ein Werk aus der Schulfolge der Selinunter Kunst erhalten sei :. in dem reizvollen Athenakopfe in Brescia (Einzelaufnahmen Nr. 194 196), den Furtwängler (Meisterw. S. 123 f. Fig. 23) Pheidias zugeschrieben hat. Die Verwandtschaft mit den Metopenköpfen aus Selinunt scheint mir vor allem im Obergesicht deutlich, auch in der Haltung des Kopfes. Die Veränderungen im Untergesicht Proportionen und Mundform müßten wir dann mit den bei dem Fortschritt vom Lehrer zum Schüler natürlichen Wandlungen des Formempfindens in jener Zeit erklären. Auch fremde Einflüsse könnten dabei mitgewirkt haben. Nicht für die selinuntische Kunst, wohl aber für den weiteren Kreis der sizilisch- unteritalischen Kunst jener Zeit scheint die Betrachtung der Köpfe in Hannover, Wien und Dresden ein anderes Resultat zu ergeben. Wir beobachteten an beiden als Besonderheit die Lage der Binde, die den Hinterkopf nicht, wie sonst üblich, in der Senkung unter seiner größten Ausweitung umschließt, sondern diese Aus- weitung selbst. Das gleiche Motiv finden wir wieder an dem Kopfe des bronzenen Wagenlenkers in Delphi; an dem Vorderkopfe freilich liegt die Binde hier anders als dort, unterhalb der Haargrenze, aber diese Abweichung findet sich auch sonst, während ich für die eigenartige Lage der Binde am Hinterkopfe nur die drei hier zusammengestellten Köpfe zu nennen wüßte. Aber noch etwas anderes, ein Zug innerlicher Verwandtschaft, verbindet den Kopf des Wagenlenkers mit den Marmor- köpfen. Auch in seinen Formen ist die Nachwirkung des Stils der Tyrannenmörder, wenn auch nicht in der gleichen Prägung wie in den selinuntischen Köpfen, deutlich fühlbar. Dem Wagenlenker fehlt die energische Bildung des stark vorgeholten Kinns und auch die oben geschilderte Zeichnung der Augenlider. So können wir aus alledem nur entnehmen, daß der Wagenlenker in einer Gegend geschaffen wurde, die, nach der eigenartigen Bindentracht zu schließen, wohl nicht allzuweit von Selinunt ent- fernt lag, jedenfalls aber von einem Künstler, der den gleichen stilistischen Einfluß erfuhr, wie jene Werkstätten in Selinunt, diesen allerdings wieder in eigener Weise verarbeitet hat. Immerhin dürften auch diese Ergebnisse schon dazu genügen, die letzthin ausgesprochene Rückführung des Wagenlenkers auf Pythagoras von Rhegion zu unterstützen; von Duhn hat sie begründet *) mit vergleichenden Zusammen- stellungen des Kopfes der delphischen Statue mit einem in Medma-Rosarno gefunde- nen Terrakottakopfe im Museum in Reggio und mit einer syrakusanischen Münze, beide so überzeugend, daß sich kaum etwas dagegen wird einwenden lassen. Dazu kommt, daß die letzten Darlegungen über die Inschrift der Quadriga, von der der Wagenlenker stammt, denn doch wohl endgültig erwiesen haben, daß es sich um

') Ausonia VIII 1913 (erschienen 1915), 40 f. Wie vergleichender Blick auf Fig. 7 bei v. Duhn und

eng diese Terrakotten von Reggio auch mit der den linken Kopf auf Nr. 293 von Brunm-Bruck-

selinunter Plastik zusammenhängen, beweist ein manns Tafeln.

E. Preuncr, Archäologisch-Epigraphisches. cq

ein Weihgeschenk des Anaxilas von Rhegion handelt, für den, da er vor vollzogener Weihung starb, sein Verwandter Polyzalos signierte, der Bruder des Gelon und Hieron. Eine Schwierigkeit bei der Rückführung auf Pythagoras, die wir vorläufig jedenfalls nicht lösen können, darf allerdings nicht verschwiegen werden. Zwei ver- schiedene antike Überlieferungen knüpfen diesen Meister durch seinen Lehrer Kle- archos von Rhegion an die peloponnesische Kunst I). Von einer Nachwirkung des Stiles dieser Kunst ist in der Statue des Wagenlenkers nichts zu spüren.

In demselben Bande der Ausonia, in dem v. Duhn seinen Vortrag über den Wagenlenker veröffentlicht hat, spricht Orsi auf S. 5 1 bei Gelegenheit der Publikation einer wundervollen Bronze aus Adernö, die er mit vollem Rechte wiederum der Schule des Kritios und Nesiotes zuschreibt er hätte die Werke der den Meistern folgenden Generation zum Vergleich heranziehen können von den verschiedenen Einflüssen festländisch-griechischer und ionischer Kunst auf die Entwicklung der sizilischen und unteritalischen Kunst. Das reiche und mannigfach gekreuzte Gewebe dieser Einwirkungen zu entwirren und in all seinen Fäden darzulegen, würde hier zu weit führen. Ein eigenes Kapitel in diesem Zusammenhange müßten die Beziehungen zwischen sizilischer Plastik und den Skulpturen des Zeustempels in Olympia bilden. Hier mußte es genügen, einen Teil des Bildes vollständiger und klarer, als vorher möglich war, wiederherzustellen. Daß uns das zur Hauptsache mit Werken gelungen ist, die sich in deutschen Sammlungen befinden, war dem Verfasser eine besondere Genugtuung.

Berlin. W. Amelung.

ARCHAOLOGISCH-EPIGRAPHISCHES.

I. MIKYTHOS VON RHEGION.

Die olympischen Weihgeschenke des Mikythos, ivctbr^aza s? OXujira'av za ttoXXo", anklingend an Herodots xo'x roXXou? dvSpiäVra? (VII 170), erwähnt Pausanias zuerst bei der Beschreibung der Zeusbilder (V 24, 6) 2). Der hier angekündigte £<ps£?jc Xo-jd; lautet (26, 4 f.): tov yap 8tj Mt'xu&ov toütov 'HpoSoto? soi) iv toi? Xoyot? (a. a. O.) ., u>? ÄvaJi'Xa xoü h 'Prjft'u) Topavvr|(javco? ysvojxsvo? 80ÖX0? ') xat ra^id? t«üv 'Ava- «tXa )(p>j|AäTtov uaxspov toutojv dirtojv ofyouo £? Teylav TcXeu-r;cravto? 'AvaJi'Xa. km. xotc ävo&Tj|iaatv l-i-cpa'jitiaTa xat Tiaispa Mtxuftu) Xotpov xai 'EXXvjvioa? aöttü TtoXsi?

') Overbeck, Sq. 332 f. u. 4gof. Gruppe, nicht etwa der Iphitos-Diskos (so zu

*) Zu den Weihgeschenken des Mikythos gehört V 4, 6 Frazer S. 469, Blümner S. 293), hat offen-

nicht der von der Ekecheiria bekränzte Iphitos bar den Iphitos A?[*ovo; -aToa genannt. Sonst

Paus. V 26, 2, wie Blümner in seinem Kommen- hätte sich Pausanias doch nachher nicht auch

tar S. 339, 444 meinte. Pausanias knüpfte mit noch auf die 'HXcfouv ypdf<|i.<xTa dp/aict berufen,

dieser Gruppe die Beschreibung der Mikythos- 3) Mit 8oOXo? hat Pausanias Herodots ohhr[i

Anathemata an 10, 10 an; vgl. Robert, PVV. wiedergegeben; darüber, daß Mikythos kein

u. d. W. Glaukos 47). Das Elegeion dieser Sklave sein konnte, vgl. auch Beloch, Griech.

Gesch. II 22 177

(5o E. Preuner, Archäologisch-Epigraphisches.

'l'rjyidv ts 7ratpi'8a xai ttjv litt t(p itopt>|x<j) Msa<jf)vr(v 8i'8u>atv otxetv 8s (isv liriYpa|i(AaTa ev Tsfsa ^pijffiv auxov, 8k dvaöVj[Aaxa ävs&rjxev 4? 'OXu(iitiav sö^r/V xtva sxtsXSv 4*1 awTHjpia uatSoc voairjaavTO« vöerov <pÖtva8a.

Von diesen Epigrammata haben die deutschen Ausgrabungen erhebliche Reste ans Licht gefördert (Inschr. von Olympia 267 269). Nr. 267, ein heil er- haltener Basisblock, gibt die Abschlüsse einer vierzeiligen Weihinschrift; Nr. 268, nur ein halber Block, wiederholt, mit geringen Abweichungen, die erste Hälfte von Nr. 267; Nr. 269 a e sind fünf Fragmente, von denen nicht feststeht, ob sie von 267/268 oder etwa auch von einer dritten Inschrift stammen.

Nach einem Ergänzungsversuche H. Roehls (IGA 532), der mit überlangen Zeilen, die ungezählten Vermutungen Spielraum gaben, rechnete, hat Georg Kaibel ') unter Annahme des Verlustes eines mit Nr. 267 gleichlangen Blockes und nach Pausanias' Inhaltsangabe folgenden Text vorgeschlagen, ne quis Micythum scripsisse credercl quae vix mediocri alterhis post Christum saeculi sophista digna essent:

[Mi'xoöo? ho Xot'po 'Ps^ivo; xat Msausjvio?, Fotxsov sv Trj&t,

[Tot^aXiiata tc£8s ftsot; dvsösxe itäst]v xat ftsat; niaatf

[roxtSb? ok vocrov «i)tva'8a vo<jsovto; x]ai j(psjj.a-ov hoaaa Fot -Xstara ifsvjsTO ouvarov

[istpoü oajravs&svTtov, ss 'OXufiiri'sv] sXöov s-rcsixa süca'jxev- 5 [0?, 0? Fot 6 toxi; saöüs, dvsÖsxsv].

Nr. 267 ist <jtoi)(7)86v geschrieben, während diese Schreibart in Nr. 268 nicht genau durchgeführt erscheint. Nach den Ergänzungen von Z. 1 und 2 berechnete Kaibel die verlorenen Zeilenhälften auf 29 Buchstaben; von dieser Norm weicht Z. 3 mit 30 ab.

Seither hat sich niemapd an dieser Inschrift versucht. Gewiß hatte Kaibel recht mit den Worten: non tarn quid Micythus scripserit scire refert quam illud quod haec omnia prosa oratione usus scripsit memorabile est; aber eine in so mancher Hin- sicht wichtige Inschrift verdient doch wohl den' Versuch, die Ergänzung möglichst in Einklang mit dem äußeren Befunde und den Worten des Pausanias zu bringen. Der Annahme einer 5. Zeile widerspricht in Nr. 267 und 268 der Augenschein, obgleich] ihr selbst die Herausgeber der Inschriften von Olympia schließlich zuge- stimmt haben. Die Inschrift schloß also, wie U. v. Wilamowitz schon vor Jahr und Tag bemerkt hat 2), Z. 4 mit den Worten sitsi sü£a'p.sv ab. Ferner hat Z. 3 nicht auf einen andren Block übergegriffen, denn nach leider nur sehr knappen Andeutungen von H. Bulle 3) bildete der Block Nr. 267 den linken Abschluß des Durchgangs, der

») Hermes XXVIII 1893, 60; danach Inschr. von zu wünschen, daß die olympischen Basen ent-

01., Bechtel SGDI. 5276. (0. Hoffmann, Gr. sprechend der durch die Bearbeitung der delphi-

Dial. III 6 Nr. 8.) sehen Funde wesentlich geförderten wissenschaft-

») Lit. Centralbl. 1896, 1358; v. Wilamowitz ver- liehen Technik neu bearbeitet und herausgegeben

gleicht Aesch. Eum. 174x0! töv o&x ixX65etai. würden. Gerade die Standspuren vom Mikythos-

Wcnn ich mich recht entsinne, hat er mich ein- Denkmal sind von hervorragender Bedeutung für

mal auch auf Sappho Fr. 2, 17 lr.tl xtv fy toi ver- die Herleitung und EntwicklungdesPolykletischen

wiesen (Sappho u. Simonides S. 56 f.). Vgl. Schreitmotivs (vgl. Furtwängler, Meisterwerke

Kühner-Gerth II i* 582 ff. 405 f.; Robert, Hermes XXXV 1900, 188; Bulle,

?) Griech. Statuenbasen 1898, 24 f. Es wäre sehr Der schöne Mensch ä 93 ff.) und sind trotzdem

m. W. noch niemals im Bilde wiedergegeben.

E. Premier, Archäologiscu-Epigraphisches. 6j

inmitten der Vorderseite in das mächtige Rechteck hineinführte, auf dem einst eine Statue neben der andren aufgereiht stand. Seine Rekonstruktion bestätigt dafür Kaibels Voraussetzung nur eines als Inschriftträger fehlenden Vorderblocks. So kommt hier Gottfried Hermanns Grundsatz x) tatsächlich zur Geltung: proficiscen- dum vero semper ab eo, quod maxime simplex est, ut pauca deesse putemus.

Inhaltlich hatte Kaibel Z. 3 von Roehl die Anschauung übernommen, daß in ihr von dem iroitj voastov gehandelt sei; Pausanias' Worte s6^v ttva ixxeXSiv lid acoTiipta ton8o« voo^aavTo? führen, wie schon die Tatsache der Weihung an und für sich, auf dessen glückliche Genesung 2). Und ebenso geht auf Roehl die Einführung der überreich honorierten Ärzte in Z. 3/4 zurück, während die übliche Charakteri- sierung des Anathems als antap^ oder Sexdxi) vermißt wird. Bei dem nachstehenden neuen Versuche für Z. 3/4 handelt es sich natürlich auch nur darum, den wahrschein- lichen Inhalt in mögliche Worte zu kleiden:

[Mt'xodo? ho Xotpo "Pe-rtvos xal Meacjsjvio?, Foixeov iv Te^eet, [xd^aXfiata xdSs ösoi; dvs&sxe 7ra<Jt]v xal Seat; itdaats [7tai8öj ix voao <p&tvd8o; aodlvxo? x]al vpsjAdxov hoaoa Fot itXeiata byzv- [eto Sexdxev dirspjdjxsv, i? ÖXüjakisv] IXÖov, dirsl xa eu£d[ASv.

Z. 3 wäre z. B. eine andere Möglichkeit hoT^p hoto cp&i'aeo« diraXXaflvxo;. Z. 2 ist vielleicht dvl&sxa stilgemäßer, bzw. Z. 4 hiSpuaato. Sollte man ij 'OXop-msv] iX&ov vorziehen, so müßte ein Partizipium wie iaevstxas vorantreten 3).

Die Fragmente 269 a, b, c lassen sich in den ergänzten Hälften der Z. 1 und 2 unterbringen und haben für die von Kaibel gewählte Wortstellung entschieden. Auf den Ehrgeiz, die Ergänzung der Z. 3 und 4 den beiden übrigen Fragmenten d und e anzupassen, habe ich nach so manchen vergeblichen Versuchen verzichten zu dürfen geglaubt.

Da nach den Untersuchungen Bulles das bis dahin für das Mikythos-Monument in Anspruch genommene, in einer Länge von 12 Metern nördlich des Zeustempels erhaltene Poros-Fundament nicht mehr in Frage kommt, ist für die Zeit der Weihung nur noch ein terminus post quem in dem Jahre der Übersiedlung, des Mikythos nach Tegea, 467/6, gegeben.

Unter den Statuen begegnen uns zum ersten Male Bilder Homers und Hesiods;

') Vgl. Dittenberger, Histor. u. philol. Aufs. E. Cur- xax7j{ x<öv ^prjfiätwv TtoiTjaapivi) (Rhodopis) dßc-

tius gew. 1884, 293. Xou{ xxX.; VIII 27 r) hi Sexcrtr) lylvcxo xcüv

*) So auch H, Beer, Äirap^ u. verwandte Ausdrücke ^p7j[Aäxu>v Ix xaüx7)« xrj« f-dy^i 0! ficydXoi d\8pi-

in griech. Weihinschr., Würzb. Diss. 1914, 106. «Vre«; SylL 3 64, 35 x5 A105 '0Xu|«tfo xo £ri-

i) Für <äfCTip5ot[jt.T)v hätte ich gern ein passenderes Sexaxov hiepov ?sxo xöv xpepia'xov.

Wort eingesetzt; auch Wilhelm, Beitr. 1909, 38 E6$ct(t:vo! oexoxijv ist typisch; noch Kalli-

weist es nur im Weihgedicht nach. machos Epigr. XXXIX Wil. xal ttji xdxeu 9o-

Zu -^pT)(ia't(ov Sexctti) vgl. z. B. Wilhelm a. a yaxp( | xd owpa Tt(xi58T)(io« | etsaxo xcüv xeposSouv

0. 5 = Lolling-Wolters, Kax&OfO« I 172 8e[xa'xev Sexaxeü[ji.a xa xal ydp e5E«8' ouxui«, ganz ent-

Xopfeu] xal xpE|AdTov; Herod. II 135 ttj« <&v 6e- sprechend den Schlußworten des Mikythos trcel

xd t'jfa'fiEV.

62

E. Preuner, Archäologisch-Epigraphisches.

sie werden Stifter und Künstler als Heroen wie Orpheus vor Augen gestanden haben, und dem mußte ihre Darstellung entsprechen J).

II. KALtIKLES VON MEGARA.

In Nisaia, der Hafenstadt Megaras, haben F. Bölte und G. Weicker folgende

Weihung einer kleinen Bronzefigur mit Künstlerinschrift entdeckt (Ath. Mitt. XXIX

1904, 97):

'A]Xxu>v8a; 0sxu8s[oc

AJwvuaou. KaXXixWj[? Ejüvtxou hzorflz. In dem bisher unbekannten Kallikles, S. des Eunikos, erkennen sie »ein neues Glied einer in drei Generationen bekannten megarischen Künstlerfamilie, wahr- scheinlich einen Enkel des Kallikles, des Theokosmos Sohn«. Es würde sich danach folgender Stammbaum ergeben:

Theokosmos 428, nach 405

Kallikles I. nach 464

Apelleas Eunikos

nach 396, 392

Kallikles II. Die Blütezeit des Kallikles L, S. des Theokosmos, »fällt (nach ihnen) also in die ersten Jahrzehnte des 4. Jahrhunderts. Zur Ansetzung seines Enkels Kallikles ins letzte Drittel des 4. Jahrhunderts stimmt der Charakter der Inschrift«. Die selbe Genealogie hat jüngst auch G. Lippold zugrunde gelegt 2), nur daß er die Tätig- keit des Kallikles I. statt in die ersten Jahrzehnte des 4. in die letzten des 5. Jahr- hunderts setzt, wodurch die Zeit des Kallikles II. und der nisäischen Inschrift ent- sprechend heraufrücken würde. Mit der Spätdatierung des Kallikles I. bis auf Ol. IOO (380) war schon K. Purgold vorausgegangen, dem sich letzthin auch H. Pomtow anschloß 3).

Wir kommen aber so oder so zu höchst unwahrscheinlichen, wenn nicht un- möglichen chronologischen Verhältnissen. Die feststehenden Daten sind für die

>) Vgl. Robert, Hermes XXXV 1900, 652 s. u. Archäol. Hermeneutik 19 19, 84; Lippold, Griech. Porträtstatuen 19 12. 38. Über Orpheus s. jetzt 0. Kern, Orpheus 1920, 4. 15.

*) PW. u. d.W. Kallikles 5) und 6). Woraus schließt Lippold, daß die Statuette in Nisaia ein Por- trät war?

3) Purgold, Inschr. von Ol. Sp. 262 zu Nr. 151 ; Pomtow, Syll. I 3 S. 103 zu Nr. 82. der von ihm glücklich erkannten delphischen Liste der

Siege des Dorieus. Die Annahme (Berl phil. Wochenschr. 1909, 768), daß Cockerell noch ein E hinter yIo9(iia gelesen habe, beruht auf irriger Wiedergabe des Textes von Hughes im CIG. 1715; vgl. auch die Reproduktion von Cockerells Originalabschrift Rcv. epigr. I 1913,41. Die Zweifel Bourguets, Rev. arch. 1914 I 422, an Pomtows Entdeckung sind hoffentlich unbe- gründet. Solche Siegeskataloge konnten leicht in späterer Zeit auf der Basis nachgetragen

werden.

E. Premier, Archäologisch-Epigraphisches.

einzelnen Mitglieder dieser megarischen Künstlerfamilie in das Stemma oben einge- tragen *). Theokosmos arbeitete 428 am Zeus von Megara; er ist noch für das Weih- geschenk von Aigospotamoi in Delphi tätig, dessen Herstellung doch auch gewisse Zeit in Anspruch genommen haben muß. Kallikles I. ist der Schöpfer der Statue des Diagoras von Ialysos, Olympioniken 464, gewesen; ohne Not wird man deren Weihung nicht erst Jahrzehnte nach dem Siege ansetzen (s. u. S. 63 f.). Endlich Apelleas kann, als Kyniska ihre beiden Weihgeschenke bei ihm in Auftrag gab, schon deshalb nicht mehr der Jüngsten einer gewesen sein : nach dem aufgestellten Stamm- baume müßte die Tätigkeit des Großvaters Theokosmos mit der des Enkels Apelleas zeitlich zusammenstoßen, wahrscheinlicher geraume Zeit zusammengehen..

Mir scheint daher C. Roberts Annahme, die auch Lippold, aber nur nachträg- lich, anführt, unabweisbar, daß Kallikles L, S. des Theokosmos, der nach Paus. VI 7, 2 die Statue des Diagoras schuf, nicht, wie Pausanias angibt, Sohn des Bildners der megarischen Zeusstatue Theokosmos war, sondern von dessen uns sonst unbe- kanntem Großvater gleichen Namens.

Nach Robert sieht das Stemma so aus:

Theokosmos I.

I

Kallikles I.

nach 464

Theokosmos II. Apelleas

428, nach 405 nach 396, 392.

(Beide für Sparta tätig!) Der Kallikles II. der neuen Inschrift dürfte danach ein Enkel des Theokosmos II. oder des Apelleas gewesen sein; in seinem Vater Eunikos einen dritten Sohn des Kallikles I., also Bruder des Theokosmos II. und des Apelleas zu vermuten, dürfte der Schriftcharakter der Inschrift verbieten. Es sind noch andere Möglichkeiten vor- handen, die aber zu erörtern nicht lohnt, da der sichere Grund und Boden fehlt. An der Richtigkeit der Ergänzung des Namens des Stifters des megarischen Weihgeschenks, 'AX]xa>vSa?, wage ich bescheidenen Zweifel zu äußern. Nach der Abbildung scheint der betreffende Strich zufällig, zu schräg für den Schrägbalken eines A und auch dem K zu nahe zu sein. Sollte der Verehrer des Dionysos NijxeuvSa? geheißen haben, und die Namen Ni]x<ov8a«-Euvixos, 8sxu8i)?-ösoxo<jjj.o; auf eine Ver- wandtschaft von Stifter und Künstler schließen lassen?

Die Bemerkung (diese S. oben), daß man ohne zwingende Gründe die Weihung der Statue des Diagoras, olympischen Siegers 464, nicht bis fast ein Jahrhundert nach diesem Siege ansetzen dürfe, fordert noch eine kurze Erörterung. Denn die Zeit der Aufrichtung dieser Statue von der Hand des Kallikles, Sohnes des Theo- kosmos, ist auch von Bedeutung für die ganze olympische Statuenreihe seiner Nach-

') Die Belegstellen bei Robert, Hermes XXXV 1900, 194, dessen Ausführungen ich als bekannt

voraussetze.

64 E> Prtuner, Archäologisch-Epigraphisches.

kommen, der Diagoriclen, über die wir ein halbes Jahrtausend vor Pausanias durch Ari- stoteles (Apollas) Nachricht besitzen x) . Nachdem Inschr. v. Ol. Nr. 153 von Pomtow über- zeugend dem Theogenes von Thasoszuge wiesen ist (Syll.3 36B), sind noch mehr oder weniger verstümmelte Inschriften der Statuenbasen des Diagoras selbst (Ol. 151), seines ältesten, in der Probole des Pankratiasten dargestellten Sohnes Damagetos, Siegers auch schon 452 und 448 (Ol. 152), und eines Enkels, Eukles (Ol. 159), erhalten. Die Inschriften Ol. 151 und 152 schätzt Pomtow mit der Datierung von ungefähr einem halben Jahrhundert nach c. 375, dem Jahr der Errichtung der Diagoras- Statue des Kallikles nach seiner Meinung, wohl noch zu früh ein. Ol. 159 sieht älter aus, aber doch keinenfalls nach der Zeit des Künstlers, Naukydes, Sohnes des Patrokles. Roberts Vermutung (a.a.O. S. 191), daß die Künstlersignatur des Naukydes eine spätere Erneuerung der originalen Inschrift darstelle, wird durch den seltsamen Genetiv ria-poxXTjo; ») bestätigt: er dürfte seine Erklärung durch die Annahme einer falschen Umschreibung des ursprünglichen riaxpoxXso? finden, bei der wohl Homer Pate stand. Da der Block ganz erhalten ist, aber keine Reste einer älteren Inschrift aufweist, da eine solche auf dem Unterblocke nicht gestanden haben kann, ist also einmal nicht nur die Inschrift, sondern die ganze Basis der Eukles- Statue erneuert worden. Ob bei den beiden Basen des Diagoras und Damagetos nur eine Erneuerung der Inschriften oder auch der Blöcke selber vorliegt, könnte sich vielleicht auch noch durch den gewählten Stein und die Technik der Bearbeitung entscheiden lassen. Hätte Blümner mit der Annahme recht, daß Aristoteles den Diagoras mit seinen drei Söhnen auf einer Basis gesehen habe 3), so bedürfte es gar nicht erst einer solchen Prüfung; aber die Worte outoi p.sv 0? xoü voojipopou (vix7j<p6poi?) toxioe? sv ox^otts lijTOvrat abv t<i> irotpi scheinen mir mit dieser Auffassung in Wider- spruch zu stehen. Jedenfalls standen, als Aristoteles diese Statuen beschrieb, diese Inschriften noch nicht auf den Basen; ich möchte außerdem sehr bezweifeln, daß sich Diagoras und Damagetos in Olympia als 'P68tot bezeichnet hätten; sie waren 'laXutjioi und errangen als solche den Sieg.

Die Statue des Eukles war ein Werk des Naukydes, ist also aller Voraussicht nach kürzere oder längere Zeit nach seinem Siege, der Regel entsprechend, aufge- stellt worden. Für die Zeit der Aufrichtung der Statuen des Diagoras und des Dama- getos können die erhaltenen Inschriften, wie wir sahen, gar nichts lehren. Das einzige, was wir wissen, ist eben, daß der Schöpfer des Diagoras ein Kallikles, S. des Theokosmos, war, nach Pausanias des Theokosmos, der 428 den Zeus von Megara in Arbeit hatte. Die Statue müßte dann viele Jahrzehnte nach dem Siege 464 geweiht sein; die modernen Ansätze bewegen sich zwischen c. 420 und c. 375. Wie oben dar- gelegt wurde, fordern aber die Nachrichten -über die künstlerischen Aufträge dieses

«) S. den Stammbaum der Diagoriden bei v. Hiller, 3) Zu Paus. VI 7, I (S. 564) nach Aristoteles (Apol- Hira und Andania, 71. Berl. Winckelmanns- las) schol. Pind. Ol. VII Drachm. S. 196 ff. Wie Progr., 191 1, 12; wo aber Diagoras als Mittel- schon V. Rose (Aristot. fragm. 569) hat Drach- glied zwischen Damagetos und den drei Diagoras- mann mit Recht den angeblichen Gegner des söhnen ausgefallen ist. Eukles, Andron, beseitigt und vix^oaj «v5pa; *) Vgl. W. Schulze, Quaest. ep. 531 zu 403 A. 1. geschrieben.

E. Preuner, Archäologisch-Epigraphisches. (je

Theokosmos und des Apelleas, beide Söhne eines Kallikles, diese beiden mit Robert als Brüder anzuerkennen und einen zweiten Theokosmos I. anzusetzen, der der Vater eben dieses Kallikles, Großvater des Theokosmos IL und des Apelleas war. Damit fällt jede Nötigung weg, die Statue des Diagoras wie auch die des Damagetos und der übrigen Diagoriden erst in später Zeit entstanden zu vermuten; es war eigentlich von vornherein undenkbar, daß die Angehörigen eines solchen vornehmsten Geschlechts zu ihrer Zeit auf die Verewigung ihres Sieges und ihrer Person in Olympia verzichtet haben sollten *).

Was die Aufstellung und spätere Umstellung dieser olympischen Diagoriden- Statuen anlangt, möchte ich frühere Bemerkungen nicht wiederholen 2).

III. DAIDALOS VON SIKYON-PHLEIUS.

Daidalos, des Patrokles Sohn, aus Sikyon, ist einer der Erzbildner, für deren Gedächtnis die Inschriften besonders gut gesorgt haben. Seine Zeit wird begrenzt durch die Mitarbeit seines Vaters an Lysanders Nauarchen in Delphi, nach 405, und durch seine eigene älteste datierte Siegerstatue, die des Eupolemos, Olympioniken von 396, auf der einen Seite; auf der andren durch seine Tätigkeit am Arkader- Weihgeschenk in Delphi, nach 369 3).

Unter den mit seiner Künstlersignatur erhaltenen Epigrammen würde das älteste und für ihn das älteste inschriftliche Zeugnis überhaupt das delphische, <jtoij(7]Sov geschriebene Epigramm auf den Sohn eines Taureas sein, falls die letzthin vorgeschlagene Wiederherstellung zu Recht bestände. Nach F. Hiller von Gärtringen hat dieses so gelautet 4) ;

riaTptooc [Äxiaftjs TXaJuxwv oSs, j Taupsa ui[o?], [Satt]? ["((oJvcdv rcaTSa? j evi'xa flu8[ta ^ufjfi^v. 'AxTaiVj; klingt fast zu erlesen, eine solche Heimatangabe wird in der Regel mit einer Präposition eingeführt, Ecras im knappsten Distichon will auch nicht gefallen. Diese Anstöße ließen sich zum Teil heben, wenn man, in Erinnerung an (isya xu8o? 'Ayatutv, Vs. 2 zu Anfang [xu8o]s für otm» einsetzte. Die Ergänzung v. Hillers beruht auf der zuerst von Homolle angeregten Vermutung, daß der siegreiche iral; ein Sohn des Taureas sei, in dessen Palaestra Piaton i. J. 422 den Dialog Charmides sich abspielen läßt, der 415 mit seinem Sohn Nisaios im Hermokopidenprozeß vor

') Auch die Geschichte von der Kallipateira. der 3) Vgl. besonders Robert, PW. u. d. W. 2); Klein,

Mutter des Eukles, Ssijoct tat xe toü r.cnpbi Gesch. d. gr. Kunst II 332; Amelung, Thieme-

xcti tcüv dÖEXcpüJv oxVjXas (schol. Pind. a. a. 0.) Becker u. d. W. II. Paus. VI 3, 4 scheint mir

konnte doch nur unter dieser Voraussetzung ent- am einfachsten durch Einschub von (toä) in

stehen. Ordnung zu bringen: AaiociXou -roü Sixutovfou,

') Delph. Weihgesch. 104. Die Trennung des Eukles u.a9rjToö (toü) xal raexpo; IlaTpoxXfo'j«; [iaSrrjToO

von den übrigen Diagoriden, die vielleicht auch toO raxpik schon bei Brunn, Gesch. d. gr. K

dessen neue Basis erklärt, hat auch. Robert I 278.

(a. a. 0. 195) nicht berücksichtigt; dagegen wies 4) Bei Pomtow, Klio XV 1917, 63 Nr. 89. Crönerts

auf sie gleichzeitig K. van Gelder hin, Gesch. d. Versuch, Österr. Jahresh. XII 1909, 152, 7'

alten Rhodier 1900, 79 A. 3. S. noch Blümner "EXXrjvcuv rcalSa; scheitert an dem Rest eines X

zu Paus. VI 7, 1. an 5. Stelle.

Jahrbuch des archäologischen Instituts XXXV. 5

66 E. Preuner, Archäologisch-Epigraphisches.

Gericht stand, aber straffrei ausging x). Konnte ein Sohn, Nisaios, schon 415 vor Gericht gezogen werden, scheint es zeitlich so gut wie ausgeschlossen, daß ein anderer einen Knabensieg erringen konnte, für den unmittelbar, oder bald nachher unser Daidalos die Statue schuf. Es bleibt aber natürlich die Möglichkeit, mit der wir stets zu rechnen haben, daß das Weihgeschenk erst erheblich später geweiht wurde. Es müßte dies aber diesmal sehr lange nach dem Siege geschehen sein, denn die Hand des Steinmetzen des Epigramms ist nach Pomtow die selbe wie auf der Basis des Königs Agesipolis 380 und auf dem arkadischen Weihgeschenke nach 369. Bei Knaben- siegern wird man überhaupt nur selten eine solche Spätaufstellung in Anschlag bringen dürfen. So scheint des Rätsels Lösung noch nicht gefunden; auf den un- attischen Genetiv Totupsa wird man freilich im Epigramm kein zu starkes Gewicht legen dürfen.

Es folgt nach dem Siegesjahre, 388, das nur litterarisch erhaltene Sieger- epigramm des Aristodamos von Elis, ou [jitja ouSek IXaßsv:

Iludia 81?, Nejxsat Sic, 'GXuu/rci'at laTewavtu&yjv, ou T&aTe't vixtüv atujiarof, üXka. xiyya\y '\pt<JTo8a[io? 9,pa'(juos 'AXsto? Tcatav.

Bpaauof ist nach v. Wilamowitz gegeben für 9pa<Ji8o? Paus. VI 3, 4; öpetsu; Hephaistion 2). Als Schlußwort bieten die Handschriften des Heph. wxXai; trotzdem schien der Akkusativ dem Dativ vorzuziehen, weil er üblicher ist und besonders um den gleichen Ausgang mit xs^vat Vs. 2 zu vermeiden. Der Trimeter zum Schluß wurde natürlich wegen des Namens 'Apt3To8au.os gewählt; ou fd.p tzw; vjv touvo[x' iepap-

Auffällig erscheint die Betonung der xiyya. im Gegensatz zu «Xottu; u«u|j.aTOc. Gerade i. J. 388 waren in Olympia der Faustkämpfer Eupolos und Konsorten wegen Bestechung mit Geldstrafen belegt worden, von denen die ersten sechs Straf-Zävs? unterhalb der Schatzhäuserterrasse, sehr passend unweit des Stadioneingangs, auf- gerichtet wurden (Paus. V21, 2 f.). Deren erster trug ein Epigramm ük ou ypr^aaiv dXX« (uxuTKjTt Ttöv •rcoStöv xat uiro layuos a<6u.aTOS 'OXop-Tcixiiv soxtv eöpsaftai vi'xtjv (Paus. a. a. O. 4). Sollte nicht der Eleer Aristodamos selber gegen diese Zurück- setzung der -ciyyai sofort protestiert haben? Eben wegen dieses Widerspruchs wird das Epigramm gerade unter der olympischen Statue gestanden haben.

*) Über Taureas u. Nisaios vgl. Kirchners PA.; die der aber bei Pausanias 0pciau8o« (oder 9potsu8oc)

Palästra auch von Luk. z. ratpas. 43 n.ch Piaton vorziehen möchte Er verglich für öpa'au;

erwähnt. Homolle, Bull, de corr. hell XXIII AP. VII 506; Bechtel HP. 212 aus Delphi Syll. 3

1899,382; auch v. Wilamowitz, Piaton II 430 241,161. S noch SGDI. 5278, 2(?)Rhegion;

stimmt zu. Kirchner PA. 7370; Inschr. v. Priene 42, 18 u.

*) Preger, Inscr. Gr. metr. 129; vgl. Hephaist. ed. 356,-5. Paus. VI 3, 4 vermißt man bei Spiro

Consbruch S. 60, 65; Hyde, de Olympionicarum einen Hinweis auf die Versuche, die Lesart 8io

statuis a Paus, commemoratis 1903, 32 Nr. 25. xal v(xj)u.a auszudeuten; 860 vtxat xal Nep^a

V. Wilamowitz, Gott. Nachr. 1897, 320 A. I, Schubart-Walz, vor Kenntnis des Epigramms;

Hitzig 860 vixat xa\ 860 Neu^oi.

E. Premier, Archäolögisch-Epigraphisches. fij

Es war die selbe Olympienfeier, bei der nach Lysias' Rede die Festgesandt- schaft des Dionysios insultiert wurde. Mit Recht hat W. Hyde wohl auch die Be- stechungsgeschichte des Milesiers Antipatros auf die selben Olympien zurückgeführt (Paus. VI 2, 6) "). Es muß ein besonderer Unstern über dem Feste gestanden haben.

Einem dritten Siegerepigramme mit des Daidalos Künstlerinschrift, das uns der Boden Olympias selber wiedergeschenkt hat, ist leider von der Zeit übel mit- gespielt worden. Dittenberger hat ihm folgende Fassung gegeben:

[05 xi |j.6vat Tifj.äv iv] 'OXo[iirtat iayßos eayrov [xuSai'vtov "fsveav TcjaxpiSa &'• [a spat.] fap tbcc [tjXös (iot ev üufroi 9' 8t] hU(ov xal xpl? iv 'I(a)9(ioi [AajxapsTOU Traf? wv Napo]xi'8as <J>q[a]Xsu?.

Als tatsächliche Berichtigungen seien vorangestellt, daß 'iöjioi nicht dem üblicheren '[ 08(1.01 gleichzumachen ist und daß der Sieger den Namen 0apuxt'8a? getragen hat, bei Paus. VI 6, I also ein Irrtum oder wahrscheinlicher ein Überliefe- rungsfehler anzunehmen ist 2). Gegen die Ergänzung erheben sich lebhafte Be- denken. Die in Olympia errungene Ttjia ia^6o? ist matt; daß sie den Pythien und vollends den Isthmien l'aa gilt, widerspricht der Höchstschätzung der Olympien; TjXös u.01, von der ha. Tijiä gesagt, fällt aus dem Bilde ; ot' £vi'xu>v ist mehr als schwer- fällig. Wenn man die Zeichnung des Steins vergleicht, stört Vs. 2 die Annahme eines leeren für mindestens einen Buchstaben ausreichenden Raums -zwischen d und Tfap.

Daran hat schon M. Fränkel Anstoß genommen 3), wie auch daran, daß »der zweite und dritte Vers sehr ungefüge sind«, aber seine Vorschläge stellen keinen Fortschritt dar: -

[xaXXoösv vfr?21*-' k ic]axpi8' aö[pst ?]<*> &<*' [iv Nsjiiai xal riuftot ] Ivt'xiuv xal xpi; iv 'l(a)f}[Aot xtX.

»Die ganze Fassung wird unmöglich mit Sicherheit herzustellen sein«, das wird wohl jeder zugestehen. So möchte ich auch so wenig wie -möglich an Dittenbergers Texte ändern. Den Platz der xtu-a Vs. I wird vixa mit mehr Recht beanspruchen, und da ura auch m. E. nur Pluralis des Neutrums sein kann, scheint fea [Ilu&ta] zu ergänzen und von einem pythischen Siege zu verstehen, wie von tocjoc üuftia das Agias-Epigramm mit Lysipps Künstlerinschrift in Pharsalos meldete (IG. IX 2,

') Vgl. Ed. Meyer, Gesch. d. Altert. V 268; v. Wi- des Theugenes von Thasos Syll. 3 36 A, in der

lamowitz, Piaton I 251, 257. Hyde a. a. 0. 29, neunmal das 2 fehlt, während im Epigramm

Nr. 16. 'I<jtr|Ai«8(uv steht. Über Tharykidas s. v. Hiller,

J) Inschr. v. Ol. 161 (E. Hoffmann, Syll. epigr. Hira u. Andania 10; IG. V 2 S. 106 „5; Syll.

Gr. 385). Zu 'I8^oi vgl. nur R. Meister, Abh. 1 3 S. 709 A. 4; Wilhelm, österr. Jahresh. XIV

Leipz. Ak. XXIV III 1904, Dorer u. Achäer 1911, 188.

57 A. 1; hinzukommt vor allem die Siegerliste 3) Ath. Mitt. XXI 1896, 444.

5*

68 E. Preuncr, Archäologisch-Epigraphisches.

249, 6) 1). In Vs. 4 dürfte wegen der Raumverhältnisse die kürzeste Ergänzung den Vorzug verdienen, so daß das Epigramm sich jetzt so darstellt: [Ou xt (xovat vi'xav sv] 'OXopviuat td)(uoc sa^ov [xuSatviov ^eveav Tr]axpt8a &'• [<£i] ^Ap faa [riuöta xai Nsfiiat 8k] ivi'xwv xai tptj iv 'Iöjaoi [uiö? Aajxapsxoo 0apu]xioa? <I>q[a]Xsuj. Umgekehrt wie bei Aristodamos von Elis wird hier der Preis wieder der ia%us, nicht der x£j(vij erteilt.

Ein besonderes Rätsel gibt hier noch die Künstlersignatur auf. Nach Pausanias war die Statue das Werk des Stxucuvto? AaßaXo?; die Inschrift lautet [AaßaXo? iitJoiTjae norcpoxXe, dann folgt eine Lücke, zum Schluß £IO£. »Da der Rest des viertletzten Buchstaben nur von 2 herrühren kann«, ist die Ergänzung 2txu- tovto? ausgeschlossen. Bei der Umschau nach einem den Raum füllenden, mög- lichen oder wahrscheinlichen Ethnikon ist schon E. Loewy auf <I>Xstä]ato? verfallen. Vielleicht läßt auch unsere trümmerhafte historische Überlieferung vermuten, wann und weshalb Daidalos auf sein sikyonisches Bürgerrecht. verzichtete, und macht be- greiflich, weshalb er sich gerade Phleius zur neuen Heimat gewählt haben könnte. Am arkadischen Weihgeschenke in Delphi, nach 369, war er noch beteiligt. Um diese Zeit, 368 oder 367, stürzte Euphron die in Sikyon herrschende Oligarchie; xai oaoo? 8'c$eßaXsv im Xaxu>vi<j[A(j), xai xoTs toutiuv )(p^|xa<Jiv i/p^xo (Xen. Hell. VII I, 46); xsxxapdxovxa xob? soiruipoxa'xoo? xwv 2ixu<ovi'u>v £<po"fot8suae, oijfieuaa? aüxäiv xas ouata? (Diod. XV 70, 3). Sollte damals auch Daidalos der Heimat zwangsweise oder freiwillig den Rücken gekehrt haben und, wenigstens für die kurze Zeit der Schreckensherrschaft Euphrons, nach dem benachbarten Phleius übergesiedelt sein, wo nicht lange vorher um 371 ein demokratischer Aufstandsversuch unterdrückt worden war? *) Sollte also Tharykidas seinen olympischen Sieg im Jahre 368 er- rungen haben? 3) Vielleicht hat die Mitarbeit am Arkader- Anathem dem Künstler diesen privaten arkadischen Auftrag verschafft. Der Schriftcharakter der Thary- kidas-Basis, der nach Dittenberger in die Zeit der Siege des Eupolemos und Aristo- damos (396, 388) weist, würde wohl auch dieser späteren Datierung nicht im Wege stehen.

Wir finden die Signatur des Daidalos noch einmal in Olympia (Ol. 635); es muß eine größere Gruppe gewesen sein, an der zum mindesten noch ein zweiter Sikyonier mitgewirkt hat. Der Basisblock wurde als Unterstein für die vorletzte Zanesbasis vom Jahre 124 n. Chr. benutzt; Daidalos' Werk hatte also wohl schon längst den Weg aus der Altis in die Fremde genommen. Endlich in Ephesos der leider verschollene ') Daß es nicht zuerst für Delphi, sondern für 69 A. 2; Beloch, Griech. Gesch. II 273. Über

Pharsalos gedichtet wurde, beweist schon seine Phleius G. Gilbert, Handb. d. gr. Staatsaltert. II

Fassung. Wie hätte sonst der Verf. erst den 85; Beloch a. a. O. 259.

olympischen Sieg verherrlichen und dann die 3) Um 368 setzte v. Hiller, Hira u. And. 10, eben- Pythien gar noch zwischen Nemeen und Isth- falls die Statue des Tharykidas an, ob aus

mien einklemmen können! ähnlichen Erwägungen? aber IG V 2 S. io6n5

*) Loewy, Inschr. gr. Bildh. S. XXI. Über Euphron c. a. 380. 365/3 waren die Arkader Herren von

Swoboda, PW. u. d. W. 1), Gr. Staatsaltert. Olympia.

E. Preuner, Archäologisch-Epigraphisches.

69

Stein, der den Namen des Künstlers im Pentameter bot (Löwy 88): otö? I'IaTpoxXioc Aat'SaXo? spfaaaTo; es ist die Inschrift, auf welche F. Hausers scharfsinnige Ver- mutung die Hoffnung baute, in dem berühmten Schaber von Ephesos ein Werk des Daidalos wiedererkennen zu dürfen; eine Hoffnung, die dann Otto Benndorf, sicher schweren Herzens, selber zerstören zu müssen glaubte ').

IV. BAKCHIOS-KITTOS VON ATHEN. Inschriftliche Denkmäler griechischer Töpfer sind leider recht selten. So ver- dient das von Ad. Wilhelm veröffentlichte 2) attische Grabepigramm des Bakchios, Sohnes eines Amphis , ix Kepauiiov, besonderes Interesse:

r]f;Y xai 58u>p xai itöp si? xctoib ■zt/yr^ auvafövHDV

Bdx^tov dvzvziyywv Ttpwxa cpspovxa cpuaet

'3XXa? sxpivsv aitacra xai tuv itpoudifjxsv .eqüivas

Ttoz tcoXi?, itdvxas tävos sXaßs <rce<pa'vooj. Prägnant ist das Lebenselement des Töpfers vorangestellt und deshalb die Elementenfolge des Empedokles 3) abgeändert : itup xai oStup xai faia xat ^epo? ditXetov u^o». Für den beliebten Gegensatz von ■ziyyr^ und tpiiats hat Wilhelm Beispiele beigebracht. Das Interessanteste aber ist des Toten Preis, daß er in allen Agonen, die diese Stadt, Athen, veranstaltete, den Kranz davongetragen habe.

»Agone für Töpfer sind neu«, schreibt Wilhelm, »aber nicht überraschend, da bei den Griechen der Wettbewerb auf allen Gebieten, auch künstlerischer und wissen- schaftlicher «Betätigung die Form eines Wettkampfes angenommen hat, wie Künstler- anekdoten und urkundliche Nachrichten bezeugen 4)«. Wie soll man sich nun einen solchen Töpferagon vorstellen? Einen Wettkampf arbeitender Töpfer vor ver- sammelter Festgemeinde kann man ebensowenig in Athen für möglich halten wie den praktizierender Ärzte in Ephesos 5). Es bliebe die feierliche Ausstellung ke- ramischer Erzeugnisse denkbar, deren beste mit Preisen gekrönt wurden. Man könnte an Plin. n. h. 35, 161 erinnern 6): Erythris in templo hodieque ostenduntur amphorae duae propter tenuitatem consecratae discipuli magistrique certamine, uter tenuiorem humum duceret, aber da könnte mindestens ebensogut von einer privaten Konkurrenz zwischen Meister und Lehrling die Rede sein. Man könnte versucht sein, die berühmte Aufschrift des Euthymides, Sohnes des Pol (l)ias, auf einer münchener Amphora 7) :

x) Hauser, Österr. Jahresh. V 1902, 214; Benndorf. 4) Wilhelm vergleicht Klein, Arch.-ep. Mitt. aus

(der einst den Pentameter zuerst erkannt hatte), Ephesos I 1906, 201 ff. Die Möglichkeit ist aber z. B. noch offen gehalten von Springer-Wolters, Handbuch " 1920, 302 S. jetzt noch J. Sieve- king zu Brunn-Bruckmann. T. 682/5.

J) Beitr. 1909, 40 Nr. 26 Fig. 18; vorzügliche photo- graphische Wiedergabe bei Kern, Inscr. Gr. T. 27; Geffcken, Griech. Epigr. 123, als Ehreninschrift. Einzelerklärung bei Wilhelm.

3) Diels, Fragm. d. Vorsokr. 13 230 Fr. 17, 18; vgl. Plat. Ges. 889 b, 891 c.

österr. XII 1888,99 "ncl (S. 307) Reisch, PW. u. d.W. Agon (Sp. 836 f.).

5) J. Keil, österr. Jahresh. VIII 1905, 128 u. bes. 134; Wolters a. a. O. IX 1906, 295.

6) Vgl. Zahn, Priene 1904, 440 Anm. *.

7) Klein, MS J S. 194, 2; Furtwängler-Reichhold T.14; Robert, PW. u. d. W. Euthymides Nr. I. Der Vatersname könnte auch lltoXta«, lloXrä; lauten; aber vgl. Robert, PW. a. a. 0. zu Anfang, Arch.Jahrb XXX 1915, 241 u. Archäol. Herme- neutik 93.

70 E. Preuner, Archäologisch-Epigraphisches.

Efpa^aev EoOopiSe? ho rioX(X)to hoc oöoeitote Eo<ppovio« durch die Annahme eines festlichen Agons noch lebens- und wirkungsvoller zu gestalten. Aber der erste Ein- druck, daß für die Bewertung der Agone des Bakchios die nicht minder berühmte olympische Inschrift des Paionios von Mende *) xal T<£xpa>rqpta Ttouüv eVt töv vaov I vu a die Richtung weisen müsse, scheint mir durch den gleich zu besprechenden ephesi- schen Volksbeschluß Bestätigung zu erhalten. Paionios ivi'xa: der Sieg hat einen Agon zur Voraussetzung; dieser Agon war die Konkurrenz um die Vergebung der Akroterien des olympischen Zeustempels. Auch in dem Epigramme des Bakchios handelt es sich um Konkurrenzen, bei staatlichen Aufträgen, in denen die dvTi'ts^vot unterlegen waren; die axs<pavot sind, wie so oft, bildlich gemeint, wodurch die Vor- stellung eines feierlichen Agons glücklich bis zum Schlüsse aufrecht erhalten wird.

Bakchios stammte, wie es dem attischen Töpfer ansteht 2), Ix Kepafietuv. Für den verstümmelten Namen seines Vaters stellt die attische Prosopographie die Namen 'A[«pia[&sv7js, Ajwpia[TpctTo?, 'Ap.«pia[(u7:o; zur Wahl. Über die Zeit hat Wilhelm sehr vorsichtig geurteilt: »Der Schrift nach gehört das Denkmal dem 4. Jahrhundert an«. J. Kirchner bestätigte mir freundlichst die Datierung in die zweite Hälfte des Jahr- hunderts und würde, falls andere Umstände dafür sprechen sollten, dem Ansätze c 330 v. Chr. zustimmen.

Der weitere Satz Wilhelms nämlich: »Bakchios scheint weder durch schrift- stellerische Überlieferung noch durch die Denkmäler bekannt zu sein«, ist seither gerade dank österreichischer Forschung überholt. J. Keil hat 1913 folgendes ephesi- sche Bürgerrechtsdekret veröffentlicht 3): Kittoji xal Baxxiwi iraial Box^io 'Afbjvatois, iTtetSi) liraYYsXovtat tyji 7t6Xei TÖy xspau,[ov j TÖpt [xsXava ipfdasadat xal x?ji deüu xr,v üSptav, XotfißävovTse to TeTa-cjisvfov [ iv xSt votioji, e8o£s ttji ßooXrji xal tüh 873(1101, riXätiov etirsv, sivai doTou? 1 7roXiTa? TtapauivovTaj iv tt,i toXbi xai iitiTEXoövtaj a IjrayifsXXovTafili 5 tiji ßooXfjf EXaj(ov (poXf/V 'EtpEasT?,'" 5(iXia3xb[v 2aXa[Mvt?o]r|TaÖTa 8s elvat xal IxYÖvotj. Auch diese Urkunde ist wichtig, noch wichtiger als die vorige, für das Verhältnis des Staates zum keramischen Produzenten. »Das Dekret setzt ein Gesetz (Z. 3 iv t<öi v6|iu)i) voraus, durch welches die Herstellung einer uSpia und des piXa; xspap.0? für die Stadt zu einem bestimmten Preise beschlossen worden war, also eine öffent- liche Konkurrenz«. So Keil (S. 239), ohne weitere Begründung; das ephesische Psephisma und das attische Grabepigramm erklären sich gegenseitig, eines aus dem andren. Für den piXac xspau.oc verweist Keil auf J. Durms 4) Beispiele aus Olympia, Mykenai, Argos, Epidauros; man darf wohl die Hoffnung äußern, daß die ephesischen Funde selber noch lehren werden, was dort darunter zu verstehen ist. Man muß doch an Dachziegel für städtische Bauten denken, wie solche, besonders häufig mit dem Aufdruck 8r(u.6aioc (sc. xspap-o?) versehen, in großer Zahl hier und dort nachgewiesen sind 5). »Unter 68pta scheint ein besonders großer und besonders «) Inschr. v. Ol. 259: weitere Literatur Syll. 3 80. 5) Vgl. z. B. Paris, Elat£e 1892, noff.; Jamot und ») C. Scherling, Quibus rebus singulomm Atticae Jard#, Dar -Saglio u. d. W. figlinum opus u.

pagorum incolae operam dederint 1897, 71. tegula; F. Ebert, Fachausdrücke d. gr. Bau-

3) Österr. Jahresh. XVI 232 c handwerks I 1910, 42; Nilsso», Timbres am-

4) Baukunst der Gr. 3 201. phoriques de T indos, Bull, de l'Ac. roy. de

Danemark 1909, 64 ff.;. IG. V 1 S. 165.

E. Preuner, Archäologisch-Epigraphisches. 7 I

schön verzierter Tonkrug zu verstehen sein, der zur Ausstattung des im Bau befind- lichen Artemision gehörte«. Man wird zu dieser Hydria erinnern dürfen an die Hydrophoren der Artemis riu&ety) in Didyma, der nat|xia auf Patmos; vielleicht auch an die Lutrophoros der Artemis KtvSua's von Bargylia J). Am Ende handelte es sich gar nicht um ein besonderes Exemplar einer Hydria, sondern wurde, tov xepajxov entsprechend, ttjv oSpi'av geschrieben, um damit die regelmäßige Her- stellungspflicht für im ephesischen Artemiskult eine Sonderrolle spielende Hydrien festzusetzen.

Das ephesische Bürgerrecht erhalten Kittos und Bakchios, des Bakchios Söhne, aus Athen, gegen die Garantie, am Orte zu bleiben und die übernommenen Leistungen ihres Handwerks zu erfüllen. Der Beschluß ist vor 321 gefaßt (Keil S. 239) und, nach den beiden anschließenden jüngeren Inschriftblöcken zu schließen, sichtlich nicht allzu lange vordem. Der Neubau des Artemisions wird sich seinem Ende ge- nähert haben, als man für jene Hydria oder Hydrien eine Konkurrenz ausschrieb. Bei der Gemeinsamkeit des Gewerbes, das gerade auch beim xepajieu? sich vom Vater auf den Sohn vererbte, bei der verhältnismäßigen Seltenheit des Eigennamens Bakchios in Athen, bei der oben gegebenen ungefähren Datierung des attischen Denkmals, ist der Vater der beiden ephesischen Neubürger eben der Bakchios des attischen Grabepigramms.

Der Name Ktrro? fehlt in der Prosopographia Attica; die Träger des Namens in den IG. II sind Fremde oder Nichtbürger; so sicher auch der Epimeletes im Thiasos des Tynaros vom Jahre 300 2). Der Name begegnet aber noch einmal, als Meister- signatur auf einer panathenäischen Preisamphore des 4. Jahrhunderts, der einzigen in dieser Vasengruppe vollständig erhaltenen Signatur außer der echt archaischen des Sikelos: Kttios liro.feoev 3). Schon durch die Beobachtungen von W. Klein und Hauser schien gesichert, daß di'e Kittos-Amphora in das Jahr des Archonten Polyzelos 367/6 oder wenigstens in dessen nächste Umgebung gehöre. Die erst später bekannt gewordene brüsseler Amphora des selben Jahres läßt »zu dem Schlüsse kommen, daß beide (sie und die des Kittos} Erzeugnisse desselben Ateliers und derselben Hand sind« 4). Das ist zunächst nur ein Datum aus dem vielleicht langen Arbeitsleben dieses xepafxeuf. Aus der gleichen Fabrik, womöglich von der gleichen Malerhand,

') Vgl. Hermes LV 1920, 174. Über Hydrien im sein, während sich die Zahl der Archonten vor

Kult s. E. Fölzer, Die Hydria 1906, 17 ff.; A. allem um die bisher ältesten, Asteios 373, Phrasi-

Frickenhaus, Tiryns I 1912, 28 ff. kleides 371. vermehrt hat. Vgl. bes. D. M. Ro-

») IG. II» 1262; vgl. IG. V 1, 45211. S. 303; Wilhelm, binson, Am. Journ. of arch. XIV 1910, 422 u.

NeueBeitr. III 1913, 28. (Doch ist aus Delphi ein XV 504; E. N. Gardiner, Joum. of hell. stud.

attischer Hieromnemon 106/5 v. Chr. '4<wXa7t((uv XXXII 1912, 180; Breccia, Iscr. gr. e lat. (du

Kfrrou seither bekannt geworden, Syll.37H B, 20.) Mus. d'Alexandrie) 1911 S. XIX.

3) Brit. Mus. B 604. Vgl. Klein MS. » 86; Hauser, 4) V. Brauchitsch S. 54 zu Nr. 85. Dazu kommt

Neu-Att. Reliefs 1889, 161 ; C. Smith, Ann. of eine dritte, des selben Jahres und von der selben

the brit seh. at Ath. III 1896/7, 193; v. Brau- Hand wie die brüs:eler und die Kittos-Amphora:

chitsch, Die panathen. Preisamphoren 1910, 54 Katalog der Sammlung Dr. Eddd in Alexandrien,

Nr. 86. Paris 1911 T. 1 (vgl. Breccia a.a.O. S. XVIII

An Töpfersignaturen scheint nach v. Brau- A. 2; F. Behn, Berl. philol. Wochenschr. 1912,

schitschs Sammlung nichts hinzugekommen zu 917)-

72 E Preuner, Archäologisch-Epigraphisches.

stammen nach G. v. Brauchitsch die Nummern seiner Sammlung 92 und 93 (340), 96 und 97 (336), IOI (332), 102 (328), 106 (323), 107 (321). Sein Gedanke an eine »Monopolfabrik, in der natürlich die Maler wechselten «, scheint aber nicht glücklich1). Nach Aristoteles ('A9. itoX. 60, 1) ist eine der Obliegenheiten der zehn Athlotheten xot xou; d(itpopsr? irotoüvtat (letd ttjc ß&uXrjf. Hätte ejne solche Monopolfabrik be- standen, so konnte doch einfach die benötigte Anzahl Ölgefäße bei dieser in Auftrag gegeben werden. Gerade auch der Lieferung dieser Amphoren werden im besonderen die Konkurrenzen gegolten haben, von denen das Bakchios- Epigramm meldet. Daß eine bewährte, tüchtige und billige Firma häufiger wie andere mit Aufträgen bedacht wurde, liegt in der Natur der Sache.

Ist nun dieser Kittos des Jahres oder um das Jahr 367/6 mit dem ephesischen Neubürger identisch? Das ist so gut wie unmöglich. Kittos, der Sohn des Bakchios, dürfte nicht nach c. 330 Athen verlassen haben; um die selbe Zeit mag der Vater gestorben sein; damit ist ein Geburtsjahr frühestens c. 390 nicht in Einklang zu bringen. Aber zur Verwandtschaft des älteren Bakchios wird der Kittos von 367 bei der Seltenheit des Namens und dem gleichen Gewerbe sicher gehört haben; wahr- scheinlich war erein Bruder des Bakchios irpeaßikspoc, schon aus chronologischen Grün- den, besonders aber, weil die Eigennamen Bakchios und Kittos aus der selben Sphäre stammen; der jüngere Kittos trug nach ihm.den Namen. Und wie so mancher andere Töpfer und Vasenmaler dürfte auch er wohl Anspruch haben auf einen Platz unter den Bürgern der attischen Prosopographie 2).

Auch für diesen älteren Kittos sind die oben verzeichneten Zuweisungen v. Brau- chitschs, ihre Richtigkeit vorausgesetzt, nur mit größter Vorsicht zu benutzen. Wir wissen ja überhaupt nicht die alte leidige Frage , ob er jene Amphora als Fabri- kant, als Töpfer oder als Maler signiert hat oder ob er zwei oder gar drei dieser Eigen- schaften in einer Person vereinte. Zudem ging v. Brauchitsch von der zweifellos irrigen Annahme einer viel zu geringen Zahl vom Staat jeweils beschaffter und aus- geteilter Preisamphoren aus.

V. EUANKR1T0S VON THEBEN. Die Vermutung, daß die Statue des Teisikrates von Sikyon IG. VII 2470 einen thebanischen Pankratiasten Euankritos dargestellt habe, daß also die ersten Verse des Epigramms zu lesen seien:

n]dp.fi<x)(ov, u> 8r$a, xpotTEOvra p.s 7taT8a[? iv 'lad^St xal izdkiv (isuaxav dXixtav xi? epet TOt'as ix irpoßoXäj Eöd^xpitov, ist für »sehr erwägenswert« gehalten, aber auch abgelehnt worden 3). In meiner

') V. Brauchitsch S. 160. Für ein solches Monopol Amphoren zuletzt L. Ziehen, Burs. Jahresber. 172,

hat sich Th. O. Achelis ausgesprochen, Neue 191 5, 46t.

Jahrb. XXVII 1911, 385; dagegen führte mit ») Vgl. A. Körte, Gott. gel. Anz. 1903, 835.

Recht schon F. B. Tarbell, Class. rev. XIV 19CO, 3) Bonner Studien für R. Keimte 220. Zustimmend

475auchdaslängereNebeneinandervon STOtyr)?ov Reisch, Berl. phil. Wochenschr. i8$t, 1610; zu-

und xiovrjSov-Schrift an. Vgl. über diepanathen. letzt Th. Klee, Zur Gesch. d. gymn. Agone 1918,

E. Preuner, Archäologisch-Epigraphisches.

73

Ansicht bestärkt mich, nach langen Jahren, zunächst, daß der Name Euankritos sich jetzt noch zweimal unbestreitbar nachweisen läßt. Das eine Zeugnis wäre schon damals beizubringen gewesen: in Phleius (CIG. 1115 = IG. IV 456) Eöavxpi'xoo, wofür freilich A. Boeckh E6[du]xptTou, B](o)u(X7])xpiroo M. Fränkel vorgeschlagen haben, so daß man in den Indices den Namen vergeblich sucht I). Auch durfte man wohl leichten Zweifel hegen, weil Pouqueville der einzige Zeuge für die Inschrift war. Der Name wird nun vollends dadurch gesichert, daß er letzthin nochmals, in Böotien selbst, in Orchomenos, aufgetaucht ist: EudvxpiToadsviuvo? (so); aber selbst von Wilhelm mit der vorsichtigen Note »scheint neu« versehen 2).

Wichtiger dünkt mich, daß solche Namenspielerei, dieses Schillern zwischen Eigennamen und Eigenschaftswort, schon für die In^pa^iiaTOTroiot' dieser Zeit einen gewissen Reiz gehabt zu haben scheint 3). So hebt das zeitlich sicher sehr nahe- stehende Epigramm aus Akraiphia auf Eugnotos4) an:

Toto? I«>v Eu^vtDto? svtmto? st? ßasdYJo?

j^stp«? dvT)ptf)(i.ou? 7J).de ßoa8pojiiu)V, genau den Worten totoc? sx rcpoßoXa? Eua'Yxptxov entsprechend. So möchte ich in einem Epigramm von Oreos auf Euboia 5), das beginnt :

rioMoi as siratvo? iTtsuxXst'aev vsottjto? Iv (zxjj.^

TtettSa [isv ovxa vs(u>)v xoau.ioT7]Ti Tpörcwv,

7jßifl 8' au$7)ösvTa v6|X(ov wrtpuuv {hparota, in vs(o))v Vs. 2 den vermißten, durch die Apostrophe so gut wie geforderten Namen des gefallenen Sohnes des Theo[kl]es, Ns(a>)v, erkennen. NeoiTjTo? sv dx|AQ am Schluß des Hexameters, als Pentameterschluß unmittelbar folgend vs(<u)v xo<J|ii6t7jti ipoiwuv, wirken und klingen schlecht in der Wiederholung; hatten auch hier Auge und Ohr zwischen Eigennamen und Eigenschaftswort die spielende Wahl, wird dieser Eindruck zum mindesten wesentlich gemildert.

Das Epigramm auf Euankritos geht nach den oben ausgehobenen Eingangs- versen weiter:

d Ss Ns(isto? vtxo (jtoi XexTiuv fjXöev dir' -rji'öetov

TOXTpÖ? 8(Ü(X(X Tptotxo?.

Man glaubt meist, in d Ss Nsjaeio? xtX. eine Steigerung erkennen zu müssen. Im Festorte liegt eine solche nicht vor, da die Isthmien an Wertschätzung sicher nicht hinter den Nemeen zurückstanden. 'Ev 'I<jfrfj.5>t Vs. I ist freilich ergänzt, aber,

96 u. 106. Id quod mihi quidem non pcrsuasit Dittenberger, IG. S. 749, dem sich E. Hoffmann, Syll. zu Nr. 386 angeschlossen hat; aber unent- schieden später Dittenberger selbst, De Philippi Arcadis Olympionicae epigr. 1893/4 S. VI. Vgl. zu Vs. 3 Tofa? h. rcpoPoXä« Delph. Weihgesch. 84; schol. Pind. Ol. VII Drachm. S 197, 23 u. 198, 2. x) Vielleicht verlohnte es sich, solchen besonders stark zurechtgerückten Namen in den IG. einen kleinen Sonderindex einzuräumen.

*) Neue Beiträge IV 1915, 13 zu Z. 10. II. Jhdt. v. Chr.

3) Vgl. Kaibel, Ep. Gr. S. 687: in nomine ludilur.

4) Geffckeh, Gr. Ep. 189. Vs. 10 [jjiäpv]aTO schon Danielsson, Eranos IV 1902, 187; Vs. 16 a(tJi3Tea Atticaster (F. B.), Rhein. Mus. LVII 1902, 315 und Danielsson. Vgl. noch Homolle, Bull, de corr. hell. XXIV. 1900, 176 A. 1.

5) IG. XII 9.. 1195 u. S. 177 = Geffcken 185. Nur Minuskelabschrift von Papasliotis. Vs. 2 v. Wi- lamowitz bei Kaibel, Ep. Gr. 209 v£(<u)v für veov.

•ja E. Preuner, Archäologisch-Epigraphisches.

wie mir scheint, notwendig, denn die Fassung der Eingangsyerse widerspricht der früheren Meinung, daß die beiden erstgewonnenen Siege in Theben selbst gewonnen seien. Aber auch die Altersklasse, in der der dritte, nemeische, Sieg errungen wurde, ist die gleiche wie die \xzadia dXixia des zweiten. H. v. Herwerden hat einmal zu den Xexxol r/f&soi Vs. 4 Sophokles Oed. Tyr. 18 otSe t' tqÖscdv | Xextot verglichen J); die Wiederholung in Theben wirkt wie ein Zitat. Wie aber unter der (isaaia aXixi'a nur die dfsvsioi verstanden werden können, so setzt E. Bruhn die sophokleischen ^8£<ov Xsxtot auch gerade den etyeveioi gleich. Wenn also überhaupt von einer Steige- rung die Rede sein sollte, so könnte sie nur darin bestehen, daß Euankritos den nemeischen Sieg zwar auch als oqsvetoj, aber nach dem isthmischen, dem Mannes- alter näher, erkämpft hatte. Irre ich aber nicht, ist die Statue wegen des zweiten isthmischen Sieges gesetzt worden. Zweimal, als Knabe und jetzt als d-fsvEto?, hat Euankritos auf dem Isthmos gesiegt; den einen Nemeensieg hatte er als dfysveto? errungen: dsdXct -(ap ^ tapa Ai'pxai | d|i<pa8ov 'EXXdvcov 7rXei<JTa «pspovu vsoi.

Auch hier bedauert man, daß keine Aufnahme der Basis selber veröffentlicht ist; aus den Standspuren der Statue könnte man vielleicht auf das Alter, in dem der Sieger dargestellt war, und vor allem auf die Art der irpoßoXiq schließen. Der Block war zur Zeit der letzten Abschriften inversa positura in scalis deversorii Papa- dami vermauert.

VI. MENANDROS, SOLON, ARCHILOCHOS.

Zu den von F. Studniczka zusammengestellten einstmaligen Menanderbild- nissen 2) sei noch an eine Basis erinnert, gefunden fern von Athen, nordwärts des Tempethals im Pierischen Makedoniens). Der Fundort Platamona wird heute nach L. Heuzeys Vorgang mit dem Pierischen Herakleion identifiziert, während J. L. Ussing dort Phila ansetzte. Die Basis trug »en characteres de tres-bonne 6poque« die Inschrift MENANA . . . Heuzey hat sofort die Frage gestellt : »etait-ce la statue du grand poete comique?«, und ich wüßte nicht, weshalb man sie verneinen sollte. Auch zu der eretrischen Basis 4) mit der selben knappen Inschrift wäre wohl in den IG. ein Hinweis auf den berühmten Dichter am Platze gewesen, zumal sie beim Theater gefunden ist. Der großen Menge solcher Statuen im weiten Bereiche griechi- scher Zunge sind wir uns, glaube ich, oft nicht hinreichend bewußt.

Der Kuriosität halber verweise ich bei Gelegenheit auf den Graffito einer Herme des Solon, wieder selber auf einem delischen Hermenschaft (Bull, de corr. hell. XIII 1889 T. XII). S. Reinach bemerkte zu ihm nur (S. 376): »La figure humaine est represent^e par un terme barbu ithyphallique, dont la gaine repose sur un piedestal«. Aber die Inschrift EOAJ1N, quer über den Schaft der geschickten kleinen Skizze geschrieben, beweist doch, daß der Zeichner eben eine Herme Solons wiedergeben

') Stud. crit. in epigr. Gr. 189 1, 9. Auch Klee 3) Heuzey, Le mont Olympe et l'Acarnanie 1860,

a. a. 0. 106 Nr. 201 nahm den nemeischen Sieg 92 u. 478 Nr. 24 (Dimitsas, rH MaxeSovfa 155

als im irafxpaTtov äv8ptüv gewonnen an. Nr. 192); schon 1846 von Ussing gesehen, Gr.

*) Das Bildnis Menanders (SA. aus Neue Jahrb. Reisen u. Studien 1857, 22.

XU 1918) 3 ff. 4) IG. XII 9, 280; vgl. Studniczka a.a.O. 4

E. Preuner, Archäologisch-Epigraphisches. je

wollte. Für den noch nicht mit Sicherheit ermittelten Kopftypus Solons l) ist aus ihr natürlich nichts zu gewinnen; sie legt, wie die delische ö^xi] tpi^tüvoc l)(oooa ßi- ßXi'a 'AXxaioo, nur für uns verlorene Kostbarkeiten Zeugnis ab.

In Paros stand die berühmte Archilochosinschrift unter einem Bildnisse des Dichters, wie ihr Entdecker und Erretter Hiller von Gärtringen selbst durch einen nachträglichen glücklichen handschriftlichen Fund erweisen konnte 2). Das Weih- epigramm hub an:

Tis de t&v ifi Tcixp-q Moudtüv Osparcovc' £j(a'pa$ev

■Kai TeXeaixX9jOS xoüps xaTaYXataas;

Als v. Hiller die von Ph. Le Bas seinerzeit allein abgedruckten Anfangsworte tf« as tov iji TCxpa Moua&v herausgab (IG. XII 5, 242), hatte er angemerkt: »potest ad stelam anaglypho poetae ornatam referri«.. Bei der Veröffentlichung des wahr- scheinlich von St. A. Kumanudis abgeschriebenen vollständigen Epigramms über- setzt er den Eingang: »Wer hat Dich, o Sohn des Telesikles, den im Stein vor mir stehenden Diener der Musen, mit seinem Meißel verherrlicht?« und spricht von dem »stehenden oder sitzenden Bilde des Archilochos«. Diese Worte scheinen von einer frei stehenden Statue gemeint und sind so jedenfalls auch von A. Hauvette auf- gefaßt 3).

Es kann sich bei diesem Denkmal, das Soxjdevrj? üpoa&svou wohl im 1. Jahr- hundert v. Chr. seinem berühmtesten Landsmanne errichtete, nur um ein Relief handeln; ^apa'aastv ist üblich vom Einmeißeln der Buchstaben, wird von der Münz- prägung, wird auch vom Relief gebraucht, kann aber nicht auf die Rundplastik über- tragen werden. Bestätigend tritt hinzu, daß sich die Tiefe des Inschriftensteins aus der 'ExatovxairuXiav^, über dem die bildliche Darstellung doch stand, gegenüber einer Gesamtbreite von mindestens V/2 m nur auf 0,195 0,205 m beläuft. Wegen der Frage nach der Art des Monuments dürfte es sich verlohnen, auch den Kuma- nudis-Stein, dessen Buchstaben leider seither völlig verloschen sind, auf Maße und einstige Verwendung zu prüfen 4); daß es sich um Verkleidungsplatten einer großen Basis handle, ist schwerlich anzunehmen.

Auch "£|a irexpifi weist in v. Hillers Auffassung auf Reliefdarstellung hin. Ob mit irsxpYj freilich das Material bezeichnet werden sollte oder ob der Dichter auf einem Felsen sitzend dargestellt war, scheint, mir nicht mit Sicherheit auszumachen. Für dieses könnte die Wortstellung ins Feld geführt werden und der Sprachgebrauch, der fast durchgängig rerpos statt raipn) für den bearbeiteten Stein verwendet 5). Darstellungen wie solche des Orpheus und Thamyris konnten als Muster auch für Archilochos benutzt werden 6).

') Lippold, Gr. Porträtst. 71 A. 2. 5) Vgl. die von Geffcken, Gr. Ep. zu 147, 6 ge-

J) Literatur: IG. XII 5. 445 u. S. 315; E. Diehl, sammelten Belege, zu denen 189, ^hinzukommt;

Suppl. lyr. 3 S. 6. nur 179, 3 hat nhpa. 202, 5 ist iapi irixpot nach

3) V. Hiller SB. Berl. Ak. 1904, 1240. 1239; Hau- Puchstein propylonis partes.

vette, Archiloque 1905, 297 f. 6) Vgl. auch das Relief in Villa Albani bei E. Krüger,

4) Der Stein war 1906 noch an seiner alten Stelle Ath. Mitt. XXVI 1901, 132 Fig, 1, 139: zwei

nach M. Krispi, «DtXoXoyixä iväXexTa (1908) 6. auf Felsblöcken sitzende bärtige Männer, zwischen

76

E. Preuner, Archäologisch-Epigraphisches.

ria'ptot 'Apx'Xo^ov xatTOp ßXaa<p7)jiov i'vxa xexifi.//xa3i heißt es in Aristoteles' Ars rhetorica (1398 a). Zu dem Denkmal des Sosthenes mag man noch die Erwähnung des berühmten Vorfahren in einem Grabepigramm anführen (IG. 299). Es wäre aber besonders interessant, wenn eine für die Darstellung des Reverses zweier parischcr Tetradrachmen, etwa vom Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr., geäußerte Vermutung jedem Zweifel entrückt wäre, die in einem nach rechts auf einem Sessel ohne Lehne mit ziemlich gebogenem Rücken sitzenden, anscheinend bärtigen Manne eben Archi- lochos erkennt r). »Mit der Linken hält er eine Kithara, auf das Knie gestützt, mit der Rechten einen undeutlichen Gegenstand, wohl das Plektron«. Beide Stücke befinden sich jetzt im Berliner Münzkabinett, wo K. Regling die große Freundlich- keit hatte, sie mitzuprüfen. Bei dem einen Exemplar (Magistrat rieiitß) scheint der Bart gesichert, bei dem andren ist die betreffende Stelle besonders stark kor- rodiert. Die Bärtigkeit, der Sitz ohne Lehne, vor allem aber die auffallend krumme Haltung des Mannes schienen auch Regling wie mir gegen Apollon und für Archi- lochos zu sprechen. Da die beiden Tetradrachmen aus verschiedenen Stempeln, mit verschiedenen Magistraten, stammen und doch die selben Besonderheiten auf- weisen, ist durchaus möglich, daß sie ein auf Paros befindliches Sitzbild des Dichters wiedergeben, das der Stiftung des Sosthenes als Vorbild gedient haben könnte.

Bildliche Darstellungen des Archilochos hat es wahrscheinlich in reicher Zahl gegeben. Ein Epigramm des Theokrit stand unter einer Statue des Dichters (XXI Wil.). Als Partner des Homer in einer Doppelbüste im Vatikan 2) wäre Archilochos die gegebene Persönlichkeit, aber modernes Empfinden bestreitet wohl mit Recht die Möglichkeit, daß antike Vorstellung diesen Porträttypus für den streitbaren, reisigen Parier habe schaffen können. So bleibt er noch weiter zu suchen.

VII. MANOEOZ AIOOY. Die Inschrift des »Mantheos«- Reliefs in Wilton House: Ma'vöeo? Ar&ou e5-| /Opiate! Att im i vixet irevTa&Xoo ] toxiSo?, in unmöglichen archaischen Buchstaben ge- schrieben, wird jetzt, nachdem lange die Meinungen über ihre Echtheit oder Fälschung auseinandergegangen waren, allgemein für unecht gehalten 3). Bekannt ist die ab-

ihnen auf einem Postament eine große Maske; ferner S. 142 und Robert, Hermes XXXV 1900, 650 zu EV. 530. Arats otia'Ju) A«5tiu.ov 8; h rAxprfli xeiftrjTOU ; Tap^apitov ratislv ßfjTa xai «Xcpa X£f<ov (v. Wilamowitz, Eur. Herakles I' 310 A. 78; E. Maaß, Aratea 1892, 229) ist kaum durch solche Darstellungen beeinflußt. ') H. Gaebler bei A. Lübbecke, Zeitschr. f. Num. XXI 1898, 262 T. VIII 12, 13; Head HN. * 490. Da v. Hiller IG. S. XXVII 1451 die Magistrate notiert, aber SB. a. a. 0. 1242 A. I bemerkt, daß die Münzen von Paros nichts für Archilochos ergäben, scheint er die Beziehung auf Archilochos abgelehnt zu haben. Apollon mit leicht geboge- nem Rücken sitzend mit Leier, »on cippus« in Thespiac bei Imhoof-Blumer P. Gardner, Num.

comm. on Paus. Taf X 20 (Domitian); auf dem Omphalos in Delphi z. B. Y 5, 7; auf einem Felsen Y 6 = Bull, de corr. hell. XX 1896 Taf. 29, 4. 5 (141 n. Chr.).

J) Vgl. Heibig3- Amelung 394.

3) Die ältere Literatur bei Boeckh CIG 34 und Michaelis, Ancient marbles 680 Nr. 48, mit Zeich- nung C. L. Beckers. Vgl. nachdem bes. Friede- richs-Wolters , 239 (zu einem Abklatsch des Reliefs); Arndt, La Glyptotheque Ny Carlsberg 64; Perdrizet, Rev. arch. 1903 II 213 D; Helbig3 - Amelung zu Nr. 972 u. 1405. Reinach, R6p. de reL II 536, 3. Die Inschrift zuletzt IG. V 1 S. XXIII Nr.1584. Über die archaistische, griech. Rundplastik Bulle, Abb. Münch. Ak. XXX 2. 1918; s. 5. 34.

E. Preuner, Archäologisch-Epigraphisches. nn

sonderliche Geschichte, wie das Denkmal gewissermaßen seine erste Visitenkarte bei Bernard de Montfaucon abgegeben hat. Parisiis degebam, erzählt Scipione Maffei er weilte 1732 36 in Paris , quum doctissimo P. Montfauconio accidit, ut chartam monumentum illud exhibentem ianuae syae repagulo insertam summo mane deprehenderet. Der Urheber dieses Streiches ist nie ermittelt worden. Maffeis Ver- dächtigung des Reliefs selber ging zu weit, aber der schwerste Anstoß, den er damals sofort an der Inschrift genommen, an den Worten ebenso wie an den Buchstaben, war durchaus berechtigt.

Doch die Frage ist noch nicht beantwortet, wann die Fälschung erfolgt ist und woher der Fälscher den Wortlaut der Inschrift nahm. Daß er, falls eine Fälschung vorliegen sollte, der selbe Mann sein müsse, auf dessen Konto die In- schriftfälschung der ara Bacchica der selben Sammlung1) kommt, hat Boeckh zweifellos richtig erkannt, ohne aber über dessen Zeit eine Vermutung wagen zu können; nisi utrumque titulum ficlum ab eodetn homine dices erklärte er zu Beginn seiner Ehrenrettung der Mantheos- Weihung und gab mit diesen Worten zu er- kennen, daß er seiner selber über deren Echtheit doch nicht ganz sicher war.

Eine Fälschung ist aber eigentlich erst dann wirklich aufgedeckt, wenn ihr Zeitpunkt und ihre Grundlagen ermittelt sind. Eine für diese Fragen entscheidende Veröffentlichung ist bereits vor Jahrzehnten erfolgt, aber völlig unbeachtet ge- blieben, wohl weil niemand an dieser Stelle und unter diesem Titel neue Kunde von dem Mantheös-Relief erwarten konnte. In einem Aufsatze über die von seinem Landsmanne Fr. Rostgaard hinterlassenen Papierabdrücke griechischer und la- teinischer. Inschriften hat Ussing 1867 das Relief ausführlich besprochen2). Die Hauptsache ist, daß Rostgaard während seines italienischen Aufenthaltes 1691—99 auch von dem ganzen Relief einen Abklatsch genommen hat, den die Kopen- hagener Universitäts-Bibliothek noch heute bewahrt und daß dieser Abdruck an Stelle der Inschrift eine völlig glatte Fläche zeigt. Zwischen Rostgaards Auf- nahme und Montfaucons Morgenerlebnis hat also der Fälscher sein böses Werk getan. In Rom hat aller Voraussicht nach Rostgaard das ' Relief abgeklatscht, in Rom wird es gefunden sein, wie die ihm stilistisch verwandten Stücke, und in Rom dürfte auch wohl die Fälschung der Inschrift auf den Stein erfolgt sein.

Aber Ussings Veröffentlichung bringt noch eine weitere Überraschung. Statt der Mantheos-Inschrift hat Rostgaard in Abschrift eine andere wiedergegeben »overst paa Bladet, i lige Linie med den gamle Mands Hovedhaar«. »Am oberen Rande des Abklatsches zwischen den beiden Köpfen«, wie mir J. L. Heiberg schrieb,

') CIG. 38 = Michaelisa a. O. 672 Nr. 1; Hauser, wiesen. Über mechan. Copieen von Inschriften

Neu-Att. Reliefs 38 Nr. 51. 1881, 19. Die Abdrücke der lat. Inschriften sind

2) Om nogle af Fr. Rostgaard efterladte Papirs- im CIL. verwertet. Die beiden anderen griech.

aftryk af graeske og latinske Indskrifter, Over- Steine sind 1) IG.XlV t642(Kaibel, Ep. Gr. 587),

sigt over d. K. D. Vid. Selsk. Forhandl. 1866, deren Fundort repertum via Lat" 111. lap. prope

205. Die Abklatsche auf der Kopenhagener Coemel. b. Tertullini 1684 dadurch festgelegt wird,

Univ.-Bibl., Ms. Rostg. 117 fol. Auf diese frühen und 2) 2002, erstmals von Kaibcl.Ep. Gr. S. 529 Nr.

Abklatsche hatte Mommsen Hübner hinge- 646 a veröffentlicht (Vs. 3 zum Schluß Uss,

wohl richtig u.eTeßX^[fl»))

78 E. Preuner, Archäologisch-Epigraphisches.

dem für seine gütige Auskunft auch an dieser Stelle aufrichtiger Dank wiederholt sei. Die Inschrift ist nach ihm von Ussing im wesentlichen richtig und genau, auch in den Buchstabenformen, wiederholt. Sie lautet mit Heibergs kleinen Besserungen :

. . POZEXEINOMnOIOnN(2— 3)A. . MANOEOZ(l)AI0OY(l)EYHATO AIPENTAOAONPAIAAE(l)NEIKAN

Die Zahlen bedeuten leeren Raum für 1 3 Buchstaben. Z. 1 war nach Heiberg zwischen A und M »ursprünglich, wie es scheint, 1 Buchstabe geschrieben, etwa O, ist aber ausgewischt und durch . . ersetzt«.

Für die restlose Ausdeutung der Inschrift muß ich auf andere Glücklichere hoffen. Der Schluß su£ato A't TtevxaöXov uaToa? vstxäv ist klar. Vorausging im Genetiv der Name des Vaters des Knaben, der wohl Aldo? geheißen haben könnte, nicht auf Grund des Zeugnisses von Ptolemaios Chennos, aber mit Berufung auf entsprechende Namengebung1). Auf die Vorlage der Versuche, den Namen des toxi« selber zu ermitteln, verzichte ich lieber, da sie mir zu gewalt- sam vorkommen. Die in der ersten Hälfte von Z. 1 erhaltenen Buchstaben scheinen den Schluß eines Hexameters darzustellen: ir]po<Jsj(et vou,<u OIOflN.

Aus dieser Inschrift hat also der Fälscher seinen Text genommen. Der Ge- danke, daß sie selber ein Falsifikat sei, wird schon durch ihre schwierige Aus- deutung widerlegt.

Aber wo hat diese Inschrift gestanden? Ussing hat vermutet, sie habe ganz leicht eingeritzt auf dem uns erhaltenen Relief selber gestanden und sei von dem Fälscher be- seitigt worden, um sein Machwerk an ihrer Stelle auf den Stein setzen und so den ma- teriellen Wert des Denkmals erheblich steigern zu können. Von Augenzeugen, wie A. Conze, F. Matz, A. Michaelis, die ausdrücklich von der modernen Überarbeitung des Reliefs wie von der Inschrift bekundet haben, daß sie sich zuckerweiß von dem originalen Steinton abhüben, wäre ein solcher Eingriff sicher bemerkt und notiert worden. Auch zeigt der Berliner Abklatsch nicht die leiseste Spur eines solchen. Der gegebene Platz wäre unter dem Relief oder eben der, den Rostgaard für seine Einzeichnung wählte, nur nicht zwischen den beiden Köpfen von Zeus und itaT«, sondern zu ihren Häupten. Es sieht ganz so aus, als ob eine Abarbeitung der Oberkante des Reliefs die obere Schädelhälfte des Zeus mitweggenommen habe. Dagegen dürfte nur wieder sprechen, daß m. W. eine entsprechende Beobachtung von keiner Seite gemacht und veröffentlicht ist. Da Inschrift und Relief sich gegen- seitig erklären und ergänzen, also zusammengehören, da der Ausweg, daß die Inschrift auf einem besonderen Profile oder Rahmen über oder unter dem Relief eingeschrieben stand, kaum gangbar erscheint, führt die Überlegung immer wieder auf die Annahme einer Abarbeitung oberhalb des Reliefs zurück. Ob das Relief jetzt irgendwie ein- gelassen ist und die Oberkante sich dadurch der Prüfung entzieht, kann ich leider

•) Ptolem. Chenn. Phot. bibl. S. 150, 6. 7 Bekk. darf man nicht denken, da die Lücken von einem

Bechtel HP. 24, 494. An S'i'iSo; Bechtel 206 Buchstaben sicher nur die Worte in derxAbschrift

scheiden sollten. .

E. Preuner, Archäologisch-Epigraphisches. jq

nicht ausmachen. Jedenfalls wäre eine neue Untersuchung des Originals gerade für diese Frage ganz besonders erwünscht und wichtig.

Daß die zuerst von P. Arndt zusammengestellten, dem »Mantheos-Relief« gleichartigen Stücke eine einheitliche, nichtecht archaische, sondern archaisierende Gruppe *) bilden, war, ganz abgesehen von den stilistischen Kriterien, bisher dank

inschriftlicher Beurkundung durch die Weihinschrift an Zeus Xenios erwiesen:

vou? xot&' uirvov dvsörjxot Atst Jevt'wi 2). Deren Schrift, die frühe und späte Formen mischt, läßt allerdings »nach dem Urteil eines bewährten Epigraphikers einen sehr weiten Spielraum offen, etwa zwischen dem Anfang des I. Jahrhunderts v. Chr. und dem vorgerückten 2. Jahrhundert n.Chr.« (Heibig -Amelung a.a.O.). Leider gibt auch die Schreibung Atst, vorausgesetzt, daß ihr Urheber sie unbewußt aus eigenem gab, nicht etwa, weil er damit auch in der Sprache zu archaisieren meinte, keinen sicheren terminus post quem. Die Form ist keineswegs einfach als »grammati- sche Monstrosität« abzutun. Ein eigener 'Zufall hat es gefügt, daß uns die selbe Form in einer Weihung, die ganz auffallende Ähnlichkeit mit der des Pseudo-Mantheos aufweist, auch in Olympia auf einem Bronzediskos begegnet (Ol. 241): II6itX(toc) 'AuxXvjraaST]? Koptvöto? irevraöXo? sö}(apiaTT]piov Atel 'OXojiTct'u), '0X(unTciä5t) avs', also erst aus dem Jahre 241 n. Chr. Man wird in diesem und ähnlichen späten Fällen 3) Belege für die Schreibung von st kurzem t anerkennen müssen. Diese beginnt in den Papyri bereits im 2. Jahrhundert v. Chr., aber meist in unbetonten Silben und vor Vokalen; für die Datierung griechischer inschriftlicher Denkmäler können aber diese frühen Beispiele aus ägyptischen Papyri nicht irgendwie maßgebend sein 4). Die Bearbeitungen größerer Inschriftenkomplexe aus letzter Zeit haben durchweg außer ganz vereinzelten Sonderfällen ein etwas häufigeres, aber auch nur sehr be- schränktes Auftreten von st = 1 erst für das 2. Jahrhundert nach Chr. festgestellt. Von diesem Standpunkte aus würde in Verbindung mit der oben nach dem Schrift- charakter gegebenen Datierung die Zeus-Xenios- Weihung in das 2. nachchristliche Jahrhundert zu verweisen sein. Aber es bleibt schließlich auch die Möglichkeit zu erwähnen, daß wir es in ihr mit einer ursprünglichen Dativform Atst, Atst zu tun

') An echt archaischem Stil hat m. W. für Weihung xot ov ipov| x&i £s(viuv Icpdpuu, Kaibe!,

das Mantheos-Relief neuerdings nur M. Bieber Ep.Gr. 791= IG. III 199.

festgehalten, Dresd. Schauspielerrelief 1907, 74 3) Vgl. W. Schulze, Quaest. ep. 239 A. 3. Atel

A. 227. Und für das Konstantinopler Relief, Kataapt Journ. of hell. stud. VIII 1887, 264

das Arndt ebenfalls zu dieser Gruppe rechnet, Men- Nr. 54, Pisidien; Ate( findet sich auch in einem

del, Mus. imp. Ottom., Cat. des sculpt. I 1912 Epigramme aus Samos, nach v. Hiller etwa

Nr. 91; dagegen setzt gerade dieses wegen der julianischer Zeit, das M. Schede in den Ath.

Form des Thymiaterions, im Prinzip sicher Mitt. XXXXIV 191 9, 45 veröffentlicht,

richtig, in das 2-/3. Jhdt. nach Chr. K. Wi- 4) Vgl. Mayser, Gramm, d. gr. Pap. 1906, 90.

gand, Bonner Jahrb. 122, 1912, 69 zu Fig. 107. Hier auch die Verweise auf die inschriftlichen

') Helbig3-Amelung 1405 = IG. XIV 990; vgl. Belege bei Schweizer (Pergamon), Meisterhans-

Perdrizet a.a.O. 213 c, Helbig-Am. Fig. 38. Schwyzer (Attika), Nachmanson (Magnesia a. M.).

Eines der wenigen inschriftlichen Zeugnisse für S. bes. Nachmanson, Laute u. Formen der

den Zeus Xenios bezeugt auch in Athen eine magnet. Inschr. 1903, 24; letzthin für Delphi Rüsch, Gramm, d. delph. Inschr. I 1914, 98.

8u

E. Preuner, Archäologisch-Epigraphisches.

haben, für die zuerst 0. Hoffmann und W. Schulze eingetreten sind r). Doch wäre damit nur zu rechnen, wenn das Relief entweder selber z. B. aus Dodona stammte oder dem Verfertiger etwa ein dodonäisches Original vorgelegen hätte, aus dem auch diese rare Dativform von ihm übernommen wäre.

Hinzu tritt jetzt die ursprüngliche Inschrift des Reliefs in Wilton House. Die Buchstabenformen sehen eher noch älter und besser aus als die der Zeus Xenios-

Abb. I. »Mantheos«-Relief in Wilton House, nach Abklatsch in Berlin. L

Weihschrift; das P sticht von den übrigen ab, wie hier das Ny; wir werden aber im Auge behalten müssen, daß wir sie nur durch Rostgaards Abschrift kennen. Der Ersatz des I durch st in vetxäv gibt leider nichts weiter als den terminus post quem c. 100 v. Chr., wenn man nicht einen seltenen Ausnahmefall annehmen will *). Der Dativ At kann, mehr noch als Atet, verlocken, an ein altes Muster zu denken, wenn er

') Hoffm. zu SGDI. 1582; Schulze, Quaest. ep. 239 f. Vgl. Bück, Introduction 86; Solmsen, Zeitschr. f. vergl. Sprachf. XLIV 1911, 161. Es handelt sich besonders um die Inschriften IG. IX

1, 718 (Korkyra) und SGDI, 1582 (aus Dodona; der Fragesteller nach Hoffm. ein Dorer, wahr- scheinlich ein Epirote). l) Vgl. Ath. Mitt. XXVII 1902, 345; Nachmanson

a.a.O. 35; Wilhelm, Urk. dram. AufT. 215.

E. Preuner, Archäologisch-Epigraphisches. gl

auch in späterer Zeit nicht unerhört ist '). Es bleibt aber immer auch mit der Absicht zu rechnen, durch die gewählte Sprachform auch der Inschrift ein altertüm- liches Gepräge geben zu wollen.

Außer in den Inschriften liegt datierende Kraft in den charakteristischen Formen von Thymiaterion und Dreifuß samt Becken; die auch erweisen, daß der Reliefbildner nicht etwa selber ein archaisches Denkmal vortäuschen wollte, sondern seine Aufgabe in der archaischen Stilisierung sah; davon zu schweigen, daß die moder- nen Formen der Inschriften von vornherein eine solche Täuschungsabsicht aus- schließen. Der Entwicklung des Thymiaterions ist K. Wigand nachgegangen; das Thymiaterion des Mantheos-Reliefs erinnerte ihn an Formen des i. vorchristlichen Jahrhunderts2). Auch in der Form dieser Geräte wird man zunächst nur einen terminus post quem anerkennen dürfen.

Da eine irgendwie getreue Abbildung des Mantheos-Reliefs nicht vorliegt, wird gewiß so mancher der Redaktion für die Wiedergabe (Abb. i) einer Photographie des jetzt in der Berliner Universitätssammlung befindlichen Abklatsches (Frieder.- Wolters 239; nach Michaelis H. 0,39, Br. 0,52) dankbar sein, deren vortreffliches Ge- lingen W. Amelung und L. Hoßfeld verdankt wird. Es wird zu prüfen sein, ob der Kopenhagener Abklatsch das Relief selber noch in dem Zustande vor der Über- arbeitung wiedergibt.

VIII. HOMERGRAB AUF CHIOS. Auf eine Abschrift des Cyriacus von Ancona geht ein Grabepigramm von Chios zurück, das E. Ziebarth so umschrieben hat 3) :

Ei (fi)s cpt7.-»]v xecpaXrjv saopäs iriXac, yjv tote nXouTstis l&ycqs. öaXäucov vsoTijatov äv&os e^ooaav, EtoiSÖTKjv xavor.STrXov, sTtst repibpcov iravo r(ev, Opetye MtTuX-rjvrj (v) irä-pa xaXijv Ttsp laaav, 5 vöv 8s 8tj sv uatpa TtoXuT]pdT<i> uiuvs'. 'OjMjpou. Mag das Epigramm spät und schlecht sein, der Text des Cyriacus selber fordert zu einigen Besserungen dieser Lesung auf. Er hat zu Beginn EINE gelesen, was zweifellos zu Jjeive zu ergänzen oder, weniger wahrscheinlich (s. u.), als £ive zu deuten ist. Vs. 2 e&<rpqs(v?). Vs. 4 gibt Cyriacus HNOPEYE, also vjv 8ps<ls(v?) Mt- toX^vyj(v) irotTpa xaX-rjv rap e(oü)aav, denn hier an saaotv zu glauben, hält schwer. Sollte der Stein nicht die Rundformen €C aufgewiesen haben, also €OYCAN? In welchem Falle £]eive Vs. I sicher zu ergänzen wäre.

Vs. 2 veoTTjotov d'vöof begegnet zweimal in den 'Exfflpdoet? des Kallistratos 4), während fast den ganzen übrigen Wortschatz Homer stellt. Den für uns wichtigen

') Vgl. Inschr. von Ol., Register Sp. 825 wo M 2) Bonner Jahrb. a. a. 0. 64 zu Fig. 96; ohne auf

nur in alter Zeit vorkommt. Über AI in den Kunst und Datierung eingehen zu wollen.

Dialekten s. die einschlägigen Arbeiten; für 3) Eine Inschriftenhandschrift der Hamburger

Epirus-Dodona Salonius, De dialectis Epirotarum Stadtbibliothek 1903, 1 1 Nr. 24.

etc. 19 11, 84. Aus den Papyri gibt Schulze 4) Edd. Schenkl-Reisch S. 51, 14 u. S. 56, 14; vgl.

a.a.O. 239 A. 2 nur ein Beispiel = Mayser auch S. 66, 27 ff. Er fehlt übrigens bei PW. a. a. O. 154.

Jahrbuch des archäologischen Instituts XXXV. 6

82 E. Preuner, Archäologisch-Epigraphisches.

Schlußvers vüv bk 8r) iv irdxpq: itoXoijpaTtp [iip.vst 'Ofj^poo vorbereitend spielt schon der Eingangsvers mit den Worten «siXtjv xecpa/vrjv auf Homers Grabschrift in los an: £v9d8e ttjv Upyjv xecpaXYjv xaxa faia xoXuirrei; wie deren zweiter Vers in dem Ab- schluß eines Grabgedichtes von Tithoreia nachklingt (Geffcken 220) : xal -yap "OfjMjpov VTjao? s)(ei ßata ÖeTov dotoov "los.

Das chiische Epigramm ist hier kurz besprochen, weil es berufen scheint, eine Rolle in dem Streite über die bona oder mala fides des Ankonitaners zu spielen '). In W. Larfelds Griech. Epigraphik steht der bündige Satz (S. 15): »Auf Chios fand er eine Grabschrift des Homer« 2), während in seinem Handbuche folgendes zu lesen ist (S. 33): » doch sandte er an seinen Freund Filelfo (Epist. 6, 40) ein eulogium Homeri sepulcro insetäptum und erklärte dasselbe für einen hinreichenden Beweis, daß Homer nicht aus Smyrna, sondern aus Chios stamme. Er schöpfte diese Angabe aus dem Homerepigramm A. P. 7, 5«. Angesichts des Grabepigramms der Eisidote schien es dieser Vermutung, die doch auch nur zur Entlastung des Cyriacus erdacht war, nicht zu bedürfen, wofern man nur eulogium Homeri und nicht Homeri sepulcro verband. De Rossi, auf dessen Ausführungen 3) Larfeld fußt, zitiert aber wohl S. 381 A. 2 wie oben ausgeschrieben aus Ep. VI 40, aber S. 374 A. 1 schreibt er ausdrück- lich de eulogio in Homeri sepulcro insculpto, mit der Quellenangabe Ep. V49; weil aber das von ihm zu diesem Briefe angegebene Datum, XI. Kai. Dec. 1448, mit dem zu Ep. VI 40 übereinstimmt, dürfte es sich beide Male um das selbe Zitat handeln, und ich finde in den Briefen Fr. Filelfos auch nur die eine einschlägige Stelle: quod autem eulogium in Homeri sepulcro insculptum ad me misisti etc. 4). Da das ^Brief- datum auf die Zeit unmittelbar nach Cyriacus' wiederholtem Aufenthalt auf Chios 1446/47 hinweist, möchte ich trotzdem für wahrscheinlich halten, daß das Dank- schreiben Filelfos sich eben auf das Eisidote-Epigramm bezog. Damit hätte wie längst für Pasch van Krienens Homergrab auf los auch für das des Cyriacus auf Chios die letzte Stunde geschlagen.

Berlin. Erich Preuner.

1 ) Vgl. die zusammenfassende Übersicht bei Lar- gr. 1906, 22 u. d. J. 1443/47: »A Chios decou-

feld, Handb. d. gr. Epigraphik I 1907, 32 ff.; verte de l'epitaphe d'Homere«.

der selbe ganz knapp Gr. Epigr. 3 1914, 15 (Hdb. 3) De Rossi, Inscr. Christ urbisRomae II 1, 1888.

d. kl. Altertumswiss. I 5). 4) Die von de Rossi benutzte Ausgabe der Epistolae,

*) S. auch S. Chabert, Hist. somm. des 6t. d'epigr. Venedig. 1502, steht mir nicht zu Gebot.

Archäologischer Anzeiger

Beiblatt

zum Jahrbuch des Archäologischen Instituts

1920- i/n.

EUGEN PETERSEN

ist am 14. Dezember 1919 in Hamburg im Alter von 83 Jahren sanft entschlafen. Ein Leben voll Arbeit und treuer Pflichterfüllung ist zu Ende gegangen. Wenige Stunden des Krankseins haben, ihm ein Ziel gesetzt. Zäh und energisch bis zuletzt, trotzte Petersen dem Alter, be- wahrte sich körperliche und geistige Frische und Freude an wissenschaft- licher Arbeit. Lebhaften Geistes nahm er auch an den Ereignissen der letzten Jahre teil.

Wiederum ist mit ihm einer von den letzten dahingegangen, die die ganze moderne Entwicklung der Archäologie mit erlebt haben und ihr zu folgen vermochten. Von der »Kunst des Phidias« bis zu der Bear- beitung der Ära Pacis ist ein weiter Weg, den er bewußt gegangen ist. In Dorpat, Prag, Athen, Rom hat er deutsche Wissenschaft würdig ver- treten, kerndeutsch auch in seinem ganzen Wesen.

Dankbar gedenkt die Zentraldirektion des treuen Helfers, des lang- jährigen Leiters ihrer Zweiganstalten.

Archäologischer Anzeiger 1920

Ägyptische Helmmodelle.

ÄGYPTISCHE HELMMODELLE.

Nur kurz ist bisher von Gelehrten auf die anziehende Denkmälergattung der ägypti- schen Kalkstein-Helmmodelle hingewiesen worden. O. Rubensohn (Hellenistisches Silber- gerät in antiken Gipsabgüssen i) nennt als ihren Fundort die unmittelbare Nachbar- schaft magazinartiger Häuser in den Ruinen von Memphis, des Quartiers der Hand- werker, die in ihren Betrieben Gipsabgüsse von Silberzeug und Kalksteinmodelle ver- fertigten oder anwendeten. C. Watzinger (Die griechischen Holzsarkophage 76) legte durch Vergleichung ihrer Ornamente mit denen der unteritalischen Vasen und der Holzsarkophage ihre kunstgeschichtliche Ein- ordnung fest und verwies sie in die alexan- drinische Kunst der ersten Ptolemäerzeit. Die Herkunft der Form und die genauere Bestimmung der Modelle blieb noch üner- örtert. Auch sind meines Wissens andere Exemplare nicht veröffentlicht worden.

Alle stammen aus Ägypten, bestehen aus Kalkstein und stimmen in den wesentlichen Bestandteilen überein: eine hochgewölbte längliche Haube, die den Oberkopf bedeckt und das Gesicht freiläßt, endigt hinten mit einem leicht eingezogenen Nackenschirm, an den Seiten mit herabhängenden Wangen- teilen, die vorn gerade abgeschnitten, nach hinten in den Nackenschirm überleiten. Der verdickte Rand des Nackenschirms biegt nach oben um und läuft sich in der Höhe der Schläfen in einer Schnecke tot. Schmuck- bänder mit eingetieften Ornamenten ziehen sich um Stirn und Nacken. Auf dem Scheitel können Helmbüsche und an den Schläfen Federn zum Schmuck angebracht werden. Ich gebe hier Beschreibung und Bild der mir bekannt gewordenen Beispiele in Berlin, Bonn und Hildesheim1) (s. Beilage I).

1. Berlin,. Antiquarium Mise. Inv. 10 578. H. 0,36 m. Auf einem unten verdickten Pflock sitzt der Helm. (Watzinger, Die grie- chischen Holzsarkophage S. 76, Anm. 2.)

2. Bonn, Akademisches Kunstmuseum. H. 0,31 m. Unten ein roh zugehauener

') Für die Erlaubnis zur Veröffentlichung der Stücke im Pelizaeus-Museum bin ich Herrn Direktor Prof. Roeder zu Dank verpflichtet. Weiteres Ma- terial vorzulegen, verbieten die Zeitumstände.

Klotz. »Auf der Rückseite erkennt man einen Akanthuskelch, aus dem drei Araceen- blüten emporwachsen und zierliche Akan- thusranken nach den Seiten sich ausbreiten. Vorn um den Helm zieht sich ein Band, das ebenfalls mit einer Ranke, die von Rosetten und Araceenknospen begleitet wird, ver- ziert ist. An den Ornamenten sind noch blaue Farbspuren erhalten; die früher am Helm vorhandene rote Farbe ist nicht mehr kenntlich.« (Watzinger, Die griech. Holz- sarkophage S. 76, yy, Abb. 130/131).

3. Hildesheim, Pelizaeus-Museum 1853, III. 11. H. 0,332 m. Hoher Block, darüber der oben ganz glatte Helm. Der verdickte Rand des Nackenausschnittes ist mit einem Eierstab, seine Fortsetzung bis zu der Schläfenvolute mit einem laufenden Hunde eingefaßt. Über der Stirn eine Ranke, an den Schläfen ein Palmetten-Lotosband, im Nacken ein Ornamentband von Akanthus und Aräceen.

4. Hildesheim, Pelizaeus-Museum 1852, III, 11. H. 0,298 m. Rille für den Busch, über der Stirn ein leicht gerundeter Ausschnitt. Um den Rand im Nacken ein Band von alternierenden, etwas dürftigen Blüten. Die Verzierung über der Stirn gänzlich abge- rieben. Nach geringen Resten an der Schläfe ist anzunehmen, daß die Dekoration wie bei 1853 war. Im Nacken Akanthusranken.

5. Hildesheim, Pelizaeus-Museum 1854, III, 11. H. 0,303 m. Oben Rille für den Busch, über den .Schläfenvoluten Röhren für Federschmuck. Hinten Akanthusranken, vorn an beiden Schläfen ein kurzes, breites Palmetten-Lotosband, über der Stirn eine Ranke, wie bei 1853, aber schlechter erhalten als dort.

6. Hildesheim, Pelizaeus-Museum 1101, III, 11. H. 0,258 m. Der Klotz leidlich ge- glättet, oben Rille für den Busch. Am Hinter- kopf Akanthusrankenwerk, tief angebracht und schmal, darüber ein Astragal und Eier- stab. Über dem Nackenausschnitt Efeuranke mit Früchten. An den Schläfen rechteckige Schilder, von laufendem Hund eingefaßt mit je drei ganzen und zwei halben alter- nierenden Palmetten.

7. Hildesheim, Pelizaeus-Museum 1851, III, 11. H. 0,288 m. Über dem Gesichtsaus-

5

Ägyptische Helmmodelle.

schnitt ein Eierstab, über den Schläfen ein Palmetten-Lotosband ohne Einrahmung.

8. Hildesheim, Pelizaeus-Museum 1808, III, 2. Kalkstein. H. 0,13 x0,9 m. Wangen- klappe eines Helms mit schön geschweiftem Umriß, an den Seiten mit einem Eierstab,, oben mit einem zierlichen Band von ge- füllten Lotosblüten und Araceenknospen ein- gefaßt (Abb. 1).

Aus den Abbildungen ergibt sich, daß von einer Entwicklung der Form innerhalb der Gruppe keine Rede ist. Ihre Formenele-

Abb. 1. Wangenklappe in Hildesheim (Nr. 8).

mente unterscheiden sich durchaus von den übrigen antiken Helmen. Nur der im Arch. Jahrb. XXVII 1912, 339 ff., Beilage 15 ff. behandelte Typus mit dem großen offenen Gesichtsausschnitt, dessen Heimat im Nor- den der Balkanhalbinsel angenommen wurde, scheint mir dieselben Grundbegriffe, nur in älterer und strengerer Fassung, aufzuweisen. Die Zwischenglieder fehlen allerdings, genau wie bei der späteren, wohl unteritalischen Form des korinthischen Helms, die sich in einer für uns nicht sichtbaren Weise aus der klassischen Form des fünften Jahrhunderts entwickelt hat (Schröder, Arch. Anz. 1905, 16 ff.). Mit jener nordischen, vermutlich makedonischen Grundform stimmt der hoch- gewölbte, halbkugelige Oberkopf, der vier- eckige, oben zuweilen leicht gerundete Ge- sichtsausschnitt und die besondere Form der Seitenteile, die eine merkwürdige Zwischen- stellung zwischen Wangenklappen und Nak-

kenschirm einnehmen, die aber in der Grund- form, dem geraden Kontur vorn und der Rundung nach hinten, mit den Wangen- klappen des »makedonischen« Typus über- einstimmen. Ich nehme an, daß diese Seitenteile der ägyptischen Modelle aus Wangenklappen verkümmert sind, und be- rufe mich dabei auf ein Exemplar in Paris, von dem mir eine Skizze vorliegt l). Dies stimmt bei aller Zerstörung des vorderen Teiles mit dem Typus des Helms in der Sammlung Trau zu Wien überein (Arch. Jahrb. XXVII, 1912, Beilage 15, 5), der' trotz den Ausschnitten für die Ohren in die »makedonische« Reihe gehört. In diesem Falle sind also die Wangenklappen noch in der ursprünglichen Gestalt erhalten. Sonst sind sie zurückgewichen, vielleicht, weil sie nicht beweglich und in dem südlichen Klima lästig waren und der Helm nicht wie der korinthische auf den Oberkopf geschoben werden konnte. An dem Bonner Modell ist an dem größeren» Abstand zwischen dem vorderen Rande des Seitenteils und der auf- steigenden Schnecke noch deutlich das Zu- sammenwachsen aus Wangenklappe und Nackenschirm zu erkennen.

Dann aber mag der Mangel an eigentlichen Wangenklappen sich wieder fühlbar gemacht haben, und man hat dem Helm von neuem Wangenklappen verliehen. Von einer solchen haben wir das Modell in Hildesheim Nr. 1808 (Abb.'i); wo sie angebracht wurden, ist besonders deutlich an dem Modell Hildes- heim iioi (Nr. 6) und 185 1 (Nr. 7), sowohl an der Form des oberen Ausschnitts wie an dem kurzen Stück Muster darüber. Dieser Vor- gang ist nicht ohne Beispiel. So ist auch der zurückgeschobene korinthische Helm nach- träglich wieder mit Nackenschirm, Ohren- ausschnitt und festen Wangenklappen ver- sehen worden (Annali 1864, Taf. C auf einer campanischen Münze), mit beweglichen Wan- genklappen auf einem romischen Sarkophag im Louvre (Phot. Alinari 22 705) und auf einer späten Münze (Brit. Mus. Cat. of Coins, Thrace 100, 67), wie ja auch an Pilos und Petasos die ihnen ursprünglich fremden Wan-

') Zwei weitere Pariser Exemplare, das eine mit Rankenband und Federhülsen, das andere mit Palmettenlotosornament, gehören dem gewöhnlichen Typus an.

Ägyptische Helmmodelle.

genklappen angefügt worden sind. Von dem »makedonischen« Typus stammt auch der Schmuck mit dem Haarbusch, von den thrakischen Formen dagegen die Anbringung von Hülsen für Federschmuck, wie am Helm von Pacciano (Arch. Jahrb. XXVII, 1912, Beilage 14, 5). Ein auffälliges Merkmal unserer Helme ist ferner die eigentümliche aufsteigende Volute an der Seite, die mit der Helmform nicht organisch verwachsen ist. Auch hier scheinen Erinnerungen von thrakischen Helm- oder Mützenformen ein- gedrungen zu sein, so die Verdickung des Nackenrandes und seine Weiterführung nach oben, die eigentlich einen Ohrenausschnitt voraussetzt, von Helmen wie am Phi- galiafriese (Arch. Jahrb. XXVII, 191 2, 335) und die von unten aufsteigende Volute von Mützen wie Arch. Jahrb. XXVII, 1912, 329, Abb. 10, 7.

Die Bestimmung dieser Modelle ist klar: Es sollten von ihnen Wachsformen für das Ausschmelzverfahren genommen werden. Das sieht man deutlich auf den Hildesheimer Stücken 1 101 (Nr. 6) und 1853 (Nr. 3) an den Spuren der Messer, die am Rand entlang- geführt worden sind, um den äußeren Über- schuß zu entfernen. Für den Guß von bronzenen Helmen sollten also die so ge- wonnenen Formen dienen, und die an den Modellen vertieften Ornamente mußten auch bei dem bronzenen Guß vertieft erscheinen. Watzinger bemerkt a. a. O. : »Die Ausführung dieses in den weichen Kalkstein eingeritzten Schmuckes ist noch dünner und linearer als bei dem Sirenensarkophag. Man wird das nicht etwa aus der Nachahmung der Arbeit in Metall erklären dürfen; zeigt doch z. B. der Bronzehelm in Form einer phrygischen Mütze '), der in Pacciano gefunden ist und sich jetzt im Museum zu Perugia befindet, im Stil seines Reliefschmuckes die aller- nächste Verwandtschaft mit dem natura- listischen Ornament der tarentinischen Va- sen.« Der Helm von Pacciano (Arch. Jahrb. XXVII, 1912, Beilage 14, 4—7) ist unseren Helmmodellen in der Anordnung des um- laufenden Schmuckbandes und in der Ver- zierung des Nackenschildes verwandt, ist aber älter, und sein Reliefschmuck nicht

•) Zu dieser beliebten, aber unbegründeten Be- zeichnung vgl. Arch. Jahrb. XXVII, 1912, 336 339.

wohl dem vertieften Rankenwerk unserer Helme gleichzusetzen. Entspricht der Helm von Pacciano den tarentinischen Vasen- malereien, so gleicht das lineare Ornament der ägyptischen Modelle vielmehr dem der •Hadraväsen sowie der weiß auf schwarzen Grund gesetzten Malerei der Gnathia-Vasen. Auf den Helmen sind nämlich verschiedene Ornamentstile vereinigt. Zu der Helmform gehören offenbar die Eierstäbe und das Motiv, wie ein Band oder Strich dem Nacken- ausschnitt parallel lauft, nach unten um- biegt und in der Höhlung der Seitenklappen zu einer Spirale zusammenschnurrt, an die sich eine halbe Palmette anlegt. Diesem Schmuck entsprechen Hadraväsen wie Col- lection de Clercq Bd. IV, Taf. XXXVI und Amer. J. Arch. XIII, 1909, 403, Abb. 7. Dazu treten die feineren Rankenbänder, die aus naturalistisch-plastischem Ranken- werk (vgl. z. B. Rubensohn, Hellenistisches Silbergerät Taf. VII, 39 und das Berliner Bruchstück, Beschreibung d. Skulpt. 1016 und apulische Vasen bei Watzinger, Holz- sarkophage 76) zu rein linearen Gebilden entwickelt sind; diese Entwicklung hebt schon auf apulischen Vasen an (Berlin, F- 3334, 3498) und gibt den Gnathiavasen ihren Charakter, auf denen das Akanthus- blattwerk fast verschwindet und die Doppel- ranken, Blüten und Knospen sich in der- selben Weise breit machen wie auf unseren Helmen (vgl. Berlin F. 3521, F. 3487, Vasen- Inv. 5902).

Endlich kommen alternierende Palmetten (Hildesheim 1101 (Nr. 6), 1852 (Nr- 4)), Pal- nietten^Lotos (Hildesheim 185 1 (Nr. 7), 1853 (Nr. 3)), und Palmetten -Araceen- Streifen ' (Wangenklappe Hildesheim 1808 (Nr. 8)), vor. Dies sind Erbstücke aus der attischen und apulischen Ornamentik, zeigen aber ihren fortschrittlichen Charakter in den gespreizten Palmetten und den gefüllten Lotosblüten-. Daß auch diese Ornamente blutleer und linear geworden sind, läßt sich nicht ver- kennen.

Wird aber schon bei den Gnathiavasen die Absicht, Metallvorbilder in Ton nach- zuahmen, zugestanden (Pagenstecher, Arch. Anz. 1909, 14), wieviel näher liegt derselbe Gedanke bei diesen Modellen, die 3och der Metalltechnik unmittelbar dienen sollten.

Ägyptische Helmmodelle.

IO

Freilich darf man nicht an Relief- oder Treib- technik, sondern man muß an eingelegte Ar- beit denken. Diese ist national ägyptisch, läßt sich bis auf den Anfang des neuen Reiches zu- rückverfolgen (v. Bissing, Arch. Jahrb. XXIV, 1909, 46) und ist uns von Kunstwerken der Ptolemäerzeit wohl bekannt (Hekler, Arch. Jahrb. XXIV, 1909, 38 ff.). Sie würde auch zu diesen scharf gezeichneten Ornamenten vortrefflich passen, die in der blanken Bronzefläche verschwinden, mit Silber ein- gelegt sich von ihr wirkungsvoll abheben mußten, und das um so schöner, je dünner sie gezeichnet waren und den dunkleren Bronze- grund sehen ließen. Auch die an dem Bonner Modell erhaltenen blauen Farbspuren in den Ornamenten lassen darauf schließen, daß diese sich an dem Metallhelm vom Gründe unterscheiden sollten.

Der Helm von Pacciano mit seinen natura- listischen, getriebenen Ornamenten unter- scheidet sich also wesentlich von dem feinen Rankenwerk unserer Helme, er ist aber mit ihnen wegen seines umlaufenden Schmuck- bandes u nd wegen der Verzierung des Nacken- schildes zu vergleichen. Auch der Helm von Catanzaro mit seinem reich berankten Nak- kenschild (Arch. Jahrb. XXVII, 1912, Bei- lage 14, 2—3) ist heranzuziehen. Denn dieser eigenartige Schmuck ist sonst an griechischen Helmen nicht üblich. Ist aber der Typus dieser Helme richtig auf nordi- schen Ursprung zurückgeführt worden, so gewinnt es an Wahrscheinlichkeit, wenn wir auch die Form unserer Kalksteinmodelle aus dem Norden abgeleitet haben.

Aus ägyptischer Überlieferung läßt die Form sich jedenfalls nicht belegen. Freilich sind unsere Zeugnisse für die ägyptische Be- waffnung mangelhaft. Herodot II, 151 er- zählt von Psammetich, daß er in Ermange- lung einer Schale aus seiner ehernen Kynea spendet, und fügt hinzu, daß auch die andern Könige damals Kyneas getragen hätten. Zu dieser Nachricht würde, wie mich mein Kollege, Prof. Möller, freundlich belehrt, eine Fayence-Nachbildung eines Helms mit der Inschrift eines Psammetich passen (Bur- lington Fine Arts Club London 1895, The Art of ancientEgypt PI. 36), die wahrschein- lich als Weihgeschenk gedient hat und in ihrer Form der hohen, konischen Königskrone

von Oberägypten ähnelt, nur erheblich breiter und gedrungener ist als jene. Wichtig ist dann die Erzählung Herodot II 162, wie einer der aufrührerischen Ägypter dem Amasis als Zeichen der Königsherrschaft eine Kynea aufsetzt. Was man früher Kriegshelm des Königs nannte (Wilkinson, Manners II, 324; Erman, Ägypten II, 97; Heuzey, Gaz. arch. 1880, 152) und Borchardt dann als Perücke deutete (Zeitschr. f. ägypt. Sprache und Altertumskunde Bd. 41, 1904, 82), wird jetzt mit Steindorff (ebenda Bd. 53, 1917, 59 ff.) als »blaue Krone« bezeichnet. Dann hören wir noch bei Herodot VII 89 von den aus einem nicht genannten Stoff gefloch- tenen xpa'vsa yjiXeum der ägyptischen See- soldaten des Xerxes. Aber für deren Form haben wir kein bildliches Zeugnis. Gegen die Behauptung bei Herodot IV 180, von den Ägyptern seien auch Schild und Helm zu den Griechen gekommen, sprechen die Denkmäler (Lippold, Griechische Schilde, Münchner archäol. Studien 408, Anm. 2 ; 446), und auch aus späterer Zeit wissen wir nichts von ägyptischen Helmen. Als einzige Aus- nahme ist der Bronzehelm Mise. Inv. 1 1 892 des Berliner Antiquariums (Abb. 2) an- zuführen. Er ist in Ägypten gefunden und trägt in einer festgewachsenen Kruste von Wüstensand noch das Zeugnis seiner Herkunft an sich. Länge von der Stirn bis zum Nacken 0,275 m- Auch wenn er nicht seitlich ein wenig zusammenge- drückt wäre, würde er schmal gebaut er- scheinen. Der Helm hat die Form einer am Kopf anliegenden Kappe, die die Stirn frei ließ, über den Ohren ein wenig ausgebuchtet ist und ohne abgesetzten Nackenschirm hinten bis in das Genick hinabreichte. Vor und hinter dem Ohrenausschnitt sind an beiden Seiten Spuren der Befestigung von Riemen: ein Ring, ein Loch und Lötstellen, wie es scheint für Ringe. Diese ganz un- kriegerischeundnichtbronzemäßigeForm ver- rät deutlich ihre Entstehung aus einer bürger- lichen Kopfbedeckung und ist auch als solche nachzuweisen. Ein jugendlicher männ- licher Marmorkopf aus römischer Zeit im Museum von Alexandrien trägt eine Kappe, die in den wesentlichen Zügen unserem Helm entspricht (Abb. 3). Sie schmiegt sich eng an den Kopf an, läßt das Gesicht und die

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Ägyptische Helmmodelle.

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Ohren frei, über denen der Rand ein wenig ausgeweitet ist, und würde, über den Bruch hinaus fortgesetzt, bis ins Genick hinab- reichen. Auf dem Scheitel der Ansatz eines Schmuckes von unbekannter Art, vor den Ohren Riemen, die, mit der Kappe aus einem Stück bestehend, sich unter dem Kinn verei- nigen. Der ägyptische Ursprung dieser Tracht und des zu unbekannter Zeit danach angefer- tigten Bronzehelmes wird noch glaubhafter,

de l'Egypte 15) als Träger dieser gewiß sehr kostbaren Paradehelme zu denken, auch wenn wir sonst über die Ausrüstung der Truppe keine Nachricht haben1).

So werfen wir von den Museumsschränken aus einen Blick auf Heere und Völker und die Machtkämpfe der hellenistischen Welt; zugleich aber erinnern uns die numerierten

Abb. 2. Berlin, Antiquarium. Ägypten.

Bronzehelm aus

wenn wir dieselbe Kappe auf dem Kopf einer Fischerstatue in London wiederfinden (Smith, Catal. of Sc. III, 113, Nr. 1765. Reinach, Rep. stat. I, 540, 4. A. J. B. Wace, Annual of the Brit. School at Athens X, 1903/04, 104, Nr. 6), die man früher ohne Bedenken der alexandrinischen Kunst zuschrieb (Col- lignon, Histoire de la sculpture grecque II, 566). Diese ägyptische Form ist von dem Typus unserer Kalksteinmodelle grundver- schieden. Um so mehr werden wir Anlaß haben, dessen nordischen und wahrscheinlich makedonischen Ursprung als wahrscheinlich anzunehmen. Wie kommt aber ein solcher Typus nach Ägypten? Es liegt nahe, an die Ptolemäer und an ihre makedonische Leib- wache (Lesquier, Les institutions militaires

Abb. 3. Marmorkopf in Alexandrien.

Inventarstücke an etwas Großes und Wun- derbares, das lebendige Werden und Sich- Verwandeln in den Zweck- und Schmuck- formen der griechischen Kunst. Wie diese die Welt erobert, nimmt sie den Rohstoff, wo sie ihn findet; unter ihren Händen wird die Filzkappe zum Helm, die Fellmütze

■) Aus Ägypten stammt noch der Helm in Berlin Antiquarium. Friederichs, Berlins Ant. Bildw. 2, Nr. 1022; Schröder, Arch. Anz. 1905, 21, Abb. 8, der dem Helm des Ares Borghese nachgebildet ist. Dieser gehört unter die thrakischen Helme, Arch. Jahrb. XXVII, 1912, 322, Form 7 (vgl. Arch. Jahrb. XXIX, 1914, 163). Ein Stirnschmuck dieses Typus mit dem Bügel aus hellenistischer Zeit, ebenfalls aus Ägypten, befindet sich in Berlin, Mise. Inv. 10482; Arch. Anz. W905, '22, Abb. ro. Auch diese Stücke könnten mit der ptolemäischen Besatzung zusammenhängen.

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Nordischer Einfluß im Mykenischen ?

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Berlin.

Bruno Schröder.

zum Prunkstück höfischer Garden. Mit Ge- schmack folgt sie den Geboten des Materials, ordnet sie das Schmückbedürfnis dem prak- tischen Zweck unter. Unorganisches wie die aufsteigende Volute kommt an unseren Modellen vor, doch macht es sich erst fühl- bar, wenn man seine Entstehung be- griffen hat.

Nicht immer ist das Nebeneinander ver- schiedener Ornamentarten ganz befriedigend i geraten. Die Volute an der Schläfe mit dem Ornament an der Stirn zu verbinden, ist nur an dem Berliner Exemplar gelungen. An seinem Nackenschirm ist auch das beiderseits in Schnecke und Palmette endi- gende Band weggelassen, das mit den Akan- thusranken sonst nicht gut zusammengeht. Sonst muß die einheitliche Technik für den Gesamteindruck die auseinanderstrebenden Einzelheiten zusammengehalten haben. Und diese Gesamtwirkung muß prächtig genug gewesen sein: das blanke Metall, die silbern eingelegten Ornamente; und von den Wan- genklappen eingerahmt das gebräunte Antlitz des nordischen Kriegers. Das alles von der ägyptischen Sonne beschienen, mag sich zwischen Ägyptern, Juden und Griechen seltsam und kriegerisch zugleich ausgenom- men haben.

NORDISCHER EINFLUSS IM MYKENISCHEN?

Eine bekannte und in den letzten Jahren wiederholt besprochene, wenn auch noch nicht genügend im einzelnen durchforschte Erscheinung ist die allmähliche Erstarrung der spätmykenischen Keramik. Sie äußert sich vor allem in einer Geometrisierung der Ornamentik, die von der Stilisierung des geometrischen Stils streng unterschieden werden muß. In den »Forschungen aus den Königlichen Museen in Berlin (W. v. Bode z. Gedächtnis, Berlin 1915)« hat C. Schuch- hardt eine Reihe dieser spätmykenischen Ornamentformen zum Anlaß genommen, einen tiefgehenden nordischen Einfluß auf die spätmykenische Kunst zu konstruieren, und hat diese Anschauung in seinem Buche

Alteuropa wiederholt. Da seine Gedanken bei der in manchen Kreisen aus nicht immer rein wissenschaftlichen Stimmungen heraus entstandenen Vorliebe für die Prävalenz des Nordischen leicht Aufnahme finden könnten, sei hier kurz auf ihre Unhaltbarkeit hinge- wiesen.

Schuchhardt knüpft an die am stärksten geometrisierten Formen an, leitet diese aus dem Norden her und läßt daraus dann alle naturalistischen Formen dieser Ornamente entstehen. Es hätte ihn schon stutzig machen müssen, daß die Formen der in Betracht kommenden Gefäße rein mykenisch sind und keinerlei fremden Einfluß zeigen. Vor allem aber haben die Funde und die neueren Forschungen den umgekehrten Gang der Entwicklung längst nachgewiesen. We- nige Beispiele mögen dafür genügen ").

Abb. 19 u. 20 in den »Forschungen« und Abb. 72 u. 73 in »Alteuropä« sollen Ent- wicklung des Rautenbandes illustrieren. Dazu heißt es Alteuropa S. 227: »Die seit- lichen Ecken der Rauten bekommen Schwän- ze, die sich wie kleine Weinfäden nach aus- wärts oder nach einwärts rollen. Je nach- dem entstehen lilienartige, offene Blüten oder unbestimmte Knospen, die eine an der andern hängen und das' Rautenband, dem sie ihr Dasein verdanken, ganz verleugnen.« Das tun sie allerdings. Bei den von Schuch- hardt zusammengestellten Beispielen han- delt es sich um zwei ganz verschiedene Orna- mente. Abb. 19 e, f, h bzw. Abb. 72 links und rechts oben ist das Ornament von an- einandergereihten Blüten, für die als kreti- sche Beispiele aus der ersten oder zweiten minoischen Periode die Schmuckketten, Evans, Prehistoric Tombs of Knossos Fig. 1 19 und die Vase, Evans, The Tomb of the Double Axes Fig. 64, genannt seien. Da- gegen ist Abb. 19 g und 20 b und c bzw. 72, rechts unten, und 73 a das Spiralblütenband, über das Tiryns II, 46 ff. und 173 gehandelt

') Leider ist überhaupt in Schuchhardts Be- handlung der kretisch-mykenischen Kultur die neuere Literatur wenig berücksichtigt. Das Ver- hältnis der kretischen zur mykenischen Kultur ist infolgedessen nicht richtig dargestellt. Sehr pro- blematisch ist alles, was Schuchhardt über Be- ziehungen der kretischen Kultur zum Westen (Malta usw.) vermutet.

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Zu E.-A. 2533. Archäologische Gesellschaft zu Berlin. Januar-Sitzung 1920.

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ist. Auf Fresken und Vasen der frühmykeni- schen Periode erscheint es in der kompli- zierten und relativ naturalistischen Form, während die von Schuchhardt abgebildeten Beispiele ihre letzte Verkümmerung und Vereinfachung zeigen.

Von dem sogenannten »Triglyphenorna- ment« (vgl. Tiryns II 56) sind Beispiele in Stein B. S. A. VI 14, Fig. 3 und VII, 55, Fig. 16, aus der Wandmalerei bei Fyfe, J. R. I. of Brit. Arch. X 3, pl. I, ein Beispiel aus der Vasenmalerei des Palaststils bei Evans, Prehistoric Tombs 159, Fig. 144, ab- gebildet. Daraus lassen sich die beiden von Schuchhardt abgebildeten Formen Abb. 17, d und e bzw. 70 c und d, als letzte End- glieder der Entwicklung erklären. . . Abb. l6*d ist ein Rudiment des Schuppen- musters (Tiryns II, 226 ff.), Abb. 16 c ein # solches eines Netzmusters (Arch. Jahrb. XXXIV 1919, 104 Anm. 1). Abb. 20 a ist vbndemTextilmuster, Fyfea. a.O.129, Fig.79, abgeleitet, wie ja überhaupt dieTextilmuster in der dritten spätmykenischen Periode mit Vorliebe von der Keramik aufgenommen werden (Arch. Anz. 1912, 146).

Die komplizierteren oder naturalisterischen Formen sind in allen Fällen nachweislich älter als die vereinfachten und geometri- schen.

Die Wandmalerei und, wie sich zeigt, die Textilkunst haben noch in der spätmykeni- schen Periode die Ornamente in ihrer über- kommenen Form bewahrt, wenn auch mit- unter vereinfacht und verschlechtert, da- gegen die Keramik hat ein kaleidoskopisches Spiel mit ihnen getrieben, sie zerrissen, kombiniert, vor allem aber entnaturalisiert. An anderer Stelle soll dies an einzelnen Ornamenten ausführlich nachgewiesen wer- den. Nordische Ornamentik finden wir neben andern nordischen Kulturelementen in den Schachtgräberri, wo sie unvermittelt neben der kretischen steht, aber sie verschwindet bald unter der erdrückenden Macht der kretischen Kunst (K. Müller, A. M. XXXIV 1909, 286 f.); in der spätmykenischen Kunst ist von nordischen Einflüssen nichts mehr zu spüren. Ihre Geometrisierung ist eine Alterserscheinung, und erst in den Anfängen der jugendlichen geometrischen Kunst finden

wir wieder Wesensverwandtschaft mit dem Norden.

Gerhart Rodenwaldt.

ZU E.-A. 2533.

In der neuen Serie der Einzel-Aufnahmen war für mich der »Torso des bogerispan- nenden Eros« Nr. 2533 von besonderem Interesse. Als Assistent der Archäologischen Sammlung der Universität in Wien hatte ich einen handschriftlichen Katalog der dort befindlichen Gipsabgüsse hergestellt; dabei ergab sich ein falsch ponderierter »Eros«, in die richtige Lage, gebracht, ohneweiters als »Torso des bogenspannenden Eros«. Auf Veranlassung Benndorfs sandte ich eine kleine Photographie anSal. Reinach, die im »Repertoire« IV 275 unter Nr. 6 reproduziert wurde mit der Bemerkung : »connue seulement par un moulage de l'Univ. de Vienne«. Es war, wie sich aus der neuen Aufnahme ergibt, ein Abguß des Venezianischen Exemplares.

Innsbruck, 10. Mai 1920.

H.Sitte.

ARCHÄOLOGISCHE GESELLSCHAFT ZU BERLIN. .

Sitzung vom 6. Januar 1920.

Der Vorsitzende, Herr Dragendorf f, gedachte zu Beginn der Sitzung des kürz- lich verstorbenen Mitgliedes Herrn Eugen Petersen.

Den wissenschaftlichen Teil eröffnete Herr Koldewey mit kritischen Bemer- kungen zu dem im Jahrbuch XXXIII 19 18 erschienenen Aufsatz von Fiechter über den Amyklaeischen Thron.

Darauf sprach Herr Valentin Müller über Gewandschemata der archai- ; sehen Kunst:

Da der Vortrag demnächst in erweiterter Form in den Athenischen Mitteilungen er- j scheinen soll, werden nur die Grundgedanken : kurz angegeben:

Ein Überblick über das Vorkommen der j senkrechten Falten in der Gewanddarstellung

i;

Archäologische Gesellschaft zu Berlin. Januar-Sitzung 1920.

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der archaischen Zeit ergibt, daß sie sich in eine begrenzte Anzahl Schemata einordnen lassen. Es sind dies 1 ) das Schema der rings- um gestellten Senkrechten: Akropoliskore Nr. 619, 2) das Mittelfaltenbündel : Excava- tions at Ephesus Taf. XXI, Nr. 6, 3) drei Senkrechte: Winter, Typenkatalog 59, Nr. 1, 2, 4) eine Senkrechte auf jedem Bein: ebd. 49, Nr. 6, 5) je eine Senkrechte an der Seite, während die Zwischenfläche glatt bleibt: Akropoliskore Nr. 679, 6) nur an der Rücken- seite Senkrechte: B. S. A. XIII, S. 149. Dazu kommt zum Mittelfaltenbündel ein ab- geleitetes Schema, in dem Schräge sich ab- zweigen: 7) Athena des Westgiebels von Aigina, und 8) Rundfalten auf den Beinen bei drei Senkrechten: Aeakes Ath. Mitt. XXXI 1906, Taf. XIV, Beil. 151. Es gilt, Zeit, Ort, künstlerische Bedeutung, Herkunft und Entstehung festzustellen. In Ephesos kommen senkrechte Falten schon in den Basisfunden vom Anfang des 7. Jahrhun- derts vor, in Sparta tauchen sie am Ende auf (B. S. A. XV, S. 128) und in Athen erst im 6. Jahrhundert; es macht sich also eine örtliche Verschiedenheit geltend, wobei der Strom von Osten nach Westen geht. Schema 2 ist das ionische xax' ^o^v, während 1 hier seltener ist, 5 ist nur auf dem Festland und im Westen, bisher festzustellen, 6 nur auf dem Festland, und auch 4 kommt in der strengeren Ausbildung nicht in Ionien vor. Erzeugt die Senkrechte, allgemein genom- men, den Eindruck des Aufstrebens und ver- anschaulicht, am Unterkörper angewendet, dessen tragende Funktion, so gibt nun im besonderen Schema 1 den Unterkörper als eine undifferenzierte Masse, indem sich die Beine in der. Gewandhülle noch nicht regen, bei Nr. 2 tritt eine Differenzierung ein: das Mittelbündel gibt die herauskristallisierte Mittelachse der Figur. Bei Schema 3 wird der Körper- gleichsam von einem Gerüst ge- tragen, während die in natura tragenden Beine außer Funktion sind; sie sind im Gegensatz dazu bei Schema 4 betonend her- vorgehoben. Schema 5 betont die Ränder und gibt der Figur dadurch etwas Eckiges, Kubisches, was zur festländischen Kunst gegenüber der ionischen, die die eine Run- dung erzeugenden Schemata 2, 3, 7, 8 liebt, paßt. Schema 6 bewahrt vorn eine primi-

tive Faltenlosigkeit und ist daher auch festländisch.

Mit dieser Feststellung, daß die Schemata einen ganz bestimmten Zweck in der Bild- wirkung der Figur erfüllen, ist schon bewiesen, daß sie nicht ejner »Naturnachahmung« ihren Ursprung verdanken, auf genauere Be- obachtung der zufälligen Faltenbildung der Wirklichkeit zurückgehen. Gewiß bedeutet die Angabe von Falten einen Fortschritt im Naturalismus gegenüber der Faltenlosigkeit, und die Entwicklung geht dahin, die Schema- ta immer naturalistischer auszugestalten, ja umzudeuten, aber ihrem Ursprung nach sind sie nicht naturalistisch, sondern ornamental. Dies geht 2. daraus hervor, daß auf der den Faltenschemata vorangehenden Kunststufe die gleichen Schemata durch bunte Borten dargestellt werden, denen niemand den Ur- sprung rein aus dem Stilgefühl heraus ab- streiten wird. So hat das Mittelfaltenbündel seinen Vorgänger in der bunten Mittel- paryphe, Schema 3 mit Borten hat eine un- veröffentlichte Athenastatuette in Berlin, 4 geben kyprische Terrakotten durch Bänder Brit. Mus. Terrakottas A 134, 5 zeigt die Potnia Theron Poulsen, Orient Abb. 156.

Herzuleiten schließlich sind die Schemata aus dem Orient. Selbst die Darstellung von Falten überhaupt ist unter seiner Anleitung geschehen, denn da unter den Ephesosfigür- chen bei demselben Gewandschnitt Falten- losigkeit und Faltenangabe vorkommt, gibt jene die einheimische Kunststufe, und ist diese daher nur aus fremder Anregung zu er- klären. Schema 1 findet sich, wie schon Poulsen bemerkt hat, in Jazylykaja mit Falten; durch Schnüre hat es eine zeitlich ältere Bronzestatuette im Vorderasiatischen Museum in Berlin wiedergegeben; also auch hier fügen sich die Falten einem schon vor- handenen rein ornamentalen Schema ein. Dabei kann gezeigt werden, daß wohl die Faltendarstellung überhaupt von. der meso- potamischen oder eher von der ägyptischen Kunst übernommen sind, die Schemata aber nur der hethitischen Kunst eigen sind; be- sonders die horizontale Teilung des Körpers durch den Gürtel, die dem Europäer »selbst- verständlich« erscheint, ist für den Asiaten und Ägypter durchaus ungewöhnlich, also doch nicht »selbstverständlich«. Die Ver-

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Archäologische Gesellschaft zu Berlin. Februar-Sitzung 1920.

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mittlung' der Schemata nach Griechenland ist teils durch Kleinasien, teils durch die phoinikische Kunst erfolgt, durch Werke der Kleinkunst und importierte Textilwaren. Schema I phoinikisch: Poulsen, Orient Abb. 15; Schema 2 phoinikisch: Bronze im Louvre Phot. Alinari 23834 rechts; Schema 3 hethitisch: Poulsen Abb. 53, phoi- nikisch: Perrot-Chipiez III, Abb. 482; Sche- ma 4 hethitisch: Bronzestatuette in Berlin, unveröffentlicht; Schema 5 hethitisch: Poul- sen a.a.O. Abb. 55; Schema 7 hethitisch: unveröffentlichte Bronzestatuette in Berlin. Den phoinikischen Ursprung von 6 hat schon Poulsen S. 177 erkannt, hethitisch: Statuette aus Kirtsch-Oglu in Berlin, Mitt. Vorderasiat. Ges. 1900, Taf. VII des Corpus inscr. heth. Beiläufig bemerkt: auch die Manteltrach- ten der Cheramyesfigur und der Artemis der melischen Vase Conze I (auch Scherbe von der Akropolis Nr. 411 a) mit der Diagonal- ^eilung des Unterkörpers sind aus dem Orient herzuleiten, erstere findet sich in Sendschirli: Ausgrabungen in Sendschirli Taf. 41 rechts, die zweite auf der phoiniki- schen Schale Perrot-Chipiez III, Abb. 482.

Sitzung vom 3. Februar 1920.

Herr Neu gebauer sprach über die Kre- pis des Lysikratesdenkmals ').

Das schlanke, feine Bauwerk am Ostab- hange der Akropolis zu Athen, das einst den im Jahre 334 von dem Choregen Lysikrates errungenen Dreifuß trug, ist in neuerer Zeit zuerst von Stuart und Revett in den »Anti- quities of Athens« wissenschaftlich behandelt worden *). Die Herausgeber bilden dort nicht nur das Denkmal ab, wie es tatsächlich im Garten der französischen Kapuziner zu sehen war, fast um ein Drittel seiner Ge- samthöhe verschüttet, sondern sie teilen außer mehreren Einzelaufnahmen auch eine Rekonstruktion der Ostfront und des Durch- schnittes mit. Diese Rekonstruktion hat bis heute kanonische Gültigkeit besessen. Nur in der Anbringung des Dreifußes auf dem geschuppten Dache, die Stuart und Revett

in einer besonderen Zeichnung zu veran- schaulichen suchen, gehen spätere Rekon- struktionen, wie die von Gottfried Semper auf der einen, von Theophil Hansen auf der anderen Seite, auseinander '). Und doch scheint die Wiederherstellung des architek- tonischen Aufbaues durch Stuart und Re- vett, die Hansen nicht antastet, in einem Punkte nicht der Wirklichkeit zu ent- sprechen. Die vermutlich unrichtige' Re- konstruktion hat nun aber nicht nur bis in unser gebräuchlichstes Handbuch, wie noch die zehnte, an neuen Belehrungen sonst so reiche Auflage des Springer-Micha- elis, sich fortgeerbt2), sondern sogar be- gonnen, in architekturgeschichtlichen Argu- mentationen hier und da eine Rolle zu spielen 3). Und dies, trotzdem schon im Jahre 1868 auf den Fehler hingewiesen worden ist, von Carl von Lützow in der »Zeitschrift für bildende Kunst« anläßlich eben der Veröffentlichung der Hansenschen Rekonstruktion, in einem Aufsatze, den die Literaturnachweise über das Lysikrates- denkmal sämtlich anführen 4). So ist es denn an der Zeit, den Fehler endlich zu be- seitigen.

Die Wiederherstellung läßt das quadra- tische Podium, auf dem sich der Rundbau erhebt, auf einer vierstufigen Krepis ruhen, deren einzelne Glieder sehr wenig ausladen. Dieser Stufenunterbau gibt schon gleich über dem Erdboden das Motiv der allmählichen Verschmälerung des Denkmales an, das sich bis zur Dachspitze mehrfach wiederholt und trägt dadurch nicht wenig zu dem Ein drucke der Schlankheit des Aufbaues bei Nun versichern Stuart und Revett (S. 58) sie hätten das Gebäude nur soweit zeichne risch wiederhergestellt, wie die auf der Stelle gefundenen Überreste es gestatteten, und nicht weiter. Schon daraus könnte man folgern, daß sie eine Schürfung an der Ruine

■) Der Vortrag erscheint hier in etwas erweiterter Form.

>) Stuart u. Revett, The Antiquities of Athens, new ed. 1825,1 Kap. 4, 53 fr. Taf. 23— 30; ins Deutsche übersetzt von Carl Wagner, 1829, I 139 ff.

') Semper, Der Stil II 242. Hansens Rekonstruk- tion teilt v. Lützow mit in der Zeitschr. f. bild. Kunst III 1868 Taf. zu S. 240

2) Springer, Michaelis, Wolters, Handbuch ,0 322 j Abb. 587a; wiederholt soeben noch I" 307 Abb. 584.

3) Studniczka, Tfopaeum Traiani 26 f. Neuge- bauer, Studien über Skopas 89.

4) Literaturnachweis zu Springer-Michaelis 7. Aufl. 1 15; zu der 9. Aufl. 23. Judeich, Topographie von ; Athen 274 Anm. I.

ARCHAEOLOGISCHER ANZEIGER 1920

BEILAGE II, ZU SP. 19 ff.

LYSIKRATESDENKMAL IN ATHEN, VON NORDWESTEN

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vorgenommen haben, um die Form des Po- diums zu ermitteln; ihre Angaben über des- sen Bauweise bestätigen den Schluß. Trotz- dem nennen die Herausgeber auffallender- weise das Podium stets, wenn sie es er- wähnen, »basement«, obwohl dies Wort im mutterländischen Englisch sonst ein Funda- ment oder Kellergeschoß zu bedeuten pflegt. Vielleicht wurde der Ausdruck deshalb ge- wählt, weil der damit bezeichnete Bauteil damals eben unter der Erde begraben lag. Jedenfalls übersetzt Carl Wagner in der deutschen Ausgabe der »Altertümer von Athen« den befremdlichen terminus allzu sklavisch mit Grundmauer , denn die er- wähnten Zeichnungen lehren deutlich, daß die englischen Forscher den Sockel samt der vierstufigen Krepis für im Altertume sicht- bar gehalten haben.

Wie sieht nun dieser Teil des Lysikrates- denkmals in Wirklichkeit aus? Unter den vier Porosquaderschichten des Podiums ist eine schmaleFußleiste aus gleichem Materiale 'sichtbar, deren Sohle tiefer liegt als die moderne Straße, so daß das Bauwerk in einer flachen Grube steht. Das Erdreich herum ist zum Teil mit einem modernen Kieselmosaik gefüllt. Stecken noch drei Kre- pisstufen in der Erde, ist eines der be- rühmtesten Denkmäler Athens nicht voll- ständig ausgegraben? Die Antwort gibt zum Teil das Monurnent selber, das Beilage II, von Nordwest gesehen, abbildet ').

Es ist bekanntlich teilweise restauriert, zu- erst im Jahre 1867 durch den französischen Architekten Boulanger, dessen Arbeiten Lützow noch selber mit angesehen hat*). Die beiden obersten Quaderschichten des Podiums sind damals stark ergänzt worden, die oberste ganz mit Ausnahme der östlichen Eckblöcke, die dritte von unten in ihrer südlichen Hälfte. Mehr erhalten ist von der

') Nach der großen Aufnahme der preuß. Meßbild- anstalt Nr. 1284,2. Die Südseite zeigt Noack, Baukunst des Altertums Taf. 70.

*) Nach dem Zustande im Jahre 1869 von Süden gezeichnet erscheint das Denkmal bei Durm, Bau- kunst der Griechen 3 1910, 359 Abb. 351; photo- graphisch gibt dieselbe Wiederherstellung, nach Ein- friedigung in ein Eisengitter, von Südost Anderson u. Spiers, Die Architektur von Griechenland und Rom (Hiersemanns Handbücher I 1905) Abb. 70 zu S. 124.

zweituntersten Schicht; diese ist antik mit Ausnahme zweier Blöcke an der Ostseite. Die antiken Steine haben eine etwa I1/» cm breite vertiefte Umränderung, die in den er- gänzten Quadern wiederholt und schon in den Rekonstruktionszeichnungen Stuarts wie Hansens angedeutet ist. Eine Ausnahme hiervon machen in der zweituntersten Qua- derschicht dagegen die beiden Ecksteine der Westseite, d. h. der Rückseite, die der Akro- polis zugewandt ist. Erscheint die Rück- seite schon in der zweiten Quaderschicht ver- nachlässigt, so ist sie es in der untersten noch mehr, denn deren beide Mittelblöcke sind nicht mehr geglättet, sondern grob ge- pickt. Die darunter liegende Stufe ist 33 cm hoch. Unten hat auch sie einen schmalen vertieften Randstreifen. Im Osten, Süden und Norden springt sie nun regelmäßig etwa 4 cm gegen die Quadern darüber vor; im Westen dagegen tun dies die Ecksteine 6 7 cm, die Steine dazwischen aber mit unbehauenen Bossen viel stärker. Diese Einzelheit wird in der Meßbildaufnahme, die die Westseite in hellem Sonnenlichte zeigt, ganz klar. Die zunehmende Vernachlässigung derRückseite empfiehlt an sich schon nicht die Annahme noch tiefer liegender sichtbarer Steinschich- ten. Außerdem soll sich nun aber unter der Wandstufe nach Lützows Zeugnis, das sich auf eine kleine Grabung während der Ar- beiten Boulangers gründet, überhaupt nur noch eine Stufe befinden. Von dieser be- richtet er wörtlich (S. 269) : »Sie ist fast ganz aus rohen zyklopischen Blöcken ziem- lich schlechten Muschelkalkes ausgeführt. Nur an der Ostseite des Denkmals und an den Ecken desselben etwa 40 cm weit an der Nord- und Südseite hin läßt sich überhaupt von einem stufenartigen Absätze sprechen. An der Nordecke sah ich denselben etwa 12 cm, an der Südecke um ein weniges höher aus dem Boden stehen. Der Vorsprung, den er gegen die oberste Stufe bildet, ist an den drei Seiten verschieden. Gegen Osten beträgt er 9, gegen Norden zunächst etwa 1 1 cm, dann plötzlich das Doppelte, und ebensoviel springt das an der Südseite sicht- bare Stück vor. Die südlichste Ecke« offenbar meint Lützow die Südostecke »ist abgeschrägt oder abgebrochen, so daß die obere Stufe hier frei über die untere vor-

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ragt.« Die Sohle dieser Steinschicht hat Lützow nicht selber gesehen. Doch gibt er an, Boulanger habe ihm berichtet, daß er an der Südseite nahe der vorderen Ecke bis zu einer beträchtlichen Tiefe weiter- graben ließ, ohne eine Spur von Stufen zu finden.

Diese Beschreibung Lützows, zumal aber am Schluß die mündliche Aussage des fran- zösischen Architekten, sind gewiß keine ganz klaren Zeugnisse. Immerhin aber bekunden sie durchaus glaubwürdig, daß die Stein- schicht unter der jetzt sichtbaren Wand- stufe vor dieser nicht in demselben Maße vortritt, wie jene vor der senkrechten Wand des Podiums, sondern ganz unregelmäßig.

Unvereinbar hiermit sinddrei Zeichnungen, die der Stipendiat der französischen Aka- demie in Rom Loviot 1878 von dem Lysi- kratesdenkmal hergestellt und die d'Espouy veröffentlicht hat I). Da erscheint auf dem- selben Blatte links eine Rekonstruktion der Ostfront, in der drei gleiche, schmale Stufen mit Saumschlag angegeben sind, rechts oben, kleiner, ein Durchschnitt mit fünf Stufen, deren beide unterste, ohne Saum- schlag, wohl als Fundament zu verstehen sind, darunter aber eine ähnliche Skizze des Erhaltungszustandes, in der jene beiden Fundamentschichten ohne Abtreppung übcr- einanderliegen *). Nun berichtet zwar Ppt- tier, unter dessen Leitung Loviot gearbeitet hat, von einigen Versuchsgräben, die er im Umkreise des Lysikrateions gezogen habe, fügt aber bezeichnenderweise hinzu, die Bodenhöhe der antiken Tripodenstraße habe er nicht zu suchen brauchen, da sie ja ge- geben sei durch die Grundfläche des Denk- mals 3). Wie wenig diese indessen auch ihm bekannt gewesen ist, scheint mir aus den Abweichungen der beiden letztgenannten Zeichnungen voneinander gefolgert werden zu dürfen; diese veranschaulichen mehr hin und her schwankende Vermutungen,

") d'Espouy, Fragments d'architecture antique Taf. 21.

3) Mit der letztgenannten Form stimmt grundsätz- lich der rekonstruierte Aufriß bei Lübke u. v. Lützow, Denkmäler der Kunst 7 (1893) Taf. 15, 2, überein; hier sind vier Krepisstufen gezeichnet, deren unterste höher ist als die anderen.

3) B. C. H. II 1878, 412 ff.

als positives Wissen. Allerdings erwägt Lützow gegen Schluß seines Aufsatzes die Möglichkeit, das Podium sei im Osten tiefer herab sichtbar, die Krepis also hier tiefer herabgeführt gewesen, als an der vernach- lässigten Rückseite, das Denkmal stünde mithin auf ansteigendem Boden. Doch widerspricht er damit seiner eigenen kurz vorher gegebenen Beschreibung.

Aus der Aufzählung der bisherigen Unter- suchungen ergibt sich die notwendige Auf- gabe, das Fundament des Lysikratesdenk- mals einmal freizulegen und genau aufzu- nehmen. Doch kann meines Erachtens schon jetzt die Unwanrscheinlichkeit der alten Rekonstruktion klar erwiesen werden durch einen Überblick über die Geschichte der Stufenkrepis unter aufgehender Wand. Hierfür hat bereits Studniczka in einem Kapitel des Tropaeum Traiani etliche Bei- spiele gesammelt und kurz besprochen '). Sie werden im folgenden vermehrt, zum Teil auch anders angeordnet, doch ist auch hier nicht eine Aufzählung aller in Frage kom- " menden Spielarten, sondern nur eine sinn- fällige Darstellung des Entwicklungsganges erstrebt worden.

Der um ein Gebäude rings herumgeführte Stufenunterbau, diese in kretisch-mykeni- scher Kunst noch nicht bekannte Bauform, erfüllt die anfänglich aus rein praktischen Gründen gestellte Aufgabe, das Bauwerk über die Fläche des umgebenden Bodens zu erheben. Gerade Stufenform erhielt ur- sprünglich dieser bescheidene Unterbau aber offenbar aus dem Wunsche, von allen Seiten einen Zutritt zu dem emporgehobenen Ge- bäude zu 'ermöglichen; er darf daher zuerst an ringsum offenen Bauwerken erwartet werden. Die Krepis fehlt denn auch an den ältesten griechischen Tempeln, die noch keinen peripteralen Umgang haben, sondern an drei Seiten von einer Mauer umschlossen sind, wie zum Beispiel dem Heraion auf der Burg von Tiryns 2). Auch, um etwas andere Bauschemata archaischer Zeit zu nennen, das Demeterheiligtum bei Selinus oder das Geloerschatzhaus in Olympia vor dem Um-

') Studniczka, Tropaeum Traiani 23 ff., hier weiterhin nur mit Verfassernamen uncV Seitenzahl angeführt.

2) Tiryns I 6 (Frickenhaus).

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bau entbehren einer Krepis1). Mit einer Stufe begnügen sich dann die ältesten Peri- pteroi, deren Krepis wir sicher kennen, wie der Heratempel in Olympia2). Auf einer Stufe stieg man einst auch in den Pronaos des alten Dionysostempels am Südabhange der athenischen Akropolis hinein, eines Antqn tempels ohne Pteron.3). Hier aber ist diese Stufe bereits um die drei geschlossenen Wände des Tempels herumgeführt und be- wirkt ein schlichtes Fußprofil unter der auf- gehenden Mauer. Damit ist der Entwicke- lung der Weg gewiesen. Noch im 6. Jahr- hundert Vird bekanntlich am Peripteros die kanonische Dreizahl der Stufen erreicht. Und vom Peripteros übernimmt, wie mir scheint, der entwickelte Antentempel die herumgeführte Dreistufenkrepis. Denn sie zu vermeiden, gleichzeitig aber doch eine Erhöhung der Eingangsschwelle zu erreichen, hätte es nur ein Mittel gegeben, die der Front vorgelegte Rampe oder Freitreppe und die Ausgleichung des Höhenunterschiedes an den anderen drei Seiten durch ein Podium. Von einem Podium hat indessen die grie- chische Tempelarchitektur nach ganz ver- einzelten archaischen Versuchen auf lange Zeit hinaus Abstand genommen 4). Vielmehr steht auch der reifarchaische Antentempel, wie das Megarerschatzhaus in Olympia oder das Athenerschatzhaus in Delphi, auf einem Krepidoma, dessen Stufen nur unter den geschlossenen Wänden, weil keiner' Be- nutzung dienend, sehr verschmälert sind; an dem olympischen Beispiel sind es zwei, an dem delphischen drei 5). Dieses Prinzip der Verwendung einer Krepis ist dann auch weiterhin an Bauwerken anderen Grund- risses in Geltung geblieben. So zeigt der

') Koldewey u. Puchstein, Griech. Tempel in Unteritalien und Sizilien 8g Taf. 11. Olympia II 54 Taf. 39 (Doerpfeld).

3)_01ympia II 28 Taf. 18 (Doerpfeld). Zur Da- tierung letzthin Wolters in der Berl. Philol. Wochen- schrift 1920, 334 ff.

3) Doerpfeld u: Reisch, Das griech. Theater 14 Abb. 1. Zur Wandstufe vgl. auch Ath. Mitt. XX r895. 173 (Doerpfeld).

4) Koldewey, Neandria 31 f. Delbrück, Das Ca- pitolium von Signia 23.

5) Megarerschatzhaus: Olympia II 51 Taf . 36 (Doerpfeld). Athenerschatzhaus: Bourguet, Les ruines de Delphes 96 ff. ; Reisinger, Griechenland Abb. 69.

Amphiprostylos der Athena Nike auch an den Langseiten die Stufen, von denen nur die oberste, an sich schon schmäler, durch die Fußprofile der Wand fast ganz einge- nommen wird '). Auch am Erechtheion er- klärt sich die ringsherum geführte, aber im Norden und Süden auf verschiedener Grund- höhe befindliche Dreistufenkrepis als ein- fache Fortführung eines praktisch benutz- baren Auftrittes zu den Hallen im Norden und Westen 2) . Der große Altar in Pergamon ruhte gar, nach Schrammens Wiederherstel- lung, auf vier, trotz reichster Fußprofi- lierung des Podiums gleich breiten Stufen, so daß die- oberste in der Ausdehnung der Freitreppe breiter werden mußte als die an- deren, weil in sie die Stirnen der Treppen- wangen eingriffen 3). . Auch der Turm der Winde endlich gehört noch hierher, denn an ihm sind die drei Stufen, auf denen man zu den beiden kleinen Vorhallen im Nordost und Nordwest hinaufgeht, um die aufgehende Wand einschließlich des halbkreisförmigen niedrigeren Reservoirs im Süden herumge- führt, die oberste nur wiederum verschmälert und fast ganz durch Fußprofile eingenommen, einen kräftigen Rundstab und einen schwa- che/i Ablauf 4).

An all diesen Beispielen ist die Krepis unter der aufgehenden Wand die Fortfüh- rung von Stufen, die dem Betreten des Bau- werkes dienen. Wie verhält sich nun aber jenes Bauglied zu der geschlossenen Mauer, wenn dieser organische Zusammenhang nicht besteht ?

Das dem Vergleiche dienende Material ist hier leider recht spärlich, zum Teil auch nicht genügend veröffentlicht. Für die ältere Zeit müssen zunächst Stufenbauten in die Lücke treten, die überhaupt nicht als Auf- lager für geschlossene Wände, sondern als Statuenbasen dienen.

Bulle hat dargelegt, daß die Stufenbasis von archaischer Zeit an bis in die zweite

■) Judeich, Topographie von Athen 203 ff. Abb. 23. Reisinger a. a. O. Abb. 13. Zur Baugeschichte zuletzt Jahrb. d. Inst. XXXI 1916, 198 ff. (Studniczka).

3) Judeich a. a. 0. 247 Abb. 31. Aufnahmen der preuß. Meßbildanstalt Nr. 1276, 5. 6. 9.

3) Pergamon III, 1 15 ff. Taf. 15 (Schrammen).

4) Studniczka 25 mit Anm. 25. Judeich a. a. 0. 332 ff. Abb. 41. Meßbildaufnahme Nr. 1285, I u. 2.

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Hälfte des 4. Jahrhunderts hinein üblich ge- wesen ist, wo allmählich die Profilbasis sie verdrängt *). Das älteste erhaltene Beispiel, die Basis der archaischen Grabstatue des Phaidimos vom Friedhofe zu Vurva, besteht über der Ausgleichungsschicht aus drei gleich hohen rechteckigen Blöcken, deren Seiten- längen nach oben zu derart abnehmen, daß die unterste Stufe nur wenig breiter ist, als die mittlere, sehr schmale 2). An Schmalheit der Abtreppung übertrifft die zweistufige Basis des Athleten Xenokles, eines Spät- werkes des älteren Polyklet, noch die der Statue des Phaidimos 3). Beide finden nahe Parallelen noch in unteritalischen Vasenmale- reien des 4. Jahrhunderts 4) . Nur etwas größere Auftrittsbreite zeigen die Skizzen zweier Basen mit wesentlich niedrigeren Stufen in Dodona 5), denen das Bronzepostament aus Liguriö in Berlin6) und der Unterbau einer Sphinxstatue auf weißgrundiger Lekythos zu Athen 7) nahe vergleichbar scheinen. Noch weiter aber gehen außer einigen erhaltenen Beispielen 8) gelegentlich Vasenmalereien. So tritt im Bilde eines streng schönen Volutenkraters zu Bologna Kassandra auf die untere Basisstufe eines Athenaxoanons, das sie mit den Armen umschlingt 9); eine spätere, campanische Hydria in London zeigt sie auf der plattformartigen oberen

') Bulle, Griechische Statuenbasen 21 ff.

2) Collignon, Les statues funeVaires 34 f. Abb. 14 mit älterer Literatur, zu der Bulle a. a. O. 11 nach- zutragen ist.

3) Olympia II 150 Taf. 92, 3; V 283 ff. Nr. 164 (Dittenberger u. Purgold). Furtwängler, Meister- werke 415.

4) Zur Phaidimosbasis vgl. Pagenstecher, Unter- italische Grabdenkmäler Taf. VII, a S. 70; zur Xe- noklesbasis Jahresh. XII 1909, 113 Abb. 62 (Hauser), Pagenstecher a.a.O. 71.

5) Carapanos, Dodone Taf. VII, 6 u. 13 S. 128.

6) Arch.Anz. 1889,93 Nr. 9 (Furtwängler); Jahresh. III 1900, 133 (Kretschmer) ; Rhein. Mus. f. Philologie N. F. LVI 1901, 423fr. (Fränkel).

7) Collignon, Les statues funeraires 102 mit älterer Literatur, von der hier Benndorf, Griech. u. sizil. Vasenbilder Taf. 19, 4 genügt. Fairbanks, White Athenian Lekythoi 298 Nr. 14.

8) Stier von Korkyra in Delphi, Athen. Mitt. XXXI 1906, 458 Abb 5 (BuUe); FouiUes de Del- phes III, 1 S. 2 f. Abb. 2 (Bourguet). Losende Helden des Onatas, Olympia II Taf. 92, 12 S. 146. Stier der Eretrier, ebenda Taf. 92, n S. 147.

9) Pellegrini, Vasi dipinti delle necropoli felsinee 107 ff. Nr. 268; Reinach, Rep. d. vas. I 221,6.

Stufe kniend, den Fuß auf die untere ge- stellt, auf der eine schlanke Kanne liegt'). In der Darstellung des Leukippidenraubes auf einem unteritalischen Volutenkrater in Ruvo bietet die Plattform neben der alter- tümlichen Herastatuette Raum für zwei sitzende schutzsuchende Mädchen i).

Das Vorbild für solche Postamente der dargestellten Menschengestalt dünkt mich eine Bauform für den lebenden Menschen ge- wesen zu sein. Denn nichts anderes als der- selbe Stufenbau ist ja die zu musikalischen Aufführungen gebrauchte Thymele. He- rakles als Kitharode auf eine Stuft herauf- steigend oder auf ihr stehend ist ein ver- breiteter Typus in reifer attischer schwarz- figuriger Gefäßmalerei 3). Sterbliche Musi- kanten auf zwei- oder dreistufigem Unterbau begegnen von Vasenbildern des 6. Jahr- hunderts an nicht selten 4) ; ein andermal dient ein solcher einem beschaulich flöten- blasenden Silen als Sitz 5).

Diese verglichenen Beispiele der Plastik und Wirklichkeit zeigen denselben tektoni- schen Gedanken, die menschliche Gestalt zur besseren Sichtbarmachung über den Erd- boden zu erheben. Die Verkümmerung der Auftrittflächen an stufenförmigen Statuen- basen erweist sich aber dadurch als eine der neben Eingängen verschmälert weitergeführ- ten Krepis analoge Abstraktion (vgl. Sp. 25). Es bedeutet keinen großen Schritt weiter auf dieser Bahn, daß auch tektonisch ge- formte Denkmäler auf Stufenbauten gestellt

') Walters, Cat. of vas. Brit. Mus. IV 104, F 209; Reinach a. a. 0. I 365, 5. *) Reinach a.a.O. I 231,3.

3) Beispiele bei Furtwängler in Roschers Myth. Lex. I, 2 Sp. 2189. Auf einstufiger Thymele spielt Apollon die Kithara auf der Kertscher Kanne Furt- wängler-Reichhold II Taf. 87 S. 137; auf ein zwei- stufiges tritt er hinauf Lenormant u. de Witte, Elite ceiamogr. II Taf. 65 S. 197.

4) Attisch schwarzfigurig : Walters, Cat. of vas. Brit. Mus. II 127, B188; E. N. Gardiner, Greek Athletic Sports and Festivals 231 Abb. 32. Rot- figurige Beispiele hat Svoronos, Das Athener Nat.- Mus. 200 Anm. 1 Abb. 127 131 gesammelt, doch sind wenigstens die Amphora des Andokides im Louvre, Furtwängler-R eichhold II Taf. in S. 270 und der Antaioskrater des Euphronios, ebenda II Taf . 93 S. 177 nachzutragen. Vergl. letzthin M. Bie- ber, Denkm. z. Theaterwesen S. 9 Abb» 3; S 120.

5) Walters, Cat. of vas. Brit. Mus. IV 48, F 73; Reinach a. a. O. II 303, 5.

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wurden. Den Übergang zu diesen bilden Hermen r) ; einzelstehende Säulen verschie- dener Bestimmung 2), Grabstelen 3) und Dreifüße 4) schließen sich an. Eine etwas nachlässige attische rotfigurige Hydria in London zeigt auf kräftigem Dreistufenbau am Grabe, das eine daneben befindliche ionische Säule andeutet, sogar nur verschie- dene mit Bändern geschmückte Vasen; auf der Unterstufe aber steht mit Trauergebärde ein Mädchen, das durch Größe und Stil den Gedanken an eine Statue ausschließt 5). Wenn diese Darstellung wörtlich zu ver- stehen ist, so kennzeichnet sie die Doppel- aufgabe des Stufenbaus, den Lebenden wie dem Kunstwerke zu dienen, sehr deutlich. Durch eine leicht verständliche Verbindung der aufgezählten Elemente ist auf der Ne- apler Satyrspielvase eine auf stattlichem Vierstufenbau stehende dorische Säule die Basis für einen Dreifuß geworden 6).

Neben der einheitlichen Stufenbasis kom- men nun aber auch annähernd würfelförmige Postamente vor, die sich auf einer Krepis er- heben. An einem derartigen Monument in Dodona übertrifft der Basisblock die Ge-

') Att. sf. Kanne Pottier, Vases ant. du Louvre II 129, F325, Taf. 85. Strengrotfig. Amphora, verschollen, Reinach II 135, 12. Strengrotfig. Lekythos in Berlin, Furtwängler 2213. Streng- schöner Krater in Bologna, Pellegrini, Cat. dei vasi dipinti 81 Nr. 206; Reinach I 522, 2.

J) Grabsäulen unteritalisch: Lukan. Hydria Berlin 3170. Lukan. Vasenbild Reinach II 16, 1. Campan. Amphora Berlin 3025, Reinach I 249, 2. Mehr Bei- spiele bei Pagenstecher, Unterital. Grabdenkmäler 61 ff. Taf. VI, a— c, XIV, c; S. 52 Taf. XVI, a. Vgl. ferner Reinach II 318, 3 und die Zielsäule beim Wagenrennen 'Reinach II 299, 2.

3) Beispiele zahlreich bei Riezler, Weißgrundige att. Lekythen. Nach der Stelenform auf der Leky- thos Berlin 2246, Fairbanks 314 Nr. 31 stellt auch die Berliner Lekythos Inv. 3324, Benndorf, Griech. u. sizil. Vasenbilder Taf. XIX, 5, Fairbanks 314 Nr. 29, ein Grabrelief dar. In dem Bilde Riezler Taf. 11 S. 95 scheint der auffallend hohe Stufenbau auf einer altarartigen Basis zu stehen.

4) Att. sf. Hydria in München, Reinach IJ77, 3. Schönrotfig. Kanne Lenormant u. de Wittef Elite c^ramogr. I 301 Taf. 91. Schönrotfig. Krater in Bologna, Pellegrini, Cat. dei vasi dipinti 47 Nr. 286 Abb. 35. Relief in Athen, Arch. Ztg. 1867 Taf. 226, 2 S. 94 (E. Curtius). Bryaxisbasis, Svoronos, Das Ath. Nat.-Mus. 164 Taf. 26 27.

5) Walters, Cat. of vas. Brit. Mus. IV 56, F 93, Taf. 4.

6) M. Bieber (Sp. 28 Anm. 4) S. 91 ff., Abb.97; S. 185.

samthöhe der zwei verschieden breiten Stu- fen, auf denen er steht, um ein weniges1). Die statuarische Bekrönung ähnlicher, ver- schieden proportionierter Basen zeigen einige attische Lekythenbilder 2). Auf einer Leky- thos in Berlin bildet nun aber ein gleich- artiger, nur oben um eine profilierte Deck- platte bereicherter Aufbau das Postament nicht für eine Statue, sondern für Weihe- gaben, eine Lyra und ein Kästchen 3). Viel- leicht verdient er den Namen tpaueCa; am Dipylon erhaltene Grabtische entbehren allerdings die Krepis und trugen einst große Marmorlekythen 4). Darf aber die auf Stufen stehende Würfelbasis von dem Weihe- gabenträger abgeleitet werden, so erklärt sich auch an ihr die Krepis als ursprüng- liche Zweckform; wie am Altare diente sie dem Bedürfnis, auf der emporgehobenen Platte bequem hantieren zu können.

Auf die große Architektur erlauben da- nach die betrachteten Basenformen keine Rückschlüsse. Wie steht es denn aber mit jener, so weit sie vergleichbar ist?

Das bestbekannte der turmartigen Grab- pfeiler Lykiens, das reif archaische Harpyien- monumeht, steht zwar auf einem breiten Basisblock, doch ist dessen völlige Sichtbar- keit im Altertum nicht zu beweisen; ein Fußprofil fehlt 5). Dagegen erhebt sich in Xanthos ein anderer, bis auf die Marmor- wände der Grabkammer aus dem Felsen ge- hauener Grabturm, der durch seine gefälli- geren Verhältnisse etwas jüngere Entstehung zu verraten scheint, auf drei Stufen6). Die stattliche Wirkung derartiger hochragender Grabmäler mag es gewesen sein, die in ande- ren vorderasiatischen Kulturkreisen dahin geführt hat, Gedenktürme auch dort zu er-

x) Carapanos, Dodone Taf. VII, 1 S. 127.

*) Weißgrundig, in Athen, Collignon, Les statues funeraires 100 f. Abb. 51; Riezler Taf. 22 S. 101. Weißgrundig. in Bonn, Collignon 99 f. Abb. 50. Rotfig., in Paris, de Ridder, Cat. des vas. peints Bibl. Nat. II 366 Nr. 496; Collignon 102 Nr. 7; Reinach II 255, 5.

3) Riezler Taf. 20 S. 100. Unsicher ist dieselbe Erklärung für das Bild Riezler Taf. 78 S. 134.

4) Brueckner, Der Friedhof am Eridanos 98 ff. Abb. 64, 66; Riezler 100 Anm. 29.

5) A. H. Smith, Cat. of Sculpt. Brit. Mus. I 54 mit Hinweis auf Fellows. Benndorf u. Niemann, Reisen im südwestl. Kleinasien I 87 Taf. 26.

«) Benndorf a. a. 0. 87 Taf. 25.

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richten, wo alte einheimische Sitte zwang, den Toten in die Erde zu versenken. Die be- kanntesten Beispiele hierfür finden sich im phoenikischen Marathos. Eines von ihnen, auf breitausladender Zweistufenkrepis em- porragend und durch ein stark vorspringen- des, dem lesbischen Kyma ähnliches Profil in der oberen Hälfte ein Obergeschoß vor- täuschend, kommt trotz gedrungenerer Ver- hältnisse im Gesamteindrucke lykischen Pfeilergräbern recht nahe '). Die grundver- schiedene Bestattungsweise allerdings ver- kündet sich durch die daneben befindliche, architektonisch verkleidete Öffnung des un- terirdischen Ganges, der zu der Grabkammer unter dem Denkmale herabführt.

Wie das erwähnte Kymation 2), werden auch die Stufenunterbauten an diesen, kaum über das 5. Jahrhundert zurückgehenden Grabmälern mit Einflüssen griechischer Bau- weise zu erklären sein. Doch handelt es sich wohl nur um die Übernahme vereinzelter Bauelemente, und den Typus als Ganzes, den geschlossenen Turm auf der Krepis, deshalb in Griechenland als Vorbild voraus- zusetzen, hieße zu weit gehen. Denn er ist dort in so früher Zeit nirgends überliefert.

So ist am Nereidenmonument von Xan- thos, d. h. an demjenigen lykischen Grabe des 5. Jahrhunderts, dessen Architektur in griechischen Formen gehalten ist, eine Kre- pis unter dem Podium nicht vorhanden 3). Zwar deuten die Rekonstruktionen eine schmale Abtreppung der beiden untersten sichtbaren Quaderschichten an 4). Indessen beruht, nach Niemanns klarer Beschreibung, die untere Stufe lediglich auf Verkennung

') Renan, Mission de Phenicie 74 Taf. 17. Perrot u. Chipiez III 154 Abb. 98, 99.

-) Das Grabmal ist von Weickert, Das lesbische Kymation, nicht besprochen. Vgl. aber die Bemer- kungen Studniczkas zum Kyrosgrabe in Pasargadae, Das Symposion Ptolemaios' II. 108.

3) Die Literatur vereinigt A. H. Smith, Cat. of Sculpt. Brit. Mus. II 1 ff. Förderliche Kritik der älteren Berichte übt Lethaby im J. H. St. XXXV 1915, 208 ff.

4) Die Rekonstruktion von Fellows wiederholt Smith a. a. O. 3 Abb. 1, die von Falkener Collignon, Hist. de la sculpt. gr. II 217 Abb. 102 und Springer, Michaelis, Wolters, Handbuch I" 288 Abb. 553 nach der Umzeichnung von Durm, Die Baukunst der Griechen 3 541 Abb. 494.

der Euthynteria •). Derselbe Gewährsmann bezeugt aber, wie vor ihm schon Hawkins, weiter, daß die Oberseiten der Kalkstein- orthostaten von der Vorderkante an als Auf- lager hergerichtet sind 2). Dann kann die vermutlich mit dem großen Fries beginnende Wand darüber aber nicht gegen jene zurück- gewichen sein.' So bietet der Unterbau des Nereidenmonumentes keinesfalls eine Stütze für die bekämpfte Wiederherstellung des Lysikratesdenkmals. Noch das nach dem Siege von 371, d. h. meiner Überzeugung nach mindestens siebzig Jahre später als der xanthische Grabbau errichtete Tropaeum bei Leuktra wird ja nur beschrieben als ein Rundturm bescheidenen Durchmessers, oben ein Kuppeldach, unten »ein Fußgesims« 3). Von einer Krepis unter der geschlossenen Wand schweigt die Beschreibung, auf die man mangels einer Veröffentlichung der kostbaren Reste leider angewiesen ist. Ein Stufenunterbau wäre indessen vom Maussol- leum zu Halikarnaß erhalten, wenn Stud- niczkas Erklärung dreier im Britischen Mu- seum übereinanderliegender Steine als Kre- pisstufen sich bestätigen sollte 4). Der unter- ste ist mit seiner Höhe von rund 60 cm dop- pelt so hoch, wie die beiden oberen, die Auf- trittflächen verbreitern sich dagegen von ver- kümmerten Formen, 10 und 1 1 cm, zu 44 cm. Keinesfalls kann die Krepis daher die Fort- führung der Eingangsstufen in die sicher vorauszusetzende Tür des Podiums gebildet haben, im Sinne der früher aufgezählten Beispiele. Ein ganz ähnlicher Stufenunter- bau und seine Auseinandersetzung mit der Tür an einem hellenistischen Grabmale wird sogleich zu besprechen sein 5). Indessen er- weckt die fragliche Gruppe vom Maussolleum

■) Benndorf u. Niemann, Reisen im südwestl. Kleinasien I 90.

2) Hawkins im Civil Engineer and Architects Journal VIII 1845, 88; neu gedruckt von Lethaby (Sp. 31 Anm. 3) 210.

3) Der Ausdruck Fußgesims findet sich erst bei (Tocilescu u.) Benndorf, Tropaeum von Adamklissi 134- Vgl. Schorns Kunstblatt XXII 1840 Nr. 45 S. 186 ff. (H.N.Ulrichs); Ulrichs, Reisen und For- schungen in Griechenland II 104 mit Anm.

4) Studniczka 26 mit Anm. 27-. Es sind die Steine Smith, Cat. of Sculpt. II 87 Nr. 989; Newton, Hist. of discov. Taf. 26, 7 -9. Ich habe Stadien über Skopas 89 zugestimmt.

5) Unten Sp. 34 f.

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den Verdacht willkürlicher Zusammenlegung unzusammengehöriger Bestandteile. New- ton wenigstens erklärte die Steine sehr von- einander verschieden; der Verfasser des »Catalogue of Sculpture« verzichtet auf ihre Deutung :). Sie haben nicht die gleiche Länge, die Höhe der beiden oberen stimmt mit der von unbezweifelten Pyramiden- stufen überein, die Auftrittfläche des ober- sten aber kommt der von jenen wenigstens nahe2). So scheint eine Entscheidung über die wichtige Frage zurzeit nicht möglich.

Die hellenistische Architektur hat die ledig- lich formale, den Gedanken an praktischen Gebrauch ausschließende Verwendung der Krepis gekannt. Mit Unrecht wäre hierfür schon der Rundbau des Lysikratesdenkmales angeführt. Er stellt einen Monopteros dar, dessen Interkolumnien durch von je zwei Dreifüßen gekrönte Scherwände bis fast zur Kapitellhöhe hinauf geschlossen sind, und ruht auf zwei Stufen. Diese weichen von dem Vorbilde der Wirklichkeit durch gering- fügige Verschmälerung der Auftrittsflächen ab. Dasselbe aber tut auch die ausnahmslose Schließung der Säulenzwischenräume, denn sie versagt ja einen Zutritt zu dem Gebäude. Der Rundbau ist daher kein vollgültiges Bei- spiel für eine um geschlossene Wände rings herumgeführte Krepis, sondern nur für die phantasievolle Verwendung und Verände- rung einer Erdgeschoßform zu besonderem Schmuckzwecke. Nicht ganz so fein waltet derselbe Gedanke an einem Bauwerke vom Rande griechischer Kulturwelt, an dem Grabmal von Thugga 3). Die erst im 19. Jahr- hundert, besonders an der Ostseite, schwer beschädigte Ruine und ihre von 1908 1910

') Newton a. a. 0. Tafelband S. 1 zu Taf. 26, 8 u. 9: Top of Steps of stylobate, from the flank of the peristyle; zu Taf. 26, 7: top of a step from the basement.

J) Dank Studniczkas Güte liegen mir seine im Brit. Mus. gemachten Skizzen vor. Nach ihnen hat der Pyramideneckblock Nr. 988, den Smith als ähn- lich dem obersten Block der Gruppe Nr. 987 be- zeichnet, eine Höhe von 0,295 m, Auftrittbreiten von 0,43 und 0,54 m.

3) Über den Wiederaufbau berichtet Poinssot in den Comptes rendus de l'academie des inscr. et belles-lettres 1910, 780 ff. mit 1 Abb. Vgl. Arch. Anz. 191 1, 247 fr. Abb. 3 (Schulten) und Österr. Monatsschr. f. d. Orient XLI 191 5, 142 Abb. 5 (Sitte).

Archäologischer Anzeiger 1920.

erfolgte Wiederherstellung wird demnächst von F. G. Welter eingehend besprochen werden, der mir freundlichst Einblicke in seine Arbeit gewährt hat. Unsicher bleibt die Datisrung des Gebäudes. Sie schwankt zwischen dem 4. und 2. Jahrhundert; die bilingue Grabinschrift, heute im Britischen Museum, scheint keine Entscheidung zu er- lauben *). Das Erdgeschoß ruht auf einer hohen und steilen Fünfstufenkrepis (Stufen- höhe 0,415 m, -breite 0,25 m), die zu der Tür in der Mitte der Ostfront emporführt. Und auch der Oberstock, dessen Fassaden je vier angeblendete ionische Säulen zieren, steht auf drei in den Maßen fast identischen Stufen, in der Mitte der Nord-, Ost- und Westseite aber befinden sich Scheintüren. Hier sind also Zugänge nachgebildet, für ein Untergeschoß erfundene Bauformen zur Bil- dung des Oberstockes wiederholt worden, wo sie praktisch sinnlos sind. Nicht so klar ließe sich die Krepis unter dem rings ge- schlossenen zweiten Obargeschoß beurteilen. Aber Welter weist nach, daß diese Rekon- struktion fälschlich mit Werkstücken eines anderen Grabmales ausgeführt worden ist. Die Zeichnungen der Ruine in unergänztem Zustande zeigen nur den Beginn eines Stufen- baues und seine Begrenzung an den vier Ecken durch diagonal gerichtete Statuen- basen, d. h. doch wohl den Rest einer Dach- pyramide 2).

In die hier verfolgte Entwickelung reihtsich das Grabmal insofern ein, als Krepis und Tür des ersten Stockwerkes zwar lediglich als Schmuckformen verwandt sind, aber doch noch in organischer Beziehung zueinander stehen. Hellenistischer Zeit gehören aber nun auch Baudenkmäler an, deren Eingänge geflissentlich die ursprüngliche Funktion der Krepis, als Auftritt zu dienen, ignorieren.

So erhebt sich die Wand des Unterge- schosses an dem hellenistischen Heroon ta [Aapjiapa bei Milet auf drei Stufen, die, wie die von Studniczka für das Maussolleum

') Poinssot a. a. 0. 781 Anm. 4 mit älterer Lite- ratur.

2) Transactions of the American Ethnological Society I 1845, 477 Taf- 9' Ansicht von Nordost (Catherwood). Playfair, Travels on the Footsteps of Bruce in Algeria and Tunis 1877, 221 Taf. 24, wiederholt Perrot 11 Chipiez III 376 Abb. 262.

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angenommenen, nach oben an Höhe ab-, an Breite zunehmen •). Die Tür der Front ist aber durch sie nicht emporgehoben, sondern reicht, in die Stufen einschneidend, bis auf den Erdboden herab. Ähnliches wird es auch an Rundbauten gegeben haben, denn das einen solchen nachahmende Terrakotta- lichthäuschen aus Olbia im Britischen Mu- seum, das in vorchristliche Zeit datiert wird, zeigt ebenso das Durchbrechen der beiden hohen, schmalen Wandstufen, ja sogar noch der darunterliegenden quadratischen Schicht, durch die vielleicht übermäßig stattliche Türöffnung s). Diese Beispiele leiten zu Bau- werken über, an denen die Krepis unter ge- schlossener Wand ihre Selbständigkeit ohne Vorhandensein einer Eingangstür behauptet. Schon der Pharos des Sostratos bei Alexandria, zu Beginn des 3. Jahrhunderts errichtet, erhob sich nach Ausweis domiti- anischer Münzen, die ihn am treuesten wie- derzugeben scheinen, auf einer oder zwei Stufen 3). In das gewaltige Un ergeschoß selbst aber führte ein hochgelegener Eingang, zu dem man auf einer Rampe heraufschritt. Ein noch deutlicheres Beispiel für die Ver- wendung der Krepis ausschließlich zur Stei- gerung monumentaler Wirkung, ja, vielleicht das eindrucksvollste, das sich finden ließe, bietet der Altar Hierons II. aus der Mitte oder der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts^. Um das annähernd ein Stadion lange, schmale Rechteck laufen ringsherum fünf mächtige, verschieden breite Stufen, ober- halb derer an allen vier Seiten eine Mauer aufging. An der Westseite wurde der Zu- gang zu der Plattform des Altars durch zwei den Ecken nahe, rechtwinklig umbiegende Treppen ermöglicht, welche zu der schmalen Tcpodüfft? hinaufführten, die nach außen wie nach innen durch Mauern abgeschlossen war. Die Treppen stoßen unvermittelt hart an die Unterstufe der Krepis, die hier nur ein groß- artiges Schmuckglied der Wand bedeutet. Nach diesen Beispielen nimmt es nicht wunder, wenn ein Rundbau in Termessos,

') Arch. Anz. 1902, 150 Abb. 5 6 (Wiegand). Studniczka 26.

») Bonner Jahrb. CXVIII 1909, 404 Taf. 32, 6 (S. Loeschcke).

3) Thiersch, Pharos 7 ff. Taf.i.

4) Koldewey u. Puchstein 70 ff. Taf. 10.

im Schema dem Lysikratesdenkmal nächst verwandt, aber von unbekannter Bestim- mung, sich auf mehreren Stufen erhebt, deren Zahl allerdings ebenso unsicher ist, wie die Höhe des Podiums J). Nach den Formen der Ranke, die den Fries schmückt, dürfte man Grund haben, das zierliche Bau- werk in späthellenistische, vielleicht sogar erst in augusteische Zeit zu setzen 3).

Seit dieser Zeit dringen nun in die östliche Architektur gelegentlich Elemente italisch- römischer Bauweise ein. Hiermit scheint es einleuchtend erklärt worden zu sein, daß an dem zweistöckigen Rundbau in Ephesos dem Podium, das aus drei Schichten Polster- quadern zwischen niedrigen, glatten, nicht vorspringendenSteinlagen besteht, jede An- deutung einer Krepis fehlt 3). Denn das alt- italische Tempelpodium verzichtet bekannt- lich auf einen Stufenunterbau. Ist ursprüng- lich seine Wand unten wie oben unprofiliert4), so zeigt der südlichste der drei Tempel am Forum Holitorium, von Huelsen der Juno Sospita zugeschrieben und in den Anfang des 2. Jahrhunderts v. Chr. datiert, eine schmale bandartige Fußleiste, der ein ahn lieh einfacher oberer Anschluß entspricht 5). Andere italische Tempelpodien hellenistischer Zeit besitzen reichere Fußprofile, zu einer Stufenbildung ist es indessen nicht gekom-

■) Lanckorofiski, Städte Pamphyliens und Pisi- diens II 105 Taf. 17.

a) Zu der Akanthosranke des Frieses, Lanckorofiski a.a.O. 105 Abb. 68, vgl. die Übersicht von Stud- niczka 97 ff. ; zu dem Kelch den nur etwas einfacher geformten, aber grundsätzlich übereinstimmenden im Giebel des Caeliusgrabsteins zu Bonn, Baumeister, Denkmäler III 2050 Abb. 2263, Lehner, Prov.-Mus. in Bonn, Heft I, Die röm. Skulpt. 5 Taf. 1.

3) Studniczka 26 u. 19, wo Anm. 4 die ältere Literatur angeführt ist. Vetter, Der Sockel 11 f. Taf. 2, 7. Dem Zeitansatz in die Kaiserzeit, den Hiller v. Gaertringen in der Berl. Philol. Wochenschr. 1906, 1491 f. zögernd erwägt und vor allem Schede, Traufleistenornament 105 ff., entschieden vertritt, widerstreben heute noch die meisten, wie Noack, Baukunst des Altertums 116 f. Taf. 157, Weigand im Jahrb. d. Inst. XXIX 1914, 52 ff. und Wolters in der II. Aufl. des Springerschen Handbuches 361 f. Abb. 703.

4) Beispiele hierfür gibt Delbrück, Forum Holi- torium 26 27.

5) Delbrück a. a. O. 22 Taf. II, C. Röm. Mitt. XXI 1906, 191 (Hülsen).

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men *). Lehrreich für diesen Verzicht ist neben anderen der Tempel der »Fortuna virilis«, denn statt einer Podiumkrepis schmücken ihn die Fußleiste und ein les- bisches Kyma zwischen Rundstäben; über dem Podium hingegen laufen ringsherum zwei verkümmerte Stufen, als unorganische Entlehnung von griechischer Bauweise 2).

Erst in augusteischer Zeit scheint die Krc- pis unter geschlossener Wand in die westlich- römische Architektur Eingang gefunden zu haben, bezeichnenderweise aber nicht ohne eigenartige Veränderung der griechischen Form. Am Julierdenkmal zu St. Remy be- steht sie zwar aus drei Stufen, doch nehmen diese an Höhe zu, an Breite ab, derart, daß die oberste, die aus zwei Quaderschichten besteht und nur wenig vor dem Fußprofil desreliefgeschmückten Sockels vorragt, kaum noch den ursächlichen Zusammenhang mit den wirklich betretbaren beiden unteren Stufen verrät 3). Sie bilden also den geraden Gegensatz zu der am Heroon ta fia'pjiapa erhaltenen Anordnung. Der hohen faszien- artig schmalen Oberstufe in St. Remy aber darf die Bedeutung des Beginnes zu einer weiteren Entwickelung zuerkannt werden. Hierfür zeugt bereits das Tropaeum Alpium vom Jahre 5 v. Chr., oberhalb Monacos ge- legen, der Rest des großartigsten Siegesdenk- males aus dem klassischen Altertume, das wir besitzen 4). Deutlich gliedert sich das Denkmal in ein hohes quadratisches Podium und einen kreisrunden Oberbau. Von jenem, dessen Seiten 34 m lang sind, steht außer dem Mauerkern heute noch der Anfang seiner Verkleidung aufrecht da. Diese be- steht aus zwei, 75 und 59 cm hohen, sehr schmal voneinander abgetreppten Quader- schichten, auf deren oberer die senkrechte

') Vgl. Delbrück a. a. 0. 12 Taf. 1, 2 und 16 Taf. II, 3; ders., Hellenistische Bauten in Latium II 7 Taf. 6.

J) Studniczka 24 mit Anm. 18. Rom. Mitt. XXI 1906, 220 ff. Taf. 6 8 (Fiechter). Noack, Baukunst des Altertums 56 f. Taf. 72. Springer, Michaelis, Wolters, Handbuch I » 450 Abb. 883.

3) Studniczka 27 mit Anm. 36. Antike Denkmäler I Taf. 13. Noack, Baukunst des Altertums 117 Taf. 146.

4) Comptes rendus de l'acad. d. inscr. et belles- lettres 1910, 76 ff. u. 509 ff. (Förmig^).' Zeitschr. f. Gesch. d. Architektur V 191 1, 63 ff. (Aug. Thiersch).

Wand aufsitzt, zurückweichend um die Tiefe eines starken, etwa einem umgekehrten les- bischen Kyma ähnelnden Fußprofils. Eine Einbettung auf der Oberstufe in der Mitte der Südseite scheint die Spur einer Tür zu sein, die in ein Treppenhaus hinaufführte, selber aber doch .wohl Äur mit Hilfe einer vorge- legten Freitreppe zugänglich werden konnte. Griechische Bauweise wäre es gewesen, diesen Zugang durch Einarbeitung der für praktischen Gebrauch erforderlichen Stufen in eine normal breite Krepis herzustellen. Deren Verkümmerung aber zu ganz schmalen wagerechten Flächen entfremdet sie völlig ihrer ursprünglichen Bedeutung. Dieser Wandel der Form wirkt sogar noch in der kreisförmigen Krepis unter dem Rundbau in der Höhe nach, die aus vier verschieden hohen, ganz schmal sich abtreppenden Glie- dern besteht, wie Formiges Wiederherstellung besser als das in Wirklichkeit beschädigte Profil im Südwesten erkennen läßt1). Auf die von Niemann und Benndorf in wesent- lichen Punkten abweichenden neuen Rekon- struktionen von Formige und August Thiersch gehe ich im übrigen nicht ein 2). Schon in augusteischer Zeit ist mit rein griechischen Bauformen auch der auf einer Krepis ruhende Peripteros in die römische Kunst eingedrungen 3). Wichtiger scheint es hier, daß in der Blütezeit des stadt- römischen Klassizismus die am Julierdenk- male begonneneUmbildung der Krepis weiter- geführt wird. Denn die Podiumwand der Moles Hadriani erhob sich auf vier ver- schieden hohen, nach oben immer schmäler werdenden Stufen, in die das Portal wie am Heroon -zol [iap[j.apa einschnitt 4). So leitet dieses Kaisergrab über zu einem Denkmale des dritten Jahrhunderts, dem Grabmale der Secundinier zu Igel 5). Hier ist dem aus vier faszienartig schmalen Abtreppungen

') Vgl. Förmige1 a. a. 0. 82 f. Abb. 2 u. 3 und die Tafel zu S. 510, die wiederholt ist bei Cagnat u. Chapot, Manuel de l'arch^ologie romaine I, 1916, 269 Abb. 138.

*) Die ältere Rekonstruktion z. B. Studniczka 19 Abb. 3, wozu Anm. 3 die Literatur bietet.

3) Studniczka 25 mit Anm. 24.

4) Studniczka 20 f. Abb. 4. Rom. Mitt. VI 1891, 137 ff. mit 2 Abbildungen (Hülsen).

5) Studniczka 27 mit Anm. 37. Springer, Micha- elis, Wolters, Handbuch I" 513 Abb. 990.

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bestehenden Unterbau soviel Eigenwert zu- gemessen, daß er an Höhe die reliefge- schmückte Basis unter dem Hauptgeschosse, das von korinthischen Eckpilastern um- schlossen ist, übertrifft. Die Igeler Säule geht hierin also auch über das Verhältnis hinaus, das in Stuarts Wiederherstellung die Vierstufenkrepis des Lysikratesmonuments zum Podium darüber einnimmt. Immerhin aber stellt sich jene Rekonstruktion am nächsten zu den zuletzt betrachteten Bau- werken aus römischer Kaiserzeit. Sie er- weist sich also als geschichtliche Unwahr- scheinlichkeit.

Die aus dem Zustande des Denkmals ge- schöpften, leider nicht ganz einwandfrei be- gründeten Bedenken Lützows gegen Stuarts Wiederherstellung erfahren durch den Über- blick über die Geschichte des fraglichen Bau- gliedes eine starke Stütze. Nicht eine Krepis, sondern eine schlichte, schmale Fußleiste leitete das Podium des Lysikratesmonuments ein, wie sie unter den betrachteten Bau- werken ein Tempel am Forum Holitorium zu Rom zufällig am ähnlichsten aufwies '). Schwerer als jene Analogie wiegt die des Athenatempels zu Priene. Denn dessen Cellamauer ruht nicht auf einem reichprofi- lierten Fuß, wie er an ionischen und korin- thischen Bauten der Zeit, etwa der Tholos von Epidauros oder dem Philippeion zu Olympia, gewöhnlich ist 2). Statt seiner springt vielmehr unter der aufgehenden Wand mit Ausnahme der Anten nur ein 29 cm hohes, 11 cm breites Band vor 3). Die größere Schlankheit desselben Gliedes am Lysikratesdenkmal ist der Gesamtwir- kung des leicht aufstrebenden Baues an- gepaßt. Wird aber der quadratische Unter- bau durch den Fortfall der unteren drei

') Oben Sp. 36 Anm. 5. Schon Jan fand, in Bau- meisters Denkmälern II 838, nur eine Stufe wahr- scheinlich, wiederholte aber trotzdem Hansens Zeichnung. Die richtige Rekonstruktion finde ich allein bei Kohte, Die Baukunst des klassischen Altertums und ihre Entwicklung in der mittleren und neueren Zeit, 1915, 116 Abb. 139; nur die An- bringung des Dreifußes fordert Bedenken heraus.

J) Tholos von Epidauros: Sitz-Ber. Akad. d. Wissensch. Berlin 1901, 536 ff. Taf. 2 (Kavvadias), danach Arch. Anz. 1909, 11 1 ff. Abb. 7 u. 8 (Karo). Aufnahmen der preuß. Meßbildanstalt 1340, 9 12. Pbilippeion: Olympia II 131 (Adler).

3) Wiegand u. Schrader, Priene 95.

Stufen niedriger und schlichter, so dominiert um so mehr der aus edlerem Stein, aus pen- telischem Marmor, errichtete Rundbau, des- sen nach oben immer reicher werdender Schmuck auf die stolze Krönung durch den Siegespreis vorbereitete. So scheint sich die Zurückhaltung des Podiums an Zier- gliedern dem Gesamtplane auch aus ästhe- tischen Gründen gut einzufügen. Doch soll darum nicht geleugnet werden, daß das nächste um nicht gerade zu sagen, das letzte Wort über die Wiederherstellung des Lysikratesdenkmales nicht der kunst- vergleichende Theoretiker, sondern der Prak- tiker des Spatens zu sprechen haben wird. Zum Schluß sprach Herr E. mann über das Auge am Schiffe des Alter- tums und entwickelte seine, von den zuvor üblichen abweichenden Ansichten. Das Auge war keine verzierte Ankerklüse; Ankerklüsen kannte das Altertum nicht. Der achtstrahlige Stern am Vorschiff der ungriechischen Di- pylonschiffe ist kein Auge, sondern wahr- scheinlich zusammenzustellen mit dem gleich- artigen Sonnensymbol der Babylonier und Assyrer auf Standarten, Altären usw. Das hochliegende, große, symbolische Auge ist scharf zu trennen von einem selteneren, kleir nen, tiefsitzenden, welches mit der Bemalung des Rammbugs als Fisch- oder Schweinskopf zusammenhängt; der älteste Rammsporn ent- stand nach dem Vorbilde des Schwertfisches, welcher Schiffe durchbohrte, versenkte. Be- achtenswert erscheint ein Schiffsauge im kleinen Altarfries von Pergamon (175 v. Chr.) als die älteste Darstellung des Lichtreflexes der Hornhaut im Relief, während jener sonst erst im I. Jahrhundert n. Chr. in der Malerei und im 2. massenhaft in Skulpturen er- scheint. Die am Zea-Hafen gefundenen Marmoraugen eignen sich nicht zu Bestand- teilen der Trieren. Nur Kriegsschiffe, nicht Handelsschiffe, führen das Auge; dieses Ge- setz läßt sich rückwärts verfolgen bis ins 3. Jahrtausend v. Chr. hinauf bei den Ägyp- tern (Schiffe des Königs Sahure). Damit wird vervollständigt, was Furtwängler ohne an die Schiffe zu denken über die Herkunft des griechischen Motivs der großen Augen aus Ägypten gesagt hat. Die ägypti- schen Schiffsaugen sind wohl durch'die viel- gefeierten Augen des Gottes Horus zu er-

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Archäologische Gesellschaft zu Berlin. März-April-Sitzung 1920.

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klären. Der Vortragende schilderte den Le- benslauf dieses symbolischen Schiffszierats von den Ägyptern zu Phöniziern, Griechen, Römern durch drei Jahrtausende bis zu sei- nem Erlöschen in der römischen Kaiserzeit und beleuchtete dabei die Unrichtigkeit und Nebensächlichkeit der in Altertum und Neuzeit versuchten Zweckbestimmungen des Schiffsauges.

Sitzung vom 2. März 1920.

Herr Dessau legte die kürzlich als I. Heft der Abhandlungen der Gießener Hochschul- gesellschaft erschienene Abhandlung von R. Herzog, Aus der Geschichte des Bank- wesens im Altertum, Tesserae nummulariae •vor.

Herr.Wiegand machte zwei weitere Vor- lagen : 1 . einiger von der Direktion der Glypto- thek Nykarlsberg übersandter Photogra- phien der neuerworbenen Jünglingsstatue aus Epidauros, eines lebensgroßen Por- trätbildes aus etwa augusteischer Zeit. Die Haltung und Gewandung entspricht derjeni- gen des Aeschines in Neapel. Der Kopf war besonders eingesetzt. Ein zweites Exemplar ohne Kopf und Füße befindet sich noch im Museum zu Epidauros. 2. zweier von dem Direktor des Museums zu Kertsch, Herrn Prof. Dr. Skorpil, mitgeteilter Photographien eines Tumulus auf der Halbinsel Taman (am Asowschen Meer) mit einem durch Raubgrabungen zutage getretenen Marmorsarkophag, dessen Formen (flacher Giebel mit Akroterien, Stirngiebeln und Zahnschnittgesimse) aufs engste verwandt sind mit denen der rein architektonisch ge- schmückten Frauensarkophage aus der Ne- kropole zu Sidon (O. Hamdi Bey und Th. Reinach, La Necropole de Sidon Taf. 40). Doch sind die Formen etwas einfacher ge- halten, es fehlt der Weinrankenfries und der Mäanderstreifen. Im Giebelfeld ist eine Ro- sette angebracht, während bei den sidoni- schen Sargen ein Rankenmuster das Dreieck füllt. Die Wände der sidonischen Särge sind ohne Verzierung, dagegen zeigt der neuge- fundene Sarkophag auf allen Seiten Rosetten in einem schmalen, vertieften Mittelfelde (8 an jeder Langseite, 3 an der Schmalseite). Diese Rosetten zeigen Spuren von Ver- goldung.

Darauf gab Herr Schweitzer (als Gast) einen Überblick über seine in den Atheni- schen Mitteilungen XXXXIII 1918 erschie- nenen »Untersuchungen zur Chrono- logie und Geschichte der geometri- schen Stile in Griechenland II«.

Zum Schluß sprach Herr Noack über Roberts »Archäologische Hermeneu- tik«, zeigte an Hand von Lichtbildern die Reichhaltigkeit dieses Werkes auf und schloß mit einer kurzen Darlegung des Le- benswerkes des Autors, der demnächst sein 70. Lebensjahr vollendet.

Sitzung vom 13. April 1920.

Herr Schiff legte den III. abschließenden Band des Werkes »Iranische Felsreliefs« von F. Sarre u. E. Herzfeld vor, Herr Wiegand die Schrift von F. Sartiaux, L'archeologie francaise en Asie Mineure et l'expansion allemande. Les fouilles et le sac de Phocee. Paris 1918.

Herr HubertSchmidt hielt einen Licht- bildervortrag über »Skythisches Kunst- gewerbe in seiner Beziehung zu Alt- Europa und zum alten Orient«.

Die Grundlage unserer Kenntnis von den Skythen und' ihrem Lande bilden die Nach- richten Herodots über die Verbreitung der Skythenstämme in Südrußland sowie seine Angaben über ihre Herkunft, Sitten und Gebräuche, ferner über Sage und geschicht- liche Tradition der Skythen. Die südrussi- schen Kurgane, Grabhügel meist mit mächti- gen Holzbauten, seltener mit Steinkonstruk- tiopen, aus denen die einschlägigen Funde stammen, verteilen sich zwischen dem 45. und 50. Grad n. Br. auf dem Gebiete zwischen Donau- und Don-Mündung, das durch die besonders reich ausgestatteten Kurgane des Kubangebietes nicht unwesentlich erweitert wird, während nördlich nur vereinzelte Kur- gane am oberen Don im Woroneschbezirke hinzukommen. Eine Vorstellung vom Aus- sehen, der Tracht und manchen Lebens- gewohnheiten des skythischen Reitervolkes gewinnen wir aus einigen Kleinfunden und aus Darstellungen auf griechischen Prunk- gefäßen südrussischer Herkunft. Eine me- thodische Bearbeitung dieses südrussischen Fundmaterials, das besonders in den beiden letzten Jahrzehnten durch ordnungsmäßige

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Grabungen vermehrt worden ist, muß drin- gend erwünscht sein, um Art, Umfang und Entwicklung des »skythischen Kunstgewer- bes« festzustellen. Furtwängler hatte bei der Bearbeitung des von ihm als »altjonische« Produkte erwiesenen Goldfundes von Vet- tersfelde (Niederlausitz) nach dem ver- schiedenartigen Inhalte der reich ausgestatte- ten Königsgräber vom Kul Oba bei Kertsch und von Tschtertomlyk bei Nikopol drei Arten von Arbeiten unter den Grabbeigaben zu unterscheiden gesucht: rein griechische, mixhellenische und skythische. Der Vor- tragende greift unter ausdrücklicher Be- schränkung auf die Fragestellung seines Themas aus der Überfülle südrussischer Kurganfunde 3 Gruppen von Gegenständen heraus: Waffen (dxivotX7j?, fopuxo?), Pfer- degeschirrschmuck und Kleider- schmuck, um so die Frage nach den Be- ziehungen des skythischen Kunstgewerbes zum klassisch-griechischen Altertum einer- seits und zu den Kulturen Vorderasiens andererseits zu erörtern. An mehreren Bei- spielen von Kurzschwertern, Schwertschei- den und Bogenbehältern wird gezeigt, wie rein griechische Erzeugnisse zunächst von solchen sich unterscheiden, die nach dem Geschmacke der skythischen Abnehmer in griechischen Werkstätten verfertigt worden sind; dazu kommen Nachahmungen griechi- scher Arbeiten aus skythischen Werkstätten. Neben dem griechischen Import trat der persische auf, der gleichfalls in skythischen Werkstätten nachgeahmt wurde. Als Kri- terien für die Provenienzbestimmung dienen außer der Stilgebung vor allem die Typen, die besonders beim Pferde- und Kleider- schmuck verwendet wurden; unter ihnen werden hervorgehoben: Palmette, gehörnter Löwe, Löwe mit geöffnetem Rachen, Adler oder Adlerkopf und Greif; dazu kommen das eigenartige Kampfschema Löwe-Greif und der liegende Hirsch mit horizontal gestelltem Geweih. Aus ihrer Formenanalyse ergeben sich für das skythische Kunstgewerbe zwei Perioden: eine jungskythische des 5. bis 4. bzw. 3. Jahrhunderts v. Chr. unter dem Einflüsse des griechischen (pontisch-griechi- schen und attischen) und persischen (oder griechisch-persischen) 'Stils und eine alt- skythische des 7. 6. bzw. 5. Jahrhunderts

v. Chr. In der altskythischen Stufe machten sich verschiedene Einflüsse geltend: teils altjonische, teils vorderasiatisch-orientali- sche. In Vorderasien gehören die charak- teristischen Typen teils der phönikischen und assyrischen Kunst des 7.-6. Jahrhunderts v. Chr. (Palmette, Greif) an, teils lassen sie sich in die ältere Stufe des 2. Jahrtausends zurückverfolgen; und zwar sind es zwei For- menkreise, die nachgewirkt haben, der der Hethiter (Sendschirli und Karchemisch: Adlergreif-Dämon und gehörnter Greif; lie- gender Hirsch im Tell-Halaf nach Frhr. v. Oppenheim) und der der Kassiten- dynastie von Babylon (Kudurrubilder mit Göttersymbolen und Mischwesen). An dieser künstlerischen Tradition Vorderasiens haben die pontischen Skythen Anteil genommen. Wie erklärt sich das? Diese Frage ist des- wegen berechtigt, weil es in Südrußland aus der Zeit vom 8.-5. Jahrhundert v. Chr. an Importstücken vorderasiatischer Herkunft fehlt, die den skythischen Künstlern als Vorbilder für ihre Schmuckformen hätten dienen können. So wird man auf die Sky- thenscharen geführt, die im 7. Jahrhundert v. Chr. in Vorderasien eine geschichtliche Rolle gespielt haben. Die Überlieferung Herodots, wonach die Skythen in »Verfol- gung« der von ihnen verdrängten Kimmerier von Südrußland nach Asien gelangt seien und dort (ttjv avu> 'Aatav) 28 Jahre lang geherrscht hätten man nimmt die Gegend des Urmia-Sees als ihr Gebiet an , ist in letzter Zeit durch die Keilschrifttexte des 8. und 7. Jahrhunderts v. Chr. über die Aä- kuzai (Skythen) und Gimirrai (Kimmerier) in glänzender Weise bestätigt worden. Unter Assarhaddon (681—669) war sogar die Hal- tung des Skythenreiches unter König Barta- tua (nach H. Winckler = dem npu>TO&osuc Herodots), der um die Hand der Tochter des Assyrerkönigs nicht vergeblich anhielt, für den Bestand des Assyrerreiches von ent- scheidender Bedeutung. Die asiatischen Skythen müssen also als Vermittler der Typen betrachtet werden, die ih'ren ponti- schen Stammesgenossen als künstlerische Vorlagen gedient haben.

Über die angeschnittenen Probleme und über weitere Fragen, die das Skythische Kunstgewerbe, im besonderen den skythi-

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sehen Stil betreffen, ausführlicher zu han- deln, behält sich der Vortragende vor, wenn ein von der vorgeschichtlichen Abteilung des Museums für Völkerkunde erworbenes Silber- depot von Pferdegeschirrschmuck veröffent- licht werden wird.

Sitzung vom 4. Mai 1920.

Herr Regling sprach über den Löwen als Münzbild vom 7. bis ins 4. Jahrhun- dert. Die stilistische Entwicklung des Lö- wenbildes auf den Münzen wurde in Parallele gestellt zu der auf den andern Kunstdenk- mälern, von denen namentlich die wichtig- sten Rundplastiken, Reliefe und vor allem die Vasenbilder herangezogen wurden, und in 8 Perioden zerlegt, die Zeit von etwa 700—610, 610—560, 560—520, 520—480, 480-450, 450—420, 420-390, 390—300 um- fassend. Was die Haltung des Löwen an- geht, so wird anfangs zu leichterer Anpassung an das Rund der Münze das Vorderteil oder der Kopf allein vor der Ganzfigur bevorzugt ; aus gleichem Grunde ist Rückblicken beliebt. In Ganzfigur erscheint, von sporadischen Bei- spielen für das stehende oder sitzende Tier abgesehen, zunächst nur der liegende Löwe. Seit Ende des 6. Jahrhunderts entwickelt sich aus dem Vorderteil mit erhobener Tatze einerseits, dem liegenden Tier andrerseits die Ganzfigur des stark geduckten, also stutzen- den Tieres, eine im 5. Jahrhundert besonders beliebte Form, die im 4. wieder seltener wird. Die Gruppe des Löwen auf seiner Beute (Stier, wohl auch Eber, Hirsch) tritt seit Mitte des 6. Jahrhunderts zuerst wappenartig in Akanthos auf, wird dann im 4. Jahrhundert häufig, damals auch erst der ein Beutestück verzehrende, später auch eine Waffe zer- beißende Löwe, der in den wenigen archai- schen Typen derart meist nur Ausschnitt aus der Gruppe ist. Der ruhig schreitende Leu endlich erscheint erst im letzten Viertel des 5. Jahrhunderts. Zahlreiche Beispiele dafür gibt es erst im 4. Jahrhundert.

In bezug auf die Kopfform des Tieres zeigt es sich, daß von Anfang an zwei Formen nebeneinander hergehen, eine seltenere na- türliche, polygonale, mit schräg abfallender Gesichtslinie, starken Absätzen an der Mäh- nenwurzel (die Mähne daher gesträubt) und am Stirnbein, schräger Linie von Nase

zum Unterkiefer, mit in der Mähne versteck- tem Ohr, und eine konventionelle, vom Vor- tragenden vorläufig als »lydische« bezeich- nete, mehr rundliche bis viereckige, mit wagerechter Gesichtslinie, minder scharfen Absätzen, mehr anliegender Mähne und her- vorstehendem Ohr, oft mit parallel klaffen- den Kiefern. Diese »lydische« Form, die hethitischen Kunsteinflüssen zu entstammen scheint, wird seit Ende des 6. Jahrhunderts durch die natürliche fast verdrängt (eine Ausnahme bildet zunächst noch Leontinoi), erscheint aber um die Mitte des 5. Jahrhun- derts wieder in den Prägungen des südlichen Kleinasiens (Lykien, Kypros, dazu Sidon) und wird im 4. Jahrhundert wieder allgemein verwendet.

Die Mähne ist anfangs ein geometrisches Gebilde; beliebt ist grätenförmige, auch schuppenförmige Anordnung, sonst parallele Fäden und Punktierung. Im 6. Jahrhundert entwickeln sich daraus natürlichere Bildun- gen, aus Keilen, Fäden und Flocken. Seit Ende des 5. Jahrhunderts macht sich das Bestreben nach Auflockerung geltend, das im 4. zur Regel wird. Archaisierende Mäh- nenbehandlung ist nicht selten (milesische Drachme des Hekatomnos).

Haupt Charakter der Löwenbildung an- fangs der des apotropäischen Schreckbildes; daher die gesträubte Mähne, der weit geöff- nete Rachen mit blekender Zunge und ge- waltigen Zähnen, die glotzenden Augen und die erhobene Tatze. Eine stachlige Narbe auf der Stirn, im südlichen Kleinasien auch Hörner und Flügel, sind andere, aus Vorder- asien entlehnte Requisiten dazu. In der Periode von 560/520 wird diese Wildheit gleichsam eine bewußte, im reifarchaischen Stil 520/480 wird sie dann teils zur Manier übertrieben, affektiert, teils schon gemildert, wie das schreckliche Tier nun bald über- haupt seltener wird. In der Zeit 4^0/450 wird diese Milderung Regel; seit etwa 400 v.Chr. wird die Milderung zur Zähmung, im 4. Jahrhundert wird dann im Zusammen- hang mit dem damaligen Streben der Kunst nach Beseelung der Ausdruck zuweilen der einer wehmütigen Klage. Andrerseits führt dasselbe Streben zur Beliebtheit der Dar- stellung des Löwen in lebhafter Aktion (auf Beute, fressend, die Waffe des Gegners zer-

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Archäologische Gesellschaft zu Berlin. Juni-Sitzung 1920.

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beißend) und bringt hier wieder eine patheti- sche Steigerung der Wildheit hervor.

Die örtliche Verbreitung des Löwen auf den Münzen : Mutterland und Inseln treten ganz zurück. Im Westen erscheint er nur in besonderen Fällen, nämlich in Leontinoi als redendes Wappen, in Hyele und Messana (Skalp) als Entlehnung aus dem kleinasiati- schen Mutterland, einmal als Nebenzeichen in Syrakus (Demareteion) , als Brunnen- mündung in Himera, als Tier des eponymen Heros in Herakleia, dann hie und da in Etrurien. Sein Hauptgebiet ist das west- liche Kleinasien, wo z. B. sein Kopf oder Vorderteil bei den lydischen Königen, in Milet, Lindos, Mylasa (?), Kyzikos, Knidos, im thrakischen und karischen Chersones, sein Skalp in Samos geradezu Wappen ist, und von wo er vereinzelt auch nach Nord- griechenland, der Krimgegend und Kyrene übergeht, dann das südliche Kleinasien bis nach Kypros und vereinzelt nach Phönikien und Karthago hin.

Sitzung vom 1. Juni 1920.

Herr Koldewey sprach über das Werk von Max Theuer, Der griechisch- dorische Peripteraltempel. Ein Beitrag zur antiken Proportionslehre. Berlin, Wasmuth. 1918.

Bei der Maßuntersuchung von 27 dori- schen Peripteraltempeln kommt Theuer zu dem Schluß, daß die Säulenstellung der Peristase von der Basis des Tempels ab- hängig sei, daß auf diesem Grundverhältnis die übrigen Verhältnisse des Tempels eben- falls mehr oder weniger ausschließlich be- ruhen, daß bestimmte Grundverhältnisse für bestimmte Gottheiten bezeichnend seien und daß ein Tempel, dessen Grundverhältnis in der Stereobatlinie liegt, einer männlichen Gottheit, wenn sie im Stylobat liegt, einer weiblichen Gottheit gewidmet sei.

Alles das kann, zum mindesten nicht in der Allgemeinheit angenommen werden.

Will man sich zunächst über die 'Unter- schiede, in welchen die 10 von Theuer ange- führten Grundverhältnisse zueinander ste- hen, klar werden, so muß man die Brüche, durch welche die Zahlenwerte der Verhält- nisse zum Ausdruck kommen, um sie auf ein und denselben Nenner zu bringen, in Dezi-

malbrüche verwandeln. Es ergibt sich dann,

8 =0,375 13 =0,380

5 =, 0,400 12 = 0,416

7 = 0,428

4 5 7 9 12

9 = 0,444 1 1 = 0,454 1 5 = 0,466

19 = o,473 15 = 0,480

wie aus der vorstehenden Zusammenstellung hervorgeht, daß sie sich in ganz außerordent- licher Weise nahestehen. Das Verhältnis 12 : 25 unterscheidet sich von 9 : 19 nur um sieben Tausendstel. Wenn ein Tempel von der Größe des Tempels von Aegina, der nach Theuer ein Verhältnis von 12 : 25 hat, nur um 7 cm breiter wäre, so würde er weder das Grundverhältnis von 12 : 25 besitzen, noch das nächstliegende von 9 : 19, müßte also aus der Liste dieser Verhältnisse überhaupt gestrichen werden. Auf einen solchen Grad von Genauigkeit sind viele Tempel nicht zu messen, z. B. D, F, G in Selinunt, der Apollo- tempel auf Ortygia, der Zeustempel in Ne- mea, das Olympieion in Syrakus, die Tavole Paladine in Metapont, der Athenatempel auf Ortygia. Bei andern ergibt die Berechnung eine Differenz zu den von Theuer aufge- stellten Verhältnissen, die weit über das hinausgeht, was schon bei dem eben ange- führten Beispiel von Ägina als unzulässig nachgewiesen wurde. So zeigt der Herakles- tempel von Akragas gegenüber dem errechne- ten Verhältnis von 2 : 5 eine Differenz von 59 cm, die Basilika von Pästum 12, der Po- seidontempel von Pästum 55, der Ceres- tempel 20, E in Selinunt 30, Juno Lacinia in Akragas 30, Sunion 28 cm. Abgesehen von C und dem Heraion in Olympia, bleiben demnach im wesentlichen nur die jüngeren Tempel übrig. Von diesen hat die Hälfte die Grundmaße im Stylobat, die Hälfte im Stereobat. Daraus zu schließen, daß die einen feminin, die andern maskulin seien, scheint nicht rätlich, da im Grunde genom- men das gelegentliche Vertauschen von Stylobat und Stereobat bei der Annahme der Grundmaße nur die Möglichkeit ver- doppelt, den betreffenden Tempel überhaupt in eine der angenommenen Verhältnisklassen aufzunehmen.

Auch den Zuweis bestimmter Verhält- nisse an bestimmte Gottheiten halte ich für verfehlt. Für 3:8= Hera kanrf nur das Heraion in Olympia angeführt werden, denn

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bei E ist das Verhältnis, bei C die Gottheit unbekannt. Bei 2:5= Apollo stimmt nur Phigalia, während beim Heraklestempel in Akragas, bei Segesta und beim Apollotempel auf Ortygia entweder die Gottheit oder das Verhältnis fehlt. Für Zeus = 5:11 läßt sich nur Olympia nennen, da bei Nemea, wie wir oben sahen, das Grundverhältnis sich nicht nachweisen läßt.

Besonderen Wert legt Theuer auf die Dia- gonale im Basis-Rechteck, die ja graphisch deren Verhältnis darstellt. Durch sie soll die Lage der Cellawände bestimmt werden. Sie bestimmt indessen meist weiter nichts, als daß die Cella, wie nicht anders zu er- warten ist, ungefähr dasselbe Verhältnis hat wie die Tempelbasis, und der Möglichkeiten, daß die Diagonale durch einen der Schnitt- punkte der Cellawände geht, sind viele.

Bei der sonst sorgfältigen und fleißigen Durcharbeitung der Tempelmaße kann man Theuer den Vorwurf nicht ersparen, daß er, nicht selten, anstatt der tatsächlichen Ab- messungen solche einsetzt, die restlos zu den gewünschten Verhältnissen passen. So nimmt er beim Poseidontempel zu Pästum dessen Breite um 55 cm größer an, als sie an beiden Tempelfronten einwandfrei ge- messen ist, und stützt sich dabei auf eine vage Angabe Burckhardts. Am Zeustempel von Olympia wird aus verschiedenen ab- soluten Maßen eine Elle von 0,5225 m be- rechnet, zu welcher also ein Fuß von 0,348 m gehört. Gleichzeitig wird der Gesamtumfang desselben Tempels auf ein Stadium von 194,08 m bestimmt, zu welchem also ein Fuß von 0,323 m gehört. Demnach wären am Tempel von Olympia zwei verschiedene Füße verwendet worden !

Neu, aber nicht einleuchtend ist Theuers Erklärung der Kurvatur am Parthenon. Hier erfüllt die Ordnungshöhe mit 13,7288 m an den Giebelseiten zwar das geforderte Grund- verhältnis von 4 : 9, aber an den Langseiten kommt dazu noch die Höhe des aufliegenden Traufziegels, so daß die Ordnung an den Langseiten 13,830 m beträgt. Theuer fährt dann fort: »Um daher die voneinander ver- schiedenen Oberkanten des Gebälks in die gewünschte Höhenlage zu bringen, war man genötigt, das Gebälk der Seitenfront und mit ihm die Säule beim Zusammenstoß an der

Achäologischer Anzeiger 1920.

Ecke zu senken. ... So kam die Gebälkhöhe in der Mittelachse der Hauptfront nahezu in eine horizontale Gerade mit jener an der Ecke zu liegen. Da sich aber der höchste Punkt des Stylobates der Seitenfron über den Nullpunkt um 0,127 m erhob, so war damit der Übelstand verbunden, daß man nun an der Seitenfront gerade das erzielte, was rfian an der Schmalfront zu vermeiden suchte: ihr höchster Punkt im Gebälke lag nun um dieses Maß zu hoch. Dies zu um- gehen, wurde jedoch die ganze Tempelplatte von West nach Ost gesenkt.« Ich glaube nicht, daß diese Annahme viele Anhänger finden wird. Denn danach hätte der Bau- meister des Parthenon einer Unstimmigkeit, die er selbst veranlaßt hat, durch eine zweite Unstimmigkeit entgegengearbeitet, die dann durch eine dritte wieder wettgemacht werden mußte.

Unter den verschiedenen Verhältnisreihen, welche Theuer hervorhebt, befinden sich viele, die wir dankend entgegennehmen, be- sonders den Hinweis auf das, wie es scheint, öfter wiederkehrende Verhältnis von w : 2 n + 1 und das von n:2M + 2, also die um eine oder um zwei Einheiten vergrößerte doppelte Länge. Eine weitere Würdigung dieses Verhältnisses, das Theuer auf die Drei- eckszahlen und die Quadratzahlen des Py- thagoras zurückführt, müssen wir dem Ma- thematiker überlassen.

Das Vorhandensein eines bestimmten Ver- hältnisses in der Basislinie, das übrigens schon früher verschiedentlich bemerkt worr den ist, zeigt an sich nichts Auffälliges und ergibt noch nicht die Abhängigkeit der Peri- stase von der Basis, worauf Theuer hin- arbeitet. Die Peristase, die, bei den jünge- ren Tempeln stets, zunächst vomTriglyphon bestimmt wird, kann sehr wohl mit den Linien der Cella einerseits und mit denen der Basis andrerseits in Übereinstimmung ge- bracht werden. Denn, wie die obige Tabelle erkennen läßt, liegen die Verhältniswerte so dicht beieinander, daß es jedesmal nur der Zwischenschiebung eines geringen, absoluten, also willkürlichen, Maßes bedarf, um zwei einander berührende Verhältnisreihen mit- einander zu verbinden.

Theuer will womöglich die sämtlichen Ver- hältnisse eines Baues von einem einzigen

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Pausanias V 1 1,3.

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Grundverhältnis, das in der Basis liegt, ab- leiten, so daß die ganze Tempelberechnung eine zusammenhängende, lange Reihe er- geben würde. So ähnlich und vollkommen verknöchert lauten die Vorschriften Vitruvs. In Wirklichkeit sieht man überall nur ein- zelne, kürzere Verhältnisreihen, die, wo sie aufeinanderstoßen, die Zwischenschiebung eines absoluten Maßes, als einer federnden Größe, die wie ein Puffer oder ein Sicher- heitsventil wirkt, erfordern. In der Harmo- nie, auf deutsch: Fugung, dieser kürzeren Verhältnisreihen zueinander haben die rech- nenden Architekten des Dorismus, bei voller Wahrung künstlerischer Freiheit, von jeher ihre Freude und seit der. kanonischen Satzung auch ihre Erfolge gefunden.

Hieraufsprach Herr Schuchhardt über »Tierornamentik in Südrußland«.

Wenn in Griechenland und Rom Tisch- und Stuhlbeine in Tierfüße auslaufen oder ein Henkel mit einem Menschenkopf an das Ge- fäß anschließt, so ist unser Urtejil rasch ge- faßt: die Phantasie des Künstler hat der Materie einen lebendigen Odem eingeblasen. Merkwürdig unsicher aber ist heute das Urteil über die Verbindung von nichtklassischen Ornamenten mit animalischen Motiven. Man meint hier nach dem Vorgange von Ethno- logen, von Haus aus meist Ärzten (v. d. Steinen, v. Luschan, Ehrenreich, Neuhauß), daß das Ursprüngliche immer eine realisti- sche Tiergestalt gewesen sei, die nachher der Verkümmerung, Erstarrung verfiel und schließlich zur ganz geometrischen Form wurde. Der Vortragende bezeichnet das als grundfalsch. Auch hier liege das technische Ornament, Spiralgeschlinge (aufgenähte Schnüre) und Flechtmotive zugrunde, und nur durch Andeutungen oder in Teilen seien sie ins Lebendige heraufgehoben. Die Tier- ornamentik der primitiven Völker sei ein witziges Spiel mit Andeutungen, ein Er- wachen des Lebendigen, nicht ein Ein- schlafen und Herabsinken zum Toten. So hat in der germanischen Tierornamentik der Völkerwanderungszeit das Bandgeschlinge der Römer Köpfe und Füße und Schwänze erhalten, so in der skythischen des 4. Jahr- hunderts v. Chr. die Volutenverzierung der Griechen. Südrußland, der Ausgangspunkt dieser beiden Kulturen, ist von ganz früh bis

ganz spät eine merkwürdige Pflegestätte dieses Ornamentspieles gewesen. Die skythi- sche Zierweise mit ihren geschwollenen, saumgeschmückten Bändern hat die Donau hinauf weithin gewirkt auf die Frühlatene- kunst in Süddeutschland, in Frankreich und England. Ihre Vorstufen sind zu erkennen im Kaukasus. Ja, die weiter südlich in Susa, in Samarra, in Troja auftretenden Spuren von Tierornamentik haben offenbar auch ihren Ausgangspunkt in Südrußland, wo die Grabungen E. v. Sterns uns ihre steinzeit- lichen Anfänge vor Augen geführt haben. In dieser frühesten Bewegung dürfen wir nach der neuesten Sprachforschung (E. For- rer, Die acht Sprachen der Boghasköi-Inschrif - ten, Sitz.-Ber. d. Berl. Akad! 1919, 1029 ff.) den Übergang der Urinder von Europa nach Asien erkennen.

PAUSANIAS V 11,3.

Die folgenden Zeilen sollten eigentlich die Bemerkungen über die rcpoßoXij der Pan- kratiasten oben S. 72 f. A. 3 abschließen, stehen aber doch besser für sich. Auf dem vorderen Querriegel des olympischen Zeus- thrones waren nach Pausanias sirca dfdXp-aTa angebracht; xo 70p oföoov s$ aÜT<üv oux laaai Tpöirov SvTtva e^evsTO dcpavE?" ei7) 8 av d-yamapaTiov dpxa'<"v xaöxa [itp.TJp.aTa, ou 701p iro) ta ss tou? itatoa? £irl 7jXtxia? rtbrt xadstaxijxst ttjc 4>ei8ioo. Die letzten Worte gehören zu den umstrittensten im Pausaniastexte; eine Übersicht und Kritik der Versuche, die Stelle zu interpre- tieren oder zu korrigieren, gab H. Hitzig, Paus. II 1 S. 223, 342 f., der sich besonders auch mit C. Robert, Olympische Glossen, Hermes XXIII 1888, 449 auseinandersetzte. Neuerdings glaubte Ad. Trendelenburg, Pau- sanias in Olympia 1914, 87 mit Sicherheit <l>ei6tou in 'IcpiTOU verbessern zu können; der Vordersatz hat nach ihm etwa eiT) ffäv (irXTjv tou 7rat8o«) dfeovtap-dTwv dp^auuv Taöra p-ip-?j- paTa gelautet.

Es bedarf, meine ich, solcher immerhin ziemlich gewaltsamer Eingriffe nicht. Pau- sanias zog seinen Schluß auf dfcuviopaTa dp^aTa nicht aus der Darstellung oder Nicht - darstellung von Knabenwettkämpfen- im all- gemeinen, sondern aus der Wiedergabe eines

52 Eine neue Frauenfigur Myrons? Neue käufliche Abgüsse d. Formerei d. staatl. Museen zu Berlin, ca

einzelnen, besonderen Knaben - df (uvtaiiot. Zu Phidias' Zeit war aber allein das 7raf- xpdtiov Trai'otov noch nicht eingeführt; Trsfjnrqi %& ^ T«<< Tsaaapdxovca xal Ixaxov (2CX) v. Chr.) aüXa Ixs9tj ircqxpaxioo icatsi, xal Ivixa <t>ai6tp.o; AfoXeos ix ttoXsujc Tp<p- a'8o? (V 8, 11). So scheint mir, wie so oft darin stimme ich mit Trendelenburg S.7 durchaus überein , nur der leicht erklär- bare Ausfall zweier Worte anzunehmen, nach deren Einschub die Stelle voll ver- ständlich wird: -yotp irto xa ls xob? toxiSoc? (toü; ira^xpatiaota?) im TjXtxia; 7)87] xadeiaxYJxsi x9j; <Psi8too. Pausanias sah, ob mit Recht oder Unrecht, einen tom; in der irpoßoX7) des Pankratiasten dargestellt und schloß daraus auf dp^ata di(u>vt<j[iaxa, und zwar nicht nur für das eine, sondern auch für die übrigen dfaXuorax. Er durfte von seinen Lesern voraussetzen und erwarten, daß sie die Notiz kurz vorher, über die späte Ein- führung des ita^xpaTtov uat'oouv in Olympia in historischer Zeit, frisch im Gedächtnis be- wahrten.

Berlin. Erich Preuner.

EINE NEUE FRAUENFIGUR MYRONS?

Auf Tafel V des Katalogs der Griechischen Skulptur des Kairiner Museums von C. C. Edgar ist unter Nr. 27 461 eine in Memphis gefundene Marmorstatuette veröffentlicht, auf die ich die Aufmerksamkeit der Fach-- genossen lenken möchte. An sich schon ist wahrscheinlich, daß einer solchen sorgfältig gearbeiteten Statuette, die nach dem Stil dem späteren 5. Jahrhundert angehören muß, ein berühmtes Original zugrunde liegt. In diesem Falle scheint mir aber die Be- handlung des hochgegürteten Gewandes, die Neigung des leider durch schwarze Flecken entstellten Kopfes, der auch sonst gelitten hat, eine so nahe Verwandtschaft zu der Myronischen Athena zu zeigen, daß die Frage wohl erlaubt ist, ob wir hier eine neue Frauenfigur des attischen Meisters vor uns haben. Ich wiederhole hier Edgars Be- schreibung in der Hoffnung, daß vielleicht der eine oder andere Fachgenosse zufällig eine größere Aufnahme besitzt oder eine Wiederholung nachweisen kann. »Frauen- statuette aus weißem Marmor, 0,51 m hoch.

Der linke Fuß ist zurückgezogen. Sie trägt den Chiton mit dem Gürtel über dem Apo- ptygma, Sandalen. Ihr Haar ist auf beiden Schläfen zurückgestrichen und hängt in den Rücken herunter. Die Arme waren beson- ders angesetzt. Auf dem Kopfe sind Löcher angebracht, in denen wohl ein metallener Kopfschmuck saß. Spuren einer rosa Be- malung am Chiton. Vielleicht Köre. Die alte Basis ist klein, die jetzige runde modern aus Gips hergestellt.« F. W. v. Bissing.

NEUE KÄUFLICHE ABGÜSSE DER FORMEREI DER STAATLICHEN . MUSEEN ZU BERLIN.

Seitdem 1914 das Verzeichnis der käuf- lichen Gipsabgüsse zum letztenmal erschie- nen ist, hat sich der Bestand von Abgüssen klassischer Bildwerke um die im folgenden aufgezählten Stücke vermehrt. Die Werke, für die keine Literatur angegeben ist, sind in der »Kurzen Beschreibung der antiken Skulpturen im Alten, Museum 1920« be- sprochen. Auf sämtliche beigefügte Preise wird zurzeit ein Aufschlag von 100%, für das Entfernen der Gipsnähte außerdem noch ein solcher von 30% erhoben.

Form.-Nr. prejs

303 Unterteil der Bildnisstatue eines Anaximandros, aus Milet. Nr.

1599 ••••• 40.-

308 Statuette einer*Frau, archaisch, aus Kleinasien. Nr. 1744. Ant.

Denkm. III S. 52 Abb. 9 40.—

307 Statue einer Frau, archaisch, ein Huhn vor der Brust, aus

Kleinasien. Nr. 1577 130.—

742 Unterlebensgroßer Frauenkopf mit Haube, archaisch, aus Klein- asien. Nr. 1631 10.—

1452 Werkstück einer nischenartigen Anlage, mit Reliefs von Ro-

setten und einem Sphinx, ar- chaisch, aus Milet. Nr. 1614 .. 30.—

1453 Relief, Nike einen Stier opfernd, archaisch, aus Pergamon. Nr. 1709 8.—

145 1 Pfeiler mit Relieffigur eines nackten Mannes, archaistisch, aus Sardes. Nr. 883. L. Cur- tius, Die antike Herme 1 8 ff. . . 1 20.

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Institutsnachrichten.

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Form.-Nr. Preis

756 Bildniskopf des Anakreon. Nr.

1455 45

1444 Drei Friesplatten des Tempels

am Ilissos. Nr. 1483 80.—

1445 Basisrelief der Kopie der Athena Parthenos aus Pergambn. Alter- tümer v. Perg. VII, 1 Nr. 24 Beilage 3 25.—

2054 Überlebensgroße Statue einer Göttin phidiasischen Stils, aus

Pergamon. P. 23 400.

755 Bildnisherme des Euripides. Nr.

297. Arndt, Porträts Tafel 37 45.—

305 Statue der Nikeso, nebst Vorder- seite der Basis mit Inschrift, ausPriene. Wiegandu.Schrader, Priene 150 Abb. 120 300.—

302 Vordere Hälfte eines weiblichen Kopfes, vom Altar der Artemis Leukophryene in Magnesia. Kohte u. Watzinger, Magnesia am Mäander 178 Abb. 181... 15.— 2048 Weihinschrift Attalos' I. an Athena, von einem Bathron, aus Pergamon. P. 21. Altert, v. Perg. VIII, 1 S. 25 Nr. 21 . . . 20.—

1448 Grabrelief, aus dem Ölwalde bei Athen. Nr. 1462 30.

1446 Relief eines sitzenden Dichters, wohl des Menander, mit Maske

in der Linken. Nr. 951 6.—

1442 Reliefbildnis des Augustus. Nr.

1345 I5--

1441 Hochrelief eines jungen römi- schen Kriegers, aus Puteoli. Nr. 887 150.—

306 Kopf eines Dakers. Nr. 461. . 40.—

1449 Relief, Nachbildung des Apollon des Kanachos zwischen Fackel- trägern, aus Milet. Nr. 1592. Abgeb. Sitz.-Ber. Akad. der Wissensch. Berlin XXIII 1904

S. 2. •. 180.—

Das Relief des Apollon allein. 80.—

Form.-Nr. Preis

276 Bronzegefäß in Form eines kauernden Knaben mit Laterne, aus Trier. Antiquarium Inv. Nr. 30 242. Jahrb. d. Kgl. Pr. Kunstsamml. 1916, 14 ff 6.

743 Büste der Aphrodite von Melos. Nach einem Abguß des Rauch- Museums 40. -

INSTITUTSNACHRICHTEN.

Herr R. Delbrueck, der seit dem Be- ginn des Kriegszustandes mit Italien zur Disposition gestellt war, ist zum ständigen Hilfsarbeiter im Auswärtigen Amt und zum Regierungsrat ernannt worden.

Herr G. Karo hat einen Ruf an die Universität Halle angenommen.

Im Auftrage der Zentraldirektion hat sich Herr Fr. Studniczka nach Athen begeben, um unser dortiges Institut wieder zu eröffnen und während des Winters zu leiten. Auch Herr Fr. Hiller von Gaert- ringen wird den Winter in Athen ver- bringen.

Zu Mitgliedern der Zentraldirektion hat der Reichskanzler auf unsern Vorschlag die Herren L. Curtius in Heidelberg und R. Zahn in Berlin ernannt.

Es darf an dieser Stelle noch einmal daran erinnert werden, daß die erschienenen Bände der Römischen Mitteilungen (letzter abge- schlossener Band XXXIII 1918) durch die Buchhandlung W.Weber, Berlin, Charlotten- straße 48 , bezogen werden können. Die Athenischen Mitteilungen (Bd. 42 u. 43) sind einstweilen direkt von der Zentraldirektion zu beziehen.

Das Büro der Zentraldirektion ist bereit, nach Maßgabe der ihr zugegangenen Mit- teilungen, Auskunft über in Deutschland vor- handene ausländische archäologische Zeit- schriften und Einzelwerke aus den Jahren 1914 fr. zu erteilen.

JAHRESBERICHT DES ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUTS FÜR DAS JAHR 1919.

Über das verflossene Geschäftsjahr kann der Bericht kurz sein. Wir haben versucht, trotz aller sich ständig mehrenden Schwierigkeiten weiterzuarbeiten.

Herr Hirschfeld schied aus der Zentraldirektion aus, die in ihm ihr ältestes Mit- glied verlor, das seit einer langen Reihe von Jahren an der Arbeit der Zentraldirektion wie der Römisch-Germanischen Kommission regsten Anteil genommen hatte. An seine Stelle wurde auf Vorschlag der Akademie der Wissenschaften Herr Schuchhardt in die Zentraldirektion berufen. Ebenso schied Herr C. Weller aus, der lange Jahre hindurch als Referent und immer hilfsbereiter sachkundiger Berater unsere Interessen im Auswärtigen Amte wahrgenommen hatte und nach der Neugestaltung der Zentraldirektion als Vertreter des Reichskanzlers zu uns entsandt war. An seiner Stelle begrüßten wir in unserer Mitte Herrn von Gülich, leider nur für kurze Zeit, da er bald infolge der Umformung des Auswärtigen Amtes das Referat Herrn von Schnitzler übergab.

Zum 1. Oktober verließ Herr Knackfuß das Institut, um eine Professur an der Technischen Hochschule in München zu übernehmen. Voll Dankbarkeit gedenkt die Zentraklirektion seines erfolgreichen Wirkens auf den Ausgrabungsfeldern des Berliner Museums wie seiner Tätigkeit im Dienste des Instituts in Athen. Wir dürfen der Hoffnung Ausdruck geben, daß ihn, den so viele Fäden begonnener Arbeit an den griechischen Süden knüpfen, der Weg noch oft auch zu unserer athenischen Zweig- anstalt zurückführen wird.

Gleichzeitig mit ihm hat auch Herr Malten, der einer Berufung nach Königsberg folgte, seine langjährige, ,oft entsagungsvolle Tätigkeit an unserem Institut aufgegeben, für die wir ihm wärmsten Dank zollen. An seiner Stelle geht jetzt Herr E. von Mercklin dem Generalsekretär auch bei Herstellung des Jahrbuches' und der Athenischen Mit- teilungen, wie seither schon der Römischen Mitteilungen, zur Hand.

Mit dem letzten Tage des Berichtsjahres ging dann auch die Tätigkeit von Herrn Delbrueck an unserem Institut formell zu Ende. Nachdem die politischen Verhältnisse unsere römische Zweiganstalt zum vorläufigen Einstellen ihrer Tätigkeit gezwungen hatten, war er zuerst im Kriegsministerium, dann im Dienste des Auswärtigen Amtes tätig gewesen, in dem er mit dem 1. April 1920 zum Hilfsreferenten ernannt worden ist. Die Zentraldirektion ist sich bewußt, eine wie starke wissenschaftliche Kraft das Institut in ihm besessen hat. Mit dem Dank für sein Wirken muß sie zugleich der sicheren Hoffnung Ausdruck geben, daß Herr Delbrueck nur vorübergehend eine außerhalb unserer Wissenschaft liegende Tätigkeit übernommen hat und recht bald der Archäologie, die von ihm noch reiche Förderung erwartet, zurückgegeben werde.

II

Aus der Reihe seiner Mitglieder verlor das Institut durch den Tod die Herren "W. Cart-Lausanne (C. M.), J. Durm-Karlsruhe (O. M.), H. v. Fritze-Berlin (C. M.), P. Hartwig- Rom (O. M.), H. Hitzig-Ztirich (O. M.), Sp. Lambros-Athen (O. M.), E. Petersen-Hamburg (O. M.), B. Sauer-Kiel (O. M.), E. Vassiliu-Thera (C. M.) dessen bereits im Jahre 191 8 erfolgter Tod erst verspätet bekannt geworden ist, E. Wagner-Karlsruhe (O. M.).

Neu ernannt wurden zu korrespondierenden Mitgliedern die Herren P. Bosch Gimpera und J. Puig y Cadafalch, beide in Barcelona.

Von der Abhaltung einer Plenarversammlung mußte ebenso wie von der Verteilung von Reisestipendien abgesehen weden. Doch fand am 20. Dezember eine erweiterte Ausschußsitzung statt, an der auch die Herren Karo und Koepp teilnahmen.

Der Generalsekretär reiste gegen Ende des Berichtsjahres nach Rom zu Ver- handlungen über die Bibliothek unseres dortigen Instituts. Der erfreuliche Abschluß dieser Verhandlungen fällt bereits weit in das folgende Geschäftsjahr.

Vom Jahrbuch und Anzeiger erschienen Band XXXIII 3, 4 sowie die Bibliographie von 1918/19, von den Römischen Mitteilungen Band XXXI, der das von Herrn Caspari hergestellte Generalregister enthält, und Band XXXIII, von den Athenischen Mitteilungen Band XLII Heft 3 und 4 und Band XLIII.

Der von Herrn Robert bearbeitete Band III 3 des Sarkophagwerkes ist vollendet und erschienen.

Unsere Zweiganstalten in Rom und Athen konnten ihre Arbeit noch nicht wieder aufnehmen. In Frankfurt arbeitete neben Herrn Koepp wie bisher Herr Drexel. Die Wirksamkeit der Kommission war aufs äußerste durch die stets wachsenden Kosten jeder Arbeitsleistung bei gleichbleibenden Mitteln beeinträchtigt. Vor allem galt es, die regelmäßigen Veröffentlichungen aufrechtzuerhalten. Von der Germania wurde der III. Jahrgang abgeschlossen, von den Berichten der XL fertiggestellt. Außerdem er- schien das III. Heft der Materialien zur römisch-germanischen Keramik: Unverzagt, Terra sigillata mit Rädchenverzierung. Der Druck des zweiten Teiles des Kataloges der Sammlung in Bingen wurde von Herrn Behrens wieder aufgenommen, der Katalog der Sammlung in Hanau fast druckfertig gemacht. Auch an dem während des Berichtsjahres erschienenen Werke S. Loeschckes über die römischen Lampen von Vindonissa ist die Kommission in gewissem Sinne beteiligt.

An Grabungen konnte sich die Kommission nur in sehr beschränktem Maße be- teiligen, so in Mainz, wo eine Grabung im Legionslager durch örtliche Verhältnisse erzwungen wurde, und bei Hanau, wo Herr Wolff das Kastellbad auf dem Salisberg freilegte.

Die Reisen des Direktors mußten auf das äußerste beschränkt werden. Auch der Zuwachs der Bibliothek war gering.

Die Stadt Frankfurt hat uns auch in diesem Jahre durch Gewährung eines Zu- schusses zu den Kosten der Unterbringung des Instituts zu Dank verpflichtet.

HRBUCH DE

Tafel I.

bb. i a: Stelenkapi lasselbe in ägyptisc 55

. Abb. 4 und 5: Gemalte ägyptische Baldachinstützen. Abb. 6a: Volutenkapitell aus Theben. Abb. 6 b: es ägyptisches Papyruskapitell. Abb. 7 c: Gemalte Papyrusdolde. Abb. 8: Hölzernes ägyptisches Volutenkapitell.

I.

AHRBUCH DES INSTITUTS XXXV 1920.

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p. I : Ziegelmosaik vom Thronsaal Nebukadnezars. Abb. 2 : feil des Sippira-Reliefs. Abb. 3 : Relief von Chorsabad. Abb. 4 :

Trapeza. Abb. 7 : Kypnsches Hathorkapitell. Abb. 8 : Wandpfeiler von Tama

Tafel II.

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Abb. 5 : Fragment einer kyprischen Stele. Abb. 6 : Das Volutenkapitell von kyprisches Volutenkapitell.

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). I : K Eupho

JAHRBUCH DES INSTITUTS XXXV 1920

TAFEL IV

ARCHAISCHER JÜNGLINGSKOPF IN HANNOVER

JAHRBUCH DES INSTITUTS XXXV 1920

TAFEL V

ARCHAISCHER JÜNGLINGSKOPF IN WIEN

JAHRBUCH DES INSTITUTS XXXV 1920

TAFEL VI

ARCHAISCHER KNABENKOPF IN DRESDEN

TARENTINER BRONZEGEFÄSSE.

Die Untersuchungen, die ich vor dem Kriege an den Bronzegeräten aus den Vesuvstätten angestellt habe eine der Aufgaben des vom K. D. A. I. vor einigen Jahren begonnenen und von F. Winter geleiteten Pompeji-Unternehmens haben zum Ziel, einmal über die künstlerische Eigenart der Bronzen in ihrer Gesamtheit überhaupt aufzuklären und ferner, innerhalb einzelner Formengruppen zeitliche Reihen festzulegen, um alsdann jedem Abschnitt in der geschichtlichen Entwicklung das ihm Zugehörige zuweisen zu können. Besonders wertvoll muß es dabei erscheinen, wenn es gelingt, für die Zeit der höchsten Blüte Pompejis, die hellenistische Tuff- periode, greifbare Ergebnisse zu gewinnen. Es hat sich gezeigt, daß uns in der Tat nicht wenige ausgezeichnete Stücke erhalten sind, die man als hellenistisch bezeichnen muß. Diese hellenistischen Denkmäler haben aber noch eine um so größere Be- deutung, als sie für die wenigstens als Ganzes verschollene großgriechische Bronze- kunst einen Ersatz bieten und uns damit in die Lage versetzen, ein Urteil über die künstlerischen Absichten der großgriechischen Toreuten zu gewinnen und ihr Ver- hältnis zu der festländisch-griechischen und kleinasiatisch-griechischen Kunst zu bestimmen. Daß nämlich die Bronzen aus den Vesuvstädten, zum Teil gewiß an Ort und Stelle gefertigt, zum größeren Teil jedoch an einem Mittelpunkt künstlerischer Betätigung geschaffen und von dort in die Vesuvstädte eingeführt, den Niederschlag großgriechischer Kunstübung darstellen, ist eine Behauptung, die an und für sich große Wahrscheinlichkeit besitzt, die aber auch durch die Vergleichung mit erhaltenen Denkmälern aufs wirksamste unterstützt wird I). Die Denkmäler, die hier in Frage kommen, sind besonders die unteritalischen Tongefäße aller Art. Sie genügen eigent- lich schon, um die Behauptung zur Gewißheit zu erheben. Aber es ist natürlich nicht zu bezweifeln, daß die Beweisführung sich viel schärfer und straffer würde gestalten lassen, wenn es möglich wäre, die Vergleichungsobjekte nicht der Keramik allein, sondern auch der Metallkunst selbst zu entnehmen. Daß diese Möglichkeit nur in den seltensten Fällen gegeben ist, liegt gewiß an dem Mangel an Material in erster Linie, aber auch an der ungenügenden Kenntnis des Vorhandenen. Die aus Groß- griechenland stammendenfigürlichen und dekorativen Bronzen zu sammeln, ist daher eine ebenso dringende als schwierige Aufgabe, deren Lösung aber auch um so größeren

•) Die Nachweise für die hier aufgestellten grund- lagen, werden hoffentlich in nicht allzulanger

sätzlichen Bemerkungen, die schon vor Ausbruch Zeit in irgendeiner Form vorgelegt werden

des Weltkrieges im wesentlichen druckfertig vor- können. Jahrbuch des archäologischen Instituts XXXV. 7

84

E. Pernice, Tarentiner Bronzegefäße.

Gewinn verspricht. Wie viele Denkmäler, die in der Wissenschaft mit erborgtem Namen umlaufen, würden ihrer ursprünglichen Familie wieder zugeführt werden könnenl

Zu solchen Erwägungen sollen die folgenden Ausführungen eine Ergänzung bieten. Es ist der Versuch, für einige besonders wertvolle und schöne Bronzegeräte die großgriechische, insbesonders tarentinische Herkunft zu beweisen. Es handelt sich dabei hauptsächlich um die beiden griechischen Eimer, die Bruno Schröder im 74. Berliner Winckelmannsprogramm bekannt gemacht, mit verwandten Denk- mälern zusammengestellt, zeitlich eingeordnet und nach ihrer Heimat untersucht hat. Ich halte seine Ergebnisse für anfechtbar, ihre Widerlegung erfordert aber eine

Abb. 1 u. 2. Von einem Bronzeeimer in Berlin.

etwas eingehendere Behandlung, die bei der hohen künstlerischen und kunsthistori- schen Bedeutung beider Stücke gerechtfertigt erscheint.

Das von Schröder an erster Stelle abgebildete Fragment mit der Darstellung des Perseus und der Gorgone (Abb. 1 u. 2) gehört zu einer Gruppe von Eimern, die H. Willers, Neue Untersuchungen über die römische Bronzeindustrie (1907) S. 92, nicht gerade sehr glücklich Glockeneimer genannt hat. Die Eimer dieser Form sind nicht selten, und Schröder hat sich der dankenswerten Mühe unterzogen, offenbar ohne Vollständigkeit anzustreben, die sonst erhaltenen Exemplare dieser Art in Bronze und die tönernen Nachbildungen solcher Bronzeeimer aufzuführen, ferner aber einen Nachweis der Darstellungen dieses Typus auf antiken Kunstwerken zu geben (a.a.O. S. 5— 10). Bei diesen Zusammenstellungen müssen wir zunächst haltmachen, da sie für die Untersuchung von entscheidender Bedeutung sind und zum Teil auch von Schröder so bewertet werden.

Soweit der Fundort feststeht, kommen für die bronzenen Beispiele überwiegend die Vesuvstädte und das übrige Italien in Betracht (Pompeji Nr. 14, 16; Herkulanum

K. Pemice, Tarentiner Bronzegefäße. 85

Nr. 15; Paestum Nr. 1; Montefortino Nr. 5, 11, 17; Chianciano Nr. 18; Malacena Nr. 13 der Schröderschen Liste). Zu den italischen Eimern sind auch die beiden berühmten Stücke von der Insel Moen und aus Waldalgesheim zu rechnen. Der ältere Eimer von Moen wurde von Sophus Müller (Das erste Auftreten des Eisens in Nordeuropa 1882 'S. 340) noch als etruskische Arbeit bezeichnet, während ihn H. Willers (Die römischen Bronzeeimer von Hemmoor S. 118) richtig mit Unter- italien in Zusammenhang brachte1). Der Eimer von Waldalgesheim mit seinem zierlichen Rankenwerk, in das Tütchen- oder Glockenblumen nebst fünfblättrigen Rosetten eingefügt sind, ist in seiner Ornamentik rein apulisch2). Ihn jünger als den Eimer von Moen anzusetzen, veranlaßt mich die Form des Henkelansatzes. Denn die Henkel waren hier nicht durch die Henkelösen hindurchgeführt, sondern ihre Enden waren, wie bei den Beispielen der spätrepublikanischen oder augusteischen Zeit durch die Henkelansätze verdeckt, ein wichtiges Merkmal in der Entwicklung der Eimerform, deren ausführlichere Darstellung vorbehalten bleibt.

Je drei von Schröder aus der Karlsruher und der Berliner Sammlung angeführte Stücke (Nr. 2, 6, 7, 8, 9, 10) weisen ebenfalls nach Italien. Denn die Karlsruher Eimer stammen aus der Sammlung Maler, die in Etrurien und Apulien zusammen- gebracht ist, von den Berlinern sicher einer, wahrscheinlich aber alle drei aus der Sammlung Koller, die gleichfalls aus italischen Fundstücken besteht übrigens sind die beiden auf S. 6 Abb. 2 wiedergegebenen Stücke ganz willkürlich aus modernen und antiken Teilen zusammengesetzte Gebilde, die lediglich statistischen Wert haben. Die Zusammenstellungen Schröders sind indessen, wie bereits bemerkt, unvollständig; es fehlt eine große Anzahl von Eimern namentlich aus den Vesuvstädten und anderen Teilen Italiens, z. B. mehrere im Museo archeologico in Florenz aufbewahrte, einer aus Roccanova im Museum von Tarent (4. Jahrh. v. Chr.) u. a. So verschiebt sich das Verhältnis noch mehr zugunsten Italiens, insbesondere Süditaliens.

Von bronzenen Eimern dieser Gattung bleibt als nichtitalisch in der Schröder- schen Zusammenstellung nur Nr. 12 übrig, der Eimer aus Miletopolis an der Grenze von Mysien und Bithynien. Aber zu diesem gesellen sich nun mehrere andere. Aus Prusias ad Hypium in Bithynien stammt der schöne Eimer, der nach dem Auktions- katalog Helbing, München 28. —30. Oktober 191 3 Nr. 563 Taf. 22 versteigert wurde 3), und nach Mannheim gelangt ist. Auf beiden Seiten unter der Henkelattasche ein Panther, der einen Hirsch zerfleischt. Mit dem Eimer gehört, wie bei dem Funde aus Miletopolis, eine gleichfalls nach Mannheim gelangte Weinschöpfkelle zusammen, ein Zeichen dafür, daß diese feinen Erzeugnisse der Toreutik nicht der niedrigsten Verwendung als Wassergefäße dienten 4). Ferner macht mich Zahn auf ein Fragment

■) Vgl. auch Filow, Rom. Mitt. XXXII 1917,33. *) Ich vermute, daß zu dem Eimer Nr. 640 in

J) Man findet die gleichen Elemente auch auf der- Karlsruhe (Schumacher, Beschreibung der Samm-

jenigen Gruppe etruskischer und pränestinischer lung antiker Bronzen S. 121) gleichfalls ein in

Spiegel, deren Zeichnung und Ornamentik von Karlsruhe aufbewahrter Löffel gehört, nämlich

unteritalischen Vorbildern abhängig ist. der von Schumacher S. 95 ff. unter Nr. 517

3) Ich verdanke den Nachweis dieses ausgezeich- beschriebene und in »Karlsruher Bronzen« Taf. 14

neten Stückes der Freundlichkeit R. Zahns. unten rechts abgebildete. Er wird zwar als

7*

85 E. Pernice, Tarentiner Bronzegefäße.

aus dem Kurgan von Karagodeuaschkh aufmerksam, das von Malmberg, Materialien zur russischen Archäologie Heft 13 S. 45 Fig. 13, abgebildet ist. Man darf wohl ver- muten, daß sich unter den russischen Funden auch sonst noch manches Stück ver- bergen wird. Endlich hat kürzlich B. Filow in den Römischen Mitteilungen XXXII 191 7 S. 33 sechs Exemplare nachgewiesen, die aus dem Gebiete des alten Thrakien stammen. Von ihnen ist durch die Reinheit des Konturs besonders wirkungsvoll der Eimer aus dem Hügel von Brezovo ' ), geringer in der Form, aber, wie es scheint, mit reicher Gravierung, die in der Abbildung leider nicht zur Geltung kommt, ein Eimer aus Panagürischte 2).

Man erkennt deutlich, daß die Fundorte dieser' außeritalischen Eimer nicht zufällig sind, sondern daß die Eimer aus einem verhältnismäßig geschlossenen Gebiet stammen, das um das Schwarze Meer herum gelegen ist. Von den griechischen Kolonien am Schwarzen Meer werden also die Eimer in die entfernteren thrakischen Gegenden gelangt sein, und derselbe Handelsplatz am Schwarzen Meer hat sie auch nach Ruß- land hinein und an die Nordküste des Schwarzen Meeres vertrieben.

Es fragt sich nun, wie man sich das Verhältnis dieser Eimer zu den italischen Eimern zu denken hat, die in allem der nordöstlichen Gruppe so sehr gleichen, daß sie nicht ohne nächste Beziehung zueinander stehen können. Filow a. a. O. S. 33 urteilt über die von ihm besprochenen Eimer wie folgt: »Bekanntlich waren die Eimer dieser Art, die sich durch elegante Form und technische Vollendung aus- zeichnen, sehr beliebt in Unteritalien, wo sie auch in Ton nachgebildet wurden. Sie gehören teilweise noch in das 5. Jahrh. v. Chr., stammen aber hauptsächlich aus dem 4. und 3. Jahrhundert; in späterer Zeit verschwinden sie vollständig. Als ihre Heimat oder Fabrikationsgebiet ist wohl Unteritalien zu betrachten, von wo sie auf dem Handelswege bis nach Norddeutschland gelangten.« Die weiteren Erörterungen werden zeigen, daß Filows Urteil in der Hauptsache richtig ist. Jedoch sind zunächst die weiteren Zusammenstellungen Schröders kurz zu besprechen.

Schröder schließt an die bronzenen Originale die Nachbildungen aus Ton und erwähnt an erster Stelle (S. 10, 1 6) einige schwarz gefirnißte Eimer mit Relief- schmuck unter den Henkeln. Diese stammen ebenso wie eine größere Anzahl von Schröder nicht namhaft gemachter Beispiele durchweg aus Italien. Sie werden gewöhnlich möglichst unbestimmt als campanisch-etruskisch bezeichnet, während die campanische Herleitung doch nicht zweifelhaft sein kann 3). Es folgt sodann eine kurze Erwähnung der apulischen Toneimer mit figürlichem und ornamentalem Schmuck, wie sie sich in jeder größeren Sammlung unteritalischer Gefäße vorfinden. Gerade das massenhafte Vorkommen dieser Eimerform in der campanischen und apulischen Keramik ist für die Ableitung des Typus wichtig und jedenfalls ein Zeichen

etruskisch bezeichnet, das Palmetten-Voluten- Eimers aus Stara-Zagora in Perioditschesco

ornament stellt sich aber nahe zu dem Ornament Spissanije XXI 1909, 600 Abb. 7, ist mir hier

des Eimers, den ich für unteritalisch halte; nicht zugänglich. Die übrigen drei von Filow

zudem stammen beide Stücke, Eimer und Löffel, namhaft gemachten Eimer sind noch unver-

aus derselben Quelle. öffentlicht.

') a. a. 0., S. 32 Abb. 16. 3) Vgl. Pagenstecher, Archäol. Jahrb. x'xVII 1912,

-) a.a.O., S. 48 Abb. 37. Die Abbildung eines 149 f.

K. Pernice, Tarentiner Bronzegefäße. 87

dafür, daß die Bronzeeimer, die sie nachahmen, zur Zeit der Entstehung der Toneimer sich ungewöhnlicher Beliebtheit erfreuten und eine speziell unteritalische Gefäßform vorstellen.

Von nichtitalischen tönernen Nachbildungen erwähnt Schröder (S. Ii) ein aus Olbia stammendes Miniatureimerchen von der Watzingerschen Gattung. Ein zweites Exemplar aus Olbia, das mit gepreßten Reliefs verziert ist und sich in diesem besonderen Schmuck zu den megarischen Bechern stellt, erwähnt R. Zahn in seinem Aufsatz »Hellenistische Reliefgefäße aus Südrußland«, Archäol. Jahrb. XXIII 1908, 46 nach v. Stern, Isvestija der Archäol. Komm. Heft III Taf. 14/15. Daß wir bei beiden Stücken attische Fabrikation annehmen müßten, wäre, wie mich R. Zahn belehrt hat, ein zwar naheliegender, aber doch voreiliger Schluß.

Zu diesen Nachbildungen kommen endlich Abbildungen solcher Eimer auf antiken Kunstwerken. Da diesen Schröder S. 19 größere Beweiskraft für die Her- leitung des Eimertypus zumißt, ist wenigstens auf die von ihm namhaft gemachten Beispiele näher einzugehen unerläßlich. Der eine ist in einer Brunnenszene auf dem Relief von Trysa, Benndorf, DasHeroon vonGjölbaschi-Trysa Taf. VIII, 1 = Schröder Abb. 1 dargestellt. Schröder äußert sich S. 1 1 hierzu »Ähnlichkeit mit den auf- gezählten Originalen hat, wie es scheint, der Eimer in der hübschen Brunnen- szene auf dem Friese von Trysa, wo trotz aller Zerstörung der längliche Umriß mit ausgebogener Wand zu erkennen ist«, ist also an dieser Stelle nicht voll überzeugt. Ich finde diese Vorsicht durchaus berechtigt. Denn der Eimer verläuft zwar eiförmig, hat aber keinen Fuß, er ist vielmehr unten abgerundet, wie das für Gefäße, mit denen Wasser aus dem Ziehbrunnen geschöpft werden soll, natürlich ist, damit sie sich leichter umlegen und volltrinken. Solche Gefäße dürften in dieser Form überall gebräuchlich gewesen sein, weil sie für diesen Zweck am besten brauchbar waren, und die Eiform ergibt sich beim Treiben der runden Metallplatte von selbst. Der Eimer von Trysa hat also mit den anderen Eimern gar nichts zu tun; er gehört in die Gruppe der Gefäße, mit denen geschöpft wird, wie der von Boscoreale (Schröder S. 24 Abb. 22). Die Eimer dagegen, um die es sich hier handelt, sind Gefäße, aus denen geschöpft wird, wie die schon erwähnten, mehrfach mitgefundenen Schöpf- löffel beweisen womit nicht gesagt seih soll, daß mit ihnen nicht gelegentlich auch Wasser hätte geholt werden können. Die zweite Abbildung bietet eine gravierte Spiegelkapsel aus Kreta Gaz. archäol. 1876 Taf. 27. Hier schultert Eros mit der Linken einen länglichen, spitz verlaufenden Weinkrug und trägt mit der Rechten einen Eimer von der hier in Frage stehenden Art. Da die Spiegelkapsel für die griechische Herleitung des Eimertypus von Schröder S. 19 verwendet wird, war der Beweis erforderlich, daß sie wirklich griechisch in dem von ihm gemeinten Sinne ist. Ich halte das aber für sehr unsicher. Die Herkunft beweist nichts, denn in Kreta sind, wie sich gezeigt hat (z. B. Pagenstecher, Die griechisch-ägyptische Sammlung E. v. Sieglin S. 23—24), auch unteritalische Funde häufig. Der Spiegel könnte also auch unteritalisch sein, und ich sehe keinen Grund, der das Gegenteil beweisen könnte. Vielmehr ist der Eros in seiner Haartracht und Körperbildung, in der etwas aus- druckslosen und unbestimmten Bewegung, auch in der gezierten Haltung der Finger

88 E. Pernice, Tarentiner Bronzegefäße.

und namentlich in dem sehr reichlich angebrachten Schmuck über der Brust, an Hand- gelenken und Füßen so dargestellt, wie wir ihn in der unteritalischen Vasenmalerei oft genüg finden.

Nach alledem bleiben also zunächst zwei unsichere tönerne Nachbildungen aus Olbia und eine größere Anzahl bronzener Exemplare aus dem Umkreis des Schwarzen Meeres übrig, alles übrige ist italisch, insbesondere unteritalisch. Auf Grund dieses Materials wird man doch sehr stark Bedenken tragen, die Frage nach der Heimat der Eimer wenigstens für die Epoche, um die es sich hier handelt, mit Schröder dahin zu beantworten, daß der eiförmige Typus seine Heimat in Griechenland habe (S. 19). Wenn die beiden Exemplare aus Olbia sicher attisch sind, so würden sie zwar die Existenz auch bronzener Exemplare in Attika beweisen. Doch würde dabei immer noch zu bedenken sein, daß beide erst aus hellenistischer Zeit sind, wo diese Form wie viele andere Gemeingut geworden ist. Sie bieten also für den Entstehungsort des Typus keinen Anhalt1). Ebensowenig aber die Exemplare aus der Umgebung des Schwarzen Meeres. Vermutlich würde Schröder den Zusammenhang mit der ostgriechischen Kunst, den er S. 25 erörtert, noch stärker betont haben, hätte er von den sechs thrakischen Exemplaren schon Kenntnis haben können. Die thrakischen Exemplare stellen sich aber im Gegensatz zu den mit ihnen gefundenen Gegenständen deutlich als fremde Eindringlinge dar. Wenn jedoch diese Eimer und mit ihnen die anderen Eimer der Schwarz-Meer-Gegend in einer griechischen Stadt am Schwarzen Meer hergestellt wären, dann müßte man bei dem nahen Zusammenhang, der sie mit den unteritalischen Exemplaren verbindet, folgern, daß die aus Unteritalien stammenden wenigstens zum Teil auch am Schwarzen Meer entstanden und dann nach Unteritalien exportiert seien, von wo sie in das Innere Italiens und weiter herauf nach Norddeutschland und Skandinavien geschafft wären, was wenig wahrscheinlich ist. Ich meine, man darf sich mit einer so allgemeinen Wendung, wie Schröder sie S. 20 äußert: »die in Italien gefundenen Exemplare können griechischer Import, unteritalisch-griechische Fabrikation oder einheimische Nachahmung griechischer Ware sein«, nicht begnügen. Mir scheint vielmehr nach der erörterten Statistik alles dafür zu sprechen, daß die Schwarz-Meer-Gruppe tatsächlich großgriechischen Ursprungs ist.

Die Annahme unmittelbaren ostgriechischen Einflusses auf die unteritalische Kunst gehört zu den allgemein gebilligten Vorstellungen. Das trifft gewiß für die archaische Kunst, auch noch für die Kunst des 5. Jahrhunderts zu, aber für die Kunst des 4. Jahrhunderts nur noch in sehr bedingtem Maße, wie schon die unteritalischen Vasen beweisen, und erst recht nicht für die Zeit des Hellenismus. Die unteritalische Kunst, die uns in der Tuffzeit Pompejis entgegentritt, kann man doch beim besten Willen nicht mehr ostgriechisch beeinflußt nennen. Es ist durchaus nicht einzusehen, warum nicht die griechische Kunst am Schwarzen Meere von der unteritalischen stark befruchtet sein und Anregungen übernommen haben sollte. Bekannt ist der

') Es muß darauf hingewiesen werden, daß Eimer bildnerei aus Attika nicht vorkommen, was

dieser Art in den älteren Gattungen der Ton- gerade dem massenhaften Erscheinen in der

apulischen Keramik gegenüber sehr auffallend ist.

E. Pernice, Tarentiner Bronzegefäße. 3g

Fund spätunteritalischer Vasen in Südrußland (Arch. Anz. 1900, 152), das sicherste Zeugnis für diese Annahme, und derselbe Zusammenhang mit südrussischen Fund- stücken drängt sich, wie wir gerade beim Perseuseimer sehen werden, auch für die frühere Zeit vielfach auf. Man darf die Abhängigkeit der verschiedenen Kunstzentren voneinander in der hellenistischen Zeit nicht mit dem Maßstab der älteren Jahr- hunderte messen; der Austausch hat die frühere Einseitigkeit verloren und ist durch- aus gegenseitig geworden. Man würde eine sehr schiefe Vorstellung von der groß- griechischen Kunst in der Zeit des Hellenismus gewinnen, wie ich glaube, wenn man sie nur als empfangende, nicht aber auch als anregende und gebende auffassen würde. Für die geltende Auffassung und für den Export aus Großgriechenland nach dem Osten sind mir stets die von Schrader (Priene S. 282) besprochenen Beispiele als besonders lehrreich erschienen. Hier werden bei einigen prienischen Pfannen die bis in die Einzelheiten gehenden Übereinstimmungen mit Fundstücken aus den Vesuvstädten sehr richtig hervorgehoben und daran die Folgerungen geknüpft: »Einfuhr von Bronzegerät aus Italien in Kleinasien wird man schwerlich annehmen wollen, trotz der durch die Funde gesicherten Einfuhr italischen Sigillatageschirrs in Priene. Wir halten also in den prienischen Pfannen Erzeugnisse der Kunstindustrie in Händen, welche der italischen die Vorbilder geliefert hat.« Aber warum sollen nicht großgriechische Bronzen nach dem Osten importiert sein? Gerade die Funde aretinischer Scherben in Priene und die Gründungen eigener Fabriken von Sigillata- ware in Kleinasien beweisen doch genügend. Daß man in die Vesuvstädte doch wohl über Tarent kleinasiatische Bronzen einführte, ist zwar nicht unmöglich, aber doch sehr unwahrscheinlich. Denn erstens beweisen die sicher einheimischen Bronzen und der alte Ruhm der campanischen Bronzegießereien überhaupt einen doch sehr hochstehenden und beträchtlichen Bronzebetrieb, und zweitens besitzen wir über die Herstellung von Bronzen sogar eine schriftliche Nachricht, die bei der Spärlichkeit unserer Nachrichten über Unteritalien um so höher bewertet werden muß, wenn sie sich auch nur auf Kandelaberschäfte bezieht, Plin. 34, 3,' II : »privatim Aegina candelabrorum superficiem dumtaxat elaboravit, sicut Tarentum scapos; in iis ergo innata commendatio officinarum est.«

Die Wagschale neigt sich noch mehr zugunsten Unteritaliens als Ausgangs- punkt für die uns erhaltenen Bronzeeimer und ihre Nachbildungen dadurch, daß sich die tarentinische Herkunft gerade der hervorragendsten Beispiele aus stilistischen Gründen sehr wahrscheinlich machen läßt. Zu diesen Beispielen gehört zunächst einmal der Schrödersche mit dem Perseus und der Gorgo. Schröder vergleicht S. 23 für den stilistischen Eindruck besonders attische Vasen vom Ende des 5. Jahr- hunderts und hebt als Kennzeichen hervor »die große Zierlichkeit, um nicht zu sagen Geziertheit der Hände«, »die übermäßig gespreizten Stellungen«, ferner »die Be- wegung der Arme, die Form der Flügel, die gebirgige Landschaft«, »die wehenden Gewandzipfel«. »Die Art, wie am Perseus die Locken modelliert sind, läßt an gemalte Locken denken, wie auf der unteritalischen Pelike Arch. Zeit. 1846 Taf. 46.« Endlich heißt es S. 24: »Eine wirkliche Einheit des Stils aber scheint zwischen unseren Eimern und der Kanne Vagliasindi zu bestehen (Abb. 21). Wie dort die Harpyien, so ist

yo

E. Pernice, Tarentiner Bronzegefäße.

auf dem Eimer die Gorgone zu einem jugendlich anmutigen Wesen geworden; ferner stimmt mit der Vase die Art, wie die spitzen Flügel einander kreuzen und wie die Hände so merkwürdig kraftlos und schablonenhaft gebildet sind. Hier wie dort findet sich auch die Entblößung der Brust und das Interesse an lang durchgezogenen Gewand- falten. « Alle die erwähnten Eigentümlichkeiten sind aber ebenso in der unteritalischen Vasenmalerei zu finden und können daher nicht ausschlaggebend sein; ferner ist auch nicht bewiesen, daß die Vase Vagliasindi attisch und nicht vielmehr unter- italisch ist. Viel wichtiger erscheint es mir, daß sich in dem von Puschi und Winter herausgegebenen silbernen Trinkhorn aus Tarent in Triest weit nähere Analogien finden (Österr. Jahresh.V 1902, 112 ff. ; hier Abb. 3—5). Erstens ist die künstlerische

Behandlung des Reliefs sehr ver- wandt; die Relief erhebung ist bei beiden dadurch verstärkt, daß die Konturen von der Oberfläche nach innen stark zurückgetrieben sind, so daß sie besonders scharf und präzis erscheinen. Man vergleiche für diese Technik z. B. die Füße der Gorgo und des Gottes S. 116 bei Winter, die Umrisse am Gewand des Perseus mit dem Gewand des- selben Gottes. Ähnlich sind ferner im ganzen die gedrungenen Ver- hältnisse der Figuren, von Einzel- heiten beim Perseus und demGotte, auch bei der Athena, die Stellung der Beine, deren eines in den Raum zurückgeht. Die rechte Hand des Perseus vergleiche man mit der des gelagerten Gottes, auch dessen Haare zerlegen sich in einzelne Strähnen. Die Gorgo mit ihrem wehenden Gewand ist wie- derum der Athena höchst ähnlich, die gespreizte in der Erregung geöffnete Hand zeigt gleicherweise die gelagerte Göttin auf dem Trinkhorn, wo auch der Meister mit der anderen Hand nichts Rechtes anzufangen wußte; auch ist die entblößte Brust charakteristisch. Endlich findet sich die allgemeine Unklarheit des mythologischen Vorgangs hier wie dort. Ich glaube nicht, daß man hiernach an der gleichen Herkunft beider Stücke zweifeln kann. Winter glaubte bei der ersten Veröffentlichung S. 126, daß es sich in dem Rhyton von Tarent um ein Werk der jonischen Kunst aus der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts handelte. »Als solches gesellt es sich einer in zahlreichen südrussischen Funden vertretenen Gruppe von Silber- und Goldarbeiten zu, deren jonischen Ursprung Furtwängler erkannt hat, und zwar tritt es, um es gleich zu sagen, als das künstlerisch hervorragendste Stück an die Spitze dieser Gruppe.« Dieses Urteil hat er jedoch später (Österr. Jahresh. VI 1903, Beibl. 61/62) dahin umgeändert, daß er auf Grund von Analogien tarentiner Terrakotten die Möglichkeit, daß die Arbeit in Tarent selbst gefertigt sein könne,

Abb. 3. Vom tarentiner Silberrhyton in Triest.

E. Pernice, Tarentiner Bronzegefäße.

91

nicht von der Hand weist. Wenn wir nun noch weitere Eimer von der Form des Perseuseimers Tarent zuzuschreiben vermögen, so gewinnt diese Möglichkeit erheb- lich und wird zur Wahrscheinlichkeit.

Abb. 4. Vom tarentiner Silberrhyton in Triest. Abb. 5. Vom tarentiner Silberrhyton in Triest.

Abb. 6. Bronzeeimer in Boston.

Das ist der Fall bei einem reichverzierten Stück im Museum of Fine Arts zu Boston, das bisher völlig unbekannt geblieben zu sein scheint und mir auch nur durch die reichhaltige Photographiensammlung des Römischen Instituts im Bilde bekannt geworden ist (Abb. 6). Nach dem Annual Report von 1903 S. 61,13 stammt der Eimer aus »South Italy« und wird mit folgenden Worten

92 E. Pemice, Tarenriner Bronzegefäße.

beschrieben: »the upper half of it embellished with repousse" designs separated by just enough space to give an unbroken outline to the vessel as seen from either side. The nicely calculated balance of the two designs is noteworthy. A. The young Dionysos, wearing an himation about his legs, sits caressing a panther, wich Stands at the left. Close behind the panther a bearded satyr comes bringing a cantharos. At the right of the god is a maenad, dancing. B. There are very slight remains, except of the central figure, whichis awoman Ariadne probably seated. To the right were a panther and a maenad; at the left a dancing satyr. Two bails, looked into a double ring over the centre of each side, lie flat on the rime. The bottom and about half the body of the situla are missing.« Hinzuzufügen wäre noch der um den Rand gelegte Lorbeerzweig, der bei dem Eimer von Moen wiederkehrt.

Wie bei diesem Eimer, so haben wir uns ungefähr die Darstellungen der bron- zenen Vorbilder zu denken, die den Bildern der apulischen Toneimer zugrunde liegen. Ichglaube nicht, daß man gegen den tarentinischen Ursprung dieses Einers etwas ein- wenden kann. Einzelne Vergleichungspunkte mit dem Perseuseimer und dem Rhyton von Tarent lassen sich wegen der Verschiedenheit der Darstellung nur wenige geben, etwa abgesehen von der linken gespreizt vorgestreckten Hand des Satyrn sowie den untersetzten Körperverhältnissen der Figuren. Dagegen finde ich in mehr als einer Beziehung nahe Verbindungen zwischen dem Eimerrelief und dem von Wolters, Antike Denkmäler III Taf. 35 veröffentlichten Kalksteinrelief aus Tarent. Einmal ist es die Ähnlichkeit der Gesamtstimmung mit dem starken Gegensatz zwischen heftiger Bewegung und verhältnismäßiger Ruhe. Der Dionysos ferner erinnert in Haltung und Bewegung, in seiner Tracht und seiner körperlichen Erscheinung un- mittelbar an den Pluton; beiden ist auch die für die unteritalischen Vasen typische Art des Sitzens gemeinsam, bei der der Oberkörper von vorn gesehen wird, während Beine und Kopf nach rechts und links mehr oder weniger ins Profil gestellt werden. Für den Kopf und die Haarbehandlung des Dionysos mag man die wohlerhaltene Danaide vergleichen. Aber ich möchte auch behaupten, daß, soweit das verschieden- artige Material Kalkstein und Bronze nicht von vornherein Verschiedenheiten in der Ausführung hervorruft, auch in der Gewandbehandlung und in der Auffassung des Verhältnisses von Körper zu Gewand nahe Verwandtschaft besteht.

Ich halte es nach allem für äußerst wahrscheinlich, daß die gesamte Gruppe der uns erhaltenen Glockeneimer, deren ältester nicht über das 5.-4. Jahrhundert hinaufgeht, in Tarent, jedenfalls aber in Großgriechenland seine Heimat hat und von dort aus verbreitet wurde. Damit ist aber nicht gesagt, daß auch die Entstehung des Typus überhaupt auf Großgriechenland zurückgeht. Schröder hat selbst S. 22 Anm. 10 nachgewiesen, daß uns aus archaischer Zeit eine Anzahl von Eimerattaschen erhalten ist, die zwar nicht sicher, aber doch wahrscheinlich das Vorhandensein und damit die griechische Priorität der eiförmigen Eimer dartun. Dadurch werden aber die vorherigen Ausführungen keineswegs berührt. Wir hätten dann vielmehr zu schließen, daß der eiförmige Eimer zwar ursprünglich in Griechenland (im weitesten Umfange, auch in Ionien) heimisch ist; von dort ist er, wie die sonstigen griechischen Anregungen überhaupt, auch nach Großgriechenland und Etrurien gewandert. In

E. Pernice, Tarentiner Bronzegefäße.

93

Griechenland aber hat seine Entwicklung aufgehört, die dagegen in Großgriechen- land im 5.-4. Jahrhundert einen neuen Anlauf nahm. Dort wurde er, wie die Relief- eimer und die apulischen Nachbildungen mit figürlicher Darstellung zeigen, zum Träger reichen Reliefschmucks und als solcher scheint er eine apulische (tarentinische) Neuschöpfung zu sein. Wenn die figürlichen Typen, die uns auf unteritalischen Kunstwerken entgegentreten, ihrem Stile nach Anklänge und Verwandtschaften mit griechischen zeigen, so ist das ganz natürlich, da der Ausgangspunkt für die Kunst Unteritaliens eben Griechenland und Ionien ist. Mit dem überkommenen Gut aber wirtschaften die unteritalischen Künstler schon im 5.-4. Jahrhundert selbständig, als wenn es ihre eigenen Erfindungen wären, und tun das ihrige dazu. Es war sehr richtig, daß die Vorstellung von polygnotischem Ein- fluß auf die ficoronische Ciste, den F. Behn (Die ficoronische Cista, Rostock 1907) so sehr hervorgehoben hatte, von E. Feihl (Die ficoronische Cista und Polygnot, Tübingen 191 3) auf das richtige Maß beschränkt wurde. Ebensogut könnte man aus den apulischen Vasen noch polygnotischen Einfluß heraus- finden, während wir es doch nur noch mit längst zum Gemeingut gewordenen, »durch Weitergabe von Hand zu Hand abgegriffenen« (Hauser) polygnotischen Typen zu tun haben. Man muß sich, wie schon oben angedeutet ist, an den Gedanken gewöhnen, daß in Groß- griechenland eine eigene griechische Kunst

bestand, die ein selbständiges Dasein führte und von dem Mutterland nur insoweit abhängig war1, als sie eben aus derselben Wurzel stammt wie die griechische. Ihre Art zu übersehen, ist vorläufig noch unmöglich. Es gilt zunächst, die Denkmäler festzustellen !

Auch für den zweiten von Schröder veröffentlichten Eimer mit der Nike (Abb. 7) läßt sich die tarentinische Herkunft wahrscheinlich machen. In der stilistischen Beurteilung des bildnerischen Schmuckes stimme ich mit Schröder S. 5 darin überein, daß der Eimer derselben Zeit und demselben Kunstkreis entstammt wie der Perseus- eimer, aber nicht darin, daß er von derselben Hand ist. Denn die Behandlung des Reliefs ist durchaus verschieden. Bei dem getriebenen Perseuseimer sind die Konturen durch Zurücktreiben von oben aufs nachdrücklichste unterstützt; das war aber bei dem schwer gegossenen Nikeeimer nicht möglich, und so entsteht eine völlig ver- schiedene plastische Wirkung. Auch die Gewandbehandlung und die Form und Einzelausführung der Flügel wäre wohl bei der Herstellung von derselben Hand ähnlicher ausgefallen. Dagegen ist die Art, wie der Reliefschmuck ohne jede Um- rahmung frei im Raum schwimmt, doch wieder sehr verwandt.

Abb. 7. Von einem Bronzeeimer in Berlin.

E. Pernice, Tarentiner Bronzegefäße.

Die Parallelen von Bronzeeimern, die Schröder für die Form des Eimers an- führt, sind ausnahmslos ältere italische Stücke des 6. 5. Jahrhunderts, und so wird man darauf geführt, seinen Ausgangspunkt in Italien zu suchen, und zwarmüßte es das nördlichere Italien sein, da Süditalien keine Beispiele aufzuweisen hat. Eimer dieser Art aus den östlichen Gegenden sind nicht auf uns gekommen. Für den von Schröder angenommenen griechischen Ursprung des Typus sind die Zeugnisse recht spärlich. Es sind erstens das Neapler Fragment mit der Gigantenschlacht Mon. Inst. IX Taf . 6 Annali 1869, 176 ff. (Furtwängler-Reichhold, Gr1. Vasenmalerei II S. 196/197) und ferner das Bild einer attischen Vase in Neapel (Millingen, Taf. 57) um 450 v. Chr., wo ein Mädchen einen solchen Eimer in der Hand trägt. Bei dem Neapler Fragment ist es aber äußerst unsicher, ob es wirklich zu einem Eimer von der Form des Nike- eimers zu ergänzen ist. Dagegen läßt sich gegen das Zeugnis der attischen Vase nichts einwenden, und man könnte darauf die Behauptung aufbauen, daß der Typus ursprünglich aus Griechenland stamme, und denkbar wäre es auch, daß von den gesondert erhaltenen archaischen Eimerattaschen diese oder jene zu einem Eimer dieses Typus gehört hätte. Immerhin aber steht das Beispiel auf der attischen Vase völlig vereinzelt da, und diesem Zeugen gegenüber stehen die unzähligen Darstellungen solcher Eimer auf unteritalischen Vasen, die beweisen, daß sich diese Eimerform in Grdßgriechenland einer beispiellosen Beliebtheit erfreut haben muß. Sie wird also für die spätere Zeit als eine typisch großgriechische bezeichnet werden müssen. Jedoch halte ich es auf Grund der älteren italischen Zeugnisse für sehr wahrscheinlich, daß dieser Typus auch in Unteritalien schon von alters her heimisch ist und daß dort die alte Form in allmählicher Veränderung des ursprünglichen geradlinigen Umrisses, den uns die älteren italischen Beispiele zeigen, auf die Feinheit und Eleganz gebracht würde, wie sie uns die unteritalischen Vasenbilder und der Nikeeimer zeigt.

Für den Stil des Nikereliefs und seine Herleitung aus griechischer Kunst- tradition führt Schröder dieselben Kennzeichen wie für den Perseuseimer an, natürlich, da ihm die Herstellung beider von einer Hand wahrscheinlich ist. Jedoch werden für die Nikeeimer noch einige besondere Punkte namhaft gemacht, S. 24: »Bei der Nike weist schon die perspektivische Verkürzung des Wagens auf die jüngere Malerei. Die Panther gleichen denen auf der Gigantomachievase im Louvre und auf unter- italischen Vasenbildern, wie Miliin II 17/18 und Gerhard, Apulische Vasenbilder Taf. XV. Die Gesichtsformen der Nike erinnern mit der kräftig vorspringenden Nase an die des Eros auf der Berliner Lekythos, Arch. Anz. 1893 S. 91 Nr. 47; Fest- schrift für Benndorf S. 28 und S. 318', und des Eroten auf dem Schulterbild eines Aryballos in Berlin mit Aphrodite, Helena und Paris, eines ganz besonders feinen Werks vom Ende des 5. Jahrhunderts.« Diese Sätze zeigen, daß wiederum, wie bei dem Perseuseimer1, griechische und apulische Vasenbilder gemeinsam als Vergleichungs- material in Frage kommen und daß daher nichts gegen den großgriechischen Ursprung des Eimers gesagt ist. Ich möchte als nächste Parallele auch hier wieder eine be- sonders schöne Bronzearbeit tarentinischer Herkunft anführen, die aber als solche bisher nicht erkannt zu sein scheint. f

In den Österreichischen Jahresheften VIII 1904 S. 203 ff. hat L. Pollak über eine Gruppe von Spiegeln des 4. Jahrhunderts gehandelt, bei denen als Zwischen-

E. Pemice, Tarentiner Bronzegefäße.

95

glied zwischen dem Griff und der Spiegelscheibe ein Relief eingeschoben ist. Wie bei den altargivischen Handspiegeln die an gleicher Stelle angebrachte Reliefplatte und bei den archaisch-griechischen das Palmettenwerk, so hat auch hier das Relief den Zweck, die Festigkeit des Zusammenhanges von Platte und Griff zu unterstützen und, da beide Teile nicht aus einem Guß sind, für die Spiegelplatte eine größere Lötfläche darzubieten. Darum ist an dem Griff auch noch ein herzblattförmiger Ansatz angebracht, der auf der Rückseite der Spiegelplatte festgelötet wurde. Die charakteristischeste Eigentümlich- keit dieser Gruppe ist, daß bei allen Reliefs der Grund wegge- schnitten ist; sie sind also, wie man sagt, ä jour gearbeitet. Als Gegenstand der Darstellunghaben die acht von Pollak namhaft ge- machten Beispiele zumeist Figuren des aphrodisischen oder diony- sischen Kreises. Ihre Herkunft ist, soweit sie sich feststellen läßt, ohne Ausnahme Unteritalien oder Sizilien, und da sie in sich völlig gleichartig sind, müssen sie an ein und demselben Ort fabri- ziert sein. Daß dieser Ort Tarent war, hat Pollak auf Grund der Ver- gleichung mit »tarentinischen« Va- sen und Tonreliefs mit vollem Recht geschlossen, während Peter- sen (Röm.Mitt.XII 1897, 117fr.) Analogien von etruskischen Spie- geln vermerkte, was nicht gegen

tarentinische Herkunft spricht. Pollak hat ferner für die Darstellungen auf ähnliche Motive in der attischen Kunst des 4. Jahrhunderts hingewiesen und daraus, wie ich glaube, zu einseitig, auf eine unmittelbare Anregung der tarentinischen Künstler durch die attische Kunst geschlossen. Jedenfalls ist die stilistische Ausführung der Figuren ganz eigenartig unattisch. In ihr »eine Neigung zu in die Breite gehenden, ein wenig plumpen Formen« zu erkennen, ist mir nicht möglich. Vielmehr zeigen die Figuren eine ausgesprochene Eleganz, Zierlichkeit und Straffheit, wenn die Ab- bildungen nicht trügen, nur die technische Durchführung ist in einigen Exemplaren geringer und in Nebendingen nachlässiger.

Zu den von Pollak beschriebenen acht Exemplaren kommen aber noch weitere und nicht die unwichtigsten hinzu. Nämlich abgesehen von dem mit Unrecht an- gezweifelten Berliner Stück bei Friederichs, Kleinere Kunst und Industrie S. 25 Nr. II (Pollak a. a. 0. S. 204 Anm. 3) und einem unverzierten, aber nicht als Griff erkannten

Abb. 8. Bronzener Spiegelgriff im Louvre.

q6 E. Pernice, Tarentiner Bronzegefäße.

Exemplar ebendort (Friederichs S. 330 Nr. 1552 e3) glaube ich in folgenden Spiegeln Arbeiten derselben Fabrik erkennen zu müssen:

I . in dem herrlichen Griff mit der Scylla im Louvre (Longpe>ier, Notices des bronzes antiques du Louvre nr. 252. Oben nach Phot. Giraudon 160 abgebildet, Abb. 8);

2. in dem Griff mit der delphinreitenden Nike in der Bibliotheque nationale (Babelon-Blanchet, Catalogue S. 552 Nr. 1349);

3. in dem Griff Auktionskatalog Lambros-Dattari, Paris 1912, Taf. XVIII, Nr. 252 aus Süditalien, offenbar aus derselben Form wie Pollak Nr. 4 in Catania;

4. in dem Spiegel aus Lokri Notizie d. sc. 191 3 Suppl. S. 49 Fig. 63. Mit diesem Spiegel geht, worauf mich wiederum Zahn aufmerksam gemacht hat, ein kleines Relief aus Aptera in Kreta nahe zusammen (Berlin Terr.-Inv. 8411, Arch. Anz. 1895, 133 Nr. 67), ebenso mit dem in Pollaks Liste unter 5 genannten Spiegel ausVizzini in Sizilien (Notizie d. sc. 1902, 215). Das kretische Relief ist nichts anderes als der Abdruck aus einer Form eben für ein solches Spiegelrelief, das sich möglicherweise ein kretischer Toreut gelegentlich aus Unteritalien mitgebracht hat, oder es ist in Kreta selbst nach einem dort vorhandenen unteritalischen Spiegel hergestellt worden. Für die Herkunft dieser Spiegel ist das Relief ohne Bedeutung. Es beweist höchstens, daß der Export von Luxusgegenständen aus Unteritalien nach Kreta an der Tagesordnung war;

5. in einem aus Gerace marittima in Sizilien stammenden Spiegel, der sich ehemals in der Sammlung Guilhou befand (Auktionskatalog Guilhou 1905 Nr. 318 Taf. XII); hier ist eine sitzende Sphinx dargestellt;

6. zum de Spiegel aus Gerace gesellt sich als nahverwandt ein zweiter aus Lokri (Notizie d. sc. 191 3 Suppl. S. 18 Fig. 18) gleichfalls mit einer sitzenden Sphinx. Die beiden Stücke 5 und 6 dürften einer etwas älteren Stufe angehören; es ist, wie es scheint, nicht schwierig, für diese Spiegel wie für andere unteritalische Geräte aus Bronze Entwicklungsreihen festzustellen.

Der Stil der Figuren in den neu hinzugekommenen Spiegeln, die Technik des ausgeschnittenen Reliefs, der herzförmige Ansatz bei dem Spiegel mit der Scylla und anderen, alles stimmt mit den schon bekannten Griffen überein. Die Scylla, die aus einem echt unteritalischen schweren Akanthuskelch herauswächst, ist mit den Scylläfiguren apulischer Vasen nah verwandt; die Sphinx von Gerace erinnert lebhaft an die Sphinxe, die als Füße pränestinischer Cisten verwendet sind, und die Delphinreiterin würde sich als Motiv sehr gut für Tarent verstehen lassen.

Ich habe mich nun mehrfach davon überzeugt, daß die Scylla sich in ihrer Körperbildung mit den knappen, straffen Formen aufs nächste zu der Nike stellt. Auch für die Form des im Verhältnis zum Körper großen Kopfes gilt das und ebenso für die Einzelformen des Gesichts, soweit die Erhaltung der Nike die Vergleichung überhaupt gestattet. Hinzuzufügen wäre noch, daß das Kyma über dem Relief des Eimers seine nächsten Parallelen in pompejanischen Bronzen findet, also gleichfalls einheimisch-unteritalischer Tradition folgt.

So möchte ich auch diesen Eimer als einer tarentinischen Werkstäite ent- stammend ansehen.

Greifswald. . Erich Pernice.

Eduard Schmidt, Ein Akroter des »peisistratischen« Athenatempels. Q7

EIN AKROTER DES »PEISISTRATISCHEN« ATHENATEMPELS.

Wer von der Beschäftigung mit den archaischen »Korai« der Akropolis her- kommt, wird den Torso einer Nike Nr. 694 des Akropolis-Museums (Abb. I, 2, 9) •) als anders geartet empfinden. Er wirkt schlichter, die Formbehandlung ist von überraschender Kraft und Frische. Schattenbildende Motive, die dort die gesamte Oberfläche des Gewandes überziehen, sind bei ihm sparsam verteilt. Dafür heben sich die wenigen Falten kraftvoll plastisch ab, und die Zickzackfältelung des Randes ist in so großen Zügen wie bei keiner der Korai vorgetragen.

Die Besonderheit der Nike 694 hat man dahin gedeutet, daß sie an das Ende der archaischen Epoche gehöre: es sei die schlichte Natürlichkeit der Tempelskulp- turen von Olympia darin vorgebildet *). Dabei fiel auf, daß das Werk in mancher Beziehung zweifellos altertümlicher Typik folgt: in der »Knielauf «-Stellung, der Wendung des Kopfes geradeaus gegen den Beschauer, in der Form der aufgebogenen, dem Rücken nur gleichsam anklebenden Flügel alles dies im Gegensatz zu einer andern Nike der Akropolis Nr. 690 (Abb. 7, 8), die doch nach der Wiedergabe von Gewand und Haar selbst noch archaisch ist.

Aber auch der Gewandstil des Torsos 694 ist archaisch. Das wird klar bei jedem Versuch, die Abweichung von der archaischen Formensprache irgendwie zu fassen. Man stelle die Statuette Akr. 688 daneben 3). Sie ist ein sicheres Beispiel für das Ein- dringen neuer Elemente am Ende der archaischen Entwicklung; ein archaischer Typus der stehenden weiblichen Gewandfigur mit dem Mantel über beiden Schultern ist durchsetzt mit wulstigen Falten, wie sie sich in der Wirklichkeit aus der Natur des schweren Wollstoffes ergeben. Es sind eben diese Falten, die an dem Peplos der olympischen Giebel zu voller Herrschaft gelangen. Bei der Nike 694 wird man ver- gebens nach Ähnlichem suchen. Oder man mag die Frauengestalten von Olympia selbst vergleichen. Eine Gewandpartie an Brust und Schulter der Lapithin R (Olym- pia IIITaf. 32) scheint der Nike694 in der Tat nahezukommen. Aber aus der Gegen- überstellung wird deutlich, wie die Faltenzüge bei der Lapithenfrau in »natürlicher« Unregelmäßigkeit verlaufen, während sie bei der Nike nach archaischem Gesetz, nur Schritt für Schritt die Richtung ändernd, angeordnet sind 4). Wir bemerken weiter

') Vgl. Brunn-Bruckmann Taf. 526 r. oben. Seitdem der sich vom »chaotischen« Einfluß freizumachen

ist ein Stück des r. Oberschenkels dazugekommen. strebte). Die Fundumstände, die Dickins an-

J) Arndt zu Br.-Br. 526 r. oben. Lechat, Sculpt. führt, entscheiden nicht, da in der betreffenden

av. Phidias 369 ff. und Au Musee de l'Acropole Gegend die Schichten nicht ungestört sind: Kav-

176 Anm. 2, 3; derselbe schon BCH. XII 1888, vadias-Kawerau, Ausgrab, der Akropolis 40.

437 »archaisme mitige>. Weniger bestimmt 3) Schrader, Auswahl arch. Marmorsk. 39/40.

äußern sich Dickins im Cat. of the Acropolis Mu- 4) Die letzten gegen die Körpermitte hin gehen nicht

seum (Entstehung um 480 im Text zu Akr. 140 von der Schulter aus, sondern von dem Gewand-

sogar ohne Einschränkung »pre-Persian« ) und säum des Obergewandes, dessen Borte offenbar

Pavlovsky, Die Skulptur in Attika bis zu den gemalt war. Die letzten beiden links sind unter

Perserkriegen (Anfang des 5. Jahrhs. später der r. Achsel in gleichlaufenden Kurven hin-

als Akr. 690 von einem attischen Künstler, durchgeführt.

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Eduard Schmidt, Ein Akroter des »peisistratischen« Atbenatempels.

bei dem Vergleich, daß der Künstler von Olympia anliegendes Gewand und frei fallen- des zu unterscheiden unternimmt bei der Nike gehen ohne solche Rücksicht die Faltenzüge über die Brust herab : lederartig glatt, wie eben nur in archaischer Kunst,

schließt sich das Gewand der

Form des Körpers an.

Von den Vertretern der Spätdatierung ist noch beson- ders auf die Athena- Statuette Akr. 140 hingewiesen worden. Sie ist im eigentlichen Sinne »Vorstufe« von Olympia, durch den Peplos und die Entlastung des einen Fußes von der letzten archaischen Tradition geschie- den, eine gewisse Starrheit des Gewandstoffes noch von dort- her bewahrend. Auch hier wird man die Erneuerung des Ge- wandstils leicht erkennen, z. B. •auch in dem Beginn der Röhren- bildung an den Steilfalten der Standbeinseitc, und man wird demgegenüber abermals die Unmöglichkeit empfinden, bei der Nike 694 entsprechende Einzelzüge aufzuzeigen. Indes jener Hinweis zielt auch weniger auf den Stil als vielmehr auf eine Einzelheit der Tracht: durch die ganz kurzen Ärmel, die nicht mehr als den Ansatz der Oberarme verdecken, sollen Athena 140 und Nike 694 »unvermeidlich verknüpft« sein '). Dagegen ist zu sagen, daß die gleiche Ärmelform inVerbindung mit dem langen Chiton bei einer Bronzestatuette mit faltenlosem Gewand zu finden ist: BCH. XII 1888 Taf. 11 S. 397 (vom Ptoion), ja bei einer noch älteren Marmorstatuette *), Athen Nat.-Mus. Nr. 4, vom gleichen Typus wie die Beckenstützen von Olympia und Delphi; unter den dekorativen Bronzefigürchen der Nike zeigt ein mit den Sammlungen Lambros-Dattari versteiger- tes Exemplar diese Tracht (Auktion Paris 1912, n. 210 Taf. 16), und auf Vasen ist sie

*) So Dickins im Catalogue zu Nr. 140, nachdem de l'Acr. 289 Fig. 20; Österr. Jahresh. XIV

Lechat das Stück zum Beweis herangezogen 191 1, 66 (Schrader).

hatte. Abb. 'E'fr^x. ipy. 1887 Taf. 8 (auch ») Gleichfalls vom Ptoion; erwähnt BCH. XII 1888,

Seitenansicht); nach Phot.: Lechat, All Musce 398,8. Alte Phot. in München.

Abb. 1. Akr. 694.

Eduard Schmidt, Ein Akroter des » peisistratischen« Athenatempels.

99

vielfach während des 6. Jahrhunderts nachzuweisen «). Auf die Zeit jener Athena- statuette ist also die Form der knappen Ärmelansätze keineswegs beschränkt, auch nicht für diese Zeit . .

charakteristisch. Viel- mehr scheint es sich da um ein letztes ver- einzeltes Vorkommen zu handeln.

Noch ein Einzel- zug der Tracht erinnert unmittelbar an den Peplos von Olympia: die Knüpfung des Klei- des auf beiden Schul- tern. Aber die Nike trägt nicht ein Gewand mit Überschlag. Bei einem solchen wäre die verschiedene Länge der Zipfel ganz ohne Bei- spiel. Sie paßt zu dem archaischen Mäntel- chen, das in der Regel schräg umgelegt wird, das aber auch öfter auf beiden Schultern ge- knüpft erscheint2). Das Besondere ist nur bei der Nike, daß beide Arme davon freibleiben

offenbar, um die kurzen Ärmel sehen zu lassen. Für solche Ver- bindung der beiden Gewandstücke vermag ich einen weiteren Beleg nicht anzuführen

jedes einzelne von ihnen ist charakteristisch archaisch.

Abb. 2. Akr. 694.

') Die Bronzenike auch bei Reinach, R£p. stat. III 258, 2. Vasen: Bologna necropoli Felsinee, Pellegrini n. 5 S. 5; Bibl. nat., De Ridder n. 225 S. 137, n. 260 S. 173; Akropolis, Graef n. 1538 aTaf. 81 (Athena) Brit. Mus. B148, J. H. St. XIX 1899 Taf. 6, 2; Louvre, Pottier F 3 Taf. 63, F 130 Taf. 74 (Mänaden) Akr., Graef n. 779 Taf. 47 (Klagende) Louvre Jahrbuch des archäologischen Instituts XXXV.

F 287 Taf. 83 (Aphrodite und Hera beim Paris- urteil). — Immer sind es wohl »Scheinärmel« in dem von M. Bieber (Jahrb. XXXII 1 1918, 101 ff.) daigelegten Sinn; der Zuschnitt beim Torso 694 besonders deutlich. a) Die Beispiele zusammengestellt von Lechat, Au Musee de l'Acr. 175 f. Sculpt. av. Phidias 224, 4: Akr. 600, 673, 605, Delphes IV Taf. 34,

8

IOO

Eduard Schmidt, Ein Akroter des >peisistratischen« Athenatempels.

Die Tracht also scheidet als Beweisgrund für eine Entstehung nach 480 aus. Es war ohnehin bedenklich, ihr entscheidendes Gewicht beizumessen gegen solche Eigenschaften des Werkes, die nicht von außen gegeben sind, sondern das Verhältnis

Abb. 3. Akr. 693.

Abb. 4. Akr. 693.

des Künstlers zur Wirklichkeit die Stufe der Entwicklung, die er erreicht hatte erkennen lassen.

Wir dürfen hoffen, die Vergleichspunkte der formalen Art zu vermehren, wenn wir andere N i k e n der archaischen Zeit in den Kreis der Betrachtung ziehen. Die Funde von der Akropolis bieten eine günstige Auswahl; von drei weiteren Marmor- figuren sind entsprechende Bruchstücke erhalten '). Wir betrachten zunächst jede für

1 u. 2. Die Tracht von Akr. 694 richtig be- stimmt: Lechat, Au Musee 176 Anm. 3. Am Hals war der Chitonrand nur gemalt (die beiden Säume übereinander plastisch angegeben bei der

großen Nike von Delphi). ') Daß von allen wie auch von 694 hier neue Ab- bildungen gegeben werden können, isitder Uneigen- nützigkeit Schraders zu verdanken, der mir die

Eduard Schmidt, Ein Akroter des »peisistratischen« Athenatempels.

IOI

sich und suchen ohne Rücksicht auf die Frage des Torsos 694 ihre Stelle in der Kunstentwicklung zu bestimmen.

Die kleine Nike Nr. 693 (Abb. 3, 4) bei ihr allein ist der Kopf erhalten gehört unmittelbar zu einer besonders in die Augen fallenden Gruppe der Akropolis- mädchen, die den nichtattischen, vom Osten kömmenden Stil am reichsten und zier- lichsten entwickelt zeigt. An Kopf und Oberkörper etwa der Köre Akr. 675 wird man

Abb. 5. Akr. 691.

Abb. 6. Akr. 691.

Unterschiede der Arbeit finden das Stirnhaar frischer bei der Nike, ihre Schulter- locken in schlichteren Strähnen fallend; aber alle. Motive des Haares und der Ge- wandung kehren gleichartig wieder. Am Oberkörper ist nur aus unbedeutenden Ver- änderungen des Korentypus zu ersehen, daß eine bewegte Gestalt gemeint ist: im Rücken ein leichter Schwung im Fall des Nackenhaares und entsprechend schräg gerichtete Falten; vorn ist es allein die steife Faltenbahn unter der linken Achsel, die im Gegensinn der Flugrichtung zurückgeweht wird. Am Unterkörper dann wieder die sanfte Kurve wie am Nackenhaar; als Beispiel ähnlicher Bewegung (und auch als stilverwandt) möge man das von Schrader, Festschr. S. 50/51 abgebildete Frag- ment von der Akropolis vergleichen den bis zur Basis erhaltenen Unterkörper einer Frau, die in mäßiger Eile auf festem Boden läuft. Es handelt sich auch bei der Nike offenbar trotz der Knielaufstellung um eine langsam dahinschwebende Ge- stalt. — Das Motiv, daß das lange Kleid vom Winde bis übers Knie hinaufgeschoben wird, ist sehr altes, hier nur übernommenes Gut; es findet sich schon bei der Nike

für ihn hergestellten Aufnahmen gütigst zur Ver- öffentlichung überlassen hat. Auch sonst bin ich

durch sein Interesse und seine Kritik bei dieser Arbeit wesentlich gefördert worden.

102 Eduard Schmidt, Ein Akroter des »peisistratischen« Athenatempels.

von Delos, wo es der erste noch alleinstehende Beleg dafür ist, daß der Künstler sich vorzustellen suchte, wie der Luftwiderstand auf die Gewandung wirken muß. Der Torso Akr. 691 (Abb. 5, 6), unwesentlich größer als 693, unterscheidet sich auf den ersten Blick durch die heftige Bewegung, von der besonders die Haare Schulterlocken und Nackenhaar ergriffen sind. Auch ein Stoffstreifen am rechten Arm entlang, den wohl die r. Hand gefaßt hielt, scheint gleich den Haaren im Wind " zu flattern. Aber so lebhaft die Bewegungsvorstellung ist, sie dehnt sich doch auch hier nicht auf alle Teile des Gewandes aus. Deutlich ist sie noch zwischen linkem Arm und Körper, an der gleichen Stelle also wie bei 693. Aber die Falten an dem schräge über die Brust gezogenen Mäntelchen schwingen nach entgegengesetzten Richtungen auseinander. Und die Linien am Gewand des Unterkörpers sind gar nicht durch die Vorwärtsbewegung der Gestalt bedingt: wie es auch bei ruhig stehenden Figuren vorkommt x), rafft die Hand das Kleid vor der Mitte des Körpers. Das gleiche Motiv der Hand und die starre (allenfalls leicht konkav geschwungene) Stoff- masse, die von der Hand herabfällt, treffen wir ebenso bei den kleinen Niken von Delphi 2); nach ihrem Vorbild werden wir den Gewandfuß der athenischen ergänzen dürfen. Daß nun doch der einheitliche Eindruck einer fast stürmischen Bewegtheit zustande kommt, beruht auf dem Charakter der Linienführung; sachlich verschieden motiviert verläuft sie überall gleichartig in Kurven, und zwar in solchen von stark ausgeprägter, vielfach gegensätzlicher Biegung. Auch so betrachtet ist dieser Torso von 693 augenfällig verschieden. Ein Drittes ist die Abweichung im Verhältnis von Gewand und Körper. Bei 691 konnte von »Linien « des Gewandes und der Haare gesprochen werden. Sie umspielen den Körper, helfen seine Formen deutlich machen; die Gesamtform des Werkes ist vorwiegend durch die Körpergestalt bedingt. Bei 693 dagegen (und der zugehörigen Gruppe der Korai) gibt es Stoffmassen, die Stücke des Körpers unklar machen so daß ein Kontrast entsteht zu andern Teilen, in denen das Kleid eng anliegend gebildet ist.

Die Wiedergabe des Kleides Stoffcharakteristik und Faltenbildung und der Haare ist an beiden Werken gleich entwickelt ; es zeigt sich darin kein Unterschied der Stilstufe. Also werden wir die sonstige so ausgeprägte Eigenart von 691 nicht aus zeitlich verschiedener Entstehung erklären 3) ; sie deutet auf Herkunft aus einem andern Kunstkreis. Wesentliche, von uns erkannte Eigentümlichkeiten finden sich an ionischen Werken aus Kleinasien und Etrurien: die Vorherrschaft der Körperform und der Sinn für die ornamentale Linie 4). Die Intensität der Bewegungs-

') Akr. 611, 602, 670. «) Musterbeispiele für beides sind der weibliche

») Fouilles IV Taf. 16/17 n. 4, 5. Die Mittelbahn am Torso mit dem Vogel, Berlin Inv. 1577, aus Klein-

Unterkörper »konkav«, also umgekehrt wie bei asien, abgeb. Kunst u. Künstler XIII, 539 (B.

693 geschwungen. Schröder) und die nächstverwandte Statuette

3) Für frühere Entstehung von 691 sind Sophulis Berlin Inv. 1744, Ant. Denkm. III 52 Abb. 9;

('EcpTju.. ipy. 1888, 91) und Dickins eingetreten, hier der Körper einer ruhigstehenden Figur von

insolern mit Recht, als darin ältere Tradition den ornamentalen Linien umspielt. Ähnliche am

fortwirkt Pavlovsky für das umgekehrte Ver- Unterkörper der Nike auf einer Caeretaner Hydria

hältnis auf Grund der stärkeren Bewegtheit von (Münch. Arch. Stud. 329). Von dem »Vor-

691 (s. darüber unten S. 103 Anm. 1). herrschen der Körperform« zu scheiden ist das

Eduard Schmidt, Ein Akroter des >peisistratischenc Athenatempels. 103

Vorstellung ist bisher fast ohne Beispiel, doch stammen ähnliche Erscheinungen wiederum vorwiegend aus dem Bereich der ionischen Kunst *). Der Stil, den die Nike 693 vertritt, wird allgemein als im Ursprung inselionisch betrachtet, zuletzt ist wieder pansche Herkunft dafür in Vorschlag gebracht worden (Schrader, Auswahl S. 24) noch immer nicht mit zwingender Begründung. Bei 691 liegt die Aus- wirkung eines andern ionischen Stiles vor: so könnte die festländisch kleinasiatische Art von einem attischen Künstler aufgefaßt worden sein. Aber ehe wir die Zahl der Vermutungen vermehren, scheint es wichtiger, den Torso 691 aus seiner Ver- einzelung innerhalb der Akropolisfunde zu befreien. Die Manier der Falten am Män- telchen — stofflich dünn wirkend, dabei in den Flächen rundlich belebt findet sich am ähnlichsten unter den Korai bei Nr. 685 (Schrader, Auswahl Taf. 7/8 S. 31), bei derselben die an natürliche Strähnen erinnernde Behandlung des Nackenhaares*). Nun ist gerade bei dieser Figur bemerkt worden, wie eng sich das Gewand dem Körper anschmiegt: sogar der von der Brust herabgehende große Zipfel des Mäntel- chens nimmt die schräge Richtung des zurückstehenden Beines an. Damit wird der Zusammenhang zwischen beiden Werken über das Zufällige hinausgehoben. Auch die Art der Köre 685 im besonderen der verhaltene Gesichtsausdruck im Gegen- satz zu dem angespannten bei der Mehrzahl der Korai läßt die Annahme möglich erscheinen, daß hier festländisch ionische Kunstform zugrunde liegt, die gesehen ist durch ein attisches Temperament.

Ein anderes, beinahe lebensgroßes Bild der Siegesgöttin, Akr. 690 (Abb. 7, 8), vertritt die letzte Stufe des archaischen Stils. Das ist alsbald an einer Reihe von Merkmalen erkannt worden, durch die sich das Werk vom typisch Archaischen scheidet 3) : statt des »Knielaufs« hier ein mäßiges Ausschreiten mit lockeren Knien, die Flügel, wie aus der Stückungsart erkennbar, organisch am Rücken ansetzend, der Kopf schräg zurückgewendet eine Bewegung, die das Streben des Körpers nach der andern Richtung stärker wirksam werden läßt 4). Auch die Haartracht (das Nacken- haar ist in einen kurzen Schopf zusammengefaßt) darf man zu den Anzeichen einer späten Entstehung rechnen. Dem entspricht es, daß nun die Bewegung, obwohl langsamer, entschiedener erfaßt ist in ihrer Wirkung auf das Gewand. Der große Zipfel des Mäntelchens schwingt vom Körper ab ein Motiv, das auch technische Schwierig-

Durchscheinen des Körpers durch das Gewand Haares auf ionisch-etruskischen Erzeugnissen:

(Studniczka, Jahrb. XXXI 1916, 223). Münch. Arch. Stud. 295 (sf.), 322 (Elfenbein).

») Die Lebendigkeit wo möglich noch übertroffen s) Diese gleichwohl durchaus » archaisch « und zwar

bei dem fliehenden Giganten am Siphnierfries auf älterer Tradition beruhend: man vgl. das

kurzes Gewand, Haare und Helmbusch einheitlich Stirnhaar der »samischens (naxischen?) Köre

zurückgeweht; doch bleibt auch dieses Beispiel Akr. 677, das Haar auf dem Oberkopf der Nike

auf dem ganzen Frieswerk vereinzelt. Lebhaft von Delos.

(fast wagerecht) abfliegendes Haar schon wesent- 3) So urteilt schon Sophulis, 'Etprju. %• 1888, 92. lieh früher:' Tonrelief des Cab. d. Med., Gaz. Beste Abb. der Vorderseite Br.-Br. Taf. 526 links, arch. VIII 1883, Taf. 49 Röm.Mitt.XXX 1915,39; 4) Mit Unrecht hat man darin eine Ungeschicklich- gemäßigter auf einer Scherbe aus Klazomenä, keit des Künstlers gesehen. Die Nike wendet Ant. Denkm. II Taf. 56, 3 (ebenso auf der Fran- nicht den Blick »vom Ziel ab« ohne ein Ziel coisvase bei Troilosu.ö.). Stärkste Bewegung des zu haben, schwebt sie vorüber.

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Eduard Schmidt, Ein Akroter des »peisistratischen« Athenatempels.

keiten macht und gewiß zuerst in der Malerei ausgebildet worden ist. Die Hand

rafft wieder den Chiton vor der Mitte des Unterkörpers; aber davon abwärts sind nun lang wallende Falten gegeben, deren S-Kurve zum ersten Mal die Lösungen ahnen läßt, welche die freie Kunst für das bei lebhafter Bewegung zurück- fliegende Gewand gefunden hat. Freilich, der in archaischer Tradi- tion stehende Meister verrät sich dann doch in der Inkonsequenz, daß an der im Laufe vorwärts gewen- deten Körperseite die Falten nicht zurückgeweht werden, sondern sich der Richtung des ausschreitenden Beines anschließen. Auf Vasen finde ich dafür die letzten eindeu- tigen Beispiele bei Euphronios (sYpa'jüsv), während schon bei Brygos diese Entwicklungsstufe überwun- den wird. Was lernen wir aus diesem gesicherten Beispiel für die letzte Stufe des archaischen Gc- wandstils? Im Verhältnis zum Körper ist noch der gleiche Gegen- satz von anliegenden und selb- ständigen Gewandpartien wie bei 693 zu spüren, und die Gleichmütig- keit gegen den Körperumriß hat eher zugenommen. Aber es gibt keine Stoffmassen mehr, sondern der Stoff ist eigentümlich dünn und steif geworden; mitbewirkt ist das durch parallele Riefen, deren kräf- tigste jeweils dem Rand der Falten- schicht entlang läuft. Bei dem Weihgeschenk des Euthydikos (Akr. 686, 609) ist der Prozeß noch ein weniges weiter fortgeschritten, und die Köre 688 zeigt diese sauber geschichteten, gleichsam »festgebügelten« Falten neben den wulstigen rdes neuen Stils. Die Trockenheit der Gewandbehandlung bei der Nike fällt aber um so

Abb. 7. Akr. 690.

Eduard Schmidt, Ein Akroter des »peisistratischen« Athenatempels.

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mehr auf, als die hindurchtretenden Teile des Körpers, Arm und Brust, und der nackte Hals, eine vorher unbekannte Weichheit der Schwellung zeigen, es also gegen das Ende der archai- schen Epoche: das Interesse am nackten Körper ist im Wachsen der archaische Gewandstil im Absterben, ohne daß schon An- zeichen eines neuen zu bemerken wären.

Der Torso 694 mit seiner besonders lebendigen, plastisch vollen Faltenbehandlung gehört nicht in die zuletzt betrachtete Entwicklungsreihe. Es ist aber auch durchaus unwahrscheinlich, daß zu gleicher Zeit oder gar in der Folge der leblos gewordene Ge- wandstil neue Kraft gewonnen haben sollte. Die Frische des Vor- trags rein archaischer Formen erklärt sich nicht aus später, son- dern aus verhältnismäßig früher Entstehung. So stellt sich denn auch der Torso 694, wenn wir ihn unter die besprochenen Niken einzureihen suchen, ohne Zweifel zu den beiden älteren wie auf Grund der längst als altertümlich erkannten Züge, so auch nach den neu gewonnenen Kennzeichen :) : Mangel an durch- gehender Bewegtheit des Gewan- des verbindet ihn im besonderen mit 693 am meisten augenfällig durch den großen Zipfel des Mäntelchens, der beidemal wie bei einer ruhig stehenden Figur gerade

ebenso So steht

') Das Fehlen der Schulterlocken bei 694 ist nicht auffällig, wie es Lechat er- schien, sondern z. B. bei den kleinen Bronzeniken von der Akropolis (den langgewandcten) die Regel.

Abb. 8. Akr. 690.

IOÖ Eduard Schmidt. Ein Akroter des »peisistratischenc Athenatempels.

herabhängt1). Was aber das Verhältnis von Gewand und Körper angeht, so läßt 694 eher an 691 denken; zwar ordnet sich das Gewand nicht so vollkommen unter wie dort es hat stellenweise ein eigenes Volumen bekommen wie an 693 ; dabei läßt es jedoch den schlanken Körper in den Hauptteilen klar hervortreten. Dieses letzte Urteil setzt nun freilich voraus, daß auch in dem beschädigten Teil des Rumpfes das Kleid sich an den Körper anschloß. Die Frage, wie weit der Tatbestand erkennbar, muß uns daher einen Augenblick beschäftigen: Daß an der linken Körperseite (der r. der Statue) trotz der Beschädigung der Kontur der Statue im wesentlichen erhalten ist, dafür sprechen folgende Beobachtungen: Die Kurve, die an der r. Körperseite den Ärmelrand fortsetzend bis nach dem gehobenen Ober- schenkel hin verläuft, wiederholt sich im Gegensinn auf der andern Seite; hier setzt sie unter der 1. Achsel an, hebt sich zuerst gegen den anders gefärbten Flügel, dann, in dem Kontur des abfliegenden Zipfels, gegen die freie Luft ab. Diese symme- trischen Linien sollten gewiß in der Silhouette der Figur wirksam werden. Im Rücken wird das besonders augenfällig durch die symmetrische Anordnung sämt- licher Faltenlinien des Mäntelchens. Daß es aber wirklich dem Künstler auch in der Vorderansicht auf die Erhaltung dieser Silhouette ankam, beweist die Führung des Obergewandsaumes unter der linken Achsel: wie in der Nebenansicht (Abb. 9) erkennbar, schwingt er nicht ab, sondern legt sich an den Körper an; es handelt sich um ein kurzes Stück Stoff, das in einen Klunker endigt, und dieser Klunker befindet sich genau in der beschriebenen Kurve des Außenkonturs (s. Abb. 1). Die hier klar erwiesene Rücksicht auf den Umriß ist gewiß nicht durch ein frei abfliegendes Gewandstück wiederum durchkreuzt worden. Sie gehört zu den grundlegenden Wirkungselementen der Komposition und eben damit zu den Zeichen früherer Entstehung, wodurch das Stück ebenso wie durch die unvollkommene Bewegungs- illusion von 690 abrückt.

Auch unsere besonderen Beobachtungen an archaischen Marmorniken, über Plastik und Bewegtheit ihres Gewandes, bestätigen also die Einsicht, die aus andern Vergleichen gewonnen war. Der Stil der Nike 694 ist einheitlich archaisch. Wir können jetzt hinzufügen, daß sie auch nicht ein Werk der letzten Stufe, sondern von der Höhe des archaischen Stile? ist.

Wenn wir aber einmal dessen sicher sind, so vollzieht sich leicht der Anschluß an . eine gleichgeartete Schöpfung: die Athena aus dem Giebel des erweiterten Hekatom- pedon ist von derselben Stilstufe und auch sie von der Masse der gleichzeitigen Koren getrennt andern Wesens, frischer und, das Antlitz zumal, so lebendig, daß sie natür- licher wirkt, ohne doch in der Formgebung der Natur näher zu sein. Bei ihr nun auch wie bei der Nike Sparsamkeit in der Belebung der Oberfläche und statt dessen aus- gesprochen körperhafte Gestaltung, wobei kräftig schattenbildende Motive gegen große einfache Flächen abgesetzt werden. Dem Ganzen haftet die Eigentümlichkeit

x) Bei den dekorativen Bronzefigürchen von der herab: De Ridder nr. 806; zurückschwingend ist

Akropolis hängt nur einmal der große Zipfel gerade er gegeben: nr. 807, 808, 811 814.

Eduard Schmidt, Ein Akroter des >peisisrratischen« Athenatempels.

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an, daß die Form nicht zu vollkommener Schärfe herausgearbeitet ist ; es liegt noch, wenn auch schleierdünn, eine Schicht darüber; beim Nackten im besonderen gibt es nur weich gerundete Übergänge, auch wo die Härte des Knochens darunter fühlbar wird. Das aber ist eine Eigentümlichkeit, die den Gigantengiebel des Hekatompedon und die Nike 694 unabhängig vom Zeitstil, mit den Olympiaskulpturen verbindet. Sie entspringt offenbar einer bestimmten Absicht auf monumentalen Stil. Die Ägi- neten sind das archaische Gegenbeispiel einer fest umrissenen, höchst präzisen Formgebung; und zu den olympischen Giebelfiguren treten die des Parthenon in den entsprechenden Gegensatz.

Es war der eigentümlich volle die bestimmte Form umhüllende Charakter der Marmorarbeit, der mich zuerst vor dem Torso 694 an die Bruchstücke vom Heka- tompedon denken ließ. Es ist zuzugeben, daß durch Einzelheiten der Ausführung der Beweis nicht wesentlich gefördert wird '). Indes, die verschiedenartige Zerstörung beider Werke ist dem Vergleich ungünstig, wie auch besonders die Verschiedenheit der Typen selbst. So ist für die Haartracht der Nike am Gigantengiebel keine Parallele zu finden das hört auf, ein Bedenken zu sein, wenn man sich erinnert, daß die drei erhaltenen Giganten in der Bildung des Nackenhaares untereinander abweichen. Oder es scheint die Randfältclung bei der Athena, auch wenn man die verstoßenen Teile zu" ergänzen versucht, nicht völlig mit derjenigen des Nike-Gewandes übereinzu- stimmen. Der Stoff wirkt bei diesem weniger schwer, die Faltenzüge sind teilweise stärker unterschnitten. Da es aber gerade diejenigen sind, die vom Winde leicht gebläht erscheinen, so könnte der veränderte Gegenstand die abweichende Be- handlung veranlaßt haben : wir werden dem Künstler des Gigantengiebels die Fähig- keit zu solcher Unterscheidung wohl zutrauen. —Das Wesentliche bleibt die Übereinstim- mung des plastischen Gesamtcharakters . Diese mag uns noch einmal ein Vergleich deut- licher vor Augen stellen. Es ist ein günstiger Umstand, daß uns Athena und Nike aines andern archaischen Künstlers erhalten sind unter den Resten vom Schmuck des alten Apollontempels in Delphi (Fouilles IV, Taf. 34, 2 u. 36; BCH. XXV 1901, Taf. 18, 1 u. 16). Bei dieser Athena fliegt das Obergewand zurück, der lange Chiton

>) Die Linien am Gewand des Unterkörpers der Athena haben das gleiche kräftig eingekerbte Profil wie an der Rückseite der Nike; es ist un- symmetrisch gekerbt nach der einen Seite mit scharfem Knick, nach der andern allmählich in die Fläche übergehend. (Motiviert sind die i) Linien « an der Nike dadurch, daß die beiden Hände was Schrader erkannt hat das Gewand gefaßt halten, die r. zieht es fast wage- recht nach vorwärts, die 1. dagegen ziemlich steil nach oben.) Der Kontur der flachgehaltenen Randfältelung an der Rückseite der Nike kehrt sehr ähnlich wieder an einem kurzen Randstück an der Rückseite der Athena (außen am r. Ober-

schenkel). Auch der starke Unterschied in der plastischen Gestaltung der Vorder- und Rück- seite liegt beidemal vor, aber er ist auch sonst nicht ohne Beispiel. Der Nike eigentümlich ist die Bildung von vier Faltenzügen, deren An- sätze unterhalb des r. Oberschenkels erhalten sind (auf der Abb. schwer erkennbar); es sind Grate, zwischen -denen die Fläche konkav ge- schwungen ist (solche schon auf der Rückseite der Nike von Delos); zwei rechts, neben dem großen Zipfel und ungefähr in dessen Richtung herabgehend, zwei links, im Bogen verlaufend, und zwar im gleichen Sinn wie der Saum des übers Knie hinaufgeschobenen Gewandes bei 691

und 693.

108 Eduard Schmidt, Ein Akroter des »peisistratischen« Athenatempels.

scheint gegen die Schenkel zu schlagen. Im Gegensatz dazu beruht die Wirkung bei der Athena vom Hekatompedon auf dem mächtigen Schritt, das Kleid, ist wenig daran beteiligt (die Faltenbahn in der Mitte des Unterkörpers verläuft geradlinig steif, sie ist nur im ganzen etwas schräg zurückbewegt). Den Grad der Natürlichkeit in der Bewegung des Gewandes wie bei der delphischen Athena wird man auf attischen Vasen nicht früher als beim Brygosmaler finden. Die Athena vom Hekatompedon vertritt demgegenüber eine ältere Stilstufe; in ihr ist noch dieTradition vom s.f. falten- losen Gewandstil her erkennbar. Zwischen den beiden Niken besteht das gleiche Ver- hältnis. Den steifen Falten bei der Athena von der Akropolis entspricht der gerade herabhängende Zipfel am Mäntelchen der Nike 694. Und wie an dieser ist bei der Athena der Umriß betont, die Wirkungsabsicht rechnet mit ihm während bei den delphischen Stücken die Bewegung des Gewandes das Interesse vom Außen- kontur ablenkt. Übrigens ist auch in Delphi das Nike-Gewand unterschieden: in der schwach s-förmigen Biegung der Falten am Oberkörper, .die bei der Athena nicht wiederkehrt, ist die spezifische Wirkung des Windes auf den Stoff zum Aus- druck gebracht mit andern Mitteln, aber auf Grund derselben Vorstellung, aus der wir die abweichende Behandlung des Gewandes bei der Nike von der Akropolis erklärt haben.

Zu der stilistischen Verwandtschaft kommt eine solche der technischen Her- richtung. An der Nike 694 ist auf eine durchaus ungewöhnliche Weise angestückt, mit ebenen, senkrecht aufeinanderstoßenden Ansatzflächen. Ich kenne ein einziges Beispiel für ein ähnliches Verfahren, und dieses findet sich am Eckgiganten C aus dem Hekatompedongiebel; hier kehrt auch die feine Rauhung mittels des Zahn- eisens wieder, an der unfertigen Stelle des Rückens des Giganten (Phot. Alinari 24603) wie an den Stückungsflächen der Nike. Bei der Seltenheit einer solchen Herrich- tung unterstützt dieses Zusammentreffen die Annahme, daß beide Figuren aus der gleichen Werkstatt hervorgegangen sind I).

Wir können aber von der Übereinstimmung des Stils und der Stückungstechnik absehen, und noch auf einem andern Wege stellt sich die Verbindung zwischen den beiden Werken her. Am Giganten ist der Kopf angesetzt, und weil er überhängt, bedurfte es besonderer Sicherungen. Auch bei der Nike muß das umständliche Vor- gehen einen besonderen Anlaß haben. Bei ihr ist schort die Stelle auffällig, an welcher angestückt wurde, und außerdem die Treppenführung des Schnittes. Was zunächst diese angeht, so hat sie offenbar den Zweck, den Schnitt zu verdecken : das ganz erhaltene senkrechte Stück ist völlig hinter dem Rand des großen Zipfels verborgen (s. Abb. 9); die ungedeckten wagerechten Stücke fallen weniger in die

') Die Stückungsflächen am Giganten fallen mit der scheinlichste; auf unserer Abbildung ist die

absoluten Senkrechten und Wagerechten zu- Stellung des Torsos dementsprechend geändert:

sammen. Auch bei der Nike ist dies das Wahr- der r. Teil der modernen Basis ein wenig gehoben.

Eduard Schmidt, Ein Akroter des »peisistratischen« Athenatempels.

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Augen bei ihrer Aufteilung, als wenn die Horizontale in einem durchgeführt wäre. Wie ging aber die Schnittführung jenseits der jetzigen Bruchstellen weiter? Der wagerechte Schnitt rechts oben endigte gewiß am Außenkontur der Statue. Aber auch an die fragmentierte Stückungsfläche links unten wird nicht noch- mals eine Wagerechte angesetzt haben: abgesehen davon, daß der Schnitt damit die »Deckung« durch den parallel laufenden Faltenrand verließe, würde er nicht bis zum linken Außenkontur durchgeführt werden können; denn nach allen Analogien aus Marmor haben wir anzunehmen, daß das vorgesetzte Bein nackt aus dem Gewände trat (durch die Kurve der unterhalb des r. Oberschenkels erhaltenen Faltenansätze wird das bestätigt) vom Gewandrand war alsdann der Unterschenkel, wie schon bei der Nike von Delos, durch einen leeren Raum ge- trennt. Viel wahrscheinlicher verlief also der senkrechte Schnitt geradeaus weiter bis zum Auflager der Figur. Es ist bemerkenswert, daß er genau mit der Mittelachse des Oberkörpers zusammenfällt, die Anstückung be- schränkte sich also auf die rechte Hälfte der Figur, und zwar auf ihre untere Ecke. Was mag den Bildhauer zu dieser Anordnung geführt haben? Sie wird verständlich, wenn die Statue nur mit diesem Teil aufruhte. Das konnte der Fall sein, wenn sie ein Eckakroter war (auf der linken Ecke des. Gebäudes): nur der jetzt ver- lorene Block war in die Basis eingelassen, die linke Hälfte sprang vor hing über am äußersten Ende der schräg absinkenden Giebelsima. Dies alles ist einst- weilen Hypothese; aber es erklärt den Befund der Anstückung. Wir verstehen besser als bei Aufstellung auf der Giebelmitte oder auf einem Pfeiler, wie der Bildhauer auf solche Art der Anstückung verfallen konnte. In der unteren wagrechten Ansatzfläche steckt der Rest eines sehr kräftigen Dübels: auch seine besondere Stärke ist erklärt, wenn der Hauptteil der Figur damit befestigt war und nicht der obere übergreifende Block in der linken Hälfte selbst die Basis erreichte J).

Eine andere Gestaltung des Eckakroters habe ich im Zusammenhang mit der Nike von Delos vorgeschlagen (Münch. Arch. Stud. S. 331—337): der vorgestellte Fuß wird durch die Volutenendigung der Sima unterstützt. Die Möglichkeit einer solchen Lösung wird durch das Vasenbild Roulez, Vases de Leide Taf. 19 bewiesen, wo sich bäumende Pferde genau entsprechend als Akrotere angeordnet sind; und sie

Abb. 9. Akr. 694.

') Dickins mit Bezug auf die technischen Vorkehrungen: a position as akroterion is the most likely.

iio

Eduard Schmidt, Ein Akroter des »peisistratischen« Athenatempels.

wird durch den Befund bei der Bronzestatuette Brit. Mus. 491 (Münch. Arch. Stud. S. 333) bestätigt. Läßt sich aber airch die Verbindung der Nike mit einem Giebel ohne Volutenendigung wahrscheinlich machen? Aus archaischer Zeit gibt es wenig- stens einen Beleg auf der Scherbe eines s.f. Pinax von der Ak'ropolis (Abb. 10) '). Nur ist hier die laufende Frau, die wir auf der Giebelecke sehen, ungefiügelt; daß sie in der Hand einen Kranz hält, ist aber eines der für Nike gesicherten Motive. Zwischen dem unteren Gewandsaum und der Sima ist eine Stütze angegeben, die beim Torso 694 in Anbetracht des gemäßigteren Schrittes entbehrlich scheint.

Im übrigen werden wir Genauigkeit in der Wiedergabe von architektonischen und deko- rativen Einzelheiten bei einem Handwerks- erzeugnis wie diesem Pinax gewiß nicht zu erwarten haben. Es bedeutet unter solchen Umständen eine wichtige Ergänzung, daß uns an einer der erhaltenen archaischen Ecksimen die oben vorausgesetzte Form des Auflagers vor Augen tritt: in Olympia am Schatzhaus von Megara (Abb. 11 a, b) war das Eckakroter dicht an das Simaende gerückt, und es scheint keine eigene wagrechte Basis mehr gehabt zu haben, da ein schräger Rand der Bettung über der Sima deren Steilheit etwas abschwächend sichtbar wird. Aber auch am Tempel von Ägina ist die horizontale Fläche der Basis so knapp bemessen, als für die kauernden Fabel- tiere unentbehrlich ist, die Ecke des Blockes ist (wie auch zu beiden Seiten des Mittelakroters) abgeschrägt. Darnach erst, z.B. am Parthenon (und den Propy- läen) begegnen wir der uns geläufigen Form einer Akroterbasis mit rechtwinklig umbiegender Kante, erst bei dieser Gestaltung tritt die Horizontale der Basis in wirksamen Gegensatz zu der Giebelschrägen1). Die Folge dieser Beispiele wird typisch sein für die Gesamtentwicklung. Die horizontale Standfläche ist nicht das

Abb. 10. S. f. Pinax von der Akropolis.

') Inv. Nr. X. 36. Erwähnt Münch. Arch. Stud. 334 Anm. 3. Unsere Abb. ist nicht in allen Einzelheiten zuverlässig; es liegt ihr eine Durch- zeichnung aus dem Material Graefs zugrunde, in der nach einer sehr kleinen Photographie einiges verbessert werden konnte.

Das delphische Paar von archaischen Niken (s.o. S. 102 A. 2) muß, wenn es zu dem Giebel mit dem Dreifußraub gehört, nach seiner Größe auf dem First des Gebäudes gestanden haben, ist also auf die beiden Fronten zu verteilen; so, mit weiterer Begründung: Dinsmoor in BCH. XXXVII 1913, 77 ff.

») Abb. 11 a, b nach Olympia I Taf. 37 u. II Taf. 119, 5 c. d. nach Furtwängler, Aegina Taf. 40 u. 47 e, f nach Collignon, Parthenon Taf. 42 (vgl. Phot. auf Taf. 41 u. 44, 2). Gleiche Basis- form wie am Schatzhaus von Megara an einem weiteren Giebeleckstück aus Terrakotta, erwähnt Olympia II S. 196 zu II Taf. 121, 1; hier läuft der Basisrand parallel zur Giebelschrägen (so nach einer Skizze in Borrmanns Aufzeichnungen, die mir Dörpfeld gütigst zugänglich gemacht hat sie befinden sich zurzeit im Berliner Mu- seum).

Eduard Schmidt, Ein Akroter des »peisistratischen« Athenatempels.

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Abb. ii. a, b Olympia, Schatzhaus der Megarer. c, d Aegina. e, f Parthenon.

ursprünglich Gegebene, sondern erst im Zusammenhang mit bestimmten Motiven der Akroterfigur, wie in Ägina, notwendig geworden. Bei einer Nike lag kein Anlaß vor, sie zu schaffen J).

') Die »klassische.' Form der Akroterbasis neben Hekatompedon in Vorschlag bringt scheint

der archaischen Volutenendigung was Schrader, mir unannehmbar, zumal da die Akroterfigur auf

Festschr. 14 Abb. 13 für den Porosbau des alten der Giebelmitte hier sicher auf der Fortsetzung

der Sima selbst aufstand (Schrader, Festschr. 8).

1 12

Eduard Schmidt, Ein Akroter des »peisistratischen« Athenatempels.

Die Anordnung also des Torsos 694 auf der Giebelecke, wie wir sie aus der Art der Stückung erschlossen haben, ist in archaischer Zeit wohl denkbar. War aber der Torso ein Akroter, so ergibt sich eben daraus von neuem die Verbindung mit dem Giebel des erweiterten Hekatompedon : nach den Maßen kann kein anderes Gebäude der vorpersischen Akropolis in Frage kommen. Sonstige äußere Tatsachen liefern keinen entscheidenden Anhalt weder die Fundstelle, wenn sie auch in gleicher Richtung von dem zerstörten Tempel liegt wie die Fundorte der Giebelfiguren, noch die erhaltene Architektur, die keinen Rest der Akroterbasen aufweist. Der Marmor ist von Lepsius (und Dickins) bei der Nike als parisch, bei den Giebelfiguren als Inselmarmor bezeichnet worden; doch abgesehen von der Unsicherheit solcher Be- stimmungen wird man die Verwendung verschiedenen Materials nicht als außer aller Möglichkeit erachten. Bei solchem Mangel an ausschlaggebenden Momenten er- scheint das Größenverhältnis um so wichtiger: der Torso ist 0,75 m hoch, ursprünglich wird er ungefähr 1,50 m erreicht haben l). Die Höhe des Giebelraumes ist auf 2,46 m berechnet worden. Das Eckakroter würde davon etwas über die Hälfte einnehmen. Das ist, vorsichtig gesagt, ein mögliches Verhältnis, während für das Mittelakroter das Maß des Torsos zu gering wäre 2).

Nach allem ist dies der Stand der Frage : Die Nike 694 erschien als dem Giganten- giebel nächstverwandt nach Stil und Stückungstechnik. Während daraus allein nur auf die Herkunft aus der gleichen Künstlerwerkstatt geschlossen werden konnte, führt die Annahme tektonischer Verwendung des Stückes unmittelbar auf die Zu- gehörigkeit zum »peisistratischen« Athenatempel : ein Akroter aus Marmor und von so beträchtlicher Größe muß zum größten vorpersischen Bau auf der Akropolis gehört haben. Voraussetzung ist aber auch hier, daß ein Werk aus der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts vorliegt. Davon, daß die im Anfang der Untersuchung begründete Ansicht vom rein archaischen Stilcharakter dieser Nike anerkannt wird, ist alles weitere abhängig. Von dieser Grundlage aus gelangen wir zu zwei getrennten Thesen,

*) Bei dieser Schätzung sind zur Höhe des Torsos (0,75 m) für den Kopf 0,25, für den »Gewandfuß« 0,50 m gerechnet. Bei den kleinen Akroter- niken von Delphi ist der Gewandfuß besonders hoch (sie waren Mittelakrotere, s.o. S.uo A. 1); seine Höhe bis zu der Gegend, in welcher die Nike 694 gebrochen ist, beträgt mindestens die Hälfte der Gesamthöhe bis zum Halssaum; dar- nach ergäben sich für die Nike 694 sogar 2 X 75cm + 25 cm für den Kopf = 1,75 m.

l) In Aegina sind die Eckakroterien verhältnismäßig kleiner: H. in der jetzigen Ergänzung 0,76 m, des Tympanon 1,70 m. Bei der großen Nike von Delphi war ein Gewandfuß anscheinend nicht vorhanden: die Randfältelung am unteren Saum ist r. von der breiten Mittelbahn gerade noch erkennbar. Wenn die Figur also nicht viel

größer war, als erhalten 1,13m , so maß auch sie wenig mehr als die halbe Höhe des Tympanon. Denn dies ist fast genau die Höhe der beiden Torsen stehender Frauen 1,13 bzw. 1,16 m , die etwa halbwegs zwischen Giebelmitte und rechter Ecke angesetzt werden. (Ich urteile nach der neuen französischen Rekonstruktion, abgebildet von Poulsen in Studier fra Sprog- og Oldtidsforskning 1917 Heft 106, nach Fouilles de Delphes II). Courby BCH.XXXVIII 1914, 343**- will die Nike auf die Mitte des Giebels setzen; ihre Größe scheint mir dafür zu gering, und ich möchte sie wieder, wie ehemals Homolle, auf die Ecke verweisen. Das Flügelstück, aus dem Courby Sphinxe als Schmuck der Ecken rekon- struiert, könnte zum Mittelakroter Palmetten- ornament mit symmetrischen Sphinxen?

gehört haben.

H. Pomtow, Die Tänzerinnen-Säule in Delphi.

"3

die sich gegenseitig stützen. Stammt die Nike vom Künstler des Gigantengiebels, so liegt es nahe, zu fragen, ob sie nicht selbst den gleichen Giebel geschmückt hat. Ist sie Eckakroter, und nach der Größe vom »peisistratischen« Athenatempel, so kommt es uns erwünscht, daß sie auch nach Stil und Technik mit den Giebelfiguren im Einklang steht. Die eine Begründung der Zusammengehörigkeit beider Werke, die auf der Ergänzung des Torsos als Eckakroter beruht, kommt einem exakten Beweis ganz nahe. Die andere, die sich besonders auf die Stilgleichheit stützt, ist weniger bindend, doch darum nicht weniger wertvoll, sofern sie uns den Blick auf den persönlichen Stil des Künstlers richten läßt eines attischen Meisters, wie wir glauben dürfen, der selbständiger als irgend ein anderer die Anregungen, die in dieser Zeit vom Osten kamen, verarbeitet hat.

München. Eduard Schmidt.

DIE TANZERINNEN-SAULE IN DELPHI.

Gegenüber den mannigfachen Versuchen, die Zeit der delphischen »Akanthos- Säule« aus dem Stil der Karyatiden zu bestimmen I), ist es verwunderlich, daß man die historischen Fragen nach Stifter und Veranlassung des Prachtdenkmals meist beiseite gelassen oder nur am Schluß gestreift hat. Ich möchte den umgekehrten Weg gehen und mit dem Geschichtlichen beginnen. Denn beide Fragen lassen sich m. E. mit Sicherheit beantworten, sobald man die allgemein anerkannten Aus- führungen von Wolters über Namen und Herkunft der karyatischen Mädchen zu- grunde legt2). Abstrahieren wir zunächst von allen Stilvergleichungen und Re- konstruktionen, so bleiben zwei Tatsachen maßgebend : erstens, daß solche Pflanzen- oder Akanthossäulen nicht nur mehrfach auf Vasenbildern vorkommen, sondern daß sich auch anderwärts (an zwei Orten in Attika) ganz ähnliche Säulentrommeln aus Marmor gefunden haben 3); zweitens, daß, wenn überfiaupt derartige Säulen in Griechenland als Dreifußträger beliebt waren, die Hinzufügung von drei lakonischen Tänzerinnen gerade auf unserer Säule notwendig mit dem Stifter oder dem Anlaß der Weihung in Beziehung stehen muß. Ich habe darum seit langem die lako-

') Die wichtigste Literatur über das Denkmal: ») P. Wolters, Karyatiden, in Zeitschr. f. bild.

Homolle in Bull. corr. hell. XVIII 1894, 180 (Ankündigung des Fundes) ; XXI 1 897, 603 14 ; XXXII 1908, 205 35. Tournaire, Fouilles d. Delph. Album I pl. XV (Rekonstruktion). Keramopulos, Journ. internat. numismat. X 1907, 295 ff. (ausgegeben Anfang 1909). Bulle, Schöner Mensch, Sp. 297fr. Ab- bildungen der Karyatiden z. B. Fouill. d. D. V, pl. LX— LXII; Springer-Michaelis10 306, Abb. 562 (in der 11. Aufl. gestrichen), Bulle ,1. O. Taf. 140.

Kunst VI 1895, 36—44. Homolle hätte die Be- lehrung, die er aus diesem Aufsatz zog, un- beschadet seines Ansehens ruhig mit der Quelle nennen dürfen. Auch Bulle, Schöner Mensch Sp. 298 schließt sich Wolters an, dessen Vor- läufer wohl Furtwängler, Meisterw. S. 202 ge- wesen war. Vgl. neuerdings Fi echter, Karyatiden in R.-E. X 2247fr. 3) S. die Aufzählung nach Homolle unten S; 120 (Anm. 3). Hinzukommt ein Stück aus Delos.

114 ^- P°mtow! Die Tänzerinnen-Säule in Delphi.

nische Herkunft für äußerst wahrscheinlich gehalten; denn es ließe sich kein stichhaltiger Grund erdenken, weshalb in so früher Zeit z. B. Böoter, Athener oder andere Griechen die Mädchen von Karyä auf solchem Denkmal verewigt haben sollten. Wie jeder, der von weitem das Palladion auf der Palme sah, sich sagte: siehe da, ein attisches Anathem ; wie unweit davon die Bronzebeile auf Tenedos hinwiesen, dessen Münzbild die Doppelaxt war, oder im Tempel selbst das goldene Eppichblatt (j(puoouv as'Xtvov) auf Selinus '); wie endlich das -apäar^w, das Emblem auf den Reliefstelen der Proxeniedekrete jedem Vorübergehenden die Vaterstadt des Geehrten kenntlich machte1), so sollten dem zum Tempel Heraufsteigenden die Lacaenae saltantes schon von ferne verkünden, daß der Drei- fuß ein Spartanergeschenk sei. Denn da sie weder wie die Niken der Deino- menidendreifüße (s. unten), noch wie die drei Schlangenköpfe des Platäischen den Dreifußkessel tragen oder stützen 3), sind sie mit dem Anathem selbst in keiner Weise organisch verbunden, sondern bilden ein zur Dokumentierung der Natio- nalität erfundenes anmutiges donum superadditum. Hinzukommt, daß wir dem ganzen Charakter nach offenbar ein singuläres, prunkvolles, kostspieliges Staats- anathem vor uns haben, und andererseits, daß solche öffentlichen Prachtweihun- gen in hellenistischer Zeit (Bulle), also um 300 250 v. Chr. unter der Ätolerherr- schaft, in Delphi ganz unerhört wären 4).

Auf Grund dieser Vordersätze vermag ich die Person des Stifters und die Zeit der Weihung namhaft zu machen: es ist König Agis, der im J. 400 aus der Beute des Krieges gegen Elis diese Tänzerinnensäule ge- weiht hat. Wir wußten zwar aus Xenoph. Hell. III 3, 1 folgendes: xal outu> [asv 3y] 6 Aaxs8atp.ovuov xal 'HXehuv iroXe|io? !Xr(£s. Meto 8s touto TAfi? ä<pix0|isvo? tU AeXcpou? xal "rijv Ssxarrjv otTco&uaa?, izakiv äraiuv sxafiev sv 'Hpai'a, fepouv rßrt <üv, xal äir^vs^ör; jasv &U Aaxe8ai|xova Jet C<öv, exe? 8e -zayb STEXsu-njas. Aber diese Zehntenweihung war noch von niemand wiedererkannt worden in dem Anathem, das Plutarch namhaft macht (de tranquillit. animi 467 F): dXXa otEipftapiat aou ih fuvaiov ; oux dirsYvtuxa? oov tou- fttYpafifia ti iv AsX<pois# *

Tfpae xal Tpa<espa? ßaaiXsus ^Afi? |* ävsdrjxs, ou8' äxrjxoas Sti xoutou ttjv ■vuvaixa Tijxai'av 'AXxißiaoirjs 8ie<p&etps, xtX. Dieses Epigramm

') . . <Si3Te uu(j.ßoXov rj ratpa<jTjU.ov elvai x^? r.6\tu>s, hören aber zur stereotypen Haltung der xapucm;-

Plut. Pyth. or. 12 über Tenedos und Selinus. Tänzerinnen, vgl. Wolters a. O. S. 43; Fiechter

vgl. SyMoge3 n. 12, not. init. 3.0.2249,38. Darum hat sie auch kein Restau-

*) Vgl. die Zusammenstellung solcher Reliefstelen rator bis zum Xipijs emporgeführt ; zuzugeben ist

durch Perdrizet, Bull. corr. hell. XXI 1897, 549 freilich, daß der Anschein des Stutzens be-

(^achtrag ebenda S. 578), wo sich das Pferd steht, aber daß drei Hände von tanzenden

auf Syrakus, die Herakleskeule auf Theben, der Mädchen den )ißr(; nicht tragen können, ist klar. Hippalektryon auf Epidauros, der Stier auf Kleitorj 4) Die privaten gekuppelten Säulen der reichen

die Sphinx mit Amphora auf Chios beziehen. Ätoler in der zweiten Hälfte des III. Jahrh. bleiben

Hierzu kommt u. a. Pallas Athene mit Apollo und natürlich außer acht; sie sind tcXo'jtoü roxpa-

Omphalos auf der Demades-Stele Klio IX, 158; öeiypiaTa und verdanken ihre Entstehung der

die 2 Doppeläxte auf der Stele für den Tenedier, Familieneitelkeit (Timareta, Charixenos, Lykos-

Inschr. v. Olymp, n. 39. Diokles = SyllogeS n. 513 515). »■

3) Die erhobenen r. Arme sind zwar verloren, ge-

H. Pomtow, Die Tänzerinnen-Säule in Delphi. j j c

erheischt eine kurze Analyse. Wenn hier Agis mit einer homerischen Wendung als .»König zu Lande und zu Wasser« bezeichnet wird1), so kann das erst ge- schehen sein nach der Schlacht bei Aigospotamoi, und derselbe spartanische Stolz auf die neue Seeherrschaft dokumentierte sich in den gleichzeitigen Distichen der Lysanderhalle : . . ots vtxwv | vauui 8oat? iripasv KsxpoiriSav ouvajxtv | Aoaavöpo?, und unter der Statue des Admirals Arakos (ebenda): [vaual Aaxtuv] npäko?, upoT£pu)[v t' Itc]i touSs vaua'pfx^u | eJoj(o? •fjfsjfi.ovwv 'EXXa'So; supu^opou2). Darnach kann der Agis- Hexameter nur den Jahren 404 400 entstammen, weil der König schon im Sommer 400 starb, aber man muß annehmen, daß wenigstens noch ein Pentameter folgte, der den Anlaß der Weihung, d. h. den Sieg über Elis verkündete. Wahr- scheinlich bestand das Epigramm nach Analogie der 2x2 Aigospotamoi-Distichen ebenfalls aus einem Distichen-Paar und war gleichfalls von Ion von Samos ge- dichtet, dem auch die Homer-Reminiszenz gut anstünde 3). Wenn wir nun hier ein berühmtes, weil von Plutarch zitiertes und zu dessen Zeit noch vorhandenes Staats- anathem des Agis aus den J. 404 400 vor uns haben und aus Xenophon wissen, daß derselbe König die isxaxr, aus der Riesenbeute des Elischen Krieges im J. 400 dort geweiht hat, so werden wir methodischerweise beide Weihungen für identisch zu halten haben 4).

Höchstens könnte man, weil unter Agis die Belagerung Athens und dessen Fall im Frühjahr 404 stattfand, das Plutarch-Zitat auf ein damaliges Siegesanathem des Königs beziehen, das zwar unbekannt ist, aber gegenüber der protzenhaften Lysanderhalle für Aigospotamoi nichts Unwahrscheinliches an sich hätte. Indessen fiel die Hauptrolle bei der Eroberung Athens dem Lysander zu, und wenn außer der Aigospotamoi-Halle auch noch der Staat Lakonien als solcher ein Siegesgeschenk nach Athens Fall gestiftet hätte, so wäre nicht der König als

') Vgl. iz\ TpatpEpVjv Te xai üypVjv, Hom. 11. 14, 308; in das Frühjahr 400 setzt, weil andernfalls die

Od. 20, 98; Hymn. in Cer. 43. Eleer die Olympien dieses Jahres nicht geleitet

3) Die Inschriften und Literatur der Lysanderhalle haben könnten, eine Störung derselben aber

sind am übersichtlichsten zusammengestellt in nirgends berichtet sei. Diese einleuchtende Be-

derSyll.3 n. 115; die beiden Epigramme eben- gründung stammt aus Grote, Gr. Gesch. V, 182,

da not. 2 u. 3. Die spartanische Seeherrschaft Anm. 101 d. Übers., aus der sie Beloch schweigend

dauerte gerade zehn Jahre, von 404—394, d. h. entlehnt. Ed. Meyer (V, 52, Anm.) zieht das

bis zu Konons Sieg bei Knidos. Jahr 399 vor, m. E. mit Unrecht; denn er gibt

3) Ion von Samos nennt sich selbst in, bezw. unter selbst zu, daß der Krieg während dreier natür- den beiden Epigrammen, s. vorige Anm- Er . licher Jahre geführt ist, wie Pausanias III 8 nach gehörte zu den Schmeichlern und Hofpoeten Ly- den Andeutungen bei Xenophon richtig angebe, Sanders. Dieser wiederum ward von Agis und während Diodor den Krieg um ein Jahr zu hoch dessen Partei begünstigt, während König Pausa- ansetze, auf 402/1 und den Frieden in 401/0. nias die Gegenpartei vertrat. Es ist darum wahr- Aber der obige Vorschlag auf das Frühjahr 400 scheinlich, daß Ion auch nach Lysanders Sturz läßt sich mit Diodor vorzüglich vereinigen. Da.s (a. 40a) sein Anhänger blieb und für die von »Frühjahr« bezeugt Xen. Hell. III. 2, 30 aus- Agis geführte Partei weiter dichtete. drücklich. Die Diodorstellen sind XIV 17, 34

4) Die Chronologie des Elischen Krieges ist strittig. und XII 35, 4 (Agis' Regierungsdauer). Die Ich folge dem Ansatz Diodors in Übereinstimmung riesige Beute aus dem reichen Lande, das seit mit Beloch IJ 2, 186, der den Frieden mit Elis 20 Jahren keinen Feind gesehen, beschreibt

Xen. Hell. III 2, 26 (Diod. XIV 17, 11).

Jahrbuch des archäologischen Instituts XXXV. 9

n6

H. Pomtow, Die Tänzerinnen-Säule in Delphi.

Stifter genannt worden, sondern es hätte analog dem Schild von Tanagra geheißen: toI Aaxe8ai[j.6vioi aup.[xa)(ta T' dvsdsv1). Und wer etwa an den obigen Xenophon- worten ttjv SsxdTTjv diroftuaa? Anstoß nimmt2), der vergleiche Xenoph. Hell. IV 3, 21, wo Agesilaos nach der Schi, bei Koroneia st; AeXcpou; dfixopsvo; Sexdr/jv tü>v ix tf(; Xst'a; tw Sei» owriduasv oüx eXaiTu) Ixoctov taXavTiuv, desgl. Plut. Ages. 19: ttjv Ssxäx^v draftoe x&v Ix t% 'Aaiaj Xacpupuuv sxativ ioiXdvTu>v •(s,w\i£vrlvl). Es ist also diraöusiv ein terminus technicus und bedeutet »den schuldigen Anteil darbringen«, nicht etwa bloß durch Opfer, was sich bei 100 Talenten von selbst verbietet. Sondern man brachte bei so großen Summen aus einem Teile derselben ein Opfer dar, aus einem anderen ließ man ein Anathem herstellen, das die Siegerinschrift trug, den dritten, größten legte man in den Tempelschatz.

Daß nun aber der Karyatiden-Dreifuß und seine Säule sich weder auf diese Agesilaosweihung bezieht, noch mit Athens Fall unter Agis-Lysander zusammen- hängt, beweist das Marmormaterial. Es ist nicht parischer Marmor, wie Homolle behauptete (Bull. XXI 1897, 611), sondern nach Lepsius Untersuchung sicher pentelischer; vgl. Delph. Gesteinsproben, Philol. LXVI 1907, 283, Nr. 1 14/15. Es standen aber neben den Böotern auch Athener bei Koroneia (394) dem Agesilaos feindlich gegenüber und sperrten ihm nachher den Durchmarsch, so daß er mit dem Heere über Delphi-Kirrha nach Hause ziehen mußte. Also war es unmöglich, daß er in jenen Jahren den Marmor aus Attika erhielt, und auch im J. 404 wird Athen den Feinden nicht das Material zu dem Denkmal seiner Er- oberung geliefert haben. Dagegen leisteten im Elischen Kriege die Athener dem Agis als Bundesgenossen Heeresfolge, an seinem Siegesdenkmal hatten sie also ideellen Anteil und werden die Marmorlieferung gern bewilligt haben.

Nach alledem dürfen wir die Tänzerinnen-Säule für ein lakonisches Staats- a'nathem erklären, das im J. 400 aus einer sehr großen Kriegsbeute geweiht wurde. Es ist selbstverständlich, daß die Säule als Träger und die nur zur Verzierung der Mittelstütze dienenden Karyatiden an sich mehr Nebensache waren; das eigentliche Anathem bildete der darüberstehende Dreifuß, der darum fraglos golden4), bez. stark vergoldet gewesen ist analog dem Platäischen oder noch treffender denen der Deinomeniden. Es ist bereits Syll.3 35, not. 6 (vgl. nr. 34, not. 1) im Anschluß an Keramopulos nachgewiesen, daß die drei aus der Beute der Schlacht bei Kyme im J. 474 gestifteten Dreifüße des Hiero, Polyzalos, Thrasybulos auf hohen ehernen

') Über dieses Epigramm vgl. Paus. V io, 4 = Inschr. Olymp. Nr. 253.

') Übrigens gibt Xenophon den Gegenstand des Anathems fast niemals an, nicht einmal bei seinem eigenen Weihgeschenk, das er im Jahre 394 im Athener-Thesauros aufstellte; Xen. Anab. V 3, 5.

3) Ebenso Xen. Ages. I 34, vgl. auch Diod. XIV 84 (ohne die Weihung). Agesilaos blieb mehrere Monate in Delphi, um seine Wunden zu heilen,

und leitete an den Pythien die große rcojjnri) tuj Sk(jj s. Plut. Ages. 19 und Aug. Mommsen, Delphika 131. 4) So auch, wie ich nachträglich sehe, vermutungs- weise Keramopulos, Journ. numism. X 304. Da- gegen beweist die Vergoldung des Dreifußes auf der Akanthossäule der Vase von Kertsch (Xenophantos) nichts, da dort auch viele andere Gegenstände vergoldet wurden, s. unten S. 1 20 f.,

Anm. 3.

H. Pomtow, Die Tänzerinnen-Säule in Delphi. i j 7

Säulen standen1). Wie auf der Akanthossäule die Mittelstütze mit den Karyä- mädchen, so trug auf der Hierosäule eine goldene Nike als Stütze den weithin glänzenden goldenen Dreifuß; von ihnen singt Bakchylides (III 17): XijAirei 8'uiro [iapfiapufai; 6 j(puao? | uiptdatSa'Xxojv xptTcoSouv axaÖEVxwv | irapot&s vaoü xxX., und wir wissen, daß das Gold des Hiero-Anathems einen Wert von mindestens über 20, wahr- scheinlich über 50 Talenten hatte, während der links daneben stehende, etwas ältere Gelon-Dreifuß nebst Nike aus 16 Talenten Goldes bestand (Syll. 3 nr. 34, not. 1 ; Schi, bei Himera, a. 480). Daß Hiero und die jüngeren Brüder die hohen Erz- säulen wählten, geschah wegen der größeren Sicherheit für das Gold: war doch das Kostbarste der drei Anatheme, das des Hiero, zuerst direkt auf die steinerne Basis gestellt gewesen, in gleicher Höhe mit dem Gelons, wurde aber sehr bald darnach auf eine Säule gesetzt, wie die erhaltenen drei Zapfenlöcher des Drei- fußes und die sie umgebenden vier der Säule beweisen. Offenbar aus dem gleichen Grunde wurde von dem Spartanerkönig für seinen Golddreifuß die hohe Marmor- säule gewählt, und daß diese Analogien kein Zufall sind, zeigt ein früher schwer erklärlicher Umstand: der Aufstellungsort der Akanthossäule. Ich hatte schon 1908 angegeben, daß die große quadratische Kalksteinbasis, die südlich dicht vor dem Unterbau der Gelon- und Polyzalosdreifüße in situ liegt und um die herum unsere Trommeln und Tänzerinnen gefunden sind, als die Unterlagsplatte dieses Anathems anzusehen sei; sie ist gut zu sehen hinter den Bänken der heil. Straße in Sitzungsber. Bayer. Ak. 1907, 241 ff., Taf. IV. Obwohl Keramopulos ebenso urteilte und kein Widerspruch laut wurde3), blieb doch die Schwierigkeit, daß bei

■) Wegen der Einzelheiten sei auf den eingehenden '9<5, 24 nr. 47); es gilt dem Pheraeer Ospi'a;

Kommentar zu Syll. 3 Nr. 35 verwiesen und auf 'Apiaxfiovo; und wurde aufgestellt rcpöi [Tät[ei5C>vi]

die Zeichnung von Zachos bei Keramopulos, xoü &he\<poü kioxkia iizi xoö xfovoj xoö r.apöi xövvaöv

Ath. Mitt. XXXIV 1909, 4of. Hier sieht man, [esx<üxo{] itccpa xo [rce|pipavx?}r)piov x6 ypiaeov.

daß die Gelonbasis nur die drei Zapflöcher des Falls B. wirklich zu dieser Plinthe die zugehö-

Dreifußes zeigt, die links davon befindliche des rige ionische Säule, den quadratischen Archi-

Polyzalos aber hat vier im Kreis gestellte, die trav und die Hängeplatte mit Zahnschnitt nach-

des Hiero im Innenkreis 3, im Außenkreis 4; weisen kann, wäre das sehr erfreulich, aber sie

von letzteren ist jedoch das östlichste gänzlich über der obigen Unterlagsplatte von 2,06 X 2,06,

zerstört und Zachos hat es S. 41 zu ergänzen ver- bez. 1,95X1,95 anzuordnen, dann zwischen beide

gessen. Für diese 3 + 4 Löcher gibt es nur die den langen Orthostat mit der in Delphica III

oben angeführte einleuchtende Erklärung von 229, not. edierten Weihinschrift von Pherae

Keramopulos, die zu meinem früheren Nachweise für die Reiterführer einzuschieben, und endlich

Klio IX 178 über den »oben« im Temenos bei diese selbst hoch zu Roß auf die kleine qua-

den Dreifüßen stehenden ehernen x(u>v des Hiero dratische Hängeplatte von c. 1,18X1. «8 (!) zu

vorzüglich stimmt. setzen, ist einfach unmöglich. Offenbar hatte

') [Korrektur-Note. Wenn in Bourguets B. das Dekret nicht ganz entziffert, wußte also

Rapport, Kev. et. gr. 1912, 2of., obige Unter- nicht, daß auf der Säule die Statue des Stifters

lagsplatte auf ein Säulendenkmal aus Pherae Diokleas stand, während andrerseits die große

bezogen zu werden scheint, das die von Pherae-Weihinschrift mit ihren Achsweiten von

Paus. X 15,4 genannten Hipparchen getragen 12 13 cm wenigstens 3 m lang war, aus meh-

habe, so ist das ein zwiefacher Irrtum. reren Blöcken bestand (ihr links gebrochener

Jene Hochsäule stand auf einer Plinthe von Stein von 0,87 max. Länge hat rechts Anathy-

1,18X1,02 max., die ein von Bourg. erwähntes rosis) und mehr als 200 Jahre älter ist als die

verloschenes Dekret vom J. 134 trug (ediert Klio Plinthe und Diokleassäule. Und gern möchte

9*

Ilg H. Pomtow, Die Tänzerinnen-Säule in Delphi.

dieser Ansetzung die Deinomeniden-Anatheme z. T. verdeckt oder in ihrer Wirkung stark beeinträchtigt wurden. Jetzt wird klar, daß dieser Platz absichtlich gewählt ist, um Gleichartiges zu vereinigen: vor die drei syrakusanischen Säulendreifüße stellte man den spartanischen, ebenso hoch, gleichfalls golden, gleichfalls als Zehnten aus Kriegsbeute. Daß daneben auch politische Gründe mitsprachen, ist klar; wie die riesige Säulenhalle Lysanders das größte Gebäude des Temenos außer dem Tempel den Besucher beim Betreten des Heiligtums als erstes Bauwerk begrüßte, sollte das Agis-Denkmal als letztes der heiligen Straße, auf ihrem höchsten Punkte weithin sichtbar, dem Beschauer Spartas Größe nochmals vor Augen führen, ehe er die Tempelterrasse selbst betrat.

Künstler und Stil. Wenn die Tänzerinnen, wie wir sahen, an dem Anathem selbst nur dekorative Nebenfiguren bilden, die uns freilich durch ihre Anmut und losgelöst von dem fehlenden Dreifuß heute leicht als Hauptsache er- scheinen, — so dürfte die Fragestellung, welcher berühmte Künstler der Verfertiger gewesen sei, falsch orientiert sein. Die Antwort muß lauten : gar keiner, sondern wir haben das handwerksmäßige, ziemlich schablonenhafte Werk eines niederen Bildhauers vor uns. Es will mir scheinen, daß große Künstler wie Alkamenes, Kallimachos, Paionios die Homolle aufzählt, um sich für den letzteren zu ent- scheiden (Bull. XXI 6iof.) , sich nicht dazu herbeigelassen hätten, das dekorative Beiwerk einer Dreifußsäule zu schaffen; oder, wenn man dem z. B. den goldenen Dreifuß und die Nike des Bion von Milet, d. h. das Gelonanathem (Syll.3 n. 34, b) entgegenhält, die aber doch anders zu beurteilen ist, so bleibt als schwerer Anstoß, daß kein namhafter Künstler dreimal dieselbe Statuenschablone, schematisch genau wiederholt, nebeneinander gestellt haben dürfte. Der nüchterne Betrachter dieser sogenannten »Gruppe« wird darum das Suchen unter klangvollen Künstlernamen für ebenso verfehlt halten, wie feinere Stilvergleichungen bei diesen mehr hand- werksmäßigen Dekorationsfiguren. Als ich diese Bedenken vor Jahr und Tag Wolters mitteilte, antwortete er, daß sein Urteil über die künstlerische Qualität auch nicht günstig sei (briefl.); und Bulles Analyse (Schöner Mensch, Sp. 299): »schöne Idealformen, aber mit glatten und etwas leeren Flächen, dazu ein leichtes süßes Lächeln um den Mund, jedoch kein ursprüngliches Leben, kein eigenes Temperament«, ferner das leblose und unwirkliche, nüchtern stilisierte Haar, sowie die in einer eigentümlich trockenen Art rillenartig gebildeten dünnen Falten des Chitons, mit leichten Rauheiten und Zackungen, war gewiß richtig, nur zog er daraus die falsche Folgerung, daß der »Künstler« der hellenistischen Zeit an- gehöre. Man muß vielmehr auf die Parallele der attischen Grabreliefs verweisen, wo dieselben etwas leeren Flächen, die inhaltlosen Gesichtszüge neben der hohen Anmut der ganzen Gestalt sich wiederfinden (Hegeso, Thraseas, Lysistrate) und bei denen die starke Loslösung des Hochreliefs vom Hintergrunde (Demetria und Pamphile) gerade so weit gesteigert ist, wie bei unseren Tänzerinnen. Es ist kein

man glauben, das letztere neben das alte Staats- Ecke des Pronaos stand. Jedenfalls hat weder

anathem gestellt wurde, also unweit der nordöstl. das alte noch das junge Pherae-Anathem mit

unserer Unterlagsplatte das geringste zu tun.]

H. Pomtow, Die Tänzerinnen-Säule in Delphi. \ ig

Zufall, daß Kekules treffende Charakteristik (Gr. Skulptur3 1 86) : »als Ganzes ge- sehen, wirkt ein solches Grabrelief fast immer stark durch seine Formenschönheit, . . . aber man ist erstaunt, .wenn man wahrnimmt, wie oft die feinere Durchführung und Vollendung der Formen hinter dem Eindruck des Ganzen zurück- bleibt«, — sich wörtlich auf unsere »Gruppe« anwenden läßt.

Ist diese Dreifußzierde also kein Originalwerk eines großen Künstlers, so hat der handwerksmäßige Bildhauer doch ebenso gewiß diese eine Karyatide irgend woher kopiert1), und daß sich da als Vorbild in erster Linie die gleichzeitigen berühmten Bronzestatuen des Kallimachos darbieten, ist selbstverständlich. »Huius sunt saltantes Lacaenae, emendatum opus, sed in quo gratiam omnem dili- gentia abstulerit«, sagt von ihnen Plinius in seinem Erzbtiche (34, 92), und ich meine, daß sich durch die Deutung der delphischen »Gruppe« als handwerks- mäßiger Umbildung von Bronzerundbildern in marmorne Hochreliefs, wobei auch der Maßstab vergrößert und der hohen Aufstellung angepaßt wurde, . der Wider- spruch zwischen der Stilanalyse Homolles und derjenigen Bulles am leichtesten erklärt. Ersterer empfand mehr die Charis der Erfindung die dem Bronze- vorbild verdankt wird2) , letzterer ward irritiert durch die leeren Idealformen, das nüchtern stilisierte Haar usw., was alles mehr dem bildhauerischen Stein- handwerker zur Last fällt. Schließlich mußten doch auch für eine Wirkung in 9 12 Meter Höhe (s. unten) die Flächen und die Details der feineren Durch- führung entbehren und anders behandelt werden, als bei dem emendatum opus des Bronzeoriginals, das auf normaler niedriger Basis gestanden haben muß, weil sonst die diligentia des Katatexitechnos nicht zur vollen Geltung kam. Schon Furtwängler (Meisterw. 200) betonte, daß des Kallimachos Hauptstärke im Deko- rativen gelegen habe, und erinnerte (S. 202) bei den saltantes Lacaenae an die in verschiedenen Varianten auf Reliefs und Gemmen späterer Zeit erhaltenen Kala- thiskos-Tänzerinnen, die einen gewissen anmutigen Reiz leichter Altertüm- lichkeit mit großer Eleganz und freier, deutlich vom Metallstil beeinflußter Ge- wandung verbänden; trotz der verschiedenen Varianten erkenne man, daß den Denkmälern der späteren Zeit ein berühmtes Original zugrunde liegen müsse, und es wäre sehr verständlich, wenn eben dieser Typus von Tänzerinnen mit den

') Nachträglich treffe ich auf Brückner, Polyklets nicht flir die Griechen«. Bei frei schaffender

Knöchelwerfer, 77. Winckelmannsprogr. 1920, Nac li ahmung setzehsicti, durch keinen Muster-

S. 10, wo über die Benutzung statuarischer Werke schütz behindert, die statuarischen Motive

in Reliefs gehandelt wird: »und, wie Col- der großen Meister durch, wo immer ein

lignon, hist. sculpt. gr. II 139 sagt, »einer der Anlaß sein konnte, sie zu verwenden.« charakteristischen Züge des griechischen Kunst- 2) Vgl. die bekannte Stelle des Dionys. Halic. de lebens ist die Leichtigkeit, mit der die Schöp- Isoer.» p. 522 Reisk., in der er den Stil des fungen der großen Meister sich verbreiteten. Redners Lysias vergleicht mit der Xetttöttj? und Die Unterscheidung, welche man in der Neuzeit yapts des Kaiamis und Kallimachos. Ähnlich gezwungen ist zwischen der eigentlichen Kunst Brunn, Gr. Künstl. I* 179: »so erreicht Kalli- und dem Kunsthandwerk zu machen, gibt es machos Anmut, aber nicht freie natürliche, son- dern die mehr gesuchte archaische Zierlichkeit«.

I 20 H. Pomtow, Die Tänzerinnen-Säule in Delphi.

kurzen Röckchen im späteren Kunstjargon als »Lakonerinnen« bezeichnet worden wäre ').

Kallimachos arbeitete um 410— 407 an der goldenen Lampe und dem ehernen Palmbaum des Erechtheions, das 4.G7 vollendet wurde. Im J. 400 wird die älteste der später so zahlreichen Kopien seiner Lacaenae für die Akanthossäule ver- wendet, — das berühmte Original wird nach dem Nikiasfrieden, also auch etwa 420 410 geschaffen sein , und man darf fragen, ob er an dem Entwurf des delphischen Denkmals so ganz unbeteiligt war, das nicht nur aus attischem Marmor besteht, sondern sicherlich attische Arbeit ist2). Wenn Lysander für die Statuen der votuotp/ot Künstler seiner peloponnesischen Verbündeten heran- gezogen hatte, meist aus der polykletischen Schule , weil es sich um Porträtbildsäulen handelte, so konnte Agis mit der Anfertigung der Säule und Verzierung ihres Dreifußes untergeordnete Bildhauer oder Steinmetzen des ver- bündeten Athen beauftragen, weil dort das berühmte Vorbild der »Lakonischen Täazerinnen« stand, die er als Tcapaa^jiov hinzufügen wollte. So läßt sich der attische Anteil an dem Denkmal ungezwungen erklären. Geht man jedoch weiter und fragt, zu wem diese Akanthossäule wohl besser passe, als zu dem Erfinder des korinthischen Kapitells, so liegt auch bei ihrem Entwurf eine Beratung durch Kallimachos nicht außerhalb der Möglichkeit. Jedoch sei hervorgehoben, daß es schon vor ihm solche Akanthossäulen auf der Akropolis gegeben hat, von denen durch Homolle eine Trommel nachgewiesen ist 3), daß er also weder bei der Dar-

') Wenn aber Furtwängler weitergeht und die riani Bruchstücke von anderen Trommeln ge- Tänzerinnen des Kallimachos zu den Seiten eines sehen, die er aufsuchen will (1. 1. 235). Er er- Palladions sich denkt (Meisterw. 202), so scheint innert sich auch, die sonst von niemand wieder- mir diese Verbindung für die Zeit von 420 410 gefundenen Donaldsonschen Trommeln irgend- ein wenig zu früh ; denn derartige Darstellungen wo wiedergesehen zu haben. 4. Schon (besonders hübsch: Röscher, Lex. III 1331, Donaldson auf seiner Zeichnung bemerkte, daß Abb. 8, aus augusteischer Zeit) treten erst später in Santa Prassede in Rom antike Akanthossäulen auf. Sie sind meines Erachtens Abwandlungen eingebaut seien; es sind nach Homolle 6 Säulen eines frühen Vorbildes, an dem statt des Palla- der Türen des Chors; er bildet eine ab 1. 1. 216, dions die Karyatische Artemis selbst im Mittel- Abb. 6, sie bestehen aus 4 Trommeln, die unseren punkt stand, umgeben von ihren Kulttänzerinnen. ganz ähnlich sind, haben den unteren Blattkranz

a) So auch Homolle, Bull. corr. hell. XXI 1897, aus besonderem Stück und ruhen direkt auf zwei

610; Bulle, Schöner Mensch Sp. 299; u. a. m. abtreppenden quadratischen Stufen. Leider war

3) Folgende Aufzählung wird willkommen sein: die Provenienz der Säulen nicht zu ermitteln. Akanthossäulen in Marmor kennt Ho- 5. Später wies Keramopulos a. O. p. 309 molle: 1. Auf der Akropolis zwischen Museum aus Delos ein neues Beispiel nach: »nbrdl. und Südmauer liegt die unterste Trommel einer der Agora des Theophrast ist die unterste Trom- Säule, Abb. 19 in Bull. corr. hell. XXXII 1908, mel eines dem delphischen ähnlichen marmornen 234 (hoch 0,89; u. Dm. 0,312); sie ist zum Ein- Pflanzenschaftes gefunden mit angearbeiteter, lassen in eine Basis bestimmt und wegen dieses jetzt abgestoßener Basis; er ist kleiner als der unteren eingeschnittenen Zapfendes die älteste delphische und hat runde Stege.« Desgl. von allen, älter als die delphische. 2. In Athen auf Reliefs: I. 1. p. 224, Abb. 12 aus Welcker, im Kloster Megalo-Monastiri hat Donaldson vor Alte Denkm. II, p. 1 1 1 Taf. V, Basrelief, sti- 100 Jahren zwei Trommeln gezeichnet, Abb. 18 lisierte Akanthossäule mit aufgesetztem Drei- auf S. 233 1. 1., kleiner als unsere, aber sonst fuß, dessen Beine nach innen gebogen sind; ganz ähnlich. 3. Kambouroglou hat in Kaisa- rings Mänaden usw. (orgiastische Divinations-

H. Pomtow, Die Tänzerinnen-Säule in Delphi. j 2 r

Stellung der Kalathiskos-Tänzerinnen noch der Akanthossäulen als erster Erfinder zu gelten hat.

Wenn schließlich Homolle sein Endurteil über die Karyatiden dahin abgab, daß ihr Stil auf das Ende des V. Jhdts. oder den Anfang des IV. weise (Bull. XXXII 1908, 224/5), und auch Studniczka trotz Bulle fortfährt, sie dem V. Jhdt. nahe zu rücken (briefl.), so sieht man, wie genau diese Zeitansätze mit dem von uns oben aus historischen Gründen ermittelten Jahre 400/399 über- einstimmen.

Zur Rekonstruktion. Die Absicht, wie in früheren Fällen eine end-

gültige Rekons'truktionszeichnung herzustellen, war durch den Tod meines lieben Mitarbeiters und Freundes, des Regierungsbaumeisters H. U. Wenzel vereitelt. Ersatz bieten die auf der Beilage vereinigten Zeichnungen, die den derzeitigen Stand unserer Kenntnis wiederzugeben versuchen1). Die Restauration von Tour- naire (Fouilles d. D., Album I, pl. XV) ist durch Homolle erledigt; vgl. Bull. XXXII 1908, 215 oben u. unten, und 226 Note. Ersterer gab nur vier Trommeln der Akan- thossäule bis unter das sogen. Kapitell, fügte als Basis einen unschönen, knaufartigen Torus bei mit mehreren Hohlkehlen darunter und setzte die Dreifußbeine auf die Köpfe der Karyatiden. Da auch der Maßstab fehlte, blieb man über die Höhe des Ganzen im Unklaren; später lernten wir aus Homolle (1. 1. p. 208), daß Tournaire's provi- sorisch angenommene Maße folgende waren (von unten beginnend) : Trommel I 1,80 m + II 1,40 + III 1,50+ IV 1,50 = 6,20; dazu Kapitell c. 1,60 == 7,80 m2)- Ihnen stellt Homolle seine nach langen Ergänzungsversuchen am Gipsabguß ge- wonnenen Maße von fünf Trommeln gegenüber und bemerkt am Schluß (p. 229),

szene). Das delphische Bronze-Lambrequin je eine weiße Akanthossäule mit goldenem Dreifuß

mit zwei karyatischen Tänzerinnen, sehr ver- (auch sonst sind viele Gegenstände vergoldet).

scheuert, groß abgebildet 1. 1. Abb. 20, Tafel 4. u. 5. Bruchstücke aus Kertsch, 1. I. p. 220,

bei p. 234/5; kleiner in Fouill. d. D. V nr. 695, Abb. 10 = Reinacb, Rep. I, p. 31, 12, und voll-

p. 128. Desgl. auf Vasenbildern: 1. Großer ständiger p. 50, 3. Zwei fragmentierte Akanthos-

Krater aus Theben (in Athen, Nat. Mus., Inv. Säulen mit Dreifuß. 6. Auch auf attischen

12253), durch Homolle zum erstenmal publi- Grab-Lekythen mit weißem Grund kommen

ziert als Abb. 7, 1. 1. p. 217. In der Mitte vorn Akanthossäulen vor, z. B. : 1. 1. p. 221, Abb. 11;

Dreifuß auf weißer Akanthossäule, die auf ein- Lekythos nr. 1800, Athen. Mus., Collignon-Couve

facher zylindrischer Trommel ruht. 2. Auf nr. 1776; Jahrbuch XI 1896, 1286g. 12« und

der Prachtvase aus Altamura, 1. I. Abb. 8, p. 218, 13 D, und 126, fig. 10 H.

Baumeister Ant. Denkm. Abb. 2024, Reinach ') Die Rekonstruktion in Abb. 1 basiert für den Rep. I 167: Karyatiden das Dach der Adikula Schaft und das Kapitell auf den Maßangaben von Hades und Köre stützend, auf Akanthossäule Homolles (s. oben). Die Zeichnungen der Unter- stehend; sie sind jedoch nach Jahrbuch VIII lagsplatte in Abb. 2, des Sockels (Abb. 3), des 1893, 108 stark restauriert und nicht unver- oberen Kapitellagers (Abb. 4), der Oberseite dächtig. Als Basis wieder nur runde Unterlags- des Karyatidenblocks (Abb. 5) beruhen auf platte. 3. Krug des Xenophantos aus Kertsch, flüchtigen Handskizzen, die ich 1910 kurz vor aufgesetzte Reliefs (nur zum Teil 1. 1. 219, Abb. 9); der Abreise aus Delphi aufnahm. Springer-Mich.", p. 306, Reinach, Rep. I 23. Jagd 3) Darnach muß der Maßstab von Tournaires Rekon- des Perserkönigs, im Hintergrund rechts und links struktion (Fouill. Album pl. XV) genau 1 : 50 sein.

122

H. Pomtow, Die Tänzerinnen-Säule in Delphi.

Trommeln:

Höhe:

Durchmesser:

I

i.55(?) »

ii nten :

(86)

81.

oben:

78 cm

II

1,328

78

75

III

1,468

75

72

IV

1,428

72

70

V

1,426

70

68

daß an dem Gipsaufbau eine Trommel ausgelassen sei, weil die Saalhöhe bis zum Museumsdach nicht ausgereicht habe1). Die neuen Maße sind (p. 207):

Breite der (24) Kanneluren

unten 106/7 mrn oben 102 mm

102 .. 98 ,

98 94 ••

94 92 ,

92 ' -

7,20

Dazu kommt das aus zwei übereinander stehenden Hälften zusammengesetzte, 1,60 hohe Kapitell, sodaß die Höhe der Säule einschl. Kapitell, aber ohne Tän- zerinnen und Basis, 8,80 m beträgt (Homolle's 8,65 m sind Additionsfehler).

Gegen diese Rekonstruktion bedeutete die jüngste von Bulle-Reichhold (Schöner Mensch, Sp. 297) leider einen Rückschritt. Bulle setzt zwar mit Homolle p. 231 die Dreifußbeine an die richtige Stelle auf die Kapitellecken statt wie früher auf die Poloi der Tänzerinnen, behält aber im übrigen Tournaire's falsche Wiederherstellung bei; denn er hat weder bemerkt, daß Homolle sie nur abbildete, um sie zu verwerfen, und die Torusbasis ausdrücklich ablehnte, noch daß zu den vier alten Trommeln durch Homolle eine neue hinzugefügt wurde, so daß die von Bulle gezeichnete Säulenhöhe von 7,80 (einschl. Kapitell, aber ohne Basis) gar nicht zu dem Maß von 8,65 (richtiger 8,80) stimmt, das er im Text als »Schafthöhe« angibt.

Homolle selbst war an der Zusammengehörigkeit von Säule und Karyatiden- block nochmals irre geworden, weil u. a. die abtreppende und schmaler werdende Mittelstütze der Tänzerinnen über dem breiteren Kapitell wie ein ausziehbarer Tubus wirke, den man beliebig verlängern oder ineinanderschieben könne. Er kam aber zuletzt, nach 12 Jahren, auf den Gedanken, mit dem jeder Restaurator hätte beginnen müssen, nämlich das obere Lager des Kapitells und sein zentrales Dübelloch zu vergleichen mit dem unteren Lager des Karyatidenblocks. Er ließ darum letzteren von dem hohen Holzpostament im Museum wieder abmontieren und fand, daß beide Dübellöcher genau aufeinander paßten, ja daß oben auf dem Kapitell die runde Regenspur der Mittelstütze der Karyatiden deutlich sichtbar sei*). Sodann stellte er den Fuß der untersten Trommel in den großen aus-

') Man hätte jedoch sowohl unsere 5. Trommel als auch die beim Aemilius-Paulus-Denkmal fehlenden Quaderlagen einsetzen können, wenn man wie bei der Naxier-Sphinx die Eisenstange des Dach- ankers durch den Gips hindurchführte.

1) Es ist erstaunlich, daß man statt einfachster tech- nischer Beobachtungen, die wenige Minuten be- anspruchten und die Sache sicherstellten, Hypo- thesen von vielen Seiten Länge entwickelte, denen später Palinodieen folgten, und daß selbst ein Fachmann wie Tournaire den Dreifuß auf die Mädchenköpfe stellte, wo gar keine Einlaßlöcher

existieren. Ein Blick auf die Oberseite des Kapitells genügt (vgl. unsere Abb. 4), um im Zentrum das quadratische Dübelloch von 9 x9cm (auch tief 9 cm), auf den Ecken (eine ist weggebro- chen) die oblongen Einlaßlöcber der Dreifuß- beine zu erkennen (1 1 '/i X 6; tief 5 cm), die im Lichten 0,49 m vom zentralen Dübelloch, also zirka 0,54 vom Mittelpunkte selbst entfernt sind; dies war darnach der Innen-Radius des unteren Kreises der Tripusfüße. Ich teile diese Zahlen- mit, weil sie die schematische Projektionszeichnung im Bull. XXXII 231 Fig. 16 berichtigen sollen; denn dort

j^rtKtSUL-n UiLii IJNblllUTb XXXV 1920.

Beilage zu S. I2iff.

ä

Abb. 5

Abb. 4

Abb. 3

Abb. 2

7/5 V

u

Abb. 6. Die Karyatiden-Gruppe. (Aufnahme der Preuß. Meßbildanstalt.)

H. Pomtow, Die Tänzerinnen-Säule in Delphi.

123

ladenden Abschlußblättern des Akanthos mit großer Sorgfalt wieder her und wies betreffs der darunter zu ergänzenden Basis auf zahlreiche Akanthossäulen der Vasen- bilder etc. hin, die nur auf einem mühlsteinartigen Rundblock standen, ähnlich' dem der Naxiersäule (s. oben S. I20f., Anm. 3).

Ober die Stand platte der Basis und den Standort (vor dem Gelondreifuß s. oben S. II 7) hat sich Homolle nicht geäußert. Hier setzte die Arbeit von Keramopulos ein (Journ. internat. numism. X 1907, 295fr.), *dem ich schon 1906 an Ort und Stelle beides gezeigt hatte. Seine Auffassung der »Silphionsäule« als . Anathem der Ampelioten in der Kyrenaika und die Deutung der Tänzerinnen als »irgend welcher Nymphen, wahrscheinlich der Hesperiden« (S. 307) bedarf freilich nach der Abweisung durch Bulle keiner Widerlegung mehr (Schöner Mensch, Nachtr. Sp. 685 zu Sp. 297), aber beachtenswert blieb sein Wiedefherstellungs- versuch der Basis (S. 306 f.). Die in situ befindliche quadratische Standplatte aus hellgrauem Kalkstein (vgl. unsere Abb. 2) mißt 2,06 x 2,06 und ist zusammenge- setzt aus zwei gleichgroßen Platten, über denen im Verband zwei etwas kürzere lagen; letztere sind verloren, deckten aber nach dem rings erhaltenen, 5r/a cm breiten Regenrand 1,95x1,95.

Über dieser verlorenen Stufe ordnete K. eine 0,45 hohe, fast quadratische Platte von 1,90 Breite an, die freilich auf S. 306, Abb. 5 nur mit 1,80 1,85 gezeichnet ist, doch scheint der beigefügte Maßstab nicht genau. Die Tiefe beträgt zirka 1,80, doch ist sie hinten rauh und abgearbeitet, stieß also gegen eine Wand, d.h. nach K. das Gelonfundament. Auf der Oberseite ist eine Kreisaufschnürung von 1,67 Dm. erhalten, in deren Zentrum zwei späte Fußlöcher eingetieft sind; sie rühren angeblich von zweiter Benutzung her, als die »Säule« gestürzt war; vorn in der Ecke ist die Einlaßrinne einer Stele sichtbar; diese Platte liegt auf dem Trümmerfeld zwischen dem Platäischen Dreifuß und dem Klazomenier-Thesauros. Über ihr ergänzt K. als Überleitung zur Säule selbst eine verlorene runde Stufe von 1,67 u.Dm. Diesem zunächst sehr wahrscheinlichen Aufbau muß ich entgegenhalten, daß sämtliche Säulenanatheme aufrecht stehen blieben bis wenigstens zur ersten Hälfte des IV. Jahrh. n. Chr. (Konstantin d. Gr.), wahr- scheinlich sogar bis zum Juli 551, als Delphi und Olympia in Trümmer sanken (das Genauere an anderer Stelle). Wären sie schon früher gestürzt, so könnten wir nicht ihre Trümmer vollständig besitzen, denn es liegt auf der Hand, daß, solange überhaupt noch Fremdenverkehr und Orakelbetrieb herrschte, man das Temenos nicht als völliges Trümmerfeld liegen lassen konnte. Da aber auch bei der Akanthossäule alle Trommeln nebst Karyatidenblock ringä um die Standplatte zerstreut gefunden sind, so ist das Denk- mal erst zuletzt umgestürzt, als schon keine Statuen mehr geweiht wurden. Die Quader mit Kreisaufschnürung muß also von einem anderen Anathem herrühren und wohl eine Rundbasis getragen haben; die spätere Statue hatte etwa i'/afache Lebensgröße (Fußlänge 32 33 cm). Sodann widerspricht dem Vorschlage von K. der u. Dm. des weit ausladenden Blattwerks unter der I. Trommel. Bei Tournaire (pl. XV) betrug er nur 1,55, am Gipsaufbau des Museums aber c. 2,18, und nach Homolies Ergänzung zirka 1,90. Da nach des letzteren Angabe (S. 212 f.) die äußersten Blattspitzen unteres Auflager zeigen, so blieb die

sind die nur mit Lupe erkennbaren Ziffern meist ganz ungenau, das Dübelloch im Zentrum fehlt völlig, die der drei Füße an den Ecken sind statt oblong irrig quadratisch gezeichnet, nämlich ii'/iXii'/j (soweit sich das bei dem Fehlen des Maßstabs feststellen läßt, doch dürfte er 1 : 20 sein), ihr Abstand von den Außenseiten, d. h. den geraden Kapitellkanten ist nicht 0,4, sondern 0,004, usw. Aus meiner Aufnahme der

Oberseite des Karyatidenblockes in Abb. 5 ergibt sich, daß die große muldenförmige Kreisvertiefung für den X^ßrjj-Bauch zirka 0,60 m Dm. hat, daß im Zentrum ein oblonges Dübelloch (6 X kl ; tief 9cm) und in 3 cm Abstand nach unten ein quergestelltes zweites (8X3'A; tief 8 cm) zur Befestigung des Xißrjj gedient hat, daß der Quer-Dm. der raSXoi oben 0,25 beträgt, der axiale (wegen des Hoch- reliefs kürzere) der Oberseite nur 0,20; usw.

J24 H. Pomtow, Die Tänzerinnen-Säule in Delphi.

senkrechte Uni-Linie bis hinab zu den Oberkanten der Standplatte gewahrt, Über die kein oberer Teil seitlich hinausragen durfte. Dadurch wird aber der Dm. von 1,67 zu klein, selbst wenn wir nur eine Mühlstein- basis annehmen, also jede Profilausladung streichen; und in der Tat ist K. in seiner Abb. 7 gezwungen, die äußersten Blattwölbungen über die Uni-Linie hinausragen zu lassen, obwohl er das untere Auflager der Blattspitzen gleichfalls erkannte (S. 299).

Man wird daher die neue Platte mit der Kreisaufschnürung als nicht zuge- hörig betrachten und, einfacher, über der verlorenen Stufe von 1,95x1,95 eine viel- leicht ganz schwach profilierte Mühlsteinbasis von 1,90 u. Dm. ergänzen. An ihr wird, wie bei den »Mühlsteinen« des Plataeischen Dreifußes (vgl. die Diodor- Verse in Syll.3 nr. 31, B), der Naxiersäule (Proxeniedekret, Syll.3 nr. 292) und des Landridas- Anathems (Syll.3 nr. 156) die Hauptinschrift gestanden haben, nach unserer Annahme also die Disticha des Agis, bezw. des Ion von Samos.

Die Höhe des Denkmals und die der übrigen Säulenanatheme. Zu der oben angegebenen Schafthöhe von 8,80 (einschl. Kapitell) kommt der »Karyatidenblock« hinzu. Diese Mittelstütze des Dreifußes selbst, an der die Tänzerinnen schweben, ist etwa 2,15 2,20 hoch. Gesagt wird das nirgends, aber das Maß läßt sich ziemlich sicher abgreifen, so daß wir bisher gegen 1 1 m Höhe erhalten1). Rechnet man hierzu oben den Xsßjj; mit c. 0,50, unten die über der Unterlagsplatte fehlende quadratische Stufe mit c. 0,45 (so hoch ist auch Keramo- pulos' Aufschnürungsplatte), sowie die darüber zu ergänzende Mühlstein-Stufe auch mit c. 0,45, so erreichen wir mit c. 12,40 genau die Höhe des dreiseitigen Pfeilers und der Messenier-Nike bis zur Flügelspitze. Auch das dritte hohe Säulendenkmal, das damals in Delphi vorhanden war, die Naxiersäule, hat wiederum 10 m Höhe in Basis, Schaft und Kapitell (Fouill. d. D. IV, Texte p. 50), während die darauf stehende Sphinx bis zu den Flügelspitzen wieder 2,32 maß (a. O. p. 41), wir also zum dritten Mal als Totalhöhe c. 12,32 m finden. Man wird das nicht mehr für Zufall halten, sondern muß annehmen, daß hier durch- schnittlich eine Denkmalshöhe von 40 gemeingriechischen Fuß zu 31 cm = 12,40 m beabsichtigt war1). Dies wird bestätigt sowohl durch die drei erwähnten gekuppelten Säulendenkmäler der Jahre 250 200, als auch durch die vier Pfeilerpostamente (a. 182 168) der Könige: Eumenes II (zwei Pfeiler), Prusias II, Perseus = Aemilius- Paulus. Sie alle erreichen ohne Statuen, aber einschl. Basisstufen eine Höhe von 9,50 10 in, mit den Statuen gegen 12,40 m. Wir dürfen darum ähnliche Höhen voraussetzen für die vier verlorenen, bez. noch nicht identifizierten Hochpfeiler von Gorgias, Phryne (dreiseitig), Archidamos III, Philipp. Es war schon Delphica III 187 (Berl. ph. W. 1912, 1015) darauf hingewiesen, daß diese Denkmalshöhen in Beziehung stehen zu der der Tempelsäulen, die z. B. am Alkmeonidentempel auch gegen 10 m hoch waren (einschl. der drei Krepidomastufen).

*) Auf Tournaires Rekonstruktion pl. XV beträgt Polos sich genau 7 mal auftragen läßt = 2,17.

die Höhe nach dem soeben in Anm. 2, S. 121 Und auf einer Giraudonschen Photographie kann

erschlossenen Maßstab 1 150 genau 2,17'. man den Tänzerinnenblock abgreifen auf etwa

Dasselbe Maß erhalten wir an einer mir zur Ver- i>/5 des Kapitellblocks, also 1 ,60 + ^ 1 ,60 =

fügung stehenden Gipsmaske des Gesichts, die 2,24, was um 4 5 cm zuviel sein wird, von Oberkante Haar bis Unterkante Hals 31 cm *) Nach Hultsch, Metr.a 526 beträgt das Effektivmaß

hoch ist und in der Körperlänge einschließlich des gemeingriechischen Fußes: »32 31,1 cm«.

H. Pomtow, Die Tänzerinnen-Säule in Delphi. 125

Betreffs der Polychrom ie hatte Homolle, Bull. XXXII S. 222 not. gefragt, ob die Blätterverzierungen nicht oft in den Farben der Natur bemalt waren, und angegeben, daß sich in Delphi keine Farbreste erhalten hätten. Dagegen fand Keramopulos (a. O. S. 305) an dem ganzen Schaft und den Blättern viele kleine Überreste von roter Farbe.

Nachtrag. Das Vorstehende war größtenteils schon im Winter 1916/17 niedergeschrieben. Während es jetzt zum Druck gehen soll, weisen mich Fach- genossen freundlichst darauf hin, daß Homolle das Karyatidendenkmal in einem Aufsatz der Rev. archeolog. 191 7 nochmals behandelt habe, der wegen des Krieges noch nicht nach Deutschland gelangt sei; man kenne ihn nur aus ein oder zwei ausländischen Literaturnotizen. Die eine lautet nach Wolters gütiger Mitteilung (Memoirs of the American Academy in Rome, III 1919, 93, E. Douglas-van Buren): »Numerous authorities have thought to prove that the Column of the Dancers at Delphi was identical with the Saltantes Lacaenae of Kallimachos, but M. Homolle believes it to be a copy of the noted Caryatides of Praxiteles a copy set up by Asinius Pollio when he carried of the original to Rome (Revue Arch. V, 1917, pp. i 67)«1). Bei diesen xptxai »povn'Ss? Homolle's ist man fast versucht, das Scherzwort anzuwenden »ich kenne seine Gründe nicht, aber ich mißbillige sie«. Ich rekapituliere folgende Wandlungen und Stadien seiner Erkenntnis:

1. Im J. 1894 kurze Ankündigung über den Fund der »Silphionsäule «, die wegen des »als Emblem« zu betrachtenden Silphions einem in der Nähe des Fundortes liegenden angeblichen »Thesauros von Kyrene« zugewiesen wird (Bull. XVIII 1894, 180; vgl. XXI 1897, 6Q4). Dieses Schatzhaus verdankt sein Dasein nur der falschen Lesart Homolle's Kupr^vaitov statt Kopiv&wuv (vgl. Delphica II 24 = Berl. ph. W. 1909, 218).

2. Im J. 1897 erscheint der erste ausführliche Artikel Bull. XXI, 603 614. Hier werden die Karyatiden richtig als lakonische Mädchen und das Blattwerk als Akanthos erklärt, der Stil auf die letzten 20 25 Jahre des V. Jhdts. fixiert (p. 606), nach Ablehnung von Kallimachos und Alkamenes vielmehr Paionios mit Sicherheit als Verfertiger behauptet, und als Stifter Brasidas und die Akanthier im J. 424/3 erschlossen, mit der fast als Witz wirkenden Begründung, daß eine Akanthossäule eben nur von der Stadt Akanthos geweiht sein könne, die wahrscheinlich ein Akanthosblatt auch auf die Münzen präge (p. 608). Auch habe jener dem Fund- ort zunächst liegende Thesauros jetzt als der der Akanthier zu gelten [was wieder- um falsch istj. Spätere Künstler wie Praxiteles oder Skopas seien stilistisch völlig ausgeschlossen (p. 607).

') Das folgende scheint Zusatz der Herausgeberin : motion«. Das - hätte sich der raffinierte Kata-

»The maidens certainly appear too natural and texitechnos, Erfinder des zierlichen Archaismus,

vivacious to suit the academic (1) style of Kalli- Schöpfer des Haupttypus der lakonischen Tän-

machos, whose rigid adherence to the archaic zerinnen, auch nicht träumen lassen, daß man

tradition preclude any lifelike and exuberant ihn als steifleinenen Akademiker signieren und

ihm lebhaftere Tanzmotive absprechen würde.

126

H. Pomtow, Die Tänzerinnen-Säule in Delphi.

3. Im J. 1908 erschien die oben besprochene Abhandlung Bull. XXXII, 205 235 mit den guten Rekonstruktionsangaben und der dankenswerten übersieht über Akanthossäulen. Sie datierte den Stil »auf das Ende des V. Jhdts. oder den Anfang des IV.« (p. 224), ließ also schweigend Paionios als Künstler und Brasidas- Akanthos als Stifter fallen und enthielt sich neuer diesbezüglicher Konjekturen.

4. Wenn im J. 19 17, wieder in zehnjährigem Abstand, die dritte große Abhandlung erscheint, die an Ausführlichkeit alle früheren weit übertrifft (Rev. archeol. V, 1 67), und betreffs des Stils, des Künstlers und der Zeit das Gegen- teil von dem behauptet, was in den zwei ersten steht, so erschüttert sie nicht nur jedes Zutrauen zu den Stildatierungen Homolle's, sondern mutet dem Glauben des objektiven Betrachters geradezu Unmögliches zu: Weil sich unter des Praxiteles Werken »Maenades et quas Thyiadas vocant et Caryatidas« befanden, über welche Pliniusstelle (36, 23) schon Wolters umsichtig gehandelt hatte (Zeitschr. f. bild. K. VI 42) sollen diese Karyatiden unsere delphischen sein; und weil sie in Rom »in Pollionis Asini monumentis« standen, muß sie Pollio selbst aus Delphi entführt haben1); aber da sie doch leibhaftig im Temenos gefunden sind, sollen sie eine von Pollio als Ersatz dorthin gestiftete Kopie sein ! Jeder dieser drei Sätze enthält historisch eine krasse Unmöglichkeit. Vermittels des Kunstgriffs von der Ersetzung durch Kopien ließe sich jedes Originalwerk aus seinem Fundort eskamotieren. Und was Nero im J. 67 n. Chr. tat, durfte sich Pollio mehr als ein Jahrhundert früher gewiß nicht gegen das Eigentum der Gottheit erlauben, auch nicht auf gütlichem Wege. Und den Praxiteles als Künstler hatte Homolle ja 1897 ausdrücklich ausgeschlossen. Wo dessen Karyatiden standen, wissen wir nicht, aber daß sie, ähnlich den Maenaden und den Thyiaden, die man viel eher für Delphi in Anspruch nehmen könnte, ein selbständiges Kunst- werk, eine Gruppe von Rundbildern waren. nicht bloß die dekorative Ver- zierung einer Dreifußstütze, nicht bloß die dreifache Wiederholung einer Relief- figur in 10 Meter Höhe steht doch fest2). Ebenso dürfte sicher sein, daß es sich bei der Akanthossäule nur um ein Staatsan athem handeln kann, nicht

') Die griechische Reise des 20jährigen Pollio fiel ins J. 56. Die Interpunktion in der Pliniusauf- zählung ist unsicher; Detlefsen nimmt offenbar an, daß nur die »Sileni« unter Pollios Denkmälern standen, während »item Maenades« usw. sich auf das unmittelbar vorhergehende »in Capi- tolio« beziehe; ebenso urteilt O verbeck, Sehr. qu. nr. 1204, der außer den Silenen auch noch Apollo und Neptun dem Pollio zuweist. Man sieht, auf wie schwacher Grundlage die Nachricht von im Besitze Pollios befindlicher Karyatiden beruht.

J) Und wie denkt sich wohl Homolle das Herab- nehmen des 2,20 m hohen Tänzerinnenblocks von dem in c. 10 m Höhe endigenden Kapitell, aus dem die Dreifußbeine herausgerissen werden mußten? Wie und wo die Anfertigung einer

genauen Kopie in demselben pentelischen Mar- mor? Wie ihre Aufbringung auf das Kapitell und die Wiederaufsetzung der Dreifußbeine ? (Es existieren keinerlei Spuren einer zweiten Benutzung der Zapfenlöcher der Füße). Und das alles in dem damaligen armseligen Delphi (vgl. Rh. Mus. LI, 1896, 376 not, 4), dessen letzte Hochsäulen 100 Jahre früher geweiht waren (c. a. 140) und das an Bauten und großen Anathemen nicht mehr die nötigsten Reparaturen auszuführen vermochte? Und kamen diese Karyatiden in Rom auch wieder auf eine 10 m hohe Akanthossäule zu stehen, deren Blattwerk zu dem der Mittelstütze, an der sie schwebten, stimmte? Wenn nicht, verloren sielhre beab- sichtigte Wirkung.

H. Pomtow, Die Tänzerinnen-Säule in Delphi.

127

um die kolossale Dreifußstiftung eines Privatmanns, aber unter den politischen Ereignissen der Praxiteles-Zeit vor 360 und bald nach 345 (dazwischen war Delphi gesperrt) wird sich schwerlich ein Anlaß ausfindig machen lassen, bei dem sei es Sparta, sei es Athen in Delphi solch öffentliches Anathem errichtet hätte; denn beide gehörten zu den Phokerfreunden und Sparta ward darum 345 aus der Amphiktyonie ausgeschlossen1).

Schließlich erinnert sich ein Fachgenosse, in einem ausländischen Buche eine ausführliche Darstellung der Tänzerinnensäule gelesen zu haben; sie basiere auf Homolles obigem Aufsatz und stelle darnach als Beweis der Zuteilung an Praxiteles auch die geneigte Haltung und das Profil der Karyatidenköpfe in Parallele zu dem der knidischen Aphrodite. Demgegenüber sei betont, daß die Neigung jener Köpfe nicht aus ästhetischen oder stilistischen Gründen herrührt, sondern aus zwei sehr realen: damit die Mädchen nicht mit dem Kopfe an den Xlßr,? stießen und damit ihre Gesichtszüge durch die Vornüberbeugung dem Untenstehenden einigermaßen erkennbar wären.

Anhang. Die Übertragung des Namens »Karyatide« auf weibliche Stütz figuren hat man meist nicht erklären können. Auch der neueste Versuch Fiechters ist nicht gelungen; er sagt wörtlich (R-E. X 2250): »so denken wir uns die Tänzerinnen von Karyae im Heiligtum der Artemis im Relief angebracht. Es gab also (?) neben den eigentlichen Stützfiguren, wie die von Delphi (an den Schatzhäusern), Athen (Korenhalle), Amyklai Reliefplatten von Tänzerinnen, Lutro- phoren, . . . die auf Torpfosten oder sonstwie angebracht waren. Besonders früh berühmt scheinen die Tänzerinnen von Karyae geworden zu sein, so daß ihr Name weithin bekannt und sogar (!) auf andere weibliche Figuren übertragen wurde (warum?), die mit ihnen nichts zu tun hatten. Zu dieser Übertragung des Namens mag eine gewisse Ähnlichkeit der Bildung der Kopfaufsätze bei den Stützfiguren und den Tänzerinnen von Karyae noch verleitet haben.« Jedoch nicht die Poloi, die bei den muliebres stolatae das Gebälk stützen und schon am Erechtheion mehr zu niedrigen Kissen wurden, aber dem Kalathiskos oder dem Kranz aus spitzen, hochaufgerichteten Palmblättern der Tänzerinnen durchaus wesensfremd sind, bildeten das Hauptcharakteristische beider Gruppen, sondern wie noch heute der Begriff des Tragens und Stutzens, sei es mit dem Kopf, sei es mit erhobenem Arm. Daß das älteste Beispiel der Bezeichnung einer Stütz- figur als »Karyatide« aus der 2. Hälfte des IV- Jhdts. stamme, hatte Fiechter selbst vorher angeführt (nach Wolters, Zeitschr. f. bild. Kunst, VI 1895, 39; es ist die

') Oder kommt etwa Homolle auf seine frühere Theorie zurück, daß diese lakonischen Mädchen auch von einem siegreichen Feinde Spartas hätten geweiht werden können (Bull. XXI 609), und läßt er die alte Vitruvsche Legende von den Karya- tiden als geknechteten, gefangenen Gebälk- trägerinnen wieder aufleben ? Wobei sich ihm dann der Ausweg darböte, daß man in Delphi

auch ein Dankesanathem der Messenier für ihre Befreiung und den Synoikismos durch Epa- minondas erwarten könnte, nachdem die Argiver wegen ihrer Teilnahme an dieser Neugründung die Argoskönige geweiht hatten, und daß zu deren Jahr 369 das Praxiteles-Datum nicht weniger gut passen würde, als die bald nach Leuktra erfolgte Selbstbefreiung der Stadt

Karyae von der spartanischen Herrschaft.

128 H- Poratow, Die Tänzerinnen-Säule in Delphi.

bekannte Anekdote des Lynkeus bei Athen, VI 241a?); dort handelt es sich aber um das Stützen einer baufälligen Speisegemachdecke mit der linken Hand »wie die Karyatiden« , während man mit der rechten speise, woraus F. richtig schloß, daß also die Übertragung dieses Namens auf Stützfiguren in der Zeit von Mitte des V. Jhdts. bis zu der des IV. stattgefunden haben müsse. Aber wenn er hinzufügt, »wie sie zu Stande kam, läßt sich nur vermuten«, und zuletzt auf die Poloi als das Gemeinsame verweist, nicht ganz logisch, denn diese haben mit dem Stützen der Speisegemachdecke, von dem F. ausging, nichts zu schaffen, so möchte ich dem gegenüber die Behauptung wagen: daß gerade die Karyatiden unserer Säule seit 400 v. Chr. den Anlaß gegeben haben zu der Übertragung ihres Namens auf architektonische Frauengestalten, die mit erhobenem Arm und zugleich mit dem Kopfstützen und tragen (Tralles; Literatur bei Fiechter a.a.O. 2251; s. auch Reinach, Rep. III 126), späterhin erst auf Stützfiguren mit gesenkten Armen. Denn die delphische Säule bietet das früheste Beispiel, daß Mädchen von Karyae, deren Hauptgeste der erhobene Arm und der Zehengang bildet (vgl. das delphische Bronzerelief oben S. 121 f. Anm. 3 und die zwei Berliner Marmorreliefs, Springer-Michaelis11, S. 290), zugleich mit der erhobenen Hand etwas zu tragen oder zu stützen scheinen, nämlich den über ihren Köpfen angebrachten Dreifußkessel. Daß zu jener Namensübertragung und damit später zu jener Anekdote ein großes, bekanntes Kunstwerk, das nepw/STrcw h\ x<"Pq> stand, die Veranlassung gegeben habe, war von vornherein anzunehmen, aber erst nach ihrer Fixierung auf 400/399 v. Chr. läßt sich in ihm unsere Tänzerinnensäule erkennen.

Das Verdienst der Anbahnung dieser Erkenntnis gebührt H. Bulle, der schon vor 9 Jahren daraufhinwies, daß die delphische Säule zeige, wie das Wort Karyatide die Bedeutung einer architektonischen Stützfigur habe annehmen können (Schöner Mensch, Sp. 298); zwar stünden die Mädchen nicht eigentlich als Tragende unter der Mitte des Beckens, denn es würde ihrer Tanzbewegung widersprechen, wenn man die erhobenen Hände an den Kessel angelegt dächte [vgl. hierzu oben S. 1 14, Anm. 3] , aber es sei begreiflich, wie von solcher und ähnlicher Verwendung an Pfeilern das Wort Karyatide zur Gattungs- bezeichnung tragender Mädchengestalten werden konnte. Diese feinsinnigen Bemerkungen, die das lange gesuchte Verbindungslied beider Kategorien klarlegten, konnten offenbar von Fiechter u. a. nicht verwertet werden, solange sie von einem angeblich späten »hellenistischen« Denkmal abgeleitet waren, das 50 100 Jahre jünger sein sollte, als das Zeugnis der Namensübertragung in der Lynkeusanekdote. Jetzt, wo das Denkmal sich als viel älter als letztere herausstellt, es sich also um das früheste Beispiel von Karyatiden als anscheinender Stützfiguren handelt, erhält Bulles Hinweis den Charakter eines Beweises und die delphische Karyatide den eines Typus.

Berlin. H. Pomtow.

Archäologischer Anzeiger

b eiblatt

zum Jahrbuch des Archäologischen Instituts

J92o. ni/iv.

DER TORSO VON BELVEDERE.

Die von den Erklärern des Torso von Belvedere bisher vermißte besser erhaltene Wiederholung dieser Statue liegt auf der in Abb. i nach Irnhoof-Blumer and Gardner, Numism. Comment. on Pausanias Taf. N XVIII wiederholten Erzmünze von Lake- dämon des Antoninus Pius und Geta vor1).

Abb.i.

Abb. 2.

Beide Werke zeigen den kräftigen Körper in einer eigentümlichen, trotz der Ruhe des Sitzens bewegten Haltung. Der rechte Oberschenkel steht höher als der linke, und zugleich ist der Oberkörper leicht nach

l) Das Marmorrelief der Villa Albani mit dem sitzenden, die Lyra haltenden Polyphem (Th. Schrei- ber, Hellenistische Relietbilder 65, B. Sauer, Der Torso von Belvedere Taf. II S. 5' f.) kann nur wegen einer leichten Ähnlichkeit der Körperstellung zum Vergleich herangezogen werden. Sonst ist die fette, silenähnliche Gestalt von dem durch unab- lässige Übungen gestählten Athleten des Torso recht verschieden. Sauers Ergänzungsversuch hat C. Ro- bert in der Strena Helbigiana 257 f. schlagend widerlegt.

Archäologischer Anzeiger 1920.

links herumgedreht. Dabei wird die linke Schulter höher erhoben als die rechte und der Kopf, wie auch die Reste des Halses im Marmor zeigen, nach oben gerichtet- Hierdurch entsteht das lebhafte Spiel der Muskeln an der Brust, am Rücken, Leibe und den Oberschenkeln, welches das Mar- morwerk auszeichnet. Die Münze macht die Handlung des Torso in ihren Einzel- heiten klar. Der sitzende bärtige Mann ist gedacht, wie er sich mit beiden Armen auf seinen Knotenstock stützt und mit er- hobenem Kopf nach links herumwendet, also einem Vorgange hinter ihm zu. Da- mit und mit dem Prägeort der Münze ergibt sich auch die Deutung. Amykos, der Gegner des in Sparta verehrten Polydeukes, ist dargestellt, wie er, seiner Kraft bewußt, neben der von ihm bewachten Quelle da- sitzt (dvYjp uTtspoTtXoc £vrj[Asvo? EvStdaaxE, Theokrit 22, 40) und sich nach seinem jüngeren (sti ^vodovxa? fouXou; dvzzKkmv, eti tpatSpic iv op.ui.aai, Apollonios von Rho- dos II 43 f.), aber gewandteren Gegner, der eben herantritt, geringschätzig umsieht x).

') So ist der Vorgang nach einem pränestinischen Spiegel, auf dem »Poloces« schon kampfbereit mit den Castus an den Armen zu dem nach ihm sich umwendenden »Amucesi herantritt (Gerhard, Etrus- kische Spiegel I Taf. 171, Festschrift für Benndorf 14g), aufzufassen. Ich bemerke das wegen Heibig, Führer 3 II Nr. 1350, welcher annimmt, der Faust- kämpfer sei in einer Pause des Kampfes dargestellt.

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Der Torso von Belvedere.

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Auch mit einer ähnlich rohen Waffe wie auf der Münze (xaKaupoira-Tpirj/stav, ders. II 33) dachte man ihn sich ausgestattet. Die Stütze auf dem rechten Oberschenkel für den rechten Arm, von der eine (von einigen Gelehrten allerdings geleugnete ')) Spur im Marmor erhalten zu sein scheint, fehlt selbstverständlich auf der Münze. Diese gibt auch den Oberkörper des Amykos anders als der Torso in etwas zurück- gelehnter Lage.

Nur wenig weicht von dieser Münze ein zweites unter Antoninus Pius geprägtes Erz- stück von Lakedämon ab, hier Abb. 2, nach Catalogue of the Greek Coins in the Brit. Mus. Peloponnesus Taf. XXV 15. Auf ihm sitzt derselbe bärtige Mann da mit dem nach der linken Schulter zu gewen- deten, erhobenem Kopfe und ähnlicher, nur weniger aufrechter Haltung des Oberkörpers sowie der Beine. Es fehlt ihm bloß das um die Hüften geschlungene Gewand, welches auf der anderen Münze das Fell des Torso ersetzt. Mit Hilfe dieser Münze habe ich in der Festschrift für O. Benndorf S. 148 f. den 1884 am Quirinal gefundenen ehernen Faustkämpfer des Thermenmuseum in Rom auf Amykos gedeutet. Die Erz- statue und der Torso stehen sich in der Tat sehr nahe. Sie geben den gleichen Vorwurf wieder, einen sitzenden überaus muskelstarken Mann in selbstbewußter Haltung, dessen ruhender Körper ahnen läßt, wie er in der Anspannung des Kampfes wirken muß. Der Hauptunterschied ist der, daß das Erzwerk durch die auf den Ober- schenkeln liegenden mit den Castus be- wehrten Arme und die damit verbundene

Aber keiner der Hautrisse und stärkeren sowie leichteren Verletzungen an der Statue ist so be- schaffen, daß man gezwungen wäre, sie für frisch zu halten. Sie kennzeichnen vielmehr den Faust- kämpfer, wie auch Theokrit 22, 45 die zerschlagenen Ohren des Amykos hervorhebt. Heibig hätte ferner nicht behaupten sollen, daß die Haare des Schnurr- bartes voll von geronnenem Blut sind. Sie haben kurze starke Locken. Der geöffnete Mund endlich ist nicht dadurch zu erklären, daß »die Nase inner- lich verschwollen und mit geronnenem Blut gefüllt zu denken« wäre, sondern weil Amykos seinen Gegner anredet (Apollonios (I 10 f., Theokrit 22, 55.) ') S. W. Amelung, Skulpturen des Vatikan. Museums II Nr. 3 und in der Berliner philol. Wo- chenschr. XXI 1901, 1615.

Vorneigung des Oberkörpers mehr den Eindruck völlig entspannter Ruhe macht, als der Torso, in dem sich durch die leichte Erhebung des Oberkörpers und das nach der Münze anzunehmende hohe Aufstützen auf den Knotenstock die wieder- erwachende Bewegung kundgibt. Vielleicht hat dieser Stock da gestanden, wo ihn die Münze zeigt, also links neben dem würfelförmigen Sitze. Doch wird niemand annehmen, daß der Münzstempelschneider die Statue vollkommen genau wiederge- geben hat und wenn ein nach oben breiter werdendes Loch auf der Außenseite des linken Oberschenkels ') wirklich ein »An- satz« und nicht, wie mir nach mehrfacher Untersuchung des Tatbestandes erscheint, eine der vielen zufälligen oder durch Er- gänzungen entstandenen Verletzungen ist, so kann auch hier der knorrige Stab an- gelehnt gewesen sein. Für diesen Fall wäre anzunehmen, daß der an dem Schenkel anliegende Teil in weiterer Aus- dehnung aus Marmor gebildet war.

Man möchte gern wissen, in welchem Zusammenhange beide einst in Sparta stehenden Werke zueinander gestanden haben. Aber es läßt sich nicht mehr sagen, als daß das einfachere Motiv der Bronze offenbar das ältere ist und im Marmor mit dem Umwenden des Kopfes auch eine ent- sprechende Drehung des zugleich mehr erhobenen Oberkörpers verbunden wird. So ist allerdings nicht das lebensvolle Spiel der Muskeln und Weichteile an der Brust, den Hüften und den Oberschenkeln durch die stärkere Vorneigung und die Arme verdeckt wie in der Bronze, aber die Körperhaltung hat doch etwas Gekün- steltes, sie kann nur ganz kurze Zeit inne- gehalten werden, und auch die Bronze wirkt mächtig durch ihre trotzige, drohende Ruhe. Genauer die Zeit beider Kunst- werke zu bestimmen wage ich nicht. Doch weisen die Verse Theokrits (22, 46 f.) orrjdsa 8'lacpaipu>T0 TtsXiöpia xal Tdatu vöjtov 2apxt atSijpet'ifl atpupVjXaToc ofa xoXoaaöi auf irgendein ihm bekanntes ähnliches Werk der Plastik hin. Dazu paßt der den Kopien

') S. Sauer Anmerk. 182 S. 109 Nr. 15, Amelung a. a. O.

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Neues vom Diskoswerfen.

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nach Statuen des Lysipp nahestehende Stil, und schon Furtwängler hat, ohne Theokrit heranzuziehen, angenommen, daß die Erzstatue »wohl noch der Schule des L>sippos angehört« *). Verwandt ist auch die Bildung der Muskeln und der Haut des Torso. Besonders sein auffällig tief liegendes Rückgrat und die daran an- schließenden Muskeln stehen der Rücken- bildung des Apoxyomenos des Lysipp sehr nahe. Aufgestellt mag man sich beide Statuen der Sage entsprechend an Quellen denken (Theokrit 22, 37 f. sagt von Kastor und Polydeukes supov Sdzvxov xpijv7]v U7ci Xisaa'Si TtETpTß Töara rairXTjöorav dxr^i-zm) oder dem Ausflusse einer Wasserleitung. Erst das rhetorisierende Epos des Valerius Flaccus IV 1 7 7 f. läßt den als furchtbaren Riesen geschilderten Amycus, ohne die Quelle überhaupt zu erwähnen, eine Höhle bewohnen, vor der die Schädel und ab- gerissenen Glieder seiner überwundenen Gegner herumliegen. So etwa würde ihn die Kunst der Kaiserzeit gebildet haben. Königsberg i. Pr. Otto Roß b ach.

Abb. 1.

NEUES VOM DISKOSWERFEN.

Die Überlieferung von Myrons Diskobol :) ist nicht einheitlich; sie zerfällt in zwei Reihen, die sich in der Bildung des linken Fußes von einander unterscheiden 3).

') Sitzungsber. bayer. Akad., philos. - philol. Klasse 1902, 442.

3) Salvatore Mirone, Mirone <T Eleutere, Catania 1921, 52 fr.

3) Vgl. Schröder, Zum Diskobol des Myron, Straßburg, Heitz 1913. Zur Technik des Diskos- werfens noch Bonner Jahrb. 1915 Heft 123, 33 ff. Taf. VI.

Zu der einen Reihe, die den 1. Fuß auf dem Ballen aufstehen läßt, gehörten bis jetzt

a) die Kopie von Castelporziano mit deai Dübelloch in der Plinthe und dem Bruch- stück der großen Zehe. (Brunn-Bruckmann, Denkmäler Taf. 631, 632. Schröder, Zum Diskobol des Myron Taf. VI und VII),

b) (Abb. 1) die Byressche Gemme (ebenda Taf. V b),

c) (Abb. 2) eine Gemme im Britischen Museum (Cat. of Engraved Gems Taf. G 742; Cat of Sculpture I S. 91 fig. 5), und

d) eine Paste in Berlin (Zum Diskobol Taf. Va). Diese zuletzt genannte Paste

Abb. 2.

Abb. 3.

Abb. 8.

ist aber unsicher. Ich ersetze sie durch eine Gemme, früher in der Sammlung* P. Arndt, die das natürliche Aufstehen deut- licher, wenn auch nicht so gut wie die Byressche Gemme zeigt (Abb. 3 in Ver- größerung nach einem von P. Arndt freund- lich geliehenen Siegelabdruck), und füge der Reihe im folgenden ein Denkmal zu, das in der Frage nach Deutung und Wieder- herstellung des myronischen Diskobols bis- her, trotz dem kurzen Hinweis von Lucas (Arch. Jahrb. XIX 1904, 127)1) nicht ge-r nügend gewürdigt worden ist:

e) den Sarkophag im Louvre Clarac PL 187, 223, auf dem nebst andern Gym- nastik treibenden Kameraden ein kleiner Junge als Diskoswerfer dargestellt ist. Ich bilde den hier in Betracht kommenden Teil des Reliefs nach der Vorlage zu einer Probetafel für das Sarkophagwerk ab, mit gütiger Erlaubnis C. Roberts, der mir da- zu bemerkte : »Daß die myronische Statue das Original ist, geht auch daraus hervor, daß sonst auf Sarkophagen für den Disko- bolen ein anderer Typus verwendet wird«

') In dem Diskobol des Athletenmosaiks von Tuskulum (Mon. Inst. VI/VII, tav. 82) vermag ich nicht wie Lucas »deutliche anklänge an die my- ronische Statue« zu erkennen.

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Neues vom Diskoswerfen.

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(Abb. 4). . Die Athletenstatue erscheint hier zwar ins Kindliche übersetzt, aber in ihren wesentlichen Zügen nachgebildet. So steht auch auf diesem Relief der linke Fuß des Werfenden auf dem Ballen auf. Unter- schenkel und Ferse sind ergänzt, aber die Zehen sind erhalten. Wir haben damit nun fünf Zeugnisse für die Überlieferung mit dem auf dem Ballen aufruhenden lin- ken Fuß, die ich für die sachlich und

Abb. 4.

künstlerisch gebotene halte und daher der zweiten Version vorziehe, bei der der 1. Fuß auf den Zehenspitzen aufsteht.

Die zuerst genannte Fassung liegt auch der Rekonstruktion zugrunde, die die Bild- hauerin Marie Dihl unternommen und aus- geführt hat, und von der ich hier mit Ge- nehmigung der Württembergischen Metall- warenfabrik eine Abbildung nach der galvano- plastischen Ausführung vorlege1) (Abb. 5).

i) Vgl. Ztschr. f. bild. Kunst N. F. XXVII, 191 5/16, 302 ff. Ihre antiken Bestandteile sind die Kopie von Castelporziano und der Kopf des Diskobols Massimi mit dem Haar des Berliner Kopfes Nr. 474. Ergänzt sind der Hals, der rechte Arm, die Finger der 1. Hand, die Zehen des rechten Fußes und der 1. Fuß. Beide Füße stehen über den Dübellöchern in der Plinthe. Es erwies sich als unmöglich, Abgüsse des rechten Arms von andern Kopien anzufügen. Der rechte Arm mit Hand und Diskos sind daher aus dem Rumpf heraus und nach Maßgabe der gymnastischen Notwendigkeit (vgl. Zum Diskobol S. 31 f.) frei er- gänzt worden. Daß diese Ergänzung das richtige getroffen hat, ergab sich aus folgendem: An der Weiche des Körpers saß der Rest einer Stütze, die einst Körper imd rechten Arm verbunden hatte. Frl. Dihl ergänzte den Rest der Stütze, indem sie die Seitenflächen verlängerte, und die spitz zulaufende Stutze traf genau den untern Rand des Diskos I

Die Statue von Castelporziano ist freilich eine im Altertum ausgebesserte Kopie, das Relief im Louvre zeigt das Vorbild durch die Umsetzung ins kindliche Alter stark ver-

Abb. 5.

ändert, die Gemmen sind klein und nicht in allen Einzelheiten einander gleich. Man könnte daher einwenden, diese fünf Zeug- nisse seien nicht beweiskräftig. Ich habe auch nur Vermutungen und keine sichere Erklärung, wie der »schleifende Fuß« der andern Monumentenreihe entstanden ist1); aber nehmen wir an, dieser gebe die originale Überlieferung wieder, so läßt sich ebenso- wenig sagen, was den Restaurator der Kopie von Castelporziano und die Urheber der kleinen Abbilder bewogen habe, den um-

») Übereinstimmende fehlerhafte Überlieferung nach einem interpolierten Archetypus: Noack, Arch. Jahrb. XXV 1915, 136 (Verwundung der Berliner Amazone).

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Neues vom Diskoswerfen.

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gekippten Fuß des Originals in der Nach- bildung auf dem Ballen stehen zu lassen1).

"Wir haben hier also nicht die zufällige Willkür einzelner Handwerker, die gerade in diesem Punkte übereinstimmend das myronische Original verändert hätten, son- dern neben den Zeugnissen für den schlei- fenden Fuß auch hier eine Reihe von Mo- numenten, die sonst nicht in allem gleich, in dem aufstehenden Fuß übereinstimmen, und von denen die Byressche Gemme die Ent- stehungszeit des Originals in dem ausge- prägt strengen Stil erkennen läßt.

Die Londoner Gemme (Abb. 2) trägt die Beischrift Hyakinthos, und die Gemmen sind in einzelnen Zügen voneinander verschieden. Dies könnte zu der Annahme führen, es sei auf den .Steinen sowenig wie in der Knaben- figur des Sarkophags das Werk des Myron nachgebildet. Selbst wenn wir dies zugeben, und von dem strengen Stil der Byresschen Gemme absehen, haben wir doch immer noch eine Reihe von Darstellungen des Dis- koswerfens, die sich von andern Darstellungen derselben Übung unterscheiden. Es entsteht notwendig die Frage, ob beide Fassungen sachlich möglich sind und welche für die Überlieferung des myronischen Werkes als maßgebend anzusehen ist? In der Voraus- setzung, daß Myron zwar im Stil . noch gebunden, aber gegenständlich naturgetreu gearbeitet hat, habe ich mich in den an- geführten Schriften aus sachlichen, anatomi- schen und künstlerischen Gründen für die Reihe mit dem aufstehenden Fuß entschieden und die Überlieferung mit dem schleifenden Fuß als unecht verdächtigt.

J. Sieveking lehnt in seiner Behandlung der Frage (zu Brunn-Bruckmanns Denkmä- lern Taf. 681 685) meine Beweisführung ab. Er hat die Münchener Bronzestatuette

*) Das betrifft besonders die Byressche Gemme, auf der der aufstehende Fuß so groß und deutlich gezeichnet ist. Die andern Besonderheiten auf dieser Gemme lassen sich erklären : der geknickte r. Arm aus Raumzwang, die Haltung des Kopfes aus der Schwierigkeit, den verkürzten Kopf in der Ober- ansicht wiederzugeben und das ausgestreckte r. Bein aus dem Bestreben, die leichte Verkürzung des nicht senkrecht, sondern schräg nach hinten stehenden r. Unterschenkels anzudeuten. Der kippende oder schleifende Fuß aber in der Profilansicht bot dem Steinschneider keine größere Schwierigkeit als der aufstehende.

eines Diskobols (Abb. 6 mit Erlaubnis des Verlags Bruckmann) von ihren Entstellungen befreien lassen, sieht in ihr eine nur im Kopf veränderte römische Nachbildung des myronischen Diskoswerfers und begründet die Zuverlässigkeit dieser Nachbildung mit einer neuen Erklärung des dargestellten

Abb. 6 (nach Brunn-Bruckmann, Denkmäler Taf. 681).

Motivs. Er wendet sich dabei gegen Frl. Dihls und meine Auffassung, gibt von dem Sinn und Ergebnis unserer Arbeiten ein willkürlich entstelltes Bild und übt seine Kritik in einer Ausdrucksweise, die in einer wissenschaftlichen Darlegung befremdet. Ich gehe in gebotener Kürze nur die Haupt- punkte seiner Erörterung durch.

Früher hat man alle Darstellungen von Diskoswerfern in ein praktisch nicht aus- führbares Schema gepreßt (Jüthner, Antike Turngeräte 33, Gardiner, Greek Athletic Sports and Festivals 335). Ich habe den sog. antretenden Diskobol als Beter ganz ausgeschieden und die von Myron darge- stellte Wurfart mit vertikalem Schwung von den verschiedenen Techniken mit horizon- talem Schwung (und voller Körperdrehung) getrennt. S. zieht nun wieder alles in ein Schema zusammen. Nach seiner Theorie tritt der Diskobol an, den r. Fuß mit den

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Zehen in den Boden krallend, den Diskos in der L. Die Augen visieren über die halb erhobene R. einen Punkt dicht vor dem r. Fuß, auf den der r. Fuß nach dem Ab- wurf wieder gerichtet sein muß. Dann tritt der 1. Fuß vor und beide Hände erheben den Diskos über Kopfhöhe. Der Körper beschreibt um den stehenbleibenden r. Fuß einen Halbkreis von i8o°, der 1. Fuß dreht sich auf den Zehenspitzen. Dann wendet der Körper sich zurück und die Scheibe wird abgeworfen.

Meine Erklärung des »antretenden« Dis- kobols als Beters soll »den fein abgewogenen Zusammenhang zwischen r. Hand, Kopf- haltung und Handbewegung« ignorieren. Im Gegenteil wird alles dies aufs beste in Zusammenhang gebracht: der lässige Stand, die leicht erhobene Hand und der gleich- mütige Blick über sie hinweg, schräg nach unten zum Altar, den wir, wie beim Ido- lino, hinzuzudenken haben. Dagegen sehe ich nicht, wie man mit den leicht ge- krümmten Fingern und beiden geöffneten Augen einen Punkt anvisieren kann. Dieser anvisierte Punkt soll dann die Zielrichtung angeben; also soll der Athlet beim Rück- schwung aufpassen, bis der Fuß wieder auf diesen Punkt hinweist und dann abwerfen? Aber es handelt sich um die Weite des Wurfes, und die Richtung ist von selbst mit Beendi- gung des Vorwärtsschwunges gegeben, bei der der Diskos in die Richtung fliegt, in die ihn die Zentrifugalkraft aus der sich öffnenden Hand entläßt. S. zieht mehrmals das moderne Kegelspiel heran. Wie kann man zwei so vollkommen verschiedene Be- wegungen vergleichen? Das einzig gemein- same ist, daß die r. Hand ausholt, aber die Haltung des Körpers, der Hand, Zweck der Übung, alles ist völlig anders! S. meint also, der Athlet sehe beim Visie- ren auf den Boden vor sich, wie der Ke- gelspieler beim Aufsetzen der Kugel '). Hier-

") Nach Sieveking zu Brunn-Bruckmann Taf. 68 1 (S. 8) visiert der zum Wurf antretende Diskobol (JUthner, Turngeräte S. 33 Fig. 29 E und G) die Wurfbahn. In Wahrheit hebt der eine (E) einfach den Diskos mit beiden Händen, der andere hat im Beginn der Übung mit horizontalem Schwung den 1. gewinkelten Arm erhoben, wie es unzählige Male dargestellt ist I

bei kommt es allerdings auf den Punkt (oder doch das Brett) an, auf dem die Kugel aufgesetzt werden muß. Aber hat schon jemals ein Kegelspieler diesen Punkt anvisiert? Und was wird aus all den andern betenden Athleten, die ich angeführt, den Springern, Speerwerfern etc. Oder wenn sie nicht beten, was bedeutet dann ihr Gestus *)? Ferner scheitere meine Erklä- rung an dem Einkrampfen der Zehen des rechten Fußes. Dies Einkrampfen der Ze- hen hat keinen praktischen Zweck, da doch der Fuß nach S. sogleich auf der Stelle eine Drehung ausführen wird, bei der die eingekrampften Zehen nichts nützen. Aus- serdem bedarf dies seit Alters beachtete Einkrampfen der archäologischen Prüfung. Die vier kleineren Zehen des r. Fußes sind bei dem vatikanischen »antretenden« Dis- kobol nicht stärker gekrümmt, als bei dem entlasteten Spielbein nur natürlich ist Die große Zehe ist dagegen gewaltsam nach innen und unten gekrümmt; sie hat einen ganz verkümmerten Nagel und im Ver- gleich mit den übrigen Zehen beider Füße stillose Formen. Nach dem Abguß muß ich hier eine Überarbeitung annehmen, die vermutlich einer Verletzung des vor- ragenden und bestoßenen Fußes abhelfen sollte. Bei den übrigen Kopien (die Lon- doner scheidet als ergänzt aus), d. h. denen im Louvre und in Duncombe-Park, ist, nach Photographien zu urteilen, überein- stimmend auch die große Zehe nur leicht angezogen, mit den übrigen Zehen in der Richtung gleichlaufend und von derselben Formengebung mit dem breiten Nagel.

') Als betenden Diskobolen kann ich nachträg- lich anfuhren : Babelon-Blanchet, Catal. des Bronzes antiques de la Bibl. Nat. Nr. 923 (Bronze-Statuette eines ruhig stehenden Knaben, in der herabhängen- den L. den Diskos, die R. ausgestreckt, halb erho- ben). Mit der Handhaltung des Vatikanischen D. steht an einem Altar ein Jüngling (Petasos, Chla- mys, Speere 1.) auf einer r. f. Kanne von Rhodos (Inv. 651 1 der Antikensammlung im Nationalmuse- um in Kopenhagen). Vgl. Böhlau, Sammlung Vogell, Taf. III, 21 und Scheurleer, Catalogus eener Verzameling Taf. XLIV, r. f. Schalen, Innen- bild beidemal ein nackter Jüngling, R. betend er- hoben, 1. Strigilis. Ähnlich die Bronzestatuette De Ridder, Les bronzes du Louvre Nr. 2p I PI. 26, Reinach, Rep. stat. II 153, 4 (in der L. Speer, ver- loren).

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(Abb. 7 mit den Füßen der Statue von Duncombe-Park, nach alten Aufnahmen des Straßburger Abgusses.) Ich sehe mithin kei- nen Anlaß, meine mit Beispielen und Be- legen gestützte Erklärung des »antreten- den« Diskobols als Beters fallen zu lassen. Dann der Wurf selbst. Meine Aufteilung der vielen Darstellungen in die mit ver- tikalem und horizontalem Schwung wird abgelehnt. (S. 8). »Auch Schröder, heißt es, konnte sich bei der Durchmusterung der antiken Darstellungen nicht dem Eindruck

In dem Bericht über einen Vortrag, der bereits unser Thema behandelte (Kunst- chronik N. F. XXVIII 19 16/17 Nr. 40 S. 468) heißt es noch: In Wahrheit lassen sich alle diese Beispiele (für das zweite Wurfschema) im Motiv sehr gut mit jener vereinen, nur fehlt ihnen die myronische Meisterschaft usw.

Ich bin, um das Schema mit horizon- talem Ausholen zu finden, nicht von den Denkmälern ausgegangen, die die Drehung zu zeigen scheinen. Das erste, was sich

Abb. 7.

entziehen, daß manche derselben auf eine Schwingung des Körpers um seine Achse hin- deuten, und hat daraus ein zweites Wurf- schema abgeleitet usw. In Wahrheit wollen alle von ihm hierfür angeführten Beispiele, die den Wurf selbst, nicht die Vorberei- tung für denselben veranschaulichen, näm- lich die Münzen von Kos und die Cuma- ner Preisvase l) ebenfalls die Drehung des ganzen Körpers wiedergeben. Sie sind aber unklarer im Motiv, weil sie eine Unmöglichkeit die Bewegung selbst, und nicht wie Myron eine Ruhepause in derselben auszudrücken versuchen. Außer- dem richten sie den Oberkörper auf, wäh- rend durch das Vorbeugen desselben, das Myron in seiner Statue gibt, der Schwung in der Drehung, wie man sich bei der Ausführung der Übung leicht überzeugen kann, ein viel intensiverer wird. In der Praxis sind natürlich beide Wurfarten mög- lich.«

') Sieveking fügt eine nach Erscheinen meiner Schrift publizierte Gemme und eine italische Scherbe mit einem fluchtig gemalten gehenden Diskoswerfer hinzu, in dem ich keinen Wurf mit Körperdrehung erkennen kann. Die Gemme ist nach demselben Schema wie die koische Münze (Zum Diskobol Taf. IX a. b.) gemacht.

mir bei meiner Beschäftigung mit den an- tiken Darstellungen des Diskoswerfens er- gab, war vielmehr die Erkenntnis, daß die Denkmäler, die den Diskobol aufrecht stehend zeigen, den Diskos auf der flachen Hand, den linken Arm seit- lich hoch erhoben, sich mit dem deckten, was ich auf dem Sportplatz zu sehen ge- wohnt war, und sich in keiner Weise mit den beiden uns allein bekannten Phasen des myronischen Wurfes vereinigen ließen, nämlich der Anfangstellung mit dem Dis- kos in beiden hoch erhobenen Händen und der gebückten Haltung des myroni- schen Bronzewerks. Sieveking bleibt den Beweis schuldig wie sich die beiden Ty- pen vereinigen lassen, und in seinem Wurf- schema, also etwa vor oder nach dem »an- tretenden« Diskobol, der mit der r. Hand visiert, fehlt alles, was ich S. 16 ff. an Be- legen für den horizontalen Schwung bei- gebracht habe ').

Ebensowenig kann S. die von mir für die Drehung beigebrachten Denkmäler

') Hierzu kommt jetzt der schöne Stuttgarter Bronzehermes, Förster R. M. XXIX 1914, 168 ff. Pagenstecher, Alexandrinische Studien 46 ff. Taf. II u. III, als Darstellung des Athleten unmittelbar vor Beginn der Übung.

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mit irgendeiner Phase seines Schemas in Verbindung bringen; das ungenaue Referat täuscht nicht darüber hinweg. Ich habe Münzen und Vasenbilder angeführt, um die Annahme der vollen Körperdrehung wahr- scheinlich zu machen. »In Wahrheit wollen sie ... . ebenfalls die Drehung des ganzen Körpers wiedergeben.« Eben das behaupte ich. Ob und wie sie etwa den Schwung von 1800 und zurück wiedergeben, bleibt auch von S. ungesagt. Die für die Drehung angeführten Denkmäler sind aber nicht bloß unklar im Motiv, weil sie die Bewegung selbst wiedergeben wollen, sondern sie geben überhaupt kein bestimmtes Motiv wieder1). In verschwommenen Erinnerungs- bildern sind ganz verschiedene Momente der Bewegung vereinigt, die auch bei wohl- wollender Interpretation nichts für die Er- klärung der myronischen Statue bieten :). Ob die Drehung bei aufgerichtetem oder vorgebeugtem Körper mehr Schwung ver- leiht, ist noch die Frage, kommt aber hier auch nicht in Betracht. Jedenfalls gibt Sieveking selber zu, in der Praxis seien beide Wurfarten möglich. Der moderne Sport hat nach mancherlei wieder verwor- fenen Versuchen ohne archäologische Hilfe aus der Natur des Geräts und des mensch- lichen Körpers eine Wurfart erfunden, die nicht mit Myrons Statue, aber mit zahl- reichen andern antiken Darstellungen voll- kommen übereinstimmt (vgl. Richer, Revue de l'Art XXIV 1908 S. 193—208). Ich habe mich nicht besonnen, diese antiken Darstellungen aus der Gegenwart zu ver- stehen, genau so wie jedermann Trab und Galopp beim Reiten oder Anziehen und Fieren der Segel in Antike und Gegenwart gleichsetzt. So habe ich die Zeugnisse

') Mir scheint der Oberkörper mit den Armen auf den koischen Münzen in archaischer Verzeichnung die Anfangsstellung mit dem Diskos in beiden er- hobenen Händen wiederzugeben, die Haltung der Beine aber, das schnelle Wechseln des Standes bei der Drehung. Die Cumaner Preisamphora vereinigt ganz sinnlos mit dem gehobenen r. Arm die ge- senkte Linke.

2) Ebenso ist es bei zahlreichen andern Dar- stellungen von Diskoswerfern auf Vasen, wenn die Maler sich mit unklaren Vorstellungen der komplizierten Bewegung begnügen. Aber dem Sachkundigen ist es leicht, solche Bilder von richtig gesehenen zu unterscheiden.

aufgeteilt und bin bisher nicht belehrt worden, wie die von mir »Zum Diskobol« S. 16 ff. und Bonner Jahrb. 19 15 Heft 123, 33 ff. angeführten Denkmäler anders ver- standen werden könnten, denn als Zeugnisse für mein zweites Schema, die Wurfart mit horizontalem Schwung. Beim modernen Wurf ist eine volle Körperdrehung üblich, weil sie sich ganz von selbst ergibt Ich habe es wahrscheinlich zu machen gesucht, daß auch im Altertum beim zweiten Schema diese Drehung ausgeübt wurde. Dagegen sehe ich keine Möglichkeit, die hier in Be- tracht kommenden Denkmäler in dem my- ronischen Schema unterzubrigen und be- trachte es daher als einen Rückschritt, wenn die Trennung der beiden grundsätzlich ver- schiedenen Schemata bestritten wird.

Nun die myronische Wurfart. Bekannt ist die Anfangstellung mit dem von beiden Händen hochgehaltenen Diskos (Zum Dis- kobol S. 14, Sieveking Abb. 3), und zwei- tens die myronische Statue, die unzwei- felhaft das sekundenlange Stillhalten zwi- schen Rückwärts- und Vorwärtsschwung darstellt. Wie die Zwischenzeit zwischen diesen beiden Phasen ausgefüllt war, ist die Frage1). Antike Zeugnisse fehlen; für uns entscheidet allein die sportliche Zweck- mäßigkeit. Der r. Fuß steht in der An- fangstellung hinten, in der Statue vorn. Es muß etwas geschehen sein, was diesen Wechsel begründet. Wenn aber ein Fuß zuerst hinten und danach vorn steht, so ist er nach der einfachsten Annahme vor- getreten. (Vgl. Zum Diskobol S. 14. Ebenda ablehnend über die Annahme, daß der 1. Fuß zurücktritt.) Auf diese Lösung des Prob- lems sind seinerzeit unabhängig vonein- ander Frl. Dihl als Künstlerin, der von mir Ztschr. f. b. K. N. F. XXVII 19 15/16, 303 erwähnte Grieche als Athlet und E. Petersen als Archäologe (Rhythmus, S. 46) gekommen.

Das Vortreten des r. Fußes ist ebenso ein- fach wie zweckmäßig, sportgerecht und schön. Ebenso ungezwungen entwickelt sich alles

') Es muß irreführen, wenn Wolters in Springer- Michaelis, Handbuch Bd. I" (1920) sagt, der Athlet sei in dem Augenblick dargestellt, in dem er nach den Regeln der Kunst auf dem r. Bein ruhend sich um sich selbst soweit gedreht habe usw.; das klingt, als wenn die Regeln überliefert seien.

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weiter. Zugleich mit dem Vortreten des r. Fußes biegt sich der Oberkörper vor, die r. Hand schwingt zurück, die linke Hand fällt an das Knie, der Kopf wird von selbst rück- wärts gewendet; dann nach dem flüch- tigen Verweilen am Endpunkt des Aus- holens: Vorschwung,' Abschleudern der Scheibe und zugleich automatisches Vor- treten des linken Fußes. Beide Füße haben den Körper bei der Bewegung unterstützt, und wehe, wenn sie nicht fest am Boden stehen: Der Athlet schwankt und der Wurf mißlingt.

Die von Sieveking S. 4 hiergegen vor- gebrachten Einwände können mich nach den Erfahrungen meiner jahrelangen prak- tischen Ausübung des Diskoswerfens nicht beirren. Ich sehe nicht, warum das Vor- treten des r. Beins »aus der Praxis heraus unverständlich« ist, auch nicht, inwiefern das rechte Bein ein großes Hindernis für den Abwurf mit dem r. Arm sein soll; bei der x^usführung nach dem oben ausgeführten Schema ist das feste Aufstehen des vor- gestellten r. Beins unerläßliche Bedingung. »Kein Mensch, der nicht Linkser ist, wirft mit vorgestelltem r. Bein« gewiß nicht, wenn ein Stein oder Speer oder die Kugel beim Kegelspiel geworfen werden soll." Aber man mache die Probe und werfe einmal die Scheibe erst aus der Anfangstellung aus- holend, und dann mit vortretendem r. Bein und Rückschwung und vorgebeugtem Ober- körper — und man wird den Unterschied wahrnehmen. Wenn ferner für Sieveking das »rechte Bein das Herumwerfen des Oberkörpers zu bremsen mit der Bewe- gung des Werfens in dem für ihn an- genommenen Stadium eher Widerstand als Vorschub zu leisten scheint«, so ent- hält auch diese subjektive und schwer ver- ständlich ausgedrückte Auffassung keinen ernsten Einwand. Denn das Herumwerfen des Oberkörpers muß gebremst werden, wenn der ganze Körper nicht umgerissen werden soll.

Ebenso habe ich in dem automatischen Rückwärtsdrehen des Kopfes nie eine »un- nötige Anstrengung« empfunden, die »eher dazu beiträgt, die Wucht der Körperbe- wegung abzuschwächen«. Der auch hier- für zitierte Kegelspieler blickt natürlich

nach vorn, wo er die Kugel aufsetzen will, und ebenso der Speerwerfer, der sein Ziel oder doch die Richtung seines Wurfes im Auge behalten muß. Der Diskoswerfer aber hat kein Ziel, er kann daher den Kopf willenlos mitschwingen lassen. Bei den gar »nicht so törichten Ergänzungen« des Diskoswerfers mit dem vorwärts gewendeten Kopf (Vatikan, London) geht denn auch ein Hauptfaktor des künstlerischen Gedankens verloren, und wenn moderne Sportleute oder Athleten sich in der Stellung des Diskobols mit vorwärts gewendetem Kopf photographieren lassen (ich besitze eine Anzahl solcher Aufnahmen J), so ist der Kopf künstlich so gedreht, weil den Be- treffenden nur die falsche Ergänzung und nicht der Diskobol Massimi bekannt war; man sieht, daß sie nur eine Pose ein- nehmen, nie aber aus dieser Stellung her- aus Diskos geworfen haben.

Ein weiteres Bedenken gegen diese Wurf- art betrifft die schmale Standfläche (Sieve- king S. 4 oben), ist aber nicht entscheidend, da das Ausholen in der Richtung der Beine und Füße erfolgt, die den Schwung mit den Gelenken auffangen und am Boden einen festen Halt haben. Dasselbe Be- denken trifft weitmehr die Sievekingsche Theorie, da bei ihr das Ausholen um die Körperachse geht, also zuletzt im rechten Winkel gegen die schmale Standfläche, auf der die Füße keinen Widerstand finden.

Die ganze Übung nach der von mir ver- tretenen Theorie bietet nicht die einfach- ste Lösung für die Aufgabe, die Scheibe zu werfen. Das ist mir wohlbekannt und m. E. auch der Grund, weshalb es von dieser Art zu werfen so verschwindend wenige Dar- stellungen gibt, im Vergleich mit jenen, die den wirkungsvolleren und leichteren hori- zontalen Schwung in seinen verschiedenen Phasen vorführen. Was sich bei gehöriger Schulung auch mit dem Schwung von vorn nach hinten erreichen läßt, beweist im übrigen jener oben genannte Grieche, der damit auf den olympischen Spielen 1896 vielbewunderte Würfe bis zu 28,95 Metern ausführte. (Sein Bild: Ztschr. f. b. K. N. F. XVIII 1907, 232 Abb. 5.)

') Keinem dieser Leute ist es eingefallen, auch den 1. Fuß umzuknicken.

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Jedenfalls scheint mir diese Art, die myronische Statue wieder lebendig zu machen, einfacher, natürlicher und zweck- mäßiger als Sievekings neue Theorie. S. geht von der Behauptung aus, daß »eine Drehung des ganzen Körpers um die Achse des rechten Beins darzustellen die Absicht des Künstlers war. Sein Hauptausdrucks- mittel hierfür ist die Haltung des 1. Beins, das stark gekrümmt, mit der Wade nach oben gedreht und, hinter dem r. Bein weit nach rechts übergreifend, mit den äußeren Zehenspitzen um jenes einen Bogen zu beschreiben scheint, ein eigenartiges, die ganze Situation beherrschendes Motiv, usw. Der Eindruck der drehenden Be- wegung wird verstärkt durch das Über- hängen des Körpers nach rückwärts, . . Später heißt es: »Der linke Fuß dreht sich auf den Zehenspitzen; . . . der Fuß selbst balanciert, wenn das Herumwerfen des Körpers möglichst intensiv ausgeführt wird, auf den äußersten Zehenspitzen . . .«. Der turnerische Gewährsmann führt diese Übung aus und kommt dabei »ganz genau zu der myronischen Stellung«. Dann, nach Be- endigung des Vorschwunges wird »der 1. Fuß wieder wie im Anfang der vorge- stellte sein und das Gewicht des vorfallen- den Körpers aufnehmen«. Von früher her wissen wir, daß der r. Fuß nun wieder auf den vorher anvisierten Punkt zeigen soll.

Nur kurz will ich meine rein sport- lichen Bedenken gegen diese Theorie an- deuten : Mit Schuhen läßt sich dieser Schwung ausführen, nicht aber nach antiker Weise bar- fuß. Auf festem Boden oder gar auf der Balbis ist die Reibung unter der r. Sohle zu stark, in weichem Sande findet der sich drehende Fuß zu starken Widerstand. Der Schwung um 1800 trifft, wie schon ge- sagt, die auf schmaler Standfläche auf- stehenden Füße von der Seite und bringt den Körper ins Schwanken, zumal, wenn der linke Fuß nur auf den äußersten Zehen- spitzen balanciert. Wo findet da der Kör- per den nötigen Widerstand, um wieder vorzuschwingen? Dies Schwanken, ja Um- fallen ist denn auch die Wirkung, die in der Seitenansicht der Münchener Bronze in beängstigender Weise zum Ausdruck kommt. Auch steht der Kraftverbrauch nicht im

Verhältnis zu der Leistung, die sich auf derselben Grundlage (den uns bekannten zwei Phasen der myronischen Technik) mit meiner Theorie leichter und schöner er- reichen läßt. Ferner ist auch der Vorwärts- schwung, wenn er wirklich den Diskos weit fortschleudern soll, viel zu stark, um allein von dem linken, nun wieder vorn stehenden Fuß aufgefangen zu werden. Der r. Fuß müßte notwendig vortreten und den vorher so sorgfältig anvisierten Punkt hinter sich lassen.

Die Annahme einer Drehung geht auch garnicht zwingend aus den Denkmälern hervor. Schon Sievekings Beweisführung enthält einige Unklarheiten. Das »Haupt- ausdrucksmittel« des Künstlers das »eigen- artige, alles beherrschende Motiv«, wie das 1. Bein mit den äußeren Zehenspitzen um das r. Bein einen Bogen zu beschreiben scheint, dies Motiv, das Sieveking doch das Verständnis für die künstlerische Idee des Diskobols erschlossen hat, bleibt nach- her ganz unbeachtet, wenn es heißt, daß der Fuß sich nur auf den äußersten Zehen- spitzen dreht. Man wird annehmen dürfen, daß S.'s Praktiker auch ohne diesen Kreis- bogen des 1. Fußes »genau in die myronische Stellung« kommen1).

Was aber ist unter »myronischer Stellung« zu verstehen ? Gewiß, die myronische Stellung von Körper, Armen und Beinen, läßt sich u. a. auch auf die Sievekingsche Art er- reichen. Wie verhält sich indessen der 1. Fuß in der Praxis, nicht im Zimmer beim gemächlichen Vorexerzieren, sondern nackt, auf dem Sportplatz, wenn er der

') S. 6 Anm. 17 zieht S. den Byresschen Car- neol (oben Abb. 1) für seine Theorie heran. Vor dem Athleten steht eine Herme, aus der hervor- gehen soll, daß er in diesem Augenblick von seinem Ziele abgewendet aufgefaßt ist . . . »denn die Herme kann nur hinter dem zum Wurfe an- tretenden als Abwurfsmal gedacht sein«. Die Herme bezeichnet aber nur die Palaestra, wie die auf dem Pariser Sarkophag Abb. 4 im Rücken des Diskos- werfers. Ein Abwurfmal kann nicht hinter dem Werfenden stehen ! Eine fast bis in Brusthöhe rei- chende Herme hinter dem antretenden Diskobol würde auch beim Ausholen seine Bewegung hindern. Mich wundert, das S. diese frei hinzugefügte Her- me für die Exegese benutzt, im übrigen aber den Steinschneider tadelt, daß er mit seinem Vorbild willkürlich verfahren sei.

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gewaltigen Körperdrehung und dem Schwung des mit dem Diskos beschwerten Arms Widerstand leisten soll? Denn das muß er; der r. Fuß allein kann diesen Schwung nicht aufhalten1). Ganz naturgemäß kommt der nackte 1. Fuß auch bei der Körper- drehung nach S.'s Theorie immer in die Stellung auf dem Ballen, wenig- stens der äußersten Zehen, mit dem nach vorn gerichteten Fuß, so wie es die von mir bevorzugte Reihe von Zeugnissen bietet, und weder in die kippende Stellung wie bei der Münchener Bronze, noch in die mit dem umgeknickten »schleifenden« Fuß der großen Marmor- kopien im Vatikan, in London usw.z).

") S. 7 Anm 21 erkennt S. mit einem Bildhauer, an der Außenseite zwischen Absatz und Fuß- vorderteil eine tiefe, senkrechte Falte, die bei ein- fachem festem Aufstehen nicht entstehe, wohl aber bei einer Drehung auf dem Platze. Eine solche senkrechte Falte ist an dieser Stelle nach dem ana- tomischen Bau des Fußes ganz undenkbar. Die formlose Vertiefung an dem Londoner Fuß ist, nach Abguß und Photographie zu urteilen, Bruch oder Verletzung.

l) Herr G. von Donop, Lehrer an der Hochschule für Leibesübungen in Berlin, hatte die Freundlich- keit, mir nach mehreren Besprechungen, die eine vollkommene Übereinstimmung unserer Auffassung ergaben, eine Niederschrift seiner Meinung zu über- geben, die ich hier mit seiner Erlaubnis etwas gekürzt abdrucke : ». . . Daß der Fuß eines Werfers, gleichviel welchen Wurfgeräts sich in der Art des Diskobols Mas- simi oder der MUnchener Statuette umlegt, ist jeden- falls etwas sehr Ungewöhnliches und macht auf einen alten Werfer, dem die verschiedenen Bewegungs- formen in Fleisch und Blut übergegangen sind, einen peinigenden Eindruck. Ganz besonders un- geeignet ist diese Fußhaltung bei einem Drehungs- wurf, wie Prof. Sieveking ihn schildert. Ein solcher Wurf würde so vor sich gehen müssen, daß neben einem ausgiebigem Strecken beider Beine und des Rückens zunächst die rechte Schulter, und ihr folgend der r. Arm nach vorn gerissen würde. Zuletzt, nach- dem das Wurfgerät die Hand verlassen hat, müßte bei einem guten Wurf auch noch das rechte Bein im sog. Wechselschritt folgen. Auf alle Fälle müssen r. Schulter und r. Arm herum, also die beim my- ronischen Werfer stark belastete Seite. Soll diese Seite blitzschnell und kraftvoll nach vorn, so muß sie gezogen werden, und das geschieht durch die ganze linke Seite. Will die linke Seite aber ziehen, so muß sie einen Halt haben, und das kann nur der fest eingesetzte linke Ballen sein. (Man bedenke, daß antike Disken 3 4 kg wogen, unsere heutigen nur 2 kg.) Die Spitzen der Zehen oder gar um- gelegte Zehen können eine solche Stutze nicht bieten. Die r. Seite könnte sich ohne Stütze oder nur schwach unterstützt nur mühsam und in kraft-

Zu meiner Genugtuung lehnt auch Sie- veking die früher beliebte Erklärung des »schleifenden« Fußes der großen Kopien ab. Aber er erklärt die umgeknickten Zehen aus technischer Notwendigkeit beim Kopieren, da die Marmorarbeiter den Fuß nicht so von der Standfläche hätten lösen können und ihn deshalb, um ihm einen festen Stand zu geben, mit den umge- knickten Zehen im Boden hätten verankern müssen.

Folgerichtig wird auch die Rekonstruk- tion Rizzos angenommen, der, das Dübel- loch in der Plinthe einfach ignorierend, sich an die andern großen Kopien an- schließt, und meine Beurteilung des Zehen- fragments von Castelporziano wird als »durchaus unrichtig* hingestellt. Wir haben allerdings nicht gewagt, das Zehen- fragment »nur neben den Fuß des Lon- doner Exemplars auf die Plinthe zu stellen, um genau die gleiche Stellung zu erhalten« (Anm. 16), denn ein großer Teil des Londoner 1. Fußes mit der großen Zehe ist nach der mir vorliegenden großen Photographie ergänzt, ebenso wie am Vati- canus (Boll. d' Arte I 1907 Fase. 1 S. 8).

Ich kann auch nicht zustimmen, wenn S. meint, das Fragment solle mit der Bruchfläche auf dem Boden aufstehen und dadurch der Eindruck erreicht werden, als ob die Zehe in den weichen Sand eintauche. Das wäre erstens eine merk- würdige Übereinstimmung zwischen Kopie und Ergänzung, und zweitens läßt sich der Zustand des Zehenbruchstücks mit dem Restchen Plinthe doch nicht einfach weg- leugnen. Genaue, immer wiederholte Be-

und schwungloser Bewegung herumdrücken. Ich habe, nachdem die Frage an mich herangetreten, wiederholt den Versuch gemacht, und immer wieder krallte sich der 1. Fuß mit den Zehen fest und Stützte sich mit aller Energie auf den Ballen. Es geht garnicht anders, und nur bei tänzerischer leichter Bewegung, die keine Kraftäußerung hervorbringen soll, ließe sich ein loses Aufstehen zur Not denken. Auch die Auswärtsstellung des r. Fußes erscheint mir sehr unzweckmäßig. Der r. Fuß müßte für die Sievekingsche Drehung mehr einwärts gestellt sein, während es für den Wurf geradeaus günstig steht. Die Darstellungen auf den Gemmen und dem Sarkophag mit dem fest aufstehenden 1. Fuß wirken demgegenüber auf den praktischen Werfer voll- kommen überzeugend«.

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obachtung hat uns zu der in meiner Schrift S. 30 begründeten Auffassung geführt, wo- nach an der Bruchfläche die Spitze der Zehe zu ergänzen ist und das Ganze zu einem auf dem Ballen und über dem Dübelloch in der Plinthe stehenden Fuße gehört. Aber das Zehenbruchstück ist zu unglücklich gebrochen und der Rest der Plinthe zu gering, um damit etwas be- weisen zu wollen. Es hat uns auch nur bestätigt, was anderweitig gefunden war.

Uer wirkliche Grund für die Umknickung der Zehen ist also für Sieveking der, daß der Fuß standfest gemacht werden sollte. Indessen hatte der Kopist durch die Stütze zumal wenn er, wie beim Vaticanus, den Baumstamm neben den 1. Fuß stellte die Möglichkeit, den Fuß ganz frei zu bilden1). Dabei konnten auch die Zehen in der natür- lichen Weise nach vorn gewendet werden, und schließlich konnte ein Keil hinter oder unter den Fuß gerückt werden, wie unter die Sohle der Wiener Diskobolstatuette (v. Sacken und Kenner, Antiken des Münz- und Antikenkabinetts S. 37 Nr. 138) und sonst bei schreitenden Gestalten. Ich habe allerdings keine bessere Erklärung. Aber gerade gegen diese umgeknickten Zehen, richtete sich hauptsächlich Frl. Dihl's und mein Widerspruch, und immer wieder wurde uns die Überlieferung mit dem schleifenden Fuß als unbedingt verbindlich ent- gegengehalten. Es ist uns daher sehr erwünscht, wenn nun auch Sieveking darin eine Kopistenerfin- dung erkennt. Ich stelle das fest, kann mich aber dabei nicht beruhigen, denn für S. bleibt als Grundlage des Fußes mit den geknickten Zehen der frei hängende, die Erde nur mit den äußersten Zehenspitzen berührende Fuß, wie ihn die Münchener Statuette zeigt2), die als getreue Nach-

') Der r. Fuß der Vatikanischen Tänzerin, der sog. Wettläuferin, berührt die darunter geschobene Stutze nur mit den äußersten Spitzen, ohne umge- knickt und »verankert« zu sein. Auch zeigen die Kopien des Diskobols mit ihren gebrochenen 1. Füßen, wie wenig die Umknickung geholfen hat.

*) Ohne Kenntnis des Originals will ich doch auch nach der Abbildung mein Befremden über die Formlosigkeit von Zehen und Unterseite des 1. Fußes nicht verschweigen, die mit dem übrigen Körper nicht harmoniert.

bildung des myronischen Werks allein übrig bleibt.

Auch bei ihr, wie beim Vaticanus usw. ist nämlich der ganze Fuß im Sprunggelenk gewaltsam verbogen. Selbst bei Annahme der Drehung und der kippenden Stellung bleibt unerklärt, weshalb der Fuß die anatomisch unmögliche Verkrüm- mung nach hinten erdulden muß, ohne daß sich zwischen Ferse und Unterschenkel der Winkel bildet, den doch wiederum die angezogene Wade der Münchener Bronze verlangt und den ganz folgerichtig die Pollaksche Gemme(Abb. 8, obenSp. 62, nach einem von E. Schmidt freundlich geliehenen Abdruck) zeigt, mit dem stärker zurück- gesetzten, aber nicht umgeknickten Fuß. Hier sind und bleiben rein körperliche Unstimmigkeiten, die mich nötigen, auch der Münchener Statuette die sachliche Zu- verlässigkeit abzustreiten1).

Damit fällt aber m. E. auch ihr Anspruch, Myrons Werk genau nachzubilden. Das einzige, was sich hierfür anführen läßt, ist das Material, das nur in dieser Nachbil- dung dem des Originals entspricht. Aber bei der späten, wenn überhaupt antiken Ent- stehung des Ganzen und der Formlosigkeit gerade der fraglichen Teile ist auch hierauf nicht viel zu geben, und somit kann auch eine Erörterung über den künstlerischen Wert und die ästhetische Wirkung der Statuette hier unterbleiben.

Es galt allein, zu prüfen, ob der Statu- ette neben der Kopie von Castelporziano, dem Sarkophag im Louvre und den Gem- men (Byres, London und Arndt) entschei- dendes Gewicht zukommt, ob die aus ihr abgeleitete Theorie von der Körperdrehung um 1800 Glauben verdient und ob diese den kraftlos kippenden und naturwidrig verkrümmten Fuß hinreichend begründet. Ich hoffe, gezeigt zu haben, weshalb ich davon nicht überzeugt sein kann.

Weiterhin bespricht Sieveking die Schrift- steilen.

In der Philostratstelle (Imag. I 24) ptir- tsTv ofov ävi^öivTa xai irpoasjißaXXovTa xoT?

r) Die Verkrümmung erinnert an verzeichnete Füße auf Vasenbildern wie Benndorf, Gf. und Sicil. Vb. Taf. XI, 3 und Mon. Piot. IX 1902, 36 f. und ist in der Plastik ohne Beispiel.

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8s£»i? Tcaat paßt nur der Schluß zu der S.schen Theorie; das ofov dvipStv-a »wie mit dem Riemen hochziehend« widerstrei- tet ihr, paßt aber mit dem Trpoosfi'jaXXovta genau zu meinem Schema. Auch das »iam latus omne redibat« bei Statius wird durch den Vorwärtsschwung nach meiner Auffassung vollkommen erklärt.

Die Statiusstelle habe ich früher, in dem Verlangen, in ihr die myronische Statue wiederzuerkennen, nicht scharf ge- nug interpretiert. Ich lege, von E. Preu- ner» freundlich beraten, eine neue Deutung vor. Zuerst (Thebais VI 668 ff.) tritt Phlegyas auf . . . humique Pressus utroque genu collecto sanguine discum Ipse super sese rotat atque in nubila condit. Die niedergebeugten Knie ließen sich wie bei Myron verstehen, und ebenso paßt das dis- cum rotat zu dem von mir angenommenen vertikalen (radförmigen) Schwung.

Aber das ist nicht der Sinn der Stelle. Bei aller Unklarheit der poetischen Rede- form ist doch ersichtlich, daß Phlegyas nicht gleich über das Feld hin wirft (non protinus horrida campi iugera), sondern erst einen Probewurf steil in den Himmel macht (caelo dextram metitur; in nubila condit). Er läßt den Diskos wie ein Rad kreisen, er wirbelt ihn über sich hinaus (super sese) und knickt dabei in den Knien ein. Das ist eine sehr anschauliche Schil- derung, zu deren Verständnis man an den modernen Schleuderball denken möge. Der Discus fliegt hoch (sublime petit) und fällt wieder herab. Dann erst kommt der eigent- liche Wurf für das Wettspiel, der natürlich nur einmal stattfindet, maiorque manus speratur in aequo. Nun will er über das Feld hin werfen: »spatium iam immane parabat; iam cervix conversa, et iam latus omne redibat.« Damit ist, wie mir scheint, das Motiv der myronischen Statue wiedergege- ben. Denn nur bei ihr ist das Umwenden des Nackens so auffallend, daß es als cha- rakteristisch für die ganze Bewegung an- geführt werden konnte. Aber der Wurf mißlingt, vermutlich weil Phlegyas zu viel Kraft in das Ausholen gelegt hat.

Darauf wirft Menestheus, nachdem er, wie der Vatikanische betende Diskobol zur Gottheit gefleht hat, mit Erfolg in einer

nicht näher beschriebenen Weise, die man sich in freiem Stil, etwa mit Pendelschwung oder mit Wurf aus dem Stand denken kann.

Dann tritt Hippomedon an. Er hält die Scheibe hoch, västo contorquet turbine et ipse prosequitur. In den Worten liegt der Vergleich mit dem Kreisel und der Begriff der Drehung, wie Sieveking mit Recht bemerkt. Damit kann aber m. E. nur der volle Kreisschwung des Körpers um seine eigene Achse, die durch die Länge des ganzen Körpers geht, gemeint sein, d. h. der von mir S. 16 ff. besprochene zweite Typus mit der Anfangstellung wie bei den Denkmälern S. 19 *), mit dem horizontalen Ausholen, und mit der vollen Drehung, die ich selbst (S. 20) für den zweiten Ty- pus als wahrscheinlich und für den Wurf des Odysseus (Od. VIII, 189) als möglich angenommen habe. Ob man Sievekings halbkreisförmigen Schwung, der sich wieder auf demselben Wege zurückwendet, mit einem Kreisel vergleichen kann, ist mir zweifelhaft. Mit ändern Worten: ich sehe bei Statius in den Würfen des Phlegyas und Hippomedon zwei, durch den Schwung deutlich von einander verschiedene Wurf- arten beschrieben.

S. 8 heißt es ferner bei Sieveking: »Ich erwähnte schon, wie treffend Quintilian mit der Bezeichnung »distortum« den um seine Achse sich drehenden Körper charakte- risiert; für die einfache Rückwärtswendung von Oberkörper und Kopf ist dieser Aus- druck viel zu stark.« S. 5 wird distortum mit »verdreht« übersetzt und auf die »un- glaublich komplizierte Bewegung« bezogen. Ich verstehe nicht, wie man die kühne Verdrehung des Körpers in sich, die Ver- schiebung des Oberkörpers gegen das Bek- ken, dies unglaubliche Wagnis, so. leicht- hin mit »einfacher Rückwärtswendung von Oberkörper und Kopf« abtun kann ; auch sehe ich nicht, weshalb dafür »distortum« zu stark

') Zu der. dort erwähnten Ludovisischen Herme s.Bonner Jahrb. 1915, Heft 123, 33 fr. Taf. VI. Das Aus- holen nach dieser Anfangstellung ist dargestellt auf dem pompejanischen Wandbild Rom. Mitt. III 1888, 202. Zu der Statuette aus dem Kabirion vgl. Weege, Arch. Jahrb. XXXI 1916, 129fr. Zu der sport- lichen Ausübung Richer, Revue de l'Art XXIV 1908, 193—208 und Brustmann, Olympischer Sport 149.

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Archäologische Gesellschaft zu Berlin. November-Sitzung 1920.

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sein soll, das gerade diese passive Ver- drehung der Körperhälften gegeneinander vortrefflich kennzeichnet. Ich habe »schlank- weg« das T^psu-a öxXa'Covxa des Lukian mit »humique pressus utroque genu« zusammen- gestellt und es »ebenfalls« mit »der Körper knickt in den Knien ein« erklärt aller- dings, um die beiden Stellen in der kurzen Darstellung meines Schemas in einem mög- lichst knappen Ausdruck zusammenzufassen. Das fällt weg, da ich »humique pressus« nun anders verstehe (s. o.). Nach S. heißt 7jpeu.a öxXaCsiv »leicht ins Knie vorfallen, also mit dem Knie eine Bewegung zum Boden hin machen, die aber erst eintreten kann, wenn der betreffende Fuß sich auf die Spitzen der Zehen hebt; denn solange er mit dem Ballen aufsteht, knickt das Knie nur einfach ein, ohne eigentlichen Gegensatz zum rechten Bein«. Diese Behauptung widerspricht den Tatsachen. Auch, wenn der 1. Ballen auf dem Boden bleibt, fällt das Knie plötzlich nach vorn, und das 1. Bein bildet auch da genau sol- chen Gegensatz zu dem rechten, wie bei dem kippenden oder schleifenden Fuß (vgl. Ztschr. f. b. K. N.F.XXVII 1915/16 S. 305).

Zum Schluß meint S., er müsse der »neuesten Kritik« die Mahnung Quintilians entgegenhalten, der dem Lob von Myrons Werk die Worte anschließt: »si quis tarnen, ut parum rectum, improbet opus, nonne ob intellectu artis abfuerit, in qua vel praeeipue laudabilis est ipsa illa novitas ac difficultas«. Die Mahnung konnte unter- bleiben, denn meine Kritik richtet sich nicht gegen Myrons Werk, sondern gegen seine Überlieferung in einer An- zahl von Kopien, denen eine andere, sich allmählich verlängernde Reihe von Nach- bildungen gegenübersteht.

Jene Kopien aber hatten und haben nicht für alle Beschauer eine so »überwältigende Wirkung, daß man am liebsten jedes Nach- denken über die dargestellte Phase der Körperübung aufgeben und nur den pracht- vollen Schwung der Formengebung auf sich wirken lassen möchte«. Sogar vom Dis- kobol Massimi heißt es bei Matz und von Duhn (Antike Bildwerke in Rom I, 321 Nr. 1098), daß die Statue mehr den Beifall der Kunsthistoriker als der bildenden Künstler

habe. Ich zweifle auch, ob die angekündigte Untersuchung über die Kopien-Überlieferung uns dem myronischen Original näher bringen wird. Vielleicht schenkt der Boden noch einmal eine vertrauenswürdige Kopie, die diesem leidigen Streit um etwas, was nicht existiert, ein Ende macht. Aber weil Ge- lehrsamkeit und Vorstellungskraft das Ver- lorene nicht ersetzen können, habe ich es begrüßt und gern unterstützt, als die künst- lerische Arbeit helfend eingreifen und im Bunde mit der Wissenschaft etwas Greif- bares schaffen wollte, was dem alten Meister- werk so nahe käme, wie es Überlieferung, Kritik und nachschaffendes Verständnis er- lauben. Nichts anderes war der Sinn der von Frl. Dihl angeregten Untersuchung und der von ihr ausgeführten Ergänzung des Diskobols von Castelporziano1).

Berlin, Juli 1920. Bruno Schröder.

ARCHÄOLOGISCHE GESELLSCHAFT ZU BERLIN.

Sitzung vom 2. November 1920.

Herr Dragendorff weist in seinen Be- grüßungsworten auf die Wiedereröffnung des deutschen Archäologischen Instituts in Athen hin, für dessen bedingungslose Rückgabe nach dem Kriege die deutsche archäologische Wissenschaft der griechi- schen Regierung zu lebhaftem Dank ver- pflichtet ist. Er weist ferner darauf hin, daß nach langen Verhandlungen auch die Bibliothek der römischen Zweiganstalt uns zurückgegeben ist. Ganz besonderen Dank schulden wir dafür dem derzeitigen ita- lienischen Unterrichtsminister B. Croce, durch dessen einsichtiges, von hoher Auf- fassung eingegebenes Eingreifen diese Ent- scheidung zumeist herbeigeführt ist.

Als archäologische Neuigkeit legt Herr Dragendorff die von Herrn Amelung ge- sandte Photographie einer in Ariccia ge- fundenen Statue vor. Die hoheitsvolle Ge- stalt trägt als zugehörigen Kopf eine Replik der »Hera Farnese«.

') Abgüsse können von Frl. M. Dihl, Berlin- Friedenau, Offenbacherstr. 4, bezogen werden.

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Archäologische Gesellschaft zu Berlin. November-Sitzung 1920.

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Herr Wiegand legte das erste Heft der Wissenschaftlichen Veröffentlichungen des Deutsch-Türkischen Denkmalschutz-Kom- mandos vor: »Sinai« von Th. Wiegand, mit Beiträgen von F. Frh. Kreß von Kressen- stein, W. Schubart, C. Watzinger, E. Werth, K. Wulzinger (mit 8 Tafeln und 142 Ab- bildungen im Text, Berlin 1920. Preis 100 M.).

Das erste Kapitel bringt eine Beschrei- bung des Wüstenkrieges durch den Kom- mandeur des 1. Expeditionskorps Frh. Kreß von Kressenstein, dessen Um- sicht und Energie die Südgrenze Palästinas v fast drei Jahre lang gegen eine weitaus überlegene, mit allen technischen Hilfs- mitteln ausgestattete englische Übermacht verteidigt hat Die folgenden Kapitel sind archäologisch-topographischer Natur. Sie schildern unter ausgiebiger Vorlage charakteristischer Flugbilder und Pläne den nördlichen Teil der Sinai-Halbinsel zwischen Mittelmeer, Palästina und Suezkanal, dessen Ostgrenze durch das gewaltige Einbruchs- tal El Araba gebildet wird, das in Ver- längerung des Talkessels des Toten Meeres zum Golf von Akaba am Roten Meere verläuft. In diesem Gebiet haben sich in den Jahren 19 15 17 die hauptsächlichsten Kriegsoperationen abgespielt, die dem Denkmalschutz-Kommando Gelegenheit ga- ben, seine Beobachtungen und Aufnahmen zu machen. Das eigentliche Sinaigebirge im Süden blieb außerhalb dieser Beobach- tungszone.

Die ältesten, von Prof. E. Werth be- schriebenen Spuren menschlicher Siedelung finden sich in der nördlichen Sinai-Halb- insel beiKuseime, dicht an der bisherigen ägyptisch-türkischen Grenze, sie sind von Bedeutung für die biblische Frage, wo das Volk Israel vor seinem Eintritt in das Palästinagebiet die bekannten 40 Jahre vor der Südgrenze dieses Landes gelagert habe. Es handelt sich in Kuseime um Siedelungen aus jungpaläolithischer Zeit, die an dieser Stelle nur durch ein ganz außerordentlich«er- giebiges Quellgebiet möglich waren. Sein Reichtum ist so groß, daß während des Welt- krieges das Wasser in Eisenröhren bis zu 30 Kilometern weit nach Westen der Front zugeleitet werden "konnte. Da dieses Quell-

gebiet nun das einzige seiner Art in der ganzen nördlichen Sinai-Halbinsel ist, so besteht kein Zweifel, daß wir hier den bib- lischen Ort Kades-Barnea vor uns haben, um so mehr, als eine der Quellen noch heute den Namen Ain Kadis führt. Keine andere Gegend hätte einem ansehnlichen Volks- stamme mit zahlreichem Vieh die Möglich- keit längerer Ansiedelung gewähren können. Hier also hätte man nach der biblischen Tradition die Stätte, an der Moses' Schwe- ster Mirjam "begraben wurde, von der aus die Kundschafter gegen Hebron auszogen und Moses vom König der Edomiter freien Durchzug nach Norden vergeblich begehrte (4. B. Mos. 20, 16 ff.), so daß er schließlich den großen Umweg über das Ostjordan- land einschlagen mußte.

Ein für das Verständnis der biblischen Angaben ebenso wichtiges Wassergebiet ist Birseba, die südlichste Stadt des alten Palästina, und ihre Umgebung. Wir hören, daß hier das Herdenland der Patri- archenzeit gewesen sei, daß hier Abraham seine Brunnen gegraben habe. In der Tat erwies sich während des Weltkrieges der Ort derartig wasserreich, daß zeitweilig mehr als 20000 Kamele täglich getränkt werden konnten. Diese Wassermenge war auch bestimmend dafür, daß 1915 der Kommandeur der Syrischen Armee Birseba zum Hauptetappenort des aus drei türki- schen Divisionen bestehenden 8. türkischen Armeekorps machte. Hier wurde 19 16 der in drei Kolonnen auf El Kantara, Suez und Ismailia angesetzte Vorstoß der Türken gegen den Kanal organisiert.

Seit ältester Zeit hoch bedeutsam ist der Weg entlang der Mittelmeerküste von Gaza über Raphia (Teil Refah), El Arisch, Katia, Romani und El Kantara nach Ägypten. Mit Recht wird er die Königstraße ge- nannt, denn auf ihm sind alle die großen Welteroberer gezogen, die sich im Besitze Syriens und Palästinas abgewechselt haben: Ramses II. um 1300 vor Chr., Assarhaddon (681 668 vor Chr.), Necho (605 vor Chr.), Kambyses (Oktober November 526 vor Chr.), Alexander d. Gr. (332 vor Chr.), An- tiochos III. (218 vor Chr.), Kaiser Titus vor der Eroberung Jerusalems, später Bal- duin von Jerusalem, Sultan Selim I. und

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Napoleon I. Der Bedeutung dieses Weges entsprechend sind die dort liegenden wasserreichen Ortschaften niemals ganz verödet. Allerdings sieht man es heute dem von hohen Wanderdünen bedrohten Orte R a p h i a , wo das Grenzzeichen zwischen Ägypten und Palästina steht, nicht mehr, an, daß hier im Jahre 193 vor Chr. eine überaus glänzende Hochzeit zwischen Kleopatra, der Tochter des An- tiochos d. Gr. und Ptolemäus V., gefeiert werden konnte.

Die Hauptstation auf dem Wege nach Ägypten war freilich El Arisch, das im Altertum den merkwürdigen Namen Rhino- korura führte und das in dem Buche be- sonders ausführlich beschrieben wird. Hier mündet der größte wasserführende Wädi der »Bach Ägypti« der Bibel in das Mittelmeer, hier boten Palmenhaine reichliche Dattelfrucht, Weinberge gewähr- ten Trauben und die im Mündungsgebiet des Wädi angelegten Schöpfbrunnen be- wässern heute noch zahlreiche Gärten, deren Melonen, Kürbisse, Feigen, Granat- äpfel und Gemüse aller Art sehr geschätzt sind. Dazu kommt der an der Küste üb- liche Wachtelfang mittels großer Netze, der schon von Diodor und Josephus ge- schildert wird. Daß trotz alledem der von öden Sanddünen rings umgebene Ort für die Dauer kein erfreulicher Aufenthalt war, beweist die Nachricht Strabos, daß man hierher mißliebige Leute in die Verbannung zu senden pflegte.

Die Gegend von El Arisch westwärts bis zum Kanal hin ist in ihrer trostlosen Öde schon von Herodot richtig gekenn- zeichnet worden (III 5), sie hatte im Alter- tum den Namen Kasiotis, nach Käsion öros bei Pelusium, an der Stelle des heu- tigen Ortes Mohammediji (Mehemdiah) westlich des Sirbonischen Sees. Dort, auf einem baumlosen Sandhügel, lag das be- rühmte Zeusheiligtum, dessen Reste durch Ausgrabungen zutage getreten sind. Das marmorne Tempelbild zeigte den Gott in jugendlicher Gestalt, mit der Rechten einen Granatapfel haltend. Gefürchtet war in jener Gegend die wilde Sturmflut und der Triebsand des Sirbonischen Sees, dessen trügerische Oberfläche viele Wanderer und

selbst marschierende Abteilungen zum Opfer fielen. So galt der Gott als ein Retter in See- und Wüstennot, dessen Heiligtum dem ganzen Küstenstrich seinen Namen verlieh. Nahe bei jenem Tempel lag das Grab des Pompejus, der hier auf der Flucht vor Cäsar 48 vor Chr. meuch- lings ermordet worden war. In geringer südlicher Entfernuug von dieser Stätte liegen die Orte Katia und Romani,die durch Frh. von Kreß' Vorstoß vom April des Jahres 19 16 auch kriegsgeschichtlich bekannt geworden sind. Im Namen Katia hat sich die Erinnerung an das alte Kasion erhalten.

Ein Inlandsweg durch die Halbinsel nach Ägypten, der aber für größere Men- schenmassen nicht brauchbar war, führte von El Arisch durch den Wädi über Bir Höfen und von Magdeba aus westwärts nach der Wasserstelle in dem wilden, durch zahlreiche Bilder veranschaulichten Ma- garagebirge. Sie war durch einen um- wallten Kastellturm geschützt; von da ging der Weg in Richtung auf Ismailia und Suez durch die Wüste nach Kairo. So sind noch im 14. und 15. Jahrhundert zahl- reiche deutsche Pilger, die das heilige Grab besucht hatten und von da zum Sinai- berg wallfahren wollten, gereist (Bernhard v. Breydenbach, Graf v. Solms, Felix Fabri, Hans Tucher und Josef Helfrich von Nürn- berg). Ein anderer sehr wichtiger Weg führte von El Arisch in südöstlicher Rich- tung über Kuseime oder Häfir el Audja Sbeita Abde nach Petra, dem Herr- schersitz der Nabatäerkönige, dem Um- schlagsort für den Austausch der Waren des arabischen Orients mit denen des Okzidents, während andere Karawanenwege in mehr südlicher Richtung von Gaza, Birseba und El Arisch aus direkt nach dem Roten Meer bis El Akaba führten.

Man sollte glauben, daß ein so leb- hafter Verkehr, wie er durch diese Haupt- routen angedeutet wird, auch im Innern des Landes bedeutende Spuren zurückge- lassen haben müsse. Es fällt jedoch 'auf, daß Reste aus der altägyptischen, nabatä- ischen und griechischen Zeit fast gar nicht vorhanden sind. In dieser Zeit 'muß also die innere Sinai-Halbinsel sehr wenig kul-

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tiviert gewesen und nur als Straßengebiet für Karawanen behandelt worden sein.

Das änderte sich erst gegen Ende des römischen Weltreiches. Durch Kaiser Trajans Eroberung des Nabatäerreiches im Jahre 106 nach Chr., durch seine kühne Militärstraße zum Golf von Aila (Akaba) und durch die Anlage von Grenzkastellen gegen die arabische Wüste im Osten schuf er zum ersten Male erhöhte Sicherheit für den ganzen Landstrich. Auch seine Nach- folger bis zu Diocletian hin haben für den militärischen Schutz des Sinaigebietes ge- sorgt, das nun zur römischen Provinz Palaestina tertia- gehörte.

Aber nicht nur die Ostgrenze wurde geschützt: auch innerhalb der Sinaiprovinz wurden Kastelle und Stationen eingerichtet, ständige Besatzungen unterhalten. Wir wissen z. B., daß in Birseba eine dalmatische Reiterschwadron stand; an anderen Stellen gab es Präsidien mit eingeborenen be- rittenen Pfeilschützen, und sogar in dem heißen Akaba mit seiner von Felsen und Sand starrenden Umgebung waren römische Soldaten stationiert. Mitten in der Sinai- Halbinsel, nur wenige Stunden von Hafir el Audscha entfernt, fanden wir bei der verödeten Stadt Abde, dem antiken Oboda, ein römisches Kastell von 12000 qm Größe, das mit 16 Türmen verteidigt wurde.

Die eigentliche Blütezeit der Sinaipro- vinz aber beginnt mit der Entwicklung des Christentums, die nirgends besser zu beobachten ist als in der Stadt Gaza1). Im Jahre 395 war die Zahl der Christen noch klein, denn nur 280 Teilnehmer er- scheinen dort nach einem kirchlichen Be- richt bei einem feierlichen Gottesdienst. Aber schon im Jahre 401 ist das Christen- tum so stark, daß die herrlichen Heiden- tempel geschlossen und zerstört werden. Eine großartige Kirche in Kreuzesform wird mit Unterstützung der byzantinischen Kaiserin Eudoxia um jene Zeit erbaut, und bei der Einweihung bezeugt die Anwesenheit von mehr als tausend Mönchen das rasche Anwachsen der Kleriker. Mit seltenen,

') Vgl. K. B- Stark : Gaza und die philistäische Küste, Jena 1852, S. 620 ff. Archäologischer Anzeiger 1920.

buntfarbigen Säulen, mit Gold- und Silber- mosaik, mit reichen religiösen und histori- schen Gemälden werden die Kirchen des heiligen Sergius und des Märtyrers Stephanos geziert. Lebendiges Treiben entwickelt sich an den Festtagen. »Der Marktplatz«, sagt K. B. Stark a. a. O. S. 631, »und die Straße zum Heiligtum schmückt sich mit Zelten, mit Lorbeerzweigen und Teppichen, ein förmlicher Hain entsteht um den Tempel, und die reichsten Kaufwaren werden hier glänzend aufgestellt. In das Theater drängt man sich, um die Reden der Schüler, die Prunkreden der Rhetoren, die das Fest ver- herrlichen, zu hören. In der Nacht strahlt die Stadt in der glänzendsten Illumination, die an alte jüdische Sitte sich anschloß. In Transparenten waren die guten Wünsche für Kaiser, Obrigkeiten, Priester niederge- legt. So war das Christentum die allge- meine Macht geworden, die Freude und Leid, Armut und Glanz, Wissen und Können, das ganze Naturleben jener Zeit in sich aufnahm.«

Und dieser Glanz erstrahlte bis tief in die einförmigen Gefilde der Sinaihalbinsel. Warttürme und Kastelle wurden an den Haupthandelswegen wieder erneuert (wie in Abde) oder frisch aufgerichtet, wie in Mischrefe. Ungestört konnten die Kara- wanen aus dem Inneren Arabiens mit Ge- würz, Salben, Riech- und Räucherwaren, Elfenbein, Edelsteinen und Ebenholz der Küste entgegenziehen, wo sie Leinen und Seide, Öl und Früchte, Wolle und Purpur, Glas- und Metallwaren für den Rückmarsch eintauschten.

Gleichzeitig entwickelte sich glänzend die Landwirtschaft. Denn fast die Hälfte der Halbinsel von Birseba, bis nach dem Wädi el Arisch hin, ist fruchtbares, erdiges Land, auf dem der Flugsand oft nur wie ein dünner Schleier ruht. Wer von unseren Kame- raden im Sommer in Birseba verweilt hat, der erinnert sich gewiß für sein ganzes Leben der gelblichen Staubstürme, die sich um die Mittagszeit am stärksten erhoben. Was die Luft erfüllte, war aber nicht Wüstensand, es waren Partikel jener feinen weichen Erde, auf welcher im Frühjahr das Gras und der herrlichste Blütenflor sproßt. Nicht nur Getreide gedieh zwischen Hafir

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und Birseba, vor allem wurde der Wein- bau gepflegt, und wir haben Nachricht aus dem Altertum, wonach Gaza und sein Hinterland sowohl Syrien als auch Ägypten, ja sogar Italien und Gallien mit dem besten Wein versorgte. Es wird berichtet, daß solcher Wein die Tafel des Kaisers Justinus geziert hat, und es wird mehrfach bezeugt, daß die von Gaza , exportierte Weinsorte als ganz besonders kräftig geschätzt wurde. In Gallien spielt sich die hübsche, von Gregor von Tours überlieferte Geschichte ab, daß eine trauernde Witwe edelsten Gazawein für die Seelenmesse des verstor- benen Ehemanns stiftet; der Priester aber ist ein heimlicher Trunkenbold, er gießt in den Kelch einen schlechten Säuerling und spart sich den guten für daheim auf. Da erscheint der verstorbene Ehemann seiner Witwe im Traum, beschwert sich energisch, und so wird der Priester entlarvt '). Von diesem Weinbau haben sich in der östlichen Sinai-Halbinsel zahlreiche Spuren in Gestalt von Tausenden regelmäßiger, etwa iT/2 m voneinander angeordneter dunkler Feuersteinhaufen erhalten, an wel- chen sich einst die jungen Reben empor- rankten. Heute noch bezeichnet der Araber diese Steinhaufen mit dem Worte Telelät el-anab (Rebenhügel). Und nahe bei solchen Anlagen pflegt der Wohnturm des Weinbergbesitzers zu stehen, im Unterge- schoß massiv, so daß man nur mit einer Leiter, die nachts eingezogen wurde, zum sicheren Wohnraum emporgelangte. Man wird unwillkürlich an die schöne Schilde- rung des Neuen Testamentes erinnert: »Es war ein Hausvater, der pflanzte einen Wein- berg und führte einen Zaun drum und grub eine Kelter drinnen und baute einen Turm und tat ihn den Weingärtnern aus.« (Matth. 21, 33, vgl. Luk. 12, 1.) Aber die Syrer waren nicht nur im Altertum als gute Weinbauern und Gärtner bekannt. Die frühchristlichen Bewohner der Gegend haben sogar für die Flußregulierung gesorgt. Wir fanden im Wädi el abiad (südöst- lich von Haflr el Audscha) weite Ufer- strecken zur Eindämmung des Flusses mit

') Paul Scheffer-Boichhorst, Zur Geschichte der Syrer im Abendland, in dessen Kleinen Schriften, Berlin 1905, S. 187 ff.

starken, geböschten Trockenmauern ausge- steint, in anderen Tälern fanden wir Quer- mauern, durch die das Abspülen des Erd- reiches aufgehalten wurde.

An die festen Kastelle, deren Tor nun- mehr das Kreuzeszeichen und den Namen Christi trug, schloß sich in enger Ver- bindung an manchen Stellen, wie zu Abde, die Klosteranlage mit großen Höfen, basi- likalen Kirchen, Atrien, Speisesälen und Wohnzellen der Mönche. Am Eingang der Kirchen las man fromme Inschriften wie : »Dies ist das Tor des Herrn, Gerechte ziehen darin ein« (Psalm 117, 20 |u. ä.). Ein merkwürdig nüchterner, flacher Kerb- schnitt-Schmuckstil findet seinen Eingang in die Dekoration der Kirchen, gleich als ob die Eintönigkeit des waldlosen und wasserarmen Landes sich auch darin aus- sprechen wollte. Aber feine Mosaikböden mit Netz- und Flechtmustern, Lotosblüten und Weinranken, in denen Löwen und Tiger, Schafe und Ziegen, Gazellen, Hasen und Hunde, Pelikane, Feldhühner, Pfauen und Enten dargestellt sind, fanden sich in Kirchen bei Schell äle südlich Gaza, bei Umm Djerar und in Hafir el Audscha. Sie sind Nachahmungen vergänglicher Teppiche, wie Reste koptischer Stoffe aus ägyptischen Gräbern bewiesen haben. Eine Inschrift aus Birseba schildert in begei- sterten Versen die Schönheit eines Wand- gemäldes mit der Darstellung des Weltalls. Der Höhepunkt des kirchlichen Glanzes wurde unter Kaiser Justinian erreicht. Er erbaute am Fuße des Mosesberges im Sinai das Katharinenkloster, das sich bis zum heutigen Tage erhalten hat. Er hat wahr- scheinlich auch auf dem Berge Hör bei Petra über dem sagenhaften Grabe des Aron eine stattliche Zentralkirche errichtet, die im Schlußkapitel des Buches geschil- dert wird.

Wie sah damals eine frühchristliche Stadt aus? Nehmen wir das lehrreiche Beispiel von Ruhebe (dem Rehobot der Bibel) und von S bei ta (einer Stadt, deren antiker Name verloren ist). Da fällt sofort ein Unterschied in der Anlage gegen ältere griechische und römische Städte auf. Diese sind regelmäßig angelegt, ihr»- Straßen schneiden sich rechtwinklig und schließen

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möglichst gleichmäßige Quartiere ein. Solche Städte, in denen sich die Zucht eines militärischen, klaren Geistes mit dem Streben nach Schönheit und Bequemlichkeit verband, waren Damaskus, Samaria, Jeru- salem, Gaza. Die WUstenstädte dagegen sind keine nach klarem Muster »gegründete«, sondern allmählich »gewachsene« Städte mit unregelmäßig verlaufenden Straßen und Gassen, ohne regelrechten Marktplatz, ohne große Badeanlagen, aber mit vielen ge- räumigen Kirchen. In jedem Hause be- gegnen uns unterirdische Zisternen, und mitten in der Stadt Sbeita liegen zwei große, offene Teichbehälter, wie sie uns ähnlich die Bibel (Teich Bethesda u. a.) gelegentlich schildert. In den auf helle- nistischer Tradition beruhenden Häusern liegen große Innenhöfe wie im heutigen arabischen Haus, und man erkennt, daß viele dieser Höfe der Kamelwirtschaft Rechnung getragen haben.

Über diese reich entwickelte Kultur bricht um 635 die furchtbare Katastrophe herein. Die Horden Mohammeds und seiner kriegerischen Nachfolger setzen sich aus dem Innern Arabiens gegen Syrien in Bewegung. Schon im Jahre 630 wurde der christliche Fürst Johann von Akaba gezwungen, zum Islam überzutreten und Tribut zu zahlen. Am 4. Februar 634 schlugen die Araber bereits unweit Birseba die christliche Armee, am 30. Juli gewannen sie eine zweite Schlacht bei Bet Dschibrin, am 4. September fiel Damaskus in ihre Hand. Nachdem der Kaiser Heraklius auch die Schlacht am Jarmuk verloren hatte (20. August 636), durfte er mit Recht ausrufen: »Fahr wohl, mein Syrien, du ge- hörst dem Feind ')«. Tatsächlich war im Jahre 638 fast ganz Syrien in arabischer Hand, wenn auch das feste Gaza erst um 640 gefallen zu sein scheint.

Die Städte im Sinaigebiet sind seit jener Zeit verödet, denn die einbrechenden No- maden verhinderten jeden geregelten Acker- bau, und der Fall der großen Städte Syriens und Ägyptens legte den Karawanenhandel lahm. Die Einwohner hatten weder ge-

J) Richard Hartmann : Palästina unter den Arabern (Das Land der Bibel I, 4), S. 13 fr.

nügende Nahrung noch staatlichen Schutz, und die Selbstverteidigung genügte nicht gegenüber der Überzahl der feindlichen Araber. Zweifellos wurden viele, nament- lich ländliche Besitzer, einfach ausgemordet. Der Rest wanderte aus. In diesem ver- ödeten Zustande haben wir die Orte Sbeita, Abde, Mischrefe, Hafir, RuhSbe und Chalassa wiedergefunden. Vielleicht blüht ihnen jetzt eine Auferstehung, wenn die Engländer nicht vorziehen, frucht- bareren Teilen ihres Kolonialreiches ihre Kapitalien zuzuwenden. Mit dieser Auf- erstehung wird aber die Zerstörung der verlassenen frühchristlichen Anlagen ein- setzen, wie dies bereits in Birseba unter türkischer Bautätigkeit geschehen ist Das deutsch-türkische Denkmalschutz-Komman- do hat alles darzustellen gesucht, was sich jetzt noch an Altertumsresten dem Auge bietet. In dem soeben erschienenen zweiten Heft der wissenschaftlichen Veröffentlich- ungen sind auch alle bis jetzt aus jenem Gebiet bekannt gewordenen griechischen Inschriften gesammelt, und der Verfasser dieser Arbeit, Professor D. A. Alt (früher Mitglied des deutsch-evangelischen archäo- logischen Instituts zu Jerusalem, jetzt in Basel), entwirft zusammenfassend ein Bild der Vergangenheit dieses Teils der Palae- stina tertia, seiner Zeitrechnung, der kirch- lichen Verfassung und schließlichen Ver- nichtung, die aus dem allmählichen Ver- stummen der Inschriften mit ergreifender* Deutlichkeit hervorgeht.

Sodann sprach Herr Neugebauer über eine antike Bronzefigur aus der Sammlung Lessihg. Die Statuette ist inzwischen in den »Berliner Museen, Be- richte aus den Preuß. Kunstsammlungen« XLII, Heft 1/2, S. 6 ff. veröffentlicht worden.

Den Hauptvortrag des Abends hielt Herr F. Volbach (als Gast) über spät- antike syrischeSilberarbeiten. Nach einer Einleitung, die die weite Verbreitung und den Einfluß der syrischen Kunst über das ganze Kulturgebiet der spätantiken und frühmittelalterlichen Welt darlegte, stellte der Vortragende die in Syrien ge- gemachten Silberfunde zusammen. Es sind das: die Vase von Emesa in Paris, die Funde von Stüma im Museum von Kon-

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stantinopel, der Schatz von Antiochia im New Yorker Kunsthandel und der Fund von Riha, teils im Pariser Privatbesitz, teils im dortigen Kunsthandel. Dazu kommt noch ein Flabellum im Kunst- handel von Aleppo, das sich als Gegen- stück zu dem aus Stüma erweist. Bei der Besprechung des antiochenischen Fun- des ergab sich die Unhaltbarkeit der Da- tierung Eisens (Amer. Journ. of Archaeol. 1916; vgl. Volbach, Germania ig 18, H. 1), der für die Einordnung des Kelches in das 1. Jahrhundert eintrat. Die Verwandt- schaft mit der Pyxis von Bobbio, die porträthafte Behandlung der Apostel, die Rankenornamentik, die sich entsprechend auf syrischen Denkmälern wie den mit Weinblattlaub überzogenen Säulentrommeln des Museums in Konstantinopel wieder- findet, spricht für eine Entstehung in nach- konstantinischer Zeit. Von den späteren Stücken des Schatzes findet der Kelch mit einer auf eine Thekla bezüglichen Weihin- schrift seine nächste Parallele in dem Kelch von Riha und dem Kelch mit Stadtbüsten des albanischen Schatzfundes, womit diese Funde auch in die Nähe des antiochenischen Fundes gerückt werden. Brevier (Gaz. des beaux arts 1920) hat bei der Besprechung der syrischen Arbeiten den letzteren Fund völlig außer acht gelassen, ebenso die drei Buchdeckel des antiochenischen Schatzes mit den Aposteln, die sich stilistisch an •die Abendmahlsschale aus Stuma und die stilistisch damit aber nicht unbedingt zeitlich etwas frühere ähnliche Schale aus Riha anschließt. Der Vortragende zeigte dann die Vorstufen zu diesen Ar- beiten, die Schalen der cyprischen Funde in Eondon und New York und den Schild des Theodosius. Beide Arbeiten sind wohl in Byzanz entstanden, trotz ihrer Verwandtschaft. Erwähnt wurde der syri- sche Charakter der Arkadenarchitektur des Proiectaschreines in London. Der frühen syrischen (antiochenischen) Kunst gehört der Kasten von San Nazaro in Mailand an. In der Diskussion betonte Herr Wulff besonders die von Herrn Poglayen-Neuwall ihm gegenüber vermutete Bedeutung des alexandrinischen Elementes in den Reliefs des Proiectakastens, der vielleicht in Rom

entstanden sein könnte, und sprach sich ebenfalls für die Einordnung des Theo- dosiusschildes in die byzantinische Kunst aus. Herr Poglayen-Neuwall machte noch auf verschiedene Beweise für die Ein- wirkungen alexandrinischer und stadtrömi- scher Einflüsse auf den Reliefs des Pro- iectaschreines aufmerksam, dessen Ent- stehung man wohl sicher im letzten Viertel des 4. Jahrhunderts ansetzen könne.

Sitzung vom 11. Dezember 1920.

Den Festvortrag am 80. Winckelmanns- fest hielt Herr Watzinger aus Tübingen (als Gast) über Damaskus in römischer. Zeit. Der Vortragende gehörte dem Deutsch- türkischen Denkmalschutzkommando an, das von Geheimrat Wiegand auf Veran- lassung Dschemäl-Paschas, des Führers der 4. türkischen Armee, im Jahre 1917 in Da- maskus eingerichtet worden war. Hier hatte er gemeinsam mit Professor Wulzin- ger Gelegenheit bei der Ausführung eines Planes der modernen Stadt für die Etappe in den Jahren 1917/18 die antiken und islamischen Denkmäler zu studieren und zugleich dem Gesamtbild der Stadt in ihren Hauptepochen nachzugehen. Die Eroberung durch die Araber im Jahre 635, der Schutt von i'/a Jahrtausenden, der heute bis zu einer Höhe von fast 4 m die antike Stadt bedeckt, und das Gewirr der heutigen Gassen hat doch den antiken Grundcharakter der Stadt nicht zu ver- wischen vermocht. So gelang es durch sorg- fältige Beobachtungen der antiken Reste innerhalb der heutigen Stadt das antike Straßensystem nachzuweisen. Den Ostein- gang der schon in der Apostelgeschichte ge- nannten Geraden Straße bildet das römische Osttor, dessen nördlichen Durchgang die arabische Straße benutzt; die anschlie- ßenden Kolonnaden, die das Pultdach der Gangsteige neben der Fahrbahn trugen, ließen sich in den Hauswänden und Läden an der Straße noch nachweisen. Die Stelle einer Kreuzung mit einer Nord-Südaxe war durch ein Tetrapylon bezeichnet; Flie- geraufnahmen im Verein mit Beobachtungen im Gelände lassen den Platz eines** Theaters und eines Odeions bestimmen. Ent-

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sprechende Beobachtungen führten zum Nachweis des gesamten Straßenbildes der antiken Stadt, für das zwei Längsstraßen und drei Querstraßen bezeichnend waren. In der Kreuzung der westlichen Quer- straße und der nördlichen Längsachse lag der Markt- und Tempelbezirk des Baal von Damaskus. Der Tempelbezirk ist erhalten geblieben durch den Einbau der Omajaden- moschee; über den Marktbezirk gehen die jetzigen Häuserquartiere hinweg; aber seinen Außenwänden sind heute gerade Straßen mit antiken Säulen in den Hauswänden entlang gebaut. Von den großen Torbauten waren die Westpropyläen mit ihrer Front nach dem Markt zu schon lange bekannt; sie sind im Jahre 1918 freigelegt worden. Eine genaue Aufnahme der Umfassungs- wände des Tempelbezirks wurde durch die von Dschemäl-Pascha begonnene Frei- legung der Omajadenmoschee ermöglicht. Ein großartiges Propylon im Osten, drei- fache Eingänge im Süden und im Norden, mehrstöckige Ecktürme an den vier Ecken der durch Pilaster gegliederten Außen- wände ergaben das Bild eines orientali- schen Heiligtums mit doppelten Höfen und abgeschlossen nach außen wie der Tempel von Jerusalem. Nach den Bau- formen und den Inschriften begann die groß- artige Erneuerung des uralten Bezirks in der Zeit des Septimius Severus und hat bis in die des Diokletian gedauert.

Das System der Stadtanlage läßt sich bis in die hellenistische Zeit zurückver- folgen; dabei hat man auf die Orien- tierung des schon bestehenden Heilig- tums inmitten des Marktplatzes Rücksicht nehmen müssen und konnte den Markt nicht in den Mittelpunkt legen, wie es die Theorie des Hippodamos gefordert hätte. In der hellenistischen Neustadt wirkt also ein älteres Stadtbild noch nach. Die Nordwestecke der Stadt nimmt heute die mächtige arabische Burg der Mamelucken- zeit ein. Sie umschließt im Innern eine früharabische Anlage, die auf den Trüm- mern eines antiken Kastells errichtet ist. Der untere Teil des Nordostturms stellte sich als römischer Eckturm des Kastells mit wohlerhaltenen Scharten und Geschütz- ständen heraus. Wie die abweichende Orien-

tierung des Kastells und der westlichen Straßenzüge beweist, hat hier im Zusam- menhang mit der Errichtung des Kastells eine Stadterweiterung stattgefunden. Die Bauformen des Lagers und die historischen Nachrichten. weisen auf die Zeit des Dio- kletian. Dieser Abschluß der römischen Baugeschichte bedeutet den Bruch mit der klassischen Tradition des hippodami- schen Systmes und leitet über zur Ent- wicklung des Stadtbildes des Mittelalters. Erst lange nach dem Sieg des Christen- tums, unter Theodosius I, wurde das Hei- ligtum dem Christengott geweiht. Die Be- seitigung des Tempels und die Erbauung der Kirche des Heiligen Johannes fällt aber in noch spätere Zeit. Eine Prüfung des Baubestandes der Omajadenmoschee führte im Gegensatz zu der bisherigen Meinung zu dem Ergebnis, daß das Gerippe der christlichen Kirche in der Omajaden- moschee noch heute fast unverändert er- halten ist. Freilich hat eine umfassende Restauration nach dem Brande von 1893 das alte Kleid durch ein geschmackloses neues ersetzt. Mit dem Neubau der Kirche verband sich die Neuanlage eines Hofes im Süden und die Fortführung der antiken Zufahrtsstraßen als dreischiffige gedeckte Hallen über den antiken Marktplatz hinweg zu dem Doppelhof der Kirche. Für diese Neubauten ist antikes Baumaterial im größten Umfange benutzt. Die wenigen neugearbeiteten byzantinischen Kapitelle ge- statten eine Datierung in die Zeit des He- raclius, der im Jahre 629 zweimal Damas- kus besucht hat und nach seinem sieg- reichen Kampf gegen die Perser bald danach Stadt und Land den neuen Feinden, den Arabern, überlassen mußte.

ARCHÄOLOGISCHE DOKTOR- DISSERTATIONEN.

Wir bringen bis auf weiteres in diesem Teil des Anzeigers kurze Referate über Doktordissertationen archäologischen In- haltes, die infolge des Krieges und der gegenwärtigen Schwierigkeiten im Buchge- werbe, die den Druck der Dissertationen in den seltensten Fällen gestatten, bisher un-

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Archäologische Doktordissertationen.

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veröffentlicht geblieben sind. Wir glauben, damit nicht nur den jungen Fachgenossen einen Dienst zu erweisen, indem wir ihnen die Möglichkeit geben, sich einzuführen, sondern auch uns selbst, indem wir auf kürzlich bearbeitete Themen hinweisen und Interessenten die Möglichkeit geben, mit ihren Bearbeitern in Beziehung zu treten.

Peter Vasters: Hercules auf germa- nischem Boden. Ungedruckte Dissertation der Universität Münster i. W. Vom Jahre 1915. Ref. : Prof. Dr. F. Koepp. Das Manu- skript liegt bei der Philosophischen Fakul- tät der Universität Münster i. W.

Inhalt:

A. Einleitung. B. Die Verehrung des Hercules auf germanischem Boden. I. Das literarische Zeug- nis des Tacitus. II. Die inschriftlichen Zeugnisse : 1. Die Saxanussteine und die ihnen verwandten Inschriften ; 2. Die Magusanussteine ; 3. Sonstige Herculesinschriften in Germanien; 4. Hercules als Glied der Zangemeisterschen Göttertrias. III. Die monumentalen Zeugnisse : Hercules in der Skulptur und den Kleinfunden. C. Zusammenfassendes Urteil.

Zu Tacitus' Zeit müssen die Germanen einen dem römischen Hercules wesens- gleichen oder wesensähnlichen Gott ver- ehrt haben, der am besten mit dem Donar der späteren Quellen geglichen wird. Aber der Niederschlag der Verehrung dieses germanischen Gottes Hercules-Donar in den Inschriften des Rheinlands ist keines- wegs so bedeutend, wie man ihn bisher hat annehmen wollen. Auch die Römer haben in Germanien ihren eigenen Hercules verehrt. Der vielumstrittene Hercules Saxanus, den schon Meyer römisch ge- deutet hat, ist eine ungermanische, durch- aus römische Gottheit der Steinbrüche, die im Brohltal nur von römischen Sol- daten angerufen wird und eine offizielle römische Heeresgottheit ist Der Barbatus gehört schon nach dem Fundort des ein- zigen Denkmals sicher zum Saxanus und ist ebenfalls rein römisch. Dagegen ist Hercules Magusanus unzweifelhaft eine epichorisch-batavische Hauptgottheit, deren Kult am Niederrhein bis hinauf nach Bonn und Remagen verbreitet war. In Bonn wird dieser einheimische Gott sogar zum offiziellen Lazarettgott römischer Sol-

daten der leg. I Min. Eng verwandt mit Magusanus ist der nur von Münzen her bekannte Deusoniensis. Dagegen ist die Inschrift mit dem vermeintlichen Malliator so aufzulösen, daß wir es mit dem Her- cules der Steinbrüche, also dem römischen Gott zu tun haben. Von den wenigen sonstigen Herculesinschriften Germaniens läßt sich kaum noch eine einzige genauer charakterisieren. Aber wichtig ist, daß der Gott nur einmal in Unter- und auch nur ein- mal in Obergermanien das Beiwort deus führt.

Der Hercules in der Zangemeisterschen Göttertrias auf den Inschriften der equites singulares in Rom läßt sich in Germanien selbst nicht nachweisen. Da Saxanus, Barbatus und Malliator römisch sind, wer- den der geistreichen Hypothese Zange- meisters die Hauptstützen entzogen.

Die verwickelten Fragen, inwiefern die interpretatio Romana auf den bildlich dar- gestellten Hercules auf germanischem Bo- den angewandt werden darf, konnten im Rahmen der Dissertation nur kurz be- sprochen werden. Ebenso mußte die Untersuchung über die gallische und eng- lische Herculesverehrung, die für die ger- manische wichtig ist, einer späteren Zeit vorbehalten bleiben.

M.-Gladbach, Bettratherstr. 4.

Pe ter Vasters.

Erna Lange: Die Entwicklung der an- tiken Brunnenplastik. Ungedruckte Disser- tation. Göttingen 10201). Ref.: Prof. Dr. H. Thiersch. Vollständige Maschinenschrift- Exemplare in der Universitätsbibliothek zu Göttingen und der Staatsbibliothek zu Berlin.

In Griechenland und den unter griechi- schem Einfluß stehenden Ländern vom VII. bis IV. Jahrh. v. Chr. vorherrschende Form der Brunnenmündung der zum erstenmal hier zu diesem Zweck verwendete Tierkopf, und zwar vor allem der Löwenkopf, der zuerst um 600 v. Chr. auf ionischem Ge- biet nachweisbar ist. Außer dem Löwen- kopf auch Verwendung von Panther-, Maul tier-, Eber- und Widderköpfen. Daneben kommen Satyrmasken sowie Tiervorderteile

') vg>- Jahrb. d. philos. Fakultät in Göttingen 1920, 27 ff.

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Archäologische Doktordissertationen.

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und nur in archaischer Zeit ganze Löwenfiguren vor, niemals aber ist die menschliche Gestalt selbst als Brunnenfigur benutzt worden. Dasselbe gilt von der hellenistisch-griechischen Epoche : in keinem der großen Zentren des Hellenismus im Osten, Priene, Pergamon, Magnesia, Ephe- sos ist auch nur eine einzige Brunnenfigur aus dieser Zeit gefunden worden. Heimat der menschengestaltigen Brunnenfiguren ist Rom, Zeit der Einführung wohl das 2. oder 1. Jahrh. v. Chr. Von Griechenland wird zunächst die Verwendung der Tiermasken und -figuren übernommen, doch nicht nur wenige Arten wie dort, sondern alle unter- schiedslos verwendet, ferner sind Silens- und andere Masken beliebt. Dazu treten nun die ganzen, freistehenden, menschen- gestaltigen Brunnenfiguren als etwas Neues hinzu. Besonders beliebt Gestalten, die an und für sich in Beziehungen zu Quellen, Brunnen und Flüssen standen, doch häufig auch Erwägungen rein äußerlicher Art, Ver- bindung mit zum Wasserspeien geeigneten Tier oder Gefäß, maßgebend. Häufig Nym- phen, stehend muscheltragend oder gelagert und auf die Urne gestützt, ferner die ver- schiedensten Frauengestalten, die ursprüng- lich wenig oder garnichts mit Brunnen und Quellen zu tun haben und erst durch rö- mische Kopisten zu Brunnennymphen um- geschaffen sind. Sehr häufig Silene oder Satyrn mit Schläuchen oder Tieren als Brunnenfiguren, von Göttern Pan, Dionysos, Poseidon, Asklepios und Flußgötter, letztere entweder gelagert oder nur ihre Köpfe. Von Heroen kommen Herakles, Theseus und Bellerophon vor, aus den Kreisen der Sterblichen außer einigen Fischern und Jüng- lingsgestalten vor allem Kinder. Auch Eroten sind häufig. An Stelle der Einzel- figuren treten manchmal Gruppen.

Im Gegensatz zu Brunnenfiguren sind Brunnenreliefs schon in den hellenistisch- griechischen Städten in Gebrauch. Ent- wickeln sich aus den Weihreliefs an die Nymphen, in die zunächst ganz unmotiviert Mündungen eingefügt wurden, bis schließ- lich Zusammenhang mit alten Votivreliefs schwindet und irgendeine beliebige Dar- stellung benutzt wird.

Römische Brunnenplastik schafft keine

originalen Werke, liegt ganz in Händen der Handwerker. Entnehmen alle Vorbilder der griechischen, vor allem der hellenisti- schen Kunst, daneben einige Typen aus dem IV. Jahrh., sehr wenige aus dem V. Jahrh. v. Chr. Umwandlung in Brunnenfigur er- folgte entweder durch Durchbohrung von bereits vorhandenem Gefäß oder Tier oder Hinzufügung eines solchen, oder durch Durchbohrung einer Stütze oder eines Fel- sens. Eigentliche Wasserspeier hauptsäch- lich Tiere oder Gefäße aller Art, auch menschliche Gestalt selbst manchmal ganz unmittelbar zum Wasserdurchlaß benutzt. Die meisten Brunnenfiguren sind Kopien nach griechischen Werken, doch vereinzelt auch nachträgliche Verwendung griechischer Originale in Rom. Aufstellung erfolgte in den Privathäusern entweder im Atrium neben dem Impluvium oder in dem Peristyl, ent- weder zwischen den Säulen oder in Nischen in der Rückwand, bisweilen auch im Wasser- becken selbst. Ferner Brunnenfiguren in Nymphäen, Thermen, Wasserkastellen, Hei- ligtümern, Theaterperistylen. Überall Ni- schenaufstellung bevorzugt, dadurch auch Einmündung des Brunnenrohrs leicht ver- deckt. Freistehende Statuen manchmal von unten nach oben- durchbohrt, am häufigsten Wasser durch Stütze hochgeleitet. Verbrei- tungsgebiet der Brunnenfiguren umfaßt gan- zes römisches Reich.

Nikolassee bei Berlin, Erna Lange. Sudetenstr. 6.

Elisabeth Jastrow: Tonaltärchen aus den westgriechischen Kolonien. Ungedruckte Dissertation der Universität Heidelberg vom Jahre 1916. Ref.: Professor Dr. von Duhn. Manuskript bei der Verfasserin.

I. Typen.

Rechteckige tönerne Basen in architek- tonischem Aufbau, unten offen, hohl; Maße von 0,09 0,07 0,07 bis 0,66 0,48 (• x) m. Unverziert mit ornamentalem mit figür- lichem Reliefschmuck (Farbreste) auf 1, 2, 3 oder 4 Seiten. Funde in Sizilien Groß- griechenland — Apulien und Etrurien Kampanien Latium (hier neben der kastenartigen die »etruskische« Basisform),

103

Verkäufliche Lichtbilder.

IO4

nicht in Griechenland und dem Osten. Ton- beschaffenheit entsprechend den Fündge- bieten. Nach Ausgrabungsberichteh vom 6. bis 4. Jahrhundert v. Chr. im südlichen, um 200 im nördlichen Gebiet; für letztere Gruppe bezeichnend gleichzeitiges Vorkommen von hellenistischen und archaisierenden Dar- stellungen, für den Süden vereinzelt ähn- liches in Kaulonia.

Südliche Gruppe: Ornamente; Tiere, Fa- belwesen einzeln; w'appenartig angeordnet (Sphingen); Tierkampfgruppen; mensch- liche Gestalten (Viergespann von vorn, Rennwagen, Dioskuren, Herakles, Gott- heiten, Silene, Kentauren, Karyatide, Ero- ten, Brautgemach, Aphrodites Meerfahrt, tragische Szene). Darstellungen ent- sprechend der Vasenmalerei: rhodische, io- nisch - festländische (Phineusschalenfabrik, chalkidische), attische, unteritalische, süd- russische; jedoch durchaus der unterita- lischen und sizilischen Kleinplastik ver- wandt und mit sehr bezeichnenden-' Merk- malen der Fabrikationsgebiete und ihrer Kolonisatoren (z. B. Rhodisches bei Gela, Inschriften der apulischen Stücke).

Nördliche Gruppe: Die hier häufige etrus- kische Basisform aus ionischen (und diesen zugrundeliegenden) Elementen in Etrurien zur Ausbildung gelangt. Ornamente; Masken; Köpfe in Ranken; Sphingen, Si- renen, andere Fabelwesen; menschliche Ge- stalten (Wagen mit Flügelpferden, vier- flügeliger Dämon, Thanatos und Hypnos, Silene, Kentauren. Aphrodite, Sirene, Europa auf Stier, Nereide auf Delphin, Mä- nade auf Panther, Flötenspieler). Den archaisierenden Darstellungen liegen Vor- bilder z. T. griechischer (meist ionischer) Provenienz, z. T. wesentlich etruskische Erfindungen zugrunde, den jüngeren neue griechische (attisch, südrussisch) Einflüsse Beziehungen zur südlichen Gruppe und Hellenistisches (vgl. zum ganzen Ver- lauf Dachterrakotten).

II. Verwendung. Deckfläche in der Regel eben, ohne Ge- brauchsspuren. Die verschiedenen archi- tektonischen Aufbaue der Geräte sind ebenso Basis- wie Altarformen. Einige wenige Stücke mit schalenförmiger Eintiefung er-

weisen sich als Altäre und erklären andere Eigentümlichkeiten ebendahin. Mithin nach den Fundberichten (I. in Wohnhäusern,

2. in Heiligtumsbezirken, 3. in (einmal auf) Gräbern; gleiche Formen und Motive an allen drei Stellen): Altärchen für häuslichen Kult, Weihung in Heilig- tümer, Grabbeigabe.

Solcher Gebrauch kleiner Ton- oder Steinaltäre anderer Formen in der helle- nistischen (und römischen) Welt nachge- wiesen (z. B. zu 1. Thera, Priene, Tarent, Pompeji, 2. Epidauros, Delos, Eretria,

3. Olbia, Alexandria, Carthago). Für ältere Zeit I. und 2. literarisch zu er- schließen, zu 3. Funde in Tanagra.

Der mefst sepulkrale Charakter unserer Reliefs durch das naturgemäße Überwiegen der Grabfunde betont, doch nicht allein bei diesen beobachtet und vielleicht nicht immer mehr bewußt zu denken.

Für 1. unmittelbare kultliche Verwen- dung, für 2. Votiv oder »Ersatzweihung« anzunehmen. Für 3.: in Gegenden lebhafter Totenverehrung (wie Böotien und Unter- italien) Altar auf dem Grabe; dieser ins Grabinnere gedrängt zu denken durch ver- änderte Vorstellung (etwa »dauerndes Opfer«) oder Sitte (Grabmäler), wohl mit allmäh- licher Angleichung an die »Gebrauchsbei- gaben« (Miniaturform).

Gießen, Elisabeth Jastrow.

SUdanlage 10.

VERKÄUFLICHE LICHTBILDER.

Im Anschluß an das kürzlich erschienene Buch »Die Denkmäler zum Theaterwesen im Altertum« von Dr. Margarete Bieber gibt die Firma E. A. Seemann in Leipzig, Sternwartenstraße 42 eine vollständige Serie von Lichtbildern zum antiken Theater- wesen nach den auch für das Buch be- nutzten Vorlagen heraus. Preis pro Bild 4,50 Mark. Bestellungen können vorläufig nach den Nummern der Tafeln und Ab- bildungen des Buches an Seemanns Licht- bildanstalt gerichtet werden.

Folgende Lichtbilder nach Ofiginalauf- nahmen der archaischen Terrakottafunde

los

Nachtrag zu Arch. Anz. 1920, 6 1 ff. Institutsnachrichten.

I06

von Veji (Notizie degli scavi 1919) sind durch Vertnittelung der Antikenabteilung der Staatlichen Museen, Berlin C 2, Lust- gärten, zu beziehen :

1. Apollon, Profil nach links.

2. Apollon, Oberkörper und Kopf von vorn.

3. Hirschkuh, Hals links.

4. Kopf der Hermes, Profil nach rechts.

5. Zwei Antefixe mit Silens- und Frauen- maske.

NACHTRAG ZU ARCH. ANZ. 1920, 61 ff.

Neue gemeinsame Versuche auf dem Sportplatz haben Herrn von Donop und mich überzeugt, daß alle Bedenken gegen die Tüchtigkeit und Ausführbarkeit der von mir vertretenen Theorie zur Erklärung des my- ronischen Diskobols wegfallen, wenn man annimmt, daß der Athlet mit der linken Schulter zur Wurfrichtung antritt und der Abwurf nicht, wie auch ich bisher annahm, in der Richtung der Füße, wie beim Kegel- spielen, sondern im rechten Winkel zu ihr

erfolgt. Die Unsicherheit des Standes und der Widerstand des rechten Beins werden aufgehoben und das linke Bein stemmt sich nun der Wucht des vorschwingenden r. Arms kräftiger entgegen, muß nun aber erst recht auf dem Ballen des Fußes fest aufstehen. Auch die ästhetische Wirkung gewinnt, wenn nun die Bewegung nicht die Blickrichtung des Beschauers quer durch- schneidet, sondern wenn der Wurf in eben dieser Blickrichtung erfolgt.

Mai 1921. Bruno Schröder.

INSTITUTSNACHRICHTEN.

Wie schon mitgeteilt, haben wir uns be- müht, durch Umfrage ein Verzeichnis der in archäologischen Bibliotheken Deutsch- lands vorhandenen ausländischen Zeit- schriften und Einzelwerke aus den Jahren 19140. zusammenzustellen, aus dem wir gern auf Anfragen Auskünfte geben. Zu- gleich bitten wir uns zur Vervollständigung dieses Verzeichnisses. Neueingänge mitzu- teilen.

REGISTER.

I. SACHREGISTER.

Die Spaltenzahlen des Archäologischen Anzeigers sind kursiv gedruckt.

Abkürzungen: Br(n) = Bronze{n). G(n) « Gemme(n). Gr. « Gruppe. L. s* Lampe. M. = Marmor. Mos(cn) «= Mosaik(en).

Mze(n) Münze(n). Rel(s) = Relief(s). Sk(e) «• Sarkophag(e). Sp. Spiegel. Sta(n) •= Statue(n). Stte(n) ^ Statuctte(n).

T(n) = Terrakotten. V(n) »- Vase(n). Vb. «= Vasenbild. Wgm. Wandgemälde.

Abde (Oboda), römisches Kastell bei 8g, Kloster 92

Abgüsse, käufliche, der Formerei der Staatlichen Museen zu Berlin 54 ff.

Ädernd, Br. aus (Ausonia VIII 1913, 51) 59

Adler im skythischen Kunstgewerbe 43

Aegae, äolisches Kapitell von 33

Aegina, Tempel 48; Basis des Eckakroters 110; Maße der Eckakroterien U21; Athena des West- giebels 17; Giebelskulpturen 563; behelmter Kopf, nicht aus den Giebeln 563; Votivsäule aus 37'

Agesilaos 116

Agias -Epigramm mit Lysipps Künstlerinschrift in Pharsalos 67 f.

Agis, König von Sparta 114 ff., 120

Agon, Ärzte in Ephesos 69; e für Töpfer 69

Ägypten, Pflanzensäulen und gemalte Baldachin- stützen 7 f. ; ägyptische Linearzeichnung 9 ; »Lilien« - Kapitell und ägyptische Flächenperspek» tive 9 ff. ; ägyptische Helmformen 9 ff.

Aiakes, Sta. aus Samos 17

Aigospotamoi, Schlacht bei 115; Weihgeschenk für in Delphi 63

Akanthos, Stadt 125; Mzen von , mit Löwe 45

Akanthossäulein Delphi 113 fr.; n, M., Reis und Vasen bilder 1203

äxtväxTj? 43

Akragas, Herakles-Tempel 48, 4g; Juno Lacinia 48

Ak roter des »peisistratischen« Athenatempels 97 ff.; Eck aus Milet 25; ien mit Voluten- u. Pal- mettenbildungen verziert 25; in Volutenform, auf Vsbn 29 f.; Eck , Gestaltung und Basen 109 ff.

Alexandria, Pharos des Sostratos 35

Alkimachos, Weihestele des. 26, 28

Altar, großer, von Pergamon 26; Hierons II. in Syrakus 35; Tonaltärchen aus den westgriechischen Kolonien 102 ff.

Amuces (Amykos), auf pränestinischem Spiegel 58'

Amyklae, Konsolkapitelle mit Zwickelpalmette 45

Amykos, sitzend, sich nach Polydeukes umblickend, Mzen 58, 5g; Torso von Belvedere und Faust- kämpfer im Thermenm ■! eum auf gedeutet 57ff.

Anaxilas von Rhegion, als Stifter des Wagen- lenkers von Delphi 59

Andokides, Amphora des, im Louvre 254

Ankerklüse 40

Ante des Pytheos, Priene 312 (32); nbckrönung aus Didyma 31» (32)

Antefixe mit Voluten- und Palmettenbildungcn verziert 25

Antiochia, Silberschatz von Q5

Apelleas, megarischer Künstler 62, 63

Apollon, auf Thymele, Kithara spielend, Vsb. 281; sitzend, auf Mzen 761; Kopf aus dem Ptoion, spiralartige Stilisierung der Locken 311 (32); alter tempel in Delphi 107 f.

Apostel, auf Silberkelch von Antiochia g5

dttoftitrv, Bedeutung von 116

Apoxyomenos des Lysipp 61

Aptera (Kreta), Rel. aus 96

Apulien, ionisches Kapitell in 231; apulische Toneimer mit figürlichem und ornamentalem Schmuck 86 ,

Ära Bacchica in Wilton Housc (Boeckh, CIG 38) 77

Araber, Eroberung Syriens durch die g3

Arat 75« (76)

Archaisierende Reliefs 79

Archäologische Doktordissertationen g8 ff.

io9

Register.

HO

Archäologische Gesellschaft zu Berlin: Januar- Sitzung 16 ff., Februar-Sitzung ig ff., März- Sitzung 41 f., April-Sitzung 42 ff., Mai-Sitzung 45 fl-i Juni-Sitzung 47 ff., November-Sitzung 84ff., Dezember-Sitzung 96 ff.

Archilochos, auf parischen Mzen dargestellt (?) 76; Rel. des in Paros 75 f.

Architektur, Wesen der ionischen 40 f.; Ein- dringen italisch-römischer Elemente in die öst- liche — seit späthellenistischer Zeit 36

Archontennamen auf panathenäischen Preis- amphoren 713

Ares Borghese, Helm des 121

Ariccia, Sta. aus (Göttin) 84

Aristodamos von Elis, Siegerepigramm des 66

Arkader-Weihgeschenk in Delphi 65, 68

Ärmel: knappe ansätze, an archaischen Bild- werken 98 f.

Aron, sog. Grab des 92

Artemis, Karyatische 1201; auf melischer Vase ig; Hydrien im Kult der 71

Ärzteagon in Ephesos 69

Asarhaddon 44

Ascheren 19 f., 22, 43 f.

Assur, Basalstele von 16, 42 f.; Standarte von

13 f-

Assyrien, Volutenkapitelle auf assyrischen Reliefs

14 fr.; Blattüberfall an assyrischen Geräten 33; Spiralverklammerungen 39' '

Astarte 43; Symbol auf Kypros 20, 21 Athen, Erechtheion 26; Lysikratesdenkmal 19 ff.; Parthenon 4g f., 110; Propyläen 37, 40; Tempel der Athena Nike 4.0,, 26, alter, des Dionysos, am Südabhang der Akropolis 25; Turm der Winde 26; Reste von Akanthossäulen 1203; Akroter des »peisistratischen« Athenatempels 97 ff. ; Stelen für Weihgeschenke aus dem Perserschutt der Akropolis 35 f. ; ionisches Stelenkapitell von der Akropolis (Ant. D. I, 18, 1) 31 ; frühionisches, be- maltes Volutenkapitell ebendaher 5, 6 f., 18, 23 f-i 25> 3°. 34. 35. 36, 45 ; bemaltes Poroskapitell, ebendaher 26, 28, 38 Athena, Statuen: Westgiebel von Aegina 17; Gigantengiebel des Hekatompedon 106 f., 108; Apollotempel in Delphi 107 f.; Statuetten: im Akropolis-Museum, M. (Nr. 140) 98; in Berlin, Br. 18; Kopf in Brescia (E.-A. 194—196) 58 Athenaeus VI 24id: 128 Athienu, Stele aus 19, 20, 36, 44 Athletenmosaik von Tuskulum 621 Attaschen, archaische griechische Eimer 92, 94 Auflager für Eckakroterien 110

Augenbildung an selinuntischen Köpfen 55 f.;

Schiffs 40 f. Auxerre, weibliche Stte aus im Louvre 56»

Baal 43; Tempelbezirk des in Damaskus 97

Babylon, Kassitendynastie 44

Babylonien, Volutenstützen in der Kunst s 12 ff.

Bakchios von Athen 69 ff .

Bakchylides III 17: 117

Bakschisch (Phrygien), Felsgrab 391

»Baldachinstütze« auf dem Sippara-Relief 14; n, ägyptische 7 f., 103, 12

Barbatus, Beiname des Hercules 99

Bartatua, Skythenkönig 44

Basaltstele in Assur 16, 42 f.

Basis des Phaidimos 27; der Tänzerinnensäule in Delphi 123 f.; des Xenokles 27; einer Bronzefigur mit Künstlerinschrift, aus Nisaia 62; einer Gruppe des Daidalos in Olympia (Inschr. v. Ol. Nr. 635) 68; von Sendschirli 33; Basen der Deinomeniden- Anatheme in Delphi 1 1 71 ; aus Dodona 27, 2g f. ; der Diagoriden-Stan in Olympia 64, 65*; von Menander-Stan aus Platamöna und Eretria 74; olympische Statuen 6o3; Stufen an Statu ^r. 26 /. ; \ erzierte ionische Säulen 41 ; auf Kropis, auf Lekythen dargestellt 30

Bauernhaus, neupersisches 234, 34

Baum, heiliger: Volutenmotiv und Urbild des 44 ff.; auf Kypros 19, 195, 22; heilige e (Ascheren) 43 f.

Bekrönung aus Samos 31' (32)

Bemalung an der Tänzerinnensäule in Delphi 125

Bestechung bei den olympischen Spielen 66, 67

Betender Diskobol 66, 67 ff., 681

Bewegung, lebhafte, an archaischem Niketorso von der Akropolis 102 f.

Bibel: 4. B. Mos. 20, 16 ff.: 86; Matth. 21, 33: 9/

Binde, die Ausweitung des Hinlerkopfes um- schließend 58

Bion von Milet, Künstler 118

Birseba 86, 90

BlattürraKz, an äolischen und ionischen Kapitellen 26; motive, als Schmuck der Kapitellschmal- seiten 311 (32); —Überfall 32 ff.

Blü ten, aneinandergereihte, minoisch 14; gebilde, in ägyptischen Ornamenten n1

Boghazköi, Fclsrelief von mit »Aedicula« 17

Borten, bunte, als Vorläufer von Falten 18

Boscoreale, Schöpfeimer aus 87

Boulanger, Grabungen am Lysikratesdenkmal 2iff.

Brasidas 125

III

Register.

112

Brezovo, Bronzeeimer aus 86 Brohltal gg

Bronze, Kopf, archaischer, in Berlin (Furtwängler, Meisterwerke, Taf. XXXII) 52. Statuetten: Athena, italisch, Berlin 18; betender Diskqbol, Paris, B;bl. Nat. 68' ; Hermes Diskobolos 70'; Jüngling, aus Adernö (Ausonia VIII 1913, 51) 59; Nike 98, 110; hethitische, in Berlin 18, ig; phönikische, im Louvre ig; archaische, vom Ptoion 98; aus Samm- lung Lessing, Berlin, Antiquarium 94. Ver- schiedenes: Beile als Anathem von Tenedos in Delphi 114; Eimer, tarentinische 84 ff.; unter- italischer — eimer, mit bakchischen Szenen, in Boston gif.; Gefäße, tarentiner 83 ff. ; Lambrequin, Delphi I2o3; Löffel, zu Eimer gehörig 854; Posta- ment aus Ligurio, in Berlin 27; Schale von Olympia 17; Schöpfkellen 85; Spiegel, tarentinische, mit ä jour gearbeitetem Rel. zwischen Griff und Platte 94 ff. Bronzefabrikation in Unteritalicn 89 Brunnenhäuser auf Vasen, mit Akroterien in Volutenform 29 f.; plastik, Entwicklung der 100 ff.; reliefs 101; szene auf dem Rel. von Gjölbaschi-Trysa 87 Buchdeckel im Silberschatz von Antiochia gs Bürgerrechtsdekret aus Ephesos 70 Byressche Gemme, mit Diskobol 62, 65', 76'

Campanische Toneimer mit Reliefschmuck unter den Henkeln 86

Castelporziano, Diskobol von 62, 64, Zehen- fragment 78 f.

Cella und Tempelbasis an dorischen Peripteral- tempeln 4g

Ciste, ficoronische 93

Chefren, Stan des, im Museum von Kairo

Cheramyesfigur ig

Chersones, thrakischer und karischer, Löwe auf Mzen des 47

Chilani, hethitisches 171

Chios, Homergrab auf 81 f.

Chorsabad, Rel. von mit Säulendarstellung 15 f., 445

XpT)flciT(OV Sex^TTj 6l3

Cisternen, unterirdische, in den Häusern der

Wüstenstädte im Sinaigebiet g3 Claudischer Porträtkopf auf Schloß Erbach 52' Cylinder, assyrischer, mit Palme 14 Cyriacus von Ancona 81, 82

Dachziegel für städtische Bauten 70 Daidalos von Sikyon-Phleius, Erzbildner 65 fr.

Damagetos, Statue des , Sohnes des Diagoras, in Olympia 64, 65

Damaskus in römischer Zeit 96 ff.

Dattelpalme als heiliger Baum in Babylon 463; auf assyrischem Rel. dargestellt 14

Deinomeniden-Dreifüße in Delphi 1 16 f.

Delos, Rest einer Akanthossäule 1203; Hermen- schaft aus mit Graffito einer Solonherme 74; frühionisches, bemaltes Volutenkapitell aus 5, 6 f., 18, 23, 234, 24, 30, 31, 34, 35, 36; späteres Kapitell (Perrot VII, Taf. LIII, 3) 31

Delphi, Apollotempel, Skulpturen vom alten 107 f.; Arkader-Weihgeschenk 65, 68; Athenerschatzhaus 25; Dreifüße: der Deinomeniden 116 f., plataeischer 124; Klazomenierbau, Palmkapitell 33; Knidier- schatzhaus, Konsolen 25 f.; angebliches Kyrenäer- schatzhaus 125; Landridas-Anathem 124; Ly- sanderhalle 115; Lysanders Nauarchen 65, 120; Messenier-Nike 124; Naxiersäule 6 f., 26, 31' (32), 32, 34, 35, 37, 124; Pfeilerpostamente des Eumenes II, Prusias II, Perseus-Aemilius Paulus, Gorgias, Phryne, Archidamos III, Philipp 124; Pherae- Anatheme (Hipparchen ; Diokleassäule) 1172; Poly- medesstatuen 56*; Stier von Korkyra 27%; Tänze- rinnensäule 113 ff.; Wagenlenker 50, 58

Delphinreiterin, Rel. an tarentiner Spiegelgrift 96

Demades-Stele 114'

Demeterheiligtum bei Selinus 24

Deusoniensis, Beiname des Hercules 100

A(, Dativ von Zeus 80 f.

Diagoras von Ialysos, Sta. des Olympioniken von Kallikles I. 63 ff.

Diagoriden, Statuen der in Olympia 64 f.

Didyma, Antenbekrönung von 312 (32)

Aie(=Ai( oder alte Dativform 79 f.

Dionysostempel, alter, am Südabhang der Akropolis 2$

Dipylon, Grabtische am 30

Diskobol des Myron 6iff., rojf.; MassimiSj; sog. antretender 66, 67 ff.; betender, Br.Sttc 68'; Br.Stte in München 65 f., 75, 7g f.; Br.Stte aus dem Kabirion 82'; Stte in Wien 7g

Diskoswerfen: verschiedene Wurfschemata 66 ff.; horizontaler Schwung 6g ff. ; myronlsche Wurfart 72 ff., rojf.

Dissertationen, archäologische Doktor g8ff.

Divinationsszene, orgiastische, Rel. 1203

Dodona, Stufenbasen 27; würfelförmige Basis auf Stufenkrerüs 29 /.

Doppeläxte auf Stele für einen Tenedier 1141

Doppelbüste des Homer und ArchirBchos (?), Rom, Vatikan 76

H3

Register.

Il4

Doppelvolute, auf Rel. von Chorsabad 15; n auf babylonischem Ziegelmosaik 12 f., an Standarte von Assur 13

Dorischer Peripteraltempel 47 ff.; und ionischer Stil 40 f.

Dreieck (Astartesymbol?) an kyprischen Voluten- kapitellen 22

Dreifuß, goldner, zur delphischen Akanthossäule gehörend 116; e auf Stufenbau 29. Vgl. Delphi.

Eiche als heiliger Baum 463

Eierstäbe auf Kalkstein-Helmmodellen 8

Eimer, bronzener, mit bakchischen Szenen, in Boston 91 f.; Herkunft der eiförmigen 88, 92; Entstehung des Typus 92 f.; tarentinische Bronze 84 ff.; tönerne, schwarz gefirnißt, mit Relief- schmuck unter den Henkeln, campanisch 86. Vgl. Schöpfeimer.

Einlegearbeit, ägyptische 9

elam = Vorhalle oder Torhalle (?) 47

El Arisch 87

elim = Terebinthe, vorspringender Pfeiler (?) 47

Elischer Krieg 114, 1154, 116

Emailplättchen, ägyptische, in Form von Blüten- gebilden 11»

Embleme von Städten, auf Reliefstelen der Proxe- niedekrete in Delphi 114»

Emesa, Silbervase von , Paris 94

Enkomi, Goldbleche aus 45»

Ephesos, Artemision 71; ionische Säule vom alten 31» (32), 35; ionisches Kapitell vom alten 38; zweistöckiger Rundbau 36; Basis- funde vom Anfang des VII. Jh. 17; Künstler- inschrift des Daidalos 69; Schaber, Br.Sta. 69

Epidauros, Tholos 39

Epigramm aus Akraiphia, auf Eugnotos 73; von Oreos auf Euboia 73; Grab des Bakchios von Athen 69, aus Chios 81

Eppichblatt, goldnes, als Anathem von Selinus in Delphi 114

Erechtheion, Kapitell vom 37; ionischer Stil am 40

Eros, Torso des bogenspannenden , Venedig (E.-A. 2533) 16; mit Weinkrug und Eimer, auf Spiegelkapsel graviert 87 f.

Erythraia, Stelenbekrönung aus der 25

Etruskische Hausurne 36»; Mzen mit Löwe 47; r Pfeiler 221

Euankritos, Pankratiast aus Theben 72 ff.

Eudoxia, byzantinische Kaiserin 8g

Eukles, Sta. des , Enkels des Diagoras, in Olympia 64

Eunikos, Vater des Kallikles von Megara 62, 63 Euphorbosteller, Volutenmuster auf dem Schilde

des- s 48 Euphron, Schreckensherrschaft (.es in Sikyon 68 Euphronios, Antaioskrater des 28*; Falten auf

Vs. des (sypacpsev) 104 Eupolemos, Siegersta. des Olympioniken , von

Daidalos 65 Euthymides, Vasenmaler 69 f. . EÜ?ä(j.tvo; oexäxTjv 6i3 Export aus Großgriechenland nach dem Osten 89

Fälschung der Inschrift des »Mantheos« -Reliefs 77 Falten, auf Vn des Euphronios 104; Schemata der

senkrechten in der archaischen Kunst 17 f.;

darstellung, Herleitung aus dem Orient 18 f. Farbspuren an einem Helmmodell aus Kalkstein

in Bonn 4,9; an der Tänzerinnensäule in Delphi

125 Faustkämpfer, Br.Sta. im Thermenmuseum 581,

59 f.

Fayencenachbildung eines Helmes mit der Inschrift eines Psammetich 9 /.

Federschmuck, Röhren für an einem Helm- modell 4, an Helmen 7

Fels, Sitzfiguren auf blocken 75 m. A. 6

Felsrelief von Boghazköi, mit »Aedicula« 17 f.

Feuersteinhaufen (»Rebenhügel«) in der östlichen Sinai-Halbinsel 91

Ficoronische Ciste 93

Filelfo, Fr., Epistolae 82

Fischer, Sta. in London 11

Flabellum, silbernes, im Kunsthandel von Aleppo

95

Flächenperspektive, ägyptische 9 ff.

Flußregulierung aus frühchristlicher Zeit auf der Sinai-Halbinsel 91 f.

Frau, Unterkörper einer laufenden , von der Akropolis 101; enfigur von Myron (?), M.Stte in Kairo 53 f.; en der Olympia-Giebel, Gewand- stil 97 f.

Frontalität des ionischen Kapitells 42

Fuß, »schleifender«, des myronischen Diskobols 76 ff. ; r., des »antretenden« Diskobols 68 f.

galea, an einem Porträtkopf auf Schloß Erbach 521 Galvanoplastische Nachbildung der Rekon- struktion des myronischen Diskobols 63, 841 Gaza 89 f.

Gelon- Anathem in Delphi 117, 118 Gemmen mit Diskoswerfer 62, 69', 78 Anm., 80

H5

Register.

116

Gerace Marittima (Sizilien), Spiegel aus mit Sphinx 96

Gewand/tgur, stehende weibliche, Akropolis-Museum Nr. 688 : 97 ; Schemata der archaischen Kunst 16fl-\ *ft7, spätarchaischer 103 t.; des Niketorsos Akrop. Nr. 694: 97, 107 m. A. 1

Gigantengiebel des Hekatompedon 106 ff.

Gjölbaschi-Trysa, Brunnenszene auf dem Rel. von 87

Goldbleche aus Enkomi 45»

7<5puTO« 43

Göttin, Sta. aus Ariccia 84

Grab des Homer auf Chios 81 f.; des Pompejus 88; Fels bei Bakschisch in Phrygien 39'; bau [iäp[j.apa bei Milet 34 f., 37, 38; mal der Secundinier in Igel 38 f., Hadrians in Rom 38, von Thugga 33 f. Vgl. Kurgan, Tumulus.

Grabreliefs, attische, und die Gruppe der Tänze- rinnensäule in Delphi 118

Grabsäulen auf Stufenbau 2g2

Grabstein des Caelius, in Bonn 361

Grabstelen auf Stufenbau 2g

Grabtische am Dipylon 30

Grabturm in Xanthos 30

Graffito: Solonherme, auf einem delischen Hermen- schaft 74

Granitpfeiler mit Papyrus und Lilien, vom Annalensaal Thutmosis' III.

Greif im skythischen Kunstgewerbe 43

Gudea, Stele des 15*

Haar, heftig bewegtes, auf ionisch-etruskischen Erzeugnissen 103"; Behandlung des Nacken es an archaischen Stan von der Akropolis 103; bil- dung am Kolossalkopf Ludovisi und an der Knabenstatue in Girgenti 57; busch als Helm- schmuck 7; tracht an archaischen sizilischen Jünglingsköpfen 50 ff.

Hafir el Audscha, altchristliche Kirche bei 92

Halikarnass, Maussolleum 32 f.

Harpyienmonument von Xanthos 30

Hathorkapitell s. Kapitell.

Häuser der frühchristlichen Städte im Sinaigebiet 9 3

Hausurne, etruskische 36*

Helm, nordischer (makedonischer?) Typus 5; späte Form des korinthischen es 5,6; von Catanzaro 9; von Pacciano 7 f.,g; Bronze e aus Ägypten, Berlin, Antiquarium 10, i2l\ formen, ägyptische 9 ff., thrakische 7, 121

Helmmodelle, ägyptische 3 ff.

Henkelansatz, Entwicklung des es an tarentini- schen Eimern 85

Hephaistion, Siegerepigramm des Aristodamos von Elis bei 66

Hera Farnese 84

Heraion von Olympia 25; auf der Burg von Tiryns 24

Herakleia, Löwe auf Mzen von 4J

Herakles als Kitharode, auf Thymele hinauf- steigend, auf sf. Vsbn 28. Vgl. Hercules.

Heraklius, Kaiser 9J, g8

Hercules auf germanischem Boden ggf.

Herme Ludovisi, Diskoswerfer 82'; des Solon, Graffito auf einem delischen Hermenschaft 74; n auf Stufenbau 2g

Hermes Diskobolos, Br.Stte in Stuttgart 701

Herodot, über ägyptische Helme 9, 10; über die Skythen 42

Hesiod, Statue, Weihgeschenk des Mikythos in Olympia 6l f.

Hethiter 175; hethitische Kunst 18, ig; Nach- wirkung hethitischer Typen im skythischen Kunst- gewerbe 44; hethitisches »Säulen« -Rel. (Hiero- glyphe) 17 f.

Hiero-Anathem in Delphi 117

Hieroglyphe, assyrische, für Himmel und Gott 175; säulenähnliche hethitische 17

Himera, Löwe als Brunnenmündung auf Mzen von 47

Hirsch, liegender, im skythischen Kunstgewerbe 43

Holzsarkophage und Helmmodelle 3, 7

Homer, Sta. des, Weihgeschenk des Mikythos in Olympia 61 f.; grab auf Chios 81 f.

Hör, Berg bei Petra 'g2

Horus, Augen des 40

Hyakinthos, diskoswerfender, auf G. 62, 65

Hydria im Artemiskult 71

Hyele, Löwe auf Mzen von 47

Idalion, Tonkapelle von 211; Kapitelle aus 19.

191, 195, 20 Idolino 67

Igel, Grabmal der Secundinier 38 f. Import, griechischer und persischer, in Skythien 43 Institut, deutsches Archäologisches, in Athen und

Rom 84 Institutsnachrichten 56, 106 Ion von Samos 115 Ionischer Einfluß in der assyrischen Architektur 16;

e Säule I ff.; Votivträger und kyprische

Stelen 36 ; Züge an archaischen Bildwerken von

der Akropolis 102 f. Iphitos, von der Ekecheiria bekränzt,*Gruppe in

Olympia 59»

ii7

Register.

118

Iris, Krone und Kelch der , angeblich auf babylon.

Ziegelmosaik dargestellt 131 Israel, Volk 85 f. Istar-Asera, verschleiertes Bild der , aus

Ras el ain 44

Jazylykaja 18

Johann von Akaba 93

Julierdenkmal zu St. Remy 37

Jüngling, wagenbesteigender, Sta. im Conser- vatorenpalast 57; Sta. aus Epidauros, Kopen- hagen 41; skopf, archaischer, in Hannover 49 ff.; desgl., aus Sammlung Este, früher in Catajo, jetzt in Wien 5of., 54 f., 57; Br. Stte. aus Adernö 59

Justinian, Kaiser 92

Kades-Barnea 86

Kaisariani, Reste von Akanthossäulen 1203

Kalathiskos-Tänzerinnen 119

Kalksteinmodelle für Helme, aus Memphis 3 ff.

Kalksteinrelief aus Ta*ent (Ant. D. III 35) 92

Kallikles von Megara, Künstler 62 ff.

Kallimachos, Bildhauer 119 f., 125«; saltanles Lacenae des 119, 1201

Kallipateira, Mutter des Eukles 651

Kallistratos, 'Extpp&eic des 81

Kandelaberschäfte, Herstellung bronzener in Unteritalien (Plinius) 89

Kapelle aus Ton, aus Idalion 211

Kapitell: ägyptisches »Lilien« 8 ff.; hölzernes ägyptisches Voluten 10, II J äolisches 4, 5, 26 ff., 31* (32); Hathor e 44; Pfeiler mit Hathor 221; Hathor im Louvre 20 f. ; frühgriechisches Voluten : Grundform und Schmuckform 6 f., nicht auf das ägyptische Lilien zurückgehend 12, nicht auf Babylonisches zurückgehend 14, Ähn- lichkeit mit Volutenkörper kyprischer Pfeiler 23; Werkform der frühionischen e 23 ff. ; ionisches 2 ff., nicht aus dem äolischen entstanden 27, Flächenfüllung 29 f., Versachlichung des Schmuck- motives 31, Blattkranz und Blattwelle 32 ff.; Kampf gegen die Einseitigkeit 38 ff., Vorder- und Schmalseiten 31» (32); korinthisches 41 ; kypri- sches 28'; spätes kyprisches Voluten 22; Voluten e auf assyrischen Reliefs 14 ff.

Kapitelle aus: Aegae (äol.) 33; Amyklae (Konsol e) 45; ionische in Apulien 231; bemalte Stelen e von der Akropolis in Athen 5, .6 f., 18, 23 i-,'25, 30. 3% 34, 35. 36, 45; bemaltes Porös— ebendaher 26, 28, 38; ionisches, vom Erechtheion 37; ionisches, von den Propyläen 37, 40; byzan- tinische, in Damaskus 98; bemaltes Stelen aus

Delos 5, 6 f., 18, 23, 234, 24, 30, 31, 34, 35, 36; desgl. (Perrot-Chipiez VII Taf . LIII, 3) 31 ; Palm— vom Klazomenierbau in Delphi 33 ; ionisches, vom alten Artemisium in Ephesos 38; aus Idalion 19, '91! r95. 20; ion., vom Artemisium in Magnesia a. M. 38 f.; ion., vom Didymaion bei Milet 38 f.; äol. von Neandria 26, 27, 28, 31* (32), 32 f., 391; Widder von Nimrud 16; Anten vom Propylon zum Temenos der Athena Polias in Pergamon 421; Palm der Stoa, ebendort 341; Spiral e an phrygischen Felsendenkmälern 391; ion. e der Tuffperiode in Pompeji 421; Palm , ägyptisches aus Soleb 341; frühionische Pfeiler e aus Sla- vochori 241; ägyptisches Lilien aus Theben 10; von Trapeza 18, 20, 21, 22

Kappe, jugendlicher, männlicher Kopf, M., mit Alexandrien 10 f.; Sta. eines Fischers mit , London 11

Karagodeuaschkh, Fragment eines Bronze- eimers aus dem Kurgan 86

Karchemisch 44

Karnak, Pfeiler von 21

Karthago, Löwe auf Mzen von 47

Karyae, Tänzerinnen von 127

Karyatiden 113, 127 f.; des Praxiteles 125, 126

Kasion öros bei Pelusium, Zeusheiligtum 8y

Kasiotis 87

Kassitendynastie von Babylon 44

Kästchen, goldnes, aus dem V. mykenischen Schachtgrab 291

Kastell, römisches, bei Abde (Oboda) 8g; in Damaskus 97 f.

Katia (Kasion) 88

Kaukasus, Vorstufen der skythischen Tierorna- mentik im 52 .

Keilschrifttexte über die Askuzai (Skythen) und Gimirrai (Kimmerier) 44

Kelch, silberner, von Antiochia 95

Kerbschnitt-Schmuckstil an frühchristlichen Kir- chen im Sinaigebiet 92

Kestner, Georg August, Tagebuchberichte über seine sizilische Reise 54"

Kimmerier 44

Kirche des H. Johannes in Damaskus 98; byzan- tinische, in Gaza. 89 f.; frühchristliche n im Sinaigebiet 92

Kirtsch-Oglu, hethitische Stte aus , in Berlin 19

Kittos von Athen 70 ff.

Klearchos von Rhegion, Bildhauer, Lehrer des Pythagoras 59

Kleid, vom Winde über das Knie hinaufgeschoben,

H9

Register.

I20

an archaischen Stan 101 f.; erschmuck aus Süd- rußland 43 Kleinasien, Sigillata-Fabriken in 89 (Cleopatra, T. des Antiochos d. Gr. 87 Klosteranlagen, an die röm. Kastelle ange- schlossen, Sinai- Halbinsel g2; Katharinenkloster am Fuße des Mosesberges im Sinai 92 Knabe, Sta. in Girgenti 56 f. Knidos, Löwe auf Mzen von 47 Knotenstock, Amykos mit , auf Mze 58, vgl.

59,

Kolonnaden in Damaskus 96

»Komposit«, vermeintliches 37 f.

Konsolen des Knidierschatzhauses in Delphi 25 f.

Kopf: weiblicher archaischer Kolossal Ludovisi 57; archaisches weibliches Köpfchen aus Seihunt, in Berlin 54, 55; archaischer Jünglings in Han- nover 49 ff., in Wien (aus Sammlung Este) 50 f., 54 f., 57; männliches Köpfchen in Dresden 51, 55; archaischer Bronze— in Berlin 52; jugendlicher männlicher mit Helmkappe, M., Alexandrien 10 f. ; claudischer Porträt auf Schloß Erbach 521; T. aus Medma-Rosarna, in Reggio 58; Köpfe der Metopen vom Tempel C in Selinunt 56, der

' Metopen vom Heraion, ebendort 53 f.

Kopfaufsätze bei Tänzerinnen und Stützfiguren 127

Kore(?) nach Myron(?), M.Stte aus Memphis, in Kairo 53 f.

»Koren« von der Akropolis 17. Vgl. Museen, Athen.

Koroneia, Schlacht bei 116

Körperform, Vorherrschen der an archaischem Niketorso von der Akropolis 102

/pävE« yrfKvj-zä der ägyptischen Seesoldaten des Xerxes 10

Krepis des Lysikratesdenkmals ig ff.; Geschichte der Stufen unter aufgehender Wand 24 ff., an Würfelbasen und Weihgabenträgern 2g f., an Grabmälem in Lykien und Phönikien 30 f., an hellenistischen Bauwerken 33 ff., unter ge- schlossener Wand, in der westlichen römischen Architektur erst seit augusteischer Zeit 37; am Peripteros in römischer Kunst 38

Kresilas, Augenbildung an Werken des 56

Kreta, unteritalische Funde auf 87

Kretisch-mykenische Kultur 14'

Kretisch-peloponnesische »daidalische« Schule, und die Metopen vom Tempel C in Selinunt 56

Krim, Mzen der gegend mit Löwen 47

Kritios und Nesiotes, und die selinuntische Kunst 55 f.

Krone: »Blaue « in Ägypten 10

Kudurru 44

Kujundjik, Rel. von, mit volutenbekrönten

Pilastern 16 Kul Oba bei Kertsch 43 Kunstgewerbe, skythisches 42 ff. Kurgane, südrussische 42; Kurgan Karagodeu-

aschkh 86 Kurvatur am Parthenon 4g f. Kuseime, jungpaläolithische Siedelungen 85 Kymation am ionischen Kapitell 37; lesbisches,

an Grabturm in Marathos 31 Kynea in Ägypten 9, 10

Kyniska, Weihgeschenke der , von Apelleas 63 Kypros, Kulturmischungen auf 46'; Löwe auf

Mzen von 46; Silberfunde aus in London

und New York 95; spätes Volutenkapitell 22;

Volutenstelen aus 18 ff., 24, 36; Wandpfeiler

auf 21 ff. Kyrene, Löwe auf Mzen von 47 Kyzikos, Löwe auf Mzen von 47

Lacenae saltantes, des Kallimachos 119, 120'

Latene: Früh kunst 52

Laufende Frau, Unterkörper einer, von der Akro- polis 101

Leontinoi, Löwe auf Mzen von 46, 47

Leuktra, Tropaeum von 32

Lichtbilder, verkäufliche 104 f.

Lichthäuschen aus Olbia, T. Brit. Mus. 35

»Lilienkelch« ägyptischer Kompositkapitelle 8; »Lilien« -Kapitell und die ägyptische Flächen- perspektive 9 ff.

Lindos, Löwe auf Mzen von 47

Linearzeichnung, ägyptische 9 ff.

Lokri, Spiegelgriff aus 96; Sp. aus , mit Sphinx 96

Löwe als Münzbild vom Vif. bis IV. Jahrh. 45 ff.; im skythischen Kunstgewerbe 43. nkopf als Brunnenmündung 100

Lukian, Bedeutung von ■/flip* i*.).i+n\ 83

Lydische Königsmünzen, mit Löwe 47; » « Form des Löwenkopfes auf Mzen 46

Lykien, Löwe auf Mzen von 46; lykische Grab- pfeiler 30

Lysander 115, 1153, 120

Lysias, sog., Rom, Villa Albani 57

Lysikratesdenkmal, Krepis des ig ff.

Lysipp 61

Magaragebirge 88 .

Magnesia a. M., ionisches Kapitell vom Artemisium

38 f. Magusanus, Beiname des Hercules 99/.

121

Register.

122

Mähne: Behandlung der Löwen auf Mzen 46

»Makedonischer« Helmtypus 5 f., 11

Malliator, Beiname des Hercules 100

Malta 14'

Manteltracht der Cheramyesfigur und der Artemis

auf dermelischen Vase ConzeTaf. I: ig; Mäntelchen

auf beiden Schultern geknüpft, in archaischer

Kunst 99 »Mantheos« -Relief in Wilton House 76 ff. Marathos, Grabturra auf Zweistufenkrepis 31 Marktbezirk in Damaskus gy Maschnaka (Phönikien), Halbsäulen an Felsdenk- mälern 23, 39 Masken an Brunnenmündungen 100, 101 Masseben (Gedenksteine) 43 f. Mauern, zur Flußregulierung, im Wädi el abiado^ Maussolleum von Halikaraass 32 f. [LiXai x^pctfio; 70 Menander, Basis einer Sta. des aus Platamöna

74, desgl. aus Eretria 74 Menschengestalt als Brunnenfigur 101 Messana, Löwenskalp auf Mzen von 47. Metapont, Tavole Paladine in 48 Metopen des Heraion in Selinunt, verschiedener

Stil in den Köpfen der Ost- und West-Metopen 55 ;

vom Tempel C ebendort 56 Mikythos von Rhegion 59 ff. Milet, Didymaion, Säulen 3t1 (32), ion. Kapitell

38 f.; Heroon xa («ppiapa bei 34 f., 37, 38;

Eckakroterien aus 25 ; Löwe auf Mzen von 47 Miletopolis, Bronzeeimer aus 85 Militärstationen, römische, im Sinaigebiet 8g Mirjam, Schwester des Moses 86 Mischrefe 90 Mnesikles 37, 40 Möbel, assyrische 33

Modelle, ägyptische Helm aus Kalkstein 3 ff. Moen, Bronzeeimer von 85, 92 Mohammediji (Mehemdiah) = Kasion 6ros bei

Pelusium 87 Montfaucon, Bernard de, und das »Mantheos« -Rel.

77 Mosaik: Athleten von Tuskulum 62'; böden

frühchristlicher Kirchen im Sinaigebiet 92. Vgl.

Ziegelmosaik. Moses 86

Mosesberg im Sinai gl Münzen: Löwe auf des VII. bis IV. Jahrb.

45ff.; aus: Campanien: korinthischer Helm 6;

Kos: Diskoswerfer 6g, 6g*, 71'; Lakedämon,

sitzender Amykos 57, 5g; Milet: Drachme des

Hekatomnos 46; Paros, Tetradrachme, mit sitzen-

Archäolog-ischer Anzeiger 1930.

dem Archilochos (?) 76; Syrakus 58; Thrakien, späte 6 Museen und Sammlungen: Alexandrien, Jugendlicher männlicher Kopf mit Helmkappe, M., zo f. Athen, Nationalmuseum, Marmorstte im Typus der olympischen Beckenstützen 98; Krater aus Theben mit Akanthossäule (Inv. 12253) 1203; weißgrundige Lekythos (Benndorf, Gr. u. Szil. Vsb., Taf. 19, 4) 27. Akropolismuseum, Athenastte (Nr. 140) 98; »Koren« : (675) 101, (677 naxisch?) 1031, (685) 103, (686, 609, Euthydikos- kore) 104, (688) 97, 104; Nike: (690) 97, 103 ff., (691, Torso) 102, 103, 106, (693) 101, 102, 103, 104, 105, 106, (694, Torso) 97 f., 105 ff., 112 f. Unterkörper einer laufenden Frau 101. Berlin, Käufliche Abgüsse der Formerei der Staatlichen Museen 54 ff. Altes Museum, Weibl. Torso mit Vogel, aus Kleinasien (Inv. 1577) 1024; Stte eben- daher (Inv. 1744) 1024; archaisches weibliches Köpfchen aus Selinunt 54, 55. Anliquarium, Bronzestte aus Sammlung Lessing g4\ Athena, italische Br.Stte 18; archaischer Bronzekopf 52; tarentinischer Bronzeeimer mit Perseus und Gorgone 84, 89 f., 93; desgl. mit Nike auf Panther- zweigespann 93 f., 96; Bronzehelme und Stirn- schmuck eines Helmes aus Ägypten 10, 121; Helmmodell aus Kalkstein 3; Bronzepostament aus Ligurio 27; tarentinische Sp. 95 f.; Lekythos Inv. 3324 (Benndorf, Griech. und sizil. Vsb., Taf. 19, 5), mit Grabreliefdarstellung 293; desgl., mit Lyra und Kästchen auf Postament 30. Vorder- asiatische Abteilung, Hethitische Bronzestten 18, ig. Museum für Völkerkunde, vorgesch. Abteilung, Depotfund silbernen Pferdegeschirrschmuckes 45. Bologna, Museo Civico, Strengschöner Voluten- krater mit Kassandra 27. Bonn, Akademisches Kunstmuseum, Helmmodell aus Kalkstein 3). Provinzialmuseum, Grabstein des Caelius 36*. Boston, Museum of Fine Arts, Bronzeeimer mit bakchischen Szenen, aus Süditalien 91 f. Brescia, Athenakopf (E.-A. 194 196) 58. Delphi, Tänzerinnen-Säule 113 ff. Dresden, Albertinum, Männliches Köpfchen, M., aus Sammlung Dressel 51, 55. Duncombe-Park, »Antretender« Dis- kobol, Sta. 68, 6g. Erbach i. O., Schloß, Claudi- scher Porträtkopf 52'. Florenz, Museo archeo- logico, Bronzeeimer 85. Girgenti, Knabenfigur 56 f. Hannover, Kestner-Museum, Archaischer Jünglingskopf 49 ff. Hildesheim, Pelizaeus- Museum, Helmmodelle aus Kalkstein 4' f.; Modell einer Wangenklappe 5, 6. Kairo, Stan des Chefren n*j Köre (?), aus Memphis, M.Stte nach

6

123

Register.

124

Myron (?) 53 f. Karlsruhe, Tarentiner Bronze- eimer und -löffel 85, 854. Konstantinopel, Archaistisches Rel. (Mendel Cat. I Nr. 91) 79". Kopenhagen, Nationalmuseum, Rf. Kanne, mit betendem Jüngling am Altar öS1. Glyptothek Ny Carlsberg, Jünglingssta. aus Epidauros 41. Universitäls-Bibliothek, Rostgaards Papierabdrücke griech. und lat. Inschriften 77*. London, Briti- sches Museum, Fischersta. II; Krepisstufen (?) vom Maussolleum 32 f. ; Lichthäuschen aus Olbia, T. 35; attische rf. Hydria (F 93), mit Stufenbau an einem Grabe 29; campanische Hydria (F 209) 27 /. ; Gemme mit diskoswerfendem Hyakinthos 62, 65. Mannheim, Antiquarium, Bronzeeimer und Weinschöpfkelle aus Prusias ad Hypium 85. München, Antiquarium, Br.Stte eines Diskobols 65 f., 75, 79 /. Glyptothek, Kalksteinrelief aus Tarent (Ant. Dkm. III 35) 92. Neapel, Museo Nazionale, Satyrspielvase 2g. Palermo, Kopf von einer Ost-Metope des Heraion in Selinunt 53 f., von einer West-Metope 54. Paris, Louvre, Weibliche Stte von Auxerre 56*; phönikische Bronzestte ig; Hathorkapitell 20 f.; Helmmodelle

6 m. A. 1; römische Sarkophage: Phot. Alinari 22705: 6; Knabe als Diskoswerfer auf 62 f., 64, 65, 7*5', 78 Anm. ; Spiegelgriff mit Scylla-Rel.96. Bibliothique nationale, Spiegelgriff, mit delphin- reitender Nike 96. Perugia, Helm von Pacciano

7 f., g. Reggio di Calabria, Terrakottakopf aus Medma-Rosarno 58. Rom, Conservatoren- palast, Wagenbesteigender Jüngling, Sta. 57. Museo Naziottale (Thermenmuseum), Weiblicher archai- scher Kolossalkopf Ludovisi 57; Faustkämpfer, Br.Sta. 58', 5g f. Vatikan, »Antretender« Diskobol 66> % ff'< Doppelbüste des Homer und Archi- lochos (?) 76; Torso von Belvedere 57 ff. Villa Albani, sog. Lysias 57; sitzender Polyphän mit Lyra, Rel. 57'; zwei auf Felsblöcken sitzende Männer, zwischen ihnen Maske, Rel. 75*. Ruvr, Sammlung Jatta, Unterital. Volutenkrater mit Leukippidenraub 28. Stuttgart, Museum (Sammlung Sieglin), Hermes Diskobolos, Br.Stte 70'. Tarent, Bronzeeimer aus Roccanova 85. Triest, Museo Civico, Silberrhyton aus Tarent 90 f. Turin, Ägyptische Liliensäule 10. Venedig, Dogenpalast (Museo archeologico), Torso des bogenspannenden Eros (E.-A. 2533) 16. Wien, Esterhazy-Palais, Jünglingskopf, früher in Catajo 50 f., 54 f., 57. Sammlung Trau, Helm 6. Uni- versität, Abguß des Torsos des bogenspannenden Eros in Venedig 16. Wilton House, »Mantheos«- Relief 76 ff., Ära Bacchica 77

Musikanten auf Thymele, auf Vasen 28 Mützen, thrakische 7

Mykenae: nordische Kulturelemente in den Schacht- gräbern von 15 Mykenische Kunst: nordischer Einfluß in der ?

13 ff- Mylasa (?), Löwe auf Mzen von 47 Myron, Diskobol des 61 ff., /oj f.; eine neue

Frauenfigur des (?), M.Stte in Kairo 53 f.

Nachruf auf Eugen Petersen 1

Nackenschild, rankengeschmückt, an Helmen 9

Namenspielerei in Epigrammen 73

Narbe, stachlige, auf der Stirn, bei Löwen auf Mzen 46

Naukydes, S. des Patrokles, Künstler 64

Neandria, Kapitell von 26, 27, 28, 31» (32), 32 f., 39»; Säule von 39»

Nebukadnezar, Ziegelmosaik aus dem Thronsaale des 12 f.

Nemea, Zeustempel 48, 4g

Nereidenmonument von Xanthos 31 f.

Netzmuster, mykenisch 15

Nike, als Akroterfigur 109 f.; Stan im Akropolis- museum s. Museen, Athen; von Delos 102, 103*, 1071; kleine archaische Akroter n von Delphi 102, iio", H2I;große^ von Delphi 99*, 108, 112*; kleine Bronze n von d. Akropolis 105'; Br.Stte im Brit. Mus. Nr. 491: 110; auf Pantherzwei- gespann, auf Bronzeeimer in Berlin 93 f., 96

Nimrud, Widderkapitell von 16

Nisaios, S. des Taureas 65 f.

Nordgriechische Münzen mit Löwen 47

Nordischer Einfluß im Mykenischen ? 13 ff.

Oboda (Abde) 8g, g2

Odeion in Damaskus 96

Ohren, spiralartige 311 (32)

Olbia, Toneimer aus , mit gepreßten Reliefs verziert 87 ; tönernes Miniatureimerchen aus 87 ; Lichthäuschen aus , T. Brit. Mus. 35

Olympia, Geloerschatzhaus 24; Giebeleckstück mit Akroterbasis, T. no1; Heraion 25, 48; losende Helden des Onatas 27*; Megarerschatzhaus 25, 110; Philippeion 3g; Skulpturen des Zeustempels 59, 97 f., 107; Stier der Eretrier 27*; Weihgeschenke des Mikythos 59 m. A. 2, 603; Zanes 66, 68; Zeus- tempel 4g, Zeusthron 52

Olympienfeier des J. 388 v. Chr. 66 f.

Omajadenmoschee in Damaskus 97, öS

Onatas, losende Helden des in Olympia 278

Ornamentik, apulische, auf Eimer aus Wald-

125

Register.

126

algesheim 85; nordische, in den mykenischen Schachtgräbem 15; spätmykenische, angeblicher nordischer Einfluß 13 ff. ; Tier ; in Südrußland 51 f. ; der Helmmodelle aus Kalkstein 8 Ortygia, Apollotempel 48, 4g; Athenatempel 48

Paionios 70, 125

Palaestina tertia 8g

Palladion, als attisches Anathem in Delphi 114;

von Tänzerinnen umgeben 1201 Palme atif assyrischem Zylinder 14; auf einem

Orthostat von Saktsche-Gözü 14; auf dem Sippara-

Relief 14; und Volute 44. Vgl. Dattelpalme. Palmette, im Volutenmotiv 30, n auf Helm-

modtllen aus Kalkstein 8 Palmkapitell s. Kapitell. Panagürischte, Bronzeeimer aus 86 Pankratiasten, icpojluMj der 72 f. m. A. 3, 52 Parthenon, Basis des Eckakroters 110; Kurvatur

am 4g f. Paste, mit Diskobol, in Berlin 62 Pästum, Tempel in 48, 4g Patrokles, V. d. Daidalos von Sikyon, Künstler 65 Pausanias, König von Sparta 1153 Pausanias V n, 3: 52 f-, V 21, 2 f.: 66; V 26, 4 f.:

59 f.; VI, 2, 6: 67; VI, 3, 4: 653 (emend.), 66*;

VI 6, 1: 67 Pergamon, Großer Altar 26; Telephosfries 40;

Antenkapitell vom Propylon zum Temenos der

Athena Polias 421; Palmkapitell der Stoa 34' Peripteros auf Krepis, in römischer Kunst 38 Peristase des dorischen Tempels 50 Perseuseimer, bronzener, in Berlin 84, 89 f., 93 Persien: neupersische» Bauernhaus 234, 34; per- sischer Import in Skythien 43; persische Säulen 391 Petasos, mit Wangenklappen 6 f. Petersen, Eugen, Nachruf auf 1 7i^xpo? und Jt£rp7j, Gebrauch von 75 Pfahl, hölzerner (Aschera) 44 Pfannen aus Priene, unteritalisch beeinflußt 89 Pfeiler, etruskischer 221; mit Hathorkapitell 221;

von Karnak 21 ; Wand von Tamassos 21 f., 36, 46 Pferde als Akrotere, Vsb. 109 Pferdegeschirrschmuck, aus Südrußland 43;

Silberdepot von in der vorgesch. Abt. des

Völkerkundemuseums in Berlin 45 Pflarrzensäule s. Säule. Phaidimosbasis 2-j

Pharos des Sostratos, bei Alexandria 3$ Pherae-Anatheme in Delphi 117* Phigalia, Apollotempel 4g; Helmformen auf dem

fries 7

Philippeion in Olympia 3g

Philostrat, Imag. I 24: 80 f.

Phönikien: Grabtürme 31; Volutenstelen 18 ff.; Löwe auf Mzen von 47; Faltenschemata in der phönikischen Kunst ig

Phrygien: Felsgrab bei Bakschisch 39'; Spiral- kapitelle an phrygischen Felsendenkmälern 391

Phrygische Mütze, Helme in Form einer 7'

Pinax, sf. von der Akropolis 110

Pilos, mit Wangenklappen 6 f.

Plinius 34, 3, 11: 89

Plutarch, Ages. 19: 116; de tranquill. animi4Ö7F: 114

Podium, in der griechischen Tempelarchitektur 25; altitalisches Tempel 36 f.

Pollio, Asinius 125, 126

Poloces (Pollux), auf pränestinischem Spiegel 581

Polygnot, und die ficoronische Ciste 93

Polykletisches Schreitmotiv 6o3

Polymedesstatuen in Delphi 56*

Polyphem, sitzender, mit Lyra, Rel. in Villa Albani

57' Pompeius, Grab des 88

Pompeji, ionische Kapitelle der Tuffperiode 421 Pontische Skythen 44 Porosfunde von der Akropolis 30 Porträtkopf, claudischer, Schloß Erbach 521 Postament, würfelförmiges, auf Krepis 2g f. Potnia Theron, Bleirel. aus Sparta 18 Praxiteles, Karyatiden des 125, 126; und die

Tänzerinnensäule in Delphi 127 Priene, Athenatempel 3g; Pytheosante 31' (32);

Pfannen aus , unteritalisch beeinflußt 89 Proiectaschrein, London g$ Propyläen der Akropolis von Athen, ionisches

Kapitell 37, Prusias ad Hypium (Bithynien), Bronzeeimer

aus 85 Psammetich, Inschrift eines auf der Fayence- nachbildung eines Helmes 9 Pseira, Vase aus 29»

Ptoion, archaische Stten vom (Br. u. M.) 98 Ptolemäer, makedonische Leibwache der 11 f. Ptolemaios V. 87 Pythagoras, Dreiecks- und Quadratzahlen des

30; von Rhegion 58 Pyxis von Bobbio gs

Quintilian, über Myrons Diskobol 82, 83

Rammsporn, Entstehung des s 40 Rankenornamentik des Silberkelches von An-

6*

127

Register.

128

tiochia g$; —schmuck an Nackenschilden von Helmen 9

Raphia 87

Ras el ain, verschleiertes Bild der Istar-Asera aus 44

Rautenband 14

Relief aus Aptera (Kreta) 96; assyrisches (Raw- linson, Five Great Monarchies 389 Fig. III) 16; von Chorsabad, mit Säulendarstellung 15 f.; von Kujundjik, mit volutenbekrönten Pilastern 16; Kalkstein aus Tarent, in München (Ant. Dkm. III 35) 92! mlt Läufer, Athen, National- museum 254; »Mantheos«-Rel. in Wilton House 76ff.; hethitisches » Säulen« -Rel. (Hieroglyphe) 17 f.; Sippara-Rel. 14; zwei auf Felsblöcken sitzende Männer, zwischen ihnen Maske; Villa Albani 75'; Akanthossäulen auf Reis 1203; archai- sierende Reis 79; Brunnenreis 101; Benutzung statuarischer Werke in Reis 1191

Rhinokorura (El Arisch) 87

Rhyton, silbernes, aus Tarent, in Triest 90 f.

Riha, Silberfund von gs

Rom, Moles Hadriani 38; Santa Prassede: antike Akanthossäulen 1203; Tempel des »Fortuna virilis« 42*, 37; Tempel der Juno Sospita am Forum Holitorium 36, 3g

Roman i (Sinai-Halbinsel) 88

Rosetten, vergoldete, an Sarkophag von Taman 41

Rostgaard, Fr., Papierabdrücke griech. und lat. Inschriften, Kopenhagen, Univ.-Bibliothek 77

Ruhebe (Rehobot), frühchristliche Stadtanlagepa/.

Rundbau, zweistöckiger, in Ephesos 36; in Termessos 35 f.

St. Remy, Julierdenkmal 37

Saktsche-Gözü, Orthostat von , mit Palme 14

Samarra, Spuren von Tierornamentik 52

Samos, Bekrönung aus 31* (32); Löwenskalp auf Mzen von 47

Samsi Adad, achteckige Basaltstele in Assurfür 42 f.

Sarkophag, M., von der Halbinsel Taman 41; römischer, im Louvre (Phot. Alinari 22705) 6; Knabe als Diskoswerfer auf im Louvre 62 f., t>4< <>5, 76*, 78 Anm.; e von Sidon 41

Sattelholz des ionischen Kapitells 34 f.

Säule: ägyptische Pflanzen n 7 f., 24; ägyptische Lilien in Turin 10; Akanthos n 113, 1203; äolische von Neandria 39*; in Assyrien 15, nbekrönung, assyrische, mit Blattüberfall 33; , fehlt in Babylonien 13; hethitisches »Säulena- Relief (Hieroglyphe) 17 f.; ionische r ff.,

Entstehung 35 ff., immanente Gebundenheit der 41 f.; ionische n des Athena Niketempel auf der Akropolis 40; kretisch-mykenische n 243; n an der kyprischen Tonkapelle von Idalion ai«; persische n 39'; phönikische Halb n in Masch- naka 23, 39; Naxier in Delphi 6 f., 26, 311 (32), 32> 34> 35. 37! Tänzerinnen ebendort 113 ff.; gekuppelte n als Anathem reicher Aetoler, ebendort 114«; Igeler 38 f.; »gesattelte« n im Holzbau 234; n auf Stufenbau 29; ntrom- meln, mit Weinblattlaub überzogen, *Mus. von Konstantinopel g$

Saxanus, Beiname des Hercules gg

Sbeita, frühchristliche Stadtanlage g2 f.

Schaber von Ephesos, Br.Sta. 69

Schachtgräber, nordische Kulturelemente in den n von Mykenae 15

Schale, phönikische ig

Schatzhaus der Athener in Delphi 25; der Gclocr in Olympia 24; der Megarer in Olympia 25

Schelläle, frühchristliche Kirche bei g2

Schiffsauge 40 f.

Schild von Tanagra, in Olympia 116; des Theo- dosius gs, g6

Schmuckketten aus aneinandergereihten Blüten, minoisch 14

Schöpfeimer 87; auf dem Rel. von Gjölbaschi- Trysa 87

Schrein der Projecta, London gs; silberner, von San Nazaro, Mailand gs

Schreitmotiv, polykletisches 6o3

Schuppenmuster, mykenisch 15

Scylla, Rel. an tarentiner Spiegelgriff 96

Segesta, Tempel 4g 9

Selinunt, Tempel C, D, E, F, G 48, 4g; Demeter- heiligtum bei 24; Kunst von 53 ff. ; G. A. Kestner über die Funde von 541; Köpfe der Metopen vom Tempel C 56, der Metopen des Heraion 53 f.; archaisches weibliches Köpfchen aus , in Berlin 54, 55

Sendschirli 44; Basis von 38; Rel., Frau im Mantel, mit Spiegel ig

Sessel, volutenförmige Endigungen an n 301

Sidon, Frauensarkophage von 41; Löwe auf Mzen von 46

Siegerepigramme mit der Künstlerinschrift des Daidalos 65 ff.

Sigillata- Fabriken in Kleinasien 89

Sikyon, Schreckensherrschaft des Euphron in 68

Silberarbetten, spätantike syrische g4ff-; rhyton aus Tarent, in Triest 90 f. r

Silen, flötender, auf Thymele sitzend, Vsb. 28

129

Register.

I30

»Silphionsäule« , angebliche 123, 125

Sinai-Halbinsel, nördliche 85 ff.

Siphnierfries in Delphi 103»

Sippara, Rel. aus 14

Sirbonischer See 87 f.

Sitzfiguren auf Felsblöcken 75 m. A. 6

Sizilisch-unteritalische archaische Kunst 58

Skythen, Darstellungen von 42; skythisches Kunst- gewerbe, Beziehung zu Alt-Europa und zum alten Orient 42 ff. ; skythische Tierornamentik 51 f.

Slavochori, frühionische Pfeilerkapitelle aus 241

Soleb, Palmkapitell aus 34*

Solon, Herme des , Graffito auf einem delischen Hermenschaft 74

Sonnensymbol, sternartiges 40

Sparta, Bleifigürchen vom Menelaion (BSA. XV 128) 17

Sphinx, Rel. an tarentiner Spiegelgriff 96

Spiegel des IV. Jh., mit ä jour gearbeitetem Rel. zwischen Griff und Scheibe 94 ff. ; pränestinischer - mit Poloces und Amuces 581; griffe, taren- tinische 96; kapsei, gravierte, aus Kreta 87 f.

Spirale, Entstehung 31* (32); n auf Funden der Bronzezeit 47 ; vierseitige, an persischen Kapitellen 391; Spiralklammern (Volutenspangen) in assyr. Kleinkunst 16 f., 391; Spiralblütenband, früh- mykenisches 14 f.

Stadtanlage von Damaskus 97 f.; frühchristliche n im Sinaigebiet g2 f.

Standarte von Assur 13 f.

Stara-Zagora, Bronzeeimer aus 86*

Statius, Thebais VI 668 ff.: 81 f.

Statuenbasen, Stufen an 26 f.

Steinbockhörner, Volutenendigung auf assyr. Rel. als verstümmelte gedeutet 16

Steinbrüche, Herkules als Gottheit der in Germanien gg, 100

Stele: Weihe des Alkimachos 26, 28; aus Athienu 19, 20, 36, 44; des Gudea 15*; n der Proxeniedekrete in Delphi, mit Städte-Emblemen 1142; für Weihgeschenke, aus dem Perserschutt der Akropolis 35 f.; mit Volutenbekrönung, in Babylonien(?) 13; kyprische 19 (Fragment), 24, 36, 45 f.; nbekrönung aus der Erythraia 25. Vgl. Basaltstele, Kapitell.

Stern an Dipylonschiffen 40

Stier von Korkyra in Delphi 27$; der Eretrier in Olympia 27*

Stirnschmuck eines Helmes, aus Ägypten, Berlin 12'

Straßen durch die Sinai-Halbinsel nach Ägypten 68ff. ; System, antikes, von Damaskus 96 /.

Stuckungstechnik am Gigantengiebel des Heka- tompedon und der Nike Akrop. Mus. Nr. 694: 108 f. Stüma, Silberfunde von in Konstantinopel 94 /• Stützen an etruskischer Hausurne 361 Stützfiguren, weibliche: der Name »Karyatide«

für 127 f. Südrußland, Tierornamentik in 51 f.; unter- italischer Einfluß in 89 Südzeichen, sog. ägyptisches u2 Sunion, Tempel 48 Susa, Spuren von Tierornamentik 52 Syrakus, Altar Hierons II. 35; Olympieion 48; Mzen von mit Löwe als Nebenzeichen 47

Taman, Tumulus auf der Halbinsel 41

Tamassos, Wandpfeiler von. 21 f., 36, 46

Tänzerinnen-Säule in Delphi 113 ff.: als Weih- geschenk des Agis 114 ff.; Material 116; Auf- stellungsort 117; Künstler und Stil 118 ff.; zur Rekonstruktion 120 £f.; Basis 123 f.; Höhe 124; Bemalung 125

Tarent, Kalksteinrel. aus in München (Ant. Dkm. III 35) 92; Tarentiner Bronzegefäße 83 ff.

Taureas 65 f.

t^jjvo und itkdvjz aü)[JiaTO{, in einem Sieger- epigramm 66; t^yvT), im Gegensatz m «pioi; 69

Teichbehälter in Sbeita 93

Teisikrates von Sikyon, Künst'er 72 K

Telephosfries, Schiffsauge 40

Tell-Halaf 44

Tempel, dorischer Peripteral 47ff.\ Entwicklung der Krepis an n 24 ff. ; Akroter des »peisistrati- schen« Athena s auf der Akropolis 97 ff.; der Athena in Priene 39; der »Fortuna virilis« in Rom 37, 42*; der Juno Sospita am Forum Holitorium 36, 3g ; bezirk des Baal in Damaskus 97

Terebinthe 46 f.

Termessos, Rundbau in 35 f.

Terrakotta: Archaische funde aus Veji, Licht- bilder 104 f. ; kyprische Stte, Frau mit Kind 18; Kopf aus Medma-Rosarno, in Reggio 58; Rel. Luynes 103'; Altärchen aus den westgriechischen Kolonien 102 ff. ; Eimer, unteritalische 86 f. ; Giebeleckstück mit Akroterbasis, Olympia no'

Textilkunst, spätmykenische 15

Tharykidas von Phigalia, Sieger in Olympia 67a,68

Theater in Damaskus 96; Lichtbilder zum antiken wesen 104

TheodoSius, Schild des gs, 96

Theogenes von Thasos 64

Theokosmos, megarischer Künstler 62, 63

Theokrit 22, 37 f.: 61; 22, 46 t.: 60

'3i

Register.

132

Triolos von Epidauros 39

Thrakien, Bronzeeimer aus 86, 88

Thron des Zeus, in Olympia 52 f.; volutenförmige Endigungen an en 301; ägyptische Wappen- pllanze als Verzierung II*

Thugga, Grabmal 33 f.

Thymele für musikalische Aufführungen 28

Thymiaterion 791, 81

Tierköpfe als Brunnenmündung 100; leiber an persischen Kapitellen 391; Ornamentik in Süd- rußland 51 f., germanische, der Völkerwanderungs- zeit 51; Vorbilder, Zurückführung der ionischen Kapitellvoluten auf 2

timora (hebr.) = Säulenpalme 47

Tiryns, Heraion 24

Töpferagone 69

Torbauten in Damaskus g6, 97

Torso von Belvedere 57 ff.

Trajan, und die Sinai-Halbinsel 8g

Trapeza, Kapitell von 18, 20, 21, 22

TpaTteC« 30

»Triglyphenornament« , mykenisches 15

Troja, Spuren von Tierornamentik 52

Tropaeum Alpium 37 f.; von Leuktra 32

Tschertomlyk bei Nikopol 43

Tumulus auf der Halbinsel Taman 41

Turm der Winde in Athen 26; eines römischen Kastells in Damaskus gy, Ecktürme am Tempel- bezirk des Baal, ebendort 97; Kastell im Magara- gebirge 88

Umm Djerär, altchristliche Kirche bei g2 Unteritalische Kunst, ostgriechischer Einfluß

auf die 88; r Einfluß im Osten 89 U ri n d e r , Übergang der von Europa nach Asien 52

Valerius Flaccus IV 177 f.: 61

Vasen: apulische, Gnathia- und Hadra , mit Helmmodellen aus Kalkstein verglichen 8; klazo- menische Scherbe 1031; melische 29*, ig; panathenäische Amphoren 71 f.; rhodische 29*; spätmykenische Keramik 13, 15; attische in Neapel (Millingen Taf. 57) 94; Francois 1031; kretische (Evans, Tomb of the Double Axes Fig. 64) 14; Palaststilamphora mit »Triglyphen- ornament« 15; unteritalische aus Altamura (Reinach, Rep. I 167) 1203; Pelike (AZ. 1846 Taf. 46) 89; Kanne Vagliasindi 89, 90; Xeno- phantos aus Kertsch 11 64, 1203; weißgrundige Lekythos in Athen (Benndorf, Griech. und sizil. Vasenb. Taf. 19, 4) 27. Darstellungen: Akanthos- säulen auf Vsbn 1203; Lekythen, mit Basen auf

Krepis 30; Cumaner Preisamphora, mit Diskobol 6g, 711; italische Scherbe, mit Diskobol 6gl; Fragment mit Gigantenschlacht, Neapel (Mon. Inst. IX 6) 94; Lekythos in Berlin (Benndorf, Griech. und sizil. Vsb. Taf. 19, 5), mit Grabrelief- darstellung 293; rf. Kanne in Kopenhagen mit betendem Jüngling am Altar 68' ; strengrf. Voluten- krater in Bologna mit Kassandra am Athena- xoanon 27; campanische Hydria in London (F 209) mit Kassandra 27 f. ; unterital. Volutenkrater in Ruvo mit Leukippidenraub 28; Caeretaner Hydria mit Nike 1024; in Leiden, mit Pferden als Eckakroterien 109; Neapler Satyrspiel 29; »Scheinärmel« auf des 6. Jh. 99 m. A. ij unteritalische des IV. Jh. mit Darstellung von Stufenbasen 27; attische rf. Hydria in London (F 93), mit Stufenbau an einem Grabe 2g; Voluten- motive auf 29, 48; ionische in München (1356) mit horizontal verbundenen Voluten 48. Vgl. die einzelnen Vasenmalcr. Vasenmalerei, und Tonaltärchen aus den west-

griecbischen Kolonien 103 Veji, Lichtbilder nach den archaischen Terrakotta- funden von 104 f. Vettersfelde, Goldfund von 43 Vitruv, über die Entstehung der ionischen Säule 1 Volute, aufsteigende, an Helmmodellen 7, 13; horizontal-verbundene, als latentes Muster 47 f. ; Herleitung der verbundenen aus den Profilen zweier gegeneinandergestellter Blattüberfälle 31* (32); Erklärungen der n am ionischen Kapitell 2 ff. ; nendigung der Sima, als Stütze für Eck- akroterien 109, m1; am Türbalken, auf assyr. Rel. 16; ngebilde, äolisches, nicht aus orien- talischen Liliensäulenkapitellen abzuleiten 28; nglied als Schriftzeichen, auf hethitischem Rel. 17; nkapitelle (Weihgeschenkträger) aus Sparta 361; vgl. Kapitell; nkelch, Herkunft 291, am aolischen Kapitell 29; nmotiv, an Kapitellen 29 ff.; bei den Porosfunden auf der Akropolis 30; und Urbild des heiligen Baumes 44 ff.; e auf Vasen (mykenische und Gattungen des 8. u. 7. Jh.) 29; nspangen (Spiralklammern) in assyr. Klein- kunst 16 f.; nstelen, kyprische und phönikische 18 ff. ; nstützen in der babylonischen Kunst 12 ff. Votivsäule, ionische 36 f.; aus Aegina 37' Votivstelen, kyprische 19, als Ascheren gedeutet 20

Wädi el abiad gif.

Waffen südrussischen Kundorts 43 1 Wagenlenker von Delphi 50, 58 ,

I Waldalgesheini, Bronzeeimer aus 85

'33

Register.

134

Wandbild, pompeianiscb.es : Diskoswerfer 8al

Wandmalerei, spätmykenische 15; mykenische, - mit »Triglyphenornament« 15

Wangenklappe eines Helms, Modell aus Kalk- stein, in Hildesheim 5, 6 ; n an Pilos und Petasos 6 f.

Wappenpflanze, ägyptische, als Thronverzierung n'

Weihgeschenkträger aus Sparta (Voluten- kapitelle) 36'

Weihrauchständer aus Palästina, mit Blatt- kränzen 33

Weinbau in Gaza gi

Weinschöpfkellen, bronzene 85

Wettläuferin, sog., im Vatikan jg*

Widderkapitell s. Kapitell.

Winckelmann, über die Voluten des ionischen Kapitells 2!

Wüstenstädte im Sinaigebiet g3

Xanthos, Grabturm auf Dreistufenkrepis 30; Harpyienmonument 30; Ncreidenmonument 31 f. Xenoklesbasis 37

Xenophantosvase aus Kertsch n64, 1203 Xenophon, Hell. III 3, 1: 114; IV 3, 21: 116

Zanes, Stan der in Olympia 66, 68

Zelte, auf assyrischen Reis 14

Zeus von Megara, Sta. von Theokosmos 63;

Xenios, Weihinschriften an 79 m. A. 2 ; heiligtum

von Kasion öros bei Pelusium 8y Ziegelmosaik im Thronsaale Nebukadnezars

12 f. Zielsäule beim Wagenrennen, auf Stufenbau

Zierform, Versachlichung der am ionischen

Kapitell 31 Zwickelpalmette an Kapitellen 45; auf melischen

Vn 454

IL INSCHRIFTENREGISTER.

Die Spaltenzahlen des Archäologfischen Anzeigers sind kursiv gedruckt.

Inschriften der Lysanderhalle in Delphi 1 1 5 m. A. 2 ; delphischer Siegeskatalog 623; Künstlerinschrift aus Nisaia 62, en des Daidalos von Sikyon- Phleius 65 ff.; des Teisikrates 72; griechische Inschriften aus der Palaestina tertia 94; unechte Inschrift des »Mantheos«-Rels in Wilton House76; auf den germanischen Hercules bezügliche In- schriften ggf.; Schreibung ei für 1 79, für i 80

Griechische Inschriften aus: Akraiphia 73, Attika 69, Chios 81, Delos 74, Delphi 65, Ephesos 70,

Nisaia 62, Olympia 60 f., 64, 67 f., 79, Oreos auf Euboia 73, Paros 75, Platamöna (Makedonien) 74, Rom 77, 79, Theben 72

Dittenberger, Sylloge 3 Nr. 82: 623. IG IV 45°: 73; V 1, 1584: 76; VII 2470: 72 f-; IX 2. 249: 68'; XII 5, 445: 75; XII 9, »95: 73; XIV 990: 79; 1642: 77*; 2002: 77*. Inschr. v. Olympia Nr. 151, 152, 153, 159: 64; 161: 67 f.; 241: 79; 267 269: 60 f.

Griechische Inschriften.

iyciXjiOTa [60], [61]

äfiir/ 69

ct£irXa 74

'A8rjvctto? 70

AT»o5 76, 78

fafrij : v£<5ttjto« ev äxf/.rj' 73

'AxTaiT)« [65]

aXtxferv 72

['A]Xxii)v8a« (? oder [Ni]x«)v8a?) 6ex48e[o«] 62, 63

äpupao&v 'EXXävtuv 74

' A fif ta[8svn)s ? -Tpntot ? -uitco;?] 70

dtvijpnVo? 73 av»o« 81

irzhtyyoi 69

(ÜTtepSetjxev [61]

n<5jtX(to?) ' AcxX7)7rto(8r)s KopMhot 79

a&SrjftsVua 73

Baxyios 69, 70

ßoaSpopis'tuv 73

[r]TJy xai 58(up xat rcüp si? Taüxö T^vijt auvayoVriov 69

(TXa]6xwv Taup^a ui[ds] 65

AatöaXo«: uto« liotTpoxX^o; A. IpfctsaTO 69, [A. £ji]ari)<J£

ilaTpoxX£[os *I>Xetd]ato« 68 Aa|A0tpETOu [67], [68] SarotvsSHvTiov [60] Sexätev [61J

135

Register.

136

[A]tovj3u>t 62

[xü5o]s 65

Afpxat 74

Xaj-/_ovui: IXayov 70

5(ü(J.a 73

Xafißävu): sXaßE axifävoo; 69

ei(il: emav (loOsav?) 81

XsxxäW ot' ^ifts'tov 73, vgl. 74

Eisrätfrij 81

Met'vftcoc Aiito'j 76, 78

ex-jövoic, 70

(j.E'Xa; 70

' EXXäviuv 74

MENANA ... 74

'EXXa'« 69

fiesaxav äXtxiav 72, vgl. 74

ivavrfot 73

[MEoas'Jviot [60], [61]

^äysye 81

M(x<j8o; ho Xofpo [60], [61]

E-ayyE'XXovTai 70

;j.((xvei 81

etoivo« 73

MlTuX^VYj 8l

stodxXe'iciev 73

Mousiüv irspäntov 75

imTEXoOvra? 70

[Napu]xföa; s. 6apoxßa{

Ipyäaaxo 69, äpyäsEsirai 70

NEpiEat [68]

laopäs 81

VE'ot 74

EüäyxptTO? 72, 73

N^(tu)v 73

EüfviuTO« 73

Ne"(ji£io{ 73

Euvtxo;, V. d. KaW.txX^« 62

vEorrjaiov ävSoc 81

eü^aptfiTEl 76

vEdxTjxo; h axjxrj 73

ei^apwt^piov 79

vtxaui, vixtj: vEtxäv 78, sVxa IIu9[ta iruyjpi^v 65,

Eu^opiai : ei^ifiEv 61 , E'j;aTO 78

vi'xa [68], 73, M v(xei 76

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v«5[io;: v(5(i(j) 78, h ttüt vdpum 70. vdjxtov TOXpi'tov 73

EfOpOC TÜ>1 £e£v(UV IcpopuH 791

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Zsü? : AieI 'OXup.itf(i) 79, Aie'i £ev«oi 79, A(- 78, 76

vöaov tpihva'Sa [60], vdso cpStvaoo; [61]

% 73

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'OX(upL7T,ta'8t) 3VE' 79

ftco;: rj ftso't 70, Hsa?« 60, 61, !W; [60],

[6.]

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ni^fia^oi 72

h 'I9pioi (nicht 'I(a)»jAOt) 67, 68

itapajjiivovxas 70

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TOxpföo« 65, [jcjaxpiöa 67, 68

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llaxpoxXe'o? 69, IlaxpoxXrjot 64

[' Itbjvtuv 65

ÜEisiß (Münze) 76

KaXXixXrjfs E]6v6cou änoVjfjE 62

7teVra»Xo; 79, OTvra'ftXoj 76, -E'vxaSM.ov 78

xaxayXaisaj 75

ittp(cppu>v 81

xE'pa.uo? 6 pie'Xa« 70

**tp'j 75

ix K£pa(iE(uv 69

nXäxtov 70

XE-jaX/j 81

itXEtsxa 60, 61

Kfxxoj 70, K(xxoj äjtofeasv (panath. Amphora) 71

IIXoUTE'Jt 8l

KopMho; 79

TO^t« 69, jio'Xei 70

xospmi'njTi TprfjTtov 73

TtoXfta« 70

xoüpE 75

TtoXuj)pä-(i) 81

xpaxe'ovxa 72

no"7rX(to«) 'AaxXrjTrtäS»)« Kopfoiho; 79 *

xptfvto : fxpivsv 69

zpoßoXä; 72

137

.llpo38ivT(c, V. d. SiocS^vriS 75 ^poiftrjxev 69 itpütta cp^pov-a 69

OtM^ 65

llüiha 65, 67, [68] sv [lu»ot [67] '■cüp 69

'Pe-jivo; [60] , [61] [2aXa|A<vi?t>]i 70 Xftrwuv 73 20AQN 74

OTE^i'ivo'j; 69

J'jvoyovxujv 69

3(!>C<u: E>j!te [60], (JoKeVto« [61]

iiuaitivTj; IlpösiHvou 75

Tavj7:E7:Xov 81

taaau): TETayp^vfov] 70

Tctoofc«, V. d. I QiJ'ixtuv 65

Register.

138

h Tziiti 60, 61 TcXecsi^^os 75 tiyyH 69 Tp^tp«): tJpE'diE 81

TpfaS 7 a

üopia 70 58tup 69 xair' üirvov 79 Qt7[a]Ae\>{ 67, 68

ffltXrjV XE!pCtX^V 81 [4».ElC(]3lO{ 68

«poX^v 70

'J'i^El 69

yctp'ijlu): fyäpacsv 75 ystpac dvr,p(9[iOu? 73 ytXw3TÜ[v] 70 Xotpoc [60], [61] ypifWftOM 60, 61

Archäologischer Anzeiger 1920.

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PC 5005 .A 65 J 2

Archäologisches Institut des ■Deutschen reichs jfehrbuch Bd. 35 1920

dup cd. 1/4/62

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